Beruflich Dokumente
Kultur Dokumente
Im Auftrag der
Akademie der Wissenschaften und der Literatur . Mainz
und des Deutschen Vereins für Kunstwissenschaft . Berlin
herausgegeben von
HARTMUT SCHOLZ
BERLIN 20 08
DANIEL PAR ELLO
DIE MITTELALTERLICHEN
GLASMALEREIEN IN
BERLIN 20 08
Gefördert durch
das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), Berlin,
das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg, Stuttgart,
Redaktion, graphische Gestaltung, Bildbearbeitung und Satz: Corpus Vitrearum Deutschland, Freiburg i. Br.
Forschungszentrum für mittelalterliche Glasmalerei
Lugostr.13, D-79100 Freiburg i. Br. – Internet: www.cvma-freiburg.de
,
Druck: Dr. Cantz sche Druckerei . Ostfi ldern-Ruit
Seit dem Erscheinen des ersten Teilbandes des deutschen Corpus Vitrearum Medii Aevi zu den in Hessen und Rhein-
hessen bewahrten mittelalterlichen Glasmalereien von Daniel Hess sind mehrere Jahre ins Land gegangen. In dieser
Zeit hat der Verfasser des vorliegenden Landschaftsbandes mehr als 800 Scheiben und Maßwerkverglasungen an insge-
samt 36 Standorten in Marburg und Nordhessen nach den Editionsvorgaben des internationalen CVMA erschlossen,
die hiermit weiterer Forschung zugänglich gemacht werden sollen. Dass dabei nicht ganz von vorn begonnen werden
musste, ist vor allem Rüdiger Becksmann und Daniel Hess zu verdanken, die mir ihre Aufzeichnungen selbstlos zur
Verfügung gestellt haben.
Für eine kritische Beurteilung der Denkmäler sollte die eigene Autopsie stets Grundvoraussetzung sein. War eine
solche nicht möglich, so halfen zuverlässige Informationen und Restaurierungsunterlagen der Glasmalereiwerkstätten
weiter, wofür Stefan Oidtmann, Linnich, Valentin Saile, Stuttgart, Hans Gottfried von Stockhausen, Remshalden-
Buoch, Wilhelm Peters, Paderborn, und Jakobus Klonk, Wetter-Oberrosphe, vielmals gedankt sei. Besonders her-
vorzuheben ist in diesem Zusammenhang die langjährige und fruchtbare Zusammenarbeit mit dem Landesamt für
Denkmalpflege Hessen in Wiesbaden und dessen Leiterin der Restaurierungswerkstätten, Dr. Christine Kenner. Das
mit der Restaurierung der Hainaer Ornamentverglasung betraute Team unter Federführung von Ulrich Haroska hieß
mich im Biebricher Schloss stets willkommen. Dabei machten mich Ulrike Kunert, Felix Hulbert und Ronja Lammers
auch mit den spezifischen Problemen der Restaurierungspraxis vertraut. Frau Dr. Friedl Brunckhorst von der Verwal-
tung der Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen, Bad Homburg, ermöglichte mir die Bestandsaufnahme der ausgela-
gerten Fenster der Löwenburgkapelle auf Schloss Wilhelmshöhe. Meist waren die Untersuchungsbedingungen jedoch
weitaus weniger günstig. Für die Erfassung der in situ befindlichen Glasmalereien wurden mitunter hohe Gerüste
benötigt, welche die Möglichkeiten der institutseigenen Ausrüstung überstiegen. Im Falle von Marburg und Limburg
halfen hier Udo Baumann vom Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Außenstelle Marburg, und Thorsten Mais,
Diözesanbauamt Limburg, ganz unbürokratisch weiter. Der schweißtreibenden Arbeit auf den Gerüsten unterzogen
sich Fotografen mit schwerem und unhandlichem Gerät; dies waren in chronologischer Reihe Andrea Gössel, Jörn Klaes,
Jean Jeras, Rüdiger Tonojan und Ulrich Engert. Sie alle trugen zum attraktiven Erscheinungsbild dieser Publikation
ebenso bei wie die Mitarbeiter des digital recherchierbaren Bildarchivs Foto Marburg unter ihrem Leiter Dr. Christian
Bracht, die zahlreiche historische Aufnahmen und Vergleichsabbildungen zur Verfügung stellten.
Den Kirchengemeinden, ihren Pfarrern und Küstern muss an dieser Stelle für ihre Offenheit und ihr Verständnis
aufrichtig gedankt werden, denn Untersuchungen dieser Art gehen nicht immer ohne Behinderung des regulären
Betriebs vonstatten. Sie alle begegneten dem Projekt jedoch nicht nur mit Wohlwollen, sondern begleiteten die Maß-
nahmen auch mit wachem Interesse. Stellvertretend hierfür seien genannt Dr. Ralf Hartmann, Marburg, Pfarrer Bern-
hard Dietrich, Marburg, Karl Kann, Netze, und Dr. Markus Zink, Winnen. Daneben bereicherten auch Dr. Peter
Witzel, Korbach, und Wilhelm Helbig, Haina, die Arbeit mit ihren historischen Kenntnissen und praktischen Hin-
weisen. Für freundliche Aufnahme und Verköstigung sei auch den privaten Besitzern mittelalterlicher Glasmalereien,
Friedrich von Petersdorff, Fronhausen, sowie Ulrich und Katharina von Urff, Bad Zwesten, gedankt.
Nicht wenige Museen in Nordhessen warten mit beachtenswerten Glasmalereibeständen auf. In Absprache mit den
Kustoden und, wo möglich, unter Hinzuziehung der Restauratoren gelang es, die notwendigen Bestandsaufnahmen
meist zügig und ohne Störung des Publikumsverkehrs durchzuführen. Hierfür sei Dr. Jürgen Wittstock am Marbur-
ger Universitätsmuseum, Ekkehard Schmidberger und Dr. Antje Scherer von der Museumslandschaft Hessen Kassel
sowie Dr. Gabriel Hefele am Limburger Diözesanmuseum Dank gesagt. Eine besondere Erwähnung verdient die en-
gagierte Mitwirkung von Herrn Friedrich-Karl Baas, Immenhausen. Die technischen Schwierigkeiten, die sich einer
Untersuchung der Objekte im Glasmuseum und in der Stadtkirche entgegenstellten, hat er mit Geschick gelöst.
Der langjährige Historiker der Freiburger Arbeitsstelle, Fritz Herz, begleitete den Verfasser auf einen einwöchigen
Archivaufenthalt an das Hessische Staatsarchiv in Marburg. Mit seinem Ausscheiden im Jahr 2001 ging auch die Er-
vorwort 7
schließung der historischen Quellen vollständig in das Aufgabengebiet des Autors über. Für die gewährte Unterstüt-
zung bei den zeitaufwendigen Recherchen sei Martina Wagner vom Limburger Diözesanarchiv und dem Leiter des
Hessischen Staatsarchivs Marburg, Dr. Andreas Hedwig, herzlich gedankt. Mit dem freundlichen Einvernehmen von
Johannes Graf von Oppersdorff, Braunfels, half mir überdies Alfred Friedrich, Archivar an der Fürstlichen Rentkam-
mer, bei der nicht ganz ungefährlichen Fahndung nach weiteren Glasmalereien in Schloss und Stadt.
Fachlichen Rat erteilten Dr. Jürgen Michler, Altheim (Linzgau), Dr. Ulf-Dietrich Korn, Münster, Dr. Zsuszanna van
Ruyven-Zeman, Maastricht, Dr. Stephan Kemperdick, Gemäldegalerie der Staatlichen Museen zu Berlin, Prof. Dr.
Sebastian Scholz, Universität Zürich, Dr. Daniel Hess, Germanisches Nationalmuseum Nürnberg. Bei technischen
Fragen half auch Dr. Ivo Rauch, Koblenz, jederzeit gerne weiter. Dr. Andrea Pufke vom Bayerischen Landesamt für
Denkmalpflege, Außenstelle Bamberg, überließ mir freundlicherweise ihre Untersuchungsergebnisse zur Bau- und
Ausstattungsgeschichte der Hainaer Klosterkirche.
Ohne langfristige finanzielle Sicherung wäre ein Projekt von der Größe des Corpus Vitrearum weder dauerhaft noch mit
dem erforderlichen hohen wissenschaftlichen Anspruch durchzuführen. Hierfür gebührt in erster Linie den Steuerzah-
lern sowie Bund und Ländern, welche die Finanzmittel verwalten, mein aufrichtiger Dank. Seit mehr als drei Jahrzehn-
ten steht die Freiburger Arbeitsstelle unter der administrativen Obhut der Mainzer Akademie der Wissenschaften und
der Literatur, die das Corpus Vitrearum Deutschland für die westlichen Bundesländer betreut und stets nach Kräften
gefördert hat. Gedankt sei dafür ihrer Präsidentin, Prof. Dr. Elke Lütjen-Drecoll, und ihrem Generalsekretär, Prof. Dr.
Claudius Geisler. Der Vorsitzende der Kommission für Kunstgeschichte und Christliche Archäologie an der Mainzer
Akademie, Prof. Dr. Reiner Haussherr, Berlin, den ich auch als anregenden Diskussionspartner erleben durfte, sowie
Prof. Dr. Rainer Kahsnitz, Berlin, Vorsitzender des Deutschen Vereins für Kunstwissenschaft, haben die Entstehung des
Bandes jederzeit wohlwollend und mit großem Interesse begleitet, wofür Ihnen ein besonderer Dank gebührt.
Im Grunde müssten auf dem Buchrücken die Namen sämtlicher Mitarbeiter der Freiburger Arbeitsstelle stehen, denn
ohne ihre vielfältigen Beiträge wäre das vorliegende Werk mit Sicherheit bescheidener ausgefallen. Die Konzentration
von Wissenschaftlern unter einem gemeinsamen Dach befördert eine Diskussionsbereitschaft, die den Autor auch vor
manchen – möglicherweise nicht vor allen – Irrtümern bewahrt hat. Dafür gebührt in erster Linie meinem Kollegen
Uwe Gast mein aufrichtigster Dank. Die Stunden sind ungezählt, die er der mühsamen Korrektur des Textes opferte
und die ihn davon abhielten, seinen eigenen Verpflichtungen nachzukommen. Dass die Lektüre an Lesbarkeit und
Prägnanz gewonnen hat, ist vor allem sein Verdienst. Mit ihm, aber auch mit Hartmut Scholz, Rüdiger Becksmann
und Elena Kozina, die mich auf eine Erkundungsfahrt nach Niedersachsen in kunsttopographisch benachbartes Terri-
torium mitnahm, habe ich viele ertragreiche Gespräche geführt. Elena Kozina und Uwe Gast haben zuletzt auch beim
Erstellen des Registers mitgeholfen. Auf der anderen Seite sorgten Bettina Elmendorff, Gabriele Biehle, Julia Knöbber
und Anja Hahn für die störungsfreie Kommunikation mit der »Außenwelt«.
Ein besonderes Wagnis war es, die gesamte Druckvorstufe im Zusammenhang mit der Produktion des Corpusbandes
in die Eigenverantwortung der Arbeitsstelle zu übernehmen. Dass dies gelang, ist in erster Linie dem reibungslosen
Zusammenspiel aller im Hause verfügbaren Kräfte zu verdanken. Bei der Beschaffung der Bildvorlagen und der Digi-
talisierung haben Rüdiger Tonojan, Ulrich Engert und Michael Burger hervorragende Arbeit geleistet. Rainer Wohl-
rabe steuerte zahlreiche, akribisch gezeichnete Erhaltungsschemata und Grundrisse bei, die für sich genommen bereits
kleine Meisterwerke sind. Hartmut Scholz führte Text und Bild am Computer zusammen. Seine bewundernswerte
Beharrlichkeit und sein gestalterisches Geschick verdienen an dieser Stelle besondere Erwähnung. Es war stets eine
Freude, ihm bei dieser kreativen, wiewohl zeitraubenden Tätigkeit über die Schulter zu blicken. Peter Krecek von der
,
Dr. Cantz schen Druckerei, Ostfildern, sei für die gelungene Umsetzung mein Dank ausgesprochen.
Dass der Band in dieser opulenten Form erscheinen kann, ist nicht zuletzt der spontanen Bereitschaft der Ernst von
Siemens Kunststiftung, München, zu danken, eine akute Finanzierungslücke zu schließen. Mein Dank gebührt auch
der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen, Frankfurt am Main, sowie dem privaten Engagement von Sabine
und Gert H. Faber, Heppenheim, die zur Drucklegung des Werkes einen beachtlichen Beitrag leisteten. Die letzten
8 vorwort
Jahre waren reich an Entbehrungen und arm an der Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen. Arbeit tröstet über
Vieles hinweg, doch für Letzteres bietet sie keinen hinreichenden Ersatz. Meine Anerkennung gilt daher meinen Be-
kannten und Freunden, namentlich Markéta Gallová, die die Belastungen über weite Strecken mitgetragen haben. Zu-
letzt aber sei meiner Familie für ihre vielfältige Unterstützung mein herzlichster Dank ausgesprochen. Meine Schwe-
stern Claudia und Sandra, mein Bruder Volker und meine Eltern Felice und Waltraut haben mir für diese Arbeit in all
den Jahren den notwendigen Rückhalt gegeben.
Zur Organisation des deutschen CVMA: Gemäß den Richtlinien des Corpus Vitrearum (erste Fassung 1958;
zweite Fassung 1983; dritte Fassung 2001) umfasst ein Band alle in dem betreffenden Gebiet erhaltenen, vor 1530/40
entstandenen Glasmalereien in alphabetischer Abfolge der Stand- bzw. Aufbewahrungsorte. Befinden sich in einer
Stadt mehrere Glasmalereistandorte, so stehen Kirchen vor profanen Gebäuden, öffentliche Museen vor privaten
Sammlungen. Von dem topographischen Prinzip wird allerdings in allen jenen Fällen zugunsten des historischen
Prinzips abgewichen, in denen Scheiben eindeutig gesicherter Herkunft an einen anderen Standort abgewandert sind.
Diese Scheiben werden unter ihrem ehemaligen Standort behandelt. Sofern sich der ursprüngliche Standort außerhalb
des jeweils bearbeiteten Gebietes befindet, wird auf den betreffenden Band verwiesen. Verlorene oder verschollene
Glasmalereien, die nur durch Erwähnungen, Zeichnungen oder Fotografien überliefert sind, werden, sofern sie zu
erhaltenen Beständen gehörten, in Anhängen unter dem jeweiligen Standort erfasst. Ist jedoch am ursprünglichen
Standort nichts mehr erhalten, so werden die Angaben zu verlorenen oder verschollenen Glasmalereien wiederum in
alphabetischer Abfolge in einem Anhang zusammengestellt (s. S. 505–514).
Jedes Katalogkapitel beginnt mit einer kommentierten Bibliographie. Zur Entlastung der bibliographischen Angaben
werden mehrfach benutzte Titel abgekürzt zitiert (s. Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur S. 17–25). Arbeiten,
die nur innerhalb eines Kapitels herangezogen worden sind, werden in der jeweiligen Kopfbibliographie, auf die mit
dem Vermerk (s. Bibl.) verwiesen wird, vollständig zitiert. Die Abkürzungen der Bibelzitate folgen der Vulgata.
Den Abbildungen ganzer Fenster wie einzelner Scheiben oder Fragmente liegt kein einheitlicher Abbildungsmaßstab
zugrunde. Dieser richtet sich vielmehr nach dem jeweiligen Erhaltungszustand und der künstlerischen Bedeutung der
Bestände. Grundrisse mit Fensterschemata werden dagegen durchwegs im Maßstab 1:300 wiedergegeben. Vom sonst
gültigen Prinzip der Einheitlichkeit des Maßstabs abweichend musste der besonderen Größenverhältnisse wegen für
die Erhaltungsschemata dieses Bandes auf verschiedene Maßstäbe zugegriffen werden, die jedoch in jedem einzelnen
Fall vermerkt sind: In aller Regel handelt es sich jedoch um Zeichnungen im Maßstab 1:15; nur für die Standfiguren-
fenster der Marburger Elisabethkirche sowie für die Ornamentfenster in Marburg und Haina wurde der besseren
Übersicht wegen der Maßstab 1:20 gewählt; allein im Fall der drei großen Ornamentfenster im Ostchor, Nordquer-
haus und der Westwand der Klosterkirche in Haina musste schließlich ein Maßstab von 1:25 verwendet werden. Für
die vorangestellten Gesamtfensterschemata schließlich gilt durchgehend der Maßstab 1:120.
Außer dem Bildnachweis am Ende des Tafelteils (s. S. 660) enthalten die Scheibenkataloge am Ende jeder Nummer
eine Zusammenstellung verfügbarer Aufnahmen. Sofern sich die Negative oder Diapositive im Fotoarchiv des CVMA
Deutschland (Adresse s. Rückseite des Haupttitels) befinden, können hiervon jederzeit hochauflösende Digitalisate
für Forschungszwecke oder für Veröffentlichungen bestellt werden.
Zur Bezeichnung der Fenster und Scheiben: Die Positionsbestimmung der Fenster im Bau nach den Richtlinien
des Corpus Vitrearum beginnt die Zählung im Osten beim Achsenfenster des Chores (I bzw. H I im Obergaden) und
schreitet jeweils mit fortlaufender römischer Nummerierung (II, III, IV usw.) und der Kennung n (nord) bzw. s (süd)
auf der Nord- und Südseite nach Westen hin fort. Die Bezeichnung der Fensterposition wird zusätzlich durch die Vor-
anstellung des betreffenden Bauteils – Chor, Qhs. (Querhaus), Lhs. (Langhaus) – geklärt. Bei übereinanderliegenden
Fensterplätzen werden die oberen mit Großbuchstaben N (NORD) und S (SÜD) gekennzeich net. Dabei werden alle
Fenster – auch die nicht behandelten – mitgezählt. Raumsituation und Fensterbezeichnung werden in der Regel an
einem Grundriss mit Fensterschemata veranschaulicht.
Innerhalb eines Fensters werden die einzelnen Felder zeilenweise von unten nach oben mit arabischen Zahlen (1, 2, 3,
…) und bahnweise von links nach rechts mit kleinen Buchstaben (a, b, c, …) versehen (z.B. 1a, 4c, 7b). Die Abschlüsse
der Bahnen werden durchlaufend mitgezählt und als Kopfscheiben bezeichnet. Maßwerkfelder werden hingegen durch
arabische Zahlen in ihrer horizontalen Lage und durch große Buchstaben in ihrer vertikalen Stellung zu den Fenster-
bahnen darunter festgelegt (z.B. 1AB, 2CD, 3B). Bei Maßwerkrosetten werden die einzelnen Strahlen oder Pässe im
Uhrzeigersinn durchnummeriert, das Zentrum mit »0« bezeichnet (z.B. 3B 0-6). Komplizierte Bildungen werden an
Fensterschemata im Maßstab 1:60 erläutert. Bei museal verwahrten Verglasungsresten werden die Scheiben in zwei
10 einführende hinweise und erläuterungen
Gruppen – Glasmalereien gesicherter und ungesicherter Herkunft – geordnet und jeweils in chronologischer Abfolge
durchnummeriert.
Zur Technik der mittelalterlichen Glasmalerei: Ein mittelalterliches Glasgemälde setzt sich aus drei Bestand-
teilen – Farbglas, Malfarbe und Blei – zusammen. Das Bleinetz verbindet die einzelnen Farbgläser miteinander und
legt zugleich das lineare Gerüst der Bildkomposition fest. Die Bemalung der Farbgläser ermöglicht die Differenzie-
rung und Modellierung des farbigen Lichtes und damit die bildliche Darstellung.
Die mittelalterlichen Farbgläser bestehen aus einem Gemenge von zwei Teilen Buchenholz und Farnasche (Pottasche)
und einem Teil Sand (Silizium), das bei etwa 1200 o miteinander verschmilzt. Zur Färbung der flüssigen Glasmasse
(Fritte) werden verschiedene Metalle (Kupfer, Eisen, Mangan, Kobalt, u.a.) hinzugefügt, bei deren Oxydation eine
bestimmte Färbung erzielt wird. Manche Gläser zeigen einen schichtenförmigen Aufbau, bestehen also aus mehreren
Überfängen; hierzu wird der Glaszylinder während des Blasens in verschiedene Fritten getaucht. Rotes Glas wird
in der Regel als Überfangglas hergestellt, gelegentlich auch aus unvollständig vermischter weiß-roter Fritte als Ha-
fenmischglas. Das in Zylindern geblasene Farbglas ergab nur kleine Glastafeln, die im Spätmittelalter immerhin eine
Fläche von einem Viertel Quadratmeter erreichten. Die Glastafeln waren uneben, in der Stärke ungleich und mit Un-
reinheiten (Bläschen, Buckeln) durchsetzt, hervorgerufen durch die unvollständige Oxydation der färbenden Metalle.
Diese technischen Unvollkommenheiten machen jedoch den besonderen Reiz mittelalterlicher Farbgläser aus.
Als Malfarbe kennt der Glasmaler des Mittelalters zunächst nur das Schwarz- oder Braunlot, das durch Aufbrennen
mit dem Farbglas verbunden wird. Hierzu wird der Farbsubstanz (Eisenhammerschlag, Kupferoxyd) zerstoßenes
Bleiglas beigemischt, das einen niedrigeren Schmelzpunkt als das Grundglas besitzt und dadurch eine nachträgliche
Verbindung mit diesem ermöglicht. Das Schwarzlot wird als Kontur- und Überzugsfarbe verwendet und vermag das
Grundglas nur in seiner Transparenz zu verändern. Eigentliche Malfarben, mit denen der Farbton des Grundglases
verändert werden kann, sind erst Silbergelb und Eisenrot, die seit dem frühen 14. bzw. dem späten 15. Jahrhundert in
Gebrauch kommen.
Das H-Profil mittelalterlicher Bleiruten ist schmal und hochstegig und besitzt in der Regel abgerundete Kuppen,
durch die die Gläser gehalten werden. Auf Grund ihrer Biegsamkeit können sie jeden möglichen Glaszuschnitt nach-
vollziehen.
Die Arbeit des Glasmalers beginnt damit, dass er das auszuführende Glasgemälde in natürlicher Größe auf einer weiß
grundierten Holztafel, auf Leinwand oder Pergament, später auf Papier, aufreißt und damit die Größe der einzelnen
Gläser und den Bleiriss festlegt. Als zweiter Arbeitsgang folgt der Zuschnitt der Gläser mit Spreng- und Kröseleisen;
mittelalterliche Farbgläser weisen daher zumeist unregelmäßige Bruchkanten auf. Die Bemalung besteht in der Regel
aus drei Schichten, einem flächenhaften Wasserton, einem modellierenden oder schattierenden Halbton und einer
mehr oder weniger deckenden Kontur. Sie wird in der Regel auf der Innenseite aufgetragen, häufig aber durch schattie-
rende Lasuren auf der Außenseite verstärkt. Die Struktur der Bemalung kann der Glasmaler dadurch differenzieren,
dass er sie in negativer Technik mit dem Stoffballen, dem trockenen Pinsel, Pinselstiel, Federkiel oder der Nadel durch
Wischen, Stupfen oder Radieren teilweise wieder entfernt. Danach werden die Gläser gebrannt und verbleit.
Über die Technik der mittelalterlichen Glasmalerei unterrichten noch immer am anschaulichsten Fritz Geiges, Der alte
Fensterschmuck des Freiburger Münsters, Freiburg i. Br. 1901, S. 154–200, und Heinrich Oidtmann, Die rheinischen
Glasmalereien vom 12. bis zum 16. Jahrhundert, Düsseldorf 1912, S. 1–69). Die neueren Erkenntnisse auf diesem Gebiet
vermittelt am besten das Referat von Gottfried Frenzel/Eva Frodl-Kraft auf der Tagung des CVMA in Erfurt 1962,
in: ÖZKD 17, 1963, S. 93–114, sowie Eva Frodl-Kraft, Zur Frage der Werkstattpraxis in der mittelalterlichen Glas-
malerei, in: Glaskonservierung. Historische Glasfenster und ihre Erhaltung (Arbeitshefte des Bayerischen Landesamtes
für Denkmalpflege 32), München 1985, S. 10–22; grundlegend hierzu Sebastian Strobl, Glastechnik des Mittelalters,
Stuttgart 1990, und Nicole Blondel, Le vitrail. Vocabulaire typologique et technique, Paris 1993, 22000.
Zum Erscheinungsbild farbiger Verglasungen: Die Entwicklung der mittelalterlichen Glasmalerei ist aufs
Engste mit der Entwicklung der Architektur verbunden. In den relativ kleinen Fensteröffnungen romanischer Bauten
waren die Glasgemälde zugleich Lichtquelle. In den stark durchbrochenen gotischen Bauten werden sie zur raumab-
schließenden diaphanen Wand. Der Ausdehnung der Farbverglasungen waren jedoch künstlerische und ökonomische
einführende hinweise und erläuterungen 11
Randborten: III,31. Spiralranke mit stacheligen Früchten. Marburg, Elisabethkirche, Chor s V. Niedersachsen, um 1245/50 (vgl. Abb. 323). –
III,32. Stilisierte Blüten-Blätter-Kette. Marburg, Elisabethkirche, Chor s IV, 5a. Niedersachsen, um 1245/50 (vgl. Abb. 312). – III,33. Wellenranke.
Marburg, Universitätsmuseum, Nr. 2. Niedersachsen, um 1240/50 (vgl. Abb. 348). – III,34. Wellenranke, unterbrochen von eingestreuten Kreuz-
blattkaros. Marburg, Elisabethkirche, Chor H I, 6a. Niedersachsen, um 1240/50 (vgl. Abb. 271f.). – III,35. Mäanderband. Marburg, Elisabeth-
kirche, Chor H I, 6a, um 1240/50 (vgl. Abb. 271f.). – III,36. Palmettenborte. Marburg, Universitätsmuseum, Nr. 9. Niedersachsen, um 1245/50
(vgl. Abb. 332f.).
Hintergrundmuster: III,39. Ausradierte Kreuzblattquadrate. Marburg, Schlossmuseum, Nr. 14. Niedersachsen, um 1245/50 (vgl. Abb. 340). –
III,40. Ausradiertes Diagonalgitter mit mit Punkten und Kreuzen. Marburg, Elisabethkirche, Chor I, 6b. Niedersachsen, um 1240/50 (vgl. Abb.
266). – III,41. Kreuzblattkaros mit Blüten an den Schnittpunkten. Marburg, Elisabethkirche, Chor N II, 3b. Marburg, um 1300–1315 (vgl. Abb.
278).
Konsolen ruhende, vorn frei schwebende, räumlich vorzustellende Bekrönung verstanden. Ist eine räumliche Inter-
pretation nicht möglich, so wird die Rahmenform als Arkade bezeichnet. In der Spätgotik kommt es zu einer Vermi-
schung architektonischer und vegetabiler Formen, die unter dem Begriff Astwerk zusammengefasst wird.
Gleiche Aufmerksamkeit gilt der Beschreibung und typenmäßigen Erfassung der Ornamentscheiben, einerlei ob sie
als Ornamentfenster eigenständige Fensterkompositionen bilden oder mit figürlichen Scheiben verbunden sind. An-
gesichts der bis in die Anfänge der Glasmalerei zurückweisenden Grisailleornamentik sind hier die entwicklungs-
geschichtlichen Zusammenhänge besonders vielschichtig.
Eine große Vielfalt zeigen auch die Hintergrundornamente. Die Palette der Muster reicht von streng geometrischen
Formen (Karos, Rauten, Kreise) über Mischformen (Kreuzblattkaros, Blütenrosetten) zu vegetabilen Rankenbildun-
gen. Im späten 15. Jahrhundert werden für Hintergründe und Gewänder Damastmuster bevorzugt. Bei ihrer Ausfüh-
rung nimmt der Glasmaler in der Spätzeit häufig Schablonen zu Hilfe. Die auf den Seiten 11–14 zusammengestellten
Grund- und Gewandmuster sollen einen entwicklungsgeschichtlichen Überblick über die in dem behandelten Schei-
benbestand vorkommenden Typenbildungen ermöglichen. Sie sind daher gruppenweise chronologisch geordnet und
entsprechend beschriftet. Ihre Zitation innerhalb des Gesamtwerkes wird durch die Beifügung der Bandnummer so-
wie die jeweils auf einen Band beschränkte Zählung erleichtert (die ersten Teilbände enthalten 30 Ornamentmuster;
folglich setzt die Zählung im vorliegenden zweiten Teilband mit III,31 ein).
In der Farbkomposition hoch- und spätgotischer Glasfenster spielt die Farbverschränkung eine entscheidende Rol-
le. Die Farben der Hintergründe und Architekturbekrönungen werden innerhalb eines Fensters oder Fensterpaares
übers Kreuz, d.h. rhythmisch gewechselt. In komplizierterer Form wird die Farbverschränkung auch innerhalb der
Bildkomposition eingesetzt, wobei zusätzlich noch eine Spaltung in warme und kalte Gegenfarbklänge erfolgen kann.
Ist die Farbkomposition klar erkennbar, so wird ihre Struktur beschrieben, d.h. die eigentlichen Farbträger werden
nur in Klammern genannt. Bei fragmentierten Beständen muss dagegen meist vom Bildgegenstand ausgegangen und
aufzählend beschrieben werden. In Anbetracht der je nach Lichtverhältnissen wechselnden Farbigkeit wird auf eine zu
weitgehende Differenzierung der Farbbezeichnungen verzichtet.
Als Einführung in die Probleme mittelalterlicher Glasmalerei sind zwei Standardwerke zu empfehlen: Jean Lafond,
Le vitrail. Origines, technique, destinées, Paris 1966, 21978 bzw. Lyon 31988 (bearbeitet von Françoise Perrot), und
einführende hinweise und erläuterungen 13
III,42. Gerahmte Kreuzblattquadrate mit zentralen Blüten. Ehemals Hersfeld, Stadtkirche (Kassel-Wilhelmshöhe, Löwen-
burg-Kapelle, Nr. 21). Nordhessen oder Niedersachsen, 3. Viertel 14. Jh. (vgl. Abb. 153). – III,43. Diamantquader mit zen-
tralen Kreuzblättern. Ehemals Hersfeld, Stadtkirche (Kassel-Wilhelmshöhe, Löwenburg-Kapelle, Nr. 13). Nordhessen oder
Niedersachsen, 3. Viertel 14. Jh. (vgl. Abb. 152). – III, 44. Diamantquader mit zentralen Blüten. Marburg, Elisabethkirche,
Nordkonche n X, 4b. Marburg, um 1300–1310 (vgl. Abb. 328).
Eva Frodl-Kraft, Die Glasmalerei. Entwicklung, Technik, Eigenart, Wien/München 1970. Folgende Werke bieten
zugleich einen Überblick über die deutschen Glasmalereibestände: Hermann Schmitz, Einführung, in: Die Glasge-
mälde des Königlichen Kunstgewerbemuseums in Berlin, I, Berlin 1913; Hans Wentzel, Meisterwerke der Glasma-
lerei, Berlin 21954; Rüdiger Becksmann, Deutsche Glasmalerei des Mittelalters, I: Voraussetzungen, Entwicklungen,
Zusammenhänge, Berlin 1995.
Zur Erhaltung mittelalterlicher Glasmalereien: Glasgemälde waren stets der Zerstörung durch Hagel,
Sturm und Steinwürfe ausgesetzt. Im Mittelalter wurden sie ständig gepflegt und ausgebessert, in nachmittelalterlicher
Zeit jedoch immer mehr vernachlässigt. Unermessliches ging durch den Bildersturm, die Kriege des 17. Jahrhunderts,
das Lichtbedürfnis der Aufklärung und nicht zuletzt durch die Verschleuderung kirchlichen Kunstgutes im Zuge der
Säkularisation zugrunde. Erst mit der romantischen Begeisterung für die Kunst des Mittelalters nahm man sich der
Glasmalerei wieder an. Grundlegende Restaurierungen folgten. Heute sind die Farbfenster jedoch überall dort, wo
keine Sicherungsmaßnahmen getroffen werden, unausweichlich vom Zerfall bedroht.
Mittelalterliche Farbgläser sind freilich schon aufgrund ihrer chemischen Zusammensetzung und physikalischen
Struktur durch die ständige Einwirkung von Wasser (Regen, Tau) einem natürlichen Alterungsprozess unterworfen,
der ein Irisieren bzw. Blindwerden der Scheiben bewirkt. Seit der Industrialisierung wird dieser Zersetzungsprozess
durch Schadstoffe in der Atmosphäre (vor allem Schwefeldioxyd) beschleunigt; in den letzten Jahrzehnten hat er
katastrophale Ausmaße angenommen. Die in Verbindung mit Feuchtigkeit entstehende Schwefelsäure zerfrisst die
Glasoberfläche (Lochfraß) und zersetzt dabei die Glassubstanz. Der so entstehende Sulfatbelag verursacht nicht nur
eine Transparenzminderung, sondern meist auch den Verlust der außenseitigen Bemalung. Bei Schwitzwasserbildung
bleibt auch die Bemalung der Innenseite nicht verschont; Lotausbrüche sind die Folge.
Die einzige derzeit vertretbare Maßnahme zur Sicherung der Farbfenster besteht in der Anbringung einer isother-
malen Außenschutzverglasung, bei welcher die originalen Scheiben auf einer Stahlkonstruktion in den Innenraum
versetzt und damit vor atmosphärischen Einflüssen geschützt werden (ausführlich Stefan Oidtmann, Die Schutz-
verglasung – eine wirksame Schutzmaßnahme gegen Korrosion an wertvollen Glasmalereien, Aachen 1994). Im Zuge
dieser Versetzung werden die Felder nicht nur mit stabilen Rahmen versehen, sondern meist auch verbreitert. Da die
14 einführende hinweise und erläuterungen
III,45. Spiralranke mit gezahnten Ruten. Marburg, Universitätsmuseum, Nr. 8. Niedersachsen, um 1245/50 (vgl. Abb. 331). – III,46. Kleeblattran-
ke. Netze, Zisterzienserinnen-Klosterkirche, Nikolauskapelle s III, 1b. Westfalen, um 1340 (vgl. Abb. 362). – III,47. Kleeblattranke. Fritzlar, Dom-
museum, Nr. 3. Westfalen(?), Mitte 14. Jh. (vgl. abb. 46).
III,48. Waldrebenranke. Ehemals Hersfeld, Stadtkirche (Kassel-Wilhelmshöhe, Löwenburg-Kapelle, Nr. 8). Nordhessen oder Niedersachsen, 3.
Viertel 14. Jh. (vgl. Abb. 144). – III,49. Fiederranke mit stilisierter Blüte. Immenhausen, Stadtkirche, Chor n II, 6b. Westfalen oder Niedersach-
sen, um 1450 (vgl. Abb. 163). – III,50. Fiederranke. Fritzlar, Dommuseum, Nr. 6. Mittelrhein(?), 1509 (vgl. Abb. 49).
einführende hinweise und erläuterungen 15
Rahmenmaße der einzelnen Felder in situ häufig nicht exakt zu nehmen sind, werden – analog zu den Fensteröffnun-
gen – stets die lichten Maße angegeben, aus denen sich unter Zurechnung der Randbleie die ursprünglichen Feldmaße
recht genau ermitteln lassen.
Zum Problem der Erhaltung und Sicherung vgl. die grundlegenden Beiträge von Ulf-Dietrich Korn, Ursachen und
Symptome des Zerfalls mittelalterlicher Glasgemälde, in: Deutsche Kunst und Denkmalpflege 29, 1971, S. 58-75; Eva
,
Frodl-Kraft, Konservierungsprobleme mittelalterlicher Glasmalereien, in: Annales du 5e congrès de l association
,
internationale pour l histoire du verre, Liège 1972, S. 357–370; dies., in: Österreichische Zs. für Kunst und Denkmal-
pflege 27, 1973, S. 55–65; Ernst Bacher, Außenschutzverglasung, ebenda S. 66–68; Gottfried Frenzel, Probleme
der Restaurierung, Konservierung und prophylaktischen Sicherung mittelalterlicher Glasmalereien, in: Maltechnik
88, 1982, S. 230–260, und die kritische Bibliographie von Roy G. Newton, The Deterioration and Conservation of
Painted Glass. A Critical Bibliography (CVMA Great Britain – Occasional Papers II), Oxford 1982. Den neueren
Forschungsstand vermittelt das von Arnold Wolff herausgegebene Sammelwerk: Restaurierung und Konservierung
historischer Glasmalereien, Mainz 2000.
Zur Erklärung der Erhaltungsschemata: Die zu verschiedenen Zeiten vorgenommenen Ergänzungen werden
in Bleiriss-Umzeichnungen (Maßstab 1:15, 1:20, 1:25) wie folgt gekennzeichnet:
Vor dem 19. Jh. ergänzte Teile Flickstücke aus altem Glas
Bei der vorletzten Restaurierung ergänzte Teile Außenseitig doublierte alte Teile
Übermalte bzw. nachkonturierte Teile Bei durchbrochenen Schraffuren ist die Angabe unsicher.
Zur Wiedergabe der Inschriften: Die originalen Teile einer Inschrift sind kursiv, die ergänzten Teile gerade ge-
setzt. Auflösungen von Abkürzungen stehen in runden, Ergänzungen von Fehlstellen in eckigen Klammern; bei kur-
siver Schrift sind sie gesichert, bei gerader Schrift hypothetisch.
Zur Beschreibung der Wappen: Die Beschreibung der Wappen folgt den Sprachregeln der Heraldik.
16 allgemeine abkürzungen
ALLGEMEINE ABKÜRZUNGEN
GWP – Geschichtsblätter für Waldeck und Pyrmont AK Aachen 1980 – Die Zisterzienser. Ordensleben zwischen
HessJb – Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte Ideal und Wirklichkeit, Ausstellung im Krönungssaal des
MGH SS – Monumenta Germaniae Historica – Scriptores Rathauses zu Aachen, Köln 1980
MHG – Mitteilungen des Vereins für hessische Geschichte und AK Braunschweig 1985 – Stadt im Wandel. Kunst und Kultur
Landeskunde des Bürgertums in Norddeutschland 1150–1650, Katalog zur
NA – Nassauische Annalen Ausstellung im Braunschweigischen Landesmuseum, hrsg.
ÖZKD – Österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmal- von Cord Meckseper, 4 Bde., Stuttgart 1985
pflege AK Braunschweig 1995 – Heinrich der Löwe und seine Zeit.
ZDVfKw – Zeitschrift des Deutschen Vereins für Kunstwissen- Herrschaft und Repräsentation der Welfen 1125–1235, Ka-
schaft talog zur Ausstellung im Herzog Anton Ulrich-Museum
ZfKg – Zeitschrift für Kunstgeschichte Braunschweig, hrsg. von Jochen Luckhardt und Franz
ZHG – Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte und Niehoff, 3 Bde., München 1995
Landeskunde AK Eisenach 2007 – Elisabeth von Thüringen – Eine europä-
ische Heilige, Katalog zur 3. Thüringer Landesausstellung
auf der Wartburg in Eisenach, hrsg. von Dieter Blume und
Quellenwerke Matthias Werner, 2 Bde., Petersberg 2007
AK Erfurt 1989 – Mittelalterliche Glasmalerei in der Deutschen
Corden, I–III, 1779–1803 – Johann Ludwig Corden, Limbur- Demokratischen Republik, Ausstellung im Erfurter Anger-
ger Geschichte I (1779), II (1780), III (1782, mit Nachträgen bis museum, Berlin 1989
1803), aus dem Lateinischen übersetzt von Joseph Wingen- AK Esslingen 1997 – Von der Ordnung der Welt. Mittelalterli-
bach, bearbeitet von Franz-Karl Nieder, 3 Bde., Limburg che Glasmalereien aus Esslinger Kirchen, hrsg. von Rüdiger
2003–2005 Becksmann, Esslingen 1997
Küch 1918 bzw. 1931 – Quellen zur Rechtsgeschichte der Stadt AK Hamburg 1966 – Meisterwerke mittelalterlicher Glasma-
Marburg, bearbeitet von Friedrich Küch (Veröffentlichun- lerei aus der Sammlung des Reichsfreiherrn vom Stein, Mu-
gen der Historischen Kommission für Hessen und Waldeck seum für Kunst und Gewerbe Hamburg, Hamburg 1966
13), 2 Bde., Marburg 1918 bzw. 1931 AK Köln 1972 bzw. 1973 – Rhein und Maas. Kunst und Kul-
Mechtel 1623 – s. Michel 2005 tur 800–1400, Ausstellung Köln, Kunsthalle, und Brüssel,
Michel 2005 – Johannes Mechtel, Der Lahngau – 1623 (Pagus Königliche Museen für Kunst und Geschichte, 2 Bde., Köln
Logenahe), bearbeitet und aus dem Lateinischen übersetzt 1972 bzw. 1973
von Walter Michel (Veröffentlichungen des Fördervereins AK Köln 1974 – Vor Stefan Lochner. Die Kölner Maler von 1300
Limburger Schloss e.V. 1), Limburg an der Lahn 2005 bis 1400, Wallraf-Richartz-Museum Köln, Köln 1974
Schultze 1913 – s. UB Kassel AK Köln 1978 – Die Parler und der Schöne Stil 1350–1400.
Struck 1956 – Wolf Heino Struck, Das St. Georgenstift, Europäische Kunst unter den Luxemburgern, Katalog zur
die Klöster, das Hospital und die Kapellen in Limburg an Ausstellung des Schnütgen-Museums in der Kunsthalle,
der Lahn. Regesten 910 –1500 (Quellen zur Geschichte der hrsg. von Anton Legner, 3 Bde., Köln 1978
Klöster und Stifte im Gebiet der mittleren Lahn bis zum AK Köln 1985 – Ornamenta Ecclesiae. Kunst und Künstler der
Ausgang des Mittelalters 1), Wiesbaden 1956 Romanik, Katalog zur Ausstellung des Schnütgen-Museums
UB Haina, I–III, 1962–1998 – Kloster Haina. Regesten und Ur- in der Josef-Haubrich-Kunsthalle, hrsg. von Anton Legner,
kunden, bearbeitet von Eckhart G. Franz (Veröffentlichun- 3 Bde., Köln 1985
gen der Historischen Kommission für Hessen und Waldeck AK Köln 1993 – Stefan Lochner. Meister zu Köln. Herkunft –
9), 3 Bde., Marburg 1970–1998 Werke – Wirkung, Kat. zur Ausstellung im Wallraf-Richartz-
Museums, hrsg. von Frank Günter Zehnder, Köln 1993
18 verzeichnis der abgekürzt zitierten literatur
Beeh 1990 – Deutsche Malerei um 1260 bis 1550, Abbildungs- 16251. Buchmalerei in der Diözese Cambrai im letzten Vier-
teil bearbeitet von Wolfgang Beeh (Kataloge des Hessischen tel des 13. Jahrhunderts, Wiesbaden 1997
Landesmuseums 15), Darmstadt 1990 Bråthen 1995 – Alf Bråthen, Dated Wood from Gotland and
Beeh-Lustenberger 1965 – Suzanne Beeh-Lustenberger, the Diocese of Skara, Hojbjerg 1995
Glasgemälde aus Frankfurter Sammlungen, Frankfurt/M. Braun 1943 – Joseph Braun, Tracht und Attribute der Heiligen
1965 in der deutschen Kunst, Stuttgart 1943
Beeh-Lustenberger 1967 bzw. 1973 – Suzanne Beeh-Lusten- Braun-Niehr 2005 – Beate Braun-Niehr, Das Brandenbur-
berger, Glasmalerei um 800–1900 im Hessischen Landes- ger Evangelistar (Schriften des Domstifts Brandenburg 2),
museum in Darmstadt (Kataloge des Hessischen Landes- Regensburg 2005
museums Darmstadt 2), 2 Bde. Frankfurt/M. 1967 (Abb.) Brinkmann 1998 – Ulrike Brinkmann, Der typologische Bil-
bzw. Hanau 1973 (Text) derkreis des Älteren Bibelfensters im Kölner Dom, in: Hon-
Beer 1965 – Ellen J. Beer, Die Glasmalerei der Schweiz aus nefelder/Trippen/Wolff 1998, S. 151–183
dem 14. und 15. Jahrhundert (ohne Königsfelden und Berner Brinkmann/Kemperdick 2002 – Bodo Brinkmann und
Münsterchor) (Corpus Vitrearum Medii Aevi Schweiz III), Stephan Kemperdick, Deutsche Gemälde im Städel 1300–
Basel 1965 1500 (Kataloge der Gemälde im Städelschen Kunstinstitut
Behling 1964 – Lottlisa Behling, Die Pflanzenwelt der mittel- Frankfurt am Main 4), Frankfurt am Main 2002
alterlichen Kathedralen, Köln/Graz 1964 Brinkmann/Kemperdick 2005 – Bodo Brinkmann und Ste-
Belting 1978 – Hans Belting, Zwischen Gotik und Byzanz. phan Kemperdick, Deutsche Gemälde im Städel 1500–1550
Gedanken zur Geschichte der sächsischen Buchmalerei im (Kataloge der Gemälde im Städelschen Kunstinstitut Frank-
13. Jahrhundert, in: ZfKg 41, 1978, S. 217–258 furt am Main 5), Frankfurt am Main 2005
Benz 91979 – Ludwig Benz, Die Legenda aurea des Jacobus de Bücking 1886 – Wilhelm Bücking, Johann von der Leyten und
Voragine, Heidelberg 91979 Ludwig Juppe. Zwei Marburger Künstler vom Ausgang des
Bergmann 1987 – Ulrike Bergmann, Das Chorgestühl des Mittelalters, in: Mitteilungen aus Marburgs Vorzeit, Mar-
Kölner Domes, 2 Bde., Neuss 1987 burg 1886
Beyer 1956 – Victor Beyer, Eine Strassburger Glasmaler-
Werkstätte des 13. Jahrhunderts und ihre Beziehungen zu Carqué/Röckelein 2005 – Das Hochaltarretabel der St. Ja-
den Rheinlanden, in: Saarbrücker Hefte 4, 1956, S. 49–62 cobi-Kirche in Göttingen, hrsg. von Bernd Carqué und
Beyer 1960 – Victor Beyer, Les roses de reseau des bas-côtés de Hedwig Röckelein (Studien zur Germania Sacra 27. Veröf-
la cathédrale et l’œuvre d’un atelier strasbourgeois du XIIIe fentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 213),
siècle, in: Bulletin de la Société des Amis de la Cathédrale de Göttingen 2005
Strasbourg 7, 1960, S. 63–96 Classen 1929 – Wilhelm Classen, Die kirchliche Organisation
Beyer 2007 – Victor Beyer, Les vitraux de l’ancienne église des Althessens im Mittelalter samt einem Umriß der neuzeitli-
Dominicains de Strasbourg (Corpus Vitrearum France IX,2), chen Entwicklung (Schriften des Instituts für geschichtliche
Straßburg 2007 Landeskunde von Hessen und Nassau 8), Marburg 1929
Beyer/Wild-Block/Zschokke 1986 – Victor Beyer, Chris- Clemen 1930 – Paul Clemen, Die gotischen Monumental-
tiane Wild-Block, Fridtjof Zschokke, Les vitraux de la malereien der Rheinlande (Publikation der Gesellschaft für
cathédrale Notre-Dame de Strasbourg (Corpus Vitrearum Rheinische Geschichtskunde 41), 2 Bde. (Text und Tafeln),
France IX,1), Paris 1986 Düsseldorf 1930
Bickell 1883 – Ludwig Bickell, Zur Erinnerung an die Elisa- CVMA Belgien I, 1961 – s. Helbig 1961
bethkirche zu Marburg und zur sechsten Säcularfeier ihrer CVMA Deutschland I,1, 1958 – s. Wentzel 1958
Einweihung, Marburg 1883 CVMA Deutschland I,2, 1986 – s. Becksmann 1986
Bierschenk 1991 – Monika Bierschenk, Glasmalereien der CVMA Deutschland I,3, 1994 – s. Scholz 1994
Elisabethkirche in Marburg. Die figürlichen Fenster um CVMA Deutschland II,1, 1979 – s. Becksmann 1979
1240, Berlin 1991 CVMA Deutschland III,2, 1999 – s. Hess 1999
Böning 1992 – Monika Böning, Die mittelalterlichen Glasma- CVMA Deutschland IV,1, 1974 – s. Rode 1974
lereien aus der ehemaligen Dominikanerkirche in Lübeck, CVMA Deutschland VII,2, 1992 – s. Becksmann/Korn 1992
Phil. Diss. FU Berlin 1992 (Typoskript) CVMA Deutschland X,1, 2002 – s. Scholz 2002
Böning 2001 – Monika Böning, Das Kloster Sonnenkamp und CVMA Deutschland XIII,1, 1987 – s. Fritzsche 1987
seine mittelalterlichen Glasmalereien, in: Akkulturation und CVMA Deutschland XV,1, 1976 – s. Drachenberg/Mae-
Selbstbehauptung. Studien zur Entwicklungsgeschichte der rcker/Schmidt 1976
Lande zwischen Elbe/Saale und Oder im späten Mittelalter CVMA Deutschland XVI, 1993 – s. Richter 1993
(Berichte und Abhandlungen der Berlin-Brandenburgischen CVMA Deutschland XVII, 2003 – s. Fitz 2003
Akademie der Wissenschaften 6), in Verbindung mit Eber- CVMA Deutschland XVIII,1, 1988 – s. Maercker 1988
hard Holtz und Michael Lindner hrsg. von Peter Moraw, CVMA Deutschland XVIII,2, 1995 – s. Maercker 1995
Berlin 2001, S. 37–82 CVMA Deutschland XIX,1, 2007 – s. Böning 2007
Böning 2007 – Monika Böning, Die mittelalterlichen Glas- CVMA France IX,1, 1986 – s. Beyer/Wild-Block/Zschokke
malereien in der Werbener Johanniskirche, mit einem Re- 1986
gestenteil von Ulrich Hinz (Corpus Vitrearum Medii Aevi CVMA France IX,2, 2007 – s. Beyer 2007
Deutschland XIX,1), Berlin 2007 CVMA France, Recensement V, 1994 – s. Hérold/Gatouillat
Bräm 1997 – Andreas Bräm, Das Andachtsbuch der Marie 1994
de Gavre. Paris, Bibliothèque Nationale, Ms. nouv. acq. fr. CVMA Österreich II,1, 1972 – s. Frodl-Kraft 1972
CVMA Schweiz II, 2008 – s. Kurmann-Schwarz 2008
20 verzeichnis der abgekürzt zitierten literatur
CVMA Schweiz III, 1965 – s. Beer 1965 Drachenberg/Maercker/Schmidt 1976 – Erhard Drachen-
CVMA Skandinavien, 1964 – s. Andersson/Christie/Nord- berg/Karl-Joachim Maercker/Christa Schmidt, Die mit-
man/Roussell 1964 telalterliche Glasmalerei in den Ordenskirchen und im An-
CVMA Tschechoslowakei, 1975 – s. Matouš 1975 germuseum zu Erfurt (Corpus Vitrearum Medii Aevi DDR
1.1), Berlin 1976
David-Sirocko 1997 – Karen David-Sirocko, Georg Gottlob
Ungewitter und die malerische Neugotik in Hessen, Ham- Emmerling/Ringer 1997 – Erwin Emmerling/Cornelia
burg, Hannover und Leipzig, Petersberg 1997 Ringer (Hrsg.), Das Aschaffenburger Tafelbild. Studien zur
Day 1897, 31909 – Lewis F. Day, Windows. A Book about Tafelmalerei des 13. Jahrhunderts (Arbeitshefte des Bayeri-
Stained and Painted Glass, London 1897, 31909 schen Landesamtes für Denkmalpflege 89), München 1997
Dehio Hessen 1966 bzw. 21982 – Georg Dehio, Handbuch der Erffa 1989 – Hans Martin von Erffa, Ikonologie der Genesis.
Deutschen Kunstdenkmäler. Hessen, bearbeitet von Magnus Die christlichen Bildthemen aus dem Alten Testament und
Backes, München/Berlin 1966 bzw. 21982 ihre Quellen, I, München 1989
Dehio Nördliches Hessen 1950 – Georg Dehio, Handbuch der
Deutschen Kunstdenkmäler. Nördliches Hessen, neu bear- Fiorillo 1815 – J. D. Fiorillo, Geschichte der zeichnenden
beitet von Ernst Gall, München/Berlin 1950 Künste in Deutschland und den vereinigten Niederlanden,
Dehn-Rotfelser/Lotz 1870 – Heinrich von Dehn-Rot- I, Hannover 1815
felser/Wilhelm Lotz, Die Baudenkmäler im Regierungs- Fischbach 2001 – Stefan Fischbach, Die mittelalterlichen
bezirk Cassel (Inventarium der Baudenkmäler im König- Glasmalereien aus der St. Kastorkirche zu Dausenau an der
reiche Preußen, Provinz Hessen-Nassau), Kassel 1870 Lahn und die Sammlung des Reichsfreiherrn Heinrich Fried-
Deiters 2006 – Maria Deiters, Kunst um 1400 im Erzstift rich Karl vom und zum Stein. Geschichte und Rekonstruk-
Magdeburg. Studien zur Rekonstruktion eines verlorenen tionsversuch einer Kirchenausstattung (Ms.), Dausenau 2001
Zentrums (Neue Forschungen zur deutschen Kunst VII), Fischer 21937 – Josef Ludwig Fischer, Handbuch der Glasma-
Berlin 2006 lerei, 2., vollständig veränderte und verbesserte Aufl. Leipzig
Demandt 1972, 31980 – Karl E. Demandt, Geschichte des Lan- 1937
des Hessen, 2. Aufl. Kassel 1972, Nachdruck Kassel 1980 Fitz 2001 – Eva Fitz, Das Retabel aus der Schlosskapelle in
Demandt 1981 – Karl E. Demandt, Der Personenstaat der Wernigerode – ein Frühwerk des Internationalen Stils, in:
Landgrafschaft Hessen im Mittelalter (Veröffentlichung der Akkulturation und Selbstbehauptung. Studien zur Entwick-
Historischen Kommission für Hessen 42), 2 Bde., Marburg lungsgeschichte der Lande zwischen Elbe/Saale und Oder im
1981 späten Mittelalter (Berichte und Abhandlungen der Berlin-
Demus 1968 – Otto Demus, Romanische Wandmalerei, Mün- Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften 6), in Ver-
chen 1968 bindung mit Eberhard Holtz und Michael Lindner hrsg.
Dettmering/Grenz 21982 – Erhart Dettmering und Rudolf von Peter Moraw, Berlin 2001, S. 83–98.
Grenz (Hrsg.), Marburger Geschichte. Rückblick auf die Fitz 2003 – Eva Fitz, Die mittelalterlichen Glasmalereien im
Stadtgeschichte in Einzelbeiträgen, Marburg 21982 Halberstädter Dom (Corpus Vitrearum Medii Aevi Deutsch-
DGM I, 1995 – s. Becksmann 1995 land XVII), Berlin 2003
Die Glasgemälde-Sammlung des Freiherrn vom Stein 2007 – Die Freigelegte Wand- und Tafelmalereien 1936 – Freigelegte Wand-
Glasgemäldesammlung des Freiherrn vom Stein, hrsg. von und Tafelmalereien aus der Zeit vom 11. bis zum 17. Jahrhun-
der Kulturstiftung der Länder in Verbindung mit dem LWL- dert (Jb. der Denkmalpflege im Regierungsbezirk Kassel II),
Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, Münster Kassel 1936
(Patrimonia 300), Münster 2007 Friedrich/Heinrich 1998 – Arnd Friedrich/Fritz Hein-
Diehl 1935 – Wilhelm Diehl, Baubuch für die evangelischen rich (Hrsg.), Die Zisterzienser und das Kloster Haina,
Pfarreien der Souveränitätslande und der aquirierten Gebiete Petersberg 1998
(Hassia sacra VIII), Darmstadt 1935 Fritzsche 1987 – Gabriela Fritzsche, Die mittelalterlichen
Dodwell 1993 – C. R. Dodwell, The Pictorial Arts of the Glasmalereien im Regensburger Dom (Corpus Vitrearum
West 800–1200, New Haven/London 1993 Medii Aevi XIII,1), 2 Bde., Berlin 1987
Dinkler-von Schubert 1964 – Erika Dinkler-von Schu- Frodl-Kraft 1965 – Eva Frodl-Kraft, Das »Flechtwerk« der
bert, Der Schrein der Hl. Elisabeth zu Marburg. Studien zur frühen Zisterzienser – Versuch einer Ableitung, in: Wiener
Schrein-Ikonographie, Marburg 1964 Jb. für Kunstgeschichte 20, 1965, S. 7–20
Dolff-Bonekämper 1985 – Gabriele Dolff-Bonekämper, Frodl-Kraft 1970 – Eva Frodl-Kraft, Die Glasmalerei. Ent-
Die Entdeckung des Mittelalters, Studien zur Geschichte wicklung. Technik. Eigenart, Wien/München 1970
der Denkmalerfassung und des Denkmalschutzes in Hessen- Frodl-Kraft 1972 – Eva Frodl-Kraft, Die mittelalterlichen
Kassel bzw. Kurhessen im 18. und 19. Jahrhundert (Quellen Glasgemälde in Niederösterreich, 1. Teil: Albrechtsberg bis
und Forschungen zur hessischen Geschichte 61), Darmstadt/ Klosterneuburg (Corpus Vitrearum Medii Aevi Österreich
Marburg 1987 II,1), Wien/Köln/Graz 1972
Dolff-Bonekämper 1989 – Gabi Dolff-Bonekämper, Die
Restaurierung der Hainaer Glasmalereien im 19. Jahrhun- Ganssauge/Kramm/Medding 1938 – Die Bau- und Kunst-
dert oder Vom Reparieren zum Restaurieren, in: Marburger denkmäler im Regierungsbezirk Kassel, II: Kreis der Twiste,
Jb. für Kunstwissenschaft 22, 1989, S. 203–214 bearbeitet von Gottfried Ganssauge, Walter Kramm und
Drach 1909 – Carl Alhard von Drach, Die Bau- und Kunst- Wolfgang Medding, Kassel 1938
denkmäler im Regierungsbezirk Cassel II, Kreis Fritzlar, 2 Ganssauge/Kramm/Medding 1939 – Die Bau- und Kunst-
Bde., Marburg 1909 denkmäler im Regierungsbezirk Kassel, III: Kreis des Eisen-
verzeichnis der abgekürzt zitierten literatur 21
berges, bearbeitet von Gottfried Ganssauge, Walter Kramm Hamann/Wilhelm-Kästner 1924 bzw. 1929 – Richard
und Wolfgang Medding, Kassel 1939 Hamann/Kurt Wilhelm-Kästner, Die Elisabethkir-
Ganssauge/Kramm/Medding 1960 – Die Bau- und Kunst- che zu Marburg und ihre künstlerische Nachfolge (I: Kurt
denkmäler des Landes Hessen. Kreis der Eder, bearbeitet von Wilhelm-Kästner, Die Architektur; II: Richard Hamann,
Gottfried Ganssauge, Walter Kramm und Wolfgang Med- Die Plastik), Marburg 1924 bzw. 1929
ding, Korbach 1960 Harms 22001 – Hermann Harms, Die mittelalterlichen Glas-
Gast 1998 – Uwe Gast, Der Große Friedberger Altar und der fenster der Kirche zu Breitenfelde, Schwerin 22001
Stilwandel am Mittelrhein nach der Mitte des 14. Jahrhun- Haseloff 1897 – Arthur Haseloff, Eine thüringisch-säch-
derts (Neue Forschungen zur deutschen Kunst I), Berlin sische Malerschule des 13. Jahrhunderts (Studien zur deut-
1998 schen Kunstgeschichte 9), Straßburg 1897
Gast 2005 – Uwe Gast, ›Im Niemandsland‹. Alte Thesen und Haseloff 1907 – Arthur Haseloff, Die Glasmalereien der
neue Ideen zu den stilistischen Voraussetzungen der Male- Elisabethkirche in Marburg, Berlin o.J. (1907)
reien des Retabels in St. Jacobi zu Göttingen, in: Carqué/ Haseloff 1931 – Arthur Haseloff, Die Glasmalereien in der
Röckelein 2005, S. 415–444 Kirche zu Breitenfelde und die deutsch-nordischen künstle-
Gast, Oppenheim, 2005 – Uwe Gast, Die Farbverglasung des rischen Beziehungen im 13. Jh., in: FS für Anton Schifferer,
Ostchores der Katharinenkirche in Oppenheim. Glasmale- Breslau 1931, S. 1–20
rei im Kontext politischer Wandlungen und Konflikte, in: Haussherr 1969 – Reiner Haussherr, Kunstgeographie und
Glasmalerei im Kontext. Akten des XXII. Internationalen Kunstlandschaft, in: Kunst in Hessen und am Mittelrhein 9,
Colloquiums des Corpus Vitrearum, Nürnberg, 29. August 1969 (Beiheft), S. 38–44
– 1. September 2004, hrsg. von Rüdiger Becksmann, Nürn- Heidelbach 1909 – Paul Heidelbach, Die Geschichte der
berg 2005, S. 117–134 Wilhelmshöhe, Kassel 1909
Gast/Parello/Scholz 2008 – Uwe Gast/Daniel Parello/ Heinrichs 1939 – Heinz Heinrichs, Die hessische Malerei
Hartmut Scholz, Der Altenberger Dom (Meisterwerke der in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts (Jb. der Denkmal-
Glasmalerei 2), Regensburg 2008 pflege im Regierungsbezirk Kassel 4), Kassel 1939
Geiges 1931/33 – Fritz Geiges, Der mittelalterliche Fenster- Helbig 1961 – Jean Helbig, Les vitraux médiévaux conser-
schmuck des Freiburger Münsters. Seine Geschichte, die vés en Belgique 1250–1500 (Corpus Vitrearum Medii Aevi
Ursachen seines Zerfalles und die Maßnahmen zu seiner Belgique I), Brüssel 1961
Wiederherstellung; zugleich ein Beitrag zur Geschichte des Hérold/Gatouillat 1994 – Michel Hérold/Françoise Ga-
Baues selbst, Freiburg im Breisgau 1931–1933 touillat, Les vitraux de Lorraine et d’Alsace (Corpus
Gessert 1839 – M. A. Gessert, Geschichte der Glasmalerei in Vitrearum France, Recensement V), Paris 1994
Deutschland, England, der Schweiz, Italien und Spanien von Hess 1995 – Daniel Hess, Nassauische Grablege und Kult-
ihrem Ursprung bis auf die neueste Zeit, Stuttgart/Tübingen stätte für die selige Gertrud. Zur Ausstattung der Klosterkir-
1839 che Altenberg/Lahn zwischen 1290 und 1350, in: Städel-Jb.
Glatz 1981 – Joachim Glatz, Mittelalterliche Wandmalerei in NF 15, 1995, S. 35–52
der Pfalz und Rheinhessen (Quellen und Abhandlungen zu Hess 1995/96 – Daniel Hess, »Modespiel« der Neugotik oder
mittelrheinischen Kirchengeschichte 38), Mainz 1981 Denkmal der Vergangenheit? Die Glasmalereisammlung
Gmelin 1974 – Hans Georg Gmelin, Spätgotische Tafelmalerei in Erbach und ihr Kontext, in: ZDVfKw 49/50, 1995/96,
in Niedersachsen und Bremen, München/Berlin 1974 S. 227–248
Gorissen 1969 – Friedrich Gorissen, Ludwig Jupan von Mar- Hess 1998 – Daniel Hess, Barocke Spätromanik oder byzanti-
burg, Düsseldorf 1969 nische Gotik? Der Zackenstil in den Bildkünsten von 1250–
Graus 31994 – František Graus, Pest – Geissler – Judenmorde. 1290, in AK Köln 1998, S. 63–72
Das 14. Jahrhundert als Krisenzeit (Veröffentlichungen des Hess 1999 – Daniel Hess, Die mittelalterlichen Glasmalereien
Max-Planck-Institutes für Geschichte 86), Göttingen 1994 in Frankfurt und im Rhein-Main-Gebiet (Corpus Vitrearum
Green u.a. 1979 – Rosalie Green, Michael Evans, Christine Medii Aevi Deutschland III,2), Berlin 1999
Bischoff und Michael Curschmann, The Hortus Deli- Heinemeyer 1986 bzw. 1997 – Walter Heinemeyer (Hrsg.),
ciarum of Herrad of Hohenbourg (Studies of the Warburg Das Werden Hessens (Veröffentlichung der Historischen
Institute 36), 2 Bde., London 1979 Kommission für Hessen 50), Marburg 1986, Index, hrsg. von
Grenz 1992 bzw. 1994 – Rudolf Grenz, Forschungen zur Bau- Uwe Zuber, Marburg 1997
geschichte des Klosters Haina. Projektberichte Juni 1991 bis Hochhuth 1872 – Carl W. H. Hochhuth, Statistik der evan-
Dezember 1992 bzw. Januar 1993 bis Januar 1994, 2 Bände, gelischen Kirche im Regierungsbezirk Cassel, Provinz Hes-
Marburg/Kassel 1992 bzw. 1994 sen-Nassau, Königreich Preußen, Cassel 1872
Grodecki 1977 – Louis Grodecki, Le vitrail roman, Fribourg Hörle 1990 – Josef Hörle, Geschichte der Bad Hersfelder
1977 (deutsche Ausgabe: Romanische Glasmalerei, Fribourg/ Stadtkirche, Bad Hersfeld 1990
Stuttgart 1977) Holladay 1982 – Joan A. Holladay, The Tombs of the
Grodecki/Brisac 1984 – Louis Grodecki/Catherine Brisac, Hessian Landgraves in the Church of St. Elizabeth at Mar-
Le Vitrail gothique au XIIIe siècle, Fribourg 1984 burg. Phil. Diss. Brown University 1982
Grossmann 21982 – Dieter Grossmann, Bau- und Kunstdenk- Holladay 1983 – Joan A. Holladay, Die Elisabethkirche
mäler der Stadt Marburg – ein Überblick, in: Dettmering/ als Begräbnisstätte. Anfänge, in: Arnold/Liebing 1983,
Grenz 21982, S. 775–924 S. 323–338
Holladay 1996 – Joan A. Holladay, Illuminating the Epic. The
Hamann 1938 – Richard Hamann, Die Elisabethkirche zu Kassel Willehalm Codex and the Landgraves of Hesse in the
Marburg (Deutsche Bauten 23), Burg bei Magdeburg 1938 Early Fourteenth Century, Seattle/London 1996
22 verzeichnis der abgekürzt zitierten literatur
Holtmeyer 1910 – Aloys Holtmeyer, Die Bau- und Kunst- Kippenberger 1939 – Albrecht Kippenberger, Grauteppich-
denkmäler im Regierungsbezirk Cassel, IV: Kreis Kassel- fenster der Elisabethkirche zu Marburg und des Zister-
Land, 2 Bde., Marburg 1910 zienserklosters Haina, in: FS Richard Hamann zum 60. Ge-
Holtmeyer 1923 – Aloys Holtmeyer, Die Bau- und Kunst- burtstag, Burg bei Magdeburg 1939, S. 40–45
denkmäler im Regierungsbezirk Cassel, VI: Kassel-Stadt, 2 Klein 1997 – Ulrich Klein, Mittelalterliche Dachwerke Mar-
Text- und 3 Tafelbde., Marburg 1923 burger Kirchen, Marburg 1997
Honnefelder/Trippen/Wolff 1998 – Dombau und Theo- Kloos 1935 – Werner Kloos, Die Erfurter Tafelmalerei von
logie im mittelalterlichen Köln. FS zur 750-Jahrfeier der 1350–1470. Ein Beitrag zur Kunstgeschichte Mitteldeutsch-
Grundsteinlegung des Kölner Domes und zum 65. Geburts- lands, Berlin 1935
tag von Joachim Kardinal Meisner 1998 (Studien zum Kölner Kluge 1959 – Dorothea Kluge, Gotische Wandmalerei in
Dom 6), hrsg. im Auftrag des Metropolitankapitels von Lud- Westfalen 1290–1530, Westfalen 1959
ger Honnefelder, Norbert Trippen und Arnold Wolff, Kolb 1884 – Hans Kolb, Glasmalereien des Mittelalters und
Köln 1998 der Renaissance, Stuttgart o.J. (1884)
Huyskens 1909 – Albert Huyskens, Der Hospitalbau der hl. Korn 1967 – Ulf-Dietrich Korn, Die romanische Farbver-
Elisabeth und die erste Wallfahrtskirche zu Marburg, in: glasung von St. Patrokli in Soest, Münster 1967
ZHG 43, 1909, S. 129–143 Korn 1969 – Ulf-Dietrich Korn, Scheiben und Scherben. Glas-
Huyskens 1911 – Albert Huyskens (Hrsg.), Der sog. Libellus malereifragmente in Göttingen, in: Niederdeutsche Beiträge
de dictis quatuor ancillarum s. Elisabeth confectus, Kempten zur Kunstgeschichte 8, 1969, S. 93–108
1911 Korn 1992 – Ulf-Dietrich Korn, Bücken – Legden – Lohne.
Überlegungen zur norddeutschen Glasmalerei um die Mitte
Justi 1885 – Carl Justi, Johann von der Leyten und Ludwig des 13. Jahrhunderts, in: Deutsche Glasmalerei des Mittel-
Juppe – Zwei Marburger Künstler vom Ausgang des Mittel- alters, II: Bildprogramme. Auftraggeber. Werkstätten, hrsg.
alters, in: Zs. für bildende Kunst 20, 1885, S. 259ff. von Rüdiger Becksmann, Berlin 1992, S. 11–42
Korn 2003 – Ulf Dietrich Korn, Glasmalerei-Restaurierungen
Kammel 2000 – Frank Matthias Kammel, Kunst in Erfurt in Westfalen 1974–2001 – Eine Nachlese, in: Westfalen 81,
1300–1360. Studien zu Skulptur und Tafelmalerei, Berlin 2003, S. 397–426
2000 Köstler 1995 – Andreas Köstler, Die Ausstattung der Mar-
Kammel 2004 – Frank Matthias Kammel, Niedersachsen in burger Elisabethkirche. Zur Ästhetisierung des Kultraums
Thüringen. Das Erfurter Einhornretabel und die thüringi- im Mittelalter, Berlin 1995
sche Tafelmalerei der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts, in: Kroos 1964 – Renate Kroos, Drei niedersächsische Bilder-
Malerei und Skulptur des späten Mittelalters und der frühen handschriften des 13. Jahrhunderts in Wien (Abhandlungen
Neuzeit in Norddeutschland. Künstlerischer Austausch im der Akademie der Wissenschaften in Göttingen. Philo-
Kulturraum zwischen Nordsee und Baltikum, hrsg. von logisch-historische Klasse III,56), Göttingen 1964
Hartmut Krohm, Uwe Albrecht und Matthias Weniger, Kroos 1978 – Renate Kroos, Sächsische Buchmalerei 1200–
Wiesbaden 2004, S. 143–158 1250. Ein Forschungsüberblick, in: ZfKg 41, 1978, S. 283–
Keberle 1971 – Božena Keberle, Die Glasmalereien in den 316
Langhausfenstern der Florentiuskirche zu Niederhaslach, in: Kroos 1981 – Renate Kroos, Zu frühen Bild- und Schriftzeug-
Société d’histoire et d’archéologie de Molsheim et environs nissen über die heilige Elisabeth als Quellen zur Kunst- und
1971, S. 15–36 Kulturgeschichte, in: AK Marburg 1981, S. 180–239
Keller 1968 – Harald Keller, Hessen und der Mittelrhein als Küch 1906 – Friedrich Küch, Marburger Kunstleben am Aus-
Kunstlandschaft, in: Kunst in Hessen und am Mittelrhein 8, gang des Mittelalters, in: Hessenkunst 1, 1906, unpaginiert
1968, S. 17–31 Kümmel 1996 – Birgit Kümmel, Der Ikonoklast als Kunst-
Kemp 1991 – Wolfgang Kemp, Parallelismus als Formprinzip. liebhaber. Studien zu Landgraf Moritz von Hessen-Kassel
Zum Bibelfenster der Dreikönigskapelle des Kölner Doms, (1592–1627), Marburg 1996
in Kölner Domblatt 56, 1991, S. 259–294 Kunst/Glockzin 1997 – Kirche zwischen Schloß und Markt.
Kiesow 1988 – Gottfried Kiesow, Gotik in Hessen, Stuttgart Die Lutherische Pfarrkirche St. Marien zu Marburg, im Auf-
1988 trag des Kirchenvorstandes hrsg. von Hans-Joachim Kunst
Kimpel/Suckale 1985 – Dieter Kimpel/Robert Suckale, Die und Eckart Glockzin, Marburg 1997
gotische Architektur in Frankreich 1130–1270, München Kurmann-Schwarz 2002 – Brigitte Kurmann-Schwarz,
1985 Glasmalereien im Kanton Aargau. Königsfelden, Zofingen,
Kippenberger 1927 – Albrecht Kippenberger, Hauptwerke Staufberg, o.O. 2002
des Museums im Jubiläumsbau der Universität Marburg, in: Kurmann-Schwarz 2008 – Brigitte Kurmann-Schwarz, Die
Marburger Jb. für Kunstwissenschaft 3, 1927, S. 273–304 mittelalterlichen Glasmalereien der ehemaligen Klosterkir-
Kippenberger 1931 – Albrecht Kippenberger, Von den Glas- che Königsfelden (Corpus Vitrearum Schweiz II), Bern 2008
fenstern der Elisabethkirche zu Marburg, ihren Voraus-
setzungen und ihrer Nachfolge, in: Hessenkunst 24, 1931, L. – Max Lehrs, Geschichte und Kritischer Katalog des deut-
S. 30–37 schen, niederländischen und französischen Kupferstichs im
Kippenberger 1934 – Albrecht Kippenberger, Zwei Rund- XV. Jahrhundert (9 Textbde. und 1 Tafelbd.), Wien 1908–
scheiben aus Schröck im Museum der Universität zu Marburg 1934
und Nachrichten zur Marburger Glasmalerei am Ende des Lachmann/Schneider/Wolff 1997 – Walter Heinemeyer,
Mittelalters, in: Hessenland (Marburg) 45, 1934, S. 48–50 Philipp der Großmütige und die Reformation in Hessen.
Gesammelte Aufsätze zur hessischen Reformationsgeschich-
verzeichnis der abgekürzt zitierten literatur 23
te. Als Festgabe zum 85. Geburtstag hrsg. von Hans-Peter Mohn 2006 – Claudia Mohn, Mittelalterliche Klosteranlagen
Lachmann, Hans Schneider und Fritz Wolff (Quellen der Zisterzienserinnen. Architektur der Frauenklöster im
und Darstellungen zur Geschichte des Landgrafen Philipp mitteldeutschen Raum (Berliner Beiträge zur Bauforschung
des Großmütigen 7), Marburg 1997 und Denkmalpflege 4), Petersberg 2006
Landolt-Wegener 1959 – Elisabeth Landolt-Wegener, Moller 1822–24 – Georg Moller, Denkmaehler der deutschen
Die Glasmalereien im Hauptchor der Soester Wiesenkirche Baukunst, III: Die Kirche der heiligen Elisabeth zu Marburg,
(Westfalen, 13. Sonderheft), Münster 1959 Darmstadt 1822–24
Lillich 1993 – Meredith Parsons Lillich (Hrsg.), Studies in Mollwo 1944 – Marie Mollwo, Das Wettinger Graduale. Eine
Cistercian Art and Architecture, IV, Kalamazoo 1993 geistliche Bilderfolge vom Meister des Kasseler Willehalm-
Lillich 2001 – Meredith Parsons Lillich, Recent Scholar- codex und seinem Nachfolger (Berner Schriften zur Kunst
ship Concerning Cistercian Windows, in: Meredith Parsons 1), Bern-Bümpliz 1944
Lillich, Studies in Medieval Stained Glass and Monasti- Monsees 1997 – Die Inschriften des Rheingau-Taunus-Kreises,
cism, London 2001, S. 395–418 gesammelt und bearbeitet von Yvonne Monsees (Die deut-
Lotz 1862 – Wilhelm Lotz, Kunst-Topographie Deutschlands, schen Inschriften 43. Mainzer Reihe 5), Wiesbaden 1997
I: Norddeutschland, Kassel 1862 Morgan 1982 – Nigel Morgan, Early Gothic Manuscripts
Lotz 1880 – Wilhelm Lotz, Die Baudenkmäler im Regierungs- 1190–1250 (A Survey of Manuscripts Illuminated in the
bezirk Wiesbaden, Berlin 1880 British Isles 1) Oxford 1982
Luthmer 1907 – Ferdinand Luthmer, Die Bau- und Kunst- Müller 1991 – Matthias Müller, Die Marburger Pfarrkirche
denkmäler des Lahngebiets (Die Bau- und Kunstdenkmäler St. Marien. Eine Stadtkirche und ihre Architektur als Ort
des Regierungsbezirks Wiesbaden 3), Frankfurt/M. 1907 politischer Auseinandersetzungen (Marburger Stadtschrif-
Lymant 1979 – Brigitte Lymant, Die mittelalterlichen Glas- ten zur Geschichte und Kultur 34), Marburg 1991
malereien der ehemaligen Zisterzienserkirche Altenberg,
Bergisch Gladbach 1979 Neuber 1915 – Hans Neuber, Ludwig Juppe von Marburg. Ein
Lymant 1982 – Brigitte Lymant, Die Glasmalereien des Schnüt- Beitrag zur Geschichte der deutschen Plastik am Ausgang
gen-Museums. Bestandskatalog, Köln 1982 des Mittelalters (Beiträge zur Kunstgeschichte Hessens und
des Rhein-Main-Gebietes 4), Marburg 1915
Maercker 1967 – Karl-Joachim Maercker, Zwei romanische Nieder 2005 – Franz-Karl Nieder, Das Limburger Hospital
Rundscheiben in Paretz, in: Kunst des Mittelalters in Sach- und die Annakirche, Limburg an der Lahn 2005
sen. FS Wolf Schubert, Weimar 1967, S. 300–306 Niederquell 1974 – Die Inschriften der Stadt Fritzlar, gesam-
Maercker 1988 – Karl-Joachim Maercker, Die mittelalterli- melt und bearbeitet von Theodor Niederquell (Die deut-
che Glasmalerei im Stendaler Dom (Corpus Vitrearum Medii schen Inschriften 14. Heidelberger Reihe 5), München 1974
Aevi Deutschland XVIII,1), Berlin 1988
Maercker 1995 – Karl-Joachim Maercker, Die mittelalter- Oidtmann 1898 – Heinrich Oidtmann, Die Glasmalerei, II:
lichen Glasmalereien in der Stendaler Jakobikirche (Corpus Die Geschichte der Glasmalerei I: Die Frühzeit bis zum Jahr
Vitrearum Medii Aevi Deutschland XVIII,2), Berlin 1995 1400, Köln 1898
Martin 1993 – Frank Martin, Die Apsisverglasung der Ober- Oidtmann 1906 – Heinrich Oidtmann, Über die Instandset-
kirche von S. Francesco in Assisi. Ihre Entstehung und Stel- zung alter Glasmalereien, in: Zs. für christliche Kunst 19,
lung innerhalb der Oberkirchenausstattung (Manuskripte 1906, Sp. 257–276
zur Kunstwissenschaft 37), Worms 1993 Oidtmann 1912 bzw. 1929 – Heinrich Oidtmann, Die rhei-
Martin 1997 – Frank Martin, Die Glasmalereien von San nischen Glasmalereien vom 12. bis zum 16. Jahrhundert,
Francesco in Assisi. Entstehung und Entwicklung einer Gat- Düsseldorf 1912 bzw. 1929
tung in Italien, Regensburg 1997
Martin, Zackenstil, 1997 – Frank Martin, Die Aschaffenbur- Paravicini 2003 – Werner Paravicini (Hrsg.), Höfe und Re-
ger Tafel und der Zackenstil. Versuch einer stilistischen Ein- sidenzen im spätmittelalterlichen Reich. Ein dynastisch-
ordnung, in: Emmerling/Ringer 1997, S. 307–320 topographisches Handbuch, bearbeitet von Jan Hirschbiegel
Martin 2007 – Frank Martin, Die heilige Elisabeth in der und Jörg Wettlaufer (Residenzenforschung 15,1), 2 Teilbde.
Glasmalerei. Vermittlungsstrategien eines weiblichen Heili- (I: Dynastien und Höfe; II: Residenzen), Ostfildern 2003
genmodells, in: AK Eisenach 2007, II, S. 293–308 Parello 2001 – Daniel Parello, Die ehemalige Farbvergla-
Matouš 1975 – František Matouš, Mittelalterliche Glasmale- sung der Hersfelder Stadtkirche. Ein Beitrag zur hessischen
rei in der Tschechoslowakei (Corpus Vitrearum Medii Aevi Glasmalerei im 14. Jahrhundert, in: Marburger Jb. für Kuns-
Tschechoslowakei), Prag 1975 twissenschaft 28, 2001, S. 109–132
Michler 1974 – Jürgen Michler, Studien zur Marburger Parello 2002 – Daniel Parello, Représentations architectu-
Schloßkapelle, in: Marburger Jb. für Kunstwissenschaft 19, rales au seuil du roman tardif et du gothique rayonnant. Les
1974, S. 33–84 figures en pied des vitraux du chœur est de l’ancienne église
Michler 1978 – Jürgen Michler, Zur Farbfassung der Mar- de pèlerinage saint Elisabeth à Marburg (Akten des XXI.
burger Schloßkapelle. Raumfarbigkeit als Quelle zur Ge- Internationalen Colloquiums des Corpus Vitrearum, Brüs-
schichte von Kunst und Denkmalpflege, in: Deutsche Kunst sel, Palais des Académies, 22.–27. August 2002) Brüssel 2002,
und Denkmalpflege 36, 1978, S. 37–53 S. 53–63
Michler 1984 – Jürgen Michler, Die Elisabethkirche zu Mar- Parello 2004 – Daniel Parello, Neue Lösungen zur Bildpro-
burg in ihrer ursprünglichen Farbigkeit (Quellen und Studien grammatik zisterziensischer Prachtfenster im 14. Jahrhun-
zur Geschichte des Deutschen Ordens 19), Marburg 1984 dert, in: Scholz/Hess/Rauch 2004, S. 165–180
24 verzeichnis der abgekürzt zitierten literatur
Parello 2005 – Daniel Parello, Glasmalereien in Westfalen Schmitz 1913 – Hermann Schmitz, Die Glasgemälde des
und Niedersachsen um 1400, in: Carqué/Röckelein 2005, Königlichen Kunstgewerbemuseums in Berlin, 2 Bde. (Text-
S. 475–511 und Tafelbd.), Berlin 1913
Pieper 1986 – Paul Pieper, Die deutschen, niederländischen Schmoll gen. Eisenwerth 2005 – Josef Adolf Schmoll gen.
und italienischen Tafelbilder bis um 1530. Bestandskataloge Eisenwerth, Die lothringische Skulptur des 14. Jahrhun-
des Westfälischen Landesmuseums für Kunst und Kulturge- derts. Ihre Voraussetzungen in der Südchampagne und ihre
schichte Münster, Münster 1986 außerlothringischen Beziehungen (Studien zur internationa-
len Architektur- und Kunstgeschichte 29), Petersberg 2005
Rauch 1997 – Ivo Rauch, Memoria und Macht. Die mittelal- Schneckenburger-Broschek 1997 – Anja Schneckenbur-
terlichen Glasmalereien der Oppenheimer Katharinenkirche ger-Broschek, Altdeutsche Malerei. Die Tafelbilder und
und ihre Stifter (Quellen und Abhandlungen zur mittelrhei- Altäre des 14. bis 16. Jahrhunderts in der Gemäldegalerie
nischen Kirchengeschichte 81), Mainz 1997 Alte Meister und im Hessischen Landesmuseum Kassel, Kas-
Reitzenstein 1965 – Alexander Frhr. von Reitzenstein, Der sel 1997
Ritter im Heergewäte. Bemerkungen über einige Bildgrab- Scholz 1994 – Hartmut Scholz, Die mittelalterlichen Glas-
steine der Hochgotik, in: Studien zur Geschichte der euro- malereien in Ulm (Corpus Vitrearum Medii Aevi Deutsch-
päischen Plastik. FS Theodor Müller zum 19. April 1965, land I,3), Berlin 1994
hrsg. von Kurt Martin u.a., München 1965, S. 73–91 Scholz 1998 – Hartmut Scholz, Ornamentverglasungen der
Rentsch 1958 – Dietrich Rentsch, Glasmalerei des frühen Hochgotik, in AK Köln 1998, S. 51–62
vierzehnten Jahrhunderts in Ost-Mitteldeutschland (Mittel- Scholz 1999 – Hartmut Scholz, Ornamentverglasungen der
deutsche Forschungen 10), Köln/Graz 1958 Zisterzienser am Beispiel Marienstatt, in: Die Klosterkir-
Richter 1993 – Christa Richter, Die mittelalterlichen Glas- che Marienstatt (Denkmalpflege in Rheinland-Pfalz. For-
malereien in Mühlhausen/Thüringen (Corpus Vitrearum schungsberichte 4), Worms 1999, S. 85–96
Medii Aevi Deutschland XVI), Berlin 1993 Scholz 2002 – Hartmut Scholz, Die mittelalterlichen Glasma-
Richter 1993a – Christa Richter, The Cistercian Stained lereien in Mittelfranken und Nürnberg extra muros (Corpus
Glass of Doberan, in: Lillich 1993, S. 161–183 Vitrearum Medii Aevi Deutschland X,1), 2 Bde., Berlin 2002
Rode 1974 – Herbert Rode, Die mittelalterlichen Glasmalereien Scholz/Hess/Rauch 2004 – Glas. Malerei. Forschung. Inter-
des Kölner Doms (Corpus Vitrearum Medii Aevi Deutsch- nationale Studien zu Ehren von Rüdiger Becksmann, hrsg.
land IV,1), Berlin 1974 von Hartmut Scholz, Ivo Rauch und Daniel Hess, Berlin
Roth 1895 – F. W. E. Roth, Die Freiherrlich von Zwierlein- 2004
sche Sammlung von Glasmalereien zu Geisenheim am Rhein. Schug-Wille 1957 – Christa Schug-Wille, Die figürlichen
Eine kunsthistorische Studie, in: Bonner Jahrbücher 96/97, Glasmalereien des 14. Jahrhunderts in der Burgkapelle der
1895, S. 293–303 Löwenburg in Kassel aus der Stadtkirche zu Hersfeld, in:
ZHG 68, 1957, S. 220–226
Salmen 1942 – Gertrud Salmen, Die spätromanische Glasma- Schürer 1926 – Otto Schürer, Die Baugeschichte der Kloster-
lerei Westfalens, Phil. Diss. Münster 1942 (Typoskript) kirche zu Haina, in: Marburger Jb. für Kunstwissenschaft 2,
Schäfer 1867 – Carl Schäfer, Über die Glasmalerei, in: Zeit- 1926, S. 91–170
schrift des Vereins zur Ausbildung der Gewerke in München Schurr 2007 – Marc Carel Schurr, Gotische Architektur im
17, 1867, wieder abgedruckt in und zitiert nach: Schäfer mittleren Europa 1220–1340. Von Metz bis Wien (Kunstwis-
1910 senschaftliche Studien 137), München/Berlin 2007
Schäfer 1873 – Carl Schäfer, Inventarium über die in und an Schwartz 1956 – Hubertus Schwartz, Die Baldachinbekrö-
der St. Elisabeth-Kirche zu Marburg erhaltenen Kunstwerke nungen in der Soester romanischen Wandmalerei, in: Soester
und Denkmäler. Aufgestellt im Januar 1873, wieder abge- Zs. 69, 1956, S. 21–28
druckt in und zitiert nach: Schäfer 1910 Seel 71995 – Otto Seel, Der Physiologus, Tiere und Symbolik,
Schäfer 1881 – Carl Schäfer, Die Glasmalerei des Mittelal- Zürich/Stuttgart 1995
ters und der Renaissance, in: Zentralblatt der Bauverwaltung Sherrill 1927 – Charles Hitchcock Sherrill, Stained Glass
1881, wieder abgedruckt in und zitiert nach: Schäfer 1910 Tours in Germany, Austria and the Rhine Lands, London/
Schäfer 1910 – Carl Schäfer, Von deutscher Kunst. Gesam- New York 1927
melte Aufsätze und nachgelassene Schriften, Berlin 1910 Simson 1990 – Otto von Simson, Bernhard von Clairvaux und
Schäfer/Rossteuscher 1885 – Carl Schäfer/August der »dolce stil nuovo« der frühgotischen Plastik. Ein Ver-
Rossteuscher, Ornamentale Glasmalereien des Mittelalters such über die Beziehungen zwischen Spiritualität und Kunst,
und der Renaissance, Berlin 1885 in: FS für Peter Bloch zum 11. Juli 1990, hrsg. von Hartmut
Schenk zu Schweinsberg 1962 – Eberhard Schenk zu Krohm und Christian Theuerkauff, Mainz 1990, S. 31–40
Schweinsberg, Führer durch das bischöfliche Diözesan- Skriver 2001 – Anna Skriver, Die Taufkapelle von St. Gereon
Museum zu Limburg a.d. Lahn, Limburg 1962 in Köln. Untersuchungen zur Wechselwirkung zwischen
Scheuffelen 1951 – Gertrud Maria Scheuffelen, Die Glas- Architektur und Farbfassung spätstaufischer Sakralräume
fenster der Kirche St. Kunibert in Köln, Phil. Diss. München im Rheinland (Beiträge zur Kunst des Mittelalters 2), Köln
1951 (Typoskript) 2001
Schmidberger/Richter 2001 – Ekkehard Schmidberger/ Söding 2005 – Ulrich Söding, Das Retabel mit dem Gnaden-
Thomas Richter, Schatzkunst 800 bis 1800. Kunsthand- stuhl aus Soest in der Berliner Gemäldegalerie, in: Das Soester
werk und Plastik der Staatlichen Museen Kassel im Hessi- Antependium und die frühe mittelalterliche Tafelmalerei.
schen Landesmuseum Kassel, Kassel 2001 Kunsttechnische und kunsthistorische Beiträge. Akten des
verzeichnis der abgekürzt zitierten literatur 25
Wissenschaftlichen Kolloquiums vom 5.–7. Dezember 2002 Wentzel 21954 – Hans Wentzel, Meisterwerke der Glasmale-
veranstaltet in Münster, hrsg. von Joachim Poeschke, Her- rei, Berlin 21954
mann Arnhold, Manfred Luchterhand und Hans Port- Wentzel 1958 – Hans Wentzel, Die Glasmalereien in Schwa-
steffen (Westfalen 80, 2002), Münster 2005, S. 155–206 ben von 1200–1350 (Corpus Vitrearum Medii Aevi Deutsch-
Sommer 22000 – Johannes Sommer, Das Deckenbild der Mi- land I,1), Berlin 1958
chaeliskirche zu Hildesheim, ergänzter Reprint der Auflage Wentzel 1962 – Hans Wentzel, Ein Elfenbeinbüchlein zur Pas-
Hildesheim 1966 mit einem neuen Schlusskapitel, Königstein sionsandacht, in: Wallraf–Richartz-Jb. 24, 1962, S. 193–212
im Taunus 2000 Wentzel 1965 – Hans Wentzel, Gotische Glasmalereien für
Stange 1934 – Alfred Stange, Beiträge zur sächsischen Buch- Amelungsborn, in: Pantheon 23, 1965, S. 138–145
malerei des 13. Jahrhundert, in: Münchner Jb. für Kunstge- Wiegand 1998 – Wissenswertes über unsere Stadt Immenhau-
schichte 6, 1929, S. 302–344 sen von der Gründungszeit bis zur Gegenwart, zusammen-
Statz/Ungewitter 1856 bzw. 1861 – Vincenz Statz/Georg G. gestellt von Werner Wiegand, Immenhausen 1998
Ungewitter, Gothisches Musterbuch, mit einer Einleitung Wiegand 1999 – Thomas Wiegand, Kulturdenkmäler in Hes-
von Arthur Reichensperger, 2 Bde., Leipzig 1856 bzw. sen. Stadt Bad Hersfeld (Landkreis Hersfeld-Rotenburg III),
1861 Braunschweig/Wiesbaden 1999
Strickhausen 2001 – Gerd Strickhausen, Die Elisabeth- Wille 1952 – Christa Wille, Die figürlichen Glasmalereien
kirche in Marburg – Kirche des Deutschen Ordens, in: Bur- des 14. Jahrhunderts aus dem hessischen Raum, 2 Bde. (Text-
gen kirchlicher Bauherren (Forschungen zu Burgen und und Kat.), Phil. Diss. Mainz 1952 (Typoskript)
Schlössern 6), München/Berlin 2001, S. 139–156 Wolf 2002 – Norbert Wolf, Deutsche Schnitzretabel des
Swarzenski 1936 – Hanns Swarzenski, Die lateinischen il- 14. Jahrhunderts, Berlin 2002
luminierten Handschriften des XIII. Jahrhunderts in den Wolff-Wintrich 1995 – Brigitte Wolff-Wintrich, Kölner
Ländern an Rhein, Main und Donaus, 2 Bde. (Text- und Glasmalereisammlungen des 19. Jahrhunderts, in: Lust und
Tafelbd.), Berlin 1936 Verlust. Kölner Sammler zwischen Trikolore und Preußen-
Swarzenski 21974 – Hanns Swarzenski, Monuments of Ro- adler, hrsg. von Hiltrud Kier und Frank Günter Zehnder,
manesque Art, Chicago 21974 Köln 1995, S. 341–354
Wolfson 1992 – Michael Wolfson, Die deutschen und nieder-
T.I.B. – The Illustrated Bartsch (Supplement). German Single ländischen Gemälde bis 1550. Niedersächsisches Landesmu-
Leaf Woodcuts before 1500, CLXI–CLXV, ed. by Richard S. seum Hannover, Landesgalerie. Kritischer Katalog mit Ab-
Field, New York 1987–1999 bildungen aller Werke, Hannover 1992
Wolter-von dem Knesebeck 2001 – Harald Wolter-von
Untermann 2001 – Matthias Untermann, Forma ordinis. dem Knesebeck, Der Elisabethpsalter in Cividale del Friuli.
Die mittelalterliche Baukunst der Zisterzienser (Kunstwis- Buchmalerei für den Thüringer Landgrafenhof zu Beginn
senschaftliche Studien 89), München/Berlin 2001 des 13. Jahrhunderts, Berlin 2001
Wolter-von dem Knesebeck 2002 – Harald Wolter-von dem
Walbe 1933 – Heinrich Walbe, Die Kunstdenkmäler im Frei- Knesebeck, Kunsthistorische Beobachtungen zur Holzdek-
staat bzw. Volksstaat Hessen. Provinz Oberhessen, Kreis ke von St. Michael. Ihr Verhältnis zur sächsischen Buchma-
Gießen III: Südlicher Teil (ohne Arnsburg), Darmstadt 1933 lerei in der älteren Forschung und nach heutigem Wissens-
Walbe 1938 – Heinrich Walbe, Die Kunstdenkmäler in Hes- stand, in: Die Bilderdecke der Hildesheimer Michaeliskirche.
sen, Kreis Gießen I: Nördlicher Teil, Darmstadt 1938 Erforschung eines Weltkulturerbes, hrsg. von Rolf-Jürgen
Weber 1913 – Paul Weber, Die Bau- und Kunstdenkmäler im Grote und Vera Kellner, München/Berlin 2002, S. 36–58
Regierungsbezirk Cassel, V: Kreis Herrschaft Schmalkalden, Wolter-von dem Knesebeck 2007 – Harald Wolter-von
2 Bde., Marburg 1913 dem Knesebeck, Das Mainzer Evangeliar. Strahlende Bilder
Weerth 1887 – Die freiherrlich von Zwierlein’schen Samm- – Worte in Gold, Regensburg 2007
lungen von gebrannten Glasfenstern, Kunstsachen und Ge- Wulf 2003 – Die Inschriften der Stadt Hildesheim, gesammelt
mälden etc. etc. zu Geisenheim, bearbeitet von Ernst aus’m und bearbeitet von Christine Wulf (Die deutschen Inschrif-
Weerth, Auktionskatalog J. M. Heberle, Köln 1887 ten 58. Göttinger Reihe 10), 2 Bde., Wiesbaden 2003
Weerth 1888 – Ernst aus’m Weerth, Die von Zwierlein’sche
Kunstsammlung in Geisenheim, in: Repertorium für Kunst- Zahlten 1979 – Johannes Zahlten, Creatio mundi. Darstel-
wissenschaft 11, 1888, S. 262–273 lungen der sechs Schöpfungstage und naturwissenschaft-
Wentzel 1948 – Hans Wentzel, Die mittelalterlichen Glasma- liches Weltbild im Mittelalter (Stuttgarter Beiträge zur Ge-
lereien Westfalens, in: Westfalen 27, 1948, S. 215–220 schichte und Politik 13), Stuttgart 1979
Wentzel 1951 – Hans Wentzel, Die Glasmalerei der Zister- Zakin 1979 – Helen Jackson Zakin, French Cistercian Glass,
zienser in Deutschland, in: Die Klosterbaukunst. Arbeits- New York/London 1979
bericht der Deutsch-Französischen Kunsthistoriker-Tagung Zehnder 1990 – Frank Günter Zehnder, Katalog der Altköl-
(1951), Numéro spécial du Bulletin des relations artistiques ner Malerei (Kataloge des Wallraf-Richartz-Museums 11),
France-Allemagne (unpaginiert) Köln 1990
Karte der Glasmalereistandorte
in Hessen und Rheinhessen (CVMA Bd. III)
Glasmalereien in situ
Glasmalereien abgewandert oder verloren
ortsfremde Glasmalereien
In Zeiten des Umbruchs gewinnen Traditionen an Bedeutung. Wir verdanken diesem Phänomen die Entstehung der
modernen Denkmalpflege im 19. Jahrhundert ebenso wie die kuriose Mittelalterbegeisterung des hessischen Land-
grafen Wilhelm I.: Der Landgraf folgte einer allgemeinen Mode unter Adligen, als er sich im Park seiner Wilhelms-
höher Residenz eine romantische Burgruine, die Löwenburg, errichten ließ. Mit ihren altertümlichen und verwilderten
Formen bildete sie einen architektonischen Gegenentwurf zum repräsentativen Schlossbau weiter unten im Park, und
hierhin zog Wilhelm sich zurück, wenn er den Regierungsgeschäften und gesellschaftlichen Zwängen entfliehen woll-
te. Glasmalereien trugen in der Hauptsache zur Steigerung des stimmungsvollen Ambientes bei und hüllten die zur
Burg gehörende Kapelle, von Wilhelm zu Lebzeiten als Begräbnisort bestimmt, in ein farbiges, unwirkliches Licht.
Die Liebhaberei des Vaters ging auf den Sohn über, der sogar seinen Haus- und Staatsarchivdirektor Christoph (von)
Rommel mit der Suche nach weiteren Objekten dieser Art beauftragte1. Aus den Akten lässt sich die Planlosigkeit des
ganzen Unternehmens ersehen; so hat man etwa in Dagobertshausen beim Ausbau der Glasmalereien für das Einset-
zen anderer Fenster nicht gesorgt, wodurch ein der Gesundheit nachtheiliger Luftzug und großes Mißvergnügen in der
Gemeinde entstanden sey 2 . Zum Verdruss des Landesherrn trafen die Scheiben infolge unsachgemäßer Handhabung
vielfach zerstört in Kassel ein und waren damit als Fensterschmuck unbrauchbar geworden. Gegen diesen Vandalis-
mus musste Rommel, der aufgrund seiner historischen Bildung für den Erhalt von Altertumszeugnissen sensibilisiert
war, Widerspruch einlegen, und es gelang ihm schließlich, Wilhelm II. zu einer Verordnung zum Schutz von öffent-
lichen Kunstwerken und Denkmälern zu bewegen 3.
Die Aufwertung historischer Denkmäler kam wenig später der baufälligen Klosterkirche in Haina zugute, deren
Sanierung mit staatlicher Unterstützung in den 1840er-Jahren eingeleitet wurde; der hohe Stellenwert, den die mit-
telalterlichen Glasmalereien schon damals genossen, lässt sich an den eigens erarbeiteten Richtlinien zur Restaurie-
rung ihrer Farbverglasung ermessen. Deren Instandsetzung wurde unter der Prämisse größtmöglicher Bewahrung
und Sicherung der Originalsubstanz durchgeführt und kann als richtungsweisend für nachfolgende Generationen
bezeichnet werden. Zwar gelangten die Pläne zur Veröffentlichung eines reich bebilderten Mappenwerkes nicht über
das Entwurfsstadium hinaus (vgl. Fig. 97–99), doch über die Tätigkeit hessischer Neugotiker wie Georg Gottlob
Ungewitter oder Carl Schäfer wurde dafür in anderen Mappenwerken die Vielfalt erhaltener Ornamentver-
glasungen einem weiteren Kreis von Interessierten bekannt gemacht4. Der in Haina mit den Instandsetzungsmaß-
nahmen betraute Architekt Friedrich Lange hatte sich bereits eingehender mit mittelalterlichen Fertigungstechniken
befasst und konnte nach Abschluss der Arbeiten davon auch im Zusammenhang mit der Wiederherstellung der Glas-
malereien in der Marburger Elisabethkirche profitieren.
Arthur Haseloff, ein ausgewiesener Kenner thüringisch-sächsischer Kunst, nahm deren erneute Restaurierung zu
Beginn des 20. Jahrhunderts zum Anlass, um die Bestände in der Königlichen Glasmalereianstalt in Berlin-Char-
lottenburg genauer unter die Lupe zu nehmen. Die Ergebnisse seiner hierauf gründenden Publikation besitzen noch
heute Gültigkeit 5. Überhaupt galt Haseloffs Werk, neben einigen Beiträgen des Marburger Museumsdirektors
Albrecht Kippenberger über Ornamentverglasungen in Marburg und Haina, lange Zeit als die einzige Publikation zu
mittelalterlichen Glasmalereien im nördlichen Hessen von wissenschaftlicher Relevanz 6 . Aber auch Ludwig Bickell
hat sich dem Gesamtbestand nordhessischer Glasmalerei zu nähern versucht: Bickell projektierte eine groß angelegte
Reihe zu den Bau- und Kunstdenkmälern im Regierungsbezirk Kassel, die das in die Jahre gekommene, jedoch nicht
minder wichtige Denkmälerinventar von Heinrich von Dehn-Rotfelser und Wilhelm Lotz ersetzen sollte7. In den
1 Dolff-Bonekämper 1985, S. 114–126, 353–355. Carl Schäfer 1844–1908. Leben und Werk des Architekten der Neugo-
2 Die Beschwerde der Kirchengemeinde in Dagobertshausen wurde tik, München 1979; zu Ungewitter s. David-Sirocko 1997. – Schon
am 10. Dez. 1824 aktenkundig; vgl. hierzu Reg. Nr. 7. früher hatte Moller 1822–24 im Rahmen seiner Reihe zu den Denk-
3 Dolff-Bonekämper 1985, bes. S. 115–117, 356f. mälern deutscher Baukunst wiederholt Muster mittelalterlicher Orna-
4 Siehe etwa Statz/Ungewitter 1856 bzw. 1861 und Schäfer/Ross- mentscheiben behandelt.
teuscher 1885, die auch Abbildungen von heute verlorenen Glasma- 5 Haseloff 1907.
lereien zeigen. Von Carl Schäfer liegen mehrere Publikationen zur 6 Kippenberger 1931, 1934 und 1939; AK Marburg 1932, S. 87f.
Glasmalerei vor, darunter auch ein Abriss zur Geschichte der Gattung; 7 Dehn-Rotfelser/Lotz 1870; Drach 1909, Holtmeyer 1910 und
Schäfer 1867, 1873, 1881. Zum Werk Schäfers s. Jutta Schuchard, 1923.
28 kunstgeschichtliche einleitung
von Karl Alhard von Drach und Aloys Holtmeyer vorgelegten Inventaren zu Fritzlar und Kassel-Land wurden
auch entlegene Glasmalereistandorte mit wünschenswerter Ausführlichkeit behandelt 8 .
Zu Beginn der 1940er-Jahre sind von Seiten der Denkmalpflege Bergungsmaßnahmen zum Schutz der durch den
Krieg gefährdeten Kunst eingeleitet worden, mit denen eine fotografische Bestandserfassung der Objekte verbunden
war. Diese bildete nach Kriegsende eine wichtige Grundlage für die nun einsetzende Intensivierung der Glasmalerei-
forschung, die von der etablierten Kunstgeschichte lange Zeit vernachlässigt worden war. An der Mainzer Univer-
sität befasste sich Christa Wille mit einer Arbeit über die figürlichen Glasmalereien der Hochgotik in Hessen, die
einen ersten Versuch darstellt, die erhaltenen Werke nach übergreifenden stilistischen Gesichtspunkten zu ordnen
und werkstattmäßige Zusammenhänge zu erschließen9. Wille betrat mit ihrer 1952 abgeschlossenen Dissertation
Neuland; doch bedauerlicherweise wurden ihre Ergebnisse – ebenso wie die Dissertationen von Gertrud Salmen zur
westfälischen Glasmalerei und Gertrud Maria Scheuffelen zu St. Kunibert in Köln, die im Rahmen ihrer Untersu-
chungen auch die Marburger Fenster mit einbezogen hatten10 – nicht publiziert.
Ansätze zu einer gewissenhaften Inventarisierung des gesamten Bestandes wurden in den sechziger Jahren im Rahmen
des neu gegründeten Forschungsvorhabens des CVMA unternommen. Hans Wentzel beauftragte Rüdiger Becksmann
mit der Bearbeitung der badischen und hessischen Glasmalereien, doch war ein solches Vorhaben, wie sich bald heraus-
stellen sollte, angesichts der Fülle des Materials von einer Person nicht zu leisten, sodass die weitere Bestandserfas-
sung für Hessen vorerst zurückgestellt werden musste. Einen erneuten Anlauf zu einer monographischen Bearbeitung
der Marburger Fenster unternahm Monika Bierschenk11. Ihre 1991 beim Deutschen Verein für Kunstwissenschaft
herausgegebene Studie behandelt aber lediglich die romanische Fenstergruppe; die angekündigte Publikation zu den
Glasmalereien der jüngeren Ausstattungsphase ist nicht erschienen. Schließlich konnte zu Beginn der neunziger Jahre
die Bearbeitung der hessischen Glasmalereibestände durch das CVMA wieder aufgenommen werden. Diese sah nun
die Aufteilung der in Hessen erhaltenen Glasmalereien auf drei Bände vor. Den Anfang machte mein Vorgänger Daniel
Hess, der im Jahr 1999 den ersten Teilband zu den mittelalterlichen Glasmalereien in Frankfurt und im Rhein-Main-
Gebiet publizieren konnte12 – allerdings ohne die zu diesem Bearbeitungsgebiet gehörenden Standorte Braunfels,
Lich, Limburg, Grünberg und Wetzlar, die daher in den vorliegenden Band aufgenommen worden sind. Dafür wurde
mit Altenberg ein von Hess bereits weitgehend fertiggestellter Beitrag übernommen. Im Jahr 2009 wird der Band
meines Kollegen Uwe Gast zu den mittelalterlichen Glasmalereien in Darmstadt, Süd- und Rheinhessen erscheinen,
mit dem dann die Inventarisierung der hessischen Bestände zum Abschluss gebracht sein wird.
Das hier bearbeitete Kerngebiet umfasst den Regierungsbezirk Kassel, der 1945 im neu gebildeten Land Hessen neben
Darmstadt und Wiesbaden errichtet wurde. Es geht zurück auf das 1866 von Preußen annektierte Kurfürstentum Hes-
sen, dem 1929 das ehemalige Fürstentum Waldeck zugeordnet worden war. Hinzu kommt der Landkreis Marburg-
Biedenkopf, der 1981 im Zuge von Verwaltungsreformen an den neuen Regierungsbezirk Gießen abgetreten wurde.
Die Christianisierung war von der fränkischen Reichsführung als Grundlage für eine stabile Herrschaft angesehen
worden. Deshalb ließ der Hausmeier Karl Martell die angelsächsische Mission mit militärischen Mitteln unterstützen,
was wesentlich zum Erfolg des Unternehmens beigetragen haben dürfte13. Es war der um 675 im englischen Wessex
geborene Bonifatius, der im päpstlichen Auftrag die Mission zur Christianisierung im nördlichen und östlichen Hes-
sen zu Ende führte. Zur Festigung der kirchlichen Machtstrukturen richtete Bonifatius die Bistümer Würzburg,
Erfurt und Büraburg bei Fritzlar als neue Verwaltungszentren ein. Nachdem sein Versuch gescheitert war, den Köl-
ner Bischofsstuhl zu erlangen und Köln zum Zentrum einer großen Kirchenprovinz zu erheben, erhielt er im Jahr
746 das Bistum Mainz und baute es durch die Einverleibung seiner eben gegründeten Bistümer zu einem klerikalen
Großbezirk aus. Eine wesentliche Grundlage dieser neuen Kirchenprovinz bildeten Klostergründungen. Fulda wur-
8 Stefan Hartmann, Aus den Anfängen der Denkmalpflege in Kur- 12 Hess 1999.
hessen, in: ZHG 101, 1996, S. 111–116. 13 Hierzu und im Folgenden wird auf die »Geschichte des Landes Hes-
9 Wille 1952. sen« von Karl E. Demandt zurückgegriffen, die in einem Nachdruck
10 Salmen 1942, Scheuffelen 1951. der zweiten, neu bearbeiteten Auflage von 1972 vorliegt; s. Demandt
11 Bierschenk 1991. 3
1980. Darüber hinaus sei auf Heinemeyer 1986 bzw. 1997, verwiesen.
kunstgeschichtliche einleitung 29
de bereits 744 gegründet und direkt dem Heiligen Stuhl unterstellt; unter Karl dem Großen erhielt es den Status
einer Reichsabtei, womit es dem Zugriff partikularer Machtinteressen und weitergehenden Ansprüchen enthoben war.
Ebendieses Ziel verfolgte auch Bonifatius’ Nachfolger Lull, der Hersfeld im Jahr 775 dem König übertrug. Zusammen
mit Lorsch, dem Kloster des fränkischen Reichsadels, waren auf diese Weise drei kirchliche Machtzentren unter welt-
licher Kontrolle entstanden. Darüber legte sich ein dichtes Netz der Pfarrorganisation. Der Erfolg dieser kirchlichen
Verwaltungsstruktur lässt sich u.a. daran bemessen, dass die Reichssteuer noch im Jahr 1495 nicht nach Stadt- und
Dorfgemeinden, sondern nach Pfarreien eingezogen wurde14.
Innerhalb des kirchlichen Netzwerkes waren die Klöster bis in das 13. Jahrhundert hinein Mittelpunkte der Bildung,
Kultur und Wissenschaften. Zahlreiche Benediktinerniederlassungen in unserem Gebiet sind auf Stiftungen hessischer
und benachbarter Grafenhäuser zurückzuführen, wozu Wetzlar, Limburg und Helmarshausen zählen, das Kaiser
Heinrich II. 1017 dem Paderborner Bischof schenkte. Auf königliche Gründungen gehen hingegen das Oberkaufunger
Stift zurück, in das sich die Kaiserin Kunigunde nach dem Tod ihres Mannes begab, und mit einiger Wahrscheinlichkeit
auch das Kanonissenstift in Wetter15. Aufgrund ihrer engen Verbindungen zum hohen Adel waren im 12. Jahrhundert
in Hessen vor allem die Prämonstratenser erfolgreich; in Altenberg an der Lahn richteten sich die Grafen von Nassau
ihre Erbgrablege ein, während das Kloster Ahnaberg in Kassel Begräbnisort einiger hessischer Landgrafen wurde16 .
Demgegenüber war den Zisterziensern in Hessen weniger Erfolg beschieden. Aus der Frühzeit des Ordens kennen
wir gar keine Niederlassungen, und auch die ersten, zunächst als Benediktinerklöster gegründeten Niederlassungen
in Altenburg und Aulisburg mussten in günstigerer Lage in Arnsburg und Haina später neu errichtet werden. Dank
ihrer ausgedehnten landwirtschaftlichen Kultivierungstätigkeit gelangten die Zisterzienser zu bedeutendem Wohl-
stand und errichteten in größeren Städten zahlreiche Handelsniederlassungen. Dort – in den Städten – waren Adelige
und Patrizier die hauptsächlichen Förderer der Franziskanerniederlassungen, was durch die erhaltenen oder überlie-
ferten Fensterstiftungen etwa des Limburger Klosters eindrücklich belegt ist. Unter den geistlichen Ritterorden steht
der Deutsche Orden an erster Stelle. Durch Verhandlung mit den Thüringer Landgrafen erhielt der Orden das Hospital
der Hl. Elisabeth und baute Marburg zur Landkommende der Ballei Hessen aus.
Um das sächsische Adelsgeschlecht der Liudolfinger in seinen Expansionsbestrebungen zu beschränken, gab der ost-
fränkische König Arnulf das Herzogtum Thüringen im Jahr 892 an Konrad den Älteren. Die Konradiner hatten seit
der 2. Hälfte des 9. Jahrhunderts die hessischen Grafschaften übernommen und herrschten über weite Teile des heu-
tigen Hessen und Thüringen; auf sie gehen auch die Stiftsgründungen von Limburg und Wetzlar zurück. Doch konnte
dieser politische Schachzug des Königs den Aufstieg der Liudolfinger nicht verhindern. Heinrich I., der im Jahr 915
ein Heer Konrads I. besiegt hatte, wurde nach dessen Tod im Jahr 919 in Fritzlar zum König gewählt. Schließlich
fiel auch die hessische Grafschaft (comitatus Hassonum) an Heinrichs Enkel Liudolf. Dieser hatte sich gegen seinen
Vater Otto I. (reg. 936–973), den Großen, aufgelehnt und musste nach einem Reichstagsbeschluss zu Fritzlar 953 seine
hessischen Besitztümer an den König abgeben. Eine wesentliche politische Strategie der Ottonen und Salier bestand
fortan in der Verhinderung allzu mächtiger Grafengeschlechter. So gingen allein zwischen 1011 und 1043 mindestens
acht Grafschaften über die Bistümer Fulda, Paderborn, Würzburg, Trier und Mainz an die Reichskirche über. Eine
Folge dieser Politik war die territoriale Zersplitterung des Landes.
Die thüringische Epoche in Hessen (1122–1247) setzt mit dem Geschlecht der Gisonen ein, denen die Grafschaft
Maden mit der Burg Gudensberg gehörte17. Die beiden Ehen Kunigundes von Bilstein waren für die Ausweitung der
thüringischen Machtposition in Hessen von entscheidender Bedeutung. Nach dem Tod ihres Mannes Giso IV. 1122 fiel
ein Teil dessen Erbes an die Tochter Hedwig, die mit Graf Ludwig I. von Thüringen verheiratet war. Kunigunde aber
heiratete 1123 Heinrich Raspe I. († 1130), den Bruder Graf Ludwigs. Da Heinrich kinderlos verstarb und auch Giso V.
(† 1137) keine Erben hinterließ, gelangte so nahezu der gesamte Besitz an Ludwig († 1140). Hinzu kam die Herrschaft
über die Städte Kassel und Marburg sowie die Vogteien über die Stifte Fritzlar, Wetter und die Abtei Hersfeld.
Trotz seiner Weiträumigkeit – einzelne Herrschaftsteile reichten bis nach Koblenz und ins Bergische Land – war das neu
entstandene Territorium von zahlreichen kleineren Gewalten durchsetzt, die mit der Unterstützung des Mainzer Erz-
14 Peter Moraw, Hessen und Thüringen in der deutschen und euro- 16 Zu Altenberg s. zuletzt Thomas Doepner, Das Prämonstraten-
päischen Geschichte – Von den Anfängen bis zur Reformation, in: AK serinnenkloster Altenberg im Hoch- und Spätmittelalter. Sozial- und
Marburg/Eisenach 1992, S. 16–23, hier S. 17. frömmigkeitsgeschichtliche Untersuchungen, Marburg 1999.
15 Demandt 31980, S. 134–138. 17 Zur Dynastie der Ludowinger s. jetzt Paravicini 2003, I, S. 149–
154 (Matthias Werner).
30 kunstgeschichtliche einleitung
stifts rechnen konnten. An einem Beispiel sei dies veranschaulicht: Nachdem die Schauenburger ihre Kaufunger Vogtei
an ein mit dem Landgrafen verbundenes Geschlecht verloren hatten, traten sie als Lehensleute in den Dienst der Main-
zer Erzbischöfe und erhielten die Schirmvogtei über das 1143 gegründete Kloster Weißenstein bei Kassel. Dem setzte
Landgräfin Hedwig die Gründung des Klosters Ahnaberg entgegen18 . Die Mainzer Erzbischöfe, die über die größte
Kirchenprovinz nördlich der Alpen verfügten, zählten über Jahrhunderte hinweg zu den mächtigsten Gegenspielern
der Landgrafen. Seit Erzbischof Adalbert I. (reg. 1111–1137) war man im nordhessischen Raum um den Aufbau eines
geschlossenen Territoriums bemüht. Klöster, Stifte und Städte gehörten zu den Mainzer Stützpunkten, die sich wie
ein Riegel durch hessisches Gebiet zogen. Allerdings kam den Thüringern im Kampf um die Vorherrschaft in Hessen
zugute, dass sie als enge Gefolgsleute der Staufer durch die königliche Gewalt gestützt wurden. Zudem bestanden
über die Gemahlin Landgraf Ludwigs II., Jutta, einer Halbschwester Friedrichs I. Barbarossa, auch verwandtschaft-
liche Bande zum Königshaus. Nachdem Herzog Heinrich der Löwe 1180 zu Fall gebracht worden war, ging das neu
gegründete Herzogtum Westfalen an Köln; den östlichen Teil jenseits der Weser erhielt der Askanier Bernhard, die
Grafschaften an der Leine und Werra fielen an den Landgrafen Ludwig III. Doch gingen die rheinischen Besitzungen
1197 an das Kölner Erzbistum verloren, womit die Möglichkeit einer Vergrößerung der thüringischen Herrschaft bis
an den Rhein aufgegeben werden musste. Zwischen 1190 und 1240 kam es zu einer Reihe von Städtegründungen, die
als Zentren der Territorialverwaltung und wirtschaftliche Stützpunkte die neu gewonnenen Gebiete zu festigen und
zu organisieren halfen19; hierzu zählen u.a. die in unserem Zusammenhang wichtigen Städte Grünberg, Alsfeld, Fran-
kenberg und Kassel. Allem voran ging der Ausbau Marburgs als Stützpunkt gegen die Mainzer Expansionsbestrebun-
gen im Amöneburger Becken. Obschon erstmals 1138/39 urkundlich erwähnt, scheint die Burganlage neuesten archäo-
logischen Erkenntnissen zufolge bis auf die
Konradiner zurückzugehen, die dort in karo-
lingischer Zeit eine Höhenburg zum Schutz
der westlich vorbeiziehenden Weinstraße
errichten ließen 20 . Das Vorhaben der thürin-
gischen Landgrafen stand in Konkurrenz zu
Wetter, das an verkehrsstrategisch günsti-
ger Stelle an der Weinstraße lag und dessen
rechtshistorisch bedeutsames Stadtrecht von
1239 wohl noch in das 11. Jahrhundert zu-
rückreichte. Bedeutende Gebietszuwächse
erfuhren die Thüringer schließlich durch die
Heirat Friedrichs von Ziegenhain († 1229),
dem dritten Sohn Landgraf Ludwigs II., mit
Lukardis, einer Tochter des Grafen Gozmar
von Ziegenhain-Reichenbach und durch die
Übertragung der Lehenshoheit über die Wes-
taramark entlang der unteren Werra, wodurch
die thüringischen und hessischen Gebiete nun
zusammenwuchsen. Im Jahr 1214/15 gelang es
allerdings dem Mainzer Erzstift, seine terri-
torialpolitische Stellung in Hessen zu stär-
ken, indem es die ziegenhainsche Klosterstif-
tung Haina unter seine Herrschaft zu bringen
vermochte.
Die territorialen Zugewinne der Ludowinger
stießen in Mainz auf wenig Gegenliebe. Die
Textabb. 2. Willehalm huldigt Karl dem Großen. Willehalmcodex, Kassel, Universitätsbibliothek, Landes-
bibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel, 2° MS poet. et roman. 1, fol. 7r. Köln(?), 1334.
andauernden Spannungen kulminierten schließlich in dem Kampf um Fritzlar, dem Mainzer Vorposten in Nieder-
hessen. Landgraf Konrad (1206/7–1240) fiel im Jahr 1232 in die Stadt ein, zerstörte die Ansiedelung und schonte dabei
auch den Stiftsbezirk nicht. Dieses Ereignis markierte in seinem persönlichen Leben einen Wendepunkt, aber nicht
minder im politischen Verhältnis der Dynastie zu Papst und Kaiser. Fortan nämlich stellte das Fürstenhaus sich in den
Dienst päpstlicher Interessen. Im Siegelbild Konrads, das den Paulussturz als bekanntes Bekehrungserlebnis darstellt,
findet diese Wandlung ihren sinnfälligen Ausdruck. Die Schleifung der Kirche hatte Konrad den Kirchenbann einge-
tragen; wir wissen nicht, ob sein Eintritt in den geistlichen Stand Grundbedingung jener Absolution war, jedenfalls
wurde er im Jahr 1234 Deutschordensbruder in Marburg und begab sich noch 1238 im Büßergewand nach Fritzlar, wo
er sich öffentlich als Sünder geißeln ließ21.
Marburg stieg damals für kurze Zeit zum wichtigsten Schauplatz im Zusammenhang mit der Konsolidierung des
noch jungen Deutschen Ordens auf22 . Die Umstände, die zum Bau der Ordenskirche führten, sind dabei aufs Engs-
te mit der Geschichte des thüringischen Landgrafenhauses verwoben. Zur Umsetzung ihrer ehrgeizigen territorial-
politischen Ambitionen waren die Ludowinger ein Zweckbündnis mit dem Deutschen Orden eingegangen. In
Marburg traten die Landgrafen durch großzügige Stiftungen als Förderer eines Kirchenbauprojektes auf, in dessen
Mittelpunkt die kultische Verehrung ihrer dort 1231 verstorbenen, bereits vier Jahre später heilig gesprochenen Schwä-
gerin Elisabeth rückte. Elisabeth besaß für Landgraf Heinrich Raspe (IV.) († 1247) einen hohen Legitimationswert
und bildete zugleich die verbindende Klammer zwischen Orden und Dynastie. Bereits mit dem Eintritt von Heinrichs
Bruder Konrad in den Deutschen Orden waren hierzu die Bande zwischen beiden Mächten enger gezogen worden. Mit
dessen Wahl zum Hochmeister im Jahr 1239 hat man dann erstmals einen Fürsten an dessen Spitze gesetzt. Der Orden
18 Herbert Buck, Kassel und Ahnaberg. Studien zur Geschichte von quelle. 1. Marburger Mittelaltertagung der Arbeitsgruppe »Marbur-
Stadt und Kloster im Mittelalter, Phil. Diss. Frankfurt a.M. 1968. Zum ger Mittelalterzentrum (MMZ)«, 11. und 12. Oktober 2002 (Kleine
territorialen Ausbau der Landgrafschaft um 1200 s. zusammenfassend Schriften aus dem Vorgeschichtlichen Seminar Marburg 54), Marburg
Matthias Kälble, Reichsfürstin und Landesherrin. Die hl. Elisabeth 2003, S. 151–159.
und die Landgrafschaft Thüringen, in: AK Eisenach 2007, II, S. 77–92, 21 Hartmut Boockmann, Die Anfänge des Deutschen Ordens in
hier S. 82–86. Marburg und die frühe Ordensgeschichte, in: AK Marburg 1981,
19 Wolfgang Hess, Hessische Städtegründungen der Landgrafen von S. 137–150, bes. S. 142–144.
Thüringen (Beiträge zur hessischen Geschichte 4), Marburg u.a. 1966. 22 Matthias Werner, Die Heilige Elisabeth und die Anfänge des
20 Christa Meiborg, Neue Forschungen zur Frühzeit des Marburger Deutschen Ordens in Marburg, in: Dettmering/Grenz 21982, S. 121–
Schlosses, in: Horst W. Böhme u.a. (Hrsg.), Burgen als Geschichts- 164.
32 kunstgeschichtliche einleitung
erwies sich in dieser Personalunion als wichtiges machtpolitisches Instrument des Landgrafen und seines engsten Ver-
trauten, des Stauferkaisers Friedrich II. Friedrich belehnte im Zuge der Osterweiterung seinen treuesten Verbündeten
mit Teilen des eroberten Preußen zum Aufbau einer Landesherrschaft, und Preußen sollte im 14. Jahrhundert auch
neuer Mittelpunkt der Ordensgemeinschaft werden. Zunächst aber war die strategische Lage Marburgs ein entschei-
dender Grund, den Ort zum religiösen Zentrum der Ordensgemeinschaft auszubauen. Dass die Wahl überhaupt auf
Marburg fiel, hing wohl mit der Entscheidung Elisabeths zusammen, das von ihr gegründete Franziskus-Hospital
den Mainz zugewandten Johannitern zu übergeben. Um die Niederlassung seiner Gegenspieler in Marburg und eine
propagandistische Vereinnahmung Elisabeths zu verhindern, überzeugte Konrad von Thüringen den Papst von der
Unrechtmäßigkeit dieses Vorgangs und ließ sich im Jahr 1234 die Übertragung des Hospitals an den Deutschen Orden
bestätigen. Zugleich erwarb der Orden das Patronatsrecht über die Marburger Kirchen, das die Landgrafen noch zu
Lebzeiten dem Hospital geschenkt hatten, wieder zurück, bis es mit der Einführung der Reformation wieder an das
Grafenhaus ging 23.
Für das Verfahren der Heiligsprechung Elisabeths (1207–1231) ist vom Vatikan eine Vielzahl an Zeugenaussagen aus
dem engsten Umkreis zusammengeführt worden, die uns über die Geschehnisse detailliert unterrichten 24. Die un-
garische Königstochter wuchs in einem kulturell engagierten Milieu auf. Dank eines großzügigen Mäzenatentums
hatten sich unter Ludwigs Vater Hermann I. (um 1155–1217) die Residenzen der Thüringer Landgrafen zu glanz-
vollen Musenhöfen entwickelt, an denen Minnesänger und Dichter verkehrten (Textabb. 1) 25. Hermann gab bei ihnen
Helden- und Kreuzfahrerromane wie den Eraclius von Otte in Auftrag; er ließ den Trojastoff von dem Geistlichen
Herbort aus Fritzlar bearbeiten und betraute Wolfram von Eschenbach mit dessen zweiten großen Versroman Wille-
halm (Textabb. 2). Daneben entstanden verschwenderisch gestaltete Prachtpsalterien wie der Elisabeth- und Land-
grafenpsalter (Textabb. 3) für den Privatgebrauch bei Hof.
Bereits als Vierzehnjährige war Elisabeth Landgraf Ludwig IV. zur Frau gegeben worden. Die von langer Hand
geplante Heirat war Bestandteil des antiwelfischen Bündnisses mit Böhmen, Ungarn und den Andechs-Meraniern, die
für Friedrich II. eine Wende bedeutete und zugleich Ausgang für die Erfolge der Ludowinger war. Ludwig kam ledig-
lich den Verpflichtungen gegenüber dem Stauferkaiser Friedrich II. nach, als er im Juni 1227 zu einem Kreuzzug zur
Befreiung der Heiligen Stätten aus heidnischer Hand aufbrach. Unterwegs erlag er einem schweren Fieber und hinter-
ließ eine Witwe mit drei Kindern. Auf der Wartburg trat nun Ludwigs Bruder Heinrich Raspe (IV.) die Nachfolge an,
wo es zum offenen Konflikt mit der Schwägerin kam. Heinrich vertrieb Elisabeth vom Hof26 . Entflammt für die Ideale
der neuen Armutsbewegung gab Elisabeth ihre weltlichen Bindungen ganz auf, errichtete über landgräflichem Besitz
in Marburg ein Hospiz und widmete sich fortan als Krankenschwester hilfsbedürftigen Menschen 27. Hierbei vertraute
sie sich dem weltlichen Hofprediger und berüchtigten Ketzerverfolger Konrad von Marburg an, der ihr schon seit 1226
in Eisenach als geistlicher Betreuer zur Seite stand. Sein Einfluss auf sämtliche Entscheidungen Elisabeths kann nicht
hoch genug angeschlagen werden 28: Konrad setzte sich selbst als Leiter des Hospitals ein und wachte mit unerbittlicher
Strenge über die asketische Lebensführung Elisabeths. Unmittelbar nach Elisabeths frühem Tod im Jahr 1231 brachte
Konrad, ihr geistlicher Betreuer und Vormund, vor dem Vatikan die Heiligsprechung auf den Weg.
23 Boockmann 1981 (wie Anm. 21). 25 Ursula Peters, Fürstenhof und höfische Dichtung. Der Hof Her-
24 Die Summa vitae Konrads von Marburg ist die älteste, von legen- manns von Thüringen als literarisches Zentrum (Konstanzer Univer-
denhafter Ausschmückung noch weitgehend freie Lebensbeschreibung sitätsreden 113), Konstanz 1981.
Elisabeths. Konrad übersandte die Vita zusammen mit dem Kanonisa- 26 Heinrich behielt die Elisabeth zustehenden Witwengüter zurück,
tionsantrag bald nach dem 12. Aug. 1232 an die päpstliche Kurie. Erhal- doch konnte Konrad die Zahlung einer Abfi ndungssumme von 2000
ten sind lediglich frühe Abschriften, so eine Pergamenthandschrift vom Mark durchsetzen, die den Grundstock für das Marburger Hospital
Ende des 13. Jh. in der Erlanger Universitätsbibliothek. Der Libellus de gebildet haben dürfte.
dictis quatuor ancillarum, ein von der Heiligsprechungskommission 27 Aus einer Ablassurkunde Papst Gregors IX. vom 19. April 1229
verfasster Bericht, bezog auch Kindheit und Jugend Elisabeths mit ein. geht hervor, dass das Hospital damals erbaut und dem Hl. Franziskus
Im Auftrag des Deutschen Ordens verfasste Caesarius von Heisterbach geweiht war. Zu den Grabungsergebnissen auf dem Areal des Deut-
schließlich in den Jahren 1236/37 die an Bibel und Martinsvita orien- schen Ordens s. jetzt Rainer Atzbach, Das Hospital der heiligen
tierte Vita Sancte Elyzabeth Lantgravie. Vgl. Albert Huyskens, Quel- Elisabeth in Marburg. Grabungsbefunde und schriftliche Überliefe-
lenstudien zur Geschichte der hl. Elisabeth, Landgräfin von Thüringen, rung, in: AK Eisenach 2007, II, S. 93–105.
Marburg 1908; ders., Der sog. Libellus de dictis quatuor ancillarum s. 28 Zum Verhältnis zwischen Elisabeth und ihrem Erzieher Konrad
Elisabeth confectus, Kempten/München 1911. Vgl. außerdem Dettme- vgl. Matthias Werner, Die Heilige Elisabeth und Konrad von Mar-
ring/Grenz 21982, S. 121–164, und Paul G. Schmidt, Die zeitgenös- burg, in: AK Marburg 1981, S. 45–69, und ders., Elisabeth von Thü-
sische Überlieferung zum Leben und zur Heiligsprechung der heiligen ringen, Franziskus von Assisi und Konrad von Marburg, in: AK Eisen-
Elisabeth, in: AK Marburg 1981, S. 1–6 (mit weiterführender Lit.). ach 2007, II, S. 109–135.
kunstgeschichtliche einleitung 33
Textabb. 3. Vita activa und vita contemplativa. Elisabethpsalter, Cividale, Museo Archeologico
Nazionale, Cod. CXXXVII, fol. 173r. Niedersachsen, erstes Jahrzehnt 13. Jh.
Anstelle Landgraf Konrads von Thüringen, der wegen seines Ordenseintritts für die Regierungsgeschäfte nicht mehr
zur Verfügung stand, übernahm Hermann II., der älteste Sohn Elisabeths, diese Aufgabe in Hessen. Nach seinem
Ableben hoben Erzbischof Siegfried III. von Eppstein und die Grafen der Wetterau Heinrich Raspe (IV.) auf den
Königsthron, in der Hoffnung, dadurch ihren hessischen Besitz zu mehren. Der unerwartete, 1247 erfolgte Tod des
Gegenkönigs nur neun Monate später stürzte Hessen in eine tiefe Krise, da das Landgrafenhaus über keinen männ-
lichen Nachfolger verfügte. Gegen die Mainzer Begehrlichkeiten erhob sich nun die leibliche Tochter Elisabeths,
Sophie von Brabant († 1275), um für ihren erst vierjährigen Sohn Heinrich (1244–1308) die Nachfolge zu proklamieren.
34 kunstgeschichtliche einleitung
Sophie einigte sich 1250 mit dem erbberechtigten Markgraf Heinrich von Meißen, der fortan Thüringen regierte und
die Vormundschaft über ihren Sohn übernahm, während ihr Hessen zufallen sollte. Die militärischen Auseinander-
setzungen mit den Mainzer Erzbischöfen Gerhard und Werner und den später wortbrüchig gewordenen Meißner
Markgrafen im hessisch-thüringischen Erbfolgekrieg führten weder für Mainz noch für Thüringen zum gewünschten
Erfolg, sodass die strittigen Mainzer Lehen in hessischer Hand verblieben. 1277 ließ sich Heinrich I. als Landgraf von
Hessen ausrufen. Unter Erzbischof Gerhard II. (reg. 1289–1305) zog zwischen den rivalisierenden Parteien erstmals
politisches Tauwetter auf; Gerhard wandte sich in machtpolitischen Fragen dem hessischen Landgrafen zu und ver-
anlasste schließlich König Adolf von Nassau (reg. 1292–1298) im Jahr 1292, Heinrich in den Reichsfürstenstand zu
erheben. Damit wurde Hessens Vorrangstellung über die Grafengeschlechter endgültig besiegelt.
Heinrich ließ Marburg zum Zentrum der neu gegründeten hessischen Dynastie ausbauen und erweiterte die Burg zum
repräsentativen Fürstensitz29. Anspruch und Selbstbewusstsein lassen sich bereits an dem zweistöckigen Saalbau er-
messen, der zu den größten Profanbauten seiner Zeit in Deutschland zu rechnen ist; nicht minder bedeutsam ist die bis
1288 in hochmodernen Formen errichtete Hofkapelle. Gleichzeitig entstand vor den Toren der Stadt der neue sakrale
Mittelpunkt der Landgrafen, wo neben der hochverehrten Großmutter Elisabeth nun auch die dynastische Grablege
eingerichtet wurde. Am Ort des Memorialgedenkens traten die engsten Ministerialen des Landesherrn, darunter die
Schenken zu Schweinsberg, als Wohltäter auf, deren Fensterstiftungen sich bis heute erhalten haben. Die Manifestati-
on der neuen Herrschaft im Land scheint sich damals in anspruchsvollen Kirchenneubauten wie Grünberg, Franken-
berg, Wetter oder St. Martin in Kassel niedergeschlagen zu haben. Deren architektonische Gestalt lässt sich auf die
Elisabethkirche als jenen Bau zurückführen, der Heinrich selbst Identitäts- und Legitimationsträger seiner Herrschaft
war 30 . Als solches Zitat muss auch der mit einem eingeschobenen Querhaus versehene Kirchenneubau des Altenberger
Klosters gesehen werden, das bereits 1192 unter kaiserlichen Schutz gestellt worden war und von dem aufblühenden
Kult um die Hl. Elisabeth unmittelbar profitierte31. Gertrud (1227–1297), die jüngste Tochter Elisabeths, war noch
nicht einmal zweijährig an das Prämonstratenserkloster an der Lahn gegeben worden, wo sie 1248 schließlich Meiste-
rin des Konvents wurde. Auf sie folgte Katharina von Nassau, deren Geschlecht sich dort im ausgehenden 13. Jahrhun-
dert eine Erbgrablege eingerichtet hatte. Offenbar konnte sie damals auch ihren Neffen Adolf, der 1292 zum deutschen
König gewählt worden war, 1298 jedoch in einem historisch einmaligen Akt von den Reichsfürsten wieder abgesetzt
wurde, dazu bewegen, das zentrale Fenster im Chor zu stiften. Mit solchen Möglichkeiten der Repräsentation unter-
strich das zur Reichsgeltung gelangte Grafenhaus seine gewachsene politische Bedeutung.
29 Zu Marburg als Residenz s. Paravicini 2003, II, S. 359–361 (Steffen tenserinnenstift Altenberg an der Lahn, in: AK Eisenach 2007, II, S.
Krieb), dort auch weiterführende Literatur. 229–244.
30 Reinhard Lambert Auer, Landesherrliche Architektur. Die Rezep- 32 Stefan Schweizer, »Geistig-kultureller« und »politisch-admi-
tion der Marburger Elisabethkirche in den hessischen Pfarrkirchen, in: nistrativer« Herrschaftsort. Die residenzstädtische Funktionsteilung
AK Marburg 1983, I, S. 103–123. zwischen Kassel und Marburg im 13. und 14. Jahrhundert, in: Deutsche
31 Christian Schuffels, »Beata Gerdrudis, fi lia sancte Elyzabet«. Königspfalzen. Beiträge zu ihrer historischen und archäologischen Er-
Gertrud, die Tochter der heiligen Elisabeth, und das Prämonstra- forschung: Orte der Herrschaft (Veröffentlichungen des Max-Planck-
kunstgeschichtliche einleitung 35
Erst nach Landgraf Heinrichs I. Tod im Jahr 1308 fiel durch Erbteilung das Land an der Lahn um Marburg Otto I. zu,
während Johann Niederhessen mit Kassel erhielt. Aber schon wenige Jahre später starb Johann († 1311), sodass Otto
(† 1328) nun abwechselnd in Marburg und Kassel residierte. Die jahrelangen Fehden mit den Mainzer Erzbischöfen
endeten 1328 mit der schweren Schlacht bei Wetzlar, die Heinrich II. (vor 1302–1376), der Sohn Ottos, für sich ent-
scheiden konnte. Mit dem Residenzwechsel etablierte sich Kassel (Textabb. 4) gegenüber Marburg (Textabb. 5) als
politisch-administrativer Verwaltungsort, was entsprechende Stadterweiterungsmaßnahmen nach sich zog 32 .
Als Produktions- und Handelszentren entwickelten die Städte sich für den Landesherrn zu bedeutenden Einnahme-
quellen. Die Tuchherstellung in Hessen galt als wichtigster Fernhandelsartikel zwischen den Metropolen Frankfurt
am Main und Erfurt. An dieser Handelsverbindung »durch die kurzen Hessen« lag Hersfeld als bedeutender Waren-
umschlagsplatz, an dem sich zahlreiche Kaufleute und Wollweber niedergelassen hatten. Die Tuchschneider, die im
Gegensatz zu den Wollwebern das Recht besaßen, Handel zu treiben, waren die führende soziale Schicht in der Stadt
und hatten sich frühzeitig die Beteiligung an einem Stadtregiment erkämpft, das geschickt zwischen den Begehr-
lichkeiten von Abt und Landesherrn zu jonglieren verstand. Ihre Monopolstellung erkauften sich die Tuchschneider
mit hohen Steuerabgaben an den Landgrafen. Vom Handel profitierten auch die jüdischen Kaufleute und Geldleiher.
Selbst die Äbte liehen sich von ihnen Geld oder verkauften vertraglich zugesicherte Schutzrechte an sie. Die erwor-
benen Rechtssicherheiten sollten sich jedoch als wertlos erweisen. Der Ausbruch der Großen Pest führte zu einem
Massensterben, dem besonders im nördlichen Hessen mehr als die Hälfte aller Dörfer und Weiler zum Opfer fielen.
Sie bot den Bürgern wie der Geistlichkeit in Hersfeld einen willkommenen Anlass, sich ihrer pekuniären Fesseln und
Konkurrenten zu entledigen. Die blindwütigen Schuldzuweisungen an die Juden als Urheber der Seuche mündeten in
grausamen Pogromen. Doch blieb die Ermordung oder Vertreibung für die Täter folgenlos33. Ein interessantes Bild-
zeugnis aus dieser von Krisen geschüttelten Zeit hat sich in der Farbverglasung der Hersfelder Stadtkirche erhalten.
Die in ihrem Bestand stark dezimierten, für den vorliegenden Band erstmals rekonstruierten Langhausfenster waren
von den Patriziern und Handwerkern der Stadt in Auftrag gegeben worden. Die Stiftung der Tuchschneider als der
städtischen Elite bringt das brüchige Moralverständnis innerhalb einer profitorientierten Gesellschaft zum Ausdruck,
Instituts für Geschichte XI,8), Göttingen 2007, S. 73–100; zur Wille- Neuhaus, Geschichte von Hersfeld. Von den Anfängen bis zum Welt-
halm-Handschrift Holladay 1996. krieg, Hersfeld 1927, S. 99–101. Zu den mittelalterlichen Judenstereo-
33 Vgl. Dieter Handtke, Zur Geschichte der Hersfelder Juden im typen s. Graus 31994, S. 275–334.
Mittelalter, in: Hessische Heimat 36, 1986, S. 31–33; s. auch Wilhelm
36 kunstgeschichtliche einleitung
der die ethischen Vorgaben der Kirche immer weniger als soziales Regulativ dienen konnten. Nicht zufällig bediente
man sich der Darstellungen aus dem Leben des Zunftpatrons Nikolaus von Myra. Die Bildmotive rückten die mit
zwielichtigen Geldgeschäften verwobenen Wundertaten des Heiligen ins Blickfeld, deren antisemitische Färbung vor
dem Hintergrund der historischen Ereignisse in Hersfeld Zeugnischarakter erhalten.
Neben den Stiftungen von Zünften haben sich in größeren Städten auch Fensterstiftungen der Ratsverbände erhalten.
In Limburg, einer an der Fernhandelsstraße von Frankfurt nach Köln gelegenen Stadt der Herren von Isenburg-Lim-
burg, wurde der Rat allein aus den Reihen der wohlhabenden Kaufmannschaft gestellt; Mitglieder des städtischen
Regiments traten nach der Mitte des 14. Jahrhunderts für das Wilhelmitenkloster als geschlossene Stiftergruppe im
Achsenfenster in Erscheinung. Obwohl die Wollweber in Limburg die führende Zunft darstellten, tauchen diese auch
unter den zahlreichen Fensterstiftungen für die Franziskaner nicht auf; dort lassen sich neben den adligen Stadtherren
wiederum nur Ratsherren nachweisen. Vielleicht ist dies nur dem Zufall der Überlieferung geschuldet, möglicher-
weise aber auch ein Spiegelbild der städtischen Verfassung, in der die Handwerkerschaft von den Regierungsgeschäf-
ten gänzlich ausgeschlossen war, obschon sie die finanziellen Hauptlasten zu tragen hatte.
Die unbesonnene und herrschsüchtige Politik des Landgrafen Hermann II. (1341–1413) brachte Hessen im ausgehenden
14. Jahrhundert an den Rand des Abgrunds. Die immer erdrückender werdende Steuerlast erzürnte Bürgerschaft wie
Adel. Im Ritterbund der Sterner organisierte sich der adlige Widerstand unter Federführung der Grafen von Ziegen-
hain und Herzog Ottos von Braunschweig. Daraus ging Hermann in staatspolitischer Hinsicht als Gewinner hervor,
da die hessische Landgrafschaft durch die 1373 eingegangene Erbverbrüderung mit dem Markgrafen von Meißen,
welche von Karl IV. bestätigt worden war, zum reichslehnbaren Fürstentum erhoben worden war. Dieser Schachzug
entfachte jedoch eine neue Feindschaft mit Mainz. Eine Folge war die Zerstörung Immenhausens im Jahr 1385. Die
von Mainz lehensabhängige, unter Landgraf Heinrich I. zum strategischen Stützpunkt ausgebaute Stadt war vom Erz-
stift mehrfach vergeblich zurückgefordert worden. Schließlich wurde sie an die Erzbischöfe verpfändet und erst 1399
wieder an den Landgrafen zurückgegeben. Vor dem Hintergrund dieser Ereignisse ist der Neubau der Stadtkirche zu
sehen, an deren Wiedererrichtung sich nach Ausweis der hier erstmals rekonstruierten Farbverglasung auch Landgraf
Ludwig I. (1402–1458) persönlich beteiligt hatte.
Im Zusammenhang mit der Bekämpfung des Ritterbundes rückt ein weiteres Mal Hersfeld in den Mittelpunkt histo-
rischer Begebenheiten. Nach einem in den Quellen überlieferten Ereignis waren die Hersfelder Bürger den hessischen
Truppen bei der Niederschlagung der Sterner zu Hilfe geeilt. Sie schlossen gegen den Widerstand des mächtigen Abts
einen Schutzbund mit dem Landgrafen, worauf der vom Abt herbeigerufene Sternerbund in der Vitalisnacht des Jahres
1378 zurückgeschlagen wurde. Anschließend stürmten die aufgebrachten Stadtbewohner die Stiftskirche und zerstör-
ten neben allerlei Inventar auch die Glasfenster (s. Reg. Nr. 46).
Gleichzeitig hatte Hermann aber gegen die feindlich gesonnene Bürgerschaft in den niederhessischen Städten vorzu-
gehen. Die Kasseler Bürger, die ihre Freiheiten an Hermann 1384 verloren hatten, verbündeten sich mit Balthasar von
Thüringen, der die Erbvereinigung von 1373 verletzt sah, sowie mit Mainzer und Braunschweiger Truppen. Trotz
dreimaligen Angriffs 1388 hielten Hermanns Truppen stand. Nach der Ermordung Herzog Friedrichs von Braun-
schweig flammte der Kampf mit Mainz erneut auf, der schließlich im Friedberger Frieden von 1405 sein vorläufiges
Ende fand. Landgraf Ludwig I. erkannte nach dem Ende des Schismas die Gerichtsbarkeit des Mainzer Erzbischofs
über Hessen wieder an. Die beiden letzten großen Schlachten bei Fritzlar am 23. Juli und am 10. August 1427 bei
Fulda sollten jedoch die Herrschaftsansprüche der Mainzer Erzbischöfe endgültig zunichte machen. Im Frieden von
Frankfurt verpflichtete sich Mainz zu hohen Entschädigungszahlungen an Hessen. Für Hessen begann nun eine lange
Zeit des Friedens. Der Wiederaufbau des Landes wurde nach dem Ende der kriegerischen Auseinandersetzungen von
Ludwig I. fortgeführt.
Mit dem Erwerb der Grafschaft Ziegenhain im Jahr 1450, die zwischen den hessischen Gebieten in Ober- und
Niederhessen lag, war die territoriale Trennung endlich aufgehoben. Schließlich wurden mit dem Teilerwerb Lim-
burgs an der Lahn die Voraussetzungen zur Einverleibung der Grafschaft Katzenelnbogen geschaffen. Die finanzielle
Not der in zwei Linien geteilten Grafschaft Waldeck machte 1431 und 1437 auch diese Grafschaft lehensabhängig.
Nach Ludwigs Tod kam es unter seinen beiden Söhnen erneut zur Erbteilung, wobei Ludwig II. Niederhessen mit
Kassel, Heinrich III. dagegen Oberhessen mit Marburg erhielt. Während der Mainzer Stiftsfehde (1461–1463) standen
die Brüder auf verschiedenen Seiten und profitierten beide von den nun an sie verpfändeten Mainzer Lehen. Mit poli-
tischem Geschick führte der oberhessische Hofmeister Hans von Dörnberg (1427–1506) die gegnerischen Parteien
kunstgeschichtliche einleitung 37
zum Friedensschluss bei Zeilsheim. 1477 erhielt er hierfür vom Mainzer Erzbischof Neustadt als erbliches Pfand-
lehen. Für den unter seiner Herrschaft errichteten Neubau der Stadtkirche konnte eine Glasmalereistiftung Bertholds
von Henneberg (reg. 1484–1504) nachgewiesen werden, mit welcher offenbar die Besitzrechte des Erzstifts markiert
werden sollten.
Durch Heinrichs III. Vermählung mit der Erbtochter Anna von Katzenelnbogen im Jahr 1457 gelangte nach dem Tod
deren Vaters das reiche Katzenelnbogener Erbe ungeschmälert in den Besitz des Landgrafenhauses (1479). Darauf
hatten schon die Erzbischöfe von Mainz und Trier ebenso wie die Pfalzgrafen und der Kaiser ein Auge geworfen.
Heinrich aber hatte, unter Mithilfe Dörnbergs, im Konflikt des Kölner Erzbischofs Ruprecht mit den Ständen zur
Sicherheit mit seinem Bruder Hermann bereits einen zuverlässigen Bundesgenossen auf den Kölner Bischofsthron
gehoben und Ruprecht kurzerhand inhaftiert. Nun konnte Hessen über die von Hermann bestätigten Verpfändungen
mehrerer westfälischer Ämter hohe Geldsummen zufließen. In diesen Ämtern wurden Vertrauensmänner eingesetzt,
darunter Philipp von Schönfeld, dessen Geschlecht im engsten Kreis des Kölner Erzbischofs Karriere machte. Die von
Schönfeld hatten ihre Erbgrablege in Haina und traten noch nach Aufhebung des Klosters als Stifter eines Wappen-
fensters auf.
Obwohl das hessische Territorium durch Gebietszugewinne zu Beginn des 16. Jahrhunderts zusammengewachsen
war, war es von staatlicher Geschlossenheit noch weit entfernt. Die Landgrafschaft war gleich an mehreren Fronten
gefährdet: Zum einen wurde die Rechtmäßigkeit des Erwerbs der Grafschaft Katzenelnbogen in Frage gestellt, was
jahrzehntelange Rechtsstreitigkeiten mit den Grafen von Nassau zur Folge hatte und den Einfluss Hessens in der
Wetterau minderte. Zum anderen zerrte der Kampf um die Vorherrschaft zwischen Fürstenhaus und Ständen an den
Kräften. Und wie zuletzt zur Zeit der Gründung der hessischen Landgrafschaft unter Heinrich I. traten erneut Erb-
fallbefürchtungen ein. Zwar brachte die zweite Ehe Wilhelms II. den gewünschten Erfolg; aus ihr ging 1504 Philipp I.
hervor. Doch erlag der Vater schon fünf Jahre später der Syphilis. Die Mutter Anna von Mecklenburg übernahm nun
die Regierung, um eine Führungsübernahme durch die Landstände unter dem Statthalter Ludwig von Boyneburg zu
verhindern. Noch nicht einmal vierzehn Jahre alt, gelangte Philipp an die Macht und hatte sogleich den Kampf gegen
den Ritter Franz von Sickingen zu führen, dessen Stand sich mit dem schwindenden Einfluss im vorabsolutistischen
Beamtenstaat nicht abfinden wollte. Wilhelm unterlag zunächst, rächte sich aber einige Jahre später bitter an seinen
Gegnern. Mit dem Sieg 1522/23 war die seit 1508 andauernde Revolte der hessischen Ritterschaft gegen das Fürstentum
endgültig niedergeschlagen. Militärische Erfolge konnte Philipp auch mit seinem Triumph über die Bauernaufstände
im Jahr 1525 feiern, die sich im östlichen Hessen vor allem um die Reichsabteien Fulda und Hersfeld abspielten. Wie
die Ritteraufstände waren sie ein Ausdruck zunehmender sozialer Spannungen innerhalb einer sich im Umbruch
befindenden Gesellschaft. Die steigenden Lasten zur Finanzierung der Feudalgesellschaft lagen vor allem auf den
Schultern der Bauern. Hinzu trat ein moralischer Verfall der Kirche, die durch regen Ablasshandel, Parasitentum
und Unzucht heftigen Widerspruch im Volk hervorrief. Gegen die um sich greifende Verweltlichung der Klöster im
ausgehenden Mittelalter hatte es von Seiten der Landgrafen mehrfache Ansätze zur Reformierung gegeben. Das Stift
Kaufungen etwa, um nur ein Beispiel zu nennen, ließ Wilhelm II. im Jahr 1509 visitieren; dabei wurde festgestellt,
dass die Äbtissin der klösterlichen Lebensweise ganz entfremdet und weltlich im Leben und Sitte sei, worauf es zur
Regel des Hl. Benedikt zurückgeführt und mit Nonnen aus dem westfälischen Gehrden neu besiedelt wurde 34. Die
aus diesem Anlass gestifteten Rundscheiben mit dem Geschwisterpaar Benedikt und Scholastika sind sicher auch als
ein Fingerzeig in diese Richtung zu verstehen. Bereits 1521 auf seinem Besuch des Wormser Reichstags traf der Sieb-
zehnjährige zum ersten Mal mit Luther zusammen und dürfte von seinen religiösen Auffassungen erschüttert worden
sein, denn schon drei Jahre später trat er zum neuen Glauben über 35. Auf dem Reichstag zu Speyer 1526 wurden die
entsprechenden gesetzlichen Beschlüsse zur Einführung der Reformation in Hessen verabschiedet. Im Jahr 1527 hob
der Landgraf gegen den oftmals erbitterten Widerstand der Geistlichen etwa 50 Klöster in Hessen auf und führte
deren reiche Erträge fortan den neu geschaffenen sozialen Einrichtungen für die Armen der Gesellschaft zu 36 . Einige
Klöster, wie Merxhausen, Gronau, Hofheim und Haina, wurden in Landeshospitäler umgewandelt. Bis auf Gronau
34 Winfried Wroz, Zur Säkularisierung des Klosters Kaufungen, in: sorge in Hessen, in: Reformation und Landesherrschaft. Vorträge des
975 Jahre Kaufungen 1001–1986, Kaufungen 1985, S. 89–97. Kongresses anlässlich des 500. Geburtstages des Landgrafen Philipp
35 Zur hessischen Reformationsgeschichte sei auf den Sammelband des Großmütigen von Hessen vom 10.–13. November 2004 in Marburg
von Lachmann/Schneider/Wolff 1997 verwiesen. (Quellen und Darstellungen zur Geschichte des Landgrafen Philipp des
36 Christina Vanja, Die Neuordnung der Armen- und Krankenfür- Großmütigen 9), hrsg. von Inge Auerbach, Marburg 2005, S. 137–147.
38 kunstgeschichtliche einleitung
»Weder Hessen noch Nassau waren je künstlerische Zentren, sondern Durchgangsländer mannigfacher künstlerischer
Ströme. Wesentlich bestimmt vom Mittelrhein mischte sich in diesem Kulturraum Mittelrheinisches mit Niedersäch-
sischem, Mainfränkisches mit Niederrheinisch-Westfälischem. Nicht also ein eigener Charakter zeichnet die Kunst
aus Hessen und Nassau aus, vielmehr ein eigenes Schicksal, Mitte zu sein zwischen größeren Zentren ...«37.
37 AK Marburg 1932, I, S. 10 (Vorwort der Herausgeber). Nordhessische Identität und überregionale Integration. Einige Schluss-
38 Keller 1968, S. 31; vgl. hierzu auch Haussherr 1969. gedanken zu den Ergebnissen und Perspektiven, ebenda, S. 303–316.
39 Den Faktoren der Interregionalität und Identität Nordhessens im 40 Thomas Kind, Karl Hans Wedepohl, Andreas Kronz, Karo-
Mittelalter hat sich jüngst eine Tagung an der Universität Gesamthoch- lingerzeitliches Glas und verschiedene Handwerksindizien aus dem
schule Kassel gewidmet. Die Beiträge liegen seit 2001 in veröffentli- Kloster Fulda. Aufarbeitung der Altglasfunde Joseph Vonderau
chter Form vor, von denen hier stellvertretend zwei Autoren genannt von 1898–1899, in: Zs. für die Archäologie des Mittelalters 31, 2003,
werden: Michael Rothmann, Zur regionalen Identität einer Durch- S. 61–93.
gangslandschaft – Nordhessen in der mittelalterlichen Wirtschaft, in: 41 Vgl. Baumgärtner 2003.
Baumgärtner/Schich 2001, S. 213–230, sowie Ingrid Baumgärtner,
kunstgeschichtliche einleitung 39
Eine »Kunstlandschaft« – Harald Keller spricht in diesem Zusammenhang gar von »Stammeseigentümlichkeiten«,
letztlich charakteristischen Wesenszügen der Kunst, die über die Zeiten beibehalten und mit einer Region verbunden
werden 38 – konnte Nordhessen nie ausbilden. Das Fehlen künstlerischer Identitäten ist dabei auf mehrere Ursachen
zurückzuführen 39. Zunächst: Der historische Prozess der Territorialisierung verhinderte die frühzeitige Bildung von
Zentren. Dies war ganz im Sinne der Königsmächte, die das Land zur Sicherung ihres Einflusses bevorzugt von zahl-
reichen, einander konkurrierenden Grafschaften verwalten ließen. Später wurden die thüringischen und hessischen
Landgrafen vom Mainzer Erzstift als stärkstem Gegenspieler über Jahrhunderte am Aufbau eines geschlossenen
Herrschaftsgebietes gehindert. Anders als im Süden mit der reichsfreien Stadt Frankfurt und Mainz als mächtigem
Bischofssitz haben die Landgrafen die Entstehung reichsfreier Städte, die eine stabile Grundlage für die Kontinuität
künstlerischer Produktion geboten hätten, stets unterbunden. Dagegen stellte sich die Situation bis ins 12. Jahrhun-
dert hinein noch anders dar. In vorstädtischer Zeit wirkten die Reichsklöster Fulda, Hersfeld und Helmarshausen als
Kulturträger, sie unterhielten eigene Kunstwerkstätten und konnten mit einem breiten Absatz ihrer Produkte rechnen.
Bereits in der karolingischen Epoche muss in Fulda eine Glasmalereiproduktion bestanden haben, worauf jüngste
Grabungsfunde schließen lassen40 . Von überregionaler Bedeutung war ferner die Helmarshausener Klosterschule;
die Werke der Goldschmiedekunst, der Buch- und Glasmalerei, die aus ihren Werkstätten hervorgingen, prägten ent-
scheidend das Kunstschaffen im sächsischen Herzogtum41. Und Fritzlar als Ort bedeutender Reichstage und Synoden
wird man sich gleichfalls als einen Mittelpunkt der Bildung und Literatur vorzustellen haben. In dem uns interes-
sierenden Zeitraum aber spielten geistliche Zentren, sieht man einmal von Haina ab, wo sich noch um die Mitte des
13. Jahrhunderts eine Klosterwerkstatt nachweisen lässt, nur mehr eine untergeordnete Rolle, da sich die Produktion
jetzt zunehmend in die Städte verlagerte. Allein im Falle von Marburg werden im 14. und schließlich noch einmal im
15. Jahrhundert die Konturen eines künstlerischen Zentrums sichtbar, das durch den Ausbau der Stadt zur Residenz
in seiner Entwicklung entscheidend vorangetrieben wurde.
42 Georg Landau, Beiträge zur Geschichte der alten Heer- und gemälde-Sammlung des Freiherrn vom Stein 2007, S. 23–39, Nr. 1–5
Handelsstraßen in Deutschland (Neuausgabe), eingeleitet und durch (Daniel Parello).
eine Übersichtskarte erläutert von Willi Görich (Hessische For- 45 Monika Bierschenk begründete diese Zusammenhänge mit den
schungen zur geschichtlichen Landes- und Volkskunde 1), Kassel 1958; Verbindungen Konrads von Marburg zu den Arnsteiner Prämonstra-
Demandt 31980, S. 23–31; AK Marburg/Eisenach 1992, S. 230f. tensern. Da der 1233 ermordete Beichtvater Elisabeths im Nekrolo-
43 Parello 2002. gium als magister Conradi, fratris nostri in Martburck bedacht wird,
44 Bruno Krings, Das Prämonstratenserstift Arnstein a. d. Lahn im möchte sie in ihm den Stifter der Genesis- und Jungfrauenscheiben
Mittelalter (1139–1527) (Veröffentlichungen der Historischen Kom- sehen; vgl. Bierschenk 1991, S. 87–90, 150.
mission für Nassau 48), Wiesbaden 1990, S. 481f.; s. auch: Die Glas-
kunstgeschichtliche einleitung 41
Textabb. 9. Adam und Eva bei der Arbeit. Palermo, Palazzo Textabb. 10. Adam und Eva bei der Arbeit. Marburg, Elisabethkirche,
Reale, Wandmosaik an der Langhausnordwand der Capella Chor I, 2a. Niedersachsen, um 1245/50. – Kat. S. 391f.
Palatina. 3. Viertel 12. Jh.
Schon die ältesten Bestände des 13. Jahrhunderts in Nordhessen weisen auf eine rege Importtätigkeit hin. Als der
Deutsche Orden in den 1230er-Jahren mit dem Bau seiner Kirche in Marburg begann, wird er schwerlich ortsansässige
Werkstätten vorgefunden haben, die in der Lage gewesen wären, Glasmalereien dieses Anspruchsniveaus zu liefern.
Zu peripher war die Lage der Stadt, ihre Größe und Bedeutung, als dass sich der Betrieb hier auf Dauer gelohnt hätte.
Die nähere Untersuchung der erhaltenen Glasmalereien zeigt denn auch Zweierlei: Einerseits war den finanzkräftigen
Bauherren an einer raschen Ausstattung gelegen, da sie gleichzeitig mehrere Werkstätten mit der Verglasung beauf-
tragten; andererseits wandte man sich hierfür den größeren Zentren in Niedersachsen und dem Rheinland zu. Aber
das muss nicht verwundern, wenn man bedenkt, dass auch die exzeptionelle Baugestalt nicht im heimischen Boden
wurzelt, vielmehr ihr überregionaler Charakter die hohen Ambitionen seiner Erbauer erst sichtbar werden lässt.
Nirgendwo sonst stoßen um die Mitte des 13. Jahrhunderts östliche Traditionen und westliche Innovationen so un-
vermittelt aufeinander, wie dies in Marburg der Fall ist. Der strenge byzantinische Habitus der Glasmalereien mag
dem stilkritisch geschulten Auge als Widerspruch zu der hochmodernen gotischen Architekturauffassung erscheinen,
dennoch muss man ihren Meistern ein erstaunliches Einfühlungsvermögen bei der Abstimmung mit den architek-
tonischen Rahmenbedingungen attestieren43. Welcher Tradition sind diese Glasmalereien entwachsen? Ihre Spuren
lassen sich bis in das 12. Jahrhundert zurückverfolgen. Lange Zeit wollte man in den Gerlachus-Scheiben aus Arnstein
an der Lahn mittelrheinische Arbeiten sehen, doch steht deren hölzernes Stilbild dort vollkommen isoliert (Textabb.
7). Erst kürzlich hat man in Gerlachus einen sächsischen Prämonstratenser aus Gottesgnaden bei Magdeburg erkannt,
der seine Schulung im Umfeld der Helmarshausener Malerschule erhalten haben muss 44. Dadurch klären sich gewisse
technische und formale Bezüge zur Werkstatt des Marburger Genesiszyklus (Textabb. 10) 45 , aber auch ikonogra-
phische Gemeinsamkeiten – etwa in der Schöpfungsrose des Marburger Achsenfensters –, die in leichter Variation
bereits im Evangeliar Heinrichs des Löwen (vgl. Fig. 444f.) und ebenso im Stammheimer Missale aus Hildesheim
42 kunstgeschichtliche einleitung
begegnen (Textabb. 6). An die Gerlachus-Scheiben sind die Restscheibe einer Geburt Christi in Goslar sowie der erst
jüngst wieder ans Licht gelangte Grabungsfund aus Brunshausen anzuschließen, der als christologischer Zyklus aus
der Zeit um 1200 rekonstruiert werden kann46 . Unter den Scherben aus Brunshausen finden sich ernste und langnasige
Gesichter sowie Reste eleganter, weich verfließender Gewänder, die mit dem wahrscheinlich in Magdeburg entstan-
denen Brandenburger Evangelistar stilistisch auf gleicher Stufe stehen (vgl. Textabb. 8) 47. Das Formvokabular die-
ser Miniaturen ist noch für die Marburger Fenster prägend, einzelne Figurentypen ebenfalls, die einem wandernden
Buchmaler zugeschrieben werden, der möglicherweise auch für die Halberstädter Bibel verantwortlich zeichnete (vgl.
Fig. 438f.) 48 . Die Stilmerkmale scheinen für einen westlich, vielleicht an insularen Vorbildern geschulten Maler zu
sprechen49. Solche Verbindungslinien zur englischen Kunst könnten später auch für den sizilischen Einschlag der
Marburger Genesisscheiben bestimmend gewesen sein, da über den englischen Hof dynastische Beziehungen zu den
normannischen Herrschern in Sizilien bestanden (Textabb. 9, 10). Innerhalb unserer Gattung lassen sich die gleichfalls
für Magdeburg beanspruchten Reste aus dem Liebfrauenkloster als stilistische Vorläufer dieser Werkstatt an die Seite
stellen (vgl. Fig. 472). Vielleicht darf man auch die gegen 1230/35 entstandenen Scheiben der Erfurter Barfüßerkirche
in diesen Entwicklungszusammenhang einreihen, die mit ihrer kraftvollen Unmittelbarkeit zwar weit über das zur
Routine gelangte Niveau in Marburg hinausreichen, in einzelnen Figuren und Detailformen aber eine verwandte
künstlerische Gesinnung verraten (Textabb. 11) 50 .
Mit den Erfurter Scheiben ist bereits die zweite Quelle benannt, aus der auch die Marburger Ateliers schöpfen konn-
ten. Es handelt sich dabei um eine Gruppe von Handschriften, die seit ihrer grundlegenden Bearbeitung durch Arthur
Haseloff unter der Bezeichnung »thüringisch-sächsische Malerschule« subsumiert wird. Die Werke entstanden unter
Einfluss byzantinischer und englischer Vorlagen in einem Gebiet, das im Süden vom Thüringer Wald, im Osten von
der Elbe begrenzt wird und sich im Westen bis nach Westfalen erstreckt. Ein Merkmal dieser gegenüber dem Branden-
burger Evangelistar mehr graphisch angelegten Gruppe ist die Ausbildung nervös-bewegter Gewandformeln mit
Textabb. 12–14. – 12. Thronender Christus. Endre (Gotland), Pfarrkirche, Chor I, 6b. Niedersachsen oder Gotland, Mitte 13. Jh. – 13. Taufe
Christi. Bücken, Stiftskirche, Chor I, 2b. Niedersachsen, um 1250/60. – 14. Thronender Schöpfergott aus der Rose des Sechstagewerks.
Marburg, Elisabethkirche, Chor H I, 2AB 0. Niedersachsen, um 1240/50. – Kat. S. 370.
scharf umbrochenen, sich verselbständigenden Faltengebilden. Die große Zahl an Werken und die Persistenz dieses
Stilidioms in der Buchmalerei bis in das ausgehende 13. Jahrhundert lässt auf die Existenz von Großwerkstätten schlie-
ßen; in den Glasmalereien Gotlands, die dort in großer Zahl erhalten blieben, finden sie eine erstaunliche Paral-
lele. Renate Kroos hat aufgrund stilistischer und motivischer Übereinstimmungen einiger Bildhandschriften der
Spätzeit mit Glasmalereien in Bücken und auf Gotland (Textabb. 12f.) sogar eine gattungsübergreifende Tätigkeit
der Werkstätten angenommen und Braunschweig als Produktionszentrum vorgeschlagen 51. Dass es im niedersäch-
sischen Handelsgroßraum exportorientierte Glasmalereiwerkstätten gegeben haben muss, wurde schon früh erkannt.
Haseloff verwies diesbezüglich auf die Verglasung von Breitenfelde in Schleswig-Holstein, die als ein wichtiges
Bindeglied zwischen niedersächsischer und gotländischer Glasmalerei angesehen werden muss52 . Hinsichtlich ihrer
geographisch breiten Streuung wäre für diese Werkgruppe auch Magdeburg als ein möglicher Produktionsstandort zu
erwägen, denn über die Elbe wurde damals ein Großteil des Handels mit den nördlichen Gebieten abgewickelt 53.
Zu Soest als dem sicherlich bedeutendsten Kunstzentrum Westfalens im 13. Jahrhundert fällt die Abgrenzung der nieder-
sächsischen Kunst keineswegs leicht 54. Dies wird besonders augenfällig, wenn man den Marburger Standfiguren etwa die
Prophetenfiguren eines Wurzel-Jesse-Fensters aus Lohne gegenüberstellt (Textabb. 17). Trotz ihres kleinen Maßstabs und
ihrer späteren Entstehung ergeben sich in den Figurentypen, der Technik und den Detailformen überraschende Schnitt-
mengen, die zweifelsohne belegen, dass das Stilidiom damals weiträumig verbreitet war55. In der Soester Wandmalerei
finden sich außerdem raumgreifende Einzelfiguren in Tabernakelarchitekturen mit ähnlich aufwendigen Baldachinauf-
bauten, wie sie für die Gruppe der spätromanischen Standfiguren in Marburg oder die Hildesheimer Chorschranken
charakteristisch sind (Textabb. 16). Man wird nicht fehlgehen, einen Grund hierfür in den engen Handelsverbindungen
zwischen den niedersächsischen Gebieten und Soest zu sehen, denn immerhin war Soest wichtigste Station entlang einer
46 AK Braunschweig 1985, I, S. 39f. (Ralf Busch). Siehe hierzu dem- 52 Haseloff 1931; Andersson 1964, S. 46–80, bes. S. 76–80.
nächst den in Vorbereitung befi ndlichen Band zu den mittelalterlichen 53 Dies vermutete bereits Arthur Haseloff unter Verweis auf die ar-
Glasmalereien in Niedersachsen (CVMA Deutschland VII,1) von Ele- chitektonischen Beziehungen zwischen dem Magdeburger Dom und
na Kozina. dem Dom zu Linköping bzw. der Marienkirche in Wisby; Arthur Ha-
47 Zuletzt Braun-Niehr 2005. seloff, Rez. zu Johnny Roosval, Gotländsk Vitriarius, Stockholm
48 Belting 1978, bes. S. 228–232. 1950, in: Zs. der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschich-
49 Ich verweise in diesem Zusammenhang auf den um 1180/90 ent- te 76, 1952, S. 262–270. Dagegen wollte Hans Wentzel in seiner Be-
standenen Großen Canterbury-Psalter (Paris, Bibliothèque nationale sprechung des Werkes von Roosval, der das Stilbild gotländischer
de France, Ms. lat. 8846); Morgan 1982, S. 47–49, Nr. 1 mit Abb. 1–7. Glasmalereien ab 1270 weitgehend auf englisch-norwegische Einflüsse
50 Man vergleiche hierzu etwa die Christusfigur der Lazarusszene mit zurückführt, Lübeck als Ursprungsort gotländischer Glasmalereien
dem Schöpfergott des Genesiszyklus oder die Gestalt der beiden Fran- sehen; Hans Wentzel, in: Kunstchronik 4, 1951, S. 127–129.
ziskusdarstellungen. Eine Verwandtschaft zu den spätromanischen 54 Vgl. hierzu ausführlich Söding 2005.
Standfiguren besteht auch in der Art der Faltenbildung. Charakte- 55 Haseloff hatte Westfalen mit dem Kunstzentrum Soest daher als
ristisch sind hier wie dort die zu Haken gebildeten oder in »Mäuse- Mittelpunkt der byzantinisierenden Richtung und wichtigen Impuls-
schwänzchen« auslaufenden Gewandfalten. Schließlich sei noch auf geber des »thüringisch-sächsischen« Stils gesehen; Haseloff 1897,
die Eigenart verwiesen, die Pupille mit der Nadel auszukratzen. S. 344–349, und ders. 1931, S. 7f. Zu Soest als Kunstzentrum s. Korn
51 Kroos 1964, S. 126f.; dagegen Korn 1992, S. 19f. 1992, S. 38–42, sowie bereits Salmen 1942.
44 kunstgeschichtliche einleitung
Textabb. 15. Kreuzigungsretabel aus Soest, Berlin, Staatliche Museen Preussischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie. Soest(?), um 1240.
Verkehrsachse, die vom Rheinland nach Niedersachsen führte56 . Darüber hinaus waren mit dem Sturz Heinrichs des
Löwen im Jahr 1180 auch die politischen Weichen für eine Öffnung in das Rheinland gestellt worden; die Inbesitznahme
Westfalens durch die Kölner Erzbischöfe trug hier sicher zu einer Vertiefung der künstlerischen Beziehungen bei. So
trafen in den Soester Kunsterzeugnissen rheinische und niedersächsische Stilelemente aufeinander, über Soest wurden
aber auch die regionalen Stiltendenzen in beide Richtungen weitergereicht. Ein solches Vorstellungsmodell würde
die Nähe der Marburger Glasmalereien zum Soester Stilmilieu ebenso erklären wie die Verwandtschaft zum Goslarer
Evangeliar (Textabb. 22). Dass umgekehrt der niedersächsische Einfluss um die Jahrhundertmitte bis ins Rheinland
reichte, wird durch die Nähe der Bückener Heiligenlegendenfenster zum Ahrweiler Laurentiuszyklus unmittelbar
einsichtig; dessen rheinische Färbung lässt sich vielleicht einzig in der gegenüber Bücken milderen emotionalen Ge-
stimmtheit fassen 57.
Mit Köln rückt zugleich ein Kunstzentrum ins Blickfeld, dessen Rolle im Zusammenhang mit der Ableitung des
Marburger Figurenstils schon vielfach Gegenstand von Untersuchungen war. Rheinische Einflüsse wurden vor allem
von Paul Clemen, später auch von Louis Grodecki und Monika Bierschenk geltend gemacht, während Gertrud M.
Scheuffelen diese zurückwies58 . Zu nennen ist hier vor allem das Elisabeth-Medaillonfenster, das mit seinem typo-
logischen Konzept und den formalen Mitteln das ältere Kölner Bibelfenster von 1260 vorwegnimmt (Textabb. 18f.).
Stilistisch steht es den beiden Marienscheiben des Schnütgen-Museums nahe (Fig. 520) 59. Daher könnten die Glasma-
lereien, worauf im Katalog ausführlich eingegangen wird, in einem Atelier ausgeführt worden sein, an dem sowohl
kölnische als auch niedersächsische Kräfte beteiligt waren. Ein wichtiges Argument für die versuchsweise Lokalisie-
rung der Werkstatt in das Rheinland liefert der Elisabethschrein, dessen rheinische Komponente in der Gegenüber-
stellung mit dem Aachener Marienschrein besonders augenfällig wird. Glasmaler und Goldschmiede griffen hier zur
Schilderung der Elisabethvita auf die gleichen Bildvorlagen zurück. Möglicherweise wurden sowohl der Schrein als
auch das Bildfenster zur gleichen Zeit bei spezialisierten Werkstätten im Rheinland in Auftrag gegeben, wo das bereit-
gestellte Vorlagenmaterial unkompliziert ausgetauscht werden konnte. Der Zeitpunkt der Ausführung beider Werke
56 Almuth Salomon, Die Beziehungen zwischen Köln und Westfa- Diss. Columbia University 1986, S. 315–321. Vgl. auch Wolter-von
len im Rahmen der Hanse, in: AK Münster/Köln 1980, Beitragsband, dem Knesebeck 2007, S. 33–49. Die gleiche Werkstatt fertigte auch
S. 281–296. das heute in der Hamburger Staatsbibliothek aufbewahrte Lektionars-
57 Korn 1992, S. 30–33. Farbabb. aller Medaillons aus Ahrweiler im fragment an (In scrinio 1); vgl. Farbabb. 16–20 bei Wolter-von dem
Aukt.-Kat. Sotheby’s, European Works of Art, Arms and Armour, Knesebeck 2007.
Furniture and Tapestries, New York, Nov. 22 and 23, 1988, Nr. 56. 62 Hess 1998 und 1999, S. 35–40. Bezüglich der von Hess angenom-
58 Siehe die Diskussion im Katalog zu Marburg S. 331–333 und 410. menen Vermittlung dieser Werkstatt an die Franziskaner in Assisi
59 Rode 1974, S. 28. durch den Mainzer Erzbischof Gerhard I. (reg. 1251–1259) kritisch
60 Swarzenski 1936, I, S. 25–29. Uwe Gast, Rez. zu Hess 1999, in: ZfKg 64, 2001, 562–574, hier S. 567f.
61 Virginia Röhrig-Kaufmann, Iconographic Study of the Christo- Vgl. hierzu die Zusammenfassung der Diskussion bei Wolter-von
logical Cycle of the Miniatures of the Aschaffenburg Gospels, Phil. dem Knesebeck 2007, S. 164–176.
kunstgeschichtliche einleitung 45
63 Auf das Vorbild des Mainzer Westlettners, das Grabmahl Erzbischof Sieg-
frieds von Eppstein und die Wandmalereien der Marienkirche in Gelnhausen
hatte Swarzenski 1936, I, S. 26f., hingewiesen. Daniel Hess, Würzburg oder
Mainz? Zur kunstgeographischen Einordnung der Aschaffenburger Tafel, in:
Emmerling/Ringer 1997, S. 321–323, denkt an eine Mainzer Entstehung
der 1986 aufgefundenen Aschaffenburger Tafel. Dagegen weist Martin, Za-
ckenstil, 1997 auf Gemeinsamkeiten des Aschaffenburger Tafelbildes mit der
Würzburger Buchmalerei hin.
64 Martin, Zackenstil, 1997, hier S. 310–316. Textabb. 17. Prophet Jesaja im Wurzel-Jesse-Fenster aus Lohne.
65 Swarzenski 1936, I, S. 17–20, 90–94, Nr. 9f., II, Taf. 12–27. Die Kölner Münster, LWL-Landesmuseum für Kunst und Kultur-
Königschronik befi ndet sich heute in Brüssel, Bibliothèque Royale Albert Ier geschichte, Westfälisches Landesmuseum. Soest, um 1250.
46 kunstgeschichtliche einleitung
Textabb. 20, 21. Himmelfahrt Christi und Pfi ngstfest. Bibel aus Heisterbach, Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz,
Handschriftenabteilung, Ms. theol. lat. fol. 379, fol. 499r und v. Köln(?), um 1240.
Textabb. 22. Anbetung der Könige, Josephs Traum und Evangelist Textabb. 23. Ausgießung des Hl. Geistes. Aschaffenburger
Matthäus, Goslarer Evangeliar, Goslar, Stadtarchiv, B 4387, fol. 10v. Evangeliar, Aschaffenburg, Hofbibliothek, Ms. 13, fol. 97v.
Goslar(?), um 1240. Mittelrhein(?), um 1255/60.
48 kunstgeschichtliche einleitung
Textabb. 24. Noli me tangere. Straßburg, Münster, Lhs. n III, Textabb. 25. Moses fl ieht vor Pharao(?). Assisi, San Francesco,
Maßwerkrosette. Straßburg, um 1250. Chor A VIII, 8a. Mittelrhein(?), um 1253/60.
Sollten die künstlerischen Voraussetzungen zur Ausbildung des »mittelrheinischen« Zackenstils in Werken wie der
Heisterbacher Bibel zu suchen sein, so würde damit auch das Auftreten verwandter Arbeiten im weiteren Umkreis
von Köln verständlich. In Köln selbst besitzen wir zwar mit Ausnahme einer Urkunde der Dreikönigsbruderschaft
aus der Zeit um 1250 heute keinen Vertreter dieses Stils mehr69; allerdings wird man im Soester Gnadenstuhlretabel
einen Reflex der aktuellen Entwicklung erkennen dürfen 70 . Die selbstbewusste und lässige Haltung der Johannes-
figur ist ganz kölnisch geprägt; der Körper zeichnet sich unter dem stoffreichen und gezackten Gewand plastisch ab,
wobei die stahlblaue Tunika und die lachsrosafarbene Toga auf eine bevorzugte Farbpaarung des Aschaffenburger
Evangeliars zurückgreift (Textabb. 27) 71. Im Hinblick auf das ältere Kölner Bibelfenster müssten auch solche Werke
wie die beiden Petrus- und Paulusscheiben des Westfälischen Landesmuseums in Münster näher an die Entwicklung
im Rheinland herangeführt werden (Textabb. 19, 28). Diese jüngst von Uwe Gast zu Recht aus dem mittelrheinischen
Gebiet herausgelösten Arbeiten sind im Faltenstil dem älteren Bibelfenster verwandt; ähnliche Blattornamente wie
auf der Petrusscheibe sind auch für die Fenster des Kölner Domchors überliefert 72 . Noch in den 1270er-Jahren ist die
Tätigkeit einer vom Aschaffenburger Evangeliar abhängigen Werkstatt im nahen Mönchengladbach nachweisbar,
die das charakteristische Stilbild, wenn auch bereits in ausgeschriebenen Formen, fortführt. Und schließlich greift
um 1280 das jüngere Bibelfenster aus der Kölner Dominikanerkirche, das sich stilistisch bereits an der aktuellsten
69 Hannover, Kestner-Museum, Inv. Nr. 3986; Abb. in: AK Magde- scheiben wurden bereits von Plotzek gesehen, der sich dann aber für
burg 2006, II, S. 232f., Nr. IV.40. eine mittelrheinische Provenienz beider Gruppen ausgesprochen hat;
70 Berlin, Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, s. AK Köln 1972, I, S. 344 (Joachim M. Plotzek).
Gemäldegalerie, Inv. Nr. 1216A. Zuletzt ist Ulrich Söding den Wech- 73 Martin 1993, S. 117, Abb. 156, 160.
selwirkungen zwischen sächsischer, westfälischer und niederrhei- 74 Auf eine allgemeine Stilverwandtschaft hatte lediglich Rode 1974,
nischer Kunst im Zusammenhang mit der Genese und Verbreitung des S. 86, Anm. 269, hingewiesen. In dem insgesamt schlechten Erhal-
Zackenstils nachgegangen und hat sich für eine eigenständige Verar- tungszustand dieser Scheiben dürfte die Ursache dafür liegen, dass
beitung des Zackenstils in Köln ausgesprochen, der durchaus Einfluss man diese Zusammenhänge bisher verkannt hat. Zum Zackenstil-
auf die östlichen Regionen nahm; Söding 2005, hier S. 194–206. Atelier vgl. Beyer 1956 (vermutet reisende Glasmaler aus dem Mainz-
71 Der Katalog von Stephan Kemperdick, Deutsche und böhmische Frankfurter Kunstkreis, die auch das Aschaffenburger Evangeliar anfer-
Gemälde. 1230–1430. Gemäldegalerie Berlin. Kritischer Bestandskata- tigten), Beyer 1960 und AK Köln 1998, S. 186f., Nr. 26 (Françoise
log, befi ndet sich im Druck. Gatouillat). Zu den im Straßburger Münster wiederverwende-
72 Die Glasgemälde-Sammlung des Freiherrn vom Stein 2007, S. 43– ten Dominikanerscheiben s. Victor Beyer, La dépose des vitraux de
47, Nr. 6f. (Uwe Gast). Zusammenhänge mit den Kölner Marientod- l’église des Dominicains et la verrière de la vie de Saint Barthélemy,
kunstgeschichtliche einleitung 49
Textabb. 26–28. 26. Hl. Sebastian. Naumburg, Dom, Westchor n III, 7/8a. Mittelrhein(?), um 1250. – 27. Hl. Johannes im Soester Gnadenstuhl-
retabel, Berlin, Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie. Soest(?), um 1250/60. – 28. Hl. Paulus als Märtyrer.
Münster, LWL-Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte/Westfälisches Landesmuseum. Rheinland, um 1260/70.
Strömung aus Frankreich orientiert, erneut auf Bildvorlagen zurück, die auch den Glasmalern in Assisi zur Verfügung
gestanden haben müssen; Frank Martin hat auf die weitgehende Übereinstimmung der Dornbuschszenen hinge-
wiesen und festgestellt, dass auch die Himmelfahrtsszene des Aschaffenburger Evangeliars im Kölner Bibelfenster
wörtlich wiederholt wird 73. Bislang wurde allerdings übersehen, dass die Werkstatt des jüngeren Kölner Bibelfensters
zuvor bereits am Chor der Straßburger Dominikanerkirche tätig war 74. Ein Blick auf das Bartholomäusfenster, dessen
Reste sich heute im Straßburger Münster befinden, legt diese Zusammenhänge offen. Zwischen Köln und Straßburg
müssen demnach enge künstlerische Kontakte bestanden haben; sie lassen sich in diesem Fall auf die überregionalen
Verflechtungen der Bettelorden zurückführen, die ihre bevorzugten Werkstätten oder Kunstwerke über große Ent-
fernungen hinweg weiterreichten 75. Für unsere Überlegungen ist es nicht unerheblich zu erfahren, dass sich der in
Köln ansässige Dominikaner Albertus Magnus in den sechziger Jahren zu Lehrzwecken in Straßburg aufhielt, später
den Chor der Abteikirche von St. Vitus in Mönchengladbach weihte und schließlich 1280 das Bibelfenster der Kölner
Dominikanerkirche stiftete76 . Zumindest für die Schiene Köln-Straßburg wäre also die Vermittlung der Werkstätten
auf persönliche Kontakte zurückführen 77. Damit rückt Straßburg, das Suffraganbistum von Mainz war, als ein mög-
licher Vermittler zwischen Köln und Mainz ins engere Blickfeld. Dies ist insofern interessant, als sich das Bartholo-
mäusfenster von einem am Münster und in St. Thomas tätigen Atelier herleiten lässt und einige ihm zugeschriebene
in: Cahiers alsaciens d’archéologie, d’art et d’histoire 1957, S. 143–162, menarchitekturen einiger Kölner Tafelmalereien des 14. Jahrhunderts
zuletzt Beyer 2007, S. 68–77. wieder, die mit Passelementen durchbrochen und von Zinnen bekrönt
75 Über diese Werkstattverbindungen der Straßburger und Kölner sind. Man vergleiche etwa die Bogenarchitektur auf der Darstellung
Dominikaner erklären sich auch die überraschenden Stilparallelen der Verkündigung an die Hirten (fol. 19v) mit den Außenseiten eines
zwischen den Tabernakelfiguren der Kölner Dominikanerkirche und Flügelaltärchens aus dem Franziskanerinnenkloster St. Clara in Köln
dem Westfenster der Freiburger Dominikanerkirche, die gleichfalls (um 1330); Farbabb. der entsprechenden Szene des Aschaffenburger
aus Straßburg geliefert wurden. Eine gute Vergleichsmöglichkeit bie- Evangeliars bei Wolter-von dem Knesebeck 2007, S. 70, Abb. des
ten etwa die beiden Johannesfiguren. Abb. bei Geiges 1931/33, S. 350, Flügelaltärchens bei Zehnder 1990, S. 94–98, Nr. 1 mit Abb. 71.
Abb. 834 (Freiburg), und Rode 1974, Abb. 346f., 349 (Köln). 78 Diese Zusammenhänge wurden von der Forschung längst gesehen;
76 Zum jüngeren Kölner Bibelfenster vgl. Rode 1974, S. 83–91, hier vgl. Wentzel 21954, S. 31f., Grodecki 1977, S. 251, und Beyer/Wild-
S. 84 (mit Überlieferung der Stifterinschrift); zu Albertus Magnus s. Block/Zschokke 1986, S. 50f. Hinsichtlich der Kopftypen und der
LMA, I, 1980, Sp. 294–299 (Wilhelm Kübel). Formelemente (Langpass im Palmettenkranz) ist der Hl. Biulfus im
77 Interessanterweise begegnen die markanten architektonischen Rah- Langhaus des Straßburger Münsters (süd VII) mit dem Hl. Gregor der
menformen des Aschaffenburger Evangeliars in den steinernen Rah- Naumburger Westchorverglasung (süd III) zu vergleichen. Die Maß-
50 kunstgeschichtliche einleitung
Textabb. 29.
Reiner Musterbuch.
Wien, Österr. National-
bibliothek, Codex 507,
fol. 11v und 12r.
Anfang 13. Jh.
Arbeiten im Straßburger Südquerhaus und in den Couronnements der Langhausfenster wiederum den Werken des
»mittelrheinischen« Zackenstils nahe stehen (Textabb. 24–26) 78 . Jene Stiltransformation, die zwischen den älteren
Glasmalereien im Münster und ihren nach 1250 anzusetzenden Werken fassbar wird, könnte demnach durch die aktu-
elle Entwicklung in Köln angestoßen worden sein. Diese Annahme fände von Seiten der Architekturgeschichte inso-
fern eine Stütze, als Köln für die Straßburger Münsterbauhütte um die Mitte des 13. Jahrhunderts eine nicht unbedeu-
tende Rolle spielte. Marc Carel Schurr hat dargelegt, welchen Einfluss die Planungen an der Kölner Dombauhütte als
konkurrierendes Großbauprojekt damals auf die Langhausgestaltung des Straßburger Münsters genommen haben 79.
In der Diskussion um die Entstehung des sog. »mittelrheinischen« Zackenstils hat man in den letzten Jahren die Zen-
tren Köln und Straßburg als Impulsgeber dieser Entwicklung fast gänzlich aus den Augen verloren, einer Entwick-
lung, von der man meines Erachtens am Mittelrhein erheblich profitierte. So wäre nach dem Gesagten auch ein Kölner
oder Straßburger Werkstattableger am Mittelrhein denkbar. Eine genaue Lokalisierung des Ateliers wird aber durch
die weite Verbreitung dieser Werke und ihre ungesicherte Provenienz erschwert, zumal bei kleinen Formaten auch im-
mer mit der Möglichkeit des Warentransports gerechnet werden sollte. Die Reformorden scheinen hierbei eine wich-
tige Rolle gespielt zu haben. Denn einerseits sind die nachgewiesenen weiträumigen Verbindungen zwischen Köln,
Straßburg und Assisi offenbar auf den erhöhten Kunsttransfer im Netzwerk dieser Orden zurückzuführen 80 . Und
andererseits werden solche überregional funktionierenden Ordensverbindungen auch zur Entstehung der zahlreichen,
werkmedaillons der Langhausfenster sind durch ihren Farbcharakter Joche. Die Untersuchungen Gallets setzen den Beginn der Arbeiten
mit den Glasmalereien in Assisi verbunden: Neben lindgrünen und in die Zeit um 1250; Yves Gallet, La nef de la cathédrale de Strasbourg,
warmgelben Farbgläsern gelangen hier hellviolette Töne zum Einsatz, sa date et sa place dans l’architecture gothique rayonnante, in: Bulletin
die ungewöhnlich auch zur Bezeichnung der Haare dienen. Letzteres de la Cathédrale de Strasbourg 25, 2002, S. 49–82. – Mit der Errichtung
ist m.W. sonst nur noch in den Glasmalereien der Marburger Genesis- des Rheinischen Städtebundes (1254–1257), der neben Mainz, Straßburg
werkstatt gebräuchlich. Siehe Beyer/Wild-Block/Zschokke 1986, S. und Worms auch Köln und Aachen angehörten, wurden übrigens auch
50, Fig. 26f. (Hl. Biulfus), S. 225 (Maria mit Kind im Langhaus süd V). von politischer Seite die Voraussetzungen für eine Intensivierung des
– Reminiszenzen dieses Stils sind noch um 1280/90 in den Glasmale- Handelsaufkommens entlang des Rheins geschaffen.
reien der Freiburger Dominikanerkirche zu finden, die möglicherweise 80 Die auffällige Häufung von Werken des »mittelrheinischen« Zacken-
von einem Straßburger Atelier ausgeführt wurden; vgl. Fig. 566. stils im Umkreis der Reformorden (Franziskaner, Dominikaner, Zis-
79 Schurr 2007, S. 88–97. Schurr nimmt einen Baubeginn des Lang- terzienser) könnte hierbei an Klosterwerkstätten denken lassen, und
hauses um 1240 an und setzt die Fertigstellung der östlichen Seiten- die im kleinen Format ausgeführten Arbeiten bei weitgehendem Feh-
schifffenster noch in diese Zeit. Die Ostpartien sind ihm zufolge um len von Skulptur und großflächiger Malerei lieferten sogar Argumente
1260 vollendet gewesen, bis 1275 schließlich auch die vier westlichen für eine Herkunft aus einer bilderkritisch eingestellten Ordenswerk-
kunstgeschichtliche einleitung 51
die sowohl in Obazine (Corrèze), Heiligenkreuz bei Wien, Haina und Marburg begegnen (Textabb. 29–31). Einige
Marburger Fenster besitzen auch im zurückhaltenden Kolorit eine erstaunliche Nähe zu den Grisaillen des Ordens.
Gäbe es keine Figurenfenster in Marburg, könnte man sogar vermuten, dass der Deutsche Orden die allgemeine Bil-
derskepsis der neuen Reformbewegung, darunter auch die damals aufkommenden Bettelorden, teilte 82 . So aber wird
man neben den geringeren Kosten als entscheidendes Argument vor allem den lichten Charakter der Ornamentfenster
anzusehen haben, mit denen die filigrane Struktur des gotischen Kirchengebäudes hervorgehoben werden sollte. Dabei
kam ein offenbar bereits gängiges Verglasungssystem zum Einsatz, welches das liturgische Zentrum hinter dem Altar
mittels Figurenfenstern hervorhob, während die nicht einsehbaren Seiten Ornamentteppiche erhielten83. In Haina
trug man eine solche Dramaturgie den großen Prachtfenstern auf, mit denen die Stirnseiten von Lang- und Querhaus
ausgezeichnet sind. Dass man sich damit aber nicht begnügen wollte, zeigt die Verwendung von Farbgläsern bereits
im ältesten Ostfenster, die nach Westen im Bauverlauf dann stetig zunimmt. Eben hierin unterscheidet sich der Bau
von dem orthodoxen Konzept des Altenberger Mutterklosters, deren in reiner Grisaille ausgeführte Chorverglasung
zudem jüngeren Datums ist (vgl. Textabb. 32–34) 84.
kunstgeschichtliche einleitung 53
Textabb. 35. Turris Davidica. Fritzlar, Stiftskirche, Wandmalerei im südlichen Querschiff. Um 1330/40.
kunstgeschichtliche einleitung 55
Textabb. 36. Marienkrönung, flankiert von den Hll. Johannes Evangelista und Petrus
im Hochaltar des Kölner Domes. Köln, um 1322.
Die Bedeutung Kölns als Impulsgeber für Marburg lässt sich bereits an dem Umstand ermessen, dass das gewaltige
Dombauprojekt auch in Marburg einen Planwechsel einläutete, in dessen Verlauf u.a. die Zweiturmfassade errichtet
wurde 85. Die überregionalen Kontakte erwiesen sich seit den achtziger Jahren des 13. Jahrhunderts für die künstleri-
sche Ausgestaltung der Deutschordenskirche als äußerst fruchtbar. So zitiert der Elisabethaltar von 1290 die gerade im
Bau befindliche Straßburger Westfassade, was belegt, dass man über das aktuelle Baugeschehen an den beiden größten
Projekten am Rhein bestens unterrichtet war. Von diesen Begegnungen profitierten die Glasmaler in hohem Maße.
Sie standen offenbar im engen Austausch mit der Bauhütte und erreichten in der formalen Abstimmung ihres Orna-
mentapparats nun den Anschluss an die gebaute Architektur, sodass Architektur und Ausstattung nun auch formal
zusammengebunden wurden. Dieser entscheidende Prozess wird an den kaum später anzusetzenden Glasmalereien
der Werkstatt des Noli-me-tangere-Fensters manifest, mit der zugleich das am Oberrhein bereits bekannte komposite
Verglasungssystem aus Standfiguren unter Ornamentteppichen Einzug hielt. Einiges spricht dafür, dass die zweite
damals tätige Werkstatt des Marienfensters auf älteren Voraussetzungen gründet, lassen sich doch ihre Arbeiten kon-
zeptuell noch auf die Gruppe der spätromanischen Standfiguren zurückführen. Trotzdem wird der neue westliche Stil,
wenn auch etwas steif, so doch insgesamt schöpferisch, verarbeitet.
Unter Landgraf Heinrich II. erreichte die Rezeption modernster Stilformen in Marburg einen neuen Höhepunkt. Hein-
rich ließ in den 1330er-Jahren am Ort seiner Ahnin Elisabeth für seine verstorbenen Vorfahren Grabmäler anfertigen 86 ,
deren Bildhauer aus dem Umkreis des Jean Pepin de Huy stammten, und aus Köln wurden lothringische(?) Steinmetzen
berufen, die dort zuvor noch die Mensa des Hochaltars geschaffen hatten (Textabb. 36). Die Malereien des Kasseler
Willehalm schließlich, den Heinrich in bewusster Anknüpfung an die Tradition seiner thüringischen Vorfahren bei
einem im Westen geschulten Künstler in Auftrag gab, genügen höchsten künstlerischen Ansprüchen und lassen sich den
erlesenen Werken französischer und englischer Buchmalerei durchaus an die Seite stellen (Textabb. 2, 38).
Nach Abschluss der Bauarbeiten im Innern wurden – wie schon ein halbes Jahrhundert zuvor – mehrere Werkstätten
zur Verglasung der Fensteröffnungen nach Marburg geholt. Diesmal aber scheint die aufstrebende Residenzstadt den
Glasmalern eine bessere wirtschaftliche Grundlage geboten zu haben, denn im näheren Umkreis haben sich weitere
Arbeiten dieser Ateliers erhalten, die zweifellos auf einen Marburger Export hindeuten. Neben den Glasmalereien
85 Strickhausen 2001, S. 145f.; Schurr 2007, S. 113–118. Vgl. auch Baugeschichte, Vorbilder, Bedeutung (Marburger Stadtschriften zur
Matthias Müller, Der zweitürmige Westbau der Marburger Elisa- Geschichte und Kultur 60), Marburg 1997.
bethkirche. Die Vollendung der Grabeskirche einer königlichen Frau. 86 Vgl. Reitzenstein 1965 und Holladay 1982.
56 kunstgeschichtliche einleitung
Textabb. 38. Arabel holt Willehalm aus dem Kerker, nimmt ihn mit auf
ihr Zimmer und händigt ihm seine Waffen aus. Willehalmcodex, Kassel,
Universitätsbibliothek – Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek
der Stadt Kassel, 2° MS poet. et roman. 1, fol. 28v. Köln(?), 1334.
aus Winnen, Berich und Dausenau an der Lahn (Textabb. 37, 40)
zählen hierzu auch Ornamentverglasungen in Haina und Wet-
ter, die sämtlich zwischen 1290 und 1320 anzusetzen sind. Mehr
noch als die vergleichsweise statischen Standfiguren verrät der
Christuszyklus aus Dausenau in den überspannten Bewegungen
und den eleganten Kostümen eine Schulung an französischen
Vorbildern. Stilistisch können die Werkstätten des Noli-me-
tangere-Fensters und des Marienfensters, so benannt nach den
Darstellungen im Chor der Marburger Elisabethkirche, mit Res-
ten von Wandmalereien in der Marburger Marienkirche und den
jüngeren Malereien des steinernen Retabels und des Turris Davi-
dica der Fritzlarer Stiftskirche verbunden werden (Textabb. 35),
eine Beobachtung, die auf die Existenz eines größeren Marburger
Werkstattverbundes schließen lässt 87. Noch das nach der Jahr-
hundertmitte für die Hersfelder Stadtkirche entstandene Katha-
87 In diesem Sinne äußert sich auch Marc Schmidt, Die Kunstwerke gewiesen (Hs. theol. 94 und Hs. theol. 95), deren Kreuzigungsbilder
in der Lutherischen Pfarrkirche St. Marien zu Marburg, in: Kunst/ (Mollwo 1944, Abb. 19f.) sich an die Seite des Willehalm-Meisters
Glockzin 1997, S. 106–152, hier S. 122. Bereits Michler 1984, S. 366– stellen lassen, und in ihm einen hessischen Wanderkünstler sehen wol-
370, verglich die Wimperg-Rahmenarchitektur mit den kleinfigurigen len; Helmut Reinecke, Der Wandermeister des Kasseler Willehalm,
Standfigurenfenstern in der Nordkonche der Elisabethkirche. in: Wallraf-Richartz-Jb. 10, 1938, S. 43–64. Diese niedersächsischen
88 Vgl. etwa den vor 1339 entstandenen Psalter des Robert de Lisle; s. Zusammenhänge werden von Mollwo und Holladay abgelehnt.
Lucy Freeman Sandler, The Psalter of Robert de Lisle in the British Sicher wird man eine Schulung des Willehalm-Meisters an franzö-
Library, Oxford 1983. Zum Willehalm-Codex s. Mollwo 1944 und sischer, vielleicht auch englischer Buchmalerei annehmen müssen. Vor
zuletzt Holladay 1996. Mollwo und Holladay erkennen im Wil- dem Hintergrund der von Reinecke aufgezeigten Verbindungen wäre
lehalm-Codex und in dem vom gleichen Maler illustrierten Wettinger allerdings zu überlegen, ob der Maler nicht überwiegend auf nieder-
Graduale kölnische Arbeiten. Allerdings hatte Helmut Reinecke auf sächsischem Gebiet tätig war.
zwei Missalien aus St. Johannis in der Lüneburger Ratsbücherei hin-
58 kunstgeschichtliche einleitung
den gotländischen Glasmalereien von Lye (um 1340) entfernte Verwandte besitzen (Textabb. 42) 89. Lediglich an einem
Beispiel sei veranschaulicht, dass stilistisch miteinander verbundene Kunstwerke im Gebiet der Hanse sehr weiträu-
mig verteilt sein können: In Stockholm hat sich der Flügel eines Retabels erhalten, den bereits Kurt Steinbart als
westfälische Arbeit erkannt und mit dem Hofgeismarer Altar von 1320/30 in Verbindung gebracht hat (Textabb. 41) 90 .
Für dessen westfälische Herkunft sprechen die Übereinstimmungen mit einem Wandbild in der Soester Petrikirche
und dem Soester Nequambuch91. Dem gleichen Umfeld entstammt schließlich auch das kaum jüngere Kanonbild eines
Fritzlarer Missales92 . Spätere Ausläufer dieser Werkstatt lassen sich bis an die Ostsee verfolgen, wozu die bemalten
Flügel des gegen 1341 anzusetzenden Corpus-Christi-Schreins und das Kreuzigungsretabel in der Zisterzienserkirche zu
Doberan zählen93. In all diesen Werken klingt ein englischer Einfluss an, der sich in den gelängten Proportionen und
den manchmal wehmütigen oder zu Überreaktionen neigenden Figuren bemerkbar macht 94.
Die hier exemplarisch aufgezeigten überregionalen Verflechtungen machen schlaglichtartig deutlich, welch geringer
Stellenwert etwa Kassel als nächstgelegener Stadt zwischen Fritzlar und Hofgeismar im Hinblick auf die Produktion
von Kunstgütern zukam. Offenbar wandte man sich bei Bedarf attraktiveren Zentren zu, die von ihrer Monopolstel-
lung entsprechend profitierten und sich auf den weiträumigen Vertrieb spezialisiert hatten. Fernverbindungen nach
Westfalen sind auch im Fall der Verglasung der Zisterzienserinnenkirche Marienthal in Netze anzunehmen. Für die
Glasmalereien der gegen Mitte des 14. Jahrhunderts neu errichteten Ostteile begab man sich nicht etwa in die nahe Re-
sidenzstadt, sondern ins ferne Soest, das in Kunstsachen die größere Anziehungskraft besessen haben muss (vgl. Fig.
584f.). Wenig später vergab man auch den Auftrag für ein neues Altarretabel – heute ein Hauptwerk der westfälischen
Tafelmalerei – an einen westfälischen Maler (Textabb. 46). Dass über die Grafschaft Waldeck und die angrenzenden
Gebiete Kunst aus Westfalen einströmte, können auch einige Verglasungsreste in der Stiftskirche zu Fritzlar belegen
89 Andersson 1964, S. 98–107. Neuere Anhaltspunkte zur Datierung re, Walters Art Gallery) hinzufügen, die beide in Westfalen, vielleicht
des Altarraums in Lye liefern dendrochronologische Untersuchungen, in Soest angefertigt worden sind. Zum Elfenbeinbüchlein s. Wentzel
die für einen Balken das Fälldatum 1346 ergaben; s. Bråthen 1995, 1962; das Homiliar behandelt Judith Oliver, The Walters Homilary
S. 86. and Westphalian Manuscripts, in: The Journal of the Walters Art Gal-
90 AK Marburg 1932, I, S. 105–113 (Kurt Steinbart); AK Münster lery 54, 1996, S. 69–85.
1964, S. 12f. Eine gute Abb. des Retabelflügels bei Ursula Raeber- 92 Kassel, Universitätsbibliothek, Landesbibliothek und Murhardsche
Keel, Spätgotische Wandmalereien in St. Peter zu Basel. Die Grab- Bibliothek der Stadt Kassel, 2o Ms. theol. 162, fol. 95v; zuletzt hierzu
nische mit den Efringerwappen, Sigmaringen 1979, S. 130, Abb. 41. Gast 1998, S. 93f.
91 Kluge 1959, S. 188 mit Abb. 12f. (Martyrium der Hl. Agatha). 93 Wolf 2002, S. 141–144. Wolfgang Erdmann datiert den Schrein in
Dieser Gruppe lassen sich ein Elfenbeinbüchlein mit Passionszyklus der Nachfolge des mit 1310/15 zu früh angesetzten Hofgeismarer Re-
(London, Victoria & Albert Museum) sowie ein Homiliar (Baltimo- tabels um 1315/20. Doch stützt das Stilbild die Annahme von Johannes
kunstgeschichtliche einleitung 59
Voss, der die Entstehung des Werkes mit einer Stiftungsurkunde des oder den Gough-Psalter (Oxford, Bodleian Library). Zu Letzterem
Lübecker Bürgers Peter Wise von 1341 in Verbindung bringt. Für die s. Lucy Freeman Sandler, The Peterborough Psalter in Brussels and
Spätdatierung spricht auch die Nähe zum Kreuzigungsretabel, dessen other Fenland Manuscripts, London/New York 1974, S. 119–121,
Entstehung um 1340 nicht angezweifelt wird und das in der gleichen Abb. S. 49–55. In der insularen Malerei begegnen auch die aus Hers-
Werkstatt in Auftrag gegeben worden sein dürfte. Johannes Voss, Der feld vertrauten sprechenden Münder häufiger. Selbst die derben, ex-
Schrein eines Corpus-Christi-Altares in der ehemaligen Klosterkirche pressiv überzeichneten Patriarchenköpfe (vgl. Fig. 210f.) fi nden ihre
zu Bad Doberan, in: Mitteilungen des Institutes für Denkmalpflege Entsprechung in einer Gruppe englischer Buchmalerei. Vgl. etwa den
– Arbeitsstelle Schwerin 23, 1975, S. 285–309; Wolfgang Erdmann, Astor-Psalter (Ginge Manor, Oxfordshire), der zwischen 1338 und
Zisterzienser-Abtei Doberan. Kult und Kunst, Königstein im Taunus 1355 entstanden ist. Siehe abermals Lucy Freeman Sandler, Gothic
1995, S. 42f., 45–48. Manuscripts. 1285–1385 (A Survey of Manuscripts Illuminated in the
94 Vgl. etwa den Arundel-Psalter Nr. 83 (London, British Museum) Bristish Isles), Oxford 1986, I, Abb. 286–290, II, S. 123f., Nr. 111.
60 kunstgeschichtliche einleitung
Textabb. 43, 44. Schmerzensmann und Johannes Baptista Textabb. 45. Noli me tangere. Frankenberg, Liebfrauenkirche, Chor I, 1c.
aus der Frankenberger Liebfrauenkirche, Frankenberg, Nordhessen(?), um 1350/60. – Kat. S. 118.
Stadtmuseum. Frankenberg(?), um 1370/80.
werke fielen zu großen Teilen dem Bildersturm des Landgrafen Moritz zum Opfer (Textabb. 43f.). Sollte der Meister
des Frankenberger Christuszyklus jedoch aus Marburg stammen, so wäre dies ein Beleg für das bescheidene künstle-
rische Niveau infolge des Wegzugs der Bauhüttenwerkstätten. Ein Auslöser hierfür könnte auch die große Pestepide-
mie gewesen sein, wodurch vor allem die Bevölkerung im Norden Hessens damals stark dezimiert wurde.
Weiter südlich in Limburg haben sich trotz der etwa gleichzeitigen Entstehung Glasmalereien erhalten, die in der
Straffheit des Konzepts und der Klarheit des Bildaufbaus den Frankenberger Scheiben diametral entgegenstehen. Die
Maler konnten hier offenbar auf oberrheinische Traditionen zurückgreifen, für die sich am Mittelrhein auch ein güns-
tiges Klima bot. Mit dem Nachweis, dass die gleiche Werkstatt auch Fenster in die Kirche zu Ober-Ingelheim geliefert
haben muss, rückt hier notwendig das nahe gelegene Mainz als möglicher Produktionsstandort ins Zentrum95. In den
wenigen Resten erhaltener Wandmalereien der Zeit meint man ein verwandtes Stilbild zu erblicken, das dem insgesamt
konservativen Charakter der Limburger Scheiben nahe steht 96 .
Erst im 15. Jahrhundert stoßen wir in Nordhessen wieder auf umfangreichere Verglasungen, deren neuartiges Er-
scheinungsbild sich aus den vorangegangenen Beständen nicht nahtlos herleiten lässt. Kennzeichnend hierfür sind ein
zurückhaltendes Lineament der Zeichnung, durch große Farbflächen bestimmte Formen sowie eine ausgesprochen
sensible Halbtonmodellierung, wodurch Gesichter wie Gewänder weich und ernorm plastisch aussehen. Bevorzugt
griff man auf helle und farblose Gläser zurück, die den Glasmalereien einen ausgesprochenen Grisaillecharakter ver-
leihen. Für die immer größer werdenden Fensteröffnungen entwickelte man monumentale Gliederungen aus mit-
einander verketteten Großmedaillons, die in fleischiges Rankenwerk eingebettet sind. Solche etwa zeitgleich im ge-
samten Großhandelsraum der Hanse anzutreffenden Fensterschöpfungen lassen sich, was die allgemeine Stillage, aber
auch die enorme Breitenwirkung angeht, den Werken Conrads von Soest in der Tafelmalerei zur Seite stellen (Text-
abb. 48). Allgemein werden die Fenster der Burgkirche in Lübeck zu den frühesten Arbeiten gezählt (Textabb. 47).
Diese bedauerlicherweise im letzten Krieg weitgehend zerstörte Prachtverglasung weist Verbindungen zur westfä-
lischen und niedersächsischen Kunst auf, deren stilistische Bandbreite in etwa zwischen dem in Lübeck tätigen Maler
des Bergenfahreraltars, dem Meister zu Münster sowie dem Meister des Hildesheimer Lambertialtars abgesteckt wer-
den kann97. Die Lübecker Fenster können auf diesem hohen Niveau nicht voraussetzungslos entstanden sein, obschon
die wohlhabende Hansestadt den Künstlern eine attraktive Grundlage geboten haben mag, die künstlerische Neue-
kunstgeschichtliche einleitung 61
rungen befördern half. So ist es denkbar, dass die entscheidenden Entwicklungen auf westfälischem und niedersäch-
sischem Boden stattfanden. Ein solcher Nachweis kann jedoch aufgrund der großen Verluste nicht mehr geführt wer-
den98 . Zusätzlich werden die Überlegungen durch die Unsicherheiten in der Datierung der Lübecker und der hiervon
abhängigen Werke erschwert. In Westfalen stehen die gegen 1400 anzusetzenden Glasmalereien von St. Pauli in Soest
dem Altenberger Westfenster in Stil und Technik sehr nahe (Textabb. 49f.) 99. Das Westfenster wurde noch im ausge-
henden 14. Jahrhundert von einer in Flandern beheimateten Werkstatt ausgeführt. Demgegenüber unterscheidet sich
aber der Figurenstil der Soester Glasmalereien bereits durch eine starke lokale Färbung, sodass als Ausführende nur
westfälische Künstler in Frage kommen, die zuvor im Grenzgebiet mit flandrischen Arbeiten in Kontakt gekommen
waren100 . Für das Gebiet in Niedersachsen und Thüringen hat Eva Fitz die Zusammenhänge zurechtgerückt, indem
sie überzeugend nachwies, dass es Werke wie das Wernigeroder Retabel gewesen sein müssen, die die Entwicklung
der Kunst Conrads von Soest entscheidend vorbereitet haben101. Niedersächsische und westfälische Glasmaler wur-
den bald auch an die Großbaustellen in Halberstadt, Stendal und Werben berufen, wo sie offenbar mit Magdeburger
Werkstätten zusammenarbeiteten, die mit ihrer karikierenden Manier und der skizzenhaft-virtuosen Zeichentechnik
ein dezidiert böhmisches Stilidiom vertraten102 .
95 Vgl. hierzu demnächst den Band von Uwe Gast zu den mittelal- Scholz 2008, S. 50–73.
terlichen Glasmalereien in Darmstadt, Süd- und Rheinhessen (CVMA 100 Bereits in den 1380er-Jahren wurde der Glasmaler Hermann aus
Deutschland III,1). Münster mit der Ausführung des großen Westfensters im Metzer Dom
96 Glatz 1981, S. 255f., 259f., und AK Mainz 2000, S. 539 (Joachim betraut. Vielleicht waren es Künstlerverbindungen wie diese, die zur
Glatz). Verbreitung des Weichen Stils in der Glasmalerei Westfalens beitrugen.
97 Ausführlicher hierzu Parello 2005. Vgl. hierzu: Michel Hérold, Les vitraux de la cathédrale de Metz, in:
98 Gabriele Neitzert wies in diesem Zusammenhang auf die engen Actes du Congrès archéologique de France. Les Trois-Évêchés et l’an-
wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zwischen Lübeck und cien duché de Bar, 149ème session, Paris 1995, S. 477–494, hier S. 478f.
Hildesheim hin und berichtete von einer Anfrage des Lübecker Rates 101 Fitz 2001.
an den Rat zu Hildesheim im Jahr 1404, mit der Bitte, der Stadt für 102 Siehe hierzu Fitz 2003 (Halberstadt), Maercker 1995 (Stendal),
einige Monate einen Glaser zu überlassen; Gabriele Neitzert, Der Böning 2007 (Werben). Maria Deiters nimmt für Halberstadt die
Peter- und Pauls-Altar der St. Lamberti-Kirche in Hildesheim, in: Mitarbeit Magdeburger Glasmaler an, deren Werke sich gegenüber
Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte 6, 1967, S. 127–166, hier den »lübeckischen« Glasmalereien durch ein stark böhmisch geprägtes
S. 146f. Stilidiom auszeichnen; Deiters 2006, S. 91–102; vgl. auch die Rez. von
99 Siehe hierzu Daniel Parello, Das Westfenster, in: Gast/Parello/ Uwe Gast, in: Kunstchronik 60, 2007, S. 563–570.
62 kunstgeschichtliche einleitung
Angesichts der weiträumigen künstlerischen Beziehungen, mit denen wir in unserem Gebiet stets zu rechnen haben,
überrascht es wenig, wenn das »Lübecker Schema« gegen die Jahrhundertmitte auch im Achsenfenster der Stadt-
kirche in Immenhausen zum Einsatz gelangt. Freilich sind die Darstellungen längst einem zupackenderen Realismus
gewichen, die an die Malereien des Münsteraners Jan Koerbecke gemahnen, aber noch immer finden die bereits im
Lübecker Magdalenenfenster verwendeten Grundelemente aus Rautenvierpassmedaillons in krautigem Rankenwerk
Verwendung. Der gleichen Werkstatttradition dürfte die in den 1470er-Jahren entstandene Farbverglasung der Kreuz-
herrenkirche zu Falkenhagen in Westfalen entstammen103. In Immenhausen erinnern die originellen, mit Musikanten
belebten Rankenornamente der Flankenfenster an die volllippigen und verschnupften Gesichter des Hildesheimer
Lambertialtars, ebenso an den Göttinger Meister des Barfüßeraltars, doch hatte Göttingen seit den dreißiger Jahren
bis zum Ende des 15. Jahrhunderts aufgrund ausbleibender Ausstattungsaufgaben an Bedeutung eingebüßt104 , sodass
im weiteren Umkreis auch Hildesheim oder Braunschweig in Frage kommen. In die gleiche Richtung weist auch
die nach der Jahrhundertmitte anzusetzende Chorverglasung in Oberkaufungen, die stilistisch dem Chorfenster der
Stadtkirche im südniedersächsischen Uslar nahe steht.
Natürlich wäre sowohl für Immenhausen als auch für Oberkaufungen wiederum an Kassel als nächstgelegenes Zen-
trum zu denken, doch sind wir über die künstlerischen Verhältnisse der Stadt wenig unterrichtet. Nach Aufzeich-
nungen in den Rechnungsbüchern von St. Martin scheint es dort zur fraglichen Zeit Glasmaler gegeben zu haben,
die mit der Herstellung und Reparatur der Kirchenfenster betraut wurden105. Mangels erhaltenen Materials muss der
Blick aber wiederum auf die vorhandenen Tafelmalereien gelenkt werden. Der Meister des Ahnaberger Retabels, das
heute im Hessischen Landesmuseum zu Kassel aufbewahrt wird (Textabb. 51), verrät die Kenntnis niedersächsischer
Kunst um den Meister des Hildesheimer Lambertialtars ebenso wie der Göttinger Tafelmalerei. Von daher wäre eine
Herkunft aus Kassel oder dem südlichen Niedersachsen durchaus erwägenswert. Die Tatsache aber, dass seine Arbei-
ten auch im thüringischen Nordhausen anzutreffen sind, andererseits Verbindungen zu Werken wie dem Einhorn-
retabel in Erfurt und dem Kreuzigungsretabel in Falken bei Eisenach bestehen, machen eine Herkunft aus Erfurt
nicht minder wahrscheinlich. Erfurt war als kirchenreichste Stadt in Mitteldeutschland ein sicherlich bedeutendes
Zentrum der Kunstproduktion106 . Die Attraktivität der Handelsmetropole beförderte die Entwicklung der Stadt als
melting pot für Künstler unterschiedlicher Herkunft, was die landschaftliche Zuordnung von Arbeiten, die in einem
solch vielschichtigen Stilmilieu entstanden, naturgemäß erschwert. Es fügt sich aber im Hinblick auf die nachweisliche
Mitarbeit niedersächsischer Glasmaler in Halberstadt, Stendal und Werben in das Gesamtbild, wenn Frank Matthias
Kammel im Zusammenhang mit der Untersuchung des Einhornretabels auf die Anwesenheit niedersächsischer Maler
in Erfurt schließt107. Neben dem Retabel aus Merxhausen bei Fritzlar könnte daher auch der Rauschenberger Altar, an
dem der Meister des Ahnaberger Altars mitgewirkt hat, dort seine Werkstatt aufgeschlagen haben. Auch aus geogra-
phischen Erwägungen heraus läge eine solche Vermutung nahe, da Rauschenberg in der Nähe der Handelsstraße nach
Hersfeld und Thüringen liegt. Dorthin jedenfalls wird auch der Maler des Hersfelder Passionsaltars lokalisiert, der
aus der Werkstatt des Erfurter Regler-Meisters kommt108 . Ähnliche Verhältnisse waren schon in der Glasmalerei des
14. Jahrhunderts zu beobachten. Zwischen den erhaltenen oder überlieferten Glasmalereibeständen von Städten wie
Friedberg, Grünberg, Hersfeld und Erfurt, die sämtlich an der Verkehrsverbindung der kurzen Hessen liegen, schei-
nen, vor allem, was den Ornamentapparat angeht, schulmäßige Zusammenhänge bestanden zu haben. Im 15. Jahrhun-
dert lassen sich vielleicht nur deshalb keine derartigen Einflüsse mehr nachweisen, weil es heute an Vergleichsobjekten
mangelt.
An der Schwelle zur Neuzeit stoßen wir in Marburg erstmals auf Namen von Glasmalern. Schon für das Jahr 1421
war laut einer städtischen Urkunde der Glasmaler Peter Mokes für die Wiederherstellung der Fenster in der Marbur-
ger Marienkirche und im Kerner mit bilden, geferbetem unde gebrantem glase, wie sich das geboret (s. Reg. Nr. 106)
103 Jürgen Wieggrebe, Die Chorfenster der Klosterkirche zu Falken- 105 Holtmeyer 1923, I, S. 164, Anm. 5, überliefert Baurechnungen
hagen, in: Lippische Mitteilungen aus Geschichte und Landeskunde aus dem Jahr 1449, in denen ein Fenstermacher namentlich Erwähnung
56, 1987, S. 215–240, Abb. fi ndet.
104 Hans Georg Gmelin, Mittelalterliche Kunst in Göttingen und 106 Kloos 1935.
Werke Göttinger Künstler, in: Göttingen. Geschichte einer Universi- 107 Kammel 2004, bes. S. 156.
tätsstadt, I: Von den Anfängen bis zum Ende des Dreißigjährigen Krie- 108 Schneckenburger-Broschek 1997, S. 162–186.
ges, hrsg. von Dietrich Denecke und Helga-Maria Kühn, Göttingen 109 Kippenberger 1934, S. 49f.
1987, S. 571–616, hier S. 596.
kunstgeschichtliche einleitung 63
Textabb. 47. Verhör der Juden. Detail aus dem Kreuzlegendenfenster Textabb. 48. Conrad von Soest, Anbetung der Könige. Altarretabel
der ehemaligen Burgkirche in Lübeck, St. Annen-Museum. der Stadtkirche Bad Wildungen. Westfalen, 1404.
Lübeck(?), um 1410/20.
verpflichtet worden, doch hat sich hiervon nichts erhalten. Friedrich Küch hat aber in den Archiven eine größere
Anzahl von Glasmalern ans Licht geholt, die in Marburg in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts tätig waren. Die
erhöhte künstlerische Aktivität steht im Zusammenhang mit der Tatsache, dass unter Heinrich III. und Wilhelm III.
Marburg noch einmal Residenz der landgräflichen Nebenlinie wurde. Heinrichs Heirat mit Anna von Katzenelnbogen
brachte Hessen nicht nur territoriale, sondern auch erhebliche finanzielle Zugewinne, die sich u.a. in umfangreichen
Erweiterungsmaßnahmen am Marburger Schloss niederschlugen.
Damals war in Marburg die Glasmalerfamilie Henchen ansässig, die in den fünfziger bis sechziger Jahren als Ver-
fertiger von Scheiben tätig war. Albrecht Kippenberger hat die Überlegung angestellt, ob nicht die beiden kleinen
Rundscheiben aus Schröck von einem Marburger Künstler ausgeführt worden sein könnten109. Will man eine solche
Möglichkeit in Betracht ziehen, dann sollte auch die Monolithscheibe aus Eschenstruth aufgrund des verwandten Stil-
bildes in das gleiche künstlerische Umfeld gestellt werden. Ludwig Diez (1493–1522) war hauptsächlich als Glaser für
die Landgrafen, aber auch im Auftrag des Deutschen Ordens tätig, für die er u.a. die Glasmalereien der Elisabethkir-
che restaurierte. Unter den Marburger Künstlern kommt der Malerfamilie von der Leyten eine besondere Stellung zu.
Schon der Vater Gerhard, dessen Tätigkeit für die Jahre 1478–1503 erwiesen ist, lieferte Glasmalereien – wohl überwie-
gend Wappen – auf das Schloss und in die Kanzlei, er fertigte auch die Fenster der Kapelle auf der Lahnbrücke. Seine
Söhne Heinrich und Johannes führten das Geschäft fort und waren sowohl als Maler wie auch als Glasmaler tätig. Ihre
Kunstfertigkeit lässt sich noch heute an den fünf Altarretabeln der Elisabethkirche studieren, die der Deutsche Orden
bei dem Bildschnitzer Ludwig Juppe in Auftrag gegeben hat. Juppe arbeitete hier mit Johannes und Heinrich von der
Leyten zusammen, die die Flügel mit Szenen aus dem Leben der Altarpatrone bemalten (Textabb. 52). Im Rathaus
zu Marburg haben sich zwei Wappenrundscheiben des Johannes erhalten, die aufgrund von Rechnungseinträgen mit
ihm verbunden werden können. Allerdings leuchtet seine Urheberschaft auch ohne Quellennachweis in der Gegen-
64 kunstgeschichtliche einleitung
überstellung mit seinem malerischen Œuvre unmittelbar ein. Im Rahmen dieser Untersuchung konnte erstmals auch
Johanns Bruder Heinrich als Glasmaler der Oberkaufunger Benedikt-Scholastika-Scheiben nachgewiesen werden. In
den geselligen und erzählfreudigen Bildkompositionen der Künstlerfamilie von der Leyten wird ein Stilbild fassbar,
das an Kontakte mit niederrheinischen Künstlern denken lässt. Da Ludwig Juppe erwiesenermaßen in St. Nikolai
in Kalkar tätig war, könnte er als Vermittler von Bildvorlagen in Frage kommen, falls die Familie nicht selbst vom
Niederrhein zugewandert ist. Für eine Intensivierung der Kontakte ins Rheinland spräche, dass unter den Landgrafen
Heinrich und Ludwig Hermann IV. (reg. 1480–1508) – ein Sohn Ludwigs I. – Kölner Erzbischof war.
Diese Beispiele mögen genügen, um zu belegen, dass Marburg im ausgehenden Mittelalter ein Zentrum der Glas-
malereiproduktion war, obschon diese allem Anschein nach auf kleinformatige Arbeiten, insbesondere auf Wappen-
scheiben, beschränkt blieb110 . Die Auftragssituation dürfte sich mit der Einführung der Reformation unter Philipp
dem Großmütigen 1526 allmählich wieder verschlechtert haben. Kippenberger überliefert für die Jahre 1555/56 noch
einen Meister Seiffrid in Marburg, der dem Deutschordenshof in Stedebach bei Niederwalgern fünf Wappen anfer-
tigte. Aber schon im ausgehenden 16. Jahrhundert begegnet man in Marburg keinem Glasmaler mehr, denn 1585/86
ließ man einen ungenannten Maler Wappenkartons von Deutschordensherren anfertigen, die zur Ausführung nach
kunstgeschichtliche einleitung 65
Textabb. 51. Kalvarienberg. Mitteltafel des Altarretabels aus Kloster Ahnaberg, Kassel, Museumslandschaft Hessen Kassel,
Sammlung Angewandte Kunst. Niedersachsen oder Erfurt, um 1435/40.
Braunschweig geschickt werden sollten, um sie anschließend nach Felsberg zu senden, und im Jahr 1599 erhielt laut
Trappenei-Rechnungen Daniel Meyer zu Frankfurt 3 gulden 12 1/2 alb. von zweien wapen ind Glas zu brennen111.
Die Voraussetzungen für ein Gedeihen der Künste waren zur gleichen Zeit im südlich gelegenen Lich ungleich günsti-
ger. Unter dem kunstsinnigen Grafen Philipp I. von Solms-Lich (1468–1544) erlebte der Hof eine beachtliche kulturelle
Blüte. Die materiellen Grundlagen hierzu hatte Philipp durch eine katholische und kaisertreue, und damit gegen Hes-
sen gerichtete Politik geschaffen, die ihm zahlreiche Privilegien einbrachte. Als kurfürstlicher Rat am Wittenberger
Hof Friedrichs des Weisen muss er in Kontakt mit dessen Hofmaler Lucas Cranach gestanden haben, dessen Mitarbei-
ter Hans Döring er am Licher Hof verpflichten konnte112 . Geprägt von den humanistischen Ideen seiner Zeit erlangte
Döring als Wetzlarer Schultheiß eine ähnlich angesehene Rolle wie Cranach, der in seiner Heimat gleichfalls politische
Ämter übernahm. Für sein wohl ambitioniertestes Projekt, den Neubau der Licher Marienstiftskirche, könnte der
Graf Hans Döring als Entwerfer für Glasmalereien verpflichtet haben. Der Bau diente der Dynastie als Grablege
und hat Gebäuden wie der Wittenberger Schlosskirche oder der Marktkirche in Halle vieles zu verdanken. Umso
bedauerlicher ist es, dass sich von der sicher einst reichen Glasmalereiausstattung nur mehr Weniges erhalten hat. Doch
zeugen diese Reste künstlerisch wie technisch von einer intimen Kenntnis der fränkischen Malerei um Dürer, die in
110 Hierzu wird man auch den Marburger Konrad Hubener zu zählen 111 Kippenberger 1934, S. 49f.
haben, der im Jahr 1520 versprach, die Glasfenster im Kloster Volkhar- 112 Zu Person Hans Dörings zuletzt: Biographisch-Bibliographi-
dinghausen und dessen Hof zu Billinghausen herzustellen; Gerhard sches Kirchenlexikon. Ein theologisches Nachschlagewerk, hrsg.
Neumann, Kirche und Gesellschaft in der Grafschaft Waldeck am von Traugott Bautz, XXVIII, Nordhausen 2007, Sp. 453–463 (Frank
Ausgang des Mittelalters (Waldeckische Forschungen 11), Bad Arolsen Rudolph).
2001, S. 81.
66 kunstgeschichtliche einleitung
Textabb. 52. Johann von der Leyten, Abschied Elisabeths von ihrem Gemahl und Gottesdienst Elisabeths mit ihren
Kindern. Rechter Flügel eines Schnitzretabels, Marburg, Elisabethkirche. Marburg, um 1510.
freier eklektizistischer Manier Einflüsse Albrecht Dürers, Hans Schäufeleins und vor allem Cranachs verarbeiten113.
Sollte Döring hierfür jedoch nicht in Frage kommen, so wäre auch eine Ausführung in Frankfurt oder Mainz denk-
bar, da Graf Philipp verschiedentlich Aufträge an dort ansässige Künstler vergab114. In Frankfurt prägten Maler wie
Martin Caldenbach oder die Werke des Heller- und Johannesaltars in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts
ein oberrheinisch-fränkisches Stilumfeld, in welchem die Entstehung der Licher Glasmalereien durchaus vorstellbar
wäre.
113 Döring muss auch als Heraldikspezialist gewirkt haben, noch in Nassauische Annalen 53, 1933, S. 57–78.
späten Jahren arbeitete er an einem Buch über die Wappen der altnas- 114 So ließ sich Philipp beispielsweise von Conrad Faber von Creuz-
sauischen Lande; vgl. Hans Ehlers, Hans Döring. Ein hessischer Ma- nach in Frankfurt ein Ganzfigurenportait anfertigen; Wolfgang
ler des 16. Jahrhunderts, Frankfurt am Main 1919, und Emil Becker, Brücker, Conrad Faber von Creuznach, Frankfurt am Main 1963, S.
Hans Döring, ein Dillenburger Hofmaler des 16. Jahrhunderts, in: 192; vgl. auch Brinkmann/Kemperdick 2005, S. 317f.
KATALOG DER MITTELALTERLICHEN GLASMALEREIEN
IN MARBURG UND NORDHESSEN
ALSFELD · STADTKIRCHE ST. WALPURGIS
Bibliographie: Friedrich Kuhlmann, Die Wiederherstellung der Walpurgiskirche zu Alsfeld, in: FS zur Sieben-
hundertjahr-Feier der Stadt Alsfeld, hrsg. vom Geschichts- und Altertumsverein der Stadt Alsfeld, Alsfeld 1922,
S. 137–149, hier S. 146 (Erwähnung der Restscheibe im Chormittelfenster).
Gegenwärtiger Bestand: In den oberen Zeilen des Chorachsenfensters befindet sich eine einzelne Architektur-
scheibe (Fig. 2, Abb. 1).
Geschichte des Baues: Die der Hl. Walpurgis, einer Missionshelferin des Bonifatius, geweihte Kirche stellt sich als
ein heterogener Bau dar, an welchem die verschiedenen bauerweiternden Maßnahmen im Einzelnen noch gut ablesbar
sind. Anstelle älterer, bis in die vorromanische Zeit zurückreichender Vorgängerbauten wurde in der zweiten Hälfte
des 13. Jahrhunderts ein kurzes dreischiffiges Langhaus mit einem 5/8-Chor in Mittelschiffsbreite errichtet1. Von
diesem Bau sind heute noch Arkadenpfeiler und Teile der Obergadenwände des Langhauses erhalten. Die bescheidene
Anlage genügte offenbar bald nicht mehr den Ansprüchen der durch Handel und Handwerk prosperierenden Stadt:
Seit der Mitte des 14. Jahrhunderts wurde daher zunächst das basilikale Langhaus durch Vergrößerung der Seiten-
schiffe schrittweise in eine Halle umgewandelt. Anschließend erfolgte nach bauinschriftlichen Hinweisen seit 1393/94
ein Neubau auch von Chor und Turm. Der mächtige Chor überragt heute das niedrige Langhaus beträchtlich; zwar
war auch dessen Neuerrichtung geplant, doch scheint das Vorhaben im 15. Jahrhundert die finanziellen Kräfte der
Stadt überfordert zu haben. So hat man das bestehende Langhaus bis 1472 eingewölbt und schließlich noch einmal im
Jahr 1723 mit der Erhöhung der beiden östlichen Langhausjoche kosmetische Veränderungen vorgenommen, um dem
Baukörper ein insgesamt homogeneres Gepräge zu verleihen.
Geschichte der Verglasung: Wahrscheinlich befand sich schon die Renaissanceorgel aus der Mitte des 16. Jahr-
hunderts auf jener heute noch vorhandenen, im Jahr 1638 noch einmal vergrößerten Orgelempore im Chor. Mit der
dadurch notwendig gewordenen Vermauerung der dreibahnigen Maßwerkfenster in den unteren Bereichen dürften
Teile der ursprünglichen Farbverglasung ausgefallen sein. Schwere Verluste erlitt die Ausstattung im Dreißigjährigen
Krieg: Während der Belagerung der Stadt durch die Niederhessen im Jahr 1646 fiel eine Feuerkugel in den Chor
und zerschmetterte dabei auch beide Orgeln 2 . Erst im Zuge umfassender Instandsetzungsmaßnahmen in den Jahren
1913–1914 wurde die Restscheibe aller Wahrscheinlichkeit nach in das Achsenfenster versetzt 3. Im Zusammenhang mit
der jüngst erfolgten Freilegung der Chorfenster hat man das Glasgemälde in die oberen Zeilen hinaufgerückt und einer
Wabenverglasung vorgehängt. Die von Charles Crodel 1963 geschaffene Neuverglasung der Kirche wurde im Zuge
dieser Renovierungsarbeiten wieder vollständig entfernt.
Erhaltung: Die Glasmalerei ist außenseitig weitgehend von einer deckenden Korrosionsschicht überzogen, von der
lediglich weiße Gläser ausgenommen sind. Der angestückte Kreuzblattkarogrund am oberen Feldrand geht zusammen
mit den Turmspitzen auf eine jüngere Restaurierung zurück. Einige links- und rechtsseitige Blätter im Randstreifen
sind vertauscht. Die Scheibe wurde außenseitig mit mehreren Windstangen versteift.
Rekonstruktion, Komposition, Stil, Datierung: Das Restfeld zeigt einen schlanken, von Maßwerk durchbro-
chenen Turm mit vergleichsweise kurzer Spitze, begleitet von einer Gruppe weniger hoher Fialentürmchen. Angesichts
1 Zur Klärung der Baugeschichte hat Jürgen Michler, Die Wal- der Marburger Elisabethkirche wurde mit dem Nachweis Michlers,
purgiskirche zu Alsfeld, in: FS zur 750-Jahrfeier der Stadt Alsfeld, dass Alsfeld auf den hochgotischen Bautypus mittelrheinischer Mi-
hrsg. vom Geschichts- und Museumsverein Alsfeld, Alsfeld 1972, noritenkirchen zurückgeht, hinfällig. Zuletzt: Karl August Mengel,
S. 65–99, einen wichtigen Beitrag geleistet, mit dem er die von Hamann/ Die Walpurgiskirche zu Alsfeld. Versuch einer Deutung der Entste-
Wilhelm-Kästner 1924, S. 55–57, vorgeschlagene Datierung des hungsgeschichte der Alsfelder Hauptkirche, in: Mitteilungen des Ge-
Langhauses in die Zeit um 1240 verwarf und den Bau in das letzte schichts- und Museumsvereins Alsfeld 15, 1994, S. 14–44.
Jahrhundertdrittel setzte. Hamanns und Wilhelm-Kästners Sicht- 2 Dieter Grossmann, Alsfeld, München/Berlin 1960, S. 18.
weise einer Abhängigkeit Alsfelds vom hypothetischen Basilikaplan 3 Zur Restaurierung s. Kuhlmann 1922 (s. Bibl.), S. 137–149.
70 alsfeld . stadtkirche
der steilen Proportionen wird man in der Glasmalerei den Rest eines auf mehrere Zeilen ausgedehnten Tabernakels
erkennen dürfen, der einst Standfiguren von Heiligen in den unteren Zeilen aufnahm. Im Aufbau ist die Scheibe eini-
gen Architekturbekrönungen der Soester Wiesenkirche verwandt 4. Die Turmbekrönung lässt, wie in Soest, im darun-
terliegenden Feld Strebebögen zwischen den Fialen und ein gemauertes Sockelgeschoss mit vorgeblendetem Wimperg
erwarten. Die über den Außenfialen ansetzenden Wandvorlagen steigen ohne Konsole unvermittelt auf und werden im
darüberliegenden Feld einen abschließenden Maßwerkrahmen gestützt haben. Diese architektonische Zäsur erlaubt
bei hohen Fensteröffnungen die Weiterführung der Fenstergestaltung mittels eines Ornamentteppichs bis in die Lan-
zettspitzen hinein, wie dies auch für die Glasmalereien im um 1320 fertiggestellten Chor der Hersfelder Stadtkirche
kennzeichnend war.
4 Landolt-Wegener 1959, Abb. 55. aber auch Architekturformen der Marburger Elisabethkirche in Erin-
5 Vgl. etwa die Darstellung eines Hl. Bischofs in Lhs. nord X bei Hess nerung. Die Landgrafen von Hessen übten bekanntlich das Patronats-
1999, S. 270f. und Abb. 217. Auch für die Zweitverglasung der Rothen- recht über die Kirchen in Alsfeld aus und wählten die Stadt am Ende
burger Stadtkirche St. Jakob greift man noch um 1390/1400 auf solch des 14. Jahrhunderts zeitweise zur Residenz. – Die Maßwerke der un-
altertümliche Architekturformen zur Bildgliederung zurück, allein teren Fensterhälfte sowie der Fenster oberhalb der beiden Südeingänge
den ungewöhnlichen Hintergrundmustern wie der Form der Wasser- stellen eine Neuschöpfung des 20. Jahrhunderts dar.
speier merkt man die späte Entstehung an; Scholz 2002, II, Abb. 360, 7 Die Datierung der Erweiterungsmaßnahme im Südseitenschiff folgt
365. Michler 1972 (wie Anm. 1), S. 91f.
6 Das auf halber Höhe durch eine Mauer zweigeteilte Fenster im 8 Ondulierend aufwachsende Eichblätter, allerdings ohne farbig hin-
Westjoch deutet auf eine ursprünglich geplante, dann aber nicht ausge- terlegten Grund, besaß auch eine 1896 aus dem Chorfenster nord II
führte Langhausempore hin. Der zweigeschossige und mit mächtigen ausgeschiedene und heute verschollene Wimpergbekrönung der Fried-
Strebepfeilern in der Vertikalen gegliederte Aufriss der Südseite ruft berger Stadtkirche; vgl. Hess 1999, S. 188, Fig. 125.
alsfeld . stadtkirche / ehemals altenberg . klosterkirche 71
Der klar konzipierte Architekturaufriss bleibt gänzlich der Fläche verhaftet. Die Einzelformen – die strengen und
schmucklosen Architekturglieder, der einfache Kreuzblattkarogrund – legen eine Entstehung in den ersten Jahr-
zehnten des 14. Jahrhunderts nahe. Doch wird man noch nach der Mitte des 14. Jahrhunderts mit einem solchen
Formenschatz zu rechnen haben, wie etwa ganz ähnlich gestaltete Figurentabernakel in der Pfarrkirche zu Kiedrich
belegen 5. Allerdings wurde unser Architekturfeld mit Sicherheit nicht für den erst 1393 begonnenen Chorneubau ge-
schaffen. Mehrere Anstückungen an den Seiten und nach oben hin lassen auf ein etwas schmäleres und durch kürzere
Armierungsabstände geteiltes Fenster schließen. Als ursprünglicher Standort kommt deshalb allein die Fenstergruppe
auf der Südseite des Langhauses, hier insbesondere das zweibahnige und zehnzeilige Fenster des Ostjochs in Frage
(Fig. 1) 6 . Die Errichtung dieses Gebäudeteils »vor oder um die Mitte des 14. Jahrhunderts« würde auch mit der zeit-
lichen Ansetzung der Glasmalerei übereinstimmen 7. Hessen(?), 2. Drittel 14. Jahrhundert.
Vorbemerkung zum Katalog: Die Untersuchung der Scheibe erfolgte im Oktober 2005. Wegen zu großer Entfernung
des Objekts und der Schwierigkeiten, ein Gerüst auf der Empore zu errichten, wurde die Zustandsbeurteilung mittels
Fernglas vorgenommen.
Vom ursprünglichen, durch Beschreibungen des 17. und 18. Jahrhunderts überlieferten Bestand an Glasgemälden in der
Kirche des Prämonstratenserinnenklosters Altenberg ist lediglich ein um 1804 in die Gräflich Erbachsche Sammlung
abgewanderter, damals noch siebzehn Scheiben umfassender Zyklus auf uns gekommen. Während dreizehn Scheiben
im Erbacher Schloss verblieben (Erbach Nr. 1–13; Fig. 19–31, Abb. 4–16), gelangten um 1940 zwei Scheibenpaare
zunächst in Frankfurter Privatbesitz und von da jüngst an das Metropolitan Museum of Art, New York (Fig. 15, 17,
32f.). Nur mehr in Aquarellen sind ferner zwei Stifterscheiben mit den Darstellungen des deutschen Königs Adolf von
Nassau und seiner Gemahlin Imagina überliefert (Fig. 14); von weiteren neun Glasgemälden haben wir Kunde aus
einer Beschreibung des 17. Jahrhunderts1.
1 Unter den nachmittelalterlichen Glasgemälden verdient ein heute im Museums heute jede Spur (s. hierzu den Katalogeintrag zu Braunfels,
Stadtmuseum Braunfels bewahrtes Scheibenfragment mit der Inschrift Schloss, S. 98). In der Altenberger Klosterkirche sind ferner zwei 1706
Maria Schenk von Schweinsburg Frauw Meisterin zu Aldenburg A(nno) datierte Wappenscheiben im Nonnenchor erhalten, sowie eine wohl im
d(omi)ni 1570 besondere Beachtung. Von drei weiteren, dort noch zu selben Jahr von Johannes Wirtz, Abt des Mutterklosters Rommersdorf
Beginn der 1990er-Jahre vorhandenen Ornamentscheiben, die gleich- (1706–1729), gestiftete Wappenscheibe mit zum Teil unleserlicher In-
falls aus Kloster Altenberg stammen sollen, fehlt nach dem Umbau des schrift in Fenster süd III; vgl. auch Ebel 1905 (s. Bibl. S. 72), Sp. 590.
72 ehemals altenberg . klosterkirche
Bibliographie: Johann Just Winckelmann, Gründliche und wahrhafte Beschreibung der Fürstenthümer Hessen
und Hersfeld, VI, Kassel 1754, S. 255 (erwähnt einige noch in situ befindliche Glasmalereien in der Klosterkirche, von
denen er lediglich die heute verschollenen Scheiben mit einem ungarischen und ziegenhainischen Wappen benennt);
Fiorillo, I, 1815, S. 438 (zitiert Winckelmann); L. Ferdinand Dieffenbach, Graf Franz zu Erbach-Erbach. Ein
Lebens- und Culturbild aus dem Ende des XVIII. und dem Anfange des XIX. Jh., Darmstadt 1879, S. 131 (erwähnt die
Schenkung der erhaltenen Glasmalereien an den Grafen Franz von Erbach; bezeichnet diese als Stiftung des deutschen
Königs Adolf von Nassau und datiert sie folglich vor 1298); Georg Schäfer, Kunstdenkmäler im Großherzogtum
Hessen, Provinz Starkenburg, Kreis Erbach, Darmstadt 1891, S. 62, 66, 75, Fig. 34 (gibt eine kurze Beschreibung des
über verschiedene Räume des Erbacher Schlosses verteilten Zyklus, der jedoch nicht direkt mit Adolf von Nassau in
Verbindung gebracht werden könne); Oidtmann 1898, S. 237 (betont den stark romanisierenden Charakter und die
steife Zeichnung); Friedrich Ebel, Kloster Altenberg bei Wetzlar, in: Zs. für Bauwesen 55, 1905, Sp. 573–592, hier
Sp. 588f. (Teile der ehemaligen Verglasung, darunter die in Erbach erhaltenen Scheiben, sollen aus dem 13. Jh. stam-
men); Schmitz 1913, I, S. 19 (ordnet den Zyklus unter die aus der ersten Hälfte des 14. Jh. stammenden Glasgemälde in
Koblenz, Marburg und Fritzlar); Sherrill 1927, S. 132f. (macht in seinem Glasmalerei-Führer auf die acht Altenberger
Scheiben im Erbacher Rittersaal aufmerksam); Arthur Galliner, Glasgemälde des Mittelalters aus Wimpfen, Freiburg
i. Br. 1932, S. 69, Anm. 1 (hebt die Verkündigung und Anbetung besonders hervor); Wille 1952, I, S. 51–69, II, S. 37–52
(weist in der ersten grundlegenden Würdigung des Zyklus das Postulat einer Stiftung durch Adolf von Nassau zurück,
da eine Datierung vor 1298 nicht vertretbar sei, und setzt die Scheiben als posthume Ehrung um 1326/33 an); Wentzel
2
1954, S. 40 (betont, ohne sich in der Datierung festzulegen, die isolierte Stellung der Scheiben innerhalb der hessischen
Glasmalerei); Maria-Elisabeth Fritze-Becker, Das ehemalige Praemonstratenserinnen-Stift Altenberg/Lahn, Phil.
Diss. Göttingen 1959 (Ms.), S. 43, 123–125 (Beurteilung und Datierung nach Wille); Beeh-Lustenberger 1965, S.
31–35 (resümiert in ihrer Bearbeitung der in Privatbesitz abgewanderten zwei Scheibenpaare die Forschung und vertritt
ebenfalls eine Datierung um 1330); Petra Zimmer, Die Funktion und Ausstattung des Altares auf der Nonnenempore.
Beispiele zum Bildgebrauch in Frauenklöstern aus dem 13. bis 16. Jahrhundert, Phil. Diss. Köln 1990, S. 127f. (nach
,
Fritze-Becker und Ebel); European Sculpture and Works of Art, Auktionskat. Sotheby s, London 10. Dez. 1992,
S. 18f., Abb. 25 (Scheibenpaar mit der Verkündigung zum Verkauf angeboten; Beurteilung und Datierung nach Beeh-
Lustenberger); Hess 1995, bes. S. 35–43 (Stiftung der Glasmalereien im Rahmen der Einrichtung einer nassauischen
Grablege und Datierung um 1290/1300); Hess 19995/96, S. 246, Abb. 7, 9 (Erwähnung der Scheiben im Zusammen-
hang mit der Sammlung des Grafen Franz von Erbach); Hess 1998 (erkennt in der Chorverglasung Reminiszenzen des
ehemals altenberg . klosterkirche 73
Zackenstils); Claudia Schumacher, in: AK Köln 1998, S. 338f., Nr. 93 (zur Sammlertätigkeit des Grafen Franz von
Erbach); Thomas Doepner, Das Prämonstratenserinnenkloster Altenberg im Hoch- und Spätmittelalter. Sozial- und
frömmigkeitsgeschichtliche Untersuchungen, Marburg 1999, S. 64, 67, 392–394 (Auflistung der quellenmäßig überlie-
ferten Glasmalereistiftungen, folgt Hess 1995 in der Datierung des Chorachsenfensters); Hess 1999, S. 21, 25, 43, 165,
187 (sieht entwicklungsgeschichtliche Zusammenhänge zum »mittelrheinisch-hessischen« Marburger Genesiszyklus
und einer Marienscheibe im Frankfurter Museum für Angewandte Kunst); Timothy B. Husband, in: Mirror of the
Medieval World, ed. by William D. Wixom, The Metropolitan Museum of Art, New York 1999, S. 124f., Nr. 145 (folgt
Hess 1995); Gast, Oppenheim, 2005, hier S. 122–125, Abb. 6 (nennt Altenberg als Beispiel für bahnübergreifende
Kompositionen); Journal of Glass Studies 47, 2005, S. 217 (Farbabb. der neu erworbenen und restaurierten Anbetungs-
szene); Christian Schuffels, »Beata Gerdrudis, filia sancte Elyzabet«. Gertrud, die Tochter der heiligen Elisabeth,
und das Prämonstratenserinnenstift Altenberg an der Lahn, in: AK Wartburg 2007, II, S. 229–244, hier S. 241, Anm.
14 (nimmt irrtümlich den vollständigen Verlust der Glasmalereien an); Uwe Gast, in: ZfKg 71, 2008, S. 281 (Hinweis
auf kompositorische Entsprechungen der Anbetung der Könige im Chorachsenfenster und am Altenberger Altar).
Geschichte des Baues: Die Gründungsgeschichte des auf einem Höhenzug gelegenen Stifts Altenberg bei Wetzlar
liegt im Dunkeln 2 . Im Jahr 1179 war die Frauenzelle noch unter den Besitztümern der mittelrheinischen Prämonstra-
tenserabtei Rommersdorf geführt. Durch ein kaiserliches Privileg Heinrichs VI. vom 26. Juli 1192 wurde das Kloster
unter kaiserlichen Schutz genommen und die Vogtei für sich und seine Nachfolger im Reich reserviert. Die heutige
Anlage geht im Wesentlichen auf die dritte magistra, die 1297 verstorbene Gertrud von Hessen, Tochter der Elisabeth
von Thüringen, zurück, die das Kloster zu einer ersten Blüte brachte. Hinweise auf den Beginn der Bauarbeiten geben
acht zwischen 1250 und 1267 ausgestellten Ablassbriefe, von denen sechs ausdrücklich für den Bau der Kirche bestimmt
sind. In einer Urkunde von 1271 werden bereits der Hochaltar und einige der wichtigsten Stiftsgebäude erwähnt 3.
Die Stiftskirche ist ein langgestreckter einschiffiger Bau mit quadratischer Vierung, einem nördlichen Querarm
und polygonal geschlossenem Chor mit vier zweibah-
nigen, zehnzeiligen Lanzettfenstern (Fig. 3, 4). Die über
eine Treppe von der Vierung aus zugängliche Nonnen-
empore überspannt vier der insgesamt sechs Langhaus-
joche und baut sich über einer geduckten Unterkirche
auf, deren zwei westliche Joche ursprünglich durch eine
Mauer abgetrennt waren und die Annenkapelle enthielten
(Fig. 15). Der Chor, der in deutlicher Nachfolge der
Marburger Elisabethkirche steht, dürfte an seiner Süd-
seite bereits um 1250 begonnen worden sein. Nachdem
die Außenmauern bis zur Hälfte hochgeführt waren,
erfolgte offenbar eine Planänderung, die die Umgestal-
tung des südlichen Querhauses zur Sakristei zur Folge
hatte4. Die weitere Fortführung des Chores schleppte
sich bis um 1270 hin. Während das Plattenmaßwerk im
südlichen Chorfenster (süd III) und die mit dem Okulus
2 Siehe hierzu jetzt Doepner 1999 (s. Bibl.), S. 10–19, der die Kloster-
chronik als spätmittelalterliches Kompilat entlarvt. Nach dieser soll
das Kloster von einem Wanderprediger namens Godefridus Clamator
gegründet worden sein, der eine erste Anlage sowie eine dem Hl. Ni-
kolaus geweihte Kapelle erbaut habe. Letztere soll offenbar bis in die
Zeiten des Dreißigjährigen Krieges bestanden haben. Zum ältesten
Baubestand vgl. Ebel 1905 (s. Bibl.), Sp. 579f.
3 Zur Baugeschichte grundlegend Fritze-Becker 1959 (s. Bibl.),
S. 1–20; zusammenfassend dies., Die Wandmalereien der ehemaligen
Praemonstratenserinnen-Stiftskirche Altenberg/Lahn, in: HessJb 10,
1960, S. 44–96, hier S. 48f.
4 Vgl. dazu Ebel 1905 (s. Bibl.), Sp. 586f., und Fritze-Becker 1960
(wie Anm. 3), S. 50. Fig. 4. Altenberg, Klosterkirche. Choransicht von Nordosten.
74 ehemals altenberg . klosterkirche
verschmolzenen Lanzettspitzen im südlichen Apsidenfenster (süd II) auf die Wetzlarer Stiftskirche zurückgeführt
werden können 5 , schließt das im Achsenfenster und im nördlichen Apsidenfenster nun auch mit der Rahmung der
Fensterlichte verschmolzene Maßwerk unmittelbar an die um 1265 begonnenen westlichen Langhausjoche der Mar-
burger Elisabethkirche an 6 . Nach Vollendung des Chorbaues wurden schließlich das nördliche Querschiff und das
Langhaus mit der Nonnenempore errichtet; die Bekrönung der einbahnigen, sechszeiligen Fenster mit einem Maß-
werkdreipass über einem Kleeblattbogen greift in reduzierter Form auf die Fenster der fünf östlichen Langhausjoche
der Zisterzienserklosterkirche in Haina zurück 7. Für die Datierung dieser Bauteile um 1280 sprechen überdies die
unverkennbaren Einflüsse, die vom Altenberger Langhaus auf die Franziskanerkirchen in Oberwesel und Münster/
Westfalen übergehen8 .
Geschichte der Verglasung: Die ältesten Aufzeichnungen, die Aufschluss über die ehemalige Verglasung geben,
finden sich in den gegen Mitte des 17. Jahrhunderts von Prior Petrus Diederich verfassten und im Schloss zu Braunfels
verwahrten Antiquitates Aldenbergensis. Darin wurde überwiegend solchen Scheiben Beachtung geschenkt, die von
genealogischem Interesse waren und aufgrund von Wappen oder Inschriften mit historischen Personen verknüpft
werden konnten (s. Reg. Nr. 1); von dem heute in Erbach bewahrten Zyklus mit biblischen Vorstellungen aus dem
Achsenfenster des Chores erwähnte Diederich immerhin die beiden Stifter Adolf von Nassau und dessen Gattin Ima-
gina mit Wappen und schloss daraus bereits folgerichtig auf eine Entstehung des Fensters vor 1298, dem Todesjahr
Adolfs. Die in Diederichs Beschreibung erwähnten Wappenscheiben sind im Zuge der Barockisierung der Kloster-
kirche verloren gegangen, während das Chorachsenfenster wohl nur deshalb bestehen blieb, weil es seit 1734 von dem
damals vollständig erneuerten Hochaltar verdeckt worden war 9. Dieses Fenster wurde unmittelbar nach der Säkula-
risierung ausgebaut und gelangte 1804 als Geschenk in die Sammlung des Grafen Franz von Erbach (1754–1823). Es
findet zum ersten Mal im Erbacher Sammlungskatalog von 1805ff. Erwähnung. Die dazugehörigen, heute leider nur
mehr in Aquarellen überlieferten Stifterscheiben Adolfs und seiner Gemahlin Imagina (Fig. 14), die sich unterhalb der
biblischen Szenen befunden hatten, gelangten in den Besitz des damals in Biebrich residierenden Fürsten von Nassau-
Usingen (s. Reg. Nr. 2)10 .
Die heute in Erbach und New York erhaltenen Glasgemälde aus Altenberg wurden um 1805–1807 im Rittersaal des Er-
bacher Schlosses, in der Begräbnis-Kapelle daselbst sowie 1818(?) in der Inselkapelle des durch Franz von Erbach ange-
legten Englischen Parks in Eulbach eingesetzt (s. Reg. Nr. 2–5) und dabei erstmals restauriert11. Die beiden Glasgemäl-
de mit der Verkündigung an die Hirten und der Höllenfahrt Christi wurden schließlich im Jahr 1873 von Eulbach an
ihren heutigen Standort, in die Hubertus-Kapelle übertragen. In den Jahren 1861–1864 erfolgte im Rahmen einer Re-
5 Zum Begriff des Plattenmaßwerks, das zu Beginn des 13. Jh. erst- 9 Das erste Fenster im Nonnenchor wurde bereits 1663 ausgebaut (vgl.
mals im Chor der Kathedrale von Soissons und in den Obergaden- Reg. Nr. 1). Der Ausbau weiterer Fenster erfolgte wahrscheinlich um
fenstern der Kathedrale von Chartres auftritt, vgl. Kimpel/Suckale 1706; zu diesem Zeitpunkt wurden die drei heute noch im Nonnenchor
1985, S. 253, 551. Es tritt in Wetzlar im spätestens 1240/41 fertigge- und im Fenster der südlichen Chorwand befi ndlichen Wappenschei-
stellten Chorquadrat auf. Der mit den Lanzettspitzen, nicht aber mit ben gestiftet und eingesetzt. Während Winckelmann 1754 (s. Bibl.),
dem die Fensterlichte umlaufenden Profi lstab verschmolzene Okulus S. 255, noch einige der alten Glasgemälde gesehen hatte, fielen diese
fi ndet sich in Wetzlar in den um 1255 begonnenen Querarmen. Zur offenbar den Umbauten von 1768 zum Opfer. Zu den Umbauten vgl.
Datierung der Wetzlarer Bauteile vgl. neuerdings Eduard Sebald, Die auch Ebel 1905 (s. Bibl.), Sp. 590f.
Baugeschichte der Stiftskirche St. Marien in Wetzlar (Manuskripte zur 10 Es wäre zu überlegen, ob die beiden Scheiben, wie jenes bislang
Kunstwissenschaft 31), Worms 1990, S. 156f. unbekannte Glasgemälde mit einem knienden Ritter, der in das Wies-
6 Das Motiv taucht in Marburg erst in den westlichen Langhausjo- badener Landesmuseum gelangte, in der zwischen 1805 und 1816 als
chen auf, die nach einer Bauunterbrechung und einer allgemeinen sti- künstliche Ruine angelegten Moosburg im Biebricher Schlosspark ein-
listischen Neuorientierung der Bauhütte errichtet worden sind. Vgl. gesetzt worden waren. Vgl. Hess 1999, S. 87f.
dazu Michler 1984, S. 20f., 36, 183, der als Richtwert für den Beginn 11 In seinem Katalog von 1805ff. erwähnt Graf Franz von Erbach, dass
des dritten Bauabschnittes 1265 annimmt. der Erbacher Glasermeister Johann Michael Hegeney alle Restaurati-
7 Vgl. Fritze-Becker 1960 (wie Anm. 3), S. 53. Ernst Coester, Die onen an denen oft durch die Zeit so sehr beschädigt gewesenen gemahl-
Franziskanerkirchen in Oberwesel und Münster/Westfalen und ihre ten Fenster gemacht habe (Erbach, Gräfl iche Rentkammer, Kat. Nr. 1,
stilistische Verwandtschaft mit Kirchen des Lahngebiets. Ein Bei- fol. 4r).
trag zur Bettelordensbaukunst im Rheinland, in: Kunst und Kultur 12 Die Instandsetzung der Fenster im Rittersaal in den Jahren 1861/64
am Mittelrhein, FS für Fritz Arens zum 70. Geburtstag, Worms 1982, erfolgte durch den Erbacher Hofglaser Nicolaus Hegny, den Sohn des
S. 33–39, hier S. 37, führt überdies die aus der südlichen Langhauswand oben erwähnten Glasermeisters. Dabei wurden die Fenster frisch ge-
herauswachsenden Strebepfeiler auf Haina zurück. Zur Baugeschichte fasst und mit einfarbig buntem, mattiertem und gedecktem Glas um-
der Klosterkirche in Haina siehe S. 140–144 in diesem Band. rahmt (Erbach, Gräfl iche Rentkammer, Kat. Nr. 1, S. XVI: Nachtrag
8 Vgl. dazu Coester 1982 (wie Anm. 7), S. 36–39. von Graf Eberhard im Winter 1865). Bei dem mattierten, gedeckten
ehemals altenberg . klosterkirche 75
Fig. 10. Geburt Christi / Auferstehung Christi. Fig. 11. Gebet am Ölberg / Abendmahl.
Christologischer Zyklus aus dem Altenberger Chorachsenfenster. Aquarellierte Kartonnachzeichnungen.
‚
Braunfels, Schloss, Fürstlich Solms-Braunfels sches Archiv, A.III.56a. Anfang 19. Jh.
ehemals altenberg . klosterkirche 77
Scheiben wurde das Bleinetz vollständig ersetzt. Alle Scheiben weisen in den blauen, roten und violetten Gläsern
starke Korrosion und Wettersteinbelag auf. Neben weißen Ausblühungen entlang des Bleinetzes und sich ausbreiten-
dem Lochfraß auf der Innenseite beinahe aller Gläser sind die rosavioletten besonders stark geschädigt, indem sich
die Schwarzlotbemalung zum Teil ablöst; außerdem sind diese stark verbräunt. Als Folge davon ist die Lesbarkeit in
den rosavioletten Fleischtönen im Gegensatz zu den gelblichweißen Inkarnaten stark beeinträchtigt. Mit Ausnahme
weniger Partien ist überdies die ursprüngliche Halbtonbemalung vollständig verloren. Lediglich in der Geburtsszene
wurden die Konturen partiell nachgezogen. Die in Privatbesitz abgewanderten und heute im Besitz des Metropolitan
Museum of Art in New York befindlichen Scheibenpaare sind offenbar aufgrund ihrer witterungstechnisch günstige-
ren Aufstellung insgesamt weniger angegriffen und besitzen noch Reste mittelalterlicher Verbleiung.
Rekonstruktion, ikonographisches Programm: Trotz geringerer Breite kommen auf Grund der Höhe der Schei-
ben nur die vier zehnzeiligen Chorfenster als ursprünglicher Standort des Zyklus in Frage. Die auf beiden Seiten zu er-
gänzenden, jeweils acht Zentimeter breiten Randstreifen wurden offenbar erst im Zuge des Ausbaus entfernt16 . Mit den
erhaltenen Szenen lässt sich das zweibahnige Fenster bis auf zwei Zeilen füllen. Durch Diederich ist überdies verbürgt,
dass neben einem verlorenen Reichswappen die nur mehr in Aquarellen überlieferten Stifterbilder mit dem deutschen
König Adolf von Nassau und seiner Gemahlin (Fig. 14) im Chorachsenfenster gesessen haben (s. Reg. Nr. 1)17. Da diese
identische Randstreifen besaßen und nach Ausweis des Grafen Franz von Erbach (s. Reg. Nr. 2) in demselben Fenster
wie die Glasgemälde mit Episoden aus der Jugend- und Passionsgeschichte Christi untergebracht waren, kommt als
ursprünglicher Standort der in Erbach bewahrten Glasgemälde nur das Achsenfenster des Chores in Betracht, was
auch inhaltlich naheliegt. Damit ergibt sich folgender Aufbau: In der untersten Zeile standen der Reichsadler und
daneben wohl das nassauische Wappen, darüber, einander gegenüber, die beiden Stifterbilder, dann folgten die Epi-
soden der Vita Christi in chronologischer Reihung, von der Verkündigung bis zu Höllenfahrt und Auferstehung; den
Abschluss bildeten die Kopfscheiben mit den verknappten Darstellungen der Himmelfahrt und des Pfingstwunders
sowie das Jüngste Gericht im Maßwerk (Fig. 12). Bis auf die Wappen in der untersten Zeile hatte das Achsenfenster
bei seinem Ausbau 1803/04 offensichtlich noch seinen ursprünglichen Zustand bewahrt18 . Hinsichtlich Auswahl und
Abfolge von Jugend- und Passionsszenen wurde ein besonderes Gewicht auf mariologische Inhalte gelegt, war doch
Maria Hauptpatronin des Prämonstratenserordens. Neben der Verkündigung an die Hirten und der Geburtsszene
erfahren die Bilder der Verkündigung an Maria sowie die Anbetung der Könige eine merkliche Bedeutungssteigerung,
indem sie bahnübergreifend angelegt sind und sich damit kompositionell klar von der restlichen Erzählfolge abheben.
Im Verzicht auf eine typologische Auslegung der Szenen macht sich bereits das Bestreben nach einer rein narrativen
Schilderung der Heilsgeschichte bemerkbar, wie sie im 14. Jahrhundert zur Regel wurde.
Über den Inhalt aller übrigen, im Zuge der Barockisierung verloren gegangenen Fenster der Klosterkirche kann nur
mehr spekuliert werden, da sich die Schilderung Diederichs auf Wappen, Inschriften und die dazugehörigen Figuren
beschränkt. Das in die Ölbergszene eingesetzte Flickstück eines Blattfragments liefert immerhin einen Hinweis auf
eine einstmals vorhandene Ornamentverglasung. Die Übereinstimmung mit einem Blattmuster in Dausenau macht
hier eine Entstehung im ersten Viertel des 14. Jahrhunderts wahrscheinlich. Da andererseits der Chor bereits nach
der Mitte des 13. Jahrhunderts begonnen wurde und der Hochaltar um 1270 schon geweiht war, wäre hierfür eine
vielleicht weitgehend ornamentale Erstverglasung anzunehmen, die erst am Ende des Jahrhunderts um die repräsen-
tative Neustiftung im Achsenfenster erweitert wurde19. Alle weiteren von Diederich überlieferten Stiftungen lassen
sich dagegen mit dem Nonnenchor verbinden. Sie gehen entweder auf die Grafen von Nassau oder auf die Familie der
16 Während die einzelnen Felder der Fenster im Nonnenchor eine 18 Die Überlegung, die erhaltenen Scheiben auf zwei Fenster zu ver-
Höhe von nur 68 cm aufweisen, entspricht die Höhe der Felder in den teilen, wobei eines der Jugendgeschichte Christi oder dem Marien-
Chorapsidenfenstern (72–75 cm) den in Erbach erhaltenen Glasgemäl- leben, das andere der Passion gewidmet gewesen wäre, verbietet sich
den. Die lichte Weite der Lanzettfenster beträgt rund 55 cm. deshalb, weil dass von einem Fenster dann nur die untere Hälfte, vom
17 Obgleich Diederich von zwey fenstern hinter dem Hochaltar anderen jedoch nur die obere erhalten geblieben wäre. Zudem ließen
spricht, kann es sich dabei nur um das Achsenfenster handeln. Da sich die einzelnen Zyklen nicht einfach auf jeweils siebzehn Episoden
Adolf sich seiner Gattin zuwendet, müssen die beiden Stifterbilder ne- erweitern.
beneinander in einem zweibahnigen Fenster gestanden haben. Die Be- 19 Die noch vor Kurzem im Braunfelser Stadtmuseum aufbewahrten
zeichnung fenster bezieht sich in Diederichs Beschreibung folglich auf und nach 1250 anzusetzenden Reste einer Ornamentverglasung kom-
jeweils eine Scheibe. men aufgrund ihrer geringeren Maße nicht für die Altenberger Chor-
verglasung in Betracht. Vgl. hierzu S. 98.
78 ehemals altenberg . klosterkirche
magistra Gertrud, die Landgrafen von Hessen, zurück. Unter den Glas-
gemälden, die mit Gertrud verbunden werden können, verdient die Dar-
stellung der Abschiedsszene ihrer Eltern sowohl in ihrem Bezug zur In-
stallierung eines Gertrudenkults im Kloster Altenberg als auch inhaltlich
besondere Beachtung. Neben den Wappen ihrer Eltern und Großeltern
gehören zu dieser Gruppe aber auch zwei Glasgemälde, die sich auf die
Großnichten Gertruds bezogen, auf Mechthild von Ziegenhain und Eli-
sabeth von Sayn. Ob die Stiftung dieser Glasgemälde noch zu Lebzeiten
Gertruds, also vor 1297 erfolgte, ist fraglich. Einen Anhaltspunkt gibt
lediglich der Umstand, dass Mechthild von Ziegenhain 1305 den Grafen
Philipp von Münzenberg heiratete. Die Stiftung ist somit vor 1305 anzu-
setzen und steht möglicherweise in Zusammenhang mit dem frühen Tod
ihrer Schwester Elisabeth im Jahre 129320 .
Wird Gertrud auf ihrem Epitaph als glückliche Mutter des Konventes be-
zeichnet, so könnte man die Grafen von Nassau dessen Väter nennen im
Hinblick auf die Rolle, die sie im 13. Jahrhundert für das Kloster spielten.
Nach Übertragung einiger Güter und Schenkungen im Jahre 1289 durch
Otto von Nassau richteten die Grafen der sog. nassauisch-ottonischen
Linie in der Klosterkirche, wahrscheinlich im Nordquerhaus, ihre Grab-
lege ein, von der sich lediglich die kurz nach 1290 entstandene, nun erst-
mals als Rest von Ottos Tumbengrab identifizierte Grabfigur erhalten hat
(Fig. 13) 21. Überdies wurde 1297 Katharina von Nassau, die Schwester
Ottos, magistra und Nachfolgerin Gertruds in Altenberg. Im Zusammen-
hang mit der Errichtung einer repräsentativen Erbgrablege der Familie
Ottos von Nassau wird man auch die Stiftung der Glasgemälde im Chor
sehen müssen, auf denen der deutsche König Adolf von Nassau, der Nef-
fe Ottos, dargestellt ist. Auf Grund seiner überragenden Bedeutung für
das gesamte Nassauer Grafenhaus wurde ihm das Achsenfenster im Chor
der Klosterkirche als zentraler Platz für sein Stifterbildnis zugebilligt. Be-
merkenswert und für Stifterbilder ungewöhnlich ist der Umstand, dass
die durch Spruchbänder als römischer König und Königin ausgewiesenen
Adolf und Imagina selbstbewusst aufrecht stehend dargestellt sind. Auch
wenn dieser Bildtypus im Allgemeinen Verstorbenen vorbehalten ist, die
Stiftung folglich erst unmittelbar nach dem Tode Imaginas im Jahre 1314
erfolgt sein könnte, sprechen sowohl historische als auch stilistische Grün-
de für eine Entstehung bereits im letzten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts22 .
Es liegt daher nahe, dass Adolf selbst die Stiftung veranlasste, nachdem er
im Jahre 1293 die Privilegien des Klosters und damit das alleinige Vogtei-
recht des römischen Kaisers oder Königs erneuert hatte23.
Fig. 13. Grabfigur Ottos von Nassau. Fig. 14. Stifterbilder König Adolfs von Nassau und seiner Gemahlin Imagina.
Altenberg, Klosterkirche. Um 1290. Aquarell, um 1805(?). Erbach, Gräfl iche Rentkammer. – Kat. S. 90f.
einfachen oder gedoppelten, wimpergüberhöhten Arkaden wurden dabei lediglich zwischen die Randstreifen einge-
hängt.
Neben den mit Rosetten besetzten Perlstabbändern erschließen auch die mit Drei- und Vierpässen durchbrochenen
Sockelleisten einen engen Zusammenhang mit zeitgenössischen Schmiedearbeiten wie dem eisernen Tabernakelgitter
aus dem Kloster Bredelar, während das Stanzmaßwerk und die Rosetten in der Geißelung direkt mit einem Beinkäst-
chen aus Fritzlar verglichen werden können 24. Andererseits greift die Bekrönung der einzelnen Szenen mit genasten,
wimpergüberhöhten Bögen und flankierenden Fialentürmen vor einer Mauer- und Blendarkadenzone auf Entwick-
lungen zurück, die im Psalter Ludwigs des Heiligen (Paris, nach 1258 bis 1270) einen ersten Höhepunkt fanden 25. Die
20 Hess 1995, S. 43–49, vermutete, es könne sich bei einzelnen Glas- dem Tod Imaginas (1314) König Adolf als eigentlichen Gründer in An-
gemälden dieser Gruppe auch um Stiftungen handeln, die auf eine in spruch nimmt, obwohl das Kloster bereits mehr als 100 Jahre bestand.
den Quellen für das Jahr 1348 genannte Seligsprechung Gertruds hin- 23 Adolf wies mit der Erneuerung der Privilegien die Ansprüche der
arbeiten sollten, und ordnete diesem Kontext auch die Entstehung des Grafen von Solms auf das Vogteirecht des Klosters zurück, wie aus der
Altars auf der Nonnenempore zu, dessen Flügel heute im Frankfurter Urkunde vom 14. Juni 1293 hervorgeht; vgl. Johann Friedrich Böh-
Städel verwahrt werden. Allerdings handelt es sich bei der sog. Selig- mer, Regesta imperii VI, Innsbruck 1948, Nr. 268. – Für eine Stiftung
sprechungsurkunde, wie Doepner 1999 (s. Bibl.), S. 71–74, nachweist, durch Adolf und Imagina spräche ferner der Umstand, dass vielleicht
um eine neuzeitliche Fälschung. Dennoch zeugen zahlreiche für das auch Imaginas Vater, Gerlach von Limburg, in einem Glasgemälde im
Kloster im ersten Drittel des 14. Jh. angefertigte Kultzeugnisse von Langhaus (nord V) dargestellt gewesen sein könnte (s. Anhang zu den
den Bemühungen, die prominente Ordensfrau – möglicherweise als verlorenen Scheiben, S. 91).
Folge der Elisabethverehrung – als Heilige zu etablieren, wozu etwa 24 Siehe dazu AK Marburg 1932, II, Nr. 215, 266 (mit Abb.), wobei
die Errichtung ihres Hochgrabes im Chor oder die Abtrennung ihres als Datierung für das Tabernakelgitter Mitte des 13. Jh., für das Bein-
Schädels für kultische Zwecke gehörten. kästchen Anfang des 14. Jh. vorgeschlagen wurde. Aufgrund der Blatt-
21 Wiederum Hess 1995, S. 36–38. motive ist das Tabernakelgitter wohl erst im letzten Viertel des 13. Jh.
22 Elisabeth Oberhaidacher-Herzig, Fundator oder Stifter? Ein entstanden, während das Beinkästchen gleichfalls noch in das 13. Jh.
Beitrag zur Stifter-Ikonographie in der Glasmalerei des späten 13. datiert werden kann. Vergleichbare Rosettenformen treten bereits um
Jahrhunderts, in: ÖZKD 47, 1993, S. 138–143, versucht darzulegen, 1267/90 am Mindener Dom auf; vgl. dazu Günther Binding, Maß-
dass das stehende Stifterbild sowohl die Bedeutung des Dargestellten werk, Darmstadt 1989, S. 221–225, Abb. 257.
als primus fundator als auch sein Ableben voraussetze, das Stifterbild 25 Vgl. hierzu etwa Marcel Thomas (Hrsg.), Der Psalter Ludwigs des
mithin den Gründer des Baues repräsentiere und sein Gedächtnis ein- Heiligen, Wiedergabe der 78 ganzseitigen Miniaturen des manuscrit
schließe. Auf Altenberg übertragen hieße dies, dass das Kloster nach latin 10525 der Bibliothèque nationale in Paris, Graz 1985.
80 ehemals altenberg . klosterkirche
Fig. 15. Anbetung der Könige. Ehemals Altenberg, Klosterkirche, Chorfenster I. New York, The Metropolitan
Museum of Art, The Cloisters. Lahngebiet, um 1290/1300. – Kat. S. 89f.
einzelnen Glieder wurden jedoch stark reduziert und uneinheitlich verwendet. Sie bauen kein eigentliches Architek-
turgerüst auf und dienen vereinzelt lediglich zum Füllen von leeren Flächen. Obgleich einige Bekrönungen am oberen
Bildrand beschnitten sind, wachsen sie nicht in das nächste Feld hinein. Der vielfältige Formenschatz ist aus älteren
und neueren Vorlagen kompiliert, was sich besonders in den Zwickelfüllungen der Wimperge bemerkbar macht. So
tritt neben gestanzten Rosetten und einfach profilierten, liegenden Dreipässen auch ein genaster Dreistrahl auf, wie er
in den um 1275 entstandenen Rissen A1 und B der Straßburger Münsterfassade zu sehen ist 26 . Als regionale Beispiele
für vergleichbare Bekrönungen sei lediglich auf die Figurentabernakel am Südportal des Wetzlarer Domes (um 1260)
26 Zuletzt Roland Recht, in: Les bâtisseurs des cathédrales gothiques, 1990 (wie Anm. 5), S. 157; zur Fensterbekrönung im Altenberger Quer-
Musées de la ville de Strasbourg, Straßburg 1989, S. 384. Die mit Knos- haus Michler 1984, S. 288, Abb. 106. Beide Beispiele zeigen krab-
penkrabben besetzten Wimperge wie auch die Drei- und Vierpassfül- benbesetzte Wimperge mit einfach profi liertem Dreipass im Zwickel
lungen begegnen dagegen bereits im Straßburger Riss A (um 1250/60). und flankierenden Fialentürmchen; die eigenartigen Fialentürme mit
In gebauter Form fi nden sich diese Motive etwa in dem im letzten Vier- Zinnenkrone treten jedoch nur am Wetzlarer Südportal auf.
tel des 13. Jh. errichteten Hl. Grab in der Mauritiusrotunde des Kons- 28 Schon der um 1270 anzusetzende Cosmas- und Damian-Zyklus
tanzer Münsters, dessen Wimperge überdies vergleichbare gestanzte der Goslarer Marktkirche stellt die einzelnen Szenen unter Baldachin-
Maßwerkformen aufweisen; vgl. Heribert Reiners, Das Münster Un- architekturen, welche hier allerdings noch in gänzlich spätromanischen
serer Lieben Frau zu Konstanz (Die Kunstdenkmäler Südbadens I), Formen ausgeführt sind. Der Inventarband zu den mittelalterlichen
Konstanz 1955, Abb. 441. Glasmalereien in Niedersachsen (CVMA Deutschland VII,1), bearb.
27 Zum Wetzlarer Südportal, das in enger Anlehnung an das Para- von Elena Kozina, befi ndet sich in Vorbereitung; vgl. daher einstweilen
diesportal des Paderborner Domes entstanden ist, vgl. zuletzt Sebald AK Köln 1998, S. 156f., Nr. 17 (Daniel Hess). Moderne Rahmenformen
ehemals altenberg . klosterkirche 81
Fig. 16. Altenberg, Klosterkirche. Blick aus dem Chor zur Nonnenempore.
Im Vordergrund das Epitaph der seligen Gertrud.
sowie auf die gemalte Bekrönung des Ostfensters im Querhaus der Altenberger Klosterkirche selbst verwiesen 27.
Da in der deutschen Glasmalerei bis in die ersten Jahrzehnte des 14. Jahrhunderts in der Regel nur Standfiguren
mit Architekturbaldachinen bekrönt, szenische Schilderungen jedoch mit Medaillonrahmen verbunden werden, stellt
die Konzeption der architektonisch bekrönten Figurenszenen in Altenberg eine Ausnahme dar 28 . Ungewöhnlich ist
82 ehemals altenberg . klosterkirche
Fig. 17. Verkündigung an Maria. Ehem. Altenberg, Klosterkirche, Chorfenster I. New York, The Metropolitan
Museum of Art, The Cloisters. Lahngebiet, um 1290/1300. – Kat. S. 89.
überdies die Verteilung der Verkündigung an Maria und der Anbetung der Könige auf zwei Bahnen und die daraus
resultierende monumentalisierte Heraushebung dieser Szenen 29.
Farbigkeit, Technik: Die einzelnen Felder werden durch einen einheitlich blauen Hintergrund und gelbe, mit roten
Rosetten besetzte Bordüren zusammengefasst. Daneben tragen auch die vornehmlich vor einer roten oder hellblauen
Wandzone aufstrebenden gelben und weißen Architekturglieder in den Bekrönungen zu einer relativ einheitlichen
Gesamtwirkung bei. In den Inkarnaten der Figuren wechseln hingegen gelblichweiße und rosaviolette Töne; letztere
fallen heute durch ihre starke Korrosion und Verbräunung störend heraus. Die Farbpalette von Rot, Blau, Gelb und
Weiß wird in den Gewändern, einzelnen Architekturgliedern und Kreuznimben durch einen kühlen Grünton und
ein (verbräuntes) Violett erweitert, wobei die Farben häufig kontrastreich aufeinandertreffen 30 . Neben den zwei un-
terschiedlichen Violett- und Blautönen zeichnen sich die Scheiben durch raffiniert eingesetzte, zerfließende Rotüber-
fänge aus. Transparenz und ursprüngliche Farbigkeit sind jedoch durch Korrosion innen und außen sowie durch Ver-
bräunung zum Teil stark beeinträchtigt. Die Bemalung beschränkt sich auf relativ breite Kontur- und Binnenlinien,
während ein etwas flächiger angelegter Halbton nur mehr vereinzelt nachgewiesen werden kann.
Stil, Datierung: Für die Datierung und stilistische Einordnung des Christuszyklus bieten sich zunächst die verwen-
deten Architekturmotive an, deren Formen ganz dem letzten Viertel des 13. Jahrhunderts verhaftet bleiben, wie ein
Vergleich mit den Rissen der Straßburger Münsterfassade zu zeigen vermag. Als unmittelbare Voraussetzung ist wohl
ehemals altenberg . klosterkirche 83
Fig. 18. Wandgemälde mit Szenen aus dem Leben der Hl. Agatha. Koblenz, St. Florin, um 1300.
die um 1270 entstandene farbige Fassung des Altenberger Chores mit der bereits erwähnten Bekrönung des Quer-
hausfensters anzunehmen 31. Historische Argumente legen überdies nahe, dass der Zyklus im Zusammenhang mit
der Errichtung der nassauischen Grablege im letzten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts entstanden ist. Die Kostüme als
auch die Ausformung der gotischen Majuskel in den Inschriften stützen diesen zeitlichen Ansatz, der sich auch durch
stilistische Argumente untermauern lässt. Christa Wille hat mit Recht darauf aufmerksam gemacht, dass die Monu-
mentalität und Ausdrucksstrenge der Verkündigung und Anbetung eigentlich für eine Datierung um 1300 sprechen.
Suzanne Beeh-Lustenberger verwies schließlich auf die um 1290 anzusetzenden Wandmalereien in der Fritzlarer
Fraumünsterkirche, die einen vergleichbaren blockhaften Figurenstil verkörpern 32 . Die jüngeren Fritzlarer Arbeiten
wie etwa das steinerne Antependium oder die sicher erst gegen Mitte des 14. Jahrhunderts entstandenen, wohl aus der
Falkenberger Kapelle des Stifts stammenden Glasgemälde (vgl. Dommuseum Nr. 4–6), die Wille mit Altenberg in
Verbindung gebracht hat, zeigen jedoch bereits eine schwungvoll leichte und schönlinige Figurengestaltung wie die
besitzt dagegen die vor 1300 entstandene Verglasung des Stettener vereinzelt fassbare Bildidee der Ausdehnung einer Szene über zwei
Passionsfensters (vgl. Wentzel 1958, S. 197–211, Abb. 473). In Frank- Bahnen auf dem Hintergrund einer offenbar weit zurückreichenden
reich scheint diese Anordnung im späten 13. Jh. eine gewisse Popula- Tradition tatsächlich auf die Monumentalskulptur zurückgeführt wer-
rität erlangt zu haben, wie Beispiele in Evreux, Beauvais und St. Père den kann, muss offenbleiben. Ein solcher Bezug könnte bestenfalls für
in Chartres zeigen; vgl. dazu einstweilen Meredith P. Lillich, The die stehenden Altenberger Stifterfiguren plausibel gemacht werden, da
Stained Glass of Saint-Père de Chartres, Middletown 1978, S. 59. der ungewöhnliche Typus auf die Sepulkralskulptur zurückzugehen
29 Weitere Beispiele fi nden sich in der um 1330 entstandenen, über scheint.
drei Bahnen verteilten Anbetung der Könige in der Esslinger Frauen- 30 Vgl. dazu auch die Charakterisierung von Wille 1952, I, S. 63f. Von
kirche (vgl. Wentzel 1958, S. 158) sowie in einer über zwei Bahnen einer Bevorzugung der grünen Farbe, wie sie Fritze-Becker 1959
ausgedehnten Verkündigung an Maria im Regensburger Dom (um (s. Bibl.), S. 43, beobachtet haben will, kann keine Rede sein, da sich
1325); Fritzsche 1987, I, S. 206, will diese Bildidee in Regensburg dieser Ton stets den Farben Rot, Blau und Gelb unterordnet.
auf die um 1280 entstandene Skulpturengruppe des Erminoldmeis- 31 Während die Fensterbekrönung der ersten Wandfassung zugerech-
ters zurückführen, die ursprünglich an der Nord- und Südwand des net werden kann, will Michler 1984, S. 289, die weiße Sockelbema-
Domchores angebracht war. Ein wesentlich früheres Beispiel für eine lung des Quer- und Langhauses in Abhängigkeit von dem Wandgemäl-
vergleichbare Ausweitung bietet indessen eine um 1170 entstandene, de der Marienbekrönung um 1300 datieren. Das Wandgemälde muss
über zwei Fenster verteilte Heimsuchungsszene, deren ursprünglicher jedoch nach 1330 datiert werden; vgl. dazu ausführlicher Hess 1995,
Standort wahrscheinlich in der romanischen Johannes-Kapelle des S. 46f.
Straßburger Münsters zu suchen ist; vgl. dazu Fridtjof Zschokke, in: 32 Zu diesen Wandmalereien grundlegend Harald Keller, in: Freige-
Beyer/Wild-Block/Zschokke 1986, bes. S. 547f. Ob die um 1300 legte Wand- und Tafelmalereien 1936, S. 60f.
84 ehemals altenberg . klosterkirche
um 1320 entstandenen Medaillonfenster aus Dausenau (vgl. Textabb. 40) 33. Der Zyklus wird damit schwerlich in der
Nachfolge des Achsenfensters der ehemaligen Konstanzer Dominikanerkirche entstanden sein, wie Wille und Beeh-
Lustenberger postulierten 34. Der mittels breiter Konturlinien und geometrischer Halbtonflächen gebildete brüchige
Faltenwurf in den Altenberger Scheiben könnte hingegen ein Relikt jenes hochgotischen Zackenstils sein, der die
mittelrheinische Kunst um die Mitte des 13. Jahrhunderts wesentlich geprägt hatte. Sehr aufschlussreich scheint mir in
dieser Hinsicht der Vergleich mit einem Wandbild der Hl. Agatha in St. Florin in Koblenz, das nur wenige Jahre später
als Altenberg entstanden sein dürfte (Fig. 18)35. Hier wie dort begegnen noch die gleichen, sehr voluminös angelegten
und in die Breite gehenden Schüsselfaltenmotive, welche dem Körperkontur einen unruhigen, zackig ausbrechenden
Umriss geben. Gegenüber der bereits genannten Dausenauer Farbverglasung bleiben die Altenberger Scheiben jedoch
von der Marburger Entwicklung der Jahrhundertwende gänzlich unberührt. Zum Vergleich bietet sich einzig noch die
Darstellung der Hl. Drei Könige in der nahegelegenen Stiftskirche zu Wetzlar an, die zusammen mit weiteren Wand-
malereien, darunter einem Jüngsten Gericht, jedoch erst in den dreißiger Jahren entstanden sein werden und daher
bestenfalls noch einen Reflex jener monumental schweren, hier jedoch voluminöser ausgebildeten Figuren bieten; ei-
nen vergleichbaren Figurentypus und eine nahe verwandte Kopfbildung verkörpert auch die aus der Stiftskirche stam-
mende Triumphkreuzgruppe im Landesmuseum in Münster 36 . Eine genauere Bestimmung der Herkunft wird sicher
auch durch die derbe, künstlerisch mediokre Qualität der Glasgemälde erschwert. Auf der Grundlage der bislang zur
Verfügung stehenden Fakten muss hierfür deshalb einstweilen als Bezeichnung vorgeschlagen werden: Lahngebiet,
um 1290/1300.
Vorbemerkung zum Katalog: Der Scheibenbestand konnte im Jahr 2006, anlässlich seiner Restaurierung in der Werk-
statt van Treeck in München, untersucht und fotografiert werden. Die aus Frankfurter Privatbesitz ins Metropolitan
Museum of Art nach New York abgewanderten Scheibenpaare wurden zuletzt 2000 von Daniel Hess und Hartmut
Scholz bzw. 2003 von Rüdiger Becksmann in Augenschein genommen. In den Erhaltungsschemata zu Erbach sind die
Maßnahmen Linnemanns als letzte Restaurierung ausgewiesen.
ERBACH . SCHLOSS, RITTERSAAL (Nr. 1–11) Fig. 5, 19–29, Abb. 4, 6–13, 15f.
1. GEBURT CHRISTI Fig. 19, Abb. 4 vater Joseph am linken Bildrand kauert und seinen Kopf auf
H. 73,5 cm, B. 37 cm. einen Stock aufstützt. Als Vorbilder für diese Szene bieten sich
Erhaltung: Die Scheibe bildet einen von acht Lüftungsflügeln zahllose Buchmalereien aus der zweiten Hälfte des 13. Jh. an.
des Rittersaals, die 1949 von Otto Linnemann angefertigt wor- Komposition: Die Szene wird durch einen Maßwerksockel und
den sind 37. Dabei wurde das Bleinetz vollständig erneuert. Fer- eine Doppelarkade mit steilen, krabbenbesetzten Wimpergen
ner wurden die gesprungenen Gläser beim Christkind sowie und genasten Dreipässen im Zwickel gerahmt. Obgleich das auf
bei Joseph doubliert und die abplatzenden Malschichten in den der rückwärtigen Mauerfläche liegende Lanzettfenster oben
stark verwitterten Köpfen versuchsweise gesichert. angeschnitten ist, läuft die Architekturbekrönung nicht in das
Ikonographie: Maria ruht, den Oberkörper und die Arme auf darüberliegende Feld hinein.
den von einem Leintuch verhüllten Bettpfosten gelehnt, vor ei- Farbigkeit: Der blaue Farbton des Grundes wird im gelb gefüt-
ner architektonisch ausgebildeten Krippe, während der Nähr- terten Marienmantel aufgegriffen und in den Untergewändern
33 Vgl. dazu Becksmann 1966, S. 55, und zuletzt Daniel Parello in: erst gegen 1336 entstanden. Vgl. Géza Jászai, Gotische Skulpturen
Die Glasgemälde-Sammlung des Freiherrn vom Stein 2007, S. 56–61. 1300–1450 (Bildhefte des Westfälischen Landesmuseums Münster 29),
34 Dagegen sprechen nicht nur die beweglicheren Figuren und der Münster 1990, S. 11, Nr. 4 (mit Abb.), bzw. Clemen 1930, I, S. 129f.,
runde organische Faltenwurf, sondern auch der rhythmische Wechsel Taf. 18, S. 132, Fig. 164.
der vielfältigen Hintergrundmuster sowie vor allem das ausgereiftere 37 Dies geht aus zwei Briefen von Otto Linnemann vom 14. Sept. 1949
Architekturgerüst der Konstanzer Scheiben. Während in Altenberg und 7. Jan. 1950 an den Grafen von Erbach hervor (Erbach, Gräfl iche
die Architekturbekrönungen mit Ausnahme der Geißelung lediglich Rentkammer, Akten I A, Nr. 7a, Fasc. 10).
zwischen die breiten Ornamentrahmen gespannt sind, lagern in Kons- 38 Das Bleinetz der Ölbergszene wurde 1861/64 vollständig erneuert;
tanz die von Wimpergen überhöhten Arkaden auf Konsolen und die deshalb kann nicht mit Sicherheit entschieden werden, ob das Flick-
Fialen auf den seitlich über das ganze Fenster hochsteigenden Strebe- stück bereits vor dem Ausbau der Scheiben 1803 eingesetzt worden ist.
pfeilern auf. Vgl. dazu Becksmann 1979, S. 132–147, Taf. 50–58. Da jedoch die in Erbach tätigen Glaser Hegny bislang nicht mit Haina
35 Clemen 1930, I, S. 143–146, Fig. 172f. Der Altar und die Vikarie zu in Verbindung gebracht werden können, wo die erste Restaurierung
Ehren der Hl. Agatha wurden am 22. Dezember 1300 gestiftet. durch Lange gegen Mitte des 19. Jahrhunderts erfolgte, kann das Flick-
36 Die Triumphkreuzgruppe wird kurz nach 1300/10 angesetzt; das stück nur aus Altenberg selbst stammen. Zu Dausenau an der Lahn
ältere Wandgemälde mit dem Jüngsten Gericht ist möglicherweise siehe zuletzt Anm. 33.
ehemals altenberg . klosterkirche 85
von Maria und Joseph ins Violette gebrochen. Einen Gegenpol Judas mit gelbem Untergewand und rotem, grün gefüttertem
setzt der gelbe, grün gefütterte Mantel von Joseph. Inkarnate Mantel; Inkarnat zart rosa. Tischtuch weiß. Maßwerksockel
von Maria und Christus rosaviolett, bei Joseph gelblichweiß; und Giebelbekrönungen gelb vor roter Mauer und hellblauer
Kopfbedeckungen und Leintuch weiß. Das Christkind liegt Zinnenkrone.
auf einer grünen Krippe in einem weißem Wickeltuch; Ochse Technik: Wie in Nr. 1 sind unterschiedlich stark gefärbte rote
rot, Esel hellblau. Sockelstreifen, Wimperge mit Kreuzblumen Überfanggläser zu beobachten, wobei dieser Befund hier zum
sowie Maßwerkfüllungen gelb vor rotem Hintergrund und Teil auf die Verwitterung zurückzuführen ist. Die Falten des
hellblauer Backsteinmauer. Tischtuches wurden durch relativ breite Pinselstriche auf der
Technik: Im Gegensatz zum satten Ton der roten Wandfläche Glasaußenseite verstärkt.
fand beim Ochsen ein blasseres Überfangglas Verwendung. CVMA RT 13508, Großdia RT 06/161
Während auf den meisten Gläsern der Halbton weitgehend
verloren ist, gibt der gut erhaltene Halbton im Bettlaken und 3. GEBET AM ÖLBERG Fig. 21, Abb. 7
Marienmantel eine Vorstellung vom ursprünglichen Aufbau H. 74,5 cm, B. 37,5 cm.
der Malschichten. Inschrift: Die Inschrift in gotischer Majuskel zieht die von
CVMA RT 13507, Großdia RT 06/160 Mt 26,39 und Mc 14,36 überlieferten Gebetstexte auf dem
Spruchband verkürzt zusammen: P(ate)r . si . po(ssibile) (es)t .
t(ranseat) (a) (m)e . calice(m) . h(un)c . Ame(n).
Fig. 19. ES Nr. 1. Erhaltung: Neben den wenigen Ergänzungen, die bei der Er-
M 1:15 neuerung des Bleinetzes 1861/64 vorgenommen worden sind,
sowie dem durch Linnemann 1950 ergänzten Mantel Christi
verdient das Grisaille-Flickstück mit einem Efeublatt direkt
unterhalb der Christusfigur besondere Beachtung. Es handelt
sich um ein Fragment, das sich über gleichgestaltete Blätter
in Dausenau (Nikolausscheibe) und Haina (Langhausfenster
NORD IX) mit einer möglicherweise in Marburg ansässigen
Werkstatt verbinden lässt (Chorfenster SÜD II). Das Fragment
stammt vielleicht aus der ehemaligen Maßwerkverglasung des
Nonnenchores, dessen Fensterarchitektur ebenfalls auf Haina
zurückzuführen ist 38 .
Ikonographie, Komposition: Christus kniet in Begleitung von
Petrus, Johannes und Jakobus betend im Garten Gethsemane,
Fig. 20. ES Nr. 2. wo ihm durch die aus den Wolken herabkommende Hand
M 1:15 Gottes der Kelch, Symbol seines Opfertodes, gereicht wird.
Dazu steht in unmittelbarem Text-Bild-Bezug das Schriftband
mit dem Gebet Christi, der Kelch möge an ihm vorbeigehen.
2. ABENDMAHL Fig. 20, Abb. 6 Farbigkeit: Christus kniet mit grünem Mantel, gelbem Unter-
H. 75,5 cm, B. 37,5 cm. gewand und gelb/rotem Kreuznimbus auf einem grün/blau-
Erhaltung: Bis auf zwei kleine, in das Bleinetz des 19. Jh. einge- grau/roten Hügel. Die Hand Gottes ragt rosaviolett aus dem
fügte Glasstücke gehen alle übrigen Ergänzungen auf die vor- weißen Ärmel mit goldener Borte. Die Jünger tragen von links
letzte Restaurierung zurück. Zweifelhaft ist der Befund beim nach rechts einen roten, gelblichbraunen und rotvioletten Man-
Kopf des Judas: Die aufgebogenen Bleischenkel lassen jedoch tel über einem grünen, violetten und hellblauen Untergewand.
darauf schließen, dass Linnemann das Glasstück aus dem al- Inkarnate bis auf das gelblichweiße des mittleren Jüngers rosa-
ten Bleinetz herausgenommen und wieder eingesetzt hat. Da violett. Kelch und Nimben gelb; Bücher gelblichweiß; Inschrift-
der Kopf in Farbton und Korrosion den übrigen Inkarnatteilen band weiß. Obere Hälfte des Baumes gelb, untere Stammhälfte
dieser Figur entspricht, bei denen keine Manipulationen am Blei und Blätter weiß.
festgestellt werden konnten, könnte es sich um eine Ergänzung CVMA RT 13509, Großdia RT 06/162
des 19. Jh. handeln, da sowohl Farbigkeit als auch Erhaltungs-
zustand dieser Gläser von der übrigen Scheibe abweichen.
Ikonographie: Die übliche Verräterbezeichnung in der Darrei-
chung des Bissens durch Christus wird durch ein zweites Motiv
bereichert: Judas, der isoliert vor dem Tisch kniet, greift mit
seiner Rechten unter den Mantel nach seinem Geldbeutel.
Komposition: Neben einer Sockelleiste mit gestanzten Drei-
und Vierpässen dienen zwei krabbenbesetzte Dreiecksgiebel
als Bekrönung der Szene. Darüber ragen steile Helmflächen
mit Knospenkrabben und Kreuzblume vor einer Mauerzone
mit gestanztem Blendmaßwerk und Fensterlanzetten auf. Den
oberen Abschluss bildet ein gemauerter Zinnenkranz.
Farbigkeit: In den Figuren kontrastreiche Farbgebung. Chris-
tus mit gelbem Mantel über violettem Untergewand; die Jün-
ger links grün/rot und hellblau, rechts rot/blau und grün ge- Fig. 21. ES Nr. 3.
wandet. Nimben gelb, Inkarnate rosaviolett und gelblichweiß. M 1:15
86 ehemals altenberg . klosterkirche
NEW YORK . THE METROPOLITAN MUSEUM OF ART, THE CLOISTERS Fig. 15, 17, 32f., Abb. 2f.
Die Scheibenpaare mit den Szenen der Verkündigung an Maria und der Anbetung der Könige waren 1804 zusam-
men mit den übrigen Altenberger Scheiben in den Besitz des Grafen Franz von Erbach gelangt und befanden sich
seit 1805/07 im zweibahnigen Westfenster der Schlosskapelle, auch Begräbniskapelle genannt (vgl. Reg. Nr. 2f.) 45.
Offenbar wurden bereits damals die zwei getrennten Einzelfelder einer Szene zu einem Feld zusammengezogen; da-
bei wurde jeweils eine Bordüre entfernt46 . Die Glasgemälde dürften sich bis zur Kriegssicherung im Jahr 1939 in der
Schlosskapelle befunden haben und wurden dann in die Sammlung G. Hartmann in Frankfurt/Main verkauft; Akten
dazu sind nicht erhalten. Im September 1992 gelangte die Verkündigung über Spanien nach London, wo sie vom Auk-
‚
tionshaus Sotheby s in die Sammlung des Metropolitan Museum in New York versteigert wurde. Ein Jahrzehnt später,
im Jahr 2003, fand schließlich auch die Anbetung der Könige aus Privatbesitz den Weg dorthin.
VERKÜNDIGUNG AN MARIA Fig. 17, 32, Abb. 2 ANBETUNG DER KÖNIGE Fig. 15, 33, Abb. 3
H. 73,5 cm, B. 72 cm. H. 73,5 cm, B. 70 cm.
Inschrift: Auf zwei Spruchbändern in gotischen Majuskeln: Ave Inschrift: In dem als Bildrand eingesetzten Schriftband in go-
. gr.(at)ia . plena bzw. Ecce . ancilla . I(esu) . n(ostri) . D(omini). tischen Majuskeln: . Melchior . Baltasar . Caspar.
Erhaltung: Wie bei den meisten Altenberger Glasgemälden Erhaltung: Die Ergänzungen beschränken sich auf Teile des
stammt das Bleinetz von 1861/64. Blaues Glas und roter Über- Grundes links und rechts, die Kniepartie des vorderen Königs,
fang mit Loch- und Fadenfraß; das Inkarnat Mariae stärker
korrodiert und verbräunt. 44 Es wäre zu überlegen, ob die zwei unterschiedlich aufwendigen
Ikonographie, Komposition: Wie für die Geburtsszene lassen Kopfbedeckungen der Verdammten auf einen Bildtypus verweisen,
sich auch für diese Szene zahlreiche Vergleichsbeispiele aus der auch in einer Psalterminiatur aus dem zweiten Viertel des 13. Jh.
der Buchmalerei des 13. Jh. beibringen. Im Gegensatz zu den begegnet, wobei den Vertretern der Stände darin verschiedene Höl-
beengten vielfigurigen Szenen erstrecken sich die Figuren über lenkreise zugewiesen werden (München, Bayerische Staatsbibliothek,
die gesamte Höhe der Scheibe und wirken dadurch monumen- Clm 11308); vgl. Schiller, III, 21986, S. 59, Abb. 150.
45 Die Behauptung von Beeh-Lustenberger 1965, S. 32, die beiden
taler.
Farbigkeit: Durch die verschränkte Farbgebung werden die Scheibenpaare seien erst später in die Sammlung gelangt, ist unhaltbar;
zwei Felder zusammengefasst. Maria in grünem Untergewand bereits die Sammlungsbeschreibung von 1805ff. erwähnt neben den
Scheiben im Rittersaal vier Glasgemälde in der Begräbniskapelle. Es
und rotem Mantel mit gelbem Futter; Schuhe und Nimbus gelb,
kann sich dabei nur um diese beiden Scheibenpaare handeln; zwei wei-
Inkarnat rosaviolett. Gabriel dagegen in rotem Untergewand tere Scheiben befanden sich vorübergehend in Eulbach.
und gelbem Mantel mit grünem Futter. Nimbus gelb, Flügel 46 Sie saßen noch 1891 in der genannten Kapelle, wo Schäfer sie be-
von oben nach unten rot/weiß/rot/blau/weiß, Inkarnat gelb- schrieben und in zusammengebautem Zustand fotografiert hatte; vgl.
lichweiß. Taube und Schriftbänder weiß. Schäfer 1891 (s. Bibl.), S. 61f., Fig. 34. – die Bordüren wurden in New
Foto MMA York ergänzt.
90 ehemals altenberg . klosterkirche
dessen Krone und zwei kleinere Stücke in der untersten Stufe Farbigkeit: Maria trägt ein grünes Gewand mit hellblau-
und im Giebel des Thrones. er Halsborte, einen roten Mantel mit gelbem Futter und ein
Ikonographie, Komposition: Das Motiv der thronenden Madon- weißes Kopftuch unter einer goldenen Krone; Nimbus rot,
na in der Anbetung ist im 13./14. Jh. weit verbreitet; es fi ndet Thron weiß/blau/gelb gestuft mit zwei weißen Fialen. Kind
sich bereits im Aschaffenburger Evangeliar (um 1250/60), dann hellblau gekleidet; Kreuznimbus grün/rot. König links mit
in dem Wandgemälde in der Fritzlarer Fraumünsterkirche, aber gelbem Mantel und hellblauem Hermelinfutter; daneben mit
auch noch in einem Wandgemälde des Südquerhauses der Wetz- gelbem Untergewand, violettem Mantel, weißem Handschuh.
larer Stiftskirche (um 1330). Erwähnung verdient überdies die Kniender König in hellblauem Untergewand und rotem, weiß
leider stark verblasste Darstellung einer thronenden Maria mit gefütterten Mantel und rotem Buckelpokal. Kronen gold; Stern
Kind in der Sakramentsnische des Altenberger Chores selbst gelb, rot umrandet. Schriftband weiß.
(wohl erst um 1330) 47. Foto MMA
Aus der oben bereits mehrfach erwähnten Beschreibung von Petrus Diederich geht hervor, dass alle fünfzehn Fenster
im Nonnenchor noch Mitte des 17. Jahrhunderts Wappen enthielten, von denen Diederich jedoch nur die neun unten
angeführten Scheiben bestimmen konnte (s. Reg. Nr. 1) 48 . Neben den in Aquarellen überlieferten Stifterscheiben des
deutschen Königs Adolf von Nassau und seiner Gemahlin Imagina, die sich im Besitz der Fürsten von Nassau-Usin-
gen in Biebrich befanden (Fig. 14), fehlen weitere Hinweise auf den ehemaligen Glasgemäldebestand.
ADOLF UND IMAGINA VON NASSAU Fig. 14 gin ausgewiesen: Adolfus romanor(um) (R)ex; Imagina regi(n)a.
Die zwei als Pendants konzipierten Stifterscheiben mit Adolf Adolf trägt neben einem grünen, vierfach geschlitzten Mantel
und Imagina von Nassau befanden sich ursprünglich unterhalb mit rotem Hermelinfutter rote Schuhe über grauen Beinlingen.
des Christuszyklus im Achsenfenster der Klosterkirche (vgl. Haare braun. Krone, Szepter, Schwert und Knopfleiste gelb.
S. 77f.). Sie sind jedoch nur mehr durch ein in Erbach bewahrtes Imagina ist mit einem weißen Schleier, einem ärmellosen, unge-
Aquarell überliefert. Adolf und Imagina sind in selbstbewuss- gürteten gelben Rock mit grünem Futter und einem roten Un-
ter Haltung, aufrecht stehend dargestellt, wobei Adolf sein tergewand bekleidet. Inkarnat gelblichweiß; Schuhe rot; Krone
Gesicht der Gemahlin zuwendet. Durch Krone und Szepter und Szepter gelb. Beide stehen auf einem roten, mit Maßwerk
sowie durch die Inschriften auf den beiden Spruchbändern in durchbrochenen Sockel mit grüner Standfläche. Hintergrund
gotischen Majuskeln werden sie als römischer König und Köni- und Rahmenborten wie im Christuszyklus. Aus dem Aquarell
47 Zum Aschaffenburger Evangeliar vgl. Swarzenski 1936, II, Abb. seine Gattin bezeichnet (Wilhelm Sauer, Nassauisches Urkunden-
227, zum Wandgemälde in Wetzlar Clemen 1930, I, Fig. 164, und zur buch I,3, Wiesbaden 1887, S. 100, Nr. 1616).
Sitzmadonna in Altenberg Zimmer 1990 (s. Bibl.), S. 129, Abb. 13. 51 Vgl. dazu Walter Heinemeyer, in: 700 Jahre Elisabethkirche in
48 Die drei Lanzettfenster der Westwand wurden offenbar erst 1768 Marburg 1283–1983, Marburg 1983, IV, S. 67.
zugemauert, wie aus der Inschrift in der mittleren Bahn hervorgeht. 52 Es ist jedoch nicht restlos geklärt, ob die Zeichnung dem Psalter
49 Vgl. Doepner 1999 (s. Bibl.), S. 314. erst nachträglich zugefügt worden ist; vgl. zuletzt Renate Kroos, in:
50 In den Stammtafeln zur Geschichte der europäischen Staaten III, AK Marburg 1981, S. 398f., Nr. 61 (mit Abb.).
hrsg. von Frank Baron Freytag von Loringhofen, Marburg 1956, 53 Doepner 1999 (s. Bibl.), S. 393f.
Taf. 87, ist dagegen verzeichnet, dass Mechthild von 1305 bis 1322 mit 54 Dies geht aus den Stammtafeln zur Geschichte der europäischen
Philipp III. von Isenburg verheiratet war. Andererseits soll Philipp in Staaten, hrsg. von Frank Baron Freytag von Loringhoven, NF 1,
zweiter Ehe 1306 mit Lukard von Isenburg verheiratet gewesen sein. Marburg 1984, Taf. 97, hervor.
Jedenfalls wird Mechthild in einer Urkunde vom November 1316 als
ehem. altenberg . klosterkirche / ehem. asmushausen . pfarrkirche 91
geht nicht eindeutig hervor, ob Adolf in Rüstung gezeigt ist mälde steht damit in engster Beziehung zu Gertrud von Alten-
und neben Eisenbeinlingen den für die Zeit üblichen vierfach berg, da ihre Eltern bei diesem Abschied gelobt haben sollen,
geschlitzten Waffenrock trägt. CVMA R 890 das Kind, wenn es ein Mädchen wird, in das Kloster Altenberg
zu geben 51. Während die Darstellungen des Abschieds in den
REICHSWAPPEN Chorfenstern und auf dem Schrein der Marburger Elisabeth-
Im Achsenfenster des Chores befand sich unterhalb der Stif- kirche stehende Figuren aufweisen, zeigt die Federzeichnung in
terbilder ursprünglich das Reichswappen auf gelbem Grund (s. dem in Darmstadt verwahrten, um 1250 offenbar für Gertrud
Reg. Nr. 1). Als Pendant im Feld daneben ist das nassauische angefertigten Psalterium-Diurnale Ludwig wie im verlorenen
Wappen anzunehmen. Altenberger Glasgemälde zu Pferd 52 .
WAPPEN VON ANDREAS UND GERTRUD WAPPEN VON OTTO UND AGNES VON NASSAU
VON UNGARN(?) Ein Wappen mit der Inschrift Otto comes, Agnes de Nassowe
Dieses Wappen befand sich nach Diederich auf der linken Seite befand sich auf der Südseite des Altars in Fenster süd VII. In
neben dem Altar auf der Nonnenempore (nord VIII). Diederich einem Nachtrag nennt Diederich noch ein zweites Wappen: (...)
überliefert als Wappenbild ein weiß gesatteltes Pferd mit einem an der canzel oder jungfern chor thor ist auch ein graffl iches wa-
gelben zaum und in einem roden stall und daroben stehet diesse pen mit dieser underschrift Otto comes Agnes comitissa de Nas-
wort Andreas rex, Ungarie, Getrudis. Das Wappen der Arpani- sowe (s. Reg. Nr. 1). Es bezieht sich auf den Begründer der nas-
den war jedoch, worauf Doepner hinweist, siebenmal in Rot sauisch-ottonischen Linie, Graf Otto von Nassau († 1289/90),
und Silber geteilt. Als Wappenfigur taucht ein Pferd im roten und seine Gemahlin Agnes von Leiningen († 1303), die beide in
Schild im Zusammenhang mit dem Herzogtum Braunschweig Altenberg begraben waren.
erstmals im 14. Jahrhundert auf. Winckelmann erwähnte die-
se Scheibe noch im Jahre 175449. STANDFIGUR GERLACHS VON LIMBURG
MIT WAPPEN
WAPPEN DER GRÄFIN MECHTHILD Diederich überliefert, dass diese Scheibe mit der Inschrift Ger-
VON ZIEGENHAIN lacus de Limporgh eine Standfigur mit einem Schwert in der
Dieses Wappen mit der Inschrift mechtildis de Ziegenhain stand Hand und ein Wappen umfasste. Diese befand sich über der
ebenfalls auf der Nordseite, im Fenster neben dem Wappen von Kirchentür auf der Nordseite des Langhauses (nord V). Diede-
Gertruds Großeltern (nord VII). Es kann sich dabei nur um das rich brachte sie mit dem Vater der im Achsenfenster dargestell-
Wappen der 1267 geborenen und 1332 verstorbenen Tochter des ten Königin Imagina, mit Gerlach I. von Isenburg-Limburg
Landgrafen Heinrich I. von Hessen, der Großnichte Gertruds (1232–1297), in Verbindung. Ob es sich dabei um eine Stiftung
handeln, die in erster Ehe mit Gottfried VI. von Ziegenhain Gerlachs, eine Memorialstiftung seiner Tochter oder um eine
(† 1304) verheiratet war. Da Mechthild in zweiter Ehe 1309 Stiftung Gerlachs II. (1312–1355) handelt, muss offen bleiben.
Philipp III. von Falkenstein-Münzenberg heiratete, muss die Für Gerlach II. spräche seine Schwägerschaft mit der otto-
Scheibe vorher entstanden sein 50 . Auch dieses Stück befand sich nischen Linie der Grafen von Nassau und die Regierungszeit
nach Winckelmanns Beschreibung 1754 noch in Altenberg. der magistra Mena von Limburg (1341–1353), deren Herkunft
aus dem Geschlecht der Herren von Isenburg zu Limburg sehr
WAPPEN UND ABSCHIEDSSZENE VON wahrscheinlich ist 53.
LUDWIG UND ELISABETH VON THÜRINGEN
In einem Nachtrag beschreibt Diederich diese Scheibe ab- WAPPEN DER GRÄFIN ELISABETH VON SAYN
weichend von den übrigen in lateinischer Sprache. Das Glas- Die Scheibe mit der Inschrift Elizabetha comitissa de syna be-
gemälde muss auf der Epistelseite, d.h. südlich des Altars im fand sich im Fenster über der Treppe zum Jungfernchor (süd
Nonnenchor gesessen haben (süd VII). Neben dem Wappen IV). Das Glasgemälde muss mit einer weiteren Großnichte
des Landgrafen Ludwig war die Abschiedsszene zwischen der Gertruds, mit der Schwester Mechthilds von Ziegenhain in
Hl. Elisabeth und Ludwig dargestellt, als dieser zu Pferd zum Verbindung gebracht werden, die seit 1287 mit Johann I. von
Kreuzzug aufbrach, wie Diederich überliefert. Dieses Glasge- Sayn verheiratet war, aber bereits 1293 verstarb54.
Bibliographie: Dehn-Rotfelser/Lotz 1870, S. 371 (»Von den bei einer Erneuerung der Fenster vor etwa 10 Jah-
ren sorglos zerstörten Glasmalereien ist nur noch ein handgroßes Stück in einem Fenster erhalten geblieben«); MHG
1906/07, S. 3 (Auflistung von Kirchenbauten mit erhaltener mittelalterlicher Glasmalerei); Dehio Hessen 21982, S. 30
(»in einem Chorfenster kleine Rundscheibe mit Malerei, 1. Hälfte 16. Jh.«).
Gegenwärtiger Bestand: Im Zuge baulicher Renovierungsmaßnahmen in den Jahren 1968–1970 wurde eine kleine,
bis dahin in situ befindliche Rundscheibe ausgebaut und dem nahe gelegenen Pfarrhaus zur Aufbewahrung übergeben.
92 ehemals asmushausen . pfarrkirche
zwischen der Verglasung von Lanzetten und Maßwerk bei Arbeiten dieses Anspruchsniveaus nicht vorausgesetzt
werden sollten, wird man sich grundsätzlich auch divergierende Bildmotive in den darunter befindlichen Öffnungen
vorstellen können. Vielleicht waren die Märtyrer- oder Heiligendarstellungen auf die Couronnements der Chorfens-
ter beschränkt, während mariologische oder christologische Themen in den Lanzetten im Chorschluss ausgebreitet
wurden.
Vom künstlerischen Anspruch besitzt die Scheibe eher volkstümlichen Charakter, wobei die Darstellung durch die
derbe Schilderung des grausamen Martyriums durchaus an Eindringlichkeit gewinnt. Der Glasmaler beschränkte sich
auf eine einfache, an Holzschnitte erinnernde Strichzeichnung unter sparsamer Verwendung paralleler Schraffuren,
wobei der flächige, ins Braunorange gehende Silbergelb- sowie der Lotauftrag einzelne farbige Akzente setzt. Aus dem
dünnen Überzug sind ein kaum mehr sichtbares florales Hintergrundmuster und der Fliesenboden herausradiert. Das
im Marburger Universitätsmuseum aufbewahrte Kopffragment einer jungen Frau dagegen ist nicht nur motivisch,
sondern auch in technischer Hinsicht, durch Herauskratzen der Lichter aus den kräftigeren Halbtonüberzügen und
den Einsatz von hellem Silbergelb, insgesamt ansprechender gestaltet. Dass man in den Landkirchen Nordhessens bis-
weilen mit einer derart bescheidenen Qualität zu rechnen hat, wird durch weitere Verglasungsreste im nahen Iba be-
stätigt. Den beiden Rechteckscheiben mit Heiligenfiguren ist ihre dürftige Machart möglicherweise zum Verhängnis
geworden, da sie nach der vor mehreren Jahrzehnten erfolgten Auslagerung heute nicht mehr auffindbar sind (hierzu
S. 508). Weniger das Stilbild als realienkundliche Details geben hier ungefähre Anhaltspunkte zu einer Datierung der
Scheiben in spätmittelalterliche Zeit, die mit der Bauzeit des Chores in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts fraglos
zu vereinbaren ist. Dabei wird man nicht fehlgehen, ihre Entstehung in der Region zu vermuten.
Vorbemerkung zum Katalog: Die Rundscheibe wurde Anfang September 2000 im Pfarrhaus untersucht und fotogra-
fiert. Die Aufnahme des Kopffragments in Marburg erfolgte im Oktober 2001.
MARTYRIUM DES HL. ERASMUS Fig. 34, Abb. 17 wird. Erasmus hat beide Hände erhoben und präsentiert die
Durchmesser 13,5 cm. unter die Fingernägel getriebenen Pfriemen, während ein von
Erhaltung: Zur Sicherung des Sprunges wurde der Monolith rechts kommender Scherge in Schaube und Pelzhut im Begriff
mit einer irreversiblen außenseitigen Nassdoublierung verse- ist, mit erhobenem Schwert auf sein Opfer einzuschlagen. Die
hen. Im Durchlicht lässt sich neben der beginnenden Vergil- simultane Zusammenschau mehrerer Martern, die der Heilige
bung des Kunstharzgemisches eine starke Blasenbildung er- über sich ergehen lassen musste, hat sich in den Holzschnitten
kennen, welche die Lesbarkeit des Bildmotivs beeinträchtigt. des 15. Jahrhunderts zur gängigen Bildform entwickelt (Fig.
Die innenseitige Konturzeichnung zeigt sich intakt, ebenso die 35) 2 . Erasmus war um das Jahr 300 Bischof von Antiochia und
Halbtonüberzüge, doch ist die Oberfläche durch fortgeschrit- wurde in Sirmium (Serbien) unter Diokletian und Maximi-
tene Lochfraßbildung stärker angegriffen. Die Scheibe ist in an gefangen gesetzt, wo er sämtliche Martern »in strahlender
neues Blei gefasst. Schönheit« überstanden haben soll. Im Spätmittelalter wurde
Ikonographie: Der Heilige steht mit entblößtem Oberkörper, Erasmus als Patron gegen Unterleibsschmerzen verehrt und
nur mit Mitra und Lendenschurz bekleidet, bis zu den Hüf- fand Aufnahme in die Gruppe der Vierzehn Nothelfer.
ten in einem siedenden Kessel, der von unten mit Holz beheizt CVMA KB Dia
30. MÄDCHENKOPF Abb. 18 Technik: Frisur, Haube und Rankengrund sind mit außensei-
H. 16,5 cm, B. 10 cm. tigem Silbergelbauftrag farblich akzentuiert. Die Lichter sind
Erhaltung: Der Monolith zeigt einen vom Mund ausgehenden etwas ungeschickt mit der Nadel aus dem Halbtonüberzug he-
Spinnensprung. Die Malschichten sind ansonsten intakt. Vor rausradiert.
wenigen Jahrzehnten war die Scheibe noch in eine größere CVMA J 12823, Großdia J 01/193
kreisrunde Bleiverglasung eingebettet.
Ikonographie: Zu sehen ist die Büste einer jungen Frau, die
sich mit scheuem, zu Boden gerichtetem Blick nach rechts 1 Braun 1943, Sp. 224 –230 (mit weiteren Beispielen).
wendet. Sie trägt eine modische Stoffhaube über den seitlich 2 So auf einem in Dresden befi ndlichen Einzelblatt (T.I.B. 165,
zu Zöpfen hochgebundenen Haaren. Der Hintergrund ist mit S. 38, Nr. 1410–1). Auf zwölf Marterszenen bringt es ein weiterer, heute
ausradierten Blütenranken geschmückt. Ein ikonographischer in der Pariser Nationalbibliothek aufbewahrter Holzschnitt (ebenda,
Kontext ist nicht mehr zu erschließen. S. 36, Nr. 1409–1).
BRAUNFELS · SCHLOSS
Bibliographie: Paul Lehfeldt, Die Bau- und Kunstdenkmäler des Regierungsbezirks Coblenz, Düsseldorf 1886,
S. 697 (»Glasbilder im Zimmer über dem Elisabethzimmer, 16. bis 18. Jahrhundert«).
Gegenwärtiger Bestand: Das kleine Langhausfenster nord IV auf der Empore der Schlosskirche besitzt Reste mit-
telalterlicher Glasmalerei; der moderne Maßwerkrahmen zeigt die seitenverkehrt eingesetzte Halbfigur einer Maria
mit Kind. Als Zwickelfüllungen fanden hier Blattstücke unbekannter Herkunft Verwendung (Fig. 37f., Abb. 19). Im
sogenannten Gotischen Zimmer des Schlosses, das Teile der Sammlungen beherbergt, wird zudem eine neuzeitliche
Wappenrundscheibe aufbewahrt, die hier trotz ihrer späten, aus dem Erfassungszeitraum fallenden Entstehung be-
handelt wird, da sie in dem bereits veröffentlichten Inventarband zu den Glasmalereien in Mittelfranken und Nürn-
berg extra muros (CVMA Deutschland X,1) als verschollener Bestand erwähnt worden war (Abb. 23)1.
1. SCHLOSSKIRCHE
Geschichte des Baues und seiner Verglasung: Die majestätisch auf einer Basaltkuppe gelegene Burganlage, seit
dem 13. Jahrhundert Stammsitz der Grafen zu Solms-Braunfels, verdankt ihre eindrucksvolle Turmsilhouette einer
durchgreifenden historistischen Neugestaltung in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts. Doch ist die Kernburg
mit ihren spätmittelalterlichen Erweiterungsbauten und dem mehrmals verstärkten Bering noch zu Teilen erhalten.
Der Neubau der Schlosskirche im Jahr 1501 fällt in eine Phase politischer Konsolidierung; unter Graf Otto (1426–1504)
hatte das gräfliche Haus durch territoriale Zugewinne einen Höhepunkt seiner Macht erreicht 2 . Otto ließ damals die
ältere, den repräsentativen Ansprüchen offenbar nicht mehr genügende Anlage abtragen und über der tunnelartigen
Hauptzufahrt eine dreischiffige und dreijochige Halle mit eingezogenem Chorpolygon errichten. Während des ver-
heerenden Schlossbrandes im Jahre 1679 brannte auch die Kirche aus, die anschließend nur notdürftig instand gesetzt
wurde3. Im Zuge der Renovierungsmaßnahmen von 1868 sind unter anderem sämtliche Fensterrahmen erneuert wor-
den. 1902 erhielt die Kirche eine bunte Ausmalung, die damalige Wiederherstellung umfasste auch eine figürliche Neu-
verglasung: Die historistischen Chorfenster aus der Werkstatt Albert Zentners in Wiesbaden wurden einer Inschrift
zufolge von Prinzessin Ebba zu Solms-Braunfels und Oberpfarrer Bingel gestiftet.
Zur Frage des ursprünglichen Standorts: Trotz ihrer zeitnahen Entstehung kann nicht mehr mit Sicherheit ent-
schieden werden, ob die Scheibe zur ursprünglichen Ausstattung der Schlosskirche gehört. Denn einerseits sitzt die
Glasmalerei – wie überhaupt die gesamte Verglasung der Schlosskirche – in modernen hölzernen Maßwerkrahmen4.
Andererseits wurden in den Zwickeln des betreffenden Emporenfensters nachweislich ortsfremde Bestände wieder-
verwendet 5. Fürst Wilhelm Christian Carl verwandte offenbar Teile seiner Glasmalereisammlung zur Neuausstattung
der Kirche, vielleicht auch zur Einrichtung des 1845 im neugotischen Stil umgebauten Rittersaals. Möglicherweise
waren also bereits während des verheerenden Schlossbrandes von 1679 sämtliche Glasmalereien zerstört und infolge-
dessen die Maßwerke ausgeschlagen worden, sodass nicht nur die Rekonstruktion der Fensterformen, sondern auch
die zugehörige Neuverglasung auf eine Regotisierungsmaßnahme des 19. Jahrhunderts zurückzuführen sein könnte.
Erhaltung: Marienscheibe wie Maßwerkzwickel sind seitenverkehrt eingesetzt. Auf der Außenseite zeigt sich be-
ginnender Lochfraß, wohingegen die Rückseite noch kaum Verwitterungsspuren aufweist. Die Ergänzungen lassen
sich verschiedenen Restaurierungsphasen zuweisen. Während der ältere Eingriff wohl im Zusammenhang mit der
Erneuerung der Fensterrahmen von 1868 steht, dürfte die jüngere Reparaturmaßnahme durch jene Werkstatt vorge-
nommen worden sein, welche im Jahr 1904 auch die Chorverglasung angefertigt hatte. Das Gesicht Marias durchzieht
ein Sprung, der Hintergrund weist eine Fehlstelle auf.
Technik, Stil, Datierung: Die Schattenmodellierung ist aus den trocken gestupften Überzügen herausgearbeitet,
dazu sind beim Kind erstaunliche anatomische Details wie Bauchfalten und Fußknöchel in dünnen Linien angelegt,
eine ganz unnatürlich kräftige Äderung überzieht auch den Handrücken Marias. In Technik und Zeichenstil schwingt
trotz der eigenwilligen schlanken Physiognomien mit ihren leicht karikaturhaften Zügen noch die Kenntnis Straß-
burger Glasmalerei um Peter Hemmel von Andlau mit. Die Verwandtschaft wird vor allem in der Gestalt des Kindes
greifbar, das wie bei der Oberehnheimer Muttergottes mit der Königskerze seine Fußunterseite präsentiert (Fig. 37) 9.
Charakteristisch sind weiterhin dünne hochgezogene Augenbrauen, eine zugespitzte Mundform und tiefschwarze
Augenlöcher.
Hinsichtlich der gestalterischen Mittel stehen der Braunfelser Madonna die Scheiben einer Hl. Sippe in der Hanauer
Marienkirche und die Restscheiben der Pfarrkirche in Büttelborn nahe. Daniel Hess hatte für beide Bestände bereits
einen vermutlich an den Mittelrhein abgewanderten Mitarbeiter der Straßburger Werkstattgemeinschaft verantwort-
6 Eine vergleichbare Lösung zeigt ein etwa gleichzeitig entstandener, 8 Über die Identität der Dargestellten herrscht Uneinigkeit. Während
heute im Niedersächsischen Landesmuseum Hannover aufbewahrter Magnus Backes, in: Dehio Hessen 21982, S. 103, darin Graf Otto se-
Maßwerkzwickel ungeklärter Provenienz; vgl. Daniel Hess, Meister hen will, vermutet Schellenberg 1990 (wie Anm. 3), S. 427, dessen
um das »mittelalterliche Hausbuch«. Studien zur Hausbuchmeister- Sohn Bernhard (1504–1547) und leitet daraus eine Fertigstellung des
frage, Mainz 1994, S. 60f. mit Abb. 59 (mit Zuschreibungsversuch an Kirchenbaus erst in dessen Regierungszeit ab. – Einen Hinweis auf
Meister Erhart von Mainz). die verlorenen Heiligen könnten die Altarpatrozinien geben: Die fünf
7 Vgl. etwa den Kupferstich Martin Schongauers (L. 40). Für weitere in der Kirche aufgestellten Altäre waren der Jungfrau Maria, Anna,
Abbildungen dieses Motivs siehe T.I.B. 164, 1992, S. 72–82, Nr. 1047– Christophorus, Georg und Sebastian geweiht.
1057. 9 AK Ulm 1995, Nr. 24.
96 braunfels . schlosskirche
lich gemacht10 . Peter Hemmel hatte im Übrigen bereits im Jahr 1475 ein Fenster in den Frankfurter Dom geliefert, des-
sen Vorbildhaftigkeit – vergleichbar der des Volckamer-Fensters im Falle Veit Hirsvogels in Nürnberg – den Ausschlag
für einzelne ortsansässige Glasmaler gegeben haben könnte, beim Straßburger Großbetrieb in die Lehre zu gehen oder
die Wanderzeit zu verbringen. Eine Ausbildung unseres Meisters im Umfeld einer mittelrheinischen, straßburgisch
geschulten Werkstatt wäre durchaus vorstellbar; allein aufgrund bloßer Anschauung der vorbildhaft empfundenen
Glasmalereien sind diese Bezüge jedenfalls schwerlich zu erklären.
Mittelrhein, um 1500.
Vorbemerkung zum Katalog: Untersucht und fotografiert im Frühjahr 1994 und ein weiteres Mal im Oktober 2006.
Die seitenverkehrt eingebaute Scheibe wird im Erhaltungsschema seitenrichtig wiedergegeben.
1AB MARIA MIT KIND Fig. 37f., Abb. 19 1/2A, 1/2B MASSWERKORNAMENTE Fig. 38, Abb. 19
H. 65 cm, B. max. 41 cm. 1A: H. 24 cm, B. 8 cm; 1B: H. 25 cm, B. 7,5 cm; 2A/2B: H./B.
Ikonographie, Komposition: Maria erscheint in Halbfigur auf jeweils ca. 8,5/6 cm.
der Mondsichel und hält mit beiden Händen das nackte Kind, Zur Frage des ursprünglichen Standorts: Die Blattmuster sind
das sich ihr an den Hals schmiegt. Der Knabe sitzt auf einem, jenem Bestand ornamentaler Glasmalereien unbestimmter
die Konturen des Maßwerks nachzeichnenden Steinrahmen Herkunft zuzuordnen, der spätestens in den 1980er Jahren in
und hat ein Bein locker über die Mondsichel gelegt. das Stadtmuseum überführt wurde und dort heute nicht mehr
Farbigkeit: Maria im weißen Mantel und blauen Untergewand auffi ndbar ist. Die Bearbeitung dieser spätromanischen Orna-
mit dunkelgelber Krone; Strahlennimbus und Haare sind mit mentreste erfolgt unter den verlorenen Scheiben im Anhang.
Silbergelb in variierender Konzentration eingefärbt. Die roten Erhaltung, Farbigkeit: Die weißen Blattstäbe in 1A und 1B
Farbgläser im Hintergrund stammen von der letzten Restau- sind seitenverkehrt eingesetzt. Mehrere Sprünge. Während die
rierung. roten, teils aus gemusterten Gewandteilen bestehenden Flick-
CVMA G 8820, A 10455f. stücke außenseitig bereits fortgeschrittene, mitunter deckende
Korrosion aufweisen, ist nur das Blattstück in 1B auf der In-
nenseite von Lochfraß angegriffen.
CVMA G 8820, A 10455f.
10 Zur Frage der Identifi kation des Meisters mit Werner Störe, einem
der fünf Meister der »Werkstattgemeinschaft«, vgl. Hess 1999, S. 57,
252–254. – Zur Werkstattgemeinschaft zuletzt: Hartmut Scholz, in:
AK Ulm 1995, S. 13–26; zu Büttelborn s. demnächst den in Vorberei-
tung befi ndlichen Band Darmstadt, Süd- und Rheinhessen (CVMA
Deutschland III,1) von Uwe Gast.
11 Zum ehemaligen Standort Fürth vgl. Scholz 2002, I, S. 161–166.
Ich danke Hartmut Scholz für die Identifi zierung des Wappens und
den treffenden Hinweis auf Fürth.
braunfels . gotisches zimmer 97
Fig. 39. Graf Otto von Solms-Braunfels mit Gemahlin und Kindern in Verehrung vor der Gottesmutter mit Kind
im Strahlenkranz. Braunfels, Schlosskapelle, um 1500.
2. GOTISCHES ZIMMER
RUNDSCHEIBE MIT WAPPEN KOELER Abb. 23 ner Helmdecke in den Farben Schwarz und Silber. Die Helm-
Durchmesser 30,5 cm (34 cm mit Eisenrahmen). zier präsentiert wiederum den Adler, diesmal mit dem Rad im
Zu Frage des ursprünglichen Standorts: Mit an Sicherheit gren- Schnabel. Das Wappen steht vor gelbem (oben) und orangefar-
zender Wahrscheinlichkeit stammt die Wappenscheibe aus dem bigem (unten) Damastgrund, wobei die Farbnuancen mit Sil-
Chor der Pfarrkirche St. Maria im fränkischen Fürth. Dorthin bergelb in unterschiedlicher Konzentration erzielt wurden. Der
hatte bereits der Nürnberger Patrizier Nikolaus Koeler († 1497) blaue Randstreifen ist in Form eines Lorbeerkranzes gestaltet.
eine heute verlorene Farbverglasung für ein Fenster gestiftet. Stil, Datierung: Einen Anhaltspunkt zur Datierung kann das
Ein Nachfahre der Familie, Benedikt Koeler (1585–1632), hielt Aquarell der von Benedikt Koeler überlieferten Fensterstiftung
den Zustand des Fensters in einer aquarellierten Zeichnung in Fürth geben. Dort ist dem Koelerwappen eine zweite Wap-
fest11. In Zeichnung und Farbigkeit stimmt die in Position 3a penrundscheibe zur Seite gestellt, die sich möglicherweise mit
abgebildete Wappenrundscheibe mit unserer Scheibe über- der Augsburger Familie Mülich verbinden lässt14. Hieronymus
ein. Nach den dargestellten Wappenallianzen ließen entweder (1542–1613) war seit 1578 in erster Ehe mit Magdalena Mülich
Hieronymus Koeler (1507–1573) oder dessen gleichnamiger verheiratet, die 1609 verstarb. Demnach könnte die gesamte
Sohn (1542–1613) das Chorfenster vollständig »verneuen«12 . Im Fensterstiftung auf Hieronymus d.J. zurückgehen. Vielleicht
Jahr 1815 wurden die »schönen Glasmalereien, die den Chor der wurde mit der Ausführung der Glasmaler Hans Stein betraut,
Kirche zierten, beseitigt und nur einige unbedeutende zurück- der 1587 auch Reparaturen am Tucher-Fenster vornahm.
gelassen«. Ob die Scheibe bereits damals oder erst zu einem Nürnberg, um 1580/1600. CVMA KB Dia
späteren Zeitpunkt in den Besitz der Grafen zu Solms-Braun-
fels gelangt ist, ließ sich nicht ermitteln.
Erhaltung: Ohne Ergänzungen. Ein Stück des Lorbeerrahmens
wurde seitenverkehrt eingesetzt, hier auch mehrere Sprünge.
Der deckende Braunlotauftrag ist partiell ausgebrochen, wäh-
rend die außenseitigen Silbergelb- und Schattenlagen vollkom-
12 Scholz 2002, I, S. 163, Fig. 63.
men intakt sind. Das Wappen wurde in einen kräftigen Eisen-
13 Hannah S.M. Amburger, Die Familiengeschichte der Koeler. Ein
rahmen eingekittet und neu verbleit.
Beitrag zur Autobiographie des 16. Jahrhunderts, in: Mitteilungen des
Ikonographie, Farbigkeit, Technik: Die Rundscheibe zeigt das Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 30, 1931, S. 155–288.
Wappen des Nürnberger Patriziergeschlechts der Koeler13. 14 Adolf Schwammberger, St. Michael-Kirchenfenster um 1600, in:
Geteilt von Schwarz und Silber ein halber schwarzer Adler an Fürther Nachrichten Nr. 253 vom 27./28. Oktober 1956, o. S. Im Ge-
der Teilung und ein sechsspeichiges silbernes Rad. Darüber gensatz zu älteren Wappenbildern der Familie Mülich sind Schild und
ein blauer Stechhelm mit akanthusblattförmig ausgeschnitte- Lilie hier allerdings in Gold und Blau gespalten.
98 braunfels
Fig. 40–42. Ornamentscheiben unbestimmter Herkunft. Ehemals Braunfels, Stadtmuseum (verschollen). Um 1260/70.
Drei Ornamentscheiben – zwei Kopfscheiben und ein Dreipass – wurden zusammen mit weiteren nachmittelalterlichen
Wappenscheiben aus Kloster Altenberg vor mehreren Jahrzehnten durch Werner Urban in das Braunfelser Stadtmuse-
um überführt, wo sie Teil einer ständigen Ausstellung waren15. Nach den im Jahr 1994 erfolgten Umbaumaßnahmen
sind die Glasmalereien heute vor Ort nicht mehr auffindbar; ihr Verbleib ist unbekannt. Allerdings existieren Foto-
grafien der Ornamentscheiben, die weitergehende Aussagen zu Stil und Datierung erlauben. Das Grundmotiv zeigt
eine Rautenkette aus Zickzackbändern mit einbeschriebener großer Blüte aus paarigen Palmettenblättern und gelb-
em Stempel. Eine zweite, dazu vertikal versetzt laufende Rautenkette aus schmaleren Perlbändern mündet mittig im
Blütenstempel. In den rot hinterlegten Zwischenräumen liegen weitere Blätter. Im Dreipass schlingen sich die Zweige
paarweise durch einen gelben, blaugrundigen Ring; sämtliche originalverbleiten Felder werden von einem breiten
Perlbandstreifen gerahmt. Einer mündlichen Überlieferung zufolge soll es sich hierbei um Restbestände aus der Alten-
berger Klosterkirche handeln. Das Stilbild legt eine Entstehung der Glasmalereien nach der Mitte des 13. Jahrhunderts
nahe, was mit der zeitlichen Ansetzung des Chorbaus in Altenberg durchaus zusammenfiele. Allerdings lassen sich
die Scheiben von ihren Maßen mit keiner der heute noch vorhandenen Fensteröffnungen verbinden16 . Dagegen haben
sich im Hessischen Landesmuseum in Kassel zwei Kopfscheiben mit Rankenornamenten erhalten, die nicht nur die
gleichen Maße besitzen, sondern auch technisch von gleicher Machart sind (s.u. Kassel, Nordshausen). Carl Schäfer
überliefert uns ihre Herkunft aus der ehem. Zisterzienserinnenklosterkirche Nordshausen in Kassel17. Eine solche Zu-
weisung wäre mit der Baugeschichte des Klosters gut zu vereinbaren, das gegen 1262 neu errichtet wurde. Allerdings
sind auch hier am Kirchengebäude selbst keine passenden Fensteröffnungen mehr vorhanden, sodass hierfür einzig der
heute abgetragene Bereich der Klausur in Frage käme. Dieser Gruppe lässt sich möglicherweise eine weitere, bislang
unbekannte Kopfscheibe im Depot von Schloss Wilhelmshöhe hinzufügen, die den Rest einer Architekturbekrönung
zeigt (s.u. Kassel, Schloss Wilhelmshöhe, Nr. 52).
15 Die im Museum aufbewahrten nachmittelalterlichen Glasmale- berger Klosterkirche besitzen dagegen ein Breitenmaß von mehr als 55
reien bestanden aus einem Wappenscheibenfragment mit der Inschrift cm. Zwar sind auch die figürlichen Kopfscheiben aus dem Achsenfens-
Maria Schenck zu Schweinsberg fraun Meisterin zu Aldenburg a(nno) ter heute lediglich 37 cm breit, doch haben diese ihren ursprünglichen
d(omi)ni 1570 und dem Rest einer Kartusche mit Wappen, jenem im breiten Randstreifen verloren, während die verschollenen Ornament-
Chorfenster süd III noch in situ erhaltenen Rechteckfeld verwandt. felder ihren Perlbandstreifen noch bewahrt hatten.
16 Die Maße der Kopfscheiben betrugen ca. 27 x 36,5 cm, die des Drei- 17 Schäfer 1881 bzw. 1910, S. 171 und Abb. 35.
passes 34 x 38 cm. Die Lanzetten in Chor und Langhaus der Alten-
DAGOBERTSHAUSEN · PFARRKIRCHE
Bibliographie: Christoph von Rommel, Geschichte von Hessen, I: Von den ältesten Zeiten bis zum Anfang der
Landgrafschaft Hessen, Marburg 1820, S. 57f., Anm. 20 (»noch sieht man in den Kirchenfenstern von Dagobertshau-
sen ein Glasgemählde, welches einen vor der Muttergottes knienden König vorstellt«); Wilhelm Bach, Kirchensta-
tistik der evangelischen Kirche im Kurfürstentum Hessen, Kassel 1835, S. 355 (»in dieser Kirche befanden sich drei
Fenster mit Glasgemälden, deren eines einen vor der Mutter Gottes knienden gekrönten Mann vorstellte«); Christoph
von Rommel, Über Quellen und Hülfsmittel der hessischen Geschichte, in: ZHG 1, 1837, S. 77–119, hier S. 93 (be-
richtet im Kapitel zu historischen Heldensagen, dass König Dagobert »in dem nun zertrümmerten Kirchenfenster zu
Dagobertshausen an der Fulda gekrönt und kniend vor einem Christusbild dargestellt« war, was die »historische That-
sache« seines Sieges bei Mörschen und Beisenfurt bestätige); Dehn-Rotfelser/Lotz 1870, S. 30f., 341f. (»sehr geringe
Reste von Glasmalerei«; der Kirche wurden mehrfach Glasmalereien zur Ausstattung der neu errichteten Löwenburg-
kapelle auf der Wilhelmshöhe entnommen, die dort jedoch keine Verwendung fanden und teilweise in das Kasseler
Museum gelangten); Aloys Holtmeyer, Dagobertshausen, in: Hessenland 30, 1916, S. 257–259 (der Hauptschmuck
der Kirche, die Glasmalereien, wurde nach Kassel gegeben, ihr Verbleib ist ungewiss); Gottfried Ritter, Kirchliches
Handbuch. Beschreibung der Gemeinden der evangelischen Landeskirche in Hessen-Kassel, Kassel 1926, S. 299 (folgt
Bach); Dolff-Bonekämper 1985, S. 115f. (Bericht der Erwerbsumstände im Zusammenhang mit der Ausstattung der
Löwenburgkapelle); Anja Dötsch, Die Löwenburg im Schlosspark Kassel-Wilhelmshöhe. Ein künstliche Ruine des
späten 18. Jahrhunderts (Studien zum Kulturerbe in Hessen 3), Text- und Tafelband, Regensburg 2006, I, S. 97, 138, II,
Taf. 58 (vermutet eine Herkunft der heute im HLM deponierten Scheiben aus Immenhausen).
Gegenwärtiger Bestand: Zwei Fenster auf der Südseite des Chores zeigen in den Maßwerkdreipässen noch Reste
ihrer ursprünglichen Farbverglasung (Abb. 20f.). Zwei weitere figürliche Restscheiben gelangten im 19. Jahrhundert an
das Museum Fridericianum, seit 1913 Hessisches Landesmuseum in Kassel (Fig. 43f., Abb. 22, 24).
Geschichte des Baues: Die Kirche des einige Kilometer südwestlich von Melsungen an der Fulda liegenden, nicht
mit dem gleichnamigen Ort bei Marburg zu verwechselnden Dagobertshausen wurde laut einer Urkunde von 1194
(Dageboldishus) Filiale von Sippershausen und ging damals aus dem Besitz des Klosters Hersfeld an die Tochterprops-
tei Aue über. Im Ort selbst muss auch ein herrschaftlicher Hof bestanden haben, der später gleichfalls Eigentum der
Kirche wurde, denn im Jahr 1453 hielt Landgraf Ludwig dort einen Schiedstag ab. Im heute bestehenden Bau deuten
möglicherweise einige im Mauerwerk als Spolien verwendete Konsolsteine auf einen Vorgängerbau des frühen 14.
Jahrhunderts hin1. Die jetzige, um 1440 aus Hausteinen und Eckquadern errichtete, für ein kleines Dorf überra-
schend stattliche Anlage ist ein einheitlicher einschiffiger Bau mit quadratischem zinnenbekränzten Wehrturm im
Westen und einem breiten zweijochigen Schiff mit eingezogenem Chor, der aus zwei Jochen und einem 5/8-Schluss
mit vergleichsweise tiefliegendem Rippengewölbe besteht. Chor und Langhaus sind gleichmäßig mit zweibahnigen,
überwiegend vierzeiligen Maßwerkfenstern durchlichtet, wobei sich die Fenster im Sanktuarium durch ein reicher
variiertes Couronnement auszeichnen. An der Chornordseite, wo eine kleine Sakristei angebaut ist, wurde auf die
Durchfensterung verzichtet. Im Dreißigjährigen Krieg haben kaiserliche Soldaten unter General Götz die ehemals
der Gottesmutter Maria geweihte Kirche in Brand geschossen, wobei vor allem das Langhaus, das wohl niemals ein-
gewölbt war, stark in Mitleidenschaft gezogen wurde. Wahrscheinlich hat man erst im Zuge der 1691 abgeschlossenen
Wiederherstellungsmaßnahmen die beiden östlichen Langhausfenster zur Verbesserung der Lichtverhältnisse nach
unten verlängert. Weitere Instandsetzungen erfolgten dann 1784 (Altarinschrift), 1840/41 und schließlich in den Jahren
1890/91, als die Kirche eine neue Verglasung erhielt. Die letzte umfassende Sanierung von Architektur und Ausstat-
tung wurde 2004 abgeschlossen.
1 Dieser Hinweis ist einer im Pfarrarchiv in Manuskriptform vorlie- zu Beginn der fünfziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts angefer-
genden Baudokumentation von Dieter Großmann entnommen, welche tigt wurde.
100 dagobertshausen . pfarrkirche
Erhaltung: Einige Glasstücke wurden im Zuge der Renovierung im ausgehenden 19. Jahrhundert ersetzt; die damals
vollständig erneuerte Maßwerkfüllung in Chor süd IV geht dabei möglicherweise auf ein heute verlorenes Original
zurück. In Chor süd III hat sich partiell altes Blei erhalten. An den außenseitig in braunem Halbton aufgetragenen
Schattenlagen ist die Oberfläche durch vermehrte Korrosion aufgeschlossen. Deckender außenseitiger Lochfraß findet
sich vor allem an hell- und dunkelvioletten Glasstücken, in den Randbereichen finden sich einige Sprünge. Auf den
Randgläsern liegen vermehrt Farbspuren, die wohl auf die jüngste Neuausmalung der Wände zurückzuführen sind.
Rekonstruktion, ikonographisches Programm: Einer nicht mehr verifizierbaren Überlieferung zufolge sollen
sich im Chorachsenfenster der Dagobertshauser Kirche Maria und Joseph, König Dagobert mit Gemahlin und ein
Ritter befunden haben, links davon eine Anbetung der Könige mit zwei Frauenbildnissen, rechts das Bildnis Jesu, um-
geben von 3 Lilien. Der kurhessische Archivdirektor Christoph von Rommel glaubte in einem Fenster den gekrönten
König Dagobert vor Christus kniend erkannt zu haben. Allerdings ist dieser Aussage mit Vorsicht zu begegnen, da
Rommel als Landeshistoriker ein eigenes Interesse an einem bildlichen Nachweis besaß, welcher die Rolle Dagoberts
bei der Christianisierung Hessens bestätigen sollte. Es wäre daher naheliegender, hinter dieser Beschreibung eine Ge-
burt mit Stifterfiguren oder eine Anbetung der Könige zu vermuten. Aus einem Schreiben des Oberhofbaumeisters
Bromeis an Pfarrer Zuschlag erfährt man immerhin von Größe und Umfang des damals nach Kassel abtransportierten
Bestandes: (…) daß gen. Glasermeister (…) 18 vierkantige Gefache jedes zu 21 bis 24 Zoll hoch und 18 bis 19 Zoll breit
so wie 9 spitze Gefache, richtig anher geliefert hat, der größere Theil davon ist jedoch sehr schadhaft (…) (s. Reg. Nr. 8).
Diese Menge entspricht ungefähr dem Umfang zweier Fenster bzw. dreier Fenster etwa des Chorschlusses ohne die
unteren Zeilen. Eine wichtige Spur über den Verbleib der wenigen, bei der Ankunft in Kassel noch unzerstört geblie-
benen Reste liefert der Hinweis von Dehn-Rothfelser/Lotz, wonach diese Stücke damals in das Kasseler Museum
gelangt sein sollen 6 . Tatsächlich werden heute im Hessischen Landesmuseum zwei stilistisch zusammengehörige
Felder aufbewahrt, die aufgrund ihrer Entstehungszeit und der Maße für diesen Standort in Frage kommen: eine
Architekturbekrönung mit segnendem Engel auf rotem sowie ein Hl. Petrus mit Schlüssel vor ursprünglich blauem
Fiederrankengrund. Zwar sind beide Gruppen in formaler Hinsicht nur schwer miteinander zu vergleichen, da die
Maßwerkfüllungen einfachen vegetabilen Schmuck zeigen, während in den Rechteckfeldern Figur und Architektur im
Vordergrund stehen, jedoch zeigen einige ornamentale Flickstücke unter dem rechten Arm des Engels eine vergleichs-
weise feinlinige Blattäderung wie im Maßwerkdreipass von süd III und die technische Eigenart der aus dem Halbton
herausgekratzten Lichtlinien entlang der Hauptkontur. Da der heute aus seinem Hintergrund herausgeschälte Apos-
telvater ein Spruchband mit dem Anfang des Glaubensbekenntnisses in Händen hält, wird man davon auszugehen
haben, dass Petrus einst einen Credozyklus mit den zwölf Aposteln anführte7. Über die Anordnung dieser Gruppe im
Kirchenraum lässt sich jedoch keine Gewissheit mehr gewinnen 8 . Das Architekturfeld mit dem segnenden und nach
links gewandten Engel wäre als oberer Abschluss einer Geburts- oder Anbetungsszene durchaus denkbar, ihm dürfte
in der linken Bahn ein gleichgestaltetes Pendant entsprochen haben.
Farbigkeit, Technik: Obschon die Maßwerkfüllung in Chor süd III ein vielfältiges Farbspektrum und den fort-
entwickelten Einsatz von Silbergelb (blaue Frucht mit grünem Blütenstempel) zeigt, sind die höchstwahrscheinlich
zugehörigen Figurenfelder des Kasseler Landesmuseums in Grisaillemanier ausgeführt und lediglich durch Silbergelb
an Architektur- und Gewandteilen farblich differenziert, sodass hier der Farbeindruck vor allem von den silbrigen
2 HStAM, Best. 5 (Geheimer Rat), Nr. 10132: Vorschlag zur Erwer- 7 Etwas jüngeren Datums, aber aufgrund der einfachen Mach-
bung der Glasfenster in der Kirche zu Dagobertshausen für das Kasseler art verwandt im Erscheinungsbild ist der 1934 freigelegte Credo-
Museum, Laufzeit 1781, 1784. Apostel-Zyklus im südlichen Seitenschiff der Zierenberger Stadtkirche
3 Über die jüngeren Erwerbungsumstände gibt ein Aktenfaszikel (um 1488); s. Freigelegte Wand- und Tafelmalereien 1936, S. 92–106,
im Marburger Staatsarchiv Auskunft: HStAM, Best. 7 b 1 (Hofbau- und Taf. 27.
direktion), Nr. 464: Herbeischaffung der bunten altertümlichen Glas- 8 Um sämtliche Apostel in einem vierzeiligen Fenster unterbringen
scheiben in den Kirchenfenstern zu Dagobertshausen und Immenhau- zu können, müsste man für jedes Feld ein Apostelpaar annehmen, wo-
sen, Laufzeit 1824–27, 1869–74. bei die Figuren sehr nah zusammenrückten (das Maß der Petrusfigur
4 Dehn-Rotfelser/Lotz 1870, S. 341f. misst an der breitesten Stelle 26,5 cm; dem steht eine maximale lichte
5 Dolff-Bonekämper 1985, S. 115f. und Anm. 283–285. HStAM, Fensterbreite von 46 cm gegenüber). Sollten die Figuren ursprünglich
Best. 16 Rep. I KL. 29, Nr. 1 Vol. II. (alte Signatur). jedoch einzeln in einem architektonischen Rahmen gesessen haben,
6 Dehn-Rotfelser/Lotz 1870, S. 342. wäre das Apostelkollegium auf mehrere Fenster verteilt gewesen.
102 dagobertshausen . pfarrkirche
Figuren auf tiefblauen und roten Fiederrankengründen bestimmt wird. Farblich müssen die Fenster damit von einer
kühlen, aber durchaus reizvollen Gesamtwirkung gewesen sein. Bemerkenswert ist die kräftige, aus dem noch nassen
Halbton gestupfte Modellierung mit einer recht nachlässig aus dem trockenen Überzug ausgewischten Lichthöhung.
Zusätzlich begegnet außenseitig stärkerer Braunlotauftrag. Blattnervaturen wurden zum Teil aus dem Halbton heraus-
radiert. Einzelne Linien in der Architektur sind mit dem Lineal gezogen.
Stil, Datierung: Die museal aufbewahrten Figurenfelder sind von derber künstlerischer Machart, die zeichnerisch
schematisierten, körperlich deformiert wirkenden Figuren wenig ansprechend. Den Glasmaler scheinen dabei vor
allem die Möglichkeiten der Lichtmodellierung interessiert zu haben; durch das Auswischen dunkler Überzüge in den
Grisaillen erzielte er in Architektur- und Gewandteilen starke plastische Effekte. Diese Verfahrensweise ist noch ab-
zuleiten von der Entwicklung des Weichen Stils in der Glasmalerei, die in den Hansestädten Norddeutschlands in den
ersten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts zu höchster Blüte gelangte. Ihr Kennzeichen ist die reduzierte zeichnerische
Anlage, wobei die Volumenbildung zu großen Teilen von den virtuos ausgearbeiteten Schattenlagen übernommen
wird. Die Petrusfigur zeigt einen massiven, breitgelagerten Gewandtyp, seine blockhafte Gewandfülle ruft die Credo-
Apostel des Göttinger Barfüßeraltars in Erinnerung (s. Kunstgeschichtliche Einleitung S. 62). In der Glasmalerei ist
dieser Typus auch schon für die einige Jahrzehnte früher entstandenen, wohl aus dem Langhaus der Immenhausener
Stadtkirche stammenden Heiligenfiguren der Löwenburgkapelle kennzeichnend (vgl. Kat. S. 254–259), welche in un-
serem Bearbeitungsgebiet übrigens zu den frühesten Zeugnissen dieser Richtung zählen. Auch im Ornamentapparat
gibt es Berührungspunkte zwischen beiden Beständen: Im Maßwerk von süd III überziehen fadendünne bogennervige
Linien Blattkelch und Frucht, und im Rechteckfeld mit Engel hat sich sogar ein vegetabiles Flickstück erhalten, das im
Immenhausener Ornamentfenster mit Musikanten in krautigen Ranken nahe verwandte Blattformen besitzt 9. Aber
der Stoff fällt nicht mehr in weicher Schönlinigkeit, sondern zeigt bereits härter umbrechende Stoffkaskaden. Die
Figuren selbst werden recht spröde charakterisiert: Hier fällt neben den kräftigen Nasenflügeln, dem spitzen Kinn,
den hervorgehobenen Backenknochen, den großen runden Augen und dem wuschigen Haar vor allem der stämmige,
sehnig ausgebildete Nacken ins Auge. Gerade in diesem Gestaltungsmerkmal spiegeln sich, wenn auch gebrochen,
bereits Elemente eines neuen Realismus, wie sie etwa der Meister von Schöppingen aus der niederländischen Kunst
in die westfälische Malerei eingeführt hat10 . In der Grunddisposition der Figuren in Architekturkästen auf Fieder-
rankengrund sind die auf Burg Lahneck und in Wiesbaden aufbewahrten Felder mittelrheinischer Provenienz gut zu
vergleichen und entsprechen damit einer allgemeinen Tendenz der Glasmalerei der Jahrhundertmitte zu ausgeprägter
holzschnittartiger Sprödigkeit11. Versuchs-weise sei hier eine Entstehung in Kassel um 1440/50 vorgeschlagen.
Vorbemerkung zum Katalog: Die Reste der mittelalterlichen Farbverglasung wurden im Oktober 2005 in situ unter-
sucht und fotografiert. Die abgewanderten Felder im Hessischen Landesmuseum Kassel waren bereits im Herbst 2001
aufgenommen worden.
1 AB MASSWERKDREIPASS MIT BLÜTEN ßen, blauen, hellgelben und roten Blütenblättern mit hellvio-
Fig. 45, Abb. 20 lettem Stempel wachsen große Blütenkelche in die Pässe. Oben
H. 41,5 cm, B. 41,5 cm. auf blauem Grund weiße krautige Blütenblätter über blauem
Erhaltung: Die linke Blüte ist ergänzt. Hell- und dunkelviolette Kelchblatt mit blauem Fruchtknoten und durch Silbergelbauf-
Stücke sind außenseitig durch Korrosion flächig aufgeschlossen trag grün gefärbtem Blütenstempel in Form einer sechsblätt-
und in der Transluzidität stark beeinträchtigt. Im Randbereich rigen Blüte. Rechts blaue Blütenblätter über grünem Kelchblatt
einige Sprünge. Auf der Innenseite mehrere störende Farb- mit goldgelbem Fruchtknoten auf blauem Grund, links rote
kleckse der jüngsten Wandausmalung. Blütenblätter über violettem Kelchblatt mit rotem Fruchtkno-
Komposition, Farbigkeit, Ornament: Aus einer sechsblättrigen ten auf rotem Grund.
Rosette mit farblich differenzierten, grünen, violetten, wei- CVMA RT 13333, Großdia RT 05/137
dagobertshausen . pfarrkirche 103
1 AB MASSWERKDREIPASS MIT BLÜTENROSETTEN Komposition, Farbigkeit, Ornament: Mittig und in den Päs-
Fig. 46, Abb. 21 sen liegende gelbe, fünfblättrige Blütenrosetten auf hellblauem
H. 41 cm, B. 41 cm. Grund. Das Motiv der fünfblättrigen Blütenrosette aus herz-
Erhaltung: Die Blüte und ein blaues Hintergrundstück im rech- förmigen Blättern fi ndet sich auch in einem Schlussstein des
ten Passlappen sind erneuert. Punktförmig gestreuter Lochfraß Chorgewölbes.
auf der Innenseite der gelben Gläser. Außenseitiger Auftrag von CVMA RT 13334, Großdia RT 05/139
Schattenlagen in den Blütenrosetten mit fortgeschritten korro-
dierter Oberfläche.
8. APOSTEL PETRUS Fig. 44, 47 Abb. 24 altars von 1424 (Niedersächsisches Landesmuseum Hannover)
Gesamtmaß H. 57,5 cm, B. 35 cm; die Petrusfigur H. 55,5 cm, B. disputierende Apostel mit Spruchbändern oder aufgeschlagenen
26,5 cm. – Inv. Nr. 1908/457,1. Büchern, doch stehen die Glaubensbekenner hier jeweils im ty-
Inschrift: Auf dem Schriftband in spätgotischer Minuskel: pologischen Bezug zu den Propheten des Alten Testaments13.
Sanctus · Petrus · hup · ane . unde · sprach · Ich gle[ube]. Farbigkeit: Nimbus, Schlüssel und Trennungspunkte im Schrift-
Erhaltung: Die Petrusfigur ist aus ihrer ursprünglichen Umge- band wurden mittels Silbergelb farblich hervorgehoben.
bung herausgeschält und in eine Rechteckverglasung eingebleit CVMA J 12851, Detail J 474, Großdia J 01/217
worden. Die zahlreichen Kratzspuren rühren von einer groben
mechanischen Reinigung her.
Ikonographie: Petrus mit Schlüssel und Spruchband führte
einst das zwölfköpfige Apostelkollegium an, in welchem jeder
Apostel einen Abschnitt der Glaubenswahrheiten vorstellte. In
der deutschen Glasmalerei hat dieses Bildthema Tradition, wie
Beispiele in der Esslinger Stadtkirche St. Dionys (um 1300), in
der Pfarrkirche St. Sebald in Nürnberg (um 1379) oder in der
Liebfrauenkirche zu Ravensburg (um 1419) belegen12 . Das Cre-
do-Apostel-Motiv begegnet vermehrt auch in der Tafelmalerei
Nordhessens und Niedersachsens. So zeigen schon das Frag-
ment des Merxhausener Altars (Hessisches Landesmuseum Fig. 47. ES HLM Nr. 8.
Kassel), um 1370, oder die Innenflügel des Göttinger Barfüßer- M 1:15
9 Eine ähnlich gestaltete Maßwerkfüllung, die sich im Depot des 12 Vgl. Wentzel 1958, S. 120–129, Abb. 6, 209–239 (Esslingen);
Badischen Landesmuseums in Karlsruhe erhalten hat (Westschweiz, Scholz 2002, I, S. 32–35 (Nürnberg); Becksmann 1986, S. 165–167,
um 1440/50), belegt die weite Verbreitung solcher Maßwerkformen um 176–180, Abb. 223–228 (Ravensburg).
die Mitte des 15. Jh.; s. Becksmann 1979, S. 75f., Abb. 89. 13 Zum Merxhausener Altar vgl. Schneckenburger-Broschek
10 Vgl. Pieper 1986, S. 97–139. 1997, S. 187–201; zum Barfüßeraltar s. Wolfson 1992, S. 102–112,
11 Zu den um 1440/50 datierten Scheibenbeständen auf Burg Lahn- Nr. 36.
stein und im Wiesbadener Museum vgl. Hess 1999, Textabb. 43f. und
S. 313f., Abb. 273, 275f.
104 dagobertshausen . pfarrkirche / eschenstruth . pfarrkirche
ESCHENSTRUTH · PFARRKIRCHE
Bibliographie: Holtmeyer 1910, S. 22, 64, Taf. 39,3 (»mittelmäßige Arbeit der späteren Gotik«); Dehio Hessen
2
1982, S. 218 (»reizvolle spätgotische Glasmalerei 15. Jh.«).
Gegenwärtiger Bestand: Eine kleine Marienscheibe einem Fenster der Nordseite vorgehängt (Fig. 49f., Abb. 25).
Geschichte des Baues: Die heutige Anlage, eine schlichte, flachgedeckte Saalkirche mit mächtigem quergelagerten
Westturm in Schiffsbreite, besteht im Kern noch aus romanischem Mauerwerk. Über einer Doppelarkade in gedrun-
genen Formen öffnet sich das Turmuntergeschoss zum Schiff, das ursprünglich einen eingezogenen Rechteckchor
besessen haben dürfte. Der wohl noch im 12. Jahrhundert errichtete Turm wurde mehrfach, unter anderem durch
schweren Sturm im Jahr 1650, beschädigt und erhielt schließlich 1784 ein neues Obergeschoss in Fachwerkbauweise.
Nachdem man schon im ausgehenden 18. Jahrhundert die geringe Größe der Kirche beanstandet hatte, wurde in den
dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts der Altarraum in seiner heutigen Form auf Schiffsbreite erweitert und mit grö-
ßeren rundbogigen Fensteröffnungen versehen1.
Geschichte der Verglasung: Für die Anfertigung einer modernen Farbverglasung im Chorfenster vor einigen
Jahren musste die Marienscheibe von ihrem angestammten Platz in ein nördliches Seitenfenster versetzt werden. Das
kleine Rechteckfeld wurde 1996 von Peters, Paderborn, restauriert und dem Fenster mittels einer Rahmenkonstruk-
tion vorgehängt.
Erhaltung: Der Erhaltungszustand der Scheibe hat sich im letzten Jahrhundert rapide verschlechtert. Die Gegen-
überstellung mit der von Holtmeyer im Jahre 1910 veröffentlichten Aufnahme offenbart die gravierenden Verluste
der innenseitigen Malschichten, einen partiellen Abgang der Konturzeichnung und der flächigen Überzüge (Fig. 49f.).
Auf dem Mantel Mariens befinden sich offenbar mutwillig aufgebrachte Kratzspuren. Außenseitig waren vor der Rei-
nigung durch Peters in Schlieren verlaufende weiße Ausblühungen vorhanden, und zwar fast ausschließlich an jenen
Stellen, die nicht durch Halbtonüberzüge versiegelt waren. Jetzt zeigen sich dort tiefe offene Krater. Die blauen und
gelben Gläser weisen dagegen nur geringe Spuren von Korrosion mit leicht irisierender Oberfläche auf. Die Scheibe
sitzt in neuer Verbleiung.
Rekonstruktion, ikonographisches Programm: Die Marienfigur wird als Figurenschmuck in eine sicher nicht
allzu große butzen- oder spitzrautenverglaste Fensteröffnung eingebettet gewesen sein. Heute sind zwar aufgrund
späterer Umbauten keinerlei spätmittelalterliche Veränderungen am Bau mehr nachweisbar, doch könnten damals
sowohl im Chor als auch im Langhaus neue Fenster eingeschlagen worden sein, in denen vielleicht weitere Heiligen-
figuren saßen 2 . Bescheidene Bildausstattungen dieser Art dürften in kleineren Dorfkirchen häufiger zu finden gewesen
sein, waren aber selbstverständlich nicht auf diese Gruppe begrenzt. In mittelgroßen Bauten wie im niedersächsischen
Plate etwa weist die Restfigur eines Apostels mit Spruchband auf einen einst umfangreicheren Credo-Apostel-Zyklus
hin, und auch in den Kreuzgangsfenstern des Klosters Clus in Gandersheim haben sich mehrere solcher Scheiben-
monolithe in ihrer ursprünglichen Blankverglasung erhalten 3.
Farbigkeit, Technik: Das Bildmotiv wurde auf eine noch intakte farblose Rechteckscheibe gemalt, wobei die breite
Schmuckrahmeneinfassung aus tiefblauen Maßwerkbändern und gelben Eckstücken zugleich die Bruchsicherheit er-
höht. Außenseitig fand neben einer kräftigeren Schattenmodellierung Silbergelb in unterschiedlicher Konzentration
von Gelb für den Nimbus Christi bis Orange für die Haare und den Heiligenschein Mariens Verwendung. Auf der In-
nenseite ist der Halbtonauftrag dagegen fast vollständig verschwunden, nur noch wenige Reste flächig ausgewischter
106 eschenstruth . pfarrkirche
Lichter und dünner Konturlinien lassen sich darauf erkennen. Die Linien sind mit einem dünnen Pinsel flüssig gezo-
gen und kurze parallele Strichlagen entlang der Faltenkanten gesetzt. Eine Merkwürdigkeit stellen die ausgekratzten
Glaserzeichen(?) in den Maßwerkborten dar, die auf den alten Aufnahmen noch sehr gut zu erkennen sind.
Ornament, Stil, Datierung: Die Madonnenfigur fällt durch ihre mädchenhafte Erscheinung und die freundliche
Gestimmtheit aus dem in Nordhessen gewöhnlich anzutreffenden Typenschatz heraus. Es dürfte nicht ausreichen,
diese Charakteristika auf den Einfluss des in Köln tätigen Malers Stefan Lochner zurückzuführen, obwohl die Zeich-
nung seiner Auffassung grundsätzlich nahekommt4. Mit ihrem runden Kopf, der hohen Stirn und dem von einem
Kopfband gehaltenen zurückgezwirbelten Haar vertritt Maria vielmehr einen oberrheinischen Typ, wie ihn beispiels-
weise der Meister des Paradiesgärtleins ausbildet und wie er später noch im Tennenbacher Retabel fassbar wird 5. Ein
solches Phänomen ließe sich am besten mit der zunehmenden Verbreitung druckgraphischer Vorlagen seit der zweiten
Hälfte des 15. Jahrhunderts erklären. Tatsächlich sprechen dafür mehrere Gründe: Einerseits greift der Glasmaler
in der Art der Modellierung der Faltenschatten durch Parallelschraffuren eine Technik auf, wie sie gerade im Holz-
schnitt häufig zur Anwendung gelangte 6 . Andererseits macht die geringe Größe des Monolithen eine unmittelbare
Benutzung einer Druckgraphik als originalgroße Vorlage sehr wahrscheinlich 7. Die entspannt stehende Figur wird
stark von ihren Konturen her bestimmt, der eng taillierte Oberkörper, der sich unter dem leicht geöffneten Mantel
zeigt, steht in einigem Missverhältnis zum mächtigen Mantelvolumen, unter dem sich das ausgestellte Spielbein ab-
zeichnet. Stilkritisch ist die Marienscheibe um 1450/60 anzusetzen, doch ist hierbei auch eine Verwendung der Vorlage
zu einem späteren Zeitpunkt nicht auszuschließen. In Gensungen hat sich ein zweiter, jedoch später entstandener
Monolith mit der Darstellung des Hl. Petrus erhalten (S. 134f.). Er ist technisch von vergleichbarer Machart, doch von
gröberer Ausführung. Die schweren und lebendig bewegten Stoffbahnen sind wesentlich kräftiger mit Strich- und
Halbtonlagen modelliert. Im näheren Umkreis fällt der Blick auf die beiden Figurenmedaillons aus Schröck, zu denen
sich zahlreiche Übereinstimmungen ergeben, sodass hier ein engerer Werkstattzusammenhang naheliegend erscheint
(vgl. Abb. 380f.). Kippenberger hat die Glasmaler im nahen Marburg zu lokalisieren versucht, doch haben sich dort
keine Werke erhalten, die diese Vermutung stützen könnten8 . Dagegen bestehen Gemeinsamkeiten zu dem erhaltenen
Scheibenbestand im niedersächsischen Uslar, insbesondere zu den kleinfigurigen, gleichfalls als Monolithe ausgeführten
Grisaillefiguren im Chorachsenfenster (8b, 8c). Mit Uslar rückt zugleich eine Werkstatt ins Blickfeld, die um 1460/70
auch mit der Neuverglasung der Kaufunger Klosterkirche beauftragt worden war. Zwischen Eschenstruth und Kau-
fungen aber bestanden enge Verbindungen, das Kaufunger Stift übte über die Kirche in Eschenstruth das Patronats-
recht aus9. Nordhessen oder südliches Niedersachsen, 3. Viertel 15. Jahrhundert.
Vorbemerkung zum Katalog: Untersuchung und Aufnahme der Scheibe erfolgten vom Boden aus im Oktober 2006.
MARIA MIT KIND Fig. 49f., Abb. 25 Alten Meistern. Altdeutsche Tafelmalerei auf dem Prüfstand, hrsg. von
H. 31,1 cm, B. 17,3 cm, Monolith H. 25,5 cm, B. 11,5 cm. Frank M. Kammel und Carola B. Gries, Nürnberg 2000, S. 77–87.
6 Vgl. etwa das Blatt einer Maria mit Kind im Strahlenkranz: T.I.B.
Inschrift: Auf dem oberen Randstreifen die heute kaum mehr
lesbare Inschrift in gotischer Minuskel: S(anct)a · maria · 164, S. 114, Nr. 1089.
7 Selbst die Kombination von Heiligenbild und Maßwerkrahmen ist
virg(inis). In das Schwarzlot sind nicht mehr zu entziffernde
im Holzschnitt des 15. Jahrhunderts geläufig; vgl. die Abb. der Hl. Do-
Zahlen und Buchstabenfolgen eingeritzt10 .
rothea bei T.I.B. 165, S. 16, Nr. 1397.
Ikonographie: In einem nach rechts offenen Steinrahmen steht 8 Kippenberger 1939, S. 50.
Maria in lockerer Haltung mit dem nackten Jesuskind in den 9 Im Salbuch von 1454 wird Eschenstruth als Eigentum des Kaufunger
Armen. Christus reicht seiner Mutter einen Apfel. Der Hin- Klosters aufgeführt; vgl. Wilhelm A. Eckhardt, Das Salbuch des Stifts
tergrund besteht etwa zur Hälfte aus Fliesenboden, darüber Kaufungen von 1519 (Veröffentlichungen der Historischen Kommis-
liegt ein Muster aus gestreuten Vergissmeinnicht-Blüten auf sion für Hessen 54,1), Marburg 1993, S. 10–12.
schwarzem Grund. CVMA RT 13459, Großdia RT 06/104 10 Auf der von Holtmeyer publizierten Aufnahme (Fig. 49) lassen
sich unter anderem noch folgende Ziffern erkennen: m d vii d bzw. y
v. Handelt es sich hier um Rechnungssummen? Der Randstreifen zeigt
4 Vgl. etwa die Zeichnung einer Maria mit Kind aus dem Umkreis ein Muster aus Maßwerkbändern, das in nahezu identischer Ausfor-
Lochners in London, British Museum; AK Köln 1993, S. 428f., Nr. 90. mung im ehemaligen Achsenfenster der Stadtkirche zu Immenhausen
5 Brinkmann/Kemperdick 2002, S. 93 –120; zum Tennenbacher Re- begegnet. Bezeichnenderweise befi nden sich dort an gleicher Stelle
tabel zuletzt Daniel Hess, Der sogenannte Staufener Altar und seine Einritzungen, jedoch haben sie in Immenhausen zweifellos die Funk-
Nachfolge. Zur oberrheinischen Malerei um 1450, in: Begegnungen mit tion von Versatzmarken.
FRANKENBERG · LIEBFRAUENKIRCHE
Bibliographie: Georg Landau, Malerische Ansichten von Hessen, Kassel 1842, S. 121 (nur das mittlere Chorfens-
ter bewahrt noch Reste mittelalterlicher Glasmalerei, während alle übrigen Fenster zum Teil zertrümmert oder mit
Brettern verschlagen sind); Lotz 1862, S. 209 (»Reste von gotischen Glasmalereien, 14. Jh.«); Dehn-Rotfelser/Lotz
1870, S. 44 (die Glasmalereien stammen aus den Achsenfenstern der Nord- und Südkonche); Mittelalterliche Baudenk-
mäler im Regierungsbezirk Cassel, hrsg. von dem Verein für hessische Geschichte und Landeskunde. Die Pfarrkirche
und die Marienkapelle zu Frankenberg, bearbeitet von Heinrich von Dehn-Rotfelser und F. Koeberlein, Kassel
1892, S. 4, 10 (folgen Dehn-Rotfelser/Lotz 1870); Carl Schäfer, Gutachten über die Restauration der lutherischen
Pfarrkirche zu Frankenberg, erstattet am 31. März 1870 im Auftrag der Königlichen Regierung in Kassel, abgedruckt
in: Schäfer 1910, S. 71–80 (Beschreibung der Glasmalereien); Oidtmann 1898, S. 309 (»die Reste der ornamentalen
Glasmalereien in den sechziger Jahren im mittleren Chorfenster zusammengestellt«); Wille 1952, I, S. 107–118, und
II, S. 106–114 (erste umfassende kunsthistorische Bewertung des Bestandes; sieht einen Schulzusammenhang zum
Christuszyklus der Wilhelmitenkirche in Limburg an der Lahn und rekonstruiert ein dreibahniges Chorachsenfens-
ter); Wentzel 21954, S. 40 (datiert den »hessischen« Christuszyklus nach der Mitte des 14. Jh.); Deutsche Kunst-
denkmäler. Ein Bildhandbuch. Hessen, o. O. 1964, T. 73 (Abbildung); Dehio Hessen 21982, S. 213 (»Glasmalereien
Mitte 14. Jh.«); Heinrich Balzer, Die Sibyllen von Frankenberg, in: Hessisch-Nassauischer Anzeiger vom 26.1.1983
(identifiziert die gekrönten Frauengestalten in zwei Restfeldern mit antiken Sibyllen); Hans Becker, Geschichte der
Stadt Frankenberg an der Eder von den Anfängen bis zur Reformation, Frankenberg 1986, S. 46, 127, Abb. S. 146 (wie
Balzer 1983); Heinrich Balzer, 700 Jahre Liebfrauenkirche Frankenberg (Eder). 1286–1986, Frankenberg 1986, S. 30
(zitiert Quellen zur Geschichte des Baus und seiner Verglasung); Gottfried Kiesow, Gotik in Hessen, Stuttgart 1988,
S. 197f., Farbabb. S. 78 (hebt die Qualität der Glasmalereien hervor und weist auf das altertümliche Rahmensystem
hin); Heinrich Balzer, Die Liebfrauenkirche in Frankenberg, neu bearbeitet von Heiner Wittekindt, Frankenberg
3
1997, S. 4, 14, 16, Farbabb. S. 17 (bereits beim Brand der Kirche von 1476 sollen sämtliche Glasmalereien bis auf das
Achsenfenster untergegangen sein); Heiner Wittekindt, Kirchengeschichte Frankenbergs, in: 750 Jahre Stadt Fran-
kenberg (Eder) 1244–1994. Beiträge zur Geschichte der Stadt, Frankenberg o. J. [1994], S. 184 (beiläufige Erwähnung);
ders., Kirchenfenster erzählen die Passion Jesu, in: Frankenberger Heimatkalender 21, 2003, S. 137–141 (Angaben zur
Restaurierungsgeschichte und ausführliche Beschreibung der Szenen); ders., Kirchenfenster erzählen die Auferste-
hung, in: Frankenberger Heimatkalender 22, 2004, S. 141–147 (aufzählende Beschreibung).
Gegenwärtiger Bestand: Von den zwölf heute auf die unteren Fensterzeilen im Chorpolygon verteilten Rechteck-
feldern lassen sich die neun Figurenmedaillons einem einstmals umfangreichen Christuszyklus zuordnen (Fig. 53f.,
56f., 59–67, Abb. 26–34); daneben haben sich noch zwei Darstellungen von Sibyllen (Fig. 68, 70, Abb. 36f.) sowie ein
ornamentales Restfeld erhalten (Fig. 69, Abb. 35). Eine bislang unbekannt gebliebene Rundscheibe mit einem Pelikan,
der seine Jungen erweckt, befindet sich in der Rose über dem Seitenportal der Langhaussüdseite (Fig. 71, Abb. 38).
Geschichte des Baues: Um 1233/34 hatten die Landgrafen von Thüringen Stadt und Burg als Stützpunkt gegen die
Mainzer Erzbischöfe anlegen lassen, die im nahegelegenen Fritzlar einen territorialen Außenposten besaßen. Eine be-
reits bestehende Kapelle, bis dahin Filiale der Mutterkirche in Geismar, übergab Landgräfin Sophie im Jahr 1251 dem
Zisterzienserinnenkloster St. Georgenberg1. Zwei Jahre später erhob Erzbischof Gerhard I. von Mainz die Kapelle zu
einer selbständigen Pfarrei. Nachdem dieser Bau für die rasch anwachsende Gemeinde bald zu klein geworden war,
ließ Landgraf Heinrich 1286 den Grundstein für einen Neubau legen. Ein erster Chor war um 1300, das vierjochige
Hallenlanghaus erst bis 1337 fertiggestellt worden, da die Einnahmen für den Bau offenbar spärlich flossen 2 . Schon
1 Nachdem das Kirchenpatronat mehr als hundert Jahre in den Hän- der Kirche befi ndlichen Altäre vor.
den der Nonnen auf dem Georgenberg gelegen hatte, übergab Land- 2 Zur Baugeschichte vgl. Arwed Hoyer, Die Stadt Frankenberg an
graf Hermann den Pfarrhof und die Pfarrei 1392 dem Johanniter- der Eder. Anlage. Entwicklung. Gestalt, Diss. TU Darmstadt 1953
orden in Wiesenfeld, behielt sich aber das Patronatsrecht über alle in (Typoskript), S. 41–60.
108 frankenberg . liebfrauenkirche
II
sI
n
I
n III s III
s IV
sV
s XIV
kurze Zeit später muss aber die Entscheidung für einen größeren Chorneubau gefallen sein, dessen Weihe für das Jahr
1354 bezeugt ist 3. Die Baumaßnahmen wurden nun unter der Leitung von Meister Tyle von Frankenberg weiterge-
führt, der zugleich den Turm mit den beiden westlichen Seitenschiffjochen sowie die Fassade errichtete. Gegen 1380
fügte man die Marienkapelle hinzu, einen turmartigen Zentralbau mit oktogonalem Grundriss, der an die Südostecke
des Querhauses anschließt4. Dieser Erweiterungsbau unterstrich die Bedeutung der Kirche als wichtigen Marien-
wallfahrtsort im Mittelalter. Ein verheerender Stadtbrand im Jahr 1476 griff auch auf die Kirche über und zerstörte
vor allem Dach und Teile des Gewölbes. 1607 brannte schließlich der Westturm aus, der mit einer barocken Haube
erneuert wurde. Die Bilderstürmer des Landgrafen Moritz demolierten die Ausstattung und vor allem den einst rei-
chen Figurenschmuck von Kirche und Marienkapelle. Mangelnde Wartung und fehlende Mittel zur substantiellen
Instandsetzung zogen den Bau zunehmend in Mitleidenschaft. Im Siebenjährigen Krieg wurde bei der Erstürmung
des Burgbergs durch französische Truppen die Kirche wiederum stark beschädigt. 1812 erfolgten die ersten Verschö-
3 Die Chronik des Wigand Gerstenberg berichtet für das Jahr 1354: Im rischen Kommission für Hessen und Waldeck, Chroniken von Hessen
selbin vorgenanten jare du wart der hoe-altar in der pharkirchin zum und Waldeck 1), Marburg 1909, S. 433.
Franckenberge in dem choro verrucket unde anders gebuwet, unde uff 4 Ob die Grabinschrift des im Jahre 1383 verstorbenen Johannes von
eyn nuwes gewihit; zitiert nach Hermann Diemar, Die Chroniken des Kassel an einer Ecke der Kapelle einen Hinweis auf den Stifter geben
Wigand Gerstenberg von Frankenberg (Veröffentlichungen der Histo- kann, bleibt umstritten. Hierzu: Becker 1986 (s. Bibl.), S. 127f.
110 frankenberg . liebfrauenkirche
nerungsmaßnahmen im Innern, 1833/34 ließ man auf Staatskosten die Marienkapelle restaurieren. Nach einem Res-
taurierungskonzept des Kasseler Architekten Georg Gottlob Ungewitter wurden schließlich in den Jahren 1864–1868
unter der Leitung seines Schülers Carl Schäfer umfassende Wiederherstellungsarbeiten durchgeführt 5. Dabei erhielt
auch der seit dem 18. Jahrhundert notdürftig mit einer Holzdecke geschützte Chor eine neue Einwölbung; erneuert
wurden auch Teile des Maßwerks, der Turm erhielt eine repräsentativen Aufbau. Heute wird das Innere maßgeblich
durch die letzte Restaurierung von 1961–1963 bestimmt, bei der die neugotische Ausmalung rückgängig gemacht und
die nach dem Kirchenbrand geschaffene Gewölbemalerei des Langhauses aus dem Jahr 1478 wieder freigelegt wurde.
Die Liebfrauenkirche ist eine dreischiffige Halle mit eingebundenem Westturm, apsidial geschlossenem Querhaus
und einem langen, dreijochigen Chor (Fig. 51f.). Baumeister Tyle hatte den ursprünglichen Plan einer gleichwertigen
Dreikonchenanlage nach Marburger Vorbild und damit die Idee des Zentralraumes aufgegeben, indem er das Sanktua-
rium verbreiterte und gegenüber den Konchen um zwei Joche verlängerte 6 . Anders als das Vorbild erscheint die Lieb-
frauenkirche aufgrund ihrer geringeren Höhe und der eingeschossigen Fensteranlage einfacher und reduzierter, die
Apsiden schließen zudem statt auf sieben Seiten eines Zehnecks lediglich mit einer 5/8–Brechung des Polygons. Trotz
annähernd gleicher Ausdehnung überwiegt im Innern nicht der in Marburg vorherrschende vertikale Raumeindruck,
die niedrige Gewölbehöhe und der zwischen den durchgehend kantonierten Rundpfeilern offene Durchblick zu den
Seiten verleiht dem Langhaus vielmehr einen gegenüber Marburg ausgeprägteren Hallencharakter.
Geschichte der Verglasung: Wigand Gerstenberg (1457–1522) gibt in seiner Chronik einen anschaulichen Bericht
von den verheerenden Auswirkungen des Stadtbrandes von 1476: Demnach hatten die Flammen auch sämtliche Dächer
der Liebfrauenkirche zerstört, wobei der brennende Dachstuhl die Verbleiung der Glasmalereien schmelzen ließ und
zahllose Scherben zu Boden fielen (s. Reg. Nr. 9). Im Verlauf des 18. Jahrhunderts scheint die Farbverglasung vielfach
durch Fensterglas ersetzt worden zu sein. Wegen fehlender Mittel ging man später dazu über, die schadhaften Fenster
zum Schutz vor Witterung lediglich mit Brettern zu verschlagen 7. Der schweren Belagerung durch die Franzosen im
Juli 1762 dürften weitere Fenster zum Opfer gefallen sein, und ein Sturm vernichtete im Januar 1809 noch einmal 52
Fensterfelder, wie aus Aufzeichnungen im Pfarrarchiv hervorgeht. Von 1832–1857 sind in den Rechnungen wiederholt
kleinere Reparaturen an der Verglasung verzeichnet. Aus dieser Zeit stammen wohl auch die mit Tongläsern verzierten
Maßwerke in Portal und Rose der Langhaussüdseite. Als in den Jahren 1864/65 die steinernen Maßwerke mehrerer
Chorfenster wiederhergestellt wurden, übertrug man dem Marburger Glasermeister K. J. Schultz die Aufgabe, die
Öffnungen mit neuen ornamentalen Glasmalereien und Grisaillen auszustatten. Darüber hinaus hat Schultz sämtliche
alten Stücke im Mittelfenster restauriert und mit Ornamentteppichen nach dem Muster noch vorhandener Reste er-
gänzt (s. Reg. Nr. 10). 1942 wurden die Scheiben zum Schutz vor Kriegszerstörung ausgelagert und in einem Bunker
in Bad Wildungen deponiert 8 . Die mittelalterlichen Rechteckfelder übergab man 1950 der Franz Mayer’schen Hof-
kunstanstalt in München zur Restaurierung 9. Die Werkstatt unterzog die Scheiben einer chemischen Reinigung und
ersetzte die zahlreichen, farblich herausfallenden Ergänzungen des 19. Jahrhunderts durch passendere Stücke. Beim
Wiedereinbau wurden die Scheiben auf die Chorfenster nord II bis süd III verteilt, wo sie jeweils die erste Fensterzeile
füllen. Im Jahr 1980 wurden die Glasmalereien im Zuge der letzten Kirchenbausanierung von der Firma Oidtmann
erneut instandgesetzt, mit Messingprofilrahmen sowie innenseitig aufgelöteten Windstangen statisch gesichert und
beim Wiedereinbau der Wabenverglasung vorgesetzt.
Erhaltung: Die Lesbarkeit der Scheiben wird heute vor allem durch die verminderte Lichtdurchlässigkeit vieler
Gläser beeinträchtigt. Um den stark haftenden Wetterstein an der Außenseite zu lösen, hatte die Franz Mayer’sche
Hofkunstanstalt zu aggressiver Flusssäure gegriffen (s. Reg. Nr. 11). Die chemische Behandlung bewirkte zwar eine
vorübergehende Aufhellung, beschleunigte dann aber den Verwitterungsprozess rapide, sodass heute insbesondere
die stärker behandelten Inkarnatgläser, Violett-, Grasgrün- und Blautöne bis zur Unkenntlichkeit korrodiert sind.
Da vor allem die nicht oder kaum verwitterten türkisen, gelben und weißen Gläser ihre unverminderte Leuchtkraft
bewahrt haben, resultiert hieraus ein insgesamt sehr uneinheitliches und fleckiges Erscheinungsbild. Die gegenwärtige
Präsentationsform erschwert die Lesbarkeit der Felder um ein Weiteres, da die Glasmalereien im durchlichteten Chor
sehr starkem Auflicht ausgesetzt sind. Die Schwarzlotaufträge haften im allgemeinen sehr gut, selbst feinste Strich-
lagen sind noch gut zu erkennen. Allerdings hat die Kondenswasserbildung entlang der Bleie vereinzelt zu Malschicht-
verlusten geführt. Schwerwiegender sind die Schäden an den beiden Standfigurenfeldern. Hier sind die dicken Kontur-
frankenberg . liebfrauenkirche 111
linien und der schwarze Grund der Schriftbänder schollenweise ausgebrochen. Stark berieben ist auch die Bemalung
der Ornamentscheibe, an einigen Gläsern ist bereits der vollständige Verlust der Blattzeichnung zu bedauern.
Rekonstruktion, ikonographisches Programm: Die insgesamt 16 erhaltenen Felder lassen sich auf drei Gruppen
verteilen:
1. Die neun Rechteckfelder mit Szenen aus dem Leben Christi stellen den Rest eines umfangreicheren Vita-Christi-
Zyklus dar. Für die weitergehenden Überlegungen zur Rekonstruktion des Bildprogramms wäre zunächst die Frage
des ursprünglichen Standorts zu klären, doch ist die Sachlage hier nicht eindeutig: Den Medaillons wurde von Szene
zu Szene ein blau-roter Farbwechsel unterlegt, der sich sowohl in einem zwei- als auch in einem dreibahnigen Fenster,
jeweils unter der Annahme geringerer oder größerer Lücken auflösen ließe. Die Scheiben befanden sich seit dem frü-
hen 19. Jahrhundert nachweislich im dreibahnigen und neunzeiligen Achsenfenster des Chores (vgl. Fig. 52). Gegen
das Achsenfenster als ursprünglichen Standort spricht sein Depotcharakter, denn offenbar in ihm zu einem früheren
Zeitpunkt Restbestände unterschiedlicher Herkunft zusammengeführt worden. Zwar führt Landau 1842 als Grund
für ihre Erhaltung an, dass dieses Fenster wohl durch einen barocken Hochaltar verdeckt gewesen sei, doch berichten
Dehn-Rotfelser/Lotz 1870 – wenn auch ohne Angabe von Quellen – von ihrer Herkunft aus den Querhausarmen,
deren Fenster durchgehend zweibahnig und sechszeilig angelegt sind. Zwar müssen weder bauhistorische noch iko-
nographische Argumente gegen diese Annahme sprechen: Die Bauarbeiten an Lang- und Querhaus dürften Ende
der dreißiger Jahre des 14. Jahrhunderts abgeschlossen gewesen sein, und auch die Aufnahme eines christologischen
Zyklus in das chorähnliche Querhaus steht dem nicht entgegen, da der neue Chor mit seinem Bildprogramm zum Zeit-
punkt der Querhausausstattung noch gar nicht errichtet war10 . Dennoch lassen sich mehrere Gründe für die gängige
Lösung benennen, den Christuszyklus tatsächlich in das Achsenfenster hinter dem Hauptaltar zu lokalisieren. Eine
zeilenweise von unten nach oben fortlaufende Erzählfolge der Vita Christi über mehr als 20 Bilder ließe sich nicht nur
besser mit der ungewöhnlichen Szenenauswahl vereinbaren, sondern würde auch den kompletten Verlust der frühen
Christusvita in den unteren Zeilenlagen erklären11.
2. Mariologisches Fenster mit Propheten und Sibyllen. Die Schriftbänder erlauben die Identifizierung der beiden
gekrönten weiblichen Figuren als Personifikationen der Weisheit oder als Sybillen, im Mittelalter auch willeweis
genannt12 . Im mittelalterlichen Bilderkreis treten Sibyllen im mariologischen Kontext als Ankünder Christi oder im
Zusammenhang mit Darstellungen des Thron Salomonis auf13. Jene schriftliche Prophezeiung der sitzenden Sibylle,
5 Hierzu David-Sirocko 1997, S. 328–332. unter Bezugnahme auf die bahnweise von unten nach oben verlaufen-
6 Hamann/Wilhelm-Kästner 1924, S. 45–47. Entgegen der Annah- de Anordnung des Christuszyklus im Achsenfenster der Limburger
me Wilhelm-Kästners hatte in Frankenberg nie eine regelmäßige Wilhelmitenkirche für Frankenberg eine entsprechende, auf drei
Dreikonchenanlage wie in Marburg bestanden. Bereits Schäfer 1910, Bahnen verteilte Erzählfolge von Wirken, Passion und Verklärung
S. 71, vermutete zu Recht, dass der Chor des Vorgängerbaus zunächst Christi angenommen. Zusammen mit weiteren, anhand der Lücken zu
beibehalten und erst nach Fertigstellung des Langhauses, vielleicht so- erschließenden Darstellungen rekonstruierte sie Stränge von je acht
gar erst nach Vollendung des neuen Ostchors abgerissen wurde. Seine Medaillons mit unterer Stifterzeile. Eine solche Anordnung der Felder
Fundamente wurden zu Beginn der 1980er-Jahre ergraben. Vgl. hierzu würde zu einer schachbrettartigen Verteilung der Farbgründe führen,
Reinhard Lambert Auer, Landesherrliche Architektur. Die Rezeption die dem Prinzip des Farbwechsels zuwiderliefe. Wille musste hier-
der Elisabethkirche in den hessischen Pfarrkirchen, in: AK Marburg für außerdem einen vollständigen Verlust der Vitaszenen in der linken
1983, I, S. 103–123, bes. S. 103–106, 121, Anm. 4. Bahn annehmen, was sehr unwahrscheinlich ist. Im Falle der hier vor-
7 Balzer 1986 (s. Bibl.), S. 30, nach Aufzeichnungen im Pfarrarchiv geschlagenen dreibahnigen zeilenweisen Anordnung mit blau hinter-
Frankenberg um 1728. legten Medaillons in der Mittellanzette wären vor allem zwischen Auf-
8 Balzer 1986 (s. Bibl.), S. 36. erstehung und Christus als Gärtner zwei weitere Szenen (etwa Chris-
9 Im Archiv der Pfarrei wird eine Fotodokumentation aufbewahrt, tus im Limbus und die Frauen am Grabe) unterzubringen, ebenso eine
die Auskunft über den Umfang der vorgenommenen Arbeiten gibt. weitere zwischen Aussendung der Jünger und Himmelfahrt.
10 Mit der Fertigstellung dieser Bauteile im Jahr 1337 erfolgte auch 12 Wille 1952, I, S. 117f., II, S. 113f., vermutete in den beiden weib-
die Erneuerung der zahlreichen Altarplätze: St. Philippus und Jaco- lichen Gestalten die alttestamentlichen Personifi kationen von Weisheit
bus (1337), St. Barbara (1337), Kreuzaltar (1340), Conceptionis Mariae und Torheit, wie sie in den Sprüchen Salomos (Prv 9,4 und 16) vor-
(1340), St. Nikolaus (1340), St. Elisabeth (1340), St. Katharina (1334), kommen. Erst Balzer 1983 (s. Bibl.) hat die weiblichen Figuren mit
St. Simonis und Juda mit Johannes Evangelista und den Hll. Agnes, antiken Sibyllen identifi ziert.
Margareta und Dorothea (1343) Jakobus (1351) und St. Sebastian (1351). 13 Vgl. die den Thron flankierenden Propheten und Sibyllen am Wor-
Hierzu Adolf Rörig, Dreihundertvierzig Jahre Geschichte der Kirche melner Retabel, heute Berlin, Staatliche Museen zu Berlin – Preußi-
Unserer lieben Frauen (der Pfarrkirche) zu Frankenberg in Hessen, scher Kulturbesitz, Gemäldegalerie, Inv. Nr. 1844, das um 1370/80
Marburg 1886, S. 13f., und Classen 1929, S. 329f. möglicherweise in einer niedersächsischen Werkstatt ausgeführt wur-
11 Das Achsenfenster war erstmals von Wille 1952, I, S. 108–110, als de; hierzu zuletzt Gast 2005, S. 427–432.
ursprünglicher Standort vorgeschlagen worden. Wille hatte jedoch
112 frankenberg . liebfrauenkirche
Fig. 53. Dornenkrönung. Frankenberg, Liebfrauenkirche, Fig. 54. Noli me tangere. Frankenberg, Liebfrauenkirche,
Chor n II, 1c. – Kat. S. 116f. Chor I, 1c. – Kat. S. 118.
Nordhessen, um 1350/60.
dass die Kommenden sie an Weisheit überträfen, macht letztere Annahme wahrscheinlich (Abb. 37). Um ein solches
Thema jedoch bildlich auszubreiten, ist eine dreibahnige Fensterteilung, wie sie einzig die Choröffnungen zeigen,
zwingend vorauszusetzen. Formale und stilistische Übereinstimmungen mit dem Christuszyklus, den wir im Chor
lokalisieren wollen, legen darüber hinaus eine Zusammengehörigkeit beider Gruppen nahe14. Die Höhe der Fenster-
öffnung erlaubt neben der thronenden Maria zwischen Tugenden und Personifikationen (eventuell unter Architek-
turbaldachinen) die Aufnahme weiterer typologischer Entsprechungen zum sedes sapientiae, wie etwa König Salomo,
vielleicht auch eine Kreuzigungsdarstellung, flankiert von weiteren Propheten oder Tugenden. Die hier vorgeschla-
gene Figurenanordnung findet sich etwa in einer oberösterreichischen Armenbibel aus der Zeit um 1320/30 (Fig. 55) 15.
Der Thron Salomonis entwickelte sich, ausgehend von der überragenden Lösung für die Westfassade des Straßburger
Münsters, vom frühen 14. Jahrhundert an aufgrund der attraktiven architektonischen Gestaltungsmöglichkeiten auch
in der Glasmalerei zu einem bevorzugten Bildmotiv16 . Als ein Parallelbeispiel für Frankenberg ist auf die etwa gleich-
zeitig entstandene Verglasung der Arnsteiner Prämonstratenserkirche hinzuweisen.
14 Theoretisch wäre zwar auch eine zeilenweise Anordnung von Fi- einer der beiden Konchen stammende Jungfrauenfenster in Marburg
gurenpaaren in einem zweibahnigen Querhausfenster denkbar, in zeigt bereits eine vergleichbar ungewöhnliche Figurenanordnung von
welcher der linken, ausschließlich mit Sibyllen gefüllten Bahn eine Klugen und Törichten Jungfrauen (vgl. S. 379–382). Die von Marburg
entsprechende Reihe von alttestamentlichen Propheten gegenüber her vorgegebene Zweibahnigkeit der Fensterformen, die auch für den
gestanden hätte. Eine Mariendarstellung mit Kind in den Lanzett- ersten Bauabschnitt in Frankenberg verbindlich blieb, hätte dann den
spitzen oder im Maßwerk könnte eine solche Komposition nach oben Glasmalern – trotz des eingetretenen Fortschritts in der Entwicklung
abgeschlossen haben. Hier wäre allerdings zu fragen, ob in Anknüp- bahnübergreifender Bildsysteme in mehrbahnigen Fenstern – die Ent-
fung an das augenfällige »landesherrliche« Zitat der Marburger Eli- scheidung für eine solch altertümliche Kompositionsform erleichtert.
sabethkirche in Lang- und Querhaus vielleicht auch die Fensteraus- Was die Architektur betrifft, so hat bereits Auer (wie Anm. 6), 1983,
stattung formale Marburger Eigenheiten reflektierte: Denn das aus S. 112, die Nähe der Frankenberger Liebfrauenkirche zur Marburger
frankenberg . liebfrauenkirche 113
Elisabethkirche als bewußtes Stilzitat und Markzeichen landesherr- Glasgemälde-Sammlung des Freiherrn vom Stein 2007, S. 62–84, Nr.
licher Architektur vor dem Hintergrund der Expansionsbestrebungen 12–19 (Uwe Gast).
des mainzischen Erzbistums in Hessen gedeutet. 17 Weitere Anhaltspunkte zu den verlorenen Darstellungen in den
15 Gerhard Schmidt, Die Armenbibeln des XIV. Jahrhunderts, Graz/ Fenstern von Chor und Langhaus können die Altarpatrozinien der
Köln 1959, Taf. 16 (dort als f0l. 18v bezeichnet). zwölf in der Kirche nachgewiesenen Altarplätze geben; vgl. hierzu
16 Vgl. die von Straßburg abhängigen Darstellungen im Langhaus Anm. 10. Als Fensterstifter könnten auch die Zünfte aufgetreten sein,
des Freiburger Münsters (um 1330), im Südquerhausfenster des Augs- deren Wappen sich in den Gewölbekappen des Langhauses befi nden,
burger Doms (um 1330) oder die heute im Westfälischen Landes- die nach dem großen Kirchenbrand von 1476 neu bemalt wurden: Ne-
museum in Münster befi ndlichen Reste aus dem Chor des Arnsteiner ben dem Schuster- und Schneiderwappen lassen sich hier noch zwei
Prämonstratenserklosters (um 1350/60). Zu Arnstein siehe jetzt: Die Familienwappen erkennen.
114 frankenberg . liebfrauenkirche
Vorbemerkung zum Katalog: Die Scheiben wurden im Oktober 1999 untersucht und fotografiert. Trotz der fortge-
schrittenen Verwitterung wurden im Tafelteil die Neuaufnahmen des CVMA herangezogen. Die Kriegsbergungs-
aufnahmen, die noch die minderwertigen Ergänzungen des 19. Jahrhunderts zeigen, besitzen indessen den Vorzug,
gegenüber der letzten Überarbeitung das Alte vom Neuen besser unterscheiden zu können. Im Katalog sind deshalb
auch die Negativnummern dieser im Bildarchiv Foto Marburg befindlichen Aufnahmen angegeben.
116 frankenberg . liebfrauenkirche
Ikonographie: Christus thront auf einem mit Vierpässen ver- Farbigkeit: Roter Karogrund. Gewand Christi blau, Mantel
zierten Sockel, in der Linken hält er das Zepter, die Rechte ist und Stangen hellgelb, Rock und Beinkleider der beiden Scher-
zum Segensgestus erhoben. Sein Blick richtet sich wiederum an gen abwechselnd türkis und blau. Dornenkrone türkis, Nim-
einen der beiden Schergen, die ihm mit Stangen eine Dornen- bus violett. CVMA K 12535, Großdia K 00/3
krone aufs Haupt drücken. Foto Marburg 22622, Details 22623f.
1c NOLI ME TANGERE Textabb. 45, Fig. 54, 64, Abb. 31 benen Armen segnet er die vor ihm am Boden kauernde Magda-
H. 86 cm, B. 54–54,5 cm. lena, die ihm den Arm entgegenstreckt. Wille vermutete, dass
Erhaltung: Nahezu vollständig erhalten. Im Medaillon ist le- der Christusfigur die für Limburg herangezogene Vorlage des
diglich ein Stück des Karogrundes ergänzt. Das Inkarnat sowie ungläubigen Thomas zugrunde liegt 21.
die violetten, blauen und gelben Farbgläser besitzen aufgrund Farbigkeit: Blauer Karogrund. Christus in hellgelbem Gewand
der deckenden Verwitterungsschicht eine stark verminderte und rotem Mantel, Nimbus rot. Maria Magdalena mit violettem
Lichtdurchlässigkeit. Gewand und rotem Mantel, Nimbus gelb. Hellgrüner Wiesen-
Ikonographie: Christus ist, obwohl Untergewand und Mantel boden, gelbes Salbgefäß.
seinen Körper eng umschließen, mit freiliegender Seitenwun- CVMA K 12532, Großdia K 00/6
de wiedergegeben. In leicht tänzelnder Gebärde und mit erho- Foto Marburg 22618, Detail 22619
1a AUSSENDUNG DER JÜNGER Fig. 65, Abb. 32 eine ikonographische Verwechslung mit der Himmelfahrtssze-
H. 84,5–85 cm, B. 54,5 cm. ne handeln könnte, die Maria wie in Limburg neben Johannes
Erhaltung: Nahezu vollständig erneuertes Feld, zum Original- zeigt.
bestand gehören nur mehr Kopf und Schulter Christi mit der Farbigkeit: Roter Karogrund. Die Gewänder von Maria und
Siegesfahne, zwei Köpfe mit dazugehörigen Händen, der Fel- Christus gelb, blaue Siegesfahne, Berg violett, Nimben blau,
sengrund sowie wenige Reste vom Karogrund. Zwei der drei gelb und violett.
Köpfe sind gesprungen. Das Rechteckfeld zeigt überwiegend CVMA K 12536, Großdia K 00/7, Foto Marburg 22633
den durch die Restaurierung von 1866/67 herbeigeführten Zu-
stand, lediglich die Köpfe wurden von der Mayer’schen Hof-
kunstanstalt ausgewechselt. Die originalen Farbgläser weisen
außenseitig einen flächigen Wettersteinbelag auf. Allein das
originale Inkarnat zeigt sich noch lichtdurchlässig.
Ikonographie: Nur Matthäus berichtet im letzten Kapitel seines
Evangeliums (Mt 28,16–20) von der Begegnung der Jünger mit
Christus auf dem Berg in Galiläa und der Anweisung zur Mis-
sionierung. Christus steht erhöht auf dem Berg, die Rechte zum
Segensgestus erhoben, in der Linken die geschulterte Siegesfah-
ne. Zu den Seiten sitzen je zwei Jünger mit betend erhobenen
Händen. Gegenüber der Darstellung im Achsenfenster der ehe-
maligen Wilhelmitenkirche in Limburg erscheint das Personal
noch einmal reduziert, hinzu tritt Maria, wobei es sich auch um
Fig. 66. ES Chor s II, 1b.
M 1:15
1a STEHENDE SIBYLLE Fig. 68, Abb. 36 Buch als Attribut der Gelehrtheit, mit dem Zeigefi nger der
H. 87 cm, B. 55,5 cm. Rechten auf das Schriftband weisend.
Inschrift: Auf dem Schriftband in gotischer Majuskel [SIE CVMA K 12539, Großdia K 00/10, Foto Marburg 22634
KUM VOR MIC] ZIHC WEILWISZI.
Erhaltung: Im Zuge der letzten Restaurierung wurden der Figur 1b ORNAMENTFELD MIT WEINRANKEN
eine Krone aufgesetzt, das Schriftband ergänzt und beidseitig Fig. 69, Abb. 35
neue Seitenstreifen mit einem blauen Perlband hinzugefügt. Die H. 87 cm, B. 55–55,5 cm.
seit der Wiederherstellung durch Schultz vor dem Blattrauten- Erhaltung: Das Schwarzlot ist an mehreren Stellen stark berie-
grund schwebende Figur steht jetzt wieder wie ursprünglich ben, die Blattzeichnung vereinzelt vollständig verloren. Glasau-
auf dem Boden. Ein ausgebrochenes Gewandstück wurde in ßenseite flächig verwittert, fortgeschrittener Lochfraß nur an
Blankglas ergänzt und mit schwarzer Folie abgeklebt. den weißen Gläsern. Eine starke mechanische Reinigung auf
Ikonographie, Farbigkeit: Die Sibylle stehend nach rechts ge- der Innenseite hat zu vermehrter Korrosion entlang der Kratz-
wandt vor einem Rautengrund aus abwechselnd violetten und spuren geführt.
grünen Blattkaros. Großer blauer Nimbus und eine schwere Komposition: Das ornamentale Restfeld stammt entweder aus
goldene Krone über Weihel und Wimpel. Unter dem roten, in einer kompositen Fensterverglasung aus figürlichen Darstel-
weichen Kaskaden herabfallenden Mantel mit türkisfarbenem lungen unter Ornamentteppichen oder war einst Bestandteil
Futter ein tiefblaues Untergewand. In der Linken hält sie das eines vollständig ornamental verglasten Chorfensters. In der
Fig. 68. ES Chor s III, 1a. Fig. 69. ES Chor s III, 1b.
M 1:15 M 1:15
120 frankenberg . liebfrauenkirche
Marburger Elisabethkirche sind beide Kompositionstypen ver- 1c SITZENDE SIBYLLE Fig. 70, Abb. 37
treten. H. 87 cm, B. 55,5 cm.
CVMA K 12540, Großdia K 00/11, Foto Marburg 22632 Inschrift: Auf dem Spruchband in gotischer Majuskel DIE DIE
WISESTE(N) SI(N)T DIE KU(O)MIN VOR MICH.
Erhaltung: Die Mayer’sche Hofkunstanstalt rückte die zuvor
auf dem Blattrautengrund schwebende Gestalt wieder auf das
ursprüngliche Bodenniveau und versah das Feld beiderseits mit
einer Perlbandborte und neuen Seitenstreifen. Bis auf Weiß,
Gelb und Türkis sind sämtliche Farbgläser durch einen außen-
seitigen Wettersteinbelag nahezu undurchsichtig geworden.
Teilweiser Verlust der Zeichnung auf Krone und Kopftuch.
Ikonographie, Farbigkeit: Die bekrönte und nimbierte Sibylle
auf einer bepolsterten Thronbank nach rechts gewandt, in der
Linken eine offene Schriftrolle. Der Rautengrund aus abwech-
selnd violetten und grünen Blattkaros. Roter Mantel mit tür-
kisfarbenem Futter, Untergewand und Nimbus tiefblau, Thron
und Krone hellgelb.
Fig. 70. ES Chor s III, 1c. CVMA K 12541, Großdia K 00/12
M 1:15 Foto Marburg 22635
Die Maßwerkrose über dem Seitenportal auf der Südseite des Langhauses bewahrt noch eine kaleidoskopartige Farb-
verglasung, die wahrscheinlich aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts stammt. Den gespitzten Vierpass im Zen-
trum füllte der Glaser mit einer mittelalterlichen Rundscheibe eines Pelikans, der seine Jungen erweckt, und vier
originalen Blütenrosetten in den Passlappen.
0 PELIKAN ERWECKT SEINE JUNGEN Nest. Die vierblättrigen Blüten mit abwechselnd roten und
Fig. 71, Abb. 38 blauen Blättern sowie roten Blütenstempeln. Das ungewöhn-
Durchmesser ca. 35 cm. lich changierende Federkleid des Pelikans wurde wohl mit-
Erhaltung: Ohne Ergänzungen. Die Schwarzlotzeichnung tels eines von Rot nach Weiß verlaufenden Überfangglases
ist sehr stark berieben, flächendeckender Lochfraß an den erzielt.
blauen Farbgläsern mit verminderter Lichtdurchlässigkeit, Stil, Datierung: Aus der stilistisch geschlossenen Gruppe
weniger dicht an den anderen Gläsern. Beim Pelikan je zwei der Figurenfelder fällt die Rundscheibe mit dem Pelikan auf-
Sprünge an Flügel und Beinen. Das gleiche, stark verwitterte grund ihrer vollkommen anderen Zeichentechnik heraus. Die
Erscheinungsbild auch an den vier Blütenrosetten, die kei- Konturen sind sicher und geschlossen, die Binnenzeichnung
nerlei Bemalung aufweisen. gegenüber der reichen und bisweilen skizzenhaft-nervösen
Ikonographie: Der Physiologus beschreibt dieses analoge Modellierung der Chorverglasung klar definiert. Zudem
»Naturereignis« zum Opfertod Christi 22 . Demnach reißt fand hier ein anderes Farbglas Verwendung. Trotz des in-
sich der Pelikan vor Trauer über den Tod seiner Jungen mit haltlichen Bezugs zum Opfertod Christi lässt sich daher zu
dem Schnabel die eigene Flanke auf. Das herausfließende Blut den Passionsszenen im Achsenfenster keine Verbindung her-
erweckt die Jungen erneut zum Leben. Ein Parallelbeispiel stellen. Die Scheibe weist vielmehr in die ersten Jahrzehnte
für die Verlagerung dieser Darstellung in die Maßwerkzone des 14. Jh. und könnte den Rest einer Maßwerkfüllung eines
liefert eine im Musée de l’Œuvre-Notre-Dame zu Straßburg zweibahnigen Passionsfensters in Lang- oder Querhaus dar-
aufbewahrte Dreipassscheibe (14. Jh.) unbekannter Proveni- stellen.
enz 23. CVMA K 12541a
Farbigkeit, Technik: Vor tiefblauem Grund der Pelikan mit
weißem Bauchkleid, rostbraunem Rücken und gelbem Schna-
bel. Seine Jungen braun mit gelben Schnäbeln im saftgrünen
22 LCI, III, 1971, Sp. 390–392; vgl. auch: Der Physiologus. Tiere und
ihre Symbolik. Übertragen und erläutert von Otto Seel, Zürich 71995,
S. 10f. Fig. 71. ES Lhs. S XIV, 0
23 Hérold/Gatouillat 1994, S. 232, Fig. 218. M 1:15
FRITZLAR · EHEM. CHORHERRENSTIFT ST. PETER
Gegenwärtiger Bestand: Heute befindet sich nur mehr die stark erneuerte Ornamentverglasung der Allerheiligen-
kapelle im Kreuzgang an ihrem ursprünglichen Ort (Fig. 76–81, Abb. 39–41). Ein weiterer Ornamentrest (Fig. 82) und
fünf Figurenfelder aus den südlichen Langhausfenstern (Fig. 83–88, Abb. 44–50) wurden im letzten Jahrhundert in das
1912 gegründete Dommuseum überführt1. Da deren ehemaliger Standort nicht mit Sicherheit bestimmt werden kann,
sind diese unter den Museumsbeständen behandelt.
Geschichte des Baues und seiner Verglasung: Als der angelsächsische Missionar Bonifatius im Jahre 724 eine
Kirche in Fritzlar gründete, hatte dort offenbar bereits eine merowingische Ansiedlung bestanden. Infolge der Zerstö-
rung des Ortes durch die Sachsen im Jahr 774 wurde die Benediktinerabtei dem König übertragen. Der Bau einer karo-
lingischen Pfalz westlich der späteren Stiftskirche zeugt von der einstigen Bedeutung des Ortes, an dem Königswahlen
und Reichsversammlungen stattfanden. Fritzlar entwickelte sich in hochmittelalterlicher Zeit zu einem bedeutenden
geistlichen und wissenschaftlichen Zentrum im hessischen Raum. Die Stadt und das mittlerweile in ein Kollegiatsstift
umgewandelte Kloster gelangten bereits unter Heinrich IV. an das Erzbistum Mainz. In Heinrichs Kampf mit dem
Gegenkönig Rudolf von Schwaben wurden Stadt und Kloster 1079 erneut zerstört, aber in der Folge zum dauerhaften
mainzischen Vorposten gegen die territorialen Bestrebungen der thüringischen Landgrafen ausgebaut. Obwohl im
Jahr 1232 die Stadt und die kurz zuvor errichtete erzbischöfliche Burg durch Konrad von Thüringen ein weiteres Mal
vernichtet wurden und die Landgrafen 1427 die Schirmherrschaft über das mainzische Territorium in Hessen über-
nahmen, hielt sich Fritzlar als mainzische Enklave bis zur Aufhebung des Stifts im Jahr 1803. Fortan diente der Bau
der katholischen Bevölkerung als Pfarrkirche; 1992 hielt mit der Gründung eines Prämonstratenser-Priorats erneut
das Klosterleben Einzug.
Nach der Bonifatiusvita soll der Missionar im benachbarten Geismar die Donar-Eiche einer heidnischen Kultstätte
zum Bau eines Oratoriums verwendet haben; die Kapelle sei dann um das Jahr 732 von seinem Mitbruder Wigbert
zu einer Klosteranlage erweitert worden 2 . Die frühesten archäologischen Zeugnisse stammen allerdings erst aus dem
11. Jahrhundert. Nach der Zerstörung der Stadt durch Rudolf von Schwaben 1079 wurde die Kirche als dreischiffige
flachgedeckte Basilika mit westlichem Querbau in der Größe der heutigen Anlage wiedererrichtet. Hiervon haben sich
Querschiffmauern, die Kryptenanlage, Teile der nördlichen Seitenschiffswand sowie die beiden Untergeschosse des
Westbaus erhalten. Der offenbar schlechte bauliche Zustand machte seit 1180 Umbauten notwendig; zunächst wurde
der Chor nach Wormser Vorbild erneuert, anschließend erfolgte der Ausbau der westlichen Zweiturmanlage (Fig.
72f.). In die ersten Jahrzehnte des 13. Jahrhunderts fällt der Neubau des sich am gebundenen System orientierenden
Langhauses; erst im folgenden Jahrhundert wurde es um ein weiteres Seitenschiff nach Süden erweitert. In die gleiche
Zeit datiert auch der Kreuzgang (Fig. 75). Neben der 1330 erstmals urkundlich erwähnten Allerheiligenkapelle befin-
det sich dort noch heute die vor 1365 gestiftete Philippus-Jakobus-Kapelle; hingegen hat man die im Jahr 1513 in den
Kreuzgang gestiftete Salvatorkapelle des Scholasters Hermann Hankrat bereits 1756 abgebrochen.
Zur besseren Beleuchtung der älteren Ostteile brach man zu verschiedenen Zeiten größere Fensteröffnungen in Quer-
hausstirnwände (Nordquerhaus 2. Hälfte des 13. Jahrhundert, Südquerhaus 14. Jahrhundert) und Chor (15. Jahrhun-
dert) ein. Eine umfassende Barockisierung des Chorbereichs erfolgte im ausgehenden 17. Jahrhundert. Um die Mitte
des 19. Jahrhunderts ließ man zunächst die Marienkapelle am nördlichen Querarm durch den Neugotiker Johann
Gottlob Ungewitter wiederherstellen 3. Nach dem Einsturz des südlichen Turmhelms, durch den auch das westli-
che Mittelschiffsgewölbe einbrach, erfolgte 1873 eine Rekonstruktion der Turmhelme durch Carl Schäfer. Die noch
gänzlich puristischen Vorstellungen gehorchende Wiederherstellung des Kreuzgangs im Jahr 1871 wurde für den
Kirchenbau glücklicherweise verworfen, zu dessen Charakteristika gerade auch die an Architektur und Ausstattung
1 Darüber hinaus befi nden sich im Dommuseum zwei weitere Wap- 2 Zur Deutung der Grabungsfunde und zur Geschichte des Baus sie-
penscheiben aus nachmittelalterlicher Zeit, das Mainzer Bischofswap- he jetzt Rainer Humbach, Dom zu Fritzlar. Mit einem Dokumentati-
pen Daniel Brendels von Homburg (1555–1584) aus dem Jahr 1564 so- onsanhang von Burghard Preusler, Katharina Thiersch und Ulrich
wie das Wappen des Fritzlarer Dechanten Georg Doeren von 1584; vgl. Knapp, Petersberg 2005.
Drach 1909, S. 44f., Niederquell 1974, S. 88f., Nr. 145 (mit Abb.). 3 Vgl. David-Sirocko 1997, S. 293–297.
122
abzulesenden Phasen der Umgestaltung gehören. Bei der durchgreifenden Restaurierung von 1913 bis 1920 blieb der
bauliche Zustand daher im Wesentlichen unverändert4. 1978–1997 wurden statische Sicherungsmaßnahmen durchge-
führt, nachdem vermehrt Risse an Gewölben und Neigungsveränderungen am aufgehenden Mauerwerk festgestellt
worden waren.
Obgleich der Klosteranlage während der Belagerung der Stadt im Siebenjährigen Krieg nur geringfügige Zerstörungen
zugefügt worden waren, hat man dieses Ereignis damals zum Anlass genommen, den gesamten Bau im Rokokostil
zu modernisieren. Was an Glasmalereien der Barockisierung im ausgehenden 17. Jahrhundert noch nicht zum Opfer
gefallen war, dürfte dann spätestens mit dieser Maßnahme untergegangen sein. Denn in einem 1766 datierten Vertrags-
abschluss mit Joannes Marcus Antonius Rainerus, einem italienischen Weißbinder, wird unter anderem versprochen,
(...) Altäre, Bilder und Statuen in der Kirche zu renovieren und auszuputzen, alle Fenster in der gedachten Kirche
rein und hell zu machen und zu butzen (vgl. Reg. Nr. 12). Entweder hat man die für erhaltenswert befundenen Glas-
malereireste unterschiedlicher Herkunft bereits damals in die südlichen Seitenschifffenster versetzt oder diese erst
anlässlich einer weiteren Instandsetzungskampagne in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts dorthin transferiert.
Noch Drach (1909) beschreibt die Stücke an ebendiesem Ort, doch mussten die mittelalterlichen Originale sukzessi-
ve neuen Figurenfenstern von Fritz Geiges (1914/15) und Otto Linnemann (1936) weichen, die fortan in den Räumen
des südlichen Nebenchors aufgestellt waren bzw. in das 1912 gegründete Dommuseum überführt wurden 5. Nach 1974
sind die Glasmalereien im neu eingerichteten Museum im Südtrakt der Stiftsgebäude zusammengeführt worden.
4 Bericht zu den Wiederherstellungsarbeiten im Jb. der Denkmalpfle- für die beiden Querhausfenster Farbverglasungen mit Darstellungen
ge 1920 (s. Bibl. S. 129), S. 38–44. der Hll. Martin und Elisabeth sowie Ornamentmuster für die übrigen
5 Der Frankfurter Künstler Otto Linnemann, dem die Rekonstruk- Öffnungen. Hierzu Humbach 2005 (wie Anm. 2), S. 111f. Die Glasma-
tion der damals wiederaufgedeckten Wandmalereireste oblag, lieferte lereien von Fritz Geiges im südlichen Seitenschiff zeigen Bischofs- und
124 fritzlar . ehem. chorherrenstift
Bibliographie: Lotz 1862, S. 225 (»Glasmalereien in den Kapellen, gotische Ornamente«); Heinrich von Dehn-
Rotfelser, Die Stiftskirche St. Petri zu Fritzlar. Nach Aufnahmen von Friedrich Hoffmann, Kassel 1865, Taf. XIII
(Abb. der Glasmalereien); Dehn-Rotfelser/Lotz 1870, S. 57 (die Ornamentfelder wurden »neuerdings von F. Hoff-
mann stylgemäß wieder vervollständigt«); Oidtmann 1898, S. 309 (nach Dehn-Rotfelser/Lotz 1870); Drach
1909, S. 44, 58, Taf. 87f. (die Fenster enthalten noch die »neuerdings wieder vervollständigten Glasmalereien mit go-
tischen Blattornamenten«); Christian Rauch, Fritzlar. Ein kunstgeschichtlicher Führer, Marburg 31926, S. 72 (datiert
die »Reste gotischer ornamentaler Glasmalerei« an den Ausgang des 13. Jh.); Christian Rauch / Volker Katzmann,
Fritzlar. Die alte Dom- und Kaiserstadt und ihre Kunstschätze, Tübingen 1974, S. 28, 31, Farbabb. S. 40 (folgt Rauch
3
1926 und datiert den Kapellenanbau um 1330); Scholz 2002, I, S. 165, Anm. 21 (die als Spolien wiederverwendeten
Drachenfigürchen im Stifterbild des Lorenz Tucher sind stilistisch mit den Darstellungen im Maßwerk vergleichbar).
Geschichte des Baues: Die erstmals in einer Urkunde von 1330 erwähnte Allerheiligenkapelle im Westflügel des
Kreuzgangs ist ein schlichter kreuzrippengewölbter Chorbau mit 5/8-Schluss und schlanken zweibahnigen Fenstern
an den drei Polygonseiten (Fig. 74f.). Das Maßwerk ist stets gleichgestaltet und zeigt eine dreistrahlige Grundform.
Erhaltung: In den Lanzetten haben sich nur noch wenige originale Felder, darunter vor allem die Kopfscheiben, er-
halten. Sämtliche Ergänzungen stammen von Friedrich Hoffmann, der die Ornamente anlässlich der Instandsetzung
der Kapelle nach vorhandenen Restmustern vervollständigte. Substantiell besser erhalten sind dagegen die Mono-
lithscheiben im Maßwerk; hier wurden einige seitliche Zwickel erneuert, einzelne Teile sind ausgebrochen oder beim
Wiedereinbau seitenverkehrt eingesetzt worden. Vor allem die dünnere Binnenzeichnung der Blätter weist fortge-
schrittenen Substanzverlust auf, die schwarzgrundigen Maßwerkfüllungen sind teilweise stark berieben. Weißes und
gelbes Glas sind ohne Korrosion. Die Zeichnung auf den neuen Gläsern wurde von Hoffmann unter Umständen nur
Fig. 74. Fritzlar, Stiftskirche St. Peter. Blick in den Kreuzgang mit Allerheiligenkapelle.
fritzlar . ehem. chorherrenstift 125
I
I
sI
nI
kalt aufgetragen, da diese heute gegenüber älteren Aufnahmen an mehreren Stellen kaum mehr zu erkennen ist. Über
alten wie neuen Gläsern liegt ein fettiger(?) grünlicher Überzug, der offenbar nachträglich aufgebracht wurde, um den
starken Lichteinfall in das Chörchen zu mildern.
Kaiserfiguren über kleinfigurigen Szenen aus der Bistumsgeschichte in sprüchliche Angaben zum Standort der Glasmalereien gemacht. So
den Sockelfeldern. Hierzu Daniel Parello, Von Helmle bis Geiges. sind die Felder der Verkündigung und der Hl. Agnes laut Jb. der Denk-
Ein Jahrhundert historistischer Glasmalerei in Freiburg (Veröffentli- malpflege 1920 (s. Bibl. S. 129), S. 42, in das Dommuseum in den oberen
chungen aus dem Archiv der Stadt Freiburg im Breisgau 31), Freiburg Räumen des Kreuzgangs aufgenommen worden, laut Rauch 31926 (s.
i. Br. 2000, S. 164, 283. – In der älteren Literatur werden teils wider- Bibl.), S. 58, in die Sonntagssakristei im südlichen Nebenchor.
126 fritzlar . ehem. chorherrenstift
Fig. 76–78. Drachen und Fabelwesen aus den Maßwerkfenstern der Allerheiligenkapelle. – Kat. S. 127f.
Hl. Agnes kommen hierfür aufgrund ihrer zu schmalen Breitenmaße nicht in Betracht (s. Dommuseum Nr. 2–4). Ganz
spielerisch hat die Glasmalereiwerkstatt die Frage der Maßwerkgestaltung gelöst. Hier finden sich neben heraldischen
Motiven wie Adler oder Lilien auch groteske Drachenfiguren und Fratzen sowie eigenwillige architektonisch-vegeta-
bile Mischformen, die letztlich auf den Einfluss der französischen, dort wiederum zuerst in der Buchmalerei fassbaren
Mode der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts zurückzuführen sind (Fig. 76–78) 6 .
Komposition, Ornament, Farbigkeit, Datierung: Die offenbar zuverlässig ergänzten Muster besitzen einen aus-
geprägten Grisaillecharakter; die fensterweise wechselnden Ornamente sind überwiegend aus Blattwerk geformt und
sparsam mit Farbgläsern hinterlegt. Dabei setzt sich das Achsenfenster aus einer Kette von überschnittenen Kreis-
und Linsenformen auf rotem Grund zusammen, deren Kerne entweder aus einem Rautenelement bestehen, in das ein
gelber Blütenstern mit blauen Blattzwickeln eingeschrieben oder aber mit einer blauen Blüte besetzt ist. Beide, mit
fruchttragendem Eichenlaub gefüllte Grundformen sind durch die Ranken flechtbandartig miteinander verwoben.
Das linke Fenster zeigt dagegen ein Grundmuster aus stehenden, mit gelber Blüte belegten Vierpässen zwischen brei-
ten Randstreifen, die Zwischenräume sind in der Vertikalen mit gelben Blütenkaros auf blau-rot gevierteltem Grund,
in der Horizontalen mit gelben Gläsern gefüllt. Die vegetabile Füllung besteht aus stilisierten Blättern und Früchten
der Zaunrübe. In süd II befindet sich ein zu den Seiten hin offenes Muster aus einem gelben Rautenflechtband vor
hellblauem Grund, dessen Zwischenräume innerhalb des Rautenfeldes vierpassförmige Blattfigurationen mit rotem
Mittelpunkt, außerhalb dagegen angeschnittene Halbkreuze mit Efeu und zentralen roten Blütenrosetten aufnehmen.
Das Flechtband läuft in der Lanzettenspitze in ein Eichblatt aus.
6 Die um 1340 anzusetzenden und von einem französisch geschulten zuletzt Jane Hayward, English and French Medieval Stained Glass
Atelier ausgeführten Chorschrankenmalereien des Kölner Doms bieten in the Collection of the Metropolitan Museum of Art, revised and
einen unerschöpfl ichen Reichtum solcher phantastischen Drôlerien; s. ed. by Mary B. Shepard and Cynthia Clark (Corpus Vitrearum
Gerhard Schmidt, Die Chorschrankenmalereien des Kölner Domes USA I), London/Turnhout 2003, I, S. 224–230.
und die europäische Malerei, in: Kölner Domblatt 44/45, 1979/80, S. 8 Abb. verwandter Muster aus der Colmarer Dominikanerkirche,
293–340, wiederabgedruckt und und mit neuem Kommentar versehen heute im Freiburger Augustinermuseum in: AK Köln 1998, Nr. 41.1–3;
in: Gerhard Schmidt, Malerei der Gotik. Fixpunkte und Ausblicke, Farbabbildungen der Colmarer Ornamentscheiben im Germanischen
II: Malerei der Gotik in Süd- und Westeuropa, Graz 2005, S. 157–185. Nationalmuseum Nürnberg bei Daniel Hess, Raum und Farbe: Archi-
Eine Vielzahl grotesker Figurenbildungen hat auch die Grabung im tektur und Malerei, in: Mittelalter. Kunst und Kultur von der Spätan-
Dominikanerkloster zu Gent zu Tage gefördert, durch welche unse- tike bis zum 15. Jahrhundert, Nürnberg 2007, S. 240, Abb. 217–219; s.
re Vorstellung von der vollständig verlorengegangenen hochgotischen ebenda auch S. 419, Nr. 353; zu Königsfelden vgl. Kurmann–Schwarz
Glasmalerei im Gebiet des heutigen Belgien wesentlich bereichert 2008, S. 129 (Muster O).
wurde. Siehe Antoine de Schryer, Yvette Vanden Bemden, Guido J. 9 Landolt-Wegener 1959, Abb. 63–70 (Ornamentfelder der Wiesen-
Bral, Gothic Grotesques in Ghent. The Medieval Stained-Glass Frag- kirche), Abb. 16–27 (Skizzen der verschollenen Ornamentfelder in St.
ments found in the Dominican Monastery, Kortrijk 1991. Pauli von C. J. Milde). – Einen frühen Reflex dieser Richtung stellen
7 Vgl. etwa die Grisaillefelder der Kathedrale von Sées um 1270/80, die auf Schloss Bürresheim erhaltenen Ornamentfelder unbekannter
heute im Metropolitan Museum of Art, The Cloisters. Siehe hierzu Provenienz dar (um 1260); AK Köln 1998, Nr. 7.
fritzlar . ehem. chorherrenstift 127
Die vegetabil-geometrischen Mischformen sind im Kern das Ergebnis einer Entwicklung, welche die Grisaille im
Frankreich des 13. Jahrhunderts durchläuft: Die Blattranken bilden hierbei eine geometrische Struktur als Rahmen-
folie für das Laubwerk aus7. Am Oberrhein lassen sich bereits im ausgehenden 13. Jahrhundert verwandte, obschon
farblich häufig reicher durchsetzte Beispiele finden, so etwa in den Chorverglasungen der Colmarer Bettelordenskir-
chen oder auch im Königsfeldener Langhaus 8 . Nähere Bezüge ergeben sich aber auch zu westfälischen Glasmalereien,
insbesondere zu den Fenstern im Chor der Soester Wiesenkirche und zur Chorverglasung von St. Pauli. Hier aller-
dings wird ein offenbar rheinländischer Traditionsstrang weiterverfolgt, der sich zusätzlich aufgelegter, bisweilen
miteinander verflochtener Farbbänder bedient 9.
Fritzlar(?), 2. Viertel 14. Jahrhundert.
Vorbemerkung zum Katalog: Die Glasmalereien wurden im Oktober 2001 in situ untersucht und fotografiert.
4b, 5a/b ORNAMENTFELDER MIT RAUTENMUSTER sitzen Lilien mit Schaftringen und Maßwerkglied. Mittig ein
Fig. 81, Abb. 41 gelber blütenverzierter Stern.
Rechteckfeld: H./B. 38,5/30 cm; Kopfscheiben: H./B. 20/30 CVMA J 12835, MF 479 J 6, 8, Großdia J 01/204
cm.
Erhaltung: Das gelbe Rautenband, Teile des blauen Grundes
und die roten Punkte der Blattkreuze sind in Feld 4b erneuert.
Besser erhalten sind dagegen die Kopfscheiben, allerdings zei-
gen diese zahlreiche Sprünge, stärker korrodiertes rotes Glas
und an den Blättern partiell abgegangene Binnenzeichnung.
Der schmierige, kalt aufgetragene Überzug und Verunreini-
gungen beeinträchtigen heute das Erscheinungsbild.
Komposition, Farbigkeit, Ornament: Die Rautenbänder laufen
in einem gelben Eichblatt der Lanzettspitze zusammen.
CVMA J 12835, Großdia J 01/204
Bibliographie: Lotz 1862, S. 225 (»Glasmalereien im südl. Seitenschiff, gotisch A. 14. Jh. klein, z.T. sehr ausgezeichnet,
andere unbedeutende von 1564«); Heinrich von Dehn-Rotfelser, Die Stiftskirche St. Petri zu Fritzlar. Nach Aufnah-
men von Friedrich Hoffmann, Kassel 1865, Taf. X (Abb. der Verkündigungsgruppe); Dehn-Rotfelser/Lotz 1870, S.
57 (Reste alter Glasmalereien im südlichen Seitenschiff, darunter eine Verkündigung und eine Hl. Agnes); Oidtmann
1898, S. 309 (erwähnt Glasmalereien im südlichen Seitenschiff vom »Ende des 14. Jh.«); Drach 1909, S. 44, 58, Taf.
87f. (vermutet in den vierbahnigen Fenstern des Südseitenschiffs den ursprünglichen Standort der Verkündigungs-
gruppe und rekonstruiert für die Hl. Agnes ein entsprechendes Pendant; die Pietà stellt ein Importwerk dar; verbindet
die Marienfigur mit der Kölner Schule des späten 15. Jh. und nennt weitere nachmittelalterliche Wappenscheiben);
Schmitz 1913, I, S. 19, 116 (ordnet die Verkündigung einer mittelrheinischen, vom Oberrhein abhängigen Werkstatt
zu; der von Grünewald inspirierte Meister der Hanauer Pietà fertigte auch das Fritzlarer Vesperbild an); Jahrbuch
der Denkmalpflege im Regierungsbezirk Kassel I, hrsg. von Alois Holtmeyer, Marburg 1920, S. 42, Taf. 90–92 (die
alten Glasmalereien in den Seitenschifffenstern mussten Neuschöpfungen von Fritz Geiges weichen); C. Faber Du
Faur, Der Hausbuchmeister, Gießen 1921, S. 93 (widerspricht der Einordnung der Pietà bei Schmitz 1913); Christian
Rauch, Fritzlar. Ein kunstgeschichtlicher Führer, Marburg 31926, S. 58, 72, Abb. S. 60f., 77 (Erwähnung der Glasma-
lereien im südlichen Nebenchor); Kurt Steinbart, in: AK Marburg 1932, I, S. 111 (sieht künstlerische Zusammenhän-
ge zwischen der hochgotischen Verkündigungsgruppe und dem Hofgeismarer Altar); Heinrichs 1939, S. 48, Anm. 13
(Datierung von Verkündigung und Hl. Agnes um 1320); Wentzel 1951, S. 40, 70 (die Pietà ist ein Ausläufer der unter
Hemmelschem Einfluss stehenden Gruppe von Glasmalereien in Herrnsheim, Kiedrich und Friedberg); Wille 1952,
I, S. 70–72, II, S. 53–55 (datiert die drei kleinen Figurenfelder mit der Verkündigung und der Hl. Agnes um 1320 und
sieht Zusammenhänge mit den Glasmalereien in Altenberg an der Lahn); Wentzel 21954, S. 40 (die drei hochgotischen
Figurenfelder bleiben in Hessen isoliert); Dehio Hessen 1966, S. 263 (»Englischer Gruß und hl. Agnes, 2. Hälfte 14.
Jh.«); Niederquell 1974, S. 19f., 46, 51, Nr. 20, 71, 81 (die drei hochgotischen Figurenfelder um 1350 »gehören offen-
bar einem größeren Zyklus von Darstellungen aus dem Marienleben und einzelnen Heiligen an«, die Hausmarke auf
dem Vesperbild ähnelt jener der Familie Günst); Christian Rauch / Volker Katzmann, Fritzlar. Die alte Dom- und
Kaiserstadt und ihre Kunstschätze, Tübingen 1974, S. 28, 31, Farbabb. S. 40 (sieht die Pietà noch in der südlichen Ne-
benkrypta, die drei Figurenscheiben der Verkündigung und der Hl. Agnes sowie die jüngere Einzelscheibe der Maria
aber in der Sonntagssakristei); Karl E. Demandt, Das Chorherrenstift St. Peter zu Fritzlar. Quellen und Studien zu
seiner mittelalterlichen Gestalt und Geschichte (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen 49),
Marburg 1985, S. 748 (vermutet im Fritzlarer Scholaster Hermann Hankrat den Stifter des Vesperbildes); Hess 1999,
S. 254 (Zurückweisung der von Schmitz 1913 gesehenen Gemeinsamkeiten zwischen Fritzlarer und Hanauer Pietà).
Vorbemerkung zum Katalog: Die Glasmalereien wurden im Oktober 2001 untersucht und fotografiert.
130 fritzlar . ehem. chorherrenstift
2–4. VERKÜNDIGUNG AN MARIA UND HL. AGNES Inschriften: Auf dem Schriftband rechts neben dem Verkündi-
Fig. 83–86, Abb. 45–47 gungsengel AVE · MARIA; auf dem Schriftband links neben
Verkündigungsengel: H. 49,5 cm, B. 16 cm; Maria: H. 47,5 cm, Maria EC[C]E · ANCILLA · D(OMI)NI; rechts neben der Hl.
B. 16 cm; Hl. Agnes: H. 51 cm (46,5 cm ohne untere Flick- Agnes S · AGNES. Die Schrift ist in reich verzierter gotischer
stücke), B. 15,5–16 cm. Majuskel ausgeführt.
Zur Frage des ursprünglichen Standorts: Für die breiten Seiten- Erhaltung: Die Flickstücke dieser Scheibengruppe lassen sich
schifffenster im südlichen Langhaus dürfte die Figurengrup- einer älteren Instandsetzungsmaßnahme zuordnen, jüngere
pe schwerlich geschaffen worden sein, wie Drach 1909 noch Restaurierungen sind nicht nachzuweisen. Einige Sprünge und
angenommen hat. Die ungewöhnlich schmalen Felder lassen Anstückungen am unteren Bildrand. Schwarzlotkonturen und
selbst unter der Annahme verlorener Randstreifen vielmehr auf begleitende Halbtonschatten intakt, nur vereinzelt geringfü-
eine Gruppe kleiner zweibahniger Maßwerkfenster schließen. gige Ausbrüche. Das linke Auge der Agnesfigur zeigt bereits
Die Allerheiligenkapelle im Kreuzgang kommt hierfür nicht auf den älteren Aufnahmen weitgehend abgewittert. Dort ist
in Frage, obgleich deren Fenster sicher einmal mit Figuren in auch der Kleeblattrankengrund stärker berieben. Außenseitig
den unteren Zeilen ausgestattet waren. Trotz passender Höhen- sinterartige Ablagerungen und fortgeschrittener Lochfraß.
maße hätte man hier zusätzlich jeweils 7 cm breite Randstreifen Mehrere Sprungbleie.
zu rekonstruieren, um die Breitenmaße der Lanzetten zu errei-
chen. Hinzu kommt, dass der Marien- und Agnesscheibe Blatt-
stücke einer andersgestalteten Ornamentverglasung mit kreuz-
Fig. 83f. ES Dommuseum Nr. 2f.
schraffierten Gründen eingefl ickt sind. Auch die 1354 errichtete
M 1:15
Marienkapelle am nördlichen Querarm ist aufgrund der zu
großen Fenstermaße als einstiger Standort auszuschließen.
Dagegen spricht viel dafür, die Glasmalereien auf eine Stif-
tung des Fritzlarer Kanonikers Hermann von Falkenberg
(1293?–1348) zurückzuführen. Hermann hatte im Jahr seines
Ablebens einen Altar zu Ehren der Hll. Agnes und Dorothea Fig. 85. ES Dommuseum Nr. 4
in der Falkenberger Kapelle (auch Stümmechen-Kapelle) neben M 1:15
der Krypta errichten lassen10 . Dort bestand auch bereits ein
von ihm mitdotierter Marienaltar. In seinem Testament stellte
der Kanoniker, der 1344 zum Lobe der Jungfrau Maria im Stift Ikonographie: Die bahnübergreifend angelegte Verkündigungs-
das Verkündigungsfest als Hochamt eingerichtet hatte, dafür szene ohne Besonderheiten. Ungewöhnlich dagegen ist der Cli-
nun Vikaren, Altaristen und Chorsängern zusätzliche Mittel peus mit dem Lamm in den Händen der Hl. Agnes, ein Attri-
zur Verfügung. So dürfte es sich bei den drei Feldern um den but, das ansonsten Johannes Baptista auszeichnet. Wir werden
Rest einer kompositen Verglasung aus Figuren unter Orna- mit dieser Frühform auf die ursprüngliche christologische Be-
mentteppichen handeln, die einst für die Falkenberger Kapelle deutung dieses Motivs verwiesen, deutet doch das Lamm auf
gestiftet worden war und welche um die heute fehlende Figur die Vision der Eltern nach dem Tod ihres Kindes hin. Agnes
der Hl. Dorothea ergänzt werden muss11. Die Kapelle befand erschien diesen inmitten der Jungfrauenschar mit einem Lamm
sich möglicherweise in der heutigen Wochensakristei auf der zur Rechten, welches als Symbol für die Zusammenkunft der
Südseite neben dem Hauptchor. Ihr ursprünglicher architekto- Märtyrerin mit dem himmlischem Bräutigam steht13.
nischer Kontext ist durch den Einbau von Renaissancefenstern Farbigkeit: Neben dem vorherrschenden Weiß für den gesam-
an der Ostwand jedoch nicht mehr rekonstruierbar, die beiden ten Bildhintergrund bleibt der Farbakkord auf die Farben Blau,
seitlichen zweibahnigen Maßwerkfenster der Südseite sind für Rot und Gelb beschränkt. Der weiß gefiederte Erzengel im gel-
unsere Figurenfelder zu breit12 . ben Mantel, blauem Untergewand und rotem Strahlennimbus,
Maria mit blauem, weiß gefütterten Mantel und rotem Kleid,
Nimbus gelb. Agnes trägt einen roten Mantel über dem blauen
Kleid; ihr Nimbus ist ebenfalls gelb. Hinter den gelben Maß-
10 Demandt 1985 (s. Bibl.), Teil 9: Prosopographie der Fritzlarer Ka- werkbögen ragen drei, abwechselnd rot und blau gemauerte
noniker, Nr. 132. Rundtürmchen mit gelben Kegeldächern hervor.
11 Zwischen den Türmen der Agnesfigur sind schraffierte Blattmuster Komposition, Stil, Datierung: Die Gemeinsamkeiten mit dem
angedeutet, die einen darüber verlaufenden Ornamentteppich erwar- um 1340 möglicherweise im nördlichen Hessen entstande-
ten lassen. nen Fritzlarer Altarretabel bleiben auf den architektonischen
12 Rauch 31926 (s. Bibl.), S. 58, vermutet die Lage der Kapelle auf der Formenapparat wie die in den Arkaden einbeschriebenen
Südseite in der Wochensakristei, Demandt dagegen auf der Nordseite Maßwerkfüllungen und den abschließenden Zinnenkranz be-
neben der Hauptkrypta. Selbst die Identität der Falkenberger Kapelle schränkt. Ansonsten deckt der Vergleich eher die grundver-
mit dem Stümmechen ist ungesichert, da die Admissionsweinlisten des
schiedenen künstlerischen Voraussetzungen beider Werke auf.
15. Jh. zwischen beiden Orten unterscheiden; Demandt 1985 (s. Bibl.),
Während die mageren spinngliedrigen Figuren des Retabels
S. 289. – Die Grabsteine Hermanns und seines ebenfalls 1348 verstor-
benen Bruders Johann haben sich erhalten. Das Wappen zeigt zwei mit ihren großen, fast übertriebenen Gebärdenreichtum eine
voneinander abgekehrte dreibärtige Schlüssel; Niederquell 1974, größere Vertrautheit des Künstlers mit der neuen Formenspra-
S. 17f., Nr. 16f. che belegen, ist in den Glasmalereien die Bruchstelle zwischen
13 Braun 1943, Sp. 45–48. alter und moderner Auffassung weitaus schwerer auszuloten.
fritzlar . ehem. chorherrenstift 131
Fig. 86. Verkündigung an Maria. Fritzlar, Dommuseum, Nr. 2f. – Kat. S. 130.
Westfalen(?), um 1350.
132 fritzlar . ehem. chorherrenstift
Bibliographie: Rudolf Heussner, Chronik des Ortes Gensungen, Kassel 1911, S. 79 (datiert die Petrusscheibe an
den Anfang des 16. Jh. und vermutet weitere Apostelbilder).
Gegenwärtiger Bestand: Im Oberlicht des modernen Windfangs am Nordeingang der Kirche befindet sich eine
kleine Rechteckscheibe mit der Darstellung des Apostels Petrus (Fig. 89f., Abb. 51).
Geschichte des Baues: Die evangelische Pfarrkirche zu Gensungen gehört zur Gruppe der sogenannten Wehr-
kirchen. Auf dem oberhalb der Siedlung befindlichen Kirchengelände haben sich noch Reste der alten Ringmauer
erhalten. Die benachbarte Stadt Felsberg unterstand zusammen mit den umliegenden Siedlungen dem Fritzlarer Stift
und damit dem Mainzer Erzstift. Der Grenzverlauf zur hessischen Landgrafschaft war auch wegen der strategisch
wichtigen Lage – von der Werra kommend verlief die Salzstraße durch Felsberg in Richtung Rheinland – stets stark
gesichert.
Schon der Ortsname weist auf eine Gründung in vorfränkischer Zeit, an der wahrscheinlich auch ein Zehntgericht
bestand1. Die Anfänge der dem Hl. Petrus geweihten Kirche gehen möglicherweise bis auf die Zeit der Missionierung
zurück; damals soll vom Bistum Büraberg oder dessen Missionskloster Fritzlar aus eine Taufkirche errichtet worden
sein. Bereits vor 1085 befand sich die Kirche von Gensungen im Besitz des Fritzlarer Stifts, dem noch 1536 das Patronat
zustand, danach zog der hessische Landgraf dieses Recht an sich. Vom mittelalterlichen Bau selbst steht nur noch der
Westturm, dessen Glocken in das Jahr 1501 datieren. Eine umfassende Renovierung fand im Jahr 1728 statt, allerdings
wurde die Kirche 1824 bis auf den Turm abgetragen und als schlichter klassizistischer Saalbau mit herumlaufenden
Emporen wiedererrichtet.
Geschichte der Verglasung: Die heutige Präsentation der Petrusscheibe mit darüberliegendem vierzackigen Stern
scheint noch auf die Zeit des Kirchenneubaus von 1824 zurückzugehen. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird das Glas-
gemälde damals aus dem Vorgängerbau übernommen worden sein. Zu späteren Restaurierungsmaßnahmen fanden
sich keine Unterlagen, doch lassen sich die in Kathedralglas ausgeführten Ergänzungen vielleicht auf das letzte Drittel
des 19. Jahrhunderts fi xieren.
Erhaltung: Die Schwarzlotbemalung ist überraschend gut erhalten, Konturlinien und Halbtonüberzüge sind unver-
sehrt und haften fest auf dem Glasträger. Der Monolith selbst ist mehrfach gesprungen und mit schmalen Notbleien
versehen. Einige Glasstücke in den Randstreifen sind ergänzt worden.
Rekonstruktion, ikonographisches Programm: Man wird kaum davon ausgehen können, dass die bescheidenen
Fensteröffnungen kleiner Landkirchen immer vollständig mit Glasmalereien ausgestattet waren. Die Buntverglasung
war hier vielleicht häufiger bloß auf das Hauptfenster hinter dem Altarplatz beschränkt. Ob sich daher zur Petrus-
scheibe einst weitere Heilige oder sogar ein ganzes Apostelkollegium hinzugesellten, darf bezweifelt werden, zumal
mit dem Apostelfürsten bereits der Kirchenpatron selbst vertreten ist und sein Abbild plakativ die Zugehörigkeit der
Kirche zum Fritzlarer Petersstift unterstrich.
Farbigkeit, Technik, Stil, Datierung: Die Petrusfigur ist in klassischer Grisaille ausgeführt; lediglich ihr Attribut,
der Schlüssel, sowie der Nimbus sind mit orangetonigem Silbergelb farblich akzentuiert. Mit den ursprünglich zuge-
hörigen, orangefarbenen Randstreifen fügt sich die Komposition zu einem harmonischen Gesamtbild. Der Glasmaler
hat Konturlinien wie Halbtöne in unterschiedlicher Farbdichte aufgetragen und die Lichter mit Pinsel und Federkiel
recht fahrig herausradiert. Diese Art der Modellierung gelangt aber im Gesicht zu voller Wirkung. Die zeichnerische
Ausführung, wie etwa die Formung der Faltenhügel und -täler mit parallel angelegten Schraffuren oder die kasten-
artige Hintergrundgestaltung lassen wie in Eschenstruth (siehe S. 104–106) an eine Verwendung druckgraphischer
Vorlagen denken. Von der Größe des Monolithen her wäre die Graphik sogar im Originalmaßstab als Karton nutzbar
gensungen . pfarrkirche 135
gewesen. Gegenüber der Eschenstruther Scheibe, deren Bildfeld annähernd die gleichen Ausmaße besitzt, zeigt sich
die Petrusfigur jedoch weitaus fortentwickelter. Der Apostelfürst ist von stämmiger, leicht untersetzter Erscheinung.
Sein schwerer Wollmantel bildet tiefe Gewandhöhlen und weist mit seiner lockeren, kaum mehr manierierten Fal-
tenbildung über die Stillage einer ansonsten ikonographisch vergleichbaren, heute im Victoria & Albert-Museum
in London aufbewahrten Rundscheibe, die um 1480/85 am Ober- oder Mittelrhein entstanden ist, hinaus2 . Eine
physiognomische Besonderheit stellt der ins Rustikale individualisierte Kopf mit rundlicher Nase, zusammengeknif-
fenen Augen und kahlem Haupt dar, wobei die Stirnlocke des Apostelfürsten, die eigentlich zum festen Wiedererken-
nungsmerkmal des Heiligen gehört, hier ganz fehlt. Die ungewöhnlich schweren Augenlider und Tränensäcke, wie
sie durch den Meister des Göttinger Barfüßeraltars in die Malerei Göttingens Eingang fanden und noch für den um
1480 tätigen Meister des Göttinger Passionsaltars charakteristisch sind, geben hier vielleicht einen Hinweis auf eine
Entstehung der Glasmalerei im südlichen Niedersachsen oder im näheren Ausstrahlungsgebiet, wozu in erster Linie
das nahe gelegene Kassel gehören dürfte, über dessen Kunstproduktion am Ausgang des Mittelalters wir allerdings
kaum Vorstellungen besitzen 3.
Kassel oder südliches Niedersachsen(?), um 1490.
Vorbemerkung zum Katalog: Untersuchung und fotografische Aufnahme der Scheibe erfolgten im Oktober 2006.
Fig. 91. Haina, ehem. Klosterkirche. Blick von Osten auf Chor und Querhaus.
HAINA · EHEM. ZISTERZIENSERKLOSTER
Bibliographie: Johann Letzner, Historische, Kurtze, Einfaltige und Ordentliche Beschreibung des Closters und
Hospitals Heina in Hessen gelegen. Auffs newe ubersehen und verbessert, Mülhausen 1588, ohne Pag. (erste Erwäh-
nung der Glasmalereien: »daran viel kunstlicher un artiger Fenster, so mit vermaletem Glassewerk besetzet, das, wer
mit fleiss anschawet, sich über die zierlichen Kunst solcher Fenster verwundern muss, so ist auch immer ein Fenster
anderst, als das ander geformirt«); Georg Landau, Malerische Ansichten von Hessen, Kassel 1842 (Nachdruck Frank-
furt 1982), S. 178 (»sowohl die Kreuzarme als der Chor werden durch weite schöne Fenster erleuchtet«); Kunstblatt 26,
1845, S. 23 (Bericht über die anstehende Restaurierung der Glasmalereien); Karl Schnaase, Die Wiederherstellung der
Klosterkirche zu Haina, in: Deutsches Kunstblatt 6, 1855, S. 342f. (die instand gesetzten Fenster gewähren in Ost-
West-Richtung einen Überblick über die Entwicklung der Glasmalerei); Statz/Ungewitter 1856 bzw. 1861, S. 53f.,
Taf. 167f., 196–199 (kolorierte Abb. mehrerer Ornamentscheiben); Oidtmann 1898, S. 162, 166, 219 (die Fenster der
Südseite sollen bei einem Brand von 1859 zerstört worden sein); Oidtmann 1912, S. 56, 147f. (zitiert Letzner 1588);
Sherrill 1927, S. 69f. (gegenüber dem Maßwerk im Nordquerhaus ist das des Ostfensters entwickelter, die Grisaillen
zeigen jedoch reduzierte Formen); Kippenberger 1939, S. 40–45, Taf. 9–11 (einige Flechtbandmuster aus der Marbur-
ger Elisabethkirche begegnen auch in den kleinen Nordseitenschifffenstern, die »um 1260« anzusetzen sind und zu
den »ältesten« Glasmalereien in Haina zählen); Hans Wentzel, Die Glasmalereien der Zisterzienser in Deutschland,
in: Bulletin des relations artistiques France-Allemagne, Mainz 1951 (Separatdruck), ohne Pag. (ähnliche Ornament-
muster in Haina und Marburg deuten auf enge werkstattliche Beziehungen hin; will im »gegen 1300« datierten West-
fenster das früheste Beispiel einer figürlichen Verglasung in Zisterzienserklosterkirchen sehen); Wille, 1952, I, S. 163,
II, S. 115f. (folgt in der Datierung der Westteile Schürer 1926 und setzt das Kreuzigungsmedaillon folglich um 1350–
70 an); Wentzel 21954, S. 40, 88, 95, Abb. 127 (die Grisailleschöpfungen des Lupuldus Frater stehen in Hessen isoliert;
weist auf Zusammenhänge zwischen den Ornamentscheiben des ehemaligen Zisterzienserinnenklosters Sonnenkamp,
Marburg und Haina hin); Frodl-Kraft 1965, S. 15–18 mit Abb. 22–26 (Versuch einer Herleitung des in Heiligen-
kreuz wie in Haina, Neukloster und Marburg auftretenden Flechtbandmotivs aus der Ornamentik der seldschukischen
und armenischen Architektur); Frodl-Kraft 1972, S. 60f., Taf. IIa (vergleicht ein Ornamentmotiv in der Pfarrkirche
zu Gars-Thunau bezüglich der geometrisch-vegetabilen Mischform mit einem Restfeld im Depotfenster SÜD XIV);
Jane Hayward, Glazed Cloisters and their Development in the Houses of the Cistercian Order, in: Gesta 12, 1973, S.
93–109, bes. S. 94f. (entgegen der Annahme von Wentzel 1951 kann die Hainaer Kreuzigung kaum vor 1320/25 ent-
standen sein); Rüdiger Becksmann, in: Heinz Brandt, Das Kloster Haina. Die Zisterzienserabtei im hessischen Kel-
lerwald, Haina 1976, S. 41–44 (sieht wie Kippenberger in den kleinen Flechtbandfenstern im Langhaus die ältesten
Glasmalereien und datiert die Prachtfenster in Sanktuarium und Querhaus in das ausgehende 13. Jh.); Lymant 1979,
S. 52f., 55f., 59–63, 65, 70–72, Abb. 91, 94 (arbeitet die Zusammenhänge zwischen den Altenberger und Hainaer Orna-
mentformen heraus, wobei sich die Hainaer Verglasung in der Aufnahme farbiger Elemente künstlerisch entwickelter
zeigt als das Mutterkloster); Rüdiger Becksmann, Rezension zu Lymant 1979, in: Kunstchronik 34, 1981, S. 392–402
mit Abb. 1b, hier S. 398f. (gegen Lymant 1979); Zakin 1979, S. 173f., 176 (datiert die Verglasung in Haina unter-
schiedslos in das beginnende 13. Jahrhundert und sieht in der vergleichsweise naturalistischen Pflanzenornamentik
Parallelen zu französischen Beispielen); Brigitte Lymant, Die Glasmalerei bei den Zisterziensern, in: AK Aachen
1980, S. 345–356, hier S. 350, Abb. 6, 10–12, und S. 538, Nr. F 6b (folgt wiederum Wentzel 1951 in der Frühdatierung
des Westfensters und verweist auf ähnliche Ornamentmuster in Altenberg und Heiligenkreuz); Dehio Hessen 21982,
S. 380f. (knappe Charakterisierung des Bestandes, Datierung des Kreuzigungsmedaillons um 1335); Michler 1984,
S. 317–320 (teilt den Bestand in zwei Gruppen aus der Mitte des 13. und der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, welche
hinsichtlich der Zunahme an Farbigkeit in einem umgekehrten Verhältnis zur Reduktion der Farbfassung in der
Architektur stehen); 800 Jahre Haina. Kloster. Hospital. Forst, Ausstellung des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen
in Zusammenarbeit mit der evangelischen Kirchengemeinde Haina, Kassel 1986, S. 59–61, 66 (die Ergänzungen des 19.
Jh. sind unter Restaurator Lange nur kalt aufgemalt worden); Arnd Friedrich, Kloster Haina, Königstein im Taunus
1987, S. 49 (folgt trotz Spätdatierung des Westfensters um die Mitte des 14. Jh. der Einschätzung Lymants als einer
Inkunabel figürlicher Darstellungen bei den Zisterziensern); Rüdiger Becksmann, Gutachterliche Stellungnahme zur
138 haina . klosterkirche
Erhaltung und Sicherung der mittelalterlichen Farbverglasung der Klosterkirche zu Haina (Ms.), Freiburg im Breisgau
1986 (liefert Angaben zum Bestand und seiner Erhaltung; einzelne Architekturfelder deuten auf verlorene Figurenver-
glasungen hin); Dolff-Bonekämper 1989 (widmet sich der Restaurierungsgeschichte der Fenster durch Friedrich
Lange im 19. Jh. im Hinblick auf die Entwicklung denkmalpflegerischer Gesichtspunkte; Nachahmungen der Gri-
saillen befinden sich auf Burg Schweinsberg); Rüdiger Becksmann, in: Becksmann/Korn 1992, S. 235, Anm. 99 (die
Lanzetten des Westfensters besaßen ursprünglich eine figürlich-architektonische Farbverglasung, worauf verschie-
dene Flickstücke in anderen Fenstern hindeuten); Grenz 1992 bzw. 1994 (umfassende Quellenauswertung zur Bau-
und Restaurierungsgeschichte unter Einbeziehung der Glasmalereien); Richter 1993a, S. 168 mit Fig. 20 (einige orna-
mentale, »um 1270–80« zu datierende Restfelder in Haina zeigen sich in Organisation und Farbigkeit nahe verwandt
mit einer Verglasung der Zisterzienserkirche Doberan); Enrico Castelnuovo, Vetrate medievali. Officine tecniche
maestri, Turin 1994, S. 94f., Abb. 43 (die Künstlerinschrift des Frater Lupuldus im Ostfenster gehört möglicherweise
erst dem 14. Jh. an); Arnd Friedrich, Kloster Haina (Schnell Kunstführer 2225), Regensburg 1995, S. 10, 12–14 (lie-
fert anhand der Hainaer Fenster einen entwicklungsgeschichtlichen Abriss der Farbverglasungen von Zisterziensern);
Martin 1997, S. 80ff., Abb. 336 (das u.a. in Haina und Marburg anzutreffende Flechtbandmotiv begegnet auch in
einem Fenster der Mutterkirche der Franziskaner in Assisi); Ulrich Haroska, Glasrestaurierung in Hessen, in: Denk-
malpflege und Kulturgeschichte in Hessen 1998/2, S. 19 –24 (Vorstellung der Bestands- und Schadensproblematik vor
dem Hintergrund der Restaurierungsmaßnahmen); Friedrich/Heinrich 1998, S. 163f. (Erläuterungen zu den figür-
lichen Darstellungen im Westfenster); Ulrike Kunert, Die Restaurierung der Glasfenster, in: Friedrich/Heinrich
1998, S. 172–176 (detaillierte Angaben zum Erhaltungszustand); Hartmut Scholz in: AK Köln 1998, S. 162f., Nr. 19.1
und 19.2 (vermutet im Grisaillefeld eines Depotfensters Reste der Querhausverglasung aus der Zeit um 1260/70);
Claudia Schumacher, in: AK Köln 1998, S. 328–331, Nr. 89.1–4 (Nachzeichnungen Engelhards in vier Farbabb.);
Hess 1999, S. 47, 100f., 181–185, insb. 182, Anm. 11 (die Ornamentformen im Frankfurter Dom und der Friedberger
Stadtkirche bezogen ihre wichtigsten Anregungen offenbar aus Haina, deren nächste Verwandte wiederum auf Alten-
berg zurückweisen); Andrea Pufke, Das Kloster Haina: Renovierung, Restaurierung und Umbauten im 19. und frü-
hen 20. Jahrhundert, Darmstadt 1999, S. 30–34 (ausführliche Beschreibung und Bewertung der Langeschen Restaurie-
rung aus denkmalpflegerischer Sicht); Scholz 1999, S. 88 (in der Frühzeit des Ordens wurden, wie die Künstler-
signatur in dem Hainaer Ostfenster belegt, hauseigene Glasmaler oder eigene Klosterwerkstätten mit der Ausstattung
der Kirchen betraut); Untermann 2001, S. 225, 486 (vermutet eine frühe Fertigstellung der Hainaer Ostteile bereits
um 1224 und will im großen Ostfenster eine nachträgliche Erneuerung gegen 1240/50 sehen; datiert das Ostfenster um
1250/60); Ulrich Haroska, Die Restaurierungsarbeiten an der Klosterkirche Haina, in: Denkmalpflege & Kultur-
geschichte 2004/2, S. 2–8 (liefert einen knappen Überblick zur Restaurierungsgeschichte und benennt die aktuellen
Maßnahmen der Fensterrestaurierung); Parello 2004, S. 165–167 (die Lanzetten der um 1230/50 erstmals ornamental
verglasten Schaufenster in Ostchor und Nordquerhaus wurden im 14. Jahrhundert höchstwahrscheinlich durch figür-
liche Darstellungen ersetzt); Ulrike Brinkmann, Historische Glasmalereien. Denkmalpflegerischer Umgang und
restauratorische Maßnahmen, in: Zeitschichten. Erkennen und Erhalten – Denkmalpflege in Deutschland, hrsg. von
Ingrid Scheurmann, Ausstellung im Residenzschloss Dresden, München/Berlin 2005, S. 272–277 (Wiedergabe eines
Ornamentfeldes aus Fenster NORD XII); Ulrich Haroska, Zisterzienser in Hessen. Die Klöster Eberbach und
Haina, in: SehensWerte Schlösser & Gärten in Hessen 2007/3, S. 40f. (knappe Charakterisierung der Restaurierungs-
maßnahmen mit Abb. des Fensters nord III vor und nach der Restaurierung); Uwe Gast, Die Chorverglasung der
Stadtkirche in Friedberg im 14. und 15. Jahrhundert. Rekonstruktion, Programm und programmatische Änderungen,
in: Die gebrauchte Kirche (Arbeitshefte des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen), im Druck (zieht die östliche
Langhausverglasung in Haina zur Frühdatierung der Ornamentverglasung im Chor der Friedberger Stadtkirche her-
an).
Gegenwärtiger Bestand: Die ehemalige Klosterkirche der Zisterzienser in Haina birgt neben dem Altenberger
Dom die bedeutendste und umfangreichste Ornamentverglasung einer Zisterzienserkirche in Deutschland. Trotz
großer Verluste kann die Ausstattung zusammen mit der 1938 freigelegten und rekonstruierten Raumfassung noch ei-
nen authentischen Eindruck von der Farbwirkung mittelalterlicher Ordenskirchen vermitteln. In Zahlen ausgedrückt,
haben sich in neunzehn, überwiegend auf der Nordseite befindlichen Fenstern noch 114 Felder in den Lanzetten
sowie 212 Maßwerkteile erhalten. Während die Prachtfenster in den Stirnwänden nur mehr in den Maßwerken mit-
__________ I
S IV
n VI
nI S VII
N IX n II
NX n III
N XI n IV
N XII nV
N XIII
N XIV S XIV
N XV
N XVI
W
Fig. 92. Haina, Klosterkirche.
Grundriss mit Fensterschemata. Maßstab 1:300. N XVII
140 haina . klosterkirche
telalterliche Glasmalereien bewahrt haben, sind die vier östlichen Langhausfenster NORD IX–XII bis heute nahezu
ohne Ergänzungen erhalten geblieben. Demgegenüber besitzen die nach Westen anschließenden Fenster des jüngeren
Bauabschnitts NORD XIII–XVII wiederum nur mehr in den oberen Bereichen originalen Glasbestand; der Großteil
der Ornamente in den Lanzettpaaren stammt hier aus dem 19. Jahrhundert. Im Zuge der Langeschen Restaurierung
wurden schließlich einzelne ornamentale Restfelder und nachmittelalterliche Wappenscheiben in einem Fenster der
Südseite (SÜD XIV) vereint. Die vier mittelalterlichen Felder im Maßwerk des kleinen Westfensters NORD XVII wa-
ren nach ihrer Restaurierung im Jahr 1982 bedauerlicherweise dem Museum in Haina zur Aufbewahrung übergeben
worden und sind heute im Obergeschoss des Westflügels der ehemaligen Klausur abgestellt. Eine Kopfscheibe aus der
gleichfalls nur mehr fragmentarisch erhaltenen Gruppe der kleinen Nordseitenschifffenster gelangte in die Sammlung
der Freiburger Arbeitsstelle des Corpus Vitrearum, ein einzelnes Grisailleblatt fand wohl bereits im 19. Jahrhundert
den Weg nach Marburg und wird heute im Depot des Universitätsmuseums aufbewahrt.
Geschichte des Baues: Die Abtei war durch Graf Poppo von Reichenbach und dessen Frau Bertha zunächst im be-
nachbarten Aulisburg gegründet, wegen Erbauseinandersetzung aber mehrfach vergeblich besiedelt worden. Schließ-
lich erfolgte nach erneuter Übergabe des Gründungsguts im Jahr 1188 eine Wiederbesiedelung durch Mönche aus
Altenberg. 1215 stimmten Landgraf Hermann von Thüringen und der Mainzer Erzbischof Siegfried der Verlegung des
Klosters an einen »besseren Ort« zu. Durch ausgedehnten Grunderwerb entwickelte sich das Kloster bis zum Spät-
mittelalter zu einer der wohlhabendsten Abteien in ganz Hessen. Mit der Einführung der Reformation unter Landgraf
Philipp dem Großmütigen wurde Haina 1527 säkularisiert und die Erträge aus dem Klosterbesitz zur Finanzierung
eines Armenhospitals verwandt. Bis heute dient die Anlage unter der Trägerschaft des Landeswohlfahrtsverbandes der
Versorgung psychisch Erkrankter.
Für das Jahr 1224 ist die Weihe der neuen Kirche durch ihren Schutzherrn Erzbischof Siegfried überliefert. Zu die-
sem Zeitpunkt dürfte das wuchtige romanische Sockelgeschoss der nach bernhardinischem Plan errichteten Ostteile
– flach geschlossener Rechteckchor, ausladendes Querhaus mit je drei Kapellen an den Ostwänden – schon fertigge-
stellt gewesen sein. Die darüber ruhende feingliedrige Fensterzone gehört jedoch bereits einer zweiten Bauphase um
Fig. 93. Haina, Klosterkirche. Blick auf die Langhausnordseite und ein herrenloses Weinfass.
haina . klosterkirche 141
die Jahrhundertmitte an, worauf auch die jüngsten Ergebnisse der dendrochronologischen Datierung des originalen
Dachwerks schließen lassen1. Kaum später wird man mit der Errichtung der fünf östlichen Joche des dreischiffigen
Hallenlanghauses begonnen haben, dessen Architekturformen Marburger Einfluss verraten 2 . Für die Fertigstellung
dieses Abschnittes können die Erneuerung des Chorgestühls um 1280/90 und die Weihe des Kreuzaltars (1270) nur
ungefähre Hinweise liefern 3. Wichtige Angaben zum Bauverlauf gewinnen wir aber aus der stilkritischen Beurteilung
1 Das Dach über den Ostteilen datiert um 1252. Wahrscheinlich erfolg- 1240/50. Vgl. Untermann 2001, S. 485–487. Diese qualitativen Un-
te auch die Einwölbung erst zu diesem Zeitpunkt. Ich danke Frau Dr. terschiede dürften jedoch auf die Bedeutung des Sanktuariums als li-
Andrea Pufke, Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, Außenstel- turgisch wichtigstem Raumteil zurückzuführen sein, die durch eine
le Bamberg, für die Überlassung ihrer Untersuchungsergebnisse. Die entsprechend aufwendige Maßwerkgestaltung hervorgehoben wurde.
Auswertung der dendrochronologischen Untersuchung liegt bedauer- 2 Der Hallenquerschnitt und die kantonierten Rundpfeiler folgen der
licherweise noch nicht in einer publizierten Fassung vor. Hierzu zu- Anlage des Marburger Langhauses. Lediglich die beiden westlichen
letzt Schurr 2007, S. 38–44. Zur Einteilung der Baugeschichte in vier Vierungspfeiler stammen in ihren unteren Teilen noch aus der ersten
Etappen vgl. Schürer 1926 und Michler 1984, S. 295. Demgegenüber romanischen Bauetappe; Schurr 2007, S. 42.
nimmt Untermann neuerdings eine weitgehende Fertigstellung der 3 Friedrich/Heinrich 1998, S. 178–180. Schürer 1926, S. 153f.,
Ostteile bereits zur Kirchweihe von 1224 an (Baubeginn um 1201) und datiert die Beendigung der Arbeiten in die 1280er Jahre, Wilhelm-
vermutet in dem gegenüber dem Nordquerhausfenster fortschrittlicher Kästner 1924, S. 134, das vorläufige Bauende auf »etwa um 1290«.
gestalteten Ostfenster eine nachträgliche Erneuerungsmaßnahme um
142 haina . klosterkirche
der Ornamentverglasung, die sich an der Nordwand noch in situ befindet. Während die Sockelzone zusammen mit
der stilistisch hiermit zu verbindenden Verglasung des Querhauses um 1270 fertig gestellt gewesen sein dürfte, lassen
sich die darüber liegenden Ornamentfenster NORD IX – NORD XI schwerlich vor 1290/1300 ansetzen4. Will man
nicht annehmen, dass eine bereits vorhandene Verglasung nur kurze Zeit später wieder ersetzt werden sollte, so ließe
sich daraus – wie in den Ostteilen – eine geschossweise Errichtung des Baues erschließen: Aufmauerung des Sockelge-
schosses zur raschen liturgischen Nutzung der Räume und Fertigstellung der Fensterzone mitsamt Einwölbung zwei
bis drei Jahrzehnte später5.
Die verstärkten Strebepfeiler zwischen fünftem und sechstem Joch deuten auf einen provisorischen Wandabschluss
des Langhauses an dieser Stelle hin. Nach längerer Pause sind schließlich im ersten Drittel des 14. Jahrhunderts erneut
Baumaßnahmen fassbar. Auf gleicher Plangrundlage, jedoch in moderneren Detailformen, hat eine auch an der Fran-
kenberger Liebfrauenkirche tätige Werkstatt die vier westlichen Joche mitsamt der neuen Giebelfassade angefügt 6 .
In zeitlicher Nähe zur Errichtung der Fassade muss es dann zu einer Planänderung gekommen sein. Besaßen zuvor
Mittelschiff und Seitenschiffe noch getrennte Dachaufbauten mit über den Seitenschiffjochen quergestellten Dachein-
heiten, so hat man offenbar nun das Langhaus unter einem großen Satteldach zusammengefasst und den Giebelverlauf
der Fassade angepasst 7.
Nach der Aufhebung des Klosters trug man im Verlauf des 17. Jahrhunderts die funktionslos gewordenen Querhaus-
kapellen ab. 1744 erhielt der Bau einen steinernen Vierungsturm mit welscher Haube. Umfassende restauratorische
Maßnahmen setzten um die Mitte des 19. Jahrhunderts zunächst mit der Sicherung des Gebäudes vor dem drohenden
Verfall ein, wozu die Instandsetzung der Fenster, die Trockenlegung des extremer Feuchtigkeit ausgesetzten Mauer-
werks sowie die Reparatur des Dachstuhls zählten. Nach Kritik am zögerlichen und zunehmend rekonstruktiven
Baufortgang unter Friedrich Lange, der unterdessen zum Universitätsarchitekten nach Marburg berufen worden war
und dort mit der Instandsetzung der Marburger Elisabethkirche betraut wurde, sind die Arbeiten im Jahr 1856 Georg
Gottlob Ungewitter übertragen worden. Unter dessen Leitung wurde die Kirchenausstattung vollendet und die ehe-
maligen Konventgebäude wiederhergestellt. Als dogmatischem Neogotiker ging es Ungewitter weniger um historische
Authentizität als um die Stilhomogenität des Baues, was schließlich auch die Beseitigung aller nachmittelalterlichen
Veränderungen zur Folge hatte. Höhepunkt dieser verfälschenden Regotisierungskampagne war die Errichtung eines
mächtigen Vierungsturmes nach Plänen Ernst Georg Bössers im Jahre 1889 8 . Aufgrund erneuter Feuchtigkeitsschäden
am Mauerwerk erarbeitete das Hessische Landesamt für Denkmalpflege 1977 ein auf Dauer angelegtes Gesamtkonzept
zur Sicherung der Gebäudestatik und der Instandsetzung von Fassaden, Maßwerk und Verglasung. Die Sandstein-
sanierung geht dabei Hand in Hand mit dem Ausbau und der sukzessiven Restaurierung der Glasmalereien. Sämtliche
Maßnahmen sollen bis 2010 zum Abschluss gebracht werden.
Der Hainaer Wandaufriss gliedert sich in ein einfaches Sockelgeschoss und eine filigrane zweischalige Fensterzone,
wobei die große Mauerstärke des Sockels in den Ostteilen die Aufnahme eines Laufgangs ermöglichte. In den tiefen,
wandhohen Spitzbogenblenden sitzen wie in Marburg moderne zweibahnige Maßwerkfenster Reimser Prägung; das
Couronnement zeigt große und ungewöhnlich niedrig sitzende Okuli überwiegend mit eingeschriebenen Sechspass-
rosetten. Im ersten Bauabschnitt des Langhauses begegnen wie in den Blendfenstern der Stirnwände von Chor und
Querhaus zweibahnige genaste Lanzetten unter gestaffelten Dreipässen. Damit verwandt sind die kleinen Fensteröff-
nungen der Nordwand, doch ist hier das Couronnement auf einen weit geöffneten Dreipass reduziert. Im jüngeren
Bauabschnitt des Langhauses ragen dagegen genaste und mit Dreipässen gefüllte Lanzettenpaare weit über die Kämp-
ferzone hinaus und umklammern einen stehenden Vierpass. Die Stirnwände der kreuzförmigen Klosterkirche sind
mit vielbahnigen, einen Großteil der Mauer auflösenden Prachtfenstern ausgezeichnet: Am aufwendigsten gestaltet
4 Zur stilkritisch begründeten Datierung um 1290/1300 s. S. 155–157. 6 Die in das Giebelfeld eingebrachte Madonnenfigur – das Original
5 Allerdings sei nicht verschwiegen, dass das Maßwerkmotiv der ge- befi ndet sich heute im Psychiatriemuseum – weist stilistisch noch in
staffelten Dreipässe im Langhaus bereits im Nordquerhausgiebel als das ausgehende 13. Jahrhundert und stammt vielleicht von einem pro-
Blendfenster begegnet, was gegen einen zu großen zeitlichen Abstand visorischen Westabschluss.
in der Errichtung beider Bauteile spräche. Zudem haben sich im De- 7 Vgl. den Rekonstruktionsversuch von Otto Liemke, Das Kloster
potfenster SÜD XIV Restfelder aus der Zeit um 1260/70 erhalten, die Haina im Mittelalter, Ein Beitrag zur Baugeschichte der Cistercienser
aufgrund ihrer Maße sowohl in den Querhaus- als auch in den östli- Deutschlands, Diss. TU Berlin 1911.
chen Langhausfenstern gesessen haben können. 8 Zu den Restaurierungsmaßnahmen des 19. Jahrhunderts ausführlich
Pufke 1999 (s. Bibl.).
haina . klosterkirche 143
sich jenes im Sanktuarium, das aus einem Paar doppellanzettiger Spitzbogen mit leicht genasten Lanzetten besteht, die
einen mächtigen Okulus mit sieben übereinander gestapelten Sechspassrosetten tragen9. Vierbahnig angelegt ist auch
das große, strukturell der zweibahnigen Gruppe verwandte Nordquerhausfenster mit großer Achtpassrosette. Er-
wähnenswert sind hier die Passenden in Gestalt von Tierköpfen, deren offene Mäuler die zentralen Armierungsringe
fassen. Die Stirnwand des Südquerhauses wird zur Klausur hin durch eine vorgeblendete, lediglich in den Spitzen
mit Sechspässen geöffnete Fenstergruppe aus drei Lanzetten gegliedert. Das große Westfenster über dem Mittelschiff
schließlich setzt sich aus drei zweibahnigen Fenstern mit reichem Staffelmaßwerk zusammen, wobei die Spitzen der
Bogenvierpässe in den Flanken mit einer Dreipassrosette jonglieren, während das mittlere Fenster eine große Rosette
aus radial angeordneten Bogendreipässen trägt.
haina . klosterkirche 145
Geschichte der Verglasung: Während des 16. und 17. Jahrhunderts sind in den Hospitalrechungen größere Aus-
gaben für Reparaturen an den Fenstern verzeichnet. Schlecht erhaltene Glasmalereien wurden damals entweder durch
Rautenverglasungen ersetzt oder schlichtweg zugemauert (vgl. Reg. Nr. 13–21). Die mit dem 19. Jahrhundert einset-
zende Fürsorge um den Erhalt des Baues und seiner Ausstattung dürfte auf die denkmalpflegerischen Bestrebungen
Christoph (von) Rommels zurückzuführen sein, der im Jahr 1827 einen landesherrlichen Erlass zum Schutz der mit-
telalterlichen Denkmäler in Kurhesssen erwirkte (s. Kunstgeschichtliche Einleitung S. 27). In einem Bauverzeichnis
von 1828 wird auf den besorgniserregenden Zustand der damals noch vorhandenen Verglasung hingewiesen, die durch
zahlreiche Flickungen verstümmelt sei10 . Landbaumeister Arend lieferte daraufhin einen Kostenvoranschlag zur Wie-
derherstellung der Kirche, wobei der Großteil der auf 300 Reichstaler bezifferten Ausgaben in die Glaserarbeiten flie-
ßen sollte. Doch konnte sich das die Baulast tragende Ministerium des Innern dazu zunächst nicht durchringen. Seit
1834 wurde das Projekt zur Instandsetzung vom Verein für Hessische Geschichte und Landeskunde vorangetrieben,
und nun stellte Julius Eugen Ruhl, Geheimer Hofrat und Baudirektor, 1843 seine Ideen zur Wiederherstellung der
Glasmalereien vor und regte in Kassel sogar entsprechende technische Versuche an. Eine wichtige Grundlage für die
notwendige Erneuerung der Glasmalereien bildete die Bestandsaufnahme des Kasseler Architekten und Hofbaucon-
ducteurs Gottlob Engelhard, der die Herausgabe eines opulenten Mappenwerks zur Hainaer Klosterkirche plante (Fig.
97–99, 164–168)11. Aus dem gleichen Jahr liegt vom Oberbaudirektor des Kurfürstentums Johann Conrad Bromeis ein
Kostenplan zur Instandsetzung sowie ein Verzeichnis über Anzahl, Größe, Beschaffenheit und Zustand der Fenster in
der Kirche zu Haina vor (s. Reg. Nr. 23). Darin werden neben den heute vorhandenen Fenstern mit mittelalterlicher
Glasmalerei noch weitere Farbfenster erwähnt12 . Bromeis empfahl, die beschädigten Teile im oberen Bereich zusam-
menzurücken und Fenster ohne Glasmalereien mit einer farbigen Blankverglasung (Friese mit buntem Glas) auszu-
statten. Im Zusammenhang damit wurde 1848 vom Hospitalbeamten Landgrebe erstmals auch die Wiederherstellung
der Farbfassung an den Wänden projektiert. Als im folgenden Jahr der Architekt und Philologe Friedrich Lange ein
Gutachten zur Wiederherstellung der Marburger Elisabethkirche vorlegte, betraute man ihm schließlich auch mit
der Anfertigung eines entsprechenden Gutachtens zu Haina (s. Reg. Nr. 24). Lange, der sich bereits eingehender mit
mittelalterlichen Fertigungstechniken befasst hatte – er plante unter Anderem eine Herausgabe des Lehrbuchs der
Künste des Theophilus Presbyter und studierte hierzu französische Fachzeitschriften – erweist sich als kompetenter
Fachmann: Er schlug vor, vor der Herausnahme der Glasmalereien zunächst Kartons von allen Feldern anzufertigen;
altes Blei sollte wiederverwendet, neues Blei wie in mittelalterlicher Zeit nur gegossen werden, da es dünner sei. Auch
konstatierte er, dass für das Herabfallen ganzer Felder keineswegs korrodierte Bleinetze, sondern vielmehr die ver-
rosteten Stifte an den Deckschienen der Armierungen verantwortlich seien. Bezüglich der Formulierung restaura-
torischer Grundsätze ist seine Empfehlung von Bedeutung, Fehlstellen durch weißes, blind geschliffenes Glas zu
ersetzen, da es besser sei, die Schäden sichtbar zu lassen, als einen guten Erhaltungszustand vorzutäuschen. Es wird
stattdessen eine gründliche Reinigung der Gläser mit starker Lauge empfohlen. Entgegen Bromeis wollte Lange jedoch
bei der Instandsetzung auf farbige Gläser mit eingebrannter Zeichnung verzichten. Diesen denkmalpflegerischen Vor-
gaben steht jedoch der Befund entgegen: Die von 1849 bis 1852 von Lange geleiteten Wiederherstellungsmaßnahmen
erfolgten zwar auf der Grundlage der Kartonierung einzelner Felder, welche sich zumeist in den oberen Teilen der
Fenster erhalten hatten13. Doch danach hatte man in der Glaserwerkstatt im Dormitorium, wo auch ein Brennofen
errichtet wurde, die Muster originalgetreu vervielfältigt und die Fenster um die fehlenden Felder vervollständigt14.
9 Schurr 2007, S. 44 mit Abb. 31, verweist bezüglich der hochmo- 12 Zum damaligen Zeitpunkt konnte man noch in drei Fenstern der
dernen Maßwerkgestaltung dieses Fensters auf nah verwandte Formen Langhaussüdseite Reste von Glasmalereien sehen: Nur in 3 dieser Fens-
an der Kathedrale von Metz und macht für die Ungenauigkeiten in der ter befi nden sich Reste einiger Wappen und Arabesken. Theile von
Ausführung des Maßwerks die schlechte Schulung der ausführenden buntem Glase. Gutachten Bromeis vom 26. Juli 1843, StAM, Best. 53a
Steinmetzen verantwortlich. Oberbaudirektion Nr. 19022. Acta die Kirche zu Haina betr. 1828–
10 Zur Vorgeschichte der Restaurierung im Folgenden Dolff-Bo- 1848; zit. nach Grenz 1992, S. 123.
nekämper 1989, Grenz 1992, S. 115–138, und Pufke 1999 (s. Bibl.), 13 Wie Schnaase 1855 (s. Bibl.), S. 343, berichtet, hatten die ersten
S. 30–34. Versuche, Fehlstellen mit blankem Glas zu ergänzen, »eine für das
11 Die von Engelhard vorbereitete Publikation mit dem Titel »Die Auge unerfreuliche Wirkung«, weshalb sich Lange schließlich zur re-
Kirche zu Haina in Kurhessen nebst den darin befi ndlichen Glasmale- konstruktiven Ergänzung der Glasmalereien entschloss.
reien« ist jedoch nie erschienen. Die Originalzeichnungen (10 Blätter 14 Michler 1984, S. 317, nimmt für die neu geschaffenen Glasmale-
und ein Frontispiz), heute im Besitz der Gemeinde Haina, enthalten reien fälschlich eine Kaltbemalung der Zeichnung an. Dem folgt AK
u.a. hervorragende Aquarelle ganzer Fenster und Einzelfelder im Zu- Haina 1986 (s. Bibl.), S. 66. Vgl. hierzu jedoch das Schreiben Langes an
stand vor ihrer Wiederherstellung (s. Fig. 97–99, 164, 168). das Kurfürstliche Ministerium des Innern zu Kassel vom 14.10.1852
146 haina . klosterkirche
Fig. 97–99. Ornamentmustersammlung der Langhausfenster. Aquarelle von Gottlob Engelhard im Besitz der Gemeinde Haina. Um 1842.
Schließlich wurden zur farblichen Angleichung von Altem und Neuem – vom Gerüst aus – sogar sämtliche Gläser mit
einer ölhaltigen Kaltübermalung versehen15. Auf diese Weise ließ Lange sämtliche Fenster der Nordseite vervollstän-
digen. Zuletzt nahm er das große Westfenster in Angriff, wobei die Lanzetten lebensgroße Bildnisse der Stifterfamilie
des Klosters, des Grafen Poppo von Reichenbach und dessen Gemahlin Bertha, nach eigenen Entwürfen erhielten
(s. Reg. Nr. 26). Insgesamt wurden, wie aus einem Bericht Langes an das Ministerium des Innern hervorgeht, alle 40
Kirchenfenster restauriert, von denen die eine Hälfte fast ganz neu in rautenförmigen Mustern verglast ist, die andere
Hälfte aber aus kostbaren Glasgemälden besteht, welche etwa zur Hälfte ganz neu gefertigt, zur anderen Hälfte gänz-
lich umgearbeitet und ergänzt worden sind, kostet im Ganzen 2881 Thlr. (s. Reg. Nr. 28)16 .
In der Rückschau kann die sorgfältige Restaurierungstätigkeit Langes als richtungsweisend bezeichnet werden, da
sie sich den modernen und vielfach erst später allgemein entwickelten Grundsätzen der Denkmalpflege verpflichtet
fühlte, die die größtmögliche Bewahrung und Sicherung der Originalsubstanz zum Ziel hat. Im Zusammenhang mit
der Sanierung des Steinwerks wurden seit 1916 erneut Instandsetzungsarbeiten an den Fenstern notwendig. Der Glas-
maler Johannes Schneider aus Kassel sollte die Glasmalereien lediglich gegen die weitere Auflösung der Verbleiung
sichern. Ergänzungen in den originalen Feldern hatten nach den Vorgaben der Denkmalpflege ausdrücklich nicht
stilecht, sondern im Lokalton ohne Malerei zu erfolgen (s. Reg. Nr. 29). Die Arbeiten verzögerten sich jedoch infolge
des Krieges und wurden offenbar erst in den 1920er-Jahren ausgeführt17. Anlässlich der Freilegung der mittelalter-
(vgl. Reg. Nr. 24), mit der Bitte, den in Haina benutzten Brennofen Namen daneben: K.J. Schulz aus Schwerin. Holzer aus Erlangen. Ig.
für die anstehenden Arbeiten in der Marburger Elisabethkirche wieder Neumair aus München, Conrad Wagner aus Haina. Werkmeister Con-
verwenden zu dürfen. rad Wien und Glaser. Joh. Pech aus Trier ritzten ihre Namen außensei-
15 Vgl. Kunert 1998 (s. Bibl.), S. 173. tig in das Feld NORD XIV, 7a.
16 Die Namen einiger Mitarbeiter Langes sind überliefert: In Anleh- 17 Ein in Schwarzlotmalerei(!) ergänztes Blatt im Maßwerkzwickel
nung an die Inschrift des Frater Lupuldus, der in einem Zwickel des des Nordquerhausfensters (NORD VI, 4A) trägt die rückseitige Auf-
Ostfensters signierte, setzten die damals tätigen Gesellen stolz ihre schrift Johs Schneider Kassel Oktober 1927.
haina . klosterkirche 147
148 haina . klosterkirche
lichen Farbfassung rückte 1937 noch einmal die Verglasung in den Blickpunkt, doch verhinderte der Zweite Weltkrieg
wieder weitergehende Maßnahmen. Der Münchener Glasmaler Willy Statsberger, der mit dem Landeskonservator
Friedrich Bleibaum über die Frage der rekonstruktiven oder freien schöpferischen Wiederherstellung der Verglasung
diskutierte, hatte 1940 den Auftrag zur Wiederherstellung zweier kleiner Probefenster im Nordseitenschiff erhalten,
wofür man ihm auch originalen Stücke zusandte (s. Reg. Nr. 30), doch wurden dann kurze Zeit darauf – bis August
1942 – sämtliche Fenster zum Schutz vor Fliegerangriffen durch Ferdinand Müller aus Quedlinburg ausgebaut und
in einem getarnten Bunker in Bad Wildungen untergebracht18 . Die offenbar durch einen Bombentreffer in München
weitgehend zerstörten Lanzetten des Fensters nord I ließ man 1948 seitens der Franz Mayer’schen Hofkunstanstalt in
München nach alten Mustern erneuern19. Die Nachkriegsergänzungen beschränkten sich ansonsten überwiegend auf
die beim Ausbau verursachten Bruchschäden an den Randstreifen. In den 1980er-Jahren wurden umfassende statisch-
konstruktive Sicherungsmaßnahmen am Bau eingeleitet, die auch die Restaurierung sämtlicher Glasmalereien sowie
deren dauerhafte Sicherung vor schädlichen Witterungseinflüssen mit einschlossen. Dabei schlug man zunächst mit
der Restaurierung der mittelalterlichen Verglasungsreste im zweibahnigen Westfenster NORD XVII (1982) eine we-
nig praktikable Gangart ein. Der Glasmaler Erhardt Jakobus Klonk, Wetter-Oberrosphe, ersetzte hier die Originale
durch getreue Kopien; die ausgeschiedenen Reste aber wurden dem Hainaer Museum zur Aufbewahrung übergeben
und sind heute nahezu in Vergessenheit geraten 20 . Im Jahr darauf stellte die Werkstatt Oidtmann, Linnich, mit der
vorbildlichen Sicherung und Restaurierung des großen Westfensters einen fortschrittlichen Lösungsweg vor. Zum
Schutz vor schädigenden Witterungseinflüssen erhielten die mit Messing-U-Profilrahmen versteiften Glasmalereien
eine Außenschutzverglasung aus Goetheglas, welche zur Vermeidung großflächiger Spiegelungen zugleich die Haupt-
konturen der Bleie der nach Innen versetzten Fenster aufgreift. Die kalten Überzüge auf den Ergänzungen wurden,
soweit sie haften, erhalten, um ein optisches Auseinanderfallen der alten und neuen Gläser zu verhindern. Nur kom-
plizierte Sprünge wurden mit Epoxidharz geklebt, ansonsten die Hilfsbleie belassen oder mit Zinnnieten gesichert.
Die chemischen Verwitterungsschichten und der starke biologische Bewuchs wurden behutsam reduziert, um weiterer
Feuchtigkeitsbildung und Korrosion die Grundlagen zu entziehen. Schließlich wurden abgängige Malschichten gesi-
chert. Nach diesen Vorgaben werden seit 1991 auch alle übrigen Fenster durch Ulrike Kunert, Biebrich, Felix Hulbert,
Eltville, Ronja Lammers und Glasmalerei Peters, beide Paderborn, sukzessive instandgesetzt und durch eine ausführ-
liche Schadens- und Maßnahmedokumentation begleitet. Die Arbeiten sollen bis zum Jahr 2010 abgeschlossen sein.
Erhaltung: Als äußerst problematisch erweist sich die ölhaltige, in verschiedenen Einfärbungen vorhandene Kalt-
übermalung, die offenbar zu unterschiedlichen Zeiten mit dem Zweck aufgebracht wurde, die starken Helligkeitsun-
terschiede zwischen alten und neuen Gläsern zu nivellieren. Diese bilden zusammen mit einer ungewöhnlich hohen
Feuchtigkeitsbelastung in Haina den idealen Nährboden für die Entwicklung biogener Stoffe. Der heterogene Belag
speichert wiederum die Feuchtigkeit und hat den Verfallsprozess der Glasmalereien in den letzten Jahrzehnten rapide
beschleunigt. Hier beeinträchtigen einerseits die kalziumhaltigen Ablagerungen die Transparenz der mittelalterlichen
Gläser, andererseits haben sich aber auch die Malschichten insbesondere der jüngeren Fenstergruppe stellenweise vom
Glasträger gelöst und liegen nur mehr lose auf. Dennoch lassen sich auch Ornamentfenster (NORD IX) finden, auf de-
nen sich noch dünne lasierende Überzüge erhalten haben. Ein interessantes Verwitterungsbild zeigen einige Grisaillen
der Erstausstattung, welche aus farblosem Glas offenbar heterogener chemischer Zusammensetzung mit entsprechend
unterschiedlicher Korrosionsanfälligkeit bestehen. Stellenweise, wie im Fenster SÜD IV, findet man starke Verbräu-
nungen, die sich scharf gegen die stabileren, und nur durch außenseitigen Lochfraß angegriffenen Gläser absetzen.
Die wenigen gelben und roten Farbgläser in den Glasmalereien der Erstausstattungsphase sind vergleichsweise wit-
terungsresistent, stärker angegriffen erscheint nur das in seiner Leuchtkraft verminderte blaue Glas. Eine besondere
Erwähnung verdient das Vorgehen Langes, die äußerst schlanken alten Bleie, soweit statisch vertretbar, zu bewahren.
Daher haben sich an zahlreichen Feldern auch die doppelten Bleie mit Eisenkern, welche zur Stabilisierung eingefügt
wurden, oder die vor allem in den Kopfscheiben oder im Maßwerk mit Weidenruten versehenen Umbleie bis heute
erhalten.
Zur Gliederung des Bestandes: Die Ausstattung der Klosterkirche mit Glasmalereien folgte dem Bauverlauf von
Ost nach West. Der Bestand gliedert sich entsprechend in eine ältere, um 1250–1270 anzusetzende Gruppe in Chor
(I), Querhaus (N VI, SÜD IV, SÜD VII, nach SÜD XIV, 7–8a und 6–8b translozierte Restscheiben) und nördlichem
haina . klosterkirche 149
Langhaus (nord I – nord V) und in eine jüngere Verglasungsgruppe: Mit der Fertigstellung des östlichen Langhaus-
abschnittes wurde um 1290/1300 die Fensterzone (NORD IX – NORD XI, translozierte Restscheiben in SÜD XIV,
5–6a) mit Glasmalereien versehen. Die gleiche Werkstatt erneuerte damals auch Teile der beiden Prachtfenster in Chor
und Querhaus. Nach Abschluss der Bauarbeiten im westlichen Langhaus gegen 1330/40 erhielten die verbliebenen fünf
Öffnungen der nördlichen Umfassungsmauern Glasmalereien, darunter auch ein Fenster des älteren Bauabschnittes
(NORD XII – NORD XVI), und die Fenster der Westfassade (NORD XVII und W I). Eine letzte Stiftungsphase zur
Zeit der Säkularisierung des Klosters ist schließlich in den Wappenscheiben des Depotfensters SÜD XIV fassbar.
Unmittelbar nach Errichtung der lichten Fensterzone in den Ostteilen begann man mit der Verglasung von Chor
und Querhaus. Der Anfang wurde mit dem großen Fenster der östlichen Stirnwand gemacht, das heute die ältesten
Glasmalereien des Baues birgt. Trotz modernerer Detailformen gehören die Fenster von Querhaus und Sockelzone
im nördlichen Seitenschiff dem gleichen Stilzusammenhang an, weshalb sie hier gemeinsam unter der Gruppe der
Erstverglasung behandelt werden.
Ornament, Farbigkeit, Technik: Chorfenster: Im Rahmen der Beurteilung der Ornamentverglasung ist zunächst
darauf zu achten, dass die kleineren Maßwerkrosetten mit den seitlichen Zwickeln bereits einer Neuausstattung in
späterer Zeit angehören. Vom heutigen Gesamteindruck müssen ferner die radial angeordneten Sechspassfüllungen
der großen Rose abgezogen werden, die aus dem 19. Jahrhundert stammen und in ihrer bunten Farbigkeit nicht dem
ursprünglichen Grisaillecharakter der Erstverglasung entsprechen. Aber selbst dann noch fallen die originalen Maß-
werkteile durch eine für Zisterzienserorden ungewöhnliche Buntheit auf. Gerade im Vergleich mit der Chorverglasung
des Altenberger Mutterklosters, die zudem jüngeren Datums ist, werden die gestalterischen Unterschiede augenfällig:
Während die Bauherren in Altenberg jenem vor 1152 verabschiedeten Gebot, wonach in den Kirchen des Ordens auf
farbigen und figürlichen Fensterschmuck gänzlich zu verzichten sei (vitrae albae fi ant et sine crucibus et picturis),
noch Folge leisteten und ihre Fenster nach Vorschrift lediglich mit stilisierten Ornamenten auf farblosem Glas zierten,
ist in Haina schon das älteste, kurz nach der Jahrhundertmitte entstandene Ostfenster mit farbigen Einsprengseln
maßvoll belebt. So liegen auf den überwiegend kreuzschraffierten, mit Blattranken und eingestreuten Kleeblättern
verzierten Zwickeln fast immer Lilien, Sterne und Farbpunkte in gelben, orangefarbenen und roten Tönen auf. In den
beiden Dreipasszwickeln befinden sich die Blattrosetten sogar gänzlich auf orangefarbenem Grund. Das Blattwerk
ordnet sich dabei entweder geometrischer Regelhaftigkeit unter. Dann finden hierfür altertümliche Palmettenmuster
Verwendung. Oder aber die Vegetation folgt dem natürlichen Wuchs: In diesem Fall nähern sich die Motive bereits
naturalistischen Formen wie in den Zwickeln in 3A–D, die mit Beifußblättern verziert sind. Nur am Achsenfenster ist
diese Phase des Stilumbruchs fassbar, der Wechsel von altertümlichen Phantasieformen, wie sie um 1240/50 auch noch
in den Ornamentfenstern der Marburger Elisabethkirche anzutreffen sind, zu einer Nachahmung der Pflanzenmotive,
die auf dem Naturstudium gründet; in der Querhausverglasung wird diese auffällige Zwitterhaftigkeit verschwunden
sein 21.
Ein besonders häufig wiederkehrendes Element stellen die roten fünf- oder sechsstrahligen Sterne mit aufgelegter
Rosette in der Mitte dar; sie sind als Huldigung an den Klostergründer Poppo von Reichenbach zu verstehen, der das
Motiv in seinem Wappen führte. Die Sterne finden sich in identischer Ausprägung nahe den Schlusssteinen in den
Gewölbekappen wieder 22 . In der Zusammenschau erscheint hier die Glasmalerei als farbliche Umkehrung der zeitglei-
18 Vgl. Pufke 1999 (s. Bibl.), S. 34. Aus dieser Maßnahme stammen die 20 Freundl. Mitteilung von Erhardt Jakobus Klonk, Wetter-Ober-
neugestalteten Lanzetten im Seitenschifffenster nord I, die inschrift- rosphe.
lich 1946 datiert sind. 21 Ein einziges Mal begegnet auch in einem Chorfenster der Alten-
19 Auf der Rückseite einer Kriegsbergungsaufnahme des betreffen- berger Klosterkirche (süd IX) ein altertümliches Muster aus streng
den Fensters im Landesamt für Denkmalpflege, Außenstelle Marburg stilisierten herzförmigen Palmetten; vielleicht wurde das Motiv einem
(Foto Marburg 4897), ist Folgendes vermerkt: 1938–39 sind Scheiben älteren Vorlagenkatalog entnommen; s. Lymant 1979, S. 87, Abb. 27f.,
zum Kopieren bezw. ergänzen gegeben. Dort Bombenschaden. Vgl. 68, und zuletzt Gast/Parello/Scholz 2008, S. 22.
hierzu Pufke (wie Anm. 1), S. 3. 22 Michler 1984, S. 318, Anm. 33.
150 haina . klosterkirche
chen Farbfassung der Gewölbezone, die auf kräftigem Rot weiße Sterne zeigt. Diese Farb- und Motivverschränkung
deutet auf die enge Abstimmung bei der Anlage von Wandfassung und Glasmalereiausstattung hin.
An die Stelle verbotener Figurendarstellungen rückte im Ostfenster immerhin die bloße schriftliche Nennung Marias
(AVE MARIA) auf dem Randstreifen eines seitlichen Zwickelfeldes, die sich von Ferne gar nicht entziffern lässt. Sie
befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft zu einer zweiten Inschrift mit dem Namen des ausführenden Meisters
LVPVLDVS FRATER, der als Konverse des Klosters für die Ausführung des Fensters verantwortlich zeichnete. Erst
in der Zusammenschau erhellt sich die Bedeutung beider Inschriften als Bittspruch des Künstlers an die Patronin des
Kirchenbaus.
Querhausfenster und Fenster der Sockelzone im Langhaus: Gegenüber dem Ostfenster bringt die jüngere Verglasung
weitere Neuerungen mit sich: In den Querhausfenstern wird der Farbwert der Glasmalereien noch einmal gesteigert
– neben gelben und roten Gläsern gelangen jetzt auch hellblau gefärbte Stücke zum Einsatz –, und es treten verhalten
figürliche Details hinzu. Die Muster selbst zeichnen sich durch die strengere Durchdringung von Ornament und
geometrischen Grundformen aus, die mit Zirkel und Lineal gezogen sind. In der großen Rose des Querhausfensters
findet sich als Leitmotiv erneut der Stern in den Passlappen, und unübersehbar noch einmal auf dem engmaschig
schraffierten Blattgrisaillefond im Zentrum, diesmal jedoch eingebettet in eine sternförmige und mit roten Punkten
belegte Konstruktion aus blauen und gelben Bändern, die stark an islamische Ornamentik erinnert. Eine wesentliche,
aber lediglich aus der Nähe wahrnehmbare Bereicherung der Komposition stellen die liebevoll gezeichneten Tierköpfe
(Löwen, Hirsche, Stiere, Schafe) dar, die einmal in der zentralen Rosette das Dickicht des Blattrankengrundes als
Versteck zu nutzen scheinen, und ein anderes Mal in den Passlappen das Motiv des »lebendigen Maßwerks« aufgreifen:
Die steinernen Endungen der Pässe sind dort wechselweise zu Stier- und Hundeköpfen geformt, die den Armierungs-
ring zwischen ihren Zähnen fassen (Fig. 109). Auf der Ebene der Glasmalerei treten hiermit wiederum Tierköpfe in
Dialog, deren Mäulern nun vegetabile Blattkränze entwachsen. Die Verglasung zeigt sich auf diese Weise mit der
aufwendigen Maßwerkkonstruktion konzeptuell durchdrungen und kann daher nur in Abstimmung mit dem Fens-
terplan entworfen worden sein 23.
Einige Seitenfenster des Querhauses haben in den Maßwerken weitgehend gleichgestaltete Muster aus dichten Blatt-
rankengründen mit nur wenigen farbigen Einsprengseln bewahrt, die zumeist auf die Randborten beschränkt bleiben
(SÜD IV, SÜD VII). Das zurückhaltende Kolorit dieser Verglasung hängt hier vielleicht mit ihrer weniger promi-
nenten Position im Kirchenschiff zusammen. Wie im Chor, so haben sich auch in den Querhausfenstern keinerlei
Ornamentreste in den Lanzetten erhalten; allerdings gelangten fünf Rechteckfelder mit unterschiedlichen Mustern
in das Depotfenster des Langhauses, die stilistisch mit dieser Gruppe zu verbinden sind (SÜD XIV, 7–8a und 6–8b).
Aufgrund gestalterischer Übereinstimmungen mit einem Zwickelstück im großen Nordquerhausfenster hat schon
Scholz vermutet, dass es sich bei den Herzrankenfeldern 6–8b um Reste einer ansonsten verlorenen Lanzettvergla-
sung handeln könnte24. Allerdings wissen wir nicht, ob die Zwickel noch an ursprünglicher Stelle sitzen oder nicht
doch einem seitlichen Querhausfenster entnommen wurden; die unterschiedlich gestalteten Randborten sprächen eher
für letztere Annahme25. Da hier die erste gotische Werkstatt im ausgehenden 13. Jahrhundert große Teile des Maß-
werks erneuerte, wäre sogar an eine vollständige Neuverglasung der Lanzetten zu diesem Zeitpunkt zu denken.
Die kleinen Langhausfenster wiederholen gleich mehrfach das geometrische Sternbandmotiv der Nordquerhausrose in
reduzierter Form und zeigen hierin ihre Zugehörigkeit zur gleichen Werkstattgruppe an (nord III, 1AB, nord V, 1AB).
Durch wenige Reststücke sind hier erstmals auch für die Lanzetten fünf verschiedene Muster gesichert, die jedoch
gegenüber den Maßwerkfüllungen eine gewisse Selbständigkeit behaupten. Die erhaltenen Felder bieten einen reprä-
sentativen Querschnitt der gängigen ornamentalen Verglasungstechniken: Zum einen finden wir gänzlich in Grisaille
ausgeführte Flechtbandmuster, die nach einem modularen Prinzip aus stets gleich gestalteten quadratischen Ketten-
gliedern oder Blattstücken zusammengesetzt sind (nord II, nord IV). Allein diese, eher zurückhaltenden Kleinformen
werden den mittlerweile mehr als ein Jahrhundert zurückliegenden Beschlüssen zur eingeforderten Farblosigkeit der
23 Figürliche Motive birgt auch die allerdings in reiner Grisaillearbeit Nordquerhausfensters NORD VI sind jedoch 90–93 cm breit.
ausgeführte große Nordrose des ehemaligen Zisterzienserklosters in 25 Falls die Herzrankenfelder nicht doch den Rest einer Farbvergla-
Schulpforta (um 1251/68); s. hierzu AK Köln 1998, S. 160f., Nr. 18.2 sung der östlichen Langhausfenster darstellen, käme hierfür als ur-
(Hartmut Scholz). sprünglicher Standort das Südquerhausfenster SÜD IV in Frage, das
24 AK Köln 1998, S. 162f., Nr. 19.1f. (Hartmut Scholz). – Die Brei- gleiche Lanzettenmaße besitzt.
tenmaße der Herzrankenfelder betragen 83,5 cm, die Lanzetten des
haina . klosterkirche 151
Fig. 100. Haina, Klosterkirche. Prachtfenster N VI in der Stirnwand des nördlichen Querhauses. Haina(?), um 1260.
Zweitverglasung der Dreieckzwickel und Sechspässe, Marburg(?), um 1290/1300. – Kat. S. 167–170.
152 haina . klosterkirche
Fig. 101, 102. Haina, Klosterkirche. Fenster n IV und n III in der Sockelzone des nördlichen Langhauses. Haina(?), um 1260/70. – Kat. S. 173f.
Fenster gerecht. Neben der anhaltenden Popularität des Motivs mag gerade hierin der Grund liegen, weshalb man in
diesen Fensterverschlüssen immer wieder die ältesten Glasmalereien der Klosterkirche erblicken wollte. Demgegen-
über haben wir es in zwei weiteren Fenstern wiederum mit sehr modernen und farblich ansprechenden Mustern zu
tun (nord I, nord V). Höchst ungewöhnlich ist das mit Efeuranken gefüllte Schuppenornament mit seinen gelben und
roten Farbpunkten. Das andere Fenster zeigt eine Kette aus Vierpässen, die mit einem ausgesprochen lebendigen und
naturalistisch gebildeten Eichlaubteppich durchwoben sind; schmale Farbbänder schließen die Komposition zu den
Seiten hin ab. Das Fenster nord III schließlich setzt sich aus einer reinen Blankverglasung zusammen, bei der auf eine
Bemalung der Gläser mit Schwarzlot gänzlich verzichtet wurde.
Stil, Datierung: Die Künstlersignatur des Klosterbruders Lupuldus lässt keinen Zweifel an der Herkunft der Glas-
malereien aus einer von Konversen geführten Werkstatt. Die Glasmalereien müssen nicht notwendig in Haina selbst
ausgeführt worden sein, doch waren die Voraussetzungen für eine klostereigene Werkstatt im waldreichen Gebiet um
die Klostersiedlung sicher günstig 26 . Hinter dem Ostfenster steht noch kein klares Verglasungskonzept. Die Muster
fallen auseinander und bilden keine übergreifende Einheit. Einzelne Zierelemente, wie die einem Kreis eingeschrie-
benen Pentagramme der seitlichen Zwickel – mit vielleicht apotropäischer Bedeutung –, sind recht unbeholfen ge-
zeichnet 27. Die Dreipässe zeigen dagegen präzise konstruierte Formen, die eine sichere Entwurfsgrundlage verraten 28 .
Solche qualitativen Unterschiede könnten darauf beruhen, dass die Glasmaler für die Sternmuster, auf welche dem
Klostergründer zu Ehren zurückgegriffen wurde, aus keinem Musterkatalog schöpfen konnten. In einigen wenigen
naturalistisch gezeichneten Blattzwickeln kündigt sich bereits leise jener Umbruch an, der dann in den Querhaus-
fenstern zu voller Blüte heranreifte. Da ebendiese vom Konversen Lupuldus signiert sind, wäre zu überlegen, ob die
neuen Gestaltungselemente erst mit seiner Berufung nach Haina Einzug hielten, wo er dann als leitender Künstler
mit der weiteren Ausstattung der Ostteile betraut worden wäre. Interessanterweise stoßen wir an den Maßwerkkons-
haina . klosterkirche 153
Fig. 103, 104. Haina, Klosterkirche. Fenster n II und n I in der Sockelzone des nördlichen Langhauses. Haina(?), um 1260/70. – Kat. S. 171f.
truktionen der beiden großen Fenster mit ihrer qualitativ ganz unterschiedlichen Ausführung auf ein verwandtes
Phänomen. Wie die stümperhafte Umsetzung des in seinen Formen hochmodernen Ostfensters hier eine Steinmetz-
werkstatt verrät, die mit den neuen Bearbeitungstechniken noch nicht vertraut war, so gibt sich auch die Verglasung
vergleichsweise handgestrickt und setzt die neue Formensprache nur zögerlich um. Den merklichen Qualitätssprung
im Nordquerhausfenster wird man daher mit der Berufung besser geschulter Steinmetzen erklären können, in deren
Gefolge auch Glasmaler nach Haina gekommen sein dürften, die den gehobenen Ansprüchen an Architektur und
Ausstattung gewachsen waren. Das erstaunliche Schmuckbedürfnis dieses Bautrupps hebt die Architektur auch von
anderen Klosterkirchen der Zisterzienser ab; Fensterkapitelle, Schlusssteine und Konsolen sind reich an naturalisti-
schem Laubwerk, teils auch mit Formen aus der Tierwelt aufwendig dekoriert (Fig. 105–107, 109). Dem entspricht der
farbliche und ornamentale Reichtum der Fensterverglasung.
Der asketische Charakter reiner Flechtbandformen wird noch am ehesten mit genuin zisterziensischer Kunst in Ver-
bindung gebracht, allerdings finden sich in Haina nur mehr wenige Fenster dieses altertümlichen Typs29. Aufgrund der
26 Brandt 1976 (s. Bibl.), S. 45. Gefährdung und Erhaltung. hrsg. von der Berlin-Brandenburgischen
27 Das gleiche Motiv wird noch ein halbes Jahrhundert später in Al- Akademie der Wissenschaften in Zusammenarbeit mit dem Österrei-
tenberg aufgegriffen. Dort zieren gleich elf Pentagramme das Maßwerk chischen Bundesdenkmalamt Wien und dem Schweizerischen Zentrum
des großen Nordquerhausfensters; s. hierzu Gast/Parello/Scholz für Forschung und Information zur Glasmalerei in Romont, Leipzig
2008, S. 43, Abb. S. 39f. 1997, S. 32f., Nr. 4 (Marina Flügge).
28 In der Dorfkirche zu Lindena, Brandenburg, und ebenso in einer 29 Von aus der Mode gekommenen Mustern kann in diesem Zusam-
vielleicht aus Naumburg oder Merseburg stammenden Ornament- menhang wohl schwerlich ausgegangen werden. Zwar hat sich im jün-
scheibe in Nürnberg, GNM (Inv. Nr. MM 14), haben sich vergleich- geren Mutterkloster Altenberg keine Flechtbandverglasung erhalten,
bare, aus Blattlappen modulartig kombinierte Rosetten aus der Mitte allerdings sind die Obergadenfenster des Kölner Doms höchstwahr-
des 13. Jh. erhalten. Zu Lindena s. Glasmalereien aus acht Jahrhunder- scheinlich noch in den 1280er-Jahren mit einer entsprechenden Blank-
ten. Meisterwerke in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Ihre verglasung geschmückt worden.
154 haina . klosterkirche
Die Reihe der großen Fenster im Langhaus fällt stilistisch auseinander. Bei näherem Hinsehen wird man schnell der
Unterschiede hinsichtlich der Mustertypen wie der Detailformen gewahr, die auf einen zeitlichen Abstand zwischen
östlichem und westlichem Abschnitt schließen lassen. Die Zäsur liegt zwischen den Fenstern NORD XI und NORD
XII und kann hier mit den Daten zur Baugeschichte zur Deckung gebracht werden: Errichtung der östlichen Lang-
hausteile bis zum fünften westlichen Joch um 1290, Fertigstellung der vier westlichen Joche mit Westfassade bis gegen
1340.
Rekonstruktion: Nach Fertigstellung der östlichen Langhausteile stattete eine nach Haina berufene Werkstatt die
Fenster NORD IX–XI mit ornamentalen Glasmalereien aus. Gleichzeitig wurden die beiden großen Prachtfenster in
Chor und Nordquerhaus überarbeitet. Erhalten haben sich hiervon nur noch die Reste der Maßwerkverglasung. Die
zugehörigen Fensterbahnen sind heute zwar verloren, doch wird man nicht ausschließen können, dass die Neuvergla-
sung auch diesen Bereich umfasst hat. Der Sinn dieser Maßnahme erschließt sich aus den gewandelten Vorstellungen
der Zisterzienser bezüglich der künstlerischen Ausgestaltung ihrer Klosterkirchen, denn mit dem Beginn des 14.
Jahrhunderts wurde allerorten den strengen Regelvorschriften kaum mehr Folge geleistet. Hinzu trat der Wunsch
nach Wahrung der gestalterischen Einheit des Kirchengebäudes. Aus diesem Grund hatten die Bauherren des 14. Jahr-
hunderts das Langhaus unter Beibehaltung des einmal festgelegten Grund- und Aufrisssystems zu Ende führen lassen
und nur in den Detailformen wie Maßwerk oder Bauschmuck geringfügige Änderungen geduldet. Um ein farbliches
Auseinanderfallen der Ostteile, die noch weitgehend in Grisaille ausgeführt worden waren, und der modernen und
farbiger gestimmten Westteile zu verhindern, wird man eine partielle Modernisierung der Verglasung zumindest in
den großen und vom Langhaus her einsehbaren Teilen als unumgänglich empfunden haben. In die gleiche Richtung
156 haina . klosterkirche
scheinen nur unwesentlich bunter. Diese Harmonie gründet vor allem auf dem Beibehalten des gleichen Farbakkords,
der ausschließlich aus den Farben Blau, Gelb und Rot gebildet wird. Bemerkenswert ist der konsequente Verzicht auf
gebrochene Farbwerte, in erster Linie das fehlende Grün, dem wie in Altenberg offenbar keine Bedeutung zukam.
Technik, Stil, Datierung: Wichtige Anhaltspunkte zur Klärung der künstlerischen Zusammenhänge liefern die
Reste der Chorverglasung aus der 1297 geweihten Marburger Marienkirche. Der heute im Universitätsmuseum aufbe-
wahrte Maßwerkzwickel (Nr. 25, vgl. Fig. 572) zeigt in technischer wie stilistischer Hinsicht eine überraschende Nähe
zur ersten gotischen Werkstatt in Haina. Die Efeublattmuster stimmen in Zeichnung und Fruchtbesatz im Detail mit
den Randstreifen und den Maßwerkfüllungen des Fensters NORD IX überein, die übrigens nah verwandt auch in der
Kapitellzone eines Wandpfeilers der Elisabethkirche begegnen 32 . Die Efeuranken liegen auf schwarzen Grund und
tragen ausradierte Früchte; sie zeigen feine, mit der Nadel herausgekratzte Rankenfädchen. Neben dem vergleichbaren
geometrisierten Blattmustern und dem verwandten Farbcharakter (Blattgrisaillen in Kombination mit messinggelben,
blauen und roten Farbgläsern) kann die Verwendung von Versatzmarken als weitere Gemeinsamkeit angeführt wer-
den; römische Ziffern als Versatzmarken begegnen sowohl in Marburg als auch im Maßwerk des Fenster NORD IX.
Eine weitere technische Besonderheit stellt die »Punzierung« des schwarzen Hintergrundes mittels kleiner Kringel
dar (NORD XI), eine Technik, die auch in den jüngeren Fenstern der Marburger Elisabethkirche ausgiebig genutzt
wurde.
Der ausführende Betrieb könnte seine Wurzeln in Marburg gehabt haben; dieser ist möglicherweise mit der Werkstatt
des an der Elisabethkirche tätigen Noli-me-tangere-Fensters identisch. Damit lassen sich zwei von Moller überlie-
ferte und von Lange kopierte Ornamentmuster verbinden 33, die sich heute in den Fenstern süd VI und süd VII der
Südkonche befinden (vgl. Fig. 559f.). Diese Werkstatt scheint ferner eine – nur mehr fotografisch überlieferte – Kompo-
sitverglasung für die Kirche zu Dausenau an der Lahn geliefert zu haben, die dem Hainaer Fenster NORD IX formal
nahe steht 34. Für die bereits oben beschriebene Entwicklung des Ornamentfensters hin zu einer strengeren Tektonisie-
rung vegetabiler Formen hätte die Nähe der Glasmalereiwerkstatt zu einer der damals modernsten westlich geschulten
Bauhütten sicher die günstigsten Voraussetzungen geboten. Die ausgiebige Nutzung von Versatzmarken könnte eine
gleichfalls von dort übernommene Technik darstellen, welche zur Lagebezeichnung gleichgestalteter Werkstücke wei-
terentwickelt worden war.
Marburg(?), um 1290/1300.
Rekonstruktion, ikonographisches Programm: Im Zusammenhang mit der Verglasung des westlichen Bauab-
schnitts gilt es Folgendes hervorzuheben: 1) Erstmals begegnen in den Fenstern der Zisterzienserklosterkirche auch
figürliche Darstellungen. So birgt das Maßwerk des großen Westfensters ein Kreuzigungsmedaillon sowie Symbole
der Passion Christi. Darüber hinaus weisen auch die Restfelder zweier Tabernakelarchitekturen im Fenster NORD
XII auf die Existenz heute verlorener Standfiguren in den Lanzetten hin. Die Beurteilung wird allerdings dadurch
erschwert, dass die Farbverglasung mit den heute widersinnig in den unteren Zeilen sitzenden Architekturscheiben
bis auf zwei moderne Felder vollständig erhalten ist (Fig. 149). Dieser zunächst beunruhigende Sachverhalt kann mit
einer Restaurierungsmaßnahme Langes erklärt werden, der zur Komplettierung des Ornamentteppichs die beiden
Bahnen aus einem anderen Zusammenhang hier eingefügt hat 35. Tatsächlich zeigen die heute bedauerlicherweise aus-
gelagerten Restfelder des zweibahnigen Westfensters NORD XVII identisch gebildete Randstreifen (vgl. Abb. 99f.),
sodass dadurch eine Herkunft der Architekturfelder aus diesem oder einem gleich gestalteten Fenster der Fassade
sehr wahrscheinlich wird. Demnach hat sich auch die jüngere Werkstatt bei der Verglasung der Seitenschifffenster
am rein ornamentalen Verglasungssystem des vorausgegangenen Bauabschnitts orientiert und nur die Öffnungen der
30 Aufschlussreich ist in dieser Hinsicht ein Vergleich der beiden ver- in das beginnende 14. Jahrhundert, an anderer Stelle allgemein in die
wandten Muster in nord V und NORD X. erste Hälfte des 14. Jh.; Michler 1984, S. 167 bzw. S. 318.
31 Vgl. AK Köln 1998, S. 168–171, Nr. 20.3–5 (Hartmut Scholz). 34 Abb. bei Oidtmann 1912, S. 150.
32 Vgl. Behling 1964, Abb. CXXVIIb. 35 Die Blattborten, welche die Architekturscheiben heute auf drei Sei-
33 Jürgen Michler datiert die Fenster NORD IX, X und XII zunächst ten umschließen, deuten eine solche Möglichkeit immerhin an.
158 haina . klosterkirche
Fig. 111. Schlussstein im westlichen Langhaus. Fig. 112. Kopfkonsole im westlichen Langhaus.
Haina, Klosterkirche. Bauplastischer Schmuck der dritten Bauphase bis 1330.
Westwand mit figürlichen Darstellungen hervorgehoben. Neben den kleinen zweibahnigen Fenstern werden wir auch
für die Lanzetten des großen Westfensters ein Figurenprogramm annehmen müssen. Die sechsbahnige Maßwerkkons-
truktion würde eine bahnübergreifende Bildkomposition aus Standfiguren erlauben, die vielleicht – wie später auch
im Prachtfenster des Altenberger Mutterklosters – einen mariologischen Inhalt besaß36 . 2) Obwohl das Maßwerk des
Fensters NORD XII – wie die Detailformen belegen – noch dem vorangegangenen Bauabschnitt angehört, konnte die
Verglasung erst von der jüngeren Werkstatt der Westteile ausgeführt werden; ein Vergleich mit den Blattmotiven und
der Zeichnung des Ornamentfensters NORD XVII gibt dies unmissverständlich zu erkennen. Bemerkenswerterweise
ist das Ornamentmotiv dieses Fensters aber dem entwicklungsgeschichtlich älteren Ornamenttyp der vorausgegan-
genen Gruppe nah verwandt. Vielleicht konnte das fünfte Joch erst mit dem baulichen Anschluss an das neu errichtete
Joch fertig gestellt und im Anschluss verglast werden. Dabei war der Entwurf zu diesem Fenster aber schon fi xiert
worden, auf welchen die jüngere Werkstatt später zurückgriff.
Farbigkeit, Ornament: Die Tektonisierung des Ornaments, wie wir sie gegenüber der älteren Querhausverglasung
für die erste gotische Werkstatt als neues Gestaltungsmerkmal hervorgehoben hatten, wird in den jüngeren Fenstern
nur scheinbar zurückgenommen. Dieser Eindruck beruht in erster Linie auf dem wieder dichteren Laubbewuchs der
Muster. Nun jedoch erstarrt die Vegetation, indem sie sich dem Primat der Geometrie gänzlich unterordnet, zuneh-
mend zum bloßen Ornament. Die gleiche Entwicklung lässt sich auch am Bauschmuck ablesen: In den westlichen
Langhausteilen führen die Blattformen nicht mehr ein organisches Eigenleben, sondern wandeln sich zum dekora-
tiven Flächenschmuck. Waren zuvor die architektonischen und vegetabilen Formen ihrem Wesen nach selbständig
geblieben, so gehen diese jetzt eine Art von Synthese ein, wobei die Grenzen zwischen den beiden Formelementen
verschwimmen: Damit ist die Stufe der Ornamentalisierung geometrischer und vegetabiler Formen erreicht.
36 Das Zentrum des aus Standfiguren bestehenden Altenberger West- Zickzack- oder Rautenborten folgen unbeirrt dem Konturverlauf der
fensters war ursprünglich mit einer Verkündigung und Anbetung der Kopfscheibe und umschließen tropfenförmige Endungen. Blattkaro-
Könige ausgezeichnet; s. hierzu ausführlich Daniel Parello, Das gründe im Farbwechsel (Frankfurt, Hist. Museum, Nr. 6f.) zeigen auch
Westfenster, in: Gast/Parello/Scholz 2008, S. 51–73. die seitlichen Zwickel des Westfensters; Hess 1999, Abb. 34f. Selbst
37 Schürer 1926, S. 156f. mit Abb. 69f. die schnörkelig-ornamentale Ausbildung der Blattfäden in SÜD XIV,
38 Der ornamentale Restbestand der Chorverglasung wird ausführ- 5–6a fi ndet sich identisch auf einer Ornamentscheibe des Frankfurter
lich behandelt bei Hess 1999, S. 92–107. Doms (Frankfurt, Hist. Museum, Nr. 12); Hess 1999, Farbtaf. IV.
39 Kompositionell ist etwa das zweischichtig konstruierte Hainaer 40 Zu Ortenberg s. Hess 1999, S. 303–305 mit Abb. 265f. Engere Be-
Ornamentfenster NORD XIII mit einem Scherengitter über Blatt- ziehungen scheinen ferner zur älteren Farbverglasung in Friedberg zu
vierpässen den beiden Feldern Nr. 9f. im Frankfurter Historischen bestehen, die eine ähnliche Vorliebe für großförmige Blattkreisorna-
Museum nah verwandt; Hess 1999, Abb. 36f. Hier wie dort füllen mente zeigt; nochmals Hess 1999, S. 169–189 mit Abb. 126f.
gespiegelte Blattpaare die geometrischen Formen ganz aus. Breite
haina . klosterkirche 159
Fig. 115. Haina, Klosterkirche. Maßwerkverglasung des Westfensters. Frankfurt(?), um 1330/40. – Kat. S. 194–197.
verglasung. Doch wie erklären sich die Zusammenhänge mit Haina? Seit frühester Zeit unterhielt das Hainaer Kloster
in Frankfurt, nahe dem Bartholomäusstift in der Kannengießergasse, einen Stadthof41. Die Frankfurter Niederlassung
entwickelte sich im 14. Jahrhundert zu einem wichtigen Umschlagplatz für klösterliche Handelswaren. Es ist sehr
wahrscheinlich, dass die Vermittlung des Auftrags über die direkten Beziehungen zu der gleichzeitig am Dom be-
schäftigten Glasmalereiwerkstatt erfolgte, die sich für die anstehende Verglasung der Hainaer Westteile verpflichtete.
Auf die künstlerischen Abhängigkeiten beider Bestände hatte zuletzt Hess hingewiesen, doch wird man nicht Haina
als Ideengeber für die Frankfurter Werkstatt annehmen können42 , sondern umgekehrt in den Hainaer Fenstern aus
Frankfurt importierte Produkte sehen müssen. Denn anders als in der Gründungsphase des Klosters, in welcher mit
dem großen Ostfenster immerhin noch die Konturen einer Klosterwerkstatt sichtbar wurden, spielt Haina ein Jahr-
hundert später als künstlerische Produktionsstätte keine Rolle mehr. Dieser Wandel vollzieht sich in etwa parallel mit
der Entwicklung des zisterziensischen Wirtschaftssystems von der Eigenwirtschaft zur Rentgrundherrschaft. Hatten
in der Frühzeit die Klöster noch eine weitgehende Autonomie der gesamten, für das Klosterleben nötigen Produkti-
on angestrebt, so avancierte der Orden später mit der Aufgabe seiner reformerischen Ideale zu einem gleichwertigen
Partner auf dem freien Markt.
Frankfurt(?), um 1330/40.
41 Bernd K. Lindenthal, Die Stadthöfe des Zisterzienserklosters 42 So noch Hess 1999, S. 47.
Haina, in: HessJb 31, 1981, S. 63–96.
haina . klosterkirche 161
Rekonstruktion, ikonographisches Programm: Die heute im Depotfenster SÜD XIV zusammengestellten nach-
mittelalterlichen Wappenscheiben gehen auf eine Stiftung der Familie von Viermünden zurück43. Das aus dem gleich-
namigen hessischen Ort stammende Geschlecht besaß seit dem 14. Jahrhundert die Erbgrablege im Kloster Haina44.
Die hierfür aus dem Freihof zu Viermünden dem Kloster zufallenden Gülten wurden zur Finanzierung eines Seelge-
räts verwendet. In der täglichen Marienmesse am Heilig-Kreuz-Altar vor dem Brüderchor ließ man für die Familie
eine besondere Kollekte lesen, und hier war auch der Ort ihres Begräbnisses45. Das Wappen des jüngsten männlichen
Mitglieds ist auf Philipp von Viermünden zu Nordenbeck († 1528) zu beziehen. Philipp war hessischer Amtmann im
Bereich der vom Erzbistum Köln an Hessen verpfändeten südwestfälischen Städte. Neben seinem Wappen finden sich
auch die seiner beiden Ehefrauen Beata von Düngelen zu Bladenhorst (○○1496–1514) und Margaretha von Schönfeld,
gen. Grasdorp (1503–1546). Hinzu kommen die Wappen seiner Mutter Margareta von Hatzfeld (○○1466–1487) sowie
der Mutter seiner zweiten Frau, von Hackfort. Die sechs kleinen Wappenrundscheiben schließlich sind mit der Gene-
ration der Großeltern zu verbinden46 .
Als ursprünglicher Standort der Stiftung wäre in erster Linie an ein Fenster im Konversenbereich des Langhauses zu
denken (SÜD XI?), also in unmittelbarer Nähe zur Familiengrablege, die sich nach den Quellen westlich der Chor-
schranke befunden haben soll. Die gegenüber den Fensteröffnungen geringeren Breitenmaße der Rechteckfelder müs-
sen dabei nicht für eine Herkunft aus einem schmaleren Fenster sprechen; ein solches hat sich zwar einzig im östlichem
Langhausfenster an der Südseite erhalten (SÜD VIII), möglicherweise aber waren die Wappenscheiben von Anfang
an in eine Rautenumgebung eingebettet. In jedem Fall wird die Stiftung Philipps eine ältere, zuvor an dieser Stelle
vorhandene Ornamentverglasung ersetzt haben.
Erhaltung: Die großen Wappenfelder durchziehen zahlreiche Sprungbleie, die Scheiben weisen neben älteren
Flickungen einfache Reparaturen mit ungefärbten Blankgläsern auf, die offenbar aus jüngerer Zeit stammen. Diese
Gläser waren einstmals mit einer Kaltbemalung versehen, die im Laufe der Zeit jedoch wieder abgegangen ist. Die
Scheiben haben vor allem unter den großflächigen Verlusten der Braun- und Schwarzlotmalerei gelitten; deren geringe
Haftung auf dem wenig witterungsanfälligen Glasträger lässt hier auf zu geringe Brenntemperaturen schließen. Stellen-
weise brechen auch die noch vorhandenen Konturen sowie deckende Schwarzlotüberzüge aus.
Komposition, Farbigkeit, Technik: Die Rechteckfelder in Architekturrahmen wurden bis auf die individuell ge-
stalteten Wappenbilder nach gleichem Karton angefertigt. Innerhalb des vegetabil durchdrungenen Architekturrah-
mens mit geschwungenem Bogen nehmen Helmdecke und Helmzier den gesamten Raum in Anspruch. Schild und
Schriftband hängen an einer Kordel, die am Helm befestigt ist. Die Bogenkehlungen sind mit Jerusalemkreuzen ver-
ziert: Kurt von Viermünden, der Vater Philipps, hatte sich auf einer Pilgerfahrt nach Jerusalem, am Heiligen Grab,
zum Ritter schlagen lassen47. Rechnet man die zahlreichen Sprungbleie ab, so saßen die verhältnismäßig großen Gläser
ursprünglich in einem recht lockeren Bleinetz. Die wenigen roten und blauen Farbgläser nehmen den Scheiben nichts
von ihrem Grisaillecharakter, die kostbare Farbwirkung wird durch die reiche Verwendung von Silbergelb in Kombi-
nation mit einem weich modellierenden Braunlotauftrag erzielt. Mit deckendem Schwarzlot ist eine kräftige, plastisch
anmutende Kontrastwirkung erzielt worden. Radiertechnik gelangt vor allem in den Blattkränzen der kleinen Rund-
scheiben zum Einsatz, mit dem Federkiel sind Lichtkanten gesetzt.
43 Herrn Klaas Padberg Evenboer, Emelo (Niederlande), sei an dieser Rückgabe des Freihofs; UB Haina, II, S. 624f., Nr. 1470 (Urkunde vom
Stelle herzlich für die Identifi zierung der Wappen und die freundliche 14. März 1532).
Überlassung seiner Aufzeichnungen zur Familie Viermünden gedankt. 46 Es fehlen das Wappen der Großmutter Lückele von Elben, verhei-
Eine Publikation seiner Forschungsergebnisse ist in Vorbereitung. ratet mit Conrad von Viermünden, sowie das Wappen der Mutter des
44 UB Haina, II, S. 315, Nr. 805 (Urkunde vom 29. September 1383). Lutgard von Westhoven, die möglicherweise eine von Kuling-Leth-
– Zu den Viermünden: August Heldmann, Das Geschlecht von Vier- mate war.
münden, in: ZHG 27, 1903, S. 89ff.; Helmut Nicolai, Waldeckische 47 Frdl. Mitteilung von Herrn Klaas Padberg Evenboer, Emelo (Nie-
Wappen. Beiträge zur Familiengeschichte, bearbeitet von Wilhelm derlande). Zu den verschiedenen Ausprägungen der Ordenszeichen der
Hellwig und Heinrich Hochgrebe, Arolsen 1985, S. 187 (von Dün- Ritter des Hl. Grabes vgl. Paul Ganz, Die Abzeichen der Ritterorden,
gelen), 239f. (Viermünden). in: Schweizerisches Archiv für Heraldik 19, 1905, S. 28–140, bes. S.
45 Nach der Aufhebung des Klosters gewährt Landgraf Philipp von 31–34 mit Fig. 30.
Hessen in einer 1532 datierten Urkunde den von Viermünden die
162 haina . klosterkirche
Stil, Datierung: Da neben Philipps erster Frau Beata von Düngelen zu Bladenhorst, die 1514 verstarb und als letz-
te Ahnherrin im Kloster begraben liegt, auch das Wappen der zweiten Ehefrau Margaretha von Schönfeld (○○ 1515)
Berücksichtigung fand, andererseits aber Landgraf Philipp das Kloster bereits 1527 aufheben ließ, wäre zunächst an
eine Entstehung der Glasmalereien zwischen 1515 und 1527 zu denken. Philipp von Viermünden starb im Jahr darauf
und ließ sich nicht mehr in der Familiengruft beilegen, sondern fand in Korbach seine letzte Ruhestätte. Doch eben-
so gut könnten sein jüngerer Bruder Ambrosius I. (um 1478–1539) oder die Kinder Philipps eine Gedächtnisstiftung
in Haina getätigt haben, um die Erinnerung an die Familiengrablege hochzuhalten. Vielleicht steht der Auftrag in
einem Zusammenhang mit der Rückforderung des Freihofs in Viermünden seitens der Kinder Johann (1498–1558) und
Hermann (1501–1563), da nach der Aufhebung des Klosters in Haina keine Vigilien und Seelenmessen für die Familie
mehr gehalten wurden; aus diesem Grund hatte Landgraf Philipp von Hessen das Gut den Viermünden im Jahr 1532
zurückzugeben48 .
Im hessischen Raum fehlen aussagekräftige Vergleichsbeispiele. Doch zeigen einige Wappenbilder in den Seitenschiff-
fenstern des Kölner Doms verwandte Rahmenformen mit den charakteristischen Verzierungen der Holkehlen und
auch das Motiv der am Helm befestigten Schilde mit herabhängenden Kordeln49. Für eine Herkunft der Glasmalereien
vom Niederrhein lassen sich neben dem regionalen Gebrauch des Beiwortes »van« statt »von«, das sich mehrfach in
den Wappeninschriften findet, auch historische Argumente in die Waagschale werfen: Der jüngere Bruder Philipps,
Ambrosius I., war Begründer des niederrheinischen Adelsgeschlechts der Virmond-Neersen und stand als Diplomat
und kurfürstlicher Rat in den Diensten der Kölner Kurfürsten; sein Sohn Johann I. (um 1510–1572) folgte ihm hierin
nach 50 . Köln(?), 2. Viertel 16. Jahrhundert.
Vorbemerkung zum Katalog: Ein Großteil der Glasmalereien konnte etappenweise in der Glasmalereiwerkstatt des
Hessischen Landesamtes für Denkmalpflege in Wiesbaden, Schloss Biebrich, untersucht werden (1999–2007). Allein
im Falle der bereits in den achtziger Jahren von Oidtmann restaurierten Fenster WEST I und SÜD XIV musste auf
die Bestandsdokumentation der Firma zurückgegriffen werden; die nicht ausgebaute ornamentale Restverglasung des
Querhausfensters SÜD VII wurde im Mai 2007 vor Ort kartiert. Gesamtaufnahmen der bereits wieder in situ befind-
lichen Fenster erfolgten im April und Mai 2008. Einzelaufnahmen mehrerer Fenster, insbesondere jener bislang nicht
wieder eingesetzten Glasmalereien NORD XI–XIII, stellte die Restaurierungswerkstatt zur Verfügung. Der Katalog-
teil wurde in weiten Teilen mit den qualitativ ausgezeichneten Kriegsbergungsaufnahmen von 1942 bebildert.
1AB3, 1CD3 BLATTZWICKEL MIT LILIENMOTIV 1CD0 war nach dem Krieg mit der bemalten Seite nach außen
Fig. 117, Abb. 52 eingebaut worden.
H./B. je 37/43 cm. Komposition, Farbigkeit, Ornament: In einem gelben Perl-
Erhaltung: Beide Lilienzwickel waren nach dem Krieg seiten- bandkreis eingeschriebener blauer Maßwerksechspass mit
verkehrt eingesetzt worden. Die seitlichen Randstreifen und gelbem Efeukranz. Dazwischen radial angeordnete rote Blüten
die unteren Teile des schraffierten Hintergrundes wurden er- mit gelbem Stempel zwischen Weintrauben; in den Passlappen
neuert. Außenseitige Korrosion mit Wettersteinbildung an den Weinranken vor rotem Hintergrund.
roten Gläsern, die stellenweise in Schollen ausbricht. Mehlige Datierung: Neuverglasung um 1290/1300.
Verwitterungsschichten – ausgenommen der Randbereich Foto Marburg 1522827–1522831
– auch an den orangefarbenen Gläsern. Die Gläser sitzen über-
wiegend im alten Blei. 1AB1, 1CD1 ZWICKEL MIT BEIFUSSBLÄTTERN
Komposition, Farbigkeit, Ornament: Auf kreuzschraffiertem, Fig. 117, Abb. 52
teils mit Blattpalmetten hinterlegtem Grund eine orangefar- Die Zwickel werden durch eine Vertikalarmierung halbiert.
bene bzw. rote Lilie, die einen roten bzw. orangefarbenen Ring H./ B.: 1AB1: 24/57 cm (links), 23,5/56,5 cm (rechts); 1CD1 ca.
– letzterer mit Widerhaken – durchstößt. Der obere Randstrei- 25/57 cm (links); ca. 24/56 cm (rechts).
fen zeigt eine Kette mit diagonalen Verbindungsgliedern, ein Inschrift: Auf dem Randstreifen des linken Zwickels von 1AB1
Schmuckmotiv, das vom »Laufenden Hund« abgeleitet zu sein ein reicher verzierter Schriftzug in gotischen Majuskeln: AVE
scheint. + MA(R)I(A).
Datierung: Erstausstattung um 1250. Erhaltung: Zu 100% mittelalterlicher Glasbestand; das Blei
Foto Marburg 1522826 jedoch im 19. Jh. erneuert. Außenseitig partieller Lochfraß
vor allem auf orangefarbenen Gläsern, innenseitig dagegen
1AB4, 1AB2, 1CD4, 1CD2 BLATTZWICKEL kaum erkennbare Korrosion. Einige – wo notwendig, geklebte
MIT BLÜTENROSETTE Fig. 117, Abb. 52 – Sprünge. Stellenweise beriebene Schwarzlotzeichnung. Im
Die Zwickel werden von einer horizontal verlaufenden Armie- Zuge der Neuverbleiung sind einige Randstücke des linken
rung durchschnitten. Zwickels seitenverkehrt eingesetzt worden. Beide Stücke waren
H./B.: 1AB4: 58/37 cm (oben), 50/35,5 cm (unten); 1AB2: 64/63 nach dem Krieg seitenverkehrt eingebaut worden. Dieser Miss-
cm (oben), 60/37 cm (unten); 1CD4: 58/37,5 cm (oben), 61/37 cm stand wurde bei der letzten Restaurierung behoben.
(unten); 1CD2: 64/42 cm (oben), 59/42 cm (unten). Farbigkeit, Ornament: Auf schraffiertem Grund je Zwickel-
Erhaltung: Durch fortgeschrittene Verwitterung sind die ori- hälfte mittig ein orangefarbener Punkt mit in die Zwickelecken
ginalen Gläser stark verdunkelt und heben sich gegenüber den ausstrahlenden Beifußblättern.
großflächigen hellen Ergänzungen des 19. Jh. deutlich ab. Die Datierung: Erstausstattung um 1250.
welligen, insbesondere gelben Stücke zeigen außenseitig einen Foto Marburg 1522823
entwickelten, teils in Schollen abgängigen Wetterstein. Parti-
eller Verlust des roten Überfangs, blaue Gläser weisen einen 1BC0 BLATTROSETTE MIT STERNMOTIV
flächig weißen Korrosionsbelag auf. Die Zwickel haben ihr Fig. 117, Abb. 52, 55
altes Blei jedoch weitgehend bewahrt, das doppelte Umblei be- Durchmesser 39–39,5 cm.
sitzt noch einen originalen Kern aus Weidenruten. Erhaltung: Eine Medaillonhälfte im 19. Jh. ergänzt. Parti-
Komposition, Farbigkeit, Ornament: Im Zentrum auf rotem ell verlorene Schwarzlotzeichnung. Das außenseitige Korro-
Grund ein blauer Perlbandring mit eingeschriebener sechsblätt- sionsbild variiert von minimalem Lochfraß bis zur flächigen
riger gelber Rosette, welcher auf einem gegabelten Ast aufl iegt. Schicht mit Wettersteinbildung. Hervorzuheben ist die einma-
Seine gelben, in die Zwickelspitzen ausstrahlenden Endungen lige Verwendung grünlichen Glases mit roten Einschlüssen.
tragen jeweils ein Eichblatt mit Fruchtbesatz. Farbigkeit, Ornament: Auf einem Kranz aus Palmettenblättern
Datierung: Neuverglasung um 1290/1300. ein fünfzackiger Stern mit roten und gelben Zacken und auf-
Foto Marburg 1522824f. gelegtem gelb-rot geteiltem Kleeblatt. Breiter Randstreifen mit
trapezgerahmtem Blumenstielmuster.
1AB0, 1CD0 SECHSPASSROSETTEN MIT Datierung: Erstausstattung um 1250.
WEIN- UND EFEUBLÄTTERN Fig. 117, Abb. 52 Foto Marburg 1522814
Quereisen teilen die Sechspassrosetten in zwei Hälften, die
beiden seitlichen Passstücke sind nicht mit den Rosettenhälften 1BC1 ZWICKELSTÜCK MIT FARBPUNKT
verbunden. H. 20,5 cm, B. 26 cm. Fig. 117, Abb. 52
H./B.: 1AB0: 59/86 cm (oben), 58/85 cm (unten); linker Pass- Erhaltung: Zwei weitere Zwickel sind im 19. Jh. vollständig
lappen: 39/29 cm; rechter Passlappen: 38/29 cm; 1CD0: 58/88 erneuert worden. Nur der orangene Farbpunkt des Zwickel-
cm (unten); linker Passlappen: 43/27,5 cm, rechter Passlappen: stücks ist noch original.
40/23–24 cm. Farbigkeit, Ornament: Das dreieckige Zwickelstück zeigt auf
Erhaltung: Stark ergänzt. Neben der Langeschen Instandset- blankem farblosen Glas einen orangenen Farbpunkt.
zung ist im rechten Sechspass noch eine nachmittelalterliche Datierung: Erstausstattung um 1250.
Restaurierungsmaßnahme fassbar. Die originalen Gläser, da-
runter auch farbloses Glas, sind außenseitig stark verbräunt,
die roten und blauen Stücke weisen dichten Lochfraß mit tiefer 48 Siehe Anm. 45.
Kraterbildung auf und lassen kaum mehr Licht hindurch. In- 49 Rode 1974, Taf. 218: Lhs. n XXII, 4a: Wappen Kirburg (Bogen), Taf.
nenseitig stellenweiser Abgang der Zeichnung. In 1AB0 hat 209: Lhs. n XXI (mit Kreuzen und Blättern verzierte Hohlkehlen).
sich das mittelalterliche Blei weitgehend erhalten. Das Feld 50 Allgemeine Deutsche Biographie, LV, Nachträge bis 1899. Wan-
Fig. 117. ES Chor I, Maßwerk.
M 1:25
haina . klosterkirche 165
2A0 DREIPASS MIT BLATTROSETTEN Fig. 117, Abb. 54 3BC0 BLATTROSETTE Fig. 117, Abb. 52f.
H. 67 cm, B. 72 cm. Die Rosette wird von einem Quereisen in zwei Hälften geteilt.
Erhaltung: Die seit dem Krieg seitenverkehrte Einbausituation H./ B.: 49/106 cm (oben), 49,5/105,5 cm (unten).
des Feldes wurde im Zuge der letzten Instandsetzung korri- Erhaltung: Einzige erhaltene Sechspassfüllung der großen
giert. Weitgehend erneuerter Randstreifen, ansonsten nur ein Maßwerkrosette. Lange hat die fehlenden Sechspässe nach glei-
Blattstück ergänzt. Mehrere Sprünge, überwiegend altes Blei. chem Muster rekonstruiert, den Glasmalereien allerdings unter
Farbigkeit, Ornament: In den Passlappen große Rosetten aus Verwendung von gelben und roten Gläsern eine kräftigere Fär-
Blattpalmetten, im Zentrum drei ausstrahlende Blattpaare. Die bung verliehen. Substantiell sehr gut erhalten, nur einige weni-
kaleidoskopartige Wirkung beruht auf der Verwendung von ge, weitgehend auf den Randbereich beschränkte Ergänzungen;
nur einem Blattmotiv als Grundmodul, das durch Spiegelung mehrere Sprünge. Ein bemerkenswertes Phänomen stellt die
und Doppelung zu neuen Formen kombiniert werden kann. stark variierende Verwitterungsanfälligkeit des originalen
Die Blattmuster liegen auf einem messinggelben Hintergrund. farblosen Glases dar. Neben chemisch sehr stabilen Gläsern,
Datierung: Erstausstattung um 1250. die ihre Transluzidität vollständig bewahrt haben, finden sich
Foto Marburg 1522819 flächig verbräunte und nahezu lichtundurchlässig gewordene
Stücke. Dieses Erscheinungsbild wird sich auf die Verwendung
2D1 ZWICKELSTÜCK MIT PENTAGRAMMEN unterschiedlich zusammengesetzter Gemenge bei der Glaspro-
Fig. 117, Abb. 52 duktion zurückführen lassen.
Vor der letzten Restaurierung war das Zwickelstück seiten- Komposition, Farbigkeit, Ornament: In der Mitte eine sechs-
verkehrt mit der Bemalung nach außen in Position 2A1 einge- blättrige rote Blüte. Darunter breiten sich in konzentrischer
setzt. Staffelung nach außen größer werdende sechsblättrige Blatt-
H. 94 cm, B. 50,5 cm. kränze aus, die sich schuppenartig überlappen. Die verschie-
Erhaltung: Randstreifen, obere Zwickelspitze und Teile des den geformten Palmetten liegen auf kreuzschraffiertem Grund,
schraffierten Hintergrundes erneuert. Das grünliche Glas er- hinter dem zweiten Blattkranz liegen rote Blattzwickel.
weist sich als kaum korrosionsanfällig, desgleichen das rote Datierung: Erstausstattung um 1250.
Überfangglas. Weitgehend erneuertes Blei. Foto Marburg 1522814, 1522814a
Komposition, Farbigkeit, Ornament: Auf dem kreuzschraffier-
ten Grund mit eingestreuten Kleeblättern (Dreipässen) ein im 3BC13, 3BC14, 3BC15, 3BC17, 3BC18
roten Kreisband eingeschriebenes Pentagramm, dessen obere ZWICKEL MIT STERNEN Fig. 117, Abb. 52
Spitze über den Kreis hinausreicht. Im pentagonalen Zentrum H./B.: 3BC13: 40,5/72 cm; 3BC14: 53/79 cm; 3BC15: 40,5/73 cm;
sitzt eine rote Blüte. Darüber liegt ein kleineres Pentagramm 3BC17: 56/78,5 cm; 3BC18: 54/72,5 cm.
von gleicher Gestalt, jedoch ohne Kreisband. Den roten Kreis Erhaltung: Bis auf 3BC14 waren sämtliche Zwickel nach dem
schmückt das gleiche Kettenmuster wie auf den Lilienzwi- Krieg mit der bemalten Seite nach außen eingesetzt worden.
ckeln. Vielfach erneuerte Randstreifen, ansonsten nur marginale
Datierung: Erstausstattung um 1250. Ergänzungen im Glasbestand. Außenseitig dichter Lochfraß,
teilweise deckender Wetterstein, doch sind die farblosen Glä-
2A3, 2D2 ZWICKEL MIT BEIFUSSBLÄTTERN UND ser nahezu ohne Verwitterung. Auf der Innenseite stellenweise
STILISIERTEN LILIEN Fig. 117, Abb. 52 punktförmig feiner Lochfraß, auf orangefarbenen Gläsern zu-
H./B.: 2A3: 62,5/44 cm; 2D2: 67/45 cm. dem eine mehlige Korrosion. Das Blei stammt zu großen Teilen
Inschrift: Auf dem Randstreifen von 2D2 in gotischen Majus- noch aus mittelalterlicher Zeit.
keln die Künstlerinschrift: LVPVLDVS FRATER. Die Signa- Komposition, Farbigkeit, Ornament: Farbloser kreuzschraf-
tur ist im Zusammenhang mit der Aufschrift AVE MARIA im fierter Grund mit eingestreuten Blüten (Dreipassform), darauf
ehemals benachbarten Zwickel als Empfehlung des Künstlers locker applizierte, fünf- und sechszackige Sterne in alternie-
an Maria als der Patronin des Baues zu deuten. Da die beiden rend orangenen und roten Farben, nur im Zwickel der Achse
Zwickel 2A3 und 2D2 jedoch beim Wiedereinbau vor wenigen mit seitlichen Blüten bereichert.
Jahren ohne ersichtlichen Grund vertauscht worden sind, sind Datierung: Erstausstattung um 1250.
diese inhaltlichen Bezüge heute nicht mehr gegeben. Foto Marburg 1522817f.
Auf den modernen Randstreifen von 2A3 die Namen der in
Haina tätigen Glasmaler des 19. Jahrhunderts: Werkmeister 4BC ZWICKEL MIT BLATTRANKE Fig. 117, Abb. 52
Conrad Wien in Haina im Jahr 1850 / Ig.(naz) Neumair aus Ein Vertikaleisen teilt den Zwickel in zwei Hälften.
München MDCCCL. Conrad Wagner aus Haina. / K.J. Schulz H./B.: 84/36 cm (links), ca. 82/38 cm (rechts).
aus Schwerin. / Holzer aus Erlangen. Erhaltung: Die Felder waren seitenverkehrt eingebaut. Dieser
Erhaltung: Ausgezeichnet erhalten. Durch unsachgemäßen Missstand wurde im Zuge der letzten Restaurierung jedoch be-
Ausbau wurde ein Teil des Randstreifens, auf welchem sich hoben. Stellenweise erneuerter Randstreifen, linkes Zwickel-
die Künstlerinschrift befi ndet, beschädigt. Auf der Außenseite stück mit größeren Störungen im Eckbereich. Das farblose Glas
partiell geringfügiger Lochfraß. Neues Blei. zeigt starke Verwitterungsunterschiede mit teilweise kräftiger
Farbigkeit, Ornament: In 2D2 auf schraffiertem Grund mittig Wettersteinbildung.
ein orangefarbener Punkt mit in die Zwickelecken ausstrahlen- Ornament: Einzige farblose Zwickelfüllung der Fensterkom-
den Beifußblättern; Randstreifen mit Perlbandmuster. In 2A3 position. Auf schraffiertem Grund schlängeln sich Blattranken
gleiche Grundform, jedoch mit stilisierten Lilien und Ahorn- mit efeuartiger fünffingriger Blattform. Die Blätter sind jedoch
blättern ohne Binnenzeichnung. fein gefiedert und zeigen eine kräftige Äderung.
Datierung: Erstausstattung um 1250. Datierung: Erstausstattung um 1250.
Foto Marburg 1522825, DA 1522821f. Foto Marburg 1522816
166 haina . klosterkirche
Winden verlaufen dabei überwiegend im blinden Bereich der scheidungen und starkem Lochfraß, der Großteil des farblosen
Komposition hinter den Deckschienen). Sie bilden reiches, Glases jedoch nicht oder nur geringfügig korrodiert. Das linke
das Scheibenrund fast vollständig bedeckendes Efeulaub mit Feld mit überwiegend originalem Bleinetz; mehrere, teils ge-
Fruchtbesatz aus. Ein blaues Band umschließt den Efeuteppich. klebte Sprünge. Die Schwarzlotbemalung ist im Allgemeinen
Es folgt ein Kranz aus Zaunrüben, der auf rot und gelb geteil- gut erhalten.
tem Grund aufl iegt. Der äußere schmale Randstreifen ist mit Ornament: Aus einem mittigen Stamm wachsen mehrere
feinen Blattwellen verziert. Efeurankentriebe hervor, die sich ineinander schlängeln und bis
Foto Marburg 1522834–1522837 in die seitlichen Zwickelenden hineinreichen. Vereinzelt begeg-
nen in den Spitzen oder Zwickeln noch jene vom Chorfenster
3AB GROSSER BLATTZWICKEL MIT EFEURANKEN her bekannten altertümlichen Blattpalmetten. Zwischen Chor-
Fig. 119, Abb. 67 und Querhausverglasung wird man – falls die Verglasung nicht
H./B.: 3AB links und rechts: jeweils 68/149 cm. doch aus den Chorseiten stammt – daher keinen allzu großen
Erhaltung: Weitgehend erneuerter Randstreifen, ansonsten zeitlichen Entstehungsabstand annehmen können.
größere Störungen nur im Bereich der Zwickelspitzen. Verein- Foto Marburg 1522832f.
zelt stark verbräunte Gläser mit außenseitig weißen Gipsaus-
1A, 1B, 1C BLATTZWICKEL MIT BLÜTENROSETTE 2AB0 KREIS MIT EINGESCHRIEBENEN VIERPÄSSEN
Fig. 121, Abb. 56 Fig. 121, Abb. 56, 62
H./B.: 1A: 68/32,5 cm; 1B: 66,5/33,5 cm; 1C: 67,5/32 cm. Durchmesser 63,5 cm.
Erhaltung: Zwickel 1A ohne Ergänzungen, mit alten Blei und Erhaltung: Randstreifen erneuert, im Ornament lediglich vier
Resten von Weidenruten im doppelten Umblei. 1B dagegen ersetzte Glasstücke. Ein überwiegend auf die Außenseite be-
168 haina . klosterkirche
schränkter Lochfraß, wodurch das rote Überfangglas weiß ge- terschiedliche, hier vielleicht auf Flickstücke zurückzuführen-
punktet erscheint. de Muster: Blattwellen und Perlbänder aus ausradierten bzw.
Farbigkeit, Ornament: In einem Kreis eingeschriebener lie- gemusterten Perlen zwischen Schrägkreuzen. Der rechte Zwi-
gender Vierpass, welcher einen zweiten Kreis mit Vierpass auf- ckel ist neben einer schmalen äußeren Borte aus Blattwellen
nimmt. Der Kreismittelpunkt ist mit einer blauen Blüte mar- zusätzlich mit einem in Blau und Rot wechselnden Farbband
kiert, die Passlappen mit blauen Farbpunkten. Die Pässe sind mit geschmückt und darüber hinaus der Efeuteppich an den Sei-
unterschiedlichen Blattmustern gefüllt, außen gedeihen sym- ten mit gelben Zwickeln unterlegt. Die beiden großen Blatt-
metrische Blattpaare mit dreilappig abgerundeten Blattformen, zwickel gehören demnach unterschiedlichen Fenstern an. Es
im kleineren roten Pass dagegen dreifi ngrig zugespitzte Blätter sei am Rande darauf hingewiesen, dass die Blattornamentik
mit kugeligen Früchten (wilder Wein?). Die Vierpassform liegt beider Zwickelhälften trotz symmetrischer Annäherung des
auf einem breiten gelben und mit Blattranken im Halbton ver- Wuchses nicht gespiegelt ist, die Herstellung somit noch nicht
zierten Band auf; nach außen folgt ein blaues Perlband. jener rationalisierten Fertigungsweise gehorcht, in welcher der
Datierung: Neuverglasung um 1290/1300. halbseitige Entwurf nur gespiegelt zu werden brauchte. Wir
Foto Marburg 1522867 dürfen hierin aber auch ein Merkmal des frühen Naturalismus
der Jahrhundertmitte erblicken, der schon wenige Jahrzehnte
2AB1–6, 2CD1, 2CD3, 2CD5–6 PASSLAPPEN MIT später wieder zugunsten einer stärkeren Geometrisierung der
MASSWERKORNAMENTEN Fig. 121, Abb. 56, 61 Ornamentik aufgegeben wurde.
H./B.: 2AB1: 45,5/48,5 cm; 2AB2: 47,5/49,5 cm; 2AB3: 43,5/47 Datierung: Erstausstattung um 1260.
cm; 2AB4: 45/47 cm; 2AB5: 47,5/48 cm; 2AB6: 46/49 cm; Foto Marburg 1522860–1522863, 1520619 (3AB in situ)
2CD1: 45/49,5 cm; 2CD3: 50/55 cm; 2CD5: 46/49,5 cm.
Erhaltung: Originale Passlappen mit 40–50% erneuerter Glas- 4A, 4D GROSSE BLATTZWICKEL MIT EIN-
substanz, in 2AB4–5 nur noch wenige alte Stücke. Die blauen GESCHRIEBENEN VIERPÄSSEN Fig. 121, Abb. 56
Gläser haben einen Großteil ihrer Transluzidität eingebüßt. H./ B.: 4A: 166/112 cm; 4D: 172/77,5 cm.
Unterschiedlicher Korrosionsgrad auf farblosen Gläsern: de- Erhaltung: Feld 4A im 19. Jh. großflächig ergänzt. Originale
ckend braune Verwitterungsschicht auf rein weißen Stücken, Stücke nur mehr in der unteren Zwickelhälfte. Das Feld 4D
lediglich partielle Schädigung auf Gläsern mit grünlicher Tö- ist dagegen substantiell wesentlich besser erhalten, allerdings
nung. Die innenseitige Malschicht ist auf den gelben Gläsern sind die Gläser hier vielfach gesprungen. Die mittelalterlichen
stärker berieben. Die Scheiben haben ihre mittelalterliche Ver- Gläser sitzen in schlanken originalen Bleiruten, die doppel-
bleiung weitgehend bewahrt; hierzu gehört auch das doppelte ten Umbleie sind mit Weidenruten versteift. Auf blauen und
Randblei mit eingeschlossenen Weidenruten. farblosen Gläsern zeigt sich außenseitige Wettersteinbildung.
Farbigkeit, Ornament: In der konvex angeschnittenen Kreis- Gelbe Farbgläser sind bis auf die Gelschicht korrodiert und er-
form liegt eine verkrüppelte Sechspassrosette mit im blauen scheinen im Durchlicht bräunlich verfärbt.
Kreis eingeschriebenem Dreipass. Im Zentrum eine rote Blü- Farbigkeit, Ornament: Das Grundmotiv besteht aus einem in
tenrosette. Der gelbe Dreipass ist mit einem Kleeblattmuster den Zwickel eingeschriebenen Kreis und einem stehenden an-
gefüllt, der äußere Sechspass zeigt dreilappige zugespitzte Blät- gespitzten Vierpass. Der Kreis wird durch ein blaues Perlband
ter mit kugeligen Früchten und Haftscheiben (wilder Wein?). mit roten Blattzwickeln farblich akzentuiert, die Vierpassroset-
Die Hintergrundzwickel in wechselweise blau/roter Farbe. te ist mit Eichblattpaaren und Eicheln über blauen Farbpunk-
Datierung: Neuverglasung um 1290/1300. ten gefüllt. In der Mitte befi ndet sich ein gelber, rot gefüllter
Foto Marburg 1522865f., 1522868f. Vierpass mit gelber Blüte. Die äußere Kreisform wird von einer
CVMA A 1192f. (2AB5, 2CD5) Blattranke umschlossen; ihre Zweige tragen dreilappige Blätter
mit abgerundeten Spreitenrändern und Haftscheiben. Im rech-
3AB, 3CD GROSSE ZWICKEL MIT ten Zwickel liegen diese vor gelbem Grund, im linken vor ro-
EFEUSTRÄUCHERN tem Grund. Hier wird der weiße Randstreifen noch von einem
Fig. 121, Abb. 56–58 zweiten gelben Perlband begleitet. Dagegen ist im rechten
H./B.: 3AB: 147,5/71,5 cm (linke Hälfte), 152/73,5 cm (rechte Blattzwickel die Kreisform zusätzlich mit gelber Blattkonsole
Hälfte); 3CD: 155,5/75 cm (linke Hälfte), 157/74,5 cm (rechte über einem roten Punkt unterlegt.
Hälfte). Datierung: Neuverglasung um 1290/1300.
Erhaltung: Der linke Zwickel besitzt nur geringfügige Ergän- Foto Marburg 1522856–1522859
zungen, die weitgehend auf den Randstreifen beschränkt blei-
ben. Am rechten Zwickel dagegen mehrere erneuerte Efeublät- 5 BC1–4 GROSSE FLECHTBANDROSETTE MIT
ter und zahlreiche frische Sprünge. Außenseitig stellenweise STERNMOTIV Fig. 121, Abb. 56, 59f., 66
fortgeschrittener Lochfraß und bräunlich verfärbter Wetter- Ein Armierungskreuz teilt die Rosette in vier Segmente. Ge-
stein. Die innenseitige Malschicht erweist sich als vollkommen samtdurchmesser der Komposition: 152–155 cm.
intakt. Beide Zwickelfelder haben einen Großteil ihrer origi- Einzelmaß H./B.: 5BC1: 76/78 cm; 5BC2: 75,5 bzw. 78,5 (mit
nalen Verbleiung bewahrt. zweiten Randstreifen)/75,5 cm; 5BC3: 76/75,5 cm; 5BC4: 75,5/
Farbigkeit, Ornament: Ein breiter Stamm zu beiden Seiten der 75 cm.
Vertikalarmierung bildet kräftige Efeuranken mit Fruchtkü- Erhaltung: Guter Erhaltungszustand. Ergänzt sind nur we-
gelchen aus, die sich ineinander verschlängeln und bis in die nige Glasstücke. Die Gläser sitzen überwiegend in originalen
Zwickelspitzen hineinwachsen, sodass ein Großteil des Feldes Bleien; zur Stabilisierung der Felder wurden zwischen äußerem
hiervon bedeckt wird; die Zwischenflächen zeigen einen fein- Blattkranz und gelbem Flechtband doppelte Umbleie mit ein-
maschig schraffierten Grund. Der linke Zwickel ist gänzlich geschlossenen Weidenruten verwendet. Außenseitige Verwitte-
in Grisaille ausgeführt. Sein Randstreifen zeigt gleich drei un- rungsspuren in Form tiefer Krater, auf Blau liegt ein flächiger
Fig. 121. ES Qhs. N VI, Maßwerk.
M 1:25
170 haina . klosterkirche
Korrosionsfi lm, innenseitig auf gelben und roten Gläsern eine ßen Teilen mittelalterlich, vereinzelt (5BC15) mehrere Bleilagen
feine Punktkorrosion. Schwarzlot partiell abgängig. als Umblei mit Weidenruten zur Einpassung kleinerer Felder in
Farbigkeit, Ornament: Die Komposition zeigt einen zwei- das Maßwerk.
schichtigen Aufbau: Auf einem mit Kreuzschraffuren hinter- Farbigkeit, Ornament: Den verschieden gestalteten Tierköpfen
legten Fond mit Ahornzweigen liegt eine sechsteilige gelbe (Stier, Löwe) in roter und gelber Färbung entwächst aus den
Flechtbandrosette mit aufgelegtem blauen Stern. Beide Motive Mäulern ein Blattkranz aus Weinlaub oder Ahorn. Der Blatt-
sind ineinander verflochten; die mit Blattwellen geschmückten kranz wird beidseitig von gelben (äußeres Band) und blauen
Bänder tragen rote Farbpunkte. Im Zentrum ein sechszackiger bzw. blau/gelb geteilten Bändern mit blauen und weißen Farb-
Stern mit gelben, roten und blauen Zacken, in den rautenför- punkten eingefasst. Im Zentrum liegen abwechselnd achtzacki-
migen Zwickeln Hirschköpfe mit schweren Geweihen. Die ge- ge Sterne mit roten und gelben Zacken und weißem Ring oder
ometrisch-vegetabile Komposition wird von einem Weinlaub- lediglich Ahornzweige vor schraffiertem Hintergrund. Den
kranz mit rot/blauem Hintergrund gerahmt. Den Abschluss Abschluss bildet ein Randstreifen aus fi ligranen Blattwellen.
bildet ein Randstreifen mit fi ligranen Blattwellen in Negativ- Datierung: Erstausstattung um 1260.
technik. Foto Marburg 1522848–1522855, 1520775 (in situ)
Datierung: Erstausstattung um 1260.
Foto Marburg 1522844–1522847, 1520775 (in situ) 5BC21–28 KLEINE ZWICKEL MIT BLÜTEN
UND KREISELMOTIVEN Fig. 121, Abb. 56
5BC5–18 PASSLAPPEN MIT STERNEN H./B.: 5BC21: 25/43,5 cm; 5BC22: 25/45 cm; 5BC23: 25/45 cm;
UND AHORNZWEIGEN Fig. 121, Abb. 56 5BC24: 25/45 cm; 5BC25: 25/45 cm; 5BC26: 25/43,5 cm; 5BC27:
Radial angebrachte Armierungseisen durchtrennen die Pass- 25,5/43 cm; 5BC28: 24/44 cm.
lappen in zwei Hälften. Erhaltung: Mit Ausnahme der Felder 5BC24 und 5BC25 besit-
H./B.: 5BC5: 68/36,5 cm; 5BC6: 68/36,5 cm; 5BC7: 68,5/36,5 zen die Zwickel keinerlei Ergänzungen. Fortgeschrittenes Kor-
cm; 5BC8: 70/35,5 cm; 5BC9: 69,5/37 cm; 5BC10: 72/36,5 cm; rosionsbild an den Farbgläsern, das Überfangrot stellenweise
5BC11: 73/37 cm; 5BC12: 70/40,5 cm; 5BC13: 68/38,5 cm; verloren. Mehrere Sprünge.
5BC14: 69/34 cm; 5BC15: 68,5/35,5 cm; 5BC16: 72,5/36 cm; Farbigkeit, Ornament: Auf farblosem Grund abwechselnd
5BC17: 72,5/38 cm; 5BC18: 69,5/38,5 cm. vierblättrige Blüten mit blauen und gelben Kelchblättern und
Erhaltung: Punktförmig feiner Lochfraß auf beiden Seiten, roten Fruchtstempeln bzw. farblich geviertelten Kreisen mit
Gipsausblühungen auf blauen und roten Gläsern mit aufge- roten Mittelpunkten.
schlossener Gelschicht und entsprechendem Verlust der Licht- Datierung: Erstausstattung um 1260.
durchlässigkeit, stellenweise Schwarzlotverluste; Bleie zu gro-
1AB ZWICKELSTÜCK MIT ßenseitig Lochfraß, ein Glasstück verbräunt. Leicht beriebene
FARBPUNKT Fig. 123, Abb. 68 Blattzeichnung.
H. 20 cm, B. 27 cm. Farbigkeit, Ornament: Von einem roten Farbpunkt in der Mit-
Erhaltung: Ein Glasstück ergänzt. Der rote te strahlen drei Beifußblätter in die Zwickelecken aus.
Farbpunkt zeigt fortgeschrittene Korro-
sion. 3AB GROSSER BLATTZWICKEL MIT FELDAHORN
Fig. 122. ES Farbigkeit, Ornament: Auf farblosem Glas Fig. 125, Abb. 68
Qhs. S VII. mittig ein roter Farbpunkt. Der Blattzwickel wird von einem vertikal durchlaufenden Ar-
mierungseisen durchschnitten.
1B ZWICKEL MIT BEIFUSSBLÄTTERN H./B.: linke Hälfte: 125/66 cm; rechte Hälfte: 123,5/66 cm.
Fig. 124, Abb. 68 Erhaltung: Substantiell sehr guter Erhaltungszustand. Während
H. 51 cm, B. 28 cm. der letzten Restaurierung musste lediglich der Randstreifen er-
Erhaltung: Das rechte Zwickelstück ist mit der bemalten Sei- neuert werden. Im Binnenfeld sind zwei Blattstücke ergänzt.
te nach außen eingesetzt worden, war also für eine linke Zwi- Die Glasmaler griffen offenbar auf farblose Gläser unterschied-
ckelöffnung bestimmt. Randstreifen vollständig erneuert; au- licher chemischer Zusammensetzung zurück. Ein Teil der rech-
haina . klosterkirche 171
ten Zwickelhälfte zeigt ungewöhnlich starke Verbräunung. Die Fig. 124. ES Qhs.
Gläser sind an der Außenseite mit dichtem Lochfraß übersät, S VII, 1B. M 1:25
die innenseitige Malschicht ist dagegen weitgehend intakt.
Ornament: Ein mittiger, zu beiden Seiten der Armierung
aufwachsender Stamm bildet mehrere Ranken mit dichtem
Bewuchs aus Feldahornblättern aus, die sich ineinander ver-
schlingend über die gesamte Zwickelfläche ausbreiten; der Hin-
tergrund ist kreuzschraffiert.
1AB1–3 DREIPASS MIT STERNBANDGEFLECHT ist gleichbleibend hellblau gefüllt. Die Kreiskomposition liegt
Fig. 102, 132, Abb. 73 auf einem Punktkaromuster und ist von einem in rote, blaue
H./B.: 1AB1: 48,5/110 cm; 1AB2: 110/47 cm; 1AB3: 111/48,5 und gelbe Streifen segmentierten Ring eingefasst. Das Flecht-
cm. band des Kreises wird in den Passlappen fortgeführt, die Zwi-
Erhaltung: Zahlreiche frische Sprünge aufgrund unsachge- schenflächen sind mit naturalistisch gestalteten Eichenlaub-
mäßen Ausbaus. zweigen gefüllt. Ein Zickzackband mit Blumenstielmotiven
Komposition, Farbigkeit, Ornament: Anders als in den lediglich fungiert als Rahmen.
blankverglasten Lanzetten gelangt im Dreipass wieder Schwarz- Die stehende Anordnung des Sternes, dessen Spitzen vertikal
lotzeichnung zum Einsatz. Im Zentrum wird das Flecht- ausgerichtet sind, liefert einen Anhaltspunkt für die ursprüng-
bandmotiv der großen Querhausrosette aufgegriffen, in seiner lich entsprechende Ausrichtung der großen Rosette des Nord-
Farbigkeit jedoch verändert. Während das eigentliche Flecht- querhauses. Demnach wäre die Kreisfüllung also entgegen der
band wie in den Lanzetten farblos gehalten wird, sind die Zwi- heutigen Position um 90° versetzt anzuordnen.
schenflächen des Sechspassmotivs wechselnd mit den Farben Foto Marburg 1522871–1522873
Gelb/Rot/Gelb bzw. Rot/Gelb/Rot hervorgehoben, der Stern
1AB1–3 DREIPASS MIT STERNBANDGEFLECHT alterlichen Gläsern zeigt sich eine fast geschlossene Lochfraß-
Fig. 137, Abb. 75 decke, mehrere Sprünge.
H./B.: 2AB1: 112/47,5 cm; 2AB2: 110/48 cm; 2AB3: 49/112 cm. Komposition, Farbigkeit, Ornament: Der Dreipass wurde weit-
Erhaltung: Während die Farbgläser offenbar von der Lange- gehend nach jener Mustervorlage gearbeitet, die auch im Fens-
schen Restaurierung herrühren, sind die Flechtbänder erst in ter nord III Verwendung fand, jedoch unter Hinzufügung eines
der Nachkriegszeit erneuert worden. An den wenigen mittel- blau-gelb-roten Rahmenbandes.
Foto Marburg 1522912–1522914
2–7a/b ORNAMENTFENSTER
MIT GESPITZTEN VIERPASS-
FORMEN Fig. 110, 139f., Abb. 81–83
H./B.: 2a: 94/86 cm; 2b: 95/86,5 cm; 3a:
93,5/84,5 cm; 3b: 94/85,5 cm; 4a: 94,5/86
cm; 4b: 95/86 cm; 5a: 95/86 cm; 5b: 95/89
cm; 6a: 67,5/85 cm; 6b: 67/84 cm; 7a: 67/86
Fig. 138.
cm; 7b: 67,5/86 cm.
ES Lhs. N IX.
Erhaltung: Auf sämtlichen alten Gläsern
liegt ein flächendeckender und dichter
Lochfraß. Die Gläser sitzen nahezu voll-
ständig im alten Blei. Die Schwarzlotmalerei ist intakt und fest
haftend, vereinzelter Ausbruch der feinen Blattäderung. Gelbe
und blaue Gläser sind stark verwittert, gelb besitzt daher heu-
te einen stumpfen Charakter, während das matte Blau stark an
Lichtdurchlässigkeit eingebüßt hat.
Farbigkeit, Ornament: Auf messinggelbem Grund eine Kette
stehender und gespitzter Vierpässe. Die Pässe liegen wechsel-
weise auf mattblauen und rubinrot gerahmten bzw. rubinroten
und mattblau gerahmten Farbquadraten. Die Zwischenflächen
füllen seitlich angeschnittene Vierpassmotive mit rechteckig
ausgebildeten Passlappen (griechisches Kreuz). Dabei um-
schließen die großen Vierpassformen ein Quadrat mit ausge-
sparten farbigen Ecken. Hieraus wachsen langstielige Weinblät-
ter in die Passlappen, wobei die Trauben in den quadratischen
Formen zurückbleiben. Eine breite Randborte aus aufwach-
senden Efeuranken schließt die Komposition nach außen hin
ab. Die Früchte und Haftscheiben ausbildende Pflanze wurzelt
in der Sockelzeile und schlängelt sich doppelläufig über blaue,
rote und gelbe Farbdreiecke hinweg bis bis in die Spitze der
Kopfscheibe. Hier ragt über einem roten Halbkreis ein größe-
res langstieliges Kronblatt auf.
Technik: Ein doppeltes Randblei mit eingelegten Holzstäbchen
trennt das Binnenfeld vom Randstreifen und unterstützt die
Statik der Felder. Die Efeu- und Weinblätter sind in Schablo-
nentechnik aus dem Schwarzlot herausgearbeitet, die Haftorga-
ne mit der Nadel oder einem spitzen Hölzchen herausgekratzt.
Stil, Datierung: In leicht reduzierter Form begegnete das Vier- Fig. 139. ES Lhs. N IX, 2–4a/b. M 1:20
haina . klosterkirche 177
Fig. 155. ES Lhs. N XIII, 6–9a/b, 1B, 2AB. M 1:20 63 Hess 1999, S. 103 mit Abb. 36f.
186 haina . klosterkirche
Fig. 159. ES Lhs. S XIV, 1/2a. Fig. 160. ES Lhs. S XIV, 1/2b.
M 1:20 M 1:20
1b WAPPENRUNDSCHEIBE LOE Fig. 160, Abb. 113 des Lotauftrags; im Wappen Westhoven ist auch die obere
H. 46,5 cm, B. 87 cm. Schildhälfte erneuert. Die älteren, mit Blankglas ausgeführten
Erhaltung: Am Blattkranz geringfügig mit flächig überzogenen Ergänzungen sind offenbar erst im Zuge einer späteren Res-
Gläsern ergänzt. Das Schildmotiv fast bis zur Unkenntlichkeit taurierung mit einer Kaltübermalung versehen worden, die das
abgewittert. verlorene Muster schematisierend aufgreift, um der Scheibe die
formale Geschlossenheit zurückzugeben.
Ikonographie, Farbigkeit: Wappen Nesselrode: In Rot ein sil-
65 Otto Gruber, Wappen des mittelrheinisch-moselländischen Adels, berner, oben und unten gezinnter Querbalken 67. Wappen West-
in: Landeskundliche Vierteljahrsblätter (Beilage) 8–10, 1962–1965, hier
hoven: In Silber ein hängender schwarzer Adlerflügel68 .
S. 156–157. Die Renntartschen sind nach rechts geneigt und liegen in einem
66 Max von Spiessen, Wappenbuch des Westfälischen Adels, Görlitz Kranz aus gelben Weinreben. Der silberne Schild ist mit aus
1901–1903, Tafel 198. dem Halbton herausgearbeiteten Rankendamast verziert.
67 Spiessen 1901–1903 (wie Anm. 66) , Taf. 228. Regina von Nesselrode war mit Henne von Hatzfeld zu Wil-
68 Ebenda, Taf. 331. denburg verheiratet. Ihre gemeinsame Tochter Margaretha von
188 haina . klosterkirche
Hatzfeld zu Wildenburg ehelichte Kurt von Viermünden zu eine Mohrenpuppe zwischen zwei silbernen Flügeln, jeweils
Nordenbeck. Aus der Ehe ging Philipp von Viermünden her- mit dem Wappenbild nach außen absteigend belegt. Helmdecke
vor. Lutgard von Westhoven zu Lethmate war Ehefrau des Her- gold-schwarz.
mann von Düngelen zu Bladenhorst, deren Tochter Beatrix mit Philipp von Viermünden ging aus der Ehe Kurts von Viermün-
Philipp von Viermünden verheiratet war. den zu Nordenbeck und Margarethas von Hatzfeld zu Wilden-
Datierung: Köln(?), 2. Viertel 16. Jh. burg hervor.
Foto Marburg 1522752 Datierung: Köln(?), 2. Viertel 16. Jh.
Foto Marburg 1522750
2b WAPPENRUNDSCHEIBEN DERNBACH
UND TENGNAGEL Fig. 160, Abb. 115 3b WAPPENSCHEIBE HATZFELD-WILDENBURG
H. 62,5 cm, B. 85,5 cm. Fig. 162, Abb. 110
Erhaltung: Die obere Hälfte des Wappenschildes Dernbach H. 72 cm, B. 85,5 cm.
zeigt eine unbemalte Ergänzung aus blassviolettem Glas, die Inschrift: Auf der Banderole unterhalb des Wappenschildes die
Zeichnung ist hier fast vollständig verloren gegangen. In der Namensinschrift in gotischer Minuskel: hartsfelt.
Rundscheibe Tengnagel wurde ein Hintergrundstück mit neu- Erhaltung: Die Positionen 1 und 4 im Wappenschild sind mit
tralem farblosen Glas ergänzt. Blankglas ausgebessert, die Bemalung der Scheibe zeigt sich
Ikonographie, Farbigkeit: Wappen Dernbach: Nach rechts ge- verhältnismäßig intakt. Mehrere Sprungbleie.
neigte Renntartsche: In Gold drei im Dreipass gestellte schwar- Ikonographie, Farbigkeit: Wappen Hatzfeld-Wildenburg: Nach
ze Seeblätter69. Wappen Tengnagel: Nach rechts geneigte Renn- links geneigte Renntartsche. Geviert, 1 + 4: In Gold ein schwar-
tartsche: In Blau ein goldenes Kreuz70 . zer Maueranker (fehlt); 2 + 3: In Silber drei rote Rosen 72 . Helm-
Der goldene Schild des Wappens Dernbach und das Weinlaub decke und Helmzier: Auf dem Bügelhelm mit Laubkrone (durch
sind in Silbergelb ausgeführt. Flickstücke verunklärt) ein gespaltener Flug: Ein silberner mit
Der Großvater Philipps, ebenfalls ein Kurt von Viermünden drei roten Rosen sowie ein goldener mit einem schwarzen Mau-
zu Nordenbeck, war aller Wahrscheinlichkeit nach mit einer eranker. Zwischen den Flügeln ein silbern gekleideter bärtiger
von Dernbach verheiratet. Eine von Tengnagel war Großmut- Mannsrumpf mit Fellmütze. Helmdecke schwarz-gold.
ter mütterlicherseits von Margaretha von Schönfeld, gen. Gras- Margaretha von Hatzfeld zu Wildenburg († 1487) war die Mut-
dorp, der zweiten Ehefrau Philipps von Viermünden. ter Philipps von Viermünden. Gemeinsam mit ihrem Mann
Datierung: Köln(?), 2. Viertel 16. Jh. Kurt von Viermünden zu Nordenbeck (1448–1488) fanden sie
Foto Marburg 1522751 im Kloster Haina ihre letzte Ruhestätte.
Datierung: Köln(?), 2. Viertel 16. Jh.
Foto Marburg 1522749
6–8b HERZFÖRMIGE EFEURANKE Fig. 165, Abb. 107 verschieden gemusterten Randstreifen (SOS-Band bzw. Zick-
H./B.: 6b: 80,5/86 cm; 7b: 80,5/85 cm; 8b: 80,5/84,5 cm. zackband, Letzteres wie in einigen Feldern von Chor I und im
Zur Frage des ursprünglichen Standorts: Aufgrund der Felder- Langhausfenster nord II) deuten aber darauf hin, dass beide
maße kommen neben den östlichen Langhausfenstern auch Felder ursprünglich zwar in unterschiedlichen Bahnen, jedoch
einige Fensteröffnungen an den Querhausseiten als mögliche auf gleicher Zeilenhöhe gesessen haben müssen. Demnach wur-
Standorte des Efeurankenfensters in Frage (etwa SÜD VI). In de die Komposition also nicht nach einem modularen Prinzip
dem formal weitgehend übereinstimmenden Zwickel 3 CD des lediglich als Einzelfeld, sondern durchgehend in ganzer Lan-
Nordquerhausfensters NORD VI hat sich vielleicht ein zuge- zettenhöhe entworfen und, wie im konzeptionell verwandten
höriges Teilstück erhalten 76 . Marburger Herzrankenfenster süd III, in der zweiten Bahn nur
Erhaltung: Die (Kalt-?)Bemalung auf den jüngeren Ergän- gespiegelt. Gegenüber dem Palmettenornamenten in Marburg
zungen hat sich weitgehend abgelöst, dagegen haftet die mit- haben wir es in Haina jedoch bereits mit der naturalisierten Va-
telalterliche Zeichnung fest auf dem Glasträger. Das Glas sitzt riante zu tun, die nach gleicher Vorlage auch im Chorkapellen-
im originalen Blei, die Felder sind mit eingebleiten Eisenstäben fenster süd V der Altenberger Klosterkiche umgesetzt wurde
zwischen Rankenfeld und Randstreifen versteift. Zahlreiche (1259–1269) 77.
Sprungbleie. Datierung: Haina(?), um 1260/70.
Farbigkeit, Ornament: Aus einem kräftigen Stamm wachsen vor Foto Marburg 1522743 (6b)
kreuzschraffiertem Grund herzförmig ineinander verschlun- 1522741 (7b), 1522739 (8b)
gene Efeuranken empor. Die Zweige tragen Früchte und reiches
Laubwerk. In den Farben Gelb, Rot und Blau segmentierte 7/8a BLATTRANKE MIT SCHERENGITTERN
Farbbänder trennen die Ranke von den breiten Randstreifen, Fig. 166, Abb. 105
die sich aus je einem Paar stabförmig aufwachsender Eichen- H./B.: 7a: 78/87 cm; 8a: 78/85,5 cm.
zweige zusammensetzen. Erhaltung: Geringfügige, aber aufgrund der heute verloren
Die Ranke nähert sich einem achsensymmetrischen Wuchs, gegangenen Kaltbemalung ästhetisch störende Ergänzungen.
doch sind bewusst kleinere Abweichungen im Rankenverlauf Stark verbräunte Grisaillegläser, die originalen blauen und
oder dem Ansatz der Blätter angelegt. Das Gleiche gilt für den gelben Farben ohne Transparenz. Mittelalterliches Bleinetz.
Rapport, der übrigens nicht auf die Felderteilung Rücksicht Farbigkeit, Ornament: Komposites, aus vegetabilen und geo-
nimmt. Dagegen sind die Felder in 6b und 8b nach gleicher metrischen Formen geschichtetes Muster. Zuunterst ein Gri-
Vorlage gearbeitet und mit identischem Bleinetz versehen. Ihre saillefond aus einem Ahornstamm mit fächerartig austrei-
haina . klosterkirche 191
Parallellinien plastisch schattiert. Im Zentrum ein blaues, kon- ter des Randstreifens sowie einige rote Hintergrundgläser.
kav geformtes Bogendreieck mit gelber Blütenrosette. Farbigkeit, Ornament: Vegetabiler Randstreifen aus gegenläu-
Foto Marburg 1522806 figen gelben und farblosen Blattranken mit bewegten fiederlap-
pigen Blättern. Der zentrale Blattkreis umschließt auf rotem
2AB BLATTVIERPASS MIT STERNMOTIV Grund einen stehenden achtzackigen Stern mit rotem Mittel-
Fig. 171, Abb. 96 punkt. In den Passlappen identische Blattborte um einen blauen
H./B.: 2AB0: Durchmesser 60,5–61 cm; 2AB1: 34,5/44 cm; unbemalten Fond, jedoch in den Passspitzen mit rotgrundigen
2AB2: 42,5/35 cm; 2AB3: 35,5/45 cm; 2AB4: 45/35 cm. Kronblättern in Vorderansicht.
Erhaltung: Weitgehend mit dem Vierpass des Fensters NORD Gegenläufig angeordnete Rankenmotive fi nden als Borten-
XIV übereinstimmendes Muster, jedoch liegen Passlappen und schmuck bereits im ausgehenden 13. Jahrhundert Verwendung,
Stern auf unterschiedlichen Farbgründen: Pässe auf blauem, so in der Chorverglasung der Colmarer Dominikanerkirche 83.
Stern auf rotem Hintergrund. Erneuert sind die farblosen Blät- Foto Marburg Nr. 1522805f.
Tierdarstellungen in den Zentren von gelben Perlbandrahmen Technik: Die auf den roten Rauten aufl iegenden Punkte sind
eingefasst. Figuren: Links gelber Löwe vor blauem Grund, Lö- mechanisch aus dem roten Überfang herausgearbeitet.
wenjungen und Nest in Weiß. In der Mitte weißes Lamm vor Foto Marburg 1522897
Rot mit gelbem Nimbus, gelber Fahnenstange und weißer Flag-
ge. Rechts gelber Pelikan auf blauem Grund mit roten Krallen 2B, 2E, 4AB, 4EF ZWICKEL MIT EINGESCHRIEBENEN
und rotem Blutstrahl. Das Nest mit den Jungen weiß. BLATTDREIPÄSSEN Fig. 173, Abb. 101
Foto Marburg 1522882–1522884 Im Zentrum jeweils dreiteilige radiale Armierungen.
H./B.: 2B1: 26,5/16 cm; 2B2: 28/17,5 cm; 2B3: 26/14,5 cm; 2E1:
2A, 2F ZWICKEL MIT RAUTENTEPPICH
83 AK Köln 1998, S. 220, Nr. 41.1, und 41.3.
Fig. 173, Abb. 101
84 Seel 71995, S. 5f.
H./B.: 2A: 84/43 cm; 2F: 85/42,5 cm.
85 Ebenda, S. 10.
Erhaltung: Der Teppich aus Blattrauten ist vollkommen intakt, 86 Beeh-Lustenberger 1967, Abb. 33 bzw. 1973, S. 48, Nr. 42 (Löwe),
einzig die Randstreifen sind erneuert. und ebenda, Abb. 39, S. 62, Nr. 75 (Lamm Gottes).
Farbigkeit, Ornament: Rautenteppich aus roten und gelben 87 Hierzu Rüdiger Becksmann, Elsässische Scheiben des späten 13.
Kreuzblattkaros mit grünen und weißen Blütenpunkten durch- Jahrhunderts auf Burg Kreuzenstein. Ein Beitrag zur Rekonstruktion
setzt. Ein ähnliches Muster besitzen die beiden Kopfscheiben der Chorverglasung der Rufacher Marienkirche, in: ÖZKD 40, 1986,
mit Kielbogenrahmung aus dem Frankfurter Dom, heute im S. 143–152 (Abb. 164f., Rekonstruktion Abb. 167).
Historischen Museum88 . 88 Hess 1999, S. 102f. mit Abb. 34f.
196 haina . klosterkirche
26/16 cm; 2E2: 27/17 cm; 2E3: 24,5/17 cm; 4AB1: 27/16,5 cm;
4AB2: 27/15,5 cm; 4AB3: 25/16 cm; 4EF1: 26,5/17,5 cm; 4EF2:
27,5/16 cm; 4EF3: 26/16 cm.
Erhaltung: Die kleinen Passlappen weisen ungewöhnlich viele
Sprünge auf; einzelne Blatt- und Hintergrundgläser erneuert.
Farbigkeit, Ornament: Um eine mittige rote Blütenrosette
strahlen Blätter in eine unregelmäßige Dreipassform aus, wobei
der große Lappen von einem Eichblatt belegt wird, die beiden
kleineren jedoch stilisiertes Weinlaub ausbilden. In den Zwi-
schenflächen liegen seitlich angeschnittene gelbe Blattkreuze,
zum Zentrum hin Kronblätter.
Foto Marburg 1522886, 1522899
46/39,5 cm; 3CD2,1: 44,5/38,5 cm; 3CD2,2: 46/40 cm; 3CD2,3: 3CD6–7, 3CD9–10 GESPITZTE DREIPÄSSE MIT
44,5/38 cm; 3CD3,1: 46/37,5 cm; 3CD3,2: 46,5/39,5 cm; 3CD3,3: BLATTZWEIGEN Fig. 173, Abb. 101
45,5/38 cm; 3CD4,1: 46/40 cm; 3CD4,2: 47/37,5 cm; 3CD4,3: H./ B.: 3CD6: 44/48 cm; 3CD7: 45/47,5 cm; 3CD9: 43,5/48,5
46/40,5 cm; 3CD5,1: 47/38,5 cm; 3CD5,2: 44/38,5 cm; 3CD5,3: cm; 3CD10: 44/47,5 cm.
45/37 cm. Erhaltung: 3CD6 bis auf zwei Blattstücke vollständig erneuert,
Erhaltung: Die Randstreifen sind weitgehend erneuert, durch- ansonsten nur geringfügige Ergänzungen.
schnittlich wurden sechs Blätter je Dreipassfüllung ergänzt. Komposition, Farbigkeit, Ornament: Die gespitzten Dreipäs-
Farbigkeit, Ornament: In den Passlappen Weinlaubkränze auf se sind mit gelben Blattzweigen auf rotem Grund gefüllt; sie
rotem Grund, die gelbe fünfblättrige Blütenrosetten umschlie- münden mittig in gelbe sechsblättrige Blütenrosetten mit blau-
ßen. In den Spitzen sowie zum Zentrum hin gelbe Kronblätter. en Stempeln. Auf der Fußlinie des Dreipasses liegt außenseitig
Foto Marburg 1522889–1522894 eine gelbe dreiblättrige Blüte an.
Foto Marburg 22895f.
In den Jahren 1981/82 waren die originalen Verglasungsreste des zweibahnigen Fensters NORD XVII dem Glasmaler
Erhardt Jakobus Klonk, Wetter-Oberrosphe, zur Restaurierung übergeben worden. Zum Schutz vor weiterer Verwit-
terung fertigte Klonk getreue Kopien der Glasmalereien an und versetzte sie an die Stelle der Originale. Lediglich vier
Teilstücke dieser mittelalterlichen Verglasung übergab man 1982 der Bauverwaltung in Haina. Heute sind diese Felder
in einem hinterleuchteten Schrank im Klausurgebäude des Klosters am Treppenaufgang zum Casino abgestellt. Eine
Kopfscheibe, Dreipässe sowie drei Passlappen des Vierpasses, welche in den Kriegsbergungsaufnahmen dokumentiert
waren (Foto Marburg 1522901f., 1522904), gelten seitdem als verschollen.
Das lediglich 7,10 m hohe und zwei Meter breite Fenster der Westfassade barg wohl eine komposite Verglasung aus
Tabernakelfiguren unter Ornamentteppichen. Die beiden heute in NORD XII eingeflickten Architekturfelder mit
Turmspitzen (Abb. 91a, b) könnten aufgrund der weitgehend übereinstimmenden Randborte aus Efeuranken und auf-
grund gleicher Breitenmaße aus diesem oder dem gegenüberliegendem Fenster der Westfassade stammen.
3. PASSLAPPEN MIT EICHBLATTZWEIG ist mit einem gelben Kreuzblatt besetzt. Die Scheibe wurde neu
Fig. 177, Abb. 97 verbleit, Sprünge mit Kunstharzkleber gesichert. Innenseitig
H. 45,5 cm, B. 35,5 cm. Ehemals NORD XVII, 2AB2. Korrosion auf blauen Gläsern.
Erhaltung, Ornament, Farbigkeit: Gelber Eichblattzweig auf Foto Marburg 1522901
blauem Grund. Der breite Randstreifen wird von einer Kette
aus Weinblättern vor rotem Hintergrund gebildet, die Spitze 4. DREIPASSLAPPEN Fig. 178
H. 38,5 cm, B. 13,5 cm. Ehemals NORD XVII, 1A.
Erhaltung, Farbigkeit, Ornament: Das aus einer roten Blüten-
rosette und einem gelben Eichblatt bestehende Reststück eines
Blattdreipasses ist in eine moderne, schwarz mattierte Rah-
menumgebung eingebettet. Die Sprungbleie wurden entfernt
und Bruchstellen mit einer Kunstharzverbindung gesichert.
Hervorzuheben ist die ungewöhnlich breite Einfassung durch
einen farblosen Randstreifen.
Fig. 176–178. ES Klausur Nr. 2–4. M 1:20 Foto Marburg 1522902
19. EINZELSCHERBE MIT FLECHTBANDMOTIV liegenden schmalen Bändern wächst diagonal ein Hahnenfuß-
H./B.: 5/9,5 bzw. 5/4 cm. oder Beifußblatt hervor. Die Stücke sind zusammen mit wei-
Farbigkeit, Ornament: Die in zwei Teile zerbrochene Blatt- teren Ornamentfragmenten aus der Marburger Elisabethkirche
grisaille stammt aus dem nördlichen Seitenschifffenster nord auf ein Plexiglasfeld aufgeklebt worden.
IV der Zisterzienserklosterkirche in Haina. Aus seitlich an- Datierung: Haina(?), um 1260/70.
HERSFELD · STADTKIRCHE
Bibliographie: Franz Carl Theodor Piderit, Denkwürdigkeiten von Hersfeld, Hersfeld 1829, S. 71 (überliefert zwei
Fensterstiftungen der Tucher und Wollweber in den westlichen Langhausfenstern); Lotz 1862, S. 292 (erwähnt Reste
gotischer Ornamentfenster und vermutet Veränderungen an den Langhausfenstern nach dem Stadtbrand von 1439);
Dehn-Rotfelser/Lotz 1870, S. 103 (wie Lotz); Hochhuth 1872, S. 491 (Reste gotischer Glasmalereien); Schäfer
1881, S. 174, Abb. 37 (nennt Hersfeld als Beispiel für eine gotische Ornamentverglasung); Kolb 1884, Taf. 50, 56 (Wie-
dergabe zweier Felder aus der Löwenburgkapelle, darunter eine Neuschöpfung, die irrtümlich als Szenen aus dem
Leben der Hl. Radegundis von Thüringen gedeutet werden); Schäfer/Rossteuscher 1885, Taf. 6f., 33 (vereinfachte
Wiedergabe dreier Ornamentfelder, »um 1350«); Louis Demme, Nachrichten und Urkunden zur Chronik von Hers-
feld, I, Hersfeld 1891, S. 15, Anm. 3 (schließt auf eine Beteiligung der Tuchmacher, Tuchbereiter und Schuhmacher am
Neubau der Kirche, da sich deren Wappen in den Gewölberippen und in einem der Fenster wiederfinden); Oidtmann
1898, S. 309 (erwähnt Reste von Glasmalereien in den oberen Fensterabschnitten und weist darauf hin, dass in Hersfeld
in früheren Jahrhunderten mehrere Glasmaler und Glasschleifer gearbeitet haben sollen); Heidelbach 1909, S. 246
(erste auf archivalischer Auswertung beruhende Schilderung der Erwerbsumstände zu den Glasmalereien der Löwen-
burgkapelle; sieht in den Resten eines Nikolausfensters irrtümlich Szenen aus der Lambertuslegende); Holtmeyer
1910, S. 347 (folgt Heidelbach); Heinrich Butte, Stift und Stadt Hersfeld im 14. Jahrhundert, mit einem Anhang,
Marburg 1911, S. 108, Anm. 3 (folgt Piderit 1829 und Demme 1891); Schmitz 1913, I, S. 19 (vergleicht die Ornament-
felder mit Resten aus der Colmarer Dominikanerkirche); Joseph Hörle, Geschichte der Hersfelder Stadtkirche, Bad
Hersfeld 1949, S. 43f. (Versuch der Klärung der Baugeschichte und Lokalisierung der Reste des Nikolauszyklus im
Langhausfenster mit den Tuchschneiderwappen); Dehio Nördliches Hessen 1950, S. 100 (erwähnt Reste von Glasma-
lereien in Teppichmustern); Wille 1952, I, S. 119–134, II, S. 78–105 (erste wissenschaftliche Auseinandersetzung mit
dem Glasmalereibestand des Langhauses; meist zutreffende ikonographische Bestimmung der Figurenszenen anhand
der Überlieferung in der Legenda aurea; Teilung in drei Fenstergruppen und Lokalisierung in das nördliche Langhaus;
nimmt einheitliche Entstehung kurz nach der Mitte des 14. Jahrhunderts an und rückt den Kreuzlegendenzyklus
in die Nähe der Vita-Christi-Zyklen der Limburger Wilhelmitenkirche bzw. der Liebfrauenkirche in Frankenberg);
dies., in: NA 64, 1953, S. 115–117 (Zusammenfassung der Ergebnisse von Wille 1952); Friedrich Bleibaum, Zur
Wiederherstellung der Stadtkirche, in: Hessische Heimat 3, 1953/3, S. 2–8 (weist Fragmente von Ornamentfeldern in
Hersfeld dem Katharinenzyklus zu und will in Resten eines weiteren Ornamentfensters Bezüge zu einer Löwenwap-
pen-Scheibe aus Lüneburg im Niedersächsischen Landesmuseum in Hannover sehen); Wentzel 21954, S. 40, 95, 108
(vermutet, dass die auf der Löwenburg befindlichen Baldachinscheiben mit musizierenden und fl iegenden Engeln den
oberen Abschluss des Katharinen- oder des Kreuzlegendenzyklus gebildet haben und verweist hierfür auf das Katha-
rinenfenster der Katharinenkirche in Schwäbisch Hall); Schug-Wille 1957 (Zusammenfassung der Ergebnisse von
Wille 1952); Gerhard Uhde, Glasscheiben der Hersfelder Stadtkirche in der Löwenburg, in: Kasseler Post Nr. 29 vom
3. Februar 1961 (nach Akten des Hersfelder Stadtarchivs bestanden bereits im Jahr 1796 Verkaufsabsichten über die
noch vorhandenen 125 Felder »Figurenglas«, deren Wert mit je einem Louisdor bemessen wurde); Helbig 1961, S. 50
(stellt Felder aus der Stiftskirche zu Neustadt, heute Brüssel, Musées Royaux d’Art et d’Histoire, den Resten des Ka-
tharinenzyklus auf der Löwenburg gegenüber); Ulf-Dietrich Korn, Scheiben und Scherben. Glasmalereifragmente in
Göttingen, in: Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte 8, 1969, S. 93–108, hier S. 107 (die museal aufbewahrten
Fragmente von heraldischen Adlern könnten ähnlich wie die Drachen in einem Chorfenster von Hersfeld Teil eines
Bortenmotivs gewesen sein); Dehio Hessen 21982, S. 490 (datiert die Hersfelder Glasmalereien auf der Löwenburg
um 1360/70); Becksmann 1986, S. 212 (sieht wie Wentzel in der Auswahl und Komposition der Szenen Überein-
stimmungen mit dem wenig früher datierten Katharinenzyklus des Achsenfensters in Schwäbisch Hall); Hess 1999,
S. 100f., 181–185, bes. 182, Anm. 11 (erkennt in den Resten der ersten Chorverglasung des Frankfurter Doms und der
Friedberger Liebfrauenkirche verwandte Motive und datiert sie anhand der zeitlichen Stellung Hersfelds um 1330–
1350); Parello 2001 (ausführliche Darlegung der für das CVMA erarbeiteten Rekonstruktion der Farbverglasung
von Chor und Langhaus); Fitz 2003, S. 434f., Abb. 271 (lokalisiert einen aus dem Katharinenfenster der Hersfelder
Stadtkirche stammenden Maßwerkengel irrtümlich in den Halberstädter Dom und leitet daraus eine für die dortige
200 hersfeld . stadtkirche
Marienkapelle tätige Werkstatt ab); Uwe Gast, Die Chorverglasung der Stadtkirche in Friedberg im 14. und 15. Jahr-
hundert. Rekonstruktion, Programm und programmatische Änderungen, in: Die gebrauchte Kirche (Arbeitshefte
des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen), Stuttgart 2009 (der Erstverglasung des Friedberger Chores liegt ein
vergleichbares Ausstattungskonzept wie in Hersfeld zugrunde).
Gegenwärtiger Bestand: Von seiner einst reichen Farbverglasung hat der Kirchenbau selbst nur mehr geringe Reste
bewahrt. In den Maßwerken von vier Chorfenstern befinden sich noch zwölf alte Scheiben (Fig. 189–192, Abb. 116-
121). Die durch Flickungen verstümmelten Reste von fünf figürlichen und vier architektonischen Feldern sind in den
Sakristeifenstern eingesetzt (Fig. 203, 209, 218–224, Abb. 127–135). Nach dem Kirchenbrand von 1952 wurden acht-
zehn Maßwerkfüllungen und Ornamentfragmente in die Fenster der Vitaliskapelle transferiert und unter Zugrunde-
legung einiger Felder aus dem Chor zwei Teppichmuster rekonstruktiv ergänzt (Fig. 185–187, 193–202, 225–227, Abb.
122–126). Bedeutender und weitaus besser erhalten sind die dreizehn figürlichen und zehn architektonischen, heute
auf Schloss Wilhelmshöhe in Kassel befindlichen Rechteckfelder (Fig. 207f., 210, 213–215, 217, 228–253, Abb. 136–161).
Mit der Neugestaltung des Kircheninnern nach dem Brand wurden vier Fragmente dem Städtischen Museum in Bad
Hersfeld überwiesen (Fig. 204f.). Schließlich gelangte ein Fragmentstück an das Marburger Universitätsmuseum (Abb.
162). Weitere 45, damals untergegangene Glasmalereien sind in den Kriegsbergungsaufnahmen dokumentiert; sie wer-
den, da sie für die Rekonstruktion der Fensterverglasung wichtige Aufschlüsse enthalten, gesondert im Anhang be-
handelt (Fig. 254–286).
Geschichte des Baues: Der kurz nach 1300 begonnene Neubau der Stadtkirche St. Vitus und Antonius fällt in eine
Zeit, in welcher sich die Stände der aufstrebenden Handelsstadt aus der Vormundschaft des mächtigen Abtes des Hers-
felder Benediktinerklosters befreit und das städtische Regiment übernommen hatten1. Am Bau und seiner Ausstattung
hatten die Korporationen einen maßgeblichen Anteil; er ist daher auch Ausdruck des erstarkenden Selbstbewusstseins
der Bürger gegenüber dem mächtigen Stift. In einem bei Piderit erwähnten, heute nicht mehr auffindbaren Gna-
denbrief des Papstes Johannes XXII. aus dem Jahr 1323 wird ausdrücklich der Einweihung gedacht, die sich auf die
Vollendung des Chors beziehen muss2 . Danach wird zügig am Langhaus weitergebaut, zunächst noch unter Nutzung
romanischer Teile. Nach der Mitte des 14. Jahrhunderts war das Kircheninnere vollendet. Gleichzeitig erfolgte im
Westen zwischen Turm und Langhaus der Anbau der Vitaliskapelle über dem Beinhaus3. Am Turm wurde in mehreren
Etappen vom 14. bis ins späte 16. Jahrhundert gebaut. Soweit dies nicht schon mit der Einführung der Reformation
geschehen war, waren vom Bildersturm, den Landgraf Moritz im Dezember 1608 initiierte, vor allem die noch vorhan-
denen Tafelbilder und die skulptierte Ausstattung betroffen4. Im Jahr 1760 rief eine Kollekte zur Wiederherstellung
des durch einen Blitzschlag abgebrannten Turms sowie zur Renovierung des baufälligen Chores auf. Seit 1897 wurde
das Innere einer umfassenden neogotischen Umgestaltung unterzogen. Ein verheerender Kirchenbrand zerstörte im
Jahr 1952 die beiden westlichen Gewölbejoche mitsamt den figural ausgearbeiteten Schlusssteinen sowie den Großteil
der bis dahin noch erhaltenen mittelalterlichen Glasmalereien. Bei der Innenrenovierung von 1986 wurde die Farbfas-
sung des Raumes nach alten Befunden rekonstruiert.
Das über einem romanischen Vorgängerbau errichtete Gebäude besitzt ein dreischiffiges Hallenlanghaus und einen
eingezogenen zweijochigen Chor mit 5/8-Schluss (Fig. 181f.). Nach dem Vorbild der Marburger Marienkirche (Chor-
1 Grabungen weisen auf einen möglicherweise in das 10. Jh. zurück- 2 Piderit 1829 (s. Bibl.), S. 83f., Anm. 33.
reichenden Vorgängerbau hin. Diese Saalkirche wurde später um ei- 3 Der Titel einer Vikarie des 15. Jh. für diese Kapelle lautet S. Vita-
nen größeren Chor und ein ausladendes Querhaus erweitert, das noch lis super ossario. Vgl. Philipp Hafner, Die kirchlichen Verhältnisse
einen Teil des heutigen Ostabschlusses des Langhauses bildet. Hier- der Stadt Hersfeld vor der Reformation, in: Mein Heimatland 1927/28,
zu Hans Feldtkeller, Bericht über eine Grabung in der Hersfelder S. 130–149, hier S. 139f. Die beiden im Nordseitenschiff an der Ost-
Stadtkirche, in: Kunstchronik 7, 1954, S. 149–151. Die Grabungen be- und Westwand befi ndlichen zweibahnigen Fenster zeigen die gleichen
stätigten die Untersuchung von Hörle 1949 (s. Bibl.), die neuerdings Maßwerkformen wie das Kapellenfenster nord II. Die Kapelle soll über
in einer kritisch überarbeiteten Neuausgabe von 1990 vorliegt. Auf sie 400 Jahre unverglast, zuletzt lediglich mit einem Holzverschlag vor
greift auch die jüngste Denkmaltopographie zurück: Thomas Wie- Witterung geschützt gewesen sein. Bad Hersfeld, PfA, Akte Wieder-
gand, Kunstdenkmäler in Hessen. Landkreis Hersfeld-Rotenburg III: herstellung der Stadtkirche nach dem Brand von 1952. Betr. Erneue-
Stadt Bad Hersfeld, hrsg. vom Landesamt für Denkmalpflege Hessen, rung der zerstörten Fenster. Stadtbauamt an Glasmaler Bamberger
Braunschweig/Wiesbaden 1999, S. 153–158. Eine wissenschaftlich fun- vom 26. Mai 1952.
dierte Untersuchung des Kirchenbaus steht noch aus. 4 Hierzu ausführlich Kümmel 1996, S. 46–52.
201
II
sI
n
I
n III s III
n IV s IV
s V ––––––––––
nV s VI
n VI s VII
n VII s VIII
n VIII s IX
s X ––––––––
Fig. 182. Hersfeld, Stadtkirche. Blick aus dem Langhaus nach Osten.
weihe 1297) sind die Chorstreben als dreieckige Pylonen in das Innere verlegt. Der dazwischen liegende Raum wird
von hohen zweibahnigen Fenstern mit spitzbogig schließenden Lanzetten und einem liegenden Vierpass über zwei
Dreipässen im Maßwerk durchbrochen. Der breitgelagerten, von weiten Pfeilerarkaden durchzogenen Halle ist ein
massiver Westturm vorgelagert, der auch das schmucklose Portal aufnimmt. Die hohen achtzeiligen Seitenschifffenster
des Langhauses sind dreibahnig angelegt. Sie zeigen gegenüber den Chorfenstern ein entwickelteres Maßwerk mit ge-
nasten Lanzetten und gestaffelt übereinander angeordneten gespitzten Dreipässen. Eine Ausnahme bildet das kleinere
Fenster nord VI, das in Form und Profil den zweibahnigen Chorfenstern gleicht. Dies und die Profilrücksprünge in
den Gewölberippen lassen auf einen Planwechsel im Langhaus schließen, das zunächst offenbar niedriger und mit
zweibahnigen Fensteröffnungen geplant war. Zusätzlich erhält das südliche Seitenschiff an seiner West- und Ostseite
Licht über zweibahnige Fensteröffnungen.
Geschichte der Verglasung: Ob bei dem Stadtbrand von 1439, der auf die Stadtkirche übergriff, auch die Glasma-
lereien Schaden genommen haben, bleibt ungewiss. Jedenfalls existieren heute keinerlei Reste aus spätmittelalterlicher
Zeit, die auf umfassende Erneuerungen hindeuten würden. Für das Jahr 1586 sind in den Gotteskastenrechnungen
umfangreiche Ausgaben für Schieben und Zwickeln vermerkt, die auf den Ersatz von Glasmalereien durch eine But-
zenverglasung schließen lassen (s. Reg. Nr. 31). Punktuelle Flickungen an den wenigen Darstellungen mit spezifischer
Christusikonographie könnten ein Indiz für die absichtliche Zerstörung im Mauritanischen Bildersturm sein 5. Mögli-
cherweise hat man später zur weiteren Aufhellung des Innern jene auf der Südseite des Langhauses noch vorhandenen
Glasmalereien systematisch entfernt, da sich der bis ins späte 18. Jahrhundert bewahrte Bestand offenbar weitgehend
auf der Nordseite befand. 1796 wurde festgestellt, dass man einen neuen Fensterbau nothwendig fi ndet und nicht ab-
geneigt ist, das sich an denen Kirchenfenstern noch befi ndliche sämtliche bunte Figurenglas an einen sich hierzu ange-
hersfeld . stadtkirche 203
gebenden Liebhaber, wenn es einigermaßen bezahlt werde, käufl ich zu überlassen (s. Reg. Nr. 36). Insgesamt wurden
damals noch 125 Scheiben gezählt, die für hundert Louisdor veräußert werden sollten. Zwei Jahre später erwarb der
hessische Landgraf Wilhelm IX. hiervon Teile zur Ausstattung der neu errichteten Löwenburgkapelle (s. Reg. Nr.
37) 6 . Im Zuge der noch im gleichen Jahr erfolgten Erneuerung sämtlicher Kirchenfenster wurde die verbliebene Farb-
verglasung, meist unter Bewahrung der originalen Maßwerkfüllungen, zur durchgehenden Verglasung der Couron-
nements herangezogen, wofür auch die wenigen intakten Figurenfelder grob beschnitten wurden. Noch für das Jahr
1829 überliefert Piderit im Fenster süd X Teile eines von den Wollwebern gestifteten Fensters, das wohl erst im Zuge
weiterer Reparaturen an den Fenstern 1833/34 verschwand (s. Reg. Nr. 41f.). Die am Ende des 19. Jahrhunderts erfolgte
neugotische Umgestaltung bezog die mittelalterlichen Glasmalereien des Chores in eine historistische Neuverglasung
mit ein 7. Während des Krieges wurden die originalen Teile geborgen, fotografisch erfasst und zur Restaurierung nach
Quedlinburg gegeben8 . Doch schon 1952, wenige Jahre nach dem Wiedereinbau, vernichtete ein Großbrand in der
Kirche das Erhaltene bis auf wenige Reste. Nach erneuter Instandsetzung durch die Glasmalereiwerkstatt Lorenz
Matheis, Frankfurt, hat man diese im Chor und – an einfacher zugänglichen Stellen – in Sakristei und Vitaliskapelle
eingesetzt (s. Reg. Nr. 45). Im Chorpolygon befinden sich heute Glasmalereien nach Entwürfen von Hans Gottfried
von Stockhausen, ausgeführt von Valentin Saile, Stuttgart 9.
Die nach Kassel veräußerten und zunächst wahllos in die zweibahnigen Fensteröffnungen der Löwenburgkapelle ein-
gesetzten Felder sind Ende der achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts von den Brüdern Ely geordnet, mit breiteren Bor-
ten versehen und um zahlreiche Neuschöpfungen vermehrt worden10 . 1943 erlitten die Glasmalereien leichte Kriegs-
schäden, weshalb sie ausgebaut und in Kisten verpackt wurden. Diese Sicherungsmaßnahme konnte die Felder jedoch
nicht vor einem schweren Bombentreffer am 29. Januar 1945 bewahren, durch den einzelne Stücke völlig zerstört
wurden. Nach dem Krieg sind die Glasmalereien durch Richard Süssmuth, Immenhausen, wiederhergestellt worden.
1976 übergab man drei besonders stark korrodierte Figurenscheiben der Firma Oidtmann, Linnich, probeweise zur
Reinigung. Mit Abschluss der langjährigen Instandsetzungsmaßnahmen an der Löwenburg sollen in absehbarer Zeit
auch die Glasmalereien wieder eingebaut und mit einer Außenschutzverglasung vor schädigenden Witterungseinflüs-
sen bewahrt werden.
Erhaltung: Die heute noch in Chor, Sakristei und Kapelle der Hersfelder Stadtkirche vorhandenen Glasmalereireste
zeugen mit ihren zahllosen, die ursprüngliche Komposition bisweilen erheblich entstellenden Flickungen von einem
bedenkenlosen Umgang mit dem mittelalterlichen Bestand. Die für die Zeit des Historismus so charakteristischen re-
konstruierenden Restaurierungen blieben in Hersfeld aus, weil sich nach der Plünderung durch den hessischen Land-
grafen eine solche Maßnahme aufgrund der bruchstückhaften Erhaltung kaum mehr lohnte. Ihren Wert hat aber eine
sich entwickelnde Denkmalpflege damals erkannt und ihre Bewahrung garantiert. Umso bedauerlicher ist es, dass nach
dem mit unwiederbringlichen Verlusten verbundenen Kirchenbrand der abermals stark dezimierte figürliche Restbe-
5 Siehe etwa im Dreipass mit der Himmelfahrt Christi unter den ver- 7 Bis 1901 waren sämtliche Chorfenster von der Glasmalereiwerkstatt
lorenen Scheiben im Anhang. Die Eingriffe könnten sich – aus ökono- K. J. Schultz Söhne in Marburg mit einer figürlichen Farbverglasung
mischen Gründen – tatsächlich auf Darstellungen Christi und Marias ausgestattet worden, die ansässige Industrielle gestiftet hatten. Bad
beschränkt haben. In diese Richtung deutet auch der Umstand, dass Hersfeld, PfA, Archivgut 130, Gesamtverband 712, Instandsetzungen
sich ansonsten keinerlei mariologische oder christologische Zyklen in der Stadtkirche. Akte: Bauliche Veränderungen resp. Verbesserungen
Hersfeld erhalten haben. Die Gewölbeschlusssteine konnten vor der an der Stadtkirche. Heizung und Belüftung 1882–1901. Schreiben des
Zerstörung nur bewahrt werden, indem man die Gefährdung für die Superintendanten Vial an das königl. Konsistorium in Kassel vom 10.
Gewölbe vorschützte; zur Vorsicht ließ man sie aber mit Kalk über- August 1900 sowie Schreiben des Magistrats an das Presbyterium vom
ziehen. Akte im Hersfelder Stadtarchiv, E. XXXIV.1 1d, zitiert nach 4. Dezember 1900.
Hörle 1990, S. 60f. 8 Der Gemeindekirchenausschuss beschloss am 18. November 1941,
6 Für die Ausstattung der neuerbauten Kapelle auf der Löwenburg in die Firma Müller in Quedlinburg mit der Herausnahme, der Neuver-
Kassel wurden der Stadt Hersfeld lt. Rechnungsbuch im Jahr 1798 100 bleiung und der bombensicheren Aufbewahrung der alten Glasmale-
Taler für entnommene Glasmalereien bewilligt. Einem Bericht Jussows reien zu betrauen; Schreiben des Evangelischen Gemeindekirchenaus-
über die Ausgaben des Jahres 1801 entnimmt man dagegen die Summe schusses an den Bürgermeister der Stadt Hersfeld vom 19. November
von 145 Talern für die Neuausstattung der Hersfelder Stadtkirche mit 1941. Bad Hersfeld, PfA, Akte: Instandsetzung der Kirche, Vol. II.
Fenstern; vgl. hierzu Heidelbach 1909, S. 245. Die von Heidelbach 1925–1947.
herangezogenen Archivalien zum Erwerb der Hersfelder Glasmale- 9 Zu den 1953, 1962 und 1969 ausgeführten Glasmalereien siehe Su-
reien für die Löwenburg sind heute nicht mehr greifbar. Insgesamt zanne Beeh-Lustenberger, in: Hans Gottfried von Stockhausen.
wurden für die erneuerten Kirchenfenster im Jahr 1798 schließlich 974 Das Glasbild, München 1987, S. 46.
Taler ausgegeben (s. Reg. Nr. 38); hierzu Uhde 1961 (s. Bibl.). 10 Heidelbach 1909, S. 245; vgl. hierzu auch Kolb 1884, Taf. 50.
204 hersfeld . stadtkirche
stand heute in der Sakristei ungeschützt der Witterung ausgesetzt ist. Während die größtenteils modernen Chorfens-
ter mit einer Außenschutzverglasung aus matten Gläsern versehen sind, hat sich die Situation der mittelalterlichen
Scheiben in den letzten fünfzig Jahren äußerst nachteilig auf deren Erhaltung ausgewirkt. Eine Gegenüberstellung mit
dem in den Kriegsbergungsaufnahmen dokumentierten Zustand führt dies schlaglichtartig vor Augen: Waren damals
nur wenige Teile durch beginnenden Lochfraß angegriffen, so sind heute die aus dem Langhaus stammenden Stücke,
insbesondere die Inkarnatgläser durch Korrosion und Schmutz nahezu erblindet (Fig. 229, Abb. 136). Die wider-
standsfähigere, von Matheis in die Kapelle versetzte und lediglich mit Messingdraht geschützte Ornamentverglasung
zeigt an den blauen und roten Farbgläsern vielfach flächige Korrosion mit partiell beriebener Schwarzlotzeichnung.
Zur Angleichung von alten und neuen Stücken überzog Matheis einzelne Partien mit einem kalten Farbauftrag. Besser
sind dagegen – von den beträchtlichen, durch Restaurierungen und Kriegszerstörungen bedingten Substanzverlusten
einmal abgesehen – die museal aufbewahrten Stücke erhalten. Die vor allem an blauen, grünen und fleischfarbenen
Gläsern erkennbare Verdunkelung der Scheiben der Löwenburgkapelle scheint weniger eine Verbräunung mangan-
haltigen Glases zu sein. Die Undurchsichtigkeit ist wohl eher auf eine starke außenseitige Korrosion zurückzuführen,
die eine braune Verwitterungsschicht ausgebildet hat. Mit einer behutsamen mechanischen Abnahme der Korrosions-
schichten an solchen Stellen ließen sich möglicherweise dauerhaft gute Ergebnisse erzielen, dies hätte eine sichtbare
Besserung des Erscheinungsbildes zur Folge und führte insbesondere in den Kreuzlegendenfeldern aus Hersfeld zu
einer besseren Lesbarkeit. Bei einer auf diese Weise behandelten Reiterszene (Fig. 207) hat man bereits positive Ergeb-
nisse erzielt; die Restaurierung erfolgte durch Oidtmann in den Jahren 1976/7711. Die Statik der einzelnen, zum Teil
großflächig ergänzten Felder ist gut, da sie durchweg neu – allerdings mit zu breiten Schenkeln – verbleit wurden, was
gerade den kleinteiligen szenischen Kompositionen sehr zum Nachteil gereicht.
Rekonstruktion, ikonographisches Programm: Zwar hat der Chor im Laufe einer wechselvollen Geschichte
seine Farbverglasung heute bis auf wenige in situ erhaltene Reste und einige translozierte oder abgewanderte Frag-
mente eingebüßt. Eine kritische Auswertung der Fotodokumentation und am Bau selbst gewonnene Beobachtungen
ermöglichen jedoch eine recht genaue, archäologisch abgesicherte Rekonstruktion. Geht man nämlich davon aus, dass
sich sämtliche Dreipässe noch bei Kriegsbergung an ihrem ursprünglichen Ort befunden hatten, stellt sich die Situ-
ation wie folgt dar12: Mit Ausnahme des Achsenfensters waren sämtliche Öffnungen in den vier unteren Zeilen mit
Standfiguren in architektonisch variierten Tabernakeln besetzt13. Dabei deuten die an den Architekturfragmenten
seitlich sichtbaren, auf Blattkonsolen ruhenden Wandvorlagen auf einen Feldabschluss mit spitzbogigem Blendmaß-
werkrahmen hin. In der oberen Fensterhälfte waren dann jeweils fensterweise verschieden gemusterte Ornamenttep-
piche mit breiten Randstreifen angeordnet (Fig. 183)14. Ob demgegenüber das zehnzeilige Chorachsenfenster einen
anderen Aufbau besaß, muss offenbleiben. Einen Hinweis liefert vielleicht die noch an originaler Stelle sitzende Eisen-
armierung des Achsenfensters, die im Unterschied zu den flankierenden Fensteröffnungen nahezu quadratische Felder
ausbildet; hier wäre am ehesten an ein aus Medaillons bestehendes Gliederungsschema zu denken. Andererseits ist in
den Kriegsbergungsaufnahmen noch ein Weinrankenornament auf rotem Grund überliefert, für das als einzige noch
verbleibende Öffnung das Achsenfenster in Frage käme (vgl. Anhang: Verlorene Scheiben, Nr. 16)15.
Komposition, Ornament, Farbigkeit: Aufgrund motivischer Übereinstimmungen mit den in situ erhaltenen
Dreipässen lässt sich auch der ursprüngliche Standort der translozierten oder zerstörten Ornamentfelder in allen
Fällen zweifelsfrei ermitteln und das Aussehen des jeweiligen Rapports – wie schon im Jahr 1954 im Rahmen der Neu-
ausstattung zweier Fenster in der Vitaliskapelle versucht – lückenlos rekonstruieren (vgl. Fig. 183).
Fenster nord II. Vor einem roten Efeurankengrund mit seitlichen, auf Blattkonsolen ruhenden Wandvorlagen, die auf
einen Feldabschluss mit spitzbogigem Blendmaßwerkrahmen hindeuten, ragte die Spitze des goldfarbenen Riesen eines
über Eck gestellten Turmes empor. Diesen flankierten hohe, durch Strebebögen verbundene Fialen, die zu Tierköpfen
geformte Wasserspeier trugen. Zu den Seiten befanden sich niedrigere Fialen, auf deren Spitzen sich Turmfalken nie-
dergelassen hatten. Riese und Fialen wuchsen hinter einem darunterliegenden Wimperg hervor, dessen Kreuzblume
bis zu dem Sockelstück des Riesen hinaufreichte16 . Ornament Typus C: Abwechselnd gegenständige Papageien mit
hersfeld . stadtkirche 207
11 Akten der Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten, Bad zeigt noch die Spitze der Kreuzblume, die durch die Matheis’sche Res-
Homburg vor der Höhe, Aktenvermerk vom 7. September 1977. taurierung verloren ging.
12 Dies wird auch durch Beobachtungen an den bis dato erhaltenen 17 Die vom benachbarten Fenster süd III im 19. Jh. hierher versetzten
Maßwerkfüllungen im Langhaus bestätigt, die nachweislich von der Kopfscheiben sind ebenso wie der bis 1952 an ursprünglicher Stelle
Versetzung ausgeschlossen waren. sitzende Dreipass mit Papageien verschollen, der zweite sitzt heute in
13 Neben der Zwölfzahl der Fensterbahnen spräche auch die neben Chor süd IV, 1B.
dem Hauptaltar und dem Katharinenaltar (1336) älteste Vikarie auf 18 Von den hier bis 1952 eingefl ickten Feldern befi nden sich zwei Frag-
dem Zwölf-Apostel-Altar (1352) für ein solches Programm. Zu den Al- mente mit Weinranken in Rautenbändern heute im Städtischen Mu-
tarvikarien vgl. Hafner 1927/28 (wie Anm. 3), S. 130–149. seum. Das aus nord III stammende Ornamentfeld ist ebenso wie der
14 Die Zusammengehörigkeit von ornamentalen und architekto- Liliendreipass aus süd IV verschollen.
nischen Feldern ist für die Chorflankenfenster aufgrund der beide 19 AK Köln 1998, S. 220f., Nr. 41.1–3.
Gruppen verbindenden Randbortenmotive erwiesen. Ausführlicher 20 Idealisiert dargestellt bei Schäfer/Rossteuscher 1885, Taf. 7.
hierzu Parello 2001. 21 Das Motiv des sechszackigen Sterns mit Rosette begegnet auch in
15 Siehe Fig. 267. Das Motiv ruft die ähnlich aufgebaute herzförmige einem aus der Sammlung Linnemann stammenden Dreipass aus der
Rankenkette des Ornamentfensters süd III der Marburger Elisabeth- Marienkirche zu Osnabrück (um 1320/30), den das Landesmuseum in
kirche in Erinnerung. Teile des im 19. Jh. als Kopfscheibe wiederver- Darmstadt aufbewahrt; Beeh-Lustenberger 1967, Abb. 76, 1973, S.
wendeten Fragments sind später von Matheis für ein Pasticcio in den 86, Nr. 115. In der Grunddisposition vergleichbar ist zudem ein von
Maßwerköffnungen der Vitaliskapelle zerstückelt worden. Moller überliefertes, heute verlorenes Ornamentfeld aus der Pfarr-
16 Die Kriegsbergungsaufnahme des unteren Architekturfragments kirche in Grünberg (Fig. 638).
208 hersfeld . stadtkirche
ner Domchors spiegelt ein verwandtes Verglasungskonzept wider; dort erfährt das Achsenfenster – möglicherweise
wie in Hersfeld – durch die Aufnahme von Medaillons eine besondere Akzentuierung. Auf einen kölnischen Einfluss
weisen Details wie jene, letztlich auf Straßburg zurückgehenden Elemente der mit Vögeln und Wasserspeiern belebten
Architektur oder der Verwendung von Blendmaßwerk als Bildrahmenelement hin. Jedoch gewinnt die Hersfelder
Chorverglasung durch den Wechsel der Architektursysteme und aufgrund der ausgesprochen lebendigen Teppichmus-
ter gegenüber Köln an gestalterischer Kraft. In näherer Umgebung weisen die wohl gleichzeitig entstandenen Chor-
schlussfenster der Augustinerkirche in Erfurt hinsichtlich Aufbau und Verwendung prunkvoller textiler Muster nahe
22 Aus gewirbelten Blättern in Kreisen besteht auch das Ornament- 26 Diese komposite Verglasungsform zeichnet beispielsweise auch den
fenster im Chor der Marburger Elisabethkirche SÜD V, ebenso mehre- Chor von St. Florentius im elsässischen Niederhaslach aus, der noch
re, bisher ins Querhaus lokalisierte und daher zu früh datierte Recht- im 13. Jahrhundert verglast wurde. Zu den verschiedenen Gliederungs-
eckfelder der nördlichen Langhauskapellen der Oppenheimer Kathari- systemen hochgotischer Farbverglasungen s. Scholz 1998.
nenkirche (um 1315/20); vgl. Becksmann 1989, S. 357–405, und Beeh- 27 Bereits Rentsch 1958, S. 66–68, hatte in Erfurt unter den Orna-
Lustenberger 1973, S. 90–92, Nr. 120–126, Taf. 12. mentbahnen Figurentabernakel vermutet, die er allerdings auch für das
23 Vereinfacht und im Detail unrichtig wiedergegeben bei Schäfer/ Mittelfenster annahm. Die heutige Anordnung rein ornamental gestal-
Rossteuscher 1885, Taf. 6. teter Flankenfenster zwischen einem mit Standfigurentabernakeln und
24 Vorbilder hierfür lassen sich in der Erstverglasung des Kölner neutestamentlichen Szenen gefüllten Achsenfenster geht zurück auf
Domchors, im Langhausfenster nord XVIII des Altenberger Doms, in die 1893 bzw. 1936 erfolgte Neuordnung des Scheibenbestands, bei der
beiden Fällen mit aufgelegtem Rautengitter, oder in einigen Borten der für nord II und süd II zahlreiche neue Ornamentfelder geschaffen wer-
Obergadenverglasung des Straßburger Münsters benennen. Zu Köln den mussten, um damit die Fenster auf ganzer Höhe zu füllen. Die von
vgl. Rode 1974, Abb. 206 (um 1260/70); zu Altenberg s. Lymant 1979, Christa Schmidt rekonstruierten sechszeiligen Standfigurentabernakel
S. 196, Abb. 42 (um 1310/20); zu Straßburg vgl. Beyer/Wild-Block/ wären hier also zwanglos unterzubringen; Christa Schmidt, in: CVMA
Zschokke 1986, S. 291, Fig. 261f., Fenster SÜD IV b (um 1260/65) und DDR I,1, 1976, S. 163, Anm. 52, S. 184, nimmt jedoch als ursprünglichen
NORD II (um 1260). Standort der Standfiguren die Fenster nord III und/oder nord IV an. Zur
25 Das Muster konnte anhand der Kriegsbergungsaufnahmen er- Rekonstruktion des Standfigurenfensters zuletzt: Erhard Drachen-
schlossen werden. Ein Teil des Teppichs hatte als Flickstück in einem berg, Zur Frage der ursprünglichen Anordnung der mittelalterlichen
Dreipass des gleichen Fensters eine Zweitverwendung gefunden. Die Glasmalereien in der Erfurter Augustinerkirche, in: ÖZKD 40, 1986,
originale Kopfscheibe und das Flickstück wurde von Matheis erneut S. 152–161. Für eine Datierung der Chorverglasung um 1330 s. zuletzt
zur Flickung eines Maßwerks in der Vitaliskapelle zerschnitten. Rüdiger Becksmann, in: AK Esslingen 1997, S. 137, Anm. 16.
210 hersfeld . stadtkirche
verwandte Züge auf27. Auch dort müssen entgegen der heutigen Anordnung ursprünglich Papageien- und Löwentep-
piche über Standfiguren mit hohen Tabernakeln einen Vita-Christi-Zyklus im Achsenfenster flankiert haben (Fig.
188). Auffallend ist in Hersfeld ferner die Vorliebe für bahnfüllende Kreismotive, die zur Ornamentverglasung der
ehemaligen Zisterzienserklosterkirche in Haina führen. An beiden Orten bringt die Durchdringung vegetabiler und
geometrischer Formen bisweilen verwandte Muster hervor 28 . Schulmäßige Beziehungen dieser im nordhessischen oder
thüringischen Raum anzusiedelnden Werkstatt bestehen auch zu mehreren, gleichzeitig weiter südlich entstandenen
Arbeiten, wie der heute verlorenen Ornamentverglasung der Pfarrkirche von Grünberg, den Resten einer ersten Chor-
verglasung der Liebfrauenkirche in Friedberg, die möglicherweise auch das in Hersfeld zugrunde gelegte Gliederungs-
schema zeigte, oder den museal aufbewahrten Ornamentfeldern aus dem Frankfurter Dom 29. Bezeichnenderweise lie-
gen die genannten Städte an der »kurzen Hessen«, einer mittelalterlichen Verkehrverbindung, die von Frankfurt über
Hersfeld nach Erfurt verlief und einer weiten Verbreitung von Werkstattprodukten oder deren Formengut sicherlich
förderlich war. Die künstlerischen Beziehungen Hersfelds zu Erfurt sind übrigens noch in spätmittelalterlicher Zeit
belegt; damals hat ein Nachfolger des Regler-Meisters für das Hersfelder Stift einen Passionsaltar geliefert 30 .
Vorbemerkung zum Katalog: Die Bestandsaufnahme der in Schloss Wilhelmshöhe in Kassel deponierten Glasmale-
reien der Löwenburgkapelle erfolgte im Oktober 1999. Der in Hersfeld in situ erhaltene Restbestand wurde im Ok-
tober 2000 untersucht und fotografiert. Die Maßwerkfüllungen der Chorfenster konnten nur mit dem Fernglas vom
Gerüst aus untersucht werden. Da die Chorfenster mit einer Außenschutzverglasung versehen sind, waren nur bedingt
Aussagen zur außenseitigen Verwitterung möglich. Für die Rekonstruktionszeichnungen wurden auch die Kriegsber-
gungsaufnahmen jener Glasmalereien herangezogen, welche mit dem Brand von 1952 zugrunde gegangen sind.
Lichtes Gesamtmaß: H. 8,6 m, B. 1,25 m. – Zweibahniges, achtzeiliges Lanzettfenster mit liegender Vierpassrosette
über zwei Dreipässen im Maßwerk. Die Maßwerkfüllungen noch in situ. Die ursprünglich zugehörigen Kopfscheiben
waren im benachbarten Fenster süd II untergebracht; sie wurden von Lorenz Matheis, Frankfurt, 1954 kopiert, die
Kopien in ein Sakristeifenster eingesetzt; die Originale gelten seitdem als verschollen, ebenso zwei hier als Kopfschei-
ben eingesetzte Felder aus dem benachbarten Papageienfenster nord II. In den Lanzetten befinden sich heute Glasma-
lereien nach Entwürfen von Hans Gottfried von Stockhausen.
Gesamtaufnahmen (Maßwerk): CVMA K 12545, Großdia K 00/24
1A, 1B MASSWERKDREIPÄSSE Fig. 189, Abb. 116, 120
H. jeweils ca. 54 cm, B. ca. 55 bzw. 53 cm.
Erhaltung: Die älteren Flickstücke hat Matheis belassen, sogar
weitere hinzugefügt. Die Zeichnung der Blätter ist nahezu voll-
ständig verloren; Sprungbleie. Die blauen Farbgläser weisen
ganzflächig Lochfraß auf, an den roten Farbgläsern außenseitig
Wetterstein, dort auch innenseitig Korrosion mit punktuellem
Verlust des Überfangs.
Ornament: Von einem breiten Perlbandring mit mittig sitzen- Zahlreiche Sprungbleie, ein geklebter Sprung in der zentralen
dem Bogendreieck strahlen stilisierte Blattbüschel (Scheinrebe) Rosette. Die Zeichnung der Blätter in den Passlappen ist stark
in die Passlappen aus. berieben. An den roten Farbgläsern vermindert außenseitiger
Farbigkeit: Blätter und Bogendreieck weiß, Perlband gelb, Wetterstein die Transluzidität, partieller Lochfraß an den gel-
Ringfüllung rot, die Blätter in den Pässen liegen auf einem rot ben Gläsern.
und blau geteilten Grund. Foto Marburg 1522681 Ornament: Mittig eine Vierpassrosette mit einbeschriebenen
Blattbüscheln (Scheinrebe), deren Stengel in ein Blattkaro mün-
2AB MASSWERKVIERPASS Fig. 189, Abb. 116 den. In den Passlappen Blattbüschel gleichen Typs.
H. ca. 60 cm, B. ca. 60 cm. Farbigkeit: Äußere Blätter weiß auf rotem Grund, innerer
Erhaltung: Von Matheis nur geringfügig ausgebessert. Der ge- Blattvierpass gelb auf blauem Grund.
fl ickte Zustand dürfte daher dem des späten 18. Jh. entsprechen. Foto Marburg 1522735
Lichtes Gesamtmaß: H. 8,6 m, B. 1,25 m. – Zweibahniges, achtzeiliges Lanzettfenster mit liegender Vierpassrosette
über zwei gespitzten Dreipässen im Maßwerk. In situ befinden sich noch die originalen Maßwerkfüllungen. Die beiden
zugehörigen Kopfscheiben waren bis zum Kirchenbrand von 1952 noch vorhanden, sind jedoch seitdem verschollen.
Die wenigen Reste der damals auf verschiedene Fenster verstreuten Ornamentverglasung der Langbahnen wurden
1954 von Matheis zur Ausstattung eines rekonstruktiv ergänzten zweibahnigen Fensters in der Vitaliskapelle herange-
zogen, das einen Eindruck vom ursprünglichen Aussehen dieses Fensters vermitteln kann. In den Lanzetten befinden
sich heute Glasmalereien nach Entwürfen von Hans Gottfried von Stockhausen.
Gesamtaufnahmen (Maßwerk): CVMA K 12547, Großdia K 00/25
Lichtes Gesamtmaß: H. 8,6 m, B. 1,25 m. – Zweibahniges, achtzeiliges Lanzettfenster mit liegender Vierpassroset-
te über zwei Dreipässen im Maßwerk. Die Maßwerkfüllungen befinden sich noch in situ. Die beiden bis zum Kir-
chenbrand von 1952 erhaltenen Kopfscheiben sind heute verschollen. Die wenigen Reste der auf verschiedene Fenster
212 hersfeld . stadtkirche
verstreuten Ornamentverglasung der Langbahnen wurden von Matheis 1954 zur Ausstattung eines zweibahnigen
Fensters in der Vitaliskapelle herangezogen und rekonstruktiv ergänzt, sodass jenes heute einen Eindruck vom ur-
sprünglichen Aussehen dieses Fensters vermitteln kann.
Gesamtaufnahmen (Maßwerk): CVMA K 12546, Großdia K 00/23
Lichtes Gesamtmaß: H. 8,6 m, B. 1,25 m. – Zweibahniges, achtzeiliges Lanzettfenster mit liegender Vierpassrosette
über zwei Dreipässen im Maßwerk. Das Maßwerk bewahrt noch Reste alter Glasmalerei. Der einzige, bis 1952 an ur-
sprünglicher Stelle verbliebene Dreipass wurde damals zur Füllung zweier Maßwerke in der Vitaliskapelle zerschnit-
ten. Das Maßwerk füllte Matheis mit unterschiedlichen Flickstücken aus dem Scherbenbestand und versetzte den
zweiten Dreipass aus dem Papageienfenster nord II hierher.
Gesamtaufnahmen (Maßwerk): CVMA K 12548, Großdia K 00/26
Flickstücke ist die Komposition heute kaum mehr lesbar. 2AB MASSWERKVIERPASS AUS EINEM
Ikonographie: Auf einem kreisrund geformten Ast, aus wel- PASTICCIO ALTER SCHERBEN Abb. 119
chem Efeublätter in die Passlappen hineinwachsen, sitzt ein H. ca. 60 cm, B. ca. 60 cm.
turtelndes Papageienpaar. Mit Ausnahme der Blütenrosette besteht der Vierpass aus über-
Farbigkeit: Die gelben Papageien vor rotem Grund mit weißen wiegend neu angefertigten Teilen nach der Vorlage der heute
Blättern. verlorenen Dreipassfüllung im Fenster Lhs. nord VI. Einige
Foto Marburg 1522681 Flügelteile von Papageien und Perlstabborten stammen aus
Chorfenster nord II. CVMA K 12548, Großdia K 00/26
VITALISKAPELLE
Nach dem Kirchenbrand von 1952 wurde die Frankfurter Glasmalereiwerkstatt Lorenz Matheis mit der Ausstattung
der drei Fensteröffnungen in der Vitaliskapelle beauftragt. Anhand einiger Ornamentreste aus dem Chor ließ sich in
den Fenstern nord I und nord II der Rapport zweier Fenster rekonstruieren; sie vermitteln eine gute Vorstellung vom
ursprünglichen Erscheinungsbild der Chorverglasung 31. Die Lanzetten enthalten in der Mehrzahl neu angefertigte
Felder, die bemerkenswerterweise mitunter von lediglich zwei bis vier originalen Einzelscherben durchsetzt sind. Im
Katalog bleiben diese deshalb unberücksichtigt. Im Maßwerk von nord II und III sind dagegen Reste der Langhausver-
glasung untergebracht. Die Fenster werden außenseitig allein durch ein vorgespanntes Messingdrahtgitter geschützt.
Lichtes Gesamtmaß: H. 4,50 m, B. 1,25 m. – Rekonstruktion des Ornaments aus dem Chorfenster süd III (Ornament
Typus E; Fig. 186) unter Zugrundelegung originaler Teile in 2a, 3b, 4a, 4b. Feld 3a besitzt lediglich vier Bruchstücke
alten Glases und bleibt daher unberücksichtigt. Der zentrale Maßwerkdreipass wurde aus dem Chorachsenfenster
hierher versetzt, die radial darum angeordneten Dreipässe sind aus alten Scherben zusammengesetzt.
Gesamtaufnahmen: CVMA K 12557, Großdia K 00/27
Lichtes Gesamtmaß: H. 4,55 m, B. 1,25 m. – Rekonstruktion des Ornamentfensters aus Chor nord IV (Ornament
Typus A) unter Zugrundelegung originaler Teile in 1b, 3a, 4a und 4b. Die Felder 1a, 2b und 2c besitzen zusammen le-
diglich 6 Bruchstücke alten Glases. Sie werden daher im Katalog nicht berücksichtigt. Die beiden seitlichen Dreipässe
stammen aus dem Langhausfenster süd V. Der Vierpass ist aus verschiedenen Bortenstücken zusammengeflickt.
Gesamtaufnahmen: CVMA K 12562, Großdia K 00/28
Lichtes Gesamtmaß: H. 4,55 m, B. 1,25 m. – Matheis füllte das Couronnement mit Flickwerk aus Resten der Chorver-
glasung, in die Dreipassöffnung versetzte er dagegen den Blütendreipass aus dem Maßwerk des Chorachsenfensters.
Gesamtaufnahmen: CVMA K 12567, Großdia K 00/31
SAKRISTEI
Nach dem Zweiten Weltkrieg waren Teile von Glasmalereien aus Langhaus und Chor in der Sakristei deponiert. Diese
wurden von Glasmaler Matheis zusammen mit einer einfachen Wabenverglasung in die Fenster der Sakristei versetzt.
Anstelle zweier damals offenbar noch vorhandener Kopfscheiben aus Chor nord II (vgl. Anhang Nr. 2, 3) setzte Ma-
theis in Sakristei nord I, 1–3 lediglich Kopien ein. Die Fenster sind außenseitig nur mit Messingdrahtgitter geschützt.
serspeier besitzen. Zu den Seiten niedrigere Fialen mit einander auch die beiden seitlichen, vierpassförmigen Maueröffnungen
zugewandten Turmfalken auf den Kreuzblumen. Riese und Fi- zu sehen. Sie werden im Anhang unter den verlorenen Scheiben
alen wuchsen hinter einem darunterliegenden Wimperg hervor, behandelt (vgl. Nr. 8, 9).
dessen Kreuzblume bis zu dem noch erhaltenen Sockelstück des Farbigkeit: Roter Quadergrund, Architektur gelb, Dienste,
Riesen hinaufreichte. Die Felder entsprechen im Aufbau zwei Wimperg, Wasserspeier und seitliche Turmspitzen weiß, Blatt-
weiteren, beim Brand zerstörten Fragmenten von Turmspitzen, borte aus gelben Eichblättern und blauen Kreuzblattkaros.
die ursprünglich im Chorfenster nord II saßen. Dort waren CVMA K 12550, Großdia K 00/16
Rekonstruktion, ikonographisches Programm, Komposition: Das Langhaus hat zwar keinerlei Reste seiner
mittelalterlichen Farbverglasung mehr bewahrt, doch können die historischen Aufnahmen vor dem Kirchenbrand
wichtige Informationen über die ehemalige Zusammenstellung des heute auf mehrere Orte verstreuten Materials liefern.
Christa Wille hatte hierzu bereits 1952 einen Beitrag geleistet, indem sie die Hersfelder Provenienz des auf der Lö-
wenburg bewahrten Bestandes erkannte und diesen mit Hilfe der damals noch in situ befindlichen Maßwerkfüllungen
einzelnen Langhausfenstern zuordnen konnte; auf eine genaue archäologische Rekonstruktion verzichtete Wille je-
doch 32 . Für das Langhaus mit seinen großen achtzeiligen und dreibahnigen, nur in nord VI zweibahnig angelegten
Seitenschifffenstern stellt sich die Situation folgendermaßen dar (vgl. Fig. 207):
Katharinenfenster (Lhs. nord V oder süd VI): Neun Figurenfelder sowie drei Kopfscheiben und Fragmente lassen sich
mit diesem Fenster in Verbindung bringen. Die Zusammenstellung der erhaltenen und überlieferten Felder ergibt fol-
gendes vegetabiles Gliederungsschema: In den bahnweise von aufwachsenden Weinranken umschlossenen Maßwerk-
Fig. 206. Kämpfende Lanzenreiter aus dem Kreuzlegendenfenster. Ehem. Hersfeld, Stadtkirche. Langhausverglasung.
Kassel, Löwenburgkapelle, Nr. 4. Nordhessen oder Niedersachsen, 3. Viertel 14. Jh. – Kat. S. 234.
218 hersfeld . stadtkirche
Fig. 207. Rekonstruktionsschema II: Verglasung der nördlichen Langhausfenster (D. Parello).
hersfeld . stadtkirche 219
nord V oder süd VI rosetten wurde die Lebens- und Leidensgeschichte der Hl.
Katharina von Alexandrien zur Darstellung gebracht 33.
Durch kleinere Passsegmente, die wie im Kreuzlegen-
denfenster nord VII als Gelenkstücke dienten, waren die
Medaillons wohl unmittelbar miteinander verkettet 34.
Auf diese Weise bliebe Raum für eine auf mindestens 21
Szenen ausgedehnte Erzählfolge35. Die Ranken liefen in
den Kopfscheiben stabförmig aus. Für die Maßwerke sind
entweder Stifternachweise, falls diese nicht die Sockel-
zone eingenommen haben, oder die herausgehobenen
Szenen der Grablegung und Aufnahme der Seele in den
Himmel denkbar. In diesem Fenster kontrastierten die
mit hellblauen Kreuzblattkaros hinterlegten Figuren-
medaillons und Gelenkstücke gegen einen leuchtend ro-
ten Grund, auf dem gelbe Ranken mit weißem Blattwerk
und grünen Trauben emporwuchsen. Seitlich waren die
Felder ursprünglich lediglich mit einer Perlbandborte
und einem schmalen Randstreifen versehen.
Vita-Christi-Fenster (Lhs. süd VI oder nord V): Bis zum
Kirchenbrand befanden sich im Maßwerk des Langhaus-
fensters nord V Darstellungen einer Himmelfahrt Christi
sowie musizierende Engel mit Weihrauchfässern und Ker-
zen. Im zentralen Dreipass sah man den thronenden
Christus mit seinen Wundmalen, der von assistierenden
Engeln mit Tüchern in den Himmel getragen wird. Die
Engel des seitlichen Dreipasses hielten einen Siegeskranz
in ihrer Mitte. Diese ungewöhnliche Ikonographie geht
auf eine frühe Bildform des Ostens zurück, wird aber in
nachromanischer Zeit von dem uns bekannten Himmel-
fahrtstyp des aus eigener Kraft aufsteigenden Christus
verdrängt 36 . Die Darstellung lässt auf eine ausgedehnte
33 Ein Altar der Hl. Katharina war bereits 1336 von dem Priester Kon-
rad von Zella gestiftet worden; hierzu Hafner 1927/28 (wie Anm. 3),
S. 130–149.
34 In meinem 2001 erschienenen Beitrag (Parello 2001, S. 117–119)
war ich aufgrund dieser merkwürdigen Gelenkform noch von rein or-
namental gestalteten, vollständig verlorenen Zwischenfeldern ausge-
gangen. Damit hätte sich eine vertikale Felderabfolge im Rhythmus
Szene-Ornament-Szene ergeben. Ein solches Gliederungsschema fi ndet
sich in der Tat bei narrativen Zyklen oder Standfiguren zur Streckung
großer Fensterflächen gegen die Jahrhundertmitte häufiger: so z.B.
im Prophetenfenster nord VI der Mühlhausener Blasiuskirche oder
aber auch im etwas früheren Narthexfenster des Straßburger Müns-
ters; hierzu Richter 1993, Taf. 32 (Mühlhausen), Beyer/Wild-
Block/Zschokke 1986, S. 471–482 (Straßburg). Doch saßen auch die
ähnlich eingefassten Prophetenmedaillons in der Klosterkirche von
Amelungsborn, zu welchen schulmäßige Zusammenhänge bestan-
den haben müssen, unmittelbar übereinander; vgl. Hans Wentzel,
Gotische Glasmalereien für Amelungsborn, in: Pantheon 23, 1965,
S. 138–145.
35 Schon das um 1280/90 entstandene, heute leider verlorene Katha-
rinenfenster der Oppenheimer Katharinenkirche könnte in seinen elf
Zeilen circa 20 Einzelszenen gezeigt haben.
36 Bereits im syrischen Rabula-Codex (586) wird Christus in einer
Mandorla von Engeln emporgetragen und dabei von einem weiteren
220 hersfeld . stadtkirche
Bildfolge der Vita Christi in den darunter befindlichen Langbahnen schließen. Der Umstand, dass die Gesichter des
Erlösers und der assistierenden Engel geflickt sind, könnte dabei auf eine absichtliche Zerstörung nahezu des gesamten
Zyklus im Mauritanischen Bildersturm hindeuten 37. Will man für die Maßwerkfüllungen das Langhausfenster nord
V als ursprünglichen Standort annehmen, so wird man den Katharinenzyklus auf der Südseite, am ehesten im gegen-
überliegenden Fenster zu lokalisieren haben 38 .
Allerheiligenfenster (Lhs. nord VI): Von sechs überlieferten Figuren- und Maßwerkfeldern haben sich nur noch die
stark verstümmelten Reste zweier Standfiguren in der Sakristei erhalten. Die Rekonstruktion erschließt für das ein-
zige zweibahnige Fenster der Langhausnordwand eine bahnübergreifende Komposition 39: Eingefasst von einer breiten
Borte aus Eichblättern und Blütenrosetten befinden sich im zeilenweisen rot-blauen Farbwechsel (Kreuzblattkaros
mit eingestreuten Punkten) jeweils Paare von Heiligenfiguren unter Rundbogenarkaden. Die Heiligen sind nicht ein-
deutig bestimmbar. Im Einzelnen handelt es sich um einen Hl. Diakon mit Buch und Märtyrerpalme (Stephanus?),
einen Heiligen in Rüstung mit Kreuzschild (Hl. Georg oder Konstantin?) sowie eine Heilige mit hermelinbesetztem
Mantel und einem Kreuz in der Hand (Hl. Helena) 40 . In der Anlage wäre die Hersfelder Lösung mit dem sog. jüngeren
Nothelferfenster im Dom zu Regensburg zu vergleichen, wo gleichfalls Standfigurenpaare, allerdings innerhalb eines
Feldes, unter Arkaden angeordnet sind41. Der Abschluss könnte aus einer über beide Bahnen aufragenden Architek-
turbekrönung bestanden haben, in den Sockelzeilen wären die Wappen der Stifter oder Korporation vorstellbar. Das
verlorene Maßwerk war lediglich mit fein gezeichneten Eichblättern und mittig liegenden Blütenrosetten gefüllt; im
Vierpass war die Blütenrosette von Kelchblättern in Vierpassform umgeben.
Kreuzlegendenfenster (Lhs. nord VII): Von diesem Fenster haben sich elf Felder erhalten; zwei fotografisch über-
lieferte Kopfscheiben sowie drei Maßwerkfüllungen mit Christus am Kreuz zwischen Maria und Johannes wurden
dagegen beim Brand der Kirche zerstört. Hieraus erschließt sich ein zweiteiliger Aufbau aus Medaillonketten unter
Turmarchitekturen42 . Die von Rosenranken umschlossenen rhomboiden Medaillons waren durch halbkreisförmige
Gelenkstücke in der Vertikalen miteinander verbundenen und füllten lediglich vier oder fünf Fensterzeilen, vielleicht
unter Einschluss von Stifterwappen43. Sehr originell wurde das Problem der Verknüpfung von Medaillon- und Ar-
chitekturgliederung gelöst: Unter einem Doppelgiebel herbeischwebende Engel hielten hier das ringförmige Ende der
Medaillonkette44. Darüber ragten achtseitige Turmuntergeschosse mit seitlichem Strebewerk auf. Von den seitlichen
Turmhelmen sind jedoch nur mehr die Spitzen in einer heute verlorenen Kopfscheibe überliefert.
Die Medaillons schilderten wahrscheinlich – entsprechend den in der Legenda aurea überlieferten Erzählungen von
der Kreuzauffindung und der Kreuzerhöhung – die Bergung des Kreuzes durch Judas und Helena, die Schlacht Kons-
tantins des Großen an der Milvischen Brücke und die nochmalige Rückeroberung des Kreuzes aus den Händen der
Heiden durch Kaiser Heraklius 45. Im nahe gelegenen Fraurombach hat sich ein umfangreicher Wandmalereizyklus er-
halten, der in den dreißiger Jahren des 14. Jahrhunderts entstanden ist, sich inhaltlich jedoch auf die literarische Über-
Engelspaar flankiert, das Siegeskränze darbringt. Im Südportal von 42 Die gebrochene Rahmenform des Kreuzlegendenfensters erinnert
St. Ulrich in Regensburg (um 1250) heben Engel die Halbfigur des an ähnlich gestaltete, jedoch bahnübergreifend angelegte Maßwerk-
segnenden Christus mit einem Tuch in den Himmel. Eine Mischform rahmen in Niederhaslach im Elsass. Hierzu Bozena Keberle, Die
bringt die Darstellung im Maßwerk des Freiburger Tulenhaupt-Fens- Glasmalereien in den Langhausfenstern der Florentiuskirche zu Nie-
ters (um 1330), wo Engel Christus auf einen Thron emportragen, wäh- derhaslach, Phil. Diss. Basel 1964; gekürzte Fassung in: Société d’his-
rend sich auf dem Hügel darunter die Fußabdrücke Christi abzeich- toire et d’archéologie de Molsheim et environs, 1971, S. 15–37.
nen; Geiges 1931/33, S. 151. Zu Entstehung und Wandel des Himmel- 43 Die für die Löwenburg erworbenen Felder wurden im Zuge einer
fahrtsbildes s. Schiller, III, 21986, S. 144–164, Abb. 459, 512. Neuordnung in den 1880er Jahren an den Schmalseiten beschnitten,
37 Zum Bildersturm des Landgrafen Moritz vgl. Kümmel 1996. sodass heute kein unmittelbarer Anschluss mehr erkennbar ist. Die
38 Die meisten figürlichen Reste des Katharinenzyklus befanden sich Aufnahme eines als Flickstück benutzten Figurenfeldes zeigt jedoch
seit dem 19. Jahrhundert im Fenster süd VI, sämtliche Kopfscheiben noch das vertikale Auslaufen des Medaillons in halben Ringen (vgl.
jedoch in nord V. Anhang Nr. 27).
39 Frühe Beispiele für eine die Fensterteilung übergreifende Archi- 44 Als Medaillonhalter treten Engel auch in Königsfelden auf; Emil
tekturkomposition stellen die Thron-Salomonis-Darstellungen dar; Maurer, »Wohlgefühl« im Bildformat. Notizen zum Rundbild in
Becksmann 1967, S. 26, 57f. (Colmar, Dominikanerkirche, um 1320), der Glasmalerei, in: Bulletin de la Cathédrale de Strasbourg 15, 1982,
S. 66–68 (Freiburg, Münster, um 1320). Bahnübergreifend angelegt ist S. 59–67, bes. S. 63–67.
auch die Anbetung der Könige in der Marienkapelle des Kölner Doms, 45 Benz 91979, S. 349–358 (Kreuzauffi ndung), S. 698–705 (Kreuzerhö-
vor 1322 (ebenda, Abb. 11). hung mit Herakliuslegende). – Die Lage des Fensters kann vielleicht ei-
40 Als entsprechendes Pendant könnte es sich bei der mit Kreuzschild nen Hinweis auf den Standort des für die Stadtkirche nachgewiesenen
rekonstruierten Figur auch um Konstantin handeln. Hl.-Kreuz-Altars geben.
41 Fritzsche 1987, II, Taf. 210f.
hersfeld . stadtkirche 221
Fig. 208. Bestrafung des Standbildes aus dem Nikolausfenster. Ehem. Hersfeld, Stadtkirche. Langhausverglasung.
Kassel, Löwenburgkapelle, Nr. 17. Nordhessen oder Niedersachsen, 3. Viertel 14. Jh. – Kat. S. 238f.
222 hersfeld . stadtkirche
lieferung Meister Ottes stützt46 . Dieser aus der französischen Abenteuerliteratur adaptierte Versroman kreist um das
Leben des Ritterhelden Heraklius und endet mit der Rückbringung des Hl. Kreuzes nach Jerusalem. Angesichts der
wenigen in Hersfeld erhaltenen Szenen ist letztlich nicht mit Sicherheit zu entscheiden, ob neben der Legenda aurea
auch diese Erzählung als Vorlage für den Fensterzyklus gedient hat. Andere Kreuzlegendenzyklen wie die um 1240
entstandenen Wandmalereien des Braunschweiger Doms oder noch die nach 1400 anzusetzenden Glasmalereien im
Chor der Lübecker Burgkirche gehen jedenfalls einzig auf die Legendendichtung des Jacobus de Voragine zurück47.
Die zahlreichen Reiterszenen des Hersfelder Zyklus können sich auf den Kampf Konstantins gegen Maxentius, die
Schlacht des Helden Heraklius gegen den Perserkönig Cosdras oder auch auf das bei Otte überlieferte und in Frau-
rombach geschilderte Pferderennen des Heraklius beziehen. Dabei ist jeweils von einer bahnübergreifenden Anord-
nung von Einzelbildern einer Szene ähnlich wie etwa im Marienfenster der Esslinger Frauenkirche auszugehen48 . Die
zeilenweise ausgebreiteten Reitergruppen waren entweder inhaltlich in Verfolger und Verfolgte getrennt oder bildeten
einen verlängerten Tross hinter Konstantin oder Heraklius an der Spitze 49. Das Turmobergeschoss der Mittelbahn war
mit einem fiedelnden Engel über dem mit der Öllampe des Ewigen Lichts versehenen Hl. Grab ausgezeichnet 50 . Der
zentrale Dreipass, dessen Farbigkeit uns durch ein Aquarell von Carl Schäfer überliefert ist, barg die ungewöhnliche
Darstellung des Gekreuzigten am lebenden Astkreuz und greift damit die Vorstellung vom Kreuz als Baum des Lebens
auf, die auch Jacobus de Voragine seiner Erzählung der Kreuzauffindung voranstellt 51. In typologischer Beziehung
zum Baum der Erkenntnis, dessen Früchte den Tod bringen, bringt der Lebensbaum den Gekreuzigten entsprechend
als Frucht hervor, die heilsame Speise für die Gläubigen ist. Dabei verweist der Rosenbaum, an dem Christus hängt,
auf das Paradies, die fünfblättrigen Rosen sind Hinweis auf die Wundmale Christi. Während die Farbgliederung der
Medaillonreihen dem Katharinenzyklus vergleichbar war – grüne Ranken mit weißen Blüten auf rotem und Figuren-
szenen auf blauem Fiederrankengrund –, zog sich über die ganze obere Fensterhälfte eine verräumlichte Turm-
architektur in blau-rotem Farbwechsel hinweg.
Fenster der Tuchschneider (Lhs. nord VIII): Von den immerhin noch vierzehn nachweisbaren Feldern dieses Fensters
sind sämtliche Maßwerkfüllungen sowie der Rest eines architektonischen und eines figürlichen Feldes mit dem Brand
von 1952 verloren gegangen. Im zweigeteilten Aufbau entsprach das Fenster der Gliederung des benachbarten Kreuz-
legendenfensters: Die untere Hälfte war mit blau hinterlegten Szenen eines Nikolauszyklus in orthogonal projizierten
Tabernakeln gefüllt, wobei einfache und gedoppelte Giebel einander abwechselten 52 . Die Rahmenarchitekturen und
ihre rhythmisch wechselnde Anordnung sind in der oberrheinischen Glasmalerei vorgebildet. Das gleiche Konzept lag
etwa auch dem gegen 1320 entstandenen mittleren Chorfenster der Konstanzer Dominikanerkirche zugrunde, dessen
Hauptmeister wesentliche Anregungen aus Straßburg bezogen haben dürfte53. Die vier oberen Zeilen zeigten dagegen
einen isometrisch verräumlichten Turmaufbau mit Strebewerk und achteckigem goldenen Turmhelm vor hellblauen
Blattvierecken. Das Fenster war eine Stiftung der Tuchschneider, deren Zeichen sich unübersehbar in den drei, nach
46 Zuletzt hierzu Margit Krenn, Der Heraklius-Zyklus in Frau- 49 Bei der Kampfszene an der Milvischen Brücke auf einem Email des
rombach. Ein typologisches Bildprogramm des 14. Jahrhunderts, Staveloter Tragaltars (nach 1154) ist die Schar der Reiterei gleichfalls in
in: Denkmalpflege & Kulturgeschichte 2006/4, S. 5–11, mit wei- Verfolger und Verfolgte geteilt; Swarzenski 21974, Abb. 364.
terführender Literatur. Eine textkritische Ausgabe der Heraklius- 50 Von Wille 1952, I, S. 126f., 139, II, S. 96, wurde dieses Feld nicht
legende liefert Winfried Frey, Der Eraclius des Otte. Erzählungen mit Hersfeld in Verbindung gebracht. Die Restauratoren des 19. Jh.
des Mittelalters, hrsg. von Helmut Birkhan, III, Kettwig 1990. Die haben bei der Neuordnung der Farbverglasung auf der Löwenburg das
Pfarrkirche von Fraurombach stand unter dem Patronat des Kolle- Rechteckfeld um einen fi ktiven Turmaufbau verlängert.
giatsstiftes »ad sanctam crucem« in Hünfeld. 51 Die zeichnerische Aufnahme befi ndet sich in Marburg, HStA,
47 Zum Hl.-Kreuz-Zyklus im Braunschweiger Dom s. Marcell Restle, Nachlass Bickell, M 51a, Kasten P II, Nr. 4, Maße 91 x 64 cm; bez.:
Braunschweig und Byzanz, Der Konstantins- und Herakleios-Zyklus Marburg, November 1873 Schäfer. Schon im 19. Kapitel des apokry-
im Braunschweiger Dom, in: Rolf-Jürgen Grote, Kees van der Ploeg, phen Nikodemus-Evangeliums wird die lebenspendende Kraft des
Wandmalerei in Niedersachsen, Bremen und im Groningerland, 2 Bde., Kreuzes von der Herkunft aus dem Baum der Erkenntnis abgeleitet.
Hannover 2001, Aufsatzband S. 60–69, mit weiterführender Literatur; Die Legenda aurea schmückt die Geschichte des wahren Kreuzes mit
zum Lübecker Kreuzlegendenfenster ausführlich Böning 1992. weiteren Details aus; Benz 91979, S. 349–351. Vgl. hierzu auch Schil-
48 So zum Beispiel die Anbetung der Könige im Marienfenster nord ler, II, 21983, S. 145–148.
II, 8a–c; Wentzel 1958, S. 149–159, Abb. 299–301. Außerordentlich 52 Die auf der Löwenburg erhaltenen Figurenfelder sind an der Ober-
früh datieren dagegen die lediglich bildlich dokumentierten Reste kante um wenige Zentimeter beschnitten; die hinter den Giebeln auf-
eines Katharinenfensters im Oppenheimer Chor (ehemals Chor süd II, ragende Mauerzone mit perspektivisch gezeichneten rundbogigen
um 1280/90). Vgl. hierzu Becksmann 1989, S. 369–372; zuletzt Rauch Fensteröffnungen und Balustrade ist lediglich in einem Foto eines
1997, S. 15f., 92f. Kemp 1991, S. 278–280, sieht in der Zweiteilung eine heute verlorenen Fragmentstückes dokumentiert.
formale Analogie zur typologischen Gestalt des benachbarten Bibel- 53 Becksmann 1979, S. 133–147, Fig. 85 (Rekonstruktion).
fensters in der Achse.
hersfeld . stadtkirche 223
gleichem Karton gearbeiteten Maßwerken befand 54. Auf Blatthintergrund lag mittig jeweils das größere Wappenfeld
mit Tucherschere, in den Pässen waren drei Schilde mit Rauherkratzen eingeschrieben. Mit Nikolaus von Myra hatten
sich die Tuchkaufleute den wichtigsten Patron ihrer ausgedehnten Handelsgeschäfte gewählt. Die erhaltenen Szenen
rücken daher auch die mit Geldgeschäften verwobenen Wundertaten des Heiligen ins Zentrum 55. Ihre antisemitische
Färbung erhält vor dem Hintergrund der historischen Ereignisse in Hersfeld Zeugnischarakter. Karl IV. hatte 1347
zu Gunsten des Hersfelder Abtes, der ihn im Kampf gegen Ludwig den Bayern unterstützt hatte, auf sein Judenrecht
verzichtet und dem Abt erlaubt, Juden zu halten. Als Schuldner entledigten sich dann Abt und Bürger – entgegen der
vertraglich zugesicherten Schutzrechte – im Jahr 1350 in einer gemeinsamen Aktion ihrer Geldgeber und strichen de-
ren Hab und Gut ein. Erst 1362 finden sich dann wieder Juden in Hersfeld 56 .
Die Tuchkaufleute waren die führende Schicht der aufstrebenden Handelsstadt. Sie stellten mit ihren meist qualita-
tiv hochwertigen Importwaren eine ständige Konkurrenz zu den heimischen Wollwebern dar, pflegten ausgedehnte
Handelsbeziehungen und kamen durch verlegerische Tätigkeit bald zu Macht und Ansehen. Ihre Monopolstellung
erkauften sie sich mit hohen Steuerabgaben an den Landesherrn, waren aber aufgrund ihrer einflussreichen Stellung
schon früh am Stadtregiment beteiligt 57.
Fenster der Wollweber (Lhs. süd IX): Die Löwenburgkapelle hat ein weiteres Figurenfeld bewahrt, das in Aufbau und
Zeichnung die gleiche Handschrift wie die Bildfelder des Nikolausfensters trägt 58 . Bei der Darstellung der Räderung
handelt es sich entgegen Wille jedoch nicht um eine weitere Szene des Nikolausfensters, sondern um den spärlichen
Rest einer Stiftung der Wollweber, die das Fenster ihrem Schutzpatron Georg gewidmet haben 59. Piderit überliefert
ihr Zunftwappen – das Wasserrad der Walkmühle – dem Nikolausfenster gegenüber auf der Südseite 60 .
Die mit den Tuchern konkurrierenden Wollweber waren die führende Handwerkerzunft in Hersfeld und gerieten bei
dem Versuch, ihre Produkte selbst zu verkaufen, in Konflikt mit den Tuchkaufleuten, deren Privileg der Tuchschnitt
war (Schere im Wappen). Doch einigte man sich 1326 mit den Tuchschneidern gegen eine jährliche Ausgleichszahlung
auf den Jahrmarktsverkauf der Waren 61. Die Schwesterzunft hatte ihre Stiftung wohl auch aus repräsentativen Grün-
den der Gestalt des Tuchschneiderfensters angelehnt, deutet doch schon der Bildaufbau auf eine verwandte Fenster-
komposition hin.
Fig. 210. Disputation mit den Philosophen aus dem Katharinenfenster. Ehem. Hersfeld, Stadtkirche. Langhaus-
verglasung. Kassel, Löwenburgkapelle, Nr. 12. Nordhessen oder Niedersachsen, 3. Viertel 14. Jh. – Kat. S. 236.
hersfeld . stadtkirche 225
Stil, Datierung: Angesichts des großen Auftragsvolumens wird man sich fragen, ob die Arbeiten an den zehn Lang-
hausfenstern, um hier einen schnellen Abschluss zu ermöglichen, verschiedenen Werkstätten anvertraut wurden oder
ob die Ausstattung des Langhauses nicht vielmehr etappenweise (mit dem Baufortschritt?) erfolgte. Ein Blick auf die
sieben rekonstruierbaren Fenster offenbart zwar unterschiedliche Stilbilder, doch lassen sich immer wieder Querver-
bindungen handschriftlicher und konzeptioneller Art nachweisen, was gegen eine Beteiligung mehrerer, voneinander
unabhängiger Werkstätten spricht. Die beiden westlichen Fenster der Tuchschneider und Wollweber weisen jedoch
entwickeltere Gestaltungselemente und technische Besonderheiten auf, sodass von hier auf einen größeren zeitlichen
Abstand zwischen den östlichen und westlichen Fenstern geschlossen werden kann 64. So dürfte sich die Stilkritik wohl
auf die Frage nach den beteiligten Meistern und Malern reduzieren, wobei im Kern zwei Gruppen zu scheiden sind:
Auf der einen Seite stehen die Maler des Kreuzlegenden-, Passions-, Nikolaus- und Georgsfensters. Hiervon setzt sich
62 Eine historische Aufnahme zeigt die Kopfscheiben samt Maßwerk- 64 Der Hinweis auf die Umsetzung eines anderen, vielleicht fort-
füllungen noch an ursprünglicher Stelle; Foto Marburg 133007. schrittlicheren Entwurfs reicht in diesem Fall nicht aus, um diese Un-
63 Vgl. etwa die Muster eines gegen 1310/20 für Goslar(?) angefertig- terschiede zu erklären. Vielleicht lag in der Großen Pest von 1356, die
ten Pluviales im Victoria & Albert Museum, London; Kroos 1970, nach einer Inschrift am Kirchenbau dreitausend Menschen hinweg-
S. 142, Nr. 81. gerafft haben soll, der Grund für die Verzögerung der Ausstattung.
226 hersfeld . stadtkirche
der Meister des Katharinenfensters klar ab. Im Maßwerk und den Architekturengeln des Kreuzlegendenfensters wird
darüber hinaus ein Künstler fassbar, der eine größere Nähe zur ausführenden Hand des weitgehend verlorenen Aller-
heiligenfensters aufweist – doch ist das Material hier zu spärlich dokumentiert, um eine verlässliche Basis zu bieten.
Trotz der geringen Gestaltungsfläche wurden die Darstellungen in den Medaillonfenstern erstaunlich detailreich in
Szene gesetzt. Im Kreuzlegendenfenster mit seinen lebendig bewegten Reiterscharen ist dies durch hintereinander
gestaffelte Gruppen mit gewagt komponierten Überschneidungen erreicht, welche jedoch mit dem Mittel farbiger
Differenzierung geklärt werden. Auffallend ist demgegenüber die ganz andere Herangehensweise im Katharinenfens-
ter, das sich durch eine streng parataktische Aneinanderreihung der Figuren auszeichnet. Obwohl Nikolaus- und
Georgsfenster zunächst in technischer Hinsicht durch die ausgiebige Verwendung von Silbergelb herausfallen, lassen
sich zu den Darstellungen der Kreuzlegende eindeutige Werkstattzusammenhänge aufzeigen. Die Gewänder sind lo-
cker und schwungvoll drapiert, die männlichen, meist bärtigen Typen besitzen den gleichen starren Blick und einen
angespannten, fast grimmigen Ausdruck, freundlicher gestimmt wirken dagegen die weiblichen Figuren und Engel
mit ihren großen, herausquellenden Augäpfeln. Gegenüber dem Kreuzlegendenfenster erscheint die Darstellungswei-
se im Nikolaus- und Georgsfenster jedoch plakativer und auf das Notwendige reduziert. Die Körpersprache ist rege,
der mimische Ausdruck überzogen, was auf zeichnerischer Ebene mit einer unruhigeren, gelösteren Strichführung
einhergeht; man vergleiche etwa die zittrig auslaufenden Bärte beim Hl. Nikolaus oder beim stets grimassenhaft ver-
zerrten Gesicht des Juden. Einem solchen, expressiveren Gestaltungswillen ordnen sich auch die Körperproportionen
unter, die je nach verfügbarer Fläche betont überlängt oder gedrungen erscheinen.
Christa Wille hat bei der Suche nach Vergleichsbeispielen hierfür die beiden Chorfenster der Limburger Wilhelmi-
tenkirche und der Frankenberger Liebfrauenkirche herangezogen und damit im Grunde die Ratlosigkeit offenbart,
die sich bei dem Versuch ergibt, die Hersfelder Langhausverglasung im nordhessischen Raum zu verankern 65. Mit
Limburg oder Frankenberg haben diese Glasmalereien nichts gemein, was über den allgemeinen Zeitstil hinauswiese.
Wentzel befand sich dagegen auf dem richtigen Weg, als er auf die Zusammenhänge mit den Marburger Standfiguren
aus der Werkstatt des Marienfensters verwies 66 . Trotz des zeitlichen Abstands von mehreren Jahrzehnten legt eine
Gegenüberstellung des Katharinenfensters, das mit seinem spröden, phlegmatischeren Figurenstil aus der Hersfelder
Langhausverglasung herausfällt, mit dem Marburger Chorfenster NORD II die gemeinsamen stilbildenden Wurzeln
offen: Diese kommen besonders in den weiblichen Gestalten mit ihren großen Nasen, dem hoch ansetzenden und
leicht zum Sprechen geöffneten Strichmund, der ausgeprägten Kinnpartie sowie den differenziert gezeichneten und
doch blockhaft gegen die Gesichtsfläche abgegrenzten Haarlocken zum Ausdruck (vgl. Fig. 546f.). Weitere Berüh-
rungspunkte ergeben sich in der gleichen Vorliebe für mit Pelz gefütterte Mäntel oder in der spezifischen Bildung der
Kreuzblattkaros. Dass es Verbindungen nach Marburg gegeben haben muss, wird auch von Seiten der Baugeschichte
gestützt, erweist sich doch die Hersfelder Choranlage als eine Übernahme des für die Marburger Marienkirche ent-
wickelten Chorgrundrisses, sodass es grundsätzlich Bauleute der Marburger Elisabethkirche gewesen sein können,
die hier die Kontakte zu den Glasmalereiwerkstätten vermittelt haben.
Weitaus engmaschiger und letztlich für die Frage der Lokalisierung der Marburger und Hersfelder Werkstatt entschei-
dend gestalten sich jedoch die künstlerischen Bezüge zur niedersächsischen Glasmalerei, insbesondere zur Verglasung
der Zisterzienserklosterkirche in Amelungsborn. Trotz weitgehender Zerstörung im letzten Krieg sind die wenigen
erhaltenen Reste aussagekräftig genug, um den Katharinenzyklus der gleichen Werkstatt zuschreiben zu können,
welche auch für Amelungsborn verantwortlich zeichnete. Die in Göttingen aufbewahrten Kopffragmente aus dem
Marien- und Passionszyklus des monumentalen Ostfensters zeigen jenen schon von Hersfeld her bekannten Typen-
schatz und eine frappierende Übereinstimmung der zeichnerischen Charakteristika (vgl. Textabb. 39) 67. Gegenüber
dem älteren Amelungsborner Chorfenster wird in Hersfeld lediglich die starke, durch Halbtonlagen modellierte Ge-
wandplastizität zugunsten einer mehr graphischen Differenzierung reduziert und die Erzählinhalte durch Betonung
des mimischen Ausdrucks gesteigert. Die Rahmenform des noch zu Teilen erhaltenen Prophetenfensters in Amelungs-
65 Wille 1952, I, S. 85–106a, 174. alterliche Farbverglasung Niedersachsens. Sie wurde im letzten Welt-
66 Wentzel 21954, S. 40. krieg durch einen Bombentreffer nahezu komplett zerstört. Zuvor wa-
67 An dieser Stelle sei Ulf-Dietrich Korn, Münster, sehr herzlich für ren jedoch im Zuge einer Restaurierung (1894) mehrere Köpfe durch
seinen Hinweis auf die Göttinger Fragmente gedankt; er hat die Zu- den Braunschweiger Glasmaler Th. Sander ausgeschieden worden,
sammenhänge zwischen Hersfeld und Amelungsborn zuerst gesehen. die sich heute im Städtischen Museum in Göttingen befi nden; hierzu
Das monumentale Ostfenster barg die wohl umfangreichste mittel- Korn 1969.
hersfeld . stadtkirche 227
Fig. 212. Hl. Stephanus(?) aus dem Allerheiligenfenster Fig. 213. Kaiser Maxentius mit Gefolge aus dem Katharinenfenster (Ausschnitt).
(Ausschnitt). Sakristeifenster n II, 3. – Kat. S. 228f. Kassel-Wilhelmshöhe, Löwenburg, Nr. 15. – Kat. S. 238.
Fig. 214. Reicher Jude aus dem Nikolausfenster. Kassel- Fig. 215. Verbrennung der Philosophen aus dem Katharinenfenster (Ausschnitt).
Wilhelmshöhe, Löwenburg, Nr. 16. – Kat. S. 238. Kassel-Wilhelmshöhe, Löwenburg, Nr. 13. – Kat. S. 237.
Fig. 216. Engel aus der Himmelfahrt Christi (verloren). Fig. 217. Christus besucht Katharina im Gefängnis (Ausschnitt).
Ausschnitt aus Fig. 284. Kassel-Wilhelmshöhe, Löwenburg-Kapelle, Nr. 11. – Kat. S. 236.
228 hersfeld . stadtkirche
born mit seinen ganz ähnlich gebildeten Weinranken auf rotem Grund geht offenbar auf die gleiche kompositorische
Grundlage wie das Katharinenfenster zurück (Fig. 211). Trotz der nicht unbeträchtlichen Entfernung zwischen Ame-
lungsborn und Hersfeld liegen beide Orte verkehrsstrategisch günstig; sie sind durch Fulda und Weser miteinander
verbunden und waren von der Binnenschifffahrt gut erschlossen. Mit dem Nachweis der gemeinsamen Herkunft wäre
somit ein wichtiger Anhaltspunkt gewonnen, um das Katharinenfenster als ein Exportprodukt einer nordhessischen
oder niedersächsischen Werkstatt zu bestimmen. Welche Rolle kommt hierbei Marburg zu? Leider haben sich dort
keine Glasmalereien aus der Mitte des 14. Jahrhunderts erhalten, doch ist ausgehend vom Marburger Marienfenster
eine Entwicklung hin zum sich im Katharinenfenster manifestierenden Stilbild grundsätzlich vorstellbar. Möchte man
die Werkstatt also in Marburg lokalisieren, wofür auch die für Marburg und Amelungsborn charakteristischen archi-
tektonischen Gestaltungselemente sprächen, welche sich am besten aus der engen Verbindung mit der Marburger Bau-
hütte erklären ließen, so hätte man allerdings mit gleichem Recht auch die Glasmalereien der Amelungsborner Klos-
terkirche als marburgische Exportarbeiten zu betrachten. Vielleicht kam Marburg aber auch nur eine Vermittlerrolle
zu einer in Niedersachsen ansässigen Werkstatt zu, die in Marburg selbst nur einen Ableger besaß; dann jedoch sollte
man ihre Lokalisierung entlang der wichtigen Handelsstraßen in Nord-Süd-Richtung erwägen, die durch Göttingen,
Hildesheim, Braunschweig oder Hannover verliefen. – Nordhessen oder Niedersachsen, 3. Viertel 14. Jahrhundert.
4 KOPFSCHEIBE MIT TURMSPITZE Fig. 218, Abb. 128 Farbigkeit: Die weiße Turmspitze liegt auf rubinrotem, mit
H. 45,5 cm, B. 55,5 cm (ohne zweiten Randstreifen). gelben Blütenpunkten bereichertem Blattkarogrund.
Ehemals Lhs. süd V, 5a oder 5b. CVMA K 12549, Großdia K 00/15
Erhaltung: Mehrere Flickstücke; die Binnenzeichnung der Foto Marburg 1522691
Kreuzblume ist stark berieben, stellenweise vollständig verlo-
ren. Die flächige Korrosion auf der Außenseite der Turmspitze
verleiht der Architektur heute eine gelbliche Färbung. Zur Ein-
passung in die Fensteröffnung wurden der Kopfscheibe seit-
liche Randstreifen angefügt.
Komposition: Mit Krabben, Schaftring und abschließender
Kreuzblume geschmückte Turmspitze eines Figurenbaldachins
oder Figurentabernakels. Bemerkenswert ist die lebendig-
bewegte Blattform mit federartig aus der kräftigen Mittel-
rippe ausstrahlenden Blattadern. Der Blattkarogrund besteht Fig. 218. ES Sakristei n I, 4.
aus vier um einen Blütenpunkt angeordneten Blättern 68 . M 1:15
3 HL. DIAKON MIT BUCH (HL. STEPHANUS?) Ikonographie, Komposition: Der nach rechts gewandte, jugend-
Fig. 212, 219, Abb. 134 liche Diakon mit Tonsur hält in seiner Rechten ein mit zwei
H. 55 cm, B. 44 cm. Schnallen verschlossenes Buch. Das Fragment einer Märtyrer-
Das Figurenfeld stammt aus einer linken Bahn des Fensters palme, die er in der anderen Hand hielt, ist noch in Kopfhöhe
nord VI und wurde später als Dreipass für Lhs. nord V zurecht- sichtbar. Die Figur steht vor einem Blattkarogrund mit Punk-
geschnitten. ten an den Schnittstellen. Zugehörig ist ein schmaler Mauer-
Erhaltung: Mit zahlreichen Flickstücken von Matheis zum streifen aus diamantierten Quadern und die breite Randborte
Rechteckfeld ergänzt; die Figur selbst ist etwa zu zwei Dritteln aus Eichblättern und Blüten. Die Figur steht unter einer Arka-
erhalten. Sämtliche Gläser zeigen eine gegenüber den Kriegs-
bergungsaufnahmen stark fortgeschrittene Verwitterung, die
Inkarnatgläser sind braun verfärbt und die außenseitige Ge-
wandmusterung ist kaum mehr erkennbar.
SAKRISTEIFENSTER nord III Fig. 209, 221–224, Abb. 127, 130f., 135
1 RÜCKGABE DER DIEBESBEUTE Fig. 209, 221, Abb. 131 sammengefasst: Während der Jude dort mit einem Stock auf
H. 56,5 cm, B. 32,5 cm. die Nikolausskulptur einschlägt, die im Übrigen in identischer
Ehemals Tuchschneiderfenster, Lhs. nord VIII, später stark be- Haltung wie in Hersfeld wiedergegeben ist, macht sich im Hin-
schnitten und als Kopfscheibe im gleichen Fenster wiederver- tergrund der Dieb mit dem Geldsack aus dem Staub70 .
wendet. Vor dem Einbau in die neue Wabenverglasung sind die Farbigkeit, Technik: Die Farbigkeit beruht im Wesentlichen auf
Randstreifen entfernt worden. dem wirkungsvollen Kontrast von hellblauem Grund und der
Erhaltung: Das Feld ist nach außen stark eingedrückt. Trotz Farbe Rot für Kasel, Diebesrock und Maßwerkgiebel. Nimbus,
vielfacher Eingriffe in den Originalbestand ist die Szene gut les- Krümme, Fialenkonsole und Rock des einen Diebes sind gelb,
bar geblieben. Die Inkarnattöne und das violette Farbglas sind Pallium, Bischofsstab, Tunizella und Pontifikalhandschuhe be-
außenseitig flächig verwittert, dort zeigt sich auch innenseitig stehen aus weißem Glas. Violette Dalmatik, Blattkapitell und
starker Lochfraß, der dagegen an den blauen, gelben und roten Münzen in – bräunlich korrodiertem – Gelb. Reicher Gebrauch
Farbgläsern geringer ausfällt. Schwarzlotverluste auf roten und von Silbergelb in Geldsack, Helm, Mitra und Giebelbalken.
gelben Farbgläsern, innenseitige Rußablagerungen. Das Ge- CVMA K 12553, Großdia K 00/19
sicht des Hl. Nikolaus wurde von Matheis nass doubliert und Foto Marburg 1522708, 1522715 (DA)
ist mittlerweile an den Klebestellen vergilbt.
2 SCHEIBENFRAGMENT DREIER REITER
MIT LANZEN UND WIMPEL Fig. 222, Abb. 130
H. 44 cm, B. 26,5 cm.
Ehemals im Kreuzlegendenfenster, nord VII, später als Kopf-
scheibe für das gleiche Fenster zurechtgeschnitten. Nach dem
letzten Krieg war das Feld zunächst in der Sakristei deponiert,
wurde anschließend von Matheis erneut beschnitten und zu-
sammen mit zwei Kopffragmenten aus anderen Fenstern (Kopf
des Kaisers Maxentius aus dem Katharinenfenster sowie ein
Fig. 221. ES Sakristei n III, 1.
M 1:15
Mönchskopf aus dem Weinrankenfenster im Chor) in eine mo- bus im grasgrünen Kleid und violetten Mantel. Das gelbe Fol-
derne Wabenverglasung eingesetzt. terrad ist mit weißen Messerspitzen besetzt; grasgrüner Schol-
Erhaltung: Dem stark verbräunten Scheibenfragment fehlt heu- lenboden.
te die untere Bildhälfte sowie der gesamte vegetabile Rahmen. CVMA K 12555, Großdia K 00/21
Der blaue Fiederrankengrund ist flächig korrodiert, ebenso die Foto Marburg 1522692
gelben und violetten Farbgläser, das Inkarnat verbräunt. Kaum
angegriffen sind dagegen die hellgrünen und weißen Gläser. 4 FRAGMENT EINES RITTERHEILIGEN
Die Verbleiung ist zu Teilen original. (HL. GEORG?) Fig. 224, Abb. 127
Ikonographie: Eine Gruppe von drei Reitern in Kettenhemden, H. 57 cm, B. 61 cm (54 cm ohne Randstreifen).
mit Brünnen besetzten Beckenhauben und Schilden sprengt Die mit alten Scherben gefl ickte Figur aus dem Allerheiligen-
mit erhobenen Lanzen und Wimpel nach rechts gegen den ima- fenster, nord VI, wurde später als Kopfscheibe in süd VI wie-
ginären Feind. Mangels eindeutiger Kennzeichnung lässt sich derverwendet. Von Matheis 1954 mit einem weißen Randstrei-
kein konkretes Ereignis aus der Kreuzlegende mit dieser Sze- fen versehen.
ne verbinden. In Frage kämen sowohl die Schlacht an der Mil- Erhaltung: Nicht nur die zahlreichen Flickstücke im Bereich
vischen Brücke als auch der Kampf des Kaisers Heraklius gegen des Oberkörpers und in der Bahnspitze machen es zunächst
den Perserkönig Cosdras. schwierig, die Figur überhaupt auszumachen. Hierzu trägt
Farbigkeit: Fahne, Schild und Beinlinge sind in gelbem, die auch der Umstand bei, dass das Feld heute auf dem Kopf steht,
Hemden in lindgrünem und rotem Farbglas ausgeführt. Helm das Haupt selbst aber von Matheis wiederum um 180 Grad ge-
und Brünne des vorderen Reiters waren ursprünglich wässrig dreht eingesetzt wurde. Auf der Innenseite der Gläser liegt eine
blau, weiß dagegen die beiden anderen Helme, der Schimmel locker haftende Rußschicht. Grüne, violette und bernstein-
und die Lanzen. Der Maßwerkrahmen des Medaillons ist in farbene Gläser haben durch außenseitigen Wetterstein ihre
Weiß und Grasgrün geschichtet. Transluzidität eingebüßt. Möglicherweise ist das Gesicht des
Technik: Die Musterung des Schimmels wurde außenseitig im Heiligen im Mauritanischen Bildersturm absichtlich zerstört
Halbton aufgetragen. Hervorzuheben sind die eigens eingeblei- worden.
ten Augen des vorderen Reiters. Ikonographie: Die jugendliche, mit einem Überwurf bekleidete
CVMA K 12554, Großdia K 00/20
Foto Marburg 1522723, 1522724 (DA)
Das Kapellenfenster bewahrt in seinen formal mit den Fensteröffnungen der südlichen Seitenschiffstirnwände über-
einstimmenden Maßwerken ornamentale Reste der Farbverglasung des zweibahnigen Langhausfensters süd V, die sich
bis zur Kriegsbergung noch in situ befanden (vgl. die historische Innenraumaufnahme Fig. 182). Die hier zugehörigen
Turmspitzen sind heute in den Sakristeifenstern eingebaut.
Das Weinrankenornament der beiden Lanzetten ist – wiederum unter Nutzung einer geringen Zahl alter Scherben – in
weiten Teilen eine freie Erfindung des Glasmalers Matheis, Frankfurt. Original ist lediglich eine der Kopfscheiben, die
einst den oberen Abschluss des Katharinenzyklus bildete.
4. GÖTZENDIENST VON PORPHYRIUS UND Bruchstücken gefl ickt und die Darstellung auf diese Weise bis
FAUSTINA Fig. 275 zur Unkenntlichkeit entstellt.
Durchmesser 39,5 cm. Ikonographie: Die Szene lässt sich nur mehr anhand der Kriegs-
Inv. Nr. C 89/82. bergungsaufnahme beschreiben. Das Kaiserpaar kniet mit er-
Ehemals Lhs. süd V; vgl. hierzu die historische Aufnahme im hobenen Händen vor dem Götzenbild, das auf einem marmor-
Anhang zu den verlorenen Scheiben (Fig. 275). nen Sockel kauert. Die Statue ist als satanisches Mischwesen
Erhaltung: Im ausgehenden 18. Jh. wurde das dem Kathari- mit Hörnern wiedergegeben, das ein Zepter in Händen hält.
nenzyklus zugehörige Feld verstümmelt und als Flickstück für Im Hintergrund erkennt man die Köpfe zweier weiterer Ado-
den Maßwerkdreipass in Lhs. süd VI wiederverwendet. Hier- ranten.
von hat Matheis das Medaillon herausgeschält, mit zahllosen Foto Marburg 1522693
29. FRAGMENT EINER WEINRANKE Abb. 162 Jh. erfolgten Neuanfertigung von Glasmalereien für den Chor
H. ca. 24 cm, B. ca. 17 cm. der Hersfelder Stadtkirche durch die Marburger Glasmalerei-
Ohne Inventarnummer. werkstatt K. J. Schultz Söhne ausgeschieden und dem Museum
Das Bruchstück stammt aus einem Rechteckfeld des Katha- überwiesen.
rinenzyklus und wurde möglicherweise mit der im späten 19. CVMA R 129,10, Großdia JJ 01/258
Unter den vielen Glasmalereien, die am Ende des 18. und im frühen 19. Jahrhundert aus verschiedenen Kirchen des
Landes zur Ausstattung der neugotischen Kapelle in der Löwenburg zusammengetragen worden sind, befinden sich
noch dreizehn figürliche und zehn architektonische Rechteckfelder aus Hersfeld. Drei davon sind normalerweise in
den Fenstern der Sammlungsräume untergebracht. Sämtliche Felder waren zum Zeitpunkt der Untersuchung ausge-
baut, sollen aber nach erfolgter Instandsetzung der Löwenburg wieder dorthin zurückgeführt werden.
1. KONSTANTIN ZIEHT MIT DEM KREUZ IN DIE Ikonographie: Die Legenda aurea erzählt von dem Traum
SCHLACHT AN DER MILVISCHEN BRÜCKE(?) Konstantins, wonach er die Schlacht an der Milvischen Brücke
Fig. 228f., Abb. 136 gegen Maxentius gewinnen werde, wenn er dabei das Zeichen
H. 79 cm, B. 62 cm (45,5 cm ohne modernen Randstreifen). des Kreuzes mit sich führe (vgl. Benz 91979, S. 352f.). Kons-
Inv. Nr. 4.2.586. Kapelle Chor west I, 4a. tantin reitet auf einem Schimmel, mit seiner Linken das Kreuz
Erhaltung: Die starke Korrosion, insbesondere an den grünen
Blättern, am dunkelblauen Blattrankengrund und den Inkar-
nattönen, hat zu einem Verlust der Lichtdurchlässigkeit ge-
führt. An der Außenseite befindet sich ein flächiger rostbrau-
ner Wettersteinbelag, gegen den sich das farblose Glas noch am
beständigsten erweist. Das Rosenrankenornament ist umfas-
send ergänzt, von der Szene innerhalb des Medaillons dagegen
lediglich die Brücke sowie die Hinterbeine eines Pferdes. Bei
der Neuverbleiung wurden mehrere Kopfstücke verkehrt ein-
gesetzt.
hinzuerfunden. Neben verbräunten weißen und grasgrünen ausbildenden Strebebögen. In der mittleren Öffnung ein vor
Farbgläsern ist auch das gelbe Farbglas korrodiert; die Violett- Blattkaros aufwachsender Rosenstrauch.
töne sind dagegen vergleichsweise gut erhalten. Farbigkeit: Vor hellblauem Efeurankengrund eine ausgespro-
Ikonographie: Zwei unter einem Doppelgiebel heranfl iegende chen bunte Architekturfassung aus rosavioletten, gelben, blau-
Engel halten mit je einer Hand gemeinsam einen Ring, der ur- en, grünen und weißen Einzelteilen, im Erscheinungsbild heute
sprünglich das obere Ende der mit szenischen Darstellungen durch Korrosion der rosavioletten und blauen Farbgläser sowie
gefüllten Medaillonkette bildete. Hinter den krabbenbesetzten durch falschfarbige Ergänzungen gestört.
Giebeln liegt ein diamantiertes Quadermauerwerk mit farbiger CVMA HD 1043, 1047, A 12448f.
Verfugung, darüber zwei oktogonale Turmuntergeschosse mit
schlanken Lanzettfenstern und Maßwerkbalustrade. 10. TURMARCHITEKTUR MIT FIEDELNDEM ENGEL
Farbigkeit: Vor rotem Grund Engel mit grünem Hemd und Fig. 238f., Abb. 143
weißer Tunika. Farblich stark differenzierte Architektur, vor H. 108 cm (Originalbestand bis auf 81,5 cm Höhe), B. 62 cm.
allem Maßwerkfüllungen hellgrün, in den Oktogonen »Schat- Inv. Nr. 4.2.551. Kapelle Lhs. nord IV, 1a.
tierung« der Seiten mit blassrosa und rosavioletten Tönen, Fu- Erhaltung: Die Glasmaler haben bei der Neuordnung der Farb-
gen rosaviolett. verglasung auf der Löwenburg das Rechteckfeld im späten 19.
CVMA HD 1042, 1046, 1057 (DA), 1059 (DA), A 12446f. Jh. um einem fiktiven Turmaufbau verlängert. Die Schnittstelle
Fig. 241. ES Löwenburg, Nr. 12. Fig. 242. ES Löwenburg, Nr. 13.
M 1:15 M 1:15
Fig. 245. ES Löwenburg, Nr. 15. 17. DIE BESTRAFUNG DES STANDBILDES
M 1:15 Fig. 208, 247, Abb. 159
H. 81 cm, B. 60 cm. – Inv. Nr. 4.2.571. Sammlungsraum.
Erhaltung: Alt sind nur noch das Standbild des Hl. Nikolaus,
Farbigkeit, Technik: Der Kaiser in rotem Mantel, seine Bein- ein Teil der Doppelarkade und der Truhe sowie der Kopf des
kleider zitronengelb. Katharina im grasgrünen Kleid und ame-
thystfarbenen Mantel mit weißem Hermelinfutter; Nimbus rot
mit weißem Perlband. Gewänder der Schergen gelb. Das Ge-
wand Katharinas und der Mantel des Henkers sind außenseitig
mit Blütenkaros gemustert.
CVMA A 12417, Großdia A 99/181
Juden. Der mehrfach gebrochene Kopf des Nikolaus ist dou- 19, 20. ZWEI TURMOKTOGONE Fig. 249f., Abb. 157f.
bliert, die Gesichtszeichnung des Juden wurde nachgezogen. H. 107,5/108 cm, B. je 62 cm.
Alle alten Gläser weisen erheblichen Lochfraß auf oder sind Inv. Nr. 4.2.553 und 4.2.557. Kapelle Lhs. nord IV, 3a/b.
flächig verwittert; die Truhe wurde wohl falsch zum Sockel Erhaltung: Original ist jeweils nur das obere Viertel des Recht-
ergänzt. Bei der letzten Restaurierung ersetzte man den origi- eckfeldes, das ursprünglich mit der unteren Turmhelmhälfte
nalen Schollenboden durch Blankglas. ein zusammengehörendes Feld bildete. Die Restauratoren des
Ikonographie: Jacobus de Voragine erzählt die Geschichte eines 19. Jh. haben bei der Neuordnung der Farbverglasung das
reichen Juden, der sein Vermögen von einem Standbild des Hl. Turmstück um einen fiktiven Turmunterbau verlängert. An
Nikolaus bewachen ließ. Trotz der angeblichen Wunderwirk- den blauen Farbgläsern partieller Lochfraß, violette Farbgläser
samkeit des Bildes wird dessen Habe aber von Dieben geraubt. erblindet.
Als der Bestohlene dies erkennt, schlägt er wutentbrannt auf Farbigkeit, Ornament: Pfeiler mit silbergelben und schwarz
das Standbild ein und fügt ihm großen Schaden zu (vgl. Benz konturierten Fugen, Kapitelle grün und violett(?), Turmok-
9
1979, S. 32f.). Im Tulenhaupt-Fenster des Freiburger Münsters togon mit roten Kreuzblattkaros gefüllt, hellblaue Blattqua-
hat sich eine entsprechende Darstellung aus der Zeit um 1330 drate.
erhalten 79. CVMA HD 1044, 1048, A 12455f.
Farbigkeit: Der feuerrote Kopf des Juden aus dünnem Über-
fangrot, Krümme und Dalmatik bernsteingelb, Pallium, Bi-
schofsstab, Tunizella und Pontifikalhandschuhe weiß, Truhe
mit silbergelber Front und gelber Deckplatte.
CVMA A 12464, Großdia A 99/187
Fig. 248. ES Löwenburg, Nr. 18. 79 Vgl. Geiges 1931/33, S. 147, Abb. 370. Siehe hierzu auch die Aus-
M 1:15 führungen zum Sakristeifenster nord III, 1 in Hersfeld.
240 hersfeld . stadtkirche
23. RÄDERUNG DES HL. GEORG Fig. 253, Abb. 160 Fig. 253. ES Löwenburg, Nr. 23.
H. 79,5 cm, B. 60 cm. M 1:15
Inv. Nr. 4.2.575. Sammlungsraum.
Erhaltung: Der blaue Grund wurde weitgehend erneuert, ebenso
die Figur des linken Schergen und einige Teile des Folterrades. 24. SCHERBENFRAGMENTE Abb. 161
Der Architekturrahmen ist dagegen zu großen Teilen intakt. Mehrere Dutzend ungeordneter Scherben aus dem Bestand der
Die wenigen Inkarnattöne zeigen eine starke Verbräunung, das Hersfelder Langhausverglasung, die im Zuge der Nachkriegs-
Überfangrot partiellen Lochfraß. Korrosion liegt auch auf den restaurierung durch Richard Süssmuth, Immenhausen, ausge-
mit Silbergelb differenzierten weißen Gläsern. Die Zeichnung schieden wurden, sind in einer Kiste in den Depoträumen des
in den originalen Partien der Soldatengruppe und des Bodens Schlosses verwahrt.
ist mit dickflüssiger rotbrauner Farbe nachkonturiert. CVMA KB Dia
Die Kriegsbergungsaufnahmen der Hersfelder Farbverglasung sind ein wichtiges Dokument, da sie einerseits Grund-
lage der hier vorgelegten Rekonstruktion sind (Fig. 183, 207), andererseits auch ein Zeugnis für den rabiaten Um-
gang mit den mittelalterlichen Originalen im späten 18. Jahrhundert. Die mit dem Kirchenbrand von 1952 zerstörten
Glasmalereifragmente werden daher an dieser Stelle ergänzend behandelt und abgebildet. Bei den Ornamentscheiben
genügte es, jeweils nur ein Rechteckfeld und eine Kopfscheibe zu erwähnen; ihr tatsächlicher einstiger Umfang er-
schließt sich aus den Rekonstruktionszeichnungen. Die Negative befinden sich bei Foto Marburg (1522677–1522737).
Chorverglasung
4. KREISROSETTE MIT EFEUBLÄTTERN Fig. 256 füllung im gleichen Fenster eingefl ickt.
Ehemaliges Rechteckfeld in Chor nord III, später als Kopf- Ornament: Typus F (s. S. 208). Foto Marburg 1522737
scheibe eingefl ickt in Chor süd II.
Ornament: Typus B (s. S. 207). Foto Marburg 1522686 14. LILIENRAUTEN Fig. 261
Ehemalige Dreipassfüllung in Chor süd IV, später versetzt nach
5. KREISROSETTE MIT EFEUBLÄTTERN Fig. 257 nord II. Der rechte Passlappen ist aus verschiedenen Flickstü-
Ehemalige Kopfscheibe in Chor nord III, später eingefl ickt in cken zusammengesetzt.
Chor nord II. Ornament: Typus F (s. S. 208). Foto Marburg 1522685
Ornament: Typus B (s. S. 207). Foto Marburg 1522702
15. ARCHITEKTURBEKRÖNUNG MIT GIEBEL VOR
6. GEGENSTÄNDIGE PAPAGEIEN UND DRACHEN TURMHELM Fig. 266
Fig. 258 Ehemaliges Rechteckfeld in Chor süd IV, später eingefl ickt als
Ehemaliges Rechteckfeld in Chor nord II, später als Dreipass- Kopfscheibe in Lhs. süd VIII. Seitlich angestückt mit Borten.
füllung in Lhs. süd IX eingefl ickt. Ein großes Fehlstück am Foto Marburg 1522703
rechten Papagei ist wahrscheinlich im früheren 19. Jh. mit Öl-
farben auf farblosem Glas ergänzt worden. Das zerschnittene 16. HERZFÖRMIGE WEINRANKEN MIT SCHWEREN
Rechteckfeld hat man seitlich mit Borten angestückt. TRAUBEN Fig. 267
Ornament: Typus C (s. S. 206f.). Foto Marburg 1522705 Ehemalige Kopfscheibe in Chor I oder Teil einer einst bogen-
förmig sich über drei Bahnen ziehenden Weinrankenborte eines
7. PAPAGEI ÜBER DRACHENPAAR Fig. 259 südlichen Langhausfensters. Bis 1952 in Chor I eingesetzt.
Ehemalige Kopfscheibe in Chor nord II, später eingefl ickt in Foto Marburg 1522682
Chor nord III. Die Aufnahme zeigt die geringfügig gefl ickte
Scheibe mit bereits flächig verlorener Schwarzlotkontur.
Ornament: Typus C (s. S. 206f.). Foto Marburg 1522679 Vita-Christi-Fenster
8. ARCHITEKTURBEKRÖNUNG EINES RIESEN 17. DREIPASS MIT HIMMELFAHRT CHRISTI Fig. 268
MIT FLANKIERENDEN FIALEN Fig. 260 Die vornehmlich auf die Köpfe beschränkten Flickungen
Ehemaliges Rechteckfeld in Chor nord II, später als Kopfschei- könnten darauf hindeuten, dass das Antlitz Christi im Mauri-
be eingefl ickt in Lhs. süd VIII. Seitlich angestückt mit Borten tanischen Bildersturm, Anfang des 17. Jh., mit Absicht zerstört
aus dem gleichen Fenster bzw. einem mit Krabben besetzten wurde. Eine in der Bildmitte befi ndliche Rosette ist wohl in
Turmstück aus Chor süd IV. Vgl. Nr. 14. Anlehnung an die beiden anderen Dreipässe nachträglich ein-
Foto Marburg 1522699 gefügt worden.
Ikonographie: Dargestellt war der segnende Christus, der von
9. ARCHITEKTURBEKRÖNUNG EINES RIESEN vier seitlichen Engeln auf einem Tuch emporgetragen und zu-
MIT FLANKIERENDEN FIALEN Fig. 261 gleich von dem oben fl iegenden Engelspaar gekrönt wurde. Die
Ehemaliges Rechteckfeld in Chor nord II, später als Dreipass- Himmelfahrtsszene lässt auf eine Vita Christi oder Passions-
füllung eingefl ickt in Chor süd IV. Seitlich angestückt mit Bor- erzählung in den Langbahnen denken, von der sich – vielleicht
ten aus dem gleichen Fenster. Foto Marburg 1522737 auch als Folge des Bildersturms – sonst nichts mehr erhalten
hat. Foto Marburg 1522729
10. WEINRANKEN ZWISCHEN RAUTENBÄNDERN
Fig. 262 18. DREI ENGEL MIT WEIHRAUCHFASS, KERZE
Ehemaliges Rechteckfeld in Chor süd II, später als Kopfscheibe UND GEIGE Fig. 269, 284
eingefl ickt in Lhs. süd IX. Der seitliche Dreipass saß zusammen mit der zentralen Him-
Ornament: Typus D (s. S. 207). Foto Marburg 1522708 melfahrtsszene (Nr. 17) im Couronnement des Vita Christi-
oder Passionsfensters. Der von einem Engel gehaltene Ster-
11. KREISROSETTEN MIT EFEUBLÄTTERN UND nenkranz war nach Wille mit einem Halbmond gefüllt, das
STERNEN Fig. 263 nach dem Vorbild des linken Dreipasses vollkommen erneuerte
Ehemaliges Rechteckfeld in Chor süd III, später als Dreipass- Pendant enthielt dagegen eine Sonne 80 . Zusammen mit den At-
füllung eingefl ickt in Lhs. süd VII, jetzt Vitaliskapelle nord I, tributen der Engel stünden damit die beiden unteren Dreipässe
3b. Seitlich angestückt mit Ornamentfragmenten aus Chor süd noch im thematischen Bezug zu Tod und Grablegung des Erlö-
II (Typus D; s. S. 207). sers in den anschließenden Langbahnen.
Ornament: Typus E (s. S. 207). Foto Marburg 1522697 Foto Marburg 1522730
Fig. 254–265. Verlorene Scheiben Nr. 1, 2/3, 4 (und Städt. Museum Nr. 2), 5, 6, 7, 8, 9/14, 10, 11, 12, 13 (und Städt. Museum Nr. 1).
hersfeld . stadtkirche 243
Fig. 266–277. Verlorene Scheiben Nr. 15, 16, 17, 18, 19/25, 20/34, 21, 22, 23, 24 (und Städt. Museum Nr. 4), 26, 27/28.
244 hersfeld . stadtkirche
Fig. 278–286. Verlorene Scheiben Nr. 30, 32, 31 (Details), 30, 32, 31, 18 (Detail), 36, 29/33/35.
hersfeld . stadtkirche 245
Lhs. süd VI eingefl ickt. Die Aufnahme zeigt das Fragment von 26. DREI KOPFSCHEIBEN MIT WEINSTÖCKEN
der Außenseite. Der Bogenansatz unterhalb der Fußlinie deu- Fig. 276
tet auf die bahnübergreifend angelegte Architekturanlage des Nach dem Brand hat Matheis Teile hiervon im Fenster nord III
Fensters hin. Foto Marburg 1522695 der Vitaliskapelle wiederverwendet. Die Aufnahme dokumen-
tiert den bereits eingetretenen, nahezu flächigen Verlust der
20. FRAGMENT EINER HEILIGEN MIT KREUZ Schwarzlotzeichnung. Von anderer Hand stammt die Kopf-
(HL. HELENA?) Fig. 271 scheibe der Mittelbahn, die möglicherweise eine spätere, aber
Das Rechteckfeld war zu einem späteren Zeitpunkt im gleichen noch mittelalterliche Ergänzung darstellt.
Fenster als Kopfscheibe wiederverwendet worden. Erkennbar Foto Marburg 1522732
ist der lange, mit Hermelin gefütterte Mantel und ein schwe-
bender Balken, der von einer linken Hand gehalten wird. Der
schwarze Punkt auf Höhe des Suppedaneums deutet ebenso Kreuzlegendenfenster
wie der Hermelinbesatz auf die Identifikation der Figur mit
Helena hin, die das Hl. Kreuz aufgefunden haben soll. 27. DREI REITER MIT LANZEN Fig. 277
Foto Marburg 1522728 Das einstige Rechteckfeld des Kreuzlegendenfensters wurde
später als Kopfscheibe in dasselbe Fenster eingefl ickt. Nach
21. DREIPASS MIT EICH- UND BÄRENKLAU- Kriegsende offenbar in der Sakristei aufbewahrt, hat Matheis
BLÄTTERN Fig. 272 das Figurenfeld ausgeschält und dort eingesetzt. Die Aufnahme
Von Matheis unter Wiederverwendung der mittigen Blüte zeigt das nur in diesem Fragment dokumentierte, ursprünglich
überwiegend erneuert und in den Vierpass von Chor süd IV halbkreisförmige Gelenkstück, wodurch die einzelnen Figu-
eingefl ickt. Vgl. Fig. 192, Abb. 119. Foto Marburg 1522726 renfelder wie eine Kette zusammengeschlossen wurden.
Foto Marburg 1522723
22. VIERPASS MIT EICH- UND BÄRENKLAU-
BLÄTTERN Fig. 273 28. KOPFSCHEIBE MIT TURMSPITZE
Die vierpassförmige Blüte mit doppeltem Blattkranz war um- UND ROSENBLÜTEN Fig. 277
fassend gefl ickt. Foto Marburg 1522725 Das Feld bildete den oberen Abschluss der etwas erhöhten Mit-
telbahn des Kreuzlegendenfensters. Nach unten fand die Schei-
be unmittelbar Anschluss an die Turmarchitektur mit fiedeln-
Katharinenfenster dem Engel in der Löwenburgkapelle in Kassel-Wilhelmshöhe;
vgl. Fig. 238. Foto Marburg 1522723
23. HL. KATHARINA AM FOLTERRAD Fig. 274
Ehemaliges Rechteckfeld im Lhs. nord V, später als Dreipass- 29. KOPFSCHEIBE MIT TURMSPITZE Fig. 286
füllung eingefl ickt in Lhs. süd VI, seitlich angestückt mit wei- Ehemalige Kopfscheibe in einer Seitenbahn von Lhs. nord VII.
teren, heute fehlenden Resten von Figurenfeldern (vgl. Sakris- Im Gegensatz zur reicher ausgestatteten Mittelbahn waren die
teifenster nord III, 3). Die angeschnittene Darstellung eines Türme der Seitenbahnen lediglich von zwei Fialen flankiert.
Reiters zu Pferd deutet vielleicht auf die Szene mit der Abreise Foto Marburg 1522714
des Kaisers Maxentius hin (vgl. Benz 91979, S. 921).
Foto Marburg 1522692 30. DREIPASS MIT TRAUERNDER MARIA Fig. 278, 281
Ehemaliger linker Dreipass des Kreuzlegendenfensters. Maria
24. MAXENTIUS UND FAUSTINA OPFERN DEM kniet in einem von Rosen umschlossenen Medaillon mit fle-
GÖTZENBILD Fig. 275 hend erhobenen Armen am Boden, ihr Blick ist auf Christus am
Ehemaliges Rechteckfeld im Lhs. nord V, später als Dreipass- Kreuz gerichtet, der im oberen Dreipassfeld dargestellt war.
füllung eingefl ickt in Lhs. süd VI, seitlich angestückt mit wei- Foto Marburg 1522718, 1522720 (DA)
teren Resten von Figurenfeldern. Das mit Ölfarbe ausgebesserte
Figurenmedaillon wurde herausgeschält, von Matheis mit zahl- 31. DREIPASS MIT TRAUERNDEM JOHANNES Fig. 283
losen Bruchstücken gefl ickt und dem Hersfelder Stadtmuseum Pendant zur trauernden Maria im Maßwerk des Kreuzlegen-
überwiesen (vgl. Hersfeld, Städtisches Museum, Nr. 4). denfensters. Johannes kniet in einem von Rosen umschlossenen
Die Scheibe stellt wohl den Götzendienst des Kaiserpaars dar, Medaillon mit dem Buch in der einen Hand und stützt sich mit
mit welchem die Erzählung des Jacobus de Voragine zur Hl. der anderen den Kopf. Sein Blick richtet sich zu Christus am
Katharina anhebt (vgl. Benz 91979, S. 919). Kreuz, der im oberen Dreipassfeld dargestellt war.
Foto Marburg 1522693 Foto Marburg 1522721, 1522722 (DA)
25. GEFANGENNAHME DER HL. KATHARINA(?) 32. DREIPASS MIT CHRISTUS ALS BAUM
Fig. 270 DES LEBENS Fig. 279, 282
Das Figurenfeld aus dem Katharinenzyklus wurde später als Zentraler Dreipass des Kreuzlegendenfensters. Unter dem
Kopfscheibe in Lhs. süd VI wiederverwendet. Der verbliebene Nachlass Bickell verwahrt das Staatsarchiv Marburg ein ori-
Rest des Figurenmedaillons war bereits durch mehrere Flick- ginalgroßes Aquarell dieses Stückes von Carl Schäfer (bez.
stücke verunklärt. Rechts erkennt man Katharina mit schreck- Marburg, November 1873), jedoch etwas schematisiert und
haft erhobenen Händen, die ihr Haupt gegen die aufgebrachte, mit unrichtig wiedergegebenen Rosenblättern. Christus ist
von links auf sie einstürmende Gruppe wendet. an das lebende Kreuz genagelt. Es bildet das obere Ende des
Foto Marburg 1522695 Rosenstocks, der in den Lanzetten sinnbildlich die Szenen der
Kreuzlegende umrankt. Der Gekreuzigte vor blauem Grund
246 hersfeld . stadtkirche
mit gelbem Lendentuch und rotem Nimbus. In den Passlap- schreitet Sankt Nikolaus als Erster das Portal (vgl. Benz 91979,
pen liegen grüne Rosensträuche mit weißen Blüten vor rotem S. 27). Foto Marburg 1522714
Grund, das Maßwerk ist gelb; die blauen Blüten wurden von
Schäfer hinzuerfunden. 34. ARCHITEKTURFRAGMENT MIT BRENNENDER
Die Legende vom Hl. Kreuz als Baum des Lebens ist der Erzäh- KERZE Fig. 271
lung Jacobus’ de Voragine von der Kreuzauffindung vorange- Verlorenes Architekturfeld des Kreuzlegendenfensters, später
stellt (vgl. Benz 91979, S. 349–351). als Kopfscheibe eingefl ickt in Lhs. nord VI. Pendant zur Schei-
Foto Marburg 1522716, 1522717 (DA) be Nr. 18 in der Löwenburgkapelle (Inv. Nr. 4.2.555).
Foto Marburg 1522728
Unpubliziert.
Gegenwärtiger Bestand: Nach dem Brand der Hersfelder Stadtkirche im Jahr 1952 wurde die Frankfurter Glas-
malereiwerkstatt Lorenz Matheis mit der Instandsetzung der vor Ort verbliebenen Glasmalereien beauftragt. Vier
damals nicht wiederverwendete Fragmente aus Chor und Langhaus gelangten in das Städtische Museum.
Vorbemerkung zum Katalog: Die museal präsentierten Scheiben wurden im Oktober 2000 untersucht. Der ungüns-
tigen Aufnahmebedingungen wegen wurden für den Tafelteil jedoch die älteren Kriegsbergungsaufnahmen herange-
zogen.
Um 1320. Die Bearbeitung der drei Fragmente erfolgt unter dem ehemaligen Standort (s. S. 216).
3. Viertel 14. Jahrhundert. Die Scheibe wird unter ihrem ehemaligen Standort behandelt (s. S. 232).
EHEMALS HERSFELD · BENEDIKTINERKLOSTERKIRCHE
Bibliographie: Frank Löbbecke, Der Wiederaufbau der Klosterkirche Hersfeld im 11. und 12. Jahrhundert. Aktu-
elle bauarchäologische Untersuchungen in der Ostapsis, in: Centre. Region. Periphery. 3. Internationaler Kongress der
Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit, III, hrsg. von Guido Helmig, Barbara Scholkmann und Matthias Un-
termann, Hertingen 2002, S. 321–326, hier S. 324f., Abb. 5 (Grabungsfunde datieren in das 12. Jahrhundert); ders.,
Ausgrabungen in fünf Meter Höhe – Bauarchäologische Untersuchungen in der Stiftsruine Hersfeld, in: Hessenarchä-
ologie 2002, S. 152–155, hier S. 153–155, Abb. 184 (die ergrabenen Glasmalereifragmente des 12. Jahrhunderts wurden
infolge des Kirchenbrandes von 1761 zerstört); Sveva Gai, Glasfragmente aus der ehemaligen Stiftskirche in Hersfeld,
in: Canossa 1077 – Erschütterung der Welt. Geschichte, Kunst und Kultur am Aufgang der Romanik, Ausstellung im
Erzbischöflichen Diözesanmuseum u.a., Katalogband, München 2006, S. 134–136, Nr. 123 (datiert die Fragmente Ende
11./Anfang 12. Jahrhundert); dies., Les vitraux de l’église collégiale de Hersfeld (Hessen), in: Actes du Colloque »Le
verre dans l’architecture du haut Moyen-Âge du XIIe siècle en France: L’archéologie du vitrail et son décor«, Auxerre
14–15. juin 2006, Dijon 2008, im Druck (scheidet den Bestand in drei Gruppen aus der Zeit von 1040 bis um die Mitte
des 13. Jahrhunderts).
Gegenwärtiger Bestand: Im Februar 2001 fanden Archäologen bei Grabungen im Apsisbereich größere Mengen
von Glasmalereibruchstücken, die neben Inschriften auch ornamentale und figürliche Elemente zeigen. Die Gra-
bungsfunde werden in Bad Homburg, Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten, aufbewahrt. Ein Teil der
Scherben konnte noch während der Grabungskampagne im Februar 2001 vor Ort gesichtet und fotografiert werden.
Weitere Aufnahmen stellte Dr. Sveva Gai vom Landesmuseum für Archäologie und Bodendenkmalpflege in Münster
freundlicherweise zur Verfügung.
Geschichte des Baues: Der Mainzer Erzbischof Lull gründete das Kloster im Bereich der von Sturm angelegten
Einsiedelei. Bereits 775 wurde es von König Karl, der von hier aus die Unterwerfung und Missionierung der Thüringer
und Sachsen betrieb, zur Reichsabtei erhoben und in der Folge wiederholt mit kaiserlichen Privilegien und Schen-
kungen ausgestattet, welche die Grundlage für die wirtschaftliche und politische Blüte des Klosters in hochmittel-
alterlicher Zeit bilden sollten. Ein spätkarolingischer, im Jahr 850 dem Hl. Wigbert und den Aposteln Simon und Judas
Thaddäus geweihter Neubau wurde beim Kirchenbrand von 1037/38 vollständig zerstört1. Bis 1040 konnten bereits
Chor und Krypta neu geweiht werden, die Schlussweihe des Baues erfolgte jedoch erst 1144. Nach dem gescheiterten
Versuch Abt Bertolds II. im Jahr 1378, die Stadt in einer »Nacht- und Nebelaktion« zu unterwerfen, plünderten die
Bürger Klosterbezirk und Kirche und zerstörten dabei auch Glasmalereien (s. Reg. Nr. 46). Im Siebenjährigen Krieg
wurde die Kirche von den abziehenden Franzosen in Brand gesteckt und seitdem nicht wieder aufgebaut.
Der ruinöse, in seinen gewaltigen Ausmaßen jedoch immer noch beeindruckende Bau ist eine doppelchörige Anlage
mit im Osten weit vorspringendem Querhaus. Der über einem Eingangsportal gelegene Westchor befindet sich zwi-
schen einer Doppelturmfassade. Von dem basilikalen Langhaus haben sich noch die Seitenschiffmauern erhalten, die
in regelmäßiger Abfolge mit Rundbogenöffnungen durchfenstert sind. Das Querhaus ist in voller Höhe erhalten und
besitzt halbrunde Nebenapsiden mit darüber befindlichen Vierpassfenstern. Der Langchor trägt an den Seiten eine
Blendarkatur mit rundbogigen Obergadenfenstern; er ist heute auf das Bodenniveau der einstmals überwölbten, drei-
schiffigen Hallenkrypta eingebrochen. Die halbrunde Hauptapsis, der Fundort der Glasmalereifragmente, zeigt ein
leicht vergrößertes Mittel- und zwei Flankenfenster.
1 Mit den Ergebnissen der jüngsten Ausgrabung konnten die lange an- Zur Baugeschichte s. Dieter Grossmann, Die Abteikirche zu Hersfeld,
dauernden Kontroversen zur Frage, ob der bestehende Kirchenbau und Kassel/Basel 1955 (karolingische These); Hans Feldtkeller, Eine bis-
insbesondere seine Ostteile, noch aus karolingischer oder bereits aus her unbekannte karolingische Großkirche im Hersfelder Stift, in: Deut-
salischer Zeit stammen, endlich beigelegt werden. In den Kryptenmau- sche Kunst und Denkmalpflege 22, 1964, S. 1–19; Günther Binding, Die
ern und Spannfundamenten des Ostbaus wurden karolingische Spolien karolingisch-salische Klosterkirche Hersfeld, in: Aachener Kunstblätter
und Werksteine mit ottonischer Inschrift wiederverwendet (Auskunft 41, 1971, S. 189–201 (salische These). Eine kritische Zusammenfassung
von Sebastian Scholz, Zürich). Hierzu Löbbecke 2002 (s. Bibl.), S. 322. der Forschungsgeschichte liefert Wiegand 1999, S. 124–142.
248 ehemals hersfeld . klosterkirche
Fig. 287. Hersfeld, Benediktinerkloster. Historische Ansicht aus: Wilhelm Dilich, Hessische Chronica, 1605.
Technik: Die Beschaffenheit und die künstlerisch hervorragende Qualität der Bemalung lässt auf voll entwickeltes
Glasmalereihandwerk schließen. Neben weißen wurden tiefblaue, gelbe und grüne, sowie violette und rote Gläser
verwandt. Gemusterte Schuhe, Palmetten und Marmormuster zeigen den Einsatz der Negativtechnik.
Stil, Datierung: Die Glasmalereien stammen aus den drei großen Apsisfenstern des salischen Baus, müssen aber
nicht notwendig schon immer dort gesessen haben. Denn da sich unter den ergrabenen Gläsern auch reichlich Butzen
und neuzeitliches Blei fanden, wäre es immerhin denkbar, dass man in barocker Zeit die noch intakten Reste mit-
telalterlicher Glasmalerei, wie auch andernorts vielfach geschehen, in den Chorfenstern zusammengetragen und in
eine moderne Butzenverglasung integriert hat. Möglicherweise steht die Neuordnung des Bestandes im Zusammen-
hang mit der Zerstörung der Glasmalereien durch ein Hagelunwetter, wie dies aus einem Bericht des Stiftspfarrers an
die Landesregierung in Kassel von 1719 hervorgeht (siehe Reg. Nr. 47). Genaue Anhaltspunkte zu Entstehungszeit
oder zu Bildinhalten lassen sich aufgrund des sehr fragmentarischen und formal wenig aussagekräftigen Materials
nicht gewinnen 2 . Gai schlägt eine Aufteilung des Bestandes in eine frühe (um 1040), mittlere (Mitte 12. Jh.) und eine
späte Gruppe (Mitte 13. Jh.) vor, die sich vorwiegend an den überlieferten Daten zur Baugeschichte orientiert 3. Mir
scheint dagegen eine über das 12. Jahrhundert hinausgehende Eingrenzung nicht möglich zu sein. Bei einem Großteil
der Fragmente (Palmetten- und Perlbänder, Blattfragmente, rote Ziegel, Mauern, Marmorinkrustation und Rosetten)
handelt es sich um geläufige, im 12. und 13. Jahrhundert kaum variierte Schmuckformen. Neben den christologischen
Scheiben in der Sammlung nassauischer Altertümer in Wiesbaden, die um 1180/90 datieren und hier und da ähn-
liches Formengut aufweisen, ist vor allem eine Gegenüberstellung mit den Resten der um 1160/70 anzusetzenden
Chorverglasung von St. Patrokli in Soest aufschlussreich: Hier finden wir nicht nur die großen Blattpalmetten mit
kreuzschraffierten Blattunterseiten, sondern auch die schraffierten und mit Steinen besetzten Randborten oder die
»punzierten« Schrifthintergründe wieder, die möglicherweise eine in der Goldschmiedekunst angewandte Technik
reflektieren4. Doch gibt sich die Hersfelder Verglasung gegenüber Soest, soweit das Erhaltene diese Rückschlüsse
überhaupt erlaubt, insgesamt reicher und sorgfältiger in der Ausführung. Leider fehlen figürliche Darstellungen; ein-
zig ein schmuckvoll verziertes Paar Schuhe sowie Fragmente von Gewandborten weisen darauf hin, dass solche ein-
mal vorhanden gewesen sein müssen 5. Nun begegnen Schuhe in nahezu identischer Bildung im Evangeliar Heinrichs
des Löwen, das um 1188 in Helmarshausen angefertigt wurde. Mit einem heute in Kassel aufbewahrten Hersfelder
Graduale und Sakramentar ist aber zugleich die Tätigkeit des Helmarshausener Skriptoriums nach der Mitte des 12.
Jahrhunderts für Hersfeld belegt 6: Von anderer Seite hatte Korn auf die Zusammenhänge der Soester Glasmalerei in
St. Patrokli und der Helmarshausener Malerschule aufmerksam gemacht7. So wäre es grundsätzlich denkbar, dass sich
die Kontakte zwischen beiden Klöstern im Anschluss an die Fertigstellung des Kirchenbaus (Schlussweihe 1144) auch
auf die anstehenden Ausstattungsfragen ausgedehnt haben. Wenn auch die stilistischen Zusammenhänge und die Frage
ehemals hersfeld . klosterkirche 249
Fig. 288. Hersfeld, Blick nach Osten in die Ruine der Klosterkirche.
nach der Herkunft der Glasmalereien hier nur unbefriedigend beantwortet werden können, so gewährt zumindest die
Form der Inschriftenfragmente eine gewisse Datierungssicherheit, die eine Einordnung in das späte 12. Jahrhundert
erlaubt (1170–1200); einzelne Stücke wären möglicherweise auch früher zu datieren 8 . In den Inschriftenbändern wird,
wie bei den Palmettenbändern, ein ausgesprochen dekorativer Sinn der Werkstatt fassbar, Ornamente und Buchstaben
sind von einem feinen Liniendekor begleitet 9. Der teilweise bogenförmige Zuschnitt deutet hier, wie in St. Patrokli, auf
ein die Figurenmedaillons rahmendes Schriftband hin.
2 In einem Chorfenster(?) befand sich vielleicht einstmals das Bild lässlich einer Bauaufnahme gefunden worden waren, müssen als verlo-
einer Schwurhand, von dem Wilhelm Wille, Nachricht von der ehe- ren gelten. Sabine Kauffmann, Historisches Museum der Pfalz, Speyer,
mals berühmten und nun in ihren Ruinen liegenden Stiftskirche zu sei an dieser Stelle für die frdl. Auskunft gedankt.
Hersfeld, Hersfeld 1789, S. 12f., zu berichten weiß: »Auf demselben 6 Das heute in Kassel befi ndliche Hersfelder Graduale und Sakra-
[Vierungsturm] befand sich die in Winkelmanns Hessischer Chronik mentar enthält nur noch wenige und stark verstümmelte Miniaturen
beschriebene kupferne und vergoldete Hand, welche auch in einem (Kassel, Universitätsbibliothek, Landesbibliothek und Murhardsche
oben hinter dem Hochaltar befi ndlichen Cammer, in einem gewölbten Bibliothek der Stadt Kassel, 2o Ms. theol. 58. Abb. bei Baumgärtner
Fenster derselben gemahlt zu sehen gewesen ist, deren zween Finger 2003, S. 101. Das Helmarshausener Skriptorium produzierte vermut-
als schwörend in die Höhe gerichtet waren (...)«. Zitiert nach Thomas lich auch Handschriften für Hersfeld. Hierzu Hartmut Hoffmann,
Wiegand und York-Egbert König, Bad Hersfeld einst und jetzt, Hu- Bücher und Urkunden aus Helmarshausen und Corvey (Monumenta
sum 1998, S. 68. Germaniae historica, Studien und Texte 4), Hannover 1992, S. 24f.
3 Sveva Gai vom Landesmuseum für Archäologie und Bodendenkmal- 7 Wiederum Korn 1967, S. 64–74.
pflege in Münster stellte mir freundlicherweise ihr Publikationsmanu- 8 Ich danke Sebastian Scholz, ehemals Inschriftenkommission der
skript zu den Glasmalereifunden in Hersfeld vorab zur Verfügung. Mainzer Akademie der Wissenschaften, für die gewährte Amtshilfe.
4 Vgl. hierzu Korn 1967, Abb. 30 (kreuzschraffierte Borte) und Abb. 9 Solche manieristischen, als Initialschmuck auch in Handschriften
41f. (schraffierte Blattpalmetten und punktierte Inschriften). üblichen Verzierungen bleiben freilich nicht auf Beispiele des 12. Jahr-
5 Die für einen Vergleich sicher aufschlussreichen Scherbenfunde im hundert beschränkt, sie begegnen etwa auch in den Schriftbändern der
bautypologisch verwandten Salierbau der Benedikterklosterkirche zu gegen 1220/30 zu datierenden Wurzel-Jesse-Medaillons im Freiburger
Limburg an der Haardt, welche von dem Architekten W. Manchot an- Münster. Abb. in DGM I, 1995, S. 75.
250 ehemals hersfeld . klosterkirche
Fig. 291. Fragmente von Schmuckschuhen, Schuppenpanzer und Fig. 292. Scherben farbiger Gewandteile, Dachziegel, Blattformen
Perlbandborten. und Hintergrundornamente.
Fig. 289–292. Grabungsfund (2001) aus dem Chor der Stiftsruine Hersfeld. Um 1170–1200.
Bad Homburg, Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten (deponiert).
IMMENHAUSEN · STADTKIRCHE
Bibliographie: Christoph von Rommel, Über Quellen und Hülfsmittel der hessischen Geschichte, in: ZHG 1, 1837,
S. 77–119, hier S. 116 (die Glasmalereien der Stadtkirche sind teils zersplittert, einige davon befinden sich auf der
Löwenburg in Kassel-Wilhelmshöhe); Lotz 1862, S. 314 (erwähnt Reste mittelalterlicher Glasmalereien); Dehn-Rot-
felser/Lotz 1870, S. 117f., 356 (mehrfach, zuletzt im Jahr 1824, sind Glasmalereien zur Ausschmückung der Kapelle
auf der Löwenburg herausgenommen worden; von den damals noch etwa fünfzig vorhandenen Feldern soll ein Sturm
im Jahr 1827 die besten Stücke vernichtet haben); Hochhuth 1872, S. 161 (folgt Dehn-Rotfelser/Lotz); Schä-
fer/Rossteuscher 1885, Taf. 20f. (farbige Wiedergabe mehrerer Ornamentfelder); N. J. H. Westlake, A History of
Design in Painted Glass, IV, London/Oxford 1894, S. 141 (zeichnerische Wiedergabe zweier Ornamentfelder aus dem
Chor); Heidelbach 1909, S. 245 (einige Glasmalereien auf der Löwenburg stammen aus Immenhausen); Holtmeyer
1910, S. 347 (wie Heidelbach); Sherrill 1927, S. 71 (sah in einem Südfenster des Chors noch Reste eines »biblischen
Fensters« aus der Zeit um 1500 und vergleicht das Rahmensystem mit dem Achsenfenster der Hannoveraner Markt-
kirche); Dehio Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Hessen-Nassau, neu bearbeitet von Ernst Gall, Berlin
1942, S. 33 (Reste von Glasmalereien aus Gotik und Renaissance, weitere Teile befinden sich auf der Löwenburg);
Friedrich-Karl Baas, Fakten zur Geschichte der Stadt Immenhausen (Gemeinde-Nachrichten für die evangelischen
Kirchengemeinden Immenhausen und Mariendorf. Sonderausgabe), Kassel 1966, S. 14f. (Daten zur Restaurierung der
Glasmalereien); Brigitte Warlich-Schenk/Emanuel Braun, Kulturdenkmäler in Hessen. Kreis Kassel I (Denkmal-
topographie Bundesrepublik Deutschland), Braunschweig/Wiesbaden 1988, S. 397f. (bezeichnen sämtliche Chorfens-
ter irrtümlich als Neuschöpfungen des 20. Jahrhunderts).
Gegenwärtiger Bestand: Im zweibahnigen Chorfenster nord II befinden sich gegenwärtig noch 13 ornamentale
Rechteckfelder sowie ein Maßwerkzwickel aus der Zeit des Chorneubaus (Fig. 324–326, Abb. 173f.). Das Achsenfens-
ter hat allein im Maßwerk einen Blattzwickel bewahrt (Fig. 323). Reste weiterer Ornamente wurden nach dem Krieg im
Rundfenster oberhalb des Westportals zu einer Neukomposition zusammengefasst (Fig. 327, Abb. 172). Die Mehrzahl
der 17 teilweise stark in Mitleidenschaft gezogenen Figurenfelder aus dem Achsenfenster werden im Immenhausener
Glasmuseum ausgestellt (Fig. 328f., Abb. 175–179, 181f.). Dort sind auch die Reste eines weiteren Ornamentfensters
(Fig. 330, Abb. 180), das hessische Landgrafenwappen (Fig. 310, Abb. 185) sowie eine Kiste mit Bruchstücken alter
Glasmalerei deponiert (Abb. 183). Schließlich wurden sechs Heiligenstandfiguren und zwei in Maßwerkmedaillons
gerahmte Engelsköpfe für die Fenster der Löwenburgkapelle auf Schloss Wilhelmshöhe in Kassel wiederverwendet
(Fig. 295–300, 302–309, Abb. 164–171).
Geschichte des Baues: Die Baugeschichte der Kirche spiegelt das politische Schicksal der Stadt im Spannungsfeld
zwischen hessischer Landgrafschaft und Mainzer Erzbistum wider. Obschon die Landgrafen in einer Urkunde von
1303 als Herren genannt werden, blieb die Stadt offenbar von Mainz lehensabhängig; Mainz forderte im Jahr 1325
sogar Burg und Stadt Immenhausen als altes Lehen zurück1. Die Auseinandersetzungen kulminierten 1385 in der Zer-
störung Immenhausens durch Erzbischof Adolf von Mainz und seinen Verbündeten Herzog Otto von Braunschweig,
in dessen Folge Landgraf Hermann bis zur Zahlung einer Kriegsentschädigung die Stadt vorübergehend an Mainz
verpfänden musste. Immenhausen war bereits im 13. Jahrhundert ein von Burgmannen besetzter und strategisch wich-
tiger Stützpunkt; wie die Burgmannschaft stand auch die städtische Herrschaft, die ausschließlich ritterbürtig war, in
landgräflichen Diensten 2 .
Über einen kleinen romanischen Vorläuferbau, dessen Fundamente bei einer Renovierung des Innenraums im Jahr
1965 freigelegt wurden, ließ der hessische Landgraf Heinrich (1244–1308), der Gründer von Burg und Stadt Immen-
hausen, noch gegen Ende des 13. Jahrhunderts die erste dreischiffige Hallenkirche unter dem Patronat des Hl. Georg
1 Kurt Günther, Grundzüge hessischer Eroberungspolitik im 2 Werner Wiegand, Die Stadt Immenhausen. 875 Jahre Erstnennung
Diemelland. Bürger und Burgmannen zu Grebenstein und Immen- – 700 Jahre Stadtrechte, in: Stadt Immenhausen 1998. FS für das Jubi-
hausen vom 13. bis zum 16. Jh., in: Wiegand 1998, S. 1–83, hier S. 43. läumsjahr, Immenhausen 1998, S. 28–31.
252 immenhausen . stadtkirche
n VI nV n IV
n
II
I
sV
--
--
-
s VIII s VII s VI
errichten. Aus der Erbauungszeit haben sich nur der mächtige Westturm und möglicherweise auch Teile des Lang-
hauses erhalten. Von der Zerstörung des Gebäudes durch die Mainzer Truppen im Jahr 1385 berichtet eine Inschrift
auf der Südseite der Kirche3. Das heutige dreischiffige Hallenlanghaus wurde 1409 offenbar unter Verwendung älterer
Bauteile im verkleinerten Grundriss hochgezogen4. Fünf Jahre später erfolgte die Grundsteinlegung für einen neuen
Chor, der jedoch erst um 1446 fertiggestellt werden konnte 5. Größeren Schaden erlitt der Bau durch die Brandschat-
zung kaiserlicher Truppen im Dreißigjährigen Krieg, die Glocken und Kirchenorgel zerstörte. Im Jahr 1849 fielen
Kirchturm und Teile des Dachs einem Brand zum Opfer. Umfassende Renovierungsmaßnahmen sind 1964 eingeleitet
worden, damals wurden unter Anderem das Mobiliar wie die Fensterverglasung erneuert, darüber hinaus auch die
zahlreich vorhandenen Wandmalereien in Chor und Seitenschiffen freigelegt.
Das breitgelagerte Hallenlanghaus besteht aus drei kreuzrippengewölbten Jochen, die von Achteckpfeilern gestützt
werden. Etwas aus der Achse verschoben, schließt sich in Mittelschiffsbreite der leicht erhöhte, zweijochige Chor im
5/8-Schluss an. Das Langhaus wird überwiegend von schlanken zweibahnigen Fenstern durchlichtet, ein einziges
dreibahniges Fenster befindet sich über dem Nordportal. Im Chor ist neben dem Achsenfenster nur noch das Fens-
ter süd IV dreibahnig angelegt, alle anderen Öffnungen sind wiederum mit Doppellanzetten versehen. Während im
Langhaus einfach genaste Lanzettenpaare mit zentralen Vierpassmotiven überwiegen, zeichnet sich der Chor durch
ein reicheres Couronnement aus häufig in Kreisen eingeschriebenen rotierenden Fischblasenmotiven aus.
Geschichte der Verglasung: Schon im ausgehenden 18. Jahrhundert hatte der hessische Landgraf Wilhelm IX.
mehrere Glasmalereien aus der Kirche entfernen lassen, um damit die Fenster in der neu errichteten Löwenburgkapelle
auszustatten. Mittels Verfügung sicherte sich dann Kurfürst Wilhelm II. hierfür im Jahr 1822 weitere Glasmalereien.
Aus einem diesbezüglichen Antwortschreiben des Immenhausener Pfarrers Koch an den Hofbaumeister Johann Con-
rad Bromeis geht hervor, dass sich im Dezember 1824 immerhin noch 50 mittelalterliche Felder in situ befunden haben
sollen, die man auf Anfrage gegen eine Neuverglasung mit Blankglas abtreten wollte. Hierfür baute man zunächst ein
Probefeld aus und verbrachte es zur Ansicht nach Kassel (s. Reg. Nr. 48f.). Offenbar bestand dort aber kein Interesse,
immenhausen . stadtkirche 253
denn noch ein Jahr später musste Koch zum Ausbau mahnen, der die fragilen Glasmalereien dadurch vor weiteren
schädigenden Einflüssen schützen wollte. Schließlich soll dann ein Sturm im März 1827 die besten Stücke vernichtet
haben (s. Reg. Nr. 51). In den Jahren 1903 und 1907 restaurierte die Kasseler Glasmalereiwerkstatt C. Roetzer das zwei-
bahnige Ornamentfenster nord II im Chor, schuf danach als Pendant das gleichgestaltete Ornamentfenster in süd II
und fertigte ein neues Achsenfenster mit drei Szenen aus der Passion Christi an, das sich im Aufbau an der Gliederung
des bislang hier vorhandenen Georgsfensters orientierte. Dessen Reste wurden in das gleichfalls dreibahnige Chor-
fenster süd IV versetzt, wobei die Feldergrößen zuvor der anderen Quereisenteilung des Südfensters angepasst werden
mussten 6 . 1957 versah Richard Süßmuth, Immenhausen, sämtliche Fensteröffnungen bis auf die drei Chorschlussfens-
ter mit einer modernen Blankverglasung; die Reste mittelalterlicher Farbverglasung, darunter auch Ornamentfelder
aus einem nördlichen Langhausfenster, wurden in Kisten verpackt und deponiert 7. Aus Ornamentstücken und einer
Vera-Icon-Darstellung gestaltete Süßmuth im Jahr 1966 das Rundfenster im Turm neu8 . Ende der achtziger Jahre ließ
man zehn Felder des musealen Depotbestandes durch die Firma Klonk, Wetter-Oberrosphe, für eine Neupräsen-
tation in den Ausstellungsräumen instand setzen. In den Jahren 1996–1999 schließlich wurden durch Peters, Paderborn,
die drei Fenster des Chorschlusses restauriert und gegen schädigende Witterungseinflüsse mit einer Außenschutz-
verglasung versehen.
3 Die Inschrift an einem Strebepfeiler neben dem Südportal lautet: 6 Der Kunstreisende Sherrill beschrieb nach dem Ersten Weltkrieg
Crastina arnolfi combustum est oppidum Ymenhusen a presule magun- die dort offenbar zusammenhangslos eingesetzten Reste eines szeni-
tino suisque complicibus sub anno dom MCCCLXXX quinto. schen Fensters; Sherrill 1927, S. 71.
4 Über den Beginn des Wiederaufbaus gibt eine Inschrift an einem 7 Süßmuth retuschierte damals auch an einigen Stellen das Passions-
Strebepfeiler der Langhaussüdseite Auskunft: Fundata et incepta est fenster im Chor mit einem kalten Farbauftrag, da offenbar Teile der
domus ista feria sexta in albis paschalibus sub anno domini MCCCC Bemalung verloren gegangen waren.
nono. 8 Die Scheibe mit dem Antlitz Christi wurde durch Steinwurf stark
5 Das Datum der Grundsteinlgung ist am Chorstrebepfeiler doku- beschädigt und von Glasmaler Klonk, Wetter-Oberrosphe, durch eine
mentiert: Primus lapis huius operis positus est pridie corporis christi Kopie ersetzt; das originale Fragment wird heute im Museum aufbe-
anno dom MCCCCXIIII. wahrt.
254 immenhausen . stadtkirche
Erhaltung: Der weitaus größere Teil der Langhausverglasung wird heute auf der Löwenburg in Kassel-Wilhelms-
höhe aufbewahrt. Durch die Bombardierung der Löwenburg im Zweiten Weltkrieg ist der Bestand offenbar kaum in
Mitleidenschaft gezogen worden. Bedeutend schwerer wiegen dagegen die Wiederherstellungsmaßnahmen der Brüder
Ely, die in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts die ursprünglich aus zwei Einzelfeldern bestehenden Stand-
figuren zusammengebleit und darüber hinaus umfassende Ergänzungen vorgenommen haben9. Heute sind nur mehr
etwa 40% der Gläser originaler Bestand, die breiten Randstreifen gehören nicht dazu. Bedauerlicherweise sind die
Köpfe damals vielfach erneuert oder, sofern original, nachkonturiert worden. Auf den weißen Gläsern haftet die
eingebrannte Zeichnung offenbar besonders schlecht. Eine flächige Korrosionsschicht, die an einigen Stellen bereits
schollenartig ausbricht, überzieht vor allem die violetten, blauen, kaltgrünen und gelben Farbgläser. Starke Kratz-
spuren an den besonders witterungsanfälligen und stumpf gewordenen violetten Gläsern weisen auf mechanische
Reinigungsversuche hin; die auf diese Weise verletzte Oberfläche wurde dadurch für weitergehende Korrosion auf-
geschlossen. Störend auf das Erscheinungsbild wirkt sich auch die Neuverbleiung aus, da hierfür Blei mit zu breiten
Schenkeln benutzt wurde.
Rekonstruktion, ikonographisches Programm: Sechs Felder mit Heiligenstandfiguren – vier Apostel und zwei
Mariendarstellungen, die offenbar bereits am Ende des 18. Jahrhunderts für die Wilhelmshöhe erworben worden
waren – stammen aus dem Langhaus der Immenhausener Stadtkirche. Die Fenstermaße lassen dort allerdings auf
Feldergrößen von circa 55 x 50 Zentimeter schließen, welche mit den weitaus größeren Rechteckfeldern auf der Löwen-
burg nicht übereinstimmen. Bei der Restaurierung im 19. Jahrhundert hat man jedoch die ursprünglich aus zwei nahe-
zu quadratischen Feldern bestehenden Figuren zusammengebleit und mit einem neuen Ornamentstreifen versehen.
Dieses auch für andere Glasmalereien der Löwenburg nachgewiesene Verfahren wurde offenbar angewandt, um die als
störend empfundene Figurenteilung aufzuheben10 . Hieraus lassen sich nun die ursprünglichen Feldergrößen erschlie-
ßen, die den Rahmenmaßen in Immenhausen exakt entsprechen. Umfang und Verteilung der Standfiguren bleiben
jedoch spekulativ. Die sechs Maßwerkfenster der Langhausseiten, fünf zweibahnige und ein dreibahniges Fenster
über dem Nordportal, böten theoretisch Raum für einen Figurenzyklus aus dreizehn in einer Reihe angeordneten
und paarweise einander zugewandten Standfiguren. Legt man eine solche Anordnung zugrunde, könnten diese wie
etwa die kompositorisch vergleichbaren Fenster der Lübecker Katharinenkirche, heute St. Annen-Museum, in einer
architektonischen Rahmenkonstruktion mit Sockel- oder Stifterzeile und einer partiellen, in eine Blankverglasung
auslaufenden Baldachinbekrönung eingebettet gewesen sein11. An ausgezeichneter Stelle im einzigen dreibahnigen
Fenster ließe sich demnach auch jene durch die ältesten Altarpatrozinien belegte Gruppe der beiden Apostelväter
Petrus und Paulus zuseiten Marias mit Kind im blau-roten Farbwechsel annehmen12 . Aber nicht nur der Rest einer
Verkündigung, auch ein Flickstück im Spruchnimbus des Apostels Paulus liefert einen Hinweis darauf, dass das Fi-
gurenprogramm nicht auf ein Apostelkollegium mit Maria beschränkt gewesen sein dürfte; jenes Fragment ist wohl
mit einer verlorenen Darstellung des Hl. Patroklus zu verbinden13. In die gleiche Richtung weisen übrigens auch die
Inschriftenformeln: Die bei sämtlichen Figuren gleichlautenden Bittsprüche setzen sich immer aus der Anrufung des
jeweils Dargestellten und der Pluralform der Bitte zusammen (orate pro me), die also stets die Gemeinschaft der Heili-
gen mit einbezieht. Neben diesem Allerheiligenprogramm muss noch ein mariologischer Zyklus bestanden haben, da
9 Nahezu alle bemalten und nicht die Inkarnatstücke betreffenden gister von 1464 erwähnt noch drei Altäre mit den Patrozinien Petrus,
Ergänzungen wurden von den Restauratoren innenseitig mit einem Paulus und Allerheiligen. Hierzu Baas 1966 (s. Bibl.), S. 15.
Buchstaben markiert. 13 Das Fragment mit der Namensendung ›clus‹ verweist am ehesten
10 Auf gleiche Weise hat man auch die Turmarchitekturen der Hers- auf den im westfälischen Raum besonders verehrten Hl. Patroklus,
felder Stadtkirche in der Löwenburgkapelle zusammengefügt. dessen Gebeine in Soest ruhen.
11 Johannes Baltzer, Die Bau- und Kunstdenkmäler der Freien Han- 14 Der Stern ist ein Jungfräulichkeitssymbol Marias und tritt ver-
sestadt Lübeck, IV, Lübeck 1928, S. 87–91; AK Kirchliche Kunst des mehrt im Zusammenhang mit der unbefleckten Empfängnis auf. Die
Mittelalters und der Reformationszeit, bearbeitet von Jürgen Witt- Bezeichnung Marias als Stella maris leitet sich wohl aus der Erwäh-
stock, St. Annen-Museum Lübeck, Lübeck 1981, S. 51–53. nung im Hohelied Salomos her; hierzu Stephan Beissel, Geschichte
12 Unter den sieben, bereits 1391 genannten Altarpatrozinien werden der Verehrung Marias in Deutschland, Freiburg 1909, S. 126f., sowie
zunächst Maria und die beiden Apostelväter genannt. Es folgen die LCI, IV, 1972, Sp. 214f.
Altäre der Hll. Katharina, Barbara, Dorothea und Elisabeth. Ein Re-
immenhausen . stadtkirche 255
die zweite erhaltene Marienfigur Teil einer Verkündigungsgruppe war. Nicht nur die scheue Geste, sondern auch der
Stern über der Jungfrau geben Grund zu einer solchen Annahme14. Zudem öffnet sich der Architekturrahmen nur in
diesem Feld rechtsseitig in einem etwas größeren Bogen, was eine ursprünglich bahnübergreifend angelegte Komposi-
tion mit dem Verkündigungsengel als Pendant nahelegt. In den darüber liegenden Zeilen könnte der Zyklus seine Fort-
setzung gefunden haben. Noch 1826 saß im Maßwerk des Fensters über dem Nordportal das Wappen des hessischen
Landgrafen. Unter der Annahme der ursprünglichen Zugehörigkeit lässt sich hieraus eine Stiftung des Stadtherren
Ludwig I. (1413–1458) ableiten, der auch das Patronatsrecht über die Kirche besaß. Die landgräfl iche Stiftung erhält
vor dem Hintergrund der nur wenige Jahrzehnte zurückliegenden Zerstörung der Kirche durch die Mainzer Truppen
eine besondere Signifikanz. In dem offenbar mit landesherrlicher Unterstützung erfolgten Wiederaufbau wird der
territoriale Anspruch unmissverständlich zum Ausdruck gebracht.
Komposition, Farbigkeit, Technik: Sämtliche Figuren stehen in einem dreiseitig umschlossenen Gehäusekasten
mit flacher blauer oder roter Kassettendecke und Maßwerkfliesenboden. Die violettfarbenen Wandseiten öffnen sich
in perspektivisch verkürzten und mit Halbrundstäben profilierten Bögen, die in vorderster Bildebene wohl ursprüng-
lich auf den Kämpfern der beiden schlanken Säulchen ruhten. Die heute auf den gelben Blattkapitellen aufsetzenden
Rahmenbänder stellen dagegen eine Erfindung des 19. Jahrhunderts dar. Die geschlossene Rückwand wird, soweit
sie die Figuren nicht verdeckt, von schmalen Ornamentbändern kassettennartig eingefasst, die, meist in farblicher
Entsprechung zur Fliesenfarbe, auch die obere Begrenzung der Seitenwände markieren. Einen mit Fiederranken ge-
schmückten Farbgrund zeigen lediglich eine Apostelfigur und die Verkündigungsmaria. Alle weiteren Figurengründe
sind zwar schmucklos, doch angesichts der wenigen originalen Hintergrundstücke könnte es sich hierbei ebenso um
Flickstücke aus anderen Zusammenhängen handeln.
Fig. 295–297. Apostel Paulus, Gottesmutter mit Kind, Apostel Petrus. Ehem. Immenhausen, Stadtkirche. Kassel-Wilhelmshöhe, Löwenburg-
kapelle (Nr. 26, 30, 25). Nordhessen (Kassel?) oder Westfalen, um 1420/30. – Kat. S. 258f.
256 immenhausen . stadtkirche
Stil, Datierung: Der spröde Gesamteindruck geht nur zu Teilen auf das Konto der Ergänzungen des 19. Jahrhun-
derts; eine ursprünglich weicher verlaufende Faltenführung mag neben den ausgewischten Halbtonhöhungen vielleicht
für ein mehr stoffliches Erscheinungsbild gesorgt haben. Die Immenhausener Apostel haben an den massig herab-
hängenden Stoffbahnen schwer zu tragen. Die Gewänder bilden neben vereinzelten Schlaufenformen vorwiegend pa-
rallel verlaufende Faltenlinien aus, Tunika und Mantel fallen etwas teigig und spannungslos zu Boden und breiten sich
leicht glockenförmig aus. In der allgemeinen Stillage kommen die Glasmalereien dem Göttinger Barfüßeraltar von 1424
nahe, dessen Apostel ähnlich voluminöse Gewänder tragen. Die Figuren des Ahnaberger Meisters, benannt nach dem
wahrscheinlich aus dem Kloster Ahnaberg vor Kassel stammenden Flügelretabel, zeigen im Detail ähnlich schwere
Augenlider (stark ausgeprägt auch im Kreuzigungsbild des Fritzlarer Missales von 1421) und jene eigentümlichen,
über der Nasenwurzel kurz nach oben ausgezogenen Augenbrauenkonturen, die den Haaransatz, gefolgt von einer
ungewöhnlichen Weißhöhung, markieren (Fig. 298)15. Doch ist den Immenhausener Figuren eine wesentlich ernstere
emotionale Gestimmtheit zu eigen. Ihr sorgenvoller und schwermütiger Ausdruck paart sich mit einem gewissen
bäuerlich-derben Habitus und lässt sich darin besser mit westfälischen Werken verbinden. Hier rückt zunächst das
Apostelfenster von St. Pauli in Soest ins engere Blickfeld16 . Dieses nach 1400 entstandene Frühwerk des Weichen Stils
in Westfalen zeigt bereits jene charakteristischen bärtigen Patriarchentypen mit Mittelscheitel und seitlich nach hinten
gekämmten Haarsträhnen. Hervorquellende Augen mit müdem Blick und kleine, scharf geschnittene Münder finden
sich in der westfälischen Tafelmalerei beim Warendorfer Meister, der eine bodenständigere Variante zum Stil Conrads
immenhausen . stadtkirche 257
Fig. 299–301. Maria der Verkündigung, Apostel Jakobus minor und Andreas. Ehem. Immenhausen, Stadtkirche. Kassel-Wilhelmshöhe,
Löwenburgkapelle (Nr. 29, 28, 27). Nordhessen (Kassel?) oder Westfalen, um 1420/30. – Kat. S. 258f.
von Soest ausbildet17. Schmitz veröffentlichte 1913 ein aus Münsteraner Privatbesitz stammendes Apostelpaar als
westfälische Arbeit, das im letzten Krieg bedauerlicherweise zerstört wurde18 . Bezüglich ihrer technischen Beschaf-
fenheit und der physiognomischen Charakterisierung wäre an gemeinsame künstlerische Wurzeln zu denken, doch
hat Maercker 1995 ernstzunehmende Hinweise auf eine Herkunft aus der Jakobikirche in Stendal (Fenster NORD
II) geliefert19. Im Standfigurenfenster nord IV des Doms zu Stendal hinterließ aber auch eine nicht ortsansässige
Werkstatt ihre Spuren, die einigen erhaltenen niedersächsischen Werken durchaus nahesteht 20 . Die Gegenüberstellung
mit der Schutzmantelmadonna aus St. Viti in Uelzen etwa, die einer aus dem gleichen Werkstattumkreis stammenden
Verkündigungstafel aus Bröckel nahe steht, bestätigt diese Gemeinsamkeiten hinsichtlich Zeichenstil und Figuren-
typ21. Angesichts der hohen Fluktuation von Werken oder Künstlern im mitteldeutschen Handelsraum, welche die
Versuche zur Verortung der Werkstätten von vornherein auf wackelige Beine stellt, wäre im Falle der Stendaler Apos-
tel also grundsätzlich an einen westfälischen Einfluss zu denken. Nordhessen (Kassel?) oder Westfalen, um 1420/30.
Vorbemerkung zum Katalog: Bestandsdokomentation und Neuaufnahmen erfolgten im Oktober 1999 im Schloss zu
Kassel-Wilhelmshöhe. Die Untersuchung der Wappenscheibe im Glasmuseum Immenhausen datiert ins Jahr 2002.
15 Das um 1435/40 entstandene Ahnaberger Passionsretabel befi ndet tiert (»Ende 15. Jh.«); Schmitz 1913, I, S. 82f., Abb. 138, II, S. 23.
sich heute im Hessischen Landesmuseum in Kassel; zuletzt hierzu 19 Maercker 1995, S. 54, Abb. 234.
Schneckenburger-Broschek 1997, S. 134–161. 20 Maercker 1988, Taf. 51–61.
16 Zu St. Pauli in Soest zuletzt Korn 2003, S. 404–412, Abb. 9, 15–18, 21 Zur Verkündigungstafel vgl. Wolfson 1992, S. 151–153, Nr. 51, zur
und Parello 2005, S. 492–495. Schutzmantelmaria siehe Ulf-Dietrich Korn, Die Glasmalereien aus
17 Pieper 1986, S. 70–85, Nr. 10–21. St. Viti in der Heiligen-Geist-Kapelle zu Uelzen, Uelzen 1981, bzw.
18 Die 115,5 x 46,5 cm große Scheibe befand sich zuletzt im Berliner ders. in: AK Braunschweig 1985, I, S. 674–676, Nr. 589.
Kaiser-Friedrich-Museum und wurde von Schmitz wohl zu spät da-
258 immenhausen . stadtkirche
25. HL. PETRUS Fig. 297, 303, Abb. 166 Das Flickstück im Nimbus ist einer weiteren, heute verlorenen
H. 108 cm, B. 62,5 cm. Figur des Hl. Patroklus zuzuordnen.
Inv. Nr. 4.2.445. Löwenburgkapelle süd IV, 2b. Farbigkeit: Paulus vor blauem Grund, bekleidet mit roter Tu-
Inschrift: Im Nimbus in spätgotischer Minuskel aus dem Über- nika und blassgrünem, weiß gefütterten Mantel. Blassgrüner
zug herausradiert der Bittspruch: sanctus petrus orate pro m(e). Fliesenboden, weißes Schwert.
Erhaltung: Im Gesicht des Heiligen sind die Konturen nach- CVMA A 12442
gezogen, das Glas wurde überdies mit einem flächigen Über-
zug versehen; vereinzelt sind auch Gewandfalten retuschiert 27. HL. ANDREAS Fig. 301, 305, Abb. 169
worden. Die alten Gläser besitzen durch partielle Ablösung der H. 108 cm, B. 62,5 cm.
außenseitigen Korrosionsschichten heute ein stellenweise fle- Inv. Nr. 4.2.456. Löwenburgkapelle nord IV, 2b.
ckiges Erscheinungsbild. Inschrift: Im Nimbus in spätgotischer Minuskel der Bittspruch:
Ikonographie: Petrus hält die Attribute Schlüssel und Buch in (sa)nctus andreas orate pro me pecator.
seinen Händen. Die stark hervortretende Tonsur geht auf die Erhaltung: Nahezu der gesamte Hintergrund wurde im 19. Jh.
Übermalung des 19. Jh. zurück; ungewöhnlich ist dagegen das erneuert, die Gesichtszeichnung ist partiell nachgezogen wor-
vergleichsweise lange Haar des Heiligen. Zusammen mit Maria den. Der Halbton ist an mehreren Stellen berieben, gesprun-
und dem Apostelfürsten Paulus könnte die Figurengruppe im gene Stücke sind flächig mit spröde gewordenem Kunstharz
dreibahnigen Fenster über dem Nordportal ihren Platz gehabt überzogen.
haben. Ikonographie: Der Apostel Andreas hält Andreaskreuz und
Farbigkeit: Petrus vor blauem Hintergrund in rotem Gewand Buch in Händen, letzeres greift er pietätvoll mit dem Mantel.
und weißem, grün gefütterten Mantel. Blassgrüner Fliesenbo- Farbigkeit: Vor rotem Grund Andreas im goldenem Gewand
den. und blauem Mantel mit weißem Futter. Buch rot, goldenes
CVMA A 12445 Kreuz, blassgrüner Fliesenboden.
CVMA A 12454
26. HL. PAULUS Fig. 295, 302, Abb. 164
H. 108 cm, B. 62,5 cm. 28. HL. JAKOBUS MINOR Fig. 300, 304, Abb. 168
Inv. Nr. 4.2.440. Löwenburgkapelle süd IV, 1a. H. 108 cm, B. 62 cm.
Inschrift: Im Nimbus in spätgotischer Minuskel: sanctus Inv. Nr. 4.2.444. Löwenburgkapelle süd IV, 2a.
paul[clus ora] pro nobis. Inschrift: Im Nimbus die aus Flickstücken zusammengesetzte
Erhaltung: Neu sind Kopf, beide Hände und große Teile des Inschrift in spätgotischer Minuskel: sanctus · philippus · ora c ·
Gewandes. Eine aus der Vorkriegszeit stammende Ergänzung pro me.
eines herabfallenden Tunikastücks (im ES den Nachkriegs- Erhaltung: Im Gesicht des Heiligen sind die Konturen partiell
ergänzungen zugeordnet) ist in das aufgebohrte Bleinetz ein- übermalt. Das violette Farbglas ist außenseitig mit Lochfraß
gefügt worden. Geringe Konturverluste im Gesicht, partieller übersät, die hier vorhandenen Kratzspuren zeugen von starken
Ausbruch der Halbtonüberzüge vor allem im Gewandbereich. mechanischen Reinigungsversuchen. Innenseitig vor allem an
den violetten Farbgläsern verbräunte und stellenweise ausge-
brochene Überzüge. Beginnende Korrosion auch an den blauen
Hintergrundgläsern.
Ikonographie: Entgegen der Nimbeninschrift weist das Attri-
but der Walkerstange den Heiligen eindeutig als Jakobus minor
aus. Offenbar ist der Nimbus einer einstmals vorhandenen Phi-
lippusfigur als Flickstück für Jakobus wiederverwendet wor-
den.
Farbigkeit: Jakobus minor vor einem dunkelblauen, mit Fieder-
ranken damaszierten Hintergrund in weißer Tunika und vio-
lettem, blassgrün gefütterten Mantel. Goldene Walkerstange,
messingfarbener Fliesenboden.
CVMA A 12444
Fig. 304. ES Nr. 28. M 1:15 Fig. 305. ES Nr. 27. M 1:15 Fig. 306. ES Nr. 29. M 1:15 Fig. 307. ES Nr. 30. M 1:15
sichtszeichnung verfälscht den ursprünglichen Ausdruck. Ein but der Jungfräulichkeit (stella maris). Zudem öffnet sich die
über dem Gesicht liegender Halbtonüberzug wurde möglicher- Architektur rechtsseitig in einen größeren Bogen zum ehemals
weise kalt aufgetragen, da größere Teile bereits wieder abgängig benachbarten Verkündigungsengel. Die Gehäusearchitektur
sind. Partielle Halbtonverluste und Ausbrüche der Konturen Marias erscheint im Vergleich zu denjenigen der Apostelgrup-
zeigen vor allem weiße und blaue Gläser. pe lediglich aufgrund der geringeren Figurengröße dominanter.
Farbigkeit: Maria vor rotem Grund in weißer Tunika und Die Darstellung fällt aber auch sonst hinsichtlich der Detail-
tiefblauem, gelb gefütterten Mantel. Fliesenboden blassgelb, gestaltung aus der Reihe. So zeigt die Gehäusedecke hier Fie-
goldfarbene Krone. Der Christusknabe mit blauem, korallen- derranken, der Fliesenboden ist schachbrettgemustert und die
gemustertem Nimbus und Maßwerkzeichnung in den goldenen Architektur wurde farbig gehalten.
Kreuzstrahlen. Farbigkeit: Maria vor rotem Grund mit weißer Tunika, blau-
CVMA A 12453 em Mantel und blauem Nimbus; Architektur blassgrün, gelb/
schwarz gemusterter Fliesenboden.
30. MARIA EINER VERKÜNDIGUNG CVMA A 12443
Fig. 299, 307, Abb. 167
H. 108 cm, B. 62 cm. 31, 32. ZWEI ENGELSFIGUREN Fig. 308f., Abb. 170f.
Inv. Nr. 4.2.441. Löwenburgkapelle süd IV, 1b. H. 32 bzw. 10,5 cm, B. 38,5 bzw. 9,5 cm.
Inschrift: Im Nimbus der Bittspruch in spätgotischer Minuskel: Inv. Nr. 4.2.448 bzw. 4.2.449. Löwenburgkapelle nord IV, 2 AB
sancta · maria · orate pro me. bzw. süd IV, 2AB.
Erhaltung: Kopfpartie, Teile des blauen Mantels, ein Großteil Erhaltung: Die beiden Halbfiguren von Engeln in den Maß-
des roten Farbgrundes und das Säulenpaar sind erneuert. An werkrosetten bestehen nur zu einem geringen Teil aus origi-
den originalen blauen Gläsern ist der Halbton stellenweise stär- nalen Stücken. Während sich von einem Engel immerhin der
ker berieben. Außenseitig keinerlei Korrosionsspuren. Oberkörper mit ausgebreiteten Armen erhalten hat, ist bei dem
Komposition, Ikonographie: Die Marienfigur war Teil einer zweiten mit betend erhobenen Händen nur noch das Kopf-
Verkündigungsdarstellung. Darauf verweist ihre scheue Geste, stück alt. Das blaue Gewand zeigt flächendeckenden Lochfraß.
aber auch der über ihr im Zentrum schwebende Stern als Attri- Entlang des Sprungbleis im Gesicht vermehrte Korrosionsbil-
dung. Außenseitige Schäden durch aufgebrachte Klebefolie. Im hervorquellenden Augen der Apostelgruppe. Letztere sind al-
zweiten Kopffragment sind die Sprünge geklebt, dort auch in lerdings auch im Gesicht Marias nicht zu fi nden. In der Stillage
Bleinähe Korrosion durch Schwitzwasserbildung. stehen beide Gruppen sicher auf der gleichen Stufe. Auch der
Ikonographie, Komposition: Eine genaue Bestimmung des ur- Faltenstil spricht nicht gegen eine Ausführung in der gleichen
sprünglichen ikonographischen Zusammenhangs ist nicht Werkstatt.
möglich. Die Engel könnten sich als Assistenzfiguren über CVMA A 12450, 12459
einer Geburtsszene befunden haben, der Engel mit ausgebrei-
teten Armen hielt möglicherweise ein Tuch in den Händen. 33. ARCHITEKTURFRAGMENTE
Technik, Stil: Ein Vergleich der beiden Fragmente mit den sub- Ohne Inv. Nr. Deponiert.
stantiell besser erhaltenen Standfiguren gestaltet sich aufgrund Vier Bruchstücke, teilweise noch in originalem Blei (circa 3 x 2
der dort vielfach nachgezogenen Gesichtskonturen schwierig. – 7 x 20 cm), eines Fliesenbodens aus rot verlaufendem Über-
Andererseits verlangen verschiedene Figurentypen auch nach fangglas, sowie ein Bogenstück (circa 9 x 23 cm) mit einer Kette
unterschiedlicher zeichnerischer Charakterisierung. In tech- aus Vierpassrosetten. Die Scherben sind wohl im Zusammen-
nischer Hinsicht fallen hier neben den Hauptkonturen faden- hang mit der Restaurierung der Figurenfelder ausgeschieden
dünne Linien ins Auge; Mund- und Nasenbildung sind zwar worden.
vergleichbar, doch fehlen der sorgenvolle Ausdruck und die CVMA A 12453
Erhaltung: Im Zuge der Instandsetzungsmaßnahmen hat die Firma Roetzer in den Jahren 1903 und 1907 sämtliche
alten Glasmalereien der evangelischen Stadtkirche neu verbleit, die originalen Ornamentfelder in nord II umfassend
ergänzt und Flickungen aus älterer Zeit ausgeschieden. Mangelnde Vorsicht beim Ausbau und unsachgemäße Lage-
rung haben dem Immenhausener Museumsbestand in den letzten Jahrzehnten schwer zugesetzt. Die stark fragmen-
tierten Depotstücke bedürfen dringend einer ähnlichen konservierenden Behandlung, wie dies 1989 bereits für die
zehn, heute größtenteils in den Ausstellungsräumen präsentierten Felder veranlasst worden war. Die Firma Klonk hat
hier durch Flicken der zahlreichen Fehlstellen mit lichtundurchlässigem Glas und einer stabilisierenden Bleieinfassung
die Felder vor weiterem Zerfall bewahrt.
Die geringe Korrosionsanfälligkeit der farblosen, hellgelben und blauen Gläser, aber auch das ungewöhnliche Orna-
mentmotiv haben wiederholt zu Unsicherheiten in der Beurteilung des Ornamentfensters und seines Erhaltungszu-
standes geführt 24. Aus nächster Nähe erkennt man aber an den dünnen, von zahllosen Sprungbleien durchzogenen,
leicht gewellten Gläsern auch auf der Innenseite eine feine punktförmige Korrosion. Die Konturen und Flächen-
überzüge sind partiell abgängig, an einigen Stellen sind sie ganz verloren. Stärker verwittert sind dagegen die violetten
und dunkelgelben, bisweilen auch die roten Farbgläser, letztere zeigen an manchen Stellen einen kraterartigen Aus-
bruch des Überfangs. Soweit dies von innen zu beurteilen war, haben sich außenseitig in Höhe der Quereisen starke
Rostfahnen abgelagert. Eine eingehende außenseitige Untersuchung war aber weder bei dem mit einer Außenschutz-
immenhausen . stadtkirche 261
verglasung versehenen Chorfenster noch bei den in Leuchtkästen fest eingebauten Feldern möglich. Ein vergleich-
bares Erscheinungsbild zeigen auch die museal aufbewahrten Felder: Die zahllosen Sprünge sind geklebt, ein weißer
Korrosionsfilm zieht sich innenseitig entlang des Bleis, die dunkleren, manchmal changierenden Inkarnatgläser haben
durch außenseitig flächige Verwitterung einen Teil ihrer Lichtdurchlässigkeit eingebüßt, die stumpf gewordenenen
Überzüge an den hellen Inkarnatgläsern sind partiell fleckenartig ausgebrochen. Im Allgemeinen ist die Verwitterung
der korrosionsanfälligen Farbgläser aufgrund der frühzeitigen Auslagerung hier weniger weit fortgeschritten.
22 Hierzu auch Dehn-Rotfelser/Lotz 1870, S. 356. hen 20. Jh. Der Bericht von Peters anlässlich einer vom Gerüst aus er-
23 Ein älteres Wappen der hessischen Landgrafen (2. Hälfte 14. Jh.) aus folgten Untersuchung am 16. Dezember 1996 nennt dann einen ganz
dem Besitz des Großherzogs von Hessen und bei Rhein befi ndet sich kleinen Anteil aus mittelalterlichen Gläsern. Offensichtlich hat die
im Hessischen Landesmuseum in Darmstadt; s. Beeh-Lustenberger Firma irrtümlich nur die wenigen, sichtbar korrodierten Farbgläser
1973, S. 105, Nr. 141 mit Taf. 13. als ursprünglich mittelalterlich angesehen, eine Fehleinschätzung, die
24 Die beiden Gutachten von J. Klonk, Wetter-Oberrosphe, vom 11. auch im Zuge der Restaurierung der Fenster in der Werkstatt nicht
Dezember 1995 und Glasmalerei Peters, Paderborn, vom 14. März korrigiert wurde.
1996 beschreiben das Chorfenster nord II als Neuschöpfung des frü-
262 immenhausen . stadtkirche
Flechtbandfenster: Die bis 1957 im östlichen Nordfenster des Langhauses untergebrachten Reste einer Ornamentver-
glasung hatten dort nicht ihren ursprünglichen Platz29. Vielmehr ist das Ornament stilistisch mit der Chorverglasung
zu verbinden, da hier wie dort die gleichen Form- und Gliederungselemente von ineinander verflochtenen Maßwerk-
bändern und fleischigem Blattwerk Verwendung fanden. Das fast gänzlich aus weißen, nur vereinzelt mit blauen und
roten Gläsern durchsetzte Ornamentmuster dürfte für ein zweibahniges Fenster entworfen worden sein und lässt sich,
mehrfach multipliziert, zu einer Rautenkette mit eingeschriebenen Reifen vervollständigen, die liegende Blattvierpäs-
se und dazwischen befindliche kleinere Blattrosetten zeigten. Der Kasseler Architekt G. A. G. Engelhard überliefert
in seinem liebevoll gestalteten Publikationsentwurf zu den Hainaer Glasmalereien aus der Zeit um 1840 ein Orna-
mentmuster, das dem Rautenteppich in Immenhausen bis ins Detail gleicht (Fig. 314). Eine mögliche Erklärung hier-
für wäre, dass entweder die gleiche Werkstatt im 15. Jahrhundert auch für Haina ein Fenster geliefert hatte oder aber
Engelhard das in Immenhausen kopierte Muster versehentlich in seinen Katalog mit aufgenommen hat 30 . Doch hat
auch das Chorachsenfenster der ehemaligen Zisterzienserinnenkirche in Falkenhagen/Westfalen, circa 60 Kilometer
nördlich von Kassel, unterhalb der von einem Architekturrahmen eingefassten Kreuzigung eine zweizeilige Sockel-
zone mit exakt gleichem Aufbau der Seitenbahnen bewahrt, wobei das Flechtmotiv in der mittleren Bahn variiert; hier
laufen die diagonalen Maßwerkbänder kreuzförmig zusammen und folgen den Konturen der Blattkreise31.
Komposition, Ornament, Farbigkeit, Technik: Der wirkungsvolle Bildaufbau des Georgsfensters aus fensterfül-
lenden und von Krautranken umwucherten Flechtbandmedaillons läßt sich wie die ganze monumentale Anlage der
Figurengruppen auf die Farbverglasung im Chor der Lübecker Dominikanerkirche zurückführen 32 . Das im Krieg
zerstörte sechsbahnige Magdalenen-Fenster zeigte im Grunde bereits die gleichen, von mehrschichtigen Maßwerk-
bändern gebildeten Rautenvierpassketten, lediglich mit dem Unterschied, dass diese in zwei Reihen miteinander ver-
flochten waren. Dieses Gliederungssystem besitzt in der Glasmalerei eine lange Tradition, gewinnt hier aber durch
das wild wachsende Blattwerk an barocker Vitalität 33. Innerhalb kurzer Zeit fanden solche Verglasungen im gesamten
immenhausen . stadtkirche 265
Norden Deutschlands weite Verbreitung und blieben für ein halbes Jahrhundert Standard bei großflächigen Fenster-
öffnungen. In Immenhausen standen die monumentalen Figurengruppen auf einem grünen Wiesenboden vor rotem
Fiederrankengrund, die Ranken außerhalb der Medaillons wuchsen dagegen vor tiefblaugrundigem Blümchenmuster
auf. Innerhalb dieses dominierenden Farbakkords setzt das überwiegend farblose vegetabile Rahmenwerk mit seinen
großen Blütendolden nur noch wenige farbliche Akzente, und die gleiche Zurückhaltung üben hier die Figuren aus, die
neben weißen und gelben vor allem mit hellvioletten und hellblauen Farben zum lichten grisailleartigen Gesamtton der
Chorverglasung beitrugen. Die dreiteiligen Medaillonrahmen waren aus filigranen, hellblau-, weiß- und gelbfarbigen
Maßwerkstreifen zusammengesetzt, die Verspannungsringe bestanden aus grasgrünem Glas.
Für das Rankenfenster in Chor nord II bediente sich die Werkstatt im Kern lediglich zweier verschiedener Bleirisse
für Figuren- und Ornamentscheiben, die bei der Anfertigung der Felder in der rechten Bahn nur gespiegelt zu wer-
den brauchten. Die Zeichnung wurde allein in den Details variiert, so in den individuell charakterisierten Gesichtern
der Musikanten oder den verschiedenen Mustern der großen Fruchtdolden. Hemden, Blüten und Blattringe in Grün,
29 Abb. eines Feldes bei Schäfer/Rossteuscher 1885, Taf. 21. zeichnerisch überlieferten Bestand siehe Sylvina Zander, Die Zeich-
30 Engelhards Zeichnung gibt als Zwickelfüllung zwischen Raute und nungen zu den Glasfenstern der Marienkirche, in: AK Lübeck 1987,
Reifen anstelle vegetabiler Blätter lediglich passförmige Blattstücke S. 48–63.
wieder. Doch erweisen sich auch andere von ihm kopierte Ornament- 33 Die aus den zeilengroßen Medaillonketten entwickelte Großform
muster im Vergleich mit den Originalen nicht immer als zuverlässig. fi ndet sich früh in Königsfelden im Chorfenster süd III (um 1330/40).
31 Für Falkenhagen liegt noch keine Autopsie des Glasbestands vor. Durch bandartige Blätter miteinander verklammerte Medaillons zeigt
Die vermuteten Zusammenhänge gelten daher nur unter Vorbehalt. das Freuden-Marien-Fenster in Rothenburg, Stadtkirche St. Jakob,
32 Einer detaillierten Untersuchung der Farbverglasung der Lübecker Chor nord II (um 1390/1400). Zu Königsfelden s. Kurmann-Schwarz
Dominikanerkirche widmete sich Böning 1992; Zusammenfassung bei 2008, S. 292–301, Farbtaf. 26–31, zu Rothenburg vgl. Scholz 2002, I,
Becksmann 1995, S. 153–155; zuletzt Parello 2005, S. 477–485. Zum S. 433, Fig. 310.
266 immenhausen . stadtkirche
Fig. 319. Scherge aus der Fassmarter. Fig. 320. Scherge aus der Fackelmarter.
Fig. 321. Hl. Georg aus der Fackelmarter. Fig. 322. Kaiser Diokletian aus der Fackelmarter.
Kopfdetails aus dem ehemaligen Chorachsenfenster. Immenhausen, Glasmuseum. – Kat. S. 271–274.
immenhausen . stadtkirche 267
Violett, Hellblau und Gelb setzen einzelne farbige Akzente in einer ansonsten von farblosen Blattranken dominierten
Grisaille. Hier wird der im Achsenfenster vorgegebene Farbakkord zugunsten der Weißanteile verschoben und damit
weiter aufgehellt. Nur an Haarschopf und Plektren findet sich ein dezenter Einsatz von Silbergelb.
Wie im Georgsfenster sind die Konturen der krautigen Blattlappen mit dicken Linien gezogen, die Äderung dagegen
sehr fein aufgetragen. Um die Verbleiung zu vereinfachen, wurden die Blatthintergründe schwarz abgedeckt oder zum
rechten Rand hin auf dem gleichen Glasstück mit dem Spiegel des Fiederrankengrundes versehen. Lichter sind mit dem
Pinsel aus den Halbtonüberzügen herausgeholt, feine Schlingen und Blüten mit Nadel und Federkiel aus dem decken-
den Schwarz radiert. Die außenseitigen Halbtonüberzüge verleihen Blättern und Inkarnaten einen samtigen Glanz.
Das heitere Motiv von vegetabil metamorphierenden Musikanten in aufwachsenden Ranken entwickelte sich in der
Wandmalerei zur beliebten Schmuckform. In der Dorfkirche von Briesen bei Cottbus (dat. 1486) trifft man zudem auf
die gleichen breitlappigen Blattformen (Fig. 316) 34.
Stil, Datierung: Die Fenster der Lübecker Dominikanerkirche zählen zu den herausragenden Beispielen des Wei-
chen Stils in der Glasmalerei, in welchen Aufbau und Gliederung der Immenhausener Verglasung vorweggenommen
werden. Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte man in den ersten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts Künstler aus Westfa-
len und Niedersachsen zur künstlerischen Ausstattung der Dominikanerkirche berufen. Etwa gleichzeitig bzw. kurze
Zeit danach findet man konzeptionell, mitunter aber auch stilistisch von Lübeck abhängige Arbeiten in Lüneburg,
Halberstadt oder Stendal. Im westfälischen Raum hat sich nur in Falkenhagen ein später Ausläufer aus der zweiten
Hälfte des 15. Jahrhunderts erhalten. Doch schon die gegen die Jahrhundertmitte entstandene Chorverglasung in
Immenhausen zeigt, wie lange sich der Weiche Stil in der Glasmalerei behaupten kann. Aufschlussreich scheint ein
Vergleich mit den Lübecker Fenstern: Während dort Rahmensystem und malerische Auffassung der Figuren auf der
Stilstufe Conrads von Soest ausgebildet werden, ist in Immenhausen unter Bewahrung des kanonischen Formenvoka-
bulars und der noch weitgehend dem Weichen Stil verpflichteten Modelliertechnik bereits ein starker realistischer Ein-
fluss in der Figurenbildung fassbar, der sich am besten mit der zeitgleichen Entwicklung in der westfälischen Tafelma-
lerei der Jahrhundertmitte im Umkreis des Münsteraners Johann Koerbecke verbinden lässt 35. Nicht nur die veristisch
inszenierten Marterszenen oder die modischen Details, sondern auch der expressive und derbere, bisweilen sehnige
Figurenstil oder die spröden Knitterfalten in den Gewändern reflektieren diese Umbruchphase. Die Zwitterstellung
zwischen Weichem Stil und eindringendem niederländischen Realismus schlägt sich auch in unterschiedlichen Hand-
schriften nieder. So gibt es eine größere Varietät an Kopftypen, welche in der zeichnerischen Anlage stark voneinander
abweichen. Die Palette reicht von federfeinen, schwungvoll und fast skizzenhaft gezogenen Konturstrichen über eine
mehr unbeholfen wirkende, noch suchende graphische Charakterisierung bis hin zu virtuos volumenbildenden Flä-
chentönungen mit nur wenigen Konturlinien. Hier werden die Handschriften mindestens dreier verschiedener Maler
fassbar, die modernere und traditionellere Richtungen vertreten (Fig. 315, 318–322). Der konservative, also technisch
noch dem Weichen Stil verpflichtete Meister zeichnet auch für die Anfertigung des Ornamentfensters mit den lustigen
Musikanten verantwortlich. Die verschnupften Gesichter mit ihren halb geschlossenen Augen und großen Schmoll-
mündern erinnern an die fleischigen Köpfe des Hildesheimer Lambertialtars (Fig. 317) oder an die ähnlich charak-
terisierten Figuren des Meisters des Göttinger Barfüßeraltars. Ein kürzlich aufgedeckter Bodenfund in Lüneburg
bietet interessante Parallelen zu einzelnen, auch technisch vergleichbaren Detailformen wie Blättern, Blütenmustern
und anderen Schmuckelementen 36 . Lüneburg gilt sicher als ein wichtiges exportorientiertes Produktionszentrum für
Glasmalereien im Spätmittelalter, doch sollte man angesichts der Beliebtheit und Verbreitung dieses Verglasungstyps
mit weiteren Werkstätten rechnen, die sich dieses Formenvokabulars bedienen konnten. Letztlich erschweren auch die
verschiedenen, an der Ausführung beteiligten Hände eine Lokalisierung der Werkstatt. In geographischer Hinsicht
liegt Immenhausen in nächster Nähe zu westfälischem und niedersächsichem Gebiet, doch lassen sich als Argument
34 Peter Findeisen, Studien zur farbigen Fassung spätmittelalterlicher Richartz-Museum aus der Zeit um 1460. Die Motivverwandtschaft
Innenräume, Text- und Katalogband, Leipzig 1969, I, S. 181–183, II, S. zu Koerbecke dürfte dabei auf die Verwendung der gleichen nieder-
328–332 (Katalog); Heinrich L. Nickel, Mittelalterliche Wandmalerei ländischen Vorbilder zurückgehen. Zehnder 1990, S. 345–355, Nr.
in der DDR. In Zusammenarbeit mit Gerd Baier, Gerhard Femmel 143–150.
und Karl-Max Kober, Leipzig 1979, S. 194f., 242f., Abb. 110–112. 36 Siehe hierzu demnächst den in Vorbereitung befi ndlichen Band von
35 Eine grundsätzlich verwandte Stillage bietet der Kölner Meister der Elena Kozina zu den mittelalterlichen Glasmalereien in Niedersachsen
Lyversberg-Passion. Vgl. etwa den Passionsaltar im Kölner Wallraf- (CVMA Deutschland VII,1).
268 immenhausen . stadtkirche
für die westfälische Herkunft der Immenhausener Fenster vielleicht neben den modernen Elementen auch die Schul-
zusammenhänge mit der jüngeren Chorverglasung im westfälischen Falkenhagen ins Feld führen.
Vorbemerkung zum Katalog: Die Untersuchung der im Glasmuseum zu Immenhausen befindlichen Glasmalereifrag-
mente wie der Ornamentverglasung im westlichen Rundfenster der Stadtkirche fand im Oktober 2001 statt, die Be-
standsaufnahme des Chorfensters nord II erfolgte im Februar 2002 vom Gerüst aus. Da die Felder nicht ausgebaut
werden konnten und mit einer Außenschutzverglasung versehen sind, sind hier keine weitergehenden Aussagen zum
Zustand der Außenseiten möglich.
Lichtes Gesamtmaß: H. ca. 7,85 m, B. 1,75 m. – Die von C. Roetzer, Kassel, neu geschaffene Farbverglasung mit drei
Szenen aus der Passion Christi greift das Gliederungsschema des zuvor an dieser Stelle vorhandenen Georgsfensters
bis in Detailformen auf, möglicherweise gehen auch die Maßwerkfüllungen auf heute verlorene Muster zurück.
5a ORNAMENTFELD TYPUS B Fig. 324, Abb. 173 stück mittels eingeklebter Ergänzung von Peters restauriert.
H. 52,5 cm, B. 48,5–49,5 cm. Farbigkeit: Wasserblaue Blattmanschette und Blütenspitze,
Erhaltung: Geringfügig ergänzt. Sprungbleie, einige geklebte Zitronengelbes Kelchblatt, weiße diamantierte Frucht. Vio-
Sprünge im Randbereich. lettes Hemd und Guiterne, an Plektrum, Gürtel und Haarlocke
Farbigkeit: Blaue Blattmanschetten, violette und grasgrüne Silbergelbauftrag.
Kelchblätter, goldfarbene Frucht. CVMA JJ 12906, Großdia JJ 02/3
CVMA JJ 12900
6b ORNAMENTFELD TYPUS A Fig. 324, Abb. 173
5b ORNAMENTFELD TYPUS B Fig. 324, Abb. 173 H. 54 cm, B. 50 cm.
H. 52,5 cm, B. 49 cm. Erhaltung: Mehrere Sprungbleie und geklebte neue Brüche im
Erhaltung: Partiell stärkere Schwarzlotausbrüche im Fieder- Randbereich. Vier Blattstücke erneuert. Fiederrankengrund
rankengrund. Mehrere mit Kunstharz verklebte Sprünge. Eini- partiell stärker berieben, das violette Kelchblatt zeigt starken
ge jüngere, zu den Seiten hin zunehmende Ergänzungen. Lochfraß.
Farbigkeit: Rubinrote Blattmanschette, zitronengelbe, violette Farbigkeit: Rote, grüne und violette Kelchblätter. Hemd und
und grüne Kelchblätter mit einer weißen, diamantiert gemus- Guiterne zitronengelb, am Gürtel Silbergelbauftrag.
terten Frucht. CVMA JJ 12899, Großdia JJ 02/2
CVMA JJ 12910
7b ORNAMENTFELD TYPUS B Fig. 324, Abb. 173
6a ORNAMENTFELD TYPUS A Fig. 324, Abb. 173 H. 53,5 cm, B. 49 cm.
H. 53 cm, B. 50 cm. Erhaltung: Mehrere Sprungbleie. Vier größere Blattstücke er-
Erhaltung: Einige Blätter im Randbereich von Roetzer erneu- neuert, Die Zeichnung der Blätter stellenweise stärker berie-
ert, durch unsachgemäßen Ausbau offenbar verlorenes Rand- ben.
immenhausen . stadtkirche 269
Das von Richard Süßmuth im Jahr 1966 aus Ornamentresten und einer Vera Icon neu geschaffene Rundfenster im
Westturm besteht überwiegend aus Ergänzungen der letzten Instandsetzungsmaßnahme von Roetzer in Kassel. Vor
wenigen Jahren zerstörte ein Steinwurf das Antlitz Christi. Anstelle der museal deponierten Scherbenreste trat eine
Neuschöpfung von Glasmaler Klonk, Oberrosphe. Die Rundscheibe ist mittlerweile durch eine Außenschutzvergla-
sung vor weiterer Zerstörung geschützt. Gesamtaufnahmen: CVMA JJ 12873, Großdia JJ 01/231
1989 ließ man aus dem stark fragmentierten, überwiegend aus dem Achsenfenster der Stadtkirche stammenden De-
potbestand zehn Felder durch die Firma Klonk, Wetter-Oberrosphe, zwecks musealer Präsentation in Leuchtkästen
instand setzen. Weitere Stücke, darunter auch ein Karton mit Scherben, sind gegenwärtig im Depot untergebracht. Die
Ordnung des Katalogs (Nr. 2–18) folgt den jeweiligen Darstellungen (zur besseren Übersicht vgl. auch Fig. 312).
2–9. MARTER DES HL. GEORG MIT HAMMER UND maler ein weißes Glas heran, das zu den Haaren hin nach Rot
EISENHAKEN Fig. 328, Abb. 175f. changiert. Das grasgrüne Stück hinter der emporgehobenen
H./B.: 2 (2b und 3b): 67,5–68/47; 3 (3b): 36,5/35; 4 (3c): 25– Hand könnte zum Bein eines weiteren Schergen gehören. Der
25,5/48; 5 (3c): 32,5/48; 6 (4c): 35/47,5; 7 (4c): 25/48; 8 (5c): 27,5/20 Kaiser in Violett mit goldgelber Krone; Gesicht auf blassvio-
(Fragment); 9 (5c): 40/34 cm (Fragment). lettem Glas, der Dämon aus farblosem Glas mit gelbem Schild.
Erhaltung: Drei Figurenfelder des Großmedaillons sind verlo- Rock des Schergen weiß, Strümpfe violett, gelbe Stiefel.
ren. Die erhaltenen Stücke sind mit zahllosen farblosen oder
dunkel mattierten Gläsern gefl ickt und mit vielen Sprungbleien
durchsetzt. Feld 5c ist nur mehr fragmentarisch erhalten. Durch
unsachgemäße Lagerung haben sich an einigen Feldern weitere
Glasstücke gelöst oder sind zu Bruch gegangen. Die Halbton-
überzüge sind insbesondere in den Inkarnaten partiell ausge-
brochen und zeigen ein fleckiges Erscheinungsbild.
Ikonographie: Die Verluste erschweren die eindeutige Bestim-
mung des Martyriums, doch scheint in der mittleren Bahn der
Hl. Georg mit Händen an ein Galgengerüst gehängt dargestellt
gewesen zu sein, wobei seine Beine bis auf Höhe des unter ihm
liegenden Nagelfasses herabreichten. Der kniende Schächer
legte seine – heute verlorene – Linke auf das Fass und fügte
mit dem Hammer in der anderen Hand dem Märtyrer klaffen-
de Fleischwunden zu 37. Es wird hier also nicht mehr die Folter
mit dem durchnagelten Fass gezeigt, in dem Georg gerollt wird.
Offenbar wollte man auf die Darstellung des Fasses aber nicht
verzichten und damit zugleich auf die vorangegangene Marter
verweisen 38 . Der Folterung wohnt rechts der heidnische Kaiser
bei, treffend charakterisiert durch lebendige Gesichtszüge. Das
Gesicht ist knochig, der Mund zahnsichtig geöffnet, die Augen-
lider sind schwer. Der Kaiser trägt reiche Kleidung, einen pelz-
besetzten, gegürteten Damastrock und über dem Turban eine
Krone. In den Händen hält er das Zepter, nutzt aber die Hände
zum Gestikulieren, um Georg zur Umkehr zu überreden. Seine
wahre Gesinnung verrät ein kleiner Dämon an seiner Seite, der
mit Lanze und Schild bewaffnet ist. Vor dem Kaiser kniet in
gebückter Haltung der Scherge mit dem Folterwerkzeug.
Farbigkeit: Auf grünem Wiesenboden das gelbe, mit weißen Ru-
ten gebundene Fass. Für den Kopf des Schergen zog der Glas- Fig. 328. ES Nr. 2–9. M 1:15
37 Zwar ist der Hammer ein gebräuchliches Element des an grauen- 38 Dorsch 1983 (wie Anm. 37), S. 149–154, hat in seiner ikonogra-
voller Vielfalt kaum zu überbietenden Georgsmartyriums, doch wird phischen Abhandlung zu Georgszyklen die offensichtlichen Zusam-
er meist nur zum Eintrümmern des Schädels oder zum Einschlagen der menhänge solcher in Handelsregionen gehäuft auftretenden Darstel-
Nägel in das Fass bzw. in das Fleisch gebraucht. Demnach könnte es lungen nicht erkannt, wenn er das Fassmartyrium vor allem auf den
sich im Immenhausener Georgsfenster auch um eine missverstandene süddeutsch-alpenländischen Raum begrenzt sieht. Das Fass war über-
Interpretation handeln. Dass das Feld bereits im frühen 20. Jh. aus ver- all das gebräuchlichste Transportmittel für Waren aller Art. Die Salz-
schiedenen Szenen zusammengesetzt wurde, ist wohl auszuschließen. folter Georgs, das Einreiben der Wunden mit Salz, das aus Fässern ge-
Zu Darstellungsformen des Heiligen siehe Klaus J. Dorsch, Georgs- nommen wird, dürfte in diesem Sinne gleichfalls auf einen intensiven
zyklen des Mittelalters. Ikonographische Studie zu mehrszenigen Dar- Salzhandel verweisen. Nicht weiter verwunderlich ist es daher, wenn
stellungen der Vita des hl. Georg in der abendländischen Kunst unter die mit der Hanse im Austausch stehenden Städte Halberstadt oder
Einbeziehung von Einzelszenen des Martyriums, Frankfurt/Main, das süddänische Broager eben solche Szenen bevorzugten, da das Fass
Bern, New York 1983 (zur Hammermarter S. 96f.). sicher auch als Symbol ihres Wohlstandes verstanden wurde.
272 immenhausen . stadtkirche
Technik, Stil: Das plastisch wirkende Gesicht des Kaisers zeigt 15–18. ENTHAUPTUNG DES HL. GEORG
gegenüber den anderen Kopftypen eine weitaus kräftigere Fig. 329, Abb. 179, 181
Halbtonmodellierung, die auch mit der sensibleren Kontur- H./B.: 15 (9–10b): 69–69,5/46,5–47; 16 (9c): 48/10; 17 (9–10c):
zeichnung besser abgestimmt ist. Beides lässt die Alterszüge 70/48; 18 (11a): 17/28 cm (Fragment).
des Herrschers verstärkt zur Geltung kommen. Inschriften: Im Nimbus in spätgotischen Minuskeln: georgius .
CVMA JJ 12867 (2), 12861 (3), Großdia JJ 01/227, a(?) (rg ligiert). Auf dem Schriftband neben der Schwertspitze:
JJ 12869 (4, 7), 12864 (5), 12859 (6), veni c[reator mundi?].
JJ KB 294 (8, 9), Großdia JJ 01/225 Erhaltung: Vier Figurenfelder sind verloren, die fünf erhaltenen
teilweise beschnitten oder stark fragmentiert. Zahlreiche Fehl-
10–14. BRANDMARTYRIUM DES HL. GEORG stücke, teils mit schwarz mattiertem Glas gefl ickt. Inkarnat-
Fig. 329, Abb. 177f. gläser mit innenseitig dichtem Lochfraß, die linke Hand des
H./B.: 10 (ehemals 5c und 6c): 66/47,5; 11 (ehemals 7a) 58/48; Kaisers mit außenseitigem Wettersteinbelag. Schwarzlotabrieb
12 (ehemals 6c und 7c): 68,5/47,5; 13 (ehemals 8a): 48/43 (Frag- am Fragment mit dem Richtschwert.
ment); 14 (ehemals 8c): 55,5/48 cm (Fragment). Ikonographie: Trotz der großen Lücken – sämtliche Köpfe und
Inschrift: Aus dem Nimbus herausradiert in spätgotischer Mi- die gesamte linke Bahn sind verloren – lässt sich die Hinrich-
nuskel: Sanctus geor(g)ius + A. (rg ligiert). tungsszene des oberen Medaillons noch recht gut erschließen:
Erhaltung: Drei figürliche Rechteckfelder des Großmedail- In der Mittelbahn sieht man den Henker im engen Rock das
lons fehlen, das Ornamentfeld Nr. 13 ist nur zu Teilen erhal- Richtschwert über die Schulter schwingen. Er steht Rücken
ten. Glasverluste sind mit dunkel mattiertem Glas gefl ickt; an Rücken mit Georg, der nun wieder in voller Rüstung steckt
zahlreiche geklebte Sprünge und Fehlstellen. Fortgeschritte- und sein Haupt zum Boden neigt. Rechts erteilt der Kaiser mit
ne punktförmige Korrosion an den Inkarnatgläsern. Nahezu emporgehobenem Schwert den Befehl zur Enthauptung des
kompletter Transparenzverlust im Gesicht des linken Schergen Heiligen. Die noch vorhandene Spitze des Medaillonrahmens
durch flächige außenseitige, partiell schollenartig ausbrechende und die herausgelöste, jedoch hier zugehörige Schwertspit-
Korrosion. Die Zeichnung sonst gut erhalten. ze mit Schriftband geben einen Hinweis darauf, dass sich das
Ikonographie: Der Hl. Georg hängt entkleidet mit angeseilten waagrecht anliegende Schwert unmittelbar über dem Kopf des
Händen und Füßen horizontal an einem hölzernen Gerüst. Heiligen befand, der sich mit dem Bittspruch bereits der Gnade
Von unten hält ein gelockter Scherge mit Turban das brennende Gott anempfiehlt.
Reisigbündel an seinen Rücken. Am rechten Bildrand befin- Farbigkeit, Ornament: Grüner Wiesenboden, der Henker in
det sich wiederum der Kaiser (in veränderter Physiognomie) hellblauem Rock und violettem Hemd, Gürtel goldfarben. Ge-
im Pelzrock mit Turban, Krone und Zepter. Vor ihm steht ein org in weißer Rüstung und blassviolett-grün geteiltem Mantel
Scherge in gewundener Haltung, die brennende Fackel auf den mit goldenem Gürtel. Der Kaiser trägt wiederum einen pelz-
verlorenen Leib des Märtyrers im Mittelfeld ausgerichtet. besetzten violetten Mantel mit großer goldener Schließe und
Farbigkeit: Der Rock des Schergen blau-weiß geteilt, am Kra- Gürtel. Gegenüber dem monochromen Heiligenschein Georgs
gen wird ein rotes Hemd sichtbar, am tiefl iegenden Gürtel im mittleren Großmedaillon ist der Nimbus hier durch eine
hängen Dolch und prall gefüllter Beutel. Der Kaiser in einem farbige Zweiteilung in Gold und Blau hervorgehoben, was auch
pelzbesetzten violetten Rock, Zepter und Krone golden. Nim- sonst zur kostbaren Kleidung des Märtyrers in der abschlie-
bus, Reisigbündel, Holzbalken und Seil gelb. Die Ranken mit ßenden Szene passt.
grünen, gelben und violetten Früchten. CVMA JJ 12862 (15), 12870 (16), 12868 (17),
Technik, Stil: An den unterschiedlich ausgeführten Köpfen JJ KB 294 (18), MF 481/482 (Details),
lassen sich die Handschriften mehrerer Meister ablesen. Der Großdia JJ 01/228 (15), 01/230 (17)
Zeichner des rechten Schergen skizziert mit wenigen starken
und daneben federartig feinen Linien die sadistischen Züge, 19. KARTON MIT ALTEN SCHERBEN Abb. 182f.
der Typus des bärtigen Kaisers entstammt dagegen einer recht a) Zwei eingebleite Fragmente mit Fingern.
unbeholfenen Hand, die trotz vieler, auch aus dem Halbton he- b) Zwei Blattstücke in Blei.
rausradierter Linien hier nur ein unruhiges Liniengeflecht her- c) 29 Scherben mit weißen Blättern aus dem Georgsfenster.
vorbringt. Dem Hauptmeister wird man den linken Schergen d) Fünf Scherben vom Zierstreifen des Maßwerkrahmens.
und den Hl. Georg zuweisen dürfen. Dieser arbeitet vermehrt e) Fünf Scherben von Kleidung und Rüstung.
mit ausgewischten Halbtönen und auf wenige kräftige Linien f) Blaues Himmelstück.
reduzierten, etwas unsicher gezogenen Konturen. Stellenweise g) Zwölf Scherben des Ornamentfensters, darunter 8 weiße
sind mit dünnen Parallelschraffuren Schattenlagen gesetzt. Die Maßwerkstreifen, ein roter Blattstreifen und zwei Fragmente
Zeichnung erweckt den Eindruck, als seien die Konturen im 19. von blauen Blüten.
Jh. nachgezogen worden, doch ist sie ursprünglich. CVMA JJ 12871, KB 294
CVMA JJ 12863 (10), 12860 (11), 12858 (12),
JJ 12870 (13), 12865 (14), MF 481 (Detail), 20. VERA ICON Abb. 184
Großdia JJ 01/229 (10), 01/226 (11), 01/224 (12) H. 22,5 cm, B. 14,5 cm.
Erhaltung: Die 1966 in das neu geschaffene Westfenster inte-
grierte Vera Icon wurde vor wenigen Jahren durch einen Stein-
wurf zerstört, anschließend von Restaurator Klonk, Ober-
39 Vgl. Hess 1999, S. 137 und Abb. 90. Zeitlich näher und wie ur- rosphe, restauriert und dem Museum überwiesen. Der zuge-
sprünglich wohl auch in Immenhausen mit Blattfüllungen in den Päs- hörige, zu Teilen originale Kreuznimbus auf rankenverziertem
sen ist ein um 1400 entstandener Christusvierpass im Heidelberger Grund befi ndet sich noch an Ort und Stelle. Der in neues Blei
Schloss; Becksmann 1979, S. 54f. und Abb. 67. gefasste Kopf ist mehrfach gesprungen, einige Teile fehlen
immenhausen . stadtkirche 273
ganz, die Zeichnung ist stark berieben, auf dem weißen Glas den zu Lockenbüscheln. Die scharf geschnittenen Augen bil-
zeigt sich fortgeschrittener Lochfraß. den schwere Tränensäcke aus. Trotz strenger Stilisierung und
Ikonographie, Komposition: Die Vera Icon wird vergleichbar fortgeschrittener Verwitterung ist die Arbeit aufgrund des in
dem Chorfenster süd IV der Frankfurter Leonhardskirche Chorfenster nord II identisch verwendeten Rankengrundes mit
in einem der Maßwerke der Chorfenster eingesetzt gewesen der Werkstatt der Chorverglasung zu verbinden.
sein 39. Als Motiv kann das Antlitz Christi isoliert stehen und CVMA JJ KB 295
verlangt nicht notwendig nach einer Passionsikonographie in
den darunter liegenden Lanzetten. 21. ORNAMENTSCHEIBE Fig. 330, Abb. 180
Technik, Stil: Dem Vera-Icon-Typus entsprechend ist die Dar- H. 57 cm, B. 49 cm.
stellung streng stilisiert. Die Haarsträhnen verlaufen parallel Erhaltung: Mehrere Scheiben sind durch unsachgemäßen Aus-
und symmetrisch, Haare und Bart bündeln sich an den En- bau oder nachlässige Aufbewahrung ganz aus dem Bleinetz
274 immenhausen . stadtkirche / kassel . hessisches landesmuseum
herausgefallen und verloren gegangen. Einige moderne Ergän- Das zentrale vierblättrige Motiv ist mit blauen Zwischenblät-
zungen lassen darauf schließen, dass auch dieser ornamentale tern hinterlegt, die Blattformen außerhalb der Raute liegen auf
Restbestand von der Firma Roetzer, Kasssel, zu Beginn des 20. rotem Grund.
Jahrhunderts instand gesetzt wurde; an welchem Ort innerhalb CVMA JJ 12872
der Kirche sich dieser befand, ist jedoch nicht mehr zu eruie-
ren.
Ornament: Sämtliche Elemente des Rautenmusters sind in die-
sem Feld bereits vorhanden; das für zweibahnige Fensteröff-
nungen konzipierte Ornamentmotiv ergibt sich also lediglich
aus der felderweisen Addition und Spiegelung des hier zugrun-
de liegenden Kartons.
Farbigkeit: Das zentrale Maßwerkrautenband wird von einem
schmalen blauen Streifen begleitet, die in das Rautenfeld ein- Fig. 330. ES Nr. 21.
geschriebenen Kreise sind mit einem roten Band versehen. M 1:15
IMMENHAUSEN . GLASMUSEUM
Gegenwärtiger Bestand: Sämtliche heute im Museum aufbewahrten Glasmalereien stammen aus Chor und Lang-
haus der evangelischen Stadtkirche zu Immenhausen. Richard Süßmuth, der Leiter der Glashütte zu Immenhausen,
hatte im Jahr 1957 alle Kirchenfenster erneuert und dabei die noch vorgefundenen mittelalterlichen Reste in Kisten
verpackt und deponiert. Im Zusammenhang mit der Eröffnung des Glasmuseums auf dem ehemaligen Firmengelände
im Jahr 1987 übergab man der Firma Klonk, Wetter-Oberrosphe, hiervon zehn Felder, um sie für eine Präsentation in
den Ausstellungsräumen instand zu setzen.
Die Bearbeitung des gegen 1420 entstandenen Wappenfragments erfolgt unter dem ehemaligen Standort (s. S. 260).
Gegenwärtiger Bestand: Von den 22 im Landesmuseum ausgestellten oder deponierten Glasmalereien und Frag-
menten lässt sich für den weitaus größten Teil der ursprüngliche Standort ermitteln. Die Ordnung der nicht sicher
lokalisierbaren Nummern erfolgt nach chronologischen Gesichtspunkten. Im Katalog bleiben lediglich zwei aus nach-
mittelalterlicher Zeit stammende Scheiben unberücksichtigt1.
Geschichte der Sammlung: Über die Herkunft der Glasmalereien geben die Akten des Museums nur wenig Aus-
kunft. Einen Teil der Sammlung bildet jenes Konvolut von Glasmalereien und Fragmenten, welches im Zusammen-
kassel . hessisches landesmuseum 275
hang mit der Ausstattung der Löwenburgkapelle im frühen 19. Jahrhundert aus hessischen Kirchen erworben worden
war, dort jedoch keine Verwendung fand und bis zur teilweisen Transferierung in das Museum im Wilhelmshöher
Schloss lagerte (Nr. 8–12, Reg. Nr. 53f.). Museumsdirektor Eduard Pinder (1836–1890) hatte sich zuerst um den syste-
matischen Ausbau der kunstgewerblichen Sammlungen seines im Jahr 1877 fertiggestellten Galeriegebäudes bemüht 2 .
Seine Versuche, die auf dem Schloss deponierten Stücke, darunter auch zehn angeblich aus Dagobertshausen stam-
mende Medaillons, zu Lehrzwecken an das Museum zu überführen, waren offenbar nicht von Erfolg gekrönt; im
letzten Weltkrieg gingen sie schließlich bei einem Bombenangriff zugrunde (s. Reg. Nr. 54). Erst im Zusammenhang
mit der Eröffnung des Museumsneubaus im Jahre 1913 kamen dann unter Johannes Boehlau (1861–1941) 1907 die
hochgotischen Tabernakelfiguren aus Winnen (Nr. 4–7) sowie der Schmerzensmann (Nr. 14) in das Haus; im Jahr
darauf folgte das Fragment mit der Hl. Elisabeth (Nr. 13), und aus dem Kunsthandel konnte im Jahr 1911 die wahr-
scheinlich aus dem Gasthaus zur Krone in Schmalkalden stammende Wappenrundscheibe erworben werden (Nr. 20).
An jüngeren Einkäufen sind zwei figürliche Vierpassscheiben aus spätmittelalterlicher Zeit zu nennen, die bislang
fälschlich als Arbeiten des 19. Jahrhunderts galten (Nr. 17, 18). Über die Erwerbungsumstände aller anderen Objekte
liegen keinerlei Aufzeichnungen vor, einzig die beiden bereits von Schäfer 1881 publizierten Ornamentscheiben aus
Nordshausen könnten im Zusammenhang mit seiner Beschäftigung mit dem Klosterbau bereits im 19. Jahrhundert an
das Museum gelangt sein.
Vorbemerkung zum Katalog: Aufnahme und Untersuchung der ausgestellten und deponierten Scheiben erfolgten im
Oktober 2001. Die Inventarnummern waren dabei nicht in allen Fällen zu ermitteln.
ORNAMENTALE KOPFSCHEIBEN AUS KLOSTER NORDSHAUSEN (Nr. 1, 2) Fig. 603–605, Abb. 353f.
Die beiden um die Mitte des 13. Jahrhunderts entstandenen Ornamentscheiben werden unter ihrem ehemaligen Stand-
ort bearbeitet (s. S. 478–481).
MASSWERKFRAGMENT AUS DER STIFTSKIRCHE ZU WETTER (Nr. 3) Fig. 628, 630, Abb. 368
Das um 1250/60 anzusetzende Passstück wird zusammen mit weiteren translozierten Beständen unter dem Standort
Wetter katalogisiert (s. S. 495–500).
STANDFIGURENFENSTER AUS DER PFARRKIRCHE ZU WINNEN (Nr. 4–7) Fig. 633–635, Abb. 369f.
Die Reste der vier gegen 1310/20 für den Chor der Pfarrkirche zu Winnen angefertigten Heiligen finden im Katalog zu
Winnen Erwähnung (s. S. 500–504).
FIGURENSCHEIBEN AUS DER PFARRKIRCHE ZU DAGOBERTSHAUSEN (Nr. 8, 9) Fig. 43f., Abb. 22, 24
Die Bearbeitung der fragmentarisch erhaltenen Petrusfigur und der Architekturscheibe mit Engel erfolgt unter ihrem
ehemaligen Standort (s. S. 99–104).
1 Hierbei handelt es sich um eine Stifterscheibe mit Inschrift ( Jost von 2 Zur Sammlungsgeschichte siehe Ekkehard Schmidberger, Schatz-
Rehe Rentmeister zum Greiffenstein Anno Domini 1578) und eine nie- kunst. Zur Geschichte der Sammlungen Kunsthandwerk und Plastik,
derländische, in Grisaille ausgeführte Schlachtszene. in: Schmidberger/Richter 2001, S. 9–31.
276 kassel . hessisches landesmuseum
Die gegen 1510/20 zu datierenden Reste eines Passionszyklus und einer Wurzel-Jesse-Darstellung werden an ihrem
ursprünglichen Standort erst im Band zu den mittelalterlichen Glasmalereien in Niedersachsen (CVMA Deutschland
VII,1) behandelt.
12. KOPFSTÜCK EINER HEILIGEN Abb. 186 che anatomische Besonderheit der ungewöhnlich dünnen und
Nordhessen(?), um 1420/30. mehrfach gefältelten Halspartie4. Obwohl Vergleichsbeispiele
H. 10,5 cm, B. 11,5 cm. – Inv. Nr. G 746. heute fehlen, wird man mit der Verbreitung dieses Stilbildes
Zur Frage des ursprünglichen Standorts: Zur möglichen Her- auch im angrenzenden hessischen Territorium – hier wäre in
kunft des Fragments aus dem Zisterzienserinnenkloster Nords- erster Linie an die Residenzstadt Kassel zu denken – rechnen
hausen siehe Katalog Kassel-Wilhelmshöhe, Schloss, Nr. 53. müssen. Die ausgeschriebenen und überzeichneten Formen,
Erhaltung: Auf dem grünlichen, leicht welligen Glas vollstän- die Betonung von Augenfalten wie auch die sich prall abzeich-
dig intakte, fest haftende Schwarzlotkonturen. Zu den Rändern nenden Brüste Elisabeths sprechen für eine Entstehung in der
hin beidseitig weiße Korrosionsschichten. Spätphase des Weichen Stils.
Ikonographie: Kopf einer nach links aufblickenden weiblichen CVMA JJ 12853, MF 477, Großdia JJ 01/219
Figur mit Weihel und Wimpel. Technisch und stilistisch zuge-
hörig ist ein im Depot auf Schloss Wilhelmshöhe aufbewahrtes Fig. 331. ES Nr. 13.
M 1:15
Kopffragment einer weiblichen Figur mit Kruseler (Nr. 53).
Stil, Datierung: Vgl. hierzu den Katalogeintrag zu Kassel-Wil-
helmshöhe, Schloss, Nr. 53.
CVMA JJ MF 475
334. Vierpass-Rundscheibe mit Passionsszenen. Mitte: Gebet am 335. Vierpass-Rundscheibe mit Passionsszenen. Mitte: Kreuzigung
Ölberg (neu); rechts: Christus vor Herodes; oben: Dornenkrönung; (neu); links: Höllenfahrt (neu); oben: Beweinung; rechts: Grab-
links: Ecce Homo; unten: Kreuztragung. Kassel, HLM, Nr. 17. legung; unten: Auferstehung. Kassel, HLM, Nr. 18.
Süddeutschland oder Schweiz, um 1490–1500. Süddeutschland oder Schweiz, um 1490–1500.
Ergänzungen sind zwei unterschiedlichen Restaurierungen zu- angelegt und verleihen den Szenen so eine nächtliche Atmo-
zuordnen. Die ältere, sicherlich noch mit dem 19. Jahrhundert sphäre. Der Silbergelbauftrag bleibt überwiegend auf die Ak-
zu verbindende Kreuzigungsdarstellung zeigt sich gegenüber zentuierung von Nimben und Kreuz beschränkt. In reiner Ne-
den jüngeren Hinzufügungen qualitativ hochwertiger und sti- gativtechnik wurde das Rankenornament mit nelkenähnlichen
listisch einfühlsamer. An den originalen Gläsern ist die Bema- Blüten auf die grünen Zwickelstücke aufgebracht.
lung ausgezeichnet erhalten, lediglich auf den grünen Zwickeln Technik, Stil, Datierung: Die Form der Vierpassscheiben be-
vereinzelt Schwarzlotausbrüche. Kratzspuren auf den außen- gegnet im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts zuerst am Mittel-
seitigen Halbtonaufträgen, aber sonst keinerlei Korrosion. rhein im Umkreis des Hausbuchmeisters 8 . Zumeist sind in den
Ikonographie: Auf beide Rundscheiben verteilt ist die Passion Passlappen profane und heitere Genreszenen zur Darstellung
Christi in insgesamt zehn Bildern wiedergegeben. Im Mittel- gebracht. Entsprechend wird man auch in den Stuben wohl-
schild befi nden sich heute die erneuerten Hauptszenen mit habender Bürgerhäuser den ursprünglichen Bestimmungsort
Ölberg und Kreuzigung, in den kleineren Pässen folgen rechts dieser auf Nahsicht konzipierten Kabinettscheiben vermuten
gegen den Uhrzeigersinn Christus vor Herodes, Verspottung, dürfen. Die beiden Kassler Stücke sind zwar einem sakralen
Vorführung und Kreuztragung (Nr. 17) sowie, diesmal im Gegenstand gewidmet, doch muss dies nicht notwendig auf
Uhrzeigersinn, Höllenfahrt Christi (neu), Beweinung, Grab- ihre Aufstellung innerhalb eines Kirchengebäudes verweisen,
legung und Auferstehung (Nr. 18); die beiden letztgenannten ebenso wäre eine Verwendung im Rahmen einer privaten Haus-
Szenen scheinen hier aus kompositionellen Gründen vertauscht kapelle denkbar. Seit dem späten 15. Jahrhunderts entwickelte
worden zu sein. Anstelle der neuen Mittelbilder könnten sich sich die Vierpassscheibe in Süddeutschland zu einer beliebten,
ursprünglich, wie bei Vierpassscheiben ohnehin die Regel, Fa- offenbar auf Vorrat produzierten Schmuckform. Für die Nürn-
milienwappen befunden haben, die notwendige Kreuzigung berger Hirsvogelwerkstatt lieferten damals so bedeutende Ma-
hätte dann die Position der modernen Höllenfahrtsszene ein- ler wie Dürer und Kulmbach eine Vielzahl von Entwürfen9.
genommen. Allein die Auferstehungsszene kann auf die Kenntnis eines ent-
Farbigkeit, Ornament: Die Konturen der Zeichnung wurden sprechenden Kupferstiches von Martin Schongauer aus den sieb-
mit dünnem Pinselstrich angelegt, aus den trockenen, beidsei- ziger Jahren des 15. Jahrhunderts zurückgeführt werden, für alle
tig aufgebrachten Braunlotüberzügen sind Lichter gestupft und
gewischt, feine Lichtkanten auch mit der Nadel herausradiert.
8 Ältere Vorformen von Wappenscheiben in Passformen haben sich in
Die Bildhintergründe sind dabei bevorzugt schwarz deckend
einer Gruppe von mährischen Rundscheiben erhalten, die wahrschein-
lich aus dem Brünner Rathaus stammen (1437–1439) und heute in der
Fig. 336. ES Nr. 17. Mährischen Galerie zu Brünn ausgestellt sind. Die Passzwickel sind
M 1:15 mit Musikanten, jungen Paaren oder Wappenhaltern gefüllt. Hierzu
Matouš 1975, S. 21–25; zuletzt: Ultimo fiori del medioevo. Dal gotico
al rinascimento in Moravia e nelle Slesia, AK Rom, Palazzo die Vene-
Fig. 337. ES Nr. 18. zia, a cura di Ivo Hlobil, Olomouc 2000, S. 239f., Nr. 69.
M 1:15 9 Schmitz 1913, I, S. 101–116, 150–157.
kassel . hessisches landesmuseum 279
weiteren Darstellungen lassen sich keinerlei druckgraphische gevierten Schild mit dem hessischen Stammwappen als Herz-
Vorlagen mehr nachweisen. Damit sind freilich noch keine An- schild führten die hessischen Landgrafen seit 1479, als die
haltspunkte für eine Entstehung der Scheiben am Oberrhein Grafschaft von Katzenelnbogen mit dem Aussterben der
gewonnen, erfreuten sich doch die Druckerzeugnisse allge- männlichen Erbfolge an die Landgrafen von Hessen gelangte.
mein breiter Rezeption. Trotz der insgesamt etwas hölzernen Die falsche Tingierung des Wappens ist wohl dem Grisaille-
Ausführung lassen sich über die gestalterischen Charakteristi- charakter der Scheibe geschuldet, in der lediglich Silbergelb als
ka vielleicht Hinweise zur Herkunft der Scheiben gewinnen. Farbton Verwendung fand (die korrekte Bezeichnung folgt da-
Bezüglich der allgemeinen Ikonographie oder auch einzelner her gemeinsam mit der Blasonierung in Parenthese). Auf dem
modischer Details, zur der auch die Vielfalt unterschiedlichster symmetrischen gevierten Schild mit beidseitiger Lanzenkerbe
Kopfbedeckungen gehört, schwingen verstärkt niederländische in 1: in Gold ein roter Löwe, blau bewehrt und blau gekrönt
Einflüsse mit, die an die etwas steifen Figuren Hans Holbeins (Katzenelnbogen), in 2: schwarz-gold geteilter Schild, oben
d.Ä. erinnern. Der Richter in der Vorführungsszene der Grau- ein silberner sechsstrahliger Stern (Ziegenhain), in 3: schwarz-
en Passion ist etwa im Typ mit der entsprechenden Figur auf der gold geteilter Schild, oben zwei silberne sechsstrahlige Sterne
Kabinettscheibe verwandt10 . Die männlichen Figuren tragen (Nidda), und in 4: in Rot zwei goldene blaubewehrte schreiten-
um die betont breitbackigen Gesichter bevorzugt lange Haare de Löwen (Diez). Der Herzschild mit dem Stammwappen der
mit nach unten sich trapezfömig verbreiternden Korkenzieher- Landgrafen von Hessen. Die vegetabil ausgebildete Helmdecke
locken und erinnern darin an Physiognomien, wie sie gerade ist nur in den schildnahen Teilen farbig gefasst (schwarz-silbern
auf spätgotischen Wappenscheiben der Schweiz häufiger begeg- anstatt rot-silbern), auf dem bekrönten Bügelhelm die aus Büf-
nen; so auf zwei Standesscheiben von Bern und Schwyz, beide felhörnern bestehende Helmzier außen besteckt mit je sieben
in der Sammlung des Schweizerischen Landesmuseums in Zü- Lindenzweigen. Das Wappen wird von einem breiten Schmuck-
rich11. Zwischen Schwaben und dem östlichen Teil der Schweiz band aus Renaissancegrotesken umschlossen. Das Motiv zeigt
südlich des Bodensees bestanden in spätmittelalterlicher Zeit vegetabil ausgeformte Wellenranken, die Blüten und Blattmas-
enge künstlerische Verbindungen; auffallend viele Künstler im ken ausbilden.
Züricher Bürgerbuch stammen etwa aus Nördlingen, Ulm oder Technik, Stil, Datierung: Wappen und Ornamentkranz sind in
Ravensburg12 . Grisailletechnik unter Verwendung von Silbergelb ausgeführt,
CVMA JJ 12854f., 12856 (Detail), MF 473, das eine warme, goldorangefarbene Tönung besitzt. Allerdings
Großdias JJ 01/220f., 01/222 (DA) wurden Helmzier und ein Großteil der Helmdecke nur als Li-
niengerüst angelegt und geben der Scheibe so ein unfertiges
19. RUNDSCHEIBE MIT WAPPEN PHILIPPS DES Erscheinungsbild. Aus dem Halbtonüberzug sind Lichter mit
GROSSMÜTIGEN Fig. 338, Abb. 192 Pinsel und Federkiel herausradiert; in gleicher Technik wurde
Nördliches Hessen, 2. Drittel 16. Jahrhundert. der Fond des Kranzes mit Linienkräuseln belebt und der Schild
Durchmesser 41,5–42 cm. – Inv. Nr. G 743. stellenweise damasziert. In der Druckgraphik der Frührenais-
Zur Frage des ursprünglichen Standorts: Das Museum besitzt sance fanden Zierleisten mit ähnlichen Grotesken früh als Rah-
keinerlei Aufzeichnungen über den Erwerb oder zur Proveni- menschmuck Verbreitung; Peter Flötner, Heinrich Aldegrever
enz der Scheibe. Die modernen Flickstücke im Randbereich oder Virgil Solis lieferten damals auch für andere Kunstgat-
zeigen jedoch das gleiche spätgotische Maßwerkmuster wie die tungen, insbesondere für das Goldschmiedehandwerk regel-
beiden Kopfscheiben aus Nordshausen (Nr. 1, 2). Da dort für rechte Musterkataloge13. Auch der in Hessen vielseitig tätige
das 15. Jahrhundert eine Neuverglasung im Zusammenhang mit Künstler Philipp Soldan verarbeitete deren Vorlagen; die von
Erweiterungsmaßnahmen nachweisbar ist, kann eine Herkunft ihm geschnitzte Frankenberger Ratsherrenbank (um 1550) im
der Wappenscheibe von dort nicht gänzlich ausgeschlossen HLM zu Kassel zeigt in den Kassettenfüllungen ähnliche Or-
werden. Allerdings ließ Landgraf Philipp das Kloster bereits namente aus Blattmasken14.
1527 aufheben und dessen Einkünfte fortan der neu gegründe- CVMA JJ 12857
ten Universität in Marburg zukommen, sodass man in diesem
Fall eine Herrschaftsstiftung für die profanierten Klosterge-
bäude anzunehmen hätte.
Erhaltung: Geringfügige Ergänzungen, ein Flickstück im
Randbereich Mehrere Sprungbleie. Der äußere, offenbar zu Fig. 339. ES Nr. 20.
einem späteren Zeitpunkt angefügte Randstreifen besteht über- M 1:15
wiegend aus Flickstücken.
Ikonographie: Die Wappenrundscheibe stammt aus der Re- Fig. 338. ES Nr. 19.
gierungszeit Philipps des Großmütigen (1509/18–1567). Den M 1:15
Gasthaus zur Krone befunden haben. Es war Bestandteil einer Inschriften: Die umlaufende Inschrift in humanistischer Kapi-
Fensterstiftung, die an den Schmalkalder Fürstentag von 1537 talis: VON · GOTTES · GENADEN · PHILIPS · LANDT ·
erinnerte; damals verabschiedeten die Fürsten und Städte evan- GRAFF · ZV HESSEN · K(ATZENELNBOGEN) · D(IEZ)
gelischen Glaubens im Beisein von Luther und Melanchthon · Z(IEGENHAIN) · N(IDDA) [15·50] sowie die Signatur des
die Schmalkaldischen Artikel, eine grundlegende Bekenntnis- Künstlers zwischen der Helmzier: TH. Wo.
schrift der neuen Kirche. Die Beratungen hatten abwechselnd Erhaltung: Erneuert sind die Helmzier mit Büffelhörnern und
im Rathaus, in Luthers Wohnung sowie im Gasthaus zur Kro- das Datum des umlaufenden Schriftbandes. Die olivgrünen
ne stattgefunden. Noch heute befi nden sich im Lutherhaus Hintergrundgläser weisen starken Abrieb der Bemalung auf.
vier mehr oder weniger fragmentarisch erhaltene Reste einer Ikonographie, Farbigkeit: Die Rundscheibe zeigt wie Nr. 19 das
weiteren Fensterstiftung, die Rückschlüsse auf das Bildpro- Wappen Philipps des Grossmütigen (1509/18–1567) in weitge-
gramm der verlorenen Glasmalereistiftungen von Rathaus und hend übereinstimmender Form, hingegen mit annähernd kor-
Gasthof erlauben15. Auf einer von Balthasar Schmidt zur Zwei- rekter Tingierung. Die Löwen sind jedoch nicht blau bewehrt,
hundertjahrfeier herausgegebenen Festausgabe der Schmalkal- im Wappen Diez sind diese zudem gold-silbern geteilt und die
der Artikel von 1737 sind die mit jeweils acht Rundscheiben Helmdecke zeigt statt einer rot-silbernen eine blau-silberne
geschmückten Fensterfronten von Gasthaus und Lutherhaus Färbung. Zudem ist der Löwe im Wappen Katzenelnbogen ab-
zu sehen und außerdem die im Jahr 1538 ausgeführten Glas- gewendet wiedergegeben, und die Sterne sind mit einer unter-
malereien des Lutherhauses noch einmal im Detail wiedergege- schiedlichen Anzahl an Strahlen versehen.
ben16 . Aufgeführt werden die Wappen des Kurfürsten Johann Technik, Stil, Datierung: Die Löwen in den Wappenbildern von
Friedrich von Sachsen, Herzogs Ulrich von Württemberg, der Katzenelnbogen und Diez sind aus dem Überfangrot ausge-
Grafen Berthold und Albrecht von Henneberg sowie die aus schliffen und mit außenseitig aufgebrachtem Silbergelb noch-
Wappen und Porträtbildern bestehenden Medaillonpaare des mals farblich differenziert. Maltechnisch ist für die Arbeit ein
hessischen Landgrafen Philipp und des Grafen Wilhelm zu breiter Pinselstrich mit deckendem Lotauftrag kennzeichnend.
Henneberg. Hinzu gesellte sich schließlich noch eine Darstel- Neben trocken gewischten Halbtonüberzügen gelangen für
lung der Opferung Isaaks. Eine entsprechende oder verwandte die Schatten lockere Kreuzlagen, vor allem an Helmdecke und
Wappenkonstellation wird man daher auch für die ansonsten Bügelhelm, zum Einsatz. Einzelne, überwiegend entlang der
verlorenen Rundscheiben des Gasthauses annehmen können. Konturen und in der Schrift angelegte Lichtkanten wurden mit
Dass dabei die Wappenbilder nicht notwendig auf die Stifter der Nadel herausradiert; auf dem olivgrünen Hintergrund lag
verweisen müssen, kann die Überlieferungsgeschichte für das ursprünglich ein feines Geflecht aus Linienranken. Das Wap-
Lutherhaus klar belegen: Hier war es der Hausbesitzer Baltha- pen zeigt eine ungewöhnlich strenge Rundschildform, die der
sar Wilhelm, der mit seiner Stiftung von Glasmalereien an die vegetabilen Helmdecke Raum zu üppiger Entfaltung lässt. Eine
ruhmvollen Ereignisse in seinem Haus und den Aufenthalt Lu- Entstehung der Scheibe im zweiten Drittel des 16. Jahrhunderts
thers erinnern wollte. in Schmalkalden oder im nahe gelegenen Erfurt erscheint plau-
Trotz der in beiden Fällen übereinstimmenden Größen von 27 sibel.
cm Durchmesser stammen die Glasmalereien des Lutherhauses CVMA JJ MF 473/16
jedoch von erkennbar anderer Hand. Die Signatur ›HN‹ auf
der Isaakopferung lässt sich mit dem Namen Hans Neumeister
verbinden, der aus einer Schmalkalder Malerfamilie stammt, 15 Hierzu Hans Lohse, Das Lutherhaus zu Schmalkalden, in: Neue
während das Monogramm des Landgrafenwappens ›TH. Wo.‹ Beiträge zur Geschichte deutschen Altertums 26, 1931, S. 3–24; zu den
auf einen anderen, bislang nicht identifizierten Glasmaler ver- Glasmalereien S. 10f. (mit Abb. der Rundscheiben).
weist. 16 Abb. beider Häuser bei Weber 1913, II, Taf. 184, Abb. 1, 2.
KASSEL-WILHELMSHÖHE . SCHLOSS
Bibliographie zur Sammlung: Johann Wilhelm Döring, Beschreibung des kurfürstlichen Landsitzes Wilhelms-
höhe bei Cassel, Kassel 1804, Nachdruck 1961, S. 15; Georg Landau, Malerische Ansichten von Hessen, Kassel 1842,
S. 39; Lotz 1862, S. 630; Dehn-Rotfelser/Lotz 1870, S. 313; Oidtmann 1898, S. 309; Heidelbach 1909, S. 244–246;
Holtmeyer 1910, S. 22, 347, 350; Karl Paetow, Klassizismus und Romantik auf Schloss Wilhelmshöhe, Leipzig 1929,
S. 69; Wille 1952, I, S. 119f., II, S. 78; Schug-Wille 1957, S. 220–226; Eberhard Freiherr Schenk zu Schweinsberg,
Die wiedereingerichtete Löwenburg, in: Hessische Heimat 11, 1961, Heft 2/3, S. 10; Heinz Biehn, Die Löwenburg im
Schlosspark Wilhelmshöhe, München/Berlin 1965, S. 21, Abb. 17; Dehio Hessen 21982, S. 490; Hans-Christoph Ditt-
scheid/Wolfgang Einsingbach/Adolf Fink, Kassel. Löwenburg im Bergpark Wilhelmshöhe, Bad Homburg vor der
Höhe 1976, S. 62; Hans-Christoph Dittscheid, Kassel-Wilhelmshöhe und die Krise des Schlossbaues am Ende des
Ancien Régime, Worms 1987, S. 186, 188, 196; Dolff-Bonekämper 1985, S. 114–116, 249f.; Dolff-Bonekämper
kassel-wilhelmshöhe . löwenburgkapelle 281
1989, S. 203f.; Hess 1995/96, S. 239f.; Daniel Parello, Vom Nutzen der Glasmalerei für den Adel, in: Die Glasgemälde-
sammlung der Großherzöge von Baden (Kulturstiftung der Länder – Patrimonia 238), Berlin 2003, S. 15f.; Anja
Dötsch, Die Löwenburg im Schlosspark Kassel-Wilhelmshöhe. Eine künstliche Ruine des späten 18. Jahrhunderts
(Studien zum Kulturerbe in Hessen 3), Text- und Tafelband, Regensburg 2006, I, S. 97, 138, II, Taf. 58.
Gegenwärtiger Bestand: Der im Rahmen des Corpus Vitrearum zu behandelnde Teil der Sammlung umfasst der-
zeit 53 Nummern. Eine wissenschaftliche Bearbeitung dieses Bestandes lag bisher lediglich für die Gruppe mittel-
alterlicher Glasmalereien aus der Stadtkirche in Bad Hersfeld von Christa Wille vor (Nr. 1–24). Unbeachtet blieben
dagegen die Standfiguren von Aposteln und Heiligen aus der Stadtkirche zu Immenhausen (Nr. 25–33) sowie der
Scheibenbestand aus Kloster Möllenbeck bei Rinteln (Nr. 34–51), der jedoch, dem historischen Ordnungsprinzip des
CVMA folgend, erst im Corpusband zu den mittelalterlichen Glasmalereien in Niedersachsen behandelt werden wird.
Vorerst nicht sicher zu lokalisieren ist ein Scherbenkonvolut mit dem Kopf einer weiblichen Heiligen (Nr. 53), das sich
mit einem im Hessischen Landesmuseum zu Kassel aufbewahrten Fragment verbinden lässt, sowie eine gut erhaltene
architektonische Kopfscheibe aus der Mitte des 13. Jahrhunderts (Nr. 52).
Geschichte der Sammlung: Im Jahr 1798 erwarb der hessische Landgraf Wilhelm IX. Glasmalereien aus den Kir-
chen zu Hersfeld, Immenhausen, Dagobertshausen, Nordshausen sowie aus dem niedersächsischen Kloster Möllen-
beck bei Rinteln und Obernkirchen, um damit seine vom Hofarchitekten Jussow erbaute Löwenburg, ein roman-
tisches Refugium im Schlosspark, auszuschmücken. Der Großteil der Farbverglasung fand dabei für die Burgkapelle
Verwendung, welche der Landgraf zu seinem Mausoleum bestimmt hatte. Für Glaserarbeit inklusive der gemalten
Fenster waren in einem in das Jahr 1800 datierten Kostenanschlag immerhin 1106 Taler vorgesehen; allein die Instand-
setzung der aus Kloster Möllenbeck stammenden Fenster verursachte Kosten in Höhe von 302 Taler 1. Zwanzig Jahre
später erfolgten weitere Erwerbungen. Hierzu wurde 1824 eine Ministerialverfügung erlassen, welche die Hofbau-
direktion ermächtigte, Glasmalereien aus verschiedenen Kirchen des Landes ausbauen zu lassen. Zunächst wurde der
Glasermeister Bauer ausgesandt, um Probefelder zu entnehmen und zur Begutachtung nach Kassel zu bringen. Noch
im Jahr 1827 reiste der kurhessische Archivdirektor Christoph (von) Rommel nach Marburg, Barchfeld, Alsfeld, Ful-
da und Schmalkalden und Umgebung, um nach weiteren Resten alter Glasmalereien für die Löwenburg zu suchen 2 .
Mangelnde Sorgfalt bei Ausbau und Transport der Fenster führten dabei offenbar zu schweren Verlusten; so kamen die
Figurenfelder aus Dagobertshausen und Deckbergen bereits weitgehend zerstört in Kassel an. Die zunächst wahllos
in die zweibahnigen Fensteröffnungen der Löwenburgkapelle eingesetzten Felder wurden erst in den achtziger Jah-
ren des 19. Jahrhunderts von den Brüdern Ely in Kassel thematisch geordnet, mit breiteren Borten versehen und um
zahlreiche Neuschöpfungen erweitert 3. 1943 erlitt der Bestand leichte Kriegsschäden, sodass sämtliche Glasmalereien
ausgebaut und in Kisten deponiert wurden. Doch im Januar 1945 zerstörten Bombentreffer auf dem Bergungskeller
mehrere Felder, darunter auch zehn Medaillons mit dem – allerdings unsicheren – Herkunftsnachweis »Dagoberts-
hausen«, die lt. Akten des Kassler Landesmuseums im Jahr 1869 vorübergehend an das Museum gelangt waren (Reg.
Nr. 54) 4. Die Wiederherstellung der Verglasung in der Löwenburgkapelle übernahm der Glasmaler Richard Süßmuth,
Immenhausen (1953). Als Ersatz für die Kriegsverluste erwarb man im Jahr 1969 historistische Fenster aus der Stadt-
kirche Bad Wildungen und translozierte zugleich einige Glasmalereien in das Vorzimmer der Ritterwohnung. In den
1970er-Jahren wurden sämtliche Fenster ausgebaut; 1976–1977 sind drei Felder aus Kloster Möllenbeck und Hersfeld
durch die Firma Oidtmann, Linnich, restauriert worden. Im Jahr 1993 ließ man auf der Grundlage entnommener
Materialproben ein naturwissenschaftliches Gutachten zum Erhaltungszustand der Glasmalereien erstellen; Unter-
suchung und Dokumentation wurden dabei von Elisabeth Jägers und Ulrike Kunert, Landesamt für Denkmalpflege
Hessen, durchgeführt. Nach Anbringung einer Außenschutzverglasung ist in absehbarer Zeit mit dem Wiedereinbau
der Glasmalereien in die Löwenburgkapelle zu rechnen.
Vorbemerkung zum Katalog: Aufnahme und Untersuchung der zur Zeit im Schloss deponierten Scheiben erfolgten
im Oktober 1999.
RESTE DER LANGHAUSFENSTER DER STADTKIRCHE HERSFELD (Nr. 1–24) Fig. 206–286, Abb. 136–161
Im Einzelnen handelt es sich um Felder eines Kreuzlegendenzyklus (Nr. 1–10), eines Katharinenzyklus (Nr. 11–15),
eines Nikolauszyklus (Nr. 16–22), eines Georgszyklus (Nr. 23) sowie um eine Kiste Scherben (Nr. 24), die im Zuge der
Nachkriegsrestaurierung ausgeschieden wurden. Die Katalogisierung erfolgt am ursprünglichen Standort zusammen
mit einer Rekonstruktion der Farbverglasung (s. S. 216–240).
RESTE EINES STANDFIGURENZYKLUS AUS IMMENHAUSEN (Nr. 25–33) Fig. 295–309, Abb. 164–171
Die Verglasung wird unter ihrem ehemaligen Standort behandelt (s. S. 254–260).
Die Katalogisierung der um 1510/20 zu datierenden Reste eines Passionszyklus und einer Wurzel-Jesse-Darstellung
erfolgt im Band zu den mittelalterlichen Glasmalereien in Niedersachsen (CVMA Deutschland VII,1).
Bibliographie: Walbe 1933, S. 280 (Identifizierung der beiden Wappenrundscheiben mit Anna Schenck zu Schweins-
berg); Dehio Hessen 21982, S. 544 (»stehende Muttergottes mit Kind, um 1500, hl. Elisabeth und zwei Wappen, 1. Hälf-
te 16. Jh.«); Herbert Kammer, Evangelische Marienstiftskirche Lich/Oberhessen (Schnell & Steiner Kunstführer Nr.
666), München/Zürich 21982, S. 14 (vermutet eine Herkunft der Marienscheibe aus dem Vorgängerbau).
Gegenwärtiger Bestand: Im Chorfenster nord II befinden sich inmitten einer modernen Ornamentverglasung zwei
stark ergänzte figürliche Rechteckscheiben sowie zwei Wappenrundscheiben (Fig. 345f., 348–351, Abb. 197–199).
Geschichte des Baues: 1316 gründete Philipp III. von Falkenstein zu Ehren der Heiligen Jungfrau ein Kollegiatstift,
dem zehn Geistliche angehören sollten1. Schon 1320 erfolgte die Weihe der ersten, an der höchsten Stelle der Stadt er-
richteten Kirche. Graf Philipp von Solms-Lich, Falkensteiner Nacherbe und Patron des Stifts, fasste zwei Jahrhunderte
später den Plan zum Neubau eines größeren Gotteshauses2 . 1510 wurde hierzu die alte Kirche abgebrochen, bis 1514
das Langhaus, im Anschluss daran bis etwa 1525 der Chor errichtet 3. Einige Strebepfeiler am Langhaus datieren zwar
1537, doch hat man den Bau mit seiner Einwölbung erst 1594 zu Ende gebracht, wie aus einer Inschrift über dem mitt-
leren Chorbogen hervorgeht. Die »letzte mittelalterliche Hallenkirche Hessens« nach Plänen der Meister Michael aus
Nürnberg und Nikolaus aus Wetzlar ist ein langgestreckter, im Osten dreiseitig umbrochener Bau mit recht schmalen,
um den Chor herumgeführten Seitenschiffen4. Das Tonnengewölbe des Mittelschiffes ruht auf großzügigen Rundbo-
genarkaden über Rundpfeilern mit im Langhaus vorgelegten Diensten. Ursprünglich sollten die mit einem Netzgewöl-
be versehenen Emporen in den Seitenschiffen nach Osten im Chorumgang fortgeführt werden, doch hat man später
aus Kostengründen darauf verzichtet, ebenso auf ein das Mittelschiff überspannendes Netzgewölbe, das statt dessen
eine zeitgemäßere Tonnenwölbung erhielt. Die Kirche diente dem Falkensteiner Geschlecht und den Grafen zu Solms
lange Zeit als Erbbegräbnisstätte. Graf Philipp stand dem lutherischen Gedankengut aufgeschlossen gegenüber, doch
wurde erst mit dem Tod seines Sohnes Reinhardt im Jahr 1562 auch in Lich die Reformation eingeführt.
Geschichte der Verglasung: Während der Kirchenwiederherstellung von 1859 bis 1861 erhielten Chor- und Lang-
hausfenster neue Glasmalereien, die theils in Marburg, theils in München verfertigt worden waren 5. Die Einbettung
der bis dato noch verbliebenen Originale in eine neue Ornamentumgebung dürfte ebenso wie die Restaurierung be-
reits zu diesem Zeitpunkt erfolgt sein, da die Ergänzungen technisch von gleicher Beschaffenheit wie die Ornament-
fenster sind. Die originalen Stücke wurden damals außenseitig mit eingravierten Nummern gekennzeichnet. Seitdem
gab es offenbar keine größeren Eingriffe mehr in den Bestand. Zuletzt wurden die Scheiben im August 1996 von der
Glasmalerei Peters, Paderborn, zwecks Anbringung einer Außenschutzverglasung ausgebaut. Die Maßnahmen an den
Glasmalereien umfassten im Wesentlichen das Reinigen, das Sichern loser Konturen, die Entfernung bzw. Erneuerung
einiger Sprungbleie sowie die Klebung von Sprüngen.
Erhaltung: Die beiden figürlichen Glasmalereien sind für ihre Wiederverwendung innerhalb einer neuen Orna-
mentverglasung aus ihrer Rahmenumgebung ausgeschält und dabei großflächig ergänzt worden. Während die Strah-
lenkranzmadonna allein im Kopfbereich alte, in der Zeichnung allerdings stärker beriebene Gläser bewahrt hat, ist
1 Zur Gründung und Geschichte des Stifts s. Waldemar Küther, Das meint, unter dessen Leitung etwa zur gleichen Zeit die Glasmalereien in
Marienstift im Mittelalter, Lich 1977. der Marburger Elisabethkirche hergestellt wurden. In diese Richtung
2 Zur Baugeschichte der neuen Kirche s. Walbe 1933, S. 242–282. weist auch das für Lange bezeichnende Verfahren, originale Stücke ei-
3 Einer testamentarischen Bestimmung Graf Philipps vom 12. August nes Feldes außenseitig mit Nummern zu versehen. Im Fenster süd II
1523 lässt sich entnehmen, dass der Chor zu diesem Zeitpunkt noch befi ndet sich die Inschrift Glasmalerei von Joseph Dopfer in München
nicht fertiggestellt war; Küther (wie Anm. 1) 1977, S. 190. 1860. Zur Münchener Malerfamilie Dopfer vgl. Elgin Vaassen, Bilder
4 Dehio Hessen 21982, S. 544. auf Glas. Glasgemälde zwischen 1780 und 1870, München/Berlin 1997,
5 Diehl 1935, S. 203 (nach einer Mitteilung des Stiftsdechanten Bich- S. 247f. – Weitere Figurenfenster im Langhaus mit reformatorischen
mann in der Licher Pfarrchronik). Mit dem Hinweis auf Marburg ist Inhalten sind im Lutherjahr 1883 gestiftet worden, nach Westen folgen
möglicherweise der Architekt und Zeichenlehrer Friedrich Lange ge- jüngere Arbeiten aus dem Jahr 1890.
lich . stiftskirche st. maria 285
n
II
sV
die Hl. Anna zwar substantiell besser erhalten, allerdings hat sich dort wiederum die Bemalung fast bis zur Unkennt-
lichkeit abgelöst, und nur vereinzelt, etwa im Gewand der Hl. Anna, sind heute noch Konturen des einstigen Falten-
verlaufs zu erkennen. Dieses Phänomen lässt auf technische Probleme beim Brand schließen und ist möglicherweise
auf die Verwendung von chemisch sehr stabilen Gläsern zurückzuführen. An den Außenseiten der alten Stücke zeigen
sich nämlich keinerlei Spuren von Verwitterung. Trotz des grundsätzlich gleichen Schadensbildes sind die Wappen-
rundscheiben insgesamt besser erhalten, die Gesamtkomposition ist durch minderwertige Ergänzungen, die noch der
ersten Restaurierung des 19. Jahrhunderts entstammen, geringfügig beeinträchtigt. Sämtliche Stücke wurden im 19.
Jahrhundert im Zuge der Restaurierung neu verbleit.
Rekonstruktion, ikonographisches Programm, Komposition: Entgegen der in der Literatur stets anzutref-
fenden Bezeichnung handelt es sich bei der thronenden weiblichen Heiligen nicht um Elisabeth, sondern um die Hl.
Anna einer Anna-Selbdritt-Darstellung, zu der als Pendant einst auch eine Maria mit dem Jesusknaben gehört haben
muss. Die Hl. Anna, die im Zusammenhang der gesteigerten Marienverehrung des ausgehenden Spätmittelalters an
Bedeutung gewinnt, war auch Patronin des Bergbaus, der im Solmser Land eine wichtige wirtschaftliche Rolle spielte 6 .
Das Familienbild mit der Großmutter Anna, die dem Jesusknaben einen Apfel reicht, ist im Aufbau grundsätzlich mit
dem um 1515 entstandenen Annenfenster im Freiburger Münster nach Entwürfen Hans Baldungs vergleichbar (vgl.
Fig. 347). Dort ist die auf einer Bank versammelte Kerngruppe noch um weitere Verwandte Christi zur Hl. Sippe er-
weitert. Die Chor- und Langhausfenster der Licher Stiftskirche sind nun jedoch überwiegend dreibahnig ausgelegt,
während eine zweiachsige Komposition wie in Freiburg oder Lich idealerweise in einem zwei- oder vierbahnigen
Fenster untergebracht werden sollte. Das einzige vierbahnige Fenster am Übergang vom Chor ins südliche Seiten-
schiff bietet daher – auch aufgrund seiner Maßverhältnisse – geradezu ideale Voraussetzungen zur Präsentation einer
6 So zeigt auch der von Graf Philipp gestiftete Niederweidbacher Al- cm; die Annenscheibe ist zwar heute 56,5 cm breit, doch unter Abzug
tar auf dem linken Innenflügel gleichfalls eine Hl. Sippe; s. Andreas der modernen Rahmenstreifen kommt man auf ein Maximalmaß von
Dittmann, Der spätgotische Altarschrein der Marienkirche zu Nie- lediglich 48 cm. Auch das zweibahnige Westfenster der Sakristei hat 50
derweidbach, Wetzlar 1990. cm breite Lanzetten, dürfte jedoch als Aufstellungsort nicht in Frage
7 Das südliche Langhausfenster besitzt Bahnenbreiten von 50 bis 52 kommen.
286 lich . stiftskirche st. maria
vielleicht einstmals um weitere Familienmitglieder erweiterten Heilige Sippe7. Doch wäre grundsätzlich auch eine
asymmetrische Lösung innerhalb eines dreibahnigen Chorfensters denkbar, worin neben weiteren Heiligen auch die
erhaltene Strahlenkranzmadonna zu sehen gewesen sein könnte. Dass das mehrfache Auftreten der Marienfigur nicht
generell gegen die Zusammengehörigkeit beider Figurenscheiben sprechen muss, bestätigt ein Blick auf das Nürnber-
ger Pfinzing-Fenster in St. Sebald, wo sich ebenfalls eine Anna-Selbdritt-Darstellung in unmittelbarer Nachbarschaft
der Strahlenkranzmaria befindet 8 . Die erhaltenen Wappenrundscheiben sind auf Döll Wais von Fauerbach und seine
Frau Margaretha von Buches zu beziehen. Beide Wappenbilder finden wir noch einmal auf dem Grabstein ihrer Toch-
ter Anna Schenck zu Schweinsberg († 1564), die zusammen mit ihrem Mann Wolf Schenck zu Schweinsberg († 1532) in
der Stiftskirche begraben wurde. Die Rundscheiben geben entweder einen Hinweis auf eine Ahnenprobe der Stifterin
Anna oder sie stellen den Rest einer Fensterstiftung ihrer Eltern dar 9.
Farbigkeit, Technik: Ein besonderes Merkmal der Scheiben ist ihr ungewöhnlich sattes Kolorit. Die Verwendung
von kräftigen und dunklen Farben steht der allgemeinen Entwicklung in der Glasmalerei des 16. Jahrhunderts zu einer
aufgehellten Farbpalette eigentlich entgegen. Der malerische Charakter wird – trotz ihres ruinösen Zustandes – beson-
ders in der Annenfigur augenfällig, die in einem tief moosgrünen Kleid vor dunkelrotem Vorhang und unter blauem
Himmel erscheint. Neben der ansprechenden und harmonischen Farbzusammenstellung, die auch braunes Hüttenglas
mit einschließt, tragen kräftige Braunlotüberzüge, ein nuancierter Silbergelbauftrag und außenseitige Schattierungen
zur Steigerung der malerischen Wirkung bei. Auf der Außenseite, besonders in den Inkarnatpartien der Marienfigur,
befinden sich Reste flächiger Überzüge und modellierender Schraffuren, der rote Vorhang lässt sogar noch ein zartes
Damastmuster erkennen. Das ganze Register technischer Fertigkeiten wurde bei der Umsetzung der Wappenbilder
gezogen: So ist die Perlenbrosche der Helmzier im Wappen Buches von Staden mit Hilfe des mechanischen Bohrers
aus hellblauem Überfang ausgeschliffen, der Federschmuck mit steigendem Löwen im Wappen Wais von Fauerbach als
chef-d’œuvre ausgeführt. Der Schild selbst wiederum zeigt einen Ausschliff aus tiefblauem Überfangglas.
Stil, Datierung: Der schlechte Erhaltungszustand erschwert die stilistische Beurteilung der Figurenfelder. Die we-
nigen gut erhaltenen Partien, insbesondere der Oberteil der Strahlenkranzmadonna, zeugen jedoch von einer hohen
künstlerischen Qualität der Arbeit. Mit sicherer Linienführung und einer weichen körperhaften Modellierung wird
der Glasmaler dem hohen künstlerischen Anspruch der Vorlage gerecht. Die nächsten Parallelen hierzu lassen sich in
der Nürnberger Malerei finden, insbesondere in der Strahlenkranzmadonna im Pfinzing-Fenster von St. Sebald, das
1515 nach Dürers Entwurf in der Hirsvogel-Werkstatt ausgeführt wurde (Fig. 344)10 . Die Gegenüberstellung offenbart
im Detail zahlreiche weitere Übereinstimmungen in Körperform und Haltung des Kindes mit dem lässig angezo-
genen Bein, dem ausgeprägten Dürer’schen Kinnrund und der Gestaltung der Krone mit dem charakteristischen Blatt-
schmuck. Augenscheinlich wurde bei der Restaurierung des 19. Jahrhunderts auch der Mantel Marias nach originalen
Teilen erneuert, da sich wie in Nürnberg der Mantelzipfel über die Mondsichel legt. Reflexe der Dürerschule finden
sich auch in der Annenfigur, hier sind es die bereits erwähnten Anna-Selbdritt-Darstellungen seines Mitarbeiters Hans
Baldung11. Ob die motivischen Übereinstimmungen allein mit der Verarbeitung druckgraphischer Vorlagen zu erklä-
ren sind oder ob sie, wenn man die zeichnerische Qualität der Scheiben bedenkt, eine intimere Kenntnis fränkischer,
insbesondere Nürnberger Malerei voraussetzen, ist nicht leicht zu entscheiden12 . Weitere Hinweise kann vielleicht
8 Hartmut Scholz, Entwurf und Ausführung. Werkstattpraxis in der 10 Scholz 1991 (wie Anm. 8), S. 164–175.
Nürnberger Glasmalerei der Dürerzeit (CVMA Deutschland, Studien 11 Eine verwandte Auffassung des Christkindes bietet auch die Strah-
I), Berlin 1991, S. 164–175, Abb. 207, 223–226. lenkranzmadonna aus der Freiburger Kartause nach Entwurf Bal-
9 Die Grabsteine des Ehepaares fanden unterhalb des Chorfensters dungs(?), heute im Museum Heylshof zu Worms; s. hierzu demnächst
süd II Aufstellung und markieren damit vielleicht den Standort ih- den in Vorbereitung befi ndlichen Band CVMA Deutschland II,2. Auf-
rer Fensterstiftung. Beschreibung der Grabsteine bei Walbe 1933, S. schlussreich ist auch ein Vergleich mit einem frühen Glasmalereient-
271f. – Die Wais von Fauerbach zählten in Friedberg zu den bedeu- wurf Baldungs gleicher Thematik; vgl. Carl Koch, Die Zeichnungen
tendsten Burgmannenfamilien und standen als Amtsträger in Diensten Hans Baldung Griens, Berlin 1941, S. 111, Nr. 77.
des hessischen Landgrafen; vgl. Demandt 1981, II, S. 908–910. Beide 12 Dem Pfi nzing-Fenster von 1515 steht zwar der im gleichen Jahr
Familien erscheinen 1471 als Lehensträger des Kurfürsten Friedrich entstandene Holzschnitt der Kartäuser-Madonna aus der Werkstatt
I. von der Pfalz: Alfred F. Wolfert, Die Wappen im Lehenbuch des Dürers am nächsten, doch kann dieser nicht als Bildvorlage Verwen-
Kurfürsten Friedrich I. von der Pfalz, in: Beiträge zur Erforschung dung gefunden haben; Albrecht Dürer. Das druckgraphische Werk, II,
des Odenwaldes und seiner Randlandschaften, IV, hrsg. von Winfried bearb. von Rainer Schoch, Matthias Mende und Anna Scherbaum,
Wackerfuss, Breuberg-Neustadt 1986, S. 279–344. München/Berlin/London/New York 2002, S. 418–420, Nr. 240.
lich . stiftskirche st. maria 287
Fig. 344. Maria im Strahlenkranz. Fig. 345. Maria im Strahlenkranz. Lich, Stiftskirche St. Maria, Chor n II, 2c.
Nürnberg, St. Sebald, Pfi nzing-Fenster Frankfurt, Mainz oder Wetzlar, um 1525 (Hans Döring?).
(Chor s III, 6b). Hirsvogel-Werkstatt
nach Entwurf Albrecht Dürers, 1515.
das künstlerische Umfeld Graf Philipps geben. Es spräche in der Tat einiges dafür, dessen Hofmaler Hans Döring als
Entwerfer hinter diesen Werken zu vermuten13. Über Dörings Leben und Werk ist jedoch wenig bekannt, wozu auch
die mehrdeutige und zu Verwechslungen einladende Signatur seiner Werke (HD) beigetragen hat14. Döring wurde in
Oberfranken geboren, war in Erfurt und Wittenberg an der Universität immatrikuliert und wurde dann Mitarbeiter in
der Werkstatt Cranachs15. Der Maler verarbeitete in freier eklektizistischer Manier Einflüsse Albrecht Dürers, Hans
13 Zu Hans Döring: Hans Ehlers, Hans Döring. Ein hessischer Ma- jene, von Günther Meinert erschlossene Gruppe schlesischer Werke
ler des 16. Jahrhunderts, Frankfurt am Main 1919; Emil Becker, Hans mit Döring verbinden, welche unzweifelhaft eine Schulung des Malers
Döring, ein Dillenburger Hofmaler des 16. Jahrhunderts, in: NA 53, bei Cranach verraten: Günther Meinert, Hans Dürer in Schlesien, in:
1933, S. 57–78. Jb. der Preußischen Kunstsammlungen 58, 1937, S. 128–136. Dies gilt
14 Einige mit HD signierte Werke, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch für den gleichfalls mit HD signierten und 1513 fertiggestellten
versuchsweise zu einem spärlichen Œuvre Hans Dürers, des jüngeren Hochaltar der Kunigundenkirche zu Rochlitz/Sachsen. Walter Hent-
Bruders von Albrecht Dürer, zusammengestellt worden sind, stammen schel, Ein Frühwerk von Hans Dürer, in: FS Friedrich Winkler, hrsg.
wohl gleichfalls von der Hand Dörings, wie ein Vergleich mit dem für von Hans Möhle, Berlin 1969, S. 213–220.
Döring gesicherten Niederweidbacher Flügelaltar nahelegt. Man ver- 15 Graf Philipp von Solms, der ein Vertrauter des Kurfürsten Fried-
gleiche hierzu etwa den Sippenaltar von 1515 (ehem. Sammlung Nemes, richs des Weisen war und für diesen von 1506 bis 1514 die Regentschaft
München) mit der nahe verwandten, allerdings nachlässiger ausgeführ- in Coburg übernahm, hielt sich mehrfach in Wittenberg auf. Eine Ver-
ten Darstellung auf dem linken Flügel des Niederweidbacher Altars, mittlung Dörings über Cranach für die Stelle eines Hofmalers des Gra-
die eine Reihe an Übereinstimmungen zeigen. Abb. des Sippenaltars fen darf daher als wahrscheinlich gelten. Döring wird um 1515 Bürger,
in: Albrecht Dürer. Ausstellung im Germanischen Nationalmuseum später sogar Schultheiß in Wetzlar und liefert zunächst für Philipp und
Nürnberg, Nürnberg 31928, S. 77, Nr. 93, Taf. 25. Zum Niederweid- seine Familie Porträts, später auch für Graf Wilhelm von Nassau-Dil-
bacher Altar: Dittmann 1990 (wie Anm. 6). Vielleicht darf man auch lenburg.
288 lich . stiftskirche st. maria
Schäufeleins (Altar von Niederweidbach) und vor allem Cranachs (Porträt des Grafen Philipp von Solms), zu dem er
offenbar auch nach seinem Weggang aus Wittenberg in Kontakt stand16 . Auch die in Lich erhaltenen Glasmalereifrag-
mente zeugen von einem eklektischen Vorgehen des Entwerfers. So schwingt in der Marienfigur neben dem unver-
kennbaren Vorbild Dürer auch eine höfisch-modische Note mit, die sich mit dem Einfluss Cranachs gut vereinbaren
ließe. Doch mangels sicher zugeschriebener Werke steht die Einbettung der Glasmalereien in Dörings Œuvre auf
wackeligen Beinen. Grundsätzlich läge auch eine Auftragsvergabe an eine Werkstatt in den Kunstzentren Mainz oder
Frankfurt nahe, zumal sich Graf Philipp in Kunstfragen verschiedentlich an Frankfurter oder auch Mainzer Künstler
wandte17. Gerade Frankfurt hat mit Künstlern wie Martin Caldenbach oder den Meistern um den Heller-Altar in den
ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts ein fränkisch geprägtes Stilumfeld geboten, in welchem die Entstehung der
Licher Glasmalereien durchaus vorstellbar wäre.
Mit dem Neubau der Stiftskirche wird Philipp ein ähnlich ambitioniertes Projekt vor Augen gestanden haben wie Kar-
dinal Albrecht von Brandenburg mit der Errichtung des Hallenser Doms oder Kurfürst Friedrich mit der Wittenber-
ger Schlosskirche18 . Der Rückgriff auf Künstler, die mit dem aktuellen Kunstgeschehen bestens vertraut waren, dürfte
daher für den kunstsinnigen Grafen bei der Ausstattung des Licher Stifts, das ihm zugleich als dynastische Grablege
diente, eine entscheidende Rolle gespielt haben.
Frankfurt, Mainz oder Wetzlar, um 1525.
Vorbemerkung zum Katalog: Die Glasmalereien wurden im September 1991, vor Anbringung der Außenschutzvergla-
sung, untersucht und fotografiert. Eine zweite Aufnahmeserie wurde 1996 anlässlich der Restaurierung angefertigt.
Dreibahniges, siebenzeiliges Maßwerkfenster mit rundbogigem Abschluss. Lichtes Gesamtmaß H. ca. 6,0 m, B. 1,70 m.
lichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur 26), Regensburg 18 Hans-Joachim Krause, Die Kirche des »Neuen Stifts« in Hal-
1994, S. 329, Nr. 151 (Altar des Bischofs Gabriel von Eyb) und S. 342f., le und die Schloßkirche in Wittenberg. Zur Geschichte und Gestalt
Nr. 164 (Bildnisstudie Graf Philipps von Solms); vgl. zuletzt: Cranach beider Bauten, in: Cranach. Meisterwerke auf Vorrat. Die Erlanger
der Ältere. AK Frankfurt am Main, Städelsches Kunstinstitut, hrsg. Handzeichnungen der Universitätsbibliothek. Bestands- und Ausstel-
von Bodo Brinkmann, Frankfurt am Main 2007, S. 282f., Nr. 80. Das lungskatalog, hrsg. von Andreas Tacke (Schriften der Universitäts-
Ganzfigurenportrait von Döring wurde im Jahr 2001 bei Sotheby’s bibliothek Erlangen-Nürnberg 25), München 1994, S. 21–36.
versteigert. 19 Vgl. DGM I, 1995, S. 225f., Nr. 78 mit Taf. S. 250. Von der Anna-
17 Ein zweites Ganzfigurenporträt, heute im Hohenlohe-Museum Selbdritt-Gruppe des Freiburger Fensters haben sich zwei Umzeich-
Schloss Neuenstein, ließ Philipp von Conrad Faber von Creuznach nungen der Ropstein-Werkstatt nach den Entwürfen Baldungs in Paris
anfertigen; vgl. Wolfgang Brücker, Conrad Faber von Creuznach, und Brüssel erhalten. Vgl. Helmut Perseke, Hans Baldungs Schaffen
Frankfurt am Main 1963, S. 192. Siehe auch Brinkmann/Kemperdick in Freiburg (Forschungen zur Geschichte der Kunst am Oberrhein
2005, S. 310–320. Graf Philipp beschäftigte u.a. auch den Frankfurter 3/4), Freiburg i. Br. 1941, S. 119–121, 132, Abb. 14–16.
Conrad Fyoll und Hans Abel (II) aus Mainz. Das Denkmal für die 20 Vgl. Gert von der Osten, Hans Baldung Grien. Gemälde und Do-
Grafen Philipp, Reinhardt und Otto im Chor der Licher Stiftskirche kumente, Berlin 1983, S. 84–86, Nr. 19, Taf. 52; Matthias Mende, Hans
gab Reinhardt 1544 bei dem Mainzer Bildhauer Dietrich Schro in Auf- Baldung Grien. Das graphische Werk. Vollständiger Bildkatalog, Un-
trag; Walbe 1933, S. 268–270. terschneidheim 1978, S. 44 und Abb. 17.
290 lich . stiftskirche st. maria
Fig. 348. ES n II, 2b. sehenem Fiederrankengrund. Annas Mutter war Margarethe
M 1:15 von Buches. Im Aschaffenburger Wappenbuch wird das Wap-
pen Buches von Staden unterschieden von der Linie Buches von
Höchst, die ein silbernes Kreuz auf rotem Grund zeigt 22 .
CVMA G 8829, A 11211, Großdia A 222
Fig. 349. ES n II, 2b.
M 1:15 2c STRAHLENKRANZMADONNA
Fig. 345, 351, Abb. 198
2b WAPPEN WAIS VON FAUERBACH H. 79 cm, B. 55 cm.
Fig. 348, 350, Abb. 199 Erhaltung: Alt sind nur noch das Jesuskind, das Haupt der
Durchmesser 38,5–39 cm. Maria und ein Teil des Strahlenkranzes mit dem Zepterkopf.
Erhaltung: Löwe im Flug der Helmzier rechts und Teile der Der Mantel Mariens ist im 19. Jh. vollständig in violettem Glas
Helmdecke ergänzt. Zahlreiche geklebte Sprünge. erneuert worden. Damals hat der Restaurator auch das Zepter
Ikonographie: Wappen Wais von Fauerbach (in Silber ein her- fälschlich zum bodenlangen Stab ergänzt. Ursprünglich war
sehender bewehrter blauer Löwe, die Helmzier mit offenem die Figur wohl rot hinterlegt, worauf ein kleines Reststück
silbernen Flug, jeder Flügel mit Schild belegt) auf rotem, mit zwischen Zepter und Strahlenkranz hindeutet.
gelben Rahmenstreifen umgebenem Fiederrankengrund 21. Ikonographie, Komposition: Neben dem Motiv der Hl. Anna
Der Vater der Anna Schenck zu Schweinsberg war Döll Wais Selbdritt erfreute sich auch die Madonna im Strahlenkranz seit
von Fauerbach. Zusammen mit dem zweiten Wappenbild der
Buches von Staden verweist die Wappenallianz auf die Eltern
der Anna Schenck zu Schweinsberg.
CVMA G 8828, A 11211, Großdia A 222
Bibliographie: Lotz 1880, S. 295 (»zahlreiche Darstellungen aus dem apostolischen Glaubensbekenntnis aus dem
14. Jh., ziemlich derb ausgeführt«); Roth 1895, S. 302 (berichtet von einem vergeblichen Kaufversuch der Glasma-
lereien durch den Freiherrn von Zwierlein sowie einen Privatmann aus Koblenz im Jahr 1823); Oidtmann 1898, S.
251f. (folgt Lotz 1880), Oidtmann 1906 (kann als Restaurator des Fensters detaillierte Beobachtungen zum Er-
haltungszustand sowie zu technischen Besonderheiten mitteilen und sieht in der im Limburger Diözesanmuseum
aufbewahrten Schöpfungsscheibe den Rest einer ursprünglich im Nordfenster des Chors fortgeführten Darstellung
des Glaubensbekenntnisses; vermutet darüber hinaus eine Verarbeitung verschiedener Vorlagen für die um 1320 ge-
schaffenen Glasmalereien); Luthmer 1907, S. 78, 114f., 123 (nimmt ohne Nachweis die Fertigstellung der Kirche
für das Jahr 1329 an und erwähnt die Glasmalereien nur beiläufig); Wilhelm Tripp, Der Wilhelmitenorden und das
ehemalige Wilhelmitenkloster in Limburg, in: Nassauer Bote 1910, Nr. 278–280 (das Chorfenster ist der einzige, vom
Vorgängerbau übernommene Verglasungsrest); Oidtmann 1912, S. 11, 104, 120–124, Abb. 19, 47, 181–185, 281–284
(entspricht weitgehend Oidtmann 1898, denkt an eine Entstehung der Glasmalereien in Köln); Schmitz 1913, I, S. 19
(Beispiel für den Einfluss oberrheinischer Kunst am Mittelrhein); Heinrich Otto, Die St. Anna-Kirche in Limburg
a.d. Lahn als Wilhelmiten- und als Hospitalskirche. Festgabe zu ihrer Wiederherstellung, Limburg 1918, S. 8, 97f.
(erste detaillierte Darstellung der Baugeschichte, identifiziert die Stifterwappen im Maßwerk mit wohlhabenden Lim-
burger Bürgern); Bernhard Hertel und Paul Clemen, Die Glasgemälde des Kölner Domes, I, Berlin 1925, Einleitung
(sehen das Bibelfensters aus der Kölner Dominikanerkirche auf einer Stilstufe mit Limburg); Sherrill 1927, S. 126f.
(datiert die Glasmalereien um 1325 und hebt ihre ikonographischen Besonderheiten hervor); Oidtmann 1929, S. 471
(nach Roth 1895); Paul Clemen, Der Dom zu Köln (Die Kunstdenkmäler der Stadt Köln I,3), Köln 1937, S. 174 (wie
Hertel/Clemen 1925); Fischer 21937, S. 57 (nach Hertel/Clemen 1925); Wille 1952, I, S. 85–102, 135, II, S. 63–77
(erste wissenschaftlich fundierte Behandlung des Scheibenbestands, kommt neben stilkritischen Beobachtungen auf-
grund der Stifterkonstellation zu einer historisch begründeten Datierung nach 1350 und weist das Schöpfungsfeld
einem altertümlicher arbeitenden Meister der gleichen Werkstatt zu; verbindet das im Limburger Diözesanmuseum
aufbewahrte Wappenfeld der Familie Boppe fälschlich mit einer weiteren Fensterstiftung für die Kirche); Wentzel
2
1954, S. 40 (hessisch, um 1350); Struck 1956, S. XLIV, Anm. 169 (folgt Wille 1952); Schenk zu Schweinsberg 1962,
S. 22 (erkennt in der Schöpfungsscheibe im Diözesanmuseum die gleiche, später für das Achsenfenster tätige Werkstatt
und datiert die Glasmalereien um 1320/30); Andersson 1964, S. 95, Taf. 88, 175 (zieht die Deesis der Kopfscheiben als
ikonographisches Parallelbeispiel für das Achsenfenster im gotländischen Etelhem heran); Dehio Hessen 21982, S. 558
(»hervorragende Glasmalereien aus dem 3. Viertel des 14. Jahrhunderts«); Kiesow 1988, S. 230, Abb. 85 (Farbabbil-
dung des Fensters); Rauch 1997, S. 65, 158f. (weist hinsichtlich der Vorliebe für Maßwerkfigurationen im Maßwerk auf
entsprechende Farbverglasungen in Straßburg, Oppenheim, Oberwesel und Limburg hin); Gudrun Sporbeck, in: AK
Köln 1998, S. 216f., Nr. 39 (will in der Schöpfungsszene des Limburger Diözesanmuseums den Rest eines typologischen
Zyklus sehen und kehrt wieder zu der seit Wille nicht mehr haltbaren Frühdatierung des Scheibenbestandes um 1320
zurück); Hess 1999, S. 44, 46, Abb. 22 (gegen 1340/50 in einer ortsansässigen Werkstatt entstanden); Parello 2001,
S. 124, Abb. 10 (stellt das Vita-Christi-Fenster der etwa gleichzeitig entstandenen Hersfelder Langhausverglasung
gegenüber); Daniel Parello, Die Glasmalereien der Oberweseler Liebfrauenkirche. Bestand und Rekonstruktion, in:
Die Liebfrauenkirche in Oberwesel (Forschungsberichte zur Denkmalpflege in Rheinland-Pfalz 6), Worms 2002, S.
143–157, hier S. 150 (folgt Rauch 1997); Matthias Theodor Kloft, Marderpelz und Sackkutte – Zwischen Officium
divinum und persönlicher Seelsorge. Geistliches Leben im spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Limburg zwi-
schen dem Stift St. Georg, der Pfarrei St. Nikolaus und anderen geistlichen Institutionen, in: Caspar Ehlers/Helmut
Flachenecker (Hrsg.), Deutsche Königspfalzen. Beiträge zu ihrer historischen und archäologischen Erforschung.
Geistliche Zentralorte zwischen Liturgie, Architektur, Gottes- und Herrscherlob: Limburg und Speyer, Göttingen
2005, S. 207–244, hier S. 237 (folgt wiederum der Frühdatierung von Sporbeck 1998); Nieder 2005, S. 80 –95 (aus-
führliche Beschreibung des Fensters mit Hinweisen zur Restaurierungsgeschichte); Ursula Braasch-Schwersmann,
Brüder und Schwestern der Wilhelmiten – das Kloster in Limburg an der Lahn und die Klause in Fachingen, in: Enno
Bünz/ Stefan Tebruck/ Helmut G. Walther (Hrsg.), Religiöse Bewegungen im Mittelalter. FS für Matthias Werner
292 limburg . pfarrkirche st. anna
zum 65. Geburtstag (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Thüringen 24), Köln/Weimar/Wien 2007,
S. 251–280, hier S. 263–269 (folgt Nieder 2005 und denkt an eine Herkunft der im Diözesanmuseum zu Limburg
aufbewahrten Scheiben aus der Annenkirche).
Gegenwärtiger Bestand: Die figürliche Farbverglasung des dreibahnigen und sechszeiligen Achsenfensters hat sich
fast vollständig erhalten; lediglich zwei Felder mussten bei der Wiederherstellung zu Beginn des vergangenen Jahr-
hunderts neu geschaffen werden. Ein weiteres, hier als Flickstück wiederverwendetes Feld wurde damals in das neu
gegründete Diözesanmuseum in Limburg überwiesen.
Geschichte des Baues: Im Anschluss an die Niederlassung der Franziskaner in der Stadt gewährte Gerlach I., Herr
von Limburg (1232–1289), auch den Wilhelmiten die Ansiedlung und stellte ihnen hierzu die unterhalb der Brücke
befindliche Lahninsel zur Verfügung. Die häufigen Überschwemmungen zwangen jedoch die Brüder des Conventus
Pontis den Ort mit Zustimmung des Erzbischofs Balduin von Trier (1307–1354) aufzugeben und Kloster und Kirche
an der heutigen Stelle neu zu errichten1. Weihedaten sind nicht überliefert, doch scheinen die Bauarbeiten nicht vor
1328 begonnen worden zu sein, da eine aus dieser Zeit stammende Urkunde vom Erwerb mehrerer Liegenschaften für
den Bau des neuen Konvents kündet 2 . Vor 1370 muss die zunächst dem Ordensgründer Wilhelm von Maleval geweihte
Kirche jedenfalls vollendet gewesen sein, da damals ein Jahrgedächtnis gestiftet wurde3. Nach wiederholten Wunder-
tätigkeiten um die Anrufung der Hl. Anna entwickelte sich der Ort seit dem frühen 15. Jahrhundert zu einem Zen-
trum der Wallfahrt4. Im Zuge der Reformation erklärte der Konvent im Jahr 1572 dem Trierer Erzbischof, dass er sich
infolge der überhandnehmenden Ketzerei aller Subsistenzmittel beraubt sehe und daher genötigt sei, sich aufzulösen.
Kurfürst Jakob von der Eltz (1567–1581) übergab die Gebäude 1573 der Stadt, um das Heilig-Geist-Hospital von der
hochwassergefährdeten Brückenvorstadt hierher zu verlegen. Um das Jahr 1600 fügte man an die Nordseite der Kirche
ein Brauhaus an. Nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges erfolgte 1650–1652 die umfassende Barockisierung des
Innenraums, wobei anstelle des zuvor eingestürzten Gewölbes eine stuckierte Spiegeldecke eingezogen wurde. Eine
neue Sakristei wurde in den zwischen 1729 und 1734 errichteten Hospitalneubau integriert, die Wiederherstellungs-
maßnahmen schlossen damals auch die Erneuerung und Ausweißung des Kirchengebäudes mit ein. Während der Re-
volutionskriege diente die Kirche als Pulver- und Fruchtmagazin, später als Artilleriepark. Der energische Widerstand
der Stadt verhinderte nach dem Zusammenbruch des Trierer Kurstaates und der Erhebung Limburgs zum Bischofssitz
die von der nassauischen Regierung beabsichtigte endgültige Profanierung. 1917 purifizierte man den Innenraum von
den neugotischen Zutaten der 1870er Jahre. Nach Beseitigung der Kriegszerstörungen nutzen bis heute die Pallottiner
die weiterhin im städtischen Besitz befindliche Kirche.
Vom einstigen Aussehen der Klosterkirche kann der Außenbau noch eine gute Vorstellung vermitteln. Im Kern blieb
der gotische, dreiseitig gebrochene Chor mit kräftigen Strebestützen erhalten, ebenso die dreibahnigen Maßwerkfens-
ter, wobei lediglich das größer gestaltete Achsenfenster und ein doppellanzettiges, im Couronnement vermauertes
Fenster der nördlichen Langchorseite noch originales Maßwerk zeigen. Im Inneren überwiegt dagegen noch trotz
1 Über den genauen Zeitpunkt des Umzugs herrscht Uneinigkeit. die Gläubigen Öl stifteten. Dazu zuletzt Ursula Braasch-Schwers-
Christoph Brower/Jacob Masen, Antiquitatum et annalium Trevi- mann 2007 (s. Bibl.), S. 264.
rensium libri XXV, tom. II, Lüttich 1671, S. 202, nennt hierfür das 4 Ob das Annenpatrozinium ursprünglich war oder erst im Zuge
Jahr 1322; so auch W. M. Becker, Das vormalige Wilhelmiten-Klos- der Ausbreitung des Annenkultes ein Patrozinium des Hl. Wilhelm
ter zu Limburg a.d. Lahn und dessen Archiv, in: NA 14, 1877, S. 303. verdrängte, wie Otto 1918 (s. Bibl.), S. 9, vermutet, ist nicht zu ent-
Corden, II, 1780, § 391f., bringt den Neubau mit dem Erwerb von scheiden.
Grundstücken im Jahre 1328 in Zusammenhang; ebenso Jakob Höh- 5 StA Limburg, Hospitalrechnungen Nr. 103, fol. 23v; zitiert nach
ler, Geschichte der Stadt Limburg an der Lahn, Limburg 1935, S. 24. Nieder 2005, S. 88.
Otto 1918 (s. Bibl.), S. 5, spricht dagegen von einem bereits 1317 er- 6 Roth 1895, S. 302; hierzu auch Nieder 2005, S. 89f.
folgten Abbruch des Klosters und der 1319 eingeholten Zustimmung 7 Vgl. Oidtmann 1906, Sp. 257–259.
des Erzbischofs. 8 Auf Anregung des Provinzialkonservators Paul Clemen sollten die
2 Zu der in Wiesbaden aufbewahrten Urkunde (HHStAW Abt. 43) Neuschöpfungen ausdrücklich als neue Zutat gekennzeichnet werden;
ausführlicher Wilhelm Tripp 1910 (s. Bibl.), Nr. 278–280. Oidtmann 1906, Sp. 262.
3 Tripp 1910 (s. Bibl.). In der Kirche befanden sich mehrere Altäre: 9 Oidtmann 1906, Sp. 259, entfernte auch die von ihm beschriebenen
Der Altar des Hl. Wilhelm, ein Zwölf-Apostel-Altar sowie ein Heilig- doppelten Umbleie mit eingeschmolzenen Weidengerten. Stammten die
Kreuz-Altar in einer Abseite mit vorgehängter Öllampe, für welche damals von ihm festgestellten Reste von Verkittung noch aus mittel-
alterlicher Zeit?
limburg . pfarrkirche st. anna 293
Fig. 355. Vorführung vor Herodes (Ausschnitt aus Abb. 352). – Kat. S. 301.
Rekonstruktion, ikonographisches Programm: Gegenüber den kleineren Fenstern im Schiff ist der Chorraum
der Annakirche mit dreilanzettigen Maßwerkfenstern versehen. Dabei weist der noch an ursprünglicher Stelle befind-
liche Vita-Christi-Zyklus des Achsenfensters einige kompositorische Besonderheiten auf: So sind die Einzelbilder
bahnweise von unten nach oben zu lesen, wobei die sechs Szenen einer jeden Bahn auch einen inhaltlich geschlossenen
Abschnitt markieren (Marienleben bis Taufe Christi – Passion – Erscheinungen). Hier wird also noch jene traditionelle
Erzählfolge des typologischen Achsenfensters beibehalten, zu dessen Entwicklung das Maßwerkfenster bekanntlich
entscheidende Impulse geliefert hat. Anders als dort sind in Limburg die inhaltlichen Querbezüge zwischen den Me-
daillonsträngen jedoch längst aufgehoben. Nur in einigen formalen Parallelismen wie der göttlichen Taube im Tauf-
296 limburg . pfarrkirche st. anna
Fig. 356. Erschaffung der Tiere. Ehem. Limburg, St. Anna. Limburg, Diözesanmuseum. Mainz(?), 3. Drittel 14. Jh.
Kat. S. 306.
und Pfingstbild (6a, 6c) oder der ähnlich gestalteten Darbringungs- und Himmelfahrtszene (5a, 5c) klingt die Her-
kunft dieses Bildsystems erstaunlicherweise noch nach. Ungewöhnlich ist auch die Bildauswahl: So finden wir zwar
eine auf die Beweinungs- und Grablegungsszene ausgedehnte Passion, dagegen kommt der rechte Medaillonstrang
ganz ohne Auferstehung aus. Eine solche Interessensverlagerung auf die Leidensmotivik ist bezeichnend für die mehr
Wirklichkeitsnähe fordernden Bedürfnisse spätmittelalterlicher Frömmigkeit.
Zweifellos befand sich einst auch die im Limburger Diözesanmuseum aufbewahrte Scheibe mit der Erschaffung der
Tiere in einem der beiden Flankenfenster, zumal mit der Rahmenform und dem Karogrund auch das Gliederungs-
system des Achsenfensters aufgegriffen wurde. Demnach wird man für das Chorfenster nord II einen Bilderzyklus
limburg . pfarrkirche st. anna 297
anzunehmen haben, der entsprechend der Erzählfolge des Christusfensters gleichfalls inhaltlich dreigeteilt gewesen
sein dürfte10 . In der linken Bahn böte sich hierfür die Erschaffung der Welt und des Menschen an, die mittlere Lanzet-
te könnte die Szenen vom Sündenfall bis zur Arche Noah umfasst haben und in der rechten Bahn ließe sich schließlich
mit der apokryphen Annenlegende der Anschluss an das Achsenfenster erreichen. Über das Aussehen des vollständig
verlorenen, sicher jedoch einstmals figürlich verglasten Fensters süd II fehlen uns hingegen weiterführende Hinweise.
Aus Gründen der Symmetrie erscheint es allerdings sinnvoll, die Medaillongliederung auch auf dieses Fenster auszu-
dehnen. Wenn auch eine Vita des Ordensgründers und Kirchenpatrons Wilhelm an dieser Stelle nicht grundsätzlich
auszuschließen ist, so hat doch der Vorschlag mehr Wahrscheinlichkeit für sich, analog zur Schöpfung hier nun ein
dem Ende der Welt gewidmetes Bildthema wie das Jüngste Gericht oder – womit nach der Jahrhundertmitte vermehrt
zu rechnen wäre – ein Fünfzehn-Zeichen-Fenster bzw. eine Antichristfolge anzunehmen, wie wir es auch in der kaum
jüngeren Chorverglasung der Marienkirche in Frankfurt/Oder (um 1370/80) umgesetzt finden11.
Die Maßwerkformen setzen eine inhaltliche Zäsur im Programm: So hat man den beschränkten Platz in den Kopf-
scheiben noch für eine verkürzte und abgewandelte Form der Deesis genutzt. Diese aus dem Osten übernommene
Fürbittszene, wie sie schon die Limburger Staurothek vor Augen führt, markiert seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert
hin und wieder den Abschluss in dreibahnigen Vita-Christi-Zyklen, so schon im Achsenfenster der Pfarrkirche im
gotländischen Etelhem oder im Dom zu Włocławek, Polen12 . Mit erhobenen Händen bitten Maria und der Evangelist
Johannes, der den Platz des Täufers einnimmt, um Gnade für die Menschheit. Anstelle des Weltenrichters ist eine
auf die Passionserzählung der Mittelbahn bezogene Vera Icon gerückt. Auch das Maßwerk mit den eingeschriebenen
Stifterwappen ratsfähiger Limburger Patrizier ist inhaltlich von den Lanzetten abgerückt und erinnert damit mehr an
eine Minimallösung nach dem Vorbild der beiden Oppenheimer Rosenfenster 13. Dabei dürften jedoch die Positionen
der Wappen zu einem späteren Zeitpunkt vertauscht worden sein14.
Komposition, Ornament: Die für Limburg tätige Werkstatt setzte ein Verglasungskonzept aus Medaillonketten vor
farbig wechselnden Blütenkaroteppichen um, das auch heute noch durch seine Klarheit und formale Geschlossenheit
überzeugt. Die spezifische Form der Medaillons ist dabei konstruktiv auf die Überlagerung eines Rechtecks mit einem
Rhombus und einem Kreis zurückführbar. Die auf den Spitzen stehenden, nahezu tänzerisch schwebenden Bildrah-
men erscheinen wie zwischen den Quereisen eingespannt, die ausbauchenden Seiten liegen dagegen auf den Randstrei-
fen auf. Die Figurengruppen schöpfen den engen Bühnenraum aus, indem sie bisweilen die konkaven Begrenzungsli-
nien des Medaillonrahmens in die Bildkomposition mit einbeziehen. Die Kompositionsform ist auf die noch gänzlich
vegetabil oder ornamental ausgebildeten Medaillonketten in den Bibelfenstern des 13. Jahrhunderts zurückzuführen
(Wimpfen, Oppenheim, Stetten)15. In der Anlage grundsätzlich verwandt sind etwa das Märtyrerfenster in der Ess-
linger Frauenkirche und das Vita-Christi-Fenster in Niederhaslach; im Letzteren hat man die zu Maßwerkformen
mutierten Medaillons bereits bahn- und zeilenübergreifend miteinander verflochten, wobei die Diagonalen Vierpass-
zwischenräume ausbilden. Im Niederhaslacher Marienfenster taucht das Motiv leicht abgewandelt ein zweites Mal auf,
jedoch jetzt in monumentalisierter Form über jeweils drei Bahnen und drei Zeilen ausgedehnt, ähnlich wie schon eini-
ge Jahrzehnte zuvor in Königsfelden16 . Die um sich greifende Architektonisierung erfasste nicht nur die Medaillons,
10 Schon Oidtmann 1912, S. 104, 121, erschloss eine Darstellung des Die St. Katharinenkirche zu Oppenheim. Ein Denkmal teutscher
Sechstagewerks. Kirchenbaukunst aus dem 13ten Jahrhunderte, Darmstadt 1823–1836,
11 Zuletzt hierzu Elena Kozina, Das Bildprogramm der Chorver- überliefert. Im Maßwerk des Limburger Achsenfensters befanden sich
glasung der Marienkirche in Frankfurt (Oder) und seine historischen bis zur Restaurierung durch Oidtmann offenbar mehrere, nicht zuge-
Voraussetzungen, in: Glasmalerei im Kontext. Akten des XXII. Inter- hörige Flickstücke; dazu Oidtmann 1906, Sp. 258.
nationalen Colloquiums des Corpus Vitrearum Nürnberg, 29. August 14 Legt man auch der Anordnung der Wappen das Prinzip des Farb-
– 1. September 2004, hrsg. von Rüdiger Becksmann, Nürnberg 2005, wechsels zugrunde, so lagen aufgrund der Farbhintergründe entweder
S. 137–151, sowie Eva Fitz, Antichrist und Heilsgeschichte. Das Bild- die gelb- (Holzhausen, Borgenit/Mulich) oder die rotgrundigen (Nau-
programm der Glasmalereien aus der Marienkirche in Frankfurt an der heim, Eschenau) Wappen einst über der Mittelbahn des Fensters.
Oder, in: ZDVfKw 61, 2007, S. 24–48; zuletzt Frank Martin/Ulrich 15 Zu den schwäbischen Standorten siehe Wentzel 1958, S. 197–211
Knefelkamp (Hrsg.), Die Glasmalereien der Marienkirche in Frank- (Stetten), S. 244–258 (Wimpfen im Tal); zum Oppenheimer Bibelfens-
furt/Oder, Leipzig 2008. ter zuletzt Rauch 1997, S. 15–17, 115–132.
12 Zu Schweden vgl. Andersson 1964, S. 95, zu Polen siehe Kazimierz 16 Zum Märtyrerfenster (süd II) der Esslinger Liebfrauenkirche vgl.
Buczkowski, Dawne szkła artystyczne w Polsce, Krakow 1958, Abb. Wentzel 1958, S. 169–176, zuletzt AK Esslingen 1999, S. 120–130. Zu
6–8. Niederhaslach siehe Bozena Keberle, Die Glasmalereien in den Lang-
13 Das Aussehen der 1938 vollständig erneuerten Westrose ist ledig- hausfenstern der Florentiuskirche zu Niederhaslach, Phil. Diss. Basel
lich durch eine zeichnerische Aufnahme bei Franz Hubert Müller, 1964 (Ms.); gekürzte Fassung in: Société d’histoire et d’archéologie de
298 limburg . pfarrkirche st. anna
Stil, Datierung: Die formale Geschlossenheit der Gliederung hat auch für die Bildformulierungen Gültigkeit. Die
Einzelszenen sind auf wesentliche Elemente reduziert, der Bildaufbau ist streng geometrisch und, gestützt auf eine
plakative Farbigkeit, visuell eingängig gestaltet. Solche formalen Qualitäten verbindet man gemeinhin mit Werken des
frühen 14. Jahrhunderts. Dies mag auch ein Grund sein, weshalb Willes Vorschlag einer Entstehung der Chorver-
glasung im dritten Viertel des 14. Jahrhunderts bis heute keine breite Zustimmung erfahren hat, obwohl sie für die
Spätdatierung stichhaltige Argumente anführen konnte20 . Wille wies nach, dass die Gruppe der Familienwappen im
Maßwerkfenster eine Zusammensetzung der ratsfähigen Patrizier Limburgs wiedergibt, wie sie sich im Limburger Rat
erst für die zweite Jahrhunderthälfte belegen lässt. Der Blick auf die Details bestätigt eine Spätdatierung des Werks: So
trägt Maria einen straff über den Kopf gezogenen Mantel, der Scherge ist mit einer modischen, eng geknöpften Schecke
bekleidet (Fig. 354). Vereinzelt begegnen bereits schlauchförmige, von Mänteln eng umwickelte Körper. Körperbetont
sind auch die weit dekolletierten Kleider der Maria in der Heimsuchung oder der Magdalena in der Noli-me-tangere-
Szene (Fig. 357). Die Figuren brechen immer wieder aus einem Wohlmaß der Körperproportionen aus: Bisweilen sind
limburg . pfarrkirche st. anna 299
die Beine zu kurz, die Oberkörper dagegen zu lang und die Köpfe im Verhältnis zu groß geraten. Zur stofflichen Dif-
ferenzierung werden neben langgezogenen Hakenfalten in den Mänteln vereinzelt immer wieder flotter gezeichnete,
schlaufenförmige Faltengebilde verwendet, die ausschließlich die leichteren Untergewänder charakterisieren. Zudem
sind einige wenige Versatzstücke in räumlicher Ausprägung wiedergegeben 21.
Wille hat auf die gegenüber dem Christuszyklus erkennbaren Unterschiede der Genesisscheibe aufmerksam gemacht
und diese einem zweiten Meister der gleichen Werkstatt zugewiesen 22 . Grundsätzlich wäre auch an eine spätere Aus-
führung in der Nachfolge des Achsenfensters zu denken. Jedenfalls zeichnet sich der Maler durch einen moderneren
Figurenstil aus: Gottvater wird in schlanker und schmalbrüstiger Statur mit schwer vornüber hängendem Kopf und
reduzierter Faltenbildung wiedergegeben. Wille denkt hierbei an eine Übernahme der Bildvorlagen durch den Fran-
kenberger Meister, der etwa den Christus des ungläubigen Thomas als Vorlage für die Noli-me-tangere-Darstellung
benutzt haben soll 23. Doch ist zu bedenken, dass die Variationsbreite der gängigsten Bildthemen im Allgemeinen sehr
eingeschränkt war, zumal in einer auf das Wesentliche reduzierten Form, wie sie nicht nur für Limburg und Franken-
berg bezeichnend ist. Eine engere Verbindung zwischen beiden Werkstätten wird man somit nicht annehmen dürfen.
Eine Besonderheit ist das ›Maßwerk im Maßwerk‹, überwiegend bestehend aus zweilanzettigen Maßwerkfigurationen
im Couronnement. In ähnlicher Form finden sich diese auch in den Fensterresten der Oberweseler Liebfrauenkirche,
ebenso in der Oppenheimer Katharinenkirche, dort wie in Limburg kombiniert mit den Wappen der Stifter auf Rund-
medaillons wie in der von Müller überlieferten westlichen Rose. Dieses Leitmotiv wurde aller Wahrscheinlichkeit
nach um 1320 in Straßburg entwickelt, wobei hier die enge Verflechtung von Bauhütte und Glasmalereiwerkstätten zu
einer solchen Architektonisierung der Fenstergestalt geführt haben könnte. Das Auftreten dieser und anderer Straß-
burger Motive in Oberwesel und Oppenheim macht es wahrscheinlich, dass sich in den ersten Jahrzehnten des 14.
Jahrhunderts eine unter starkem straßburgischen Einfluss stehende Werkstatt am Mittelrhein, und hier kommt als
Erstes die Metropole Mainz in Betracht, niedergelassen hat 24.
Die Überlegung, die Werkstatt des Limburger Christusfensters nach Mainz zu lokalisieren, wird dabei durch ein wei-
teres Argument gestützt. Das gleiche Atelier muss nämlich auch das wenige Kilometer von Mainz entfernt liegende
Ober-Ingelheim am Rhein mit Glasmalereien beliefert haben. Die dortige Burgkirche bewahrt in einem Langhaus-
fenster unter Anderem zwei leidlich erhaltene Rundscheiben mit den Brustbildern von Maria und Johannes Baptista
aus einer Deesisszene, die in der Zeichnung, teilweise sogar im Glaszuschnitt, mit der entsprechenden Darstellung in
Limburg übereinstimmen 25. Für Mainz sprechen neben der geographischen Nähe nicht zuletzt auch erhalten geblie-
Molsheim et environs 1971, S. 15–36. Hinsichtlich der Farbverglasung dessen oberen Rand stünden. Dabei ist jedoch zu bedenken, dass die
in Königsfelden s. zuletzt Brigitte Kurmann-Schwarz, Die mittel- breitere Medaillonform des Genesisfensters den Figuren auch nach
alterlichen Glasmalereien der ehemaligen Klosterkirche Königsfelden oben hin mehr Raum gewährt, wohingegen die kleineren Medail-
(CVMA Schweiz II), Bern 2008. lons des Christusfensters die Figuren in die Bodenfl äche drängen.
17 Selbst wenn die Möglichkeiten verschiedener Farbintensitäten zur Demgegenüber hatte Oidtmann 1906, Sp. 263, die Tätigkeit mehrerer
plastischen Defi nition innerhalb einer Form, beispielsweise durch Nu- Maler im Achsenfenster vermutet.
ancierungen der Gewänder, hier nicht mit letzter Konsequenz umge- 23 Wille 1952, I, S. 113.
setzt wurden, könnte dieses Bedürfnis bei der Bestimmung der Farb- 24 Bezeichnenderweise taucht das Bildmotiv des Urteil-Salomonis-
palette eine wichtige Rolle gespielt haben. Fensters im Langhausobergaden des Straßburger Münsters, welches
18 Dies erstmals bei Oidtmann 1906, Sp. 260f., vermerkt. man zu den frühen Beispielen dieser Richtung zählen darf, kurze
19 Oidtmann 1912, S. 121. Zeit später in etwas abgewandelter Form in Oppenheim (Lhs nord
20 Wille 1952, I, S. 87–92, und II, S. 63, identifi zierte die Wappen XI) auf, zusammen mit den Maßwerkfi gurationen im Couronne-
der Schöffen und Schultheißen mithilfe der Wappenzeichnungen in ment. In Oberwesel begegnen zudem Ornamentmuster, die den
der Limburger Chronik des Johannes Mechtel, die sich wiederum Glasmalereien der Dominikanerkirche und jenen in St. Thomas in
auf die Chronik des Tilemann Elhen von Wolfhagen stützt; hierzu Straßburg verblüffend nahe stehen; hierzu Parello 2002 (s. Bibl.),
C. Knetsch, Die Limburger Chronik des Johannes Mechtel, Wies- S. 150f.
baden 1909. Eine Auswahl von Siegelbildern Limburger Schöffen 25 Die Medaillonform lässt auf eine ursprüngliche Anordnung der
im 14. Jh. zeigt auch die Ausgabe von Karl Rossel, Die Limburger Scheiben im Maßwerk schließen. Ob die Glasmalereien für den exis-
Chronik des Johannes, Wiesbaden 1860, Taf. II. tierenden Kirchenbau geschaffen wurden oder aus dem Vorgängerbau
21 Eine ähnliche Stilstufe vertritt auch ein um 1360 in Dortmund stammen, ist vorerst nicht eindeutig zu klären. Die Maßwerkformen im
entstandener Heilsspiegel (Darmstadt, Universität- und Landesbi- Langhaus sprächen nicht gegen eine Datierung dieses Bauabschnittes
bliothek, Hs. 2505); durchgehend farbig illustriert in der Ausgabe von um die Mitte des 14. Jh., doch stehen dazu die dendrochronologischen
Horst Appuhn, Heilsspiegel. Die Bilder des mittelalterlichen Erbau- Daten des Dachstuhls im Widerspruch, die auf einen Baubeginn der
ungsbuches Speculum humanae salvationis, Dortmund 1981. Kirche erst nach 1400 schließen lassen. Zu diesem Bestand in Kürze
22 Wille 1952, I, S. 103, sieht einen altertümlich arbeitenden Meister Uwe Gast, Die mittelalterlichen Glasmalereien in Darmstadt, Süd-
am Werk, da die Figuren nicht inmitten der Bodenfl äche, sondern an und Rheinhessen (CVMA Deutschland III,1).
300 limburg . pfarrkirche st. anna
bene Wandmalereien aus St. Christoph und St. Emmeram; sie zeigen einen verwandten Figurenstil und besitzen vor
allem in der Gesichtszeichnung und den Faltenmotiven Parallelen zu Limburg; stilkritisch muss ihre Entstehung in
das letzte Drittel des 14. Jahrhunderts angesetzt werden 26 .
Vorbemerkung zum Katalog: Die Glasmalereien wurden im September 2002 untersucht und aufgenommen. Wegen des
unmittelbar vor dem Fenster befindlichen Altars konnten die Aufnahmen lediglich aus mehreren Metern Entfernung
angefertigt werden. Für die Schwarzweiß-Aufnahmen der Einzelfelder im Katalogteil wurde daher auf Kriegsber-
gungsaufnahmen zurückgegriffen. Aus dem gleichen Grund liegt den Schemazeichnungen die durch die Firma Oidt-
mann im Zuge der Restaurierung angefertigte Kartierung zugrunde.
Lichtes Gesamtmaß: H. 6,20 m, B. 1,80 m. – Dreibahniges, in sechs Zeilen unterteiltes Fenster mit genasten Kopf-
scheiben und vier liegenden, radial angeordneten Bogendreipässen, das seine Verglasung fast vollständig bewahrt hat.
Lediglich in der linken Lanzette zwei Neuschöpfungen von H. Oidtmann (1906). Die Katalognummern folgen dem
bahnweisen Erzählverlauf, anschließend wird das Maßwerk mit den Kopfscheiben behandelt.
Gesamtaufnahmen: CVMA 12977–12979, Großdia W 02/37
2a HEIMSUCHUNG Fig. 358, Abb. 201 Ikonographie: Maria ruht, in ihren Mantel gehüllt, auf der
H. 63 cm, B. 51 cm. Matratze und reicht ihrem Sohn, welcher nackt auf der maß-
Erhaltung: Kopfstück Marias doubliert und grünes Gewand werkverzierten Krippe liegt, einen Apfel. Ochs und Esel lugen
ergänzt. Das Kopftuch Elisabeths weitgehend erneuert, ebenso dahinter hervor; sie schnappen nach dem Heu, auf dem Jesus
einige Gläser im Hintergrund rechts. gebettet ist. Am Bettende kauert der greise Joseph; er stützt
Ikonographie: Die streng symmetrisch angelegte Kompositi- sich mit der Rechten auf den Stock und krault sich nachdenk-
on zeigt Maria und Elisabeth in inniger Umarmung. Seitliche lich den Bart.
Bäume rahmen das Figurenpaar. Maria trägt im offenen Haar Farbigkeit: Maria auf einer weißen Matratze in blauem Mantel
ein Haarband, das Schapel unverheirateter Mädchen, Elisabeth und rotem Kleid, Kissen rot. Joseph mit gelbem Mantel über
Wimpel und Kopftuch. violettem Rock. Krippe zitronengelb, das Christkind mit blass-
Farbigkeit: Maria mit einem roten Mantel über grünem Kleid rosafarbenem Inkarnat auf blassgrünem Heu, dahinter der
und, wie in allen anderen Medaillons auch, gelbem Nimbus; Ochse in rosarot changierendem Überfang, der Esel violett.
Elisabeth mit violettem Kleid, gelbem Mantel und rotem Nim- Foto Marburg 22648, CVMA Großdia W 02/44
bus. Blattlaub gelb bzw. grün, hellgelbe Bodenscholle.
Foto Marburg 22643, CVMA Großdia W 02/41 5a DARBRINGUNG IM TEMPEL Fig. 360, Abb. 203
H. 63 cm, B. 51 cm.
Erhaltung: Mit Ausnahme eines blauen Hintergrundstückes im
Bildfeld komplett alter Bestand. Die Kratzspuren am grünen
Rock des Hohenpriesters rühren von einer mechanischen Rei-
nigung her.
Ikonographie: Auf dem Marmoraltar reicht Maria dem greisen
Simeon ihren nackten Sohn, der ihn mit verhüllten Händen an
sich nimmt. Neben Maria wartet die Magd mit den beiden Op-
fertauben im Körbchen, die Linke anteilnehmend an die Brust
gelegt (Lc 2,22-40). Über dem Altar schwebt eine brennende
Öllampe als Hinweis auf das Fest Mariä Lichtmess.
Farbigkeit: Maria mit rotem, weißgefütterten Mantel über
einem grünen Kleid, die Magd in gelbem Mantel, violettem
Fig. 358. ES Chor I, 2a. Fig. 359. ES Chor I, 3a.
M 1:15 M 1:15
26 Beide Malereien werden bislang mit Hinweis auf die stilistisch be-
reits dem Weichen Stil angehörenden Wandmalereien aus der Gruft
Erzbischof Johanns II. († 1419) in Mainz zu spät datiert. Zur Hl. Ka-
3a GEBURT CHRISTI Fig. 359, Abb. 202
tharina aus der Sakristei von St. Emmeran, Bischöfl iches Dom- und
H. 63 cm, B. 51 cm. Diözesanmuseum Mainz, Inv. Nr. 5561: Arens 1961, S. 216 (»Ende
Erhaltung: Die Ergänzungen im Bildfeld beschränken sich auf 14. Jh.«); Glatz 1981, S. 259f. (»Anfang 15. Jh.«); Joachim Glatz in:
Teile des Betttuchs sowie ein Stück der Krippenarchitektur. AK Mainz 2000, S. 539 (»um 1420«). Zur Pietà mit Stifterfigur in der
Das Kopfstück Josephs ist doubliert; Medaillonrahmen und Krypta von St. Christoph in Mainz: Arens 1961, S. 151f. (»um 1420«);
Randstreifen sind erneuert. Mehrere Sprünge. Glatz 1981, S. 255f. (»um 1400«).
limburg . pfarrkirche st. anna 301
Untergewand und weißem Kopftuch. Simeon mit gelbem Hemd Helmtuch. Herodes im blauen hermelingefütterten Mantel
und hellgrünem Rock, blassvioletter Opferaltar. Öllampe an trägt zum violetten Rock rote Schuhe. Herrscherinsignien und
der Decke blassgrün mit roter Flamme. Thron in gelbem Farbton.
Foto Marburg 22655, CVMA Großdia W 02/49 Foto Marburg 22640, 22641 (DA), CVMA Großdia W 02/39
Fig. 360. ES Chor I, 5a. Fig. 362. ES Chor I, 1b. Fig. 363. ES Chor I, 2b.
M 1:15 M 1:15 M 1:15
6a TAUFE CHRISTI Fig. 353, 361, Abb. 205 2b GEISSELUNG CHRISTI Fig. 354, 363, Abb. 206
H. 78 cm, B. 51 cm. H. 63 cm, B. 51 cm.
Erhaltung: Im Bildfeld ein Stück des Körpers Christi sowie Eine von Oidtmann im Zusammenhang mit der Restaurierung
zwei Hintergrundstücke ergänzt. von 1906 angefertigte Kopie dieses Feldes wurde in den 1980er-
Ikonographie: Christus steht unbekleidet mit verschränkten Jahren im Pariser Auktionshaus C. et F. Jonge angeboten.
Beinen im Jordan, mit der einen Hand die Scham bedeckend, Erhaltung: Nur geringfügig ergänzt. Partiell starker Ausbruch
die andere zum Segen erhoben. Das Wasser legt sich wie ein des Schwarzlotkonturs und des Halbtons bis hin zum völligen
Rock um seinen nackten Körper. Am Ufer befi nden sich Jo- Verlust der Zeichnung im Lendentuch Christi.
hannes, der ihm segnend die Hände auflegt, und der Engel, der Ikonographie: Ohne ikonographische Besonderheiten. Die
ein Hemd bereithält. Von oben schwebt der Hl. Geist in Form Schergen sind durch hässliche Gesichtszüge karikiert. Der lang-
einer Taube senkrecht herab. bärtige Folterknecht mit Geißel trägt die in der zweiten Hälfte
Farbigkeit: Das Inkarnat Christi in leichtem Rosaton, sein Un- des 14. Jh. in Mode kommende, eng anliegende Schecke.
terkörper ist eingehüllt in blassgrünes Wasser. Johannes trägt Farbigkeit: Die Schergen in blauen und gelben Gewändern, ihre
ein violettes Kleid, darüber einen gelben Mantel; der Engel Strümpfe sind gelb und violett, das Lendentuch Christi zitro-
rechts im roten Rock präsentiert ein weißes, gelbgesäumtes nengelb. Christus ist an einen grünen marmorierten Säulen-
Hemd. Der Nimbus von Johannes rot, bei Christus (auch in schaft gefesselt, Basis und Kapitell gelb.
den folgenden Szenen) gelb, derjenige des Engels grün. Das Foto Marburg 22644, 22645 (DA), CVMA Großdia W 02/42
Ufer in einer hellvioletten Färbung, das maßwerkgeschmückte
Zwickelstück ist aus einem hellrot changierenden Überfangglas 3b KREUZTRAGUNG Fig. 364, Abb. 207, 215
gefertigt. H. 63 cm, B. 51 cm.
Foto Marburg 22658, CVMA Großdia W 02/52 Erhaltung: Das gesamte Feld ohne größere Ergänzungen. Kon-
turen in Gesichtern und Gewandteilen wurden von Oidtmann
1b CHRISTUS VOR DEM RICHTER Fig. 362, Abb. 204 1906 nachgezogen.
H. 63 cm, B. 51 cm. Ikonographie: Eindringliche Schilderung der Kreuztragung
Erhaltung: Mit Ausnahme geringfügiger Ergänzungen sehr gut durch die psychologisch wirksame Paarung von gütigen und
erhalten. Stärkere Verluste der Binnenzeichnung im tiefblauen hässlichen Physiognomien bei gleichzeitiger Beschränkung
Gewand des Richters. auf die wichtigsten Bestandteile: Christus schreitet gesenkten
Ikonographie: Zwei Soldaten in wehrhafter Montur führen Hauptes mit dem geschulterten Kreuz voran, in Marschrich-
Christus, dessen Hände gefesselt sind, dem gekrönten Richter
Herodes zu. Dieser sitzt rechts auf einem steinernen Thron mit
geschultertem Zepter und Hermelinmantel, die Beine im herr-
schaftlichen Habitus übereinander geschlagen. Besondere Auf-
merksamkeit verdient die Kleidung der Soldaten, bestehend aus
kurzen Waffenröcken und mit Kniekacheln versehenen Pan-
zerstrümpfen. Der Scherge zur Linken Christi trägt überdies
eine Beckenhaube mit Helmbrünne sowie einen umgegürteten
Dolch.
Farbigkeit: Das Büßergewand Christi, Panzerstrümpfe sowie
Eisenhut stahlblau, Waffenröcke grün bzw. gelb, der linke Fig. 364. ES Chor I, 3b.
Soldat mit gelbfarbenen Kniekacheln, Gürtel, Dolchgriff und M 1:15
302 limburg . pfarrkirche st. anna
tung getrieben von den beiden Schergen. Die rechte Figur, die ein zitronengelbes Lendentuch. Am grünen Kreuz die gelbe
dem Verurteilten mit Seil und Hammer vorangeht, stimmt in Schrifttafel.
Gewandung und Physiognomie mit jenem Folterknecht über- Foto Marburg 22656, CVMA Großdia W 02/50
ein, der Christus im vorausgegangenen Bild noch mit der Gei-
ßel geschlagen hatte. Zur Beförderung des Erzählflusses in 6b GRABLEGUNG Fig. 367, Abb. 210
Bildzyklen ist dieses Stilmittel auch in späterer Zeit noch ge- H. 78 cm, B. 51 cm.
bräuchlich. Erhaltung: Das Kopfstück Josephs ist gesprungen und doub-
Farbigkeit: Christus wiederum in stahlblauem Büßergewand liert. Der Oberkörper des Nikodemus und das mittlere Teil-
mit dem geschulterten gelben Kreuz, der Scherge rechts trägt stück des Grabes sind erneuert; die Bemalung des rechten
jetzt eine gelbe Schecke, der Spötter in violettem Rock und gel- Stückes ist fast vollständig verloren.
ben Beinlingen, Erdschollen blassgrün. Ikonographie: Die Trauernden haben sich um das Grab Christi
Foto Marburg 22649, 22650 (DA), CVMA Großdia W 02/45 versammelt. In Halbfigur stehen an den Seiten Nikodemus und
Joseph von Arimathäa mit Judenhut, um den Leichnam in einen
4b CHRISTUS AM KREUZ Fig. 365, Abb. 208 mit Maßwerkvierpässen verzierten Sarkophag zu legen. Der
H. 63 cm, B. 51 cm. Grablegung wohnen Maria und Johannes bei; dieser umfasst
Inschrift: Auf der Schrifttafel am Kreuzstamm in gotischer von hinten mit beiden Händen die von Gram erfüllte Mutter.
Majuskel der Titulus: · I · N · R · I · Farbigkeit: Wasserblauer Sarkophag mit gelbem Rahmenprofi l.
Erhaltung: Erneuert sind der Kopf des Johannes, der Unter- Joseph von Arimathäa in gelbem, Nikodemus in grünem Rock;
körper des Gekreuzigten mit Ausnahme der Füße sowie die Maria mit blauem Mantel über violettem Kleid. Johannes trägt
Kreuzbalken. Die Konturen im Gesicht und am Oberkörper unter einem gelben Mantel ein grünes Gewand. Die Heiligen in
wurden möglicherweise nachgezogen. bunter Nimbenvielfalt: Maria gelb, Johannes hellviolett, Chris-
Ikonographie: Die beiden Assistenzfiguren Maria und Johannes tus wasserblau, desgleichen die Kopfbedeckung Josephs.
sind durch einen verwandten Trauergestus, der zum Gesicht Foto Marburg 22659, CVMA Großdia W 02/53
erhobenen Hand, charakterisiert. Bestürzt lässt Johannes das
Buch zu Boden fallen, während Maria ein zweites(!) noch in
ihrer Rechten hält.
Farbigkeit: Maria in blauem Mantel und gelbem Kleid, Jo-
hannes grün nimbiert mit gelbem Mantel und blauem Unterge-
wand. Das Inkarnat Marias besitzt eine blassviolette Tönung.
Chris-tus, bekleidet mit einem gelben Lendentuch, hängt am
grünen Kreuz.
Foto Marburg 22653, CVMA Großdia W 02/47
3c CHRISTUS UND DER UNGLÄUBIGE THOMAS Fig. 371. ES Chor I, 4c. Fig. 372. ES Chor I, 5c.
M 1:15 M 1:15
H. 63 cm, B. 51 cm. Fig. 370, Abb. 213
Erhaltung: Das Feld ist in den figürlichen Partien umfassend
ergänzt worden. Diese Ergänzungen stammen offenbar von ei- 5c HIMMELFAHRT CHRISTI Fig. 372, Abb. 216
ner, der Oidtmann’schen Wiederherstellung vorangegangenen H. 63 cm, B. 51 cm.
Restaurierung. Statt des üblicherweise nackten Oberkörpers Erhaltung: Das gesamte Feld ist nahezu frei von Ergänzungen.
Christi wurde die Fehlstelle fälschlich in der Farbe des Unter- Die Zeichnung ist vor allem im Gewand Petri stark berieben.
gewandes mit grünem Glas ersetzt. Möglicherweise wurden die Konturen partiell nachgezogen.
Ikonographie: Christus greift seinem zweifelnden Jünger an Ikonographie: Maria und drei Apostel umstehen einen spär-
die rechte Hand und führt dessen Finger an seine Seitenwunde. lich bewachsenen Felsblock. Mit erhobenen Händen blickt die
Sichtbar hervorgehoben sind auch sämtliche anderen Wund- Gemeinschaft zu Christus auf, der in einem Wolkenkranz ent-
male Christi. Im Hintergrund Baumwuchs. schwindet, aber eben noch, worauf die Fußabdrücke im Fels
Farbigkeit: Christus ist in einen roten Mantel gehüllt, Thomas schließen lassen, unter ihnen weilte.
in violettem Gewand und gelbem Mantel. Die beiden Bäume Farbigkeit: Um den weißen Felsblock stehen, von links nach
mit gelben bzw. hellvioletten Stämmen zeigen eine blassgrüne rechts, Johannes in gelbem Mantel über einem grünen Unter-
Belaubung. gewand, Maria in rotem Mantel und gelbem Kleid sowie Petrus
Foto Marburg 22651, CVMA Großdia W 02/46 mit langem hellblauen Untergewand und violettem Mantel. Der
Jünger am rechtem Rand trägt ein hellblaues Gewand und einen
grünen Mantel. Die Nimben in Rot, Gelb und Violett.
Foto Marburg 22657, CVMA Großdia W 02/51
7b KOPFSCHEIBE MIT VERA ICON Fig. 375f., Abb. 200 7c KOPFSCHEIBE MIT JOHANNES ALS FÜRBITTER
H. 32 cm, B. 51 cm. Fig. 375f., Abb. 200
Erhaltung: Gesicht und Karoteppich sind nahezu ungestört er- H. 48 cm, B. 51 cm.
halten, über die Stirn verläuft lediglich ein Sprungblei. Mögli- Erhaltung: Figur und Teppichgrund gänzlich frei von Ergän-
cherweise sind Augenlider und Lippenkontur nachgezogen. zungen. Möglicherweise sind hier ausgedünnte oder abgän-
Ikonographie: Gängiger Vera-Icon-Typus mit an den Enden gige Schwarzlotkonturen von Oidtmann zu Beginn des letzten
ausschwingenden Haaren und Stirnlocke. Der Gesichtskontur Jahrhunderts nachgezogen worden.
läuft an den etwas gespaltenen Bartenden spitz aus. Ikonographie: Brustfigur des Apostels Johannes mit betend er-
Farbigkeit: Gelbe Haare, Inkarnat blassrosa. hobenen Händen nach links gewandt. Die Deesis ist hier nicht
Foto Marburg 22661, CVMA Großdia W 02/53 mit Johannes dem Täufer besetzt, sondern mit dem gleichna-
limburg . pfarrkirche st. anna 305
migen Apostel, der auch in der Bildfolge der Vita Christi unge- 1C DREIPASS MIT WAPPEN HARTLEIB
wöhnlich häufig neben Maria auftritt. Fig. 375, 377, Abb. 200
Farbigkeit: Johannes in blauem Mantel und violettem Gewand Durchmesser ca. 50 cm.
mit blassgelb gefärbtem Lockenhaar. Inkarnat blassrosa, Nim- Erhaltung: Die Ergänzungen bleiben überwiegend auf die
bus hellviolett. Randstücke beschränkt.
Foto Marburg 22662, CVMA Großdia W 02/54 Ikonographie, Farbigkeit: Die Pässe mit Maßwerkfigurationen
wie 1A, gefüllt mit roten Vierpässen. Im Zentrum ein rotes Me-
1A DREIPASS MIT WAPPEN MULICH ODER daillon mit dem Wappen der Familie Hartleib von Nauheim:
BORGENEIT ein golden damaszierter Schild belegt mit drei schwarzen Spar-
Fig. 375, 377, Abb. 200 ren.
Durchmesser ca. 50 cm. CVMA Großdia W 02/38
Erhaltung: Der obere Passlappen komplett erneuert; aus älterer
Zeit ein Ausbruch im Wappen. 2B DREIPASS MIT WAPPEN ESCHENAU
Ikonographie, Farbigkeit: Die Pässe mit Maßwerkfigurati- Fig. 375, 377, Abb. 200
onen aus gestauchten blaugrundigen Lanzettenpaaren gefüllt Durchmesser ca. 50 cm.
mit roten Vierpässen. Im gelben Medaillon das Wappen der Erhaltung: Original nur mehr der obere Passlappen und das
Familie Mulich oder Borgeneit 27: schräg gekreuzte, gestürzte zentrale Medaillon mit Wappen.
Schwerter in Schwarz auf silber damasziertem Grund mit oben Ikonographie, Farbigkeit: Die Pässe mit Maßwerkfigurationen
dazwischen liegender roter Lilie. wie 1A, gefüllt mit roten Vierpässen. Im roten Medaillon das
CVMA Großdia W 02/38 Wappen der Limburger Familie Eschenau: in Silber ein doppel-
1B VIERPASSFÜLLUNG köpfiger bewehrter Adler auf schwarzem Grund.
Fig. 375, 377, Abb. 200 CVMA Großdia W 02/38
H. 42 cm, B. 39 cm.
Erhaltung: Die rote Füllung ist bereits von Oidtmann und
nochmals im Zuge der Nachkriegsrestaurierung erneuert wor-
den. Der Vierpass besteht heute aus alten und neuen Flickstü-
cken. Ursprünglich war an dieser Stelle wohl wie in 2A und 2C
vegetabiler Schmuck vorhanden. 27 Sowohl der Schöffe Cunemann Mulig als auch der Schöffe Mar-
CVMA Großdia W 02/38 quard Borgeneid siegeln mit diesem Wappen; Wille 1952, I, S. 88.
306 limburg . pfarrkirche st. anna
Heinrich Oidtmann schied zu Beginn des 20. Jahrhunderts das als Flickstück im Achsenfenster der Annenkirche ein-
gesetzte Feld im Zuge der Restaurierung aus und überwies es an das neu gegründete Diözesanmuseum.
Bibliographie: Schäfer 1867, S. 25, Abb. 10 (zeichnerisch ungenaue Wiedergabe eines Architekturfeldes); Lotz
1880, S. 294 (»Glasmalereien im mittleren Chorfenster aus dem 14. Jahrhundert: kleine Heiligenfiguren und Wappen;
auch Teppichmuster und Teile von Baldachinen aus verschiedenen Fenstern roh zusammengestellt«); Oidtmann 1898,
S. 252 (Heiligenfiguren in »seltsam geformten« Medaillonrahmen); Oidtmann 1906, Sp. 271f., 275f., Abb. 4 (die Kon-
turzeichnung in der Geißelungsscheibe ist erneuert worden); Luthmer 1907, S. 102 (folgt Lotz 1880); Leo Stern-
berg, Limburg als Kunststätte, Düsseldorf 21911, S. 23 (beiläufige Erwähnung); Oidtmann 1912, S. 122f. (wie Oidt-
mann 1898); Peter Assmann, Führer durch Limburg an der Lahn und die städtischen Anlagen, Limburg o.J. (nach
1912), S. 18, 44, 48 (die Tinktur des Isenburg-Wappens ist in einer Wappenscheibe des Diözesanmuseums aus dem 13.
Jh. überliefert); Alt-Limburg. Seine Kunstschätze und malerischen Winkel in Wort und Bild, Limburg 1926 (zitiert
nach dem unveränderten Nachdruck von 1977), S. 141f. (erwähnt Glasgemälde des Diözesanmuseums mit dem Wap-
pen der Herren von Limburg ohne Herkunftsangabe); Wille 1952, I, S. 104f., II, S. 140 (sieht in der Neuschöpfung der
Wappenscheibe Boppe irrtümlich ein Original aus der Limburger Annenkirche und bezeichnet dagegen die originale
Geißelung als Kopie); Gallus Haselbeck, Die Franziskaner an der mittleren Lahn und im Westerwald. Beitrag zur
Geschichte des Limburger Diözesangebietes, Fulda 1957, S. 52–54, Abb. nach S. 80 (erster umfassender Beitrag zur
Gründungs- und Baugeschichte; überliefert für das frühe 18. Jh. mehrere Fensterstiftungen in Kirche und Kreuzgang,
verbindet diese aber fälschlich mit dem noch erhaltenen mittelalterlichen Bestand); Schenk zu Schweinsberg 1962,
S. 22 (erkennt in der Wappenscheibe der Herren von Limburg sowie in zwei weiteren, nicht als modern erkannten
Wappenscheiben des Museums Reste einer Verglasung aus der Franziskanerkirche um 1330); Dehio Hessen 21982,
S. 557f. (datiert die Glasmalereien in das dritte Viertel des 14. Jh.); Michel 2005, S. 60, 91 (überliefert mehrere Fenster-
stiftungen von Limburger Patrizierfamilien).
Gegenwärtiger Bestand: Das dreibahnige und elfzeilige Maßwerkfenster der nördlichen Langchorseite bewahrt
noch 28 mittelalterliche, im 19. Jahrhundert jedoch weitgehend überarbeitete Rechteckfelder und Maßwerkfüllungen.
Zwei im Zuge der Restaurierung ausgeschiedene Scheiben befinden sich heute im Limburger Diözesanmuseum.
Geschichte des Baues: Einer Legende nach soll Gerlach von Isenburg-Limburg (1239–1289) die ersten Franziskaner-
brüder aus Italien berufen haben, denen er die alte Pfarrkirche ad S. Nicolaum übergab1. Vermutlich wurde Limburg
jedoch von Marburger Ordensleuten besiedelt, wo bereits zu Lebzeiten der Hl. Elisabeth eine Niederlassung bestand.
Ein Ablassbrief von 1252 bezeugt die Weihe einer ersten Klosterkirche, die aber dem wachsenden Zustrom der Gläu-
bigen bald nicht mehr genügte 2 . Dass schon um 1316 jener noch heute weitgehend bestehende Neubau im Gange war,
geht aus einem Testament der Agnes von Nassau-Siegen hervor, die den Franziskanern damals sechs Mark zu seiner
Vollendung schenkte. Von den Isenburger Dynasten, die die Kirche zu ihrer Grablege bestimmten, wurde das Projekt
entscheidend gefördert; hier haben sich vor allem Johann I. (1282–1312), dessen Grabstein sich im Chor erhalten hat
(Fig. 382), und sein Enkel Gerlach III. (1321–1365), »ein echter Freund der Brüder«, um den Orden verdient gemacht 3.
Weitere Stiftungen sind für die Jahre 1324 und 1336 überliefert.
Der Eingang der evangelischen Lehre unter den Klosterbrüdern hatte im Jahr 1577 die zeitweise Aufhebung der Glau-
bensgemeinschaft zur Folge. Doch kehrte man bereits 1583 zur alten Konfession zurück und ließ zunächst die repara-
turbedürftige Kirche und das Klausurgebäude wieder instand setzen4. Umfangreiche Wiederherstellungsarbeiten sind
1 Wilhelm Tripp, Der Wilhelmitenorden und das ehemalige Wilhel- begraben im Chor bei seiner Herrin von Gerulseck im Jahre 1312,
mitenkloster in Limburg, in: Nassauer Bote 1910, Nr. 278–280; ebenso ein überaus freigiebiger Wohltäter der Brüder«; unter dem 2. April:
Jakob Höhler, Geschichte der Stadt Limburg an der Lahn, Limburg »Herr Gerlach Herr von Limburg, ein Vater des Ordens und ein echter
1935, S. 24. Freund der Brüder, begraben im Chor, und seine Gemahlin Elisabeth
2 Zur Geschichte des Klosters vgl. ausführlicher: Haselbeck 1957 von Falckenstein 1365«. Zitiert nach Corden, II, 1780, §§ 20, 26.
(s. Bibl.), S. 45–82. 4 Höhler 1935 (wie Anm. 1), S. 40.
3 Hierzu fi nden sich im Nekrolog der Franziskaner folgende Ein-
träge: Unter dem 1. Oktober »Der edle Herr Johann von Lymburch,
308 limburg . stadtkirche st. sebastian
Fig. 381. Limburg an der Lahn, Stadtkirche St. Sebastian (ehem. Franziskanerkirche). Aufnahme um 1900.
glasung könnten dieser Maßnahme zum Opfer gefallen sein 7. Jedenfalls wurden mit den 1738 eingeleiteten Umbau-
maßnahmen am Kloster auch sämtliche Fenster erneuert und mit neuen Wappenscheiben für Kirche (gestiftet von
den Familien Hohenfeld, Walderdorff und Roth) und Kreuzgang (gestiftet unter anderem von Limburger Ratsherren)
ausgestattet 8 . Die Reste mittelalterlicher Glasmalerei aus verschiedenen Fenstern vereinte man damals im Achsen-
fenster des Chores. Sollten zu jener Zeit im Langhaus noch Glasmalereien vorhanden gewesen sein, so dürften diese
durch den verheerenden Hagel des Sommers 1836 weitgehend zerstört worden sein9. Auf Initiative des Domdekans
und späteren Bischofs Karl Klein erhielt der Chor im Rahmen der Feierlichkeiten zum Goldenen Priesterjubiläum
des Bischofs Peter Joseph Blum bis Dezember 1884 sechs neue Chorfenster nach Entwürfen Edward von Steinles und
seiner Schüler, die von Adligen und Priestern des Bistums gestiftet wurden. Mit der Ausführung betraute man den
Glasmaler Charles Nicolas aus dem holländischen Roermond, der laut Kostenanschlag für die neuen Fenster mit den
5 Die neugotische Umgestaltung ist in den Akten des Bischöfl ichen der Fenster in der Bischöfl ichen Kapelle). In Chor I: das noch erhaltene
Archivs in Limburg ausführlich dokumentiert: DAL 2 C/5 und 2 3/O. Wappen Julius Roth; nord II: Johannes Alban; süd II: Jakob Alban;
6 Damals wurde jedoch auch das gotische Fenstermaßwerk im süd- Lhs. nord VIII: Damian Ludwig von Hohenfeld; Lhs. nord IX: Johan-
lichen Seitenschiff freigelegt; s. Hans Feldtkeller, Die Instandset- nes Philippus von Hohenfeld; nord X: Wilhelm Ludwig von Hohenfeld
zung der Stadtkirche zu Limburg in den Jahren 1956/57, in: Archiv für (die linke Hälfte des offenbar auf zwei Bahnen ausgedehnten Wappens
mittelrheinische Kirchengeschichte 10, 1958, S. 366–372. zerstört); nord XI: Stiftung Walderdorff (Inschrift offenbar stark zer-
7 Haselbeck 1957 (s. Bibl.), S. 52. stört); nord XII: Adalbert von Walderdorff; nord XIII: Wilhelm von
8 Bis auf eine heute noch erhaltene Restscheibe mit dem Wappen Roth Walderdorff; nord XIV: (nur noch einige Schriftfragmente erhalten).
haben die barocken Grisaillen die Restaurierung der achtziger Jahre Im mittleren Sakristeifenster befand sich das Wappen des Freiherrn
des 19. Jahrhunderts nicht überdauert. Ein Verzeichnis der Inschriften Lothar von Hohenfeld.
dieser sämtlich im Jahr 1739 gestifteten Wappen hat sich im Bischöfl i- 9 Haselbeck 1957 (s. Bibl.), S. 53.
chen Archiv erhalten: DAL 2 C/5 (Inschriften auf den Wappenschildern
310 limburg . stadtkirche st. sebastian
Erhaltung: Bei der Restaurierung von 1884 stand offenbar nicht die Bewahrung des damals noch weitestgehend
intakten Bestandes im Vordergrund15. Nicolas griff radikal in die Substanz ein und erneuerte bedenkenlos Figuren,
Hintergründe und Architekturrahmen. Ohne Not wurden auch sämtliche Köpfe ausgeschieden. So macht das Fenster
in seiner Gesamtheit heute den Eindruck einer historistischen Farbverglasung. Dieses erschreckende Erscheinungsbild
ist bezeichnend für sämtliche ›Restaurierungen‹ der Roermonder Werkstatt, die auf die gleiche vandalische Weise be-
reits die Chorverglasungen der Soester Wiesenkirche und der Gelnhausener Marienkirche instand gesetzt hatte16 . Zwar
teilte Nicolas mit, die alten Stücke aus der Limburger Kirche lediglich nachzumalen und neu zu brennen (s. Reg. Nr.
65), tatsächlich wurden dann aber fast sämtliche Figuren- und Wappenfelder durch Neuschöpfungen ersetzt, nur ver-
einzelt alte Scherben belassen. Zahlreiche Figurenfelder bestehen heute nur noch zu einem Bruchteil aus alten Stücken.
Sollten nicht tatsächlich betrügerische Absichten Nicolas hierzu verleitet haben – immerhin ist ein ähnliches Vorgehen
für Soest belegt –, könnte die fortgeschrittene Verwitterung, die sich noch an den wenigen erhaltenen blauen, grünen
und roten Farbgläsern ablesen lässt, die Entscheidung zu einer solch’ umfassenden Erneuerung erleichtert haben17.
Hinzu dürfte der Wunsch getreten sein, die mittelalterliche Farbverglasung den Neuanfertigungen anzugleichen, zu-
mal die programmatischen Vorgaben die inhaltliche Einbindung des alten Fensters in das Gesamtkonzept vorsahen.
Nicolas hat sich sodann in der Zeichnung am Stilbild der Neuanfertigungen orientiert, damit im Notfall auch Altes in
verschiedenen Fenstern wiederverwertet werden kann18 . Nach oben hin nimmt die Zahl originaler Gläser aber rasch
zu, und in den Architektur- und Ornamentscheiben überwiegt schließlich der Bestand an mittelalterlichen Scherben.
Um Altes und Neues einander anzugleichen, wurden die Gläser großflächig mit einem kalten Überzug versehen, zur
limburg . stadtkirche st. sebastian 311
Lichtdämpfung der Grisaillen außenseitig Farbschichten aufgetragen, was die Zustandsbeurteilung vor allem weißer
und gelber Farbgläser – Letztere wurden von Nicolas mit Vorliebe auch für figürliche Ergänzungen benutzt – heute
beträchtlich erschwert19. Soweit dies in situ untersucht werden konnte, ist das partielle Abblättern der Schwarzlotkon-
turen in den figürlichen Teilen möglicherweise durch wiederholtes Brennen verursacht worden; stärker berieben sind
vielfach auch die Ornamentfelder. Ein ähnliches Schadensbild zeigen mehrere Gläser des 19. Jahrhunderts, auf denen
die Konturen verblasst oder stark ausgedünnt erscheinen. Rote, blaue und violette Gläser weisen vermehrt Lochfraß
auf. Das gegenwärtig angebrachte Messingdrahtgitter stellt keinen ausreichenden Schutz vor weiteren Substanzverlus-
ten dar; der Einbau einer innenbelüfteten Schutzverglasung wäre hier dringend geboten.
10 In einen Bericht Karl Kleins an Bischof Peter Joseph Blum zur Aus- 16 Aus künstlerischer wie kunsthistorischer Sicht sind die Vergla-
stattung der Kirche mit Glasmalereien werden die alten Felder (»30 sungen in Limburg und Soest damit wertlos geworden. Der Umfang
Rechteckfelder und acht Maßwerkfüllungen«) ausführlich beschrieben der jeweiligen Eingriffe lässt sich schon allein daran ermessen, dass
(DAL 2 C/5, Schreiben vom 21. Juni 1883). Bis Dezember 1884 wa- die grundverschiedenen Bestände von Soest und Limburg heute stili-
ren bereits sechs neue Fenster fertiggestellt und die Restaurierung des stisch eng verwandt erscheinen. Anders als dort sind die Ergänzungen
alten Fensters abgeschlossen (ebenda, Kopie einer Rechnung vom 9. in Gelnhausen, obschon auch hier ausnahmslos sämtliche alten Köpfe
Januar 1885). Die Wahl des Themas war politisch motiviert. Die Dar- ausgeschieden wurden, allerdings von weitaus besserer Qualität. Zu
stellung der sieben Sakramente durch kirchenhistorische Ereignisse Soest s. Landolt-Wegener 1959, S. 12–22; zu Gelnhausen s. Hess
muss als ein ostentativer Verweis auf die Hauptaufgaben des Klerus 1999, S. 215–233.
gewertet werden, der während des Kulturkampfs (1875–1883) starken 17 Mit dem Vorwurf, originale Stücke zurückbehalten zu haben, sah
Restriktionen unterworfen war. Im Verlauf der Auseinandersetzungen sich Nicolas auch in Soest konfrontiert; vgl. Landolt-Wegener 1959
floh der Limburger Bischof Blum ins böhmische Exil, aus dem er erst S. 21.
kurz vor seinem Tod heimkehren konnte. Auch sein Wirken im Exil ist 18 Schreiben von Nicolas an Klein vom 29. Aug. 1883 (DAL 2 C/5).
thematisch in das Gesamtprogramm eingebunden, indem er bei der im 19 Die Vorliebe für gelbe Farbgläser kennzeichnet auch sämtliche neu
Grunde rechtswidrigen Firmung der Kinder der Fürstenfamilie Lö- geschaffenen Chorfenster. Die Kritik an einem sich auf den gesam-
wenstein gezeigt wird, die ihm jahrelanges Asyl gewährt hatte. ten Innenraum störend auswirkenden Gelbstich blieb nicht aus. Siehe
11 Der Glasmaler Nicolas fügte außer der Hl. Margarete noch fol- hierzu Nassauer Bote vom 4. April 1903, Die Stadtkirche von Limburg
gende Neuschöpfungen hinzu: die Hll. Franziskus, Magdalena und und ihre Erbauer, Teil III.
einen weinenden Hl. Petrus sowie das neue, aber offenbar falsch re- 20 Der preußische Denkmalpfleger Ferdinand von Quast fertigte ge-
konstruierte Wappen Boppe. gen die Mitte des 19. Jh. auf seinen Studienreisen eine Reihe von Zeich-
12 Von den ursprünglich sieben nachgewiesenen Wappen sind damit nungen nach mittelalterlichen Glasmalereien an, darunter auch von
lediglich vier wiederverwendet worden. Fenstern der Limburger Barfüßerkirche. Bedauerlicherweise gilt die
13 Offenbar handelt es sich dabei um die heute im Limburger Diöze- Mappe seit Kriegsende als verschollen. Hierzu Fitz 2003, S. 454, Anm.
sanmuseum aufbewahrten und teilweise neu angefertigten Scheiben. 1691.
Nicolas teilt Karl Klein in einem Brief vom 17. Febr. 1886 mit, (…) daß 21 Vgl. die historische Aufnahme des neu eingerichteten Diözesanmu-
ich meine, die alten Stücke gefunden zu haben (DAL 2 3/O). Die Felder seums im Erdgeschoss des Wohnturmes im Bildarchiv Foto Marburg
scheinen jedoch im August noch nicht angekommen zu sein. Danach (12674). Das Rechteckfeld zeigt vor einfarbigem Grund ein breites
bricht der ausführliche Schriftverkehr zwischen Klein und Nicolas in Wappenschild auf kelchförmigem Sockel, umgeben von einem Gri-
den Akten ab. Wann und unter welchen Umständen die Felder schließ- sailleteppich, wie er sich in den oberen Teilen der seitlichen Lanzet-
lich nach Limburg zurückkamen, lässt sich nicht verfolgen, da im Lim- ten erhalten hat. Offenbar handelt es sich um eine Flickarbeit des 18.
burger Diözesanmuseum entsprechende Unterlagen fehlen. Jh., die nach dem letzten Krieg verloren ging. Das Wappen befand sich
14 Akten des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen, Wiesbaden, damals im linken oberen Fensterfeld. Bei Schenk zu Schweinsberg
Schreiben des Diözesankonservators an das Bischöfl iche Ordinariat, 1960 fi ndet das Wappen keine Erwähnung mehr.
Abschrift vom 22. Febr. 1957. 22 Dies wurde bereits von August Reichensperger erkannt, der die
15 Bei der 1739 erfolgten Zusammenlegung der Felder im Achsenfens- Glasmalereien noch vor ihrer Restaurierung begutachtete. Reichens-
ter sind vor allem die Randgläser in Mitleidenschaft gezogen worden, perger sah in der Kreuzigung einen zugehörigen Teil der Komposition;
die Fehlstellen wurden damals offenbar mit Ölfarbe ausgebessert vgl. Reg. Nr. 60.
(DAL 2 C/5, Bericht Klein an Bischof Blum vom 21. Juni 1883).
312 limburg . stadtkirche st. sebastian
23 Ein vergleichbares Figurenprogramm begegnet im Chorfenster 25 Als Beispiel für eine solche partielle Figurenverglasung sei etwa
der Pfarrkirche im mittelfränkischen Segringen (um 1340/50); hierzu das Fenster der Konstanzer Mauritiusrotunde genannt, dort allerdings
Scholz 2002, I, S. 509–515. mit der für konstanzische Verglasungen der Hochgotik charakteri-
24 Noch heute zeigt die Figur des sog. Evangelisten Markus in 4c, vor stischen Kompositionsweise mit einer über den Ornamenten liegen-
der Restaurierung wohl richtiger mit Simon bezeichnet, über dem Bo- den Figurengruppe. Zur Rekonstruktion dieses Fensters siehe Rüdiger
genabschluss einen gleichfarbigen – wenn auch komplett erneuerten – Becksmann, Die ehemalige Farbverglasung der Mauritiusrotunde des
Wimpergansatz mit Krabben und seitlichen Fialen, der sich nahtlos an Konstanzer Münsters. Erkenntnisse aus einer historisierenden Restau-
den Architekturgiebel in 7a anschließt. Darunter könnte sich eine wei- rierung, in: Jb. der Staatlichen Kunstsammlungen in Baden-Württem-
tere Gruppe von Heiligen angeschlossen haben, die, wie der Apostel berg 5, 1968, S. 57–82, sowie Becksmann 1979 (CVMA Deutschland
Bartholomäus in 4a, unter einer Bogenarchitektur mit geradem Mauer- II, 1), S. 93–102.
anschluss standen. Der Körperhaltung nach saßen die beiden Apostel 26 Zwischen Architekturrahmen und Randborte hat Nicolas jedoch
in einer linken Bahn. Die Zugehörigkeit zweier weiterer Scheiben, der zur Anpassung an die Bildbreite der vertikal anschließenden Felder
Heiligen Barbara und Georg, ist unsicher, da die Hintergründe hier einen neuen Zwischenstreifen eingezogen.
komplett erneuert wurden.
limburg . stadtkirche st. sebastian 313
als Flickstück gleichfalls im Achsenfenster eingesetzt war. An überlieferten Wappen der Dynastie war weiterhin ein
Schild mit einem flugbewehrten Helm vorhanden (s. Reg. Nr. 64), der erst mit der Restaurierung im 19. Jahrhundert
verloren ging. Gerlach III. (1321–1365) und sein jüngerer Bruder Johann (1340–1407) siegelten mit einem solchen Wap-
pen 27. Und schließlich liefert Johann Mechtel in seiner im Jahr 1623 abgefassten Beschreibung des Lahngaus noch
einen Hinweis auf ein Wappen ihres Bruders Rudolf von Limburg (1336–1374) in einem Chorschlussfenster 28 . Neben
diesen Adelswappen legen immerhin noch vier erhaltene oder überlieferte Wappen der Limburger Schöffen Zeugnis ab
von einer reichen Stiftertätigkeit auch des städtischen Patriziats (vgl. Reg. Nr. 61 und 64) 29: Das Wappen des Heinrich
Wisse mit sonst im Fenster nicht mehr vorhandenem Randstreifen gibt einen Hinweis auf eine heute verlorene Fenster-
stiftung des Limburger Schöffen, dessen Familie seit dem 14. Jahrhundert auch dem Frankfurter Patriziat angehörte30 .
Zwischen 1345 und 1380 taucht Heinrichs Name jährlich unter den Beisitzern des Stadtgerichts auf 31. Hinzu treten das
verlorene Wappen des Schöffen Johann(?) Sebolt und das nur mehr in Kopie erhaltene Wappen Johann(?) Boppes32 .
Mechtel nennt schließlich noch das Wappen des Schöffen Johann Herstull 33. Nahezu alle Familien finden als Wohltä-
ter des Klosters im Nekrologium der Franziskaner Erwähnung 34. Keiner der Stifternachweise ist heute aber mit den
Figurenfeldern mehr sicher zu verbinden, generell wäre auch eine finanzielle Beteiligung mehrerer Schöffen an einem
Fenster denkbar, vergleichbar jenem später entstandenen Christusfenster der Wilhelmitenkirche. Die Stifterkonstel-
lation aus Dynasten in den ausgezeichneten Chorschlussfenstern, dem sich die Patrizier an den Seiten anschlossen,
würde jedenfalls eine sinnfällige Demonstration der politischen Kräfteverhältnisse in Limburg darstellen.
Komposition, Ornament: Die für das Achsenfenster belegte komposite Fenstergliederung erstreckte sich aller
Wahrscheinlichkeit nach über mehrere Chorfenster. Als prominentes Vergleichsbeispiel bietet sich die um 1290/1300
entstandene Chorverglasung der Colmarer Dominikanerkirche an, die von Becksmann überzeugend rekonstruiert
werden konnte35. Hier waren sämtliche zehn Fenster über einer fünf Zeilen umfassenden Sockelzone mit Standfiguren
von Aposteln und Ordensheiligen besetzt und in den elf darüber liegenden Zeilen mit Ornamentteppichen gefüllt. Im
27 Karl Rossel, Die Limburger Chronik des Johannes, Wiesbaden tung von Glasmalereien formuliert wurden. Demnach waren fenestrae
1860, Taf. III. vitree ystoriate vel picturate verboten, nur das Fenster hinter dem
28 Michel 2005, S. 60: Rudolf Archidiakon von Würzburg. Dieses Hauptaltar durfte Bilder des Crucifi xus, der Jungfrau sowie der Hll.
Bildnuß mit dem Limburger Wappen und Namen ist zu sehen bey den Johannes, Franziskus und Antonius aufnehmen. Zu den frühen Re-
Franziscanern in den Fenstern hinder dem hogen Altar. gelvorgaben des Ordens s. Franz Ehrle, Die ältesten Redactionen der
29 Rossel 1860 (wie Anm. 27), Erläuterung zu Taf. II. Generalconstitutionen des Franciscanerordens, in: Archiv für Litera-
30 Zu einer verlorenen Glasmalereistiftung der Familie Weiß aus dem tur- und Kirchengeschichte des Mittelalters 6, 1892, S. 3ff. Zu Farbver-
Jahre 1306 für den Frankfurter Dom vgl. Hess 1999, S. 99f. Der Ge- glasungen bei den Franziskanern Ernst Bacher, Glasmalerei, in: AK
schichte des Frankfurter Patriziats und seiner Kirchenstiftungen wur- Krems 1982, S. 638–649.
de vor wenigen Jahren eine Ausstellung gewidmet: Andreas Hansert 37 Beide Farbvarianten sind wohl erst im Zuge der Restaurierung irr-
(Hrsg.), »Aus aufrichtiger Lieb vor Franckfurt«. Patriziat im alten tümlich nach Bahnen getrennt worden.
Frankfurt, Historisches Museum Frankfurt am Main, Frankfurt am 38 Zur Ornamentverglasung der Franziskaner in Erfurt s. Drachen-
Main 2000. berg/Maercker/Schmidt 1976, S. 59–64.
31 Rossel 1860 (wie Anm. 27), Erläuterung zu Taf. II. 39 Wentzel 1958, S. 114, 128f.; vgl. hierzu auch Rüdiger Becksmann,
32 In Zeile 1a ersetzte Nicolas das von ihm offenbar veruntreute Wap- Die Franziskanerkirche und ihre Glasmalereien, in: AK Esslingen
pen Boppe durch eine freie Neuschöpfung (auf rotem Feld schrägbal- 1997, S. 103–118, bes. S. 108–111. Beide Autoren äußern sich skeptisch
kenweise ein silberner Balken). Das Diözesanmuseum bewahrt eine bezüglich der Existenz eines franziskanischen Formenrepertoires.
weitere, nahezu gleichgestaltete Scheibe mit dem Wappen der Lim- 40 Im Chor des Regensburger Doms fi nden sich mehrfach Beispiele ei-
burger Patrizierfamilie Poppe (anstelle des Balkens ein Wickelkind) ner freien Kombination verschiedener Rahmensysteme. So werden die
auf, die bislang irrtümlich als Original gehandelt wurde (Schenk zu von Rautenvierpässen gerahmten Szenen im Luppurg-Rotteneck-Fens-
Schweinsberg 1962, Nr. 84; derzeit deponiert). Aus einem Schreiben ter des Südchors (um 1300) ebenfalls von Giebelarchitekturen überfan-
Kleins an Nicolas vom 19. Juli 1886 (DAL 2 C/5) geht hervor, dass man gen, um dann zu einem Ornamentteppich hinüberzuleiten (Chor süd
das offenbar verfehlte Wappen der Familie Boppe ersetzen lassen woll- V). Eine andere eigenwillige Kombinationsform zeigen die Darstellun-
te; die Scheibe wurde schließlich geliefert, jedoch nicht eingebaut. gen Petri in Cathedra mit dem Stifter Philippus im Hauptchorfenster
33 Der Schöffe Heynrich Herrstuhl wird im Januar 1309 wegen seiner H I (um 1300). Unter Ornamentbahnen liegt das Figurenpaar in fi lig-
Beteiligung an der Ermordung Dieters von Katzenelnbogen zur Wall- raner Tabernakelarchitektur auf isometrisch ausgebildetem Sockel, das
fahrt nach Rom und Santiago de Compostela binnen eines Jahres ver- Ganze ist aber nochmals von langpassartigen, welligen Rahmenbän-
urteilt. Vgl. Corden, II, 1780, § 108, S. 49f. Vielleicht handelt es sich dern umgeben. Hierzu Fritzsche 1986: zum heute im Lhs. nord XI
bei dem heute verlorenen Fenster um eine Sühnestiftung der Familie. befi ndlichen Stephanus-Laurentius-Fenster (um 1330) s. S. 327–333,
34 Vgl. Corden, II, 1780, §§ 16/2–28, S. 17–22. Rekonstruktion S. 180–183; zum Philippus-Fenster S. 82–90; zum
35 Becksmann 1967, S. 46 –51; siehe auch Scholz 1998, S. 56–59. Luppurg-Rotteneck-Fenster S. 171–176. Zur Form des Langpasses vgl.
36 Gegen das ausufernde Schmuckbedürfnis in den neu errichteten Eva Frodl-Kraft, Die »Figur im Langpass« in der österreichischen
Franziskanerkirchen richten sich die 1260 auf dem Generalkapitel von Glasmalerei und die Naumburger Westchorverglasung, in: Kunst des
Narbonne verabschiedeten Statuten, in denen auch Regeln zur Gestal- Mittelalters in Sachsen. FS Wolf Schubert, Weimar 1967, S. 309–314.
limburg . stadtkirche st. sebastian 315
Achsenfenster befand sich ursprünglich wie in Limburg eine Kreuzigungsgruppe. Hinsichtlich der großen ornamental
gestalteten Flächen im Chorraum kommen damit ebenso wie in der Auswahl der Heiligen spezifische Ausstattungs-
vorstellungen der Bettelorden zum Tragen 36 . Die Muster der Grisailletteppiche im Achsenfenster wechseln bahnweise
im Rhythmus a-b-a, sind aber im Aufbau miteinander verwandt: In den Seitenbahnen umschließen früchtetragende
Weinranken medaillonförmig rot umrandete und in den Ecken mit blauen Blütenquadraten besetzte Schrägkreuze
(Fig. 384). Diese sind mit einem punktierten Rautenmuster und mittig sitzenden, farbig geviertelten Kreisen gefüllt.
Über die Ecken wurden die angrenzenden Felder ursprünglich wohl zeilenweise mit roten bzw. blauen Viertelkreis-
bändern miteinander verklammert 37. Der Seitenstreifen zeigt ein gelbes, abwechselnd mit Vögeln und roten Blüten-
rosetten besetztes Schmuckband (Ornament A). In der Mittelbahn winden sich Ahornranken um rot gerahmte bzw.
von gelben Blättern gebildete Achtpassrosetten auf blauem oder türkisfarbenem Grund, die zu beiden Seiten volu-
tenförmig um blau-rote Blütenpunkte auslaufen, dazwischen liegen gelbe, rot umrandete Lanzettspitzen (Ornament
B). In den Seitenstreifen wechseln blaue und rote Gläser mit weißen und gelben Blattkaros. Die Rosetten nehmen die
Wappen der Herren von Limburg, die Halbfigur des alttestamentlichen Königs David sowie eine abbreviaturhafte
Himmelfahrtsszene auf. In ähnlicher Form begegnen Schrägkreuze in Verbindung mit Vögeln in den Randstreifen in
der Erfurter Barfüßerkirche (Chor I, 5a) 38 . Schon Wentzel hatte bezüglich der Ornamentverglasung der Esslinger
Franziskanerkirche auf formale Zusammenhänge mit Mustern in Erfurt hingewiesen 39. Es wäre übereilt, hiervon auf
die Existenz spezieller Musterkataloge bei Mendikanten schließen zu wollen, jedoch denkbar, dass die Erarbeitung der
Verglasungskonzepte in den Händen von Ordensmitgliedern lag, die eine Auswahl aus einem zwar allgemein verfüg-
baren Formenrepertoire trafen, welche durch interne Vernetzung der Klostergemeinschaften dann aber vor allem bei
den Franziskanern Verbreitung fanden. Den lichten Grisaillecharakter wird man in Limburg allerdings nicht allein als
Zugeständnis an die Ordensregeln zu werten haben, er dürfte hier auch durch rein bauseitige Vorgaben bedingt gewe-
sen sein, da die gesamte Südseite des Chores niemals durchfenstert war und eine lichtabsorbierende Farbverglasung
den Innenraum zu sehr verdunkelt hätte.
Für die vielleicht ungewöhnlich anmutende Rahmenform, die Figuren in einen Langpass zu setzen und sie zusätzlich
mit einer Bogenarchitektur zu umfangen, lassen sich im frühen 14. Jahrhundert vereinzelte Beispiele benennen, doch
im Grunde ist der Langpass ein in der Glasmalerei des 13. Jahrhunderts verbreitetes Motiv, das erst mit der Aufnahme
gotischer Architekturformen allmählich aus der Mode kommt40 . Die Figuren stehen überwiegend auf schmalen So-
ckeln mit Blendfenstern, ihre Rahmenformen fallen unterschiedlich aus:
Fig. 386. Apostel Simon(?). Limburg, Stadtkirche, Fig. 387. Hl. Ludwig von Toulouse. Limburg, Stadt-
Chor n III, 4c. Lahngebiet oder südl. Hessen, kirche, Chor n III, 4c. Lahngebiet oder südl. Hessen,
2. Viertel 14. Jh. – Kat. S. 318. 2. Viertel 14. Jh. – Kat. S. 318.
316 limburg . stadtkirche st. sebastian
Typ A: Figuren auf rotem Grund unter einem von seitlichen Fialen getragenen gelben Passbogen. Randstreifen: ein
gelbes, perlenbesetztes Schmuckband mit abwechselnd roten, weißen und blauen Blütenrosetten.
Typ B: auf blauem Grund Figuren im roten Langpass unter gelbem Bogenmaßwerk und Mauerzinnen. Randstreifen:
gelbes Schmuckband, belegt mit Vögeln, zwischen abwechselnd blauen und roten Blütenrosetten.
Typ C: Typ B, nur mit Wimpergansatz. Randstreifen: gelbes Schmuckband, im Wechsel belegt mit Vögeln und roten
Blütenrosetten.
Typ D: Figur im roten Langpass auf Blattgrisaillegrund in Maßwerkbogenarchitektur. Randstreifen wie Typ A.
Farbigkeit: Nicolas hat vielfach verändernd in die Farbgebung eingegriffen. Im Gesamteindruck dominieren heute
schwere bernsteingelbe und rote Farben, die sich von dem ursprünglich sicher mehrstimmigeren Farbakkord weit ent-
fernt haben. Einzig die plakative Farbpaarung einiger Figuren im roten Langpass auf blauem Grund ist gesichert. Hier
fallen einige kühne Farbtöne ins Auge: Neben einem saftigen Grün findet ein kühles Hellgrün vor allem für Nimben
Verwendung. Außer dem gängigen Hellviolett wurde für einige Gewandteile ein ungewöhnlicher Lilaton eingesetzt.
Die Kreuzigungsszene lässt die Vorliebe für Gewänder mit querverlaufenden Farbstreifen erkennen. In der vergleichs-
weise gering ergänzten Geißelung harmoniert ein leuchtendes Tiefblau mit warmgoldenen Architekturgliedern.
limburg . stadtkirche st. sebastian 317
Stil, Datierung: Da Nicolas auch die wenigen originalen Figurengläser vielfach überging, bieten sich insgesamt
kaum Anhaltspunkte für eine stilistische Beurteilung des Bestands. Selbst die substantiell noch weitgehend intakte
Scheibe der Geißelung ist in ihrer Figurenzeichnung vollständig überarbeitet worden. Die wenigen unberührt geblie-
benen Partien, wie etwa die Gewandärmel des Weltenrichters, zeigen recht schwungvolle, in der Stärke spannungsvoll
variierende und fadendünn ausschwingende Konturlinien. Demgegenüber begegnen im Mantel des Hl. Ludwig von
Toulouse plastischere Faltenschlingen, bei Barbara findet sich ein differenziertes Liniengeflecht aus spannungslosen
und dünn gespannten Linien. Die originalen Handpartien sind sorgsam gezeichnet, auch die Blattkapitelle im Detail
differenziert wiedergegeben. Hinsichtlich der Architekturrahmung und deren Verhältnis zu Figur und Ornament
bietet sich ein Vergleich mit der ehemaligen Chorverglasung der Pfarrkirche in Dausenau an41. Auch dort standen in
den Chorflankenfenstern die feldergroßen Heiligen mit darüberliegender Namensbezeichnung unter einem genasten
Bogen mit identischem Mauerzinnenabschluss unter einem Ornamentteppich. Einzelne Details wie angeschnittene
Lanzettspitzen als verbindendes Rapportelement begegnen dort ebenso wie die in Architekturen eingestreuten Maß-
werkokuli. Doch erscheint demgegenüber der Entwurf des Limburger Achsenfensters in seinen Ornament- und Ar-
chitekturgliedern weniger kraftvoll, insgesamt empfindet man einen Mangel an Volumen und lebendiger Bewegtheit
und wenig Sinn für ein harmonisches Zusammenspiel von Ornament und Architektur. Diese Unsicherheit spiegelt
sich in der unorthodoxen Kombination von ausgesprochen altertümlichen Formdetails (Weinranken auf schraffiertem
Grund, aus palmettenartigen Blättern gebildete Passformen, Figuren in Langpässen) mit modernen Elementen (steile
Architekturaufrisse mit fortschrittlichem Blendmaßwerk). Aufgrund der Wappenkonstellation der Stifter ist an eine
Entstehung der Glasmalereien im zweiten Viertel des 14. Jahrhunderts zu denken.
Lahngebiet oder südliches Hessen, zweites Viertel 14. Jahrhundert.
Vorbemerkung zum Katalog: Die Untersuchung und fotografische Erfassung des Chorfensters nord III erfolgte im
September 2002 vom Gerüst aus. Die Einbausituation sowie die flächendeckende Übermalung der Scheiben erschwerte
die sichere Beurteilung des Erhaltungszustands. Auch die beiden museal aufbewahrten Felder mit der Geißelung und
dem Wappen der Herren von Limburg konnten außenseitig nicht begutachtet werden.
Lichtes Gesamtmaß: H. ca. 10,3 m, B. 1,99 m. – Steiles, dreibahniges Maßwerkfenster von elf Zeilen mit genasten, von
Dreipässen bekrönten Lanzetten, dazwischen stehenden Vierpässen mit großem gespitzten Vierpass im Zentrum.
Rechteckscheiben (lichtes Maß): H. 73–75 cm, B. 57–58 cm. Gesamtaufnahme: CVMA G 8904
gründeten Klarissenordens mit stahlblauem Schleier, violettem Erhaltung: Der rote Hintergrund des Langpasses ist noch weit-
Mantel und darunterliegender graubrauner Kutte. In den Hän- gehend ursprünglich, der Überfang allerdings vielfach abge-
den hält sie ein blaues Buch und ein gelbes Hostienziborium, wittert. Von der Figur selbst hat sich lediglich ein Stück des
mit dem sie die Sarazenen bei der Belagerung von Assisi ver- violetten Untergewandes erhalten. Die roten Säulenschäfte mit
trieben haben soll. weißen Punkten entstammen möglicherweise einem anderen
Komposition: Rahmentyp A. Zusammenhang.
CVMA W 12946 Ikonographie, Farbigkeit: Der Heilige steht nach rechts ge-
wandt mit erhobenem Messer und Buch. Grüner Nimbus, vio-
lette Tunika und gelbes Mantelpallium.
Komposition: Rahmentyp B. CVMA W 12948
5a HL. BARBARA Fig. 393, Abb. 220 Waffenrock und roter Schild mit weißem Kreuz. Der Sockel-
H. 75 cm, B. 57 cm. streifen ist aus roten und farblosen Stücken zusammengesetzt.
Erhaltung: Erhalten haben sich nur noch Teile des grünen Man- Komposition: Rahmentyp B.
tels und die linke Hand; die Schwarzlotbemalung ist hier parti- CVMA W 12953
ell abgängig. Die roten, weiß gepunkteten Säulenschäfte stam-
men möglicherweise aus einem anderen Zusammenhang. 6a APOSTEL JAKOBUS D. Ä. Abb. 218
Ikonographie: Barbara steht mit einem locker um die Schultern H. 74 cm, B. 57 cm.
gelegten und hochgerafften Mantel nach rechts. Sie hält ein Erhaltung: Freie Neuschöpfung unter Verwendung eines origi-
Turmmodell auf dem linken Arm, die andere Hand weist mit nalen roten Randstückes.
dem Zeigefinger nach rechts. CVMA W 12954, Foto Marburg 22671
Farbigkeit: Barbara in grünem Mantel und violettem Kleid;
Turm gelb, Nimbus blau. Rote, von gelben Perlbändern ge- 6b CHRISTUS ALS WELTENRICHTER
säumte Säulenschäfte mit weißen Einschlüssen, Kapitelle und Fig. 394, Abb. 226
Basen sind weiß. H. 74 cm, B. 57 cm.
Komposition: Rahmentyp B. Erhaltung: Die beiden Unterarme und der Griff des linken
CVMA W 12951 Schwertes sind der einzige originale Überrest im figürlichen
Bestand dieser Scheibe. Die grünen Glasstücke sind außenseitig
5b POSAUNE BLASENDER ENGEL Fig. 393, Abb. 227 mit flächigen Korrosionsablagerungen belegt.
H. 75 cm, B. 57 cm. Ikonographie: Christus sitzt auf einem steinernen Thron und
Inschrift: Auf dem Schriftband über dem Nimbus in gotischer präsentiert mit ausgebreiteten Armen die Wundmale, zu beiden
Majuskel: · ANGELUS · Seiten seines Hauptes diagonal liegende Schwerter. Unterhalb
Erhaltung: Von zwei roten Hintergrundstücken und den roten der Füße Ansätze von Wolkenformationen, die vielleicht auf
Randstreifen abgesehen ist das Feld eine Neuschöpfung von eine hier anschließende Gerichtsszene hindeuten.
Nicolas. Farbigkeit: Weltenrichter in grüner Tunika mit gelbem, violett
Ikonographie, Farbigkeit: Die Figur, von Klein als Angelus mit gefüttertem Mantel. Violette Schwertgriffe, gelber Maßwerk-
Posaune bezeichnet, wurde ikonographisch offenbar korrekt bogen. Nimbus gelbgrün.
ergänzt (s. Reg. Nr. 64). Ein Engel im weißen Chiton mit violett Komposition: Rahmentyp B. CVMA W 12955
und gelb geteilten Flügeln bläst in fast tänzerischer Gebärde die
Posaune; seine Linke ist zum Segensgestus erhoben. Am Bo-
den lassen sich Ansätze einer Wolkenabbreviatur, ähnlich jenen
zu Füßen des Weltenrichters in 6b, erkennen. Beide Felder ge-
hörten zu einer Darstellung des Jüngsten Gerichts 43.
Komposition: Rahmentyp B, jedoch ohne Langpass.
CVMA W 12952, Foto Marburg 22670
8b WIMPERGBEKRÖNUNG Fig. 397, Abb. 238 11b sind die Nasen der türkis hinterlegten Rosette als violet-
H. 73,5 cm, B. 56 cm. te Blattspitzen ausgebildet; in Feld 10b liegt die Rosette dem-
Inschrift: Unter dem Wimpergbogen der Titulus der darunter gegenüber auf hellblauem Grund und nimmt die auslaufende
stehenden Kreuzigung in gotischen Majuskeln I · N · R · I Kreuzblume der ursprünglich hier anschließenden Wimperg-
Erhaltung: Erneuert ist im wesentlichen der Großteil der Gie- bekrönung der Kreuzigung auf.
belseiten und der rote Grund des Giebelfeldes mit dem Antlitz CVMA W 12967, W 12970, Großdia W 02/36,
Christi. Der originale Schwarzlotauftrag ist berieben. Foto Marburg 22674, 22676
Ornament, Ikonographie: Vor einer mit Ahornlaub, partiell
auch mit Perlbändern umrankten Passrosette ragt ein steiler, 12b KOPFSCHEIBE MIT HIMMELFAHRTSSZENE(?)
sich über die gesamte Feldhöhe ziehender, blattbesetzter Giebel Fig. 397, Abb. 218
empor und wird bis etwa zur Mitte von seitlichen Fialen be- H. 38 cm, B. 55 cm.
gleitet. Das Giebelfeld schmücken zwei übereinander liegende Erhaltung: Zahlreiche Sprünge, das rechte untere Blattdreieck
Dreistrahlmaßwerkfenster, der untere Dreistrahl mit dem Ant- durch eine Plombe gefl ickt, die originale Schwarzlotzeichnung
litz Christi im Zentrum wird seitlich von einem Paar kleinerer ist stärker berieben, an blauen und roten Farbgläsern fi ndet sich
Fenster und Maßwerkokuli begleitet. vermehrt Lochfraß.
Farbigkeit: Die Blattgrisaille windet sich nach oben um blau- Ikonographie, Farbigkeit, Ornament: Ornament B. Das von
rote Blütenpunkte und umschließt mittig ein rotrandiges Acht- der Maßwerkspitze angeschnittene Medaillon zeigt Füße und
passmedaillon auf tiefblauem Grund. Zweischichtige gelbe und das bortengesäumte Kleid einer Figur (Himmelfahrt?). Mögli-
hellblaue Giebelseiten, Krabben und Fialenspitzen gelb. Weißes cherweise handelt es sich um ein Pasticcio. Vor blauem Grund
und gelbes Fenstermaßwerk im roten Giebelfeld, die Rundfens- ein rotes Medaillon im gelben Blattkranz, darin der untere Teil
ter violett. Der Christuskopf mit blauem, rotstrahligen Nim- einer barfüßigen Figur im violetten Gewand mit türkisfarbener
bus. CVMA W 12961 Borte. CVMA W 12973
9b KÖNIG DAVID Fig. 397, Abb. 232 1A–1C DREIPASSFÜLLUNGEN MIT LILIEN
H. 74 cm, B. 57 cm. Fig. 398, Abb. 218
Inschrift: Die Figur hält ein Schriftband in gotischen Majus- H./B.: 1A: 41/39; 1B: 40/38; 1C: 40/38 cm.
keln in den Händen: REX DAVID. Erhaltung: Nur in 1B hat sich auch der blaue, allerdings kräftig
Erhaltung: David ist weitgehend erneuert, ebenso Teile des korrodierte Hintergrund erhalten, ansonsten nur noch wenig
Grisailleteppichs. Originale Schwarzlotkonturen sind abgän- originaler Bestand.
gig, der flächige Auftrag stärker berieben. Fortgeschrittener Farbigkeit, Ornament: Auf rotem bzw. blauem Grund stehen-
Lochfraß auf roten und blauen Gläsern. de gelbe bzw. weiße Lilien in den Pässen und mittig grünem
Ikonographie, Ornament, Farbigkeit: Ornament B. Im Medail- bzw. rotem Blattdreieck. Die in 1A und 1C aus Kreisen, in
lon die Halbfigur König Davids in gängiger Herrscherikono- 1 B dagegen aus Haken und X-Mustern bestehenden nadelfei-
graphie mit Krone, Szepter und Salbgefäß. Vor blauem Grund nen Radierungen aus den deckenden Blattgründen dienten den
ein rotes, mit gelben Blättern umkränztes Achtpassmedaillon. Glasmalern offenbar zur Kontrolle bei dem Versatz der gleich-
David mit gelber Krone, lilafarbener (ursprünglich hellblauer?) gestalteten Dreipässe. CVMA W 12972–12974
Tunika und grünem, gelb gefütterten Mantel.
CVMA W 12964, Großdia W 02/35, Foto Marburg 22675 2AB, 2BC VIERPASSFÜLLUNGEN Fig. 398, Abb. 218
H. 40 bzw. 39 cm, B. jeweils 40 cm.
10/11b JEWEILS WAPPEN LIMBURG Fig. 397, Abb. 235 Erhaltung: Die Vierpässe bestehen zum überwiegenden Teil aus
10b: H. 73 cm, B. 57,5 cm; 11b: H. 74 cm, B. 57 cm. modernen Gläsern, doch ist das Muster gesichert. Rote Glä-
Erhaltung: Die Wappenschilde überwiegend original, der Gri- ser mit fortgeschrittenem Lochfraß, das blaue Blattstück mit
sailleteppich in 11b fast vollständig erneuert. starkem Verlust der Transluzidität.
Komposition, Ornament, Farbigkeit: Ornament B. Die Roset- Farbigkeit, Ornament: Von den Spitzen eines aus Kreuzblatt-
te zeigt auf gelbem Rankengrund das Wappen der Herren von karos bestehenden Rautenvierecks wachsen dreiblättrige Äste
Limburg: im blauen, mit goldenen Steinen bestreuten Feld ein hervor, in den Diagonalen Blattspitzen. Gelbe Blätter auf rotem
in Rot und in damasziertem Silber geschachter Balken. Nur in Grund mit blauen Blattspitzen. CVMA W 12975, W 12976
limburg . stadtkirche st. sebastian 323
Fig. 399. ES Nr. 2. M 1:15 Fig. 4oo. ES Nr. 3. 44 Oidtmann 1906 (s. Bibl.), Sp. 271f.
LIMBURG AN DER LAHN · DIÖZESANMUSEUM
Bibliographie zur Sammlung: Oidtmann 1906, Sp. 271f., 275f., Abb. 2, 4; Luthmer 1907, S. 121–124; Oidtmann
1912, S. 11, 121, 124, Abb. 19, 184; Wille 1952, I, S. 102–106a, II, S. 135–140; Schenk zu Schweinsberg 1962, S. 9, 22;
Nieder 2005, S. 94–97.
Gegenwärtiger Bestand: Nur sieben der insgesamt neun Nummern umfassenden Glasmalereisammlung des Muse-
ums finden im folgenden Katalog Berücksichtigung, da es sich bei zwei bislang als mittelalterlich geführten Scheiben
(Rechteckfelder mit Wappen Poppe und Grafen von Limburg) lediglich um moderne Neuschöpfungen handelt1. Für
zwei Stücke war die Herkunft nicht zweifelsfrei zu ermitteln, von den fünf Scheiben mit gesicherter Provenienz wer-
den vier unter ihrem ehemaligen Standort bearbeitet; lediglich das Fragment einer Stifterfigur ist als Nachtrag zum
Inventarband CVMA Deutschland III, 2 (Frankfurt und Rhein-Main-Gebiet) unter dem heutigen Aufbewahrungsort
gelistet (Nr. 1). Der Bestand ist chronologisch geordnet.
Geschichte der Sammlung: Das Limburger Diözesanmuseum wurde 1903 von Bischof Dominikus Willi mit Un-
terstützung der Staatsregierung gegründet, die hierfür einen Teil der Schlossräume zur Verfügung stellte. Der erste
Leiter des Museums, Domkapitular Höhler, legte den Grundstock der Sammlung, um die »nicht mehr im gottes-
dienstlichen Gebrauch stehenden kirchlichen Kunst- und Altertumsgegenstände der Diözese vor Vernachlässigung
und Verschleppung zu bewahren«2 . Nach Umbaumaßnahmen konnte das Museum 1905 in den neu hergestellten Räu-
men eröffnet werden. Obschon im Haus keinerlei Aufzeichnungen hierzu existieren, lassen sich die Erwerbsumstände
für einen Großteil der Glasmalereien rekonstruieren. So dürften die Geißelung (Nr. 2) und das Wappen der Grafen
von Limburg (Nr. 3) im Zusammenhang mit der Restaurierung der Glasmalereien der Stadtkirche 1884 ausgelagert
und zunächst im bischöflichen Besitz deponiert gewesen sein. Ähnliches gilt für das Medaillon mit der Schöpfungs-
szene (Nr. 4) aus der Annenkirche, das 1906 bei Instandsetzungsarbeiten durch die Glasmalereiwerkstatt Oidtmann
ausgeschieden wurde. Aus Weinähr überwies man etwa zur gleichen Zeit eine Wappenrundscheibe an das Museum 3.
Weniger Gewissheit besteht bei den drei noch verbliebenen Stücken der Kreuzigung (Nr. 7), der Johannesscheibe (Nr.
6) und dem Figurenfragment (Nr. 1), doch gibt es überzeugende Gründe für die Annahme, dass diese Gruppe aus der
Sammlung Zwierlein in Geisenheim stammt, die 1887 in Köln zum Verkauf angeboten wurde. Unter der Losnummer
122 rangierte ein Pasticcio mit einer zentralen »Crucifi xdarstellung mit den Seitenfiguren Johannis und Mariae, flan-
kiert von den etwas grösseren Figuren des hl. Johannes und der hl. Barbara mit dem inschriftlich Husen bezeichneten
Kirchenmodell in den Händen (Marienhausen)«4. Einem Versteigerungsbericht zufolge waren sämtliche Figuren aus
ihren alten Hintergründen ausgeschält 5. Bezüglich der ikonographischen und technischen Angaben – Oidtmann hat
der Kreuzigung und Johannesfigur vollständig neue Hintergründe hinzugefügt – spräche tatsächlich nichts gegen eine
Identifizierung der Scheibengruppe im Limburger Diözesanmuseum mit jener Katalognummer, zumal sich die Figur
mit Kirchenmodell dank der zweifelsfreien Beschreibung zuvor in Zwierleins Besitz befunden haben muss. Ob neben
dem Figurenfragment auch die Kreuzigungs- und Johannesscheibe aus Marienhausen stammen, ist dagegen nicht mit
Sicherheit zu entscheiden; erstere wird von Schenk zu Schweinsberg dorthin lokalisiert, allerdings ohne Nennung
seiner Quelle 6 .
1 Auf einer alten Aufnahme des Wohnturms, in welchem die Glasma- der Freiherr im Jahr 1820 weitere Glasmalereien für seine Sammlung
lereien ursprünglich ausgestellt waren (Foto Marburg 126749), lassen erwarb. Zuletzt hierzu Hess 1999, S. 326.
sich noch zwei weitere, heute nicht mehr vorhandene Felder erkennen: 7 Zur Gründungsgeschichte von Kloster und Siedlung siehe Wolfgang
Das Wappen der Herren von Limburg auf Grisaillegrund zum Kelch Klötzer, Die Fundierung der Klosters Marienhausen im Rheingauer
geformt sowie eine szenische Darstellung des Marientodes(?). Kammerforst, in: NA 73, 1962, S. 27–36.
2 Luthmer 1907, S. 121. 8 So Monsees 1997, S. LXXVI, und Hess 1999, S. 35f. Vgl. dagegen
3 Dies geht aus einer Erwähnung bei Luthmer 1907, S. 293, hervor.
etwa die im zweiten Viertel des 13. Jahrhunderts entstandene Figu-
4 Weerth 1887, S. 11. Diese Komposition war nach Katalogangabe 84
renverglasung des Zisterzienserinnenklosters Sonnenkamp; Böning
cm hoch und 100 cm breit. 2001.
5 Weerth 1888, S. 263. 9 Schenk zu Schweinsberg 1962, S. 42, scheidet den grünen Nimbus
6 Schenk zu Schweinsberg 1962, S. 9. Möglich wäre auch eine Her-
irrtümlich als moderne Ergänzung aus.
kunft aus der Pfarrkirche im benachbarten Assmannshausen, von wo
limburg . diözesanmuseum 325
Vorbemerkung zum Katalog: Von sämtlichen Scheiben waren bereits im Winter 1991 Aufnahmen angefertigt worden.
Die Untersuchung erfolgte jedoch erst im September 2000, wobei die ausgestellten Glasmalereien lediglich im einge-
bauten Zustand begutachtet werden konnten.
1. FIGURENFRAGMENTE AUS KLOSTER Inschrift: Auf dem Kirchenmodell in Kapitalis: ·HVS / EN·
MARIENHAUSEN Fig. 402, 404, Abb. 244 Erhaltung, Technik: Die Konturen stellenweise berieben, ein-
Pasticcio aus Stücken unterschiedlicher Herkunft zusammen- zelne Falten offenbar im 19. Jahrhundert nachgezogen. Auf
gesetzt. Rumpf: Mittelrhein (Mainz?), um 1220; Kopfstück: sämtlichen Gläsern des älteren Kernbestands befindet sich
Köln, um 1435. innenseitig punktförmige Korrosion, außenseitig zeigt das
H. 56,5 cm, B. 30 cm. – Inv. Nr. 98. (Schenk zu Schweinsberg weiße Glas einen flächig weißen Verwitterungsbelag. Kopf und
1962, Nr. 326). Nimbus sind dagegen unversehrt und außenseitig mit intakter
Bibliographie: Weerth 1887, S. 11, Nr. 122 (Beschreibung Modellierung versehen9. Die Figur sitzt in einer modernen tief-
eines Pasticcios mit »Kreuzigung flankiert von den etwas grö- blauen Einfassung.
ßeren Figuren des hl. Johannes und der hl. Barbara mit dem Ikonographie: Der Rumpf der Figur besteht offenbar aus meh-
inschriftlich ›Husen‹ bezeichneten Kirchenmodell«); Weerth reren verschiedenfarbigen (weißen, roten, gelborangen) Figu-
1888, S. 263 (Herkunft aus Kloster Marienhausen); Schenk renteilen, doch dürften Kirchenmodell und das rote Gewand
zu Schweinsberg 1962, S. 42 (folgt Weerth 1888); Monsees mit abgewinkeltem Arm zusammengehören. Grundsätzlich
1997, S. LXXVI (datiert um 1180/90 und spricht sich mit Hin- lassen sich zwei Möglichkeiten zur Identifikation benennen: 1.)
weis auf das zisterziensische Bilderverbot gegen eine Lokalisie- Es könnte sich hier um die Darstellung des Klosterfundators
rung nach Marienhausen aus); Hess 1999, S. 35f. und 315 (folgt handeln. Neben Konrad von Rüdesheim wird in der Forschung
auch der Mainzer Erzischof Konrad I. als möglicher Stifter für b) Kopf (Schleier und Hermelinansatz lassen sich vielleicht
Marienhausen vorgeschlagen10 . Doch entspricht der Gewand- mit der Hl. Gertrudis verbinden) und Hand dürften einer köl-
typ weder einem Bischofsornat noch weltlicher Kleidung. Auch nischen Arbeit des Weichen Stils entnommen worden sein. Das
fi nden sich Bildbeispiele von Selbstrepräsentation erst im aus- Gesicht setzt sich aus wenigen, äußerst fein gezogenen Haupt-
gehenden 13. Jahrhundert häufiger. 2.) Mehr Wahrscheinlich- konturen und einer beidseitig aufgetragenen Halbtonmodellie-
keit hat daher der Vorschlag für sich, in der Figur Maria, die rung zusammen, die dem Inkarnat sein samtiges Erscheinungs-
Titelheilige des Klosters, zu sehen. Die Verbindung von Kir- bild gibt. Auf Burg Rheinstein hat sich eine Gruppe von fünf
chenmodell mit dem Patronatsheiligen begegnet immer wieder, Feldern erhalten, die dem Marienhauser Fragment stilistisch
so etwa auch innerhalb des Bearbeitungsgebietes in einer Dar- sehr nahe steht (Fig. 403). Hierzu zählt auch das im letzten
stellung der Hl. Katharina in der ihr geweihten Klosterkirche Krieg zerstörte Figurenpaar der Hll. Margarete und Georg in
zu Berich aus dem frühen 14. Jahrhundert. einem Architekturtabernakel aus dem Berliner Kunstgewerbe-
Bei Hand und Kopf handelt es sich um Flickstücke einer Köl- museum12 . Die nächstverwandten Glasmalereien befi nden sich
ner Glasmalerei des 15. Jahrhunderts. im nördlichen Querschiff des Kölner Doms. Das Gnadenstuhl-
Stil, Datierung: a) Das Figurenfragment wurde von Hess mit fenster stammt aus der 1435 geweihten, 1808 abgebrochenen
den beiden Christusscheiben im Museum Wiesbaden in Zu- Augustinerchorherrenkirche Herrnleichnam13. Dazu gehören
sammenhang gebracht, vor allem im Hinblick auf die verwand- weiter die Kopffragmente zweier Heiliger im Museum Schnüt-
ten architektonischen Details11. Doch gehören gerade Bildele- gen in Köln sowie eine Strahlenkranzmadonna, heute in New
mente wie Dach und Kuppel zum allgemeinen Formenkanon York, The Metropolitan Museum of Art14. Die hier genannten
der Zeit und können daher nicht als Argumente für künstle- Glasmalereien müssen der gleichen Werkstatt zugeschrieben
rische Wechselbeziehungen herangezogen werden. Gegenüber werden und stammen vielleicht sämtlich aus der Herrnleich-
den spröderen Gewandfalten in Wiesbaden zeigt die Figur aus namskirche15. Da Prinz Friedrich von Preußen und Hans Carl
Marienhausen im Gegenteil eine feinlinigere und weichfl ie- von Zwierlein beim Aufbau ihrer Sammlungen auf Burg Rhein-
ßende Faltenmotivik, was entwicklungsgeschichtlich auf eine stein und in Geisenheim auf die gleichen Kölner Handelspart-
spätere Entstehung hindeutet. Eine Herkunft aus dem nur we- ner zurückgriffen, läge eine gemeinsame Provenienz dieser
nige Kilometer entfernten Mainz läge nahe. Scheibengruppe nahe16 .
CVMA G 8915, Detail G 8916, Großdia G 91/99
FIGUREN- UND WAPPENFELD AUS DER LIMBURGER STADTKIRCHE (Nr. 2, 3) Fig. 399–401, Abb. 248f.
2. Viertel 14. Jahrhundert. Die Bearbeitung der beiden Rechteckfelder erfolgt am ehemaligen Standort (s. S. 323).
ERSCHAFFUNG DER TIERE AUS EINEM GENESISZYKLUS DER LIMBURGER ANNAKIRCHE (Nr. 4).
Fig. 356, 378f., Abb. 246
3. Drittel 14. Jahrhundert. Die Scheibe wird unter ihrem ehemaligen Standort behandelt (s. S. 306).
Die Katalogisierung der um 1490 entstandenen Rundscheibe erfolgt am ursprünglichen Standort im Corpusband
Rheinland (CVMA Deutschland V).
6. HL. JOHANNES EVANGELISTA Fig. 405–407, Abb. 245 10 Klötzer 1962 (wie Anm. 7), S. 31.
11 Hess 1999, S. 315.
Mittelrhein oder Lahngebiet, um 1340/50.
12 Schmitz 1913, I, S. 36f., II, Nr. 20f.
H. 81,5 cm, B. 46,5 cm. – Inv. Nr. 762 (Schenk zu Schweins-
13 Rode 1974, S. 32f., 170–175, Taf. 182–188.
berg 1962, Nr. 25). 14 Lymant 1982, Nr. 49–50.
Bibliographie: Oidtmann 1906, S. 275, Abb. 4; Luthmer 1907, 15 Zur Baugeschichte und Verglasung der Herrenleichnamskirche zu-
S. 123 (»eine Rundscheibe [sic!] mit Johannes Evangelist«); letzt Holger Kempkens, Corpus Christi, genannt Herrenleichnam, in:
Oidtmann 1912, Abb. 19 (Detailabbildung); Wentzel 21954, Colonia Romanica. Kölner Kirchen und ihre mittelalterliche Ausstat-
S. 40 (Einordnung in die Gruppe der oberrheinischen Standfi- tung, I, Köln 1995, S. 133–140.
gurenfenster in Marburg); Wille 1952, II, S. 137f. (»2. Viertel 16 Wolff-Wintrich 1995, S. 347.
limburg . diözesanmuseum 327
Fig. 405. Hl. Johannes Evangelista. Limburg an der Lahn, Diözesanmuseum, Nr. 6.
Mittelrhein oder Lahngebiet, um 1340/50.
328 limburg . diözesanmuseum
7. KREUZIGUNG Fig. 408f., Abb. 247 runden, von kurzen Locken gerahmten Kopf, doch schon an
Mittelrhein (Mainz?), Mitte 14. Jahrhundert. diesem in der Kölner Malerei häufig zu fi ndenden Motiv lässt
H. 81 cm, B. 59 cm. – Inv. Nr. 761 (Schenk zu Schweinsberg sich exemplarisch die gelöstere Haltung gegenüber der strengen
1962, Nr. 23). Auffassung in Limburg aufzeigen, wo das Haar noch aus einem
Bibliographie: Oidtmann 1906, Sp. 275; Oidtmann 1912, S. klar defi nierten doppelten Lockenkranz besteht 21. So wird in
124; Wille 1952, I, S. 105–106a, II, S. 138 (steht dem Christus- der Limburger Kreuzigung vielleicht jenes Stilmilieu fassbar,
zyklus der Wilhelmitenkirche nahe); Schenk zu Schweins- in dem der Kiedricher Maler seine Ausbildung erhalten hat und
berg 1962, S. 9 (Herkunft aus Kloster Marienhausen); Nieder auf welches er noch Jahrzehnte später zurückgreifen konnte.
2005, S. 95f. (folgt Wille). Die Zusammenhänge mit dem Limburger Christusfenster, das
Inschrift: Auf dem Kreuz der Titulus in gotischer Majuskel: wiederum Bezüge zu den wohl im letzten Drittel des 14. Jahr-
I·N·R·I. hunderts entstandenen Wandmalereien der Mainzer Christoph-
Erhaltung: Original ist lediglich die Figurengruppe um Chris- kirche aufweist, deuten auf eine in Mainz selbst oder in der
tus, Maria und Johannes sowie der Schollenhügel. Karoblü- näheren Umgebung tätige Werkstatt hin. Eine mögliche Her-
tengrund, Rahmenarchitektur und Randstreifen wurden von kunft der Scheibe aus der Sammlung Zwierlein zu Geisenheim
Oidtmann frei hinzuerfunden. Die originalen Teile weisen eine würde die Provenienz aus dem Rheingau erhärten 22 .
fortgeschrittene Verwitterung auf und sind fast flächendeckend CVMA G 8910, Großdia G 91/103, Foto Marburg 23646
mit Lochfraß überzogen. Das Inkarnat ist stark gebräunt,
durch mechanische Reinigung ist die Oberfläche entlang der
Kratzspuren aufgeschlossen. Weniger stark angegriffen sind le-
diglich weiße und gelbe Farbgläser. Partiell ist ein Verlust der
Konturzeichnung festzustellen.
Ikonographie: Christus mit rotem Nimbus und weißem Len-
dentuch hängt mit zur Seite geneigtem Haupt am Kreuz, das
über einem Erdhügel aufragt (Dreinageltyp). Links steht Maria
rot nimbiert in violettem Gewand und blauem Mantel mit ge-
falteten Händen, ihr gegenüber Johannes violett nimbiert mit
kurzen gelockten Haaren in rotem Gewand und gelbem Man-
tel, in der Linken das Buch, die Rechte an die Brust gelegt. Bei-
de richten ihren Blick zu Christus empor.
Technik, Stil, Datierung: In ihrer Dissertation zu den hes-
sischen Glasmalereien des 14. Jahrhunderts stellte Wille die
Kreuzigung dem Christusfenster der Annenkirche gegenüber
und erkannte vor allem in der Gesichtsbildung (hochgezo-
genene parallele Augenbrauenlinien und seitlich herabfallende
Mundwinkel) einen verwandten Figurencharakter. Während
dort allerdings der körperbetonte und schwungvolle Gewand-
stil bereits auf eine Entstehung im dritten Jahrhundertdrittel
hindeutet, kann das Kreuzigungsbild in seiner insgesamt stren-
geren Auffassung schwerlich nach der Jahrhundertmitte ent-
standen sein. Die Figuren besitzen einen geschlossen Umriss
und die Stoffe werfen wenige, doch straff gespannte Falten.
Aufschlussreich ist ein Blick auf die gegen 1360/70 entstande-
nen Glasmalereien in der Pfarrkirche zu St. Valentin in Kied-
rich, die sich insgesamt durch ein sehr altertümliches Formen-
vokabular auszeichnen 20 . Der Apostel mit Buch (Hl. Johannes
Ev.?) besitzt die gleichen Gesichtszüge wie Johannes, einen
Bibliographie: Moller 1822–1824, S. 4, Taf. XVI (überliefert in Nachzeichnungen heute verlorene Ornamentfelder);
Gessert 1839, S. 71 (ursprünglich sollen sämtliche Fenster mit Glasmalereien ausgestattet, jedoch im Siebenjährigen
Krieg weitgehend zerstört worden sein); Franz Kugler, Kleine Schriften und Studien zur Kunstgeschichte, II, Stutt-
gart 1854, S. 164 (die stark geflickten Glasmalereien im Hauptchor, insbesondere die figürlichen Darstellungen »von
roher Machart«); Statz/Ungewitter 1856, Taf. 24/1 (Ornamentfenster); Lotz 1862, S. 425 (»Glasmalereien im Chor
aus den Fenstern der Kirche zusammengestückt, in Farbe und Zeichnung gleich vortreffliche Teppichmuster«);
Schäfer 1867, Abb. 10, Taf. 2 (Vorstellung verschiedener Verglasungssysteme anhand von Glasmalereien der Elisa-
bethkirche); Dehn-Rotfelser/Lotz 1870, S. 145 (die Reste eines Genesiszyklus und das Medaillon mit der Geburt
Christi zählen zu den ältesten Glasmalereien in Marburg); Schäfer 1873, S. 88–90, 119 (Inventarverzeichnis mit ge-
nauer Beschreibung der Glasmalereien; sieht den Schöpfungszyklus in der Maßwerkrosette des oberen Chorachsen-
fensters als Bestandteil einer Wurzel Jesse, verbindet die Kreuzigung im darunterliegenden Fenster mit einem Vita-
Christi-Zyklus, aus welchem auch die im Elisabeth-Fenster eingeflickte Geburtsdarstellung stammt und weist die
Restfelder von Genesisszenen drei verschiedenen Fenstern zu); Carl Schäfer, Die Glasmalerei des Mittelalters und
der Renaissance, Berlin 1881, wiederabgedruckt in: Schäfer 1910, S. 159–191, hier S. 177 (die heute in der Nordkonche
sitzenden Reste von kleinfigurigen Heiligen in Architekturtabernakeln waren ursprünglich übereinandergestaffelt
angeordnet); N. H. J. Westlake, A History of Design in Painted Glass, London/Oxford 1881, S. 133–135, Taf. 80a, c,
e (die spätromanischen Glasmalereien erinnern an Wandmalereien von St. Gereon und St. Kunibert in Köln sowie an
die Hildesheimer Deckenmalereien); Wilhelm Kolbe, Die Kirche der hl. Elisabeth zu Marburg nebst ihren Kunst-
und Geschichtsdenkmälern, Marburg 21882, S. 69–76 (ausführliche Beschreibung); Bickell 1883, S. 12 (die Erstver-
glasung der Elisabethkirche war wie in Hersfeld und Haina auf Grisaillen mit einzelnen bunten Ornamenten be-
schränkt); Kolb 1884, Taf. 49, 51f. (Wiedergabe von Ornament- und Figurenfeldern); Schäfer/Rossteuscher 1885,
Taf. 8–11 (Abbildung mehrerer Ornamentfenster und einer heute verlorenen Blankverglasung); Oidtmann 1898, S.
127, 163, 167, 169, 173–175, 220f. (erkennt erstmals auch in einem Fenster der Südkonche originale Reste eines Mäan-
dermusters); Julius Engel, Die Chorfenster der Elisabethkirche zu Marburg, in: Antiquitäten-Rundschau 2, 1904, S.
86–88, 97, Abb. auf S. 89, 99, 101f. (datiert zwischen 1260 und 1320; Figuren und Architektur des Elisabeth-Fensters
lehnen sich an französische Vorbilder in den Kathedralen von Le Mans und Lyon an); Julius Kothe, Von den gemalten
Glasfenstern der Elisabethkirche in Marburg, in: Die Denkmalpflege 6, 1904, S. 68 (die Stilauffassung der spätroma-
nischen Standfiguren erinnert an Bildwerke aus Naumburg, Wechselburg und Bamberg); Eberhard Schenk zu
Schweinsberg, Zwei Stifterfenster der Elisabethkirche in Marburg, in: Der Deutsche Herold 35, 1904, S. 217f., Farb-
tafel (datiert die Fenster anhand der Wappen in die Zeit um 1300; schließt auf eine nicht in Marburg ansässige Werk-
statt); Stephan Beissel, Die Glasgemälde der Kirche der Hl. Elisabeth zu Marburg, in: Stimmen aus Maria Laach 73,
1907, S. 263–282 (der Elisabethschrein ist mehrere Jahrzehnte vor dem Elisabeth-Fenster entstanden, das in Abhängig-
keit zum älteren Kölner Bibelfenster steht); Haseloff 1907 (weist die ältere Fenstergruppe als monumentale Haupt-
werke der thüringisch-sächsischen Malerschule aus); Albert Huyskens, Zur Geschichte der Glasgemälde in der Elisa-
bethkirche zu Marburg, in: Fuldaer Geschichtsblätter 6, 1907, S. 155–159 (weist auf eine erste Erwähnung der
Glasmalereien in einem Nachtrag zur Vita der Hl. Elisabeth des Dietrich von Apolda hin; Caesarius von Heisterbach,
der die erste Vita der Heiligen für die Deutschorden niedergeschrieben hat, ist der »geistige Urheber« des Barmherzig-
keit-Fensters, seine Predigt, zu der auch eine Allegorie der vier Haupttugenden gehört, bildete vielleicht auch die
Grundlage für weitere Fensterbilder); Alexander Schnütgen, Zwei spätromanische Glasgemälde (Slg. Schnütgen), in:
Zs. für christliche Kunst 20, 1907, Sp. 161f. (Erwähnung); Joseph Strzygowski, Rez. zu Haseloff 1907, in: Deutsche
Literaturzeitung 28, 1907, Sp. 3240–3242 (kraftlose Umstilisierung der Köpfe Christi und der Apostel nach östlichen
Vorbildern); Adolf Brüning, Mitteilungen des Landesmuseums. Erwerbungen, in: Westfalen 1, 1909, S. 60–62, hier S.
60 (vergleicht die Lohner Propheten mit den »im Stil etwas jüngeren Glasmalereien der Elisabethkirche«); Paul Cle-
men, Rez. zu Haseloff 1907, in: Repertorium für Kunstwissenschaft 34, 1911, S. 49–62 (in der ursprünglichen An-
ordnung sollen die Figuren im unteren, die Ornamente im oberen Fensterregister verteilt gewesen sein, lediglich das
Achsenfenster sei auch im oberen Fenstergeschoss mit figürlichen Glasmalereien ausgestattet gewesen; sieht in Mar-
332 marburg . elisabethkirche
burg einen rheinisch-hessischen Mischstil und verweist auf die Arnsteiner Gerlachusscheiben, auf St. Kunibert in
Köln und die beiden Marienscheiben der Slg. Schnütgen als Vorstufen und lokalisiert die erste Marburger Werkstatt
nach Köln); Oidtmann 1912, S. 67f., 135, Abb. 73–76, 205 (sieht wie Haseloff 1907 ganz »unfranzösische« Formele-
mente wirksam werden); Schmitz 1913, I, S. XIIIf., 11, 15, 19, Abb. 17a (die ersten Figuren für den Obergaden des
Straßburger Münsters sind den Marburger Standfiguren nicht fern; in den Teppichmustern zeigt sich ein rheinisch-
westfälischer Ornamentapparat; die jüngere Gruppe der Standfiguren schließt dagegen an die Entwicklung am Ober-
rhein an); Andreas Lindblom, Gamla och nya svenska glasmålningar, in: Teknisk tidskrift: Arkitektur 44, 1914,
S. 71–78, hier S. 71f. (weist auf die engen Beziehungen der ältesten gotländischen Glasmalereien zu Marburg hin); Paul
Clemen, Die romanische Monumentalmalerei in den Rheinlanden, Düsseldorf 1916, S. 808 (die Fenster in Bücken
stehen in einem Schulzusammenhang mit den »jüngeren« Glasmalereien in Marburg und Köln, St. Kunibert); Kippen-
berger 1927, S. 279–281 (Vorstellung einiger, an das Universitätsmuseum gelangter Glasmalereien der Elisabeth-
kirche); Charles Hitchcock Sherrill, Stained Glass Tours in Germany, Austria and the Rhine Lands, London 1927,
S. 65–67 (vermutet in der unterschiedlichen Helligkeit von Figuren- und Ornamentfenstern eine bewusste Inszenie-
rung des Altarraums mit hellerem Seitenlicht); Haseloff 1931, bes. S. 8ff. (beharrt gegenüber Clemen 1916 auf einer
Frühdatierung der Marburger Glasmalereien; die Glasmalereien von Breitenfelde bilden das Zwischenglied zu den
skandinavischen und thüringisch-sächsischen Denkmälern; verweist über die ikonographischen Bezüge zu Breiten-
felde, Loysta und Dalhem auf die Zugehörigkeit Marburgs zum thüringisch-sächsischen Kunstkreis); Kippenberger
1931 (im Antependium des Fritzlarer Doms war die Werkstatt des Marburger Marienfensters tätig); Victor C. Ha-
bicht, Niedersächsische Glasmalereien in Skandinavien, in: Forschungen und Fortschritte 9, 1933, S. 405–407 (Goslar,
Bücken, Marburg und die gotländischen Glasmalereien sind südniedersächsische bzw. hildesheimische Arbeiten);
Wolfgang Medding, Die Wandmalereien im Chor der Marienkirche zu Gelnhausen, in: Jb. der Denkmalpflege im
Regierungsbezirk Kassel 2, 1936, S. 28–42, hier S. 38–41 (will Stilzusammenhänge zwischen den Gelnhausener Wand-
malereien und den älteren Glasmalereien der Elisabethkirche erkennen); Hamann 1938, S. 43–46 (Beschreibung und
knappe Charakterisierung des Bestandes); Heinrichs 1939, S. 46f. (die gotischen Glasmalereien sind im Anschluss an
die nach 1315 anzusetzenden Malereien des Hochaltars entstanden); Kippenberger 1939 (erkennt in den Grisaille-
ornamenten enge Verbindungen zu den Verglasungen in Haina, Altenberg und Heiligenkreuz); Salmen 1942, S. 57–80
(weist auf die vielfältigen Zusammenhänge zwischen den Lohner Propheten und den spätromanischen Marburger
Standfiguren hin, lehnt jedoch eine werkstattmäßige Abhängigkeit ab); Victor C. Habicht, Niedersächsische Glasma-
lereien des Mittelalters in Skandinavien, Osnabrück 1943, S. 67–69 (besteht gegenüber Roosval auf eine niedersäch-
sische Herkunft der gotländischen Glasmalereien; das Margaretenfenster in Dalhem hat seine stilistischen Voraus-
setzungen in Marburg; nimmt mit Haseloff 1907 eine Entstehung in Hildesheim an); Hans Wentzel, Rez. zu
Zschokke 1942, in: ZfKg 12, 1949, S. 131–136, hier S. 135 (sieht einen straßburgischen Einfluss auf die hochgotischen
Glasmalereien in Marburg); Johnny Roosval, Gotländsk vitriarius. De medeltida gotländska glasmålningarnas
bestånd och historia, Stockholm 1950, S. 17–24 (ein deutscher Glasmaler, der sogenannte »Intellektuelle«, hat an den
Marburger Glasmalereien mitgewirkt, bevor er weitere Fenster im Dom zu Linköping, in Wisby und in Barlingbo
angefertigt hat; die Dalhemer Fenster sind noch vor Marburg um 1230 entstanden); Max Hasse, Neue Beiträge zur
Geschichte der lübeckischen Kunst im Mittelalter, in: Zs. des Vereins für lübeckische Geschichte und Altertumskunde
32, 1951, S. 87–96, hier S. 89 (diskutiert die Stellung der Marburger Verglasung im Kontext gotländischer und rhei-
nischer Glasmalereien); Gertrud M. Scheuffelen, Die Glasfenster der Kirche St. Kunibert in Köln, Phil. Diss. Mün-
chen 1951 (Ms.), S. 105 (Zurückweisung der von Clemen gesehenen Zusammenhänge zwischen Marburg und St. Ku-
nibert); Hans Wentzel, Rez. zu Roosval 1950, in: Kunstchronik 4, 1951, S. 127–129, hier S. 128 (kritisiert Roosvals
Datierung der ältesten gotländischen Scheiben); Arthur Haseloff, Rez. zu Roosval 1950, in: Zs. der Gesellschaft für
Schleswig-Holsteinische Geschichte 76, 1952, S. 262–270, hier S. 264–267 (der Stil der Marburger Farbverglasung
überdauert die Jahrhundertmitte nicht, während er sich auf Gotland bis gegen 1275 hält); Wentzel 21954, S. 25f., 88,
106, 114 (der Marburger Mischstil resultiert aus einem Konflikt westlicher gotischer und sächsisch-thüringischer For-
mensprache); Rentsch 1958, S. 52 (will im Augustinerfenster der Erfurter Augustinerkirche Übernahmen von Kom-
positionselementen des Elisabeth-Medaillonfensters sehen); Andersson 1964, S. 53f. (der thüringisch-sächsische Fi-
gurenstil der Marburger Glasmalereien liegt den Fenstern in Dalhem und Endre gleich fern); Bauer 1964 bzw. 21990,
S. 68–73 (Rekonstruktion der ursprünglichen Anordnung des Elisabeth-Medaillonfensters); Michler 1974, S. 61, 81,
Anm. 50, Abb. 39 (datiert das Noli-me-tangere-Fenster »vor 1300«); Rode 1974, S. 24f., 28, 51 (formale Übereinstim-
marburg . elisabethkirche 333
mungen zwischen dem älteren Bibelfenster des Kölner Domes und dem Elisabeth-Fenster legen Querverbindungen
nahe); Karl-Joachim Maercker, in: Drachenberg/Maercker/Schmidt 1976, S. 26f. (erwägt Schulzusammenhän-
ge zwischen dem Genesismeister und den Erfurter Franziskanerscheiben); Rüdiger Becksmann, in: AK Stuttgart
1977, I, S. 290f., 292f., Nr. 414, 416 (vergleicht die Marburger Chorverglasung mit den Prophetenfiguren des Lohner
Jesse-Fensters, die trotz gleicher Stilsituation der Soester Kunst der Jahrhundertmitte näher stehen); Grodecki 1977,
S. 236–240, 242, 269 (die Konzeption des Elisabeth-Fensters folgt den »Werken der Barmherzigkeit« im Matthäus-
evangelium, die auch zentrale Themen der franziskanischen Lehre sind; sieht wie Haseloff 1907 sizilianische Ein-
flüsse, die Marburg mit Straßburg und St. Kunibert in Köln verbinden; bezeichnet die Marburger Fenster als Gegenpol
der rheinischen »protogotischen« und der französischen Richtungen und sieht einen Einfluss auf das erste Bibelfenster
des Kölner Doms und die Glasmalereien in Mönchen-Gladbach); Eva Frodl-Kraft, Rez. zu Grodecki 1977, in:
Kunstchronik 31, 1978, S. 242–248, hier S. 246f. (gegenüber Erfurt weist das Elisabeth-Fenster bereits in den Ein-
zelszenen Elemente »gotischer« Farbverschränkung auf); Michler 1978, S. 38 (sieht Stilzusammenhänge zwischen
dem Christophorus-Wandbild der Schlosskapelle in Marburg und der Werkstatt des Noli-me-tangere-Fensters); Rü-
diger Becksmann, Raum, Licht und Farbe. Überlegungen zur Glasmalerei in staufischer Zeit, in: AK Stuttgart 1977,
V, 1979, S. 107–130, hier S. 125–128 (trotz einzelmotivischer Übernahmen, wie der Verarbeitung der Statuen des Eccle-
siameisters, findet die Werkstatt nicht zu einer gotischen Formensprache); Lymant 1979, S. 59f. (die Verflechtungen
zwischen den Hainaer und den Marburger Ornamentfenstern markieren den Übergang von ordensabhängigen Werk-
stätten hin zu lokalen Bindungen bei den Zisterziensern); Zahlten 1979, S. 43f. (vermutet wie Clemen 1911 eine
Zusammengehörigkeit der Genesisszenen mit den Schöpfungsbildern im Maßwerk des oberen Chorachsenfensters);
Monika Bierschenk, Elisabeth besucht Kranke – eine Szene aus dem Medaillonfenster der Elisabethkirche in Mar-
burg, in: AK Marburg 1981, S. 240–271 sowie S. 438, 497–499, Nr. 83, 126, Farbtaf. 4 (exemplarische Untersuchung des
Medaillons mit der Darstellung des Krankenbesuchs Elisabeths; der Jungfrauenzyklus war für den Vorgängerbau der
Elisabethkirche bestimmt und datiert um oder bald nach 1232); Renate Kroos, Zu frühen Schrift- und Bildzeugnissen
über die heilige Elisabeth als Quellen zur Kunst- und Kulturgeschichte, in: AK Marburg 1981, S. 180–239, hier S.
215–224 (Gegenüberstellung der Szenen des Elisabethschreins und des Elisabeth-Fensters auf dem Hintergrund
schriftlicher Quellen; gegen Huyskens 1907); Ernst Bacher, Glasmalerei, in: AK Wien 1982, S. 638–649, bes. S.
645–647 (vermutet in der Standfigur des Franziskus dezidierte Portraitkenntnisse); Dehio Hessen 21982, S. 594f. (da-
tiert das Marienfenster »um 1314«, das Noli-me-tangere-Fenster dagegen zur Mitte des 14. Jh. hin); Michler 1984,
bes. S. 95–202 (die Glasmalereien sind eine wesentliche Komponente der Raumfarbigkeit und stehen in enger Bindung
zur Struktur der Wand; in den Fenstern der »gotischen« Werkstatt wird ein enger Stilzusammenhang mit der Bauhüt-
te erreicht, wobei das Noli-me-tangere-Fenster dem Marienfenster in der Entwicklung vorangeht); Rüdiger Becks-
mann, Deutsche Glasmalerei des Mittelalters, AK Stuttgart 1988, S. 106f., 112, Nr. 8, 11 (wie 1977); Ulf-Dietrich
Korn, Zur Restaurierung des spätromanischen Chormittelfensters in der Arnsberger Propsteikirche, in: Westfalen 67,
1989, S. 282–284, hier S. 283, Abb. 258 (das Marburger Grisaillefenster in Chor NORD IV ist »in Komposition und
Zeichnung den Arnsberger Ornamentscheiben außerordentlich ähnlich«); Ernst Bacher/Elisabeth Oberhaidacher,
Patina- und Firnisschichten auf mittelalterlichen Glasgemälden. Ergebnisse rezenter Untersuchungen, in: CV News-
letter 1990, Nr. 43/44, S. 21–25, Abb. 1–3 (kritische Stellungnahme zum Problem der Abnahme von Übermalungen);
Simson 1990, S. 31–40, hier S. 35f. (die Figuren von Ecclesia und Synagoge künden im Bernhardschen Sinn von der
bevorstehenden Wiedervereinigung beider Gestalten am Jüngsten Tag); Bierschenk 1991 (Genesis- und Jungfrauen-
zyklus stellen in ikonographischer Hinsicht einen Reflex der aktuellen religionspolitischen Ereignisse dar; die spätro-
manischen Standfiguren saßen ursprünglich nur in der oberen Fensterreihe des Ostchors, während kleinfigurige Me-
daillonfenster die untere Fensterreihe schmückten; das Elisabeth-Fenster könnte sich ehemals über dem 1258
geweihten Elisabethaltar der Nordkonche befunden haben; will in den Medaillons mit Kreuzigung, Geburt Christi
und Gottvater aus der Schöpfungsrose Reste eines typologischen Chorachsenfensters erkennen; lehnt Stilverbin-
dungen zwischen den spätromanischen Standfiguren und den Lohner Propheten ab); James Bugslag, Antique Mo-
dels, Architectural Drafting and Pictorial Space: Canopies in Northern French Stained Glass 1200–1350, Phil. Diss.
East Anglia/Canada 1991 (Ms.), S. 152, 155 und Anm. 13, 23 (die Baldachinaufbauten der spätromanischen Standfigu-
renfenster erinnern an die schweren Architekturbekrönungen im Gervasius- und Protasius-Fenster der Kathedrale
von Le Mans; vermutet wechselseitige Anregungen zwischen Straßburg und Marburg); Kemp 1991, S. 277–279 (zeigt
anhand des Elisabeth-Medaillonfensters auf, wie die Entwicklung des gotischen Maßwerkrahmens die Bild- und
334 marburg . elisabethkirche
Erzählstruktur der Glasmalereien verändert); Rüdiger Becksmann, in: Becksmann/Korn 1992, S. 236f., Anm. 101
(die Grisaillescheibe aus dem Treppenhaus der Sakristei entstammt der Neuausstattungsphase der Elisabethkirche um
1320); Margit Bauer, in: AK Marburg/Eisenach 1992, S. 180, 248, 250, Nr. 261, 483 (folgt bezüglich der Glasmalereien
der Genesiswerkstatt der Zweitverwendungshypothese Bierschenks 1991); Becksmann 1995, S. 56–58, Nr. 9 (folgt
Bierschenk 1991 bezüglich der Herkunft des Jungfrauenfensters aus dem Vorgängerbau); Köstler 1995, S. 73, Abb.
29 (das Elisabeth-Fenster befand sich vermutlich über dem Grab der Heiligen in der Nordkonche, die typologische
Einbindung ihrer Vita in einen Barmherzigkeitenzyklus unterstreicht ihre Rechtgläubigkeit); Eva Fitz, Glasmalerei in
Deutschland, in: Glasmalereien aus acht Jahrhunderten. Meisterwerke in Deutschland, Österreich und der Schweiz,
Leipzig 1997, S. 17–24, hier S. 18 (folgt Köstler 1995); Martin, Zackenstil, 1997, S. 80–82, 335 (in der Oberkirche von
Assisi haben sich Reste einer Ornamentverglasung mit Flechtbandornamenten erhalten, die sich mit Mustern in Hai-
na, Marburg und Neukloster vergleichen lassen); Eva Frodl-Kraft, Einige Randglossen zu den Ornamentfenstern
der Zisterzienserkirche Santes Creus in Katalonien, in: Miscellània en homenatge a Joan Ainaud de Lasarte o. O. [Bar-
celona] 1998, S. 259–271, hier S. 263f. mit Abb. 6 (Ableitung der verwandten Herzrankenfenster in Heiligenkreuz und
Marburg aus den geometrischen Bildungen der islamischen Ornamentik); Ulf-Dietrich Korn, in: AK Köln 1998,
S. 138f., Nr. 10 (lokalisiert die Werkstatt des Arnsberger Fensters trotz gesehener Übereinstimmungen mit den Mar-
burger Ornamentmustern versuchsweise nach Köln); Scholz 1998, S. 55 (die heutige Verteilung von Figuren- und
Ornamentfenstern im Chor entspricht dem ursprünglichen Verglasungskonzept); Hess 1999, S. 38–40, 43, 261 (ordnet
die szenischen Fenster in die mittelrheinische Tradition ein, der Genesiszyklus wurde um 1260 von einer lokalen
Werkstatt für das Achsenfenster der Südkonche ausgeführt); Böning 2001, bes. S. 77, 81, Anm. 173 (hebt gegenüber
Neukloster die »gesteigerte Sinnlichkeit« der Figuren von Ecclesia und Synagoge in Marburg hervor; weist die von
Haseloff 1931 konstatierte Verbindung zwischen Neukloster und Marburg zurück); Elena Kozina, Iconographic
Programme of the Marienkirche Stained-Glass Windows in Frankfurt-on-Oder, in: AK Marienkirche Stained-Glass
Windows, Eremitage St. Petersburg, St. Petersburg 2002, S. 14–43, hier S. 16 (folgt Bierschenk 1991); Parello 2002
(die Rahmenarchitekturen der spätromanischen Standfigurenfenster sind trotz der verschiedenen Formelemente in
enger Abstimmung mit dem gotischen Wandaufriss entworfen worden); Viola Belghaus, Der erzählte Körper. Die
Inszenierung der Reliquien Karls des Großen und Elisabeths von Thüringen, Berlin 2005, S. 151–180 (eingehende
Analyse der Bildviten von Elisabethschrein und Fenster); Frank Martin, Die Glasmalerei, in: Geschichte der bilden-
den Künste in Deutschland, III: Gotik, hrsg. von Bruno Klein, München 2007, S. 481f., Nr. 213f. (das Elisabeth-
Medaillonfenster entwickelt in der vita activa eine weibliche Alternative zur imitatio Christi des Hl. Franziskus);
Martin 2007 (dem alter Christus in den typologischen Franziskusbildern entspricht im Elisabeth-Medaillonfenster
die imitatio misericordiae der Gottesmutter; die Elisabethdarstellungen in Nordkonche und Sanktuarium verhalten
sich zueinander wie Weg und Erfüllung).
Gegenwärtiger Bestand: In 15 von 16 Fenstern des Chores befinden sich heute noch alte, unterschiedlich stark
ergänzte Glasmalereien. Figürliche Darstellungen sind lediglich in den sechs Fenstern des Chorschlusses enthalten,
weitere acht Fenster an den Seiten zeigen durchlaufende Teppichmuster. Am Ende des 19. Jahrhunderts gelangten im
Zusammenhang mit der Neuausstattung der Nordkonche vier kleine Heiligenfiguren in Tabernakelarchitekturen in
die beiden Achsenfenster. Bislang unbeachtet blieben die originalen Reste eines weiteren Ornamentfensters im Land-
grafenchor. Im Zuge der Restaurierung Friedrich Langes (1854–1861) hat man 17 Felder und Fragmente – nämlich
sieben Felder eines Jungfrauenzyklus, zwei Szenen eines Genesiszyklus, sieben Ornamentfelder sowie den Kopf eines
männlichen Heiligen – ausgeschieden. Heute sind diese Scheiben in den Schlossgebäuden des Marburger Universitäts-
museums ausgestellt; im Depot lagern außerdem drei Fragmente mit ornamentalem Schmuck, ein Figurenfeld sowie
ein größeres Konvolut an Scherben (Marburg, Universitätsmuseum Nr. 1–22). Zwei Einzelscherben gelangten 1932 an
das Hessische Landesmuseum in Darmstadt.
Geschichte des Baues: Die Elisabethkirche liegt vor den Toren der mittelalterlichen Stadt, auf dem Areal jenes
Hospitals, in welchem Elisabeth von Thüringen nach ihrem Weggang von der Wartburg bis zur Selbstaufgabe Dienst
an den Armen übte. Unmittelbar nach ihrem frühen Ableben im Jahr 1231 brachte der päpstliche Inquisitor Konrad
von Marburg, ihr geistlicher Betreuer und Vormund, vor dem Vatikan die Heiligsprechung auf den Weg. Konrad ließ
der Verstorbenen über dem Ort ihres Grabes eine erste Kirche errichten. Die Fundamente dieser einschiffigen Anlage
marburg . elisabethkirche 335
mit Rundapsis und Westturm befinden sich noch unter der Nordkonche und dem davor liegenden Kirchhof; da sich die
Grablege rasch zur Kultstätte entwickelte – Elisabeths Leichnam zog eine zunehmende Schar von Pilgern an, die von
einer regen Wundertätigkeit an ihrem Grab zu berichten wussten –, hat man den Ort ihrer Memoria in den späteren
Neubau mit einbezogen1. Nach der Ermordung Konrads trat schließlich Landgraf Konrad mit dem Papst in Verhand-
lung; er erwirkte die rechtzeitige, mit dem Baubeginn erfolgte Heiligsprechung Elisabeths am 1. Mai 1235. Genau ein
Jahr später fand in Anwesenheit Kaiser Friedrichs II. die Translation ihrer Gebeine statt. Hospital und Grablege waren
zuvor dem Deutschen Orden übergeben worden; ihm trat Konrad von Thüringen, der Schwager Elisabeths, bei, um
die Leitung der damals sicher bedeutendsten Marburger Kommende zu übernehmen; er sollte später auch die Nach-
folge des Hochmeisters Hermann von Salza antreten.
Der Eifer, mit dem das Projekt einer Deutschordenskirche in Marburg von Anfang an betrieben wurde, mag auch
dem Wunsch nach einer raschen politischen Verwertung Elisabeths für das thüringische Landgrafenhaus geschuldet
sein, das zur Umsetzung seiner territorialen Ambitionen ein Zweckbündnis mit dem Deutschen Orden eingegangen
war. Dieser Eifer spiegelt sich auch in den Daten zur Baugeschichte wider: Die jüngsten dendrochronologischen Un-
tersuchungen am Dachstuhl der Elisabethkirche legen einen erstaunlich raschen Baufortgang nahe 2: Demnach war
die gesamte Dreikonchenanlage offenbar bereits 1243 unter Dach, also nur acht Jahre nach Baubeginn (Fig. 412)! Im
Jahr 1248 standen auch die beiden östlichen Langhausjoche sowie die Sockelzone bis in den Bereich der Turmanlage.
Entgegen der älteren Forschung hat es eine längere Bauunterbrechung, die mit den politischen Unruhen des hessisch-
thüringischen Erbfolgekrieges begründet worden war, nie gegeben. Stattdessen erfolgte eine zügige Errichtung des
Langhauses bis 1277. Um die Mitte des 13. Jahrhunderts kam es zu einem Planwechsel, der auch an den wechselnden
Detailformen abzulesen ist und im Zusammenhang mit dem Baubeginn des Kölner Doms stehen dürfte3. Die jetzt
errichtete monumentale Zweiturmfassade, die sich an diesen damals modernsten und größten Kirchenbau im Reich
orientiert, sollte offenbar die machtpolitischen Ambitionen der Bauherren unterstreichen. Im Jahr der Kirchweihe
von 1283 waren Turmemporen und westliches Langhaus eingewölbt, bis Mitte der 1290er Jahre auch die Türme bis
auf die steinernen Turmhelme vollendet. 1323 datiert das Dachwerk zwischen den Turmfreigeschossen, das wohl erst
nach Abschluss der Turmarbeiten errichtet wurde4. Ein Jahrzehnt vor Fertigstellung des Langhauses zog man zwi-
schen Chor und Nordkonche den quadratischen Sakristeianbau und den darüberliegenden Archivraum hoch: Das
Alter dieses Dachstuhls ließ sich auf das Jahr 1266 bestimmen. Noch vor der Hochaltarweihe von 1290 errichtete man
zunächst das Elisabethmausoleum in der Nordkonche, das über ihrem Grab im konradinischen Vorgängerbau liegt,
sowie einen ersten Lettner, dessen hölzerner Triumphbogen in die spätere Anlage übernommen wurde 5. Um 1320
dürfte der Kirchenbau weitgehend vollendet gewesen sein; neben neuen Glasmalereien erhielten die Ostteile jetzt un-
ter Anderem eine reich mit Skulpturen geschmückte Chorschranke mit ursprünglich durchlaufenden Arkadenreihen,
und auch die damals zur Grablege der hessischen Landgrafen bestimmte Südkonche wurde nun sukzessive mit künst-
lerisch anspruchsvollen Grabdenkmälern ausgestattet.
Da die von Landgraf Philipp von Hessen im Jahr 1543 angestrebte Säkularisation der Kommende scheiterte, konnten
die Landkomture ihren Besitz als reichsunmittelbares Territorium behaupten. Doch musste im Chorraum seit 1539
fortan der lutherische Gottesdienst abgehalten werden. Das Landgrafenhaus hatte für seine fürstlichen Begräbnisse
1 Zum Konradbau s. Albert Huyskens, Der Hospitalbau der hl. Eli- 1323. Günter Binding nimmt das späte Dendro-Datum auf Turmhö-
sabeth und die erste Wallfahrtskirche zu Marburg, in: ZHG 43, 1909, he zum Anlass, eine späte Errichtung der westlichen Bauteile und des
S. 129–143. Turmes anzunehmen; Günter Binding, Das Dachwerk auf Kirchen im
2 Angus Fowler/Ulrich Klein, Der Dachstuhl der Elisabethkirche deutschen Sprachraum vom Mittelalter bis zum 18. Jahrhundert, Mün-
– Ergebnisse der dendrochronologischen Datierung, in: AK Marburg chen 1991, S. 91–97, hier S. 92. Ob sich allerdings die Dachstuhldaten
1983, S. 163–176, sowie Ulrich Klein/Max Langenbrinck, Das von 1323 mit der Errichtung der Türme verbinden lassen, ist fraglich.
Dachwerk über dem Mittelschiff der Marburger Elisabethkirche, in: Vielleicht bestand zwischen den Türmen zunächst ein provisorischer
Zur Bauforschung über Spätmittelalter und frühe Neuzeit, hrsg. von Aufbau zur besseren Stellung der Gerüste, erst nach Fertigstellung
G. Ulrich Grossmann, Marburg 1991, S. 139–154. Die Klärung der der Türme um 1323 könnte dann der richtige Dachstuhl aufgeschlagen
Bauabfolge auf der Grundlage der neuen Dendro-Daten zuerst bei worden sein. Vgl. Strickhausen 2001, S. 148f.
Michler 1984, S. 29–37; wichtige Berichtigungen bei Strickhausen 5 Im Jahr 1287 wird der davor liegende Kreuzaltar erstmals in einer
2001, S. 143–149. Dotation erwähnt; UB Marburg, II, 1884, Nr. 471.
3 Der zurückhaltende Wechsel der Schmuckformen in den westlichen 6 Vgl. hierzu Matthias Müller, Von der Kunst des calvinistischen
Bauteilen weist auf neue Bauleute hin, die mit dem Plan zur Errichtung Bildersturms. Das Bild des Bildhauers Ludwig Juppe in der Marburger
der Zweiturmfassade nach Marburg kamen; s. Michler 1984, S. 28f., Elisabethkirche als bisher unerkanntes Objekt calvinistischer Bild-
Strickhausen 2001, S. 146–148, zuletzt Schurr 2007, S. 113–118. zerstörung (Marburger Stadtschriften zur Geschichte und Kultur 46),
4 Die westlichen Sparren über dem Mittelschiff datieren um 1277 und Marburg 1993.
marburg . elisabethkirche 337
Fig. 412. Marburg, Elisabethkirche. Blick von Osten auf Ost- und Nordkonche mit Sakristei.
nun in die Stadtpfarrkirche auszuweichen. Im Jahr 1619 fielen dem Bildersturm des calvinistischen Landgrafen Moritz
die Lettnerskulpturen zum Opfer, deren Reste heute im Universitätsmuseum gezeigt werden, ebenso Teile der von den
Deutschordensherren gestifteten Schnitzretabel Ludwig Juppes und Johanns von der Leyten für die vier Altäre der
Konchen6 . Das Ende der Marburger Deutschordensniederlassung kam erst mit der napoleonischen Fremdherrschaft
1809; bis zum Jahr 1827 wurde dann die Elisabethkirche von der evangelischen und katholischen Kirchengemeinde
gemeinschaftlich genutzt. Heute hat der hessische Staat die Baulastverpflichtung, wenn auch seit 1969 das Eigentums-
recht an der Elisabethkirche beim Gesamtverband der Evangelischen Kirchengemeinde in Marburg liegt.
338 marburg . elisabethkirche
Fig. 413. Marburg, Elisabethkirche. Blick vom südwestlichen Vierungspfeiler in Ostchor und Elisabethchor.
Die Marburger Elisabethkirche ist neben der Trierer Liebfrauenkirche der früheste, konsequent in gotischen Formen
errichtete Kirchenbau in Deutschland (Fig. 410). Das dreischiffige Hallenlanghaus und die östliche Dreikonchenanla-
ge besitzen einen identischen und durchgehend doppelgeschossigen Wandaufriss aus zweibahnigen Maßwerkfenstern
Reimser Prägung. In den fast halbrunden Polygonen des Trikonchos verdichtet sich der Rhythmus von Dienstbün-
deln und Fenstern zu einer Reihe eng zusammengedrängter Maßwerköffnungen. Die eng stehenden kantonierten
Rundpfeiler des Langhauses gewähren kaum Einsicht in die schmalen Seitenschiffe, stattdessen wandert der Blick
vom Mittelschiff ungehindert in den Chorraum, während die Abseiten direkt in die beiden Konchen münden. Der
insgesamt strenge und kühle Raumeindruck ist wohl weniger auf die zurückhaltende Ausstattung zurückzuführen
als vielmehr das Ergebnis einer rationalisierten Modulbauweise infolge strenger Bauökonomie. Die in Marburg erst-
mals entwickelte dreischiffige Halle, welche die Sakralarchitektur der folgenden Jahrhunderte revolutionieren sollte,
entstand aus der konsequenten systematischen Weiterführung des zweizonigen Choraufrisses in das Langhaus hinein.
Das vereinheitlichte Aufrisssystem dient dabei der formalen Verklammerung der typologisch ganz unterschiedlichen
Bauteile von Ostanlage und Langhaus. In der zentralisierenden Tendenz der Ostteile spiegelt sich einerseits die Be-
deutung der Kirche als Memorialbau, der traditionell, wie etwa die Grabeskirche in Jerusalem, in Zentralbauweise
errichtet wurde, andererseits bedient die Ausbildung dreier gleichwertiger Polygone auch die polyvalente Nutzung
der Kirche als Wallfahrtskirche, Ordenskirche und – obschon erst für das ausgehende 13. Jahrhundert bezeugt – als
dynastische Grablege7. Schon früh hat man im Hinblick auf die Marburger Grundrisslösung auf die »rheinische Über-
lieferung der Dreikonchenanlage« aufmerksam gemacht und den Chor richtig als »Stimmungsraum der rheinischen
Zentralkirchen oder Zentralchöre« charakterisiert 8 . Vielleicht wird man bezüglich der strukturellen Herleitung des
doppelgeschossigen Wandaufrisses den Blick nicht nur auf französische Vorbilder zu richten haben9, sondern auch
marburg . elisabethkirche 339
rheinische Bauten der Romanik wie St. Kunibert in Köln verstärkt in diese Überlegungen mit einbeziehen müssen10 .
Dennoch dürfen Maßwerkfenster und kantonierte Pfeiler als Zitate der Reimser Krönungskirche aufgefasst werden,
in denen sich der hohe Anspruch der Bauherren wie auch die politischen Ziele der Ludowinger, die Königskrone zu
erlangen, manifestieren11.
Geschichte der Verglasung: Schon vor der Weihe des Gesamtbaues im Jahr 1283 müssen bauverändernde Maß-
nahmen zum Verlust von Fensterverglasungen geführt haben. Mit der Fertigstellung des Sakristeianbaues zwischen
Nordkonche und Chor gegen das Jahr 1266 verloren zugleich vier Öffnungen ihre ursprüngliche Beleuchtungsfunk-
tion12 . Ein weiteres Fenster fiel wohl der Errichtung einer größeren Orgel um 1512/13 zum Opfer; diese befand sich an
der Ostwand der Nordkonche über der Kreuzigungsgruppe oberhalb des Elisabethaltars und verdeckte das darüber-
liegende Fenster13. Haseloff und Bierschenk überliefern für die Jahre 1487, 1494/95, 1514 und 1522 einzelne Repa-
raturarbeiten insbesondere an den Fenstern des Chores und des Elisabethmausoleums zu der orgelenn, die nach den
Schriftquellen überwiegend vom Marburger Maler und Glasmaler Ludwig Diez ausgeführt worden waren (vgl. Reg.
Nr. 69–71)14. In einem Figurenfeld mit der Darstellung einer Törichten Jungfrau hat sich eine bemerkenswerte Restau-
rierung dieser Zeit erhalten: Die ausgesprochen einfühlsamen Ergänzungen zeugen von dem Bemühen des Glasmalers,
7 Die ungewöhnliche Grund- und Aufrissform und die konsequen- Doppelgeschossigkeit aus der noch lebendigen Tradition römischer
te Übernahme moderner Bauformen haben die Elisabethkirche in der Großbauten, wie sie etwa auch für die Kaiserbasilika kennzeichnend
Kunstgeschichte zu einem wichtigen Forschungsgegenstand werden ist, herzuleiten versuchte. Diese Bauten hatten sich gerade in den rö-
lassen. Während über ihre Bedeutung für die nachfolgende Architek- mischen Städten am Rhein erhalten und konnten daher im Mittelalter
tur in Deutschland längst Einigkeit herrscht, existiert eine Vielzahl als vorbildliche Herrschaftsarchitektur zitiert werden. Helten leitet
von Hypothesen zur Genese des Baus. Bei der Suche nach möglichen den Marburger Wandaufriss vom Trierer Dom ab und begründet damit
Vorbildern rückten vermehrt Überlegungen zur politischen Motiva- zugleich eine zeitliche Vorrangstellung der Trierer Liebfrauenkirche
tion und zum Anspruch des Bauherrn bezüglich der Rezeption die- vor Marburg. Vgl. Leonhard Helten, Metrologie, Ideologie und Iko-
ser Bauten in den Vordergrund. So wurde der Bau etwa von Wolfgang nologie, in: E. den Hartog u.a. (Hrsg.), Bouwen en Duiden. Studies
Götz, Zentralbau und Zentralbautendenz in der gotischen Architek- over Architectuur en Iconologie, Alphen aan den Rijn 1994, S. 93–110.
tur, Berlin 1968, S. 21–44, von Bauten des Deutschen Ordens abzulei- Dem folgt Matthias Müller, der in Anlehnung an die Überlegungen
ten versucht, die einen Hang zur Zentralisierung aufwiesen (Tartlau/ Heltens die Marburger Elisabethkirche als Zitat der Trierer Palast-
Siebenbürgen). Friedrich Wachtsmuth, Der Grundriß der Elisabeth- aula als eines kaiserlichen Thronsaals herzuleiten versucht und die
kirche in Marburg, in: Hessenland 41, 1930, S. 201–206, machte zuerst Elisabethkirche als Antwort des Stauferkaisers auf die vom Papst ge-
auf mögliche Verbindungen zu Bauten im Ursprungsland des Ordens, förderte Grabeskirche von San Francesco in Assisi interpretiert hat;
wie der Geburtskirche in Bethlehem, aufmerksam; vgl. auch Leonhard Matthias Müller, Die »Ecclesia specialis« des Kaisers. Das Hallen-
Helten, Der Grundriß der Elisabethkirche in Marburg, in: Hessische langhaus der Marburger Elisabethkirche als Rezeption der römischen
Heimat 35, 1985, S. 175–182. Ernst Badstübner leitete die architektur- Palastaula in Trier?, in: Burg und Kirche zur Stauferzeit, hrsg. von
geschichtliche Ausnahmestellung der Elisabethkirche vom besonderen Volker Herzner und Jürgen Krüger, Regensburg 2001, S. 56–75;
Herrschaftsverständnis der Thüringer Landgrafen und des Deutschen ders., Der zweitürmige Westbau der Marburger Elisabethkirche. Die
Ordens ab, das »auf die ritterschaftliche Reichsverbundenheit der Mi- Vollendung der Grabeskirche einer »königlichen Frau«. Baugeschich-
nisterialität und letztlich auf eine Art kollektiver Universalpräsenz te. Vorbilder. Bedeutung, Marburg 1997; ders., Eine kaiserliche Hal-
des Kaisertums« gründete; Ernst Badstübner, Die Ludowinger als le über dem Grab einer »königlichen Frau«. Das Hallenlanghaus der
Bauherren, in: »Es Thun Iher viel Fragen …«. Kunstgeschichte in Mit- Marburger Elisabethkirche als Rezeption der Kaiseraula in Trier, in:
teldeutschland. FS für Hans-Joachim Krause (Beiträge zur Denkmal- Denkmalpflege & Kulturgeschichte 1998/1, S. 2–8.
kunde in Sachsen-Anhalt 2), Petersberg 2001, S. 31–44. 11 Die Vermittlung von Bauleuten aus Trier könnte über einen der
8 Maria Geimer, Der Kölner Domchor und die rheinische Hochgo- größten Förderer des Deutschen Ordens, den Trierer Erzbischof
tik, Bonn 1937, S. 10f.; Hamann 1938, S. 7; zusammenfassend Götz Dietrich von Wied, erfolgt sein; s. Wolfgang Schenkluhn/Peter van
1968 (wie Anm. 7), S. 21–44. Stipelen, Architektur als Zitat. Die Trierer Liebfrauenkirche in Mar-
9 Die hochgotischen Detailformen haben den Blick auch bei der Ab- burg, in: AK Marburg 1983, I, S. 19–53, zuletzt Schurr 2007, S. 30–37,
leitung des Grund- und Aufrisssystems auf französische, insbesondere 113–118.
von Paris abhängige Vorbilder gelenkt. So geht der doppelgeschossige 12 Bauer 1964 bzw. 21990, S. 64, nimmt eine Farbverglasung der vier
Wandaufbau nach Michler und Kimpel/Suckale auf die Landpfarr- Fenster an, die mit dem Anbau der Sakristei wenige Jahre später wieder
kirche St. Mathurin in Larchant zurück, wobei ihre Bestimmung als aufgegeben werden musste.
Wallfahrtskirche die Marburger Bauherren hierauf aufmerksam ge- 13 Erst mit dem Abbruch der Orgel im Jahr 1776 wurde das obere Fens-
macht haben könnte; Michler 1984, S. 22f., Kimpel/Suckale 1985, S. ter über dem Elisabethaltar mit Backsteinen vermauert; s. Eckhard
162–164, und Hans-Joachim Kunst, Die Dreikonchenanlage und das Trinkaus, Zur Geschichte der Orgeln in der Elisabethkirche bis 1939,
Hallenlanghaus der Elisabethkirche zu Marburg, in: HessJb 18, 1968, in: Elisabeth, der Deutsche Orden und ihre Kirche. FS zur 700jährigen
S. 131–145, hier S. 140f. Wiederkehr der Weihe der Elisabethkirche in Marburg 1983, hrsg. von
10 Zwar sind für die rheinischen Choranlagen in den unteren Ge- Udo Arnold/Heinz Liebing (Quellen und Studien zur Geschichte
schosszonen durchgängig kleine Fensteröffnungen kennzeichnend, al- des Deutschen Ordens 18), Marburg 1984, S. 339–376, hier S. 357. Aus
lerdings wird die Wand durch einen zweischaligen Aufbau häufig, wie einer dieser Fensteröffnungen könnte der Rest einer Flechtbandvergla-
etwa in St. Kunibert, mittels vorgelegter Arkaden in zwei gleich gestal- sung im Marburger Universitätsmuseum stammen.
tete Zonen unterteilt, was einen durchaus verwandten Raumeindruck 14 Zu den verschiedenen Restaurierungskampagnen siehe im Fol-
hervorruft. Leonhard Helten hat in diesem Zusammenhang auf die genden Haseloff 1907, S. 6f., sowie ausführlich Bierschenk 1991, S.
Vorbildfunktion des Trierer Doms verwiesen, indem er das Motiv der 40–59.
340 marburg . elisabethkirche
den knittrigen Faltenstil dieser Figuren nachzuahmen (vgl. Fig. 500, Abb. 342). Ob im Bildersturm von 1619 durch den
Landgrafen Moritz auch Glasmalereien zerstört wurden, ist nicht bekannt. Die folgenschwersten Eingriffe erlitt der
Bestand offenbar erst im 18. Jahrhundert. Nachdem man im Jahr 1704 bei den Glasern zunächst kleinere Reparaturen in
Auftrag gegeben hatte, entschied sich die Deutschordensballei schließlich 1723 für den Ersatz der Glasmalereien durch
eine Blankverglasung. Damals waren die Fenster schon fast mehrentheils in durchlöchert und zerbrochenem Stande15 .
Aus Kostengründen blieben die Reparaturen zunächst auf die untere Fensterreihe des Langhauses beschränkt, wohin-
gegen die Glasmalereien des Chores offenbar von Anfang an bewahrt werden sollten. In den Jahren 1725/26, 1730/31
und nach einer längeren Unterbrechung noch einmal 1736 sind in den Rechnungsbüchern die umfangreichsten Ausga-
ben an die Schlossermeister Heinrich Guth und Martin Hergoth vermerkt, die zusammen für insgesamt mehr als 8000
ordinaire Scheiben entlohnt wurden (s. Reg. Nr. 75)16 . Die offenbar weniger beschädigten Fenster im Ostchor, in denen
ein oder ander klein Stück manglet, blieben dabei gänzlich unangetastet, weil man die fachgerechte Ausbesserung
keinem Glaser zutraute. Wiederholt werden gottlose Buben für die Zerstörungen haftbar gemacht, welche die Fenster
nicht nur einwerfen, sondern sich gar erfrechen, das Bley aus den Kirchen fenstern heraus zuschneiden und zu stehlen,
dass man dahero beständig mit reparation der fenster zu thun hat und alljährlich nicht geringe Kosten deshalb anwen-
den muß (s. Reg. Nr. 76). Der Ausbruch des Siebenjährigen Krieges (1756–1763) verhinderte zunächst weitere Maß-
nahmen. Die Franzosen nutzten damals die Kirche als Mehl- und Heumagazin, wobei nach einem Schadensbericht
die aus gemahlten bundfarbigen Glaß bestehende(n) fenster überaus sehr beschädiget worden sein sollen (s. Reg. Nr.
78). 1763 hat man aus Mangel an finanziellen Mitteln zunächst nur die notwendigsten Reparaturen an fünf Feldern
durchgeführt. Erst in den Jahren 1768–1770 konnte dann die weitere Neuverglasung im großen Stil vorangetrieben
werden. Sämtliche Fenster mit Ausnahme des Chores sind damals mit einer zeitgemäßen Wabenverglasung ausge-
stattet worden. Zunächst wurden durch den Glasermeister Johann Adam Neidert aus Offenbach die Öffnungen im
Langhaus instand gesetzt. Noch im Jahr 1768 hatte man die Hoffnung, in den drei Konchen immerhin 30 Fenster mit
alten Glasmalereien wiederherstellen zu können (s. Reg. Nr. 81f.), zwei Jahre später aber fiel die Entscheidung, auch
die Nord- und Südkonche mit einer Blankverglasung zu versehen17. Die noch brauchbaren Reste mittelalterlicher
Glasmalerei sollten zum Flicken der 16 gemahlten Fenster im Chor wiederverwendet werden: (…) in den Hauptchor 16
St gemahlte fenster, wozu man das alte bunte Glaß so weit es zureicht, wieder verbraucht, zu machen sind (s. Nr. Reg.
84)18 . Demnach besaßen damals also noch Chor und beide Konchen einen Großteil ihrer ursprünglichen Verglasung.
Beim Versatz der Glasmalereien kam Neidert der Umstand zugute, dass die Fenstermaße in Konchen und Chor kaum
differieren. Der Fuldaer Architekt und Zeichenlehrer Friedrich Lange, der nach der Mitte des 19. Jahrhunderts mit der
Restaurierung der Glasmalereien betraut wurde, vermittelt in seinen gutachterlichen Berichten an das Konsistorium
ein anschauliches Bild von der »Qualität« der Instandsetzungsmaßnahmen Neiderts. Die Chorfenster seien durch
zahlreiche fremdartige Flickstücke bis zur Unkenntlichkeit entstellt und mit Ölfarbe übermalt, die jedoch spröde und
vielfach wieder abgegangen sei: Die Fenster bilden daher jetzt ein wahres Quodlibet, welches die Augen und das Gefühl
gleich beleidigt; wozu noch kommt, dass die so widernatürlich vereinten Glasgemälde verschiedenen Jahrhunderten
und Stilarten angehören19. Ohne allzu große Rücksicht auf die Stimmigkeit von Bildinhalten scheint Neidert umfang-
reich zerstörte Felder durch besser erhaltene ersetzt, einzelne Fehlstellen allerdings auch durch farblich passendes,
eigens aus Frankfurt bezogenes Tafelglas ergänzt zu haben (s. Reg. Nr. 86). So zeigte etwa das auf diese Weise ver-
stümmelte gotische Standfigurenfenster SÜD II, das später von Lange nicht vollständig restauriert werden sollte, eine
Magdalenenfigur ohne Unterleib mit dem Kopf eines Bischofs, während dem Bischof selbst der Unterkörper abhanden
15 Haseloff 1907, S. 6. 18 Bedenkt man, dass im Juni 1770 zunächst 39 Fenster blank verglast
16 Haseloff 1907, S. 6; Bierschenk 1991, S. 40f. wurden, so müssen darunter, abzüglich der 26 Langhausfenster, auch
17 In einem von Bierschenk 1991, S. 42f., zitierten Brief des Grafen 13 Fenster in den Konchen fallen. Die Ausstattung der Konchen mit
von Isenburg an den Deutschordensmeister vom 2. Juni 1768 ist in die- einer Blankverglasung war damit also zur Hälfte abgeschlossen. Der
sem Zusammenhang von zwölf gemalten Fenstern die Rede, die man folgende Überschlag von acht Stück im fürstlichen Begräbnis [Süd-
wiederherstellen könne, um Geld zu sparen, wobei es jedoch darauf konche] sowie fünf Stück bei der Orgel [Nordkonche] und ein Viertel
ankommt und sich bey der Herunternehmung solcher Fenster näher Stück noch bei dem Monument [Sakristei], deren Instandsetzung noch
zeigen müsste, wie die in solchen Fenstern gemalten Figuren noch in ausstand, wird sich demnach wohl auf die noch bevorstehende zweite
ihrem Bley beschaffen seyen; Bierschenk schließt aufgrund dieser Er- Verglasungskampagne der oberen Fensterreihe in den Konchen bezie-
wähnung auf zwölf Fenster mit figürlichen Darstellungen, doch war hen (vgl. Reg. Nr. 83).
der Begriff »Figuren« allgemein für die Bezeichnung von Formen und 19 Vgl. Haseloff 1907, S. 7.
Mustern gebräuchlich.
marburg . elisabethkirche 341
Fig. 415. Bestandsaufnahmen nach der Restaurierung durch Fig. 416. Bestandsaufnahmen vor der Restaurierung durch
die Werkstatt Linnemann (Chor N V, s III, N IV, n III). die Kgl. Glasmalereianstalt Berlin-Charlottenburg
Marburg LDA, Archiv. (Chor n II, I, s II und S II). Marburg LDA, Archiv.
marburg . elisabethkirche 343
gekommen war. Zur Flickung der fehlenden Sockelfelder hatte Neidert kurzerhand zwei Felder eines Genesiszyklus
in der Mitte zerteilt und die oberen Hälften als Füllungen eingesetzt (Fig. 416). Etwas mehr Feingefühl scheint der
Glaser bei der Umgestaltung der Ornamentfenster auf der Südseite entwickelt zu haben, wo er zur Belebung der Tep-
pichmuster jeweils in der fünften Zeile von unten Figurenfelder einflickte20 . Aller Wahrscheinlichkeit nach handelte
es sich hierbei um die felderhohen Figuren mit den Klugen und Törichten Jungfrauen sowie um jene vier Statuetten des
frühen 14. Jahrhunderts von annähernd gleicher Größe, die später in der Nordkonche Verwendung fanden 21.
Nach der verheerenden Überschwemmung des Kirchengebäudes am 3. August 1846 wurde Friedrich Lange in den
Jahren 1854–1862 mit der Wiederherstellung des Innern betraut 22 . Lange machte sich an die Ordnung des Bestandes,
indem er die jeweils nicht zugehörigen Teile eines Fensters ausschied und fehlende Felder rekonstruktiv ergänzte23.
Einzelne, von Neidert flickweise verwendete Ornamentfelder dienten ihm als Grundlage zur Rekonstruktion wei-
terer Fenster (s. Reg. Nr. 92, 94). Lange beabsichtigte, auf diese Weise sukzessive für sämtliche Fensteröffnungen der
Ostteile eine archäologisch gesicherte Farbverglasung zurückgewinnen zu können. Nach einem 1871 angefertigten
Kircheninventar von Carl Schäfer wurden so die bislang vorhandenen 14 Fenster um neun weitere, überwiegend in
der Südkonche aufgestellte Ornamentfenster vermehrt. Fünf Fenster konnten nach alten Mustern wiederhergestellt
werden, bei allen anderen Glasmalereien handelte es sich um Doubletten nach bereits im Chor vorhandenen Orna-
mentfenstern 24. Im Jahr 1859 nahm Lange schließlich die Restaurierung der sechs Figurenfenster hinter dem Hoch-
altar in Angriff, wobei zwei Farbverglasungen der oberen Fensterreihe (H I und NORD II) aufgrund ihres sehr guten
Erhaltungszustandes offenbar nicht instand gesetzt zu werden brauchten (s. Reg. Nr. 95) 25. Lange veränderte die
Positionen der Figurenfenster im Chorschluss nicht, egalisierte jedoch, insbesondere im Standfigurenfenster süd II
mit Elisabeth und Franziskus, disparate Bestandteile, um eine Zusammengehörigkeit zu suggerieren. Das nur frag-
mentarisch erhaltene Noli-me-tangere-Fenster SÜD II wurde durch Nachschöpfungen vervollständigt. Im Februar
1862 waren sämtliche Arbeiten abgeschlossen. Langes Vorhaben, im Anschluss an die Wiederherstellung der Ostteile
auch sämtliche Fenster des Langhauses für die Summe von 3760 Talern mit einer Ornamentverglasung auszustatten,
wurde jedoch abgelehnt 26 . Im April 1861 übergab der Restaurator 14, im Zuge der Neuordnung der Verglasung ausge-
schiedene »Gefache« und eine Kiste mit Scherben dem lutherischen Pfarramt 27.
Dem Beispiel Langes folgend, hat die Königliche Glasmalereianstalt in Berlin-Charlottenburg zwischen 1877 und 1882
die restlichen Fensteröffnungen der Querarme mit Ornamentmustern verglast. 1883 wurden unter Verwendung von
sieben Feldern aus dem von Lange ausgeschiedenen Konvolut die kleinen Figuren in Architekturtabernakeln in die
Achsenfenster der Nordkonche eingesetzt. Die schon von Schäfer kritisch vermerkte bunte Farbigkeit der Lange-
schen Ergänzungen bot zu Beginn des 20. Jahrhunderts Anlass zur erneuten Wiederherstellung der Fenster 28 . Unter
der Leitung des kommisarischen Direktors Julius Engel wurden in den Jahren 1903–1905 zunächst die Figurenfenster
restauriert und neu geordnet (s. Reg. Nr. 98). Die alten Gläser sind dabei mit warmem Wasser gewaschen, an hart-
näckigen Stellen mit Bürste und Spachtel gereinigt worden. Die farblich herausfallenden Zutaten Langes hat man
durch hervorragende und absolut stilsichere Ergänzungen ersetzt, wobei die erneuerten Stücke stets durch Einritzung
oder Beschriftung der Jahreszahl kenntlich gemacht wurden, um sie von den originalen Teilen zu unterscheiden.
20 Wilhelm Bücking, Das Innere der Kirche der heiligen Elisabeth zu Jahrhundert, in: Hessische Heimat 4/5, 1981, S. 158–167.
Marburg vor ihrer Restauration, Marburg 1884, S. 29. 24 Schäfer 1910, S. 88.
21 Nähere Auskunft gibt ein Inventar von Carl Schäfer aus dem Jahr 25 Vgl. Haseloff 1907, S. 7.
1873; Schäfer 1873, S. 119. Unter der Rubrik »Trümmer von Kunst- 26 StAM 315 f, Landeskirchenamt Specialia. Königl. Consistorium
werken und Ueberreste (meist im Archiv aufbewahrt)« fi nden sich für den Kirchenbezirk Cassel Acta Die Fenster und Reparaturen an
unter Nr. 290–299 vier Felder einer Verkündigung, vier Felder mit der Orgel und Kirche zu St. Elisabeth dahier, Beschluss vom 21. Au-
den Hll. Maria und Katharina, sechs Felder mit drei Klugen und drei gust 1856: Die Fenster sind gar nicht zu malen, da niemand wird glau-
Törichten Jungfrauen, Reste von sechs Fenstern figürlichen und orna- ben wollen, dass die Gemälde denen des Kölner Doms gleichkommen
mentalen Inhalts sowie vier Kisten mit Scherben. (Kurfürst Wilhelm I.). Im Juni 1858 versuchte Lange erneut, das Gre-
22 Bereits 1823 waren kleinere Sicherungsarbeiten an einigen losen mium von diesem Plan zu überzeugen, doch auch diesmal wurde sein
Chorfenstern durchgeführt worden, die herauszufallen drohten. Die Vorhaben abgelehnt.
mangelhafte Statik war wohl auf die Verwendung schlechten Bleis oder 27 Siehe Anm. 21.
auf den unsachgemäßen Einbau durch Neidert zurückzuführen (vgl. 28 Die Restaurierung Langes wurde schon von Carl Schäfer kriti-
Reg. Nr. 85). siert: »Dagegen hat die R.[estauration] die Gläser zu den Ergänzungen,
23 Zur historischen Bewertung Langes als Restaurator s. Gabi Dolff- besonders die weißen, blauen und fleischfarbenen, sehr unglücklich
Bonekämper, Die Vergegenwärtigung der Elisabethkirche durch die gewählt und durch die abweichenden und modernen Töne derselben
Denkmalpflege im 19. und 20. Jahrhundert, in: AK Marburg 1983, I, die Wirkung der Gemälde beeinträchtigt«; Schäfer 1873, S. 88.
S. 135–161, und dies., Die Restaurierung der Elisabethkirche im 19. 29 Vgl. Foto Marburg 149697–149709.
344 marburg . elisabethkirche
Ein Blick auf die vor der Restaurierung angefertigten Vorzustandsaufnahmen, die im Marburger Denkmalarchiv auf-
bewahrt werden, zeigt, dass die Königliche Glasmalereianstalt dabei durchaus »verbessernd« in den originalen Bestand
eingegriffen hat (Fig. 417). Danach sind, wie etwa im Marienfenster NORD II, nicht nur gesprungene Stücke durch
Kopien ersetzt, sondern auch ursprünglich nicht zusammengehörende Teile zwecks Vereinheitlichung überarbeitet
worden. Nach dem Wiedereinsetzen der Standfigurenfenster im Jahr 1904 erhielt die Charlottenburger Werkstatt nun
auch die im Ordensarchiv deponierten Figurenfelder des Jungfrauen- und Genesiszyklus zur Restaurierung (Fig. 418).
Die Ornamentverglasung übergab man noch im gleichen Jahr an die Frankfurter Werkstatt Linnemann (s. Reg. Nr. 99).
Auch hier wurden die Langeschen Ergänzungen ausgeschieden und unter teilweiser Wiederverwendung deponierter
Fragmentstücke instand gesetzt, anstelle zweier von Lange rekonstruierter Fenster zwei Neuschöpfungen angefertigt
und beim anschließenden Einbau die Positionen der Ornamentfenster umgestellt. 1905 waren sämtliche Arbeiten ab-
geschlossen. Aus dem Jahr 1935 datieren Überlegungen, insgesamt zehn neue Fenster mit den Wappen der Verschwä-
gerungen des hessischen Landgrafenhauses für den Landgrafenchor anzufertigen. Obwohl man mit der Planung schon
recht weit fortgeschritten war, verhinderte der Ausbruch des Krieges dessen Umsetzung (s. Reg. Nr. 100f.). Bereits
im zweiten Kriegsjahr, im Juni 1940, entschloss man sich in Marburg zum Ausbau der gefährdeten Glasmalereien.
Sämtliche Felder wurden dabei durch das Marburger Denkmalamt fotografisch erfasst und anschließend seitens der
Werkstatt Ferdinand Müller, Quedlinburg, in den Luftschutzkeller des Marburger Jubiläumsbaus verbracht. Durch
unsachgemäßen Ausbau war offenbar eine größere Menge an Randstreifen beschädigt worden, sodass man nach dem
Krieg zunächst sämtliche Glasmalereien zur Reparatur in die Werkstatt Matheis, Frankfurt/Main, gab. Nach einem
Kostenanschlag der Firma sollen die Schäden jedoch dann weit umfangreicher gewesen sein als ursprünglich ange-
nommen. Fünf der 17 Fenster, so heißt es dort, seien so stark in Mitleidenschaft gezogen worden, dass ganze Felder
erneuert werden mussten; erst 1950 waren sämtliche Glasmalereien wieder an Ort und Stelle (s. Reg. Nr. 103–105).
Erhardt Klonk, Marburg, lieferte 1956 im Rahmen eines Wettbewerbs Entwürfe zur Farbverglasung der Südkonche,
die jedoch nicht ausgeführt wurden 29. 1963 beauftragte man den zeitgenössischen Künstler Georg Meistermann mit
der Anfertigung des großen Westfensters über der Orgelempore. Zwischen 1977 und 1979 erhielten die Figurenfenster
des Ostchores eine Außenschutzverglasung mit zusätzlichem Drahtgitterschutz; die einzelnen Felder wurden hierzu
in Messingrahmen gefasst und mehrere Zentimeter nach innen versetzt. Doch zeigten sich bald darauf statische und
klimatische Veränderungen – die direkt unterhalb der Chorfenster befindlichen Heizluftöffnungen verursachten eine
Vermehrung der Kondensation an der Glasmalereioberfläche –, sodass nun eine Kommission mit der Bearbeitung
eines Maßnahmenkataloges betraut wurde. Hierzu zählten Klimamessungen, die Verbesserung der Außenschutzver-
glasung, welche auf sämtliche Fenster ausgedehnt werden sollte, und schließlich die sorgfältige Restaurierung sämt-
licher Glasmalereien in Fachwerkstätten. Die Instandsetzung der sechs Figurenfenster im Ostchor erfolgte in den
Jahren 1985–1987 durch die Firma Oidtmann, Linnich, die ein Jahr später auch sämtliche Fenster der Nordkonche
restaurierte. Die Ornamentfenster des Ostchores wurden van Treeck in München übergeben, die Glasmalereien des
Landgrafenchores erhielten die Glasmalereiwerkstätten Derix, Taunusstein.
Erhaltung: Die künstlerisch einfühlsamen und technisch soliden Restaurierungen der Königlichen Glasmalereian-
stalt in Berlin-Charlottenburg und Linnemanns in Frankfurt haben die Glasmalereien vor weitergehenden Substanz-
verlusten in späterer Zeit bewahrt. Doch täuscht der homogene Eindruck der Chorverglasung heute über das tat-
sächliche Verhältnis von originalen und ergänzten Teilen hinweg. Die Fenster bestehen etwa zu zwei Dritteln aus
Ergänzungen, wobei der größte Teil auf die Ornamentverglasung fällt, die letztlich auf die rekonstruktiv sinnvollen
Maßnahmen Langes zurückgehen und eine gute Vorstellung vom ursprünglichen Aussehen der Chorverglasung ver-
mitteln. Anhand der historischen Kriegsbergungsaufnahmen lässt sich allerdings eine rapide Beschleunigung des Kor-
rosionsprozesses während der letzten Jahrzehnte feststellen (Fig. 420f.). Einen Grund hierfür wird man sicherlich in
den durch zunehmende Umweltverschmutzung allgemein sich verschlechternden Klimabedingungen sehen müssen;
überdies liegt die Elisabethkirche heute bedauerlicherweise an einer Hauptverkehrsader der Stadt; sie wird von drei
Seiten umfahren. Die Entscheidung für eine innenbelüftete Außenschutzverglasung war daher eine höchst dringliche
Maßnahme. Vor allem die violetten Gläser, darunter das blassviolette Inkarnat, und die Gelbtöne der Werkstatt der
spätromanischen Standfiguren erweisen sich als witterungsanfällig. Dagegen gelangte in der Gruppe der Scheiben der
Genesisfenster-Werkstatt offenbar ein chemisch sehr stabiles Glas zum Einsatz; hier begegnet man selten, am ehesten
noch in den getönten Inkarnatgläsern, auf farblich verändertes Glas infolge chemischer Zersetzung. Insgesamt zeigen
marburg . elisabethkirche 345
Fig. 417. Engel der Verkündigung. Marburg, Elisabethkirche, Fig. 418. Törichte Jungfrau. Marburg, Universitätsmuseum. Zustand
Nordkonche N X. Verlorene Malschichten nach der barocken Restaurierung von 1768/70 mit alten
(Zustand vor Restaurierung) Flickstücken, u.a. aus dem Genesiszyklus.
Fig. 419. Elisabeth beherbergt Pilger. Chor s II, 4a. Aufl ichtaufnahme mit Spuren innenseitiger Übermalung vom Beginn des 20. Jh.
346 marburg . elisabethkirche
sich auch die Glasmalereien der jüngeren Ausstattungsphase weniger witterungsanfällig, wobei jene der Nordkonche
aufgrund ihres Aufstellungsortes sowohl im Hinblick auf die Stabilität des Glases als auch auf die Haftung der Be-
malung stärker als andere angegriffen sind. Eine mittelbare Folge des durch die Korrosion veränderten Erscheinungs-
bildes war die Verwendung von Überzügen und Retuschen im Zuge der Wiederherstellungsmaßnahmen in der ersten
Hälfte des 20. Jahrhunderts, die den Zweck verfolgten, Altes und Neues einander anzugleichen. Dabei kamen dreierlei
Überzüge zur Anwendung: ein schonender Asphaltlack, häufig bis 1910/20 verwendet, ferner Zaponlack, ein Kunst-
harzgemisch, das seit etwa 1915/20 nachweisbar ist und offenbar von dem Glasmaler Matheis – wie andere, von ihm
restaurierte Bestände vermuten lassen (Hersfeld) – benutzt wurde, schließlich pigmentiertes Wasserglas für großflä-
chige Patinierungen, ein Mittel, mit dem auch zahlreiche Retuschen an der Schwarzlotmalerei vorgenommen oder zu
hell empfundene Gläser zur optischen Angleichung flächig eingetönt wurden, unabhängig davon, ob es sich um altes
oder neues Glas handelte. Die während der letzten Instandsetzungsmaßnahme zunächst beabsichtigte Entfernung
dieses dunklen »Galerietons« wurde belassen, um die offenbar partiell abgängigen Halbtöne nicht zu gefährden 30 .
Zur Gliederung des Bestandes: Von der gänzlich verlorenen Farbverglasung des Langhauses lässt sich heute keine
Vorstellung mehr gewinnen. Wahrscheinlich aber war der Kirchenbau mit seinen einstmals 46 Fenstern in den Ost-
teilen, 18 Fenstern im Langhaus und sechs weiteren Fenstern im mächtigen Westbau niemals vollständig mit farbigen
Glasmalereien geschmückt, vielmehr wird man an weniger prominenten Stellen mit einer farblosen Blankverglasung
zu rechnen haben, wie sie noch Schäfer/Rossteuscher überliefern 31. Die Überlegungen zur einstigen Anordnung
der noch vorhandenen oder überlieferten Glasmalereien im Trikonchos der Elisabethkirche werden dabei durch meh-
rere Umstände erschwert: Die dank einer streng rationalisierten Bauweise erstaunlich schnelle Errichtung der Ost-
anlage und das architektonische Leitmotiv des in sämtlichen 41 Fensteröffnungen maßgleichen zweibahnigen Maß-
werkfensters bieten keinerlei Anhaltspunkte zur einstigen Verteilung des Bestandes; auch fehlen Aufzeichnungen über
die Lage der Fenster vor den tiefgreifenden Restaurierungsmaßnahmen durch Neidert und Lange32 . Angesichts eines
geradezu rasanten Baufortschritts scheint es jedoch ausgeschlossen, dass die Glasmaler mit der Ausstattung der fertig-
gestellten Bauteile im gleichen Tempo mithalten konnten. Die Annahme eines sukzessiven Ausstattungsverlaufs der
Dreikonchenanlage stützt sich zudem auf den knapp ein Jahrhundert umspannenden Entstehungszeitraum der Farb-
verglasung. Stilkritische und ikonographische Gesichtspunkte erlauben die Scheidung der Glasmalereien in mehrere
Werkgruppen, die sich unterschiedlichen Raumabschnitten zuordnen lassen. Maßgebliche Hinweise für diesen Ord-
nungsversuch ergeben sich aus der Frage nach den ursprünglichen Bildprogrammen, vor allem vor dem Hintergrund
der unterschiedlichen liturgischen Nutzung der einzelnen Raumteile. Daneben können auch technologische Beob-
achtungen, etwa zur wechselnden Größe der Felderteilung, Aufschlüsse über die Zusammengehörigkeit von Fenstern
oder eine relative chronologische Abfolge der Ausstattung geben. Mithilfe der erhaltenen und überlieferten Bestände
gewinnen wir so noch eine gute Vorstellung vom Aussehen der Farbverglasung der Kirche.
Die Erstausstattung der Elisabethkirche lässt sich auf drei Werkstätten verteilen, die um 1245/50 die Konchen verglast
haben: die Werkstatt der spätromanischen Standfiguren (1), die Werkstatt des Genesis-Fensters (2) und die Werkstatt
des Elisabeth-Medaillonfensters (3). Von diesen zu trennen, aber noch der Erstausstattungsphase zuzurechnen ist der
um 1260/70 tätige Meister der Mater misericordiae (4).
30 Die Analyse der Ornamentfenster wurde von Dr. Hermann Kühn, tätsmuseum, weitgehend entspricht. Grundsätzlich wäre daher an eine
Deutsches Museum, München, durchgeführt (Brief vom 9. Jan. 1986), Herkunft dieser heute verlorenen Grisaille aus der Elisabethkirche
die Untersuchung der Überzüge auf den Figurenfenstern erfolgte zu denken, wofür auch die überlieferten Breitenmaße von ca. 80 cm
durch das Doerner-Institut der Bayerischen Staatsgemäldesamm- sprächen.
lungen (Brief vom 9. Jan. 1986) und der Abteilung für Restaurierung 32 Die von Adolph Menzel im Jahr 1847 angefertigte Innenraumskizze
und Konservierung des Bundesdenkmalamtes Wien; Bacher/Ober- nach der großen Überschwemmung ist bei aller Beobachtungstreue im
haidacher 1990 (s. Bibl.). Detail leider nicht genügend aussagekräftig, um Rückschlüsse auf die
31 Schäfer/Rossteuscher 1885 bilden auf Taf. 23 eine Blankver- Anordnung der Fenster vor der Restaurierung durch Lange zu ziehen;
glasung mit Flechtbandgrisaillen aus »Marburg« ab, die dem farbigen vgl. AK Marburg 1983, I, Abb. S. 139.
Rest einer Blankverglasung aus der Elisabethkirche, heute Universi-
chorverglasung 347
Fig. 420, 421. Verbräuntes Inkarnat im Kopf der Synagoge (1987). Links der noch ungetrübte Zustand zu Beginn des 20. Jh. (1907). – Kat. S. 368f.
Rekonstruktion, ikonographisches Programm: Wir wissen nicht, ob Neidert die Glasmalereien der beiden Kon-
chen, wie es geplant war, tatsächlich zur Füllung der Lücken in den 16 alten Chorfenstern herangezogen hat oder, und
dafür spräche das heute inhomogene Erscheinungsbild, tiefer greifende Veränderungen vorgenommen hat. Während
in späterer Zeit Lange in den Bestand der Ornamentfenster eingriff, blieben seit Neidert zumindest die Positionen
der Figurenfenster im Chorschluss weitgehend unverändert. Unsere Überlegungen zur Rekonstruktion haben dabei
vom Achsenfenster der oberen Fensterreihe auszugehen, das sich noch an ursprünglicher Stelle befindet. Gegen seine
Versetzung spricht nicht nur der hervorragende Erhaltungszustand, sondern auch der archäologische Befund, denn
die Eisenarmierung, die das Fenster unregelmäßig unterteilt, sitzt noch an alter Stelle im Steinwerk. Auch aus hierar-
chisch-liturgischen Gründen – der Hauptaltar war Maria geweiht – kommt für die Darstellung von Maria und Chris-
tus nur die Achsenposition in Frage. Demnach muss die Werkstatt der spätromanischen Standfiguren zunächst mit
der Ausstattung des Chores betraut worden sein. Stilistisch lassen sich dieser Gruppe die beiden Achsenfenster ohne
die in den unteren Zeilen des Johannes-Bartholomäus-Fensters eingeflickten vier Genesisscheiben sowie das Fenster
348 marburg . elisabethkirche
33 Fotografisch überliefert ist außerdem eine weitere, dem Maßwerk- Jh. entstandener Chor eine durchgehende, auch das Achsenfenster mit
okulus von süd IV verwandte Maßwerkverglasung im Fenster SÜD V, einbeziehende Folge von Standfiguren in den insgesamt sieben zwei-
die erst mit der Restaurierung zu Beginn des letzten Jahrhunderts ver- bahnigen Fenstern gezeigt haben muss. Erhalten sind nur noch die drei
loren ging; möglicherweise handelte es sich hierbei aber nur um eine Apostel Bartholomäus, Jakobus d.Ä. und Johannes Ev. Vermutlich war
Kopie Langes nach einem verlorenen Original. das Apostelkollegium um Christus und Maria im zentralen Achsen-
34 Es sei hier zum Vergleich auf das Bildprogramm der Deutsch- fenster angeordnet; Beer 1965, S. 63–68, Taf. 47–52.
ordenskirche in Köniz (Kanton Bern) verwiesen, deren im frühen 14. 35 Die noch erkennbaren Versatzspuren von Quereisen an den Fens-
chorverglasung 349
terlaibungen von Chor nord II, I und süd II liefern keine Hinweise auf die Exis-
tenz von Medaillonfenstern. Sie lassen aber vorsichtige Rückschlüsse auf eine
Fensterteilung zu, die den Figuren der oberen Fensterreihe annäherungsweise
entsprochen hat. So haben die unteren Zeilen in Chor H I, 1–3 eine Höhe von
51, 67 und 67 cm; eine entsprechende Teilung muss auch das darunterliegende
Fenster Chor I besessen haben, wo die Versatzspuren auf Feldergrößen von 57,
68 und 68 cm hindeuten. Bedauerlicherweise ist ein Großteil dieser Einlasslöcher
im Zuge der letzten Restaurierung mit Kunststein verputzt worden. Zudem sind
diese Spuren durch die Schutzverglasung und das Schutzgitter heute kaum mehr
zu erkennen. Die Messungen können daher keinen Anspruch auf Genauigkeit
erheben und dürfen somit für die Argumentation nicht herangezogen werden.
Ich danke an dieser Stelle Jürgen Michler, Altheim, für die freundliche Überlas-
sung seiner Aufzeichnungen zu den Versatzspuren vor der Überarbeitung der
Fenstergewände. Vgl. hierzu auch Bierschenk 1991, S. 167.
36 Das museal aufbewahrte Kopffragment wird von Bierschenk 1991, S. 165,
als Hl. Paulus bezeichnet. Zwar entspricht der Kopftypus mit hoher Stirn und
kurzem Haupthaar der früh kanonisch gewordenen Physiognomie des Apostel-
vaters, doch könnte es sich ebenso, wie ein aufschlussreicher Vergleich mit dem
Lohner Jesse-Fenster zeigt, auch um den Rest einer alttestamentlichen Prophe-
tenfigur handeln; s. Abb. bei Géza Jászai, Mittelalterliche Glasmalereien (Bild-
hefte des Westfälischen Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte Mün-
ster 24), Münster 1986, S. 35.
37 Der fotografisch dokumentierte Erhaltungszustand der »Johannesfigur« nach
der Restaurierung durch Lange spricht für eine Überarbeitung im Sinne einer
Anpassung der Figur an die benachbarte Hl. Elisabeth. So scheinen die origi-
nalen Randborten des »Johannes« von dort genommen worden zu sein; Bier-
schenk 1991, Abb. 70, 78. Beide Figuren wurden mit neu gestalteten Hinter-
gründen versehen und die Architekturbekrönung der Elisabeth (mit Ausnahme
der originalen Kopfscheibe über dem »Johannes«) für die Johannesfigur kopiert.
Gegenüber Elisabeth ist die Figur jedoch größer und ragt weiter in die Bogen-
architektur hinein. Da Figur und Architekturbekrönung der Hl. Elisabeth ur-
sprünglich aber sicher durch eine auf Kämpferhöhe der Bogenstützen verlaufen-
de Armierung – wie übrigens sämtliche Figuren der oberen Fensterreihe – zwei-
geteilt war, würde eine entsprechende Teilung die »Johannesfigur« am Nimbus
gewaltsam durchtrennen, was die Glasmaler ansonsten mit Bedacht vermieden
hatten.
Die Standfiguren gruppierten sich in der unteren Fensterreihe um die Kreuzigung im Maßwerk des Achsenfensters
(Fig. 425) 38 . Der Kreuzgedanke spielte eine zentrale Rolle in der Liturgie des Deutschen Ordens, der die Feste der
Kreuzauffindung und -erhöhung bekanntlich als Hochfeste beging 39. Als zentrales Ereignis des göttlichen Heilsplans
ist mit der Kreuzigung in Marburg die Gelenkstelle des Bildprogramms markiert: Die inhaltlich auf sie bezogenen
Darstellungen von Ecclesia und Synagoge, die einander mit der Erfüllung der Schrift im Opfertod Christi ablösen,
sind in die obere Fensterzone gerückt und dadurch zu Teilhabern des dort ausgebreiteten Himmelsstaates gemacht
worden, wo sie gemeinsam mit Franziskus und Elisabeth (heute Chor nord II) der mystischen Vermählung von Chris-
tus und Maria beiwohnen (Fig. 426–428) 40 .
Dass in Marburg Beziehungen zur Straßburger Bauhütte bestanden haben, darauf deutet das fast wörtliche »Zitat« der
beiden Straßburger Figuren von Ecclesia und Synagoge in den Glasmalereien hin, die über eine nach Marburg weiter-
gereichte Bildvorlage vermittelt worden sein müssen (Fig. 423f., 426). Da über die rein formalen Parallelen hinaus auch
eine verwandte Figurenbesetzung begegnet, könnte das Bildprogramm des Marburger Ostchores von Straßburg seine
entscheidenden Impulse erhalten haben. So findet sich hier wie dort die Apostelgruppe oder die als mystische Hoch-
zeit aufgefasste Marienkrönung, in Marburg allerdings verkürzt unter Ausscheidung des für Straßburg wichtigen salo-
monischen Typus Christi als Richter41. Bezeichnenderweise erhält die Synagoge in Marburg statt der mosaischen Ge-
setzestafeln nun den blutigen Kopf eines Ziegenbocks als Hinweis auf die alttestamentlichen Brandopfer42 . Sie bildet
damit gemeinsam mit Ecclesia in verkürzter Form die Argumentation der beiden unmittelbar oberhalb der Skulpturen
befindlichen Straßburger Südquerhausrosen ab, wo ebenfalls die alttestamentlichen Brandopfer den Tugendopfern des
Neuen Bundes gegenübergestellt werden43. Vor dem Hintergrund der liturgischen Nutzung des Marburger Chores
durch den Deutschen Orden erhält – nebenbei bemerkt – die prominente Darstellung der siegreichen Ecclesia ne-
ben der unterworfenen Synagoge einen tieferen Sinn, wenn man sich den Gedanken der kriegerischen Missionierung
in Erinnerung ruft, der im Zusammenhang mit Kreuzzugsbegeisterung und Jerusalemideologie überhaupt erst zur
Gründung der Rittervereinigung im Heiligen Land geführt hatte.
38 Für das Marburger Achsenfenster dürfte daher schwerlich ein auf S. 33–50, wiederabgedruckt in: Von der Macht des Bildes im Mittelalter.
zwei Bahnen verteilter typologischer Zyklus, wie er kurze Zeit später Gesammelte Aufsätze zur Kunst im Mittelalter, Berlin 1993, S. 77–100;
für den Kölner Dom entwickelt wurde, infrage kommen, da sich die in ders. 1990 (s. Bibl.). Zu einer solchen Deutung des Südquerhausportals
einem solchen Kontext argumentativ notwendige Kreuzigung im Maß- s. auch den Beitrag von Peter Kurmann und Eckart Conrad Lutz,
werk befi ndet. Bierschenk 1991, S. 173, schließt dagegen, ausgehend Marienkrönungen in Text und Bild, in: Die Vermittlung geistlicher
von den beiden Figuren der Ecclesia und Synagoge in H I, auf einen ur- Inhalte im deutschen Mittelalter. Internationales Symposium, Roscrea
sprünglichen typologischen Zyklus mit alttestamentlichen Szenen in 1994, hrsg. von Timothy R. Jackson, Nigel F. Palmer und Almut
der rechten(!) sowie neutestamentlichen Szenen in der linken(!) Bahn. Suerbaum, Tübingen 1996, S. 23–54, bes. S. 36–41. In diesem Sinne
39 Vgl. hierzu auch die Ausführungen zur Ikonographie des Kreuzes ist etwa eine Darstellung Christi zwischen Ecclesia und Synagoge in
im Elisabethschrein von Dinkler-von Schubert 1964, S. 159f. einem Chorkapellenfenster von Saint-Denis zu deuten, in welchem
40 Bildkomposition, Architekturrahmen und Feldeinteilung der Elisa- Christus der Synagoge den Schleier von den Augen nimmt; s. Louis
bethfigur lassen sich einzig mit dem Aufbau des Christus-Maria-Fens- Grodecki, Les vitraux de Saint-Denis (CVMA France Etudes I), Paris
ters verbinden. Das gilt auch für die Figur des Hl. Franziskus. Zu den 1976, S. 98–102, 201.
sich daraus ergebenden programmatischen Beziehungen s.u. S. 351f. 42 Vgl. auch Bierschenk 1991, S. 272f., Anm. 1272. Eine allego-
41 Otto von Simson hat in diesem Zusammenhang eine positive Lesart rische Kreuzigungsdarstellung im Hortus Deliciarum der Herrad von
der Synagogenfigur vorgeschlagen und eine Interpretation vorgelegt, Landsberg aus dem späten 12. Jh. zeigt Ecclesia mit Kelch auf dem Te-
die auf den Hoheliedkommentaren des Bernhard von Clairvaux grün- tramorph und Synagoge mit Bockskopf auf dem Esel; vgl. Green u.a.
det. Simson deutet die zentrale Figur Salomons am Portal nicht nur als 1979, II, S. 267.
Typus Christi, des gerechten Richters am Tage des Jüngsten Gerichts, 43 Zu den Südquerhausrosen zuletzt Victor Beyer, in: CVMA France
sondern auch in allegorischer Auslegung des Hohenliedes zugleich IX,1, 1986, S. 123–140. Die lehrbildhaft-allegorische Gegenüberstel-
als Bräutigam der beiden Bräute, in denen die mittelalterliche Exegese lung von Opfergaben im Alten Bund (Brandopfern) und Neuem Bund
Ecclesia und Synagoge erkennen wollte (Gregor der Große, Honorius (Tugendopfern) stellt eine konzeptuell leicht vereinfachte Übernah-
Augustodunensis). Salomon verwiese damit auch auf die endzeitliche me aus dem Hortus Deliciarum dar, worauf zuerst Victor Guerber,
Vereinigung von Christus mit Maria als Ecclesia, die auch die Synago- Die Fensterosen im südlichen Kreuzesarm im Straßburger Münster,
ge, also die bekehrten Juden, mit einschließt (Rm 11,1–30). In unserer in: Katholisches Kirchenblatt und Schulblatt für das Elsaß 6, 1855, S.
Rekonstruktion der Marburger Chorverglasung befi nden sich beide 332–338, hingewiesen hat; zur verlorenen Bilderhandschrift s. Green
Figuren auf Augenhöhe mit Franziskus und weiteren Heiligen und u.a. 1979. Das Bildprogramm der Straßburger Südquerhausrosen zählt
ließen sich so in der Tat auch als Teilnehmer des hier ausgebreiteten zu den wenigen Beispielen, für das ein handschriftliches Vorbild nach-
Himmelsstaates verstehen. Ob hier aber eine versöhnliche Auslegung gewiesen werden konnte. Eine ähnlich sinnbildliche, die Konkordanz
der Synagogenfigur vorlag oder die Allegorie des Alten Bundes nicht beider Testamente unterstreichende Darstellung ist im Mittelalter mit
doch, wie es scheint, von Ecclesia zum Abgang gedrängt wurde, um der Anordnung neutestamentlicher Heiliger (Apostel, Evangelisten)
schließlich als Sponsa mit Christus vermählt zu werden, muss an an- über ihren alttestamentlichen Vorgängern gefunden worden. Es ist
derer Stelle diskutiert werden. Siehe Otto von Simson, Le programme nicht ausgeschlossen, dass sich in den vier verlorenen Rundbogen-
sculptural du transept méridional de la Cathédrale de Strasbourg, in: fenstern unter den beiden Rosen einst entsprechende Darstellungen
Bulletin de la Société des Amis de la Cathédrale de Strasbourg 10, 1972, befunden haben. Dies vermutete zuerst Victor Guerber, Essai sur les
chorverglasung 351
Während die Gerichtsthematik in Marburg, wie noch zu zeigen sein wird, in die Südkonche verlagert worden ist und
dort in einem sinnvollen Bezug zum Friedhofsbereich auf der Südseite der Kirche steht44 , wurde im Hinblick auf den
Hauptaltar im Sanktuarium der Schwerpunkt auf den Opfertod Christi als zentrales Ereignis für die Einlösung des
Heilsplans gelegt, dessen Anfang und Ende mit der Erschaffung der Welt (Maßwerk H I) und der Vereinigung mit
Christus am Ende der Zeiten im hochgelegenen Achsenfenster markiert ist45.
In der rekonstruierten Figurenanordnung der oberen Fensterreihe nimmt die Hl. Elisabeth gegenüber Franziskus eine
übergeordnete Position ein, gleichsam auf Augenhöhe mit Maria und Christus. Neben Maria als Himmelskönigin
zur Linken Christi muss sich Elisabeth zu seiner Rechten, also in der rechten Bahn des Fensters NORD II, befunden
haben; eine Krone als himmlische Auszeichnung ist ihr bereits von einem herbeifliegenden Engel aufs Haupt gesetzt
worden. Demgegenüber wird Maria das Zepter durch eine Taube zugetragen; in ihren Händen hält sie gleichsam als
Aufforderung eine weitere Krone für all jene bereit, die Elisabeth in ihrer Tugendhaftigkeit nachfolgen46 . Auf diese
Weise wird Elisabeth nun zur Teilhaberin der mystischen Vermählung, womit ein Gedanke aufgegriffen wird, den
bereits die päpstliche Heiligsprechungsurkunde von 1235 formuliert hat: »Oh ruhmreiche Witwe (...) die (...) sich dem
himmlischen Bräutigam so als seiner Liebe wert erwies«47. Gleiches findet sich auch in ihrer kurze Zeit später ent-
standenen Lebensbeschreibung des Caesarius von Heisterbach: »Mit brennender Lampe, das heißt mit heißer Liebe,
trat diese Heilige zusammen mit Christus, den sie wie einen Bräutigam liebte, zum himmlischen Hochzeitsfest ein«48 .
Diese gewichtige Aufwertung Elisabeths muss an dem zentralen Ort ihrer Verehrung nicht wundern. Eine derar-
tige personale Verschränkung findet sich auch im Maßwerk des Elisabeth-Medaillonfensters, ebenso am Elisabeth-
schrein, wo die beiden Schmalseiten mit Elisabeth und Maria besetzt wurden49. Das Phänomen der Durchdringung
von Marien- und Elisabethverehrung, wie es sich im rekonstruierten Bildprogramm darstellt, durchzieht zugleich die
liturgischen Daten zur Baugeschichte der Kirche: Während Maria als Hauptpatronin des Deutschen Ordens mit der
Grundsteinlegung am Fest Assumptio Mariae (15. August) geehrt wurde, hatte man die Kirchweihe 1283 auf den Tag
der Erhebung der Elisabethreliquien (1. Mai) gelegt.
Demgegenüber lässt sich für Franziskus aufgrund formaler Unterschiede nur die Position unterhalb Elisabeths im
selben Fenster zuweisen, also auf einer Stufe mit Ecclesia und Synagoge. Dort waren offenbar sämtliche Figuren
– gegenüber der hierarchisch strengen Frontalstellung der oberen Zone – als einander zugewandte und miteinander
vitraux de la cathédrale de Strasbourg, Strasbourg 1848, S. 104–124, haben. Die Übernahme eines Portalprogramms ist dabei umso wahr-
hier S. 117. Victor Beyer, Das Straßburger Münster. Glasmalereien ei- scheinlicher, als die Elisabethkirche ja ein ausgesprochen skulpturen-
ner bedeutenden Kirche, Augsburg 1969, S. 19, weist in diesem Zusam- armes Bauwerk darstellt und darin eine gestalterische Besonderheit
menhang auf die Verglasung des Südquerhauses der Kathedrale von aufweist, hinter der möglicherweise ein künstlerisches Zugeständnis
Chartres hin, wo Evangelisten auf den Schultern der Apostel sitzen. an die Armutsideale der Bettelorden steht.
Die mit der Wiederherstellung der Straßburger Querhausverglasung 46 Im Figurenschmuck der Elisabethkirche fi nden sich so auffällig
beauftragten Restauratoren des 19. Jh. (Entwürfe von Louis Steinheil, häufig Krönungsszenen – im Medium der Glasmalerei die Krönung der
Atelier Baptiste Petit-Gérard) haben damals Teile der dort vorgefun- Ecclesia und damit verbunden die herabfallende Krone der Synagoge
denen Verglasung (Reste von thronenden Propheten und Evangelisten) sowie die Krönung Elisabeths und Franziskus’ im Maßwerk des Eli-
nach den Vorschlägen Guerbers zur Rekonstruktion eines derartigen sabeth-Medaillonfensters, ferner am westlichen Schlussstein und am
Bildprogramms herangezogen (in den vier Lanzetten vier Evangelis- Elisabethmausoleum, schließlich am Hauptportal die Marienkrönung
ten über vier Propheten, ausgeführt zwischen 1855 und 1862, zerstört –, dass man geneigt ist, darin einen propagandistischen Niederschlag
1944, s. CVMA France IX,1, 1986, Fig. 21). Dagegen will Zschokke der imperialen Ansprüche der Bauherren zu sehen, insbesondere im
in diesen Fragmenten Teile der von ihm rekonstruierten alten Lang- Hinblick auf die Absichten der eng mit dem Deutschen Orden ver-
hausverglasung des Straßburger Münsters sehen (Werinher-Basilika); flochtenen thüringischen Landgrafen, die Königswürde zu erlangen,
Fridtjof Zschokke, Die romanischen Glasgemälde des Straßburger was schließlich Heinrich Raspe im Jahr 1246 auch gelingen sollte.
Münsters, Basel 1942, bes. S. 73-79 mit Abb. 17. 47 UB Marburg, I, 1879, S. 52, Nr. 54: O inclita vidua (...) que (...) sic
44 Zu dem jüngst ergrabenen, aus der Bauzeit der Elisabethkirche amabilem immortali sponso se prebuit; die Übersetzung bei Kroos
stammenden Friedhof an der Südostseite s. Christa Meiborg, Wieder 1982, S. 185.
ans Licht gebracht: Überreste der Deutschordensniederlassung rund 48 Cum lampade ardente, id est caritate fervente, beata hec cum
um die Elisabethkirche in Marburg. Erste Ergebnisse der Kampagnen Christo, quem ut sponsum dilexit (...) ad celestes nuptias intravit; Al-
2006 und 2007, in: Denkmalpflege & Kulturgeschichte 2007/3, S. 29– bert Huyskens (Hrsg.), Die Schriften des Caesarius von Heisterbach
33. über die Heilige Elisabeth von Thüringen, in: Die Wundergeschichten
45 Bei der Frage nach der Herkunft des hier ansatzweise rekonstru- des Caesarius von Heisterbach, hrsg. von Alfons Hilka (Publikati-
ierten Bildprogramms rückt eine Reise Kaiser Friedrichs II. in den onen der Gesellschaft für rheinische Geschichtskunde 43), III, Bonn
Vordergrund, der sich im Jahr 1236 für eine längere Zeit in Straßburg 1937, S. 379, die Übersetzung nach Kroos 1982, S. 185.
aufhielt, bevor er zur Erhebung der Gebeine Elisabeths nach Marburg 49 Dinkler-von Schubert 1964, S. 185f. Das aus einer Apostelreihe
weiterreiste. Als ein wesentlicher Förderer des Deutschordensprojekts mit zentraler Kreuzigung sowie Christus, Maria und Elisabeth zu-
könnte Friedrich bzw. einer seiner Berater das in Straßburg soeben sammengestellte Schreinprogramm zeigt erstaunliche Parallelen zum
fertiggestellte Bildprogramm als Anregung für Marburg aufgegriffen rekonstruierten Bildprogramm des Chores.
352 marburg . elisabethkirche
50 Vergleichbare Bilder des Heiligen aus der Frühzeit der Franziskus- (Pittsburgh, Frick Art Museum); Krüger 1992, Abb. 204f. Auch für
ikonographie zeigen ihn in dieser Haltung vielfach gemeinsam mit dem Marburg käme in erster Linie ein Hl. Antonius (kanonisiert 1232) in-
Seraph im Moment der Stigmatisation, so z.B. in einem Lünettenfeld in frage. Die beiden Franziskanerheiligen fi nden sich auch in der Oberka-
S. Maria in Valle in Cividale; vgl. Klaus Krüger, Der frühe Bildkult pelle von San Francesco in Assisi in einem zweibahnigen Fenster ver-
des Franziskus in Italien. Gestalt- und Funktionswandel des Tafel- eint; Martin, Zackenstil, 1997, S. 274–278. Zur Deutung des Bildpro-
bildes im 13. und 14. Jahrhundert, Berlin 1992, S. 134f. Es läge nahe, gramms s. auch Hans Belting, Die Oberkirche von San Francesco in
auch für Marburg eine derartige Engelsgestalt mit ausgebreiteten Flü- Assisi. Ihre Dekoration als Aufgabe und die Genese einer neuen Wand-
geln als ergänzende Darstellung anzunehmen, doch macht sich Fran- malerei, Berlin 1977, S. 45–50.
ziskus in dieser, auf die Präsentation der Handwunden ausgerichteten 51 AK Marburg 1981, S. 490f., Nr. 122 (Thomas Franke); s. auch
Haltung zunehmend selbstständig, und wir fi nden ihn daher auch aus Hartmut Boockmann, Die Anfänge des Deutschen Ordens in Mar-
dem Stigmatisationsereignis herausgelöst als bloße Standfigur neben burg und die frühe Ordensgeschichte, ebd., S. 137–150, hier S. 142–
anderen Heiligen, etwa auf den um 1280 entstandenen Außenflügeln 144.
einer umbrischen Marientafel an der Seite des Hl. Antonius von Padua 52 Demus 1968, Abb. 195.
chorverglasung 353
Fig. 429. Monreale, Kathedrale Santa Maria Nuova. Apsismosaiken mit Pantokrator, Maria inmitten von Erzengeln, Aposteln und Heiligen.
Um 1180–1194.
Komposition: Die Konzentration figürlicher Darstellungen auf die Fensterzone hinter dem Hauptaltar entspricht
einem im Hochmittelalter gängigen Ausstattungskonzept. Die Ornamentfenster der Langseiten, die dieser Werkstatt
zugeordnet werden können, bestehen demgegenüber aus schlichten Grisailleteppichen mit nur wenigen farbigen Ein-
sprengseln. Eine solche Lichtregie mit seitlich stark einfallendem Licht bringt einerseits die tektonische Struktur des
gotischen Baues zur Geltung und setzt andererseits den liturgisch wichtigen Bereich um den Hochaltar in Szene. Die
Beschränkung auf ein reines Standfigurenprogramm für das untere wie für das obere Fensterregister mag zunächst
ungewöhnlich erscheinen, doch lassen sich in der Wandmalerei oder Mosaikkunst konzeptionell vergleichbare Lö-
sungen benennen. So fühlt man sich an die normannischen Kirchen von Monreale oder Cefalù erinnert, aber auch in
Niederzell auf der Reichenau hat sich eine Reihe sitzender Propheten über stehenden Propheten erhalten (Fig. 429) 52 .
Da der Figurenstil eine klassische Bildung der Werkstatt verrät, ist zu überlegen, ob auch das Verglasungskonzept
354 marburg . elisabethkirche
einer solchen, im byzantinischen Raum weit verbreiteten Tradition geschuldet sein könnte. Möglicherweise stand da-
hinter auch der Wunsch nach einer hieratisch strengen, wirkmächtigen Ikonographie, die monumentalen Reihen von
Heiligenfiguren allgemein innewohnt. Überdies bieten sich Standfiguren schon aufgrund des ungewöhnlichen Wand-
aufrisses und der Gleichförmigkeit beider Wandzonen, deren Wirkung auf der scheinbar unendlichen Wiederholung
immer gleicher Formmodule beruht, als naheliegende Lösung an, da auf diese Weise das gesamte architektonische
Konzept noch einmal klar akzentuiert werden konnte53.
Das Verglasungskonzept ist offenbar aus der Konfrontation einer byzantinisch geschulten Glasmalereiwerkstatt mit
den modernen Rahmenbedingungen von Maßwerkfenstern entwickelt worden, welche sich für eine solch architektur-
freundliche Lösung äußerst sensibel zeigte 54. Figuren und Rahmenarchitekturen sind dabei eng auf den Wandaufriss
abgestimmt. Zur Füllung der schlanken Lanzetten wurden jeweils zwei selbstständige Rahmenformen aus dem ver-
fügbaren »romanischen« Formenrepertoire ausgewählt (Fig. 431). Die als Architekturzwischenfelder fungierenden
Baldachine scheiden einerseits beide Figurenzonen voneinander, bieten andererseits den Figuren aber auch eine Art
Standsockel. Für die untere Fensterreihe nutzten die Glasmaler die unmittelbar anschließende Sohlbank der Fenster-
architektur als Standfläche. Wie sehr die enge Verzahnung von Architektur und Glasmalerei gesucht wurde, zeigt sich
etwa darin, dass sowohl die Blattkapitelle der oberen Kämpferzone als auch die tieferliegenden Gewölbeauflager mit
den gemalten Turmarchitekturen der Figurentabernakel auf gleicher Höhe liegen. Wie die gemalte Rahmenarchitektur,
chorverglasung 355
Farbigkeit, Ornament: Die Figurenfenster: Die spätromanischen Standfigurenfenster, insbesondere das Christus-
Maria-Fenster, machen einen ausgesprochen buntfleckigen Eindruck. Ihre »kaleidoskopartige« Farbgebung, die schon
Haseloff als ein wesentliches Charakteristikum beschrieben hat, konterkariert bisweilen sogar das Formhafte des
53 Überhaupt scheint die Grundtendenz zur Ausklammerung sze- der neuen Bauweise gar nicht berücksichtigt hatten. Erst beim Versatz
nischer Darstellungen für die gesamte Ausstattung der Elisabethkir- hat man das Problem erkannt, das obere Rechteckfeld auf Höhe der
che zuzutreffen: Noch die gotische Fenstergruppe der jüngeren Aus- Armierung geteilt und das obere Teilstück mit der kleinen Kopfschei-
stattungsphase orientiert sich strikt am statuarischen Konzept, und be verlötet. Da an allen weiteren Fenstern dieser Werkstatt dieses Pro-
auch im Falle des gegen 1320 entstandenen Lettners wird offenbar blem behoben ist, könnte hiermit ein Anhaltspunkt für eine relative
noch am Primat der parataktischen Figurenreihung festgehalten, dem Chronologie der spätromanischen Standfiguren gewonnen sein. Die-
die szenischen Darstellungen fast vollständig zum Opfer fallen. Das se Beobachtung liefert uns außerdem ein gewichtiges Argument für
eigentliche Bildthema des Jüngsten Gerichtes wurde dort lediglich in die Annahme des Imports der Glasmalereien, da einer ortsansässigen
unscheinbaren Flachreliefs zur Darstellung gebracht. Werkstatt ein solcher Fehler aufgrund der vertrauten baulichen Situa-
54 Ausführlich hierzu Parello 2002. tion wohl schwerlich unterlaufen wäre.
55 Es ist möglich, dass die Glasmaler hier jene auf Kämpferhöhe be- 56 Bugslag 1991 (s. Bibl.), S. 155.
reits vorhandene Armierung zunächst aus mangelnder Erfahrung mit
356 marburg . elisabethkirche
Dargestellten (vgl. Fig. 426) 57. So trägt Maria im Christus-Maria-Fenster, um nur ein Beispiel zu nennen, über einem
weißen Untergewand eine bernsteingelbe, mehrfach mit quer verlaufenden blauen, am Saumende sogar mit grün-rot-
grün geschichteten Schmuckstreifen verzierte Tunika und einen moosgrünen, rot gefütterten, wiederum mit mehreren
violett-weißen Querstreifen verzierten Mantel. Schon durch die Gewandüberschläge, Faltenbrüche und -kaskaden,
denen der Bortenschmuck stets konsequent folgt, wird die Figur regelrecht verstellt. Doch damit nicht genug, an dem
derart segmentierten Gewand liegen Marmorsäulen an, die gleichfalls in kleinteiliger Kosmatenarbeit ausgearbeitet
sind. Dieselbe mikroskopische Farbsplitterung setzt sich in den Architekturaufbauten fort, wo vermehrt Violetttöne
zum Einsatz gelangen und damit der überwiegend grün-gelb dominierten Farbpaarung der Figur etwas gegengesteu-
ert wird. Sogar die weißen Randstreifen sind noch in dichter Folge mit blauen, roten und grünen Blütenquadraten
besetzt. Die gesamte Darstellung erscheint also auf diese Weise regelrecht zerhackt und ruft ein höchst unruhiges
Erscheinungsbild hervor. Demgegenüber ist das Johannes-Bartholomäus-Fenster zurückhaltender gestimmt. Trotz
ähnlicher Gewandgestaltung – auch die Nimben sind hier in Segmente zerlegt – stehen die Figuren nun vor einem
ruhigen weißen Fond aus Punktkaros und werden lediglich von schmalen einfarbigen Säulenschäften gerahmt, was
unmittelbar zur Klärung von Figurenumriss, Körpervolumen und Architektur beiträgt. Jürgen Michler widmete
diesem Phänomen eine eingehende Studie und versuchte daraus ein Beziehungsverhältnis von Architektur und Glas-
malerei abzuleiten 58 . Die Verzahnung von Wand und Fenster fände, so Michler, vor allem auf der Ebene der Farben
statt, wobei die Glasmalereien die tektonische Struktur des Wandaufrisses, die ja gleichfalls durch eine farbige Fassung
hervorgehoben war, spiegelten. Dabei reflektiere sogar die wechselnde Gestaltung der Standfiguren die in Marburg
erkennbare Entwicklung des architektonischen Wandaufrisses von der Frühgotik hin zur Hochgotik 59. Die größere
Buntheit des Christus-Maria-Fensters gegenüber dem insgesamt heller gestimmten Johannes-Bartholomäus-Fenster
könnte eventuell auf die hierarchische Vorrangstellung der oberen Fensterreihe zurückzuführen sein. Möglicherweise
sind also die Figuren des Johannes Baptista und Bartholomäus deshalb problemloser zu »lesen«, weil sie eine unterge-
ordnete Position im Bildprogramm einnehmen und daher in der farbigen Gestaltung weniger aufwendig ausgeführt
wurden. In diesem Zusammenhang steht auch die Frage der Autopsie des Elisabeth-Fensters nord II, dessen unge-
wöhnlicher Streifengrund nicht zum ursprünglichen Bestand gehört60 . Die splittrige Auflösung von Architektur und
Gewandteilen kann als Versuch gewertet werden, die Vielansichtigkeit räumlicher Objekte in die Fläche bannen zu
wollen, indem – selbstverständlich neben der hinreichend genutzten Möglichkeit der Hell-Dunkel-Modellierung – auf
diese Weise die Existenz unterschiedlicher Raumschichten suggeriert wird. Hier kommt besonders den Querstreifen
in den Gewändern die Funktion zu, diese Umbruchkanten in ihrer räumlichen Schichtung überhaupt wahrzunehmen.
Auch auf der Ebene der Einzelformen kommt es zu offenbar bewusst gesuchten, irritierenden Formüberschneidungen,
wie etwa am Wimpel am Kreuzstab Christi in H I, dessen Bänder vor der mehrfach profilierten Bogenarchitektur
flattern, aber zugleich mit dem äußeren Bogenkontur enden, als würde die Fahne an dieser Stelle durch den Bogen
abgeschnitten. Diese Spannung wird zwar durch die farbliche Differenzierung zugunsten der Einzelform entschieden,
aber auf diese Weise eine Formenschichtung auf mehreren über- oder hintereinanderliegenden Ebenen erzielt, die
räumlich interpretiert werden kann. Die Voraussetzungen für eine solche Entwicklung waren in der ersten Hälfte des
13. Jahrhunderts günstig, als die Flut byzantinischer Kunst einen Schub in der Wiedergabe figürlicher Körperlichkeit
57 Haseloff 1907, S. 12, 17f. 60 Vielmehr wird man annehmen müssen, dass schon Neidert oder
58 Michler 1984, S. 95–202. Lange den Grund unter Verwendung alter Bortenstücke neu geschaf-
59 Im Einzelnen erkennt Michler im Fenster Chor I (Johannes-Bar- fen haben, um auf diese Weise die vielleicht nicht ursprünglich zuge-
tholomäus-Fenster) eine deutlich vom Grund abgehobene, geschoss- hörigen Johannes- und Elisabethfiguren kompositorisch zusammen-
weise farblich verbundene Figurengruppe und vergleicht dies struk- zubinden. Der zu Elisabeth gehörende Franziskus besitzt den gleichen
turell mit spätromanischen oder frühgotischen Wanddiensten, die weißen Rankengrund wie alle anderen Figuren dieser Gruppe auch. Da
mittels Schaftringen an den Wandkörper gebunden sind. In der Ent- die Rekonstruktion des ikonographischen Programms eine Position
wicklung fortgeschrittener zeige sich das Christus-Maria-Fenster in neben Christus und Maria in H I erschlossen hat, ist für das Elisabeth-
Chor H I: Hier seien Figur und Hintergrund durch ein gleiches, aber Fenster auch eine vergleichbare Rahmung im Architekturtabernakel
unterschiedlich dichtes Farbgefüge zu einer strukturellen Einheit ver- anzunehmen. Dass eine solche einst existierte, darauf deutet die zweite
schmolzen, ähnlich der »diaphanen Struktur« im Sinne Hans Jantzens. Kapitellgruppe hinter den Konsolen hin, die wie im Johannes-Bar-
Im Elisabeth-Fenster in Chor nord II dagegen seien Figur und Grund tholomäus-Fenster ebenfalls von seitlichen Säulen abgefangen werden
wiederum voneinander gesondert; mit dem unabhängig hiervon ver- musste.
laufenden Hintergrundgitter würde die Struktur an das hochgotische 61 Frodl-Kraft 1970, S. 88, 90.
Langhaus von Saint-Denis erinnern, wo die Vertikalglieder ohne Ge- 62 Kippenberger 1939.
schossteilung durchlaufen. Vgl. Michler 1984, bes. S. 132–135.
chorverglasung 357
und Plastizität bewirkte, mit der sich auch die zweidimensionalen Künste auseinanderzusetzen hatten. Eva Frodl-
Kraft hat bereits auf eine damit verwandte gestalterische Besonderheit spätromanischer Glasmalerei hingewiesen,
die auch die Marburger Standfiguren auszeichnet 61: Die aufwendige Rahmung der Figur verarbeitet ihr zufolge durch
ein ganzes Bündel von Randborten das Motiv des mehrfach profilierten, in die Tiefe gestaffelten Gewändes von Fens-
teröffnungen.
Die Ornamentfenster: Verglichen mit dem Schmuck- und Farbenreichtum der Figurenfenster üben die weitgehend in
Grisaille ausgeführten Ornamentfenster dieser Werkstatt eine geradezu erstaunliche Zurückhaltung aus. Ihre Klein-
muster legen sich wie ein Teppich über den Fensterspiegel. Am ehesten greift noch das einzige in situ erhaltene Fens-
ter NORD IV die Farbwerte und insgesamt lichtere Auffassung des Johannes-Bartholomäus-Fensters auf (Fig. 432).
Mehr noch als dieses zeigen die museal aufbewahrten Reste weiterer Teppichfenster (Marburg, Universitätsmuseum,
Nr. 2–6) eine Tendenz zu formaler Askese (Fig. 433f.). Kippenberger hat an diesen Ornamenten erstmals die Zu-
sammenhänge mit den Grisailleverglasungen der Zisterzienser herausgearbeitet 62 . Gegen die Mitte des 13. Jahrhun-
derts treten die gleichen kleinteiligen, stets aus quadratischen Scheiben zusammengesetzten Flechtbandmuster auch
im Langhaus zu Haina (nord II) auf, etwa gleichzeitig auch im Zisterzienserinnenkloster Sonnenkamp in Neukloster.
Die Verbreitung solcher Ornamentmotive innerhalb des Ordens könnte auf die Entwicklung eines ordensspezifischen
Formenvokabulars im Zusammenhang mit dem Bilderverbot zurückzuführen sein, das durch Musterbücher über-
regional, von Mutter- zu Tochterklöstern und deren Filiationen weitergereicht wurde. Das Reiner Musterbuch aus
358 marburg . elisabethkirche
gewebeartig zu einem Achteckmuster zusammen. Aus den Hintergründen sind Kreuzblätter oder M-förmige Muster
herausradiert, einzelne, möglicherweise mit einem weiteren Fenster zu verbindende Stücke sind kreuzschraffiert. Die
dreiteilige Borte wird aus einem blauen Band zwischen Blattwellen und Kreuzblättern gebildet und greift darin Rah-
menelemente der spätromanischen Standfiguren auf. Mit ihrem heutigen Maß lässt sich die Scheibe im Kirchenraum
nicht unterbringen. Allein im Obergeschoss der erst gegen 1270 fertiggestellten Sakristei kommt man auf annähernd
ähnliche Lanzettenbreiten 68 . Allerdings – und dadurch ist vielleicht ein Anhaltspunkt zur ursprünglichen Größe der
Scheibe gewonnen – scheinen die Borten im Verhältnis zum Grisailleteppich ungewöhnlich breit zu sein. Ergänzt man
das Teppichfeld um zwei weitere Flechtreihen, erhält man exakt das Breitenmaß der Fensterlanzetten in der Kirche.
Die kompositionellen Gemeinsamkeiten zwischen Ornament- und Figurenverglasung lassen dabei grundsätzlich an
die Existenz kompositer Verglasungssysteme bereits in der ersten Ausstattungsphase denken, wie sie etwa für die stil-
verwandten Glasmalereien im Kloster Sonnenkamp vorausgesetzt werden müssen, wo einzelne Figuren offenbar auf
einem nahezu identisch gestalteten Grisailleteppich schwebten69. Für Marburg fehlt ein solcher Nachweis allerdings,
die architekturgerahmten Standfiguren füllten die Lanzetten stets paarweise; lediglich für die in nord II eingeflickte
Maria böte sich eine solche, aus Ornamenten und Figur bestehende partielle Verglasungsform an.
Grisaille mit Flechtband (Ornament Typus C): Grisaillefragment aus Flechtbändern wie Typus B, jedoch ohne Rand-
borte und mit nur 12,5 cm großen Flechtbandquadraten. Der Hintergrund ist durchgehend mit einer feinlinigen
Kreuzschraffur versehen (Marburg, Universitätsmuseum, Nr. 3; Abb. 351).
Grisaille mit Flechtband (Ornament Typus D): Grisaillefragment aus Flechtbändern wie Typus B, jedoch ohne Rand-
borte und mit nur 10,2 cm großen Flechtbandquadraten. Die Flechtbänder liegen auf einer feinen Kreuzschraffur und
sind ohne begleitende zweite Kantenlinie gezeichnet (Marburg, Universitätsmuseum, Nr. 4; Abb. 350).
Grisaille mit blattgefülltem Flechtband (Ornament Typus E): Das Grisaillefragment besteht aus einem quadratischen
Grundmuster aus sich überlagernden Bändern, denen ein diagonal liegendes Blatt mit gespreizten Stielen entwächst.
Die Blätter sind jeweils mit den Stielen zur Mitte in Vierergruppen angeordnet und bilden einen Blattkranz (Marburg,
Universitätsmuseum, Nr. 5; Fig. 434).
Grisaillen mit blattgefülltem Flechtband (Ornamente Typus F und Typus G): Unter den im Universitätsmuseum de-
ponierten Scherbenbestand befinden sich noch zwei quadratische, mit blattgefüllten Flechtbändern bemalte Scherben.
Sie sind der offenbar einzige Überrest zweier Grisaillefenster, die das Flechtbandmotiv Typus E abgewandelt aufgrei-
fen. Das eine Element zeigt ein gespitztes Kreuzblatt auf schraffiertem Grund (Abb. 356; Mitte rechts), das andere, nur
mehr unvollständig erhaltene Fragment ist mit einem Blattviereck mit Binnenzeichnung gefüllt (Abb. 356, ebd.).
Grisaille mit stilisierten Kreuzblättern (Ornament Typus H): Die Reste eines weiteren Grisaillefensters sind dem
Typus E verwandt, jedoch ohne Flechtbänder und mit strenger stilisiertem Blattmuster (jetzt Marburg, Universitäts-
museum, Nr. 6; Abb. 346). Das quadratische Grundelement zeigt in breiten Linien aus einem Viertelreif hervorwach-
sende dreifingrige Blattbüschel mit runden Blattenden. Es schließt sich in der Addition zu einem diagonal ausstrahlen-
den Blattkranz mit Knopfmuster auf gazeartig feiner Hintergrundschraffur. Dieses licht gehaltene Ornamentfenster
war wohl gleichfalls mit einem farbigen Randstreifen versehen. Lange griff im 19. Jahrhundert für das Fenster SÜD
VII der Südkonche auf ein Ornamentmuster zurück, das zwischen zwei breiten Randstreifen aus ineinander wellen-
förmig verschlungenen Bändern die gleichen, in eine Rautenkette eingeschriebenen Blattformen, hier jedoch auf die
Spitze gestellt und mit roten Blütenrosetten, zeigt. Vielleicht waren damals noch größere Reste dieses Ornaments
erhalten, auf denen Langes Neuschöpfung beruhen könnte.
Technik, Stil, Datierung: Die Gewandmodellierung fußt auf der Anlage eines großzügigen Faltenlineaments, das
in weiten, bleibreiten Linien mit vielfach hakenförmigen Endungen ausläuft. Die Zeichnung ist routiniert, flüssig und
verzichtet gegenüber dem Prinzip der Farbzerlegung auf alles Kleinteilige, da sie auf Fernwirkung berechnet ist. Die
Hauptlinien werden von unterschiedlich breiten Schattenlagen begleitet, die häufig mit einem dünneren Pinsel gezo-
gen sind und dann entweder als dichte Parallelbündel ineinander zu einer breiten Fläche verfließen oder ökonomischer
als Kreuzschraffuren angelegt sind (so bei Maria); besonders in bärtigen Gesichtern werden dadurch kräftige und zu-
gleich weiche Licht-Schatten-Übergänge erzielt. Ein bemerkenswertes Stilmerkmal im Christus-Maria-Fenster ist der
stumpfe, zu einem »Mäuseschwänzchen« auslaufende Abbruch dicker Falten in Gewand und Inkarnat. Das Linien-
gerüst behauptet sich geradezu autark gegenüber den häufig quer verlaufenden Gewandborten, über die es unbeein-
druckt hinwegläuft; auf diese Weise werden die farblich auseinanderfallenden Formen wieder zusammengebunden.
Die ungewöhnlich temperamentvollen Figuren erinnern an antike, kontrapostisch angelegte Statuen. Wuchtig und
raumschaffend gebärden sich die Heiligen und stehen dabei in leichter Schrägansicht unter einer schweren und tek-
tonisch konstruierten Tabernakelarchitektur. Die Architektur bedrängt sie nicht, vielmehr treten die Figuren selbst-
ständig aus ihr hervor. Bei aller hierarchischen Strenge fallen sie nicht in Erstarrung, sondern scheinen jederzeit in der
Lage zu sein, eine beliebige andere Haltung einnehmen zu können.
Seit der grundlegenden Publikation Haseloffs (1907) wurden die Marburger Glasmalereien im Zusammenhang mit
Werken des thüringisch-sächsischen Stils gesehen. Bereits 1897 hatte Haseloff damit die gestalterischen Gemein-
samkeiten einer Kunstlandschaft umrissen, die im Süden vom Thüringer Wald, im Osten von der Elbe begrenzt wird
und sich im Westen bis nach Westfalen erstreckt. In den Mittelpunkt seiner Betrachtung rückten dabei vor allem die
Buchmalereiwerkstätten, die seit 1200 eine erneute Rezeptionswelle byzantinischer Kunst verarbeitet und den sog.
Zackenstil hervorgebracht hatten. Zieht man zunächst
die Illuminationen der Haseloff-Gruppe für Marburg
zum Vergleich heran, so begegnet man dort in der Tat
einem erstaunlich eng verwandten Typenrepertoire. Im
Elisabethpsalter, der wahrscheinlich im ersten Jahrzehnt
des 13. Jahrhunderts in Hildesheim entstanden ist 70 , trifft
man etwa auf eine ikonographische Parallele zur Kreu-
zigung im Achsenfenster (fol. 2v), ebenso in einer verlo-
renen Handschrift des Magdeburger Domgymnasiums
von 1214, die bereits Haseloff im Zusammenhang mit
den Marburger Glasmalereien angeführt hatte (Fig. 435).
Im Stuttgarter Landgrafenpsalter ist auch die markante
Figur des Apostels Bartholomäus mit dem ungewöhn-
lichen Lockenkopf vorgebildet (fol. 5r), und überhaupt
scheinen die Apostel des Psalters hinsichtlich ihrer Kör-
perhaltungen, Gewandformen und der Präsentation ihrer
Schriftbänder und Bücher die kompositorischen Varian-
ten vorzustellen, auf die später in Marburg zurückgegrif-
fen wurde (Fig. 436f.) 71. Schließlich geht auch der Kopf-
typ Christi im Achsenfenster mit einer Darstellung des
Schöpfers in einer Halberstädter Bibel hervorragend zu-
sammen (Fig. 438f.) 72 .
Dünner gestreut sind die Vergleichsmöglichkeiten mit
der Glasmalerei. Hier ergeben sich zum einen Bezie-
hungen zur Bückener Chorverglasung (um 1250/60),
etwa zu den beiden Rundscheiben mit den thronenden
Fig. 436. Hl. Bartholomäus. Marburg, Fig. 437. Hl. Bartholomäus im Landgrafenpsalter. Stuttgart, Württembergische
Elisabethkirche, Chor I, 3–6b. Nieder- Landesbibliothek, Cod. Don. 309, HB. II. 24, fol. 5r. Niedersachsen, 1208/13.
sachsen, um 1240/50. – Kat. S. 366.
Christusfiguren (Textabb. 12–14)73. Neben der ähnlichen ornamentalen Instrumentierung klingt hier ein grund-
sätzlich verwandter, freilich zu größerer Lebendigkeit fortentwickelter Figurenstil an. Im Hinblick auf die Beschaf-
fenheit der Marburger Grisaillefenster lassen sich zum anderen Parallelen zu der nach der Jahrhundertmitte anzu-
setzenden Verglasung von Neukloster aufzeigen, die möglicherweise gleichfalls nach Niedersachsen zu lokalisieren
ist 74. Darüber hinaus müssen enge Schulzusammenhänge, insbesondere was den Ornamentapparat und die Figu-
rentypen im Marburger Christus-Maria-Fenster angeht, zu der Gruppe gotländischer Glasmalereien mit dem für
70 Wolter-von dem Knesebeck 2001, S. 331; zuletzt ders. in: AK 72 AK Braunschweig 1995, I, S. 538–540, Nr. G 49. Für den vielleicht
Eisenach 2007, I, S. 67–71, Nr. 21f. Da der neue Stil erstmals in un- aus Halberstadt kommenden Meister hat Hans Belting den künstle-
mittelbarer Nähe zum thüringischen Landgrafenhaus auftritt, wäre rischen Werdegang nachzuzeichnen versucht und dessen Handschrift
zu erwägen, ob nicht die Landgrafen selbst – Hermann I. hatte sich auch in einem Evangeliarfragment aus Kloster Heiningen (New York,
1197/98 ins Heilige Land begeben, ebenso Ludwigs Onkel Ludwig III. The Pierpont Morgan Library, M 565) sowie im Brandenburger Evan-
(1172–1190) – den Illuminatoren byzantinische Bilderhandschriften gelistar sehen wollen; s. Belting 1978, S. 220–232. Dagegen wies Re-
aus eigenem Besitz zur Verfügung gestellt hatten, womit der Anschub nate Kroos auf gestalterische Unterschiede in den Zeichnungen hin,
zu einer solchen Stiltransformation gegeben gewesen wäre. in: AK Braunschweig 1985, II, S. 1182f., Nr. 1031a.
71 Ähnlich auch im Brandenburger Evangelistar aus Magdeburg; 73 Korn 1992.
Braun-Niehr 2005. 74 Böning 2001.
362 marburg . elisabethkirche
Fig. 438. Gottvater im Buch Genesis. Halberstädter Bibel, Fig. 439. Christus als Sponsus. Marburg,
Halberstadt, Domschatz, Ms. 3, fol. 6v. Elisabethkirche, Chor H I, 5–8a.
Halberstadt(?), frühes 13. Jh. Niedersachsen, um 1240/50. – Kat. S. 369.
den Nachweis norddeutscher bzw. niedersächsischer Herkunft so wichtigen Bindeglied Breitenfelde bestanden ha-
ben 75. Aufschlussreich ist z.B. bezüglich des Gewandstils, bei aller holzschnittartigen Vereinfachung, ein Vergleich
der Marburger Maria mit einer Verkündigungsszene in Lojsta oder des Marburger Christus mit der Himmelfahrts-
darstellung in Dalhem 76 . Hinsichtlich der ausgeprägten Architekturrahmungen mit ihren schweren, an Stadtabbre-
viaturen erinnernden Baldachinen oder Schirmkuppeln sei schließlich auf ganz ähnliche Formen in den Hildesheimer
Chorschranken verwiesen (Textabb. 16).
Aufgrund der von Haseloff festgestellten Verbindungen der thüringisch-sächsischen Malerschule zum westfälischen
Kunstzentrum Soest, die von Andersson auch für die Gruppe gotländischer Glasmalereien geltend gemacht wurden,
sind wir, um die niedersächsische Herkunft der Marburger Fenster weiter abzusichern, angehalten, einen kritischen
Blick auf die Soester Kunsterzeugnisse zu werfen 77. In diesem Zusammenhang interessieren vor allem die Reste eines
nach der Mitte des 13. Jahrhunderts entstandenen Wurzel-Jesse-Fensters aus Lohne, die im Westfälischen Landes-
museum in Münster aufbewahrt werden (Textabb. 17). Schon Adolf Brüning und Gertrud Salmen waren Gemein-
samkeiten zwischen den Lohner Propheten und den Marburger Standfiguren aufgefallen. Salmen hatte nach einem
Einfluss Marburger Glasmalerei auf Soest gefragt, abschließend jedoch eine unmittelbare Abhängigkeit zurückgewie-
sen und stattdessen einen gemeinsamen »byzantinischen Einfluss« der einzelnen Schulen als Erklärung bemüht; diese
chorverglasung 363
allgemeine Verwandtschaft der Stilsituation wurde zuletzt noch einmal von Becksmann im Rahmen der Staufer-
Ausstellung von 1977 hervorgehoben 78 . Zwischen den Lohner Propheten und den Marburger Standfiguren bestehen
grundsätzliche Gemeinsamkeiten in der Figurenbildung und in ihrem ausgewogenen Verhältnis zur Rahmenarchitek-
tur. Allerdings treffen wir in Lohne auf eine gesteigerte, schwungvollere Bewegtheit – der Körper zeichnet sich dort
stärker unter den Stoffbahnen ab –, was mit einer größeren Lebendigkeit des Pinselstrichs einhergeht, während die
Tuniken in Marburg wie in den zahlreichen niedersächsischen und gotländischen Beispielen häufig an den sich darun-
ter abzeichnenden parallelen Beinpaaren kleben und steif herabfallen. Im Faltenlineament gelangt hier wie dort eine
recht ungewöhnliche, fein angelegte Schraffur- und Flächenmodellierung zum Einsatz, die naturgemäß im kleineren
Format bescheidener ausfallen musste. Auf schulmäßige Beziehungen weisen ferner charakteristische Details wie die
identische Zeichnung der Finger, deren Nagelbetten mit doppelten Konturen bezeichnet sind; die Ohren werden mit
einem ausgeprägten Knorpelzipfel an der Ohrmuschel charakterisiert und die Nasolabial-Falte mit einem hakenförmig
umbrochenen Strich markiert 79. Zahlreich sind schließlich die Übereinstimmungen in der ornamentalen Instrumen-
tierung (Nimben, Bortenmuster, Rahmenarchitekturen), auf die hier im Detail nicht eingegangen zu werden braucht.
Dass die Soester Glasmalerei der Jahrhundertmitte dennoch nicht auf niedersächsischen Import zurückgeht, sondern
auf einer bodenständigen Entwicklung fußt, wird auch durch den Blick auf die älteren Glasmalereien in St. Patrokli
in Soest bestätigt, wo man auf vielfältige gestalterische Entsprechungen in Bildaufbau und Ornamentapparat trifft 80 .
Bezüglich der Herkunft der Lohner Propheten hat Korn auf Gemeinsamkeiten mit Wandmalereien im Soester Raum
hingewiesen und das in Lohne tätige Atelier überzeugend nach Soest lokalisiert 81.
Diese wenigen Vergleiche zu westfälischen Arbeiten lassen bereits erkennen, dass die Grenzziehung zur niedersäch-
sischen Kunst im Hinblick auf Formenapparat und Maltechnik, aber auch auf die Höhe der Rezeptionsstufe byzan-
tinischer Kunst keineswegs leicht fällt. So gesehen sind die von Haseloff angedeuteten Zusammenhänge mit Soest
sicher auch auf die Glasmalerei auszudehnen, und es ist zu fragen, ob Soest nach den Vorstellungen Haseloffs nicht
im Ausstrahlungsgebiet dieser Schule lag oder ob sich die aufgezeigten Verbindungen auf die Benutzung gleichartiger
Vorlagen reduzieren lassen82 . Soest war im 13. Jahrhundert das bedeutendste und, wie die erhaltenen Werke der Wand-,
Tafel- und Glasmalerei belegen, stark byzantinisch geprägte Kunstzentrum Westfalens 83. Als wichtigste Station auf
dem Handelsweg von Köln nach Ostdeutschland wird man in Soest sicher mit einer hohen Bereitschaft zur Verarbei-
tung neuester Entwicklungen aus dem Osten wie dem Westen zu rechnen haben. Aufgrund seiner geographischen
Lage dürfte Soest aber auch die Rolle eines Vermittlers zwischen rheinischem und niedersächsischem Gebiet zuge-
fallen sein, weshalb einerseits Werke wie die Lohner Propheten kölnischen wie niedersächsischen Arbeiten gleicher-
maßen nahe stehen, andererseits auch die Bückener Glasmalereien noch »kölnisch« gefärbt erscheinen84.
75 Vgl. Andersson 1964, Taf. 33. Zu Breitenfelde s. Haseloff 1931 80 Man betrachte etwa das im Aufbau grundsätzlich verwandte Ach-
bzw. Harms 22001. Der für die Marburger Standfiguren charakteris- senfenster von St. Patrokli in Soest, das die die zentrale Heilsgeschich-
tische Fond aus weißen Punktkaros begegnet auch in Linköping (An- te flankierenden Propheten ebenfalls mit brettartig steifen Inschriften-
dersson 1964, Taf. 135), ein weiteres Mal im Cosmas-Damian-Zyklus bändern unter Architekturtabernakeln wiedergibt. In dieselbe Traditi-
der Goslarer Marktkirche (Rainer Kahsnitz, Romanische Glasfenster onslinie lässt sich auch die Gestaltung der Blattborten einbinden. Vgl.
aus der Marktkirche in Goslar, AK Nürnberg 1975, S. 64–66, Nr. 5). Korn 1967, Abb. 38–40, sowie Korn 1992, S. 38. Auf einige wichtige
76 Andersson 1964, Taf. 54 (Lojsta) und Taf. 33 (Dalhem). Gemeinsamkeiten zwischen den Lohner Propheten und der Farbver-
77 So ergeben sich zwischen dem Goslarer Evangeliar, dem Soester glasung von St. Patrokli in Soest hat Ulf-Dietrich Korn in einem nicht
Kreuzigungsretabel und den Malereien der Hohnekirche durchaus en- publizierten Vortrag beim X. Internationalen Colloquium des CVMA
gere Berührungspunkte, was eine sichere Verortung des Soester Kreu- anlässlich der Ausstellung »Die Zeit der Staufer« hingewiesen; eine
zigungsretabels zwischen Westfalen und Niedersachsen erschwert; s. Kopie des Manuskriptes (»Das Lohner Jesse-Fenster und die Soester
zuletzt Söding 2005, S. 193–195. Andersson 1964, S. 49, verweist im Wandmalerei«) in der Freiburger Arbeitsstelle des CVMA, hier S. 6.
Zusammenhang mit Parallelen zwischen dem Dalhemer Achsenfenster 81 Korn 1992, S. 34–42. Bereits Hermann Schmitz hat die Lohner
und den Malereien in St. Maria zur Höhe in Soest auf die engen wirt- Propheten in unmittelbare Nähe zur Soester Wandmalerei gestellt;
schaftlichen und kulturellen Verbindungen Soests mit Gotland. Schmitz 1913, I, S. 9f.
78 Brüning 1909 (s. Bibl.); Salmen 1942, S. 71–80. In einer verglei- 82 Haseloff 1897, S. 347–349, ders. 1931, S. 7f.; dagegen Kroos 1978,
chenden Gegenüberstellung von Hauptwerken der Spätromanik in S. 310.
und aus Soest, das sie als eigenständiges Kunstzentrum jener Epoche 83 Neben den Wandmalereien in Methler bei Unna, unweit von Soest,
abgrenzt, mit Arbeiten des thüringisch-sächsischen Kunstkreises hebt hat Korn vor allem die Figuren in den Malereien im Hauptchor der
Salmen die Unschärfe des Haseloffschen Stilbegriffs hervor und lehnt Soester Hohnekirche und der Apsis der Nikolaikapelle als »die nächs-
einen thüringisch-sächsischen Einfluss im Soester Kunstschaffen kon- ten und beinahe geschwisterlich Verwandten« der Lohner Propheten
sequent ab; ebd., S. 63–65. Rüdiger Becksmann, in: AK Stuttgart 1977, erkannt; Korn 1992, S. 41.
I, S. 290f., Nr. 414. 84 Die Stellung Soests innerhalb Westfalens, Sachsens und des Nie-
79 Vergleiche den Propheten Jesaias (Jászai 1986, wie Anm. 36, S. 35) derrheins hat zuletzt Söding 2005 in Bezug auf die Genese und Aus-
mit Franziskus (Chor nord II) und Bartholomäus (Chor I). breitung des Zackenstils zu präzisieren versucht.
364 marburg . elisabethkirche
Obschon sich heute aufgrund der großen Verluste keine engeren gattungsimmanenten Verbindungen zur niedersäch-
sischen Glasmalerei mehr aufzeigen lassen, lassen die Stilzusammenhänge mit Werken der Buchmalerei wie der got-
ländischen Glasmalerei letztlich wenig Zweifel an einer niedersächsischen Herkunft der Marburger Fenster. Darüber
hinaus ergeben sich zwischen Marburg und den genannten Beispielen der schwerpunktmäßig zwischen Hildesheim
und Magdeburg anzusiedelnden Buchmalereien derart vielfältige stilistische und ikonographische Berührungspunkte,
dass man geneigt ist, dem thüringischen Landgrafenhaus und dem Deutschen Orden – Konrad trat 1234 in den Orden
in Marburg ein und wurde 1239/40 Hochmeister – bzw. dem politischen Umfeld einen entscheidenden Einfluss bei der
Wahl der künstlerischen Ausstattung zuzuweisen. Im Falle des Elisabethschreins hat Dinkler-von Schubert für
den Hildesheimer Bischof Konrad II. († 1249), einen engen Vertrauten der thüringischen Landgrafen und Sachwalter
des Deutschen Ordens, als Entwerfer des Bildprogramms überzeugende Argumente ins Feld geführt 85.
Niedersachsen, um 1240/50.
Vorbemerkung zum Katalog: Die Untersuchung des in situ vorhandenen Bestandes erfolgte in mehreren Etappen im
Februar/März 2003 sowie im Mai und Oktober 2006. Dabei konnten lediglich die Glasmalereien der unteren Fens-
terreihe begutachtet werden, da die Auflagen des Hessischen Baumanagements keine kostengünstige Stellung eines
Gerüsts erlaubten; für die Dokumentation der Figurenfelder wurden daher die Bestandsaufnahmen von Oidtmann,
Linnich, herangezogen, die in den 1980er-Jahren angefertigt worden waren. Die Aussagen zum Erhaltungszustand
dieser Fenster bleiben auf Wesentliches beschränkt. Bezüglich der Ornamentfenster lagen verwertbare Bestandsauf-
nahmen allein von Linnemann, Frankfurt a.M., aus dem Jahr 1905 vor; in den Erhaltungsschemata sind die Nach-
kriegsrestaurierungen daher nicht berücksichtigt. Die Restaurierungsmaßnahmen von 1903–1905 sind durchgängig
mit Horizontalschraffuren markiert, um davon die nachfolgenden Restaurierungsphasen zu scheiden. Für die Abbil-
dungen im Katalogteil wurde weitgehend auf die qualitativ hochwertigen Kriegsbergungsaufnahmen zurückgegrif-
fen. Die Bestände des Marburger Universitätsmuseums sind vom Verfasser bereits im Oktober 2001 in Augenschein
genommen und fotografiert worden.
Sämtliche Fenster der Dreikonchenanlage besitzen einheitliche Maße: Das lichte Gesamtmaß aller Fenster beträgt
etwa 6,80 m in der Höhe und 1,90 m in der Breite. Die Breite der Lanzetten variiert nur geringfügig von 81,5 bis 83 cm,
lediglich die Fenster süd IV–süd VII besitzen 85 cm breite Bahnen.
Zweibahniges und siebenzeiliges Fenster mit sechs unterschiedlich hohen Rechteckfeldern und großer Sechspassro-
sette im Maßwerk. Die Kreuzigung im Maßwerk befindet sich wahrscheinlich noch an ursprünglicher Stelle, die Hll.
Johannes Baptista und Bartholomäus, deren Oberkörper offenbar erst zu einem späteren Zeitpunkt mit den dar-
überliegenden Architekturfeldern zusammengebleit wurden, könnten dagegen aus einem anderen Fenster stammen
und zusammen mit den vier Feldern eines Genesiszyklus erst von Neidert hierher versetzt worden sein. Anstelle der
Erschaffung der Tiere war vor der Restaurierung von 1903–1905 das heute im Universitätsmuseum ausgestellte Trini-
tätsbild eingeflickt. Die Fenster der Genesiswerkstatt werden an anderer Stelle im Katalog behandelt (s. S. 379–403).
Gesamtaufnahme: CVMA Großdia RT 06/096
3–7a Hl. JOHANNES BAPTISTA Fig. 440f., Abb. 264, 267 menarchitektur und Randstreifen wurden weitgehend ergänzt;
H./B.: 3a–5a: 54/82 cm; 6a: 96/82 cm (ursprünglich zwei Felder gänzlich neu, aber offenbar nach Befund die Baldachinkuppel.
mit 56,5/82 bzw. 39,5/82 cm); 7a: 84/82 cm. Ein Sprungblei durchzieht störend das Gesicht quer über den
Inschriften: Auf einem hinter dem Heiligen verlaufenden Mund. Übermalungen an Gesicht und Füßen. An den violetten,
Schriftband in gotischen Majuskeln: S(AN)C(TV)S / blauen und gelben Farbgläsern sowie am Fleischton verstärkte
Joh(ANN)ES BA(PTISTA); auf dem Clipeus die rings um- Korrosionsbildung. Die Figuren unterhalb der Baldachine sind
laufende Inschrift: [·ECCE AGNVS·] DEI · QVI TOLLIT verloren.
P.(ECCATA) M.(VNDI).
Erhaltung: Größere Partien des blau-weiß gestreiften Ge-
wandes ergänzt, das in Hüfthöhe mit gelbem Glas hinzugefügte 85 Dinkler-von Schubert 1964, S. 161–166.
Schmuckband ist nicht gesichert. Erneuert auch Teile der linken 86 Wentzel 21954, Abb. 26.
Hand, der Schulterbereich und ein Segment des Nimbus. Rah- 87 Haseloff 1907, S. 16.
Ikonographie: Johannes steht in locker ausponderierter Hal-
tung nach rechts und trägt langes, in Strähnen auf die Schultern
herabfallendes Haar und Vollbart. Die reiche Kleidung – ein
locker über dem Schulterbereich gelegter und überwiegend
am Rücken herabfallender gelber Mantel mit grünen Streifen
und rotem Futter, darunter ein weiß gestreiftes blaues Gewand
– befi ndet sich ganz im Widerspruch zur asketischen Lebens-
führung des Heiligen und kann hier nur als himmlische Aus-
zeichnung des Blutzeugen verstanden werden. Hierauf deuten
auch seine Attribute hin: Der Clipeus mit der Darstellung des
kreuztragenden Lammes als Hinweis auf den von Johannes
selbst angekündeten Opfertod Christi (Io 1,36), eine schlan-
ke, an die Schulter gelegte Märtyrerpalme und der zwischen
den Beinen herabhängende Fellzipfel, der an sein in Einfach-
heit gestaltetes Leben erinnert. Um die Stilbesonderheiten der
Marburger Figur zu erfassen, ist ein Vergleich mit dem nur we-
nig früher entstandenen Johannesbild in St. Kunibert in Köln
äußerst aufschlussreich, der gegenüber der kraftvollen und er-
regten Marburger Figur einen recht spannungslosen, um nicht
zu sagen steifen Eindruck erweckt 86 . Johannes Baptista gilt als
wichtigster Heiliger der Franziskaner; aufgrund seiner aske-
tischen Lebensführung wurde er zum typologischen Vorbild
des Hl. Franziskus von Assisi. Der Haarschopf über dem Schei-
tel ist wohl nicht als Reminiszenz auf die Wildheit, sondern als
Zeichen besonderer Würde zu verstehen. So zeigt auch Abra-
ham im Stuttgarter Landgrafenpsalter, des Weiteren ein Lohner
Prophet diese gestalterische Eigentümlichkeit 87.
Komposition, Farbigkeit: Die Rahmenarchitektur ist gegen-
über dem Christus-Maria-Fenster weniger wuchtig ausgebil-
det. Hintereinander gestaffelte, schlanke Säulenpaare stützen in
der vorderen Ebene den mit Knäufen besetzten Kleeblattbogen,
der mit seiner Schindeldeckung als Portal zu einem dahinter-
liegenden Gebäude gedeutet werden soll; von diesem ragt noch
eine oktogonale Turmkuppel mit anliegenden Pultdächern in
die Höhe. Das schlanke Säulenpaar lässt Raum für die weiße
Hintergrundfläche und trägt gegenüber dem Christus-Maria-
Fenster wesentlich zur Formberuhigung der Komposition bei.
Die gelben Rahmenstreifen liegen zwischen breiten farblosen
Schmuckborten. Zusammen mit den blauen Säulenschäften
schaffen sie eine vertikale Farbverspannung zu den horizontal
in gleichen Farben geschichteten Gewand. Der gelb und grün
segmentierte Strahlennimbus greift den dominierenden Farb-
klang des Mantels auf; Rot wird nur zurückhaltend eingesetzt.
Die Beine der Heiligen ragen in die darunter befi ndliche Bal-
dachinbekrönung hinein. Das obere Teilstück der Johannesfi-
gur und das architektonische Zwischenfeld mit Kleeblattbogen
waren wie im Elisabeth- und Christus-Maria-Fenster wohl ur-
sprünglich getrennte Felder, die erst unter Neidert oder Lange
zusammengebleit worden sein dürften. Im Bogenfeld zeigen die
Punktkaros Sternchen an den Kreuzungspunkten, ein Muster,
mit dem die Bartholomäusfigur hinterlegt ist. Die Architek-
turen der beiden Standfiguren sind also damals versehentlich
vertauscht worden.
Technik: Gegenüber dem Christus-Maria-Fenster erscheint die
Modellierung reduzierter: Auf die dort ausgiebig angewandte
Schraffurtechnik wurde verzichtet, die Gewandformulierung
bleibt auf die Anlage eines großzügigen Faltenlineaments be-
schränkt.
CVMA T 6162 (3a), 6164 (4a), 6166 (5a), 6168 (6a), 6170 (7a)
be substantiell sehr gut erhalten, zwei Passlappen besitzen grö- der Körperauffassung des Gekreuzigten wie auch dem Falten-
ßere Ergänzungen. Einige Sprünge. verlauf des Lendentuchs erstaunlich nahe.
Ikonographie: Die Maßwerkrundscheibe zeigt die medaillon- Farbigkeit, Ornament: Die Kreuzigungsszene liegt auf einem
füllende Darstellung Christi am Kreuz. Das Haupt Christi roten, blau gerahmten Grund, dem eine weiße konzentrische
neigt sich schlaff herab, sein langes lockiges Haar fällt in Sträh- Kreislinie eingeschrieben ist. Die rot-blaue Farbpaarung des
nen auf die Schultern. Dem Gekreuzigten ist ein knielanges Mittelbildes setzt sich in den rot-blau alternierenden Farb-
und vergleichsweise breites Lendentuch umgebunden. Aus gründen der Pässe fort. Die Darstellung schließt sich farblich
der Seitenwunde fl ießt Blut. Mit vier Nägeln ist der Erlöser an in ihrer weitgehend auf die Farben Weiß-Gelb sowie Grün-
ein grünes, mit Blattranken verziertes Kreuz genagelt, dessen Blau beschränkten Palette stimmig mit den beiden Heiligenfi-
Längsbalken an beiden Enden bis in die Passlappen hinein ver- guren in den darunter liegenden Lanzetten zusammen. Das an
längert ist. Oben befi ndet sich der Titulus, unten zu Füßen des Schnitzkunst erinnernde Ornament der griechischen Kreuze in
eingekeilten Kreuzstammes der auf die Richtstätte Golgotha den Pässen kommt bereits in den Gerlachusscheiben aus Arn-
hinweisende Schädel Adams. Die Darstellung der vier Kreuze in stein vor, die einer sächsischen Klosterwerkstatt entstammen
den verbleibenden Pässen könnte eine gestalterische Notlösung dürften90 .
sein oder auf die vier Nagelwunden Christi verweisen. Gegen- CVMA T 6174–6186, Großdia T 87/06 (2AB0)
über der die Kreisform ausfüllenden Figur des Gekreuzigten
mussten Maria und Johannes aus Platzmangel im kleineren Fi- 2A, 2B, 3AB BLATTZWICKEL Fig. 440f., Abb. 255
gurenmaßstab wiedergegeben werden. Maria trägt einen Schlei- H./B.: 2A: 90 (bis zur oberen Bleiplombe gemessen)/32 cm; 2B:
er und erscheint ganz in ihren Mantel eingehüllt, den sie mit 90/31,5 cm; 3AB: 20,5/77,5 cm.
der Linken zur Wange führt. In spiegelbildlicher Entsprechung Erhaltung: Mehrere Sprünge in 2A mit geringem Anteil ori-
hebt auch Johannes die rechte Hand an sein in Trauer geneigtes ginaler Gläser. In 2B der gesamte Randstreifen erneuert, Bin-
Haupt. Haseloff 1907 vergleicht die Darstellung mit einem nenfeld intakt. 3AB hat nur ein mittelalterliches Blattstück be-
heute verschollenen Kreuzigungsbild des Halberstädter Dom- wahrt.
gymnasiums, in dem neben allgemeinen Übereinstimmungen Farbigkeit, Ornament, Technik: Sämtliche Blattzwickel zeigen
der Bildkomposition als weitere Besonderheit der abgewinkelte vor einem gelben Hintergrund rote Blütensegmente mit blauem
kleine Finger der Hand, ebenso der auf Golgotha verweisende Blütenstempel; der schmalere obere Zwickel hat lediglich zwei
Totenschädel unter dem Kreuz wiederkehrt. Aber auch das rote Blütenblätter. Die Gläser sind ohne Bemalung.
Kreuzigungsbild auf dem Soester Retabel (Textabb. 15) kommt CVMA T 6173 (2A), 6187 (2B), 6188 (3AB)
CHRISTUS-MARIA-FENSTER CHOR H I Textabb. 14, Fig. 426, 442–444, Abb. 252, 268–272
Zweibahniges und neunzeiliges Fenster mit verschieden hohen Feldern. Die unregelmäßigen Feldermaße erklären sich
aus dem Bemühen um eine störungsfreie Abstimmung der Bildunterteilung mit dem Dargestellten. Die Kopfscheiben
waren ursprünglich geteilt und wurden offenbar erst unmittelbar vor ihrem Versatz in das Achsenfenster zusammen-
gebleit. Das Maßwerk besteht aus einer großen figürlichen Sechspassrosette und drei Zwickeln. Die Farbverglasung
befindet sich noch an ursprünglicher Stelle und ist vergleichsweise gut erhalten.
Gesamtaufnahme: CVMA Großdia RT 06/091
1–4a ECCLESIA Fig. 426, 442, Abb. 268 welche kurz zuvor vom sog. Ecclesiameister geschaffen wor-
H./B.: 1a: 49/82,5 cm; 2a: 64/82,5 cm; 3a: 64,5/82,5 cm; 4a: den war. Den Glasmalern stand offenbar eine vergleichsweise
54/82,5 cm. zuverlässige zeichnerische Vorlage zur Verfügung, denn die
Erhaltung: Substantiell sehr gut erhalten. Im figürlichen Be- Übersetzung zeigt auch jene feinen parallelen Zerrfalten und
reich sind lediglich einige kleinere Gewandstücke, der rechte tiefen Mulden, die sich um den eng gespannten Gürtel abzeich-
Schuh sowie die Krone erneuert. Ausgetauscht wurde auch eine nen. Doch besteht neben den gedrungeneren Proportionen ein
größere Anzahl von Randstreifen in Feld 2a. Im Gesicht der wesentlicher Unterschied in der spiegelbildlich vertauschten
Ecclesia lassen sich die Spuren fortgeschrittener außenseitiger Armhaltung der Figur. Auch erscheint der besondere Reiz der
Verwitterung ablesen, für die sich das Inkarnatglas offenbar sich unter dem dünnen Gewand abzeichnenden Körper in Mar-
als besonders anfällig erweist. Mehrere Sprünge auf Brusthöhe burg stark zurückgenommen, bestenfalls noch in einer vertikal
und am linken Fuß. über das Kleid verlaufenden Mittellinie schüchtern angedeutet.
Ikonographie: Die gekrönte Ecclesia mit Siegesfahne hält in ih- Die Gestaltung der linken Hand stellt einen unbeholfenen Ver-
rer Rechten den Kelch mit dem Blut, das Christus zur Grün- such dar, wie im Vorbild die Anatomie der Hand unter dem
dung des Neuen Bundes mit der Gemeinschaft der Gläubigen Stoff sichtbar werden zu lassen.
(Ecclesia) opferte. Ecclesia wendet sich in Feldherrenpose, wie Komposition, Farbigkeit: Ecclesia grün nimbiert, mit roter Kro-
nach gewonnener Schlacht, der besiegten Synagoge zu, deren ne und langen blonden Locken. Weißer, vor der Brust gekno-
Lanze gebrochen ist. Ihr blondes Haar fällt in Locken auf den teter weißer Feldherrenmantel mit zwei roten Querstreifen und
weißen, rot gestreiften Mantel, der an der Brust geknotet ist. goldenem Saum geschmückt, am Fahnenschaft in gelben und
Darunter trägt sie ein gegürtetes Kleid und ein bodenlanges grünen (Futter) Faltenkaskaden herabfallend. Hochgegürtete
Untergewand. Die Figur geht im Wesentlichen auf die Skulp- Tunika und bis zu den Knien herabhängender gelber Lederrie-
tur am Südquerhausportal des Straßburger Münsters zurück, men. Tunika fein plissiert in hellblauer Farbe mit violetten und
368 marburg . elisabethkirche
weißen Streifenmustern, am Hals goldener, zu den Füßen roter Ikonographie: Synagoge, die Personifikation der Kirche des
Saum. Darunter ein langes, die Füße fast vollständig umhül- Alten Bundes, scheint in ihrer nach rechts gerichteten Kör-
lendes weißes Untergewand. Beide Schuhe ursprünglich gelb. perhaltung zum Abgang bereit, den Kopf im strengen Profi l
Roter Fahnenschaft mit gelbem, lanzenförmig auslaufendem zu Ecclesia gewandt, weniger reumütig wie in Straßburg, wo
Kreuzbesatz. Fahne hellblau. Tabernakelarchitektur aus kräf- ihr Blick scheu zu Boden fällt, sondern aufrecht, als blicke sie
tigen Marmorsäulen mit hohen, mehrfach profi lierten Basen der fallenden Krone nach. Mit einem Tuch sind ihr die Augen
und Blattkapitellen in Kosmatenarbeit reich verziert mit spira- verbunden (Io 12,40), unter dem Stoff zeichnen sie sich aber als
lig nach oben laufenden Bändern zwischen bunt wechselnden geöffnet ab. Die gebrochene Lanze wird nah am Körper gehal-
Farbsegmenten. Auf den Plinthen ein halbrunder weiß-blau ten, Lanzenspitze und Wimpel liegen schon am Haarscheitel
geteilter Bogen, dahinter eine rot durchfensterte Zinnenmauer auf und haben die Krone vom Haupt gestoßen, die im nächsten
mit einem abwechselnd aus gelben und weißen Quadern aufge- Moment zu Boden fallen wird. Der abgewinkelte rechte Arm
mauerten Kuppelrundturm, seitlich davon diagonal abstehende fasst einen blutigen Ziegenkopf an den Hörnern (in Straßburg
Häuschen mit blauen Rundbogenfenstern, grünen Dachziegeln ist es die Gesetzestafel), ein Hinweis auf die von Gott gefor-
und roten Randstreifen. Dächer und Kuppel mit Knäufen ge- derten Brandopfer. Synagoge trägt wie ihr Vorbild keinen Man-
schmückt. tel, allerdings Untergewand und Kleid, das jedoch ausgespro-
CVMA T 6189 (1a), 6191 (2a), 6193 (3a), 6195 (4a), chen reich mit quer verlaufenden Farbbändern geschmückt ist.
Großdias T 87/07 (1a), 87/09 (2a), 87/11 (3a) Ein langer Gürtel umspannt fest die Hüfte, doch zeichnet sich
bis auf das Motiv der vom Stoff umhüllten Füße darunter nicht,
wie in Straßburg, die wohlgeformte Körpergestalt ab91; dafür
greift die Marburger Figur die äußerst anmutige und spiralige
Körperdrehung ihres Vorbildes auf (Kopf nach links, Ober-
körper frontal, Unterkörper nach rechts orientiert), sie erhält
sogar durch das leichte Vorstrecken des Bauches eine laszivere
Note. Allerdings stellt die Synagoge eine weitgehend spiegel-
verkehrte Wiedergabe dar, der die Arme nur bedingt folgen.
Damit liegt ein entscheidender, möglicherweise auch inhaltlich
zu deutender Unterschied zwischen beiden Figurengruppen in
der noch kommunikationswilligen Hinwendung zum Richter
in Straßburg und der endgültigen Abwendung der Synagoge in
Marburg, wobei Letztere von Ecclesia regelrecht zum Abgang
gedrängt zu werden scheint 92 . Die Umstellung der Figuren
wäre demnach ein bedachter Kunstgriff des Programmgestal-
ters in Marburg, um die antithetische Bedeutung der Szene her-
vorzuheben, während sich die Figurenpaare in den benachbar-
ten Fenstern einander zugewandt haben dürften.
Komposition, Farbigkeit, Ornament: Synagoge im hellblauen
Rock mit einem um den Halsausschnitt ungewöhnlich breiten
Saum aus grünem Palmettenstreifen und schmalem Perlband,
der an den Schultern mit roten blattförmigen Epauletten ver-
ziert ist. Vier weitere Farbbänder in Gelb-Rot, Gelb-Weiß,
Rot-Weiß und Weiß-Rot umziehen den knöchellangen Rock,
darunter ein gelbes, beide Füße umhüllendes Untergewand mit
Fig. 442. ES H I, 1-3a/b. M 1:20 grün-rot geteiltem Saum. An den Ärmeln ebenfalls ein grüner
Saum und ein schmaler gelber Streifen93. Ziege violett mit ro-
tem Halsende, Lanze ursprünglich goldgelb, jedoch stark kor-
1–4b SYNAGOGE Fig. 420f., 426, 442, Abb. 268
H./B.: 1b: 48/82,5 cm; 2b: 65/82,5 cm; 3b: 64/82,5 cm; 4b: 91 Die unter dem langen Gewand sich abzeichnenden Füße begegnen
53,5/82,5 cm.
als Motiv in der Glasmalerei auch in Arnsberg (AK Köln 1998, S. 138f.,
Erhaltung: Überwiegend originale Glassubstanz. Geringfügige Nr. 10), ebenso in einer Ritzzeichnung König Ottos mit seinen beiden
Ergänzungen im Brust- und Kniebereich der Figur. Im Taber- Frauen im Magdeburger Domkreuzgang (Mitte 13. Jh.); s. Otto von
nakel sind ein unteres Teilstück der Säule und die beiden Ba- Simson, Das Mittelalter II (Propyläen Kunstgeschichte 6), Frankfurt
senwülste in der Architekturbekrönung erneuert. Ein größeres a.M./Berlin/Wien 1985, Abb. 266.
Stück des Blattrankengrundes im Nacken der Figur ergänzt. 92 Vgl. dagegen die Interpretation von Bierschenk 1991, S. 173, die
Fast vollständig ausgewechselt der äußere Perlbandstreifen. in der Blickrichtung der Synagoge einen Ausdruck für die Versöhnung
Der Vergleich mit dem fotografisch dokumentierten Zustand beider Kirchen erkennen will.
93 Im Mittelalter sollen insbesondere Bänder und Streifen an Ärmeln
der Glasmalereien zur Zeit der Kriegsbergung offenbart die in
oder Schultern einer Frau auf ihre Tätigkeit als Prostituierte hinge-
den letzten Jahrzehnten rapide beschleunigte Verwitterung.
wiesen haben. Schmückende Querstreifen scheinen jedoch, wie die
Gesicht, Hände und Haare der Synagoge sind bis zur Unkennt- Kleidung der Heiligen zeigt, ganz allgemein ein beliebtes Gestaltungs-
lichkeit verbräunt. Überdies sind vor allem grüne, im Bereich mittel der Marburger Werkstatt gewesen zu sein. Vgl. Harry Kühnel,
der Architektur vereinzelt auch blaue und rote Farbgläser mit Bildwörterbuch der Kleidung und Rüstung, Stuttgart 1992 S. 204.
einem dunklen Firnis überzogen, der die Leuchtkraft entschei- 94 Stange 1934, S. 330f.; zum Psalterfragment s. Kroos 1978, S. 300,
dend vermindert. Abb. 16.
rodiert, hellblaue Spitze, das Velum der Lanze rot mit grünen
Perlbandstreifen verziert. Tabernakelarchitektur gegenüber
Ecclesia geringfügig variiert: Die Säulenschäfte zeigen anstelle
der Einsprengsel Marmoradern, die Figur überfängt ein gelb-
hellblau geteilter Rundbogen mit darüber violett durchbro-
chener Wandarkade. Der Rundturm besitzt neben dem großen
Mittelfenster auch kleinere Rundbogenöffnungen und Okuli.
CVMA T 6190 (1b), 6192 (2b), 6194 (3b), 6196 (4b),
Großdias T 87/08 (1b), 87/10 (2b), 87/12 (3b)
5–9b MARIA ALS SPONSA Fig. 426, 443, Abb. 269, 272
H./B.: 5b: 55/82,5 cm; 6b: 54,5/82,5 cm; 7b: 58,5/82,5 cm; 8b:
35,5/82,5 cm; 9b: 81,5/82,5 cm.
Inschrift: Im aufgeschlagenen Buch der Vers aus Sir 24,24 in go-
tischen Majuskeln: EGO ·/ MAT ·/ (ER) PVLC/HRE ·/ DIL-
EC / CIO(N)ISS ·/ (ET) · TIMORIS · (ET) · A(GNITIONIS)
Fig. 444. Die sechs Tage der Schöpfung. Marburg, Elisabethkirche,
/ (ET) · S(AN)C(TA)E · S(PEI). (Ich bin die Mutter der köst-
Chor H I. Niedersachsen, um 1240/50.
lichen Liebe, der Furcht, der Weisheit und der heiligen Hoff-
nung).
Erhaltung: Lediglich geringfügige Ergänzungen in Krone, · SECVNDVS; 2AB2: DIES · TERCI(VS); 2AB3: [DIE]S
Nimbus und Tunika, mehrere Stücke in den Randbereichen der · QVART(VS), 2AB4: DIES · QVINT(VS), 2AB5: [DIES ·
Kopfscheibe erneuert. Auf einem Großteil der Gläser ist ein SEXTVS].
grauer Lacküberzug aufgebracht, der die Leuchtkraft entschei- Erhaltung: Kaum figürliche Ergänzungen. Der ergänzte Mond
dend beeinträchtigt. wurde bei der Restaurierung durch die Charlottenburger Werk-
Ikonographie: Maria steht in streng frontaler Ausrichtung, be- statt fälschlich dem Stilbild der Genesiswerkstatt angeglichen.
kleidet mit einer prächtigen bodenlangen Tunika und einem Einige Sprünge.
über das Haupt gezogenen Maphorion, das die gleiche Farbig- Ikonographie: Die Form des Sechspasses bietet sich für die Dar-
keit wie der gestreifte Mantel besitzt. In den Händen hält sie das stellung der Schöpfung in geradezu idealer Weise an. Im zen-
aufgeschlagene Buch mit dem Zitat aus dem Ecclesiasticus, das tralen Mittelbild thront der Schöpfergott mit zum Segen erho-
einerseits auf die mariologisch gedeutete Prophezeiung Jesaias bener Hand auf einem Bogen, in der anderen Hand hält er ein
von der Wurzel Jesse (Is 11,1) Bezug nimmt, welche als Blüten Spruchband. Die erste Szene des Sechstagewerks zeigt die wohl
die Gaben des Heiligen Geistes hervorbringt, andererseits aber fälschlich mit einem Wolkenkranz ergänzte Scheidung in Licht
auch den Kontext zum Hohelied herstellt, da die entsprechende und Finsternis. Es folgt die Erschaffung des Himmels und die
Textstelle des Ecclesiasticus von der Rede der Weisheit (24,1–22) Trennung der Wasser am zweiten Tag; anstelle des Firmaments
zu deren Lobpreis auf den gleichen Typus sinnlicher Metapho- befi nden sich jedoch aus Blattstücken zusammengesetzte mo-
rik wie das Hohelied zurückgreift, um so die Attraktivität der derne Ergänzungen. Am dritten Tag, der Erschaffung von
Weisheit sinnbildhaft zum Ausdruck zu bringen. Maria hält in Land, Meer und Vegetation, erscheinen die Pflanzen auf dem
ihren Händen die Krone als Aufforderung bereit für jene, die Festland. Der vierte Tag bringt die Gestirne (Sonne, Mond und
ihr in der Tugendhaftigkeit nachfolgen möchten. In inhaltlicher Sterne) zur Scheidung von Nacht und Tag ans Firmament. Am
Entsprechung zur Christusdarstellung werden Maria von einer fünften Tag steigen Vögel über dem mit Fischen belebten Meer
Taube Krone und Zepter gebracht. auf. Schließlich werden Landtiere und Menschen geschaffen.
Komposition, Farbigkeit, Ornament: Die Architekturrahmung Adam liegt nackt wie ein Schlafender auf einer Wiese, seinen
mit gleichem Aufbau wie in der linken Bahn, das lange Unter- Kopf aufgestützt, doch mit weit geöffneten Augen. Unmittel-
gewand Marias verdeckt hier jedoch die Kuppelarchitektur des bar hinter ihm erscheint bereits Eva in Halbfigur, die mit er-
Baldachins zwischen ihren Füßen vollständig. hobener Hand zu Gottvater aufblickt. Der Schöpfer hält dabei
CVMA T 6198 (5b), 6200 (6b), 6202 (7b), 6204 (8b), 6206 (9b)
95 Die mit einem Knauf verzierte Schirmkuppel ist auch in den gotlän-
2AB0–6 DIE SECHS TAGE DER SCHÖPFUNG
Fig. 426, 443f., Abb. 270 dischen Glasmalereien ein bevorzugtes architektonisches Schmuckele-
ment; vgl. etwa die Darbringungsszenen in Eksta und Rone sowie den
Durchmesser 2AB0: ca. 51 cm; H./B. 2AB1–6: je ca. 25/29 cm.
Einzug in Jerusalem in Endre; Andersson 1964, Taf. 59, 57, 37.
Inschriften: Auf dem Schriftband des Schöpfers in gotischen 96 Ein ähnliches Muster begegnet bereits auf dem gravierten Rahmen
Majuskeln CELO(S) ORNAVI MI(HI) · Q(V)OD PLAC(ET) eines Tragaltars aus dem Welfenschatz; vgl. AK Braunschweig 1995, I,
· O(MN)E CREAVI; 2AB0: (ET) F(A)C(TV)M · EST · S. 234f., Nr. D 50.
V(ESPERE ET) · M(ANE) · DI(ES) · VN(VS); 2AB1: DIES 97 Zahlten 1979, S. 116.
chorverglasung 371
Zweibahniges und siebenzeiliges Maßwerkfenster. Die Glasmalereien stammen aus unterschiedlichen Zusammenhän-
gen; sie wurden von Neidert in barocker Zeit zusammengeführt. Hier werden nur die Scheiben aus der Gruppe der
spätromanischen Standfiguren behandelt, die Hll. Elisabeth, Franziskus und »Johannes Evangelista«; während die
Mater misericordiae (1–2a) einen eigenständigen Stil ausbildet (s. S. 420–424), ist die Verglasung des Maßwerks der
Werkstatt des Genesis-Fensters zuzurechnen (s. S. 379–403). Die ursprünglich getrennten Felder mit dem Kopf der
Hl. Elisabeth und der darüberliegenden Architektur wurden von Neidert zusammengebleit. Die Zugehörigkeit der
unterhalb von Elisabeth und »Johannes« befindlichen Architekturbaldachine ist nicht gesichert, da die Randstreifen
hier vollständig erneuert worden sind.
Gesamtaufnahme: CVMA Großdia RT 06/095
2/3b HL. FRANZISKUS VON ASSISI tem und Neuem verläuft entlang der Horizontalen, die durch
Fig. 428, 446, Abb. 273, 277 den Bleiverlauf am linken Oberarm und am Schriftband mar-
H./B.: 2b: 81/82 cm; 3b: 53,5/82 cm. kiert ist und den ursprünglichen unteren Feldrand bezeichnet.
Inschriften: Im Nimbus in gotischen Majuskeln (S · Hintergrund und Rahmenarchitektur, ebenso der Unterkörper
FRA)NCISCVS ·. Auf dem Schriftband in gleicher Schrift des Heiligen in 1b wurden von der Charlottenburger Werk-
INSTI[TVTIO · ORDINIS · TERTIARIORVM]. statt vollständig erneuert. Für die Baldachinarchitektur sind
Erhaltung: Von der Franziskusfigur ist lediglich der Oberkör- nur vereinzelt alte Scherben wiederverwendet worden. Auf den
per mittelalterlichen Ursprungs. Die Schnittlinie zwischen Al- blauen Gläsern zeigt sich ein stellenweiser Verlust der Schwarz-
372 marburg . elisabethkirche
beth-Medaillonfenster ein Gebende und ein bis auf Brusthöhe 4–7b HL. JOHANNES EVANGELISTA(?)
breit herabfallender Witwenschleier. Elisabeths Nimbus fällt Fig. 447, Abb. 274
durch die rote Farbigkeit und die außergewöhnliche Größe aus H./B.: 4b: 54,5/82 cm; 5b: 54,5/82 cm; 6b: 98/82 cm; 7b: 81/83
der Reihe. In der Rechten hält sie das Spruchband, die erhobene cm.
Linke ist wohl Ausdruck von Demut und Dank für die erhaltene Erhaltung: Die Figur stellt eine weitgehende Neuschöpfung
Ehrerweisung, denn ein Engel schwebt von oben herab, um der der Charlottenburger Werkstatt dar, die sich kompositorisch
Heiligen die Krone aufs Haupt zu setzen. Die Zeremonie ruft wiederum eng an die Wiederherstellungsmaßnahme Langes
das Ereignis der posthumen Krönung Elisabeths durch Kaiser anlehnt. Bereits Lange hatte aber bei seiner Restaurierung nur
Friedrich II. am Tag der Erhebung ihrer Gebeine in Marburg (1. mehr wenige originale Gläser zur Verfügung, sodass sich wei-
Mai 1236) in Erinnerung. Im Kontext mit der Krönung Mariens tergehende Rückschlüsse zur ursprünglichen Komposition und
wird Elisabeth an der Seite Christi (vgl. Rekonstruktion) auf Ikonographie der Glasmalerei verbieten. Original sind die vom
eine gemeinsame Ebene mit Maria gehoben und feiert nun, wie Mantel verhüllte rechte Hand, der Buchrücken sowie Hals und
Caesarius von Heisterbach schreibt, »zusammen mit Christus, Füße, allerdings mit nachgezogenen Konturen. Vom Baldachin
den sie wie einen Bräutigam liebte, das himmlische Hochzeits- gehören immerhin die seitlichen Turmspitzen sowie das Flach-
fest«99. Das Schriftband bestätigt schließlich unseren Vorschlag dach des Rechteckturms zum ursprünglichen Bestand. Reste
zur Rekonstruktion des Bildprogramms in diesem Sinne, in des sternförmigen, von Lange offenbar nach Befund erneuerten
welchem sich ihre Liebe zu Christus noch einmal unmissver- Sternennimbus werden heute im Depot des Universitätsmuse-
ständlich ausdrückt. Der Hinweis auf den Schöpfer fand im ums aufbewahrt (vgl. Bierschenk 1991, S. 57, Abb. 36 oben
Maßwerk seine ikonographische Umsetzung. links). Die originalen Inkarnatstücke zeigen fleckige Verwitte-
Komposition, Technik: Die horizontal durchlaufenden Ergän- rungsspuren, der hellblaue Streifen im Mantel fällt farblich aus
zungen zwischen der Kronenspitze und der Engelsfigur sind seiner neu geschaffenen Umgebung heraus.
Indiz dafür, dass die Bogenarchitektur mit den seitlich aufra- Ikonographie: Die Figur ist in eine gestreifte, mit Borten ver-
genden Kapitellen ursprünglich – wie heute noch im Christus- zierte Toga gewickelt. Wie der Apostel Bartholomäus tritt
Maria-Fenster – als Einzelfeld bestand, die Armierung also der Glaubenszeuge durch die Präsentation des Buches für die
unmittelbar über dem Nimbus ansetzte und damit zwischen Wahrheit und Verbreitung der Worte Christi ein. Ein Hinweis
den seitlichen Konsolen »auflag«. Die Mauerzinnen sind mög- auf den Evangelisten Johannes als Autor der Schrift kann aus
licherweise eine moderne Erfi ndung, die sich mit dem Versatz dem Attribut allein nicht abgeleitet werden.
des Fensters in eine neue Umgebung begründen ließe. Dem Komposition, Farbigkeit, Ornament: Farblich steht die Figur
Sinn für tektonische Logik dieser Werkstatt würde es entspre- in ihrer gelben, mit blauen und roten Streifen versehenen Toga
chen, wenn man sich die an den Bogenseiten vorhandenen Ka- dem Apostel Bartholomäus im Chorfenster I nahe.
pitelle mit ursprünglich zu den Seiten der Figur hinablaufenden CVMA T 6090 (4b), 6092 (5b), 6094 (6b), 6096 (7b)
Säulenschäften und Basen vorstellt.
CVMA T 6087 (3a), 6089 (4a), 6091 (5a), 6093 (6a), 6095 (7a)
Die Ornamentverglasung des Maßwerks aus der Werkstatt der spätromanischen Standfiguren sitzt möglicherweise
noch am ursprünglichen Ort. Diese Annahme kollidiert nicht mit unseren Überlegungen zur Rekonstruktion des
Elisabeth-Franziskus-Fensters an dieser Stelle, das nicht zwingend nach einer figürlichen Verglasung auch in den
Maßwerkteilen verlangt. Kompositorisch fügen sich die breiten weiß-blau-weiß geteilten Randstreifen von Lanzet-
ten und Maßwerk ebenso gut zusammen wie die rot-gelbe Schindelung der Turmarchitektur mit dem gleichfarbigen
Blattkranz.
Gesamtaufnahme: CVMA Großdia RT 06/090
2AB1–4 BLATTROSETTE Fig. 448, Abb. 280 Band und dem äußeren Perlband. Gleich gestaltete Zickzack-
H./B. je 53/53 cm. bänder als Bestandteil einer breiten Schmuckborte zeigt auch
Erhaltung: Mehrere ergänzte Blätter im Segment 2AB2, sonst schon das alttestamentliche Moses-Fenster aus dem Arnsteiner
nur vereinzelt erneuerte Blattstücke. In der rechten Medaillon- Westchor (um 1170/80)100 . CVMA T 6076–6079
hälfte ist das Zickzackband vollständig erneuert worden. Stel-
lenweise fleckiges Erscheinungsbild durch vermehrte Korrosi-
98 Demgegenüber will Matthias Werner hierin nur einen nachge-
onsablagerungen auf den gelben Gläsern.
ordneten Aspekt erkennen, »da das Franziskuspatrozinium nach dem
Farbigkeit, Ornament: Um eine gelbe, von einem Perlbandring
Neubau von Kirche und Hospital sehr rasch gegenüber Elisabeth und
umschlossene Blattrosette legen sich vier konzentrisch ange-
Maria zurücktrat«; Matthias Werner, Elisabeth von Thüringen, Fran-
ordnete, abwechselnd rot und gelb gefärbte Blattkränze. Die ziskus von Assisi und Konrad von Marburg, in: AK Eisenach 2007, II,
fünfte Reihe überlagert ein breiter und farblich hiervon abge- S. 109–135, hier S. 134, Anm. 197.
setzter Randstreifen. Er setzt sich zusammen aus einem Zick- 99 Vgl. Anm. 48.
zackband mit eingeschriebenen Lilienspitzen, einem blauen 100 Die Glasgemälde-Slg. des Frhr. vom Stein 2007, S. 23–25, Nr. 1–3.
3AB BLATTZWICKEL Fig. 448, Abb. 280
H. 21,5 cm; B. 78,5 cm.
Erhaltung: Original sind nur noch zwei Blätter der roten Blüte,
doch könnte es sich bei den unbemalten Stücken auch um Flick-
stücke handeln.
Farbigkeit, Ornament: Gegenüber den breiteren, hier allerdings
vollständig erneuerten Seitenzwickeln (vor blauem Grund eine
gelbe Blüte mit rotem Stempel) zeigt der obere Zwickel hiervon
verschiedene rote Blütenblätter auf blauem Grund.
CVMA T 6080
Ein Maßwerkzwickel über dem Okulus, der mit der Werkstatt der spätromanischen Standfiguren verbunden werden
kann, befindet sich vielleicht noch an ursprünglicher Stelle. Neidert versetzte im Zuge seiner Wiederherstellung der
Chorverglasung das Elisabeth-Medaillonfenster mitsamt den beiden seitlichen Figurenzwickeln hierher; deren Be-
handlung erfolgt an entsprechender Stelle im Katalog (s. S. 404–420).
Auch in diesem Chorfenster gibt der wohl noch in situ befindliche Blattkranz des Maßwerks einen Hinweis auf die
Verteilung der Glasmalereien im Chor zur Zeit der Erstausstattung. Die identische Komposition in NORD II deutet
auf eine achsensymmetrische Ausrichtung der Verglasung hin und verlangt wie dort nach einer Gruppe übereinander
angeordneter Standfiguren. Die zugehörigen Zwickel sind vollständig erneuert. Das von Neidert hierher versetzte
Noli-me-tangere-Fenster wird an anderer Stelle im Zusammenhang mit der Zweitausstattung der Ostteile behandelt
(s. S. 438–448).
Zweibahniges und neunzeiliges Lanzettfenster mit Maßwerkokulus. Die beiden Lanzetten sind durch eine vertikal
verlaufende Armierung nochmals unterteilt, der Okulus durch ein Armierungskreuz geviertelt. Der originale Bestand
– 20 Felder in den Lanzetten, acht Felder im Maßwerk – setzt erst mit der fünften Zeile aufwärts ein, alle darunterlie-
genden Felder wurden dagegen von Linnemann neu geschaffen. Vor dieser Restaurierung befand sich das Fenster eine
Position weiter nach Westen gerückt in NORD V.
Gesamtaufnahme: CVMA Großdia RT 06/088
Maßwerk- und Lanzettenverglasung tragen unterschiedliche Handschriften. Formale Zusammenhänge verbinden den
Okulus und die Zwickel mit der Werkstatt der spätromanischen Standfiguren, während das Kreuzornament der Lan-
zetten von der Werkstatt des Genesis-Fensters ausgeführt wurde; Letztere werden an entsprechender Stelle im Katalog
behandelt (s. S. 396f.). Vor der Instandsetzung der Ornamentfenster durch Linnemann saß die Verglasung im Chor-
fenster NORD III, das Maßwerk könnte sich dort vielleicht noch an ursprünglicher Stelle befunden haben.
Gesamtaufnahme: CVMA RT 13451
2A, 2B, 3AB BLATTZWICKEL Fig. 454, Abb. 313 Farbigkeit, Ornament: Über farblosem Grund liegt das Seg-
H./B.: 2A: 88,5/32 cm; 2B: 90/32,5 cm; 3AB: 21,5/85 cm. ment einer Blütenrosette mit blauem Blütenstempel und gelben
Erhaltung: Die beiden seitlichen Zwickel zeigen ungewöhnlich bzw. roten Blütenblättern. Der obere, nicht zugehörige Zwickel
starke Verwitterung. Sämtliche Gläser besitzen eine fleckig – eine halbrunde, blau hinterlegte Blütenrosette – ist entweder
braune, die Lichtdurchlässigkeit empfi ndlich störende Korro- ein Pasticcio oder gehört ursprünglich zu den blau-weißen Or-
sionsschicht. namentrosetten des Fensters süd V oder SÜD IV.
Foto Marburg 22585
In der im Marburger Schloss magazinierten Sammlung des Hessischen Geschichtsvereins fanden sich mehrere Kisten
mit Scherben aus der Elisabethkirche, die von Friedrich Lange im Zuge seiner Instandsetzungsmaßnahmen ausge-
schieden worden waren (Kippenberger 1927). Aus diesem 1925/26 dem Universitätsmuseum überwiesenen Bestand
konnten fünf Ornamentfelder zusammengesetzt und neu verbleit werden, die sich mit der Werkstatt der spätroma-
nischen Standfiguren verbinden lassen.
3. GRISAILLESCHEIBE MIT FLECHTBAND- Erhaltung: Die sicherlich aus vorhandenen Restbeständen neu
ORNAMENT Abb. 351 zusammengebleite Grisaillescheibe besteht vollständig aus al-
H. 92 cm, B. 37,5 cm. ten Gläsern, das Feld dürfte ursprünglich größer gewesen sein.
Inv. Nr. 3014. Durch fortgeschrittene Korrosion stellenweise ins Bräunliche
Erhaltung: Keine Ergänzungen. Das Feld wurde aus vorhan- umschlagendes Erscheinungsbild.
denen Einzelscherben neu zusammengebleit. Stellenweise leicht Farbigkeit, Ornament: Typus H.
beriebene Schwarzlotzeichnung. Einige Sprungbleie. CVMA JJ 12817, Großdia JJ 01/187
Farbigkeit, Ornament: Typus C.
CVMA JJ 12818 19. DEPOTSCHEIBE MIT ORNAMENTRESTEN
Abb. 356
4. GRISAILLESCHEIBE MIT FLECHTBAND- H. 83 cm, B. 54 cm.
ORNAMENT Abb. 350 Nicht inventarisiert. Zusammenstellung verschiedener Orna-
H. 92,5 cm, B. 30,5 cm. ment- und Architekturstücke, die größtenteils aus der Elisa-
Inv. Nr. 3012. Circa vier Dutzend zugehörige Bruchstücke la- bethkirche stammen; lediglich ein Blattgrisaillestück lässt sich
gern im Depot des Museums. mit Haina in Verbindung bringen.
Erhaltung: Ohne Ergänzungen. Außenseitig fortgeschrittene Inschrift: Ein Inschriftfragment aus dem Jungfrauenfenster
Korrosion. Innenseitig hat sich stellenweise eine patinaartige zeigt in gotischen Majuskeln die Buchstabenfolge: CO · V.
bräunliche Schicht gebildet. Mehrere Sprungbleie sowie einige Erhaltung: Sämtliche Fragmente sind nach dekorativen Ge-
Sprünge. sichtspunkten geordnet und auf einen Glasträger aufgeklebt
Farbigkeit, Ornament: Typus D. CVMA JJ 12816 worden.
Komposition, Farbigkeit, Ornament: Reststücke heute verlo-
5. GRISAILLESCHEIBE MIT BLATTGEFÜLLTEM rener Ornamentfenster vom Typus F und G. Das Flechtband-
FLECHTBAND Abb. 349 element mit spitzem Kreuzblatt kehrt fast wörtlich als Hin-
H. 82,5 cm, B. 46,5 cm. tergrundmuster in einem Fenster der Kreuzgangverglasung in
Inv. Nr. 3015. Circa ein Dutzend zugehöriger Scherbenreste Heiligenkreuz bei Wien wieder (süd V)101.
werden im Depot aufbewahrt. CVMA JJ 12832, Großdia JJ 01/201
Erhaltung: An sämtlichen Gläsern außenseitig fortgeschritte-
ner Lochfraß, partielle Verbräunung. Auf der Innenseite liegt 20. SCHERBENRESTE Abb. 356
nahezu flächendeckend ein brauner Überzug auf, der sich stel- Im Depot des Universitätsmuseums werden mehrere kleine
lenweise in Schollen ablöst. Mehrere Sprünge. Kisten mit Scherben aufbewahrt. Hierbei dürfte es sich um den
Farbigkeit, Ornament: Typus E. Im Aufbau verwandt mit dem Rest jener auch von Haseloff 1907, S. 7, erwähnten »mehre-
Grisaillemuster in Fenster nord IV in Haina. ren tausend Bruchstücke« handeln, die sich damals noch in der
CVMA JJ 12815 Sammlung des Hessischen Geschichtsvereins auf dem Schloss
und im Archiv der Elisabethkirche befunden hatten. Da bereits
6. GRISAILLESCHEIBE MIT STILISIERTEN KREUZ- Bierschenk 1991, Abb. 33–59, einen Großteil dieser Frag-
BLÄTTERN Abb. 346 mente in ihrem Werk zu den romanischen Glasmalereien der
H. 62,5 cm, B. 50 cm. Elisabethkirche abgebildet hat, beschränken sich unsere Abbil-
Inv. Nr. 3016. Im Depot des Museums lagern ca. zwei Dutzend dungen im Tafelteil auf ausgewählte Stücke.
Scherben mit identischer Blattzeichnung. Ein aus gleichgestal- CVMA JJ 472 (MF), KB R 128,31, 128,35, 128,53, 128,55, 129,18
teten Scherben zusammengesetztes Feld befand sich im Archiv
der Elisabethkirche. 101 Frodl-Kraft 1972, S. 109, Abb. 310–312.
Zwei Scherben verschiedener Ornamentfenster gelangten 1932 als Geschenk des Glasmalers Franz Rief, Bonn, an das
Darmstädter Museum.
102 Bierschenk 1991 behandelt in ihrer Arbeit in erster Linie den felder nur für den Kirchenneubau geschaffen worden sein, wo sie sich
Jungfrauen- und Genesiszyklus. Obschon sie eine Fülle an Informa- exakt einfügen lassen. Auch der Genesiszyklus erreicht mit hinzuge-
tionen – so z.B. zu den Restaurierungen – bereithält, unterliegen ihre fügten Randborten gleiches Breiten- und Höhenmaß. Ansonsten hätte
Beobachtungen einer selektiven Wahrnehmung. Dabei erweist sich die man anzunehmen, der Architekt der Elisabethkirche habe das Fel-
kategorische Ausklammerung der Ornamentverglasung der Elisabeth- dermaß der Scheiben des Vorgängerbaus seiner gesamten Bauplanung
kirche als methodischer Stolperstein, da durch sie die Einheit von zugrundegelegt. Die von Bierschenk hypothetisch rekonstruierten
Figuren- und Ornamentverglasung der Elisabethkirche evident und Fensteröffnungen der ersten Grabeskirche wären für einen Bau von
die Zweitverwertungshypothese Bierschenks hinfällig geworden dieser bescheidenen Größe überdies unverhältnismäßig mächtig aus-
wäre. So schließt die Autorin im Kapitel über die »Fensterrosen der gefallen.
Elisabethkirche im Hinblick auf eine Rekonstruktion nicht mehr er- 104 Obwohl die Hintergründe der beiden roten Felder zu großen Tei-
haltener Figurenfenster« (S. 74f.) die gleichfalls von der Genesiswerk- len erneuert wurden, muss schon aufgrund der Farbwahl der Figuren
statt ausgeführten Maßwerkfüllungen (vgl. die Rosette in Chor nord – Adam und Eva tragen blaue Gewänder – ein ursprünglich blauer Hin-
II), die nur für die Elisabethkirche angefertigt worden sein können tergrund ausgeschlossen werden; auch ein zeilenweiser Farbwechsel im
und höchstwahrscheinlich zum Genesisfenster gehörten, aus ihrer Genesisfenster kommt nicht in Frage, da sich in den Schöpfungsszenen
Untersuchung gänzlich aus. des dritten und vierten Tages zwei aufeinanderfolgende blaugrundige
103 Schon aufgrund ihrer Maße von 90 x 82 cm können die Jungfrauen- Felder erhalten haben.
380 marburg . elisabethkirche
Fig. 458. Erschaffung der gefiederten Tiere. Marburg, Elisabethkirche, Chor I, 1a. Niedersachsen, um 1245/50. – Kat. S. 391.
Da nun die hieran anschließende Opferung von Kain und Abel wiederum vor blauem Grund liegt, kann diese nur
Bestandteil eines zweiten Fensters gewesen sein. In welchem Kontext mag diese Opferdarstellung eingebettet gewesen
sein? Grundsätzlich sind zwei Varianten vorstellbar: Entweder war die Genesisgeschichte als historisch fortlaufende
Erzählung angelegt, die möglicherweise in den neutestamentlichen Ereignissen mündete (Arche Noah, Joachim und
Anna, Kindheit Mariens), oder die Opferszene war Teil eines didaktisch-argumentativen Bildprogramms, wie es etwa
in dem um 1260/70 entstandenen Chorachsenfenster des Meißener Doms entwickelt vorliegt (Fig. 459)105. Dort sind in
drei Bahnen die Vita Christi, eine Wurzel Jesse und alttestamentliche Opferszenen miteinander verschränkt. Der Op-
ferstrang beginnt mit dem Erstlingsopfer von Kain und Abel und kulminiert in der Hostienelevatio. Dem Programm
liegt die Idee der Heilsgeschichte als Einheit von Altem und Neuem Testament zugrunde. Der in der Kommunion
gefeierte Opfertod Christi – das Fenster befindet sich unmittelbar hinter dem Zelebrationsaltar – ist Bedingung für
die Erlösung der Menschheit nach dem Sündenfall, auf welchen noch einmal durch den Rückbezug auf das Opfer
von Kain und Abel hingewiesen wird. Eine ähnliche Thematik ist in den bereits erwähnten Südquerhausrosen des
Straßburger Münsters mit den Opferbildern des Alten und Neuen Testaments formuliert, die verkürzt in den Allego-
die erstausstattung der südkonche 381
107 Es sei lediglich am Rande vermerkt, dass diese Epochenteilung auf ren entwickelt worden sei und hierunter auch die joachimitische Lehre
das damals aktuelle Geschichtsverständnis Joachims von Fiore (um subsumiert, die jedoch auf dem Laterankonzil 1213–1215 nicht verur-
1130–1202) fußen könnte, das er in seiner Concordia novi ac veteris teilt worden war. Hierzu LThK, V, 1960, Sp. 975f. (Josef Ratzinger).
testamenti entwickelt hatte und in welchem er die Welt in drei, mit den 108 Auch die im Obergaden des Straßburger Münsters tätigen Glas-
Personen der Trinität verbundene Epochen teilt: So steht Gottvater für maler greifen fast durchweg auf eine solche Lösung mit doppelten
das Zeitalter des Alten Testaments, Christus für das kirchliche Zeital- Randborten zurück, um damit die verbleibende Fläche zwischen den
ter, worauf schließlich das Zeitalter des Heiligen Geistes anhebt. Der schlanken Standfiguren und den Fensterrahmen zu füllen; vgl. die
Beginn dieser von der intelligentia spiritualis erleuchteten Zeit wurde Standfigurenfenster SÜD II–V und NORD I–V; CVMA France IX,1,
gemeinhin mit dem Auftreten der Franziskaner und ihrem karitativen 1986, S. 285–461. – Denkbar wäre allenfalls, dass die Figurenvorlagen
Wirken in Verbindung gebracht. Die Zugehörigkeit des Trinitätsbildes einem mehrteiligen, für große Rundbogenöffnungen entwickelten
könnte eine solche Deutung stützen. Im Zusammenhang mit der Re- Bildkonzept entnommen wurden, in dem den Jungfrauen wie in Bü-
konstruktion eines Bildprogramms für den Vorgängerbau der Elisa- cken eine das Hauptprogramm lediglich begleitende Funktion zukam.
bethkirche hatte Bierschenk 1991, S. 152–160, die Frage aufgeworfen, 109 Demus 1968, Farbtaf. 29f.
ob der Bildzyklus im Hinblick auf die Bekämpfung ketzerischer Leh-
die erstausstattung der südkonche 383
dort den züchtig gekleideten Klugen die Törichten Jungfrauen mit betont lasziven Gewändern gegenübergestellt sind,
stattdessen tragen hier beide Gruppen unterschiedslos festliche und mit Borten reich verzierte Kleidung109. Lediglich
die an die Pforte klopfende, sicher einstmals in 5b sitzende Gestalt hat sich ihres Mantels bereits entledigt und erinnert
eben darin an die entsprechende Figur in Hocheppan.
Die szenischen Darstellungen des Genesis-Fensters nutzen demgegenüber fast die gesamte verfügbare Fläche, sodass am
Rand nur ein schmaler, ursprünglich wohl farbloser Streifen als Abschluss bleibt. Die unterschiedlichen Farbgründe
– in den Schöpfungsszenen und dem Erstlingsopfer ein dichter blauer, im Verlauf auf die Form der Zwischenräume
abgestimmter Rankenteppich, in den Bildern des Sündenfalls ein unbemalter roter Grund – erschließen einen nach
Bahnen und Inhalten gegliederten Farbwechsel. Zur Schöpfungsreihe wird man auch die Trinitätsdarstellung zäh-
len dürfen. Dann allerdings wäre der Grund aus blauen Rosetten nicht ursprünglich zugehörig und erst von Neidert
aus anderen Zusammenhängen wiederverwendet worden, um die Kopfscheibe zur Rechteckform zu ergänzen. In der
rekonstruierten Anordnung der Genesisfelder ergibt sich wiederum ein antithetischer Aufbau der Erzählung, wie er
auch dem Jungfrauenfenster zugrunde liegt. So zeigen sämtliche Felder der linken Bahn die nimbierte Schöpferfigur,
während die rechte Bahn dem Fall der Menschheit als moralischem Lehrstück gewidmet ist. Die zweigeteilte Fenster-
form scheint also eine bipolare Ausrichtung der Bildprogramme befördert zu haben. Die Genesisbilder bieten einen kla-
ren Bildaufbau, sie sind einfach, häufig achsensymmetrisch komponiert, indem jeweils nur ein bis zwei Hauptdarsteller
in vorderer Ebene auftreten und in streng stilisierte Naturformen eingebettet sind. Neben der Einfachheit der Zeich-
nung tragen die Farbigkeit und die weitgehende Vermeidung von Formüberschneidungen zur plakativen Wirkung der
Szenen bei. Alle Gegenstände, Faltenknäuel, Blattformen und Bodenschollen gewinnen hier ein ornamentales Eigen-
leben, wobei die Bildanlage ganz der Fläche verhaftet bleibt. Der Ornamentcharakter der Bilder beruht teils auf der Fül-
le an phantastischer Vegetation, teils auch auf dem lebhaften Kontrast der Farbzusammenstellungen. So tragen die vor
Rot gesetzten Figuren in der Szene mit Adam und Eva bei der Arbeit hell- und dunkelblaue Fellkleider, die Baumkronen
sind in kräftigem Gelb-Grün und Blau-Weiß gehalten. Entsprechend wurde in den blaugrundigen Darstellungen, wie
dem Erstlingsopfer, zu leuchtend roten Gewändern gegriffen. Die bevorzugte Farbpaarung ist hier ein Rot-Weiß-Ak-
kord, wie er für die Kleidung des Schöpfers zur Anwendung gelangt. Als Inkarnatton wurde neben farblosem Glas auch
ein rosafarbenes, heute jedoch ins Bräunliche verwitterte Glas eingesetzt, die Haare sind bevorzugt hellviolett getönt.
Fig. 461. Kluge Jungfrau. Marburg, Universitätsmuseum, Nr. 9. Fig. 462. Sündenfall. Marburg, Elisabethkirche, Chor I, 2b.
Niedersachsen, um 1245/50. – Kat. S. 401 Niedersachsen, um 1245/50. – Kat. S. 392.
384 marburg . elisabethkirche
Fig. 463. Das Opfer Abels (Ausschnitt). Marburg, Universitätsmuseum, Nr. 8. Fig. 464. Törichte Jungfrau. Marburg, Universi-
Niedersachsen, um 1245/50. – Kat. S. 400f. tätsmuseum, Nr. 13. Niedersachsen, um 1245/50.
Kat. S. 402f.
Die Ornamentfenster. Mit den Figurenscheiben der Genesiswerkstatt können aufgrund übereinstimmender formaler
und stilistischer Merkmale drei Ornamentfenster verbunden werden. Die beiden Mäanderfenster in süd V und SÜD
VI sowie das Kreuzfenster in süd III lassen hinsichtlich ihrer Glasbeschaffenheit, der Technik des Schwarzlotauftrags
und des gleichartigen Musterkataloges keinen Zweifel an der Zusammengehörigkeit mit dem Schöpfungs- und Jung-
frauenzyklus. Ein gemeinsames Merkmal dieser Gruppe ist die strenge geometrische Grundstruktur der Muster. Die
vegetabilen Bestandteile treten vor den klaren Grundformen aus eckig gefalteten Bändern in den Hintergrund. Farb-
lich bleiben neben Weiß als Grundbestandteil vor allem rote und blaue Töne bestimmend.
Obschon nicht von gleicher Hand, so bestehen offenbar engere Beziehungen zu einer zweiten Gruppe von Orna-
mentfenstern, die sich im Chor der Marburger Elisabethkirche erhalten haben: Die Fenster nord III, süd III und SÜD
IV, die möglicherweise von Anfang an für den Chor bestimmt waren, heben sich trotz wiederkehrender Einzelmotive
von der ersten Gruppe durch den vermehrten Einsatz der Radier- und Schraffurtechnik ab; im Kolorit begegnen ver-
mehrt Gelb- und Grünanteile, und auch die Felderteilung ist unterschiedlich. Da ihre Zugehörigkeit zur Werkstatt der
spätromanischen Standfiguren aber ausgeschlossen werden kann, erfolgt die Behandlung hier unter den sicher mit der
Genesiswerkstatt zu verbindenden Glasmalereien (Typus M, N, O).
Kreuzfenster mit Blattquadraten, Chor süd IV (Ornament Typus I; Fig. 468): Auf einem Grund aus weißen Palmet-
tenblättern liegt ein Kassettenmotiv aus gestapelten Quadraten, die von roten Bändern geformt werden; in ihre Mitte
nehmen sie ein violettes griechisches Kreuz auf. Die Ecken des Quadrates sind wiederum mit kleinen Blattquadra-
ten, bestehend aus gelben Blättern mit blauen Perlbandrahmen, besetzt, zwischen den roten Bändern und den blauen
Seitenstreifen verlaufen mit Blättern gemusterte gelbe Zickzackbänder mit rot gestreiften Spitzen. Die breite weiße
Randborte bildet einen Rapport aus schaufelartigen Blättern mit fadendünnen Fortsätzen aus, welche fünfblättrige
Blütenrosetten tragen.
Mäanderfenster mit roten Bändern, Chor süd V (Ornament Typus K; Fig. 465): Über einem Grund aus blauen Blatt-
quadraten verlaufen zwei weiße, parallel nebeneinanderliegende Mäanderbänder, in der Mitte getrennt von einem ver-
tikal verlaufenden roten Band. Breite Randstreifen aus S-förmig ineinander verschlungenen Ranken mit stacheligem
Fruchtbesatz schließen die Komposition zu den Seiten hin ab. Das Mäanderband selbst trägt ein OIO-förmiges Mu-
ster, das an die Bohrmuster von Beinschnitzarbeiten erinnert. Die nur einen Teil des Bandes bedeckende Musterung
und die diagonalen Schnittkanten an den Knicken suggerieren einen räumlichen Mäanderverlauf. Die vertikal durch-
laufenden roten Bänder begegnen als Gliederungselement noch einmal im Jungfrauenfenster.
die erstausstattung der südkonche 385
Mäanderfenster mit eingestreuten roten Blüten, Chor SÜD VI (Ornament Typus L): Gegenüber dem Mäanderfenster
mit roten Bändern wird hier ein komplizierterer Bandverlauf aus einer übereinandergestapelten T-Form entwickelt,
die sich je nach Blickweise vexierbildartig zur linken oder zur rechten Seite hin öffnet. Zwischen den blau hinterlegten
Bändern sind fünfblättrige rote Blüten mit gelben Stempeln eingestreut, ein schmaler gelber und ein in der Muste-
rung der Mäanderbänder gehaltener Randstreifen fassen die in den Kopfscheiben ungestört weiterlaufenden Mäander
ein. Schäfer und Haseloff haben im Zusammenhang mit den Genesisscheiben auf dieses Mäanderfenster in der
Südkonche hingewiesen, seitdem wird es – zuletzt noch von den Restauratoren der 1980er-Jahre – fälschlich für eine
Neuschöpfung des 19. Jahrhunderts gehalten110 .
Fenster mit Blattrosetten, Chor nord III (Ornament Typus M): Ein Rapport aus ineinander verketteten Blattkreisen,
die als Gelenkstücke alternierend rote fünfblättrige Blütenrosetten mit gelbem Stempel und blaue stehende Blattqua-
drate tragen. Hieraus wachsen in der Vertikalen kleinere Blattpaare, die ein gelbes Blatt umschließen. Aus den seit-
lichen gelben Perlbändern stehen abwechselnd grüne und gelbe Blattpalmetten mit gespreiztem Stiel zur Mitte hin ab.
Der Fond ist rot, lediglich die roten Blütenrosetten sind blau hinterlegt. Die breite, von einem SOS-Band nach außen
umgrenzte Palmettenborte setzt sich aus weißen gelappten Blättern zwischen roten und blauen, auf gegenläufigem
Farbgrund liegenden Stielblättern zusammen.
Fenster mit herzförmigen Ranken, Chor süd III (Ornament Typus N; Fig. 467): Vor rotem Grund wächst eine Wein-
ranke auf und bildet herzförmige, blau gefüllte Medaillons aus. Die kräftigen Ranken schlängeln sich ineinander und
formen jeweils unterhalb der geschlossenen Form volutenartige Seitentriebe mit stilisierten, aus gelben Farbpunkten
hervorwachsenden Palmetten aus, während in die blau hinterlegten Medaillons gegenläufig ineinander verschlungene
oder durch gelbe Manschetten zusammengehaltene Ranken hineinwachsen. An dünnen Stielen hängen seitlich grüne
Trauben herab. Die Komposition wird von einer breiten Blattborte zwischen gelben Streifen eingefasst. Auf blau-
em Grund werden geschneckte Blattpaare von einer Perlbandmanschette zusammengehalten, dazwischen liegen rote
Stielblätter. Im Hinblick auf die technische Verfahrensweise der Herstellung fällt die gestalterisch sehr unregelmäßige
Bildung der Weinranken auf, lediglich bahnweise herrscht eine weitgehende Übereinstimmung der Muster, wenn auch
nicht bis in die Detailformen hinein. So bildet das Ornament in vertikaler Richtung keinen Rapport aus, der sich auf
die Verwendung eines Kartons zurückführen ließe. Gegenüber der rechten Bahn tendiert die zeichnerische Anlage
links zur Vereinfachung; in den herzförmigen Medaillons treten hier großflächige Blattformationen auf und verdrän-
gen entsprechend den blauen Hintergrund.
Fenster mit weißen Blattquadraten, Chor SÜD IV (Ornament Typus O): Die Vertikalarmierung teilt jede Lanzette
nochmals in zwei Teile, das Muster läuft über diese jedoch ungestört hinweg. Das Ornament setzt sich aus einem brei-
ten und von bunten Palmettenborten gesäumten Grisailleteppich aus Blattquadraten zusammen. Die vierpassförmigen
Blattgebilde selbst bestehen aus je vier gleich gestalteten linsenförmigen Grundelementen mit eingeflochtenen stilisier-
ten Lilienblättern, die sich je nach Sichtweise mit den vertikal und horizontal anliegenden Blättern zu Blattquadraten
zusammenschließen; zwischen diesen liegen blaue, zur Mitte hin gelbe und nach außen rote Kreuzblattkaros. Die
Palmettenborte besteht aus wellenförmig angeordneten Einzelblättern, die abwechselnd blaue, grüne, rote und gelbe
Farben zeigen.
Reste zweier Blankverglasungen, Chor NORD III und süd III (Ornamente Typus P und Typus R): Im Maßwerk des
Fensters süd III hat sich ein kleinteiliges Teppichmuster aus blauen und roten Blütenrosetten mit gelben Blütenstem-
peln und weißen Punkten an den Schnittstellen erhalten. Im Okulus wird der Teppich von einem geflochtenen Kranz
aus gelben und roten Bändern umschlossen. Damit verwandt ist das Ornament im Maßwerk des Chorfensters NORD
III, das ein rotes, wechselweise mit grünen und gelben Gläsern gefülltes Gitter mit weißen Punkten an den Schnittstel-
len zeigt; um das Ganze ist im Okulus ein zahnschnittförmiger blau-weißer Reifen gespannt. Ob auch die Lanzetten
mit entsprechenden Mustern gefüllt waren, muss offenbleiben. Diese ungewöhnliche Form der Blankverglasung lässt
sich ein weiteres Mal im Langhaus der Oberkirche von San Francesco in Assisi nachweisen, die vielleicht ein Überrest
der vor 1253 erfolgten Erstverglasung der Kirche darstellt111.
110 Schäfer 1873, S. 89, Nr. 89; Haseloff 1907, S. 7. – Ein weitgehend als Rahmenform in der Merseburger Bibel vom Ende des 12. Jh.; Dod-
identisches Mäandermuster umzieht die Apsis von St. Peter und Paul well 1993, S. 288, Abb. 288.
in Niederzell als Sockelband (um 1120/30); Demus 1968, Taf. 195. Falt- 111 Martin, Zackenstil, 1997, S. 274 mit Abb. 147 und Fig. 101 (Zeich-
bänder mit eingestreuten Blüten fi nden sich schon in karolingischer nung von Johann A. Ramboux). Ein ähnliches Muster kommt ein wei-
Zeit im Bogen einer Kanontafel des Lorscher Evangeliars, später auch teres Mal als Rahmenmotiv im benachbarten Fenster A–II vor.
386 marburg . elisabethkirche
Fig. 465. Mäanderornament. Marburg, Elisabethkirche, Chor s V. Fig. 466–468. Flechtwerkornament. Marburg, Univer-
Kat. S. 398f. sitätsmuseum, Nr. 17. – Kat. S. 403 / Palmrankenorna-
ment. Marburg, Elisabethkirche, Chor s III. – Kat.
S. 395f. / Kassettenornament mit Kreuzen. Marburg,
Elisabethkirche, Chor s IV. – Kat. S. 396f.
die erstausstattung der südkonche 387
Reste eines Ornamentfensters(?): Es handelt sich um Scherbenreste von pilzförmigen Rosetten zwischen blauen Blatt-
zwickeln (Marburg, Universitätsmuseum, Nr. 19), die möglicherweise einem weiteren Ornamentfenster dieser Werk-
gruppe zugeordnet werden können. Sie sind gemeinsam mit anderen Bruchstücken ornamentaler Glasmalerei auf
einen modernen Glasträger aufgeklebt.
Kopfscheibe mit Flechtbandornamentik (Ornament Typus S; Fig. 466): Die durch eine Vertikalarmierung zweigeteilte
Kopfscheibe wird museal präsentiert (Marburg, Universitätsmuseum, Nr. 17). Die farbige Blankverglasung setzt sich
aus zwischen diagonalen Bändern eingeflochtenen und tangential sich berührenden Kreisen zusammen. Verwandte
Muster begegnen im Flechtbandfenster III der Zisterzienserklosterkirche in Obazine (Corrèze), dort allerdings mit
untereinander kettenförmig verflochtenen Kreisen, ebenso im Schmuckfußboden der Abteikirche zu Pontigny112 . Die
farbliche wie materielle Qualität der Farbgläser lässt auf eine Herkunft der Stücke aus der Werkstatt des Genesis-
Fensters schließen. Möglicherweise handelt es sich um Reste jener weitgehend durch Neuschöpfungen verdrängten
(provisorischen) Erstverglasung der oberen Fensterreihe in der Südkonche. Eine Teilung der Lanzetten durch vertikal
verlaufende Eisen ist heute noch in den Chorfenstern NORD IV und SÜD IV zu sehen. Dies könnte in Marburg
ein ursprünglich an romanischen Fensteröffnungen erprobtes Charakteristikum darstellen, das zunächst an weiteren
Ornamentfenstern der Erstausstattung zur Anwendung gelangte, bevor man sich von dieser altertümlichen Praxis
endgültig verabschiedete. In diesem Zusammenhang verdient eine weitere, lediglich zeichnerisch überlieferte Flecht-
bandgrisaille mit verwandtem Muster erwähnt zu werden, die mit dem ca. 80 cm breiten Feldern vielleicht eine weitere,
heute jedoch verlorene Blankverglasung der Elisabethkirche darstellte (Schäfer/Rossteuscher 1885, Taf. 23).
Technik, Stil, Datierung: Die Glasmalereien der Genesiswerkstatt fallen durch ein ungewöhnliches Stilbild auf,
das im Hinblick auf die in Deutschland erhaltenen spätromanischen Glasmalereien isoliert dasteht. Der Meister des
Genesis-Fensters kreiert untersetzte, fast derb charakterisierte Typen mit mächtigen Füßen, breiten Gesichtern und
schweren Kinnpartien. In den Gesichtern mit den großen Nasen und tief gefurchten Nasenwurzeln sowie den dunklen
Augenbrauen schlägt ein südländischer Charakter durch, doch nehmen die Figuren im Gegensatz dazu eine emotio-
nal reglose Grundhaltung ein. Bei genauerem Hinsehen lassen sich einige gestalterische und technische Unterschiede
zum Figurenstil des Jungfrauenfensters ausmachen. Trotz grundsätzlicher Verwandtschaft besitzen die Jungfrauen
elegantere und gestrecktere Proportionen, sie wirken feinsinniger und sind durch einen vielleicht bildthematisch be-
dingten, stärkeren emotionalen Ausdruck charakterisiert. Doch gehen diese Beobachtungen einher mit einer mal-
technisch differenzierteren Ausführung der Felder. Der Maler definiert hier Mantel und Untergewand mit einigen
kräftigen Faltenstrichen und langen, hauchdünn auslaufenden Strichbündeln; dabei wird den Faltentälern mittels au-
ßenseitigen Schwarzlotauftrags eine größere Plastizität verliehen. Die dünnen und straff um die schlanken Körper
gelegten Gewandstoffe sind auf beiden Seiten als feines Liniengeflecht angelegt (s. Marburg, Universitätsmuseum, Nr.
12). Dies gilt auch für den nur auf den ersten Blick flächig wirkenden Halb- oder Wasserton in den Inkarnatpartien, der
aus fadendünnen, häufig außenseitig aufgetragenen Linien besteht. Gegenüber dieser insgesamt strengen und ernsteren
Bildauffassung erweist sich der Maler der Genesisbilder als vielleicht jüngerer Mitarbeiter, der sich zwar grundsätzlich
an sein Vorbild anlehnt, doch statt akribischer Feinarbeit eine aufgelockerte, teils schmierige Pinselführung bevor-
zugt. So emanzipiert sich bei ihm auch der Faltenverlauf der Gewänder vom Körper, die ein stärkeres ornamentales
Eigenleben besitzen. Gerade im Trinitätsbild wird die Entwicklung hin zu einer Verselbstständigung des Gewandes
gegenüber dem straff und stimmig angelegten Faltensystem der Jungfrauengruppe augenfällig. Zwar nutzt auch der
Maler der Genesisscheiben weiterhin die Technik des außenseitigen Schattenauftrags, doch besteht dieser nur mehr
aus flächigen Überzügen, aus denen die Lichter lediglich herausradiert sind.
In der Buchmalerei sind die Parallelen zu unserer Fenstergruppe bezeichnenderweise gerade dort am überzeugends-
ten, wo die Übersetzung der byzantinischen Vorlagen in eine westlich geprägte Formensprache nur eingeschränkt
erfolgte. Zum einen sei hier auf das Bild einer thronenden Madonna mit Kind aus einem Psalter der Hamburger
Staatsbibliothek hingewiesen, das bereits Haseloff zum Vergleich herangezogen hatte (Fig. 469)113. Diese um 1220 im
thüringisch-sächsischen Raum entstandene Arbeit hat in dem runden Gesicht der Muttergottes und dem dunklen Aus-
druck noch einen byzantinischen Grundcharakter bewahrt. Im Faltensystem herrscht dagegen jener überzeichnete
112 Weitere Beispiele ähnlicher geometrischer Blankverglasungen der 113 Haseloff 1907, S. 16.
Zisterzienser bei Scholz 1999.
388 marburg . elisabethkirche
114 Braun-Niehr 2005, s. z.B. Taf. 22 (53v). Goslarer Geburtsmedaillon befi ndet (frühes 13. Jh.), als Randborte
115 Bierschenk 1991, S. 105, 126, Abb. 167. bereits in den Arnsteiner Fenstern (um 1170/80), die jüngsten Über-
116 Haseloff 1897, S. 326 –329; Kroos 1964, S. 108f. legungen zufolge gleichfalls von einem in Sachsen tätigen Glasmaler
117 Wolter-von dem Knesebeck 2002, Abb. 26. ausgeführt wurden; s. Die Glasgemälde-Sammlung des Freiherrn vom
118 Maercker 1967; zuletzt AK Braunschweig 1995, I, S. 496f., G 16 Stein 2007, S. 23–39, Kat. Nr. 1–5 (Daniel Parello).
(Monika Böning). 120 Drachenberg/Maercker/Schmidt 1976, S. 3–34, 75–80.
119 Hinzuweisen ist ferner auch auf das anscheinend in der Glasma- 121 Bierschenk 1991, S. 95–99, 113, 125f.
lerei Sachsens häufiger vorkommende, womöglich aus der Beinschnit- 122 Otto Demus, Der sächsische »Zackenstil« und Venedig, in: Kunst
zerei abzuleitende Bohrmustermotiv auf den Faltbändern des Orna- des Mittelalters in Sachsen. FS Wolf Schubert, hrsg. von Elisabeth
mentfensters süd V, das sich auch als Zier auf der Krippe Christi im Hütter u.a., Weimar 1963, S. 307–310, hier S. 307 (Zitat). Belting
die erstausstattung der südkonche 389
Fig. 470. Apostel. Stuttgart, Württembergische Landes- Fig. 471. Erschaffung der Meere und Gestirne. Marburg, Elisabethkirche,
bibliothek, Cod. Don. 309, HB. II. 24, fol. 25v. Chor I, 1b. Niedersachsen, um 1245/50. – Kat. S. 391.
Niedersachsen, 1208/13.
Cappella Palatina in Palermo, die sich bei den Schöpfungsscheiben von der Komposition über die Ikonographie bis hin
zur Verwandtschaft des Stilbildes erstrecken, im Detail herausgearbeitet und dabei an die Möglichkeit der indirekten
Vermittlung solcher Vorlagen über englische und französische Handschriften gedacht121. Diese Zusammenhänge rü-
cken die bereits von Demus und zuletzt wieder von Wolter-von dem Knesebeck gestellte Frage in den Vordergrund,
»ob die Anregung zur Entwicklung des Zackenstils nicht durch ein Medium vermittelt worden sein könnte, durch
das die byzantinischen Formen bereits umgewandelt und im Sinne der westlichen Entwicklung vorgeformt worden
sind«, da der Zackenstil sich aus der unmittelbaren Auseinandersetzung mit byzantinischer Kunst nur schwerlich
erklären lässt122 . Während Demus an die Ausstrahlungskraft venezianischer Mosaiken dachte, glaubt Wolter-von
dem Knesebeck diese Entwicklung auf englische und nordfranzösische Anregungen zurückführen zu können, die
ihrerseits byzantinische Vorlagen verarbeitet haben123. Für den westlichen Einfluss sprächen Beobachtungen Braun-
Niehrs etwa bezüglich der Ornamentik im Brandenburger Evangelistar, die ohne die Ausstrahlung des sog. Channel
Style – eine Bezeichnung für eine Gruppe von Handschriften beidseits des Ärmelkanals in Südengland und Nord-
frankreich – kaum denkbar sind124. Tatsächlich gehören Randleisten aus plastisch gebildeten Blattwellen, Oktopusran-
ken in Initialen oder stilisierte, aus Einzelblättern zusammengesetzte Bäume ebenso wie Blattkarogründe, die allesamt
für die Werkstatt des Genesis-Fensters charakteristisch sind, zum Grundrepertoire dieser Handschriftengruppe125.
1978, S. 232f., denkt dagegen im Zusammenhang mit dem Auftreten des 125 Der Canterbury-Psalter in Paris bietet Vergleichsmöglichkeiten
Zackenstils an die vermehrte Präsenz byzantinischer Kunst in Sachsen hinsichtlich der Vorliebe für quadratische Bildkompositionen oder
infolge der Eroberung Konstantinopels im Jahr 1204. Im Jahr darauf der Figurenauffassung, so etwa auf Blatt 3v, das die Wunderheilungen
wird in Halberstadt der feierliche Adventus reliquiarum de Grecia ge- Christi zum Inhalt hat. In einigen Charakteristika, wie der schwe-
feiert, einer von Bischof Konrad mitgebrachten Reliquiensammlung. benden Haltung oder den groß ausgebildeten Füßen Christi, scheint
123 Wolter-von dem Knesebeck 2001, S. 316f. hier der Schöpfergott des Genesiszyklus vorweggenommen. Die stark
124 Braun-Niehr 2005, S. 90f. Englische und französische Einflüs- modellierten Gesichter (vgl. etwa Christus in der Speiseszene mit den
se sind in der sächsischen Kunst bereits im 12. Jh. nachweisbar; vgl. Sündern) rufen überdies jenen offenbar westlich geschulten Maler im
Ursula Nilgen, Heinrich der Löwe und England, in: AK Braun- Brandenburger Evangelistar in Erinnerung, der möglicherweise auch
schweig 1995, II, S. 329–342. in der Halberstädter Bibel mitgearbeitet hat (s. Fig. 438). Vgl. Mor-
390 marburg . elisabethkirche
Über die englischen Beispiele lassen sich aber auch ikonographische Brücken schlagen; so stellen die Schöpfungssze-
nen der um 1220 in St. Albans oder Oxford entstandenen Lothian-Bibel Gottvater mit erhobener Rechter und den
Mantel haltender Linker vor dem kosmischen Kreis dar, während die Trinität im Vierpass darüber thront. Über diese
Zusammenhänge ließe sich vielleicht ein Lokalisierungshinweis in das 1235 gegründete Herzogtum Braunschweig-
Lüneburg gewinnen, unterhielt doch der Welfenhof enge Beziehungen zum englischen Königshaus, das seinerseits
dynastische Verbindungen zu den normannischen Herrschern in Sizilien pflegte. Über die Tochter Ottos des Kindes,
Helene, die mit Hermann II. von Thüringen vermählt war, bestanden aber auch Verwandtschaftsbeziehungen zum
thüringischen Landgrafenhaus.
Für die Datierung der Glasmalereiausstattung liefern die dendrochronologischen Daten des Dachstuhls über den
Konchen einen Terminus post quem; diese waren um 1243 bereits unter Dach. 1257 stellte der Bischof von Olmütz
einen Ablass für den Besuch des von ihm geweihten Johannesaltars aus126 .
Niedersachsen, um 1245/50.
RESTE EINES GENESISZYKLUS IN CHOR I Textabb. 10, Fig. 458, 462f., 471, 473–476, Abb. 255, 257–263
Neidert versetzte die vier Felder eines Genesiszyklus in die unteren Zeilen des Achsenfensters an die Stelle der feh-
lenden Standfiguren unterhalb der Hll. Johannes Baptista und Bartholomäus. Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts
befanden sich die Felder 1b (Erschaffung der Meere und Gestirne), 2a (Adam und Eva bei der Arbeit) und 2b (Sünden-
fall) in 2b, 1a und 1b; das Feld 1a war als Flickstück in Chor SÜD II, 1b eingesetzt, das heute im Marburger Universi-
tätsmuseum gezeigte Trinitätsbild befand sich seinerzeit in Chor I, 2a.
gan 1982, S. 47–49, Nr. 1, Abb. 3. Ähnliche Schmuckmotive begegnen Cambridge; vgl. wiederum Morgan 1982, S. 92f., Nr. 45, Abb. 147f.
auch in einem kurz nach 1220 in Peterborough entstandenen Psalter in 126 UB Marburg, I, 1879, Nr. 147.
die erstausstattung der südkonche 391
Durch ein Armierungskreuz geteilter Okulus mit Maßwerkzwickeln. Die Ornamentverglasung des Maßwerks wurde
von der Werkstatt des Genesis-Fensters angefertigt, wobei formale und inhaltliche Erwägungen für eine Zugehö-
rigkeit zu ebendiesem Fenster sprechen. Der Depotcharakter des Fensters Chor nord II – heute finden sich in ihm
Glasmalereibestände unterschiedlicher Zusammenhänge vereint – geht auf die Instandsetzung Neiderts zurück. Die
Hll. Franziskus, Elisabeth und Johannes(?) werden im Zusammenhang mit der Werkstatt der spätromanischen Stand-
figuren behandelt, die Mater misericordiae findet an entsprechender Stelle unter den verstreuten Einzelscheiben Er-
wähnung (s. S. 347–378, 420–424).
129 Die Darstellung der Schlange mit weiblichem Antlitz geht zurück milibus applaudunt (»weil Gleiches gleichem gefällt«); s. Erffa 1989, S.
auf den Genesis-Kommentar des Petrus Comestor († 1179), wonach der 172f.
Versucher diese besondere Schlangenart gewählt habe, quia similia si- 130 Siehe auch Bierschenk 1991, Abb. 195f.
die erstausstattung der südkonche 393
2A, 2B MASSWERKZWICKEL MIT BLÜTENMOTIV solcher Farbwechsel ist auch für das rekonstruierte Genesis-
Fig. 477, Abb. 275 Fenster nachweisbar, dessen beide Lanzetten in Blau und Rot
H./B.: 2A: 92/31 cm; 2B: 92/30 cm. unterschieden waren.
Erhaltung: Vollständig erneuert wurden die weißen Randstrei- CVMA T 6098 (2A), 6099 (2B)
fen beider Zwickel, in 2A auch der gesamte rote Hintergrund
und der Großteil der Blattstiele. In 2B sind dagegen lediglich 3AB MASSWERKZWICKEL MIT BLÜTENMOTIV
zwei rote Hintergrundstücke ergänzt worden, einige Flick- Fig. 477, Abb. 275
stücke. H. 25 cm, B. 86 cm.
Komposition, Farbigkeit, Ornament: Identische Rosenform Erhaltung: Der weiße Randstreifen ist vollständig erneuert,
wie im Okulus. Aus den Zwickelspitzen wachsen Blattzweige ebenso Teile des blauen Hintergrundes und einige Blütenblät-
mit mittigem Dreiblattmotiv zur Rosette hin. Die Ornamente ter, mehrere Sprungbleie.
der seitlichen Zwickel liegen hier gegenüber dem blau hinter- Komposition, Ornament: Mittig eine sechsblättrige Blüte mit
legten Rosenkranz des zentralen Okulus auf rotem Grund. Ein zwei kleineren, ebenfalls sechsblättrigen Blüten an den Seiten.
CVMA T 6104
5–7a/b BLATTROSETTEN
Fig. 478.
Fig. 479f., Abb. 307f.
ES Chor n III, 2AB 3.
H./B.: 5a: 88/84 cm; 5b: 88,5/84 cm; 6a: 72/83,5 cm; 6b: 72/84 M 1:20
cm; 7a: 83/83,5 cm; 7b: 82/84 cm.
Erhaltung: Sämtliche Felder sind innenseitig mit einem die
Lichtdurchlässigkeit dämpfenden Zaponlack überzogen. Der
rote Farbgrund wurde im Zuge der Restaurierung von Linne-
mann weitgehend erneuert. In der Kopfscheibe 7a der weiße Fig. 479. ES Chor n III.
394 marburg . elisabethkirche
2AB 3 BLATTROSETTE
Fig. 478, Abb. 306
H./B.: 55,5/55,5cm.
Erhaltung: Zahlreiche Sprungbleie. Der Schwarzlotauftrag ist
stark berieben, die grünen Gläser zeigen eine vermehrte Kor-
rosionsanfälligkeit.
Farbigkeit, Ornament, Technik: Auf einer blauen, mit Bändern
geschmückten Blattrosette mit zentralem rotem Blattquadrat
liegen vier in Kreuzform angeordnete, gelb- und grünfarbige
Blattpaare. Original sind ferner einige Gläser des roten Hin-
tergrundes sowie zwei gelbe Blattstücke. Zwar besteht das
Ornament der Maßwerkwerkfüllung aus ähnlich gelappten
Blattpalmetten wie in den Lanzetten, doch werden hier die
kreisförmigen Aussparungen nicht zusätzlich mit ausradierten
Punkten verziert. Auch die Pinselzeichnung ist durch feinere
und dichte Linienbündel für Blattäderung und Schatten cha-
rakterisiert. Auf eine Zusammengehörigkeit von Lanzetten-
und Maßwerkverglasung kann daher nicht zwingend geschlos-
sen werden, grundsätzlich wäre es sogar denkbar, dass sich
in diesem Rosettenmotiv der Rest eines ansonsten verlorenen
Teppichfensters dieser Werkstatt erhalten hat.
Foto Marburg 22498
In den Lanzetten befindet sich heute eine freie Neuschöpfung von Linnemann; mittelalterlich ist
nur die Ornamentverglasung des Maßwerks. Zuvor saß an dieser Stelle das später nach Chor süd
IV versetzte Ornamentfenster. Die einstige Position der Maßwerkverglasung vor der Neuordnung
der Ornamentfenster zu Beginn des 20. Jahrhunderts war nicht mehr zu ermitteln, der Chor scheint
hierfür – soweit die historischen Aufnahmen dies zu erkennen geben – nicht in Frage zu kommen.
Gesamtaufnahmen: CVMA JJ 13005, Großdias JJ 03/04, RT 06/089
ORNAMENTFENSTER CHOR süd III Fig. 467, 484–486, Abb. 309, 311
Fig. 485. ES Chor s III, 5–6a/b / 2AB 1–4 / 1A, 1B / 3AB. M 1:20
396 marburg . elisabethkirche
3–6a, 4–6b ORNAMENTFELDER MIT Rechteckfelder hin. Substantiell mit Ausnahme einiger Ergän-
KREUZMUSTER zungen im Randbereich und in den Ornamenten (ca. 20%) gut
Fig. 468, 488f., Abb. 312f. erhalten. Die violetten und gelborangefarbenen Gläser haben
H./B.: 3–4a: je 89,5/83 cm; 5a: 85,5/83,5 cm; stellenweise eine die Transparenz beeinträchtigende Verwitte-
6a: 83,5/83 cm; 4b: 89,5/83 cm; 5b: 85/83 cm;
6b: 83/83 cm.
Erhaltung: Der in beiden Kopfscheiben 134 Anton Legner, Romanische Kunst in Deutschland, München
vollständig erneuerte Rahmenstreifen deu- 3
1999, Abb. 348.
Fig. 487. ES s IV. tet auf eine Umarbeitung ursprünglicher 135 Sommer 22000, Abb. 12.
Fig. 488. Ornamentfenster Chor s IV, 4–6a/b.
Zweibahniges und neunzeiliges Maßwerkfenster mit Vertikalarmierung der Lanzetten und einem durch ein Armie-
rungskreuz geteilten Maßwerkokulus. Originalen Scheibenbestand weisen lediglich noch die drei oberen Zeilen sowie
der hierzu nicht ursprünglich zugehörige Okulus auf, der Rest wurde von Linnemann zu Beginn des 20. Jahrhunderts
erneuert. Vor dieser Restaurierung befand sich die bereits von Lange instand gesetzte Verglasung in Chorfenster
NORD IV, dort allerdings mit einem offenbar noch originalen, heute verlorenen Blütenteppich im Maßwerk, der
jenem im Chorfenster süd III vorhandenen Muster ähnlich gewesen zu sein scheint. Dem Erhaltungszustand nach
scheint es sich hierbei um Restfelder zu handeln, die von Neidert zur Flickung der Chorfenster herangezogen worden
waren und Lange später zur Rekonstruktion eines ganzen Fensters dienten. Aus diesem Grund dürfte auch diese Fens-
terposition als ursprünglicher Standort kaum in Frage kommen.
Gesamtaufnahmen: CVMA JJ 13012, Großdia RT 06/093
398 marburg . elisabethkirche
Zweibahniges und sechszeiliges Maßwerkfenster mit Kreuzarmierung im Okulus. Die Ornamentfelder in den Lanzet-
ten sind weitgehend original, lediglich das Feld 1b wurde im Jahr 1905 neu geschaffen, im Maßwerkokulus sitzt eine
hier nicht ursprünglich zugehörige Blattgrisaille. Vor der Neuordnung der Ornamentverglasung durch Linnemann
befand sich das Mäanderfenster in Chor nord III.
Gesamtaufnahme: CVMA Großdia E 08/033
1–6a, 2–6b ORNAMENTFELDER MIT
MÄANDERMUSTER
Fig. 492f., 495, Abb. 323f.
H./B.: 1a: 90/82 cm; 2a: 86,5/84,5 cm; 2b:
86,5/83,5 cm; 3a: 86,5/83,5 cm; 3b: 86/83,5
cm; 4a: 86/84 cm; 4b: 86,5/83,5 cm; 5a:
86/84,5 cm; 5b: 86/85 cm; 6a: 81/84,5 cm; 6b:
80/84,5 cm.
Erhaltung: Die von der Werkstatt des Ge-
nesis-Fensters verwendeten Glassorten er-
weisen sich als äußerst korrosionsbeständig.
Die leicht welligen blauen, roten und farb-
losen Gläser besitzen eine ungewöhnliche
Transparenz; von der Innenseite aus be-
trachtet ist keinerlei Korrosion feststellbar.
Die wässrige Schwarzlotzeichnung wurde
mit unterschiedlicher Deckkraft aufge-
bracht, erscheint stellenweise aber auch be-
rieben. Ein partiell in Feld 1a und 2b groß-
Fig. 492. ES flächig aufgestupfter Lack diente offenbar
Chor s V. der farblichen Angleichung von originalen
und ergänzten Stücken. Die Felder 2/3b mit
nur mehr geringem originalen Glasbestand. Fig. 493. ES Chor s V, 1a, 2a/b.
Die breiten Blattborten mit äußerem Perl- M 1:20
bandstreifen sind in fünf Feldern vollständig erneuert worden
(1–2a/b, 5a). Seitlich mussten offenbar mit dem Versatz der Lan-
zetten an ihre heutige Position zwei bis drei Zentimeter breite,
eingeschwärzte Randstreifen angestückt werden.
Farbigkeit, Ornament: Typus K. Ähnliche, an Beinschnitze-
reien erinnernde Bohrmuster, wie sie die Mäanderbänder zie-
ren, zeigen auch die Randborten der von dem sächsischen Glas-
maler Gerlachus ausgeführten Scheiben aus Arnstein, ebenso
die aus der Goslarer Stiftskirche stammende Restscheibe mit
der Darstellung der Geburt Christi aus dem beginnenden 13.
Jahrhundert136 . Foto Marburg 22601–22611
5a/b MÄANDER MIT EINGESTREU- dieser Stelle ins Stocken gerät. Die beiden einzigen originalen
TEN BLÜTEN Fig. 494, Abb. 327 Felder fallen durch ihre stärker korrodierten roten und blauen
H./B.: jeweils ca. 90/82 cm. Gläser, aber auch durch zahlreiche Sprungbleie aus der Reihe
Erhaltung: Das Feld 5b wurde offenbar erst der Neuschöpfungen Langes heraus.
Fig. 496. ES im Zuge der letzten Restaurierung verse- Farbigkeit, Ornament: Typus L. CVMA KB Dia
Südkonche S VI. hentlich um 180° gedreht eingesetzt, sodass
der T-förmige Verlauf des Mäanders an 136 Wentzel 21954, Abb. 18, 61.
400 marburg . elisabethkirche
7. TRINITÄTSBILD Fig. 497, Abb. 330, 335 stalt Adams. Da die besagte Genesisstelle im Zusammenhang
H. 92 cm, B. 84 cm. mit der Erschaffung des Menschen steht, wäre dies in Marburg
Inv. Nr. 3171. mit der Überlegung zu vereinbaren, die Trinität als Schlussbild
Inschrift: Auf dem Nimbus in gotischer Majuskel: D E U S. im Anschluss an die Erschaffung des Menschen zu setzen. Zu-
Erhaltung: Das Feld befi ndet sich in einem guten Erhaltungs- gleich aber markiert der thronende Schöpfer auf diese Weise die
zustand, da die Malschichten von der Charlottenburger Werk- Vollendung seines Werkes nach Gn 2,3: »Und Gott segnete den
statt hier nicht übergangen wurden und die Scheibe überdies siebten Tag und heiligte ihn, denn an ihm ruhte er von seinem
seit Beginn des vergangenen Jahrhunderts museal aufbewahrt ganzen Schöpfungswerk«. Bierschenk machte auf das Para-
wird. Allerdings weisen die Inkarnate eine vermehrte Korro- diesbild im Stuttgarter Landgrafenpsalter aufmerksam, das den
sionsbildung mit fortgeschrittenen Zeichnungsverlusten auf. Patriarchen Abraham mit dem knabenhaften Lazarus im Schoß
Der ungewöhnliche rote Strahlenkranz des Trinitätsbildes ist zeigt, und sah hierin mögliche Anregungen für die in Marburg
weitgehend erneuert und könnte vielleicht aus barocker Zeit entwickelte Bildidee139.
stammen137. Im Figürlichen beschränken sich die Eingriffe auf Ornament: Einen aus blauen und roten Blattrosetten gebil-
ein grünes Mantelstück über dem linken Knie und ein weiteres deten Fond auf gelbem Grund besitzt auch der alttestament-
in Hüfthöhe. Am rechten Oberarm und zwischen den Füßen liche Strang des Mönchengladbacher Bibelfensters140 .
Gottvaters fi nden sich einzelne Flickstücke. Auf den neuen CVMA JJ 12794, 12806 (DA)
Gläsern wurde Korrosion mit Schwarzlotspritzern nachzuah- Großdias JJ 01/169, 01/179 (DA)
men versucht. Der aus blauen Blattrosetten über rotem Grund
gebildete Fond besteht überwiegend aus neuem Glas, sodass
dieses Muster entweder eine Neuschöpfung von Lange darstellt
oder aus einem anderen Zusammenhang herrührt. Denn in un-
serer Rekonstruktion des Feldes als Kopfscheibe des linken Ge-
nesisstranges fügt sich das Ornament nicht mit dem blauen, aus
Blattranken bestehenden Hintergrundfond zusammen.
Ikonographie, Komposition: Von einer Mandorla umschlos-
sen thront Gottvater auf einem Regenbogen. Er hat Christus
als Knaben auf seinem Schoß, auf dessen lockigem Haupt sich
wiederum die Taube des Hl. Geistes niedergelassen hat. Der
bärtige Vater fasst in seiner Linken die Weltkugel, die andere
Hand hat er zum Segen erhoben. Demgegenüber hebt Christus
beide Hände im Adorantengestus vor die Brust. Die Darstel-
Fig. 498. ES
lung der Trinität in Verbindung mit der Schöpfung geht auf die
Museum Nr. 8.
in der Genesis mehrfach vorkommende Pluralform Gottes zu- M 1:15
rück (Gn 1,26: »Lasst uns den Menschen machen nach unserem
Bilde, uns ähnlich«). Die Kirchenväter sahen darin ein Zeugnis
der göttlichen Dreifaltigkeit138 . Seit dem 12. Jahrhundert fand 8. ERSTLINGSOPFER KAINS UND ABELS
diese Bildvorstellung vermehrt Eingang in das Kunstschaffen. Fig. 463, 498, Abb. 331, 334, 336
So tragen die drei göttlichen Personen in den Archivolten des H. 90 cm, B. 83 cm.
Nordportals der Kathedrale von Rouen gemeinsam die Ge- Inv. Nr. 3170. Bis 1903 im Chorfenster SÜD II, 1a eingesetzt.
Inschriften: Über den Köpfen der Figuren die Namen in go-
tischen Majuskeln: ABEL bzw. CAIN.
Erhaltung: Neidert verwendete die obere Hälfte des Feldes als
Flickstück im Fenster SÜD II und entfernte dafür die originalen
Randstreifen. Die Charlottenburger Werkstatt fügte den verlo-
renen unteren Teil ergänzend hinzu. Die Figurenzeichnung ist
dabei partiell übergangen worden. An den fleischfarbenen Glä-
sern ist die Lichtdurchlässigkeit durch fortgeschrittene Korro-
sion vermindert, grüne, gelbe und violette Gläser erweisen sich
dagegen als stabil. Die außenseitige Halbtonbemalung ist nach
Bierschenk 1991, S. 115, noch vergleichsweise gut erhalten.
Ikonographie, Ornament: Der Ackerbauer Kain und der Schaf-
hirt Abel bringen Gott ihre Gaben dar (Gn 4,3–5). Links steht
137 Vgl. hierzu aber Bierschenk 1991, S. 101 mit Abb. 146.
Fig. 497. 138 LCI, IV, 1972, Sp. 532f. (Wolfgang Braunfels).
ES Museum Nr. 7. 139 Bierschenk 1991, S. 101 mit Abb. 143.
M 1:15 140 AK Köln 1998, S. 144f., Nr. 12.
die erstausstattung der südkonche 401
Abel, der ein Lamm zum Himmel emporreicht, Kain hält ein Ornament, Komposition: Die schmale, blau hinterlegte Figur
Ährenbündel. Als Zeichen der Annahme seines Opfers legt sich wird von doppelten Rahmenleisten aus Blattornamenten ein-
die Segenshand Gottes über Abel, während sein jüngerer Bru- gerahmt. Die gelappte Blattform der inneren Blattwellen kehrt
der Kain sich in mürrischer Verstimmung über die Ablehnung identisch in der Schöpfungsszene mit der Erschaffung der Ge-
seiner Gaben bereits abwendet. Verglichen mit dem einfachen stirne wieder.
Gewand Abels ist die Kleidung Kains durch reicheren Borten- CVMA JJ 12799
schmuck hervorgehoben. Die knielange Ergänzung der Ge-
wänder geht jedoch auf eine Erfi ndung der Charlottenburger 10. KLUGE JUNGFRAU Fig. 500, Abb. 342
Werkstatt zurück. Die originale, sicherlich nicht eingefl ickte H. 86 cm, B. 32,5 cm.
Blattspitze zwischen beiden Gestalten schließt die Möglich- Inv. Nr. 3039.
keit der sonst üblichen Darstellung eines Opferaltars in der Erhaltung: Der Ornamentrahmen ist verloren. Mehrere Fehl-
verlorenen unteren Hälfte aus. Auch auf einer um 1160/70 ent- stellen sowie einige Flickungen in Mantel und Hintergrund.
standenen, in der Komposition grundsätzlich vergleichbaren Die ergänzten Gewandstücke in Bodennähe stellen eine bemer-
Emailplatte des Kölner Museums Schnütgen wächst zwischen kenswerte historisierende Restaurierung aus spätmittelalter-
Kain und Abel lediglich ein Strauch141. licher Zeit dar. Im zackenförmigen Faltenverlauf wurde dabei
Farbigkeit: Da die Darstellung vor blauem Grund liegt, kann der Gewandstil des Originals höchst einfühlsam nachzuahmen
sie nicht zu der rot hinterlegten Genesisfolge mit den Szenen versucht. Einzelne Glasstücke der roten Hintergrundstreifen
des Sündenfalls gehören. Sie dürfte vielmehr Bestandteil eines weisen Versatzmarken in Form von eingravierten arabischen
weiteren Fensters gewesen sein, in welchem entweder die Ge- Ziffern auf. Sie dienten dem Restaurator zur Orientierung bei
nesiserzählung fortgeführt oder ein typologisches, auf die Op- der Neuverbleiung der Scheibe. Vielleicht rühren auch Gesicht
ferung Christi bezogenes Programm entwickelt wurde. und Nimbus, die sich in Maltechnik und Formgebung von den
CVMA JJ 12795, 12804f. (DA), anderen Figuren unterscheiden, von dieser Instandsetzungs-
Großdias JJ 01/168, 01/177f. (DA) maßnahme her, falls sie sich nicht mit der Hand eines weiteren,
ansonsten aber nicht mehr greifbaren Malers verbinden lassen.
9. KLUGE JUNGFRAU Fig. 461, 499, Abb. 332 Als Restaurator dürfte der Marburger Glasmaler Ludwig Diez
H. 91–91,5 cm, B. 76–77 cm. in Frage kommen, der zwischen 1494 und 1522 mehrfach für
Inv. Nr. 3038. Reparaturen an den Fenstern entlohnt wurde (s. Reg. Nr. 68–
Erhaltung: Keinerlei Ergänzungen im figürlichen Bereich, 71).
möglicherweise fehlen der Figur aber heute die Füße. Dagegen
zeigt die Scheibe einige Fehlstellen und Flickungen des Hin-
tergrundes. Anstelle der verlorenen Öllampe befi ndet sich ein
Glasstück mit dem Blattkaromuster des Hintergrundfonds.
Weiße Gläser, insbesondere die Blattstücke, zeigen einen teil-
weisen Verlust des Kontur- und Lasurauftrags.
Ikonographie: Die nimbierte Jungfrau steht leicht nach rechts
gewandt, mit einem bortengeschmückten, knielangen Man-
tel und einem über dem Boden gestauchten Untergewand mit
weiten herabhängenden Ärmeln bekleidet. In der linken Hand
hielt sie die brennende Öllampe, die Rechte ist vor die Brust
erhoben. Das Haar fällt in Zöpfen über die Schultern herab. Die
weitärmeligen Untergewänder entsprechen der Zeitmode; glei-
che Kleidung tragen etwa mehrere Jungfrauen im Paradiesbild
des Stuttgarter Landgrafenpsalters142 . Fig. 500. ES Museum Nr. 10
M 1:15
141 Die Emailplatte ist Bestandteil eines auf mehrere Sammlungen ver-
teilten maasländischen Kreuzes mit alttestamentlichen und legenden-
haften Szenen, die sich allesamt auf das Kreuzigungsereignis beziehen
lassen; vgl. AK Köln 1973, II, S. 208, Abb. 22.
Fig. 499. 142 Vgl. hierzu ausführlich Kroos 1982, S. 185; zur Kleidung im Stutt-
ES Museum Nr. 9. garter Landgrafenpsalter: AK Marburg 1981, S. 350–352, Nr. 19 (Re-
M 1:15 nate Kroos), Farbtaf. 3.
402 marburg . elisabethkirche
Technik: Außenseitig liegt eine recht nachlässig aufgebrachte mit der Buchstabenfolge C(I)O · V befi ndet sich im Depot des
Halbtonbemalung auf. Der Faltenverlauf der spätmittelalter- Universitätsmuseums (Nr. 19).
lichen Ergänzungen ist mit breitem Pinselstrich in Kontur und Ikonographie: Die Jungfrau klopft an die verschlossene Tür, in
Halbton aufgetragen. der Rechten hält sie das leere Ölgefäß. Ihr geflochtenes Haar
CVMA JJ 12798, Großdia JJ 01/171 fällt in dicken Zöpfen über den Surcot, ein gegürtetes, engärm-
liges Gewand. Die Pforte selbst ist lediglich in Form des Tür-
11. KLUGE JUNGFRAU Fig. 501, Abb. 339 klopfers, vielleicht auch in den vertikal verlaufenden gelb-grün
H. 83,5 cm, B. 26,5 cm. gemusterten Streifen, angedeutet. Die Scheibe bildete einst den
Inv. Nr. 3040. oberen Abschluss der rechten Bildreihe mit den Törichten Jung-
Erhaltung: Von der Scheibe ist nur mehr das schmale Figuren- frauen. Im nachfolgenden Bild der Kopfscheibe wäre passend
feld mit Blattkarogrund erhalten. Der Gewandverlauf wird zum inschriftlich überlieferten Dialog zwischen Jungfrau und
knieabwärts durch mehrere Fehlstellen und Flickungen ge- Bräutigam die Figur des thronenden Christus anzunehmen.
stört. Die Malschicht zeigt sich intakt, das Hintergrundmuster Zusammen mit der Klugen Jungfrau Nr. 9 gehört dieses Feld zu
ist jedoch stärker berieben. Störende Sprungbleie im Gesicht den wenigen Scheiben mit originalen Ornamentrahmen.
der Jungfrau. CVMA JJ 12802, 12809 (DA),
Ikonographie: Die Kluge Jungfrau steht nach rechts gewandt, Großdias JJ 01/174, 01/183, 01/182 (DA)
in leicht tänzerisch-beschwingter Haltung mit der brennenden
Öllampe in den Händen. Ihr eng am Körper liegender Mantel
bildet zahlreiche Spannfalten aus und legt sich in Schlaufen um
die angewinkelten Unterarme. Nur die Hände schauen daraus
hervor. In etwas gezierter Gebärde greift sie mit der Linken
nach dem Mantelsaum. Der Nimbus ist aus einem Kranz aus
Palmettenblättern mit äußerem Perlreif geformt, worin das
Blattmuster der äußeren Rahmenborte aufgegriffen wird.
CVMA JJ 12797, 12807 (DA), Großdia JJ 01/180 (DA)
Fig. 503.
Törichte Jungfrau
an der Pforte. Mar-
burg, Universitäts-
museum, Nr. 12.
Ikonographie: Die Jungfrau trägt ein dünnes Untergewand mit Fig. 505.
engen, feine Falten ausbildenden Ärmeln und einen bortenge- ES Museum Nr. 14.
schmückten Mantel, der von einer Schließe zusammengehalten M 1:15
wird. Das geraffte Mantelende unter den linken Arm geklemmt,
legt sie trauernd ihr Haupt an das leere Ölgefäß. Tränen fl ießen
ihr über die Wangen.
CVMA JJ 12801, 12808 (DA), Großdia JJ 01/176, 01/181 (DA)
Fig. 507. Marburg, Elisabethkirche, Blick in die Nordkonche mit dem Elisabethmausoleum (Aufnahme um 1930).
Rekonstruktion, ikonographisches Programm: Unserer Annahme einer sukzessiven Ausstattung der Ostteile
folgend, ist offenbar auch die Nordkonche zunächst nur in der unteren Fensterreihe mit figürlichen Glasmalereien
versehen worden. Bezieht man den Sakristeianbau, dessen Errichtung wohl von Beginn an geplant war, in diese Über-
143 Vermutlich befand sich das Elisabeth-Medaillonfenster ursprüng- ters sehen. Zugleich spricht sie sich für die Zusammengehörigkeit der
lich unmittelbar im östlich anschließenden Fenster neben der Achse. Schöpfungsrose mit den darunterliegenden Standfiguren aus (S. 170).
Mit dem Einbau des Mausoleums im späteren 13. Jh. war seine Sicht- 145 Allerdings darf darüber nicht vergessen werden, dass in der Früh-
barkeit gestört, sodass man es nach Osten weiterrückte. Bierschenk zeit für die Vita der Heiliggesprochenen noch keine entwickelte und
1991, S. 167, erwägt eine Anbringung über dem allerdings erst im aus- entsprechend verbreitete Ikonographie vorlag und daher der Rückgriff
gehenden 13. Jh. nachweisbaren Elisabeth-Altar in der Nordkonche. auf eine vielleicht erstmals für Marburg ausgearbeitete Bildfolge nahe-
Dem widersprach schon Köstler 1995, S. 73 mit Anm. 143, mit dem liegend erscheint.
Hinweis auf den frühzeitigen Ausfall dieses Fensters durch den Einbau 146 Der Vergleich beider Bildgruppen erlaubt keine Aussage zur zeit-
der Sakristei in den 1260er-Jahren. lichen Abfolge ihrer Entstehung. Es ist aber denkbar, dass die Elisa-
144 Die Zugehörigkeit ist durch die Verwendung identischer Glassor- bethszenen im Bildfenster auf der Grundlage der Zweibahnigkeit der
ten, die zudem das gleiche Schadensbild aufweisen, gesichert. Tech- Fensterform auf eine zweiteilige typologische Argumentationsstruk-
nische Unterschiede, wie die verstärkte außenseitige Bemalung, wären tur hin entworfen worden sind (Leben und Wirken). Die Reliefs selbst
allein durch die Ausführung eines anderen Meisters zu erklären. Bier- gehorchen keiner solchen Gliederung, vielmehr scheinen die im Fens-
schenk 1991, S. 195f., vermutet dagegen eine Zusammengehörigkeit ter klar geschiedenen Szenen im Schrein etwas willkürlicher angeord-
des Geburtsmedaillons mit der Kreuzigungsdarstellung im Maßwerk net zu sein. Vielleicht also sind die Bildszenen tatsächlich für das Elisa-
des Achsenfensters sowie der Schöpfung im Maßwerk des darüber- beth-Fenster entworfen und im Anschluss auch für den Bilderschmuck
liegenden Fensters H I und will darin die Reste eines Christusfens- der Dachreliefs wiederverwendet worden.
die erstausstattung der nordkonche 405
Der Grundgedanke der Nobilitierung von Heiligen durch ihre inhaltliche Einbindung in sanktionierte Bildpro-
gramme erfuhr im 13. Jahrhundert durch die Franziskaner eine entscheidende Förderung. Was Franziskus’ Leben
und den Führungsanspruch an ihn als Ordensgründer angeht, so bot sich eine Parallelisierung der Viten Christi und
Franziskus’, des alter Christus, geradezu an. Die ältere Erfurter Chorverglasung, die noch der ersten Jahrhundert-
hälfte angehört, liefert dafür ein so einfaches wie einprägsames Muster: Einzelne, auf zwei Fensteröffnungen verteilte,
dem Gehalt nach aber verwandte Schlüsselereignisse beider Lebensgeschichten sind dort zueinander in Bezug gesetzt
(Kreuzigung – Stigmatisation), sodass dem Betrachter die Rechtmäßigkeit des Hl. Franziskus als Nachfolgers Christi
unmittelbar einleuchtet.
Obschon durch ihr karitatives Wirken ideologisch in die gleiche Richtung tendierend, verbot sich doch für Elisabeth
ein ähnliches Vorgehen, da eine dem Hl. Franziskus entsprechende weibliche Identifikationsfigur nicht bereitstand147.
So blieb nur der Rückgriff auf weibliche Allegorien und Personifikationsmodelle, indem Elisabeth, nun mit Heili-
genschein ausgezeichnet, im linken Medaillonstrang zur Personifikation der Barmherzigkeiten avancierte. Erst in der
Maßwerkrosette werden dann die inhaltlichen Berührungspunkte mit Franziskus über Zwischenstufen ausgespielt.
Denn wie dieser von Christus gekrönt wird, erhält Elisabeth jetzt von Maria die verdiente Krone148 .
Ob auch das christologische Achsenfenster der Nordkonche inhaltlich nach Bahnen getrennte Bilderfolgen aufwies,
vielleicht sogar einen typologischen Aufbau besaß, können wir heute nicht mehr sagen. Die Bezeichnung Josephs als
Sohn Davids im Geburtsmedaillon ist vielleicht ein Fingerzeig in diese Richtung. Das früheste Beispiel eines solchen
Bildthemas in modernen Maßwerkfenstern hat sich bekanntlich im Achsenfenster des Kölner Domchores erhalten,
das ein bis zwei Jahrzehnte jünger ist. In diesem sind in der linken Bahn alttestamentliche Szenen dem Leben Christi
in der rechten Bahn gegenübergestellt. Grundsätzlich ist aber gerade in der Frühzeit der Auseinandersetzung mit dem
durch die Maßwerkvorgaben erwirkten Strukturierungszwang eine Vielzahl weiterer Bildbezüge denkbar, und so
wäre auch der Vorschlag von Wolfgang Kemp nicht gänzlich abwegig, zwischen Elisabeth- und ehemals benachbartem
Christusfenster übergreifende Bezüge anzunehmen149. Dementsprechend ließe sich etwa neben einer Christusvita in
der rechten Bahn eine linke Reihe mit Christus als Bedürftigem annehmen, dem wie in entsprechenden Darstellungen
in Straßburg und Niederhaslach die Taten der Barmherzigkeit in wörtlicher Übernahme des Bibeltextes gerade nicht
zuteil wurden (Mt 25,42–43)150 .
Komposition, Farbigkeit: Die Bildkomposition wurde in enger Abstimmung mit der neuartigen Fensterform ent-
worfen. Sie folgt konsequent der Dreiteilung der Fensterfläche in zwei gleichwertige Lanzetten mit abschließender
Bekrönung. Die Fensterbahnen nehmen zwei identisch gestaltete Medaillonstränge auf Teppichgrund auf, die über
einen zeilen- und bahnweisen Farbgrundwechsel miteinander verzahnt sind. Anders als im Kölner Bibelfenster, in
dem die antithetische Struktur beider Bahnen durch unterschiedlich gestaltete Medaillonformen und Teppichgründe
hervorgehoben wird, war eine solche formale Unterscheidung in Marburg nicht notwendig, da beide Lanzetten der
Vita der Heiligen gewidmet sind. Das Armierungskreuz im Okulus schließlich regte zur Wiedergabe einer kreuzför-
migen Komposition an, in die vier Figuren gleichwertig eingeschrieben sind.
Das ornamentale Gepräge des Elisabeth-Fensters gleicht einem orientalischen Teppich. Die Medaillonkette setzt sich
aus gelben Blattwellen zwischen Perlbändern zusammen, deren Einzelform aus der Überblendung eines Vierpasses
mit konvex eingezogenen Seiten und einem Quadrat entwickelt wird. Nur in den Kopfscheiben sind die Medaillons
der abnehmenden Fensterbreite angepasst und entsprechend schmaler gestaltet. Die Bilderkette liegt auf einem unge-
wöhnlich kleinteiligen Blütenteppich auf: In einem Perlbandnetz mit roten Kreuzungspunkten liegen abwechselnd
hellblaue und orangefarbene Kreuzblätter 151. Eine breite, rot hinterlegte Schmuckborte aus Perlbandrosetten folgt
147 Die Parallele der Vita Elisabeths mit Franziskus wurde schon von einem ikonographischen Zusammenhang mit dem Jüngsten Gericht.
Zeitgenossen gesehen; s. hierzu Kaspar Elm, Die Stellung der Frau in Zu Straßburg s. Victor Beyer, in: CVMA France IX,1, 1986, S. 482–
Ordenswesen, Semireligiosentum und Häresie zur Zeit der heiligen 493; zu Niederhaslach: Keberle 1971, S. 29, zuletzt Michael Burger,
Elisabeth, in AK Marburg 1981, S. 7–28. Die Langhausfenster der Stiftskirche St. Florentius zu Niederhaslach,
148 Vgl. Kroos 1981, S. 222f., und Martin 2007, S. 298f. Magisterarbeit Freiburg im Breisgau (Ms.) 2007, S. 67–69 mit Abb. 67
149 Kemp 1991, S. 278. Vgl. hierzu auch Virginia Roehrig Kauf- (Rekonstruktion des Weltgerichtsfensters in nord V).
mann, Rez. zu Bierschenk 1991 und Martin 1993, in: Speculum 70, 151 Engel 1904 (s. Bibl.), S. 87f., hat für den ungewöhnlich kleintei-
1995, S. 581–586, hier S. 585. ligen Teppichfond die Menge von 937 einzeln verbleiten Glasstücken
150 Die entsprechenden Darstellungen im Langhaus des Straßburger pro Quadratmeter errechnet.
Münsters (Narthex s) sowie in Niederhaslach (Lhs. nord V) stehen in
die erstausstattung der nordkonche 407
Fig. 509. Elisabeth bekleidet die Nackten. Marburg, Elisabethkirche, Elisabethfenster (Chor s II, 3a). Köln(?), um 1245/50.
Kat. S. 414f.
dabei der Form der Lanzetten. Diese sind mit violetten und grünen Blattstielen zwischen diagonal über die Rosetten
ausgreifenden Ranken gefüllt, die sich in den Zwischenflächen mit blauen Blattstielpaaren zu gegenläufigen Wellen
zusammenschließen. Die Medaillons selbst wurden mit einem blauen bzw. roten Band und abschließender weißer
Kantenlinie ausgekleidet, die jeweils in der Gegenfarbe gehaltene Flächenfüllung ist gänzlich ohne Muster; die ver-
bindenden Kettenglieder wiederum stehen im farblichen Wechsel hierzu und zeigen eine rote bzw. grüne Blattraute.
Die blau-rote Farbverschränkung der einzelnen Medaillons setzt sich in der Gestaltung des Okulus fort. Die Grund-
struktur zeigt ein blaues, von goldenen Bändern und einer Perlenschnur gesäumtes Kreuz mit rotem Edelsteinbesatz
im Kreuzungspunkt. Zwischen den Kreuzarmen entstehen linsenförmige Medaillons, die den darin eingeschriebenen
Figuren als Rahmen dienen, doch sind diese nun mit grünen Bändern gefüllt. Gegenüber dem ungewöhnlich klein-
teiligen Rahmensystem heben sich die Bildfelder durch ihren einfachen, mittels großzügiger Farbflächen übersicht-
lich strukturierten Bildaufbau ab. Der dominante Farbakkord besteht aus blauen, rot/orangenen und gelben Tönen,
erst sekundär, und bezüglich ihrer Flächenwirksamkeit fast ausschließlich im Zusammenhang mit den Bilderszenen,
408 marburg . elisabethkirche
Fig. 510. Einkleidung der Hl. Elisabeth. Marburg, Fig. 511. Einkleidung der Hl. Elisabeth. Marburg, Elisabethkirche, Elisabeth-
Elisabethkirche, Elisabethschrein. fenster (Chor s II, 4b). Köln(?), um 1245/50. – Kat. S. 417f.
Fig. 512. Die Hl. Elisabeth verteilt Almosen. Marburg, Fig. 513. Die Hl. Elisabeth verteilt Almosen. Marburg, Elisabethkirche,
Elisabethkirche, Elisabethschrein. Elisabethfenster (Chor s II, 5b). Köln(?), um 1245/50. – Kat. S. 418.
die erstausstattung der nordkonche 409
Fig. 514. Tränkung der Durstigen und Fußwaschung. Fig. 515. Tränkung der Durstigen und Fußwaschung. Marburg, Elisabeth-
Marburg, Elisabethkirche, Elisabethschrein. kirche, Elisabethfenster (Chor s II, 2a). Köln(?), um 1245/50. – Kat. S. 414.
treten dann grüne, violette und farblose Gläser hinzu152 . Für eine subtile Farbbehandlung dieser Bilder sorgt eine
überraschende Vielzahl an Farbgläsern. Zu unterscheiden sind Zitronengelb, Orangegelb, Lindgrün, Blau, Hellblau,
Wasserblau, Rosa, Hellviolett, Rot und Rotorange. An Fleischtönen finden neben farblosem Glas ein zartrosafarbenes
(korrosionsanfälliges) Inkarnat-, einmal auch ein zartgelb getöntes Glas für das Gesicht der Bettlägrigen in Feld 5a
Verwendung.
Überraschende Übereinstimmungen ergeben sich, worauf bereits Rode hingewiesen hat, zum älteren Kölner Bibel-
fenster, so etwa hinsichtlich der Medaillonrahmung oder der Schmuck- und Architekturformen153. Die etwas eckige-
ren, grundsätzlich jedoch ähnlich gestalteten Stränge werden hier wie da von einer breiten, beiderseits von Perlbändern
eingefassten Blattborte gebildet. Wie in Marburg sind im Kölner alttestamentlichen Strang die Medaillons durch einen
zeilenweisen Farbwechsel des Hintergrundes und durch einen breiten Randstreifen in der Gegenfarbe akzentuiert.
Einzelne Szenen – die Felder 5a und 5b in Köln – werden wie im Elisabeth-Fenster (1a, 2a, 2b) von Bogenarchitekturen
aus seitlich aufgemauerten und perspektivisch gezeichneten Türmchen mit gekuppelten Rundbogenfensterchen einge-
rahmt und von mit Schindeln gedeckten, teils mit Türmchen geschmückten Bögen überspannt (Fig. 517). Dabei zeigen
die einzelnen tektonischen Glieder eine farblich denkbar aufwendige Differenzierung. Identisch gebildet ist auch das
mehrfach vorkommende Motiv der in die Bögen eingestellten Säulen. Der Teppich der Gelnhausener Chorverglasung
steht dem Marburger Fenster nahe; er ist aus blauen und roten Blattquadraten zusammengesetzt, und auf ihm liegen
die mit einem Palmettenband gesäumten Medaillons unverbunden auf (Chor nord III). Hier begegnen uns auch die in
Köln fehlenden Beischriften zur näheren Bezeichnung der dargestellten Personen, die in Marburg, mit hoher Redun-
danz auf Elisabeth bezogen, in nahezu jedem Feld wiederkehren. Auffallend ist ferner, dass lediglich die Beischriften
der linken Bahn wie in Gelnhausen aus aufwendig eingebleiten Einzelbuchstaben bestehen, wie sie sich noch einmal in
152 Die von Bierschenk beschriebene plastische Modellierung der Halbtonüberzügen der Charlottenburger Glasmalereiwerkstatt; Bier-
Figuren durch Farbgläser mit leicht unterschiedlicher Tönung konnte schenk 1981 (s. Bibl.), S. 249.
an keiner der Szenen verifi ziert werden. Die unterschiedlichen Hellig- 153 Rode 1974, S. 26–28, 49.
keitsstufen resultieren einzig aus den modernen, partiell aufgebrachten
410 marburg . elisabethkirche
der Verglasung des Naumburger Westchores finden154 , während die rechte Bahn hier durchwegs ökonomisch aus dem
Schwarzlot ausradierte Schriftzüge zeigt.
Stil, Datierung: Die emotionale Intensität, die uns in den Medaillons des Elisabeth-Fensters so lebhaft anspricht, ist
selten in der Glasmalerei, ja allgemein in den bildenden Künsten dieser Epoche. Die Grundlagen hierfür sind bereits in
der Bildzusammenstellung gelegt, hat man hier doch gerade auf solche Ereignisse in der Vita der Heiligen zurückge-
griffen, die um Selbstaufopferung, Abschied und Tod kreisen und die – in ihrer auf den eigenen Tod hinauslaufenden
Abfolge – als eine auf Elisabeth zugeschnittene Passionserzählung dramaturgischen Regeln folgen. Hinzu kommt,
dass die Heiligenikonographie, wenn sie sich vielleicht auch einiger christusspezifischer (Fußwaschung, Almosenver-
teilung) oder bereits im Zusammenhang mit der Franziskusverehrung entwickelter Bildformeln (Abschied, Einklei-
dung) bedient, noch nicht gänzlich ins Formelhafte erstarrt war und sich somit grundsätzlich für neue Bildfindungen
offen zeigte (Fig. 511, 513, 515). Schließlich aber ist die Hinwendung zum Nächsten das eigentliche Bildthema dieser im
Lebensalltag einfacher Menschen wirkenden Frau; es verlangte nach einer entsprechend lebendigen und empathischen
Schilderung, die uns ungewohnte Einblicke in die profane Wirklichkeit der Zeit ermöglicht.
Bei näherem Hinsehen lassen sich die Handschriften mindestens zweier Maler unterscheiden, deren Tätigkeit sich
im Wesentlichen auf jeweils eine der beiden Lanzetten beschränkt haben dürfte. Dies wird besonders augenfällig im
Vergleich der Gesichtstypen: Die Figuren der rechten Bahn haben geschwollene Gesichter mit leicht negroiden Zügen,
eine Physiognomie, die heute vielleicht durch den weitgehenden Verlust der differenzierenden Halbtonbemalung über-
mäßig akzentuiert erscheint. Kennzeichnend sind ein breites Gesichtsfeld, ein schweres Kinn, dicke Lippen und breite
Nasen (Fig. 519). Die Figuren der linken Bahn tendieren demgegenüber zu einer insgesamt bewegteren und schönli-
nigeren Körperauffassung. Ihre Gesichter sind ovaler, die Nasen lang und schmal, wobei beide Nasenlinien sanft in
die Augenbrauenlinien übergehen (Fig. 521). Darüber hinaus scheinen die Figurengruppen in einen etwas größeren
Maßstab ausgeführt worden zu sein. Auch fällt die Gewandbehandlung der linken Szenenfolge wesentlich differen-
zierter und lebendiger aus. Diese Unterschiede gehen einher mit Beobachtungen, die bereits im Zusammenhang mit
der Untersuchung der kompositionellen Besonderheiten festgestellt wurden.
Rode dachte beim älteren Kölner Bibelfenster an mögliche Querverbindungen zu Marburg und rückte hierzu zwei
im Museum Schnütgen aufbewahrte Marienscheiben ins engere Blickfeld (Fig. 520)155. Auf diese Scheiben hatte schon
Paul Clemen in seiner Besprechung zu Haseloff hingewiesen und damit die kölnische Herkunft der Werkstatt der
monumentalen Marburger Standfiguren ableiten wollen156 . Rode sah in ihnen »den Stil der Kunibertscheiben in den
voll entwickelten Zackenstil hinüberführen«, doch haben diese Werke mit den Glasmalereien von St. Kunibert wenig
gemein. Dagegen vertreten sie offenbar eine ältere, gegen 1250/60 anzusetzende Vorstufe der Werkstatt des Bibel-
fensters, die sich im Stilbild auch mit der Handschrift des Marburger Meisters der Barmherzigkeiten in der linken
Fensterbahn recht gut vergleichen lässt157. Neben den bereits erwähnten kompositionellen Gemeinsamkeiten bestehen
Zusammenhänge etwa in der Gesichtsbildung und in den Frisuren mit den charakteristischen, vom Mittelscheitel auf
die Stirn fallenden Haarlinien. Im Gewand treffen wir auf eine ähnliche, sehr kräftige Faltenbildung mit Ösen- und
Hakenendungen, die allerdings gegenüber den lebhafteren und manchmal nadeldünn auslaufenden Liniengeflechten
in Marburg viel spröder angelegt sind. Selbst in koloristischer Hinsicht wurde auf ähnliche Farbzusammenstellungen
Wert gelegt.
Hiervon zu scheiden ist der Maler der Elisabethvita, dessen künstlerische Voraussetzungen in eine andere Richtung
weisen. Schon im Elisabethpsalter, der von einer Hildesheimer Werkstatt illuminiert wurde, begegnen uns trotz der
um einige Jahrzehnte früheren Entstehung in den weiblichen Figuren verwandte Typen. Besonders aufschlussreich ist
ein Vergleich mit der Darstellung der vita activa und der vita contemplativa (vgl. Fig. 516), zu der sich neben bildge-
stalterischen Zusammenhängen, wie etwa der verwandten Architekturmotive, auch thematische Berührungspunkte
ergeben: Hier sind der frommen Andacht die Taten der Barmherzigkeit, wofür stellvertretend die Einkleidung eines
Nackten gewählt wurde, gegenübergestellt158 . Auf eine niedersächsische Herkunft dieses Malers weist auch der Ver-
154Becksmann 1995, Abb. S. 121 (Nr. 19). tarisch erhaltene Wandmalerei in der Marienkapelle des Kölner Doms
155Rode 1974, S. 28, 51, Abb. 24–28. geschaffen haben.
156Clemen 1911 (s. Bibl.), S. 57f. 158 Haseloff 1907, S. 14f., machte erstmals auf diese ikonographi-
157Rode 1974, S. 51; s. hierzu auch Lymant 1982, S. 11–15, Nr. 1f. mit schen Beziehungen aufmerksam.
Farbtaf. 1. Dieselbe Werkstatt dürfte auch um 1260 die nur fragmen-
die erstausstattung der nordkonche 411
Fig. 518. Verkündigung an Maria aus Eksta(?). Uppsala, Universitets Fig. 519. Überbringung der Gebeine (Ausschnitt aus Chor s II, 3b).
Museum. Um 1270.
Fig. 520. Marientod. Köln, Museum Schnütgen. Köln, um 1260. Fig. 521. Magd Elisabeths aus der Krankenpflege
(Ausschnitt aus Chor s II, 5a).
die erstausstattung der nordkonche 413
gleich mit einigen niedersächsischen Exportarbeiten nach Gotland hin, insbesondere den Resten der um die Mitte des
13. Jahrhunderts entstandenen Verglasungen in Sjonheim und Eksta(?)159. Der Engelskopf im Feld einer in Uppsala
aufbewahrten Verkündigung zeigt eine enge Typenverwandtschaft mit den Köpfen des Marburger Vitenstrangs (Fig.
518); vergleichbar runde und fleischige Köpfe mit schwerem Kinn begegnen auch in Mora160 .
Die stilistischen Verbindungen zu kölnischen und niedersächsischen Werken legen für das Elisabeth-Medaillonfenster
eine Ausführung durch Künstler unterschiedlicher Herkunft nahe, was allerdings Schwierigkeiten bei der Verortung
der Werkstatt bereitet. Hier hilft ein Blick auf den bis 1249 fertiggestellten Elisabethschrein weiter, dessen Entstehung
in einem denkbar engen Zusammenhang mit dem Elisabeth-Fenster gesehen werden muss. Dinkler-von Schubert
hat, was das Ideenkonzept des Bildprogramms angeht, auf die Rolle Bischof Konrads II. von Hildesheim hingewie-
sen, der als Förderer des Heiligsprechungsverfahrens durchaus Einfluss auf die Bildausstattung der Elisabethkirche
genommen haben könnte. Ein mögliches Szenario wäre, dass Konrad sowohl den Schrein, dessen rheinische Herkunft
in der Gegenüberstellung mit Werken wie dem Aachener Marienschrein augenfällig wird, als auch die Glasmalereien
bei rheinischen Werkstätten in Auftrag gab, die das bereitgestellte Vorlagenmaterial problemlos untereinander austau-
schen konnten. In diese Richtung deutet auch die damals noch seltene, in Hildesheim jedoch bereits mehrfach – so an
der Bronzetaufe oder im Elisabethpsalter – nachweisbare Caritas-Ikonographie hin161. Im Falle des Elisabeth-Fensters
wird man dabei mit der Mitarbeit eines niedersächsischen, vielleicht vom Auftraggeber selbst bestimmten Meisters
in der Kölner Werkstatt zu rechnen haben. In der Übernahme der architektonischen, in der thüringisch-sächsischen
Buchmalerei verbreiteten Rahmenformen wäre für das Kölner Bibelfenster ein später Reflex dieser niedersächsisch-
kölnischen Zusammenarbeit gegeben. Was die zeitliche Ansetzung des Elisabeth-Medaillonfensters betrifft, so wird
man die Entstehung auf die Jahre zwischen der Eindeckung der Konchen 1243 und der Translokation der Gebeine
Elisabeths im Jahr 1249 einschränken können.
Köln(?), um 1245/50.
ELISABETHFENSTER CHOR süd II Textabb. 18, Fig. 508f., 511, 513, 515, 521–536, Abb. 283–300
Zweibahniges und sechszeiliges Fenster mit Maßwerkokulus und Zwickelfüllungen. Neidert versetzte das Elisabeth-
Fenster aus der Nordkonche in den Chor und fügte anstelle des verlorenen Feldes in 1b die Geburtsszene hinzu. Der
Blattzwickel 3AB stammt aus einem anderen Zusammenhang und wird im Katalog unter der Werkstatt der spätroma-
nischen Standfiguren behandelt (s. S. 374).
Gesamtaufnahme: CVMA Großdia RT 06/097
das Schwarzlot schlecht, die Konturen sind dort stellenweise Ikonographie: Unter einem mit Ziegeln gedeckten, auf dünnen
abgegangen, während im blassrosafarbenen Inkarnat der linken Säulen ruhenden Baldachin kniet Elisabeth, um einem bär-
Figur die sonst weitgehend verlorene Halbtonbemalung erhal- tigen Alten mit Kopfbinde (Verband?) die Füße zu waschen.
ten blieb. Dieser sitzt vor ihr auf dem Stuhl und trinkt zugleich aus sei-
Ikonographie: Unter einer Baldachinarchitektur mit schlan- nem Becher. Die Heilige selbst ist barfüßig, sie trägt ein langes
ken Ecktürmchen und Dachreitern fi ndet die Armenspeisung Kleid mit Mantel und als Kopfbedeckung ein Gebende unter
Elisabeths statt. In vorderer Reihe sitzen die Bedürftigen auf dem Witwenschleier. Zwei weitere, durch ihre äußere Erschei-
Schemeln, der Alte links ist durch den Stab in seinen Hän- nung individuell charakterisierte Gestalten führen Becher zum
den als Blinder gekennzeichnet und wird von Elisabeth – mit Mund. Der eine scheint ein Pilger zu sein: Er hat kurzes, rund
merkwürdig verzeichnetem Profi lkopf – selbst gefüttert. Die geschorenes Haar, trägt unter dem Mantel einen knielangen
ihr gegenübersitzende weibliche Figur löffelt ihre Suppe aus Rock mit weiten Hosen und stützt sich beim Trinken auf seinen
dem Napf; dahinter verspeist ein ausgezehrt wirkender Mann krummen Wanderstab. Die andere, weibliche Figur mit Kopf-
mit Schlapphut und Krückstock sein Brot. Über dem Blinden tuch ist durch ihre betonten Gesichtsfalten als Alte oder kör-
schließlich isst eine Frau mit bloßen Händen aus ihrer Schale. perlich ausgezehrte Person gekennzeichnet. Die Szene stimmt
Für dieses, die Reihe der Barmherzigkeiten einleitende Werk mit der entsprechenden Darstellung des Reliefbildes am Schrein
bietet die Biographie Elisabeths mehrere Zeugnisse: Nach weitgehend überein. Doch ist dort die Gruppe noch um weitere
Auskunft ihrer Hofdame Isentrud hatte Elisabeth bereits im Personen aufgestockt. Dazu zählt eine männliche(?) Person, die
Hungerjahr 1226 die gesamte Jahresernte in den landgräfl ichen einem fast vollständig verdeckten Gefährten des Pilgers Wasser
Kornkammern an Notleidende ausgeteilt162 . Später im Hos- einschenkt. Die Fußwaschung ist kein expliziter Bestandteil der
pital bereitete sie gemeinsam mit ihren Dienerinnen einfache Barmherzigkeiten, im Zusammenhang mit der Aufnahme von
Speisen zu, mit denen die Armen versorgt werden konnten. Das Fremden jedoch gebräuchlich (Lc 7,44). Wenn hier eine solche
entsprechende Schreinrelief zeigt einen identischen Bildaufbau Handlung Elisabeths betont wird, so klingt darin auch die de-
und liefert einen Hinweis, dass der Mantel Elisabeths nicht, wie mütige Haltung der Heiligen an, die sich in Nächstenliebe vor
zu Beginn des 20. Jahrhunderts rekonstruiert, zylinderförmig ihren Dienern erniedrigt hat164. In ikonographischer Hinsicht
herabfiel, sondern nach unten hin ursprünglich in die Breite wäre allein in diesem Motiv eine Form der imitatio Christi in
ging163. Anlehnung an die Fußwaschung Petri gegeben.
CVMA T 5700/1, Großdia RT 06/022 CVMA T 5702, Großdia RT 06/024
2a TRÄNKEN DER DURSTIGEN UND 3a BEKLEIDEN DER NACKTEN Fig. 509, 524, Abb. 290
FUSSWASCHUNG Fig. 515, 523, Abb. 291, 297 H. 85 cm, B. 82 cm.
H. 85,5 cm, B. 82 cm. Inschrift: Über der Szene der Name der Heiligen in gotischen
Inschrift: Um den Nimbus der Heiligen in gotischen Majuskeln Majuskeln: S(ANCTA) · / ELIZABET.
die Buchstaben: ELIZABET. Erhaltung: Die Randborten größtenteils, der Blütenkarotep-
Erhaltung: Randborte und große Teile der Baldachinarchitek- pich links vollständig erneuert. Dagegen ist der Medaillonrah-
tur erneuert. Im Figürlichen Störungen auf etwa halber Figu- men weitgehend original. Geringfügige Ergänzungen im Ge-
renhöhe, nur der Kopf Elisabeths mit Schriftband und ein Ge- wand Elisabeths, der Mutter sowie einem Teil des Ärmelrocks.
wandzipfel des sitzenden Alten blieben hiervon verschont. Die Die stark durchsichtigen Gläser weisen flächige Überzüge auf.
kräftigen Schwarzlotkonturen scheinen nachgezogen worden Größere Malverluste auf farblosen Gläsern, einzelne Konturen
zu sein, auf vielen Gläsern liegt eine moderne, die Transparenz scheinen nachgezogen worden zu sein. Der Inkarnatton des
dämpfende Lackschicht auf. Die leicht getönten Inkarnatgläser
zeigen Spuren außenseitiger Verwitterung, und das farblose, 163 Eine vor der Restaurierung von 1903 angefertigte Aufnahme zeigt
chemisch stabilere Inkarnatglas bietet der Zeichnung, die stel- die ergänzte Gewandpartie noch mit weit fallendem Mantel; Bier-
lenweise ausgebrochen ist, keine ausreichende Haftung. schenk 1991, Abb. 72f.
164 Kroos 1981, S. 221.
die erstausstattung der nordkonche 415
Einzukleidenden ist außenseitig fleckig verwittert. Ansonsten 5a PFLEGE DER KRANKEN Fig. 526, Abb. 287
ist an blauen und roten Gläsern vereinzelt außenseitiger Loch- H. 84 cm, B. 82 cm.
fraß erkennbar. Inschrift: Über dem Haupt Elisabeths in gotischen Majuskeln:
Ikonographie: Elisabeth tritt in Schreitstellung vor die Pforte S(ANCTA) · ELIZABETH.
und reicht einem spärlich bekleideten jungen Mann den Ärmel- Erhaltung: Sehr guter Zustand. Kaum Ergänzungen im Orna-
rock. Ihm zur Seite steht eine barfüßige junge Frau mit Geben- mentrahmen, desgleichen im Figurenfeld, wo nur zwei kleine
de, ihren kleinen Sohn im Tragrock transportierend. Zu Füßen Gewandstücke bei Elisabeth, die Kopfbinde der Kranken, Teile
der Heiligen kauert ein schemeler mit verkrüppelten Beinen auf von Matratze und Decke sowie eine Hand der Dienerin ersetzt
Handkrücken, die eine Hand flehend zu Elisabeth erhoben; er werden mussten. An den blauen Gläsern stellenweise Lochfraß.
trägt einen geschnürten Rock und eine Kapuze. Anstelle der Die Konturverluste bleiben auf farblose und hellrosabraune
Mutter steht im Schreinrelief eine Alte mit zerfetzten Kleidern, Gläser beschränkt. Auch hier vereinzelt Überzüge an blauen,
der Krüppel ist nicht wiedergegeben. gelben, grünen und violetten Gläsern, jedoch weitaus zurück-
CVMA T 5704, Großdia RT 06/026 haltender als im Feld 4a.
4a AUFNAHME DER PILGER Fig. 525, Abb. 286 Ikonographie: Elisabeth besucht eine Genesende am Kranken-
H. 85,5 cm, B. 82 cm. bett. Die Heilige beugt sich über die junge, auf einer Matratze
Inschrift: Im oberen Rahmenstreifen des Medaillons der liegende Frau, um ihren Puls und Herzschlag zu prüfen. Die
Schriftzug in gotischen Majuskeln: S(ANCTA) · ELIZABET. Bettlägrige hält dabei mit der rechten Hand die Decke und
Erhaltung: Nur geringfügige Erneuerungen im Ornamentrah- wirft Elisabeth einen ängstlichen, vielleicht auch von Schmerz
men, auch die Figurenszene mit kaum nennenswerten, über- gezeichneten Blick zu, die ihr jedoch mit Zuversicht und Milde
wiegend auf den Farbgrund beschränkten Ergänzungen. Große begegnet. Von mitfühlender Zuwendung geprägt ist auch der
Flächen sind dort jedoch zur Dämpfung der Transparenz mit Ausdruck der Dienerin, die eine Kanne und ein Paar Brotlaibe
einer kalt aufgetragenen Lackschicht überzogen, die das insge- zur Verköstigung der Kranken bereithält. Um den körperlich
samt etwas schmierige und fleckige Erscheinungsbild der Schei- angegriffenen Zustand der Kranken zu unterstreichen, wurde
be bewirkt. Darüber hinaus sind wohl auch einzelne Konturen für ihr Gesicht mit Bedacht ein leicht gelblich getöntes Inkar-
übergangen worden, wodurch etwa im Gesicht Elisabeths der natglas gewählt.
ursprünglich heitere Charakter schwerem Ernst gewichen ist. CVMA T 5708, Großdia RT 06/030
Auf den gelben Farbgläsern partiell abgängiges Schwarzlot.
Fortgeschrittene Verwitterung an violetten Gläsern und hell- 6a BESUCH DER GEFANGENEN Fig. 527, Abb. 299
rosafarbenem Inkarnat. H. 80 cm, B. 82,5 cm.
Ikonographie: Elisabeth steht, ihren Blick auf den Betrachter Inschrift: Über der Heiligen die zweizeilige Inschrift in go-
gerichtet, an der Türschwelle, um einen Kranken und einen Pil- tischen Majuskeln: S(ANCTA) · ELIZ/ABET.
ger in ihr Haus zu führen. Den Verletzten an ihrer Seite fasst Erhaltung: Kaum nennenswerte Ergänzungen in Ornamentrah-
sie an der Handfessel, wobei ihm sein Gefährte stützend unter men und Figurenfeld. Die Charlottenburger Werkstatt hat auch
die Achsel greift. Der Gebrechliche trägt eine Binde auf sei- hier einen Großteil der Farbgläser mit einem den Lichteinfall
nem kahlen Schädel, Rock und Hosenbeine sind zerschlissen. dämpfenden Lacküberzug versehen. Möglicherweise sind auch
Sein Begleiter gibt sich als Pilger zu erkennen. Er ist mit einem einzelne Konturen, so im Gesicht Elisabeths, stellenweise nach-
zotteligen Fellrock und Beinlingen bekleidet, Hut und Tasche gezogen worden. Einige Sprünge. Das rosafarbene Inkarnat der
zieren große Jakobsmuscheln. Wie Elisabeth tragen auch die Dienerin (Kopf und Hände) und das hellbraune Gewand Elisa-
beiden Asylsuchenden keinerlei Schuhwerk. Besondere Beach- beths zeigen fortgeschrittene Verwitterungsschäden.
tung verdient die detailverliebte Gestaltung der buntfarbigen Ikonographie: Elisabeth ruht auf einem gedrechselten Stuhl und
Gebäudearchitektur, die in Zentralbauweise als Polygon mit lässt sich von ihrer Magd die mitgebrachte Kost reichen. Ihre
Obergaden und Laterne errichtet ist. Fürsorge gilt der Gefangenen, die mit traurigem Blick am Fens-
CVMA T 5706, Großdias T 86/1 (vor Rest.), RT 06/028 ter des Gefängnisturms ausharrt. Die Dienerin mit offenem,
416 marburg . elisabethkirche
Fig. 529.
Fig. 528. Geburt Christi (ausgeschälte originale Substanz). ES Chor s II, 1b.
M 1:15
die erstausstattung der nordkonche 417
2b ABSCHIED ELISABETHS VON IHREM GEMAHL 3b ÜBERBRINGUNG DER GEBEINE Fig. 531, Abb. 288
Fig. 530, Abb. 283, 294 H. 86,5 cm, B. 81 cm.
H. 85 cm, B. 82 cm. Inschrift: Über dem Haupt des Reiters in gotischen Majuskeln
Inschrift: Unterhalb der Bogenarchitektur auf dem Schriftband das Schriftband: ELIZABETTA ·
in gotischen Majuskeln: LVDEWICUS · LANTGRAVIUS. Erhaltung: Größere Teile des breiten Randstreifens und das
Erhaltung: Der kleinteilige Blütenteppich, der Medaillonrah- Teppichfeld sind in der oberen linken Ecke erneuert. Im Be-
men und große Bereiche der Randborte wurden erneuert. Eini- reich der Figuren dagegen nur geringfügige Ergänzungen. Neu
ge wenige neue Glasstücke in den Gewandteilen und zu Seiten sind die untere Mantelhälfte Elisabeths, die Hinterläufe des
des Schriftzugs. Die gelben Gläser sind stellenweise verbräunt, Pferdes und das Pilgerkreuz. Der braune Fellrock ist stark,
mehrere Sprungbleie. Auf einer Kriegsbergungsaufnahme gelbe und vereinzelt auch farblose Inkarnatgläser sind gerin-
(Foto Marburg 24343) lassen sich noch die flächigen Überzüge ger korrodiert. Punktförmiger Verlust der Konturzeichnung.
erkennen, die offenbar erst im Zuge einer späteren Reinigung Reste der Halbtonbemalung haben sich in den Gesichtern Eli-
abgenommen worden sind. Dabei hat man auch die kalt aufge- sabeths und des rechten Pilgers erhalten (Augenfalten, zweite
brachten Konturierungen entfernt, unter denen nun die origi- Nasenrückenlinie).
nale, teils ausgebrochene Schwarzlotzeichnung hervortritt. Ikonographie: Ludwig IV. verstarb bereits wenige Monate nach
Ikonographie: Die Entscheidung für die Aufnahme der Ab- seinem Aufbruch in das Heilige Land, am 11. September 1227,
schiedsszene in den Zyklus mag einerseits in der Hervorhe- in Otranto. Seine Gebeine wurden ein halbes Jahr später von
bung der für die Gründung des Deutschen Ordens so wichtigen seinen Begleitern nach Bamberg gebracht, wo sie von Elisa-
Kreuzzugsthematik gelegen haben, andererseits wurden damals beth empfangen wurden, und im Mai 1228 wurden sie im Fami-
auch die Weichen für Elisabeths künftiges Leben als Witwe ge- lienkloster Reinhardsbrunn bestattet.
stellt. Unter einer fi ligranen Bogenarchitektur mit seitlichen Zwei als Pilger zu erkennende Vasallen des Landgrafen über-
Annexen hat sich eine Menschengruppe zur Verabschiedung bringen auf dem Bild Elisabeth die Gebeine und den Ring ihres
Ludwigs zusammengedrängt. Der emotionale Gehalt der Tren- im Kreuzzug verstorbenen Gatten. Elisabeth tritt vor die Tore
nung des Landgrafenpaares ist hier sehr eindringlich zur Dar- und nimmt aus der Feldtasche den Ring in Empfang, hinter ihr
stellung gebracht worden. Elisabeth fällt ihren Gatten inbrüns- steht eine Dienerin. Betroffen von der Nachricht greift sie mit
tig um den Hals, der jedoch von seinen beiden Gefolgsmannen der Hand nach der Mantelschnur. Elisabeth trägt wieder die
schon zum Aufbruch gedrängt wird. Sein Arm ruht noch auf gleiche höfische Kleidung wie in der Abschiedsszene, den fell-
der Schulter der Gattin, während die Begleiter ihn an Arm und besetzten Mantel und ein weißes Gebende. Die Weggefährten
Schulter zu sich ziehen. Neben Elisabeth die Dienerin, mit der Ludwigs erinnern an die beiden Gefolgsmannen der vorange-
einen Hand einen Mantelzipfel um den Arm legend, ihr Haupt gangenen Szene. Nun aber tragen sie Bärte, sind in Fellröcke
trauernd in die Hand gestützt. Elisabeth trägt wie ihre Diene- gekleidet und mit Pilgerstäben ausgestattet. Ihre Häupter wer-
rin noch höfische Kleidung: ein bodenlanges, engärmeliges Ge- den von Hauben bedeckt. Vor den beiden steht ein gesatteltes
wand, darüber ein hermelingefütterten Mantel und ein weißes und gesäumtes Pferd mit Packtasche. Die Gehäusearchitektur
Gebende. Ludwig im Surcot mit Leerärmeln und auf die Brust besteht aus einem Türrahmen, zu dem Stufen emporführen, ei-
genähtem Kreuzfahrerzeichen. Als Kopfbedeckung tragen er ner halbrunden Ädikula sowie einem sich über die Szene wöl-
und seine Gefährten unter dem Kinn gebundene Hauben. Die benden Vordach. Die entsprechende Szene im Schrein ist nach
entsprechende Szene im Schreinrelief weicht hiervon ab. Die gleicher Vorlage gestaltet, verzichtet allerdings auf die Figur
Schilderung des Abschieds ist dort weniger drastisch, doch von der Dienerin. CVMA T 5705, Großdia RT 06/027
größerer Innigkeit: Ludwig und Elisabeth wenden sich in der
Umarmung einander zu und blicken sich in die Augen. 4b EINKLEIDUNG ELISABETHS Fig. 532, Abb. 295f.
CVMA T 5703, Großdia RT 06/025 H. 86 cm, B. 82 cm.
Inschriften: Über der Figur Konrads verläuft ein Schriftzug in
gotischen Majuskeln: FRAT(ER) · QVNRATV(S). Über Elisa-
165 Bierschenk 1991, S. 195f. beth: ELIZABETTA.
418 marburg . elisabethkirche
Erhaltung: Sehr gut erhaltene Scheibe, geringfügige Ergän- Ikonographie: In den frühen Texten wird von Geldgeschenken
zungen in den Gewändern Elisabeths und der Dienerin sowie Elisabeths an Arme und Kranke berichtet. Nachdem ihr das
im roten Hintergrund. Stärker verwittert sind die gelben Glä- Witwengut ausbezahlt worden war, teilte Elisabeth die hohe
ser und die braune Kutte Elisabeths. Summe von 500 Mark an Hilfsbedürftige aus.
Ikonographie: Elisabeth kniet vor dem Altar und schlüpft in Unter einem Baldachin sieht man die Heilige mit ausgebreiteten
ein einfaches, in den Quellen tunica grisea genanntes Gewand, Armen vor einer sich auftürmenden Gruppe von Bedürftigen,
das ihr von Konrad gereicht wird, während ihr die Dienerin, die sich mit flehenden Gebärden an sie wenden. Elisabeths
möglicherweise ihre Jugendfreundin Guda, den kostbaren Blick richtet sich in ungewöhnlicher Weise an den Betrach-
Mantel abnimmt166 . Durch die sakrale Aura wird das Ereignis ter, während sie mit einer Hand nach den Geldmünzen greift,
zum rituellen Akt: Wie Franziskus entsagt auch Elisabeth mit welche die Dienerin im Mantelbausch bereithält. Einige davon
dem Ablegen ihrer höfischen Kleidung dem weltlichen Reich- reicht sie einer stillenden Mutter in der vorderen Reihe. Aus der
tum, um sich fortan den Bedürftigen zu widmen. Die Szene Gruppe der Almosenempfänger ragt ein junger Vater mit anti-
stellt dennoch nicht die in der Forschung vielfach damit in Zu- kischer Lockenfrisur hervor, der seinen Sohn auf die Schultern
sammenhang gebrachte Aufnahme Elisabeths in den Dritten genommen hat, sowie ein im Profi l mit Pilgerhut wiedergege-
Orden dar, wofür es in den Quellen auch keinerlei Hinweise bener Alter. Elisabeth trägt über dem Gebende, das auch ande-
gibt. Es handelt sich vielmehr um ihre Einkleidung als Hos- re Frauen dieser Szene haben, zusätzlich den Witwenschleier.
pitalschwester167. Auch das Gewand des Geistlichen verdient Über dem engärmeligen Gewand liegt ein brauner Mantel, des-
Aufmerksamkeit: Konrad, mit Bart und Tonsur, trägt hier eine sen Mantelzipfel in den Gürtel gesteckt ist. Offenbar im be-
bettelordensähnliche Tracht, die an die Kleidung Franziskus’ wussten Gegensatz hierzu steht die Dienerin, die eine farblich
im Chorfenster nord II erinnert, wobei anstelle des geknoteten kostbare Kleidung und elegante Schuhe trägt.
Stricks ein ungewöhnlicher roter Gürtel erscheint. Kroos ver- Wenngleich im Zusammenhang mit dem Bildmotiv zu Recht
mutete hinter dieser Uneindeutigkeit des Status Konrads, der auf ikonographische Vorbilder wie die Speisung der Fünftau-
als Ketzerverfolger berüchtigt und daher ermordet worden war, send hingewiesen wurde, so wäre es doch eine unzulässige in-
(kirchen-)politische Gründe168 . Von Landgraf Ludwig zum haltliche Engführung, mit Belghaus ausgehend von der Wun-
Vertrauensmann in religiösen Fragen eingesetzt, war Konrad derwirksamkeit Christi auf eine imitatio Christi Elisabeths
Elisabeths Beichtvater und geistlicher Führer. Der Altarblock schließen zu wollen169.
ist aufwendig verziert und mit Decke und Altarkreuz versehen. Das Schreinrelief weicht lediglich in der Charakterisierung der
Die gelben Ringe seiner Seitenwand rufen den ursprünglich mit Armengruppe etwas ab: Elisabeth reicht einer Mutter Almo-
Edelsteinen verzierten und durch inwendiges Kerzenlicht zum sen, die ihr Kind gewickelt in den Armen hält. Vor dieser kau-
Leuchten gebrachten Krodo-Altar in Goslar in Erinnerung. ert ein Krüppel im gegürteten Rock auf Schemeln, der in der
Über der Szene schwebt ein fi ligran geschwungener, mit Zie- Einkleidungsszene (3a) wiederkehrt.
geln bedeckter Baldachin. Zur Darstellung des entsprechenden CVMA T 5709, Großdia RT 06/031
Schreinreliefs bestehen kaum nennenswerte Unterschiede.
CVMA T 5707, Großdia RT 06/029 6b TOD ELISABETHS Fig. 535, Abb. 300
H. 80–81 cm, B. 82 cm.
5b ALMOSENVERTEILUNG Fig. 533, Abb. 289, 292 Erhaltung: Aus der Gruppe der Elisabethmedaillons fällt die
H. 86 cm, B. 82 cm. Kopfscheibe durch vermehrte Korrosionsbildung heraus. In-
Erhaltung: Das Gesicht Elisabeths erneuert, Ergänzungen karnate und gelbe Gläser sind stärker angegriffen; auf zahl-
und Sprünge in den Gewändern, das hellrote Überfangglas am reichen Stücken liegen flächige Überzüge zur Farbdämpfung
Ärmel weitgehend abgewittert. Stärkerer Konturverlust auf auf. Die Figurenszene selbst ist zurückhaltend ergänzt, so der
nahezu allen Gläsern, auch auf den korrosionsfreien Inkarnat-
gläsern. Innenseitig wurde an zahlreichen Stellen ein flächiger 166 Huyskens 1911, S. 9, 15.
Überzug zur Dämpfung der Lichtwerte aufgebracht. Aufgrund 167 Kroos 1981, S. 218.
außenseitiger Korrosionsablagerungen besitzen die gelben und 168 Kroos 1981, S. 219.
braunen Gläser ein fleckiges Erscheinungsbild. 169 Belghaus 2005 (s. Bibl.), S. 170.
die erstausstattung der nordkonche 419
Fig. 535.
ES Chor s II, 6b.
M 1:15 Fig. 536. ES Chor s II, Maßwerkspitze. M 1:20
Mantel der zweiten Dienerin und Teile des Bettrahmens. Me- 2A, 2B OKULUSTRÄGER Fig. 534, 536, Abb. 298
daillon, Teppichgrund und Randborte mit weitgehend origi- H./B.: 2A: 100/31,5 cm; 2B: 99/33,5 cm.
naler Glassubstanz. Erhaltung: Hervorragend. Erneuert sind die Randstreifen, Teile
Ikonographie: Der Körper der verstorbenen Heiligen liegt aus- des roten Hintergrundes sowie drei blaue Gewandstücke.
gestreckt auf einem Bett, davor knien zwei Mägde mit Gesten Ikonographie: Die flügellosen, mit blauen Tuniken bekleideten
der Trauer und Bestürzung. Aus dem Wolkenband ragt ein En- Engelsgestalten folgen in Schreitstellung der aufsteigenden
gel hervor, der die Seele der Verstorbenen in den Himmel trägt. Zwickelform. Mit ausgebreiteten Armen fungieren sie dabei als
Realienkundlich bemerkenswert sind das Bett und der davor- Halter des Rundbildes im Okulus. In der Tradition antiker Cli-
stehende Hocker, die in kunstvoller Drechselarbeit hergestellt peusbilder kommt den Engeln eine adorierende und zeremoni-
und mit geschnitzten Ornamenten versehen sind. elle Funktion für das zentrale Krönungsereignis zu.
CVMA T 5711, Großdia RT 06/033 CVMA T 5713f., Großdia RT 06/034, 06/036
420 marburg . elisabethkirche
2AB1–4 KRÖNUNG FRANZISKUS’ UND ELISABETHS schen Ordens erinnernden Kreuzform zusammenschließen.
Fig. 534, 536, Abb. 298 Aus den oberen Rahmenbogen lugen Maria und Christus in
H./B.: 2AB1: 54/53 cm; 2AB2: 53/53 cm; 2AB3: 53,5/53cm; Halbfigur mit steinbesetzten Kronen hervor, um Franziskus
2AB4: 54/54 cm. und Maria, die unter ihnen als Ganzfiguren mit demutsvoll
Inschriften: In 2AB2 auf dem Schriftband in gotischen Ma- erhobenen Händen knien, mit Edelsteinen besetzte Kronen
juskeln: S(ANCTA) · ELIZABETA. In 2AB3 entsprechend: aufzusetzen. Franziskus trägt das Ordenshabit mit dreifach
S(ANCTUS) · FRANCISCVS (VS ligiert). geknotetem Strick, Elisabeth das braune Gewand der Tertiari-
Erhaltung: Einige Gewandstücke in den Figuren von Christus erinnen mit einem langen Witwenschleier über dem Gebende.
und Elisabeth wurden ergänzt, ebenso Teile der Krone Mari- Die Krönungszeremonie der beiden Heiligen fand als Motiv
ens, des Schriftbandes bei Elisabeth, mehrere grüne und gelbe auch Aufnahme in eine Gruppe Marburger Pilgerzeichen aus
Gläser in den Figurenrahmen sowie ein Großteil der weißen der Zeit der Errichtung des Kirchenbaus170 . Allerdings wird
Randstreifen. Die Komposition wurde innenseitig vielfach mit hier die Krönung von Christus allein vollzogen.
einem dämpfenden Überzug übergangen, der die Brillanz der Komposition: Eine konzeptionell, jedoch nicht thematisch
Gläser sehr beeinträchtigt. Partiell, vor allem an den weißen vergleichbare Lösung bietet eine Darstellung im Fresko der
Gläsern, ist die Bemalung abgängig. Die Korrosion bleibt na- Westempore des Gurker Doms, das Bischof Dietrich II. von
hezu ausschließlich auf die gelben Farbgläser beschränkt. Ver- Marburg (1253–1258) nach einem Brand neu malen ließ. Dort
gleichsweise viele Sprünge im Randbereich. sind im Scheitel des östlichen Gewölbes die vier Paradiesströme
Ikonographie: In den durch das Armierungskreuz geviertelten einem gleichschenkligen Kreuz eingeschrieben171.
Okulus sind Halbkreise mit Einzelfiguren eingeschrieben, die Technik: Im hellblauen Gewand des Hl. Franziskus ist ein au-
sich zu einer übergreifenden, an das Prankenkreuz des Deut- ßenseitig aufgetragener Faltenverlauf zu erkennen.
CVMA RT 13401f., Großdia RT 06/035
Die Glasmalereien unterschiedlicher Herkunft im Chorfenster nord II sind, um ihre Zusammengehörigkeit zu sugge-
rieren, zuerst von Lange, im Jahr 1904 noch einmal in besserer kopistischer Qualität von der Charlottenburger Werk-
statt durch gleiche Rahmen- und Ornamentformen einander angeglichen worden. Dabei fällt die frontal ausgerichtete
Marienfigur mit Kind durch ihre geringere Größe und den kraftloseren Entwurf aus der Gruppe der spätromanischen
Standfiguren heraus172 . Ihr spröderer, im Detail in Flächenornamenten sich verkünstelnder Stil verbindet sie mit zwei
ornamental gestalteten Maßwerkrosetten in den Chorfenstern SÜD IV und süd V.
Komposition, Farbigkeit, Rekonstruktion: Die Marienfigur zeichnet sich durch die Kombination zweier un-
terschiedlicher Rahmensysteme aus. Zum einen ist die Figur mit drei tiefroten, von Perlbändern gesäumten Farb-
kreisen hinterlegt. Zum anderen wird sie von einer Ädikula aus schlanken Marmorsäulen umfangen, die eine heute
verlorene Bogenarchitektur trugen. Das Farbkreiselement ist sicher von der Nimbensymbolik abzuleiten, die hier
vom Haupt auf den Körper der Heiligen ausgeweitet wird. Das gleiche Motiv zeigt schon die um 1170/80 entstande-
ne Bartholomäusfigur aus Peterslahr/Westerwald im Hessischen Landesmuseum Darmstadt173. Vielleicht darf man
in diesem Gestaltungsmittel eine Vorform des Langpasses erkennen, wie er in den Figurenfeldern des Naumburger
Westchores ausgebildet vorliegt, doch kommt ihm in Marburg noch nicht die von Frodl-Kraft beschriebene Funk-
170 AK Eisenach 2007, I, S. 215–218, Nr. 141–145 (Hartmut Kühne), Rankengrund aufl iegt; CVMA Österreich IV, 2007, Abb. 746. Drei
mit weiterführender Literatur. hinterlegte Kreise zeigt auch noch die um 1290 entstandene Johannes-
171 Waldemar Posch/Josef Wilfing, Dom zu Gurk. Die Fresken der scheibe aus Pichl bei Tragöss, Steiermark; Frodl-Kraft 1967, Nr. 1.
Bischofskapelle in der Westempore, Passau 2001, Abb. S. 19. 175 AK Köln 1998, S. 138f., Nr. 10.
172 Kroos 1981, S. 223, ging irrtümlich noch von einer Zugehörigkeit 176 Ein interessantes und prinzipiell auch für Marburg zu erwägendes
Marias zu der darüber befi ndlichen Elisabethfigur aus und stellte über Programm stellt die in Assisi gefundene Lösung dar: Im zweibahnigen
die Beischrift Marias als Mutter der Barmherzigkeit einen ikonogra- Langhausfenster A XIII steht einer Maria mit Kind Christus gegen-
phischen Zusammenhang her. über, der in seinen Händen den Hl. Franziskus trägt (um 1270); Mar-
173 Beeh-Lustenberger 1967 bzw. 1973, S. 21–23, Nr. 4 mit Abb. 3. tin, Zackenstil, 1997, Abb. 193f.
174 Eva Frodl-Kraft, Die »Figur im Langpaß« in der österreichischen 177 Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Außenstelle Marburg.
Glasmalerei und die Naumburger Westchor-Verglasung, in: FS Schu- 178 Freilich teilte die Vertikalarmierung, wie die Aufnahme zu er-
bert 1967 (wie Anm. 122), S. 309–314. Im Hinblick auf die Entwicklung kennen gibt, auch diese höheren Felder in zwei Teile. Unsere Überle-
des Langpasses und die Aufgabe der räumlichen Schichtung der Dar- gungen besitzen nur dann eine gewisse Wahrscheinlichkeit, wenn man
stellung ist eine um 1230 entstandene Nikolausfigur im Vorarlberger annimmt, dass Lange für seine Verlängerung des Ornamentteppichs in
Landesmuseum Bregenz vergleichbar, die auf rankenverziertem, in der die unteren Zeilen hinein an dieser Stelle eine solche Armierung nach-
Figurenmitte halbkreisförmig über die Rahmenborte ausgedehntem träglich hinzufügen musste.
der meister der mater misericordiae 421
tion der Raumschichtung zu174. Der Schachbrettsockel unterhalb von Maria ist womöglich ursprünglicher Bestandteil
der Komposition, er besteht ausschließlich aus originalen Stücken. Welche Kompositionsmöglichkeiten ergeben sich
für die Figur? Die im Vergleich zu den romanischen Standfiguren geringere Größe Marias würde eine Reihe von drei
übereinanderstehenden Figuren je Lanzette erlauben. Möglich ist allerdings auch – wie im Achsenfenster der Arns-
berger Propsteikirche – die Einbettung der Darstellung in einen durchlaufenden Ornamentteppich175. Ob die Mutter
der Barmherzigkeit, so benannt nach der im Bogenfeld umlaufenden Bezeichnung, Teil eines fensterübergreifenden
Bildprogramms war, kann hier nicht beantwortet werden; immerhin scheint sich Christus einer imaginären Person
zuzuwenden176 . Beachtenswert ist außerdem der auf einer alten Aufnahme dokumentierte Zustand des Fensters SÜD
IV, in dem die stilistisch zugehörige Ornamentrosette vor den Linnemannschen Instandsetzungsmaßnahmen saß177.
Bei der Neuausstattung dieses Fensters hatte Lange die vorhandene Armierung ausnahmsweise belassen, da die Lan-
zetten von ihm gänzlich neu verglast wurden. Die beiden unteren Zeilen zeigen hier noch eine gegenüber den darüber
befindlichen Scheiben höhere Felderteilung, die der Mater misericordiae in etwa entspricht178 . Will man diese Position
als die ursprüngliche ansehen, so würde damit auch die Annahme einer kompositen Verglasungsform aus Standfiguren
unter Ornamentteppichen an Wahrscheinlichkeit gewinnen.
Ornament: Die weitgehend in Grisaille mit blauen Glasstücken durchsetzten Maßwerkrosetten gehen mit dem kräf-
tigen Kolorit der Marienscheibe schwerlich zusammen. Doch erscheint die Palmettenborte im Mantel Marias in glei-
cher Form als Ornamentstreifen in der Rosette des Fensters süd V. Tendenziell besteht hier wie da auch ein Hang,
an den Binnenflächen aus den Überzügen Ziselierungen herauszukratzen, wobei Kreuzschraffuren überwiegen. Die
beiden Rosetten verbinden Blattmotive mit geometrischen Strukturen, die entweder isoliert aufliegen oder organisch
ineinander übergehen.
dünntes Liniennetz mit – wie im Elisabeth-Medaillonfenster – rechteckig umbrochenen Hakenenden getreten, das
im schematischen Verlauf die Körperanatomie insgesamt mehr verstellt als erhellt. Der Bortenbesatz ist reduziert
und hat sich am Kleid entgegen dem Faltenverlauf der Ökonomie des Glaszuschnitts angepasst179. Die beiden parallel
verlaufenden Zierbänder weigern sich, dem vom Gewand vorgegebenen Relief zu folgen. Auch Halbtonüberzüge sind
vorhanden, doch werden sie nicht körperwirksam eingesetzt, sondern in akribischer Radiertechnik großflächig mit
Rankengeflechten, Parallelstrichen und Mäanderlinien verziert. Dieses künstlerische Gestaltungsmittel hatte bereits
der aus Sachsen stammende Glasmaler Gerlachus in der Arnsteiner Westchorverglasung ausgiebig angewendet. Der
zunächst diagnostizierte altertümlichere Eindruck erweist sich als Resultat ökonomischer Vereinfachung.
Nicht im Stil, aber im Ergebnis einer parallelen Entwicklung steht unsere Figur darin den kaum vor 1250/60 entstande-
nen Heiligen in Neukloster nahe. Auch in der gotländischen Glasmalerei gibt es Belege für eine über die Jahrhundert-
mitte hinausgehende Versprödung des Stils unter Beibehaltung altertümlicher byzantinisierender Gewandformeln.
Daher wird man die Entstehung der Mater misericordiae auch in der Nachfolge der Werkstatt der spätromanischen
Standfiguren annehmen dürfen, wobei sich ihr Schöpfer möglicherweise als von dieser Gruppe abhängig erweist. Mit
einer Datierung im Anschluss an die Fertigstellung des Sakristeianbaus in den 1260er-Jahren wäre ein möglicher Be-
zug zur Ausstattungsgeschichte gegeben. – Um 1260/70.
Die Neuzusammenstellung der Figurenfelder dieses Fensters geht wohl auf die Instandsetzungsarbeiten Neiderts in
barocker Zeit zurück (s. bereits S. 371). Hier erfolgt lediglich die Bearbeitung der Mater misericordiae.
Gesamtaufnahme: CVMA RT 13450
1/2a MATER MISERICORDIAE Fig. 538f., Abb. 273
H./B.: 1a: 98/82 cm; 2a: 83/82 cm.
Inschrift: Im Architekturbogen die Bezeichnung in go-
tischen Majuskeln: · SANCTA · MARIA · MATER
MISER(I)CORDIA.
Erhaltung: Die stilistisch misslungene Ergänzung des Marien-
gesichts trägt entscheidend zum modernen Erscheinungsbild
der Figur bei, deren gesamte Rahmengestaltung der darüber
befi ndlichen Elisabethfigur angepasst wurde. Der Nimbus,
einige Gewandstücke, der quer verlaufende Bortenbesatz, der
blaue Rankengrund sowie die Blattkapitelle sind Neuschöp-
fungen der Charlottenburger Werkstatt. Vom aufgemauerten
Bogenfeld ist nur die umlaufende Inschrift original.
Ikonographie: Maria mit Krone und Schleier in aufrechter, fron-
taler Stellung hält ihren Sohn an Brust und Beinen. Christus
scheint mit seinen ausgebreiteten Armen und den überkreuzten
Beinen, den Blick dabei nach oben gerichtet, seine eigene Kreu-
zigung motivisch anzukündigen. In diesem ikonographischen
Fingerzeig wird die Bezeichnung Marias als Mutter der Barm-
herzigkeit erst konkret: Denn Christus erbarmte sich der
Menschheit und gab sein Leben zu ihrer Erlösung.
Die Form der Bügelkrone und eine Palmettenborte als Zier-
streifen am Gewand begegnen zu Beginn des 13. Jahrhunderts
auch im Brandenburger Evangelistar; eine Verwandtschaft der
Typen besteht zum Buchrückenschmuck des sog. Kostbaren
Evangeliars im Hildesheimer Dommuseum180 .
Farbigkeit, Ornament: Die bandverzierten Säulenschäfte sind
in unterschiedlichen Farben (links violett/gelb, rechts gelb/vio-
lett) ausgeführt. Falls dies kein bewusst gewähltes Gestaltungs-
mittel darstellt, müssen die Schäfte aus verschiedenen Feldern Fig. 538.
entnommen worden sein. ES Chor n II, 1/2a.
CVMA T 6085 (1a), 6224 (2a) M 1:15
der meister der mater misericordiae 423
Durch ein Armierungskreuz viergeteilter Maßwerkokulus. Die Flechtbandgrisaille befand sich bereits vor der Linne-
mannschen Restaurierung der Ornamentfenster im Chorfenster SÜD IV. Zuvor war in den Lanzetten eine rekons-
truktive Neuschöpfung Langes nach verlorenen Ornamentresten zu sehen; eine Doublette jenes Fensters ist heute
noch in der Südkonche (süd VII) vorhanden. In den Zwickeln haben sich keinerlei mittelalterliche Verglasungsreste
erhalten. Die nicht zugehörige Verglasung der Lanzetten wird unter der Gruppe der Genesiswerkstatt katalogisiert
(s. S. 397f.). Gesamtaufnahme: CVMA JJ 13012
Fig. 540.
ES Chor
S IV, 2AB 1–4.
M 1:15
179 Voraussetzung für diese Annahme ist aber, dass die bereits im 19.
Jh. gänzlich erneuerten Borten der ursprünglichen Verbleiung folgen.
180 Braun-Niehr 2005, Taf. 8; Wulf 2003, I, S. 181–183, Nr. 4, II,
Abb. 8. Die Erneuerung des Einbands datiert ins ausgehende 12. Jh.
181 Vgl. das Rundfenster SÜD IV und die Passlappen im Maßwerk-
Fig. 539. Mater misericordiae. Chor n II, 1/2a. Um 1260/70. sechspass des Fensters West V; Frodl-Kraft 1972, Abb. 340f., 348.
424 marburg . elisabethkirche
Durch ein Armierungskreuz viergeteilter Maßwerkokulus. Das nicht zugehörige Mäanderornament in den Lanzetten
wird im Zusammenhang mit der Ausstattung der Südkonche durch die Genesiswerkstatt behandelt (s. S. 398f.). Linne-
mann versetzte zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Verglasung von Chorfenster nord III an seine heutige Stelle.
Gesamtaufnahme: CVMA Großdia E 08/033
Im Anschluss an die Gesamtweihe der Kirche im Jahr 1283 und der Hauptaltarweihe von 1290 konnten sich die gestal-
terischen Kräfte nun vermehrt auf die künstlerische Ausstattung des Baues konzentrieren. Die Werkstatt des Marien-
fensters (5) schuf damals zusammen mit der Werkstatt des Noli-me-tangere-Fensters (6) für die oberen Fensterreihen
der beiden Konchen figürliche und ornamentale Glasmalereien, die anstelle einfacher Verglasungen rückten.
Wenn auch die Verglasung in den Lanzetten des Chorfensters NORD II einen geschlossenen Eindruck erweckt – le-
diglich das Maßwerkornament entstammt der Werkstatt der spätromanischen Standfigurenfenster –, so hat Neidert in
ihm doch Bestandteile mehrerer Figurenfenster zusammengeführt. Für eine solche Folge von Heiligen kommt unse-
ren Überlegungen zufolge als ursprünglicher Standort allein der obere Fensterabschnitt der Südkonche in Frage, da
der Ostchor bereits weitgehend ausgestattet gewesen sein dürfte und die entsprechende Fensterzone der Nordkonche
aufgrund ikonographischer Bezüge zu den Altarpatrozinien mit der Werkstatt des Noli-me-tangere-Fensters verbun-
den werden kann. Der ersten Gruppe ordnen wir – obschon entwicklungsgeschichtlich eine ältere Stilstufe vertretend
– noch die beiden Grisailleornamentfenster in NORD V und SÜD V ein; hierzu ist schließlich auch ein von Moller
zeichnerisch überliefertes, heute jedoch verlorenes Fenster zu zählen184.
Rekonstruktion, ikonographisches Programm: Den entscheidenden Hinweis darauf, dass das Fenster NORD
II aus unterschiedlichen Verglasungen neu zusammengestellt wurde, liefern die verschieden gemusterten Randstreifen
der einzelnen Felder, die glücklicherweise im Zuge der letzten großen Restaurierungskampagne zu Beginn des 20.
Jahrhunderts nicht ausgesondert worden sind. An den schmalen Zierbändern mit ihrer weitgehend auf drei Grundfar-
ben beschränkten Farbigkeit fallen die Unterschiede auch heute kaum ins Gewicht. Das geschlossene Erscheinungs-
bild dieses Pasticcios resultiert aus der Gleichförmigkeit eines ökonomischen Verglasungskonzeptes, das eine belie-
bige Kombinierbarkeit aus den immer gleichen Bestandteilen von Figuren und Rahmenarchitekturen gewährleistet.
Zunächst zu den Sockelfeldern mit Stifterwappen: Diese lassen sich mit keiner der erhaltenen Figuren verbinden und
müssen daher einem sonst vollständig verlorenen Figurenfenster zugerechnet werden185. Als zusammengehörig er-
weisen sich die Figurenpaare von Maria und Johannes (inneres blaues Perlband mit dazwischen liegenden weißen
Rautenstücken) sowie von Katharina und Jakobus (abwechselnd blau-rotes Perlband mit dazwischen liegenden weißen
Rautenstücken ohne Binnenzeichnung), die jeweils ein eigenes Fenster bildeten. Die identischen roten bzw. blauen
Farbgründe beider Paare lassen vielleicht den Schluss zu, dass diese ursprünglich nicht nebeneinander saßen, son-
dern nach einem Gestaltungsprinzip gotischer Farbverschränkung kreuzweise angeordnet waren. Zwei eigenständige
Gruppen bilden ferner die beiden Architekturbaldachine in den Zwischenfeldern (Fehlen eines zweiten Randstreifens,
lediglich ein breites Perlband mit blau-gelb geteiltem Band) und die Kopfscheiben (Randstreifen abwechselnd blau-
gelb mit Blattwellenornament und dazwischen liegenden weißen Rautenstücken)186 .
Anhand der erhaltenen vier Figuren ist das ursprüngliche Bildprogramm kaum mehr zu ermitteln. Es handelt sich bei
ihnen um populäre Heilige, die natürlich auch in einem engeren Bezug zur Elisabethkirche stehen. Maria ist Patronin
des Deutschen Ordens wie des Kirchenbaues, Jakobus der Schutzheilige der im frühen 14. Jahrhundert immer noch
zahlreich nach Marburg kommenden Pilgerschaft, Katharina schließlich war ein Altar sowie die 1288 fertiggestellte
Schlosskapelle der Landgrafen geweiht. Da über die erhaltenen Wappenbilder Stifter aus dem engeren Umfeld des
184 Moller 1822–1824, Taf. XVI. gab. Auf dem Foto ist in den weißen Randstreifen von Feld 4b noch
185 Eine historische, vor der großen Restaurierung angefertigte Auf- das Kopffragment einer weiteren Figur zu erkennen; Michler 1984,
nahme zeigt anstelle des später ergänzten Schachbrettgrundes aller- Abb. 38.
dings noch Quadermauern zwischen einer sonst nicht vorkommenden 186 Die architektonischen Zwischenfelder unterscheiden sich unterei-
Perlbandborte, sodass der Wappenschild entweder in späterer Zeit in nander wiederum in Details, so in der Form der Balustraden (Vierpäs-
das ursprünglich nicht zugehörige Sockelfeld eingefl ickt wurde oder se bzw. Lanzetten), im Blattkarogrund (mit und ohne Binnenkreuz)
derselbe Stifter noch ein zweites, heute verlorenes Fenster in Auftrag und in der Farbe der Ringe unter den Kreuzblumen (Blau bzw. Grün).
426 marburg . elisabethkirche
Fig. 543. Blick in die Südkonche (sog. Landgrafenchor) mit der Grablege der Landgrafen von Hessen.
Landgrafenhofs bezeugt sind, ist davon auszugehen, dass auch die verlorenen Figurenfenster in einer gemeinsamen
Stiftungsaktion aus dem Umkreis des Herrscherhauses in Auftrag gegeben worden sind, worin sich Verbundenheit
und Treue am Ort der dynastischen Grablege ausdrücken. Die Figurenverglasung dürfte sich dabei, wie die beiden
zugehörigen Ornamentfenster annehmen lassen, auf den Polygonabschnitt der Südkonche beschränkt haben.
Komposition, Farbigkeit: Die Standfiguren sind in eine klar konzipierte Rahmenarchitektur eingebettet, deren
struktive Glieder durch farbige Differenzierung akzentuiert werden. Seitliche, auf aufgemauerten Postamenten ru-
hende Säulen in den Sockelfeldern stützen das dreizeilig darüber aufragende Figurentabernakel. Die Figur begleiten
die hochgotische zweitverglasung der südkonche 427
schlanke Säulen mit Blattkapitellen, auf deren Kämpferplatten ein reich geschmückter Baldachin sitzt. Der mittig von
einer Konsole abgefangene Doppelgiebel ist mit Krabben und Kreuzblumen verziert; daraus wachsen drei schlanke
Fialen in ganzer Felderhöhe empor. Hinter dem Giebel wird die im Aufriss dreiteilige Mauerzone hochgeführt. Über
dem Quadermauerwerk verläuft zunächst eine Maßwerkbalustrade, darüber eine Reihe zweibahniger Maßwerkfenster
mit genasten Lanzetten und farblich hervorgehobenen Vierpassrosetten. Auf dem Baldachin ruht eine mit Ranken
verzierte Sockelplatte, die der oberen Figur als Standfläche dient. Deren Architekturbekrönung verzichtet auf das
seitliche Fialenpaar; über der Mauerzone verläuft stattdessen eine Blendarkatur mit abschließendem Ziegeldach.
Verwandte Rahmenformen mit charakteristischer Dachlandschaft begegnen bereits im Psalter Ludwigs des Heiligen,
der um 1260/70 in einem Pariser Atelier angefertigt wurde187. In der Glasmalerei sind vergleichbare Rahmenlösungen
am Oberrhein und im Bodenseegebiet anzutreffen. Im Schmiedefenster des Freiburger Münsters finden sich entspre-
chende Architekturen, ebenso im dreibahnigen Chorfenster aus der Konstanzer Dominikanerkirche, dort allerdings
durch Verwendung von Einfach- und Doppelgiebelrahmen bahnweise rhythmisiert188 . Auf diesen Rhythmus verzich-
tet das Amelungsborner Prachtfenster, das die Einzelszenen der Heilsgeschichte noch um 1340/50 unter Doppelgie-
belarchitekturen setzt, die dem Marburger Fenster in Form und Gestalt erstaunlich nahestehen189.
Im Prinzip gehen die übereinander angeordneten und durch architektonische Zwischenelemente voneinander geschie-
denen Paare auf die Gruppe der spätromanischen Standfiguren zurück, doch wird nun zusätzlich eine architekto-
nische Sockelzone für die Aufnahme des Stifternachweises eingeschoben, was die Obergadenverglasung des Kölner
Domes in Erinnerung ruft190 . Die Nachfolgewerkstatt übernahm noch weitere Gestaltungselemente, die sie lediglich
in eine moderne Form überführte: Hier sind an erster Stelle die Segmentierung der Gewänder durch den springenden
Bortenbesatz und der gebrochene Verlauf der Schüsselfalten zu nennen, zudem werden die Figuren von doppelten
Randstreifen eingefasst und die Architekturbekrönungen wie beim Vorbild mit einem Ziegeldach abgeschlossen191.
Schließlich begegnet auch in den Schmuckformen mehrfach jenes von der spätromanischen Werkstatt her bekannte,
jedoch längst veraltete Repertoire an Nimbenmustern und Bortenmotiven.
Das Marienfenster sticht durch sein plakatives, gegenüber den älteren figürlichen Glasmalereien des Chores reduk-
tionistisches Kolorit hervor. Dieser grundlegende Unterschied markiert den Wechsel vom spätromanischen zum go-
tischen Farbempfinden. Obschon die Anlage vor allem der Gewänder noch eine Reminiszenz an die segmenthafte
Struktur der älteren Figurengruppe darstellt, werden zusammengehörende Gegenstände nun durch großzügig ange-
legte Flächenfarben unmissverständlich zusammengeschlossen und der Figurenumriss von Teppichgrund und Rah-
menarchitektur klar geschieden192 . Die Farbpalette bleibt weitgehend auf Blau, Rot und Gelb beschränkt; Akzente
sind durch sparsamen Einsatz grüner Farbgläser gesetzt (Nimben, Gewandsaum, Architekturdetails)193. Zur Stei-
gerung der plastischen Wirkung werden neben einer kräftigen Halbtonmodellierung der Faltentäler auch Farbgläser
mit unterschiedlicher Sättigung herangezogen. In der farbigen Anlage der Fenster drückt sich ein strenges Ordnungs-
prinzip aus, das über die farbliche Verklammerung hinaus auch auf der Ebene der Figurenbildung Symmetriegesetzen
folgt, die bezüglich Körperhaltung, Faltensystemen oder auch dem Verhältnis von Mantel zu Gewand nur wenig
Varianz erlaubten.
Ornament: Gegen die satte Farbigkeit der Figurenfenster üben sich die Grisaillen in asketischer Zurückhaltung. Ihre
silbrig-lichte Farbwirkung wird durch vereinzelt eingestreute Farbpunkte kaum beeinträchtigt. In der Verbindung
vegetabiler und geometrischer Formen stehen die beiden Ornamentfenster auf gleicher Stufe mit der Ornamentvergla-
sung der spätromanischen Standfiguren, doch wird die gleiche Wirkung mit unterschiedlichen Formmitteln erzielt.
An die Stelle fantastischer Gewächse rücken neuartige naturalistische Blattformen mit lebendigem Wuchs, die mit
geometrischen, mit dem Zirkel konstruierten Maßwerkformen kombiniert werden. Mit diesen Kompositionselementen
wird der Anschluss an die aktuelle Formensprache der gebauten Architektur erreicht; die Architekturglieder der
187 Marcel Thomas (Hrsg.), Der Psalter Ludwigs des Heiligen. Wie- 191 Wille 1952, I, S. 16–18.
dergabe der 78 ganzseitigen Miniaturen des manuscrit latin 10525 der 192 Haseloff 1907, S. 21.
Bibliothèque nationale in Paris, Graz 1985. 193 Im Grabmal der 1274 verstorbenen Aleydis von Braunschweig in
188 Becksmann 1967, S. 36, 69–71 (Freiburg, Münster, Schmiedefens- der Südkonche tritt in der Farbfassung als dominanter Farbakkord
ter), 82–84 (Heiligenberg, Chorfenster aus Konstanz). bereits Blau/Rot unter Hinzuziehung von Grün in Erscheinung;
189 Wentzel 1965. Michler 1984, S. 241–248.
190 Rode 1974, Taf. 89, Abb. 247.
428 marburg . elisabethkirche
lich mit den Möglichkeiten der rhythmischen Farbverschränkung unterstrichen. Dennoch bleibt in der Komposition
eine Reihe von Rückbezügen zur Gruppe der spätromanischen Standfiguren bestehen. Schon Haseloff hatte auf die
Typenverwandtschaft beider Bestände hingewiesen und das Marienfenster in der Nachfolge der ersten Werkstatt ge-
sehen195. In diesem erkannte er den Wendepunkt hin zu den gotischen Glasmalereien um das »jüngere« Noli-me-tangere-
Fenster. Michler hat dem widersprochen und das Fenster an das Ende der Entwicklungslinie innerhalb der Mar-
burger Glasmalereien gerückt, wobei er seine Entstehung mit dem Hinweis auf die vergleichbar schönlinigen Figuren
des Lettnermeisters um 1320 ansetzte196 . Am Marburger Lettner wirkten Kräfte mit, die zuvor am Kölner Hochaltar
tätig waren; mit der Kölner Domweihe von 1322 könnten Mitarbeiter von dort abgezogen worden oder abgewandert
sein. Ein Wesenszug dieser Skulpturen sind die »gedrungenen Proportionen unter Betonung des Körpervolumens,
die Schildform des Gesichts« und ein Wechselspiel von reliefartigen flachen Faltenkaskaden und kräftigen Schüssel-
falten197. Diese Stilelemente lassen sich auf die Mitarbeit lothringischer Bildhauer in Köln zurückführen, sie manifes-
tieren sich jedoch auch im Marienfenster (vgl. Fig. 546–549). Allerdings wird man das Auftreten dieses Figurentyps in
Marburg nicht notwendig an die Errichtung des Marburger Lettners knüpfen müssen, da die künstlerischen Wechsel-
beziehungen zwischen Marburg und Köln über die Marburger Bauhütte bereits bestanden und lothringische Werk-
stätten schon im ersten Jahrzehnt am Kölner Chorgestühl fassbar sind198 .
Fig. 548. Muttergottes aus dem Tongerschen Haus am Fig. 549. Johannes der Täufer. Marburg,
Hof in Köln. Köln, Museum Schnütgen. Elisabethkirche, Südkonche.
Köln, um 1320. Marburg, 2. Viertel 14. Jh.
um mit dem Hersfelder Katharinenfenster sowie mit niedersächsischen Exportarbeiten auf Gotland verbinden lässt,
deutet eine solche Möglichkeit an.
Für die angenommene Ortsansässigkeit lassen sich als zusätzliches Argument weitere Werke dieses Ateliers für das
nahe gelegene Winnen, für Berich und für die damit zu verbindende Verglasung im lahnabwärts gelegenen Dausenau
ins Feld führen. In den genannten Beispielen werden die einmal gefundenen Gestaltungsmittel in stereotyper Weise
wiederholt; die technisch versierte Ausführung, die ökonomische Machart und die weite Verbreitung zeugen von der
Exportorientiertheit der Werkstatt, die für das Überleben des Betriebs unumgänglich war, da Marburg allein als mit-
telgroße Stadt die Existenz des Betriebs auf Dauer kaum hätte sichern können.
Die weitere Ausschmückung der Südkonche mit Glasmalereien erfolgte im Anschluss an die Hauptaltarweihe 1290,
mit der ein Großteil der Arbeiten am Bau zum Abschluss gebracht worden war. Bereits die Gesamtweihe der Kirche
im Jahr 1283 hatte den Anschub zu einer Reihe neuer Ausstattungsobjekte gegeben 200 . Die Beweggründe für eine
Neuausstattung der Südkonche mit Glasmalereien dürften in den politischen Ambitionen des hessischen Landgrafen-
hauses zu suchen sein; die Pläne zur Einrichtung einer dynastischen Grablege gehen möglicherweise noch in das aus-
gehende 13. Jahrhundert zurück, als man Heinrich den Jüngeren 1298 dort bestatten ließ201. In diesen repräsentativen
Kontext lassen sich die Glasmalereistiftungen einbetten, womit unser Lokalisierungsvorschlag zugleich eine weitere
Stütze erhält. Die beiden Wappen in den Sockelfeldern weisen in den engsten Kreis der ludowingischen Ministerialen
und liefern einen wichtigen Anhaltspunkt zur Datierung der Stiftung 202 . Der landgräflich-thüringische Burgmann
Guntram I. zu Schweinsberg (1234 – vor 1272) war noch vom thüringischen Landgrafen selbst zum hessischen Erb-
schenken bestellt worden. Zwei seiner Söhne, Guntram II. (1269–1318) und Eberhard (1269 – vor 1315) machten die
Burg Schweinsberg 1279 dem hessischen Landgrafen Heinrich I. lehnbar. Im Jahr 1299 begaben sie sich in die Dienste
des späteren Landgrafen Otto (reg. 1308–1328) und waren bis 1315 Mitglieder in dessen Rat 203. Otto übernahm nach
dem Tod des Vaters im Jahr 1308 die Regierung über das spätere Oberhessen und baute in einer Zeit politischer Stabili-
sierung die Südkonche systematisch zur Grablege aus. Falls die Stiftungen nicht schon unter Heinrich erfolgten, käme
also für die Glasmalereien eine Entstehungszeit zwischen 1308 und 1315 in Frage. Die beiden Ritter haben möglicher-
weise je eine Fensterstiftung getätigt, worauf die unterschiedlich gestalteten Sockelzonen in den Wappenfeldern einen
Hinweis geben; erst durch die egalisierende Restaurierung zu Beginn des 20. Jahrhunderts sind beide Felder formal
einander angeglichen worden.
Marburg, um 1300–1315.
MARIENFENSTER CHOR NORD II Fig. 546f., 550f., Abb. 251, 278f., 281f.
Zweibahniges und siebenzeiliges Maßwerkfenster. Neidert versammelte in beiden Lanzetten Glasmalereien aus ver-
schiedenen Fenstern. Die Blattornamente des Maßwerks befinden sich dagegen höchstwahrscheinlich noch an ihrem
ursprünglichen Platz und wurden von der Werkstatt der spätromanischen Standfiguren geschaffen; sie finden an ent-
sprechender Stelle im Katalog Erwähnung (s. S. 373f.). Der äußere breite und mit einem Perlband geschmückte Streifen
wurde von der Charlottenburger Werkstatt weitgehend neu geschaffen. Originale Reste blieben nur in den Kopf-
scheiben bewahrt. Zu licht empfundene Partien wurden damals durch kalt aufgebrachte Lacküberzüge stellenweise
gedämpft.
Gesamtaufnahmen: CVMA JJ 13006, Großdia RT 06/090
1a/b WAPPEN DER SCHENKEN ZU SCHWEINSBERG deren unmittelbare Nachbarschaft, was die Allianz zwischen
Fig. 546, 550, Abb. 278 Herrscherhaus und Stiftern auch visuell unterstrichen haben
H./B. je 83/63 cm. dürfte205.
Erhaltung: Während das Feld 1a mit Ausnahme des vollständig Ornament: Der umlaufende Randstreifen zeigt ein blaues, mit
erneuerten Randstreifens noch weitgehend originalen Glasbe- quadratischen weißen Steinen besetztes Band.
stand aufweist, sind in 1b nur noch der Schild sowie Teile der CVMA T 6059 (1a), 6060 (1b)
inneren Schmuckborte aus mittelalterlicher Zeit. Vor der Res-
taurierung 1903 lag das Wappen in 1b auf einem von Perlbän-
dern umsäumten Mauergrund. 200 So errichtete man kurz darauf eine erste Abschrankung zwischen
Ikonographie: Vor schwarz/gold geschachtem Hintergrund ein Chor und Kreuzaltar, von der sich heute lediglich die Triumphkreuz-
geteilter Schild, oben in Blau ein schreitender goldener Leopard gruppe erhalten hat. 1286 entstand das Elisabethmausoleum, 1290 als
(Kopf en face), unten von Silber und Rot gerautet. Das Wappen weiteres architektonisches Schmuckstück der neue Hochaltar.
201 Zur Einrichtung der Grablege seit dem ausgehenden 13. Jahrhun-
der Schenken zu Schweinsberg zeigt eigentlich einen schrei-
tenden Löwen (Kopf en profi l), was Schenk zu Schweinsberg dert s. ausführlich Holladay 1983.
202 Schenk zu Schweinsberg 1904 (s. Bibl.).
1904 dazu veranlasst hat, in der ausführenden Werkstatt einen 203 Demandt 1981, II, S. 741f.
nicht ortsansässigen Betrieb zu vermuten 204. 204 Schenk zu Schweinsberg 1904 (s. Bibl.), S. 211.
Komposition: Hält man sich vor Augen, dass ursprünglich über 205 Zu den heute im Universitätsmuseum Marburg aufbewahrten
allen Fenstern der unteren Fensterreihe die Zier- oder Toten- Schilden vgl. Friedrich Warnecke, Die mittelalterlichen heraldischen
schilde der Landgrafen in den Bogenzwickeln zu sehen waren, Kampfschilde in der St. Elisabeth-Kirche zu Marburg, Berlin 1884; s.
rückten damit die Stifternachweise der oberen Fensterreihe in auch Michler 1984, S. 239–241.
die hochgotische zweitverglasung der südkonche 433
Fig. 554. ES Chor N II, 6a/b, 2AB 1–4. M 1:20 Fig. 555. Ornamentfenster N V, 4b.
2AB 1–4 BLATTROSETTE Fig. 554, Abb. 320 pich von zur Mitte hin wachsenden Beifußranken liegen drei
H./B. je 55/55 cm. konzentrisch angeordnete Bänder (blau/rot/blau) in Sternform
Erhaltung: Gut erhalten. Die beiden schmalen gelben und wei- auf. Die vier Spitzen des äußeren Sterns überlagern zum Rand
ßen Borten wurden von Linnemann neu hinzugefügt. Ergänzt rotfarbene Punkthälften. Blattwerk und Farbigkeit schließen
sind ferner einige wenige Blattstücke. Aus der Ferne konnte sich mit dem Wirbelrosettenfenster (SÜD V) zusammen, in
nicht entschieden werden, ob die teilweise bräunliche Verfär- welchem sich der Okulus vor der Restaurierung durch Linne-
bung der weißen Gläser auf Korrosion beruht oder auf eine mann auch befunden hatte. Aber auch eine Zugehörigkeit zu
moderne Kaltbemalung der Scheiben zurückzuführen ist. Fenster NORD V ist möglich.
Komposition, Farbigkeit, Ornament: Auf einem Grisailletep- Foto Marburg 22378f.
Zweibahniges und sechszeiliges Maßwerkfenster, der Okulus mit Armierungskreuz. Sieben Felder
in den Lanzetten gehören zum Originalbestand, im Maßwerk sitzen Neuschöpfungen. Als eines
der wenigen Ornamentfenster im Chor befand sich die Verglasung bereits vor der Linnemannschen
Restaurierung an gleicher Stelle.
Gesamtaufnahmen: CVMA RT 13456, Großdia RT 06/094
207 Zu den nördlichen Chorobergadenfenstern s. AK Köln 1998, S. ren bisher irrtümlich in die Nebenchöre lokalisiert worden, können
168–171, Nr. 20.2–5 (Hartmut Scholz); zum Nordquerhausfenster aber aufgrund ihrer Maße und ihrer stilistisch kaum vor 1300 mög-
s. Lymant 1979, S. 89f., Abb. 36f.; neuerdings Hartmut Scholz in: lichen Entstehung nur aus den Langhauskapellen stammen; s. Daniel
Gast/Parello/Scholz 2008, S. 30–43. Eine typologische Vorform Parello, Die Glasmalereien, in: Die Liebfrauenkirche in Oberwesel,
stellt vielleicht das um 1275/80 anzusetzende, heute verlorene Wirbel- hrsg. von Regine Dölling (Forschungsberichte zur Denkmalpflege
rosettenmuster in Sechspassformen der Erfurter Predigerkirche dar; 6), Worms 2002, S. 143–157, hier S. 147f.
Drachenberg/Maercker/Schmidt 1976, S. 106 (Anm.), Abb. 219. 209 Hamann/Wilhelm-Kästner, I, 1924, Abb. 22 (Marburg, Lang-
Zu einer dendrochronologisch gestützten Datierung des Baues s. haus), Abb. 114 (Haina); Michler 1984, Abb. 136 (Marburg, Sakris-
Anette Pelizaeus, Die Predigerkirche in Erfurt. Studien zur gotischen tei). Aus der Übereinstimmung der Schmuckformen von SÜD V mit
Bettelordensarchitektur in Thüringen, Köln 2004. den Schlusssteinen der Sakristei erschließt Michler eine Datierung
208 Beeh-Lustenberger 1973, S. 90, Nr. 121, Taf. 12. Diese wa- um 1280 (S. 166).
438 marburg . elisabethkirche
Der nach der Noli-me-tangere-Darstellung in Chor SÜD II benannten Werkstatt lassen sich außer diesem Fenster
vier kleine Standfiguren in Tabernakeln zuordnen – eine Verkündigungsgruppe und die Hll. Elisabeth und Katharina
–, die in einer freien rekonstruktiven Anordnung durch das Königliche Institut für Glasmalerei, Berlin-Charlotten-
burg, 1883 in den Achsenfenstern nord X und NORD X der Nordkonche Platz gefunden hatten. Anstelle eines heute
im Depot des Universitätsmuseums befindlichen Originalfeldes aus dem Verkündigungsfenster wurde vor Ort eine
getreue Kopie eingesetzt. Die Reste zweier hiermit zu verbindenden Ornamentfenster überliefert Moller in seinem
Mappenwerk zur Elisabethkirche; nach ihnen fertigte Lange zuverlässige Kopien an, die sich heute in den Fenstern süd
VI und süd VII der Südkonche befinden.
Erhaltung: Bereits Lange hatte Mühe, dem fragmentarischen Erhaltungszustand des Fensters SÜD II wieder ein
einheitliches Gepräge zu verleihen. Das auf die Instandsetzung von Neidert zurückgehende Flickwerk wurde von
ihm fast durchgängig neu im Stile der vorgefundenen Reste entworfen und gemalt, und auch der aus Eichenlaub gebil-
dete, um das Ganze laufende Fries so wie die zur Einrahmung der Figuren dienenden architektonischen Verzierungen
mußten nach Andeutung der wenigen erhaltenen Reste neu gemalt werden 210 . Die von Neidert anstelle der Sockel-
felder eingeflickten Scheiben der Genesiswerkstatt beließ Lange 1861 noch an Ort und Stelle (vgl. Fig. 416). Wenige
Jahrzehnte später hat man seine nicht als stilecht empfundenen Ergänzungen aber wieder ausgeschieden und durch
stimmigere Neuschöpfungen ersetzt (1903). Die damals angefertigten Vorzustandsaufnahmen geben Aufschluss über
die beträchtlichen substantiellen Verluste dieser Verglasung. Modern sind heute z.B. der Oberkörper der Hl. Mag-
dalena und der Unterkörper des Bischofs; dagegen hat die Johannesfigur immerhin einige wenige originale Scherben
bewahrt. Wesentlich besser erhalten sind dagegen Christus, das Architekturfeld mit dem Kopf des Bischofs und die
beiden Kopfscheiben mit Engeln.
Wichtige Hinweise zu Umfang und Qualität dieser Restaurierung gibt auch die Fotodokumentation zu den Statuet-
tenfenstern. Die Aufnahmen offenbaren zahlreiche Lücken im Bestand, Flickungen, aber auch empfindliche Verluste
der Malschichten dieser Gruppe (vgl. Fig. 417). Von den noch vereinzelt erkennbaren außenseitigen Musteraufträgen
ist heute nichts mehr zu sehen. Auch hier hat die Charlottenburger Werkstatt durch partielle Neubemalung und Er-
gänzungen rekonstruierend und, wie Detailvergleiche ergeben, nicht immer zuverlässig in den Bestand eingegriffen.
Hinsichtlich des Korrosionsbildes befinden sich die Gläser des Fensters SÜD II in einem wesentlich besseren Erhal-
tungszustand als jene der Nordkonche, deren Gläser durchgängig fortgeschrittene Verwitterung aufweisen.
210 StAM 315f, Marburg Elisabethkirche, Vol. III, 7b; zit. nach Mich- 212 Michler 1984, S. 164, 168, 193.
ler 1984, S. 138, Anm. 33. 213 Moller 1822–1824, Taf. XVI.
211 Schäfer 1910, S. 177; Michler 1984, S. 179.
die hochgotische zweitverglasung – werkstatt des noli-me-tangere-fensters 439
Fig. 559. Ornamentfenster s VI. Kopie des 19. Jh. Fig. 560. Ornamentfenster s VII. Kopie des 19. Jh.
Fig. 561. Hl. Elisabeth mit knienden Stiftern. Nord- Fig. 562. Hl. Katharina. Nordkonche, Fenster n X,
konche, Fenster n X, 3/4a. – Kat. S.446f. 3/4b. – Kat. S. 447
Marburg, um 1300–1310.
440 marburg . elisabethkirche
Fig. 563. Verkündigungsengel des Fritzlarer Retabels. Fig. 564. Hl. Bischof. Marburg, Elisabethkirche, Chor S II, 3a
Fritzlar, Stiftskirche, um 1330. (Ausschnitt). Marburg, um 1310/20. - Kat. S. 444f.
und dahinter ausgezogenem Turm werden daher die drei unteren, nahezu quadratisch großen Felder eingenommen
haben, während die obere Hälfte der Lanzetten aus Teppichornamenten bestand. Wie im Fenster SÜD II war das
Verkündigungsfenster von einem aufwachsenden Blattkranz umsäumt, dagegen mündeten die Borten im Elisabeth-
Katharinen-Fenster aufgrund der breiteren Tabernakel bereits in den äußeren Fialentürmen. Da die Fläche oberhalb
des Turmsockelgeschosses nicht das Teppichmuster der ursprünglich darüber verlaufenden Felder, sondern lediglich
Kreuzblattkaros bzw. einfache Grisaillen zeigt, wären wie in St. Thomas in Straßburg kleine Maßwerkbrücken als
Trennelemente zwischen beiden Mustern denkbar 214.
Komposition, Farbigkeit: Gegenüber dem Marienfenster bringt die Werkstatt des Noli-me-tangere-Fensters gleich
mehrere konzeptionelle Neuerungen mit. Als einen weiteren und entscheidenden Schritt in Richtung kommunikativer
Öffnung gehen die Standfiguren über die Fensterbahnen hinweg eine inhaltliche Verbindung ein, indem anstelle lose
nebeneinander aufgereihter Heiliger nun ganze Bildszenen zur Darstellung gelangen (Noli-me-tangere, Verkündi-
gung an Maria), soweit dies mit den Mitteln des offenbar beharrlich verfolgten Prinzips der Statuarik bestritten wer-
den konnte. Obschon das Noli-me-tangere-Fenster die traditionelle Kompositionsform von Figurenpaaren in Archi-
tekturrahmen beibehält, unterscheidet sich die Verglasung doch grundsätzlich vom ornamenthaften Erscheinungsbild
des Marienfensters: Die Figuren streifen ihren Flächencharakter ab, die einfache Rahmenarchitektur suggeriert über
die Lanzetten hinweg eine Einheit und erweckt den Eindruck einer gebauten Bühne für die darin agierenden Gestal-
ten. Der entwerfende Künstler nutzte dabei den raumklärenden Effekt von Formüberschneidungen.
Mit den Statuettenfenstern wird die bislang streng geübte Trennung von Ornament- und Figurenfenstern aufgegeben
und eine komposite Mischform entwickelt, wie sie am Oberrhein, etwa im Chor der Stiftskirche zu Niederhaslach,
schon im späten 13. Jahrhundert anzutreffen ist. Die zweiteilige Gliederung vereint die Vorteile beider Verglasungs-
systeme. Sie wird dem Wunsch nach figurativer Gestaltung gerecht, ohne auf die lichte Qualität der grisailleartigen
Teppiche zu verzichten. Letzteres kann uns vielleicht einen Hinweis auf den ursprünglichen Standort dieser Fenster
geben, herrscht doch gerade im Konchenbau um das Elisabethmausoleum ungewöhnliche Dunkelheit, da hier insge-
samt sechs Fenster weniger als in der architektonisch ansonsten gleichen Südkonche zur Verfügung stehen. Unsere
Überlegungen erhalten eine Stütze durch die ikonographischen Bezüge, die sich zu den Altarpatrozinien ergeben. Die
beiden Altäre an der östlichen Wand der Nordkonche waren nämlich Elisabeth und Katharina geweiht. Ein denkbarer
die hochgotische zweitverglasung – werkstatt des noli-me-tangere-fensters 441
Standort des Elisabeth-Katharinen-Fensters wären also jene in der Achse der östlichen Altarplätze liegenden oberen
Fensteröffnungen. Dazu passt die recht späte Dotierung der Altäre im ausgehenden 13. Jahrhundert: 1298 erweiterte
der hessische Landgraf Heinrich I. die Dotation auf den Katharinenalter, 1302 bekannte sich der Deutsche Orden zu
seiner Seelmessverpflichtung; bereits 1294 hatte Pfalzgraf Otto, Herzog von Bayern, den Elisabethaltar gestiftet 215.
Ob sich aber auch das Noli-me-tangere-Fenster einstmals hier befunden hat oder ob mit ihm die Zweitausstattung der
Südkonche zu einem späteren Zeitpunkt fortgeführt worden ist – die an das Marienfenster (heute Chor NORD II)
angelehnte Kompositionsform, die wir für die Südkonche beanspruchen, spräche ebenso für Letzteres wie die inhalt-
liche Bezugnahme der Johannes-Baptista-Figur zu dem dort befindlichen Johannes-Altar –, kann nicht sicher geklärt
werden.
Die Figurengruppen des Noli-me-tangere-Fensters werden, wie wir dies auch für die Figuren der Werkstatt des Ma-
rienfensters annehmen, durch kreuzweisen Farbwechsel miteinander verschränkt. Große ungemusterte Farbflächen
folgen dem natürlichen Verlauf der Formen und tragen zur Überschaubarkeit der Komposition bei. Weiß gewinnt an
Dominanz, Grün tritt ganz zurück, als neuer, bestimmender Farbwert tritt jetzt Violett in Erscheinung. Die Heili-
genfiguren stehen unter filigranen Bogenarchitekturen. Zu den Seiten steigen dünne gelbe, auf polygonalen Sockeln
stehende Säulchen mit fein ausgearbeiteten Blattkapitellen auf. Hierauf ruht in brauner Farbe ein gemauerter blau bzw.
rot profilierter Bogen mit eingehängtem Maßwerk. Über der Bogenspitze verläuft als architektonischer Abschluss eine
Maßwerkbalustrade zwischen blauen oder roten Bändern.
Der bis auf die Turmspitzen erhaltene architektonische Aufbau der Statuettenfenster greift Formen des 1290 geweihten
Hochaltars auf (Fig. 565) 216 . Die Figuren stehen in schweren, reich gegliederten Tabernakeln. Eingespannt zwischen
dreigeschossigen, mit Blendfenstern versehenen Strebepfeilern ragt der Arkadenbogen mit steil aufragendem Giebelfeld
empor. Die farbig gefüllten Strebepfeiler laufen in einer Turmgruppe aus schlanken Fialen aus. Gegenüber den reicher
mit lebendigem Blattwerk geschmückten Arkaden des Elisabeth-Katharinen-Fensters zeigt das zurückhaltender in-
strumentierte Verkündigungsfenster hier lediglich einfaches Steinprofil, anstelle der Krabben jedoch reichen Blatt-
bewuchs. Hinter den Giebeln verläuft jeweils oberhalb einer Mauerzone ein mit Maßwerkfenstern verziertes Turm-
untergeschoss mit abschließendem Zinnenkranz; darüber liegt der durchfensterte, auf Quadermauern aufwachsende
Turm. Der gewissenhafte, offenbar an Planrissen orientierte Entwurf der Rahmenarchitekturen wird an Details wie
den vorgeblendeten Giebelfeldern des unteren Geschosses augenfällig: Diese zwischen Blendfenster und Kämpfer-
profil liegenden Zierelemente sind dabei auch an den angeschnittenen Seiten angelegt und mit kleinen Wasserspeiern
versehen.
Ornament: Die Ornamentmuster wurden von Lange nach damals offenbar noch vorhandenen Restfeldern zuverläs-
sig kopiert. Lange hat ihre Zusammengehörigkeit mit den Statuetten jedoch nicht erkannt und die Glasmalereien in
süd VI und süd VII als reine Ornamentfenster rekonstruiert (vgl. Fig. 559f.).
Verkündigungsfenster mit Scherengitter (Ornament Typus X): Scherengitter aus breiten, mit Hopfenranken gefüllten
Bändern. Versetzt dazu liegt darüber eine gelbfarbene Rautenkette aus dünnen Stäben, die an den Schnittpunkten in
vierpassförmige Blattkreuze münden. Die von der gelben Blattraute umschlossenen Binnenfelder liegen auf rotem
Grund, die Zwischenfelder hingegen auf blauem Grund. Das breite Scherengitter nimmt an den Kreuzungspunkten
rote Blattrosetten auf, an den von einer breiten Blattbordüre angeschnittenen Seiten sitzen lediglich Blütensegmente.
Die Borte besteht aus einer Kette streng symmetrisch aufwachsender Weinranken vor blau und rot wechselndem
Hintergrund und wird außenseitig von einem gelben Band abgeschlossen. Das geometrische, aus kreuzförmig ange-
ordnetem Blattwerk bestehende Grundmotiv ist in einem von Boisserée überlieferten Grisaillefenster des Kölner
Domes vorgeformt (um 1260/70) 217. In der Verbindung geometrischer Muster mit aufwachsenden Blattgrisaillen lassen
sich einzelne, um 1290 entstandene Ornamentfelder der Dominikanerkirche in Colmar gut mit dem Marburger Motiv
vergleichen 218 . In der Gesamtwirkung steht dem Scherengitter das Kreuzfenster NORD IX in Haina nicht fern.
214 Becksmann 1967, Abb. 38f. 217 Sulpiz Boisserée, Geschichte und Beschreibung des Doms von
215 Die liturgischen Veränderungen spiegeln sich vielleicht auch in der Köln, nebst Untersuchungen über die alte Kirchenbaukunst, 2 Liefe-
spät einsetzenden Bildausstattung der Altäre, die frühestens der Zeit rungen, Stuttgart 1823 und 1832, Tafelbd., Taf. XII (oben rechts); s.
um 1320 angehört. Vgl. hierzu zuletzt Köstler 1995, S. 69. auch AK Köln 1998, Abb. S. 317.
216 Michler 1984, S. 168. 218 AK Köln 1998, S. 220, Nr. 41 (Hartmut Scholz).
442 marburg . elisabethkirche
Elisabeth- und Katharinen-Fenster mit Blattvierpässen (Ornament Typus Y): Auf einem blauen Band vor rotem
Grund eine Kette aus stehenden gespitzten Vierpässen, dazwischen seitlich angeschnittene halbierte Vierpässe mit
runder Konturführung. Um eine mittige, blaue Blattrosette ordnet sich in den stehenden Vierpässen ein schluss-
steinförmiger, der Wermutpflanze ähnlicher Blattwirbel, aus dem die Blätter in die Passlappen hineinwachsen. Die
seitlichen angeschnittenen Passformen sind, um ein gelbes Kreuzblatt herum, mit traubenbesetzten Weinblattranken
gefüllt. Als Randborte dient eine breite, nach innen blau, nach außen rot hinterlegte, rhombenförmig verschlungene
Blattranke mit gelbem Randstreifen 219. Strukturelle Verwandtschaft besteht zu den ähnlich instrumentierten, heute
jedoch verlorenen Teppichornamenten aus Dausenau, die einst wie in Marburg über Heiligenfiguren aufragten 220 .
Stil, Datierung: Es dürften kaum Zweifel darüber bestehen, dass das Noli-me-tangere-Fenster und die rekonstru-
ierten Statuettenfenster der gleichen Werkstatt zuzuschreiben sind. Denn trotz der unterschiedlichen Verglasungskon-
zepte ergeben sich bei näherer Betrachtung vielfältige Gemeinsamkeiten, so etwa hinsichtlich der architektonischen
und vegetabilen Schmuckformen, des auf der gleichen Palette von Farbgläsern beruhenden Kolorits oder der Figuren-
bildung. Die Heiligen treten gelöst und selbstbewusst aus dem feingliedrigen Rahmenwerk hervor, ihre Gewänder
fallen locker und umschließen die Figuren in eleganten Schwüngen. Verwandtschaft besteht auch in der Gesichts-
und Haarbildung, doch muss hier für einen aussagekräftigen Vergleich auf historische, also vor der restauratorischen
Überarbeitung angefertigte Aufnahmen verwiesen werden. Die Gegenüberstellung der Köpfe des Bischofs und der
Verkündigungsmaria offenbart den gleichen Augenschnitt mit gerader Lidkante und doppelter Konturführung wie
auch ähnliche, kraftvoll ondulierende Haarsträhnen. Die prägnante Stirntolle taucht bei den beiden Stifterfiguren wie-
der auf. Die besser erhaltene Hl. Katharina vertritt einen strengeren Figurentyp; der Gesichtsausdruck ist gespannter,
die Augen sind starrer, Nase und Gesichtsform erscheinen im Übermaß gelängt.
219 Ähnliche trapezförmig verschlungene Randbordüren fi nden sich geweihten Marburger Hochaltars, und die Verkündigungsmaria dort
auch in einem Grisaillemuster der ehem. Zisterzienserklosterkirche steht der S-förmigen Haltung und Gestik der Christusfigur nicht fern.
Schulpforta; vgl. hierzu AK Köln 1998, S. 158f., Nr. 18.1 (Hartmut Die sichere Beurteilung dieser Malereien gestaltet sich aufgrund des
Scholz). schlechten Erhaltungszustands sehr schwierig. Eine spätere Entste-
220 Vgl. hierzu die Rekonstruktion von Fischbach 2001, S. 248f. hung der figürlichen Fassung hat bisher nur Heinrichs 1939, S. 46f.,
221 Hamann 1938, S. 45f. (Statuettenfenster: 2. Viertel 14. Jh.; SÜD II: vertreten, der die Hochaltarmalereien erst in die Zeit um 1315 setzt.
Mitte 14. Jh.). 224 Auf Zusammenhänge zwischen Fritzlar und Marburg, jedoch mit
222 Haseloff 1907, S. 21 (Mitte 14. Jh.); Wille 1952, I, S. 23–30 (gegen der Werkstatt des Marienfensters, hat schon Kippenberger 1931, S.
1300). 36f., verwiesen.
223 Michler 1974, S. 61, 63, Anm. 50 (»vor 1300«); Michler 1984, S. 225 Bezüglich der von Michler hervorgehobenen lebendigen Haarge-
157–159, 168 (SÜD II: »achtziger Jahre des 13. Jh.«; Statuettenfenster: staltung sei auch auf das Hofgeismarer Retabel verwiesen, das schwer-
frühes 14. Jh.). Zur stilgeschichtlichen Absicherung einer Datierung lich vor 1320 anzusetzen ist. Außerdem greifen die Sockel der in den
des Fensters SÜD II gegen 1280 verwies Michler auf die Verwandt- 1320er-Jahren entstandenen Marburger Lettnerfiguren das Maßwerk-
schaft des Christuskopfes mit dem Christophorus-Bild der 1288 ge- motiv der Balustraden in SÜD II auf. Zum Hofgeismarer Retabel s.
weihten Marburger Schlosskapelle sowie dem Landgrafenkopf auf AK Marburg 1932, I, S. 105–113, Nr. 142 (Kurt Steinbart), II, Taf.
einem Schlussstein der abgebrochenen Firmaneikapelle (vor 1286). 176–184; zu den Lettnerfiguren vgl. ebenda, S. 22–25, Nr. 15a, II, Taf.
Das Motiv der Maßwerkbalustrade fand er auch an Malereien des 1290 22.
444 marburg . elisabethkirche
Gesichtsbildung, in den von Haaren blockhaft gerahmten Gesichtern, den stark ondulierenden Haaren und dem pla-
kativen, auf wenige Farben reduzierten Kolorit Gemeinsamkeiten erkannte. Als Einzelmotive begegnen hier wie dort
auch pelzgefütterte und auf Hüfthöhe umschlagende Mäntel ebenso wie die von den Mänteln verhüllten, die Attribute
tragenden Hände226 .
Eine weitere, lahnabwärts gelegene Gruppe von – heute verstreuten – Marburger Exportarbeiten in Dausenau stützt
diesen Vorschlag, denn hier scheinen in der Figur der Hl. Katharina Gestaltungselemente beider Werkstätten regel-
recht miteinander verschmolzen zu sein 227.
Lassen sich Anhaltspunkte bezüglich der Frage der Herkunft der Werkstatt gewinnen? Es wurde bereits darauf hin-
gewiesen, dass die Tabernakeldarstellungen des Elisabeth-Katharinen-Fensters ohne die Auseinandersetzung mit der
Formensprache des Hochaltars schwerlich zu erklären sind. Der Hochaltar wiederum setzt die Kenntnis der Straß-
burger Westfassade zwingend voraus228 . Michler hat gezeigt, dass bereits die von Marburger Bauleuten errichtete
Schlosskapelle (Weihe 1288) Züge nordfranzösischer Gotik aufweist, wie sie nur durch eine Vermittlung über Straß-
burg erklärt werden können. Höchst aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang der Vergleich mit einer unwe-
sentlich früher anzusetzenden Verglasung am Oberrhein, die gleichfalls die neuesten Anregungen des Straßburger
Westfassadenrisses verarbeitet. Die Westfensterverglasung der Freiburger Dominikanerkirche zeigt eine frappierende
Ähnlichkeit im Aufriss (Fig. 566); in Marburg wurde lediglich auf die seitlichen Strebepfeilerpaare verzichtet. Aller-
dings zeichnen sich die Marburger Fenster gegenüber Freiburg durch eine größere Detailfreude aus, die sich auch
in der reicheren farbigen Fassung der Architektur niederschlägt, welche klar »zwischen tragenden, füllenden und
schmückenden Teilen« unterscheidet 229. Dies führt zu der Frage, ob sich diese verblüffenden Zusammenhänge mit der
oberrheinischen Glasmalerei allein über den Austausch der in Marburg ansässigen Glasmaler mit Werkleuten erklären
lässt, die mit aktuellen Entwicklungen am Oberrhein vertraut waren, um dann zu einem ähnlichen Ergebnis zu ge-
langen, oder ob die Werkleute neben Planrissen und Skizzen nicht auch Entwürfe zur Ausstattung der Architektur
mit Glasmalereien im Gepäck hatten. Sind im Zuge eines intensivierten Austausches vielleicht auch Glasmaler vom
Oberrhein nach Marburg gekommen? Einerseits sprechen einige Besonderheiten für die Ortsansässigkeit der Werk-
statt, wie der altertümliche, an die Verglasung der Genesiswerkstatt erinnernde Musterkatalog in den ornamentalen
Hintergründen, der am Oberrhein selbst ungewöhnlich ist. Wenngleich andererseits in Details wie den kugelförmig
umrandeten Augen der Hl. Katharina ein Spezifikum der – an den Erminoldmeister erinnernden – und wohl in Straß-
burg selbst ansässigen Dominikanerwerkstatt anklingt, die auch für das Freiburger Westfenster verantwortlich war,
so ist der Marburger Figurenstil doch insgesamt herber und lässt die französisch-höfische Note vermissen, welche die
oberrheinischen Arbeiten der Zeit auszeichnet 230 . Am ehesten noch ist es die Christusfigur des jüngeren Noli-me-tan-
gere-Fensters, die, was den großzügigen und lockeren Gewandstil, aber auch einzelne Charakteristika der Gesichts-
zeichnung angeht, an Glasmalereien des Oberrhein- und Bodenseegebiets gemahnt 231. Von dort jedenfalls scheint der
in Marburg um 1300 erstmals anzutreffende komposite Verglasungstyp angeregt worden zu sein.
Marburg, um 1300–1320.
NOLI-ME-TANGERE-FENSTER CHOR SÜD II Fig. 564, 567, Abb. 253, 301f., 304f.
Zweibahniges und sechszeiliges Lanzettfenster. Die Felder 1a/b, 2a und 5a sind Neuschöpfungen und werden daher
hier nicht berücksichtigt; die Maßwerkverglasung stammt dagegen aus der Werkstatt der spätromanischen Standfi-
guren und findet sich an entsprechender Stelle im Katalog behandelt (s. S. 374).
Gesamtaufnahmen: CVMA RT 13453, Großdia RT 06/92
3a HL. BISCHOF (MARTIN?) Fig. 564, 567, Abb. 301, 304 auf die Krümme und ein Bortenstück am Hals intakt, ebenso
H. 98 cm, B. 83 cm. die gesamte Bogenarchitektur und der Hintergrund. An roten
Erhaltung: Der Unterkörper des Bischofs wurde zu Beginn des und blauen Gläsern locker gestreuter Lochfraß, der blassrosa-
20. Jahrhunderts vollständig erneuert. In den Maßwerkbalus- farbene Inkarnatton zeigt fleckige Verwitterungsspuren, eben-
traden und den Randbordüren sind nur einige wenige originale so das hellbraune Haar.
Stücke bewahrt. Der Oberkörper des Heiligen ist dagegen bis
Ikonographie: Pedum und Mitra kennzeichnen den Heiligen als
Abt oder Bischof; die Mitra ist kostbar bestickt und mit Infuln
besetzt. Über der roten Kasel lässt sich an der Schulter noch ein
Stück des Palliums erkennen. Der Heilige trägt nackenlanges,
lockiges Haar und einen Vollbart. Mit Blick auf das Statuetten-
fenster nord X, dessen Figuren vermutlich auf die Altarpatro-
zinien der Nordkonche Bezug nehmen, wäre Entsprechendes
auch für das Fenster SÜD II zu vermuten. Neben der Darstel-
lung des Hl. Johannes Baptista, dem ein Altar der Südkonche
geweiht war, wäre unsere Figur mit dem Hl. Martin zu ver-
binden, der zusammen mit Georg Patronatsheiliger des zwei-
ten Altars der Südkonche war. Weitere Attribute, die Klarheit
hätten erbringen können, waren vielleicht einstmals im heute
verlorenen Feld mit dem Torso des Heiligen dargestellt.
CVMA T 5720
weitgehend verlorenen Blattäderung der Eichblattborten wird in Nimbus und Gewand. Auf den gelben und weißen Gläsern
der Verlust der Zeichnung besonders augenfällig. liegen außenseitige Verwitterungsschichten auf und bewirken
Ikonographie: Maria von Magdala präsentiert sich in höfischer ein fleckiges Erscheinungsbild, das Inkarnat Christi ist nach
Aufmachung: Unter dem kunstvoll am Oberkörper drapierten, Braun umgeschlagen. Mehrere Sprungbleie, darunter ein längs
mit Feh gefütterten Mantel liegt ein gelbes, mit Borten ver- durch das Gesicht des Auferstandenen verlaufender Sprung.
ziertes Gewand, das den Blick auf die gemusterten Schuhe frei Ikonographie: Christus wendet sich der Hl. Maria von Magdala
lässt. Das Salbgefäß wird von der im Mantel verhüllten Hand zu, die ihm in der linken Fensterbahn gegenübersteht. In den
gehalten. Das ungewöhnlich dynamische Standmotiv mit aus- Händen hält er einen Spaten, denn Magdalena, die am Grab nach
gestelltem linken Bein hat wohl zu Missverständnissen bei der seinem Leichnam suchte, hielt ihn zunächst für einen Gärtner
Rekonstruktion des Oberkörpers geführt: Schulter und Kopf (Io 20,15). Der Auferstandene ist in betont festlicher Kleidung
zeigen heute in die diametral entgegengesetzte Richtung, müs- wiedergegeben: Er trägt ein weißes, mit Streifen verziertes und
sen sich aber ursprünglich wie der Torso nach links, also weg hoch gegürtetes Gewand, darüber einen weiten roten Mantel
von Christus, ausgerichtet haben. Vielleicht betont diese ma- mit gelbem Futter, der sich mehrfach am Oberkörper revers-
nierierte Haltung Magdalenas den Moment des Erschreckens artig überschlägt.
darüber, in dem vermeintlichen Gärtner Christus erkannt zu Technik: Der Rest einer im Inkarnat offenbar stärker aufgetra-
haben (Io 20,14–18). Im rechten Konturverlauf des Mantels genen Halbtonmodellierung ist am Hals noch gut zu erken-
zeichnet sich der Ellenbogen einer erhobenen Hand ab; diese nen.
gehört zum festen Kanon der Noli-me-tangere-Darstellungen. CVMA T 5723, 5725
Die Charlottenburger Werkstatt hat hier die ergänzte Hand an
die Wange Magdalenas geführt und damit die Heilige als Trau- 6a/b ENGELSFIGUREN Fig. 567, Abb. 302
ernde interpretiert. Auch eine solche Deutung wäre denkbar, H./B.: 6a: 78/83 cm; 6b: 79/83 cm.
denn Jesus wandte sich an sie mit den Worten: »Frau, warum Erhaltung: In 6a nur die Engelsfigur sowie einzelne Bortenglä-
weinst du« (Io 20,15). Der Erscheinung Christi vor Maria von ser, in 6b dagegen bis auf den Perlbandstreifen und ein Blatt-
Magdala geht im Johannesevangelium die Begegnung mit den stück weitgehend mittelalterlicher Bestand. Einen störenden
Engeln am leeren Grab voraus. Thematisch ließe sich die zwi- Eindruck macht der starke Abrieb im Auge des rechten En-
schen Grablegung und Auferstehung angesiedelte Szene gut gels.
mit der Funktion der Südkonche als dynastische Grablege der Ikonographie: Die über den Heiligengestalten verlaufenden
hessischen Landgrafen vereinbaren. Maßwerkstreifen fungieren als Balustraden, auf welchen iden-
CVMA T 5722 tisch gestaltete Halbfiguren von Engeln mit am Hals und Är-
meln reich bestickter Dalmatik stehen. Die Engel tragen na-
4/5b CHRISTUS ALS GÄRTNER Fig. 567, Abb. 302, 305 ckenlanges gelocktes Haar und haben ihre Hände zum Gebet
H./B.: 4b: 95/83 cm; 5b: 98/83 cm. erhoben. Ihre freundlichen Gesichter wenden sie dabei frontal
Erhaltung: Das Feld 4b zeigt in Gewandteilen und Schaufel dem Betrachter zu. Auf Schulterhöhe schwingen die Flügel-
geringfügige Ergänzungen. Die äußeren Randstreifen wurden paare in eleganten Bogen nach oben und ähneln darin der Flü-
vollständig erneuert in Feld 5b auch die Eichblattbordüren so- gelgestalt des Verkündigungsengels in NORD X.
wie die gesamte Maßwerkbalustrade. Einige wenige neue Gläser CVMA T 5726f.
Zweibahniges und sechszeiliges Maßwerkfenster. Weitgehende Neuschöpfung des 19. Jahrhunderts unter Verwendung
vier mittelalterlicher Felder in den Zeilen 3/4a/b.
3/4a HL. ELISABETH MIT STIFTERPAAR Nimbus der Heiligen, der auf einer Aufnahme von 1903 noch
Fig. 561, 568, Abb. 328 als fein gezeichneter Ahornkranz zu erkennen ist – stellenweise
H./B. je 88,5–89/84 cm. komplett verloren ist.
Inschrift: Im aufgeschlagenen Buch der Heiligen in gotischer Ikonographie: Die weibliche Heilige steht nach rechts gewandt
Majuskel: AV/E M/ARI/A · GRA. und trägt Schleier und Halstuch, die den Großteil ihres Ge-
Erhaltung: Größere Ergänzungen im unteren Bereich des Figu- sichtsfeldes verdecken. Mit der Rechten deutet sie auf die Worte
renfeldes. Das Feld ist am unteren Rand beschnitten, ansons- eines vor ihr aufgeschlagenen Gebetsbuches. Sie trägt über dem
ten keine nennenswerten Störungen im figürlichen Bestand. blauen gegürteten Gewand einen fellgefütterten Mantel, der lo-
Das Architekturfeld zeigt sich weitgehend intakt; aus neuen cker die rechte Schulter herabfällt und sich in Hüfthöhe bogen-
Gläsern bestehen der Farbgrund unterhalb des Giebels und ein förmig über den Körper schwingt. In vergleichbarer Charakte-
Maßwerksegment im Giebelfeld, ein Teil des blanken Rand- risierung begegnet die Hl. Elisabeth auch auf dem Flügelretabel
streifens links und der danebenstehende Fialenturm. Infolge aus Altenberg (um 1330). Zu ihren Füßen knien beiderseits klei-
außenseitiger Korrosion der Farbgläser hat die Darstellung an ne Stifterfiguren mit barettförmiger Kopfbedeckung, ein bart-
Leuchtkraft eingebüßt; der bräunliche Galerieton geht dabei loser Stifter sowie ein älterer Herr mit Bart. Beide sind durch
vielleicht teilweise auf das Konto moderner Überzüge. Fort- ihre Ordenstracht – weiße Mäntel mit schwarzem Kreuz – als
geschrittener Abgang des Schwarzlotauftrags, der – wie im Mitglieder des Deutschen Ordens kenntlich gemacht. Vielleicht
die hochgotische zweitverglasung – werkstatt des noli-me-tangere-fensters 447
Zweibahniges und sechszeiliges Maßwerkfenster. Weitgehende Neuschöpfung des 19. Jahrhunderts unter Verwendung
dreier originaler Felder in 4a und 3/4b. Der Torso des Verkündigungsengels wird im Depot des Marburger Universi-
tätsmuseums aufbewahrt (Nr. 22).
Gesamtaufnahmen: CVMA JJ 13014, RT 13457, Großdias JJ 03/13, RT 06/100
4a VERKÜNDIGUNGSENGEL Fig. 569, Abb. 329 erhoben ist, rührte bereits von einer älteren Übermalung her.
H. 90 cm, B. 84 cm. Im Jahr 1903 scheint man auch die restliche, lediglich locker
Erhaltung, Ikonographie: Gegenüber der historischen Aufnah- haftende Zeichnung entfernt und anschließend neu (mögli-
me fallen einige bemerkenswerte kompositionelle Verände- cherweise jedoch nur kalt) aufgebracht zu haben, wobei aber
rungen ins Auge, die auf die Restaurierung der Charlottenbur- die Einzelformen, wie Detailvergleiche ergeben, nicht korrekt
ger Werkstatt zurückzuführen sind. So wurde die Schulterpartie übertragen wurden. Das Gesicht des Engels ist nach aberma-
des Engels neu hinzugefügt, das über die Strebepfeiler und ligem Abgang der Bemalung heute vollständig ausgelöscht.
Blattborte verlaufende Spruchband mit den Worten des Ver- Komposition, Farbigkeit, Ornament: Im Giebelfeld ordnete
kündigungsengels getilgt, schließlich das Feld auf Giebelhöhe sich um eine mittige Rosette Strahlenmaßwerk aus zweibah-
beschnitten und mit einem gemauerten Turmsockel verlängert, nigen (nicht, wie rekonstruiert, gebauchten) Fenstern mit Vier-
obwohl hinter dem Giebel ursprünglich, wie in den Architek- pässen an, die Zwickel waren mit kriechenden Drachenfiguren
turen der Hll. Elisabeth und Katharina, ein durchfensterter besetzt. Der Bogen sitzt heute auf Blattkonsolen auf, die jedoch
Turmabschnitt über dem gemauerten Sockelgeschoss aufragte. ursprünglich, wie auf dem deponierten Feld zu sehen ist, mit
Die Fotodokumentation offenbart aber auch den desolaten Be- schlanken, bis auf Bodenniveau hinabgeführten Säulenschäften
malungszustand der Scheibe vor der Restaurierung: Die Mal- verbunden waren.
schichten waren weitestgehend verloren, die noch erkennbare CVMA T 7167
Gesichtszeichnung des Engels, dessen Rechte zum Segensgruß
448 marburg . elisabethkirche
20. SCHERBENRESTE Abb. 356 Ikonographie, Farbigkeit: Der Erzengel trägt über einem gel-
Im Depot des Universitätsmuseums befi nden sich mehrere ben Gewand einen roten, weiß gefütterten und mit Querstrei-
kleine Kisten mit Scherben, darunter ca. zwei Dutzend Glä- fen verzierten Mantel. Der linke, am Körper anliegende Arm
ser, die sich dem Noli-me-tangere-Fenster zuordnen lassen. hielt nicht, wie fälschlich ergänzt, ein Zepter, sondern das Ende
Im Einzelnen handelt es sich um Randstreifen aus Eichblättern einer Schriftrolle, die ursprünglich über das darüberliegende
und Maßwerkmustern. Daneben sind noch Reste naturalistisch Feld schräg nach rechts in Richtung Maria verlief. Bei der heute
ausgebildeter Blätter nachweisbar, die vielleicht mit weiteren in situ befi ndlichen Neuschöpfung handelt es sich demnach um
Ornamentfenstern dieser Werkstatt in Verbindung gebracht eine recht freie Kopie des Originals: Nicht nur der Gewandver-
werden können. lauf und seine Farbigkeit, sondern auch Hand- und Beinstel-
CVMA KB R 128,4, 128,6, 128,21, 128,59, 129,14 lung wie auch die spezifische Form der Flügel, die ursprünglich
weiter in das untere Feld hineingereicht haben werden, sind
22. FRAGMENT EINES VERKÜNDIGUNGSENGELS willkürlich verändert worden.
Abb. 355 CVMA JJ 12829, Großdia JJ 01/198
H. 72,5 cm, B. 76,5 cm.
Inv. Nr. 3035. Depot. 232 Michler 1984, S. 180, 334f., will die im Universitätsmuseum auf-
Erhaltung: Im oberen Drittel fehlen der blaue Hintergrund, die bewahrten Reste von Flechtbandornamenten mit den Fenstern der
Flügel und die gelben Strebepfeiler. Dies und einige Blattstücke Sakristei verbinden. Das einzige, aufgrund seiner Maße hier in Frage
der Randborte wurden wohl von dem Glasmaler Klonk, Wet- kommende Ornamentfeld mit breitem Randstreifen (Inv. Nr. 3036)
ter-Oberrosphe, mit schwarz abgedecktem Glas ergänzt. Die wurde von uns bereits zur Rekonstruktion der Chorverglasung heran-
Zeichnung ist ungewöhnlich stark berieben, die Binnenzeich- gezogen (s. S. 377).
233 Schäfer 1873, S. 90.
nung in Gewand und Blattmustern weitgehend verloren. So 234 Haseloff 1907, S. 21.
vermittelt das museal aufbewahrte Feld eine Vorstellung vom 235 Ähnliche Kreuzblattmuster sind als Bortenmotiv im Langhaus-
insgesamt schwierigen Erhaltungszustand der Statuettenfens- fenster nord XIX der Altenberger Klosterkirche anzutreffen, das be-
ter vor der Restaurierung durch die Charlottenburger Werk- reits dem 14. Jh. angehört; Lymant 1979, S. 92f., Abb. 43.
statt, was auch durch die historischen Aufnahmen bestätigt 236 Die Glasgemälde-Sammlung des Freiherrn vom Stein 2007, S. 40–
wird. Mehrere Flickstücke und Sprungbleie. 47, Nr. 6f. (Uwe Gast). Der Hintergrund wurde bei der Restaurierung
reste der sakristeiverglasung 449
Der zweigeschossige Sakristeianbau über quadratischem Grundriss ist neueren dendrochronologischen Untersu-
chungen zufolge bereits um 1266 eingedeckt gewesen. In der von einem Mittelpfeiler gestützten Sakristei befindet sich
nach Norden und Osten je ein Paar zweibahniger Fensteröffnungen mit Maßwerkdreipässen; im Obergeschoss, dem
Archivraum, fällt Licht durch zwei einfache Lanzetten mit Dreipässen im Norden sowie im Osten über zwei breite
dreibahnige Maßwerkfenster mit Dreipässen, die bereits genastes Lanzettenmaßwerk aufweisen. Von der ursprüng-
lichen Verglasung dieser Räume blieb nichts erhalten 232 . Allerdings befand sich nach dem Inventar Schäfers noch
im Jahr 1873 in einem Fenster des zum Archiv führenden Treppenturms eine mittelalterliche Grisailleverglasung, die
wohl allein aufgrund ihrer Funktion als Lüftungsöffnung erhalten geblieben war 233. Das 143 cm hohe, 23 cm breite
Fenster ist mit einem Quereisen in 92 cm Höhe versehen und teilte die Verglasung in zwei Felder. Das obere, als
Lüftungsflügel konzipierte, ca. 50 cm hohe Feld ist verloren, es besaß offenbar einen breiten bleiernen Rahmen mit
eisernem Kern. Im Marburger Universitätsmuseum wird nur mehr das größere Teilstück aufbewahrt (Nr. 21).
21. GRISAILLE MIT HERALDISCHEN LÖWEN der kreuzschraffierte Hintergrund aus dem
Fig. 569a, Abb. 347 Schwarzlot herausradiert. Für die Kombination
H. 91,5 cm, B. 21,5–22 cm (lichtes Maß). horizontaler (Quadrate mit heraldischen Lö-
Inv. Nr. 3013. wen) und diagonaler Gitterstrukturen (Rauten-
Erhaltung: Ausgezeichnet. Keinerlei moderne Ergänzungen; verbleiung und Kreuzblätter 235) in der Grisaille-
zur Flickung einiger Fehlstellen mit heraldischen Löwen wur- ornamentik des 13. Jahrhunderts lässt sich ein
den lediglich Gläser eines zweiten, einstmals vorhandenen prominentes Parallelbeispiel benennen: Die Dar-
Feldes verwandt 234. Außenseitig offenbar kaum Korrosions- stellung des gekreuzigten Petrus (um 1260/70)
bildung, auf der Innenseite liegt dagegen eine bräunliche pa- im Westfälischen Landesmuseum zu Münster,
tinaartige Schicht auf. An einigen wenigen Stellen Schwarzlot- für dessen Herkunft aus der Arnsteiner Kloster-
verluste. Das Feld ist mit einem doppelten Umblei versehen, kirche neuerdings gute Gründe ins Feld geführt
einige Sprungbleie. werden, zeigt eine kompositionell nah verwand-
Komposition, Farbigkeit, Ornament: Kleinteilige Rautenver- te Hintergrundmusterung, allerdings noch un-
glasung aus Kreuzblättern und heraldischen Löwen in Quadra- ter Verwendung altertümlicher Blattpalmetten
ten, die durch Bänder netzförmig miteinander verkreuzt sind. und ohne heraldische Motive236 . Heraldische
Die Kreuzblätter ordnen sich leicht rotierend um eine Blattro- Elemente tauchen als Schmuckformen bereits
sette. Anstelle von Löwen zeigen die seitlich anliegenden halb- zu einem früheren Zeitpunkt in der Glasmalerei Fig. 569a.
en Rauten ausradierte Maßwerkmuster. Frankreichs auf; so besitzen etwa Teile der Orna- ES Nr. 21.
Technik, Stil, Datierung: Die Blattkonturen sind mit decken- mentverglasung der Kathedrale von Châlons-
dem Schwarzlotauftrag gezogen, die heraldischen Löwen und sur-Marne (baie 208) einen grundsätzlich ver-
wandten Aufbau, doch liegen hier Lilien anstelle der Löwen
(um 1235/40) 237. Wappenbilder erschienen als Randborte im
durch Oidtmann im Jahr 1896 vollständig erneuert, allerdings nach Katharinenfenster der Oppenheimer Katharinenkirche (um
dem Vorbild damals noch erhaltener Stücke. 1276–1291) 238 . Wie in Oppenheim, wo der Teppichgrund im
237 Les Vitraux de Champagne-Ardenne (CVMA France, Recense-
Wechsel mit habsburgischen Löwen und Reichsadlern besetzt
ment IV), Paris 1992, S. 339, Abb. 322; Day 31909, S. 163, Abb. 147.
238 Zuletzt Gast, Oppenheim, 2005, S. 123f. war und damit auf die Stiftung Rudolfs von Habsburg hin-
239 Der böhmische(?) Löwe im Fond des Behaim-Fensters (süd VI) weist, könnte in Marburg das Motiv des steigenden Löwen auch
von St. Sebald in Nürnberg ist dagegen wohl eher als sinnige Anspie- auf das Wappenbild der hessischen Landgrafen hindeuten 239.
lung auf den Namen der Stifter zu verstehen; vgl. wiederum Day 31909, Mit einem ähnlichen Rapport aus heraldischen Löwen war
S. 164, Abb. 150, zuletzt Hartmut Scholz, St. Sebald in Nürnberg einstmals das Grabmal Konrads von Thüringen († 1240) in der
(Meisterwerke der Glasmalerei 3), Regensburg 2007, S. 56–59. Elisabethkirche geschmückt 240 . Im Nonnenchor der Zister-
240 Michler 1984, S. 232–241, Fig. 60b und Abb. 60.
zienserinnenklosterkirche Wienhausen wechseln in einem ver-
241 Becksmann/Korn 1992, S. 236, 239f. mit Abb. 214. In Amelungs-
gleichbaren, allerdings farbig belebten Rautenmuster Kreuz-
born soll sich nach Korn 1969, S. 103, Abb. 13f., ein ähnlicher Orna- blätter mit heraldischen Adlern (um 1330) 241.
mentrapport befunden haben.
242 Auch in Freiburg hat sich eine Fensterverglasung aus dem südöst- Die Marburger Treppenhausverglasung wird man nicht allzu
lichen Treppenturm des Münsters (um 1260/70) erhalten, allerdings
weit vom Zeitpunkt der Fertigstellung des Sakristeianbaus um
– wie in den östlichen Obergadenfenstern – als farbige, unbemalte 1270 abrücken dürfen 242 .
Flechtbandverglasung. Zu dem im Augustinermuseum aufbewahrten CVMA JJ 12814, Großdia JJ01/186
Reststück demnächst Rüdiger Becksmann, Die mittelalterlichen Glas-
malereien in Freiburg im Breisgau (CVMA Deutschland II,2).
450 marburg . elisabethkirche
Fig. 570. Marburg, Elisabethkirche, Westportal, um 1270/80. Die von Pflanzen überwucherte Umgebung der Figuren zeigt mit Weinlaub, Efeu-,
Hopfen-, Beifuß- und Hahnenfußranken in zeittypisch naturalistischer Wiedergabe annähernd die gleiche Auswahl botanischer Arten, die
auch in den Ornamentfenstern der hochgotischen Zweitverglasung nach 1300 anzutreffen ist. Nur das Motiv des Rosenstocks im rechten
Bogenfeld ist singulär und an diesem Ort, wie der Weinstock, als besonderes Mariensymbol zum Lob der Gottesmutter zu verstehen.
EHEMALS MARBURG · MARIENKIRCHE
Bibliographie: Carl Friedrich Creuzer, Beitrag zu einer Geschichte und Beschreibung der lutherischen Pfarrkir-
che in Marburg, Marburg 1827, S. 29, 48, 68 (in den Maßwerken der größtenteils zugemauerten Fenster finden sich
hin und wieder Überreste von gemalten Glasscheiben); Schäfer 1881 bzw. 1910, S. 173, Abb. 36 (datiert die in situ
befindliche Maßwerkverglasung in das ausgehende 13. Jh.); Schäfer/Rossteuscher 1885, Taf. 10; Bücking 1886,
S. 55 (Quellenüberlieferung zu einer heute verlorenen Darstellung des Jüngsten Gerichts); Küch 1906, o. S. (wie
Bücking 1886); Neuber 1915, S. 14 (nach Bücking 1886); Küch 1918, Nr. 89 (Quellenüberlieferung zur Instandhal-
tung der Glasmalereien durch Peter Mokes im Jahr 1421); Anneliese Klappenbach, Gedanken zur Instandsetzung
der Marienkirche, in: Hessische Heimat 19, 1969, S. 132 (die Grisailleverglasung aus der Sakristei der Marienkirche
steht in einem umgekehrten Verhältnis zur Farbigkeit von Raumfassung und Ausstattung); Marc Schmidt, Maria
– Masken – Monumente. Die Kunstwerke in der Lutherischen Pfarrkirche St. Marien zu Marburg, in: Kunst/Glock-
zin 1997, S. 147 (Reste der mittelalterlichen Farbverglasung befinden sich im Universitätsmuseum).
Gegenwärtiger Bestand: Das Marburger Universitätsmuseum bewahrt eine Maßwerkscheibe aus dem Chor der
evangelisch-lutherischen Marienkirche auf (Nr. 25).
Geschichte des Baues und seiner Verglasung: Im Jahr 1227 erhielt die Stadt auf Betreiben Konrads von Marburg
ihre erste selbständige Pfarrei. Von dem damals schon vorhandenen romanischen Vorgängerbau sind heute bescheidene
Reste im Universitätsmuseum ausgestellt. Am Ende des Jahrhunderts veranlasste der neue Patron der Pfarrkirche, der
Deutsche Orden, die Errichtung des bestehenden Chores durch die bereits an der Elisabethkirche tätige Bauhütte; die
dendrochronologische Datierung des Dachstuhls ergab das Jahr 1291, die Chorweihe »zu unserer lieben Frauen Beatae
Mariae« ist für den 1. Mai 1297 überliefert1. Eine Ablassurkunde von 1318 hat man bisher fälschlich für den Baubeginn
des Hallenlanghauses herangezogen, tatsächlich scheint diese sich aber auf die Errichtung der nördlichen Sakristei
zu beziehen. Da das Langhaus in seiner Ausführung homogen erscheint und das Dachwerk neuesten Erkenntnissen
zufolge erst 1379 aufgerichtet wurde, bringt man den Großteil der Arbeiten jetzt mit dem Steinmetzen Tyle von Fran-
kenberg in Verbindung. Dieser wurde im Jahr 1375 mit der Baufortführung beauftragt, nachdem er kurze Zeit vorher
bereits den Neubau der Marienkirche in Frankenberg beaufsichtigt hatte 2 . Seit 1447 errichtete man schließlich die
westliche Vorhalle und den Turm; 1488 war der Spitzhelm aufgestellt, die weiteren Arbeiten am Westbau, der unge-
wölbt blieb, wurden danach eingestellt.
Der eingezogene dreijochige Chor schließt mit fünf Seiten eines Achtecks. Eine Besonderheit stellt das nach innen
verlegte Strebesystem aus dreieckigen Pylonen dar, wodurch das Mauerwerk nach dem Vorbild der 1288 errichte-
ten Schlosskapelle als eine Folge tiefer Fensterlaibungen erscheint 3. Nach Westen schließt sich ein dreischiffiges und
vierjochiges Hallenlanghaus an, das wie die Elisabethkirche kantonierte Rundpfeiler als Gewölbestützen verwendet,
allerdings sind die Mittelschiffarkaden weiter gestellt, so dass hier mehr als in der Elisabethkirche die hallenartige
Raumwirkung zur Geltung gelangen kann. Die Seitenschiffe sind bis in das westliche Turmjoch fortgeführt, der Turm
in das Mittelschiff eingestellt.
1527 wurde in Marburg der evangelische Gottesdienst eingeführt, und mit der profanen Umnutzung zahlreicher Kir-
chen konzentrierte sich das religiöse Leben nun vor allem auf die Marienkirche. Da die konfessionelle Neuorientie-
rung des Landgrafenhauses auch das Verhältnis zum Deutschen Orden belastete, wurde die Pfarrkirche als neue Grab-
1 Zur dendrochronologischen Datierung siehe Klein 1997, o. S.; zu- Pfarrkirche Marburgs, in: Hessische Heimat 19, 1969, S. 120.
sammenfassend zur Baugeschichte G. Ulrich Grossmann, Lutherische 3 Michler 1984, S. 345–347, sieht eine Motivation für die Entwick-
Pfarrkirche St. Marien zu Marburg. Kirche zwischen Schloss und Markt lung dieses letzlich von der nördfranzösischen Gotik (Wandpfeiler
(DKV-Kunstführer Nr. 304/9), München/Berlin 21999. der Reimser Seitenschiffe, Polygonfenster in Essômes und Vaudoy)
2 Die Einwölbung könnte auch zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt abzuleitenden Nischensystems, das kurze Zeit später auch im Chor
sein, da zwei Schlusssteine in den Seitenschiffen Wappenschilde der der Hersfelder Stadtkirche umgesetzt wird, im Wunsch nach besserer
Familien von Sassen und Brüning zeigen, welche 1391 und 1394 Stif- Farbwirkung der Glasmalereien, da so die unerwünschte Überstrah-
tungen für den Kirchenbau getätigt haben; Friedrich Küch, Die älteste lung durch die benachbarten Fenster unterbunden werde.
452 ehemals marburg . marienkirche
4 Vernichtet wurde unter Anderem der mit Bildschnitzereien, bemal- Gärtner vor dem unfruchtbaren Baum und die beiden Standfiguren der
ten Flügeln und der »Goldenen Tafel« versehene Hochaltar. Das vom Hll. Georg und Elisabeth.
Triumphbogen herabhängende goldene Kreuz verbrannte man im Feu- 10 Vielleicht waren dabei die von Westen nicht einsehbaren Chorseiten
er. Hierzu Winfried Zeller, Aus der Geschichte der Pfarrkirche zu ausschließlich ornamental gestaltet.
Marburg, in: Hessische Heimat 19, 1969, S. 139–142. 11 Ähnliche Blattkranzbildungen zeigen auch einige westliche Lang-
5 Bücking 1886, S. 57f. Das Jüngste Gericht könnte sich im dreibah- hausfenster zu Haina sowie Verglasungsreste in Stadtprozelten und
nigen Westfenster über dem Portal befunden haben. Hersfeld, die sämtlich nach 1300 zu datieren sind. Ob es sich in der
6 Creuzer 1827 (s. Bibl.), S. 29: »Jetzt aber sind drei von ihnen halb Marburger Marienkirche um Originale oder wie im Falle der rekons-
und viere ganz verbaut, so daß nur noch eins sein volles Licht in die truktiv ergänzten Maßwerkverglasung um Kopien handelt, lässt sich
Kirche wirft«. der Aufnahme leider nicht entnehmen. Vgl. die Titelabbildung bei Wil-
7 Hierzu wiederum Creuzer 1827 (s. Bibl.), S. 48. helm Bücking, Geschichte und Beschreibung der lutherischen Pfarr-
8 Zu den noch vorhandenen Glasmalereien des 19. und 20. Jahrhun- kirche in Marburg, Marburg 1899.
derts siehe E. Jakobus Klonk, Über die Fensterverglasungen der Kir- 12 Hierzu Müller 1991, S. 57–62, 87f., Anm. 224. Die Schlusssteine
che, in: Kunst/Glockzin 1997, S. 166–169. im Langhaus zeigen die Zeichen der Tuchschneider, Bäcker und Arm-
9 Die drei Fenster zeigten Christus als guten Hirten, Christus als bruster sowie Wappen der Marburger Familien Brüning und Imhof.
ehemals marburg . marienkirche 453
Stil, Datierung: Blattzeichnung und geometrische Grundformen zeigen eine enge Verwandtschaft mit den Hainaer
Fenstern der zweiten Ausstattungsphase (vgl. Fenster NORD IX). Diese um 1290/1300 entstandenen Glasmalereien
wurden möglicherweise von einer in Marburg ansässigen Glasmalereiwerkstatt geliefert. Sie dürfte mit der Werkstatt
des Noli-me-tangere-Fensters identisch sein, die nicht nur das Chorfenster SÜD II, sondern auch die kleinfigurigen,
ursprünglich kompositen Fenster der Nordkonche der Elisabethkirche herstellte (heute in den Achsenfenstern der
Nordkonche); hier zugehörig sind die beiden von Moller 1822–24 gezeichneten, allerdings nur in Kopie von Lange
überlieferten Ornamentfelder in der Südkonche (Fenster süd VI und süd VII).
Marburg(?), vor 1300.
Vorbemerkung zum Katalog: Aufnahme und Untersuchung der Scheibe erfolgten im Oktober 2001 im eingebauten
Zustand.
Technik: Auf den originalen Gläsern fi ndet sich häufiger das BRUCHSTÜCK
mit Schwarzlot aufgetragene Versatzzeichen »II«. Solche Ca. 3 cm Durchmesser. – Inv. Nr. 802.
Nummerierungshilfen beim Einbau der Felder sind auch für Im Depot des Universitätsmuseums befi ndet sich in einem 1952
das Maßwerk des stilverwandten Fensters NORD IX in Haina erworbenen Schächtelchen mit einer blauen bemalten Scherbe
charakteristisch. der Vermerk Stadtkirche, als dessen Vorbesitzer Rudolf Tau-
CVMA JJ 12822, Großdia 01/192 bert, Treysa, genannt wird.
MARBURG · RATHAUS
Bibliographie: Dehn-Rotfelser/Lotz 1870, S. 164 (die beiden »Wappen mit Nebenfiguren« stammen wahrschein-
lich »von demselben Maler Johann, welcher 1524 zwei Scheiben im großen Saale mit den Wappen des Landgrafen
Philipp und seiner Gemahlin gemalt und gebrannt hatte«); Bücking 1886, S. 56, 58 (die Wappenrundscheibe des
Schöffen Siefert Schwobe ist eine Stiftung des Schwiegervaters von Johann von der Leyten); Justi 1885 (folgt Bücking
und liefert weitere Hinweise zu Leben und Werk Johanns von der Leyten); Küch 1906, o. S. (schreibt die beiden
Rundscheiben dem 1530 verstorbenen Maler und Glasmaler Johann von der Leyten zu, der auch die Ausmalung des
Ratsaales besorgte); Neuber 1915, S. 14 (Johann »liefert zwei Glaswappen des landgräflichen Paares, die noch heute
erhalten sind«); Friedrich Küch, Wandmalereien im Rathause zu Marburg, in: Jb. der Denkmalpflege im Regierungs-
bezirk Kassel 1, 1920, S. 157–162, hier S. 159 (Quellenüberlieferung zu zwei verlorenen Landgrafenwappen); Thieme/
Becker, XXIII, 1929, S. 177; Albrecht Kippenberger, Marburg, Museum der Universität: Zwei Rundscheiben aus
Schröck, in: Hessenland 45, 1934, S. 48–50 (wie Küch 1920); Ulrich Klein/Max Langenbrinck, Die Baugeschichte des
Marburger Rathauses (Marburger Schriften zur Bauforschung 2), Marburg 1984, S. 39, 150 (vermuten in den beiden
Medaillons den Rest eines ursprünglich dreizehn Rundscheiben umfassenden Zyklus).
Gegenwärtiger Bestand: In einem Ostfenster der Großen Ratsstube haben sich zwei Wappenrundscheiben aus der
Bauzeit des Gebäudes erhalten.
Geschichte des Baues und seiner Verglasung: Im Jahr 1511 beschloss der Rat den Neubau eines großen Rat-
hauses, das von 1512–16 zunächst von Meister Nikolaus von Wetzlar, dem Erbauer der Stiftskirche in Lich, lediglich
als Rohbau fertiggestellt wurde. Nach dem Sturz der Regentschaftsregierung Annas von Mecklenburg, der Witwe des
Landgrafen Wilhelm II., ruhten die Arbeiten1. Der weitere Ausbau durch Hans von Lich erfolgte erst unter Landgraf
Philipp im Jahr 1524. 1574–75 fügte man im Westen den Küchenbau an, 1581–82 wurde der Giebelaufsatz auf dem
Treppenturm angebracht. Über einem hohen Sockelgeschoss, das den Bau im stark abschüssigen Gelände des Hirsch-
bergs nivelliert, ragt ein dreigeschossiger Aufbau mit steilen Staffelgiebeln empor; die Schauseite zum Alten Markt ist
dabei mit einem polygonal gebrochenen Treppenturm und Ecktürmchen geschmückt. Der Ratssaal und der große Saal
im zweiten Obergeschoss waren lange Zeit durch spätere Einbauten verändert, die im Zuge der Instandsetzungsmaß-
nahmen von 1915 jedoch teilweise wieder entfernt wurden 2 .
1 Möglicherweise hat sich die Stadt mit der Finanzierung ihres sehr 4 Rainer Nickel, Baumaßnahmen am und im Rathaus zu Marburg
großzügig bemessenen Neubaus übernommen, musste sie hierfür doch 1600–1887, in: Klein/Langenbrinck 1984 (s. Bibl.), S. 99.
im Jahr 1514 ein Darlehen von fast 4000 Gulden aufnehmen. Das jähr- 5 Auf einer Vorkriegsaufnahme (Foto Marburg 14709) befi ndet sich
liche Haushaltsvolumen lag dagegen nur im Bereich zwischen 1100 an dieser Stelle noch das originale Glasstück.
und 1500 Gulden. Dettmering/Grenz 1982, S. 284; vgl. hierzu auch 6 Die Ratsprotokolle von 1524 bis 1525 nennen neben dem Bürger-
Küch 1931, S. 418–514. meister Johann Blankenheim die Schöffen Johan Ysermann, Heinrich
2 Zur Restaurierung des Rathauses siehe Aloys Holtmeyer, in: Jb. Werner, Johann Schmalkalden, Siffrit Swobe, Heinrich Goltschmit
der Denkmalpflege im Regierungsbezirk Kassel 1, 1920, S. 67f., und [=Heinrich Juppan?], Heintz Lempe, Peter Fritag, Ludwig Armbru-
Friedrich Küch, Wandmalereien im Rathause zu Marburg, ebenda ster, Heinrich Spiß, Hermann Kirchain, Ludwig Ruschenberg, dazu
S. 159. Numan und Johann Lasphe, Peter Schomacher [auch Biedenkamp],
3 HStA Marburg, Kämmereirechnungen von 1571; auszugsweise er- Henchen Solmscher; im August 1525 erscheint Wolf Schomacher, von
wähnt bei Rainer Nickel, Baumaßnahmen am und im Rathaus zu Mar- den Vierern Conczchen Rode und Hans Ties. Hierzu Küch 1931,
burg 1526–1600, in: Klein/Langenbrinck 1984 (s. Bibl.), S. 69–73. S. 518ff.
marburg . rathaus 455
Die Anfertigung der Glasmalereien fällt in die Zeit des Rathausausbaus. Schon im Jahr 1571 erfahren wir erstmals von
einer Restaurierung der Fenster im Saal und in der Ratsstube3. Nach Abzug der kaiserlichen Armee aus Marburg am
Ende des Dreißigjährigen Krieges, im Jahr 1648, reparierte ein Glaser notdürftig die durch die Kayserliche occupirung
ausgeschlagenen Fenster4. Zwar sind weitere Ausbesserungsarbeiten an den Fenstern durch Glasermeister Friedrich
Schippel im 19. Jahrhundert überliefert, doch dürfte das heutige Erscheinungsbild der beiden Wappenrundscheiben
im Wesentlichen auf Restaurierungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Rathausinstandsetzung von 1915 zurück-
gehen. Die jüngsten Eingriffe beschränkten sich dagegen weitestgehend auf Sicherungsmaßnahmen.
Erhaltung: Die Scheibe des Johannes Schmalkalden ist in den figürlichen Partien durch großflächige Ergänzungen
beeinträchtigt, die weibliche Heilige wurde vollständig erneuert, ebenso der Kopf des Bischofs. Stilistisch wie tech-
nisch weitaus einfühlsamer ergänzt ist ein großes Fehlstück vom Hl. Rochus und dem Engel; hierfür lagen offenbar
noch die originalen Stücke oder eine Photographie der intakten Scheibe vor 5. Sämtliche Sprünge sind geklebt, ein
komplizierter Sprung ist mit einer Nassdoublierung gesichert; trotzdem wurden die Medaillons im Zuge der letzten
Instandsetzung zusätzlich im Sandwichverfahren eingeglast. Das Glas selbst zeigt nur geringfügige Verwitterungs-
spuren, vereinzelt ist ein Abrieb des Halbtons feststellbar.
Fig. 575. Wappen Schwob. Marburg, Rathaus. Marburg, 1525. Fig. 576. Wappen Schmalkalden. Marburg, Rathaus, 1525.
Kat. S. 457f. Kat. 458.
fällt mangels eindeutiger Attribute jedoch schwerer. Vielleicht handelt es sich bei der ergänzten Figur mit Palme um
die Hl. Walburga, bei dem Bischof um den Hl. Blasius; so ließe sich immerhin für das Ensemble der Schöffenstiftung
an eine erweiterte Nothelfergruppe denken, deren Verehrung im Spätmittelalter bei Bürgertum und Patriziat einen
Höhepunkt erreichte.
Die erhaltenen Baurechnungen des Jahres 1524/25 geben darüber hinaus Kunde von zwei Wappenscheiben des Land-
grafenpaares. Im Gegensatz zur grossen stoben, dem Ratssaal im ersten Stock, bezieht sich dieser Eintrag jedoch auf
den grossen sal, der das gesamte zweite Obergeschoss einnimmt 7. Den Umstand, dass Philipps Stiftung den Festsaal in
einem Gebäude bürgerlicher Selbstverwaltung zierte, wird man auch als Ausdruck gewandelter Machtverhältnisse zu
werten haben: Philipp bestätigte im Jahr 1523 zwar in weiten Teilen die Verfassung von 1428, sicherte sich jedoch mit
einem freien Einsetzungsrecht bei der Zuwahl der Schöffen, der Wahl der Vierer und des Bürgermeisters, die er aus
7 Die bildhafte Präsenz des Herrscherhauses in der Ratsstube ist Einzug einer Wandvertäfelung. Reste hiervon kamen bei der Instand-
zwar gesichert, doch stammt der von Thomas von Basel hierfür gemal- setzung des Ratsaals im Jahr 1915 wieder zum Vorschein. Die Malerei
te Stammbaum der hessischen Landgrafen erst aus der Jahrhundert- wurde abgenommen und dem Geschichtsverein übergeben. Abb. bei
mitte. Klein/Langenbrinck 1984 (s. Bibl.), S. 144.
8 Ulrich Klein, Der Neubau des Rathauses 1511–26, in: Klein/ 11 Die diesbezüglichen Baurechnungen sind auszugsweise zitiert bei
Langenbrinck 1984 (s. Bibl.), S. 21–24; Marion Rautenberg, Carl Schäfer, Gotische Wandmalereien in Marburg. Ein Beitrag zur
Die späten Arbeiten Ludwig Juppes für die Stadt Marburg, ebenda Geschichte der mittelalterlichen Polychromie, in: Deutsche Bauzeitung
S. 49–54. 10, 1876, S. 324, und 13, 1879, S. 33ff., wiederabgedruckt in: Schäfer
9 Vgl. etwa den Hund im linken Flügel des Elisabethaltars oder den 1910, S. 129–148, hier S. 146f.
Baum im Sebastiansmartyrium auf der Außenseite des rechten Altar- 12 Zit. nach Küch 1920 (wie Anm. 2), S. 67f., 159.
flügels vom Georgs- und Martinsaltar. 13 Johann bemalte die Flügel mehrerer Schnitzaltäre in den Konchen
10 Hierauf bezieht sich auch der Rechnungsvermerk in den Baurech- der Elisabethkirche und lieferte sogar Visierungen für das Grabmahl
nungen von 1524/25: Johannes molere von den 13 bossen und einem des Landgrafen Wilhelm II. in der Marburger Elisabethkirche; vgl.
Mergenbilde in der grossen salstoben zu malen 3 pfund 9 s. Entgegen Gorissen 1969, S. 143–145.
der sicher zutreffenden Vermutung Friedrich Küchs, dass die 13 »Bos- 14 Johann von der Leyten war mit Kreina (Katharina), der Tochter
sen« auf ausgeführte Malereien, vielleicht sogar auf die kleinfigurigen des Schöffen Sifrid Schwob (auch Swabbe) verheiratet; sein Haus in
Nebenbilder der Marienfigur zu beziehen seien, überlegen Ulrich der Werder- oder Wettergasse zum güldenen Ring erbte er von seinem
Klein und Marion Rautenberg, in: Klein/Langenbrinck 1984 (s. Schwiegervater. Schon Ludwigs Vater Heinrich war Unterbürgermeis-
Bibl.) S. 143, ob damit nicht auch 13 bemalte Stifterscheiben der Schöf- ter der Vierer gewesen. Wie aus einem 1523 datierten Schriftstück her-
fen gemeint sein könnten. Doch anders als im zweiten Rechnungsbeleg vorgeht, schuldete Sifrid Schwob der Witwe des verstorbenen Jürgen
werden hier Glasmalereien nicht explizit erwähnt. Zudem wäre der Juppe, Bruder von Ludwig Juppe, mehrere hundert Gulden, woraus
Preis für dreizehn Medaillons viel zu niedrig angesetzt. Die einzig sich schließlich ein längerer Rechtsstreit entwickelte; abgedruckt bei
figürliche Wandmalerei Johann von der Leytens, eine Madonna im Gorisssen 1969, S. 37 (Nr. 122).
Strahlenkranz, verschwand bereits zwei Jahre später wieder mit dem
marburg . rathaus 457
mehreren Vorschlägen bestimmte, einen entscheidenden Einfluss in der städtischen Verfassung zu und entzog damit
den Bürgern wieder ein fundamentales, mit der früheren Verfassung von 1428 erworbenes Recht, die Stadtbeamten
selbst zu wählen. Entsprechende Hinweise auf die neue politische Situation gibt bereits das Portalrelief von Ludwig
Juppe mit der Hl. Elisabeth als Patronin des Hauses Hessen, die das dominierende Wappen der Landgrafschaft über
die bedeutend kleineren Stadtwappen hält8 .
Farbigkeit, Technik: Während die Figuren weitgehend in Grisaillemalerei ausgeführt und durch Silbergelb in ver-
schiedenen Nuancen belebt wurden, scheinen Farbgläser überwiegend zur Akzentuierung der Wappen eingesetzt
worden zu sein; lediglich Gewand und Tasche des Hl. Wendelin sowie der dazugehörige Wiesengrund sind kon-
trastierend zum silbernen Schild farblich hervorgehoben. Die mit Inschriften versehenen Einrahmungen setzen sich
wiederum durch den Einsatz gelborangener oder blassgrüner Gläser von den Grisaillefiguren ab. Ausgeschliffenes
Überfangrot gelangte im Wappenbild Schmalkalden zum Einsatz. Die schweren Gewänder der Heiligen mit Parallel-
und Staufalten sind aus den warmbraunen Überzügen modelliert, die schattigen Partien vielfach auch mit Kreuz- und
parallelen Strichlagen angelegt.
Stil, Datierung: Mit virtuos geführtem Pinsel und Radierwerkzeug bringt der Maler sehr lebendige und plastische
Figuren auf das Glas, deren Wirkung er durch leichte Untersicht und durch eine Aufstellung vor gänzlich blankem
Grund zu steigern versteht. Die Heiligenpaare, welche die Wappen flankieren, haben sich von der Rolle bloßer Assis-
tenzfiguren emanzipiert und agieren, wie im Falle der Stifterscheibe Schwob, vor einheitlicher Kulisse. Aus diesem
Bildraum fallen die Schilde in das rahmende Schriftband hinab. Die knorzigen und durch Alterszüge charakterisierten
Gestalten begegnen auf den Altargemälden der Marburger Elisabethkirche wieder; sie werden dem Maler und Glas-
maler Johann von der Leyten († 1530) zugeschrieben. Vergleichbar sind etwa die Flügelaußenseiten des ein Jahrzehnt
älteren Sippenaltars (vgl. auch Textabb. 52): Die Figur des Eliud ist dem Hl. Wendelin nicht unähnlich, und der den
Hl. Rochus pflegende Engel mit Pagenschnitt hat dort im Kind rechts neben Maria einen Typverwandten. Bei näherer
Betrachtung auch der anderen Altäre Johanns trifft man wiederholt auf Übereinstimmungen in den Detailformen, wie
dem knochigen Jagdhund oder der einem Hirschgeweih ähnlichen Baumformation9. Die etwas teigigen und mehr-
lagigen Faltengebilde finden sich genauso in der 1915 freigelegten Türumrahmung mit der Darstellung einer Strah-
lenkranzmadonna in Halbfigur mit Engeln, welche Johann im gleichen Jahr für die Ratsstube ausführte10 . Johanns
Malerei verrät eine Schulung an niederländischen Vorbildern. Es wäre daher überlegenswert, ob die Künstlerfamilie
von der Leyten nicht gleichfalls wie sein Bildhauerkollege Ludwig Juppe, der zuvor in St. Nikolai in Kalkar tätig war,
niederrheinischer Abkunft war.
Auch die Archivalien stützen Johanns Autorschaft an den erhaltenen Wappenrundscheiben, dessen Mitarbeit für die
weitere künstlerische Ausstattung des Rathauses urkundlich gesichert ist. So fasste Johann unter Anderem das Portal-
relief Juppes und besorgte die Ausmalung der Großen Ratsstube11. Überdies erhielt er 2 Pfund und 6 Schilling für die
bereits genannten zwen glasscheiben in dem grossen sale in die fenster, ein m. g. hern von Hessen wopen, das ander m.
g. frauen wopen zu malen und bornen12 . Der Schöffe Siegfried Schwob, Stifter der einen Rundscheibe, war Schwieger-
vater des Johann von der Leyten. Zwischen ihm und Ludwig Juppe, die gemeinsam jene Altarwerke der Elisabethkir-
che geschaffen hatten, dürfte auch eine über berufliche Belange hinausgehende Verbindung bestanden haben13. Beide
heirateten in die wohlhabende Bürgerschaft ein und erhielten dadurch engen Kontakt zu den Ratsherren, über die
ihnen wiederum wichtige Aufträge zugeflossen sein dürften14. – Marburg, 1525.
Vorbemerkung zum Katalog: Die in den Renaissancefenstern eingesetzten Scheiben konnten im März 2003 vom Ge-
rüst aus untersucht und fotografiert werden.
MARBURG · UNIVERSITÄTSMUSEUM
Gegenwärtiger Bestand: Die zahlreichen, überwiegend aus der Elisabethkirche stammenden Glasmalereien im
Wilhelmsbau des Landgrafenschlosses bilden einen beeindruckenden Sammlungsschwerpunkt sakraler Kunst. Von
den insgesamt 35 Nummern lassen sich allein 22 mit dem Kirchenbau des Deutschen Ordens verbinden; eine geringere
Menge an fragmentarisch erhaltenen Figuren- und Ornamentfeldern sowie Scherbenresten wird in den Depoträumen
des Jubiläumsbaus verwahrt (Nr. 16–20, 22, 23). Bis auf zwei Scheiben, deren Herkunft nicht ermittelt werden konnte,
ist die Provenienz weiterer neun Objekte gesichert, die, mit einer Ausnahme, allesamt aus nordhessischen Kirchen
stammen. Einzig die Ornamentscheibe aus der Altenberger Zisterzienserklosterkirche wird, da ihre Herkunft außer-
halb des Bearbeitungsgebiets liegt, erst im Rahmen der Bearbeitung der rheinländischen Glasmalereien im entspre-
chenden Landschaftsband CVMA Deutschland V,1, Berücksichtigung finden.
Geschichte der Sammlung: Den Grundstock des Museums bildet die Altertümersammlung des Juristen und Hei-
matforschers Ludwig Bickell (1838–1901), die der Hessische Geschichtsverein im Jahr 1875 übernahm; sie wurde später
mit der Sammlung des Marburger Kunst- und Altertumsvereins vereint1. Zunächst in den Kellergewölben des Land-
grafenschlosses untergebracht, überführte man die Bestände anlässlich der 400jährigen Gründungsfeier der Univer-
sität im Jahr 1927 in den neuen Jubiläumsbau. Im Jahr 1981 fanden schließlich die kulturgeschichtlichen Objekte und
Werke kirchlicher Kunst im Wilhelmsbau eine neue Bleibe.
1 Einen Abriss zu Entstehungsgeschichte und Wandel des Marburger Becker u.a., Marburger Universitätsmuseum für Kunst und Kulturge-
Universitätsmuseums liefert Carl Graepler, Museum und Universität schichte, Braunschweig 1989 bzw. Kippenberger 1927.
in Marburg seit dem 16. Jahrhundert, Marburg 1986; vgl. auch Siegfried
marburg . universitätsmuseum 459
Noch auf Bickells eigene Erwerbstätigkeit gehen die beiden Figurenscheiben aus Schröck zurück (Nr. 31, 32), und
auch die kleine Kreuzigungsdarstellung aus Wehrshausen (Nr. 33) muss sich bereits vor 1882 im Besitz des Hessischen
Geschichtsvereins befunden haben. Eine wesentliche Bereicherung erfuhr die Abteilung sakraler Kunst im Jahr 1927
durch Leihgaben aus der Elisabethkirche, die zuvor im Archivraum über der Sakristei aufbewahrt worden waren.
Hierzu zählen die zahlreichen von Lange im Zuge seiner Restaurierungstätigkeit ausgeschiedenen Figurenfelder, da-
runter sieben Felder eines Jungfrauenfensters (Nr. 9–16) sowie zwei Felder eines Genesiszyklus (Nr. 7, 8). Von dort
stammen auch jene, zwischenzeitlich auf dem Marburger Schloss magazinierten Kisten mit Scherben; aus diesem
1925/26 dem Universitätsmuseum überwiesenen Fragmenten konnten schließlich weitere fünf Ornamentfelder zusam-
mengesetzt und neu verbleit werden (Nr. 2–6). 1933 überwies der Marburger Architekt August Dauber Reste von Or-
namentverglasungen der von ihm restaurierten Rauschenberger Kirche an das Museum (Nr. 26–28); gleicher Herkunft
sind die noch im Jahr 1966 vom Architekten Karl Rumpf an das Haus geschenkten Glasmalereien. Mit der großen
Kreuzigungsdarstellung aus dem Besitz des Glasmalers Fritz Schultz, Marburg, wurde der Bestand um eine bemer-
kenswerte Stiftung vermehrt (Nr. 35). Umso bedauerlicher ist es, dass die zugehörigen Hände des Gekreuzigten heute
im Depot verwahrt werden. Als einzige Scheibe nichthessischer Herkunft fand 1934 die Altenberger Ornamentscheibe
aus der Nachlassversteigerung des Glasmalers Otto Linnemann, Frankfurt, Eingang in die Sammlung (Nr. 24).
Die Figurenfelder der Elisabethkirche ließ man zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch das Königliche Institut für Glas-
malerei in Charlottenburg instand setzen. Nach der Überführung der Jungfrauenfelder in den neuen Museumsbau im
Jahr 1927 sind die hier zugehörigen Stücke aus dem deponierten Scherbenkonvolut herausgelesen und an entspre-
chender Stelle wiederverwendet worden. Im Zusammenhang mit der Neupräsentation der Glasmalereien im Wilhelms-
bau betraute man den Glasmaler Erhardt Jakobus Klonk, Wetter-Oberrosphe, der an einem Teilbestand der Glasma-
lereien behutsame Sicherungsmaßnahmen vornahm.
Vorbemerkung zum Katalog: Die ausgestellten und deponierten Scheiben wurden erstmals im Oktober 2001 unter-
sucht und fotografiert. Im September 2005 erfolgte eine zweite Sichtung, die mit einer Kontrolle der Zustandskartie-
rung verbunden war.
FIGUREN UND ORNAMENTE AUS DER MARBURGER ELISABETHKIRCHE (Nr. 1–23) Abb. 330–356
Die Bearbeitung des aus der Elisabethkirche stammenden Scheibenbestandes erfolgt unter dem einstigen Standort.
Im Einzelnen handelt es sich um folgende Werkstattgruppen in chronologischer Ordnung: Kopf eines Apostels oder
Propheten (Nr. 1); fünf spätromanische Ornamentscheiben mit Flechtbändern und stilisierten Blättern (Nr. 2–6); zwei
Figurenfelder eines Genesiszyklus (Nr. 7f.); acht Figurenfelder und Fragmente aus dem Jungfrauenfenster (Nr. 9–16);
eine Kopfscheibe mit Flechtbandmuster (Nr. 17); ein Zwickelfragment mit Kreuzornamenten (Nr. 18); ein Depot-
pasticcio mit Ornamentresten (Nr. 19); Scherbenreste von Figuren- und Ornamentverglasungen der Elisabethkirche
(Nr. 20); eine Grisaillescheibe aus dem Treppenhaus der Sakristei (Nr. 21); das Figurenfeld eines Verkündigungsengels
(Nr. 22); ein Grisaillefragment mit Weinranken im Dreipass (Nr. 23).
Um 1260/70. Die Einzelscherbe mit Flechtbandmotiv stammt aus einem nördlichen Seitenschifffenster der ehemaligen
Zisterzienserklosterkirche in Haina und wird daher unter ihrem ehemaligen Standort behandelt (s. S. 198).
Um 1259–1276. Die Grisaillescheibe befand sich ehemals im Chorkapellenfenster süd III der Altenberger Zister-
zienserklosterkirche und gelangte über eine öffentliche Versteigerung im Jahr 1934 an das Marburger Universitäts-
460 marburg . universitätsmuseum
museum. Ihre Katalogisierung erfolgt im Zusammenhang mit der Bearbeitung der mittelalterlichen Glasmalereien im
Rheinland.
Der einzige Rest aus dem Chor der 1297 geweihten Marienkirche wird unter dem ehemaligen Standort behandelt
(s. S. 451–454).
2. Hälfte 14. Jahrhundert. Im Chor der Kirche zu Rauschenberg sind heute Kopien eingesetzt. Die Reste der Orna-
mentverglasung finden im Katalog zu Rauschenberg Erwähnung (s. S. 490–492).
3. Viertel 14. Jahrhundert. Das aus dem Katharinenfenster stammende Fragmentstück wird im Katalog zur ehemaligen
Farbverglasung der Hersfelder Stadtkirche behandelt (s. S. 232).
2. Hälfte 15. Jahrhundert. Das Scheibchen wird zusammen mit einem vor Ort noch erhaltenen Verglasungsrest unter
dem ehemaligen Standort behandelt (s. S. 93).
Um 1460. Da die Herkunft der beiden Rundscheiben mit der Hl. Katharina und Elisabeth aus Schröck als gesichert
gilt, erfolgt ihre Katalogisierung unter dem ehemaligen Standort (s. S. 493f.).
Letztes Viertel 15. Jahrhundert. Die nur 5 cm große Kreuzigungsdarstellung stammt einem inschriftlichen Vermerk
zufolge aus der Marienwallfahrtskirche zu Wehrshausen, heute Stadtgebiet Marburg, und findet an entsprechender
Stelle im Katalog Erwähnung (s. S. 494f.).
34. RUNDSCHEIBE MIT BLATTKREUZ Technik, Stil, Datierung: Form und Motivik lassen sich mit
Fig. 579 der ornamentalen Füllung eines Maßwerkpasses verbinden.
Durchmesser ca. 23 cm. Auf der historischen Aufnahme sind noch Einzelscherben mit
Erhaltung: Noch in den 1960er-Jahren war die Rundscheibe identischer Blattzeichnung zu erkennen, die auf die Existenz
von einem zweiten, möglicherweise jedoch gänzlich aus Flick-
stücken bestehenden Ornamentkranz umschlossen. Hiervon,
ebenso wie von dem Rest der Rautenverbleiung, in welche die 2 Lotz 1862, S. 149 (»Glasgemälde im Chor, gotisch, schöne Reste«).
Scheibe eingebettet war, ist heute nichts mehr vorhanden. Noch Schäfer 1881, S. 190, zählt Korbach zu den Standorten mit er-
Farbigkeit, Ornament: Auf blauem, rot gesäumtem Grund ein haltenen Glasmalereien. Vgl. hierzu auch S. 509f. im Katalog zu den
dreifi ngriges weißes Blattkreuz mit gespreizten Fußstielen. verlorenen Standorten.
3 Zur Frühdatierung des Wernigeroder Altars s. Fitz 2001; vgl. hierzu
auch Gast 2005, S. 442–444.
4 Frantisek Matous, Mittelalterliche Glasmalerei in der Tschecho-
slowakei (Corpus Vitrearum Tschechoslowakei), Prag 1975, S. 73 mit
Abb. 60.
Fig. 579. ES Museum Nr. 34. 5 Vgl. hierzu Schneckenburger-Broschek 1997, S. 134–161 mit
M 1:15 Abb. 95, 105, 109f.
marburg . universitätsmuseum 461
Bibliographie: Ludwig Curtze, Geschichte und Beschreibung des Fürstenthums Waldeck. Ein Handbuch für Va-
terlandsfreunde, Arolsen/Speyer 1850, S. 400 (»in den Chorfenstern der Kirche zu Netze sieht man noch 6 Gefache
Glasmalereien, einige sind Figuren von Heiligen, etwa 1 1/2 Fuß hoch, andere sind gothische Verzierungen«); Lotz
1862, S. 464f. (wie Curtze 1850); Oidtmann 1898, S. 309 (zitiert Lotz 1862); Ganssauge/Kramm/Medding 1938,
S. 60, Taf. 50,1 (im Schloß zu Arolsen befinden sich »drei gotische Glasfenster aus der Kirche zu Netze stammend«);
Karl Kann, Die ehemalige Zisterzienserinnen-Klosterkirche im »Thal der Hl. Maria zu Netze«, Freudenstadt 21987,
S. 31 (die Glasmalereien aus der Zeit »um 1350« wurden bis auf die noch vorhandenen Reste im Jahr 1846 für 8 Taler zur
Anschaffung der neuen Orgel verkauft); Der Netzer Altar, hrsg. vom Kirchenvorstand der Evangelischen Kirchen-
gemeinde Netze, Kassel 2004, S. 4, Abb. S. 7 (Glasmalereien »um 1330«).
nI
sI
Gegenwärtiger Bestand: In einem Südfenster der Nikolauskapelle haben sich sechs mittelalterliche Glasmalereien,
drei Rechteckfelder sowie drei Kopfscheiben, erhalten (Fig. 585f., Abb. 361–363).
Geschichte des Baues: Im Jahr 1228 gründeten die Brüder Volkwin und Adolf, Grafen von Schwalenberg und Wal-
deck, das Zisterzienserinnen-Kloster Marienthal als Sühnestiftung für ihre Beteiligung am Mord des Kölner Erzbi-
schofs Engelbert von Berg1. Den Nonnen wurde hierzu eine bereits bestehende Pfarrkirche mit all ihren Einkünften
1 Zur Geschichte s. Ganssauge/Kramm/Medding 1960, S. 237–252. 5 Zwei Ablassurkunden von 1282 und 1284 lassen auf größere Baumaß-
2 Die in der Literatur wiederholt zu fi ndende Annahme einer Besie- nahmen in diesen Jahren schließen; Werner Meyer-Barkhausen, Die
delung des Klosters durch Nonnen aus dem niederrheinischen Kloster Kirche des ehemaligen Zisterzienserklosters in Netze, in: Hessische
Kamp wurde jüngst von Claudia Mohn abgelehnt: Mittelalterliche Heimat 4, 1954, Heft 2, S. 4. Eine Bauzeit über 50 Jahre (»1229–1284«),
Klosteranlagen der Zisterzienserinnen. Architektur der Frauenklöster wie sie Meyer-Barkhausen für den bescheidenen dreijochigen Neu-
im mitteldeutschen Raum (Berliner Beiträge zur Bauforschung und bau annimmt, ist jedoch kaum wahrscheinlich.
Denkmalpflege 4), Petersberg 2006, S. 322f. 6 Heinrich Nebelsieck, Die Ablaßprivilegien des Klosters Marien-
3 Die Wahl des Patroziniums könnte im Zusammenhang mit der Er- thal in Netze, in: GWP 39, 1939, S. 13–18.
mordung Engelberts am 7. November 1225 stehen, da die Vier Gekrön- 7 Die Maßnahme wird mit einer Stiftung der Gräfi n Elisabeth von
ten Heiligen ihr Martyrium am 8. November erlitten. Ich danke Herrn Waldeck in Verbindung gebracht. Elisabeth stiftete 1385 der Waldecki-
Karl Kann, Netze, für diesen Hinweis. schen Kapelle eine jährliche Seelenmesse und schuf hierfür die Stelle
4 Jens Kulick, Ausgrabungen in der Netzer Kirche, in: Land an Eder eines Priesters. Drei Jahre später erfolgte eine weitere Stiftung durch
und Diemel: Ein Bildband über Geschichte, Landschaft und Wirt- Heinrich den Eisernen. Vgl. Heinrich Nebelsieck, Die Grabkapelle
schaft des Landkreises Waldeck-Frankenberg, Korbach 1992, S. 68f. der waldeckischen Grafen in Netze, in: GWP 19/20, 1921, S. 81–97.
netze . zisterzienserinnenkirche 463
überlassen 2 . Die Kirche war der Jungfrau Maria und den Vier Gekrönten Heiligen geweiht und diente dem Grafen-
geschlecht bis in das 17. Jahrhundert hinein als Begräbnisstätte3. Das Kloster, deren Nonnen dem Zisterzienserorden
nicht inkorporiert waren, unterstand bis zur Reformation dem Offizial von Fritzlar und gehörte zur Mainzer Diözese.
1553 wurde der Konvent endgültig aufgehoben, doch bis 1577 noch von Ordensfrauen bewohnt. Auf dem Klosterge-
lände ließ Graf Philipp IV. nun eine Meierei errichten, wobei das freigewordene Vermögen dem Aufbau eines Hospi-
tals diente.
Die Ausgrabungen von 1990–1991 haben Klarheit in die Baugeschichte der Klosterkirche gebracht4. Demnach hat
man im Verlauf des 13. Jahrhunderts eine romanische dreischiffige Pfeilerbasilika bis auf den noch heute vorhande-
nen Rechteckturm niedergelegt. Im Jahr 1284 dürfte das neue zweischiffige Hallenlanghaus mit Nonnenempore über
den beiden westlichen Jochen fertiggestellt gewesen sein 5. Erweiterungsmaßnahmen erfolgten wohl zur Mitte des 14.
Jahrhunderts mit der Verlängerung des Langhauses um zwei weitere Joche nach Osten. Ein ausgedehnter Ablass für
Zuwendungen zur Ausstattung der Klosterkirche aus dem Jahr 1343 könnte auf bevorstehende oder bereits laufende
Umbauten in dieser Zeit hinweisen6 . Die dem Hl. Nikolaus geweihte Kapelle auf der Südseite war zunächst nur ein-
jochig angelegt, wurde dann aber zwischen 1385 und 1388 um ein zweites Joch nach Westen verlängert 7. 1429 hat man
an die Nordflanke des Kirchengebäudes anstelle des 1419 niedergebrannten hölzernen Kreuzgangs einen steinernen
464 netze . zisterzienserinnenkirche
Geschichte der Verglasung: Im Jahr 1846 sollen mehrere, bis dahin erhaltene Glasmalereien für 8 Taler an den
Waldecker Pastor Hermann Schultze verkauft worden sein 8 . Über den Verbleib dieser Stücke ist nichts bekannt 9. Der
Erlös floss in den Erwerb einer neuen Orgel. Von den »6 Gefachen«, die Ludwig Curtze im Jahr 1850 noch in der Kir-
che sah, gelangten um das Jahr 1900 drei Felder in die Privatsammlung des Fürstlichen Hauses Waldeck und Pyrmont
auf Schloss Arolsen10 . Auf Initiative von Karl Kann, Netze, sind diese Reste mittelalterlicher Farbverglasung in den
siebziger Jahren in die ehemalige Klosterkirche zurückgeführt worden.
Erhaltung: Die Glasmalereien machen einen »durchschossenen« Eindruck. Einzelne Glasstücke fehlen ganz und
wurden lediglich durch Fensterglas ersetzt; die durchweg verlorenen Lanzettspitzen sind rautenverglast. Auf den
Außenseiten hat sich eine deckende Korrosionsschicht abgelagert, die zu verminderter Transparenz führt und vor
8 Kann 1987 (s. Bibl.), S. 31. Nach Vermerk im Netzer Kirchenbuch. 1,34 m hohen Retabels dauerhaft verdeckt worden. Daher wird man
9 Nach einem Hinweis von Karl Kann soll Hermann Schultze seine auch die Nikolauskapelle als einstigen Standort dieses bislang um 1370
kleine Sammlung der preußischen Kunstsammlung Berlin vererbt ha- datierten Retabels nicht ausschließen können. Eine solche Annahme
ben. In dem von Schmitz herausgegebenen Katalog der Glasgemälde ließe sich gut mit der Stiftung Gräfi n Elisabeths vereinbaren, die im
im Berliner Kunstgewerbemuseum und im Kaiser-Friedrich-Museum Jahr 1385 für die Familiengrablege auf Dauer die Stelle eines Priesters
von 1913 wird hierzu jedoch nichts vermerkt. Möglicherweise gelang- einrichtete. Erst mit Errichtung des Epitaphs für Graf Daniel von Wal-
ten die Scheiben auch in den Besitz des jüngsten Sohnes, Prof. Victor deck (nach 1577) wäre der ehemalige Altarplatz beseitigt und das Reta-
Schultze, der in Greifswald einen Lehrstuhl für Christliche Archäo- bel an seinen heutigen Ort transferiert worden. Allerdings bleibt ein-
logie und Theologie besaß. Der »Katakomben-Schultze«, bekannt für zuwenden, dass die alte Altarmensa im Chor für die Maße des Retabels
die Erforschung frühchristlicher Gräber in Italien, war auch Gründer geradezu geschaffen zu sein scheint. Zudem identifi zierte Karl Kann
des Waldecker Geschichtsvereins. Die Kunstsammlung des Victor- unter den zwölf Heiligenfiguren auf den stark zerstörten Außenseiten
Schultze-Instituts in Greifswald, eine kleine Schau mittelalterlicher der Flügel die Vier Gekrönten, die Mitpatrone der Kirche waren; s.
und archäologischer Objekte, besitzt jedoch keinerlei Glasmalereien. Ursula Wolkers, Entdeckung in der Netzer Kirche. Die »Vier Ge-
Schultze stiftete zusammen mit Geheimrat Kümmel die beiden Seiten- krönten« auf der Rückseite des Flügelaltars, in: Mein Waldeck 28, 1993.
chorfenster in der wiedererrichteten Kirche zu Neu-Berich (s. u.). Zum Netzer Altar s. AK Münster 1964, S. 13, 43–51, Abb. 15–29.
10 Anstelle der mittelalterlichen Originale stiftete das Fürstenpaar 14 Zur Verglasung des Naumburger Ostchors Rentsch 1958, S. 8–24,
Friedrich von Waldeck und Pyrmont und Bathildis von Schaumburg- Taf. 50–60. Das Phänomen zweiachsiger Chorschlüsse wurde zuletzt
Lippe damals die heute noch vorhandene einfache Ornamentvergla- von Jürgen Michler bezüglich der bildprogrammatischen Aspekte
sung für ein Chorfenster. hinterfragt: Zweiachsige Chorschlüsse und ihre Bildausstattung, in:
11 Curtze 1850 (s. Bibl.). Scholz/Hess/Rauch 2004, S. 41–50.
12 Becksmann 1979, S. 136f., Taf. 50–58. 15 Vgl. AK Köln 1998, S. 242, Nr. 51. Möglicherweise waren die beiden
13 Sollte sich der Netzer Passionsaltar noch an ursprünglicher Stelle nah verwandten Muster in nord VII und nord VIII ursprünglich in
befi nden, so wären die unteren Zeilen dieses Fensters bereits wenige einem Fenster untergebracht, sodass sich hieraus eine Art bahnüber-
Jahrzehnte später durch die Aufstellung dieses 4,75 m breiten und greifender Rapport ergab.
netze . zisterzienserinnenkirche 465
Ornament, Technik, Farbigkeit: Mit Hilfe der Kopfscheiben lässt sich noch eine Vorstellung vom Rapport des
Ornamentteppichs gewinnen. Denn das zentrale Motiv des blau-rot-geviertelten, aus vier Blättern zusammengesetz-
ten Bogenquadrates verlangt nach einem symmetrischen Anschluss aus seitlichen Halbkreisen und vertikalen Voll-
kreisen, wobei die seitlichen Halbformen mit gegenständigen Eichblattpaaren gefüllt waren. Im grundsätzlichen Auf-
bau damit vergleichbar sind einige Teppichmuster in der um 1330 entstandenen Langhausverglasung von St. Thomas
in Straßburg, insbesondere die in Fenster nord VIII vorhandenen, welche hier zusätzlich um kleinteilige Maßwerk-
formationen erweitert wurden15. Sowohl in den Ornamentfeldern als auch in den figürlichen Szenen dürfte eine lichte
466 netze . zisterzienserinnenkirche
und, aufgrund der vielen gelb-, rot- und rosafarbenen Gläser (letztere stark verwittert im Mantel Mariens), warm
gestimmte Farbauswahl vorherrschend gewesen sein. Ansonsten ist Rot-Blau die dominante Farbgruppe, lediglich in
der Mantelschließe Christi findet sich ein frisches Lindgrün. Reste außenseitiger Bemalung sind als rötlicher Halbton
noch in Gesichtern, Architektur und Gewand erkennbar.
Stil, Datierung: Die einfache und etwas hölzerne Zeichnung oder die in ruhigen Bahnen schwingenden Faltenmo-
tive der Figurenscheibe liefern zunächst keinerlei Anhaltspunkte für eine über die ersten Jahrzehnte des 14. Jahrhun-
derts hinausweisende Datierung. Im Gegenteil: Was etwa die Bildung der großen Augen mit den zur Seite hin offenen
Lidern, die im Verhältnis zu kleine Nase Christi und dessen insgesamt kantige Gesichtsformen angeht, lassen sich
die Netzer Scheiben hervorragend mit den wenigen Resten einer Erstverglasung von St. Pauli in Soest verbinden, die
von Wentzel um 1300 angesetzt und im Stilbild mit Glasmalereien der Allerheiligenkapelle im Zisterzienserkloster
Wienhausen in Zusammenhang gebracht wurden (Fig. 584)16 . Ein physiognomisches Detail, der auf Kinn und Wan-
genknochen reduzierte Bartwuchs, scheint ein spezifisches westfälisches Charakteristikum zu sein und begegnet nicht
nur in den Soester Kopffragmenten, sondern auch in der Christus-Salvator-Figur des Soester Patroklischreins17. Noch
die jüngere, um 1330/40 anzusetzende Verglasung im Kreuzgang von Wienhausen folgt jenem retardierenden »Misch-
stil von gotisierten romanischen Grundformen«, wie er für die westfälisch-niedersächsische Kunstlandschaft dieser
Zeit allgemein kennzeichnend ist18 . Die Architekturdarstellungen jedoch können ihre spätere Entstehung schwerlich
leugnen: Hier zeigt sich bereits eine Abkehr von der tektonisch korrekten Zeichnung, wobei die Einzelformen zuneh-
mend abstrahiert und ornamental interpretiert werden, wie etwa die ›federgeschmückten‹ Fialentürmchen mit ihren
überaus expressiven Fratzen als Wasserspeier. Auffällig ist weiterhin eine starke Flächenbemalung der Turmhelme,
ganz alogisch auch der schachbrettartig gestaffelte, über dem roten Hintergrundfond schwebende Zinnenkranz in der
Marienkrönung. All diese Beobachtungen sprechen letztlich für eine Entstehung der Glasmalereien zur Jahrhundert-
mitte hin. Eine Datierung um 1340 wäre mit jenem Ablass von 1343 gut zu vereinbaren, der auf eine Erweiterung des
Kirchenbaus um diese Zeit schließen lässt. Eine Besonderheit der Netzer Glasmalereien sind die Kreuzschraffuren auf
den Architekturgliedern, eine Eigenart, die auch die Kölner Glasmalerei der Zeit kennzeichnet 19. Die Herkunft der
Netzer Farbverglasung aus dem benachbarten Westfalen wird schließlich durch das Stilumfeld des einige Jahrzehnte
jüngeren Netzer Retabels bekräftigt, das gleichfalls bei einem Künstler dieser Region in Auftrag gegeben wurde.
Vorbemerkung zum Katalog: Untersuchung und Aufnahmen der Glasmalereien erfolgten im Oktober 2005.
1a/c TURMARCHITEKTUREN Fig. 586, Abb. 361, 363 Erhaltung: Einige Fehlstellen im Mantel Mariens sowie in den
H. 71 bzw. 71,5 cm, B. 43,5 bzw. 43 cm. durchfensterten Mauerzinnen. Die blauen und rosafarbigen
Erhaltung: Zahlreiche Fehlstellen sind mit farblosem Glas not- Gläser in den Gewändern, deren Zeichnung auf älteren Auf-
dürftig ergänzt worden. nahmen noch erkennbar ist, sind heute fast schwarz korrodiert.
Komposition, Ornament: Vor einem Blattkarogrund aus gol- Eine fortgeschrittene Verwitterung mit fleckigem Erschei-
denen und roten Blättern erhebt sich ein mit Eichblättern be- nungsbild zeigen auch die gelben Gläser und Inkarnate.
setzter, offenbar durchbrochen gearbeiteter Turmhelm mit Ikonographie, Komposition: Unter einer spitzbogigen zinnen-
Nodus und abschließender Kreuzblume. Am unteren Feldrand bekrönten Tabernakelarchitektur mit seitlichen Fialen thronen
ist noch die rundgeformte Blattkrone eines darunterliegenden, Maria und Christus. Christus krönt die erhöht sitzende Mut-
heute verlorenen Giebelfeldes erkennbar. Die seitlichen Fialen ter und segnet sie mit seiner Rechten 21. Der Architekturhin-
tragen Wasserspeier in Form von Fratzen. In den oberen Ecken tergrund besteht aus einem roten Netz mit eingeschriebenen
zwischen Fialen und Kreuzblume befi ndet sich ein Paar behuf- Blütenquadraten. Die Krönungsszene selbst ist mit einem fi-
ter Drachen mit Glocken um den Hals20 . ligranen Kleeblattrankengrund hinterlegt 22 . Über Maria und
CVMA RT 13340, RT 13342, Großdias RT 05/145, 05/147 Christus schwebt ein achtzackiger goldener Stern, vielleicht
als Hinweis auf eine Stiftung des Fensters durch die Waldecker
1b MARIENKRÖNUNG Fig. 585f., Abb. 362 Grafen.
H. 71,5 cm, B. 43 cm. CVMA RT 13341, Großdia RT 05/146
neu-berich . augustinerinnenkloster st. katharina 467
16 Siehe Wentzel 1948, S. 218, und Wentzel 21954, S. 41, 113, Abb.
63. Die Kopffragmente sind von Elisabeth Landolt-Wegener, Die Fig. 586. ES Nikolauskapelle s III, 1/2a–c. M 1:15
Glasmalereien im Hauptchor der Soester Wiesenkirche, Münster 1959,
S. 33, »um 1280«, zu früh datiert worden. Seit der Restaurierung des
Scheibenbestands durch Wilhelm Braucks im Jahr 1949 galten die
Kopffragmente als verschollen, doch tauchte vor kurzem ein Köpf- welt im Kölner Schnütgen-Museum, beide um 1330; Abb. in AK Köln
chen wieder in Soester Privatbesitz auf. Hierzu Ulf-Dietrich Korn, 1998, S. 248f., 255–257, Nr. 54, 57, 58.
Glasmalerei-Restaurierungen in Westfalen 1974–2001 – Eine Nach- 20 Mit ähnlichen Drachenfigürchen ist auch die im zweiten Viertel
lese, in: Westfalen 81, 2003, 397–426, hier S. 407f., 412. Dazu muss auch des 14. Jh. entstandene Maßwerkverglasung der Allerheiligenkapelle
die Scheibe einer thronenden Maria mit Kind (Münster, Westfälisches im Kreuzgang des Fritzlarer Stifts geschmückt (vgl. Fig. 76–78), des-
Landesmuseum) gezählt werden, die erstmals von Hans Wentzel, gleichen einige Ornamentfelder aus der Erstverglasung der Friedber-
Rez. zu Landolt-Wegener 1959, in: Westfalen 38, 1960, S. 119–134, ger Liebfrauenkirche aus der ersten Hälfte des 14. Jh. (Hess 1999, S.
hier S. 133, Abb. 38, publiziert wurde, gegenwärtig jedoch nicht auf- 180–182).
fi ndbar ist. In der Madonnenscheibe scheint das Stilbild von Stifter- 21 Das gegen 1350 entstandene Wandbild mit dem Turris Davidica im
figuren und Apostelköpfen amalgamiert vorzuliegen. Südquerarm der Fritzlarer Stiftskirche zeigt eine verwandte Marien-
17 Diese Barttracht fi ndet sich noch in einem westfälischen Speculum krönungsszene. Farbabb. bei Christian Rauch/Volker Katzmann,
der Universitäts- und Landesbibliothek in Darmstadt (Nr. 2505); s. Fritzlar. Die alte Dom- und Kaiserstadt und ihre Kunstschätze, Tü-
Horst Appuhn, Heilsspiegel. Die Bilder des mittelalterlichen Erbau- bingen 1974, S. 43.
ungsbuches Speculum humanae salvationis, Dortmund 1981. 22 Die beiden, kaum älteren Verkündigungsscheiben im Fritzlarer
18 Wentzel 21954, S. 40. Dommuseum (vgl. S. 130, Fig. 86) sind gleichfalls mit einem Grund
19 Vgl. etwa die Glasmalereien von St. Gereon in Köln oder das Schei- aus Kleeranken geschmückt; nähere stilistische Bezüge zu den Glas-
benpaar mit Johannes Baptista und der Stifterin Kunigunde von Meyn- malereien in Netze lassen sich jedoch nicht erkennen.
Bibliographie: Louis Fr. Chr. (=Ludwig) Curtze, Geschichte und Beschreibung des Fürstenthums Waldeck. Ein
Handbuch für Vaterlandsfreunde, Arolsen 1850, S. 25f. (ausführliche Charakterisierung); Lotz 1862, S. 68 (»Glasma-
lereien, Maria mit dem Christuskinde und 2 weibliche Heilige, von prachtvoller Wirkung«); Paul Clemen, Rez. zu
Haseloff 1907, in: Repertorium für Kunstwissenschaft 34, 1911, S. 59 (stammen aus der gleichen Werkstatt wie das
ältere gotische Standfigurenfenster der Elisabethkirche und die Glasmalereien aus Winnen); Albrecht Kippenberger,
in: AK Marburg 1932, S. 87f. (folgt Clemen und überträgt die von Hamann/Wilhelm-Kästner 1929, S. 91–112,
für die Skulptur aufgezeigten Abhängigkeiten Marburgs vom Oberrhein auf die Glasmalereien; die Glasmalereien
der Limburger Annenkirche stellen dabei eine Zwischenstufe dar); Ganssauge/Kramm/Medding 1938, S. 195f., Taf.
48, 50,2 (detaillierte Beschreibung der Figurenfelder); Wille 1952, I, S. 20–23, 26, 30, II, S. 18–21 (die Bericher Schei-
ben stehen in der Entwicklung auf einer Stilstufe zwischen Marburg und Winnen, die aber entgegen Kippenberger
von verschiedenen Meistern ausgeführt wurden); Wentzel 21954, S. 40, 108, Abb. 28 (ordnet die Glasmalereien der
468 neu-berich . augustinerinnenkloster st. katharina
Gruppe um die »oberrheinischen« Standfigurenfenster der Marburger Elisabethkirche zu und datiert sie um 1320/30);
Heinrich Schreff und Herbert Baum, Das ehemalige Dorf Berich im Edersee (Waldeckische Ortssippenbücher 7),
Arolsen 1959 bzw. Frankfurt am Main 1960, S. 22f. (die Fenster wurden »stellenweise ergänzt und neu eingefasst in
die neue Kirche übernommen«); Rüdiger Becksmann, in: AK Hamburg 1966, S. 55 (zwischen der Marburger und
Dausenauer Farbverglasung müssen schulmäßige Zusammenhänge bestanden haben); Georg Wilhelm Sante (Hrsg.),
Hessen (Handbuch der historischen Stätten Deutschlands 4), Stuttgart 21967, S. 445 (Glasmalereien »um 1320«); Dehio
Hessen 21982, S. 648 (»gute Arbeiten um 1320«); Klaus-Dieter Kregelius, Berich und seine Kirche, Volkmarsen-
Külte 1987, S. 2, 22, 39f., 49f. (Figurenfenster stammen aus dem Chor der alten Bericher Kirche); Elisabeth Oberhai-
dacher-Herzig, Die Glasgemälde aus der ehemaligen Pfarrkirche von Heiligenkreuz, in: Österreichische Zeitschrift
für Kunst und Denkmalpflege 50, 1996, S. 173, Abb. 183 (zieht die moderne Architektureinfassung als Beispiel in-
nerhalb einer Entwicklungsreihe der gotischen Architekturrahmung heran); Gerhard Neumann, Kirche und Gesell-
schaft in der Grafschaft Waldeck am Ausgang des Mittelalters (Waldeckische Forschungen 11), Bad Arolsen 2001, S.
139, 244 (beiläufige Erwähnung); Daniel Parello, in: Die Glasgemälde–Sammlung des Freiherrn vom Stein 2007, S.
60 (eine Marburger Werkstatt lieferte neben den Farbverglasungen von Berich und Winnen gegen 1320 auch die Dau-
senauer Farbverglasung).
Gegenwärtiger Bestand: Im dreibahnigen Chorachsenfenster der Neu-Bericher Kirche befinden sich in moderner
Rahmenarchitektur drei Scheiben mit Heiligenstandfiguren (Fig. 587–594, Abb. 364–366). Im Couronnement des be-
nachbarten Fensters auf der Südseite sind nur noch spärliche Reste einer ornamentalen Farbverglasung erhalten1.
Geschichte des Baues: Graf Egelolph stiftete unweit der Burg Waldeck an der Eder ein Benediktinerinnenkloster,
das 1196 vom Mainzer Erzbischof Konrad I. und 1205 durch Philipp von Schwaben bestätigt wurde2 . Wegen Miss-
wirtschaft und Verfall der Klostersitten wurde die Anlage im Jahr 1463 den Augustinerchorfrauen übergeben. Einen
von Pastor und Schulmeister im Jahr 1532 beabsichtigten Bildersturm ließ Landgraf Philipp streng untersagen und
bewahrte damit die noch heute vorhandenen Reste der mittelalterlichen Ausstattung vor Zerstörung 3. Nach dem Tod
der letzten Priorin wurde das Kloster 1566 aufgehoben; der Sakralbau diente fortan als protestantische Filialkirche
von Netze, seit 1754 als Dorfkirche4. Als neue Besitzer führten die Grafen von Waldeck dessen Einkünfte dem Gym-
nasium in Korbach zu.
Die um 1300 neu errichtete, der Hl. Katharina geweihte Saalkirche erreichte mit ihren vier Jochen und dem auf fünf
Seiten eines Achtecks gebrochenen Chorschluss ursprünglich eine Länge von etwa 33 Metern 5. Das dreibahnige Ach-
senfenster zeigte reiches Maßwerk, alle anderen Öffnungen besaßen dagegen lediglich zweibahnige, sechs- bis sieben-
zeilige Öffnungen. Da der Kirchenraum im ausgehenden 19. Jahrhundert für die kleiner werdende Gemeinde zu groß
wurde, verkürzte man das Schiff durch den Einzug einer Mauer um zwei Joche auf die halbe Länge. Die Nordfenster
waren zuletzt zur Hälfte, das westliche Südfenster war komplett zugemauert. Im Jahr 1912 wurde die Klosterkirche im
Zuge der Errichtung der Edertalsperre teilweise abgetragen, schließlich gesprengt und unter Benutzung der wieder-
verwertbaren Bauteile, darunter auch bedeutender Teile des Fenstermaßwerks, auf der wenige Kilometer entfernten
Domäne Büllinghausen um zwei Joche verkürzt wieder aufgebaut.
Geschichte der Verglasung: Als man 1908 am Königlichen Museum in Kassel vom Abriss der Kirche erfuhr,
bemühte man sich dort zunächst um den Erwerb der Glasmalereien (s. Reg. Nr. 105) 6 . An die Entscheidung, die
Kirche andernorts wieder aufzubauen, war jedoch der Verbleib der künstlerischen Ausstattung im neu errichteten
1 Eine Wappenrundscheibe des Johann Huot von 1557 (Durchmesser 4 Zur Orts- und Wirtschaftsgeschichte in nachmittelalterlicher Zeit
ca. 24 cm) im Depot des Wolfgang-Bonhage-Museums in Korbach soll Friedrich Koch, Die Wirtschaftsgeschichte des Klosters und Dorfes
lt. Inventarverzeichnis aus der Bericher Kirche stammen (frdl. Hinweis Berich in Waldeck, in: GWP 14, 1914, S. 1f.
von Herrn Dr. Wilhelm Völcker-Janssen, Korbach). 5 Kregelius 1987 (s. Bibl.), S. 39.
2 Zur frühen Geschichte s. Carl Rörig, Dorf und Kloster Berich, 6 Kregelius 1987 (s. Bibl.), S. 22.
in: Waldeckische Landeszeitung 1912, Nr. 169–174; zur Bedeutung des 7 Die beiden neu gestalteten Seitenschifffenster wurden vom Gehei-
Klosters im Spätmittelalter s. Carl Knetsch, Vom Kloster Berich am men Konsistorialrat Victor Schultze, dem christlichen Archäologen
Ausgang des Mittelalters, in: Hessische Chronik 9, 1920, S. 33ff. und Evangelischen Theologen in Greifswald, sowie von Geheimrat
3 Victor Schultze, Bildersturm in Waldeck, in: GWP 33, 1933, S. 19f.; Kümmel gestiftet. Hierzu Schreff/Baum 1960 (s. Bibl.), S. 23.
Kregelius 1987 (s. Bibl.), S. 3.
neu-berich . augustinerinnenkloster st. katharina 469
Fig. 587. Neu-Berich, Klosterkirche, Chor I, 2–5a–c. Marburg, um 1310/20. – Kat. S. 472f.
Kirchenraum gebunden. Friedrich Fürst von Waldeck und Pyrmont stellte im Jahr 1914 Mittel zur Wiederherstellung
der Glasmalereien für das Chormittelfenster zur Verfügung (s. Reg. Nr. 106). Die Glasmalereien wurden damals von
der Marburger Werkstatt Schultz/Söhne mit einem neuen Architekturrahmen und den Wappen Friedrichs und dessen
Gattin Bathildis, Prinzessin zu Schaumburg-Lippe, versehen 7.
Erhaltung: Originales Glas hat sich nur in den Figuren sowie in Teilen des Ornamenthintergrundes erhalten.
Womöglich wurden die unterschiedlich gestalteten Rahmenarchitekturen entfernt, um die ursprünglich heterogene
Gruppe unter einer monumentalen Architektur kompositorisch zusammenzubinden. Für die achsensymmetrische
Ausrichtung zur Mitte hin musste die Märtyrerheilige mit Palmenzweig jedoch seitenverkehrt eingesetzt werden.
Sämtliche Heiligen sind an den Nimben leicht beschnitten, was wohl die ursprüngliche Felderhöhe markieren dürfte.
Die Glasmalereien erhielten im Rahmen ihrer Wiederaufstellung ein neues Bleinetz. Das Chorfenster wurde außensei-
tig im Bereich der originalen Partien lediglich mit einem Drahtgitter geschützt, allein der seitenverkehrt eingesetzten
Figur ist eine passgenau zugeschnittene Scheibe zum Schutz der Bemalung vorgelegt; eine dauerhafte Sicherung dieser
Glasmalereien wäre dringlich geboten. Überraschenderweise ist ihr Erhaltungszustand dennoch wesentlich besser
470 neu-berich . augustinerinnenkloster st. katharina
Farbigkeit, Technik: Der Glasmaler hat sich bei der Ausführung der Figuren auf die Grundfarben Blau, Rot und
Gelb beschränkt. Eine gewisse Belebung dieses in allen Feldern gleichen Farbakkords wird durch die Verwendung von
Farbgläsern erzielt, die jeweils in einer hellen wie dunklen Variante vorliegen. Die Hell-Dunkel-Töne werden dabei
8 Die jetzige Anordnung der Heiligen unter einer dreiachsigen berger, in: AK Marburg 1932, S. 87f., vermutete fälschlich, der aus-
Wimpergarkade ruft die Gestalt des 1290 geweihten Hochaltars der führende Glasmaler habe sich hier selbst dargestellt.
Marburger Elisabethkirche in Erinnerung, der wiederum das Unter- 11 Siehe Hartmut Boockmann, Das Hornecker Stifterbild und die
geschoss der im Bau befi ndlichen Straßburger Westfassade abbrevia- Anfänge der Deutschordenskommende Horneck. Beiträge zu einer
turhaft zitiert. – Das Verfahren des seitenverkehrten Versatzes identi- Ikonographie des Deutschen Ordens, in: Horneck, Königsberg und
scher Figuren ist für die Maßwerkverglasung im Ulmer Marnerfenster Mergentheim. Zu Quellen und Ereignissen in Preussen und im Reich
belegt. Hierzu Scholz 1994, S. 187–196, Taf. S. 141. In Berich spricht vom 13. bis 19. Jahrhundert (Schriftenreihe Nordost-Archiv bearbei-
nicht zuletzt das an allen drei Feldern identische Korrosionsbild gegen tet und hrsg. von Eckhard Jäger, 19), hrsg. von Udo Arnold, Lüne-
eine solche Annahme. burg 1980, S. 11–32, hier S. 12f. Géza Jaszai, in: AK Nürnberg 1990,
9 Zwar sind unterschiedliche Figurenmaßstäbe, wie das Beispiel in S. 20, vermutete dagegen aufgrund der Zugehörigkeit des Stifters zum
Winnen zeigt, allein kein hinreichender Grund, um eine Zusammenge- Deutschen Orden irrtümlich eine Herkunft der beiden Scheiben aus
hörigkeit der drei Heiligen auszuschließen, doch zeigen in einem sol- der Kölner Deutschordenskommende und wollte in der Gertrudisfigur
chen Fall die Vergleichsbeispiele stets gleiche Hintergrundgestaltung. eine Hl. Elisabeth erkennen.
10 Sollte der Stifter Johannes dem Marburger Franziskanerkonvent 12 Wille 1952, I, S. 20–22.
angehört haben, so würde dies die Präsenz Marburger Werke im ca. 13 Michler 1984, Abb. 50.
hundert Kilometer entfernten Berich erklären. Albrecht Kippen-
neu-berich . augustinerinnenkloster st. katharina 471
Fig. 589. Muttergottes mit Kind und kniendem Stifter. Chor I, 3b. Fig. 590. Hl. Katharina. Chor I, 3c. Marburg, um 1310/20.
Marburg, um 1310/20. – Kat. S. 472. Kat. S. 473.
geschickt zur plastischen Modellierung der Gewänder eingesetzt. Darüber hinaus findet sich im Rosenzweig der Mari-
enscheibe eine delikater Rosaton, der noch einmal als rot-weiß verfließendes Changeant im Kopf Marias Verwendung
fand.
Die beiden nahezu deckungsgleich zugeschnittenen Heiligen in den Seitenbahnen scheinen in einem rationelleren Fer-
tigungsverfahren nach demselben Karton gearbeitet zu sein. Selbst der Faltenverlauf stimmt zu weiten Teilen überein;
Unterscheidungsmerkmale bieten allein die Attribute. Ein ausgesprochener Ornamentierungswillen zeigt sich da-
rin, Oberflächen mittels »punzierter« Muster, wie im Marburger Marienfenster, durch Auskratzen kleiner Kreise aus
dem Schwarzlot zu strukturieren. Die Hintergründe sind reich ornamentiert und bevorzugt mit Blüten und Blättern
durchsetzt. In die gleiche Richtung weist die ungewöhnlich plastische, durch starken außenseitigen Halbtonauftrag
erzielte Gewandfältelung, die vom Körper losgelöste Ornamentformen ausbildet. Man achte nur auf die stark stilisier-
te, immer gleich wiederkehrende Gewandbauschung oder auf die kaskadenartig herabfallenden Schüsselfalten.
Stil, Datierung: Die Figuren sind in Form und Zeichnung ansprechend und grazil gestaltet. Trotz des etwas süß-
lichen Ausdrucks spiegelt die Mimik eine gewisse Erregung, da die Schiffchenmünder leicht zum Sprechen geöff-
net zu sein scheinen. Allerdings verlieren diese Gestaltungsmittel in der gleichförmigen Wiederholung ihren Reiz.
Eine exemplarische Gegenüberstellung der Bericher und der Marburger Maria zeigt eine nahezu übereinstimmende
Figurensilhouette, sogar einzelne Faltendetails wie die gestraffte Gewandpartie am rechten Arm oder die bauschig
auslaufende Gewandstauchung am Boden sind übernommen worden. Durch das Aufrichten des Hauptes ist in Be-
rich gegenüber Marburg die überzogene höfische Gebärde etwas zurückgenommen. Die Tendenz zum Ornamentalen
bleibt aber bestehen und rührt noch, wie Wille zeigen konnte, von der Auseinandersetzung mit den spätromanischen
Standfiguren her12 . Die spinnenartig feingliedrige Handform, die bisweilen sehr geziert aus dem verhüllten Arm her-
vorragt, erinnert an ähnlich tänzerisch-sprechende Gebärden der Marburger Hochaltarmalereien13. Zwischen dem
472 neu-berich . augustinerinnenkloster st. katharina
3a WEIBLICHE HEILIGE MIT BUCH UND MÄRTYRER- Fig. 593. ES Chor I, 3b.
PALME (HL. MARGARETA?) Fig. 588, 592, Abb. 365 M 1:15
H. 78 cm (69 cm bis auf Höhe des angeschnittenen Nimbus),
B. 57 cm.
Aus Symmetriegründen hat man die Figur beim Wiedereinbau
mit der innenseitigen Bemalung nach außen eingesetzt und zum
Schutz vor größeren Witterungsschäden – mit Ausnahme des
unten rechts ergänzten Gewandzipfels – außenseitig doubliert.
Erhaltung: Auf der jetzigen Innenseite fortgeschrittene Korro-
sion, nur das gelbe Farbglas kaum angegriffen. Mehrere Sprit-
zer einer Emulsionsfarbe auf der Innenseite.
Ikonographie: Zwar sind Palmzweig, Buch und Krone zu all-
gemeine Attribute, um die Identität der Heiligen eindeutig zu
bestimmen, doch könnte sich an Stelle der Ergänzungen zu Fü-
ßen der Märtyrerin ursprünglich ein Drache befunden haben. 3b MARIA MIT KIND UND STIFTER
Das Vergleichsbeispiel aus Winnen ist bedauerlicherweise im Fig. 589, 591, 593, Abb. 364
unteren Bereich gleichfalls gestört. Auch der noch erhaltene H. 77,5 cm (75 cm bis auf Höhe des angeschnittenen Nimbus),
Schnitzaltar des späten 15. Jh. zeigt neben den Schnitzfiguren B. 62,5/63 cm.
von Katharina und Maria die Hl. Margarete mit Palmzweig, Inschrift: Die Stifterfigur in Mönchskutte unten links hält
Buch und Drachen. ein Schriftband in gotischer Majuskel mit Binnenminuskel:
Farbigkeit, Ornament, Technik: Die Figur steht vor einem ro- · F (rater) · IOhAnNES.
ten, mit hellgelben Kreuzblättern durchsetzten Karogrund. Erhaltung: Das aus farblosem Glas bestehende Christkind zeigt
Der Bleiverlauf des Rautengrundes ist wie im Marburger Fens- stärkere Verbräunungsspuren mit partiell abgängiger Schwarz-
ter dieser Werkstattgruppe stellenweise lediglich mit Schwarz- lotzeichnung, ein ähnliches Erscheinungsbild bietet auch die
lotlinien imitiert. Blattkrone und Mantel dunkelgelb, das Un- Stifterfigur. Die dunkelroten Mantelpartien sind stärker korro-
tergewand leuchtend blau mit roter Halsborte, blauer Nimbus. diert als die hellroten Stücke.
CVMA K 12542, Großdia K 00/13 Ikonographie: Maria mit Blattkrone nach rechts gewendet, in
der Rechten ein Rosenzweig, auf dem linken Arm ihr Sohn,
mit einem langen Hemd bekleidet. Der Jesusknabe hält in sei-
ner Linken den Reichsapfel als Insignum seiner Herrschaft
und greift mit der rechten Hand nach dem Rosenzweig; er ist
Sinnbild der bevorstehenden Passion. Der Mönch Johannes im
Franziskanerhabit, der bescheiden zu Füßen der Heiligen kau-
ert, empfiehlt sich mit empor gehaltenem Schriftband.
Komposition, Farbigkeit, Ornament: Das Kopfstück Marias
wechselt zu den Haaren hin von Hellrosa nach Rot. Der blü-
tengemusterte Hintergrund setzt sich aus hellblauen Blüten-
karos und größeren fünfblättrigen Rosenblüten vor tiefblauem
Grund zusammen. Mantel rot und hellrot, Hand und Rosen
in einem Hellrosaton, dunkel- und zitronengelbes Gewand mit
Fig. 592. ES Chor I, 3a. hellblauem Halssaum, roter Nimbus und gelbe Blattkrone.
M 1:15 CVMA K 12543
neustadt . pfarrkirche st. johannes 473
CHORFENSTER süd II
Bibliographie: Dankward Sieburg, Ein Gang durch Neustadt, in: Hans Huber (Hrsg.), Heimatjahrbuch Kreis
Marburg-Biedenkopf, Schönstadt 1978, S. 93 (beiläufige Erwähnung); Dehio Hessen 21982, S. 656 (»über dem Südpor-
tal Reste von gotischen Glasscheiben«).
Gegenwärtiger Bestand: In zwei Fenstern der Pfarrkirche befinden sich, eingebettet in eine moderne Rechteckver-
glasung, Reste mittelalterlicher Glasmalereien (Fig. 595f., Abb. 369f.).
Geschichte des Baues und seiner Verglasung: Die von Graf Ludwig II. von Ziegenhain gegründete Stadt war
bereits im ausgehenden 13. Jahrhundert nach Mainz verkauft worden. 1477 erhielt Junker Hans von Dörnberg (1427–
1506), der Hofmeister des Landgrafen von Oberhessen, Neustadt im Zusammenhang mit der Beilegung der Mainzer
Stiftsfehde als erbliches Pfandlehen. Unter seiner Herrschaft erlebte die Stadt eine größere Bautätigkeit. Neben ihrem
Wahrzeichen, dem Junker-Hansen-Turm, der zur Sicherung von Burg und Stadt diente, wurde damals auch der Neu-
474 neustadt . pfarrkirche st. johannes
bau der Johanneskirche in Angriff genommen; für sie ist das Jahr 1504 als
Weihedatum überliefert1. So dürfte noch in den neunziger Jahren des 15.
Jahrhunderts unter teilweiser Bewahrung der vorhandenen Bausubstanz
mit dem Chor begonnen worden sein. Hierzu zählen Teile der Nordwand
im Westen, deren zwei schmälere Maßwerkfenster aus den Jochachsen ge-
rückt sind, und der noch dem 13. Jahrhundert entstammende Westturm.
Die katholische Pfarrkirche St. Johannes ist eine zweischiffige und fünf-
jochige Halle mit schmalem Nordseitenschiff und breit gelagertem 5/8-
Chor in Mittelschiffsbreite. Das dreibahnige Achsenfenster musste für
die Aufstellung eines barocken Altars vermauert werden, die Chorflan-
kenfenster sowie die Fensterreihe auf der Südseite sind dagegen durchge-
hend zweibahnig angelegt.
1 Zwei Jahreszahlen, 1502 über dem Südportal am Westturm sowie Hierzu: Dankward Sieburg, Die kirchliche Situation in Neustadt am
1504 auf einem Stützpfeiler am südlichen Langhaus markieren die Vorabend der Reformation, in: Hans Huber (Hrsg.), Heimatjahrbuch
Fertigstellung der betreffenden Bauabschnitte. Bei der Sanierung des Kreis Marburg-Biedenkopf, Schönstadt 1978, S. 120–134.
Fußbodens im Jahr 2002 sind umfangreiche Reste des Vorgängerbaus 2 Vgl. etwa Rundscheibe mit dem Wappen Bertholds aus der mainzi-
ergraben worden. Hierzu und zum Weihedatum der Kirche s. Hans schen Amtskellerei in Amorbach, heute in Amorbach, Fürstl. Leinin-
Richard Krapp, Geschichte des Kirchweihfestes in Neustadt, in: gensche Sammlungen. Abb. bei Hess 1994, S. 59.
500 Jahre Pfarrkirche Hl. Dreifaltigkeit Neustadt, Neustadt 2004, 3 Dieses Gestaltungsmittel könnte von der Entwicklung in der Druck-
S. 18–52, hier S. 19f. Für die Kirche sind folgende Altarstiftungen graphik angeregt worden sein, so wird beispielsweise bei Schongauer
nachgewiesen: Der Altar Unser lieben Frau, der Altar SS. Jacobi, Jo- der Mantelsaum häufig von einer Lichtkante begleitet.
doci und Sebastiani und der Altar SS. Nikolai und Katharina. Im Jahr 4 Hierzu Uwe Gast, Erzbischof Berthold von Henneberg als Auf-
1518 wird schließlich noch ein Altar SS. Cyriacum und Anna gestiftet. traggeber, in: AK Mainz 2000, S. 632–634.
neustadt . pfarrkirche st. johannes 475
Farbigkeit, Technik: Entlang der Hauptlinien sind mit der Nadelspitze stets äußerst feine Lichtkanten gesetzt,
wohl, um dadurch eine bessere Kontrastwirkung und somit eine schärfere Wahrnehmung der Kontur zu erzielen 3.
Neben Braunlot und Silbergelb fand Eisenrot vermehrt als Malfarbe Verwendung, das allerdings nicht als Inkar-
natfarbe benutzt wurde. Die außenseitig stellenweise verstärkten Halbtonüberzüge sind in unterschiedlicher Dichte
aufgetragen, hieraus wurden Lichter im feuchten wie im trockenem Zustand gestupft, vereinzelt finden sich auch
Parallelschraffuren.
Stil, Datierung: Mit dem Namen Bertholds von Henneberg sind zahlreiche Stiftungen von Kunstwerken im Main-
zer Erzstift verbunden. Unter seinem Pontifikat entfaltete sich im Land eine rege Bautätigkeit, die vom wirtschaft-
lichen Aufschwung und politischen Konsolidierungswillen infolge der Mainzer Stiftsfehde zeugt4. 1481, noch unter
Erzbischof Diether, wurde die Inbesitznahme Neustadts durch Hans von Dörnberg besiegelt, deren Bürger sich 1496
von Berthold die alten Rechte und Freiheiten zusichern ließen. Diese politischen Kräfteverhältnisse spiegeln sich auch
im wenige Jahre später begonnenen Neubau der Stadtkirche, wo neben den mehrfach auftretenden Wappen Hans von
Dörnbergs nun auch die Person Bertholds greifbar wird. Wie im Falle seiner anderen Stiftungen, dürfte die Präsenz
seines Wappens als Markzeichen der territorialen Zugehörigkeit Neustadts zu werten sein. Darf man im Zusammen-
hang mit der Farbverglasung der Kirche an eine Auftragsvergabe an einen Mainzer Glasmaler denken? Der Erzbischof
trat wiederholt als Auftraggeber für Glasmalereien in Erscheinung, wobei für seine Fensterstiftung in Amorbach
immerhin die Tätigkeit eines Glasmalers Erhart von Mainz als quellenmäßig gesichert gilt 5. Doch haben diese Rund-
scheiben mit den Neustädter Scherben wenig gemein. Eine Gegenüberstellung mit der möglicherweise in Mainz ent-
standenen Mondsichelmadonna der Schlosskirche zu Braunfels lässt zumindest in einigen physiognomischen Details
wie der Augenbildung, den schraubenförmig herabfallenden Haarlocken, aber auch bezüglich der technischen Aus-
führung, etwa der aus Parallelschraffuren und gestupften Überzügen bestehenden Modellierung, gewisse künstleri-
sche Zusammenhänge erkennen. Doch wird der Pinsel in den Neustädter Scheiben souveräner geführt; der Maler zeigt
5 Neben den Glasmalereien in Neustadt sind dies die erhaltenen Wap- mittelalterlichen Glasmalereien in Darmstadt, Süd- und Rheinhessen
pen in der Amtskellerei in Amorbach und auf Schloss Miltenberg (vgl. (CVMA Deutschland III,1). Vielleicht stammt das heute im Hessischen
Hess 1994, S. 58–60, 151), sowie die heute verlorenen Scheiben aus der Landesmuseum in Darmstadt aufbewahrte Wappen unbekannter
Kapitelstube des Mainzer Doms und den Wappen in einem Fenster der Provenienz von dort. Beeh-Lusternberger 1967, Abb. 157, und 1973,
Dieburger Burganlage, welche der Jesuit Johannes Gamans noch 1650 S. 188.
dort vorfand. Zu den verlorenen Scheiben s. demnächst Uwe Gast, Die 6 Benz 91979, S. 302f.
476 ehemals niederurff . kirche
sich stilistisch entwickelter, seine Schöpfungen gewinnen durch die Beobachtung atmosphärischer Details ebenso wie
durch den überaus neuartigen Einsatz von Eisenrot als weiterer Malfarbe, an lebendiger Darstellung.
Mainz(?), um 1505.
Vorbemerkung zum Katalog: Die Glasmalereien sind im September 2005 in situ untersucht und aufgenommen wor-
den. Auf die Wiedergabe eines Erhaltungsschemas wurde verzichtet.
1–3 FRAGMENTSTÜCKE MIT HL. GEORG Abb. 370 darüber liegenden Feld Kopf einer rot nimbierten weiblichen
H./B. 1: 67/55,5 cm; 2: 50,5/48 cm; 3: 49/55,5 cm. Heiligen und das Mainzer Rad auf Rot, das aufgrund seiner
Ikonographie: Die Beschreibung der Einzelstücke erfolgt von Form Teil eines geschweiften Heroldbildes gewesen sein müss-
unten nach oben: Der Hl. Georg zu Pferd kämpft mit erhobe- te. Haarstück mit Buch(?) und Oberkörper einer weiblichen
nem Schwert gegen den Drachen. Im Hintergrund, neben einer Figur im kleinen Format von einem zweiten, mit dem Maler der
Rahmensäule, erkennt man die Folgeszene mit der Königs- Katharinenfigur nicht identischen Mitarbeiter. Im abschließen-
tochter, die den gezähmten Drachen in die Stadt führt, worauf- den Rundbogenfeld verschiedenfarbige, mit Krabben besetzte
hin sich Volk und König taufen lassen 6 . Rechts unten Archi- Architekturglieder und blau damaszierte Hintergründe.
tekturfragmente sowie der Rest eines Schlüssels (Petrus?). Im CVMA RT 13329f., Großdia RT 05/133f.
1,2 FRAGMENTE MIT DEN HLL. KATHARINA UND Naht entspricht zeitgenössischer Tracht. Die Heilige wendet
MARGARETA Abb. 369 sich nach links, könnte also das rechte Gegenstück einer Figur
H./B. 1: 114/54,5 cm; 2: 62/54,5 cm. der linken Bahn, vielleicht der Hl. Katharina, gewesen sein.
Inschriften: Im Schriftband unterhalb Katharinas in gotischer Die Helmzier vor gold damasziertem Grund, ein schwarzer
Minuskel: Margreta · (...)horsk(?)al. Auf dem kürzerem Schrift- Heidenhut mit Hermelinstulp, gehört nicht zu dem Wappen
band darunter bed (es folgen drei oder vier unleserliche Buch- Bertholds von Henneberg, das stattdessen einen Helmkissen
staben) n · 15. zeigt. Dagegen zugehörig das Mainzer Rad, die beiden silbernen
Ikonographie: Die Beschreibung der Einzelstücke erfolgt von Türme auf Rot und der schwarze Hahn auf Gold. Katharina
unten nach oben: Das kleinere untere Sockelstück mit Inschrift nach rechts gewendet in blauem Kleid und weißem Mantel mit
zeigt einen Fuß oder die Pfote eines Tieres. Die Jahreszahl Rad und senkrecht erhobenem Schwert in den Händen. Zwei
gibt uns Gewissheit für eine Datierung der Glasmalereien in unterschiedliche Stücke einer mit Krabben besetzten Bogenar-
das beginnende 16. Jahrhundert. Das größere Sockelstück mit chitektur. Im darüber liegenden Feld zwei Köpfe von bärtigen
dem Namen der Stifterin(?) und dem Ansatz einer bodenlangen Figuren, blaue Gewandstücke und ein Tuchfragment, das von
Fellrobe wird man der Margaretenfigur zuordnen dürfen, hier- einer Hand gehalten wird (Grablegung oder Hl. Veronika?). In
zu gehört auch das Buch mit Drachen und einem Teil des Man- der Maßwerkspitze das Mainzer Rad aus dem Wappenschild
tels. Ihr eng anliegendes grünes Mieder mit vorne verlaufender Bertholds von Henneberg.
CVMA Großdia RT 13331f., RT 05/135f.
Bibliographie: Drach 1909, S. 185 und Taf. 218 (Abb. einer Scheibe mit Angaben zur Fundstelle).
Gegenwärtiger Bestand: Im Besitz der Grafen von Urff in Niederurff befinden sich zwei fragmentarisch erhaltene
Wappenscheiben, eingefasst in einen modernen Holzrahmen und einem Fenster vorgehängt (Fig. 598f., Abb. 367f.).
Zur Frage des ursprünglichen Standorts: Nach einem Hinweis von Drach soll Baron W. von Urff die beiden
Wappenscheiben bei Aufräumarbeiten im überwölbten Wallgang der Burganlage gefunden haben. Doch erheben sich
ehemals niederurff . kirche 477
angesichts der Fundumgebung, die aus mehr oder weniger zerstörten Tongefäßen besteht, berechtigte Zweifel, ob die
Glasmalereien einen solch’ unwirtlichen Aufbewahrungsort wirklich unbeschadet überstanden hätten. So wird man
dieser Aussage nicht allzu viel Gewicht beimessen dürfen und ihre Herkunft vielmehr aus der nahe gelegenen Kirche
vermuten. Im Urffschen Herrenhaus werden einerseits nämlich weitere, aus der Kirche stammende Ausstattungsstü-
cke aufbewahrt; andererseits deutet auch die umlaufende Inschrift auf eine Bestimmung für ein sakrales Gebäude hin;
und nicht zuletzt fügt sich die Datierung mit der zeitlichen Ansetzung des Kirchenbaus. Möglicherweise gelangten
die Scheiben im Zusammenhang mit der Renovierung der Kirche im Jahr 1909 in die Wohngebäude des gräflichen
Anwesens.
Das Geschlecht der von Urff, das zuerst 1160 erwähnt wird, hatte seine Stammburg bei dem Dorf. Zunächst walde-
ckisches Lehen, unterwarf man sich im Jahr 1408 dem hessischen Landgrafen. Der Ort ist mehrfach, zuletzt 1692, zer-
stört worden. Die Erzpriesterkirche in Urff mit ihren Einkünften war bei der Verteilung des Stiftsgutes von Fritzlar
durch Erzbischof Siegfried (1060–1084) dem Propst zugewiesen worden; auch das alte Petruspatrozinium deutet hier
auf eine vom Fritzlarer Kloster ausgehende Kirchengründung hin1. 1444 stifteten die von Urff, die sich das Patronat
vorbehielten, eine Frühmesse, doch wird 1475 der Propst von Fritzlar als Mitlehnsherr bezeichnet 2 . Die unweit der
Burg gelegene Kirche wird überwiegend dem 15. Jahrhundert angehören, wobei das in Bodennähe kräftiger ausgeführ-
te Mauerwerk noch vom romanischen Vorgängerbau stammen soll; von diesem rühren auch mehrere, im Kirchenneu-
bau wiederverwendete Spolien. Die Kirche besteht aus einem schlichten rechteckigen Saal mit eingezogenem Chor,
der auf fünf Seiten eines Achtecks schließt. Im Westen steht ein quadratischer Turm, dessen älteste Glocke in das Jahr
1472 datiert 3. Das flach gedeckte Schiff erhielt 1686 eine umlaufende Empore; Renovierungsarbeiten sind für 1707 und
1909 überliefert.
Erhaltung: Beide Wappen sind durch zahlreiche, viel zu breite Sprungbleie und Fehlstücke entstellt. Die Zeichnung
ist stellenweise stark berieben. Außenseitig lässt sich keinerlei Verwitterungsschaden, aber eine irisierende Oberfläche
feststellen, auf der Innenseite zeigt sich punktförmige Korrosion.
Rekonstruktion, ikonographisches Programm, Komposition: Die beiden Wappenscheiben sind wohl der Rest
einer Fensterstiftung des ansässigen Grafengeschlechts für ihre im 15. Jahrhundert neu errichtete Kirche in Nieder-
urff. Es wäre verfehlt, anhand der umlaufenden Inschrift ave maria gra[tia plena] [domi]nus [t]ecum auf einen verlo-
renen ikonographischen Kontext schließen zu wollen (etwa einer Verkündigung), in welchem die Wappen eingebettet
gewesen sein könnten4. Eher dürfte es sich um die Zitation einer gängigen Gebetsformel, hier des Ave Maria, handeln,
das etwa zusammen mit dem Pater Noster Bestandteil des Rosenkranzgebetes ist. Nicht aufzulösen ist dagegen die aus
den Buchstabenfolgen ns (Stifterinitialen?) und m (Maria?) bestehende Umschrift des zweiten Wappens.
Farbigkeit, Technik: Der farblose Wappenschild wird von einem blassgelben Medaillon mit nervös aufgebrachter
Fiederrankenmalerei und umlaufendem, schwarz hinterlegtem Inschriftenband eingefasst. Inschrift und Binnenzeich-
nung sind aus der deckenden Schwarzlotschicht mit dem Federkiel herausgekratzt. Die gelben Farbgläser zeichnen sich
durch eine blasige Struktur aus.
Stil, Datierung: Angesichts des in künstlerischer wie technischer Hinsicht wenig aussagekräftigen Materials fällt
die stilistische Einordnung naturgemäß schwer. Vergleichbare Wappenscheiben haben sich im Bearbeitungsgebiet
nicht erhalten. Räumlich aber auch hinsichtlich der territorialen Zugehörigkeit Niederurffs rückt das Fritzlarer Stift
ins engere Blickfeld. Doch die einzige, aufgrund ihrer zeitlichen Ansetzung hiermit vergleichbare Madonnenscheibe
1 Classen 1929, S. 236; Demandt 1972, S. 130. Die Verbindung von Turmdach wurde, nach der Jahreszahl der Wetterfahne zu schließen,
Kirche und Burg deutet nach Felix Freiherr von und zu Gilsa, Die wohl 1797 aufgesetzt.
Burg zu Niederurf und ihre Besitzer, in: ZHG 12, 1886, S. 81–102, 4 Für eine solche Kombination von Rundscheiben in der Wappenzeile
hier S. 82, auf das seit 1160 nachweisbare Verhältnis derer von Urff als mit darüber befi ndlichen Figurenfeldern lassen sich erst im 16. Jahr-
Ministerialen des Erzbistums Mainz hin. hundert Vergleichsbeispiele nennen. Vgl. etwa das Fenster des Mark-
2 Hochhuth 1873, S. 83. grafen Georg von Brandenburg-Ansbach in der Ansbacher Stiftskirche
3 Drach 1909, S. 182–184. Ein Turmfenster mit Eselsrückenblen- oder die ehem. Farbverglasung im fränkischen Fürth; hierzu Scholz
de zeigt noch den achtspitzigen Stern der Grafen von Waldeck. Das 2002, I, S. 87–113 und S. 161–166.
478 nordshausen . zisterzienserinnenkloster st. maria
führt ebensowenig zu einem Ergebnis wie die Gegenüberstellung mit der Restscheibe eines Hl. Petrus in Gensungen.
Sollten die Stücke in Nordhessen entstanden sein, so käme als Herkunftsort am ehesten Marburg oder Kassel in Be-
tracht. Die lockere Wappenzeichnung und die mit dem Federkiel herausradierte Schriftform machen eine Datierung in
die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts immerhin wahrscheinlich.
Vorbemerkung zum Katalog: Die Scheiben konnten im Oktober 2006 untersucht und aufgenommen werden.
Bibliographie: Schäfer 1881, S. 171, Abb. 35 (bringt die beiden in Kassel aufbewahrten Ornamentscheiben mit
Nordshausen in Verbindung und liefert eine zeichnerische Rekonstruktion); Schäfer/Rossteuscher 1885, Taf. 43
(Abb. einer weiteren, heute verlorenen Ornamentscheibe »um 1340«); Carl Hessler, Sagenkranz aus Hessen-Nassau
und der Wartburg-Gegend, Kassel 21894 (die farbigen Fenster wurden zur Ausschmückung der Löwenburgkapelle
verwendet); MHG 1896, S. 25 (»in einem Fenster des östlichen Theiles des Schiffes an der Südwand [befindet] sich ein
winziger Rest der alten Glasmalerei, darstellend den heil. Benedict«); Oidtmann 1898, S. 166, 309 (wie Schäfer/
Rossteuscher); MHG 1906/07, S. 3 (beiläufige Erwähnung); Holtmeyer 1910, S. 22, 120, Taf. 76,1 (»Brustbild eines
Heiligen mit ornamentalen Resten zusammengesetzt«).
Gegenwärtiger Bestand: Im Achsenfenster des Chores befindet sich inmitten einer historistischen Neuverglasung
der spärliche Rest einer Prophetenfigur. Zwei Ornamentscheiben mit der Herkunftsangabe »Nordshausen« werden
heute im Hessischen Landesmuseum Kassel aufbewahrt. Aufgrund stilistischer und formaler Übereinstimmungen
lassen sich hiermit womöglich auch die heute verlorenen Scheiben aus Schloss Braunfels in Verbindung bringen (vgl.
Fig. 40–42). Schließlich hat sich auf Schloss Wilhelmshöhe eine bislang unbekannte, vielleicht gleichfalls hier zugehö-
rige architektonische Kopfscheibe erhalten (Fig. 342).
Geschichte des Baues: Adalbert VI., Graf von Schauenburg und Wallenstein, gründete mit seiner Frau Adelheid
von Elben vor dem Jahr 1257 ein Zisterzienserinnenkloster. Am Ort selbst bestand bereits eine Kapelle. Baumaßnah-
men sind urkundlich 1247 überliefert, 1262 soll ein Neubau errichtet worden sein1. Das zum Bistum Mainz gehörende
Kloster wurde 1508 durch Erzbischof Jakob von Mainz reformiert und der Bursfelder Kongregation angeschlossen.
Philipp der Großmütige löste 1527 den aus 18 Nonnen und sechs Laienschwestern bestehenden Konvent auf und
nordshausen . zisterzienserinnenkloster st. maria 479
führte die Einkünfte der Marburger Universität zu. Erst 1848 erloschen deren Besitzrechte, die Baulichkeiten gingen
anschließend in Privatbesitz über, verfielen und wurden zu Teilen abgebrochen.
Die Kirche ist ein langgestreckter einschiffiger Saalbau mit querrechteckigem Westturm in Schiffsbreite, deren fünf
Joche mit Kreuzrippengewölben versehen sind (Fig. 600). Zu den ältesten Teilen zählen die beiden westlichen Joche
auf Höhe der Nonnenempore, die nachträglich (mit dem Einzug des Konvents?) erhöht wurden, sowie der wohl um
die Mitte des 13. Jahrhunderts in Quaderbauweise hinzugefügte Turm. Während der ersten Hälfte des 15. Jahrhun-
derts wurde das Schiff um mehr als zwei Jochabschnitte nach Osten verlängert und der ältere Gebäudeteil der neuen
Traufhöhe angepasst. Die Ostwand erhielt ein großes dreibahniges Maßwerkfenster, die Südwand dagegen schlanke
zweibahnige Öffnungen sowie kleinere Maßwerkfenster auf Emporenhöhe.
Geschichte der Verglasung: Für die Jahre 1615 und 1634 sind Ausbesserungen an den Fenstern vermerkt 2 . Zwar
lässt sich die heute im Hessischen Landesmuseum in Kassel befindliche Restverglasung mit keiner der am Kirchenbau
selbst noch vorhandenen Fensteröffnungen verbinden, doch wird man am Herkunftsnachweis Carl Schäfers nicht
zu zweifeln haben, der in einem 1881 veröffentlichten Beitrag zur Entwicklung der Glasma-
lerei eine der beiden Kopfscheiben mit zugehörigem Rechteckfeld wiedergibt (Fig. 606). In
Frage käme daher aufgrund der schmalen Scheibenmaße auch ein Standort im heute abge-
brochenen Kreuzgang des Klosters. Eine dritte, von Schäfer/Rossteuscher publizierte
Ornamentscheibe mit gleicher Provenienzangabe muss dagegen als verloren gelten (Fig.
607)3. Die Glasmalereien dürften zu den Altbeständen des Museum Fridericianum gehört
haben, die in den 1913 eröffneten Museumsneubau übernommen worden waren oder zuvor
auf Schloss Wilhelmshöhe lagerten. Für Letzteres spräche der Umstand, dass sich unter den
heute noch dort vorhanden Restbeständen eine weitere, vielleicht gleichfalls hier zugehörige
Scheibe befindet (vgl. Fig. 342) 4. Der Erwerb könnte im Zusammenhang mit der Initiative
der Kurfürsten Wilhelm I. und Wilhelm II. stehen, die in mehreren Anläufen Kirchen der
Umgebung nach erhaltenen Glasmalereien durchforsten ließen, um damit die neu errichtete
Löwenburg auszustatten 5. Der im ausgehenden 19. Jahrhundert noch in einem südlichen
Seitenschifffenster vorhandene Figurenrest ist kurze Zeit darauf einer historistischen Neu-
verglasung des Achsenfensters einverleibt worden.
1 Carl Schäfer, Geschichte und Beschreibung des Klosters Nords- er 1910, S. 120, weiß nach einer Chronik im Pfarrarchiv Nordshausen
hausen (1867), in: Schäfer 1910, S. 1–7; Holtmeyer 1910, S. 113–123; zu berichten: »Ob und wann die gemalten Fenster, von denen nur ein
zuletzt Mohn 2006, S. 329f. Bild übriggeblieben ist, entfernt worden sind, kann nicht nachgewie-
2 Holtmeyer 1910, S. 119. sen werden. Nach mündlicher Überlieferung sollen die Glasmalereien
3 Das Breitenmaß dieser Scheibe betrug 54 cm. für die Kapelle der Löwenburg verwendet worden sein«.
4 Vgl. Nr. 52 im Katalog zu Kassel-Wilhelmshöhe, Schloss, sowie den 5 Vielleicht wurden die Glasmalereien aber auch erst infolge der Priva-
Anhang zu den verlorenen Scheiben in Braunfels, Schloss. Holtmey- tisierung der Klosteranlage nach 1848 überwiesen.
480 nordshausen . zisterzienserinnenkloster st. maria
Fig. 602. Nordshausen, Klosterkirche. Ansicht von Südosten. Stich von Peschek nach einer Zeichnung von Hoffmeister.
spricht mehr dem Typus des vollbärtigen Patriarchen, wie er sich vielfach in der Glasmalerei findet, insbesondere aber
im Zusammenhang mit der Entwicklung des architektonischen Bildfensters. Als heilsgeschichtliche Kommentatoren
treten diese etwa im 1410/15 entstandenen Johannesfenster des Ulmer Münsters auf, ebenso auf einer um 1460/70
entstandenen Kölner Scheibe eines typologischen Zyklus im Museum Heylshof zu Worms6 . Entsprechend wäre eine
Ergänzung unseres Fragments mit einem Spruchband anzunehmen, das vielleicht – will man das dreibahnige Ach-
senfenster hierfür in Anspruch nehmen – Teil eines Bibelfensters oder eines Thron Salomonis war; ebenso gut aber
ließe sich der Prophet einer Gruppe von Aposteln in den zweibahnigen Südfenstern hinzufügen. Die Innenseiten des
Göttinger Barfüßeraltars von 1424 liefern hierfür eine gültige Lösung mit über den Credoaposteln in den Architek-
turbekrönungen disputierenden Prophetenpaaren 7.
Der Figurenrest lässt sich aufgrund der zuverlässigen Überlieferung Holtmeyers (Fig. 601) fraglos mit den Erwei-
terungsmaßnahmen an den östlichen Bauteilen zusammenbringen. Eine Entstehung der Farbverglasung in der ersten
Hälfte des 15. Jahrhunderts im Raum Kassel oder im angrenzenden Niedersachsen wäre denkbar.
Vorbemerkung zum Katalog: Das Fragment am Ort wurde im September 2000 untersucht, die Kopfscheiben im Hes-
sischen Landesmuseum Kassel im Oktober 2001.
CHORFFENSTER I
1b HALBFIGUR EINES PROPHETEN Fig. 601 Farbigkeit, Technik: Die Halbfigur mit vor der Brust ver-
H. ca. 25 cm, B. ca. 28,5 cm. schränkten Armen über einem Kaffgesims, dahinter ein plas-
Erhaltung: Gegenüber der Abbildung bei Holtmeyer (Fig. tisch ausgebildeter Blütenkarogrund. Der Sohlbankstreifen
601) hat das einzige in situ befi ndliche Figurenfragment mitt- eisgrün. In der Architektur kräftige Konturen, in Gewandfal-
lerweile auch seinen Kopf eingebüßt. Die Fehlstelle ist mit Ka- ten auch dünn auslaufende Parallellinien. Lichter aus den tro-
thedralglas, das auch für die historistische Neuverglasung Ver- ckenen Überzügen gewischt und mit der Nadel Kreismuster
wendung fand, notdürftig ergänzt. Einige Sprünge. herausradiert. CVMA KB Dia
nordshausen . zisterzienserinnenkloster st. maria 481
Fig. 603. ES
HLM Nr. 1.
M 1:15
Fig. 604. ES
HLM Nr. 2
M 1:15
Fig. 606. Für Nordshausen überliefertes
Erhaltung: Hervorragend. Keine größeren Ergänzungen. Der Ornamentfenster
Sockelstreifen mit aus Halbton herausradierten Maßwerkbor- (nach Schäfer 1881 bzw. 1910).
ten (Reflex der jüngeren Ausstattungsphase des Klosters?) an-
gestückt.
Komposition, Farbigkeit, Ornament: Die paarweise vor ro-
tem Grund aufwachsenden Ranken bilden herzförmige, blau
gefüllte Formen aus, in der sich die Blattpalmetten schmetter-
lingsartig ausbreiten. Von hier wachsen weitere Blätter in die
rotgrundigen Zwischenräume. Breiter Randstreifen mit aufge-
legtem Perlband.
Technik, Stil, Datierung: Hinsichtlich der Schmuckform bietet
sich ein Vergleich mit dem stilistisch verwandten Ornament-
fenster süd III im Chor der Marburger Elisabethkirche an, wel-
ches das Grundmuster in einer reicheren Variante ausbildet 9.
Gegenüber ähnlichen Gebilden in Haina oder Altenberg mit
ihrem schon naturalistischen Blattwerk wird hier jedoch noch
auf altertümliche Palmettenformen zurückgegriffen.
CVMA JJ 12849f., Großdia JJ 01/213
6 Zu Ulm siehe Scholz 1994, Taf. 72f.; zu Worms vgl. Brigitte Ly-
mant, Die sogenannten »Kartäuserscheiben«. Ein Fensterzyklus aus
dem kleinen Kreuzgang der Kölner Kartause?, in: Werner Schäfke
(Hrsg.), Die Kölner Kartause um 1500, eine Reise in unsere Vergangen-
heit, Aufsatzband Köln 1991, S. 329–344, Abb. 79f.
7 Wolfson 1992, Abb. S. 108f.
8 Zu Sonnenkamp siehe zuletzt Böning 2001. Fig. 607. Für Nordshausen überliefertes Orna-
9 Dies hat schon Schäfer 1881 bzw. 1910, S. 171, gesehen. ment (nach Schäfer-Rossteuscher).
OBERKAUFUNGEN . EHEM. BENEDIKTINERINNENKLOSTER
Gegenwärtiger Bestand: Im Rittersaal des Oberkaufunger Stifts sind zwei Medaillons mit den Darstellungen Kai-
ser Heinrichs und seiner Gattin Kunigunde erhalten, die im 19. Jahrhundert aus der Klosterkirche hierher transferiert
wurden (Fig. 610–613, Abb. 373f.). Ebenfalls dort befinden sich zwei Rundscheiben mit der Darstellung der Ordens-
heiligen Benedikt und Scholastika (Fig. 615f., Abb. 375f.). Ihre Herkunft aus einem Gebäude des Benediktinerinnen-
stifts darf als gesichert gelten, doch konnte der genaue Aufstellungsort nicht mit Gewissheit ermittelt werden.
Bibliographie: Holtmeyer 1910, S. 22, 164, 171, Abb. Taf. 93,6–7 (»zwei Maßwerkzwickel in einem der Südfenster
[der Stiftskirche] weisen bescheidenste ornamentale Glasmalerei in Grisaillemanier aus dem spätesten Mittelalter auf«;
die zu Medaillons zugeschnittenen Bilder der Hll. Heinrich und Kunigunde stammen wohl aus den Chorfenstern der
Kirche); Conrad Döring, Ermittelungen über das frühere Benediktiner-Nonnenkloster Kaufungen, seit 1527 ritter-
schaftliches Stift Kaufungen mit Wetter. Zusammengestellt aufgrund alter Werke, Schriften, Urkunden und Stifts-
akten im März 1925, Hessisch Lichtenau 1925, S. 15 (beiläufige Erwähnung der Medaillons und falsche Datierung
in hochmittelalterliche Zeit); Dehio Hessen 21982, S. 691 (im Rittersaal des Herrenhauses befinden sich »vier spät-
gotische Glasgemälde in Medaillonform«); Günter E. Th. Bezzenberger, Glasbilder von Heinrich II. und Kaiserin
Kunigunde aus der Kaufunger Stiftskirche, in: Jb. Landkreis Kassel 1983, S. 83f. (älteste überkommene Darstellung
der Stiftskirche); 975 Jahre Kaufungen (1011–1986). Beiträge zur Heimatkunde, hrsg. vom Gemeindevorstand der Ge-
meinde Kaufungen, Kaufungen 1985, S. 101, Abb. 1 (Farbabbildungen); Günter E. Th. Bezzenberger, Vier mittelal-
terliche Kaufunger Glasmedaillons, in: Helmut Burmester (Hrsg.), Stiftskirche Kaufungen und Althessische Ritter-
schaft (Die Geschichte unserer Heimat 10), Hofgeismar 1992, S. 11–16 (erste detaillierte Beschreibung der Scheiben);
Johannes Schwidurski, Zur Entstehungsgeschichte der Wappenfenster der Althessischen Ritterschaft im Chorraum
der Stiftskirche zu Kaufungen, ebd., S. 17–30 (vier Glasmedaillons wurden vermutlich 1874 aus der Kirche in den
Rittersaal überführt); Daniela Göbel, Reisewege und Aufenthalte der Kaiserin Kunigunde (1002–1024), in: In-
grid Baumgärtner, Kunigunde – eine Kaiserin an der Jahrtausendwende, Kassel 22002, S. 62f. (Erwähnung und
Wiedergabe der beiden Scheiben); Die Stiftskirche Kaufungen und Kaiserin Kunigunde, hrsg. vom Kirchenvorstand
der Evangelischen Kirchengemeinde, Kassel 2004, S. 35 (farbige Abbildung).
Geschichte des Baues: Die Klosteranlage verdankt ihre Entstehung einem Gelübde der Kaiserin Kunigunde. Hein-
rich II. hatte seiner Frau als Ersatz für das von ihm gestiftete Bistum Bamberg die Besitzungen um Kassel zugespro-
chen und im Jahr 1007 eine Pfalz in Kaufungen errichten lassen. Bei einem Aufenthalt am Königshof war Kunigunde
schwer erkrankt und gelobte im Falle ihrer Genesung die Stiftung eines Klosters. Schon kurz darauf, im Jahr 1018/19,
wurde mit dem Bau der Klosteranlage begonnen. Im Jahr der Kirchweihe, 1025, nach dem Ableben ihres Gemahls, trat
Kunigunde schließlich als Nonne in das Kloster ein und blieb dort bis zu ihrem Tod im Jahr 1033. Unter Heinrich IV.
wurde das Reichsstift 1089 dem Bistum Speyer unterstellt, fiel aber 1226 erneut in den Besitz König Heinrichs VII.
zurück. Im Verlauf des 13. Jahrhunderts wandelte sich der Konvent in ein Kanonissenstift mit freieren Statuten um,
in welchem die Nonnen auch ohne Ablegung des Ordensgelübdes leben konnten. Landgraf Wilhelm II. visitierte das
Kloster 1509 und führte es wieder der Regel des Hl. Benedikt zu. Schließlich ließ Philipp der Großmütige, der sich
1524 zur Reformation bekannte, im Jahr 1527 den Konvent aufheben. Auf dem Landtag von Homberg im Juli 1532
übergab er die beiden freiweltlichen Kanonissenstifte Kaufungen und Wetter der hessischen Ritterschaft, deren Ein-
künfte von nun an den bedürftigen Töchtern des hessischen Adels dienen sollten. 1604 erlebte die Kirche den Bilder-
sturm der Calvinisten unter Landgraf Moritz von Hessen, wobei man die Malereien übertüncht und die Ausstat-
tung verschleppt oder zerschlagen hat. Nach zwischenzeitlich kurzer Aufhebung unter dem Westphalenkönig Jerôme
Bonaparte im Jahr 1810 wurde das Stift 1814 wiederhergestellt, das bis heute von drei ritterschaftlichen Obervorstehern
verwaltet wird. Große Teile des salischen Ursprungsbaus haben sich noch in den Außenmauern und im Westturm
oberkaufungen . benediktinerinnenkloster 483
Jahrhunderts in einem Fenster des Südseitenschiffs Reste einer spätmittelalterlichen Verglasung im Maßwerk vor-
fand4. Zur finanziellen Bewältigung dieser Bauaufgabe wurden im Jahr 1473 eigens Ablässe auf den Besuch sämtlicher
Kirchen innerhalb des Stiftsgeländes gewährt 5. Inwieweit sich der Mauritanische Bildersturm von 1604 auch auf die
Darstellungen in den Fenstern erstreckte, lässt sich heute nicht mehr ermitteln 6 . Im Jahr 1874 wurden die Fenster der
Nord- und Südwand, etwas später auch die des Querhauses, mit einer einfachen heute noch vorhandenen Rautenver-
glasung versehen. Im Zuge dieser Neuverglasung hat man die Restfelder an ihren heutigen Aufstellungsort im Ritter-
saal des Herrenhauses transloziert 7. Anlässlich des 400. Jahrestages der Übergabe des Stiftes Kaufungen und seiner
Besitzungen an die Althessische Ritterschaft beauftragte Bezirkskonservator Dr. Friedrich Bleibaum im Jahr 1935
Prof. Otto Hupp und Wilhelm Statsberger in München mit der Neugestaltung der Chorfenster, welche das Wappen
Philipps des Großmütigen umgeben von den Wappen der Mitglieder zeigen 8 . Jene in den Maßwerken noch vorhande-
nen »giftgrünen« Gläser, möglicherweise noch originale Zwickelfüllungen, wurden damals entfernt 9.
Erhaltung: Beide Figurenscheiben sind sicher erst in nachmittelalterlicher Zeit, möglicherweise auch erst für ihre
Wiederverwendung in einem Nordfenster des Rittersaals aus ihrem Rahmen herausgeschält und zu Rundscheiben be-
schnitten worden. Davon abgesehen befinden sich die Stücke in einem hervorragenden Erhaltungszustand und weisen
auch keinerlei Ergänzungen auf. Von der Verwitterung sind vor allem violette und gelbe Gläser betroffen: Die hellvi-
oletten Stücke zeigen auf ihrer Außenseite ein Korrosionsbild aus locker gestreuten, zum Teil sehr tiefen Kratern. Die
dunkelvioletten Stücke sind dagegen mit einem geschlossenen grünbraunen Wetterstein belegt. Die Konturbemalung
ist intakt, der reiche Halbtonauftrag ist kaum berieben, partielle Zeichnungsverluste geben sich lediglich an grünen
und gelben Gläsern zu erkennen. Beide Scheiben befinden sich noch im originalen, allerdings neu verzinnten Blei.
Rekonstruktion, ikonographisches Programm, Komposition: Mit der Heiligsprechung Heinrichs im Jahr 1146
und Kunigundes im Jahr 1200 setzte die wachsende Verehrung des Kaiserpaares ein10 . Vor allem Kunigunde erlangte
aufgrund ihrer Lebensführung – sie führte eine Josephsehe und wurde gleich nach dem Tod ihres Mannes Nonne
– bald eine besondere kultische Stellung als mariengleiche Heilige. Die Vita Cunegundis, um 1200 für den Kanonisa-
tionsprozess entstanden, beleuchtet insbesondere die Kaufunger Zeit und weiß bereits von zahlreichen Legenden und
Wundertaten11. Die Emailmedaillons am Fuß der nach 1347 entstandenen Basler Reliquienmonstranz stellen schon
eine ausgedehnte Heiligenikonographie mit Mirakeln vor, über denen die Statuetten Heinrichs und Kunigundes auf
Pfeilern schweben12 . Dass auch die beiden Kaufunger Rundscheiben einst Bestandteil eines größeren Bildensembles
gewesen sein müssen, legen die sicher zugehörigen, im heutigen Zuschnitt an den Rändern erkennbaren Blattranken
nahe, die in das eigentliche Bildfeld hineinragen. Offenbar waren die einander zugewandten Figuren also gleichfalls
als Medaillons in ein vegetabiles Rankenwerk eingebunden, das vielleicht einmal verschieden große Bildfelder, unter
anderem mit Wunderdarstellungen, wie sie sich in Oberkaufungen ereignet haben sollen, umschlossen hatte. Die im
Kloster aufbewahrten und mit den Wundern verbundenen Berührungsreliquien (Handschuhe und Gürtel) wurden
alle sieben Jahre gezeigt, sodass gerade auch in Oberkaufungen mit entsprechenden Darstellungen zu rechnen wäre13.
4 Holtmeyer 1910, S. 164. in: Kaiser Heinrich II. 1002–1024, AK zur Bayerischen Landesaus-
5 Vgl. die Ablassbriefe vom 10., 12. und 13. Februar 1473, der allen stellung hrsg. von Josef Kirmeier u.a. (Veröffentlichungen zur Baye-
Gläubigen einen Ablass von 100 Tagen bei Besuch der Hl.-Kreuz-, der rischen Geschichte und Kultur 44), Augsburg 2002, S. 358f.; zu Hein-
Benedikts- oder der Georgskirche gewährt; s. UB Kaufungen, II, 1902, rich und Kunigunde s. LCI, VI, 1974, Sp. 483–485 (Martin Lechner).
S. 109ff.; desgl. Holtmeyer 1910, S. 143. 11 Vita sanctae Cunegundis, hrsg. von Georg Waitz (MGH SS 4),
6 Grundsätzlich wäre ein solches Vorgehen vorstellbar, wenn auch Hannover 1841, S. 821–828.
mit größeren Kosten verbunden. Andererseits zeugen die erhalten ge- 12 Guth 1986 (wie Anm. 10), S. 89–96; zuletzt Timothy Husband/
bliebenen mittelalterlichen Farbverglasungen auf dem Territorium des Julien Chapuis, The Treasury of Basel Cathedral, AK Metropolitan
Landgrafen, dass man im Falle der Glasmalereien offenbar großzügig Museum of Art New York und Historisches Museum Basel, New York
über die dargestellten Inhalte hinwegsah. 2001, S. 156f. Die Medaillons zeigen die Wundertaten der Heilung
7 Reste der um 1880 neu geschaffenen Chorverglasung werden heu- Heinrichs von einem Steinleiden durch Benedikt, die Vision Heinrichs
te im Regionalmuseum Kaufungen gezeigt. Hierzu Winfried Wroz, von der bevorstehenden Königswürde (post sex), die Seelenwägung des
Zur Kloster- und Stiftsgeschichte im Regionalmuseum Kaufungen, Kaisers, das Handschuhwunder Kunigundes in Kaufungen, den Ba-
in: Stiftskirche Kaufungen und Althessische Ritterschaft, Hofgeismar ckenstreich für Jutta, Äbtissin in Kaufungen und Nichte Kunigundes,
1992, S. 91–94. sowie die Pflugscharprobe der Kaiserin.
8 Vgl. Schwidurski 1992 (s. Bibl.), S. 17–22. 13 Hierzu Elisabeth Roth, Sankt Kunigunde – Legende und Bildaus-
9 Ebenda, S. 19. sage, in: 123. Bericht des Historischen Vereins Bamberg 1987, S. 5–68,
10 Klaus Guth, Die Heiligen Heinrich und Kunigunde. Leben, Le- hier S. 40. Weitere Altäre (Ersterwähnung in Klammern) waren der
gende, Kult und Kunst, Bamberg 1986; ders., Das heilige Kaiserpaar, Kreuzaltar (1109), Heinrichsaltar (1382), Peter- und Pauls-Altar, ge-
oberkaufungen . benediktinerinnenkloster 485
Fig. 609. Oberkaufungen, Klosterkirche. Blick von Osten auf das Chorpolygon.
Denkbar ist in diesem Kontext auch ein auf die hochbedeutenden Klostergründer zurückgeführter Stammbaum der
Äbtissinnen. Bei der Frage nach dem Standort dieses Fensters ist neben der Gleichzeitigkeit von Chorneubau und
Glasmalereien auch der Sachverhalt von einiger Bedeutung, dass die Altäre der beiden Heiligen einst im Chor aufge-
stellt waren14. Grundsätzlich käme jedoch als ursprünglicher Standort auch ein Quer- oder Langhausfenster in Be-
tracht, zumal sich noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts Reste einer spätmittelalterlichen Maßwerkverglasung in einem
Seitenschifffenster befunden haben; auch die Fenstermaße sprächen nicht gegen eine solche Annahme.
Farbigkeit, Technik: Die Gläser besitzen eine wellige Oberfläche mit blasiger Struktur. Beide Medaillons zeichnen
sich durch eine sehr ansprechende und harmonische Farbigkeit aus, die neben weichen Schattenlagen durch die Ver-
wendung von Grundfarbengläsern unterschiedlicher Nuancierung erzielt wird. Allein das rote Farbspektrum reicht
dabei von Rubinrot über Dunkelviolett, Violett und Hellviolett zu blassvioletter Tönung, letzteres für das Inkarnat
Kaiser Heinrichs. Der Silbergelbauftrag wird vor allem zur farblichen Differenzierung des Thrones verwendet. An
Gewändern, Thronarchitektur und Fußboden übernehmen vermehrt außenseitige Halbtonlagen die plastische Model-
lierung: Die Halbtonmusterung aus heraldischen Adlern im Mantelüberwurf Heinrichs sind sogar beidseitig aufgetra-
gen. Die Windstangen sind nicht ursprünglich.
Stil, Datierung: Die beiden Medaillons weisen einige Unterschiede im Figurenstil auf. Kaiser Heinrich ist im grö-
ßeren Maßstab mit untersetzter Statur wiedergegeben, auch die Gesichtszeichnung ist lockerer und weniger schema-
tisiert angelegt als bei Kunigunde. Die Gewandfalten fallen in langen ruhigen Linien und werden lediglich an den
Oberschenkeln und über dem Boden gestaucht. In ihrer verhaltenen freundlichen Gestimmtheit rufen sie die ältere
nannt das Grebelin (1388), Marienaltar (1428), Kunigundenaltar (1433), 14 Der Hochaltar im Osten war auf das Heilige Kreuz geweiht, der
der Altar der Hl. Dreifaltigkeit und der fünf heiligen Wunden Gottes Heinrichsaltar befand sich möglicherweise in der Vierung, die genaue
(1433 errichtet), der Margareten- (in den zwischen 1413 und 1432 ver- Lage des Kunigunden-Altars im Chor ist nicht bekannt. Vgl. UB Kau-
fassten Statuten erwähnt) und der Stephanusaltar. Zu den Altarplätzen fungen, I, 1900, S. 424f., Nr. 393; zur Lage der Altäre vgl. Holtmeyer
s. auch Holtmeyer 1910, S. 143–146. 1910, S. 145.
486 oberkaufungen . benediktinerinnenkloster
Gruppe rheinischer Glasmalereien um Boppard und Partenheim in Erinnerung15. Die Gegenüberstellung wirft ein
Licht auf die konservative Grundhaltung der Werkstatt, belegt aber auch die Langlebigkeit des Weichen Stils in der
Glasmalerei. Interessante Übereinstimmungen ergeben sich in Bezug auf die Farbigkeit der Scheiben. So ist etwa das
Bopparder Wurzel-Jesse-Fenster, das einen ähnlichen Einsatz von violetten und blauen Farbgläsern unterschiedlicher
Farbdichte zeigt, von vergleichbarer koloristischer Wirkung16 . Wie in Oberkaufungen wird auch in den Partenheimer
Scheiben verhalten mit Parallel- und Kreuzschraffuren in den Faltentälern gearbeitet. Dass die Werkstatt jedoch im
niederdeutschen Raum beheimatet war, wird durch einen Vergleich mit der um 1470 ausgeführten Chorverglasung
der Johanniskirche im südniedersächsischen Uslar, unweit von Göttingen, erhärtet17. Abgesehen von der insgesamt
noch weicheren Halbtonmodellierung in den Gewändern und den altmodischeren, an die Figuren Conrads von Soest
erinnernden Männerphysiognomien in Uslar lassen die Übereinstimmungen in Figurenauffassung, Formengut und
technischer Beschaffenheit auf gleichartige künstlerische Voraussetzungen schließen18 . Im Detail begegnen ähnlich
reiche Gewandmuster, und auch das charakteristische lappige Blattwerk in Verbindung mit breiten Maßwerkbän-
dern findet hier wie dort als Rahmenornament Verwendung. In den Städten des spätmittelalterlichen Hanseverbundes
war dieses Formenvokabular seit Beginn des 15. Jahrhunderts verbreitet, noch die zur Jahrhundertmitte entstandene
Chorverglasung von Immenhausen, unweit von Kassel, greift auf diese Gliederungselemente zurück. Als weitere Be-
sonderheit tritt in Oberkaufungen die perspektivisch weit aufgeklappte und mit Propheten besetzte Thronarchitektur
in Erscheinung, die einer in der Tafelmalerei von Westfalen bis Thüringen geläufigen Tradition folgt19. In den gleichen
Schulzusammenhang lässt sich die etwas früher zu datierende Madonnenscheibe im Fritzlarer Dommuseum einrei-
hen. Vielleicht spielten bei der Auftragsvergabe auch territoriale und verwandtschaftliche Bindungen der Bauherrin
nach Westfalen eine Rolle, zumal die Grafen von Waldeck über Besitzungen auf westfälischem Gebiet verfügten 20 .
Kassel, südliches Niedersachsen oder Westfalen, um 1460/70.
Vorbemerkung zum Katalog: Untersuchung und Neuaufnahmen der Glasmalereien erfolgten im September 2005.
1. HL. KUNIGUNDE Fig. 610, 612, Abb. 373 Fig. 610. ES Nr. 1.
Durchmesser 37 cm. M 1:15
Inschrift: Auf dem vor Kunigunde aufgeschlagenen Buch ist der
Anfang des ersten Psalms der lateinischen Vulgata in gotischer
Minuskel zu lesen: Beat(us) vir . qui non abiit in con(-)silio im-
pio . et in via p[eccatorum non stetit] 21. Fig. 611. ES Nr. 2.
Erhaltung: Hervorragend erhalten. Der dunkelviolette Grund M 1:15
ist außenseitig mit einem grünbraunen Korrosionsbelag über-
zogen und hat dadurch stärker an Transparenz eingebüßt, an
den hellvioletten Gläsern fi nden sich locker gestreute, tiefe dunkelviolettem und rubinrotem Fiederrankenmuster. Am
Krater. Die Scheibe ist seitenverkehrt, also mit der Außenseite Rand sind weiße gefiederte, eingerollte Blattstücke angeschnit-
nach innen in ein Sprossenfenster auf der Nordseite des Ritter- ten, die offenbar um eine radial das Bildfeld rahmende Astran-
saales eingesetzt worden. ke angeordnet waren.
Ikonographie: Die Kaiserin sitzt, nach rechts gewandt, auf einer CVMA RT 13337, Großdia RT 05/142
steinernen, mit Polstern belegten Thronbank. Kunigunde ist
in die Lektüre ihres Psalters versunken, der vor ihr auf einem 15 Zu Boppard Jane Hayward, Stained Glass Windows from the Car-
schwenkbaren Lesepult liegt. Auf dem Schoß ruht ein kleines melite Church at Boppard-am-Rhein. A Reconstruction of the Gla-
Hündchen, ein zweiter Vierbeiner mit einem Glöckchen am zing Program of the North Nave, in: Metropolitan Museum Journal
Halsband liegt vor ihr auf dem Fliesenboden. Die Wangen der 2, 1969, S. 75–114, und Becksmann 2007. Die Glasmalereien aus Par-
Thronbank sind mit alttestamentlichen, auf ihre Spruchbänder tenheim, heute Hessisches Landesmuseum Darmstadt, werden gegen-
hinweisenden Propheten besetzt 22 . wärtig von Uwe Gast im Rahmen des Corpus Vitrearum bearbeitet
Farbigkeit: Kunigunde in blauem hermelingefütterten Mantel, (CVMA Deutschland III,1). Vgl. einstweilen Beeh-Lustenberger
1967, Abb. 103–127, bzw. 1973, S. 130–147.
hellviolettem damaszierten Untergewand und weißen Schlei- 16 Eine Farbabbildung der Geburtsszene, heute im New Yorker Me-
er, darüber eine goldene Krone. Schuhe blau. Wasserblauer tropolitan Museum of Art, bei Philippe Lorentz, Jost Haller, le pein-
Thron mit silbergelb verzierten Wangenprofi len und goldener tre des chevaliers et l’art en Alsace au XVe siècle, AK Colmar, Musée
holzgemaserter Sitzbank. Kissen in roter und violetter Farbe d’Unterlinden, Paris 2001, S. 139, Abb. 106.
(Flickstück?) mit teils silbergelben Quasten. Hellvioletter und 17 Der Corpusband zu den mittelalterlichen Glasmalereien in Nie-
flaschengrüner Fliesenboden (Flickstücke?). Hintergrund mit dersachsen (CVMA Deutschland VII,1) befi ndet sich in Vorbereitung.
oberkaufungen . benediktinerinnenkloster 487
Fig. 612. Hl. Kunigunde. Oberkaufungen, Rittersaal, Nr. 1. Fig. 613. Hl. Heinrich II. Oberkaufungen, Rittersaal, Nr. 2.
Kassel, südl. Niedersachsen oder Westfalen, um 1460/70. Kassel, südl. Niedersachsen oder Westfalen, um 1460/70.
2. HL. HEINRICH II. Fig. 611, 613, Abb. 374 rechts eine schon zu Zeiten der Äbtissin Elisabeth historisie-
Durchmesser 36,5 cm. rende Ansicht der Klosterkirche zum Hl. Kreuz. In korrekter
Erhaltung: Sehr gut. Mehrere Sprünge im Bereich von Gewand Wiedergabe der mächtige Westturm mit Pyramidendach und
und Thron. Gelbe Krone und Zepter zeigen innenseitige Kor- Schallfenstern, das Südseitenschiff jedoch noch mit den alten
rosion. Partiell Zeichnungsverluste im Gesicht und an grünen Rundbogenfenstern und Zugangsportal.
und gelben Gläsern. Das violette Kissen weist außenseitig Farbigkeit: Heinrich ist mit einem weißen Überwurf und einem
Lochfraß auf. roten, goldgesäumten Rock bekleidet, Schuhwerk rot, gelbe
Technik, Ikonographie: Der bärtige Kaiser Heinrich sitzt nach Bügelkrone. Unter dem Fuß der angeschnittene Rest eines vio-
links gewandt auf einer reich gestalteten Thronarchitektur und letten Fliesenbodens. Auf der hellblauen, silbergelb verzierten
blickt mit halb geschlossenen Augen schwermütig in die Ferne. Thronbank ein violettes Kissen. Stiftskirche hellviolett mit
In den Händen hält er das Zepter und die Gebetsschnur, Letz- violettem Pyramidendach und hellblau eingedecktem Schiff.
tere als Ausweis seiner legendären Frömmigkeit. Der Thron, Wiesengrund flaschengrün, gefiederter Blatthintergrund rot.
an den Wangen mit Prophetenfiguren besetzt, steht im Frei- CVMA RT 13338, Großdia RT 05/143
en auf grün blühender Wiese, im Hintergrund erkennt man
Bibliographie: Holtmeyer 1910, S. 22, 171, Taf. 93,5 und 8 (Abbildungen der Rundscheiben); Dehio Hessen 21982,
S. 691 (»spätgotische Glasgemälde in Medaillonform«); Günter E. Th. Bezzenberger, Glasbilder von Heinrich II.
und Kaiserin Kunigunde aus der Kaufunger Stiftskirche, in: Jb. Landkreis Kassel 1983, S. 83f. (denkt an eine Herkunft
der beiden Rundscheiben aus der Stiftskirche); Günter E. Th. Bezzenberger, Vier mittelalterliche Kaufunger Glas-
medaillons, in: Helmut Burmester (Hrsg.), Stiftskirche Kaufungen und Althessische Ritterschaft (Die Geschichte
unserer Heimat 10), Hofgeismar 1992, S. 11–16 (eingehende Beschreibung).
18 Besonders aufschlussreich ist eine Gegenüberstellung der Hl. Ku- 20 Demandt 31980, S. 521–533.
nigunde mit der Figur der Hl. Elisabeth in Chor I, 12/13c. 21 Glücklich der Mann, der nicht dem Rat der Gottlosen folgt und
19 Ähnlich prägnante, letztlich auf die Malerei des Trecento zurück- nicht den Weg der Sünder geht.
reichende und vielleicht über die karolinische Hofkunst vermittelte 22 Eine heute im Freiburger Augustinermuseum aufbewahrte Vier-
Thronarchitekturen zeigt etwa die Memorientafel für Graf Dietrich passscheibe aus der Südquerhausrose des Münsters (um 1250/60) zeigt
von Wernigerode in Erfurt (um 1390), die Korallenmadonna im Hal- wahrscheinlich gleichfalls eine Hl. Kunigunde auf dem Thron. Die Fi-
berstädter Domschatz (um 1415/20) oder die Nikolaustafel in der Ni- gur war dort wohl in einen Allerheiligenzyklus integriert. DGM, I,
kolaikapelle in Soest (um 1400/10). 1995, S. 67, Abb. 87.
488 oberkaufungen . benediktinerinnenkloster
Zur Frage des ursprünglichen Standorts: Die beiden Medaillons stammen sicher aus einem Gebäude des Klosters
und gehörten vielleicht einmal zur Ausstattung einer heute nicht mehr vorhandenen Hauskapelle. So zeigt eine Hand-
zeichnung von Landgraf Moritz (um 1605) anstelle des späteren Herrenhauses das Haus der Äbtissin noch mit einem
mehrstöckigen Erker an seiner Nordfront, in welchem sich das Scheibenpaar befunden haben könnte; alternativ wäre
auch an eine Herkunft aus der untergegangenen Benediktkapelle, die 1606 der Renterei weichen musste, zu denken 23.
Rekonstruktion, ikonographisches Programm: Die Wahl der Bildmotive dürfte in einem historischen Zusam-
menhang mit der Rückführung des Stifts zu einem Benediktinerinnenkloster stehen. Bereits im Jahr 1500 hatte der
Papst den Befehl erlassen, Klöster im Deutschen Reich zu visitieren, in denen Abweichungen von der Regel vermutet
wurden. Nachdem schließlich im Februar 1509 die Äbte von Corvey und Bredelar und ein Dekan des Martinsstiftes
in Kassel Oberkaufungen aufgesucht und die verweltlichten Zustände beklagt hatten, wurden auf Betreiben des Land-
grafen Wilhelm II. acht Nonnen aus Kloster Gehrden in Westfalen, Angehörige der Bursfelder Kongregation, einge-
setzt, um das klösterliche Leben nach der Regel Benedikts zu erneuern 24. Bis zu seiner Aufhebung im Jahr 1527 wurde
das Kloster dann von einer neu gewählten Äbtissin straff geführt und erfolgreich verwaltet. Vor diesem Hintergrund
ist auch der Entstehungszeitraum der programmatischen Darstellungen Benedikts und Scholastikas als Ordensgrün-
der in die Jahre zwischen 1509 und 1527 einzugrenzen 25.
Farbigkeit, Technik, Stil, Datierung: An Gläsern wurde lediglich gelbes und blaues Farbglas verwandt, wobei
man Letzteres ausschließlich für den Hintergrund heranzog und mit Blütenrosetten- oder Fiederrankenmustern be-
malte. Bemerkenswert ist der ausgesprochen feine und differenzierte Einsatz von Silbergelb und partiell auch von
Eisenrot im Inkarnat. Außenseitig legt sich über den dunklen Habit ein deckender brauner Halbton. Die Lichter sind
mit dem Borstenpinsel teils scharf aus den trockenen Überzügen herausgearbeitet, für die feinere Modellierung von
Gesichtern und Händen wurde darüber hinaus auf die Nadel zurückgegriffen. Mit dem gleichen Werkzeug sind auch
einzelne Lichtgrate entlang des Saumverlaufs gesetzt worden.
Der rechte Innenflügel des 1514 datierten Altars der Heiligen Georg und Martin mit den Darstellungen der Bischofs-
weihe und des Todes des Hl. Martin in der Marburger Elisabethkirche zeigt überraschende Ähnlichkeiten in der
physiognomischen Charakterisierung der Mönche (Fig. 614). Die bemalten Flügel dieses Altars und die dreier weiterer
Schnitzaltäre werden seit langem Johann von der Leyten zugeschrieben 26 . Ein genauer Blick auf die Malereien offen-
bart aber Unterschiede im Stilbild, die bereits mit der Mitarbeit seines Bruders Heinrich an diesen Aufträgen erklärt
worden sind 27. Johanns Glasmalereien für das Rathaus zu Marburg sind im Ausdruck und der Figurencharakterisie-
Fig. 614. Tod des Hl. Martin aus dem Martinsaltar der Marburger Fig. 615. Hl. Benedikt. Oberkaufungen, Rittersaal, Nr. 3.
Elisabethkirche. Heinrich von der Leyten(?), 1514. Marburg(?), um 1510/15.
oberkaufungen . benediktinerinnenkloster 489
rung frischer und kräftiger, aber auch technisch von anderer Machart, weshalb man ihn als Urheber der Kaufunger
Scheiben schwerlich wird beanspruchen können. Vereinzelt ergeben sich bestenfalls Berührungspunkte in der etwas
verkrampften Bildung der Hände. Wir wissen seit den Quellenstudien Bückings und Küchs, dass schon der Vater
Gerhard neben Malereien auch Glasmalereien anfertigte 28 . Da Johann nachweislich Glasmaler und Tafelmaler war
und mit seinem Bruder Heinrich immer wieder gemeinsam Aufträge ausführte, wäre aufgrund der Stilbezüge zu den
Flügelmalereien daher grundsätzlich auch Heinrichs Autorschaft an den beiden Figurenrundscheiben zu erwägen.
Marburg(?), um 1510/15.
Vorbemerkung zum Katalog: Die Glasmalereien konnten im September 2005 untersucht und aufgenommen werden.
Unpubliziert.
Gegenwärtiger Bestand: Das Marburger Universitätsmuseum bewahrt die Reste dreier Ornamentfenster aus dem
Chor der Rauschenberger Pfarrkirche (Fig. 620–623, Abb. 377–379). Während von zwei Mustern jeweils ein Rechteck-
feld und die zugehörige Kopfscheibe vorhanden sind, ist ein drittes Ornament lediglich als Fragment überliefert.
Geschichte des Baues: Die Grafen von Ziegenhain hatten Rauschenberg, das vor 1266 als Stadt genannt wird, als
Fuldaer Lehen erhalten. Die oberhalb der Kirche gelegene Burg diente ihnen dabei als zeitweiliger Wohnsitz. 1450
erwarben die hessischen Landgrafen als Rechtsnachfolger den Ort. Die Kirche ist ein unregelmäßiger zweischiffiger
Bau mit wehrhaftem Westturm und zweijochigem Chorpolygon. Das schmälere kreuzgratgewölbte Nordseitenschiff
und die westlichen Teile des Hauptschiffes stammen noch aus spätromanischer Zeit. Die östlichen, mit Kreuzrippen
über Konsolfiguren gewölbten Teile wurden dagegen im 14. Jahrhundert weitgehend neu errichtet. Eine steinerne In-
schrift am Südportal kündet für das Jahr 1453 von umfassenden Wiederherstellungsmaßnahmen am Kirchenbau. Das
Netzgewölbe im Chor ist zwar inschriftlich 1517 datiert, doch wird dieses Datum bisher auf den gesamten Chorbau
übertragen, der im Kern jedoch dem 14. Jahrhundert angehört. An Altarplätzen sind neben dem Elisabethaltar in
der Sakristei Patrozinien für einen Jakobus Maior-, einen Nikolaus- und einen dem Hl. Johannes Baptista und Maria
Magdalena geweihten Altar überliefert; letzterer wurde im Jahr 1480 gestiftet1.
Geschichte der Verglasung: Der Marburger Architekt August Dauber baute die Glasmalereien anlässlich der
Restaurierung der Kirche aus und überwies sie im Jahr 1933 dem Universitätsmuseum zu Marburg. Reste eines dritten
Ornamentfensters gelangten 1966 aus dem Besitz des Architekten Karl Rumpf an das Museum. Einige wenige Frag-
mente werden darüber hinaus in den Depoträumen aufbewahrt. Heute befinden sich in den drei Fenstern des Chor-
schlusses moderne Kopien, die nach den vorhandenen Originalen angefertigt wurden.
Rekonstruktion, Komposition: Als einstiger Standort der Glasmalereien kommen aufgrund identischer Maße und
Formen einzig die Fensteröffnungen des Chores in Frage. Da die unteren Zeilen dieser Fenster zu einem früheren
Zeitpunkt offenbar zur Besserung der Lichtverhältnisse ausgeräumt worden waren, rekonstruierte die mit der Wieder-
herstellung beauftragte Werkstatt die Verglasung mangels weiterer Anhaltspunkte als durchlaufendes Teppichmuster.
Dass der zentrale Chorschluss lediglich mit Ornamentmotiven ausgestattet war, ist jedoch wenig wahrscheinlich,
vielmehr wird man ursprünglich Standfiguren in Tabernakeln annehmen müssen, über denen die vorhandenen Orna-
mentbahnen verliefen. Die Altarpatrozinien geben vielleicht einen Hinweis auf die verlorenen Heiligendarstellungen.
Farbigkeit, Technik, Ornament, Stil, Datierung: Ein grisailleartiger und lichter Charakter herrscht vor; die
Blattmuster sind stets auf farbloses Glas aufgetragen, Blütenrosetten und Hintergrundfüllungen setzen dabei violette,
tiefblaue und gelbe Farbakzente. Hervorzuheben ist der auffallend breite Randstreifen, der die Teppichmuster vom
Steinrahmen weit abrückt. Im einzelnen lassen sich folgende Muster unterscheiden:
Muster I: In einem tiefblauen Kreis eingeschriebene, gespitzte Vierpässe sind mit kaum zu bestimmenden, stilisierten
Blättern mit kräftiger Blattäderung gefüllt. Im Zentrum sitzen gelbe Blütenrosetten, in den Ecken Blattdreiecke, wo-
bei die Hintergrundfarbe zwischen den Passspitzen nach Violett wechselt. Die Lanzettspitze balanciert einen gelben
Stern. Das Muster begegnet in einer verwandten Form auch in einer ursprünglich kompositen Verglasung der Marbur-
ger Elisabethkirche, das der Werkstatt des Noli-me-tangere-Fensters zugeschrieben werden kann 2 .
Muster II: Das mit Blattkreisen verbundene Sternmotiv – hier ein messinggelber Stern mit violetter Blütenrosette und
dazwischen liegenden lanzettförmigen Blattpaaren – ist im 14. Jahrhundert weiter verbreitet und kommt bereits in der
vor 1331 ausgeführten Verglasung der Straßburger Dominikanerkirche vor 3. Dieser Formenschatz strahlt wohl über
Mainz auch nach Oberwesel am Rhein aus, wo die dortige Liebfrauenkirche nah verwandte Ornamentreste in der
Obergadenverglasung aus der Zeit um 1340/50 bewahrt4.
ehemals rauschenberg . pfarrkirche 491
Muster III: Ein drittes Muster besteht aus Reifen, gefüllt mit vierpassförmigen Blüten, die zentral mit gelben oder
blauen Blütenrosetten und alternierend gelben und violetten Zwickeln gefüllt sind. Die Reifen liegen verbunden durch
Blattrosetten auf einem leiterähnlichen Blattgerüst auf.
Für die Muster I und II ist die Bearbeitung der Blatthintergründe mit kleinen, aus dem schwarzen Hintergrund her-
ausradierten Kreisen charakteristisch. Die Marburger Werkstatt des Marienfensters verwendete diese Methode zur
Aufhellung des schwarzen Grundes bevorzugt in den Architekturformen; in der dem gleichen Werkstattumfeld an-
gehörenden Farbverglasung aus Dausenau begegnet dieses Gestaltungsmittel auch in den vegetabilen Randstreifen 5.
Auf verwandtes Formenvokabular trifft man auch in der Ornamentverglasung des Hainaer Langhauses. Das Fenster
NORD XI zeigt, dass hier schulmäßige Zusammenhänge zwischen den Werkstätten bestanden haben müssen.
Bezüglich der Zuordnung der Glasmalereien in den Chor zu Rauschenberg ergeben sich Widersprüche zur Baufor-
schung, denn in der Literatur wird dieser bislang einhellig in das frühe 16. Jahrhundert datiert. Zwar ist die Entste-
hung des spätgotischen Netzgewölbes für das Jahr 1517 inschriftlich gesichert, doch können die Glasmalereien des 14.
Jahrhunderts aufgrund der passenden Maßwerkformen ursprünglich nur in den Chorschlussfenstern gesessen haben.
Da sämtliche Maßwerkformen in den Chorfenstern nach der Mitte des 14. Jahrhunderts durchaus vorstellbar sind und
die Ornamentfelder Muster zeigen, für die sich schon nach 1300 Vorbilder finden lassen, wäre eine zeitliche Ansetzung
von Chorbau und Ausstattung bereits in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts vertretbar. Demnach könnte der
Chor zusammen mit dem Langhaus im 14. Jahrhundert errichtet, jedoch erst im zweiten Jahrzehnt des 16. Jahrhun-
derts neu eingewölbt worden sein.
Marburg(?), 2. Hälfte 14. Jahrhundert.
1 Classen 1929, S. 74. 4 Hierzu und zur gegen 1340/50 entstandenen Ornamentverglasung
2 Die von Lange offenbar noch nach originalen Resten ausgeführte im Obergaden der Liebfrauenkirche s. Daniel Parello, Die Glas-
Kopie befi ndet sich heute im Fenster süd VII der Südkonche. malereien. Bestand und Rekonstruktion, in: Die Liebfrauenkirche in
3 Die Reste dieser Verglasung sind heute im Straßburger Münster Oberwesel (Forschungsberichte zur Denkmalpflege 6), Worms 2001,
(Beyer/Wild-Block/Zschokke 1986, S. 495–497); zur ehem. Ver- S. 143–157.
glasung der Straßburger Dominikanerkirche vgl. jetzt Beyer 2007. 5 Zur Verglasung aus Dausenau s. Fischbach 2001.
492 ehemals rauschenberg . pfarrkirche
Vorbemerkung zum Katalog: Die Glasmalereien wurden im Oktober 2001 vom Gerüst aus aufgenommen, konnten
aber lediglich im eingebauten Zustand untersucht werden. Aussagen zum Erhaltungszustand der Scheiben sind daher
nur eingeschränkt gültig.
26. KREISE MIT STERNMUSTER Fig. 620f., Abb. 377 27. VIERPASSMUSTER MIT BLATTFÜLLUNG
H. 76 cm, B. 39,5 cm. – Inv. Nr. 3032. Fig. 622f., Abb. 379
Ehemals Chorfenster süd II? H. 71,5 cm, B. 41,5 cm. – Inv. Nr. 3034.
Erhaltung: Der weiße Randstreifen wurde weitgehend ergänzt, Ehemals Chorfenster nord II?
einige Blattstücke sind seitenverkehrt eingesetzt. Das obere Erhaltung: Mit Ausnahme des Randstreifens lassen sich keine
Sternelement rührt vielleicht von einer älteren Ergänzung her. größeren Ergänzungen erkennen. Die Ornamentscheiben sind
Stärkere Verwitterungsspuren fi nden sich auf dem violetten partiell stärker berieben und weisen stellenweise einen Verlust
Glas, die Schwarzlotzeichnung haftet jedoch fest auf dem Glas- der Binnenzeichnung auf. Korrosionsanfällig sind besonders
träger. Rechteckfeld und Kopfscheibe wurden für die museale die violetten Glasstücke, vereinzelt fi ndet sich auch Lochfraß
Präsentation zusammengebleit, befi nden sich aber in überwie- an weißen Gläsern. Das Rechteckfeld und die Kopfscheibe
gend originaler Verbleiung. wurden zusammengebleit, haben aber das originale Bleinetz
Ornament: Muster II. bewahrt.
CVMA JJ 12820, Großdia JJ 01/191 Ornament: Muster I.
CVMA JJ 12819, Großdia JJ 01/189
Bibliographie: Kippenberger 1934, S. 48–50 (ausführliche Beschreibung); Peter Nau und Karl Schober, Schröcker
Chronik, Marburg 1976, S. 98, Abb. (beide Figurenmedaillons stammen vielleicht aus der alten Schröcker Kirche).
Gegenwärtiger Bestand: Das Universitätsmuseum zu Marburg bewahrt zwei Rundscheiben aus der Kirche zu
Schröck (Nr. 31f., Abb. 380f.).
Zur Frage des ursprünglichen Standorts: Um 1300 gehörte der im Jahr 1223 erstmals genannte Ort Schröck zum
Mainzer Amt Amöneburg. 1595 verkauften die Erben Johann Riedesels von Josbach das Patronat an den Landgrafen
Ludwig1. Zwar war 1527 die Reformation eingeführt worden, doch fiel Schröck schon 1608 zurück an Mainz, sodass
der Ort wieder katholisch wurde.
Die beiden Rundscheiben stammen aus dem barocken Neubau der katholischen Pfarrkirche zu Schröck. Der Kasseler
Baumeister Karl du Ry hatte die Saalkirche in den Jahren 1720–26 anstelle eines baufällig gewordenen mittelalterlichen
Vorgängerbaus errichtet 2 . Reste der alten Farbverglasung wurden hierfür offenbar in den Neubau übertragen. Der
Konservator Ludwig Bickell erwarb die Glasmalereien, die aus ihren Rahmenborten ausgeschält und in eine barocke
Butzenverglasung integriert waren, für einhundert Reichsmark für seine Sammlung und überwies sie später dem neu
eingerichteten Jubiläumsbau des Universitätsmuseums3.
Farbigkeit, Technik: Die kleinen Grisaillefiguren stehen vor einem horizontal zweigeteilten Hintergrund aus grü-
nem Fliesen- oder Wiesenboden und blauen Ornamentmustern. Beide Heilige wenden sich nach links. Rad und Krone
sind in gelbem Glas ausgeführt, Haare und Buch der Hl. Katharina überdies mit Silbergelb behandelt. Gewandung
und Gesichter zeigen eine feine, bei Katharina leicht zittrige Linienzeichnung. Aus den Überzügen sind mit dem Pin-
sel Lichter ausgewischt, daneben wurden schattigere Partien vereinzelt auch mit kurzen Parallelschraffuren verstärkt.
Bei näherem Hinsehen lassen sich noch zart herausradierte Muster erkennen, etwa die Vierpassformen im damastenen
Kleid Katharinas oder in Nimben und Krone. In Negativtechnik wurden auch die Blumen des Wiesenbodens und die
vegetabile Hintergrundmusterung ausgeführt.
Stil, Datierung: Beide Rundscheiben sind zwar technisch von gleicher Machart, weisen aber gewisse Unterschiede
im Stilbild auf: Katharina besitzt eine robustere Statur, ihr ausladender Mantel fällt breit in parallelen Faltenbahnen
zu Boden. Im lieblichen Gesicht mit dem verträumt zum Boden gerichteten Blick und dem kleinen Mündchen klingt
ein oberrheinischer Figurentyp an, wie er schon beim Meister des Paradiesgärtleins fassbar wird4; physiognomisch
kommt der breitbackige Kopf mit der hohen Stirn und den plastisch ausgebildeten Ohren auch dem Meister der Spiel-
karten nahe (L. 13, 33). Die modernere Stilstufe vertritt dagegen die Hl. Elisabeth, die sich in tänzerischer Gebärde
mit etwas zurückgeneigtem Oberkörper im eng taillierten Kleid präsentiert. Identische Detailformen wie Haartracht,
Blütenhintergrund oder Maßwerknimbus, auch die Verwendung von Maßwerkborten verbinden unsere Heiligen au-
genscheinlich mit der Eschenstruther Madonnenscheibe. Das Motiv des seitlich hochgerafften Mantels stimmt dort
wiederum weitgehend mit der Katharinenfigur in Schröck überein. Eine Herkunft dieser Glasmalereien aus der glei-
chen Werkstatt liegt nahe, wobei die erkennbaren Differenzen im Stilbild auf die Verwendung unterschiedlichen Vor-
lagenmaterials zurückzuführen sein dürften. Kippenberger vermutete unter Berufung auf die archivalische Quel-
lenforschung Küchs, der für das ausgehende Mittelalter eine Anzahl von in Marburg tätigen Glasmalern nachweist,
Marburger Künstler hinter diesen Arbeiten und nennt in diesem Zusammenhang Gerhard von der Leyten (nachge-
wiesen 1457–1503), den Vater Johanns, der sich später gleichfalls als Glasmaler betätigte 5. Eine solche Zuweisung muss
allerdings aus Mangel an Vergleichswerken hypothetisch bleiben.
Nordhessen oder südliches Niedersachsen, um 1460.
Vorbemerkung zum Katalog: Aufnahme und Untersuchung der Rundscheiben erfolgten im Oktober 2001. Eine rück-
seitige Untersuchung war nicht möglich, da die Scheiben nicht aus ihrer Leuchtkastenmontierung genommen werden
konnten.
31. HL. ELISABETH Fig. 624, Abb. 381 Fig. 624. ES Nr. 31.
H. 26 cm, B. 25 cm. M 1:15
Inv. Nr. 3030.
Inschrift: In den nachmittelalterlich(?) ergänzten blauen Grund Fig. 625. ES Nr. 32.
wurde der Name der dargestellten Heiligen eingeritzt: S. Eli- M 1:15
sa/beta.
Erhaltung: Der Hintergrund aus gestreuten Blüten ist durch 32. HL. KATHARINA Fig. 625, Abb. 380
eine nachmittelalterliche Ergänzung aus blauem Blankglas H. 25,5 cm, B. 23 cm.
gestört. Über dem Kirchenmodell das Flickstück einer gel- Inv. Nr. 3031.
ben Maßwerkborte, die auch im Oberkörper der Hl. Katharina Erhaltung: Am Oberkörper der Heiligen wurde eine gelbe
wiederbegegnet. Maßwerkborte als Flickstück wiederverwendet, aus jüngerer
Ikonographie: Die Identifizierung der Heiligen mit Elisabeth Zeit stammen dagegen die neutralen Ergänzungen mit farb-
ist nur aufgrund der in das Glas eingravierten Bezeichnung ein- losem Glas im unteren Mantelbereich.
deutig. Denkbar wäre ansonsten auch die Hl. Barbara, die häu- Ikonographie: Die Hl. Katharina steht auf einem von Blüten
figer nur mit einem Turmmodell dargestellt wird. Die Heilige übersäten Wiesenboden. In der linken Hand, vom Mantel halb
steht auf einem grünen Fliesenboden im eng tailliertem Kleid verdeckt, hält sie das Buch, rechts das Richtschwert, dessen
und einem weiten, an der Brust mit einer Schließe zusammen- Spitze in der Nabe des ihr zu Boden liegenden Rades steckt 6 .
gehaltenen Mantel. Auf dem rechten Arm hält sie ein Kirchen- CVMA JJ 12826, Großdia JJ 01/195
modell mit interessanter Detailgestaltung. Abgebildet ist eine
Westturmanlage mit jochweise quergestellten Satteldächern 5 Kippenberger 1939, S. 50.
und eingezogenem Rechteckchor. 6 So auch auf einem Wandmalereifragment aus St. Emmeram in Mainz,
CVMA JJ 12825, Großdia JJ 01/194 heute Dom- und Diözesanmuseum Mainz; s. AK Mainz 2000, S. 539.
Unpubliziert.
Gegenwärtiger Bestand: Im Universitätsmuseum zu Marburg wird ein kleines Kreuzigungsmedaillon mit der
Herkunftsangabe »Wehrshausen« aufbewahrt (Nr. 33; Abb. 384). Das Scheibchen war bereits vor 1882 in den Besitz
des Hessischen Geschichtsvereins in Marburg gelangt.
Geschichte des Baues: Die unweit von Marburg gelegene Marienwallfahrtskirche geht auf eine im Jahr 1339 getätig-
te Stiftung des Ritters Werner Döring und dessen Gemahlin Mathilde zurück1. Landgraf Heinrich III. bedachte 1483
die Kirche, deren Patronat um 1424 auf die von Hatzfeld übergegangen war, mit weiteren Schenkungen; insgesamt
wurde hierdurch die für einen Bau dieser Größe ungewöhnliche Anzahl von vier Altaristen versorgt 2 . Die ehemalige
Marienkapelle ist ein spätgotischer Saalbau zu drei Jochen mit gleichbreitem zweijochigen Chor, der auf fünf Seiten
eines Achtecks schließt. An der Nordseite ist die kleine, gleichfalls auf drei Seiten schließende Annenkapelle angebaut.
Über dem Chor ragt ein hölzerner Dachreiter auf. Das aufgehende Mauerwerk des Schiffs geht noch auf den Grün-
wetter . stiftskirche st. maria 495
dungsbau zurück, der Chor und die zweibahnigen Maßwerkfenster lassen sich jedoch erst in das späte 15. Jahrhundert
datieren: Eine Jahreszahl auf dem Wappenschlussstein im Gewölbe kann als 1472 bzw. 1475 gelesen werden 3. Aus den
ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts dürfte dagegen der Altarschrein stammen, der bereits Renaissanceformen
zeigt4.
Im Maßwerk des zweibahnigen Achsenfensters befindet sich zwischen den seitlichen Fischblasenelementen eine kleine
Zwickelöffnung von der Größe unseres Scheibchens. Die kleine Kreuzigungsdarstellung hätte damit im sinnvollen
Bezug zum davor liegenden Zelebrationsaltar gestanden.
Vorbemerkung zum Katalog: Aufnahme und Untersuchung der heute in einer Vitrine ausgestellten Scheibe des Mar-
burger Universitätsmuseums erfolgten im Oktober 2001.
33. RUNDSCHEIBCHEN MIT KREUZIGUNGS- Herkunft der Glasmalerei verbieten sich schon aufgrund seiner
DARSTELLUNG Abb. 384 einfachen Machart, doch läge eine Entstehung in Marburg aus
Durchmesser ca. 5 cm. räumlichen Gründen nahe.
Erhaltung: Das Glasstück ist in die Mitte einer kreuzgeteil- CVMA JJ 12828, Großdia JJ 01/197
ten Fensterscheibe eingelassen. Keine Spuren von Korrosion
erkennbar. Die nachlässige und schmierig aufgetragene Bin-
nenzeichnung der Figuren ist möglicherweise auf eine jüngere
Überarbeitung zurückzuführen.
Ikonographie: Das etwa hostiengroße Medaillon zeigt die Kreu-
zigung Christi zwischen Maria und Johannes. Maria scheint
ihre im Mantel verborgene Hand an das Gesicht zu führen,
während Johannes mit seiner Rechten auf den Gekreuzigten 1 Gerhard Schütt, Wehrshäuser Kirchengeschichte, in: Wehrshau-
weist. Der Hintergrund ist mit Sternchen bedeckt. sen bei Marburg, hrsg. von Wilhelm A. Eckhardt, Marburg 1974, S.
Technik: Die Zeichnung wurde aus dem deckenden Schwarz- 95–126, hier S. 96f.
2 Gisela Konitzky, Die Wehrshäuser Kirche, in: Eckhardt 1974
lotauftrag herausgekratzt, die Sternchen rückseitig mit Silber-
gelb eingefärbt. (wie Anm. 1), S. 127–138.
3 Zur richtigen Lesung der verwirrenden Ziffernfolge siehe Gross-
Stil, Datierung: Der angespannt vorgestreckte Brustkorb und
mann 21982, S. 872f. mit Abb. 100; hierzu auch H. J. von Brockhusen,
die enge Taillierung des Oberkörpers Christi lassen ebenso Der Wehrshäuser Schlussstein, in: ZHG 74, 1963, S. 81ff.
wie die bewegten Figurenumrisse der Assistenzfiguren an eine 4 Das Marburger Universitätsmuseum bewahrt eine 1523 datierte Ma-
Entstehung des Scheibchens im ausgehenden 15. Jahrhundert rienstatue des in Marburg tätigen Bildhauers Ludwig Juppe auf, die
denken. Weitergehende, auf Stilkritik basierende Aussagen zur vom Altarschrein der Wehrshausener Kirche stammen soll.
Bibliographie: Karl Wenckebach, Zur Geschichte der Stadt, des Stiftes und der Kirche zu Wetter, Wetter 21987,
S. 273 (vergleicht die Grisaillereste mit der Verglasung des Nordquerhausfensters in Haina); Hans Gottfried von
Stockhausen, Die Stiftskirche zu Wetter und ihre Glasmalereien, München 2007, S. 26f., Abb. S. 63f. (für die Anfer-
tigung eines neuen Figurenfensters wurden alte Scherbenfragmente verwendet).
Gegenwärtiger Bestand: Reststücke der alten Grisailleverglasung wurden vor wenigen Jahren einer Neuschöpfung
des Nordquerhausfensters von Hans Gottfried von Stockhausen einverleibt (Fig. 629, Abb. 383). Einen Passlappen mit
Blattornament überwies man zu Beginn der siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts dem Hessischen Landes-
museum in Kassel (Fig. 628, Abb. 386); ein zweites, gleichgestaltetes Stück und ein Maßwerkzwickel, die gegenwärtig
nicht auffindbar sind, verblieben in der Glasmalereiwerkstatt Saile, Stuttgart (Abb. 382, 385).
496 wetter . stiftskirche st. maria
Geschichte des Baues: Einer örtlichen Überlieferung zufolge soll das 1107 erstmals genannte Kanonissenstift im
Jahr 1015 von den schottischen Königstöchtern Almudis und Digmudis gegründet worden sein. Nach dem Erlöschen
der thüringischen Linie erhob der Mainzer Erzbischof Anspruch auf Wetter. In dem Vergleich von 1263 wurden
sowohl der Erzbischof als auch der hessische Landgraf als Verwalter über die Vogtei bestimmt1. Dem Stift war eine
Schule angebunden, aus der bis in die Neuzeit hinein bedeutende Gelehrte, darunter der Philologe Justus Vultejus
(1528–1575) oder der Mathematiker Dryander (1500–1560) hervorgingen. Nach der Aufhebung im Jahr 1527 ging die
Kirche an die Stadt über, die Besitzungen jedoch an die hessische Ritterschaft, weshalb Wetter, wie Oberkaufungen,
als evangelisches Stift zur Versorgung der unverheirateten Adelstöchter fortgeführt werden konnte.
Die bestehende, in gotischen Formen errichtete Kirche zählt zu den frühesten Nachfolgebauten der Elisabethkirche
in Marburg 2 . Zwar sind keine Baudaten überliefert, doch hat die dendrochronologische Untersuchung des originalen
Dachstuhls eine Errichtung des Chores bis um 1252 ergeben. Das südliche Querhaus war 1255, das Langhaus bis
1265 eingedeckt 3. In spätmittelalterlicher Zeit wurde zwischen Chor und Nordquerhaus eine Sakristei angebaut, der
Westturm stammt dagegen erst aus dem frühen 16. Jahrhundert und ersetzte wahrscheinlich eine geplante, jedoch
niemals ausgeführte Zweiturmfassade. Der Chor schließt in Mittelschiffsbreite mit fünf Seiten eines Zehnecks, ihm
sind ein ausladendes Querhaus und ein fünfjochiges Hallenlanghaus vorgelagert. Die Langhausgewölbe ruhen auf
kantonierten Rundpfeilern. Wie in Marburg zeigt der Bau einen durchgehend einheitlichen Wandaufriss aus zwei-
bahnigen, im Chor auch aus Plattenmaßwerk bestehenden Fenstern, wobei auf das zweite Fenstergeschoss verzichtet
wurde4. Die hochaktuelle, etwa gleichzeitig in den Kranzkapellen des Kölner Domchores und im Hainaer Lang-
haus verwendeten Maßwerkformen von Chor- und Querhaus zeigen über den Kleeblattbogen drei liegende gestapelte
wetter . stiftskirche st. maria 497
1 Wenckebach 21987 (s. Bibl.), S. 273. 7 Wenckebach 21987 (s. Bibl.), S. 97–105.
2 Zuletzt hierzu Schurr 2007, S. 45–49. 8 David–Sirocko 1997, S. 325. Eine historische Aufnahme des Chor-
3 Hans-Joachim Kunst, Die Elisabethkirche in Marburg und die Kol- raums von 1908 zeigt nur im Achsenfenster figürliche Glasmalereien,
legiatsstiftskirchen, in: AK Marburg 1983, I, S. 77 –80, setzt die Bauzeit dagegen in den Maßwerken sämtlicher Fenster ornamentale Füllungen.
noch in die Jahre zwischen 1263 und 1280 und will so im Marburger Wenckebach 21987 (s. Bibl.), S. 217.
Architekturzitat den alleinigen Anspruch der hessischen Landgrafen 9 Wenckebach 21987 (s. Bibl.), S. 273. Dagegen geht aus dem Schrei-
auf Wetter herauslesen. ben Hans Gottfried von Stockhausens an die Freiburger Arbeitsstelle
4 Dreibahnige Fensteröffnungen fi nden sich lediglich im westlichen vom 18. Januar 1994 hervor, man sei bei Maurerarbeiten auf die Bruch-
Chorjoch. – Gegen die allgemeine Vorstellung von Plattenmaßwerk stücke mittelalterlicher Verglasung gestoßen. Vor der Wiederverwen-
als einer altertümlichen Form wendet sich Michler 1984, S. 357, mit dung in Wetter war das Köfferchen voll Grisaillescheiben bei Saile in
Hinweis auf das ausgeschnittene Maßwerk der Triforiums-Arkaden im Stuttgart deponiert. Ich danke Herrn Valentin Saile, Stuttgart, für die
Langhaus der Kathedrale von Amiens. Fotografien der betreffenden Stücke.
5 David–Sirocko 1997, S. 323–327. 10 Hans Gottfried von Stockhausen, Die Stiftskirche zu Wetter und
6 Zur mittelalterlichen Farbfassung Michler 1984, S. 357–364. ihre Glasmalereien, München 2007, Abb. 63f.
498 wetter . stiftskirche st. maria
2. Hochgotische Figurenfenster: Der jüngere Bestand besteht aus verschiedenen, überwiegend naturalistisch gebildeten
Blattformen (Hopfen, Efeu, Wein, etc.), die sich durch kräftige Konturierung und feine Blattäderung auszeichnen.
Hierzu sind zunächst die auf den ersten Blick altertümlich anmutenden Fragmente zu nennen, die sich zu einer Rau-
tenverglasung aus schwarz hinterlegten Blattpalmetten mit Perlbandeinfassung zusammenschließen, wobei in den
Kreuzungspunkten blaue oder farbige Rosetten sitzen11. Zeichentechnik und Binnenzeichnung der Blätter lassen
sich jedoch mit den anderen Fragmenten dieser Gruppe verbinden. Das Rautenmuster begegnet bereits um 1260 im
Obergaden des Straßburger Münsters, dort jedoch mit Lilien und naturalistischen Rahmenborten12 . Gittermuster
mit Blattfüllungen finden wir ein bis zwei Jahrzehnte später auch an den Chorseiten der Erfurter Predigerkirche (um
1275/80), dort allerdings mit farbigen Bändern und fiedrigen Blattformen13. Schließlich zeigte auch ein heute verlo-
renes Chorfenster (um 1320) der Hersfelder Stadtkirche über Figurentabernakeln einen Rautenteppich aus Lilien und
Ahornblättern mit Farbpunkten (vgl. Fig. 183, s IV, und Fig. 261, 265).
Andere Blätter sitzen teils in geometrischen – trapezoiden oder passförmigen – Rahmenformen. Die hier zugehörigen
Reste einer blattverzierten Giebelarchitektur deuten auf eine figürlich-ornamentale Komposition hin, vergleichbar der
11 In den Grisailleverglasungen Englands und Frankreichs begegnen 13 Vgl. etwa die heute in Darmstadt befi ndlichen Felder aus der nörd-
Rautenverglasungen mit ähnlicher Blattmotivik bereits im begin- lichen Chorseite; hierzu Beeh-Lustenberger 1967, Abb. 52–54, bzw.
nenden 13. Jh., so etwa in der Pfarrkirche zu Westwell (Kent) oder in 1973, S. 64f., Nr. 87–90; AK Köln 1998, S. 176–179, Nr. 23.
den Kathedralen von Lincoln und Salisbury; Richard Marks, Stained 14 Fischbach 2001, Abb. 53f.
Glass in England during the Middle Ages, London 1993, S. 132, 136 15 Das in süd VII als Kopie erhaltene und ursprünglich die Taberna-
und Fig. 104a. kelfiguren in nord X abschließende Teppichmuster in Marburg zeigt
12 Standfigurenfenster NORD II; vgl. Beyer/Wild-Block/Zschok- vergleichbare geometrisierte Blattborten als Randstreifen.
ke 1986, S. 292, Fig. 262.
wetter . stiftskirche st. maria 499
Verglasung aus Dausenau/Lahn, die über den Figurentabernakeln einst ein Muster aus Vierpässen mit eingeschrie-
benen Blättern aufwies14. In den Einzelformen besteht eine nähere Verwandtschaft zur Figurenverglasung der Nord-
konche in der Marburger Elisabethkirche (nord X, NORD X), die man sich – wohl wie in Wetter – mit ursprünglich
darüber verlaufenden Ornamentteppichen vorzustellen hat15. Die Blattzeichnung mit den fein aus schwarzem Grund
ausradierten Blattfäden stimmt andererseits mit einem Maßwerkzwickel aus dem gegen 1300 verglasten Chor der Mar-
burger Marienkirche, heute Universitätsmuseum, weitgehend überein. Diese Beobachtungen am spärlich erhaltenen
Material erlauben die Vermutung, dass die jüngere Verglasungsgruppe auf eine in Marburg ansässige Werkstatt zu-
rückzuführen ist, deren Tätigkeit für Wetter mit den Bauhüttenbeziehungen in Zusammenhang steht. Eine interes-
sante Parallele ergibt sich jedenfalls auch in der Ausstattungsgeschichte von Elisabeth- und Stiftskirche: Hier wie dort
hat man nach Fertigstellung der Innenräume um das Jahr 1300 eine Erneuerung der Verglasung in Angriff genommen
und damit eine ältere Grisaille- oder Rautenverglasung durch die Aufnahme weiterer Figurenfenster modernisiert.
Marburg(?), um 1300.
Vorbemerkung zum Katalog: Die Untersuchung und Aufnahme des Maßwerkstückes im Hessischen Landesmuseum
zu Kassel erfolgte im Oktober 2001. Die Fotografien der Grisaillereste wurden 1996 in Stuttgart vor ihrer Zweit-
verwendung in Wetter angefertigt und von Valentin Saile, Stuttgart, freundlicherweise zur Verfügung gestellt. Da
Passlappen und Maßwerkzwickel in Stuttgart gegenwärtig nicht auffindbar sind, konnte die Zustandsbeschreibung
lediglich anhand der Kleinbildaufnahme vorgenommen werden.
STUTTGART · PRIVATBESITZ
Bibliographie: Dehn-Rotfelser/Lotz 1870, S. 316 (»Glasmalereien im östlichen Chorfenster, vier weibliche Hei-
lige aus der Zeit um 1300, leider durch Orgel verdeckt«); Paul Clemen, Rez. zu Haseloff 1907, in: Repertorium für
Kunstwissenschaft 34, 1911, S. 49–62, hier S. 59 (gleiche Werkstatt wie beim jüngeren Standfigurenfenster NORD II
in der Marburger Elisabethkirche und bei den Glasmalereien in Neu-Berich); Classen 1929, S. 93, Anm. 19 (identi-
fiziert die Heilige mit Palme und Buch als Hl. Walburga und will in den Dargestellten Patrone des Walpurgis-Altars
sehen); Kippenberger 1931, S. 36f., Abb. 11–13 (schwächere Nachbildung der Gruppe um die ältere gotische Werk-
statt in Marburg); Albrecht Kippenberger, in: AK Marburg 1932, S. 87f. (dem gleichen Kunstkreis gehören auch die
Glasmalereien in Berich an); Wille 1952, I, S. 20ff., II, S. 22–26 (zeichnet in der Gruppe um das Marburger Marien-
fenster eine Entwicklungslinie in der Abfolge Marburg–Berich–Winnen und datiert letztere Scheiben in das frühe 14.
Jh.); Wentzel 21954, S. 40 (»Gruppe der oberrheinischen Standfigurenfenster« in Marburg); Rüdiger Becksmann,
Standfigurenscheiben aus Dausenau, in: AK Hamburg 1966, S. 55f., Kat. Nr. 10f. (sieht schulmäßige Zusammenhänge
zwischen Marburg sowie dem Stilumfeld in Neu-Berich, Winnen und Dausenau); Marc Schmidt, Maria – Masken
– Monumente. Die Kunstwerke in der Lutherischen Pfarrkirche St. Marien zu Marburg, in: Kunst/Glockzin 1997, S.
121f., Abb. 11 (will in den Glasmalereien aus Winnen und der Wandmalerei mit der thronenden Maria in der Marbur-
ger Marienkirche die gleiche Werkstatt erkennen); Markus Zink, Die Pfarrei Winnen. Kirchen – Kunst – Geschichte,
Kassel 2004, S. 23–38 (eingehende ikonographische Analysen zur Frage der Identität der Dargestellten); Daniel Parel-
lo, in: Die Glasgemälde-Sammlung des Freiherrn vom Stein 2007, S. 60 (die Dausenauer Fenster sind wie die Scheiben
aus Berich und Winnen Produkte eines exportorientierten Marburger Betriebs).
Gegenwärtiger Bestand: Im Hessischen Landesmuseum zu Kassel werden vier, zum Teil fragmentarisch erhaltene
Figurenfelder aus der Pfarrkirche zu Winnen aufbewahrt (Fig. 633f., Abb. 387f.).
Geschichte des Baues und seiner Verglasung: Mit dem Erwerb der Burg Nordeck kamen die Orte Allendorf,
Winnen und Nordeck um 1250 in den Besitz der Landgrafen von Hessen. Der Landgraf hatte schon 1323 das Patro-
natsrecht über die Kirche von Winnen, ebenso gehörte ihm das Patronat über den 1422 erstmals genannten Walpurgis-
Altar1. Die Entstehung der Chorturmanlage wird in der Literatur zu früh angesetzt. Maßwerkformen und Verglasung
ehemals winnen . pfarrkirche 501
legen eine Datierung des Turmes in die ersten Jahrzehnte des 14. Jahrhunderts nahe. Der rippengewölbte quadratische
Chorraum besitzt nach Osten und Süden je ein zweibahniges Fenster in achsialer Ausrichtung. Er ist gegen das holz-
gedeckte und mit hoch liegenden Rundbogenfenstern versehene Schiff durch einen Triumphbogen abgeschlossen. Im
15. Jahrhundert wurde an die Nordseite des Turms eine Sakristei angebaut. Größere Eingriffe erfolgten erst zu Beginn
des 20. Jahrhunderts durch die Erweiterung des Schiffes nach Norden, die den Einbau einer Empore und die Erhöhung
der Giebelfassade mit einschloss.
Lotz fand die Glasmalereien um 1870 im zweibahnigen und dreizeiligen Chorfenster hinter dem Altar offenbar noch
intakt vor; lediglich eine Orgel verstellte den Blick auf die Figuren. Auf Veranlassung des hessischen Bezirkskonserva-
tors von Drach wurden die Scheiben im Jahr 1907 für das im Entstehen begriffene Hessische Landesmuseum in Kassel
erworben. An die Stelle der Originale gelangten nun getreue Kopien, die man von der Freiburger Firma Helmle &
Merzweiler anfertigen ließ2 . 1966 wurde der Bestand erstmals für die spätere Corpusbearbeitung untersucht und auf
Initiative Rüdiger Becksmanns von Glasmaler Richard Süßmuth, Immenhausen, instand gesetzt. Zuletzt sind sämt-
liche vier Felder zwecks Neupräsentation in den Museumsräumen durch die Glasmalerei Peters, Paderborn, zusam-
mengebleit, mit einer wenig stabilisierenden Messingrahmenkonstruktion versehen und in einen großen Leuchtkasten
gesetzt worden.
Erhaltung: Die Figurenfelder weisen mehr oder weniger starke Beschneidungen auf. Während der ungekrönten
Heiligen ihr ganzer Unterkörper fehlt, scheinen die Marienscheibe und die Heilige mit Palme nur geringfügig be-
schnitten worden zu sein. Katharina und die Heilige mit dem Palmenzweig schlossen ursprünglich spitzbogig, wurden
aber für die museale Präsentation zu Rechteckfeldern ergänzt. Auch das Verwitterungsbild ist von Feld zu Feld ver-
schieden. Auf den roten Gläsern liegt ganzflächig eine mehlige Korrosionsschicht auf, Lochfraß zeigt sich an fast allen
1 Classen 1929, S. 93. in Chor und Langhaus eine neue Verglasung mit dem Evangelisten Jo-
2 Für die Kopie der Madonnenfigur wurde allerdings auf die Wieder- hannes und dem segnenden Christus; vgl. Daniel Parello, Von Helm-
gabe des Kindes verzichtet, da die Glasmalerei an dieser Stelle offenbar le bis Geiges. Ein Jahrhundert historistischer Glasmalerei in Freiburg
gestört war. Helmle & Merzweiler vervollständigten das Ostfenster mit (Veröffentlichungen aus dem Archiv der Stadt Freiburg im Breisgau 31),
einer Kreuzigung im Maßwerk und schufen für zwei weitere Fenster Freiburg i. Br. 2000, S. 274, und Zink 2004 (s. Bibl.), S. 39–42.
502 ehemals winnen . pfarrkirche
hoben wird. Den Arkadenbogen stützen zweigeschossige, mit Blendfenstern versehene Strebepfeiler. Der Sinn für De-
tails zeigt sich an den vorgeblendeten Giebelfeldern, die wie in den Marburger Statuettenfenstern auf der Mauerzone
zwischen Blendfenster und Kämpferprofil selbst an den Seiten angelegt sind. Der Arkadenbogen liegt grundsätzlich
auf dem oberen Strebepfeilergeschoss auf; allein die Arkaden im unteren Figurenregister ruhen auf einem vorgescho-
benen, von einer Dienstvorlage gestützten Kämpfer. Der steil aufragende, mit Blättern besetzte Arkadenwimperg trägt
eine große Kreuzblume. Das maßwerkverzierte Giebelfeld zeigt mittig eine Maßwerkrosette; nur im unteren Register
wächst dahinter eine hellblaue Mauer auf, über der sich zwei jeweils von gelben Profilgesimsen gerahmte Zonen mit
Blendfenster und Maßwerkbalustrade erheben. Während die flankierenden Fialen der unteren Strebepfeilergruppe
einer Mauerzone vorgelegt sind, ragten hier ursprünglich die heute falsch rekonstruierten Turmspitzen der oberen
Gruppe frei auf. Anstelle der Balustrade schloss das Feld in der Lanzettenspitze mit einer Mauerzone.
Technik, Stil, Datierung: Die einzelnen Figuren weichen gestalterisch kaum voneinander ab und sind ansonsten
nur durch ihre beigefügten Attribute zu unterscheiden. Formelhaft kehrt etwa die S-förmige Körperhaltung oder die
elegante Gewanddraperie mit dem straff über die Schulter gezogenen Mantel wieder, der auf Hüfthöhe schwere Schüs-
selfalten ausbildet. Figurentypen und Gewandmotive sind uns aus dem französischen Osten vertraut und wurden viel-
leicht über Köln als dem damals attraktivsten Zentrum für Künstler vermittelt, wo man künstlerischen Neuerungen
gegenüber früh aufgeschlossen war5. Wenig Varianz bieten auch die – obschon von unterschiedlicher Hand ausge-
führten – Köpfe mit ihren betont welligen Frisuren und den leicht geöffneten Mündern. So wundert es nicht, wenn
die Heilige mit Palmenzweig und die Hl. Katharina hinsichtlich der Konturführung weitgehende Deckungsgleichheit
aufweisen. Dieses insgesamt serielle Erscheinungsbild ist auch für die nah verwandte Bericher Gruppe charakteris-
tisch und lässt hier wie dort auf einen streng rationalisierten Herstellungsprozess schließen 6 .
Kippenberger sah in den Scheiben aus Winnen eine gleichzeitige und verkleinerte Nachbildung des gotischen Stand-
figurenfensters NORD II der Marburger Elisabethkirche (vgl. Fig. 546) 7. In der Tat sind die stilistischen Überein-
stimmungen so augenfällig, dass ein enger Werkstattzusammenhang zwischen beiden Beständen angenommen werden
kann. Gegenüber der strengeren Auffassung der Komposition und der strafferen Durchbildung der Figuren in den
Marburger Fenstern gibt sich die Winnener Gruppe allerdings gelöster und koloristisch lebendiger. Die Gewänder er-
scheinen, anders als in Berich, wo zahlreiche Faltensicheln durch kräftigen außenseitigen Halbtonauftrag den Mantel
regelrecht in Segmente zerlegen, im Ganzen weniger plastisch ausgeformt; stattdessen wird hier die Fältelung vermehrt
aus weicher fließenden Linien gebildet. Eine Entstehung in der Nachfolge von Marburg und Berich wäre daher nahe-
liegend. Aufgrund der räumlichen Nähe zu Marburg wird man dort auch den Sitz der Werkstatt anzunehmen haben 8 .
Die bei aller Verwitterung noch erkennbaren künstlerischen Zusammenhänge mit der Wandmalerei einer thronenden
Madonna im Chor der Marburger Stadtpfarrkirche (um 1297) werfen dabei die Frage auf, ob der Maler nicht aus dem
engeren Werkstattumkreis der an der Elisabethkirche tätigen Glasmaler stammen könnte9.
Marburg, um 1310/20.
3 Die Breite der Lanzetten beträgt 34–34,5 cm, die Scheiben sind heute 6 Ein solches Verfahren erinnert an die spätere serielle Legendenpro-
nur 27–28 cm breit. Für die Glasmalereien wird man daher ca. 3,5 cm duktion des Kölner Buchdrucks um 1500, bei welcher am Druckstock
breite Randstreifen annehmen dürfen. Ich danke Pfarrer Dr. Markus für das Titelblatt der jeweiligen Heiligen lediglich das Attribut aus-
Zink, Winnen, für die spontane Hilfe bei der Vermaßung der Chor- getauscht zu werden brauchte; vgl. AK Mainz 2000, S. 420f. (Ursula
fenster. Rautenberg).
4 Denkbar wäre allenfalls ein ursprünglicher Einbau der Figuren- 7 Kippenberger 1932 (s. Bibl.), S. 87.
gruppe in einem Fenster auf der Nordseite des Chores, welches im Zu- 8 Hinsichtlich der Einzelformen wie der architektonischen Gestal-
sammenhang mit der spätmittelalterlichen Errichtung der Sakristei in tung oder der Figurentypen lassen sich durchaus Schulzusammenhän-
das Achsenfenster versetzt werden mußte; doch auch für einen solchen ge zu niedersächsischen Glasmalereien, insbesondere zum Westfenster
Fall lassen sich keine Parallelbeispiele in der Glasmalerei benennen. der ehemaligen Zisterzienserklosterkirche in Amelungsborn, aufzei-
5 Im Andachtsbuch der Marie de Gavre, das in der Diözese Cambrai gen, doch dürfte es sich im Falle des Marburger Standfigurenfensters
entstanden ist, trifft man neben der grundsätzlichen Verwandtschaft NORD II, wie an anderer Stelle gezeigt wird, wohl um einen nieder-
des Figurentyps und der Gewandform auch auf ähnliche Faltenmotive, sächsischen Werkstattableger in Marburg handeln. Zu Amelungsborn
wie die nasenförmige Stauchung der gegürteten Kleider. Vgl. etwa die siehe demnächst den in Vorbereitung befi ndlichen Band Niedersach-
Darstellung Christi vor Pilatus (fol. 34r), Abb. 17 bei Bräm 1997. Die sen (CVMA VII,1) von Elena Kozina.
gedrungene und zum Boden hin breiter werdende Statur der Heiligen 9 Schmidt 1997 (siehe Bibl. ), S. 122. Schon Michler 1984, S. 366 –
ist ganz allgemein für die lothringische Skulptur des 14. Jh. kennzeich- 370, verglich die Wimperg-Rahmenarchitektur mit den kleinfigurigen
nend; vgl. hierzu Schmoll gen. Eisenwerth 2005. Standfigurenfenstern in der Nordkonche der Elisabethkirche.
504 ehemals winnen . pfarrkirche
Vorbemerkung zum Katalog: Die Glasmalereien konnten unter Mithilfe von Restauratoren im Oktober 2001 am Hes-
sischen Landesmuseum Kassel fotografiert und untersucht werden.
Bibliographie: Drach 1909, S. 116, 119, Taf. 87, 146 (bildet ein
Kirchenfenster mit Resten mittelalterlicher Glasmalerei im
Maßwerk ab und überliefert Wappenstiftungen im Kreuzgang
des Klosters).
3 Zu Folge allerhöchsten Auftrages (...) habe ich mich nach Resten al- risch zuverlässigen Überlieferung des Baues zu Recht auf eine frühere
ter Glasmalerey erkundigt aber mit Ausnahme (...) einiger gemahlten als bislang angenommene Entstehung des Langhauses und sieht in der
Gläser im Benedictiner-Nonnenkloster zu Fulda (...) wenig Ausbeute Altarweihe 1313 einen terminus ante quem für die Fertiggestellung.
gefunden. Schreiben Rommels an Wilhelm vom 15. Aug. 1827; StA 5 Eine detailgetreue Zeichnung der eingestürzten Stadtkirche wurde
Marburg, 16 Rep. I. Kl 29 Nr. 1, Vol. II, fol. 24f. 1838 von Carl Glaser angefertigt; Abb. in: Archiv für hessische Ge-
4 Reinhard Lambert Auer, Landesherrliche Architektur. Die Rezep- schichte und Altertumskunde 2, 1841, Tafel.
tion der Elisabethkirche in den hessischen Pfarrkirchen, in: AK Mar- 6 Im Hessischen Landesmuseum in Darmstadt befi nden sich ledig-
burg 1983, I, S. 103–123, bes. S. 106–108, schließt anhand der zeichne- lich zwei nachmittelalterliche Wappenrundscheiben, die aus Grünberg
anhang: verlorene oder verschollene scheiben 507
drei Musterfelder in den ersten Band seiner Denkmäler der Wehranlage auf einer Anhöhe errichtet. Ihr mächtiger West-
deutschen Baukunst aufgenommen (Fig. 638). Die fi ligranen turm mit Zinnenkranz stammt in seinen unteren Teilen noch
und naturalistisch wiedergegebenen Blattmuster ordnen sich aus dem 13. Jh. und wurde in spätmittelalterlicher Zeit erhöht.
den strengen geometrischen Grundformen stets unter: Neben Das ungewöhnlich kurze, einjochige Schiff und der auf fünf
tangierenden Kreisen in Feldbreite mit kreuz- oder sternför- Seiten eines Achtecks schließende Chor sind dagegen 1492 neu
miger Binnengliederung und dazwischen liegenden halben erbaut worden. Aus dieser Zeit dürften die verlorenen Reste or-
Blütenrosetten fi ndet sich auch ein Rapport aus gespitzten namentaler Glasmalerei im Chor gestammt haben.
Vierpässen mit diagonal ausgestellten Passlappen. Interessante
Bezüge ergeben sich hier zur Langhausverglasung in Haina
und auch zur Chorverglasung in Hersfeld, die aus einem ver- EHEMALS HELMARSHAUSEN,
wandten Formenkatalog schöpft und die gleiche Vorliebe für BENEDIKTINER-KLOSTERKIRCHE
die mit Drachen und Vögeln belebte Vegetation verrät, eben-
so zu einigen Ornamentmustern der Friedberger Stadtkirche, Bibliographie: Günther Binding, Die Benediktiner-Kloster-
die wohl noch der Erstverglasung des 1306 geweihten Chores kirche Helmarshausen. Grabungsbericht 1964, in: Deutsche
zuzurechnen sind 7. Zwischen Haina, Friedberg, Grünberg und Kunst und Denkmalpflege 23, 1965, S. 108–117, hier S. 114
Hersfeld scheinen Schulzusammenhänge zu bestehen. Hinwei- (Scherbenfund).
se zur Verortung kann dabei die jüngere Langhausverglasung
in Haina geben, die von einer Werkstatt ausgeführt wurde, wel- Die ehemalige Reichsabtei St. Maria und Petrus wurde 997 ge-
che zugleich auch am Frankfurter Dom tätig war 8 . gründet und Kaiser Otto III. als Reichskloster übertragen9.
Bischof Meinwerk von Paderborn nahm 1011/12 die Weihe
der dreischiffigen und doppelchörigen Anlage vor. Um 1100
EHEMALS GUDENSBERG, PFARRKIRCHE sind unter Abt Thietmar II. Umbaumaßnahmen an Chor und
Schiffsarkaden fassbar, die von der wachsenden Bedeutung des
Bibliographie: Schäfer/Rossteuscher 1885, Taf. 30 (Abb. Klosters künden; auch die in den Klosterwerkstätten (Roger
von Blankverglasungen u.a. in hessischen Kirchen). von Helmarshausen) entstandenen Kunstwerke erlangten da-
mals überregionale Bedeutung. Das letzte Drittel des 12. Jh.
Schäfer/Rossteuscher bilden mehrere Beispiele von Blank- war geprägt durch die Errichtung zweier quadratischer Turm-
verglasungen in Grisaille aus verschiedenen Kirchen Hessens chöre und – nach einem starken Brand im 3. Viertel des 12. Jh.
ab, darunter auch Grisaillefelder aus Gudensberg. Eine exakte – den Einwölbungsmaßnahmen der Schiffe. Noch in roma-
Zuordnung der Bildbeispiele zu den in der Bildunterschrift nischer Zeit erfuhr der Ostchor eine letzte Erweiterung (um
genannten Standorten ist heute nicht mehr möglich (vgl. Fig. 1200), damals wurde an den gerade geschlossenen Chorturm
645). Die evangelische, ehemals der Hl. Margarete geweihte eine halbrunde Apsis angefügt.
Pfarrkirche in Gudensberg besitzt einen polygonalen Chor aus Bei Grabungen auf dem ehemaligen Klosterhof östlich der
der 2. Hälfte des 13. Jh. Nur das Achsenfenster stammt noch Klosterkirche wurde im Jahr 1965 ein Glasfragment gebor-
aus frühgotischer Zeit; die restlichen Öffnungen zeigen bereits gen10 . Das Glas ist stark korrodiert, sodass seine ursprüngliche
spätgotisches Maßwerk. Das später mehrfach umgebaute Schiff
lässt sich im Kern noch in das 14. Jh. datieren. – Siehe auch Wit-
zenhausen, Stadtkirche.
stammen sollen. Beeh-Lustenberger 1967 bzw. 1973, S. 239, Nr. 309, Die Frankfurter Werkstatt dürfte ferner die Verglasung für Ortenberg
Taf. 18, und S. 293, Nr. 409, Abb. 256. geliefert haben; s. wiederum Hess 1999, S. 305, Abb. 265f. Verwandte
7 Die Ornamentfelder im Chor der Liebfrauenkirche werden von Hess Muster haben sich in der ehem. Spitalkirche von Stadtprozelten erhal-
1999, S. 182–185, behandelt, dort jedoch in das 2. Viertel des 14. Jh. da- ten, wo im 14. und 15. Jh. der Deutsche Orden ansässig war.
tiert. Zuletzt hierzu Uwe Gast, Die Chorverglasung der Stadtkirche 9 Friedrich Oswald, Die Baugeschichte der Klosterkirche nach den
in Friedberg im 14. und 15. Jahrhundert. Rekonstruktion, Programm Ausgrabungen von 1964 bis 1968, in: Baumgärtner 2003, S. 45–76.
und programmatische Änderungen, in: Die gebrauchte Kirche (Ar- Zusammenfassend ders., Die Bauentwicklung der Klosterkirche von
beitshefte des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen), Stuttgart 2009 Helmarshausen nach den Ausgrabungen 1964–1968, in: Hessen Ar-
(im Druck). chäologie 2004, S. 128–131.
8 Mit Grünberg zu vergleichen sind auch die Ornamente der Kopf- 10 Eine Veröffentlichung der Befunde ist in Vorbereitung. Vgl. vorläu-
scheiben aus dem Frankfurter Dom; Hess 1999, S. 103, 106, Abb. 39f. fig den Grabungsbericht von Günther Binding 1965 (s. Bibl.).
508 anhang: verlorene oder verschollene scheiben
Farbigkeit nicht mehr zu ermitteln ist. Im Aufl icht zeichnet EHEMALS IBA, PFARRKIRCHE
sich die Schwarzlotbemalung ab, die eine Blattpalmette er-
kennen lässt (Fig. 639). Die gefingerte Blattform mit doppelter Bibliographie: Dehio Hessen 1966, S. 429 (»zwei spätmittelal-
Rippenlinie und kleinen Querstrichen kehrt auch in der Chor- terliche Glasscheiben«).
verglasung von St. Patrokli in Soest wieder, die in die sechziger
Jahre des 12. Jh. zu setzen ist11. Schließlich fand man bei einem In einem Südfenster der Kirche befanden bis zur Renovierung
Schnitt außen entlang der nördlichen Seitenschiffmauer der im Jahr 1972 zwei Rechteckscheiben mit der Darstellung der
Kirche Brandreste, die mit verbranntem Glas und geschmolze- Hl. Barbara und eines Bischofs. Nach Abschluss der Wieder-
nem Fensterblei durchsetzt waren. Die aufgefundenen Stücke herstellungsarbeiten wurden die Stücke nicht wieder einge-
stammen demnach höchstwahrscheinlich aus der Zeit der Er- baut, konnten jedoch sichergestellt und von Dieter Großmann
richtung der Turmchöre im letzten Drittel des 12. Jh. bzw. aus fotografisch dokumentiert werden12 . Bereits 1986 waren die
der letzten Phase der Erweiterung des Ostchors um 1200. Scheiben offenbar nicht mehr auffindbar13, und auch eine er-
neute Anfrage an das Pfarramt in Iba anlässlich der Bestands-
aufnahme durch den Verfasser wurde im Herbst 2006 negativ
EHEMALS HELMARSHAUSEN, beschieden.
JOHANNISKAPELLE DER KRUKENBURG Die ehem. Wallfahrtskirche St. Jakob in Iba bei Bebra (Kreis
Rotenburg/Fulda) besitzt ein quadratisches Schiff aus dem
Unpubliziert. 13. Jh., an das sich in gleicher Breite ein spätgotischer Chor mit
polygonalem Abschluss anschließt. Um 1700 wurden Schiff
Der Paderborner Bischof Heinrich II. (1090–1127) erbaute 1126 und Chor durch einen Fachwerkaufbau erweitert, in den Jah-
über dem Diemeltal eine dem Hl. Johannes Baptista geweih- ren 1779–1785 Westturm und Kirche repariert sowie größere
te Kapelle und machte hierzu dem Kloster Helmarshausen zu Fensteröffnungen in das romanische Langhaus eingeschlagen.
ihrer Ausstattung eine großzügige Schenkung. Mit ihrem un- Damals sollen auch die Reste der Farbverglasung in die neu-
gewöhnlichen kreuzförmigen Grundriss über einem kreisför- en Fenster eingesetzt worden sein. Den Fotos nach zu urtei-
migen Mittelbau zitiert die Kapelle das Hl. Grab in Jerusalem. len, handelte es sich bei den ca. 25 x 20 cm großen und durch
Erst zu einem späteren Zeitpunkt, um das Jahr 1215, erhielt unsachgemäßen Ausbau bereits stark in Mitleidenschaft gezo-
der Bau zur Sicherung des Klosters vor den Begehrlichkeiten genen Scheiben um recht bescheidene Arbeiten mit geringem
des Paderborner Bistums seinen burgartigen Befestigungsgür- künstlerischen Anspruch. Die plump und schematisch wieder-
tel; damals hatte sich Helmarshausen dem Schutz des Kölner gegebenen Heiligenfiguren waren in Grisaille unter Einsatz
Erzbischofs Engelbert unterstellt. 1538 wurde das Kloster auf- von Silbergelb ausgeführt; lediglich das Turmmodell und die
gelöst, infolgedessen verfiel auch die Burganlage mitsamt der Krümme des Bischofs waren in violetten bzw. gelben Tönen
Johanniskapelle. gehalten. Die Heiligen standen auf einem flaschengrünen Flie-
senboden; den blauen Hintergrund durchzog dichtes Fieder-
rankengewächs. Seitlich verliefen breite und vegetabil verzierte
Borten in Violett, Gelb und Blau. Die Entstehung der beiden
Figurenscheiben dürfte nicht lange vor 1500 anzusetzen sein.
rungsmaßnahmen aus einem ungenannten Kirchenbau inner- nungseinträge für Anfertigungen und Ausbesserungen von
halb Hessens ausgeschieden hatte. Die Marburger Werkstatt Glasfenstern im Rebenter und im Schlafhaus hinzu. Der kur-
Schultz war um 1900 nachweislich in Korbach tätig. Noch hessische Archivdirektor Christoph (von) Rommel hatte sich
Lotz sah im Chor der Nikolaikirche eine circa 3 Schuh hohe im Jahr 1827 in allerhöchstem Auftrag auf die Suche nach al-
Kreuzigungsdarstellung, die den Maßen der Marburger Kreu- ten Glasmalereien gemacht, die Kurfürst Wilhelm II. zur Aus-
zigung ungefähr entspricht. Diese wurde bahnübergreifend für stattung der Löwenburg in Kassel-Wilhelmshöhe benötigte17.
ein dreibahniges Fenster konzipiert, wie sie auch im Chor der Dabei stieß er unter anderem auf einige im teutschen Ordens
Nikolaikirche anzutreffen sind. Somit ist eine Herkunft der Archiv zu Marburg aufbewahrte alte Ordens Wappen in Glas.
Kreuzigung aus Korbach nicht gänzlich auszuschließen16 .
16 Lt. Mitteilung von Dr. Wilhelm Völcker-Janssen, Wolfgang-Bon- Michler 1984, S. 336f.
hage-Museum Korbach, befi ndet sich im Museumsdepot eine Wappen- 19 Zu dem um 1230–1250 zu datierenden Vorgängerbau s. Ubbo Mo-
rundscheibe des Johann Huot aus dem Jahr 1557, ca. 24 cm Durchmes- zer, Vorbericht über die Notgrabung auf dem Deutschordensgelände
ser. Die Familie Huot soll aus Rauschenberg stammen. Das Inventar nördlich der Elisabethkirche, in: Fundberichte aus Hessen 13, 1973,
gibt als Herkunft die Klosterkirche in Berich bzw. das Rathaus oder S. 351–357; vgl. auch Katharina Schaal, Das Deutschordenshaus Mar-
die Kirche zu Rauschenberg an. burg in der Reformationszeit. Der Säkularisationsversuch und die In-
17 Vgl. Anm. 3. ventare von 1543 (Untersuchungen und Materialien zur Verfassungs-
18 UB Marburg, I, 1879, Nr. 460 (1286 März 10); s. hierzu auch Huys- und Landesgeschichte 15), Marburg 1996, S. 58.
kens 1909, AK Marburg 1981, S. 424–428, Nr. 75 (Fred Schwind) und 20 Justi 1825 (s. Bibl.), S. 248.
anhang: verlorene oder verschollene scheiben 511
nach Marburg. Aufgrund der isolierten Lage – Weidenhausen migen Nischen an den Schmalseiten und zwei »Chorschlüssen«
war ringsum von Wassergräben umgeben – legte man hier be- an den Langseiten, die jeweils auf fünf Seiten eines Achtecks
reits vor 1335 die sogenannte Untere Sieche an, die zunächst schließen (Fig. 643). Neben dem ungewöhnlichen Grundriss
der Versorgung leprakranker Frauen diente. Das historische zeichnet sich der Bau durch seine fi ligranen Stütz- und Gewöl-
Fachwerkhaus musste in den 1960er-Jahren dem Ausbau der beglieder aus. Anstelle der Wände sitzen meist doppellanzet-
Bundesstraße weichen. Erhalten hat sich hiervon nur mehr die tige Maßwerkfenster mit Kleeblattbogen, welche mit genasten
zugehörige Kapelle St. Jost. Der kleine, auf drei Seiten eines kreuzförmigen Vierpässen verschmelzen. Die Kapelle, deren
Achtecks gebrochene Chor mit einfachen Lanzettöffnungen ursprüngliche Farbigkeit in den 1970er-Jahren rekonstruiert
wurde dendrochronologischen Untersuchungen zufolge im werden konnte, muss von Bauleuten ausgeführt worden sein,
ersten Jahrzehnt des 14. Jh. errichtet; Erweiterungsmaßnahmen die zur gleichen Zeit auch an der Elisabethkirche tätig waren.
erfolgten in den achtziger Jahren desselben Jahrhunderts. Der Nach Mitteilung von Karl Justi sollen Reste mittelalterlicher
rechteckige Saalbau dagegen stammt aus der Zeit um 1580. Glasmalerei bereits im Jahr 1781 ausgebaut und auf die Löwen-
Noch im 19. Jh. waren im Achsenfenster Reste alter Glasma- burg nach Kassel verbracht worden sein. An dieser Nachricht
lerei zu sehen, über deren Beschaffenheit wir jedoch keinerlei verwundert zweierlei: Erstens überrascht der frühe Zeitpunkt
Aufzeichnungen besitzen. Sollte die Verglasung noch aus der einer solchen Maßnahme, da die Wertschätzung für mittelal-
Bauzeit des Chores stammen, so wäre eine Ausführung durch terliche Farbverglasungen in der Regel erst zu einem späteren
die am Bau der Elisabethkirche tätige Werkstatt des Noli-me- Zeitpunkt einsetzte; zweitens existierte die Löwenburg damals
tangere-Fensters sicherlich nahe liegend. noch nicht. Mit deren Bau wurde 1793 begonnen, und erst ge-
gen 1800 waren die Arbeiten abgeschlossen.
Auch wenn es an Hinweisen über das einstige Aussehen der
EHEMALS MARBURG, KREUZKAPELLE Fenster mangelt, so wird man doch annehmen dürfen, dass die
AUF DER LAHNBRÜCKE gegen 1300 an der Marburger Elisabethkirche tätige Werkstatt,
welche die kompositen Statuettenfenster angefertigt hat, auch
Bibliographie: Bücking 1886, S. 56 (der Maler und Glasmaler die Fenster der Schlosskapelle mit Glasmalereien ausstattete,
Gerhard von der Leyten liefert Glasmalereien für die Kapelle zumal sich zwischen den Resten der mittelalterlichen Wand-
auf der Lahnbrücke); Neuber 1915, S. 12 (wie Bücking 1886). malerei von Schloss (Hl. Christophorus) und Elisabethkirche
durchaus nähere Berührungspunkte ergeben.
Die bereits im 13. Jh. erwähnte steinerne Brücke an der Lahn- Gerhard von der Leyten (nachweisbar 1478–1503) soll lt. Rech-
furt war Teil einer alten Fernstraße, die vom Mittel- und Nieder- nungseintrag im Jahr 1484 den großen Saal auf dem Schloss
rhein nach Thüringen führte; sie bildete lange Zeit den einzigen ausgemalt haben. Außer für Wappenmalereien wird er damals
Übergang über die Lahn. Auf ihr befand sich die Kreuzkapelle.
Ein Hochwasser brachte im Januar 1552 die Brücke zum Ein-
sturz, wodurch zehn Menschen in den Tod gerissen wurden 22 .
Den Archivalien des Marburger Stadtarchivs ist zu entnehmen,
dass Gerhard von der Leyten (nachweisbar 1478–1503), der Va-
ter von Heinrich und Johann, im Jahr 1494 für die künstlerische
Ausgestaltung der Kapelle entlohnt wurde. Er fertigte hierfür
Heiligenbilder und Glasmalereien an.
auch für eine Wappendarstellung in Glas entlohnt, die er auf die und dreijochige Halle mit eingestelltem Westturm einen neu-
Kanzlei geliefert hat. Küch nennt überdies noch die Lieferung en zweijochigen Chorbau in Mittelschiffsbreite. Chorpolygon
von Scheibengläsern »mit und ohne Glasmalereien«. Gerhards und Südflanke zeigen durchgängig dreibahnige Fenster mit
Sohn Johann, von dessen Hand die beiden Wappenrundschei- weitgehend gleich gestaltetem Staffelmaßwerk. Curtze gibt im
ben im Rathaus stammen, dekorierte 1497 gemeinsam mit sei- Jahr 1850 eine genaue Beschreibung der damals noch im Sank-
nem Bruder Heinrich den 1493–1497 errichteten Wilhelmsbau, tuarium vorhandenen Glasmalereien: »Am reichsten mit Glas-
ein dreigeschossiges Gebäude mit landgräfl icher Wohnung im malerei ist die Kirche zu Sachsenhausen versehen. Sie besitzt in
Obergeschoss. Von Johann dürften auch einige Wandmalereien 3 Chorfenstern noch 17 volle Gefache, meist werden gothische
der Kapelle ausgeführt worden sein. In den Jahren 1520 und Verzierungen und Blätterwerk dargestellt. Man bemerkt aber
1525 bemalte der Künstler die Stuben des Landgrafen Philipp auch 3 Figuren: Die eine stellt Maria mit dem Jesukinde dar, die
und dessen Frau und lieferte darüber hinaus »Glaswerk« auf andere ist eine weibliche Figur mit einer Krone auf dem Haupte,
das landgräfl iche Schloss. auf der linken Hand ein Hündchen haltend [Margareta?], dane-
ben steht 16…, eine andere zur Seite stehende Figur hält auf
der linken Hand einen Vogel und weist mit der rechten Hand
EHEMALS MARBURG, ALTE KANZLEI darauf hin [Johannes Evangelista?]. Diese Figuren sind aus
verschiedenartigen bunten Glasstücken durch Bleistreifen mit-
Bibliographie: Kippenberger 1934, S. 49f. (Rechnungsaus- einander verbunden«. Der Verlust dieser Glasmalereien über-
züge). rascht umso mehr, als Victor Schultze noch zu Beginn des
letzten Jahrhunderts Reste hiervon vorfand. Demnach dürften
Der Marburger Künstler Gerhard von der Leyten liefert im die Glasmalereien erst mit den Herstellungsmaßnahmen in den
Jahr 1485 Glasfenster und Wappen für die Kanzlei, wie aus den Jahren 1934/35 beseitigt worden sein.
städtischen Rechnungsbüchern hervorgeht.
Im Anschluss an die Mitgliederversammlung des Vereins für Das 1171 gestiftete Augustinerinnenkloster, das 1465 von den
hessische Geschichte und Landeskunde erfährt man während Augustiner-Chorherren übernommen wurde, muss einst eine
eines Vortrages des Superintendenten Wissemann über die Stiftskirche von bedeutenden Ausmaßen besessen haben. Heu-
»Kunst der Glasmalerei in ihrer besonderen Beziehung zu Hes- te hat sich hiervon nur mehr ein Gebäude aus spätgotischer
sen« von einer »Anzahl bunter Glasscheiben aus der Kapelle Zeit erhalten, das Reste des Kreuzgangs birgt. Der Marburger
zu Riede« bei Wolfhagen, welche sich im Besitz des Herrn zu Künstler Konrad Hubener, der sich dem Stift Volkharding-
Buttlar befunden habe. Allerdings bleibt unklar, ob hier von hausen verschrieben hatte, versprach in einem Schreiben vom
der ev. Kirche im Wirtschaftshof des Schlosses die Rede ist, die 30. Mai 1520, die Glasfenster im Kloster und in dessen Hof zu
erst 1674 errichtet wurde, oder nicht doch die romanische Ka- Billinghausen wieder herzustellen (HStA Marburg WU 9567).
pelle mit Apsis gemeint ist, die im Jahr 1878 der Errichtung des
Südflügels weichen musste. Das Schloss war von 1824 bis 2007
im Besitz der Freiherrn von Buttlar. EHEMALS WETZLAR, STIFTSKIRCHE ST. MARIA
23 Sebald 1990 (s. Bibl.), S. 156f. Vgl. die Aufnahme bei Foto Marburg genkreuz, Kreuzgangfenster süd V).
16679. 25 Reinhold Schneider/Martina Weissenmayer, Stadt Wetzlar
24 Zakin 1979, Taf. 5 (Obazine), Taf. 30 (Pontigny), Taf. 135 (Santes (Kulturdenkmäler in Hessen. Lahn-Dill-Kreis), Braunschweig 2004,
Creus, Schlusssteinrelief); Frodl-Kraft 1972, Abb. 303–305 (Heili- S. 328–331.
514 anhang: verlorene oder verschollene scheiben
In den Regesten sind schriftliche Belege zusammengestellt, die sich unmittelbar auf erhaltene oder verlorene Farbver-
glasungen beziehen. Sie bestehen aus Quellentexten, denen knappe Angaben über Ort und Zeit sowie über Verfasser
und literarische Form vorangestellt werden. Angefügt sind Hinweise auf den derzeitigen Aufbewahrungsort der Ori-
ginale sowie auf vorliegende Editionen. Im Rahmen des CVMA können die hier veröffentlichten Archivalien nicht
in historisch-kritischer Form, sondern nur als Lesetexte geboten werden. Daher beschränken sich die für ein zurei-
chendes Verständnis der Texte notwendigen Erläuterungen auf ein Mindestmaß.
EHEMALS ALTENBERG, KLOSTERKIRCHE wappen undt figura valedicentis supra equum S. sue uxori dum
in sacram militiam abiret. Durat adhuc diese fenster et figura et
1 Braunfels 1643ff. wappen Anno 1663.
Petrus Diederich1, von 1643 bis 1653/54 Prior in Altenberg,
dann Abt in Rommersdorf, erwähnt in seiner frühestens 1643 Von ettlichen wappen so in unser kirchen fenstern seindt.
begonnenen, zur Hauptsache aber in Rommersdorf verfassten Anno 1654 den 29 martii habe ich mich auff einer layder bis an
Klosterchronik Antiquitates monasterii Aldenbergensis im Zuge die kirchen fenstern /: den lieben antiquiteten wegen :/ gewaget
einer Beschreibung des Nonnenchores und einer Sammlung und zwar in der fenstern obigs der kirchen thor stehet ein wappen
verschiedener Archivalien und Wappen einzelne Glasgemälde, in der fenstern sambt einem mannsbildt mit einem schwert in der
jedoch nur unter genealogisch-heraldischem Gesichtspunkt. handt habendes, mit dieser subscription Gerlacus de Limporgh
Der Jungffern chor ist ein sehr schoner heller hoher chor, hat undt ist dieser gerlacus ein graff von limporgh gewesen, vielleicht
fünfzehn große fenster von gebrandem gefarbtem glaß, stehet in ein vatter kayserin meynae Kaysers Adolfi gemahlin, oder auch
jglichem ein wapen, welche wapen ich biß noch nicht eigentlich eine schwester oder agnata der zu aldenberg gewesenen frauwen
kenne, in einem fenster so auf der lincken seyten und gegen dem meisterin gräffi n meynae von limporgh. Undt wie mir referirt ist
altar auf dem Jungffern chor stehet, ist das wapen, ein weiß worden soll Gerlacus Comes de limporg des franciscaner mans
gesattelt pferdt, mit einem gelben zaum, und in einem roden stall closter in limpuorg an der lahn fundirt haben werre demnach
oder fell, und daroben stehet dieße wort Andreas Rex Ungariae, dieß closter ein gar merkliches altten als das franciscaner mans
Gertrudis ist also diesses wapen das Ungarisch Königliches altes closter zu limporgh. Strack gegen diesem fenster uber da der
wapen, und weile beatae nostrae Gertrudis altvatters Andreas, jungfern chortrap angehet, stehet auch ein weibs bildt sambt
und die altmutter Gertrudis haben geheissen. Und König und einem graffl ichem wappen mit dieser underschrift Elizabetha
Königin in Ungarn sint gewessen, ist glaublich daß S. Elisabethae comitissa de syna; ist vielleicht iziger sprach nach elizabeth
eltern, beatae Gertrudis alt eltern, dießes fenster haben machen gräfi n von Sayns. In der fenstern strak nach diesem fenstern
lassen oder denen zu gedachtnuß von deren erben daß fenster an der canzel oder jungfern chor thorr, ist auch ein graffl iches
haben machen lassen und in unsere kirch gegeben und aufgericht wapen mit dieser underschrift otto Comes Agnes comitissa de
ist worden, in den andern fenster darbeneben zum hohen Altar nassowe. Dieser Otto ist ein graff von Solms 2 lieget beneben dem
zu ist daß gräfl icheß Ziegenhainisch wapen, alß nemblich ein erhoheten nassauischen grabstein begraben, diese Agnes aber
weisser stern in schwartzem fell und undig dießen stern ein lieget auff der ander seitten dieses erhoheten grabs begraben,
gelbes fell stehet an dießem wapen mechtildis de Ziegenhain, daß da hernach die fl emmersfeldin ihn ist begraben worden wie
also gräffi n mechtilt von Ziegenhain dießeß fenster hat machen hiebevon vermeldett auch ist.
lassen gegen diessen fenster über auf der rechten seyten in dem Braunfels, Schloss, Fürstlich zu Solms-Braunfels’sches Archiv,
fenster ist das Nassauwische wapen, und darin eingebrandt diesse Abt. A.A., Sign. I, 14, S. 63f., 167f.3.
worth otto comes, agnes de nassowe, haben also graffe Otto,
undt gräffi n Agnes dieseß fenster machen lassen, die zwey große 2 Erbach 1805ff.
fenstern hinder dem hohen altar hat keyser Adolpfuß der graffe Reich illustrierte handschriftliche Beschreibung und Katalog
von Nassauw undt seine gemahlin die keyßerin genandt. Ist des Rittersaals und seiner Ausstattung im gräflichen Schloss
eine geborne gräffi n von limpurg graff gerlachs tochter geweßen zu Erbach, begonnen im Jahr 1805 vom Begründer der Samm-
machen lassen, den in solchem fenster stehet ein schwartzer lungen, Graf Franz I. zu Erbach-Erbach. Das Hauptgewicht der
Addler, in einem gelben fell, undt darüber Adolpfus Romanorum
rex, Imagina regina; ist aber kayßer Adolpfus der nassauwische
1 Zu Petrus Diederich s. Friedrich Ebel, Kloster Altenberg in Wetzlar,
graaf in anno 1298 bey Speyer von hertzog Albrechten zu
Osterrich erschlagen, und also dieße fenster sind vorm 1298 in: Zs. für Bauwesen 55, 1905, Sp. 574f.
2 Es kann sich dabei nur um einen Schreibfehler handeln, der für die
jahre augericht worden; daß auch obgedachter graff gerlach
neuzeitliche Überbewertung der Solms’schen Einflüsse in Altenberg
von limpurgg die fenster obig der kirchen Thore hat machen jedoch charakteristisch ist.
laßen bezeuget sein wappen undt seines nahmens underschrifft 3 Von den zwei existierenden Paginierungen wurde hier die jüngere
wie hernach pagina 160 vermeldett wird. [späterer Nachtrag] gewählt, da nur diese konstant und ohne Auslassungen durchläuft.
In dem großen fenster in choro virginum stanti e regione cornu Nach der Diederichschen Paginierung handelt es sich bei den zitierten
epistulae ist landgraff Ludwig des probi S. Elisabethae mariti Stellen um die Seiten 69f. und 160f.
516 regesten
Beschreibungen liegt auf dem Gebiet der Waffen und Rüstun- Wahrscheinlich rührt diese Stiftung von dem Antheil her, den
gen; daneben finden jedoch auch zahlreiche Glasgemälde Erwäh- das Haus Naßau mit dem Hause Solms zu selbiger Zeit darum
nung, wobei die Altenberger Scheiben besonders ausführlich gemeinschaftlich am Glanze des Klosters Altenberg nahmen,
gewürdigt werden: weil beide Häuser eines Ursprungs sind.
Erstes Fenster Beide erstgenannten Fenster sind, ohne zu wißen wohin,
aus dem XIIIten Jahrhunderte, längst abhanden gekommen; das dritte von dem Keiser Adolph
dem Zeitpunkte des Aufschwunges der Glasmalerei gestiftete aber ist das, welches ich besitze. Leider vermißte man
In der Spitze. die Scheibe mit dem Reichs Adler und dem Namen des Keisers
No 1. Ein jüngstes Gericht. Adolphs schon lange: vieleicht ist sie, weil sie die allerunterste im
Im linken Flügel. Im rechten Flügel. Fenster war, am ersten Mißhandlungen ausgesetzt gewesen, und
2. Die Ausgießung des H. Geistes Eine Himmelfahrt … 7. also verbrochen worden. Was ich aber noch mehr bedauern muß,
3. Die Geburt Christi. Die Kreuzigung … 8. ist, daß die Scheiben mit den Bildnüßen des Stifters Adolph und
4. Die Einsetzung des Abendmahls. Die Abnehmung vom seiner Gemahlin, die noch gut erhalten waren, ein Jahr zuvor,
Kreuz … 9. als ich dieses Fenster bekam, an den Fürsten von Naßau Usingen
5. Christus am Oehlberg. Das Begräbnüß Christi … 10. abgegeben worden sind.
6. Eine Geißelung Christi. Die Auferstehung … 11. Ob es gleich meine Absicht nicht ist, hier jedesmal eine
Dieses Fenster stand voriges Jahr noch in dem Chor des Frauen ausführliche Geschichts Erzehlung zu liefern von der Art, wie
Klosters zu Altenberg bey Braunfels. und woher ich die Reste des Alterthums der Art bekommen habe,
Die eigentliche Stiftung und Entstehung dieses Klosters noch von dem Orte, wo solche vorhin gestanden sind; so mache
verlirt sich im Dunkel der Vorzeit: die darüber bestehenden ich doch darum bey diesem Fenster eine Ausnahme, theils weil
Traditionen können wenigstens nicht als historische Gewißheiten es angenehm ist, über Gegenstände der Art, weil sie in eines der
angenommen werden. Desto weniger zweifelhaft aber ist die vorzüglichsten Fächer der Kunst des Mittelalters einschlagen,
nachherige beßere Begründung, Bereicherung und Dauer historische Gewißheiten, und zumal solche, wodurch ihr
deßelben. Erstere verdankte daßelbe der Gertrud von Heßen, eigentliches Alter bestimmt wird, zu erhalten; mehr aber noch,
Tochter der Heiligen Elisabeth, welche nach dem Willen ihrer weil außer dem Intereße, so dieses Fenster, welches vor 1298 /
frommen Mutter vor dem Jahre 1297 Meisterinn des Klosters denn in diesem Jahre blieb Keiser Adolph in der Schlacht bey
wurde, und dem Adel in der Nachbarschaft, besonders aber Gelheim / gemahlt worden sein muß, durch sein Alter und
den Grafen von Solms Braunfels, welche auch als vorzügliche durch die eigene Art seiner Mahlerey erweckt, daßelbe für mich
Wolthäter dieses Klosters ihr Begräbnüß biß zur Reformation noch den Werth hat, daß solches, so offt ich es sehe und anderen
darinn hatten. Früher waren auch Adeliche Damen, so in diesem zeige, das immer gleich starke Gefühl der Dankbarkeit in mir
Kloster den Schleÿer annahmen, darinn, ja ihre Zahl belief sich zu erneuert: denn es ist ein Geschenk des jezt regierenden Fürsten
Zeiten biß auf 70: Späterhin bestand solches nur aus bürgerlichen Wilhelm von Solms Braunfels, wodurch derselbe voriges Jahr als
Nonnen; diesen blieb aber immer ein genügliches Auskommen, ein nicht zu schäzendes Haussteuer in diesem Saal mich auf die
biß endlich A(nn) o 1803 dieses Kloster dem Fürstlichen Hause schmeichelhafteste Art zu überraschen beliebte.
Solms Braunfels als Endschädigung zu Theil wurde. Nachtrag. Endlich gelang es mir nach mehrfachen Bemühen,
Das Chor dieser Kloster Kirche prangte sonst mit noch mehr treue Copien der oben erwehnten Scheiben mit den Bildnüßen des
gemahlten Fenstern, die alle von den kostbaren Stiftungen der Keisers Adolf und seiner Gemahlin von Biebrich zu bekommen,
Art bewiesen, die man als Folge der Frömmigkeit den Klöstern in die ich gern als Beleg der Altenberger Chronik und deßen, was
der Vorzeit machte. Die Chronik des Klosters erwähnt folgende ich nach solcher von diesem ganzen Fenster gesagt habe, gehabt
dreÿ: hätte. Beide stehen also als zu Ende dieser Beschreibung der acht
1. Eines mit den Wappen und der Innschrift Andreas Rex Fenster in diesem Saale, ganz treu nach den Originalen gemahlt.
Vngario, Gertrudis. Wahrscheinlich von dem König Andreas – Die Altenberger Chronik hat [ein Wort unleserlich] alles richtig
von Ungarn und seiner Gemahlin Gertrud selbst in diese Kirche angegeben, nur das vergaß sie zu bemerken, daß auch auf diesen
gestiftet, oder von der H. Elisabeth, die eine Tochter besagten Scheiben mit den Keiser Bildnüßen die Namen stehen.
Königs von Ungarn und Gertrudis war, mithin zum Andenken Nachtrag von Graf Eberhard XV. zu Erbach-Erbach:
ihrer Aeltern. Dürfte dieses Fenster nicht aus der Hand eines Cölner Meister
2. Das andere mit dem Gräfl ich Ziegenhainischen Wappen und Gozwin oder Magister Wilhelm hervorgegangen sein? Außer
der Innschrift Mechtildis de Ziegenhayn. Diese Mechthild war diesen 10 Scheiben gehören dazu 4 in der Schloß Capelle und 2
eine Tochter Heinrich Landgrafen von Heßen und Urenkelin in der Eulbacher Capelle, also 16 in toto.
der H. Elisabeth, woraus sich denn die Stiftung dieses Fensters, In der Beschreibung der Begräbnis-Kapelle neben dem Rittersaal
besonders noch wegen dieser nahen Verwandtschaft mit der werden weitere vier Glasgemälde erwähnt:
Meisterinn Gertrud von selbst erklärt.
3. In dem dritten Fenster waren außer den Biblischen 4 Diese Angabe ist falsch, da Agnes die Tochter des Grafen Emich IV.
Vorstellungen a. das Naßauische Wappen, mit der Innschrift von Leiningen gewesen ist. Der Fehler geht wahrscheinlich auf Diede-
Otto Comes, Agnes de Nassowe. b. die Bildnüße Keisers Adolph rich zurück. Vgl. Anm. 2.
5 Bei der Paginierung des Katalogs wurde offensichtlich die Seiten-
von Naßau und seiner Gemahlinn Imagina, und c. ein Reichs
zahl 376 vergessen; der Text auf pag. 377 schließt jedenfalls direkt an
Adler mit der Innschrift Adolphus Romanorum Rex. Imagina
pag. 375 an.
Regina. 6 Anmerkung am rechten Rand: Auf der Einfassung: Melch: Balt:
Daß also dieser Adolph von Naßau und seine Gemahlinn dieses Casp:.
Fenster gestiftet hatten, ist außer Zweifel, und wahrscheinlich in 7 Anmerkung am rechten Rand: Auf den Spruchbändern: Ave M: ple-
Gemeinschaft mit obigem Grafen Otto seinem leiblichen Onkel, na und Ecce Ancilla.
deßen Gemahlin Agnes eine Gräfi n von Solms 4 gewesen ist. 8 Die Scheiben befanden sich seit 1873 in der Hubertus-Kapelle.
regesten 517
Das Fenster linkerhand in dieser Kapelle besteht aus vier Christus am Oelberge, Geißlung, Himmelfahrt, Kreuzigung,
Scheiben, so von dem Fenster, das K(aiser) Adolph von Naßau in Kreuzesabnahme, Begräbnis, Auferstehung.
die Kirche nach Altenberg stiftete, übrig blieben. Zu diesem hohen Kirchenganzen zählen weiter diejenigen
Erbach, Graf zu Erbach-Erbach und Wartenberg-Roth, vier großen Scheiben, welche in das westliche Fenster der
Gräfliche Rentkammer, Katalog Nr. 1, pag. 375–3815, 478. Schloßkapelle gefaßt sind; sie completieren die Heilsgeschichte
durch die Darstellung der: Anbetung der drei Könige, Maria mit
3 Erbach 1865/66 dem heiligen Geiste, Mariae Verkündigung.
Handschriftlicher General-Katalog der Sammlungen des Hauses Endlich müßten zu diesem gemalten Ganzen die beiden im
Erbach, im Winter 1865/66 verfasst von Graf Eberhard XV. Eulbacher Jagdkapellchen gefaßten Scheiben gerechnet werden,
zu Erbach-Erbach, mit Illustrationen von J. K. Clement, nehmlich: Ein Fegfeuer und: Jesus als guter Hirte 8 .
Haushofmeister und Kustos. – Außer dem Fenster im Rittersaal Erbach, Graf zu Erbach-Erbach und Wartenberg-Roth,
(pag. 29) werden folgende Standorte mit Scheiben aus Altenberg Gräfliche Rentkammer, Katalog Nr. 15, pag. 57–59.
erwähnt:
Eulbach, Inselkapelle im Englischen Garten, IVtes Fenster an der
Kanzel (…): DAGOBERTSHAUSEN, PFARRKIRCHE
29. Feegfeuer; diese und die folgende Scheibe gehörten zu dem
Altenberger Fenster von Kaiser Adolph. 6 Dagobertshausen 1824 Nov. 30
30. Jesus als guter Hirte; (…) Schreiben des Pfarrers Zuschlag an den Hofbaumeister Johann
Erbach, Schloss, Begräbnis-Kapelle: C. Bromeis:
Das Fenster linkerhand in der Begräbnis=Capelle besteht aus Da zu befürchten ist, daß von den antiquarischen Fenstern in
4 großen Scheiben, welche zu dem Iten Fenster des Rittersaales hiesiger Kirche immer mehrere Scheiben abhanden kommen, so
gehören, welches Kaiser Adolph in das Kloster Altenberg stiftete: wäre es doch unmaßgeblich mir lieber, wenn Euer Wohlgeboh-
Die beiden unteren Scheiben stellen dar: Anbetung des Heiland ren, insofern die von dem Herrn Überbringer Ihnen überreichte
Kindes durch die 3 Könige 6 , während die oberen darstellen: Probe gefallen sollte, so gütig wären, die sämmtlichen Reste von
Marias Verkündigung durch Gabriel, der heilige Geist kommt diesen alten Fenstern je eher je lieber abholen und dafür uns
über Maria durch das Gehör {englischer Gruß7. neue einsetzen zu lassen (…).
Erbach, Graf zu Erbach-Erbach und Wartenberg-Roth, Marburg, HStA, 7 b 1, Hofbaudirektion, Nr. 464 (Herbeischaf-
Gräfliche Rentkammer, Katalog Nr. 13, pag. 38, 43f. fung der bunten altertümlichen Glasscheiben in den Kirchen-
fenstern zu Dagobertshausen und Immenhausen).
4 Erbach um 1870–1884
Handschriftliches Supplement zum General-Katalog, verfasst 7 Kassel 1824 Dez. 10
von Graf Eberhard XV. zu Erbach-Erbach zwischen 1870 und Schreiben des Kurfürstlichen Konsistoriums an die Kurfürstli-
1884. In einem Nachtrag zur Schlosskapelle finden die beiden che Hofbau-Direktion:
Altenberger Scheiben erneut Erwähnung. Der Kreisrath Rohde zu Melsungen hat uns berichtet, daß der
Im Fenster links des Altares: Glasermeister Bauer von den zu der Kirche in Dagobertshau-
Unteres Quartier, Mitte: Jesus der gute Hirte von dem Fenster sen sich befundenen alterthümlichen Kirchenfenstern, im Auf-
Kaiser Adolphs aus dem Kloster Altenberg bei Wetzlar, XIIItes trag [der] Kurf. Hofbau-Direktion am 29. November zwey
Jahrhundert. Schoppen [hat] ausheben und wegschaffen lassen, jedoch für das
Im Fenster rechts des Altars: Einsetzen anderer Fenster nicht gesorgt habe, wodurch ein der
Unteres Quartier, Mitte: Jüngstes Gericht, von den Scheiben des Gesundheit nachtheiliger Luftzug und großes Mißvergnügen in
Klosters Altenberg aus dem XIIIten Jahrhunderte. der Gemeinde entstanden sey (…).
Erbach, Graf zu Erbach-Erbach und Wartenberg-Roth, Marburg, HStA, 7 b 1, Hofbaudirektion, Nr. 464 (s.o.).
Gräfliche Rentkammer, Katalog Nr. 14, pag. 23f.
8 Kassel 1824 Dez. 20
5 Erbach 1876 Febr. Der Hofbaumeister Bromeis bestätigt die Ankunft der Glas-
Handschriftliche Beschreibung der Erbacher Sammlungen, ver- malereien aus Dagobertshausen; Bromeis an Zuschlag:
fasst von Graf Eberhard XV. zu Erbach-Erbach im Februar 1876, (…) daß gen. Glasermeister (…) 18 vierkantige Gefache jedes
in Ergänzung zum General-Katalog von 1865/66. Auszug: zu 21 bis 24 Zoll hoch und 18 bis 19 Zoll breit so wie 9 spitze
Von diesen weit in die christliche Kunst zurückragenden Gefache, richtig anher geliefert hat, der größere Theil davon ist
Produkten der Kirchenmalerey hatte der weiland regierende jedoch sehr schadhaft (…) sind noch mehrere Fenster schadhaft
Fürst von Solms-Braunfels die freundschaftliche Rücksicht, das und sollen nach der Aussage des Glasers Bauer auch noch 92
von Kaiser Adolph von Nassau und seiner gemahlin Imagina in Stück mangelnde Fensterscheiben, da, wo keine bunte Fenster
das Kloster Altenberg bei Wetzlar gestiftete große Kirchenfenster waren, zur völligen Herstellung der dasigen Kirchenfenster,
dem Erbauer des Saales zu widmen. Die Zeichnungen gestalten eingesetzt seyn.
sich noch als Documente roher Kunst, während die Farben Marburg, HStA, 7 b 1, Hofbaudirektion, Nr. 464 (s.o.).
schon mächtigen Glanz entwickeln. Diesem Fabricate des
XIIIten Jahrhunderts verdoppelt der Umstand seinen Werth,
daß, während zu dieser Zeit die Glasmalerei in Frankreich FRANKENBERG, LIEBFRAUENKIRCHE
schon blühte, Glasgemälde in unserem Vaterlande noch zu
den Seltenheiten zählten. Die sujets der Erlösungsgeschichte 9 Frankenberg 1476
stellen dar in jetziger Fassung: Jüngstes Gericht, Ausgießung Wigand Gerstenberg berichtet als Zeitzeuge von dem ver-
des heiligen Geistes, Geburt des Herrn, Abendmahlseinsetzung, heerenden Stadtbrand, der auch Teile der Glasmalereiausstat-
518 regesten
20 Haina 1708 (...) befi ndet sich dermalen in einem Zustande, welcher für die
Im folgenden Jahr erhält Hörlemüller noch einen Abschlag (vgl. Erhaltung desselben und der darin befi ndlichen Glasmalereien
Reg. Nr. 19): nur sehr nachtheilig sein kann und in Betracht der Schönheit
Vor fenstermacher arbeit in hiesiger Kirchen in annis 1705 / und der Grossartigkeit des Gebäudes und der Mannigfaltigkeit
1706 / et 1707 Verfertiget, dem hörlemüller zahlt, laut ahsigna- und Zierlichkeit der nun leider schon größtenteils zerstörten
tion Vom 8ten 9br. und Qtung Vom 23. ten 9bris. Dieses Jahrs, Glasmalereien erscheint der Wunsch gewiß gerechtfertigt, daß
nachdeme demselben in ao. 1707 uf seine dißfalls übergebene dieselben so wie das ganze Gebäude vor dem gänzlichen Un-
Rechnung bereits 100 fl . bezahlt, wie in erm(elter) Rechnung tergang geschützt werden möchte. (...) Bei steten Regengüssen
unter diesem Titul zu ersehen. dringt das Wasser in die Kirche ein, zieht in den nicht geplatteten
Haina, Archiv, Hospitalrechungen. Gedruckt in: Grenz 1992, Boden und theilt dadurch dem ganzen Gebäude eine Feuchtig-
S. 145. keit mit, welche den Auffenthalt in demselben ungesund macht;
an den Wänden des Chors ist die Tünchen abgefallen und grüne
21 Haina 1778 Moose überziehen die Steine. (...) Von den Fenstermalereien,
Aufgrund korrodierter und lose gewordener Deckschienen fal- welche den Hauptschmuck der Kirche bildeten, und von denen
len bald ganze Felder aus ihren Einfassungen: zwar noch so viel erhalten ist, daß man sich eine Vorstellung
Dem Schreiner Lorentz Schröder zu Löhlbach Vor ein neü Stück von der ehemaligen Schönheit und dem Reichthume derselben
Fenster in die grosse Kirche so rausgefallen gewesen 3 Schuh machen kann, ist leider der größte Teil zerstört, wohl weniger
breit 3 Schuh lang und 3 Zoll ltq 1 rth. durch Muthwillen als durch das Ausfallen des Glases aus dem
Haina, Archiv, Hospitalsrechungen. Gedruckt in: Grenz 1992, verwitterten Bleye.
S. 207. Die Kirche gewährt auf diese Weise einen traurigen Anblick
und jedem Beschauer (...), wenn die Sonne hier und da noch
22 Marburg 1828 Apr. 17 farbiges Glas durchscheint und in bunten Streifen an den Wän-
Im Bauverzeichnis von 1828 erfährt man erstmals von den ge- den hingleitet und an die magische Beleuchtung erinnert, wel-
fährdeten Glasmalereien: che ehedem diesen Raum erhellt haben mag, wenn dann diese
An der Kirche sind die aus koloriertem Glase bestehenden farbigen Gläser von dem Winde hin und her geweht werden
Fenstern sehr beschädigt und durch die bisherigen Flickereyen und klirrend herunter fallen, und der Regen durch die feh-
so sehr verunstaltet, daß das schöne Ansehen dieser Fenster fast lenden Fensterscheiben einschlägt, wenn der feuchte unebene
ganz verlorengegangen ist. Denn die durch das colorirte Glas Boden die grün bemoosten nassen Wände und eine unheimlich
gebildeten schönen symbolischen Figuren, sind durch die Fli- moderige Luft den Beschauer umgeben, dann muß sich dem-
ckereyen meistens ganz verstümmelt. Es ist daher zu beklagen, selben der sehnliche Wunsch aufdringen, daß, wo möglich recht
daß diese Figuren, welche durch die beschädigten und heraus- bald, etwas zum Schutze dieses gewiß klassischen Monuments
gefallenen Glasscheiben gelitten hatten und defekt geworden gothischer Baukunst in Kurhessen, gethan würde. (...) Um-
waren, nicht gleich wieder von einem geschickten Kunstglasner ständlicher ist die Herstellung der gemalten Fenster, die aber
hergestellt worden sind, und es wäre daher zu wünschen, daß um so wünschenswerther erscheint, als derartige Kunstwerke,
jetzt da, wo das farbige Glas herausgefallen ist, wieder derglei- namentlich so schöne, wie diese sind, immer seltener werden.
chen eingesetzt werde (...). Da mir aber in unserer Gegend kein Wie oben bemerkt, ist der größte Theil der Fenstermalereien
Kunstglasner bekannt ist, so dürfte es wohl rathsam seyn, sich nicht mehr vorhanden, die meisten Fenster enthalten gar nichts
nach einem solchen Glasner anderwärts umzusehen, entweder mehr davon, in andern sind nur noch Fragmente davon übrig,
in Caßel, Fulda oder Mainz, und wenn ein solcher Mann sich welche eben ausreichen, die Schönheit der Verzierung anzudeu-
fi nden sollte, so müßte man mit ihm einen möglichst billigen ten; vollständig ist keines mehr, die deffecte wurden schon vor
Accord abschließen, auf die Weise, daß man ihm die Kost im längerer Zeit durch ordinaire Glasscheiben ersetzt, welche aber
Hospital und außer dem noch einen angemeßenen Lohn geben. auch nicht mehr vollständig sind. – Eine vollständige Wieder-
Marburg, HStA, 53a, Oberbaudirektion, Nr. 1022 (Acta Die herstellung der Fenster in der Art wie sie ehedem gewesen sein
Kirche zu Haina betr. 1828–1848). Gedruckt in: Grenz 1992, möchten, würde einen sehr großen Kostenaufwand erfordern
S. 115. und scheint auch deshalb nicht räthlich, weil alsdann die den ge-
ringeren Flächenraum einnehmenden älteren Malereien, welche
23 Marburg 1843 Aug. 15 verwittert sind, gegen größere neue Flächen unansehnlich und
Der Oberbaudirektor Bromeis legt dem Ministerium des In- als Nebensache erscheinen würden. Der vom Landbaumeister
nern ein umfangreiches Gutachten zum baulichen Zustand des Arend in Marburg, im Dezember 1829 gemachte Vorschlag:
Klosters vor: mehrere Fenster, in denen sich noch Zierrathen befi nden, zuzu-
Die Regierung zu Marburg (...) spricht sich (...) für die Restaura- mauern und mit den dadurch gewonnenen bemalten Gläsern
tion und Erhaltung zugleich auch für die Belassung der Fenster die übrigen Fenster auszubessern, erscheinet abgerechnet, daß
an Ort und Stelle aus, fügt jedoch hinzu, daß die Fonds bisher gerade die zum Zumauern bestimmten untern kleinen Fenster
zu dieser Restauration nicht anreichend gewesen seien und trägt wegen Erhellung des unteren Theils der Kirche nicht entbehr-
zugleich auf Verfügung an, das von dem Hofbaukondukteur lich sein möchten, und deswillen nicht ausführbar, weil die Ver-
Engelhardt, welcher in früherer Zeit die Kirche zu Haina auf- zierungen in jedem Fenster verschieden von den andern und
gemessen und Zeichnungen von den Fenstern angefertigt habe, ganz für den Ort, für den sie bestimmt waren, eingerichtet sind,
ein Kostenanschlag über die Herstellung der Fenster aufgestellt so z.B. daß die in den untern, dem Beschauer näher stehenden
und ihr solcher dann nach vorgängiger Feststellung durch die Fenstern befi ndlichen Malereien zierlicher, detaillierter und
Ober-Bau-Direction mitgetheilt werde, um darnach die Arbeit in kleinerem Maaßstabe ausgeführt sind als die oberen, welche
vornehmen zu lassen (...). Die Kirche zu Haina, eines der größ- gleichwohl sehr reich, aber in ihrer Anordnung auf eine grö-
ten und interessantesten Gebäude des Mittelalters in Kurhessen ßere Fläche berechnet sind. Es würde durch Zusammenstellung
520 regesten
dieser ungleichartigen Stücke kein Ganzes entstehen, sondern noch die Herstellung der gemalten Fenster, welche der Kirche
indem man das eine zerstörte, würde das andere durch Zwi- einen ganz besonderen Werth verleihen und über deren Be-
schensetzen von fremdartigen, verdorben werden. schaffenheit und künstlerischen Werth im § 3 ein Mehreres
Der Vorschlag des Unterzeichneten gehet nach Vorerwähnten gesagt wurde, als der wichtigste Theil des ganzen Restaurati-
dahin: Die noch vorhandenen Glasmalereien vorsichtig heraus- onswerkes, zu besprechen übrig. Als die zu Gebote stehenden
zunehmen, zu reinigen und vor allem in neues Blei zu setzen, artistischen wie pecuniären Kräfte weit übersteigend, kann es
was jedoch durch einen geschickten Glaser geschehen müßte, sich nicht darum handeln, dieselben in ihrem ursprünglichen
damit die Muster nicht entstellt würden: an den Stellen, wo in Zustande, soweit derselbe aus den vorhandenen Resten noch
den Mustern Scheiben fehlen, wären für die farbigen bemal- erkannt werden kann, gänzlich wieder restaurieren zu wollen,
ten, einfache farbige, und für die weißen bemalten, matte oder sondern vielmehr nur darum, letztere vor weiterer Zerstö-
verwitterte Scheiben einzusetzen, indem weiße helle Scheiben rung zu sichern und so ihrem gänzlichen Verfalle vorzubeugen
zwischen dem bemalten tauben Glase, den Effect sehr stören (...). Die Beschädigungen entstanden theils durch das Ablösen
würden; sodann wären die so hergestellten Verzierungen nach ganzer Gefache, theils durch Zerstörung einzelner Scheiben,
vorgängiger Reparatur der Windeisen wieder in die bezüglichen wie beide Fälle an den Fenstern vielfach wahrgenommen wer-
Fenster einzusetzen (...). Schließlich folgt hierbei ein Verzeich- den. Der erstere Fall wird hauptsächlich durch das Losgehen
niß über die Anzahl, die Größe und den dermaligen Zustand der die Gefache an ihrem Rande festhaltenden Eisenschienen
der verschiedenen Fenster der beschriebenen Kirche, woraus zu hervorgerufen. (...) Werden nun durch verschiedene Ursachen,
entnehmen ist, daß bei der großen Quadratfußzahl Fenster die gewöhnlich durch Verrosten der Stifte, die Schienen wieder
Herstellungskosten nicht unbedeutend sein werden und solche getrennt, so senkt sich das Glasgefach und wird endlich durch
nach der angefügten oberfl ächlichen Berechnung = 1500 rth be- die Einwirkung der Stürme ganz herausgerissen oder es werden
tragen können. Gleichzeitig werden hiermit die von dem Hof- durch das ewige Rütteln die Scheiben aus ihrer Fassung gelöst.
baukondukteur Engelhardt verfertigten Zeichnungen, welche Dieser Fall ist an den Fenstern zu Haina vielfach zu bemer-
derselbige die Gefälligkeit hatte, zur Ansicht und demnächsten ken; die aufgelegte Eisenschiene ist theilweise ganz verloren
Rückerstattung zu leihen, vorgelegt (...). gegangen und bei späterer Ausbesserung dadurch ersetzt, daß
Marburg, HStA, Rep. I. Kl. 49, Nr. 11 (Ministerium des In- man die offenliegenden Fugen der Gefache mit Mörtel verstri-
nern). Gedruckt in: Grenz 1992, S. 115–127. chen hat. Auch bei andern Gelegenheiten hat der Maurer den
Glaser ersetzen müssen, indem viele schadhafte Gefache, statt
24 Haina 1849 März sie zu erneuern, kurzweg zugemauert sind. Ebenfalls nach-
Gutachterlicher Bericht von Prof. Dr. Friedrich Lange über die theilig wirkt das Losgehen der die Gefache in der Mitte an den
Klosterkirche zu Haina und deren angemeßene Wiederherstel- auswendig davor hergelegten Windeisen befestigenden Hefte,
lung. Auszug: indem erstere dadurch ein Spiel der Stürme und die Scheiben
§ 3. Die gemalten Fenster der Kirche. endlich aus ihrer Verbleiung losgerüttelt werden. Im zwei-
Die gemalten Fenster der Klosterkirche, leider dermalen nur ten, häufigeren Falle, wovon sich an den Fenstern die meisten
ein geringer Rest der ursprünglichen überschwänglichen Pracht, Beispiele und zwar zum Theil aus neuester Zeit zeigen, wurde
sind noch jetzt in ihrem auf unwürdige Weise vernachlässigten eine einzelne Scheibe durch einen Steinwurf zerstört. Da nun
Zustande deren höchster Schmuck. Sie gehören zu dem schöns- eine jede Scheibe das nicht unbedeutende Gewicht der darüber
ten, was die Kunst der Glasmalerei hervorbrachte und über- befi ndlichen andern sammt ihrer Verbleiung zu tragen hat, so
treffen weit alles, was sich davon nicht nur in unserm engern hat der Ausfall einer derselben das Senken mehrerer und ihr
Vaterlande, sondern auch in größerer Entfernung erhalten hat, Gleiten aus der Bleifassung zur natürlichen Folge, bildet somit
wie sich auch die gerühmten Glasgemälde des Kölner Dom- den Keim zur allmählichen Zerstörung eines ganzen Gefaches.
chores mit ihnen nicht messen können [sic!]. Man weiß wirklich Da nun durch die lange Vernachlässigung fast kein Gefach ohne
nicht, ob man die unerschöpfl iche Phantasie mehr bewundern Beschädigung aus einer oder der andern der beiden Ursachen
soll, welche in unendlicher Mannigfaltigkeit aus arabeskenar- oder aus beiden zusammen geblieben ist, so erklärt sich daraus
tigen Verschlingungen und verschiedenartigen vegetabilischen hinlänglich der jetzige traurige Zustand der Kirchenfenster, und
Motiven ein Fensterfeld zu einer besondern Komposition bil- die schmerzliche Thatsache, daß fünf Sechstheile der ursprüng-
dete – oder die Sicherheit und Reinheit der Zeichnung neben lichen farbigen Verglasung gegenwärtig für immer vernichtet
dem unsäglichen Fleiße der Ausführung. Mit der Vollendung sind und auch die vorhandenen Reste einem solchen Schicksale
der Kirche (etwa zu Anfange des 14. Jahrhunderts) gleichzeitig mit raschen Schritten entgegeneilen, wenn nicht baldige Hülfe
gehören sie noch jenem ältern Style der Glasmalerei an, wel- geleistet wird.
cher mit Verschmähung aller farbigen Mitteltöne auf in regel- Solche zu gewähren, müssen sämmtliche Fenster vermittelst
mäßigem Wechsel zusammengesetzten weißen und einfarbigen bequemer Gerüste genau revidirt und die schadhaften Glasge-
Glasstücken seine schwarz umrissene Zeichnungen nur durch fache herausgenommen werden. Vor ihrer Ausbesserung oder
schraffi erte Schatten und eben solche Gründe hervorhob. Daß etwa nöthiger gänzlicher Auseinandernahme muß von jedem
man sich dabei fast nur auf geometrische oder vegetabilische Fenster eine genaue Zeichnung in wirklicher Größe, ein soge-
Elemente beschränkte, scheint mehr eine den Grundsätzen des nannter Carton, gefertigt und jedes der einzelnen Gefache oder
Cistercienserordens gemachte Concession zu sein, welcher bei bei der Auseinandernahme jede einzelne Scheibe genau an ih-
der Ausschmückung seiner Kirchen alle bildlichen Darstellun- rer Stelle auf den Carton gelegt werden und dort bis zur neuen
gen möglichst vermied. (...). Mehr oder weniger vollständige Zusammensetzung liegen bleiben, um so jede leicht mögliche
Reste der ursprünglichen farbigen Verglasung befi nden sich in Verwechslung zu verhüten. Auch die Fugenlinien der Schei-
folgenden Theilen der Kirche (...). ben, nach welchen die Bleistreifen gebogen werden, müssen
§ 7. Vorschläge zur Wiederherstellung der Kirche. zu diesem Zwecke auf einer hölzernen Tafel genau vorgerissen
(...). E. Herstellung der gemalten Fenster. Es bleibt zum Schlusse werden. Das Verfahren, dessen sich in angedeuteter Weise die
regesten 521
Verfertiger der kunstvollen Fenstergemälde bedienten, hat um- zwei großen Fenster, von denen das eine über dem Westportale,
ständlich ein Schriftsteller des 11. Jahrhunderts (Theophilus, das andere über dem des nördlichen Querschiffe befi ndlich ist,
presbyter et monachus, diversarum artium schedula, libr. III., im Ganzen vollendet. Beide Fenster sind übrigens bereits seit 4
wovon Schreiber dieses eine lateinisch-deutsche Ausgabe vorbe- Wochen in Arbeit genommen; der Carton zu den gänzlich zer-
reitet hat) beschrieben. Auch bei der Auseinandersetzung sind störten Theilen des letztgenannten, welche im Style der noch
die alten vortreffl ichen Bleistreifen möglichst beizubehalten, vorhandenen alten ergänzt werden müssen, ist seit 14 Tagen von
wo dieses nicht angeht, durch ebensolche und zwar gegossene zu mir fertig gezeichnet und dient dazu als Muster, während der zu
ersetzen. Diese haben vor den gezogenen den Vorzug, daß sie den zerstörten Theilen des andern, welche in ihrer Ergänzung
zu besserer Wirkung der Glasgemälde weit schmaler, von vorn die lebensgroßen Figuren der Patrone und Stifter des Klosters
betrachtet, sein können und doch letztere an Haltbarkeit weit enthalten sollen, gegenwärtig von mir angefertigt wird. Außer-
übertreffen. Ausgefallene Scheiben müssen aus blind geschlif- dem sind 3 bereits ausgeführte Fenster noch nicht vollständig
fenem Glase von gleicher Stärke, wie das der alten Scheiben, eingesetzt und ebenso vier kleinere des Unterstockes nach ei-
ersetzt werden, wodurch die Wirkung der alten gemalten Schei- nigen kleinen Ausbesserungen noch einzusetzen. Sämmtliche
ben weniger gestört wird, als durch stets mißlingende Versuche Arbeiten an den Fenstern werden voraussichtlich bis zu Anfang
eines Versteckens der Schäden durch buntes Glas [sic!]. Juli d.J. vollendet sein.
Auch gegen eine Verzierung der jetzt nur eine weiße Vergla- Marburg, HStA, 19 l, Nr. 1353, Vol. 1. Gedruckt in: Grenz
sung habenden Fenster mit Friesen aus buntem Glase, wie sie 1992, S. 134.
nach Inhalt der Akten mehrfach vorgeschlagen werden, muß
ich mich entschieden aussprechen, indem eine solche neben dem 26 Marburg 1851 Sept. 9
edlen Style der alten Glasgemälde nur als Spielerei erscheinen Im September 1851 fehlen lediglich noch die neu anzuferti-
und von der Kunst und dem Geschmack unserer Tage ein trau- genden Stifterbilder des Westfensters:
riges Zeugniß abgeben würde. Zudem käme die Durchführung Bis auf die untern Gefache des Fensters über dem Westportale
einer solchen Verzierungsweise theuer zu stehen, da die an vie- sind jetzt sämtliche Fenster der Kirche vollständig hergestellt
len Fenstern im ganzen noch gut erhaltene alte Bleiverglasung und wieder eingesetzt (...).
durchgängig zerstört und durch eine voraussichtlich jener an Marburg, HStA, 19 l, Nr. 1353, Vol. 1. Gedruckt in: Grenz
Festigkeit nachstehende neue ersetzt werden müßte. Am zweck- 1992, S. 134f.
mäßigsten erscheint es dagegen, sich nur auf eine sorgfältige
Ausbesserung der alten Fenster zu beschränken und, da deren 27 Marburg 1852 Okt. 14
Verglasung in überwiegender Mehrheit und in nicht gerade Lange bittet um die Erhaltung des neu errichteten Brennofens
übelstehender Weise aus kleinen rautenförmigen Scheiben ge- in Haina. Schreiben an das Kurfürstl. Ministerium des Innern:
bildet ist, letztere auch bei allen nur aus weißem Glase beste- Der mit der Leitung des Bauwesens des Landeshospitals Haina
henden Gefachen durch die ganze Kirche durchzuführen. Daß beauftragte Professor Lange zu Marburg berichtet gehorsamst
die Fenster bei dieser Gelegenheit gründlich gereinigt werden in Betreff des zur Herstellung der gemalten Fenster der dor-
müssen, wozu eine starke Laugenaufl ösung hinreicht, braucht tigen Klosterkirche gebrauchten Apparats.
nicht bemerkt zu werden. Nach der Wiederherstellung der gemalten Fenster der Kloster-
Um das fernere Beschädigen der Fenster durch Steinwürfe zu kirche zu Haina ist der dazu angeschaffte und gebrauchte Ap-
verhüten, wäre den Hospitaliten, namentlich den Geisteskran- parat: namentlich der Schmelzofen mit gußeiserner Muffel, mit
ken, das Betreten des ihnen ohnehin nicht angewiesenen Raumes Wächterröhren, eisernem Pfannengestelle, Pfannen und sonsti-
längs der Ost- und Nordseite der Kirche zu verwehren [!]. gem Zubehör, so wie eine Menge anderer zur Herstellung der
Was nun die Ausführung der Glaserarbeiten selbst betrifft, so Fenstergefache dienenden Werkzeuge für das dortige Hospital
müssen dazu geschickte und zuverlässige Glaser, welche unter werthlos geworden. [Die Erhaltung des Ofens hätte] auch für
fortwährender Controle eines Sachkundigen, am besten eines den Staat selbst den Vortheil (...), daß derselbe zur Wiederher-
solchen, der zugleich die erwähnten Cartons anfertigt, verwen- stellung alter Fenster davon Gebrauch machen könnte (...). In
det werden. Dabei scheint es in jeder Beziehung vortheilhafter, Bezug auf die Möglichkeit, daß ein solcher Fall leicht eintreten
wenn diese wichtige Arbeit nicht in Accord gegeben, sondern in könnte, erlaube ich mir nur auf die Sct. Elisabethkirche hier-
der Weise im Tagelohn vorgenommen wird, daß man den Gla- selbst hinzuweisen, deren von allen Seiten ersehnte Wiederher-
sern bei guter und möglichst beschleunigter Arbeit eine vorher stellung hoffentlich bald bevorsteht, da namentlich auch die in
bestimmte Gratifi kation in Aussicht stellt. Bei akkordmäßiger derselben befi ndlichen kostbaren Glasmalereien einer durch-
Übertragung der Arbeit liegt dagegen die Befürchtung nahe, greifenden Reparatur dringend bedürfen.
daß der sie Uebernehmende aus Furcht, bei einer so ungewöhn- Marburg, HStA, Archiv der Regierung zu Cassel ab 1843, Mi-
lichen und schwer zu überschlagenden Arbeit zu Schaden kom- nisterium des Innern, Rep. I. Kl 49, Nr. 11. Gedruckt in: Grenz
men, eine hohe Forderung thut, und dann, nach geschehener 1992, S. 135f.
Bewilligung derselben, so schnell als möglich und auf den Schein
arbeitet, um an Zeit, Mühe und Material zu ersparen (...). 28 Marburg 1856 Okt. 7
Haina, Archiv, Hospitalrechungen. Zitiert nach: Grenz 1992, Abschließender Bericht Langes an das Ministerium des In-
S. 128–133 (S. 131 nicht paginiert). nern:
Die Wiederherstellung der sämmtlichen 40 Kirchenfenster, un-
25 Marburg 1851 Mai 5 ter denen einige von kolossalen Dimensionen (21 Fuß breit und
Schreiben Langes an die Kurfürstliche Bezirks-Direktion (Be- 42 Fuß hoch), und von denen die eine Hälfte fast ganz neu in
zirks-Direktor Ungewitter) in Marburg zum Stand der Arbei- rautenförmigen Mustern verglast ist, die andere Hälfte aber aus
ten: kostbaren Glasgemälden besteht, welche etwa zur Hälfte ganz
I. Wiederherstellung der gemalten Fenster. Diese ist bis auf die neu gefertigt, zur anderen Hälfte gänzlich umgearbeitet und er-
522 regesten
gänzt worden sind, kostet im Ganzen 2881 Thlr. 2 Sgr. und 11 18 albus Curtt Jungen vor 4 schock[?] glaß zu Zwickeln.
Hlr.; der Quadratfuß Verglasung in ersterer Weise kostete da- 11 1/2 albus Curtt Schneider von Rottenbergk vor 2 1/2 schock[?]
bei 15 Sgr.; der Quadratfuß gemalter Verglasung 24 bis 25 Sgr. glaß zu Zwickel.
Dieses günstige Resultat wurde nur dadurch erreichbar, daß die 6 albus Heintz Steubenn vor glas zwickeln und
Arbeiten unter meiner fast stündlichen speciellen Leitung und 4 albus Heintz Schön auch vor glas Zwickeln gegeben.
Beihülfe nur von Glasergehülfen ausgeführt, die Materialien Hersfeld, PfA.
direkt bezogen und die Farben in einem zu Haina selbst errich-
teten Glasofen eingebrannt wurden (...). 32 Hersfeld 1602
Marburg, HStA, 53a, Oberbaudirektion. Gedruckt in: Grenz Auszug aus den Rechnungsbüchern:
1992, S. 136f. 1 gulden 19 albus 3 pfennig Hanns Arnolten geben von denen
fenstern in der kirchen zu bessern und auß zu fl icken.
29 Haina 1916 Juni 28 Hersfeld, PfA.
Schreiben des Bezirkskonservators Alois Holtmeyer an den
Landeshauptmann in Hessen. Die bereits von Lange unter 33 Hersfeld 1649
denkmalpflegerischen Gesichtspunkten erarbeiteten, später Auszug aus den Rechnungsbüchern:
fallen gelassenen Restaurierungsgrundsätze sollten nun doch 10 albus 6 pfennig meister Steffan dem fenster Macher vor Fens-
zur Anwendung gelangen. Der Glasmaler soll die Fehlstellen: ter auß zu beßern.
a) bei alter Verglasung in gemalten Feldern im Lokalton ohne Hersfeld, PfA.
Malerei, in nicht gemalten Feldern in Antikglas oder altem Kir-
chenglas ergänzen. 34 Hersfeld 1682
b) Neue Verglasung mit gemalten Feldern im Lokalton mit Ma- Der Fenstermacher Hans Krammer hat mehrere von den
lerei, in nicht gemalten Feldern in gewöhnlichem Fensterglas Schlossern zerschlagene Fenster wiederhergestellt. Auszug aus
[ergänzen]. den Rechnungsbüchern:
Haina, Archiv, Hospitalrechungen. 14 gulden 20 albus seint Hanß Krammern fenster macher wg.
der Kirchen fenster so die schlosser zerschlagn zu dass Kostn hal-
30 München oder Marburg 1942 Jan. 30 ber theil gegeben wordn.
Auszug aus einem Schreiben an den Glasmaler Statsberger im 3 gulden 6 albus seint den groben Knechtn gegebn wordn so dem
München, der noch vor der Kriegsbergung der Glasmalereien fenster macher haben hant reichnung ihm müssn.
mit Restaurierungsmaßnahmen betraut wurde: Hersfeld, PfA.
Die kleinen Fenster in der Nordwand sollen wiederhergestellt
werden. Wenn ein kleines Fenster 650 Reichsmark kostet, sind 35 Hersfeld 1699
die Mittel zur Restaurierung dreier kleiner Fenster vorhanden. Mehrere Handwerker erhalten den Lohn für ihre Arbeit an den
Vorerst soll Statsberger Neuantikglas für fünf Fenster sicher- Fenstern. Auszug aus den Rechnungsbüchern:
stellen sowie ein Fenster restaurieren. Sämtliche originalen 2 gulden 14 albus 9 pfennig Caspar Thomaßen vor fenster arbeit
Glasteilchen müssten erhalten werden. Die Zwickel aus den in der Stadtkirchen.
Rosetten, die ihm schon vor zwei Jahren zugegangen sind, sind 12 albus 4 pfennig Johann Georg Ließen vor fenster arbeit be-
ebenfalls unter Beibehaltung der alten Teile zu ergänzen. zahlt.
Am 20. März sendet Bezirkskonservator Friedrich Bleibaum 7 albus vor fenster arbeit in d Kirchen Johannes Eydam be-
eine »Farbprobe« für die Fenster der Nebenschiffe zu: zahlt.
Die Spitzbögen zu dem Fenster, das Ihnen nach München ge- Hersfeld, PfA.
sandt wurde, sitzen noch in der Wand. Diese Reste sollen dem
Glasmaler umgehend zugeschickt werden. Der Wunsch des 36 Hersfeld 1796
Glasmalers, altes Glas aus den großen Rosetten zu säubern und Die Stadt beabsichtigt den Verkauf der noch vorhandenen 125
für die Seitenschiffenster zu benutzen, dürfen wir nicht erfül- Felder in der Hersfelder Stadtkirche. Auszug aus den Ratspro-
len. Altes soll unberührt erhalten werden. tokollen:
Marburg, LfD, Akte Haina, Klosterkirche. Man fi ndet einen neuen Fensterbau bei allhiesiger Stadtkirche
nothwendig und [ist] nicht abgeneigt, das sich an denen Kir-
chenfenstern noch befi ndliche sämtliche bunte Figurenglas an
HERSFELD, STADTKIRCHE einen sich hierzu angegebenden Liebhaber, wenn es einigerma-
ßen bezahlt werde, käufl ich zu überlassen.
31 Hersfeld 1586 Hersfeld, StadtA. Gedruckt in: Gerhard Uhde, Glasscheiben
Über 33 Gulden werden für den Ankauf großer Mengen an der Hersfelder Stadtkirche in der Löwenburg, in: Kasseler Post
Butzen und Zwickel zur Blankverglasung von Kirchenfenstern Nr. 29 vom 3. Februar 1961.
ausgegeben. Auszug aus den Rechnungsbüchern:
15 gulden 21 1/2 albus Clauß Rechtbercken vor 2 ton[?] [Tru- 37 Kassel 1798
he?] fenster schieben gegeben. Laut Rechnungsbuch wurden im Jahr 1798 für die Ausstattung
7 1/2 gulden 11 albus Hanß Heusenern vor ein ton[?] fenster der neu erbauten Kapelle auf der Löwenburg in Kassel der Stadt
schiben gegeben. Hersfeld 100 Taler für entnommene Glasmalereien bewilligt.
5 gulden 10 albus B. hanß Paneln und Hanß festen, j deren 300 Die Archivalien sind heute nicht mehr greifbar. Vgl. Heidel-
fenster schieben bezalt. bach 1909, S. 245.
3 gulden 25 alb Hanß Heusenern vor 29 schock[?] glas zu Zwi-
ckeln.
regesten 523
digster Herr, das gute Werk aufgegeben hatten, die hiesigen den erwähnten Fenstern anzufertigen (…).
bunten Glasfenster dem Verderben zu entziehen und ihnen Marburg, HStA, 7 b 1, Hofbaudirektion Nr. 464 (s.o.).
neue angemessene Bestimmung zu geben. Die Wahl der heraus-
zunehmenden bunten Glasfenster habe ich dem Glasermeister
Bauer überlassen. Er hat wohl sehr richtig eins von mittlerem KASSEL-WILHELMSHÖHE, SCHLOSS
Werth herausgenommen, wonach abzusehen ist, wie die üb-
rigen beschaffen sind. Sollte diese I. Kgl. Hoheit (…) nicht ge- 53 Kassel 1825 Okt. 4
fallen, so bitte ich (…) doch auf die zwey besten aufmerksam zu Kurfürst Wilhelm II. an den Hofbaumeister Bromeis über die
machen, welche sich in zwey Fenstern – ganz oben in Rosen sich Anschaffung von Glasmalereien für Löwenburg und Martins-
befi nden – nehmlich den schönen Christuskopf und das schöne kirche in Kassel:
Wapen, welche beide Stücke (…) so sehr gefallen haben. Kommt Wenn die Zusammensetzung der bunten Scheiben so geschie-
indes (…) noch ein starker Windsturm, so geht es wahrscheinlich het wie sie bei dem hochsel. Kurfürsten in der Kapelle der Lö-
verloren (…). wenburg sind eingesetzt worden; und wie Ich es bey Meinen
Marburg, HStA, 7 b 1, Hofbaudirektion, Nr. 464 vielseitigen Reisen gesehen habe, wo die bunten Glasfenster
(Herbeischaffung der bunten altertümlichen Glasscheiben größtentheils immer aus kleinen Stücken bestanden, welche
in den Kirchenfenstern zu Dagobertshausen und Immen- waren zusammen gesetzt worden. So befi ndet sich hier in der
hausen). Immenhäuser, der Dagobertshäuser und mehreren anderen
Kirchen buntes Glas, welches von den schlechtesten Sorten aus
49 Kassel 1824 Dez. 23 dem Materialienhause könnten ersetzt und jenes gute Glas noch
Das Kurfürstliche Konsistorium an die Kurfürstliche Hofbau- zu mancherley Gegenständen, wo das bunte Glas angenehm er-
Direktion: scheint, als wie zu Fenstern in die Löwenburg und zu Fenstern
Zugleich bemerkt der Pf(arrer) dass auch alle übr(igen) in die Kapelle der großen Kirche neben das Grab Philipp des
alterthümliche(n) Glas-Scheiben deren etlich und fünfzig Ge- Großmüthigen [könnte verwendet werden]. Der H. Schwalm
fache wären, zur (…) Disposition stünden, die arme Gemeinde wird beauftragt die anher gekommenen Kirchenfenster von Da-
aber die Hofnung hege, dass S.K.H. (…) geruhen würden, zur gobertshausen fertig zu machen und einzuliefern.
Ausbesserung der K(irche) der es an einem Fond fehle, ein Gna- Marburg, HStA, 7 b 1, Hofbaudirektion, Nr. 464 (Herbeischaf-
dengeschenk zu bewilligen (…). fung der bunten altertümlichen Glasscheiben in den Kirchen-
Marburg, HStA, 7 b 1, Hofbaudirektion Nr. 464 (s.o.). fenstern zu Dagobertshausen und Immenhausen).
zu Hersfeld versehen lassen. Aber auch Kurfürst II. beabsichti- mindestens in 2 Gruppen gesondert. Da wohl auch jetzt an eine
gte diese Verwendung von Glasmalereien aus der Dagoberts- gleichzeitige Abgabe der Wilhelmshöher Medaillons kaum wird
häuser, Immenhäuser und mehreren anderen Kirchen für wei- gedacht werden können, so würde allerdings die Ueberlassung
tere Fenster der Löwenburg und für den Chor der hiesigen St. der Museumsscherben kaum für die betreffende Gemeinde von
Martins Kirche, wie das aus einem allerhöchsten Rescript vom Wert sein. Eher dürfte man daran denken, dieselben der klei-
4. Oktober 1825 an den Oberhofbaumeister Bromeis bestimmt nen Marburger Sammlung zu überweisen, da der Conservator
hervorgeht; und schon in einem Auszug aus dem Geh. Kab. Pro- derselben Bickell vielleicht bei seiner großen Liebe einzelnes
tokoll vom 27. Dezember 1822 wird auf eine frühere Verfügung wenigstens decorativ noch so zusammenzustellen verstehen
Bezug genommen, wonach Glasmalereien aus Kirchenfenstern möchte, dass Inschriften und Bilderreste sowie charakteristische
für die Löwenburg abgeliefert werden sollen (…). Es dürfte architektonische Details zur Erinnerung aufbewahrt bleiben.
sich empfehlen, die in 2 Kisten im Museum noch vorhandenen Hierzu in einem Randvermerk der Nachtrag:
Reste und Scherben (...) unter Aufsicht der Museumsdirektion Einige dieser Scherben konnte ich im Krieg in sehr mühevoller
durch den in solchen Dingen sehr bewanderten, als Lehrer bei Arbeit noch ziemlich vollständig zusammensetzen. Sie sind
der höheren Gewerbeschule angestellten Architekten C. Schä- dann bei einem Bombenangriff durch den Luftdruck vollkom-
fer einer genauen Durchsicht unterziehen zu lassen, damit die men vernichtet worden.
darin noch befi ndlichen und werthvollen Stücke thunlichst zu- Kassel, Hessisches Landesmuseum, Akten HLM K/P Korres-
sammengesetzt und so hergestellt werden, daß sie zum Studium pondenz, Notizen, Zeitungsausschnitte 2. Hälfte 19. Jh.
im Museum angemessen aufgestellt werden können. Die hier-
zu nicht brauchbaren Scherben und werthlosen Stücke dürften
dagegen dem Wilhelmshöher Materialienhause zu überweisen KASSEL, HESSISCHES LANDESMUSEUM
sein, um damit vorkommenden Falles Beschädigungen an den
Fenstern in der Kapelle der Löwenburg auszubessern. 58 Kassel 1869 Juli 8
Marburg, HStA, 7 b 1, Hofbaudirektion, Nr. 464 (s.o.). Die Kgl. General-Verwaltung des Kurfürstlichen Hausfidei-
kommisses wird darüber informiert, dass:
56 Kassel 1869 Juli 5 die auf dem Boden unter der Kuppel des Schlosses Wilhelmshöhe
Oberpräsident von Moeller an den Architekten Schäfer: befi ndlichen 10 Glasfenstertheile ins hiesige Museum vorsichtig
Auf den Bericht vom 1. d.M. Nr. 2602 veranlasse ich die Kgl. zu transportieren sind (…).
General-Verwaltung, den Architekten C. Schäfer hier selbst zu Marburg, HStA, 7 b 1, Hofbaudirektion, Nr. 464 (Herbeischaf-
beauftragen, die im hiesigen Museum und auf dem Boden unter fung der bunten altertümlichen Glasscheiben in den Kirchen-
der Kuppel des Schlosses zu Wilhelmshöhe vorhandenen Glas- fenstern zu Dagobertshausen und Immenhausen).
malereien aus hessischen Kirchen zu besichtigen und ein Gut-
achten über die Verwendung derselben abzugeben. Am nächs- 59 Kassel 1869 Sept. 7
ten liegt es, das den einzelnen Kirchen entnommene denselben Der Architekt Carl Schäfer teilt dem Oberpräsidenten Moeller
zurückzugeben, wenn in den Kirchen noch Verwendung dafür mit:
ist. Das Gutachten des Architekten Schäfer ist mir vorzulegen. (…) daß ich die übertragene Untersuchung der (…) Glasmale-
Marburg, HStA, 7 b 1, Hofbaudirektion, Nr. 464 (s.o.). reien vor längerer Zeit begonnen und zum großen Theil beendet
habe. Zur Richtigstellung der betreffenden Resultate erschien
57 Kassel 1879 Juli 27 mir indess ein Vergleich bezüglich der in den Fenstern der Burg-
Museumsdirektor Dr. Eduard Pinder, der Vater des Kunst- kapelle eingesetzten Glasgemälde nöthig und habe ich die hie-
historikers Wilhelm Pinder, beantwortet eine Anfrage der sige Arbeit deshalb bis zu erfolgter Besichtigung letztgenannter
Schlossverwaltung auf Rückgabe der Glasmalereien aus Dago- Fenster aussetzen müssen. Carl Schäfer Architect.
bertshausen: Noch im März des folgenden Jahres lag das angeforderte Gut-
Im Jahre 1869 hatte der Architekt Schäfer (später mit dem Bau achten nicht vor
des Universitätsgebäudes in Marburg beauftragt) vom Kgl. Marburg, HStA, 7 b 1, Hofbaudirektion, Nr. 464 (s.o.).
Oberpräsidium den Auftrag erhalten eine Reconstruction von
Fenstern aus den Scherben zu versuchen. Dieselbe gelange in- 60 Kassel 1872 Jan. 18
dessen nicht, obwohl damals die 10 Wilhelmshöher Medaillons Schließlich gelangten die vorübergehend an das Museum ge-
zur Vergleichung nach dem Museum geschafft worden waren sandten Stücke wieder auf die Wilhelmshöhe zurück. Schreiben
(...). Ich selbst ordnete dann in 3 Kästen die Scherben nur in so an Hofbaumeister Kugrini:
weit, dass Inschriften, Architekturteile etc durch Umschlag- (…) wurden hierdurch übersandt: 8 Medaillons mit Glasma-
papiere voneinander getrennt wurden. Meine Bitte, die Wil- lereien, in Rahmen, deren 2 schwach beschädigt, 2 Medaillons
helmshöher Medaillons im Museum zu belassen, um späteren beschädigt, ohne Rahmen, 2 hierzu gehörige Rahmen erhalten.
Forschern, deren Anregung ich vom Hessischen Geschichtsver- W.
ein erwartete, das Material zusammen vorlegen zu können, Marburg, HStA, 7 b 1, Hofbaudirektion, Nr. 464 (s.o.).
konnte wegen Zugehörigkeit zu den reservierten Besitzungen
nicht entsprochen werden, und so kehrten die 10 Medaillons
nach Wilhelmshöhe zurück (...). Von den verbliebenen Resten LIMBURG AN DER LAHN, STADTKIRCHE
ist nur ein kleines quadratisches Fensterteil noch über die Hälf-
te erhalten, die Zusammenstellung der noch übrigen Scherben 61 Limburg 1623
zu ganzen Fensterteilen wohl fast aussichtslos. Sie gehören üb- Der Limburger Chronist Johannes Mechtel erwähnt in seinem
rigens verschiedenen Fenstern, vielleicht sogar verschiedenen Werk Pagus Logenahe mehrere Fensterstiftungen Limburger
Kirchen (Immenhausen?) an, und sind nach Stil und Maßstab Patrizier für die Franziskanerkirche:
526 regesten
Die Zeit, als diese Patrizier in Limburg in Blüte standen, war, einen auf rotem Kissen ruhenden Helm mit zwei Adlerfl ügeln,
wenn wir genau nachforschen, das Jahrhundert nach 1300. Das [darunter durchgestrichen: ohne Visier und Schutz und eine
ist die Zeit, als die Franziskanerkirche erbaut wurde und in den darüber befi ndliche Lanze] daran das Wappen der Herren von
Fenstern die Bilder und Wappen Heinrich des Weißen, Johann Limburg angebracht ist; eine weiter unten stehende Tafel ist
Herstull und anderer erschienen. Auf ihre Bitten hin hat der ebenfalls mit dem Limburger Wappenschild in späterer Form
Trierer Erzbischof Bohemund von dem Kaiser Karl IV. ein gan- geschmückt. Auf 2 andern, unter sich nicht korrespondirenden
zes Heft von Privilegien erhalten und ließ sie mit einem gol- Scheiben ist das Wappen der Limburger Sendschöffen Johann
denen Siegel für die Stadt und Stadtbewohner bestätigen. Boppe und Heinrich Wisse dargestellt; auf einem dritten, sehr
Halle, Universitäts- und Landesbibliothek, Stolb.-Wern. Zh 60, schadhaften und stark zusammengefl ickten wahrscheinlich das
fol. 149. Hier zitiert nach: Michel 2005, S. 91. des Sendschöffen Johann Sebolt, welches dem Limburger Stadt-
wappen ähnelt. Da sich jedoch in der Umrahmung ein Drache
62 Frankfurt am Main 1883 Jan. und zwei fressende Vögel befi nden, so könnte es sich, falls diese
Aus einem Gutachten der Architekten Alexander Linnemann Stücke ursprünglich zu der Darstellung gehörten, um ein Su-
und Max Meckel aus Frankfurt: jet aus der Apokalypse handeln. Auf einer vierten Scheibe in
Das mittlere Chorschlußfenster ist noch mit einer gotischen der Mitte des Chorfensters zeigt sich das die Jahreszahl 1739
Glasmalerei, aus der Zeit der Erbauung der Kirche, versehen. tragende Wappen der Roth’schen Eheleute, dessen weiter unten
Zwar sind einzelne Theile des Fensters aus Resten anderer Fens- noch gedacht werden wird.
ter – wohl derselben Kirche – zusammengesetzt und ergänzt, Dann fi nden sich vor: 2 Baldachine, 2 Passionsbilder, nämlich
indeß ist von dem ursprünglichen Chorfenster an Teppichmus- Christus an der Geißelsäule und am Kreuze; 2 apokalyptische
ter, Baldachin-Architektur und Figuren noch so viel erhalten, Sujets, nämlich Christus mit dem zweischneidigen Schwerte und
daß das ganze Fenster ohne Schwierigkeit wiederhergestellt ein Gerichtsengel, und 8 Heiligenfiguren, nämlich die Mutter
werden kann. In Anbetracht des künstlerischen Werthes und Gottes mit dem Jesukinde auf dem Arme, der Hl. Bartolomäus,
der künstlerischen Bedeutung dieser Glasmalerei wäre deren der im J. 1317 kanonisirte hl. Bischof Ludwig von Toulouse, die
Wiederherstellung und Erhaltung an der ursprünglichen Stelle Hl. Clara, der Hl. Johannes Ev. (wie es scheint zweimal), die
wünschenswerth. Hl. Barbara und der Hl. Georg (wenn die Figur nicht etwa Kö-
Limburg, DA 2 C/5. nig Ludwig den Heiligen oder Michael darstellt) (…).
Limburg, DA 2 C/5.
63 Limburg an der Lahn 1883 Apr. 3
Stellungnahme des Politikers August Reichensperger anlässlich 65 Roermond 1884 Jan. 22
der Besichtigung der Kirche mit Domdekan Dr. Klein: Glasmaler Nicolas schickt eine Skizze zur Neuzusammenstel-
Das alte Glasfenster müsse Ausgangspunkt und Maßstab für lung des alten Fensters. Zur Anpassung der mittelalterlichen
die weiteren Wiederherstellungsmaßnahmen sein, da es unstrei- Scheiben an den neuen Fensterzyklus sollen die alten Felder
tig seiner Hauptteile nach der noch vorhandenen Kreuzigung, neu bemalt und die Malerei neu eingebrannt werden:
samt dem obern Theile ursprünglich an diesem Platze gewesen Die alten Stücke müssen nachgemalt werden und gebrannt, weil
und den Hauptaltar geziert hat, während die unteren Theile, sie überall abgeschabt sind. Jeder Archäologe wird wahrschein-
später hinzugefügt, immerhin derselben entnommen sind (…). lich dieser Manier, um die alten Fenster zu benutzen, beistim-
Das Fenster ist künstlerisch so schön und wertvoll, daß es, so- men, denn so braucht auch nur ganz wenig in den Thema’s der
bald es in der richtigen Weise wiederhergestellt ist, es von jedem anderen Fenster geändert zu werden, man braucht nur einige
Kunstkenner als das Wertvollste in der Kirche erkannt wird. Heiligenbildchen beizufügen, damit alles übereinstimmt. Die
Daher darf es nicht von seinem Platz genommen werden. Der Geißelung Christi habe ich weglassen müssen, weil die Figür-
von Domdekan Klein geplante Zyklus mit den sieben Sakra- chen zu klein und die ganze Vorstellung nur 29 cm breit ist und
menten, den Reichensperger für keine glückliche Lösung hält, diese Vorstellung besser in einem anderen Fenster anzubringen
müsse auf jeden Fall das Gliederungssystem dieses Fensters ist, auf der Manier wie in diesem Fenster die Kreuzigung.
aufgreifen. Die projektierten Großmedaillons kämen jedoch Limburg, DA 2 C/5.
dafür nicht in Frage.
Limburg, DA 2 C/5. 66 Limburg 1884 Juli 14
Nach der Instandsetzung des Fensters bittet Domdekan Klein
64 Limburg 1883 Juni 21 um Rückgabe der noch fehlenden alten Felder, soweit sie nicht
In einem Bericht an den Limburger Bischof Peter Joseph Blum in den anderen neuen Fenstern Verwendung fi nden sollen:
beschreibt Domdekan Klein ausführlich die alten Glasmale- Nr. 6 mit dem Helm der Herren von Limburg, Nr. 15 mit dem
reien im Ostfenster des Chors: Wappenschild derselben, Nr. 21 mit der Geißelung, Nr. 29 mit
Uebereinstimmend hiermit urteilt Herr Nicolas auf Grund der Bruchstücken verschiedener Tafeln.
Verschiedenheit der Sujets und der ornamentalen Ausführung Limburg, DA 2 C/5.
derselben, daß die einzelnen Tafeln mindestens 3 verschiedenen
Fenstern angehört haben müßten. Es fi nden sich nämlich 7 67 Roermond 1885 Okt. 29
Scheiben mit Teppichmustern auf blaßgrünem Grunde vor, und Nicolas entschuldigt sich bei Klein für den Verlust originaler
zwar alle oben, eingemischt unter dieselben fi nden sich eben- Felder:
falls auf Tafeln mit blaßgrünem Grunde die Figur eines Königs Es thut mir besonders leid, daß ich mit der Restauration des al-
mit dem Szepter und einem unleserlichen Spruchbande in der ten Fensters Eur. Hochwürden rechtmäßigen Unzufriedenheit
Hand, und 2 Wappenschilde der Herren von Limburg in der habe verdienen müssen. Ich gebe Eur. Hochw. die Versicherung,
jetzigen Form. Alle übrigen Tafeln haben einen andern, unter daß ich mein Bestes gethan habe und daß ich nie mit einer Res-
sich sehr verschiedenen Grund. Eine oben stehende Tafel zeigt tauration so viel Unglück gehabt habe. Was die fehlenden Schei-
regesten 527
ben anbetrifft, so muß ich leider vermuthen, daß sie vielleicht gebessert, da es an Fachkräften mangelt:
von einem ungeschickten Glaser als Bruchstücke verworfen Die Fenster mit ordinairen scheiben rapariret worden, dahin-
sind. Wenn Eur. Hochw. noch wissen wie sie gewesen sind so gegen, wo etwa im großen chor in denen gemahlten Fenstern
werde ich sie sehr gerne neu machen, oder Eur. Hochw. eine ein oder ander klein stück manglet, solches nicht auszubessern,
Entschädigung bezahlen. weillen solche künstler und meisters manglen, die damit umb-
Limburg, DA 2 C/5. zugehen wissen, doch ist alles, soviel thunlich gewesen, auch an
diesen fenstern repariret worden.
Marburg, HStA, 106a/5 (General-Visitations-Monita 1730–
MARBURG, ELISABETHKIRCHE 1744, betr. Visitation 1730).
durchs Alter, thun im Bley stehen und man also in wenig jahren 83 Birstein 1769 Jan. 28
die Rebration wieder zu gewarten hat, dann die mehrete quar- Da Johann A. Neidert aus Offenbach ein neues Fenster für 24
dier im Her raus nehmen zu sammen fallen welches man nicht Taler, also um einen Taler günstiger als Zierurff, anfertigt, ent-
ehr rat können ob im stehen noch immer ein wenig zu sammen scheidet man sich schließlich für ihn:
gehalten haben aber jetzo im Herausnehmen sig zeigt. Der Frankfurter rechnet ein ganzes Fenster für 14 Quadrat, je
Wenn die arbeit so gemacht wird wie angezeigt so ist’s Der Kir- Quadrat 1 Th 10 xr thut 16 Th 20 xr für ein fenster, für vier
che eine Ziehrte Von einer völligen Dauer und aus ansehen sein Stück Windeisen auf jedes Quadrat a 20 xr thut 4 Th 40 xr und 2
als were es alles Von einem gemacht Betregt ein fenster an ar- Th ein altes fenster herauszunehmen und das neue einzusetzen:
beith Lohn 40 th. 23 Th Arbeit Lohn fordert. Es müßten aber 6 Windeisen pro
2tenss Quadrat sein, kommen 10 xr hinzu, sind also 25 Th.
Wenn Die fernster aber nur Hin und Wieder sollten aus gebe- Für die Instandsetzung der alten Glasmalereien empfiehlt sich
sert werden wo sie schathafft nur mit Zinn gelöt und wo Bley dagegen keine Verakkordierung, weil sich der Zustand der
fehlt mit dem alten Bley aus gebesert und im alten Bley Das Fenster erst bei Abnahme beurteilen lässt:
glas ausgebutz und geseubert werden sollte welches letzere nicht So viel der Ausbeßerung der gemahlten fenster betrifft, läßt
recht sauber kann gesäubert werden wegen dem ziehelen[?] Blei sich zur Zeit noch kein zuverlässiger Überschlag nach accord
Beträgt sich ein fenster arbeit Lohn 34 Th pro Bausch und Bogen machen, weil immer eines mehr als das
Kann aber nicht under lasen zu melten das sie zweitte meltung andere beschädiget ist, und sich erst nach dem Herausnehmen
mir fast so Viehl arbeit macht als die erste und dennoch von zeigen muß, wie das alte Bley noch beschaffen. Wie es denn auch
keiner Dauer weillen das Bley ser alt und die Ver zinnung nicht überhaupt diese Ausbeßerung nun des willen, weil man suchen
wohl an nimmt also ein alt stück so viehl zinn kostet das man muß, die Figuren und Farben so gut als thunl. wieder zusam-
zwey neue damit Ver zinnen kan so kan (ich) nicht um hin die menzubringen und zu ergänzen. Man muß also ein fenster nach
Sache klärlich for zu stellen um meiner seits guidt zu sein wen es dem anderen veraccordiren.
nicht dauerhaft sollte gemacht werden. Um die Materialkosten zu überschlagen, soll zunächst mit ein
Marburg, HStA, 106a/42, Nr. 203 (Deutscher Orden Ballei Hes- paar Fenstern die Probe gemacht werden.
sen, Reparation der Fenster in der Elisabeth-Kirche, Vol. I). Marburg, HStA, 106a/42, Nr. 203 (Deutscher Orden Ballei Hes-
sen, Reparation der Fenster in der Elisabeth-Kirche, Vol. I).
81 Birstein 1768 Sept. 10
Der Hochmeisterlichen Regierung zu Mergentheim werden die 84 Birstein 1770 Juni 13
Ergebnisse des Kostenanschlags mitgeteilt: 39 Fenster wurden bereits mit einer barocken Wabenverglasung
Nach der Balley-Canzley-Bericht kommt hierbei anzumer- versehen. Um auch die 13 fehlenden auf gleiche Art instand zu
ken: setzen, und um die mittelalterlichen Fenster des Chores vor
1) dass überhaupt an der Kirche und in den Thürmen 67 große Einbruch des Herbstes zu restaurieren, will Glasermeister Nei-
fenster sind, und [der Glaser] nach geschehener ohngefährer dert die Anzahl seiner Gesellen verdoppeln:
Überrechnung davon 30 Stück von gemahlten Glase in den An die Hochmeist. Regierung zu Mergentheim
Haupt und Nebenchören wiederum ergänzen und herstellen zu Anliegend die Berechnung über die in der hohen Ordenskirche
können vermeinet. Nach diesem Supposito käme die Reparatur gefertigt gewordenen Kirchenfenster, so weit man nähml. bis
der gemahlten Fenster ad 15 Th pro Stück 450 Rthl – und von jezo damit fertig werden können, zur beliebigen Einsicht über-
den übrigen 37 St. so neu von weißem Glaß zu machen wären senden.
ad 31 Th – 1147 Rth. zu stehen. Es ergiebet sich daraus, dass bis nun zu 39 St. der großen Fenster
2) Wollte der jetzige Glaser Meister Zierurff [aus Frankfurt] von weisen Lohrer Sechseckigen Täfelgen hergestellt sind. Wel-
mit Stellung der Gerüste, Fertigung der Züge und den erforder- che mit allem Zubehör und Kosten auf 3089 Th 16 xr zu stehen
lichen Handlangern nichts zu thun haben (was zusätzlich 430 kommen.
Reichstaler erfordern würde). Summe 2027 Thl. Es ergiebt aber der besagten Berechnung noch angehängter
Man will daher weitere auswärtige Glaser fragen, um eventuell Überschlag, dass
einen günstigeren Preis auszuhandeln. 1) noch 13 St fenster von weißem Glase, welche auf 1027 Th hin
Marburg, HStA, 106a/42, Nr. 203 (Deutscher Orden Ballei Hes- kommen werden, und
sen, Reparation der Fenster in der Elisabeth-Kirche, Vol. I). 2) in den Hauptchor 16 St gemahlte fenster, wozu man das alte
bunte Glaß so weit es zureicht, wieder verbraucht, zu machen
82 Birstein 1768 Sept. 14 sind, und welche ebenfalls 1201 Th beyläufig kosten können,
An die Kapitulare der Ballei Hessen, von Diemar, von Starken- und also noch 2228 Th erförderl. wären.
berg und von Baumbach: Da nun der Glaser Meister, um diese Arbeit zu beschleunigen,
Die ganze Zahl der Kirchen fenster bestehet in 67 St, worun- und noch vor Ausgang des Sommers damit fertig zu werden,
ter nach meiner Balley Canzley Meynung vielleicht noch 30 St die Anzahl seiner Gesellen verdoppelt hat, und sowohl zu Her-
von gemahlten Glase wiederum zu ergänzen seyn mögten. Die beyschaffung der Materialien als zu Bezahlung des Arbeitslohns
übrigen 37 St hingegen von weißem Glase neu gemacht werden anständig baar Geld vorhanden seyn muß (…)
müßten. Für ein neues Fenster werden 31 Rth verlangt, für die Es folgt eine weitere Geldforderung.
Reparatur eines alten 15 Rth (…). Die Materialien lassen sich Ich kann im übrigen nicht unerwähnt laßen, dass ich bey mei-
nicht determiniren, (…) sondern auf Rechnung wird bestritten ner lezten Anwesenheit vor einigen Wochen zu Marburg gefun-
werden müssen, bey den vielen sehr großen und hohen Fenstern den, dass der Glaser Meister nicht nur günstige Arbeit machet,
aber ein gar namhaftes kosten wird. sondern dass auch die Herstellung der fenster dem an sich nach
Marburg, HStA, 106a/42, Nr. 203 (Deutscher Orden Ballei Hes- seiner Struktur sehr prächtigen Gebäude ein ungemeines reli-
sen, Reparation der Fenster in der Elisabeth-Kirche, Vol. I). ef giebet, und von Einheimischen und Frembden sehr belobet
530 regesten
wird, mithin dieses Werk realiter dem hohen Orden zur Ehre quantitaet nach und nach verkauft wird, sich in der ZinßMeis-
gereichet (…). terey Rechnung rub. Einnahme Geld Insgemein fi nden.
Marburg, HStA, 106a/42, Nr. 203 (Deutscher Orden Ballei Hes- Schmidt Kolben zum Löten, Brennholz zum Schmelzen, Löthen
sen, Reparation der Fenster in der Elisabeth-Kirche, Vol. I). und für die Kolben zu wärmen, Tannendielen für Gerüst.
Dem Glasermeister für jedes neue Kirchenfenster 24 Th, da nun
85 Marburg 1770 Aug. davon 39 St. und zwaar 6 über der großen Kirchen Thür unter
Für die wabenverglasten Fenster des Langhauses und der Kon- dem Uhrzeiger und in deren beiden großen Kirchenthürmen
chen stellt Glasermeister Neidert 24 Taler pro Fenster in Rech- 18 St im Langhaus
nung, für die Wiederherstellung der mittelalterlichen Fenster 4 Stück bey der Orgel
werden jedoch 30 Taler verlangt: 8 St im fürstl. Begräbnis und
1769 Vermöge accord soll der Glaßermeister Johann Adam 3 St in und über dem St. Elisabethenmonument
Neidert von Offenbach von einem Kirchen-Fenster mit 6- ------------------------------------------------------------
eckigten weißen Lohrer Scheiben neu zu machen, zu verglasen, 39 Stück neu gemacht worden so betraget das ganze Quantum
mit Wind Eisen zu versehen, einzusetzen, zu verspeisen und 936 Th
die alte fenster heraus zu nehmen haben 24 Th, da nun derselbe ferner
39 St gantz neu accordmäßig gemacht, so sind ihm dafür nach Hochderselbe in Ao 1770 (...) 13 1/4 St verfertiget von weisen
und nach bezahlt worden 936 Th. 6eckigt. Scheiben als 8 St. im fürstl. Begräbnis, 5 St. bey der
1770 den 11. Aug. demselben noch von 3 1/4 St fenster von Orgel und 1/4 St bey dem Monument
weißem Glaß, vor Stück 24 Th (…) Lohn 318 13 1/4 St. betragen 24 Th pro St. 318
demselben an verfertigung 16 St. gemahlten fenster vom St 30 Sodann
Th 480. Von 16 Stück gemahlten fenstern im SanctChor das Stück a 30
Marburg, HStA, 106a/42, Nr. 203 (Deutscher Orden Bal- Th thun 480
lei Hessen, Reparation der Fenster in der Elisabeth-Kirche, Summa 1734
Vol. II). Marburg, HStA, 106a/42, Nr. 203 (Deutscher Orden Ballei Hes-
sen, Reparation der Fenster in der Elisabeth-Kirche, Vol II).
86 Marburg 1770 Okt.
Aus Frankfurt bezieht Glasermeister Neidert über den Glas- 87 Birstein 1770 Okt. 3
händler Zahn grünes, gelbes, blaues und rotes Glas, welches Nach Fertigstellung der Instandsetzungsmaßnahmen bedankt
zur Herstellung der 16 Farbfenster im Chor benötigt wird. Das man sich bei der Hochmeisterlichen Regierung zu Mergent-
alte Blei kann noch einmal verwendet und überschüssiges Blei heim für die Übernahme von zwei Dritteln der Gesamtkosten,
mit Gewinn verkauft werden: die etwas mehr als 4901 Taler betragen:
Verrechnung derer zu denen neu=verfertigten Fenster und Seit weniger Zeit [ist] die Herstellung der neuen von weißem
sonsten an der Hohen Ordens St Elisabethen Kirchen bey der Glas verfertigten sowohl als der gereinigten, umgearbeiteten
Landcommende Marburg in A(nn)is 1769 und 1770 verwende- und ganz neu in Bley gelegten bunten Fenster an der hohen
ten Reparationskosten (Copia) Ordens Münster bey der mir gnädigst anvertrauten Landcom-
Ausgabe Geld für angekaufte Lohrer Fenster Scheiben aus Glas mende bey Marburg, zu völlig und endlichem Stande gekom-
Stücken men und der Zinsmeister Foersch [hat] die darüber geführte
1769 Rechnung auch gestellet (…).
April den 23ten für 8 Kisten solcher Scheiben a 1000 St. je Kis- Das Ergebnis rechtfertige die Kosten, die Glasmalereien seien
ten accordirt die Kiste zu 50 th 50 xr betraget und ein immerwährendes Denkmahl unseres gnädigsten fürsten re-
Juni 1ten, 4 Kisten Scheiben und 2 Korb Glas Stücken spect Obersten und Herrn angebohrener Milde und Gnade.
Juli 17ten für 3 Kisten Scheiben und 2 Korb Glas Stücken Marburg, HStA, 106a/42, Nr. 203 (Deutscher Orden Ballei Hes-
August 18ten 6 Korb Glas Stücken sen, Reparation der Fenster in der Elisabeth-Kirche, Vol II).
1770
Abril den 19ten für 1/2 Schock Gelb und 1/2 Schock dunkel 88 Marburg 1823 Jan. 28
braunes Glaß samt einen Verschlägel an Agent Schneider Erneute Schäden an den Glasmalereien zwingen zu raschem
Den 20ten für eine Korb Glas Stücker nebst [unleserlich] Leid Handeln. Das Konsistorium berichtet hierüber der Finanz-
zahlt kammer:
Am 28ten für zwei Körbe desgl. nebst Kisten (…), dass nach der Anzeige des katholischen Pfarrers, Professor
May den 28ten für 4 Kisten bedigl, Scheiben ohne Kisten von von Eß, eines der schönsten gemalten Fenstern in der Kirche St.
Factor Leid Elisabeth dahier, der schleunigsten Reparatur bedürfe (…). Bei
Dems. für 30 St. weiße Tafeln zum Landcommentur Kirchen der Untersuchung welche ich mit dem Glaser Schippel angestellt
Standhaus Kisten habe, fanden sich, als derselbe die Fenster mit einer hohen Lei-
Juni den 9ten demselben für 2 Kisten beiligt. Scheiben ter bestieg, dass nicht eines, sondern mehrere durch die Länge
Den 28ten für 2 Schock Grün, roth, blau und gelb Gläßern den der Zeit und Windstürme lose geworden, beschädigt und repa-
Glaßhändler Zahn in Franckfurt zahlt riert werden müßten, welches auch bestens geschehen ist.
Nota: Zu sämtl. Vorstehenden Bley hätten noch 12 Centr 69 Marburg, HStA, 315 f, Landeskirchenamt Specialia, Königl.
Pfund Hartbley angekauft werden müssen; man hat aber aus Consistorium für den Kirchenbezirk Cassel (Acta Die Dach-
dem alten Fenster Bley noch so viel bekommen, dass man nicht und andere Reparaturen von der Kirche St. Elisabeth zu Mar-
nur nicht nöthig gehabt neues anzukaufen, sondern man daran burg, Vol. I, 1815–1827).
so viel erübriget, dass noch 43 Centr 16 Pfund verkauft werden
können; und wird das daraus erlösende Geld in [unleserlich] die
regesten 531
auch die beibehaltenen in den Fenstern des Altarhauses durch ner farbigen Verglasung zu versehen (1), ebenso die Erneuerung
das Einsetzen heterogener Bestandtheile, denen die ursprüng- der vier Fenster in den Thürmen (2) sowie die:
lichen ächten natürlich weichen mußten, verstümmelt und ver- Herstellung und Ergänzung der Fenster in den 3 Chören mit
fälscht. möglichster Benutzung der vorhandenen alten Bruchstücke.
Die dermalen unternommene Restauration der letztgenannten Marburg, LfD, Denkmälerarchiv, Akten Marburg, Elisabeth-
Fenster ist bisher vorzugsweise darauf gerichtet gewesen, die kirche.
unerwünschten unächten Bestandtheile derselben zu entfernen
und die ursprüngliche Form der Glasgemälde dann ergänzend 98 Marburg 1904 Mai 6
durchzuführen. Um aber auch die eingefl ickten Stücke, welche Aus dem Protokoll über die Beratung zur Wiederherstellung
doch immer als werthvolle Reste vaterländischer Kunst Erhal- der Chorfenster, an der Baurat Waldhausen, Generalsuperin-
tung verdienen, nicht zu Grunde gehen zu lassen, sind diese tendent Werdner, Kreisbauinspektor Baurat Zölffel, Bezirks-
durch Ergänzung und Fortführung der an ihm ersichtlichen Konservator Prof. Dr. von Drach, Pfarrer Manger sowie Herr
Verzierungsmotive zur Bildung besonderer gemalter Fenster Engel vom Institut für Glasmalerei in Charlottenburg teilnah-
benutzt worden und konnte auf diese Weise die Zahl der gemal- men, geht hervor, dass die sechs Figurenfenster des Chores
ten Fenster überhaupt bis daher um drei Stück vermehrt wer- bereits fertiggestellt sind. Sie sollen bald eingesetzt und mit
den, während die sämtlichen Bestandtheile der noch nicht in Messingdrahtgitter geschützt werden. Für die noch nicht wie-
Angriff genommenen Fenster hoffentlich noch zu zwei weiteren derhergestellten Ornamentfenster wird man sich einen Kosten-
gemahlten Fenstern benutzt werden können. voranschlag erbeten. Das Charlottenburger Glasmalereiinstitut
Lange schlägt im Folgenden auch eine Buntverglasung der solle Vorschläge zur Wiederherstellung der Figurenfenster im
Fenster im Langhaus vor. Diese machten, so Lange, im Ge- Elisabeth-Mausoleum machen. Außerdem sollen die Figuren-
gensatz zur neuen farbigen Dekoration, die jetzt auch auf das fenster im Ordensarchiv (Jungfrauen) ordnungsgemäß ausge-
Querhaus übergreift, einen unharmonischen Eindruck. Eine bessert werden.
Farbverglasung der 39 Fenster würde Kosten in Höhe von 3510 Marburg, LfD, Denkmälerarchiv, Akten Marburg, Elisabeth-
Taler verursachen (je Fenster 90 Taler), für das große Westfens- kirche.
ter hätte man noch einmal 250 Taler aufzuwenden.
Marburg, HStA, 315 f, Landeskirchenamt Specialia, Königl. 99 Marburg 1905 Mai 12
Consistorium für den Kirchenbezirk Cassel (Acta Die Fenster Das Ministerium ordnet die Wiederherstellung der zehn Orna-
und Reparaturen an der Orgel und Kirche zu St. Elisabeth da- mentfenster durch die Glasmalereifirma Linnemann in Frank-
hier, Vol. IV, 1856–1860, III, 6b). furt a.M. an. Mitteilung des königlichen Baurats Hallmann an
Prof. von Drach.
95 Marburg 1858 Mai Marburg, LfD, Denkmälerarchiv, Akten Marburg, Elisabeth-
Lange erstellt einen Kostenvoranschlag zur Vollendung der ge- kirche.
nehmigten Restaurierungsarbeiten:
Sechs gemahlte Fenster hinter dem Hochaltar zu reparieren 500 100 Marburg 1935 Nov. 26
Th. Aus einem Brief des Preußischen Staatsarchivs Marburg
Aus einem weiteren Bericht an das Konsistorium geht hervor, (Knetsch) an Friedrich Bleibaum erfährt man von einem Vor-
dass am 28. Mai 1860 die sechs Figurenfenster bis auf zwei der- haben, zehn Fenster des Landgrafenchors mit neuen Glasma-
selben, welche noch in Arbeit sind, wiederhergestellt bzw. er- lereien auszustatten. Dabei sollen insgesamt hundert Wappen
gänzt und größtentheils eingesetzt sind. der hessischen Verschwägerungen des Landgrafen Philipp nach
Marburg, HStA, 315 f, Landeskirchenamt Specialia, Königl. Entwürfen von Prof. Otto Hupp aus Schleißheim zur Darstel-
Consistorium für den Kirchenbezirk Cassel (Acta Die Fenster lung gelangen, wobei ein Fenster paarweise je fünf Allianzwap-
und Reparaturen an der Orgel und Kirche zu St. Elisabeth da- pen aufzunehmen hätte.
hier, Vol. IV, 1856–1860, III, 6b). Marburg, LfD, Denkmälerarchiv, Akten Marburg, Elisabeth-
kirche.
96 Marburg 1861 Apr. 17
Die Restaurierungsmaßnahmen lösen im Konsistorium große 101 Quedlinburg 1940 Juni 22
Besorgnis über Art und Umfang des Eingriffes aus. Um die Im zweiten Kriegsjahr werden die mittelalterlichen Glasma-
Glasmalereien vor »Zerstörung« zu bewahren, untersagt man lereien durch Ferdinand Müller aus Quedlinburg ausgebaut.
Lange daher die weitere Arbeit. Lange wiederum empfindet Müller teilt Friedrich Bleibaum mit, dass die Arbeiten an den
den Umstand, dass das Consistorium daraus die sofortige An- Fenstern in der folgenden Woche beendet sein werden, die
ordnung des Ueberganges jener Gefache aus meiner Obhut in Felder sollen anschließend im Luftschutzkeller des Jubiläums-
die Verwahrung des lutherischen Ministeriums herleiten konn- baus in Marburg gelagert werden.
te, bevor noch die betreffenden Arbeiten überhaupt gänzlich Marburg, LfD, Denkmälerarchiv, Akten Marburg, Elisabeth-
abgeschlossen waren, als Vertrauensbruch. kirche.
Marburg, HStA, 315 f, Landeskirchenamt Specialia, Königl.
Consistorium für den Kirchenbezirk Cassel (Acta Die Fenster 102 Marburg 1941 Juli 16
und Reparaturen an der Orgel und Kirche zu St. Elisabeth da- Vgl. Reg. Nr. 97. Zwar wurde noch im Jahr 1938 eine staat-
hier, Vol. V, 1860–1861, III, 7b). liche Beihilfe in Höhe von 4500 Reichsmark für die Planung
(Entwurfszeichnungen) gewährt und mit der Ausführung
97 Marburg 1892 März 21 der Münchner Glasmaler Joseph Oberberger betraut. Der un-
Als Teil des Planes zur Sanierung der Elisabethkirche be- günstige Kriegsverlauf markiert jedoch für das Vorhaben eine
schließt man unter Punkt I, die 20 Fenster im Langhaus mit ei- Wende: Friedrich Bleibaum teilt Prinz Philipp von Hessen mit,
regesten 533
dass es zur Zeit verboten sei, Bleiverglasungen irgendwelcher bu(o)wemeistere oder ire nachkommende ime bestellen unde
Art auszuführen, weshalb etwa auch die Verglasung für den verandelogen alle isenwerg unde kalgspise uff des obgenanten
Mindener Dom stillgelegt worden sei. Schließlich kommt der buwes koste, als dicke des noid ist. Unde herumme soln derselbe
Plan ganz zum Erliegen. Peter unde Katherine, syne eliche husfrauwe, ire beider lebetage
Marburg, LfD, Denkmälerarchiv, Akten Marburg, Elisabeth- uß, dy(e)wile sie bii uns wonhafftig sin unde die obgenanten gla-
kirche. se in wesen unde in besserunge halden, geschoßes, bede, wachte
unde anders gesasten geldis fry(e) unde ledig bii uns sin. Wer es
103 Marburg 1947 Juni 10 aber, das man offen krieghette, als dicke das were, wann dann
Das Staatsbauamt Marburg an den Landeskonservator von Peter in heymsch ist, so soln sie wachen als anders unser midde-
Hessen: Vor dem Wiedereinbau der Glasmalereien müssen die burgere. Auch soln die obgenanten bu(o)meistere und ire nach-
beim Ausbau teils zerstörten Randstreifen erneuert werden. kommen en demeselben Peter syne lebetage uß unde dy(e)wile
Marburg, LfD, Denkmälerarchiv, Akten Marburg, Elisabeth- he die obgenanten glasfi nstere in wesen unde besserunge heldet,
kirche. als vorgerurt ist, alle jare zu den pingistheiligen tagen von des
egenanten buwes wegen seß elen wollenduches zu(o) eyme rocke
104 Frankfurt am Main 1949 Apr. 20 geben in der farbe, als der stadt knechten unde wergluden dann
Nachdem die Firma Matheis in Frankfurt bereits im Juni 1947 gegeben werden. Hirobir zu(o) orkunde han wir der obgenanten
einen ersten Kostenvoranschlag zur sorgfältigen Restaurierung staid cleyn ingesigel an dissen briff gehangen.
sämtlicher 17 Fenster eingereicht hatte, bessert man zwei Jahre Datum anno domini MCCCCXXIII(o) dominica, qua canta-
später aufgrund größerer Schäden an den noch nicht wieder- tur in ecclesia dei Invocavit.
hergestellten Fenstern nach: Marburg, HStA, Großes Stadtbuch, Bl. 51a; Eintrag von Hein-
Nach Überprüfung der restl. Chorfenster: rich von Homberg. Zitiert nach: Küch 1918, Nr. 89.
5 stark zersetzte ins. 5500,-
6 restliche mit Teilzerstörungen 3300,-
Marburg, LfD, Denkmälerarchiv, Akten Marburg, Elisabeth- MARBURG, RATHAUS
kirche.
107 Marburg 1524/25
105 Marburg 1950 Dez. 14 In den Rechnungsbüchern wird der Maler Johann von der
In einem Schreiben an Glasmaler Matheis bittet Oberregie- Leyten für die Anfertigung von Glasmalereien im Rathaus auf-
rungsrat Dr. Nothnagel um Rückgabe des immer noch fehlen- geführt:
den Kreuzigungsmedaillons. Demselbigen Johan moler von zwen glasscheiben in dem gros-
Marburg, LfD, Denkmälerarchiv, Akten Marburg, Elisabeth- sen sale [der Saal, der das ganze zweite Obergeschoss einnahm]
kirche. in die fenster, ein m g. hern von Hessen wopen, das ander m. g.
frauen wopen zu malen und bornen, geben zusamen 2 pfund 6
s.
EHEMALS MARBURG, MARIENKIRCHE Zitiert nach: Friedrich Küch, Wandmalereien im Rathause zu
Marburg, in: Jb. der Denkmalpflege im Regierungsbezirk Kas-
106 Marburg 1423 März 12 sel 1, 1920, S. 157–162, hier S. 159.
Die Stadt Marburg schließt mit Peter Mokes einen Vertrag we-
gen der Reparatur der Glasfenster in Kirche und Kerner.
Wir burgermeisterem scheffen unde raid zu(o) Marpurg beken- NEU-BERICH, KIRCHE
nen vor uns unde alle unser nachkommenden in disseme uffen
briffe, das wir mit wissen unde willen Heinrich Holczheymers, 108 Kassel 1913 Sept. 1
Wentzil von Giessen unde Heinrich Goltsmeds, zu dieser cziid Angebot des Königlichen Museums in Kassel, die alten Glas-
bu(o)wemeisterse unde luchtemeistere unser lieben frauwen malereien zum Preis von 4000–5000 Mark zu erwerben:
parrekyrchen buwe daselbis zu Marburg, unde dorch notz unde (…) um die Fenster für das Land und die Öffentlichkeit zu ret-
nottorfft desselben bu(o)wes eyntrecht lichen obirkommen sin ten, (…) [da sie] nächste Verwandtschaft mit gewissen hessischen
mit Peter Mokes, also das he, dywile he lebet, sal alle glasefi ns- Scheiben haben.
tere an der obgenanten parrekircken in deme kore, in der kir- Zitiert nach: Klaus-Dieter Kregelius, Berich und seine Kirche,
chen, in der sacristien, an allen enden unde iren zugehorungen Volkmarsen-Külte 1987, S. S. 22.
unde darczu alle glasefi nstere an deme kerner, oben unde un-
den, kleyne [steht: keyne] unde groß, bynnen disseme jare wid- 109 Marburg 1914 März 15
dermachen, wo des noid ist, mit bilden, geferbetem unde ge- Angebot der Marburger Glasmalereiwerkstatt K. J. Schultz/
brantem glase, wo unde wie sich das geboret. Dartzu(o) sollen Söhne für die Kirchengemeinde in Neu-Berich:
die egenanten buwemeistere eme unvetzogenlichen zu(o) dis- 1 mittleres Chorfenster im Auftrag des Fürstlichen Kabinetts
seme irsten [fehlt: Jahr] geben vier pund hellere vor bly(e) unde eine Glasmalerei angefertigt und eingesetzt einschl. der Repa-
vor glaß. Unde he sal dann forterme syne lebetage uß die vor- ratur und Einsetzen der alten Rautenverglasung [sic!] Offerte
genanten fi nstere alle in wesen unde in besserunge halden mit 1000 Mark.
glase unde bly(e) uff sine koste, unde soln auch die vorgenanten Külte, PfA. Vgl. Kregelius 1987 (wie Reg. Nr. 108), S. 60.
TAFELN
alsfeld . stadtkirche / ehemals altenberg . klosterkirche 537
Abb. 1. Architekturbekrönung. Alsfeld, Stadt- Abb. 2. Verkündigung an Maria. Ehem. Altenberg, Klosterkirche. New York, The
kirche, Chor I, 13b. Hessen(?), 14. Jh. – Kat. S. 71. Metropolitan Museum of Art, The Cloisters. Lahngebiet, um 1290/1300. – Kat. S. 89f.
Abb. 6. Abendmahl.
Erbach, Schloss, Rittersaal
(Nr. 2). – Kat. S. 85.
Abb. 12. Himmelfahrt (Nr. 9). – Kat. S. 87. Abb. 13. Pfi ngsten (Nr. 10). – Kat. S. 87f.
Erbach, Schloss, Rittersaal. Ehemals Altenberg, Klosterkirche. Lahngebiet, um 1290/1300.
Abb. 14. Höllenfahrt Christi (Nr. 13). – Kat. S. 88f. Abb. 15. Auferstehung Christi (Nr. 8). – Kat. S. 87.
Erbach, Schloss, Hubertuskapelle und Rittersaal. Ehemals Altenberg, Klosterkirche. Lahngebiet, um 1290/1300.
ehemals altenberg . klosterkirche / ehemals asmushausen . pfarrkirche 541
Abb. 16. Weltgericht. Erbach, Schloss, Rittersaal (Nr. 11). Ehemals Altenberg, Klosterkirche.
Lahngebiet, um 1290/1300. – Kat. S. 88.
Abb. 17. Martyrium des Hl. Erasmus. Asmushausen, Pfarrhaus. Abb. 18. Kopffragment. Ehemals Asmushausen, Pfarrkirche.
Ehemals Pfarrkirche. 2. Hälfte 15. Jh. – Kat. S. 93. Marburg, Universitätsmuseum, Nr. 30. 2. Hälfte 15. Jh. – Kat. S. 93.
542 braunfels . schlosskirche / dagobertshausen
Abb. 19. Maria mit Kind. Braunfels, Schlosskirche, Lhs. n IV, 1AB. Mittelrhein, um 1490/1500. – Kat. S. 96.
Abb. 20. Maßwerkdreipass mit Blütenkelchen. Dagobertshausen, Abb. 21. Maßwerkdreipass mit Blütenrosetten. Dagobertshausen,
Pfarrkirche, Chor s III, 1AB. – Kat. S. 102. Pfarrkirche, Chor s V, 1AB. – Kat. S. 103.
dagobertshausen . pfarrkirche / eschenstruth . pfarrkirche 543
Abb. 22. Segnender Engel in Turmarchitektur. Ehemals Dagoberts- Abb. 23. Wappen Koler. Ehemals Fürth, St. Michael. Braunfels,
hausen, Pfarrkirche. Kassel, Hessisches Landesmuseum, Nr. 9. Schloss, Gotisches Zimmer. Nürnberg, um 1580/1600. – Kat. S. 97.
Kassel(?), um 1440/50. – Kat. S. 104.
Abb. 24. Hl. Petrus, Ehemals Dagobertshausen. Kassel, Abb. 25. Maria mit Kind. Eschenstruth, Pfarrkirche, Fenster
Hessisches Landesmuseum, Nr. 8. Kassel(?), um 1440/50. n II. Nordhessen oder südl. Niedersachsen, um 1450/70.
Kat. S. 103. Kat. S. 106.
544 frankenberg . liebfrauenkirche
Abb. 26. Christus vor Herodes. Chor n II, 1a. – Kat. S. 116. Abb. 27. Geißelung Christi. Chor n II, 1b. – Kat. S. 116.
Abb. 28. Dornenkrönung. Chor n II, 1c. – Kat. S. 116. Abb. 29. Kreuzigung. Chor I, 1a. – Kat. S. 117.
Nordhessen(?), um 1350/60.
frankenberg . liebfrauenkirche 545
Abb. 30. Auferstehung Christi. Chor I, 1b. – Kat. S. 117. Abb. 31. Noli me tangere. Chor I, 1c. – Kat. S. 118.
Abb. 32. Aussendung der Jünger. Chor s II, 1a. – Kat. S. 118. Abb. 33. Himmelfahrt Christi. Chor s II, 1b. – Kat. S. 118f.
Nordhessen(?), um 1350/60.
546 frankenberg . liebfrauenkirche
Abb. 34. Christus als Weltenrichter. Chor s II, 1c. Abb. 35. Weinranken. Ornament. Chor s III, 1b.
Kat. S. 119. Kat. S. 119.
Abb. 36. Stehende Sibylle. Chor s III, 1a. – Kat. S. 119. Abb. 37. Sitzende Sibylle. Chor s III, 1c. – Kat. S. 120.
Nordhessen(?), um 1350/60.
frankenberg . liebfrauenkirche / fritzlar . ehem. chorherrenstift 547
Abb. 40. Fritzlar, ehem. Chorherrenstift. Maßwerkfenster n II der Abb. 41. Fritzlar, ehem. Chorherrenstift. Maßwerkfenster s II der
Allerheiligenkapelle. Fritzlar(?), 2. Viertel 14. Jh. – Kat. S. 127f. Allerheiligenkapelle. Fritzlar(?), 2. Viertel 14. Jh. – Kat. S. 128.
548 fritzlar . ehem. chorherrenstift
Abb. 42. / 43. Ornamentfelder mit Vierpässen. Allerheiligenkapelle n II, 4a/b. Abb. 44. Jesuskind
Fritzlar(?), 2. Viertel 14. Jh. – Kat. S. 127f. (Detail aus Abb. 48).
Abb. 45–47. Verkündigung. Hl. Agnes. Fritzlar, ehem. Chorherrenstift. Dommuseum, Nr. 2–4. Westfalen, um 1350. – Kat. S. 130.
fritzlar . ehem. chorherrenstift / gensungen . pfarrkirche 549
Abb. 48. Maria. Fritzlar, Dommuseum, Abb. 49. Beweinung Christi. Fritzlar, Dommuseum, Nr. 6. Mittelrhein, 1509.
Nr. 5. Mitte 15. Jh. – Kat. S. 132. Kat. S. 133.
Abb. 50. Kniender Stifter (Ausschnitt aus Abb. 49). Abb. 51. Hl. Petrus. Gensungen, Pfarrkirche. Kassel
oder südliches Niedersachsen(?), um 1490. – Kat. S. 135.
550 haina . klosterkirche
Abb. 53. Sechspass mit überlappenden Palmettblättern. Chor I, 3BC0 (Kriegsbergungsaufnahme 1942).
Haina(?), um 1250/60. – Kat. S. 165.
Abb. 54. Dreipass mit radial angeordneten Palmettblättern. Abb. 55. Kreisform mit eingeschriebenem Stern und Blattzwickeln.
Chor I, 2A0 (Kriegsbergungsaufnahme 1942). – Kat. S. 165. Chor I, 1BC0 (Kriegsbergungsaufnahme 1942). – Kat. S. 163.
552 haina . klosterkirche
Abb. 57. Zwickel mit Efeu. Qhs. N VI, 3A. Abb. 58. Zwickel mit Efeu. Qhs. N VI, 3D.
Kat. S. 168.
Abb. 59. Passfeld mit Stierkopf und Ahornlaub. Abb. 60. Passfeld mit Stern, Löwenkopf und
Qhs. N VI, 5BC3a/b. – Kat. S. 168–170. Weinlaub. Qhs. N VI, 5BC2a/b. – Kat. S. 168–170.
Abb. 61. Passfeld mit Kleeblatt und Wildem Wein. Abb. 62. Kreisform mit Vierpass und diversen
Qhs. N VI, 2AB6. – Kat. S. 168. Blattranken. Qhs. N VI, 2AB0. – Kat. S. 167f.
554 haina . klosterkirche
Abb. 63–65. Glasmalerlaunen an Ecken und Rändern: Hirschkopf (Detail aus Qhs. N VI, 5BC0a; vgl. auch Abb. 66),
Löwenkopf (Detail aus Abb. 60), Stierkopf (Detail aus Abb. 59).
Abb. 66. Kreissegment der Mittelrosette mit gemusterten Flechtbändern, eingestreuten Kreisen und hinterlegten Ahornzweigen;
Randbordüre aus Weinlaubranken. Qhs. N VI, 5BC1a. Haina(?), um 1260. – Kat. S. 168–170.
haina . klosterkirche 555
Abb. 67. Maßwerk-Couronnement mit Efeuranken und Bordüre Abb. 68. Ornamentzwickel mit Feldahornzweigen am auf-
aus Zaunrübenlaub. Ehemals Qhs. N VII, jetzt S IV (Montage der steigenden Stamm. Qhs. S VII. Haina(?), um 1260. – Kat. S. 170f.
Aufnahmen von 1942). Haina(?), um 1260. – Kat. S. 166f.
Abb. 69. Kreissegment mit gedrehten Astspeichen, Efeuranken- Abb. 70. Blattranke mit Efeulaub und -beeren
füllung und Randbordüre mit Zaunrübenranke (Ausschnitt aus (Ausschnitt aus Abb. 67, 2AB1).
Abb. 67, 2AB4).
Ausschnitte aus den Kriegsbergungsaufnahmen von 1942.
556 haina . klosterkirche
Abb. 71. Langhausfenster n I. Haina(?), um 1260/70. – Kat. S. 171. Abb. 72. Langhausfenster n II. Haina(?), um 1260/70. – Kat. S. 172.
haina . klosterkirche 557
Abb. 73. Langhausfenster n III. Haina(?), um 1260/70. – Kat. S. 173f. Abb. 74. Langhausfenster n IV. Haina(?), um 1260/70. – Kat. S. 174f.
558 haina . klosterkirche
Abb. 75. Langhausfenster n V. Haina(?), um 1260/70. – Kat. S. 175f. Abb. 77. Flechtwerkornament aus n II, 3–4b (Montage
der Kriegsbergungsaufnahmen von 1942). – Kat. S. 172.
haina . klosterkirche 559
Abb. 78. Dreipass mit Weinlaubfüllung und Borten aus doppelten Efeuranken.
Lhs. n IV, 1AB. – Kat. S. 175.
Abb. 79. Vierpass mit Eichblattfüllung. Lhs. n V, 2a, 4b Abb. 80. Flechtbandornament. Lhs. n III, 3–4a (Montage
(Kriegsbergungsaufnahmen 1942). – Kat. S. 175. der Kriegsbergungsaufnahmen von 1942). – Kat. S. 173.
560 haina . klosterkirche
Abb. 81. Langhausfenster N IX. Marburg(?), um 1290/1300. Abb. 83. Ornamentlanzette mit Blattkreuzen und umlaufender
Kat. S. 176f. Efeurankenborte. Lhs. N IX, 6a, 7b (Kriegsbergungsaufnahmen
1942). – Kat. S. 176.
haina . klosterkirche 561
Abb. 85. Ornamentlanzette mit Blattkreuzen und umlaufender Abb. 86. Langhausfenster N X (Aufnahme 2008). Marburg(?), um
Efeurankenborte. Lhs. N X, 6a (Kriegsbergungsaufnahmen 1942). 1290/1300. – Kat. S. 178f.
Kat. S. 178.
562 haina . klosterkirche
Abb. 87. Maßwerk-Dreipass mit Blütenrosetten und umlaufender Abb. 88. Maßwerk-Dreipass mit Blattsternen und rahmender
Blattranke. Lhs. N XI, 3AB (Aufnahme 1942). – Kat. S. 181. Eichenranke. Lhs. N XII (Aufnahme 1942). – Kat. S. 183.
Abb. 91. Ornamentfenster mit übereinander gestapelten, liegenden, genasten Vierpässen mit Blattfüllung, von einem durchlaufenden
Scherengitter überlagert. Lhs. N XIII (Montage mit Neuaufnahmen vor der Restaurierung). Frankfurt(?), um 1330/40. – Kat. S. 184.
Abb. 91a, b. Turmspitzen zweier Figurentabernakel. Lhs. N XII, 1a/b. Ehemals wohl Lhs. N XVII bzw. S XVII. Frankfurt(?), um 1330/40.
Kat. S. 182 und 197.
564 haina . klosterkirche
Abb. 92. Blattdreipass mit zentraler Blütenrosette und umgebender Abb. 93. Blattkranz mit zentralem Sternmotiv. Lhs. N XV, 2AB0
Eichblattfüllung. Lhs. N XIV, 1B (Aufnahme 1942). – Kat. S. 186. (Aufnahme 1942). – Kat. S. 192.
Abb. 94. Ornamentfelder mit Maßwerkmotiven. Lhs. N XIV Abb. 95. Ornamentfelder mit Blattkreisen. Lhs. N XV, 8/9a
(Aufnahmen von 1942). Frankfurt(?), um 1330/40. – Kat. S. 185. (Aufnahmen von 1942). Frankfurt(?), um 1330/40. – Kat. S. 191.
haina . klosterkirche 565
Abb. 96. Blattvierpass mit Sternmotiv. Lhs. N XVI, 2AB0 Abb. 97. Vierpass mit Weinlaubfüllung. Ehem. Lhs. N XVII,
(Aufnahme 2008). – Kat. S. 194. jetzt Haina, ehem. Klausurgebäude. – Kat. S. 197f.
Abb. 98. Ornament mit Blattkreisen. Lhs. N XVI, 8/9a. – Kat. S. 193. Abb. 100. Kopfscheibe wie Abb. 99 (verschollen). – Kat. S. 197.
Frankfurt(?), um 1330/40. – Abb. 97–100 (Kriegsbergungsaufnahmen von 1942; Abb. 97 Montage).
566 haina . klosterkirche
Abb. 101. Langhausfenster W I. Maßwerk-Couronnement (Aufnahme 2008). Frankfurt(?), um 1330/40. – Kat. S. 194–197.
Abb. 102. Lamm Gottes im Vierpass. W I, 1CD (Aufnahme 1942). Abb. 103. Kreuzigungsmedaillon. W I0 (Aufnahme 1942).
Frankfurt(?), um 1330/40. – Kat. S. 194. Frankfurt(?), um 1330/40. – Kat. S. 196.
haina . klosterkirche 567
Abb. 104. Christus am Kreuz zwischen Maria und Johannes dem Evangelisten (Ausschnitt aus Abb. 103).
Frankfurt(?), um 1330/40. – Kat. S. 196.
568 haina . klosterkirche
Abb. 106. Blattkreise mit übereck gestellten Quadraten. Lhs. S XIV, Abb. 107. Herzförmige Efeuranke. Lhs. S XIV, 6/7b, 8b
5a (Aufnahme 1942). Frankfurt(?), um 1330/40. – Kat. S. 189. (Montage). Haina(?), um 1260/70. – Kat. S. 190.
haina . klosterkirche 569
Abb. 108. Wappen Düngelen zu Bladenhorst. Lhs. S XIV, 4b Abb. 109. Wappen Schönfeld gen. Grasdorp. Lhs. S XIV, 4a
(Aufnahme 1942). Köln(?), 2. V. 16. Jh. – Kat. S. 189. (Aufnahme 1942). Köln(?), 2. V. 16. Jh. – Kat. S. 188.
Abb. 110. Wappen Hatzfeld-Wildenburg. Lhs. S XIV, 3b Abb. 111. Wappen Hackfort zu Vorden. Lhs. S XIV, 5b
(Aufnahme 1942). Köln(?), 2. V. 16. Jh. – Kat. S. 188. (Aufnahme 1942). Köln(?), 2. V. 16. Jh. – Kat. S. 189.
Abb. 116. Chor n III, Maßwerkverglasung. Nordhessen Abb. 117. Chor s III, Maßwerkverglasung. Nordhessen
oder Thüringen, um 1320. – Kat. S. 210f. oder Thüringen, um 1320. – Kat. S. 211.
Abb. 118. Chor n IV, Maßwerkverglasung. Nordhessen Abb. 119. Chor s IV, Maßwerkverglasung. Nordhessen
oder Thüringen, um 1320. – Kat. S. 211f. oder Thüringen, um 1320. – Kat. S. 212.
Abb. 120. Dreipass mit Blattknospen. Detail aus Abb. 116. Abb. 121. Vierpass mit Drachen. Detail aus Abb. 117.
hersfeld . stadtkirche 571
Abb. 122. Ornamentfenster mit gegenständigen Löwen. Vitaliskapelle, Fenster n II, 2–4a/b. Um 1320. – Kat. S. 214f.
572 hersfeld . stadtkirche
Abb. 123. Ornament mit Blattreifen und Sternen. Vitaliskapelle, Fenster n I, 2–4a/b. Um 1320. – Kat. S. 213f.
hersfeld . stadtkirche 573
Abb. 124. Vitaliskapelle, Fenster n I, Maßwerkverglasung. Abb. 125. Vitaliskapelle, Fenster n II, Maßwerkverglasung.
Nordhessen oder Thüringen, um 1320. – Kat. S. 213. Nordhessen oder Thüringen, um 1320. – Kat. S. 214f.
Abb. 127. Sakristeifenster n II, 3. Abb. 128. Sakristeifenster n I, 4. Abb. 129. Sakristeifenster n III, 1.
Kat. S. 230. Kat. S. 229. Kat. S. 228.
Abb. 136. Konstantin zieht in die Schlacht. Kassel-Wilhelmshöhe, Abb. 137. Bischof Quiriacus und Kaiserin Helena in der Kreuzes-
Löwenburgkapelle, Nr. 1. – Kat. S. 232. kirche. Kassel-Wilhelmshöhe, Löwenburg, Nr. 2. – Kat. S. 233.
Abb. 138. Gruppe von Reitern mit Lanzen. Kassel-Wilhelmshöhe, Abb. 139. Gruppe von Reitern mit Wimpel und Schilden. Kassel-
Löwenburgkapelle, Nr. 4. – Kat. S. 234. Wilhelmshöhe, Löwenburgkapelle, Nr. 5. – Kat. S. 234.
Ehemals Hersfeld, Stadtkirche, Kreuzlegendenfenster (Lhs. n VII). Nordhessen oder Niedersachsen, 3. Viertel 14. Jh.
576 ehemals hersfeld . stadtkirche
Abb. 140. Architektur mit Engeln. Kassel-Wilhelms- Abb. 141. Architektur mit Engeln. Kassel-Wilhelms-
höhe, Löwenburgkapelle, Nr. 6. – Kat. S. 234f. höhe, Löwenburgkapelle, Nr. 7. – Kat. S. 234f.
Abb. 144. Turmspitze mit Rosenstöcken. Kassel-Wil- Abb. 145. Turmspitze mit Rosenstöcken. Kassel-Wil-
helmshöhe, Löwenburgkapelle, Nr. 8. – Kat. S. 235. helmshöhe, Löwenburgkapelle, Nr. 9. – Kat. S. 235.
Abb. 146. Reicher Jude. Detail aus Abb. 159. Abb. 147. Engel. Detail aus Abb. 142.
578 ehemals hersfeld . stadtkirche
Abb. 148. Christus besucht Katharina im Gefängnis. Kassel- Abb. 149. Disputation Katharinas mit den Philosophen. Kassel-
Wilhelmshöhe, Löwenburgkapelle, Nr. 11. – Kat. S. 236. Wilhelmshöhe, Löwenburgkapelle, Nr. 12. – Kat. S. 236.
Abb. 150. Besuch von Kaiserin Faustina und Porphyrius im Gefäng- Abb. 151. Verurteilung der hl. Katharina. Kassel-Wilhelmshöhe,
nis. Kassel-Wilhelmshöhe, Löwenburgkapelle, Nr. 14. – Kat. S. 237. Löwenburgkapelle, Nr. 15. – Kat. S. 238
Ehemals Hersfeld, Stadtkirche, Katharinenfenster (Lhs. n V oder s VI). Nordhessen oder Niedersachsen, 3. Viertel 14. Jh.
ehemals hersfeld . stadtkirche 579
Abb. 152. Verbrennung der Philosophen. Kassel-Wilhelmshöhe, Löwenburgkapelle, Nr. 13. Ehemals Hersfeld, Stadtkirche, Katharinenfenster
(Lhs. n V oder s VI). Nordhessen oder Niedersachsen, 3. Viertel 14. Jh. – Kat. S. 237.
580 ehemals hersfeld . stadtkirche
Abb. 153. Turmspitze. Kassel-Wilhelms- Abb. 154. Geldleihe vor Nikolaus Abb. 155. Turmspitze. Kassel-Wilhelms-
höhe, Löwenburgkapelle, Nr. 21. als Zeugen. Kassel-Wilhelmshöhe, höhe, Löwenburgkapelle, Nr. 22.
Kat. S. 239. Löwenburgkapelle, Nr. 16. – Kat. S. 238. Kat. S. 239.
Abb. 156. Turmoktogon. Kassel-Wilhelms- Abb. 157. Turmsockel. Kassel-Wilhelms- Abb. 158. Turmoktogon. Kassel-Wilhelms-
höhe, Löwenburg, Nr. 19. – Kat. S. 239. höhe, Löwenburg, Nr. 18. – Kat. S. 239. höhe, Löwenburg, Nr. 20. – Kat. S. 239.
Ehemals Hersfeld, Stadtkirche, Reste der Langhausverglasung. Nordhessen oder Niedersachsen, 3. Viertel 14. Jh.
ehemals hersfeld . stadtkirche 581
Abb. 159. Die Bestrafung des Standbildes. Kassel-Wilhelmshöhe, Löwenburgkapelle, Nr. 17. – Kat. S. 238f.
Ehemals Hersfeld, Stadtkirche, Nikolausfenster (Lhs. n VIII). Nordhessen oder Niedersachsen, 3. Viertel 14. Jh.
582 ehemals hersfeld . stadtkirche
Abb. 160. Radmarter des Hl. Georg. Kassel-Wilhelmshöhe, Löwenburgkapelle, Nr. 23. – Kat. S. 240.
Ehemals Hersfeld, Stadtkirche, Rest eines Georgsfensters. Nordhessen oder Niedersachsen, 3. Viertel 14. Jh.
ehemals hersfeld . stadtkirche / stiftskirche 583
Abb. 161. Scherbenfragmente. Ehemals Hersfeld, Stadtkirche. Kassel-Wilhelmshöhe, Abb. 162. Fragment. Ehem. Hersfeld, Stadtkirche.
Schloss, Nr. 24 (deponiert). Um 1320. – Kat. S. 240. Marburg, Universitätsmuseum, Nr. 29. – Kat. S. 232.
Abb. 163. Scherbenfund aus dem Apsisbereich der Stiftsruine Hersfeld. Bad Homburg, Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten
(deponiert). Um 1170–1200. – Kat. S. 247–250.
584 immenhausen . stadtkirche
Abb. 164. Hl. Paulus. Kassel-Wilhelms- Abb. 165. Maria mit Kind. Kassel-Wilhelms- Abb. 166. Hl. Petrus. Kassel-Wilhelmshöhe,
höhe, Löwenburgkapelle, Nr. 26. höhe, Löwenburgkapelle, Nr. 30. Löwenburgkapelle, Nr. 25.
Abb. 167. Maria der Verkündigung. Kassel- Abb. 168. Apostel Jakobus minor. Kassel- Abb. 169. Apostel Andreas. Kassel-
Wilhelmshöhe, Löwenburgkapelle, Nr. 29. Wilhelmshöhe, Löwenburgkapelle, Nr. 28. Wilhelmshöhe, Löwenburgkapelle, Nr. 27.
Ehemals Immenhausen, Stadtkirche, Langhausverglasung. Nordhessen (Kassel?) oder Westfalen, um 1420/30. – Kat. S. 258f.
immenhausen . stadtkirche 585
Abb. 170. Engel in Maßwerkrosette. Kassel-Wilhelms- Abb. 171. Engel in Maßwerkrosette. Kassel-
höhe, Löwenburgkapelle, Nr. 31. – Kat. S. 259f. Wilhelms-höhe, Löwenburgkapelle, Nr. 32. – Kat.
Ehemals Immenhausen, Stadtkirche, Langhausverglasung. Nordhessen (Kassel?) oder Westfalen, um 1420/30.
Abb. 172. Pasticcio aus Ornamentresten. Immenhausen, Stadtkirche, Rundfenster W I. – Kat. S. 270.
586 immenhausen . stadtkirche
Abb. 173. Rankenfenster mit Guiternenspielern. Immenhausen, Stadtkirche, Chor n II, 5/6a–b, 8a, 7b.
Westfalen oder Niedersachsen, um 1450. – Kat. S. 268–270.
immenhausen . stadtkirche 587
Abb. 174. Rankenfenster mit Guiternenspielern. Immenhausen, Stadtkirche, Chor n II, 9/10a/b, 11a, 1A.
Westfalen oder Niedersachsen, um 1450. – Kat. S. 268–270.
588 immenhausen . stadtkirche
Abb. 175. Marter des Hl. Georg mit Hammer und Eisenhaken.
Ehemals Immenhausen, Stadtkirche, Chor I. Immenhausen,
Glasmuseum, Nr. 2 und 3. – Kat. S. 271f.
Westfalen oder Niedersachsen, um 1450. Abb. 176. Marter des Hl. Georg mit Hammer und Eisenhaken.
Ehemals Immenhausen, Stadtkirche, Chor I. Immenhausen,
Glasmuseum, Nr. 4–7. – Kat. S. 271f.
Westfalen oder Niedersachsen, um 1450.
immenhausen . stadtkirche 589
Abb. 180. Ornamentscheibe. Ehemals Immenhausen, Abb. 181a–c. Enthauptung des Hl. Georg. Ehem. Immen-
Stadtkirche, Chor I. Immenhausen, Glasmuseum, Nr. 21. hausen, Stadtkirche, Chor I. Glasmuseum, Nr. 14, 16 und 17.
Westfalen oder Niedersachsen, um 1450. – Kat. S. 273f. Westfalen oder Niedersachsen, um 1450. – Kat. S. 272.
immenhausen . stadtkirche 591
Abb. 182. Scheibenfragmente. Ehemals Immenhausen, Stadtkirche, Chorverglasung. Immenhausen, Glasmuseum, Nr. 15–18.
Westfalen oder Niedersachsen, um 1450. – Kat. S. 272.
Abb. 183. Scherben. Ehemals Immenhausen, Stadtkirche, Chorverglasung. Immenhausen, Glasmuseum, Nr. 19.
Westfalen oder Niedersachsen, um 1450. – Kat. S. 272.
Abb. 194.
Architekturbekrönung. Kassel-
Wilhelmshöhe, Löwenburg, Nr.
52. Kassel oder Niedersachsen,
um 1250/60. – Kat. S. 283.
Abb. 198. Strahlenkranzmadonna. Lich, Stiftskirche, Abb. 199. Wappen Wais von Fauerbach und Wappen Buches
Chor n II, 2c. Frankfurt, Mainz oder Wetzlar, zu Staden. Lich, Stiftskirche, Chor n II, 2b. Frankfurt,
um 1525. – Kat. S. 290. Mainz oder Wetzlar, um 1525. Kat. S. 290.
594 limburg an der lahn . pfarrkirche st. anna
Abb. 203. Darbringung im Tempel. Chor I, 5a. – Kat. S. 300. Abb. 204. Christus vor dem Richter. Chor I, 1b. – Kat. S. 301.
Abb. 207. Kreuztragung. Chor I, 3b. – Kat. S. 301f. Abb. 208. Kreuzigung Christi. Chor I, 4b. – Kat. S. 302.
.
Mainz(?), 3. Drittel 14. Jh.
Abb. 211. Christus in der Vorhölle. Chor I, 1c. – Kat. S. 302. Abb. 212. Noli me tangere. Chor I, 2c. – Kat. S. 303.
Abb. 213. Christus und Thomas. Chor I, 3c. – Kat. S. 303. Abb. 214. Predigt am Berg Tabor. Chor I, 4c. – Kat. S. 303.
Abb. 221. Hl. Klara von Assisi. Abb. 222. Hl. Ludwig von Toulouse.
Chor n III, 3a. – Kat. S. 317f. Chor n III, 3c. – Kat. S. 318.
Abb. 218. Chorfenster n III. Lahngebiet oder südliches Hessen, 2. Viertel 14. Jh.
600 limburg an der lahn . stadtkirche st. sebastian
Abb. 225. Maria mit Kind. Chor n III, 4b. Abb. 226. Weltenrichter. Chor n III, 6b. Abb. 227. Posaunenengel. Chor n III, 5b.
Abb. 228. Ornament. Chor n III, 10a. Abb. 229. Hl. Johannes. Chor n III, 6c. Abb. 230. Ornament. Chor n III, 10c.
Abb. 231. Ornament. Chor n III, 11a. Abb. 232. König David. Chor n III, 9b. Abb. 233. Ornament. Chor n III, 11c.
Lahngebiet oder südliches Hessen, 2. Viertel 14. Jh. – Kat. S. 318–322.
limburg an der lahn . stadtkirche st. sebastian 601
Abb. 234. Ornament. chor n III, 9a. Abb. 235. Wappen Limburg. Chor n III, 10b. Abb. 236. Ornament. Chor n III, 11c.
Abb. 237. Ornament. Chor n III, 8a. Abb. 238. Wimperg. Chor n III, 8b. Abb. 239. Ornament. Chor n III, 8c.
Abb. 240. Architektur. Chor n III, 7c. Abb. 241. Kreuzigung. Chor n III, 7b. Abb. 242. Architektur. Chor n III, 7a.
Lahngebiet oder südliches Hessen, 2. Viertel 14. Jh. – Kat. S. 320–322.
602 limburg an der lahn . diözesanmuseum
Abb. 244. Figurenfragmente aus Kloster Marienhausen Abb. 245. Hl. Johannes Evangelista. Mittelrhein oder
(Pasticcio). Mittelrhein (Mainz?), um 1220; Lahngebiet, um 1340/50. – Kat. S. 326–328.
Kopfstück Köln, um 1435. – Kat. S. 325.
limburg an der lahn . diözesanmuseum 603
Abb. 248. Wappen der Herren von Limburg. Ehem. Abb. 249. Geißelung Christi. Ehem. Limburg, Stadtkirche.
Limburg, Stadtkirche. Lahngebiet oder südliches Lahngebiet oder südliches Hessen, 2. Viertel 14. Jh. – Kat. S. 323.
Hessen, 2. Viertel 14. Jh. – Kat. S. 323.
604 marburg . elisabethkirche
Abb. 250. Der Blick in den Ostchor zeigt im Chorschluss die heutige Zusammenstellung der figürlichen Fenster
nord II, I und süd II im unteren Register sowie NORD II, H I und SÜD II im oberen Register.
marburg . elisabethkirche 605
Abb. 251. Maria mit den Hll. Johannes, Jakobus maior Abb. 252. Ecclesia, Synagoge, Christus, Maria und
und Katharina. Chor N II. – Kat. S. 432–434. das Sechstagewerk. Chor H I. – Kat. S. 367–371.
606 marburg . elisabethkirche
Abb. 253. Hl. Bischof mit Johannes Baptista, darüber Abb. 254. Maria, Hll. Franziskus, Elisabeth und Johan-
Noli me tangere. Chor S II. – Kat. S. 374 bzw. 444–446. nes Evangelista. Chor n II. – Kat. S. 371–373 bzw. 392f.
marburg . elisabethkirche 607
Abb. 255. Genesiszyklus; Johannes Baptista und Hl. Abb. 256. Elisabethfenster. Chor s II.
Bartholomäus. Chor I. – Kat. S. 364–367 bzw. 390–392. Kat. S. 413–420.
608 marburg . elisabethkirche
Abb. 257. Adam und Eva bei der Arbeit. Chor I, 2a. Abb. 258. Sündenfall. Chor I, 2b.
Niedersachsen, um 1245/50. – Kat. S. 391f. Niedersachsen, um 1245/50. – Kat. S. 392.
Abb. 259. Erschaffung der gefiederten Tiere. Chor I, 1a. Abb. 260. Erschaffung der Meere und Gestirne. Chor I, 1b.
Niedersachsen, um 1245/50. – Kat. S. 391. Niedersachsen, um 1245/50. – Kat. S. 391.
marburg . elisabethkirche 609
Abb. 261. Adam und Eva mit der Schlange der Versuchung (Ausschnitt aus Abb. 258).
Abb. 266. Hl. Bartholomäus (Detail aus Abb. 264). Abb. 267. Johannes Baptista (Ausschnitt aus Abb. 264).
612 marburg . elisabethkirche
Abb. 268. Ecclesia und Synagoge. Chor H I, 1–4a/b (Montage). Niedersachsen, um 1240/50. – Kat. S. 367–369.
marburg . elisabethkirche 613
Abb. 269. Christus und Maria als Sponsus und Sponsa. Chor H I, 5–9a/b (Montage). Niedersachsen, um 1240/50. – Kat. S. 369f.
614 marburg . elisabethkirche
Abb. 270. Die sechs Tage der Schöpfung. Chor H I, 2AB0–6. Niedersachsen, um 1240/50. – Kat. S. 370f.
marburg . elisabethkirche 615
Abb. 273. Muttergottes mit Kind und Hl. Franziskus. Chor n II, 1–3a/b (Montage). Niedersachsen, um 1240/50. – Kat. S. 371f. bzw. 422.
marburg . elisabethkirche 617
Abb. 274. Hll. Elisabeth und Johannes Evangelista. Chor n II, 4–7a/b (Montage). Niedersachsen, um 1240/50. – Kat. S. 372f.
618 marburg . elisabethkirche
Abb. 275. Maßwerkverglasung mit Blütenrosetten und Palmettblättern. Chor n II, 2AB1–4, 2A, 2B, 3AB.
Niedersachsen, um 1245/50. – Kat. S. 392f.
Abb. 276. Hl. Elisabeth (Detail aus Abb. 274). Abb. 277. Hl. Franziskus (Detail aus Abb. 274).
marburg . elisabethkirche 619
Abb. 278. Hll. Jakobus maior und Katharina. Chor N II, 1–4a/b (Montage). Marburg, um 1300–1315. – Kat. S. 432f.
620 marburg . elisabethkirche
Abb. 279. Maria mit Jesuskind und Hl. Johannes Evangelista. Chor N II, 5–7a/b (Montage).
Marburg, um 1300–1315. – Kat. S. 434.
marburg . elisabethkirche 621
Abb. 280. Maßwerkverglasung mit Blattschuppen. Chor N II, 2AB1–4, 2A, 2B, 3AB. Niedersachsen, um 1240/50. – Kat. S. 373f.
Abb. 281. Hl. Jakobus maior (Detail aus Abb. 278). Abb. 282. Hl. Katharina (Detail aus Abb. 278).
622 marburg . elisabethkirche
Abb. 283. Abschied Elisabeths von ihrem Gemahl (Ausschnitt aus Abb. 294).
Abb. 284. Elisabeth speist Hungrige. Chor s II, 1a. Abb. 285. Geburt Christi. Chor s II, 1b.
Köln(?), um 1245/50. – Kat. S. 413f. Köln(?), um 1245/50. – Kat. S. 416.
marburg . elisabethkirche 623
Abb. 286. Elisabeth beherbergt Pilger. Chor s II, 4a. Köln(?), um 1245/50. – Kat. S. 415.
624 marburg . elisabethkirche
Abb. 287. Elisabeth pflegt eine Kranke. Chor s II, 5a. Köln(?), um 1245/50. – Kat. S. 415.
marburg . elisabethkirche 625
Abb. 288. Die Gefährten des Landgrafen Ludwig IV. überbringen Elisabeth die Gebeine des verstorbenen Gemahls. Chor s II, 3b.
Köln(?), um 1245/50. – Kat. S. 417.
626 marburg . elisabethkirche
Abb. 289. Elisabeth verteilt Almosen. Chor s II, 5b. Köln(?), um 1245/50. – Kat. S. 418.
marburg . elisabethkirche 627
Abb. 290. Elisabeth bekleidet Nackte. Chor s II, 3a. Abb. 291. Elisabeth tränkt Durstige und wäscht Bedürftigen die
Köln(?), um 1245/50. – Kat. 414f. Füße. Chor s II, 2a. Köln(?), um 1245/50. – Kat. S. 414.
Abb. 292. Verteilung von Almosen (Ausschnitt aus Abb. 289). Abb. 293. Bekleidung der Nackten (Ausschnitt aus Abb. 290).
628 marburg . elisabethkirche
Abb. 294. Abschied Elisabeths von ihrem Gemahl. Chor s II, 2b. Abb. 295. Konrad legt Elisabeth das Gewand der Hospital-
Köln(?), um 1245/50. – Kat. S. 417. schwestern an. Chor s II, 4b. Köln(?), um 1245/50. – Kat. S. 417f.
Abb. 296. Einkleidung Elisabeths (Ausschnitt aus Abb. 295). Abb. 297. Tränkung eines Durstigen (Ausschnitt aus Abb. 291).
marburg . elisabethkirche 629
Abb. 298. Krönung der Heiligen Franziskus und Elisabeth. Chor s II, 2A, 2AB1–4, 2B, 3AB. Köln(?), um 1245/50. – Kat. S. 419f.
Abb. 299. Elisabeth besucht Gefangene. Chor s II, 6a. Abb. 300. Tod Elisabeths. Chor s II, 6b.
Köln(?), um 1245/50. – Kat. S. 415f. Köln(?), um 1245/50. – Kat. S. 418f.
630 marburg . elisabethkirche
Abb. 301. Hl. Bischof und Johannes Baptista. Chor S II, 1–3a/b (Montage). Marburg, um 1300–1320. – Kat. S. 444f.
marburg . elisabethkirche 631
Abb. 302. Noli me tangere. Chor S II, 4–6a/b (Montage). Marburg, um 1300–1320. – Kat. S. 445f.
632 marburg . elisabethkirche
Abb. 303. Maßwerkverglasung mit Blattschuppen. Chor S II, 2A, 2AB1–4, 2B, 3AB.
Niedersachsen, um 1240/50. – Kat. S. 374.
Abb. 304. Hl. Bischof (Martin?). (Detail aus Abb. 301). Abb. 305. Christus als Gärtner (Detail aus Abb. 302).
marburg . elisabethkirche 633
Abb. 307, 308. Ornamentfenster Chor n III, 5/6a, 5–7b (Montagen). Niedersachsen, um 1245/50. – Kat. S. 394.
634 marburg . elisabethkirche
Abb. 309. Ornamentfenster Chor s III. Niedersachsen, Abb. 311. Ornamentfenster Chor s III, 2/3b
um 1245/50. – Kat. S. 395f. (Montage der Kriegsbergungsaufnahmen). – Kat. S. 396.
marburg . elisabethkirche 635
Abb. 312. Ornamentfenster Chor s IV, 4–6b Abb. 313. Ornamentfenster Chor s IV. Niedersachsen, um
(Montage der Kriegsbergungsaufnahmen). 1245/50. – Kat. S. 396f.
636 marburg . elisabethkirche
Abb. 314. Ornamentfenster Chor N IV. Niedersachsen, Abb. 315. Ornamentfenster Chor N IV, 5–9b
um 1240/50. – Kat. S. 375f. (Montage der Kriegsbergungsaufnahmen).
marburg . elisabethkirche 637
Abb. 317. Ornamentfenster Chor S IV, 7–9a Abb. 318. Ornamentfenster Chor S IV. Um 1245/50 (Lanzetten)
(Montage der Kriegsbergungsaufnahmen). bzw. um 1260/70 (Maßwerk). – Kat. S. 397f. bzw. 423f.
638 marburg . elisabethkirche
Abb. 319. Ornamentfenster Chor N V. Marburg, um 1300–1315. Abb. 321. Ornamentfenster Chor N V, 5/6b
Kat. S. 435f. (Montage der Kriegsbergungsaufnahmen).
marburg . elisabethkirche 639
Abb. 323. Ornamentfenster Chor s V, 4/5a Abb. 324. Ornamentfenster Chor s V. Niedersachsen,
(Montage der Kriegsbergungsaufnahmen). um 1245/50. – Kat. S. 398f.
640 marburg . elisabethkirche
Abb. 325. Ornamentfenster Chor S V. Marburg, um Abb. 326. Ornamentfenster Chor S V, 4–6b
1300–1310. – Kat. S. 436f. (Montage der Kriegsbergungsaufnahmen).
marburg . elisabethkirche 641
Abb. 327. Ornamentfenster Südkonche S VI, 5a/b (Kopfscheiben und Couronnement Neuschöpfung von Lange).
Niedersachsen, um 1245/50. – Kat. S. 399.
642 marburg . elisabethkirche
Abb. 328. Hll. Elisabeth und Katharina. Nordkonche, Fenster n X, 3/4a/b (Montage). Marburg, um 1300–1310. – Kat. S. 446f.
marburg . elisabethkirche 643
Abb. 329. Verkündigung an Maria. Nordkonche, Fenster N X, 3–5a/b. Marburg, um 1300–1310. – Kat. S. 447f.
644 ehemals marburg . elisabethkirche
Abb. 330. Trinitätsbild. Marburg, Universitätsmuseum, Nr. 7. Abb. 331. Erstlingsopfer Kains und Abels. Marburg, Universitäts-
Niedersachsen, um 1245/50. – Kat. S. 400. museum, Nr. 8. Niedersachsen, um 1245/50. – Kat. S. 400f.
Abb. 334. Erstlingsopfer Abels (Ausschnitt aus Abb. 331. Abb. 335. Trinitätsbild (Ausschnitt aus Abb. 330).
Abb. 339. Kluge Jungfrau. Abb. 340. Törichte Jungfrau. Abb. 341. Törichte Jungfrau an der Pforte
Marburg, Universitätsmu- Marburg, Universitätsmuseum, (Ausschnitt aus Abb. 333).
seum, Nr. 11. – Kat. S. 402. Nr. 14. – Kat. S. 403.
Abb. 342. Kluge Jungfrau. Abb. 343. Törichte Jungfrau. Abb. 344. Törichte Jungfrau (Ausschnitt aus Abb. 337).
Marburg, Universitätsmuseum, Marburg, Universitätsmuseum,
Nr. 10. – Kat. S. 401f. Nr. 15. – Kat. S. 403. Niedersachsen, um 1245/50.
ehemals marburg . elisabethkirche 647
Abb. 356. Scherbenreste mit Bruchstücken aus der Abb. 357. Maßwerkornament. Ehem. Marburg, Marienkirche, Chor I.
Elisabethkirche. Marburg, Universitätsmuseum, Marburg, Universitätsmuseum, Nr. 25. Marburg(?), vor 1300.
Nr. 19f. – Kat. S. 378 und 448. Kat. S. 453f.
650 marburg . universitätsmuseum
Abb. 358. Christus am Kreuz. Ehemaliger Standort unbekannt. Marburg, Universitätsmuseum, Nr. 35.
Nordhessen oder Niedersachsen, um 1450/60. – Kat. S. 461.
ehem. marburg . rathaus / netze . zisterzienserinnenkloster 651
Abb. 359. Rundscheibe mit Wappen Schwob und dem Hl. Rochus. Abb. 360. Rundscheibe mit Wappen Schmalkalden flankiert von
Ehem. Marburg, Rathaus. Marburg, 1525. – Kat. S. 457f. Heiligen. Ehem. Marburg, Rathaus. Marburg, 1525. – Kat. S. 458.
Abb. 361–363. Marienkrönung zwischen Turmspitzen. Netze, Klosterkirche, Nikolauskapelle s III, 1/2a–c.
Westfalen, um 1340. – Kat. S. 466f.
652 neu-berich . augustinerinnenkloster
Abb. 364. Muttergottes mit Kind und kniendem Stifter. Neu-Berich, Klosterkirche, Chor I, 3b.
Marburg, um 1310/20. – Kat. S. 472.
neu-berich . augustinerinnenkloster / ehemals niederurff . kirche 653
Abb. 365. Heilige mit Buch und Märtyrerpalme. Neu-Berich, Abb. 366. Hl. Katharina. Neu-Berich, Klosterkirche, Chor I, 3c.
Klosterkirche, Chor I, 3a. Marburg, um 1310/20. – Kat. S. 472. Marburg, um 1310/20. – Kat. S. 473.
Abb. 367, 368. Zwei Rundwappen Urff. Ehem. Niederurff, Kirche. Marburg oder Kassel, 2. Hälfte 15. Jh. – Kat. S. 478.
654 neustadt . pfarrkirche
Abb. 369, 370. Figurenfragmente. Neustadt, Pfarrkirche St. Johannes. Mainz(?), um 1505. – Kat. S. 476.
ehemals nordshausen . kloster / oberkaufungen . kloster 655
Abb. 373, 374. Hl. Kunigunde und Hl. Heinrich. Oberkaufungen, Benediktinerinnenkloster, Rittersaal, Nr. 1 und 2.
Kassel, südl. Niedersachsen oder Westfalen, um 1460/70. – Kat. S. 486f.
Abb. 375, 376. Hl. Benedikt und Hl. Scholastika. Oberkaufungen, Benediktinerinnenkloster, Rittersaal, Nr. 3 und 4.
Marburg(?), um 1510/15. – Kat. S. 489.
656 ehemals rauschenberg . pfarrkirche / ehemals schröck . pfarrkirche
Abb. 377–379. Ornamentscheiben. Ehemals Rauschenberg, Pfarrkirche. Marburg, Universitätsmuseum, Nr. 26, 28 und 27.
Marburg(?), Mitte 14. Jh. – Kat. S. 492.
Abb. 380. Hl. Katharina. Ehem. Schröck, Pfarrkirche St. Michael. Abb. 381. Hl. Elisabeth. Ehem. Schröck, Pfarrkirche St. Michael.
Marburg, Universitätsmuseum, Nr. 32. Nordhessen oder Marburg, Universitätsmuseum, Nr. 31. Nordhessen oder
südl. Niedersachsen, um 1460. – Kat. S. 494. südl. Niedersachsen, um 1460. – Kat. S. 494.
ehemals wehrshausen . kirche / ehemals wetter . stiftskirche 657
Abb. 383. Grisaillereste vor der Wiederverwen- Abb. 385, 386. Passlappen mit Weinlaubornament. Ehem.
dung im modernen Nordquerhausfenster der Wetter, Stiftskirche. Stuttgart, Privatbesitz, bzw. Kassel,
Stiftskirche in Wetter. Um 1300. – Kat. S. 499. HLM, Nr. 3. Haina(?), um 1260/70. – Kat. S. 499f.
658 ehemals winnen . pfarrkirche
Abb. 387. Heilige mit Buch und Märtyrerpalme in Architekturtabernakel; Architekturbekrönung mit
weiblichem Kopf. Kassel, Hessisches Landesmuseum, Nr. 4 und 5. Marburg, um 1310/20. – Kat. S. 504.
ehemals winnen . pfarrkirche 659
Die kursiv gesetzten Stich- und Schlag- Barbara, Hl. S. 317, 319; Abb. 220 Abendmahl S. 85; Fig. 11, Abb. 6
worte betreffen Sachbegriffe. Bartholomäus, Hl. S. 318, 348, 352, 366, Fußwaschung S. 410
Die halbfett gesetzten Ziffern verweisen 373, 420; Fig. 436f., 441, Abb. 223, 255, Gebet am Ölberg S. 77, 85, 115, 278;
jeweils auf Haupterwähnungen im 264, 266 Fig. 11, 58, Abb. 7
Katalog. – Vita S. 49 Vorführung vor Pilatus S. 278; Fig.
Bauernkriege S. 37 334
Abel S. 380, 400f.; Fig. 463, Abb. 331, Bauhütten S. 45, 50, 55, 154, 156, 228, Christus vor Herodes S. 116, 278f.,
334 299, 336, 350, 430, 444, 451, 499 301; Fig. 334, 355, Abb. 26, 204
Ablass S. 37, 73, 200 Benedikt von Nursia, Hl. S. 37, 64, 489; Geißelung Christi S. 79, 86, 116, 278,
Adam und Eva s. auch Genesis-Zyklus Fig. 615, Abb. 375 301, 317, 323; Fig. 8, 56, 334, 354, 388,
– Zurechtweisung S. 379 Bergbau S. 285 Abb. 8, 27, 206, 249
– Vertreibung aus dem Paradies S. 379; Bernhardinischer Plan S. 140 Dornenkrönung S. 116, 278f.; Fig. 53,
Textabb. 6 Bettelorden S. 29, 50f. 57, Abb. 28
– Adam und Eva bei der Arbeit S. 379, Bibelfenster S. 44, 49, 22247, 480; Fig. 459 Ecce homo S. 278f.; Fig. 334,
391f.; Textabb. 9f., Abb. 255, 257 Biblia pauperum S. 112 Abb. 196
Adler S. 197 Bilderverbot Kreuztragung S. 59, 278f., 294, 301f.;
Agatha, Hl. S. 5891 – der Bettelorden S. 52, 31436, 315 Textabb. 42, Fig. 298, 334, Abb. 207,
Agnes von Assisi, Hl. S. 59, 1255, 126, – der Zisterzienser S. 51–53, 149–151, 215
130, 132, Abb. 47 153, 325, 357f. Kreuzigung Christi (auch mit Maria
Allerheiligen-Zyklus S. 125, 254 Bildüberlieferung von GM S. 71, 157, und Johannes) S. 86, 115, 117, 157,
Altar- und Messstiftungen S. 130, 161, 177, 186, 189, 197, 200, 210, 235f., 264, 159, 196, 220, 225, 278, 302, 315, 320,
187, 219, 441, 446f., 4627, 4741 34631, 34833, 387, 424f., 435, 438, 441, 329, 339, 348, 350f., 366f., 461, 495;
Altarpatrozinien S. 958, 1042, 1119 , 11317, 453, 479, 509; Fig. 14, 314, 545 Textabb. 8, 42, Fig. 174, 278–283, 335,
20713, 219, 22045, 254, 2923, 3365, 347, Bildvorlagen (auch 409, 425, 435, 441, 509, 581, Abb. 9,
425, 440f., 48413, 490, 500 Mehrfachverwendung) S. 134f., 286, 29, 208, 241, 255, 247, 265, 358, 384; s.
Andreas, Hl. S. 258; Fig. 301, Abb. 169 299, 315, 350, 405, 444, 470f., 507; auch Christus als Baum des Lebens
Anna, Hl. S. 958, 285, 288; Abb. 197 Fig. 510–515, 588, 590 Kreuzabnahme S. 86, 475; Fig. 9,
– Vita S. 297 Bischof, Hl. S. 442, 444f., 455; Fig. 564, Abb. 10
Anna Selbdritt, Hl. S. 285f., 288f.; 575, Abb. 253, 301, 304, 360 Beweinung Christi S. 133, 278f., 296,
Fig. 347, Abb. 197 Blankverglasung S. 145, 153, 173, 34631, 302; Fig. 335, Abb. 49, 209
Antichrist-Zyklus S. 297 507, 514; Fig. 102, 645 Grablegung Christi S. 87, 241, 278f.,
Antisemitismus S. 35f., 223 Bonifatius, Hl. S. 1255 296, 302, 475; Fig. 9, 335, 375,
Apokalypse S. 95 Abb. 11, 210
Apokryphen S. 297 Channel Style S. 389 Höllenfahrt S. 74f., 77, 88f., 11111,
Apostel S. 135, 254, 480; Fig. 429, 470, Cherubim und Seraphim s. Engelschöre 277, 302; Abb. 14, 211
Abb. 353 Christophorus, Hl. S. 958, 510 Marien am Grabe S. 11111, 446
Arche Noah S. 297, 380, 391 Christus S. 43 Auferstehung Christi S. 77, 87, 117,
Architekturdarstellungen auf GM – Baum des Lebens S. 220, 245f.; 278f.; Fig. 10, 335, Abb. 15, 30
S. 298, 317, 409 Fig. 278–283; s. auch Kreuzlegende Noli me tangere S. 11111, 115, 118, 294,
Architekturrahmung und -bekrönung – Schmerzensmann S. 276f.; Textabb. 298f., 303, 440, 445f.; Textabb. 24, 45,
S. 71, 157, 182, 197, 206, 208f., 215f., 43, Fig. 333, Abb. 190 Fig. 54, 357, Abb. 212, 253
220, 222, 228f., 234–236, 241, 245f., – thronend S. 360f.; Textabb. 12 Christus und der ungläubige Thomas
255, 283, 299, 311, 315f., 348, 354f., – Weltenrichter S. 88, 119, 297, 317, 319; S. 299, 303; Abb. 213, 302, 305
369f., 420, 426f., 434, 441, 444, 466f., Abb. 34, 226 Predigt am Berg Tabor S. 303; ‚
502f.; Fig. 238, 260f., 266, 271, 277, Christusleben Abb. 214
286, 295–297, 299–301, 342, 430f., – Kindheit Christi s. Marienleben Aussendung der Jünger S. 11111, 118
Abb. 1, 22, 91a/b, 128f., 132f., 140f., – Öffentliches Wirken Christi Himmelfahrt Christi S. 49, 77, 87,
143–145, 153, 155–158, 238, 240, 242, Taufe Christi S. 301; Textabb. 13, 11111, 118, 2035, 219f., 241, 296, 303f.,
251–255, 264, 268f., 273f., 278f., 361, Fig. 353, 375, Abb. 205 315, 322, 362; Textabb. 21, Fig. 7, 216,
363, 387f. Auferweckung des Lazarus S. 4350 268, Abb. 12, 33, 216, 218
Architekturrisse – Passion Christi S. 5891, 59, 253, 277– Ausgießung des Hl. Geistes S. 23, 77,
– Straßburg, Westfassade S. 80, 82, 279, 381, 434;Textabb. 41, 46, 87, 296, 303f.; Textabb. 20, Fig. 7, 375,
431199 , 444 Fig. 334f., Abb. 195f. Abb. 13, 217
662 register
Christuszyklus S. 42, 56, 74, 76, 77, 107, – als Kronenträger Fig. 427, 570; Folter mit Hammer und Eisenhaken
110, 115, 219f., 295–297, 380, 406, 465; Abb. 274 S. 262, 271f.; Fig. 213, Abb. 175f.
Fig. 5–11, 352, Abb. 200 – als Medaillonhalter S. 220, 234f., 419; Fackelmarter S. 262, 272; Fig. 213,
Confessio Augustana S. 38 Fig. 508, 534, Abb. 140f., 298 Abb. 177f.
Credo-Apostel-Zyklus S. 101, 103, 480; – mit Leidenswerkzeugen S. 219 Räderung S. 223, 240; Abb. 160
Fig. 44, Abb. 24 – mit Musikinstrumenten oder singend Enthauptung S. 262, 272; Fig. 312,
S. 219, 235f., 241; Fig. 238, 269, Abb. 179
David S. 315, 322; Abb. 232 Abb. 143 Gertrud, Hl. S. 326
Deesis S. 297, 299; Fig. 375 – mit Posaunen im Jüngsten Gericht Glasmaler/Glaser
Dendrochronologie S. 5889 , 141, 29925, S. 319; Abb. 227 – (12.–14. Jh.) s. Gerlachus; Hermann
336, 449, 451, 496 – mit Segensgestus S. 104; Fig. 43, aus Münster; Lupuldus Frater
Deutscher Orden S. 29, 31f., 41, 63, 336, Abb. 22 – (15./16. Jh.) s. Diez; Gitschmann
350f., 364, 372, 425, 451 – mit Weihrauchfässern S. 104, 219, von Ropstein; Hemmel;
Deutschordensherren S. 425, 446f., 470; 241; Fig. 43, 269, 284 Henchen; Hirsvogel; Leyten;
Fig. 561, Abb. 328 Engelschöre s. Cherubim und Seraphim Mokes; Stein; Störe; Straßburger
Diversarum artium schedula, Entwurf und Ausführung von GM S. 64 Werkstattgemeinschaft
mittelalterl. Lehrbuch der Künste Eraclius, mittelalterl. Heldendichtung – (19.–21. Jh.) s. Crodel; Dopfer; Ely;
S. 145 S. 222 Engel; Erhart; Geiges; Heg(e)n(e)y;
Dominikaner S. 29, 49 Erasmus, Hl. S. 92f.; Fig. 34f., Abb. 17 Helmle & Merzweiler; Hoffmann;
Dorothea, Hl. S. 106, 130 Erzählstrukturen von GM S. 77, 22248, Holzer; Hubener; Hulbert;
Doublierung S. 229 295f., 381, 405f. Klonk; Kolbe; Kunert; Lammers;
Drachen S. 204, 207f., 211, 212, 241, 507; Linnemann; Matheis; Meyer;
Fig. 184, 186, 258, 259, 264 Farbfassung von Architektur S. 138, 145, Mayersche Hofkunstanstalt; Müller;
Dreifaltigkeit s. Trinität 149, 156, 200, 497 Müller-Hickler; Neidert; Neumair;
Drôlerien S. 506; Fig. 76–78, Abb. 39f. Farbwechsel S. 379f., 393, 425–427, 441 Neumeister; Nicolas; Oidtmann;
Fenster-Verneuung S. 97, 149f., 155f., Pech; Peters; Rief; Roetzer; Saile;
Ecclesia und Synagoge S. 350f., 367–369; 161, 499 Sander; Schippel; Schneider;
Fig. 420–424, 426, Abb. 252, 268 Franziskaner S. 29, 32, 292, 307, 314f., Schul(t)z; Seifried; Statsberger;
Elisabeth, Hl. S. 1235, 372f., 446f., 457, 470; Fig. 589, 591 Stockhausen; Süßmuth; van Treeck;
494; Fig. 427, 561, Abb. 254, 274, 276, Franziskus, Hl. S. 4350 , 283, 351f., 365, Wagner; Zentner
328, 381 371f.; Fig. 428, Abb. 254, 273, 277 Glasmalerei-Sammlungen
– als Sponsa Christi S. 351, 372f. – Vita – Gräflich Erbachsche Sammlung S. 71,
– Vita S. 44, 405f.; Fig. 508, Abb. 256 Papst Honorius III. bestätigt die 74f., 77f.
Abschied Elisabeths von ihrem Ordensregel S. 42, Textabb. 11 – Freiherr von Zwierlein, Geisenheim
Gemahl S. 66, 410, 417; Fig. 52, 91, Stigmatisation S. 35250 , 372 S. 324–326, 328f.
Abb. 283, 294 Krönung des Heiligen S. 405, 420; – Prinz Friedrich von Preußen S. 326
Überbringung der Gebeine S. 417; Fig. 508, 534 – G. Hartmann in Frankfurt/Main
Abb. 288 Fünfzehn-Zeichen-Fenster S. 297 S. 89
Einkleidung Elisabeths S. 410, 417f.; – Alexander Linnemann in Frankfurt/
Fig. 510f., Abb. 295f. Gabriel, Erzengel S. 255 Main S. 20721
Almosenverteilung S. 418; Fig. 512f. Gattungsübergreifend tätige Werkstätten Gliederungssysteme von Farbfenstern
Speisung der Hungrigen S. 413f.; S. 45, 56, 443, 503 – Großmedaillonfenster S. 60, 62, 262,
Abb. 284, 289, 292 Genesis-Zyklus S. 297, 379–383; 264f.; Fig. 312
Tränkung der Durstigen S. 414; Abb. 255, 270 – Komposite (figürlich-ornamentale)
Fig. 514f., Abb. 291, 297 Erschaffung der Welt S. 41, 297, 299, Farbfenster S. 55, 70, 130, 157, 182,
Beherbergung der Pilger S. 415; 351, 360, 370f.; Textabb. 6, Fig. 426, 197, 20927, 314f., 317, 359, 421, 438–
Fig. 419, Abb. 286 444f., Abb. 255 440, 465f., 490, 498f.; Fig. 183, Abb.
Bekleidung der Nackten S. 414f.; Erschaffung der Meere und Gestirne 218
Fig. 509, Abb. 290 S. 391; Fig. 471, Abb. 260, 263 – Langpassrahmung S. 420; Textabb. 26
Pflege der Kranken S. 276, 415; Erschaffung der (gefiederten) Tiere – Medaillonfenster S. 216, 297, 315;
Textabb. 18, Fig. 521, Abb. 189, 287 S. 293, 306, 391; Fig. 356, 379, 458, Textabb. 11, 18f., 25, 40, 45, Fig. 53f.,
Besuch der Gefangenen S. 415f.; Abb. 246, 255, 259, 262 56–58, 206f., 226, 352–357, 375, 509,
Abb. 299 Erschaffung Adams S. 403; Abb. 255, 511, 513, 515, 517
Tod Elisabeths S. 418f.; Abb. 300 356 – Standfigurenfenster S. 43, 4975, 157,
Krönung der Heiligen S. 351, 372f., Sündenfall S. 288, 392, 434; Fig. 462, 220, 225, 254, 347–355, 425, 427, 468,
405, 420; Fig. 427, 508, 534, Abb. 256, Abb. 258, 261 502, 504; Textabb. 38, 49f., Fig. 207,
274, 276 Georg, Hl. S. 958, 220, 230, 241, 319, 476; 420f., 426–428, 430, 436, 439, 441,
Engel S. 220, 226, 259f., 446; Fig. 227, Fig. 270, Abb. 127, 218 546f., 566, 587, 633f., Abb. 164–169,
Abb. 170f. – als Drachentöter S. 475f.; Abb. 370 251–255, 387f.
– adorierend S. 95, 416; Fig. 528, 566, – Martyrium des Heiligen S. 253, 262 – Szenen mit Architekturbekrönung
Abb. 170f., 285, 302 Folter mit dem Nagelfass S. 262; Fig. 8–12, 14, 208, 222
– als Kerzenträger S. 241; Fig. 269 Fig. 312 Goetheglas S. 148
ikonographisches und sachverzeichnis 663
Anbetung der Könige S. 40, 48, 77, Papageien S. 206f., 210, 212f., 241; Stephanus, Hl. S. 220, 228f.; Fig. 212,
89f., 101, 15836, 277; Textabb. 22, Fig. 188, 257–259 272, Abb. 134
Fig. 15, 469, Abb. 3 Paradiesströme S. 420 Sternerbund S. 36
Darbringung im Tempel S. 296, Passionssymbole S. 157, 194–196, 434; Stifter von GM S. 219f., 325f., 505
300f.; Textabb. 8, Abb. 203 Fig. 115; s. auch Pelikan, Löwe, Lamm – Albertus Magnus S. 49
Marientod S. 44, 410; Fig. 520 Patrizier S. 29, 35, 298, 314 – Ambrosius von Viermünden S. 162,
Himmelfahrt Mariae S. 351 Patroklus, Hl. S. 254 187
Marienkrönung S. 44, 373, 466; Paulus, Hl. S. 48, 254, 256, 258; Textabb. – Andreas und Gertrud von Ungarn(?)
Textabb. 35f., Fig. 460, 585, Abb. 362 28, 295, Abb. 164 S. 91
Mariensymbole Textabb. 7, 35; s. auch – Saulussturz S. 31, 352 – Berthold von Henneberg, Mainzer
Moses am brennenden Dornbusch, – Flucht aus Damaskus Fig. 317 Erzbischof S. 37, 475f.; Fig. 597,
Stella Maris, Thron Salomonis Pelikan, seine Jungen erweckend S. 107, Abb. 370
Martin, Hl. S. 123, 444f.; Abb. 301, 304 120, 194f.; Abb. 38 – Brüning S. 45212
– Tod des Heiligen Fig. 564 Pentagramm S. 152, 165, 458; Fig. 117, – Burgmannen S. 262
Maßwerk S. 73f., 79, 132, 141–144, 150, Abb. 52 – Daniel Brendel (16. Jh.) S. 1211
152f., 158, 2003, 379, 496f., 505, 513 Pest S. 35, 60, 22564 – Deutschordensherren S. 446f., 470
Maternian, Hl. S. 382 Petrus, Hl. S. 101, 103, 106, 134f., 254, – Döll Wais von Fauerbach S. 290,
Matthäus, Evangelist Textabb. 22 258, 475, 478; Textabb. 36, Fig. 44, 89, Abb. 199
Mauritanischer Bildersturm S. 40, 59f., 297, 595, Abb. 24, 50, 166, 370 – Ebba, Prinzessin zu Solms-Braunfels
109, 200, 202, 220, 241, 337, 340, 452, – in Cathedra S. 314 40 (20. Jh.) S. 94
484 Physiologus S. 194; s. auch Löwe, – Elisabeth von Sayn S. 78, 91
Monolithscheiben S. 93, 106, 124, 126– Pelikan – Georg Doeren (16. Jh.) S. 1211
128, 134; Fig. 49f., 76–78, 89, Abb. 25 Pilger S. 34, 336, 352 – Gertrud, Magistra in Altenberg/Lahn
Moses Pilgerzeichen S. 420 S. 77f.
– am brennenden Dornbusch S. 49; Prämonstratenser S. 29, 34 – Henneberg, Grafen von
Textabb. 7 Propheten S. 43, 45f., 103, 112, 348, 382, Albrecht S. 280
– Flucht vor Pharao(?) Textabb. 25 480; Textabb. 17, 19, 35, Fig. 601 Berthold S. 280
Mühlrad S. 223 Wilhelm S. 280
Musterbuch S. 51f., 154, 172, 357f.; Rauherkratze S. 222, 22354; Fig. 207, 285 – Hessen, Landgrafen
Textabb. 29 Rautenverglasung S. 145, 161 Ludwig I. S. 36, 255, 262
Reformation S. 37f., 140, 162, 200, 280, Philipp der Großmütige S. 38, 279f.,
Nikolaus, Hl. S. 226, 326 284, 292, 307, 336, 451, 463, 468, 478f., 456, 484; Abb. 192f.
– Vita des Heiligen S. 36, 222f., 382 482, 508 – Imhof S. 45212
Berufung zum Bischof(?) S. 246; Reiter S. 234, Fig. 206f., 229, 277, – Isenburg-Limburg, Herren von
Fig. 286 Abb. 130, 136, 138f. Gerlach von Isenburg-Limburg S. 91
Ein Jude leiht einem Christen Geld Rheinischer Städtebund (1254–1257) Gerlach III. von Isenburg-Limburg(?)
vor dem Heiligen als Zeugen S. 238; S. 5079 S. 314
Abb. 154 Ritterorden S. 161, 350 Johann von Isenburg-Limburg(?)
Bestrafung des Standbildes S. 238f.; Rochus, Hl. S. 455, 457f.; Fig. 575, S. 314
Fig. 208, 214, Abb. 146, 159 Abb. 359 Rudolf von Isenburg-Limburg S. 314
Rückgabe der Diebesbeute S. 229; Rosenkranz S. 477 – Johann Friedrich Kurfürst von
Fig. 209, 262, Abb. 131 Sachsen S. 280
Nothelfer S. 456 Samuel, Darbringung Fig. 517 – Johann Huot (16. Jh.) S. 468
Sängerkrieg S. 30; Textabb. 1 – Johann Schmalkalden S. 458;
Opfer, alttestamentliche Fig. 459, 463 Salomon als Richter S. 350 Fig. 576, Abb. 360
– Opferung Isaaks S. 280 Scholastika, Hl. S. 37, 64, 489; Fig. 616, – Jost von Rehe (16. Jh.) S. 2751
Ornamentverglasungen S. 51–53, 77, Abb. 376 – Kuling-Lethmate(?) S. 161
98, 107, 119f., 125f., 127–129, 137–160, Schmalkaldener Bund S. 38 – Lückele von Elben S. 161
162–186, 189–198, 200, 202–216, 240– Schutzmantelmadonna S. 257 – Margaretha Buches zu Staden S. 290,
246, 284, 357–359, 373–378, 384–387, Schutzverglasung S. 75, 110, 148, 253, Abb. 199
393–399, 423f., 427–429, 435–437, 449, 282, 284, 294, 344, 469f. – Mechthild von Ziegenhain S. 78, 91
453f., 481, 490–492, 512; Sebastian, Hl. S. 49, 958; Textabb. 26 – Nassau, Grafen von S. 77, 91
Fig. 97–110, 113f., 128, 143, 148, 151, Sibyllen S. 107, 111f., 119f.; Abb. 36f. Adolf von Nassau und Imagina S. 34,
158, 164, 168, 180, 184–188, 253–259, Silbergelb S. 96, 101, 105, 134f., 161, 71, 74, 77, 90f.; Fig. 13f.
261–267, 414f., 432–434, 488, 494, 541, 225f., 229, 238–240, 267–270, 277, 279, Otto und Agnes von Nassau S. 91
544f., 555, 559f., 605–607, 621f., 644, 283, 485, 488f. – Patrizier S. 36, 297f., 314, 453
Abb. 20f., 35, 42f., 52–100, 105–107, Simon, Hl. S. 318; Fig. 386, Abb. 224 – Philipp von Schönfeld S. 37
116–126, 228, 230f., 233f., 236f., 239, Sippe, Hl. S. 95, 285f.; Fig. 347 – Philipp von Staffel S. 510
307–327, 345–352, 354, 377–379, 382f., Sponsus/Sponsa-Ikonographie S. 130, – Philippus, Regensburger Patrizier
385f. 347, 350f., 369f.; Fig. 426, 439, S. 314 40
s. auch Gliederungssysteme von Abb. 252, 269, 271f. – Schen(c)ken zu Schweinsberg,
Farbfenstern bzw. Grisaillefenster Stella Maris S. 25414 Eberhard S. 34, 426
ikonographisches und sachverzeichnis 665
Guntram II. S. 34, 426 Viertes Laterankonzil (1213–1215) S. 381 – Wais von Fauerbach S. 290; Abb. 199
Maria S. 711, 9815, 286 Vita activa und Vita contemplativa S. – Westhoven S. 187f.; Abb. 114
Anna S. 286, 290 410; Textabb. 3, Fig. 516 – Wisse S. 314, 317; Abb. 219
– Schöffen S. 297, 455 Wappen (überliefert) S. 63f., 97
Heinrich Wisse S. 314, 317; Abb. 219 Wabenverglasung S. 215 – Boppe S. 311, 31432
Johann Boppe S. 314 Walburga, Hl. S. 69, 456, 504 – Deutscher Orden S. 510
Johann B(P)oppe S. 311, 31432 Wandmalerei S. 43, 56, 184, 251, 262, – Elben S. 161
Johann Herstull S. 314 443223, 483, 510 – Henneberg S. 280, 4755
Johann Sebolt S. 314 – im Kontext der GM S. 149, 155f. – Isenburg-Limburg S. 91, 314
Sigfried Schwob S. 457f.; Fig. 575, Wappen (ohne GM) – König von Ungarn(?) S. 91
Abb. 359 Brüning S. 4512, 45212 – Kuling-Lethmate(?) S. 161
– Ulrich Herzog von Württemberg Falkenberg (S) S. 13012 – Nassau S. 91
S. 280 Hessen S. 457 – Reichswappen S. 77, 91
– Urff, Grafen von S. 477f., Abb. 368 Imhof S. 45212 – Sachsen S. 280
– Waldeck, Grafen von S. 466 Reichenbach S. 149, 184 – Sayn S. 78, 91
– Weiß, Frankfurter Patrizier S. 31430 Sassen S. 4512 – Staffel S. 510
– Zünfte S. 453 Waldeck S. 4773 – Württemberg S. 280
Bäcker S. 453 Zünfte (WM) S. 11317 – Ziegenhain S. 78, 91
Tuchschneider S. 35f., 222f., 22354 , Wappen (erhalten) S. 63 Wappenscheiben S. 284f., 290, 309, 4681,
22360 , 453 – Buches zu Staden S. 290; Abb. 199 510, 513; Fig. 350, Abb. 108–115, 199,
Wollweber S. 203, 223 – Dernbach S. 188; Abb. 115 359f.
s. auch Wappen erhalten bzw. – Düngelen S. 161f., 189; Abb. 108 Weltgericht S. 77, 88, 297, 319, 381;
überliefert – Eschenau S. 305; Fig. 375, Abb. 200 Fig. 6, Abb. 16, 34
Stifterbilder S. 71, 74, 77–79, 90f., 95, – Hackfort S. 161, 189; Abb. 111 Wendelin, Hl. S. 455, 457f.; Fig. 576,
101, 133, 446f.; Fig. 13f., 561, 589, 591, – Hartleib S. 305; Fig. 375, Abb. 200 Abb. 360
Abb. 50, 328, 364 – Hatzfeld-Wildenburg S. 188; Wilhelmiten S. 36, 292
Straßburger Werkstattgemeinschaft Abb. 110 Willehalm, Heldenepos
S. 95f. – Henneberg S. 475f.; Fig. 597, Willehalm huldigt Karl dem Großen
Abb. 370 S. 31, Textabb. 2
Taten der Barmherzigkeit S. 381, 405f., – Herstull S. 314 Arabel holt Willehalm aus dem
410; Textabb. 3, Fig. 508 – Hessen, Landgrafen S. 38, 255, 260, Kerker und händigt ihm seine Waffen
Taube des Hl. Geistes S. 369; Fig. 439, 279f., 456, 484; Abb. 185, 192f. aus Textabb. 37
Abb. 269, 335 – Holzhausen S. 306; Fig. 375, Wurzel Jesse S. 43, 276, 362, 370, 380,
Thomas, Apostel Textabb. 50 Abb. 200 486; Fig. 459
Thron Salomonis S. 111–113, 480, Fig. 55 – Kirburg S. 16349
Tiere S. 150, 170 – Kloster Arnstein S. 326 Zackenstil S. 42, 45–51
Translozierung von GM S. 27, 74, 100f., – Koeler S. 97; Abb. 23 Zerstörung und Beschädigung von GM
140, 148, 166, 171, 197f., 200, 202, – Limburg S. 311, 322, 323; Fig. 383, S. 27, 282, 310f.
206, 246, 250–252, 274f., 279f., 281, 401, Abb. 235, 248 – durch Bilderfeindlichkeit S. 40, 202
340, 464, 468f., 490, 500, 509 – Loe S. 187; Abb. 113 – durch Feuer S. 100, 109f., 200, 203,
Transsubstantiation S. 381 – Mülich(?) S. 97 211, 213, 216, 222, 22667, 275
Trinität S. 379, 382107, 388, 400; Abb. – Mulich oder Borgeneit S. 305; – durch gottlose Buben S. 340
330, 335 Fig. 375, Abb. 200 – durch Krieg S. 69, 110, 148, 149, 247,
Tucherschere S. 223, 246; Fig. 207, 285 – Nesselrode S. 187; Abb. 114 282, 293, 340, 455
Tuchhandel S. 35, 223 – Schen(c)ken zu Schweinsberg S. 34, – durch Sturm S. 110, 248, 253, 26325,
Tugenden S. 42, 112; Fig. 472 425f., 432; Fig. 546, Abb. 278 293, 452
Turris Davidica S. 56, 46721; Textabb. 35 – Schmalkalden S. 458; Fig. 576, Zisterzienser S. 29, 5080 , 51–53, 139f., 513
Typologie S. 103, 112, 194, 22248, 295, 348, Abb. 360 – Stadthöfe S. 53, 160
350, 380f., 406; Textabb. 7, Fig. 459 – Schönfeld S. 161f., 188; Abb. 109 Zünfte S. 35f., 11317, 200, 220
– Schwob S. 457f.; Fig. 575, Abb. 359 – Wollweber S. 35f., 203, 223
Vera Icon S. 253, 270, 272f., 297, 304; – Sebolt S. 311 – Tuchschneider S. 35f., 222f., 246
Fig. 375, Abb. 172, 200 – Sombreff S. 187; Abb. 113 – Schuster S. 11317
Versatzmarken S. 10610 , 157, 177, 262, – Tengnagel S. 188; Abb. 115 – Schneider S. 11317
298, 437, 453; Fig. 572, Abb. 175–178, – Urff S. 478; Abb. 367f. Zunftwappen (GM) S. 222, 22354 , 22360
181, 357 – Viermünden S. 161, 188; Abb. 112
666 register
PERSONENVERZEICHNIS
Glaser, Glasmaler, Maler, Bildhauer und S. 308f., 31110 Buches, Margarethe von ○○ Wais von
Baumeister sind durch kursive Schrift Karl Klein (1886–1898) S. 309, 31110 , Fauerbach, Döll S. 286, 290
hervorgehoben. 31432, 318f. Buttlar, Freiherr von, GM-Besitzer
Dominikus Willi (1898–1913) S. 324 S. 512
Abel, Hans (II), Mainzer Maler S. 28917 – Mainz
Adolf von Nassau, röm. König (1292– Bonifatius (745–754) S. 29 Caesarius von Heisterbach (um 1180–
1298) ○○ Imagina S. 34, 74, 78, 7922f. Lull(us) (755–786) S. 29, 247 nach 1240) S. 3224 , 351, 373
Albertus Magnus, Kirchenlehrer S. 49 Siegfried I. (1059–1084) S. 477 Caldenbach, Martin, Maler in Frankfurt
Albrecht von Brandenburg (1490–1545), Adalbert I. von Saarbrücken (1111– S. 66, 133, 288
Kardinal S. 288, 29023 1137) S. 30 Claus der Maler (Meister Claus), Maler
Aldegrever, Heinrich, Maler und Konrad I. von Wittelsbach (1161–1165; und Glasmaler in Kassel S. 509
Graphiker S. 279 1183–1200) S. 326, 468 Conrad von Soest, westfälischer Maler
Almudis und Digmudis, schottische Siegfried III. von Eppstein (1230– S. 60f., 256, 267, 461
Königstöchter, Gründerinnen des 1249) S. 33, 140 Cranach, Lucas, Maler und Graphiker
Stiftes Wetter S. 496 Gerhard I. von Dhaun (1251–1259) S. 65f., 287f.
Arnulf, fränkischer König S. 29 S. 34, 4462, 108 Crodel, Charles, Glasmaler S. 69
Werner von Eppstein (1259–1284) Curen, Johannes, Pfarrer in Netze
Baldung, Hans, gen. Grien, Maler und S.34 S. 464
Graphiker S. 277, 285, 28611, 288, Gerhard II. von Eppstein (1288–1305)
28919 S. 34 Dauber, August, Marburger Architekt
Bartz, G., Glasermeister S. 294 Adolf I. von Nassau (1381–1390) S. 459, 490
Bauer, Glasermeister in Kassel S. 282 S. 251 Derix, Glasmalereiwerkstatt in
Bendikt von Nursia (480–547), Johann II. von Nassau (1397–1419) Taunusstein S. 344, 399
Ordensgründer S. 489 S. 300 Dernbach, Familie S. 188
Bernhard III. (1140–1212), Herzog von Berthold von Henneberg (1484–1504) Diederich, Petrus, Prior des Altenberger
Sachsen S. 30 S. 37, 475f. Klosters S. 74, 77, 90f.
Bernhard von Clairvaux, Kirchenlehrer Jakob von Liebenstein (1504–1508) Diez, Ludwig, Glasmaler und
S. 35041 S. 478 Restaurator in Marburg S. 339, 401f.,
Bertold II., Abt des Hersfelder Stifts Daniel Brendel von Homburg (1552– 510
S. 247 1582) S. 1211 Diokletian, röm. Kaiser (286–305) S. 93
Beurer, Wolfgang (Meister WB), – Olmütz S. 390 Dopfer, Joseph, Maler und Glasmaler in
mittelrheinischer(?) Maler S. 133 – Paderborn München S. 2845
Bickell, Ludwig, Bezirkskonservator Meinwerk (1009–1036) S. 29, 507 Döring, Hans, Maler S. 65f., 287f.,
und Historiker S. 453, 458f., 493 Heinrich II. (1090–1127) S. 508 288f.16
Bilstein, Kunigunde Gräfin von – Trier Döring, Werner, Ritter ○○ Mathilde S.
Gudensberg (um 1080–1138/1140), Dietrich von Wied (1212–1242) 494
○○ 1. Giso IV. (um 1070–1122), S. 33911 Dörnberg, Hans von (1427–1506),
○○ 2. Heinrich Raspe I. S. 29 Balduin (1307–1354) S. 292 oberhessischer Hofmeister S. 36f.,
Bingel, Oberpfarrer in Braunfels S. 94 Jakob von Eltz (1567–1581) S. 292 473, 475
Bischöfe und Erzbischöfe: Lothar von Metternich (1599–1623) Dryander (1500–1560), Mathematiker
– Gurk S. 308 S. 496
Dietrich II. von Marburg (1253–1278) Bleibaum, Friedrich, Landeskonservator Du Ry, Karl, Kasseler Architekt S. 493
S. 420 in Hessen S. 148, 484 Düngelen zu Bladenhorst
– Halberstadt Boehlau, Johannes, Museumsdirektor – Heinrich von ○○ Beatrix von Loe
Konrad von Krosigk (1201–1209) S. 275 S. 187
S. 389122 Bonaparte, Jerôme, Westphalenkönig – Hermann von ○○ Lutgard von
– Hildesheim S. 482 Westhofen S. 187–189
Konrad II. (1221–1246) S. 364, 413 Bonifatius (672/75–754/55), irischer Dürer, Malerfamilie
– Köln Missionar und Kirchenreformer – Albrecht, Maler und Graphiker
Engelbert von Berg (1216–1225) S. 28, 121; s. auch Bischöfe und S. 65f., 278, 286–288, 290
S. 463, 508 Erzbischöfe (Mainz) – Hans S. 28714
Konrad I. von Hochstaden (1238– Borgeneid, Marquard, Limburger
1261) S. 46 Schöffe S. 30527 Egeloph, Graf von Battenberg S. 468
Ruprecht von der Pfalz (1463–1478) Bösser, Georg, dt. Architekt S. 142 Elhen von Wolfhagen, Tilemann,
S. 37 Boyneburg, Ludwig von, hessischer Limburger Chronist S. 29920
Hermann IV. von Hessen (1480–1508) Statthalter S. 37 Elisabeth von Thüringen (1207–1231)
S. 37, 64 Braunschweig, Aleydis von S. 427 ○○ Ludwig IV, Landgraf von Thürin-
– Limburg Bromeis, Johann Conrad, hessischer gen S. 31f., 33f., 73, 307, 334, 336,
Peter Joseph Blum (1842–1884) Oberhofbaumeister S. 100f., 145, 252 372f., 413f., 417f., 510
personenverzeichnis 667
Ely, Brüder, Glasmaler in Kassel S. 203, Hartmann, G., Frankfurter 1567) S. 37f., 64, 140, 16145, 279, 336,
254, 282 Kunsthändler und Sammler S. 89 454, 456, 468, 478, 482
Engel, Julius, Glasmalereiwerkstatt in Hase, Immenhausener Familie S. 26328 – Moritz (1572–1632) S. 60, 109, 200,
Berlin-Charlottenburg S. 343 Hatzfeld zu Wildenburg, Margareta von, 336, 452, 482, 488, 497, 512
Engelhard, Gottlob, Architekt S. 145, Mutter Philipps von Viermünden Hessen-Darmstadt, Landgrafen von
198, 264, 26530 S. 161, 188 – Ludwig V. (1577–1626) S. 452, 493
Erasmus, Bischof von Antiochia (um Hegeney, Johann Michael, Erbacher Hessen-Kassel, Landgrafen von
300) S. 93 Glasermeister S. 7411 – Friedrich II. (1720–1785) S. 100
Erbach, Grafen zu S. 8437 Hegny (Hegeney), Nicolaus, Erbacher – Wilhelm IX., ab 1803 Kurfürst
– Franz (1754–1823), Kunstkenner und Hofglaser, Sohn von Johann Hegeney Wilhelm I. (1743–1821) S. 27, 100,
Sammler S. 74, 77, 89 S. 7412, 8438 203, 252, 281, 34326, 479
– Eberhard S.7412 Heinrich der Löwe, Herzog von Sachsen – Wilhelm II., Kurfürst (1777–1847)
Erhart von Mainz, Glasmaler S. 475 und Bayern (1129–1195) S. 30, 44 S. 27, 100, 252, 479, 506, 509f.
Heinrich I., röm. König (919–936) S. 29 Hirsvogel, Glasmalerdynastie in
Faber von Creuznach, Conrad, Maler Heinrich II., ostfr. König und Kaiser Nürnberg S. 279, 286
S. 66114 , 28917 (1002–1024) ○○ Kunigunde S. 29, 482, – Veit d.Ä. S. 96
Falkenberg, hess. Adelsgeschlecht 484 Höhler, Domkapitular und
– Hermann von, Fritzlarer Kanoniker Heinrich IV., röm. König und Kaiser Museumsleiter in Limburg S. 324
S. 59, 130 (1056–1106) S. 73, 121, 482 Hoffmann, Friedrich, Glasmaler und
– Johann von, Bruder Hermanns Heinrich VII., röm. König und Kaiser Restaurator S. 124f., 128, 174, 17555
S. 13012 (1308–1313) S. 482 Hohenfeld, Limburger Familie S. 309
Falkenstein, Philipp III. Graf von S. 284 Heinrich Raspe I., Graf von Gudensberg Holbein, Hans d.Ä., Maler und
Ferdinand I., röm. König und Kaiser (um 1090/95–1130) S. 29 Graphiker S. 279
(1531–1564) S. 38 Heinrich Raspe (IV.), Landgraf und Holzer aus Erlangen, Glasmaler S. 14616,
Flötner, Peter, Maler und Graphiker Gegenkönig (1246/47) S. 31, 33, 35146 165
S. 279 Helmle & Merzweiler, Glasmalereifirma Honorius Augustodunensis,
Friedrich II., röm. König und Kaiser in Freiburg S. 501f. Kirchenlehrer S. 35041
(1220–1250) S. 32, 336, 35145, 373 Hemmel, Peter, von Andlau, Glasmaler Hubener, Konrad, Marburger Glasmaler
Friedrich III., der Weise (1486–1525), in Straßburg S. 95f. S. 65110 , 512
Kurfürst von Sachsen S. 65, 288, 29023 Henchen, Marburger Glasmalerfamilie Hugo von St. Victor, Theologe und
Friedrich von Preußen, Prinz S. 326 S. 63 Prediger S. 391128
Fyoll, Conrad, Frankfurter Maler Herbort von Fritzlar, dt. Dichter S. 32 Hulbert, Felix, GM-Restaurator S. 148
S. 28917 Hergoth, Martin, Schlossermeister Huot, Stifterfamilie aus Rauschenberg
S. 340 S. 51016
Geiges, Fritz, dt. Glasmaler und Hermann aus Münster, Glasmaler Hupp, Otto, Kunstmaler und Heraldiker
Restaurator S. 123 S. 61100 S. 484
Gerlachus, sächsischer Glasmaler und Herrad von Landsberg, Äbtissin,
Mönch S. 422 Verfasserin des Hortus deliciarum Imagina, röm. Königin ○○ Adolf von
Gerstenberg, Wigand (1457–1522), S. 35042 Nassau S. 78, 7922f.
Frankenberger Chronist S. 1093, 110 Herrstuhl, Heynrich, Limburger Schöffe Imhof, Ludwig, Fritzlarer Kanoniker
Gertrud (1227–1297), Tochter der Hl. S. 31433 S. 133
Elisabeth, Magistra des Klosters Hessen, Landgrafenhaus Isenburg, Grafen von S. 34017
Altenberg S. 34, 73, 78, 7920 – Heinrich I. (1244–1308) S. 33–37, 91, Isenburg, Lukard von S. 9050; s. auch
Giso IV., Graf von Gudensberg (um 107, 251, 432, 441, 506 Münzenberg
1070–1122) S. 29 – Mechthild († 1332) ○○ 1. Gottfried VI. Isenburg-Limburg, Herren von S. 36
Giso V., hessischer Gaugraf (um 1110– von Ziegenhain († 1304), ○○ 2. Philipp – Gerlach I. (1232–1289) S. 7923, 91, 292,
1137) ∞ Kunigunde von Bilstein S. 29 III. von Falkenstein-Münzenberg 307
Gitschmann, gen. von Ropstein, Hans, S. 78, 9050 , 91 – Johann I. (1282–1312) S. 307
Glasmaler in Freiburg S. 28919 – Johann I. (reg. 1308–1311) S. 35 – Gerlach III. (1321–1365) ○○ Elisabeth
Godefridius Clamator, Wanderprediger – Otto I. (um 1272–1328) S. 35, 432 von Falkenstein S. 307
S. 732 – Heinrich II. (vor 1302–1376) S. 35, 55, – Johann II. (1340–1407) S. 314
Günst, Fritzlarer Patrizierfamilie S. 133 509 – Rudolf (1336–1374) S. 314
– Hermann II. (1341–1413) S. 36, 251 Isentrud, Hofdame Elisabeths von
Hackfort S. 161, 189 – Ludwig I. (1402–1458) S. 36, 64, 99, Thüringen S. 414
Hake, Immenhausener Familie S. 26328 255, 260, 262
Hankrat, Hermann, Scholaster und – Ludwig II. (1438–1471) S. 36, 64 Jakobus de Voragine, Verfasser der
Stifter S. 121, 133 – Heinrich III. (1440/41–1483) S. 36, Legenda aurea S. 222, 239
Hans von Geismar, Maler S. 1353 63f., 494 Joachim von Fiore, Ordensgründer und
Hans von Kulmbach, Maler und – Wilhelm II. (1469–1509) ○○ Anna von Theologe S. 382107
Graphiker S. 278 Mecklenburg S. 37, 454, 482, 488 Juppe, Marburger Künstlerfamilie
Hans von Lich, Baumeister in Marburg – Wilhelm III. (1471–1500) S. 63 – Ludwig, Bildschnitzer S.63f., 3366,
S. 454 – Philipp I., der Großmütige (1504– 337, 457, 4954
668 register
– Jürgen S. 45614 Leyden, Lucas van, niederl. Maler und – Meister von Schöppingen S. 102
Graphiker S. 458 Melanchthon, Philipp, Theologe und
Karl IV., röm. König und Kaiser (1346– Leyten, von der, Marburger Maler- und Humanist S. 280, 2845
1378) S. 36, 223 Glasmalerfamilie S. 63f. Menzel, Adolph, dt. Maler S. 346
Karl Martell, fränkischer Hausmeier – Gerhard S. 63, 489, 493 Merian, Matthäus d.Ä., Basler
(688/689–741) S. 28 – Heinrich S. 63, 45614 , 488f. Kupferstecher und Verleger S. 34
Karl V., röm. König und Kaiser (1519– – Johann ∞ Kreina (Katharina) Schwob Meyer, Daniel, Frankfurter Glasmaler
1556) S. 38, 513 (Schwabbe) S. 63, 337, 452, 45610, 13f., S. 65
Katakomben-Schultze s. Schultze, 457, 488f. Michael aus Nürnberg, Baumeister in
Victor Linnemann, Frankfurter Lich S. 284
Katzenelnbogen, Adelsgeschlecht Glasmalerfamilie S. 75, 84–87, 123, Mokes, Peter, Marburger Glasmaler
– Anna ○○ Heinrich III., Landgraf von 132, 344, 364, 375f., 393f., 396–398, S. 62, 452
Hessen S. 37, 63 423f., 428, 436, 459 Mülich, Augsburger Patrizierfamilie
– Dieter S. 31433 Liudolf von Schwaben, Herzog S. 97
Klonk, Erhardt Jakobus, Glasmaler in (930/931–957) S. 29 – Magdalena († 1609) ○○ Hieronymus
Wetter-Oberrosphe S. 148, 14920 , 197, Lochner, Stefan, Kölner Maler S. 106 Koeler d.J. S. 97
253, 260, 26124 , 270–272, 274, 377, 448, Löwenstein, Fürsten von S. 31110 Mulig, Cunemann, Limburger Schöffe
459, 461 Ludwig IV., der Bayer, röm. König und S. 30527
Koch, Pfarrer zu Immenhausen S. 252f., Kaiser (1314–1347) S. 159, 223 Müller, Ferdinand, Glasmaler in
260 Lupuldus Frater, Glasmaler und Quedlinburg S. 148, 2038
Koeler, Nürnberger Patrizierfamilie Laienmönch S. 53, 14616, 150, 152 Müller-Hickler, Hans, Glasmaler und
S. 97 Luther, Martin, Theologe und Restaurator in Darmstadt S. 75
– Nikolaus (†1497) Reformator S. 37, 280, 2845, 452 Münzenberg, Philipp III., Graf von ○○ 1.
– Hieronymus d.Ä. (1507–1573) Mechthild von Hessen, ○○ 2. Lukard
– Hieronymus d.J. (1542–1613) ○○ Maleval, Wilhelm von, Gründer des von Isenburg S. 78, 9050 , 91
Magdalena Mülich († 1609) Ordens Conventus pontis S. 292
– Benedikt (1585–1632) Matheis, Lorenz, Glasmaler in Frankfurt Nassau, Grafen von S. 29, 37, 77f.
Koerbecke, Jan, Maler S. 62, 267 S. 203, 206, 20925, 210–216, 229–231, – Katharina, Magistra des Altenberger
Kolbe, R., Glasmaler S. 236 245f., 310, 346, 375 Klosters (1297–1324) S. 34, 78
Kolbe, Wilhelm, Pfarrer in Marburg Maximian, röm. Kaiser (286–305) S. 93 – Otto ○○ Agnes von Leiningen S. 78,
S. 452 Mayer, Franz, Hofkunstanstalt in 91
Konrad (Raspe) von Thüringen, München S. 110, 118, 120, 148, 172, Nassau-Dillenburg, Wilhelm Graf von
Landgraf (um 1206–1240), 174 S. 28715
Hochmeister des Deutschen Ordens Mechtel, Johannes, Limburger Chronist Nassau-Siegen, Agnes von S. 307
S. 31, 33, 336, 352, 364, 449 S. 29920 , 314, 510 Nassau-Usingen, Fürsten von S. 90
Konrad der Ältere († 906), Mecklenburg-Schwerin, Anna von Neidert, Johann Adam, Glasermeister
konradinischer Graf S. 29 (1485–1525) ○○ Wilhelm II., Landgraf aus Offenbach S. 340, 343, 346f., 371,
Konrad von Marburg (um 1180/90 von Hessen S. 37, 454 374, 383, 390–392, 397, 400, 403, 405,
–1233), Priester und Beichtvater Meißen, Markgrafen S. 36 413, 416, 422, 425, 432, 438
Elisabeths S. 32, 4045, 121, 334, 336, – Heinrich III. (um 1215–1288) S. 34 Nesselrode, Regina von ○○ Henne von
418, 451 Meister mit Notnamen: Hatzfeld zu Wildenburg, Tochter
Konrad von Zella, Hersfelder Priester – Erminoldmeister S. 444 Margarethas S. 187f.
S. 219 – Hausbuchmeister S. 278 Neumair, Ignaz, Glasmaler in München
Kuling-Lethmate S. 16146 – Maler des Lübecker S. 14616, 165
Kümmel, Geheimrat S. 4649 , 468 Bergenfahreraltars S. 60 Neumeister, Hans, Maler und Glasmaler
Kunert, Ulrike, GM-Restauratorin – Meister der Sebastianlegende S. 133 in Schmalkalden S. 280
S. 148 – Meister der Spielkarten S. 493 Nicolas, Charles, niederl. Glasmaler
Kunigunde ○○ Heinrich II., röm. König – Meister des Ahnaberger Retabels und Restaurator mit zweifelhaftem
und Kaiser S. 29, 482, 484 S. 62, 256, 283, 461 Berufsethos S. 309–312, 31432, 317
– Meister des Göttinger Barfüßeraltars Nikolaus aus Wetzlar, Baumeister in
Lammers, Ronja, GM-Restauratorin S. 135, 267 Lich S. 284, 454
S. 148 – Meister des Göttinger Passionaltars
Lange, Friedrich, dt. Architekt und S. 135 Oidtmann, Glasmalereiwerkstatt in
Restaurator S. 27, 8412, 142, 145f., 148, – Meister des Hersfelder Altars S. 62 Linnich S. 110, 148, 162, 203, 282,
157, 165, 167, 172, 174, 176, 178f., 182, – Meister des Hildesheimer 344, 364
184, 193, 198, 2845, 334, 340, 343f., Lambertialtars S. 60, 62, 267 – Heinrich, GM-Restaurator und
346f., 34937, 373, 377, 392, 397–400, – Meister der Lyversberger Passion Kunsthistoriker S. 300f., 303, 328,
403, 420f., 423, 437f., 441, 445, 453, S. 26735 371, 449236
4912 – Meister des Paradiesgärtleins S. 493 Otto I., ostfr. König und Kaiser (936–
Leiningen, Agnes von ○○ Graf Otto von – Meister des Regler Altars S. 62, 210 973) S. 29
Nassau S. 91 – Meister des Warendorfer Altars S. 256 Otto III., röm. König und Kaiser (983–
Leiningen, Emich IV. Graf von S. 5164 – Meister von Münster S. 60 1002) S. 507
personenverzeichnis 669
Otto das Kind, Herzog von Stuttgart S. 203, 495 Solis, Virgil, Maler und Graphiker
Braunschweig-Lüneburg (1204–1252) Sale, Margarethe von der (1522–1566) ○○ S. 279
S. 390 Philipp I., Landgraf von Hessen S. 38 Solms-Braunfels, Grafen von S. 94, 97
Otto (der Quade), Herzog von Salza, Hermann von, Hochmeister des – Ebba, Prinzessin von S. 94
Braunschweig-Göttingen (um 1340– Deutschen Ordens S. 336 – Otto, Graf von (1426–1504) S. 94, 958
1394) S. 36, 251 Sander, Thomas, Glasmaler in – Bernhard, Sohn Ottos (1468–1547)
Otto III., Herzog von Bayern (1261– Braunschweig S. 22667 S. 958
1312) S. 441 Sayn, Elisabeth von S. 78, 91 – Wilhelm S. 94
Otte, dt. Dichter, Verfasser des Eraclius Sayn, Johann I. von ○○ Elisabeth von Solms-Lich, Grafen von
S. 32, 222 Sayn S. 91 – Otto S. 28917
Schäfer, Carl, dt. Architekt S. 27, 110, – Philipp I. (1468–1544) S. 65f., 284,
Päpste: 121, 222, 245f. 2856, 287f., 28917
– Gregor d.Gr. (590–604) S. 35041, 489 Schauenburg, Grafen von S. 30 – Reinhardt (1491–1562) S. 284
– Gregor IX. (1227–1241) S. 32 Schauenburg und Wallenstein, Adalbert Sophie von Brabant s. Thüringen
– Johannes XXII. (1316–1334) S. 200 VI. Graf von ○○ Adelheid von Elben Staffel, Philipp von, Limburger
Pech, Johann, Glasmaler S. 14616 S. 478 Kanoniker und Scholaster S. 510
Pepin de Huy, Jean, französischer Schäufelein, Hans, Maler und Graphiker Statsberger, Wilhelm, Münchener
Steinmetz S. 55 S. 66, 288 Glasmaler S. 148, 484
Peters, Glasmalereiwerkstatt in Schen(c)ken zu Schweinsberg, hess. Stein, Hans, Nürnberger Glasmaler
Paderborn S. 104, 148, 253, 26124 , 268, Adelsgeschlecht S. 34, 432 S. 97
284, 501f. – Guntram I. (1234–vor 1272) Steinle, Eduard von, dt. Maler S. 309
Petrus Comestor, Theologe S. 392129 – Guntram II. (1269–1318) Stemmen, Johann, Fritzlarer Kanoniker
Philipp von Schwaben, röm.-dt. König – Eberhard (1269 – vor 1315) S. 133
(1198–1208) S. 468 – Anna († 1564) ○○ Wolf († 1532) S. 286, Stockhausen, Hans Gottfried von,
Pincier, Johannes, Pfarrer in Wetter 290 Glasmaler S. 203, 210, 495, 497, 499
S. 497 – Johann S. 506 Störe, Werner, Straßburger Glasmaler
Pinder, Eduard, Museumsdirektor in Schippel, Friedrich, Glasermeister in S. 9610
Kassel S. 275 Marburg S. 455 Store, Ernst, Fritzlarer Kanoniker S. 133
Pithan, Johannes, Frankfurter Schit, Nikolaus, Maler S. 133 Süßmuth, Richard, Glasmaler und
Kaufmann S. 308 Schmalkalden, Johann, Marburger Restaurator in Immenhausen S. 203,
Schöffe S. 4546 253, 270, 274, 282, 501f.
Quast, Ferdinand von, preußischer Schmidt, Johann Balthasar, Rektor und
Denkmalpfleger S. 31120 Pfarrer in Schmalkalden S. 280 Tengnagel, Familie S. 188
Schneider, Johannes, Kasseler Glasmaler Theophilus Presbyter, Verfasser der
Rehe, Jost von, Rentmeister S. 275 S. 146 Schedula diversarum artium S. 145
Reichenbach, Poppo, Graf von ∞ Bertha Schönfeld, Philipp von S. 37 Thitmar II., Abt in Helmarshausen
von Reichenbach S. 140, 149, 184 Schönfeld gen. Grasdorp, Matthias ∞ S. 507
Reinerus, Joannes Marcus Antonius, ital. Margaretha von Sombreff S. 187f. Thomas von Basel, Maler in Marburg
Weißbinder S. 123 Schongauer, Martin, Maler und S. 4567
Riedesel von Josbach, Johann S. 493 Graphiker S. 957, 278 Thüringen, Landgrafen von
Rief, Franz, Glasmaler in Bonn S. 378 Schro, Dietrich, Mainzer Bildhauer s. auch Hessen, Landgrafen von
Roetzer, C., Glasmaler in Kassel S. 253, S. 28917 – Ludwig I. († 1140) S. 29
260, 268, 270, 274 Schultz (Schulz), Glasmalereiwerkstatt in ∞ Hedwig von Gudensberg (um
Rommel, Christoph (von) (1781–1859), Marburg 1098/1100–1148) S. 30
Historiker und Philologe S. 27, 101, – Fritz S. 459, 461, 509f. – Ludwig II. (1128–1172) ○○ Jutta S. 30
145, 282, 505, 5064 , 510 – K. J. (aus Schwerin) S. 110, 14616, 165, – Ludwig III. (1151/52–1190) S. 30,
Ropstein-Werkstatt s. Gitschmann, Hans 2037, 453, 469, 497 36170 , 506
Roth, Limburger Familie S. 309 Schultze – Hermann I. (1155–1217) S. 30, 32,
Rudolf von Schwaben, Gegenkönig – Hermann, Waldecker Pastor und 140, 36170
(1077–1180) S. 121 Kunstsammler S. 464 – Ludwig IV. (1200–1227) ○○ Elisabeth
Rudolf I. von Habsburg, röm.-dt. König – Victor, Professor für christliche von Thüringen S. 32, 417f., 452
(1273–1291), Herzog von Österreich Archäologie in Greifswald, gen. – Heinrich III. (1215–1288) S. 381
S. 449 »Katakomben-Schultze« S. 4649 , 468, – Hermann II. (1222–1241) ○○ Helene
Rüdesheim, Konrad von S. 325 512 von Braunschweig-Lüneburg S. 33,
Ruhl, Julius Eugen, Baudirektor in Schwob (Schwabbe), Marburger 390
Kassel S. 145 Schöffenfamilie – Sophie (1224–1275) ○○ Heinrich II.
Rumpf, Karl, Marburger Architekt – Kreina (Katharina) ○○ Johann von der von Brabant S. 33f., 107
S. 459, 490, 492 Leyten S. 45614 Tyle, Baumeister aus Frankenberg
– Sifrid S. 45614 , 457 S. 109f.
Sachsen, Johann Friedrich I. Herzog von Seiffried, Marburger Glasmaler S. 64
(1503–1554) S. 38 Sickingen, Franz von, Reichsritter S. 37 Ulrich, Martin, Baumeister in Limburg
Saile, Valentin, Glasmalereiwerkstatt in Sodan, Philipp, Künstler S. 279 S. 308
670 register
Ungewitter, Georg Gottlob, dt. Waldeck (und Schwalenberg), Grafen Wille, Johann Georg, Kupferstecher
Architekt S. 27, 110, 121, 142, 497 von S. 466, 468, 486 S. 513
Urban, Werner S. 98 – Volkwin S. 462 Wirtz, Johannes, Abt des Klosters
Urff, Grafen von S. 476f. – Adolf S. 462, 512 Rommersdorf S. 711
– Elisabeth S. 4627, 46413 Wise, Peter, Lübecker Bürger und Stifter
Van Treeck, Gustav, – Heinrich der Eiserne S. 4627 S. 5993
Glasmalereiwerkstatt in München – Daniel S. 46413 Wisse, Heinrich, Limburger Patrizier
S.75, 84, 344, 375 – Elisabeth, Äbtissin in Oberkaufungen S. 314
Viermünden (zu Nordenbeck), S. 483, 489 Wolfram von Eschenbach, Minnesänger
Adelsgeschlecht S. 161f., 187f. – Philipp IV. S. 463 S. 32
– Kurt ○○ Margaretha von Hatzfeld zu Waldeck und Pyrmont, Friedrich Fürst Württemberg, Ulrich Herzog von (1487–
Wildenburg S. 161, 187f. von ○○ Bathildis von Schaumburg- 1550) S. 38
– Conrad ○○ Lückele von Elben S. 16146 Lippe S. 46410 , 469
– Philipp ○○ 1. Beatrix von Düngelen Walderdorff, Limburger Patrizierfamilie Zentner, Albert, Glasmaler in
zu Bladenhorst, 2. Margaretha von S. 309 Wiesbaden S. 94
Schönfeld, gen. Grasdorp S. 161f., Westhofen, Lutgard, von ○○ Hermann Ziegenhain, Grafen von S. 36, 491
187–189 von Düngelen zu Bladenhorst – Gozmar III. (um 1130 – 1184) S. 30
– Ambrosius I., Bruder Philipps S. 162 S. 16146, 187f. – Ludwig II. S. 473
– Johann und Hermann, Kinder Wetterau, Grafen S. 33 – Gottfried VI. ○○ Mechthild von
Philipps S. 162 Wiegand, Pfarrer in Dagobertshausen Hessen S. 91
– Johann I., Sohn des Ambrosius S. 162 S. 100 Ziegenhain und Wegebach, Friedrich
Vultejus, Justus, Philologe (1528–1575) Wien, Conrad, Werkmeister und Glaser Graf von (um 1155–1229) ○○ Lukardis
S. 496 S. 14616, 165 S. 30
Wigbert, Mitbruder des Missionars Zuschlag, Pfarrer zu Dagobertshausen
Wagner, Conrad, Glasmaler S. 14616 Bonifatius S. 121 S. 100f.
Wais von Fauerbach, Döll ○○ Margaretha Wilhelm, Balthasar, GM-Stifter in Zwierlein, Hans Carl Freiherr von,
von Buches S. 286, 290 Schmalkalden S. 280 Kunstsammler S. 325f., 513
ORTSVERZEICHNIS
GM aus dem Freiburger Münster: Wandmalereien S. 83, 90 Bauschmuck S. 149f., 153, 156, 159,
Grisaillefeld aus der Südrose S. 174 Fürth, Pfarrkirche St. Maria 192, 437; Fig. 105, 107, 109, 111f.
Hl. Kunigunde(?) aus der Koeler-Fenster (abgegangen) S. 94, 97 Ornamentverglasung S. 37, 52f., 7512,
Südquerhausrose S. 48722 s. auch Braunfels, Schloss 8438, 136–198, 264, 481, 498, 507;
Verglasung des Treppenturms S. Fulda S. 37, 282 Fig. 97–104, 108–110, 113, 115, 128,
449242 – als Kunstzentrum S. 39 143, 148, 151, 158, 164, 168, 174, 180
GM aus der Freiburger – Reichskloster S. 28f., 39 Chorstirnfenster S. 53, 162–165, 172,
Dominikanerkirche S. 4975, 5078, 444; – Benediktinerinnenkloster 184, 190; Fig. 108, Abb. 52–55
Fig. 566 Farbverglasung (überliefert) S. 505f. Querhausfenster
GM aus der Freiburger Kartause S. Gandersheim S IV S. 148, 150, 166f.; Abb. 67
277 – Kloster Brunshausen N VI S. 53, 14617, 167–170, 190;
GM aus der Colmarer Grabungsfund S. 42 Fig. 100, 109, Abb. 56–66
Dominkanerkirche S. 127 – Benediktinerklosterkirche Clus N VII (transloziert) S. 166; s.
TM: Tennenbacher Retabel S. 106 Kreuzgangverglasung S. 105 Querhausfenster S IV
– Corpus Vitrearum Deutschland, Geismar (Fritzlar), Kirche S. 107 S VII S. 150, 170f.; Abb. 68
Forschungszentrum für Gelnhausen, Marienkirche Langhausfenster S. 210
mittelalterliche Glasmalerei Chorverglasung S. 45, 310, 409 nord I S. 148, 152, 171, 174, 198;
Scherbenfund aus Helmarshausen, Gensungen, Pfarrkirche Fig. 104, 128, Abb. 71
Krukenburg S. 508; Fig. 640f. Petrusscheibe S. 106, 134f., 478; nord II S. 150, 171, 172, 173, 190, 357;
Kopfscheibe aus Haina S. 140, 198; Fig. 89, Abb. 51 Fig. 103, Abb. 72, 77
Fig. 180 Gent/Belgien, Dominikanerkloster nord III S. 150, 152, 172, 173f.;
Flechtbandverglasung aus Wimpfen Grabungsfunde S. 1266 Fig. 102, Abb. 73, 80
S. 173 Ginge Manor/Oxfordshire nord IV S. 150, 152, 171, 174f., 198;
Friedberg, Liebfrauenkirche Astor-Psalter S. 59 94 Fig. 101, Abb. 74, 76, 78
Ornamentverglasung S. 62, 193, 197, Glasgow, The Burrell Collection nord V mit gestapelten Vierpässen
210, 46721, 507 GM aus Boppard S. 486 S. 150, 156, 175f.; Textabb. 32, Abb. 75
Verlorene Architekturscheiben S. 70 8 Göttingen Ornamentfenster N IX S. 85, 148,
GM mit Weltgericht S. 8842 – als Kunstzentrum S. 228 157, 159, 176f., 178, 180, 441, 453;
Fritzlar S. 31, 58, 107, 134 – Stadtmuseum Fig. 110, Abb. 81–83
– als Kunstzentrum S. 39 Glasmalereireste aus Amelungsborn Ornamentfenster N X S. 156, 176,
– Ehem. Stift St. Peter S. 28f., 31, 134; S. 226, 449241; Textabb. 39 178f., 180, 210; Fig. 143, Abb. 84–86
Fig. 72–75 Goslar Ornamentfenster N XI S. 157, 180f.,
Farbverglasung S. 121–133 – Marktkirche 189, 491; Fig. 148, Abb. 87, 89
WM: Steinernes Antependium S. 83, GM: Cosmas-und-Damian-Zyklus Ornamentfenster N XII S. 180, 182f.,
130, 443; Fig. 563 S. 8028 197; Fig. 151, Abb. 88, 90
WM: Turris Davidica S. 54, 46721; – Stadtarchiv Ornamentfenster N XIII S. 15839 ,
Textabb. 35 Goslarer Evangeliar S. 44, 46, 47; 184f., 186, 437; Abb. 91
Allerheiligenkapelle S. 121, 124, Textabb. 22 Ornamentfenster N XIV S. 185f.,
Fig. 74 – Stadtmuseum 189; Fig. 113, 158, Abb. 92, 94
Ornamentverglasung S. 124–128, Geburtsscheibe S. 41, 388119 , 399 Depotfenster S XIV S. 187–191, 395;
46721; Fig. 76–78, Abb. 39–41 Krodo-Altar S. 418 Abb. 105–115
Marienkapelle S. 132 Gottesgnaden, Prämonstratenserkloster Ornamentfelder in S XIV S. 150,
Philippus-Jakobus-Kapelle S. 121 bei Magdeburg S. 41 15839 , 159, 172, 189–191; Fig. 164,
Salvatorkapelle S. 121 Gronau, Kloster S. 37f. Abb. 105–107
Wochensakristei S. 133 Grünberg S. 30 Wappenscheiben (Stiftung
– Dommuseum S. 121, 123, 129–133 GM aus der Marienkirche Viermünden) in S XIV S. 161f., 187–
Figurenscheiben aus der Falkenberger (überliefert) S. 34, 62, 159, 178, 186, 189; Abb. 108–115
Kapelle S. 59, 83, 130–133, 46720; 189, 192f., 20721, 210, 506f.; Fig. 638 Ornamentfenster N XV S. 189, 191f.;
Fig. 86, Abb. 44–50 Gudensberg Fig. 168; Abb. 93, 95
GM-Rest aus der Allerheiligenkapelle – Burg S. 29 Ornamentfenster N XVI S. 189,
S. 129; Fig. 82 – Pfarrkirche 193–195, 210; Abb. 96, 98
GM: Maria mit Kind S. 132f., 277, Ornamentverglasung (überliefert) Fenster N XVII (abgegangen) S. 182;
477f., 486; Abb. 44, 48 S. 507; Fig. 645 s. auch Fenster N XII und
GM: Beweinung Christi S. 133; Gurk, Dom Klausurgebäude
Abb. 49f. Wandmalereien der Westempore Fenster S XVII S. 182
Nachmittelalterliche Wappenscheiben S. 420 Westfenster S. 115, 158, 194–197;
S. 1211 Fig. 115, 174, Abb. 101–104
Beinkästchen S. 79 Hadamar S. 328 Chorgestühl S. 141
– Minoritenkirche Haina, ehem. Zisterzienserkloster – Klausurgebäude
Farbverglasung (überliefert) S. 505; – Klosterkirche S. 27, 29f., 496; Ornamentscheiben aus dem
Fig. 636f. Fig. 91–96 Langhausfenster N XVII S. 140, 148,
– Fraumünsterkirche Maßwerkformen S. 74, 152f. 157, 197f.; Abb. 97, 99f.
674 register
GM der Stadtkirche S. 250, 274 Maria mit Kind S. 254, 258f.; Kruzifi x S. 5180
Restscheiben des Georgsfensters Fig. 296, Abb. 165 Kaufungen s. Oberkaufungen
S. 250, 262; Fig. 319–322 Apostel Petrus S. 254, 256, 258; Kiedrich, St. Valentin
Marter des Heiligen mit Hammer und Fig. 297, Abb. 166 Farbverglasung S. 71, 196, 329
Eisenhaken S. 271f.; Abb. 175f. Apostel Paulus S. 254, 256, 258; Kirch Stück, Dorfkirche
Brandmartyrium S. 272; Fig. 177f. Fig. 295, Abb. 164 Farbverglasung S. 23071
Enthauptung S. 272; Fig. 179, 181 Apostel Jakobus minor S. 256, 258; Koblenz, St. Florin
Scherbenreste S. 272; Abb. 182f. Fig. 300 Farbverglasung aus Dausenau S. 56,
Vera Icon S. 272f.; Abb. 184 Apostel Andreas S. 258; Fig. 301 84, 431; Textabb. 40
Ornamentverglasung S. 250, 264f., Zwei Engelsfiguren S. 259; Abb. 170f. WM: Altarbild der Hl. Agatha S. 84
273f.; Fig. 314, Abb. 180 GM aus Möllenbeck/Niedersachsen Köln S. 28
Landgrafenwappen S. 250, 255, 260, S. 281f. – als Kunstzentrum S. 45–51, 55, 503
274, Abb. 185 GM aus Obernkirchen S. 281 – Dom S. 45, 55, 336, 496
– Hessisches Landesmuseum Farbverglasung
Jerusalem, Grabeskirche S. 338, 508 GM S. 274–280 Ornamentale Erstverglasung der
Ornamentale Kopfscheiben aus Chorkapellen (verloren) S. 154, 174,
Kalkar, St. Nicolai Nordshausen/Kassel S. 98, 275, 281, 20924 , 358, 441
Schnitzretabel von Ludwig Juppe 395, 478–481; Abb. 353 Älteres Bibelfenster S. 44, 35038, 406,
S. 64 Farbverglasung aus Winnen S. 56, 409f.; Textabb. 19, Fig. 517
Kappel am Albis, Zisterzienserkirche 275, 431, 433, 470, 472, 500–504; Anbetung der Könige S. 22039
S. 445231 Textabb. 38, Fig. 633f., Abb. 369f. Jüngeres Bibelfenster aus der
Karlsruhe Ornamentverglasung aus Wetter Dominikanerkirche S. 48f.
– Badische Landesbibliothek S. 56, 495–500; Fig. 628, Abb. 386 Hochchorverglasung S. 15329 , 208f.,
Schwabenspiegel S. 8842 Elisabethscheibe S. 275, 276; Fig. 189 427
– Badisches Landesmuseum Schmerzensmann S. 275, 276f.; Gnadenstuhl-Fenster n XIX aus der
GM: Maßwerkfüllung S. 1039 Fig. 333, Abb. 190 Herrnleichnamskirche in Köln
Kassel S. 30, 34–36, 58, 62, 135; Kopfstück einer Heiligen S. 276; S. 132, 32819
Textabb. 4 Abb. 186 Langhausfenster n XXI S. 162
– als Kunstzentrum S. 34, 40 Christkind und Marienfigur einer Langhausfenster n XXII S. 162
– St. Cyriakus Anbetung S. 277; Abb. 187f. Sonstige Ausstattung
Farbverglasung (verloren) S. 508 Vierpassscheiben mit Passionsszenen S: Marmorfiguren der
– Stadtkirche St. Martin S. 34, 62 S. 275, 277f.; Fig. 334f., Abb. 195f. Hochaltarmensa S. 55, 430;
Farbverglasung (verloren) S. 509 Zwei Rundscheiben mit Wappen Textabb. 36
– Kloster Ahnaberg S. 29f. Philipps des Großmütigen S. 275, S: Chorgestühl S. 430
– Wilhelmshöhe, Schloss S. 27, 200, 279f.; Abb. 192f. WM: Chorschranken S. 1266
210, 275, 281 Figurenscheiben aus Wandmalereien der Marienkapelle
GM S. 280–283, 479 Dagobertshausen S. 99–104, 275, 281, S. 410157
Kopfscheibe S. 98, 281, 283, 481; 283; Fig. 43f., Abb. 22, 24 – St. Gereon
Fig. 342, Abb. 194 Stifterscheibe Jost von Rehe S. 275 Farbverglasung S. 47619
Figurenfragmente S. 276, 281, 283; Grisaille mit Schlachtszene S. 275 WM: Taufkapelle S. 46
Abb. 191, 194 S: Ratsherrenbank aus Frankenberg – St. Kunibert S. 339
– Wilhelmshöhe, Löwenburg S. 27, S. 279 Farbverglasung S. 410, 421
203, 506, 509 TM: Ahnaberger Retabel S. 62, 65, – Ehem. Dominikanerkirche s. Köln,
Farbverglasung S. 27, 100, 102, 252 256, 283, 461; Textabb. 51, Fig. 298 Dom
GM aus Hersfeld S. 200, 203, 206, TM: Retabelflügel aus Merxhausen – Ehem. Dominikanerinnenkirche
22252, 232–240, 254, 281f.; Abb. S. 62, 103 St. Gertrud
136–161 TM: Passionsretabel aus Hersfeld Farbverglasung (abgegangen)
Reste des Kreuzlegendenfensters S. 62, 210 s. Münster, WLM
S. 232–236; Fig. 206f., 229, 238, – Museum Fridericianum S. 100 – Ehem. Herrnleichnamskirche
Abb. 136–145 – Universitätsbibliothek, Farbverglasung (abgegangen)
Reste des Katharinenfensters Landesbibliothek und Murhardsche S. 132, 326; Fig. 403f.; s. Köln, Dom
S. 236–238; Fig. 207, 210, 213, 215, 217, Bibliothek und Museum Schnütgen; Berlin,
244, Abb. 148–152 Hersfelder Graduale und Kunstgewerbemuseum; Limburg,
Reste des Nikolausfensters Sakramentar (2° Ms. theol. 58) S. 249 6 Diözesanmuseum; New York, MMA;
S. 238–240; Fig. 208, 214, Willehalmcodex (2° MS poet. et Rheinstein, Burg
Abb. 153–159 roman. I) S. 32, 55, 57; Textabb. 2, 37 – Museum Schnütgen
Reste des Georgsfensters Fritzlarer Missale (2° Ms. theol. 162) GM: Marienkrönung und Marientod
S. 223, 240 S. 58 S. 44, 410; Fig. 520
GM aus Immenhausen S. 250, 254– Fritzlarer Missale (2° Ms. theol. 125) GM: Johannes Bapt. und Kunigunde
260, 281–283 S. 256 von Meynwelt S. 328, 46719
Maria der Verkündigung S. 255, 259; Katharinenthal, S: Muttergottes aus dem Tongerschen
Fig. 299, Abb. 167 Dominikanerinnenkloster Haus am Hof Fig. 548
676 register
Standfiguren S. 57, 346–378, 427, 502 Fig. 546f., Abb. 251, 278f., 281f. GM aus der Elisabethkirche S. 459
Johannes-Bartholomäus-Fenster Ornamentfenster Chor N V S. 184, Kopffragment eines Apostels(?)
Chor I S. 41, 4350 , 347f., 356, 360, 403, 428, 435f.; Fig. 415, 544, 555; S. 34936, 377; Fig. 455, Abb. 353
364–367; Fig. 414, 416, 425, 431, 436, Abb. 319–321 Kluge und Törichte Jungfrauen
441, Abb. 255, 264–267 Ornamentfenster Chor S V S. 20922, S. 11214 , 34321, 401–403; Fig. 418, 461,
Christus-Maria-Fenster Chor H I 428, 436f.; Abb. 325f. 503, Abb. 332f., 337–344
S. 343, 356, 367–371; Textabb. 14, Werkstatt des Noli-me-tangere- Trinitätsbild S. 400; Abb. 330, 335
Fig. 414, 420f., 426, 431, 439, 444, Fensters S. 55f., 157, 177, 438–448, Erstlingsopfer Kains und Abels
Abb. 252, 268–272 511; S. 400; Fig. 463, Abb. 331, 334, 336
Elisabeth-Franziskus-Fenster Chor n Noli-me-tangere-Fenster Chor S II Verkündigungsengel aus Nordkonche
II S. 4350 , 283, 356, 371–373; Fig. 414, S. 85, 328, 343, 430, 444–446, 453; N X S. 34321, 438, 448; Abb. 355
416, 427f., Abb. 254, 273–277 Fig. 416, 564, Abb. 253, 301f., 304f. Ornamentscheiben und Fragmente
Maßwerk Chor N II S. 373; Fig. 414, Elisabeth-Katharinen-Fenster S. 173f., 357, 377f., 387, 428, 437, 448;
Abb. 280 Nordkonche n X S. 5787, 343, 444, Fig. 433f., 466, Abb. 348–356
Maßwerk Chor s II S. 374; Fig. 414, 446f.; Fig. 561f., Abb. 328 Sakristeifenster S. 449; Abb. 347
Abb. 298 Verkündigungsfenster Nordkonche Farbverglasung aus der Marienkirche
Maßwerk Chor S II S. 374; Fig. 414, N X S. 343, 447f.; Fig. 417, Abb. 329 S. 62, 157, 451–454, 460, 499, 503;
Abb. 303 Ornamentfenster Südkonche s VI Fig. 572, Abb. 357
Ornamentfenster Chor N IV S. 375f., (Kopie) S. 184, 343, 428, 453; Fig. 559 Sonstige Glasmalereien
403; Fig. 415, 432, Abb. 314f. Ornamentfenster Südkonche s VII Ornamentscheibe aus Altenberg/
Maßwerk Chor s IV S. 376f.; (Kopie) S. 177, 343, 428, 453, 4912, Rheinland S. 459f.
Abb. 313 49815; Fig. 560 Scheibenfragment aus Asmushausen
Werkstatt des Genesisfensters Sakristeiverglasung S. 449; Abb. 347 S. 92f., 459f.
S. 379–403, 405, 442 s. auch Marburg, Universitätsmuseum Scherbenfragment aus Haina S. 198,
Reste des Genesiszyklus in Chor I – Firmaneikapelle 459; Abb. 356
S. 41f., 50, 343, 390–392, 438; Textabb. Bauschmuck S. 443223 Scheibenfragment aus Hersfeld
10, Fig. 414, 416, 458, 462f., 471, Abb. Verglasung (überliefert) S. 510 (Nr. 29) S. 200, 232, 460; Abb. 162
255, 257–263 – Marienkirche S. 200, 226, 336f.; Ornamentverglasung aus
Maßwerk Chor n II S. 392f.; Fig. 414, Fig. 571 Rauschenberg S. 459f., 490–492;
Abb. 275 Farbverglasung (abgegangen) Fig. 621f., Abb. 377–379
Ornamentfenster Chor n III S. 393f.; s. Marburg, Universitätsmuseum Figurenscheiben aus Schröck S. 63,
Fig. 415, Abb. 306–308 WM: Maria mit Kind im 106, 460, 493f.; Abb. 380f.
Maßwerk Chor N III S. 394f.; Abb. Architekturtabernakel S. 56, 503 Kreuzigung aus Wehrshausen
310 – Franziskanerkirche S. 459f., 494f.; 384
Maßwerk Chor s III S. 154, 190, Glasmalereien (überliefert) S. 510 Rundscheibe mit Blattkreuz S. 460f.
20715, 395f.; Textabb. 31, Fig. 467, 415, – Kreuzkapelle auf der Lahnbrücke Christus am Kreuz (aus Korbach?)
Abb. 309, 311 Farbverglasung (überliefert) S. 63, 511 S. 461f.; Fig. 581, Abb. 358
Maßwerk Chor s IV S. 396f.; Fig. – Siechenhauskapelle in Weidenhausen, s. auch Korbach, Nikolaikirche
468, 488, Abb. 312f. Farbverglasung (überliefert) S. 510f. Pasticcio mit Ornamentresten S. 140,
Ornamentfenster Chor S IV S. 397f.; – Deutschordenshaus 198
Abb. 316–318 Wappenscheiben (überliefert) S. 510 S: Lettnerfiguren der Elisabethkirche
Ornamentfenster Chor s V S. 382, – Hospital des Deutschen Ordens S. 443225; s. auch Elisabethkirche,
398f.; Fig. 465, Abb. 322–324 S. 29, 32, 336, 372 Lettner
Ornamentfenster Südkonche S VI – Stadthof der Zisterzienser zu Haina S: Schlussstein der Firmaneikapelle
S. 398; Fig. 494, Abb. 327 S. 53 443223
Elisabeth-Medaillonfenster Chor s II – Schloss S. 63 WM: Fragmente aus dem Schloss
S. 44, 276, 343, 351, 404–420; Textabb. Farbverglasung (überliefert) S. 63, S. 48927
18, Fig. 419, 508f., 511, 513, 515, 519, 511f. – Hessisches Staatsarchiv
521, 528, 534, Abb. 283–300 Schlosskapelle S. 34, 425, 430, 444, Aquarellierte Zeichnung C. Schäfers
Meister der Mater Misericordiae 451, 511f. nach dem Kreuzlegendenfenster in
S. 420–424 WM: Christophorusbild S. 443223 Hersfeld S. 22251
Mater Misericordiae n II S. 422f.; – Kanzleigebäude – Amt für Denkmalpflege, Archiv
Fig. 539, Abb. 273 Glasmalereien (überliefert) S. 63, 512 S. 344, Fig. 415f.
Maßwerk Chor S IV S. 423f.; – Rathaus Fig. 574 Marienstatt, Zisterzienserkirche
Abb. 316 S: Portalrelief S. 457 Fig. 645
Maßwerk Chor s V S. 424, 513; Wappenscheiben der Schöffen S. 63, Meißen, Dom
Abb. 322 454–458, 512; Fig. 575f., Abb. 359f. Typologisches Achsenfenster S. 380f.;
Werkstatt des Marienfensters Wappen des Landgrafen Philipp Fig. 459
S. 55–57, 226, 228, 328, 425–437, 442, (verloren) S. 456f. Merseburg, Domstiftsbibliothek
472f., 491 WM: Strahlenkranzmadonna S. 457 Merseburger Bibel S. 385
Marienfenster Chor N II S. 226, – Universität S. 37 Merxhausen bei Fritzlar, Kloster S. 37
343f., 425, 432–434, 472f., 503; – Universitätsmuseum S. 458f. Retabelflügel (abgegangen) S. 62
678 register
Andachtsbuch der Marie de Gavre Rothenburg, Stadtkirche St. Jakob Steyr/Oberösterreich, Stadtkirche
S. 5035 Chorachsenfenster S. 88 Ornamentverglasung S. 358
Holzschnitt mit Marter des Hl. Zweitverglasung des Chores S. 705 Stockholm, Nationalmuseum
Ersamus S. 932 Freuden-Marien-Fenster n II S. 26533 TM: Retabelflügel mit Geißelung
– Musée du Louvre Rufach/Elsass, Marienkirche Christi S. 58
Z: Hl. Anna Selbdritt S. 28919 Achsenfenster (abgegangen) Stöckenburg, St. Martin
Partenheim, Pfarrkirche St. Peter s. Kreuzenstein bei Wien, Burg GM (abgegangen) S. 277
Ehem. Farbverglasung s. Darmstadt, s. auch Stuttgart, WLM
HLM Sachsenhausen, Stadtkirche Straßburg
Peterslahr, Pfarrkirche Farbverglasung (überliefert) S. 512 – als Kunstzentrum S. 49–51, 95
Farbverglasung (abgegangen) Schmalkalden/Thüringen S. 38, 279, 282 – Münster Notre-Dame S. 50
s. Darmstadt, HLM – Gasthaus zur Krone, Wappenscheiben Westfassade S. 55, 431199 , 444, 4708
Pforta, ehem. Zisterzienserklosterkirche (abgegangen) S. 279f.; s Kassel, HLM S: Thron-Salomonis S. 11316
Verglasung der Nordrose S. 15023, – Lutherhaus, GM S. 280 Südquerhausportal Fig. 422; s. auch
443219 Schröck bei Marburg, Pfarrkirche Musée de l’Œuvre Notre-Dame
Pittsburgh, Frick Art Museum Farbverglasung (abgegangen) Südquerhausverglasung
TM: Flügel einer umbrischen S. 63, 493f.; s. auch Marburg, Rosen mit den Opfern des Alten und
Marientafel S. 35250 Universitätsmuseum Neuen Bundes S. 350
Plate/Niedersachsen, Pfarrkirche Schwäbisch Hall, Katharinenkirche Hl. Biulfus S. 5078
Apostelscheibe S. 105 Achsenfenster S. 237 Johanneskapelle
Pontigny, Zisterzienserkloster Sées, Kathedrale Verkündigungsscheiben S. 8329
Ornamentverglasung S. 359 64 , 387, Grisailleverglasung S. 1266, 31742; Laurentiuskapelle
513 s. auch New York, MMA GM aus der ehem.
Prag, Nationalmuseum Semur-en-Auxois, Notre-Dame Dominikanerkirche S. 49, 21934 , 29924
Kreuzigungsscheibe S. 461 Tucherfenster S. 22354 Langhausobergaden S. 382108
Sjonheim/Gotland, Pfarrkirche Fenster N I Fig. 430
Rauschenberg, Pfarrkirche S. 490f.; Farbverglasung S. 413 Fenster N II S. 20924 , 498
Fig. 619 Soest Fenster S IV S. 20924
Farbverglasung (abgegangen) – als Kunstzentrum S. 43f., 58, 362f. Urteil-Salomonis-Fenster S. 29924
s. Marburg, Universitätsmuseum – Nikolaikapelle Maßwerkverglasung des Langhauses
Ravensburg, Liebfrauenkirche TM: Nikolaustafel S. 48719 S. 49f.; Textabb. 24
Credo-Apostel-Fenster S. 103 – St. Patrokli Gerichtsfenster im Narthex S. 406
Regensburg Chorverglasung S. 248f., 363, 508 – Ehem. Dominikanerkirche
– Dom – St. Pauli (Temple-Neuf), Chorverglasung
Farbverglasung Stifterfiguren um 1300 S. 132, 466; (abgegangen) s. Straßburg, Münster,
Hauptchorfenster H I S. 31439 Fig. 584 Laurentiuskapelle
Verkündigung an Maria S. 8329 Ornamentverglasung um 1300 – St.-Thomas
Nothelferfenster S. 220 (verloren) S. 127 Farbverglasung S. 49f., 29924 , 440,
Luppurg-Rotteneck-Fenster s V Figurenfenster um 1400 S. 61, 256; 465
S. 31439 Textabb. 49f. – Musée de l’Œuvre Notre-Dame
Stephanus-Laurentius-Fenster n XI – St. Petri Ecclesia und Synagoge vom
S. 314 40 WM: Martyrium der Hl. Agatha Südquerhausportal S. 350, 367f., 423f.
S: Verkündigungsgruppe des S. 58 Fassadenrisse A, A1 und B der
Erminoldmeisters S. 8329 – Wiesenkirche Straßburger Westfassade S. 80, 82,
– Minoritenkirche St. Salvator Farbverglasung S. 70, 310 444
Ornamentfenster S. 358 Ornamentmuster im Chor S. 127 Stuttgart
– St. Ulrich – Stadtarchiv – Staatsgalerie
Südportal mit Himmelfahrt Christi Nequambuch S. 58 TM: Graue Passion Hans Holbeins
S. 22036 Speyer S. 37 d.Ä. S. 279
Reims, Kathedrale S. 339, 513 St. Georgen bei Meran, Pfarrkirche – Württembergisches Landesmuseum
Chorkapellen S. 142, 338 WM: Georgszyklus S. 26326 GM aus Eglosheim S. 277
Seitenschiffe S. 4513 Stadtprozelten, Pfarrkirche GM aus Stöckenburg S. 277
Reinhardsbrunn, Klosterkirche S. 417 Farbverglasung S. 180, 21029 – Württembergische Landesbibliothek
Rheinstein, Burg Stedebach bei Niederwalgern, Landgrafenpsalter S. 32, 360, 365f.,
GM aus der Herrnleichnamskirche in Deutschordenshof 388; Fig. 437, 470
Köln(?) S. 326; Fig. 403f. Wappenscheiben (überliefert) S. 64 Zwiefaltener Martyrium S. 23272
Riede, Kapelle Stendal – Privatbesitz
Farbverglasung (überliefert) S. 512 – Dom Glasmalereien aus Wetter S. 56, 497,
Rochlitz/Sachsen, Kunigundenkirche Farbfenster S. 61f., 267 499f.; Fig. 629, Abb. 382f.
TM: Hochaltar S. 28714 Standfigurenfenster n IV S. 257
Rommersdorf, Prämonstratenserabtei – Jakobikirche Tartlau/Prejmer, Rumänien
S. 73 Fenster N II S. 257 Deutschordenskirche S. 3397
680 register
Textabbildungen Bildarchiv Foto Marburg: 1, 4, 16, 52, 58, 73, 74, 93, 105–109,
111,112, 148, 151, 182, 184, 188, 209, 212, 216, 254–286, 287f., 340,
CVMA Deutschland, Freiburg i.Br.: Andrea Gössel: 7, 17, 28; 357, 380, 382, 410, 412, 413, 507, 519, 429, 438, 460, 510, 512, 514,
Rafael Toussaint: 10, 14, 26; Rüdiger Becksmann: 13; Rüdiger 537, 543, 555, 564, 565, 570, 571, 574, 587, 609, 614, 619, 626, 627,
Tonojan: 18, 33, 34; Jean Jeras: 31, 37; Felix Hulbert, Eltville: 32; 632, 643; Gräfl iche Rentkammer, Erbach: 5, 14; The Metropolitan
Ulrich Engert: 32 (Montage); Rainer Wohlrabe: Ornamentmus- Museum of Art, New York: 15, 17; Szépmüvészeti Múzeum, Bu-
ter III, 31–50 und Standortkarte auf S. 26; Archiv: 30, 39, 40. dapest: 55; Gemeinde Haina (Kloster): 97–99, 164, 168, 314; Fe-
lix Hulbert, Eltville: 103; Landesamt für Denkmalpflege, Wies-
The J. Paul Getty Museum, Los Angeles: 6; Bildarchiv Foto baden: 143, 415, 416; Verlag Schnell+Steiner, Regensburg: 174;
Marburg: 8, 9, 16, 35, 38, 52; Bildarchiv Preußischer Kulturbe- Ansgar Hoffmann, Schlangen, für Verwaltung der Staatlichen
sitz, Berlin: 15, 27; Dombauarchiv, Köln: 19; Staatsbibliothek zu Schlösser und Gärten Hessen, Bad Homburg: 289–292; Dietrich
Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Handschriftenabteilung: 20f.; Rentsch: 403; Württembergische Landesbibliothek, Stuttgart:
Hofbibliothek Schloss Johannisburg, Aschaffenburg: 23; Lan- 437, 470; Herzog August Bibliothek, Wolfenbüttel: 445; Staats–
desamt für Denkmalpflege Hessen, Wiesbaden: 41, 46, 48; West- und Universitätsbibliothek, Hamburg: 469; Museo Archeo-
fälisches Amt für Denkmalpflege, Münster: 49f.; Museums- logico Nazionale, Cividale: 516; Dombauarchiv, Köln: 517;
landschaft Hessen Kassel: 51. Rheinisches Bildarchiv, Köln: 520; Glasmalereiwerkstatt V.
Reproduktionen: 1 (Walther, Codex Manesse, Frankfurt Saile, Stuttgart: 629; Landesamt für Denkmalpflege Hessen,
1981); 3 (Wolter-von dem Knesebeck 2001); 4f. (Deutsche Wiesbaden: 639.
Königspfalzen, Göttingen 2007); 11 (DGM I); 12, 42 (CVMA Reproduktionen: 18 (Clemen 1930); 35 (T.I.B. 165); 49, 601f.,
Skandinavien, 1964); 22 (Goldschmidt, Goslarer Evangeliar, 606 (Holtmeyer 1910); 298 (Schneckenburger–Broschek
Berlin 1910); 24 (Doré, Strasbourg, Strasbourg 2007); 25 (Hess 1997); 316 (Nickel, Mittelalterliche Wandmalerei in der DDR,
1999); 29 (Unterkircher, Reiner Musterbuch, Graz 1979); Leipzig 1979); 422 (Schmitt, Gotische Skulpturen des Straßbur-
36 (Honnefelder/Trippen/Wolff 1998); 43f. (AK Marburg ger Münsters, Frankfurt 1924); 423f. (Reinhardt, Cathédrale
1932). de Strasbourg, Strasbourg 1972); 430 (Beyer/Wild-Block/
Zschokke 1986); 435 (Haseloff 1931); 472 (FS Schubert, Wei-
mar 1967); 518 (Andersson 1964); 545, 638 (Moller 1822–24);
Figuren 548 (AK Köln 1972); 563 (AK Marburg 1932); 641 (Ganssauge/
Kramm/Medding 1939); 607, 645 (Schäfer/Rossteuscher
CVMA Deutschland, Freiburg i.Br.: Rainer Wohlrabe (Zeich- 1885); 644 (Oidtmann 1912).
nungen): 2, 3, 12, 19–33, 36, 38, 45–48, 51, 59–72, 75, 79–81, 83–
85, 87, 88, 90, 92, 116–127, 129–142, 144–147, 149–150, 152–157,
159–163, 165–167,169–173, 175–179, 181, 183, 189–205, 207, 218– Abbildungen
228, 230–237, 239–243, 245–253, 293, 302–310, 312, 324–326,
328–332, 336–339, 314, 343, 346, 348, 349, 358–374, 376, 377, CVMA Deutschland, Freiburg i.Br.: Rüdiger Tonojan: 1, 4–16,
380, 389–400, 402, 406, 408, 411, 431, 440, 442, 443, 446–454, 20, 21, 25, 51, 251–256, 275, 280, 292, 296–298, 303, 309, 318, 319,
456, 457, 473–487, 489–493, 495–502, 504–506, 522–527, 529– 325, 329, 360–363, 367, 368, 369, 370, 373–376; Daniel Parello:
533, 535, 536, 538, 540, 542, 550, 551–554, 556–558, 567–569, 573, 17; Jean Jeras: 18, 22, 24, 39–50, 162, 172–190, 192, 193, 195, 196,
577–580, 582, 586, 592–594, 597, 598–600, 603, 604, 608, 610, 311, 313, 314, 330–360, 371, 372, 377–381, 387, 388; Andrea Gös-
611, 617, 618, 620, 623–625, 630, 631, 635; Rainer Wohlrabe (Fo- sel: 19, 136–160, 164–171, 194, 199; Joern Klaes: 26–38, 116–119,
tografien): 352–355, 375, 383–387; Andrea Gössel: 8–11, 13, 37, 122–135, 364–366; Ulrich Engert: 52, 56, 68, 71, 72 (Montage),
114, 115, 158, 206, 208, 210, 213–215, 217, 238, 295–297, 299–301, 73f., 75 (Montage), 81, 86, 101, 310, 324; Felix Hulbert, Eltville:
342, 350; 356; Daniel Parello: 34; Jean Jeras: 43, 44, 76 bis 78, 72, 75; Gerhard Gräf: 197, 198, 218, 243–249; Rainer Wohlra-
82, 86, 313, 315, 318–323, 327, 333–335, 414, 433, 434, 455, 461, be: 200, 218–242; Rafael Toussaint: 257–274, 276–279, 281–295,
463, 464, 466, 467, 468, 503, 559, 572, 575, 576, 581, 605, 621, 299–302, 304, 305, 384; Archiv: 23, 161, 191, 327.
622, 628, 633, 634; Rüdiger Tonojan: 50, 89, 294, 311, 425, 426,
436, 439, 441, 488, 508, 509, 511, 513, 515, 521, 528, 534, 541, The Metropolitan Museum of Art, New York: 2, 3; Bildarchiv
544, 546, 547, 583, 585, 595–597, 612, 613, 615, 616; Joern Klaes: Foto Marburg: 53–55, 57–67, 69, 70, 76–80, 82–85, 87–100, 102–
53, 54, 185–187, 588–591; Daniel Hess: 40–42; Ulrich Engert: 115, 120, 121; 201–217, 250, 306–308, 311, 312, 315–317, 320–323,
91, 94–96, 100–102, 103 (Montage), 104, 110, 113, 128, 180, 432, 326, 328; Ansgar Hoffmann, Schlangen für Verwaltung der
465, 494, 560, 640; Rafael Toussaint: 344, 419, 421, 428, 444, Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen, Bad Homburg: 163;
458, 462, 471, 539, 561, 562; Gerhard Gräf: 345, 379, 388, 401, Glasmalereiwerkstatt V. Saile, Stuttgart: 382, 383, 385, 386.
404, 405, 407, 409, 459; Ulf-Dietrich Korn (Zeichnung): 641;
Rüdiger Becksmann: 347, 566; Archiv: 56, 57, 211, 229, 244, 420,
417, 418, 420, 427, 584.
STAND DER VERÖFFENTLICHUNGEN
Das Corpus Vitrearum / Corpus Vitrearum Medii Aevi erscheint unter Mitwirkung des Internationalen Kunsthistorikerkomitees
(CIHA) unter dem Patronat der Union Académique Internationale (UAI). Stand der Veröffentlichungen: 10/2008.
Herausgegeben vom Deutschen Verein für Kunstwissenschaft, Reihe Recensement des vitraux anciens de la France
Berlin (bis 1974), von der Akademie der Wissenschaften
und der Literatur Mainz und dem Deutschen Verein für Erschienen :
Kunstwissenschaft, Berlin (seit 1979) bzw. vom Institut für I. Les vitraux de Paris, de la région parisienne, de la
Denkmalpflege der DDR, Berlin (bis 1986), danach wechselnd Picardie et du Nord-Pas-de-Calais, Paris 1978
und in Zukunft von der Berlin-Brandenburgischen Akademie II. Les Vitraux du Centre et des Pays de la Loire, Paris
der Wissenschaften; Vertrieb durch Deutscher Verlag für 1978
Kunstwissenschaft, Berliner Str. 53, D-10713 Berlin bzw. III. Les vitraux de Bourgogne, Franche-Comté et Rhône-
Akademie Verlag, Palisadenstr. 40, D-10243 Berlin. Alpes, Paris 1986
IV. Les vitraux de Champagne-Ardenne, Paris 1992
Reihe Studien V. Les vitraux de Lorraine et d’Alsace, von Michel
Hérold und Françoise Gatouillat, Paris 1994
Erschienen: VI. Les vitraux de Haute-Normandie, von Martine
I. Entwurf und Ausführung. Werkstattpraxis in der Callias Bey, Véronique Chaussé-David, Françoise
Glasmalerei der Dürerzeit, von Hartmut Scholz, Gatouillat und Michel Hérold, Paris 2001
Berlin 1991 VII. Les vitraux de Bretagne, von Françoise Gatouillat
II. Erfurt, Köln, Oppenheim. Quellen und Studien und Michel Hérold, Rennes 2005
zur Restaurierungsgeschichte mittelalterlicher VIII. Les vitraux de Basse-Normandie, von Martine
Farbverglasungen, von Falko Bornschein, Ulrike Callias Bey und Véronique David, Rennes 2006
Briinkmann und Ivo Rauch, mit einer Einführung
von Rüdiger Becksmann, Berlin 1996 Reihe Études
Supplementary Volume I. The Windows of King’s College IV. Le vetrate del Duomo di Milano, von Caterina Pirina,
Chapel, Cambridge, von Hilary Wayment, London Mailand 1986
1972
Occasional Papers I. The Deterioration and Conservation of Herausgegeben von der Amministrazione Provinciale de
Painted Glass: A Critical Bibliography and Three Milano; Vertrieb durch Le Monnier, via A. Meucci 2, I-50015
Research Papers, by Roy G. Newton, London 1974 Grassina Firenze
Occasional Papers II. The Deterioration and Conservation
of Painted Glass: A Critical Bibliography, by Roy In Vorbereitung:
Newton, London 1982 Le vetrate de Firenze, von Giuseppe Marchini (†)
Occasional Paper III. The Medieval Painted Glass of Lincoln Le vetrate della Lombardia, von Caterina Pirina u.a.
Cathedral, von Nigel Morgan, London 1983 Le vetrate del Duomo di Milano (secoli XVI/XVII),
von Caterina Pirina und Ernesto Brivio
Le vetrate della Certosa di Pavia, von C. Pirina
stand der veröffentlichungen 685
KANADA In Vorbereitung:
Vorgesehen: 1 Band V. Die mittelalterlichen Glasgemälde in der Steiermark,
2. Teil: Admont bis Vorau, von Ernst Bacher, Gün-
In Vorbereitung: ther Buchinger, Elisabeth Oberhaidacher-Her-
Stained Glass in Canadian Public and Private Collections zig und Christina Wolf
VI. Die mittelalterlichen Glasgemälde in Niederöster-
reich, 2. Teil: Krenstetten bis Zwettl, von Günther
NIEDERLANDE Buchinger, Eva Frodl-Kraft, Elisabeth Oberhai-
Vorgesehen: Zahl der Bände nicht festgelegt dacher-Herzig und Christina Wolf
VII. Die mittelalterlichen Glasgemälde in Oberösterreich
Erschienen: VIII. Die mittelalterlichen Glasgemälde in Kärnten
I. The stained-glass windows in the Sint Janskerk at
Gouda, The glazing of the clerestory of the choir Herausgegeben vom Bundesdenkmalamt und der Öster-
and of the former monastic church of the Regulars, reichischen Akademie der Wissenschaften; Vertrieb durch
von Henny van Harten-Boers und Zsuzsanna van Böhlau Verlag, Wiesingerstraße 1, A-1010 Wien.
Ruyven-Zeman sowie Christiane E. Coebergh-
Surie und Herman Janse, Amsterdam 1997
II. The stainded-glass windows in the Sint Janskerk at POLEN
Gouda. Dirck and Wouter Crabeth, von Xander van Vorgesehen und in Vorbereitung: 1 Band
Eck und Christiane E. Coebergh-Surie, Andrea C. Die mittelalterlichen Glasmalereien in Polen, von
Gasten, Amsterdam 2002 Lech Kalinowski (†), unter Mitarbeit von Helena
III. The stainded-glass windows in the Sint Janskerk at Malkiewicz u.a.
Gouda, 1556-1604, von Zsuzsanna van Ruyven-
Zeman, Amsterdam 2000
PORTUGAL
In Vorbereitung: Vorgesehen und erschienen: 1 Band
Summary catalogue: The stained-glass windows in O vitral em Portugal, Séculos XV-XVI, von Carlos
the Netherlands before 1800 (with the exception of Vitorino da Silva Barros, Lissabon 1983
Gouda), von Zsuzsanna van Ruyven-Zeman
Herausgegeben unter dem Patronat des Commissariado para
Herausgegeben von der Koninklijke Nederlands Akademie a XVII Exposicao Europeia de Arte, Ciência e Cultura do
van Wetenschappen, Amsterdam (Postbus 19121, NL-1000 Conselho da Europa von dem Banco Espirito Santo e Comercial
GC Amsterdam). de Lisboa; Vertrieb durch Museu nacional de arte antiga, Rua
Luciano Cordeiro, 49, 40 -D.10 , P-Lissabon 1100.
Reihe Checklist
In Planung: SCHWEIZ
I. Silver-Stained Roundels and Unipartite Panels before Vorgesehen: 5 Bände (ohne Reihe: Neuzeit)
the French Revolution. The Netherlands, Vol. I, von
C.J. Berserik und J.M.A. Caen Erschienen:
I. Die Glasmalereien in der Schweiz vom 12. bis zum
II. Silver-Stained Roundels and Unipartite Panels before Beginn des 14. Jahrhunderts, von Ellen J. Beer, Basel
the French Revolution. The Netherlands, Vol. II, von 1956 (vergriffen)
C.J. Berserik und J.M.A. Caen II. Die Glasmalereien der ehemaligen Klosterkirche
Königsfelden, von Brigitte Kurmann-Schwarz,
Bern 2008
ÖSTERREICH III. Die Glasmalereien der Schweiz aus dem 14. und 15.
Vorgesehen: 8 Bände Jahrhundert, ohne Königsfelden und Berner Münster-
chor, von Ellen J. Beer, Basel 1965 (vergriffen)
Erschienen: IV. Die Glasmalereien des 15. bis 18. Jahrhunderts im
I. Die mittelalterlichen Glasgemälde in Wien, von Eva Berner Münster, von Brigitte Kurmann-Schwarz,
Frodl-Kraft, Wien 1962 Bern 1998
II. Die mittelalterlichen Glasgemälde in Niederösterreich,
1. Teil: Albrechtsberg – Klosterneuburg, von Eva Herausgegeben von der Schweizerischen Akademie für
Frodl-Kraft, Wien 1972 Geistes- und Sozialwissenschaften; Benteli Verlags AG,
III. Die mittelalterlichen Glasgemälde in der Steiermark, Senftigenstr. 310, CH-3084 Wabern, und Buchstämpfli,
1. Teil: Graz und Straßengel, von Ernst Bacher, Wien Versandbuchhandlung, Postfach 5662, CH - 3001 Bern.
1979
IV. Die mittelalterlichen Glasgemälde in Salzburg, Reihe Neuzeit
Tirol und Vorarlberg, von Ernst Bacher, Günther
Buchinger, Elisabeth Oberhaidacher-Herzig I. Glasmalerei im Kanton Aargau, Kloster Wettingen,
und Christina Wolf, Wien 2007 von Peter Hoegger, Buchs 2002
686 stand der veröffentlichungen