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Stefan Engelberg

Verben, Ereignisse
und das Lexikon

M a x Niemeyer Verlag
Tübingen 2 0 0 0
Inhalt

Vorwort VIII
hs- - 1 Einleitung 1
1.1 Was tun (in der lexikalischen Semantik)? 1
1.1.1 Theorien 1
1.1.2 Phänomene 5
1.1.3 Zu dieser Arbeit 9
1.2 Vier Kontroversen 12
1.2.1 Syntaktische vs. semantische Begründungen 12
1.2.2 Dekompositionen vs. Bedeutungspostulate 17
1.2.3 Lexikalisches vs. enzyklopädisches Wissen 22
1.2.4 Kognitive vs. referentielle Semantik 26

2 Ereignisstruktur 31
2.1 Ereignisstrukturen - die Theorie 31
2.1.1 Abriß einer Theorie lexikalischer Ereignisstrukturen 31
2.1.2 Andere lexikalisch-semantische Ereignisstrukturtheorien 35
2.2 Ereignisstrukturen - die Daten 48
2.2.1 Zugriff auf Teilereignisse 48
2.2.2 Nachzustände 54
2.2.3 Durativität und Punktualität 63
2.2.4 Temporale und semantische Relationen 78

3 Argumentstruktur 85
3.1 Prädikat-Argument-Strukturen 85
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme 3.1.1 Thematische Argumente 85
3.1.2 Argumente, Modifikatoren und Teilereignisse 97
Engelberg, Stefan: Verben, Ereignisse und das Lexikon / Stefan Engelberg. - Tübingen : Niemeyer, 2000 3.1.3 Ereignisargumente 100
(Linguistische Arbeiten ; 414)
3.2 Syntaktische und semantische Valenz 105
Zugl.: Wuppertal, Univ., Diss., 1998
3.2.1 Semantische Grundlagen und Notationen 105
ISBN 3-484-30414-6 ISSN 0344-6727 3.2.2 Argumente und Valenz 5
1 1

3.2.3 Argumentstruktur und Valenz: Einige problematische Fälle 121


© Max Niemeyer Verlag, Tübingen 2000 3.3 Argumente und adverbiale Modifikation 128
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der
3.3.1 Lokal- und Temporaladverbiale 128
engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das
gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und 3.3.2 Komitativadverbiale 131
Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. 3.3.3 Instrumentaladverbiale und Passiv 137
Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. 3.3.4 Die Modifikation impliziter Argumente 142
Druck: Weihert-Druck GmbH, Darmstadt 3.3.5 Das Verb im Lexikon (Teil I) 151
Einband: Industriebuchbinderei Nadele, Nehren
VII
VI
304
4 Semantische Relationen 156 7 Ereignisverben
7.1 Ereignisargumente im Lexikon und im Satz 304
304
4.1 Thematische Rollen 156
7.1.1 Was sind Ereignisse? 304
4.1.1 Das semantische Problem mit thematischen Rollen 156
7.1.2 Die Bindung von Ereignisargumenten 309
309
4.1.2 Thematische Rollen und Ereignisse 162
4.1.3 Thematische Rollen und Argumenttheorien 173 7.2 Ereignisstruktursemantik ^19
4.1.4 Neo-davidsonische Theorien aus lexikalischer Sicht 180 7.2.1 Teilereignisse
4.2 "Sentience", "Volition" und andere semantische Relationen 190 7.2.2 Relationen zwischen Teilereignissen ^"
3 3 4

4.2.1 Thematische Rollen als Prototypen 190 7.2.3 Das Verb im Lexikon (Teil III)
4.2.2 "Sentience" 193
337
4.2.3 Kontrolle, freier Wille und das unpersönliche Passiv 198 Literatur
4.2.4 Das Verb im Lexikon (Teil II) 210
351
Register
5 Ereignisontologie 215 Sachregister
5.1 Vorüberlegungen zur Ereignisontologie 215 356
Verbregister
5.1.1 Grundannahmen für ontologisches Argumentieren in
natürlichsprachlichen Semantiken 215
5.1.2 Die Fragen hinter der Frage, was Ereignisse sind 217
5.1.3 Zum ontologischen Begründungsbedarf 220
5.1.4 Zum epistemologischen Begründungsbedarf. 225
5.2 Feinkörnige vs. grobkörnige Ereignisauffassungen 230
5.2.1 Ereignisse und das Körnigkeitsproblem 230
5.2.2 Feinkörnige Ereignisauffassungen 232
5.2.3 Grobkörnige Ereignisauffassungen 241
5.3 Ereignisse als abstrakte Partikularia 247
5.3.1 Ereignisse und Welten 247
5.3.2 Ereignisse und Räume 252
5.3.3 Ereignisse und Veränderungen 259

6 Ereigniswahrnehmung 264
6.1 Wahrnehmungspsychologische Positionen zu Ereignissen 264
6.1.1 Fragestellungen der Psychologie zur Ereigniswahrnehmung 264
6.1.2 Psychologie der Bewegungswahrnehmung und Vektoranalysen
proximaler Stimuli (Johansson) 267
6.1.3 Ökologische Wahrnehmungspsychologie und transformationeile
Invarianten (Gibson, Shaw) 272
6.2 Ereignisontologische Probleme und die Ereigniswahrnehmung 280
6.2.1 Die Frage der Abhängigkeit eines Ereignisses von einem Gegenstand.... 280
6.2.2 Die Frage der Körnigkeit eines Ereignisses 282
6.2.3 Die Frage nach dem Ereignisort 284
6.3 Ereignissemantische Probleme und die Ereigniswahrnehmung 288
6.3.1 Sensorische Verben als Kausativa 288
6.3.2 Zweibewegungsverben 294
6.3.3 Punktuelle Verben 299
Vorwort Einleitung

Die vorliegende Arbeit ist die überarbeitete Fassung meiner Doktorarbeit, die von Joachim 1 1 Was tun (in der lexikalischen Semantik)?
Jacobs und Gisa Rauh begutachtet wurde und im Wintersemester 1998 vom Fachbereich
Sprach- und Literaturwissenschaften der Bergischen Universität Gesamthochschule Wup­
pertal angenommen worden ist. Die Arbeit ist im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 11.1 Theorien
282 "Theorie des Lexikons" im Teilprojekt "Valenz im Lexikon" entstanden. Sie wurde von
Joachim Jacobs betreut. W o r t e . Diese Arbeit beschäftigt sich mit der lexikalischen Repräsentation von
E i n l e i t e n d e

Ihm möchte ich ganz herzlich danken für seine Unterstützung, seine Kritik und den Frei­ Verben und der Frage, welche Rolle Ereignisargumente in solchen Repräsentationen
raum, den er mir gelassen hat Auch die folgenden Personen haben durch Diskussionen, spielen können. Bevor ich in Kapitel 1.1.3 im Einzelnen auf die Zielsetzungen und den
Begutachtungen, Korrekturlesen und andere Formen der Unterstützung zum Entstehen Aufbau der Arbeit eingehe, möchte ich einige Überlegungen zur lexikalischen Semantik
dieser Arbeit beigetragen: Jennifer R. Austin, Kerstin Blume, Daniele Clement, Regine vorausschicken, die zeigen sollen, aus welcher Position heraus diese Arbeit geschrieben
Eckardt, Inge Engelberg, Rudolf Engelberg, Andreas Epping, Ulla Erkens, Silvia Gregarek, ist. Ich werde in diesem Kapitel zunächst eine Einschätzung der Entwicklung und des
Dagmar Haumann, Ingrid Kaufmann, Lothar Lemnitzer, Gisa Rauh, Susanne Uhmann. gegenwärtigen Stands der lexikalischen Semantik versuchen, um dann in Kapitel 1.1.2
Heinz Vater, Thomas in der Weide und die Kollegen und Kolleginnen aus dem SFB 282 einen Überblick über die verschiedenen Typen von Phänomenen zu geben, mit denen sich
"Theorie des Lexikons". die Semantik von Verben auseinanderzusetzen hat.

E i nE x p e r i m e n t ( V e r b s e m a n t i k i n d e n 7 0 e r J a h r e n ) : Zum Ende der 70er Jahre haben Edith


Moravcsik und Jessica Wirth als Herausgeberinnen eines Buches mit dem Titel "Current
Approaches to Syntax" ein Korpus von siebzehn Sätzen zusammengestellt, die verschie­
dene erklärungsbedürftige syntaktische Phänomene repräsentierten (Moravcsik / Wirth
1980:392). Diese Sätze wurden Vertretern verschiedener syntaktischer Theorien von der
"Montague Grammar" über die "Functional Grammar" bis hin zur "Role and Reference
Grammar" zur Analyse vorgelegt und die Ergebnisse in dem erwähnten Band veröffent­
licht. Das Beispielkorpus spiegelte unwidersprochen einen Kerndatenbestand syntaktischer
Theorien wider (Passivierung, w/z-Positionen, Dative Shift, Raising-Verben, etc.), und
abgesehen davon, daß jede dieser Theorien bestimmte Phänomene überzeugender als an­
dere erklären konnte, bestand doch über die Art der in syntaktischen Theorien zu erklä­
renden Daten weitgehender Konsens.
Ein ähnliches Unterfangen im Bereich der lexikalischen Semantik hätte vermutlich zur
damaligen Zeit - und würde wohl weitgehend auch heute noch - auf Ratlosigkeit bezüg­
lich der Frage stoßen müssen, wie denn ein solches Korpus für die lexikalische Semantik
aussehen sollte, das man Vertretern verschiedener Theorien vorlegen könnte. Prototypen-
semantiker hätten zur Bedeutung von n i c h t und o d e r wenig sagen können, während for­
male Semantikerinnen das semantische Verhältnis zwischen V o g e l , A m s e l und P i n g u i n als
uninteressant für die Theoriebildung erachtet hätten. Wortfeldsemantiker hätten Daten
zum Argumentlinking vermutlich genauso ratlos gegenübergestanden, wie Vertreterinnen
der generativen Semantik oder der Thetarollentheorie der Frage nach der Bedeutung von
Farbwörtern. Dies sagt dabei weniger etwas über die Qualität der einzelnen Theorien aus,
als vielmehr etwas über die lexikalische Semantik als eine Teildisziplin der Linguistik:
Die verschiedenen Theorien haben offenbar ganz verschiedene Gegenstandsbereiche,
aufgeteilt nach den untersuchten semantischen Eigenschaften, den untersuchten Wortarten
und der Anbindung an syntaktische Theorien, und sind insofern zum größten Teil nicht
vergleichbar. Was sie verbindet, ist bestenfalls die vortheoretische Idee, es mit der Bedeu­
tung von Wörtern zu tun zu haben.
3

Richtet man den Blick im Besonderen auf die Verbsemantik ausgangs der 70er Jahre, (c) to predict the regularities found to hold between the syntactic distribution and behavior of
so ist auch dort unter den verschiedenen Ansätzen die Diskrepanz in der theoretischen lexical items and their meaning. I will call this the "linking" problem;
(d) to correctly account for such phenomena of "semantic markedness" as the relative order of
Orientierung und den betrachteten Daten erheblich. In der generativen Semantik (Katz,
acquisition of vocabulary, the relative frequency of lexicalization of the various lexicalizable
McCawley, u.a.) und der Montague-Grammatik war die Suche nach der Verbbedeutung in meanings across languages, etc. (Carter 797,5/1988:139)
ganz unterschiedlicher Weise in die Frage eingebettet, wie das Verhältnis zwischen der
syntaktischen Struktur von Sätzen und ihrer Bedeutung zu erklären ist. Die Kasustheorie Innerhalb der Verbsemantik im Besonderen haben sich in den 80er Jahren zwei Richtun­
(Fillmore) und andere Thetarollenansätze beschäftigten sich mit semantischen Kategori- gen etabliert, die beide in Dowtys (1979) "Word Meaning and Montague Grammar" einen
sierungen von Verbargumenten und der Frage, wie diese in die Syntax abgebildet werden, wichtigen Ausgangspunkt hatten: zum einen formalsemantische Arbeiten v.a. zur aspek-
während die Valenztheorie (Heibig, Schumacher, u.a.) mit dem Problem befaßt war, wel­ tuellen Bedeutung von Verben und zum anderen lexikalisch-dekompositionelle Arbeiten
che operationalen Verfahren zur Distribution von Verben in bestimmten Konstruktionen zu Linking-Phänomenen.
uns zeigen können, was überhaupt Argumente eines Verbs sind. Im Rahmen verbsemanti­ Dowty bemängelte in seiner Arbeit, in der lexikalische Dekompositionen in eine
scher Fragestellungen entstanden schließlich auch erste merkmalsemantisch orientierte Montague-Grammatik integriert werden, die Beschränkung des lexikalischen Interesses
Ansätze zur Aspektkomposition, die wesentlich an den von Vendler ins Bewußtsein der der formalen Semantik auf die sogenannten logischen Wörter, also Konjunktionen, Nega­
2

modernen Linguistik gebrachten Aspekt- und Adverbialphänomenen orientiert sind, wäh­ tions- und andere Funktionswörter:
rend parallel dazu die traditionelle Aktionsartforschung an Verbklassifikationen arbeitete, [...] I have tried to dispel the misconception widely held by philosophers that all the interesting
1
die sich stark an Wortbildungsdaten orientierten. and important problems of natural language semantics have to do with so-called logical words
Dieser Vielfalt an Theorien im Bereich der Bedeutung von Verben liegt eine Hetero- and with compositional semantics rather than with word semantics, as well as with the more
genität der verschiedenen Ansätze sowohl hinsichtlich der Fragestellungen und Problem­ basic misconception that it is possible even to separate these two kind of problems. (Dowty
1979:v)
orientierung (syntaktisch, satzsemantisch, aspektuell, argumentstrukturell) als auch hin­
sichtlich der herangezogenen Daten (Argumentrealisierung, syntaktische Distribution, Die formale, satzsemantisch orientierte Bedeutungslehre hat seitdem verstärkt den Beitrag
Wortbildung, Aspektformen, Distribution hinsichtlich Adverbklassen) zugrunde. Einen auch von Bedeutungen nicht-logischer Wörter in kompositionellen Prozessen berücksich­
wirklichen Theorienpluralismus, wie ihn das von Wirth / Moravcsik durchgeführte Expe­ tigt. Es konnten dadurch im Bereich der Verbsemantik, v.a. in Theorien zur Aspektkom­
riment in der Syntax voraussetzte, gab es in der lexikalischen Semantik der 70er Jahre position und zur adverbialen Modifikation von Verben, wichtige Ergebnisse erzielt wer­
nicht, wohl auch nicht innerhalb des mit der Verbbedeutung befaßten Bereichs, denn den. Die allgemeine Vorstellung von dem, was eine lexikalisch-semantische Repräsenta­
Theorienkonkurrenz kann sich nur auf der Basis vergleichbarer Forschungsziele und eines tion in der formalen Semantik leisten soll, läßt sich dabei so formulieren:
zumindest in den Grundzügen gleichen, implizit vorausgesetzten Datenkorpus entwickeln. What words mean is a matter of the systematic effects they have on the semantic and pragmatic
properties of (utterances of) sentences containing them, properties like entailments, presuppo­
A s p e k t u a l i t ä t s p h ä n o m e n e - Aus­
L i n k i n g p h ä n o m e n e ( V e r b s e m a n t i k i n d e n 8 0 e r J a h r e n ) :
sitions, incompatibility, and perhaps some kinds of implicatures. [....] That is, word meanings
gangs der 70er Jahre formuliert Carter ein Programm für die lexikalische Semantik im must be able to provide an appropriate finite base for an adequate recursive theory of indefinitely
Allgemeinen, dessen Umsetzung man in Grundzügen wohl auch den meisten gegenwärti­ many sentential meanings. (Chierchia / McConnell-Ginet 1990:349)
gen lexikalisch-semantischen Theorien als Ziel unterstellen kann.
Daneben haben sich seit der Wiederbelebung und "Lexikalisierung" generativ-semanti­
I assume here that a semantic theory should be aimed at the following goals, among others: scher Ideen durch Dowty (1979) eine Reihe von lexikalisch-dekompositionellen Ansätzen
(a) to make available a descriptive apparatus - semantic representations, rules of inference, entwickelt, um Linkingphänomene, also die Abbildung von lexikalisch-semantischen auf
meaning postulates, or what have you - that will make it possible to account for entailment
relations among sentences, relations of synonymy and partial synonymy, and all other logical syntaktische Strukturen, zu erklären. Auf diesem Gebiet lösten sie ältere thetarollenorien-
relations and properties, in the most elegant way; tierte Ansätze, die erst im Rahmen von Protötypentheorien Anfang der 90er Jahre wieder
(b) to provide for an explanatory account of the limitations on possible meanings of words, ins Blickfeld gerieten, weitgehend ab. Das lexikalisch-semantische Programm eines de-
morphemes, grammatical affixes, particles, etc. I will call this the problem of "possible words" kompositionellen Ansatzes formuliert Levin für das MIT Lexicon Project:
for short;
Attaining the goals of the Lexicon Project ideally requires developing a representation of those
aspects of the meaning of a lexical item which characterize a native speaker's knowledge of its
Darüber hinaus waren und sind natürlich auch andere Theorien, zumindest partiell, mit der
Bedeutung von Verben befaßt, wie etwa die Theorie semantischer Netze (z.B. Quillian),
"frame"-basierte Theorien (z.B. Minsky), die Wortfeldtheorie und die Prototypentheorie. Eine
Reihe von Theorien ist seitdem dazugekommen, v.a. die kognitive Semantik (Lakoff, Lang­ Ähnliche Ansichten wurden zu dieser Zeit auch von anderen formalen Semantikern geäußert,
acker) und dekompositionsbasierte Semantiken wie die konzeptuelle Semantik (Jackendoff), z.B. Cresswell (1979:171): "[...] it has seemed to me for some time now that logicians can no
die Zwei-Ebenen-Semantik (Bierwisch, Lang) mit der darin entstandenen Lexikalischen De- longer be content with merely preposing general frameworks and discussing the so-called
kompositionsgrammatik (Wunderlich) und andere dekompositionelle Ansätze (z.B. Levin, 'logical words' of a natural language but must actually dirty their hands and try to support the
Rappaport). framework by showing, in as much detail as they can, how particular words behave within it."
4 5

argument structure and detennine the syntactic expression of its arguments. This necessitates 8
beruhen, über das in seinen Kernbereichen implizit Einigkeit besteht. Damit sind zumin­
3
establishing the relation of this level of representation to existing levels. (Levin 1985:4) dest innerhalb der Verbsemantik Bedingungen erfüllt, die es erlauben, von der lexikali­
Dabei wurde für diese Variante einer lexikalisch-semantischen Dekompositionstheorie schen Semantik als einer eigenständigen linguistischen Disziplin zu sprechen. Diskrepan­
postuliert, daß man von zwei Typen lexikalischer Semantik ausgehen muß: eine will die zen bestehen weniger in der Frage, welche Art von Daten von einer allgemeinen Theorie
Abbildung von semantischen auf syntaktische Strukturen erklären, und die andere legt den zur Verbbedeutung zu erklären sind, als vielmehr darin, mit welcher Art von Theorien
Schwerpunkt auf semantische Interpretation, indem sie solche Dinge explizit macht wie dies zu geschehen hat. Insbesondere unterscheiden sich gegenwärtige Ansätze darin, ob
Synonymie, Antonymie, Paraphrase, pragmatische und logische Inferenzen Beide An­ und in welchem Maße sie ihre Theorie im Rahmen einer Prädikatenlogik formulieren,
sätze, so wurde von Rappaport (1985:137) angenommen, bieten für die Zielsetzungen des darin ob sie verschiedene Repräsentationsebenen im Lexikon annehmen, und schließlich
jeweils anderen kaum Lösungen nicht zuletzt darin, ob und welchen Bezug sie auf kognitive Strukturen als Vermittlungs-
Zu den formalsemantischen Arbeiten dieser Periode ist zu sagen, daß sie durchweg instanz zwischen Sprache und Welt nehmen. Ich komme in Kapitel 1.2 darauf noch zu
nicht von empirischen lexikalischen Untersuchungen ausgingen und dadurch letztlich den sprechen, will im nächsten Kapitel aber zunächst versuchen, ein Datenkorpus für die
Eindruck hervorriefen, eine geringe Zahl analysierter Verben würde die ganze lexikalische Verbsemantik zu beschreiben.
4
Breite unterschiedlicher Verbbedeutungen abdecken. Dekompositionelle Ansätze haben
demgegenüber zwar ansatzweise die ganze Breite von verschiedenen Bedeutungsklassen
von Verben und die Abhängigkeit verbsyntaktischer Konstruktionsmöglichkeiten von 1.1.2 Phänomene
5
verbalen Bedeutungen aufgedeckt, dagegen wurde der Zusammenhang zwischen der
Adäquatheit lexikalisch-semantischer Repräsentationen und deren Verarbeitbarkeit in Ein Datenkorpus für die Verbsemantik: Es ist hier natürlich nicht der Ort, das im letzten
satzsemantischen Prozessen in vielen dieser Ansätze weitgehend ignoriert. Kapitel geschilderte Experiment von Moravcsik und Wirth für die Verbsemantik zu wie­
derholen. Ich will aber doch versuchen, den Bestand von Daten zu umreißen, mit dem eine
Theorienpluralismus (Verbsemantik in den 90er Jahren): Bis in die ausgehenden 80er lexikalisch-semantische Theorie sich meines Erachtens auseinanderzusetzen hat. Im Fol­
Jahre liefen die Forschungsstränge der aspektorientierten formalen lexikalischen Verb­ genden stelle ich daher fünf Bereiche von Daten vor, von denen ich denke, daß sie den
semantik und der linkingorientierten, meist dekompositionellen lexikalischen Verbseman­ Kerndatenbestand einer lexikalisch-semantischen Theorie von Verben ausmachen. Ich
tik weitgehend unverbunden nebeneinanderher. Erst dann begannen sich die beiden For­ werde die fünf Phänomenbereiche kurz beschreiben und jeweils angeben, welche Phäno­
schungsrichtungen einander zuzuwenden. Die Berücksichtung aspektueller Daten in Lin- mene aus diesen Bereichen ich wo in dieser Arbeit behandele. Damit verbindet sich auch
kingtheorien wie etwa in Tenny (1987, 1988), van Voorst (1988) oder Grimshaw (1990),
der Anspruch, daß die in dieser Arbeit entwickelten theoretischen Vorstellungen prinzi­
die Entstehung neuer Theorien wie der Ereignisstrukturtheorie Pustejovskys (1988, 1991) 9
piell gute Erkärungen für Phänomene aus diesen fünf Bereichen bereithalten.
und die Erweiterung dekompositioneller Theorien wie der lexikalischen Dekompositions­
theorie (Wunderlich 1992, 1996) und z.T auch der konzeptuellen Semantik Jackendoffs Semantik-Syntax-Abbildung: Das Problem der Semantik-Syntax-Abbildung ("Linking")
(1983/1995, 1996) um ereignisbezogene Notationen sind Kennzeichen dieser Entwick­ besteht darin, zu erklären, welche semantischen Eigenschaften eines Verbs wie z.B. bas-
lung. 6
teln in (la) dafür verantwortlich sind, daß sein eines Argument im Aktivsatz als Subjekt
Im Rahmen dieser Veränderungen sind mittlerweile innerhalb der Verbsemantik kon­ erscheint und sein anderes als direktes Objekt, und welche möglicherweise universellen
7
kurrierende, vergleichbare Theorien entstanden, die auf einem größeren Datenkorpus

Pustejovskys (1991) Ereignisstrukturtheorie und der von ihm selbst vertretenen Lexikalischen
Etwas umfassender wird die Aufgabe der dekompositionellen Ebene der Semantik weiter hin­ Dekompositionsgrammatik.
ten in Levins programmatischem Papier formuliert: "Ideally, the decomposition should provide Natürlich wird es kein einmal fixiertes unveränderliches Datenkorpus für lexikalisch-semanti­
a basis for predicting and explaining properties of lexical items such as systematic and sche Theorien geben. Aber das gilt natürlich auch für die eingangs erwähnten syntaktischen
accidental gaps in the distribution of possible predicates, as well as regularities in the ex­ Theorien: Im Bestand der Daten, um deren Erklärung verschiedene Theorien konkurrieren,
pression and distribution of arguments and adjuncts." (Levin 1985:54) herrscht immer eine gewisse Fluktuation, die z.B. darauf zurückzuführen ist, daß unklar ist, ob
Solche empirischen Vorarbeiten zur Aspektkomposition sind erst später (z.B. von Mori / Löb- ein Phänomen wie etwa Passivierung syntaktisch oder lexikalisch behandelt werden soll, oder
ner / Micha 1992) vorgenommen worden und haben dadurch die Adäquatheit bestehender for­ darauf, daß bestimmte Phänomene, wie etwa Fokus oder Adjunktsyntax, erst im Laufe der Zeit
maler Theorien zur Aspektkomposition in Frage gestellt. verstärkt ins theoretische Blickfeld geraten. Auch soll nicht übersehen werden, daß Theorien
Vgl. dazu v.a. die umfangreiche empirische Arbeit von Levin (1993). nicht nur von bestimmten Datenkorpora ausgehen, sondern sich ihren Datenbestand aus ihrer
Diese Einschätzung ist natürlich stark auf die Verbsemantik bezogen; es ist darüber hinaus spezifischen Erklärungskraft heraus auch selbst erst erschließen. Zu einem gegebenen Zeit­
auch eine verstärkte Berücksichtigung der Nominal- und Adverbsemantik zu konstatieren, punkt liegt einer Theorie aber doch meist ein mehr oder weniger fester Datenbestand zugrunde.
ebenso wie z.B. Versuche, den Aspekt der Bedeutungserweiterungen, Typ- und Sortenverschie­ Zumindest zwei Typen von Daten, an deren Relevanz für die Beurteilung der Adäquatheit einer
bungen im lexikalischen Bereich zu behandeln (z.B. Pustejovsky 1995, Dölling 1992). verbsemantischen Theorie ich keinen Zweifel habe, sind in dieser Aufstellung wie auch in der
Wunderlich (1996) unternimmt einen solchen Vergleich hinsichtlich verschiedener verbseman­ vorliegenden Arbeit kaum berücksichtigt: das eine sind Daten aus dem Spracherwerb, das an­
tischer Theorien, nämlich der von Jackendoff (1996) entwickelten "conceptual semantics", dere Daten aus dem Sprach-, insbesondere dem Bedeutungswandel.
6 7

Prinzipien dem zugrundeliegen. So wird in allen Sprachen, in denen es eine Entsprechung • ö/w-Progressiv (z.B. a m A r b e i t e n s e i n ) (Kap. 2.2.3);
für b a s t e l n gibt und eine Unterscheidung, die vergleichbar ist mit der zwischen Subjekt • Zustandspassiv mit s e i n (Kap. 2.2.2);
und direktem Objekt bzw. Nominativ-NP und Akkusativ-NP im Deutschen, das dem Kla­ • Zustandspassiv mit b l e i b e n (Kap. 2.2.4);
vierlehrer entsprechende Argument als Subjekt / Nominativ-NP realisiert und das dem , Wahl des Perfektauxiliars (Kap. 2.2.2);
Notenständer entsprechende als direktes Objekt / Akkusativ-NP. In keiner Sprache wird • Auftreten eines Verbs als attributives Partizip (Kap. 2.2.2);
sich also ein Verb wie t a s t e b e l n in der Bedeutung von "basteln' finden, in denen die Ar­ • Unpersönliches Passiv (Kap. 4.2.3).
gumentrealisierung genau andersherum erfolgt (lb).
V o r k o m m e n s b e s c h r ä n k u n g e n : Verben unterliegen bestimmten Vorkommensbeschränkun­
(1) a. der Klavierlehrer bastelt einen Notenständer gen hinsichtlich ihrer Argumente (Selektionsrestriktionen) und hinsichtlich der Modifi-
b. *ein Notenständer tastebelt den Klavierlehrer
10
katoren, mit denen sie auftreten (Modifikationsrestriktionen). Die Selektionsrestriktio­
nen bezüglich der Argumente des Verbs betreffen kategoriale Eigenschaften der Indivi­
In engem Zusammenhang mit dem allgemeinen Linking-Problem - und in vielen Theo­
duen, für die Argumentvariablen stehen. So können etwa an der Objektstelle von t r i n k e n
rien gar nicht davon unterschieden - steht die Frage, warum manche Verben bestimmte
nur Ausdrücke auftreten, die flüssige Entitäten bezeichnen, etc.:
Valenzerweiterungen (2 und 3), Valenzreduktionen (4) und Valenzalternanzen (5 und 6)
zulassen, während andere das nicht tun. (9) a. sie trank Milch
b. *sie trank Fisch
(2) a. sie zerbricht die Friedenspfeife vs. die Friedenspfeife zerbricht
(10) a. sie heiratete den Omithologen
b. sie zerstört die Friedenspfeife vs. *die Friedenspfeife zerstört
b. *sie heiratete den Tisch
(3) a. er kocht eine Suppe vs. er kocht ihr eine Suppe
(11) a. der Wind wehte über die Ebene
b. er ißt eine Suppe vs. *er ißt ihr eine Suppe
b. *das Flugzeug wehte über die Ebene
(4) a. sie ißt Reibeplätzchen vs. sie ißt
b. sie verzehrt Reibeplätzchen vs. *sie verzehrt Ausdrücke, die Verben oder Verbalphrasen modifizieren, sind oft auf Verben bzw. VPs
(5) a. erfüllt Wasser in das Glas vs. erfüllt das Glas mit Wasser bestimmter Bedeutung beschränkt. Solche Modifikationsrestriktionen betreffen kategoriale
b. er gießt Wasser in das Glas vs. "er gießt das Glas mit Wasser Eigenschaften von Verben: 11

(6) a. sie schreibt einen Roman vs. sie schreibt an einem Roman
(12) a. das Eis schmolz in zwanzig Minuten
b. sie verfaßt einen Roman vs. *sie verfaßt an einem Roman
b. *das Eis schmeckte in zwanzig Minuten
In dieser Arbeit werde ich auf folgende Phänomene aus dem Bereich der Semantik-Syn (13) a. er putzte sorgfältig
tax-Abbildung eingehen: b. * er fiel sorgfältig
• aw-Konstruktion (z.B. a n e i n e m H a u s b a u e n ) (Kap. 2.2.3); (14) a. die Bombe fing an zu ticken
• Agens beim b l e i b e n - P a s s i v (z.B. d a s H a u s b l i e b v o n i h n e n b e s e t z t ) (Kap. 2.2.4); b. *die Bombe fing an zu explodieren
• Valenzalternanz bei Geräuschverben (Kap. 6.3.1);
In dieser Arbeit werde ich auf folgende Phänomene aus dem Bereich der Vorkommens­
• Argumente im unpersönlichen Passiv (Kap. 4.2.3);
beschränkungen eingehen:
• allgemeine Bemerkungen zum Linking (Kap. 4.2.4).
• Zeitspannenadverbiale (z.B. i n d r e i S t u n d e n ) (Kap. 2.2.3, 2.2.4);
G r a m m a t i s c h - k a t e g o r i a l e R e s t r i k t i o n e n : Verben treten in verschiedenen grammatische • Komitativadverbiale (Kap. 3.3.2);
Kategorien auf: Tempus, Aspekt, Modus, Genus Verbi, Person, Numerus, etc. Aufgrun • Lokaladverbiale (Kap. 5.3.2);
ihrer lexikalischen Bedeutung können viele Verben nicht in allen Ausprägungen diese • Prospektivadverbiale (z.B./i/r d r e i S t u n d e n ) (Kap. 2.2.4);
grammatischen Kategorien auftreten. Viele Verben unterliegen z.B. Restriktionen hin • Zeitpunktadverbiale (z.B. u m d r e i U h r ) (Kap. 2.2.3);
sichtlich ihres Vorkommens in bestimmten Aspektformen (7) oder Genus-Verbi-Forme
(8):
Es handelt sich bei Selektions- und Modifikationsrestriktionen natürlich um genau das gleiche
(7) a. he was eating it Phänomen. Modifkationsrestriktionen sind die Selektionsrestriktionen, die etwa ein Adverb
b. *he was knowing it dem verbalen Ereignisargument auferlegt, das es modifiziert. Die unterschiedlichen Bezeich­
(8) a. der Omithologe wurde von ihr geküßt nungen spiegeln lediglich die verbsemantische Perspektive wieder, aus der diese Phänomene
hier betrachtet werden.
b. *der Omithologe wurde von ihr gekannt
Hierzu gehören auch solche Eigenschaften, die bestimmte Wortbildungsprozesse restringieren.
In dieser Arbeit werde ich auf folgende Phänomene aus dem Bereich der grammatisch- Wortbildungsmorpheme, die an Verben affigieren, selegieren gewöhnlich bestimmte Sorten von
kategorialen Restriktionen eingehen: Verben (z.B. Tänzer vs. 'Sterber). Auf Wortbildungsphänomene werde ich in dieser Arbeit al­
lerdings nicht eingehen.
8 9

• Instrumentaladverbiale (Kap. 3.3 3); 12


nymie, Hyperonymie und Meronymie. Interlexematische Relationen zwischen Verben
• Zeitdaueradverbiale (z.B. drei Stunden lang) (Kap. 2.2.3); werden außerhalb von Arbeiten wie Cruse (1986), die sich auschließlich mit interlexema-
• Selektionsrestriktionen bei Geräuschverben und anderen Kausativa (Kap. 6.3.1, 7.2.2); üschen Relationen beschäftigen, in anderen - v a . dekompositionellen und ereignisstruk-
• Einbettung unter aspektuelle Verben (z.B. anfangen zu lachen) (Kap. 2.2.2, 2.2.3). turbasierten - verbsemantischen Arbeiten kaum behandelt.
Nicht eigentlich interlexematische Relationen stellen die Beziehungen dar, die durch
Interpretationsbeschränkungen: Aus der Verbbedeutung ergeben sich oftmals eine Reihe
das Begriffspaar Polysemie / Homonymie bezeichnet werden, also die Frage nach der Art
systematischer Beschränkungen hinsichtlich der Interpretation der Ausdrücke, in denen
und Anzahl der Lesarten, die ein Wort hat, bzw. der Art und Anzahl gleichlautender, aber
das Verb auftritt. So sind, abhängig von der Verbbedeutung, unterschiedliche Implikatio­
semantisch unterschiedlicher Wörter. Diese Beziehungen werden aber traditionell im
nen mit einer bestimmten grammatischen Kategorie verknüpft. Nur in (15a), nicht aber in
Zusammenhang mit interlexematischen Relationen behandelt. Man könnte die Polysemie
(15b), folgt aus einem Satz im Progressiv der entsprechende Satz in der einfachen Ver­
diesen als 'wrralexematische Beziehung' gegenüberstellen. Polysemie geht oft auf syste­
gangenheitsform:
matische, durch die Verbbedeutung gesteuerte Valenzveränderungsprozesse zurück.
(15) a. [the guy was dancing —* the guy danced] In dieser Arbeit werde ich auf folgende Phänomene aus dem Bereich der interlexemati-
b. —\the ice was melting —* the ice melted] schen Relationen eingehen:
• Antonymie und Hyponymie in Ereignisstrukturen (Kap. 2.2.1);
Die Verbbedeutung legt auch fest, in welcher Weise wir die Phrasen interpretieren, die in
• Allgemeine Anmerkungen zu Polysemie und Homonymie (Kap. 3.3.5).
Argumentpositionen des Verbs auftreten. So ist es abhängig von der Bedeutung des jewei­
ligen Verbs, ob wir den Subjektreferenten als Agens verstehen, wie in (16a), oder nicht
wie in (16b):
1.1.3 Zu dieser Arbeit
(16) a. der Klempner joggt im Wald
b. der Klempner stirbt im Wald Unzufriedenheit: Am Beginn meiner Beschäftigung mit verbsemantischen Fragestellungen
stand eine Handvoll syntaktischer und semantischer Phänomene, deren Erklärung voraus­
Schließlich gehören auch solche Phänomene in den Bereich der Interpretationsbeschrän­
setzte, daß bestimmte semantische Eigenschaften von Verben lexikalisch repräsentiert
kungen, die darin bestehen, daß Verben im Skopus anderer Ausdrücke abhängig von ihrer
sind. Diese Phänomene, von denen einige in Kapitel 2.2 noch vorgestellt werden, schienen
Bedeutung Ambiguitäten hervorrufen können. So kann she killed him im Skopus von
almost die beiden Bedeutungen in (17b) und (17c) annehmen, während almost im Kontext an der Schnittstelle der Bereiche zu liegen, die üblicherweise von Aktionsart- und
von she teased him keine vergleichbare Ambiguität erzeugt. Aspekttheorien einerseits und thetarollensemantischen oder dekompositionellen Theorien
andererseits behandelt werden. Für die Repräsentation der relevanten Verbeigenschaften
(17) a. she almost killed him erwiesen sich aber die aspektuell-aktionsartlichen klassifikatorischen Ansätze als zu grob,
b. 'sie tat fast etwas, daß ihn getötet hätte' während die dekompositionellen Ansätze verschiedene ereignisinterne temporale Struktu­
c. 'sie tat etwas, daß ihn fast getötet hätte' ren nicht genügend berücksichtigten.
Ein Überblick über die verschiedenen Phänomenbereiche, von denen ich denke, daß
In dieser Arbeit werde ich auf folgende Phänomene aus dem Bereich der Interpretations­
beschränkungen eingehen: eine verbsemantische Theorie sie behandeln können sollte (s. Kap. 1.1.2), führte dann zu
der Annahme, daß eine integrierte Behandlung der verschiedenen Phänomene am ehesten
• Kausativ-Inchoativ-Implikation im Progressiv (Kap. 2.2.4);
in einem ereignisstrukturbasierten Ansatz möglich ist. Insofern als die ersten ereignis-
• Implikationen von Verben im Zustandspassiv (Kap. 2.2.2, 2.2.4);
strukturellen Theorien, wie sie in der Folge von Pustejovskys (1988, 1991) Arbeiten ent­
• durch schaffen /gelingen ausgelöste Ambiguitäten (Kap. 2.2.2);
standen, sich für die Behandlung mancher Phänomene nur als eingeschränkt tauglich
• Skopusambiguitäten bei Adverbialen (Kap. 2.2.1);
erwiesen haben (s. Kap. 2.1.2), liegt der erste Ausgangspunkt für die vorliegende Arbeit in
• Interpretation valenzreduzierter Verbvarianten (Kap. 3.2.2, 3.3.4);
dem Bestreben, eine den in Kapitel 2.2 vorgestellten Daten angemessene Theorie zur
• verbabhängige Beschränkungen der Partizipinterpretation (Kap. 2.2.2);
Repräsentation der Verbbedeutung zu entwickeln.
• Zugriff von Adverbien auf die interne Struktur der Wortbedeutung (Kap. 2.2.1, 3.1.2,
6.3.1,6.3.3, 7.2.1); Mehr Unzufriedenheit: Es ist auffällig, daß Theorien zur Bedeutung von Verben einen
• Zustandsveränderungen und die Interpretation des Progressivs (Kap. 2.2.2); sehr unterschiedlichen Grad an Explizitheit erreicht haben. Während etwa im Rahmen
• Indirekte vs. direkte Verursachung (Kap. 7.2.2). von Theorien zur Aspektkomposition durch formallogische Explikationen bestimmter
Interlexematische Relationen: Interlexematische Relationen sind semantische Beziehun­
gen zwischen einzelnen Lexemen wie Synonymie, Antonymie, Komplementarität, Hypo- Diese Relationen werden meist als semantische Relationen oder "lexical relations" (Cruse
1986) bezeichnet. Ich verwende hier den Terminus 'interlexematische Relationen', in Anleh­
nung an "interlexical relations" in Pustejovsky (1995:23ff), um diese Relationen von themati­
schen und ähnlichen semantischen Relationen zu unterscheiden.
10 11

Eigenschaften von Verben eine Reihe von Phänomenen erfolgreich behandelt werde wie deren Referenten an Ereignissen partizipieren. Der dritte Themenbereich wird
konnten, bleiben andere Theorien zur Verbsemantik in ihren Begrifflichkeiten eine schließlich in den Kapiteln 5 und 6 und dem Beginn von Kapitel 7 behandelt. Er konsti­
weitgehenden Intuitionismus verhaftet. Nun liegt es vielleicht in der Natur der Sache, d' tuiert sich in Überlegungen dazu, wie ontologische und wahrnehmungspsychologische
sich bestimmte zeitliche oder Teil-Ganzes-Strukturen, die in Aspektualitätstheorien ein Theorien zur Klärung des Ereignisverständnisses und der damit verbundenen linguisti­
Rolle spielen, in Logiksprachen besser analysieren lassen als Begriffe wie 'Agens', 'Ereig schen Probleme beitragen können. 13

nis', 'Verursachung' oder 'Affiziertheit', wie sie in rollentheoretischen oder dekompositi


Zu Kapitel 1 und 2: In den verbleibenden Teilen des ersten Kapitels werden einige allge­
nellen Ansätzen auftreten. Die Vagheit dieser Begriffe bleibt aber gerade deshalb un*
friedigend, da solche oder ähnliche begriffliche Größen bei der Erklärung verschiedene meine Überlegungen zu lexikalisch-semantischen Theorien angestellt. Ich werde dabei für
syntaktischer und semantischer Phänomene unzweifelhaft eine Rolle spielen. Damit ei weitgehend nicht-dekompositionelle, prädikatenlogische Repräsentationen auf einer einzi­
hergehend werden in Theorien des letzteren Typs Aspekte der kompositioneilen semanti gen Repräsentationsebene plädieren, ebenso wie dafür, daß ontologische und kognitions-
sehen Verarbeitung lexikalischer Repräsentationen oft nicht berücksichtigt. In der Unzu psychologische Überlegungen zur Begründung der Repräsentationen beitragen müssen
friedenheit mit der mangelnden semantischen Explizitheit vieler Begriffe und Strukture (Kap. 1.2).
in verbsemantischen Repräsentationen liegt der zweite Ausgangspunkt dieser Arbeit. Im zweiten Kapitel werde ich eine Theorie zur Verbbedeutung vorstellen, die davon
ausgeht, daß die Bedeutungen von Verben als Ereignisstrukturen repräsentiert sind. Das
Die Aufgabe: Ich werde in dieser Arbeit eine Theorie zur Repräsentation der Verbbedeu heißt, daß Verben Ereignisse bezeichnen, die aus miteinander über verschiedene Relatio­
tung entwickeln, die darauf basiert, daß Verben auf komplexe, intern strukturierte Ereig nen verknüpften Teilereignissen verschiedener Sorten bestehen, wobei diese Teilereignisse
nisse referieren. Die Bedeutungsrepräsentation eines Verbs - so die Grundidee dieser Ar wiederum über semantische Relationen mit den Ereignispartizipanten verbunden sind.
beit - besteht im Wesentlichen in der Repräsentation seiner Ereignisstruktur. Diese An Verschiedene verwandte Theorien werden präsentiert und mit dem vorgestellten Ansatz
:
nähme werde ich durch Daten, die den verschiedenen in Kapitel 1.1.2 angegebenen Phä verglichen (Kap. 2.1). Der zweite Teil des Kapitels besteht in einer umfangreichen Dar­
nomenbereichen entstammen, empirisch motivieren. stellung verschiedener semantischer und syntaktischer Phänomene, deren Erklärung auf
Die Ereignisstrukturen sollen weiterhin in eine Rahmentheorie zur Repräsentation d die in den Ereignisstrukturen repräsentierten semantischen Eigenschaften zurückgreift
Argumentstruktur und Valenz von Verben eingebettet werden. Ein vordringliches Zi (Kap. 2.2).
besteht auch darin, den semantischen Gehalt der in den Ereignisstrukturen verwendete
Prädikate und Relationen möglichst präzise zu bestimmen. Insbesondere wird versuch Zu Kapitel 3 und 4: Im dritten Kapitel wird die Argumentstruktur von Verben untersucht.
den für die Arbeit zentralen Ereignisbegriff im Rahmen von linguistischen, ontologische Es werden Kriterien zur Unterscheidung von thematischen Argumenten und Angaben
und wahrnehmungspsychologischen Überlegungen zu fundieren. Darüber hinaus so entwickelt und die Gründe für die Einführung von Ereignisargumenten in die Argument­
zumindest ausschnittsweise gezeigt werden, daß die angenommenen semantischen Rep~' struktur von Verben dargelegt (Kap. 3.1). Darauf folgend wird der semantische Apparat
sentationen von Verben auch deren kompositionelle semantische Verarbeitung, etwa i zur lexikalischen Repräsentation und Verarbeitung von Verbbedeutungen vorgestellt,
Zusammenhang mit adverbialen Modifikationsprozessen, unterstützen. ebenso wie die Grundprinzipien der syntaktischen und semantischen Repräsentation der
Verbvalenz, wobei der Schwerpunkt auf der lexikalischen Darstellung von Fakultativität
Dabei bedingt es die Anlage der Arbeit, daß nicht alle zur Motivation der Ereigni
liegt. Dabei werden ereignisbasierte Analysen zu einigen notorisch schwierigen Valenz­
Strukturtheorie herangezogenen Phänomene in gleicher Ausführlichkeit diskutiert werde
phänomenen vorgestellt (Kap. 3.2). Der letzte Teil des dritten Kapitels ist einigen Typen
können. Während einige Phänomene einer detaillierteren Analyse unterzogen werde
adverbialer Modifikation gewidmet, insbesondere der Frage, wie die Modifikation impli­
genehmigt der Umfang dieser Arbeit bei anderen Phänomenen nur eine kursorische B
ziter Argumente zu erklären ist (Kap. 3.3).
sprechung.
Das vierte Kapitel hat semantische Relationen zum Inhalt. Ausgangspunkt sind die
Der Aufbau: Die Arbeit geht im Rahmen eines Vorschlags zur Repräsentation der Ve Probleme mit traditionellen Theorien thematischer Rollen und der Versuch, diese Rollen
!
bedeutung als Ereignisstruktur der Frage nach, welche grundlegende Rolle Ereignisse semantisch zu fundieren. Das Zusammenspiel verschiedener Beschränkungen bei der
semantischen Repräsentationen von Verben spielen können. Der Weg zur Beantwortun
dieser Frage führt dabei durch drei umfangreichere Themenbereiche:
Anmerkungen zum formalen Aufbau der Arbeit: Jedes Unterkapitel ab Kapitel 2 schließt mit
• Themenbereich I: die Struktur von Ereignissen;
einer kurzen Zusammenfassung ab. Darüber hinaus werden in den drei Kapiteln 3.3.5, 4.2.4
• Themenbereich II: die Beziehung zwischen Ereignissen und Ereignispartizipanten; und 7.2.3 mit dem Titel "Das Verb im Lexikon" (Teil I, H, DJ) die wichtigsten in den jeweils
• Themenbereich III: das Wesen von Ereignissen. vorausgehenden Kapiteln gemachten Annahmen zur Repräsentation von Verben zusammen­
Dem ersten Themenbereich sind das Kapitel 2 und der größte Teil des Kapitels 7 gewi gefaßt und an lexikalischen Beispieleinträgen illustriert. Wichtige Grundannahmen, Prinzipien
met, in denen die oben angesprochene Theorie zur Repräsentation von Verbbedeutunge und Definitionen werden im Laufe der Arbeit unter P-l bis P-18 zusammengefaßt; lexikalische
Einträge ergänzen die Diskussion zur Repräsentation von Verben. Die Grundprinzipien (P-l,
entwickelt wird. Die anderen Kapitel beschäftigen sich mit verschiedenen Aspekten diese
P-2, etc.), lexikalischen Einträge (Lex. 1, Lex. 2, etc.), und Abbildungen (Abb. 1, Abb. 2, etc.)
Grundidee, wobei die Kapitel 3 und 4 den zweiten der obigen Themenbereiche abdecke sind dabei durchlaufend nummeriert, lediglich die Beispielsätze und Fußnoten werden kapitel­
indem sie sich mit der Frage befassen, was Argumente und was Modifikatoren sind un weise durchnummeriert.
12 13

Z u o r d n u n g v o n t h e m a t i s c h e n Rollen z u A r g u m e n t e n einerseits u n d v e r s c h i e d e n e r e r e i g - ne n die B e d e u t u n g v o n L e x e m e n repräsentiert w e r d e n m u ß , u n d i n K a p i t e l 1.2.2 a u f d i e


nisbasierter A r g u m e n t t h e o r i e n andererseits steht dabei i m M i t t e l p u n k t d e s ersten T e i l s Frage, i n w e l c h e r F o r m solche R e p r ä s e n t a t i o n e n erfolgen sollten I n K a p i t e l 1.2.3 soll
( K a p . 4 . 1 ) . D e r zweite T e i l befaßt sich m i t T h e o r i e n , d i e t h e m a t i s c h e R o l l e n als prototypi- überlegt werden, ob u n d gegebenfalls w i e sich s e m a n t i s c h e s v o n e n z y k l o p ä d i s c h e m W i s -
sche B ü n d e l s e m a n t i s c h e r R e l a t i o n e n z w i s c h e n E r e i g n i s s e n u n d E r e i g n i s p a r t i z i p a n t e n sen trennen läßt u n d a b s c h l i e ß e n d in K a p i t e l 1.2.4, i n w e l c h e r W e i s e l e x i k a l i s c h - s e m a n t i -
auffassen. Dabei w e r d e i c h b e s o n d e r s d e r F r a g e n a c h g e h e n , w i e m a n s o l c h e n s e m a n t i - sche T h e o r i e n d i e k o g n i t i v e Vermitteltheit v o n S p r a c h e z u b e r ü c k s i c h t i g e n h a b e n .
s c h e n R e l a t i o n e n e i n e m ö g l i c h s t p r ä z i s e D e u t u n g g e b e n k a n n ( K a p . 4.2).
Erste Kontroverse (Wieviele Ebenen braucht die lexikalische Semantik?): E s ist i n Kapitel
Zu Kapitel 5 und 6: D a s fünfte u n d d a s sechste K a p i t e l befassen sich m i t d e r F r a g e , w a s 1 1.2 bereits a n g e s p r o c h e n w o r d e n , d a ß viele syntaktische K o n s t r u k t i o n e n d u r c h s e m a n t i -
E r e i g n i s s e sind, u n d z w a r z u n ä c h s t a u s p h i l o s o p h i s c h - o n t o l o g i s c h e r u n d d a n n a u s w a h r - sche Eigenschaften v o n V e r b e n lizenziert w e r d e n . N u n h a l t e n v e r s c h i e d e n e lexikalisch-
n e h m u n g s p s y c h o l o g i s c h e r Sicht. Z u n ä c h s t w e r d e i c h einige g r u n d l e g e n d e Ü b e r l e g u n g e n semantische T h e o r i e n e i n e e i g e n e R e p r ä s e n t a t i o n s e b e n e für e b e n g e n a u solche i n h a l t l i -
z u o n t o l o g i s c h e m A r g u m e n t i e r e n anstellen, i n s b e s o n d e r e w e r d e i c h für d i e N o t w e n d i g k e i t i chen Aspekte v o n V e r b e n bereit, d i e syntaktisch relevant sind. S o a r b e i t e n e t w a L i n g u i s t e n
ontologischer Ü b e r l e g u n g e n i n s e m a n t i s c h e n A r b e i t e n p l ä d i e r e n u n d d i e R e l e v a n z d e s ! und L i n g u i s t i n n e n a u s d e m Umfeld v o n L e v i n u n d d e m M I T L e x i c o n Project i m R a h m e n
Z u s a m m e n h a n g s z w i s c h e n o n t o l o g i s c h e n u n d e p i s t e m o l o g i s c h e n F r a g e n für d i e S e m a n t i k einer Theorie, i n d e r eine A r g u m e n t s t r u k t u r u m eine d e k o m p o s i t i o n e l l e "Lexical C o n -
h e r v o r h e b e n ( K a p . 5.1). I m z w e i t e n Teil w e r d e n d a n n v e r s c h i e d e n e Auffassungen v o n ceptual Structure" ( L C S ) e r g ä n z t wird, d i e d i e syntaktisch r e l e v a n t e n A s p e k t e d e r V e r b -
E r e i g n i s s e n vorgestellt u n d kritisiert, d i e E r e i g n i s s e teils e h e r als p r o p o s i t i o n s - teils e h e r bedeutung kodiert (Levin / R a p p a p o r t H o v a v 1994:47). E i n zweites Beispiel ist d i e
als g e g e n s t a n d s ä h n l i c h e E n t i t a t e n auffassen ( K a p . 5.2). Z u m A b s c h l u ß d e s K a p i t e l s w e r d e "Lexical D e c o m p o s i t i o n G r a m m a r " , d i e v o n W u n d e r l i c h u n d a n d e r e n auf d e r B a s i s d e r
i c h n o c h e i n m a l E r e i g n i s a u f f a s s u n g e n i m Z u s a m m e n h a n g m i t m ö g l i c h e n Welten, m i t ] Z w e i - E b e n e n - S e m a n t i k entwickelt wird. H i e r w e r d e n eine d e k o m p o s i t i o n e l l e s e m a n t i s c h e
R a u m , Zeit u n d V e r ä n d e r u n g e n b e t r a c h t e n ( K a p . 5.3). | Form u n d eine k o n z e p t u e l l e Struktur u n t e r s c h i e d e n , sowie e i n e E r e i g n i s s t r u k t u r , d i e z . T .
Z u B e g i n n d e s sechsten K a p i t e l s w i r d e i n e E i n f ü h r u n g i n T h e o r i e n z u r E r e i g n i s w a h r - j aus d e r s e m a n t i s c h e n F o r m abgeleitet ist. F ü r d i e S e m a n t i s c h e F o r m ( S F ) gilt: "[...] only
n e h m u n g g e g e b e n ( K a p . 6.1). D i e sich d a r a u s e r g e b e n d e n w a h m e h m u n g s p s y c h o l o g i s c h e n l those aspects of m e a n i n g t h a t a r e relevant for syntactic properlies s h o u l d b e c a p t u r e d i n
E r k e n n t n i s s e ü b e r E r e i g n i s s e w e r d e n d a r a n a n s c h l i e ß e n d u n t e r B e z u g n a h m e auf d i e on-J SF." ( W u n d e r l i c h 1996:170)
t o l o g i s c h e n F r a g e s t e l l u n g e n diskutiert ( K a p . 6.2). A b s c h l i e ß e n d w e r d e n a u f d e r Basis d e r ! Ich will a n dieser Stelle a u f E i n z e l h e i t e n dieser T h e o r i e n nicht e i n g e h e n . D a s F o l g e n d e
aus den w a h r n e h m u n g s - u n d kognitionspsychologischen Untersuchungen g e w o n n e n e n ! ist insofern a u c h n i c h t als k o n k r e t e K r i t i k a n einer dieser T h e o r i e n z u v e r s t e h e n ; e s s i n d
Z e i t - u n d Ereignisbegriffe v e r s c h i e d e n e linguistische P h ä n o m e n e i m B e r e i c h v o n kausati-1 drei eher a l l g e m e i n e P r o b l e m e , d i e m i r m i t T h e o r i e n v e r b u n d e n s c h e i n e n , d i e e i n e e i g e n e
v e n G e r ä u s c h v e r b e n , B e w e g u n g s v e r b e n u n d p u n k t u e l l e n V e r b e n u n t e r s u c h t ( K a p . 6.3). 1 syntaxrelevante S e m a n t i k e b e n e a n n e h m e n :
Zu Kapitel 7: D a s letzte K a p i t e l stellt u n t e r a n d e r e m e i n R e s ü m e e d e r Arbeit dar. D i e l • Inwieweit ist d i e repräsentationeile T r e n n u n g v o n syntaktisch r e l e v a n t e n u n d syntak-
wichtigsten Fragen zu Ereignissen und ereignisstrukturellen Repräsentationen werden h i e r l tisch irrelevanten B e d e u t u n g s e i g e n s c h a f t e n v o n L e x e m e n motiviert?
n o c h e i n m a l aufgegriffen. Z u B e g i n n d e s K a p i t e l s w i r d d i e F r a g e n a c h d e m W e s e n v o n ! • Inwieweit läßt sich syntaktisch Relevantes v o n s e m a n t i s c h R e l e v a n t e m ü b e r h a u p t u n -
E r e i g n i s s e n d a h i n g e h e n d beantwortet, d a ß E r e i g n i s s e als E x e m p l i f i z i e r u n g e n v o n V e r ä n - J terscheiden, u n d w a s gilt eigentlich als syntaktisches P h ä n o m e n ?
d e r u n g e n z u v e r s t e h e n sind. D a r a n a n s c h l i e ß e n d w i r d e i n V o r s c h l a g z u r B i n d u n g vonl • Inwieweit laufen T h e o r i e n m i t einer s y n t a x r e l e v a n t e n S e m a n t i k e b e n e Gefahr, z i r k u l ä r
E r e i g n i s a r g u m e n t e n g e m a c h t u n d m i t a n d e r e n A n s ä t z e n v e r g l i c h e n ( K a p . 7.1). A b s c h l i e - I zu a r g u m e n t i e r e n ?
ß e n d w i r d d i e e i n g a n g s d e r Arbeit p r ä s e n t i e r t e T h e o r i e z u E r e i g n i s s t r u k t u r e n als l e x i k a l i - 1 Die Trennung von Repräsentationsebenen: D a s erste P r o b l e m betrifft d i e B e h a u p t u n g , d a ß
s e h e n R e p r ä s e n t a t i o n e n a u f d e r Basis d e r i m Laufe d e r Arbeit g e w o n n e n e n E r k e n n t n i s s e ! solche i n h a l t l i c h e n E i g e n s c h a f t e n v o n L e x e m e n , d i e syntaktische K o n s e q u e n z e n h a b e n ,
präzisiert. D a z u w e r d e n d i e v e r w e n d e t e n s e m a n t i s c h e n N o t a t i o n e n definiert u n d v e r s c h i e - I tatsächlich d u r c h eine e i g e n e R e p r ä s e n t a t i o n s e b e n e v o n a n d e r e n i n h a l t l i c h e n Eigenschaf-
d e n e B e s c h r ä n k u n g e n ü b e r d e n Aufbau v o n E r e i g n i s s t r u k t u r e n formuliert ( K a p . 7.2). I ten getrennt sind. N a t ü r l i c h l a s s e n sich s e m a n t i s c h e E i g e n s c h a f t e n n a c h a l l e n m ö g l i c h e n
Kriterien klassifizieren, e t w a d a n a c h o b sie m o r p h o l o g i s c h e K o n s e q u e n z e n h a b e n , o b sie
mit p r a g m a t i s c h e n F a k t o r e n i n t e r a g i e r e n u n d e b e n a u c h d a n a c h , o b sie syntaktisch r e l e -
vant sind. Insofern e s sich aber i n d e n a n g e f ü h r t e n T h e o r i e n n i c h t u m e i n e b l o ß e Klassifi-
1.2 Vier Kontroversen kation, s o n d e r n u m e i n e repräsentationelle T r e n n u n g i n n e r h a l b d e r s e m a n t i s c h e n T h e o r i e
handelt, m u ß d i e F r a g e n a c h d e r R e l e v a n z dieser T r e n n u n g a l s e i n e e m p i r i s c h e F r a g e
aufgefaßt w e r d e n u n d n i c h t a l s definitorische F e s t l e g u n g . E s sollte also gute G r ü n d e , u n d
1.2.1 Syntaktische vs. s e m a n t i s c h e B e g r ü n d u n g e n zwar - d a e s sich u m eine s e m a n t i s c h e T h e o r i e h a n d e l t - g u t e s e m a n t i s c h e G r ü n d e dafür
geben, zwei A r t e n v o n B e d e u t u n g s e i g e n s c h a f t e n z u u n t e r s c h e i d e n . I c h will a n dieser
Einleitung: B e v o r ich i n K a p i t e l 2 d i e t h e o r e t i s c h e n G r u n d i d e e n dieser Arbeit p r ä s e n t i e r e , Stelle a u f diese F r a g e n i c h t weiter e i n g e h e n . Sie w ü r d e , u m d e n g e n a n n t e n T h e o r i e n g e -
werde ich im Folgenden zu vier zentralen Kontroversen in d e r lexikalischen Semantik)
S t e l l u n g n e h m e n . I n d i e s e m K a p i t e l w e r d e i c h a u f d i e F r a g e e i n g e h e n , a u f wievielen E b e -
14 15

14
recht zu werden, eine detaillierte Auseinandersetzung erfordern. Es wird im Laufe dieser Insofern als Theorien mit einer eigenen syntaxrelevanten Semantikebene sich im We­
Arbeit aber noch deuüich werden, daß ich eine solche Strategie der repräsentationellen sentlichen mit Argumentlinking befassen, würden sie Phänomene wie in (18) und (19)
Trennung von verbalen Bedeutungseigenschaften nicht verfolgen werde: diejenigen se­ vielleicht gar nicht oder nicht auf dieser Ebene behandeln wollen. Aber es gibt auch im
mantischen Eigenschaften von Wörtern, die syntaktische Konsequenzen haben, und dieje­ Bereich des Argumentlinkings vergleichbare Phänomene. So wird man den Akkusativ in
nigen, die nur semantische Konsequenzen haben, indem sie etwa das Inferenzverhalten (20a) wohl als rein syntaktische Markierung betrachten, und die Eigenschaften von
von Wörtern bestimmen, sind von gleicher Natur und werden in gleicher Weise repräsen­ schreiben, die dazu führen, daß das für das Geschriebene stehende Argument im Akkusa­
tiert. tiv realisiert wird, wird man auf eben dieser syntaxrelevanten Semantikebene erfassen
Syntaktische vs. semantische Relevanz: Was das zweite Problem angeht, so denke ich, daß wollen.
es keineswegs leicht ist, syntaktische von semantischen Phänomenen zu trennen. S (20) a. sie schreibt einen Brief
könnte man fragen, ob die Unfähigkeit bestimmter Verben, im Progressiv aufzutrete b. sie schreibt an einem Brief
(*I'm knowing thaf), auf eine semantische Eigenschaft zurückgeht, die i) eine syntaktisch
Regel blockiert, indem sie Verben vom know-Typ von bestimmten Konstruktionen ode Nun kann das in (20a) im Akkusativ stehende Argument auch wie in (20b) als Präpositio-
funktionalen Projektionen ausschließt, oder ii) eine morphologische Regel zur Bildun nalphrase realisiert werden. Diese Konstruktion bzw. die Präposition an in dieser Lesart
progressiver Wortformen blockiert, oder iii) semantisch unverträglich mit der Progressiv bringt aber anders als der Akkusativ in (20a) eine eigene, oft als 'partitiv' beschriebene
bedeutung ist. Die Antwort auf diese Frage wird natürlich im Wesentlichen davon be Bedeutung mit. Mit der sind aber nur bestimmte Verbbedeutungen verträglich (s. Kap.
stimmt sein, welche Position der Antwortende bezüglich syntaktischer, morphologische 2.2.3), und entsprechend können nur ganz bestimmte verbale Argumente als an-PP reali­
und semantischer Theorien vertritt. Zwei andere Kandidaten für die mögliche Abhängig siert werden. Obwohl wir es also auch hier mit der Realisierung von Argumenten zu tun
keit syntaktischer Wohlgeformtheit von semantischen Eigenschaften von Verben treten i haben, hängt das Linking in die an-PP von rein semantischen Verträglichkeitsbedingun­
(18) und (19) auf. Bestimmte Verben erlauben es aufgrund ihrer Bedeutung nicht, in be gen ab, wie wir sie von Selektionsrestriktionen kennen. Das heißt aber auch, daß syntakti­
stimmten Konstruktionen aufzutreten, kennen etwa kann nicht als attributives Partizip un sche und semantische Echos von Verbbedeutungen zunächst gar nicht so leicht zu trennen
im Imperativ auftreten. Die dafür verantwortlichen Eigenschaften von kennen scheine sind.
also gute Kandidaten zu sein für die syntaxrelevante Repräsentationsebene der Semantik. Argumentative Zirkel (Das prinzipielle Problem): Das dritte Problem in Theorien mit
(18) a. der geliebte Sänger einer syntaxrelevanten Semantikebene besteht darin, daß sich die Motivation für die auf
b. *der gekannte Sänger dieser Ebene repräsentierten Eigenschaften oft in zirkulärer Weise aus den zu erklärenden
(19) a. iß es! syntaktischen Daten ergibt. Dieses Problem scheint mir von den dreien das Schwerwie­
b. *kenn es! gendste. Deswegen will ich es etwas ausführlicher besprechen.
Die Grundannahme der lexikalischen Theorie von Levin / Rappaport Hovav (1996:488)
Tatsächlich unterscheiden sich die den Beispielen in (18) und (19) zugrundeliegende 16
ist es, daß Argumentlinking völlig prädiktabel i s t . In dem Zusammenhang heißt es:
Restriktionen aber wohl in einer wichtigen Hinsicht. In (18) scheint die Beschränkung d
For example, words which seem to be translation equivalents in two languages may nevertheless
Konstruktion auf bestimmte Verben nicht unbedingt mit irgendeiner semantischen Eigen
differ in the syntactic expression of their arguments due to the fact that the elements of meaning
schaft des Partizips II im Allgemeinen oder der attributiven Position in NPs zu tun zi lexicalized along with the core meaning differ in the two languages. (Levin / Rappaport Hovav
haben; gekannt kommt in anderen Kontexten als Partizip II vor, und die gleiche Attri 1996:489)
butivkonstruktion wie in (18b) ist unproblematisch, wenn man gekannt durch das £
Ich denke, Gedankengänge wie dieser führen leicht zu Zirkularitäten in der linguistischen
bedeutungsgleiche bekannt ersetzt: der bekannte Sänger. Demgegenüber trägt der Impe
Argumentation: Zunächst wird davon ausgegangen, daß alle syntaktischen Unterschiede
rativ (z.B. in 19a) natürlich an sich eine bestimmte Bedeutung. Die Unakzeptabilität vo
;
im Bereich der Argumentrealisierung auf semantische Unterschiede zurückgeführt werden
(19b) geht insofern auch einfach darauf zurück, daß man jemanden nur zu Handlunge
können. Es wird dann für ein Paar Verben X und Y zunächst festgestellt, daß sie offenbar
auffordern kann, die von ihm kontrollierbar oder ausführbar sind. In (19b) liegt damit ein
bedeutungsgleich sind und dann, daß sie ihre Argumente unterschiedlich realisieren. Dies
bloße Unverträglichkeit zwischen der Verb- und der Imperativbedeutung vor, während da
führt aber nicht dazu, die Ausgangsannahme zu revidieren, sondern vielmehr die Be­
in (18b) möglicherweise nicht der Fall ist: hier haben wir es vielleicht mit einer rein syn
15
obachtung anzuzweifeln, daß X und Y bedeutungsgleich sind. Das ist zunächst auch ver-
taktischen Abhängigkeit von verbsemantischen Eigenschaften zu t u n .
oünftig, denn vielleicht hat man ja nicht genau genug beobachtet. Ersetzt man aber eine

Taylor (1994, 1995) hat dieses Problem hinsichtlich der Zwei-Ebenen-Semantik besprochen.
Ein ähnlicher Fall wie in (18) liegt möglicherweise in folgendem Fall vor (Beispiel aus Higgin "The assumption which has guided our own work in this area and which serves as the starting
botham 1994:2): point for the case study presented in this paper is that the mapping between the lexical
(i) algebra's discovery semantic representation of a predicator and the syntactic expression of its arguments is fully
(ii) 'algebra's knowledge predictable." (Levin / Rappaport Hovav 1996:488)
16 17

intuitiv naheliegende und daher vielleicht intersubjektiv akzeptable Annahme (wie die der 20
Selbst wenn man glaubt, daß daran etwas Wahres i s t , wird man zugestehen müssen, daß
Bedeutungsgleichheit von X und Y) durch eine andere, dieser widersprechenden An­ die darauf basierende "Causer Linking Rule" ohne zusätzliche, vom Linking-Verhalten
nahme, dann sollte man allerdings eindeutige und vor allem von dem gewünschten Re­ unabhängige semantische Motivation und ohne eine genaue semantische Explikation des
sultat (wie der theoriekonformen Bedeutungsverschiedenheit von X und Y und ihrer syn­ Begriffs der internen Verursachung und seiner Implikationen keine akzeptable Theorie
taktischen Unterschiedlichkeit) unabhängige Kriterien haben. Das sollten in diesem Fall, des Argument-Linkings darstellt. Letztlich findet die Annahme, daß beim Knacken des
insofern als es um die Bedeutung von X und Y geht, semantische Kriterien sein. Ohne Zweiges eine Art interner Verursachung vorliegt, ihre Begründung offenbar nur darin, daß
solche Kriterien haben wir nur zwei gleichermaßen unüberprüfbare Intuitionen, und als das Verb knacken unergativ ist. Und genau damit ist die Argumentation zirkulär. Dabei
theorieverteidigende Linguisten (und Linguistinnen) werden wir uns in unserer morali­ denke ich, daß diese Gefahr prinzipiell allen Theorien droht, die ihre lexikalisch-semanti­
17
schen Unvollkommenheit immer für die entscheiden, die den zu erklärenden syntakti­ schen Repräsentationen vornehmlich über deren syntaktische Echos begründen.
18
schen Gegebenheiten konform i s t . Auf diese Weise werden aber nicht syntaktische Gedankengänge wie die oben kritisierten sind - das möchte ich hier betonen - zunächst
Strukturen aus semantischen abgeleitet, sondern syntaktische Eigenschaften zwingen uns durchaus akzeptabel, indem sie eine wichtige heuristische Funktion haben; ich werde an
bestimmte Bedeutungsrepräsentationen auf - und zwar ziemlich uninteressante, um nicht vielen Punkten dieser Arbeit ähnlich argumentieren. Unakzeptabel ist lediglich, daß sie an
19
zu sagen bedeutungslose. Die Theorie ist offenbar zirkulär. einem Punkt aufhören, an dem nicht einmal die empirische Motivierung der Grund­
begriffe abgeschlossen ist, geschweige denn die eigentliche Theoriebildung überhaupt
Argumentative Zirkel (Ein Beispiel): Ich will das im letzten Abschnitt angeführte, eher
begonnen hat. Und an diesem Punkt sind solche Hypothesen gegen empirische Wider­
hypothetische Beispiel für zirkuläres Argumentieren hier an einem konkreten Fall illus­
legungen noch fast immun, und damit sind sie empirisch eben auch fast gehaltlos.
trieren: Levin / Rappaport Hovav (1996:500f) führen die verbreitete Annahme an, daß
agentivische Intransitiva unergativ sind und telische unakkusativ. Unergative Geräusch­
emissionsverben wie beep, buzz, creak, gurgle stellen für diese Annahme ein Problem dar.
1.2.2 Dekompositionen vs. Bedeutungspostulate
Sie sind zwar nicht telisch, treten aber auch bei unbelebtem und damit nicht-agentivi-
schem Subjekt als Unergativa auf (nach den angesetzten Unergativ-Kriterien) und werden
Zweite Kontroverse (Welche Repräsentationen soll die lexikalische Semantik verwen-
damit von dem ursprünglichen Linking-Prinzip nicht erfaßt. Es wird nun nach anderen
den?): Repräsentationen von Verbbedeutungen treten in Theorien auf prädikatenlogischer
semantischen Eigenschaften gesucht, die das Unergativ-Unakkusativ-Verhalten besser
Basis normalerweise entweder in Form dekomponierter Prädikate oder als nicht-dekom-
voraussagen. Am Ende wird festgestellt, daß Verben, die sich syntaktisch unergativ ver­ 21
ponierte Prädikate mit Bedeutungspostulaten auf. Eine Theorie mit Bedeutungspostula-
halten, "mternally caused eventualities" bezeichnen, und das tun sie im Gegensatz zu
ten faßt Verben im Allgemeinen als atomare, unanalysierte Prädikate wie in (21a) auf,
solchen Unakkusativa wie intransitiv break aus folgendem Grund: "[...] some property of
deren Bedeutung durch eine Reihe von Bedeutungspostulaten beschränkt wird, während in
the entity denoted by the argument of the verb is responsible for the eventuality." (Levin /
dekompositionellen Ansätzen Verben in komplexe Repräsentationen übersetzen, und zwar
Rappaport Hovav 1996:501) Wir sind damit aufgerufen zu glauben, daß in dem unergati-
meist entweder in solche neo-davidsonischen Ausdrücke wie in (21b) oder in Dekomposi­
ven der Zweig knackt, nicht aber in dem unakkusativen der Zweig bricht, der Zweig auf­ 22
tionen vom CAUSE-BECOME-Typ wie in (21c):
grund irgendeiner Eigenschaft quasi aus sich selbst heraus das Ereignis verursacht hat.
(21) a. öffnen': X.y^xXe[ÖFFN(x,y,e)]
• VxVyVe[ÖFFN(x,y,e) ->...]
Jennifer Austin machte mich freundlicherweise darauf aufmerksam, daß dieser Satz den Ein­ b. öffnen': XyX.xX.e[ÖFFN(e) & AGENS(x,e) & PATTENS(y,e)]
druck erwecken könnte, ich zweifle an der moralischen Integrität der genannten Linguistinnen c. öffnen': Xy>.xX.e[CAUSE(x,BECOME(OFFEN(y)))]
im Besonderen. Das ist natürlich nicht der Fall. Ich halte vielmehr alle Wissenschaftler und
Wissenschaftlerinnen in dieser Hinsicht für gleich verdorben. Die ursprüngliche Diskussion um die Angemessenheit von Dekompositionen zur Darstel­
Gegen die zweite von Levin / Rappaport Hovav (1996:489) geschildert Vorgehensweise in dem lung der Verbbedeutung ist dabei im Zusammenhang mit CAUSE-BECOME-Dekomposi-
zur Diskussion stehenden Fall, nämlich die Untersuchung, ob in den beiden Sprachen, zu denen tionen ähnlich wie in (21c) geführt worden. Solche Dekompositionen sind zunächst in der
X bzw. Y gehören, möglicherweise unterschiedliche Linking-Prinzipien gelten, ist demgegen­
über natürlich nichts einzuwenden. Im Übrigen soll diese Kritik durchaus nicht vergessen ma­
chen, daß in solchen intuitionistischen Ansätzen, nicht zuletzt aufgrund ihrer empirischen me­ Ich tue das in der Form übrigens nicht, v.a. wenn man wie Levin / Rappaport Hovav (1996:501)
thodischen Orientierung für viele Linking-Phänomene interessante lexikalische Lösungswege es sich vorstellen, den Begriff der internen Verursachung auch auf normale intransitive Agen­
aufgezeigt worden sind; diese Wege sind bloß nicht wirklich beschritten worden - z.B. in Form zien überträgt (s. aber Kap. 6.3.1).
einer einer strikteren semantischen Fundierung. Zusammenfassungen zum Verhältnis zwischen Dekompositionen und Bedeutungspostulaten
Vgl. auch die Kritik von Ravin (1990:109) an den LCS-Repräsentationen bezüglich fehlender finden sich etwa in Chierchia / McConnell-Ginet (1990:350ff), Fanselow / Staudacher
unabhängiger Motivation für die semantischen Repräsentationen und der daraus erwachsenden (1991:61 ff), Carsten (1985) und Roelofs (1997).
Zirkularität. Dowty (1991:560) formuliert ähnliche Bedenken gegenüber thetarollenbasierten Ereignisargumente, ^.-Operator und die anderen in (21) verwendeten semantischen Notationen
Ansätzen, die sich zu sehr bemüht hätten, thematische Rollen über Korrelationen mit syntakti­ werden in Kapitel 3.2.1 eingeführt; neo-davidsonische Theorien werden ausfuhrlich in Kapitel
schen Phänomenen zu rechtfertigen, statt die Rollen semantisch zu fundieren. 4.1.3 besprochen.
18 19

generativen Semantik als syntaktische Tiefenstruktur postuliert worden, aus der mit Hilfe auf die Frage hinaus, ob Wortbedeutungen dem starken oder dem schwachen Junggesel­
einer Reihe von Transformationen die Oberflächenstrukturen von Sätzen abgeleitet wer­ lenprinzip gehorchen. Unter psychologischen Gesichtspunkten wird man allerdings De­
den. Diese syntaktische Auffassung von Dekompositionen hat sich letztlich als nicht halt­ kompositionen wie in (22c) sowohl von Ansätzen mit schwachen (22a) wie auch mit star­
bar erwiesen, aber in der Folge von Dowty (1979) sind Dekompositionen in vielen An­ ken Bedeutungspostulaten (22b) unterscheiden. Es wird dabei angenommen, daß der Zu­
sätzen der lexikalischen Semantik zur Repräsentation von Wortbedeutungen verwendet griff auf einzelne Lexeme um so verarbeitungsaufwendiger sein muß, je komplexer ihre
worden. 23
semantische Übersetzung ist. Unter dieser Prämisse läßt sich allerdings keine psycho­
Bedeutungspostulate wurden von Carnap (1952:67) eingeführt, um von außersprach­ linguistische Evidenz finden, daß Junggeselle tatsächlich in eine dekompositionelle
lichen Tatsachen unabhängige, analytische Bedeutungswahrheiten auszudrücken, die mit Struktur wie (22c) übersetzt. So ist nach Fodor / Fodor / Garrett (1975:526t) Satz (23a)
bestimmten semantischen Ausdrücken verknüpft sind. Im Fall von lexikalischen Bedeu- schwieriger zu verarbeiten als Satz (23b), was verwunderlich wäre, wenn bachelor hier
tungspostulaten konstituieren sich diese analytischen Wahrheiten in bestimmten Folge­ tatsächlich als 'man & not married' aufgefaßt würde:
rungen aus einer von einem lexikalischen Prädikat ausgehenden offenen Proposition (23) a. if practically all of the men in the room are not married, then few of the men in the roo
(22a). Insofern als solche Postúlate in allen Welten gültig sind, also notwendigerweise have wives
wahr, stehen sie im Rahmen einer modelltheoretischen Semantik im Skopus eines Not­ b. if practically all of the men in the room are bachelors, then few of the men in the ro
wendigkeitsoperators ( • ) wie in (22a). have wives
Lexikalische Bedeutungspostulate treten in der vorliegenden Arbeit immer als einsei­
tige Implikationen auf. Wenn jemand ein Junggeselle ist, so folgt daraus, daß er ein Mann Auch für die semantische Komplexität von kausativen Verben wie kill und break haben
ist und nicht verheiratet (22a) ('Schwaches Junggesellenprinzip', vgl. Zimmermann Fodor et al. (1980) keine Evidenz finden können, ebensowenig wie Johnson-Laird
1993:265). Logisch stärker ist (22b), das das Verhältnis zwischen Junggesellen und un­ (1983:2083) für Verben wie take und steal. Auf der anderen Seite scheint allerdings
24

verheirateten Männern als Bikonditional auffaßt ('Starkes Junggesellenprinzip'). Diese auch die Behauptung, daß Wörter mit Mengen von Bedeutungspostulaten verbunden sind,
Repräsentation entspricht einer Übersetzung von Junggeselle in einen komplexen, dekom­ aus psycholinguistischer Sicht auf Skepsis zu stoßen (Johnson-Laird 1983:226ff). Wie ein
ponierten Ausdruck wie in (22c) (Zimmermann 1993:265, Schumacher et al. 1981:99). auch unter psycholinguistischen Verarbeitungsgesichtspunkten adäquates Repräsenta­
tionsformat für Verbbedeutungen aussehen muß, ist offenbar eine nach wie vor schwer zu
(22) a. Junggeselle'. foc[JUNGGESELLE(x)] beantwortende Frage.
• Vx[JUNGGESELLE(x) -> (MANN(x) & -.VERHEIRATET(x))]
Unter Gesichtspunkten des Spracherwerbs gelten Dekompositionstheorien als proble­
b. Junggeselle'. Xx[JUNGGESELLE(x)]
matisch, v.a. da die in der Dekomposition verwendeten Begriffe oft erst nach den damit
• Vx[JUNGGESELLE(x) <H> (MANN(x) & -.VERHEIRATET(x))]
dekomponierten Lexemen erworben werden, z.B. MALE und PARENT nach father oder
c. Junggeselle': Xx[MANN(x) &-,VERHEIRATET(x)]
CAUSE und BECOME nach kill. Demgegenüber sind Theorien auf der Basis von Bedeu­
Dekompositionen scheinen zwar in vielen Fällen intuitiv durchaus naheliegende Paraphra­ tungspostulaten mit dem sukzessiven Erwerb der einzelnen Wörter und dem Erkennen der
sen der Wortbedeutung auszudrücken. Dennoch sind eine Reihe von Argumenten gegen Beziehungen zwischen ihnen verträglich (Chierchia / McConnell-Ginet 1990:3638). Sie
lexikalische Dekompositionen angeführt worden, sowohl aus psycholinguistischer als auch simulieren eher eine semantisch netzartige Erweiterung des Bedeutungswissens über ein­
aus theoretisch-linguistischer Perspektive, auf die ich im Folgenden zu sprechen kommen zelne Wörter.
werde. Das Paraphraseproblem: Das Paraphraseproblem besteht darin, daß Dekompositionen
• Das Verarbeitungsproblem: Es gibt keine gute psycholinguistische Evidenz für eine dem starken Junggesellenprinzip entsprechen müssen. In den weitaus meisten Fällen las­
dekompositionelle Verarbeitung von Wörtern. sen sich allerdings wohl nur notwendige, nicht aber hinreichende Wahrheitsbedingungen
• Das Paraphraseproblem: Dekompositionen stellen keine angemessenen Paraphrasen für Lexeme (genauer, für die offenen vom verbalen Prädikat ausgehenden Propositionen)
25
dar. formulieren. Das entspricht den Möglichkeiten schwacher Bedeutungspostulate, nicht
• Das Inselproblem: Wörter sind syntaktisch-semantische Inseln. aber den Anforderungen an lexikalische Dekompositionen (Carston 1985:30, Zimmer-
• Das Vollständigkeitsproblem. Bestimmte Bedeutungsaspekte von Wörtern lassen sich
nicht mithilfe von Dekompositionen ausdrücken.
In jüngster Zeit hat Roelofs (1997) eine Reihe psycholinguistischer Argumente gegen dekompo­
Das Verarbeitungsproblem: Logisch läuft der Unterschied zwischen einem lexikalischen sitionelle Theorien vorgebracht, die sowohl die Verarbeitung als auch das Lernen von Wörtern
Ansatz mit Dekompositionen und einem mit Bedeutungspostulaten, wie in (22) gesehen, betreffen.
Damit soll nicht behauptet werden, Dekompositionen müßten jedes Wort vollständig in eine
Menge womöglich übereinzelsprachlicher semantischer Primitiva zerlegen. Das wird faktisch
Wunderlich (1992:lff, 1997:27ff) erläutert die Unterschiede zwischen der ursprünglichen, von dekompositionellen Ansätzen im Bereich der Verbsemantik auch nicht gefordert. Hier wird
syntaktischen Auffassung von Dekompositionen in der Generativen Semantik und den lexika­ im Allgemeinen nur soweit dekomponiert, daß alle syntaktisch relevanten Aspekte der Wortbe­
lisch-semantischen Dekompositionsstrukturen in der "Lexical Decompositional Grammar". deutung hervortreten und alle Lexeme voneinander unterschieden sind.
20 21

mann 1993.276). Eines der typischen Paraphraseprobleme im Bereich der Verbsemantik als Fanselow / Staudacher (1991:61) behaupten - nicht nur auf einige wenige Adverbiale
besteht darin, daß CAUSE-BECOME-Dekompositionen logisch schwächer sind als die beschränkt. Insofern besteht das Inselproblem eher darin, zu zeigen, welche Prozesse auf
Bedeutung der damit dekomponierten Verben. So ist nicht jedes CAUSE(x,BECOME die interne Struktur von Wörtern zugreifen können - eine Frage, mit der ich mich an ver­
(BROKEN(y))) ein zerbrechen; eine Explosion mag verursacht haben, daß die Scheibe schiedenen Stellen der Arbeit befassen werde. Das Inselproblem konstituiert damit auch
kein wirklich stichhaltiges Argument mehr für oder gegen eine der beiden hier diskutier­
zerbrach, und trotzdem sind die Sätze in (24) keine voll akzeptablen Sätze mit zerbrechen.
ten Auffassungen von Verbbedeutungen.
Dekompositionelle Theorien kommen hier nicht ohne zusätzliche Stipulationen aus (s.
26
Kap. 7.2.2). Das Vollständigkeitsproblem: Das Vollständigkeitsproblem schließlich besteht darin, daß
(24) a. Wdie Explosion zerbrach die Scheibe bestimmte Eigenschaften von Wörtern nicht dekompositional formuliert werden können.
b. *das Explodieren des Kessels zerbrach die Scheibe Fodor (1977) argumentiert, daß be coloured Teil der Bedeutung von red ist. Wird nun
aber red so dekomponiert, daß BE-COLOURED (als Hyperonym) eines seiner Primitiv­
Das Inselproblem: Eines der wichtigsten Argumente gegen die dekompositionellen prädikate ausmacht, wie sieht dann das zweite, für red spezifische Primitivprädikat aus?
Strukturen der generativen Semantik betrifft das Inselproblem. Demnach können be­ Es müßte den Begriff des Rotseins unabhängig von dem der Farbigkeit ausdrücken, aber
stimmte syntaktische und semantische Prozesse nicht oder nicht generell auf wortinterne ein solches "concept of redness-but-not-necessarily-coloredness" existiert nicht (Fodor
Strukturelemente zugreifen. Nach Fodor (1970:429ff) kann zwar in (25b) das dekompo- 1977:150). Bestimmte semantische Relationen, wie z.B. Hyperonymie / Hyponymie kön­
sitionell eingebettete 'the glass melted' durch pronominales do aufgegriffen werden, nicht nen also nicht durch Dekompositionen ausgedrückt werden. Damit ist zwar nicht gezeigt,
27 daß Dekompositionen auch hinsichtlich anderer Bedeutungsbestandteile unangemessen
aber in (26b) das eingebettete 'Mary died'.
sind, wohl aber, daß Bedeutungspostulate aufjeden Fall benötigt werden. Selbst wenn man
(25) a. CAUSE(x,BECOME(MELTED(y))) ungeachtet der anderen Kritikpunkte öffnen oder schwärzen als lexikalische Dekomposi­
b. Floyd melted the glass (though it surprised me that it would do so) tionen wie in (29) repräsentieren möchte, sind Bedeutungspostulate wie in (30) dennoch
(26) a. CAUSE(x,BECOME(DEAD(y))) erforderlich:
b. John killed Mary "(and it surprised me that she did so)
(29) a. öffnen': XyA.xXe(CAUSE(x,BECOME(OFFEN(y)))}
Weiterhin kann bei beiden Typen von Kausativa (25a, 26a) das verursachende Teilereignis b. schwärzen': tyfo&e[CAUSE(x,BECOME(SCHWARZ(y)))]
nicht adverbial modifiziert werden (27), was bei expliziten cause-Sätzen durchaus mög­ (30) a. •VxVyVe[<S#»CTi'(x,y,e) -» ^(schließen'(x,y,e))}
lich ist (28) (Fodor 1970:4321): b. a\f\\/y\fe[schwärzen'(x,y,e) -> färben'(x,y,e)\
(27) a. Floyd melted the glass on Sunday *(by heating it on Saturday)
Fodor (1977:152) zeigt dann auch, daß in den älteren Dekompositionstheorien Bedeu­
b. John killed Bill on Sunday *(by stabbing him on Saturday) tungspostulate, wenn auch unter einer anderen Bezeichnung, tatsächlich herangezogen
(28) a. John caused the glass to melt on Sunday by heating it on Saturday werden.
b. John caused Bill to die on Sunday by stabbing him on Saturday
Restriktionen und Bedeutungspostulate: Die vorangegangene Diskussion hat gezeigt, daß
Diesen Problemen begegnen lexikalisch-semantische Dekompositionstheorien wie die
Dekompositionen in manchen Fällen keine empirisch adäquate Repräsentationsform dar­
Lexikalische Dekompositionsgrammatik, indem die interne Wortstruktur als für syntakti­
stellen. Ohne daß ich Dekompositionen deshalb für prinzipiell ungeeignet halte, werde ich
sche Prozesse unsichtbar erklärt wird (Wunderlich 1992:3f). Dennoch gibt es verschiedene
in dieser Arbeit Bedeutungseigenschaften von Verben in Bedeutungspostulaten festhalten
Phänomene, die einen gewissen Zugriff auf wortinterne Eigenschaften erforderlich ma­ 28
(s aber Kap. 3.2.3). Nun sind Bedeutungspostulate eine wenig restriktive Form zur
chen. In (25b) im Gegensatz zu (26b) wurde das schon deutlich. Ein anderes bekanntes
Repräsentation lexikalisch-semantischer Eigenschaften. Sie erlauben die Darstellung aller
Phänomen ist die Ambiguität von wieder oder fast, die bei kausativen im Gegensatz zu
möglichen Bedeutungseigenschaflen von Wörtern. Es stellt sich da die Frage, welche
nicht-kausativen Verben auf die interne Struktur der Wörter zuzugreifen scheinen (s. Kap.
2.2.1). In Kapitel 2.2.1, 3.1.2 und anderen werden außerdem eine Reihe von Phänomenen
angesprochen, die zeigen, daß verschiedene Typen von Adverbialen in vielen Fällen Gegen Bedeutungspostulate ist gelegentlich eingewandt worden, daß sie zwar Folgerungsbezie­
durchaus auf Teilereignisse Bezug nehmen. Es wird also weit häufiger auf wortinterne hungen korrekt angeben, aber eigentlich nicht wirklich erklären, was es heißt, die Bedeutung
eines Wortes zu kennen. Auch ist bemängelt worden, daß sie nicht die in Dekompositions-
Eigenschaften zugegriffen als Fodor (1970) annimmt, und dieser Zugriff ist auch - anders äquivalenzen ausgedrückte semantische Klassenbildung ermöglichen (vgl. Fanselow / Stau­
dacher 1991:61f). Beide Argumente scheinen mir wenig stichhaltig. Das erste Argument basiert
wohl auf der Behauptung, die Bedeutung eines Wortes zu kennen, hieße, seine semantische
Vereinzelt hat man auch versucht, die Unterschiede zwischen der Bedeutung eines Wortes und
Übersetzung zu kennen, nicht aber die von ihm ausgehenden Folgerungen. Diese Annahme ist
seiner Dekomposition pragmatisch zu erklären; vgl. dazu Fanselow / Staudacher (1991:62).
aber nicht sehr zwingend. Entsprechend ist - und das betrifft das zweite Argument - natürlich
In Fodor (1970:429f) werden die Dekompositionen so dargestellt: auch eine semantische Klassenbildung über die an ein Verb geknüpften Bedeutungspostulate
(i) (Floyd caused (the giass melt)) ebensogut möglieh wie über Dekompositionen.
(ii) (John caused (Mary died))
22 23

Restriktionen der in dieser Arbeit verwendete theoretische Apparat - also eine Prädika­ bunden vorstellen. Dazu gehört i) das semantische Wissen, daß zwei Individuenbedeu­
tenlogik mit Bedeutungspostulaten - beinhaltet, denn starke Restriktionen zu formulieren tungen die beiden für den Schreibenden und das Geschriebene stehenden Argumentstellen
ist natürlich das Ziel jeder Theorie. Diese Restriktionen bestimmen schließlich ihren em­ füllen müssen, ii) das enzyklopädische Wissen, daß das Schreiben eine für Menschen
pirischen Gehalt. Nun geben sie den Erklärungen von Phänomenen aber nicht nur empiri­ typische, kulturell tradierte Fähigkeit ist, für die man ein Schreibwerkzeug braucht, iii)
schen Gehalt, d.h., sie helfen uns nicht nur, Voraussagen über Mögliches und Unmögli­ das episodische Wissen, z.B. in Form einer Erinnerung, die das Schreiben meines letzten
ches zu machen, sondern sie schließen auch bestimmte Phänomenbereiche als nicht dazu­ Liebesbriefes zum Gegenstand hat, und iv) prozedurales Wissen, das in den impliziten
gehörig aus ihrem Geltungsbereich aus. Ich denke, daß eine wissenschaftliche Disziplin, Kenntnissen über die zum Schreiben gehörigen Arm- und Handbewegungen besteht. Bei
solange sie nicht einen gewissen Grad an deskriptiver Erfassung ihrer Daten erreicht hat, der Frage, was denn nun das genuin semantische Wissen über Wörter ausmacht, steht vor
sich nicht damit begnügen kann, über starke, restriktive Theorien nachzudenken. Solche allem das Problem der Abgrenzung des semantischen vom enzyklopädischen Wissen im
Restriktionen verbauen sonst leicht den Blick auf relevante Phänomene. Stark restriktive Vordergrund. Probleme wie diese lassen sich am besten an Beispielen erörtern, die in
Theorien sind z.B. solche, die glauben, die Bedeutung von Verben über ein bestimmtes irgendeiner Weise unserem Wissen zu widersprechen scheinen. Ich will diese Frage, die
29
Inventar an thematischen Rollen erfassen zu können. Diese Ansätze haben zwar zu­ letztlich eine Frage nach dem Inhalt und Umfang semantischer Repräsentationen ist, da­
nächst eine Reihe sehr interessanter Phänomene und theoretischer Erklärungsversuche in her an folgendem Beispiel diskutieren:
die Diskussion gebracht, dann aber aufgrund ihrer restriktiven (vielleicht sagt man auch ??
(31) a. ( Wj'e Banane war lila
besser "beschränkten") Konzeption lange Zeit verhindert, daß eine Fülle anderer Phäno­
b. 01)die Banane war ein Vogel
mene, z.B. solche aspektueller Natur, überhaupt behandelt werden konnten.
c. (^)die Banane war skrupellos
Die lexikalische Semantik - so der Tenor des Kapitels 1.1.1 - ist eigentlich erst noch d. i^)die Banane war regnerisch
dabei, sich als wissenschaftliche Disziplin zu konstituieren; das heißt auch, daß sie bei
aller Freude an eleganten Theorien nach wie vor ein großes Maß an deskriptiver Arbeit Alle vier Sätze scheinen in irgendeiner Weise abweichend zu sein, und zwar von (31a) bis
30
verlangt, damit starke Restriktionen auch nur heuristisch sinnvoll sind. In dem Sinne (3 Id) in zunehmendem Maße. Die Interpretationsstrategien - und ich gehe davon aus, daß
kommt die Mächtigkeit von Bedeutungspostulaten innerhalb einer Prädikatenlogik sehr auch noch so abweichende Kombinationen von Wörtern immer bestimmte Interpretationen
gelegen, und ich werde in relativ uneingeschränkter Weise davon Gebrauch machen Da­ erzwingen - sind in den vier Beispielen aber unterschiedlich. In einigen Fällen müssen
bei ist die vorliegende Arbeit keine deskriptive, aber sie basiert auf einem Apparat, der wir unser Wissen über die Welt in Frage stellen, in anderen müssen wir metaphorisch um­
hinsichtlich seiner Beschreibungsmöglichkeiten sehr flexibel ist. interpretieren, in wieder anderen Lexembedeutungen um neue Lesarten ergänzen.
Was für Theorien kann sich die lexikalische Semantik also erlauben? Ich möchte in
Interpretationsstrategien: Beispiel (31a) ist semantisch unproblematisch: die Banane wird
dieser Arbeit für eine lexikalisch-semantische Theorie plädieren, die weich ist hinsichtlich
als 'Banane' verstanden und lila als 'lila'; wir müssen nur den Ausdruck auf ein Modell
der repräsentationellen Strukturen, die sie zuläßt, aber hart hinsichtlich der in diesen
beziehen, das zwar von dem üblichen abweicht, aber im Rahmen des Möglichen bleibt,
Repräsentationen verwendeten Begriffe und Relationen. Würde ich - um bei obigem Bei­
etwa ein Modell, in dem auch Welten mit lilafarbenen Bananenneuzüchtungen oder exoti­
spiel zu bleiben - eine Thetarollentheorie vertreten, so hielte ich weniger eine weitere
schen Bananenfärberiten vorkommen. Der Satz in (3 lb) ist problematischer: Wir könnten
Theorie für nötig, die uns sagt, welche Kombinationen von Thetarollen möglich sind und
zunächst nach der gerade geschilderten Strategie verfahren und versuchen, den Satz wört­
welche Argumentstrukturen von Verben sie kennzeichnen können, sondern eine Theorie, lich zu verstehen, wobei sich die Menge der mögliche Welten etwa um diejenigen erwei­
die uns sagt, was "Agens" und was "Agens von" bedeutet. Daß dies kein Plädoyer für eine tert, in denen die Wissenschaft herausgefunden hat, daß Bananen nicht die Früchte - oder
rein beschreibende lexikalische Semantik ist, wird im Verlaufe der Arbeit noch deutlich. genauer Beeren - einer tropischen Gattung der Musacae-Familie sind, sondern gelbe,
längliche Singvögel mit braunen Flecken. Abhängig von unseren botanischen Vorkennt­
nissen wird uns das aber womöglich schwer fallen, und wir werden die Hyponymie-Bezie-
1.2.3 Lexikalisches vs. enzyklopädisches Wissen hung zwischen Banane und Obst und die Inkompatibilitätsbeziehung zwischen Obst und
Vogel als modellunabhängig betrachten und damit Satz (31b) zunächst einmal als not­
Dritte Kontroverse (Was ist semantisch in der lexikalischen Semantik?): Ein einfaches wendigerweise falsch. Wir können aber auch von einer anderen Strategie ausgehen und
Verb wie schreiben können wir uns als mit ganz verschiedenen Formen von Wissen ver- den Satz (3 lb) als modellabhängig und damit als möglicherweise wahr akzeptieren, wenn
er entweder mit (32a) oder mit (32b) äquivalent ist:

Das soll heißen, sie sind restriktiv, was die Annahme eines solchen Systems angeht; Restriktio­ (32) a. die Banane war ein Vogel, aber es war natürlich keine wirkliche Banane / keine Banane im
nen bezüglich der Postulierung einzelner Rollen gibt es weniger. eigentlichen Sinn des Wortes (sondern z.B. ein fliegendes, tirilierendes Tier, das so aus­
Innerhalb der modernen lexikalischen Semantik existieren bisher nur wenige Arbeiten, die, wie sieht wie eine Banane)
etwa Levins (1993) Aufstellung von Valenzalternanzen im Englischen, die Breite emes be­
stimmten Phänomenbereichs aufdecken und die auf diese Weise einen mehr oder weniger ver­
bindlichen Datenbestand für die Erstellung und Bewertung restriktiver Theorien bilden können.
24 25

b. DIE BANANE WAR EIN VOGEL, ABER ES WAR NATÜRLICH KEIN WIRKLICHER VOGEL / KEIN VOGEL IM (31a) (31b) (31c) (31d)
EIGENTLICHEN SINN DES WORTES (sondern sie machte z.B., wenn man draufdrückte, Geräusche Modellerweiterung: + - ( ? ) -
wie eine sterbende Amsel) Metaphorische Uminterpretation: - +(?) + -(?)
Wahrheitswertfähig. + + + 4?)
Wenn wir etwa die Einschränkung in (32a) einmal gemacht haben, steht es uns frei, den
seltsamen Vogel von nun an als Banane zu bezeichnen. Damit hat sich die Bedeutung von
Modellunabhängigkeit: Dort, wo wir mit inhaltlich abweichenden Sätzen konfrontiert
Banane um eine Lesart erweitert: Wir können Banane in dieser Lesart nun als
31
sind, besteht also die Möglichkeit, die Interpretation sicherzustellen, indem wir die Menge
[+BELEBT] betrachten, und zwar mit allen grammatischen Konsequenzen. Unter dieser
der möglichen Welten in unserem Modell erweitern oder indem wir metaphorisch (oder
metaphorischen Interpretationsstrategie würden wir also nicht unser Wissen und unsere
assoziativ) interpretieren. In Fällen, in denen ersteres naheliegt, haben wir es mit enzyklo­
Vorstellungen über die Vielfalt unserer Umwelt erweitern, sondern lediglich unser Wissen
pädischen Abweichungen zu tun, in solchen, wo wir letztere Strategie wählen, mit seman­
um die Bedeutung des Lexems Banane. 32
tischen. Mit Wörtern assoziiertes Wissen läßt sich demnach in modellabhängiges und
Die Hyponymierelation bietet im Übrigen ein gutes Beispiel für die Grauzone zwischen modellunabhängiges Wissen unterscheiden. Nur letzteres ist semantisches Wissen und
semantischer und enzyklopädischer Information. Sollte mir jemand im Brustton der Über­ damit Inhalt von lexikalischen Bedeutungsrepräsentationen. 33

zeugung mitteilen, der Bäumchenröhrenwurm sei ein Gürterwurm, obwohl ich bisher
Die Beobachtung von verschiedenen Arten inhaltlicher Abweichungen wie in (31) hat
immer davon ausging, er sei ein Vielborstler vom Stamm der Ringelwürmer, so käme eine
somit lexikalische Konsequenzen, z.B. in dem Sinne, daß die von skrupellos ausgehenden
metaphorische Interpretation weit weniger in Frage, sondern ich würde höchstwahr­ Selektionsrestriktionen bananenbezeichnende Komplemente ausschließen, etwa durch ein
scheinlich mein Weltwissen in Frage stellen. Hyponymierelationen können also seman­ Merkmal [+MENSCHLICH], die Selektionsrestriktionen von lila dies aber nicht tun. In
tisch oder enzyklopädisch verankert sein. Kapitel 3.3.5 werde ich darauf zu sprechen kommen, wie solche Selektionsrestriktionen
Beispiel (3 lc) unterscheidet sich von Beispiel (3 lb) vor allem dadurch, daß die Ver­ durch (modellunabhängige) Bedeutungspostulate repräsentiert werden.
letzung sortaler Beschränkungen des Prädikats noch stärker ist. Ein Versuch, diesen Satz Im Übrigen ist zu sagen, daß die Trennung zwischen semantischem und enzyklopädi­
über die Infragestellung unseres Weltwissens zu interpretieren, würde uns mit der Frage 34
schem Wissen sicherlich nicht scharf i s t . Ich will auch gar nicht versuchen, sie über das
konfrontieren, ob Bananen nicht vielleicht doch selbstverantwortliche, nach moralischen Gesagte hinaus zu operationalisieren. Die Unterscheidung zwischen den beiden Wis­
Kategorien zu beurteilende Entitäten sind. Es steht uns hier also wohl nur die zweite senstypen ist hier an die vermutlich präferierte Interpretationsstrategie geknüpft, die aber
Strategie zur Verfügung: wir müssen Banane in adäquater Weise uminterpretieren ('sie sicherlich auch von kontextuellen Faktoren abhängt. Auch werden die wenigen diskutier­
war natürlich keine wirkliche Banane, wir nannten sie nur so, weil sie so blond und so ten Beispiele dem Problem der Abgrenzung von lexikalischem und enzyklopädischem
schlaksig war'). Auch hier kann diese Uminterpretation zu einer semantischen Erweite­ Wissen und insbesondere dem weiten Feld der Uminterpretationen natürlich kaum ge­
rung des Wortes Banane führen, ähnlich wie das Wort Gurke im Laufe der deutschen recht. Sie sollten aber zumindest andeuten, daß ich den Bereich dessen, was ich als 'se­
Sprachgeschichte eine Lesartenerweiterung erfahren hat, die es zur Bezeichnung geeignet mantisch' repräsentieren werde, relativ weit fasse, zumindest in Gegenüberstellung zu
machte von indisponierten Mittelfeldspielern mit technischen Problemen. manchen dekompositionellen Ansätzen.
Beispiel (3 ld) zeigt schließlich, daß dort, wo ontologisch sehr grundlegende sortale Be­
schränkungen verletzt werden, möglicherweise noch andere Interpretationsstrategien Nichtsemantisches Wissen bei der Satzinterpretation: Im Übrigen ist zu bemerken, daß die
angewendet werden müssen. Das Adjektiv regnerisch kann zwar attributiv und prädikativ Interpretation von Sätzen nicht nur von semantischem Wissen in obigem Sinn abhängt. So
mit Substantiven verbunden werden, modifiziert aber keine Substantive, die Gegenstände kann etwa episodisches Wissen zu präferierten Koindexierungen bei der Pronomeninter­
im engeren Sinn bezeichnen (der Tag I das Wetter war regnerisch). Möglicherweise wer­ pretation führen. Für die Bestimmung des Antezedens des Pronomens er in (33) gibt es in
den hier lediglich bestimmte assoziative Bedeutungsverknüpfungen erstellt. Während
Sätzen nach metaphorischer Uminterpretation unzweifelhaft Wahrheitswerte zugeordnet Ähnlich führt auch Gruber (1985:255f) an, daß sich semantische Verletzungen (*an adult cub)
werden können, sind solche nur assoziativ zu erschließenden Ausdrücke wie (3 ld) wohl von konzeptuellen (*an earthen glass) und enzyklopädischen Verletzungen (*a snake with legs)
nicht mehr wahrheitswertfälug und hegen damit auch außerhalb des Erklärungsbereichs dadurch unterscheiden, daß semantische Verletzungen metaphorisch zu interpretieren versucht
unserer Semantik. werden. Der in wörtlicher Interpretation kontradiktorische Ausdruck an adult cub wird dem­
nach entweder so verstanden, daß es sich um einen jungen Bären handelt, der sich wie ein er­
Die folgende Tabelle faßt noch einmal die Unterschiede zwischen den Beispielen in wachsener Bär verhält, oder um einen erwachsenen Bären, der sich wie ein junger Bär be­
(31) zusammen. nimmt.
Man muß der terminologischen Unterscheidung 'semantisch' vs. 'enzyklopädisch' hier nicht
unbedingt folgen, v.a. wenn man betonen will, daß hier als 'semantisch' aufgefaßte Zusammen­
hänge, wie etwa die zwischen Bananen und Vögeln, auch Wissen lucht-sprachlicher Art kon­
Das heißt, wir werden in Sprachen wie dem Russischen, in denen der Belebtheitsstatus z.B. die stituieren können. Wichtig ist hier lediglich die Trennung von modellabhängigem und -unab­
Flexivwahl in manchen Kasus affiziert, eine entsprechende morphologische Markierung er­ hängigem Wissen, das diese terminologische Unterscheidung motiviert.
warten. Vgl. zu solchen Abgrenzungsproblemen auch Habel (1985:4450).
26 27
beiden Beispielen die gleiche Präferenz, vorausgesetzt wir besitzen genügend episodisches gewöhnlich in einer formalen Logiksprache formuliert, während in weiten Teilen der
Wissen über die letzten Verleihungen der Friedensnobelpreise. Unter ausschließlicher 37
kognitiven Semantik eine solche Formalisierung abgelehnt wird. Auch dies ist natürlich
Berücksichtigung semantischen Wissens sind beide Sätze dagegen ambig: kein notwendiger Unterschied. Die Wahl einer Logiksprache ist zunächst einmal unab­
hängig von einem Bekenntnis zu einer wahrheitskonditionalen Semantik montaguescher
(33) a. Roman Herzog erinnerte Nelson Mandela daran, daß er ja schließlich den Friedensnobel-
Prägung.
preis gewonnen habe
b. Nelson Mandela erinnerte Roman Herzog daran, daß er ja schließlich den Friedensnobel- Die Ontologie-Frage: Ich will auf die hinter den kognitiven und referentiellen Ansätzen
preis gewonnen habe stehenden philosophischen und linguistischen Kontroversen an dieser Stelle nicht einge­
Ebenso steuert enzyklopädisches Wissen die Satzinterpretation. So hat nach Habel hen; Jackendoff (1996) für die kognitive Semantik und Chierchia / McConnell-Ginet
(1990:1 Iff) für die referentielle Semantik diskutieren die jeweiligen Standpunkte. Auf eine
(1985:446) das bekannte Beispiel in (34a) zwei Lesarten, wobei die gerundiale Lesart von
interessante Gemeinsamkeit, die ebenso wie die gerade erwähnten Unterschiede durchaus
flying leicht präferiert ist, wohl aufgrund unseres enzyklopädischen Wissens über Flug­
nicht notwendigerweise aus den theoretischen Positionen der beiden Ansätze folgt, möchte
zeuge. In Satz (34b) dagegen wird zweifellos die partizipiale Lesart von flying vorgezo­
ich aber zu sprechen kommen. Sowohl die referentiellen als auch die kognitiven Ansätze
gen, da wir über das enzyklopädische Wissen verfügen, daß Vögel keine steuerbaren Flug­
treffen sich nämlich erstaunlicherweise in dem Punkt, daß eine Fundierung der ontologi-
objekte sind schen Grundkategorien der Theorien gewöhnlich nicht angestrebt wird. In kognitiv­
(34) a.flyingplanes can be dangerous semantischen Ansätzen werden perzeptuell-kognitive Basiskategorien zugrundegelegt, wie
b.flyingbirds can be dangerous z.B. THING, PLACE, DIRECTION, ACTION, EVENT, MANNER, AMOUNT in
Jackendoff (79£3/1995:50) oder "individuals, properties, relations, events, time and space
Dabei sind wir in einem entsprechenden Kontext (z.B. in Selma Lagerlöfs "Die wunder­
coordinates" in Bierwisch (1982.8). In solchen Ansätzen wird ontologischen Fragen im
bare Reise des kleinen Nils Holgersson") durchaus bereit, unser enzyklopädisches Wissen Allgemeinen ausgewichen. So schreibt etwa Bierwisch (1982) aus Sicht der Zwei-Ebenen-
zu erweitern oder zu ändern und in dem Rahmen auch die zweite Lesart des Satzes zuzu­ Semantik:
35
lassen.
[...] semantics deals with the relation of linguistic utterances to actual or possible situations,
objects, events, etc., insofar as these are conceptualized by representations of C [the conceptual
1.2.4 Kognitive vs referentielle Semantik system]. How these eventually relate to what they are representations of is an important
empirical question, but it concerns the interpretation of linguistic utterances only indirectly, i.e.
via the mediation of conceptual representations." (Bierwisch 1982:5) "It should be obvious that
Vierte Kontroverse (Was ist Bedeutung in der lexikalischen Semantik?): Kognitive Se­ any attempt to even outline the general format of m [the level of the conceptual representation]
36
mantiken und referentielle Semantiken unterscheiden sich dahingehend, daß in ersteren goes far beyond any present possibilities. [...] I will merely assume that the principles and rules
eine meist 'konzeptueH' genannte Ebene zwischen sprachlichen Strukturen und den underlying representations in C provide among others the types of a basic ontology, i.e.
Strukturen der Welt vermittelt, während die referentiellen Semantiken auf eine solche individuals, properties, relations, events, time and space coordinates, as well as the conditions on
combining them into propositions specifying more or less complex situations or state of affairs.
Zwischenenbene verzichten und Bedeutungen über unmittelbare Relationen zwischen (Bierwisch 1982:8)
sprachlichen Strukturen und der Welt erfassen. Gemäß der referentiellen, wahrheits­
konditionalen Semantik ist ein Satz dann wahr, wenn bestimmte Bedingungen in der In referenzsemantischen Ansätzen konstituieren sich die grundlegenden ontologischen
außersprachlichen Wirklichkeit erfüllt sind, gemäß kognitiver Semantiken - so lackendoff Kategorien in den verschiedenen Sorten von Individuenvariablen etwa für Dingindivi­
(1996:543) - ist ein Satz wahr für einen Sprecher, wenn er bestimmten Bedingungen in duen, Ereignisindividuen, Zeiten, Propositionen, etc.; dazu heißt es bei Bach:
seiner konzeptuellen Konstruktion der Welt genügt.
Do things such as properties, kinds, quantities of pure matter, stages, and so on really exist? I
Referentielle Ansätze dominieren im Bereich der Satzsemantik, kognitive Ansätze in would claim that those are philosophical or scientific questions, not linguistic ones. As a linguist,
der lexikalischen Semantik, ohne daß hinter dieser Gewaltenteilung jedoch eine prinzi­ I feel perfectly justified in sidestepping such questions. [...] What we are doing is simply seeking
pielle Beschränkung der beiden Ansätze liegt. Referentielle Semantiken sind außerdem linguistic evidence for the nature of the semantic structures that we seem to need to give a good
account for the meanings of natural language expressions. Of course, this evidence is relevant to
nonlinguistic questions within broader scientific or philosophical contexts. One such context is
3 5
Auch hier gibt es natürlich eine zweite Option: Wir können birds metaphorisch interpretieren, that of psychology: How do the tentative answers that we find in the linguistic domain relate to
entweder als 'Flugzeuge' oder als 'vogelförmiges Modellfluggerät'. questions and answers in other domains such as nonlinguistic cognition, perception, and so on?
3 6
Unter den Begriff kognitive Semantik' fasse ich hier so verschiedene Ansätze wie die The broadest such context is philosophical: What is the world really like? how [sic!] do we fit
"cognitive semantics" von Langacker (1988) und anderen, die "conceptual semantics" Jacken­ into it? How do linguistic categories relate to reality? It seems to me that the best contribution
doffs (z.B. ¡983/1995, 1996) und die Zwei-Ebenen-Semantik, wie sie von Bierwisch (z.B.
1982), Wunderlich (z.B. 1996) und anderen vertreten wird. Unter "referentieller Semantik' kann
man sich eine gewöhnliche wahrheitskonditionale, modelltheoretische Semantik vorstellen, Das gilt zumindest für die "cognitive semantics" (vgl. Langacker 1988) und "conceptual
wobei Verknüpfungen zwischen beiden möglich sind (etwa in der Zwei-Ebenen-Semantik). semantics" (vgl. Jackendoff 1996:544), nicht fur die Zwei-Ebenen-Semantik.
28 29

that the linguist can make to these ultimate questions seems to be to work out precise theories for warum die Annahmen über Primitiva in der konzeptuellen Struktur in den axiomatischen
linguistic systems as such. I believe that our subdivisions of the world and our efforts to under­ Bereich der Theorie gehören sollen. Ich denke, daß dort, wo bestimmte Aussagen in einer
stand it result ultimately from the fact that you cannot say or understand everything all at once. Theorie einmal als Aussagen empirischer Natur erkannt worden sind und dann dennoch
(Bach 1989:98f) versucht wird, diese Aussagen als Axiome oder definitorische Festlegungen zu behandeln,
Solche Positionen sind also im Wesentlichen von der Idee geprägt, daß man viele semanti­ man erstens die Erklärungskraft der Theorie erheblich schwächt und zweitens die heuristi­
sche Strukturen aufdecken kann, auch ohne zu wissen, was Dinge, Ereignisse, Zeiten, etc. schen Möglichkeiten der Theorie nicht ausschöpft Ich werde an verschiedenen Punkten
eigentlich sind. Tatsächlich konnten in der formalen Semantik viele satzsemantische Phä­ der Arbeit noch versuchen, das deutlich zu machen.
nomene auch ohne ontologische Präzisierungen erfolgreich behandelt werden. Trotz allem Die kognitive Semantik läuft jedenfalls Gefahr, in ähnliche Zirkularitätsprobleme zu
bleibt eine gewisse Skepsis, wie weit eine solche Annahme trägt in einer Wissenschaft, die geraten, wie die oftmals in diesem Rahmen artikulierten Linking-Theorien: Wo wir zu­
sich mit der "aboutness" von sprachlichen Äußerungen beschäftigt. Je größer jedenfalls nächst dachten, daß bestimmte objektiv vorhandene konzeptuell-kognitive Strukturen
der lexikalische Einfluß auf die zu behandelnden Phänomene ist, um so mehr schieben unsere semantischen Phänomene und Strukturen erklären und diese uns dann wiederum
sich ontologische Fragen in den Vordergrund. Man kann im Übrigen auch davon ausge­ eine Erklärung für das syntaktische Verhalten von Wörtern geben, droht sich der ganze
hen, daß die ontologiefeindliche Position zu einem guten Teil von der Annahme geleitet Argumentationsstrang leicht in sein empirisch leeres Gegenteil umzukehren. Lexikalisch­
ist, daß der Versuch einer Klärung der ontologischen Grundbegriffe auf philosophisch­ syntaktische Besonderheiten werden auf entsprechend aufgebaute "semantische" Struktu­
metaphysischem oder experimentell-psychologischem Wege kein uninteressantes, aber ein ren übertragen, die nicht weiter motiviert sind, aber auf ein "konzeptuelles" System abge­
zum Scheitern verurteiltes Unterfangen ist. Ich werde in dieser Arbeit dagegen zu zeigen bildet werden können, daß - da es keine unabhängige Motivation zu fordern scheint - so
versuchen, daß aus der Beschäftigung mit ontologischen Fragen (s. Kap. 5 und 6) Er­ konstruiert werden kann, daß es die semantischen Strukturen auffangt. Es darf bezweifelt
kenntnisse zu gewinnen sind, die nicht in ähnlicher Weise Zirkularitäten in sich bergen, werden, daß damit wirklich etwas erklärt wird, und man könnte in polemischer Weise
wie sie in Kapitel 1.2.1 bereits aufgedeckt wurden und wie sie auch in vielen anderen fragen, warum nicht versucht wird, eine "neurologische Semantik" zu konstruieren, die
lexikalisch-semantischen, v.a. kognitiven Ansätzen drohen. ein System aus Axonen, Dendriten und Neurotransmittern entwirft, auf das die kognitiven
Strukturen abgebildet werden, und das weniger durch die biologischen Sachverhalte moti­
Begründungsprobleme: Eine schwierige Frage bei der Konstruktion einer lexikalisch­
viert wird, als vielmehr dadurch, wie gut es uns die kognitiven Strukturen "erklärt".
semantischen Theorie ist also die, inwieweit die Annahmen über die grundlegenden in den
Repräsentationen verwendeten Prädikate und über die ontologische Sortierung des ange­ Es hat natürlich - um die Äußerung von Jackendoff ins rechte Licht zu rücken - gerade
nommenen Inventars an Entitäten begründet werden müssen. Dazu Jackendoff: von Jackendoff (z.B 1987b), aber auch von Miller / Johnson-Laird (1976) und anderen,
Versuche gegeben, sprachunabhängige Motivation für die postulierten kognitiven Struktu­
How then does one justify a proposed semantic / conceptual primitive? First notice that it cannot ren zu finden. Die ontologischen Grundkategorien der konzeptuellen Repräsentationen bei
be justified in isolation; it makes sense only in the context of the rest of the axiomatic system in 38
Jackendoff waren davon aber nur in geringem Maße betroffen, obwohl deren Existenz,
which it is situated. In turn, a particular proposal for an axiomatic system is justified not only
logically but empirically, in terms of how well it explains the semantic phenomena of language wie gesagt, als eine empirische Frage angesehen wird (Jackendoff 7983/1995:52). Tat­
and cognition. (Jackendoff 1996:546) sächlich brauchen meines Erachtens konzeptuell-kognitive Größen als ontologische Pri­
mitiva der semantischen Theorie eine sehr sorgfältige empirische Begründung.
Ich denke, diese Äußerung spiegelt ein Dilemma wider, mit dem sich die kognitive Se­
Aber auch im Rahmen einer nicht kognitiv ausgerichteten, formalen, wahrheitskondi­
mantik (aber nicht nur sie) immer wieder konfrontiert sieht. So werden in der "conceptual
tionalen Semantik stellt sich ein ähnliches Problem. Vor allem, wenn man es mit lexikali­
semantics" konzeptuelle Größen im Rahmen eines axiomatischen Systems herangezogen,
schen Strukturen zu tun bekommt, stellt sich immer wieder die Frage nach der Deutung
um semantische Phänomene zu erklären, und die Existenz dieser konzeptuellen Einheiten
der ontologischen Grundkategorien. Dabei wird die Beantwortung dieser Frage auch dann,
wird damit begründet, daß sie ja eben diese Phänomene "erklären". Nun weiß ich nicht,
wenn keine eigene Repräsentationsebene für kognitiv-konzeptuelle Strukturen angenom­
inwiefern man davon sprechen kann, daß ein System von Axiomen, das zunächst einmal
men wird, die kognitive Vermitteltheit unserer Auffassungen grundlegender Entitäten-
nur die Grundlage für eine Reihe von theorieinternen Folgerungen darstellt, uns wirklich
etwas erklären kann. Von Erklärung könnte hier wohl eher dann die Rede sein, wenn es sorten beim Reden über Dinge, Ereignisse, Zeiten oder Räume zu berücksichtigen haben.
eine von den zu erklärenden semantischen Phänomenen unabhängige Motivation für die Grundannahmen zur lexikalisch-semantischen Repräsentation: Aus den Überlegungen, die
Annahme solcher konzeptuellen Strukturen gibt. Dies gilt um so mehr, als es der Seman­ in diesem und den vorangegangenen Kapiteln angestellt wurden, resultieren folgende
tik ja auch um die "aboutness"-Komponente der Sprache geht und man das, "worüber" Grundannahmen über die Art und Form der in dieser Arbeit verwendeten lexikalisch­
sprachliche Äußerungen sind - im Fall der "conceptual semantics" die Welt in ihrer kon­ semantischen Repräsentationen:
zeptuellen Konstruiertheit - als möglichst theorieunabhängig und nicht als Gegenstand
axiomatischer Festlegungen betrachten möchte. Da nun nach Jackendoff (198311995:52)
die Beschaffenheit der ontologischen Grundkategorien durchaus als ein "empirical
psychological issue" angesehen wird (Jackendoff 7983/1995:52), ist auch nicht ganz klar, S
f7 pSi/199542ff) d i e s b e z ü g l i c h e
Überlegungen zur Kategorie "THING" in Jackendoff
30
2 Ereignisstruktur
• Die lexikalischen Repräsentationen werden in einer formalen Sprache formuliert, wobei
der semantische Teil dieser Repräsentationen im Rahmen einer wahrheitskonditionalen
Semantik dargestellt wird.
• Die Bedeutung von Lexemen wird mit Hilfe von Bedeutungspostulaten dargestellt. Auf 2 1 Ereignisstrukturen - die Theorie
Dekompositionen wird weitgehend verzichtet. Sie werden lediglich bei semantisch
durchsichtigen komplexen Wörtern verwendet und nur in ganz bestimmten, in Kapitel
3.2.3 beschriebenen Fällen, auch für Simplizia. 2.1.1 Abriß einer Theorie lexikalischer Ereignisstrukruren
• Es gibt nur eine Repräsentationsebene für lexikalisch-semantisches Wissen. Dabei wird
davon ausgegangen, daß lexikalisch-semantische Informationen, die syntaktisch rele­ Einleitung: In Kapitel 1.1.2 wurden die Semantik-Syntax-Abbildung, die grammatisch-
vant sind, sich nicht prinzipiell von solchen unterscheiden, die keine Relevanz für die kategorialen Restriktionen, die Vorkommensbeschränkungen, die Interpretationsbe­
Syntax haben. 39
schränkungen und die interlexematischen Relationen als die fünf zentralen Phänomen­
• Es wird angenommen, daß eine lexikalisch-semantische Theorie die kognitive Kompo­ bereiche der lexikalischen Verbsemantik bestimmt. Eine Erklärung dieser Phänomene -
nente der "aboutness"-Frage berücksichtigen muß. Dieser kognitiv-konzeptuelle Teil re­ und das ist die Grundannahme dieser Arbeit - wird ermöglicht durch semantische Reprä­
sultiert aber nicht in einer eigenen Repräsentationsebene, sondern findet Ausdruck in sentationen, die darauf basieren, daß Verben strukturierte Ereignisse bezeichnen. Diese
1

der ontologischen Auffassung der grundlegenden Entitäten und Eigenschaften, die in Idee wird in diesem Kapitel informell vorgestellt und in verschiedenen Kapiteln dieser
der formalsemantischen Sprache vorausgesetzt werden. Arbeit ausgearbeitet.
• Die Fundierung der grundlegenden ontologischen Kategorien und Begrifflichkeiten
"Abtrocknen", "fahren"," niederbrennen": Lisa hat die Salatschüssel abgetrocknet. Was
wird als ein vordringliches Ziel lexikalisch-semantischer Theorien angesehen, das der
ist geschehen? Lisa tat etwas bezüglich der Salatschüssel. Vermutlich rieb sie sie mit ei­
Formulierung theoretischer Restriktionen mindestens gleichgestellt ist.
nem Geschirrtuch ab. Gleichzeitig und dadurch verursacht wurde die Salatschüssel immer
trockner, bis sie schließlich und endlich trocken war.
Der Satz beschreibt offenbar eine Menge zueinander geordneter Ereignisse und Zu­
stände. Ganz ähnliche Ereigniskomplexe liegen auch anderen Sätzen mit dem Verb ab-
trocknen zugrunde: 2

(1) a. Klaus hat seinen kleinen Bruder abgetrocknet


b. Sylvia hat sich die Füße abgetrocknet
c. Max hat sein Lieblingsbierglas abgetrocknet

Offenbar referiert das Verb abtrocknen immer auf Ereigniskomplexe eines bestimmten
Typs, den man wie folgt beschreiben kann.

abtrocknen: x , yakk
n o m

E-STR: (->! el[+DUR] : x AGENS ; yPATIENS) <> e 2[+DUR] yPATIENS)


:

< z : yPATIENS)

Lex. 1: Ereignisstruktur (E-STR) von abtrocknen.

Das zweistellige Verb abtrocknen bezieht sich demnach auf ein erstes Teilereignis e , das 1

nicht punktuell, sondern von einer gewissen Dauer ("+DUR") ist, und an dem ein Agens
und ein Patiens beteiligt sind, in unserem Beispiel Lisas Agieren bezüglich des Salat-

Die Grundideen dazu finden sich in Engelberg (1994a:51ff, 1995a, 1995b).


Andere Varianten von abtrocknen liegen vor in dem intransitiven (i), wie auch in dem transiti­
ven (ii), in dem die Tränen das sind, das durch das Trocknen verschwindet (vgl. den entspre­
chenden Artikel in Götz / Haensch / Wellmann 1993):
Die Richtigkeit dieser Annahme ist - wie oben dargelegt - eine empirische Frage und beruht (i) die Straße ist nach dem Regen schnell wieder abgetrocknet
nicht auf einem prinzipiellen Einwand gegen Mehr-Ebenen-Semantiken. (ii) sie trocknete ihm die Tränen ab
33
32
3 2 4 können dabei auf die Bezeichnung von dauernden (DUR) Teilereignissen
schüssel-Patiens. Zeitlich parallel dazu ("<>") findet ein zweites Ereignis e statt, an
beschränkt sein oder auf die Bezeichnung von punktuellen (PKT), d.h., ex­
dem nur der Patiens beteiligt ist, nämlich das langsame Trockenerwerden der 7
trem kurzen Teilereignissen.
Salatschüssel. Abgeschlossen wird dieser Ereigniskomplex durch den nachfolgenden ("<")
5 iii) Relationen zwischen Teilereignissen: Zwischen Teilereignissen bestehen
Zustand z, der darin besteht, daß der Patiens, also die Salatschüssel, trocken ist.
z.T. kausale, immer aber temporale Relationen; Teilereignisse können
Ein zweites Beispiel. Lisa hat ihr neues Rennrad gefahren. Was ist diesmal passiert?
1
gleichzeitig stattfinden (<>) oder aufeinanderfolgen (<).
Lisa tat etwas bezüglich ihres Rennrads, sie trampelte in die Pedale, lenkte, u s w . (e ), so
2
iv) Partizipanz an Teilereignissen: Die den thematischen Argumenten entspre­
daß sich das Fahrrad (in fahrender Weise) fortbewegte (e ): chenden Partizipanten sind nicht notwendigerweise in alle Teilereignisse in­
volviert; an die Teilereignisse, in die sie involviert sind, sind sie durch be­
stimmte semantische Relationen (AGENS, PATIENS,...) gebunden.
E-^TR- í ^ é l H K J R I : X A ™ , yPATIENS) <> tf+PU*]: yPATIENS) v) Implizierte undpräsupponierte Teilereignisse: das Stattfinden der einzelnen
8
Teilereignisse ist durch die offene verbale Proposition entweder impliziert
Lex. 2: Ereignisstruktur won fahren. (->i) oder präsupponiert (->p).
Und noch ein letztes Beispiel: Lisa hat die alte Scheune niedergebrannt. Folgendes ist also
Im Folgenden seien noch einige Beispiele gegeben, die die einzelnen Komponenten der
geschehen: Lisa hat die Scheune angezündet, so daß die Scheune immer weiter herunter­ Ereignisstrukturen illustrieren.
brannte und am Ende völlig niedergebrannt war.
Die Komponenten der Ereignisstruktur: Wir können zunächst davon ausgehen, daß sich
die von Verben bezeichneten Ereignisse in ein, zwei oder drei Teilereignisse gliedern.
niederbrennen: x n o m
, yakk PATTPNSN Verben wie quälen, lieben, sitzen oder lachen involvieren keine weiteren Prozesse oder
9
E-STR: <->, él: xAGENS, yPATIENS) < yPATIENS)^ ^ yPATIENS) Zustände. Solche Ereignisse sind nicht weiter gegliedert; sie bestehen nur aus einem Teil.
Verben wie intransitiv schmelzen, trocknen, verschwinden involvieren zwei Teilereignisse,
einen Prozeß und einen abschließenden Zustand. Zwei Teilereignisse kennzeichnen auch
Lex. 3: Ereignisstruktur von niederbrennen. Verben wie werfen oder schieben, die zwei Prozesse involvieren, eine Wurfbewegung und
1 2
Hier geht e (das Anzünden der Scheune) e (dem Niederbrennen der Scheune) voraus, ein Fliegen bei werfen, eine Schiebhandlung und ein Sich-Bewegen bei schieben. Drei
welchem wiederum ein Nachzustand z (das Niedergebranntsein der Scheune) folgt. Teilereignisse liegen dort vor, wo sich das Ereignis in zwei Prozesse und einen
abschließenden Zustand gliedert, wie schon oben gesehen bei abtrocknen oder
Ereignisstrukturen als Repräsentationen der Verbbedeutung: Der wesentliche und für
niederbrennen.
viele semantische und syntaktische Prozesse relevante Teil der Bedeutung von Verben ist Meistens ist das Vorliegen der einzelnen Teilereignisse eine Implikation aus jedem af­
eine Ereignisstruktur. Das ist die leitende Idee dieser Arbeit. Eine solche Ereignisstruktur firmativen Ausdruck, der das entsprechende Verb enthält. Wenn Sabine einen Baseball
besteht aus bestimmten Entitäten, Eigenschaften und Relationen; sie basiert dabei auf wirft, so ist aufgrund der Bedeutung von werfen impliziert, daß Sabine etwas mit dem
folgenden Annahmen: Baseball tut, nämlich eine Wurfbewegung ausführt, und es ist impliziert, daß der Baseball
daraufhin fliegt. Hält sie den Baseball einfach fest oder fällt er ihr aus der Hand, so war
(P-l) Aufbau von Ereignisstrukturen
das, was geschehen ist, kein Werfen. Sortale Beschränkungen über die Teilereignisse
i) Komplexität von Ereignissen: Verben bezeichnen Ereignisse, die aus mehre­ ignorierend, hat werfen demnach die folgende Ereignisstruktur.
ren Teilereignissen bestehen können.
ii) Sorten von Teilereignissen: Teilereignisse sind entweder Ereignisse im
6
engeren Sinn (e), genauer Prozesse, oder sie sind Zustände (z); Verben

soll heißen, daß das Vorliegen eines solchen Ereignisses durch die Verbbedeutung impli­
Zustände sind normalerweise immer ausgedehnt (also DUR); dies wird in den Ereignisstruktu­
ziert ist. Agens' und Patiens' sind in diesem Kapitel zunächst nur Behelfsnotationen; ich werde
ren daher nicht vermerkt. Claudia Kunze (pers. Mitt.) hat allerdings einmal darauf hingewie­
in Kapitel 4.2 ausfuhrlich auf semantische Relationen zu sprechen kommen. Ich unterscheide sen, daß Ausdrücke wie es ist zwölf Uhr wohl so etwas wie punktuelle Zustände bezeichnen.
im Übrigen auch nicht zwischen den Begriffen Patiens' und Thema'. Eine offene verbale Proposition ist eine Prädikatskonstante mit den dazugehörigen Argument-
2
Auf kausale Zusammenhänge zwischen Teilereignissen wie el und e komme ich in Kapitel variablen in der semantischen Übersetzung des Verbs, z.B. ABTROCKN(x,y).
7.2.2 zu sprechen. Das soll heißen, daß diese Ereignisse auf einer Art oberster Strukturebene nicht weiter geglie­
dert sind; natürlich besteht auch ein Lachen aus Teilen, wie z.B. bestimmten Bewegungen des
Auf die verbspezifische Zustandsbeschreibung - in diesem Fall trocken - verzichte ich in dieser
Mundes und des Atemapparates; solche feineren Teile spielen hier aber keine Rolle (s. dazu
vorläufigen Notation der Ereignisstruktur noch, ebenso wie auf andere spezifischere Eigen­ Kap. 7.2.1).
schaften der einzelnen Teilereignisse.
Auf die Auffassung von Zuständen gehe ich in Kapitel 7.1.1 genauer ein.
34 35

Die Variationen in der temporalen Ordnung der Teilereignisse sind in den bisher aufge­
werfen: x n o m
, y^ 3

führten Beispielen schon deutlich geworden. Bei Verben mit drei Teilereignissen unter­
scheiden sich v.a. solche wie abtrocknen (Lex. 1), bei denen die beiden Prozesse parallel
E-STR: ( - > I d : A G E N S yPATIENS) < ( - ^ e 2; yPATIENS)
verlaufen, von solchen wie niederbrennen (Lex. 3), wo sie aufeinanderfolgen. Auch bei
X ;

Verben ohne Nachzustand finden sich beide temporalen Ordnungen: Bei werfen (Lex. 4)
Lex. 4: Ereigiüsstruktur von werfen.
sind die beiden Teilereignisse hintereinandergeordnet, während sie bei schieben, das eine
Auch die Bedeutung von fangen beinhaltet zwei Teilereignisse. Wenn Sabine einen Base­ Aktivität des Agens hinsichtlich eines Objektes und die Bewegung dieses Objektes invol­
ball fängt, so ist aufgrund der Bedeutung von fangen klar, daß der Baseball zunächst fliegt viert, gleichzeitig ablaufen : 12

und Sabine ihn dann - vermutlich mit den Händen - aus der Luft greift. Das Fliegen des
Baseballs ist hier allerdings nicht impliziert, sondern präsupponiert, wie die Konstanz der
10
schieben: n o m
x , y ^ 3

Folgerung in der Satzfamilie zeigt: E-STR: (->! ei: X A G E N S , yPATIENS) < > ( - ^ i • P A T I E N S )
t Y

(2) a. Sabine hat den Baseball gefangen -> der Baseball ist geflogen
b. hat Sabine den Baseball gefangen? -> der Baseball ist geflogen Lex. 8: Ereignisstruktur von schieben.
c. Sabine hat den Baseball nicht gefangen —> der Baseball ist geflogen
Die Ereignisstruktur von fangen enthält also neben einem implizierten auch ein präsuppo- Zusammenfassung und inhaltliche Grundannahmen: Der zentrale Teil der Bedeutungs­
11 beschreibung eines Verbs besteht in der Repräsentation seiner Ereignisstruktur. Diese Idee
niertes Teilereignis.
geht davon aus, daß Verben Ereignisse bezeichnen, welche aus mehreren Teilereignissen
bestehen können, die verschiedenen Sorten angehören und die in bestimmten temporalen
fangen: x n o m
, y ** 3

Relationen zueinanderstehen. Die den thematischen Argumenten des Verbs entsprechen­


E-STR. ( - > el: yPATIENS) < 2; A G E N S yPATIENS) ...
P e X ;
den Partizipanten stehen dabei in bestimmten semantischen Relationen zu bestimmten
Teilereignissen.
Lex. 5: Ereignisstruktur von fangen.

Andere Verben, die Teilereignisse präsupponieren sind etwa ankommen, das ein vorheri­
ges Unterwegssein präsupponiert, gewinnen, das die Teilnahme an einer Konkurrenz 2.1.2 Andere lexikalisch-semantische Ereignisstrukturtheorien
präsupponiert, oder verfolgen, das die Fortbewegung des Verfolgten präsupponiert.
Verben sind zum Teil auf die Bezeichnung punktueller oder durativer Teilereignisse Einleitung: Ereignisstrukturbasierte Verbrepräsentationen haben seit Anfang der 90er
beschränkt. Punktualität liegt etwa vor bei springen, knallen oder zerbrechen, Durativität Jahre, ausgehend von Pustejovskys (1988, 1991) Theorie zu "event structures", einige
Verbreitung innerhalb lexikalisch-semantischer Arbeiten gefunden. Solche Ereignis­
bei singen, laufen oder schmelzen:
strukturtheorien sind aus dem Bemühen entstanden, zwei Traditionen der Verbsemantik
miteinander zu verknüpfen, zum einen aspektuell-aktionsartliche Klassifikationen, die -
zerbrechen: x n o m

meist unter Bezugnahme auf Vendler (1957) - in Arbeiten zur Aspektkomposition in den
E-STR: (->! eM PKTl; XPATIENS) < (-^ PATIENS)
+
Z X
70er und 80er Jahren aufgegriffen wurden, zum anderen Theorien zur lexikalischen De-
komposition, die seit ihrer Lösung aus der Syntax eine zentrale Rolle in Arbeiten zur
Lex. 6: Ereignisstruktur von zerbrechen.
Repräsentation von Verbbedeutungen spielen.
Bevor ich auf Theorien zu lexikalischen Ereigmsstrukturen zu sprechen komme,
möchte ich in den folgenden beiden Abschnitten die mit Asrjektualitätsklassifikationen
schmelzen: x n o m
13
und CAUSE-BECOME-Dekompositionen verbundenen Probleme aufzeigen, die die
+ D U R
E-STR: (->i ei ( 1: X PATIENS) < ( - ^ Z : X PATIENS)
Entwicklung von Ereignistrukturtheorien motiviert haben. Ich werde dabei weniger auf
bestimmte theoretische Ausprägungen solcher Ansätze eingehen als vielmehr auf einige
Lex. 7: Ereignisstruktur von schmelzen.

"Gleichzeitigkeit" meint hier keine völlige Identität der Ereigniszeit, sondern eher eine weit­
Nicht bei allen Lesarten von fangen ist ein Fliegen-Ereignis präsupponiert, aber auch wenn ich gehende Überlappung. Man muß wohl annehmen, daß die Agenshandlung bei schieben kurz vor
ein Kaninchen fange, ist ein vorausgehendes Ereignis, z.B. die Fluchtversuche des Kaninchens, der Bewegung des geschobenen Objekts einsetzt (vgl. auch Kap. 7.2.2). Ein Ausdruck wie er
wusch das Hemd sauber kann wiederum auf ein Ereignis referieren, bei dem die Agenshand­
D ^ N S S t a n d , der darin besteht, daß der Agens hinterher den geflogenen Gegenstand hat, lung zeitlich auch noch etwas über das Ende der Zustandsveränderung hinausgeht.
ignoriere ich hier; s. aber die Repräsentation in Kapitel 7.2.3. Zu Problemen mit Bedeutungsdekompositionen vgl. auch Kapitel 1.2.4.
5- 335
37
36
werde auf solche Phänomene in Kapitel 2.2 ausführlich zu sprechen kommen und gebe
prinzipielle Unzulänglichkeiten. Auch auf die Motivation bestimmter verbsemantischer
hier nur eine Übersicht über die von Vendler (1957) angenommene Zuordnung dieser
Theorien durch konkrete Einzelphänomene werde ich im Wesentlichen erst in Kapitel 2.2
1 4
Phänomene zu den von ihm "time Schemata" genannten Klassen (Abb. 1).
zu sprechen kommen Achievements wie win a race sind semantisch dadurch gekennzeichnet, daß sie zu Zeit­
Aspektuell-aktionsartliche Klassifikationen: Klassifikationen von Verben und verb­
punkten wahr sind, Activities wie push a cart und Accomplishments wie run a mile unter­
enthaltenden Ausdrücken nach ihren aspektuell-aktionsartlichen Eigenschaften sind seit
scheiden sich dadurch, daß ein Activity-Ausdruck, der wahr ist zur Zeit t, auch zu jedem
Mitte des letzten Jahrhunderts v.a. in der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft
Teilintervall von t wahr ist, während ein Accomplishment-Ausdruck, der zu t wahr ist, zu
entstanden. Sie orientierten sich zunächst an grammatisch-aspektuellen Phänomenen (z.B
keinem Teilintervall von t wahr ist (Vendler 1957:145ff).
imperfektive vs. perfektive Verben in Aspektsprachen), später auch an lexikalisch-aktions­ 16
Vendlers (1957) Klassifikation ist oft genug gewürdigt und kritisiert worden, so daß
artlichen Phänomenen, die mit der temporalen Struktur der von Verben bezeichneten
ich mich hier darauf beschränke, einige Probleme dieser Klassifikation und anderer ihrer
Ereignisse zusammenhingen (Modifikation durch temporal-aspektuelle Adverbiale, Ab­
15
Art aus lexikalisch-semantischer Sicht anzuführen:
hängigkeit der Tempusinterpretation von der Verbbedeutung, etc.).
• Zunächst sind die meisten solcher Klassifikation nicht exhaustiv. Mori / Löbner / Mi­
cha (1992:259f) haben Vendlers operationale Kriterien auf das Japanische angewendet
r "TIME S C H E M A T A " und festgestellt, daß sich viele Ausdrücke in keine der vendlerschen Klassen einordnen
lassen. Am Ende ergaben sich für das Japanische neun disjunkte Klassen. Die Untersu­
"activity terms" "accomplishment chung zum Deutschen in Engelberg (1994a:46ff) zeigt eine ähnliche Breite aktionsart­
"achievement "state terms"
terms" licher Klassen.
terms"
• Über die von Vendler (1957) und anderen angesprochenen operationalen Verfahren
draw a circle
hinaus gibt es eine Reihe weiterer syntaktischer und semantischer Phänomene, die auf
reach the summit know something push a cart
love somebody run run a mile sehr ähnlichen Eigenschaften verbaler Ausdrücke basieren. Berücksichtigt man auch
win a race write a letter
recognize believe something swim diese Phänomene bei der Klassifikation, so steigt die Anzahl der zu unterscheidenden
grow up
something > dominate Klassen erheblich. Erst wenn man davon ausgeht, daß solche Klassen auf strukturierten
give a class
find something somebody
die hate somebody Bedeutungsrepräsentationen basieren - statt einfach nur eine lange Liste von Klassen­
cross the border bezeichnungen zu konstituieren - , können die einzelnen Phänomene auf das Auftreten
bestimmter Kombinationen weniger Elemente in diesen Strukturen zurückgeführt wer­
Progressiv möglich
Progressiv nicht möglich den.
• Der Gegenstandsbereich von Vendlers Klassifikation ist nicht explizit festgelegt. Sei­
For how long...? For five minutes 'For how long...?
'For how long...? nen Beispielen zufolge klassifiziert Vendler scheinbar VPs (z.T. vielleicht auch Verben
und Sätze), ohne daß er sich selbst dazu äußert. Im Allgemeinen werden solche aspek­
'At what time...? 'How long did it How long did it
At what time...? take...? In five tuell-aktionsartlichen Klassen als Eigenschaften von verbenthaltenden Prädikaten auf­
take...? 'In five
minutes minutes 17
gefaßt oder auf solche Eigenschaften zurückgeführt. Damit bleibt aber zunächst offen,
welche Eigenschaften die Verben als lexikalische Einheiten haben müssen, um in kom­
plexen verbalen Konstruktionen Ausdrücke des einen oder des anderen aspektuell-
18
Abb. 1: Die "time Schemata" nach Vendler (1957). aktionsartlichen Typs bilden zu können. Die Fragen nach der lexikalischen verb­
semantischen Basis solcher Klassifikationen sind in Aspektkompositionstheorien zwar
Arbeiten der modernen Linguistik zu Phänomenen im Umkreis von Aspekt und Ak­ 19
behandelt worden, aber eher ausschnittsweise vor allem hinsichtlich der Unterschei­
tionsart nehmen ihren Ausgang fast durchweg bei Vendlers (1957) Klassifikation, die dung von Activities und Accomplishments. Dies hat aber nur zum Teil zu prinzipiellen
allerdings zahllose vergleichbare Vorgänger und Nachfolger hat. Ich führe Vendler hier
v.a. deshalb als Beispiel an, weil seine Terminologie die linguistische Diskussion geprägt
hat. Vendlers (1957) Klassifikation verbenthaltender Ausdrücke basiert im Wesentlichen
auf der Möglichkeit dieser Ausdrücke, im Progressiv aufzutreten und ihrer Kombinierbar- Vgl. u.a. Dowty (1979:51 ff), Binnick (1991.i70ff), Verkuyl (1993:33ff).
keit mit Adverbialen vom Typ in five minutes, for five minutes und at five o'clock. Ich Z.B. Prädikatseigenschaften wie Divisivität, Kumulativität, Homogenität, Gequanteltheit; vgl.
etwa Krifka (1989a) oder Eckardt (1996b).
1 4
Ich spreche auch deshalb scheinbar etwas unentschlossen von 'aspektuell-aktionsartlichen'
Dieses Kapitel basiert auf Engelberg (1994a:6ff, 1995b) , . ,
A t f , li cher
n r t exika S Klassen, weil es eine schwierige Frage ist, ob und in welchem Maße solche Klassen lexikali­
H Die Unterscheidung zwischen 'Aspekt' als grammatischer und 'Aktionsart als lexrtcahscner sche und damit aktionsartliche Klassen konstituieren.
StegoriTL sich dabei erst relativ spät durchgesetzt. Zur älteren Aspekt- und Aktionsart­ Vgl. etwa Krifka (1989a) und die Literaturübersicht darin.
forschung vgl. auch Binnick (1991:1390).
38
39
Überlegungen über ein Format zur lexikalischen Repräsentation von Verbbedeutungen
geführt. 20 sichtigen, daß nur manche Veränderungsverben die durch das Vorliegen eines BECOME-
Operators lizenzierten /»-Adverbiale zulassen:
Es bleibt festzuhalten, daß aspektuell-aktionsartliche Klassifikationen eine Reihe von
Phänomenen ans Licht bringen, die von den eher an Linking-Phänomenen orientierten (4) a. die Temperatur stieg (^in drei Tagen)
dekompositionellen lexikalischen Theorien bis dato vernachlässigt wurden. Die Klassifi­ b. das Eis schmolz (in drei Tagen)
kationen selbst ersetzen aber keine Theorie verblexikalischer Repräsentationen und geben
für sich genommen auch wenig Hinweise darauf, wie eine solche Theorie auszusehen Auch hat McCawley (1976:1171) darauf hingewiesen, daß CAUSE-BECOME-Verben
hätte. aspektuell heterogen sind: das punktuelle shoot verhält sich wie ein Achievement (im
vendlerschen Sinn), boil wie ein Activity-Ausdruck und dress wie ein Accomplishment:
CAUSE-BECOME-Dekompositionen: Dekompositionen von Verbbedeutungen, in denen (5) a. John shot Mary at 2:57P.M.
die Prädikate CAUSE, BECOME und z.T. DO eine zentrale Rolle spielen, gehen, wie in
b. John boiled the eggs forßve minutes
Kapitel 1.2.4 schon dargestellt, auf die tiefenstrukturellen Satzanalysen der generativen
c. John dressed the child in ßve minutes
Semantik zurück und werden seit Dowty (1979) als Repräsentationen in der lexikalischen
Semantik verwendet. Dowty (1979) versucht, die in den Vendler-Klassen ausgedrückten Viele semantische und syntaktische Probleme - und das ist ja die im letzten Kapitel aufge­
aspektuell-aktionsartlichen Phänomene in einer formalsemantischen, auf CAUSE- stellte These - lassen sich nur oder besser erklären, wenn man bei der Bedeutungsreprä­
BECOME-Dekompositionen basierenden Theorie zu erklären. Etwas vereinfacht sehen sentation von Verben auf Ereignisse, Teilereignisse und deren Eigenschaften rekurriert
seine Entsprechungen zu Vendlers Klassen wie folgt aus: 21
statt auf CAUSE-BECOME-Strukturen, ohne daß deren Relevanz für bestimmte Phäno­
mene deswegen geleugnet werden soll.
(3) a. P(x',..., n)
X "Statives"
b. DO(x',P(x',...,xn)) "Activities" Pustejovskys "event structures": Pustejovskys (1988, 1991, 1995:67ff) Theorie zur Reprä­
c. BECOME(P(x',...,xn)) "Achievements" sentation von Verben und verbenthaltenden Ausdrücken versucht, die in aspektuellen
22
d. CAUSE(p,BECOME(P(x',...,xn))) "Accomplishments" Klassifikationen erfaßten Phänomene zu erklären, indem sie dekompositionelle Verb­
beschreibungen durch Ereignisstrukturen ergänzt.
Dekompositionelle Verbrepräsentationen sind in der Nachfolge Dowtys (1979) bis heute
vor allem zur Erklärung von Argumentlinking verwendet worden. Dabei wird ihr Wert für
die Erklärung aspektuell-aktionsartlicher Phänomene weniger dadurch geschmälert, daß
in (3) nicht alle diesbezüglich relevanten Unterscheidungen erfaßt werden - Dekompo­
r
sitionen sind flexibel genug, um auch andere aspektuell wichtige Eigenschaften auszu­
drücken - als vielmehr durch den Versuch, aspektuell-aktionsartliche Unterscheidungen "State"
möglichst ausschließlich an die Begriffe der Verursachung (CAUSE) und Veränderung
(BECOME) zu knüpfen. Die Korrespondenzen zwischen CAUSE-BECOME-Dekompo-
S
sitionsstrukturen und aspektuell-aktionsartlichem Verhalten sind aber weit weniger ein­
deutig als es die Entsprechungen in (3) nahelegen. So enthält die Achievement-Klasse,
wenn sie, wie Vendler (1957) vorschlägt, punktuelle Ausdrücke erfaßt, auch Verben, die
keine Veränderung beschreiben wie niesen, beißen oder stechen, und selbst, wenn man, e
23
wie Dowty (1979:180ff), von dem Punktualitätskriterium absieht, so ist doch zu berück-
V_
Abb. 2: "Basic Event Types" nach Pustejovsky (1991:56).
Dowty (1979) entwickelt auf der Basis von Vendlers (1957) Unterscheidungen eine dekompo­
sitionelle, montaguesemantische Theorie zur Verbsemantik; Krifkas (1989a) Arbeit zur Pustejovsky (1991) nimmt dazu eine semantische Repräsentation von Verben auf drei
Aspektkomposition enthält wichtige theoretische Überlegungen zu thematischen Relationen. Ebenen an. Eine davon ist die Ereignisstruktur (ES). Sie ordnet Verben und komplexen,
Dowty (1979) führt bestimmte, meist nicht aspektuell relevante Verfeinerungen an, z.B. bezüg­ verbenthaltenden Ausdrücken Ereignistypen zu, wobei Ereignistypen primitiv oder
lich dessen, was für p in (3d) stehen kann. (CAUSE wird als Relation zwischen Propositionen
komplex sein können. Jeder verbale Ausdruck gehört einem der drei Ereignistypen "state",
aufgefaßt.)
"p" steht für eine Propositionsvariable, "P" für eine Prädikatsvariable; vgl. die Darstellung der "process" oder "transition" an. Ein komplexer Ereignistyp e, in der Ereignisstruktur reprä­
Notationskonventionen in Kapitel 3.2.1. sentiert als [ei,e ], wird interpretiert als ein Ereignis mit zwei Teilereignissen, bei denen
2

Zu den Problemen, die mit einer Aufgabe der Durativ-Punktuell-Unterscheidung einhergehen das erste dem zweiten zeitlich vorangeht. Die einzelnen Ereignistypen sind wie folgt
vgl. ausführlich Kapitel 2.2.3.
41
40
1991:61ff), und sie soll erklären, wie bestimmte Skopusambiguitäten von Adverbialen
definiert (Pustejovsky 1991:56) und werden wie in Abb. 2 graphisch repräsentiert (wobei 25
Zustandekommen (Pustejovsky 1988:3 lff, 1991:68ff).
E für einen beliebigen Ereignistyp steht):
Kritik an Pustejovskys Ereignisstrukturtheorie: Pustejovsky hat mit seinem Ansatz einige
• State (S): "a single event, which is evaluated relative to no other event" (be sick, love, der Ideen formuliert, die auch der vorliegenden Arbeit zugrundeliegen, daß nämlich Ver­
know); ben auf komplexe Ereignisse referieren und daß Adverbiale in vielen Fällen als Prädikate
• Process (P): "a sequence of events identifying the same semantic expression", (run, über Teilereignisse aufgefaßt werden müssen. Pustejovskys Theorie ist allerdings mit
bestimmten Problemen behaftet, die sowohl die Interpretation seiner Repräsentationen als
push, drag);"[...] when P is a process verb, then if the semantic expression P' identified
auch die empirische Adäquatheit seiner ereignisstrukturellen Distinktionen betreffen:
with P is true at an interval I, then P' is true for all subintervals of / larger than a
• Wie die auf den drei Ebenen spezifizierten Beschreibungen zu interpretieren sind, wird
moment"; nicht klar. In Pustejovsky (1991:62) wird für den Satz (7a) die an neo-davidsonische
• Transition (T): "an event identifying a semantic expression, which is evaluated relative 26
Repräsentationen angelehnte logische Form (7b) angenommen.
to its opposition" (give, open, build, destroy).
(7) a. Mary built a chair in an hour
Die zweite Ebene der Verbbeschreibung ist eine minimale Dekomposition (LCS'), die an b. 3P,S[build((P,S)) & agent(mary,(P,S)) & theme(chair,(P,S)) & in-an-hour(P,S)]
jedes der Subereignisse geknüpft ist; aus ES und LCS' läßt sich dann die dritte Ebene
ableiten, und zwar eine lexikalische Dekomposition LCS ("lexical conceptual structure") Dabei wird zwar über die auf ES repräsentierten Teilereignisse quantifiziert, aber es
wird kein Bezug mehr auf die LCS'- und LCS-Dekompositionen genommen. In einer
im Stile von Dowty (1979) oder Jackendoff (7983/1995). Hier einige Beispiele für die
anderen Arbeit (Ingria / Pustejovsky 1990:162) finden sich Repräsentationen, bei denen
verschiedenen Ereignistypen; das "&" in (6e) zeigt dabei auch Gleichzeitigkeit an (Puste­
die Teilereignisse als Argumente in LCS'-Prädikate integriert werden. Demnach sähe
jovsky 1991:57ff):
ein act-Prädikat (8a) aus einer LCS'-Repräsentation wie in (6e) in der logischen Form
(6) a. the door is closed
so aus wie in (8b); wie aber prinzipiell die logische Form aus den drei Repräsentations­
ES: [ S ]
ebenen zu ermitteln ist, wird nicht deutlich.
LCS': [ closed(the-door) ]
LCS: closed(the-door) (8) a. act(john,the-door)
b. Mary ran b. act(Pjohn,the-door)
ES: [ P ]
LCS': [ run(mary) ] • Es wird keine bestimmte Ereignisauftassung von Pustejovsky vertreten, die uns unab­
LCS: run(mary) hängige Kriterien an die Hand gäbe, wann wir es mit einem und wann mit zwei Teil­
c. Mary ran to the store ereignissen zu tun haben. So wird z.B. (9a) als ein Prozeß beschrieben, der - wie alle
ES: [ [ P ] [<P,T>]] T
Prozesse - aus einer Sequenz von Teilereignissen besteht, und zwar solchen wie in der
LCS': [ [ run(mary) ] [at(mary,the-store] ] LCS'-Repräsentation in (9b) beschrieben (Pustejovsky 1991.59). Die beiden koordi­
LCS. cause(act(mary), become(at(mary,the-store)) BY run) nierten Prädikate 'act' und 'move' darin konstituieren aber nicht jedes für sich ein Teil­
d. the door closed ereignis, wie ich es in Kap. 2.1.1 angenommen habe, was von Pustejovsky aber nicht
ES: [ [ P ] [S]] T
diskutiert wird.
LCS': [ [ -,closed(the-door) ] [closed(the-door) ] ]
LCS: become[closed(the-door)] (9) a. Mary pushed the cart
e. John closed the door b. ES: [ P ]
ES: [ [ P ] [S]] T LCS': [ act(mary,the-cart) & move(the cart) ]
LCS': [ [ act(john,the-door) & -idosed(the-door) ] [ closed(the-door) ] ] LCS: cause([act(mary,the-cart)], [move(the cart)])
LCS: cause(act(john,the-door), become[closed(the-door)])
• Schließlich stellt sich auch die Frage, wie unabhängig voneinander die auf den drei
Transitionen kommen demnach entweder zustande durch die Kombination eines Prozesses
Ebenen spezifizierten Informationen eigentlich sind. Transitionen korrespondieren of­
wie Mary ran mit einer Präpositionalphrase to the store, die als Funktion von Prozessen in
fenbar eins-zu-eins mit BECOME-Prädikaten auf der LCS-Ebene. Prozesse oder Zu­
Transitionen definiert ist ( 6 c ) , oder durch Verben wie dose, die lexikalisch als Verben
24

stände treten entsprechend immer dann auf, wenn kein BECOME-Prädikat in der LCS
repräsentiert sind, die einen Prozeß mit nachfolgendem Zustand bezeichnen (6d, 6e).
Die Ereignisstruktur soll dabei vor allem die Beschränkungen aspektueller Adverbiale
wie in-PPs und /or-PPs formulieren helfen, die auf der ES-Ebene operieren (Pustejovsky Vgl. dazu im einzelnen Kapitel 2.2; außerdem werden von Pustejovsky (1991:74ff) Überlegun-
gen zum Argument-Linking präsentiert.
ü ~ ^ ~ h e Ereignisstruktur haben auch Resultate wie Mary hammered the metal flat Vgl. zu solchen Repräsentationen Kapitel 4.1.3.
(Pustejovsky 1991:65).
42 43
vorhanden ist. Damit bleibt lediglich die ohnehin nicht sehr zentrale Unterscheidung nisstruktur ergänzt, die als sortale Beschränkung über dem Ereignisargument verstanden
zwischen Prozessen und Zuständen als unabhängige, nicht aus den anderen Repräsen­ wird (Wunderlich 1992:14f 1996:174). Restriktionen aspektueller Adverbiale, aspektuelle
27
tationen ableitbare ES-Information. Operatoren und die Erklärung adverbialer Skopusambiguitäten können auf die Ereignis-
• Die Annahme einer eigenen Ereignisstrukturebene wäre besser gerechtfertigt, wenn sie Struktur Bezug nehmen (Wunderlich 1992:16ff, 1996:175ff). Wunderlich nimmt aller­
mehr von den Dekompositionen unabhängige Informationen enthalten würde. Das ist dings andere Ereignisstrukturen an als Pustejovsky und bewertet auch deren theoretischen
auch aus empirischen Gründen erforderlich; Pustejovskys Ereignisstruktur ist insofern Status anders.
zu mager, als sie nur die Unterscheidung von zwei Teilereignissen vorsieht, und auch, Im Gegensatz zu Pustejovsky unterscheidet er Achievements und Accomplishments
28
da sie die Unterscheidung von andauernden und punktuellen Ereignissen aufgibt. auch auf der Ebene der Ereignisstruktur. Dabei werden Achievements als Transitionen mit
Vorkommensbeschränkungen und Teilereignisbezug verschiedener Adverbiale können der Ereigmsstruktur in (10a) verstanden, Accomplishments als Transitionen, die einen
dadurch in Pustejovskys Ereignisstrukturen nicht erklärt werden. Dies wird an ver­ Prozeß plus eine eingebettete Transition beinhalten (10b), wobei S den Resultatszustand
schiedenen Stellen in Kapitel 2.2 noch deutlich werden. bezeichnet und -iS den diesem vorausgehenden Zustand, der dadurch gekennzeichnet ist,
daß S nicht besteht (Wunderlich 1996:176).
Weitere Ereignisstrukturansätze: Pustejovskys Ideen sind in verschiedenen anderen An­
sätzen aufgegriffen worden, so von Grimshaw (1990), Abraham (1990, 1993), Wunderlich (10) a. Achievements: [-iS S]x
(1992, 1996, 1997) und, wie im letzten Kapitel dargestellt, in Engelberg (1994, 1995a, b. Accomplishments: [P [-,S S]j]j (im Folgenden kurz als [P T)x)
1995b). Grimshaw (1990) formuliert Linking-Prinzipien auf der Basis von Pustejovskys
In Wunderlich (1992:12) wird davon ausgegangen, daß die Ereignisstruktur auf der Verb­
Ereignisstrukturen und einem Begriff der aspektuellen Prominenz (s. im Detail weiter
ebene aus der semantischen Form ableitbar ist, aber nicht umgekehrt. So haben Inchoativa
unten). Abrahams (1990, 1993) Vorschläge unterscheiden sich in der Form der Repräsen­
wie to ripen, Kausativa wie to empty und Resultativa wie to eat clean verschiedene De-
tation der Ereignisstrukturen von Pustejovskys ES-Ebene, nicht aber bezüglich der Anzahl
kompositionsstrukturen, aber, wie die Modifizierbarkeit durch w-Adverbiale zeigt, alle die
der verschiedenen Ereignistypen. Abraham verwendet in zeitlogischen Begriffen formu­
gleiche Ereignisstruktur, und zwar [P T ] T - Dabei wird die Transitionskomponente durch
lierte Ereignisstrukturen, wobei biphasische Ereignisse Pustejovskys Transitionen entspre­ 29
das BECOME-Prädikat in die Ereignisstruktur projiziert.
chen, und aus einem "event of the approach phase", gefolgt von einem "event [...] of the
resulting State", bestehen. Zwei Typen monophasischer Ereignisse korrespondieren des (11) a. the tomatoes ripened in three days
weiteren mit Pustejovskys Prozessen und Zuständen (Abraham 1990:lf, 1993;163f). Wun­ Xxkd? T] [BECOME(RIPE(x))] (e)
derlich (1996) behält demgegenüber Pustejovskys Notationen bei, modifiziert aber dessen b. he emptied the bottle in ten seconds
Annahmen über die interne Struktur von Ereignissen und weist darüber hinaus der ES- XyXxXelPT] [CAUSE(x,BECOME(CLEAN(y)))] (e)
Ebene einen anderen theoretischen Status innerhalb semantischer Repräsentationen zu. c. she ate the plate clean infiveminutes
Darum soll es im nächsten Abschnitt gehen. XzXyXxkeP T] [EAT(x,y) & BECOME(CLEAN(y))] (e)
Verwandte Ideen finden sich weiterhin auch in solchen semantischen Arbeiten, die bei
Mit Hinweis auf die manchmal iterative Interpretation bestimmter punktueller Verben
der Repräsentation kausativer Verben davon ausgehen, daß diese auf zwei Ereignisse
heißt es in Wunderlich (1996:174) dagegen, daß auch die konzeptuelle Struktur die Ereig­
referieren, ein verursachendes und ein verursachtes, wie z.B. in Parsons (1990:138ff) und
nisstruktur mitbestimmt.
Kamp / Roßdeutscher (1992:19ff).
Kritik an Wunderlichs Ereignisstrukturauffassung: Das Zusammenspiel der Ereignis­
Ereignisstrukturen in der Lexikalischen Dekompositionsgrammatik: Die von Wunderlich
struktur mit SF und CS in der Lexikalischen Dekompositionsgrammatik ist noch nicht
(1992, 1996, 1997) und anderen im Rahmen der Zwei-Ebenen-Semantik entworfene Lexi­
sehr weit ausgearbeitet. Die folgenden kritischen Bemerkungen sind daher zum Teil eher
kalische Dekompositionsgrammatik geht davon aus, daß eine restriktive, auf CAUSE-
allgemeiner Natur:
BECOME-Dekompositionen basierende semantische Form (SF) das Bindeglied zwischen
Syntax und Morphologie einerseits und einer reichhaltigen konzeptuellen Struktur (CS) • Die Frage, ob oder in welchem Maße die Ereignisstruktur aus der semantischen Form
andererseits darstellt. In der SF wird repräsentiert, was syntaktisch relevant ist. Dabei abgeleitet werden kann, scheint noch nicht entschieden. Nehmen wir an, die Ereignis­
bestimmt die Einbettungstiefe der Argumentvariablen in der Dekomposition die Argu­ struktur kann vollständig aus SF abgeleitet werden, dann stellt sich erstens die Frage,
mentstruktur und damit die Abbildung der Argumente in die Syntax (Wunderlich wozu ES überhaupt benötigt wird. Die Selektionsrestriktionen von Adverbialen wie in
1996:173f£ 1997:310). In Anlehnung an Pustejovsky (1991) wird die SF um eine Ereig- fünf Minuten könnten dann auch direkt auf die Dekomposition Bezug nehmen. Da die
Dekomposition ein Ereignisargument enthält, wäre es dabei trotzdem möglich, solche

27 Eine ES-Ebene rechtfertigt sich neben der Möglichkeit, lexikalische Unterscheidungen auf ihr
zu spezifizieren, natürlich auch durch ihre Konsequenzen für die logische Form, mdem sie Er­ Beispiel (11) entstammt einer 1994 entstandenen unpublizierten Überarbeitung von Wunder­
eignisse und Teilereignisse als Gegenstände adverbialer Prädikationen bereitstellt. lich (1992). Wunderlichs Notation ist dabei leicht an die hier verwendeten Konventionen ange­
28 Vgl. dazu im Besonderen Kapitel 2.2.3. paßt. *
44 45

Adverbiale im davidsonischen Sinne als Ereignisprädikate zu verstehen. Zweitens stellt (12) a. die Äpfel verfaulten (in drei Tagen)
sich die Frage, wieso die Ereignisstruktur ausgerechnet als sortaler Index repräsentiert b. die Vase zerbrach ( /w zehn Minuten)
??

wird. Da die Dekompositionen selbst im Grunde nichts anderes darstellen als sortale c. er zerbrach die Vase ( wi zehn Minuten)
?7

Beschränkungen über den Ereignissen, auf die ein bestimmtes Verb referieren kann,
Da in Ereigmsstrukturen des Typs [P T ] der Prozeß P als kausaler Faktor von T ver­
konstituieren sie eigentlich genau die gleiche Art von Informationen. Es ist somit nicht T

standen wird, wird für verfaulen angenommen, daß konzeptuell entsprechende Eigen­
einzusehen, warum sie in verschiedenen Strukturen repräsentiert werden.
schaften von P rekonstruiert werden können (z.B. hohe Luftfeuchtigkeit oder ein ver­
• Nehmen wir dagegen an, daß die Ereignisstruktur teils von SF und teils von CS deter­
gammelter Apfel im Haufen). Wenn nun aber intransitives zerbrechen als Achieve-
31

miniert ist, so stellt sich ein anderes Problem: In Wunderlichs Ereignisstruktur wird der 32
ment vom Typ [-,S S]x aufgefaßt wird, so stellt sich natürlich die Frage, warum hier
Unterschied zwischen Durativität und Punktualität nicht repräsentiert, was aus einer
nicht ebenfalls ein kausales P-Ereignis (starker Wind, Steinschlag, oder was immer)
Reihe von empirischen Gründen, auf die ich in Kapitel 2.2.3 zu sprechen kommen
mitverstanden werden kann.
werde, aber erforderlich ist. Nun könnte man natürlich annehmen, daß konzeptuelle
• Noch problematischer wird die Situation bei der kausativen Variante des punktuellen
Informationen aus CS entsprechende Ereigniszeitinformationen beisteuern (vgl. Kauf­
zerbrechen, wie in (12c). Hat dieses die Ereignisstruktur [P f-,S S ] ] , so ist zwar das
T T
mann 1995a:225ff), wodurch die Ereignisstruktur um eine solche Unterscheidung er­
verursachende Ereignis durch P in der Ereignisstruktur repräsentiert, aber es folgt nun
gänzt wird. Da es nun aber auch syntaktische Phänomene gibt, die auf den Punktuell-
30 fälschlicherweise, daß zerbrechen mit /«-Adverbialen verknüpft werden kann. Nimmt
Durativ-Unterschied rekurrieren, würde dies bedeuten, daß die Abbildung von Argu­
man dagegen die Ereignisstruktur [-,S S ] für kausatives zerbrechen an, so sind zwar
T
menten in die Syntax auch von CS-Informationen abhängt, was der Grundannahme der
korrekterweise /«-Adverbiale nicht mehr lizenziert, aber das Verursachungsereignis
lexikalischen Dekompositionsgrammatik widerspricht, derzufolge diese Abbildung aus­
fehlt in der Ereignisstruktur. Zudem würde die intuitiv nicht sehr plausible Annahme,
schließlich SF-abhängig ist.
daß ein Satz mit durativ-inchoativem Verb wie die Äpfel verfaulten auf einen Prozeß
• Der Ereignistyp Transition konstituiert sich sowohl in der Form [->S S ] als auch in der
und zwei Zustände referiert, das kausativ-punktuelle er zerbrach die Vase aber lediglich
T

rekursiven Form [P T ] T - E S ist nicht klar, aus welchen semantischen Gründen beide Er­
auf zwei - naturgemäß ausgedehnte - Zustände, die Frage aufwerfen, nach welchen un­
eignisstrukturen den gleichen Ereignistyp T konstituieren, zumal anscheinend keine
abhängigen Kriterien eigentlich Teilereignisse bestimmt werden können. Insgesamt
semantischen Prozesse auf T allein zugreifen. Überhaupt stellt sich die Frage, ob Ereig­
entsteht jedenfalls der Verdacht, daß durch Wunderlichs Teilereigniskonstruktionen le­
nisstrukturen hierarchisiert werden müssen; Wunderlichs Bemerkungen zur Ereignis-
diglich temporale Informationen ausgedrückt werden sollen, was einfacher durch eine
Struktur lassen jedenfalls nicht erkennen, daß irgendwelche Prozesse auf Knoten der
Sortierung von Teilereignissen in durative vs. punktuelle erreicht werden könnte. Bei
mittleren Hierarchieebene, also dem eingebetteten T bei Accomplishments, basieren.
Wunderlich muß dagegen die P-Komponente in Transitionen entweder für das verursa­
• Wunderlichs ereignisstrukturelle Ausgliederung von Achievements hat gegenüber
chende Ereignis stehen, was semantisch plausibel ist, aber keine Erklärung des Ver­
Pustejovskys (1991) Auffassung den Vorteil, daß nun Adverbiale mit Ereignisbezug be­
haltens von /«-Adverbialen ermöglicht, oder es steht für die Durativität des Gesamt­
züglich ihrer Verträglichkeit mit Accomplishments oder Achievements restringiert
ereignisses, was zu einer unplausiblen Auffassung von Teilereignissen führt.
werden können. Nun werden unter Achievements im Allgemeinen entweder punktuelle
Verben verstanden, wie in der Definition von Vendler (1957:149), oder Inchoativa bzw. Ereignisstrukturen und aspektuelles Linking: Aufgegriffen worden sind Ereignisstruktur­
Unakkusativa, wie etwa bei Dowty (1979:180ff) (vgl. auch Kap. 2.2.3). Wunderlich ideen auch in Ansätzen, die in der Folge von Tenny (1987, 1988) davon ausgehen, daß
(1996:176ff) nimmt aber einerseits bei der Einfuhrung der Ereigmsstrukturen keinen aspektuell-aktionsartliche Eigenschaften von Verben zur Erklärung von Linking-Phäno-
Bezug auf eine Punktuell-Durativ-Unterscheidung, während er andererseits Inchoativa menen herangezogen werden müssen. Tenny selbst hat dazu allerdings nicht auf Ereignis­
als Verben auffaßt, die auf Ereignisse vom Typ [P T ] referieren (z.B IIa). Damit ist
T
strukturen zurückgegriffen, sondern lediglich festgehalten, daß jeder Ereignispartizipant
aber unklar, welche Verben überhaupt eine Ereigmsstruktur wie [-.S Sfr haben. als Verbargument dafür markiert werden muß "whether it undergoes change or not, and if
Da das BECOME-Prädikat, das für die T-Komponente in [P T] -Ereignissen verant­
T so, if it undergoes change in such a way that it can measure out the event" (Tenny
wortlich zeichnet, als punktuelles Prädikat aufgefaßt wird (Wunderlich 1996:181), liegt 1987:307); dieses Argument wird dann als höchste Objekt-NP in der VP realisiert (Tenny
es eigentlich nahe, punktuelle Nachzustandsverben wie in (12b) als Achievements mit 1987:244). Einen Bezug auf Ereignisstrukturen stellt dagegen van Voorst (1988) in seiner
der Ereigmsstruktur [-.S S ] aufzufassen. Dazu ist zunächst zu bemerken, daß in-Ad­
T Linking-Theorie her, wobei er allerdings keine temporal oder kausal verknüpfte Ereignis­
verbiale, so Wunderlich (1996:177), Ausdrücke mit einer Ereigmsstruktur \P T ] ver­
T struktur annimmt, sondern eine lokalistische Theorie vertritt, in der der Ereignispartizi­
langen. Wunderlich bemerkt auch, daß intransitives zerbrechen (12b) ein solches Ad­ pant, der das "object of origin (Dutch) or actualization (English)" konstituiert, als Subjekt
verbial nicht erlaubt, im Gegensatz etwa zu verfaulen (12a), was natürlich für die An­
nahme unterschiedlicher Ereignisstrukturen für die beiden Verben spricht.
Wenn ich Wunderlich (1996:177) richtig verstehe, zieht er in Erwägung, zwar den [-.S Sfr-Teil
von Transitionen aus dem Vorliegen von BECOME in SF abzuleiten, das Vorliegen einer P-
3 0
Komponente in Transitionen aber über CS zu regeln.
Vgl. den Abschnitt zur an-Konstruktion in Kapitel 2.2.3. Ich bin mir nicht sicher, inwieweit Wunderlich genau das vorschwebt.
46 47

realisiert wird und der Partizipant, der das "object of termination" darstellt, als direktes Bei frighten ist im Gegensatz zu fear das Thema die verursachende Instanz und daher
Objekt (van Voorst 1988.10,27). aspektuell prominenter. Linkingprinzipien operieren nun auf dieser aspektuellen Struktur:
Interessanter im Zusammenhang mit der hier vorgeschlagenen Ereignisstrukturtheorie Das aspektuell prominenteste Argument wird als Subjekt realisiert (Grimshaw 1990:27).
ist allerdings ein Vorschlag Grimshaws (1990), die explizit auf Pustejovskys Theorie Be­ Die thematische Hierarchie regelt dabei möglicherweise nur noch die Präpositionswahl in
35
33
zug nimmt. Grimshaw (1990:7ff) konzipiert die Argumentstruktur eines Verbs als bestimmten Fällen.
Schnittstelle zwischen einer dekompositionellen semantischen Repräsentation des Verbs Kritik an Grimshaws Ereignisstrukturauffassung: Die semantische Fundierung der thema­
und der D-Struktur des Satzes. Den Argumentvariablen kann aufgrund ihrer Position in tischen ebenso wie der aspektuellen Begrifflichkeiten in Grimshaws Ansatz ist insgesamt
der Dekomposition eine Thetarolle zugeordnet werden, so daß über die Thetahierarchie in äußerst dünn. Es bleibt unklar, welchen Status die ad hoc eingeführten Begriffe "event"
(13a) die Argumente auf der Argumentstrukturebene (AS) hierarchisch geordnet werden oder "state" in den angenommenen Verbrepräsentationen eigentlich haben. Die Unab­
können (13b, 13c): hängigkeit der thematischen und der aspektuellen Hierarchie ließe außerdem erwarten,
(13) a. (Agent(Experiencer(Goal/Source/Location(Theme)))) daß es auch Agent-Theme-Verben mit aspektuell prominentem Theme gäbe; so etwas
b. waschen AS: (x(y)) « (Agens(Theme)) kommt aber nicht vor (vgl. Beckmann 1994a: 127).
c. fürchten AS. (x(y)) « (Exp(Theme)) Grimshaws Theorie hat darüber hinaus auch Probleme mit dem Argumenüinking von
Verben, bei denen die Anzahl der Teilereignisse nicht mit der Anzahl der thematischen
Nun läßt sich allein über die Argumentstruktur die unterschiedliche Realisierung der
Argumente übereinstimmt. So fällt die Lösung zur Behandlung von Unakkusativa ad hoc
Argumente von Psych-Verben wie to fear und solchen wie tofrighten nicht erklären, denn
aus: damit das einzige Argument, das zwangsläufig thematisch und aspektuell am promi­
beide haben die gleiche Argumentstruktur (Exp(Theme)):
nentesten ist, in die Objektposition gelinkt werden kann, wird gesondert stipuliert, daß
(14) a. he (Exp) feared the darkness (Th) Themes niemals prominent sind. Zusätzliche Linking-Probleme ergeben sich zudem, da
b. the darkness (Th) frightened him (Exp) eine Reihe von mehrstelligen Verben wie helfen, streicheln, quälen als Prozeßverben im
pustejovskyschen Sinne nicht komplex sind und deren Argumente dementsprechend nicht
Grimshaw (1990:22ff) führt dies auf aspektuelle Unterschiede der beiden Verben zurück
aspektuell hierarchisiert werden können, in Bezug auf to fear weist Grimshaw (1990:26)
und nimmt daher eine zweite Beschreibungsebene an, die auf den in Pustejovsky (1991)
selbst auf dieses Problem hin.
entworfenen Ereignisstrukturen basiert. Danach ist bei Verben, die sich auf komplexe
Trotzdem besteht das Interessante an Grimshaws (1990) Vorschlag gerade darin, daß
Ereignisse beziehen, der ereignisverursachende Partizipant stärker in das erste Subereignis
sie bei der Repräsentation von Verben eine Zuordnung von Ereignispartizipanten zu Teil­
involviert als andere Partizipanten. Generell gilt, daß Argumente, die ins erste Subereignis
ereignissen vornimmt und bestimmte syntaktische Konsequenzen aus dieser Zuordnung
involviert sind, aspektuell prominenter sind als solche, die am zweiten (oder am ersten
ableitet. Bei Pustejovsky wird dagegen eine solche Idee nicht thematisiert. Seine LCS'-
und zweiten) Subereignis beteiligt sind. Folgende thematische und aspektuelle Analyse
Repräsentationen legen es zwar nahe, Ereignispartizipanten als in bestimmte Teilereig­
wird für verschiedene Verbklassen angenommen (1 = Argument ins erste Subereignis
nisse involviert zu betrachten, aber die logische Form von Sätzen wie in (7b) drückt eine
involviert, 2 = Argument ins zweite Subereignis involviert, x = keine Evidenz) (Grimshaw
solche Idee nicht aus. In Kapitel 2.2.4 werde ich weitere Daten anführen, die dafür spre­
1990:28f):
chen, Ereignispartizipanten über semantische Relationen an Teilereignisse zu binden.
(15) a. Transitive agentive: (Agent (Theme))
Zusammenfassung: Klassische CAUSE-BECOME-Dekompositionen haben sich als zu
1 2
schwerfällig erwiesen, um aspektuell-aktionsartliche Eigenschaften von Verben zu erfas­
b. Ditransitive: (Agent (Goal (Theme)))
sen, während die aspektuell-klassifikatorischen Arbeiten zu solchen Phänomenen keine
1 x x
prinzipiellen Überlegungen zur Verbrepräsentation hervorgebracht haben. Als Folge die­
c. Unergative: (Agent)
ses Mißstands sind Ereignisstrukturen als lexikalisch-semantische Repräsentationen vor­
1
geschlagen worden, um aspektuell-aktionsartliche Eigenschaften und adverbiale Modifka-
d. Psychological State (fear). (Exp (Theme))
tionsprozesse besser erfassen zu können. Der von Pustejovsky (1988, 1991) entwickelte
1 2
und u.a. von Grimshaw (1990) und Wunderlich (1992, 1996, 1997) aufgegriffene Ansatz
e. Psychological causative (frighten): (Exp (Theme)) ergänzt Dekompositionen um eine Ereignisstruktur, in der Ereignisse aufgefaßt werden als
2 1 aus Teilereignissen verschiedener Sorten bestehend. Grimshaw (1990) erweitert diese Idee
34
f. Agentive psychological causative. (Agent (Exp)) dahingehend, daß sie die den thematischen Argumenten entsprechenden Partizipanten
1 2 einzelnen Teilereignissen zuordnet.

3 3
Die Darstellung von Grimshaws Theorie folgt Engelberg (1994a: 14ff). Vgl. auch Pustejovsky (1991:74ff) zu einigen auf Grimshaw (1990) aufbauenden Bemerkungen
3 4
Z.B. frighten mit agentivem Subjekt. zum Linking.
48 49

Insgesamt bieten die Ereignisstrukturen dieser Ansätze zwar prinzipiell einen guten Aus­ Für ein Verb wie fahren mit zwei Teilereignissen (Lex. 2, Kap. 2.1.1) heißt das, daß sich
gangspunkt für die Erklärung der anvisierten Phänomene, weisen aber doch verschiedene Ereigrusmodifikatoren auf das erste oder auf das zweite Teilereignis beziehen können
Schwächen auf: sollten (Engelberg 1995b). Die Interpretation der beiden Adverbiale in (17a) und (18a)
• Die Beziehung zwischen Ereignisstrukturen und den anderen Repräsentationsebenen involviert auch tatsächlich eine solche Bezugnahme auf einzelne Teilereignisse. Diese
bleibt weitgehend ungeklärt, ebenso wie ihre Einbindung in die logische Form von Sät­ äußert sich in bestimmten Implikationen, wobei der Konsequent in (17b, 18b) das erste
zen. Teilereignis von fahren paraphrasieren soll, der in (17c, 18c) das zweite Teilereignis.
• In welchem Maße die Ereignisstruktur eine unabhängige Repräsentationsebene dar­ Wenn Otto also seinen Wagen mit großer Vorsicht fährt, so sind es seine Handlungen
stellt, konnte bisher nicht zufriedenstellend gezeigt werden. hinsichtlich des Wagens, die mit großer Vorsicht ausgeführt werden.
• Die angenommen Strukturen und Sorten von Ereignissen sind zu beschränkt, um die (17) a. Otto fuhr den Wagen mit großer Vorsicht
anstehenden Phänomene erklären zu können. b. [Otto fuhr den Wagen mit großer Vorsicht
• Eine ontologische Fundierung des Ereignisbegriffs fehlt, ebenso wie unabhängige Kri­ —> Otto bediente I steuerte den Wagen mit großer Vorsicht]
terien für die Ermittlung von Teilereignissen. c. -,[Otto fuhr den Wagen mit großer Vorsicht
—> der Wagen bewegte sich mit großer Vorsicht]

In dem Satz (18a) gilt genau das Gegenteil; hier kann sich das Adverbial mit Höchstge-
2.2 Ereignisstrukturen - die Daten schwindigkeit nur auf die verursachte Bewegung des Wagens beziehen, nicht aber auf das
Agieren von Otto bezüglich des Wagens.

(18) a. Otto fuhr den Wagen mit Höchstgeschwindigkeit


2.2.1 Zugriff auf Teilereignisse
b. -i[Otto fuhr den Wagen mit Höchstgeschwindigkeit
-» Otto bediente I steuerte den Wagen mit Höchstgeschwindigkeit]
Einleitung: In diesem und den drei folgenden Kapiteln soll gezeigt werden, zur Erklärung
c. [Otto fuhr den Wagen mit großer Vorsicht
welcher semantischen und syntaktischen Phänomene auf die einzelnen Komponenten der
-> der Wagen bewegte sich mit Höchstgeschwindigkeit]
Ereignisstruktur zugegriffen werden muß. In diesem Kapitel wird es um Phänomene ge­
hen, die auf die Strukturierung eines Ereignisses in Teilereignisse Bezug nehmen. In Ka­ Offenbar ist das Adverbial mit größter Vorsicht hier ein Modifikator von e , während mit 1

pitel 2.2.2 wird die Relevanz der Repräsentation von Zuständen und Nachzuständen auf­ Höchstgeschwindigkeit e modifiziert.
2

gezeigt und in Kapitel 2.2.3 die der Unterscheidung zwischen durativen und punktuellen Den gleichen Zugriff auf bestimmte Teilereignisse zeigen auch die adverbialen Partizi­
Ereignissen. Kapitel 2.2.4 schließlich ist den Phänomenen gewidmet, die mit den tempo­ pien in (19) und (20): lachend bezieht sich auf das erste Teilereignis, nämlich die von
ralen Relationen zwischen Teilereignissen und den Relationen zwischen Teilereignissen Ludmilla ausgeführte Handlung, krachend auf das zweite Teilereignis, das Sich-Schließen
36
und thematischen Argumenten zu tun haben. der Tür:

Adverbiale Modifikation von Teilereignissen: Eine der Grundannahmen der Ereignis- (19) a. Ludmilla schloß die Tür lachend
semantik ist es, daß Adverbiale über Ereignisse prädizieren, und zwar als restriktive Mo- b. [Ludmilla schloß die Tür lachend
diffkatoren. In einem Satz wie die Bombe explodiert um fünf Uhr prädiziert das Adverbial —> Ludmilla tat etwas lachend, so daß die Tür sich schloß]
um fünf Uhr über das Ereignis, das von die Bombe explodierte beschrieben wird (vgl. Kap. c. -[Ludmilla schloß die Tür lachend
3 1.3). Ein gutes Argument für die Annahme von komplexen Ereignissen, die aus mehre­ -» Ludmilla tat etwas, so daß die Tür sich lachend schloß]
ren Teilereignissen bestehen, wäre die Beobachtung, daß Ereignismodifikatoren auch auf
(20) a. Ludmilla schloß die Tür krachend
einzelne Teilereignisse Bezug nehmen können. Solche Fälle sind dann auch in Engelberg
b. -{Ludmilla schloß die Tür krachend
(1995b) beschrieben worden. Bereits Morgan (1969:61) und Fillmore (1972:5) hatten
—» Ludmilla tat etwas krachend, so daß die Tür sich schloß]
darauf hingewiesen, daß temporale Tor-Adverbiale sich entweder auf ein andauerndes
c. [Ludmilla schloß die Tür krachend
Ereignis beziehen wie in (16a) oder auf den Nachzustand eines Ereignisses wie in (16b).
—> Ludmilla tat etwas, so daß die Tür sich krachend schloß]
Einige Überlegungen zum adverbialen Bezug auf Teilereignisse finden sich auch in Par-
sons (1990:1101), der zeigt, daß bei kausativen Verben verursachtes und verursachendes Natürlich kann nicht jedes Adverbial auf jedes Teilereignis Bezug nehmen, was v.a. an
Ereignis modifiziert werden können. den sortalen Beschränkungen liegt, die die Adverbiale den Ereignissen auferlegen, die sie
(16) a. he dancedfor three hours
b. Peter put the beer in the icebox for three hours (Beispiel aus Fillmore 1972:5) 1
Genauer: Das Lachen findet zeitlich parallel zur Zeit von e statt, das Krachen zeitlich parallel
2
zur Zeit von e .
50 51

modifizieren. Das Adverbial mit großer Vorsicht etwa fordert ein Ereignis mit einem ten, die von wieder ausgelöst werden, auf der Ereignisstrukturebene seiner lexikalischen
38

Agens und kann deshalb in (17) nur das erste Teilereignis modifizieren. Dekompositionsgrammatik:
Daß im Übrigen bei diesen Modifikationsphänomenen die unterschiedliche Bezug­
(24) a. er genas wieder
nahme auf eines der beiden Teilereignisse tatsächlich zu deutlich distinkten Lesarten des
b. 'zum zweiten Mal: er genas'
verbalen Ausdrucks führt, zeigen auch Tests wie der folgende, die Zwicky / Saddock
c. 'zum zweiten Mal: er war gesund'
(1975:17ff) anführen, um Ambiguitäten von bloßen Vagheiten zu unterscheiden:
Nach Wunderlich (1992:17) führt wieder, unabhängig von der Komplexität der Dekompo-
(21) a. ^Rebecca fuhr den Wagen mit großem Vergnügen und Jamaal (tat es) mit Höchstge-
sition, bei genau solchen Verben, die einen Prozeß mit Zustandswechsel beschreiben, zu
schwindigkeit
Ambiguitäten wie in (24). Dabei bezieht sich wieder im ersten Fall auf das Gesamtereig­
b. Rebecca fuhr den Wagen mit großem Vergnügen und Jamaal (tat es) mit großer Leiden-
nis, im zweiten Fall auf den Nachzustand.
schaft
Pustejovsky (1988:31ff, 1991:70) analysiert in seiner Ereigmsstrukturtheorie zweifach
(22) a. ^Rebecca schloß die Tür lachend und Jamaal (tat es) krachend ambige Beispiele wie (25a) so, daß in der Lesart (25b) das Adverb relativ zum Gesamt­
b. Rebecca schloß die Tür lachend und Jamaal (tat es) feixend ereignis interpretiert wird und in Lesart (25c) relativ zum ersten Teilereignis (dem Prozeß
der Verlassens), das dem zweiten Teilereignis (dem Nachzustand des Wegseins) voraus­
Da das elidierte Verb im zweiten Teil der Sätze hinsichtlich seines Teilereignisbezugs nur
geht.
genauso wie sein Antezedens verstanden werden kann, sind Adverbiale, die das andere
Teilereignis modifizieren, wie in (21b) und (22b), deutlich weniger akzeptabel. (25) a. Lisa rudely departed
Ich werde in dieser Arbeit noch an verschiedenen anderen Stellen auf die Modifikation b. 'it was rude of Lisa to depart'
von Teilereignissen eingehen, u.a. in den Kapiteln 3.1.2, 6.3.2 und 7.2.1. c. Lisa departed in a rude manner'
Skopusambiguitäten und Teilereignisse: Verwandt mit den gerade vorgestellten Modifika­ Im Rahmen der hier vertretenen Theorie könnte das einleitende Beispiel (23a) unter der
tionsphänomenen ist das Auftreten von Skopusambiguitäten bei verschiedenen Adverbien, Annahme der folgenden Ereignisstruktur für töten so analysiert werden, daß die Ambi­
das seit der generativen Semantik in verschiedenen semantischen und syntaktischen An­ guität dadurch zustandekommt, daß fast jeweils auf eines der drei Teilereignisse - die
sätzen behandelt wurde. So zeigt nach Morgan (1969:63) der Satz (23a) eine dreifache verursachende Agenshandlung, den Prozeß des Sterbens oder den Zustand des Totseins -
37
Ambiguität, die sich für unsere Zwecke so wie in (23b) bis (23d) paraphrasieren läßt: Bezug nimmt.

(23) a. John almost killedHenry


b. 'John tat fast etwas, daß einen Prozeß ausgelöst hätte, der zum Tod von Henry geführt hätte töten: x™™, yakk
(z.B. wollte auf Harry schießen, tat es dann aber nicht)'
E-STR: (->T e^+DURl: x A G E N S
, yPATIENS) < 2 yPATIENS) < z : yPATIENS)
c. 'John tat etwas, daß fast einen Prozeß ausgelöst hätte, der zum Tod von Henry geführt hätte e :

(z.B. schoß auf Harry, traf ihn aber nicht)'


Lex. 9: Ereignisstruktur von töten.
d. 'John tat etwas, daß einen Prozeß auslöste, der fast zum Tod von Henry geführt hätte (z.B.
Es soll aber nicht verschwiegen werden, daß diese wie auch die anderen ereignisstruktur-
schoß auf Harry, traf ihn, aber Harry überlebte)'
basierten Analysen noch einige Schwierigkeiten in sich bergen: Zum einen ist umstritten,
Bei anderen, intern weniger komplexen Verben wie schlafen, streicheln oder wehen lösen ob und in welchem Maße in Beispielen wie (23a) wirklich Ambiguitäten und nicht etwa
Adverbien wie fast I almost dagegen keine derartigen Ambiguitäten aus. Vagheit vorliegt. Dowty (1979:342) etwa geht hier von einer höchstens zweifachen Ambi­
Ich möchte hier keine ausführliche Erklärung dieser Phänomene versuchen, die Mög­ guität aus. Zum anderen fällt auf, daß bei einigen Verben, die einen Prozeß mit anschlie­
lichkeit einer ereigrusstxukturbasierten Analyse aber zumindest andeuten. Versuche, sol­ ßendem Nachzustand bezeichnen, wie genesen, das Adverb fast die zu erwartende Ambi­
che und ähnliche Skopusambiguitäten im Rahmen anderer Theorien mit Ereignisstruktu- guität nicht auslöst:
ren zu behandeln, hat es bereits gegeben: Wunderlich (1992:16ff) analysiert Ambiguitä-
(26) a. er genas fast (aus Wunderlich 1992:17)
??,
b. beinahe hätte ein Genesungsprozeß eingesetzt'
c. 'er wäre beinahe gesund geworden'
McCawley (1973:332) setzt in einer generativ-semantischen Analyse für die drei Lesarten des
Satzes syntaktische Strukturen an, die unter Auslassung der syntaktischen Kategoriensymbole Andere Verben dieses Ereignisstrukturtyps tun dies aber durchaus, z.B. sterben:
denen in (i) bis (iii) entsprechen, wobei das Adverb durch "Adverb Raising" von der tiefsten in
die höchste Position bewegt wird:
(i) ALMOST(D(XJohn,[CAUSE(John,[BECOME(NOT(ALiVE,Harry))])]))
(ii) DC<Jolm,[ALMOST(CAUSE(John,[BECOME(NOT(ALiVE,Harry))]))]) Durch again ausgelöste Ambiguitäten wurden meines Wissens zuerst von Morgan (1969:6 lf)
(iii) D(XJohn[CAUSE(John,[BECOME(ALMOST(NOT(ALiVE,Harry)))])]) behandelt, und zwar in einem dekompositionellen Rahmen.
52 53

(27) a. er -wäre fast gestorben bei den letzten Auseinandersetzungen ... Die Ereignisstruktur von dye bzw. blocken drückt demgegenüber aus, daß die Handlung
1 2
b. ... aber die Kugel verfehlte ihn knapp (Bezug von fast auf el) e des Agens bezüglich des zu färbenden Gegenstands ein Prozeß e begleitet (oder folgt)
c. ... aber er überlebte die schwere Verletzung (Bezug von fast auf z) der in dem Sich-Verfärben des Gegenstands besteht, so daß am Ende der Nachzustand z
eintritt, nämlich das Gefärbt- bzw. Schwarzsein des Gegenstands:
Hyponymie und andere interlexematische Relationen: Interlexematische Relationen wie
Hyponymie, Hyperonymie, Antonymie, etc. werden v.a. in Arbeiten zur Nominalsemantik dye I blocken: x nom 1
, y" *
behandelt. Theorien zur Verbsemantik beschäftigen sich wenig mit solchen Relationen
E-STR: (-> el I+DUR]: xAGENS, yPATIENS) < / <>
T 2[+DUR] yPATIENS)
e :

was - wie in Kapitel 1.2.4 besprochen wurde - auch daran liegen dürfte, daß die im Be­
< (->! z: yPATIENS)
reich der Verbsemantik vorherrschenden lexikalischen Dekompositionen interlexemati­
sche Relationen nicht ausdrücken können. Ich möchte hier zumindest kurz anreißen, in­ Lex. 11: Ereignisstruktur von dye und blocken.
wiefern eine Ereignistrukturtheorie diese Phänomene nicht nur behandeln, sondern auch
zu einer präziseren Erklärung solcher Phänomene führen kann. Die Hyponymierelationen zwischen den Verben der beiden Paare unterscheiden sich aber
Eine Hyponymierelation zwischen zwei Prädikaten P und Q besteht dann, wenn die von in einer wichtigen Hinsicht. Bei dem ersten Paar ist, wie z.B. in (29), die Agenshandlung
P ausgehende offene Proposition die von Q ausgehende offene Proposition impliziert. Dies e von jog ein Spezialfall der Agenshandlung von run. Es ist auch ein Laufen, aber noch
1

stellt den typischen Fall einer in Bedeutungspostulaten festgehaltenen Implikation dar, dazu eines mit einer sportlichen Dimension. Für die Nachzustände der beiden Verben, das
wobei die beiden durch die Implikation verbundenen Propositionen beide assertiv sind, Irgendwo-Hingelangtsein also, gilt eine solche Relation nicht.
jede genau ein Prädikat enthält und die beiden Prädikate Lexeme der gleichen Wortart (29) a. Ramona jogged to the lake
repräsentieren, wie im folgenden Fall mit den beiden Verbpaaren jog und run in ihren
39

b. Ramona ran to the lake


Varianten mit Direktionalangaben, sowie blocken und dye:
40

(30) a. Roman blackened his shoes


(28) a. •VxVPVe[JOG(x,P(x),e)^RUN(x,P(x),e)] b. Roman dyed his shoes
b. •VxVyVe[BLACKEN(x,y,e) -> DYE(x,y,e)]
Bei dem Paar dye vs. blocken, wie z.B. in (30), liegt der Fall genau umgekehrt: Hier ist
Jedes Joggen ist gemäß (28a) ein Laufen, aber nicht jedes Laufen ist ein Joggen. Ein Opti­ der Nachzustand von blocken, das Schwarz-Sein, ein Spezialfall des Nachzustands von
mist, der versucht, laufend eine noch wartende Straßenbahn zu erreichen, joggt nicht, dye, des Eine-andere-Farbe-Habens, während im Gegensatz zu den beiden Bewegungs­
ebensowenig wie ein Kamel, das in flottem Trab durch eine Sandwüste läuft. Nach (28b) verben aber die Agenshandlungen in keinem ähnlichen Verhältnis zueinander stehen.
ist jedes Schwärzen von etwas auch ein Färben, aber nicht jedes Färben ein Schwärzen. Insofern als es möglich ist zu sagen he blackened his face, nicht aber *he dyed his face,
Eine interessante lexemabhängige Verfeinerung hyponymer Relationen ergibt sich nun, scheint die Agenshandlung von dye, die in einem Durcliführen bestimmter chemischer
wenn Teilereignisse ins Blickfeld geraten. Für jog und run, jeweils in ihrer Variante mit Prozesse mit Farbstoffen besteht, sogar spezifischer zu sein als die von blocken, die sich
Direktionalangabe (Dir), können wir folgende Ereignisstruktur annehmen, wobei die schon in dem Einschmieren des Gesichts mit nasser Erde konstituieren kann. Das heißt
Lücke in der Ereignisstruktur hier nicht weiter stören soll; sie wird in einem späteren aber auch, daß die in (28b) postulierte einfache Hyponymierelation zwischen dye und
Kapitel über Bewegungsverben noch gefüllt (Kap. 6.3.2). blacken gar nicht besteht. Hyponymie läßt sich hier nur unter Rekurs auf die Teilereig­
nisse feststellen. Dieser Rekurs besteht darin, daß Hyponymie bei Verben hinsichtlich
run 1 jog: x , Dir
nom eines Teilereignisses formuliert wird:
E-STR: (_>, i[+DURl: xAGENS) . . < (->T z: xAGENS)
e • Das Verb run (in seiner direktionalen Variante) ist Hyponym von jog hinsichtlich der
Agenshandlung, weil alle Eigenschaften der Agenshandlung e , die aus run gefolgert
1

Lex. 10: Ereignisstruktur von run und jog. werden können, auch hinsichtlich der Agenshandlung e ' von jog gefolgert werden
1

können. So folgt bezüglich der Agenshandlung von run, daß der Agens seine Beine be­
Die Verben run und jog bezeichnen also in dieser Variante ein bestimmtes duratives, wegt. Das gilt auch für die Agenshandlung von jog, für die außerdem gilt, daß sie eine
1
agentivisches Bewegungsereignis e , das zu einem Nachzustand z führt, der darin besteht, sportliche Betätigung ist und relativ langsam durchgeführt wird.
daß der Agens sich an einem (durch die Direktionalangabe) bezeichneten Ort befindet.
• Das Verb dye ist ein Hyponym von blacken hinsichtlich des Nachzustands, weil alle
Eigenschaften des Nachzustands z von dye, die aus der Bedeutung von dye gefolgert
3 9
Unter welchen Bedingungen Implikationen zwischen Propositionen Hyponomierelationen zwi­ werden können, auch hinsichtlich des Nachzustands z' von blacken gefolgert werden
schen den darin enthaltenen Lexemen widerspiegeln, diskutiert Cruse (1986:89f). können. So folgt bezüglich des Nachzustands von dye, daß der gefärbte Gegenstand
4 0
P(x) ist in (28a) Repräsentant der mit den Verben verbundenen Direktionalangabe; diese Re­ eine andere Farbe hat als vorher. Genau das folgt auch hinsichtlich des Nachzustands
präsentation wird in Kapitel 3.2 noch besprochen, dort wird auch diskutiert, inwiefern dies eine von blacken, für den außerdem gilt, daß die neue Farbe des Gegenstands Schwarz ist.
eigene Variante konstituiert.
54
55

Auch andere interlexematische Relationen wie Antonymie, Kohyponymie oder Komple­ [...] sie heben den moment der Vollendung hervor, setzen ihn aber in ausdrücklichen gegensatz zu
mentarität können auf Teilereignisse bezogen werden. So besteht bei dem Paar rennen vs. der voraufgehenden d a u e r der handlung. Die bedeutung des verbums ist also kombiniert aus
schleichen der Gegensatz hinsichtlich der Agenshandlung, bei dem Paar vergrößern vs. einem durativen und einem perfectiven dement. (Streitberg 1891:72)
verkleinern hinsichtlich des Nachzustands. Auch in neueren Ansätzen wird die grammatische Relevanz lexikalisch spezifizierter
Zusammenfassung: Die Annahme, daß Verben auf strukturierte, sich aus Teilereignissen Nachzustände betont. In dekompositionellen Ansätzen wird dies dadurch ausgedrückt, daß
zusammensetzende Ereignisse referieren, ermöglicht feinere Analysen im Bereich von die Dekomposition ein BECOME-Prädikat enthält (31a), in ereignisstrukturellen Reprä­
adverbialer Modifikation und interlexematischen Relationen: sentationen wird eine Zustandsvariable (temporal) mit einer Prozeßvariablen verknüoft
(31b):
• Adverbiale können, abhängig von ihren Selektionsrestriktionen, als Modifikatoren
einzelner Teilereignisse aufgefaßt werden. (31) a. to dry (intransitiv): BECOME(DRY(x)) (e) (nach Wunderlich 1996:177f)
• Durch Adverbiale ausgelöste Ambiguitäten in Sätzen mit bestimmten Verben lassen b. to dry (intransitiv): ES: [ [ P ] [S]] T

sich dadurch erklären, daß diese Verben Ereignisse mit komplexer Struktur bezeichnen. LCS': [ [ -dry(x) ] [dry(x)] ] (nach Pustejovsky 1991:58)
• Bestimmte verbabhängige Unterschiede im Bereich von interlexematischen Relationen
können durch die Annahme erfaßt werden, daß solche Relationen zwischen Verben re­ Im Folgenden sollen eine Reihe von Phänomenen betrachtet werden, zu deren Erklärung
lativ zu bestimmten Teilereignissen bestehen. auf Nachzustände in Verbrepräsentationen Bezug genommen werden muß.

Perfektauxiliar: Die Perfektformen im Deutschen werden bei einigen intransitiven Verben


mit dem Auxiliar sein, bei anderen mit haben konstruiert:
2.2.2 Nachzustände
(32) a. sie ist gefallen I gestorben I zerbrochen I verblüht
Nachzustände in lexikalisch-semantischen Theorien: Viele Verben bezeichnen Ereignisse, b. sie hat getanzt I gearbeitet I gegessen I geblüht
die mit einem bestimmten Zustand enden. Die Ereignisstruktur solcher Verben enthält Bei Bewegungsverben wird sein verwendet, wenn der durch die Bewegung erreichte Ort
eine Nachzustandsimplikation "... < (-»¡ z: x)"; abtrocknen (Lex. 1), niederbrennen (Lex. angegeben wird (33a), sonst tritt haben auf (33b), wobei bei vielen Bewegungsverben ohne
3) und schmelzen (Lex. 7) sind Beispiele dafür, die in Kap. 2.1.1 schon besprochen Zielortangabe sein ebenfalls möglich ist (33c). 43

wurden. Ein solcher in der Verbbedeutung angelegter Nachzustand hat Konsequenzen für
(33) a. wir sind ans Ufer getanzt I geschwommen I gejoggt I geritten
eine Reihe von grammatischen und semantischen Prozessen, die in diesem Kapitel
b. wir haben den ganzen Tag getanzt
diskutiert werden.
c. wir haben I sind den ganzen Tag geschwommen I gejoggt I geritten
Daß die lexikalisch-semantische Repräsentation von Verben ausdrücken muß, ob das
vom Verb bezeichnete Ereignis dazu führt, daß sich einer der Partizipanten am Ende des Die Beispiele in (32) und (33) zeigen, daß - von wenigen Ausnahmen bei Bewegungs­
Ereignisses in einem bestimmten Zustand befindet, ist eine weit verbreitete Annahme, die verben abgesehen - die Wahl von sein als Perfektauxiliar an das Vorliegen eines verblexi­
schon in der älteren Aktionsartforschung immer wieder formuliert wurde und zur Unter­ kalisch implizierten oder durch eine Direktionalphrase eingeführten Nachzustands gebun­
scheidung telischer von nicht-telischen Verben herangezogen worden ist (z.B. Blatz den ist. Diese Lizenzierungsbedingung wird in ähnlicher Form schon in älteren Arbeiten
41
789671970:561, Romberg 1899:7, Sütterlin 1900:217). Bei Streitberg (1891) wird zwar zur deutschen Grammatik angeführt:
der Begriff des Nachzustands nicht verwendet, ähnlich wie ereignisstrukturelle Theorien
Di mittlem Zeitwörter, welche eine wirkliche bewegung der sache, wofon di rede ist, fon einem
hebt er aber hervor, daß die Bedeutung bestimmter Verben sich aus einem durativen Teil
orte in den andern, oder einen wirklichen Übergang der selben aus einem zustande in den andern
und einem abschließenden "perfectiven élément" zusammensetzt. So schreibt er hinsicht­ anzeigen, werden mit sein, di übrigen mit haben abgewandelt [...] Manche mittlere Zeitwörter
42
lich "durativ-perfectiver" Verben: zeigen bisweilen eine solche bewegung oder solchen Übergang an, bisweilen nicht; und im ersten
falle haben sie richtig sein, im zweiten haben. (Hemmer 1780:57)
44

Blatz (1896/1970) und Sütterlin (1900) haben sich später dann an ähnlichen Formulierun­
4 1
Romberg (1899:7): "Dès qu'une action change ou modifie son objet à quelque égard que ce soit, gen versucht. So werde sein gebraucht, "wenn ein w e c h s e l n d e s Verhalten
nous appelons état la nouvelle situation où elle le place. Ainsi, dans l'expression 'on le porta hinsichtlich des O r t e s oder eines Z u s t a n d e s ausgedrückt werden soll" (Blatz
chez lui' l'action du verbe aboutit, pour l'objet, à l'état d'être chez lui., etc." Rombergs (1899) so
gut wie nicht rezipiertes Buch ist meines Erachtens die mit Abstand interessanteste ältere Ar­ Einige Deadjektiva zeigen nach Paul (1902:179) ebenfalls schwankenden Gebrauch (altern,
beit zu Phänomenen im Umkreis aspektueller Klassifikationen. Sie enthält eine Reihe von Be­ trocknen). Bei gehen und einigen verwandten Verben kann nur sein gebraucht werden, wobei
obachtungen, die z.T. auch über die Phänomene hinausgehen, die später im Zusammenhang mit gehen ohne Direktionalergänzung in nicht-kontrastiver Verwendung als 'losgehen' verstanden
Vendlerklassen und Mechanismen der Aspektkomposition diskutiert wurden. wird.
4 2
Streitberg (1891) unterscheidet allerdings noch nicht zwischen lexikalisch-aktionsartlichen und Zitiert nach Jellinek (1914:304f), der eine ausführliche Darstellung der älteren Forschungs­
grammatisch-aspektuellen Kategorien. geschichte zum deutschen Perfektauxiliar enthält.
56
57
7896/1970:561), bzw. mit "Wörtern, die eine Bewegung von einem oder nach einem Orte
Attributives Partizip II: Eng mit den Überlegungen zur Wahl des Perfektauxiliars bei
bezeichnen, sowie denen, die den Übergang von einem Zustand in einen anderen bezeich­ intransitiven Verben hängt die Frage zusammen, welche Intransitiva den attributiven
nen" (Sütterlin 1900:217). Behagel (1900:68) stellt zum erstenmal einen Bezug zu ge­ Gebrauch des Partizips II erlauben:
bräuchlichen Aktionsartunterscheidungen her: Telische ("perfektive") Verben bilden ihr
Perfekt mit sein, atelische ("imperfektive") mit haben. Diese Auffassung wurde von Paul (35) a. die geschmolzene Butter, der eingetroffene Zug, der verstorbene Künstler
(1902) in einer umfänglichen, materialreichen Untersuchung bestätigt. b. *der getanzte Mann, * die gelaufene Frau, *der gebluiete Hund
In neuerer Zeit ist das Auxiliarproblem im Zusammenhang mit der Unterscheidung von
Auch hier ist das Vorliegen eines Nachzustands die entscheidende Bedingung für die
intransitiven Verben in Unergativa und Unakkusativa wieder diskutiert worden: Die Be­ Akzeptabilität der Konstruktion. Das ist bereits von Blatz (7896/1970:609) erkannt wor­
obachtung, daß sich Intransitiva hinsichtlich ihres Verhaltens bezüglich bestimmter den, der schreibt, daß das Partizip II nur dann attributiv gebraucht werden kann, "wenn
grammatischer Prozesse in zwei Klassen einteilen lassen, geht auf Perlmutters (1978:160) ein durch die Handlung herbeigeführter Z u s t a n d bezeichnet wird"; ähnlich auch
"Unaccusative Hypothesis" zurück. Für das Deutsche werden gewöhnlich die folgenden Wilmanns (1906:106) und Curme (7904/1915):
vier für die Unterscheidung charakteristischen Phänomene angeführt: Unergativa bilden
ihr Perfekt mit haben, Unakkusativa mit sein (34a); Unergativa erlauben im Gegensatz zu A perfect participle cannot be formed from all intransitive verbs that are conjugated with sein,
but only from those in which a condition resulting from the action of the verb is expressed. Thus
Unakkusativa kein attributives Partizip II (34b); Unergativa gestatten im Gegensatz zu
we can say ein entlaufener Sklave an escaped slave, because the slave has changed his condition
Unakkusativa gewöhnlich eine er-Nominalisierung (34c); Unergativa haben im Gegensatz by escaping from bondage, but we cannot say ein gelaufener Sklave [...] because there is no
change of state resulting from the action. (Curme 1904/1915:270f)
45
zu Unakkusativa ein unpersönliches Passiv (34d):

(34) a. der Mann hat getanzt vs. das Schiff ist gesunken Daß die Zulässigkeit eines attributiv verwendeten Partzips II bei Intransitiva an die glei­
b. * der getanzte Mann vs. das gesunkene Schiff chen semantischen Restriktionen geknüpft ist, wie die Wahl von sein als Perfektauxiliar,
c. Tänzer vs. *Sinker ist verschiedentlich beobachtet worden (z.B. Becker 1870:244, Wustmann 1891:189, Paul
d. es wird getanzt vs. * es wird gesunken 46
1902:165). Neuere lexikalisch-semantische Arbeiten wie etwa Kaufmann (1995a: 166f)
oder Zaenen (1993:141f) bestätigen diese Auffassung.
Verschiedene Versuche, die Unakkusativ-Unergativ-Unterscheidung syntaktisch zu be­
gründen, indem man das einzige Argument der Unakkusativa als zugrundeliegendes Ob­ Interpretation des attributiven Partizips II: Bei Verben, die einen Nachzustand implizie­
jekt auffaßt, haben sich als äußerst problematisch erwiesen. Lexikalische Analysen zeigen, ren, wird das Partizip II in attributiver Position so interpretiert, daß der bezeichnete Nach­
daß die vier zugrundeliegenden Kriterien keine scharfe Zweiteilung der Intransitiva zulas­ zustand zu der Zeit vorliegt, die das übergeordnete Verb ausdrückt; das eigentliche Ereig­
sen, da den vier Phänomenen z.T. unterschiedliche semantische Lizenzierungsbedingun­ nis liegt damit vor dieser Zeit (36). Bei Verben ohne Nachzustand wie in (37) wird das
gen zugrunde liegen (Kaufmann 1995aT63ff, 1995b:396ff). Hinsichtlich der Bedingungen durch das Partizip ausgedrückte Ereignis als gleichzeitig zur Haupthandlung verstanden:
für die Auxiliarwahl beim Perfekt haben auch verschiedene neuere Analysen das Vorlie­
gen eines Nachzustands als entscheidendes Kriterium für die Wahl von sein ermittelt (36) a. er besuchte die zerstörte Stadt (Zerstörung < Besuch < Gegenwart)
(Abraham 1990.H, 1993.163f, Zaenen 1993:142, Kaufmann 1995a:167, 1995b:407). b. er hält sich in der zerstörten Stadt auf (Zerstörung < Aufenthalt o Gegenwart)
Kaufmann (1995b:407f) zeigt auch, daß nicht einfach 'Telizität' oder 'Veränderung' die (37) a. er besuchte die bedrohte Stadt (Bedrohung o Besuch < Gegenwart)
auxiliarrelevanten semantischen Bedingungen sind. Das atelische bleiben bildet das Per­ b. er hält sich in der bedrohten Stadt auf (Bedrohung o Besuch o Gegenwart)
fekt mit sein, weil in der Verbbedeutung der Nachzustand spezifiziert ist, und zwar als
identisch mit dem Vorzustand. Die Verben anfangen und aufliören wiederum nehmen Ein solcher Zusammenhang zwischen Verbsemantik und temporaler Interpretation des
haben als Perfektauxiliar, obwohl sie eine Veränderung ausdrücken; sie involvieren aber Partizips hat bereits Meigret (1550) in seiner französischen Grammatik beobachtet. Dem­
keinen verbspezifischen Nachzustand. Auch Verben, die keinen absoluten Nachzustand nach wird das Passivpartizip bei nicht telischen Verben ("acçion a continuité") präsen­
spezifizieren, sondern einen Nachzustand relativ zum Vorzustand, nehmen sein als Per­ tisch-gleichzeitig interpretiert (38a), das von telischen Verben ("sinificaçion est teile q'elle
fektauxiliar, wie z.B. steigen in die Temperatur steigt, das nicht ausdrückt, daß die Tem­ denote perfección e fin d'acçion") dagegen als Zustandsausdruck in Bezug auf eine ver­
47

peratur hinterher hoch war, sondern lediglich, daß sie höher war als vorher (s. dazu auch gangene Handlung ( 3 8 b ) .
Kap. 6.3.4). (38) a. l'hom'eymé du monde
'der von der Welt geliebte Mann'

Die Lizenzierungsbedingungen für die attributive Verwendung des Partizips II werden im näch­ Es ist aber auch bemerkt worden, daß einige wenige Bewegungsverben, die sein als Perfekt­
sten Abschnitt besprochen, die für das unpersönliche Passiv in Kapitel 4.2.3. Auf die er-Nomi- en^ £ 0 ^ 9 " 5^ 70*" l a u
^' k e m a t t r i b u t i v e s
Partizip JJ zulassen (Blatz 7ÄP5/1970:609,
nalisierungen gehe ich nicht ein; sie werden etwa bei Kaufmann (1995b:397ff) behandelt. Zitiert nach Engwer (1931:57).
58 59

b. un home blesse 51
eine Zustandsveränderung ausdrücken ( 4 0 ) . Ausgeschlossen sind dagegen Verben, die
'ein verwundeter Mann' durative oder punktuelle Ereignisse ohne Zustandsveränderung ausdrücken (41) oder
Ereignisse, die keinen Nachzustand, sondern einen nachfolgenden Prozeß imDlizieren
Daß ähnliche Zusammenhänge auch in den germanischen Sprachen bestehen, ist meines F
(42):
Wissens zuerst Wustmann (1891) in seiner "Kleinen deutschen Grammatik des Zweifel­
haften, des Falschen und des Häßlichen" aufgefallen. So würden Partizipien II zwar im (40) a. das Hemd ist gebügelt
Allgemeinen eine relative Vergangenheit ausdrücken, bei manchen Verben allerdings b. die Brücke ist gesprengt
wäre eine Gegenwartsinterpretation obligatorisch. So wird uns mit Wustmann (1891:189) c. das Haus ist solide gebaut 52

"ganz gruselig" beim Lesen der Zeitungsannonce in (39a); hier sei natürlich (39b) ad­
(41) a. ttdie Katze ist gestreichelt
äquater:
b. *der Mann ist getroffen (im Sinne von begegnen)
(39) a. die von dem verstorbenen Rentier Sek bewohnte Wohnung ist zu Ostern anderweit zu c. der Professor ist geduzt
vermieten d. ^der Fisch ist gequält
b. die von dem verstorbenen Rentier Sch. bewohnt gewesene Wohnung ist zu Ostern anderweit e. ^der Schlüssel ist gesucht
zu vermieten (42) a. * der Ball ist geworfen
Generalisiert wurde diese Beobachtung, die dann auch zum Standardrepertoire der in der b. der Mann ist geschubst
48
Aktionsartforschung diskutierten Phänomene gehörte, von Beckman (1899). Demnach
Nach Beckman (1899) allerdings erlauben nicht nur telische Verben ein Zustandspassiv.
hat nur das Passivpartizip der transitiven Durativa (ohne Nachzustand) Präsensbedeutung
Bei atelischen Verben wird das Zustandspassiv ähnlich wie die entsprechenden attributi-
(das von vier Säulen getragene Dach), das der anderen (telischen) Verben dagegen nicht
ven Partizipien (s.o.) temporal anders interpretiert, was sich in den folgende Äquivalenzen
(die gesäuberte Stube, die gefundene Lösung). 53
für Zustandspassiva von atelischen (43a) vs. telischen Verben (43b) niederschlägt:
Zustandspassiv: Neben dem Vorgangspassiv (werden-Passiv) kennt das Deutsche mit dem
49 (43) a. [ich bin geliebt jemand liebt mich]
Zustandspassiv (se/w-Passiv) eine zweite Passivform. Es erlauben allerdings nicht alle
b. [ich bin zerstört <-> etwas hat mich zerstört]
transitiven Verben ein Zustandspassiv, und auch die Klasse der Verben mit Vorgangs­
passiv ist nicht identisch mit der Klasse der Verben, die ein Zustandspassiv bilden kön­ Während mir das von Beckman (1899) gewählte Beispiel lieben im Zustandspassiv eher
50
n e n . Im Zustandspassiv sind meines Erachtens vor allem solche Verben akzeptabel, die 54
unakzeptabel erscheint, gibt es tatsächlich durchaus eine Reihe von Verben, die keinen
Nachzustand beinhalten und völlig unproblematisch im Zustandspassiv sind:
(44) a. die Kaserne ist bewacht
b. die Hütte ist bewohnt
4 8
Zitiert nach Andersson (1972:100). c. das Kind ist vernachlässigt
4 9
Dieser Abschnitt basiert auf Engelberg ( 1994a: 3 8ff).
Das Verb bewachen etwa wird hier so verstanden, daß sich die Kaserne, solange sie von
5 0
Im Französischen und Englischen werden sowohl Vorgangs- als auch Zustandspassiv mit den
entsprechenden Formen von 'sein' gebildet. Als Zustandspassiv werden die Formen dort inter­ jemandem bewacht wird, in einem bestimmten Zustand des 'Bewachtseins' befindet. Ein
pretiert, wo sie von intransitiven Verben gebildet werden, die ja kein Vorgangspassiv erlauben,
oder von transitiven (durativen oder punktuellen) Nachzustandsverben, bei denen der Agens Zustandspassiv ist demnach bei solchen Verben möglich, die das Erreichen eines Nachzu-
nicht als PP realisiert wird. Ein Zusammenhang zwischen zustandspassivischen Interpretatio­ stands implizieren wie in (45a) und bei Verben, die ausdrücken, daß ein bestimmter Zu­
nen und Nachzustandsverben ist schon früh erkannt worden. Lowth (1762:63) etwa bemerkt, stand eines Partizipanten y aufrechterhalten wird (45b), und zwar gleichzeitig zu einem
daß nur bestimmte intransitive Verben im Englischen ein Zustandspassiv ("a State or condition
of Being") erlauben und sondert dabei Verben aus, die Orts- und Zustandsveränderungen
ausdrücken. Ein Passiv mit to be (I am corne, I was gone, I am grown, I was fallen)findetsich Die Grammatikalitätsurteile bezüglich der Zulässigkeit eines Zustandspassivs schwanken
demnach "chiefly in such Verbs as signify some sort of motion, or change of place or erheblich. Viele dieser Grammatikalitätsurteile in der Forschungsliteratur sind nur schwer
condition". Hinsichtlich der Passivinterpretation im Französischen stellt Diez (1844:185f) in nachzuvollziehen und weichen auch oft voneinander ab.
seiner romanischen Grammatik fest, daß das Passivpartizip mit 'sein' in den romanischen Daß der Satz ohne ein zusätzliches Prädikat seltsam ist (?das Haus ist gebaut), liegt wohl
Sprachen Vergangenheit ausdrückt bei "Transitiva, deren Thätigkeit entweder auf einen daran, daß es eine inhärente Eigenschaft von Häusern ist, gebaut zu sein.
Moment eingeschränkt ist wie in Ergreifen, Überraschen, Wecken, Überwinden, Verlassen, Das Bikonditional gilt tatsächlich allerdings nur in (43a); bei Nachzustandsverben wie in (43b)
Endigen, Tödten, oder doch ein Endziel voraussetzt wie in Machen, Herstellen, Schmücken, kann dagegen zwar vom Zustandspassiv auf den entsprechenden perfektischen Aktivsatz ge­
Bauen, Schlagen, Beladen", z.B. l'ennemi est battu 'der Feind ist geschlagen'; Gegenwart schlossen werden, nicht aber umgekehrt, denn das Vorliegen des entsprechenden Zustands
bedeutet es dagegen bei Verben, die eine Tätigkeit bezeichnen, "welche nicht begonnen wird kann inzwischen durchaus aufgehoben sein.
um vollendet zu werden, wie in Lieben, Hassen, Loben, Tadeln, Bewundern, Verlangen, Sehen, Ich habe Beckman (1899) nach Andersson (1972:100) zitiert. Beckmans ursprüngliches Bei­
Hören", z.B. il est aimé de tout le monde 'er wird von aller Welt geliebt'. spiel betrifft das Schwedische; es wurde von Andersson ins Deutsche Ubertragen.
60
61
durch das Verb beschriebenen Teilereignis, das gewöhnlich in dem Agieren eines zweiten implikationen auf. So unterscheiden sich die beiden Verben dahingehend, daß nur stop
55
Partizipanten x bezüglich y besteht. (Die Pünktchen in den Ereignisstrukturen sollen nicht aberfinish,auch Verben im Komplementsatz erlaubt, die keinen Nachzustand invol­
hier wie im Folgenden andeuten, daß es sich nicht um vollständige Ereignisstrukturen vieren (Vendler 1957:145, Kenny 1963:177, Dowty 1979:57):
handelt.)
(49) a. John stopped painting the house
(45) a. E-STR: ... < (->j z: x P A T I E N S
) z.B. trocknen, reparieren, sprengen b. John stopped walking
b. E-STR: ... o (->\ z: x P A T I E N S
) z.B. bewachen, bewohnen, vernachlässigen c. Johnfinishedpainting the house
In der Literatur werden die beiden Fälle in (45) gewöhnlich so dargestellt, daß entweder d. *Johnfinishedwalking
der (45a) entsprechende Typ als resultativ in Opposition zum Vorgangspassiv beschrieben Einen vergleichbaren Zusammenhang mit Nachzuständen eingebetteter Verben zeigen die
wird und der (45b) entsprechende Typ als mcht-resultativ (z.B. Brandt 1982:28ff, Brinker Verben schaffen und gelingen. Unter Negation verhalten sich schaffen und gelingen un­
1990:122ff), oder der erste Typ wird als elliptisches Vorgangspassiv wie in (46) und damit terschiedlich, wenn sie ein Verb mit impliziertem Nachzustand einbetten. Bei schaffen
als verbale Form aufgefaßt und der zweite Typ als adjektivische Form (z.B. Lenz entsteht eine Ambiguität dahingehend, ob der vorangehende Prozeß negiert wird oder der
Nachzustand, während bei gelingen immer der Nachzustand negiert wird (Engelberg
56
1993a:52).
1994a:44):
(46) a. der Wagen ist repariert =
b. der Wagen ist repariert worden (50) a. ich habe es nicht geschafft, den Wagen zu reparieren
Die beiden Beispiele in (46) unterscheiden sich allerdings hinsichtlich der Modifizierbar­ 'ich habe an dem Wagen repariert, ihn aber nicht wieder fertigbekommen'
keit durch verschiedene Typen von Adverbialen: 'ich habe nicht angefangen, den Wagen zu reparieren'
b. es ist mir nicht gelungen, den Wagen zu reparieren
(47) a. der Wagen ist (*in drei Stunden I *unter großer Anstrengung) repariert 'ich habe an dem Wagen repariert, ihn aber nicht wieder fertigbekommen'
b. der Wagen ist (in drei Stunden I unter großer Anstrengung) repariert worden *'ich habe nicht angefangen, den Wagen zu reparieren'
Diese Unterschiede scheinen mir gegen die von Lenz (1993a) favorisierte Ellipsenlösung
zu sprechen. Wenn man annimmt, daß Ellipsen durch syntaktische Bedingungen lizen­ Imperfektiv-Paradox: Wenn das Verb einen Nachzustand involviert (z.B. dry in 51a),
ziert sind und keine semantischen Veränderungen herbeiführen, sollte man solche seman­ kann von einem Satz A, der dieses Verb im Progressiv enthält, nicht auf einen Satz B
tisch motivierten Unterschiede in der Modifizierbarkeit des Prädikats nicht erwarten. geschlossen werden, der genauso ist wie A, nur daß das Verb im Perfekt (oder in der ein­
Auch die Tatsache, daß manche Verben ein Vorgangspassiv, aber kein Zustandspassiv fachen Vergangenheitsform) steht, denn nur aus dem perfektischen Satz folgt das Errei­
erlauben, spricht nicht gerade für eine Ellipsenlösung: chen des Nachzustands (in diesem Fall the hair was dry), während der progressive Satz
offen läßt, ob der in der Verbbedeutung angelegte Nachzustand auch tatsächlich erreicht
(48) a. der Lehrer ist geduzt worden wird. Eine Schlußfolgerung vom progressiven auf den perfektischen Satz ist dagegen
b. *der Lehrer ist geduzt möglich, wenn kein solcher Nachzustand impliziert ist (z.B. drive in 51b):
Unter der Repräsentation in (45) muß dagegen nicht auf das Vorgangspassiv rekurriert (51) a. - i [she was drying her hair -> she has dried her hair]
werden. Ebenso ist es nicht nötig, einen resultativen und einen nicht-resultativen Typ des b. [she was driving her new car —> she has driven her new car]
Zustandspassivs zu unterscheiden. Im Zustandspassiv wird einfach das Vorliegen eines in
der Verbbedeutung angelegten Zustands ausgedrückt. Dabei sind die unterschiedlichen Diese Zusammenhänge werden zum erstenmal bei Ryle (1949:1491) formuliert, nach dem
Interpretationen der temporalen Relation dieses Zustands zum Ereignis ebenfalls lexika­ Nachzustandsverben (bei ihm "achievement verbs") im Progressiv keine Schlußfolgerung
lisch gesteuert. auf das Erreichen des Nachzustands zulassen:

Einbettung unter aspektuelle Verben: Die Einbettung von Verben unter aspektuelle Pha­ [...] we very often borrow achievement verbs to signify the performance of the corresponding task
activities, where the hopes of success are good. A runner may be described as winning his race
senverben wie finish und stop zeigt bestimmte Zusammenhänge mit Nachzustands- from the start, despite the fact that he may not win it in the end; and a doctor may boast that he is
curing his patient's pneumonia, when his treatment does not in fact result in the anticipated re­
5 5
covery.
Eine vergleichbare Auffassung vertritt Abraham (1990:6), der das Vorkommen einer "state
phase" in den von ihm vorgeschlagenen Ereignisstrukturen als Bedingung für das Auftreten des Garey (1957:105) formuliert das Imperfektiv-Paradox als Testverfahren für Telizität,
Zustandspassivs nennt. wobei telische, also im Wesentlichen Nachzustandsverben, die beschriebene Implikation
5 6
Vgl. die Diskussion und weitere Literaturangaben in Lenz (1993a:49ff). Für den adjektivischen
Charakter der Zustandspassiva vom Typ (45b) spricht nach Lenz (1993a:51f) ihre Präfigierbar- im Gegensatz zu atelischen Verben nicht zulassen.
keit mit u n - ( u n b e w o h n t , u n b e w a c h t ) . Wie v e r n a c h l ä s s i g e n z e i g t , ist diese Präfigierung aller­
dings nicht bei allen Formen dieses Typs möglich ( W u n v e r n a c h l ä s s i g i ) .
62 63

[...] if one was verging, but was interrupted while verging, has one verbedl (Si on verbait, mais a • Die Einbettbarkeit eines Verbs unter aspektuelle Verben und seine Interpretation in
été interrompu tout en verbanX, est-ce qu'on a verbé?) Substitute the test verb where the formula solchen Kontexten hängen vom Vorliegen eines Nachzustands ab.
has verb: Si on se n o y a i t S i on jouait au bridge and so o n . 57

• Die Erklärung des Imperfektiv-Paradoxes muß auf das Vorliegen von in der Verb­
Das als Imperfektiv-Paradox bezeichnete Phänomen des Fehlens der in (51a) dargestellten bedeutung angelegten Nachzuständen rekurrieren.
Implikation betrifft Verben mit einer Ereignisstruktur wie in (52a), also durative Verben Nachzustände stehen auch im Zusammenhang mit verschiedenen im nächsten Kapitel zu
mit Nachzustand, während die Implikation möglich ist bei durativen Verben wie (52b): 58
besprechenden Phänomenen, wie der Zulässigkeit einer aw-Konstruktion, der Modifizier­
barkeit durch Zeitspannen- und Zeitdaueradverbiale und anderen Vorkommensbeschran-
(52) a. E-STR: ... (->i e [ n + D U R
l ) . . . < (->i z) z.B. trocknen(x), trocknen(x,y), essen(x,y)
kungen.
b. E-STR: ... (->i e»[+DUR])... z.B. joggen(x), quälen(x,y),fahren(x,y)

Das Imperfektiv-Paradox geht zurück auf die sogenannte Subintervall-Eigenschaft von


Prädikaten, die kurz gesagt darin besteht, daß ich mit einem Ausdruck, der ein Verb des 2.2.3 Durativität und Punktualität
Typs (52b) enthält (z.B. sie hat ihren Hund gequält), nicht aber mit einem Ausdruck der
auf ein Verb vom Typ (52a) zurückgeht (z.B. sie hat ihren Hund erwürgt), sowohl auf ein Punktualität und Achievements in der Aktionsartforschung: Die Unterscheidung von Ver­
bestimmtes Ereignis als auch auf einen echten Teil dieses Ereignisses referieren kann. ben, die punktuelle Ereignisse bezeichnen, von solchen, die auf Ereignisse von Dauer
Dies ist in verschiedenen Formulierungen und Präzisierungen seit der indogermanischen referieren, geht bereits auf die ältere Aktionsartforschung zurück. Streitberg (1891:71f)
Aktionsartforschung festgehalten worden. So ist nach Wustmann (1894:4f), differenziert innerhalb der "Perfektiva" zwischen momentanen Verben und durativ-per­
fektiven. Erstere legen "den Schwerpunkt einzig und allein auf den moment der Vollen­
[...] jedes transitive Verbum perfektiv zu nennen, bei dem ein Aufhören, ein Unterbrechen der
dung, den augenblick des résultâtes", letztere "heben den moment der Vollendung hervor,
Thätigkeit zugleich den ganzen Begriff der Handlung negirt. Ich baue ein Haus kann ich nur im
Hinblick auf den Abschluß meiner Thätigkeit, auf die Vollendung des Hauses sagen; wenn ich setzten ihn aber in ausdrücklichen gegensatz zu der voraufgehenden d a u e r der hand-
59
eher aufhörte, hätte ich eben kein Haus gebaut, sondern nur an einem Hause gebaut. lung". Eine vergleichbare Unterscheidung zwischen durativen Nachzustandsverben, bei
denen lediglich der Schwerpunkt auf die Handlungsgrenze gelegt wird ("momentanéité
Die Subintervall-Eigenschaft ist später in verschiedenen semantischen Arbeiten formali­
relative"), und punktuellen, die tatsächlich auf einen Moment beschränkt sind ("mo­
siert worden und liegt etwa Krifkas (1989b:228) Unterscheidung von gequantelten und
mentanéité absolue"), trifft auch Romberg (1899:4f), der bereits einige der mit diesen
divisiven Prädikaten zugrunde.
Eigenschaften verknüpften Phänomene anführt (s.u.).
Zusammenfassung: Die Bedeutung mancher Verben beinhaltet das Erreichen eines be­ Die Unterscheidung zwischen Punktualität und Dauer ist in der Folgezeit immer wieder
stimmten Zustands eines der Ereignispartizipanten. In diesem Kapitel wurde gezeigt, daß aufgegriffen worden; angeführt wird in dem Zusammenhang meist Vendler (1957), dessen
das Vorliegen eines solchen Nachzustands für die Lizenzierung und Interpretation einer allerdings nicht rein lexikalische Vierteilung verbenthaltender Ausdrücke zum gebräuch­
Reihe von Konstruktionen relevant ist: lichen Paradigma für aspektuell-aktionsartliche Klassifizierungen geworden ist. Wie in
• Intransitive Verben, in deren Bedeutung ein Nachzustand angelegt ist, nehmen sein als Kapitel 2.1.2 dargestellt wurde, unterscheidet Vendler (1957) "Accomplishments" (Dura-
Perfektauxiliar. tiva mit Nachzustand), "Activities" (Durativa ohne Nachzustand), "States" (Zustände) und
• Das Partizip II kann bei solchen intransitiven Verben attributiv verwendet werden, die "Achievements" (punktuelle Verben), wobei die in Klammern gesetzten Erklärungen die
einen Nachzustand implizieren. annähernden Korrespondenzen der vendlerschen Termini mit den in der vorliegenden
• Bei (transitiven) Verben, die einen Nachzustand implizieren, wird das attributive Parti­ Arbeit verwendeten ereignisstrukturellen Begriffen angeben, in dem Sinne, daß den vend­
zip II relativ zum durch das finite Verb ausgedrückten Ereignis temporal anders inter­ lerschen Klassen im Regelfall Verben dieser Typen zugrundeliegen. Vendler klassifiziert
pretiert. allerdings verbenthaltende Prädikate, während es mir um verblexikalische, ereignissortale
• Verben, die einen Parallel- oder Nachzustand in der Verbbedeutung angelegt haben, Beschränkungen geht, die allerdings u.a. die lexikalische Basis für aspektuelle Klassen im
können im Zustandspassiv auftreten, wobei Verben mit Nachzustand temporal anders Stile Vendlers darstellen.
als solche mit Parallelzustand interpretiert werden. Die von Vendler (1957) als "Achievements" eingeführte Klasse hat allerdings verschie­
dene Interpretationen erfahren, die den Zusammenhang zwischen den Begriffen
Ähnlich auch Kenny (1963:172f), der die folgenden Implikationsunterschiede zwischen den 'Achievemenf und 'Punktualität' oft unklar erscheinen lassen. Vendler (1957) selbst hat
beiden Verbklassen festhält:
(i) John is deciding whether to join the army —> John has not yet decided to join the army
(ii) I am living in Rome —> I have lived in Rome Grob vereinfachend kann man sagen, daß Streitbergs Perfektiva den Durativa mit Nachzustand
Genauer betrifft das Imperfektiv-Paradox bei zweistelligen Verben nur bestimmte Varianten, in dieser Arbeit entsprechen. Streitberg unterschied allerdings noch nicht zwischen grammati­
nämlich diejenigen, die ein Akkusativobjekt realisieren, wie sie bastelt einen Papierdrachen, schem Aspekt und Aktionsart. So ist in der älteren Indogermanistik der Begriff der Punktualität
im Gegensatz etwa zu sie bastelt oder sie bastelt an einem Papierdrachen. Ich gehe im nächsten dann häufig auch zur Beschreibung des perfektiven Aspekts in echten Aspektsprachen herange­
Kapitel auf solche Phänomene ein. zogen worden.
64

solche Ausdrücke als Achievements aufgefaßt, die auf Zeitpunkte bezogen sind: Achieve­ zucken: x n o m

ments "can be predicated only for single moments of time" (Vendler 1957:146). Für ein E-STR: (->! ei[+PKT] : X PATIENS)
Achievement wie win a race gilt demnach: " 'A won a race between ti and t{ means that
the time instant at which A won that race is between t\ and r ." (Vendler 1957:149) 2 Lex. 13: Ereignisstruktur von zucken.
Möglicherweise haben die von Vendler (1957) angeführten Beispiele wie win the race,
die, recognize somebody, reach the hilltop dazu geführt, daß in der Folgezeit andere Diese Unterscheidung ist im Übrigen unabhängig von der Steifigkeit der Verben und fin­
Aspekte bei der Bestimmung von Achievements in den Vordergrund traten. Mourelatos det sich entsprechend auch bei zweistelligen Verben. So ist zerbrechen(x,y) ein punktuel­
(1978:417) wies auf die vermeintliche Ähnlichkeit von Accomplishments und Achieve­ les Verb mit Nachzustand, während kneifen(x,y) keinen Nachzustand impliziert. Insofern
ments hin, die darin bestünde, "that both accomplishments and achievements are actions als auch Durativa als ein- und zweistellige Verben jeweils mit und ohne Nachzustand
that involve a product, upshot, or outcome." Ohne die Unterscheidung zwischen beiden auftreten, ergeben sich folgende Unterscheidungen, auf die die nachfolgende Besprechung
62
Klassen ganz aufzugeben, faßt er sie daraufhin in einer übergeordneten Klasse "events verschiedener Phänomene rekurrieren wird:
(performances)" zusammen, die dann der Klasse der "processes (activities)" gegenüberge­
stellt wird. Dowty (1979:180ff) wiederum sah hinter der vendlerschen Accomplishment-
Achievement-Unterscheidung vier verschiedene Distinktionen verborgen, von denen ihm VERBKLASSEN
die zwischen Prädikaten, welche ein Verursachungsereignis implizieren, und solchen, die
das nicht tun, am zentralsten erscheint, zentraler als etwa eine auf der Zeitdauer basie­ Ohne Nachzusland Mit Nachzustand
rende Unterscheidung. Damit werden Accomplishment-Verben zu solchen, die in
Einstellig zucken (x) rülpsen(x) platzen (x) zerbrechen (x)
CAUSE-BECOME-Strukturen dekomponiert werden, und Achievements zu solchen, die
knallen (x) blitzen(x) bersten(x) explodieren (x)
als BECOME-Verben auftreten. Dowtys Auffassung liegt mehr oder weniger explizit PKT.
vielen Deutungen des Achievement-Begriffs zugrunde, u.a. der von Pustejovsky kneifen(x,y) pieksen(x,y) knicken (x,y) zerbrechen (x,y)
Zweistellig
(1991:57ff), der Accomplishments und Achievements die gleiche Ereignisstruktur zu­ schlagen (x,y) treffen(x,y) sprengen (x,y) erstechen (x,y)
grundelegt und diese in beiden Fällen mit einer Dekomposition verknüpft, die ein joggen (x) schnarchen (x)
60 Einstellig gelieren (x) erröten (x)
BECOME-Prädikat enthält . brummen (x) lachen (x) trocknen (x) schmelzen(x)
DUB
Punktuelle vs. durative Verben: Auf der Zeitpunkt-Zeitdauer-Unterscheidung basiert da­ quälen (x,y) verwöhnen (x,y) basteln (x,y) reparieren (x,y)
Zweistellig
gegen die Klassifikation von Moens (1987:42), die zudem innerhalb der punktuellen Aus­ schieben (x,y) streicheln(x,y) glätten (x,y) zerdrücken (x,y)
drücke zwischen "points" (hiccup, tap, wink) und "culminations" (recognize, spot, win the
race) unterscheidet. Letztere sind telisch und entsprechen in der vorliegenden Arbeit
punktuellen Verben mit Nachzustand wie etwa platzen in Lex. 12, erstere sind atelisch
und korrespondieren mit punktuellen Verben ohne Nachzustand wie z.B. zucken in Lex. Abb. 3: Matrix einer Verbklassifikation nach Punktualität, Auftreten eines Nachzustands
6 und Stelligkeit.
13: i
Die Matrix entspricht damit in etwa der Kreuzklassifikation zwischen "events that are
platzen: x n o m extended and those that are not" und "events that have consequences and those that do
63
E-STR: (->i ei I + P K T ] : X PATIENS) < ( _ > , Z X PATIENS) not" bei Moens (1987.43), erweitert um die Dimension der Stelligkeit. Die kreuzklassi­
fizierten Eigenschaften 'punktuell / durativ' vs. 'mit / ohne Nachzustand' spiegeln natürlich
Lex. 12: Ereignisstruktur von platzen. nur einen Ausschnitt aus den in der vorliegenden Arbeit verwendeten Verbrepräsentatio­
nen wieder. Die Vierteilung entspricht dabei den vier Ereigrusstrukturtypen in (53):
(53) a. E-STR ...(-»jenl+PKT])...«^ Z )

b. E-STR: ...(_>! e n[+PKT])...

Einer späteren Arbeit von Pustejovsky (1995:14) zufolge sind dagegen Achievements Aus­ c. E-STR: ...(-•jent+DUR]) . < ( _ > [ Z )

drücke, die ebenso wie Accomplishments einen "change of State" beinhalten, "but where the d. E-STR ... ( _ > n [ + D U R ] ) . . .
i e

change is thought of as occurring instantaneously"; in den Ereignisstrukturrepräsentationen


drückt sich diese Punktualität aber nicht aus.
Wenn ich im Folgenden von punktuellen Verben rede, so sind solche Verben gemeint, bei Natürlich lassen sich auch nullstellige Verben wie regnen und dreistellige Verben wie geben
denen das oder die Teilereignisse punktuell sind, deren Stattfinden impliziert ist. Das heißt, ich entsprechend klassifizieren.
bezeichne auch solche Verben wie gewinnen als punktuell, bei denen auch ein duratives Teil­ Ähnliche Klassifikationen finden sich auch in Moens / Steedman (1988:16f), Ehrich (1991:452)
ereignis repräsentiert ist, dessen Stattfinden aber präsupponiert ist. und Engelberg (1994b:56).
66
67

Vermeintliche Gegenargumente gegen die PunktualitätsunterScheidung: Die Relevanz Ich schließe mich dieser Argumentation an und will im Folgenden vor allem versuchen
einer Klassifizierung von Ausdrücken als punktuell oder "achievements" ist verschiedent­ eine Reihe empirischer Argumente für die Unterscheidung von Punktualität und Durati-
lich bestritten worden. Kenny (1963:177) geht in seiner Klassifikation auf ein Punktuali- vität sowie ihre lexikalische Relevanz zu präsentieren. Dabei werde ich Punktualität und
tätskriterium gar nicht ein; so enthält die Klasse der "performances" sowohl durative als Durativität als die Eigenschaften von Ereignissen auffassen, extrem kurz bzw. von länge­
auch punktuelle Nachzustandsverben. Auch Mourelatos (1978:417) und Dowty 65
rer Dauer zu s e i n . Sie sind damit nicht wie bei Verkuyl (1989), Egg (1994) und wohl
(1979:181fr) halten eine auf der Dauer-Punktualitäts-Unterscheidung basierende Klassifi­ auch Vendler (1957) als Eigenschaften von verbalen Prädikaten zu verstehen, sondern als
kation für höchstens zweitrangig. Später ist von Tenny (1987:25ff), Klein (1994:88) und sortale Beschränkungen über den Ereignissen, auf die Verben referieren. Wenn ich der
insbesondere von Verkuyl (1989:55ff) und daran anschließend von Egg (1994:50ff) gegen Kürze halber oft von punktuellen oder durativen Verben spreche, so ist das zu berücksich­
die Notwendigkeit der Ausgrenzung einer Achievement-Klasse argumentiert worden. tigen.
Verkuyl (1989:55fl) fuhrt die folgenden Beispiele für Ausdrücke an, die sowohl als
Achievement als auch als Accomplishment verstanden werden können, um die Irrelevanz Zeitpunktadverbiale: Eine naheliegende Eigenschaft punktueller Verben ist es, durch
dieser Unterscheidung zu begründen. Zeitpunktadverbiale modifiziert werden zu können; dies gilt sowohl für punktuelle Verben
mit als auch für solche ohne Nachzustand:
(54) a. type I write a business letter
b. type I write the letter p (55) a. die Bombe explodierte genau in dem Augenblick E-STR: ... (—>j e I PKT])
n +
< z )
b. genau in dem Augenblick kniff sie ihn n
E-STR: ... (—>¡ e l PKT]) +

So müsse (54a) in einer auf Schreibmaschinen basierenden Kultur als Accomplishment


aufgefaßt werden, während es heutzutage möglich sei, durch das Betätigen einer einzigen Diese Modifizierbarkeit ist entsprechend dort, wo Punktualität als relevante Verbeigen­
Computer-Taste einen Geschäftsbrief zu produzieren. Darauf würde man dann ebenfalls schaft angenommen wird, ins Feld geführt worden, z.B. bei Romberg (1899:4f) oder bei
mit (54a) referieren, das sich in diesem Fall als Achievement erweise. Genau andersherum Vendler (1957:146) als Kriterium für Achievements. Nun können allerdings auch Verben
könne (54b) im Schreibmaschinenzeitalter als Achievement aufgefaßt werden, während es anderer Klassen mit Zeitpunktadverbialen verbunden werden (Engelberg 1994a:21f):
in modernen Zeiten als Accomplishment auftrete, wenn der Vorgang aufgrund einer (56) a. um fünf Uhr backte ich einen Kuchen E-STR: e"[+DUR]) ...<(_>, )
2

Please-waitf-AvffoTuerong auf dem Bildschirm unerfreulich in die Länge gezogen wird. b. um fünf Uhr quälte ich den Hund E-STR: ... (-»j n[+DUR])...
e

Verkuyls (1989:57) Fazit: Wolle man die Accomplishment-Achievement-Unterscheidung


aufrecht erhalten, müsse man sowohl für (54a) als auch für (54b) eine wenig motivierte Während das Verhältnis zwischen dem Zeitpunkt, den das Adverbial denotiert, und der
Ambiguität annehmen. Die Unterscheidung von Punktualität und Dauer sei hier wie auch Ereigniszeit bei Verben wie explodieren eindeutig ist - sie sind identisch - wird das Zeit­
sonst eine rein ontologische ohne linguistische Relevanz. punktadverbial bei durativen Verben (mit oder ohne Nachzustand) abhängig vom Tempus
Mittwoch (1991:75) hat u.a die folgenden drei Argumente gegen Verkuyls Auffassung interpretiert. Bei einen Kuchen backen bezieht sich das Zeitpunktadverbial im Futur (prä-
vorgebracht: 64 feriert) auf den Beginn des Ereignisses, im Präteritum (präferiert) auf den Verlauf und im
• Erstens ist sie skeptisch, daß (54a), sowie das ebenfalls von Verkuyl angeführte Beispiel Plusquamperfekt auf den Nachzustand.
draw a circle, dazu verwendet werden können, um auf die (punktuelle) Betätigung ei­ (57) a. um fünf Uhr werde ich einen Kuchen backen
ner Taste auf der Computer-Tastatur zu referieren. Sollte das doch möglich sein, so ist b. 'um fünf Uhr werde ich anfangen, einen Kuchen zu backen'
dies als eine Bedeutungserweiterung des Verbs anzusehen. (Die unterschiedliche Auf­ ?
c. 'um fünf Uhr werde ich dabei sein, einen Kuchen zu backen'
fassung von Mittwoch und Verkuyl will ich hier nicht weiter diskutieren.) d. * 'um fünf Uhr werde ich das Kuchenbacken beendet haben'
• Zweitens stellt sie fest, daß es unproblematisch ist, davon auszugehen, daß bestimmte
Verben für die Punktuell-Durativ-Unterscheidung nicht markiert sind. Es gibt auch (58) a. um fünf Uhr backte ich einen Kuchen
?

Verben wie meet und drop, die bezüglich der Unterscheidung agentiv vs. nicht-agentiv b. 'um fünf Uhr fing ich an, einen Kuchen zu backen'
unmarkiert sind, ohne daß dies ein Argument gegen die Existenz oder Relevanz se­ c. 'um fünf Uhr war ich dabei, einen Kuchen zu backen'
mantischer Rollen darstellt. d. * 'um fünf Uhr hatte ich das Kuchenbacken beendet'
• Drittens schließlich weist sie darauf hin, daß es genügend punktuelle Verben gibt (z.B. (59) a. um fünf Uhr hatte ich einen Kuchen gebacken
notice), für die eine Accomplishment-Lesart nicht zu erhalten ist. b. * 'um fünf Uhr fing ich an, einen Kuchen zu backen'
c. * 'um fünf Uhr war ich dabei, einen Kuchen zu backen'
d. 'um fünf Uhr hatte ich das Kuchenbacken beendet'
Mittwoch (1991:77ff) zeigt darüber hinaus auch, welche Probleme die Aufgabe der Achieve-
ment-Accomplishment-Unterscheidung für Verkuyls (1989) Aspektkompositionstheorie auf­
wirft. Auf die Kritik von Mittwoch (1991) wird im Übrigen allerdings weder in Verkuyl
(1993:46ff), wo die Argumentation aus Verkuyl (1989) noch einmal wiederholt wird, noch in
Egg (1994) eingegangen. Was "extrem kurz" genau zu bedeuten hat, wird in Kapitel 6.3.3 erläutert.
68 69

Einen interessanten Unterschied hinsichtlich dieser temporalen Interpretation zeigen dabei Im Laufe der Forschung wurde deutlich, daß die Zulässigkeit von Zeitspannenadver­
Verben, bei denen ein duratives Ereignis impliziert ist (z.B. backen), gegenüber punktu­ bialen nicht allein durch die Bedeutung oder Klassenzugehörigkeit des Verbs bestimmt ist
ellen Verben, bei denen ein vorausgehendes duratives Ereignis präsupponiert ist (z.B. sondern von mehreren Faktoren abhängt: i) der Verbvalenz, ii) den NP-Bedeutungen und
verlieren in der Lesart ein Spiel I Rennen verlieren). Beide verhalten sich bezüglich be­ iii) der Verbbedeutung.
stimmter Eigenschaften gleich; so erlauben etwa beide den Progressiv (er war am Backen I i) Verbvalenz: Wustmann (1894:4) stellt fest, daß eine Direktionalphrase oder ein direktes
am Verlieren). Dazu bemerkt Krifka (1989a: 118), daß bei einem Verb wie verlieren die Objekt zu perfektiven Lesarten fuhrt, also - in Vendlers Termini - aus Activities Accomp­
68

Progressivform offenbar die Vorbereitungphase für ein momentanes Ereignis ausdrückt lishments macht:
und diese Verben deshalb sowohl eine Achievement- als auch eine Accomplishment-Ver­ (63) a. ich gehe (in die Kirche)
wendungsweise haben. Das läßt erwarten, daß sie sich auch bezüglich Zeitpunktadverbia­ b. ich baue (ein Haus)
len wie Accomplishments, also durative Nachzustandsverben, verhalten können. Das ist
aber nicht so, wie der Vergleich zwischen (58) und (60) zeigt: Ähnlich bemerkt Romberg (1899:7), daß es bei Ausdrücken wie il écrivit une lettre ('er
schrieb einen Brief) das durch das Ereignis geschaffene Objekt ist, an dem sich die Be­
(60) a. um fünf Uhr verlor er das Schachspiel grenztheit der Handlung ausdrückt. Auch Pedersen (1901:220f) stellt fest, daß die von ihm
??
b. 'um fünf Uhr fing er an, ein Schachspiel zu verlieren' als "terminativ" bezeichnete Bedeutung eines Verbs von den Verbindungen abhängt, in
?
c. 'um fünf Uhr war er dabei, ein Schachspiel zu verlieren' denen es vorkommt:
d. 'um fünf Uhr und nicht früher hatte er ein Schachspiel verloren'
Die Verbindung des verbums mit einem das ziel bezeichnenden adverbium ("präposition") hat
Punktuelle Verben mit präsupponierter Vorbereitungsphase bilden also offenbar temporal- naturgemäss diese Wirkung, ebenso aber auch oft die hinzufügung eines bestimmten Objektes. Ich
aspektuell eine Klasse für sich (nach Engelberg 1994a:22f). trinke ist cursiv, ich trinke aus oder ich trinke das wasser ist terminativ. 69

Zeitspannenadverbiale bei durativen Nachzustandsverben: Durch in eingeleitete Zeit­ Eine Accomplishment-Lesart erfordert also eine bestimmte Art von Ergänzung, und zwar
spannenadverbiale treten typischerweise mit Verben auf, die ein duratives Ereignis und bei zweistelligen Verben, wie Pedersen (1901.221) bemerkt, ein direktes Objekt wie in
einen Nachzustand implizieren: 66 (64a) und nicht eine das gleiche Argument realisierende PP (64b):

(61) a. sie reparierte ihr Motorrad (in zwei Stunden) ...(-^j en[+DUR])...<(_> )
E-STR: T Z
(64) a. jeg skriver brevet (dän.) 'ich schreibe den Brief
b. sie joggte (JH zwei Stunden)
??
E-STR:. . . ( „ • j e n l + D U R ] ) . . . b. jeg skriverpü brevet 'ich schreibe an dem Brief
c. sie knickte den Umschlag ( i'#i zwei Stunden)
??
E-STR:. . . ( - > n [ + P K T ] ) . . . < ( _ > ! )
i e z

Neben Verben mit Direktionalphrase und zweistelligen Verben, die eine Akkusativ-NP
d. sie klopfte ( m zwei Stunden)
??
E-STR:. . . ( - » j e n t + P K T ] ) . . . regieren, erlauben aber auch bestimmte intransitive Verben ein /«-Adverbial, wenn sie den
Daß bestimmte durative Nachzustandsverben im Gegensatz zu anderen Verbtypen Zeit­ anderen beiden Bedingungen genügen, z.B. (65a) vs. (65b):
spannenadverbiale erlauben, ist zuerst von Romberg (1899:4) bezüglich des Französischen (65) a. das Schiff sank in fünfMinuten
(e«-PPs) angeführt worden. Sütterlin (1909:92) und Wellander (1911:72) bemerken, daß b. *der Mann tanzte in fünfMinuten
sogenannte perfektive Verben im Deutschen ein in-, aber kein /a«g-Adverbial zulassen:
ii) NP-Bedeutungen: Nun führen direkte Objekte nur dann zu einer Accomplishment-
(62) a. wir erstiegen den Berg in vier Stunden Lesart, wenn die Objekt-NP einer bestimmten semantischen Bedingung genügt. So hat
b. *wir erstiegen den Berg vier Stunden lang Jacobsohn (1933:300) beobachtet, daß ein artikelloser Plural oder ein Massennomen in
Später wurden die /«-Adverbiale durch Vendler (1957:146f), Kenny (1963:176) und Ver- Objektposition Activity-Lesarten ("durativ") hervorruft, andere NPs Accomplishment-
kuyl (1972:6) als Kennzeichen von Accomplishment-Ausdrücken (bzw. "Performance Lesarten ("perfektiv"):
verbs" bei Kenny und "terminative aspect" bei Verkuyl) erneut in die aspektuelle Diskus­ (69) a. er schrieb Briefe (zwei Stunden lang I *in zwei Stunden)
67
sion gebracht. b. er schrieb einen Brief (*zwei Stunden lang I in zwei Stunden)

6 6
Wird über eine bestimmte Anzahl von Ereignissen gesprochen, so können auch punktuelle Satz (63a) scheint dafür allerdings ein eher schlechtes Beispiel, da er mit /'«-Adverbialen nicht
Nachzustandsverben mit Zeitspannenadverbialen auftreten (Romberg 1899:4f): gut verträglich ist: ^erging in zwanzig Minuten in die Kirche. Außerdem ist zu bemerken, daß
(i) *Maestricht se rendit en huit jours nicht alle Präpositionalphrasen Activities in Accomplishments überführen (vgl. Engelberg
Maastricht ergab sich in acht Stunden' 1994a:8ffj:
(ii) en un jour, trois villes se rendirent ä Vennemi (i) sie lief (in zwei Stunden) um den See
'in einem Tag ergaben sich drei Städte dem Feind' (ii) sie lief ("in zwei Stunden) entlang des Sees
6 7
Vendler (1957:146) diskutiert die /'«-Adverbiale im Zusammenhang mit der Möglichkeit der Zu intransitiven Unergativa, die wie austrinken Zeitspannenadverbiale erlauben, vgl. auch
Frage How long did it take to ... ? als Kennzeichen für Accomplishments. Engelberg (1997:140).
70 71

Diese Eigenschaftsopposition ist in späteren Theorien zur Aspektkomposition zunächst als transitive wie auch für die in der Aspektkompositionstheorie meist nicht behandelten
ein semantisches Merkmal beschrieben worden, etwa bei Verkuyl (1972:51) als unakkusativen Intransitiva, wobei es bei letzteren mangels direkten Objekts natürlich der
74
[UNSPECIFIED QUANTITY OF X] versus [SPECJPIED QUANTITY OF X] oder bei Subjektreferent ist, an dem sich die Zustandsveränderung vollzieht:
Platzack (1979:79) als [±DIVID], wobei die nicht-divisiven [-DIVID]-Ausdrücke wie ein
(68) &. sie trocknete ihr Haar in fünfMinuten E-STR: ... (-»j enf+DUR]) ... < )
Brief die Eigenschaft haben, nicht auch auf echte Teile des Objekts zuzutreffen, das sie be­ z

b. ihr Haar trocknete in fünfMinuten E-STR: ... (-»j e«[+DUR]) < z )


zeichnen. Später hat Krifka (1989b:228) die aspektuell relevante Opposition so beschrie­
ben, daß in Accomplishment-Ausdrücken die Objekt-NPs gequantelt prädizieren müssen Zeitspannenadverbiale bei punktuellen Nachzustandsverben: Es ist bemerkt worden daß
und nicht kumulativ. Für kumulative Referenz gilt: Wenn auf zwei Entitäten ein be­ auch punktuelle Verben mit Nachzustand /«-Adverbiale erlauben (Vendler 1957:147)
stimmtes Prädikat angewendet werden kann, dann kann es auch auf die Zusammenfassung wobei im Gegensatz zu durativen Nachzustandsverben das in dann eher als öfter bzw!
dieser Entitäten angewendet werden (Äpfel und Äpfel ergibt wieder Äpfel, drei Äpfel und nach verstanden werde (Mourelatos 1978.417, Pinon 1996). 75

drei Äpfel ergibt dagegen nicht drei Äpfel). Demgegenüber gilt für gequantelte Referenz:
(69) a. Ines hat den Gipfel in fünf Stunden erreicht =
Wenn auf eine Entität ein Prädikat angewendet werden kann, so kann es nicht auf einen
b. Ines hat den Gipfel nach fünfStunden erreicht (Beispiel aus Pinon 1996)
echten Teil dieser Entität angewendet werden (ein Teil von drei Äpfel ist nie drei Äpfel,
auf einen Teil von Äpfel kann dagegen wiederum mit Äpfel referiert werden), Tatsächlich sind aber nicht alle punktuellen Nachzustandsverben mit /«-Adverbialen voll
iii) Verbbedeutungen: Daß nur bestimmte Verben mit einem /«-Adverbial verknüpft wer­ akzeptabel (auch dort nicht, wo nach-Adverbiale möglich sind):
den, ist, wie oben bereits erwähnt, zuerst von Romberg (1899.4) und Sütterlin (1909:92)
(70) a. der Stock zerbrach in drei Minuten
n

beobachtet worden. Jacobsohn (1933:297f) nahm später an, daß transitive Verben mit
b. Ider Ballon platzte in vier Minuten
effizierten Objekten (67a) und Objekten der vollständigen Aneignung (67b) im Gegensatz
c. erstach ihn in zwanzig Minuten
zu Verben mit affizierten Objekten (67c) /«-Adverbiale zulassen.
d. 11sie knickte den Umschlag in zwei Stunden
(67) a. ich schrieb einen Brief (in fünfMinuten)
Bereits Romberg (1899:15) vermutete, daß unter den punktuellen Nachzustandsverben vor
b. er aß einen Apfel (in fünfMinuten)
allem solche das Zeitspannenadverbial erlauben, die das Vorausgehen eines anderen Er­
c. der Mann schlug den Hund ( / H fünfMinuten)
??

eignisses präsupponieren, wie etwa achever Vollenden, austrinken', terminer "beendigen',


Diese Bedingung erfaßt allerdings manche mit /«-PPs verträgliche Verben wie mähen, atteindre 'erreichen' . Diese Vermutung scheint plausibel angesichts der folgenden Bei­
76

streichen oder reparieren noch nicht. Krifka (1989b:241) geht davon aus, daß Verben, die spiele, in denen entweder die Sätze aufgrund der Eigenbedeutung der Verben (71a, 71b)
ein inkrementelles Thema selegieren, mit /«-Adverbialen auftreten. Ein inkrementelles oder aufgrund des Kontextes (71c) ein vorausgehendes Ereignis präsupponieren: 77

Thema liegt etwa bei essen vor, das impliziert, daß sein Objektreferent, z.B. ein Apfel,
Stück für Stück von dem Essen-Ereignis betroffen ist, so daß jedem Teil des Ereignisses
ein Teil des Apfels entspricht und mit dem Abschluß des Ereignisses der Apfel vollständig Satz bevorzugen, b) daß in Sprachen wie dem Französischen unterschiedliche Präpositionen für
die beiden Lesarten zur Verfügung stehen (dans für die erste, .en für die zweite) (Romberg
70
gegessen i s t . Allerdings können auch eine Reihe von Ausdrücken, die nicht inkrementell
sind (z.B. das Fahrrad reparieren, ein Haus bauen, ein Hemd waschen), mit /«-Adver­ 1899:26), c) daß die erste Lesart auch mit nicht gequantelten Objekten (iii) und mit
71
bialen auftreten und werden demnach von Krifkas Bedingung nicht erfaßt. Die eingangs Zeitdaueradverbialen (iv) auftreten kann:
angeführte Bedingung, daß durative Nachzustandsverben mit Zeitspannenadverbialen (iii) in zehn Minuten wird er Rosinen essen
72
(iv) in zehn Minuten wird er eine Zeitlang Rosinen essen
auftreten, berücksichtigt dagegen auch die von der Inkrementalitätsbedingung nicht
Darüber hinaus gibt es allerdings auch unergative Intransitiva, die /«-Adverbiale erlauben, wie
abgedeckten Fälle (reparieren, trocknen, bauen).™ Dabei gilt diese Bedingung sowohl für austrinken, frühstücken, duschen; zu deren Behandlung vgl. Engelberg (1997). Auch werden
Ausdrücke wie eine Sonate spielen, die ebenfalls Zeitspannenadverbiale erlauben, von den hier
beschriebenen Restriktionen nicht erfaßt; zur Lösung dieses Problems vgl. etwa Eckardt
7 0
Zur formalen Ausarbeitung dieser Idee vgl. Krifka (1989a:207). (1996b) oder Egg (1994:27ff).
7 1
Vgl. dazu etwa Engelberg (1995a, 1997:7f), Eckardt (1996b). Mourelatos (1978) und Pinon (1996) sprechen von "Achievements"; dieser Terminus wurde -
7 2
Auch Pustejovsky (1991:62) knüpft die Zulässigkeit von /«-Adverbialen an das Vorliegen eines wie im einleitenden Abschnitt dieses Kapitels angemerkt - von Vendler (1957:148) zur Be­
Nachzustands in der Ereigmsstruktur. zeichnung punktueller Ausdrücke eingeführt, ohne daß er zwischen solchen mit und ohne
7 3
Es sind bei den Zeitspannenadverbialen zwei Lesarten zu unterscheiden. Nachzustand unterschied, während in der Literatur es üblich geworden ist, v.a. punktuelle Ver­
(i) in zehn Minuten wird er den Flur putzen ben mit Nachzustand als Vertreter dieser Klasse anzuführen, so daß gewöhnlich nicht ganz klar
(ii) er wird den Flur in zehn Minuten putzen ist, welche Verbklasse genau in den jeweiligen Arbeiten mit dem Begriff 'Achievements' be­
Bei der einen fallt das Ende der angegebenen Zeitspanne mit dem Beginn des Ereignisses zeichnet wird.
zusammen (i), bei der anderen mit dem Ende des Ereignisses (ii) (Engelberg 1994a: 19, vgl. Vgl. etwas ausführlicher zu einer ähnlichen Auffassung auch Platzack (1979:93f)-
auch Wellander 1911:72). In diesem Kapitel geht es immer nur um die zweite Lesart. Die Daß das Verbfindenselbst kein vorhergehendes Suchen präsupponiert, sieht man an Beispielen
beiden Lesarten unterscheiden sich dadurch, a) daß die Adverbiale verschiedene Positionen im wie zufällig fand sie den alten Ring in der Sofaritze.
72 73

(71) a. sie gewann das Spiel in vierzig Minuten (Teilnahme präsupponiert) (74) a. der Ballon platzte (Hzwei Minuten lang) E-STR: ... (->j e"»[+PKT]) <(_> L 2 )
b. sie trank das Glas in zwei Minuten aus (Trinken präsupponiert) b. Karla klopfte (fünf Minuten lang) E-STR: ...(->! n [ P K T ] )
e
+

c. sie fand den alten Ring in fünf Minuten (Suchen präsupponiert) c. Dieter zerbrach die Vase (Hzwei Minuten lang) E-STR: ... (->j e » [ + P K T ] ) <(-> L Z )
d. Karla trafKarl in einem Hotel (zwei Jahre lang) E-STR: ... (->j >»[+PKT])
Fazit: Erstens erlauben durative Verben mit Nachzustand (72a) Zeitspannenadverbiale E

und zweitens punktuelle Verben mit Nachzustand, wenn das Stattfinden eines vorausge­ Die entsprechenden Verben erhalten dann eine iterative Interpretation: Wir verstehen
henden durativen Ereignisses (lexikalisch oder kontextuell) präsupponiert ist (72b). Im (74b) so, daß Karla mehrmals klopfte, bzw. (74d) so, daß sie Karl mehrmals in dem Hotel
zweiten Fall schließt die vom Zeitspannenadverbial angegebene Zeit das präsupponierte traf. Fazit. Mit Zeitdauerangaben verträglich sind durative Verben ohne Nachzustand wie
Ereignis mit ein. in (75a) und punktuelle Verben ohne Nachzustand wie in (75b) in iterativer Lesart:
(72) a. E-STR: ... (->i m [ + D U R ] ) . . . < (->i z)
e
(75) a. E-STR: ... e n[+DUR])
b. E - S T R : ... ( - » P em[+DUR])... e n[+PKT])... < Z ) b. E-STR: ... (-> r e"[+PKT])

Zeitdaueradverbiale: Zeitdaueradverbiale wie for two minutes im Englischen und zwei Progressiv: Sowohl die englische "progressive form" als auch die als "Emscher-Durativ"
Minuten lang im Deutschen bilden das Gegenstück zu den Zeitspannenadverbialen; sie oder "Rheinische Verlaufsform" bekannte progressive ow-Konstruktion unterliegen be­
treten im Gegensatz zu diesen typischerweise mit durativen Verben ohne Nachzustand stimmten verblexikalischen Beschränkungen hinsichtlich ihres Vorkommens. Die Frage, 81

78
auf: warum bestimmte Verben unter welchen Bedingungen im Progressiv auftreten können, hat
(73) a. sie quälte den Hund (fünfMinuten lang/Hin fünf Minuten)
allerdings schon mehr Antworten hervorgebracht, als an dieser Stelle referiert werden
82
können. Es seien darum, bevor ich auf den Zusammenhang zwischen Punktualität und
b. sie tanzte (fünfMinuten lang I Hin fünfMinuten)
Progressivität eingehe, nur zwei Ansätze erwähnt, die allerdings insofern konträr sind, als
Das Zeitdaueradverbial wurde bereits von Navratil (1856) als Kennzeichen aspektueller nur der erste auf aktionsartliche Begriffe Bezug nimmt. Dieser erste Ansatz basiert auf
Unterscheidungen entdeckt; demnach kann man auf die Frage Wie lange ...? nur mit im­ Vendler (1957:1441), der annimmt, Zustände ("states") und punktuelle Ausdrücke
perfektiven Verben antworten. Romberg (1899:4f) unterscheidet determinierte Ausdrücke ("achievements") seien von durativen Ausdrücken mit und ohne Nachzustand ("accomp­
(Durativa mit Nachzustand) von indeterminierten (Durativa ohne Nachzustand) dadurch, lishments", "activities") dadurch unterschieden, daß nur letztere den Progressiv erlauben:
daß erstere eine PP mit en 'in' erlauben, letztere eine PP mit pendant 'lang, während'.
(76) a. *she is knowing something ("state")
Später wurden Zeitdaueradverbiale auch von Streitberg (1900:61) als aspektuell-aktions-
b. * she is recognizing somebody ("achievement")
artliche Diagnostika eingesetzt, bevor sie von Vendler (1957:145) und Kenny (1963:172f)
c. she is running ("activity")
zur Abgrenzung von "activities" und Nachzustandsverben (bei Vendler "accomplishments,
d. she is drawing a circle ("accomplishment")
bei Kenny "Performances") benutzt wurden.
79
Darüber hinaus erlauben allerdings auch punktuelle Verben Zeitdaueradverbiale, wenn Es ist allerdings immer wieder beobachtet worden, daß auch bestimmte Zustandsverben
80
sie keinen Nachzustand implizieren: und punktuelle Verben im Progressiv auftreten können (Beispiele aus Dowty
1979:137,173):

7 8
(77) a. the socks are lying under the bed ("state")
V.a. im Deutschen, weniger im Englischen, zeigen viele Verben eine Ambiguität dahingehend,
b. John was falling asleep ("achievement")
daß sie als Nachzustandsverben oder als reine Duratiwerben verstanden werden können. In
letzterer Lesart können sie dann auch mit Zeitdaueradverbialen wie in (i) auftreten. Die Bedin­
gungen, unter denen Verben beide Lesarten haben, sind allerdings nicht ganz klar; v.a. Nachzu­
standsverben, die eine resultative Partikel oder ein Präfix nutführen, scheinen ein lang-Aäsex- Ereignisse ausdrücken und damit ebenfalls Zeitdauerangaben erlauben: sie zerbrach eine halbe
bial nicht zu dulden (ii): Stunde lang Geschirr. (Vgl. z.B. Mori / Löbner / Micha 1992:253).
(i) sie reparierte das Fahrrad (eine halbe Stunde lang I in einer halben Stunde) Die am-Konstruktion wird bereits bei Curme (7P04/1915:4O8) als Progressivkonstruktion des
(ii) sie verschlang die Torte (11 zwei Minuten lang I in zwei Minuten) Deutschen erwähnt (du bist am Ausgehen; sie war am Kartoffelschälen) und hat in jüngerer
Vgl. dazu auch die Studie von Eckardt (1996b) und die Bemerkungen in Engelberg (1994a:26f) Zeit durch Andersson (1989) zur Ruhrgebietsvariante und Bhatt / Schmidt (1993) zur rheini­
und Mori / Löbner / Micha (1992:258). Im Übrigen gilt, daß natürlich auch durative schen Variante zwei ausführlichere Untersuchungen erfahren. Der am-Progressiv unterliegt ne­
Nachzustandsverben mit /awg-Adverbial auftreten können, wenn ihre Objekt-NP kumulativ ist; ben den in diesem Abschnitt noch zu besprechenden aktionsartlichen auch argumentstrukturel­
vgl. das im vorletzten Abschnitt zur Aspektkomposition Gesagte. len Restriktionen. So sind im Standarddeutschen lediglich intransitive Konstruktionen verbrei­
tet (sie ist am Arbeiten), während der Progressiv in den regionalen Varianten auch transitiv
7 9
Vgl. dazu auch die Anmerkungen zum Französischen bei Romberg (1899:13f).
verwendet wird (Hörbeleg: sie sind ihre Mongoleireise am planen); Konstruktionen mit Direk-
8 0
Dies gilt v.a. für irreversible Nachzustände; punktuelle Verben mit reversiblen Nachzuständen
sind etwas verträglicher mit Zeitdaueradverbialen: hiefieleine halbe Stunde lang. tionalphrasen sind allerdings auch hier etwas markierter Qer ist in die Stadt am Laufen).
Anzumerken ist außerdem, daß nicht-gequantelte Objekte bei transitiven (bzw. Subjekte bei Vgl. etwa Binnick (1991:2810) zu verschiedenen Theorien oder die Zusammenstellung von
unakkusativen), punktuellen Verben mit Nachzustand unbegrenzte Wiederholungen punktueller Daten in Quirk et al. (1972:94ffj.
74 75

Der zweite, nicht-aktionsartliche Ansatz geht auf Carlson (1977:168) zurück, der behaup­ vorausgehendes Ereignis lexikalisch präsupponiert ist oder kontextuell erschlossen werden
87
tet, daß Progressivfähigkeit durch die Unterscheidung von Verben in "individual-level" kann, erlauben keinen Progressiv:
83
und "stage-level" Prädikate erfaßt werden könne, insofern als nur letztere den Progressiv
84
(80) a. ^Rebecca was recognizing him ^Rebecca war ihn am Erkennen
erlauben. Daher kann das Stage-Level-Zustandsverb in (77a) im Progressiv stehen, im
b. ^Rebecca was spotting the eagle ^Rebecca war den Adler am Erblicken
Gegensatz zu dem Individual-Level-Zustandsverb in (76a). Aber auch Carlsons Annahme
c. "^Rebecca was noticing that ^Rebecca war das am Bemerken
ist nicht korrekt. So hat etwa Mittwoch (1991:83) bemerkt, daß auch manche Stage-Level-
d. H-that was astonishing Rebecca ^das war Rebecca am Erstaunen
Prädikate nicht im Progressiv auftreten, wie see, hear oder want. Auch wird die man­
85

gelnde Progressivfähigkeit von Vendlers Standardbeispiel für punktuelle Verben, re- Die beiden schon angeführten Arbeiten zum deutschen a/w-Progressiv gehen ebenfalls auf
cognize, nicht erklärt, denn auch dabei handelt es sich um ein Stage-Level-Prädikat. die Frage der lexikalischen Beschränkungen ein. Nach Andersson (1989:101) können alle
Insofern als dieses Kapitel die Relevanz des Punktualitätsbegriffs aufzeigen will, stellt telischen und nicht-telischen Verben mit Ausnahme von Zustandsverben den a/w-Progres-
sich hier vor allem die Frage, welcher Zusammenhang zwischen Punktualität und der siv bilden. Damit kann Andersson den in den Beispielen (78) bis (80) aufgeführten Unter­
Zulässigkeit und Interpretation der Progressivform besteht. Die Antwort muß meines Er­ schieden im Bereich punktueller Verben aber offensichtlich nicht gerecht werden. Bhatt /
achtens drei Fälle unterscheiden und zeigt dabei, daß die Punlrtualitatsbeschränkung so­ Schmidt (1993:721) nehmen ebenfalls keinen Bezug auf eine Punktuell-Durativ-Unter-
wohl für die Zulässigkeit als auch für die Interpretation des Progressivs eine Rolle spielt: scheidung: Sie gehen davon aus, daß nur Individual-Level-Prädikate und nicht-dynami­
i) Punktuelle Verben ohne Nachzustand können im Progressiv auftreten und werden dann sche, nicht von einem Agens kontrollierte Stage-Level-Prädikate (z.B. sehen, hören, rie-
86
iterativ interpretiert; die folgenden deutschen Beispiele folgen der Ruhrgebietsvariante chen) nicht im Progressiv auftreten können. Das verwendete Klassifikationsschema geht
des a/n-Progressivs: auf Hoekstra (1992:160) zurück, dem zufolge für ein nicht-dynamisches Ereignis gilt:
"[...] an event is denoted, but there is no progress in the event, i.e. every point in the time-
(78) a. Rebecca was knocking Rebecca war am Klopfen
span within which the predicate holds is identical to every other." Insofern seien flow und
b. Rebecca was hopping Rebecca war am Hüpfen
rain dynamisch gegenüber see und hear. Da punktuelle Verben wie die in (78) bis (80)
c. Rebecca was pinching Jamaal Rebecca war Jamaal am Kneifen
nicht diskutiert werden und auch unklar ist, in welcher Weise der Dynamizitätsbegriff auf
d. her eyelid was twitching ihr Lid war am Zucken 88
sie anzuwenden wäre, scheint auch dieser Ansatz nur eingeschränkt zur Bestimmung
ii) Solche punktuellen Verben mit Nachzustand erlauben den Progressiv, bei denen ent­ der Progressivfähigkeit von Verben geeignet zu sein.
weder a) lexikalisch präsupponiert ist oder b) kontextuell erschlossen werden kann, daß Fazit: Nur wenn auf den Punktualitätsbegriff rekurriert wird, können die Vorkommens­
der Ereignispartizipant in Subjektposition auch in ein unmittelbar vorausgehendes Ereig­ und Interpretationsbeschränkungen für Verben in der "progressive form" und im am-Pro-
nis involviert ist, das in enger kausaler oder konsekutiver Relation zu dem punktuellen gressiv erfaßt werden. Demnach erlauben punktuelle Verben ohne Nachzustand den Pro­
Ereignis steht. So ist durch gewinnen in (79a) präsupponiert, daß Rebecca an dem Spiel gressiv in iterativer Interpretation (81a) und Verben mit Nachzustand können im Progres­
teilnimmt, und durch ankommen in (79b), daß sie vor dem Ankommen unterwegs war. siv auftreten, wenn das Stattfinden eines dem punktuellen Ereignis vorausgehenden dura­
Dem Sterben, wie in (79c), wiederum geht ein Krank- oder Verletztsein voraus, das dieses tiven Ereignisses mit gleichem Partizipanten wie das punktuelle Ereignis entweder lexi­
verursacht, und (79d) kann etwa in einem Kontext auftreten, in dem von der Schneelast kalisch präsupponiert ist (81b) oder kontextuell erschlossen werden kann:
die Rede ist, die den Zweig nach unten drückt:
(81) a. E-STR: ... ( - ^ n[+PKT])
e

(79) a. Rebecca was winning (the game) Rebecca war (das Spiel) am Gewinnen b. E-STR: ... (-> em[+DUR]: x) ... < ( - > n[+PKT] ) . <
P r e : x z )

b. Rebecca was arriving tRebecca war am Ankommen


c. Jamaal was dying 'Jamaal war am Sterben (gebräuchlicher lag im Sterben) "an"-Konstruktion: Bei manchen Verben im Deutschen alterniert das Akkusativ-Objekt
d. the twig was breaking der Zweig war am Abbrechen mit einer Präpositionalphrase, eingeleitet durch anP Diese Alternation findet sich bei
iii) Verben wie erkennen, erblicken, bemerken oder erstaunen, die punktuelle Ereignisse
mit Nachzustand bezeichnen, für die kein den Agens (oder Experiencer) involvierendes, Der Nachzustand ist bei diesen Verben jeweils ein mentaler Zustand. So ist etwa die Folge
davon, daß man etwas bemerkt, daß man es daraufhin weiß, die Folge davon, daß man etwas
erblickt, daß man es daraufhin sieht.
8 3
S. dazu Kapitel 3.1.3. Es ist überhaupt rätselhaft, was es heißen soll, daß alle Zeitpunkte innerhalb des Intervalls, in
8 4
Ryle (1949:116) hatte ähnlich bemerkt, daß Dispositionsausdrücke, also solche, mit denen man dem ein Prädikat gilt, identisch sind. Der Begriff 'identisch' kann entweder absolut oder relativ
von jemandem sagt, "that he is able to do certain things, when the need arises, or that he is verstanden werden. Im ersten Fall wären natürlich nur bei Intervallen, die aus lediglich einem
prone to do and feel certain things in situations of certain sorts", nicht im Progressiv auftreten. Zeitpunkt bestehen, alle Zeitpunkte t] bis tn in dem Intervall identisch. Im zweiten Fall müßte
8 5
Zumindest sind ganz bestimmte, stark eingeschränkte Kontexte nötig, damit diese Verben auch 'identisch' als 'identisch hinsichtlich einer Eigenschaft' aufgefaßt werden; Hoekstra versteht aber
im Progressiv akzeptabel sind; vgl. dazu Binnick (1991:288). Verben offenbar als Prädikate über Ereignisse und nicht über Zeiten, so daß nicht klar ist, um
8 6
Vgl. zum Englischen Quirk et al. (1972:96), zum Japanischen Mori / Löbner / Micha welche Eigenschaften es hier gehen könnte.
(1992:226ft). Dieser Abschnitt basiert auf Engelberg (1994b).
76 1 1

Verben wie schreiben, reparieren, lesen, kochen, bauen, malen, stricken, essen, manipu- Einige andere Vorkommensbeschränkungen: Einige andere von der Punktuell-Durativ-
lieren, nähen, etc.: Unterscheidung abhängigen Phänomene seien hier zum Abschluß noch kurz angeführt:
(82) a. sie schrieb einen neuen Roman I an einem neuen Roman
i) Streitberg (1900:611) bemerkt, daß punktuelle Verben mit Nachzustand (bei ihm "mo­
b. sie reparierte ihr Motorrad I an ihrem Motorrad
mentan-perfektive" Verben) im Gegensatz zu durativen Verben mit Nachzustand ("dura­
tiv-perfektive") nicht in einem Komplementsatz von beginnen auftreten können. Sein
Ausgeschlossen von dieser Alternation sind solche transitiven Verben, die Zustände oder Beispiel kontrastiert die beiden Verben durchbohren und durchbohren:
punktuelle Ereignisse bezeichnen (83a, 83b, 83c). Unter den Verben, die auf Ereignisse
(86) a. er begann das Brett durchzubohren
von Dauer referieren, sind wiederum nur die mit der aw-Konstxuktion akzeptabel, die eine
90 b. *er begann den Feind zu durchbohren
Zustandsveränderung beinhalten (83d vs. 8 3 e ) .

(83) a. sie kannte einen guten Arzt I *an einem guten Arzt E-STR: Ähnlich führt Dowty (1979.59) die Unverträglichkeit von "achievements" im Kontext
•(-»1«)
sowohl vonfinishals auch von stop an:
b. sie kniff ihren Freund I *an ihrem Freund E-STR .(^jenf+PKT])...
c. sie sprengte eine Brücke I *an einer Brücke E-STR:. (-• en[+PKT])... < ( _ )
I > IZ (87) a. *Johnfinished noticing the painting
d. sie quälte ihren Dackel I *an ihrem Dackel E-STR.(_> n[+DUR])... ie b. *John stopped noticing the painting
e. sie nähte ein Abendkleid I an einem Abendkleid E-STR . n[+DUR]) ... < (_>! )
e Z

Entsprechend sind punktuelle Verben mit Nachzustand auch nicht mit fertig und zum Teil
Die Beschränkungen für die aw-Konstruktion wurden von Filip (1989:276ff) dahingehend modifizierbar (Pinon 1996):
bestimmt, daß nur nicht-punktuelle, inhärent telische Verben mit inkrementellem Objekt
(88) a. Hlnes hat den Gipfel fertig I zum Teil erreicht
die Konstruktion erlauben. Daß Inkrementalität eine zu strenge Restriktion ist, sieht man
b. HPeter hat Katja fertig I zum Teil erkannt
- wie schon oben bei der Diskussion um die Lizenzierung von Zeitspannenadverbialen -
an Verben wie reparieren oder kochen, die keine inkrementelle Abarbeitung involvieren, ii) Punktuelle Verben ohne implizierten Nachzustand erhalten im Kontext aspektueller
trotzdem aber mit der a«-PP konstruiert werden können. Verben eine iterative Interpretation:
Eine weitere Beschränkung für die an-Konstruktion besteht darin, daß das Subjekt ein
(belebter) Agens sein muß (Filip 1989:283f): 91 (89) a. sie fing an zu hüpfen
b. sie hörte aufzu hüpfen
(84) a. er bügelte an seinem Chorhemd
b. 11die Maschine bügelte an dem Chorhemd (aus Engelberg 1994a:37) Sie erlauben in dieser Interpretation im Gegensatz zu punktuellen Verben mit Nachzu­
stand auch A/s-PPs:
Fazit: Die aw-Konstruktion kann bei solchen zweistelligen Verben anstatt des Akkusativ­
objektes auftreten, die ein duratives, agentivisches Ereignis mit Nachzustand bezeichnen: (90) a. sie klopfte auf den Tisch bis alle zuhörten
b. 11sie zerbrach die Scheibe bis alle zuhörten
(85) E-STR: ... (->
r
+
e"»[ DUR] A G E N S yPATIENS) ... <
:X ; z : yPATIENS)
iii) Adverbien wie schnell oder langsam beziehen sich bei punktuellen Verben mit Nach­
zustand immer auf die Zeit zwischen einem kontextuell gegebenen Zeitpunkt und dem
Beginn des punktuellen Ereignisses:
Genauer muß es hier heißen, daß nicht nur eine Zustandsveränderung stattfindet, sondern auch,
daß sie sich an dem Individuum vollzieht, das in der PP ausgedrückt wird. Das zeigt sich bei (91) a. der Stahlträger zerbrach schnell
dem Verb malen, das zwei Accomplishment-Varianten hat (i ind ii), von denen nur diejenige
b. sie erkannte ihn schnell
die Altemation mit der aw-PP zuläßt, die den sich verändernden Partizipanten in der PP reali­
siert (iii). Beispiel (iv) ist bestenfalls in metonymischer Lesart akzeptabel, in dem Sinne von c. sie fand die Lösung nur langsam
'sie malt an einem Bild von ihrem Opa':
iv) Die Bedingungen, unter denen im Deutschen inchoative Verben mit oder ohne Refle-
(i) sie malt ein Bild (in einer halben Stunde)
(ii) sie malt ihren Opa (in einer halben Stunde) xivum verwendet werden (z.B. der Zweig biegt sich vs. der Zweig bricht), hat Oya (1996)
(iii) sie malt an einem Bild untersucht Unter anderem gilt demnach, daß Verben, die punktuelle Ereignisse bezeich­
(iv) 11sie malt an ihrem Opa nen, als Inchoativa nie mit Reflexivum auftreten (Oya 1996:10), z.B. zerbrechen, knicken,
Darüber hinaus gibt es zwei weitere Beschränkungen: zum einen ist die aw-Konstruktion auf erschrecken, umstürzen, abreißen, losbrechen, etc., nicht aber *sich zerbrechen, *sich
nicht-präfigierte Verben beschränkt (zu den Gründen dafür finden sich Überlegungen in Engel­
knicken u s w . 9 2

berg (1994a:37), zum anderen tritt die aw-Konstruktion aus mir nicht bekannten Gründen nicht
mit abgeleiteten Kausativa auf:
(i) Her trocknete an seinen Socken
Die anderen beiden Bedingungen besagen, daß die nicht-reflexive Konstruktion gebraucht wird,
(ii) Her schmolz an dem Eis wenn der Sachverhalt von Natur aus entsteht (schmelzen, verderben, gären) oder eine Bewe­
(iii) Her leerte an der Flasche gung eines Objekts ausdrückt (fahren, rollen, segeln) (Oya 1996:10).
78 79

Zusammenfassung: In diesem Kapitel wurde für die Unterscheidung von Verben plädiert (92) a. [she has melted the butter -> the butter has melted]
in solche, die durative Ereignisse, und solche, die punktuelle Ereignisse bezeichnen, wobei b. [she has dried her hair —> her hair has dried]
in beiden Fällen wiederum zu differenzieren ist zwischen solchen, bei denen ein Nach­ c. [she has felled the tree —• the tree has fallen]
zustand in der Verbbedeutung angelegt ist, und solchen, bei denen das nicht der Fall ist.
Die gleichen Verben im Progressiv zeigen aber nur zum Teil das gleiche Inferenzverhal-
Eine Reihe von Phänomenen motiviert diese Unterscheidungen:
ten:
• Zeitpunktadverbiale bestimmen bei punktuellen Verben die Ereigniszeit; bei durativen
Verben und punktuellen Verben mit präsupponiertem Vorbereitungsereignis werden (93) a. [she was melting the butter -> the butter was melting]
Zeitpunktadverbiale in jeweils unterschiedlicher Weise abhängig vom Tempus inter­ b. [she was drying her hair —> her hair was drying]
pretiert. c. —\she was felling the tree —> the tree was falling]
• Zeitspannenadverbiale treten bei (transitiven und intransitiven) durativen Nach-
Der Grund für die fehlende Implikation in (93c) ist offensichtlich: Die Aktivitäten, die das
zustandsverben auf; bei punktuellen Nachzustandsverben sind sie zulässig, wenn ein
Fällen eines Baumes ausmachen, finden statt, bevor der Baum fällt. Bezogen auf die Zeit,
vorausgehendes Ereignis präsupponiert ist.
von der in (93c) die Rede ist, folgt aus dem Am-Fällen-Sein kein Am-Fallen-Sein. Das gilt
• Zeitdaueradverbiale kommen mit durativen Verben vor, ebenso wie mit punktuellen
nicht für die anderen beiden Beispiele: Wenn jemand dabei ist, sein Haar zu trocknen, so
Verben, die dann iterativ interpretiert werden.
trocknet sein Haar dabei. Bezogen auf die Zeit, von der die Rede ist, folgt in (93b) der
• Im Progressiv werden punktuelle Verben ohne Nachzustand iterativ interpretiert.
intransitive aus dem transitiven Satz.
Darüber hinaus können auch solche punktuellen Verben mit Nachzustand im Progres­
Die temporalen Relationen zwischen Teilereignissen bestimmen also das Inferenzver-
siv verwendet werden, für die lexikalisch präsupponiert ist oder kontextuell erschlossen
halten der Verben im Progressiv. Nur solche Kausativa mit einer Ereignisstruktur wie in
werden kann, daß der Subjektreferent an einem unmittelbar vorausgehenden Ereignis
(94a), nicht aber solche mit der Ereignisstruktur in (94b), implizieren im Progressiv den
beteiligt ist, das in enger kausaler oder konsekutiver Relation zu dem punktuellen Er­ n
entsprechenden nicht-kausativen Satz im Progressiv (d.h., einen Satz, der lediglich e
eignis steht.
beschreibt).
• Zweistellige, agentivische Verben zeigen einen Valenzwechsel zwischen der Akkusativ-
NP und einer o«-PP, wenn sie ein duratives Ereignis mit einem in der Verbbedeutung (94) a. E-STR: (->j e»>: x, y) o (->i e": y) ...
angelegten Nachzustand bezeichnen. b. E-STR: (-»! e™ x, y) < (->! e": y) ...
• Außerdem hängen weitere Phänomene von der Dmativ-Punktuell-Unterscheidung ab,
wie die Zulässigkeit und Interpretation von Verben im Kontext von anfangen, aufhö- Zeitspannenadverbiale und temporale Relationen: Typisch für durative Nachzustands­
ren, fertig, zum Teil und bis-PPs und die Wahl eines Reflexivums durch inchoative verben ist die Möglichkeit, durch ein Zeitspannenadverbial modifiziert zu werden, wie
Verben. etwa anstreichen in (95a). Einige solcher Nachzustandsverben, und zwar auch solche, die
in ihrer nicht-kausativen Variante /«-Adverbiale erlauben (95b, 95c), sind mit solchen
93
Adverbialen kaum akzeptabel (95d, 9 5 e ) :
2.2.4 Temporale und semantische Relationen
(95) a. sie strich das Haus in zehn Minuten an
b. das Haus brannte in drei Stunden nieder
Einleitung: Die einzelnen Teilereignisse, so die Idee in Kapitel 2.1.1, sind untereinander
c. der Tanker versank in drei Stunden
durch temporale Relationen verknüpft, d.h., sie folgen aufeinander oder finden gleich­
d. s/e brannten das Haus in drei Stunden nieder
??

zeitig statt. Die Teilereignisse wiederum sind durch semantische Relationen mit den den
e. -die Rakete versenkte den Tanker in drei Stunden
n

thematischen Argumenten entsprechenden Partizipanten verbunden. In diesem Kapitel


f. sie fällte den Baum in fünfMinuten
sollen verschiedene Phänomene betrachtet werden, die sensibel sind für solche Unter­
scheidungen. Ich werde mich auch hier zur Bezeichnung der semantischen Relationen auf Mit niederbrennen liegt ein Verb vor, das eine ähnliche temporale Struktur wie das im
die groben Rollen Agens und Patiens beschränken, insofern es hier vor allem um die In­ letzten Abschnitt besprochene fällen hat. Das Verursachungsereignis, in diesem Fall das
volvierung von Partizipanten in einzelne Teilereignisse geht und nicht um die genauen Anzünden des Hauses, geht dem verursachten Ereignis, hier dem Herunterbrennen des
semantischen Relationen, die sie dabei eingehen. Auf solche Relationen komme ich im Hauses, voraus. Daß aber die Vorzeitigkeitsrelation zwischen den Teilereignissen allein
Einzelnen noch in Kapitel 4.2 zu sprechen. die Modifikation durch Zeitspannenadverbiale nicht ausschließt, zeigt fällen in (95f), das
eine solche Modifikation zuläßt. Nun kennzeichnet fällen, daß das verursachende Ereignis
Progressivinterpretation und temporale Relationen: Zwischen unakkusaüven Verben und
durativ ist und das verursachte punktuell (Lex. 15), während die Verhältnisse bei nieder-
ihren kausativen Gegenstücken besteht eine Implikationsrelation, wie sie sich in den fol­
brennen genau andersherum liegen (Lex. 16). Offenbar gilt also, daß ein /«-Adverbial nur
genden Beispielen im Perfekt ausdrückt:

Kaufmann (1995a:241ff) diskutiert solche Beispiele.


80 81

dann voll akzeptabel ist, wenn der Agens, soweit vorhanden, bis zum Ende der Zustands- (96) a. die Straße bleibt gesperrt die Straße ist gesperrt
änderung, also dem Beginn des Nachzustands, ins Ereignis involviert ist. Genau das ist b. die Kaserne bleibt bewacht die Kaserne ist bewacht
bei anstreichen (Lex. 14) und fällen (Lex. 1 5 ) , nicht aber bei niederbrennen (Lex. 16)
94
2
c. H-der Professor bleibt geduzt H-der Professor ist geduzt
der Fall: 95
d. H-die Freundin bleibt gequält H-die Freundin ist gequält
e. H-die Brücke bleibt gesprengt die Brücke ist gesprengt
f. H-die Akten bleiben vernichtet die Akten sind vernichtet
anstreichen: x , y^
n o m 3

E-STR (-»I e [ l: x 1 + D U R A G E N S
,y P A T I E N S
) < > (->T e [ 2 +DUR
l : yPATiENS) Auf das für dieses Kapitel relevante Phänomen im Zusammenhang mit dem bleiben-Pas-
< (_> ; yPATIENS)
Tz
siv machen Höhle (1978:40f) und Lenz (1993b: 10) aufmerksam: Während einige Verben
in A/e/Aen-Konstruktionen eine Agensphrase erlauben, ist diese bei anderen Verben, die
Lex. 14: Ereignisstruktur von anstreichen. ein einfaches bleiben-Passiy erlauben, ausgeschlossen:

xnom, yakk (97) a. die Fabrik blieb (von den Arbeitern) besetzt
fällen:
b. das Haus blieb (vom Sicherheitsdienst) bewacht
E-STR: e l[+DUR] AGENS yPATIENS) < (_). 2[+PKT] yPATIENS)
:x ; T
e :

< (_).T z: yPATIENS) c. die Straße blieb (von der Polizei) gesperrt
d. der Strom blieb ( vom E-Werk) abgeschaltet
?

Lex. 15: Ereignisstruktur von fällen. e. die beiden blieben ( vow Standesbeamten) verheiratet
??

f. die Tür blieb ( von Kurf) geschlossen


??

g. der Tänzer blieb ( vo/n Garderobier) angezogen


??

niederbrennen^. y n o m

E-STR: (->I eM+DUR] yPATIENS) < (_> ; yPATIENS) h. die Akten blieben ( von Müller) alphabetisch sortiert
??

: TZ

niederbrennen^. x , y ^
n o m 3
Während Höhle (1978:41) sich über die Gründe für diese Beschränkungen im Unklaren
E-STR: (->i e i [ l: x ,y ) < (-*i e [
+ P K T A G E N S P A T I E N S 2 + D U R
l : yPATIENS) ist, vermutet Lenz (1993b), daß es durative Verben sind, die im Gegensatz zu nicht-dura­
< (_> ; yPATIENS)
TZ
tiven im bleiben-Pd&si\ eine Agensphrase erlauben. Das scheint insofern nicht richtig, als
sich auch unter den Verben, die keine von-PP zulassen, solche wie in (97g) und (97h)
Lex. 16: Ereignisstruktur von niederbrennen. finden, die im Aktivsatz Ereignisse von Dauer bezeichnen. Vielmehr gilt, daß der resultie­
rende Zustand vom Handlungsagens kontrolliert werden muß. Während in (97e) der Stan­
Agens beim "bleiben"-Passiv: Neben dem in Kapitel 2.2.2 schon besprochenen mit sein
desbeamte zwar den Nachzustand des Verheiratetseins herbeiführt, hat er auf dessen Auf­
gebildeten Zustandspassiv kennt das Deutsche eine weitere Passivkonstruktion, und zwar
rechterhaltung keinen Einfluß, im Gegensatz zu (97c), wo die Polizei nicht nur die Stra­
die mit bleiben?*" Das bleiben-Passiv kann wie auch das se/n-Passiv von Verben gebildet
ßensperrung herbeigeführt hat, sondern auch die Dauer der Sperrung kontrolliert. Es gilt
werden, bei denen ein resultierender Zustand in der Verbbedeutung angelegt ist, wie in
also, daß Verben wie sperren, bei denen der Nachzustand vom Agens kontrolliert ist
(96a, 96b) vs. (96c, 96d). Ausgeschlossen ist es allerdings bei irreversiblen Zuständen wie
97
(98a), eine Agens-Phrase im Wez'Aew-Passiv erlauben, ebenso wie Verben, die wie bewa-
in (96e, 96f):
chen die Aufrechterhaltung eines Zustandes parallel zur Agenshandlung ausdrücken
(98b).
9 4
Insofern punktuelle Ereignisse als Ereignisse von sehr kurzer Dauer charakterisiert sind (s.
Kap. 6.3.3), ist der Agens bei fällen genaugenommen nur bis kurz vor dem Einsetzen des Nach­ (98) a. E-STR: ... < (->i z: x N S yPATIENS) A G E
; (z.B. sperren, besetzen)
zustands, also dem Liegen des Baums, beteiligt; dieser kurze Moment ist aber offenbar nicht b. E-STR: ... o (->i z: xÄGENS, yPATIENS) ( .B. bewachen, bedrohen)
Z

relevant.
9 5
In welchem Maße diese Eigenschaften durch die Verbbedeutung festgelegt sind und in wel­ Dabei ist auch hier anzumerken, daß die Zustandskontrolle, wie bei bewachen, lexikalisch
chem Maße durch den Kontext, ist dabei von Fall zu Fall verschieden. In begrenztem Maße las­ impliziert sein kann oder, wie bei abschalten in (97d), kontextuell erschlossen wird.
sen sich etwa für niederbrennen auch Beispiele konstruieren, die eine nicht-punktuelle Agens­
handlung beinhalten: durch ständiges Anfachen des Feuers brannten sie das Haus in drei Stun- Prospektivadverbial: Durch für eingeleitete temporale Präpositionalphrasen geben typi­
98 99
den nieder. scherweise die Dauer eines Nachzustands a n . Solche 'Prospektivadverbiale' können
9 6
Dieser Abschnitt basiert auf Engelberg (1994a:40ff). jedoch nicht mit allen Nachzustandsverben auftreten:
9 7
Diese Restriktion muß sicherlich noch strenger formuliert werden, bzw. müßte erklärt werden,
in welchem Sinn in (i) und (ii) reversible und in (iii) und (iv) irreversible Zustände vorliegen:
(i) die Tür blieb geschlossen Die Darstellung in Engelberg (1994a:27), an die sich dieser Abschnitt zum Prospektivadverbial
(ii) die Seile blieben verknotet anlehnt, basiert auf umfangreichen Textkorpusanalysen zur filr-PP.
(iii) H-der Wagen blieb repariert Der Name Prospektivadverbial' soll festhalten, daß es sich auf den Nachzustand, also auf eine
(iv) H d a s Geschirr blieb gespült nach der eigentlichen Ereigniszeit liegende Phase bezieht.
82 83

(99) a. die Arbeiter besetzten die Fabrik für eine Stunde Ähnlich wie bei der Diskussion des Zeitspannenadverbials im vorletzten Abschnitt gelten
b. die Polizei sperrte die Straße für eine Stunde die angeführten Bedingungen nur für den Fall, daß ein Agens vorhanden ist. Dabei war
c. Bernard verließ Botswana für einige Wochen das Auftreten eines Zeitspannenadverbials dahingehend beschränkt, daß der Agens über
d. Hsie aß den Apfel für eine Stunde die gesamte Ereignisdauer bis zum Eintreten des Nachzustands in das Ereignis involviert
e. Hsie putzte den Flur für eine Stunde sein muß, während für das Prospektivadverbial gilt, daß er bis zum Ende des Nach­
t Hsie verlor den Schlüssel für einige Stunden zustands am Ereignis kontrollierend beteiligt sein muß.
Von den Fällen in (99) zu unterscheiden ist eine andere temporale Lesart der für-PP. An­ Die zweite Bemerkung betrifft die Art des Einflusses, die der Agens auf den Nachzu­
ders als in (99) gibt die für-PP in (100) nicht die Dauer des Nachzustandes an, sondern die stand haben muß. Die Identität der Restriktionen für das Prospektivadverbial und der für
Länge der Zeit, in der das Bestehen des Nachzustands der Erfüllung eines bestimmten den Agens beim bleiben-Passiv sagt voraus, daß sich jedes Verb gleich bezüglich der bei­
Zwecks dient. So beinhaltet (99b), daß die Sperrung nach einer Stunde aufgehoben wurde, den Phänomene verhalten sollte. Das ist meistens (103), aber nicht immer (104) der Fall:
aber weder meint (100a), daß das Haus nach fünf Jahren zusammenbricht, noch (100b), (103) a. sie besetzten die Fabrikfür zwei Stunden
daß das Motorrad am Abend wieder schmutzig ist. Die finale für-PP in (100) und die b. die Fabrik blieb von ihnen besetzt
100
prospektive in (99) sind also auseinanderzuhalten.
(104) a. Kurt schloß die Tür fürfünfMinuten
(100) a. sie bauten ein Haus für die fünfJahre, die sie in Duisburg bleiben wollten b. H-die Tür blieb von Kurt geschlossen
b. sie putzte das Motorrad für den heutigen Nachmittag
Die Bedingungen für die Agens-Phrase beim bleiben-Passiv scheinen insofern strenger,
Hinsichtlich der Restriktionen für das Auftreten des Prospektivadverbials wurde ange­ als der Agens den Resultatszustand über die ganze Zeit hinweg aktiv kontrollieren muß,
nommen, daß die durch che für-PP modifizierten Nachzustände reversibel sein m ü s s e n . 101

während es für das Prospektivadverbial genügt, wenn die Dauer des Nachzustands inten­
Das erklärt allerdings nur die Unakzeptabilität von (99d), nicht aber die von (99e) und diert ist und bei Beginn des Nachzustands davon auszugehen ist, daß der Nachzustand
(99f). Tatsächlich haben wir es hier mit ähnlichen Restriktionen zu tun wie denen für das vom Agens revidiert werden kann oder er dessen Revision zumindest miteinkalkuliert hat.
Auftreten der Agens-Phrase beim bleiben-Pass\\. Ein Prospektivadverbial kann nur dann So impliziert Satz (104a), daß entweder i) im Fall, daß das Schließen-Ereignis schon län­
auftreten, wenn der Agens den Nachzustand kontrolliert. Genau das ist in (99a) der Fall, ger als fünf Minuten vor der Sprechzeit liegt, Kurt die Tür tatsächlich nach fünf Minuten
wo die Fabrik solange besetzt ist, wie die Arbeiter sie besetzt halten, in (99b), wo die Poli­ wieder geöffnet hat, oder ii) im Fall daß das Schließen-Ereignis erst kurz vor der Sprech­
zei die Dauer der Sperrung unter Kontrolle hat, und in (99c), wo davon auszugehen ist, zeit liegt, Kurt selbst die Tür nach Ablauf der fünf Minuten wieder öffnen wird, oder er
daß Bernard seinen Aufenthaltsort, in oder außerhalb Botswanas, selbst bestimmen kann. davon ausgeht, daß jemand anders die Tür nach fünf Minuten wieder öffnen w i r d . 103

Zweistellige, agentische Verben mit einer Ereignisstruktur wie in (101a) erlauben also im
Gegensatz zu solchen vom Typ (101b) ein Prospektivadverbial: 102 Implikationen beim Zustandspassiv: Das schon in Kapitel 2.2.2 besprochene Zu-
standspassiv bezeichnet einen in der Verbbedeutung angelegten Zustand, der Ergebnis des
(101) a. E-STR: ... < (—»j z: xAGENS, yPATIENS) verbalen Ereignisses ist. Das Verhältnis zwischen dem Zustand und diesem Ereignis ist
(z.B. sperren(x,y\ besetzen(x,y), verlassen(x,y)) abhängig von der Verbbedeutung, und die entsprechenden lexikalischen Unterschiede
b. E-STR: ..^(-^yPATIENS) schlagen sich in dem Inferenzverhalten der passivischen Sätze nieder: 104

(z.B. essen(x,y\ verlieren(x,y), töten(x,y))


(105) a. [der Wagen ist repariert (vonjmdm.) —> jemand hat den Wagen repariert]
Zwei Anmerkungen sind zu dieser Analyse zu machen. Die erste betrifft die Möglichkeit b. -t[der Wagen ist repariert (von jmdm.) —> jemand repariert (gerade) den Wagen]
agensloser, intransitiver Nachzustandsverben, durch die für-PP modifiziert zu werden:
(106) a. -i[die Bank ist bewacht (von jmdm.) —> jemand hat die Bank bewacht]
(102) a. der See fror für einen Monat zu (aus Kaufmann 1995a:246) "b. [die Bank ist bewacht (von jmdm.) —> jemand bewacht (gerade) die Bank]
b. der Schatz verschwand für Jahrhunderte unter einem Trümmerhaufen

Es sei nicht verschwiegen, daß eine Gruppe von Verben sich nach wie vor dieser Analyse ent­
1 0 0
Unter bestimmten Bedingungen tritt die für-PP außerdem auch mit einfachen durativen oder zieht; so gibt es bei Ortswechselverben fast bedeutungsgleiche Paare, bei denen das eine Verb
Zustandsverben auf; auch Substantive vom Stage-Level-Typ erlauben für-PPs (Kaiser für drei mit einem Prospektivadverbial deutlich unakzeptabler ist als das andere:
Wochen); vgl. dazu Engelberg (1994a:28f). (i) er ging ins Museum für eine Stunde vs. Her betrat das Museum für eine Stunde
1 0 1
Das nimmt etwa Pustejovsky (1991:74) fürs Englische an, wo das Prospektivadverbial (he left (ii) er verließ Berlin für zwei Wochen vs. e rfuhr aus Berlin für zwei Wochen ab
??

the house for twenty minutes) und das Zeitdaueradverbial (he jogged for twenty minutes) die Man mag annehmen, daß abfahren im Gegensatz zu verlassen eher eine nachfolgende Aktivität
beiden Lesarten der for-PP konstituieren; auf diese Ambiguität der/or-PP im Englischen hatte (das Fahren) als einen Nachzustand beinhaltet, aber das Beispiel (i) läßt sich so nicht erklären.
bereits Morgan (1969:61) hingewiesen. Uber die Akzeptabilität der von-Phrase in den Beispielen (105) bis (107) besteht Uneinigkeit;
1 0 2
Auch hier gilt, daß die Nachzustandskontrolle auch kontextuell erschlossen sein kann, wie in sie soll hier auch lediglich andeuten, daß es sich um agentivische Verben / Verbvarianten han­
sie schob die Arbeit für eine halbe Stunde beiseite. delt, genauer, um solche, die einen Agens und einen Patiens valenzfordern.
84

(107) a. [die Straße ist blockiert (von jmdm.) -> jemand hat die Straße blockiert] 3 Argumentstruktur
b. [die Straße ist blockiert (von jmdm.) -> jemand blockiert (gerade) die Straße]

Während aus dem Zustandspassiv von reparieren also der perfektische, nicht aber der
präsentische Aktivsatz folgt, läßt das Zustandspassiv von bewachen die Folgerung auf den 3.1 Prädikat-Argument-Strukturen
präsentischen, nicht aber den perfektischen Aktivsatz zu, und aus dem Zustandspassiv des
agentivischen blockieren folgen beide Aktivsätze. Diese Folgerungen spiegeln unter­
schiedliche Relationen in den Ereignisstrukturen der jeweiligen Verben wieder. So kon­ 3.1.1 Thematische Argumente
stituiert reparieren ein typisches duratives Nachzustandsverb (108a), bewachen referiert
dagegen auf eine Handlung, die dazu dient, etwas in einem bestimmten Zustand des Ge­ Prädikate und Argumente: Nach der verbreitetsten Grundannahme verbsemantischer
schütztseins, Gesichertseins zu halten (108b), und blockieren schließlich bezeichnet eine Theorien sind Verben als Prädikate zu repräsentieren, die über eine Liste von Argument­
Handlung, die zu dem Nachzustand des Blockiertseins führt, welcher aber, im Gegensatz stellen verfügen, welche durch Argumentvariablen ( x x , ...) einer Prädikatskonstante
1; 2

zu reparieren, von dem Handlungsagens kontrolliert wird (108c): Wird eine Straße von (KAUF, ESS, GEH, ...) repräsentiert werden. Die intuitive Idee hinter Prädikat-Argument-
Demonstranten blockiert, so bleibt sie solange blockiert, wie die Demonstranten den Strukturen ist, daß Argumente bestimmten Entitäten entsprechen und Prädikate Eigen­
105
Blockadezustand aufrechterhalten. schaften dieser Entitäten oder Relationen zwischen Entitäten beschreiben. Prädikate unter­
(108) a. E-STR: ... < (->\ z: yPATIENS) (zB. reparieren) scheiden sich dabei in ihrer Stelligkeit, d.h., sie können unterschiedlich viele Argumente
b. E-STR: ... o (->i z: xAGENS, yPATIENS) (z.B. bewachen) fordern: P(x), Q ( x x ) , R(x ...,x¡¿. Die Anzahl der Argumentstellen eines bestimmten
1; 2 h

c. E-STR: ...<(->i z: AGENS yPATIENS) ( .B. blockieren) Prädikats ist allerdings fest und somit charakteristisch für dieses Prädikat. Gemeinhin
X ; Z

wird davon ausgegangen, daß die den Argumenten entsprechenden Entitäten in verschie­
Zusammenfassung: In diesem Kapitel wurde gezeigt, daß das Auftreten einer Reihe von dener Weise in das durch das Verb bezeichnete Ereignis involviert sind. Solche Argu­
Phänomenen abhängt von temporalen Relationen zwischen Teilereignissen und der Invol­ mente sollen hier thematische Argumente genannt werden, in Gegenüberstellung zu den
vierung von Ereignispartizipanten in einzelne Teilereignisse: später zu besprechenden Ereignisargumenten (Kap. 3.1.3).
• Die temporalen Relationen zwischen verursachendem und verursachtem Teilereignis Die Anzahl der Argumente: Insofern als Prädikate hier zur Repräsentation von natürlich­
bestimmen, welche Implikationen von kausalen Sätzen im Progressiv auf die entspre­ sprachlichen Ausdrücken herangezogen werden, stellt sich natürlich die Frage, wie eine
chenden nicht-kausalen Sätze im Progressiv gelten. den sprachlichen Daten gerecht werdende Entscheidung über die Anzahl der Argumente
• Die kontinuierliche Einbindung des Agens in das Ereignis bis zum Eintreten des Nach- eines verbalen Prädikats getroffen werden kann. Das Problem der Stelligkeit von Prädika­
zustands bestimmt die Zulässigkeit von /«-Adverbialen bei Nachzustandsverben, wäh­ ten ist innerhalb der Linguistik vor allem in der Valenztheorie diskutiert worden, hier aber
rend die kontrollierende Beteiligung des Agens am Nachzustand selbst das Auftreten vor allem als Frage nach der Anzahl und Art der vom Verb geforderten syntaktischen
von Prospektivadverbialen und von präpositionalen Agens-Phrasen beim bleiben-Passi\ Ergänzungen. Die Arbeit von Jacobs (7987/1994.33ff) hat allerdings gezeigt, daß der
lizenziert. Begriff 'Argument' zwar in regelhaften Zusammenhängen steht mit solchen Einheiten wie
• Die zeitliche Einordnung eines verbspezifischen Zustands, entweder als parallel zur der syntaktisch spezifizierten Valenzstelle, der inhaltlich spezifizierten Valenzstelle, der
Agenshandlung oder als der Agenshandlung nachfolgend, erklärt, warum bestimmte notwendigen Ergänzung oder der des Ereignisbeteiligten, aber keinesfalls mit einer davon
Folgerungen von Sätzen im Zustandspassiv auf entsprechende aktivische Sätze möglich gleichgesetzt werden kann, auch nicht in dem Sinne, daß jedem Argument ein Element
1
sind. auf einer der anderen Ebenen zugeordnet werden kann und umgekehrt (s. Kap. 3.2.2).
Eine Präzisierung dessen, was als Argument eines Prädikats aufzufassen ist, sollte zum
einen unsere Intuition spezifizieren, warum ein Verb wie warten genau zwei eng mit ihm
verbundene semantische Stellen hat, und zwar die, die in (la) realisiert sind, im Gegen­
satz zu der temporalen und lokalen Phrase in (lb).

Eine Bemerkung zur Terminologie: Komplemente' oder 'Ergänzungen' (der in der deutschen
Valenztheorie übliche Terminus) sind Ausdrücke, die syntaktischen Valenzforderungen eines
1 0 5
Auf ähnliche Fälle macht Rodenbusch (1907:125) aufmerksam: so sei der Schnee deckte die Verbs (oder eines anderen Lexems) genügen. Ein Komplement' sättigt eine syntaktische Va­
Erde dreifach ambig zwischen der Lesart (i) 'der Schnee deckte sie vollständig zu' (in Vendlers lenzstelle des Verbs; ein 'Adjunkt' oder - wie es in der Valenztheorie genannt wird - eine
Termini ein Accomplishment), (ii) 'der Schnee deckte sie immer mehr zu' (in Vendlers Termini '(freie) Angabe' tut dies nicht. Den "Komplementen' entsprechen auf semantischer Ebene
eine Activity) und (iii) 'die Erde war von einer Schneedecke bedeckt', also einer Nachzustands- 'Argumente', die den semantischen Valenzforderungen eines Verbs genügen. Ein 'Argument'
lesart, wie sie auch bei blockieren vorliegt. Auch hier bezeichnet ein Verb also sowohl den Pro­ sättigt eine Argumentstelle, also eine semantische Valenzstelle des Verbs. Ein 'Modifikator' als
zeß des Herbeiführens eines bestimmten Resultats als auch das Resultat selbst. semantische Entsprechung des 'Adjunkts' tut dies nicht.
86 87

(1) a. Rebecca wartet auf Jamaal Der Akkumulierbarkeitstest: Operationale Verfahren, die zur Ermittlung von Argumenten
b. Rebecca wartet seit vier Uhr an der Haltestelle geeignet sein könnten, indem sie auf - so Jacobs (7987/1994:17) - "natürlichsprachliche
Korrelate der Argumenthaftigkeit" verweisen, sind vor allem in der Valenztheorie im
Zum anderen sollte eine solche Präzisierung uns Kriterien an die Hand geben, nach denen
Zusammenhang mit der Abgrenzung von Ergänzungen und freien Angaben diskutiert
wir problematische Fälle entscheiden können, wie etwa die Frage, ob die unterstrichenen
worden. Diese Diskussion über die Adäquatheit und Probleme der verschiedenen Ausglie-
Konstituenten in (2) auf Argumente z^clczuführen sind oder nicht.
derungs- und Substitutionsverfahren soll hier nicht in aller Vollständigkeit wiederholt
a. Dirk trägt das Fahrrad mdenKeller
2
(2) werden. Ich möchte lediglich einige der interessanteren Verfahren diskutieren.
b. sie stellt den Honig in den Schrank So erscheint das in der traditionellen Valenztheorie angeführte Kriterium der Nicht-
c. er wohnt in Ottmarsbocholt akkumulierbarkeit von Ergänzungen als vermeintliches syntaktisches Korrelat der Argu­
d. sie trägt ihm das Fahrrad menthaftigkeit. Demnach erhöhen Ergänzungen, nicht aber Angaben die syntaktische
e. er spielt mit seinen Freunden Komplexität des Ausdrucks und erlauben somit keine Rekursivität (Fourquet / Grunig
3
1971:15). Die Akkumulation von Lokativangaben wie in (5a) ist damit grammatisch,
Um diese Fragen zu entscheiden, können Überlegungen zum Argumentstatus auf ver­
nicht aber die des Themaarguments in (5b):
schiedenen Ebenen angestellt werden:
• Es wird nach systematischen Korrelationen zwischen vermeintlichen Argumenten und (5) a. sie ißt am Tisch in der Küche in ihrer neuen Wohnung
Form und Verhalten der den Argumenten entsprechenden Konstituenten auf der syn­ b. ißt die Pizza das große Stück die Spezialität
taktischen Ebene gesucht. Beschränkt wird die Akkumulierbarkeit von Konstituenten dadurch, daß diese in einem
• Es wird gezeigt, in welcher Hinsicht die Entscheidung über den Argumentstatus von inhaltlichen Verhältnis zunehmender Spezifität, wie in (5a) im Gegensatz zu (6a), stehen
den Bedingungen der kompositionellen semantischen Verarbeitung von Verbbedeutun­ müssen (Jacobs 7987/1994:61). Spezifizierbarkeit allein lizenziert Akkumulation von
gen abhängt. Konstituenten allerdings nicht. So ist (6b) trotz des Srjezifikationsverhältnisses ungram­
• Es werden Überlegungen angestellt zum semantischen Status von Argumenten und matisch.
ihren Beziehungen zum Prädikat.
(6) a. ??
jj'e ißt in einer Kneipe in einem Restaurant
Ich werde in den folgenden Abschnitten auf verschiedene solcher Versuche eingehen, den
b. Her wurde vom Aufsichtsrat vom stellvertretenden Vorsitzenden eingeladen
Status von Argumenten und damit die verbspezifische Argumentanzahl zu bestimmen
(aus Jacobs 1987/1994:62)
Argumente und Phrasen: Zunächst muß festgestellt werden, daß alle Versuche scheitern,
den Argumentstatus an die Obligatheit seines syntaktischen Ausdrucks zu knüpfen. So Was ist also die zusätzliche Bedingung für Nichtakkumulierbarkeit? Wie Jacobs
4
können Einheiten, denen intuitiv Argumentstatus zukommt, syntaktisch unausgedrückt (7987/1994:62) gezeigt hat, ist es nicht die Argumenthaftigkeit der Konstituente. Viel­
bleiben (3a,b). Wir müssen sogar syntaktisch unrealisierbare Argumente konzedieren, mehr sind solche Konstituenten nicht akkumulierbar, die in einer Relation der Beteiligt­
wollen wir dem Gegenstand einer Handlung wie zuschlagen (3c) oder zufassen Argument­ heit zum Verb stehen, d.h., wenn sie Mitwirkende oder Betroffene des Verbereignisses
status zubilligen. Darüber hinaus können syntaktische Phrasen, die Argumente aus­ bezeichnen und nicht Entitäten, die dieses Ereignis in lokale, kausale, temporale, finale
drücken, unter Diathesen ihren Obligatheitsstatus verlieren. So realisiert die Subjekt-NP in oder ähnliche Zusammenhänge einordnen. Argumentstatus können aber, wie wir noch
einem Aktivsatz unzweifelhaft ein Argument des Verbs. Dieses Argument ist im entspre­ sehen werden, auch nicht-beteiligte Einheiten haben. Beteiligtheit und Argumenthaftigkeit
chenden Passivsatz, ausgedrückt als VOH-PP, dagegen fakultativ (3d). sind also unabhängig voneinander. Damit erklärt sich im Übrigen auch die Beobachtung
Beckmanns (1994a: 121), daß Instrumentalphrasen im Gegensatz zu lokalen Adjunkten
(3) a. sie wartet (auf Jamaal)
nicht akkumulierbar sind, z.B.: *er schneidet den Käse mit dem Küchengerät mit der
b. sie ißt (ein Honigbrötchen)
c. *weil sie Jamaal zuschlägt
d. der Antrag wurde (von der Behörde) abgelehnt
Einen guten Überblick über diese Diskussion geben etwa Biere (1976), Heibig (1982:24ff),
Weiterhin sind Argumente bekanntlich bei ihrer syntaktischen Realisierung nicht verb­
Jacobs (1987/1994) und v.a. Starrer (1992:54ff).
unabhängig auf Ausdrücke bestimmter Kategorien festgelegt. So sind Argumente weder Diese Behauptung entspricht in etwa der Annahme in der Prinzipien- und Parameter-Theorie,
auf NPs beschränkt (4a,b), noch realisieren NPs notwendigerweise Argumente (4c,d): daß Adjunkte das Bar-Level der Konstruktion unverändert lassen (vgl. Radfords 1988:232
"Adjunct Rule"). Auch Grammatiktheorien wie die LFG (Bresnan 1982b: 1640 und HPSG
(4) a. sie wartet auf Jamaal (Pollard / Sag 1987:134) basieren ihre Unterscheidung von Komplementen und Adjunkten auf
b. sie hofft, daß er kommt dem Akkumulierbarkeitskriterium, wobei in Pollard / Sag (1987:135) der syntaktische Kom­
c. sie wartet den ganzen Tas plementbegriff mit dem semantischen Begriff des Arguments l:l-korrespondiert.
d. schlaf mir nicht ein! In der Nachschrift in Jacobs (1987/1994:72) wird allerdings ein gewisser Einfluß von Argu­
menthaftigkeit auf die Akkumulierbarkeit eingeräumt.
88 89

Brotmaschine. Während instrumentale Phrasen keine Argumente des Verbs sind, so sind (9) a. Rebecca wartet an der Haltestelle auf Jamaal
Instrumente doch am Ereignis unmittelbar beteiligt und somit nicht akkumulierbar. b. *Rebecca wartet an der Haltestelle, und das tut sie I geschieht auf Jamaal
Andere syntaktische Kriterien, wie etwa die von Pollard / Sag (1987:132ff) angeführte c. Rebecca wartet aufJamaal, und das tut sie I geschieht an der Haltestelle
Beschränkung, daß argumentrealisierende Komplemente näher am Verb stehen als freie
Demnach realisiert die fakultative PP auf Jamaal, nicht aber die fakultative lokale PP an
Angaben, oder die Annahme, daß die relative Ordnung von Adjunkten zueinander, nicht
der Haltestelle ein Argument von warten. Auf gleiche Weise zeigt der Test auch die
aber die von Komplementen semantisch relevant ist, werden schon von den Autoren selbst
Nichtargumenthaftigkeit von fakultativen Modal- und Temporalbestimmungen auf. Wen­
als brauchbares Abgrenzungskriterium in Frage gestellt.
den wir diesen Test auf die problematischen Fälle in (2) an, so erweisen sich zunächst
Das Problem einer syntaktisch basierten Argumentbestimmung: Es scheint also schwierig, sowohl die fakultative Direktionalangabe in (10a) als auch die obligatorische Direktio­
eindeutige syntaktische Korrelate der semantischen Argument-Modifikator-Unterschei- nalangabe in (10b), die obligatorische Lokalangabe in (10c) und der benefaktive Dativ in
5
dung zu finden. Aber selbst wenn sich syntaktische Phänomene finden ließen, die eine 6
(lOd) als Argumente, während die Komitativ-Phrase in (lOe) zumindest gemäß des tun-
9

10
Zweiteilung der zwischen Verben und ihren Dependenzien bestehenden syntaktischen Tests ein Modifikator i s t .
Relationen in Komplemente und Adjunkte erforderten, so ließe dies immer noch nicht den
(10) a. *Dirk trägt das Fahrrad, und das tut er I geschieht in den Keller
Schluß auf ein semantisches Korrelat dieser Zweiteilung zu. Nicht alle syntaktischen Dif­
b. *sie stellt den Honig, und das tut sie I geschieht in den Schrank
ferenzierungen spiegeln auch semantische Unterscheidungen wider. So korrespondiert mit
c. *er wohnt, und das tut er I geschieht in Ottmarsbocholt
der syntaktischen Unterscheidung zwischen NPs und PPs keine prinzipielle semantische
d. *sie trägt das Fahrrad, und das tut sie I geschieht ihm
Unterscheidung. Ein Verb kann einen Ereignisbeteiligten wie denjenigen, auf den man
e. er spielt, und das tut er mit seinen Freunden I Hgeschieht mit seinen Freunden
wartet in (7), in der einen Sprache als NP und in der anderen als PP realisieren; gleiches
gilt etwa für eine Zeitdauerangabe wie in (8). Einen Bedeutungsunterschied zwischen (7a) Der Wert operationaler Verfahren liegt nun bekanntlich nicht darin, daß sie uns eine
und (7b) bzw. (8a) und (8b) ergibt sich aus der PP-NP-Unterscheidung nicht. Theorie über die in Frage stehenden Phänomene liefern könnten. Vielmehr lassen solche
Verfahren, die zu interessanten oder intuitiv plausiblen Unterscheidungen fuhren, die
(7) a. she is waiting pp[/ör the postman]
Vermutung zu, daß sich über die Betrachtung der sprachlichen Operation, die das Verfah­
b. periménei >jp[fon tachidromo] (Neugriechisch)
ren konstituiert - in diesem Fall die Adjunktion an das Verb geschehen - interessante
•warten'-3SG-PRES [DET-AKK-SG Briefträger'-AKK-SG]
theoretische Lösungswege für die untersuchten Phänomene auftun. An der Subjektposition
(8) a. she was waiting pp[/br two hours] nimmt geschehen einen ereignisbezeichnenden Ausdruck, auf den sich die in den Ad­
b. sie wartete f^p[zwei Stunden] junktpositionen von geschehen befindlichen Phrasen beziehen. In dieser Hinsicht ist der
geschehen-Test für den Verarbeitungsaspekt von Argumenten und Modifikatoren interes­
Genuin semantische Begriffe wie der des Arguments müssen also zunächst eine semanti­ sant, da er mit Annahmen über die Bedeutung solcher PPs wie an der Haltestelle (9) in
sche Begründung über semantische Phänomene finden. Erst die Qualität dieser Begrün­ der Hinsicht korrespondiert, daß solche Adverbiale Prädikationen über Ereignisse sind.
dung bestimmt das Erklärungspotential für mögliche syntaktische Echos. Ich werde im Das wird in Kapitel 3.1.3 noch ausgeführt. Direktionalphrasen wie in den Keller in (2a)
Folgenden also versuchen, semantische Eigenschaften zu finden, die eine Unterscheidung können dagegen nicht als ausgegliederte Ereignisprädikationen verstanden werden und
von Argumenten und Modifikatoren ermöglichen. müssen - auch aus Gründen, die im nächsten Abschnitt noch angesprochen werden - als
Der "geschehen"/"tun"-Test'.: Ein semantisch interessantes operationales Verfahren, das verbale Argumente aufgefaßt werden.
geeignet erscheint, zur Ermittlung des Argumentstatus beizutragen, ist der geschehen! tun-
7
Test. Demnach sind genau die Konstituenten, die ein Argument realisieren, nicht in
einen geschehen/tun-Satz ausgliederbar: 8

Argumente. Die Frage selbst kann demnach nur von freien Adverbialbestimmungen begleitet
sein:
(i) Hans hielt gestern abend einen Vortrag. Was machte I tat Hans gestern?
5
Angesichts der Tatsache, daß eine solche Korrelation den meisten gängigen Syntaxtheorien
zugrundeliegt, stellen sich Prinzipien und Generalisierungen, die darauf basieren, in Frage; vgl. (ii) Hans fährt nach Moskau? *Was machte I tat Hans nach Moskau?
etwa Beckmann (1994a:119£f) zur Prinzipien-und-Parameter-Theorie (Adjunct-Island- Es gibt neben dem geschehen!tun-Test noch andere Ausgliederungsverfahren, wie z.B. den und-
Constraint, Bindungstheorie), Jacobs (1987/1994:63) zur LFG (Biuniqueness Condition). zwar-Test, der allerdings nicht als Kriterium für Argumenthaftigkeit zu verwenden ist (vgl.
6
Daß es keine eindeutigen syntaktischen Korrelate gibt, soll nicht heißen, daß es keine Zusam­ dazu Jacobs 7P«7/1994:18).
menhänge zwischen syntaktischen Phänomenen und Argumenthaftigkeit gibt. So stellt Jacobs Auch agentive vo«-Phrasen in passivischen Sätzen ermittelt der Test als Argumente gegenüber
(J5>#7/1994:64) fest, daß ein Verb nur dann Forderungen an die Form eines seiner Begleiter den fast bedeutungsgleichen aurc/i-Phrasen, die demnach Modifikatoren sind (Eroms 198i:49):
stellt (z.B. Kasusforderungen), wenn dieses ein semantisches Argument des Verbs ist. (i) Karl wurde bei der Arbeit gestört'das geschah von den Kindern
(ii) Karl wurde bei der Arbeit gestört; das geschah durch die Kinder
7
Vgl. z.B. Eroms (1981:33ff), Heibig (1982:29); ein ähnliches Verfahren stellt Conrad
(1978:100f) vor: Demnach fragt Was tut/macht...? nach einem Prädikat einschließlich seiner Auf das davon abweichende Ergebnis des geschehen-Tests gehe ich weiter unten noch ein.
90 91

Das Implikationskriterium: Ein häufig angeführtes semantisches Kriterium der Argu- (12) a. Luise wohnt schön
menthaftigkeit besagt, daß für diejenigen Entitäten Argumentvariablen angesetzt werden b. Luise wohnt zur Miete
müssen, die durch die Verbbedeutung impliziert sind. So folgt etwa aus Dieter ißt der
11
c. Luise wohnt ganz anders als Gerda
Satz Dieter ißt etwas, weshalb gemäß dem Implikationskriterium die durch die Akkusativ- d. Luise wohnt in Oberhausen
NP realisierte Stelle Argumentstatus hat. Ein Problem dieses Kriteriums liegt darin, daß
gewöhnlich bei Verben (warten, essen, schlafen, etc.) auch ein Situationsort und eine Das Rollen-Kriterium widerspricht damit allerdings dem geschehen-Test, wie Beispiel
Situationszeit notwendigerweise mitverstanden werden, wir aber lokale und temporale (13) zeigt. Die Verbbegleiter können nicht ausgegliedert werden und sollten demnach
Argumente sein:
Konstituenten intuitiv nicht als Argumente ansehen möchten (Jacobs 7987/1994:18). Nun
wird in der klassischen Valenztheorie davon ausgegangen, daß solche "freien Angaben" (13) a. HLuise wohnt, und das tut sie in Oberhausen
ohnehin jedem Verb hinzugefügt werden können (z.B. Ballweg-Schramm et al. 1976:19, b. Hi i
u -wohnt, und das tut sie mit allem Komfort
se

Schumacher et al. 1981:145). Demnach könnte man ihnen den Argumentstatus mit der
Begründung absprechen, daß sie nicht verbspezifisch sind. Daß dem nicht so ist, ist aller­ Nach Jacobs (7987/1994:19) kann der geschehen-Test allerdings ohnehin nur bei nicht­
dings verschiedentlich beobachtet worden (z.B. Stepanowa / Heibig 1978 150): notwendigen Konstituenten als brauchbares Indiz für Argumenthaftigkeit angewendet
werden, da die Ausgliederbarkeit die syntaktische Weglaßbarkeit voraussetzt. Über den
(11) a. *er beherrscht mehrere Fremdsprachen im Garten Argumentstatus obligatorischer Konstituenten wie der Ortsangabe in (12d) sagt uns der
b. *er kennt auf dem Flughafen seinen Freund geschehen-Test also zunächst nichts. Möglicherweise zeigen aber Beispiele wie (14), daß
in Oberhausen und mit allem Komfort kein Argument von wohnen realisieren. Hier wird
Wollen wir also nicht alle lokalen, temporalen und modalen Bestimmungen als Argu­
12 das Notwendigkeitsproblem durch Füllung der Stelle mit einer anderen Konstituente um­
mente auffassen, scheidet dieses Kriterium zur Ermittlung der Argumenthaftigkeit a u s .
gangen; die lokale Angabe kann in diesem Fall durchaus in einen geschehen-Satz ausge­
Wir werden darüber hinaus noch sehen, daß man aus anderen Gründen auch nicht-impli- 15
13
gliedert werden:
zierten Stellen, wie etwa benefaktiven Dativen, Argumentstatus zubilligen möchte.
(14) a. ^Luise wohnt mit allem Komfort, und das tut sie in Oberhausen
Das Rollen-Kriterium: Ein weiteres Kriterium besagt, daß die semantische Rolle, die ein
14 b. ^Luise wohnt in Oberhausen, und das tut sie mit allem Komfort
Argument spielt, durch das Verb bestimmt sein m u ß . So sind etwa die beiden Argu­
mente von essen durch das Verb als Agens und Patiens spezifiziert. Anders sieht die Lage Die Beispiele lassen jedenfalls nicht den Schluß zu, daß in Oberhausen in (14a) als Ad­
bei wohnen aus: Jacobs (7987/1994:18f) bemerkt, daß die notwendige Ergänzung bezüg­ junkt semantisch eine grundsätzlich andere Rolle spielt als in (14b). Ich nehme daher an,
lich ihrer semantischen Rolle nicht festgelegt ist und neben lokalen auch verschiedene daß diese notwendige Ergänzung von wohnen kein Argument realisiert. 16

andere Arten modifizierender Ausdrücke zuläßt: Direktionale und lokale Konstituenten zeigen generell einen deutlichen Unterschied
hinsichtlich möglicher semantischer Rollen, die sie ausfüllen. Lokale Phrasen können
dort, wo sie eine syntaktisch obligatorische Stelle des Verbs ausfüllen, in den meisten
1 1
Fällen mit Phrasen ganz anderer semantischer Kategorien alternieren. Das sieht man nicht
Davidson (79S5/1986:232f) vertritt diese Auffassung im Zusammenhang mit der Diskussion
nur bei wohnen (15), sondern auch bei sich befinden (16), sich außalten (17), liegen (18)
von Adverbialen als Ereignisprädikaten.
1 2
Ähnliche Argumentationen lassen sich auch für andere Typen von Verbbegleitern führen. So ist oder verbringen (19):
für die Lesart von schlagen in (i) sicherlich ein Instrument impliziert, aber auch für (ii) läßt (15) a. *Jana wohnt
sich nicht bestreiten, daß Augen als Instrumente zum Sehen mitverstanden sind, worauf man
sich schließlich auch in (iii) darauf einigen könnte, daß ohne Beteiligung eines Gedächtnisses b. Jana wohnt in Dortmund I luxuriös I zur Miete
kein Erinnern möglich sei. Unseren Intuitionen über den Argumentbegriff kommt man über sol­
(16) a. *Peter befindet sich
che Implikationen aber wohl nicht näher.
(i) er schlug den Nagel in die Wand (mit einem Hammer) b. Peter befindet sich in Dortmund I wohl (aus Jacobs 7957/1994:19)
(ii) er betrachtete den Nagel in der Wand (mit seinen wachen Augen) (17) a. ""Toni hält sich auf
(iii) er erinnerte sich an den Nagel in der Wand (mit seinem guten Gedächtnis)
1 3
Dazu kommt, daß in vielen Fällen nicht leicht zu entscheiden ist, ob bestimmte Entitäten durch b. Toni hält sich in Dortmund I mit unwichtigen Arbeiten auf
die Verbbedeutung impliziert sind (vgl. die Beispiele in Kamp / Roßdeutscher 1992:44ff). Bei (18) a. *der Urlaubsort liegt
schreiben etwa hängt es von der Besetzung der Objektstelle ab, ob ein Rezipient impliziert ist.
In (i) ist der Rezipient auch bei Nichtrealisierung des Dativs mitverstanden, in (ii) wohl nicht: b. der Urlaubsort liegt sehr schön I an einem See (aus Blume 1993:54)
(i) sie schrieb (jemandem) einen Brief
(ii) sie schrieb (jemandem) ein Gedicht 15 Die leichte Unakzeptabilität in den beiden Beispielen ist meines Erachtens nicht auf die Aus­
gliederung der Konstituenten zuriickzuführen, sondern auf die leichte Unverträglichkeit von tun
1 4
Vgl. etwa Jacobs (79*7/1994:19); auch Pollard / Sag (1987:134) und Dowty (1991:577) führen
an, daß der semantische Beitrag von Adjunkten unabhängig vom Verb ist, während der von Ar­ mit dem Verb wohnen, welches es in dem Nebensatz substituiert.
gumenten vom Verb abhängt. 16 Das wird in Kapitel 3.2.3 noch genauer ausgeführt.
92
93

(19) a. *Karl verbrachte I *Karl verbrachte den Krieg


i) Komitative mit-PPs sind nach Blume (1997) z.T. Modifikatoren, wie etwa bei Bewe­
b. Karl verbrachte den Krieg in angenehmer Gesellschaft I den Sommer mit Heinz I die Zeit
gungsverben (22a), z.T. Argumente, wie bei Interaktionsverben (22b); der geschehen-Test
unter Fischern (aus Höhle 1978:19f) weist aber beide als Argumente aus (22c, 22d):
Eine ähnliche Varianz zeigt sich bei obligatorischen Konstituenten, die durch Direktio-
(22) a. sie geht mit ihm in die Küche
nalphrasen gefüllt werden, dagegen nicht:
b. sie diskutiert mit ihm
(20) a. "Sebastian stellt den Honig c. sie geht in die Küche; Hund das geschieht mit ihm
b. Sebastian stellt den Honig in den Schrank I "schön I "mit Mühe I "mit einem Gabelstapler d. sie diskutiert; H nd das geschieht mit ihm
U

Wo die Direktionalphrase keine obligatorische Valenzstelle füllt, zeigt sich allerdings oft ii) Mit dem Verb geschehen können deshalb keine Direktional-PPs verbunden werden
eine mögliche Alternation mit Resultativkonstruktionen: weil geschehen kein Bewegungsverb ist ("sie joggte und das geschah in den Park), und
nicht etwa weil die Direktionalphrase möglicherweise ein Argument des substituierten
(21) a. die Mechanikerin joggte
Verbs (hier joggen) ist.18

b. die Mechanikerin joggte ins Grävingholz


iii) Die Ausgliederung von Konstituenten in geschehen-Sätze ist deshalb nicht möglich,
c. die Mechanikerin joggte sich die Füße wund
weil die Konstituenten den Valenzforderungen von geschehen nicht genügen, und nicht
19
Die Annahme, daß hier aufgrund der Variation zwischen (21b) und (21c) keine Rollen­ etwa, weil sie Argumente des substituierten Verbs sind.
spezifik vorläge, beruht allerdings auf dem Irrtum, Direktionalphrasen würden - im Ge­
Eine Verteidigung des "geschehen"/"tun"-Tests: Folgende Bemerkungen sind zu den drei
gensatz zu der nicht-direktionalen Konstruktion in (21c) - so etwas wie eine semantische
Kritikpunkten zu machen.
Rolle PJCHTUNG ausfüllen. Semantische Rollen, das sei hier im Vorgriff auf Kapitel 4
Zu i): Dieses Argument basiert auf der starken Version des geschehen-Tests, nach der
gesagt, sind relationale Größen, die verbspezifisch die Rolle eines (thematischen) Argu­
der Test in jedem möglichen Fall Argumente von Modifikatoren trennt. Es gibt allerdings
ments relativ zum Ereignis festlegen. In (21) ist die Mechanikerin Agens relativ zum
durchaus Gründe, warum bestimmte Modifikatoren nicht ausgegliedert werden können: an
Joggen-Ereignis, aber Agenshaftigkeit ist natürlich keine intrinsische Eigenschaft von
Subjektposition des geschehen-Satzes wird das Ereignis aus dem Vorsatz aufgegriffen und
Mechanikerinnen, wie man in Sätzen wie die Mechanikerin ist einem Herzinfarkt erlegen
die ausgegliederten Modifikatoren - so Krause (1977:61) in seiner Untersuchung über das
unschwer erkennt. Die Eigenschaft, eine Richtung anzugeben, ist dagegen sehr wohl eine
Verb geschehen - müssen Prädikationen über dieses Ereignis sein. Eine Komitativ-
20

intrinsische Eigenschaft von Direktionalphrasen wie ins Grävingholz und keineswegs eine
Phrase prädiziert aber nicht lediglich über ein Ereignis; sie fordert vielmehr neben ihrem
durch das Verb joggen festgelegte semantische Rolle. Die semantische Relation, in der ins
internen Argument ein Ereignis- und ein Individuen-Argument: 21

Grävingholz zum Verb joggen steht, besteht vielmehr darin, daß es den Resultatszustand
bzw. die ereignisspezifische Veränderung des Joggen-Ereignisses angibt. Das wiederum (23) a. Klaus kocht mit Otto die Erbsensuppe
ist keine intrinsische Eigenschaft von Direktionalphrasen, wie man an Beispielen wie sie b. "die Erbsensuppe kocht mit Otto
blickte ins Grävingholz erkennt. In der semantischen Relation des Ereignisresultats bzw.
17

Da der geschehen-Satz aber kein weiteres Argument für ein belebtes Individuum enthält,
der ereignisinternen Veränderung steht aber natürlich auch die Phrase in (21c). Im Ge­
können die semantischen Forderungen der mit-PP nicht erfüllt werden. In einen Satz mit
gensatz zu den verschiedenen Phrasen, die die zweite Valenzstelle von wohnen füllen
tun, der ein solches Argument enthält, kann die mit-PP dagegen durchaus ausgelagert
können, bei denen keine gemeinsame zugrundeliegende semantische Rolle erkennbar ist,
werden:
genügt die Direktionalphrase bei joggen also durchaus der zweiten Bedingung für Argu­
mentstatus, daß sie nämlich eine durchs Verb festgelegte semantische Rolle ausfüllt, näm­ (24) a. sie joggt; das geschieht mit Klaus
lich die, das Resultat zu spezifizieren. b. sie joggt; und das tut sie mit Klaus

Kritik am "geschehen"/"tun"-Test: In jüngster Zeit ist von Blume (1997) vehement gegen Eingeräumt werden muß allerdings, daß die Beispiele in (22) uns lediglich erlauben, die
den geschehen/tun-Test argumentiert worden. Ich will daher zum Abschluß dieses Kapi­ schwache Version des geschehen-Tests aufrecht zu erhalten, die uns sagt, daß Argumente
tels auf die wichtigsten ihrer Argumente eingehen. Das erste betrifft ein offenbar kon­
traintuitives Ergebnis des Tests, die beiden folgenden stellen die Angemessenheit des
Tests zur Ermittlung von Argumenten generell in Frage: Blume (1997) führt hier das Beispiel "sie hustet und das geschah in den Aschenbecher an,
wohl davon ausgehend, daß die Direktionalphrase bei husten kein Argument ist und daher aus­
lagerbar sein sollte; ich gehe dagegen davon aus, daß Direktionalphrasen immer Argumente
sind, so daß hier kein Widerspruch entsteht.
Andere Satzbeispiele mit Direktionalphrasen, die keinen resultierenden Ortswechsel aus­ Dieses Argument wird auch von Storrer (1992:80f,220f) angeführt.
drücken, sind etwa: sie horchte nach draußen; sieflüsterteihm ins Ohr, sie schrieb in ihr Ta- Ähnlich auch Eroms (1981:44).
gebuch (aus Steinitz 1997:340f). Die Komitativphrase mit Otto wäre also als XxXe[MtTKOM( o,x,e)] zu übersetzen; zu Ereig­
ott

nisargumenten siehe Kapitel 3.1.3, zur Verarbeitung komitativer Modifikatoren Kapitel 3.3.2.
94 95

nicht in geschehen-Sätze ausgliederbar sind und Modifikatoren dann ausgliederbar sind, Mit tun und geschehen können z.B. mit-PPs auftreten, die weder als Komitative noch
wenn sie Prädikate über das Ereignis in Subjekt-Position des geschehen-Satzes sind. 22
als Instrumentale interpretiert werden, sondern deren Bedeutung verbspezifisch ist. Diese
Zu ii): Dieses Argument scheint mir nicht überzeugend. Die Verbengeschehen oder tun
23
«i/i-Phrasen sind also valenzabhängig, wobei die Beispiele in (27) und (28) zeigen, daß
sind nicht nur keine speziellen Verben zur Bezeichnung von Bewegungen, es sind auch sie offenbar eine nicht weiter spezifizierte Patiens-Rolle innehaben. Überall dort, wo tun
keine Verben speziell zur Bezeichnung instrumentgestützter Handlungen. Trotzdem er­ und geschehen ein im vorhergehenden Satz eingeführtes Ereignis wiederholen, kann die
lauben sie Instrumentalphrasen: mit-PP einen Ereignispartizipanten aufgreifen - aber nur dann, wenn dieser wie in (27a,
28a) im Gegensatz zu (27b, 28b) in Relation eines (affizierten) Patiens zum Ereignis steht:
(25) a. sie ißt Curryhuhn; und das tut sie mit Stäbchen
b. sie ißt Curryhuhn; "?und das geschieht mit Stäbchen (27) a. er schlägt I operiert I tätschelt Klaus - tut er das wirklich (mit ihm)?
b. er verteidigt I beobachtet I liebt Klaus - tut er das wirklich (m// ihm)?
??

Es ist ja gerade der Mangel an konkretem Gehalt, der die Geschehensverben als Test­
grundlage so interessant macht. Die Verben greifen lediglich ein Ereignis auf, über das (28) a. er ist verunglückt I geschmolzen I gefallen - ist das wirklich (mit ihm) geschehen?
zuvor mit einem deutlich spezifischeren Verb prädiziert wird; eigene sortale Beschrän­ b. er hat gegessen I gearbeitet I rumgenörgelt - ist das wirklich (i»if ihm) geschehen?
??

kungen legen sie diesem Ereignis aber nicht auf. Daß Direktionalphrasen im Gegensatz zu
Nun hatten wir bisher den geschehen/tun-Test so angewendet, daß das Argument des
Instrumentalphrasen nicht ausgegliedert werden können, liegt daran, daß erstere Argu­
substituierten Verbs in seiner für dieses Verb spezifischen Form ausgegliedert wurde. Dies
mente sind, das heißt, daß sie keine Prädikate über Ereignisse sind, und daß ihre Bedeu­
setzt - wie zu recht bemängelt wurde - voraus, daß auch Formvalenzen übertragen werden
tung - wie im letzten Abschnitt gezeigt - nicht unabhängig von der Bedeutung des Verbs
können. Nun bestand die ursprüngliche Idee des Tests aber darin zu zeigen, daß (semanti­
ist, mit dem sie auftreten. Ausgegliedert in einen geschehen-Satz und damit außerhalb des
sche) Argumente nicht ausgliederbar sind; daß syntaktische Komplemente von einem
Bereichs des Verbs, dessen Argument sie sind, können sie demnach auch nicht korrekt
anderen Vollverb aufgegriffen werden können, ist dagegen tatsächlich ausgeschlossen.
interpretiert werden.
Nun bietet uns die «i/r-Konstruktion bei tun und geschehen die Möglichkeit zu überprüfen,
Zu iii): Das dritte Argument ist zweifellos das Zentralste und nicht leicht zu widerle­
ob ein nicht-realisiertes Patiensargument in einem geschehen!tun-Satz so wieder aufge­
gen. Tatsächlich stellt sich bei den Beispielen in (26) die Frage, ob deren Unakzeptabilität
griffen werden kann, daß es den Valenzforderungen des Geschehensverbs genügt.
auf die Nichtausgliederbarkeit der Argumente des substituierten Verbs zurückgeht oder
Wenn die Ergebnisse des geschehen/tun-Tests völlig auf die Valenzforderungen von tun
auf die Verletzung der Valenzforderungen von geschehen, das keine Akkusativ-NP oder
bzw. geschehen zurückgeführt werden könnten, sollten akkusativische Patiensargumente
nicht-lokale auf-PP erlaubt:
des substituierten Verbs in eine mit-PP des /««-Satzes ausgegliedert werden können, da in
(26) a. er las; *und das geschah das Buch diesem Fall die syntaktischen Valenzforderungen von tun (mit-PP) ebenso wie die seman­
b. er wartete; *und das geschah auf den Bus tischen (Patiens) erfüllt sind. Eine solche Ausgliederung ist, wie (29b) und (30b) zeigen,
aber nicht möglich.
Um zu zeigen, daß die Nichtausgliederbarkeit von Argumenten tatsächlich eine Rolle
spielt, müssen wir die beiden Phänomene isolieren. Wir müssen Beispiele finden, in denen (29) a. sie operieren den Mittelstürmer - tun sie das wirklich mit ihm? I geschieht das wirklich
die Valenzforderungen von geschehen oder tun nicht verletzt werden, Argumente aber mit ihm?
trotzdem nicht ausgegliedert werden können. b. sie operieren heute; und das tun sie mit dem Mittelstürmer I Hund das geschieht mit dem
nn

Mittelstürmer

(30) a. sie tritt den Mittelstürmer - tut sie das wirklich mit ihm? I geschieht das wirklich mit ihm?
Man könnte in Bezug auf (23) und (24) einwenden, daß auch Instrumentalphrasen in dem Sin­ b. sie tritt; H d das tut sie mit dem Mittelstürmer I wwc/ das geschieht mit dem Mittelstür-
un
??

ne dreistellig sind, daß sie neben ihrem internen Argument ein Ereignis- und ein Agens­ mer
argument fordern. Trotzdem sind sie besser in einen geschehen-Satz auslagerbar als Komitativ-
phrasen: Es liegt also nicht an den Valenzforderungen von iw« oder geschehen, daß der Patiens
(i) Klaus öffnete das Geschenk mit einer Schere nicht ausgegliedert werden kann, sondern daran, daß er als Argument von operieren nur
(ii) Klaus öffnete das Geschenk; ^und das geschah mit einer Schere über die spezifischen Interpretationsbeschränkungen von operieren interpretiert werden
Komitativ- und Instrumentalphrasen verhalten sich aber auch in manch anderer Hinsicht unter­
schiedlich. So wird die Komitativ-PP auch in einem Passivsatz ohne Agensphrase unakzepta­ kann, wozu eben all das gehört, was wir über jemanden wissen, der diese Argumentstelle
bel, während die Instrumental-PP hier ohne weiteres möglich ist: von operieren ausfüllt, etwa daß er aufgeschnitten wird, an seinen Organen manipuliert
(iii) Klaus öffnete das Geschenk mit seiner Schwester wird und ihm ähnliche unangenehme Dinge widerfahren. 24

(iv) *das Geschenk wurde mit seiner Schwester geöffnet


(v) Klaus öffnete das Geschenk mit seiner Schere
(vi) das Geschenk wurde mit seiner Schere geöffnet Auf solche Beispiele hat mich Lothar Lemnitzer (pers. Mitt.) hingewiesen.
Möglicherweise fordert die Komitativphrase nicht nur ein weiteres Individuenargument, son­ Eingedenk der Tatsache, daß geschehen einen Dativ erlaubt wie etwa in (i), könnte man ange­
dern sogar die overte Realisierung dieses Arguments (s. dazu Kap. 3.3). sichts von (ii) schließen, daß tatsächlich die Nichtausgliederbarkeit des Dativarguments für die
96 97

Ich denke, dies sind plausible Argumente gegen die Einwände gegen den gesche- 3.1.2 Argumente, Modifikatoren und Teilereignisse
henltun-lest. Es sei auch nochmal darauf hingewiesen, daß solche operationalen Verfah­
ren lediglich zweierlei leisten: In erster Linie sollen sie uns Hinweise auf bestimmte se­ Teilereignisse und Argumentstatus: In den bisherigen Überlegungen zu Ereignissen und
mantische Unterscheidungen geben, aber sie sollen natürlich keine semantische Theorie ihren Teilen wurde davon ausgegangen, daß die thematischen Argumente über semanti­
ersetzen. In dem Sinne kann man den geschehen-Test nach wie vor als eingeschränkt sche Relationen an bestimmte Teilereignisse geknüpft sind (s. Kap. 2.1.1). Ich möchte in
nützlich betrachten. In zweiter Linie sollen sie Licht auf das semantische Phänomen wer­ diesem Abschnitt dafür argumentieren, daß dies eine Eigenschaft ist, die Argumente gene­
fen, das den Test selbst konstituiert. Hier haben sich einige interessante Eigenschaften der rell von Modifikatoren unterscheidet. Während thematische Argumente immer an be­
Geschehensverben tun und geschehen herauskristallisiert. 25
stimmte Teilereigrusse semantisch gebunden sind, beziehen sich Modifikatoren auf belie­
bige Teilereignisse, die ihren Selektionsrestriktionen genügen. Beobachtungen von Unter­
Zusammenfassung: Prädikat-Argument-Strukturen bilden die Basis fast aller verbsemanti­
schieden in der Interpretation von benefaktiven Dativen vs. benefaktivenfiir-PPssowie das
scher Repräsentationen. Als äußerst problematisch erweist sich dabei die Frage, über wie­
Verhalten von Komitativ- und Direktionalphrasen bestätigen dies.
viele Argumente ein bestimmtes verbales Prädikat verfugt. Es wurde in diesem Kapitel
gezeigt, daß die Anzahl, die Kategorie oder die Notwendigkeit der mit dem Verb auftre­ Benefaktive Dative und benefaktive "für"-PPs: Wenn wir die Benefizienten-Rolle wie die
tenden syntaktischen Konstituenten keinen Hinweis auf die Anzahl der semantischen anderen semantischen Rollen als Relation zwischen dem Ereignis und einem Ereignis­
Argumente des Verbs gibt. Auch die syntaktische Akkumulierbarkeit von Konstituenten 26
partizipanten auffassen, so können wir unter der Annahme von Teilereignissen überle­
oder die semantische Impliziertheit von Ereignisbeteiligten sind keine sicheren Kriterien gen, inwieweit eine solche Benefizienten-Relation zu einem bestimmten Teilereignis be­
für Argumenthaftigkeit. Es zeigte sich dagegen, daß zwei semantische Kriterien, die auch steht. Hier zeigt sich nun ein Unterschied zwischen einer benefaktiven für-PP wie in (3 la)
auf relevante Aspekte der semantischen Verarbeitung von Argumenten hindeuten, recht und einem benefaktiven Dativ wie (3 l b ) : 27

zuverlässig Argumente von Modifikatoren unterscheiden. Zum einen sind Argumente, die
(31) a. Karla öffnete die Tür für ihn
fakultativ realisiert werden, im Gegensatz zu Modifikatoren nicht in einen geschehen/tun-
b. Karla öffnete ihm die Tür
Satz ausgliederbar. Zum anderen zeichnen sich Konstituenten, die Argumentpositionen
besetzen, dadurch aus, daß sie eine vom Verb zugewiesene semantische Rolle ausfüllen. Ähnlich wie andere in Kapitel 2 besprochene Verben verstehen wir das von öffnen deno­
Das nächste Kapitel wird zeigen, daß diese Argumentauffassung zusätzlich durch die tierte Ereignis wie in (31) als aus drei Teilereignissen bestehend: dem Agieren Karlas
unterschiedliche Einbindung von Argumenten und Modifikatoren in Ereignisstrukturen 1 2
bezüglich der Tür (e ), dem Prozeß des Sich-Öffnens der Tür ( e ) und dem Nachzustand,
begründet ist. daß die Tür offen ist (z). Eine benefaktive /«/--Phrase kann nun Bezug auf jedes einzelne
der drei Teilereignisse nehmen, in dem Sinne, daß jeweils das einzelne Teilereignis zu­
gunsten des in die PP eingebetteten Partizipanten stattfindet (32). Ich versuche in (32),
über einentfVwwzr-Nebensatzdeutlich zu machen, in welcher Weise es gerade ein be­
stimmtes Teilereigrus ist, das in die Benefizienten-Relation eingeht.

Unakzeptabilität des Satzes verantwortlich ist, denn den Valenzforderungen von geschehen (32) a. Bezug auf e : soll ich die Türfür ihn öffnen
1

wird hier ja offenbar genüge getan: (... damit er sieht, daß ich das schon allein kann)?
(i) ihm geschieht nichts Böses b. Bezug auf e : soll ich die Tür für ihn öffnen
2

(ii) sie half; *und das geschah ihrem Freund


(... damit er hört, daß sie nicht mehr quietscht)?
Blume (1997) weist aber zurecht darauf hin, daß geschehen nicht nur formale, sondern auch
inhaltliche Forderungen an seine Ergänzungen hat, und geschehen erlaube keine benefaktiven c. Bezug auf e : soll ich die Türfür ihn öffnen
3

oder ähnliche Dative. Der Dativ, der mit geschehen in (i) und auch in solchen Ausdrücken wie (... damit er hereinkommen kann)?
(iii) auftritt, wird von Blume als Experiencer bezeichnet. Die Bedeutung solcher Dative ist al­
lerdings völlig ungeklärt. Angesichts von Beispielen wie (iv) scheint mir eine Verwandtschaft Für benefaktive Dative scheinen die Interpretationsmöglichkeiten dagegen erheblich ein­
mit Experiencem aber eher unwahrscheinlich. Interessanterweise sind solche Dative wie in (iii) geschränkter zu sein. So ist in (33) im Gegensatz zu (32) vorausgesetzt, daß der Dativ-
in geschehen-Sätze ausgliederbar wie in (v), wenn auch unter leichten Akzeptabilitätseinbußen; partizipant tatsächlich herein- oder hinausgehen oder -schauen will oder in anderer Weise
demnach sollten solche Dative keine Argumente sein. Aufgrund der unklaren Bedeutung dieser 1
von dem Zustand 'die Tür ist offen profitiert (33c). Interpretationen, nach denen der Be-
Dative ist dies aber auch nicht von vornherein auszuschließen. nefizient aus der Agenshandlung (33a) oder dem Prozeß des Sich-Öffnens der Tür einen
(iii) dem Peter ist die Suppe angebrannt
Vorteil zieht (33b), sind deutlich schlechter zu erhalten. Offenbar muß bei einer Dativ-NP
(iv) ohne es zu merken ist ihm die Suppe angebrannt
(v) die Suppe ist angebrannt; ^das ist dem Peter geschehen (Beispiel aus Blume 1997) - anders als in (32) - der Benefizient in Bezug auf den Nachzustand interpretiert werden.
Eine ereignissemantische Behandlung von Geschehensverben würde allerdings darüber hinaus
eine Auseinandersetzung mit verschiedenen Problemen im Umkreis von defimten vs. indefini­
ten Ereignisbeschreibungen, von Ereignispräsuppositionen und von ereignisontologischen Fra­ Siehe genauer dazu Kapitel 3.2.3.
gen erfordern, wie sie z.T. bei Krause (1977) schon angesprochen werden. Nicht gemeint ist in (31 a) die awjfaß-Lesart: ich öffnete anstatt seiner die Tür.
98 99

(33) a. Bezug auf e : soll ich ihm die Tür öffnen


1
(36) a. Bezug auf el: soll ich dich mit Klaus nach München fahren?
( ... damit er sieht, daß ich das schon allein kann)?
??
'ich und Klaus verursachen (durch abwechselndes Chauffieren), daß der Wagen mit dir
b. Bezug auf e : soll ich ihm die Tür öffnen
2
nach München fahrt'
(? ... damit er hört, daß sie nicht mehr quietscht)?
?
b. Bezug auf e : soll ich dich mit Klaus nach München fahren?
2

c. Bezug auf e : soll ich ihm die Tür öffnen


3
'ich verursache, daß der Wagen mit dir und Klaus nach München fährt'
(... damit er hereinkommen kann)?
Direktionalphrasen: Direktionale PPs sind im Gegensatz zu benefaktiven, instrumentalen
Der benefaktive Dativ ist also fest an ein bestimmtes Teilereignis gebunden, während die
und komitativen PPs nicht in einen geschehen/tun-Satz ausgliederbar (s. Kap. 3.1.1).
benefaktive für-PP sich frei mit einem verfugbaren Teilereignis verbindet. Die daraus 28

Demnach sollten sie wie andere Argumente auch hinsichtlich ihres Bezugs auf Teilereig­
resultierende Annahme, daß die Dativ-NP im Gegensatz zur für-PP ein Argument des
29
nisse festgelegt sein. Dies läßt sich an Verben wie stellen, schubsen und werfen zeigen,
Verbs realisiert, korrespondiert auch mit der schon oben aufgestellten Behauptung, daß 1
von denen ich annehmen möchte, daß sie zumindest zwei Teilereignisse involvieren. In e
Argumente sich nicht in einen iww-Satz ausgliedern lassen (34). Da tun prinzipiell Bene- 2
tut der Agens etwas, wodurch e , eine Bewegung des Patiens, verursacht wird. Bei man­
fizienten / Malefizienten im Dativ erlaubt (er tat ihm viel Gutes I Böses), ist die Nichtaus-
chen kausalen Bewegungsverben wird der Bezug des Direktionais auf ein Teilereignis
gliederbarkeit des benefaktiven Dativs aus dem backen-Satz tatsächlich ein Kennzeichen
nicht ohne weiteres deutlich. (37a) verstehen wir so, daß sowohl der am Verursachungs­
für Argumentstatus:
ereignis beteiligte Agens als auch der am verursachten Ereignis beteiligte Patiens letztlich
(34) a. er backte einen Kuchen, und das tat erfür seinen Onkel im Keller landen. Das entspricht natürlich trotzdem noch nicht den Kriterien für die Be­
b. *er backte einen Kuchen, und das tat er seinem Onkel stimmung einer Phrase als Modifikator, denn Modifikatoren sollen ja eine Ambiguität er­
zeugen, indem sie in Bezug auf das eine oder das andere Teilereignis interpretiert werden.
Das Verb öffnen verfügt demnach über eine zweite Variante, in der der benefaktive Dativ
Das Direktional in (37a) scheint sich aber auf beide Teilereignisse zu beziehen. Erst bei
eine zusätzliche Argumentstelle füllt:
geeigneter Besetzung des Patiens wie in (37b) wird deutlich, daß es die Bewegung des
2
(35) a. tyXx[ÖFFN (x,y)] 1
Patiens in e ist, deren Richtung die Direktionalphrse angibt. Noch deutlicher wird dies
1 2
b. XyA.zX.x[ÖFFN (x,y,z)] 2
bei Verben wie in (38), bei denen e und e zeitlich getrennt sind. In (38a) bezieht sich das
2
Direktional auf die unfreiwillige Bewegung von Jacques (e ) und nicht auf den Stoß von
Komitativ-Phrasen: Ein ähnliches Modifikationsverhalten läßt sich auch bei Komitativ-
1
Jacqueline (e ), der diese Bewegung verursacht, und in (38b) geht es um die Richtung der
Phrasen feststellen. Dem geschehen/tun-Test zufolge sind komitative mit-PPs keine Ar­
2 1
Flugbewegung der Kugel (e ) und nicht um die Wurfbewegung Jacquelines (e ):
gumente, sondern Modifikatoren (lOe, Kap. 3.1.1). Betrachten wir nun die Bezugnahme
(37) a. Jacqueline stellte ihr Motorrad in den Keller
von mit-PPs auf Teilereignisse, so läßt sich eine ähnliche Flexibilität wie bei den benefak­
b. Jacqueline stellte die Milch in den Kühlschrank
tiven PP-Adjunkten feststellen. In (36) kann das in der mit-PP ausgedrückte Individuum
30

als in das Verursachungsereignis (36a) oder das verursachte Ereignis (36b) von fahren (38) a. Jacqueline schubste Jacques ins Gebüsch
involviert verstanden werden: 31
b. Jacqueline warf die goldene Kugel in den Brunnen

Zusammenfassung: Es wurde gezeigt, daß die Bindung von Argumenten an ein bestimmtes
Andere kausativ-resultative Verben wie die transitiven backen, spülen, basteln, bauen, etc. Teilereignis vom Verb festgelegt ist, während Modifikatoren demgegenüber variabel sind,
bestätigen diese Überlegungen.
also ein beliebiges von der Verbbedeutung bereitgestelltes Teilereignis modifizieren kön­
Beide Benefaktiv-Typen haben allerdings im oben (Kap. 3.1.1) beschriebenen Sinn als Situa­
tionsbeteiligte zu gelten und sind insofern nicht akkumulierbar: nen. Diese Unterschiede zwischen Argumenten und Modifikatoren korrelieren mit den
(i) * sie backt dem Studierenden dem Doktoranden einen Kuchen Ergebnissen, die der geschehen/tun-Test liefert. Teilereignisbindung und geschehen-Test
(ii) *sie backt für den Studierenden für den Doktoranden einen Kuchen. führen zu dem Schluß, daß benefaktive für-PPs, Komitativ- und vermutlich auch Instru­
Komitative m;f-PPs sind nicht einfach als Koordination von zwei Individuen-NPs zu interpretie­ 32
mentalphrasen Modifikatoren sind, während benefaktive Dative und Direktionalphra­
ren, sondern haben immer auch einen Ereignisbezug; bei Zustandsverben sind sie gewöhnlich 33
s e n generell als Argumente des Verbs angesehen werden müssen.
nicht möglich (vgl. Kap. 3.3.2):
(i) ich und Klaus wissen Bescheid
(ii) *ich weiß mit Klaus Bescheid. Teilereignisse fest gebunden sind, oder sich wie Adjunkte an beide Teilereignisse binden
Instrumentale sollten aufgrund des geic/ienew-Tests ebenfalls keine Argumente sein. Daß sich können. Solche Verben sind aber schwer zu finden.
diese Annahme durch eine flexible Bezugnahme von Instrumentalen auf Teilereignisse bestä­ Es wird im Laufe dieser Arbeit noch deutlich, daß auch die ohnehin bezüglich ihres Status
tigt, ist leider nur schlecht zu zeigen. Instrumentale sind aufgrund ihrer sortalen Restriktionen weniger umstrittenen Phrasen des Orts, der Zeit und der Art und Weise als Modifikatoren fun­
beschränkt auf bestimmte Ereignisse, die einen Agens involvieren. Man müßte demnach Ver­ gieren.
ben finden, die Ereignisse mit zwei agentivischen Teilereignissen bezeichnen, für deren jedes Conrad (1978:100) begründet den Argumentstatus von Direktionalphrasen wie gesehen mit
instrumentale Begleiter denkbar sind, um zu testen, ob sie wie Argumente an eines der ihrer Nichtausgliederbarkeit in einen machen/'«««-Fragesatz; auch Fourquet / Grunig (1971:151)
100 101

Ich werde im Folgenden einen kursorischen Überblick über zumindest einige der
3.1.3 Ereignisargumente
sprachlichen Phänomene geben, zu deren Erklärung die Einführung von Ereignisargu­
menten in die semantische Repräsentation für notwendig oder wünschenswert erachtet
"The Logical Form ofAction Sentences": Im Frühjahr 1966 hielt Donald Davidson einen 36
wurde.
Vortrag an der Universität Pittsburgh mit dem Titel "The Logical Form of Action
Sentences", in dem er behauptete, daß Handlungsverben eine zusätzliche Stelle für einen • Adverbiale Modifikation: Adverbiale des Ortes, der Zeit, der Art und Weise, des In­
singulären Term enthalten, der existenziell gebunden werde. Diese Stelle stehe für das struments, etc. sind Prädikate über Ereignisse; s.o. (39b);
Ereignis, auf das sich der Satz beziehe. Nur so könne der anaphorische Bezug auf Ereig­ • Anaphorische Wiederaufnahme: Ereignisse können über Pronomen anaphorisch wie­
nisse wie in (39a) und das Inferenzverhalten von Sätzen mit lokalen und temporalen Mo- deraufgenommen werden; s.o. (39a);
difikatoren wie in (39b) angemessen erklärt werden (Davidson 1967:81ff): • Quantifikation: über Ereignisse wird existenziell und mit Adverbien quantifiziert (es
gab eine Explosion I vier Explosionen; er ist viermal I immer nach Mecklenburg-Vor-
(39) a. Jones buttered the toast; he did it at midnight in the bathroom pommern gefahren);
b. Jones buttered the toast at midnight in the bathroom • Eigennamen: mit Eigennamen werden nicht nur Dinge, sondern auch Ereignisse be­
i. -» Jones buttered the toast at midnight nannt (Renaissance, Zweiter Weltkrieg, Superbowl VII, Watergate); 37

ii. -> Jones buttered the toast in the bathroom • Ereignisnomen: bestimmte Substantive (z.T. Deverbativa) bezeichnen Ereignisse (Un-
iü. —» Jones buttered the toast fall, Heirat, Explosion, Veranstaltung);

Die angemessene Repräsentation für (39b) ist demnach (40a) und nicht (40b). Wenn (40a) • Determination, adjektivische Modifikation, Relativsatzbezug: Ereignisnomen und Ge­
zutrifft, so trifft auch jedes seiner Konjunkte zu, so daß die Folgerungen in (39b) gewähr­ rundien können wie gegenstandsbezeichnende Substantive mit Artikeln auftreten (die
Explosion; the singing), Adjektive zu sich nehmen (die laute Explosion; the loud
leistet sind. Repräsentationen wie die in (40a) werden im Folgenden als Davidsonische
singing) und Bezugsnomen für Relativsätze (die Explosion, die...; the singing, that... )
Repräsentationen bezeichnet. 38
sein;
(40) a. 3e[BUTTER(jones,THE-TOAST,e) & AT-ME)NIGHT(e) & IN-THE-BATHROOM(e)] • Deadjektivische Adverbien: der Bedeutungsbeitrag von deadjektivischen Adverbien
b. BUTTER(jones,THE-TOAST^T-MIDMGHT,IN-THE-BATHROOM) scheint der gleiche wie der des zugrundeliegenden Adjektivs, nämlich Prädikation über
Die Darstellung (40b) erlaubt die Folgerungen in (39b) dagegen nicht und würde zudem ein Individuum, und zwar ein Ereignisindividuum (they sang the Marseillaise qüietly;
aufgrund der Iterierbarkeit von Adverbialen eine unbegrenzte Erhöhung der Steifigkeit the quiet singing of the Marseillaise)? 9

von Verben wie to butter erfordern, die in eine unendliche Anzahl neuer Prädikate • Aspekt: die Erklärung aspektueller Phänomene, sowohl im Bereich von Vendlerklassen
40

BUTTER! (v,w), BUTTER (v,w,x), BUTTER (v,w,x,y) etc. mündet, denen aber eigentlich und Aspektkomposition als auch im Bereich des grammatischen Aspekts (v.a. Pro­
2 3

immer das gleiche syntaktische Element zugrundeliegt (Davidson 1967:84). 34 gressiv) erfordert die Bezugnahme auf Ereignisse;
• Tempus: temporale Phänomene werden seit Reichenbachs (1947/1966:28711) Einfüh­
Das linguistische Erklärungspotential von Ereignisargumenten: Davidsons Vorschlag ist rung der Trichotomie 'Ereigniszeit - Referenzzeit - Sprechzeit' unter Einbeziehung von
zwar erst mit einiger Verzögerung von der formalen Semantik aufgenommen worden, hat Ereignissen und ihrer Zeit erklärt;
dann aber eine nicht mehr zu übersehende Fülle von Arbeiten inspiriert, die Ereignis­ • Kausalität: oft verstanden als Relation zwischen Ereignissen ist die Auffassung und
argumente zur Erklärung verschiedenster semantischer Probleme nutzen. Dabei war er Repräsentation von Kausalität zentral für ereignisontologische und lexikalisch-seman­
natürlich nicht der erste, der einen Zusammenhang zwischen Ereignissen und der Verb­ tisch Fragestellungen;
35
bedeutung herstellte. Insbesondere die traditionelle Linguistik hat in informeller Weise • Phasen- und Ereignisverben, bestimmte einstellige Verben fordern ereignisbezeichnen-
versucht, über Vorstellungen von Ereignissen, ihren Sorten und Strukturen den Zusam­ de Ausdrücke als Subjekt (geschehen, passieren, to occur, to happen, to take place);
menhang von Aspekt, Aktionsart und Verbbedeutung zu erhellen. Auch hat Davidson • "Perceptual reports": Perzeptionsverben im Englischen haben tempuslose Infinitivsätze
(1967) in Reichenbach (7947/1966) einen Vorgänger, der bereits Ereignisargumente in die ohne to oder that-Komplementsätze an Objektposition (Anna saw Bernard run; Anna
Repräsentation von Satzbedeutungen einführte. Dazu im nächsten Abschnitt mehr. saw that Bernard was running); während letztere Propositionen darstellen, nimmt man
41
für erstere an, daß sie Ereignisse bezeichnen.

betrachten direktionale, im Gegensatz zu lokalen, temporalen und modalen Phrasen als Ergän­ Ich verzichte hier weitgehend auf Literaturangaben; vgl. aber die Verweise in Parsons (1990),
zungen des Verbs, allerdings aufgrund ihrer Nichtakkumulierbarkeit; s. dazu Kap. 3.1.1. der viele der hier angeführten Phänomene in einem ereignissemantischen Ansatz diskutiert.
3 4 Vgl. Reichenbach (1947/1966:273) und Brand (1976:134).
Man könnte die Folgerungen natürlich durch Bedeutungspostulate gewährleisten. Die Reprä­
Vgl. Parsons (1990:1270).
sentation in (40b) entspricht aber auch nicht den in den vorherigen Kapiteln dargestellten Auf­
Vgl. Parsons (1990:18).
fassungen von Argumenthaftigkeit.
3 5
Parsons (1990:4) verfolgt die Idee des Ereignisbezugs von Verben bis auf Panini, Plato und die Vgl. z.B. den Forschungsüberblick in Krifka (1989a:95flj.
Grammatiker von Port-Royal. Vgl. dazu Parsons (1985:150) und Bennett (1988:4f).
102 103

Ereignisargumente transformationeil oder lexikalisch projiziert: Ereignisargumente - so


46
• alle N, V, A, P: Higginbotham (1994:31), Jacobs (1995);
die allgemeine Annahme - werden als zusätzliches Argument verbaler Prädikate aus dem • manche N, V, A, P: Kratzer (1990) (nur Stage-Level-Prädikate);
Lexikon projiziert. Das Verb to butter wie in Davidsons Beispiel in (39) hat demnach drei
47
• nur deverbale N: Kratzer (1989);
Argumentstellen wie in (41a). Das Ereignisargument wird wie die thematischen Argu­ • manche V: Davidson (1967) (Handlungs- und Ereignisverben), Zwarts (1992) (Stage-
mente A.-abstrahiert (41b): Level-Verben);
• alle V (und evtl. deverbale N und ereignismodifizierende A und P): Parsons (1990) u.a.-
(41) a. BUTTER(x,y,e)
• alle V (mit z.T. mehreren e-Argumenten): Pustejovsky (1988, 1995), Parsons (1990)
b. taXy)x[BUTTER(x,y,e)]
(Kausatiwerben), Engelberg (1994a, 1995b).
Das Ereignisargument wird auch als referentielles, nicht-thematisches Argument des Die verschiedenen Ansätze lassen sich in Bezug auf ihre Behandlung von verbalen Prädi­
Verbs betrachtet. Es steht damit für die Entität, die das Verb bezeichnet und die zu einer katen in drei Gruppen einteilen: Erstens solche Theorien, die für alle Verben genau ein
der grundlegenden ontologischen Kategorien gehört, die unsere Semantik annimmt, eben Ereignisargument annehmen. Das ist der Normalfall, zumindest in satzsemantisch orien­
42
zu der der Ereignisse. Als referentielles Argument muß es ebenso wie die (ebenfalls refe­ tierten Arbeiten. Diesem Typ sind wohl auch die meisten ereignissemantischen Arbeiten
rentiellen) Argumente von Substantiven nicht durch die Bedeutungen lexikalisch gefüllter zuzuordnen, die sich diesbezüglich nicht äußern. Zweitens ereignisstrukturbasierte An­
43
Konstituenten gesättigt werden. Stattdessen wird es nach gängigen Annahmen, die wir sätze, die mehrere Ereignisargumente pro Verb zulassen. Diese Arbeiten sind schon in
in Kapitel 7.1.2 noch kennenlernen werden, durch einen funktionalen Kopf gebunden. Kapitel 2.1.2 besprochen worden. Drittens schließlich Theorien, die davon ausgehen, daß
Die Annahme, daß Ereignisargumente über verbale Prädikate eingeführt werden, ist bestimmte Verben über ein Ereignisargument verfügen, andere dagegen nicht. Diese Verb­
allerdings nicht selbstverständlich. Reichenbachs (7947/1966:269) Vorschlag zur Einfüh­ unterscheidung wird dabei meist an die Unterscheidung von "individual-level predicates"
rung eines Ereignisarguments ging etwa davon aus, daß ein Prädikat über ein Ding P(x) und "stage-level predicates" geknüpft. Darum wird es im folgenden Abschnitt gehen.
äquivalent ist mit einem Ausdruck, in dem P(x) als Funktion mit einem Ereignisargument
"Stage-level" vs. "Individual-level": Die Annahme, daß sich Wörter dahingehend unter­
auftritt, also [P(x)](e). Dabei wird P(x) durch eine Transformation in [P(x)](e) überführt.
scheiden, ob sie permanente Eigenschaften von Dingen oder vorübergehende Eigenschaf­
Unter der Annahme existenzieller Bindung von e ist (42a) äquivalent mit (42b):
ten und Geschehnisse ausdrücken, basiert auf Beobachtungen, die sich bis in die traditio­
(42) a. P(x) RUN(mary) nelle Linguistik des letzten Jahrhunderts zurückverfolgen lassen. So stellt Paul
b. 3e[P(x)](e) 3e[RUN(mary)](e) (7880/1920:361) fest, daß Adjektive "nicht bloss zur Bezeichnung einer zum Wesen eines
Dinges gehörigen Eigenschaft, sondern auch zur Bezeichnung einer vorübergehenden
Reichenbachs Ansatz sei hier erwähnt, da er ein Beispiel dafür bietet, wie Ereignisse in
44
Eigenschaft gebraucht werden", ebenso wie Verben sich nicht nur auf Vorgänge beziehen,
die logische Repräsentation eingeführt werden, ohne sie lexikalisch zu projizieren.
sondern auch "zur Bezeichnung von Zuständen, auch von bleibenden Zuständen" ge­
Lexeme und Ereignisargumente: Unter den Theorien, die Ereignisargumente als Bestand­ braucht werden können. Ähnlich bemerkt Sütterlin (1900:77) eine durch die Wortklassen
teil der Argumentliste lexikalischer Prädikate annehmen, besteht allerdings keineswegs gehende Zweiteilung von Lexemen, die sich auf dauernde Eigenschaften beziehen (blau,
Einigkeit darüber, welche lexikalischen Einheiten über Ereignisargumente verfügen. Hier schwer, Schwere, Farbe) und solche die vorübergehende Eigenschaften, Geschehnisse und
eine kurze Übersicht über verschiedene Auffassungen: 45
Vorgänge bezeichnen (ärgerlich, schläfrig, springen, schlagen, Gedanke, Schlag).
Eine ganz ähnliche Zweiteilung liegt Carlsons (1977:168) Unterscheidung der Verben
4 2
Die in Kap. 3.1.1 und 3.1.2 diskutierten Tests zur Ermittlung von Argumenten gelten offen­ in "individual-level" und "stage-level" Prädikate zugrunde. Letztere (z.B. run, eaf) zeigen
sichtlich nicht für Ereignisargumente. Der grundlegende Unterschied zwischen referentiellen im Gegensatz zu ersteren (z.B. resemble, weigh, believe) im Futur und Präteritum eine
Argumenten und den thematischen Argumenten, die über semantische Relationen an das refe­ Ambiguität zwischen einer genetischen und einer aktuellen Lesart (43). Außerdem erlau­
rentielle Argument gebunden sind, wird durch die übliche und auch hier verwendete Darstel­ ben nur Stage-Level-, nicht aber Individual-Level-Prädikate den Progressiv (44):
lung von Prädikat-Argument-Strukturen allerdings nicht widergespiegelt.
4 3
Es ist vorgeschlagen worden, auch für die semantische Repräsentation von Präpositionen und (43) a. he ate bananas
Adjektiven referentielle Argumente anzusetzen, Ort-, Zeit- und Skalenargumente für Präposi­ (ambig zwischen "he ate bananas on a certain occasion' und lie used to eat bananas')
tionen (Rauh 1997, Haumann 1993:8ff, Zwarts 1992:193ff) und Gradargumente für Adjektive b. she resembled Queen Mary
(s. Zwarts 1992:137ff und die Angaben darin). Die linguistische Argumentation orientiert sich
dabei im Wesentlichen an ähnlichen Phänomenen wie sie für Ereignisargumente herangezogen (nicht ambig)
wurden: Modifizierbarkeit, Anaphorisierbarkeit, etc.
4 4
Vgl. die Kritik an Reichenbachs Vorschlag in Davidson (1967:115ff) und Parsons Die Ereignisargumente (bei Jacobs verallgemeinert "Situationsargumente") der im Satz vor­
(1990:60f,136f). Bierwischs (1988:23f) im Rahmen der Zwei-Ebenen-Semantik entworfene kommenden Substantive, Verben, Adjektive und Präpositionen werden im Normalfall im Laufe
Idee, daß Ereignisse Propositionen instantiieren, basiert im Übrigen auf Reichenbachs Vor­ der semantischen Verarbeitung miteinander identifiziert, es sei denn, es werden durch N, A
schlag. oder P zusätzliche Ereignisse eingeführt (Jacobs 1995).
4 5
Dabei nehmen die meisten Theorien - soweit sie explizit darauf eingehen - zudem auch für Bei "stage-level predicates" (s.u.) wird eine Variable für "spatiotemporal locations" angenom­
Ereignisnomen ein Ereignisargument an. men (Kratzer 1989:252).
104 105

(44) a. he is eating bananas Zusammenfassung: Der Ereignisbezug bestimmter, v.a. verbaler Prädikate wird nach Da­
b. *she is resembling Queen Mary vidson (1967) in der Argumentliste der Prädikatskonstante durch eine Individuenvariable
Kratzer (1989, 1990) führt eine Reihe weiterer Phänomene an, in denen sich der Unter­ für Ereignisse ausgedrückt. Über diese Variable wird z.B mit temporalen und lokalen
Adverbien prädiziert.
schied zwischen stage- und individual-level widerspiegelt, von denen hier zumindest zwei
genannt seien. So erlauben nur Stage-Level-Prädikate wie available eine fnere-Einfügung Die meisten Ansätze gehen davon aus, daß Ereignisargumente lexikalisch projiziert
werden. Es gibt aber sehr unterschiedliche Vorstellungen darüber, welche lexikalischen
(45):
Einheiten Ereignisargumente haben. Unter den Ansätzen, die verbale Ereignisargumente
(45) a. there are firemen available voraussetzen, finden sich erstens solche, die für jedes Verb genau ein Ereignisargument
b. *there arefiremenaltruistic annehmen, zweitens solche, die nur für manche Verben ein Ereignisargument annehmen
Außerdem können lokale Adjunkte zwar Stage-Level-Verben (umkommen) modifizieren, und drittens schließlich solche, die davon ausgehen, daß Verben auch mehrere Ereignis­
argumente haben können.
nicht aber Individual-Level-Prädikate (schwarz sein); entsprechend ergibt sich folgende
Ambiguität:
(46) a. weil fast alle Flüchtlinge in dieser Stadt umgekommen sind
'weil [fast alle Flüchtlinge in dieser Stadt] umgekommen sind' 3.2 Syntaktische und semantische Valenz
'weil fast alle Flüchtlinge [in dieser Stadt umgekommen sind]'
b. weil fast alle Schwäne in Australien schwarz sind
•weil [fast alle Schwäne in Australien] schwarz sind' 3.2.1 Semantische Grundlagen und Notationen
* 'weil fast alle Schwäne [in Australien schwarz sind]'

Zwarts (1992:128ff) benutzt die Wahrnehmungsverben im Englischen (see, hear, feel) als Einleitung: Ich werde mich in dieser Arbeit sehr ausführlich mit lexikalischen Repräsen­
einen Indikator für die Unterscheidung von Ereignis- und Zustandsverben. Wahrneh­ tationen von Verben befassen. Um die semantische Adäquatheit dieser Repräsentationen
mungsverben können ein r«a/-Komplement oder einen Infinitivsatz ohne to zu sich neh­ unter Verarbeitungsaspekten zu überprüfen, werde ich darüber hinaus auch auf komposi­
men. Während es keine Beschränkungen für die eingebetteten Verben im that-Satz gibt, tioneile satzsemantische Operationen eingehen.
dürfen in den Infinitivsätzen keine Zustands-, sondern nur Ereignisverben auftreten: Syntaktische Ausdrücke, also auch Wörter als terminale Konstituenten, werden dazu in
eine semantische Repräsentationssprache übersetzt. Dies geschieht im Rahmen einer ty­
(47) a. H-the witness saw the accused hate his wife penbasierten Prädikatenlogik mit Lambda-Operator. Die semantischen Analysen in dieser
b. the witness saw that the accused hated his wife Arbeit setzen lediglich aussagen- und prädikatenlogische Grundkenntnisse voraus. Andere
(48) a. the witness saw the accused strangle his wife semantische Notation und Operationen werden eingeführt.
b. the witness saw that the accused strangled his wife Variablen, Konstanten, Operatoren: In den semantischen Repräsentationen dieser Arbeit
Solche "perceptual reports" wie in (48a) stellen eine Relation zwischen einem Wahrneh­ kommen Konstanten und Variablen verschiedener Typen vor. Ich werde dabei die folgen­
menden und einem Ereignis dar, wobei Ereignisse als" 'concrete' eventualities, located in den Notationskonventionen einhalten.
time and space" verstanden werden, und Zustände als " 'abstract' eventualities, not located • Individuenvariablen
49

in time and space" (Zwarts 1992:129). In Anlehnung an Kratzers (1989) Unterscheidung Variablen für Gegenstände: v, w, x, y, z, x', x", x'",...
von Stage- und Individual-Level-Verben nimmt Zwarts nun an, daß nur Ereignisverben Variablen für Ereignisse. e, e', e", e'",...
1 2 m n

wie to strangle, nicht aber Zustandsverben wie to hate über ein Ereignisargument verfü­ Variablen für Teilereignisse. e , e , e , e , ...
48
g e n . Die Frage, welche Verben Ereignisse bezeichnen, wird uns im Laufe dieser Arbeit Variablen für Zeiten: t, f, t", f , ...
noch häufiger beschäftigen (s. abschließend Kap. 7.1.1). Variablen für Propositionen: p, q, cp, <j>, p', p", p'" ...
Sortenneutrale Individuenvariablen: k, 1, m k', k", k'",...
• Individuenkonstanten: rebecca, jamaal, frankfurt,...
50
• Prädikatsvariablen P, Q, R, P', P", P", ...
4 8
Daneben gibt es noch zwei andere Arten von VPs, die Zwarts (1992:132f) als Stativ ansieht und • Prädikatskonstanten: QUÄL, HAUS, AUF, ...
die daher nicht über ein Ereignisargument verfügen. Erstens Individual-Level-APs und -NPs • Typenneutrale Variablen: oc, a', a", a'",...
wie be intelligent und be an architect. Dabei wird eine Ambiguität in der Kopula vorausgesetzt,
die einmal Individual-Level- und einmal Stage-Level-Prädikate einführt. Zweitens werden ha­
bituelle VPs wie Jill works in a library als Stativ aufgefaßt, wobei eine Operation angenommen 49 'Gegenstände / Dinge' im weiten Sinne, also auch Personen und ähnliche 'belebte Gegenstände'.
wird, die das Ereignisargument des Verbs tilgt. 50 An einigen Stellen der Arbeit verwende ich auch E als Variable für Ereignisprädikate.
106 107

Darüber hinaus werde ich die üblichen Quantoren, Operatoren und Relatoren verwen­ henfolge der Sättigung der korrespondierenden Argumentstellen entspricht. Bei quälen55

d e n , den Existenzquantor (3), den Allquantor (V), den Lambda-Operator (X), aussagen­
51
wird also zuerst das Objektargument gesättigt, dann das Subjektargument und schließlich
logische Konnektoren (&, v, *•»), Negation (-.), den Notwendigkeits- ( • ) und den das Ereignisargument.
Möglichkeitsoperator (0). Später werden außerdem noch temporale Relatoren und mereo-
A-Konversion: Repräsentationen wie in (50) stellen die Übersetzung eines Wortes als syn­
logische Relationen eingeführt.
taktischen Ausdruck (z.B. quälen' ) in einen semantischen Ausdruck dar.
v
56

A-Abstraktion: Prädikat-Argumentstrukturen enthalten Individuenvariablen für Gegen­


(50) a. 4"ä/e« v-transinV >-y).x[QUÄL(x,y)]
stände und Ereignisse. Nun entsteht eine sinnvolle und wahrheitswertfähige Aussage erst
b. e.MCTj' -intransitiv: Xx3y[ESS(x,y)]
V
dann, wenn alle Argumentvariablen eines Prädikats durch Individuenbedeutungen spezifi­
ziert, durch Quantoren gebunden oder im Kontext identifiziert sind. Dabei müssen im Dieser semantische Ausdruck bezeichnet eine n-stellige Funktion, wobei n der Anzahl der
Regelfall die Argumentvariablen mit lexikalischem Material verbunden werden, das in A.-Präfixe entspricht. Diese Funktion ordnet n-Tupeln von Individuen einen Wahrheitswert
den vom Verb dependenten Satzkonstituenten enthalten ist. Die Forderung nach Sättigung zu: Wenn Klaus Ute quält, so ergibt die von A,yA.x[QUÄL(x,y)] bezeichnete Funktion,
einer Argumentstelle wird durch Voranstellung und X-Präfigierung der entsprechenden, appliziert auf ihren Argumentbereich, für das 2-Tupel <Klaus,Ute> den Wert "wahr".
noch ungebundenen Argumentvariable des Prädikats ausgedrückt, wie bei quälen in (49a). Diese verbale Funktion wird im Allgemeinen allerdings etwas anders verstanden, näm­
52
Die Voranstellung der X-präfigierten Argumentvariable wird ^-Abstraktion genannt. lich als Verschachtelung einstelliger Funktionen, d.h., (50a) ist genauer zu lesen als
57
(51b), wobei (51b) nicht auf einmal auf ein 2-Tupel <Klaus,Ute> appliziert wird, son­
(49) a. quälen'(transitiv): XyXxXe[QUÄL(x,y,e)]
dern sukzessive entsprechend der Reihenfolge der X-präfigierten Variablen auf die einzel­
b. essen'(intransitiv): XxXe3y[ESS(x,y,e)]
nen NP-Bedeutungen, so wie (51e). Durch ^-Konversion werden dann die freien Varia­
Thematische Argumente können allerdings auch schon lexikalisch gebunden sein, z.B. blen innerhalb des semantischen Ausdrucks mit den NP-Bedeutungen instantiiert (51f
53
durch einen Existenzquantor, und bedürfen dann keiner weiteren Sättigung. Das ist etwa 51g):
bei intransitivem essen der Fall (49b). Auf solche Fälle komme ich noch genauer in Kapi­
(51) a. Klaus quält Ute
tel 3.2.2 zu sprechen. b. quälen': Xy[Xx[QUÄL(x,y)]]
Formal stellt sich ^-Abstraktion wie folgt dar, wobei das Prinzip auf logische Typen zu­
54
c. Klaus': klaus
rückgreift, die im Laufe dieses Kapitels noch eingeführt werden:
d. Ute': ute
• A.-Abstraktion e. Applikation: 58
Xy[Xx[QUÄL(x,y)]](uteXklaus)
Wenn x eine Variable vom Typ a und T ein Ausdruck vom Typ b ist, in dem x als freie f. ^-Konversion: Xx[QUÄL(x,ute)](klaus)
Variable vorkommt, dann ist Xx[ZT ein Ausdruck vom Typ <a,b>. g- X-Konversion: QUÄL(klaus,ute)

Die thematischen Argumente bei einer Prädikatskonstante wie QUÄL werden, wie wir Die ^.-Konversion dient also dazu, die Variablen in der Funktion durch die Bedeutung der
später noch sehen, gewöhnlich über ihre semantischen Rollen identifiziert. Um momenta­ Konstituente zu belegen, die das Argument dieser Funktion darstellt. In (51f) ist die erste
nen Mißverständnissen vorzubeugen, werde ich die Variablen per Konvention immer so ^.-gebundene Variable, also y, durch die NP-Bedeutung Ute' (d.i. ute) ersetzt worden.
verwenden, daß x für das der Nominativstelle entsprechende Argument steht, y für das der
• X.-Konversion
Akkusativstelle entsprechende Argument oder ein anderes zweites Argument und z für das
Für einen propositionalen Ausdruck eine Variable ot in <j> und einen semantischen
der Dativstelle entsprechende Argument oder ein anderes drittes Argument. Die Reihen­
Ausdruck a' vom gleichen Typ wie a gilt: A.a[(|>]a' <-» <(>', wobei sich <J>' von $ genau da­
folge der ^-gebundenen Variablen bei Lexemen ist so gewählt, daß sie der normalen Rei-
durch unterscheidet, daß in jedes freie Vorkommen von a in <j> durch a' ersetzt wird.

Ich werde im Folgenden die Repräsentation von Ausdrücken mit ^.-Operatoren verwenden,
Vgl. dazu eine der gängigen Einführungen in die formale Semantik, z.B. Chierchia / die die (implizit mitverstandene) Verschachtelung nicht durch zusätzliche Klammerungen
McConnell-Ginet ( 1990). ausdrückt, wie in (50a). Man beachte dabei, daß die Reihenfolge der X-präfigierten Varia-
Das Verb mit Apostroph, wie z.B. quälen', ist die abgekürzte Form der Ubersetzung des Verbs
quälen, steht also für Xy)ixXe[QUÄL(x,y,e)].
Die Bindung des impliziten Arguments durch einen Existenzquantor ist sicher empirisch nicht Wie man die Argumentstellenabfolge in Sprachen mit freier Wortstellung variabel halten kann,
adäquat; ich werde in Kapitel 3.2.2 auf eine angemessenere Repräsentation impliziter Argu­ zeigt Jacobs (1995:60).
mente eingehen. Ich verzichte in diesem und dem folgenden Abschnitt auf die Repräsentation des Ereignisargu­
So ist - wie im Laufe des Kapitels noch deutlich werden wird - z.B. Xe3y[ESS(x,y,e)] ein Aus­ ments.
druck vom Typ <eE,f>, in dem die freie (nicht gebundene oder spezifizierte) Variable x vom Insofern kann man jeden X-präfigierten Ausdruck auch als einstelliges Prädikat auffassen,
Typ eo vorkommt. Gemäß der Regel für X-Abstraktion ist demnach XxXe3y[ESS(x,y,e)] ein ebenso wie jedes Prädikat als Funktion aufgefaßt werden kann.
Ausdruck vom Typ <eo,<eE,t». S. dazu den übernächsten Abschnitt.
108 109

bien mit der Reihenfolge der entsprechenden Funktionsargumente korrespondiert (s. auch Bei einem Verb wie quälen entsprechen die Argumente der Prädikatskonstante denen der
60
Abb. 4 ) : 59
Lexernfünktion. Wenn ich im Folgenden undifferenziert von Argumenten spreche, so sei
Prädikatskonstante und Lexemfunktion: Funktionen haben also, wie in (5le) gesehen, angenommen, daß diese Korrespondenz weitestgehend besteht. Daß das aber nicht so sein
muß, veranschaulicht das intransitive essen in (50b), hier nochmal dargestellt in Abb. 5.
ebenso wie Prädikate Argumente. Die Unterscheidung zwischen den Argumenten des
Während die Prädikatskonstante ESS zwei Argumentstellen hat, verlangt die Lexemfünk-
Prädikats QUÄL und denen der Funktion A.xA.y[QUÄL(x,y)] in (50a) ist wichtig für die
tion ess' nur nach einer Individuenbedeutung zur Sättigung, hat also nur ein Argument:
folgenden Argumentationen. Ich werde erstere als Argumente der Prädikatskonstante
(Argumente von QUÄL) bezeichnen und letztere als Argumente der Lexernfünktion (Ar­ (52) a. Klaus ißt
gumente von quälen'). Jedes der Argumente der Lexernfünktion korrespondiert dabei, wie b. e-s-sen'v-intransitiv: Xx3y[ESS(x,y)]
im vorherigen Abschnitt dargestellt, mit einer ^-gebundenen Argumentvariablen, jedes c. Klaus': klaus
der Argumente der Prädikatskonstante mit einer Argumentstellen der Konstante (Abb. 4). d. Applikation: Xx3y[ESS(x,y)](klaus)
e. X-Konversion: 3y[ESS(klaus,y)]
Wir werden später noch sehen, daß weder jedem Argument der Prädikatskonstante ein
/ fíxñmfunktion Argumente Argument der Lexernfünktion entsprechen muß, noch jedem Argument der Lexernfünk­
tion ein Argument der Prädikatskonstante.
Prädikatskonstante Argumente
Semantische Kompositionsmodi: Die Bedeutung komplexer Ausdrücke wie Klaus ißt er­
gibt sich, wie wir in (52) gesehen haben, aus den Bedeutungen seiner Teile, also den Be­
(ute)(klaus) deutungen von Klaus und ißt, und der Art und Weise, wie sie miteinander verbunden
XyXx [QUÄL (x,y)]
werden. Wie die Bedeutungen von Lexemen als terminalen Konstituenten aussehen, zei­
gen beispielsweise (52b) und (52c). In diesem Abschnitt soll es nun darum gehen, auf
welche verschiedenen Weisen - von denen eine in (52d) schon dargestellt wurde -
Konstituentenbedeutungen miteinander verknüpft werden können.
Ich gehe dabei im Wesentlichen von der in Jacobs (1995) vorgestellten semantischen
Abb. 4: Prädikatskonstante und Lexemfunktion von transitivem quälen. Theorie aus, die sich von anderen an Montague (1973) orientierten Ansätzen v.a. dadurch
unterscheidet, daß sie nur ein Minimum an syntaktischer Information in den Komposi­
tionsregeln heranzieht. Für die Anwendung der vier von Jacobs (1995:9) verwendeten
Kompositionsmodi, durch die Konstituentenbedeutungen miteinander verknüpft werden,
I fíxamfunklion Argument
ist nur die grobe syntaktische Kategorie der Konstituenten relevant, während die Konstitu­
C \ entenabfolge und die syntaktischen Relationen zwischen den Konstituenten bei der An­
Präriikatsknnstante Argumente wendung der Kompositionsmodi überhaupt keine Rolle spielen. 61

Insofern als es im Bereich satzsemantischer Fragestellungen in dieser Arbeit nur darum


(klaus)
geht, wie Verben und ihre Projektionen semantisch mit ihren Argumenten und Modifika-
Xx 3y [ESS . (x.y)l ,
toren verknüpft werden, lege ich hier eine etwas vereinfachte und reduzierte Form der von
62
Jacobs (1995:9) verwendeten Kompositionsmodi zugrunde. Ich gehe davon aus, daß in

Tatsächlich können natürlich sowohl die Prädikatskonstante QUÄL als auch die I^xemfünktion
Abb. 5: Prädikatskonstante und Lexemfunktion von intransitivem essen. XyXx[QUÄL(x,y)] als zweistelliges Prädikat oder als zweistellige Funktion betrachtet werden.
Im Fall von quälen sind außerdem Prädikatskonstante und Lexemfunktion semantisch äquiva­
lent und benötigen beide zwei Argumente, um einen wahrheitswertfähigen Ausdruck zu bilden.
5 9
Zu einem Vergleich mit Montagues (1973) Auffassungen s. Jacobs (1995:36ff).
Es kann allerdings innerhalb von Ableitungen zu Repräsentationen kommen, in denen die Ich verzichte auf intensionale Funktionsauswertung (i) und verwende eine etwas vereinfachte
Verschachtelung durchaus ein Rolle spielt und wo sie dann durch entsprechende Klammerung Form der mdividueneinführung. Die von Jacobs (1995:9) entworfene Fassung (ii) berücksich­
ausgedrückt wird. Während in (i) bzw. (ii) 'ute' das durch Xy gebundene Argument ist, sättigt in tigt darüber hinaus, daß auch solche Ausdrücke durch mdividueneinführung Argumentstellen
(iii), ausgedrückt durch die eckige Klammerung, 'ute' Xx und klaus' Xy: sättigen können, die selber noch offene Stellen haben.
(i) XyXx[QUÄL(x,y)](uteXklaus) (i) A (Z',y) = Xa ..Aa [Z'( [r(ai)...(a )])]
FI
1 n
A
n
(ii) Xy[Xx[QUÄL(x,y)]](uteXklaus) (ii) AlN(Z;y) = Xai...Xa [Zra Xa )...(a )&r(amXai)...(a„)]
n m i j
(iii) Xy[Xx[QUÄL(x,y)](ute)](klaus) ( f ü r 0 < n u n d 0 < i < j £n)
110 111

einer syntaktischen Konfiguration [ Z Y] oder [ Y Z] die Bedeutungen der beiden


X X
• Mögliche Typen
Schwesterkonstituenten, Z' und Y', komponiert werden durch die Anwendung eines der i) t, e o und e sind Typen; E

drei Kompositionsmodi extensionale Funktionsauswertung, Individueneinführung und ii) wenn a und b Typen sind, ist <a,b> ein Typ;
Konjunktion: 63
iii) nichts sonst ist ein Typ.

• Funktionsauswertung (A ) F
Ein komplexer Typ <a,b> ist der Typ von Ausdrücken, die Funktionen von a-Entitäten in
AF(Z',n = la ...Xa [ZXY'(a )...(a ))]
l n l n
/3-Entitäten denotieren. Der Typ <e ,<eG,<eE,t>», der etwa transitiven Verben wie quä-
G

(für 0 < n) len zukommt, ist damit der Typ von Funktionen von e in <e ,<e ,t»-Funktionen, die
G G E

• Individueneinführung (A ) 1
wiederum Funktionen von e in <eE,t>-Funktionen sind, welche wiederum Funktionen
G

Al(Z',I") = Xa ..Xa [Z'(a ) & F(a )(a )...(a )]


h ri m m 1 n
von e£ in t sind. Für Klaus quält Ute sieht das so aus, wobei der letzte Schritt, die Bindung
(für 0 < n) des Ereignisarguments erst in Kapitel 7.1.2 besprochen wird:
K
• Konjunktion (A ) (53) FUNKTION (ARGUMENT) = WERT (nach X-Konversion)
AK(Z',y) = Xa ..Xa [Z\a )...(ai) & 7'(ai)-(On)]
h n i
a. Xyfo&e[QUÄL(x,y,e)] (ute) = bAe[QUÄL(x,ute,e)]
(für 1 < i < j <n) TYP: < e , < e , < e , t » > TYP: e TYP: < e , < e , t »
G G E G G E

b. XxXe[QUÄL(x,ute,e)] (klaus) = ?ie[QUÄL(klaus,ute,e)]


Logische Typen: Welcher der drei Kompositionsmodi in einem bestimmten Ableitungs­
TYP: < e , < e , t »
G E TYP: e G TYP: <e ,t>
E
schritt zu wählen ist, wird dadurch bestimmt, daß der logische Typ des durch Komposition
c. Xe[QUÄL(klaus,ute,e)] (e') = QUÄL(klaus,ute,e')
von Z' und Y' entstehenden semantischen Ausdrucks X' mit der syntaktischen Kategorie
TYP: <e ,t>
E TYP: e E TYP: t
dieses Ausdrucks korrespondieren muß. Dabei legt folgendes Prinzip fest, daß jeder se­
mantische Ausdruck einem zu seiner syntaktischen Kategorie passenden logischen Typ Für die Zuordnung von Typen zu syntaktischen Kategorien müssen nun zwei Fälle unter­
entspricht (nach Jacobs 1995:8): schieden werden: syntaktische Kategorien, die keine ungesättigten Valenzstellen haben,
und solche mit noch offenen syntaktischen Valenzforderungen.
• Semantische Repräsentationen
Für die syntaktischen Konstituenten X, Y, Z und für einen beliebigen Kompositions­ • Der Typ syntaktisch gesättigter Ausdrücke
modus A: Wenn die syntaktische Kategorie A keine ungesättigten Valenzstellen enthält, ist der
i) Wenn X in eine lexikalische Bedeutungsrepräsentation X übersetzt, so ist X' eine Typ a € f(A), wobei gilt:
semantische Repräsentation von X, wenn der logische Typ von X' der syntakti­ f(V,+c) = {t}
65

schen Kategorie von X entspricht; f(V,-c) = { < e , t > } E

ii) wenn X eine komplexe syntaktische Konstituente [ Y] oder [ Y Z] ist, und Y'
z f(N,+d) = { e , e , <e ,t>, <e ,t>}
G E G E
x X

und Z' semantische Repräsentationen von Y bzw. Z sind, so ist A(7',Z') eine se­ f(P) = {<e ,t>, < e , < e , t » }
E G E

mantische Repräsentation von X, wenn der logische Typ von A(7',Z') der syntakti­ f(A) = {<e ,t>, < e , < e , t » }
E G E

schen Kategorie von X entspricht; Das Merkmal "+c" kennzeichnet komplettierte Sätze, also solche, deren Verb nach vorn
iii) nichts sonst ist eine semantische Repräsentation von X. bewegt wurde oder die durch eine Konjunktion komplettiert sind; "N,+d" steht für deter­
Die grundlegenden logischen Typen sind t ("truth values") für wahrheitswertdenotierende minierte Nominalphrasen; die Typen für Präpositionen ("P") berücksichtigen hier nur die
Ausdrücke und e ("entities") für individuendenotierende Ausdrücke, wobei Ausdrücke, die in dieser Arbeit besprochenen ereignismodifizierenden PPs, und lassen zusätzlich zu den
Gegenstandsindividuen e und solche, die Ereignisindividuen e denotieren, unterschie­
G E
von Jacobs (1995) angenommenen Typen auch Ausdrücke vom Typ < e , < e , t » zu (vgl. G E

64
den werden können. Daraus werden komplexe Typen gebildet. Es gilt. dazu Kap. 3 . 3 ) ; "A" schließlich steht für Adjektivadverbien wie sorgfältig, schüchtern
66

oder vorsichtig, die mit N- und mit V-Ausdrücken kombinieren.

Für die Indizierung der Variablen in der Beschreibung der Kompositionsmodi gilt a) bei "für 0
< n", daß eine beliebige Anzahl von X-abstrahierten Argumentvariablen (für Argumente von Í")
hinzugefügt werden kann (der Modus der Funktionsauswertung steht also für ZXY ) oder 1
Es wird später in Kap. 7.1.2 argumentiert, daß Zustandsverben keine Ereignisargumente haben.
Xa[Z'(Y'(a))] oder XaX.a'[Z'(7'(a)(a'))], etc.), b) bei "für 1 < i < j < n", daß mindestens eine X- Ihnen muß daher ein anderer Typ zugewiesen werden. Für das Folgende ist das jedoch noch
abstrahierte Argumentvariable eingefügt werden muß, und daß die Liste von Variablen nicht relevant.
ai,...,oc„ die Liste von Variablen ai,...,ot¡ enthält. Es wird dabei davon ausgegangen, daß Präpositionen genau eine syntaktische Valenzstelle
Es sollte, um Verwirrung vorzubeugen, beachtet werden, daß es einerseits den gängigen Kon­ haben, die in Beispiel (54e) durch Dortmund gefüllt ist; die PP in Dortmund ist also syntak­
ventionen der Ereignissemantik entspricht, "e" als Ereignisvariable zu verwenden, und anderer­ tisch gesättigt. Diese Annahme hängt mit den Prinzipien zusammen, nach denen komplexe
seits denen der Typenlogik, "e" zur Kennzeichnung des logischen Typs "entity" zu verwenden. Ausdrücke die Valenz ihrer Töchterkonstituenten übernehmen; vgl. dazu Jacobs (1992a:104ff).
112 113

Man sieht, daß einer syntaktischen Kategorie meist mehrere möglich Typen zugeordnet Die Anwendung der drei Kompositionsmodi soll nun in den folgenden Abschnitten an
sind, also keine strikte Eins-zu-Eins-Zuordnung von syntaktischen Kategorien zu logi­ 68
einigen Beispielen erläutert werden. Den Beitrag temporaler und anderer an die Verb-
schen Typen besteht. Im Folgenden einige Beispiele: flexion geknüpften Bedeutungskomponenten ignoriere ich dabei. Eigennamen werden als
Individuenkonstanten repräsentiert, alle anderen NPs als einstellige Funktionen, die nicht
(54) a. daß er den Fisch füttert' SYN: {V,+c} ==> TYP: t
weiter analysiert werden:
b. er den Fisch füttert' SYN: {V,-c} ==> TYP: <eE,t>
c. Frankfurt' SYN: {N,+d} ==> TYP: e G (57) a. Klaus': klaus
d. die Explosion' SYN: {N,+d} ==> TYP: <e ,t> E b. die-Fliege': XxpiE-FLIEGE(x)]
e. in Dortmund' SYN: {P} ==> TYP: <e ,t> E c. eine-Biene': X.x[EINE-BIENE(x)]
Die Typzuweisung für Ausdrücke mit Valenzforderungen sieht nach Jacobs (1995:10) so
Funktionsauswertung: Der Modus der Funktionsauswertung beinhaltet zwei Fälle: die
aus, wobei ich nur die für die vorliegende Arbeit relevanten Zuweisungen berücksich­
67
Funktionsapplikation Z'(J") und die Funktionskomposition, bei der die noch unspezifi-
tige:
zierten Variablen in Y' an den resultierenden Ausdruck weitergegeben werden. Auf Funk­
• Der Typ syntaktisch ungesättigter Ausdrücke tionskomposition komme ich erst in Kapitel 3.3.3 zurück. Funktionsapplikation wird z.B.
Wenn die syntaktische Kategorie A ungesättigte Valenzstellen /VAL .../VAL enthält 1 n angewendet bei der Verbindung von verbalen Prädikaten mit Individuenkonstanten, also
(für 1 < n), ist der Typ a Element der Menge der Typen der Form <a ,...<a ,a >...>, n 1 m Namen wie Klaus und Anna. Durch die Applikation wird eine offene Stelle des Verbs
wobei a e f(A) und a e g(VALj) (für 1 < i < n), wobei gilt:
m t gesättigt.
g(kas) = { e , e }
G E kas = nom v akk v dat v gen
(58) a. [Anna [quält Klaus]]
g(adp) = { e , e } adp = pp<n</v PP'» v P P « » v ...
quält':
G E
b. Xy>.xXe[QUÄL(x,y,e)]
g(0) = {<e ,t>, < e , t > , < e , < e , t » }
Klaus':
G E G E
c. klaus
Die Typzuordnung für syntaktisch ungesättigte Ausdrücke geht davon aus, daß jeder Aus­ d. Anna': anna
druck durch eine Menge von syntaktischen Merkmalen spezifiziert ist, die u.a. seine noch e. A*'(quält'JClausJ. XyXxXe[QUÄL(x,y,e)](klaus)
nicht gesättigten Valenzstellen in der Notation /VAL^./VALn enthält. Der logische Typ f. X.-Konversion: XxXe[QUÄL(x,klaus,e)]
eines Ausdrucks wie warten (55a) baut sich nun sukzessive durch die Typzuweisung an g. ^(^{quält'JClaus^Annay. XxXe[QUÄL(x,klaus,e)](anna)
"V,-c" (55b) und an die Valenzstellen /nom (55c) und /PP"«/(55d) auf: h. X-Konversion: Xe[QUÄL(anna,klaus,e)]
i. (nach Bindung von e): QUÄL(anna,klaus,e)
(55) a. warten SYN: {V,-c,...,/nom/PP<™/}
SEM: )iy>.xXe[WART(x,y,e)] Auf die Art und Weise, wie das Ereignisargument gesättigt wird, gehe ich später ein (Kap.
b. f(V,-c) = <e ,t> E
.. .Xe[WART(x,y,e)] TYP:.. .<e ,t>E 7.1.2). Seine Bindung stellt jedenfalls den letzten Schritt in der semantischen Ableitung
c. g(nom)= {e ,... G
...}.xXe[WART(x,y,e)] TYP: ...<e ,<e ,t» G E dar.
d. g(PP«"/) = { e , . } XyXxXe[WART(x,y,e)] TYP: < e , < e , < e , t » >
G G E
Individueneinführung: Die semantische Übersetzung von Verben wie in (58b) resultiert in
G

Ich gebe nachfolgend noch einige Beispiele für die Typzuweisung, wobei 10 bei wohnen einer Verschachtelung einstelliger Funktionen, die nur auf solche Ausdrücke appliziert
(56f) für die bezüglich ihrer Form nicht spezifizierte Ergänzung des Ortes oder der Art werden können, die dem Typ der X-präfigierten Variable entsprechen. Insofern als hier
und Weise steht, die etwa durch eine lokale PP wie in Dortmund oder ein Adjektivadverb Individuenvariablen präfigiert sind, kann zwar auf Individuenbedeutungen wie in (58c)
wie luxuriös realisiert werden kann (s. Kap. 3.2.2): funktional appliziert werden, nicht aber auf normale NP-Bedeutungen, die einstellige
Prädikate darstellen wie in (59b). Hier können Verb- und Objektbedeutung aber durch den
(56) a. joggen' SYN {V,-c,...,/nom} ==> TYP: <e ,<e ,t»
G E
Mechanismus der Individueneinführung kombiniert werden:
b. quälen' SYN {V,-c,...,/nom/akk} ==> TYP: <e ,<e ,<e ,t>»
G G E

c. den Hund quälen' SYN {V,-c,...,/nom} ==> TYP: <e ,<e ,t»
G E (59) a. [der Teufel [frißt [eine Fliege]]]
d. geben' SYN {V,-c,...,/nom/dat/akk} ==> TYP: <eo,<e ,<e ,<e ,t»»
G G E b. der-Teufel': XvpER-TEUFEL(v)]
e. in' SYN {P,...,/dat} ==> TYP: <e ,<e ,t»
G E c. eine-Fliege': X.w[EINE-FLIEGE(w)]
f. wohnen' SYN {V,-c,...,/nom/0} ==> TYP: «e ,t>,<e ,<e ,t»>
E G E d. frißt': XyXxXe[FRESS(x,y,e)]

Im Gegensatz zu Jacobs (1995) gehe ich hier nicht davon aus, daß Prädikate aller Wortarten
Siehe Jacobs (1995:10) u.a. zum Typ von Ausdrücken, die infinite und finite Nebensätze (mit Stellen für Situationsargumente haben. Die Kompositionsmodi sind von dieser Annahme ohne­
und ohne Komplementierer) verlangen. hin unabhängig.
114 115

e. A\eine-Fliege'frißty. Xx'Xe'[XwpINE-FLIEGE(w)](y') ,,
(62) a. Xx'Xe"[Xe'[IN(grävingholz,e')](e )&Xx>.e[JOGG(x,e)](x')(e")]
& XyXxXe[FRESS(x,y,e)](yXx')(e')],
b. Xx'Xe"[Xe'[IN(grävingholz,e')](e") & XxXe[JOGG(x,e)](x Xe")]
,

f. X-Konversion: Xx%e'[EINE-FLIEGE(y') & X.xXe[FRESS(x,y',e)](xXe')]


,

Zusammenfassung: Die semantischen Repräsentationen in dieser Arbeit basieren auf einer


g. X-Konversion: Xx'Xe'[EINE-FLiEGE(y') & X.e[FRESS(x,y',e)](e')]
,

typenlogischen Sprache mit Lambdaoperator. Verben übersetzen in mehrstellige (ver­


h. ^-Konversion: Xx%e'[ErNE-FLrEGE(y') & FRESS(x',y',e')]
schachtelte) Lexemfiinktionen, die eine verbspezifische Prädikatskonstante enthalten. Für
i. A\der-Teufel\A\eine-Fliege'frißt')):
, , ,
die kompositioneile semantische Verarbeitung werden drei Kompositionsmodi angenom­
Xe"[X.vpER-TEUFEL(v)](x") & Xx'Xe'[EINE-FLIEGE(y') & FRESS(x,y,e)](x"Xe")]
men: Funktionsauswertung, Individueneinführung und Konjunktion.
j. X-Konversion: Xe"[DER-TETJFEL(x") & Xe'[EINE-FLIEGE(y')
& FRESS(x",y',e')](e"
k. X-Konversion: Xe"PER-TEUFEL(x") & EINE-FLIEGE(y) & FRESS(x",y',e")]
3.2.2 Argumente und Valenz
1. (nach Bindung von e): DER-TEUFEL(x") & EINE-FLIEGE(y') & FRESS(x",y',e")
Ich will die Vorgehensweise bei der Individueneinführung noch etwas näher erläutern: Die Valenzdimensionen: Zwischen den Argumenten eines verbalen Prädikats und der Subkate­
Variable y' in (59e), hier wiederholt als (60a), dient dazu, das Argument von DIE-FLIEGE gorisierung oder syntaktischen Valenz des Verbs besteht offenbar ein enger Zusammen­
mit dem Objektargument von FRESS zu identifizieren und damit die Objektargumentstelle hang. In Jacobs (7987/1994) wurde allerdings gezeigt, daß die die Valenztheorie lange
von fressen zu sättigen. Die beiden anderen Variablen x' und e' in (59e), hier wiederholt Zeit dominierende Diskussion über die Unterscheidung von Ergänzungen und Angaben
1
als (60b), die durch A eingeführt werden, stellen die übrigen noch zu sättigenden Varia­ von der falschen Annahme ausging, es gäbe einen einheitlichen semantisch-syntaktischen
blen des verbalen Prädikats für die weiteren Verarbeitungsschritte bereit. Das gleiche Begriff der Valenz. Stattdessen weist Jacobs (7987/1994) eine Reihe von Valenzbindungs­
wiederholt sich in (59i) mit der Variable x" (60c) und der X-präfigierten Variable e" (60d). beziehungen nach, die voneinander unabhängig sind in dem Sinne, daß sich keine zwei
von ihnen gegenseitig bedingen. Eine Konstituente X ist demnach dann von einer Kon­
(60) a. Xx'teTXwfEINE-FLIEGE(w)](y) & XyX.xXe[FRESS(x,y,e)](y')(x')(e')]
stituente Y in einem Satz S valenzabhängig, wenn sie in mindestens einer der folgenden
b. Xx'Xe'[Xw[EINE-FLIEGE(w)](y') & XyXxXerFRESStx.y^Ky'Xx'Xe')] 70
Beziehungen zu Y steht:
c. Xe"[5ivpER-TEUFEL(v)](x") & Xx'Xe'pINE-FLIEGE(y') & FRESS(x',y',e')](x")(e")]
d. Xe"[XvpER-TEUFEL(v)](x") & Xx'Xe'pINE-FLIEGE(y') & FRESS(x',y',e')](x")(e")] • Valenzbindungsbeziehungen
i) Notwendigkeit (Obligatheit): X ist für Y obligatorisch, d.h., es unterliegt einer
Konjunktion: Weder Funktionsauswertung noch Individueneinführung liegen im Fall Realisierungsforderung von Y.
klassischer intersektiver Modifikation vor. Hier greift der Mechanismus der Konjunk­ ii) Formspezifik: X ist für Y formspezifisch, d.h., es unterliegt einer von Y ausge­
tion. 69
henden Forderung nach einem Formmerkmal (z.B. nach einem bestimmten Ka­
sus).
(61) a. [Klaus [joggt [im Grävingholz]]]
iii) Inhaltsspezifik: X ist für Y inhaltsspezifisch, d.h., es unterliegt einer von Y aus­
b. joggt': X.xXe[JOGG(x,e)]
gehenden Forderung nach einem Inhaltsmerkmal (z.B. nach dem Merkmal
c. im-Grävirtgholz': Xe'PN(grävingholz,e')]
[+BELEBT]).
d. Klaus': klaus
iv) Argumenthaftigkeit: X ist ein Argument von Y, d.h., es füllt eine offene Stelle in
e. AK(im-Grävingholz'jöggty. X.x'X.e"[Xe'[IN(grävingholz,e')](e")
der Bedeutung von Y.
& XxX.e[JOGG(x,e)](x)(e")] ,

f. Ji-Konversion: X.x'Xe"[IN(grävingholz,e") & JOGG(x',e")] Die Valenzbindungsbeziehungen sind unabhängig voneinander in dem Sinne, daß nicht
g. A^(A^(im-Grävingholz'joggt") JClausJ. zwei Valenzbindungsbeziehungen notwendigerweise immer zusammen auftreten. Es be­
Xx'Xe"[IN(grävingholz,e") & JOGG(x',e")](klaus) stehen allerdings bestimmte Implikationsbeziehungen, und zwar die folgenden (nach
h. X-Konversion: Xe"[IN(gTävingholz,e") & JOGG(klaus,e")] Jacobs 1992a:96): 71

i. (nach Bindung von e): IN(grävingholz,e") & JOGG(klaus,e")


Wie bei der Individueneinführung garantiert auch bei der Konjunktion die Einführung der
X.-präfigierten Variablen in (öle), hier wiederholt als (62a), die Verfügbarkeit der noch Zu einer detaillierteren Formulierung der Beziehungen vgl. Jacobs (70£7/1994:14ff). Außerdem
nicht gesättigten Argumentvariablen. Eine dieser Variablen dient dabei auch als Argu­ wird in Jacobs (70S7/1994:16f) noch eine Relation der Beteiligtheit angenommen, die bereits in
ment der Modifikatorfünktion wie in (62b), wodurch die Variablenidentifizierung von Kapitel 3.1.1 erläutert wurde, für die weiteren Überlegungen in dieser Arbeit aber keine Rolle
spielt. Die Relevanz zweier anderer Beziehungen (Assoziiertheit und Exozentrizität) hat sich
Modifikator und Modifikant erfolgt:
nicht bestätigt. Ich diskutiere hier nur die in Jacobs (1994:284f) übernommenen Beziehungen.
Ausführlich dazu Jacobs (7P#7/1994:33ff); expletive Ergänzungen werden im Übrigen von
6 9
Vgl. ein ähnliches Beispiel in Jacobs (1995:22). diesen Implikationen nicht erfaßt.
116 117

• Implikationen zwischen Valenzbindungsbeziehvuigen • definite vs. definitheitsneutrale Argumentinterpretation;


i) OBLIGATORISCH(X,Y) -> INHALTSSPEZIFISCH(X,Y) • spezielle vs. unspezielle Argumentinterpretation;
ii) FORMSPEZIFISCH(X,Y) INHALTSSPEZIFISCH(X,Y) • reflexive vs. nicht-reflexive Argumentinterpretation.
iii) INHALTSSPEZIFISCH(X,Y) -> ARGUMENT(X,Y) Erstens wird also lexikalisch festgehalten, ob das implizite Argument definit interpretiert
werden muß oder nicht. So ist intransitives einwilligen wie in Beispiel (63a) nur so zu
76

SYN-VAL und SEM-VAL: Die beiden oben eingeführten Beziehungen der Notwendigkeit verstehen, daß es etwas über den Kontext Identifizierbares gibt, in das jemand einwilligt.
und der Formspezifik bestimmen die syntaktische Valenz (SYN-VAL) eines Ausdrucks, Das heißt, (63a) meint nicht, daß Dietmar in irgendetwas einwilligt. Demgegenüber er­
die Beziehungen der Inhaltsspezifik und der Argumenthaftigkeit die semantische Valenz laubt lesen sowohl eine definite Interpretation wie in (63b) als auch eine indefinite wie in
72
(SEM-VAL) des Ausdrucks. Die die Formspezifik eines Ausdrucks konstituierenden (63c): lesen ist defimtheitsneutral.
Forderungen werden dabei durch eine als /ai.../a notierte Folge von Merkmalen ai, a
n n
(63) a. schließlich willigte Dietmar ein
ausgedrückt, wie bei dem Verb aufwecken in Lex. 17; aufwecken fordert demnach eine
b. er hatte den neuen Roman von Grass in der Hand und las
Konstituente im Nominativ und eine im Akkusativ. Die semantische Valenz beinhaltet die
c. als ich ins Zimmer kam, saß sie im Schaukelstuhl und las
^.-Abstraktion derjenigen Argumentvariablen, die im Laufe der semantischen Verarbei­
73
tung durch Individuenbedeutungen gesättigt werden müssen. Inhaltspezifische Forde­ Definite Weglassung setzt also die Instantiierung der Argumentvariablen im Kontext
rungen, wie die nach einem bewußten Individuum als logischem Objekt von aufwecken voraus; einwilligen ist demnach wie folgt repräsentiert:
werden als Merkmalsmengen in Form von Superskripten an den Variablen notiert wie in
Lex. 17. Ich verzichte auf eine Koindizierung der semantischen Valenzstellen mit den einwilligen\ SYN-VAL: /PP'"/nom
syntaktischen; stattdessen führe ich als Konvention ein, daß die Reihenfolge der Stellen SEM-VAL: XyXxle[EINWILLIGi(x,y,e)]
der syntaktischen Valenz mit der Reihenfolge der Stellen der semantischen Valenz kor­
respondiert. 74
einwilligen^ SYN-VAL: /nom
SEM-VAL: A.xXe[EINWILLIG2(x,y+d,e)]

aufwecken SYN-VAL: /akk/nom Lex. 18: Lexikalischer Eintrag von einwilligen.


SEM-VAL Xy[+BEWUSST]^ [AUFWECKEN(x,y)]
x

Definite Weglassung wird also durch eine Markierung "+d" an der entsprechenden Argu­
Lex. 17: Lexikoneintrag von aufwecken. mentvariable ausgedrückt, definitheitsneutrale Weglassung durch die Markierung "±d , M

die besagen soll, daß das Denotat der Variable in den Diskurs eingeführt sein kann, aber
Fakultativität und die Bindung impliziter Argumente: Bisher wurde die Repräsentation
nicht muß. Lexikalisch ist lesen damit so repräsentiert:
von Formspezifik, Inhaltsspezifik und Argumenten dargestellt. Die Frage nach der Reprä­
sentation von Notwendigkeit ist aber noch unbeantwortet. Sie beantwortet sich auch nicht
dadurch, daß man - wie in den meisten Repräsentationen üblich - die entsprechende Er­ lesen\ SYN-VAL: /akk/nom
gänzung in Klammern setzt, denn syntaktische Valenzstellen drücken eine Realisierungs­ SEM-VAL: XyXxlefLES J (x,y,e)]
forderung aus und beinhalten insofern Notwendigkeit. Nach Jacobs (1994:296) muß Fa­ leseni SYN-VAL: /nom
kultativität daher in der Annahme einer alternativen syntaktischen Valenz resultieren. Das SEM-VAL: Xxle[LES2(x,y±d,e)]
Verb essen hat somit eine erste syntaktische Valenz /akk/nom für die transitive und eine
zweite syntaktische Valenz /nom für die intransitive Variante. Lex. 19: Lexikalischer Eintrag von lesen.
Die Annahme von zwei getrennt spezifizierten Verbvarianten findet darüber hinaus auch
77
eine semantische Begründung, denn die impliziten Argumente in den valenzreduzierten Zweitens werden implizite Argumente oft sortal spezifisch interpretiert. So beinhaltet
Varianten haben nicht-prädiktable verbspezifische semantische Eigenschaften. Jacobs das syntaktisch einstellige geben (Wer gibt?), daß Spielkarten an Kartenspieler gegeben
75
(1993: lOff, 1994:299ff) unterscheidet implizite Argumente bezüglich dreier Parameter:

Auf die Notwendigkeit einer solchen lexikalisch basierten Unterscheidung haben auch Allerton
Vgl. zum Folgenden Jacobs (1994:287ff). (1975:214,224) (als "contextual delition" vs. "indefinite deletion"), Höhle (1978:15f) (als defi­
Ein ähnlicher Vorschlag zur Repräsentation des semantischen Aspekts von Valenz ist auch von nite vs. indefinite Weglassung) und Fillmore (1986:96) (als "definite null complements" vs.
Schuhmacher et al. (1981:74ff) gemacht worden. "definite null complements") hingewiesen, wobei im Allgemeinen nicht beachtet wird, daß die
Auf Einzelheiten zur Interpretation der unter SYN-VAL und SEM-VAL notierten Angaben sogenannten indefiniten Weglassungen je nach Kontext auch definit interpretiert werden kön­
komme ich in Kapitel 3.3.5 noch zu sprechen. nen (aber nicht umgekehrt).
Folgendes nach der Darstellung in Engelberg (1997:1Off). Vgl. auch Allerton ( 1975:217) und Fillmore ( 1986:96f, 101 f) mit einer Fülle von Beispielen.
118 119

werden. Solche Beschränkungen werden wie in Lex. 20 als Interpretationsbeschränkungen Die Annahme solcher strikt impliziten Argumente sollte natürlich beschränkt werden, will
79
notiert: 78
man nicht für beliebige Ereignisbeteiligte ein Argument ansetzen. Zumindest dort kön­
nen solche nicht-realisierbaren Argumente allerdings angenommen werden, wo sie mit­
verstanden sind, eine semantische Rolle innehaben und ein morphologisch verwandter
geben\ SYN-VAL: /akk/dat/nom
XykzXxXe[GEB i (x,y,z,e)] Ausdruck (in diesem Fall schlagen) die Realisierung des entsprechenden Arguments er­
SEM-VAL: 80
laubt (Engelberg 1997:12).
geben2 SYN-VAL: /nom
SEM-VAL: X.xle[GEB2(x,y±d[+SPIELKARTEN] ±d[+KARTENSPIELER] e)]
>z ;
Syntaktische und semantische Fakultativität: Von diesen vier Fällen (Definitheitsneutra-
lität, sortale Spezifität, implizite Reflexivität, obligatorische Implizitheit) sind solche
Lex. 20: Lexikalischer Eintrag von geben. Verben zu unterscheiden, die in einer durch Valenzerweiterung entstandenen Verbvari­
ante ein zusätzliches Argument erhalten:
Drittens gibt es Verben, die bei Weglassung der Akkusativ-NP wie in (64b) eine reflexive
(66) a. er spült das Geschirr
Interpretation erhalten:
b. er spült ihr das Geschirr
(64) a. er badet den Hund
Solche Argumente, wie etwa der benefaktive Dativ bei spülen (66b), sind wie andere
b. er badet (= er badet sich)
nicht-implizite Argumente X-gebunden:
Für diesen Fall kann referentielle Identität der beiden thematischen Argumente der Prädi­
katskonstante des Verbs angenommen werden: spülen^ SYN-VAL: /akk/nom
SEM-VAL: tyXxXe[SPÜLi(x,y,e)]
baden\ SYN-VAL: /akk/nom
spülen SYN-VAL: /akk/dat/nom
SEM-VAL: Xy[+BELEBT]^ [+MENSCH]Xe[BAD i (x,y,e)]
x
2

SEM-VAL: A.yXzÄ,xXe[SPÜL2(x,y,z,e)]
badeni SYN-VAL: /nom
SEM-VAL: Xx[+BELEBTU rBAD2(x,x,e)]
e
Lex. 23: Lexikalischer Eintrag von spülen.

Lex. 21 : Lexikalischer Eintrag von baden. Insofern als syntaktische Valenzstellen immer realisiert werden müssen, resultiert syntak­
tische Fakultativität in zwei syntaktischen Valenzen eines Verbs, die sich in der Anzahl
Schließlich ist hier noch ein vierter Fall arizuführen, der bei Höhle (1978:22f) erwähnt der syntaktischen Stellen unterscheiden. Das gleiche Phänomen liegt, wie in Lex. 23 zu
wird, und der nicht Verben mit fakultativen Komplementen betrifft, sondern strikt intran­ sehen, auch im Bereich der semantischen Valenz vor. Zwei semantische Valenzen eines
sitive Verben, die wie zuschlagen einen Partizipanten beinhalten, der Gegenstand des Verbs können sich dadurch unterscheiden, daß eine der beiden nicht nur in der Lexem­
Zuschlagens ist, aber nicht realisiert werden kann. Dieser Partizipant kann nur über den funktion, sondern auch in der Argumentliste der Prädikatskonstante eine zusätzliche se­
Kontext identifiziert werden: mantische Stelle fordert. Insofern es sich bei dieser zusätzlichen Stelle natürlich um ein
Argument handelt, kann man dieses Phänomen analog zur syntaktischen Fakultativität als
(65) a. * sie schlägt den Typ zu
semantische Fakultativität bezeichnen.
b. *sie faßt den Arm zu
Argumente von Lexemfunktionen und Prädikatskonstanten: Die Unterscheidung zwischen
zuschlagen SYN-VAL: /nom Argumenten der Lexemfünktion und Argumenten der Prädikatskonstante, die im letzten
SEM-VAL: Xxte[ZUSCHLAG(x,y+d,e)]
Chierchia / McConnell-Ginet (1990:383) nehmen dagegen auch für ein obligatorisch intransiti­
Lex. 22: Lexikalischer Eintrag von zuschlagen. ves Verb wie to dine an, daß es über ein implizites Thema-Argument verfügt. Das mag zwar
unmittelbar einleuchtend erscheinen, läßt aber die Frage aufkommen, mit welcher Begründung
man dann z.B. einem Verb wie joggen ein implizites Argument für die dabei zwangsläufig be­
teiligten Füße verweigern könnte. Sinnvoller erscheint es, solche Zusammenhänge über Be-
deutungspostulate wie (i) zu formulieren:
7 8
Vgl. auch die ausführlichere Repräsentation von geben in Jacobs (1994:301). Im Übrigen wer­ (i) • VxVepJMER(x,e) -> 3y[ESS(x,y,e)]]
den Merkmale wie [+BELEBT], wenn sie als Selektionsrestriktionen verstanden werden, an Blume (1998) weist außerdem daraufhin, daß solche Sätze wie in (65) zwar nicht wohlgeformt
den X-präfigierten Variablen notiert, und an den Argumenten der Prädikatskonstante, wenn sie sind, aber durchaus zu interpretieren. Dabei wird den Typ bzw. den Arm eben genau als
als Interpretationsbeschränkungen aufgefaßt werden. Die semantische Interpretation ist in bei­ Realisation des eigentlich impliziten Arguments des Verbs in seiner spezifischen Rolle ver­
den Fällen aber dieselbe (vgl. Kap. 3.3.5). standen.
120 121

Kapitel getroffen wurde, erlaubt es uns nun, zwei wichtige Präzisierungen zu treffen. Die 3.2.3 Argumentstruktur und Valenz: Einige problematische Fälle
erste Präzisierung betrifft die Argumenttests aus Kapitel 3.1.1. Es wurde dort festgehalten,
daß Argumente nicht in geschehen-Säxze ausgegliedert werden können, daß ihnen vom Lokale Adverbiale als Ergänzungen: In Kapitel 3.1.1 habe ich dafür argumentiert, daß das
Verb eine semantische Rolle zugewiesen wird und daß sie fest in Teilereignisse eingebun­ Verb wohnen keine Argumentstelle für seine obligatorische lokale oder modale Ergänzung
den sind. Wenn in diesem Zusammenhang von Argumenten geredet wurde, so betraf das hat. Das widerspricht zunächst scheinbar der Annahme, daß jeder syntaktischen auch eine
die Argumente der Prädikatskonstante, denn zum einen werden auch nicht ^-gebundene, semantische Valenzstelle, also eine X-präfigierte Variable, entsprechen muß. Wenn wir
81
implizite Argumente über semantische Rollen eingebunden und Teilereignissen zuge­ dagegen zulassen, daß semantische Valenzstellen nicht unbedingt mit Argumenten der
ordnet, und zum anderen werden wir im nächsten Kapitel noch Verben kennenlernen, bei Prädikatskonstante korrespondieren müssen, können wir die Forderung nach einem loka­
denen Argumente der Lexemfunktion keinem Argument der Prädikatskonstante entspre­ len oder modalen Adverbial bei wohnen auch so ausdrücken: 85

chen.
Die zweite Präzisierung betrifft die am Anfang dieses Kapitels besprochenen Implika­
wohnen
tionen, die beinhalten, daß jeder syntaktischen (formspezifischen) Valenzstelle eine Ar­
82
SYN-VAL: / 0 / n o m
gumentvariable zugeordnet werden muß (Jacobs 1994:295). Wenn hier von Argumenten
SEM-VAL: A.P[+WOHNORTAVOHNART]A. [+MENSCH]J [WOHN(x,e) & P(e)]
die Rede ist, so betrifft das die >.-präfigierten Argumente der Lexernfunktion, denn wir x Le

werden im nächsten Kapitel sehen, daß jeder Formvalenzstelle immer ein Argument der Lex. 24: Lexikalischer Eintrag von wohnen. 86

Lexemfunktion entspricht, aber nicht notwendigerweise auch eines der Prädikats­


83
konstante. Wenn ich von semantischer Valenz im engeren Sinne spreche, so beziehe ich Jedem Element der syntaktischen Valenz entspricht damit ein Element der semantischen
84
mich damit immer auf die Sättigungsforderungen der ^.-präfigierten Variablen. Valenz. In den wenigen notorisch schwierigen Fällen wie wohnen bindet eine der X.-präfi-
gierten Variablen aber kein Argument der entsprechenden Prädikatskonstante WOHN. In
Zusammenfassung: Es lassen sich mindestens vier extensional verschiedene Valenz­
diesen Fällen ist das Verb semantisch dekomponiert in zwei Prädikate, repräsentiert durch
relationen zwischen Konstituenten feststellen: Notwendigkeit, Formspezifik, Inhaltsspezi­
eine Konstante und eine Variable. Eine solche Dekomposition findet nur dann statt, wenn
fik und Argumenthaftigkeit. Die ersten beiden konstituieren die syntaktische Valenz des
einer syntaktisch notwendigen Stelle keine nach den Kriterien in Kapitel 3.1.1 zu ermit­
Verbs und die letzten beiden die semantische. Die Nicht-Notwendigkeit (Fakultativität)
telnde Argumentstelle der korrespondierenden Prädikatskonstante entspricht.
einer Valenzstelle beruht auf verschiedenen Varianten des Verbs, die durch unterschied­
liche syntaktische und semantische Valenzen gekennzeichnet sind. In diesen Varianten Die hier gewählte semantische Repräsentation von wohnen (67b) widerspricht im
werden mit Hilfe der vier Parameter Defimtheitsneutralität, sortale Spezifität, implizite Übrigen sowohl der Annahme von Jacobs (1994:291), das Lokaladverbial bei wohnen
87

Reflexivität und obligatorische Implizitheit auch die verbspezifischen Bedingungen für die (67a) realisiere ein Argument wie in (67c), als auch Zifonun (1995:180f), die in einer
Kritik an Jacobs behauptet, in (67a) würde eine Relation zwischen Hans und dem Haus
Interpretation impliziter Argumente festgehalten.
ausgedrückt, die zu einer Dekomposition des Prädikats Anlaß gäbe. Diese Dekomposition
Es wurde weiterhin festgestellt, daß die in Kapitel 3.1.1 diskutierten Verfahren zur Er­
soll man sich — übersetzt in die hier verwendete Repräsentationssprache — wie in (67d)
mittlung des Argumentstatus sich auf die Argumente der Prädikatskonstante beziehen, 88
vorstellen:
während die Feststellung, daß jeder syntaktischen Valenzstelle eine Argumentstelle ent­
sprechen muß, die Argumente der Lexernfunktion betrifft. (67) a. Hans wohnt in dem Haus
b. XPXxXe[WOHN(x,e) & P(e)]
c. XPX.xrWOHN(P,x)]
d. Xx[WOHN(x) & IN(DEM-HAUS,x)]
e. Hans wohnt in der Badewanne

Diese Annahme widerspricht solchen an Chomskys (1981:36) Theta-Kriterium orientierten


lexikalisch-semantischen Ansätzen, die, wie Bierwisch (1982:14), davon ausgehen, daß thema­ Zur Erinnerung: 10 steht für eine syntaktische Valenzstelle, die keinen formspezifischen Forde­
tische Rollen nur X-gebundenen Argumentvariablen zugeordnet werden. rungen genügen muß.
Für verbale Prädikate gilt dies auch umgekehrt. Jeder semantischen Valenzstelle entspricht Diese Repräsentation basiert auf der Annahme, daß wohnen ein Ereignisargument hat. Geht
auch eine syntaktische. Bei anderen Wortarten ist die semantische Valenz dagegen um eine man davon aus, daß nicht alle Verben über Ereignisargumente verfügen, so wäre für diese An­
Stelle höher als die syntaktische (Jacobs 1994:295), z.B. bei der Präposition auf. nahme allerdings noch unabhängige Evidenz zu erbringen.
SYN-VAL: /dat Vgl. auch die Argumentation in Kapitel 3.1.1, die zeigt, daß das obligatorische Adverbial bei
SEM-VAL: Xx >K]>-y[AUF(x,y)]
[IX (aus Jacobs 1994:291) wohnen nicht als Argument der Prädikatskonstante zu verstehen ist.
Diese Annahme bringt einige vermeintliche Probleme mit sich, die ich in Kap. 3.2.3 diskutie­ Eine ähnliche Dekomposition von wohnen nimmt Steinitz (1997:340,346) an. Auch bei ihr
ren werde. bezieht sich die in die Dekomposition des Verbs integrierte Prädikatsvariable auf das Subjekt-
So wird der Begriff'semantische Valenz' auch von Jacobs (1994) verstanden. und nicht das Ereignisargument von wohnen.
122 123

Zifonuris Annahme läßt allerdings erwarten, daß (67e) als 'Hans wohnt und Hans befindet sehe aus syntaktischen Gründen eine Füllung der Subjektstelle verlangt. Das ist angesichts
sich in der Badewanne' verstanden werden kann, wohingegen wir tatsächlich aber die solcher Beispiele wie (70b, 70c, 70d) aber offenbar nicht richtig (Jacobs 1994:309):
merkwürdige Interpretation erhalten, daß Hans sein Domizil in der Badewanne aufge­
(70) a. es regnet
schlagen hat. Das Lokaladverbial bei wohnen muß also, wenn man es nicht als Argument
b. mich friert
des Prädikats WOHN verstehen will, nicht auf das Subjektargument, sondern unmittelbar
89
c. uns graut
auf das Ereignisargument bezogen werden wie in (67b).
d. mir ist übel
Die semantische Anbindung der lokalen Phrase erfolgt im Falle von wohnen durch
Funktionsapplikation (68), im Falle eines Verbs wie schlafen, das über keine syntaktische Wenn das Deutsche aber leere Subjekte erlaubt, so ist nicht klar, warum der Satz in (70a)
Stelle für ein solches Lokaladverbial verfugt, durch Konjunktion (69). (Die Ableitung in ein expletives es enthält, es sei denn, man nimmt an, das es ist lexikalisch vom Verb ge­
(69) entspricht der in (61) in Kapitel 3.2.1 und wird daher hier nur angedeutet.) fordert. Witterungsverben haben also eine syntaktische Valenz wie in (71a). Als semanti­
sche Entsprechung der syntaktischen Valenzstelle schlägt Jacobs (1994:309) eine leer X-
(68) a. Konrad wohnt in Dortmund 91
gebundene semantische Stelle wie in der Repräsentation in (71b) vor. Abgesehen davon,
b. wohnt': XPXxXe[WOHN(x,e) & P(e)]
daß - wie Jacobs bemerkt - eine solche leere Bindung nicht in allen Theorien erlaubt ist,
c. Konrad'. konrad stellt sich selbst dann, wenn (71b) der Syntax unserer Repräsentationssprache genügt, die
d. in-Dortmund': Xe'[lN(dortmund,e')] Frage nach der Bedeutung eines solchen Ausdrucks. Das Prädikat XxfREGN] bezeichnet
e. A?{wohnt',in-Dortmundy. XPXxXe[WOHN(x,e) & P(e)](Xe'[IN(dortmund,e')]) die Menge der Individuen, für die gilt, daß es regnet. Das scheint zu keinen Wider­
f. X-Konversion: XPXxXe[WOHN(x,e) & Xe'[IN(dortmund,e')](e)] sprüchen zu führen, aber vermutlich auch nicht zu einem besseren Verständnis der Be­
g. X-Konversion: XxXe[WOHN(x,e) & IN(dortmund,e)] deutung von regnen.
h. ^(A^wohnt'jn-Dortmund^JConrady XxXe[WOHN(x,e) & IN(dortmund,e)](konrad)
i. X-Konversion: Xe[WOHN(konrad,e) & IN(dortmund,e)] (71) a. SYN-VAL: /es
j: (nach Bindung von e): WOHN(konrad,e) & IN(dortmund,e) b. SEM-VAL: Xx[REGN]

(69) a. Konrad schläft in Dortmund Ich möchte dagegen davon ausgehen, daß es nicht völlig ohne Bedeutung ist, sondern eine
b. schläft': XxXe[SCHLAF(x,e)] Art leeres Ereignisprädikat darstellt. Dieses leere Ereignisprädikat sättigt eine Argument­
c. ... stelle der Lexemfunktion regnen'. Das führt zu folgendem Lexikoneintrag, wobei E eine
d. t$iin-Dortmund',schläfty. Xx'Xe"[Xe'[IN(dortmund,e')](e'') & XxXe[SCHLAF(x,e)](x'Xe")] Variable für Ereignisprädikate ist:
e. ...
f. (nach Bindung von e): SCfILAF(konrad,e") & IN(dortmund,e") regnen SYN-VAL: les
Die Modi der Funktionsapplikation und der Konjunktion fuhren dabei letztlich zur glei­ SEM-VAL: XEXe[REGN(e) & E(e)]
chen semantischen Repräsentation (68j, 69f), nämlich einer Konjunktion von verbalem
90
und lokalem Prädikat. Damit ist der Ähnlichkeit des lokalen Bezugs bei Verben mit Lex. 25: Lexikoneintrag von regnen.
obligatorischem Adverbial und solchen, bei denen es als freie Angabe fungiert, Rechnung
Die Idee, daß die Subjekt-NP (es) bei Witterungsverben ein leeres Ereignisprädikat bereit­
getragen.
stellt, ist nicht ganz unmotiviert. In manchen Sprachen wie dem Arabischen wird nämlich
Witterungsverben: Neben den Verben vom Typ wohnen bieten auch Witterungsverben wie an der Subjektposition von Witterungsverben ein Ereignisnomen realisiert, das genau auf
regnen, schneien, dämmern, tauen, pieseln, gießen, frieren ein Problem für die Annahme,
92
das ohnehin schon vom Verb bezeichnete Ereignis referiert:
daß jeder syntaktischen eine semantische Valenzstelle entspricht. Witterungsverben wer­
(72) a. matera 1-mataru (aus Msellek 1988:60)
den im Allgemeinen als nullstellig betrachtet. Sie haben außer ihrem Ereignisargument
regnet der-Regen
keine weiteren Argumente. Da das expletive es an Subjektposition (70a) aber über eine
'es regnet'
syntaktische Valenzstelle gefordert ist, stellt sich die Frage, welche Entsprechung es in der
semantischen Valenz findet. Manchmal wird allerdings ohnehin angenommen, daß das es
nicht einer verbspezifischen Forderung genüge tut, sondern eingefügt wird, weil das Deut- Auch Bierwisch (1989:51), der allerdings davon ausgeht, daß das Argument von regnen seinen
Kasus strukturell zugewiesen bekommt, nimmt eine leere Bindung des x-Arguments an.
Dazu kommt, daß es auch unabhängig von seiner Funktion bei Witterungsverben als Ereig-
8 9
Diese Übersetzung von wohnen nimmt auch Kaufmann (1995a:l 19) an. nis(pro)nomen auftritt. Bei dem Verb geschehen etwa, das, wie in (i) zu sehen, ein Ereignis­
9 0
Bierwisch (1989:520 argumentiert ähnlich und kommt, allerdings unter der Annahme anderer nomen an Subjektposition fordert, greift es in (ii) ein im Nachsatz geschildertes Ereignis auf:
Kompositionsmechanismen, ebenfalls zu parallelen Repräsentationen von Verben mit lokalen (i) ein Unfall geschieht
Argumenten und solchen mit lokalen Modifikatoren. (ii) es geschah kurz vor zwölf: Klaus raste mitten in die Litfaßsäule.
124
125

b. talaga t-talagu (aus Msellek 1988:61)


wie Moltmann (1991:300f) bemerkt, das Ereignisnomen offenbar auf das gleiche Ereignis
schneit der-Schnee wie das Verb selbst.
'es schneit'
(75) a. er hat einen schweren Kampf gekämpft
Damit gilt fürs Arabische offensichtlich, daß die Subjektstelle durch das Ereignisprädikat b. Uwe schlief einen tiefen Schlaf
A.e[REGN(e)] gefüllt wird, das aber keine nicht ohnehin schon im Verb enthaltene In­
93

c. sie starb einen schweren Tod


formation bereitstellt. Es macht insofern auch wenig Sinn, anzunehmen, die semantische
Übersetzung von Witterungsverben im Arabischen würde Prädikatskonstanten wie Moltmann (1991:301) behandelt innere Objekte als Adjunkte, da sie nicht passivierbar
REGN(e,e') enthalten. Witterungsverben drücken sicherlich keine zweistelligen Relatio­ seien ( 7 6 a ) und bei Verben wie sterben nicht zu einem Wechsel des Perfektauxiliars von
95

nen zwischen identischen (!) Ereignissen aus. Stattdessen nehme ich für das Arabische das sein zu dem für Transitiva sonst obligatorischen haben führen (76b). Gegen die Annahme
Folgende an: von inneren Objekten als Adjunkten ist allerdings anzuführen, daß ihre Distribution nicht
allein von ihrer semantischen Verträglichkeit mit bestimmten Verben abhängt (76c, 76d).
(73) a. m a t a r i : XEXe[REGN(e) & E(e)]
b. 1-mataru': X.e'[REGN(e')] (76) a. ei'n tiefer Schlaf wurde von ihm geschlafen
??

c. tf(matara',l-matanf): XEXe[REGN(e) & E(e)](Xe'[REGN(e')]) b. sie ist I H-hat einen schweren Tod gestorben
d. X-Konversion: Xe[REGN(e) & Xe'[REGN(e')](e)] c. Her hat eine schwere Blutung geblutet
e. X-Konversion: Xe[REGN(e) & REGN(e)] d. risie
hat einen lauten Rülpser gerülpst
f. (nach Bindung von e): REGN(e) & REGN(e) =
Dem Auftreten von inneren Objekten liegen also bestimmte valenzsemantische Idiosyn­
g. REGN(e)
krasien zugrunde. Dies kann in dem hier zugrundeliegenden Rahmen durch die Annahme
Geht man davon aus, daß das Expletivum es im Deutschen ebenfalls ein Ereignisprädikat einer Valenzerweiterung ausgedrückt werden, wobei der adverbiale, wenig objekthafte
ist - allerdings ein leeres, was durch die existenzielle Bindung der Prädikatsvariable in Charakter der inneren "Objekte" sich in der Dekomposition des Verbs in Prädikats­
(74b) ausgedrückt wird - so erhalten wir folgende Ableitung fürs Deutsche, wobei die konstante und Prädikativ widerspiegelt. Die Repräsentation von schlafen und die Ablei­
Valenzinformation in Lex. 25 garantiert, daß XE nur durch die semantische Übersetzung tung des Satzes in (77a) erfolgen nun analog zu den arabischen Witterungsverben: 96

von es gesättigt werden kann:

(74) a. regnet': X£X.e[REGN(e) & E(e)] schlafen\. SYN-VAL: /nom


b. es': Xe'3P[P(e')] SEM-VAL: Xx[+BELEBT]Xe[SCHLAF (x,e)]1

c. AF(regnet',esy. XEXe[REGN(e) & E(e)](Xe'3P[P(e')]) schlafen^. SYN-VAL: akk/nom


d. X-Konversion: Xe[REGN(e) & Xe'3P[P(e')](e)] SEM-VAL: A.E[+scHLAF]x [+BELEBT]Xe[SCHLAF (x,e) & E(e)]
x 2

e. X-Konversion: X.e[REGN(e) & 3P[P(e)]]


f. (nach Bindung von e): REGN(e) & 3P[P(e)] = Lex. 26: Lexikoneintrag von schlafen.
g. REGN(e)
(77) a. Uwe schlief einen tiefen Schlaf
Die Identifizierung von (74f) und (74g) ist insofern gerechtfertigt als das zweite Konjunkt
94
b. schlafen^: XEXxXe[SCHLAF (x,e) & E(e)]
2
in (74f) eine Bedingung darstellt, die durch das erste ja schon erfüllt i s t . Die gewählte
c. einen-tiefen-Schlaf: X.e'[SCHLAF (e') & TIEF(e')]
3
Repräsentation von Witterungsverben erlaubt es uns nun, erstens das Prinzip der Kor­
d. Uwe': uwe
respondenz syntaktischer und semantischer Valenzstellen aufrecht zu erhalten, zweitens
. e. (schlafen^,einen-tiefen-Schlaf):
leere X-Abstraktion zu vermeiden, drittens für regnen im Deutschen und Arabischen die
XEXxXe[SCHLAF (x,e) & E(e)](Xe'[SCHLAF (e') & TIEF(e')])
2 3
gleiche Bedeutung anzunehmen, und viertens bietet sie wohl auch einen Ansatzpunkt für
die Behandlung innerer Objekte, wie wir im Folgenden sehen werden.
Das ist so nicht ganzrichtig;zumindest einige Beispiele mit inneren Objekten sind passivierbar
Innere Objekte: Innere Objekte wie bei den Verben in (75) stellen ein ähnliches Phänomen (Beispiele aus Höhle 1978:178):
dar wie die Subjektphrase bei Witterungsverben im Arabischen. Auch hier bezieht sich, (i) wenn der letzte Kampf gekämpft ist
(ii) wenn wieder ein Rekordsprung gesprungen wird
Die unten in Lex. 27 gewählte Repräsentation ist denn auch prinzipiell mit der in Kapitel 3.3.3
9 3
Daß sowohl das substantivische als auch das verbale REGN Ereignisprädikate sind, sieht man angeführten Passivierungsregel verträglich.
auch daran, daß sie beide Zeitdauerangaben erlauben, im Deutschen etwa: es regnet drei Stun- Eine alternative Analyse könnte abweichend von dieser und Moltmanns (1991:300) annehmen,
den; der dreistündige Regen. daß auch das substantivische Schlaf zweistellig ist, also SCHLAF3(x,e) ausdrückt. Das hängt
9 4
Genauer ist 3P[P(e)] eine Tautologie und daher immer wahr. von der Auffassung von Ereignisnominalen ab, mit denen ich mich in dieser Arbeit nicht einge­
hender beschäftige.
126 127

f. X-Konversion: XxXe[SCHLAF (x,e) & Xe'[SCHLAF (e') & TTEF(e')](e)]


2 3
e. X-Konversion: XyXxXe[TRAG (x,y,Xz[NACH(düsseldorf,z)](y),e)]
2

g. X-Konversion: XxXe[SCHLAF (x,e) & SCHLAF (e) & TT£F(e)]


2 3
f. X-Konversion: XyXxXe[TRAG (x,y,NACH(düsseldorf,y),e)]
2

h. A^(t$(schlafeni,einen-tiefen-Schlaf),Uwe'): g. ...
XxXe[SCHLAF (x,e) & SCHLAF (e) & TTEF(e)](uwe)
2 3
h. (nach Sättigung von x, y, e): TRAG(ute,klaus,NACH(düsseldorf,klaus),e)
i. X-Konversion: Xe[SCHLAF (uwe,e) & SCHLAF (e) & TTEF(e)]
2 3
Über die semantische Rolle, die das Richtungsprädikat sättigt (s. Kap. 3.1.1), wird dabei
&
j. (nach Bindung von e): SCHLAF (uwe,e) SCHLAF (e) & TIEF(e)
2 3 die Interpretation der Stelle für das Direktional gesteuert.
Im Gegensatz zu dem arabischen Witterungsverb im letzten Abschnitt gilt für innere Ob­ Benefaktive Argumente und Modißkatoren: Ahnlich wie durch das Direktional bei tragen
jekte im Deutschen aber offenbar eine Spezifitätsbedingung. Die Bedeutung des inneren resultiert die Hinzufügung eines benefaktiven Dativs, z.B. bei spülen, in einer Erweiterung
Objekts muß durch ein zusätzliches intersektives Adjektiv spezifiziert werden. Mögli­ der Verbvalenz um eine syntaktische und eine semantische Stelle. Dabei ist auch die Ar­
cherweise ist das eine pragmatische Bedingung, ansonsten muß sie über ein Bedeutungs­ gumentliste der Prädikatskonstante um ein Element erweitert (spülen ): 2
97
postulat am Verb spezifiziert werden.

Direktionale als Argumente: Gegenüber dem Lokaladverbial bei wohnen entsprechen spülen\ SYN-VAL: /akk/nom
Direktionalangaben nicht nur X-gebundene Prädikatsvariablen, sondern, wie in Kapitel SEM-VAL: XyXxXe[SPÜL (x,y,e)]
2

3.1.1 gezeigt wurde, auch Argumentstellen der Prädikatskonstante. Das Verb tragen,
98

spülen 2 SYN-VAL: /akk/dat/nom


das fakultativ eine Direktionalphrase zu sich nimmt, hat demnach eine Stelle für ein
SEM-VAL: XyXz[ BELEBT]X [+BELEBT]Xe[SPÜL (x,y,Z,e)]
+

Richtungsprädikat, wobei das interne Argument, das den Richtungsendpunkt angibt, be­ X 3

99
reits gesättigt sein muß:
Lex. 28: Lexikoneintrag für spülen.

tragen i SYN-VAL: /akk/nom Das Dativargument wird dabei wie andere Individuenargumente durch Funktionsapplika­
SEM-VAL: XyXxXe[TRAGi(x,y,e)] tion (Eigennamen) oder Individueneinführung (Appellativa) gesättigt. Die benefaktiven
für-PPs werden dagegen als Modifikatoren behandelt. Ich gehe davon aus, daß die bene­
tragen^ SYN-VAL: /0/akk/nom
faktive Präposition dreistellig ist: FÜR(y,x,e). Dabei ist y derjenige, der von e profitiert,
SEM-VAL: XP[+RiCHTUNG]XyXxle[TRAG (x,y,P(y),e)]
2
wobei e durch x initiiert oder gewollt wird. Welchen genauen Beitrag x, also das Satz­
subjekt, in dem benefaktiven Zusammenhang liefert, will ich hier nicht diskutieren. Es ist
Lex. 27: Lexikoneintrag für tragen.
aber offensichtlich, daß agenslose Verben keinefiir-PPerlauben, der Agens also in be­
Gefüllt wird die Prädikatsvariable durch Funktionsapplikation. Die beiden thematischen stimmter Weise in die Benefaktiv-Relation involviert ist:
Argumente werden dann durch Eigennamen, also ebenfalls durch Funktionsapplikation (79) a. -es regnete für Peter
gesättigt: b. H-die Kamellen fielen für Peter auf die Straße
(78) a. Ute trägt Klaus nach Düsseldorf c. Hdas Eis schmolz für Peter
b. tragen^. XPXyXxXe[TRAG (x,y,P(y),e)]
2
Anhand von Beispiel (80a) will ich die Einbindung einer benefaktiven PP in die Satz­
c. nach-Düsseldorf: Xz[NACH(düsseldorf,z)] bedeutung erläutern. Die benefaktive PP sättigt ihr internes Argument durch Indivi­
d. [tragen^,nach-Düsseldorf): dueneinführung (80f) und wird über Komposition mit der VP-Bedeutung verknüpft (80i).
XPXyXxXe[TRAG (x,y,P(y),e)](Xz[NACH(düsseldorf,z)])
2
Dabei werden sowohl das verbleibende thematische Argument der PP als auch ihr Ereig­
nisargument mit den entsprechenden beiden Argumenten des Verbs identifiziert (80j). Das
thematische Argument des Verbs wird schließlich durch Individueneinführung gesättigt
Möglicherweise finden sich auch im Bereich anderer Verbgruppen Verben, die die Identifika­ 100

tion ihres Ereignisarguments mit dem referentiellen Argument eines Ereignisnomens nahe­ (80k):
legen, wie z.B. mit Nomen in Subjektposition in ein Geräusch ertönte.
Die Auffassung von Direktionalphrasen als Argumente der Lexemfünktion von Bewegungs­
und Nichtbewegungsverben ist verbreitet (Egg 1994:83, Kaufmann 1995a:235, Maienborn
1996:155, Steinitz 1997:347 ). In den meisten Ansätzen wird die Direktionalphrase aber de- Das Subskript an der Präposition / " ^ E N E F ' ° U lediglich in informeller Weise die Lesart an­
S

kompositionell in die Verbbedeutung eingebunden, ähnlich wie das Adverbial bei dem oben deuten, um die es hier geht. Die genaue Spezifikation der Rollen, die die Partizipanten in der
diskutierten Verb wohnen. Benefaktiv-Lesart innehaben, daß nämlich y durch das Verhalten von x in e begünstigt wird, er­
Die Sättigimg der formspezifizierten Stelle von Präpositionen erfolgt dabei ebenso wie bei folgt im lexikalischen Eintrag der Präposition. Das geschieht auf die gleiche Weise wie für die
Verben entweder durch Funktionsapplikation (Eigennamen) oder mdividueneinführung entsprechenden semantischen Relationen bei benefaktiven Dativ-Verben. Semantische Relatio­
(Appellativa). nen dieser Art werden in Kap. 4.2 noch im Detail besprochen.
128 129

(80) a. die Mannschaft spielt für den Trainer zogen. Bei den ursprünglichen, von Davidson (1967:81ff) angeführten Adverbialen at
b. die-Mannschaft': midnight und in the bathroom handelt es sich um Adverbiale, die das Ereignis lokal und
Xv[DIE-MANNSCHAFT(v)] temporal einordnen. Nicht alle ereignismodifizierenden Adverbiale verhalten sich jedoch
c. den-Trainer': so wie Orts- und Zeitadverbiale. Wenn ich darüber rede, an welchem Ort ich etwas tue
XwpER-TRAINER(w)] mit welchem Instrument und mit welcher Person, so ist das Verhältnis zwischen der Ad­
d. spielt': verbialbedeutung und dem Ereignis jedesmal ein anderes, was zu unterschiedlichen Re­
XxXe[SPIEL(x,e)] striktionen hinsichtlich des Auftretens der Adverbiale in bestimmten syntaktischen Kon­
e- / w ^ B E N E F : struktionen führt:
XyXxXe[FÜR(x,y,e')]
(81) a. Carlotta spülte das Geschirr in der Küche I während der Feiertage
f. /^(den-Trainer '/«^ENEF')
1 :

l
b. Carlotta spülte in der Küche I während der Feiertage
Xx'Xe"[XwpER-TRArNER(w)](y ) & XyXxXe[FÜR(x,y,e')](y'Xx'Xe")]
c. das Geschirr wurde in der Küche I während der Feiertage gespült
g. X-KonVersion:
d. es wurde in der Küche I während der Feiertage gespült
Xx'Xe"PER-TRAINER(y') & XxXe[FÜR(x,y',e')](x'Xe")]
e. das Geschirr trocknete in der Küche I während der Feiertage
h. X-Konversion:
Carlotta spülte das Geschirr mit einem Lappen
l
Xx'Xe"pER-TRAINER(y ) & FÜR(x',y',e")] (82) a.
i. A^iA\den-Trainer'fürQ£^^'),spieIty. b. Carlotta spülte mit einem Lappen
das Geschirr wurde mit einem Lappen gespült
, ,
Äx"Xe"[Xx'Xe"pER-TRArNER(y') & FÜR(x',y,e")](x"Xe"') & XxXe[SPIEL(x,e)](x"Xe"')] c.
j. X.-Konversion: d. es wurde mit einem Lappen gespült
Xx"Xe"'pER-TRAINER(y') & FÜR(x"y',e"') & SPrEL(x\e'")]
) e. V<xs Geschirr trocknete mit einem Lappen
?

k. /^(die-Mannschaft',(^J^l^(den-Trainer'für^^f')^pielt')):
(83) a.. Carlotta spülte das Geschirr mit Hugo
Xe""[XvpiE-MANNSCHAFT(v)](x'")
m b. Carlotta spülte mit Hugo
& Xx"Xe pER-TRAINER(y') & FÜR(x",y',e"') & SPiEL(x",e"')] (x^e™)]
c. Hdas Geschirr wurde mit Hugo gespült
1. X-Konversion:
, , , d. Hes wurde mit Hugo gespült
Xe''''piE-MANNSCHAFT(x'") & DER-TRAINER(y') & FÜR(x",y,e™') & SPIEL(x",e"")]
e. Hdas Geschirr trocknete mit Hugo
k. (nach Bindung von e):
m
DIE-MANNSCHAFT(x ) & DER-TRAINER(y') & FÜR(x'",y',e"") & SPIEL(x'",e"") Ereignismodifizierende Lokal- und Temporaladverbiale treten in aktiven, transitiven Sät­
zen auf (81a), in aktiven, intransitiven Sätzen mit und ohne Agens (81b, 81e), sowie in
Zusammenfassung: In diesem Kapitel wurde gezeigt, daß die Annahme über die notwen­ persönlichen und unpersönlichen Passivsätzen ohne Agens (81c, 81d). Instrumental­
dige Korrespondenz syntaktischer und semantischer Valenzstellen aufrecht erhalten wer­ adverbiale können in den gleichen Kontexten auftreten, mit Ausnahme solcher, in denen
den kann, ohne daß die in Kapitel 3.1.1 entwickelten Kriterien für den Argumentstatus ein Agens weder realisiert noch implizit mitverstanden wird (82e). Instrumentaladverbiale
revidiert werden müssen. Dabei sind allerdings minimale Dekompositionen der Verb­ haben also Ereignis- und Agensbezug. Gleiches gilt für Komitativadverbiale, nur daß
bedeutung, wie bei wohnen und den Witterungsverben, erforderlich, und zwar genau dann, diese einen overten Agens verlangen. Ist der Agens lediglich impliziert, wie in (83c) und
wenn die Anzahl der Argumente der Lexemfünktion nicht mit der der Prädikatskonstante (83d), sind Komitativadverbiale nicht möglich.
übereinstimmt. Außerdem hat sich erwiesen, daß die Auffassung von Direktionalphrasen In diesem Kapitel werde ich am Beispiel von Lokal- und Temporaladverbialen noch
als Argumente bzw. die von benefaktiven für-PPs als Adjunkte sich auch unter dem einmal auf die in Kapitel 3.2.1 vorgestellten Kompositionsmodi eingehen. In den beiden
Gesichtspunkt der semantischen Verarbeitung halten läßt. folgenden Kapiteln 3.3.2 und 3.3.3 zu Komitativ- und Instrumentaladverbialen soll darge­
stellt werden, wie der gleichzeitige Bezug von Modifikatoren auf Ereignis- und themati­
sche Argumente erklärt werden kann. Abschließend wird in Kapitel 3.3.4 ein Vorschlag
für die Behandlung der Modifikation impliziter Argumente gemacht.
3.3 Argumente und adverbiale Modifikation
Ableitung von Orts- und Zeitadverbialen: Gewöhnliche lokale und temporale Ereignis­
adverbiale vom Typ <e£,t> werden mit verbalen Ausdrücken, wie in Kapitel 3.2.1 (Bei­
spiel 61) schon dargestellt, durch den Kompositionsmodus der Konjunktion verbunden. In
3.3.1 Lokal- und Temporaladverbiale
(84) ist dies nochmal an einem einfachen Beispiel, dem Adverb heute, vorgeführt: 101

Einleitung: Das Verhältnis zwischen Adverbialen und verbenthaltenden Ausdrücken wird


gewöhnlich als wichtiges Argument für die Annahme von Ereignisargumenten herange- 1 0 1
Den Beitrag grammatischer Kategorien wie Tempus oder Aspekt ignoriere ich im Folgenden.
130 131

(84) a. Sieglinde arbeitet heute c. A\heute'JSieglinde-arbeitety * Xe'[HEUTE(e')](e") & Xe[ARBEIT(sieglinde,e)](e")


b. arbeitet': XxXe[ARBEiT(x,e)] X-Konversion: * HEUTE(e") & ARBEIT(sieglinde,e")
c. heute': Xe'[HEUTE(e')] (SYN: {V,-c,...}, aber TYP: t)
d. Sieglinde': sieglinde
e. AHheute'jarbeitety. X.x'Xe"[Xe'[HEUTE,e')](e") & XxXe[ARBEIT(x,e)](x')(e")] Die einzige Verknüpfungsmöglichkeit bleibt demnach die Konjunktion, und zwar wie in
f. ^-Konversion: Xx'Xe"[HEUTE(e") & ARBEiT(x',e")] (84e) oben dargestellt.
g. A?(A*iheute',arbeitet')JSieglindey Zusammenfassung: Orts- und Zeitadverbiale verlangen im Gegensatz zu Komitativ- und
Xx%e"[HEUTE(e") & ARBErT(x',e")](sieglinde) Instrumentaladverbialen keine Agensbeteiligung in dem Ereignis, das sie modifizieren.
h. X-Konversion: X.e"[HEUTE(e") & ARBEiT(sieglinde e")] ; Sie übersetzen demnach in semantische Ausdrücke vom Typ <e ,t> und verbinden sich E

i. (nach Bindung von e): HEUTE(e") & ARBEIT(sieglinde,e") mit dem verbenthaltenden Ausdruck durch den Kompositionsmodus der Konjunktion. Es
Entsprechend verhalten sich andere Zeitadverbiale mit Ereignisbezug wie gestern, am hat sich gezeigt, daß die typengesteuerte Verarbeitung automatisch zur Wahl des geeigne­
Donnerstag, drei Tage lang, und Ortsadverbiale wie hier, in Dortmund, in der Küche. ten Kompositionsmodus führt.
Ortsadverbiale können darüber hinaus auch Gegenstandsindividuen modifizieren, sind
also bezüglich ihres Typs ambig zwischen <e ,t> und <e ,t>. E G

3.3.2 Komitativadverbiale
Die Wahl eines Kompositionsmodus: Man kann im Übrigen leicht zeigen, daß kein ande­
rer der drei hier nochmal in (85) wiederholten Kompositionsmodi Funktionsauswertung, Typen von "mit"-PPs: Durch mit eingeleitete Präpositionalphrasen treten in Verbindung
Individueneinführung und Konjunktion bei der Verbindung von arbeitet' und heute' in 102
mit Verben v.a. in vier Lesarten a u f , als Adverbial der Art und Weise (88a), als Instru­
Frage kommt. mentaladverbial (88b), als Komitativadverbial (88c) und als Präpositionalobjekt ( 8 8 d ) ; 103

(85) a. AF(Z'J') = Xa ...Xa [Z'(Y'(a )...(a ))] (für0<n) im vorletzten Fall sind sie manchmal, im letzten immer vom Verb valenzgefordert.
l n l n

b. A\Z',r) = Xa ...Xa [Z'(a ) & r ^ X c c i ) . . . ^ ) ] (für 0 < n)


l a m (88) a. er bemalte die Truhe mit Begeisterung
c. AHZ'J') = Xa ...Xa^[Z'(a )...(a0&Y'(a )...(a )] ( f ü r l < i < j < n )
l i l n b. er bemalte die Truhe mit einem Pinsel
Funktionsauswertung wie in (86a) oder (86b) ist nicht möglich, da gemäß X-Konversion c. er bemalte die Truhe mit seiner Freundin
das Argument vom selben Typ sein muß wie die X-gebundene Variable. In (86a) ist die X- d. er bemalte die Truhe mit Fischen
gebundene Variable x vom Typ e und das Argument (Xe'[HEUTE(e')]) der Funktion vom
G Die verschiedenen Rollen, die die mit-PP übernehmen kann, sind in den meisten Fällen
Typ <e ,t>, in (86b) ist ist die X-gebundene Variable e' vom Typ e und das Funktions­
E E gut zu unterscheiden. Dies wird zum einen in der semantischen Abweichung deutlich, die
argument (XxXe[ARBEIT(x,e)]) vom Typ < e , < e , t » . G E entsteht, wenn zwei mit-PPs unterschiedlichen Typs miteinander koordiniert werden
(86) a. Abarbeitet',heutey. * XxXe[ARBEiT(x,e)](Xe'[HEUTE(e')]) (Lakoff 1968:8, Nilsen 1973:29ff), wie in (89a) zum Englischen und (89b) zum Deut­
b. A\heute',arbeitety * Xe'[HEUTE(e')](X.xXe[ARBEIT(x,e)]) schen; zum anderen zeigt sich in Sätzen wie (89c) eine deutliche Ambiguität:

Individueneinführung wie in (87a) oder (87b) ist ebenfalls ausgeschlossen, denn die bei­ (89) a. Seymour sliced the salami with a ^(/«INSTRUMENT ( a u s
Lakoff 1968:8)
den konjugierten Funktionen können nicht auf die gleiche Argumentvariable appliziert (and a •sca//>e/ STRUMENT)
IN

werden, da die eine der beiden konjugierten Funktionen eine Gegenstandsvariable, die (Wand Sheila i ) KOMlTAT V

andere eine Ereignisvariable verlangt. Außerdem würde in (87a) fälschlicherweise die (Hand enthusiasmAjcT-UND- WEISE)
Subjektargumentstelle von arbeiten gesättigt, so daß der resultierende Ausdruck nicht b. Seymour schnitt die Salami mit einem A^eMerrNSTRUMENT
mehr dem logischen Typ seiner Kategorie {V,-c,...,/nom}, also < e , < e , t » , entspräche.
G E
(und einem SkalpeHI^STRUMENT)
Wenn wir weiterhin annehmen, daß Ereignisadverbiale auch mit Verben kombinieren, (Hund Sflei7a OMITATIv)
K

deren syntaktische Valenzstellen alle bereits gesättigt sind, wie in (87c), so fuhrt Indivi­ (Hund BegeisterungART-UND-vVElSE)
dueneinführung zwar nicht zu Konflikten bei der X-Konversion, aber der durch die Sätti­
gung der Ereignisargumentstelle resultierende Ausdruck ist vom Typ t, was mit seiner Vgl. z.B. Pusch (1972) und Beckmann (1994b). Weitere Lesarten der with-PP im Englischen
syntaktischen Kategorie {V,-c} konfligiert, die semantische Repräsentationen vom Typ diskutiert Nilsen (1973:32ff). Seltener werden m//-PPs im Deutschen auch zur Richtungsangabe
<e ,t> verlangt:
E
(sie schwamm mit der Strömung) oder zur Angabe von Zeiten (er heiratete mit siebzehn) ver­
wendet; vgl. den Eintrag zu mit in Götz / Haensch / Wellmann (1993).
(87) a. A\arbeitet\heutey. * XxXe[ARBEIT(x,e)](y) & Xe'(HEUTE(e')](y?) Diese Präpositionalobjekte alternieren mit dem direkten Objekt des nicht präfigierten Verbs:
b. A\heute',arbeitety. * Xy[Xe'[HEUTE(e')](e") & XxXe[ARBElT(x,e)](e"?)(y)] (i) er bemalte die Truhe mit Fischen <==> er malte Fische aufdie Truhe
(ii) er bemalte die Truhe mit Begeisterung <==> *er malte Begeisterung aufdie Truhe
132 133

c. the men loaded the ship with robots (aus Pusch 1972:125) (91) a. Hanna baut ein Haus mit Jean-Pierre
(i) OBJEKT: 'sie luden Roboter auf das Schiff Wein Haus wird mit Jean-Pierre gebaut
(ii) INSTRUMENT: 'sie beluden das Schiff mit Hilfe von Robotern' b. Hanna spielt die Sonate mit Jean-Pierre
(iii) KOMITATrV: 'sie beluden das Schiff zusammen mit Robotern' die Sonate wird mit Jean-Pierre gespielt
nn

c. Hanna backt einen Kuchen mit Jean-Pierre


Selektionsrestriktionen des komitativen "mit": Die komitative mit-PP (von hier an auch Wein Kuchen wird mit Jean-Pierre gebacken
' ; f - P P ' ) gibt einen Handlungsbegleiter an und tritt typischerweise mit Verben auf, die
W KOM
d. Hanna streichelt den Goldfisch mit Jean-Pierre
Ereignisse mit einem weiteren expliziten Agens bezeichnen (90a, 9 0 b ) . 104
Ausgeschlossen W-der Goldfisch wird mit Jean-Pierre gestreichelt
105
ist die /n/r oM-PP als Begleiter von Individual-Level-Zustandsverben (90c, 9 0 d ) . Nur
K
pp
schwach akzeptabel ist die /mfKOM- auch bei einigen Verben, die Ereignisse - v.a. Interpretationsbeschränkungen des komitativen "mit": Auf den ersten Blick scheinen
punktuelle Ereignisse - bezeichnen, in denen eine Interaktion zwischen dem Verb-Agens Sätze mit komitativer mit-PP wie in (92b) dasselbe zu bedeuten wie entsprechende Sätze
und dem durch die mit-PP eingeführten Agens nur schwer möglich ist, wie in (90e) bis ohne PP aber mit koordinierter Subjekt-NP wie in (92a). Die beiden Sätze sind aber nicht
(90h). Schließlich ist anzumerken, daß die m/r M-PP nur einen "schwachen" Agens beim
KO
äquivalent. Um (92a) wahr zu machen, genügt es, wenn Jenny im Grävingholz joggt und
106
Verb fordert. Selbst Verben, die eine Stelle für ein belebtes Individuum mit nur weni­ Bonnie im Kurler Busch. Für (92b) ist das nicht ausreichend; hier müssen beide zusam­
gen Agenseigenschaften haben, genügen den Selektionsrestriktionen der /mr oM-PP (90i, K
men joggen - in räumlicher Nähe oder sonstwie interagierend. Damit gilt also die Impli­
108

90j). Ich werde im Folgenden davon ausgehen, daß die wifKOM-PP erstens einen (schwa­ kation in (92c) n i c h t .
chen) Agens einfuhrt, der als Dativ-NP realisiert wird, und zweitens ein Stage-Level-Verb Aber gemäß (92d) ist auch die umgekehrte Implikation falsch, denn (92a) setzt voraus,
fordert, das selbst wiederum einen (schwachen) Agens valenzfordert. daß sowohl Jenny joggt als auch Bonnie (92e); (92b) wäre aber auch dann wahr, wenn
Bonnie nicht die Schwester, sondern der Hund von Jenny wäre, und Hunde joggen be­
(90) a. Claudia joggt mit Klaus kanntlich nicht, sie laufen einfach. Vermutlich wäre (92b) auch wahr, wenn Bonnie (die
b. Rebecca backt einen Kuchen mitJamaal Schwester, nicht der Hund) mit dem Rad neben Jenny herführe. Die komitative mit-PP
c. Wtfanna weiß die Lösung mit Jean-Pierre erlaubt also keine Implikation dahingehend, daß der Referent der internen NP von mit in
d. ^Sabine braucht eine Bohrmaschine mit Otto der genau gleichen Weise (nämlich joggend) in das gemeinsame Ereignis involviert ist
e. Ißello beißt die Katze mit Fifi wie der vom Verb geforderte Agens (92f).
f. ^Sabine rülpst mit Otto
g. ^Claudia sah mit Klaus den Fleck (vs. Claudia sah mit Klaus den Film) (92) a. Jenny und Bonnie joggen
h. ^Claudia schwieg mit Klaus b. Jenny joggt mit Bonnie
i. Hanna überlegte mit Jean-Pierre, wie es weitergehen soll c. -i [Jenny und Bonnie joggen —> Jenny joggt mit Bonnie]
j. Rebecca stand mit Jamaal am Ohio River d. -¡[Jenny joggt mit Bonnie —» Jenny und Bonnie joggen]
e. [Jenny und Bonnie joggen —> Jenny joggt & Bonnie joggt]
Darüber hinaus ist im vorigen Kapitel schon angesprochen worden, daß die Komitativ- f. - i [Jenny joggt mit Bonnie -> Bonnie joggt]
phrase nicht in Passiv-Sätzen auftritt, in denen der Agens implizit ist. Dies sei nochmal an
folgenden Beispielen illustriert: 107
Die W / Í K O M - P P bringt also eine Implikation dahingehend mit, daß der PP-interne Agens
in das Ereignis involviert ist, am dem der verbale Agens in der durch das Verb bezeich­
neten Weise beteiligt ist, wobei die beiden Agenzien in dem Ereignis in bestimmter Weise
1 0 4 verbunden sind oder interagieren. Es gelten demnach die folgenden beiden Implikationen:
Daneben sind verwandte Lesarten der miY-PP zu unterscheiden, bei denen ebenfalls eine be­
stimmte Art der Zusammengehörigkeit zwischen dem Referenten der externen und dem der in­ (93) a. Mrr OM(x,y,e) -» AGENS(x,e) & AGENS(y,e)
K
ternen NP der mi'f-PP ausgedrückt wird, bei dem die mit-PP aber keinen Agens einführt:
b. MTr oM(x,y,e) - * INTERAKTION(x,y,e)
(i) Linsen schmecken am besten mit Curry K

(ii) der Mann liegt mit einem Buch im Bett Das erste Argument der m / 7 O M - P in (93) steht hier wie im Folgenden für den vom Verb
K
P

In solchen Lesarten treten mit-PPs auch als Attribute in NPs auf, und zwar ohne Ereignisbezug: valenzgeforderten Agens, das zweite für den durch die PP-interne Dativ-NP bezeichneten
die Vase mit den Blumen, der Brief mit den Beleidigungen, der Mann mit dem Buch, etc.
1 0 5 Agens. Für die weitere Diskussion sind allerdings weniger die exakten Selektionsrestrik­
Wenn man annimmt, daß Individual-Level-Prädikate kein Ereignisargument haben, so ergibt
sich diese Beschränkung einfach dadurch, daß das Ereignisargument der mit-PP keinen Anker tionen noch die genaue Art der semantischen Relation zwischen den drei Argumenten von
in der Verbbedeutung findet.
W
' K O M von Belang, als vielmehr die Tatsache, daß es eine solche Relation und solche
F

1 0 6
Zu einem Prototypen-Konzept thematischer Rollen, das es erlaubt, unterschiedliche Grade von Selektionsrestriktionen überhaupt gibt.
Agenshaftigkeit auszudrücken, s. Kapitel 4.2.1.
1 0 7
Unter welchen Bedingungen eine Komitativphrase in solchen Kontexten doch auftreten kann,
wird in Kapitel 3.3.4 noch angesprochen. Vgl. auch Walmsley (1971:495), Nilsen (1973:47) und die Literaturangaben darin.
134 135

Zusammenfassend ist festzuhalten, daß sich für die Behandlung von Komitativadver- e", "x setzt sich auseinander in e", etc. auch für das zweite Argument y g e l t e n . Das läßt 109

bialen gegenüber der von Orts- und Zeitadverbialen zwei weitere Anforderungen stellen: sich in Bedeutungspostulaten wie BPdjskutier-I und -H in Lex. 29 formulieren.
• Es muß die Selektionsrestriktion ausgedrückt werden, daß Komitativadverbiale nur Es ist übrigens nicht so, daß bei der valenzreduzierten Variante von symmetrischen
Ereignisse modifizieren, an denen ein Agens beteiligt ist. Verben wie diskutieren, sich unterhalten oder schmusen durch eine pluralische Subjekt-
• Es muß die Interpretationsbeschränkung ausgedrückt werden, daß in einem Satz wie N P beide Argumente in einer N P realisiert werden. Ausdrücke wie (96a) und (96b) sind
Hubert spült das Geschirr mit Sabine nicht impliziert ist, daß Hubert und daß Sabine auch bei symmetrischen Verben nicht äquivalent. Satz (96a) impliziert Satz (96b) nicht:
spülen, sondern daß beide in einem Ereignis, in dem Hubert spült, in irgendeiner Weise Wenn Karl von einer Fete nach Hause fahren will und Karola fragt, wo seine beiden Mit­
interagieren. fahrer Otto und Sabine sind, und Karola sagt "Sabine und Otto unterhalten sich noch", so
bleibt offen, ob sie sich miteinander unterhalten oder jeweils mit jemand anderem. Es gilt
Symmetrische Verben und "mit"-PPs: Auffällig ist, daß bei einigen Verben im unpersön­
zwar die Implikation (96d), nicht aber (96c); (96a) ist also logisch schwächer als (96b).
lichen Passiv eine mit-PP deutlich akzeptabler ist als bei anderen:
(96) a. Sabine und Otto unterhalten sich
(94) a. es wird mit Otto diskutiert jemand diskutiert mit Otto
b. Sabine unterhält sich mit Otto
b. 0)es wird mit Otto geschmust jemand schmust mit Otto
c. —\Sabine und Otto unterhalten sich —» Sabine unterhält sich mit Otto]
c. es wird mit Otto getanzt jemand tanzt mit Otto
d. [Sabine unterhält sich mit Otto —> Sabine und Otto unterhalten sich]
d. Hes wird mit Otto gespült jemand spült mit Otto
e. Hes wird mit Otto gerudert jemand rudert mit Otto Die naheliegende Interpretation, daß sich in (96a) Sabine mit Otto unterhält, entsteht
f. ? ?
e j wird mit Otto tapeziert jemand tapeziert mit Otto einfach daraus, daß Otto hier der kontextuell salienteste Kandidat für das zweite, implizite
Argument von diskutieren ist.
Es scheint sich dabei vor allem um solche symmetrischen Verben wie diskutieren zu han­
deln, die implizieren oder, wie bei tanzen, zumindest nahelegen, daß zwei Agenzien in Ableitung von Komitativadverbialen (1. Versuch): Die obigen Beispiele haben zwar ge­
symmetrischer Weise am Ereignis beteiligt sind. Die mit-PP drückt also hier nicht nur aus, zeigt, daß Komitativadverbiale sich nur mit verbalen Ausdrücken verbinden, die einen
daß ihr interner Agens in irgendeiner Weise mit dem verbalen Agens interagiert, wie etwa weiteren Agens einführen. Trotzdem scheint es naheliegend, das komitative mit als nur
bei joggen, sondern darüber hinaus, daß er in gleicher Weise wie der verbale Agens am zweistellig aufzufassen (97a) und die zusätzliche Agensforderung in ein Bedeutungs­
Geschehen beteiligt ist. Deshalb ist (95a) völlig unproblematisch, obwohl Hunde nicht postulat auszulagern (97c); mit-PPs, wären damit reine Ereignisprädikate (97d):
joggen, während (95b) tatsächlich die merkwürdige (oder ironische) Interpretation hervor­
ruft, daß der Hund in gleicher Weise wie Claudia in die Diskussion involviert ist. (97) a. mit M'- KO XxXe[Mn" oM(x,e)] S Y N : {P,...,/dat}
K

b. B P , ^ - I :
M O M • V x V e [ M I T K O M ( x , e ) -> A G E N S ( x , e ) ]
(95) a. Claudia joggt mit ihrem Hund c BP^OM-II: • VxVe[MrT OM(x,e) -> 3 y [ A G E N S ( y , e ) & x * y
K

b. Claudia diskutiert mit ihrem Hund & INTERAKTION(x,y,e)]]


d. mit-Klaus': Xe[MIT oM(klaus,e)] S Y N : {P,...}
Solche mit-PPs sind bei symmetrischen Verben - auch in Übereinstimmung mit Blume
K

(1997) - als fakultative Argumente des Verbs zu betrachten (Lex. 29). Sätze mit Komitativadverbial können nun nämlich genau so wie solche mit Lokaladverbial
abgeleitet werden, wobei die Ereignisvariablen des Verbs und der Komitativphrase identi­
110

diskutier^ SYN-VAL: /PP""f/nom fiziert werden ( 9 8 e ) :


SEM-VAL: A.yXxXepiSKUTIERi(x,y,e)] (98) a. Sieglinde arbeitet mit einem Kollegen
b. arbeiten': XxXe[ARBEIT(x,e)]
diskutier 2 SYN-VAL: /nom
SEM-VAL: ±
X.xXepiSKUTIER2(x,y d ) ] KP arbeiten*- • V x V e [ A R B E I T ( x , e ) -> A G E N S ( x , e ) ]
e

c. ...
BPdUkutier-L • VyVxVepiSKUTIERi (x,y,e) «-» DISKUTIER! (y,x,e)]
BPdiskutier-H: •VyVxVepiSKUTIERi(x,y,e) -> AGENS(x,e)
& KOMMUNIZIER(x,e) & INTERAKTION(x,y,e) & ...] Daneben tritt diskutieren noch in der Lesart 'etwas kontrovers zur Diskussion stellen' auf, wie
in sie diskutierten die Möglichkeit einer Steuersenkung.
BPdiskutier-ni: • VyVxVe piSKUTIER2(x,y±d,e) DISKUTIER!(x,y,e)] Einen vergleichbaren Vorschlag macht Eckardt (1996a:12f) bezüglich Adverbien der Art und
Weise wie carefully, reluctantly, shyly, die als Relationen zwischen Individuen und Ereignisse
Lex. 29: Lexikoneintrag von diskutieren. aufgefaßt werden. Über folgende Äquivalenz werden diese relationalen Adverbien der Art und
Weise (ähnlich wie die Komitativphrase in 97d) auf Ereignisprädikate reduziert:
Für diese Annahme spricht auch, daß die Interpretation der mit-PP hier verbabhängig ist, (i) XxXefCAREFUL(x,e) & AGENS(x,e)] <==> Xe[CAREFUL (e)] #

insofern als z.B. bei diskutieren die verbspezifischen Relationen "x kommuniziert/redet in Dies setzt allerdings die Unikalität des Agens voraus, eine Annahme, von der Eckardt ausgeht,
die ich aber für problematisch halte (s. Kap. 4.1).
136 137

d. AHA\mit' einem-Kollegen "),arbeitet"). Diese Auffassung von Komitativphrasen umgeht die Probleme der ersten Lösung:
Xx'Xe"[Xe'[Mn OM(y,e') & EIN-KOLLEGE(y)](e") & XxXe[ARBEIT(x,e)](x'Xe")]
K • Sie erlaubt die Formulierung der prädikatsspezifischen Relationen (INTERAKTION).
e
e. X-Konversion: Xx'Xe"[MiTKOM(y>") & EIN-KOLLEGE(y) & ARBEIT(x',e")] • Sie genügt dem Prinzip für Argumenthaftigkeit.
f. ... • Sie erlaubt es, wie wir später noch sehen werden, auszudrücken, daß mit^ keine ou

g. nach Bindung von e: MrT oM(y>e) & EIN-KOLLEGE(y) & ARBEIT(sieglinde,e)


K Verben mit implizitem Agens modifiziert.
Es läßt sich im Übrigen auch hier zeigen, daß die Konjunktion der einzige anwendbare
Diese Auffassung des Komitativadverbials hat allerdings verschiedene Schwächen:
Kompositionsmodus bei der Verbindung von Verb und PP in (lOOe) ist. Funktionsauswer­
• Daß der in dem Bedeutungspostulat in (97c) geforderte zweite Agens mit dem durch
tung wie in (lOle) oder (101e') ist nicht möglich. Diese Ausdrücke sind nicht X-konver-
das Subjekt des Satzes (98a) denotierten Individuum identisch ist, folgt aus der obigen
tierbar, da das Funktionsargument nicht dem Typ der X-gebundenen Variablen entspricht:
semantischen Behandlung nicht. Tatsächlich können wir Satz (98a) aber natürlich nur
so verstehen, daß der Kollege der Komitativ von Sieglinde ist und nicht von irgend­ F
(101) e. A (A^emem-KollegerijnütKOM'Xarbeitet'):
jemand anderem. Damit läuft auch das INTERAKTIONs-Prädikat ins Leere. *XvXe'[EIN-KOLLEGE(z) & MIT oM(v,z,e')](XxXe[ARBEIT(x,e)])
K

• Argumentstellen der Prädikatskonstante sollen für all die Entitäten vorgesehen sein, die e'. Af'(arbeitet',A\einem-Kollegen ',»"fKOM 0):

in bestimmten, durch das Lexem implizierten Relationen zueinander und zum Ereignis *XxXe[ARBEir(x,e)](XvXe'[EIN-KOLLEGE(z) & MJT oM(v,z,e')])
K

stehen (s. Kap. 3.3.5). Eine solche Relation stellt die aus M I T K O M folgende Implikation
Ebenso ausgeschlossen ist Individueneinführung wie in (102e). Hier ist zwar X-Konver­
INTERAKTION(x,y,e) dar. Entsprechend sollten diese drei Individuenvariablen (x,y,e)
sion möglich (102f), aber der Typ des Ausdrucks (<e£,t>) entspricht nicht dem zu seiner
auch Argumentstellen von M I T K O M belegen.
syntaktischen Kategorie {V,-c,...,/nom} passenden Typ (<eo,<eE,t»):
• Der Unterschied zwischen Komitativadverbialen und Instrumentaladverbialen, der
darin besteht, daß nur letztere auch implizite Argumente modifizieren können, kann - (102) e. Al(Al(einem-Kollegen',mit M')>arbeitet'):
KO

unter der Annahme, daß Instrumentaladverbiale ebenso wie in (98) behandelt werden - Xe"[XvXe'[EIN-KOLLEGE(z) & Mn"KOM(v,z,e')](y)(e") & XxXe[ARBEiT(x,e)](yXe")]
nicht ausgedrückt werden, wie wir noch sehen werden. f. X-Konversion: *Xe"[EIN-KOLLEGE(z) & MJT M(y,z,e") & ARBEIT(y,e")]
KO

Ableitung von Komitativadverbialen (2. Versuch): Die obigen Probleme legen es also
Zusammenfassung: Komitativ-PPs treten bei symmetrischen Verben wie diskutieren als
nahe, das komitative mit als dreistellige Präposition wie in (99a) aufzufassen. Ein entspre­
Argumente auf, sonst als freie Modifikatoren. Die Komitativadverbiale führen ein Indivi­
chendes Bedeutungspostulat formuliert die Interprelaüonsbescliränkungen für die beiden
duum mit schwachen Agenseigenschaften ein, und sie adjungieren nur an verbale Aus­
thematischen Argumente und die Relation, in der sie zueinander und zum Ereignis stehen:
drücke, die Ereignisse bezeichnen, in denen ebenfalls ein (eventuell schwacher) Agens
(99) a. m/lKOM': XyXxXe[MITKOM(x,y,e)] SYN: {P,...,/dat} auftritt. Die Präposition mit^ou impliziert dabei, daß diese beiden Agenzien in dem Er­
h BP ^ -I:m/ OM •VxVyVe[MJT OM(x,y,e) -> AGENS(x,e) & AGENS(y,e)
K eignis in einer räumlichen oder interaktiven Relation stehen.
& INTERAKTION(x,y,e)] Die semantische Verarbeitung von Komitativadverbialen erfolgt durch den Komposi­
tionsmodus der Konjunktion, wobei gemäß der Kriterien für Argumenthaftigkeit, und um
Da der Modus der Konjunktion auch die Identifikation zweier Variablenpaare gleichzeitig
die gewünschten semantischen Folgerungen zu erhalten, die Präposition als dreistellige
ermöglicht (fett in lOOe), führt diese Repräsentation zu keinen Problemen: x e
Funktion XyXxXe[MIT oM( ,y> )] repräsentiert werden muß.
K

(100) a. Sieglinde arbeitet mit einem Kollegen


b. ...
c. A\einem-Kollegen'jnitKOMy- 3.3.3 Instrumentaladverbiale und Passiv
XvXe'[Xz[EIN-KOLLEGE(x)](z) & XyXxXe[MJT oM(x,y,e)](zXvXe')]
K

d. X-Konversion: XvXe'[EIN-KOLLEGE(z) & M U K O M C V ^ , ^ ) ] Selektionsrestriktionen des instrumentalen "mit": Ähnlich wie die komitative mit-PP ver­
e. A^(A\einem-Kollegen '/nit^oM\ arDeite
t')- bindet sich auch die instrumentale mit-PP (von hier an auch '/w/frNSTR-PP') mit Verben,
XyXe"[XvXe'[EIN-KOLLEGE(z) & MJTKOM(v,z,e')](y)(e") & XxXe[ARBEJT(x,e)](y)(e")] die einen Agens valenzfordern (103 a, 103b), während Verben ausgeschlossen sind, die
f. X-Konversion: XyXe"[EIN-KOLLEGE(z) & Mrr OM(y,z.e") & ARBEJT(y,e")]
K Ereignisse bezeichnen, an denen zwar prinzipiell Instrumente beteiligt sein können, die
g. A^(A^iA\einem-Kollegen',mit^oM% ' ')ySieglinde'):
aroe tet
aber keinen Agens implizieren (103c, 103d) (vgl. Nilsen 1973:90fr): 111

XyXe"[EIN-KOLLEGE(z) & MIT oM(y,z,e") & ARBEIT(y,e")](sieglinde)


K

h. X-Konversion: Xe"[EIN-KOLLEGE(z) & MIT oM(sieglinde,z,e") K


Ein Patiens, der von dem Ereignis mit Hilfe des Instruments affiziert wird, muß vom Verb nicht
& ARBEIT(sieglinde,e")] selegiert werden. Instrumentalphrasen treten sowohl mit Verben auf, die nicht-affizierte Patiens
i. nach Bindung von e: selegieren (i), als auch mit intransitiven Verben (ii) (vgl. auch Beckmann 1994b:123):
EIN-KOLLEGE(z) & Mn OM(sieglinde,z,e) & ARBEIT(sieglinde,e)
K
(i) die Agentin beobachtete ihn mit einem Femglas
(ii) die Stabhochspringerin sprang mit einem neuen Glasfiberstab
138 139

(103) a. Roswitha tötete ihn mit einem Säbel auf die Behandlung des Passivs eingehen. Wie viele andere A n s ä t z e 112
nehme ich an, daß
b. Roswitha schmolz das Vanilleeis mit einem Fön dem Passiv eine lexikalische Regel zugrundeliegt.
c. Her starb mit einem Säbel
d. Hdas Vanilleeis schmolz mit einem Fön
SYN: {V,-c,...,/akk/nom} ==== Passiv —=- > SYN: { V t . , . . . , / P / n o m }
par pas von

Darüber hinaus gibt es weitere Restriktionen, die die Verknüpfung des Instrumental- SEM: XyXxXe[P(x,y,e)] SEM: XxkyXe[P(x,y,e)]
adverbials mit solchen Verben ausschließen, die auf Ereignisse referieren, welche schwer­
lich mit einem Instrument ausgeführt werden können (104b, 104d): Lex. 30: Passivregel.

(104) a. sie vernichtete die Kakerlake mifrNSTR einem Pantoffel Diese Regel führt die Grundform des Verbs mit ihren syntaktischen und semantischen
b. H ie versteckte die Vogelspinne » « ' I N S T R
s
E H , E M
••• (?) Eigenschaften SYN und SEM in ein Passivpartizip Vpart- s mit aus SYN und SEM abge­
pa

c. sie sah den Stern mi'frNSTR einem Fernrohr 113


leiteten syntaktischen und semantischen Eigenschaften über. Die Passivregel ändert die
d. H j fühlte die Kälte mi'frNSTR einem ...(?)
s e syntaktische Valenz in bekannter Weise: aus /akk/nom wird /P „/nom. Die semantischevo

Repräsentation des Passivpartizips resultiert in einer Änderung der Reihenfolge der X-


Im Gegensatz zu den Komitativphrasen können instrumentale mit-PPs, wie in Kapitel
präfigierten Variablen, da die Argumentstelle für den Agens im Passiv zuerst gesättigt
3.3.1 schon gezeigt, auch implizite Agenzien in persönlichen und unpersönlichen Passiv­
werden muß. Außerdem nehme ich an, daß die Passivierung keine lexikalische Bedeu­
sätzen modifizieren:
tungsänderung mit sich bringt, also die aktive und die passive Variante des Verbs durch
(105) a. Kurt spülte das Geschirr mit dem Schwamm die gleiche Prädikatskonstante repräsentiert sind.
b. das Geschirr wurde mit dem Schwamm gespült Man kann sich das Passiv semantisch als eine Funktion wie (107a) vorstellen, die die
c. es wurde mit dem Schwamm gespült semantische Übersetzung des Aktiwerbs als Argument nimmt und die semantische Über­
setzung des Passiwerbs als Wert gibt. In (107b) bis (107e) ist das am Beispiel quälen
Interpretationsbeschränkungen des instrumentalen "mit": Ähnlich wie beim komitativem gezeigt:
mit gibt es beim instrumentalen mit Implikationen bezüglich der Relationen, in denen die
(107) a. /Passiv; XP[XxXyXe[P(yXxXe)]]
Argumentreferenten zum Ereignis stehen. So genügt es nicht zu sagen, daß das durch die
" H ' I N S T R - P P modifizierte Ereignis einen Agens hat und das eingeführte Instrument in dem
b. quälen': XyXx'Xe'[QUÄL(x',y',e')]
Ereignis eine Rolle spielt. Es muß zudem festgehalten werden, daß das Instrument in dem c. &*{j?u*">,quälen"): XP[XxXyXerP(yXxXe)]](Xy'X.x'Xe[QUÄL(x',y,e')])
,

Ereignis von einem Agens benutzt wird, und zwar nicht von irgendeinem Agens, sondern d. X-Konversion: XxXyte[XyXx%e'[QUÄL(x',y',e')](yXxXe)]
e. X-Konversion: XxXyXe[QUÄL(x,y,e)]
von dem durch das Verb eingeführten. Das instrumentale mit impliziert also, daß sein als
Dativ-NP realisiertes Argument als Instrument in ein Ereignis involviert ist, in dem ein Die präpositionale Agensphrase ist im Passiv fakultativ. Da Fakultativität zu einer neuen
Agens vorkommt (106a), und daß dieser Agens das Instrument in dem Ereignis verwendet Verbvariante führt (s. Kap. 3.2.2), können wir eine Valenzreduktionsregel formulieren,
(106b). Die Ableitung muß dann sicherstellen, daß dieser Agens der vom Verb ausge­ die den um die vow-PP-Valenzforderung reduzierten Verbeintrag beschreibt:
zeichnete Agens ist:

(106) a. MiTrNSTR(x,y,e) -* AGENS(x,e) & INSTRUMENT(y,e) SYN: { V . , . . . , / P / n o m } === von-Reduktion ===>


part pas von SYN: {V . ,...,/nom}
part pas

1
b. MrrrNSTR(x,y,e) -» GEBRAUCH(x,y,e) SEM: XxXyA.e[P(x,y,e)] SEM: XyX.e[P(x*< ,y,e)]
Die Behandlung von Instrumentaladverbialen stellt also ähnlich wie die der Komitativ- Lex. 31: Reduktion der syntaktischen Valenzstelle für den Agens im Passiv.
adverbiale gegenüber der von Orts- und Zeitadverbialen zwei weitere Anforderungen:
• Es muß ausgedrückt werden, daß Instrumentaladverbiale nur Ereignisse modifizieren, Ich gehe davon aus, daß der implizite Agens dabei immer definitheitsneutral zu interpre­
an denen ein Agens beteiligt ist. tieren ist, also im Kontext identifiziert werden kann, aber nicht muß. Auch hier kann der
• Es muß ausgedrückt werden, daß in einem Satz wie Hubert wäscht Olga mit einem semantische Teil der Regel als Funktion verstanden werden, die die Variablenbindung
Schwamm es Hubert ist, der in dem Wasch-Ereignis den Schwamm benutzt. manipuliert:
Passiv im Lexikon: Instrumentaladverbiale können auch mit Verben kombinieren, deren
Agens implizit ist. Das heißt, sie können auch in Passivkonstruktionen auftreten, in denen
der Agens nicht als von-PP realisiert ist. Bevor ich mich mit den semantischen Problemen 1 1 2
Das wird z.B. in der LFG angenommen (Bresnan 1982a:29), in der HPSG (Pollard / Sag
beschäftige, die mit der Modifikation impliziter Argumente verbunden sind, will ich kurz 1987:21 Iff) und auch von Dowry (1982:92f).
1 1 3
Lexikalische Restriktionen, etwa dahingehend, daß bestimmte Zustandsverben kein Passiv
bilden, sind hier nicht formuliert.
140 141

(108) a. /von-Reduktion; XP[XyXe\P(x^)(yXe)]] zwar genauer die Funktionskomposition. Sie erlaubt es, die noch ungesättigten Argument­
b. vo
AF(/ "-R eduktion
,AF(/P assiv ±
,9M<äi/c» 0): XP[XyXe[P(x d)(yXe)]](Xx'Xy'>.e'[QUÄL(x,y',e')]) l stellen des Partizips (fett in 111c) an den resultierenden Ausdruck zu vererben (fett in
c. X-Konversion: , ,
X.yX.e[XxX.y'Xe'[QUÄL(x,y',e)](x d)(yXe)] l ± l l l d - U l f ) . Die Subjektstelle wird schließlich durch Funktionsapplikation gesättigt
d. X-Konversion: XyMQUÄLCx^.y.e)] (111g):

Die drei durch Passivierung und Valenzreduktion entstehenden Verbvarianten sind hier (111) a. (daß) Klaus gequält wird
nochmal am Beispiel quälen zusammengefaßt. b. ...
c. A^(wirdp 'gequält J.
ASSJV 3
t
Xz[XPX.e'[P(e')](X.yXe[QUÄL(x= d y e)]( ))] ) ; z

d. X-Konversion: XztXPXe'Pie'JKXetQUÄLixid.z.e)])]
SYN: {V,-c,...,/akk/nom}
quälen ¡ e. X-Konversion: Xi[Xs\Xt[Q\5A^(x ^é)](t')]] ±d

SEM: A.yX.xXe[QUÄL(x,y,e)] d
f. X-Konversion: X.zX.e'[QUÄL(x± ,z,e')]
TYP. <e ,<e ,<e ,t>»
A^(AP(wird ssivgequält ')JClausy.
G G E
g. PA 3 XzXe'[QUÄL(x±d,z,e')](klaus)
SYN: {V art-pas,-,/PPv >0m} h. X-Konversion: Xe'tQUÄLCx^klaus^')]
gequält = Passi\(quälen ¡)
2
p O

±d
SEM: XxXyXe[QUÄL(x,y,e)] i: nach Bindung von e: QUÄL(x ,klaus,e)
TYP: <e ,<e ,<e ,t>»
G G E

{V art-pas,-c,..,/nom} Implizite Argumente im Passiv: Ein Problem stellt sich für Instrumentalphrasen und viele
seauälti = von-Reaaküon(gequält ) SYN: P
2
ähnliche dreistellige Ereignismodifikatoren im Passiv, wenn die Modifikation des impli­
SEM: XyXe[QUÄL(x±d,y, )] e
ziten Agens des passivischen Verbs erklärt werden soll. Solange der Agens durch eine
TYP: <e <e ,t» G E
voM-Phrase realisiert wird, kann das Verb wie üblich durch Konjunktion mit dem Adver­
bial verknüpft werden, wie in (112f). Die beiden in (112g) noch nicht gesättigten Stellen
Lex. 32: Lexikoneintrag für quälen.
Xx und Xy können in schon bekannter Weise durch die Individuenbedeutungen von-Car-
Wie bei lexikalischen Regeln zu erwarten ist, hat sowohl die Passivregel Ausnahmen men' und Klaus' gesättigt werden:
(109), wie auch die vow-PP-Reduktionsregel (110). (112) a. (daß) Klaus von Carmen mit einer Peitsche gequält wird
(109) a. sie weiß einen guten Witz b. ...
b. Hein guter Witz wird von ihr gewußt c. A?(wird 'gequält '):
PASSIV XvXwfXPXe'tPCeOKXxXyXetQUÄLCxj^KvXw))]
3

d. ...
(110) a. die Stadt wird von einer hohen Mauer umgeben e. X-Konversion: XvXwXe[QUÄL(v,w,e)]
b. *die Stadt wird umgeben f. A^iA\einer-Peitsche ',mit¡^sTR %^(wirdp ssiv'^ 3' eauäu
))'•
A

Das Passivpartizip wird vom Passivauxiliar valenzgefordert. Semantisch stellt sich werden Xx'XyXe'^xXefMTTrNSTRÍx^e) & EINE-PEnSCHE(y)](x'Xe')
als Ereignisprädikat dar, das die semantischen Valenzstellen des subkategorisierten Parti­ & XvXwXe[QUÄL(v,w,e)](x'XyXe')]
zips übernimmt. Damit die syntaktische Kategorie von werden seinem logischen Typ
114
g. X-Konversion: >ix'Xy%e'[Mnj sTR(x',y,e') & EINE-PEITSCHE(y) & QUÄL(x',y,e')]
N

entspricht, müssen die Typzuweisungsregeln um den bisher nicht berücksichtigten Fall h. ...
ergänzt werden, daß Partizipien valenzgefordert sind. Es gilt daher: g ( V . ) = <e ,t>. part pas E
Eine Modifikation impliziter Argumente wie die des impliziten Agens in (113a) ist auf
diese Weise nicht abzuleiten. Die Konjunktion von Adverbial und Verb (113f) würde
werden-pASSiv SYN: {V,-C,paS,...,/V art-pas} p Klaus als denjenigen ermitteln, der die Peitsche bedient, was offensichtlich falsch ist, da
SEM: XPXe'\P(e')] quälen die Entität an der Argumentstelle, die Klaus füllt (fett in 1131), als den Patiens des
TYP: «e ,t>,<e ,t»
E E Ereignisses spezifiziert:

Lex. 33: Lexikoneintrag für das Passivauxiliar werden. (113) a. (daß) Klaus mit einer Peitsche gequält wird
b. ...
c. AF(wird ssrv'gequält '): Xz[XPXe'\P(e')](XyXe[QUÄL(x ,y,e)](z))] ±d

Die Ableitung passivischer Sätze: Für die semantische Verbindung von Passivauxiliar und PA 3

d. ...
Passivpartizip wird der Kompositionsmodus der Funktionsauswertung angewendet, und 1
e. X-Konversion: XzX.e'fQUÄLix*« ^^')]
f. A^(A (einer-Peitsche ',mitj^¡STR ')A (wirdp ssiv'£ ') 3'
l Y
A
e
))•'uän

Die semantischen Besonderheiten, die werden als Auxiliar des Vorgangspassivs von sein als Xx'Xe'[>ixXe[MIT sTR(x,y,e) & EINE-PEiTSCHE(y)](x'Xe')
IN

Auxiliar des Zustandspassivs unterscheidet, bleiben hier unberücksichtigt. & XzXe'[QUÄL(x±dz,e')](x'Xe')] j


142 143
e &
g. X-Konversion: Xx'Xe'[MrTrNSTR(x',y. ') ErNE-PEITSCHE(y) & QUÄL(x±d, ',e')] x Daß diese Äquivalenz tatsächlich besteht, läßt sich durch ^.-Konvertierung des zweiten
h. ... Ausdrucks leicht zeigen, wobei (|>[x/y ] in (114c), abgesehen von der Variablenbenennung
±d

±d
i. FALSCH: MTT^sxRCklausj.e) & EINE-PErTSCHE(y) & QUÄL(x±d,klaus,e')] genauso ist wie <j>[* J in (114a).
Das Problem der Modifikation impliziter Argumente besteht darin, daß auf nicht X-gebun- ±d
(114)a. (j.[x ] <-> XP[P(y±d)](Xx[(j,]) (wegen P-2)
dene Argumente in Kompositionsprozessen nicht zugegriffen werden kann. Die sprach­ b. ).P[P(y±d)](Xx[if.]) Xx[i).](y±d) (^-Konversion)
lichen Daten zeigen aber deutlich, daß ein solcher Zugriff stattfindet. Ich werde daher im c. Xx[<|)](y±d) <-> (fi[x/y ]] ±d
(X-Konversion)
nächsten Kapitel überlegen, wie innerhalb des gewählten theoretischen Rahmens die Mo­
difikation impliziter Argumente erklärt werden kann. Ein lexikalischer Lösungsversuch: Das Problem in Beispiel (113) im letzten Kapitel be­
Zusammenfassung: Instrumentaladverbiale lassen sich mit verbalen Ausdrücken kombinie­ stand darin, daß die Bedeutungskomposition von mit einer Peitsche und gequält wird
ren, die einen Agens selegieren. Die Instrumental-PP führt dabei ein Instrument ein, wo­ nicht zu dem erwünschten Resultat führte. Wenn wir nun in Anlehnung an P-2 die Defi­
bei die Präposition m/% TR impliziert, daß der verbale Agens das Instrument in dem vom nitheitsmarkierung in ein höherstufiges Prädikat auslagern wollen, so wäre eine dekom­
S

Verb bezeichneten Ereignis gebraucht. Instrumentalphrasen treten im Gegensatz zu ko- ponierte w/7-Phrase wie in (115a) ein guter Kandidat für dieses Prädikat. Lexikalisch
mitativen PPs auch in Passivsätzen mit implizitem Agens auf. müßte man dazu neben der Variante von m/rrNSTR, die explizite Agenzien modifiziert
(115b), eine zweite Variante für die Modifikation impliziter Agenzien ansetzen (115c).
Passivische Verbvarianten können durch eine lexikalische Regel auf aktivische bezogen
Dieser Ausdruck kann nun auf das Verb applizieren, wobei, wiederum in Anlehnung an
werden. Eine weitere Regel führt die valenzreduzierte Passiwariante mit implizitem,
P-2, die ursprünglich als definitheitsneutral repräsentierte Variable des Verbs (115d) X-
definitheitsneutral interpretiertem Agens ein. Bei der Kombination von Instrumental­
präfigiert wird (115e). Es muß also ad hoc eine eigene lexikalische Variante für das
adverbialen mit Passivsätzen mit implizitem Agens stellt sich das Problem, daß in einer
agenslose Passivpartizip im Kontext eines Modifikators angenommen werden. Diese Vari­
Typenlogik mit X-Operator die Modifikation impliziter Argumente nicht ohne weiteres
ante muß zudem ein Adverbial syntaktisch valenzfordern (/0/nom), damit sein semanti­
dargestellt werden kann.
scher Typ <e ,<eG,<eE,t>» seiner syntaktischen Kategorie entspricht. Damit selegiert
G

das Passivpartizip gequält in (115e) syntaktisch eine Phrase, die sein eigentlich definit-
heitsneutrales Argument y mit der entsprechenden ±d-Markierung versieht, eine Aufgabe,
3.3.4 Die Modifikation impliziter Argumente
die in diesem Fall eine Variante der Instrumentalphrase übernimmt.
Anhebung von Propositionen mit impliziten Argumenten: Das im letzten Kapitel aufgetre­ (115) a. XPXetMITiNsT^xidj^) & EINE-PEJTSCHE(y) & P(x±dXe)]
tene Problem bestand darin, daß defmitheitsneutrale Argumentvariablen weiteren Verar­ b. XyXxXe[MIT sTR(x,y,e)]
IN SYN: {P,...,/dat}
beitungsschritten wie Modifikation nicht mehr zur Verfügung stehen. Insofern als bei c. ).yX.PXe[Mrr (x±d,y,e) & P(x dXe)]
INSTR
±
SYN: {P,...,/dat}
passivischen Verben die Definitheitsmarkierung dieser Variablen schon im Lexikon er­ d. XxMQUÄL(x,y±d,e)] SYN: {V . ,-c,...,/nom} part pas

folgte, nämlich durch eine Passiv- mit anschließender Valenzreduktionsregel, sind die e. XyXxA.e[QUÄL(x,y,e)] SYN: {V . ,-c,...,/0/nom} part pas

entsprechenden impliziten Argumente nicht X-gebunden und damit schon zu Beginn der
Ableitung für keinen Modifikationsprozeß mehr offen. Man möchte also das zu modifizie­ Die korrekte Ableitung des Ausdrucks (116a) kann nun mithilfe von Funktionsauswertung
rende Argument in solchen Fällen noch einmal öffnen, ohne die Definitheitsmarkierung vorgenommen werden:
dabei zu verlieren. Für eine solche Öffnung wäre es nützlich, wenn man das entspre­ (116) a. mit einer Peitsche gequält wird
chende Argument kurzzeitig X-binden und die Definitheitsspezifizierung in einen höher­ b. mit-einer-Peitsche': XYXs\hm , (^,yfi) & EINE-PEITSCHE(y) & P(x±dXe)]
ms TVi

stufigen Ausdruck verschieben könnte. Dabei wird sich die folgende Äquivalenz für die c. gequält-wird': XwXvXe'[QUÄL(v,w,e')]
x±d
weiteren Überlegungen als nützlich erweisen, wobei <t>l ] eine Proposition ist, die keine d. A*(mit-einer-Peitsche'gequält-wird'): Xz[XPXe[MfTrNSTR( d,y,e) & EINE-PEITSCHFXy x±

115
freien Vorkommen von y enthält: &P(x dXe)](X.wX.vX.e[QUÄL(v,w,e)](z))
± , ,

(P-2) Anhebung von Propositionen mit impliziten Argumenten e. X.-Konversion.


Xz[XPX.e[MrrrNSTR(x ,y,e) & EINE-PEITSCHE(y) & P ^ X e ^ v t e T Q U Ä ^ Ä e ' ) ] )
±d

Theorem: <-> XP[P(y±d)] <<e>t> t > (A.x[<t>])< >


e>t
f. X-Konversion:
Xz[X.e[MiTrNSTR(x ,y,e) & EINE-PEJTSCHE(y) & XvX.e'[QUÄL(v,z,e')](x dXe)]
±d ±

g. X-Konversion:
1 1 5
Ich gehe hier wie im Folgenden davon aus, daß 3x[<(i], Vx[<j>] oder Xx[<j>] nur dann wohlgeformte XzX.e[MIT sTR(x d,y,e) & EINE-PEITSCHE(y) & QUÄL(x±d z,e)]
IN
±

Obwohl wir auf diese Weise die korrekte Repräsentation von mit einer Peitsche gequält

Ausdrücke sind, wenn in <>| mindestens ein freies x vorkommt. Dabei soll <|>[ 1 heißen, daß x
j (iefinitheitsneutral ist; tyWy] entspricht <j>, nur daß jedes freie x in <>| durch ein y ersetzt
in <> werden erhalten, birgt diese Lösung einige schwerwiegende Probleme:
wird.
144 145

• Es müssen sowohl für die Präposition als auch für das Verb lexikalische Varianten Demnach könnte der aus der obigen Ableitung (118) resultierende Ausdruck (120a) auf­
angesetzt werden, die lediglich im Fall der Modifikation impliziter Argumente zum grund dieser Regel hochgestuft werden (120b) und mit einem weiteren Adverbial des Typs
Tragen kommen. <eG,<eE,t» verbunden werden.
• Das Verb muß dabei einen Ausdruck als syntaktische Ergänzung fordern, den man (120) a. SYN: {V,-c,pas,...,/nom}
eigentlich als Adjunkt betrachten möchte. d
SEM: XyXe[QUÄL(x± ,y,e) & MnJNsTRtx^^e) & EINE-PEITSCHE(z)]
• Die Präposition muß dekomponiert werden. b. SYN: {V,-c,pas,...,/0/nom}
• V.a. aber erlaubt diese Lösung keine Rekursion von Adverbialen, die auf implizite d x±d z e
SEM: XPXyXe[QUÄL(x± ,y,e) & MITiNSTR( > > ) & EINE-PEJTSCHE(z) & P(x± Xe)] d

Argumente Bezug nehmen. Solche Rekursionen kommen aber vor, wie in sorgfältig mit
einem Schwamm gespult wird, wo sorgfältig ebenso wie die Instrumentalphrase ein Trotz dieser Erweiterung hat auch diese Lösung einige schwerwiegende Schwächen:
116
Agens-Ereignis-Paar modifiziert. Die Bindung des definitheitsneutralen Arguments • Die eigentlich als Adjunkte aufgefaßten Adverbiale werden jetzt vom Verb und seinen
wird durch die PP aber endgültig und kann durch ein zweites Adverbial nicht mehr Projektionen sowohl syntaktisch als auch semantisch valenzgefordert.
aufgebrochen werden. • Es muß eine eigene Verbvariante angenommen werden, die außerhalb des Kontextes
der Modifikation impliziter Argumente nicht auftritt und somit auch nicht unabhängig
Noch ein lexikalischer Lösungsversuch: Ein zweiter lexikalischer Lösungsversuch geht
motiviert ist.
das Problem von der anderen Seite an, indem es das Verb selbst zu einem höhertypigen • Das Verb muß dekomponiert werden.
Prädikat macht (117a), während die Präpositionalphrase (117b) bzw. die Präposition selbst
• V.a. aber läßt sich das verbale Partizip mit implizitem Agens nun auch mit solchen
(117c) ihre ursprüngliche Übersetzung behalten: Adverbialen verbinden wie etwa der Komitativphrase, die in diesem Kontext nicht auf­
(117) a. XPXyXe[QUÄL(x± ,y,e)&P(x± )(e)] d d
SYN: {V . ,-c,...,/0/nom}
part pas
treten können. Komitatives mit müßte daher eine idiosynkratische, außerhalb des For­
b. X3Ae[MITi sTR(x,y,e) & EINE-PEITSCHE(y)]
N
malismus stehende Markierung erhalten, daß es in einem Passivsatz mit implizitem
Agens nicht zulässig ist.
c. XyXxXe[MITrNSTR(x,y,e)] SYN: {P,...,/dat}
Eine Lösung mit Implizitenanhebung: Die Schwierigkeiten der gerade diskutierten Vor­
Auch hier ist eine Ableitung durch Funktionsauswertung möglich:
schläge lassen sich aber durch eine andere Vorgehensweise beheben. Diese Vorgehens­
(118) a. mit einer Peitsche gequält wird weise möchte ich zunächst an dem schon bekannten Beispiel in (121a) erläutern. Sie ba­
b. ... siert wie die anderen Vorschläge auf der Idee der Anhebung von Propositionen mit impli­
c. $<gequält-wird',mit-einer-Peitsche ): r
ziten Argumenten in P-2, wodurch die Definitheitsmarkierung in ein höhertypiges Prädi­
d l
XPXyXe[QUÄL(x± ,y,e) & P(x±dXe)](Xx'X.e'[MiT sTR(x',z,e ) & EINE-PEITSCHE(z)])
rN kat verschoben wird.
d. X-Konversion: Das Verb quälen hat im agenslosen Passiv, also z.B. in (121a) ein implizites, definit-
d d
XyXe[QUÄL(x± ,y,e) & Xx'Xe'[Mrr R(x',z,e') & EINE-PEHSCHE(z)](x± Xe)] ±d

±d
INST

x±d z e
heitsneutrales Argument für den Quäler (x' ) wie in (121b). Versuchen wir nun, die Prä­
e. X-Konversion: XyXe[QUÄL(x ,y,e) & MITrNSTR( = > ) & EINE-PEITSCHE(z)]
positionalphrase mit einer Peitsche ( 1 2 1 c ) 117
per Funktionskomposition mit dem Verb­
Auch bei dieser Lösung ist keine rekursive Ableitung von Adverbialen des gleichen Typs komplex zu verbinden, so wird zunächst das noch nicht gesättigte Patiens-Argument des
möglich. Dem könnte man allerdings abhelfen durch eine Regel, die eine generelle, nicht Verbs (fett in 12 ld) für die weitere Verarbeitung extrahiert. Dieser Ausdruck, nach X-
ans Lexikon gekoppelte semantische Höherstufung von passivischen Verbalphrasen be­ Konversion (12le), ist aber offenbar keine zulässige semantische Repräsentation, denn die
wirkt: Ein Ausdruck, der in eine Repräsentation mit den syntaktischen und semantischen präpositionale Funktion fordert ein Argument vom Typ e£, während das Argument tat­
Eigenschaften in (119a) übersetzt, kann auch in eine Repräsentation mit den syntaktischen sächlich aber vom Typ <e£,t> ist. Beachten wir den Effekt der Patiensextraktion (ab 12 l e
und semantischen Eigenschaften in (119b) übersetzen (für n > 0): kursiv) nicht weiter und konzentrieren uns auf den Rest des Ausdrucks. Was eigentlich
erreicht werden soll, ist eine Identifizierung des Agens- und des Ereignisargumentes der
(119) a. SYN: {V,-c,pas,...,/VAL .../VAL } 1 n ±d
PP (x bzw. e) mit den entsprechenden Argumenten des Verbs ( x ' bzw. e'), sowie eine
±d
SEM:Xai...Xa Xe[<|>[x ]]
n
Konjunktion der PP-Prädikate mit der verbalen Prädikatskonstante. Das gewünschte Er­
b. SYN: {V,-c,pas,...,/0/VAL!.../VAL } n
gebnis ist also (121h). Um die Funktionsauswertung in (121d) durchführen zu können,
±d d
SEM: XPXa ...Xo Xe[<j>[x ] & P(x± Xe)]
1 n
muß der Ausdruck in einer regulären Weise umgeformt werden, basierend auf der in P-2
formulierten Äquivalenz. Dazu wird entsprechend P-2 ein höherstufiges Prädikat gebildet,
1 1 6 das auf den Ausdruck mit der definitheitsneutralen Variable appliziert, wobei die Definit-
Nicht nur im Bereich der Präpositionen, sondern auch unter den Adverbien gibt es solche, die
implizite Agenzien modifizieren können, wie sorgfältig, während andere, wie glücklich, dabei
eher unakzeptabel sind:
(i) Klaus spülte sorgfältig das Geschirr Klaus spülte glücklich das Geschirr Die beiden offenen Stellen der PP treten hier in umgekehrter Reihenfolge auf, XeXx statt XxXe;
daraufgehe ich weiter unten noch ein.
(ii) das Geschirr wurde sorgfältig gespült H-das Geschirr wurde glücklich gespült
146 147

heitsmarkierung in den Funktor verschoben und die Variable X-präfigiert wird (121f). Das (122) a. XxXe[MJT(x,y,e) & DER-SCHWAMM(y)]
heißt, i) die beiden typgleichen Variablen x und x' (fett in 12 le) tauschen X-Operator und b. XeXx[MIT(x,y,e) & DER-SCHWAMM(y)]
Definitheitsmarkierung (fett in 121f), wobei x in (121e) die am tiefsten eingebettete X-
Wir können diese doppelte Möglichkeit der X-Abstraktion nun auf eine lexikalische Ei­
gebundene Variable der Funktion ist; ii) die präpositionale Funktion wird durch die Prädi­
genschaft des instrumentalen mit zurückführen, indem wir für OT/% zwei Übersetzun­
katsvariable P um den Typ < e , < e G , t » höhergestuft, wobei in dem Prädikat die Variablen str

gen annehmen (123a). Das komitative mit, das keine Modifikation des impliziten Agens
E

mit dem Agens- und Ereignisprädikat der PP identifiziert werden (fett in 12lf). Wenn wir
erlaubt, hat dagegen nur die Übersetzung (123b). Damit erlaubt uns P-3 also auch, die
diesen Ausdruck der X-Konversion unterziehen, was nun möglich ist, da das Argument
lexikalischen Unterschiede der einzelnen Modifikatoren zu erfassen:
vom erforderlichen Typ < e E , < e G , t » ist, erhalten wir die korrekte Repräsentation (121h).
Dieser Ausdruck kann nun in gewohnter Weise weiterverarbeitet werden, so daß am Ende (123) a. XyXxXe[MITrNSTR( >y> )] x e
und XyXeXx[MITrNSTR( >y> )] x e

(121j) steht: b. XyXxXe[MITKOM( >y> )] x e

(121) a. der Mann wird mit einer Peitsche gequält Dabei sieht es zunächst so aus, als führe diese Lösung zur Annahme einer Ambiguität des
b. wird-gequält': Xz'Xe'tQUÄL^dz'.e')] instrumentalen mit. Tatsächlich ist die instrumentale Präposition aber nicht ambig im
c. mit-einer-Peitsche': XeXx[VQT(x,y,e) & EINE-PEITSCHE(y)] Gegensatz zur komitativen, sondern vielmehr unterspezifiziert. Die Reihe von X-präfi-
d. $ (mit-einer-Peitsche',wird-gequält"): gierten Variablen vor einer offenen Proposition § konstituiert eine Liste, also eine Menge
von geordneten Elementen. Für diese geordnete Menge gilt bezüglich des komitativen mit
,
Xz[XeXxfMIT(x,y,e) & EINE-PEITSCHE(y)](X.z >.e'[QUÄL(x'±d, ',e )](z))]
,
z

e. X-Konversion: die Spezifikation (124a), bezüglich des instrumentalen mit dagegen (124b), d.h., bei
te[ XeXxr>irr(x,y,e)&EINE-PErTSCHE(y)](Xe'[QUÄL(x=«l,z,e')]) ,
] l
instrumentalem mit bleibt die Reihenfolge ("<") bezüglich Xx und Xe unspezifiziert:
f. Implizitenanhebung:
(124) a. X-Abstraktion bei mit : KOU {Xe, Xx, Xy} & (Xy < Xx) & (Xy < Xe) & (Xx < Xe)
Xz[ XPX.e[(MrT(x±d,y,e) & EINE-PEITSCHE(y)) & P(x^Xe)](Xx'Xe [QUÄL(x',z,e')]) ] ,

b. X-Abstraktion bei /wrrNSTR : e


{^ > ^-> ^y}x &
(ty ^ ) & (Xy ^ )
< x K e

f (Wiederholung von 121f):


Xz[ XPXe[(MIT(x±<l,y,e) & EINE-PEiTSCHE(y)) & P(x^)(e)](XxMQUÄL(x',z,e')]) ] Für solche Fälle wie W J ; % soll im Folgenden die Listendarstellung der X-präfigierten
s t r

g. X-Konversion: Variablen aufgegeben werden. Für die in Mengenklammern angegebenen X-präfigierten


Az[ Xe[(MTT(x±dy, )&EINE-PEITSCHE(y))&X.x'Xe'[QUÄL(x',z,e')](x±'lXe)]
e ] Variablen in Ausdrücken wie (125a) gilt, daß die Reihenfolge ihrer Abstraktion beliebig
h. X-Konversion: ist.118
Instrumentales mit übersetzt also in (125b), so daß für mit ein Lexikoneintrag wie
te[ Xe[MIT(x= 'l y e) & EINE-PEiTSCHE(y) & QUÄL(x±<Ue)]
119
t
; ; ] in Lex. 34 angenommen werden k a n n .
i. ...
(125) a. Xa{Xa',Xa"}[(j)] = (XaXa'Xa"[(|>] v XaXcc"Xa'[(|>])
j. nach Sättigung der weiteren Argumente: x
± b. Xy{Xe,Xx}[MrTrNSTR( .y,e)]
MTT(x '»,y e) & EINE-PEITSCHE(y) & Q U Ä L ^ ' U e ) & DER-MANN(z)
)

Wir können nun ein Prinzip formulieren, das die Typanhebung, die Verschiebung der »"'INSTR SYN: {P,...,/dat}
Definitheitsmarkierung und die X-Präfigierung, wie in Beispiel (121) illustriert, regelt: SEM: Xy{Xe,Xx} [MIT sTR(x,y,e)] IN

(P-3) Implizitenanhebung BPm/flNSTR-f •VxVyVe[MIT ( x , y , e ) -> A G E N S ( x , e )


r N S T R

& INSTRUMENT(y,e)]
Wenn tf(Z',T) = Xa ...Xa [Z'(T'(a )...(a ))],
•VxVyVe[Mn'i sTR(x,y,e) -> G E B R A U C H ( x , y , e ) ]
1 n 1 n

so daß Z'(F(a )...(a )) = *XeXx[u/](Xe [6[y l]), , ±d BPraflNSTR-fL N


1 n

±
so wird Z ' ( Y ' ( a ) . . . ( o Q ) als XPXe[i|/[x/x ] & P(x d)(e)](XyXe'[<|)]) repräsentiert.
x
±d
»"'KOM SYN: {P,...,/dat}
SEM: XyXxXe[MITKOM( ,y,e)] x

Die Bedingungen für die Anhebung des impliziten Arguments sind in P-3 auf den spezifi­
BP ,/KOM-f • V x V y V e [ M r r o M ( x , y , e ) -»• A G E N S ( x , e )
K
schen Fall beschränkt, daß eine Funktion vom Typ < e E , < e G , t » versucht, auf ein Argu­ M

& AGENS(y,e)]
ment zu applizieren, das vom Typ <eE,t> ist und eine definhheitsneutrale Variable enthält.
BP ,rKOM-If •VxVyVe[MITKOM( ,y,e) -> r N T E R A K T I O N ( x , y , e ) ]
x

Ich werde später (Kap. 7.1.2) dieses Prinzip verallgemeinern, so daß auch andere Fälle m

davon erfaßt werden. Lex. 34: Lexikoneintrag für mit.


Implizitenanhebung und Lexikon: Die Ableitung in (121) geht davon aus, daß die Präpo-
sitionalphrase nicht, wie bei der Modifikation von Sätzen mit explizitem Agens, in (122a) Die Reihenfolge von Argumentstellen variabel zu halten, ist anderem Zusammenhang von
übersetzt, sondern in (122b). Die beiden Argumente werden also in unterschiedlicher Jacobs (1995:60) vorgeschlagen worden, der dadurch freier Wortstellung Rechnung tragen will.
Die beiden Bedeutungspostulate für m i t r s s T R bzw. m/'fKOM können natürlich jeweils in einem
Reihenfolge X-abstrahiert: Konjunkt zusammengefaßt werden; ihre Trennung ist rein darstellungstechmsch.
148 149

Noch ein Blick auf die Daten: Die bisherige Darstellung des Komitativadverbials ist am rung der Agensargumente von mit und quälen in der Syntax im Rahmen der Bindung­
Beispiel von Sätzen wie (126) davon ausgegangen, daß es nur in Sätzen mit explizitem stheorie erzielt wird. Demnach haben sowohl eine zweite Variante des instrumentalen mit
Agens auftreten kann: als auch das passivische, valenzreduzierte quälen ein definitheitsneutrales implizites
Agens-Argument. Diese Argumente projizieren Indizes in die syntaktische Repräsenta­
(126) a. t^das Geschirr wurde mit Kurt gespült
tion, d.h., in die PP und die VP, wo sie gemäß bestimmter Koindizierungsregeln identifi­
b. Hdas Haus wird mit Susanne gebaut
ziert werden.
Tatsächlich können unter bestimmten Bedingungen Komitativadverbiale durchaus auch Diese Lösung würde keine strukturverändernden Operationen wie in P-3 erfordern, wo­
ohne expliziten Agens verwendet werden und zwar v.a. in generisch zu interpretierenden bei die Strukturveränderung in P-3 auf der in P-2 formulierten Äquivalenz beruht und
Mittelkonstruktionen wie in (127). Aber auch in nicht-generischen Ausdrücken werden, insofern nicht völlig willkürlich ist. Für P-3 spricht, daß es erlaubt auszudrücken, daß die
wenn die PP-interne NP indefinit ist wie in (128), die Beispiele schon deutlich akzepta­ Unterschiede bei verschiedenen Modifikatoren hinsichtlich ihrer Fähigkeit, auf implizite
bler. Auch im Imperativ (129a) bzw. der imperativisch zu interpretierenden Variante des Argumente zuzugreifen, teilweise lexikalisch bedingt sind. Auch müssen die lexikalischen
unpersönlichen Passivs (129b) können Komitative auftreten: Einträge für Verben und Präpositionen nicht vervielfältigt werden; einfache Unterspezifi­
kation genügt.
(127) a. mit einer gelernten Küchenhilfe spült es sich leicht
Zum Abschluß der vier letzten Kapitel sei an einem Beispiel mit zwei Adverbialen, die
b. mit einerfleißigenHandwerkerin arbeitet es sich am besten
implizite Argumente modifizieren, noch einmal eine vollständige Ableitung illustriert:
(128) a. Idas Geschirr wurde mit einer Küchenhilfe gespült
(131) a. (daß) das Geschirr sorgfältig mit dem Schwamm gespült wird
b. Idas Vogelhäuschen wurde mit einem Freund von Kurt gebastelt
b. das-Geschirr': XypAS-GESCHTRR(y')]
(129) a. mach jetzt mit deinem Bruder die Hausaufgaben! c. sorgfältig': Xe'Xx[SORGFÄLTIG(x,e')] SYN: {A,...}
b. 0)es werden jetzt mit deinem Bruder die Hausaufgaben gemacht! EPsorgfältig* • VxVe[SORGFÄLTIG(x,e) -> AGENS(x,e)]
d. m i t m s T R ' : XyXe'Xx'[MnrNSTR(x',y',e')] SYN: {P,...,/dat}
Ich will die Gründe dafür hier nicht weiter diskutieren, es ist aber offensichtlich, daß wir
BP , I: •VxVyVe[MJT (x,y,e) -> AGENS(x,e)
m r INSTR
uns bei der Frage, wann Adverbiale implizite Argumente modifizieren können, nicht auf
& JNSTRUMENT(y,e) & GEBRAUCH(x,y,e)]
das Lexikon allein verlassen können. Ich will daher davon ausgehen, daß bestimmte Pro­
e. dem-Schwamm': Xy"[DER-SCHWAMM(y"')]
zesse die für die Implizitenanhebung erforderliche Umstellung der Argumentstellen von
f. spülen/: XyXxXe[SPÜL(x,y,e)]
komitativen /nzf-Adverbialen auslösen können. Diese Umstellung erfolgt in ähnlicher
BP^fir-I: •VxVyVe[SPÜL(x,y,e) -> AGENS(x,e) & PATTENS(y,e)]
Weise wie bei der Passivierung (Kap. 3.3.3), also durch eine Funktion, die die Reihenfolge
g. gespültf = A (f ¥ Passiv
,spülen j J.
der Argumentstellen manipuliert (130a). Das Beispiel in (130b) bis (130d) illustriert dies
XxXyXe[SPÜL(x,y,e)] SYN: {V .n,-c,...,/P „/nom}
am Beispiel der PP mit einem guten Freund:
part vo

h. gespültf = A (/ "- ,A (/ « ,5p«/eMj ")):


F vo Reduktion F Pa siv

(130) a. fArgumentstellenwechsel; XP[XeXy[P(y)(e)]] XyXe[SPÜL(x ,y,e)] SYN: {V _n,-c,...,/nom} ±d


part

b. fArgumentstellenwechsel( it-einem-guten-Freundy.
m i. w i r d p A s s r v ' : XPXe'[P(e')] SYN: {V,-c,pas,...,/V _n} part

,
XP[XeXy[P(yXe)]](XzX.e[MIT(z,x,e') & EIN-GUTER-FREUND(x)]) j A?(wirdp siv',gespült '):
AS 3

, d
c. X-Konversion: XeXy[XzXe'[MIT(z,x,e') & EIN-GUTER-FREUND(x)](y)(e)] Xz[XPXe'[P(e )](XyXe[SPÜL(x± ,y,e)](z))]
±d
d. X-Konversion: XeXy[MJT(y,x,e) & EIN-GUTER-FREUND(x)] k. X-Konversion: Xz[Xe'[Xe[SPÜL(x ,z,e)](e')]]
±d
1. X-Konversion: XzXe'[SPÜL(x ,z,e')]
Diese Überlegungen lassen die Formulierung des Prinzips der Implizitenanhebung unbe­
m. A^dem-Schwamm'jnitmsiR)'-
rührt, ebenso wie die Annahmen einer lexikalischen Grundlage des unterschiedlichen , ,
Xe"Xx"[XypER-SCHWAMM(y")](z) & XyXe'Xx [MIT (x ,y,e')](zXe"Xx")]
Modifikationsverhaltens von Adverbialen. Instrumentales mit erlaubt tatsächlich immer
INSTR

n. X-Konversion: Xe"Xx"pER-SCHWAMM(z) & MiT (x",z,e")]]


die Modifikation eines impliziten Agens, während sie bei komitativem mit durch die lexi­
INSTR

o. A^(A (dem-Schwamm',mit^sTR')A (wirdp ssn '£ Pült3'))'•


l F
A
r es

kalische Übersetzung allein nicht lizenziert ist. , ±d


Xy[Xe"Xx"PER-SCHWAMM(z) & MIT (x",z,e")](XzXe [SPOL(x ,z,e')](y))] INSTR

Abschließende Bemerkungen und Beispielableitung: Das Prinzip zur Implizitenanhebung p. X-Konversion:


d ,
P-3 ermöglicht es also, bei einer bestimmten Konstellation von X-Präfixen bei einem Mo- Xy[Xe"Xx"pER-SCHWAMM(z) & MlT STR(x^z,e")](Xe'[SPÜL(x± ,y,e )])] IN
±d
difikator auf implizite, defimtheitsneutrale Argumentvariablen eines Verbs zuzugreifen. q. Implizitenanhebung: Xy[XPXe"pER-SCHWAMM(z) & MnrNSTR(x" ,z,e")
Neben rein semantischen sind allerdings auch andere Lösungen denkbar: Jacobs (pers. & Ptx^Xe'JKXxXe'ßPÜLIx.y.e')])]
y d
Mitt. u. 1995:47ff) deutet eine - allerdings noch nicht ausgearbeitete - Alternative an, r. X-Konversion: Xy[Xe"PER-SCHWAMM(z) & Mn (x' = ,z,e'') rNSTR

nach der in einem Beispiel wie mit einer Peitsche gequält wird die Variablenidentifizie- & XxXe'[SPÜL(x,y,e')](x'=Xe")] y d
150 151

s. X-Konversion: XyXe"PER-SCHWAMM(z) & MUINSTRCX'^Z^") 3.3.5 Das Verb im Lexikon (Teil I)


& SPÜL(x"±d y,e")]
t. ^(sorgfältig ',A?(A (dem-Schwamm ',mifrN TR ^^(wirdpASSIV^espült} ')):
l
S Syntaktische Angaben (SYN): Zum Abschluß des Kapitels 3 sollen hier die bisher ge­
XvtXe^xfSORGFÄLTIGtx^KXyXe'pER-SCHWAMMtz) machten Annahmen zu Form und Inhalt von Lexikoneinträgen für Verben noch einmal
& MITrNSTRCx^^z.e") & SPÜL(x"±d,y, »)](v))] e ausgeführt werden. Die syntaktische Valenzangabe spezifiziert die syntaktisch-kategoria-
u. X-Konversion: Xv[Xe'Xx[SORGFALnG(x,e')](Xe"pER-SCHWAMM(z) len Forderungen an die zu realisierenden, das Verb begleitenden Konstituenten. Die An­
d d
& MIT (x"± ,z,e") & SPÜL(x"± , v,e")])]
INSTR gabe erfolgte bisher in der in (132a) dargestellten Form. Die syntaktische Valenzangabe
v. Implizitenanhebung: Xv[XPXe'[SORGFÀLTIG(x ,e') & P(x±Xe')] ±d d
ist eingegliedert in die Repräsentation lexikalisch-syntaktischer Informationen (SYN),
(Xx"Xe°pER-SCHWAMM(z) & MTTrNSTR(x",z,e") & SPÜL(x",v,e")])] deren Format hier im Wesentlichen Jacobs' (1992a.97ff 1992b:88f, 1993:3f) modularer
d
w. X-Konversion: Xv[Xe'[SORGFÄLTIG(x± ,e') & Xx"Xe"pER-SCHWAMM(z) Valenzgrammatik folgt. Unter SYN wird dabei eine Menge syntaktischer Merkmale ange­
& MTTiNsxR( "' = ") & SPÜL(x",v,e")](x± Xe')] x z e d
geben, die die syntaktische Kategorie des Wortes oder der Phrase konstituieren. Bei
x. X-Konversion: d
XvXe'[SORGFÄLTIG(x± ,e') & DER-SCHWAMM(z) Verben enthält diese Menge die Valenzangabe, die Wortartangabe und die Angaben zu
& MTTiNsTR(x ,z,e') & SPÜL(x± ,v,e')] ±d d
grammatischen Kategorien wie Person, Numerus, Modus, Tempus und gegebenenfalls
y. A (das-Geschirr',A (sorgfäItig',A (A (dem-Sch\varnm',rnitj^sTR%
l F F l
anderen (132b).
A?(yvird siv'gespült ' ))): PAS 3
Die Valenzangabe erfolgt für jeden vom Verb geforderten Verbbegleiter in der Form
XeïXy'pAS-GESCHIRRCjOKw) & XvXe'[SORGFÄLTIG(x ,e') ±d
/{...}, wobei die geschweiften Klammern die morphosyntaktischen Merkmale des gefor­
& DER-SCHWAMM(z) & M n j R ( x , z , e ' ) & SPÜLtx^v^KwXe")]
N S T
± d
derten Ausdrucks oder im Falle präpositionaler Ergänzungen auch die spezifische Präpo­
120
z. X-Konversion: H
Xe pAS-GESCHIRR(w) & SORGFÄLTIG(x ,e") ±d
sition enthalten. Wird keine besondere Form des verbbegleitenden Ausdrucks gefordert,
& DER-SCHWAMM(z) & MrT R(x ,z,e") & SPÜL(x± ,w,e")] INST
±d d
wie etwa bei direktionalen Ergänzungen (auf den Tisch, in den Schrank, dorthin), so wird
1 2 1
ä. nach Bindung von e: DAS-GESCHTRR(w) & SORGFÄLTIG(x ,e) ±d
dies durch das Zeichen für die leere Menge ausgedrückt: / 0 .
d
& DER-SCHWAMM(z) & MTIJNSTRCx^Äe) & SPÜL(x± ,w,e)
(132) a. quälen SYN-VAL: /akk/nom
ö. Gemäß der Bedeutungspostulate BP' rgßlUg* B P , I und B P ^ - I :
b. quälen SYN:
SO m r
{V, 3pers, pl, präs, ind,/{N,akk}/{N,nom}}
SPÜLCx*^w,e) & DAS-GESCHTRR(w) & SORGFÄLTIGtx^e)
±d ±d c. quälen SYN: {<WORTART,V>, <PERSON,3pers>, <NUMERUS,pl>,
& MTT STR(x ,z,e) & DER-SCHWAMM(z) & AGENS(x ,e)
IN

±d <TEMPUS,präs>, <MODUS,ind>,
& PATJENS(w,e) & INSTRUMENT(z,e) & GEBRAUCH(x ,z,e)
<VALENZ,< {<WORTART,N>,<KASUS,akk>},
{<WORTART,N>,<KASUS,nom>}»}
Zusammenfassung. Auf der Basis eines Theorems zur Anhebung von Propositionen mit
impliziten Argumenten P-2, das die Verschiebung von Defimtheitsmarkierungen in ein Die einzelnen Merkmale sind genauer zu verstehen als Paare aus einer Merkmalsdimen­
höherstufiges Prädikat erlaubt, wurden verschiedene Möglichkeiten geprüft, die Modifika­ sion und einem Merkmalswert. Die Merkmalsdimension bezeichnet eine Funktion mit der
tion implizter Argumente zu erklären. Als geeignet erweist sich ein Prinzip der Implizi­ Menge der Ausdrücke als Argumentbereich und den für die Merkmalsdimension spezifi­
tenanhebung (P-3), das zu einer regulären Umformung semantischer Repräsentationen schen Merkmalswerten als Wertebereich, d.h., (132b) ist zu verstehen als (132c) (vgl.
führt, die es erlaubt, durch Funktionsauswertung auf das implizite Agensargument passi­ Jacobs 1992b: 88).
vischer Verben zuzugreifen. Diese Vorgehensweise bedingt zwar eine strukturverändernde
Lexem und Wortform: Die lexikalischen Einträge, so soll in Anlehnung an Jacobs (1992a)
Operation, wird ansonsten aber den Daten gerecht und hat folgende Vorteile:
angenommen werden, sind wortformbezogen, bei der Form quälen in (132) auf die dritte
• Die partielle Abhängigkeit der Modifizierbarkeit impliziter Argumente von der Art des
Person Plural Präsens Indikativ. Auf diese Wortformen mit ihren syntaktischen und se­
adverbialen Lexems kann ausgedrückt werden.
mantischen Eigenschaften wird von der Syntax und Satzsemantik direkt zugegriffen. Die
• Die für Verben aufgestellten Argumentkriterien gelten nun auch für die Argumente
einzelnen Wortformen eines Lexems sind natürlich aufeinander bezogen und lassen sich
präpositionaler Prädikatskonstanten. Es füllen diejenigen Entitäten Argumentstellen
über lexikalischen Regeln aus Lexemen als lexikalischen Grundformen ableiten (Jacobs
der Prädikatskonstante, die in bestimmten, durch die Präposition implizierten Relatio­
1994:3lOf). Dabei können unterschiedliche Wortformen eines Lexems sich im SYNVAL-
nen zueinander und zum Ereignis stehen.
oder SEMVAL-Bereich unterscheiden. Im Gegensatz zur dritten Person Präsens von
• Es sind keine lexikalischen Dekompositionen nötig.
schlafen, die eine Nominativ-NP fordert, wird etwa von der Imperativform schlaft keine
• Es sind keine Stipulationen in Form einer Multiplikation lexikalischer Varianten erfor­
derlich, sondern lediglich eine Unterspezifikation der lexikalischen Einträge mancher
Präpositionen und Adverbien.
Zur syntaktischen Verarbeitung solcher Valenzen vgl. Jacobs (1992a, 1992b).
Mögliche und unmögliche Valenzrepräsentationen werden durch spezielle Wohlgeformtheits-
bedingungen erfaßt (vgl. Jacobs 1992b:112ff, 1993:18ff).
152 153

NP gefordert. Die Interpretation des Arguments von schlafen ist dabei auf den Adres­
122
Die in P-5 angesprochene Koindizierung ist implizit: Die Reihenfolge der syntaktischen
saten der Äußerung beschränkt (Jacobs 1994:311): Valenzstellen korrespondiert immer mit der Reihenfolge der X-präfigierten Variablen der
124
semantischen V a l e n z .
(133) a. schlaft
b. SYN-VAL: / SEM-VAL: SCHLAF(adr i) p Selektionsrestriktionen: Inhaltspezifische Valenzforderungen des Verbs an seine Begleiter
wie etwa die Beschränkung des Objekts von trinken auf Flüssigkeiten, wurden in den
Die in den Einträgen enthaltenen Bedeutungspostulate unterscheiden sich dagegen zwar
lexikalischen Einträgen bisher als Selektionsrestriktionen in Form von Merkmalen an den
bezüglich verschiedener Verblesarten, nicht aber bezüglich verschiedener Wortformen ei­
Argumenten in SEM-VAL aufgeführt (135a); diese Merkmale sind zu interpretieren als
nes Lexems. Was im Laufe dieser Arbeit über Ereignisstrukturen gesagt werden wird, ist
Bedeutungspostulate wie in (135b):
daher auch unabhängig davon, ob man Lexeme oder Wortformen lexikalisch repräsentiert.
Ich werde davon ausgehen, daß sich die lexikalischen Einträge auf gewöhnliche flektierte, (135) a. SEM-VAL: X,y[+FLÜSSIG]x > e[TRINK(x,y,e)]
x >

indikativische Formen beziehen, z.B. die dritte Person Plural Präsens wie in (132b). b. BP trink-!: • VxVy Ve[TRINK(x,y,e) -> FLÜSSIG(y)]
Semantische Übersetzung (SEM): Jede Verbvariante übersetzt in eine n-stellige Funktion, Fakultativität: Syntaktische Fakultativität wird, wie schon ausführlich in Kapitel 3.2.2
verstanden als Verschachtelungen von n einstelligen Funktionen. Diese Lexemfunktion dargelegt, durch die Annahme zweier Verbvarianten ausgedrückt, deren syntaktische
nimmt n Argumente zu sich und enthält zudem eine m-stellige Prädikatskonstante, wobei Valenzen sich genau dadurch unterscheiden, daß die eine syntaktische Valenz eine Stelle
m größer (134a), kleiner (134b) oder gleich n (134c) sein kann: enthält, über die die andere nicht verfügt. Die aus syntaktischer Fakultativität resultieren­
+d
den Verbvarianten unterscheiden sich gemäß P-5 auch in ihrer semantischen Valenz, z.B.
(134) a. XxXe[ZUSCHLAG(x,y ,e)]
bei spülen in (136):
b. XPXxXe[WOHN(x,e) & P(e)]
c. XyXxXe[QUÄL(x,y,e)] (136) a. SYN-VAL: /akk/dat/nom
SEM-VAL: XyXzXxXe[SPÜL2(x,y,z,e)]
Die thematischen Argumente der Lexemfunktion und die Argumente der Prädikats­
b. SYN-VAL: /akk/nom
konstante werden wie folgt bestimmt:
SEM-VAL: XyXxXe[SPÜLi(x,y,e)]
(P-4) Argumente der Prädikatskonstante c. SYN-VAL: /nom
±d
Durch Argumentvariablen der Prädikatskonstante in der semantischen Überset­ SEM-VAL: X.xXe[SPÜL3(x,y ,e)]
zung des Verbs werden die und nur die Entitäten repräsentiert, die in einer durch
Hinsichtlich der Argumente der Prädikatskonstante kann syntaktische Fakultativität zwei­
das Prädikat festgelegten semantischen Relation zum verbalen Ereignis stehen (= erlei Auswirkungen haben. Ein Argument der Prädikatskonstante in der syntaktisch
denen eine semantische Rolle zugeordnet wird), die einen durch das Prädikat niedrigstelligeren Variante ist ein implizites Argument und muß in lexikalisch festzule­
festgelegten, stabilen Bezug zu einzelnen Teilereignissen haben und die durch gender Weise interpretiert werden (definit, definitheitsneutral, reflexiv), z.B. (136c) vs.
Ausdrücke syntaktisch realisiert werden, die nicht in Sätze des geschehenltun- (136b), oder die Prädikatskonstante der syntaktisch niedrigstelligeren Variante hat ein
123
Typs ausgegliedert werden k ö n n e n . Argument weniger (semantische Fakultativität), z.B. (136b) vs. (136a).
(P-5) Argumente der Lexemfunktion Polysemie und Homonymie: Der Ausdruck von syntaktischer Fakultativität verlangt also
Die semantische Übersetzung Ü eines das Verb begleitenden syntaktischen Aus­ die Annahme verschiedener Verbvarianten. Dabei können sich, wie gesehen, die Prädi­
drucks A ist dann und nur dann ein Argument der verbalen Lexemfunktion (= ist katskonstanten verschiedener syntaktischer Varianten eines Verbs in ihrer Steifigkeit
durch eine semantische Valenzstelle repräsentiert), wenn die X-präfigierte Argu­ unterscheiden, wie spülen\ und spülen in Lex. 35, ebenso wie die Lexemfunktionen in
2

mentvariable des Verbs, die durch Ü spezifiziert wird, mit einer syntaktischen ihrer semantischen Valenz (spülen^ vs. spülen vs. spülen-^), oder die Argumente können
2

Valenzstelle koindiziert ist und A deren syntaktisch-kategorialen Forderungen in verschiedenen Verbvarianten unterschiedlich starken Selektionsrestriktionen unterlie­
genügt. gen wie spülen\ vs. spülen-^. Darüber hinaus lassen sich natürlich aus rein semantischen
Gründen noch weitere Verbvarianten unterscheiden (wie in 137), z.B. aufgrund unter­
schiedlicher Selektionsrestriktionen (spülen^, spülen^)} 25

1 2 2
Ansätze, die morphologische und syntaktische Valenz unterscheiden, wie z.B. Vater
(1995:152), nehmen in diesem Fall an, daß der Valenzforderung von schlafen morphologisch
durch das Flexiv -t genüge getan wird, im Gegensatz zu der syntaktischen Realisierung in Durch Indizierung ausgedrückt sieht dieser Zusammenhang so aus:
Schlafen Siel. (i) SYN: {...,/{N,akk}V{N,nom} } 2

123 Ygj zum Rollenkriterium und zum geschehen!Tun-Kriterium Kapitel 3.1.1 und zum Bezug auf (ii) SEM: XylXx2Xe[QUÄL(x,y,e)])
Teilereignisse Kapitel 3.1.2. Vgl. dazu den Eintrag für spülen in Götz / Haensch / Wellmann (1993).
154
155

spülen \ SYN-VAL: /akk/nom SEM(spüle ) ni = <spülen \{BP x spülen-l, EP „-n}>.


spüle
n6
Ein Lexikoneintrag für das
SEM-VAL: Xy[+GESCHIRR v +MUND v ...]XxA.e[SPÜLi(x,y,e)] Verb spülen (hier nur die ersten drei Varianten aus Lex. 35) sieht demnach so aus wie in
Lex. 36, wobei außerdem zu den einzelnen Varianten, gemäß dem in Kapitel 3.3.3 Ge­
spüleni SYN-VAL: /akk/dat/nom
sagten passivische Varianten und davon wiederum valenzreduzierte passivische Varianten
SEM-VAL: XyXz[ BELEBT]Xx(+BELEBT]Xe[SPÜL2(x,y,Z,e)]
+

gebildet werden können. Diesem ausführlichen Eintrag (Lex. 36) entspricht die Kurznota­
spülen^ SYN-VAL: /nom tion in Lex. 37, wie ich sie auch im Folgenden häufiger verwenden werde.
SEM-VAL: A.xXetSPÜLsCx.yidl+GESCHiRR]^)]

spülen^ SYN-VAL: /nom PHON/GRAPH:


SEM-VAL: ^ [+MENSCH]A, [SPÜL4(x,y[+MUND] )]
x e ;e <Jpy:l3n, spülen>

spülen^ SYN-VAL: /nom MORPH: ...


SEM-VAL: X.x[+WASCHMASCHmE]^ [SPÜL5(x,y±d[ WÄSCHE] )]
e
+
>e

SYN: SYN(spülen ) = {V, 3pers, pl, präs, ind, /{N,akk}/{N,nom}}


{

EP alen*-
sp
•VyVzVxVe[SPÜL2(x,y,z,e) -»• SPÜLi(x,y,e)] SYN(spülen ) = {V, 3pers, pl, präs, ind, /{N,akk}/{N,dat}/{N,nom}}
2

EPspülen*!.
±
•VyVxVe[SPÜL3(x,y d,e) - » SPÜLi(x,y,e)] SYN(spülen ) = {V, 3pers, pl, präs, ind, /{N,nom}}
3

EP spülen*^' •VyVxVe[SPÜL4(x,y,e) -> SPÜLi(x,y,e)]


EP ülen*V
sp
±
• VyVxVe[SPÜL5(x,y «i,e) -> SPÜLi(x,y,e)] SEM: SEM(SYN(^M/e«!) =
< XyXxle[SPÜLi(x,y,e)]
Lex. 35: Lexikalischer Eintrag von spülen. { EP „-\: • VxVyVe[SPÜLi (x,y,e) -> GESCHTRR(y) v MUND(y)] }>'
spüle

(137) a. spülen Sie doch mal die Gläser I Ihren Mund! (spüleni) SEM(SYN(spülen ) 2 =
b. ich hab ihr die ganzen Teller gespült (spülen )
2
< XyXzXxXe[SPÜL2(x,y,z,e)]
c. du hast schon wieder nicht gespült (spülen^) { EP -ll:
spiUen D VxVyVzVe[SPÜL (x,y,z,e) -> BELEBT(x) & BELEBT(z)][
2

d. (beim Zahnarzt:) spülen Sie jetzt bitte! (spülen^ BPspüien*U •VxVyVzVe[SPÜL (x,y,z,e) -> SPÜLi(x,y,e)]
2 }>
e. die Waschmaschine spült schon (spülen^) SEM(SYN(j/>ü/e/j ) = 3

Daß die fünf Varianten von spülen nicht unverbunden nebeneinander stehen, wie es die < XxA.e[SPÜL3(x,y±d,e)]
fünf unterschiedlichen Prädikatskonstanten zunächst vermuten lassen, kann durch ent­ { EP -W:spiUen•VxVyVe[SPÜL3(x,y±d,e) -> GESCfflRR(y)] '
sprechende Bedeutungspostulate (BP i „-l, u s w . ) ausgedrückt werden (Lex. 35). Solche
spü e
BP i -V:
spü •VxVyVe[SPÜL3(x,y±d ) -> SPÜLi(x,y,e)]
en e }>
Bedeutungspostulate erlauben dabei auch eine Unterscheidung von Polysemie und Hom­
onymie: Bei gleicher Lautgestalt sind bei polysemen Verben die Prädikatskonstanten der Lex. 36: Lexikalischer Eintrag für spülen (ausführliche Fassung).
einzelnen Varianten des Verbs durch Bedeutungspostulate miteinander verbunden, wäh­
rend homonyme Verben diesbezüglich unverbunden nebeneinander stehen. spüleni SYN-VAL: /akk/nom
SEM-VAL: Xy[+GESCHIRR v +MUND]Xxta[SPÜLl(x,y,e)]
Ein Verb im Lexikon - "spülen" (Zusammenfassung): Der vollständige lexikalische Eintrag
für ein Verb besteht aus einer Angabe für die phonemische und graphemische Form spülen 2 SYN-VAL: /akk/dat/nom
(PHON/GRAPH) des Verbs und einer Angabe MORPH für morphologische Idiosynkrasien SEM-VAL: XyXzt+BELEBT]Xx[+BELEBT]Xe[SPÜL2(x,y,Z,e)]
von Lexemen (Flexionsklasse, irreguläre Formen), die uns hier nicht weiter interessieren (spülen 2 -» spüleni)
sollen. Weiterhin enthält der Eintrag syntaktische Angaben (SYN) zu Wortart, grammati­
schen Kategorien und syntaktischen Valenzen, sowie die semantische Übersetzung (SEM), spülen^ SYN-VAL: /nom
SEM-VAL: XxA.e[SPÜL3(x,y*d[+GESCHiRR] e)]
welche durch Bedeutungspostulate (BP) ergänzt wird, die Selektionsbeschränkungen, ;

Beziehungen zwischen Verbvarianten und, wie später noch gezeigt wird, auch die Ereig­ ( spülen^ -> spüleni)
nisstruktur festhalten. Die semantische Angabe einer Verbvariante ist dabei ein 2-Tupel
Lex. 37: Lexikalischer Eintrag für spülen (Kurznotation).
aus der semantischen Übersetzung und einer Menge von Bedeutungspostulaten, die als
Antezedent die Prädikatskonstante aus der semantischen Übersetzung haben:

Insofern als jedes dieser Bedeutungspostulate einer Verbvariante den gleichen Antezedent hat,
können sie auch als ein einziges Postulat mit konjugierten Konsequenten dargestellt werden.
157
4 Semantische Relationen
sei es nun als semantisch nicht weiter begründete Rollentypnamen wie in (la) oder als
individuelle Rollen wie in (lb), haben lediglich indizierende Funktion Eine solche Theo­
rie mit thematischen Rollen ist nach Dowty (1986:345) mit einer Argumentlistentheorie
4.1 Thematische Rollen ("Ordered-Argument Theory") identisch, wie sie (lc) zugrundeliegt.
Gemäß der zweiten Auffassung von Thetarollen wird den Rollen die Aufgabe zugewie­
sen, Argumente des Verbs bestimmten Typen zuzuordnen, wie z.B. Agens, Patiens, Instru­
4.1.1 Das semantische Problem mit thematischen Rollen ment, Ziel, u s w . Mit Hilfe dieser Typen werden dann Regeln, Generalisierungen oder Be­
schränkungen bezüglich der syntaktischen Realisierung von Argumenten formuliert. Zu
Individuelle Rollen und Rollentypen: Die auf Gruber (7965/1976) und Fillmore (1968a) den klassischen Beispielen gehören Filimores (1968a:33) als Transformationen von
zurückgehenden Theorien zu thematischen Rollen basieren auf der Beobachtung, daß die Tiefen- zu Oberflächenkasus aufgefaßte Generalisierungen, daß ein Agensargument im
einzelnen Argumente eines Verbs im Satz offenbar verbabhängig verschiedene Rollen Aktivsatz immer Subjekt wird und ein Instrument dann Subjekt wird, wenn kein Agens
innehaben. Bei einem Verb wie schlagen ist in einem Aktivsatz wie Hanna schlägt Hans
1
vorhanden ist, bzw. ein Objektiv (eine Art semantisch neutrale Rolle) Subjekt wird, wenn
der Subjektreferent ein vermutlich willentlich agierender, sich bewegender Handelnder es weder Agens noch Instrument gibt. Wenn ich im Folgenden von Thetarollen spreche, so
(Agens), während der Objektreferent passiv und möglicherweise unbewegt von der Hand­ sind immer Rollentypen gemeint und nicht die oben besprochenen individuellen Rollen.
lung betroffen ist (Patiens). Diese Unterscheidung von Argumentrollen kann auf zweierlei Probleme mit thematischen Rollen als Primitiva: Die Theorie der thematischen Rollen war
Weise aufgefaßt und für die Erklärung der Beziehungen zwischen Verbsyntax und -Se­ innerhalb der formalen Syntax einer der ersten Versuche, die syntaktischen Konsequenzen
mantik nutzbar gemacht werden. 4
semantischer Besonderheiten von Verben darzustellen. Daß thematische Rollen dazu
Gemäß der ersten Auffassung von thematischen Rollen werden Rollen verwendet, um geeignet sind, ist allerdings vielfach bezweifelt worden, u.a. aus folgenden Gründen:5

die Argumente des Verbs zu identifizieren und voneinander zu unterscheiden. Damit • Es ist unklar, welche und wieviele Thetarollen angenommen werden sollen, und es ist
können argumentbasierte (thetamarkierte) NPs von Expletiva wie it und there unterschie­ vor allem unklar, nach welchen Prinzipien diese Frage zu beantworten wäre.
den werden, und es können Prinzipien wie das Theta-Kriterium in der Prinzipien- und • Die Fälle, in denen es zweifelhaft ist, welche Rollen den Argumenten eines bestimmten
Parameter-Theorie formuliert werden (Chomsky 1981:36), das garantieren soll, daß jedem Verbs zuzuweisen sind, übersteigen die unzweideutigen Fälle bei weitem. 6

semantischen Argument genau ein syntaktisches Komplement entspricht und jedem syn­ • Der semantische Gehalt von Rollenprädikaten wie Agens, Patiens u.s.w ist vage und
2
taktischen Komplement genau ein semantisches Argument. Um dies zu leisten, müssen selten konsensfähig.
die einzelnen Argumente des Verbs lediglich mit einem Etikett versehen werden, das sie • Solange Thetarollen semantisch vage bleiben, neigen die zu erklärenden syntaktischen
unterscheidbar macht. Das kann geschehen unter Verwendung von solchen Bezeichnun­ Phänomene dazu, in zirkulärer Weise auf die Rollenzuweisung zurückzuwirken.
gen für Rollentypen wie 'Agens' oder 'Patiens' (la) oder einfach durch verbspezifische • Solange Thetarollen in semantisch uninterpretierbarer Weise einfach als Listen mit
3
individuelle Rollenbezeichnungen wie in (lb): einem Prädikat assoziiert werden, können keine Inferenzregeln über ihnen formuliert
(1) a. Prädikat, schlagen, Agens: x, Patiens: y werden. Sobald man aber versucht, sie in prädikatenlogischer Form zu notieren, stellt
b. Prädikat: schlagen, Schläger: x, Geschlagener: y sich die schwierige Frage, was für Eigenschaften oder Relationen sie eigentlich sind.
c. SCHLAG(x,y) • Bestimmte syntaktische Phänomene hängen von semantischen Eigenschaften ab, die
d. Prädikat: schlagen, Erstes Argument: x, Zweites Argument: y anscheinend weniger thematische Rollen darstellen als vielmehr gemeinsame Eigen­
schaften von zwei oder mehr traditionellen thematischen Rollen.
Entscheidend ist, daß die thematischen Rollen hier nicht mehr leisten als es die Ordnung
der Argumente in der Argumentliste des Prädikats SCHLAG in (lc) tut, was wir parallel Wege aus der Krise: Die meisten Probleme einer Theorie thematischer Rollen schienen
zu (la) und (lb) auch wie in (ld) notieren könnten. Das heißt, die thematischen Rollen, aus ihrer semantischen Unbestimmtheit zu erwachsen. Die inhaltliche Präzisierung der

1
Ich unterscheide hier begrifflich nicht zwischen thematischen Rollen, Thetarollen, thematischen Wie das grammatische Modell, das etwa Fillmore (1968a) zugrundegelegt hat, im Einzelnen
Relationen, semantischen Rollen, Tiefenkasus und was noch an Bezeichnungen für verwandte aussah, muß uns hier nicht interessieren; vgl. dazu etwa Rauh (1988:77ff).
Konzeptionen in Gebrauch ist. Zur Kritik an thematischen Rollen vgl. etwa Levin (1985:49ff), Dowty (1986:340f,
2
Diese weitgehend "entsemantisierte" Auffassung von Thetarollen legen jedenfalls Riemsdijk / 1989:70,104ff, 1991:5530), Jackendoff (1987a:377ff), Rauh (1988:23ff), Ravin (1990:13ff).
Williams (1986:241) dem Theta-Kriterium zugrunde; auch in der HPSG (Pollard / Sag Über die hier angeführten semantischen Probleme mit Thetarollen hinaus gibt es auch eine
1987:85ff) haben Rollen von verbalen Prädikaten vergleichbare Aufgaben. Reihe von Gründen, die Adäquatheit solcher Rollen für die Formulierung von Linking-Regeln
3
Eine individuelle thematische Rolle kann nach Dowty (1986:343f) als Menge aller aus dem ver­ zu bezweifeln; darauf gehe ich hier aber nicht ein.
balen Prädikat folgenden Eigenschaften eines verbalen Arguments aufgefaßt werden. Vgl. auch Davon kann man sich leicht selbst überzeugen, indem man versucht, den Verben auf zehn
die Unterscheidung zwischen "specific roles" und "general classes of roles" bei Andrews zufallig ausgewählten Seiten eines beliebigen Wörterbuchs semantische Kasusrahmen aus ei­
(1985:67). nem der üblichen Rolleninventare zuzuweisen.
158 159

Rollen ging selten über die schon bei Fillmore (1968a) zu findenden Beschreibungen hi­ 1989.140). Ein Argument eines Verbs ist in solchen Theorien dann ein Agensargu­
naus, also z.B.: ment, wenn die agenstypischen Folgerungen (z.B. Aktivität, Intentionalität oder ähnli­
Agentive (A), the case of the typically aiümate perceived instigator of the action identified by the che) eine Teilmenge der von der verbalen Prädikation ausgehenden Folgerungen be­
verb. [...] Instrumental (I), the case of the inanimate force or object causally involved in the züglich dieses Arguments darstellen.
action or state identified by the verb. (Fillmore 1968a:24) • Rollenprototypen: Thematische Rollen sind nicht durch eine Menge hinreichender und
notwendiger Eigenschaften definiert, sondern werden als Prototypenkonzepte aufgefaßt.
Es ist daher schon von Jackendoff (1972:37ff) gefordert worden, daß thematische Rollen
In Dowty (1991) werden für Protoagens und Protopatiens jeweils eine Menge charakte­
aus grundlegenderen und besser motivierten semantischen Eigenschaften von Verben
ristischer Eigenschaften bestimmt. Je mehr typische Agens- oder Patiens-Eigenschaften
abgeleitet werden sollten. Versuche dieser Art sind in größerem Umfang erst in den 80er
ein Argument hat, um so eher qualifiziert es als Protoagens oder Protopatiens.
Jahren unternommen worden, wobei sich die Ansätze in ihren semantischen Grund­
Die meisten der gerade vorgestellten Ansätze fuhren thematische Rollen auf reichhaltigere
annahmen deutlich unterscheiden. So kann man thematische Rollen verstehen als:
semantische Repräsentationen mit Merkmalen, Dekompositionen oder Folgerungen zu­
• Positionen in Dekompositionsstrukturen: Die Positionen von Argumenten in semanti­
rück. Zum einen sind damit thematische Rollen durch möglicherweise besser verstandene,
schen oder konzeptuellen Dekompositionsstrukturen lassen sich mit bestimmten
grundlegendere semantische Eigenschaften charakterisiert. Thematische Rollen sind dann
Rollentypen in Verbindung bringen, z.B. das erste Argument in der CAUSE-Relation
die Eigenschaftsbündel, denen man linguistische Relevanz zubilligt. Zum anderen - und
mit der Agensrolle (in Jackendoffs 1987a:378 "conceptual semantics"), das zweite Ar­
das ist der häufigere Fall - kann auf die reichhaltigeren zugrundeliegenden Repräsentatio­
gument in BE-, HAVE- und ähnlichen Relationen mit der Themarolle (in Foley / Van
nen direkt zugegriffen werden, also auf Strukturen in Dekompositionen, auf einzelne
Valins 1984 und Van Valins 1990:226 "Role- and Reference Grammar") oder auch das
Merkmale oder Folgerungen. Thematische Rollen als strukturelle Größen oder Eigen­
Argument in eingebetteten LOCATION- und STATE-Prädikaten mit der Themarolle
schaftsbündel bilden dann nur noch eine Teilmenge der linguistisch relevanten semanti­
(in Rappaport / Levins 1988:24ff "Lexical Conceptual Structures"). Dabei korrespon­
schen Strukturen und Eigenschaften. Damit sind thematische Rollen obsolet.
dieren allerdings nicht alle denkbaren Argumentpositionen in solchen Strukturen mit
gängigen Thetarollentypen. In Jackendoffs (1987a:377ff) konzeptueller Semantik etwa Relationale und funktionale Auffassungen von Thetarollen: Thematische Rollen beschrei­
konstituieren Thetarollen damit auch keine eigene Repräsentationsebene mehr:"[...] the ben im Gegensatz zu Selektionsrestriktionen keine kategorialen Eigenschaften von Argu­
terms Theme, Agent, and so on, are not primitives of semantic theory. Rather, they are mentreferenten, sondern sie stellen Relationen dar. So ist der Subjektreferent von heira-
7

relational notions defined structurally over conceptual structure". (Jackendoff ten ein menschlicher Agens. Die Eigenschaft, menschlich zu sein, kommt ihm dabei un­
1987a:378f) abhängig von der Heirat zu (Selektionsrestriktion), die Eigenschaft, ein Agens zu sein, hat
• Aspektuelle Größen: Eine ThetaroUentheorie kann auf eine Theorie reduziert werden, er nur in Relation zum Heiraten (thematische Relation). 8

die lediglich die aspektuelle Rolle der Argumente bei der Konstituierung der Verb­ Wenn thematische Rollen nun Relationen sind, so stellt sich die Frage, von welchem
bedeutung berücksichtigt. Im Rahmen von Tennys (1987:244ff, 1988:30) "Aspectual Typ und von welcher Sorte die beiden Relata sind und von welcher Art die Relation selber
Interface Hypothesis" gelten dann etwa Linking-Regeln wie: "[...] the argument that is ist. Als Relata kommen dabei am ehesten Prädikate und Dingindividuen (bzw. Indivi­
capable of measuring out and delimiting the event, is the highest NP object under the duenargumente von Prädikaten) in Frage wie in (2a), Ereignisse und die an ihnen partizi­
VP node." (Tenny 1987:244) pierenden Dingindividuen (2b) oder auch eine Relation zwischen Prädikaten, Dingindivi­
• Metaphorisch interpretierte Relationen: Im Rahmen einer Metapherntheorie wird der 9 6
duen und Ereignissen wie in (2c). Wir können eine thematische Relation r also wie folgt
Vermehrung thematischer Rollen durch die Annahme entgegengewirkt, daß themati­
sche Rollen metaphorisch zu verstehen seien; damit weist das Verb to come in Sätzen
mit konkreter und abstrakter Verbbedeutung wie he came to me und that idea came to Das ist auch schon die ursprüngliche Auffassung bei Gruber (19651X916) und Fillmore (1968a,
me in beiden Fällen die gleichen Rollen zu (Lakoff 1993:27ff). 1968b); vgl. dazu Rauh (1988:52ff,221ff).
Es ist, abhängig von der lexikalischen Repräsentation von Verben, allerdings nicht völlig ab­
• Bündel semantischer Merkmale: Thematische Rollen können als Bündel semantischer
wegig, thematische Rollen als Selektionsrestriktionen zu repräsentieren, und solche Auffassun­
Merkmale aufgefaßt werden, wie etwa [±Sentient], [±Cause] und [±Change] bei gen sind auch vertreten worden (vgl. die Angaben in Rauh 1988:55). Der Agens von heiraten
Rozwadowska (1988:158f), so daß Ähnlichkeiten zwischen Rollen wie Agens, Ex- müßte dann in einem Ansatz ohne Ereignisargumente z.B. so repräsentiert werden:
periencer und Instrument als partielle Merkmalsübereinstimmungen ausgedrückt wer­ (i) • VxVy[HEIRAT(x,y) -> AGENS(x)]
den, oder eine ThetaroUentheorie kann auf eine Theorie von Kombinationen schema­ Die Agensrolle ist hier aiso keine Relation. Es ist aber offensichtlich, daß der zeitliche Zusam­
bildender relationaler Merkmale wie [±Action], [±Affection], etc. und ihren Vorkom­ menhang und der gemeinsame Ereignisbezug von HEIRAT und AGENS so nicht ausgedrückt
werden. Ich werde mich daher im Folgenden auf relationale Rollenauffassungen beschränken.
mensbeschränkungen reduziert werden (Rauh 1988:320ff). Um auszudrücken, daß die Dingindividuen Argumentpositionen einnehmen müssen, können
• Mengen von verbspezifischen Folgerungen: Thematische Rollen können als bestimmte wir in (2) auch von den von P ausgehenden offenen Propositionen sprechen. (2a) und (2c) sahen
Mengen von Implikationen und Präsuppositionen verstanden werden, die an die Verb­ dann so aus:
bedeutung geknüpft sind (vgl. Dowty 1986:343 und die Literatur darin, Chierchia (2a') ^(P(...,x,...),x)
(2c') ,#(<P(...,x,...),x>,e)
160 161

verstehen (für die Menge der verbalen Prädikate V, die Menge der Dingindividuen / und Zuordnung von thematischen Rollen gelten. Dowty (1989:78,85) spricht u.a. die folgenden
die Menge der Ereignisindividuen E): Beschränkungen an:
• Vollständigkeitsbeschränkung ("Completeness"): Jedem Argument eines verbalen Prä­
(2) a. Relation zwischen Kund/: ^(P.x) 14
dikats wird eine thematische Rolle zugewiesen.
b. Relation zwischen / und E. ^(x,e)
• Verschiedenheitsbeschränkung ("Distinctness"): Jedes Argument eines verbalen Prädi­
c. Relation zwischen <V,I> und E. r8(<P,x>,e)
kats ist von jedem anderen Argument dieses Prädikats durch seine thematischen Rollen
Die Variante (2a) soll hier die in der Thetarollentheorie verbreitete Redeweise wieder­ unterschieden...
geben, daß Prädikate ihren Argumenten bestimmte Rollen zuweisen. Das ist wohl auch die ... und jedes Argument bekommt genau eine Rolle zugewiesen. (Variante 1)
Auffassung von Fillmore, der thematische Rollen als "relations between arguments and ... und keine zwei Argumente bekommen die gleiche Rolle zugewiesen. (Variante 2)
predicates" versteht (Fillmore 1968b:382). Dabei sind diese Rollen aber zudem auch ... und keine zwei Argumente bekommen die gleiche Menge von Rollen zugewiesen.
"innate concepts which identify certain types of judgements human beings are capable of (Variante 3)
making about the events that are going on around them, judgements about such matters as • Einmaligkeitsbeschränkung ("Uniqueness"): Nur höchstens ein Individuum kann in
who did it, who it happened to, and who got changed" (Fillmore 1968a:24). Diese zweite einem Ereignis eine bestimmte thematische Rolle innehaben.
10
Idee korrespondiert vielleicht mit ( 2 b ) . Variante 1 der Verschiedenheitsbeschränkung entspricht dem Theta-Kriterium der Prinzi­
Möglicherweise können wir die Beziehungen in (2) nicht nur als einfache Relationen, pien- und Parametertheorie (Chomsky 1981:36); sie impliziert die Vollständigkeits­
sondern in restriktiverer Weise als Funktionen auffassen, also als Relationen, bei denen beschränkung. Variante 2 erlaubt es etwa, daß ein Argument zwei Rollen trägt, z.B. das
einem Element des Vorbereichs immer nur genau ein Element des Nachbereichs zugord­ Subjektargument von buy die Rollen Agent und Goal (Jackendoff 1972:35), daß aber kein
11
net wird. Eine Funktion wie z.B. yAGENS(p) = j t einem Element ihres Argument­
x w e s anderes Argument eine dieser beiden Rollen zugewiesen bekommt, während Variante 3
bereichs, in diesem Fall einem verbalen Prädikat, genau ein Element aus ihrem Werte­ auch letzteres gestattet, aber verbietet, daß genau die gleiche Menge Thetarollen an zwei
bereich zu, in diesem Fall ein Dingindividuum. Jedes Prädikat hätte damit höchstens einen Argumente eines Prädikats vergeben werden. Variante 2 und 3 implizieren in dieser For­
Agens. Folgende Auffassungen von thematischen Funktionen f> stehen hier parallel zu mulierung die Vollständigkeitsbeschränkung nicht, da sie es offenlassen, ob ein Argument
12
den drei Relationen in (2) zur Debatte (für die Menge der verbalen Prädikate V, die des Verbs gar keine Rolle zugewiesen bekommt und sich eben dadurch von den anderen
13
Menge der Dingindividuen / und die Menge der Ereignisindividuen E): Argumenten unterscheidet. Man hat die Einhaltung der Vollständigkeitsbeschränkung
gelegentlich allerdings dadurch erzwungen, daß man eine neutrale Rolle eingeführt hat,
(3) a. Funktion von Kin /: fi(P) - x
wie z.B. die "Objective"-Rolle bei Fillmore (1968a:25). Die Verschiedenheitsbeschrän­
b. Funktion von Em.1: =x
kung (Variante 1 und 2) und die Einmaligkeitsbeschränkung unterscheiden sich v.a. da­
c. Funktion von <V£> in/: /(<P,e>) = x
durch, daß die Verschiedenheitsbeschränkung auf Argumentpositionen, die Einmalig­
15
keitsbeschränkung auf Ereignispartizipanten Bezug nimmt. Welche Rolle dieser Unter­
Beschränkungen über Rollenzuweisungen: Eng mit der Frage nach der Art der themati­ 16
schied spielt, wird im nächsten Kapitel noch deutlich.
schen Relation sind Überlegungen verknüpft, welche Arten von Beschränkungen für die
Ich will hier zunächst offenlassen, welche dieser Beschränkungen ich für sinnvoll halte,
werde aber zeigen, wie sich diese Beschränkungen zu den verschiedenen Auffassungen
von thematischen Relationen und Argumenttheorien verhalten. Im Folgenden werde ich
Da der Ereignisbegriff keinen definierten Status in Filimores Theorie hat, ist dies natürlich nur daher diskutieren, welche Art von Relation thematische Rollen darstellen und inwieweit
eine Uminterpretation seiner informellen Beschreibung.
die gerade beschriebenen Beschränkungen aus der Repräsentation folgen bzw. stipuliert
Zur Terminologie: In der Relation r(A,B) bildet die Menge A den Vorbereich und die Menge B
den Nachbereich. In der Funktion XA,B) ist A der Argument- und B der Wertebereich. In werden können, müssen oder sollten. Auf Fragen des semantischen Gehalts von einzelnen
f{A,B) wird einem beliebigen x e A nur genau ein y e B zugeordnet. Bei Funktionen im enge­ Rollen werde ich erst in Kapitel 4.2 zu sprechen kommen. Ich setze also fürs Erste ein
ren Sinn muß jedem x e A ein y e B zugeordnet werden. Wird dagegen nicht allen x e A ein y ganz intuitives Verständnis dessen voraus, was etwa unter Agens oder Patiens zu verste­
€ B zugeordnet, spricht man von partiellen Funktionen. hen ist. Dabei gehe ich zunächst von drei Annahmen aus: Erstens müssen die Argumente
Es lassen sich natürlich auch andere Funktionen den beschriebenen Relationen zuordnen. So
kann man auch versuchen, die Relation r A G E N S ( ) i Funktion/AGENS( ) = einzu­
x e a s e m e X e

schränken (statt /AGENS( ) = ) . Dies würde aber - offensichlich fälschlicherweise -


e x Natürlich nicht dem Ereignisargument, falls man ein solches annimmt, sondern nur jedem
behaupten, jedes Individuum könne nur in einem Ereignis Agens sein. Ich werde auf solche thematischen Argument.
abwegigen thematischen Funktionen nicht weiter eingehen. Variante 3 der Verschiedenheitsbeschränkung hat keine solche Entsprechung in der Einmalig­
Entsprechend dem zu thematischen Relationen Gesagten können wir (3a) und (3c) auch keitsbeschränkung, da sie gestattet, daß eine Rolle mehreren Argumenten zugewiesen wird.
bezüglich offener, von P ausgehender Propositionen formulieren; damit ist klar, daß x eine Ar­ Es ließe sich auch parallel zur argumentbasierten Vollständigkeitsbeschränkung eine ereignis­
gumentstelle von P füllen muß: basierte Beschränkung diskutieren, die besagt, daß jedes an einem Ereignis beteiligte Indivi­
(3a') />(P(...,x,...)) = x duum eine bestimmte Rolle in diesem Ereignis spielt. Das scheint trivialerweise wahr, vgl. aber
(3c') />(<P(...,x,...),e>) = x die Bemerkungen in Kap. 4.1.4.
162 163

von Verben unterschieden werden, wobei je nach Argumenttheorie thematischen Rollen Kamp / Roßdeutscher 1992:6ff und mit Einschränkung Chierchia / McConnell-Ginet
dabei eine mehr oder weniger wichtige Aufgabe zukommt. Zweitens müssen thematische 1990:3821), was einem relationalen Ansatz mit Einmaligkeitsbeschränkung logisch äqui­
Rollen semantische Notationen sein, denen ein empirisch begründeter semantischer Ge­ valent ist.
halt zukommt. Drittens können auf der Basis von thematischen (oder ähnlichen) Relatio­ Wenn man davon ausgeht, daß Argumenten aller Verben thematische Rollen zugeord­
nen Abhängigkeiten zwischen syntaktischen und lexikalisch-semantischen Phänomenen net werden können, setzt die Hypothese, daß Thetarollen Relationen zwischen Ereignissen
formuliert werden. und Dingindividuen sind, allerdings voraus, daß alle Verben über Ereignisargumente
Zusammenfassung und drei Fragen: Thematische Rollen werden je nach Theorie zur Er­ verfügen, eine theoretische Annahme, die - wie in Kapitel 3.1.3 gezeigt - umstritten ist.
füllung zweier Aufgaben herangezogen. Erstens sollen sie die einzelnen Argumente des Die Relationshypothese ist übrigens auch dann nicht zu halten, wenn man annimmt, daß
Verbs distinkt halten und zweitens Generalisierungen über Abhängigkeiten zwischen die Verben, die möglicherweise kein Ereignisargument haben, also etwa Zustandsverben,
verbsemantischen Eigenschaften und syntaktischen Strukturen ermöglichen. Zumindest stattdessen über ein Zeitargument verfügen. Eberle (1991:30) führt dazu folgendes Bei­
die zweite Aufgabe können sie nur erfüllen, wenn man sie als Rollentypen versteht, also spiel an: Wenn Peter Maria liebt und Maria liebt während der gleichen Zeit Peter (4a), so
als semantisch bestimmte Klassen von verbalen Argumenten. Die Festlegung des semanti­ wären beide Partizipanten Agens und Patiens zur Zeit t (4b), und die intuitive Zugehörig­
schen Gehalts dieser Klassen ist seit jeher problematisch. Neuere Theorien versuchen keit der thematischen Rollen zu einzelnen Sachverhalten könnte nicht mehr ausgedrückt
daher, thematische Rollen aus zugrundeliegenden semantischen Repräsentationen (De- werden.
kompositionen, Folgerungsmengen, Merkmalen, etc.) abzuleiten oder sie durch solche (4) a. Peter liebt Maria und Maria liebt Peter
Repräsentationen zu ersetzen. b. LEBEN(t) & AGENS(t,Peter) & PA1TENS(t,Maria) & LIEBEN(t) & AGENS(t,Maria) &
Thematische Rollen werden als Relationen oder Funktionen verstanden, wobei die Re­ PATTENS(t,Peter)
lata dieser Relationen je nach Auffassung Prädikate oder Ereignisse einerseits und Indivi-
duuen oder Argumentpositionen andererseits sind. Damit eng verbunden ist die Diskus­ Das gleiche gilt im Übrigen natürlich auch für Beispiele wie (5a), d.h., Peter wäre nicht
sion verschiedener Beschränkungen, denen die thematischen Rollenzuweisungen genügen nur Agens der Zeit von Am-Tresen-Stehen, sondern auch von den Zeiten aller kotempo-
müssen, wie die Vollständigkeits-, die Verschiedenheits- oder die Einmaligkeitsbeschrän­ ralen verbalen Zeitprädikate, wie z.B. des Am-Hafen-Sitzens von Klaus. Das ist natürlich
keine akzeptable Rekonstruktion des Thetarollengedankens.
kung.
Ich möchte in den folgenden Kapiteln auf drei Fragenkomplexe eingehen, die mir für die (5) a. Peter steht am Tresen, während Klaus am Hafen sitzt
semantische Fundierung thematischer oder ähnlicher semantischer Relationen wichtig b. AM-TRESEN-STEHEN(t) & AGENS(t,Peter) & AM-HAFEN-SJTZEN(t)
erscheinen: & AGENS(t,Klaus)
• Kapitel 4.1.2: Wie müssen thematische Rollen aufgefaßt werden, damit sie sowohl als
Sollten also bestimmte Verben kein Ereignisargument, wohl aber Thetarollen haben, dann
Relationen zwischen Ding- und Ereignisindividuen verstanden werden können als auch
müssen thematische Rollen oder zumindest diejenigen thematischen Rollen, die solchen
bestimmte sprachlich relevante Restriktionen der Rollenzuweisung beinhalten?
Verben zukommen, andere Relationen sein als solche zwischen Ereignis- und Dingindivi­
• Kapitel 4.1.3 und 4.1.4: Welche Art von Argumenttheorie (Argumentlistentheorie,
duen.
davidsonische, neo-davidsonische Theorie) ist hinsichtlich der diskutierten Thetarol-
lenauffassungen empirisch angemessen? Thetarollen als Funktionen und ein vermeintliches Problem mit der Einmaligkeits-
• Kapitel 4.2: Wenn thematische Rollen als Prototypen aufgefaßt werden, wie können die beschränkung: Wenn wir vorläufig annehmen, daß alle Verben über ein Ereignisargument
den Prototypen zugrundeliegenden Eigenschaften semantisch verstanden werden? verfügen, stellt sich nun die Frage, ob die Einmaligkeitsbescbränkung, also die Behaup­
tung, daß jedes durch ein Verb beschriebene Ereignis nur zu einem Individuum in einer
bestimmten thematischen Relation steht, eigentlich empirisch angemessen ist. Sind also
4.1.2 Thematische Rollen und Ereignisse thematische Rollen tatsächlich Funktionen aus der Menge der Ereignisse in die Menge der
Dingindividuen? Ich werde etwas ausführlicher auf diese Frage eingehen, weil ihre Be­
Thetarollen als Relationen zwischen Ereignis- und Dingindividuen: Die verbreitetste An­ antwortung vorausetzen wird, daß man eine bestimmte ontologische Auffassung von Er­
nahme über thematische Rollen in formalsemantischen Ansätzen ist die, daß thematische eignissen vertritt. Da die meisten der Arbeiten, die von der Richtigkeit Einmaligkeits­
Rollen, wie in (2b), Relationen zwischen Ereignissen und Dingindividuen sind (z.B. Mar­ beschränkung ausgehen, eine solche Auffassung nicht explizit machen, werde ich zu­
th* 1975:54, Sondheimer 1978:243, Krifka 1989a:207, 1992:43ff, Higginbotham 1994:9). nächst von einer ganz intuitiven Vorstellung von Dingen und Ereignissen ausgehen. Unter
Dabei wird gewöhnlich postuliert, daß für diese Relationen die Einmaligkeitsbeschrän­ Dingindividuen kann man sich zunächst ganz gewöhnliche Gegenstände und Personen
kung gilt (z.B. Dowty 1986:348f, Parsons 1985, 1990:73f), also nur einem Individuum pro vorstellen wie Waschmaschinen, Zebras und Andi Möller. Ereignisse seien zunächst
Ereignis eine bestimmte Rolle zukommt. In anderen Ansätzen werden thematische Rollen, ebenso gewöhnliche Geschehnisse in Zeit und Raum, von denen wir wahrnehmen können,
wie in (3b), direkt als partielle Funktionen beschrieben (z.B. Eberle 1991:29ff, 318ff, wie sie sich vor unseren Augen abspielen. Ich werde diese Ereignisauflässung vorläufig als
164 165

'intuitiv' bezeichnen; ab Kapitel 5 werde ich ausführlich auf ereignisontologische Fragen Nach Dowty (1989:86) müssen wir Ereignisse hier so individuieren, daß in (7a) impliziert
zu sprechen kommen. ist, daß drei Ereignisse stattfanden, eines mit John, eines mit Mary und eines mit John und
Unter diesen vagen Annahmen läßt sich zumindest ein vermeintliches Gegenbeispiel Mary als Agens, während in (7b) nur ein Ereignis, und zwar ein Meeting-Ereignis mit
gegen die Einmaligkeitshypothese wohl aus dem Weg räumen. In einem Satz wie (6a), so John und Mary als Agens, stattfindet. Jedes dieser unterschiedlichen Ereignisse hätte nun
könnte man einwenden, ist von zwei Agenzien des Trainierens die Rede. genau einen Agens, der mal ein Einzelindividuum, mal eine Gruppe ist.
(6) a. Möller und Chapuisat haben nach dem Spiel gegen Parma Elfmeter trainiert
Ich halte Dowtys Überlegung hier für nicht ganz nachvollziehbar. Die Distributiv-Kol-
b. Möller hat nach dem Spiel gegen Parma Elfmeter trainiert
lektiv-Unterscheidung betrifft Prädikateigenschaften und verpflichtet uns - anders als
c. Chapuisat hat nach dem Spiel gegen Parma Elfmeter trainiert
Dowty offenbar denkt - nicht zu irgendeiner bestimmten Ereignisauffassung. Wir haben
es meines Erachtens sowohl in (7a) wie in (7b) mit jeweils drei Ereignissen zu tun, dem
Pluralische NPs können allerdings in ähnlicher Weise als Individuen aufgefaßt werden Gesamtereignis mit der Gruppe als Agens und den beiden Teilereignissen mit John bzw.
17
wie Einzelindividuen, und zwar als Gruppen oder als mereologisch komplexe Entitäten. 20
Mary als Agens. 'KOLLEKTIV als Eigenschaft von Prädikaten, also als höherstufige
Möller und Chapuisat konstituieren demnach ein pluralisches Individuum, das in mereo- Eigenschaft, drückt lediglich aus, daß eventuelle Teile des Gesamtereignisses von einer
logischer Ganzes-Teil-Beziehung sowohl zu Möller als auch zu Chapuisat steht. Damit anderen Art sind als das Gesamtereignis selbst. In (7b) fällt das Gesamtereignis unter das
haben wir also in den drei Beispielen in (6) drei verschiedene Dingindividuen in Agens­ Prädikat MEET, während die beiden Teile ein Sich-Irgendwo-Hinbegeben (oder Sich-
relation zu einem Ereignis. Wenn jedes Ereignis gemäß der Einmaligkeitsbeschränkung Irgendwo-Aufhalten) von John einerseits und Mary andererseits sind. Es scheint also so,
nur einen ganz bestimmten Agens hat, sollten hier also auch drei verschiedene Ereignisse als würde Dowty hier die Einmaligkeitsbeschränkung plötzlich so auffassen, als restrin­
vorliegen. Diese Annahme ist auch plausibel, denn das gemeinsame Trainieren in (6a) giere sie die Zuordnung von (argumentstellenbesetzenden) Individuen zu Prädikaten und
18
konstituiert ein Ereignisindividuum, das aus zwei Teilereignissen besteht, dem Trainie­ als solle sie Einzelindividuen als Agenzien des Prädikats MEET ausschließen. Die Ein­
ren von Möller (6b) und dem Trainieren von Chapuisat (6c). Auch hier findet sich also maligkeitsbeschränkung betrifft aber Ereignisse und nicht Prädikate.
eine mereologische Teil-Ganzes-Beziehung, die es uns erlaubt, nicht nur von drei ver­
schiedenen Dingindividuen in Subjektposition auszugehen, sondern auch von drei ver­ Das empirische Problem mit der Einmaligkeitsbeschränkung: Ungeachtet der Unterschei­
schiedenen Trainier-Ereignissen. Jedes dieser Trainier-Ereignisse steht damit genau zu dung zwischen distributiven und kollektiven Prädikaten können wir also eine pluralische
einem Individuum in Agensrelation, und die Einmaligkeitsbeschränkung kann aufrecht NP so verstehen, daß sie ein komplexes Individuum bezeichnet, dessen Einzelindividuen
erhalten werden. wiederum in bestimmten thematischen Relationen zu Teilen des Gesamtereignisses stehen.
Wenn wir nun aber immer dann, wenn wir mehrere agentische Individuen haben, diese als
Kollektive und distributive Prädikate: Dowty (1989:86) führt im Zusammenhang mit ein mereologisch komplexes Individuum (oder eine Gruppe) verstehen können, so stellt
solchen pluralischen Agenzien die Unterscheidung von distributiven und kollektiven Prä­ sich die Frage, wie denn potentielle Gegenbeispiele gegen die Einmaligkeitshypothese
dikaten an. So werden abhängig von der Verbbedeutung bei manchen Verben pluralische überhaupt beschaffen sein müßten. Akzeptiert man Dowtys Auffassung von pluralischen
Subjekte distributiv (7a), bei manchen kollektiv (7b) und bei manchen distributiv oder Individuen, so scheint die Einmaligkeitsbeschränkung empirischen Widerlegungen ge­
19
kollektiv (7c) interpretiert. Bei distributiver Prädikation über ein pluralisches Subjekt ist genüber immun zu sein. Das hieße aber auch, daß sie uns zwar vielleicht noch etwas über
impliziert, daß die Prädikation auch für die den pluralischen Referenten konstituierenden unsere Auffassung von pluralischen NPs verrät, aber keine empirisch interessanten Be­
Einzelindividuen gilt, während dies bei kollektiver Prädikation nicht der Fall ist: hauptungen über die Involvierung von Individuen in Ereignisse mehr festhält. Kurzum,
unter der gegebenen Auffassung pluralischer NPs wird die Eimaligkeitshypothese an­
(7) a. John and Mary sang
scheinend zu einer analytischen Festlegung, und ohne eine Auffassung pluralischer NPs
(distributiv; bedeutet: John sang and Mary sang)
als komplexe Einzelindividuuen wäre sie zwar eine empirische Hypothese, aber so offen­
b. John and Mary met
sichtlich falsch, daß sie uninteressant wäre.
(kollektiv; kann nicht bedeuten: *John met and Mary met)
Einen interessanten empirischen Gehalt könnte sie meines Erachtens etwa dann haben,
c. John and Mary painted the house
wenn sie genau solche Beispiele wie (7a) und (7b) bzw. (8) und (9) zu unterscheiden hilft.
(distributiv oder kollektiv; kann bedeuten: John painted the house and Mary painted the
house) (8) a. Möller und Chapuisat haben nach dem Spiel gegen Parma Elfmeter trainiert
b. Möller und Chapuisat haben einen Schluck Bier getrunken
S. Dowty (1986:350) und die Verweise darin.
(9) a. Möller und Chapuisat haben einen Doppelpaß gespielt
Dies sind natürlich andere Teilereignisse, als diejenigen, welche die in Kapitel 2.1.1 beschrie­
benen Ereignisstrukturen konstituieren. Sie entstehen lediglich durch die mereologische Kom­ b. Möller und Chapuisat haben sich bei Zorcs letzter Geburtstagsparty gestritten
plexität der Partizipanten und unterscheiden sich von den Teilereignissen in Ereignisstrukturen
vor allem dadurch, daß sie alle vom gleichen Typ sind, in diesem Fall Elfmeter-Trainier-Ereig-
nisse nach dem Spiel gegen Parma. Dowty (1989:86) selbst weist daraufhin, daß John und Mary in (7b) jeder für sich wiederum
Ähnlich auch die Argumentation in Kamp / Roßdeutscher (1992:11). Agens eines weiteren Ereignisses sind, z.B. einer Bewegung zu einem bestimmten Ort hin.
166 167

In den in (8) geschilderten Ereignissen sind kontingenterweise mehrere Einzelindividuen Damit verbunden ist auch folgendes Problem: Wenn man davon ausgeht, daß der Dop-
beteiligt, in (9) ist dies dagegen notwendigerweise der Fall: Man braucht immer noch pelpaß in (10) die Funktion eines inneren Objekts hat, so sind das Spiel-Ereignis und das
einen Zweiten zum Streiten und zum Doppelpaß spielen, während man auch alleine Elf­ Doppelpaß-Ereignis identisch (s. Kap. 3.2.3). Es stellt sich nun also die Frage, ob der
21
meter trainieren und Bier trinken kann. Diese Unterscheidung zwischen Ereignissen, die Doppelpaß in (10a) die mereologische Summe der beiden Ereignisse in (10b) und (10c)
einen einzelnen, nicht komplexen Agens haben können, und solchen, die notwendiger­ darstellt und damit die drei Ereignisse verschieden voneinander sind, von denen eines
weise mehrere Einzelindividuen involvieren, verläuft dabei keineswegs parallel zu der Cesar und Kutowski als Agens hat, eines nur Cesar und eines nur Kutowski. Auf die glei­
Unterscheidung von distributiven und kollektiven Prädikaten. So kann das Prädikat in che Situation bezogen, müßten wir dazu (10b) allerdings so verstehen, daß Cesar die eine
(10a) durchaus auch auf ein Einzelindividuum des pluralischen Referenten angewendet Hälfte des Doppelpasses gespielt hat, und (10c) so, daß Kutowski die andere Hälfte des
werden (10b). Trotzdem können wir (10b) natürlich nicht so verstehen, daß Cesar den Doppelpasses gespielt hat. Die Annahme, daß mit Ausdrücken wie ein Doppelpaß auch
Doppelpaß ganz allein gespielt hat. auf halbe Doppelpässe referiert werden kann, ist allerdings sicherlich falsch. Es würde
bedeuten, daß ein Doppelpaß nicht kumulativ und nicht gequantelt referiert, sondern "ge­
(10) a. Cesar und Kutowski spielen einen Doppelpaß
zweifelt", indem es auf eine bestimmte Entität und eine beliebige Hälfte dieser Entität
b. Cesar spielt einen Doppelpaß
referieren kann. Solche Interpretationen sind aber nicht nur bei gewöhnlichen ding­
c. Kutowski spielt einen Doppelpaß
bezeichnenden NPs ausgeschlossen - d.h., wir können einen Satz wie Cesar ißt eine Ana-
Formulierte man die Einmaligkeitshypothese bezüglich der Agensrolle also so, daß sie nas nicht so verstehen, daß Cesar eine halbe Ananas ißt - sondern sind in anderen Kon­
behauptet, es gäbe keine Ereignisse, die notwendigerweise mehr als ein Einzelindividuum texten auch für einen Doppelpaß sicherlich falsch, denn wenn der Radioreporter uns zu­
als Agens involvieren, so wäre sie in der Tat eine interessante empirische Hypothese, und ruft ein herrlicher Doppelpaß an der Münchener Strafraumgrenze, kann ein herrlicher
angesichts der Beispiele in (9) wäre sie falsch. Doppelpaß offenbar nicht auf einen halben Doppelpaß referieren. Kurzum, es scheint viel
naheliegender, die Bedeutung von Doppelpaß nicht so aufzufassen, daß man gelegentlich
Das semantische Problem mit der Einmaligkeitsbeschränkung: Ein zweites Problem ergibt
auch halbe Doppelpässe damit bezeichnen kann, sondern so, daß jeder Doppelpaß zwei
sich bei der Behandlung von Ausdrücken wie in (IIa). Ich denke nicht, daß sich irgend­
Agenzien hat - und damit wäre die Einmaligkeitsbeschränkung natürlich falsch.
welche agensrelevanten Eigenschaften finden lassen, die den Referenten der Subjekt-NP
Das mereologische Problem mit der Einmaligkeitsbeschränkung: Ein anderes Problem für
22
und den der PP hinsichtlich ihrer Beteiligung am Ereignis unterscheiden. (IIa) und
23
(1 lb) können darüber hinaus das gleiche Ereignis beschreiben. die Einmaligkeitshypothese stellen all die Verben dar, deren Objekt-NPs zwar Dingindivi­
duen bezeichnen, diese aber nicht in inkrementeller Relation zum Ereignis stehen, wie in
(11) a. Cesar hat einen Doppelpaß mit Kutowski gespielt
den Beispielen (12) bis (14).
b. Cesar und Kutowski haben einen Doppelpaß gespielt
(12) a. Möller berührt sein schmerzendes Bein
Wenn die beiden Sätze in einer gegebenen Situation aber das gleiche Ereignis beschreiben
b. Möller berührt sein schmerzendes Knie
und in (IIb) 'Cesar und Kutowski' das komplexe Agensindividuum des Ereignisses sind,
so müssen sie das auch in (IIa) sein. Vertreter der Einmaligkeitsbeschränkung müßten (13) a. Sammer brüllt die desolate Abwehr an
hier also zeigen können (etwa im Rahmen einer neo-davidsonischen Repräsentation), daß b. Sammer brüllt Reuter an
in (1 la) nicht zwei Agenzien am Ereignis beteiligt sind, sondern daß tatsächlich nur eine,
24
(14) a. Nevio Scala betrachtet den ersatzgeschwächten Angriff
aber über zwei Konstituenten verteilte, Individuuenbedeutung in Agensrelation vorliegt.
b. Nevio Scala betrachtet Gambo
Das würde aber wohl ziemlich ungewöhnliche semantische Kompositionsmechanismen
involvieren. Die Objektreferenten in (12b), (13b) und (14b) stehen zwar in Teil-Ganzes-Beziehung zu
den Objektreferenten in (12a), (13a) und (14a) und sind daher verschiedene Individuen,
aber offenbar können wir in dem gleichen Akt unser Knie und damit auch unser Bein
2 1
Auch wenn man sich mehr für Dressurreiten oder Rhönradfahren begeistert muß man für die berühren, die Abwehr anbrüllen und damit Reuter anbrüllen sowie den ersatzgeschwäch­
folgende Argumentation wissen, was ein Doppelpaß ist: "Eine Art Trick, den man im modernen ten Angriff betrachten und damit Gambo betrachten. Die Einmaligkeitshypothese ist hier
Fußball erfand. Ein Spieler gibt den Ball an einen Mitspieler weiter und erhält ihn sofort unter dem intuitiven Ereignisbegriff nicht zu halten. Krifka (1992:44) geht daher davon
wieder zurück. Dies alles geschieht natürlich im Laufen. Durch die schnelle Ballfolge wird der aus, daß die Einmaligkeitsbeschränkung nur für bestimmte thematische Relationen gilt,
Gegenspieler ausgeschaltet, und man hat freie Bahn." (Jendral 1978:21) v.a. für solche, die beinhalten, daß das Objekt graduell vom Ereignis betroffen ist.
2 2
Vgl. auch den Abschnitt zu symmetrischen Verben und Komitativ-PPs in Kapitel 3.3.2.
2 3
Vermutlich können wir (1 lb) auch so verstehen, daß Cesar mit irgendjemandem einen Doppel­ Noch schwieriger wird die Argumentation, sobald der Verbinhalt etwas abstrakterer
paß gespielt hat und Kutowski ebenfalls mit irgendjemandem einen Doppelpaß gespielt hat Natur ist wie in (15). Die Agensreferenten lassen sich hier wie in den anderen Beispielen
(vgl. Kap. 3.3.2). Das wäre für die Argumentation hier aber ohnehin nicht relevant. mereologisch differenzieren, wenn man Borussia als 'die Mannschaft von Borussia Dort­
2 4
Es erübrigt sich wohl, daraufhinzuweisen, daß in (IIa) Cesar ... mit Kutowski auch keine mund' versteht, von der Möller und Chapuisat echte Teile sind.
diskontinuierliche Konstituente bildet.
168
169

(15) a. Borussia hat 1997 den Europapokal gewonnen Ereignisontologie und Einmaligkeitsbeschränkung bei Chierchia. Die Einmaligkeits­
b. Möller hat 1997 den Europapokal gewonnen beschränkung wird auch von Chierchia (7984/1988:324ff, 1989:1371) vertreten, und zwar
c. Chapuisat hat 1997 den Europapokal gewonnen auf der Basis einer Ereignisauffassung, die Ereignisse ("eventualities") als "sets of
26

Auch hier stellt sich wieder die Frage, ob die drei Agenzien auch drei verschiedenen Er­ individuals-standing-in-certain-relations" auffaßt (Chierchia 7984/1988:326). Ein Er­
eignissen zugeordnet werden können. Da das Gewinnen nicht so deutliche raumzeitliche eignis ist demnach ein n+1 Tupel aus der Intension eines n-stelligen Prädikats und n
Dingindividuen, die die Argumentstellen des Prädikats in einem korrespondierenden pro-
Dimensionen annimmt wie ein Doppelpaß, sind unsere Ereignisintuitionen hier weniger
positionalen Ausdruck füllen. Einem Satz wie (16a), der (vereinfacht) die Proposition
deutlich. Es scheint vielleicht eher schlecht nachvollziehbar, daß wir es hier mit verschie­ 27
(16b) ausdrückt, liegt damit das Ereignis in (16c) zugrunde.
denen mereologisch zueinander in Beziehung stehenden Ereignissen zu tun haben, daß
also Borussias, Möllers und Chapuisats Europapokalsiege zu unterscheiden sind: ein Eu­ (16) a. Zorc überlistet Kahn
ropapokalsieg - so zumindest die Intuition des Fußballfans - ist unteilbar. Ohne eine prä­ b. ÜBERLIST(zorc,kahn)
zisere Eingrenzung unserer vagen Ereignisintuition kommen wir hier aber offensichtlich c. < überlisten', zorc, kahn>
A

25
nicht weiter.
Thematische Rollen sind nun auch nach Chierchia (7984/1988:326) partielle Funktionen
Ereignisontologie und Einmaligkeitsbeschränkung bei Carlson: Angesichts der Schwie­ aus der Menge der Ereignisse in die Menge der Individuen, so daß für jedes Ereignis
rigkeiten, die Einmaligkeitshypothese empirisch zu stützen, ist es offensichtlich, daß wir < P,X!,...,x >, dann wenn./8(< P,x ,...,x >) definiert ist, f(<^?,x ...,x >)
A
n
A
< ,...,x„>.
1 n u n e Xl

ohne eine klare ontologische Vorstellung von Ereignissen schwerlich für die Richtigkeit Die thematischen Funktionen zu dem Beispiel in (16) sehen damit wie folgt a u s : 28

dieser Hypothese argumentieren können. Wir werden im Folgenden und auch später in
(17) a. / A G E N S ( < A ö f e e r f a t e „ ^ z o r c > j j - =
ca ln> ) z o r c
Kapitel 5.2.2 sehen, daß solche Ereignisontologien Ereignisse durchaus auch als abstrakte,
b. / P A T I E N S ( < A M i e r f a t e „' ) z o r C ;kahn>) = kahn
eher propositions- oder eigenschaftsähnliche Entitäten auflassen können, die unseren
primären Intuitionen über Ereignisse nicht immer nahekommen. Chierchias Ereignisauffassung ist sehr feinkörnig, d.h sie unterscheidet viele Ereignisse,
Mit Carlson (1984) und Chierchia (7984/1988, 1989) liegen zwei Ansätze zu Theta- die nach unserer intuitiven Auffassung identisch s i n d . Geäußert im gleichen Kontext 29

rollen vor, die die ontologische Frage nach Ereignissen bei ihren Auflassungen von Theta- sind, da die Subjektausdrücke extensionsgleich gleich sind, zwar die den Beispielen in
rollen berücksichtigen. Carlson (1984:273ff) versucht, das der Einmaligkeitsbeschränkung
zugrundeliegende ontologische Problem zu lösen, indem er annimmt, daß die themati­
Diese Ereignisse ähneln nach Chierchia (1984/1988:325) den Situationen in der Situations­
schen Funktionen zur Charakterisierung des Ereignisbegriffs beitragen. Wir legen der semantik.
Welt und ihren Geschehnissen mit Hilfe der Sprache eine Struktur auf, die uns Ereignisse Hier wie im Folgenden sind Chierchias Notationen an die in dieser Arbeit verwendeten ange­
als zumindest partiell sprachabhängige Entitäten konstruiert, und thematische Funktionen paßt.
spielen dabei eine Rolle: Chierchia (79*4/1988, 1989) geht nicht explizit darauf ein, wie erreicht wird, daß thematische
Rollen nur den Individuen zugewiesen werden, die auch Argumentstellen des Prädikats füllen.
[...] thematic roles are among the factors used in discrinünating events from one another. Die Stelligkeit des Prädikats in den Ereignistupeln muß zwar der Anzahl der Individuen im Er­
Thematic uniqueness forms the basis: if there is a proposed event with, say, two themes, then eignis entsprechen, aber das allein garantiert noch nicht, daß die Individuen auch die Stellen
there are (at least) two events and not one; if there are three sources, than there are at least three des Prädikats füllen. In Chierchia (1984/X 988:330) sorgt allerdings eine Vollständigkeits­
events; and so forth. (Carlson 1984:274) beschränkung dafür, daß jedem Individuum, das eine Argumentposition des Prädikats füllt,
auch eine Rolle zugewiesen wird. Um eine Rolle zugewiesen zu bekommen, müssen diese Indi­
Damit erübrigt sich die Frage, ob ein Ereignis einen oder mehrere Agenzien haben kann. viduen auch eine Stelle in den Ereignistupeln einnehmen, und aufgrund der Einschränkung, daß
Es hat per definitionem höchstens einen. Es ist meines Erachtens allerdings wenig er­ die Zahl der Ereignisindividuen der Stelligkeit des Prädikats entspricht, folgt, daß alle und nur
kenntnisfördernd, wenn man ein Problem, das man zunächst als ein empirisches betrach­ die Individuen, die Argumentstellen einnehmen, auch in den Ereignistupeln auftreten. Unter
tet, dadurch aus der Welt schafft, daß man ohne jegliche weitere Motivation eine analyti­ Verwendung von Individuenvariablen formuliert Chierchia (79*4/1988:328) Thetarollenzuwei-
sung wie in den folgenden beiden Beipielen:
sche Festlegung daraus macht. Die semantisch eigentlich interessante Frage nach dem
(i) f^m(<^ berlisten\
ü x, y>) = x
Bezug zwischen thematischen Rollen und der Wirklichkeit wird dadurch wohl eher ver­
(ii) /PATIENS(<A , ä i e W ,- 5 f e „- ; x , y>) = y
schleiert und das Problem letztlich trivialisiert. Damit solche Ausdrücke aber auf eine lexikalische Basis zurückgeführt werden können, muß
allerdings nicht nur klar sein, daß die Ereignisindividuen in < iiberlisten', x, y> Argumentstel­ h

len des Prädikats ^überlisten' füllen, es muß auch eine prinzipielle Zuordnung von Argument­
2 5
Ein weiteres Argument führt Carlson (1984:271) gegen die Einmaligkeitsbeschränkung an: positionen des Prädikats zu Positionen in den entsprechenden Ereignistupeln definiert werden
Prädikate mit zwei Patiensargumenten wie in Sätzen mit dem Phantasieverb *John stouched oder zumindest eine Art Koindizierung vorausgesetzt werden; ansonsten ist etwa der Agens x in
Bill treten in natürlichen Sprachen nicht auf; dabei soll stauch Ereignisse bezeichnen, in denen ^überlisten', x, y> nicht mit einer bestimmten Argumentposition des Verbs verknüpft.
Subjekt- und Objektreferent berührt werden. Im Gegensatz zu Prädikaten sind dagegen Ereig­ Chierchias (79*4/1988:324ff, 1989:137f) kommt damit Kims (1976) ontologischer Auffassung
nisse, bei denen zwei Entitäten berührt werden, durchaus nicht ausgeschlossen. Eine Einmalig­ von Ereignissen als Exemplifikationen von Eigenschaften nahe; darauf komme ich in Kapitel
keitsbeschränkung kann also nicht auf der Ereignisebene formuliert werden. 5.2.2 noch ausführlicher zu sprechen.
170 171

(18) zugrundeliegenden Ereignisse identisch, nicht aber die Ereignisse in (19), bei denen these von der gewählten Ereignisauffassung abhängt und daß sie in Ansätzen, die explizit
intensional unterschiedliche Prädikate verwendet werden. (oder implizit) auf die Formulierung des Ereignisbegriffs verzichten, empirisch schlicht 31

gehaltlos ist.
(18) a. Chapuisat schießt den Ball zum 1:0 ins Münchener Tor
Die Einmaligkeitshypothese läßt sich aber durchaus formulieren, ohne auf Filimores
b. der Schweizer Stürmer von Borussia schießt den Ball zum 1:0 ins Münchener Tor
oder Dowtys Forderungen an Thetarollenkonzeptionen zu verzichten, wenn wir anneh­
c. das Alpenwunder schießt den Ball zum 1:0 ins Münchener Tor
men, daß Verben eine bestimmte Rolle nur genau einer ihrer Argumentstellen zuweisen
(19) a. Chapuisat schießt den Ball zum 1:0 ins Münchener Tor und das nur dann, wenn das Individuum, das die Argumentstelle füllt, in einer bestimmten
b. Chapuisat hämmert den Ball zum 1:0 ins Münchener Tor Relation zum Ereignis steht.:
c. Chapuisat haut das Ei zum 1:0 ins Münchener Gehäuse
(P-6) Thematische Funktionen
Aufgrund dieser feinkörnigen Ereignisauffassung und auch weil nur die Individuen am
Für jede Thetarolle/e e { / " - A G E N S , / P A T I E N S , ...}, jede verbale Prädikatskonstante
Ereignis partizipieren, die die Argumentstellen des Prädikats ausfüllen, treten die im letz­ P innerhalb einer Verbübersetzung, ein Ereignisindividuum e und die Dingindivi­
ten Abschnitt diskutierten Probleme mit der Einmaligkeitsbeschränkung nicht auf. Die duen xi,...,xk,...,xn(0 < i < k < n) gilt:
Beispiele (12) bis (15) involvierten jeweils unterschiedliche Individuen in Subjekt- oder
/9(P(xi,...,xn,e)) = xk, genau dann, (i) wenn P(...,xk,...,e) gilt, und (ii) wenn x* in
Objektpositionen, wodurch nach Chierchia per Ereignisdefinition verschiedene Ereignisse 6-Relation zu e steht, wobei "9-Relation" für die Menge von Folgerungen aus
vorliegen. Wenn Möller in einem bestimmten Kontext sein schmerzendes Knie und damit P(...,xk,...,e) über Eigenschaften von x^ in e steht, d i e / ö charakterisieren.
auch sein schmerzendes Bein berührt (12), so liegen zwei Ereignisse vor, da Möllers Bein
und Möllers Knie unterschiedliche Individuen sind. Die Einmaligkeitsbedingung gilt also Damit sagt P-6 im Grunde nichts anderes, als daß ein Ereignis zwar mehrere Agenzien
auch hier. haben kann, wir mit einem beliebigen Verb aber immer nur über einen in Argumentposi­
Chierchias Ereignisauffassung erlaubt es uns also, ohne in ontologische Zweifel zu ge­ tion reden können.
raten, die Einmaligkeitshypothese so aufrecht zu erhalten, daß ihre empirische Korrektheit Thematische Rollen werden damit als Funktionen wie in (20a) aufgefaßt; die Agens­
nun lediglich von sprachlichen Daten und dem semantischen Gehalt der thematischen funktion sieht aus wie in (20b), wobei rAGENS da fly-den Agens typische Bündel an Re­
S

Rollen abhängt. Das heißt, die Hypothese ist richtig, wenn sich kein Verb findet, daß lationen beschreibt. Der Agens der Prädikatskonstante QUÄL ist demnach x (20c), da x
zweien seiner Argumente die gleiche Rolle zuweist. eine Argumentstelle von QUÄL füllt und in Agensrelation zu e steht, also e initiiert, in e
Ich werde in Kapitel 5.2.2 allerdings gegen eine Ereignisauffassung, wie sie Chierchia agiert, sich e bewußt ist oder was immer man für Eigenschaften mit der Agensrolle ver­
32

(7984/1988) vertritt, argumentieren, denke allerdings trotzdem, daß Chierchia unsere knüpft.
Auffassung von thematischen Rollen weitgehend richtig formuliert hat, aber daß wir den (20) a. /8 = {<P(xi,..., n,e),xk> | P(...,xk,...,e) & r*(xx,e)}
X

Vorteil seiner Konzeption auch ohne seine Ereignisauffassung haben können. b. / A G E N S = {<P( i,..., n,e),xk> | P(..., k,...,e) & , - A G E N S (
x X X x k e )}
Ein Vorschlag zur Güte: Die Probleme bei der Diskussion um die Einmaligkeitsbeschrän­ c. / A G E N S ( Q u Ä L ( x , y , e ) ) = x
kung resultieren meines Erachtens aus der Verquickung zweier Forderungen. Gemäß der
Vorteile des Vorschlags zur Gute: Welche Vorteile hat nun diese Auffassung von themati­
ersten Forderung, die sich schon bei Fillmore (1968a:22) findet, soll jede Thetarolle nur
schen Rollen? Zunächst soll ein mögliches Mißverständnis aus dem Weg geräumt werden.
an ein Argument vergeben werden. Nach der zweiten Forderung sollen Thetarollen als
Ich möchte mit der Auffassung von Thetarollen in P-6 weder behaupten, daß thematische
Eigenschaften oder Relationen nicht-sprachlicher Individuen verstanden werden, also etwa
30
Rollen ein sinnvolles oder linguistisch notwendiges Konstrukt sind (mehr dazu in Kap.
als Beziehungen zwischen Ereignis- und Dingindividuen (vgl. Dowty 1989:73). Die
4.2), noch, daß die Einmaligkeitshypothese in der Formulierung P-6 empirisch richtig ist.
funktionale Auffassung von Thetarollen, die der ersten Forderung entspringt, sollte nun in
Ich behaupte lediglich, daß P-6 die angemessene Form ist, in der die empirische Richtig­
Form der Einmaligkeitsbeschränkung auch der zweiten Forderung Genüge tun. Wir haben
keit der Einmaligkeitsbeschränkung überprüft werden muß. In diesem Sinn hat P-6 mei­
gesehen, daß dies zu empirischen Problemen führt. Bei einer intuitiven Ereignisauffassung
nes Erachtens die folgenden Vorteile:
ist die Einmaligkeitsbeschränkung wohl empirisch falsch, bei einer chierchiaschen Auf­
• Thetarollen können, wie von Fillmore (1968a) angenommen und von Chierchia
fassung von Ereignissen als propositionsähnlichen Entitäten ist sie zwar richtig, verlangt
(7984/1988, 1989) formuliert, prädikatsabhängig Argumenten bzw. Individuen in Ar-
von uns aber, Chierchias Ereignisauffassung zu akzeptieren. Vor allem aber sollten die
gumentposition zugewiesen werden, und zwar jede Rolle nur einmal.
vorhergegangenen Überlegungen zeigen, wie sehr die Richtigkeit der Einmaligkeitshypo-

Vgl. auch die Diskussion in Kapitel 5.1.3.


3 0
Dowty (1989:73) formuliert sein Verständnis des semantischen Gehalts thematischer Rollen Diese Auffassung von thematischen Rollen impliziert eine Kombination aus Variante 2 der
wie folgt: "[...] a thematic roles system [...] permits (real-world, non-linguistic) objects to be Verschiedenheitsbeschränkung und einer abgeschwächten Form der Einmaligkeitsbeschrän­
distinguished from one another by virtue of the distinctive properties they have as they kung: Nur ein Individuum (in Argumentposition) hat eine bestimmte Thetarolle, und keine zwei
participate in an event named by a verb [...]." Individuen (in Argumentposition) haben die gleiche Thetarolle inne.
172 173

• Die Zuweisung von Thetarollen ist, wie von Dowty (1989) und anderen gefordert, ab­ In all diesen Sätzen werden also entgegen der ursprünglichen Einmaligkeitsbeschränkung
hängig vom Bestehen bestimmter Beziehungen zwischen Individuen und (hier intuitiv zwei Agenzien realisiert. Für die hier vertretene Thetarollenauffassung ergeben sich dage­
aufgefaßten) Ereignissen in der Welt. gen keine Probleme, wenn man davon ausgeht, daß komitative mit-PPs Adjunkte sind,
• Thetarollen werden, wie in P-4 (Kapitel 3.3.5) gefordert, nicht (wie bei Chierchia denn P-6 schließt nicht aus, daß zwei Agenzien in einem Ereignis vorkommen, sondern
7984/1988) an Argumente von Lexemftmktionen, sondern an Argumente von Prädi­ lediglich, daß beide Agenzien Argumentstellen des Verbs füllen. Sollte dagegen die in
katskonstanten gebunden. Damit können auch impliziten Argumenten Thetarollen zu­ Kapitel 3.3.2 vertretene Annahme richtig sein, daß bei symmetrischen Verben Komitativ-
gewiesen werden. Phrasen Argumentpositionen einnehmen und die Komitativ-Phrasen bei solchen Verben
An zwei Beispielen sollen die Konsequenzen der Auffassung veranschaulicht werden, die die gleiche Rolle innehaben wie die Nominativ-NP, so wäre P-6 falsch. Symmetrische
die funktionale Rollenzuweisungstheorie mit der relationalen Individuen-in-Ereignissen- Verben konstituieren damit den empirisch interessanten Fall für die Bewertung von P-6.
Theorie von Thetarollen verknüpft. Chierchia (7984/1988:330) weist darauf hin, daß ein Zusammenfassung: Nach einer verbreiteten Annahme sind Thetarollen Relationen zwi­
und dasselbe Individuum in einem Ereignis zwei Rollen innehaben kann, und zwar in schen Ereignis- und Dingindividuen. Dabei ist es üblich, für diese Relation die Einmalig­
Ausdrücken mit reflexiven Verben wie in (21). keitsbeschränkung zu postulieren, die besagt, daß in jedem Ereignis nur ein Dingindivi­
(21) a. John kills himself duum eine bestimmte Rolle innehaben kann. Thematische Rollen sind damit Funktionen
b. /AGENS(<Afo7/<j hnjohn>) = john
0
aus der Menge der Ereignisindividuen in die Menge der Dingindividuen. Es wurde in
c /PATIENS(<Afo7/'johnjohn>) = john diesem Kapitel gezeigt, daß diese Auffassung äußerst problematisch ist: Je nachdem, wie
man pluralische NPs in Argumentposition deutet, droht die Eirmialigkeitsbeschränkung
Bei expliziten Reflexiva wie sich waschen oder sich rasieren und impliziten Reflexiva wie entweder offensichtlich falsch oder empirisch gehaltlos zu werden.
duschen oder baden (vgl. Kap. 3.2.2) hat ein Indiviuum im Ereignis also zwei verschie­ Es wurde daher in diesem Kapitel eine andere Auffassung von Thetarollen vorgeschla­
dene Rollen inne. Trotzdem sind die Argumentpositionen nach wie vor thematisch zu gen. Demnach sollten Thetarollen so konzipiert werden, daß nur einem Individuum in
33
unterscheiden. Genau das drückt die vorgeschlagene Auffassung von thematischen Rol­ Argumentposition eine bestimmte Rolle zugeordnet werden kann, und zwar dann, wenn
len aus, während bei Chierchia (7984/1988) - wie schon angemerkt (s. Fußnote 28) - der bestimmte Relationen zwischen dem Dingindividuum und dem vom Verb bezeichneten
Zusammenhang zwischen Ereignisindividuen und Argumentpositionen nicht ganz deut­ Ereignisindividuum bestehen. Diese Auffassung hat den Vorteil, daß sie sowohl den funk­
lich gemacht wird. Bei intransitivem, implizit reflexivem baden können die thematischen tionalen Charakter der Thetarollenzuweisung berücksichtigt, als auch die Forderung,
Funktionen auf Argumentpositionen zugreifen, wobei sich die Identität von x und y aus thematische Relationen als Relationen zwischen Individuen in der Welt aufzufassen. Sie
der Identität der beiden Argumentvariablen in der Übersetzung des Verbs ergibt. Die Be­ ist zudem auch eine empirisch interessante Hypothese im Zusammenhang mit der Be­
dingungen für die Zuordnung der thematischen Rollen hängen natürlich von der genauen handlung von reflexiven Verben, Komitativphrasen und symmetrischen Verben.
Spezifikation der Agens- und Patiens-Relation zwischen Individuum und Ereignis ab:

(22) a. baden: /nom X.xXe[BAD(x, ,e)] X

b. /AGENS(ßAD(x,y,e)) = x 4.1.3 Thematische Rollen und Argumenttheorien


c. /PATIENS(BAD(x,y,e)) = y
Drei Argumenttheorien: Die Überlegungen, welche Art von Relationen Thetarollen dar­
Ein anderes Problem für die ursprüngliche Formulierung der Einmaligkeitsbeschränkung stellen, sind eng verknüpft mit der Auflassung von Argumentstrukturen, auf die ich in die­
stellen Beispiele mit Komitativphrasen wie in (23a) dar. Kutowski spielt in dem Doppel­ sem Kapitel eingehen werde. Bezüglich der Frage, ob verbale Prädikate Ereignisargumen­
paß-Ereignis offenbar keine andere Rolle als Cesar. Vermutlich ist es generell schwierig, te oder thematische Argumente haben, lassen sich drei Argumenttheorien unterscheiden:
den Individuen in komitativen mit-PPs eine andere thematische Rolle einzuräumen als • Argumentlistentheorie ("Ordered-Argument Theory"): Dies ist die "klassische" Auffas­
34
dem Individuum in Subjektposition, wie die Beispiele in (23) zeigen: sung: Verbale Prädikate haben nur thematische Argumente (24a); thematische Rollen
(23) a. Cesar hat einen Doppelpaß mit Kutowski gespielt sind höherstufige Relationen, z.B. zwischen einem Prädikat und seinen Argumenten.
b. Karl spült mit Carola das Geschirr Die hier gewählte Repräsentation (24b) soll die übliche Ausdrucksweise wiederspie­
c. Hans fährt mitLotti in Urlaub geln, daß ein Verb seinen Argumenten Rollen zuweist. Es gibt meines Wissens außer in
d. Rita spielt mit Dieter Tennis Chierchia (7984/1988, 1989) keine Ausarbeitung der formalen Beziehung zwischen
thematischen Rollen und Verben in solchen Argumentlistenansätzen, wobei Chierchia,
wie gesehen, aus Propositionen wie (24a) Ereignisse konstruiert, die dann die funktio­
Vgl. dazu auch Dowty (1989:80f).
Diese Rollengleichheit gilt, wie in Kap. 3.3.2 gezeigt, für symmetrische Verben in jeder Bezie­ nalen Argumente der Thetarollenzuweisung bilden.
hung. Aber auch bei solchen nicht-symmetrischen Ausdrücken wie (23b) oder (23c) führt die
(24) a. QUÄL(x,y)
mit-PP einen Agens ein, wenn die beiden Agenzien hier auch vielleicht in etwas unterschiedli­
cher Art ins Ereignis involviert sind, z.B. Karl in (23b) als Spüler und Carola als Abtrocknerin. b. ... & AGENS(XyXx[QUÄL(x,y)],x) & PATIENS(>.y>.x[QUÄL(x,y)],y)
174 175

• Davidsonische Argumenttheorie: Dies ist Davidsons (1967:81ff) ursprünglicher Vor­ stante ab und gibt damit semantisch relevante logische Struktur auf. Ich werde in diesem
schlag zur Eiriführung eines Ereignisarguments in die Argumentliste. Verbale Prädi­ und dem nächsten Kapitel zu zeigen versuchen, daß die neo-davidsonische und die david­
kate haben thematische Argumente und ein Ereignisargument (25a); thematische Rol­ sonische Argumenttheorie sehr verschiedene empirische und theoretische Konsequenzen
len können über Konjunkte angebunden werden und sind entweder Relationen (25b) haben, und daß die neo-davidsonische Theorie aus einer Reihe von Gründen als empirisch
oder Funktionen zwischen Ereignisargument und thematischen Argumenten (25c) oder inadäquat zurückgewiesen werden muß.
auch höherstufige Relationen, wie im letzten Kapitel vorgeschlagen wurde (25d).
Vermeintliche Probleme davidsonischer Repräsentationen: Ich möchte hier kurz auf ei­
(25) a. QUÄL(x,y,e) nige vermeintliche Nachteile davidsonischer gegenüber neo-davidsonischen Theorien
b. ... & AGENS(x,e) & PATIENS(y,e) eingehen. So erwähnt Parsons (1980:35f), daß es Sprachen gibt, in denen die Funktionen,
c. ... & (AGENS(e) = x) & (PATTENS(e) = y) die im Englischen von NP-Objekten einerseits und präpositionalen Ausdrücken anderer­
d. ... & (AGENS(XyXxXe[QUÄL(x,y,e)]) = x) & (PATIENS(XyX.xX.e[QUÄL(x,y,e)]) = y) seits erfüllt werden, gleichermaßen durch Kasusendungen ausgedrückt werden. Wenn ich
ihn recht verstehe, sieht er die diesbezügliche Schwierigkeit davidsonischer Theorien
• Neo-davidsonische Argumenttheorie: Dies ist die Reaktion auf die davidsonische Ar­
35
darin, daß es keine ausdruckseitigen Indizien dafür gibt, was in die Argumentliste des
gumenttheorie: Verbale Prädikate haben nur ein Ereignisargument (26a); die den
Prädikats aufzunehmen ist. Auch die Unterscheidung zwischen notwendigen und nicht­
thematischen Argumenten entsprechenden Individuen werden über thematische Rollen
notwendigen NPs könne der Unterscheidung von Argumenten und Nicht-Argumenten
als Relationen (26b) oder Funktionen (26c) eingeführt.
nicht zugrundegelegt werden (Parsons 1990:296). Insofern sieht Parsons offenbar den
(26) a. QUÄL(e) Vorteil des neo-davidsonischen Ansatzes darin, daß er alle durch NPs oder PPs einge­
b. ... & AGENS(x,e) & PAiTENS(y,e) führten Individuen in gleicher Weise als thematische Konjunkte behandelt, ohne zwischen
c. ... & (AGENS(e) = x) & (PATTENS(e) = x) Argumenten und Modifikatoren unterscheiden zu müssen. Nun ist es, wie in Kapitel 3.1.1
angeführt, richtig, daß uns die Form (PPs, NPs, unterschieden durch Flexion oder Stel­
Ich möchte im Folgenden die neo-davidsonische Argumenttheorie mit der davidsonischen
lung) oder syntaktische Notwendigkeit eines Verbbegleiters noch nicht viel über seine
Theorie vergleichen, also einer Argumentlistentheorie mit Ereignisargument. Auf Ar-
semantische Funktion (Argument, Modifikator) verrät. Es ist aber auch darauf hingewie­
gumentlistentheorien ohne Ereignisargument werde ich an dieser Stelle nicht weiter ein­
sen worden (Kap. 3.1.1), daß der Unterscheidung zwischen semantischen Argumenten der
gehen. Sie erlauben zwar die Konstruktion von Ereignissen, wie bei Reichenbach
Prädikatskonstante und Modifikatoren ohnehin keine syntaktischen Kriterien zugrunde­
(7947/1966) (Kap. 3.1.3) und Chierchia (7984/1988, 1989) zu sehen, aber Ereignisse
gelegt werden sollten.
beanspruchen in diesen Theorien keine Argumentstellen verbaler Prädikate, da sie als
Auch Davidsons (7985/1986:2321) Vorschlag, die und nur die implizierten Partizipan­
konstruierte Entitäten nicht ontologisch grundlegend sind.
ten in die Argumentliste des verbalen Prädikats aufzunehmen, führt nach Parsons
Nach Parsons (1985:235f) ist allerdings die neo-davidsonische Repräsentation von
(1990:97) zu Schwierigkeiten. Bei Verben wie stab, deren semantisch zweistellige, transi­
(27a), also (27b), ohnehin nur eine durch zusätzliche logische Struktur verfeinerte Version
tive Variante einen Patiens beinhaltet (28a), deren intransitive Variante einen solchen
der argumentlistenbasierten Repräsentation in (27c), ohne mit dieser inkompatibel zu sein.
Patiens aber nicht impliziert (28b), müßte, um ohne zusätzliche Bedeutungspostulate eine
(27) a. Mary saw John Folgerung vom zwei- auf den einstelligen Satz zu erhalten, der Patiens auch in der Reprä­
b. 3e[SEEING(e) & AGENS(mary,e) & PATIENS(john,e)] sentation des intransitiven Verbs auftreten und dort - inkorrekterweise - existenziell ge­
c. SEE(mary, john) bunden sein (28b). In einer neo-davidsonischen Repräsentation ergibt sich die Folgerung
d. 3e[SEE(maryjohn,e)] von Brutus stabbed Caesar auf Brutus stabbed dagegen automatisch aufgrund der konju­
gierten Prädikate (28c):
Ich denke, diese Auffassung ist falsch; (27b) ist weder eine Verfeinerung von (27c) noch
von der davidsonischen Variante (27d). Vielmehr spricht die Version in (27b) den Indivi­ (28) a. Brutus stabbed Caesar
duenbedeutungen Mary und John den Status als verbale Argumente der Prädikatskon-
36
3e[STAB(brutus,caesar,e)]
b. Brutus stabbed
* 3y3e[STAB(brutus,y,e)]
Die Vorschläge zur Ausgliederung der Argumente gehen auf Castañeda (1967:106) zurück.
Martin (1975:52) hat später Sätze repräsentiert als aus einem einstelligen Prädikat und Kon- c. 3e[STAB(e) & AGENS(e,brutus) & PATIENS(e,caesar)]
junkten thematischer Relationen bestehend, wobei thematische Relationen als präpositionale -> 3e[STAB(e) & AGENS(e,brutus)]
Relationen aufgefaßt wurden. Eine Relation wie "e By x" entspricht dabei der Notation
"Agent(x,ey\ wie sie von Parsons (1980:33) und ähnlich auch von Sondheimer (1978:243f) Nun hat die Diskussion um den Argumentbegriff in Kapitel 3.1.1 gezeigt, daß erstens der
verwendet wurde. Argumentstatus nicht auf dem Implikationskriterium gründen kann, und daß wir zweitens
'Argument' meint hier wie in allen anderen Teilen der Arbeit natürlich 'semantisches Argument' ohnehin lexikalische Verbvarianten verschiedener Steifigkeit annehmen müssen. Es ist
eines Prädikats oder einer Funktion; die syntaktische Realisierung solcher Argumente be­ daher vollkommen natürlich und empirisch gerechtfertigt, auch hier zwei Verbvarianten
zeichne ich als Komplemente oder syntaktische Ergänzungen.
176 177

anzusetzen, ein transitives STAB(x,y,e) und ein intransitives STAB(x,e), die durch Be- für die Argimientidentifikation also nicht erforderlich. In neo-davidsonischen Ansätzen
deutungspostulate aufeinander bezogen sind. Damit entpuppt sich auch dieses vermeintli­ dagegen ist nur das Ereignisargument lexikalisch gegeben. Die den ursprünglichen Argu­
che Problem davidsonischer Ansätze als ein Scheinproblem. menten entsprechenden Individuen sind über Konjunkte eingebunden (32a) und können
Kritisch angemerkt wurde auch Folgendes: In davidsonischen Ansätzen verändert die über Bedeutungspostulate wie in (32b) als lexikalisch impliziert gekennzeichnet werden:
Applikation des Verbs auf ein Argument den semantischen Typ des verbalen Ausdrucks:
(32) a. QUÄL(e)&AGENS(x,e)&PATIENS(y,e)
(29) a. Ute schlägt Horst b. DVe[QUÄL(e) -> (3x[AGENS(x,e)] & 3y[PATIENS(y,e)])]
b. X.y>.xXe[SCHLAG(x,y,e)]< < < »>(horst) = XxXe[SCHLAG(x,horst,e)]< < >>
ei e> eit e ei ejt
Dies setzt aber voraus, daß jedes Individuum, das auf diese Weise angebunden werden
Damit wird - so Krifka (1989a:228) - eine variable Typisierung von solchen Adverbialen soll, eine Rolle trägt (Vollständigkeitsbeschränkung) und alle den Argumenten entspre­
erzwungen, die auf verschiedenen Komplexitätsstufen des Satzes adjungieren. Krifka chenden Individuen durch Rollen unterschieden sind (Verschiederiheitsbeschränkung).
(1989a:229f) behandelt deshalb in einem neo-davidsonischen Ansatz alle verbalen Aus­ Nach Dowty (1986:348) hat der neo-davidsonische Ansatz den Vorteil, daß die Voll­
drücke als Ereignisprädikate, also Prädikate vom Typ <e,t>. Die Anbindung von Agens­ ständigkeitsbeschränkung sogar aus ihm folgt, und das tut sie, "because there is no way in
und Patienspartizipant wird bei Krifka als Modifikationsprozeß behandelt, der den Typ this theory to state that an individual is a participant in an event except by relating it to the
des verbalen Ausdrucks nicht verändert (s. auch weiter unten). Adverbiale, die an verbale event via some thematic role." Würde dies tatsächlich folgen, so wäre der neo-davidsoni-
Ausdrücke adjungieren, treffen also immer auf verbale Ausdrücke des gleichen Typs, egal sche Ansatz in der Tat empirisch sehr interessant. Tatsächlich ist aber die Vollständig­
wieviele syntaktische Stellen des Verbs schon gesättigt sind. keitsbeschränkung doch offenbar keine Folgerung, sondern vielmehr die zugrundeliegende
Das von Krifka angeführte Problem mit adverbialen Modifikatoren entsteht allerdings Annahme der neo-davidsonischen Theorie: Sie besteht ja aus nichts anderem als der Be­
unter den in der vorliegenden Arbeit angenommenen Kompositionsmechanismen gar hauptung, daß alle Argumente aus der Argumentliste des Prädikats ausgegliedert und über
nicht. Der Kompositionsmodus der Konjunktion (30b) erlaubt die Verknüpfung von Ad­ thematische Rollenprädikate an das Ereignis angebunden werden können. So folgt aus
verbialen und verbaler Projektion unabhängig davon, wieviele Argumentstellen des Verbs (32a) in keiner Weise, daß alle den ursprünglichen Argumenten entsprechenden Indivi­
schon gesättigt sind, und ohne daß für die Adverbiale verschiedene Typvarianten ange­ duen auch tatsächlich über thematische Rollen angebunden sind. Auch die Verschieden­
nommen werden müssen. Das heißt, in Southfield adjungiert in (30a) an finden und in heitsbeschränkung - so Dowty (1986:348) - "follows automatically in this approach, for if
(31a) an einen Golfballfinden,ohne daß es deshalb von variablem Typ sein m u ß : 37
two participants in an event are to be given any semantically distinct status at all in this
method, it will have to be by means of different thematic roles which relate them to the
(30) a. ...daß sie einen Golfball in Southfield findet
event in question." Das eben Gesagte gilt auch hier: Die Verschiedermeitsbeschränkung
b. AK(Z',y) = XÄi...Xa [Zta )...(aj) & 7'(«i)..(a„)] (für 1 < i < j < n)
n i
folgt natürlich nicht aus der neo-davidsonischen Theorie, sondern ihre Gültigkeit ist viel­
c. A%{in-Southfield'findety. 38
mehr vorausgesetzt.
XyXxXe"[Xe[IN(southfield,e)](e") & XyX.xA.e[FIND(x,y,e)](yXx'Xe")]
, , , , ,

d. ^-Konversion: X.y'X.x'Xe"[IN(southfield,e") & FIND(x',y',e")] Lexikalische Einträge in neo-davidsonischen Repräsentationen: Es ist schon angespro­
chen worden, daß es in einem neo-davidsonischen Ansatz die ursprünglichen themati­
(31) a. ... daß sie in Southfield einen Golfball findet
schen Argumente des Verbs nicht mehr gibt. Dies gilt zumindest für die Argumente der
b. A^n-Southfield',einen-Golßall-findety. 39
Prädikatskonstante. In einem davidsonischen Ansatz sind die verbalen Prädikats­
X.xXe [Xe'[IN(southfield,e')](e) & XxXe[FIND(x,y,e) & EIN-GOLFBALL(y)](x'Xe")]
, B n

konstanten von verschiedener Steifigkeit, also etwa V E R B A ( C ) , VERBB(x,e),


c. X-Konversion: Xx%e"PN(southfield^") & FIND(x',y,e") & EIN-GOLFBALL(y)]
VERBc(x,y,e), etc., während in neo-davidsonischen Ansätzen alle Prädikatskonstanten
Argumenttheorien und die Beschränkungen der Thetarollenzuweisung: In den letzten nur eine Stelle für ein Ereignis haben, also VERB(e). Anders sieht die Situation hinsicht­
beiden Kapiteln sind mit der Vollständigkeits-, der Verschiedenheits- und der Einmalig­ lich der Argumente der Lexernfünktion aus. In einem davidsonischen Ansatz korrespon­
keitsbeschränkung drei Restriktionen über Thetarollenzuweisungen angesprochen worden. dieren die thematischen Argumente der Ixxernfünktion mit den syntaktisch geforderten
Diese Restriktionen haben in davidsonischen und neo-davidsonischen Ansätzen allerdings Stellen des Verbs. Ein transitives Verb hat zwei X-präfigierte thematische Argumente, ist
einen ganz unterschiedlichen Status. So ist die Vollständigkeit und Verschiedenheit der also hinsichtlich der Lexernfünktion semantisch zweistellig (33a), dessen intransitive
Argumente in davidsonischen Ansätzen bereits durch ihre Auflistung und ihre unter­ 40
Variante semantisch einstellig (33b). In neo-davidsonischen Ansätzen können wir nun
schiedlichen Positionen in der Argumentliste des verbalen Prädikats gewährleistet. Daß
thematische Rollen der Vollständigkeits- und Verschiedenheitsbeschränkung genügen, ist
Die Behauptung, Vollständigkeits- und Verschiederiheitsbeschränkung würden aus dem neo-
davidsonischen Ansatz folgen, wird seltsamerweise in Dowty (1989:83) fast wörtlich wieder­
Dies soll nur die prinzipiellen Möglichkeiten des Kompositionsmechanismus erläutern; damit holt, obwohl er hier diesen Ansatz aus guten Gründen für Verbrepräsentationen ablehnt.
soll nicht ausgeschlossen werden, daß (31) die für beide Sätze grundlegende syntaktische Zur Unterscheidung von Prädikatskonstante und Lexemfunktion vgl. Kapitel 3.2.2 und 3.3.5.
Struktur darstellt, die interpretiert werden muß. Krifka verknüpft seine Kritik nicht mit dem Die Angabe der Steifigkeit bezieht sich auf die thematischen Argumente; 'einstellige' Verben
Hinweis auf bestimmte Adverbialarten. haben also ein thematisches plus ein Ereignisargument.
178 179

zwischen einer dekompositionellen und einer nicht-dekompositionellen Variante unter­ chenden Repräsentationen sind in der jeweils ersten Zeile der Beispiele in (36) wiederge­
scheiden. Die dekompositionelle Variante (34) unterscheidet sich hinsichtlich der Stellig- geben. Jeder dieser drei syntaktischen Regeln entspricht eine Übersetzungsregel (Tl, T2
keit der Lexemfünktion nicht von davidsonischen Ansätzen. In der nicht-dekompositio­ T3), die etwas vereinfacht wie folgt aussehen:
nellen Variante (35) haben dagegen nicht nur alle verbalen Prädikatskonstanten, sondern
Tl: Wenn die lexikalische Repräsentation von Vimransitiv VERB ist, dann übersetzt
auch alle Lexemfunktionen lediglich eine Ereignisstelle. [Vintransitivjyp j A, [VERB(e)].
n e

(33) a. spülen\\ /nom/akk X.yX.xX.e[SPÜL(x,y,e)] T2: Wenn die lexikalische Repräsentation von Vtransitiv VERB ist und die von NP
b. spülen^. /nom A.xXe[SPÜL(x,y d, )]
±
e namei, dann übersetzt [Vtransitiv NP]vp in Xe[VERB(e) & OBJEKT(namei,e)].
T3: Wenn VP in VT" übersetzt und die lexikalische Repräsentation von NP in name2,
(34) a. spüleny. /nom/akk A.yXxXe[SPÜL(e) & AGENS(x,e) & PATf£NS(y,e)]
dann übersetzt S-INF in Xe[VP'(Q) & AGENS(name ,e)].
b. spulen^. /nom XxX.e[SPÜL(e) & AGENS(x,e)] 2

Anbindung thematischer Konjunkte bei Krifka: Anders als bei Parsons (1980) sind Krifkas
(35) a. spülen\. /nom/akk Xe[SPÜL(e)]
43

b. spülen^. /nom Xe[SPÜL(e)] (1989a:228ft) neo-davidsonische Repräsentationen typengesteuert: Die der syntaktischen
Ergänzung entsprechende Individuenvariable und die thematische Relation werden nicht
Während davidsonische und dekompositionelle neo-davidsonische Theorien die NP-Be- durch das Verb (37a), sondern durch die Komplement-NP eingebracht (37b). Diese NP-
deutungen über Funktionsapplikation oder, wie in dieser Arbeit, durch Individueneinfüh­ Bedeurung appliziert auf die Verbbedeutung wie in (37c). Dadurch, daß die NP-Bedeutung
rung (s. Kap. 3.2.1) an die Verbbedeutung anbinden, müssen die mcht-dekompositionellen als höherstufiges Prädikat konstruiert ist, ergibt sich die gleiche Ableitung wie etwa bei
neo-davidsonischen Ansätze einen anderen Verarbeitungsmechanismus wählen, da ihr 44
adverbialen Modifikationsprozessen, und das heißt auch, daß der resultierende Ausdruck
semantischer Typ keine Applikation auf thematische Argumente zuläßt. Um die Adä- vom gleichen Typ ist wie das Verb, auf das appliziert wurde. Unabhängig davon, wieviele
quatheit nicht-dekompositioneller neo-davidsonischer Verbrepräsentationen unter Ver­ Valenzstellen des Verbs bereits gesättigt wurden, sind die verbalen Ausdrücke als Ereig­
arbeitungsgesichtspunkten zu überprüfen, sollen zwei solcher Ansätze im Folgenden kurz nisprädikate immer vom gleichen Typ.
skizziert werden.
(37) a. essen: SYN: {V,...,/{nom,agens,...}/{akk,patiens,...}}
Anbindung thematischer Konjunkte bei Parsons: Parsons (1980:49ff, 1985:240ff) entwirft SEM: X.erESS(e)]< > e>t

einen neo-davidsonischen Ansatz, der eng an Montague (1973) angelehnt ist und semanti­ b. Apfel: SYN: {NP,akk,patiens,...}
sche Repräsentationen über eine Reihe von Übersetzungsregeln aufbaut. Die Repräsenta­ SEM: XPXe3x[P(e) & PATfENS(x,e) & ÄPFEL(x)]« >< » £;t e;t

tion für VPs mit intransitiven bzw. transitiven Verben und für infinite Sätze sieht wie folgt c. Äpfel essen: SYN: {V,/{nom,agens,...}}
aus, wobei Parsons (1980) nur zwei thematische Rollen verwendet, AGENS und SEM: XPXe3xrP(e) & PATIENS(x,e) & ÄPFEL(x)](Xe[ESS(e)]) =
41
OBJEKT: Xe3x[ESS(e) & PATIENS(x,e) & ÄPFEL(x)]< > ejt

(36) a. run: [Vintransitivjyp Thematische Rollen sind in diesem Ansatz nicht nur semantische Größen, sondern sie
A.e[RUN(e)] sind auch als syntaktische Merkmale spezifiziert, und zwar in den Valenzforderungen des
b. alert the burglar. [Vtransitiv, NP]yp Verbs (37a) und in der syntaktischen Angabe der NP, die die Valenzstelle des Verbs sät­
Xe[ALERT(e) & OBJEKT(the-burglar,e)] tigt (37b). Die NP- Bedeutung wie in (37b) wird aus der Substantivbedeutung und einem -
c. Mary alert the burglar: [NP, [Vtransitiv, NP]vp]S-rNF in diesem Fall - indefiniten Determinator konstruiert, der die Substantivbedeutung unter
)ie[ALERT(e) & OBJEKT(the-burglar,e) & AGENS(mary,e)] anderem mit einer thematischen Spezifikation anreichert. Welches thematisch-syntakti­
Das Lexikon enthält Prädikatskonstanten für Verben (RUN, ALERT, ...) und Individuen­ sche Merkmal und welches thematisch-semantische Konjunkt die NP dadurch erhält, wird
42
konstanten für Namen (mary, the-burglar, . . . ) . Die den syntaktischen Regeln entspre- durch die thematisch-syntaktische Valenzforderung des Verbs gesteuert. Ich komme im
nächsten Kapitel noch auf die beiden Theorien von Parsons und Krifka zurück.
4 1
Ich gebe Parsons Ansatz hier in vereinfachter und an die hier verwendeten Notationen ange­ Zusammenfassung: Die Fragen nach dem semantischen Typ thematischer Rollen und den
paßter Form wieder. Parsons (1980:51) versteht verbale Prädikate eigentlich als Relationen
Beschränkungen der Thetarollenzuweisung stehen in engem Zusammenhang mit der
zwischen Ereignissen und Zeiten, wobei ein Prädikat OCC das Auftreten eines Ereignisses zu
einer bestimmten Zeit beschreibt. Das Verb run übersetzt also genauer in X.eX.t[RUN(e) &
OCC(e,t)]. In Parsons (1985:244) treten statt OCC die Prädikate HOLD (für Zustände und Pro­ Krifkas (1989a) Ansatz, der sich in ähnlicher Form auch in Krifka (1992:36f) findet, ist hier in
zesse) und CUL (für Ereignisse im engeren Sinne) auf. Ich ignoriere hier diese zusätzlichen vereinfachter Form wiedergegeben und an die in der vorliegenden Arbeit üblichen Notationen
Prädikate in der Verbübersetzung. angepaßt.
4 2
Parsons (1980:50) faßt Ausdrücke wie Mary, John, the burglar. the switch, u.s.w. (auch syn­ Z.B. in der Küche essen (vgl. auch Krifka 1989a:229):
taktisch) als Namen auf; in den syntaktischen Repräsentationen in (36) spreche ich allerdings XPXe[P(e) & IN(e,die-küche)]« t > Xe[ESS(e)]< t>=
e < e t>> e

von NPs statt von Namen. Xe[ESS(e) & IN(e,die-küche)]« et>


180
181

Wahl einer Argumenttheorie. Es lassen sich drei solcher Theorien unterscheiden: solche, Sobald man die eigentliche Idee thematischer Rollen ernst nimmt und zusätzliche Rollen
in denen Verben nur über thematische Argumente verfügen (Argumentlistentheorie), einführt - und genau das schwebt Parsons (1980:52) auch vor - steht man vor einem Pro­
solche, in denen sie thematische und ein Ereignisargument haben (davidsonische Argu­ blem: Eine VP kann nun je nach der Thetarolle der in ihr enthaltenen NP ganz verschie­
menttheorie), und schließlich solche, in denen Verben lediglich über ein Ereignis prädi- dene Übersetzungen haben (über die ohnehin unterschiedliche Prädikatskonstante des
zieren (neo-davidsonische Argumenttheorie). Innerhalb solcher neo-davidsonischer Theo­ Verbs hinaus), also etwa wie in den semantischen Repräsentationen in (39a) oder (39b).
rien lassen sich wiederum zwei Varianten unterscheiden: Beide nehmen an, daß Prädi­ Da die semantische Verbrepräsentation aber keine Informationen über Ereignispartizi­
katskonstanten keine thematischen Argumente haben; die eine Variante geht allerdings panten und deren Rollen enthält, kann sie auch nicht die korrekte thematische Anbindung
von einer Dekomposition der Verbbedeutung in verbale Prädikatskonstante und themati­ der Partizipanten steuern. Es bleibt hier wohl keine andere Möglichkeit, als die syntak­
sche Konjunkte aus, so daß durch X-Abstraktion mehrstellige Lexemfünktionen entstehen, 8
tische Kategorie yt™" «™ zu subklassifizieren, wie in der syntaktischen Repräsentation von
während die andere Variante nicht dekomponiert und auch verbale Lexemfünktionen (39a) und (39b). Übersetzungregeln müßten dann so aussehen wie in (39c) und (39d):
durchgehend als Ereignisprädikate auffaßt.
(39) a. den Apfel essen: SYN: [Vn-ansitiv/patiens, NP]yp
Es wurden in diesem Kapitel einige Kritikpunkte gegen davidsonische Theorien ent­
kräftet, die vermeintliche Probleme mit der Typenvielfalt verbaler Prädikate und der Un­ SEM: X.e[ESS(e) & PATJENS(den-Apfel,e)]
b. den Mann erschrecken: SYN: [Vtransitiv/experiencer, NP]yp
terscheidung zwischen Argumenten und Modifikatoren betreffen. In dem folgenden Kapi­
tel werde ich zu zeigen versuchen, warum neo-davidsonische Theorien aus empirischen SEM: X.e[ERSCHRECK(e) & EXPERIENCER(der-Mann,e)]
Gründen als inadäquat oder zumindest problematisch zu beurteilen sind bzw. warum sich c. Wenn die lexikalische Repräsentation von Vransitiv/patiens VERB ist und die von NP
einige vermeintliche Vorteile der neo-davidsonischen Theorie bei genauerer Betrachtung name!, dann übersetzt [Vtramitiv/patiens, N P ]
w XefVERB(e) & PATT£NS(name ,e)].
m 1

als Nachteile entpuppen. d. Wenn die lexikalische Repräsentation von V^ansitiv/experiencer VERB ist und die von NP
name!, dann übersetzt [Vtransitiv/experiencw NP]yp in X.e[VERB(e) & EXPERIENCER
(namei,e)].
4.1.4 Neo-davidsonische Theorien aus lexikalischer Sicht Letztlich muß man auf diese Weise also thematische Rollen als syntaktische Merkmale
einführen, und das ist dann auch der Weg, den Krifka (1989a) beschreitet. Welche thema­
Kompositionelle Einbindung der thematischen Konjunkte: In davidsonischen Ansätzen tische Rolle eine NP-Bedeutung einführt, wird durch ein syntaktisches Thetarollenmerk-
wird thematische Information über Bedeutungspostulate wie in (38a) eingebracht. In de- mal im Verbeintrag gesteuert (37a). Thematische Rollen als syntaktische Merkmale anzu­
kompositionellen neo-davidsonischen Ansätzen ist die thematische Information Teil der nehmen, ist aber eine doch ziemlich unglückliche Ad-hoc-Lösung des Problems. Themati­
Verbübersetzung (38b). In nicht-dekompositionellen Ansätzen dagegen enthält die sche Rollen wie 'Patiens' sind von syntaktischen Merkmalen wie 'Akkusativ' doch eben
Verbübersetzung nur eine Prädikatskonstante. Diese Ansätze stehen also zunächst vor dem genau dadurch unterschieden, daß sie keine eindeutige morphosyntaktische Ausprägung
Problem, wie sie die thematischen Konjunkte kompositioneil in die Satzbedeutung inte­ finden. Sie sind genuin semantische Begriffe, die auf der semantischen Seite der Syntax-
45
grieren. Auch Bedeutungspostulate wie in (38c), die gewöhnlich neo-davidsonische Reprä­ Semantik-Schnittstelle angesiedelt sind.
sentationen ergänzen, sagen uns natürlich noch nichts darüber, welche Individuenbedeu­
tung im Satz eine bestimmte Rolle einnimmt oder wieviele syntaktisch ausdrückbare Er­ Die Vollständigkeitsbeschränkung: Die neo-davidsonischen Theorien setzen die Gültigkeit
eignispartizipanten ein Verb fordert. der Vollständigkeitsbeschränkung voraus. Es kann allerdings bezweifelt werden, daß allen
Individuen, die in Argumentlistentheorien Argumentpositionen einnehmen, eine der klas­
(38) a. •VxVyVe[SPÜL(x,y,e)->AGENS(x,e)&PATIENS(y,e)] 46
sischen thematischen Rollen zugewiesen werden kann. So ist es ziemlich unklar, welche
b. XyXxXe[SPÜL(e) & AGENS(x,e) & PATTENS(y,e)] Rolle die Individuen in Objektposition bei den folgenden Beispielen füllen:
c. • Ve[SPÜL(e) -> 3x3y[AGENS(x,e) & PATJENS(y,e)]]
(40) a. Möller spielt einen Doppelpaß
Parsons (1980, 1985) bindet, wie im letzten Kapitel gesehen, thematische Relationen mit b. Möller spielt einen Boogie-Woogie
Hilfe seiner Übersetzungsregeln als Konjunkte an die Verbbedeutung: Die Übersetzung c. der Mittelwesten ähnelt dem Münsterland
einer VP mit transitivem Verb führt die thematische Relation OBJEKT ein, die Überset­ d. Olga wiegt 62 Kilo
zung eines infiniten Satzes die thematische Relation AGENS. Solange keine weiteren e. Möller hört einen Boogie-Woogie
thematischen Rollen verwendet werden, mag dies relativ unproblematisch erscheinen. Die f. Hanna liebt einen Omithologen
eigentliche Idee thematischer Rollen geht dabei natürlich verloren: AGENS und OBJEKT
stehen hier letztlich für nichts anderes als Subjekt und direktes Objekt. Thematische Rol­
len finden ihre Berechtigung aber gerade darin, nicht in einem Eins-zu-Eins-Verhältnis zu Darüber kann auch nicht hinwegtäuschen, daß sie in älteren Ansätzen wie Fillmore (1968a) als
Einheiten der syntaktischen Tiefenstruktur verstanden wurden; heutzutage besteht wohl Kon­
syntaktischen Relationen oder syntaktischen Valenzstellen zu stehen, sondern eine sens darüber, daß ihr Inhalt auf der Ebene der lexikalischen Semantik konstruiert werden muß.
Kreuzklassifikation zu der syntaktischen Klassifikation von Verbbegleitern zu bilden. Vgl. dazu auch Chierchia / McConnell-Ginet (1990:384).
182 183

Wir können die thematischen Rollen allerdings von ihren Aufgaben der Argumentanbin- (42) a. •Ve[LIEB(e) -> 3x[IST-EMOTIONAL-INVOLVIERT(x,e) & IST-SICH-BEWUßT(x e) &
dung entlasten, indem wir auch beliebige andere verbabhängige semantische Relationen BELEBT(x)]]
zwischen Individuen und Ereignissen zur Erfüllung der Vollständigkeitsbeschränkung b. •Ve[LIEB(e) -> 3y[BELEBT(y)]]
heranziehen. Selbst wenn wir vielleicht nicht sagen können, welche thematische Rolle
Hanna in (40f) spielt, so gibt es doch bestimmte verbabhängige Folgerungen, über die das Die Verschiedenheitsbeschränkung: Probleme stellen sich auch hinsichtlich der empiri­
Individuum an das verbale Ereignis gebunden ist: Über einen Partizipanten von lieben schen Adäquatheit der Verschiedenheitsbeschrärikung. In Beispielen wie (43a), die einen
wissen wir etwa, daß er emotional involviert ist und sich des Lieben-Ereignisses bewußt ist Austausch von Ware und Geld implizieren, sind sowohl Karla als auch Kurt gleichzeitig
(41a): 47
Agens (als Geber von Geld bzw. Ware) und Rezipient (als Empfänger von Ware bzw.
Geld), haben also beide die gleichen Rolleneigenschaften (Dowty 1989:106). Auch hier
(41) a. •Ve[LIEB(e) -> 3x[IST-EMOTIONAL-INVOLVIERT(x,e) & IST-SICH-BEWUßT(x,e)]]
läßt sich das Distinktionsproblem über die Annahme lösen, daß nicht typisierte, individu­
b. • Ve[LJEB(e)->3y[OBJEKT(y,e)]
elle Eigenschaften die beiden Argumente individuieren. In diesem Fall unterscheiden sich
Wenn wir auf diese Weise die Vollständigkeitsbeschränkung mehr oder weniger auf das die beiden Partizipanten dadurch, wer hinterher das Geld und wer die Ware hat (43b):
Bestehen semantisch motivierter individueller Rollen beziehen, so ist Vollständigkeit
(43) a. Kurt verkauft Karla eine Geige
möglicherweise zu erreichen. Damit schwächen wir zwar die Thetarollentheorie erheblich,
b. []Ve[VERKAUF(e) -> 3x3y[AGENS(x,e) & REZJPIENT(x,e) & HAT-HINTERHER-
aber die Angemessenheit des neo-davidsonischen Ansatzes ist dadurch nicht unbedingt
GELD(x,e) & AGENS(y,e) & REZJPJENT(y,e) & HAT-HINTERHER-WARE(y,e)
betroffen, denn alle Individuen können nun vermutlich an das e-Argument angebunden
&x*y]]
werden. Im Gegensatz zu der nur auf thematischen Relationen basierenden Theorie will
ich die auf semantisch motivierten individuellen Rollen basierende Theorie als schwache Eine starke neo-davidsonische Theorie - also eine, die der thematischen Verschiedenheits­
neo-davidsonische Theorie bezeichnen. 48
beschränkung genügt - läßt sich demnach wohl nicht halten, aber die schwache neo-
49
Die Vollsl^digkeitsbesclu-änkung ist im Übrigen auch in einer schwachen neo-david­ davidsonische Theorie bleibt davon zunächst unberührt.
sonischen Theorie noch nicht notwendigerweise erfüllt, denn es stellt sich z.B. für den Ein anderer Fall liegt allerdings bei symmetrischen Verben wie in (44a) und (44b) vor,
Ornithologen in (40f) immer noch die Frage, ob er überhaupt über irgendwelche verb­ bei denen tatsächlich keinerlei unterschiedliche Folgerungen bezüglich der Rollen der
50
spezifischen Folgerungen an das Ereignis angebunden ist. Wir können zwar bestimmte Partizipanten festzustellen sind ( 4 4 c ) .
Folgerungen formulieren, wie etwa, daß der Ornithologe den Partizipanten realisiert, der (44) a. Karla ähnelt Karola
Gegenstand des Liebens ist (41b), aber solche Folgerungen scheinen so beliebig und in­ b. Karla heiratet Karl
haltsarm, daß sie letztlich über eine rein argumentindizierende Funktion nicht hinaus­
c. •Ve[HEIRAT(e) -> 3x3y[AGENS(x,e) & SAGT-JA-WORT(x,e) & HAT-HINTERHER-
kommen. Die Behauptung des neo-davidsonischen Ansatzes, Individuen über ihre spezifi­
EHEPARTNER(x,e) & ... & AGENS(y,e) & SAGT-JA-WORT(y,e) & HAT-HINTERHER-
sche Beteiligung am Ereignis unterscheiden zu können, ist damit jedenfalls in Frage ge­
EHEPARTNER(y,e) & ... & x * y]]
stellt.
Wenn wir aber Individuen nicht über ihre Ereignisbeteiligung identifizieren können, Hier kann die Verschiedenheitsbeschränkung nicht einmal unter Rückgriff auf individu­
also über Relationen des Typs P(x,e), dann ist es unter anderem auch nicht mehr möglich, elle Rollen aufrechterhalten werden, so daß auch die schwache neo-davidsonische Theorie
verbspezifische Selektionsrestriktionen zu formulieren, also Eigenschaften vom Typ P(x). scheitern muß.
So wissen wir etwa, daß lieben (in der "amour"-, nicht in der "like"-Lesart) belebte Parti­ Insofern als die neo-davidsonische Theorie auf der empirischen Korrektheit der Voll-
zipanten in Subjekt- und Objektposition fordert. Dies läßt sich für das relational ans Lie­ ständigkeits- und Verschiedenheitsbeschränkung gründet, legen die diskutierten Probleme
ben-Ereignis angebundene Subjekt formulieren (42a), nicht aber fürs Objekt, wenn wir für den Schluß nahe, daß die starke, nur auf thematischen Relationen basierende neo-david­
51
dieses keine spezifischen Relationen zwischen Objekt- und Ereignisargument feststellen sonische Theorie falsch ist, und daß die schwache, auf semantisch motivierten individu­
können. (Die Formulierung in (42b) sagt uns natürlich nur, daß es belebte Individuen gibt, ellen Rollen basierende neo-davidsonische Theorie zumindest erhebliche empirische Pro­
wenn es überhaupt ein Lieben-Ereignis gibt, aber nichts über deren Relation zu diesen bleme mit sich bringt.
Ereignissen.)
Der neo-davidsonische Ansatz ist meines Erachtens völlig unabhängig von der Frage, welche
anderen semantischen Eigenschaften oder Relationen neben den thematischen Rollen die Ar­
gumentindividuen kennzeichnen. Es wäre doch wohl eine empirisch äußerst unplausible An­
Auf Bewußtheit als verbabhängige Folgerung komme ich in Kapitel 4.2.2 noch zu sprechen. nahme - in welchem Ansatz auch immer - zu behaupten, es gäbe solche zusätzlichen
Die Formulierung 'semantisch motivierte individuelle Rollen' soll ausdrücken, daß es hier um Relationen nicht.
Rollen geht, die sich aus bestimmten verbspezifischen Folgerungen bezüglich eines der Argu­ Daß wir es beim Heiraten mit einem weiblichen und einem männlichen Agens zu tun haben, ist
mente ergeben. Wenn sich die schwache neo-davidsonische Theorie überhaupt von einer bloß dabei rein kulturspezifisches enzyklopädisches Wissen.
argumentindizierenden Theorie unterscheidet, muß zumindest diese Forderung erfüllt sein. Das ist auch Dowtys (1989:108) Schlußfolgerung.
184 185

Das Fehlen der mehrstelligen Prädikatskonstante: Die Version der Einmaligkeits­ stimmte thematische oder andere Relationen zwischen dem Argument und dem verbalen
beschränkung, für die ich im vorletzten Kapitel in Form von P-6 plädiert habe, besagt, daß Ereignis beschreiben. Die letzten Abschnitte haben aber schon gezeigt, daß ein solcher
das verbale Prädikat genau ein Individuum in Argumentposition als uniquen Agens aus­ semantischer Zugriff auf die ursprünglichen Argumente der Prädikatskonstante in neo-
zeichnet, wenn dieses Individuum in bestimmten agenstypischen Relationen zum Ereignis davidsonischen Ansätzen nicht ohne weiteres möglich ist. Entsprechend lassen sich auch
steht. Das Verb verkaufen in (43a) mit zwei Agenzien und zwei Rezipienten zeigt schon, die anderen in Kapitel 3.1.1 und 3.1.2 besprochenen Phänomene, die mit der Existenz der
daß diese Restriktion möglicherweise nicht erfüllt werden kann. Ich will aber die Frage Prädikatskonstante verknüpft sind (lexikalische Einbindung von Argumenten in Teil­
der empirischen Adäquatheit der Einmaligkeitsbeschränkung hier noch offenlassen. Ich ereignisse, Ausgliederbarkeit in geschehen-Sätze), in neo-davidsonischen Ansätzen nicht
komme weiter unten darauf zurück. ohne weiteres behandeln.
Unberührt davon bleibt allerdings das Problem, daß die Eirunaligkeitsbeschränkung in
Formulierung von Selektionsbeschränkungen: In davidsonischen Ansätzen können Selek­
der Form, von der ich im letzten Kapitel versucht habe zu zeigen, daß sie die einzig sinn­
tionsrestriktionen als Folgerungen aus der Verbbedeutung formuliert werden (46a), in neo-
volle ist, in neo-davidsonischen Ansätzen gar nicht formuliert werden kann. Der Grund
davidsonischen Theorien ist das auf diese Weise nicht möglich, da die entsprechenden
dafür liegt einfach darin, daß die Prädikatskonstante des Verbs in der neo-davidsonischen
thematischen Argumente bei der Prädikatskonstante fehlen. Selektionsrestriktionen müß­
Theorie die ursprünglichen thematischen Argumente nicht mehr enthält.
ten hier, in Anlehnung an Postulate wie (38c), den Umweg über thematische Konjunkte
Es scheint im Übrigen auch nicht möglich, diese Argumente in nicht-arbiträrer Weise nehmen wie bei spielen in (46b):
aus den neo-davidsonischen Repräsentationen zu rekonstruieren. Die neo-davidsonische
Repräsentation eines Satzes wie (45a), von dem wir annehmen, daß er zwei Argumente (46) a. •VxVyVe[SPJEL(x,y,e)->BELEBT(x)]
und einen Modifikator enthält, präsentiert sich wie in (45b). Hier werden die drei Indivi­ b. • Ve3x[(SPIEL(e) & AGENS(x,e)) -> BELEBT(x)]
duenbedeutungen aber lediglich durch drei unterschiedliche Relationen in das Eß-Ereignis c. • VeVx[(SPIEL(e) & AGENS(x,e)) -> BELEBT(x)]
eingebunden. Einen der Argument-Modifikator-Differenzierung entsprechenden unter­
Dabei sieht man sich allerdings wieder mit den Problemen der Rollenauffassung neo-
schiedlichen Status erhalten sie aber nicht.
davidsonischer Theorien konfrontiert. Die funktionale Auffassung von thematischen Rol­
(45) a. Maria ißt Fischsuppe in der Mensa len, wie sie in neo-davidsonischen Theorien gewöhnlich vertreten wird, ist - wie ausführ­
b. 3e[ESS(e) & AGENS(maria,e) & PATEENS(die-Fischsuppe,e) & ORT(in-der-Mensa,e)] lich gezeigt wurde - falsch: Eine angemessene Formulierung der Einmaligkeitsbeschrän­
c. 3e[ESS(e) & AGENS(maria,e) & PATJENS(die-Fischsuppe,e) & IN(die-Mensa,e)] kung ist in neo-davidsonischen Theorien nicht möglich. Verstehen wir aber die themati­
schen Rollen als einfache Relationen, so sagt uns (46b) nichts weiter, als daß einer von
Selbst wenn wir eine an Parsons' (1985:253) Vorstellungen angepaßte Repräsentation des
vielleicht mehreren möglichen Agenzien belebt ist. Es geht uns aber hier natürlich nicht
Satzes wie in (45c) wählen, löst sich das Problem nicht. AGENS, PATIENS und IN sind 53
um irgendeinen Agens, sondern um den Agens in Subjektposition. Man könnte nun
gleichermaßen Relationen zwischen Ding- und Ereignisindividuen. Daß die durch
(46b) so umformulieren, daß die Selektionsrestriktion für alle denkbaren Agenzien eines
AGENS und PATIENS eingeführten Individuen im Gegensatz zu den durch IN oder an­
Spielen-Ereignisses gilt (46c). Damit wäre z.B. auch für einen zusätzlichen, durch eine
dere Relationen eingeführten Individuen einen besonderen Status innehaben, folgt aus der
52
Komitativ-Phrase eingeführten Agens festgelegt, daß er belebt sein muß. Das scheint in
neo-davidsonischen Repräsentation nicht. Man müßte dies also stipulieren; damit kehrte
diesem Fall auch richtig; bei anderen Verben lassen sich Selektionsrestriktionen so aber
man aber letztlich zu dem Argumentlistenansatz zurück, der ja explizit bestimmte Indivi­
nicht formulieren. Das Russische unterscheidet z.B. zwei Ausdrücke für 'heiraten', bei
duenbedeutungen dadurch hervorhebt, daß er ihnen beim verbalen Prädikat Argument­
vychodif zamuz muß das Individuum in Objektposition ein Mann sein, bei zenit'sja eine
status zubilligt. Kurzum, der neo-davidsonische Ansatz erlaubt es uns nicht, im Satz auf­
Frau. Wie im vorletzten Abschnitt angeführt, unterscheiden sich die beiden Partizipanten
tretende Individuenbedeutungen in eng mit dem Verb verbundene (unsere ursprünglichen
beim Heiraten nicht durch unterschiedliche (typisierte oder individuelle) Rollen. Beide
Argumente) und weniger eng mit dem Verb verbundene (unsere ursprünglichen Modifi-
sind auf jeden Fall als Agens involviert. Ein Bedeutungspostulat wie (47a) würde nun aber
katoren) einzuteilen.
behaupten, daß beide Agenzien Frauen sein müssen, was offenbar falsch ist.
Dies hat noch weitere Konsequenzen: In Kapitel 3.1.1 wurde gezeigt, daß die Argu­
mente der Prädikatskonstante sich von freien Angaben dadurch unterscheiden, daß die (47) a. •VeVx[(ZENITSJA(e)&AGENS(x,e))->WEIBLICH(x)]
Individuenbedeutungen, die sie füllen, nicht aus sich heraus ihren Beitrag zur Satzbedeu­ b. zenit'sja: SYN: {V,...,/{nom,agens,...}/{akk,patiens,weiblich...}}
tung liefern können, sondern daß dieser Beitrag von Eigenschaften des Verbs abhängt. SEM: Xe[ZENIT'SJA(e)]
Dieser semantische Beitrag drückt sich in Bedeutungspostulaten des Verbs aus, die be-
Ein letzter Ausweg bestünde nun auch hier darin, nicht nur thematische Rollen, sondern
auch Selektionsbeschränkungen als syntaktische Merkmale aufzufassen, wie in der SYN-
5 2
In Kapitel 3.1.1 wurde schon darauf hingewiesen, daß Impliziertheit kein Kriterium für Argu­
mentstatus ist. Das heißt, daß auch die ans Verb gebundenen Bedeutungspostulate uns nicht
helfen, Argumente von Modifikatoren zu trennen. Natürlich folgt aus essen, daß es einen Agens Vielleicht möchte man Agenzien als grundsätzlich belebt auffassen. Das vorgebrachte Argu­
und einen Patiens hat, aber es folgt eben auch, daß es einen Ort hat. ment ist aber prinzipieller Natur und würde dadurch nichts von seiner Gültigkeit verlieren.
186 187

Angabe von (47b). Dies ist natürlich aus den schon im ersten Abschnitt des Kapitels an­ ten Varianten die impliziten Argumente in die Dekomposition miteinbezogen werden, wie
geführten Gründen zu verwerfen. bei akzeptieren (mit definit zu interpretierendem Argument) und essen (mit defiiutheits-
neutralem Argument):
Probleme bei der Repräsentation impliziter Argumente: Da alle Verben in (nicht-dekom-
positionellen) neo-davidsonischen Theorien logisch gleich kategorisiert sind - so ein häu­ (50) a. akzeptieren: SYN: /nom
fig angeführtes Argument für diese Theorien - muß die semantische Verwandtschaft zwi­ SEM: X.xXe[AKZEPTIER(e) & AGENS(x,e) & PATIENS(y ,e)] +d

schen verschiedenvalentigen Verben wie z.B. transitiv (48a) und intransitiv schreiben b. essen: SYN: /nom
(48b) nicht durch Bedeutungspostulate explizit gemacht werden (Parsons 1980:52, Carl- SEM: XxXe[ESS(e) & AGENS(x,e) & PATIENS(y ,e)] ±d

54
son 1984:262ff, Eberle 1991:30f). Die Idee dahinter besteht offenbar darin, daß man
Damit verflüchtigt sich allerdings auch der vermeintliche Vorteil des neo-davidsonischen
etwa bei einer Intransitivierung zwar eine Regel für die syntaktische Valenzreduktion
Ansatzes, der ja darin bestehen sollte, daß keine zusätzlichen Informationen über implizite
formulieren muß, aber keine zusätzliche semantische Regel benötigt, die das implizite
Argumente in valenzreduzierten Verbvarianten benötigt werden.
Argument existenziell bindet. Die Implizitheit dieses Arguments folgt aus einem Bedeu­
tungspostulat wie (48c), das die implizierten Partizipanten eines von einem Prädikat be­ Selektionsbeschränkungen bei Valenzreduktion: Über die allgemeinen Probleme mit der
schriebenen Ereignisses erfaßt und das allen verbalen und nominalen Verwendungen des Formulierung von Selektionsbeschränkungen hinaus steht der neo-davidsonische Ansatz
Prädikats zugrundeliegt. vor dem Problem, wie er die semantischen Besonderheiten valenzreduzierter Verbvarian­
ten behandeln soll. So gelten in den meisten Fällen für das implizite Argument der intran­
(48) a. schreiben: SYN: /nom/akk
sitiven Verbvariante stärkere Selektionsrestriktionen als für das entsprechende Argument
SEM (nicht-dekompositionell): X.e[SCHREIB(e)]
der transitiven Variante. Die Annahme, allen Verbvarianten z.B. von spülen läge nur ein
SEM (dekompositionell): AyXxXe[SCHREIB(e) & AGENS(x,e)
einziges Prädikat SPÜL(e) zugrunde, dessen thematische Relationen und Restriktionen in
& PATIENS(y,e)]
einem Bedeutungspostulat formuliert werden können, ist angesichts der folgenden Bei­
b. schreiben: SYN: /nom spiele offenbar falsch:
SEM (nicht-dekompositionell): Xe[SCHREIB(e)]
SEM (dekompositionell): XxX.e[SCHREIB(e) & AGENS(x,e)] (51) a. Roswitha spült das Geschirr
c. •Ve[SCHREIB(e) -» 3x3y[AGENS(x,e) & PATENS(y,e)]] b. Roswitha spült die Wunde
c. Roswitha spült
Bei einem Verb wie kick wiederum, dessen transitive und intransitive Variante genau wie
schreiben repräsentiert werden können, folgt aus der intransitiven Variante nicht das Während das transitive spülen u.a. Geschirr und Wunden als Objektindividuen duldet,
Vorhandensein eines Patiens. Dies drückt sich darin aus, daß - so Carlson (1984:261f) - wird das intransitive spülen nur wie (51a), nicht aber wie (51b) verstanden. Solche Be­
ein entsprechendes Bedeutungspostulat wie (48c) fehlt. schränkungen sind im Übrigen nicht die Ausnahme, sondern die Regel: In den meisten
Angesichts des in Kapitel 3.2.2 über implizite Argumente Gesagten wirft diese Vorge­ Fällen weist die intransitive Variante Interpretationsbesonderheiten auf, die eine zusätz­
hensweise allerdings mehr Probleme auf als sie löst. So kann das Verhältnis zwischen liche, mit eigenen Bedeutungspostulaten verbundene Prädikatskonstante notwendig ma­
einer transitiven und einer implizit reflexiven Verbvariante wie in (49) so nicht angemes­ chen (52). Der enge semantische Zusammenhang zwischen verschiedenvalentigen Vari­
sen erfaßt werden (Dowty 1989:94). anten eines Verbs kann dann über Postulate wie (52c) ausgedrückt werden (s. Kap
55
3.3.5):
(49) a. Klaus badet seinen Sohn
b. Klaus badet (52) a. spüleny. SYN:/nom/akk
SEM: Xy>.xX.e[SPÜL (x,y,e)] (VxVyVe[SPÜLi(x,y,e) -> ... )
1
Die intransitive Variante (49b) bedeutet weder, daß Klaus irgendjemanden badet, noch
b. spülen?. SYN: /nom
daß es keinen Patiens des Badens gibt. Für intransitives baden wird ein eigener Lexi­ d
SEM: XxX.e[SPÜL (x,y± ,e)] (VxVy Ve[SPÜL (x,y,e) - > . . . )
2 2
koneintrag benötigt, um die korrekte, reflexive Interpretation sicherzustellen.
c. •VxVyVe[SPÜL (x,y,e) -> SPÜLi(x,y,e)]
2
Auch der Unterschied zwischen definiten und defimtheitsneutralen impliziten Argu­
menten wird in neo-davidsonischen Ansätzen ignoriert (Dowty 1989:94). In nicht-dekom-
positionellen Ansätzen ist es dabei prinzipiell unmöglich, die lexikalischen Bindungs­
besonderheiten für implizite Argumente auszudrücken, da in Bedeutungspostulaten wie Higginbotham (1989:474t) verwendet sowohl davidsonische als auch neo-davidsonische Reprä­
sentationen, um die Bedeutungsrelationen zwischen valenzaltemierenden Verbvarianten zu er­
(48c) alle Partizipanten existenziell gebunden sind. In dekompositionellen Ansätzen kön­ fassen. Dabei werden die verschiedenen Verbvarianten davidsonisch repräsentiert und über
nen solche Unterschiede zwar erfaßt werden, dazu müssen dann aber bei valenzreduzier- Bedeutungspostulate auf ein einzelnes neo-davidsonisches Ereignisprädikat zurückgeführt. Es
scheint mir allerdings, daß Bedeutungspostulate wie (52c) ausreichen, um die erforderlichen
Relationen zwischen Verbvarianten auszudrücken, so daß man die zusätzliche Komplexität, die
5 4
Zur Darstellung und Kritik dieses Arguments vgl. Dowty (1989:93ff). Higginbothams Vorschlag mit sich bringt, vermeiden kann.
188
189

Ein letzter Rettungsversuch für die Einmaligkeitsbeschränkung: Wir haben gesehen, daß 56
(noch nicht weiter definierten) obersten Ebene, auf die eine Reihe von sprachlichen
die erste Version der Einmaligkeitsbeschränkung, derzufolge nur ein Partizipant im Er­ Prozessen Zugriffen. Die Argumentation bezüglich der Beispiele in (54) bewegt sich dage­
eignis eine bestimmte Rolle einnehmen kann, falsch ist. Die modifizierte, in P - 6 formu­ gen auf einer viel tieferen Ebene der Ereignisstruktur, die eine viel feinere Aufgliederung
lierte Variante der Einmaligkeitsbeschränkung, die besagte, daß nur ein Partizipant in des Ereignisses in Teilereignisse verlangt als es die ursprüngliche Idee war. Dazu kommt
Argumentposition im Ereignis eine bestimmte Rolle einnehmen kann, machte in vielen daß Fälle wie in (55) auch dann noch nicht gelöst werden, da hier keine strukturierten
Fällen korrekte Voraussagen. Eine Reihe von problematischen Fällen blieb aber bestehen. Ereignisse beschrieben werden:
Wir haben daraufhin versucht, die Einmaligkeitsbeschränkung auf individuelle Rollen hin
zu relativieren, was ihr nicht nur viel von ihrer empirischen Relevanz nahm, indem sie die (55) a. Sabine ähnelt Seppl
Thetarollentheorie wieder in die Nähe einer Argumentlistentheorie rückte, sondern auch b. Karl gleicht Carmen
nach wie vor einige Fälle ungeklärt ließ. Ich will hier noch einen letzten Rettungsversuch Ein abschließendes Fazit zur Einmaligkeitsbeschränkung: Auch eine auf Argumentposi­
für die Einmaligkeitsbeschränkung wagen, der sich die Idee der Ereigmsstaikturen zu­ tionen bezogene Einmaligkeitsbeschränkung wie in P - 6 sieht sich noch mit vielen Gegen­
nutze macht. beispielen konfrontiert. Eine weitere Relativierung von P - 6 bezüglich individueller Rollen
Zwei Fälle, die als Gegenbeispiel für P - 6 gelten können, sollen hier betrachtet werden. oder bezüglich Teilereignissen führt nicht nur entweder zu einer Aufweichung unserer
Beispiel (53a), das von Cruse (1973:12) angeführt wird, enthält zwei Individuen, John und starken Thetarollentheorie als Theorie von Rollentypen oder zu einer Schwächung der
the prisoners, die aufgrund ihrer Eigenschaften als Agens qualifizieren könnten. Beispiel Annahmen über Ereignisstrukturen, sondern sie ist auch nach wie vor von Widerlegung
(53b), das ich in ähnlicher Form schon diskutiert habe (Beispiel 43), wird von Dowty bedroht, insbesondere durch bestimmte Typen symmetrischer Verben.
(1989:106) besprochen, der bemerkt, daß hier sowohl Mary als Geberin des Buches und
John als Geber des Geldes Agenseigenschaften haben, ebenso wie sie als Empfänger des Zusammenfassung: Aus lexikalischer Sicht lassen sich eine Reihe von Argumenten gegen
Geldes bzw. des Buches Patienseigenschaften haben. neo-davidsonische Theorien anführen:
• In nicht-dekompositionellen neo-davidsonischen Theorien muß die kompositioneile
(53) a. John marched the prisoners across the yard Anbindung thematischer Konjunkte letztlich über syntaktische thematische Merkmale
b. Mary sold a book to John forßve dollars gesteuert werden.
Offenbar wird in beiden Beispielen jeweils zwei Individuen in Argumentposition die • Verbunden mit einer traditionellen Thetarollentheorie kann die neo-davidsonische
Agensrolle zugewiesen; damit wäre P - 6 falsch. Betrachtet man sich die Beispiele in (53) Theorie keine Vollständigkeit und Verschiedenheit der Argumente garantieren, und
allerdings genauer, so ist eine Besonderheit festzustellen: In (53a) sind John und the selbst eine schwache neo-davidsonische Theorie (basierend auf semantisch begründeten
prisoners Agenzien in verschiedenen Teilereignissen. Die Gefangenen sind Agens des individuellen Rollen) kann dies möglicherweise nicht leisten.
Marschierens und John ist Agens des Kommandierens oder was immer er in der beschrie­ • Für manche Verben können in neo-davidsonischen Theorien keine adäquaten Selek­
benen Situation tut. Ähnliches gilt für (53b): Die Geldübergabe und die Warenübergabe tionsbeschränkungen formuliert werden.
sind die beiden Teilereignisse, die das Gesamtereignis konstituieren, und jedes dieser • Neo-davidsonische Theorien können den lexikalischen Idiosynkrasien bei der Interpre­
Teilereignisse hat einen uniquen Agens. Die Einmaligkeitsbeschränkung ist also scheinbar tation impliziter Argumente (implizite Reflexivität, defmite Interpretation, stärkere Se­
dann richtig, wenn wir sie in Bezug auf Teilereignisse relativieren: Nur ein in Argument­ lektionsrestriktionen) nicht Rechnung tragen.
position stehendes Individuum kann eine bestimmte thematische Rolle in einem beliebigen Neo-davidsonische Repräsentationen sind aufgrund dieser empirischen Probleme zurück­
Teilereignis des vom Verb bezeichneten Gesamtereignisses einnehmen. zuweisen zugunsten davidsonischer Theorien, die neben dem Ereignisargument auch die
Inwieweit hilft uns diese Relativierung von P - 6 in den anderen problematischen Fällen? thematischen Argumente mit in die Argumentliste aufnehmen.
Wir könnten versuchen für (54a) und (54b) ähnlich zu argumentieren. In (54a) sind die Es wurde abschließend festgestellt, daß eine Einmaligkeitsbeschränkung, wie sie der
Gesprächsbeiträge von Olga und die von Otto als Teilereignisse zu unterscheiden. In dem Auffassung von thematischen Funktionen in P - 6 zugrundeliegt, wohl auch dann nicht auf­
einen ist Olga als Redende Agens und in dem anderen Otto. Ähnlich lassen sich in (54b) rechterhalten werden kann, wenn man sie in Bezug auf individuelle Rollen oder Teil­
die Handlungen mit Alma als Agens (z.B. Almas "Ja"-Sagen) und die Handlungen mit ereignisse relativiert. Zudem würden die Thetarollentheorie bzw. die Ereignisstruktur-
Albert als Agens (z.B. Alberts "Ja"-Sagen) unterscheiden. theorie durch eine solche Relativierung in ihrem empirischen Gehalt geschwächt.

(54) a. Olga diskutiert mit Otto


b. Alma heiratet Albert

Das Problem dieser Argumentation liegt darin, daß wir hier nicht mehr von den Teilereig­
nissen reden, die in Kapitel 2 eingeführt wurden. Dies waren Teilereignisse auf einer

5 6
S. dazu Kap. 7.2.1.
190 191

4.2 "Sentience", "Volition" und andere semantische Relationen • Relative Bewegung: "movement (relative to the position of another participant)";
• (Unabhängige Existenz: "exists independently of the event named by the verb").
Ähnlich läßt sich ein prototypischer Patiens bestimmen, wobei genauso wie beim Proto-
4.2.1 Thematische Rollen als Prototypen Agens die Relevanz der jeweils letzten Eigenschaft von Dowty (1991:572) selbst in Frage
gestellt wird:
Ein Ausweg aus der Theta-Krise: Im letzten Kapitel wurden einige Probleme diskutiert, • Veränderung: "undergoes change of State";
die mit der Frage verbunden sind, was für einen Typ von Relation Thetarollen darstellen. • Inkrementalität: "incremental theme";
Die zweite Hauptschwierigkeit in Theorien mit thematischen Rollen besteht nun darin, zu • Aßiziertheit: "causally affected by another participant";
sagen, wie solche Relationsprädikate wie AGENS oder PATIENS eigentlich inhaltlich zu • Relative Unbewegtheit: "stationary relative to movement of another participant";
deuten sind, und - damit verbunden - welche Rolle man einem bestimmten Argument ei­ • (Abhängige Existenz: "does not exist independently of the event, or not at all").
nes bestimmten Verbs zuzuordnen hat. In den verschiedenen Ansätzen zu Thetarollen ver­ Agens und Patiens sind damit keine diskreten Kategorien mehr, sondern "Cluster
suchte man diesen Problemen zu begegnen, indem man entweder die Kriterien für die Zu­ concepts" (Dowty 1991:571). Nach Dowty sind die einzelnen Proto-Agens- und Proto-
ordnung einzelner Rollen änderte oder indem man einfach das Rolleninventar vergrößerte. Patiens-Eigenschaften unabhängig voneinander, und zwar nicht nur in dem schwachen
Eine ganz ähnliche Situation haben wir bereits in Kapitel 3.1.1 und 3.2.2 bei der Dis­ Sinn von Unabhängigkeit, nach dem keine zwei der angeführten Eigenschaften notwendi­
kussion der Valenztheorie kennengelernt. Die Frage, was denn eigentlich eine Ergänzung gerweise zusammen vorkommen, sondern auch in einem starken Sinn, nach dem keine
und was eine Angabe sei, wurde ohne großen Erfolg versucht zu beantworten, indem man Proto-Eigenschaft eine andere Proto-Eigenschaft impliziert: So führt Dowty Beispiele
die Kriterien und Tests zur Ermittlung des Ergänzungsstatus überarbeitete oder indem dafür an, daß jede der Proto-Agens-Eigenschaften isoliert auftreten kann, ebenso wie jede
59
man zusätzliche Kategorien einführte. Eine Lösung liegt hier wie da allerdings ganz wo­ Proto-Patiens-Eigenschaft.
anders: Jacobs (7987/1994) hatte gezeigt, daß sich hinter dem Begriff der Ergänzung eine
"Lexical Entailments": Die rollenbestimmenden Eigenschaften werden von Dowty
Reihe unabhängiger Beziehungen verbirgt. Je mehr dieser Beziehungen nun zwischen
(1991:552) als lexikalische, analytische Folgerungen ("lexical entailments") aus der Verb­
dem Verb und seinem Begleiter bestehen, um so mehr stellt dieser - so könnte man sagen
bedeutung hinsichtlich eines der Verbargumente verstanden: "By E N T A I L M E N T I mean the
- eine prototypische Ergänzung dar. In der Theorie zu thematischen Rollen hat Dowty
standard logical sense: one formula entails another if in every possible Situation (in every
(1991) einen ähnlichen Weg eingeschlagen.
model) in which the first is true, the second is true also." Dowty (1991:576f) vertritt damit
Semantische Relationen und Proto-Rollen: Dowty (1991) zeigt, daß sich hinter einem Be­ ein Konzept von Wortbedeutungen, das die Bedeutung von Lexemen als Mengen von
griff wie Agens eine Reihe voneinander unabhängiger semantischer Beziehungen verbirgt. Folgerungen beschreibt, und nicht etwa als Prototypen; als Prototypen werden lediglich die
Je mehr dieser agenstypischen Beziehungen bestehen, um so eher entspricht das Argument beiden thematischen Protorollen konstruiert.
57
einem prototypischen Agens. Die von Dowty (1991:572) angeführten Proto-Agens- Dowtys Konzeption der Protoeigenschaften hat gelegentlich zu Mißverständnissen ge-
Eigenschaften sind die folgenden: 58
führt: Primus (1994:51,66) greift Dowtys (1991) Theorie auf, möchte aber die von Dowty
• Volitionalität: "volitional involvement in the event or State"; vorgeschlagenen thematischen Eigenschaften nicht als lexemabhängige, analytische Fol­
• Bewußtheit: "sentience (and / or perception)"; gerungen auffassen, sondern als konventionelle Implikaturen, weil sie konstant unter
• Verursachung: "causing an event or change of State in another participant"; Negation seien. So würde das Verb walk sowohl in (56a) als auch in (56b) einen Agens
selegieren:

(56) a. Peter walks


Es hat bereits vor Dowty (1991) andere, allerdings weniger ausgearbeitete Prototypenansätze zu
thematischen Rollen gegeben: Lakoff (1977:244) entwirft eine Liste prototypischer Eigenschaf­ b. Peter does not walk.
ten von Agens-Patiens-Sätzen; DeLancey (1984:185,207) konzipiert einen prototypischen Agens
Ich denke, das ist so nicht richtig. Während aus (56a) u.a. folgt, daß Peter sich bewegt und
als "volitional causer" in einem protoytpisch transitiven Ereignis; Foley / Van Valin (1984:59)
und Van Valin (1990:226f) nehmen an, daß sich die durch dekompositionelle Positionen be­ daß das Gehen seinem Willen entspringt, folgt aus (56b) natürlich nicht, daß er sich be­
stimmten traditionellen Thetarollen auf einer Hierarchie anordnen lassen, die diese Rollen als wegt und daß das Gehen seinem Willen entspringt. Vielmehr findet überhaupt kein Gehen
mehr oder weniger typische Vertreter der beiden Makrorollen Actor und Undergoer ausweisen. statt, so wie auch keine Handlung durch (56b) beschrieben wird, von der man sagen
Dowty (1991:552) geht davon aus, daß prinzipiell auch solche Eigenschaften zur Rollendefini­ könnte, sie hätte einen Agens (erst recht nicht im Rahmen der handlungstheoretischen
tion herangezogen werden können, die Selektionsrestriktionen entsprechen. Da solche Eigen­
schaften (z.B. Belebtheit) ereignisunabhängig sind, beschreiben sie allerdings keine Rolle, die
ein Individuum in einem Ereignis spielt, sondern kategorisieren das Individuum lediglich. Es
ist natürlich eine empirische Frage, ob solche Eigenschaften linking^relevant sind; ihre Einbe­ 5 9
Dowty (1991:577) und Primus (1994:730 in einer Weiterentwicklung von Dowtys Ansatz zei­
ziehung führt meines Erachtens aber zu einem ganz anderen, nämlich nicht-relationalen Ver­ gen, wie sich mit den Proto-Eigenschaften nicht nur Proto-Agens und Proto-Patiens, sondern
ständnis von Thetarollen. Da Dowty faktisch aber nur relationale Eigenschaften zur Rollendefi­ auch traditionelle Rollen wie Instrument, Experiencer, Rezipient oder Benefaktiv explizieren
nition heranzieht, muß das hier nicht weiter diskutiert werden. lassen.
192 193
60
Konzepte, die Primus 1994:54 bemüht). Dowtys thematische Eigenschaften sind also (1991) vorgeschlagenen Proto-Eigenschaften ähnliche Probleme aufwerfen wie die älteren
tatsächlich strikte Folgerungen aus der Verbbedeutung, die daher nur aus den affirmativen Konzeptionen von thematischen Rollen und zwar die folgenden:
Verwendungen des Verbs folgen. • Unklarheit bezüglich des semantischen Typs der Eigenschaften;
Sowohl Zaenen (1993:147f) als auch Primus (1994:51f) stellen bei der Diskussion von • Unbestimmtheit der inhaltlichen Deutung der Eigenschaften;
Dowtys (1991) Arbeit allerdings zurecht fest, daß bestimmte Eigenschaften, die relevant • Unsicherheit bezüglich der Zuweisung von Eigenschaften zu einzelnen Argumenten.
für die Semantik-Syntax-Schnittstelle sind, nur partiell von der Verbbedeutung abhängen Dowty (1991:575) ist sich im Übrigen dieser Problematik durchaus bewußt und argumen­
und zum anderen Teil vom Kontext oder bestimmten Eigenschaften der argumentstellen- tiert diesbezüglich wie folgt:
füllenden Individuenbedeutung determiniert sind. So hat bereits Gruber (7965/1976:158)
Furthermore, to the question once raised by Gennaro Chierchia (personal communication, 1988)
bemerkt, daß Verben, deren Subjekt nicht notwendigerweise ein Agens ist, z.B. Bewe­ about whether, in defining roles in terms of these entailments, we would be replacing one unclear
gungsverben wie intransitiv roll, agentisch interpretiert werden, wenn die Subjektstelle set of semantic primitives (the traditional thematic roles) by another just as unclear, I think the
durch ein belebtes Individuum gefüllt wird. Auch Foley / Van Valin (1984:32) stellen fest: response is that these entailments are not any less clear and, more important, that they are more
"If the actor is animate [...] then the normal interpretation is that the actor's actions were straightforwardly relevant to human life. It is certainly not obvious that in ordinary reasoning and
volitional and under his control." conversation people directly pay attention to or worry about whether something really was or was
not a Theme or a Source or an Agent (in some sense of 'Theme', etc., exactly as defined by
Linking und Proto-Rollen: Dowty (1991:576) entwickelt die Prototypentheorie von Theta- Jackendoff or some other linguist); but we do concern ourselves all the time, both in everyday life
and in courts of law, and sometimes to a painstaking degree, with whether an act was really
rollen, um Linking-Prinzipien formulieren zu können Diese Argument-Selektions-Prinzi­
volitional or not, whether something really caused something or not, whether somebody was
pien sagen, daß bei Verben mit Subjekt und Objekt das Argument mit den meisten Agens- really aware of an event or state or not, or had a certain emotional reaction to it, whether some­
Eigenschaften Subjekt wird und das mit den meisten patienstypischen Eigenschaften thing was moving or stationary, whether something changed in a certain way or not, whether an
Objekt. Haben beide Argumente gleichviele Agens- und Patienseigenschaften, kann jedes event was finished or not, and whether an act produced something as a result or not.
61
von ihnen oder beide Subjekt werden. Bei dreistelligen Verben wird unter den Nicht­
Ich denke, das ist ein gutes Argument für die vorgeschlagenen semantischen Relationen,
Subjekt-Argumenten das Argument mit den meisten Proto-Patiens-Eigenschaften direktes
aber ein schlechtes gegen die vorgebrachte Kritik. Daß bestimmte Begriffe kognitiv zen­
Objekt, das mit weniger Proto-Patiens-Eigenschaften oblique oder präpositional realisiert.
traler als andere sind, macht sie noch nicht semantisch präzise oder eindeutig, und solange
Diese Linking-Prinzipien regeln allerdings nicht konkrete Ableitungen von Sätzen,
nicht - ähnlich wie es Dowty (1989) bezüglich thematischer Relationen getan hat - zu­
sondern halten fest, welche Lexikalisierungen universell möglich sind. Formuliert man die mindest der semantische Typ der diskutierten Relationen deutlich gemacht wird, muß die
Prinzipien so, daß sie auf Verbvalenzen statt auf grammatische Relationen Bezug nehmen Theorie in ähnliche Schwierigkeiten laufen wie traditionelle Thetatheorien. Die Rezeption
(wie z.B. in Blume 1995), so sagen solche Prinzipien, welche Valenz ein Verb abhängig von Dowtys Theorie läßt jedenfalls genau das vermuten, wie wir im nächsten Kapitel noch
von seiner Bedeutung haben kann. sehen werden.
Dowty (1991) hat verschiedene Linking-Phänomene u.a. im Bereich von symmetri­
schen Verben oder spray/load-Verben mit seiner Theorie erfolgreich erklären können, und Zusammenfassung. Die Frage, wie thematische Rollen inhaltlich zu deuten sind, beant­
sein Ansatz ist - zum Teil in modifizierter Form - in verschiedenen Untersuchungen zur wortet Dowty (1991) dahingehend, daß er die Existenz zweier Protorollen annimmt,
lexikalischen Semantik-Syntax-Schnittstelle aufgegriffen worden, z.B. in den Arbeiten Proto-Agens und Proto-Patiens, deren jede durch eine Menge verbspezifischer analytischer
von Sanfilippo (1991:90ff) zu Aspektklassen, von Zaenen (1993) zur Unergativ-Unakku- Folgerungen gekennzeichnet ist. Je nachdem, wieviele Folgerungen für ein Argument
sativ-Unterscheidung, von Primus (1994) zum Linking in Akkusativ-, Ergativ-, Aktiv­ gelten, gehört es in mehr oder weniger starkem Maße einer der beiden Rollen an. Auf der
sprachen und von Blume (1995, 1998) u.a. zum Dativ-Linking. 62
Basis dieser Rollenkonzeption formuliert Dowty Linking-Regeln, die universell die mögli­
chen syntaktischen Eigenschaften von Verblexemen beschreiben. In den folgenden beiden
Probleme mit der Deutung der Proto-Eigenschaften: Dowtys (1991) Theorie birgt aller­
Kapiteln soll gezeigt werden, daß man semantischen Relationen, wie sie den Protorollen
dings auch einige Probleme. Dabei will ich auf eventuelle empirische Schwächen seiner
63
Dowtys zugrundeliegen, einen präziseren semantischen Gehalt geben kann und muß.
Linking-Regeln nicht weiter eingehen. Ich möchte vielmehr zeigen, daß die von Dowty

Man kann in (56b) nicht mal in dem Sinne von einer Handlung sprechen, daß aus dem Satz 4.2.2 "Sentience"
folgen würde, daß Peter willentlich nicht gegangen ist.
Das heißt, bei einem Verb wie marry sind möglich: Kim married Sandy, Sandy married Kim Agentivität und Intentionalitätsphänomene: Die zentrale Eigenschaft der Agentivität liegt
und Kim and Sandy married. 64
offenbar darin, daß ein agentisches Ereignis, also eine Handlung, nicht ohne ein gewis-
Blume (1998) zeigt, daß sich Ideen zur ereignisstrukturellen Repräsentation von Verbbedeu­
tungen, wie sie in Kapitel 2.1.1 beschrieben sind, mit einer Protorollentheorie im Stile Dowtys
(1991) verknüpfen lassen. Ich verwende die Begriffe Handlung' oder Tätigkeit' ohne präzise Bestimmung für einen Sub­
Auf einige solcher Schwierigkeiten weist Dowty (1991:581) selber hin, so z.B. auf falsche typ von Ereignissen, in denen jemand 'etwas tut', im Gegensatz zu solchen, wo lediglich 'etwas
Voraussagen bezüglich der Argumentstruktur von receive, get, suffer, tolerate, undergo, inherit. passiert'.
194 195

ses Maß an mentaler Einflußnahme oder Teilnahme durch den Agens zustande kommt. Erstes Problem: (Was ist "sentience"?): Dowtys Auflassung der Proto-Agens-Eigenschaft
Diese Eigenschaft spiegelt sich in solchen Begriffen wie Absicht, Kontrolle, Bewußtheit, "sentience" birgt meines Erachtens drei nicht unwesentliche Probleme. Erstens handelt es
Intention (im Sinne von Absicht'), Volitionalität, Wahrnehmung, die je nach Theorie sich bei 'etwas wissen' und 'etwas wahrnehmen' um zwei ganz unterschiedliche Relatio­
entweder eine zentrale Rolle in der Menge typischer Agenseigenschaften spielen oder den nen, und selbst wenn man eine gewisse Interpretationsbreite für den Begriff "sentience"
Begriff der Agenshaftigkeit ersetzen. Dieser Aspekt der Gerichtetheit mentaler Eigen­ reklamiert, so sollte die Relation doch zumindest hinsichtlich ihres semantischen Typs
schaften oder Prozesse auf bestimmte Inhalte und Ereignisse wird unter den Begriff der nicht ambig sein. Ungeachtet aller epistemologischen Schwierigkeiten zu sagen, was es
65
Intentionalität gefaßt. Ich werde für die hier verfolgten Zwecke zwei Formen von Inten­ heißt, etwas zu wissen, kann hinsichtlich der Relation 'Wissen' festgestellt werden, daß sie
tionalitat unterscheiden, die ich in diesem und dem folgenden Kapitel diskutieren werde: zwischen einem Dingindividuum (genauer einer Person) und einer Proposition besteht
zum einen mentale Einstellungen, die Handlungen begleiten, wie das Wahrnehmen von WISS(x,p). 67

Handlungen, das Bewußtsein zu handeln, das Wissen, was man tut, zum anderen mentale Schwieriger ist es, den Typ der Relation 'Wahrnehmen' zu bestimmen. Es ist aus
Einstellungen, die das Handeln hervorbringen, die in einer bestimmten Weise als der epistemologischer, wahrnehmungspsychologischer und linguistischer Sicht notwendig
letzte Grund des Handelns angesehen werden können, wie der freie Wille zum Handeln, zwischen 'etwas wahrnehmen' und 'etwas als etwas wahrnehmen' (bzw. 'wahrnehmen, daß
die Intention beim Handeln, die Kontrolle des Handelns. etwas der Fall ist') zu unterscheiden. So kann man eine schlechte Operette hören, ohne zu
In den meisten Arbeiten wird dabei offenbar davon ausgegangen, daß solche Begriffe hören, daß sie schlecht ist, ja selbst ohne zu hören, daß es eine Operette ist. Sprachlich
wie 'Wille', 'Kontrolle' oder 'Wahrnehmung' für sich selbst sprechen und keiner umfang­ spiegelt sich dieser Unterschied darin wieder, daß Wahrnehmungsverben Ding- und Er­
reicheren Erläuterung bedürfen. Ich möchte in diesem und dem folgenden Kapitel über­ 68
eignisargumente einerseits ( 5 7 ) und propositionale Argumente andererseits erlauben
prüfen, ob solchen Eigenschaften eine präzisere Beschreibung gegeben werden kann und (58).
muß. Diese Frage ist im Übrigen weniger eine nach dem linguistischen Nutzen dieser
(57) a. ich sehe eine Ulme
Eigenschaften, also keine Frage danach, ob die gewählte Eigenschaft das Linkingverhalten
b. ich höre eine Operette
von Verben vorherzusagen hilft, sondern eher eine Frage nach ihrem empirischen Gehalt.
c. ich höre sie eine Arie singen
Ich werde also überlegen, in welchem Maße die Zuweisung solcher Eigenschaften an
Argumente oder Ereignispartizipanten empirisch überprüfbar gemacht werden kann. (58) a. ich sehe, daß es eine Ulme ist
b. ich höre, daß es eine Operette ist
Die Proto-Agens-Eigenschaft "Sentience": Der erste Bereich von Intentionalitätsphäno-
c. ich höre, daß sie eine Arie singt
menen wird in Dowtys (1991) Theorie durch die Proto-Agens-Eigenschaft 'Bewußtheit'
("sentience") repräsentiert. Dabei ist 'Bewußtheit' nicht die kategoriale Eigenschaft von Für die Epistemologie stellt sich die Frage, wie 'Wahrnehmung' und 'Wissen durch Wahr­
Individuen, Wesen mit Bewußtsein oder Empfindungsfähigkeit zu sein ("sentient Oeings"), nehmung' aufeinander bezogen sind (s. Kap. 5.1.4), und auch in der Wahrnehmungs­
sondern sie ist relativ zum Ereignis zu verstehen: 'Bewußtheit' meint für einen Ereignis­ psychologie wird diskutiert, inwiefern die Wahrnehmung von etwas und dessen Kategori-
66
beteiligten "to know or perceive the relevant event" (Dowty 1991:573). Dabei dulden sierung ein einziger untrennbarer Prozeß sind, inwiefern wir Dinge und Ereignisse also
Verben, die diese Eigenschaft für den durch ihr Subjektargument repräsentierten Partizi­ immer schon unter einer Beschreibung wahrnehmen (s. Kap. 6.1.1). Wichtig ist an dieser
panten implizieren, wie z.B. build, think, switch off, oft auch solche Entitäten an der ent­ Stelle allerdings zunächst nur die Unterscheidung zwischen 'x wahrnehmen' und 'x als P
sprechenden Argumentstelle, die wohl Grenzfälle für bewußt Handelnde darstellen wie 1
wahrnehmen . Insofern als 'Wahrnehmen' und 'Wissen' selbst wieder Ereignisse sind,
Tiere, Computer, Institutionen (Dowty 1991:574). verfügen die entsprechenden Prädikate selber über ein Ereignisargument, also: 69

Auch in einigen anderen Ansätzen wird Bewußtheit oder Wahrnehmung als Agens­
(59) a. WISS(x,p,e)
eigenschaft herangezogen. Lakoff (1977:244) führt bei der Beschreibung protorypischer
b. WAHRNEHM i(x,e',e) bzw. WAHRNEHM (x,y,e)
Agens-Patiens-Sätze an: "the change in the patient is perceptible", "the agent perceives the 1

" c. WAHRNEHM (x,P(e'),e) bzw. WAHRNEHM2(x,P(y),e)


change" und "the agent is looking at the patient". In Rozwadowskas (1988:158) merkmal­ 2

basiertem Ansatz zu thematischen Rollen wird "sentience" neben "cause" und "change" Ich werde im Folgenden bei der Diskussion von 'Wahrnehmung' von der Lesart in (59b)
zur Interpretation thematischer Relationen herangezogen. ausgehen. Das Gesagte gilt größtenteils aber auch für die Lesart in (59c).

Man kann davon ausgehen, daß to know bei Dowty im Sinne von 'wissen' und nicht im Sinne
Davon zu unterscheiden ist Intentionalität im Sinne vom 'Absicht'; auf diese spezielle Ausprä­ von kennen' zu verstehen ist.
gung von Intentionalität werde ich mich im Folgenden nur mit den Begriffen Intention' oder Dabei ist für die Beispiele in (57) charakteristisch, daß man im Gegensatz zu denen in (58)
'Absicht' beziehen, um sie von dem Oberbegriff der Intentionalität' zu trennen. durchaus negieren kann, daß man auch den Typ der Entität erkannt hat: ich habe schon mal
Dowty (1991:573) äußert sich allerdings noch unschlüssig hinsichtlich der Frage, ob er letztlich eine Operette gehört, aber damals gar nicht gewußt I erkannt, daß es eine Operette war.
"sentience" wirklich als 'etwas wissen oder etwas wahrnehmen' verstehen möchte; eine alter­ Diese Annahme werde ich bezüglich wissen später wieder revidieren (s. Kap. 7.1.1). Für die
native Auffassung diskutiert er aber nicht. Argumentation hier spielt das aber keine Rolle.
196 197

Bezüglich der Frage, was 'sentience' ist, muß zunächst festgestellt werden, daß die bei­ Dowty (1991:573) führt diese Verben als Bewußtseins- oder Wahrnehmungsverben an, als
den Beziehungen 'Wissen' und 'Wahrnehmen' als Folgerungen aus der Verbbedeutung "the classic propositional attitude verbs, the Stative perception verbs, and the Stative psych
völlig unabhängig voneinander sind. Aus einem Verb wie schreiben dürfte wohl folgen,
70
predicates". Daran ist auch gar nicht zu zweifeln; problematisch ist vielmehr, daß sie
daß der Schreibende das Ereignis zumindest taktil und normalerweise auch visuell wahr­ damit noch nicht dem eingeführten Kriterium für das Vorliegen von 'Bewußtheit' genü­
nimmt, und daß er beim Schreiben auch weiß, daß er etwas schreibt: 71
gen, das in diesem Fall von dem Subjektreferenten verlangt "to know or perceive the rele­
vant event". Parallel zur Anwendung des Kriteriums bei anderen Verben, wäre hier also
(60) a. •VxVyVe[SCHREffi(x,y,e)^3e'lWAHRNEHM(x,e,e')]] zu fragen, ob John wahrnimmt bzw. weiß, daß er glaubt, weiß, sieht oder fürchtet. Das ist
b. • VxVyVe[SCHREJ£(x,y,e)-> 3e'[WISS(x,SCHREIB(x,y,e),e')]] natürlich eine ganz andere Frage als die, ob Glauben ein mentales Ereignis ist. Die An­
Bei einem Verb wie beleidigen dagegen kann man zwar davon ausgehen, daß der Beleidi­ wendbarkeit des Kriteriums ist hier offensichtlich zunächst einmal erschwert durch die so
gende sich und sein Tun wahrnimmt, aber es kann ihm durchaus verborgen bleiben, daß unzweifelhaft interessante Frage, ob man auch etwas wissen kann ohne zu wissen, daß
72

das, was er tut, ein Beleidigen von jemand ist. Für Verben wie verzichten gilt wiederum, man es w e i ß .
daß man nicht auf etwas verzichten kann, ohne sich dessen bewußt zu sein; verzichten Eine schwierige Gruppe hinsichtlich dieser Frage bilden auch die Verben, die Gefühls-
impliziert also 'wissen, daß man verzichtet'. Wahrnehmen im üblichen Sinne kann man zustände bezeichnen. Wenn sich jemand freut oder jemand trauert, so ist ihm das primär
eine solche Verzichtshandlung aber wohl nicht. Während für beleidigen also lediglich ein bewußt über eine Zugangsweise, die man nicht als perzeptuell, sondern als introspektiv
Postulat der Art (61a) gilt, fällt verzichten nur unter die Beschränkung (61b): bezeichnen muß. Das heißt, wir erfahren unsere mentalen Zustände zwar unmittelbar, aber
nicht über unsere Sinnesorgane vermittelt. Diese Art introspektiver Bewußtheit ist aller­
(61) a. •VxVyVe[BELEmiG<x,y,e)-^3e'[WAHIlNEHMi(x,e,e')]] dings für alle Verben dieser Gruppe impliziert. Möglicherweise läßt sich Introspektion bei
b. •VxVyVe[VERZICHT(x,y,e)-> 3e'[WISS(x,VERZICHT(x,y,e),e')]] mentalen Ereignissen als das Gegenstück zur perzeptuellen Wahrnehmung von nicht­
mentalen Ereignissen auffassen. Introspektive und perzeptuelle 'Wahrnehmung' wären
Zweites Problem (Warum ist "sentience" disjunkt spezifiziert?): Die hier diskutierten Pro­ sozusagen komplementär distribuiert, so daß wir sie tatsächlich als eine einzelne lexikali­
bleme der Unbestimmtheit von Dowtys Auffassung von 'Bewußtheit' führen zu dem zwei­ sche Folgerung "zählen" dürfen.
ten Problem, und das besteht in der disjunkten Spezifizierung der Eigenschaft 'Bewußtheit'
Aber auch dann bleibt das aus der disjunkten Spezifizierung von "sentience" entstan­
als 'Wissen oder Wahrnehmung'. Zwei Eigenschaften, deren Zusammenhang nicht gezeigt dene Problem bestehen. Die typischen Doppellexikalisierungen bei Psych-Verben wie in
werden kann, zu einer disjunkten Eigenschaft zusammenzufassen, ist ein völlig arbiträres (63), die den Experiencer bzw. den Stimulus einmal als Subjekt, einmal als Objekt reali­
Vorgehen. Es fragt sich, warum nicht auch "cause" und "movement" zusammengefaßt sieren, führt Dowty (1991:579) darauf zurück, daß jedes Argument genau eine Proto-
werden oder "volition" zusammen mit "perception" und "knowledge" mit unter die Eigen­ Agens-Eigenschaft hat: "sentience" beim Experiencer und "cause" beim Stimulus.
schaft "sentience" subsumiert wird. Man kann vermuten, daß die auf der Eigenschafts­
zählung basierenden Linking-Prinzipien davon abhängen, daß Wissen und Wahrnehmung (63) a. xlikesy vs. ypleasesx
nur als "1" zählen. Dann allerdings würden die Linking-Prinzipien nicht mehr aus­ b. xfears y vs. yfrightens x
schließlich auf den zugrundegelegten Proto-Eigenschaften basieren, sondern auf deren
Geht man davon aus, daß im Falle von x fears y impliziert ist, daß x seine Furcht sowohl
arbiträrer Gruppierung, und diese Gruppierung ist offensichtlich nicht semantisch begrün­ introspektiv wahrnimmt als auch weiß, daß er sich fürchtet, so hat der Experiencer offen­
det. Ich komme im Zusammenhang mit dem dritten Problem noch darauf zu sprechen. bar eine agenstypische Eigenschaft mehr als der Stimulus, und die zweite Variante y
Drittes Problem (Ist "sentience" eine Eigenschaft von Handlungen?): Dieses dritte Pro­ frightens x bleibt unlizenziert. Dowtys Erklärung für die Doppellexikalisierung basiert
blem schließlich betrifft einen Widerspruch zwischen Dowtys Auffassung der Eigenschaft also weniger auf der Anzahl der Entailments als auf der Subsumtion von Wissen und
'Bewußtheit' und seiner Zuordnung dieser Eigenschaft zu einzelnen Beispielverben. So Wahrnehmung unter den Oberbegriff "sentience". Das ist sicherlich kein überwältigendes
werden die Sätze in (62) als Beispiele angeführt für Verben, deren einzige Proto-Agens- Problem - möglicherweise läßt es sich schon dadurch lösen, daß man, wie von Dowty
Eigenschaft "sentience" ist (Dowty 1991:573): (1991:595) angedeutet, die agenskonstituierenden Merkmale bei der Bestimmung des
prototypischen Agens verschieden stark gewichtet - aber es fordert doch eine gewisse
(62) a. John knows I believes I is disappointed at the Statement Sorgfalt im Umgang mit den verblexikalischen Eigenschaften.
b. John sees I fears Mary
Zusammenfassung: Eine genauere Betrachtung der in verschiedenen Theorien dem
7 0
Agensbegriff zugrundegelegten Eigenschaft "sentience" ('Bewußtheit') zeigt, daß die bei­
Es ist mir nicht ganz klar, inwieweit Dowty dies auch einräumen möchte; er bleibt bei der den dahinter verborgenen Begriffe 'Wahrnehmung' und 'Wissen' von unterschiedlichem
Beschreibung der "lexical entailments" sehr vage und unverbindlich.
7 1
Auch dies gilt nur, wenn das Subjektargument von schreiben mit einem typischen Schreiber semantischen Typ und voneinander unabhängig sind. Es wurde weiterhin bemängelt, daß
und nicht etwa mit einer Maschine oder Institution besetzt ist. Genauer müßte man hier also
formulieren: •VxVyVe[SCHREIB(x,y,e) -> [BELEBT(x) -> 3e'3e"[WAHRNEHM (x,e') & 1

WISS(x,SCHREm(x,y,e),e")]] Vgl. dazu etwa Chisholm (iP66/1979:163ff).


198 199

der Begriff "sentience" in Dowtys (1991) Protorollen-Theorie inkonsistent verwendet wird, Passiv auftreten (67a), ebenso wie inhärent atelische Verben (66b) telisch konstruiert
und daß die Liriking-Prinzipien in Dowty (1991) nicht auf der singulären, unabhängigen werden können und dann kein unpersönliches Passiv erlauben (66c) (Zaenen 1993:138):
Proto-Eigenschaften "sentience" basieren, sondern auf der arbiträren Zusammenfassung
(66) a. in dat hotel heb ik geen oog dicht gedaan, want er werd de hele nacht aangekomen en
von 'Wahrnehmung' und 'Wissen' zu einem disjunkten Oberbegriff.
vertrokken
Es soll allerdings mit der hier vorgebrachten Kritik nicht Dowtys Versuch, die rele­
'in dem Hotel habe ich kein Auge zugemacht, weil dort die ganze Nacht angekommen und
vanten Kriterien für Agentivität zu bestimmen, als mißlungen dargestellt werden; es soll
abgereist wird'
lediglich behauptet werden, daß Ambiguitäten, wie sie etwa der Begriff 'Bewußtheit' mit
b. er werd gelopen
sich bringt, beim lexikalischen Argumentieren beachtet werden müssen, will man nicht
'es wird gelaufen'
beim Jonglieren mit verblexikalischen Eigenschaften in einen völlig beliebigen, unempiri­
c. *er werd naar huis gelopen
schen Intuitionismus verfallen.
'es wird nach Haus gelaufen'

Kontrollierbarkeit: Eine Definition für Kontrollierbarkeit [+ CONTROL] kann Zaenen


4.2.3 Kontrolle, freier Wille und das unpersönliche Passiv
(1993:133) nach eigenem Bekunden nicht geben. Sie formuliert aber zwei Tests, über die
Kontrollierbarkeit ermittelbar ist: Modifizierbarkeit eines Ausdrucks mit opzettelijk ('ab­
Zaenens Analyse des unpersönlichen Passivs: Der zweite Bereich von Intentionalitäts-
sichtlich') und Einbettbarkeit unter das Verb dwingen ('zwingen'):
phänomenen rankt sich um solche Begriffe wie Absicht, Willen, Kontrolle und Verant­
(67) a. hij heeft opzettelijk getelefoneerd / geniesd
73
wortung. Ich möchte diese Begriffe am Beispiel von Zaenens (1993) Analyse des unper­ [+CONTROL]
sönlichen Passivs im Niederländischen diskutieren. Zaenen (1993:133) zeigt anhand von 'er hat absichtlich telefoniert / geniest'
Sätzen wie in (64), daß im Niederländischen nur die Verben, die kontrollierbare Ereig­ b. zij heeft hem gedwongen te telefoneren I niezen [+CONTROL]
nisse und Zustände bezeichnen, in unpersönlichen Passivkonstruktionen auftreten. 'er wurde gezwungen zu telefonieren / niesen'

(64) a. er werd hard gewerkt (68) a. Hhijheeft opzettelijk gebloed I gestonken [-CONTROL]
'es wurde hart gearbeitet' 'er hat absichtlich geblutet / gestunken'
b. er werd getelefoneerd b. ??
z y heeft hem gedwongen te bloeden I stinken [- CONTROL]
'es wurde telefoniert' 'er wurde gezwungen zu bluten / stinken'
c. *er werd gebloed
Darüber hinaus entspricht - so Zaenen (1993:147) - [+ CONTROL] im Wesentlichen
'es wurde geblutet'
Dowtys (1991) Proto-Agens-Eigenschaft 'Volitionalität'. Außerdem lehnt Zaenen
d. *in dat ziekenhuis werd er gestorven
(1993:133) den Kontrollbegriff an die Bedeutung des Prädikats DO in Ross (1972) an. In
'in dem Krankenhaus wurde gestorben'
der generativ-semantischen Arbeit von Ross (1972.70) werden alle Handlungsverben in
In gewissem Rahmen kann Kontrollierbarkeit auch durch den Kontext bestimmt sein und das Objekt-Komplement eines DO-Satzes eingebettet; mithilfe von "DO-Gobbling" wird
lizenziert dann unpersönliche Passivkonstruktionen, die allerdings stilistisch etwas mar­ (69a) in (69b) transformiert.
kiert sind:
(69) a. [DO frogs [produce frogs croaks]]
(65) a. in het tweede bedrijf werd er door de nieuwe acteur op het juiste ogenblik gevallen b. frogs produce croaks
'im zweiten Akt wird von dem neuen Schauspieler im rechten Moment gefallen'
Ross (1972.116) diskutiert DO zwar als "a higher predicate of intentionality", weist aber
(aus Zaenen 1993:139)
ausdrücklich daraufhin, daß DO semantisch nicht mit Filimores (1968a) "Agent" zu ver­
b. immer wenn es um Religion und Nationalismus geht, wird bereitwillig gestorben
wechseln sei, da es auch nicht-agentiven Ausdrücken zugrundeliegt, die keine Volitiona­
(aus Kaufmann 1995a:168)
lität beinhalten, wie what the rolling boulders did is crush my petunias to smithereens
Die Akzeptabilität des unpersönlichen Passivs hängt außerdem davon ab, daß der Aus­ (Ross 1972:106). Zaenens Gleichsetzung von "DO", "volition" und "control" ist also mit
druck nicht-telisch interpretiert wird. Telische bzw. nicht-telische Interpretation werden Skepsis zu betrachten.
dabei nicht vom Verb allein bestimmt. Inhärent telisch Verben wie ankommen können Zaenen (1993:134,147) weist außerdem darauf hin, daß Verben wie niesen zwar die
z.B. in unbegrenzt-iterativer und damit nicht-teiischer Interpretation im unpersönlichen Modifikation durch absichtlich erlauben, daß aber Kontrolle / Volitionalität kein "lexical
entailment" im Sinne Dowtys (1991) sei, da sie nicht durch das Verb selbst impliziert ist;
niesen kann, muß aber nicht willentlich erfolgen, es hat lediglich eine "volitional di-
Der Begriff der Verantwortung ("primary responsibility") wird vor allem von Lakoff
(1977:248ff) als zentrale Agenseigenschaft hervorgehoben; ich werde darauf nicht weiter einge­ mension". Ob ein Verb Volitional dimensioniert' ist, sei nicht von außersprachlichen
hen.
200 201

Tatsachen bestimmt, sondern sei an die konventionalisierte Bedeutung des Verbs gebun­ • Foley / Van Valin (1984:32) (bezugnehmend auf die Makro-Rolle "actor"): Aktoren
den. 74
sind "potential Initiators and / or C o n t r o l l e r s of the action of the predicate".
Zaenen (1993:148) glaubt, auf eine genaue Bestimmung des semantischen Status von • Andrews (1985:68): Ein Agens ist ein Partizipant, "which the meaning of the verb
'Kontrolle' verzichten zu können, da die Tests ausreichende semantische Präzision garan­ specifies as doing or causing something, possibly intentionally".
tieren. Ich halte das nicht für eine akzeptable Begründung. Ein operationales Verfahren • Radford (1988:373): "AGENT (or ACTOR) = Instigator of some action".
kann bestenfalls heuristische Funktion haben; es ersetzt aber keine theoretischen Festle­ • Dowty (1991:572): Kennzeichnend für einen prototypischen Agens ist "volitional
gungen und Präzisierungen. Letztlich zeigen die beiden von Zaenen angeführten Tests nur involvement in the event or State".
eine Korrelation dreier sprachlicher Phänomene auf (unpersönliches Passiv, opzettelijk- Die verwendeten Intentionalitätsbegriffe sind dabei meist weich genug, um von einem
Modifikation, ßr>/nge«-Einbettung). Es stellt sich etwa die Frage, welche theoretischen zum anderen zu wechseln. Primus (1994:54) möchte Dowtys Begriff von "volition" durch
Konsequenzen es für das CONTROL-Merkmal hätte, wenn die Behauptung, es bestünde "control" ersetzen, denn der Agens "is also able to start and stop the event at will". Zaenen
eine solche Korrelation zwischen unpersönlichem Passiv und anderen Phänomenen, sich (1993:134) dagegen identifiziert ihren Kontrollbegriff mit Dowtys "volition". Dowty
als falsch erweisen würde. Ich denke, das Vorliegen von Kontrolle als semantischer Rela­ (1991:552) selbst wiederum bringt im Zusammenhang mit "volition" auch "intention" ins
tion läßt sich nur begründen oder bestreiten aufgrund des Bestehens oder Nicht-Bestehens Spiel und verweist in Bezug auf x murders y darauf hin, "that x does a volitional act, that
einer solchen Relation in der Wirklichkeit, über die wir sprechen, und dazu müssen wir x moreover intends this to be the kind of act named by the verb". Diese Beliebigkeit läßt
schlicht und einfach wissen, was für eine Relation 'Kontrolle' beschreibt. Damit soll nicht Zweifel aufkommen, daß die Intentionalitätsbegriffe ohne eine weitere Präzisierung sehr
behauptet werden, daß Zaenen die passivfähigen und passivunfähigen Intransitiva falsch erklärungskräftig sind.
voneinander abgrenzt, wohl aber bezweifelt werden, daß die gewählten Begrifflichkeiten
Intention: Der Begriff 'Intention' wird auf zwei recht deutlich unterschiedene Weisen ver­
einen Erklärungsfortschritt darstellen gegenüber dem schon in älteren Grammatiken ko­
wendet. Die eine Lesart spiegelt sich am ehesten in dem Ausdruck etwas absichtlich tun
difizierten Wissen, demzufolge das unpersönliche Passiv (im Deutschen) nur bei solchen
wieder, die andere in dem Ausdruck etwas mit einer bestimmten Absicht tun. 15
Wenn wir
intransitiven Verben auftritt, die "wirkende Personen" voraussetzen (Wilmanns
im ersten Fall einer Handlung Absichtlichkeit unterstellen, so heißt das, daß sie auf Grund
1906:3021), bzw. bei solchen, "which express an activity or condition that stands in a
einer bestimmten Entscheidung und nicht zufällig oder erzwungenermaßen zustandege­
relation to a free moral agent" (Curme 7904/1915:352).
kommen ist. Die auf eine Handlung bezogene 'Intention' ist unmittelbar auf die Handlung
Begriffe im Umfeld der Handlungsinitiierung: Daß bestimmte Ereignisse unmittelbar von selbst und ihre Ausführung gerichtet. In diesem Sinne ist intentionales Handeln nur
Menschen initiiert sind, hat unzweifelhaft einen erheblichen Einfluß auf die Lizenzierung schwer von willentlichem Handeln zu unterscheiden.
vieler syntaktischer Konstruktionen, die Verben enthalten, welche solche Ereignisse be­ In der zweiten Lesart dagegen ist 'Intention' nicht unmittelbar auf die Ausführung einer
zeichnen. Die nicht unmittelbar auf äußere Ursachen zurückführbare Initiierung eines Handlung bezogen, sondern auf das, was aus dieser Handlung folgt. Wenn jemand in
Ereignisses, trägt dabei offenbar in erheblichem Maße dazu bei, daß wir solche Ereignisse diesem Sinne eine Handlung mit einer Intention ausführt, so geht er erstens davon aus,
als Handlungen verstehen und den initiierenden Ereignispartizipanten als Agens. Entspre­ daß seine Handlung die Ursache von einem anderen Ereignis oder Zustand sein wird, und
chend sparen Agensdefinitionen diesen Aspekt selten aus und kleiden ihn in Begriffe wie 76
zweitens wünscht er das Eintreten dieses Ereignisses oder Zustands. Ich werde 'Inten­
'Kontrolle', 'Intention', 'Willen' ('volition'), 'Initiierung', 'Verantwortung'. Hier einige Bei­ tion' immer in diesem zweiten Sinne verwenden.
spiele (Hervorhebungen von mir). Wenn wir nun von bestimmten Verben sagen, daß sie implizieren, daß die Ausführung
• Gruber (7965/1976:157): Für einen typischen Agens wird festgestellt: "[he] wills the der Handlung, die sie bezeichnen, intentional (= mit einer Intention) ist, so betrifft das im
action and intentionally effects it". Rahmen der gerade geschilderten Auffassung von Intention vor allem solche Verben, die
• Lakoff (1977:244): Für prototypische Agens-Patiens-Sätze gilt: "the agent's action is ein Ereignis oder einen Zustand mitbezeichnen, der über die eigentliche Agenshandlung
volitional", "the agent is in control of what he does", "the agent is primarily responsible hinausgeht. Das ist bei Verben mit mehreren Teilereignissen, z.B. bei kausativen Verben,
for what happens (his action and the resulting change)". der Fall. Innerhalb dieser Gruppe finden sich allerdings nur relativ wenige, die 'Intention'
• Dik (1978:33): "A state of affairs is controlled if one of the entities involved in it, the lexikalisch implizieren. So können wir etwa nicht von 'Ermorden' reden und dabei das
controller, has the power to determine whether or not that state of affairs will obtain."
• Hopper / Thompson (1980:286): "agency" und "volitionality" (als Transitivitätspara- Dies soll keine analytische Erörterung der Bedeutung der Wörter Intention oder Absicht sein;
meter) sind eng verbunden; sie betreffen "the degree of planned involvement of an es geht mir nur darum, bestimmte Begriffe zu präzisieren, von denen ich denke, daß sie zen­
A[gent] in the activity of the verb"; sie kennzeichnen "people who perform actions, and trale Intentionalitätskonzepte sind.
Möglicherweise ist es auch angemessener zu sagen, daß nicht das Eintreten bestimmter Ereig­
especially [...] people who deliberately initiate events." nisse oder Zustande intendiert wird, sondern das Zustandekommen bestimmter Sachverhalte.
Da der Intentionsbegriff für das Folgende nicht so zentral ist, will ich das hier nicht weiter er­
örtern, genauso wenig wie die problematische Diskussion um das genaue Verhältnis, das zwi­
7 4
Cruse (1973:12) hat bereits daraufhingewiesen, daß bei manchen agentiven Verben keine schen einer Handlung und dem, was mit ihr intendiert ist, bestehen muß, damit wir sagen kön­
Volitionalität impliziert ist, z.B.: John accidentally kicked the bucket over. nen, daß die Handlung intentional war, vgl. dazu z.B. Ginet (1995).
202 203
77
vom Agens intendierte Sterben des Opfers negieren; ähnlich sind bestimmte Intentionen kommen, und zwar im Zusammenhang mit der Diskussion der ersten Frage nach den
beim Mogeln oder Werfen impliziert: Kennzeichen des Willensbegriffs, die im Folgenden im Mittelpunkt stehen wird.
Wenn man einen relativ konsensfähigen, intuitiv naheliegenden Willensbegriff kon­
(70) a. sie hat ihn in der Tat ermordet, aber nicht mit der Absicht, daß er stirbt
??
80
struieren möchte, der sich möglichst klar vom Begriff der Intention abhebt, so könnte
b. Hsie hat in der Tat gemogelt, aber nicht mit der Absicht, einen unredlichen Vorteil 81
dieser auf den folgenden Charakteristika basieren:
herauszuschlagen
• Der freie Wille ist auf Handlungsereignisse gerichtet, die unmittelbar und ohne eine
c. sie hat den Ball in der Tat geworfen, aber nicht mit der Absicht, den Ball zum Fliegen
??

vermittelndes kausales Zwischenglied vom Wollenden ausgeführt werden können.


zu bringen • Der freie Wille involviert eine Wahlmöglichkeit, d.h., ich kann in einer bestimmten
78
Die vermutlich meisten Verben implizieren eine solche Intention allerdings nicht. So Situation nur dann etwas wollen, wenn mir mindestens zwei Handlungsalternativen zur
kann man versehentlich jemanden töten, versehentlich das Eis schmelzen, versehentlich Verfügung stehen.
das Licht anmachen, etc. Und dies gilt unabhängig davon, ob die Verursachungshandlung • Der freie Wille ist immer bewußt, d.h., er ist introspektiv wahrnehmbar.
absichtlich (in der ersten Lesart von 'absichtlich') oder unabsichtlich zustande kommt. • Der freie Wille ist nicht durch externe Reize oder Ereignisse unmittelbar bestimmt.
Nun ist es offensichtlich, daß die meisten vermeintlichen Handlungsverben auch solche
Willen: Wenn Zaenen (1993:1331) behauptet, daß telefonieren oder niesen, nicht aber
Handlungen bezeichnen können, die nicht einer bewußten Willensentscheidung unter­
stinken ein Verb sei, daß ein willentlich ausführbares bzw. kontrollierbares Ereignis be­
worfen sind, wie z.B all das, was man ganz spontan und ohne nachzudenken tut: Man
zeichnet, so wirft das die Frage auf, was denn 'willentlich' ("volitional") hier bedeuten soll.
springt bei der ersten Großchance von Borussia aus dem Fernsehsessel, man klatscht bei
Es scheint zunächst nicht ohne weiteres plausibel, den Willen zum Stinken oder das kon­
Zorcs Tor vor Freude in die Hände, oder man wirft aus lauter Enttäuschung einen Pantof­
trollierte Stinken als unmöglich auszuschließen. In den weitaus meisten Fällen sind wir
fel gegen den Fernseher. Selbst wenn man das Willenskonzept so weit faßt, daß es auch
durchaus in der Lage, unsere Körpergerüche weitgehend und abhängig von unserem Wil­
solche etwas weniger überlegten, spontanen Entscheidungen mit einschließt, muß man
len unter Kontrolle zu halten: Wir können uns dreimal am Tag mit ph-neutraler Seife
doch einräumen, daß Handlungsverben über solche Spontanhandlungen hinaus auch sol­
waschen und werden überhaupt nicht stinken oder wir geben das Baden und Duschen
che Handlungen bezeichnen, die man nicht nur ohne bewußte Willensentscheidung aus­
völlig auf und reiben uns stattdessen mit Rasierwasser oder Vamlleparfüm vom Flohmarkt
führt, sondern deren ganzer Ablauf uns unbewußt bleibt oder erst rückwirkend ins Be­
ein. Die Frage nach der genaueren Bedeutung von Kontrolle bzw. "volition" wird von
wußtsein kommt. Man geht ganz in Gedanken auf und ab, man malt beim Telefonieren
Zaenen (1993:158) lediglich in einer Fußnote erörtert, in der sie die Möglichkeit disku­
geometrische Muster auf den Telefonbuchrand, ohne sich dessen gewahr zu sein, man
tiert, Kontrollierbarkeit als Verhinderbarkeit zu verstehen: Man kann durch bestimmte
spielt, ohne es zu merken, während des Seminars mit einem Radiergummi, oder man
Maßnahmen wie regelmäßiges Baden zwar erreichen, daß man nicht stinkt; ergreift man
klopft geistesabwesend mit der Hand auf die Stuhllehne. Es ist damit ganz offensichtlich,
diese Maßnahmen jedoch nicht, so ist das Stinken nicht zu verhindern. Demgegenüber
daß die Verben gehen, malen, spielen, u s w . keine "Volitionalität" in dem geschilderten
könne man aber in viel unmittelbarerer Weise verhindern, daß man niest. Willen und
Sinne implizieren. Angesichts dessen kann man entweder - wie es Zaenen (1993 134) tut
Kontrolle haben also scheinbar etwas mit Unmittelbarkeit zu tun.
- die Annahme abschwächen, daß "volition" bei diesen Verben im strengen Sinne impli­
Die philosophische Literatur zum "freien Willen" ist durch drei Fragen geprägt, erstens,
ziert ist, oder man kann versuchen, das handlungskennzeichnende Element anders zu
was den freien Willen kennzeichnet, zweitens, in welchem Verhältnis der freie Wille zur
bestimmen. Ich werde letzteres versuchen.
gewollten Handlung steht, und drittens, ob der freie Wille lediglich eine Illusion in einem
ausschließlich durch Naturgesetze geprägten Universum ist (Determinismus). Die dritte Neurologie des Handelns: Angesichts der gerade besprochenen Beispiele scheint es, daß
Frage soll uns hier zunächst nicht weiter interessieren. Die zweite Frage stellt sich v.a. in die Rolle des freien Willens bei der Konstitution menschlicher Handlungen oft überbetont
der Form, ob der freie Wille die Handlung, auf die er gerichtet ist, verursacht. Das Beste­ wird. Insbesondere ist "volition" bei viel weniger handlungsbezeichnenden Verben impli­
hen einer solchen Kausalitätsrelation zwischen Willen und gewollter Handlung ist aller­ ziert als die meisten Agensauflassungen dies nahelegen. Ich werde versuchen, mich der
79
dings sehr umstritten (vgl. Ginet 1995:3f). Ich werde noch einmal darauf zu sprechen Bestimmung des Verhältnisses zwischen Agentivität und Volitionalität über einen Umweg
zu nähern, und werde in diesem Zusammenhang einen Blick auf die neurologischen
Grundlagen des Handelns werfen.
7 7
Es sei denn, man hält Redeweisen wie sie ermordete ihn im Affekt für akzeptabel. Die folgenden Überlegungen zu einer 'Neurologie des Handelns' lehnen sich an die
7 8
Vgl. auch Andrews (1985.68). Darstellungen in Nauta / Feirtag (1979:74), Thompson (/P<S5/1990:165f, 209ff) und Roth
7 9
Auch DeLancey (1984:182,207) und Primus (1994:68) gehen in ihren Agens-Konzeptionen da­ (1997:30311) an. Demnach können wir aus neurologischer Sicht drei Sorten von autonom
von aus, daß ein gewolltes (bzw. kontrolliertes) Ereignis immer auch ein vom Wollenden ver­
ursachtes Ereignis ist. Diese Implikation 'control/volition -> cause' ist, wie Blume (1995:13)
vermutet, wohl vor allem dadurch motiviert, daß sie in dem von Primus gewählten Protorollen- Wie bei der Diskussion des Intentionsbegriffs gilt auch hier, daß es mir weniger um eine ana­
Ansatz zu den gewünschten Ergebnissen beim Aufrechnen der Proto-Agens- und Proto-Patiens- lytische Diskussion der Frage geht, was etwas wollen in der natürlichen Sprache heißt, als
Eigenschaften führt. Ein solches Vorgehen ist schon im letzten Kapitel bei der Diskussion des vielmehr um die Beschreibung einer kognitiven Größe.
Begriffs "sentience" bemängelt worden. Dies entspricht in etwa auch der Auffassung von Ginet (1995); vgl. auch Libet (1985:529).
204 205

gesteuertem, nicht unmittelbar von außen verursachtem menschlichen Verhalten unter­


scheiden: Reflexhandlungen, KörrÄrfünktionen und Handlungen im engeren Sinn:
i) Reflexhandlungen kommen im Regelfall ohne Beteiligung höherer neuronaler Kom­
ponenten, d.h., ohne Beteiligung des Gehirns zustande. Im einfachsten Fall ist es eine
direkte synaptische Verbindung zwischen einer sensorischen Nervenzelle und einer moto­
rischen Nervenzelle, die eine Muskelbewegung steuert ('monosynaptischer Reflexbogen').
Das heißt, es gibt keine vermittelnden neuronalen Instanzen zwischen dem Empfang eines
Reizes, wie etwa einem plötzlichen, starken Druck unterhalb der Kniescheibe, und der
Auslösung einer Reaktionsbewegung, also dem Vorschnellen des Unterschenkels durch
Dehnung des Streckmuskels. In anderen Fällen ist von einigen synaptischen Zwischen­
schaltungen im Rückenmark auszugehen, etwa wenn eine sensorische Nervenzelle eine
plötzliche Temperatursteigerung an der Hautoberfläche des Armes registriert und der Arm
daraufhin reflexartig weggezogen wird. Dabei erfolgt im Übrigen die Reaktionsbewegung,
bevor wir überhaupt einen Verbrennungsschmerz spüren. Zu solchen unwillkürlichen (=
nicht willentlichen) Reflexbewegungen gehören z.B. ein Zucken des Lides, wenn sich
etwas plötzlich unseren Augen nähert, eine abwehrende Handbewegung, ein Ausfallschritt
beim Stolpern oder auch allgemeine Maßnahmen zur Haltungs- und Bewegungskontrolle.
ii) Eine andere Art von menschlichen Tätigkeiten stellt das unwillkürliche Steuern be­
stimmter Vorgänge im Körper dar, z.B. die Regelung des Blutdrucks, des Herzschlags und
der Atemfrequenz, die Steuerung der Drüsen und der muskulaturabhängigen Vorgänge Neurologie des Willens: Mißt man nun die Gehirnaktivität beim Ausführen einer Hand­
der Eingeweide, kurz: das Atmen, Verdauen und Schwitzen. Diese Vorgänge werden lung, so läßt sich feststellen, daß zunächst der subcorticale, mit dem limbischen System
durch das sogenannte autonome Nervensystem gesteuert. Dabei ist die zentrale Steue­ zusammenhängende Bereich (Kleinhirn und Basalganglien) aktiv wird, dann der prämoto­
rungsinstanz im Gehirn der Hypothalamus, der wiederum einem gewissen Einfluß des rische und supplementär-motorische Cortex und schließlich, einige hundert Millisekunden
limbischen Systems (Hippocampus und Mandelkern) unterliegt, welches als eine Art un­ vor dem Einsetzen der Bewegung, der primäre motorische Cortex. Es stellt sich nun die
bewußtes, emotionales Bewertungssystem (s.u.) das Verhalten des Menschen steuert. In­ Frage, wo in dem komplexen Zusammenspiel verschiedener Hirnareale eigentlich der freie
sofern als alle diese Bereiche nicht dem Cortex, also der Großhirnrinde angehören, bleiben Wille ins Spiel kommt. Die weiter oben beschriebenen Auffassungen des freien Willens
die durch das autonome Nervensystem gesteuerten Vorgänge (von einzelnen Ausnahmen setzen im Grunde alle voraus, daß er als bewußtes Steuerungsmoment am Beginn der
abgesehen) außerhalb unserer bewußten Kontrolle. Handlung steht. Der eigentliche Handlungsimpuls kommt aber, wie gerade geschildert,
iii) Den interessantesten Fall stellen nun natürlich die Handlungen im engeren Sinne dar, aus den subcorticalen Arealen des Gehirns, deren Prozesse nicht ins Bewußtsein vordrin­
deren Steuerung unter Beteiligung von Prozessen im Cortex zustandekommt (s. Abb. 6). gen. Ein diesen vorgeschalteter freier Wille als Handlungsauslöser würde demnach selbst
Bei solchen Handlungen, von denen wir gewöhnlich annehmen, daß wir uns in irgend­ im unbewußten Bereich des Subcorticalen anzusiedeln sein. Die Annahme eines unbe­
einer Weise für sie entscheiden müssen, damit sie stattfinden, sind eine Reihe verschiede­ wußten freien Willens würde allerdings jeglichen philosophischen oder alltagsweltlichen
ner Komponenten des Gehirns beteiligt. Im Bereich des Cortex gehören dazu der primäre Vorstellungen vom freien Willen widersprechen (Roth 1997:3060).
motorische Cortex, der einzelne Muskeln und Muskelgruppen steuert und v.a. für die In der Tat haben einige von Libet (1985:5300) durchgeführte Experimente zu über­
Feinabstimmung von Bewegungen verantwortlich ist, sowie - dem motorischen Cortex raschenden Ergebnissen geführt. Probanden, deren Gehirnaktivität gemessen wurde, soll­
vorgeschaltet - der prämotorische Cortex, der das komplexe Zusammenwirken von Mus­ ten i n diesen Experimenten den Moment registrieren, in denen sie eine bewußte Willens­
kelgruppen regelt, und der supplementär-motorische Cortex, der für die Planung von Be­ entscheidung zur Ausführung einer einfachen Handlung trafen. Der Moment dieser Wil­
wegungsabläufen zuständig ist. Der gesamte corticale motorische Apparat wird nun sei­ lensentscheidung - so stellte sich heraus - lag dabei zwar vor dem Einsetzen von Aktivität
nerseits durch subcorticale Strukturen gesteuert, durch die Basalganglien, Teile des Tha­ im primären motorischen Cortex, aber deutlich nach den vom subcorticalen Bereich aus­
lamus und des Kleinhirns, wobei das Kleinhirn als Sitz des prozeduralen Gedächtnisses, gehenden Handlungsimpulsen. Der Wille - oder, sagen wir besser, die 'Willensvorstellung'
in dem gelernte, automatisierte Handlungsabläufe gespeichert sind, wiederum in enger - scheint also gar nicht Auslöser der Handlung, sondern möglicherweise eher deren Be­
Verbindung mit dem primären Motorcortex steht. Basalganglien, Thalamus und Kleinhirn gleiterscheinung zu sein (s. Abb. 6).
sind zum Teil eng mit dem limbischen System verbunden und sind nicht nur an der Orga­ Daß die mit dem limbischen System eng verbundenen Areale sich als so relevant für die
nisation von Bewegungsabläufen beteiligt, sondern sie geben insbesondere auch den Im­ Auslösung des Handlungsimpulses und die Steuerung unseres Verhaltens erweisen, ist
puls zur Bewegungsausführung. insofern erklärlich, als das limbische System - wie oben schon angedeutet - eine Art un­
bewußte, emotionale Bewertung unseres Empfindens und Tuns vornimmt, ob also Ereig-
206 207

nisse oder eigenes Tun mit Lust, Schmerz, Mißbehagen, Befriedigung, etc. verbunden Programms mögen bewußte Planung und Intentionen involviert sein, für viele einfachere
sind. In diese Bewertung gehen allerdings auch bestimmte Elemente der bewußten Hand­ Alltagshandlungen gilt das aber offenbar nicht. Die meisten der unzähligen täglichen
lungsplanung ein, v.a. durch enge Verbindungen des limbischen Systems mit dem soge­ Körperbewegungen und automatisierten Handlungsabläufe erfolgen ohne planende
nannten Assoziationscortex, der für bestimmte planerische und intentionale Aspekte des Vorausschau und insbesondere zum Teil ohne eine begleitende Willensvorstellung. Ich
Handelns verantwortlich ist. So ist Libet (1985) selbst durchaus vorsichtig bei der Inter­ denke, daß uns dieses, mit den neurologischen Befunden kompatible Handlungskonzept
pretation seiner experimentellen Ergebnisse. Zum einen gibt es bewußte Elemente der im Wesentlichen auch intuitiv bewußt ist und wir im Grunde viel weniger menschlichen
Handlungsplanung, die dem eigentlichen Handlungsimpuls vorausgehen, wobei sich das Handlungen in unserer Umgebung das Vorausgehen einer freien Willensentscheidung
Auftreten einer Willensvorstellung in den Experimenten allerdings als unabhängig davon unterstellen, als Handlungstheorien dies nahelegen.
erwiesen hat, ob eine Vorausplanung der Handlung stattgefunden hatte oder nicht (Libet Insbesondere aber sollten die vorangehenden Überlegungen auch zeigen, daß die Theta-
1985:539). Zum anderen ist es auch nach Auftreten der Willensvorstellung noch möglich, rollensemantiker der 'Volitionalität' einen zu hohen Stellenwert beimessen, wenn sie be­
die Handlung nicht zur Ausführung kommen zu lassen ("veto control"), und auch die Art haupten, 'volition' sei ein definierendes Merkmal des Agens oder, daß handlungsbezeich­
der Durchführung der Handlung ist bewußter Kontrolle zugänglich Die unmittelbare nende Verben wie gehen, aufspringen, klatschen u.s.w. den freien Willen des Agens zur
Handlungsauslösung aber, die wir als eigentliche Domäne des freien Willens angesehen Ausführung dieser Handlung implizieren. Was sie in der Tat implizieren, ist lediglich
hatten, scheint dagegen im Unbewußten der subcorticalen Systeme stattzufinden einen Impuls der beschriebenen Art.
(Thompson 79&5/1990:237f, Roth 1997:307). Unter dieser Betrachtungsweise beantwortet
Handlungstypen: In Anlehnung an das im Abschnitt zur 'Neurologie des Handelns' Ge­
sich natürlich auch die oben angerissene Frage, ob der freie Wille die gewollte Handlung
sagte, lassen sich nun fünf Typen von Ereignissen unterscheiden, die gewöhnlich durch
verursacht, offensichtlich mit "nein".
solche Intransitiva bezeichnet werden, welche menschliche Individuuen an Subjektposition
Impulse, Intentionen und Willensvorstellungen: Überlegungen wie die vorangegangenen fordern oder erlauben, wobei die Klassifikation auch das Verhältnis von impulsgesteuerten
zum Zusammenhang von Handlungen, Handlungsplanung, Intentionen und Willens­ zu willentlich ausgeführten Handlungen reflektiert:
vorstellungen lassen Roth zu folgender Einschätzung kommen: • nicht-gesteuerte Geschehnisse, z.B. Fallen, Stolpern oder Ausrutschen;
• unwillkürliche Reflexe, z.B eine abwehrende Handbewegung, ein Zucken mit den Au­
Unsere bewußten Planungen gehen also nur als eine von vielen Determinanten in unsere Hand­
lungssteuerung ein, und oft sind sie keineswegs entscheidend. [...] Die Autonomie menschlichen genlidern oder ein Ausfallschritt beim Stolpern;
Handelns ist nicht im subjektiv empfundenen Willensakt begründet, sondern in der Fähigkeit des • unwillkürliche Körperfunktionen, z.B. Herzschlag, Verdauen, Schluckauf, Schwitzen
Gehirns, aus innerem Antrieb Handlungen durchzuführen. Das Gehirn oder besser: der ganze oder Zittern;
Mensch ist also das autonome System, nicht das empfindende Ich. (Roth 1997:310) • partiell willkürfähige Handlungen, z.B. Husten, Rülpsen, Niesen, Lachen oder Gähnen;
Diese Annahme reduziert die Intentionalitätskomponente bei der Auffassung menschli­ • prinzipiell willkürfähige Handlungen, z.B. Laufen, Schlagen, Tanzen oder Klatschen.
chen Handelns erheblich: Handlungen erlauben Intentionen und Willensvorstellungen, Die beiden letzten Typen von Handlungen unterscheiden sich dadurch, daß es bei par­
aber sie setzen diese nicht voraus. Bedingung des Handelns ist dagegen ein oft nicht ein­ tiell willkürfahigen Handlungen von der Situation abhängt, ob sie kontrolliert stattfinden
mal in der Form von Willensvorstellungen bewußt werdender, sich in subcorticalen Pro­ können oder nicht. In manchen Situationen ist ein Lachen, Niesen oder Gähnen nicht zu
zessen manifestierender innerer Antrieb, den ich im Folgenden als 'Impuls' bezeichnen unterdrücken. In anderen Situationen wiederum ist das doch möglich. In solchen Situatio­
82

werde. nen ist das Lachen oder das Nicht-Lachen von einer Willensvorstellung begleitet. Für
Die philosophische oder neurologische Frage, ob es den freien Willen gibt oder ob ein die prinzipiell willkürfähigen Handlungen gilt dagegen, daß sie in jeder Situation von
deterministisches Weltbild ihn als bloße Chimäre erweist, ist allerdings zunächst unab­ einer Willensvorstellung begleitet sein können. Man kann das wie folgt fassen. Wenn x in
hängig von der Frage, ob ein (wenn auch z.T. vielleicht fälschlich unterstellter freier einer bestimmten Situation etwas unwillkürlich tut, so ist das, was er tut, dann eine 'prin­
Wille) eine verschiedenen sprachlichen Phänomenen zugrundeliegende ontologische zipiell willkürfähige Handlung', wenn jemand anderes in der gleichen Situation die glei­
Größe in unserer Semantik ist und damit eben auch in Verbrepräsentation und -klassifika- che Handlung willkürlich getan hätte oder x in der gleichen Situation zu einer anderen
83

tionen eine zentrale Rolle spielen kann. Letztlich, denke ich, erfolgen solche semantischen Zeit die gleiche Handlung willkürlich getan hätte. So gilt für jedes Laufereignis e, daß
Klassenbildungen aufgrund unreflektierter, durch die kognitiven Strukturen bestimmten ein Individuum x in dem Laufereignis den Impuls zu e gibt. Darüber hinaus gilt, daß jedes
Auffassungen des Menschen von sich und der Welt, die ihn umgibt. Die durch unter­
schiedliche neuronale Steuerungsweisen bestimmte Handlungsldassifikation scheint aber
Ich weiß nichts über die neuronalen Abläufe bei solchen Handlungen zu sagen; wenn Wil­
unsere intuitiven Vorstellungen verschiedener Typen unseres Tuns durchaus mitzudeter- lensvorstellungen, wie Roth (1997:305) vermutet, beim Übergang vom prä- und supplementär-
mimeren, denn wir haben tatsächlich - wie im Abschnitt zum 'Willen' besprochen - offen­ motorischen zum primären motorischen Kortex entstehen, sollten willentlich ausgeführte
bar in vielen Kontexten ohnehin Mühe, eine Willensentscheidung festzustellen, die man Handlungen dieses Typs ähnliche Prozesse involvieren, wie die prinzipiell willkürfahigen
einer Handlung unterstellen könnte. Bei komplexen Handlungen wie dem Schreiben einer Handlungen.
Dissertation, dem Renovieren einer Wohnung oder dem Installieren eines Computer- Eine ganz ähnliche Bedingung führt Rayfield (79ö"«/1985:74f) an bei seiner Bestimmung der
notwendigen Eigenschaften von Handlungen.
208 209

Ereignis, in dem x läuft, von einer Willensvorstellung von x hinsichtlich e begleitet sein eigentliches, also unwillkürliches Fallen interpretieren, sondern in ironischer Weise als
kann. absichtliches Sich-Fallen-Lassen.
Ebenso wie für jedes Laufereignis gilt auch für jedes Niesereignis e, daß ein Individuum x
(71) a. im Zuschauerraum wurde überall geniest und gehustet
in dem Niesereignis den Impuls zu e gibt. Darüber hinaus gilt, daß in der Menge der Er­
b. (H)im Strafraum wurde häufiger gefallen
eignisse, in denen x niest, es welche gibt, bei denen es möglich ist, daß sie von einer Wil­
84
c. wurde schreckhaft mit den Lidern gezuckt
lensvorstellung von x hinsichtlich e begleitet sind, während es in anderen Niesereignis­
d. ??
e s wurde überall auf der Eisfläche am ganzen Körper gezittert
sen nicht möglich ist. Sowohl partiell als auch prinzipiell willkürfähige Handlungen basie­
ren also auf Impulsen. Die entsprechenden Verben implizieren eine Relation Ein Großteil der passivfähigen intransitiven Verben bezeichnet elementare Körperbewe­
IMPULS(x,e,e'), die besagt, daß es ein von x ausgehendes Impulsereignis e' gibt, das die gungen wie in (71). Andere Verben bezeichnen natürlich auch komplexere Ereignisse, die
Handlung e auslöst. aber aus solchen elementaren Körperbewegungen bestehen. Solche Ereignisse wie in (72a)
bis (72c) gehen damit ebenso auf Impulshandlungen zurück, wie das schwach agentive
Zurück zum unpersönlichen Passiv: Der Ausgangspunkt für die Diskussion der intentio-
stehen in (72d) auf die Impulshandlung des Sich-Hinstellens:
nalen Komponente von Handlungen war Zaenens (1993) Analyse des unpersönlichen
Passivs. Zaenen machte die Akzeptabilität des unpersönlichen Passivs davon abhängig, (72) a. es wird überall in Dortmund gebaut
daß das bezeichnete Ereignis nicht-telisch ist und das zugrundeliegende Verb kontrollier­ b. so schlecht wurde in diesem Stadion schon lange nicht mehr gespielt
bare, und das heißt nach Zaenen, willentlich ausführbare Handlungen bezeichnet. Der c. in den oberen Etagen wird schon tapeziert
Willensbegriff birgt allerdings, wie gesehen, nicht nur inhaltliche Probleme, er grenzt - d. bei Jazzkonzerten sitzen die Zuschauer meistens, aber auf Rockkonzerten wird eigent
zumindest in Form einer lexikalischen Implikation - auch die Klasse der passivfähigen immer gestanden (aus Kaufmann 1995b:404)
Intransitiva nicht angemessen aus. Im Zentrum der Lizenzierungsbedingungen für das
unpersönliche Passiv sollte daher der Begriff der impulsgesteuerten Handlung stehen. Daß im unpersönlichen Passiv keine Reflexhandlungen ausgedrückt werden können, zei­
gen auch solche Beispiele, die Verben enthalten, welche sowohl Reflex- als auch Impuls­
Demnach ist im Deutschen, das sich allerdings hinsichtlich der Bedingungen fürs unper­
handlungen bezeichnen können:
sönliche Passiv kaum vom Niederländischen zu unterscheiden scheint, ein unpersönliches
85
Passiv dann möglich, wenn der Ausdruck ein Ereignis bezeichnet, das nicht-telisch ist (73) a. es wurde überall auf der Tanzfläche gezuckt und gewackelt
86
und eine Impulshandlung darstellt bzw. auf eine solche zurückgeht. b. es wurde überall im Hörsaal getreten und geschlagen
Die lexikalische Bedingung für die Zulässigkeit des unpersönlichen Passivs kann damit,
Beispiel (73 a) etwa ist dann akzeptabel, wenn ein verständnisloser Beobachter von seinem
anders als Zaenen (1993:134) annimmt, als strikte lexikalische Folgerung formuliert wer­
Besuch in der Techno-Disco berichtet, aber nur solange sich nicht herausstellt, daß das
den. Dagegen wird weder verlangt, daß ein Verb im unpersönlichen Passiv die willentli­
Zucken und Wackeln reflexartig als Folge einer durch exzessiven Altbiergenuß hervorge­
che Beteiligung des Agens impliziert, noch bringt meines Erachtens die unpersönliche
rufenen Schädigung des Zentralnervensystems erfolgt. Und Beispiel (73b) wäre genau
Passivkonstruktion selbst eine solche Willensimplikation mit: So läßt (71a) offen, ob wil­
dann unangemessen, wenn der Kontext deutlich macht, daß die Anatomieprofessorin
lentlich gehustet wurde oder nicht. Entscheidend ist lediglich, daß es sich um eine Im­
kleine Hämmerchen an die Studenten verteilt hat, mit denen sie gegenseitig ihre Patellar-
pulshandlung handelt. Ausdrücke, die andere Typen menschlichen Tuns bezeichnen, also
kniesehnenreflexe getestet haben.
nicht-gesteuerte Geschehnisse (71b), Reflexhandlungen (71c) und unwillkürliche Körper­
funktionen (71d) sind dagegen im unpersönlichen Passiv unakzeptabel oder erzwingen Zusammenfassung und Plädoyer: Intentionalitätsbegriffe wie 'Wille', 'Intention' oder
bestimmte Uminterpretationen. So ist (71b) nur dann akzeptabel, wenn wir es nicht als 'Kontrolle' dominieren viele Definitionen von Agens und Handlungsverben, ohne daß man
sich in der semantischen Literatur jedoch viel um die inhaltliche Präzisierung dieser Be­
griffe bemüht hätte. Eine genauere Betrachtung dieser Begriffe zeigt, daß relativ wenige
Es gibt darunter natürlich auch welche, die faktisch von einer Willensvorstellung begleitet sind,
Handlungsverben implizieren, daß ihr Agens bestimmte, über die Handlung hinausge­
aber das unterscheidet niesen nicht von laufen; der Unterschied liegt ja darin, daß manche Nies­
ereignisse im Gegensatz etwa zu Laufereignissen so zwanghaft sind, daß eine Entscheidung für hende Intentionen hat, noch daß die unmittelbare Handlungsausführung einen Willensakt
oder gegen das Niesen gar nicht möglich ist. des Agens voraussetzt. Vielmehr zeichnen sich die zur Diskussion stehenden Verben da­
Ich habe den Begriff der Telizität nicht weiter diskutiert, aber wie oben schon gesagt, geht es durch aus, daß die Handlungen, die sie bezeichnen, im Gegensatz zu reinen Reflexhand­
mir in diesem Kapitel mehr um die Klärung von Intentionalitätsbegriffen und weniger um eine lungen und Körperfunktionen einen nicht immer bewußt werdenden Handlungsimpuls
vollständige Erklärung der Bedingungen für das unpersönliche Passiv. voraussetzen. Solche Impulse stellen den Ausgangspunkt neurologischer Prozesse bei der
Der Handlungsbegriff schränkt das unpersönliche Passiv auf Ereignisse mit menschlichem
Handlungsausführung dar, während Willensvorstellungen solche Prozesse eher begleiten
Agens ein. Daß das unpersönliche Passiv nur mit menschlichen Agenzien, nicht aber anderen
belebten oder unbelebten Aktanten verwendet wird, ist verschiedentlich beobachtet worden als auslösen. Die Verben, die ein unpersönliches Passiv erlauben, sind nun durch die Im­
(Wilmanns 1906:303, Kaufmann 1995b:404): plikation gekennzeichnet, daß die Ereignisse, welche sie bezeichnen, durch einen Impuls
(i) auf der Party wurde (von vielen Gästen) getanzt des Handlungsagens ausgelöst werden.
(ii) *vor dem Fenster wurde (von Schneeflocken I Mücken) getanzt
210 211

Dieser Versuch, einige Grundbegriffe lexikalisch-semantischer Regeln und Argumen­ chasisch, Adyge), die bei Verben vom Typ 'schlagen' die Objekt-NP anders markieren
tationen zu präzisieren, wird sicherlich der Komplexität der Intentionalitätsphänomene als bei Verben vom Typ 'töten', bei denen das Objekt einer Veränderung unterliegt.
noch nicht gerecht. Ich denke aber doch, daß erst die vorgenommene Begriffspräzisierung • ÄNDER(x,e): Das vom Verb beschriebene Ereignis e ist derart, daß x sich in e ändert.
die prinzipielle Falsifizierbarkeit der lexikalisch-semantischen, in diesem Fall mit dem Das Prädikat ANDER trifft etwa zu, wenn x schmilzt, trocknet oder sich verfärbt.
89
unpersönlichen Passiv befaßten Theorie herstellt. Es ist jedenfalls meine Überzeugung, • BEWEG(x,e): Das vom Verb beschriebene Ereignis e ist derart, daß x sich bewegt.
daß die lexikalische Semantik sich stärker mit der Ontotogie und den Grundbegriffen ihres Meist wird Bewegung als eine agenskennzeichnende Eigenschaft angesehen. So sind
theoretischen Apparates beschäftigen muß, wenn sie den empirischen Gehalt ihrer Theo­ nach Cruse (1973:16) Winde, Computer, Kanonenkugeln und Maschinen gute Kandi­
rien gewährleisten will. daten für die Agensrolle "by virtue of their kinetic (or other) energy." Dies gilt aller­
dings nur für Bewegungen, die nicht durch ein anderes vom Verb impliziertes Ereignis
90
verursacht sind.
4.2.4 Das Verb im Lexikon (Teil II) • KONTROLLE(x,e,e'): Es gibt ein Kontrollier-Ereignis e' durch x, so daß der Ablauf
oder das Bestehen von e von bewußten Entscheidungen und Handlungen von x ab­
Semantische Relationen: Im Zusammenhang mit der Besprechung von thematischen
91
hängt.
Funktionen und Protorollen-Theorien in den letzten Kapiteln ist deutlich geworden, daß Die Relation KONTROLLE, bezogen auf Nachzustände, lizenziert das Auftreten von
thematische Rollen auf grundlegendere semantische Relationen zurückgeführt werden Prospektivadverbialen und Agens-Phrasen beim We/Aew-Passiv (s. Kap. 2.2.4).
müssen. Ich fasse die verschiedenen Relationen im Folgenden noch einmal zusammen. • u.a.
Die ersten drei Relationen WAHRNEHM, IMPULS und WISS sind in den vorangegange­ Die meisten hier angeführten Relationen sind über das Gesagte hinaus sicherlich gute
nen Kapiteln ausführlich diskutiert worden. Daneben sind im Rahmen einer Protorollen- Kandidaten bei der Suche nach prototypischen Agens- und Patienseigenschaften und wer­
Theorie und zur Erklärung weiterer syntaktischer und semantischer Phänomene aber auch den - wie gesehen - in verschiedenen Theorien zu thematischen Rollen auch in diesem
andere Relationen relevant. Ich führe einige dieser Relationen, die ich auch gelegentlich in Zusammenhang angeführt.
87
Verbrepräsentationen verwenden werde, hier a n . Die Beschreibungen, mit denen ich sie
Selektionsrestriktionen und semantische Relationen: Manche Selektionsrestriktionen, die
versehe, sind relativ vage; ihre inhaltliche Fundierung bleibt also eine Aufgabe.
ein Verb seinen Argumenten auferlegt, sind Beschränkungen, die sich schon aus den se­
Folgende Relationen können als Folgerungen aus verbalen Prädikaten auftreten, wobei
mantischen Relationen ergeben, die aus der Verbbedeutung folgen. Insbesondere die Be­
x, y und e jeweils Argumente des Verbs sind, von dem die Implikation ausgeht:
88
schränkung auf belebte Argumentreferenten läßt sich aus einer Reihe von Relationen
• WAHRNEHM(x,e,e'): Es gibt ein Wahrnehmungs-Ereignis e', so daß x e wahrnimmt.
ableiten, z.B. IMPULS, WAHRNEHM oder WISS. Auch solche Abhängigkeiten können
• IMPULS(x,e,e'): Es gibt ein Impuls-Ereignis e', so daß von x der Impuls zu e ausgeht.
natürlich in Bedeutungspostulaten wie in (74b) festgehalten werden.
Die Relation IMPULS spielt, wie gesehen, eine Rolle bei der Lizenzierung des unper­
sönlichen Passivs (Kap. 4.2.3). (74) a. •VxVyVe[KÜSS(x,y,e)-»3e'[WAHRNEHM(x,e,e')]]
• WISS(x,p,e'): Es gibt ein Wissens-Ereignis e', so daß x weiß, daß p, wobei p die vom b. • VxVy Ve[WAHRNEHM(x,e,e') -» BELEBT(x)]
verbalen Prädikat ausgehende offene Proposition ist.
Selektionsrestriktionen, die sich als Folgerungen aus anderen Eigenschaften des Verbs
Wenn das verbale Prädikat P ist, gilt demnach WISS(x,P(...,x,...),e'). Das heißt, wenn
ergeben, brauchen in den einzelnen Lexikoneinträgen nicht notiert zu werden.
Karla ein frisch gezapftes Dortmunder Pils genießt, so impliziert genießen, daß sie
Andersherum können auch kategoriale Eigenschaften von Argumentreferenten im Zu­
weiß, daß sie genießt, also WISS(x,GENIESS(x,y,e),e'), aber nicht, daß sie weiß, daß
sammenspiel mit bestimmten semantischen Relationen Anlaß zu Folgerungen über das
sie ein Dortmunder Pils genießt; sie könnte das Pils auch für Altbier halten.
Bestehen weiterer semantischer Relationen sein. So ist konversationell implikatiert, daß
• AFFIZIERT(x,y,e): Das vom Verb beschriebene Ereignis e ist derart, daß y in e durch x
belebte Individuen in bestimmten Bewegungsereignissen, über deren Ursache nichts ge­
affiziert wird (ohne sich dabei zu verändern). 92
sagt wird, die Impulsgeber dieser Bewegungsereignisse sind:
Durch diese Relation sind Verben wie schlagen oder küssen gekennzeichnet, bei denen
der Objektpartizipant einerseits keiner Veränderung unterliegt, andererseits aber doch
ANDER(x,e) und das folgende BEWEG(x,e) sind so zu verstehen, daß zwischen ihnen keine
in einem Sinne unmittelbar betroffen ist, in dem es der Objektpartizipant von sehen
Implikationsbeziehungen bestehen. Änderung und Bewegung sind die beiden grundlegenden
oder lieben nicht ist. Andrews (1985:68) weist etwa auf kaukasische Sprachen hin (Ab- Varianten von Veränderung im Allgemeinen, also ortsgebundene Eigenschaftswechsel und
Ortswechsel.
Vgl. dazu auch die Anmerkungen in Dowty (1991:574,596); bei Primus (1994:56) und Blume
(1995:16f) wird daher Bewegung nur im Rahmen von "autonomous activity" als Proto-Agens-
8 7
Ich werde hier nicht versuchen, den Protoagens- und Protopatiensbegriff neu zu definieren. Das Eigenschaft angesehen.
würde auch eine ausführliche Auseinandersetzung mit den linkingrelevanten sprachlichen Da­ Möglicherweise läßt sich KONTROLLE(x,e,e') auch so verstehen, daß die Dauer von e von
ten voraussetzen. bewußten Entscheidungen und Handlungen von x abhängt (Kaufmann, pers. Mitt.).
8 8
Gemeint ist hier die in Kapitel 3.4.2 diskutierte Lesart WAHRNEHM]. Vgl. zu ähnlichen Fällen auch Primus (1994:51) und Blume (1995:10f).
212 213

(75) a. Dieter rutschte die Wasserrutsche hinunter (P-7) Thematische Rollen


b. die Schwimmbrille rutschte die Wasserrutsche hinunter Eine thematische Rolle, die einem Argumentreferenten x bezüglich einer von
c. Dieter verlor das Bewußtsein und rutschte daraufhin die Wasserrutsche hinunter einem verbalen Prädikat P ausgehenden offenen Proposition zukommt, basiert auf
So wird das Subjekt in (75a) als impulsgebender Agens interpretiert, obwohl rutschen bestimmten, diese Rolle charakterisierenden semantischen Relationen zwischen x
selbst eine solche Relation nicht impliziert (75b) und diese, wie bei konversationellen und dem von P beschriebenen Ereignis e bzw. zwischen x und der von P ausge­
Implikaturen zu erwarten, auch annullierbar ist (75c). henden offenen Proposition P(...,x,...). Im Rahmen einer Protorollentheorie
kommt einem Argumentreferenten dabei eine bestimmte thematische Rolle immer
Semantische Relationen und Protorollen: In Kapitel 4.1.2 (z.B. in P-6) wurden Thetarol- nur in einem bestimmten Grade zu, und zwar abhängig von der Menge der für
len so verstanden, daß eine von einem verbalen Prädikat ausgehende offene Proposition diese Rolle relevanten Relationen, an denen er beteiligt ist.
dann einem Individuum in Argumentposition eine bestimmte thematische Rolle zuweist,
wenn zwischen dem Individuum und dem vom Verb bezeichneten Ereignis bestimmte für Auf der Basis einer solchen Rollenzuordnung lassen sich dann Beschränkungen für die
die Rolle typische Relationen bestehen. Das heißt z.B, daß x dann der oder - wenn Theta- Zuordnung von syntaktischen zu semantischen Valenzstellen formulieren. Die semanti­
rollen keine Funktionen sind - ein Agens von QUÄL(x,y,e) ist, wenn - je nach Bestim­ schen Relationen, die für die Protorollenbestimmung und die Erklärung anderer syntakti­
mung der Agens-Rolle - x in e agiert, x e wahrnimmt, etc. Nun haben wir gesehen, daß scher und semantischer Phänomene relevant sind, werden über Bedeutungspostulate in
bestimmte agenskennzeichnende Eigenschaften keine Relationen zwischen Individuuen lexikalische Einträge integriert. Für das Verb küssen sieht ein Lexikoneintrag damit wie
94

und Ereignissen sind. Das gilt etwa für die Relationen WISS oder eventuell auch folgt a u s :
WAHRNEHM2, die zwischen Individuen und Propositionen bestehen. Die Definition von
Thetarollen muß also berücksichtigen, daß eine bestimmte Thetarolle dann zugewiesen küssen SYN-VAL: /akk/nom
wird, wenn bestimmte für diese Rolle typische Relationen zwischen dem Argument­ SEM-VAL: A,yA.xte[KÜSS(x,y,e)]
referenten x und dem vom Verb bezeichneten Ereignis oder zwischen x und der vom Verb BPfcüííen'f • VxVyVe[KÜSS(x,y,e) -> 3e'[IMPULS(x,e,e')] &
ausgehenden offenen Proposition bestehen. 3e"[WAHRNEHM(x,e,e")] &
Bisher sind wir davon ausgegangen, daß alle Verben über ein Ereignisargument verfü­ m
3e [WISS(x,KÜSS(x,y,e),e'")] &
gen. Die Überlegungen zur Unterscheidung von Individual-Level- und Stage-Level-Prädi- AFFIZIERT(x,y,e) & ... ]
katen in Kapitel 3.1.3 machen aber möglicherweise eine Revision dieser Annahme nötig.
Sollte sich nun herausstellen, daß bestimmte Verben, wie z.B. kennen, nicht über ein Er­ Lex. 38: Lexikalischer Eintrag von küssen.
eignisargument verfügen, so hat die Erweiterung der Definition von thematischen Rollen
nun den Vorteil, daß auch Verben ohne Ereignisargument thematische Rollen zuweisen In Kapitel 2.2 wurde gezeigt, daß die Art der Involvierung von Ereignispartizipanten in
können. Die ursprüngliche Version der Definition setzte voraus, daß bestimmte Relationen einzelne Teilereignisse für die Erklärung bestimmter syntaktischer und semantischer Phä­
zwischen einem Argument und dem verbalen Ereignis bestehen, eine Bedingung also, die nomene relevant ist. Demnach bestehen semantische Relationen nicht zwischen themati­
von Verben ohne Ereignisargument nicht erfüllt werden kann. Eine Relation wie WISS, schen Argumenten und dem Gesamtereignis, sondern zwischen thematischen Argumenten
95

die zwischen einem Individuum und einer Proposition besteht, charakterisiert dagegen und den einzelnen Teilereignissen. Bisher wurden in den Ereignisstrukturen die thema­
auch Eigenschaften von Indivduuen, die Argumentpositionen bei Nicht-Ereignisverben tischen Argumente über nicht weiter explizierte Agens- und Patiensrelationen an die Teil­
füllen. Wenn wir nun, wie dies in Kapitel 4.2.1 nahegelegt wurde, thematische Rollen im ereignisse gebunden. Wir können dies nun revidieren und stattdessen die thematischen
Rahmen einer Protorollentheorie bestimmen wollen, so lassen sich damit auch für ein Argumente über die in den vorausgegangenen Kapiteln explizierten semantischen Rela­
Verb wie kennen in Sätzen wie sie kennt einen guten Klempner die Protorollen bestim­ tionen anbinden. Für das Verb werfen heißt das, i) daß das erste Teilereignis (die Wurf­
96

men: Insofern y in KENN(x,y) über keine Protoagens-Eigenschaften verfügt, x aber zu­ bewegung) durch einen Impuls von x zustandegekommen ist, von x wahrgenommen und
93
mindest in die agensrelevante Relation WISS(x,KENN(x,y)) eingebunden ist, qualifizert kontrolliert wird und eine Bewegung von x involviert, wobei y ebenfalls bewegt wird, ii),
x als Agens und wird insofern als Nominativ-NP realisiert.

Ein Verb im Lexikon - "küssen" (Zusammenfassung): Das Verhältnis zwischen semanti­


schen Relationen und Thetarollen stellt sich wie folgt dar: Zur Erinnerung: Die Lexikoneinträge sind so gehalten, daß die erste semantische Valenzstelle
der ersten syntaktischen Valenzstelle zugeordnet ist, die zweite semantische der zweiten syn­
taktischen, u.s.w.
In Blume (1998) wird eine Protorollentheorie entwickelt, bei denen die Protorolleneigenschaf-
ten als semantische Relationen relativ zu Teilereignissen konzipiert sind.
Wenn "individual-level"-Prädikate nicht über Ereignisargumente verfugen, ist naturlich auch Die Protorollen selbst, die ja in Bezug auf verbale Prädikate (bzw. die von den Prädikaten aus­
WISS nicht, wie bisher angenommen, eine dreistellige Relation WISS(x,p,e'), sondern eine gehenden offenen Propositionen) formuliert werden, sind von dieser Relativierung auf Teil­
zweistellige WISS(x,p). ereignisse nicht betroffen.
214
5 Ereignisontologie
daß das zweite Teilereignis (der Flug des geworfenen Gegenstands) eine Bewegung von y
darstellt:

werfen: x , f ^
n o m 3 5.1 Vorüberlegungen zur Ereignisontologie
E STR- (->T eM+PKT]- IMPULS/W AHRNEHM/KONTROLLE/BEWEG, yBEWEG)
X

< (_>! 2: yBEWEG)


e

5.1.1 Grundannahmen für ontologisches Argumentieren in natürlichsprachlichen


Lex. 39: Ereignisstruktur von werfen. Semantiken

Es sei noch einmal darauf hingewiesen, daß diese Ereignisstruktur nicht implizieren soll, Einleitung: Ereignisbasierte Semantiken nehmen zumindest zwei Sorten von Individuen­
daß die repräsentierten Eigenschaften alle für die Protorollenbestimmung relevant sind, variablen an, Variablen, die Gegenstände repräsentieren (x, y, ...), und Variablen, die
noch daß alle syntaktisch relevanten Eigenschaften in ihr repräsentiert sind. Es geht hier Ereignisse repräsentieren (e, ...). Solche Variablen stehen für die Entitäten in der "Welt",
lediglich um die Frage, an welche Entitäten solche Eigenschaften geknüpft sind. Wie im die die semantische Theorie annimmt und über die prädiziert und quantifiziert wird. Die
Übrigen die Ereigmsstrukturen in die Lexikoneinträge integriert werden, wird Thema des Theorie geht damit davon aus, daß es zwei grundlegende Sorten von Entitäten gibt, eben
Kapitels 7.2.3 sein. Gegenstände und Ereignisse. Durch die Aussagen, die innerhalb einer Theorie über solche
Entitäten gemacht werden, verpflichtet sich die Theorie zu einer bestimmten Ontologie,
d.h., sie macht "ontological commitments". Nach Quine (7945/1971:12, 7955/1971:103)
nimmt eine Theorie Entitäten einer bestimmten Sorte genau dann an, wenn einige dieser
Entitäten zu den Werten der Variablen in den Aussagen der Theorie gerechnet werden
1
müssen, damit diese Aussagen wahr sind. Ausdrücke wie "3e[...]" behaupten also die
Existenz von Entitäten einer bestimmten ontologischen Basissorte. Was existiert, will ich
im Folgenden als Entität bezeichnen. Es gibt verschiedene Sorten von Entitäten. Dazu
gehören je nach Theorie Gegenstände, Ereignisse, Propositionen, Relationen, Mengen,
Zahlen und andere.

Ontologische Sparsamkeit: Wenn von der Ontologie einer Theorie die Rede ist, dann geht
es um die grundlegenden, nicht entbehrlichen Sorten von Entitäten, gemäß Ockhams
Prinzip der ontologischen Sparsamkeit: "Entia non sunt multiplicanda praeter necessi-
2
tatem." Um den ontologischen Überlegungen einen allgemeinen Bewertungsrahmen zu
setzen, sollen im Folgenden unter dem Stichwort "Ontologische Sparsamkeit" kurz vier
Bedingungen für Existenzannahmen diskutiert werden, von denen angenommen wird, daß
eine Ontologie sie erfüllen soll: Erstens sollen angenommene Entitätensorten theoretisch
unentbehrlich sein, zweitens nicht konstruierbar, drittens sollen sie essenziell sein und
viertens schließlich sollen Existenzannahmen begründet sein. Sind diese Bedingungen
3
nicht erfüllt, sind entsprechende Existenzannahmen zu vermeiden bzw. zu reduzieren.

"In general, entities of a given sort are assumed by a theory if and only if some of them must be
counted among the values of the variables in order that the statements affirmed in the theory be
true." (Quine 7955/1971:103) Demgegenüber sind solche älteren Ansätze falsch, die die
Existenz einer bestimmten Entität aus der Existenz eines entsprechenden singulären Terms
ableiten wollten (vgl. Newen / von Savigny 1996:147ff).
Quines Vorschlag ist verschiedentlich kritisiert worden, etwa in dem Sinne, daß auch hinsicht­
lich anderer Elemente von Theorien "ontological commitments" gemacht würden (vgl. Gochet
1995:878); diese Einwände berühren uns hier nicht unbedingt.
Vgl. Newen / von Savigny (1996:65f).
Genauer, so Parsons (1990:149), bedeutet eine ontologische Reduktion nicht die Ersetzung
einer Entitätensorte durch eine andere, sondern die Ersetzung einer Theorie über Entitäten der
einenSorte durch eine Theorie über Entitäten der anderen Sorte.
216 217

Theoretische Unentbehrlichkeit: Eine Existenzannahme sollte theoretisch unentbehrlich gen hinreichend begründet sind, also gemäß bestimmter Richtlinien epistemisch gerecht­
sein. Entbehrlich ist die Annahme eine bestimmten Entität dann, wenn eine alternative fertigt werden können. Es existieren demnach die Entitäten, über die in wahren, begrün­
Theorie die zugrundeliegenden Phänomene genauso angemessen oder besser erklären deten Aussagen prädiziert und quantifiziert wird.
kann und wenn sie weniger ontologische Verpflichtungen eingeht, indem sie auf die An­ Es ist oben bereits angemerkt worden, daß über die Wahl der Variablen in einer Theo­
nahme der Existenz dieser Entitätensorte verzichtet (Newen / von Savigny 1996:651). Eine rie ontologische Verpflichtungen eingegangen werden. Ein Physiker, der Aussagen über
semantische Theorie etwa, die nur Gegenstände und Zeiten annimmt, ist bei gleichem Elementarteilchen als ontologische Basisgrößen seiner Theorie macht, verpflichtet sich
Erklärungsgehalt also einer Theorie vorzuziehen, die Gegenstände, Zeiten, und Ereignisse damit zur Annahme der Existenz solcher Elementarteilchen. Nun scheint es so, als wür­
annimmt. den Semantiker, die Ereignisvariablen in Bedeutungsrepräsentationen verwenden, die
Nicht-Konstruierbarkeit: Grundlegende Entitäten sollten nicht konstruierbar sein. Eine Existenz von Ereignisindividuen behaupten. Das ist allerdings so nicht richtig. Insofern
Entität ist dann konstruierbar, wenn sie aus grundlegenderen Entitäten aufgebaut werden als wir es mit Theorien über die Bedeutung natürlicher Sprachen zu tun haben, muß es
kann. So kann man versuchen, Ereignisse aus Räumen und Zeiten zu konstruieren, welche bezüglich ontologischer Verpflichtungen heißen: Eine semantische Theorie, die Aus­
sich dann als ontologisch grundlegender als Ereignisse erweisen (Newen / von Savigny drücke wie "3e[...]" zur Repräsentation der Bedeutung eines sprachlichen Ausdrucks X
4
1996:66). Die Bedingung wäre allerdings erst dann verletzt, wenn jedes Ereignis voll­ enthält, behauptet, daß ein Sprecher, der X verwendet, die Existenz von Entitäten einer
ständig aus anderen Entitäten konstruiert werden kann. Sie besagt nicht, daß zur Erklä­ bestimmten Sorte - in diesem Fall Ereignisse - annehmen muß, damit X etwas bedeutet. 6

rung des Wesens von Ereignissen keine anderen ontologisch zentralen Eigenschaften und In diesem Rahmen ist also keine von Sprecherannahmen unabhängige Begründung der
Entitäten, wie etwa Raum oder Zeit, herangezogen werden können. Ansonsten müßte man Annahme der Existenz von Ereignissen gefragt. Vielmehr müssen die Annahmen über
bei allen Versuchen zu sagen, was Ereignisse sind, wiederum auf Ereignisse selbst rekur­ Sprecherannahmen über die Existenz von Ereignissen begründet werden. Das heißt, daß
rieren, was - wie in Kapitel 5.2.2 noch einmal angesprochen wird - für eine ontologische wir natürlich keine physikalistische Ontologie derart brauchen, daß etwa alle Ereignisse
Klärung des Ereignisbegriffs nur beschränkt tauglich ist. auf subatomare Vorgänge zurückgeführt werden, sondern eine bestimmte Art sprecher­
7
gerechter Alltagsontologie. Auch haben diese Überlegungen Konsequenzen für die Art
Essenzialität: Verschiedentlich wird verlangt, daß die angenommenen, grundlegenden der epistemischen Rechtfertigung der Existenzannahmen über Ereignisse, die in Kapitel
Entitätensorten Essenzen sind (z.B. Lombard 1986:16ff, Brand 1982:110). Grundsätzlich 5.1.4 angesprochen werden.
gilt, daß eine Eigenschaft essenziell ist (= eine Essenz ist), wenn eine Entität, die diese
5
Eigenschaft hat, diese Eigenschaft notwendigerweise hat. Die Ansichten darüber, was Zusammenfassung: Die Sorten von Variablen, die eine Theorie annimmt, spiegeln die
eine notwendige Eigenschaft einer Entität ist, gehen allerdings weit auseinander (vgl. ontologischen Verpflichtungen wider, die eine Theorie eingeht, d.h., ihre Annahmen über
dazu Van Cleve 1995:134). Man mag etwa annehmen, daß keine Eigenschaft eines Ge­ die ontologisch grundlegenden Sorten von Entitäten. Solche Annahmen gehorchen dem
genstands notwendige Eigenschaft dieses Gegenstands ist, abgesehen von seiner Gegen­ Prinzip der ontologischen Sparsamkeit, d.h., es werden nur solche Entitäten angenommen,
die theoretisch unentbehrlich und nicht konstruierbar sind, die Essenzen sind und deren
ständlichkeit. So können wir trotz tiefgreifender Veränderungen an Gegenständen immer
Existenz aus guten Gründen angenommen werden kann. Eine semantische Theorie einer
noch Aussagen über die Identität von Gegenständen machen wie die folgenden: Der Ge-
natürlichen Sprache muß dabei allerdings nicht die Annahme der Existenz von bestimm­
genstand, der heute eine staubige Industriebrache ist, könnte schon morgen ein blühender
ten Entitäten begründen, sonderen die Annahmen über die Sprecherannahmen über die
Freizeitpark sein, und was gerade noch eine qualmende Zigarre war, ist jetzt nur noch
Existenz dieser Entitäten.
vom Wind verwehte Asche. Auch wenn ein Gegenstand fast alle seine Eigenschaften im
Laufe seiner Geschichte verlieren kann, bleibt offenbar eine Eigenschaft immer erhalten:
seine Gegenständlichkeit. Es ist zumindest unmöglich, einen Gegenstand in ein Ereignis
zu verwandeln und umgekehrt. Ein Gegenstand zu sein, wäre demnach eine Essenz. 5.1.2 Die Fragen hinter der Frage, was Ereignisse sind

Begründetheit von Existenzannahmen: Existenzbehauptungen in einer Theorie sollen Einleitung: Die Frage, mit der sich dieser Teil der Arbeit beschäftigt, lautet: Was sind
begründet sein. Das sind sie dann - so eine verbreitete Annahme in der analytischen Phi­ Ereignisse? Man kann sich dieser Frage auf verschiedene Weisen nähern. Der klassische
losophie - wenn wir im Rahmen eines wissenschaftlichen Realismus gute Gründe haben, Ausgangspunkt ist die Annahme der analytischen Philosophie, daß man dem Wesen einer
sie für wahr zu halten (Newen / von Savigny 1996:154ff). Im Rahmen einer physikali­ grundlegenden ontologischen Sorte auf die Spur kommt, indem man fragt, unter welchen
schen Theorie, die in der bestimmten Sprache, in der sie formuliert ist, Existenzbehaup­ Bedingungen zwei Entitäten dieser Sorte identisch sind. Wie und warum man solche Fra-
tungen über Elementarteilchen macht, existieren solche Entitäten, wenn diese Behauptun-

Quine (1948IX 971:15f) schreibt: "We look to bound variables in connection with ontology not in
4
order to know what there is, but in order to know what a given remark or doctrine, ours or
Andersherum kann man auch versuchen, Zeiten aus Ereignissen zu konstruieren, wie es etwa someone else's, says there is; and this much is quite properly a problem involving language. But
Kamp / Reyle (1993:667f) tun; s. Kapitel 7.2.2. what, there is. is another question."
5
Zu bestimmten Varianten und Verfeinerungen dieser Bedingung vgl. Lombard (1986:16ff). Vgl. auch Reichenbach (7047/1966:266f).
218 219

gen stellt, ist Gegenstand dieses und des nächsten Kapitels. Eine zweite Herangehensweise R(k,l) als Identitätsbedingung eine offene Proposition, die dann erfüllt ist, wenn die Indi­
besteht darin, zu überlegen, auf welche Weise uns Ereignisentitäten eigentlich zugänglich viduen, für die k und 1 stehen, eine Menge S von sortenidentifizierenden Eigenschaften
12
sind, wie wir also die Existenz solcher Entitäten feststellen. Darauf werde ich in Kapitel teilen (I-O). Im Falle von Gegenständen wären dies etwa raumzeitliche Eigenschaften,
5.1.4 eingehen. und zwei Entitäten wären, wenn sie Gegenstände sind, genau dann identisch, wenn sie
dieselben räumlichen und zeitlichen Regionen einnehmen (Brand 1982:108ff, Lombard
Entität und Identität. Gängigerweise wird angenommen, daß wir eine ontologische Basis­ 1986:23ff). 13

sorte, wie etwa Ereignisse, nur dann annehmen können, wenn wir ein Identitätskriterium
für Entitäten dieser Sorte angeben können. Ein solches Identitätskriterium sagt uns, daß (1-0) Form eines Identitätskriteriums
zwei Entitäten k und 1 identisch sind, wenn sie eine ganz bestimmte Eigenschaft gemein Für R(k,l) als Identitätsbedingung:
8
haben. Nach Quine (7975/1982:102) gilt: • VkVl[(ak & od) -> ((k = 1) <-> R(k,l))]
We have an acceptable notion of class, or physical object, or attribute, or any other sort of object,
Angesichts von Leibniz' Gesetz scheint die Frage, wann zwei Ereignisse identisch sind,
only insofar as we have an acceptable principle of individuation for that sort of object. There is
no entity without identity. eigentlich müßig, denn das sind sie natürlich dann, wenn sie in allen Eigenschaften über­
einstimmen. Die Idee hinter der Frage nach einem Identitätskriterium zielt allerdings
Diese Überlegung hat ihren Ursprung darin, daß eine Entität als etwas Quantifizierbares woanders hin. Sie sucht nach der Menge der sortenidentifizierenden Eigenschaften, die
Gegenstand von Identitätsurteilen ist. Eben das ist das Wesen des Entitätsbegriffs. Wenn k von der folgenden Art sind: wenn k und 1 bezüglich der sortenidentifizierenden Eigen­
und 1 Entitäten sind, so können wir sagen, ob k und 1 identisch sind und für ein und das­ schaften übereinstimmen, also R(k,l) gilt und damit auch (k = 1), so können wir daraus
selbe stehen, also eins sind, oder ob k und 1 unterschieden sind, also für Verschiedenes gemäß Leibniz' Gesetz schließen, daß k auch jede andere Eigenschaft hat, die 1 hat, und 1
stehen und damit zwei sind. Identität ist hier also nicht in dem Sinne zu verstehen, in dem jede andere Eigenschaft, die k hat. Dagegen gilt nicht, daß wir daraus, daß zwei Entitäten
wir von zwei industriell gefertigten Flaschenöffnern sagen, sie seien genau identisch eine beliebige Eigenschaft teilen, auf die Übereinstimmung der sortenidentifizierenden
(qualitative Identität), sondern in dem Sinne, daß wir von einem Ding x und einem Ding y Eigenschaften und damit auf die Identität der Entitäten schließen können. Zwei Gegen­
9
sagen, sie seien ein und dasselbe (numerische Identität). Entsprechend verbirgt sich hin­ stände x und y etwa können die gleiche Farbe und die gleiche Größe haben, ohne deswe­
ter dem Identitätskriterium auch nicht die unsinnige Frage, wann zwei unterschiedene gen identisch zu sein. Anders liegt der Fall, wenn wir für x und y feststellen, daß sie zur
Dinge ein und dasselbe sind, sondern wann eine (in bestimmter Weise beschriebene) Va­ gleichen Zeit den gleichen Ort einnehmen. Raumzeitlicher Ort ist die identifizierende
riable k und eine (in bestimmter Weise beschriebene) Variable 1 für dieselbe Entität ste­ Eigenschaft für Gegenstände. Stimmen x und y darin überein, so sind sie identisch und
hen. teilen daher auch alle anderen Eigenschaften wie etwa Farbe und Größe.
10
Identität ("=") ist eine symmetrische (la), transitive (lb) und reflexive ( l c ) Relation.
Identitätskriterien und das Wesen von Ereignissen: Insofern es notwendigerweise so ist,
Darüber hinaus wird das Wesen der Identitätsrelation am ehesten durch das auf Leibniz
daß zwei Entitäten bezüglich aller Eigenschaften übereinstimmen, wenn sie bezüglich der
zurückgehende Prinzip der Identität des Ununterscheidbaren erläutert, das sagt, daß zwei
sortenidentifizierenden Eigenschaften übereinstimmen, gibt uns ein Identitätskriterium für
Entitäten k und 1 identisch sind, wenn sie in all ihren Eigenschaften übereinstimmen. Was
eine ontologische Basissorte eine gute Idee vom Wesen dieser Sorte. Ein Identitätskrite­
genau dieses Prinzip leistet, und ob dieses Prinzip, seine Umkehrung (das Prinzip der
rium für Ereignisse würde uns also schon zum Teil die Frage beantworten, was Ereignisse
Ununterscheidbarkeit des Identischen) oder eine Kombination aus beiden die Idee von
1 1 sind. Lombard (1986:39ff) zeigt im Detail, daß die Eigenschaften, die eine Identitätsbe­
Identität am besten widerspiegelt, soll hier nicht diskutiert werden Ich werde letzteres
dingung für eine Sorte konstituieren, charakteristisch sind für die Entitäten genau dieser
annehmen, und zwar in der Formulierung von (ld):
Sorte, in dem Sinne, daß ich aus dem Vorliegen dieser Eigenschaften auf eine Entität
(1) a. Symmetrie von "=": DVkVl[(k = 1) -> (1 = k)] dieser Sorte schließen kann und umgekehrt: So sind zwei Mengen identisch, wenn sie die
b. Transitivität von "=": •VkVlVm[((k = 1) & (1 = m)) -> (k = m)] gleichen Elemente haben. Daraus läßt sich ein Prinzip herleiten, das uns sagt, daß, wenn
c. Reflexivität von "=*': DVkrk = k] etwas eine Menge ist, es Elemente hat, und wenn etwas Elemente hat, es eine Menge ist.
d. Leibniz' Gesetz: • VkVl[(k = 1) «-» VP[P(k) <-> P(l)]] Zwei Gegenstände sind identisch, wenn sie den gleichen raumzeitlichen Ort einnehmen.
Wenn also etwas ein Gegenstand ist, so ist es raumzeitlich situiert, und wenn etwas
Identitätskriterium: Das Identitätskriterium sagt uns nun, daß, wenn zwei Entitäten k und raumzeitlich situiert ist, so ist es ein Gegenstand. Ein Identitätskriterium für eine ontolo­
1 von einer Sorte ot sind, sie genau dann identisch sind, wenn für sie R(k,l) gilt; dabei ist gische Basissorte muß also immer spezifisch für die zur Diskussion stehende Sorte s e i n . 14

8
Zur Erinnerung: Wo ich neutral gegenüber der Unterscheidung zwischen Gegenständen und
Ereignissen sein möchte, verwende ich die Variablen k, 1, m, k', etc. Die im Laufe der Kapitel 5 und 7 vorgestellten Identitätskriterien werden als 1-1 bis 1-9 durch-
9
Vgl. etwa Hirsch (1995:229). nummeriert.
1 0
Vgl. etwa Haller (1982:32), Lombard (1986:24). Man kann dies auch Übereinstimmung in der raumzeitlichen Geschichte nennen.
1 1
Vgl. dazu Candlish (1995). Vgl. Stöcker (1992:7) und Wierenga / Feldman (1981:86).
220 221

Wir werden sehen, daß diese Forderung von einigen der Identitätskriterien, die für sind. Eine verbreitete Annahme innerhalb der linguistischen Semantik ist, daß die ontolo­
Ereignisse vorgeschlagen wurden, nicht erfüllt wird. 15
gische Notwendigkeit und das Wesen von Ereignissen sich aus der Funktion ergeben die
Ein geeignetes Identitätskriterium für Ereignisse wird uns also letztlich sagen, was es Ereignisse als Argumente von Prädikaten und Gegenstand von Quantifikationen in der
für eine gegebene Entität heißt, ein Ereignis zu sein. Es wird uns dagegen keine epistemi- semantischen Theorie haben (z.B. Bach 1989:98f, Parsons 1990:145ff, Kamp / Roßdeut­
19
16
sche Methode für das Entdecken von Ereignis-Entitäten liefern, schon da bereits das scher 1992:6f). Auch in der philosophischen Diskussion wird diese Auffassung manch­
20

Antezedens des Konditionals eines Identitätskriteriums, also '(ak & od)', individuierte mal vertreten (z.B. LePore 1985:160). Ereignisse, so Davidson (1967), gibt es, weil die
Entitäten voraussetzt. Das heißt, daß wir nun zwar wissen, welche Eigenschaften etwas Semantik Ereignisse als Entitäten voraussetzt. Tatsächlich liefert uns eine semantische
haben muß, um ein Ereignis zu sein; das Identitätskriterium sagt uns aber nicht, auf wel­ Theorie natürlich eine Reihe von Eigenschaften von Ereignissen: Insofern als über Ereig­
che Weise wir eigentlich in einem gegebenen Fall überprüfen, ob irgend etwas denn nun nisvariablen quantifiziert werden kann, sind Ereignisse zählbar; wenn über sie mit Raum-
17
auch wirklich erstens eine Entität und zweitens eine mit genau diesen Eigenschaften und Zeitadverbialen prädiziert werden kann, sind sie räumlich und zeitlich lokalisiert; wo
18
i s t . Mit diesen beiden Fragen der epistemischen Individuierung beschäftigt sich Kapitel sie Objekt von Wahrnehmungsverben sind, sind sie wahrnehmbar, etc., und insofern eine
Theorie über verschiedene semantische Phänomene ohne die Annahme von Ereignis­
5.1.4.
argumenten nicht möglich oder nicht einfach ist, sind Ereignisse in dieser Theorie not­
Zusammenfassung: Eine grundlegende Sorte von Entitäten kann dann angenommen wer­ wendig.
den, wenn man die Bedingungen angeben kann, unter denen zwei Entitäten dieser Sorte Es muß allerdings gesagt werden, daß auch die Proponenten dieser Auffassung nicht
identisch sind. Dies wird in Form eines Identitätskriteriums getan, das sagt, daß unter der prinzipiell die Nützlichkeit oder auch Notwendigkeit einer ontologischen Begründung
Bedingung, daß zwei Entitäten einer bestimmten Sorte angehören, diese beiden Entitäten 21
bestreiten. So sind es bei Kamp / Reyle (1993:505,666) zwei miteinander verbundene
genau dann identisch sind, wenn sie in allen Eigenschaften übereinstimmen, die für diese Argumente, die diese Position prägen. Erstens sei der Ereignisbegriff eine genuin unter-
Sorte als identitätsstiftend angesehen werden. Aus der Übereinstimmung zweier Entitäten bestimmte konzeptuelle Größe, und man solle ihm nicht eine letztlich künstliche Defini­
bezüglich der sortenidentifizierenden Eigenschaften kann ich damit auch auf die Überein­ tion auferlegen, die zwar strikt, aber dem ursprünglichen und eben unbestimmten Konzept
stimmung der beiden Entitäten bezüglich aller anderen Eigenschaften schließen. Da zu­ nicht mehr angemessen sei. Zweitens sei die Annahme von Ereignisargumenten zwar für
dem diese sortenidentifizierenden Eigenschaften charakteristisch für die entsprechende eine Reihe von Phänomenen notwendig, aber die Behandlung dieser Phänomene sei mit
Sorte sind, kann aus dem Vorliegen dieser Eigenschaften auf eine Entität dieser Sorte einer Reihe verschiedener Ereignisauffassungen kompatibel. Die Problematik, die das
geschlossen werden. erste der beiden Argumente anspricht, ist natürlich unbestritten, es sei aber doch erwähnt,
daß die Auffassung von der Unbestimmtheit des Ereignisbegriffs weniger das Ergebnis als
vielmehr die Vorannahme in Kamp / Reyle (1993) ist. Das zweite Argument ist sicherlich
5.1.3 Zum ontologischen Begründungsbedarf für viele linguistische Unternehmungen angemessen. Es werden in solchen - wie ich sie
nennen möchte - ontologievermeidenden Ansätzen aber auch Phänomene wie etwa ereig­
Zu ontologievermeidenden Positionen: Es herrscht innerhalb der natürlichsprachlichen nismodifizierende Adverbiale behandelt (z.B. Parsons 1990), was allerdings, wie Eckardt
Semantik und der analytischen Philosophie allerdings durchaus Uneinigkeit darüber, ob (1996a:21ff) gezeigt hat, sehr wohl eine enge Verknüpfung von linguistisch-semantischen
überhaupt entlang der im vorigen Kapitel gezogenen Linien die Behauptung zu begründen und ontologischen Argumentationen verlangt.
ist, daß Ereignisentitäten eine grundlegende ontologische Sorte konstituieren, und inwie­
Ich werde im Folgenden einige Argumente anführen, warum in einer natürlichsprach­
fern man die Frage beantworten muß, welches die Charakteristika dieser Entitätensorte
lichen Ereignissemantik Fragen zur Ontologie von Ereignissen gestellt werden sollten.
Dabei will ich meine Auffassung begründen, indem ich Unterschiede der Argumentatio-
1 5
Weitere Bedingungen für Identitätskriterien wie "non-vacuousness", "partial exclusivity" und
"minimality" werden von Lombard (1986:32ff) diskutiert.
1 6
Vgl. zu ähnlichen Problemen auch Lombard (1986:41ff), Quine (7975/1982:100f). Vgl. dazu auch Kapitel 1.2.4.
1 7
Hinsichtlich dieser Frage, die auch damit zu tun hat, wie genau ein Gegenstand oder ein Ereig­ Ausgangspunkt für eine solche Auffassung war Carnap (7950/1956), der die Ansicht vertrat,
nis von anderen Gegenständen bzw. Ereignissen abgegrenzt ist, wird man es mit Vagheiten zu daß man Aussagen wie 'es gibt Dinge' von solchen wie 'es gibt Einhörner' unterscheiden müsse.
tun haben, die aber, so Quine (7975/1982:101), keineswegs auf eine Vagheit des Identitäts­ Erstere seien Antworten auf Fragen, die den sprachlichen Rahmen betreffen. Solche Fragen zu
kriteriums schließen lassen. bejahen, heißt eine bestimmte Sprachform zu akzeptieren. Diesen internen Fragen, deren Ant­
1 8
Das Identitätskriterium beantwortet uns im Übrigen auch keine Fragen derart, ob eigentlich ein worten analytischer Natur sind, stehen externe Fragen gegenüber, wie die nach der Existenz
oder zwei (oder noch mehr) Joggen-Ereignisse vorliegen, wenn jemand zwanzig Minuten durch von Einhörnern, die auf empirische Weise beantwortet werden können. Quine (7057/1976) hält
den Stadtpark joggt und dabei nach den ersten zehn Minuten eine Verschnaufpause macht. den Unterschied zwischen den beiden Arten von Fragen dagegen für graduell und bezweifelt
Diese Frage wird als beantwortet vorausgesetzt, denn wenn wir ein Ereignis e' und ein Ereignis die Möglichkeit einer strikten Unterscheidung von analytischen und synthetischen Aussagen.
e" auf Identität vergleichen, dann muß es sich sowohl bei e' als auch bei e" um ein einzelnes Er­ Alle ontologischen Fragen sind insofern auch empirische Fragen. (Vgl. auch die Darstellung in
eignis handeln, wobei die Frage keine Rolle spielt, ob sich dieses Ereignis eventuell aus ande­ Stegmüller 7057/1968:2910).
ren Ereignissen zusammensetzt. So auch Parsons (1990:145ff) und Davidson (7050/1980).
222
223
nen in lexikalisch-semantischen gegenüber satzsemantischen Theorien herausstelle und n-1: DREHEN(x,e) & EINE-METALLKUGEL(x) & ERWÄRMEN(x,e')
indem ich etwas ausführlicher auf heuristische Funktionen ontologischer Überlegungen n-2: VeVe'[(e = e') o VP[P(e) <-> P(e')]]
und den empirischen Gehalt ontologiefeindlicher und -freundlicher semantischer Theorien n-3: e = e'
eingehe. n-4: IN-DER-HALTERUNG(e)
Lexikalisch-semantische Orientierung: Diese Untersuchung ist eine Untersuchung zum
O-1: IN-DER-HALTERUNG(e')
Lexikon. Damit unterscheidet sie sich von den meisten anderen Arbeiten zur Ereignis­
semantik. Die Einführung von Ereignisargumenten in satzsemantische Theorien begrün­ n-1 entspricht unserer ereignissemantischen Ausgangsannahme. 11-2 ist Leibniz' Gesetz.
det sich im Wesentlichen in dem Versuch, für verschiedene Phänomene wie adverbiale n-3 ist eine Annahme, die unter einer bestimmten Identitätsbedingung gemacht wird, hier
Modifikation, Aspekt, Tempus, etc. angemessenere Erklärungen zu finden (vgl. Kap. etwa - um der Diskussion in Kapitel 5.2.3 vorwegzugreifen - unter der Annahme, daß
3.1.3). Dazu genügt es im Wesentlichen, anhand einzelner Beispiele die prinzipielle zwei Ereignisse identisch sind, wenn sie zur gleichen Zeit am gleichen Ort stattfinden.
Nützlichkeit von Ereignisargumenten für die in Frage stehenden Phänomene aufzuzeigen. n-4 geht davon aus, daß das lokale Adverbial ein einstelliges Prädikat über ein Ereignis
Entsprechend betreffen Argumente gegen solche Theorien im Wesentlichen diesen gene­ ist. Wenn nun e und e' identisch sind, identische Entitäten alle Eigenschaften teilen und in
rellen Nützlichkeitsanspruch hinsichtlich einzelner Phänomenbereiche. Eine Untersu­ der Halterung eine Eigenschaft von e ist, dann folgt, daß es auch eine Eigenschaft von e'
chung zum Lexikon hat es demgegenüber mit einer großen Zahl semantisch sehr viel­ ist.
gestaltiger Wörter zu tun. Wenn sie behauptet, daß, wie und in welchem Unfang Ereig­
(3) a. eine Metallkugel dreht sich schnell und erwärmt sich gleichzeitig
nisse und ihre Eigenschaften eine Rolle in der Bedeutungsrepräsentation von Wörtern
b. eine Metallkugel dreht sich schnell und erwärmt sich gleichzeitig schnell
einer bestimmten Klasse spielen - in diesem Fall Verben - , so wird man Gegenargumente
eher im Lexikon suchen (und finden) und zeigen, daß die prinzipiellen Annahmen über Ein zweites Beispiel könnte nun aussehen wie (3a), aus dem nun aber nicht folgt, daß die
die Bedeutung von Verben vielen Verbtypen nicht gerecht werden. Metallkugel, die sich schnell dreht, sich auch schnell erwärmt (3b). Wenn die Außentem­
Damit soll natürlich nicht gesagt werden, daß lexikalisch-semantische und satzsemanti­ peratur während des Drehens der Metallkugel sinkt, erwärmt sich die Kugel möglicher­
sche Theorien durch verschiedene Argumente falsifiziert werden müssen oder prinzipiell weise nur ganz langsam. Wenn wir nun genau wie in dem obigen Beispiel vorgehen, so
anderen Bewertungskriterien unterliegen; sie tun dies aber faktisch, indem sie die Auf­ wird uns dies allerdings zu der falschen Schlußfolgerung führen, daß die Kugel sich
merksamkeit und die Strategien der Gegenargumentation anders lenken. Insofern also die schnell erwärmt. Der Unterschied zu obigem Beispiel besteht dabei lediglich darin, daß II-
semantische Vielfalt von Verben und ihren Ereignisbezügen hier viel Aufmerksamkeit 4 durch n-4' ersetzt wird:
verlangt, liegen ontologische Überlegungen zu den charakteristischen Eigenschaften von
n-1'-n-3': (wieoben)
Ereignissen einfach näher als in satzsemantischen Ansätzen.
n-4': SCHNELL(e)
Heuristische Funktion ontologiefreundlicher Argumentationen: Ich denke außerdem, daß
die Berücksichtigung ontologischer Fragestellungen aus heuristischer Sicht sinnvoll ist, O-l' SCHNELL(e') (falsch)
und zwar in zweierlei Hinsicht. Zum einen wird sie helfen, semantische Phänomene im
Wenn die Folgerung logisch richtig, aber empirisch falsch ist, muß offenbar mindestens
Bereich der Verbsemantik aufzudecken. Da ich von der Annahme ausgehe, daß der Ereig­
eine der Prämissen falsch sein. EM als ereignissemantische Repräsentation des Satzes soll
nisbezug von Verben in den Bedeutungsrepräsentationen von Verben die zentrale Rolle
hier zunächst noch nicht bezweifelt werden; ihre Richtigkeit zu erweisen ist ja Ziel dieses
spielt, wird die Beschäftigung mit charakteristischen Eigenschaften von Ereignissen,
Unternehmens. TI-2 ist kaum zu bestreiten. Ihr Gegenteil wäre jedenfalls nur sehr schwer
Teilen von Ereignissen und Ereignistypen Rückwirkungen haben auf die Frage, welche
zu verstehen, n-3 kann natürlich bezweifelt werden. Möglicherweise ist das angenom­
Verben auf welche Weise auf solche Eigenschaften Bezug nehmen und welche syntakti­
mene Identitätskriterium für Ereignisse unangemessen und TI-3 daher falsch. Das ist eine
schen und semantischen Phänomene dies widerspiegeln.
ontologische Frage. Vielleicht sind auch TI-4 bzw. TI-4' falsch. Die Adverbiale könnten
Zum anderen wird sie die semantische Theoriebildung befördern. Ich will das an einem
möglicherweise i) mehrstellig sein, ii) nicht über Ereignisse sein oder iii) gar keine Prädi­
Beispiel erläutern. Eine ontologieberücksichtigende semantische Theorie wird Ereignisse
kate erster Ordnung sein. Das ist ein linguistisches Problem.
wie folgt in ihre linguistische Argumentation einbeziehen. Aus einem Satz wie (2a) kann
man scheinbar (2b) folgern; Empirischer Gehalt ontologiefeindlicher Argumentationen: Die gewählte ontologie-
freundliche Vorgehensweise, die auf einer Identitätsbedingung für Ereignisse beruht, wirft
(2) a. eine Metallkugel dreht sich in einer Halterung und erwärmt sich gleichzeitig
- wie im letzten Abschnitt gesehen - interessante ontologische und linguistische Fragen
b. eine Metallkugel dreht sich in einer Halterung und erwärmt sich gleichzeitig in der Halte-
auf. Anders sieht die Argumentation in Theorien aus, die keine ontologischen Überlegun­
rung gen verlangen, welche über das hinausgehen, was die Semantik selbst über Ereignisse
Die in (2b) dargestellte Folgerung ( O - l ) kommt unter den folgenden Prämissen (11-1 bis sagt. Hier liegt es nahe, in Bezug auf Beispiel (4a) wie folgt vorzugehen:
n-4) zustande:
224 225

EH: DREHEN(x,e) & EINE-METALLKUGEL(x) & ERWARMEN(x,e') stärkeren Maße mit dem Verhältnis zwischen Wörtern und außersprachlichen Individuen
n-H: VeVe'[(e = e') <-> VP[P(e) o P(e')]] konfrontiert als satzsemantische Arbeiten. Zweitens ist die Einbeziehung ereignisontologi-
n-m: SCHNELL(e) scher Überlegungen heuristisch sinnvoll und führt zu empirisch gehaltvolleren Theorien,
n-rV: -,[SCHNELL(e) -> SCHNELL(e')] während ontologiefeindliche Semantiken Gefahr laufen, zirkulär zu argumentieren.

<D-I: -.[e = e']


5.1.4 Zum epistemologischen Begründungsbedarf
n-I bis n-III entsprechen 11-1, n-2 und 11-4. Dazu kommt die Beobachtung (Il-IV), daß
aus einem schnellen Drehen kein schnelles Erwärmen folgt. Da 11-IV nicht dem Konse-
Ontotogie, Epistemologie und Ereignisse: Die Ontologie beschäftigt sich mit der Frage,
quens in Il-II genügt, wird geschlußfolgert, daß die beiden Ereignisse deshalb nicht iden­
22 was es gibt, die Epistemologie (oder 'Erkenntnistheorie') mit der Frage, wie unsere Er­
tisch sein können. Nun ist diese Schlußfolgerung nicht empirisch überprüfbar, da Iden­
kenntnis über das, was es gibt, beschaffen ist und zustandekommt. Ein Zusammenhang
titätsaussagen über Ereignisse in einer solchen Theorie analytischer Natur sind. Entspre­
zwischen ontologischen und epistemologischen Überlegungen zu Ereignissen besteht in
chend werden durch diese Argumentation weder ontologische Fragen noch Fragen nach
dreierlei Hinsicht:
der Angemessenheit der Adverbrepräsentation in n-III aufgeworfen. Hier noch mal die
• Epistemische Individuierung: Das Antezedens in Identitätskriterien für Ereignisse setzt
beiden Argumentationen im Vergleich.
individuierte Ereignisse voraus. Wie Ereignisse individuiert werden, ist eine epistemo-
logische Frage.
Eine ontologisch-linguistische Theorie über e: Eine rein linguistische Theorie über e: • Begründete Urteile: Wir kennen nicht nur die Wahrheitsbedingungen von Propositio­
nen über Ereignisse, sondern wir können auch begründete Urteile über die Wahrheit
n-1: VERBi (e,x) & VERB (e',x)
2 n-I: VERBi(e,x)& VERB (e',x)2
solcher Propositionen treffen. Wie solche begründeten Urteile Zustandekommen, ist
n-2: VeVe'[(e = e')<-»VPrP(e)<->P(e')]] n-H: VeVe'[(e = e') <-> VPfP(e) <-> P(e')]] eine epistemologische Frage.
n-3: e = e' n-m: ADVERB(e) • Intuitionen über Ereignisse: Ereignisontologische Überlegungen sind außer durch
TL4: ADVERB(e) n-IV: -i[ADVERB(e) -> ADVERB(e')] Überlegungen zur semantischen Rolle von Ereignissen auch durch intuitive Vorstellun­
O-I: -.[e = e'] gen vom Wesen von Ereignissen bestimmt. Wie unsere Intuition über das Wesen von
O-l: ADVERB(e')
(nicht empirisch) Ereignissen zustandekommt, ist (z.T.) eine epistemologische Frage.
(empirisch)
Ich möchte in diesem Kapitel diese drei Punkte etwas ausführen, wobei ich in eher kurso­
Abb. 7: Ontologiefreundliche vs. ontologiefeindliche semantische Theorien. rischer Form einige allgemeine epistemologische Annahmen vorstellen werde. Es ist nicht
meine Absicht, eine bestimmte Kognitions- oder Erkenntnistheorie ausführlich zu begrün­
Insofern als die Folgerung im ontologisch-linguistischen Ansatz eine empirische Wahrheit den. Ich will lediglich versuchen, einen möglichen Zusammenhang zwischen semanti­
betrifft, können sich aus ihr theoretische Fragestellungen bezüglich der Prämissen erge­ schen, ontologischen, epistemologischen und wahrnehmungspsychologischen Überlegun­
ben. In dem rein linguistischen Ansatz betrifft die Folgerung keine empirische Wahrheit. gen aufzuzeigen, der plausibel genug ist, um die Annahme bestimmter Abhängigkeiten
Insofern ist die rein linguistische Theorie diesbezüglich auch für empirische Widerlegun­ zwischen verbsemantischen Repräsentationen und Mechanismen der Ereigniswahrneh-
gen immun. Sie hat geringeren empirischen Gehalt. mung begründet erscheinen zu lassen.
Zusammenfassung: In vielen ereignissemantischen Ansätzen wird davon ausgegangen, daß Epistemische Individuierung: Identitätskriterien sind so formuliert, daß sie über ihr Ante­
ontologische Überlegungen zum Wesen von Ereignissen nicht notwendig sind. Ich habe in zedens, "eck & od", voraussetzen, daß wir es mit Entitäten der Sorte zu tun haben, für die
diesem Kapitel dargestellt, warum ich ontologische Argumentationen in ereignissemanti­ das Identitätskriterium formuliert ist. Ein Identitätskriterium für Ereignisse geht also
schen Arbeiten für wichtig halte. Erstens sind lexikalisch-semantische Arbeiten in einem davon aus, daß wir schon wissen, daß wir es mit Ereignissen zu tun haben. Wie wir zu
diesem Wissen kommen, ist die epistemologische Frage, wie wir Ereignisse 'individuieren'
2 2
Parsons (1990:157) vertritt eine solche Strategie: "When a verb-modifier appears truly in one können. Insofern als Erkenntnis ein Begriff ist, der auf Propositionen anzuwenden ist,
source sentence and falsely in another, the events cannot be identical." Eckardt (1996a:22) zeigt kann "e erkennen" hier nur verstanden werden als "erkennen, daß e existiert". Damit 23

aber an Beispielen wie sie säuft Bier vs. sie trinkt Bier, daß nicht alle verbmodifizierenden Ad­ wird die Frage der Ereignisindividuierung zu der erkenntnistheoretischen Frage, wie wir
verbiale sich von dem ersteren auf den letzteren Ausdruck übertragen lassen, ohne daß man erkennen, daß e existiert.
daraus aber auf die Nichtidentität der beiden Ereignisse schließen möchte. Nach Eckardt
(1996a: 14) verhält es sich so, "that the double task of representing linguistic items with the
help of events, and at the same time to shape events according to what the linguistic data seem
to suggest can become circular: the form of the events that seem to be required by the data Häufiger wird dieser Unterschied auch dadurch verdeutlicht, daß man etwas kennen von etwas
might hide the true nature of the linguistic phenomena, simply because they fit the data too als etwas erkennen unterscheidet, im Falle von Ereignissen also KENNEN(x,e) von
well." ERKENNEN(x,P(e)) (vgl. etwa Rod 1992:52).
226
227
Ich werde im Folgenden die Begriffe 'Identitätskriterium' und 'Identifizierung' im Rah­ daß es einen solchen Individuierungsmechamsmus gibt und wie er beschaffen ist, so haben
men der ontologischen Überlegungen verwenden, die uns zu den Eigenschaften führen wir zumindest ein gutes Argument für unsere semantische Theorie.
sollen, aus deren Übereinstimmung bei zwei Ereignissen wir auf die Identität dieser Er­
eignisse schließen können, und den Begriff der '(epistemischen) Individuierung' im Zu­ Wahrheit: Es geht hier also um die epistemologische Frage, wann etwas wahr i s t . Die 26

24 vernünftige Verwendung des Begriffs der Wahrheit setzt voraus, daß wir i) wissen, worauf
sammenhang mit der Frage, wie wir das Auftreten einer bestimmten Entität feststellen.
wir ihn anwenden können, ii) wissen, wie er definiert ist, und iii) ein Kriterium für seine
Die erste epistemologische Frage im Zusammenhang mit dem Identitätskriterium von
Anwendung angeben können, so daß wir in konkreten Fällen entscheiden können, ob
Ereignissen ist also die, wie wir feststellen, ob Ereignisse vorliegen, ob also das Ante-
etwas wahr ist oder nicht. Da die Frage nach der Wahrheit ebenso wie die anderen in
zedens eines Identitätskriteriums, "ak & cd", erfüllt ist. Die zweite epistemologische Frage
diesem Abschnitt angeschnittenen Fragen mehrere Jahrtausende Philosophieren ohne
im Zusammenhang mit dem Identitätskriterium für Ereignisse ist die, wie wir feststellen,
definitive Antwort überstanden haben, werde ich mich hier ohne weitere Diskussion auf
ob die ereignisidentifizierende Eigenschaft, also "R(k,l)", vorliegt. Diese Frage ist Teil der
kurze, relativ verbreitete und mit dem Zweck dieser Überlegungen verträgliche Antworten
allgemeinen Frage, wie wir zu begründeten Urteilen über die Wahrheit von Sätzen über
beschränken.
Ereignisse kommen. Darum geht es im nächsten Abschnitt.
• Anwendung des Wahrheitsbegriffs: Der Wahrheitsbegriff wird auf Propositionen ange­
Wahrheitsbedingungen und Wahrheitswerturteile: Der Grundidee der wahrheitskonditio­ 27
wendet. Propositionen werden durch Sätze ausgedrückt und sind das, was Gegenstand
nalen Semantik zufolge kennen wir die Bedeutung eines (Behauptungs-)Satzes, wenn wir bestimmter mentaler Zustände und Prozesse wie Glauben, Hoffen, Bezweifeln, Erken­
die Bedingungen kennen, unter denen er (bzw. die Proposition, die er ausdrückt) wahr ist. nen ist. Im Rahmen einer modelltheoretischen Semantik sagt man von einer Proposi­
Diese Bedingungen werden gewöhnlich in einer prädikatenlogischen Sprache formuliert tion, daß sie wahr oder falsch ist relativ zu einem Modell und gegebenenfalls relativ zu
und sehen für den Satz in (4a) unter den in Kapitel 4.1.3 besprochenen davidsonischen bestimmten Zeiten und möglichen Welten.
Annahmen etwas vereinfacht so aus wie in (4b). Der Satz (4a) ist demnach wahr, wenn es • Definition des Wahrheitsbegriffs: Propositionen sind gemäß der Korrespondenztheorie
ein Ereignis gegeben hat, das ein Kochen von Rote-Beete-Suppe durch Ludmilla war, das der Wahrheit dann wahr, wenn sie mit der Wirklichkeit übereinstimmen. Zwischen der
gestern abend war und das in ihrer Küche war (4b). Struktur einer wahren Proposition und der Struktur der Wirklichkeit besteht ein um­
kehrbar eindeutiges Abbildungsverhältnis (vgl. Russell 7972/1980:69ff).
(4) a. Ludmilla kochte gestern abend in ihrer Küche eine Rote-Beete-Suppe
• Wahrheitskriterium: Ob sich ein eindeutiges Wahrheitskriterium finden läßt, ist um­
b. 3e[KOCHEN(ludmilla,x,e) & ROTE-BEETE-SUPPE(x) & GESTERN-ABENL\e) &
stritten. Zumindest aber lassen sich begründete Urteile über die Wahrheit von Proposi­
IN(e,y) & LUDMILLAS-KÜCHE(y)]
tionen fällen, die uns mit relativer Sicherheit von der Wahrheit einer Proposition aus­
Nun kennen wir aber nicht nur die Wahrheitsbedingungen, sondern wir sind auch in der gehen lassen.
Lage, bei ausreichender Evidenz ein Urteil über die Wahrheit eines solchen Satzes abzu­
Begründete Urteile: Nun ist es zweifellos eine komplexe erkenntnistheoretische Frage, ob
geben. Wenn wir etwa an dem betreffenden Abend in Ludmillas Küche waren, können wir
und wie wir zu begründeten Urteilen über die Wahrheit von Propositionen kommen. Wenn
vermutlich begründeterweise bezüglich des obigen Satzes sagen: "das ist wahr" oder "das
jedenfalls eine Person x zu dem begründeten Urteil kommt, daß p wahr ist (und p tatsäch­
ist falsch". Wir sind also in der Lage zu überprüfen, ob der Zustand der Welt mit den 2 8
lich wahr ist), so konstituiert p Wissen für x . Ich werde annehmen, daß begründete Ur­
Wahrheitsbedingungen des Satzes korrespondiert, und gemäß der geschilderten semanti­ 29
teile und damit Wissen auf folgende Weisen zustande kommen:
schen Theorien tun wir das u.a., indem wir überprüfen, ob es eine Ereignisentität mit den
• Wahrnehmung: x weiß p, wenn x (optisch, akustisch, haptisch, olfaktorisch) wahr­
erforderlichen Eigenschaften gibt. Die semantische Theorie setzt also (ebenso wie das
nimmt, daß p der Fall ist.
Identitätskriterium) epistemische Individuierbarkeit von Ereignissen und die epistemische
• Introspektion: wenn p einen mentalen Vorgang oder Zustand von x (Schmerzen, Wün­
Überprüfbarkeit der Wahrheit von Ereignisprädikationen voraus, denn Sprecher natürli­
sche, Eindrücke) zum Gegenstand hat, so weiß x p, wenn x introspektiv erfahrt, daß p
cher Sprachen machen nicht nur Behauptungen, sie geben auch begründete Urteile über
der Fall ist.
deren Wahrheit ab. Kurzum: die Annahme, daß Sätze Prädikationen über Ereignisse ent­
halten und daß es Teil unserer kognitiven Fähigkeiten ist, Sätze als wahr oder falsch zu • Erinnerung: x weiß p, wenn x sich erinnert, daß p der Fall ist (weil x p vorher perzep-
tuell oder introspektiv erkannt hat).
beurteilen, verpflichtet uns zur Annahme eines Mechanismus, der es uns erlaubt, konkrete
25
Ereignisse als solche und mit ihren Eigenschaften zu erkennen. Wenn wir zeigen könn­ • Folgerung: x weiß p, wenn x p aus einer Menge wahrer Propositionen nach allgemein­
gültigen Schlußregeln ableiten kann.
ten, daß es einen solchen Individuierungsmechanismus nicht gibt, so wäre eine auf Ereig-
nisentitäten basierende semantische Theorie falsch. Wenn wir dagegen zeigen können,
Zu einem Überblick über Wahrheitstheorien vgl. Andersson (1992).
2 4
Ähnlich auch Brand (1976:144). Ich werde daher der Einfachheit halber oft auch von der Wahrheit von Sätzen sprechen.
2 5
Die Frage nach dem mdividuierungsmechanismus ist im Übrigen nicht identisch mit der Frage, Mögliche andere, nicht-propositionale Formen von Wissen, etwa prozedurales Wissen, werden
ob es Ereignisse gibt. Um ein Wahrheitswerturteil abgeben zu können, muß es Ereignisse nicht unter diesen Begriff nicht subsumiert.
nur geben, sondern wir müssen sie auch als solche erkennen können. Vgl. auch Chisholm (i06"<J/1979:4Off,173ff).
228
229
Begründungen, die durch Folgerungen zustande kommen, werden als abgeleitete Begrün­ rekt ist, aus welchen Entitäten konstruieren wir dann die Wahrnehmung P(e) und woraus
dungen bezeichnet, die anderen Begründungen werden grundlegende Begründungen ge­ konstruieren wir e (als Sorte)? ii) Wenn zwischen unseren perzeptuell bestimmten Reprä­
nannt. Grundlegend sind sie insofern, als sie nicht weiter begründungsbedürftig sind. sentationen der Wirklichkeit und der Wirklichkeit selbst kein 1-zu-1-Verhältnis besteht,
Wissensbegründungen sind also in diesem Rahmen möglich, da es keinen infiniten Re- worüber reden wir dann, wenn wir über Ereignisse reden: über Ereignisse in unseren per­
gress von Begründungen gibt, sondern alle Begründungen letztlich auf grundlegende, und zeptuell bestimmten Repräsentationen, über Ereignisse in der Wirklichkeit oder über Er­
zwar vor allem perzeptuelle Begründungen zurückgeführt werden können. eignisse in unseren Repräsentationen als Ereignisse in der Wirklichkeit (oder anders ge­
Wenn wir auf obiges Beispiel zurückkommen, so können wir also begründeterweise sagt, über Ereignisse unter perzeptuell determinierten Beschreibungen)? Die Frage, wie
urteilen, daß (4b) wahr ist, wenn wir etwa aus verschiedenen Fakten, wie etwa, daß ge­ sich das Verhältnis zwischen Wirklichkeit und Repräsentationen der Wirklichkeit' dar­
stern abend noch warme Rote-Beete-Suppe auf Ludmillas Ofen gestanden hat, daß frische stellt, steht in engem Zusammenhang mit der Beziehung zwischen der Korrespon­
Rote-Beete-Schalen überall herumlagen, u s w . , auf (4b) schließen können. Im einfachsten denztheorie der Wahrheit, die die Wahrheit einer Aussage in ihrer Übereinstimmung mit
Fall genügt es aber, Ludmilla bei ihrem Tun beobachtet zu haben, um von der Wahrheit der Wirklichkeit sucht, und der Annahme, daß Wahrnehmung zur Begründung der Wahr­
von (4b) überzeugt zu sein. Wahrheitswerturteile über solche alltagssprachlichen Äuße­ heit von Aussagen oft ausreicht.
rungen wie (4b) sind durch Wahrnehmung ausreichend begründet, solange wir ausschlie­ Ich denke, diese Fragen (v.a. die erste) sind Fragen, die man zum großen Teil empi­
ßen können, Halluzinationen oder perzeptuellen Täuschungen zum Opfer gefallen zu risch beantworten muß, und insofern es sich um Fragen nach der Natur menschlicher
30
sein. Wahrnehmung handelt, sind psychologische und neurologische Überlegungen zu ihrer
Wahrnehmung und Wissen: Die oben vorgestellten Annahmen zu Wahrheit und Wissen Beantwortung erforderlich. Ich werde daher in Kapitel 6 ausführlich auf wahrneh­
gehen von einer realistischen epistemologischen Position aus, einer Position also, die mungspsychologische Auffassungen von Ereignissen zu sprechen kommen und dabei
annimmt, daß uns die Außenwelt prinzipiell zugänglich ist. Wenn wir nun annehmen, daß versuchen zu zeigen, daß die Beschäftigung mit den zugrundeliegenden Perzeptions-
wir Wissen über die Außenwelt perzeptuell begründen können, so setzt das voraus, daß mechanismen uns zum Teil unsere Frage "Was sind Ereignisse?" beantworten kann.
zwischen der Wirklichkeit und unseren Wahrnehmungen der Wirklichkeit irgendein re­ Intuitionen über Ereignisse: Im vorigen Kapitel ist schon deutlich geworden, daß die on-
guläres Abbildungsverhältnis besteht. Die Auffassungen, wie unmittelbar uns diese Wirk­ tologische Frage, was Ereignisse sind, sich im Wesentlichen daran orientiert, wie wir über
lichkeit über Wahrnehmungen zugänglich ist, gehen allerdings ebenso auseinander wie Ereignisse reden. Die Uneinigkeit in der ontologischen Diskussion über den geeigneten
die Annahmen darüber, wie ähnlich die Wirklichkeit unseren Wahrnehmungen ist. Posi­ Ereignisbegriff rührt allerdings - wie wir noch sehen werden - nur zum Teil daher, daß
tionen, die davon ausgehen, daß uns nur elementare Sinnesdaten (z.B. Färb- und Form­ die verschiedenen diskutierten sprachlichen Phänomene möglicherweise nach unterschied­
eindrücke oder Hitzeempfindungen) unmittelbar perzeptuell zugänglich sind, behaupten, lichen Ereigniskonzeptionen verlangen. Sie entsteht auch durch den Versuch, den Ereig­
daß wir über inferenzähnliche Vorgänge zu perzeptuellem Wissen kommen. So schließen nisbegriff nicht nur zur Lösung linguistisch-ontologischer Probleme zu bestimmen, son­
wir auf eine bestimmte, unbewußte Weise, daß etwas eine Tomate ist, weil bestimmte dern diese Entitäten auch unserer "Intuition" vom Wesen der Ereignisse entsprechen zu
visuelle Sinnesdaten des Typs 'Rot' und 'Rund' vorliegen ('Repräsentationeller Realismus'). lassen. Es ist also nicht nur die Art, wie wir über Ereignisse sprechen, die die ontologische
Demgegenüber vertreten andere Positionen die Ansicht, daß es keine solchen unbewußten Diskussion prägt, sondern auch die Art, wie wir Ereignisse intuitiv auffassen.
Schlüsse gibt und daß 'eine Tomate sehen' und 'sehen, daß etwas eine Tomate ist' ein und Wenn die Intuition über das Wesen von Ereignissen aber zum Korrektiv für die Ereig­
dasselbe ist ('Direkter Realismus'). Hinsichtlich der Frage nach dem Verhältnis zwischen niskonzeption und die Adäquatheit der Identitätsbedingungen wird, so muß vorausgesetzt
der Wirklichkeit und unseren perzeptuell begründeten Repräsentationen von ihr, unter­ werden, daß unsere Intuition über Ereignisse entweder überprüfbar oder zumindest inter­
scheiden sich solche Ansätze, die diesbezüglich von einer weitgehenden Ähnlichkeit aus­ subjektiv hinreichend stabil ist. Ein Blick in die ontologische Diskussion zeigt aber, daß
gehen ('Commonsensism'), von solchen, die annehmen, daß die Wirklichkeit von unseren ursprüngliche Intuitionen gerne widerrufen werden, wenn sie sich einer aus anderen
Annahmen über sie eher verschieden ist und letztlich nur (natur-)wissenschaftlich ergrün­ Gründen präferierten Ereignistheorie widersetzen. 32

31
det werden kann ('Wissenschaftlicher Realismus'). Um an Intuitionen orientierte Ereignistheorien vor Immunisierungsstrategien zu schüt­
Diese Fragen betreffen uns nun in folgender Weise: i) Wenn unsere Wahrnehmung zen, sollte also unser Intuitionsbegriff hinreichend stabilisiert werden. In diesem Zusam­
(zumindest partiell) direkt ist, was kennzeichnet ein Faktum P(e) perzeptuell, so daß es menhang scheint es plausibel anzunehmen, daß unser intuitiver Ereignisbegriff genau wie
unmittelbar wahrnehmbar ist, und was kennzeichnet e (als Sorte) perzeptuell, so daß wir viele andere kognitiven Kategorien nicht unwesenlich dadurch geprägt ist, wie wir Ereig­
es epistemisch-perzeptuell individuieren können? Wenn unsere Wahrnehmung aber indi- nisse in unserer Umwelt wahrnehmen. Sowohl das epistemologische Problem der Wahr­
heitswertbeurteilung von Existenzaussagen über Ereignisse als auch das Problem mit dem
3 0
Das scheint schon deshalb plausibel, weil wir uns mithilfe der Erfahrungen und des Wissens,
das wir aufgrund unserer Wahrnehmungen erwerben, relativ erfolgreich in unserer Umwelt be­ Vgl. etwa die Bemerkungen zu Stöckers (1992) Identitätskriterium in Kapitel 5.2.3 oder auch
wegen; auf Wahrnehmung gegründete Urteile scheinen daher im Großen und Ganzen zuverläs­ Eckardts (1996a: 15) Beobachtungen, daß bestimmte Identitätskriterien für Ereignisse so for­
sig zu sein. muliert sind, daß sie ständige Korrekturen ursprünglicher Intuitionen über Ereignisse und ihre
3 1
Vgl. zu einer Darstellung der verschiedenen Positionen Landesman (1997:9ff,51ff). Eigenschaften verlangen.
230 231

Intuitionsbegrüf in der ontologischen Diskussion legen es also nahe, sich mit der Wahr­ betraying Norway. 33
Bennerts (1988) Überlegungen zum Wesen von Ereignissen orientie­
nehmung von Ereignissen zu beschäftigen. ren sich u.a. an diesen Typunterschieden. Eine wichtige Rolle spielten die Überlegungen
zu Identitätskriterien von Ereignissen auch in der Handlungstheorie, hier v.a. auch im
Zusammenfassung: Es ist gezeigt worden, daß in dreierlei Hinsicht ein Zusammenhang
Zusammenhang mit der Frage nach der Bedeutung der /«üfe/w-Relation. Wenn jemand das
zwischen ontologischen und epistemologischen Überlegungen zu Ereignissen besteht.
1:0 macht, indem er einen Elfmeter verwandelt, sind das Das-1:0-Machen und das Den-
Erstens setzen Identitätskriterien für Ereignisse voraus, daß wir Ereignisse epistemisch
Elfmeter-Verwandeln das gleiche Ereignis?
individuieren können. Zweitens kennen wir nicht nur die Wahrheitsbedingungen für Sätze
Schließlich geht es in Arbeiten zu Ereignissen auch darum zu zeigen, inwiefern unsere
über Ereignisse, sondern wir können auch begründete Urteile über die Wahrheit solcher
intuitive Vorstellung von Ereignissen und die Annahme, daß sie eine zentrale Größe in
Sätze abgeben. Drittens versuchen ontologische Überlegungen zu Ereignissen oft auch
der kognitiven Erschließung der Welt sind, hinreichend präzise gemacht werden können.
unseren intuitiven Auffassungen von Ereignissen gerecht zu werden; auch wie wir zu
solchen Auffassungen kommen, ist zum Teil eine epistemologische Frage. Die Ereignisfrage im Zusammenhang dieser Arbeit: Ereignisse sind in der vorliegenden
Alle drei epistemologischen Aspekte von Ereignissen hängen eng mit der Wahrneh­ Arbeit im Zusammenhang mit einer Reihe von sprachlichen Phänomenen ins Spiel ge­
mung von Ereignissen zusammen. Wir individuieren Ereignisse perzeptuell, begründen bracht worden, die ihnen bestimmte Funktionen aufbürden:
Propositionen über Ereignisse aufgrund perzeptueller Evidenz, und unsere Intuitionen • Ereignisse sind der Gegenstand verschiedener adverbialer Prädikationen und Relatio­
über das Wesen von Ereignissen basieren auf der Art, wie wir Ereignisse wahrnehmen. nen.
Diese Zusammenhänge machen eine Beschäftigung mit psychologischen Theorien über • An Ereignissen werden die verschiedenen semantischen Rollen verankert, die die Er­
Ereigniswahrnehmung erforderlich, die Gegenstand des Kapitels 6 sein werden. eignispartizipanten innehaben.
• Ereignisse müssen eine zeitliche Dimension haben, und zwar eine interne, die ihre
Dauer betrifft, und eine externe, die die temporalen Relationen zu anderen Ereignissen
betrifft.
5.2 Feinkörnige vs. grobkörnige Ereignisauffassungen Inwiefern Ereignisse diese verschiedenen Aufgaben in der semantischen Theorie erfüllen
können, hängt davon ab, ob sich ein plausibles Identitätskriterium finden läßt, das Ereig­
nisse als die Wesen charakterisiert, die sie bisher im Rahmen der theoretischen Überle­
5.2.1 Ereignisse und das Körnigkeitsproblem gungen zu sein schienen. Die Art der ereignisabhängigen Phänomene und Erklärungs­
zusammenhänge bestimmt demnach auch wesentlich die Antwort auf die Frage, was Er­
Erklärungszusammenhänge: Um die verschiedenen Auffassungen von Ereignissen be­ eignisse sind. Diese Antworten unterscheiden sich v.a. darin, wie fein- oder grobkörnig
urteilen zu können, müssen die Erklärungszusammenhänge berücksichtigt werden, in sich der Ereignisbegriff gestaltet, worum es im nächsten Abschnitt gehen soll.
denen sie entstanden sind. Die zentrale philosophische Frage, im Rahmen derer Über­ Darüber hinaus sollte in einer linguistischen Theorie als Teil einer umfassenden Theo­
legungen zum Wesen von Ereignissen am häufigsten angestellt wurden, ist die Frage, was rie der menschlichen Kognition der ontologisch gewonnene Ereignisbegriff einen deutli­
Kausalrelationen sind. Dabei geht es nicht nur darum zu sagen, was es bedeutet, daß etwas chen Zusammenhang mit einem gegebenenfalls erforderlichen Ereignisbegriff in anderen
etwas anderes verursacht, sondern auch darum, zwischen was für Entitäten eigentlich kognitiven Bereichen aufweisen. Dies ist schon aufgrund der in Kapitel 5.1.4 dargestellten
Kausalrelationen bestehen. Die verbreitete Annahme, daß diese Entitäten Ereignisse sind, Notwendigkeit zur epistemischen Individuierung erforderlich, die nach bestimmten regel­
erzwingt unter einer bestimmten Auffassung von Kausalität dann auch eine bestimmte haften Beziehungen zwischen Individuen in einer Theorie der Semantik und etwa einer
Auffassung von Ereignissen. Theorie der Wahrnehmung verlangt.
Der für die Linguistik wichtigste Ausgangspunkt für ereignissemantische Überlegungen Die Körnigkeit von Ereignissen: In der Prädikatenlogik werden Terme, Prädikate und
war Davidsons (1967) Arbeit zur logischen Form von Handlungssätzen, in der er dar­ Ausdrücke unterschieden. Ontologisch entsprechen den Termen Individuen, z.B. raum­
stellte, inwiefern Quantifikation und Prädikation über Ereignisse das zentrale Gerüst der zeitlich individuierte Gegenstände, den Prädikaten entsprechen Eigenschaften und den
logischen Form von Sätzen darstellen. Die Frage, ob Adverbiale als Prädikate über Ereig­ Ausdrücken Propositionen (bzw. Sachverhalte). Die ontologische Diskussion um Ereig­
nisse verstanden werden sollten und welche Auffassung von Ereignissen dafür erforderlich nisse dreht sich nun im Wesentlichen darum, inwiefern Ereignisse als Propositionen, als
ist, hat in der philosophischen Literatur dagegen nicht die gleiche Aufmerksamkeit gefun­
den wie die Kausalitätsfrage. Viele der dort vorgeschlagenen Identitätskriterien für Ereig­
Die beiden Typen unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht: ereignisbezeichnende Nomina erlau­
nisse sind daher auch nur schlecht auf adverbiale Modifikationsphänomene abgestimmt.
ben im Gegensatz zu tatsachenbezeichnenden den Artikel und können pluralisiert werden, sie
In jüngerer Zeit hat vor allem Bennett (1988: lff) in der philosophischen Literatur den werden durch Adjektive und nicht durch Adverbien modifiziert, sie können nicht negiert und
Blick auf linguistisch interessante Phänomene gelenkt, v.a. durch die Unterscheidung von von modalen und temporalen Hilfsverben selegiert werden, etc. (vgl. Bennett 1988:4f). Solche
ereignisbezeichnenden nominalen Ausdrücken wie betrayal, Quisling's betrayal ofNor- Phänomene sind natürlich auch in der Linguistik vielfach untersucht worden (z.B. Grimshaw
1990:450). Im Deutschen ist die Situation allerdings anders als im Englischen: Nominalisie-
way oder Quisling's betraying of Norway und tatsachenbezeichnenden wie Quisling's
rungen denotieren hier keine Tatsachen oder Sachverhalte (vgl. Ehrich 1991:448).
232 233

Eigenschaften von Individuen, als Individuen einer bestimmten Sorte oder als irgendwo (1-1) Ereignisse als Kausalrelata
dazwischen anzusiedelnde Entitäten aufgefaßt werden können. Ansätze, die dazu tendie­ Wenn e und e' Ereignisse sind, dann sind e und e' genau dann identisch, wenn e
ren, Ereignisse als Individuen, und zwar als konkrete Entitäten in Raum und Zeit, aufzu­ genau die gleichen Ursachen hat wie e' und e genau die gleichen Wirkungen hat
3 6
fassen, werden gewöhnlich als grobkörnig bezeichnet, Ansätze, die Ereignisse eher im wie e' .
Bereich der Propositionen oder der Eigenschaften ansiedeln, drücken ein feinkörniges
Diese Ereignisauffassung ist mit verschiedenen Problemen verbunden: Da Davidson
Ereignisverständnis aus.
(7969/1980:179) annimmt, daß die Ursachen und Wirkungen eines Ereignisses selbst
Die folgenden Beispiele können als typische Fälle in der Diskussion um das geeignete
wieder Ereignisse sind und auch deren Identität zunächst festzustellen ist, kommt es bei
Identitätskriterium gelten: 37
der Überprüfung der Identitätsbedingung zu einem infiniten Regress (Sher 1974:41f).
(5) a. Wenn John am Telefon laut "Hallo" sagt, ist das Ereignis des "Hallo"-Sagens identisch mit Das ist zwar nicht, wie Sher (1974) offenbar meinte, ein ontologisches Problem, denn
dem Ereignis des Laut-"Hallo"-Sagens? (nach Goldman 1970:3) Identitätskriterien setzen immer schon individuierte Ereignisse voraus, aber es ist insofern
b. Wenn John seinem Sohn hilft, indem er das Geschirr abtrocknet, ist das Seinem-Sohn- von Bedeutung, als nicht klar ist, welches (nicht-rekursive) epistemische Individuations-
Helfen identisch mit dem Geschirr-Abtrocknen? 38
kriterium 1-1 entsprechen könnte. Zu bedenken gegeben wurde übrigens auch, daß aus
c. Wenn eine Metallkugel sich um 35° dreht und sich zur gleichen Zeit erwärmt, ist das Sich- Davidsons Kriterium folgt, daß alle Ereignisse ohne Ursachen und Wirkungen identisch
um-3 5 "-Drehen der Metallkugel identisch mit ihrem Sich-Erwärmen? (nach Davidson sind, es also nur ein solches Ereignis geben kann (Brand 1976:137). Selbst wenn es strittig
7060/1980:178) ist, ob es solche Ereignisse gibt, sollte ein Identitätskriterium, so Brand (1976:137), nicht
auf einer so substantiellen philosophischen Annahme basieren.
Die Tendenz geht heute dahin, solche Identitätskriterien, die in Beispiel (5a) zwei unter­
Es ist weiterhin bemängelt worden, daß Davidsons Kriterium eigentlich wenig über das
schiedene Ereignisse erkennen lassen wollen, als zu feinkörnig abzulehnen, und solche,
34 Wesen von Ereignissen verrät (z.B. Goldman 1971:768f). So vermutet Lombard
die in (5c) nur ein Ereignis individuieren, als zu grobkörnig. Diese Kritik spiegelt wohl
(1986:77), daß Davidsons Kriterium nur an der Oberfläche des eigentlichen Wesens von
im Wesentlichen auch unsere Intuitionen über Ereignisse wider, die bei Beispielen wie
Ereignissen kratzt, und daß es eine essenzielle Eigenschaft von Ereignissen gibt, die er-
(5b) schließlich oft auseinandergehen. In den folgenden Kapiteln werde ich auf die ver­
klärt, warum Ereignisse als Relata kausaler Beziehungen auftreten. Nach Stöcker
schiedenen fein- und grobkörnigen Identitätskriterien für Ereignisse zu sprechen kom­
35
(1992:14) sagt uns 1-1 deshalb so wenig über Ereignisse, weil Ereignisse bei Davidson von
men.
sich selbst abhängig sind und nicht von anderen Entitäten.
Zusammenfassung. Die Frage nach dem Wesen von Ereignissen wird in den verschie­
Goldmans Ereignisverständnis: Davidsons Kriterium wurde an den Beginn dieses Kapitels
densten Erklärungszusammenhängen gestellt. Je nachdem, ob man verstehen möchte, was
über feinkörnige Ereignisauffassungen gestellt, weil es einen für die ontologische Diskus­
Kausalität ist, was Adverbien bedeuten oder was Handlungen sind, kann die Antwort
sion zentralen Zusammenhang zwischen Kausalität und Ereignissen herstellt. Es ist aller­
dabei unterschiedlich ausfallen: Ereignisse können relativ feinkörnig oder relativ grob­
dings zunächst bezüglich seines Grades an Feinkörnigkeit nicht genau zu beurteilen. Tat­
körnig aufgefaßt werden. In der vorliegenden Arbeit wird die Frage, was Ereignisse sind,
sächlich plädiert Davidson (z.B. 1967:84) meist eher für grobkörnige Ereignisauffassun­
aufgeworfen im Zusammenhang mit adverbialen Modifikationsprozessen, semantischen
gen. Die Bedingungen, die in 1-1 formuliert sind, legen nach Ansicht einiger der folgen­
Rollen, temporalen Eigenschaften und mit der Auffassung, daß linguistisch-ontologische 39
den Auffassungen allerdings eher ein feinkörniges Ereignisverständnis nahe. Davidson
und epistemologische Überlegungen im Rahmen einer Theorie der menschlichen Kogni­
(1985) selbst hat sich übrigens später von seinem Vorschlag distanziert und für ein von
tion aufeinander bezogen sein müssen.
Quine vertretenes Identitätskriterium plädiert (1-4 in Kap. 5.2.3).
Auch wenn man 1-1 nicht als geeignetes Identitätskriterium auffaßt, so besteht schon
wegen Leibniz' Gesetz Einigkeit, daß identische Ereignisse - wenn denn Ereignisse die
5.2.2 Feinkörnige Ereignisauffassungen
Relata von Kausalrelationen sind - in ihren Ursachen und Wirkungen übereinstimmen
Ereignisse als Kausalrelata: Davidson (1967) hatte seinen Vorschlag zur Einführung müssen. Goldman (1970, 1971) hat daher mit seinem berühmten, schon oben in (5a) an­
eines Ereignisarguments ursprünglich nicht mit Überlegungen zu Identitätsbedingungen
für Ereignisse verknüpft. Stattdessen betonte er lediglich die semantische Notwendigkeit
Davidson (7060/1980:179): "[...] events are identical if and only if they have exactly the same
eines solchen Ereignisarguments. Erst später präsentierte Davidson (7969/1980) ein Iden-
causes and effects."
titatskriterium, daß Ereignisse als Kausalrelata auffaßt: Zitiert nach Stöcker (1992:15).
Davidson (7060/1980:179) selbst weist daraufhin, daß sein Identitätskriterium logisch nicht
zirkulär ist, denn im rechten Teil der Bedingung tritt keine weitere Identitätsbehauptung für
3 4
Vgl. auch Unwin (1996:315f). Ereignisse auf. Für die Identifizierung von Ereignissen in konkreten Fällen ist es aber aufgrund
3 5
Ausführliche, kritische Darstellungen vieler Ansätze finden sich etwa in Lombard (1986), des angesprochenen Regresses nicht tauglich (Brand 1976:138, Stöcker 1992:1511).
Bennett (1988) und Stöcker (1992). Vgl. dazu auch Stöcker (1992:31f).
234 235

geführten Beispiel (Goldman 1970:3) für ein sehr feinkörniges Ereignisverständnis ge­ Chisholms Auffassung ist für die meisten Phänomene mit Ereignisbezug deutlich zu fein­
worben, das eben in den Besonderheiten kausaler Relationen begründet ist: John hat mit körnig. So stellen (6a) und (6b) unterschiedliche Sachverhalte und damit nach 1-2 unter­
seiner Frau gestritten und ist deshalb sehr gereizt. Das Telefon klingelt, John nimmt den schiedliche Ereignisse dar.
Hörer ab und sagt laut "Hallo". Johns lautes "Hallo"-Sagen wurde dabei durch seine Ge­
(6) a. Silvia Neid schoß das 1:0
reiztheit verursacht, nicht aber Johns "Hallo"-Sagen. Da sich Johns "Hallo"-Sagen und
b. die Spielführerin der deutschen Fußballnationalmannschaft schoß das 1:0
Johns lautes "Hallo"-Sagen also in zumindest einer Eigenschaft unterscheiden, nämlich in
ihrer Ursache, sind sie, so Goldman (1970:2ff), verschiedene Ereignisse. Goldman selbst Ereignismodifizierende Adverbiale verlangen aber wohl deutlich grobkörnigere Ereig­
formuliert kein Identitätskriterium für Ereignisse, lehnt sich aber an die im übernächsten nisse. Wenn Silvia Neid das 1:0 schoß und wenn sie es mit ihren neuen Fußballstiefeln
Abschnitt vorgestellte Ereignisauffassung von Kim (1969) an (Goldman 1970:10). mit großer Begeisterung und mit voller Wucht schoß und wenn Silvia Neid die Spielführe­
rin der deutschen Fußballnationalmannschaft war und die Spielführerin der deutschen
Ereignisse als Sachverhalte: Verschiedentlich ist behauptet worden, daß Ereignisse als
Fußballnationalmannschaft das 1:0 schoß, dann schoß die Spielführerin der deutschen
Sachverhalte verstanden werden können oder als Propositionen, also als das, was Gegen­
Fußballnationalmannschaft das 1:0 mit ihren neuen Fußballstiefeln, mit großer Begeiste­
stand propositionaler Einstellungen wie Glauben, Hoffen oder Wünschen ist. Ereignisse
rung und mit voller Wucht. Der Austausch der Subjekt-NP durch eine andere extensions-
als ontologisch grundlegende Sorte wären damit obsolet, denn das Reden über Ereignisse
gleiche NP hat offenbar keinen Einfluß auf die Übertragbarkeit der Adverbiale. Der Ereig­
wird in diesem Fall auf das Reden über Sachverhalte reduziert.
40
nisbegriff, der für adverbiale Ereignismodifikation benötigt wird, ist also nicht so feinkör­
Eine solche Theorie wird von Chisholm (1970) vertreten, wobei er genauer Ereignisse
nig, als daß er unterschiedliche Subjekt-NP-Intensionen mit einbeziehen sollte. Nach 1-2
als einen bestimmten Typ von Sachverhalten auffaßt, nämlich als Sachverhalte, die zu be­
werden dagegen zwei Ereignisse automatisch unterschieden, sobald sich die Intensionen
stimmten Zeiten vorkommen und zu anderen nicht Das Ereignis Silvia Neid schießt ein
der NPs (oder anderer Ausdrücke) ändern.
Tor kommt etwa vor am 30.7.1986, am 28.6.1989 und wann immer sonst Silvia Neid ein
Unklar ist auch, wie ereignislokalisierende Ausdrücke unter dieser Ereignisauffassung
Tor schießt, in den dazwischenliegenden Zeiten dagegen nicht. Das Ereignis selbst ist
behandelt werden können; Sachverhalte selbst sind nicht lokalisierbar. Außerdem führt
dabei zeitlos, nicht aber seine Vorkommen. Den Ereignissen gegenüber stehen Propositio­
ein so feinkörniges Ereignisverständnis zu unplausiblen Annahmen über die Anzahl von
nen im engeren Sinn, für die gilt, daß entweder der entsprechende Sachverhalt oder seine
Ereignissen. Wenn Sylvia Neid das 1:0 schoß, und die Spielführerin der deutschen
Negation nicht vorkommt ("does not occur"), z.B. Raben sind schwarz oder zeitlich
Nationalmannschaft schoß das 1:0, und Silvia Neid war in dem Moment die Spielführerin
fixierte Ausdrücke wie Silvia Neid schießt am 30.7.1986 um 1500 Uhr ein Tor (Chisholm
41
der deutschen Nationalmannschaft, so ist es zumindest kontraintuitiv zu sagen, daß hier
1970:20).
zwei erfolgreiche Torschußereignisse stattgefunden hätten (, zumal es ja immer noch 1:0
Ein Identitätskriterium, das Chisholms Auffassungen nahekommt, könnte wie folgt steht).
aussehen:
Ereignisse als Eigenschaftsexemplifikationen: Kim (1969, 1976) faßt Ereignisse als
(1-2) Ereignisse als zeitlich gebundene Sachverhalte 43
strukturierte Entitäten [x,P,t] auf, bei denen ein Gegenstand als Ereignisträger x eine
Wenn e und e' Ereignisse sind, dann sind e und e' genau dann identisch, wenn sie 44
ereigniskonstitutive Eigenschaft P zu einer bestimmten Zeit t h a t . In Kims (1976:161)
den gleichen Sachverhalt konstituieren (bzw. Gegenstand der genau gleichen pro- Worten:
positionalen Einstellungen sind) und zu bestimmten Zeiten vorkommen und zu
42 [...] we are assuming as primitives the three functors on events: 'is the constitutive property of, 'is
anderen nicht.
the constitutive object of, and 'is the time of the occurrence of. The theory states that just in case
a substance x has property P at r, there is an event whose constitutive object is x, whose con­
stitutive property is P, and whose time of occurrence is t (the existence condition), and that
4 0
Chisholms Auffassung ist in einer Reihe von Aufsätzen und Kommentaren zu Davidson nieder­ events are identical just in case they have the same constitutive property, object, and time (the
s
gelegt; vgl. die Angaben in Stöcker (1992:38). identity condition).
4 1
Chisholm (1970) möchte durch diese Unterscheidung von Ereignissen und Propositionen das
Phänomen der Wiederkehr von Ereignissen erklären, daß z.B. das Ereignis, daß Sylvia Neid ein Die ereigniskonstitutiven Eigenschaften werden dabei von den Ereignisträgern exemplifi­
Tor geschossen hat, sich unzählige Male wiederholt hat. Dies ist hier im Detail nicht von In­ ziert, sind also nicht etwa Eigenschaften von Ereignissen. Kims Identitätskriterium sieht
teresse; es ist auch häufiger eingewendet worden, daß dieser Versuch verschiedene Probleme wie folgt aus:
mit sich bringt und die Wiederkehr von Ereignissen vermuüich einfacher erklärt werden kann,
wenn man die Wiederholung eines Ereignisses als eine Folge unterschiedener Ereignisse des
gleichen Typs auffaßt (vgl. Brand 1976:143, Stöcker 1992:43f, Runggaldier 1996:32£).
4 2
Chisholm (1970:20) möchte den Bezug auf Zeiten und Gelegenheiten ("occasions") vermeiden Kim (1976:160) spricht genauer von "substances". Der Unterschied von Gegenständen und
und schreibt: A proposition could be defined as any state of affairs which is necessarily such Substanzen ist hier nicht relevant; ich werde einfach von Ereignisträgem sprechen.
that either it or its negation does not occur [...] We could now say that an event is any Kim (1976:160) ergänzt, daß ein Ereignis auch mehrere Ereignisträger haben kann: Statt x
contingent state of affairs which is not a proposition and which implies [...] that there is some können wir auch ein n-Tupel von Gegenständen in das strukturierte Ereignis aufnehmen, also
state of affairs p such that p occurs and not-p occurs". [<xi,...,X„>,P,t].
236 237

(1-3) Ereignisse als Eigenschaftsexemplifikationen warum Sebastian gemächlich spazierenging und nicht nur einfach spazierenging, können
Wenn e und e' Ereignisse sind, e [x,P,t] ist und e' [y,Q,f] ist, dann sind e und e' wir Ereignisse nicht mehr als Relata der Kausalrelation auffassen, denn Sebastians Spa­
genau dann identisch, wenn x = y, P = Q und t = f. Ein Ereignis e ist also genau ziergang und Sebastians gemächlicher Spaziergang stellen nun dasselbe Ereignis dar:
dann identisch mit einem Ereignis e', wenn die Ereignisträger in e und e', die er­ [Sebastian, stroll, t]. Damit könnten wir zwar noch erklären, warum ein Ereignis eine
eigniskonstituierenden Eigenschaften in e und e' und die Zeiten in e und e' iden­ bestimmte Eigenschaft hat, nämlich leisurely, nicht aber warum ein bestimmtes Ereignis
47

tisch sind. 45 auftritt.

Die Ereignisträger werden dabei extensional aufgefaßt, so daß die Feinkörnigkeit von Anmerkungen zu Kim: Kims Ansatz hat eine sehr umfangreiche Kritik erfahren, von der 48

Kims Ereignisauffassung im Wesentlichen von seiner Auffassung der ereigniskonstituti- hier nur einige wichtige Punkte herausgegriffen werden sollen. Zunächst ist festzustellen,
ven Eigenschaften abhängt. Nach Kim kann nicht jede beliebige Eigenschaft eines Ereig­ daß aufgrund der Bezugnahme auf Eigenschaften, Gegenstände und Zeiten Kims Ereig­
nisträgers als konstitutive Ereigniseigenschaft aufgefaßt werden. Kim (1976:162) vermu­ nisse zwar stark abhängige Entitäten sind, man dadurch aber über das Wesen von Ereig­
tet, daß diejenigen Eigenschaften als ereigniskonstitutiv ausgewählt werden sollten, die nissen auch mehr erfährt als durch Davidsons Kriterium 1-1 (Stöcker 1992:50). Problema­
einen kausalen Unterschied ausmachen. Dabei heißt es außerdem zu solchen ereignis- tisch ist dabei aber zumindestens zweierlei: Erstens setzt 1-3 voraus, daß wir ein Identi­
konstitutiven Eigenschaften, auch "generic events" genannt, in Kim (1976:162f): tätskriterium für Eigenschaften haben; was Eigenschaften sind, ist aber umstritten (Brand
1982:111) und wird bei Kim auch eher exemplarisch als prinzipiell erörtert. Zweitens muß
[...] the basic generic events may be best picked out relative to a scientific theory, whether the
angenommen werden, daß alle Ereignisse Ereignisträger haben; es gibt aber eine Reihe
theory is a common-sense theory of the behavior of middle-sized objects or a highly sophisticated
physical theory. They are among the important properties, relative to the theory, in terms of von Beispielen, die dies zumindest fraglich erscheinen lassen, wie etwa ein Dauerregen,
which lawful regularities can be discovered, described, and explained. The basic paraméteres in ein lauter Knall, der Anstieg der Luftfeuchtigkeit oder Änderungen in einem Magnetfeld
terms of which the laws of the theory are formulated would, on this view, give us our basic (vgl. z.B. Brand 1982:112, Stöcker 1992:51f).
generic events, and the usual logical, mathematical, and perhaps other operations on them would Kims Identitätskriterium, gepaart mit seiner Auffassung der ereigniskonstitutiven Ei­
yield complex, defined generic events. We commonly recognize such properties as motion, 49
genschaften, führt zu einem ziemlich feinkörnigen Ereignisverständnis. Daß Kims Er­
colors, temperatures, weights, pushing, and breaking as generic events and states, but we must
view this against the background of our common-sense explanatory and predicative scheme of the eignisse aber geeignet sind, um als Kausalrelata zu dienen, ist dennoch bezweifelt worden,
world around us. denn wenn Ereignisse die Entitäten sein sollen, die Gegenstand kausaler Erklärungen
sind, so kann man - argumentiert Bennett (1988:84f) - nicht über den NP-Referenten
Wie feinkörnig Kims Ereignisse werden, hängt, wie gesagt, nun davon ab, wie viele ereig-
extensionalisieren. Denn eine kausale Erklärung für den Tod von Sokrates erklärt noch
niskonstitutive Eigenschaften wir unterscheiden. Kim (1969:205, 1976:168) bemerkt, daß
lange nicht den Tod von Xanthippes Ehemann, solange man nicht weiß, daß Sokrates
verschiedene Prädikate nicht unbedingt verschiedene Eigenschaften konstituieren. Wenn
Xanthippes Ehemann ist. Kims Ereignisbegriff ist für seine Zwecke also möglicherweise
is blue die ereigniskonstitutive Eigenschaft in einem Ereignis ist, so greift has the color of
gar nicht feinkörnig genug. Andererseits zeigt Bennett (1988:85) auch, daß Kims Ereig­
the sky die gleiche Eigenschaft heraus (Kim 1976:168). In Fällen wie Brutus's killing
nisse in bestimmten Fällen sogar noch feiner sind als Sachverhalte; so drücken (7a) und
Ceasar vs. Brutus's assassinating Caesar liegen mit kill und assassinate allerdings zwei
(7b) den gleichen Sachverhalt aus, müßten nach Kim aber unterschiedliche Ereignisse
Eigenschaften vor, die immer unterschiedliche ereigniskonstitutive Eigenschaften dar­
darstellen, da sich ihre ereigniskonstitutiven Eigenschaften (in den Beispielen unter­
stellen, was in Kim (1969:213) damit begründet wird, daß sie unterschiedliche kausale Re­
strichen) unterscheiden:
lationen eingehen. Eine andere Frage ist, inwieweit Adverbiale Teil der ereigniskonstitu-
tiven Eigenschaften sind, ob also für Brutus' stabbing Ceasar und Brutus' stabbing Ceasar (7) a. Oedipus's and his close relative Jocasta's marryinz one another
with a sword die gleiche ereigniskonstitutive Eigenschaft (stabbing) anzunehmen ist oder b. Oedipus 's and Jocasta 's incestuouslv marrvinz one another
verschiedene (stabbing vs. stabbing with a sword). Anders gesagt, es stellt sich für
Sebastian's stroll und Sebastian's leisurely stroll die Frage, ob leisurely stroll die s
Die offensichtliche nicht völlige Verschiedenheit der beiden Ereignisse Sebastian's stroll und
ereigniskonstitutive Eigenschaft ist, die durch Sebastian exemplifiziert wird, oder ob stroll Sebastian's leisurely stroll wird im Übrigen durch eine Inklusionsbeziehung zwischen beiden
die ereigniskonstitutive Eigenschaft ist, die durch Sebastian exemplifiziert wird, und ausgedrückt. Damit sind sie zwar immer noch "different", aber nicht mehr "entirely distinct"
leisurely eine Eigenschaft, die durch das Ereignis selbst exemplifiziert wird. (Kim 1976:170). Trotzdem führt Kims Ansatz zu unplausiblen Annahmen über die Anzahl von
Ereignissen, wenn er sagen muß, daß Sebastian in zwei Ereignisse verwickelt war, wenn er ei­
Kim (1976:169f) favorisiert hier die feinkörnigere Variante, die jeweils zwei ereignis­ nen Spaziergang machte und dies ganz gemütlich tat; vgl. dazu Kims (1976:170f) mereologi-
konstitutive Eigenschaften unterscheidet, hält aber auch die grobkörnigere Version fur sche Rechtfertigung und die Kritik daran in Bennett (1988:82).
46
vertretbar. Diese hätte allerdings einen Nachteil: Wenn wir kausal erklären wollen, Vgl. Davidson (705P/198O), Lombard (1986:50ff), Bennett (1988:73ff), Stöcker (1992:46ff).
Chierchias, in Kapitel 4.1.2 im Zusammenhang mit thematischen Rollen vorgestellte Ereignis­
auffassung, kommt Kims Ereignisbegriff ziemlich nahe. Chierchia (1984/1988:326) hatte Er­
4 5
Kim (1976:161): "Identity conditio». [x,P,t] = \y.QA just in case x = y, P = Q and t = t'" eignisse als "sets of mdividuals-standing-in-certain-relations" aufgefaßt, so daß ein Ereignis ein
4 6
Ob dies wirklich ein Nachteil ist, hängt im Wesentlichen von der Auffassung von Kausalität ab; n+1 Tupel aus der Intension eines n-stelligen Prädikats und n Dingindividuen ist. Einem Satz
vgl. dazu die Anmerkungen im übernächsten Abschnitt. wie Rebecca tötet Jamaal hegt demnach ein Ereignis <*töten', rebecca, jamaal> zugrunde.
238 239

Eine grobkörnige Variante von Kims Ereignisauffassung: Beispiel (7) zeigt auch, wie sehr Die in diesem Kapitel diskutierten Ereignisauffassungen basieren wesentlich auf dem
die Feinkörnigkeit von Kims Ereignissen von der Wahl der ereigniskonstitutiven Eigen­ Versuch, zu erklären, was Kausalität ist. Dabei zwingen einem Argumentationen wie etwa
schaften abhängt. Wir können aber durchaus, entgegen Kims Präferenzen, eine etwas die Goldmans (1970) scheinbar Ereignisauffassungen auf, die für andere Zwecke viel zu
grobkörnigere Variante von Kims Ereignissen wählen, indem wir Adverbiale nicht als feinkörnig sind und Ereignisse als Sachverhalte, Propositionen oder propositionsähnliche
Bestandteil der ereigniskonstitutiven Eigenschaft auffassen, sondern so, daß sie durch das Entitäten verstehen lassen. Man könnte nun viel Last vom Ereignisbegriff nehmen, wenn
Ereignis als Ganzes exemplifiziert werden. Wenn John also um Mitternacht mit großer man unterschiedliches Verhalten von Ausdrücken in kausalen Relationen nicht unbedingt
Lautstärke "Hey Joe" singt (8a), können wir annehmen, daß mit großer Lautstärke durch auf verschiedene zugrundeliegende Ereignisse zurückführt. Nehmen wir an, Jonatans
das Ereignis [John, singt-"Hey Joe", um-Mitternacht] exemplifiziert wird. Damit liegt (8a) lautes Pfeifen einer Arie im Badezimmer hat eine erhebliche Verärgerung seiner Nachba­
genau das gleiche Ereignis zugrunde wie (8b). Ein Problem taucht allerdings bei anderen rin verursacht, so kann es i) durchaus sein, daß es sie nicht stört, daß Jonatan laut Arien
Beispielen auf: Da singen offensichtlich die gleiche Eigenschaft bezeichnet wie in irgend- pfeift, aber daß es sie sehr ärgert, wenn dies im Badezimmer geschieht (die Akustik ist
einer Lautstärke singen - sie implizieren sich zumindest gegenseitig - , muß in einem Satz fürchterlich), es kann ii) sein, daß es sie gar nicht stört, wenn Jonatan laut im Badezimmer
wie (8c) die gleiche ereigniskonstitutive Eigenschaft zugrunde liegen wie in (8b), nämlich pfeift, daß es sie aber verärgert, wenn das, was gepfiffen wird, eine Arie ist (sie haßt
(in irgendeiner Lautstärke) singen. Arien); es kann iii) auch sein, daß sie es gerne hört, wenn Jonatan mit seiner schönen
Stimme beim Baden laut Arien singt, aber Pfeifen verdrießt sie generell; auch könnte sie
(8) a. John singt mit großer Lautstärke "Hey Joe" um Mitternacht iv) Liebhaberin von Jonatans gepfiffenen Badezimmerarien sein, aber die Lautstärke des
b. John singt "Hey Joe" um Mitternacht Ereignisses macht sie schier wahnsinnig; es könnten v) ihr laut gepfiffene Arien im Bade­
c. John singt in irgendeiner Lautstärke "Hey Joe " um Mitternacht zimmer ein Genuß sein, aber daß es ausgerechnet Jonatan ist, der pfeift, verärgert sie doch
Abgesehen davon, daß ohnehin unklar ist, wie eine Semantik aussieht, die mit Kims Er- (er ist so unmusikalisch), vi) auch könnte es sie ganz unberührt lassen, wenn Jonatan eine
50
eignisstrukturen arbeitet, muß man nun davon ausgehen, daß bestimmte Art-und-Weise- Arie im Badezimmer von sich gibt, aber laut und gepfiffen ist das einfach unerträglich,
Adverbiale in die ereigniskonstitutive Eigenschaft eingehen, die durch die Ereignisträger u s w . Während Goldmann (1970) und andere Vertreter feinkörniger Ereignisauffassungen
exemplifiziert wird, wie in (8c), und andere durch das Ereignis selbst exemplifiziert wer­ hier eine Fülle verschiedener Ereignisse annehmen (Jonatans Pfeifen, Jonatans lautes
den, wie in (8a). Ähnliche Art-und-Weise-Adverbiale müßten damit von ganz unter­ Pfeifen im Badezimmer, das Pfeifen einer Arie, etc.), liegt es nahe, aus den Beispielen zu
schiedlichem logischem Typ sein. schließen, daß kausale Relationen mit Eigenschaften von Ereignissen zu tun haben und
nicht (nur) mit Ereignissen selbst. Solche Ideen sind in verschiedener Form in Kausalitäts­
Wenn einem Tautologien wie in irgendeiner Lautstärke singen, mit einem Gewürz wür-
theorien eingegangen, genaugenommen bilden sie einen Schwerpunkt in der Kausalitäts­
zen oder mit einem Fahrzeug fahren zu abwegig erscheinen, kann man sich das Problem
forschung. Davidson (7967/1980) hat etwa zwischen einem extensionalen und einem
auch an anderen Beispielen verdeutlichen. Wenn rennen dasselbe ist wie schnell laufen,
intensionalen Aspekt von Verursachung unterschieden. So bestehen kausale Relationen
und rennen eine ereigniskonstitutive Eigenschaft ist, so ist schnell laufen die gleiche er­
zwischen (grobkörnig aufgefaßten) Ereignissen, und diese kausalen Relationen wiederum
eigniskonstitutive Eigenschaft. Damit ist schnell in schnell laufen Teil dessen, was der
sind an kausale Erklärungen gebunden, die eine Beziehung zwischen Propositionen dar­
Ereignisträger exemplifiziert, während es etwa in schnell gehen durch das Ereignis selbst
stellen:
exemplifiziert werden kann. Kurzum, der Versuch, eine grobkörnige Variante von Kims
Ereignisauffassung zu wählen, führt zu Problemen bei der Behandlung von Adverbialen, The salient point that emerges so far is that we must distinguish firmly between causes and the
wobei natürlich auch diese Argumentation davon abhängt, was man genau unter Eigen­ features we hit on for describing them, and hence between the question whether a Statement says
truly that one event caused another and the further question whether the events are characterized
schaften verstehen möchte.
in such a way that we can deduce, or otherwise infer, from laws or other causal lore, that the
Kausalität: Ich werde das schwierige Thema der Semantik kausaler Relationen - da es ei­ relation was causal. (Davidson 7967/1980:155)
ne eingehendere Behandlung verlangt, als ich ihm im Rahmen dieser Arbeit widmen kann
Wir müssen nun nicht mehr annehmen, daß - um auf obiges Beispiel zurückzukommen -
- zu umgehen versuchen. Das ist in einer Arbeit über Ereignisse und Verbsemantik natür­
das Pfeifen und Jonatans lautes Pfeifen einer Arie im Badezimmer verschiedene Ereig­
lich nicht vollständig möglich, und ich möchte an dieser Stelle einige notwendige, aber
51
nisse sind, sondern können dieses eine Ereignis als Ursache der Verärgerung der Nachba­
natürlich keineswegs hinreichende Bemerkungen zu kausalen Relationen machen.
rin annehmen, wobei - je nach Situation - die Tatsache, daß es ein Pfeifen war, die Tatsa­
che, das es laut war, oder die Tatsache, daß es das Pfeifen einer Arie im Badezimmer war,
5 0
Kim (1976:164f) selbst betont die Ähnlichkeit zu Davidsons (1967) Auffassungen und geht etc., kausal die Tatsache erklärt, daß die Nachbarin verärgert war. Die nötige Feinkörnig­
davon aus, daß seine Ereignisstrukturen für die e-Argumente in davidsonischen Repräsentatio­ keit für eine Theorie kausaler Zusammenhänge kommt so auf der propositionalen Ebene
nen stehen können, und daß man sowohl über seine Ereignisse als auch in sie hinein quantifi­ kausaler Erklärungen zustande und muß nicht in den Ereignisbegriff verlegt werden.
zieren kann. Letztlich stellt sich aber wohl die Frage, wie man unter Kims Ereignisauffassung
Nach Bennett (1988:135f) können Verursachungsrelationen zwischen Ereignissen
überhaupt eine Semantik konstruieren kann, die unstipulativ die nötigen Folgerungen ermög­
licht, z.B. von John singt laut auf John singt (vgl. auch Stöcker 1992:162). ("event causation") ganz auf Verursachungsrelationen zwischen Tatsachen ("fact
5 1
Vgl. die Übersicht zu den strittigen Fragen bezüglich des Kausalitätsbegriffs in Sanford (1995).
240 241

causation") zurückgeführt werden. Zu sagen, daß Jonatans lautes Pfeifen einer Arie im wesentlich durch Versuche gekennzeichnet, das Wesen von Kausalität zu verstehen, wäh­
Badezimmer die Verärgerung seiner Nachbarin verursacht hat, heißt demnach nichts rend sie allerdings weder unserer intuitiven Vorstellung von Ereignissen sehr nahekom­
anderes, als daß es eine Tatsache in der Menge der Tatsachen gibt, die das Ereignis kenn­ men, noch zur Erklärung anderer sprachlicher Phänomene, wie etwa adverbialer Modifi­
52
zeichnen, die verursacht, daß die Nachbarin verärgert ist, z.B., daß das Geschehen so kation, beitragen. Basiert man allerdings den Versuch, kausale Relationen zu verstehen,
laut war, daß es im Badezimmer stattfand, daß Jonatan eine Arie pfiff oder auch eine weniger auf der mit dem feinkörnigen Ereignisverständms einhergehenden Verfielfälti-
andere Tatsache über das Ereignis, die in dem Satz gar nicht erwähnt ist. gung von Ereignissen, sondern auf den Eigenschaften von Ereignissen, so zwingen uns
Auf der Ebene der Tatsachenverursachung kann Kausalität dann durch eine Form kon­ Kausalitätstheorien kein übermäßig feinkörniges Ereignisverständnis mehr auf.
trafaktischer Analyse expliziert werden. Es ist verschiedentlich gezeigt worden (vgl. z.B.
Sanford 1995:81f, Eckardt 1996a:34ff), daß die ursprüngliche, von Lewis (1973:563)
stammende Fassung für eine kontrafaktische Analyse zu stark ist. Nach Lewis verursacht 5.2.3 Grobkörnige Ereignisauffassungen
ein Ereignis e ein Ereignis e' genau dann, wenn e und e' stattfinden und aus dem Nicht-
stattfinden von e notwendigerweise das Nichtstattfinden von e' folgt. Eckardt (1996a:50) Ereignisse als Partikularia: Wenn man Ereignisse als Partikularia auffaßt, so nimmt man
kommt etwa zu dem Schluß, daß die kontrafaktische Analyse nicht auf das Stattfinden von an, daß sie im Gegensatz zu Universalien nicht mehrfach instantiierbar sind. Die Farbe
Ereignissen, sondern auf bestimmte Eigenschaften von Ereignissen rekurrieren muß. meiner neuen Socken kann identisch sein mit der Farbe meines alten Hutes. Sie tritt also
53
Demnach fände e' dann nicht statt, wenn e eine ganz bestimmte Eigenschaft nicht hätte. sowohl an den Socken als auch an dem Hut in Erscheinung. Eigenschaften wie eine be­
Eine Kausalitätsauffassung dieser Art scheint mir jedenfalls im Einklang mit den Überle­ stimmte Farbe werden daher von manchen als Universalien aufgefaßt und können insofern
gungen zu Ereignissen in dieser Arbeit. mehrfach auftreten, während Ereignisse, als Partikularia aufgefaßt, einmalig sind. Sie sind
Wie auch immer man den Kausalitätsbegriff letztlich erklären will, man wird wohl auf zwar wiederholbar, aber nur in dem Sinne, daß ein Ereignis eines bestimmten Typs mehr­
Eigenschaften von Ereignissen Bezug nehmen müssen, und dafür bietet - so denke ich - fach stattfindet. Wenn das erfolgreiche diesjährige Fußballturnier des SuS Hörde im näch­
eine davidsonische Repräsentation von Sätzen eine geeignete Grundlage. Denn was wir sten Jahr wiederholt wird, so sind die beiden Fußballturniere natürlich nicht identisch, sie
sagen wollen, wenn wir behaupten, daß das laute Pfeifen, nicht aber das Pfeifen die Ver­ haben lediglich die identische Eigenschaft, ein Fußballrurnier des SuS Hörde zu sein.
ärgerung der Nachbarin verursacht hat, ist, daß es die Lautheit des Pfeifereignisses war, Chisholm (1970) hat, wie gesehen, Ereignisse als Universalien betrachtet, eine Auffas­
das die Verärgerung herbeiführte. Insofern als in davidsonischen Repräsentationen die sung, die sich für unsere Zwecke als unbrauchbar erwiesen hat. Dagegen waren Kims
verschiedenen Ereignisprädikate in Konjunkte ausgegliedert werden, stehen uns die ver­ (1976) Ereignisse trotz ihres propositionsähnlichen Charakters Partikularia, insofern sie
ursachungsrelevanten Ereigniseigenschaften als Einzelprädikationen zur Verfügung (9a), an bestimmte Gegenstände zu bestimmten Zeiten gebunden waren. Wenn man Ereignisse
in diesem Fall LAUT(e). Daß es auch die Tatsache sein könnte, daß Jonatan der Pfeifer ebenso wie Gegenstände nicht als Universalien, sondern als Partikularia auffassen will,
war (also: AGENS(jonatan,e)), die die Nachbarin verärgerte, ist ebenfalls in den david­ aber die Feinkörnigkeit des kimschen Ereignisbegriffs umgehen will, so liegt es zweifellos
sonischen Ereignisbeschreibungen ausgedrückt (9b): nahe, sie ausschließlich über einen bestimmten Ort und eine bestimmte Zeit zu identifizie­
ren. Und genau das tun verschiedene Identitätskriterien.
(9) a. PFEFEN(jonatan,y,e) & EINE-ARIE(y) & LAUT(e) & IM-BADEZIMMER(e)
b. VyVe[PFEIFEN(jonatan,y,e) -» AGENS(jonatan,e)] Ereignisse in Raum und Zeit: Einer der ersten Versuche, ein Identitätskriterium für Ereig­
nisse zu etablieren, basierte auf der Identität von Ereignissen aufgrund ihrer Übereinstim­
Die wenigen Bemerkungen zur Kausalität in diesem Abschnitt sollten andeuten, daß eine
mung in Raum und Zeit (Quine 7953/1976:147, 7960/1973:171, Lemmon 1967:98,
Kausalitätstheorie auf den Unterschied zwischen Ereignissen und Ereignisbeschreibungen
Davidson 1985:176):
Bezug nehmen muß. Wenn sie das tut, so bieten erstens davidsonische Repräsentationen
eine gute Ausgangsbasis, da sie die einzelnen Ereigniseigenschaften in eine Reihe von (1-4) Ereignisse als Entitäten in Raum und Zeit
Konjunkten ausgliedern, und zweitens zwingen uns Beobachtungen über kausale Relatio­ Wenn e und e' Ereignisse sind, dann sind e und e' genau dann identisch, wenn e
nen nicht mehr, extrem feinkörnige Ereignisauffassungen zu vertreten, denn der Rekurs zur gleichen Zeit und am gleichen Ort stattfindet wie e'. 54

auf Ereignisbeschreibungen bietet uns nun unabhängig von der Ereignisauftassung eine
Ebene von ausreichender Intensionalität. Eine Konsequenz aus dem von Quine und Lemmon vorgeschlagenen Identitätskriterium
ist, daß Gegenstände und Ereignisse nun in einer ontologischen Basissorte zusammen­
Zusammenfassung. In feinkörnigen Ereignisauffassungen werden Ereignisse als Sachver­ fallen. "3e" und "3x" werden demnach nicht unterschieden und bedeuten:
halte oder sachverhaltsähnliche Entitäten betrachtet. Solche Ereignisauffassungen sind

5 2
Diese Menge wird von Bennett (1988:128ft) als "companion fact" bezeichnet. Lemmon (1967:98): "[...] a necessary condition for the identity of events e\ and e is that they
2
5 3
Eckardt (1996a:50) schreibt zu c CAUSE e etwas vorsichtiger (wobei c für das verursachende take place over exactly the same period of time. [...] a further necessary condition for the
und e für das verursachte Ereignis stehen): "There is some property of c such that, if c would identity of e\ and «2 that y take place in the same place [...] I propose taking these two
i s m e

have come without it, then e would not have occurred - or at least not in the relevant way". conditions as jointly necessary and sufficient for e\ and ei being identical."
242 243

'There [is] in space-time a thing-event x such that', when ranges over the four-dimensional Zwei Gegenstände können nicht zur gleichen Zeit den gleichen Ort einnehmen; Ereignisse
denizens of the ages and galaxies of space-time. (Quine 7953/1976:147) dagegen, so Hackers (1982a:7) Auffassung, können gleichzeitig an einem Ort stattfinden,
Ereignisse sind damit als eigenständige ontologische Sorte obsolet. Sie werden unter eine wie etwa die simultane Erwärmung und Farbveränderung eines Gegenstands.
allgemeine Ding-Kategorie subsumiert und somit in dem in Kapitel 5.1.1 erläuterten Das Kriterium 1-4 führt zu intuitiv sehr unplausiblen Ereignisidentifikationen. David­
Sinne als theoretisch entbehrlich erachtet. Das allein spricht natürlich noch nicht gegen son (7969/1980:178) hat die Vertreter eines solchen Identitätskriteriums mit einem be­
dieses Identitätskriterium. Im Gegenteil, im Sinne ontologischer Sparsamkeit wäre es rühmten Beispiel konfrontiert: Wenn eine Metallkugel sich innerhalb einer bestimmten
natürlich zu begrüßen. Vielleicht sind Gegenstände und Ereignisse in einem wesentlichen Minute erwärmt und sich gleichzeitig um 35° dreht, so finden das Erwärmen und das
Sinne dasselbe. Das Interesse an einer solchen Gleichsetzung liegt bei Quine allerdings Sich-Drehen zur gleichen Zeit am gleichen Ort statt und sind gemäß 1-4 (aber wohl gegen
58
vor allem in dem wissenschaftlichen Realismus begründet, den er vertritt, und der damit unser intuitives Ereignisverständnis) identisch. Auch die Subsumierung von Ereignissen
zusammenhängenden physikalistischen Weltsicht, die die moderne Physik als letzte und Gegenständen unter eine ontologische Basisentität ist, wie schon gesehen, unseren
Instanz sieht bei der Beurteilung der Frage, was es gibt. In diesem Zusammenhang können intuitiven Vorstellungen von Ereignissen eher abträglich. Entsprechend kommen in unse­
dann Einsichten der modernen Physik angeführt werden, die die vertraute Trennung von ren alltagssprachlichen Identitätsbehauptungen Identifizierungen von Ereignissen mit
Raum und Zeit, von Gegenständen und Ereignissen in Frage stellen. Das ist aber, wie Gegenständen auch nicht vor. Man stelle sich vor, daß die Erde sich vom Beginn ihrer
schon dargelegt, in der Ontologie einer natürlichsprachlichen Semantik wohl keine geeig­ Entstehung bis zum Ende ihrer Existenz dreht. Insofern der Ort des Drehens mit dem Ort
nete Sichtweise, denn was wir suchen, ist eher eine Alltagsontologie, die im Einklang mit der Erde zusammenfallt und die Zeit des Drehens mit der Lebensdauer der Erde, so sind
59
den elementaren kognitiven Mechanismen ist, die unsere Weltauffassung bestimmen. die Erde und das Sich-Drehen der Erde nach 1-4 identisch. Während Identitätsbehaup­
Darüber hinaus gibt es aber noch eine Reihe anderer Kritikpunkte an 1-4: tungen bezüglich Gegenständen, wie (10a), in unserer Alltagssprache unproblematisch
sind, fällt es uns schwer, Behauptungen über die Identität eines Gegenstands mit einem
Anmerkungen zu Quines Kriterium: Neben Davidsons (1-1) und Kims (1-3) hat Quines Ereignis, wie in (10b), zu akzeptieren.
(1-4) Identitätskriterium die meiste Aufmerksamkeit in der ereignisontologischen Diskus­
sion beansprucht. Hinsichtlich 1-4 wurde vor allem bezweifelt, daß Gegenstände als drei­ (10) a. der Morgenstern ist identisch mit dem Abendstern
dimensionale, raumfüllende Entitäten, die für eine gewisse Zeit existieren, und Ereignisse b. die Erde ist identisch mit all ihren Umdrehungen
als zu einer gewissen Zeit stattfindende Veränderungen eine einzige ontologische Basis­
Ein Hauptproblem für das raumzeitliche Identitätskriterium wird deutlich, wenn man sich
kategorie konstituieren. Hacker (1982a, 1982b) führt eine Reihe diesbezüglicher Unter­
55
solche Adverbiale anschaut, von denen man annehmen möchte, daß sie über Ereignisse
schiede a n : Gegenstände haben im Gegensatz zu Ereignissen Größe, Form, Textur,
prädizieren. Unter solchen adverbialen Prädikationen sollte die Substitution von Ereignis­
Farbe, Festigkeit; sie bestehen aus Materie, und sie können Form und Größe im Laufe der
namen, die auf identische Ereignisse referieren, keinen Einfluß auf den Wahrheitswert der
Zeit verändern (Hacker 1982a: lf). Gegenstände existieren, aber sie finden nicht statt;
Aussage haben. Wenn mit einer Zange und langsam über Ereignisse prädizieren und das
Ereignisse dagegen finden statt ("occur"), aber sie existieren nicht. (Hacker 1982a: 3,
Rotieren der Metallkugel und ihr Erwärmen identisch sind, dann muß aus dem langsamen
1982b:479). Gegenstände können in Teile zerteilt werden, die kleiner sind als das Ganze;
Rotieren auch das langsame Erwärmen folgen und umgekehrt. Wenn jemand die Kugel
Teile von Ereignissen dagegen sind Phasen, die temporal kürzer sind als das Ganze
56
mit einer Zange gedreht hat, so folgt nach 1-4, daß er sie auch mit der Zange erwärmt hat.
(Hacker 1982a:7), d.h., Gegenstände haben räumliche Teile, Ereignisse zeitliche Teile.
Das ist aber offenbar nicht so, und wie oben in Kapitel 5.1.3 erläutert, gibt es zwei Mög­
Ein Gegenstand existiert über eine bestimmte Zeit; dabei existiert er vollständig zu jedem
lichkeiten, diesem Problem zu begegnen: entweder revidieren wir unsere Ereignisauffas-
Teilintervall dieser Zeit. Ein Ereignis findet in einer bestimmten Zeit statt; es existiert
sung oder die Annahme, daß solche Adverbiale über Ereignisse prädizieren. Wir werden
aber niemals vollständig zu einem Teilintervall dieser Zeit (Lombard 1986:69f). Gegen­
weiter unten sehen (Kap. 7.1.1), daß ersteres der Fall sein muß, daß diese Entscheidung
stände können sich neben, unter oder über anderen Gegenständen befinden und Ereignisse
aber nicht so einfach ist, wie es zunächst scheint.
können neben, unter oder über bestimmten Gegenständen stattfinden. Gegenstände kön­
57
1-4 verursacht außerdem Probleme im Bereich der "event causation": Wenn das Sich-
nen sich aber nicht über, unter oder neben Ereignissen befinden (Hacker 1982a: 1 4 ) .
Drehen der Metallkugel einen leichten Windhauch verursacht und das Sich-Erwärmen der
Kugel mit dem Sich-Drehen identisch ist, so muß auch das Sich-Erwärmen einen leichten
Windhauch verursachen. 1-4 könnte hier so verteidigt werden, daß man sagt, letztere Be­
Hacker (1982b) bezweifelte im Übrigen überhaupt, daß Ereignisse eine ontologische Basissorte
konstituieren. hauptung wäre nicht falsch, aber aus pragmatischen Gründen unglücklich. Das Sich-Er­
Das scheint mir allerdings so ausschließlich nicht zu gelten: Wir können von dem jungen wärmen hat tatsächlich den Windhauch verursacht, insofern es ein Sich-Drehen war;
Goethe sprechen und uns damit auf einen zeitlichen Teil des Individuums Goethe beziehen, allerdings müsse die kausale Erklärung ("fact causation") auf die Tatsache Bezug nehmen,
ebenso wie wir von dem (räumlichen) Teil eines Wettkampfs sprechen können, der außerhalb
des Stadions stattfindet.
Auch dies ist nicht uneingeschränkt richtig: Stutterheim (1990:103) diskutiert die Bedingungen, Ähnliche Beispiele finden sich etwa in Brand (1976:145) oder Bennett (1988:108).
unter denen Gegenstände und Ereignisse relativ zueinander lokalisiert werden können (z.B.: er Eine ähnliche Frage (Ist der Mensch identisch mit seinem Leben?) diskutiert Stöcker
stand direkt bei der Explosion). (1992:23 lf).
244 245

daß die Kugel sich gedreht hat und nicht darauf, daß sie sich erwärmt hat. Insofern als lassen sich agensbezogene Adverbien wie freiwillig mit solchen Ausdrücken verbinden
konversationeile Prinzipien so etwas wie größtmögliche Informatrvität verlangen, sollten (12a). Der Agensbezug kann hier aber nur durch eine Uminterpretation des Ereignis­
Aussagen über "event causation" möglichst auf die erklärenden Tatsachen verweisen. nomens als personenbezeichnender Ausdruck hergestellt werden. Zweitens fordert das
Aussagen wie das Sich-Erwärmen der Kugel verursachte einen leichten Windhauch sind Homogemtätsprinzip eine solche Uminterpretation. Das Homogenitätsprinzip besagt nach
demnach nicht falsch, sondern verletzen lediglich Konversationsprinzipien, indem sie eine Löbner (1987:185), daß ein Prädikat immer über das Argument in seiner Gesamtheit prä-
falsche kausale Erklärung suggerieren. Aber selbst wenn man solch einer Argumentation dizieren muß, damit der Ausdruck einen Wahrheitswert hat, und das ist bei der Uminter­
folgen will, spricht es doch nicht eben für 1-4, daß man so oft auf sie zurückgreifen müßte pretation gewährleistet, denn wir verstehen (IIa) tatsächlich so wie (12b), während
(vgl. Bennett 1988:Ulf). Dretskes (1967) Argumentation nahelegt, daß wir mit (IIa) über die Sukzession von Tei­
len einer Geburtstagsparty sprechen:
"Can Events Move?": Gegenstände können sich bewegen und verändern. Gilt das auch für
Ereignisse? Wenn sie sich nicht grundlegend von Gegenständen unterscheiden, sollte das (12) a. erst als es anfing zu regnen, begab sich die Geburtstagsparty freiwillig unter die Mark
der Fall sein, und unsere Redeweise läßt das auch vermuten: 60
b. die ganze Party begab sich unter die Markise

(11) a. the party moved from the lawn to a marquee when it started to rain Das zweite Argument betrifft ein Beispiel von Stöcker (1992:232f): Wenn Jupp unter
b. the battle sv/ayed up and down a hill meinem Fenster vorbeigeht und Kaugummi kaut, bewegt sich dann das Kaugummikauen
c. die Party auf der "Queen Mary" bewegte sich langsam durch den nördlichen Atlantik von unter meinem Fenster vorbei? Stöcker verneint das aus dem von Dretske (1967) ange­
Reykjavik nach New York führten Grund: Die einzelnen Teile des Kaugummikauens finden demnach an verschiede­
nen Orten statt. Ich denke, diese Erklärung geht an einer wichtigen Eigenschaft räum­
Dretske (1967:488f), dessen Aufsatztitel die obige Frage entstammt, und im Anschluß
licher Bestimmungen vorbei, nämlich ihrer Relativität. Wenn Jupp in seinem Gartenstuhl
Hacker (1982a: 14ff), Stöcker (1992:232ff), Runggaldier (1996:36) und andere haben die
auf der Terrasse sitzt, so bewegt er sich überhaupt nicht - relativ zum Grund, auf dem der
Frage, ob Ereignisse sich bewegen können, verneint. Die Argumentation geht so: Wenn Stuhl steht. Auf der anderen Seite bewegt er sich samt dem Grund, auf dem der Stuhl
eine Katze vom Rasen unter die Markise läuft, so bewegt sich die ganze Katze unter die steht, in rasender Geschwindigkeit um die Sonne - relativ zu der elliptischen Erdumlauf­
Markise. Wenn sich aber eine Geburtstagparty unter die Markise begibt, so gilt nicht, daß bahn. Keine diese Beschreibungen ist in irgendeinem Sinn richtiger als die andere. Die
die ganze Geburtstagsparty diese Bewegung vollführt. Teile von Ereignissen sind nicht erste ist vermutlich für die meisten Gesprächszwecke relevanter und vor allem dürfte sie
räumlich, sondern temporal, und das Beispiel ist daher so zu verstehen, daß der erste Teil unseren räumlichen Konzeptualisierungen näher liegen. Wenn Jupp nun einen Spazier­
der Party auf dem Rasen stattfand und der zweite Teil unter der Markise. Ähnliches gilt gang macht, so liegt es offenbar nahe, diese Bewegung als relativ zur Straße und zur nähe­
für die anderen Beispiele: Teile der Schlacht fanden auf dem Hügel statt, andere Teile am ren Umgebung zu verstehen. Aber zu sagen, daß der erste Teil des Kaugummikauens auf
Hang, wieder andere unterhalb des Hügels. Der erste Teil der Party fand vor Reykjavik der Straße links vom Fenster und der zweite Teil auf der Straße rechts von Fenster statt­
statt, die folgenden Teile jeweils an Orten zwischen Reykjavik und New York. Die Partys gefunden hat, ist genau so richtig, wie die Feststellung, daß der erste Teil des Kaugummi­
und die Schlacht bewegen sich also überhaupt nicht. In paralleler Weise können wir auch kauens 87000000 km vom Mars entfernt stattgefunden hat und der zweite Teil 87000001
zeigen, daß Ereignisse sich nicht verändern. Wenn eine Schlacht heftiger wird, so heißt km vom Mars entfernt. Beides ist richtig, aber beides ist nicht relevant. Wenn Jupp ein
das nicht, daß die Schlacht als (temporales) Ganzes eine Eigenschaft ändert, sondern daß Kaugummi kaut, so gibt es v.a. einen Ort, wo er das tut, nämlich in seinem Mund. Das
verschiedene (temporale) Teile der Schlacht in unterschiedlichem Maße heftig waren (vgl. scheint das einzig relevante Relatum für die räumliche Einordnung zu sein, und relativ
Hacker 1982a: 18f, Runggaldier 1996:36). dazu bewegt sich das Kaugummikauen nicht nur nicht, es finden auch nicht verschiedene
Es lassen sich noch zwei weitere Argumente gegen die Beweglichkeit von Ereignissen Teile des Kaugummikauens an verschiedenen Orten statt (außer vielleicht an verschiede­
anfuhren, die allerdings nur beschränkt kompatibel mit der Argumentation Dretskes nen Stellen innerhalb des Munds). Fazit. Gegenstände können sich bewegen und verän­
(1967) sind. Das erste Argument geht von der Annahme aus, daß bei vielen der in diesem dern, nicht aber Ereignisse.
Zusammenhang angeführten Beispiele eine Uminterpretation des Ereignisnomens stattfin­
61
det, wie wir sie auch von anderen, z.B. institutionenbezeichnenden Ausdrücken kennen. Ereignisse als Raumzeiten. Die Kritik an feinkörnigen Ereignisauffassungen und Überle­
Wenn mittags die Firma anruft und fragt, warum ich nicht zur Arbeit gekommen bin, so gungen zur Nicht-Beweglichkeit von Ereignissen lassen Stöcker (1992) eine Variante des
meint das, daß eine bei der Firma beschäftigte Person angerufen hat. Wenn die Geburts­ raumzeitlichen Identitätskriteriums vertreten. Ereignisse nehmen nicht als temporales
tagsparty sich unter die Markise begibt, so meint das, daß die zur Party gehörenden Gäste Ganzes einen bestimmten Ort ein, sondern sie haben zu jedem Teil der Ereigniszeit einen
sich unter die Markise begeben haben. Zweierlei spricht für diese Annahme: Zum einen bestimmten Ereignisort. Diese Menge von Raum-Zeit-Koordinaten bestimmt den raum­
zeitlichen Ort eines Ereignisses. Ereignisse werden zu einer Art vierdimensionaler Zeit-
Raum-Würmer. Demgegenüber sind Gegenstände dreidimensional und durch den Ort
6 0
Vgl. zu solchen und ähnlichen Beispielen Dretske (1967:480) und Stöcker (1992:233). definiert, den sie zu einer beliebigen Zeit einnehmen. Das Identitätskriterium lautet ent­
6 1
Dretske (1967:486ff) lehnt Uminterpretationen dieser Art ab, berücksichtigt aber auch nicht die sprechend:
im Folgenden angeführten sprachlichen Daten.
246 247

(1-5) Ereignisse als Raumzeiten von adverbialer Modifikation. Insbesondere führt Quines ontologische Gleichsetzung von
1
Wenn e und e' Ereignisse sind, dann sind e und e genau dann identisch, wenn e Gegenständen und Ereignissen zu verschiedenen Problemen. Exemplarisch wurde gezeigt,
den gleichen raumzeitlichen Ort einnimmt wie e'. 62
daß nur Gegenstände, nicht aber Ereignisse sich bewegen und verändern können, und daß
Identitätsurteile zwischen Ereignissen und Gegenständen in unserer Alltagssprache un­
Stöcker (1992.237) will damit ein Ereignis, bei dem eine Person x während eines be­ akzeptabel sind.
stimmten Intervalls t von A nach B fährt, von einem Ereignis unterscheiden, bei dem eine
Person y während des gleichen Intervalls t umgekehrt den gleichen Weg von B nach A
fährt. Nach Stöcker sind dabei genau die gleichen Orte während der gleichen Zeit invol­
viert, und erst mit dem Bezug auf unterschiedliche Orte zu verschiedenen Teilintervallen
können hier die Ereignisse unterschieden werden: x war eben zu Beginn von t in A und y 5.3 Ereignisse als abstrakte Partikularia
am Ende von t, u s w . Stöckers (1992) Ereignisauffassung mag man als verfeinerte Aus­
formulierung des ursprünglichen raumzeitlichen Kriteriums ansehen, sie ist aber letztlich
5.3.1 Ereignisse und Welten
mit den gleichen Problemen behaftet. Auch stellt sich die Frage, inwiefern sein Identitäts­
kriterium seiner eigenen Vorstellung Rechnung trägt, daß Ereignisse mehr seien als nur
Zu grobe und zu feine Ereignisauffassungen: Wenn Ereignisse keine Universalia sind wie
bestimmte involvierte Gegenstände in einem Zeitraum (Stöcker 1992:235). Stöcker unter­
bei Chisholm und auch keine konkreten Partikularia, also Partikularia, die eine Raumzeit
scheidet sich auch wohl eher in seinem Gegenstands- als in seinem Ereignisverständnis
ausschließlich ausfüllen, wie bei Quine, so sind sie möglicherweise abstrakte Partikularia,
von 1-4, indem er Gegenstände nicht mit ihrer raumzeitlichen Geschichte identifiziert.
sind also an eine Raumzeit gebunden, die zugleich aber auch von anderen Ereignissen
Das heißt schließlich, daß 1-5 im Grande nichts wesentlich Neues in die Ereignisdiskus­
eingenommen werden kann. Eine Auffassung von Ereignissen als abstrakte Partikularia ist
sion bringt. Vor allem muß er in Bezug auf das klassische davidsonische Beispiel der
mit der Darstellung von Kims Ansatz bereits besprochen worden, wobei Kims Ereignis­
Rotation und Erwärmung einer Metallkugel einräumen, daß er sie - trotz ursprünglicher
63 auflassung sich aber als zu feinkörnig erwiesen hat: Sie führte zur Proliferation von Er­
Bedenken bezüglich ähnlicher Beispiele - mit seinem Identitätskriterium nicht ausein­
eignissen in einzelnen Raumzeiten. Am Beispiel des davidsonschen Metallkugelbeispiels
anderhalten kann. Er akzeptiert das dann auch zwangsläufig als Konsequenz (Stöcker
sind in Abb. 8 auf der nächsten Seite nochmal die verschiedenen Ereignisauffassungen
1992:239).
dargestellt. Was wir also suchen, ist eine Ereignisauflässung, die weniger Ereignisse
Noch eine abschließende Bemerkung zu seiner Argumentation: Da Stöcker (1992:237)
unterscheidet als Chisholm (1-2) oder Kim (1-3), aber mehr als Quine oder Stöcker (1-4,
verlangt, daß zwei Ereignisse e und e' in jedem raumzeitlichen Detail übereinstimmen
1-5), also eine Ereignisauflässung, in der die Ereignisse wie in I-? gezählt werden.
müssen, um als identisch betrachtet werden zu können, hätte sein Paradebeispiel der bei­
Im Folgenden sollen daher einige Vorschläge für Identitätskriterien vorgestellt werden,
den in verschiedener Richtung zwischen A und B laufenden Personen x und y auch mit
die Ereignisse als abstrakte Partikularia auffassen, und dabei möglicherweise zu einem
dem ursprünglichen quineschen Kriterium zur Aufdeckung von Ereignisverschiedenheit
Ereignisverständnis wie in I-? führen. Die Diskussion ist eingebettet in die Frage, welche
geführt. Zum einen sind in e und e' unterschiedliche Personen involviert, und zum ande­
Konsequenzen die Bezugnahme auf mögliche Welten, Ereignisräume und Veränderungen
ren sind x und y sich zwangsläufig irgendwo zwischen A und B begegnet und dort - so
in Identitätskriterien für Ereignisse hat.
wollen wir hoffen - nicht ineinander, sondern aneinander vorbeigelaufen. Insofern waren
die Personen und die Wege letzlich nicht identisch und damit e und e' auch nach allen Ereignisse in Raum, Zeit und möglichen Welten: In einigen Vorschlägen zu Kriterien der
anderen raumzeitlichen Kriterien verschieden. Ereignisidentifizierung wird auf mögliche Welten Bezug genommen. Der erste dieser
Vorschläge wurde meines Wissens von Brand (1976) propagiert:
Zusammenfassung: Quine, Lemmon und Stöcker haben grobkörnige Identitätskriterien
vorgeschlagen, die Ereignisse als konkrete Partikularia in Raum und Zeit bestimmen. (1-6) Ereignisse in Raum. Zeit und möglichen Welten
Diese Auffassung führt aber weder zu intuitiv naheliegenden Ereignisidentifikationen oder Wenn e und e' Ereignisse sind, dann sind e und e' genau dann identisch, wenn e
zu einem geeigneten Verständnis von Kausalität, noch erlaubt sie plausible Erklärungen notwendigerweise zur gleichen Zeit am gleichen Ort stattfindet wie e . 1 64

Brands Ansatz hat aus verschiedenen Blickwinkeln Kritik hervorgerufen. So ist bemängelt
6 2
Stöcker (1992:235): "Ereignisse sind identisch, wenn sie in ihrem raumzeitlichen Ort überein­ worden, i) daß 1-6 nicht wirklich spezifisch für Ereignisse sei, ii) daß es die Identifizie­
stimmen." rung von Gegenständen und Ereignissen erlaube, iii) daß Ereignisse auch kontingenter­
6 3
Wenn Jones den Hellespont durchschwimmt und sich gleichzeitig erkältet, so möchte Stöcker weise unterscheidbar sein sollten, iv) daß die Ereignisse zu feinkörnig würden, und v) daß
(1992:227f,238f) diese Ereignisse auseinderhalten und argumentiert, daß sie ja nicht genau am Brands (1976) daraufhin vorgenommener Versuch, auf bestimmte Weise über den Ereig-
gleichen Ort stattfänden, denn zum Schwimmen gehören etwa bestimmte Muskelbewegungeni
die nicht zum Erkälten gehören. Das Metallkugelbeispiel läßt sich aber auch mit großer Pinge-
ligkeit bei der raumzeitlichen Verortung nicht in zwei Ereignisse auseinanderdividieren, ob­ Brand (1976:146): Für e und/als Ereignisse, 5 als "spatio-temporal region" und R als "occurs
wohl man den Eindruck hat, daß Stöcker dies eigentlich gern getan hätte. within" gilt: "e =fiffO(s) (eRs = JRs)."
248 249

ruspartizipanten zu extensionalisieren, untauglich ist (vgl. etwa Wierenga / Feldman 1981, mögliche Welten Bezug nehmen. Wierenga / Feldman (1981) schwächen Brands
Lombard 1986:63ff, Stöcker 1992:228f). Kriterium dahingehend ab, daß sie nicht das notwendige Zusammenauftreten in der
gleichen raumzeitlichen Region verlangen, sondern lediglich, daß e nicht ohne e' auftritt:
(1-7) Ereignisse in möglichen Welten

1-2 (Chisholm) -3 (Kim) Wenn e und e' Ereignisse sind, dann sind e und e' genau dann identisch, wenn in
65
jeder Welt, in der e stattfindet, auch e' stattfindet und umgekehrt.
e: d a s S i c h - D r e h e n d e r
e: d a s S i c h - D r e h e n d e r Wierenga / Feldman (1981:89f) beanspruchen weder, mit Hilfe von 1-7 das Wesen von
M e t a l l k u g e l x z u r Z e i t t
M e t a l l k u g e l x z u r Z e i t t Ereignissen aufdecken zu können, noch den in den folgenden Abschnitten angesprochenen
Problemen entgehen zu können. 1-7 wird lediglich als eine verbesserte Version von 1-6
d a s S i c h - D r e h e n d e r
e': d a s S i c h - D r e h e n d e r angesehen, insbesondere weil 1-7 dem Problem der Ereignislokalisierung entgeht (s. Ka­
r o t e n K u g e l x z u r Z e i t t
r o t e n K u g e l x z u r Z e i t t pitel 5.3.2) und weil es im Gegensatz zu 1-6 eine für Ereignisse spezifische Eigenschaft
einführt, nämlich "the property of occurring" (Wierenga / Feldman 1981:90).
d a s s c h n e l l e S i c h - D r e h e n
e": d a s s c h n e l l e S i c h - D r e h e n
e':
Nach Lewis (1986), der seine Ereignisauffassung im Zusammenhang mit seiner kon­
d e r M e t a l l k u g e l x z u r Z e i t t
d e r M e t a l l k u g e l x z u r Z e i t t trafaktischen Kausalitätsanalyse entwickelt, korrespondieren Ereignisse mit den Eigen­
66
schaften von raumzeitlichen Regionen:
e": d a s S i c h - E r w ä r m e n d e r
e'": d a s S i c h - E r w ä r m e n d e r [...] for any two events there is some region of some world where one occurs and the other does
M e t a l l k u g e l x z u r Z e i t t
M e t a l l k u g e l x z u r Z e i t t not. That region has the property corresponding to one event. It lacks the property corresponding
to the other. So the two events correspond to two different properties. (Lewis 1986:245)
Ich denke, alle drei Ansätze lassen die Möglichkeit offen anzunehmen, daß Johns "Hallo"-
1-4 /1-5 (Quine / Stöcker) Sagen und Johns lautes "Hallo"-Sagen verschiedene Ereignisse sind, eine Auffassung, die
I? wir bereits als zu feinkörnig abgelehnt hatten. Dies hängt aber wesentlich davon ab, ob
und wenn ja, welche Antwort sich auf die in den nächsten Abschnitten aufgeworfenen
e: d a s S i c h - D r e h e n d e r
d a s S i c h - D r e h e n d e r
e:
Fragen finden läßt.
M e t a l l k u g e l x z u r Z e i t t
M e t a l l k u g e l x z u r Z e i t t

Das Problem der "Transworld identity": Mit den Kriterien 1-6 und 1-7 können nun
d a s S i c h - D r e h e n d e r scheinbar das Sich-Drehen der Metallkugel und ihr Erwärmen unterschieden werden,
d a s S i c h - D r e h e n d e r

r o t e n K u g e l x z u r Z e i t t denn die Metallkugel hätte sich auch um 35° drehen können, ohne sich zu erwärmen (z.B.
r o t e n K u g e l x z u r Z e i t t
weil die Außentemperatur sank), oder sich erwärmen können, ohne zu rotieren. Tatsäch­
d a s s c h n e l l e S i c h - D r e h e n
lich bleiben 1-6 und 1-7 allein aber sehr unbestimmt gegenüber diesem Problem: Wenn e
d a s s c h n e l l e S i c h - D r e h e n

d e r M e t a l l k u g e l x z u r Z e i t t
oder e' notwendigerweise die gleiche raumzeitliche Region einnehmen, so heißt das, daß
d e r M e t a l l k u g e l x z u r Z e i t t
in allen Welten, in denen e und e' vorkommen, sie raumzeitlich zusammenfallen. Die
aktuelle Welt w, in der sie faktisch zusammenfallen, und alle Welten w', w", w'", u.s.w., in
d a s S i c h - E r w ä r m e n d e r
e': d a s S i c h - E r w ä r m e n d e r denen e und e' nicht vorkommen, sagen uns damit zunächst einmal gar nichts über deren
M e t a l l k u g e l x z u r Z e i t t
M e t a l l k u g e l x z u r Z e i t t Identität. In allen anderen Welten müssen wir das entsprechende Gegenstück zu e bzw. e'
finden. Die Gegenstück-Relation ist wie die Identitätsrelation symmetrisch und transitiv,
aber sie unterliegt nicht Leibniz' Gesetz. Das Gegenstück von e in einer anderen Welt w'
kann also andere Eigenschaften haben als e. Wenn ich in Bezug auf einen Gegenstand wie
Abb. 8: Ereignisauffassungen. die braune, gammelige Banane in meiner Hand sage, daß sie noch gelb und frisch wäre,
wenn ich sie im Kühlschrank aufbewahrt hätte, so ist die frische, gelbe Banane in der Welt
Ich möchte hier aber lediglich auf zwei mit 1-6 verbundenen Probleme eingehen. Zum
w', in der ich sie im Kühlschrank aufbewahrt hatte, die braune, gammelige Banane in der
einen werde ich mich im nächsten Kapitel ausführlich mit Fragen der Bestimmung der
aktuellen Welt w. Die gelbe, frische Banane ist nicht irgendeine Banane, die ich statt der
raumzeitlichen Region von Ereignissen beschäftigen. Zum anderen möchte ich im
Folgenden auf einige Probleme zu sprechen kommen, die mit der Identifizierung von
Ereignissen in möglichen Welten zu tun haben, zumal von Wierenga / Feldman (1981) Wierenga / Feldman (1981:87): "(e) (f) (if e and f are events, then e = f iff D(e occurs iff f
und Lewis (1986) weitere Ansätze zur Ereignisfrage vertreten werden, die ebenfalls auf occurs))".
Lewis' (1986) Auffassung wird von Bennett (1988:54ff) und Eckardt (1996a:16ff) diskutiert.
250 251

gammeligen, braunen in der Hand gehabt hätte, sondern sie ist genau deren Gegenstück - Für die fehlenden Intuitionen hinsichtlich der Gegenstücke von Ereignissen in anderen
mit etwas anderen Eigenschaften. Wie findet man nun die Gegenstücke zu den Ereignis­ Welten gibt es auch einen einfachen Grund. Mit einem Gegenstand wie einer Banane
67
sen in dem Metallkugel-Beispiel? Ich werde dazu im Folgenden die Gegenstücke zu e kann Verschiedenes passieren: Sie kann vom Strauch fallen, sie kann braun werden oder
und e' in einer anderen Welt als a bzw. a' bezeichnen. Stellen wir uns vor, die Metallkugel die kann von jemandem in den Kühlschrank gelegt werden, d.h., die Banane kann in der
hätte sich in einer anderen Welt w' nicht erwärmt, sich aber um 40° statt um 35° gedreht. aktuellen Welt zu verschiedenen Zeiten verschiedene Orte innehaben und verschiedene
Wenn wir entscheiden können, daß das Sich-um-40°-Drehen in w' das Gegenstück zu dem Eigenschaften annehmen. Dabei bleibt es aber immer ein und dieselbe Banane. Dagegen
Sich-um-35°-Drehen in der aktuellen Welt w ist und das Sich-Erwärmen in w kein Ge­ kann sich eine Metallkugel hier und jetzt drehen, und sie kann sich einen Tag später an
genstück in w' hat, so wären das Sich-Drehen-um-35° in w und das Sich-Erwärmen in w einem anderen Ort wiederum drehen. Das Hier-und-Jetzt-Drehen und das Später-Woan-
verschiedene Ereignisse, denn das eine wäre in einer anderen Welt ohne das andere in der ders-Drehen sind aber niemals dasselbe Drehen; es sind nicht-identische Ereignisse des
gleichen raumzeitlichen Region aufgetreten. Aber vielleicht ist das Sich-um-40°-Drehen ja gleichen Typs. Kurzum: Gegenstände können zu verschiedenen Zeiten an verschiedenen
gar nicht a, also das Gegenstück zu e, sondern ein anderes Ereignis, daß statt e stattgefun­ Orten sein, während Ereignisse an ihre raumzeitliche Region gebunden sind. Wenn es uns
den hat. Wie aber können wir das entscheiden? also leicht fällt, Gegenstände, nicht aber Ereignisse zu anderen Zeiten an anderen Orten
Oder nehmen wir an, daß sich in w' die Metallkugel nicht gedreht hat, a also nicht und mit anderen Eigenschaften zu akzeptieren, so ist es nicht verwunderlich, wenn wir
stattgefunden hat, die Metallkugel sich aber erwärmt hat. Sie hat sich aber nicht in dem Gegenstände auch in möglichen Welten mit anderen Eigenschaften wiederfinden, ohne
gleichen Maße erwärmt wie in der aktuellen Welt w, vielleicht weil das Sich-Drehen in w über ihre Identität (genauer ihren Gegenstückcharakter) in Zweifel zu geraten, während
68
durch die Reibung zu einer stärkeren Erwärmung der Kugel geführt hat. Ist a', also die uns das für Ereignisse schwer fallt.
geringe Erwärmung der Metallkugel, das Gegenstück zu e', der starken Erwärmung der
Kriterien für Ereignisessenzen: Daß wir keine guten Intuitionen über die Gegenstücke von
Metallkugel? Was soll es überhaupt heißen, daß das Sich-Drehen a in w' nicht stattgefun­
Ereignissen haben, ist natürlich kein Grund, an dem Bestehen solcher Gegenstückrelatio­
den hat? Wenn es die Metallkugel in w' überhaupt gegeben hat - und das hat es ja, denn
nen zu zweifeln, aber die Intuitionen hätten uns vielleicht auf den richtigen Weg ge­
sie hat sich ja erwärmt - , so wird außer dem Erwärmen doch wohl noch irgendetwas ande­
schickt, um nach entsprechenden Kriterien zu suchen. Solche Kriterien zu finden, hat sich
res mit ihr passiert sein; vielleicht hat sie vibriert oder gewackelt oder einfach nur herum­
als nicht einfach erwiesen. Die verschiedenen philosophischen Ansätze reichen von der
gelegen. Wie können wir nun aber feststellen, ob das Vibrieren, Wackeln oder Herumlie­
Annahme, alle Eigenschaften einer Entität wären essenzielle Eigenschaften, bis zu sol­
gen der Metallkugel nicht das Gegenstück a zu e ist und das Sich-Drehen in anderer Form 69
chen, die davon ausgehen, keine Eigenschaft einer Entität wäre essenziell. Daneben gibt
damit doch stattgefunden hat? 70
es etwa Theorien, die von der Kontextabhängigkeit des Essenzbegriffs ausgehen.
Intuitionen über Ereignisessenzen: Die Frage nach den Gegenstücken von bestimmten Eckardt (1996a:42) zeigt allerdings die Gefahr zirkulären Argumentierens in solchen
Ereignissen in anderen Welten führt letztlich auf die Frage nach den essenziellen, also Ansätzen auf. So werden in Lewis' (1986) Kausalitätstheorie die Ereignisessenzen je nach
notwendigen Eigenschaften dieser Ereignisse zurück. Wenn es essenzielle Eigenschaften Kontext so gewählt, daß die kontrafaktischen Aussagen über das Stattfinden von Ereignis­
von e sind, ein Sich-Drehen zu sein und eine Metallkugel als Gegenstand zu haben, so sen (also Aussagen, die das Auffinden von Ereignisgegenstücken bedingen,) immer genau
scheiden all die Ereignisse in der entsprechenden raumzeitlichen Region in w' als mögli­ auf die gewünschten Kausalrelationen zwischen Ereignissen schließen lassen.
che Gegenstücke zu e aus, die etwa ein (rotationsloses) Vibrieren der Metallkugel oder ein Sprachliche Kriterien für Ereignisessenzen sind schwer zu finden. Bennett (1988:57)
Sich-Drehen einer Plastikkugel sind. Wie entscheiden wir nun aber, was die essenziellen zeigt, daß Pronomen wie it und that in kontrafaktischen Ausdrücken zwar ereignis-
Eigenschaften eines ganz bestimmten Ereignisses sind? Wir können zum einen überlegen, bezeichnende Ausdrücke aufgreifen, aus ihrer Verwendung aber keine überzeugenden
ob sich bestimmte, vom zu lösenden Problem unabhängige Kriterien für die Bestimmung Schlüsse auf "transworld identities" gezogen werden können. Bennett (1988:57) führt
von Ereignisessenzen finden, und wir können zum anderen zunächst einfach unsere Intui­ folgendes Beispiel an: Every Wednesday morning, the members of the squad vote on what
tionen bezüglich der Frage der "transworld identity" heranziehen. practical joke to play on the corporal that day. Last Wednesday's joke was a hotfoot, but
Die Intuititionen - meine zumindest - sind in dieser Hinsicht aber eher schwach. In if PFC Jones had voted the other way it would have been a fake air-raid alarm. So läßt it
dem Metallkugelbeispiel etwa habe ich überhaupt keine unmittelbare Vorstellung, was als hier nicht annehmen, daß das Ereignis, das ein hotfoot in einer Welt ist, ein fake air-raid
Gegenstück des Ereignisses e in Frage kommt. Demgegenüber sind auffälligerweise die
Intuitionen über die Gegenstücke von Gegenständen oft ziemlich deutlich. So habe ich
hinsichtlich des oben angeführten Beispiels kein Problem bei der Beurteilung, daß die Auf das Bestehen eines engen Zusammenhangs zwischen "cross-identification" von Gegenstän­
den in verschiedenen Welten und der "re-identificaüon" von Gegenständen zu verschiedenen
frische, gelbe Banane in w' die braune, gammelige Banane in w ist, so daß ich also von
Zeiten haben Hintikka / Hintikka (1982:140ff) aufmerksam gemacht.
derselben Banane in verschiedenen Welten rede. Wir hatten in Kapitel 5.1.1 verlangt, daß es für alle Ereignisse gelten soll, daß sie essenziell
Ereignisse sind. Hier geht es allerdings um die Frage, welche anderen essenziellen Eigen­
schaften ganz bestimmte Einzelereignisse haben.
Vgl. Van Cleve (1995:137) zu Essenzen von Gegenständen und Bennett (1988:580) zu einigen
6 7
Vgl. auch die Darstellung ähnlicher Fälle in Bennett (1988:55f) oder Eckardt (1996a: 19f). problematischen Ansätzen zur Essenz von Ereignissen.
252 253

alarm in einer anderen ist, ebenso wenig wie it in he hit his wife yesterday, and then he eine bloß vage raumzeitliche Situierung nicht ausreicht, läßt sich leicht zeigen. Wenn ich
did it again today auf Ereignisidentitäten verweist. von einem Sumoturnier sage, daß es letzten Monat in Osaka stattgefunden hat, so habe ich
Kommen wir zurück zu dem Metallkugel-Beispiel: Im besten Fall haben wir es hier le­ das Turnier raumzeitlich situiert. Nun haben zweifellos letzten Monat in Osaka auch noch
diglich mit einem Vagheitsproblem zu tun, daß heißt, wir haben eben nur eine ungefähre eine Reihe anderer Ereignisse stattgefunden, z.B. ist Konishikis Sushi-Bar abgebrannt,
Vorstellung von der Essenz eines Ereignisses: Das Rotieren der Metallkugel um 35° in w und der Kirschbaum in Akebonos Garten hat angefangen zu blühen. Dies alles sind zwei­
hat in w' ein Gegenstück, das bestenfalls noch das Rotieren einer Plastikkugel um 360° fellos verschiedene Ereignisse, die wir im Rahmen eines raumzeitlichen Identitätskrite­
sein kann, aber sicherlich keine Kaffeefahrt in die Sächsische Schweiz. Diese ungefähre riums natürlich nur dann unterscheiden können, wenn wir die mimmalen raumzeitlichen
Vorstellung ist dazu kontextabhängig und läßt sich vielleicht in nicht-zirkulärer Weise Orte berücksichtigen, die sie einnehmen, eben ihre Eigenzeit und ihren Eigenraum.
begründen (vgl. Bennett 1988:63). Im schlechtesten Fall haben wir aber weder Intuitionen, Die Eigenzeit eines Ereignisses ist das kleinste Intervall, so daß alle zeitlichen Teile des
noch unabhängige Kriterien für die Bestimmung von Ereignisessenzen, und solange 1-6 Ereignisses innerhalb dieses Intervalls liegen. Entsprechend ist der Eigenraum eines Er­
ohne eine klare Vorstellung über "transworld identities" daherkommt, werden wir die eignisses der kleinste Raum innerhalb dessen alle räumlichen Teile eines Ereignisses
Gegenstücke des Sich-Drehens und des Sich-Erwärmens wohl so bestimmen, daß wir eine liegen. Wenn wir mit Dretske (1967:488f), Stöcker (1992:235ff) und anderen davon aus­
Welt finden, in der a aber nicht a' vorkommt. Und warum tun wir das? Weil wir das Ge­ gehen, daß Ereignisse zu verschiedenen Teilen der Ereigniszeit an verschiedenen Orten
fühl haben, daß e und e' nicht identisch sind. Fazit: Solange es kein unabhängiges Krite­ stattfinden können, müssen wir den Raum des Ereignisses allerdings relativ zu Teilen der
rium für die Bestimmung von Ereignisessenzen gibt, sagt uns Brands Kriterium 1-6 also Ereigniszeit bestimmen, um so die Raumzeit des Ereignisses zu erhalten. Zwei Funktionen
nichts anderes als: Wenn e und e' Ereignisse sind, dann sind e und e' genau dann iden­ ftz und 7 er
ordnen Ereignissen ihre Eigenzeit und ihren Eigenraum zu, wobei ^ als
tisch, wenn wir die Intuition haben, daß sie identisch sind. 3
Wert eine Menge Z der sich nicht überlappenden Zeiten {t', t", t'",..., f } hat, die von e
Insofern erübrigt sich hier auch die Frage, was 1-6 und 1-7 zu den wirklich schwierigen R
eingenommen werden, und fi als Wert die Menge R der Räume {r', r", r"',..., r"}, die e in
Fällen zu sagen haben, wie etwa, ob das Sich-Drehen der Metallkugel mit dem Sich- seinem Verlauf einnimmt. Eine Funktion fi*z schließlich ordnet jedem Ereignis die ereig­
schnell-Drehen der Metallkugel identisch ist oder das Einem-Freund-Helfen mit dem nisspezifische Funktion 7 er
ZU, die wiederum jeder Zeit t aus Z genau den Raum aus R
Einem-Freund-das-Geschirr-Spülen, denn wir können 1-6 oder 1-7 im Wesentlichen so zuordnet, den das Ereignis zu t einnimmt. Als Ergebnis von fi%z erhalten wir den Eigen­
71
anwenden, daß jedes gewünschte Ergebnis herauskommt. Solange wir so wenig über raum des Ereignisses relativ zur Ereigniszeit, also die Eigenraumzeit als Menge von
Ereignisessenzen sagen können, sollten wir aber auch in Identitätskriterien für Ereignisse n
raumzeitlichen Koordinaten: {<t',r'>, <t",r">, <t'",r'">,..., <t ,r">}: 72

tunlichst nicht auf mögliche Welten Bezug nehmen. 2


Um was für eine Funktion muß es sich bei ß^ handeln, insbesondere wenn man Iden­
Zusammenfassung: Manche Identitätskriterien für Ereignisse binden die Identität von titätskriterien für Ereignisse an deren raumzeitliche Situierung bindet? Zunächst muß ft^z
Ereignissen an deren notwendige raumzeitliche Koinzidenz, oder sie nehmen in anderer eine totale Funktion sein, eine Funktion also, die jedem Ereignis einen Wert zuordnet. Ich
Weise auf mögliche Welten Bezug. Solche Identitätskriterien verlangen, daß wir die Ge­ hatte mit Lombard (1986) angenommen, daß Identitätskriterien uns etwas über das Wesen
genstücke von Ereignissen der aktuellen Welt in anderen Welten bestimmen können. Dies einer ontologischen Basissorte verraten. Wenn man aber räum- oder zeitlose Ereignisse
wiederum führt zu der Frage, welche Eigenschaften einem Ereignis essenziell sind und zuließe, die Eigenschaften "hat eine Eigenzeit", "hat einen Eigenraum" und "hat eine
welche es in einer anderen Welt entbehren kann. Da Kriterien für die Bestimmung von Eigenraumzeit" also nicht essenziell für Ereignisse wären, könnten uns diese Eigenschaf­
Ereignisessenzen schwer zu finden sind und auch die vorgestellten Ereignisauffassungen ten auch nichts darüber sagen, was es heißt, ein Ereignis zu sein. Vor allem aber wären
keine diesbezüglichen Vorschläge machen, bleibt die Ereignisidentifizierung willkürlich. unter der Annahme eines raumzeitlichen Identitätskriteriums alle Ereignisse, die etwa
Letztlich sagen uns diese Identitätskriterien nicht mehr, als daß die Ereignisse identisch nicht über einen Eigenraum verfügen, dann identisch, wenn sie zur gleichen Zeit statt­
sind, die wir intuitiv für identisch halten. finden. Wir werden später einige potentielle Kandidaten für diesen Typ kennenlernen.
Wenn^ERZ zudem injektiv (eineindeutig) wäre, so hieße das, daß nicht nur jedem Ereignis
nur genau eine Raumzeit zugeordnet werden kann, sondern jeder Raumzeit auch nur
5.3.2 Ereignisse und Räume höchstens ein Ereignis. Das entspräche den grobkörnigen Identitätskriterien 1-4 und 1-5,

Eigenraum und Eigenzeit: Viele der bisher betrachteten Identitätskriterien (1-4, 1-5, 1-6) Mit dem Auftreten von Variablen für Zeit- und Raumindividuen in (13) sollen hier keine be­
basieren auf dem Ort und der Zeit eines Ereignisses. Eine Identifizierung von Ereignissen stimmten Annahmen verknüpft sein, dahingehend, daß Zeiten oder Räume ontologische Basis-
über den Raum und die Zeit, die sie einnehmen, setzt voraus, daß Ereignisse über eine entitäten sind. Möglicherweise lassen sich Räume aus Gegenständen und Zeiten aus Ereignis­
Eigenzeit und einen Eigenraum verfügen. Daß die Bestimmung der Eigenzeit und des sen ableiten. Zu letzterem s. auch Kapitel 7.2.2. Zudem soll hier auch offen bleiben, welche
Bedingung die Zuordnung von Z bzw. R zu einem Ereignis regelt. Dabei spielen auch solche
Eigenraums des Ereignisses für ein raumzeitliches Identitätskriterium notwendig ist und
hier nicht diskutierten Fragen eine Rolle, wie etwa, ob die Zeiten und Räume in Z und R
konnex sein müssen oder ob Ereignisse zeitliche und räumliche Lücken haben können. In je­
7 1
dem Fall muß es ein Kriterium geben, nach dem prinzipiell für jede Raum-Zeit-Koordinate ent­
Vgl. zu einer ähnlichen Einschätzung auch Wierenga / Feldman (1981:82). schieden werden kann, ob sie dem Ereignis zuzuordnen ist oder nicht.
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nach dem nur ein Ereignis zur gleichen Zeit am gleichen Ort stattfinden kann. Wir haben den die Partizipanten einnehmen, Teil des Ereignisraums sein muß. Auf die in dem Zu­
2
gesehen, daß diese Annahme unangemessen ist; ß ^ - ist also nicht injektiv. sammenhang meines Wissens nirgendwo diskutierte Frage, was die Ereignispartizipanten
sind, oder genauer, in welchem Verhältnis sie zu den Argumenten der ereignisbezeich­
Semantische und epistemische Vagheit: Die Ereigniszeit läßt sich im Allgemeinen belie­
73

nenden Ausdrücke stehen, könnte es drei Antworten geben: i) die Partizipanten eines
big genau präzisieren. Ich kann von dem Ringkampf zwischen Konishiki und Akebono auf
durch ein Verb beschriebenen Ereignisses entsprechen den Referenten der Verbargu­
dem besagten Sumoturnier sagen, daß er von zwei Uhr bis kurz nach zwei gedauert hat, 74
mente, ii) die Menge der Argumentreferenten ist Teil der Menge der Ereignispartizi­
0 0 0 2 0 0
oder - genauer - von 1 4 Uhr bis 1 4 Uhr, oder - noch genauer - von 1 4 Uhr und 11 panten, iii) die Fragen, was Ereignispartizipanten sind und was Verbargumente und ihre
0 2
Sekunden bis 1 4 Uhr und 3 Sekunden, u s w . Zwei Probleme treten bei solchen Präzisie- Referenten sind, sind unabhängig voneinander.
rungsversuchen auf. Zum einen ist es gewöhnlich unklar, was als Beginn und Ende eines
Ereignisses eines bestimmten Typs zu gelten hat. Beginnt ein Sumoringkampf mit dem Probleme mit der Identifizierung des Ereignisraums als Partizipantenraum: Die gerade
Begrüßungsritual oder erst in dem Moment, in dem die beiden Kämpfer aufeinander stür­ vorgestellte Auffassung des Ereignisraums birgt neben dem ungeklärten Partizipanten-
zen? Und endet er mit der Niederlage eines der Kämpfer oder erst mit der abschließenden begriff noch weitere Probleme:
Verbeugung? Der japanische Sumoverband mag solche Fragen verbindlich regeln, bei • Die Ansätze, die den Ereignisraum an die Räume der Argumentreferenten binden,
anderen alltäglichen Ereignissen sind wir auf uns allein gestellt mit der Frage, ob das, was sehen sich mit dem Problem konfrontiert, daß das durch (13a) beschriebene Ereignis,
geschieht, schon zu einem Ereignis einer bestimmten Art zu rechnen ist, ob also z.B. das demnach dort stattfindet, wo Rolandos blaue Augen sind, das durch (13b) beschriebene
Senken der Gießkannentülle schon zum Blumengießen gehört oder dieses erst beginnt, aber dort, wo sich Rolando befindet.
sobald sich das Gießwasser aus der Tülle ergießt. Wir haben es hier mit Problemen se­
(13) a. Rolandos blaue Augen blickten mich an
mantischer Vagheit zu tun, mit der Frage also, was die Blumen gießen eigentlich bedeutet.
b. Rolando blickte mich mit seinen blauen Augen an
Ein anderes Vagheitsproblem ist epistemischer Natur. Wir können die Zeit eines Ereig­
nisses nur soweit präzisieren, wie es unsere perzeptuellen Fähigkeiten zulassen. Zu ent­ Das ist insbesondere dann fatal für ein raumbasiertes Identitätskriterium, wenn man
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scheiden, wann genau ein Geräusch lauter wird, hängt von unserem perzeptuellen Apparat davon ausgehen möchte, daß beide Sätze das gleiche Ereignis beschreiben können.
ab, der Lautstärkeunterschiede nur bis zu einer gewissen Feinheit wahrnehmen kann, und • Wunderlich / Herweg (1991:767) bemängeln außerdem, daß die Modifikation von Er­
natürlich von den Umständen der jeweiligen Situation, in der unsere Wahrnehmung in eignissen mit Lokaladverbialen unter der Annahme, daß der Ereignisraum die Argu­
verschiedenster Weise beeinträchtigt sein kann. mentreferenten umfaßt, zu einer Verletzung des Homogenitätsprinzips führt. Das Ho­
Die beiden bisher angesprochenen Vagheitsprobleme sind also semantischer bzw. mogenitätsprinzip besagt nach Löbner (1987:185), wie oben (Kap. 5.2.3) schon ange­
epistemischer Natur. Es ist wichtig festzuhalten, daß unser ontologisches Identitätskrite­ führt, daß ein Prädikat immer über das Argument in seiner Gesamtheit prädizieren
rium davon nicht berührt wird. Ontologische Probleme entstünden erst dann, wenn wir muß, damit der entstehende Ausdruck einen Wahrheitswert hat. Dies ist zwar für (14a)
nicht wüßten, was eine Ereigniszeit ist. Trotz der semantischen und epistemischen Vag­ gewährleistet, nicht aber für (14b), wenn man davon ausgeht, daß die Kinder als Sub­
heit tun wir uns im Allgemeinen aber nicht schwer, die Ereigniszeit zu bestimmen. Das jektreferenten Ereignispartizipanten und damit Teil des Ereignisraums sind, und wenn
hängt offenbar auch damit zusammen, daß wir eben einen guten Begriff von der Eigenzeit man den Satz so versteht, daß die Kinder beim Spielen nicht auf dem Küchentisch sit­
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eines Ereignisses haben. Ohne an dieser Stelle genauer darauf eingehen zu wollen, nehme zen.
ich an, daß die Ereigniszeit mit dem Ende eines bestimmten, konstanten Zustands beginnt
(14) a. die Kinder spielen in der Küche mit Karten
und mit Beginn eines anderen konstanten Zustands endet. Wir sind also offenbar in der
b. die Kinder spielen auf dem Küchentisch mit Karten
Lage, den Begriff der Ereigniszeit in einer für unsere ontologische Fragestellung relevan­
ten Weise zu definieren. • Ein noch größeres Problem dieser Art werfen sensorische Ereignisse wie Erklingen,
Aufleuchten oder Knallen auf. Diese sind zwar gewöhnlich an einen Gegenstand ge­
Was ist ein Ereignisraum?: Es stellt sich nun also die Frage, wie eine Definition des Be­
knüpft, aber es stellt sich die Frage, ob das Erklingen eines Gongs wirklich dort statt­
griffs des Ereignisraums aussehen könnte. Ein naheliegender Vorschlag - und im Übrigen
findet, wo der Gong ist oder vielleicht eher dort, wo die Schallwellen sind, also dort, wo
der einzige, auf den ich gestoßen bin - besteht darin, den Raum eines Ereignisses mit dem
es wahrgenommen werden kann. Ein ereignisbezogenes Lokaladverbial kann jedenfalls
seiner Partizipanten zu identifizieren. Diese Idee ist - gelegentlich auch mit einiger Skep­
sis - in der ontologischen Diskussion (z.B. Kim 1976:165, Lombard 1986:120, Runggal-
dier 1996:38) ebenso wie in der linguistischen Semantik (z.B. Eckardt 1996a: 15) geäußert Dies wird wohl implizit von Wunderlich / Herweg (1991.767) angenommen.
worden. Wunderlich / Herweg (1991:767) schränken dies dahingehend ein, daß der Raum, Ahnliche Beispiele werden von Davidson (1967/1980:124) angeführt.
In dem zweiten von Wunderlich / Herweg (1991:768) angeführten Beispiel Anna sieht auf dem
Balkon eine Palme ist in einer Lesart die Palme nicht innerhalb des Raumes lokalisiert, den das
Ich werde von jetzt an von Ereigniszeit sprechen, wenn ich die Eigenzeit des Ereignisses meine, ereignisbezogene Lokaladverbial beschreibt. Das wirft die Frage auf, inwiefern bei Wahrneh­
von Ereignisraum, wenn ich den Eigenraum des Ereignisses meine und von der Raumzeit eines mungsverben der Raum des wahrgenommenen Objekts als Teil des Ereignisraums anzusehen
Ereignisses, wenn ich die Eigenraumzeit des Ereignisses meine. ist.
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einen Raum bezeichnen, der völlig distinkt von dem Eigenraum des Ereignispartizi­ setzung von mentalen und physikalischen Ereignissen ist aber mit vielen Problemen be­
panten ist: haftet, und auf jeden Fall, so Wierenga / Feldman (1981:89), sollte ein Identitätskriterium
(15) a. im Zimmer erklang der Gong (, der draußen aufdem Flur stand)
nicht auf einer bestimmten Antwort auf eine substantielle philosophische Frage basieren
b. im Tal ertönt der Balzruf des Auerhahns (, der oben am Hang um das Auerhuhn freit) Welche Auswege gibt es aus dem Dilemma der raumlosen Ereignisse? Erstens könnten
wir annehmen, daß die Ereignisse, die keinen Eigenraum haben, keine wirklichen Ereig­
• Auf ein verwandtes wahrnehmungsbedingtes Verortungsproblem weist Hacker nisse sind. Auch für Individual-Level-Verben war man aus diesen (und anderen) Gründen
(1982a: 12) hin: So ist der Ort einer Sonnenfinsternis nicht dort, wo die Sonne ist, denn davon ausgegangen, daß sie keine Ereignisse bezeichnen. Verben wie vererben oder foh-
da ist es ja nicht finster, wenn die Sonnenfinsternis denn überhaupt einen Ort hat, so len verhalten sich allerdings ansonsten wie andere ereignisbezeichnende Verben auch.
kann dies bestenfalls der Ort sein, von dem aus die Sonnenfinsternis sichtbar ist. Zweitens könnte man annehmen - und das scheint nach dem bisher Gesagten die näher­
• Schließlich ist festzustellen, daß es Ereignisse wie Regnen, Dämmern oder Blitzen gibt, liegende Lösung - , daß die Eigenschaft, einen Eigenraum zu haben, nicht essenziell ist für
die zwar offensichtlich an bestimmten Orten stattfinden, aber dennoch keine Partizi­ Ereignisse.
panten haben (vgl. auch Klein 1991:102).
Zwei unterschiedliche Konsequenzen können aus diesen Beobachtungen gezogen werden. Versuche zur Präzisierung des Ereignisraums: Es ist oben schon festgestellt worden, daß
Wunderlich / Herweg (1991:767f) halten die Idee der Ereignislokalisierung generell für sich die Ereigniszeit beliebig präzisieren läßt. Dabei kann sie auf zweierlei Weise sprach­
problematisch, insbesondere solange das Problem der vermeintlich partiellen Lokalisie­ lich bestimmt werden: Als absolute Ereigniszeit entspricht sie der Dauer des Ereignisses
rung eines Ereignisses wie in (14b) nicht gelöst ist. Bierwisch (1988:24), von Stutterheim (16a, 16b), als relative Ereigniszeit verankert sie das Ereignis auf der Zeitachse (16c, 16d).
(1990:1011), Klein (1991:106) und Maienborn (1996:44) stellen demgegenüber nicht Die Angabe der relativen Ereigniszeit, gegebenenfalls verbunden mit der Spezifikation der
absoluten Ereigniszeit, erlaubt uns eine hinreichende Bestimmung der Eigenzeit des Er­
Davidsons Annahme der Situationslokalisierung in Frage, sondern die Behauptung, daß
eignisses (16e, 16f):
Ereignisräume auf die Orte ihrer Partizipanten zurückgeführt werden können. Eine prin­
zipielle Alternative bieten jedoch auch sie nicht. (16) a. sie reparierte den Wasen in (zenau) dreißig Minuten
b. er schlief (zenau) eine halbe Stunde lang
Raumlose Ereignisse: Nun scheitert nicht nur der Versuch, den Ereignisraum über den
c. erfingum drei Uhr an, sein Fahrrad zu reparieren
Raum der Ereignispartizipanten zu bestimmen, sondern zusätzliche Probleme für raum­
d. bis zestern Vormittaz elf Uhr hat er gearbeitet
zeitliche Identitätskriterien entstehen dadurch, daß bestimmte Ereignisse offenbar raumlos
e. er iozzt (zenau) von drei bis vier Uhr
sind. Da sind zunächst abstrakte Ereignisse wie das Auslaufen eines Vertrages, das Erben
f. von zwei Uhr an arbeitete er (zenau) eine Stunde
eines Vermögens, der Bankrott einer Firma oder das Ablaufen eines Verfallsdatums. Wo
aber erbt man ein Vermögen? In der Stadt, in der man sich befindet? Beim Notar? In der Auf ähnliche Weise läßt sich auch der Eigenraum von Gegenständen bestimmen. So kön­
Bank, die das Vermögen verwaltet? Am Sterbebett des Erblassers? Und wo läuft das Ver­ nen wir den Eigenraum einer Kiste spezifizieren über eine absolute Angabe wie 40x50x
fallsdatum eines Vanillejoghurts ab? In dem Joghurt? Auf dem Joghurtbecher? Auf dem 30 cm und eine relative Angabe wie auf dem Fußboden, an der gegenüberliegenden
Küchenkalender? Eine Fülle von Ereignissen kann also offenbar gar nicht oder nur vage Wand, 30 cm links neben der Tür.
mit einem Ereignisraum assoziiert werden. Wenn solchen Ereignissen aber kein Raum Relative Raumbestimmungen sind auch für die meisten Ereignisse möglich. Maienborn
zugeordnet werden kann, würde uns ein raumzeitliches Identitätskriterium bestenfalls (1996:25) hat in ihrer Untersuchung lokaler Adjunkte von Verbalprojektionen gezeigt, daß
sagen, daß das (räumlich nicht situierte) Erben eines Millionenvermögens am 14. August dabei drei Grundtypen von Ereignisbezügen lokaler Adjunkte zu unterscheiden sind: i)
identisch ist mit dem (räumlich nicht situierten) Ablaufen des Verfallsdatums meines globale Einordnung des Ereignisses (17a), ii) Spezifizierung des ereignisinternen räum­
Vanillejoghurts am 14. August. lichen Aufbaus (17b), iii) räumliche Einschränkung des Geltungsbereichs der Aussage
Einen zweiten Problemfall stellen mentale Ereignisse wie Sehen, Denken, Fühlen dar. (17c):
Wenn ich einen Schmerz im rechten Fuß fühle, wo findet das Fühlen des Schmerzes statt?
(17) a. in einem Dickicht verstauchte sich die lndy dm Fuß
Sicherlich nicht in meinem rechten Fuß, denn nicht mein Fuß fühlt etwas, sondern ich.
b. die Lady mußte in einem Holzzestell getragen werden
Wenn aber das "Ich" der Ort des Fühlens ist, und ich, während ich den Schmerz fühle, an
c Krause war in Spanien hochberühmt
Palmen auf karibischen Inseln denke, so müßten gemäß raumzeitlicher Identitätskriterien
das Fühlen des Schmerzes und das Denken an die Karibik identisch sein. Da auch Vertre­ Dagegen ist es, anders als bei Gegenständen, nicht möglich, den Ereignisraum über abso­
ter raumzeitlicher Identitätskriterien gewöhnlich nicht alle gleichzeitig stattfindenden lute Raumangaben zu beschreiben. Eine Explosion, ein Fußballspiel oder das Sich-Drehen
mentalen Ereignisse identifizieren wollen, müssen sie bezüglich des Leib-Seele-Problems einer Metallkugel haben keine Breite, keine (räumliche) Länge, keine Höhe, keinen
davon ausgehen, daß das Reden über mentale Ereignisse auf das Reden über physikalische Durchmesser und keinen Umfang. Auch lassen sich, wie von Stutterheim (1990.103)
Ereignisse reduziert werden kann. Der Ort eines jeden mentalen Ereignisses wäre dann bemerkt, topologische Grundkategorien wie 'Rand', 'Innenraum', 'Außenraum' auf Ereig­
etwa über den Ort eines entsprechenden neurologischen Ereignisses bestimmt. Die Gleich- nisse nicht anwenden. Das führt zu dem Schluß, daß Ereignisse zwar in räumlichen Rela-
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tionen stehen, aber keinen Eigenraum haben. Insofern als raumzeitliche Identitätskriterien tionen über Ereignisse möglich. Diese drei Gründe sprechen dagegen, ein Identitätskrite­
die Bestimmung des Ereigniseigenraums verlangen, sind solche Kritierien offenbar nicht rium für Ereignisse auf dem Raum zu basieren, den sie einnehmen.
anwendbar.
Ereignisraum und Identitätskriterien: Daß Ereignisverben überhaupt mit Lokaladverbialen
verbunden werden können, läßt natürlich nicht den Schluß zu, daß Räumlichkeit ein Cha­ 5.3.3 Ereignisse und Veränderungen
rakteristikum von Ereignissen ist, das für ihre Identifizierbarkeit erforderlich ist. Wir
schließen aus der Verknüpfbarkeit von Ereignisverben mit Geschwindigkeitsadverbialen ja Einleitung: Die Überlegungen in den letzten beiden Kapiteln haben es nahegelegt, auf die
auch nicht, daß die Geschwindigkeit von Ereignissen ein Identitätskriterium für Ereig­ Bezugnahme auf mögliche Welten und auf Räume in einem Identitätskriterium für Ereig­
nisse konstituieren sollte. Wie gesehen, sprechen zwei schwerwiegende Gründe eher dage­ nisse zu verzichten. Ereignisse über die Zeit, die sie einnehmen, zu identifizieren, scheint
gen, Identitätskriterien für Ereignisse auf deren Eigenräumen zu begründen: Die Diskus­ demgegenüber zwar unproblematisch, ist allein aber offenbar nicht ausreichend: Zu einer
sion der verschiedenen Ereignistypen hat gezeigt, daß die Nicht-Bestimmbarkeit von Er­ bestimmten Zeit können unzählige verschiedene Ereignisse stattfinden. Was bleibt also?
eignisräumen, anders als Davidson (1985:176) vermutet, nicht bloß ein Vagheitsproblem Es ist bei der Diskussion der verschiedenen Identitätskriterien schon aufgefallen, daß bei
ist, wie es auch bei dem Versuch der genauen Abgrenzung des Eigenraums von Gegen­ vielen der vorgeschlagenen Kriterien der Grad an Feinkörnigkeit der Ereignisauffassung
ständen auftritt, sondern ein prinzipielles Problem. So ist etwa der Ort mentaler oder per- von bestimmten Entscheidungen abhängt, die eigentlich außerhalb des Identitätskriteriums
zeptueller Ereignisse unklar. Bei sensorischen Ereignissen stehen sogar verschiedene sich selber liegen. So wird die Feinkörnigkeit von Davidsons Kriterium (1-1) von unserer Kau­
nicht einmal partiell überlappende Orte als Kandidaten für die Ereignislokalisierung zur salitätsauffassung bestimmt, die Feinkörnigkeit der Kriterien, die auf mögliche Welten
Diskussion. Das eigentliche Problem bei der Bestimmung von Ereignisräumen ist also rekurrieren (1-6, 1-7), hängen davon ab, was wir als essenzielle Eigenschaften eines Er­
kein Vagheitsproblem, sondern liegt vielmehr darin, daß im Gegensatz zu Ereigniszeiten eignisses auffassen, und die Feinkörnigkeit von Kims Kriterium (1-3) ergibt sich letztlich
nicht mal eine naheliegende Definition des Ereignisraumbegriffs zu finden ist. Wir wissen dadurch, was wir als ereigmskonstitutive Eigenschaften zulassen. In diesem Kapitel soll
also nicht nur oft nicht, wie wir den Raum eines bestimmten Ereignisses identifizieren zum vorläufigen Abschluß der Ontologiediskussion ein Identitätskriterium vorgestellt
können, wir wissen vor allem nicht, was ein Ereignisraum ist. Vor allem die raumlosen werden, daß auf dem Begriff der Veränderung basiert und - wie wir sehen werden - eine
Ereignisse zeigen darüber hinaus eines: Wenn es fi* und damit fi* - überhaupt gibt - und
7
etwas grobkörnigere Variante von Kims Ansatz darstellt.
die Tatsache, daß es keine absoluten, sondern nur relative Ereignisraumbezüge gibt, Veränderungen: Die Ereignisauffassung Lombards (1986) basiert auf zwei zentralen Be­
spricht nicht gerade dafür - , so ist es auf jeden Fall keine totale Funktion und räumliche griffen, dem der Veränderung ("change") und dem des Eigenschaftsraums ("quality
Kriterien sind damit ungeeignet als Identitätskriterien für Ereignisse. space"). Lombard (1986:80f) legt dabei eine traditionelle Auffassung von Veränderung
Eine andere Frage ist es, wie die relative Lokalisierung vieler Ereignisse zu verstehen zugrunde, die er als "Ancient Criterion of Change" (ACC) bezeichnet:
ist, zumal der Eigenraum der Ereignispartizipanten offensichtlich keinen eindeutigen
Aufschluß über den Ort gibt, wo ein Ereignis stattfindet. Die Antwort auf diese Frage wird • Veränderung
sicherlich verschiedene Parameter zu berücksichtigen haben, neben i) dem Ort der Ereig­ Ein Gegenstand x verändert sich, wenn und nur wenn
nispartizipanten etwa ii) den Ort, wo sich die ereignisrelevanten Veränderungen und i) es eine Eigenschaft P gibt,
Prozesse abspielen (beim Sehen etwa eher im Bereich des Sehenden als im Bereich des ii) es einen Gegenstand x gibt,
Gesehenen, beim Kartenspielen eher im Bereich der Hände und der Karten, als im Bereich iii) es distinkte Zeiten t und t' gibt,
der kartenspielenden Personen, etc.), oder iii) den Ort, aus dessen Perspektive über ein iv) x die Eigenschaft P zu t hat und P zu t' nicht hat (oder umgekehrt).
Ereignis berichtet wird, und iv) schließlich vielleicht auch den Ort, innerhalb dessen uns Bezüglich der Frage, was als P in Frage kommt, ist das ACC wenig restriktiv. Lombard
Ereignisse perzeptuell zugänglich sind (etwa bei sensorischen Verben). formuliert im Hinblick auf die Aufgabe, den Veränderungsbegriff für die Ereignisbestim­
Zusammenfassung: Will man Ereignisse als abstrakte, raumzeitlich situierte Entitäten mung heranzuziehen, diesbezüglich einige Unterscheidungen, von denen die beiden wich­
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auffassen, so muß eine totale, nicht injektive Funktion Ereignisse auf ihre Eigenraumzeit tigsten hier genannt seien:
abbilden. Während die Bestimmung der Ereigniszeit sich als relativ unproblematisch • Relationale vs. nicht-relationale Veränderungen: Wenn Max zwischen t und t' drei
erweist, treten bei der Ermittlung des Ereignisraums allerdings Probleme auf, die über Zentimeter wächst, so verändert er sich. Gleichzeitig verändert sich aber auch Martin,
einfache Vagheitsprobleme hinausgehen: Erstens ist es unklar, was prinzipiell unter dem indem er zu t', verglichen mit t, drei Zentimeter weniger groß ist als Max. Jedesmal
Eigenraum eines Ereignisses zu verstehen ist. Verschiedene Ereignistypen zeigen, daß der wenn ein Gegenstand x sich verändert, verändern sich alle anderen Gegenstände relativ
Ereignisraum jedenfalls nicht generell mit dem Raum der Ereignispartizipanten identifi­ zu x und der geänderten Eigenschaft. Relationale Veränderungen unterscheidet Lom-
ziert werden kann. Zweitens sehen sich Vertreter raumzeitlicher Identitätskriterien mit
dem Problem konfrontiert, daß viele Ereignisse offenbar gar nicht räumlich situiert sind.
Lombard geht dabei weit ausführlicher auf die logischen Zusammenhange ein, die hinter diesen
Drittens schließlich sind zwar absolute zeitliche, nicht aber absolute räumliche Prädika- Unterscheidungen stehen, als es hier referiert werden kann.
260 261

bard von nicht-relationalen, indem nur erstere notwendigerweise an eine andere nicht­ daher seine Ereignisauftassung nur so weit skizzieren, daß der Zusammenhang mit Kims
relationale Veränderung geknüpft sind (Lombard 1986:92ff). Ereignisbegriff deutlich wird (vgl. Lombard 1986:166ff): Zunächst werden atomare Ge­
• Statische vs. dynamische Eigenschaften: Wenn ein Gegenstand eine statische Eigen­ genstände eingeführt. Ein Gegenstand vom Typ P ist atomar in einer Theorie T, wenn es
schaft (z.B. "being blue') zu einem bestimmten Zeitpunkt hat, so folgt daraus nicht, daß keinen von x verschiedenen Gegenstand y gibt, der Teil von x und ebenfalls vom Typ P
der Gegenstand sich verändert, verändert hat oder verändern wird. Wenn ein Gegen­ ist. Atomare Eigenschaftsräume in T sind nun solche Eigenschaftsräume, die
80
stand eine dynamische Eigenschaft (z.B. 'shrinking') zu einem bestimmten Zeitpunkt Eigenschaften enthalten, welche atomare Gegenstände haben können. Ein atomares
hat, so folgt daraus, daß dieser Zeitpunkt Teil eines Intervalls ist, in dem der Gegen­ Ereignis in T schließlich ist die Bewegung eines atomaren Gegenstands durch einen
81
stand sich verändert (Lombard 1986:104f). atomaren Eigenschaftsraum. Ein (atomarer) Gegenstand hat damit die dynamische
Eigenschaft, sich in einem bestimmten (atomaren) Eigenschaftsraum von einer
Eigenschaftsräume: Eine wichtige Ergänzung zum ACC beruht auf der Erkenntnis, daß bestimmten statischen Eigenschaft zu einer anderen statischen Eigenschaft zu bewegen.
Gegenstände sich immer in einer gewissen Hinsicht verändern, während sie in anderer Ein (atomares) Ereignis ist damit die Exemplifizierung einer solchen dynamischen
Hinsicht unverändert bleiben. Sich in einer Hinsicht zu verändern bedeutet, eine Eigen­ Eigenschaft durch einen Gegenstand zu einem bestimmten Zeitintervall, wobei eine solche
schaft aus einer bestimmten Gruppe zu verlieren und dafür eine andere Eigenschaft aus dynamische Eigenschaft eines atomaren Ereignisses durch ein atomares Ereignisverb
derselben Gruppe anzunehmen. So kann eine Banane zuerst gelb sein und dann braun; sie 82
ausgedrückt wird. Eine kanonische Ereignisbeschreibung ist nun ein Tripel [x,<j>,t],
hat sich hinsichtlich der Farbe verändert. Eine Banane kann dagegen nicht erst gelb sein wobei x der Name des Gegenstands des Ereignisses ist, t der Name seiner Zeit und <(> das
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und zu einer späteren Zeit bezüglich farblicher Eigenschaften nicht mehr einordnenbar. atomare Ereignisverb (Lombard 1986:173f). Insofern als mehrere atomare Ereignisverben
Ebensowenig hat sie sich verändert, wenn wir feststellen, daß sie zur Zeit t gelb war und in einem gegebenen Fall für § stehen können, kommt jedem (atomaren) Ereignis eine
zur Zeit t' püriert. Veränderungen, so Lombard (1986:111), finden immer innerhalb eines Menge kanonischer Beschreibungen ("canonical descriptions") zu, die es eindeutig
Eigenschaftsraumes statt und der ist wie folgt definiert (Lombard 1986:113): kennzeichnen.
• Eigenschaftsraum Ereignisse als Veränderungen: Lombards (1986:180) Identitätskriterium für Ereignisse
Eine Menge S von einfachen, statischen Eigenschaften {P , Pi, 0 P , ...} ist ein Ei­
n
ergibt sich nun aus dem vorher Gesagten:
genschaftsraum, genau dann, wenn gilt:
i) wenn ein beliebiger Gegenstand x zu einer beliebigen Zeit t die Eigenschaft P; aus (1-8) Ereignisse als Veränderungen
S hat, so hat x zu t keine andere von P; distinkte Eigenschaft P aus S,
m Wenn e und e' Ereignisse sind, dann sind e und e* genau dann identisch, wenn
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ii) wenn ein beliebiger Gegenstand x, der Pi aus S zu einer beliebigen Zeit t hat, Pj zu ihnen die genau gleiche Menge kanonischer Beschreibungen zukommt.
einer von t distinkten Zeit t' nicht hat (und noch existiert), dann verändert sich x
Läßt man die Idee der Zurückführung von Ereignissen auf atomare Ereignisse außer acht,
in S, so daß x zu t' eine von P; distinkte Eigenschaft P aus S hat.
m
die für unsere Zwecke ohnehin nicht so relevant ist, so zeigt der Begriff der kanonischen
Welche Eigenschaften im Einzelnen dabei einem bestimmten Eigenschaftsraum zuzu­ Beschreibung eine deutliche Ähnlichkeit zu Kims Ereignisauffassung. Beide, Kim und
rechnen sind, ist, so Lombard (1986:114), eine empirische Frage. Im Allgemeinen hätten Lombard, verstehen ein Ereignis als das Exemplifizieren einer Eigenschaft durch einen
wir darüber aber ohnehin gute Intuitionen. Gegenstand zu einer Zeit, wobei das Interessante an Lombards Vorschlag darin besteht,
daß er die Menge der zulässigen Eigenschaften stark einschränkt und damit zu einer grob­
Veränderungen und Ereignisse: Ein Ereignis wird von Lombard nun als - wie er es nennt
körnigeren Variante von Kims Kriterium 1-3 kommt. So sind v.a. Zustände keine Ereig­
- 'Bewegung' eines Gegenstands in einem Eigenschaftsraum aufgefaßt:
nisse, insofern als sie nicht durch dynamische Prädikate beschrieben werden. Ansonsten
[...] an event is a 'movement' by an object from the having of one to the having of another hängt die Körnigkeit eines lombardschen Ereignisses wesentlich von der Struktur der
property, where those properties are such that the object's successive havings of them implies that
the object changes non-relationally. That is, events are non-relational changes in objects; when
an object changes non-relationally in a certain respect, there is an event that is that object's Was als atomarer Gegenstand und als atomarer Eigenschaftsraum gilt, hängt von der jeweiligen
changing in that respect. An event is a movement by an object through some portion of a quality Theorie ab. Lombard (1986:168f) argumentiert eher physikalistisch; sein Ansatz ist diesbezüg­
space. (Lombard 1986:114) lich aber letztlich neutral.
Dabei gelten bestimmte zusätzliche Bedingungen für atomare Ereignisse, so etwa, daß atomare
Lombard arbeitet den in dem obigen Zitat in Rohfassung vorliegenden Ereignisbegriff Ereignisse keine Lücken und keine Wiederholungen enthalten dürfen (Lombard 1986:171). Aus
79
sehr detailliert a u s , was zu einem großen Teil allerdings über das hinaus geht, was im atomaren Ereignissen können dann in bestimmter Weise nicht-atomare Ereignisse konstruiert
Zusammenhang mit den linguistischen Zielen dieser Arbeit als relevant erscheint. Ich will werden.
Diese kanonischen Beschreibungen und die atomaren Ereignisverben können nicht unbedingt
aus Sätzen natürlicher Sprachen extrahiert werden, da in natürlichen Sprachen nicht immer
Dabei kann auch 'farblos' zu der Gruppe von Farbeigenschaften gehören (Lombard 1986:254). schon Ausdrücke für die dynamischen Eigenschaften vorhanden sind (Lombard 1986:172f).
Das betrifft v.a. seine Vorstellungen zu atomaren Ereignissen und die Ausarbeitung von Typen "Necessarily, for any entities, e and e', if e and e' are events, then e = e' if and only if e and e'
von Eigenschaftsräumen. have all the same canonical descriptions." (Lombard 1986:180)
262
263

Eigenschaftsräume ab. Ein Beispiel mag das verdeutlichen. Wenn ein Gegenstand sich Ereignisse sind nun solche Bewegungen in Eigenschaftsräumen. Sie lassen sich als Vari­
schräg nach oben bewegt, so kann dies als zwei Ereignisse aufgefaßt werden, wobei das ante von Kims Ereignissen verstehen, nämlich als Exemplifizierungen von dynamischen
eine eine Bewegung durch einen Eigenschaftsraum darstellt, der die horizontalen Koordi­ Eigenschaften durch Gegenstände zu Zeiten. Insofern als das, was Kim 'ereigniskonstitu-
naten als Eigenschaften enthält, und das andere eine Bewegung durch einen Eigenschafts­ tive Eigenschaft' nennt, hier auf bestimmte Veränderungsprädikate beschränkt ist wird
raum, der die vertikalen Koordinaten enthält. Man kann aber auch von einem einzigen Lombards Ereigmsauftassung gröber als Kims, bleibt aber feiner als Quines Ereignis­
Ereignis ausgehen, das eine Bewegung durch einen Eigenschaftsraum ist, in dem der verständnis, wobei die genaue Körnigkeit der Ereignisse ausschließlich von der Gestaltung
horizontale und der vertikale Aspekt der Bewegung lediglich als unterschiedliche Vekto­ der Eigenschaftsräume abhängt.
ren einer einzigen Bewegung dargestellt sind (Lombard 1986:162ff). Welche Variante
man wählt, ist von dem Identitätskriterium selbst unabhängig und hängt hier wie in allen
anderen Fällen von der wissenschaftlichen Theorie ab, innerhalb dessen die atomaren
Gegenstände und Eigenschaftsräume bestimmt werden. In dem gegebenen Fall zieht Lom­
bard (1986:167) die Ein-Ereignis-Variante vor, und zwar, wenn ich ihn recht verstehe,
weil beide Bewegungsaspekte auf Ursachen ähnlichen Typs zurückgehen. Man sieht je­
denfalls, daß die Wahl der Eigenschaftsräume bestimmt, wieviele Ereignisse zur gleichen
Zeit am gleichen Ort stattfinden können.
The more divided the properties of changing things into distinct quality Spaces, the more distinct
changes there can be that can come over the whole of an object simultaneously. The more the
properties of things can be compressed into fewer and fewer quality Spaces, the fewer the number
of distinct simultaneous changes will be to which an object can be subject. (Lombard 1986:165)

Anmerkungen zu Lombards Ereignisauffassung: Lombards (1986) Ereignisauflassung


steht etwas abseits von den anderen in der ontologischen Diskussion vorgeschlagenen
Identitätskriterien und wird in den umfangreicheren der nachfolgenden Arbeiten (z.B.
Bennett 1988 oder Stöcker 1992) auch kaum diskutiert. Das kommt zum kleineren Teil
wohl daher, daß die Grundideen der Veränderung und des Eigenschaftsraums viele logi­
sche und im Falle der Eigenschaftsräume wohl auch empirische Fragen nach sich ziehen.
Vor allem aber liegt es wohl daran, daß Lombard sich weder besonders eng an die Fragen
der Kausalitätsforschung anlehnt, noch sprachliche Daten bei der Entwicklung seiner
Ereignisauffassung berücksichtigt. Der Erarbeitung seines Ereignisbegriffs liegen im We­
sentlichen physikalisch geprägte Auffassungen vom Aufbau der Welt zugrunde. Sein
Identitätskriterium orientiert sich explizit nicht an linguistischen Erwägungen (Lombard
1986:180). Trotzdem scheint mir seine Ereignisauffassung aus zwei Gründen interessant
für die in dieser Arbeit verfolgten semantischen Fragestellungen:
• Es ist die einzige Variante der betrachteten Identitätskriterien, die eindeutig feinkörni­
ger ist als Quines Kriterium 1-4 und eindeutig grobkörniger als Kims Kriterium 1-3.
• Sie macht deutlich, wo der Gestaltungsbereich bezüglich der Körnigkeit von Ereignis­
sen ist, nämlich bei der Konstruktion der Eigenschaftsräume, während Zeit und Partizi­
panten als extensionale Größen vorgegeben sind.
Im Anschluß an das Kapitel über Ereigniswahrnehmung werden diese ontologischen
Überlegungen zu Ereignissen in Kapitel 7.1.1 noch einmal aufgegriffen.
Zusammenfassung: Lombards Ereigmsauftassung basiert auf dem Begriff der Veränderung
und des Eigenschaftsraums. Ein Eigenschaftsraum besteht aus einer Menge einander aus­
schließender, statischer, nicht-relationaler Eigenschaften und ein Gegenstand verändert
sich, wenn er zu zwei distinkten Zeiten zwei distinkte Eigenschaften aus einem bestimm­
ten Eigenschaftsraum innehat, sich also von einer zu einer anderen Eigenschaft *bewegt'.
265

6 Ereigniswahrnehmung • Welche Unterschiede bestimmen die Wahrnehmung von Ereignissen mit starren Kör­
pern und mit solchen, deren Form sich im Laufe des Ereignisses verändert?
• Wie können Scheinbewegungen (optische Bewegungstäuschungen) erklärt werden?
• Welche Teil-Ganzes-Strukturen werden im Ablauf von Ereignissen und menschlichem
Verhalten erkannt?
6.1 Wahrnehmungspsychologische Positionen zu Ereignissen • Können Ereignisursachen direkt wahrgenommen werden?
• Wie werden handlungsbegleitende Zustände wie Intentionen oder Emotionen erkannt?
6.1.1 Fragestellungen der Psychologie zur Ereigniswahrnehmung • Wie werden Ereignisse erinnert und Handlungen nachgeahmt?
• Aufgrund welcher sensorischer Informationen werden akustische Ereignistypen identi­
Einleitung: Die Wahrnehmungspsychologie beschäftigt sich damit, wie aus dem Zusam­ fiziert?
menspiel von Umwelt, Sinnesorganen, neuronalem System und menschlichem Handeln • Wie werden akustische, optische und haptische Informationen über Ereignisse zueinan­
Wahrnehmungsinhalte (Perzepte) entstehen, also die perzeptuellen Eindrücke, in denen der in Beziehung gesetzt?
uns die Welt als erfüllt erscheint von Gegenständen, Personen und Ereignissen, situiert in Der am ausführlichsten untersuchte und in der Geschichte der Wahrnehmungspsychologie
der Zeit und im dreidimensionalen Raum. 1 am weitesten zurückreichende Themenkomplex im Bereich der Ereigniswahrnehmung ist
In diesem Kapitel wird ein Überblick gegeben über die in der Psychologie zur Ereig­ die Wahrnehmung von Bewegung. Was die berücksichtigten Sinnesmodalitäten angeht, so
niswahrnehmung untersuchten Phänomene und über die wichtigsten theoretischen Kon­ dominieren Untersuchungen zur visuellen Wahrnehmung. In geringerem Maße liegen
troversen. Die beiden folgenden Kapitel 6.1.2 und 6.1.3 sind der Darstellung der zentralen auch Studien zur akustischen oder haptischen Wahrnehmung von Ereignissen vor. Wenn
theoretischen Überlegungen und Experimente der beiden einflußreichsten Psychologen auf im Folgenden von Ereigniswahrnehmung die Rede ist, sind diese beiden Einschränkungen
(Bewegungswahrnehmung, visueller Modus) zu berücksichtigen.
dem Gebiet der Ereigniswahrnehmung, Gunnar Johansson und James J. Gibson gewidmet.
In den Kapiteln 6.2 und 6.3 werde ich mich dann aus den in Kapitel 5.1.4 ausführlich Ereigniswahrnehmung am Beispiel von Bewegungen: Die visuelle Wahrnehmung von
dargestellten Gründen mit den Zusammenhängen zwischen den Auffassungen von Ereig­ Bewegungsereignissen basiert auf solchen Änderungen im visuellen Feld, die nicht aus­
nissen in der Wahrnehmungspsychologie und ereignisontologischen und -semantischen schließlich auf Eigenbewegungen des Wahrnehmenden zurückzuführen sind. Auf welche
Fragestellungen beschäftigen. unterschiedliche Weise das Erkennen von Bewegungsereignissen erklärt werden kann,
2

Wahrnehmungspsychologische Forschungsbereiche im Gebiet der Ereigniswahrnehmung: sollen die folgenden vereinfachten Beispiele verdeutlichen:
Wie in allen Wissenschaften konzentriert sich auch die Forschung zur Ereigniswahrneh­ • Erklärung A (Retinale Positionen): Wenn ein Fußball von links nach rechts vor dem
mung auf bestimmte Phänomenbereiche, die die theoretische Diskussion besonders stimu­ unbewegten Betrachter über den Rasen rollt, so werden benachbarte Positionen auf der
lieren. Damit deutlich wird, zu welchen der uns interessierenden Fragen zum Wesen von Retina nacheinander erregt, wobei diese raumzeitliche Abfolge einen Bewegungsweg
Ereignissen die Wahrnehmungspsychologie möglicherweise Antworten beisteuern kann, beschreibt. Dieser Ansatz erklärt auch Bewegungen vor leerem Hintergrund wie etwa
sei hier eine kurze Auflistung von Untersuchungsbereichen gegeben, die die Theoriebil­ die Bewegung eines weißen Punktes auf einem sonst dunklen Bildschirm.
dung zur Ereigniswahrnehmung seit den 50er Jahren dominiert haben: • Erklärung B (Abgleich retinaler Positionen mit der Eigenbewegung): Der in A geschil­
• Welche Informationen werden zur Wahrnehmung von Bewegung im Raum herangezo­ derte Ansatz kann nicht erklären, wie Bewegungen gesehen werden, denen mit dem
Auge gefolgt wird, denn dann verändern sich die dem bewegten Gegenstand entspre­
gen? 3
chenden retinalen Positionen nicht. Um zu erklären, wie ein Bewegungseindruck ent­
• Wie werden retinale Veränderungen, die durch Eigenbewegungen des Wahrnehmenden
steht, wenn der Betrachter dem vorbeirollenden Fußball mit den Augen folgt, wurde
entstehen, von solchen unterschieden, die auf Fremdbewegung zurückgehen, und wie
eine Art neuronaler Komparator angenommen, der das retinale Bild mit Informationen
beeinflussen sich Wahrnehmung von Ereignissen in der Außenwelt und Eigenbewe­ 4
über die Eigenbewegung des Körpers bzw. der Augen verrechnet.
gungen des Körpers gegenseitig?
• Erklärung C (Kinetische optische Verdeckung): Schließlich kann argumentiert werden,
• Auf welchen optischen und akustischen Informationen basieren Geschwindigkeits­
daß Bewegung in natürlicher Umgebung durch Information über das Verhältnis von
urteile, Einschätzungen von Bewegungsrichtung und Kollisionskursberechnungen?
Hintergrund und sich bewegendem Gegenstand spezifiziert ist. Durch die Bewegung
• Wie werden biologische Bewegungen (Bewegungen von lebenden Wesen) erkannt?
des Fußballs wird sukzessive die Textur des Hintergrunds, also des Rasens, verdeckt
• Wie werden extrem langsame Ereignisse erkannt (z.B. das Altern eines Gesichts)?

1
Forschungsüberblicke, die alle Bereiche der Ereigniswahmehmung umfassen, existieren nicht. Vgl.auch Guski (1996:39,172f).
Johansson (1978), Johansson / Hoisten / Jansson (1980) und Hommel / Stränger (1994) resü­ Vertreter der Position A könnten allerdings ihre Erklärung dahingehend verfeinern, daß sie
mieren Ergebnisse zur visuellen Bewegungswahrnehmung, Warren / Shaw (1985) und Shaw I anführen, daß die Größe und Form des Fußballabbilds auf der Retina sich im Laufe des Vorbei­
Flascher / Mace (1994) bieten Überblicke zur Ereigniswahrnehmung aus Sicht der ökologi­ rollens gemäß perspektivischer Gesetzmäßigkeiten verändert.
schen Wahmehmungspsychologie; kurze Überblicke zur Forschung enthalten auch Rock (1986) Vgl. Holst (1954), hier resümiert nach Guski (1996:173).
undv.a. Guski(1996).
266 267

und wieder aufgedeckt. Diese Information über die relative Verdeckung des Hinter­ 6.1.2 Psychologie der Bewegungswahrnehmung und Vektoranalysen proximaler Stimuli
grunds bleibt auch bei Eigenbewegung des Wahrnehmenden erhalten. 5
(Johansson)

Distalität, Proximalität, Zentralität: Diese drei Ansätze spiegeln eine wichtige wahrneh­
mungspsychologische Kontroverse wieder, nämlich die Frage, in welchem Maße proxi­ "Optical flow": Gunnar Johansson vertritt in seinen Arbeiten zur Bewegungswahrneh­
7

male, zentrale oder distale Faktoren bei der Erklärung von Ereigniswahrnehmung heran­ mung die Auflassung, daß die Wahrnehmung von Ereignissen nicht auf die Wahrneh­
8
mung von Gegenständen oder statischen Anordnungen reduziert werden kann . Psycholo­
gezogen werden müssen. Proximale Faktoren betreffen die Kontaktstelle zwischen wahr­
gische Ansätze, die von solchen perzeptuellen "Schnappschüssen" ausgehen, werden von
nehmendem Organismus und Umwelt, im Falle visueller Wahrnehmung also die Netz­ 9
Johansson ebenso wie von Gibson abgelehnt. Es wird von Johansson als für die visuelle
haut. Dieser Faktor wird in Erklärung A in den Vordergrund gestellt. Zentrale Faktoren
Wahrnehmung charakteristisch angesehen, daß die Stimuli einen ständigen optischen
sind durch den kognitiven und neuronalen Apparat des Organismus bestimmt und invol­
Fluß ("optical flow") auf der Retina erzeugen, der durch Ereignisse in der Außenwelt, wie
vieren etwa Inferenzen, Erinnerungen, Skripte bzw. bestimmte optisch-neuronale Kanäle
auch durch die ständigen Eigenbewegungen des Körpers, Kopfes und Augapfels, sowie
und Gehirnareale. Erklärung B hebt diese kognitiv-neuronale Komponente durch die
das beständige leichte Schwanken des Körpers Zustandekommen. Permanente Verände­
Annahme eines neuronal basierten Algorithmus zur Berechnung von Fremd- und Eigen­
rungen und nicht statische Verhältnisse im optischen Feld werden daher als primär für die
bewegung hervor. Distale Faktoren sind solche, die nicht durch unmittelbaren Kontakt mit 10
Wahrnehmung erachtet. Dadurch, daß die Wahrnehmung auf dem optischen Fluß ba­
dem Organismus gekennzeichnet sind, aber Ursprung der sensorischen Reize in der Au­
siert, bekommt der visuelle Wahrnehmungsprozeß neben der räumlichen auch eine zeit­
ßenwelt sind. Das vom Einfluß proximaler und zentraler Faktoren unabhängige relative
liche Komponente (Johansson 1985:33f). Das Auge ist also im Gegensatz zur Kamera
Verhältnis von bewegtem Objekt und Hintergund, das von Erklärung C herangezogen
"eher ein Instrument zur Analyse von zeitlichen Änderungen im Lichtfluß als ein Instru­
wird, ist ein solcher distaler Faktor.
ment zur Erfassung von statischen Mustern." (Johansson 7975/1987:170)
Direkte vs. indirekte Wahrnehmung: In engem Zusammenhang mit der Kontroverse um
Proximale Stimuli und projektive Geometrie: Johanssons Ansatz basiert auf der Analyse
die Relevanz distaler, proximaler und zentraler Faktoren bei der Wahrnehmung steht die 11
proximaler Stimuli und der Frage, wie daraus Perzepte entstehen. Die Eigenschaften des
vielleicht zentrale theoretische Frage der Wahrnehmungspsychologie überhaupt: Nehmen
optischen Flusses und des sich ständig verändernden optischen Feldes werden von Johans­
wir unsere Umwelt direkt oder indirekt wahr? Das heißt, sind die zur Wahrnehmung er­ 12
son im Wesentlichen als perspektivische Transformation distaler Stimuli analysiert. Das
forderlichen Informationen unmittelbar in den Gegenständen und Ereignissen zu finden
gilt insbesondere für die Analyse von Eigenbewegung und von Bewegungen starrer Kör­
oder ist unsere Umweltwahrnehmung in mehr oder weniger großem Maße ein kognitives
per. Im Gegensatz zur euklidischen Geometrie, die von Johansson als für die Wahrneh­
Konstrukt, das auf Inferenzen, Wissen und Erinnerungen basiert? Die Kontroverse zwi­
mungstheorie ungeeignet zurückgewiesen wird, ist die projektive Geometrie nicht mit
schen Vertretern der direkten und der indirekten Wahrnehmung ist damit das wahrneh­
absoluten metrischen Größen befaßt, sondern mit Verhältnissen zwischen metrischen
mungspsychologische Gegenstück zu dem erkenntnistheoretischen Streit zwischen direk­
Größen, vor allem den perspektivischen Transformationen von Räumen auf Flächen. Die
ten und repräsentationellen Realisten (s. Kap. 5.1.4).
projektive Geometrie beschreibt dabei insbesondere die Invarianzen, die solchen Trans­
Während in der Wahrnehmungspsychologie insgesamt eher indirekte Ansätze zur
6
formationen zugrundeliegen, und aufgrund derer wir die Verhältnisse im dreidimensiona-
Wahrnehmung dominieren, sind die beiden bedeutendsten Forscher im Bereich der Er­
eigniswahrnehmung, Gunnar Johansson und James J. Gibson, Vertreter direkter Wahr­
nehmungstheorien, wobei Johansson eine gemäßigte Variante dieser Auffassung vetritt,
während Gibson mit seiner ökologischen Wahrnehmungspsychologie eine uneinge­ Übersichtsdarstellungen seiner Arbeit zur Ereigniswahrnehmung finden sich in Johansson
schränkt direkte Wahrnehmungstheorie entwickelt hat. (79 75/1987, 1978,1985) und Johansson / Hofsten / Jansson (1980).
Solche Überlegungen haben ihren Ursprung bereits in der vorsokratischen Philosophie bei
Zusammenfassung: Im Bereich der Ereigniswahrnehmung hat sich die Psychologie vor Zenon von Elea, der ein mit sich bewegenden Gegenständen verbundenes Paradoxon aufzeigt.
allem mit visueller Wahrnehmung und hier mit der Wahrnehmung von Bewegungen be­ Wenn man annimt, daß alles, was sich bewegt, zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem be­
stimmten Ort ist, so muß man feststellen, daß sich der Gegenstand innerhalb des rninimalen
faßt. In den theoretischen Überlegungen spielt eine wichtige Rolle, inwieweit distale,
Eigenraums, den der Gegenstand zu diesem bestimmten Zeitpunkt einnimmt, nicht bewegt (vgl.
proximale und zentrale Faktoren zur Erklärung der Wahrnehmungsphänomene heran­ Zenon und Versuche zu seiner Widerlegung in Mansfeld 1986:47ff).
gezogen werden, und im Zusammenhang damit, ob eine direkte oder indirekte Theorie der Vgl. Gibson (7047/1982:41f).
Ereigniswahrnehmung vertreten wird. Es läßt sich sogar zeigen, daß ein unter experimentellen Bedingungen völlig unbewegt gehalte­
nes Netzhautbild nach kurzer Zeit zu immer schwächer werdenden und schließlich völlig ver­
schwindenden Wahrnehmungen führt (vgl. Johansson 7075/1987:168).
Kontrollierte proximale Stimuli erzeugte Johansson dabei meist mit den weiter unten geschil­
derten Lichtpunkttechniken.
Die Basierung der Wahrnehmungstheorie auf perspektivische Verhältnisse geht auf altere
Zu diesem Ansatz vgl. Gibson et al. (1969), Gibson (7070/1982:llOf). Arbeiten von Gibson zurück, der später dann die ökologische Wahmehmungstheorie ent­
Vgl. den Überblick in Prinz / Bridgeman (1994). wickelte (vgl. etwa Gibson 7057/1982:46ff).
268 269

len Raum zuverlässig mithilfe des zweidimensionalen retinalen Bildes erkennen können. Phänomenbereich ausgeschlossen. Solche Ereignisse werden dem Bereich der "event
(Johansson 7975/1987:171ff, Johansson / Hoisten / Jansson 1980:30f) Cognition" zugeordnet, da sie nicht nur perzeptuelle Mechanismen, sondern auch Ge­
Johansson (7975/1987:174) beschreibt eine Reihe Experimente (s. Abb. 9), bei denen dächtnisleistungen erfordern (Johansson 1985:31).
die Darbietung von zwei sich auf einem Bildschirm in bestimmter Weise bewegenden Johanssons Analysen zur Bewegungswahrnehmung berücksichtigen sowohl Bewegun­
Lichtpunkten die Wahrnehmung eines an beiden Enden beleuchteten Stabes hervorruft, gen in der Umgebung des Wahrnehmenden als auch dessen Eigenbewegung. Veränderun­
der sich auf genau solchen Bahnen im dreidimensionalen Raum zu bewegen scheint, wie gen im optischen Feld, die auf Eigenbewegung beruhen, können von solchen, die durch
es eine nicht-euklidische Interpretation der beiden Punkte unter perspektivischer Trans­ Bewegungen in der Umgebung Zustandekommen, in Johanssons (1978:680, 1985:32)
formation erwarten ließ. Ansatz unterschieden werden durch die Art der kontinuierlichen, perspektivischen
Transformation und der invarianten, projektiven Eigenschaften des optischen Flusses, die
14
bestehen, wenn sich lediglich das Auge bezüglich der unbewegten Umgebung bewegt.

Vektoranalysen relativer Bewegung: Mithilfe einer Reihe einfacher Experimente, bei


denen sich Lichtpunkte auf einem Bildschirm bewegen, hat Johansson (1950:122ff) ge­
zeigt, daß es für Bewegungen kein absolutes räumliches Bezugssystem gibt, sondern Be­
wegungen relativ zu hierarchisch geordneten Referenzsystemen wahrgenommen werden.
Eines der bekanntesten Experimente ist in Abb. 10 illustriert (vgl. Johansson
7975/1987.171).

Abb. 9: Zwei sich auf einer elliptischen Bahn auf einem Bildschirm be­
wegende Punkte werden als Stab wahrgenommen, der an beiden Enden
beleuchtet ist und auf einer geneigten Ebene zu rotieren scheint (aus Jo­
hansson 7075/1987:172).

Ereignisauffassung: In einer frühen Arbeit zur Ereigniswahraehmung stellt Johansson


(1950:14) fest, "that in an event, it is always a material that changes." Später definiert er
Ereignis als "a generic concept denoting various kinds of relational change over time in a
structure." (Johansson 1978:677) Diese verallgemeinernde Auffassung erlaubt es ihm,
Ereignisse bezüglich der Distal-Proximal-Zentral-Trichotomie zu klassifizieren. Distale
Abb. 10: Bewegung relativ zu einem bewegten Bezugssystem (aus Jo­
Ereignisse sind die physikalischen Ereignisse in der Außenwelt des Wahrnehmenden, über
hansson 7975/1987:171).
die er Informationen benötigt. Proximale Ereignisse sind die Muster des optischen Flusses,
die proximal, also etwa auf der Netzhaut, verfügbar sind. Perzeptuelle (zentrale) Ereig­
Drei Lichtpunkte A, B und C bewegen sich wie im linken Teil der Abbildung gezeigt über
nisse schließlich konstituieren die aus den proximalen Ereignissen erhaltenen sensori­
den Bildschirm. Wird jeder Lichtpunkt einzeln dargeboten, so wird die Richtung der
schen Informationen (Johansson 1978:677).
einzelnen Bewegungen so wahrgenommen wie im linken Teil der Abbildung dargestellt.
Die Wahrnehmungstheorie beschäftigt sich mit solchen distalen Ereignissen, die als Bewegen sich dagegen alle drei Punkte gleichzeitig, und zwar so, daß alle drei immer auf
kontinuierliche Prozesse (schwed. skeende) erfaßt werden können, nicht aber mit mo­ einer gedachten vertikalen Geraden liegen, wird die Bewegung von B anders
mentanen, begrenzten Ereignissen ("bounded occurrences", schwed. handeise) (Johansson wahrgenommen: B scheint sich nun vertikal nach oben bzw. unten zu bewegen auf der
1985:29). Johansson (1985:30) berücksichtigt damit nur Ereignisse, die unmittelbare und durch A und C gebildeten, sich nach rechts bzw. links horizontal verschiebenden vertika-
kontinuierliche Veränderungswahrnehmungen hervorrufen. Das Überschreiten der Wahr­
nehmungsschwelle bei Bewegungswahrnehmung erfordert z.B. eine Bewegung, die in
13
einer Sekunde einen Sehwinkel von mindestens 0,33° durchmißt . Ereignisse, die keinen
Auch Gibson macht ähnliche Annahmen in seinen früheren Arbeiten: Auf Eigenbewegung beru­
kontinuierlichen Veränderungseindruck hervorrufen, wie etwa die Bewegung des Stun­ hende visuelle Änderungen werden als perspektivische Projektion auf eine Kugel aufgefaßt,
denzeigers einer Uhr, werden von Johansson (1978:677, 1985:30) aus dem relevanten Wahrnehmung von Fremdbewegung als perspektivische Transformation auf eine Ebene (Gib­
son 7057/1982:45). Dabei scheint die Wahrnehmung von Eigenbewegung vor allem auf Stimu­
1 3
lierung der peripheren Bereiche der Netzhaut zu basieren, während Fremdbewegung über die
Vgl. dazu Guski (1996:172). zentralen retinalen Areale wahrgenommen wird (vgl. Johansson / Hofsten / Jansson 1980:50f).
270
271

len Achse (s. den mittleren Teil von Abb. 10). Während die Bewegung von A und C also 17
7975/1987:176). Abb. 12 zeigt Einzelbilder aus der Filmsequenz: Die statischen Bilder
relativ zum Grund wahrgenommen wird, bilden sie selbst wiederum das Bezugssystem für lassen im Gegensatz zum Film keine Gegenstände oder Bewegungstypen erkennen.
die Bewegung von B. Die Bewegung kann, wie im rechten Teil von Abb. 10 zu sehen, in
zwei vektorielle Komponenten zerlegt werden, die die wahrgenommene horizontale und
15
vertikale Komponente des Bewegungsereignisses beschreiben.
Johansson (7975/1987:174, 1976:390) verallgemeinert, daß mehrere Bewegungspunkte
mit gleichen Vektoren, wie etwa A und C in Abb. 10, als Punkte, die relativ zueinander
räumlich invariant sind, ein bewegtes Bezugssystem für weitere Bewegungen bilden kön­
16
nen.

Lichtpunktexperimente zu biologischer Bewegung: Einen entscheidenden Schritt zum


Verständnis der Ereigmswahrnehmung stellen Johanssons (1973, 1976) Lichtpunkt­
experimente zu biologischer Bewegung dar. Johansson (1973:202) befestigte an den
Schultern, Ellbogen, Handgelenken, Hüften, Knien und Ellbogen eines Mitarbeiters je­
weils kleine Glühlampen und filmte diesen Mitarbeiter, wie er sich in einem abgedunkel­
ten Raum bewegte (s. Abb. 11).

Abb. 11: Rechts: Markierung der Gelenke durch Lichtpunkte; links: ab­
solute Bewegung der Lichtpunkte im Raum (aus Johansson
7975/1987:176).

Dieser Film wurde Versuchspersonen vorgeführt. Solange der Darsteller unbewegt ver­
harrte, nahmen die Versuchspersonen keinen Menschen, sondern lediglich eine zufällige Abb. 12: Jedes sechste Bild einer Filmsequenz, die ein tanzendes Paar
Anordnung von Lichtpunkten wahr (Johansson 1973:203). Sobald der Darsteller sich darstellt (aus Johansson 7 975/1987:169).
jedoch bewegte, wurde innerhalb von 0,1 bis 0,2 Sekunden erkannt, daß dort jemand geht,
Auch zur Erklärung der Wahrnehmung biologischer Bewegung greift Johansson (1973,
läuft, klettert oder tanzt (Johansson 1976:382ff). Dabei wurden selbst solche Feinheiten
1976) auf Vektoranalysen zurück, die das Perzept über ein System hierarchisch verbunde­
wie ein leichtes Hinken oder das Geschlecht des Darstellers wahrgenommen (Johansson
ner, sich bewegender Referenzrahmen beschreibt. Als absolute Bewegungen im Raum

Solche Phänomene treten natürlich nicht nur unter Laborbedingungen auf; s. Johansson Bei Lichtpunktexperimenten zeigen Kindern bereits im Alter von Vier bis sechs Monaten eine
(1985:38) zu einem zu Abb. 10 korrespondierenden Phänomen in natürlicher Umgebung. deutliche Vorliebe für das Betrachten biologischer Bewegungen gegenüber physikalisch ver­
Weitere, ähnliche Experimente finden sich in Johansson (1950:77ff, 1978:681ff, 1985:40ff). gleichbaren nicht-biologischen Lichtpunktbewegungen. Das läßt Fox / McDaniel (1982) ver­
Auf Johanssons Theorie der relativen Bewegung wird in Kapitel 6.2.1 noch eingegangen. muten, daß die Fähigkeit, biologische Bewegung wahrzunehmen, angeboren ist.
272 273

betrachtet ergeben die Lichtpunktbewegungen kein sinnvolles Muster (s. Abb. 11). Daher 19
théorie ist das Lebewesen in seiner natürlichen Umwelt. Die Wahrnehmungsfähigkeiten
geht Johansson (1973:207f) davon aus, daß jeweils zwei Lichtpunkte als Endpunkte eines des Menschen und der anderen Lebewesen haben sich phylogenetisch und ontogenetisch
perspektivisch transformierten starren Körpers (eines Knochens) zu verstehen sind. Die als Antwort auf die Anforderungen der natürlichen Umwelt des Menschen entwickelt. In
Bewegungen der Knochen bilden dabei ein hierarchisches System von Pendelbewegungen dieser Umwelt müssen die Menschen Informationen schnell, unmittelbar und zuverlässig
relativ zu einem Gelenk: Schultern und Hüften vollführen eine translatorische Bewegung aufnehmen. Dabei ist die Reichhaltigkeit dieser Informationen kennzeichnend für die
(relativ zur Umgebung); Knie und Ellbogen bewegen sich in Pendelbewegungen relativ zu Wahrnehmungsprozesse, die entsprechend in dieser Umwelt und nicht unter künstlichen
dem von Schultern und Hüften gebildeten Referenzrahmen, und Fuß- und Handgelenke Bedingungen im Labor untersucht werden müssen (Gibson 7979/1982:3). Weder eine
18
beschreiben wiederum Pendelbewegungen relativ zu Knien und Ellbogen. Beschreibung der Umwelt in Begriffen der modernen Physik, noch eine physiologische
Direkte Wahrnehmung und Erfahrung: Insgesamt billigt Johansson (1973:204) zwar der Beschreibung des Nervensystems und der Sinnesorgane sind als Ausgangspunkt für die
Erfahrung und dem Gedächtnis einen größeren Anteil bei der Wahrnehmung zu, als etwa Erklärung von Wahrnehmung geeignet: Am Anfang einer Wahrnehmungstheorie steht
Gibson das tut, aber er geht trotzdem davon aus, daß die Erklärung der Wahrnehmung das Verhältnis zwischen dem Wahrnehmenden und seiner Umwelt. Die Psychologie, so
vieler Ereignisse die Annahme einer obligatorischen Reizanalyse durch ein autonomes Gibson (7979/1982:2), muß mit der Ökologie beginnen, nicht mit Physik und Physiologie.
Wahrnehmungssystem voraussetzt. Selbst Kritiker von Gibsons Auffassung bescheinigen, daß er eine für den Fortschritt
Insbesondere die Wahrnehmung biologischer Bewegung ist wohl nur in geringem Maße der Wahrnehmungspsychologie entscheidende Frage gestellt hat:
durch Erfahrung vermittelt, denn in Form von Lichtpunktbewegungen sind die Versuchs­ He [...] asked the critically important question, How does one obtain constant perceptions in
personen nie vorher mit biologischer Bewegung konfrontiert worden (Johansson everyday life on the basis of continually changing sensations? This is exactly the right question,
1973:204); trotzdem wurden die Bewegungen spontan erkannt. Das änderte sich auch showing that Gibson correctly regarded the problem of perception as that of recovering frorn
sensory information »valid« properties of the extemal world. (Marr 1982:29)
dann nicht, wenn die Lichtpunktmuster manipuliert wurden, etwa indem die Lichtpunkt­
gestalt so gefilmt wurde, daß die translatorische Komponente der Bewegung nicht mehr
Direkte Wahrnehmung und optische Anordnung: Gibson vertritt uneingeschränkt die
gesehen werden konnte, oder wenn das Muster auf dem Bildschirm sich um seine eigene
Auffassung, daß wir die Umwelt direkt wahrnehmen und nicht vermittels Inferenzen,
Achse drehte (Johansson 1973:209f). Gegen die Annahme erfahrungs- und lernbasierter
Berechnungen oder mentaler Modelle. Bei der visuellen Wahrnehmung sind die Informa­
Wahrnehmungsmechanismen spricht auch, daß die Versuchspersonen auch nach längerer
tionen über die Entitäten in unserer Umwelt in der den Wahrnehmenden umgebenden
Übung nicht in der Lage waren, die Punktbewegungen als abstraktes Muster zu sehen: Es
optischen Anordnung ("ambient optic array") vorhanden. Die optische Anordnung ist die
wird zwangsläufig eine biologische Bewegung erkannt (Johansson 1973:203). Johansson
dichte räumliche Verteilung von Licht um den Wahrnehmenden (oder einen beliebigen
(1973:210) folgert daher:
anderen Punkt). Man kann sich diese Anordnung als eine Kugel vorstellen, die sich in
[...] it seems to be a highly mechanical, automatic type of visual data treatment that is most im- jedem Raumwinkel durch Intensität und spektrale Zusammensetzung des Lichts unter­
portant. Mathematically lawful spatio-temporal relations in the proximal Stimulus pattern scheidet. Diese optische Anordnung enthält Information über die Umgebung, da sie durch
(complex or impoverished) determine the perceptual response. 20
die reflektierenden Oberflächen der Umgebung bestimmt i s t . Jeder Typ von Ereignissen
Zusammenfassung: Johansson vertritt eine gemäßigt direkte Theorie der Wahrnehmung, spezifiziert nun bestimmte, ereignistypische Informationen durch Störungen in der opti­
in der Bewegungswahrnehmung im Rahmen einer projektiven Geometrie erklärt wird. schen Anordnung. Zu diesen Störungen zählen etwa Abgang und Zuwachs von Einheiten
Insbesondere hat Johansson anhand von Lichtpunktexperimente gezeigt, daß Bewegungen an einer Seite einer Kontur, Kleiner- und Größerwerden von Lücken, Auftauchen von
immer relativ zu einem Bezugssystem wahrgenommen werden, welches selbst wiederum Kanten, Verformungen, Verschwinden durch Kleinerwerden, etc. (Gibson 7979/1982:115,
bewegt sein kann. Die Ergebnisse haben sich auch bei der Analyse biologischer Bewegun­ Gibson et al. 1969:114f). Diese Informationen müssen vom Wahrnehmenden lediglich
gen eindrucksvoll bestätigt, ebenso wie die Annahme, daß Ereigniswahrnehmung nicht entdeckt werden. Dabei ist das wahrgenommene Ereignis selbst nicht mit der Verände­
auf die Wahrnehmung von Abfolgen statischer Konstellationen reduziert werden kann. rung in der optischen Anordnung zu verwechseln, die dieses Ereignis spezifiziert. Der
Bewegung eines Gegenstands entspricht etwa - wie oben schon erwähnt - in der
optischen Anordnung eine kontinuierliche Verdeckung und Aufdeckung von
6.1.3 Ökologische Wahrnehmungspsychologie und transformationelle Invarianten Hintergrundtextur. Lediglich die zeitliche Struktur eines Ereignisses und die zeitliche
(Gibson, Shaw) Struktur der Störungen in der optischen Anordnung sind identisch (Gibson
7979/1982:117).
Der ökologische Ansatz: Der Ausgangspunkt für die von James J. Gibson begründete und
später von Robert E. Shaw und anderen weiterentwickelte ökologische Wahrnehmungs-
Die ökologische Wahrnehmungstheorie Gibsons ist v.a. in Gibson (7079/1982) umfassend
dargestellt; Zusammenfassungen finden sich etwa in Mace (1977), Turvey et al. (1981:2380),
Die linguistischen und ontologischen Konsequenzen aus Johanssons Experimenten zu biologi­ Reed (1988), Guski (1996:42ff).
scher Bewegung werden in Kapitel 6.3.2 und 6.2.2 diskutiert. Vgl. etwa Guski (1996:65).
274 275

Beim Entdecken der Informationen in der optischen Anordnung spielt die Aktivität des feld, z.B. den Boden gesehen. Nun korreliert die Textur einer relativ zum Beobachter
Beobachters eine wichtige Rolle. Das gilt sowohl für die Steuerung der Aufmerksamkeit geneigten Fläche in der optischen Anordnung in ihrer Dichte mit der Entfernung des
auf etwas (Gibson 7979/1982:2571) als auch für die Eigenbewegungen des Wahrnehmen­ jeweiligen Teils der Fläche (Texturgradient). So nimmt die Größe eines Fliesenmusters,
den und den dabei entstehenden kontinuierlichen optischen Fluß (vgl. Mace 1977:47ff). 21
wie in Abb. 13, in der optischen Anordnung mit zunehmender Entfernung ab, während
seine Dichte zunimmt. Die Größe eines Gegenstands auf einem solchen Boden wird nun
Invarianz und direkte Wahrnehmung: Die direkte Wahrnehmungstheorie Gibsons legt - so
im Verhältnis zur Bodentextur wahrgenommen und relativ zu dieser Bodentextur ist die
könnte man sagen - ihren Schwerpunkt auf distale Faktoren. Gibson selbst hält allerdings
Größe des Gegenstandes konstant. Das heißt, es ist entscheidend, daß das Verhältnis zwi­
sowohl die Stimulus-Reaktion-Vorstellung als auch die Distal-Proximal-Unterscheidung
22
schen Bodentextur und Gegenstandsgröße unabhängig von der Entfernung invariant
für unangemessen und spricht stattdessen von zu entdeckenden Informationen. Dabei
bleibt, und zwar nicht nur auf der Netzhaut, sondern - und das ist ja die Idee der direkten
findet sich die gesamte wahrnehmungsrelevante Information in der optischen Anordnung, Wahrnehmung - auch in der Außenwelt. Über die Entdeckung solcher Invarianten wie
die durch die Entitäten der Umwelt determiniert ist. Der Wahrnehmungsprozeß, so Gibson dem konstanten Verhältnis zwischen Gegenstandsgröße und Texturgradient kann die
(7979/1982:2) "besteht nicht in der Verarbeitung sensorischer Eingänge, sondern im Ex­ Umwelt also direkt wahrgenommen werden.
trahieren der Invarianten aus dem Reizfluß." Ein Beispiel, das gleichzeitig den hier er­
wähnten Begriff der Invariante einführt, soll dies verdeutlichen: Ereignisauffassung: Unter Ereignissen versteht Gibson (7979/1982:260) jede Art von
Änderungen chemischer, mechanischer oder biophysischer Art. Warren / Shaw (1985:19)
verallgemeinern den Ereignisbegriff wie folgt, wobei zu bemerken ist, daß Ereignisse hier
zwar auf Veränderungen, anders als bei Lombard (1986) aber nicht auf Gegenständen ba­
sieren.

An event is a minimal change in an energy potential (or between energy potentials) within some
intrinsically determined region of space-time.

Shaw / Flascher / Mace (1994:475) betonen, daß Ereignisse keine kognitiven Konstrukte
sind, sondern physikalische Entitäten. Eben deshalb bedarf die Wahrnehmung von Ereig­
nissen keiner komplexen kognitiven Vermittlungsprozesse, sondern basiert auf einfachen
Mechanismen der Informationsdetektion. Ereignisse werden damit als grundlegende En­
titäten aufgefaßt (Shaw / Flascher / Mace 1994:475) und als primär gegenüber der Zeit:
Wir sollten endlich dazu kommen, Ereignisse für die eigentlichen, primären Realitäten zu halten
und die Zeit als davon abstrahiert [...]. Ereignisse kann man wahrnehmen, nicht aber die Zeit.
Abb. 13: Eine dem Sehwinkel entsprechende Neigung einer texturierten Bodenfläche (Gibson 7979/1982:107)
erhöht den Texturgradienten mit zunehmender Entfernung (links). Gegenstände auf
Gegenstand der wahrnehmungspsychologischen Forschung zu Ereignissen sind dabei nach
solchen texturierten Flächen sehen auch bei unterschiedlicher Entfernung vom Be­
Gibson (7979/1982: lOOf) sogenannte ökologische Ereignisse, die - als ökologische Ereig­
trachter gleich groß aus; bei entsprechenden Figuren ohne Information über den Tex­
nisse - sehr einfach strukturiert sind, während die dahinterstehenden physikalischen Er­
turgradienten entsteht diese Wahrnehmung nicht (rechts) (aus Guski 1996:45,47).
eignisse äußerst komplex sein können.
Betrachtet werden von Gibson lediglich Ereignisse, die unabhängig vom Wahrnehmen­
Traditionelle Wahrnehmungstheorien müssen die Tatsache, daß ein Gegenstand mit
den und seinem Standort stattfinden und die nicht im physikalischen Mikro- oder Makro-
zunehmender Entfernung retinal immer kleiner wird, aber dennoch als konstant groß 24 25
bereich angesiedelt sind. Gibson (7979/1982: lOlff) klassifiziert im Rahmen seiner
wahrgenommen wird, dadurch erklären, daß sie bestimmte Verrechnungsmechanismen
ökologischen Wahrnehmungspsychologie diese Ereignisse wie folgt:
für das Verhältnis zwischen retinaler und tatsächlicher Größe annehmen, z.B. Berechnun­
• Veränderungen in der Flächenanordnung (infolge Krafteinwirkung): Dazu gehören
gen, die auf den Unterschieden der beiden Netzhautbilder basieren, welche um so größer
Bewegungen und Formveränderungen, z.B.: i) starre Translationen (Fallen eines Kör­
sind, je näher der wahrgenommene Gegenstand dem Auge ist. Gibson dagegen findet eine,
23 pers, Fliegen eines Pfeils) und Rotationen (Öffnen einer Tür, Rollen eines Balls); ii)
andere Erklärung: In normaler Umgebung werden Gegenstände in Bezug auf ein Um-
Kollisionen (mit und ohne Rückprall); iii) nichtstarre Verformungen (z.B. von Flüssig-

2 1
Der Begriff der optischen Anordnung wird im Zusammenhang mit ontologischen und linguisti­ Damit sollen Ereignisse auf atomarer oder kosmischer Ebene ausgeschlossen werden.
schen Fragen zur Abhängigkeit von Ereignis, Raum und Gegenstand in Kapitel 6.2.3 und 6.3.* Andere Verteter der ökologischen Wahrnehmungspsychologie berücksichtigen allerdings, so
wieder aufgegriffen. wie schon Johansson (1978:680), auch all die Ereignisse, die unter Einbeziehung des Wahr­
2 2
Vgl. dazu Mace (1977:48ff, 1985:61ff). nehmenden selbst zustande kommen, also v.a. Eigenbewegungen des Wahrnehmenden (Warren
2 3 /Shaw 1985:10).
Vgl. etwa Gibson (7947/1982).
276
277
keitstropfen, Tonklumpen oder Veränderungen in der Körperhaltung); iv) Oberflächen­ Invarianten Funktionen oder Funktionale, die in der Zeit konstant sind, während struktu­
verformungen (z.B. Fließen, Wellenbildung, elastische Veränderungen); v) Ober- relle Invarianten im Raum konstant sind." (Shaw / Flascher / Mace 1994:473) Ein Ereig­
flächenzerfall (z.B: Explodieren, Zersetzen, Zerreißen, Brechen). nis, so Shaw / Flascher / Mace (1994:464), ist dann perzeptuell spezifiziert, wenn beide
• Veränderungen der Farbe und Textur (infolge Veränderungen in der Zusammensetzung Typen invarianter Information verfügbar sind, wenn die Funktion E(TI,SI) bewertet wer­
der Flächen): Hier fuhrt Gibson v.a. Veränderungen der Oberfläche von Pflanzen, Tie­ den kann, im Fall eines rotierenden Rades also E(TI=Rotation,SI=Rad).
ren und von terrestrischen Oberflächen an, z.B. Grünen, Verwelken, Blühen, Haut- und
Transformationelle Invarianten und die Wahrnehmung von Alterungsprozessen: Anhand
Fellverfarbungen, Gesteinsverwitterung, Rosten, u.s.w.
der Beantwortung der oben gestellten Frage nach der Wahrnehmung von Alterungsprozes­
• Werden und Vergehen von Oberflächen (infolge Veränderungen im Zustand der Mate­
sen von Gesichtern soll die Verwendung des Begriffs der transformationellen Invariante
rie): Dazu gehören solche Ereignisse, die essenzielle Oberflächeneigenschafiten von Ge­
erläutert werden. Pittenger / Shaw (1975.375) gehen dabei davon aus, daß relative Alters­
genständen verändern, z.B. Verdampfen, Schmelzen, Wolkenbildung, Gefrieren, Ver­
einschätzungen von Gesichtern auf der Fähigkeit basieren, einen ganz bestimmten durch
einigung, Kondensation, Auseinanderfallen, u.s.w.
Alterung des Kopfes und Gesichts hervorgerufenen Typ von Veränderung zu entdecken.
Strukturelle und transformationeile Invarianten: Eine Theorie der Wahrnehmung von Dabei stehen drei Typen von Veränderungen als transformationeile Invarianten zur Dis­
Ereignissen muß zum einen die Art der Veränderung spezifizieren, die konstitutiv ist für kussion:
das Ereignis und seine Wahrnehmung, und sie muß zum anderen erklären, wie unsere • "radial transformation": radiales Wachstum des Kopfes ohne Berücksichtigung relatio­
Wahrnehmung zustande kommt, daß die am Ereignis beteiligten Gegenstände mit sich naler Größenveränderungen innerhalb des Gesichts bzw. Kopfs;
26
selbst über die Ereigniszeit hinweg identisch sind. Woran etwa erkennen wir, daß ein • "shear transformation": eine Verlängerung der Kinn-Hinterkopf-Diagonale des Kopf­
Gesicht über die Jahre hinweg gealtert ist, aber dennoch dasselbe Gesicht derselben Person profils,
ist? Zur Beantwortung dieser Frage ist in der ökologischen Wahrnehmungspsychologie der • "strain transformation" eine Veränderung von einem relativ ausgedehnten oberen Teil
27
Begriff der Invariante eingeführt worden. Diejenige perzeptuelle Information, die den des Kopfprofils zu einem relativ ausgedehnten unteren Teil des Kopfprofils.
Typ des Ereignisses charakterisiert, wird als transformationeile Invariante bezeichnet und
als mathematische Transformation spezifiziert, die bestimmte Eigenschaften eines Gegen­
stands verändert und andere unverändert läßt, und die über die Ereigniszeit hinweg kon­
28
stant i s t , d.h., über eine zeitlich persistierende dynamische Eigenschaft verfügt. Solche
Transformationen enthalten wiederum bestimmte Variablen, die für diejenigen Parameter
stehen, welche für das Ereignis nicht charakteristisch sind. Die Wahrnehmung von Rota­
tionsbewegungen basiert z.B. auf einer für diesen Ereignistyp charakteristischen
Rotationstransformation, die für das Einzelereignis spezifische Variablen für die Anzahl
29
der Rotationen oder die Geschwindigkeit enthält.
Während die transformationeile Invariante (TI) also den Typ des Ereignisses charakte­
risiert, bestimmt die strukturelle Invariante (SI) über die in der Transformation unverän-*
derten Eigenschaften die Identität des Gegenstandes, der am Ereignis beteiligt ist, z.B^
bestimmte gegenstandstypische räumliche Konfigurationen. Bei einer Rotationstransför-y
mation bleibt sowohl die Form als auch der Ort des rotierenden Gegenstands unverändert,
während sich seine Orientierung im Raum verändert. Damit "sind transformationell$<
l
2 6
Vgl. etwa Pittenger / Shaw (1975:374).
2 7
Vgl. zu den folgenden Ausführungen Shaw / Flascher / Mace (1994).
2 8
Zur Konstanz von Funktionen vgl. Shaw / Flascher / Mace (1994:473).
2 9
Eleanor Gibson hat das Erkennen solcher Invarianten bei Kindern untersucht. Wird fünf Mo­
nate alten Kindern eine Serie verschiedener starrer Translationen eines Schaumstoffgegen­
stands präsentiert, gefolgt von einer Deformation dieses Gegenstands, also einer nichtstarren
Veränderung, so sinkt die Aufmerksamkeit zunächst, um bei der Präsentation der Deformatio
deutlich anzusteigen. Da Kinder auf Eigenschaftsänderungen im Display mit Aufmerksamkeit Abb. 14: Veränderungen eines zweidimensionalen euklidischen Raums durch "shear trans­
Steigerung reagieren, nehmen Gibson / Owsley / Johnston (1978:413f) an, daß die Kinder i" formation" und "strain transformation"; Ausgangspunkt ist die Form mit der Koordinate 0:0
Wechsel von einer Translations- zu einer Deformationsinvariante entdeckt haben. Die Ent
deckung von transformationeilen Invarianten gehört damit zu den angeborenen oder zuminde (aus Shaw / Pittenger 1977:120).
früh erworbenen Fähigkeiten.
278 279

Radiale Transformationen haben sich als Information für die Alterseinschätzung von tionellen Invariante beschreiben, und zwar als eine "strain transformation" des Kopfpro­
32
Gesichtern bereits in älteren Arbeiten als unwichtig erwiesen (Pittenger / Shaw 1975:381), fils.
die Relevanz von "shear transformations" und "strain transformations" überprüfen Pitten­ Es sei noch am Rande angemerkt, daß Alterung mehr als nur in einem perzeptuellen
30
ger / Shaw (1975) in eigenen Experimenten. Die Auswirkung von "shear transform­ Sinn das Durchlaufen solcher Transformationen ist. Von etwas zu sagen, daß es gealtert
ation" und "strain transformation" auf einen zweidimensionalen euklidischen Raum il­ ist, meint ja tatsächlich nicht, daß sich einfach die Zeit seiner Existenz verlängert hat.
lustriert Abb. 14. Angewandt auf das Profil eines zehnjährigen Jungen ergibt die Kombi­ Beispiel (1) macht das deutlich:
nation aus beiden Transformationen die in Abb. 15 dargestellte Matrix aus computergene­ (1) a. sein Gesicht ist gealtert in den letzten Jahren
rierten Kopfprofilen. b. sein Gesicht ist überhaupt nicht gealtert in den letzten Jahren

/ • ; \ Wer (la) sagt, meint, daß das Gesicht bestimmte alterungstypische Veränderungen
Strain level {k) durchlaufen hat, während (lb) eben genau das verneint. 33

Zusammenfassung und Vergleich zwischen Johansson und Gibson /Shaw: Die ökologische
-.25 -.10 0 .10 .25 .35 .55
Wahrnehmungspsychologie vertritt eine uneingeschränkt direkte Auffassung von Wahr­
nehmungsprozessen, wobei visuelle Wahrnehmung auf dem Entdecken von Veränderun­
gen in der optischen Anordnung besteht. Zentral in den Arbeiten zur Ereigniswahrneh­
mung von Gibson und Shaw ist der Begriff der transformationeilen Invariante, durch die
der über die Zeit stabile Typ einer Veränderung spezifiziert wird.
34
Johanssons und Gibsons Theorien unterscheiden sich in einigen wichtigen Punkten:
• Johansson analysiert proximale Stimuli als Grundlage für das Perzept; Gibson glaubt,
alle wahrnehmungsrelevanten Informationen seien in der durch das umgebende Licht
determinierten optischen Anordnung zu finden.
• Johansson abstrahiert in Laborversuchen von vielen Eigenschaften von Ereignissen in
natürlicher Umgebung; Gibson betont die Notwendigkeit, die Reichhaltigkeit von Er­
eignisinformationen in der natürlichen Umgebung zu berücksichtigen.
• Johansson beschränkt sich auf Ereignisse, die unmittelbare Veränderungseindrücke im
optischen Fluß hervorrufen; Gibson und insbesondere Shaw halten auch langsame Er­
35
eignisse für direkt wahrnehmbar.
• Johansson unterscheidet im Gegensatz zu Gibson zwischen distalen, proximalen und
zentralen Ereignissen.
Die wichtigste Gemeinsamkeit der beiden Ansätze besteht darin, daß sie Ereignisse als
V. '
eigenständige Entitäten auffassen, deren Wahrnehmung nicht auf der Wahrnehmung von
Gegenständen basiert. Charakteristisch für die Wahrnehmung ist der optische Fluß in
Abb. 15: Transformation des Kopfprofils eines zehnjährigen Jungen durch "shear
seiner raumzeitlichen Dimension, während statische Anordnungen nach Gibson und Jo­
transformation" und "strain transformation"; Ausgangspunkt ist das Profil mit der Ko­
hansson praktisch keine Relevanz für die Wahrnehmungstheorie haben. Auch die Bedeu­
ordinate 0:0 (aus Shaw/Pittenger 1977:121). tung des Zusammenhangs von Ereignissen in der Außenwelt und Eigenbewegungen des
Wahrnehmenden ist von beiden immer wieder hevorgehoben worden. Schließlich ist bei
Insofern es hier lediglich um die Illustration des Begriffs der transformationeilen Invari­
ante geht, erübrigt sich die Darstellung der anhand der Matrix in Abb. 15 durchgeführten
31
Experimente. Das Ergebnis ist im Übrigen eindeutig: Die Wahrnehmung des relativen Pittenger / Shaw (1975:379f) testeten im Übrigen auch das Entdecken struktureller Invarianten;
die Versuchspersonen waren dabei in der Lage über das Auffinden der SI korrekt zu bestim­
Gesichtsalters basiert in überwiegendem Maße auf den durch die "strain transformation"
men, welches von zwei Schädelprofilen die Transformation eines anderen präsentierten Schä­
spezifizierten Informationen. Dabei werden auch bei nur geringer Veränderung des Profils delprofils war.
reliable Alterseinschätzungen erzielt. Die Information, die für die Wahrnehmung von In Pittenger / Shaws (1975:380) Worten: Der (lb) zugrundeliegenden Beobachtung liegt die
Gesichtsalterungsprozessen herangezogen wird, läßt sich also in Form einer transformar Wahrnehmung einer "identity transformation" zugrunde.
Vgl. dazu auch Mace (1985).
Eine solche Unterscheidung zwischen "schnellen" und "langsamen" Ereignissen ist nur in Be­
3 0
Zur mathematischen Formulierung dieser Transformationen vgl. Shaw / Pittenger (1977:121ff). zug auf proximale oder zentrale Faktoren zu treffen, in den Störungen der optischen Anord­
31 Vgl. dazu Pittenger / Shaw (1975:376ff) und Shaw / Pittenger (1977:112ff). nung, die Gibson betrachtet, gibt es eine solche Trennung natürlich nicht.
280 281

beiden Psychologen auch die Notwendigkeit unbestritten, Invarianten in Veränderungen die Gegenstandswahrnehmung erst unter der Ereigniswahrnehmung. Offenbar bestimmen
zu ermitteln, die bestimmte Ereignistypen kennzeichnen. 36
unterschiedliche Verarbeitungsmechanismen die Wahrnehmung von Bewegung und die
Die ökologische Wahrnehmungspsychologie ist eine Theorie uneingeschränkt direkter von Personen bzw. Gegenständen.
Wahrnehmung. Alle Informationen über Gegenstände und Ereignisse sind in der den Eine ganze Reihe weiterer Beobachtungen unterstützt diese Vermutung: So können
Wahrnehmenden umgebenden optischen Anordnung zu finden. Johansson vertritt dem­ Menschen im Normalfall natürlich auch unbewegte Gegenstände erkennen, im Gegensatz
gegenüber einen moderateren Standpunkt. Eine Vielzahl von Ereignissen kann direkt etwa zu vielen Reptilien, die ihre Beutetiere nur dann wahrnehmen, wenn diese sich be­
wahrgenommen werden, in dem Sinne, daß alle erforderlichen Informationen in den wegen (vgl. Johansson 7975/1987:168). Es gibt allerdings auch im Bereich menschlicher
proximalen Stimuli enthalten sind. Bei komplexeren oder langsamen Ereignissen spielen Wahrnehmung solche Phänomene: Im äußeren Randbereich des Sehfeldes etwa werden
aber nach Johansson (1973) neben der obligatorischen Reizanalyse durch ein autonomes unbewegte Gegenstände nicht mehr wahrgenommen, während Bewegungen hier noch
Wahrnehmungssystem auch zentrale, lernabhängige Einflüsse und das Gedächtnis eine erkannt werden. Es entsteht dabei lediglich eine Bewegungswahrnehmung, ohne daß
Rolle. Zudem betont Johansson auch die neuronale Basis der vom ihm postulierten Wahr­ jedoch eine Form oder ein Gegenstand einer bestimmten Sorte erkannt wird (vgl. Shaw /
nehmungsmechanismen (Johansson / Hofsten / Jansson 1980:37). Pittenger 1978:198, Guski 1996.84). Weiterhin ist beobachtet worden, daß etwa Schatten,
die zu schwach sind, um in Ruhe wahrgenommen zu werden, dann erkannt werden, wenn
sie sich bewegen. (Vgl. Shaw / Flascher / Mace 1994:488). Warren / Shaw (1985:7) ver­
weisen außerdem auf Experimente, die zeigen, daß unter bestimmten Bedingungen die
6.2 Ereignisontologische Probleme und die Ereigniswahrnehmung dreidimensionale Form eines Gegenstands erst erkannt wird, wenn dieser sich bewegt.
Schließlich bieten auch verschiedene Phänomene im Bereich von Scheinbewegungen
Evidenz für eine unabhängige perzeptuelle Bewegungskomponente. Dazu gehören u.a.
6.2.1 Die Frage der Abhängigkeit eines Ereignisses von einem Gegenstand stroboskopische Bewegungen ('Phi-Bewegung'), wie Film oder Lauflichter, bei denen die
beteiligten Gegenstände keine wirklichen Bewegungen vollführen (vgl. Kolers 1972, Shaw
Ereignisse als wahrnehmungstheoretische Größen: Wenn wir Äußerungen, die Existenz­ /Pittenger 1978:199, Guski 1996:179ff).
behauptungen über Ereignisse enthalten, durch Wahrnehmung begründen, so müssen
Neurologische Evidenz für die Unabhängigkeit von Ereignissen: Interessant sind neben
Ereignisse entweder ontologisch grundlegende Entitäten für die Wahrnehmungstheorie
wahrnehmungspsychologischen Überlegungen auch Ergebnisse aus der neurologischen
sein oder zumindest aus elementareren Entitäten der Wahrnehmungstheorie konstruierbar.
Agnosie-Forschung. Bei Patienten, die unter apperzeptiver Agnosie leiden, sind bei meist
Im Zusammenhang mit den Identitätsbedingungen für Ereignisse sind die drei folgenden
intaktem Seefeld Färb-, Helligkeits- und Schärfewahrnehmung unbeeinträchtigt, Formen
Fragen aufgetaucht: Sind Ereignisse ontologisch abhängig von Gegenständen? Sind Er­
und Objekte werden aber visuell nicht wahrgenommen. Dabei sind nicht-visuelle Formen
eignisse grob- oder feinkörnig aufzufassen? Sind Ereignisse an Räume gebunden? Jede 37
der Wahrnehmung ebenso wie die Sprache nicht beeinträchtigt. Typischerweise ist bei
dieser drei Fragen kann auch aus wahrnehmungspsychologischer Sicht betrachtet werden. dieser Form der Agnosie aber die Bewegungswahrnehmung nicht gestört. Efron
Die wahrnehmungstheoretischen Korrelate der drei Fragen lauten: (1968:156) und Benson / Greenberg (1969:83ff) berichten von einem Patienten, der nicht
• Ist die Wahrnehmung von Ereignissen abhängig von der Wahrnehmung von Gegen­ in der Lage war, ein auf ein Stück Papier gezeichnetes X oder O zu identifizieren. Wurden
ständen? die Buchstaben jedoch vor seinen Augen langsam geschrieben, konnte er aus der Art der
• Werden mehrere Ereignisse als zur gleichen Zeit am gleichen Ort stattfindend wahrge­ Schreibbewegung erkennen, daß es sich um ein X bzw. O handelte. Erkannt wurden die
nommen? Buchstaben auch, wenn das Papier nicht unbewegt vor dem Patienten lag, sondern lang­
• Wie werden Ereignisse als räumlich lokalisiert wahrgenommen? sam hin und her bewegt wurde. Farah (1990:7ff) führt weitere Fälle an und berichtet auch
Diese Fragen sollen in diesem und den beiden folgenden Kapiteln beantwortet werden. von Untersuchungen, die zeigen, daß Objekt- und Bewegungswahrnehmung offenbar über
Wahrnehmungspsychologische Evidenz für die Unabhängigkeit von Ereignissen: Ein andere neuronale Kanäle und in verschiedenen Gehirnarealen verarbeitet werden. Erst die
zentrales Argument für die perzeptuelle Unabhängigkeit von Ereignissen liefern Johans­ Wahrnehmung von Bewegungsstrukturen führt also offenbar zur Wahrnehmung von Ge­
sons (1973) Lichtpunktexperimente, wie sie in Kapitel 6.1.2 dargestellt wurden. Ganz genstandsstrukturen (Farah 1990:39).
offenbar setzt die Wahrnehmung von Bewegung im Allgemeinen und von bestimmten Es werden neben Fällen mit gestörter Gegenstandswahrnehmung auch einige Fälle von
Arten von Bewegung wie Gehen, Laufen oder Tanzen nicht die Wahrnehmung der Dinge Gelurnverletzungen berichtet, bei denen die Gegenstandswahrnehmung unbeeinträchtigt
oder Personen voraus, die an diesen Ereignissen beteiligt sind. Vielmehr konstituiert sich ist, aber die Bewegungswahrnehmung stark gestört ist. So berichten Pötzl / Redlich (1911)
von einer Patientin, die nicht in der Lage war, bewegten Gegenständen mit den Augen zu
folgen, und die Gegenstände erst dann fixieren konnte, nachdem sie eine Weile unbewegt
3 6
Vgl. Mace (1985:56); zumindest werden die theoretischen Diskrepanzen zwischen GibsonS
Invariantenentdeckung und Johanssons Vektoranalysen gewöhnlich nicht sehr hoch veran­
schlagt (Warren / Shaw 1985:5). Vgl. Farah (1990) zu den verschiedenen Agnosie-Formen.
282 283

präsentiert wurden. Einen Fall von fast völlig gestörter Wahrnehmung vertikaler, hori­
zontaler und Tiefenbewegung schildern Zihl / Cramon / Mai (1983:315):
The visual disorder complained of by the patient was a loss of movement vision in all three
dimensions. She had difficulty, for example, in pouring tea or coffee into a cup because the fluid
appeared to be frozen, like a glacier. In addition, she could not stop pouring at the right time
since she was unable to perceive the movement in the cup (or a pot) when the fluid rose. [...] In a
room where more than two people were walking she felt very insecure and unwell, and usually
left the room immediately, because 'people were suddenly here or there but I have not seen them
moving'. [...] She could not cross a street because of her inability to judge the speed of a car, but V J
she could identify the car itself without difficulty. When I'm looking at the car first, it seems far
away. But then, when I want to cross the road, suddenly the car is very near.' She gradually Abb. 16: Zykloidbewegung eines Radrandpunktes.
learned to estimate' the distance of moving vehicles by means of the sound becoming louder.
Sind jedoch beide Punkte markiert, so zeichnet der Achsenpunkt nach wie vor eine gerad­
Während in dem von Efron (1968) und Benson / Greenberg (1969) geschilderten Fall der linige Spur, während der Randpunkt um den Achsenpunkt zu rotieren scheint. Ebenso
Patient Buchstaben erkennen konnte, wenn er der Schreibbewegung der Hände folgte, tritt nehmen wir das Rollen eines Rades auch in natürlichen Wahrnehmungssituationen wahr.
bei der von Zihl / Cramon / Mai (1983:333) untersuchten Patientin ein komplementärer Das Rad bewegt sich in eine bestimmte Richtung (Translationsbewegung) und dreht sich
Effekt auf. Sie kann einer gezeichneten Linie nicht mit dem Zeigefinger folgen, weil sie dabei um seine eigene Achse (Rotationsbewegung). Dabei wird der Punkt an der Achse als
die Bewegung der eigenen Finger visuell nicht wahrnimmt. Bezugspunkt für die Bewegungswahrnehmung der nichtzentralen Punkte des Rades
Untersuchungen und Experimente mit der Patientin, sowie die Sichtung ähnlicher Fälle herangezogen, während der Achsenpunkt selbst relativ zur statischen Umgebung des Ra­
lassen Zihl / Cramon / Mai (1983:336) zu dem Schluß kommen, daß Bewegungswahr­ des wahrgenommen wird (Duncker 1929:242) (s. Abb. 17).
nehmung funktional eigenständig und an ein ganz bestimmtes Areal im Cortex gebunden
ist. Die Lokalisierung dieses sogenannten V5-Feldes für Bewegungswahrnehmung inner­ .
halb der Sehrinde des Cortex beschreibt etwa Thompson (V°S5/1990:191f). Schenk / Zihl
(1997:1296) bestätigen in einer späteren Untersuchung die Existenz des V5-Areals, das
symmetrisch und kontralateral auf die Sehrinde beider Hemisphären verteilt ist.

Zusammenfassung: Die psychologischen und neurologischen Untersuchungen zur Wahr­


nehmung von Bewegungsereignissen zeigen, daß erstens Bewegungswahrnehmung auch
ohne die Wahrnehmung von Gegenständen zustandekommt, und zweitens, daß Bewe­
gungswahrnehmung an andere corticale Areale gebunden ist als die Wahrnehmung von V J
Gegenständen. Die Integration von Gegenständen und Bewegungen zu einem Perzept von
sich bewegenden Gegenständen erfolgt offenbar erst auf einer späteren Verarbeitungs­ Abb. 17: Rotationsbewegung eines Radrandpunktes um den Achsenpunkt.
ebene. Also: Die Wahrnehmung von Ereignissen (d.h., Bewegungsereignissen) ist grund­
Translation und Rotation: In Bezug auf den statischen Hintergrund ließe sich ein rollendes
legend und nicht von der Wahrnehmung von Gegenständen abhängig. Inwiefern dies auch
Rad also als ein Ereignis beschreiben, daß aus der Summe der Zykloidbewegungen aller
für die Wahrnehmung anderer Arten von Ereignissen gilt, also etwa für die Wahrneh­
seiner Teile besteht, wobei die Bewegung des Achsenpunkts als ein Null-Zykloid aufgefaßt
mung von kontinuierlichen Färb- oder Oberflächenveränderungen, lassen zumindest die werden kann. Statt dessen nehmen wir aber zwei unterschiedliche Bewegungen wahr. Das
neurologischen Überlegungen noch offen. hängt, so die Annahme von Shaw / Flascher / Mace (1994:485f), damit zusammen, daß
die Dekomposition des Ereignisses in eine Translations-TI und eine Rotations-TI eine
38
einfachere Beschreibung des rollenden Rades darstellt. Ereignisdekompositionen bevor­
6.2.2 Die Frage der Körnigkeit eines Ereignisses zugen Teile von großer Invarianz, und die Translationsbewegung und die Rotationsbewe­
gung sind konstanter als die Zykloidbewegung: Die Translation ist konstant hinsichtlich
Ein rollendes Rad: Das wahrnehmungspsychologische Pendant der ontologischen Überle­ des Achsenabstands zur Grundfläche und die Rotationsbewegung hinsichtlich des radialen
gungen zur Körnigkeit von Ereignissen soll anhand einer auf Duncker (1929:239ff) zu­ Abstands aller Radpunkte zum Achsenpunkt. Ahnliche Ereignisdekompositionen liegen
rückgehenden Beobachtung dargestellt werden. Wenn ein Rad, dessen Achsenpunkt durch auch der Wahrnehmung anderer Bewegungsereignisse zugrunde, wie etwa der Wahrneh­
ein Licht markiert ist, im Dunkeln über eine Ebene rollt, so sieht man den Punkt e i n | mung der in Kapitel 6.1.2 beschriebenen biologischen Bewegungen.
geradlinige Spur beschreiben (s. Abb. 16, Punkt B). Ist statt des Achsenpunkts lediglic",
ein Randpunkt des Rades markiert, so scheint dieser eine sogenannte zykloide Bewegun
zu vollführen (s. Abb. 16, Punkt A). TI = transformationeile Invariante', s. dazu Kapitel 6.1.3.
284
285
Die Körnigkeit wahrgenommener Ereignisse: Die Position, die Shaw und andere Vertreter
Der Ort visueller Ereignisse: In Kapitel 5.3.2 sind die Probleme aufgezeigt worden, die
einer direkten, ökologischen Wahrnehmungspsychologie hinsichtlich Ereignissen vertre­
entstehen, wenn man versucht, sensorischen Ereignissen wie dem Erklingen eines Gongs
ten, verdeutlicht folgendes Zitat, wobei der Bezug zu der Frage nach der Körnigkeit von
oder dem Aufleuchten einer Lampe einen Ort zuzuweisen. Wo also finden etwa die in (2)
Ereignisauffassungen offensichtlich ist:
geschilderten visuellen Ereignisse statt? Oft ist es naheliegend zu sagen, daß der Ort des
Der gleiche Gegenstand kann an verschiedenen Ereignissen beteiligt sein, aber verschiedene Ge­ Ereignisses der seiner Partizipanten ist, in (2a) also der des Neonkreuzes und in (2b) der
genstände können auch am gleichen Ereignis beteiligt sein. Ein Ball z.B. kann hüpfen und rollen
der Brillengläser. Das scheint aber erstens unserer Intuition zu widersprechen, daß das
oder sich drehen; es handelt sich dabei keineswegs um dasselbe Ereignis, nur weil derselbe Ge­
genstand beteiligt ist. Es ist auch nicht dasselbe Ereignis, nur weil die (sich elastisch wiederher­ Schimmern in (2b) nicht dort ist, wo die Brillengläser sind, sondern eher von ihnen aus­
stellende) Form des Balls als strukturelle Invariante gemeinsam ist. Hüpfen, Rollen und Drehen zugehen scheint und zudem auch in irgendeiner Weise von der Wahrnehmung durch
sind vielmehr drei verschiedene Ereignisse, da sie drei verschiedene Transformationen oder Än­ jemanden abhängig ist. Zweitens wäre man in Beispielen wie (2c) und (2d) angehalten,
derungsstile durchlaufen, wobei jede durch ihre eigene TI charakterisiert ist. (Shaw / Flascher / das Glitzern und Scheinen dort zu verorten, wo das Licht ist. Das Licht ist aber kein vom
Mace 1994:471) Scheinen und Glitzern unabhängiger Gegenstand, sondern es konstituiert sich in genau
Diese wahrnehmungspsychologische Auffassung von Ereignissen zeigt deutliche Paralle­ diesem Scheinen und Glitzern. Drittens schließlich reden wir über solche visuellen Ereig­
len zu einigen der in Kapitel 5.3 diskutierten ereignisontologischen Theorien, insbeson­ nisse oft in unpersönlichen Konstruktionen wie (2e) und (2f), die es nahelegen, daß dabei
dere zu Lombards (1986) Auffassung von Ereignissen als Exemplifizierungen von Verän­ überhaupt kein Gegenstand involviert ist.
derungstypen. Verschiedene Ereignisse - so sind Shaw / Flascher / Mace (1994) wohl zu (2) a. in der Ferne leuchtete das Neonkreuz auf der Nicolaikirche
verstehen - liegen überall dort vor, wo verschiedene transformationelle Invarianten ent­
b. ihre Brillengläser schimmerten
deckt werden. Insofern als ein Gegenstand nach Shaw / Flascher / Mace gleichzeitig in
c. das Sonnenlicht glitzerte zwischen den Blättern der hohen Bäume
verschiedene Ereignisse involviert sein kann, liegt ihrem Ereignisverständnis eine fein­
d. ein Licht schien durch den Türspalt
körnigere Auffassung zugrunde als etwa Quines Kriterium 1-4 (s. Kap. 5.2.3). Da auf der
e. es funkelte und strahlte überall
anderen Seite z.B. die Geschwindigkeit einer Rotation einen Parameter darstellt, der
f. es blitzte
außerhalb der Definition der ereigniskonstituierenden Tis bleibt, sind die Rotation des
Rades und seine schnelle Rotation dasselbe Ereignis. Ein solches Ereignisverständnis ist Ich will im Folgenden Überlegungen dazu präsentieren, in welchem Zusammenhang sol­
damit grobkörniger als etwa ein an Kims Kriterium 1-3 angelehntes (s. Kap. 5.2.2). che sensorischen Ereignisse mit den sie verursachenden Ereignissen und mit ihrer Wahr­
nehmung durch einen Betrachter oder Zuhörer stehen.
Zusammenfassung: Aus wahrnehmungspsychologischer Sicht ist festzustellen, daß an
einem Gegenstand gleichzeitig mehrere Ereignisse wahrgenommen werden können. Beim Stell dir vor, ein Baum fällt um, und keiner hört zu: Zu den klassischen Problemen der
Rollen eines Rades etwa sehen wir sowohl ein Rotations- als auch ein Translationsereig­ Erkenntnistheorie gehört die Frage, ob ein im Wald umfallender Baum auch dann ein
39
nis. Solche wahrnehmungspsychologisch bestimmten Ereignisauffassungen zeigen deut­ Geräusch erzeugt, wenn niemand da ist, um es zu hören. Diejenigen, die diese Frage
liche Parallelen zu ereignisontologischen Theorien mittlerer Körnigkeit, wie etwa zu bejahen, führen an, daß das Geräusch direkt durch den umfallenden Baum erzeugt wird
Lombards (1986) Auffassung von Ereignissen als Veränderungen. und insofern objektiv vorhanden ist. Dafür spricht auch die Tatsache, daß zwei vermeint­
liche Zuhörer genau denselben ('identischen') Knall hören würden und dieser also unab­
hängig von den Wahrnehmenden vorhanden ist. Das ist ganz anders etwa bei dem
6.2.3 Die Frage nach dem Ereignisort Schmerz, den jemand wahrnimmt, wenn er von einer Wespe gestochen wird. Dieser
Schmerz wird immer subjektiv sein und nicht-identisch mit dem Schmerz, den ein' anderer
Einleitung: In Kapitel 5.3.2 ist dafür plädiert worden, den Raum eines Ereignisses nicht empfindet, wenn er von der gleichen Wespe genauso heftig gestochen wird.
zur Bestimmung des Ereignisbegriffs über ein Identitätskriterium heranzuziehen, und Diejenigen dagegen, die die obige Frage verneinen, argumentieren, daß das Geräusch
zwar erstens, weil viele Ereignisse offenbar raumlos sind, und zweitens, weil unklar ist, lediglich das Ende der Kausalkette sei, die anfangt mit dem Umfallen des Baums, gefolgt
was prinzipiell unter dem Raum eines Ereignisses zu verstehen ist. Vor allem wurde deut­ von der dadurch hervorgerufenen Vibration, den wiederum dadurch ausgelösten Schall­
lich, daß der Ort eines Ereignisses nicht mit dem seiner Partizipanten identifiziert werden wellen und den so verursachten sensorischen und neurologischen Vorgängen. Erst am
kann: Witterungsereignisse scheinen keine Partizipanten zu haben, sensorische oder ab­ Ende dieser Kette steht das Geräusch als eine subjektive Größe der Wahrnehmung.
strakte Ereignisse finden offenbar nicht dort statt, wo sich ihre vermeintlichen Partizipan­ Außerdem könne man von Geräuschen sagen, daß sie laut oder tief seien. Wenn man aber
ten befinden. Aber selbst wenn man den Ereignisraum nicht zur Identifizierung von Er­ nun die Geräusche mit den Schallwellen identifiziert, würde dies bedeuten, daß die
eignissen heranzieht, so ist doch unbestritten, daß wir bei vielen Ereignissen über den Ort, Schallwellen laut oder tief sind. Man kann von Bewegungen wie etwa Schallwellen aber
wo sie stattfinden, reden können. Was wir unter dem Ort von sensorischen Ereignissen
wie Knallen, Blitzen oder Schimmern verstehen, soll in diesem Kapitel erörtert werden.

Vgl. zum Folgenden Landesman (1997:17ff).


286 287

nicht sinnvollerweise behaupten, daß sie laut oder tief sind. Dies sind Eigenschaften von einem gemeinsamen Beobachtungsstandort aus werden zwei Beobachter mit gesunden
subjektiven Wahrnehmungsgrößen. Augen damit auch immer genau den gleichen Grad an Helligkeit wahrnehmen.
• Da die umgebende optische Anordnung in räumlichen Begriffen formuliert ist, können
Ereignisse in der optischen Anordnung: Ein ähnliches existenzielles Problem wie wir es
wir dem Schimmern einen Ort zuweisen, ohne gezwungen zu sein, diesen Ort an einen
gerade für Geräusche, also akustische Ereignisse wie z.B. Knallen, Donnern oder Knacken
bestimmten Gegenstand zu knüpfen. Ereignisse ohne Partizipanten sind also nicht not­
diskutiert haben, existiert auch im Bereich visueller Ereignisse wie Schimmern, Leuchten
wendigerweise raumlose Ereignisse. Der Raum, den das Schimmern einnimmt, ist als
oder Funkeln. Wir können also überlegen, ob die Brillengläser auch dann schimmern,
Ausschnitt aus der optischen Anordnung allerdings ein Raum, der nur relativ zu einem
wenn kein Betrachter da ist oder der Betrachter einen anderen Standpunkt einnimmt, von
ganz bestimmten Punkt existiert. Da dasselbe Schimmern, das von einem Punkt ri zu
dem aus zwar die Brillengläser, nicht aber das Schimmern zu sehen ist.
sehen ist, gewöhnlich auch von weiteren Punkten *2 bis bis r in der Nähe von ri gese­
n

Die Tatsache, daß ein Schimmern eventuell nicht mehr wahrgenommen wird, wenn der hen werden kann, muß es genauer heißen, daß der Ort des Schimmerns ein Ausschnitt
Betrachter den Standort wechselt, macht deutlich, daß das Schimmern der Brillengläser aus all den optischen Anordnungen ist, die von den Punkten r\ bis r„ konstruiert wer­
darauf basiert, wie das auf die Brillengläser auftreftende Licht an einzelne Punkte im den können.
Raum reflektiert wird. Diese Relation zwischen einem Punkt im Raum und dem umgeben­
den Licht liegt nun, wie wir in Kapitel 6.1.3 gesehen haben, Gibsons Idee der optischen Perzeptuelle Anordnung und der Ort von Geräuschen, die keiner hört: Was läßt sich nun
Anordnung zugrunde. Schimmern, Glitzern, Funkeln und ähnliche visuelle Ereignisse zu sensorischen Ereignissen sagen, die auf andere Sinnesmodalitäten bezogen sind, also
sind - und das ist die These dieses Abschnitts - Ereignisse in der optischen Anordnung. 40
akustische (Knallen, Ticken, Krachen), olfaktorische (Stinken, Duften) oder haptische
Diese These ermöglicht es, verschiedene Widersprüche aufzulösen, die andere denkbare Ereignisse (Drücken, Kneifen)? Mace (1977:52f) geht davon aus, daß sich Gibsons Begriff
Konzeptionen solcher Ereignisse mit sich bringen: der umgebenden optischen Anordnung auf andere Modalitäten ausweiten läßt. Das scheint
• Der Widerspruch zwischen einem objektiven und einem subjektiven sensorischen Er­ zumindest für den akustischen Bereich plausibel. Mace (1977) geht zwar nicht ins Detail,
eignis löst sich auf. Ein Schimmern ist weder subjektiv, in dem Sinne, daß es nur in aber man kann sich z.B. unter der umgebenden akustischen Anordnung so etwas wie die
den Sinneseindrücken eines Wahrnehmenden existiert, noch ist es objektiv in dem dichte Verteilung von Schallwellen um einen Bezugspunkt vorstellen. Akustische Ereig­
Sinne, daß es eine absolute Eigenschaft oder Veränderung von Lichtwellen im Raum nisse sind dann Ereignisse in dieser akustischen Anordnung. Akustische können dabei
ist. Vielmehr ist es eine Veränderung des Lichts relativ zu einem Punkt, der eine ebenso wie visuelle Ereignisse in einem Ausschnitt der perzeptuellen Anordnung situiert
Menge von Raumwinkeln beschreibt. Diese Veränderung in der optischen Anordnung werden (3 a) oder auch in der gesamten Anordnung (3b).
ist unabhängig davon, ob sich an dem zentralen Bezugspunkt der Anordnung ein Be­
(3) a. hier links tickt I blinkt es
trachter befindet, und damit objektiv in Bezug auf ein relatives Raumsystem. Das heißt
b. es dröhnte Iflimmerteum ihn herum
auch, daß zwei Betrachter, die (nahezu) den gleichen Beobachtungspunkt einnehmen -
und das entspricht auch unserer Intuition - , dasselbe ('identische') Schimmern sehen. 41
Geräusche haben also einen (relativen) Ort, auf den wir sprachlich Bezug nehmen können
• Wenn wir von einem Schimmern sagen, daß es hell ist, so sagen wir damit weder in (3), und Modifikatoren wie laut in (4) bezeichnen Qualitäten der Ereignisse, die unabhän­
einem subjektiven Sinn, daß es uns lediglich hell erscheint, noch, daß die Lichtwellen gig von einem Wahrnehmenden sind, aber abhängig von dem Bezugspunkt in der akusti­
in einem absoluten Sinn die Eigenschaft haben, hell zu sein. Das Schimmern ist viel­ schen Anordnung, relativ zu dem der laute Knall existiert.
mehr in einem objektiven Sinn hell relativ zu einem Bezugspunkt, während es relativ
42
(4) a. es hat laut gedonnert
zu einem anderen Bezugspunkt eher schwach ist (oder auch gar nicht existent). Von
b. der Baum fiel mit einem lauten Knall um

Wie sollte nun also die Antwort auf die erkenntnistheoretische Frage aussehen? Macht ein
Gibson (7979/1982) selbst spricht in Bezug auf die optische Anordnung immer von Verände­ umfallender Baum ein Geräusch, auch wenn niemand da ist um zuzuhören? Ohne jeman­
rungen, nie von Ereignissen, da er den Ereignisbegriff ganz auf objektive, außenweltliche Ge­ dem den Weg nach tiefschürfenderen Analysen verbauen zu wollen, begnüge ich mich
schehnisse beschränken möchte.
hier mit der relativ pragmatischen Antwort "Ja, und zwar in der perzeptuellen Anord­
Neben den Verben, die visuelle Ereignisse bezeichnen, kann man natürlich auch bei vielen
anderen sprachlichen Ausdrücken eine Bezugnahme auf Orte in der optischen Anordnung fest­ nung" und werde auf dieser Basis in Kapitel 6.3.1 die Valenz, Argument- und Ereignis­
stellen. Wenn die Sonne auf- oder untergeht, so beschreiben wir damit eine Bewegung relativ struktur von sensorischen Verben betrachten.
zum Horizont. Die Horizontlinie ist dabei lediglich ein Element in der optischen Anordnung. Es
gibt außerhalb dieser Anordnung keinen Ort oder Gegenstand, der dem Horizont entspricht; zur Die Relativität des Raums: Ich habe bereits in Kapitel 5.2.3 im Zusammenhang mit der
visuellen Wahrnehmung solcher Ereignisse vgl. Guski (1996:144). Frage, ob Ereignisse sich bewegen können, auf Ereignisse hingewiesen, deren Ort relativ
Das Adjektiv hell ist natürlich noch in einem anderen Sinn relativ. Zu sagen, daß etwas hell ist, bestimmt werden muß. Auch bei der Präsentation wahrnehmungspsychologischer Theo­
meint immer, daß es hell ist relativ zu einem bestimmten Maßstab, z.B. hell verglichen mit rien zu Ereignissen spielte die Relativität des Raums eine Rolle. Johanssons in Kapitel
dem Leuchten meiner Schreibtischlampe'. Das ist aber ein anderes Phänomen; hier ist ange­
6.1.2 (Abb. 10) illustriertes Experiment zur Wahrnehmung von sich bewegenden Licht­
nommen, daß die beiden Betrachter bei entsprechenden Urteilen über die wahrgenommene
Helligkeit den gleichen Bewertungsmaßstab zugrundelegen. punkten hat gezeigt, daß eine translatorische Bewegung als vertikale oder als diagonale
288
289

Bewegung gesehen wird, je nachdem, welches Bezugssystem der Kontext für die Einord­ etwa durch das Schließen einer alten Holztür hervorgerufen, das Quietschen durch das Zu­
nung der Bewegung bereithält. sammenpressen einer Gummiente, und das Ticken durch Bewegungen des Uhrwerks. Ge­
Die Relativität des Ereignisortes spielt dabei für Ereignisse ohne und mit Partizipanten räuschereignisse haben also immer andere, meist mechanische Ereignisse als Ursachen. 43

eine Rolle. Sensorische Ereignisse werden in der perzeptuellen Anordnung situiert und Wie eng die Verbindung zwischen einem Geräuschereignis und dem es verursachenden
damit relativ zu dem Punkt, von dem aus diese Anordnung konstruiert wird. Ähnlich Ereignis ist, zeigen verschiedene Studien zur Geräuschwahrnehmung. So hat VanDerveer
verhält es sich mit Ereignissen mit Partizipanten, wie das im letzten Kapitel illustrierte (1979:145ff) Versuchspersonen verschiedene Alltagsgeräusche präsentiert mit der Auffor­
Experiment zur Wahrnehmung des Rollen eines Rades zeigt (Abb. 16 und 17). Die Rota­ derung, die Geräusche verbal zu beschreiben. Fast alle Antworten nahmen dabei auf das
tionsbewegung findet nicht einfach dort statt, wo das Rad und seine Teile sind, sondern vermutete Verursachungsereignis Bezug, und zwar auf die Art der Handlung oder die
dort, wo das Rad und seine Teile relativ zum Mittelpunkt des Rades sind, und das völlig beteiligten Gegenstände. Nur sehr wenige Antworten bestanden aus Beschreibungen von
unabhängig davon, ob das Rad als Ganzes gleichzeitig eine translatorische Bewegung 44
Geräuscheigenschaften wie Tonhöhe, Lautstärke, Klangqualität. Untersuchungen von
vollführt oder nicht. Sensorische und Bewegungsereignisse existieren also in Räumen, Bailas (1993) bestätigen außerdem, daß die Identifikationsdauer von Geräuschen von
aber ein solches Ereignis kann zu einer Zeit t in einem Raum ri relativ zu T2 geschehen, kausaler Ambiguität abhängt. Ein Klick-Geräusch, für dessen Entstehung das Betätigen
während es zu t in dem gleichen Raum ri, aber relativ zu einem anderen Raum r nicht 3 eines Lichtschalters, Kugelschreibers, einer Heftmaschine oder Kamera ursächlich sein
existiert. Eine Rotation existiert dort und nur dort, wo der Raum des rotierenden Gegen­ könnte, wird schlechter identifiziert als ein kausal unzweideutiges Geräusch. Kausale
standes relativ zum Zentrum des Gegenstandes ist. Ein Schimmern existiert in einem Unsicherheit korreliert in hohem Maße sowohl mit der Identifikationszeit als auch mit der
bestimmten Teil der optischen Anordnung relativ zu dem virtuellen Beobachtungspunkt, Identifikationsgenauigkeit (Ballas 1993:262).
von dem aus die optische Anordnung konstruiert ist.
Kausative Verben: In welcher Weise spiegelt sich nun die enge Beziehung zwischen ei­
Zusammenfassung: Akustische Ereignisse wie Knallen oder Ticken und visuelle wie nem Geräuschereignis und dem Ereignis, das dieses Geräuschereignis verursacht hat,
Schimmern oder Blinken sind räumlich situiert, ohne daß dieser Raum jedoch mit dem sprachlich wider? Zur Beantwortung dieser Frage sollen Geräuschverben mit typischen
Raum eines beteiligten Gegenstands identifiziert werden kann. Darüber hinaus stellen kausativen Verben (von hier an "klassische Kausativa") wie trocknen, zerbrechen, kochen
solche Ereignisse ein epistemologisches Problem dar, insofern als sie weder völlig subjek­ verglichen werden. Solche Kausativa zeichnen sich durch die folgenden Charakteristika
tiv sind und nur in den Wahrnehmungen eines Zuhörers oder Beobachters existieren, noch aus: Erstens haben sie eine Variante mit reduzierter Steifigkeit und anderer Argument-
45
völlig objektiv mit bestimmten materiellen Erscheinungen identifiziert werden können. Kasus-Zuordnung:
Geht man davon aus, daß solche Ereignisse ihren Ort in der akustischen bzw. optischen
(5) a. Marlene zerbrach die "Uriah-Heep''-Platte
Anordnung haben, so lösen sich verschiedene Probleme: Erstens können sie relativ zu
b. die "Uriah-Heep"-Platte zerbrach
einem Wahrnehmungspunkt, aber unabhängig von einem Wahrnehmenden beschrieben
werden. Zweitens können ihre Eigenschaften relativ zu diesem Wahrnehmungspunkt Zweitens kann an Subjektstelle nur eine NP stehen, die eine Person oder, mit Einschrän­
evaluiert werden. Drittens können sie räumlich relativ zu diesem Wahrnehmungspunkt kung, auch einen Gegenstand bezeichnet, nicht aber eine ereignisbezeichnende NP, ob­
situiert werden; sie existieren damit nur relativ zu diesem Bezugspunkt. Letzteres haben wohl die kausale Relation als Relation zwischen zwei Ereignissen verstanden wird, (5a)
sie damit gemein mit Bewegungsereignissen, deren Ort ebenfalls nicht absolut, sondern also als 'Marlene tat etwas, so daß die "Uriah-Heep"-Platte zerbrach': 46

nur relativ zu einem Bezugssystem beschrieben werden kann.


(6) a. *der Wurf des Bügeleisens zerbrach die "Uriah-Heep"-Platte
b. *'das Fallenlassen der "Uriah-Heep"-Platte zerbrach sie
c. *derFall der "Uriah-Heep"-Platte zerbrach sie

6.3 Ereignissemantische Probleme und die Ereigniswahmehmung Drittens schließlich wurde in Kapitel 2.2.1 festgestellt, daß sich adverbiale Modifikatoren
bei Kausativa oft entweder nur auf das verursachende oder nur auf das verursachte Ereig­
nis beziehen:
6.3.1 Sensorische Verben als Kausativa

Geräuschwahrnehmung: Im letzten Kapitel wurde auf Geräusche als eine spezielle Form Listen deutscher Geräuschverben finden sich etwa in Dornseiff (79J5/1954:226ff) und Näßl
(1996:93f,119fl).
von Ereignissen in der perzeptuellen Anordnung eingegangen. Typische Umweltgeräusche
Eine Klassifikation und Beschreibung von deutschen und englischen Verben, die Umweltgeräu­
werden dabei durch sensorische Verben bezeichnet wie knarren, dröhnen, ticken, quiet- sche bezeichnen, hinsichüich ihrer Klangqualitäten findet sich in Snell-Homby (1983:179ff).
schen, zischen oder klingeln. Solche Geräusche als unmittelbar wahrnehmbare Ereignisse Damit soll nichts zu einer vermeintlichen Ableitungsrichtung zwischen ein- und zweistelliger
verweisen nicht auf Dinge und deren statische Eigenschaften wie Farben, Formen oder Variante gesagt sein.
Texturen, sondern auf die Ereignisse, durch die sie verursacht werden. Das Knarren wird Vgl. auch Wunderlich (1997:35); lediglich einige kausative Psych-Verben erlauben auch Ereig­
nissubjekte: Der Schrei erschreckte sie; vgl. Engelberg (1995b).
290 291

(7) a. Marlene zerbrach die "Uriah-Heep"-Platte mit einem Hammer tisch auf die Art und Weise dessen, was Harald tat, in (1 lb) laut auf das verursachte Ge­
(Bezug auf das Verursachungsereignis) räusch:
b. Marlene zerbrach die "Uriah-Heep"-Platte mit einem lauten Knacken
(11) a. Harald knackte hektisch mit den Fingern
(Bezug auf das verursachte Ereignis)
b. Harald knackte laut mit den Fingern
Geräuschverben als Kausativa: Alle drei für die klassischen Kausativa typischen Eigen­
47
schaften finden sich auch bei den sensorischen Geräuschverben. Erstens gibt es auch bei Die nullstellige Variante, die das verursachende Ereignis nicht mit ausdrückt, erlaubt
48
Geräuschverben eine Variante verminderter Steifigkeit. Da im Gegensatz zu den oben dementsprechend auch keine auf das Verursachungsereignis bezogenen Adverbiale wie in
51
(12a):
besprochenen zweistelligen Kausativa die Geräuschverben einstellig sind (8), ist ihre redu­
zierte Variante nullstellig, wobei die Subjektstelle durch ein expletives es gefüllt ist ( 9 ) :
49
(12) a. * es knackte hektisch
b. es knackte laut
(8) a. der Wecker klingelte
b. der Zweig knackte unter seinen Schuhen Adverbiale wie unabsichtlich in (13a), die eine Relation zwischen einem Agens und einer
c. die Uhr tickte zu laut Proposition ausdrücken, zeigen außerdem eine Ambiguität dahingehend, daß sie in Bezug
auf eine Proposition über das verursachende Ereignis (13b) oder das verursachte Ereignis
(9) a. es klingelte
(13c) interpretiert werden können:
b. es knackte unter seinen Schuhen
c. irgendwo tickte es leise (13) a. Ernie quietschte unabsichtlich mit der Gummiente
b. "Emie tat etwas unabsichtlich mit der Gummiente (setzte sich z.B. auf sie), was das Quiet­
Zweitens können auch bei Geräuschverben nur Gegenstands- oder Personenbezeichnungen
schen der Gummiente verursachte'
an der Subjektstelle auftauchen, die dann als Partizipant eines verursachenden Ereignisses
c. 'Emie tat etwas (absichtlich) mit der Gummiente (packte sie z.B. in die Badetasche), was
interpretiert werden, in (10a) also 'etwas, das mit dem Zweig passierte, verursachte ein
50 das unbeabsichtigte Quietschen der Gummiente verursachte'
Knacken im Gebüsch'.
Auch Ortsangaben weisen manchmal einen Bezug zum verursachenden oder zum ver­
(10) a. der Zweig knackte im Gebüsch
ursachten Ereignis auf. So bezieht sich in (14a) die Lokalangabe auf den Ort, an dem das
b. *das Zerbrechen des Zweigs knackte im Gebüsch
geräuschverursachende Vibrieren des Gongs stattfindet, während in (14b) der Ort des
Drittens lassen sich auch bei den geräuschbezeichnenden Kausativa Adverbiale in Bezug verursachten Geräusches selbst angegeben wird:
auf das verursachende oder das verursachte Ereignis verstehen. In (IIa) bezieht sich hek-
(14) a. auf dem Regal im Flur dröhnte der Gong
b. im ganzen Saal dröhnte der Gong (, der im Flur stand)
Es finden sich meines Wissens in der Literatur keine Analysen von Geräuschverben als Kausa­
tiva. Lediglich Näßl (1996:58) bringt die Subjekt-NP von Geräusch- und Lichtverben mit einer Entsprechend ist in der nicht-kausativen Variante von dröhnen ein auf das verursachende
Verursacher-Interpretation in Verbindung. Dupuy-Engelhardt (1991:145f) bestimmt Geräusche Ereignis bezogenes Lokaladverbial schlecht zu interpretieren:
als hörbare Schwingungen, die durch kausale Einwirkung einer Kraft auf ein Medium entste­
hen. Insofern als sie lediglich versucht, die semantischen Kasus der Geräuschverben zu ermit­ (15) a. es dröhnte im ganzen Saal
teln, geht aber der kausale Zusammenhang nicht in die semantische Repräsentation ein. b. V s dröhnte aufdem Regal im Flur
?

In Levin / Rappaport Hovav (1994:41ff,1996:500) wird außerdem eine Handvoll sensorischer


Verben angeführt, die wie to ring die klassische Kausativaltemation erlauben: the bell was Visuelle Verben: Verben, die Ereignisse in der optischen Anordnung bezeichnen (visuelle
ringing; he was ringing the bell. Solche Transitiv-Intransitiv-Altemationen kommen mit senso­
rischen Verben im Deutschen meines Wissens nicht vor. Verben), wie etwa schimmern, blinken, glimmern, blitzen, flimmern, zeigen die gleiche
52

In Näßl (1996:2680) finden sich umfangreiche Korpusbelege für unpersönliche Konstruktionen syntaktische Distribution wie die Geräuschverben:
mit Geräuschverben im Neuhochdeutschen. (16) a. ihre Brillengläser schimmerten
Das es ist hier offensichtlich expletiver Subjektvertreter und kein Personalpronomen oder
korrelatives es: (9b) kann zwar auf die gleiche Situation wie (8b) bezogen sein, aber es kann b. die Diamanten funkelten
natürlich nicht als Pronominalisierung des maskulinen der Zweig verstanden werden. Auch ist c. die Münzen glitzerten im Licht
es kein Korrelat, denn bei Besetzung des Vorfelds durch ein anderes Element wie in (9c) bleibt
es obligatorisch.
Bei manchen Geräuschverben ist der Zusammenhang zwischen dem Geräuschereignis und dem' Die mi'f-PP ist hier in beiden Fällen ausgeschlossen sie, da sie nur zusammen mit einem
verursachenden Ereignis verwischt. So bezeichnen einige Verben sowohl den Typ des Ge-, 'schwachen'Agens auftritt (s. Kap. 3.3.2).
räuschs als auch eine Eigenschaft des verursachenden Ereignisses, wie bei klappern oder Auflistungen von visuellen Verben finden sich etwa in Dornseiff (7P55/1954:221f) oder Näßl
schnarchen, oder sie sind an einen Gegenstand geknüpft, dessen Funktion die Erzeugung genau (1996:93); Näßl (1996:264ff) enthält auch Korpusbeispiele zu unpersönlichen Konstruktionen
dieses Geräusches ist, wie bimmeln an die Glocke. mit visuellen Verben.
292 293

(17) a. es schimmerte in der Ferne er in das direkte Verursachungsereignis involviert ist. Er kann z.B. mit solchen optischen
b. es funkelte im Schaufenster des Juweliers Verben verwendet werden, deren Ereignisse nicht auf Lichteinfall angewiesen sind, der
c. es glitzerte auf der Wasseroberfläche von einer externen Quelle stammt, wie in (23b):

Wenn bei akustischen Verben wie knallen ein Verursachungsereignis mitverstanden wird, (22) a. ihre Brillengläser schimmerten
wie sind dann visuelle Verben wie schimmern zu verstehen? Es liegt nahe zu sagen, daß b. *Karla schimmerte mit ihren Brillengläsern
auch in (16a) die Brillengläser als in ein verursachendes Ereignis involviert interpretiert (23) a. die Taschenlampe blinkte
werden: Wie in Kapitel 6.2.3 erörtert, ist das Schimmern der Brillengläser von der b. Karla blinkte mit der Taschenlampe
Perspektive abhängig, aus der man es betrachtet, d.h., es ist ursächlich abhängig vom
Einfall des Lichts auf die Brillengläser und der davon ausgehenden Reflexionen. Visuelle Beispiel (22b) ist also ausgeschlossen, weil es etwas wie (24a) bedeuten würde. Demge­
Verben können demnach analog zu akustischen Verben repräsentiert werden. 53
genüber kann für (23b) eine direkte Verursachung rekonstruiert werden (24b):

Unterschiede zwischen klassischen und sensorischen Kausativa: In dreierlei Hinsicht (24) a. CAUSE(ei[ Karla
t" 1
C™ ^ Brillengläsern)]^
1 L i c n t
fällt in bestimmter Weise auf die
S c r m m e r n

zeigen sich aber auch zumindest tendenzielle Unterschiede zwischen sensorischen Kausa­ Brillengläser]) & CAUSE(e2, e 3 [ " Brillengläser)])
tiva und klassischen Kausativa, die bei den lexikalischen Repräsentationen der sensori­ b. CAUSE(ei [Karla tut etwas (mit der Taschenlampe)] ^[Blinken (der Taschenlampe)]
;

schen Verben berücksichtigt werden müssen: Der Begriff der direkten Verursachung ist allerdings insofern problematisch, als man
i) Bei klassischen Kausativa wird gewöhnlich ein begrenztes Veränderungsereignis ver­ leicht Zwischenglieder in Kausalketten einfügen kann, indem man die Ereigmsstruktur
ursacht, was sich aspektuell in Accomplishment-Lesarten (18a) und - im Rahmen dekom- verfeinert. Das, was Karla mit der Taschenlampe tut, z.B. einen Schalter bedienen, verur­
positioneller Ansätze - in CAUSE-BECOME-Strukturen niederschlägt. Demgegenüber sacht einen elektrischen Impuls, der wiederum den Leuchtfaden zum Glühen bringt, was
sind sensorische Kausativa Activities (18b). Die Verknüpfung von lexikalischer Kausati- ein erstes Blinken der Taschenlampe hervorruft. Ein Ereignis e' verursacht ein Ereignis e"
vität (CAUSE) an begrenzte Veränderungen (BECOME) findet sich allerdings auch im also nur dann direkt, wenn in der Kausalkette, zu der e' und e" gehören, sich kein drittes
Bereich nicht-sensorischer Kausativa nicht überall (18c) und ist natürlich ohnehin weder Ereignis e'" zwischen e' und e" befindet, das auf der gleichen mereologischen Feinheits­
eine logische noch eine theoretisch-linguistische Notwendigkeit: stufe der Ereignisbeschreibung liegt. Ich werde mich mit solchen Problemen noch aus­
(18) a. er trocknete seinen Bart in fünfMinuten führlicher in Kapitel 7.2.1 und 7.2.2 befassen.
b. er quietschte mit der Gummiente *in fünfMinuten Valenz und Ereignisstruktur sensorischer Verben: Die oben diskutierten Eigenschaften
c. sie fuhr den Wagen *in fünfMinuten sensorischer Verben, also Kausalität, Valenzalternanz, Beschränkungen möglicher Sub­
ii) Während bei klassischen Kausativa im Deutschen oft nur belebte Agenzien in Subjekt­ jektreferenten, modifizierbare Teilereignisse, finden ihren Niederschlag in den folgenden
54

position möglich sind (19) und dingbezeichnende NPs nur eingeschränkt auftreten können Repräsentationen:
(20), erlauben sensorische Kausativa durchgehend auch dingbezeichnende Subjekte (21):
knallen\ SYN-VAL: les
(19) a. Rebecca schmolz ein Pfund Butter
b. *die heiße Herdplatte schmolz ein Pfund Butter
SEM-VAL: X.e[KNALLi(e)]
E-STR: l[+PKT])
e

(20) a. Rebecca trocknete ihre Haare


b. der Fön trocknete ihre Haare
n

knalleni SYN-VAL: /nom


(21) a. Rebecca knallte mit der Peitsche
SEM-VAL: A.xle[KNALL (x,e)] 2

b. die Peitsche knallte BP/biaiten-f • VxVe[KNALL2(x,e) - » KNALLi(e)]


E-STR: (-»j l[+PKT] AGENS) <
e (-)., e2[+PKT])
: X C A 1 J S E

iii) Bei manchen sensorischen Kausativa wie etwa schimmern, flimmern, glitzern, brausen
oder ticken kann im Gegensatz zu klassischen Kausativa kein belebter Agens in Subjekt­ Lex. 40: Lexikalischer Eintrag für knallen.
position auftreten (22b). Möglicherweise ist ein kausaler Agens nur dann möglich, wenn
Das Verb schimmern unterscheidet sich von knallen lediglich dadurch, daß es durativ ist
und daß es keine belebten agentivischen Subjekte erlaubt:
Neben den visuellen und akustischen Ereignissen gibt es auch einige wenige Verben für olfak­
torische (i) und haptische (ii) Ereignisse, die sich im Wesentlichen ähnlich verhalten und mög­
licherweise auch semantisch ähnlich analysiert werden können: Ich notiere Kausalität hier vorläufig einfach als Subskript an den temporalen Relator. Für das x-
(i) es stinkt vs. der Fisch stinkt Argument nehme ich außerdem an, daß es aufgrund seiner Involvierung in das verursachende
(ii) es zwickt (an der Hacke) vs. der Schuh zwickt (an der Hacke) Ereignis für einen schwachen Agens steht.
294 295

schimmern i SYN-VAL: /es ich werde im Folgenden von Zweibewegungsverben sprechen, die eine Translationsbewe­
SEM-VAL: ^e[SCHTMMERi(e)] gung und eine relativ dazu stattfindende Eigenbewegung des Ereignispartizipanten be­
(_»! l [ + D U R ] ) zeichnen.
E-STR: e

Ansätze zu "Manner-of-Motion"-Verben: Viele Ansätze zu den Zweibewegungsverben


schimmern^ SYN-VAL: /nom analysieren diese Verben so, daß die Translationsbewegung den eigentlichen verbalen oder
SEM-VAL: X [-BELEBT]A.e[SCHrMMER (x,e)]
x 2
ereignishaften Kern darstellt und die relative Eigenbewegung als adverbiale Komponente
BPschimmern'^- •VxVe[SCHIMMER2(x,e) -> SCHIMMERi(e)] zum Ausdruck der Art und Weise der translatorischen Bewegung aufgefaßt wird. Talmy
+

E-STR: (_>! l [ D U R ] : xAGENS) < ( - > j e^f+DUR])


e C A I J S E
(1975:186f) postuliert in der Tradition der generativen Semantik für die Tiefenstruktur des
Verbs float ein Adverb AFLOAT, das bei direktionaler Lesart wie in (25a) durch die ver­
Lex. 41: Lexikalischer Eintrag für schimmern. bale Komponente MOVE, bei lokaler Lesart wie in (25b) durch BE ergänzt wird.
Natürlich ist auch in den nullstelligen Varianten das repräsentierte Ereignis durch ein (25) a. the bottle wasßoating into the cove
anderes Ereignis verursacht, wie überhaupt alle Ereignisse, vielleicht abgesehen von be­ v [v[MOVE] [AFLOAT]J ==> float
Adv

stimmten menschlichen Handlungen, von anderen Ereignissen verursacht sind. Ob das b. the bottle wasfloatingin the cove
verursachende Ereignis semantisch repräsentiert ist, hängt aber davon ab, ob es in be­ vtvPE] [AFLOAT]] ==> float
Adv

stimmter Weise durch das Verb mitbezeichnet wird und wir damit sprachlich - z.B. durch
Ähnlich versteht Snell-Hornby (1983:25) im Rahmen ihrer an der Wortfeldtheorie orien­
adverbiale Modifkatoren - Bezug darauf nehmen können, und das können wir bei der
tierten Analyse solche Verben. Das Verb strut besteht demnach aus einem verbalen "act-
nullstelligen Variante nicht.
nucleus" walk und einer adverbialen Modifikationskomponente stiffl erect. 56

Zusammenfassung: Einstellige sensorische Verben wie knallen oder schimmern zeigen ein Levin / Rappaport Hovav (1992) versuchen den Status von Bewegungsverben hinsicht­
ähnliches syntaktisches und semantisches Verhalten wie die klassischen Kausatiwerben lich der Unergativ-Unakkusativ-Unterscheidung zu erklären. Hierzu schlagen sie lexikali­
zerbrechen oder trocknen: i) sie haben eine valenzreduzierte Variante (die Tür knallt vs. sche Repräsentationen für Bewegungsverben wie in (26) vor. Das GO-Prädikat soll einen
es knallt); ii) sie erlauben an Subjektposition keine ereignisbezeichnenden NPs, werden Ortswechsel repräsentieren, das MOVE-Prädikat Bewegung ohne notwendigen Ortswech­
aber so interpretiert, daß der Gegenstand oder die Person in Subjektposition in ein Ereig­ sel. Die direktionale Komponente in (26b) wird dann für den Unakkusativstatus des direk-
nis involviert ist, das das eigentlich sensorische Ereignis verursacht; iii) adverbiale Modi- tionalen run verantwortlich gemacht. Ein Bezug zu Ereigniskonzepten wird dabei aller­
fikatoren können sowohl auf das verursachende als auch auf das verursachte Ereignis dings nicht hergestellt (Levin / Rappaport Hovav 1992:260).
Bezug nehmen. Sensorische Verben können damit ereignisstrukturell wie andere Kausa­
tiwerben repräsentiert werden. (26) a. run (manner of motion): [x MOVE m-a-rurming-manner]
b. run (directional): [x GO TO y BY [x MOVE m-a-running-manner]]

Der hier vertretenen Auffassung von Bewegungsverben kommt Kaufmanns (1995a) An­
6.3.2 Zweibewegungsverben satz am nächsten. Kaufmann (1995a:232) unterscheidet zunächst drei Typen von "Verben,
die die Art der Bewegung spezifizieren":
Bewegungsereignisse: In Kapitel 6.2.2 ist dafür argumentiert worden, die beiden trans­ • Verben, die eine objektspezifische Bewegung bezeichnen Collen, kugeln, eiern);
formationeilen Invarianten, die der Bewegungswahrnehmung eines rollenden Rades zu­ • Verben, die Bewegung mit einem Instrument bezeichnen (fahren, rodeln, reiten, se-
grundeliegen, so aufzufassen, daß sie zwei Ereignisse charakterisieren. Ähnlich ist in geln, rudern);
Bezug auf biologische Bewegungen gezeigt worden, daß die translatorische Komponente • Verben, die Fortbewegung durch Körperbewegung bezeichnen (gehen, laufen, rennen,
einer Bewegung und das relativ dazu spezifizierte System von Pendelbewegungen, das für traben, watscheln, springen, krabbeln, kriechen).
Gehen, Laufen oder Tanzen typisch ist, zwei aufeinander bezogene Ereignisse sind. Ich Jedes dieser Verben hat eine Bewegungs- und eine Moduskomponente wie in (27), die je­
will in diesem Abschnitt zeigen, daß darüber hinaus auch sprachliche Phänomene die 57
weils durch ein eigenes Prädikat repräsentiert sind. Die Dekompositionsprädikate tragen
Annahme motivieren, daß Verben wie rollen, gehen, laufen, schwimmen, springen oder zeitliche Informationen, die über Indizes angegeben werden, wobei P für Prozesse und A
tanzen Ereignisse bezeichnen, die aus zwei zeitgleichen, umittelbaren Teilereignissen; für atomare Ereignisse steht, was etwa der in der vorliegenden Arbeit verwendeten Unter­
bestehen. Eine gängige Bezeichnung für diese Gruppe der Bewegungsverben gibt es nicht; scheidung von durativen und punktuellen Ereignissen entspricht. Die Prädikate charakte-

5 5
Wenn wir den in Kap. 3.2.3 angestellten Überlegungen folgen und annehmen, daß es ein leeres Snell-Homby (1983:25) unterscheidet außerdem noch eine agensbezogene Art-und-Weise-
Ereignisprädikat ist, übersetzen knallen\ und schimmem\ in (i) bzw. (ii): Komponente; im Falle von strut drückt diese etwas aus wie self-satisfied I proud, etc.
(i) XEXe[KNALLi(e) &E(e)] Die Variable P ist durch eine wegbezogenen PP zu sättigen (Kaufmann 1995a:47); die Variable
(ii) XEXe[SCHTMMERi(e) & E(e)] s steht für das Situationsargument.
296 297

risieren allerdings nicht notwendigerweise Teilereignisse des durch s repräsentierten Verben können sich auch hier Adverbiale auf eines der beiden Teilereignisse beziehen. In
Gesamtereignisses. Stattdessen wird angenommen, daß die interne zeitliche Interpretation (30a) modifiziert elegant die Eigenbewegung des Schwimmers, während ohne Umwege in
des Ereignisses aufgrund bestimmter Beschränkungen für den Aufbau der konzeptuellen (30b) die translatorische Bewegung spezifiziert:
Struktur zustandekommt, so daß die Etikettierung der Primitivprädikate durch A und P
rein mnemotechnische Funktion hat (Kaufmann 1995a:225f). Es wird außerdem explizit (30) a. sie schwamm elegant zum gegenüberliegenden Beckenrand
ausgeschlossen, daß als zeitlich parallel zu interpretierende Prädikate wie etwa GEHp(x) 'sie bewegte sich mit eleganten Schwimmbewegungen zum gegenüberliegenden Becken­
und MOVEp(x) in (27a) verschiedene Teilereignisse beschreiben können (Kaufmann rand'
1995a:226). b. sie schwamm ohne Umwege zum gegenüberliegenden Beckenrand
'sie bewegte sich ohne Umwege mit Schwimmbewegungen zum gegenüberliegenden
(27) a. gehen: XPXx>.s[GEHp(x) & MOVEp(x) & P(x)](s) Beckenrand'
b. springen: XP>.xXs[SPRING (x) & MOVEp(x) & P(x)](s)
A

Entsprechend treten auch adverbiale Ambiguitäten hinsichtlich des Bezugs auf eines der
Sprachliche Motivation für eine Zwei-Ereignis-Analyse: Es sind vor allem zwei linguisti­ Teilereignisse auf. In (31a) kann anders sowohl bedeuten, daß die Gehbewegung heute
sche Argumente, die die hier vertretene Auffassung stützen, daß die Zweibewegungs­ anders war (verglichen mit einem anderen Gehereignis), er also zum Beispiel gehinkt hat,
verben Ereignisse mit zwei Teilereignissen bezeichnen. Erstens ist festzustellen, daß dann, oder daß die Translationsbewegung anders war, zum Beispiel einen Umweg an der Kneipe
vorbei beinhaltete. In (31b) kann sich absichtlich auf die Proposition über die Gehbewe­
59

wenn die Komponenten der Zweibewegungsverben getrennt lexikalisiert werden, beide als
gung oder die über die Translationsbewegung beziehen.
Verben auftreten, und nicht wie einige der "Manner-of-Motion"-Ansätze (z.B. Talmy
1975) vermuten lassen würden, als Verb und als Adverb. Dabei finden sich solche ge­ (31) a. er ging heute anders (zum Ministerium)
trennten Lexikalisierungen auch in Sprachen, die ein großes Inventar an Zweibewegungs­ b. er joggte absichtlich zum Friedhof
verben haben, wie im Englischen. Für die beiden von roll bezeichneten Bewegungen ste­
hen mit go (Translation) und rotate (Rotation) zwei einzelne Verblexeme zur Verfügung, Valenz und Ereignisstruktur von Zweibewegungsverben: Wenn wir elegant in (30a) also so
wobei das Verb, das die nichttranslatorische Bewegung bezeichnet, erwartungsgemäß auch verstehen wollen, daß es über ein Teilereignis prädiziert bzw. - genauer - eine Relation
nicht mit Direktionalangaben verbunden werden kann: zwischen dem Agens und einem Teilereignis bezeichnet, so müssen die Teilereignisse,
anders als in den oben diskutierten "Manner-of-Motion"-Ansätzen, in der lexikalischen
(28) a. the wheel went down the hill Repräsentation der Zweibewegungsverben verfügbar sein. Ich werde dabei im Gegensatz
b. the wheel rotated (^down the hill) zu Kaufmann (1995a) weiter davon ausgehen, daß erstens Informationen über Teilereig­
Andere Sprachen tendieren nach Talmy (1975:88ff, 1985:68ff) und Choi / Bowerman nisse (oder Zustände) die zentrale Komponente der semantischen Struktur sind, zweitens
(1991:85fi) dazu, im Bereich der Bewegungsverben nicht "motion + manner" zu lexikali- sich aus diesen Teilereignissen die zeitliche Struktur des Gesamtereignisses ergibt, und
sieren, sondern die Translationsbewegung plus den Translationspfad, die Translations­ drittens zeitlich parallele Teilereignisse mit gleichen Partizipanten möglich sind.
bewegung plus den sich bewegenden Gegenstand oder die Translationsbewegung plus eine
deiktische Komponente. Wenn in solchen Sprachen Translationsbewegung plus Eigen­ rollen x SYN-VAL: /nom
bewegung ausgedrückt werden soll, so geschieht das, indem die translatorische Bewegung SEM-VAL: A.xXerROLL](x,e)]
als flektiertes Verb ausgedrückt wird und die Eigenbewegung entweder als weiteres E-STR: l[+DUR] PATIENS) <>
e : X e 2[+DUR] PATIENS)
: X

Hauptverb in einem Verbkomplex wie im Koreanischen (29a) oder als gerundiale Verb­
form wie im Spanischen (29b): rollen2 SYN-VAL: /akk/nom
SEM-VAL: XyX.x^e[ROLL (x,y,e)]
(29) a. John-i pang-ey ttwui-e tul-e o-ass-ta (aus Choi / Bowerman 1991:88) 58 2

BP //e«-f • VxVyVe[ROLL2(x,y,e) ->• ROLLi(y,e)]


John-SUBJ Zimmer-LOC lauf-CONN betret-CONN kommen-PAST-DECL ro

E-STR: (-> e*: xAGENS, yPATIENS) <


T C A U S E
'John kam ins Zimmer gelaufen'
((-»j 2[+DUR] PATIENS) <>
e : X e3[+DUR] PATIENS)) : X
b. la botella entrö en la cueva, rodando (s. ähnliche Bsp. in Talmy 1985:69f)
'die Flasche bewegte sich rollend in die Höhle hinein' Lex. 42: Lexikalischer Eintrag von rollen.
Daß die Zweibewegungsverben tatsächlich aus zwei verbalen, ereignisbezeichnenden
Komponenten bestehen, zeigt auch ihre Modifizierbarkeit. Wie bei anderen komplexen
Wird die Direktionalangabe realisiert, so ist die auf das Translationsereignis bezogene Inter­
pretation von anders präferiert.
5 8
SUBJ = Subjektmarker, LOC = Lokativmarker, CONN = Konnektivsuffix, PAST = Präteri- Weitere Valenzerweiterungen, wie etwa um eine direktionale PP, die die Translationsbewe­
tummarker, DECL = Deklarativendung. gung beschreibt, sind hier wie im Folgenden nicht repräsentiert.
298
299
Die Repräsentation eines Verbs, das eine objektspezifische Eigenbewegung plus eine Zusammenfassung: Bewegungsverben wie rollen, schwimmen, laufen oder tanzen werden
Translationsbewegung bezeichnet, sieht damit so aus wie in Lex. 42, wobei rollen zu den gewöhnlich so analysiert, daß sie ein Bewegungsereignis bezeichnen, das auf eine be­
wenigen Zweibewegungsverben gehört, die auch eine kausativ-transitive Variante haben. stimmte Art durchgeführt wird ("Manner-of-Motion"-Analyse). Drei Gründe sprechen
Ein weiteres Beispiel steht für Verben, die Translationsbewegungen kombiniert mit Kör­ allerdings dafür, solche Verben stattdessen als auf Ereignisse referierend aufzufassen, die
perbewegungen bezeichnen, wobei hier nur die agentivische Variante berücksichtigt ist: aus zwei Teilereignissen bestehen, nämlich einer Translationsbewegung und einer Eigen­
bewegung: Erstens entspricht diese Analyse den wahrnehmungspsychologischen Argu­
schwimmen \ SYN-VAL: /nom menten, wonach beim Beobachten des Rollens eines Rades oder des Laufens einer Person
SEM-VAL: X. [+BELEBT]^ [SCHWIMM (x,e)]
X e 1
immer zwei Ereignisse wahrgenommen werden. Zweitens treten die beiden Komponenten
E-STR. (_> r e l[+DUR) : X AGENS) < > e 2[+DUR] : xAGENS) solcher Verben dann, wenn sie einzeln lexikalisiert werden, als zwei Verben auf und
nicht, wie es die "Manner-of-Motion"-Analysen vermuten ließen, als Verb und Adverb.
Lex. 43: Lexikalischer Eintrag von schwimmen (1. Version). Drittens können Ereignisadverbiale auf die beiden Teilereignisse gesondert zugreifen.

Andere Verben, die biologische Bewegungen bezeichnen wie laufen, gehen, springen,
klettern, torkeln, tauchen haben ähnliche Ereigrusstrukturen. Bei einigen dieser Verben ist 6.3.3 Punktuelle Verben
die Translationsbewegung allerdings nicht strikt impliziert (sie lief auf der Stelle). 61

Man könnte hier wie auch bei den anderen Zweibewegungsverben annehmen, daß zwi­ Dauer vs. Punktualität in der Verbsemantik: In Kapitel 2.2.3 sind verschiedene sprach­
schen der Eigenbewegung und der Translationsbewegung eine Verursachungsrelation liche Phänomene vorgestellt worden, die auf die Notwendigkeit einer Unterscheidung
besteht. Geht man etwa davon aus, daß die Schwimmbewegungen die Translationsbewe­ zwischen andauernden und punktuellen Ereignissen hindeuten. Dazu gehörten u.a. die
gung verursachen, so würde man den Partizipanten wohl nur als Agens des ersten Teil­ Beschränkung bestimmter Valenzalternanzen wie in (32) auf nicht-punktuelle Verben
ereignisses betrachten: sowie die Unzulässigkeit des Progressivs und mancher temporal-aspektueller Adverbiale
bei bestimmten Typen punktueller Verben wie in (33) und (34).
schwimmeni SYN-VAL: /nom (32) a. sie baute eine Hundehütte I an einer Hundehütte
SEM-VAL: A. [+BELEBT]^e[SCHWIMMi (x,e)]
X
b. sie sprengte die Brücke I *an der Brücke
E-STR: (_>j l[+DURl:e xAGENS) < > C A U S E e2[+DUR] : X PATIENS)
(33) a. he was lookingfor a nice present
Lex. 44: Lexikalischer Eintrag von schwimmen (2. Version). b. *he wasflndinga nice present

(34) a. sie kaute ihren Kaugummi eine Zeitlang


Wie in Kapitel 4.2 ausführlich erörtert, sind 'Agens' und 'Patiens' ohnehin abgeleitete
b. *sie schluckte ihren Kaugummi eine Zeitlang
Notationen. Berücksichtigt man die Relationen, die als Proto-Agens- und Proto-Patiens-
Eigenschaften in Frage kommen, wird die größere Patienshaftigkeit des Partizipanten in Es ist in Kapitel 2.2.3 allerdings nur gesagt worden, daß 'punktuell' so etwas meint wie
62
der Translationsbewegung deutlich: 'von kurzer Dauer'. Dies soll im vorliegenden Kapitel unter Rückgriff auf kognitions- und
63
verhaltenspsychologische Überlegungen präzisiert werden.
schwimmeni SYN-VAL: /nom Der Punktualitätsbegriff in der Aspektforschung: Von Gegnern wie von Befürwortern
SEM-VAL: X x [ + B E L E B T ] ^ s C H W I M M i (x,e)] e[
einer Unterscheidung zwischen Dauer und Punktualität in der Verbsemantik ist immer
E-STR: l[+DUR] xIMPULS.BEWEGUNG,...)
e :
wieder zu Recht bemängelt worden, daß sogenannte punktuelle Ereignisse zwar von kur­
< > C A U S E e2[+DURl: XBEWEGUNG,...) 64
zer Dauer, aber nicht wirklich nur auf einen Zeitpunkt bezogen seien. Dem versuchte
man meist zu begegnen, indem man Punktualität nicht als eine Ereigniseigenschaft, son­
Lex. 45: Lexikalischer Eintrag von schwimmen (3. Version). dern eine semantische Eigenschaft von Verben einer bestimmten Aktionsart oder eines
bestimmten Aspekts auffaßte: Die Verben stellen Ereignisse demnach als punktuell dar.
6 1
Möglicherweise möchte man auch schwimmen zu diesen Verben rechnen. Dann träfe die ange­ Bei Aspektpaaren im Slawischen und Paaren im Deutschen wie sitzen I sich setzen - so
gebene Ereignisstruktur nur auf die direktionale Variante des Verbs zu. Andere Zweibewe­
kann man bereits bei Pott (1859:178) lesen - sieht man "in beiden Rücksichtnahme auf
gungsverben, wie etwa klettern, implizieren aber auf jeden Fall auch in ihrer mcht-direktiona-
len Variante das Stattfinden von zwei Bewegungsereignissen.
6 2
Auch Levin / Rappaport Hovav (1996:502) verweisen in einem anderen Rahmen darauf, daß bei
solchen Bewegungsverben der Partizipant auch Patienseigenschaften hat ("it has an argument Vgl. zu den Ausführungen in diesem Kapitel Engelberg (1999a, 1999b)
which quahfies both as causer and as theme"); dies gelte allerdings nur für die direktionalen Zur Geschichte des F^inktualitätsbegriffs in der Aspektualitätsforschung vgl. Engelberg
Varianten dieser Verben. (1999b).
300
301

eine gleiche Eigenschaft der Zeit, nämlich danach, ob sie - um die Sache durch ein vom riodisch wahrgenommen. Das rhythmische Auftauchen und Verschwinden der Wahr­
Räume entlehntes Bild in Kürze und schlagend zu veranschaulichen - ihrer Dauer nach nehmung erfolgt dabei in Abständen von wenigen Sekunden (Urbantschitsch
p u n k t u e l l gedacht wird (was freilich in strengster mathematischer Strenge unmög­ 1875:625ff, auch Pöppel 1978:725). Dieser Effekt ist auf zentrale Funktionen des Hör­
lich und demnach nur beziehungsweise wahr), oder l i n e a r . " Nicht viel anders lesen systems und nicht auf anatomische Besonderheiten des Hörorgans zurückzuführen.
sich die Auffassungen zum Fomktualitätsbegriff in neueren Arbeiten; so schreibt Platzack • Bündelung von Metronomschlägen: Versuchspersonen, die dem gleichmäßigen Schla­
(1979:93), daß punktuelle Ereignisse solche sind, "that do not last in time (or rather, are gen eines Metronoms zuhören, tendieren dazu, immer zwei aufeinanderfolgende
65
not conceived of as lasting in time)". Ich denke, Redeweisen derart, daß punktuelle Ver­ Schläge als eine Einheit zu hören, in dem Sinne, daß jeder zweite Schlag subjektiv als
ben solche Ereignisse, die von begrenzter Dauer sind, als punktuell (im Sinne von auf etwas lauter empfunden wird. Dieser "Tick-Tack"-Effekt verschwindet, sobald der Ab­
einen logischen Zeitpunkt bezogen) darstellen, sind wenig hilfreich, wenn nicht falsch. stand zwischen den einzelnen Schlägen etwa 2,5 Sekunden oder mehr beträgt (Wundt
Zumindest konkreten Ereignissen ist ihre Dauer essenziell, und zu behaupten, Verben 1911:6, Pöppel 7982/1993:82).
würden die Auffassung solcher Ereignisse als punktuell in irgendeiner Weise erzwingen, • Oszillation bei der Wahrnehmung ambivalenter Muster: Ambivalente Muster erlauben
hieße demnach, diesen Entitäten ihren Ereignisstatus abzusprechen. zwei Interpretationen, wie etwa der sogenannte Necker-Würfel in Abb. 18, bei dem das
Zeit, logisch und psychologisch: Das Problem bei der Bestimmung des Punktualitäts- große Quadrat links unten entweder als Vorder- oder als Rückseite des Würfels gesehen
begriffs liegt offenbar darin, daß außer der wohlbekannten zeitlogischen Unterscheidung werden kann (vgl. Pöppel 7982/1993:160ff, 1985:56ff). Die Wahrnehmung der beiden
von Zeitpunkt und Zeitintervall keine andere hinreichend präzise Unterscheidung zur Varianten oszilliert dabei weitgehend unabhängig vom Willen des Betrachters in re­
Erklärung des Unterschieds zwischen Punktualität und Dauer gefunden wurde. Und der gelmäßigen Zeitabständen: Bei konstanter Betrachtung des Bildes springt die Wahr­
69

Begriff des Zeitpunkts ist eben wegen seiner Ausdehnungslosigkeit zur Charakterisierung nehmung etwa alle drei Sekunden von der einen zur anderen Alternative.
punktueller Verben offenbar ungeeignet.
Nun gibt es in verschiedenen Bereichen der Psychologie Forschungen zu Zeitstruktu­
ren, die eine psychologische und / oder neurologische Basis haben, z.B. zur Wahrneh­
mung von Gleichzeitigkeit und Aufeinanderfolge von Reizen, zu neurologisch und biolo­
gisch verankerten Rhythmen, zum Erwerb von Zeitkonzepten, u s w . Unter anderem
wurde psychologische Relevanz für ein Intervall von wenigen Sekunden postuliert, und
zwar als eine temporale Einheit, die sich qualitativ von längeren Einheiten unterschei­
66
det. Dieses Intervall wird gewöhnlich als "conscious present" (Boring 7953/1963:134)
oder "subjective present" (Pöppel 1978:722) bezeichnet und hat nach Boring
(7933/1963:135) und Pöppel (1978:723f, 7982/1993:80ff) eine Länge von etwa zwei bis
drei Sekunden. In jüngerer Zeit hat vor allem Pöppel (7982/1993:77ff, 1985:51ff) eine V J
Reihe von Argumenten für das subjektive Präsens angeführt.
Abb. 18: Ambivalente Muster: Der Necker-Würfel.
Evidenz für das subjektive Präsens: Für die psychologische Relevanz eines solchen kurzen
Intervalls sprechen verschiedene wahrnehmungs- und verhaltenspsychologische Beob­ • Sprechpausen: Sprachübergreifende Untersuchungen zu gesprochener Lyrik zeigen
achtungen und Experimente: 67
nach Pöppel (1985:74ff) eine deutliche Tendenz zu Rhythmen mit kurzen Pausen im
• Fehler bei Zeitdauerschätzung: Es zeigt sich, daß Versuchspersonen, die akustische Abstand von etwa 3 Sekunden. Auch bei normalem Sprechen stellt' Pöppel
oder visuelle Reize von einer bestimmten Dauer reproduzieren sollen, die Dauer kurzer (7982/1993:80, 1985:71ff) solche alters- und sprachunabhängigen Pausemhythmen
Reize überschätzen und die langer Reize unterschätzen. Das Indifferenzintervall, das fest, die er mit dem Zeitintervall des subjektiven Präsens und der Organisation kon-
den Wechsel von Zeitdauerüberschätzung zu Zeitdauerunterschätzung markiert, liegt zeptueller Einheiten innerhalb solcher Intervalle in Beziehung bringt. Unabhängig von
nach Pöppel (1978:7231) im Bereich zwischen 2,0 und 2,5 Sekunden. 68
Pöppels Untersuchung stellt auch Handel (1989:426) fest, daß Sprechpausen zwar zum
• Oszillation extrem leiser Geräusche: Sehr schwache akustische Stimuli werden unab­ Atmen genutzt werden, diese Pausen aber nicht in Erfordernissen des Atemrhythmus
hängig vom Geräuschtyp (entferntes Uhrticken, Wasserstrahl, Stimmgabel) nur pe- begründet sind, sondern zur Abgrenzung konzeptueller Einheiten dienen.
• Rhythmische Handlungen: Feldhütter / Schleidt / Eibl-Eibesfeldt (1990) führten inter­
Ähnlich stellt Moens (1987:102) fest: "[...] processes and culminated processes can be kulturelle Studien zur zeitlichen Struktur einfacher Alltagshandlungen durch. Sie
»compressed« into points. This [...] does not mean that they cease to have a temporal duration,
but rather that their internal structure is no longer of importance." Ditzinger / Haken (1989:281) resümieren eine Reihe von Experimenten dazu. Die Länge des
Zur Geschichte dieser Idee seit dem Ende des 19. Jhs. vgl. Pöppel (1978:722ff). Oszillationsintervalls variiert dabei abhängig von der Art des Stimulus oder der Dominanz ei­
Vgl. ausführlicher dazu Engelberg (1999a). ner der beiden Wahmenmungsalternanten. Zurückgeführt wird die Oszillation im Allgemeinen
Pöppel (1985:61f) setzt das Indifferenzintervall im Bereich um 3 Sekunden an. auf eine bestimmte Art neuronaler Sättigung (Ditzinger / Haken 1989:279).
302
303
stellten fest, daß unabhängig von Alter und Geschlecht einfache Handlungen wie Krat­ e' < e" zeitlich nur am Anfang stehen. Tatsächlich können punktuelle Ereignisse aber i)
zen, Handschütteln, Baumfällen, Anklopfen, Winken, Hämmern zu rhythmischen zeitlich vor durativen Ereignissen auftreten, ii) nach durativen Ereignissen und iii) vor
Gruppen mit einer jeweiligen Länge im Bereich von 2 bis 3 Sekunden gebündelt wer­ bzw. nach anderen punktuellen Ereignissen:
den, die jeweils von kurzen Pausen unterbrochen sind. em[+PKT]) < en[+DUR])
(36) a. E-STR; ... z.B. anzünden(x,y,e)
Der Kognitionsmoment: Die angeführten Beobachtungen und Experimente zeigen - so b. E-STR; (_>, m[+DUR])
e < en[+PKT]) ... z.B. erwürgen(x,y,e)
Pöppel (1985:63f) - , daß aufeinanderfolgende Ereignisse in geschlossene Wahrnehmungs­ c. E-STR: em[+PKT]) < (_>j en[+PKT]) ... z.B. knallen(x,e)
einheiten integriert werden. Eine solche Wahrnehmungseinheit konstituiert einen Bewußt­
seinsinhalt für eine Dauer von maximal drei Sekunden. Dieser Bewußtseinsinhalt vermit­ Zusammenfassung: Die Unterscheidung zwischen Verben, die durative und die punktuelle
telt den Eindruck des Erlebens von Gegenwärtigkeit, so daß sich Bewußtsein in diesem Ereignisse bezeichnen, hat sich als relevant zur Erklärung vieler semantischer und syn­
zeitlichen Rahmen des "Jetzt" manifestiert. Der Bewußtseinsstrom besteht damit in einer taktischer Phänomene erwiesen. Der Begriff 'Punktualität' ist allerdings von jeher mit
Sequenz solcher einander ablösender "Bewußtseins-Fenster" (Pöppel 7982/1993:165). Problemen behaftet, da viele Verben zwar Ereignisse bezeichnen, die von sehr kurzer
Die Verben, die der Punktualitätsrestriktion unterliegen, bezeichnen nun typischerweise Dauer, aber nicht im logischen Sinne auf einen Zeitpunkt beschränkt sind. Wahrneh-
Ereignisse, deren Länge die Dauer des subjektiven Präsens nicht überschreitet, Ereignisse mungs- und verhaltenspsychologische Untersuchungen haben nun einige Evidenz für ein
also, die innerhalb eines - wie ich es hier nennen möchte - Kognitionsmoments stattfin­ Intervall von 2 bis 3 Sekunden als zeitpsychologisches Grundintervall erbracht. Punktuelle
den: Explodieren, Sich-Setzen, Springen, Umfallen, Rülpsen, Aufstehen, etc. Für punktu­ Verben, so die Annahme dieses Kapitels, bezeichnen Ereignisse, die innerhalb eines sol­
z
elle und durative Ereignisse gilt daher das Folgende, wobei ß (€) die Ereigniszeit ist und chen Intervalls stattfinden.
Tkogn ein zeitontologisches Basisintervall, das der Länge eines Kognitionsmoments ent­
spricht:

(P-8) Punktualität und Durativität


i) Punktualität: • VerPKT(e) <->fiZ(e) c T k o g n ]
z
ii) Durativität: •Ve[DUR(e) <->fi (e) 3 T k o g n ]

Ein Ereignis ist demnach genau dann punktuell, wenn seine Ereigniszeit Teil eines T k - ogn

Intervalls ist, und genau dann durativ, wenn ein T^gn-Intervall echter Teil seiner Ereig-
niszeit ist. Neben solchen Verben, die punktuell sind in dem Sinne, daß sie Ereignisse
bezeichnen, die innerhalb des Intervalls eines Kognitionsmoments stattfinden, gibt es
allerdings auch Ausdrücke, die auf Zeitpunkte im logischen Sinn bezogen sind:

(35) a. am Dienstag um 0 Uhr (genau) trat der Vertrag in Kraft


00

b. der Waffenstillstand begann um (genau) 15 Uhr


00

Für die hier besprochenen sprachlichen Phänomene scheint die Unterscheidung zwischen
Punktualität im logischen und im psychologischen Sinn allerdings nicht relevant, sondern
lediglich die zwischen Ereignissen, die vollständig innerhalb eines durch den Kogni­
70
tionsmoment gegebenen Intervalls liegen und solchen, die dies nicht t u n . Bezüglich des
Auftretens von punktuellen Teilereignissen in lexikalischen Ereignisstrukturen gibt es im
Übrigen keine Restriktionen. Diese Annahme steht im Gegensatz zu Kaufmann
(1995a:227), die behauptet, punktuelle Ereignisse könnten in Ereignisstrukturen des Typs

Es ist natürlich zu berücksichtigen, daß viele Verben über metaphorische Lesarten verfügen, in
denen sie keine Ereignisse bezeichnen, die man in dem hier definierten Sinn als punktuell be­
zeichnen möchte, z.B. die Beziehung zerbrach vs. die Vase zerbrach. Wenn wir von punktuel­
len Verben sprechen wollen, so beträfe dies diejenigen, die in ihrer grundlegenden Lesart
punktuelle Ereignisse bezeichnen. Grundlegend sind dabei die Lesarten, in der auf konkrete,
unmittelbar wahrnehmbare Ereignisse referiert wird. Dazu und zu einigen linguistischen Kon­
sequenzen der Unterscheidung zwischen punktuellen Ereignissen und punktuellen Verben vgl.
Engelberg (1999a).
305
7 Ereignisverben
kung ist offenbar im Wesentlichen mit den Anforderungen an eine Verbindung ontologi-
scher und wahrnehmungspsychologischer Überlegungen verträglich.

Ereignisse als Exemplifizierungen von Veränderungstypen: Wenn wir die ontologischen


7.1 Ereignisargumente im Lexikon und im Satz
Vorstellungen Lombards und die Ergebnisse der wahrnehmungspsychologischen Überle­
gungen verknüpfen, so können wir Ereignisse wie folgt auffassen:
7.1.1 Was sind Ereignisse? (P-9) Ereignisse
Ein Ereignis exemplifiziert einen epistemisch erreichbaren Typ von Veränderung
Ereignisse in der Wahrnehmungspsychologie: In Kapitel 5.1.4 ist darauf hingewiesen 1
P an einer oder mehreren Entitäten <ki,...,k > zu einem Intervall t (für n > l ) .
worden, daß Identitätskriterien für Ereignisse voraussetzen, daß wir Ereignisse episte- n

misch individuieren können. Dieses epistemologische Problem besteht in der Frage, wie Einige Anmerkungen mögen diese Auffassung erläutern: So ist eine Eigenschaft, in die­
wir erkennen, daß ein Ereignis vorliegt, und wie wir die ereignisidentifizierenden Eigen­ sem Fall ein Veränderungstyp, dann epistemisch erreichbar, wenn wir ihr Vorliegen auf­
schaften feststellen. Insofern als Wahrnehmung die primäre Quelle für Erkenntnisse über grund zentraler kognitiver Mechanismen feststellen können. Dazu gehören etwa die
die Wirklichkeit darstellt, sind zur Beantwortung dieser Frage wahraehmungspsychologi- Wahrnehmungsmechamsmen, die in Kapitel 6 besprochen wurden. Für welche Eigen­
sche Überlegungen herangezogen worden. Diese Überlegungen haben zunächst gezeigt, 2
schaften P steht, ist damit eine empirische Frage. Wenn wir Veränderungen dabei im
daß Ereignisse aus der Sicht wahrnehmungspsychologischer Theorien ontologisch grund­ Wesentlichen so verstehen wie Lombard (1986), so beschreiben die epistemisch erreichba­
legende Entitäten sind (s. Kap. 6.2.1). Ihre Wahrnehmung basiert nicht auf der Wahr­ ren Veränderungstypen die Eigenschaftsräume, innerhalb derer sich die Veränderungen
nehmung irgendwelcher anderen Entitäten. Dabei haben sowohl die psychologischen wie vollziehen. Im Fall der Wahrnehmung von Rotationsereignissen etwa beschreibt die Rota­
auch die neurologischen Befunde über Ereigniswahrnehmung in Kapitel 6.2.1 deutliche tionstransformation den Eigenschaftsraum in Form potentieller Lokationen, die ein rotie­
Indizien dafür geliefert, daß das Wahrnehmen eines Ereignisses der Wahrnehmung einer render Gegenstand einnehmen kann (s. Kap. 6.1.3, 6.2.2).
Bewegung gleichkommt. Möglicherweise - und das würde mit den Ereignisauffassungen Die Entitäten, an denen sich die Veränderungen vollziehen, müssen nicht mit den Refe­
von Johansson (s. Kap. 6.1.2) und Gibson (s. Kap. 6.1.3) korrespondieren - entspricht die renten der thematischen Argumente eines ereignisbezeichnenden Verbs übereinstimmen.
Wahrnehmung eines Ereignisses auch generell der Wahrnehmung einer Veränderung. Wenn Maria ihren Dackel schlägt, vollzieht sich die Veränderung, also die Schlagbewe­
Das hieße, daß auch stationäre Veränderungen (Farbwechsel, Temperaturwechsel, etc.) gung, an Maria bzw. an einem Teil Marias, aber nicht notwendigerweise an Marias
unabhängig von der Wahrnehmung anderer Entitäten wahrgenommen würden. Es spricht Dackel, der die Schläge möglicherweise ohne zu zucken hinnimmt. Trotzdem füllen na­
einiges für diese Annahme, aber das bleibt letztlich eine empirische Frage. Ein Ereignis türlich sowohl Maria als auch ihr Dackel Argumentstellen des Verbs schlagen und sind
wahrzunehmen, heißt also, eine Bewegung bzw. eine Veränderung wahrzunehmen. Wenn über semantische Relationen mit dem Ereignis verbunden. Die Entitäten, an denen sich
das nun so ist, so liegt es nahe anzunehmen, daß Bewegungen bzw. Veränderungen im die Veränderung vollzieht, müssen, anders als Lombard (1986:120) annimmt, auch nicht
Allgemeinen die sortenidentifizierenden Eigenschaften für Ereignisse in wahrneh­ unbedingt Gegenstände sein. Vielleicht fassen wir die von Witterungsverben und sensori­
mungspsychologischen Theorien sind. schen Verben bezeichneten Ereignisse eher so auf, daß ihnen Veränderungen in (oder an)
Räumen zugrundeliegen. Ein Schimmern beinhaltet eine Veränderung in dem Raum, den
Ereignisse in der philosophischen Diskussion: Wenn nun Ereignisse erstens als philoso­
phisch-semantische und als wahrnehmungspsychologische Entitäten ontologisch grund­ die optische Anordnung konstituiert (s. Kap. 6.2.3), und ein Dämmern bezieht sich auf
3

legend sind und zweitens die semantischen Ereignisentitäten aus epistemologischen Grün­ eine Helligkeitsveränderung im umgebenden Raum.
den ein wahrnehmungspsychologisches Korrelat haben müssen, so liegt es nahe, die Er­ Nach der hier vertretenen Ereignisauffassung sind Zustände keine Ereignisse^ da sie
eignisentitäten aus den wahrnehmungspsychologischen Theorien als eben dieses Korrelat keine Veränderungen exemplifizieren. Zustandsverben wie kennen, wissen oder besitzen
anzusehen. Wenn darüber hinaus Ereignisse in der Wahrnehmungspsychologie als Verän­ haben dementsprechend auch kein Ereignisargument. Bei einigen Verben mag die Ein-
derungen identifiziert werden, so liegt es nahe, ein ähnliches Identifikationskriterium auch
dem semantischen Ereignisbegriff zugrundezulegen.
Da viele von Verben bezeichnete Ereignisse relativ komplex sind, könnte man hier genauer
Die ontologische Diskussion in Kapitel 5 hat gezeigt, daß die meisten Ereignisauffas­ auch von der Exemplifizierung einer Menge epistemisch erreichbarer Typen von Veränderung
sungen entweder zu fein- oder zu grobkörnig sind oder bezüglich ihres Feinheitsgrades sprechen. Das sei im Folgenden mitverstanden.
unbestimmt sind. Es wurde deutlich, daß der gesuchte Ereignisbegriff Ereignisse an Zeiten Das diese empirisch zu begründen sind, hatten auch Kim (1976:162f) für seine ereigniskonsti-
binden sollte und nicht über den Ereignispartizipanten intensionalisiert werden darf, und tutiven Eigenschaften und Lombard (1986:114) für seine Eigenschaftsräume angenommen.
Auf die genauen Beschränkungen dahingehend, welche Sorten in <ki,...kn> zulässig sind, will
daß das, was Kim (1969, 1976) als ereigniskonstitutive Eigenschaft bezeichnet hat, in
ich hier nicht eingehen. In den meisten Fällen wird es sich um Gegenstandsindividuen handeln.
bestimmter Weise beschränkt werden muß. Einen dahingehenden Versuch hat Lombard Es sei in diesem Zusammenhang auch nochmal auf Warren / Shaws (1985:19) Auffassung hin­
(1986) unternommen, der nur dynamische Eigenschaften, also Eigenschaften, die eine gewiesen, demzufolge Ereignisse keine Veränderungen an Gegenständen sind, sondern "a mi-
Veränderung beschreiben, als ereigniskonstitutive Eigenschaften zuläßt. Diese Einschrän- nimal change in an energy potential".
306 307

Ordnung als Ereignisverben problematisch erscheinen. So involvieren schlafen und sitzen Der einfachste Weg, um die Daten in (2) zu erklären, ist der von Davidson (1967) ge­
keine sehr offensichtlichen Veränderungen, aber offenbar doch genug, um Modifikationen wählte (s. Kap. 3.1.3), nämlich die Annahme, daß die Ausdrücke das Schema intersektiver
wie in (1) zuzulassen, die bestimmte Bewegungen implizieren. Modifikation instantiieren, das aufgrund der Konjunktionsbedeutung generell Folgerungen
wie in (3a) garantiert. Im Zusammenhang mit Leibniz' Gesetz, das besagt, daß identische
(1) a. sie schlief unruhiz
b. sie saß unruhiz auf ihrem Stuhl
Entitäten alle Eigenschaften teilen, ermöglicht (3a) aber noch einen weiteren Typ von
Folgerungen: Wenn von einem Ereignis e gesagt wird, daß es ein Boulespielen ist und daß
P-9 soll nicht besagen, daß Ereignisse und Veränderungen identisch sind. Ereignisse es im Westfalenpark ist, und es wird weiterhin von einem Ereignis e' gesagt, daß es ein
haben Eigenschaften und gehen Relationen ein, die über die Eigenschaften und Relationen Werfen von schweren Kugeln ist, und wir davon ausgehen, daß e und e' identisch sind,
der ihnen zugrundeliegenden Veränderungen hinausgehen. Sie haben z.B. Partizipanten dann geschieht auch das Werfen von schweren Kugeln im Westfalenpark. Diese Folge­
wie den oben erwähnten Dackel, die nicht Gegenstand von Veränderungen sind. Eine rung wiederum erwächst aus dem Schema (3b) und, um sie zu gewährleisten, muß klar
Veränderung zu sein, ist lediglich eine von vielen Eigenschaften von Ereignissen, aber es sein, warm Identitätsaussagen über Ereignisse wahr sind.
ist eine essenzielle Eigenschaft eines Ereignisses, und es ist die Eigenschaft, über die wir
es identifizieren und individuieren. Insofern sieht das Identitätskriterium für Ereignisse, (3) a. DVPVQVk[(P(k)&Q(k))->P(k)]
das diese Ereignisauffassung begleitet, wie folgt aus: b. • VPVQVkVk'[(P(k) & Q(k') & (k = k')) -> P(k')]

(1-9) Ereignisse als Exemplifizierungen von Veränderungstvpen Das Problem liegt nun darin, daß wir die Wahrheitsbedingungen für (e = e') so fassen
müssen, daß für alle Typen von Adverbialen über Ereignisse die Folgerung in (3b) ge­
Wenn e und e' Ereignisse sind, dann sind e und e' genau dann identisch, wenn e
währleistet ist. Wir haben gesehen, daß es unter zu feinkörnigen Ereignisauffassungen zu
den gleichen Typ von epistemisch erreichbarer Veränderung P an denselben En-
Folgerungen wie in (3b) gar nicht kommt: das Drehen der Metallkugel und das schnelle
titäten <ki,...k > zu demselben Zeitintervall t exemplifiziert wie e'.
n
Drehen der Metallkugel beschreiben dann verschiedene Ereignisse e und e'. Daß dann,
Die Rotation eines Rades zur Zeit t ist demnach ein anderes Ereignis als die Translation wenn das Drehen der Metallkugel in dem roten Gefäß erfolgte, auch das schnelle Drehen
desselben Rades zur Zeit t, da die beiden Ereignisse verschiedene epistemisch erreichbare der Metallkugel in dem roten Gefäß geschah, folgt nicht mehr aus der Repräsentation der
Veränderungstypen exemplifizieren, eben eine Translation bzw. eine Rotation. Die unter­ Ausdrücke, sondern muß entweder durch zusätzliche Bedeutungspostulate gewährleistet
schiedlichen kognitiven Mechanismen, über die diese beiden Veränderungstypen episte­ werden, oder die Tatsache, daß auch das schnelle Drehen der Metallkugel in dem roten
misch erreichbar sind, wurden in Kapitel 6.1.3 und 6.2.2 beschrieben. Natürlich sind auch Gefäß war, wird als eine kontingente, nicht-notwendige Tatsache aufgefaßt. Unserer In­
das Drehen einer Metallkugel und ihr gleichzeitiges Erwärmen verschiedene Ereignisse, tuition, daß e und e' in dem roten Gefäß stattfanden, eben weil sie ein und dasselbe Ereig­
schon insofern, als sie über verschiedene Sinnesorgane wahrgenommen werden und damit nis waren, wird so oder so nicht Rechnung getragen. Wenn wir Ereignisse dagegen zu
auch über andere kognitive Mechanismen zugänglich sind. grobkörnig fassen, also das Drehen der Metallkugel und das Erwärmen der Metallkugel
Ich will im Folgenden zeigen, inwieweit diese Ereignisauffassung den Eigenschaften als auf dasselbe Ereignis referierend verstehen, so erhalten wir zwar die Folgerung, daß
verschiedener über Ereignisse prädizierender Adverbiale entgegenkommt. dann, wenn das Drehen in dem roten Gefäß stattfand, auch das Erwärmen darin stattfand,
aber fälschlicherweise auch die Folgerung, daß dann, wenn das Drehen ein schnelles Dre­
Das Adverbialproblem: An dieser Stelle möchte ich noch einmal den Zusammenhang hen war, auch das Erwärmen ein schnelles Erwärmen war.
zwischen der ontologischen Frage, was Ereignisse sind, und dem Problem adverbialer
Prädikation darstellen, um in dem folgenden Abschnitt zu zeigen, daß 1-9 tatsächlich ein Adverbiale und 1-9 Wie erhalten wir also alle und nur die korrekten Folgerungen? Inso­
geeignetes Identitätskriterium für Ereignisse ist. Die drei zentralen Typen der in dieser fern als Lokaladverbiale scheinbar schon mit sehr grobkörnigen Identitätskriterien zu­
Arbeit behandelten Ereignisadverbiale werden repräsentiert durch Lokaladverbiale wie im rechtkommen, bieten sie kein gutes Paradigma für die Beurteilung von 1-9. Wenn wir
Westfalenpark, Instrumentaladverbiale wie mit einem Schwamm und Adverbiale der Art stattdessen Adverbiale der Art und Weise betrachten, so ist zunächst festzustellen, daß sie
und Weise wie mit großer Geschwindigkeit. Wenn solche Adverbiale an verbale Projek­
4
bezüglich ihrer Übertragbarkeit unsensibel gegenüber der Intension der Partizipanten­
5
tionen adjungieren, sind Folgerungen wie die in (2) möglich: bedeutungen sind. Aus (4a) und (4b), bezogen auf die gleiche Situation, folgt (4c):

(2) a. [Max spielt Boule im Westfalenpark -> Max spielt Boule] (4) a. n 1: Rollo Gebhard ist äußerst schnell über den Atlantik gesegelt
b. [Max spült mit einem Schwamm -> Max spült] b. II 2: der berühmte Einhandsegler ist über den Atlantik gesegelt
c . [Maxfliegt mit großer Geschwindigkeit —> Max fliegt] c . tl>: der berühmte Einhandsegler ist äußerst schnell über den Atlantik gesegelt

Schauen wir uns nun die beiden Sätze in (5) an, angewendet auf die gleiche Situation.
Sowohl das Über-den-Atlantik-Segeln als auch das Den-Atlantik-Überqueren beinhalten
Letztere kann man auch als Dimensionsadverbiale von agensbezogenen Art-und-Weise-Adver­
bialen wie mit großer Sorgfalt unterscheiden. Für die folgende Argumentation spielt dieser
Unterschied aber keine Rolle. Vgl. zu einer ähnlichen Argumentation auch Eckardt (1996a:9ff).
308 309

die gleiche Menge von Veränderungen, nämlich die Bewegungen von Rollo Gebhard und (9) a. II 1: sie spritzte das Fahrrad mit einem Schlauch ab
seinem Segelboot zwischen - sagen wir - Lissabon und New York. Gemäß 1-9 handelt es b. n 2: sie reinigte das Fahrrad
sich damit um das gleiche Ereignis: c. <£: sie reinigte das Fahrrad mit einem Schlauch

(5) a. Rollo Gebhard ist über den Atlantik gesegelt Andere Fälle sind weniger deutlich: Wenn John seinem Sohn hilft, indem er das Geschirr
b. Rollo Gebhard hat den Atlantik überquert abtrocknet, und er trocknet das Geschirr mit einem Trockentuch ab, so ist es etwas unge­
wöhnlich zu sagen, daß er seinem Sohn mit einem Trockentuch half. Das liegt aber wohl
Wenn das so ist, sollten sich auch die Ereignisadverbiale übertragen lassen. Tatsächlich ist
weniger daran, daß eine der Prämissen der Folgerung (z.B. das Identitätskriterium) falsch
aber die Folgerung von (6a) und (6b) auf (6c) nicht möglich, denn erschöpft von Hektik
ist, sondern eher daran, daß helfen den Selektionsrestriktionen des Instrumentaladverbials
und Jetlag kann man durchaus sagen: So langsam und gemütlich wie der Gebhard möchte 6
nicht genügt, insofern als es kein typisch agentivisches Verb ist.
ich auch mal den Atlantik überqueren.
Schließlich ist noch anzumerken, daß die Identitätsbedingung für Ereignisse uns nun
(6) a. n 1: Rollo Gebhard ist äußerst schnell über den Atlantik gesegelt nicht mehr gestattet, aus dem Drehen der Metallkugel in dem roten Gefäß und dem gleich­
b. n 2: Rollo Gebhard hat den Atlantik überquert zeitigen Erwärmen der Metallkugel zu folgern, daß auch das Erwärmen der Metallkugel
c. *$: Rollo Gebhard hat äußerst schnell den Atlantik überquert in dem roten Gefäß stattgefunden hat. Und ich denke, das ist auch richtig. Daß das Drehen
und das gleichzeitige Sich-Erwärmen an dem gleichen Ort stattfinden, folgt nicht daraus,
Es scheint also, daß diese bekannte Eigenschaft relativer Adverbiale ein feinkörnigeres
daß es sich möglicherweise um dasselbe Ereignis handelt, sondern daraus, daß es sich bei
Ereignisverständnis verlangt als 1-9. Nun ist es so, daß relative Adverbiale immer in Hin­
'Drehen' und bei 'Erwärmen' um Ereignistypen handelt, die dort stattfinden, wo der sich
sicht auf bestimmte Vergleichsklassen ausgewertet werden, die im Wesentlichen wohl
verändernde Gegenstand sich befindet. Da sie zur selben Zeit mit dem gleichen Ereig­
kontextuell bestimmt sind. In (6a) liegt es offenbar nahe, die Geschwindigkeit des Segeins
nispartizipanten stattfinden, müssen sie zwangsläufig auch am gleichen Ort stattfinden.
relativ zu anderen Segelereignissen zu bemessen, während in (6c) Rollo Gebhards Atlan-
tiküberquerung eher mit anderen Atlantiküberquerungen verglichen wird. Und da war er Zusammenfassung: Als Essenz der ontologischen und wahrnehmungspsychologischen
halt deutlich langsamer als Lindbergh und andere Atlantiküberquerer. Wenn man nun Überlegungen wurde in diesem Kapitel eine Ereignisauffassung entwickelt, nach der ein
davon ausgeht, daß Adverbiale wie schnell nicht einfach Adverbiale über Ereignisse sind, Ereignis einen Typ von Veränderung an Entitäten zu einem Zeitintervall exemplifiziert.
sondern über Ereignisse relativ zu einer Vergleichsklasse prädizieren, schnell also etwa in Dieser Ereignisbegriff ist mit drei Vorteilen verbunden:
le[SCHNELL(e,P)] übersetzt, so können wir die Intensionalität, die schnell offenbar mit­ • Er erlaubt es uns, den Bereich, innerhalb dessen die Körnigkeit von Ereignissen nicht
bringt, aus dem Ereignisbegriff heraushalten. Wenn wir nun herausfinden wollen, ob völlig präzise zu bestimmen ist, genau einzugrenzen, nämlich auf die Menge der
schnell unsere Ereignisauflassung unterstützt, so müssen wir lediglich die Vergleichs­ epistemisch zugänglichen Veränderungstypen.
klasse bei dem Versuch, die Adverbiale zu übertragen, stabil halten. Und das tun wir, • Er erlaubt es uns, die Frage nach der genauen Körnigkeit von Ereignissen (als Frage
indem wir sie explizit festlegen wie in (7). Es zeigt sich, daß die Folgerung (7c) aus (7a) nach den zulässigen Veränderungstypen bzw. Eigenschaftsräumen) als eine empirische
und (7b) in diesem Fall korrekt ist und unsere Ereignisauffassung bestätigt. Frage aufzufassen, und zwar eine kognitionspsychologische.
• Er erlaubt es uns, Ereignisse mit genau der Körnigkeit auszustatten, die die verschiede­
(7) a. II 1: verglichen mit anderen Segeltouren über den Atlantik ist Rollo Gebhard äußerst
nen Ereignisadverbiale des Ortes, des Instruments und der Art und Weise verlangen.
schnell über den Atlantik gesegelt
b. TI 2: Rollo Gebhard hat den Atlantik überquert
c. <D: verglichen mit anderen Segeltouren über den Atlantik hat Rollo Gebhard den Atlan-
7.1.2 Die Bindung von Ereignisargumenten
tik äußerst schnell überquert

Ein guter Testfall für 1-9 sind auch Instrumentaladverbiale. Man sieht dabei zum Beispiel Bindung des Ereignisarguments in C oder I ?: Nachdem nun dargelegt worden ist, wofür
daran, daß (8c) aus (8a) und (8b) folgt, daß die Ereignisidentität auch innerhalb hypony- Ereignisargumente stehen und welche Verben über Ereignisargumente verfügen, bleibt
mer Relationen (hier zwischen gehen und stolzieren) stabil bleiben muß, und genau das ist
hier durch 1-9 gewährleistet: Es erlaubt an Subjektposition neben vermeintlichen Agenzien auch propositions- und ereignis­
bezeichnende Ausdrücke:
(8) a. n 1: er ging mit seinen schmutzigen Schuhen auf sie zu (i) sie half ihm beim Spülen
b. n 2: er stolzierte auf sie zu (ii) die Explosion half ihnen wenig
c. <1>: er stolzierte mit seinen schmutzigen Schuhen auf sie zu (iii) daß es so still war, half ihm beim Arbeiten
Dies soll übrigens kein Versuch sein, die Bedeutung von indem zu klären. Dazu genügt die
Auch die Verknüpfung von Ereignisbeschreibungen durch die /wcte/w-Relation gestattet oft vorgestellte Ereignisauffassung allein sicherlich nicht. Es soll nur behauptet werden, daß dort,
die Annahme, daß die zwei Ereignisse im Sinne von 1-9 identisch sind. Wenn jemand sein wo die Adverbiale in indem-Sätzen übertragbar sind, auch Ereignisidentität im Sinne von 1-9
Fahrrad reinigt, indem er es abspritzt, so kann aus (9a) und (9b) (9c) gefolgert werden: vorliegt.
310 311

noch zu klären, wie die Ereignisargumentstelle, die bislang als ^.-gebundene Variable Ereignisverb auftritt, die Applikation von daß auf den Rest des Ausdrucks (12c) an einer
repräsentiert worden ist, eigentlich gesättigt wird. Es wird sich in diesem Kapitel zeigen, Typverletzung (12d):
daß insbesondere unter der hier vertretenen Annahme, daß nicht alle Verben über Ereig­
(12) a. daß Paul Paula kennt
nisargumente verfügen, dies ein Problem darstellt.
h daß: XP[3erP(e)]] TYP: «e ,t>,t>
Die Sättigung der Ereignisargumentstelle erfolgt nicht durch die Bedeutung einer lexi­ E

c. Paul-Paula-kennt: KENN(paul,paula) TYP: <t>


kalisch gefüllten Konstituente, sondern, nach verbreiteter Annahme, durch ein funktiona­
d. t$(daß'J>aul-Paula-kennty. * XP[3e[P(e)]](KENN(paul,paula))
les Element. Higginbotham (1985:559fF) etwa unterscheidet drei Typen der Argument­
bindung: Während thematische Argumentstellen durch Phrasen gesättigt werden (bei Nimmt man nun aber andererseits an, daß die Konjunktion nicht zur Bindung des Ereig­
Higginbotham "theta-marking") und modifizierende Prädikate ihre Argumente durch nisarguments dient, so stellen sich die Fragen, wo denn Verben mit Ereignisargument die­
Konjunktion mit denen des Konjunkts identifizieren ("theta-identification"), wird das ses abbinden lassen und was für einen semantischen Beitrag die Konjunktion daß leistet.
Ereignisargument von dem funktionalen Kopf 1° aufgegriffen und existenziell gebunden Es finden sich nicht sehr viele Lösungsvorschläge zu diesem Problem. Zwarts
("theta-binding"). Etwas vereinfacht dargestellt, werden bei einem Satz wie Mary bit
7
(1992:131) versucht dem Bindungsproblem beizukommen, indem er annimmt, daß bei
John violently die beiden Ausdrücke in (10a) durch "theta-binding" in (10b) überführt: VPs, die ein Ereignisargument enthalten, dieses Argument, wie bei Higginbotham (1985),
durch "theta-binding" in ¥> existenziell gebunden und temporal verankert wird (13a). Bei
(10) a. "theta-binding": INFL-PAST (BrTE(maryjohn,e) & VIOLENTLY(e)) ==>
Stativen VPs ohne Ereignisargument appliziere das Tempus-Prädikat in der IP dagegen
b. 3eprTE(maryjohn,e) & VIOLENTLY(e) & PAST(e)]
direkt aufdie V P ( 13b).
Krifka (1989a:229f) nimmt an, daß im Deutschen ein Deklarativoperator, der u.a. mit der
(13) a. 3e[TENSE(e) & VF(e)]
Finitumsvoranstellung korrespondiert, die existenzielle Bindung des Ereignisarguments
b. TWSE(VP )
r

und seine temporale Verortung bewirkt. Auch nach Jacobs (1995:26ff) wird im Deutschen
die Ereignisargumentstelle - bei Jacobs (1995) "Situationsargumentstelle" - nicht in 1°, Für diese Lösung wird also eine Ambiguität der Tempusoperatoren konstruiert. Die An­
sondern in C° gesättigt, d.h., durch die Bewegung des finiten Verbs oder durch Einfügung nahme einer solchen Ambiguität sollte allerdings inhaltlich oder formal motiviert sein,
einer subordinierenden Konjunktion. d.h., man sollte zeigen können, daß ein echter Bedeutungsunterschied zwischen den bei­
Die Abbindung des Ereignisarguments sähe unter der Annahme, daß e in C° existen­ den Tempus-Varianten besteht oder daß es Sprachen gibt, die über zwei Reihen von Tem­
ziell gebunden wird, und den in dieser Arbeit zugrundegelegten Kompositionsmodi für pusmorphemen verfügen, von denen die einen mit Ereignis-, die anderen mit Zustands-
den Satz daß Paul Paula küßt damit so aus (ohne Berücksichtigung temporaler Informa­ verben auftreten. Solche Argumente werden von Zwarts allerdings nicht vorgebracht, so
tion): daß seine Lösung doch ad-hoc erscheint.
Bierwisch (1982:14) schlägt im Zusammenhang mit impliziten thematischen Argu­
(11) a. daß: >LP[3e[P(e)]]
menten vor, diese Argumente im Lexikon als ^-gebunden zu repräsentieren und später
b. Paul-Paula-küßt': Xe'[KÜSS(paul,paula,e')]
über eine "Unspecified Argument Rule" den ^.-Operator in einen Existenzquantor zu ver­
c. tfidaß'Paul-Paula-küßf): XP[3e[P(e)]](Xe'[KÜSS(paul,paula,e')])
wandeln. Diese Regel wird auf alle ^-gebundenen Variablen angewendet, die nicht kom-
d. X-Konversion: 3e[Xe'[KÜSS(paul,paula,e')](e)]
positionell spezifiziert werden können und keine weitere ^-gebundene Variable in ihrem
e. X-Konversion: 3e[KÜSS(paul,paula,e)]
Skopus haben. Diese Regel ließe sich natürlich auch auf Ereignisargumente anwenden,
deren existenzielle Bindung dann nicht mehr von einem funktionalen Kopf vorgenommen
Das e-Bindungsproblem und einige stipulative Lösungsversuche: In dem einleitenden
werden müßte. Die Regel sagt allerdings nicht nur fälschlicherweise voraus, daß alle im­
Kapitel zu Ereignisargumenten (Kap. 3.1.3) bin ich bereits auf Theorien zu sprechen
pliziten Argumente existenziell gebunden werden müssen (s. Kap. 3.2.2), sondern ist auch
gekommen, die annehmen, daß nicht alle Verben ein Ereignisargument haben. Das waren
eine Stipulation, die sprachlich oder logisch nicht weiter motiviert ist.
vor allem solche Theorien, die zwischen Stage-Level-Verben (mit e-Argumenf) und In-
dividual-Level-Verben (ohne e-Argument) unterschieden (Zwarts 1992:129, Maienborn Eine weitere Möglichkeit bestünde z.B. darin, bei Verben, deren Prädikatskonstante
1996:144, ähnlich auch Kratzer 1989:252). Unter dieser, ebenso wie unter der im letzten kein Ereignisargument enthält, ein leer ^-gebundenes Ereignisargument in der Lexem­
Kapitel vorgestellten Ereignisauffassung, stellt sich nun folgendes Problem: Nimmt man funktion anzunehmen. Eine Verb wie kennen in Paul kennt Paula sähe dann aus wie in
einerseits an, daß die Konjunktion in C, z.B. daß, auf ein Ereignisprädikat appliziert, also (14a) und könnte nach Belegung seiner thematischen Argumentstellen vom ereignisbin­
auf ein Prädikat vom Typ <e ,t> (12b), so scheitert, wenn in einem Satz wie (12a) kein denden Funktor daß aufgegriffen werden (14b - 14d).
E

(14) a. kennen': XyXxXe[KENN(x,y)]


7
Die Annahme, daß das Ereignisargument existenziell gebunden wird, geht schon auf Reichen-; b. tf(daßJPaul-Paula-kennt): XP[3e[P(e)]](X*'[KEr>nSi(paul,paula)])
bach (7947/1966:269) und Davidson (1967:91) zurück und wird von den meisten Ereigni c. ...
semantikern vertreten (z.B. Parsons 1980:54, 1990:13ff, Krifka 1989a:229f, Pustejov" d. X-Konversion: KENN(paul,paula)
1995:157ff); ich werde sie weiter unten noch diskutieren.
312 313

Ein ähnliches Vorgehen ist aber schon bei der Behandlung von Witterungsverben in Ka­ (1996:25) drei Typen von Lokaladverbialen unterscheidet, solche wie in (17a), die eine
pitel 3.2.3 zurückgewiesen worden. Selbst wenn leere X-Bindung technisch unproblema­ räumliche Einordnung des Ereignisses vornehmen, solche wie in (17b), durch die der
tisch sein sollte und nicht zu falschen Ableitungen führt, so konstruiert sie doch Aus­ ereignisinterne räumliche Aufbau spezifiziert wird, und schließlich solche wie in (17c),
drücke, die semantisch unplausibel sind: Xe'[KENN(paul,paula)] bezeichnet die Menge die den Geltungsbereich der Aussage räumlich einschränken. Syntaktisch, so Maienborn
von Ereignissen, so daß Paul Paula kennt; da e selbst im Skopus des X-Operators aber (1996:93ff), stellen die ersten VP-Adjunkte dar, die zweiten V-Adjunkte und die dritten
nicht vorkommt und dort entsprechend auch nicht restringiert wird, bezeichnet der Aus­ VP-externe Adjunkte:
druck - vorausgesetzt, daß Paul Paula tatsächlich kennt - alle Ereignisse überhaupt und
(17) a. in einem Dickicht verstauchte sich die Lady den Fuß
hat damit die gleiche Extension wie jeder andere Ausdruck mit leer X-gebundenem Ereig­
b. die Lady mußte in einem Holzgestell getragen werden
nisargument und wahrer eingebetteter Proposition, also z.B. wie (daß) die Erde rund ist,
c. Krause war in Spanien hochberühmt
(daß) Ulla weiß, wie die Abseitsfalle funktioniert oder (daß) Paul Paula ähnelt. Ich denke
nicht, daß es irgendeine sprachliche Evidenz für leere X-Bindung gibt, so daß dieser Ver­ Nur unter der Interpretation wie in (17c) treten Lokaladverbiale auch mit Individual-
such, das Bindungsproblem zu lösen, ebenso stipulativ wie die vorangegangenen er­ Level-Verben auf. Sie modifizieren hier - so Maienborn (1996:181ff) - die Bezugssitua­
scheint. tion, während die Adverbiale in (17a) und (17b) auf das Ereignis selbst bezogen sind.
Unter Bezugnahme auf Kleins (1994) Begriff der "topic time" vermutet sie zudem, daß
Situations- vs. Ereignisargument: Bevor ich einen Vorschlag zur Lösung des Bindungs­
auch das Tempus nicht das Ereignis, sondern die Bezugssituation temporal situiert (Mai­
problems unterbreite, will ich auf die zweite im letzten Abschnitt gestellte Frage eingehen,
enborn 1996:184f). Bezugssituationen oder verwandte Konzeptionen sind auch in Theo­
was nämlich die Aufgabe von daß sein könnte, wenn es nicht dazu dient, Ereignisargu­
rien zur Bedeutung von defiruten und indefiniten Nominalphrasen herangezogen worden
mente zu binden. Hierzu lohnt ein Blick auf die von Maienborn (1996) im Rahmen ihrer
(Löbner 1990), ebenso wie zur Analyse von Topic-Comment-Strukturen (Maienborn
Arbeit zur Situationslokalisierung vorgebrachten Vorschläge. Maienborn (1996:188ff)
1996:196ff).
nimmt an, daß sich Stage-Level-Verben und Individual-Level-Verben erstens dadurch
An folgenden Beispielen sei nochmals die Verteilung lokaler und auch die temporaler
unterscheiden, daß nur Stage-Level-Prädikate ein Ereignisargument haben, und zweitens,
Adverbiale illustriert. Im Gegensatz zu den von Kratzer (1989, 1990) gemachten Annah­
daß nur bei Individual-Level-Prädikaten das Subjekt VP-extern realisiert wird. Die ent­
men lassen sich nicht nur Stage-Level-Verben (18a) sondern auch Individual-Level-Ver­
sprechenden VPs mit Verben beider Typen sehen damit so aus wie in (15a) und (15b),
8 ben (18b) mit situationsbezogenen Lokaladverbialen (in Argentinien) verknüpfen. Ein
sind also beide vom Typ <e,t>. Auf Ausdrücke dieses Typs appliziert nun der IP-Kopf
zweites VP-internes Lokaladverbial (in einem Ballsaat) ist dagegen nur bei dem Stage-
(15c), der zum einen das noch X-gebundene Argument der VP übernimmt und zum ande­
Level-Verb tanzen (19a), nicht aber bei dem Individual-Level-Verb wissen (19b) möglich.
ren eine Bezugssituation s einführt, die zu der verbalen Prädikation P(x) bzw. P(e) in
Beziehung gesetzt ("REL") und temporal ("TEMP") und modal ("MOD") verankert wird. (18) a. in Argentinien habe ich Tango getanzt
Diese Bezugssituation beschreibt den Geltungsbereich, relativ zu dem der deskriptive b. in Argentinien habe ich gewußt, wie man Tango tanzt
Gehalt des Satzes bewertet werden muß. Die Bezugssituation wird teils im Satz sprachlich (19) a. in Argentinien habe ich in einem Ballsaal Tango getanzt
9
explizit gemacht, teils durch den sprachlichen und außersprachlichen Kontext gegeben. b. i n Argentinien habe ich in einem Ballsaal gewußt, wie man Tango tanzt
??

Die Applikation des IP-Kopfs auf die VP (16a) resultiert damit in Ausdrücken wie (16b).
Mit Temporaladverbialen (allein oder in Kombination mit Lokaladverbialen) zeigt sich
(15) a. Individual-Level-VP: Xx[P(x)] für P z.B.: dem Hund ähnel- der gleiche Effekt (20, 21). Das VP-externe Adverbial (damals) ist mit beiden Verben
b. Stage-Level-VP: Xe[P(e)] für P z.B.: Paul die Kofferpack- verträglich. Tritt aber ein weiteres Zeitadverbial (am Ostersonntag) auf, so macht dieses
c. 10: XQXkXs[REL(s,Q(k)) & TEMP(s) & MOD(s)] den Satz mit wissen unakzeptabel (21b):

(16) a. Funktions-Appl.(\0 VP):


XQXkXs[REL(s,Q(k)) & TEMP(s) & MOD(s)](XxrP(x)]) (20) a. damals (in Argentinien) habe ich Tango getanzt
bzw.: XQXkXs[REL(s,Q(k)) & TEMP(s) & MOD(s)](Xe[P(e)]) b. damals (in Argentinien) habe ich gewußt, wie man Tango tanzt
b. X-Konversion: XkXs[REL(s,P(k)) & TEMP(s) & MOL\s)] (21) a. damals (in Argentinien) habe ich am Ostersonntag (in einem Ballsaal) Tango getanzt
(wobei k vom Typ CQ oder e ) E b. ^damals (in Argentinien) habe ich am Ostersonntag (in einem Ballsaal) gewußt, wie m
Tango tanzt
Wie ist nun Maienborns (1996) Vorschlag der Einführung einer zusätzlichen Bezugs­
situation motiviert? In Kapitel 5.3.2 ist bereits angeführt worden, daß Maienborn Nimmt man nun an, daß Lokal- und Temporaladverbiale vom Typ <e,t> sind und daß
tanzen, nicht aber wissen, über ein Ereignisargument verfügt, so sollten die VP-internen
8
Lokal- und Temporaladverbiale in (21) bei tanzen, nicht aber bei wissen, eine Entität fin­
Maienborns (1996) Notationen sind den hier verwendeten angepaßt; so repräsentiert sie etwa den, über die sie prädizieren können. Genau das entspricht auch den Daten in (21). Die
Ereignisprädikate in der in der Zwei-Ebenen-Semantik üblichen Weise als Xe[e INST [...]] und
nicht wie in (15b). Frage ist nun, welche Entität denn der Gegenstand der VP-externen lokalen und tempora-
9
Vgl. dazu und zu verwandten Ideen Maienborn (1996:181ff).
314 315

len Prädikation in (20) und (21) ist. Wenn diese Entität, wie Maienborn (1996) annimmt, möchte und ob es anders als bei Maienborn (1996), die s über den IP-Kopf einführt, nicht
die Bezugssituation s ist, so können wir die Annahmen über den Typ lokaler und tempo­ vielleicht doch lexikalisch projiziert werden sollte, z.B. indem man, wie Jacobs (1995) es
raler Adverbiale beibehalten und einen Satz wie (21) damit wie folgt paraphrasieren: 'Was vorsieht, die Lexeme jeder Hauptwortart um ein Situationsargument ergänzt und die Si­
die Situation damals in Argentinien angeht, so gab es ein Tanzereignis am Ostersonntag tuationsargumente der verschiedenen Lexeme im Laufe der Ableitung identifiziert.
in einem Ballsaal mit mir als Agens'. Da die Situation s durch 1° eingeführt wird, tritt sie Welche Lösung bietet Maienborns (1996) Ansatz darüber hinaus nun für das hier auf­
in jeder Satzrepräsentation auf, so daß alle Sätze prinzipiell entsprechende Modifikatoren getretene Problem der Ereignisbindung? Zunächst einmal scheinbar keine: Wie andere
10
enthalten können. geht sie davon aus, daß das e-Argument in Stage-Level-Ausdrücken, also Ausdrücken vom
Typ XeXsfREL...], durch C° gebunden wird. Die x-Variable in Individual-Level-Aus-
"s" und "REL": Die Einführung eines Situationsarguments wirft natürlich eine Reihe von
drücken, also solchen vom Typ XxXsfREL...], wird dagegen durch das Subjekt in Spec-IP
Fragen auf, die ich hier nur kurz anreißen kann, insbesondere nach dem ontologischen
belegt (Maienborn 1996:189). Welche Aufgabe C° allerdings hat, wenn es auf ein Stage-
Status von s und nach der genauen Aufgabe der Relation REL. Maienborn (1996:2483)
Level-Prädikat trifft, bleibt ebenso unbeantwortet wie die Frage, wo das s-Argument ge­
geht davon aus, daß diese Relation semantisch unterspezifiziert ist und erst durch Kontext­
bunden wird. Geht man allerdings davon aus, daß nicht das Ereignis- sondern das Situa­
information determiniert wird. In vielen Fällen dient REL zur Verankerung eines Diskurs­
tionsargument in C gebunden wird und die Ereignisargumentstelle auf andere Weise ge­
referenten, indem die Bezugssituation den Bezugsbereich für diesen Referenten ein­
sättigt wird, so bleibt C° in seiner Funktion als Argument-Binder unberührt, und da jeder
schränkt. In (22a) etwa wird der Bezugsbereich für den Quantor eingeschränkt, bei indefi­
Ausdruck ein s-Argument enthält, kommt es auch nicht zu Typverletzungen, solange
niten NPs wie in (22b) muß die Variable durch einen in s zugänglichen Referenten in-
garantiert wird, daß das e-Argument an anderer Stelle gebunden wird.
stantiiert werden, etc. In anderen Fällen haben wir es mit implizit quantifizierenden Prä­
dikaten zu tun wie in (22c), wo von einer relativ zum durch s gegebenen Bezugsbereich Existenzielle Bindung oder definite Interpretation: Es ist zu Beginn dieses Kapitels davon
signifikant großen Menge von Menschen die Rede ist, die den FC Bayern nicht mögen. In ausgegangen worden, daß Ereignisargumente existenziell gebunden werden. Dem ist al­
(22d) wiederum gibt die Bezugssituation den Bereich an, für den die dem deskriptiven lerdings von Jacobs (1995:29) widersprochen worden: Wenn in einem Satz wie es regnet
Gehalt des Satzes zugrundeliegende Norm gilt. nicht das Ereigrusargument, oder - wie es bei Jacobs heißt - das "Situationsargument" s
existenziell gebunden wird, so kann entweder der Negationsoperator Skopus über den
(22) a. in Australien sind die meisten Schwäne schwarz
Existenzquantor haben (22a) oder umgekehrt (22b). Im ersten Fall erhalten wir die falsche
b. in Niendorf versetzt ein frei umherlaufender Tiger die Bevölkerung in Angst und
Repräsentation, daß es eine Situation gibt, die keine Regen-Situation ist; daß es solche
Schrecken
Situationen gibt, ist unzweifelhaft wahr, entspricht aber nicht der Bedeutung des Satzes.
c. außerhalb von Bayern ist der FC Bayern München nicht beliebt
Im zweiten Fall bekommen wir die ebenfalls falsche Lesart, daß es keine Situation gibt,
d. in Bolivien ist das Kauen von Coca-Blättem ganz normal
die eine Regen-Situation ist, würde der Satz das bedeuten, so wäre er immer falsch, denn
Natürlich wird man die Bedeutung von REL(s,p) nicht ganz dem Kontext überlassen wol­ solche Situationen gibt es natürlich. Stattdessen müssen wir - so Jacobs (1995:29) - das
len. Eine kontextunabhängige Minimalbedingung für die Wahrheit von REL(s,p) ist etwa, Situationsargument definit interpretieren wie in (22c), die Situationsargumentsstelle also
daß p der Fall sein muß (relativ zu den durch s gegebenen Beschränkungen). Als wie durch eine bestimmte Situation im Kontext sättigen; (22c) heißt demnach: die betrachtete
kontextabhängig sich die Bedeutung von REL erweist, hängt auch davon ab, wie man Situation ist keine Regen-Situation.
letztlich den ontologischen Status von s bestimmt, was also die Identitätskriterien für
Situationen sind. Sicherlich sind Situationen etwas ganz anderes als Ereignisse in der hier (22) a. es regnet nicht: *3s-,[REGN(s)]
vertretenen Auffassung. Man wird sie wohl vor allem nicht über Veränderungen definie­ b. es regnet nicht: *-i3s[REGN(s)]
ren wollen. Die Tatsache, daß Situationen auf der anderen Seite ebenso wie Dinge und c. es regnet nicht: -i[REGN(s)]
Ereignisse Gegenstand lokaler Modifikationen sind, deutet darauf hin, daß sie durchaus Wenn wir nun aber ein Ereignis- und ein Situationsargument unterscheiden, so ist es
Gemeinsamkeiten mit konkreten Entitäten in der uns umgebenden Wirklichkeit haben. Ob immer die Bezugssituation s, als die Situation, von der wir reden, die definit verstanden
man Situationen als Mengen von in Beziehung stehenden Ereignis- und Dingindividuen werden muß, während über Ereignisse auch existenziell quantifiziert werden kann. Der
verstehen kann oder als eine Form kleiner Welten, oder ob man zu ihrer Deutung be­ zur Diskussion stehende Satz hätte demnach die Repräsentation (23a), die sagt, daß es in
stimmte andere, kognitive Größen heranziehen muß, soll hier nicht diskutiert werden. der Situation, von der wir reden, kein Ereignis gibt, das ein Regen-Ereignis ist. Entspre­
Schließlich ist auch noch zu überlegen, wie genau man s in die Repräsentation einbinden chende Modifikatoren verteilen sich wie in (23b) auf die Situations- und die Ereignis­
variable, so daß die Repräsentation von (23b) besagt: 'Bezogen auf unseren Urlaub in
Die Ambiguität in der Applikation temporaler Adverbiale erinnert an Adverbialanalysen in an Spanien gab es kein Ereignis, das ein Regnen war und das tagsüber war'. Diese Repräsen­
Reichenbach (1947/1966) angelehnten Tempustheorien. Temporaladverbiale, die über die Be­ tationsweise erlaubt uns nun auch eine angemessene Darstellung entsprechender affirma­
zugssituation prädizieren, entsprechen referenzzeitbezogenen Adverbialen in reichenbachschen tiver Sätze wie (23c), der ja nicht bedeutet, daß es während der gesamten Dauer der be-
Ansätzen, solche, die über das Ereignis prädizieren, korrespondieren zu ereigniszeitbezogenen
Adverbialen.
316
317
trachteten Situation geregnet hat, sondern lediglich, daß es Regen-Ereignisse in der Situa­ so ähnlich, daß ich auf eine erneute ausführliche Darstellung des Effekts verzichte (s. dazu
tion gegeben hat. Kap. 3.3.4) und seine Wirkung an einem einfachen Beispiel (25a) aufzeige: 11

(23) a. es regnet nicht (25) a. Klaus joggt im Grävingholz


REL(s,[-i3e[REGN(e)]]) b. joggt': Xx[JOGG(x,e'±d)]
b. im Urlaub in Spanien hat es tagsüber nicht geregnet c. im-Grävingholz': Xe[IN(grävingholz,e)]
REL(s,[-,3e[REGN(e) & TAGSÜBER(e)]]) & LM-URLAUB(s) & LN-SPANLEN(s) d. Klaus': klaus
c. in unserem Sahara-Urlaub hat es geregnet e. A^(im-Grävingholz'joggt'):
REL(s,[3e[REGN(e)]]) & LN-UNSEREM-SAHARA-URLAUB(s) Äx'f Xe[IN(grävingholz,e)](Xx[JOGG(x,e±d)](x')) ,
]
Damit soll aber nicht gesagt sein, daß Ereignisargumente immer existenziell gebunden f. X-Konversion: Ax'f XepN(grävingholz,e)](JOGG(x',e <l)) ,±
j
sind. Man betrachte die folgenden Sätze, verstanden als fortlaufender Text: g. e-Anhebung: kc'[ d
XPpN(grävingholz,e± ) & PteidjKXeyOGGtx'.e')]) ]
h. X.-Konversion: Ax'[ d
LN(grävingholz,e± ) & Xe'[JOGG(x',e )](e d) , ±
J
(24) a. gestern im Reha-Zentrum bin ich zum erstenmal seit meiner Meniskusverletzung wieder i. X.-Konversion: Ax'[ LN(grävingholz,e d) & JOGG(x',e ) ± ±d
]
gejoggt j. A (A*'(im-Grävingholz''joggt')Jdaus ):
1? 1

b. ich bin allerdings noch ganz vorsichtig gelaufen Xx'[IN(grävingholz,e±d) & JOGG(x ,e )Kklaus) , ±d

c. das ging schon ganz gut mit meinen neuen Jogging-Schuhen ±d 1


k. X-Konversion: LN(grävingholz,e ) & JOGGtklaus.e*« )
Die in Kapitel 7.1.1 vertretene Ereignisauffassung legt es natürlich nahe, das Joggen-Er- Bei dem Versuch des Lokaladverbials, auf das Verb zu applizieren, wird zunächst das
eignis als identisch mit dem Laufen-Ereignis aufzufassen. Wenn das so ist, dann ist das Agensargument des Verbs gemäß der Regel für Funktionsauswertung für die weitere Ver­
Ereignis durch den Vorsatz (24a) schon in den Diskurs eingeführt, so daß wir das Ereig­ arbeitung übernommen (in 25e bis 25i kursiv). Die Typverletzung in (25f) entspricht ge­
nisargument von laufen in (24b), auf das in (24c) dann noch einmal pronominal zuge­ nau den Bedingungen für Implizitenanhebung gemäß P-10 (25g). Danach kann der Aus­
griffen wird, sicherlich nicht existenziell binden wollen. Ereignisargumentstellen können druck wie gewohnt weiter verarbeitet werden, so daß am Ende (25k) als korrekte Reprä­
also je nach Kontext définit oder indefinit interpretiert werden. sentation resultiert. Wenn wir davon ausgehen, daß das Situationsargument mit berück­
Im Folgenden gehe ich davon aus, daß Situationsargumente définit zu interpretieren sichtigt wird und wir statt (25k) die Repräsentation (26a) erhalten, so wird die Situations­
sind und nicht existenziell gebunden werden. Die diesbezügliche Frage der Interpretation argumentstelle s dann durch die Finitumsvoranstellung (oder eine Konjunktion) gesättigt,
von Ereignisargumenten bedarf sicherlich weiterer Überlegungen; fürs Erste werde ich die aber gemäß dem im vorigen Abschnitt Gesagten s nicht existenziell bindet, sondern
Ereignisargumente der Einfachheit halber als definitheitsneutral betrachten. eine definite Interpretation von s verlangt:
Eine Lösung mit Implizitenanhebung: Noch immer unbeantwortet ist die Frage, wie die (26) a. t${${im-Grävingholz'joggt )Jklaus'): r

Sättigung von Ereignisargumentstellen nun eigentlich erfolgen soll. In Kapitel 3.3.4 ist ±
X.srREL(s,[IN(grävingholz,e d) & JOGG(klaus,e± )])] d

gezeigt worden, wie implizite, also nicht X-gebundene Argumente, durch ein Prinzip der
b. CO': AP[P(s+ )] d

Implizitenanhebung P-3 für Modifikationsprozesse verfügbar gemacht werden können.


c. AF(C0',AF(Af(im-Grävingholz''joggt") Jdaus')):
Diese Idee kann man sich nun auch für die Behandlung von Ereignisargumenten zunutze XPrP(s d)](Xs[REL(s,[IN(grävingholz,e±d) & JOGG(klaus,e± )])])
+ d

machen, indem man davon ausgeht, daß Ereignisargumente lexikalisch als implizite, d ±d +d
d. X.-Konversion: XsfREL(s,[IN(grävmgholz,e± ) & JOGG(klaus,e )])](s )
defimtheitsneutrale Argumente repräsentiert werden. Mithilfe von P-10 können solche d ±
e. X-Konversion: REL(s+ ,[IN(grävingholz,e d) & JOGGtklaus^« )]) 1

Ereignisargumente nun vorübergehend für Modifikationsprozesse verfügbar gemacht


werden:
Generalisierung der Implizitenanhebung: Wenn wir nun davon ausgehen, daß auch Ereig­
(P-10) Implizitenanhebung für Ereignisargumente (e-Anhebung) nisargumente implizit sind, so erfordert die in Kapitel 3.3.4 diskutierte Modifikation von
Wenn AF(Z',F) = Xa ..Xa [Z'(Y'(a )...(a ))l Instrumentalphrasen im agenslosen Passiv natürlich die Anhebung des thematischen und
h n l D

so daß Z'(F(ai)...(a )) = *Xe[vj/](<|>[e' ]),


±d des Ereignisarguments. Zwei Fälle sind demnach zu unterscheiden:
n

so wird Z'(/"(ai)...(a )) als XP[u/[e/e± ] & P(e± )](Xe'[<b]) repräsentiert.


n
d d
±d
(27) a. *Xe[y](<|>[e' ]) z.B. (daß) er im Grävingholz joggt
Dem Prinzip zufolge wird dann, wenn ein Ereignisprädikat (z.B. ein Lokaladverbial)
±d
b. *XeXx[H/](<p[x' ,e ]]) t±d
z.B. (daß) er mit einer Peitsche gequält wurde
vergeblich versucht, auf eine Proposition zu applizieren, die ein implizites, definitheits- Wir können nun das Prinzip der Implizitenanhebung so verallgemeinern, daß es beide
neutrales Ereignisargument enthält, dieses Ereignisargument vorübergehend X-gebunden Fälle, (27a) und (27b), erfaßt:
und dessen Definitheitsmarkierung in ein höherstufiges Prädikat verschoben. P-10 ist P-3
1 1
Vgl. auch die ursprüngliche Behandlung dieses Satzes in Kapitel 3.2.1, Beispiel (61).
318 319

(P-ll) Generalisierte Implizitenanhebung zen, in denen über Ereignisse quantifiziert wird, und sie füngiert als die Einheit, die in C°
Wenn ä^Z'.T) = X a . . A o [ Z ' ( r ( a ) . . . ( a ) ) ] ,
1 n 1 n
gesättigt wird. Zweitens wird angenommen, daß Ereignisargumente implizite Argumente
so daß Z'(F(a )...(a )) = *XeXx [ii/](<b[e , *'n ]),
1 n n
,±d ±d
sind, die durch eine Variante der Implizitenanhebung (e-Anhebung) für Modifikations­
;td
so wird Z'(7'(ai)- (an)) als XP[v /[e/e , x /x ] & P(x ± )(e )](Xx Ä.e [<|>]) reprä­
t n n
±d
n
d ±d ,
n
, prozesse zugänglich gemacht werden. Die e-Anhebung erweist sich dabei als ein Spezial­
sentiert (für n < 1). fall einer generalisierten Form der Implizitenanhebung.

Wenn also ein Ausdruck A vom Typ Xelx [\\i], z.B. ein Modifikator, versucht, auf einen
n

Ausdruck B, zum Beispiel ein Verb, zu applizieren, das zwar Variablen vom Typ e£ und
eG enthält, bei denen diese Variablen aber nicht X-gebunden, sondern defiiutheitsneutral
implizit sind, so kann dieser Ausdruck A per Implizitenanhebung diese Variablen für
7.2 Ereigmsstruktursemantik
einen Modifikationsprozeß "ausgraben". Dabei sollen "XeXx " und "für n < 1" heißen, daß n

eine Ereignisvariable und eine oder keine tiefer eingebettete thematische Variable von der
7.2.1 Teilereignisse
Implizitenanhebung betroffen sind - kurz gesagt, das Ereignisargument und alle themati­
12
schen Argumente rechts davon. Das betrifft Fälle wie (28a), bei denen nur das Ereignis­
Einleitung: Als Grundidee dieser Arbeit wurden in Kapitel 2 lexikalische Ereigmsstruktu-
argument von der Umwandlung in (28b) betroffen ist, und (29a), wo ein Ereignis- und ein
ren als semantische Repräsentationen von Verben vorgestellt. Verschiedene Aspekte dieser
thematisches Argument des passivischen arbeiten modifiziert werden (wobei im unper­
Idee sind im Laufe der Arbeit untersucht worden und haben zu Verfeinerungen und Mo­
sönlichen Passiv das Agensargument implizit ist und somit, anders als in (28a), kein Ar­
difikationen der Ausgangsidee geführt. In den abschließenden Kapiteln werde ich die
gument zur weiteren Verarbeitung extrahiert werden muß).
Semantik der lexikalischen Ereignisstrukturen präzisieren.
(28) a. (daß) Rebecca lange arbeitete Die Ereignisstrukturen, so die nach wie vor gültige Grundidee dieser Arbeit, involvie­
b. AI'(lange',arbeitete"): kx'[ Xe[LANGE(e)](ARBEIT(x',e' d)) j ±
ren vier Komponenten:
c. Implizitenanhebung: Ax'f XP[LANGE(e ) & P(e )](Xe'[ARBEiT(x',e')]) ]±d ±d
• eine mereologische Beziehung zwischen dem vom Verb bezeichneten Ereignis und
d. X-Konversion: hc'[ LANGE(e ) & ARBEIT(x',e ) ±d
] ±d
seinen Teilereignissen;
• Sortenprädikate (PKT, DUR) über Teilereignisse;
(29) a. (daß) sorgfältig gearbeitet wurde
• temporale und kausale Relationen zwischen Teilereignissen;
b. A'(sorgfältig'gearbeitet-wurde):
1 1

,±d ,±d
• semantische Relationen zwischen thematischen Argumenten und Teilereignissen bzw.
XeXx[SORGFÄLTIG(x,e)]([ARBErr(x ,e )]) zwischen thematischen Argumenten und Prädikationen über Teilereignisse.
c. Implizitenanhebung: In diesem Kapitel (7.2.1) wird es um semantische Aspekte der Teilereignisbeziehung und
±d ±d ±d ±d ,
XP[SORGFÄLTIG(x ,e ) & P(x Xe )](Xx Xe'[ARBErr(x',e')]) um Nachzustände gehen sowie um die Frage, auf welche Weise Teilereignisse semanti­
±d ±d ±d ±d
d. X-Konversion: SORGFÄLTIG(x ,e ) & ARBEIT(x ,e ) schen Prozessen zugänglich sind. In Kapitel 7.2.2 werde ich die temporalen und kausalen
Relationen zwischen Teilereignissen genauer spezifizieren, und in Kapitel 7.2.3 soll ge­
Zusammenfassung: Die Annahme, daß nur bestimmte Verben über ein Ereignisargument
zeigt werden, wie die bisher in halbformalen Notationen repräsentierten Ereignisstruktu­
verfügen, wirft ein Problem auf. Nimmt man an, daß Ereignisargumente in C° gebunden
ren in prädikatenlogische Ausdrücke übersetzen.
werden, so scheitert der Versuch, C° auf einen Ausdruck ohne Ereignisargument zu appli­
zieren, an einer Typverletzung. Nimmt man dagegen an, daß Ereignisargumente nicht in Teilereignisse und Ereignisbäume: Ein Ereignis besteht aus einer Menge von Teilen, die
C° gebunden werden, so stellen sich die Fragen nach der semantischen Funktion von C° ebenfalls wieder Ereignisse sind. Die in den Ereignisstrukturen repräsentierten Teilereig­
und nach der Stelle, wo Ereignisargumente stattdessen gebunden werden. Die Probleme nisse sind dabei unmittelbare Teilereignisse des Gesamtereignisses. Diese konstituieren
lösen sich unter zwei Annahmen: Erstens werden Ereignis- von Situationsargumenten eine Art oberste Strukturebene und können dabei selbst wiederum aus Teilen bestehen, so
unterschieden. In jedem Satz tritt - zusätzlich zu einem möglichen Ereignisargument - daß sich hierarchisch organisierte Ereignisbäume ergeben (s. auch Abb. 19). Nach wel­
eine Argumentstelle für eine Bezugssituation auf, relativ zu der der deklarative Gehalt des chen Kriterien sich im Einzelnen solche Ereignisbäume aufbauen, will ich an dieser Stelle
Satzes bewertet wird. Diese Situationsargumentstelle ist das Argument für bestimmte nicht diskutieren. Die Intuition darüber, welche Einheiten die "Teil-von"-Relation in Er­
Arten von adverbialen Prädikaten, sie ermöglicht angemessene Interpretationen von Sät- eignisbäumen verknüpft, geht allerdings nicht dahin, etwa bei einem zehnminütigen Er­
eignis des Typs Geschirr abtrocknen die ersten fünf Minuten Geschirr-Abtrocknen und die
zweiten fünf Minuten Geschirr-Abtrocknen als Teilereignisse zu unterscheiden, die dann
Ob auch mehr als ein thematisches Argument von der Implizitenanhebung betroffen sein kann,
wäre noch zu überprüfen. Wenn man mit Van Voorst (1993:97ff) annimmt, daß Adverbien der vom gleichen Typ wie das Gesamtereignis sind. Dies ist eine eher phasenhafte, temporale
Art und Weise wie sorgfältig (carefully) nicht nur Ereignis- und Agensbezug, sondern auch "Teil-von"-Beziehung, wie sie in ähnlicher Form zur Charakterisierung aspektueller Ei­
Objektbezug aufweisen, so könnte dies in Sätzen mit zwei impliziten thematischen Argumenten genschaften von Prädikaten herangezogen wird (s. Kap. 2.2.3). Die Ereignisbäume sollten
wie es wurde sorgfältig gespült durchaus der Fall sein.
320 321

solche Strukturen widerspiegeln, bei denen die Teile anders sind als das Gesamtereignis, wird nur die oberste Strukturebene eines Ereignisbaums repräsentiert, also die unmittel­
also in diesem Fall zunächst die verursachende Agenshandlung und das Trockenwerden baren Teilereignisse des Gesamtereignisses. Die Idee der Unmittelbarkeit der Teilereignis­
des Geschirrs, wobei die Agenshandlung sich gegebenenfalls wiederum aus einer Sequenz relation wird dazu wie folgt definiert, wobei "c" für die reflexive, antisymmetrische und
von Teilereignissen zusammensetzt, die jeweils in dem Abtrocknen einzelner Teile des 13
transitive Basisrelation "Teil von" steht und " c"nm» für d i Relation "unmittelbarer Teil
e

Geschirrs bestehen und das Abtrocknen jedes einzelnen Teils wiederum aus bestimmten von":
zu unterscheidenden Bewegungen.
(P-12) Unmittelbares Teilereignis
Die lexikalischen Restriktionen bezüglich der Ereignisse, auf die ein Verb wie abtrock-
nen referieren kann, berücksichtigen allerdings die Feinstruktur solcher Ereignisbäume
1 1
• V e V e i [ ( e c » ™ e ) <->de ((e c e) & -,3e2[( i * e2) & (e * 2) & ( i c e2) &
f e e e
2
nicht. Dennoch gibt es durchaus sprachliche Phänomene, die auf die feineren Struktur- ( e c e)])]
ebenen in Ereignisbäumen Bezug nehmen, wobei aber bei Teilereigrussen auf tieferen
Das heißt, ei ist unmittelbares Teilereignis von e, genau dann wenn ei Teil von e ist und
Strukrurebenen weniger deren Eigenschaften oder Relationen ein Rolle spielen, als viel­ 1 2 1
es kein von e und e verschiedenes Teilereignis e gibt, von dem e Teil ist und das selbst
mehr die Tatsache, daß bestimmte Ereignisse überhaupt auf einer feineren Ebene geglie­ Teil von e ist.
dert sind. So kann zum Beispiel bei der Beschreibung von Ereignisabläufen nicht unmoti­
viert von einer bestimmten ereignisstrukturellen Feinheitsstufe auf eine andere Stufe Teilereignisse in lexikalischen Ereignisstrukturen: Für lexikalische Ereigrusstrukturen gilt
gewechselt werden (s. Marszk 1996). Das heißt, daß (30a), nicht aber (30b) textuell wohl- nicht nur, daß lediglich unmittelbare Teilereignisse in ihnen spezifiziert werden, sondern
geformt ist: auch, daß die Teilereignisse in der Ereignisstruktur das Gesamtereignis in dem Sinne
erschöpfen, daß es keine unmittelbaren Teilereignisse des Gesamtereignisses gibt, die
(30) a. Der Montag begann damit, daß der Wecker klingelte. Ich stellte ihn aus und setzte mich im nicht in der Ereignisstruktur repräsentiert sind: 14

Bett auf. Mein Blickfielauf die herumstehenden Umzugskartons.


b. ^Der Montag begann damit, daß der Wecker klingelte. Ich stellte ihn aus und zog um. (P-13) Vollständigkeit von Ereignisstrukturen
(aus Marszk 1996:1) Eine lexikalische Ereignisstruktur E-STR eines verbalen Prädikats P über e muß
vollständig sein, d.h. für die Menge TE der in E-STR spezifizierten Teilereignisse
Dabei lassen sich Verben nach Marszk (1996:30ff) nach ihrer Granularität unterscheiden,
müssen i) und ii) gelten:
also - bezogen auf die Idee von Ereignisbäumen - danach, ob sie eher Ereignisse auf obe­ n n n
i) Ve [(e e TE) -» ( e c«"m ) j
ren (z.B. umziehen) oder auf unteren (z.B. klingeln) Strukturebenen von Ereignisbäumen e

ii) -i3e [(e c " m n e) & (e" e TE)]


n n

bezeichnen können, oder - anderes gesagt - danach, wie komplex die Ereignisse sind, auf
die sie referieren. Auch psychologische Untersuchungen zu Erzählstrukturen bestätigen Abb. 19 veranschaulicht P-13. Bei dem gegebenen Ereignisbaum ist nur die Ereignis­
die Relevanz solcher Ereignisstrukturierungen. Schon Dreijährige achten bei der Wieder­ struktur wohlgeformt, die genau die in der Teilereignismenge A enthaltenen Teilereig­
gabe von Ereignissequenzen darauf, eine bestimmte Strukturebene bei der Ereignisbe­ nisse spezifiziert. Die Teilereignismenge D verletzt die erste Klausel der Vollständigkeits­
schreibung einzuhalten (vgl. Nelson / Gruendel 1986:44f). definition, Teilereignismenge B die zweite und Teilereignismenge C verletzt beide Klau­
Schließlich spielen auch in der Aspektualitätsforschung feinere Ereignisgliederungs­ seln.
ebenen eine Rolle. Wie in Engelberg (1997:21fi) gezeigt wurde, erlauben bestimmte un- Aus der Vollständigkeitsbedingung ergibt sich im Übrigen auch, daß dann, wenn es nur
ergative Verben dann accomplishment-typische Zeitspannenadverbiale, wenn sie Ereig­ 1
ein Teilereignis e in der Teilereignismenge TE von e gibt, dieses mit e identisch ist, denn
nisse bezeichnen, die einen relativ invariablen, festgefügten Ablauf verschiedener Teil­ 1
gäbe es einen von e verschiedenen unmittelbaren Teil von e, dürfte dieser gemäß. P-13
ereignisse auf einer sehr feinen Strukturebene involvieren, wie z.B. intransitiv tanken in nicht außerhalb von TE liegen.
(3 lb) im Gegensatz zu intransitiv basteln (32b):

(31) a. sie tankte (in drei Minuten) Das heißt, es gelten die folgenden Postulate:
b. e: Agens fahrt zur Zapfsäule, öffnet den Tank, führt den Zapfhahn in den Tank ein, entrie­ (i) DVe[ece] (Reflexivität)
gelt den Zapfhahn, läßt Treibstoff einlaufen, nimmt den Zapfhahn aus dem Tank, (ii) • VeVe'[((e c e') & (e' c e)) -> (e = e')] (Antisymmetrie)
verschließt den Tank. (iii) •VeVe'Ve"[((ece')& (e' c e " ) ) - > ( e c e " ) ] (Transitivität)
Daß P-13 eine empirisch interessante Generalisierung darstellt, zeigen Beispiele wie das in
(32) a. sie bastelte (*in drei Minuten) Kapitel 6.3.2 diskutierte transitive rollen, daß drei Teilereignisse involviert, das verursachende
b. e: Agens fügt in unbestimmter Weise Materialien zusammen. agentivische Ereignis, die Rotation und die Translation. Dabei sind die Rotation und die
Translation möglicherweise nicht immittelbare Teilereignisse, sondern selbst Teile eines un­
Dies sind allerdings keine Phänomene, die über den Teilereignisbegriff, so wie er in den mittelbaren Teilereignisses. Ob bei rollen eine solche Hierarchisierung vorliegt oder nicht, ist
Ereignisstrukturen ab Kapitel 2 verwendet wurde, erklärt werden sollen. In lexikalischen sowohl eine Frage des Verständnisses der CAUSE-Relation bei rollen als auch eine empirische
Ereignisstrukturen - um nochmal auf den Beginn dieses Abschnitts zurückzukommen - Frage, die etwa durch genauere Untersuchungen zum adverbialen Bezug auf Teilereignisse bei
solchen Verben beantwortet werden müßte.
322
323
c. e: Rebecca tat etwas in Chicago (verschickte z.B. arsenhaltige Pralinen), so daß Jamaal in
San Francisco starb (nachdem er die Pralinen bekommen und gegessen hatte).
d. e: Rebecca tat etwas in San Francisco (verschickte z.B. arsenhaltige Pralinen), so daß
Jamaal in Chicago starb (nachdem er die Pralinen bekommen und gegessen hatte).

Die Fälle i) und ii) können in einem Postulat wie in A zusammengefaßt werden, die Fälle
ii) und iii) wie in B:

A) Ein adverbialer Ausdruck ADVERB(y¡,...yj,e) ist genau dann wahr, wenn es ein
e e e e
n n

E 4 E 5 E 6 E 7 E 8 E 4
5 6 7 8
1 Teilereignis e von e gibt, so daß ADVERB(y¡,...yj,e ) wahr ist.
B) Ein adverbialer Ausdruck ADVERB(y¿,...yj,e) ist genau dann wahr, wenn für alle
n
Teilereignisse e von e, die die Selektionsrestriktionen von ADVERB erfüllen,
Teilereignismenge A * Teilereignismenge B
ADVERB(yi,...yj,en) wahr ist.

Unklar ist allerdings, in welchen Fällen von A und in welchen von B auszugehen ist.
Insbesondere Lokaladverbiale wie in (33), also solche, die nach Maienborn (1996) VP-
Adjunkte sind, scheinen meist nicht auf einzelne Teilereignisse zuzugreifen. Ob die Wahl
zwischen A und B davon abhängt, an welche V-Projektion die Adverbiale adjungieren,
von welcher semantischen Sorte das Adverbial ist oder auch davon, welche Ereignis­
struktur das Verb hat, ist ein noch ungelöstes Problem. Das folgende Prinzip zur

E 6
/Im A
E 7 E 8 \ e 4 e 5
e 6
e 7
e 8
Modifikation von Teilereignissen formuliert daher zunächst nur eine notwendige, aber
nicht hinreichende Bedingung für die Interpretation von Ereignisadverbialen:

(P-14) Modifikation von Teilereignissen


Für alle Prädikate P der syntaktischen Kategorie {V,...} und alle Prädikate Q der
Teilereignismenge C * Teilereignismenge D syntaktischen Kategorie {AP,...} oder {PP,...} und für (0 < n < j <, m) gilt:
•VPVQVe[(P(x ,...x ,e) & Q(x;,...,Xj,e))
1 m

->• 3en[((P( ,...x ,e) -»! ( e n " n m ) ) & Q( ,...Xj,en)]]


Xl m £ e Xi

Abb. 19: Vollständigkeit der Ereignisstruktur. Das Postulat sagt Folgendes. Wenn eine verbale und eine adverbiale Prädikation über ein
n

Modifikation von Teilereignissen: Ich habe an verschiedenen Stellen der Arbeit gezeigt, Ereignis e konjugiert werden, gibt es ein Ereigns e , das aufgrund einer vom verbalen
daß Ereignisadverbiale auf einzelne Teilereignisse Bezug nehmen. Dabei kann man drei Prädikat ausgehenden Implikation als Teilereignis von e gekennzeichnet ist und auf das
das adverbiale Prädikat zutrifft. Hier sind einige Konsequenzen von P-14.
Fälle unterscheiden:
i) Bei der Diskussion der Benefaktiv- und Komitativadverbiale in Kap. 3.1.2 und anderer • Teilereignisse sind nicht durch eigene Argumentvariablen in der Argumentliste der
Adverbiale in Kap. 2.2.1 hatten wir gesehen, daß das Adverbial sich in einer bestimmten Prädikatskonstante vertreten. Ereignismodifikation wird damit als Modifikation des Ge­
Verwendungssituation auf ein beliebiges aus einer Reihe von Teilereignissen bezog. samtereignisses über die Kompositionsmechanismen gesteuert und die Feininterpreta­
ii) Auch Adverbiale wie sorgfältig in sie trocknete sorgfältig das Geschirr oder hektisch
tion des Bezugs auf ein bestimmtes Teilereignis über P-14, bzw. eine hinsichtlich der
Postúlate A und B elaborierte Form davon. Damit ist zunächst die Möglichkeit
in er knackte hektisch mit den Fingern (Kap. 6.3.1) prädizierten über genau ein Teilereig­
offengelassen, daß bestimmte Adverbiale über das Ereignis als Ganzes prädizieren.
nis, allerdings immer über das gleiche, nämlich das verursachende Teilereignis. Das liegt
daran, daß diese Adverbiale ein agentives Ereignis selegieren und das zweite, verursachte • Das Antezedens der Bedingung drückt über die Argumentindizierung aus, daß alle
Teilereignis keinen Agens enthält. Argumente des Adverbials mit Argumenten des verbalen Prädikats identifiziert werden.
iii) Schließlich lassen sich noch einzelne Fälle unterscheiden, in denen das Adverb • Weiterhin gewährleistet P-14, daß das Adverbial nur relativ zu den auf einer Implika­
scheinbar auf das Gesamtereignis zugreift, bzw. über alle Teilereignisse prädiziert. So tion des verbalen Prädikats beruhenden Teilereignissen ausgewertet wird. Teilereig­
kann (33a) nur auf (33b), nicht aber auf (33c) oder (33d) angewendet werden: nisse, deren Stattfinden präsupponiert ist, sind von P-14 nicht betroffen. Das Adverb
mit großer Geschwindigkeit kann demnach bei sie warf den Ball, nicht aber bei sie fing
(33) a. Rebecca ermordete Jamaal in Chicago. den Ball auf den - im ersten Fall implizierten, im zweiten Fall präsupponierten - Flug
b. e: Rebecca tat etwas in Chicago (verschickte z.B. arsenhaltige Pralinen), so daß Jamaal in des Balles bezogen werden.
Chicago starb (nachdem er die Pralinen bekommen und gegessen hatte).
324 325

Nachzustände: In Kapitel 7.1.1 habe ich dafür plädiert, Zustände nicht als eine spezielle • Aus dem gleichen Grund können Nachzustände auch durch temporale Relationen an
Sorte von Ereignissen aufzufassen. In Kapitel 7.1.2 ist zudem deutlich geworden, daß ich das eigentliche Ereignis geknüpft werden.
Zustände überhaupt nicht als ontologisch grundlegende Entitäten verstehen möchte. Ent­ • Außerdem beinhaltet diese Repräsentation, daß wir nicht wirklich mit auf einen Nach­
sprechend werden Zustände auch nicht durch Individuenvariablen repräsentiert. Der Zu- zustand referieren, wenn wir sagen sie tötete ihn, sondern daß das Bestehen des Nach-
standsbegriff löst sich auf in der Idee von Propositionen, die keine Ereignisbeschreibungen zustands lediglich eine verbabhängige (und für sprachliche Prozesse relevante) Folge­
darstellen und die relativ zu einer Situation ausgewertet werden. Ein Satz mit einem Zu- rung aus dem Satz darstellt.
standsverb wie (34a) wird repräsentiert wie in (34b):
Zusammenfassung: Eine grundlegende Bedingung für die Wohlgeformtheit von Ereignis­
(34) a. Karl kennt Karola strukturen ist deren Vollständigkeit. Vollständig ist eine Ereigmsstruktur, wenn sie alle
d
b. REL(s+ ,[KENN(karl,carola)]) und nur die unmittelbaren Teilereignisse des Gesamtereignisses enthält. Beim adverbialen
Bezug auf diese Teilereignisse sind zwei Fälle zu unterscheiden: Entweder wird über ge­
Demgegenüber enthalten nichtzustandsbeschreibende Sätze verbale Prädikatskonstanten nau ein beliebiges Teilereignis prädiziert oder - in den selteneren Fällen - über alle Teil­
mit Ereignisargument wie etwa (35b): ereignisse, die mit der Adverbialbedeutung verträglich sind.
(35) a. Karl küßt Karola Nachzustände sind nicht durch Individuenvariablen im lexikalischen Eintrag des Verbs
b. REL(s+d,rKÜSS(karl,carola,e )]) ±d
vertreten, sondern werden als Propositionen relativ zu Situationsargumenten repräsentiert.
Das entspricht den hier vertretenen ontologischen Vorstellungen von Ereignissen und
Wenn Zustände nicht durch Individuenvariablen repräsentiert werden, stellt sich nun noch erlaubt es, Zustände temporal an Teilereignisse zu knüpfen.
die Frage, wie die in den informellen Ereignisstrukturnotationen durch (-»j. z) repräsen­
tierten Nachzustände in den lexikalischen Einträgen dargestellt werden müssen. Da Zu­
stände wie in (34b) repräsentiert sind, und Situationen, wie in Kapitel 7.1.2 beschrieben, 7.2.2 Relationen zwischen Teilereignissen
ebenso wie Ereignisse temporal geordnet werden können, kann die Nachzustandsimplika-
tion einer Ereignisstruktur wie in Lex. 46 so wie in Lex. 47 repräsentiert werden:
Temporale Relationen in Ereignisstrukturen: Die sprachliche Relevanz der Unterschei­
dung zwischen zeitlich aufeinanderfolgenden (<) und zeitlich weitgehend parallel (<>)
töten xnom, yakk verlaufenden Teilereignissen ist in Kapitel 2.2.4 aufgezeigt worden. Obwohl die tempora­
E-STR: (->T e l : XAGENS, V PATIENS) < e 2[+PKT] :v PATIENS) < (-»i z: yPATiENS) len Relationen zwischen Teilereignissen in vielen Fällen nicht nur lexikalisch, sondern
auch durch den Kontext bestimmt sind, kann und muß man die Annahmen zu temporalen
Lex. 46: Ereignisstruktur von töten. Relationen in lexikalischen Ereignisstrukturen noch etwas präzisieren. Zum einen wird im
Folgenden zwischen Präzedenz und unmittelbarer Präzedenz unterschieden. In (36a) kann
töten SYN-VAL: /akk/nom zwischen der verursachenden Handlung ei, z.B. dem Gift-in-den-Tee-Tun, und der verur­
2
SEM-VAL: XyXx[TÖT(x,y,e )] ±d
sachten e , also dem Sterben von Tante Corinna, ein längeres Intervall liegen, das weder
1 2

BPtöfen"f •VxVyVe[TÖT(x,y,e) -> zu e noch zu e gehört. In (36b) dagegen müssen die Wurfbewegung und das Fliegen des
3ei3e2[(e! e"™ ) & (e2 c e) &
e
u n m
geworfenen Gegenstands unmittelbar aufeinanderfolgen, ebenso wie in (36c) der Prozeß
(ei < e2) & des Trocknens und der Nachzustand des Trockenseins. Verben wie in (36a) fordern ledig­
3s[REL(s,[TOT(y)]) & (e2 < s)] & ...]] lich Präzedenz als temporale Verknüpfung zwischen den erwähnten Teilereignissen, sol­
che wie in (36b) und (36c) unmittelbare Präzedenz.
Lex. 47: Lexikalischer Eintrag von töten.
(36) a. Homer hat seine Tante Corinna vergiftet
Das Bedeutungspostulat in Lex. 47 sagt uns also, daß es nach dem Teilereignis e (dem 2
b. Homer warf seinen Speer
Sterben von y) eine Situation gibt, in der y tot ist. Insofern als y belebt ist, folgt die c. Homer hat seinen Bart getrocknet
2
Behauptung, daß y irgendwann nach e tot ist, natürlich schon aus dem bekannten Dik- Zum anderen muß die Idee der weitgehenden zeitlichen Parallelität noch präzisiert wer­
tum, daß alle Menschen sterblich sind. Wir wollen also genauer sagen, daß y unmittelbar den. In vielen Fällen überlappen sich z.B. das verursachende und das verursachte Teil­
nach dem Sterben tot ist und werden dazu im folgenden Kapitel noch eine entsprechende ereignis zwar weitgehend, aber das verursachte Teilereignis muß einen Moment eher
temporale Relation einführen. Welche Vorteile hat nun diese Auffassung von Nachzu­ beginnen. In (37a) beginnt die eigentliche Schiebhandlung kurz bevor sich der geschobene
ständen? Gegenstand bewegt. Ich werde diesen Fall als überlappende Präzedenz bezeichnen. Er
• Nachzustände erlauben durch ihren Situationsbezug immer noch die Modifikation unterscheidet sich von Fällen wie rollen (37b), bei dem die Translations- und die Rota­
durch bestimmte lokale und temporale Adverbiale, ohne daß wir ontologisch fragwür­ tionsbewegung (s. Kap. 6.3.2) zeitlich vollkommen parallel ablaufen. Hier liegt also ein
dige Zustandsvariablen annehmen müssen.
326 327

Fall von temporaler Identität vor. Die Unterscheidung ist insofern interessant, als sie uns Ereignisstrukturen verwendeten Relationssymbolen und einigen Beispielverben im Über­
unter der Annahme, daß die Rotationsbewegung die Translationsbewegung verursacht, zu blick dargestellt sind:
dem Schluß zwingt, daß Kausalität keine temporale Präzedenz fordert, was etwa in Puste- • Präzedenz (<) z.B. vergiften(x,y,e) E-STR: (->i e>») < (->! e").
jovskys (1995:185) Ereignisstrukturtheorie bestritten wird. Schließlich sind noch solche • Unmittelbare Präzedenz (|<) z.B. werfen(x,y,e) E-STR: (->j. e">) |< (->! e»).
Verben zu unterscheiden, bei denen zwar gefordert ist, daß das verursachende Ereignis • Überlappende Präzedenz (<o) z.B. schieben(x,y,e) E-STR: (-•i e m ) <o (->!en)
früher beginnt als das verursachte, sich die beiden aber nicht unbedingt überlappen müs­ • Temporale Identität (= ) t z.B. rollen(x,6) E-STR: (-»•I em) =t (->!en) .
sen. Ob Homer in (37c) nur die Butter in einen Topf getan und den Herd angeschaltet hat, • Früherer Beginn (< ) s z.B. schmelzen(x,y,e) E-STR: (->! em) < s (->j e")
so daß die Butter kurze Zeit danach zu schmelzen begann, oder ob er den Schmelzprozeß Zum Abschluß dieses Abschnitts sollen drei Hypothesen über temporale Relationen in
durch allerlei unterstützende Rühr- und Topfschwenkmaßnahmen begleitet hat, läßt das lexikalischen Ereignisstrukturen formuliert werden:
Verb offen. Ich will diese schwache temporale Restriktion als früheren Beginn bezeichnen.
(P-15) Temporale Relationen in Ereignisstrukturen
(37) a. Homer schob den Schrank zur Seite Folgende Beschränkungen für temporale Relationen zwischen Teilereignissen in
b. Homers Rad rollte den Hang hinab lexikalischen Ereignisstrukturen gelten:
c. Homer schmolz ein Stück Butter i) TR = {<, < ,<o, = ,< }, wobei TR die Menge der in lexikalischen Ereignis­
t s

strukturen zulässigen temporalen Relationen ist.


ii) Für zwei beliebige Relationen RL\ u n d R L aus TR: 2

*E-STR: (e Ä I , e»)'v (e RL
m
e») m

Temporale Relationen zwischen Teilereignissen n


2

m
iii) Für alle Teilereignisse e und e in einer lexikalischen Ereigmsstruktur gibt
es eine Relation RL in TR, so daß:
1 1 1
E-STR: ( e * R L & i )

,i ' ,\, i ,'„ i ,1 ' ,l ,1, J. ,1


x

10 Bedingung (i) beschränkt die möglichen temporalen Relationen zwischen Teilereignissen.


Es ist auffällig, daß einfache Überlappung als eine der temporalen Basisrelationen keine
7^ei):| | Rolle in lexikalischen Ereignisstrukturen spielt. Es scheint keine Verben zu geben, die
e < e
1 2

zwar verlangen, daß die beiden Teilereignisse sich überlappen, die aber etwa offen lassen,
welches von beiden zuerst beginnen muß. Die Bedingung (ii) legt fest, daß bezüglich tem­
poraler Relationen keine disjunkten Spezifizierungen in lexikalischen Ereignisstrukturen
7*V):| I vorkommen. Das heißt letztlich, da disjunkte Spezifizierungen einer Definition zusätz­
e l< e
1 2

T^V): I I licher temporaler Relationen gleichkämen, daß die fünf Relationen in (i) tatsächlich aus­
reichend sind. Bedingung (iii) schließlich legt fest, daß Verben immer bestimmte Restrik­
1 tionen bezüglich der Abfolge der Teilereignisse beinhalten. Es gibt keine Verben, die es
He ):!
e <° e
1 2
völlig offenlassen, in welcher Abfolge die von ihnen bezeichneten Teilereignisse stattfin­
den müssen. Die in P-15 formulierten Beschränkungen sind eher vorläufige Hypothesen,
die aber zeigen, daß solche temporalen Restriktionen über Ereignisstrukturen den tyeg für
7^ei):| interessante Generalisierungen über mögliche Wörter öffnen.
e =t e
1 2

Definition temporaler Relationen: Systeme temporaler Relationen sind in der Logik häufig
T^V):} I beschrieben worden. Ich gehe hier von dem Axiomensystem von Kamp / Reyle (1993:667)
aus, die Ereignisstrukturen als ein Tupel E = < E,<,o > konstruieren, wobei E eine
15

rV [ ):
Menge von Ereignissen ist und "<" und V die beiden temporalen Basisrelationen zwi­
e < e1
s
2

7^2): schen Ereignissen, Präzedenz und Überlappung. Für die beiden grundlegenden Relationen
sind eine Reihe von Axiomen formuliert. Zeiten werden bei Kamp / Reyle (1993:6671) aus
Ereignissen konstruiert, wobei Ereignisstrukturen homomorph auf Intervallstrukturen
abgebildet werden, so daß auf der Intervallebene temporale Relationen formuliert sind, die
Abb. 20: Temporale Relationen zwischen Teilereignissen. denen auf der Ereignisebene entsprechen.
Abb. 20 oben veranschaulicht noch einmal die fünf ereignisstrukturrelevanten temporalen
Relationen, die im Folgenden noch einmal zusammen mit den entsprechenden in den Dies bezieht sich nicht auf lexikalische Ereignisstrukturen wie in der vorliegenden Arbeit.
328 329

Auf der Basis von Präzedenz und Überlappung lassen sich andere temporale Relationen (38) a. Argumentsortenidentisches CAUSE: 2
CAUSE(el,e ) oder CAUSE(p.q)
16
definieren. Für unsere Zwecke genügen die schon oben erwähnten Relationen der un­ b. Argumentsortenverschiedenes CAUSE: CAUSE(x,p) oder CAUSE(x,e)
mittelbaren Präzedenz, der überlappenden Präzedenz, der temporalen Identität und des
Letzteres ist vor allem in dekompositionellen Ansätzen üblich (z.B. Jackendoff
früheren Beginns:
1983/1995:175ff, Rappaport / Levin 1988:24, Wunderlich 1997:35ff). Um eine geeig­ 18

(P-16) Temporale Relationen nete Interpretation für die argumentsortenverschiedene Verursachungsrelation zu erhalten,
Grundlegende temporale Relationen sind Präzedenz (<) und Überlappung ( o ) ; 1 7 ist etwa von Wunderlich (1997:36) vorgeschlagen worden, Ausdrücke wie (39a) in bi-
daraus werden unmittelbare Präzedenz ( l < ) , temporale Identität (= ), überlappende t
sententielle Relationen wie (39b) umzuformen, die dann gemäß Lewis' (1973) kontrafak­
Präzedenz («>) und früherer Beginn ( <) wie folgt abgeleitet: s
tischer Verursachungsanalyse interpretiert werden können. Auch Jackendoff
i) • Ve Ve2[(e 1< e )
1 1 2
((e < e ) & -,3e3[(ei < e3) & ( 3 < e )])] 1 2 2 (79S3/1995:180) sieht Mechanismen vor, die eine Relation CAUSE(x,e) zu einer CAUSE-
e

1 2 1 2 1
ii) • Ve Ve [(e = e ) <-> f ((e ° e ) & V e S ^ e < e3) <-> ( e < e3)) & (( 3 < e ) 2 1 2 1 Relation zwischen Ereignissen in Beziehung setzt.
t de e

3 2
( e < e ))])] (39) a. CAUSE(x,BECOME(P(y)))
iii) • VeiVeZfCe <o e ) <-> ((e' o 2 ) & 3e3[(e3 < e ) & -,(e3 < i ) ] ) ]
1 2
def e
2
e
b. CAUSE(Q(x),BECOME(P(y)))
1
iv) • V e V e 2 [ ( e < e2) 3e3[(e3 < 2 ) & -,( 3 < e )]]
1
s e e
1

1 2
Als Begründung für eine argumentsortenverschiedene Auffassung von CAUSE wird v.a.
Gemäß (i) geht ein Ereignis e einem Ereignis e unmittelbar voraus, wenn es ihm angeführt (z.B. Wunderlich 1997:35), daß in Subjektposition kausativer Verben dingbe­
1 2
vorausgeht und wenn es kein Ereignis gibt, daß zeitlich zwischen e und e liegt. Gemäß zeichnende, aber nicht ereignis- oder sachverhaltsbezeichnende Ausdrücke auftreten kön­
1 2 1
(ii) sind zwei Ereignisse e und e temporal identisch, wenn alle Ereignisse, die e folgen, nen:
2 1 2
auch e folgen und umgekehrt, und wenn alle Ereignisse, die e vorausgehen, auch e
vorausgehen und umgekehrt. Gemäß (iii) geht ein Ereignis e einem Ereignis e überlap­ 1 2
(40) a. sie leerte die Flasche
pend voraus, wenn es sich mit ihm überlappt und es ein Ereignis gibt, daß zwar vor e , 2
b. *ihr Trinken leerte die Flasche
1
aber nicht vor e liegt. Und schließlich beginnt ein Ereignis e gemäß (iv) früher als ein 1
c. *daß sie trank, leerte die Flasche
2 2 1
Ereignis e , wenn es ein Ereignis gibt, das vor e , nicht aber vor e liegt.
Es gibt allerdings eine Reihe von Gründen, die eher gegen eine argumentsortenverschie­
19
Argumentsortenidentisches vs. argumentsortenverschiedenes CA USE: Eine zentrale Rolle dene Auffassung von Verursachung bei kausativen Verben sprechen:
in lexikalisch-semantischen Theorien spielt der Begriff der Verursachung, v.a. im Zu­ • Es finden sich durchaus kausative Verben, die ereignis- und propositionsbezeichnende
sammenhang mit lexikalischer Kausativierung, Resultativkonstruktionen und der Frage Argumente erlauben:
nach möglichen Verbbedeutungen. 'Verursachung' kann als Relation zwischen Ereignissen (41) a. Rebecca erstaunte mich
(z.B. Parsons 1990:109ff, Kamp / Roßdeutscher 1992:19f) oder Propositionen (z.B. Dowty b. Rebeccas Tat erstaunte mich
1979:95ff, Jacobs 1995:26) verstanden werden. Ich hatte in Kapitel 5.2.2 vorsichtig dafür c. daß Rebecca das getan hat, erstaunte mich
plädiert, Verursachung als Relation zwischen Ereignissen zu verstehen, an die kausale (42) a. Johnny Walker -wird ihn noch umbringen
Erklärungen als propositionale Relationen geknüpft sind. Ich möchte in diesem und dem b. das viele Saufen wird ihn noch umbringen
nächsten Abschnitt einige Gründe anrühren, warum die Repräsentation von Verursachung c. n
daß er soviel säuft, wird ihn noch umbringen
als Relation zwischen Ereignissen oder gegebenenfalls zwischen Propositionen (argu­
mentsortenidentisches CAUSE, 38a) Repräsentationen vorzuziehen ist, die Verursachung • Selbst wenn die sprachlichen Daten ein argumentsortenverschiedenes CAUSE nahele­
auf lexikalischer Ebene als Relation zwischen einem Dingindividuum und einer Proposi­ gen würden und dieses über eine Regel auf eine argumentsortenidentische CAUSE-Re-
tion oder einem Ereignis darstellen (argumentsortenverschiedenes CAUSE, 38b). lation abgebildet werden kann, so ist doch zu bemängeln, daß ein argumentsorten­
verschiedenes CAUSE lediglich beschreibende Funktion hätte, aber durchaus keine Er­
klärung der Fakten liefert, solange es erst mithilfe einer stipulierten Regel interpretier­
1 6
Vgl. auch Eberle (1991:155), Pustejovsky (1995:69£). bar ist.
1 7
Die Axiome dazu aus Kamp / Reyle (1993:667f) im Einzelnen: • In Resultativkonstruktionen wird explizit auf das verursachende Ereignis Bezug ge­
(i) DVelVe2[(el < e 2 ) ^ - , ( e 2 < e l ) ] nommen: Rebecca trank das Glas leer meint offenbar, daß das Leerwerden des Glases
(ii) •VelVe2Ve3[((el < e2) & ( 2 < 3 ) ) -> (el < e3)] 2 1 20
e e
(e ) durch das Trinken von Rebecca (e ) verursacht wurde.
(ii) DVeHeioel]
(iv) •VelVe2[(el o 2 ) - > ( 2 o l ) ]
e e e

(v) DVelVe2[(el < e2) -> -,(el o 2)] e

(vi) OVelVe2Ve3Ve4[((el < e2) & ( 2 o 3 ) & (e3 < e4)) -> ( l < e*)] e e e
Jackendoff (198311995:.177) erlaubt Dinge und Ereignisse als erstes Rektum der CAUSE-
(vii) nVelVe2[(el < e2) v (el o 2 ) v (e2 < l ) ] e e
Relation, aber nur Ereignisse als zweites Relatum.
Das letzte Axiom etwa legt fest, daß alle Ereignisse temporal zueinander in Beziehung stehen. Folgendes basiert z.T. auf Engelberg (1995b).
330 331

• Verben wie electrocute, strangle, poison, drown enthalten im Gegensatz zu dem unspe­ Aisina (1992:521) versucht das Problem durch Einfuhrung eines dreistelligen Prädikats
zifischen kill Informationen über die Art des Verursachungsereignisses (Dowty CAUSE wie in (45a) zu lösen, das so zu verstehen ist, daß ein Agens bezüglich eines
1979:92), das man schon deshalb lexikalisch repräsentiert haben möchte. Patiens agiert und dadurch etwas verursacht, an dem der Patiens beteiligt ist. In üblichen
• Die Unterscheidung zwischen direkter und indirekter Verursachung kann nur erfaßt Dekompositionen sähe das für ein Verb wie leeren so aus wie in (45b). Aisinas Vorschlag
werden, wenn man die CAUSE-Relation bei kausativen Verben als Relation zwischen kann unter einer geeigneten Interpretation der dreistelligen Relation CAUSE zwar direkte
Ereignissen auffaßt; dazu mehr im nächsten Abschnitt. Verursachung beschreiben, muß dafür aber zusätzlich zu dem ohnehin notwendigen zwei­
Aus diesen Gründen ist die Verursachungsrelation als Relation zwischen Ereignissen - stelligen CAUSE eine weitere CAUSE-Relation einführen - ein Vorgehen, das schon im
und im speziellen Fall von kausativen Verben - als Relation zwischen Teilereignissen zu letzten Abschnitt bemängelt wurde.
repräsentieren. (45) a. CAUSE <agpatiPRED<...9i...»
Indirekte vs. direkte Verursachung: Lexikalische Kausativa unterscheiden sich von peri- b. CAUSE(x,y,BECOME(LEER(y)))
phrastischen Kausativkonstruktionen dadurch, daß sie in den meisten Fällen nur direkte c. CAUSE(x,BECOME(P(y)))
21
Verursachung ausdrücken können. So kann ich mit einem Satz wie (43a) sowohl auf das
Wunderlich (1997:37) nimmt an, daß die Unmittelbarkeit der Verursachung daraus folgt,
Ereignis in (44a) referieren, in dem Annemarie durch unmittelbares Agieren bezüglich
daß die Variable x für den Agens bei kausativen Verben das hierarchisch höchste Argu­
des Heuhaufens zur Verursacherin des Brandes wurde, als auch auf das Ereignis in (44b),
ment darstellt (45c). Es ist allerdings nicht klar, inwiefern dies aus der gewählten Reprä­
in der die Verursachung vermittels einer längeren kausalen Kette zustandekam. Mit dem
sentation folgt; es muß wohl eher über eine zusätzliche Regel gewährleistet werden. Wun­
lexikalischen Kausativum in (43b) dagegen kann nur das direkte Verursachungsereignis
derlich (1997:37) behauptet darüber hinaus, daß in auf Davidson (1967) basierenden Re­
in (44a) bezeichnet werden, nicht aber das indirekte in (44b).
präsentationen der Unterschied zwischen direkter und indirekter Verursachung nicht
(43) a. Annemarie verursachte das Brennen des Heuhaufens ausgedrückt werden könne. Ich denke, gerade das Gegenteil ist der Fall: dieser Unter­
b. Annemarie zündete den Heuhaufen an schied kann auf nicht stipulative Weise nur in davidsonischen, nicht aber in CAUSE-
(44) a. e': Annemarie hielt ein brennendes Streichholz an den Heuhaufen, worauf dieser zu bren­ BECOME-Repräsentationen ausgedrückt werden. Da Verursachung in einem ereignis-
nen anfing. strukturbasierten davidsonischen Ansatz als eine Relation zwischen Ereignissen aufgefaßt
b. e": Annemarie stieß Hubert, worauf dieser gegen den Campingkocher stolperte, der darauf­ wird und die thematischen Argumente den einzelnen Teilereignissen über semantische
hin umfiel und in den Heuhaufen rollte, so daß dieser zu brennen anfing. Relationen zugeordnet werden, ergibt sich die Repräsentation von direkter Verursachung
ohne zusätzliche Annahmen. Erstens ist in Lex. 48 ausgedrückt, daß x im Verursachungs­
Der lexikalische Kausativ ist also logisch stärker, indem er nur auf direkte Verursa- 1 1
ereignis e bezüglich y agiert, genauer, daß y in e affiziert wird, und daß dadurch ein
chungsereignisse referieren kann (vgl. Shibatani 1976:31). Genauer scheinen kausative 2

1
zweites Ereignis e verursacht wird, das unmittelbar ( l < ) folgt.
Verben zu fordern, daß der Patiens im verursachenden Ereignis e direkt affiziert wird
und daß ein Agens an dem verursachenden Ereignis beteiligt ist. Möglicherweise ist auch
22
gefordert, daß der Agens das Verursachungsereignis kontrolliert. Diese Restriktionen anzünden SYN-VAL: /akk/nom
lassen sich in dekompositionellen Ansätzen mit argumentsortenverschiedenem CAUSE- SEM-VAL. XyXx[ANZÜND(x,y,e±d)]
Prädikat nur schlecht formulieren. E-STR: l[+PKT] KONTROLLE,... yAFFIZIERT,...) | <
e : x ; C A U S E

2[+DUR] yANDER,...)
e ;

2 0
Wunderlich (1997:36) sieht eine andere Behandlung von Resultativkonstruktionen vor. Wäh­
rend kausative Verben wie leeren so wie in (i) repräsentiert werden, erhalten Resultativa wie Lex. 48: Ereignisstruktur von anzünden.
leer trinken eine Repräsentation wie in (ii):
(i) CAUSE(x,BECOME(EMPTY(y))Xs) Auch der seltenere Fall von lexikalischen Kausativa, die auch indirekte Verursachung
(ii) {DRINK(x,z) & BECOME(EMPTY(y))}(s) ausdrücken können, wie etwa töten, ist dadurch erfaßt, daß bezüglich des ersten Teilereig­
Dabei garantiert ein auf Kaufmann (1995a:201f) zurückgehendes Postulat, daß durch "&" ver­ nisses keine spezifischen Restriktionen bestehen und der Patiens nicht ins erste Teilereig­
bundene Konjunkte in der semantischen Form als gleichzeitig oder kausal interpretiert werden. nis involviert sein muß. Die beiden Varianten von töten tragen dem Umstand Rechnung,
Ebenso wie in (i) das argumentsortenverschiedene Prädikat CAUSE, fordert hier das logische
daß entweder der Agens des verursachenden Teilereignisses oder das verursachende Teil­
'&' allerdings eine Uminterpretation. 24
2 1
Das Folgende geht z.T. zurück auf Engelberg (1995b). ereignis selbst Subjektreferent sind:
2 2
Das würde bedeuten, daß mit (43b) nicht auf eine Situation referiert werden kann, in der An­
nemarie betrunken mit brennendem Feuerzeug über den Bauernhof torkelt und dabei zufällig
mit der Flamme an den Heuhaufen gerät. Die Antwort auf die Frage, ob direkte Verursachung
Kontrolle involviert, ist allerdings eine inhaltliche Frage, deren Beantwortung die folgende Ar­
gumentation für eine ereignisstrukturbasierte Repräsentation von direkter Verursachung nicht "CAUSE" wird hier vorläufig informell als Subskript am temporalen Relator notiert.
unmittelbar berührt. Dies ersetzt die früher (Kap. 2.2.1) angenommene Repräsentation von töten.
332
333

töten x SYN-VAL: /akk/nom durch Relationen, die solchen ähnlich sind, wie sie auf der Satzebene durch die Konjunk­
SEM-VAL: XyXx[TÖT(x,y,e±<>)] tionen weil und obwohl ausgedrückt werden. So beinhaltet nach Blume nachgeben(x,y,€),
töten 2 SYN-VAL: /akk/nom daß x etwas tut (e ), weil y etwas verlangt (e ), und widersprechen(x,y,e), daß x etwas sagt
2 1

SEM-VAL: XyXei[TÖT(ei,y,e±d)] 2 1
(e ), obwohl y das Gegenteilige behauptet hat (e ). Ähnliche Relationen lassen sich auch
E-STR: ( - • T e»: x,...) < C A U S E (-»i e2[+PKT) : yANDER,...) bei den Verben gehorchen, folgen, ausweichen, verzeihen und anderen feststellen. 27

Ich will hier nicht versuchen, zur Bedeutung solcher konsekutiver und konzessiver Re­
Lex. 49: Lexikalischer Eintrag von töten. lationen etwas zu sagen - vermutlich sind es eher Relationen zwischen Propositionen über
Ereignisse als zwischen Ereignissen selbst. Es ist allerdings auffällig, daß diese Relationen
Verallgemeinert stellt sich der Unterschied zwischen direkter und indirekter Verursa­ 1
nur dann auftreten, wenn das Stattfinden von e präsupponiert ist. Die Implikationen in
chung damit so dar wie in P-17, wobei das Schema für indirekte Verursachung logisch
(46) sind also möglicherweise dann immer noch richtig, wenn man sie als Beschränkung
schwächere Restriktionen beinhaltet. Direkte Verursachung ist damit ein Spezialfall von
über den Teilereignissen auffaßt, deren Stattfinden durch die Verbbedeutung impliziert ist.
indirekter Verursachung - insofern sind die üblichen Termini "direkt" vs. "indirekt" etwas
25
Als Beschränkung über Ereignisstrukturen wird die folgende Hypothese über semantische
unglücklich, als sie einen Gegensatz suggerieren:
Relationen zwischen Teilereignissen formuliert, wobei 'K-Beziehung' vage für kausalitäts­
(P-17) Direkte versus indirekte Verursachung ähnliche Relationen (konsekutiv, kausal, konzessiv und ähnliche) steht:
i) Ereignisstrukturschema für direkte Verursachung (für R L aus TR) (P-18) Semantische Relationen zwischen Teilereignissen
E-STR: (->i e»": K O N T R O L L E ( ? ) , AFFiziERT) RLQAVSZ
X y ( - > i e»: y,...)...
Wenn in einer Ereigrusstruktur E-STR eines verbalen Prädikats P mindestens
ii) EreigmsstTukturschema für indirekte Verursachung (für RL aus TR)
zwei voneinander distinkte Teilereignisse auftreten, so muß jedes Teilereignis e»
E-STR: (->i e»»: x,...) RL VSE CA (r+i e": y , - ) •• in E-STR den folgenden Bedingungen genügen:
Damit lösen sich die Probleme, die andere Ansätze zur repräsentationellen Unterschei­ i) e" muß zu einem anderen Teilereignis aus E-STR in einer K-Beziehung ste­
dung von direkter und indirekter Verursachung aufwerfen: hen;
n
• Es muß nur ein CAUSE-Prädikat angenommen werden, und zwar ein ohne zusätzliche ii) wenn das Stattfinden von e durch die von P ausgehende offene Proposition
n
Umformungsregeln unmittelbar interpretierbares. impliziert ist, muß e in kausaler Relation zu einem anderen Teilereignis aus
• Der Unterschied zwischen direkter (lexikalischer) Verursachung und indirekter (z.T. E-STR stehen, falls dessen Stattfinden ebenfalls durch die von P ausgehende
ebenfalls lexikalischer) Verursachung drückt sich ohne zusätzliche Annahmen in den offene Proposition impliziert ist.
Repräsentationen aus.
Ungeachtet der Fragen, welche anderen nicht-temporalen Relationen neben Kausalität
Kausalität und verwandte Relationen: Nach Kaufmann (1995a:201) können Verben nur noch zwischen Teilereignissen bestehen können, bleibt festzuhalten, daß Kausalität in
dann Ereignisse mit zeitlich nicht parallelen Teilen bezeichnen, wenn diese Teile kausal Ereignisstrukturen eine Relation zwischen Teilereignissen darstellt. Die in den bisherigen
miteinander verknüpft sind. Angewandt auf die Repräsentationen in der vorliegenden Ereignisstrukturrepräsentationen verwendete Darstellung in (47a) wird in der im nächsten
Arbeit, würde diese Restriktion verlangen, daß innerhalb lexikalischer EreignisstTukturen Kapitel vorgestellten vollständigen lexikalischen Repräsentation daher als zweistelliges
28
die Folgerung (46a) gilt. In Engelberg (1995b) hatte ich sogar vermutet, daß sowohl zeitli­ Prädikat wie in (47b) auftreten:
che Abfolge als auch zeitliche Parallelität Kausalität bedingt, daß also alle in lexikalischen 2
(47) a. E-STR: (-> el) < U S E (->i e )...
Ereignisstrukturen auftretenden temporalen Relationen von kausalen Relationen begleitet ; C A

26
b. . . . - > C A U S E ( e l , e 2 ) & ( e l < e 2 )
sind (46b).
(46) a. V e l V e 2 [ ( l < e 2 ) - » C A U S E ( e l , e 2 ) ]
e Zusammenfassung: Teilereignisse sind durch temporale, kausale und in bestimmten Fällen
b. V e l V e 2 V R L € TR[(el RL e 2 ) -> CAUSE(el, e 2)] auch durch konsekutive oder konzessive Relationen miteinander verbunden. In lexikali­
schen Ereignisstrukturen muß zwischen zwei Teilereignissen genau eine der fünf tempo­
Blume (1998) bemerkt allerdings, daß bei einer Reihe von Verben die temporalen Relatio­
ralen Relationen Präzedenz, unmittelbare Präzedenz, überlappende Präzedenz, temporale
nen zwischen Teilereignissen nicht durch kausale Relationen ergänzt werden, sondern
Identität oder früherer Beginn spezifiziert sein.
2 5
Natürlich muß bei lexikalischen Kausativa auch repräsentiert werden, was genau verursacht
wird; s. dazu Kap. 7.2.3. Die Beispielverben haben alle eine Norninativ-Dativ-Valenz. Nach Blume sind nichtkausale
2 6
Dies gilt nur für lexikalische Repräsentationen. Wir können natürlich nicht generell von tempo­ semantische Beziehungen bei Verben, die komplexe Ereignisse bezeichnen, kennzeichnend für
ralen auf kausale Relationen schließen. Die Implikationen in (46) drücken insofern keine logi­ Verben mit solchen markierten zweistelligen Valenzen.
schen Notwendigkeiten, sondern empirische Hypothesen über die Strukturen der von Verben CAUSE ist immer eine Relation zwischen Teilereignissen, niemals zwischen einem Teilereig­
bezeichneten Ereignisse aus: nis und einem Nachzustand; vgl. dazu Jackendoff (7P«i/1995:177) und Engelberg (1995b).
334 335

Es wurde festgestellt, daß es sowohl die sprachlichen Daten als auch die semantische ermorden: x , x ^ n o m 3

Angemessenheit der lexikalischen Repräsentationen nahelegen, Verursachung als argu- E-STR: 1


(->i e : I M P U L S / W A H R N E H M U N G . . . ) <
x e 2[PKT] : V ÄNDER...) < (_»j z : y )
mentsortenidentische Relation zwischen Ereignissen aufzufassen, statt als argumentsor-
tenverschiedene Relation zwischen einem Dingindividuum und einer Proposition oder Lex. 50: Ereignisstruktur von ermorden.
einem Ereignis. Insbesondere kann nur so der Unterschied zwischen der bei lexikalischen
Kausativa vorherrschenden direkten Verursachung und indirekter Verursachung ohne ermorden
zusätzliche Stipulationen ausgedrückt werden. SYN: V, /akk/nom
SEM: XyXx[ERMORD(x,y,e±d)]
SEL R
BP ermor d-K - ): • VxVy VefERMORD(x,y,e)
7.2.3 Das Verb im Lexikon (Teil III) -*i MENSCH(x) & MENSCH(y)]
E STR
BP ™or<riI.( - ):
e • VxVyVe[ERMORD(x,y,e)
Repräsentationsprinzipien: Abschließend sollen an einigen lexikalischen Beispieleinträ­ -*i 3ei3e2[
gen die Prinzipien für die Repräsentation von Verben und ihren Ereignisstrukturen noch (Teilereignisse:) (e ei"™ e) & (e c™" e) &
1 1 2 1

einmal erläutert werden. Die syntaktischen Angaben (SYN) für Verblexeme erfolgen ge­ (Erg-Sorten:) 2
PKT(e ) &
mäß der Darstellung in Kapitel 3.3.5, ebenso wie die semantische Übersetzung, die sich an (Erg-Relationen:) 2
(ei < e ) & CAUSE(ei,e ) & 2

den Prinzipien P-4 (Argumente der Prädikatskonstante) und P-5 (Argumente der Lexem- (Nachzustand:) 3s[REL(s,[TOT(y)]) & (e |< s)] & 2

fünktion) zur Ermittlung der Verbargumente orientiert. Dem Ereignisargument liegt das
(Sem. Relationen:) 3e'[IMPULS(x,ei,e')] &
Identitätskriterium für Ereignisse 1-9 (Ereignisse als Exemplifizierungen von Verände­
3e'[WAHRNEHM(x,e ,e')] & 1

rungstypen) zugrunde, und es wird gemäß P-10 (Implizitenanhebung für Ereignisargu­ 2


ÄNDER(x,y,e ) &
mente) und dem in Kapitel 7.1.1 Gesagten als definitheitsneutrales implizites Argument 2
STERB(y,e ) &...]]
aufgefaßt. Selektionsrestriktionen (SEL-R) werden, wie in Kapitel 3.3.5 erläutert, als
Bedeutungspostulate notiert. Lex. 51: Lexikalischer Eintrag von ermorden.
Die Ereignisstrukturen (E-STR) werden ebenfalls in Form von Bedeutungspostulaten
mit den Prädikatskonstanten verbaler Lexeme verknüpft. Nach P-l (Aufbau von Ereignis- Ein Verb im Lexikon - "fangen": Auf die Notwendigkeit, zwischen Teilereignissen zu
Strukturen) betrifft dies fünf Bereiche: unterscheiden, deren Stattfinden impliziert ist, und solchen, bei denen es präsupponiert ist,
• Komplexität von Ereignissen: Die Ereignisstrukturpostulate beschreiben die Teilereig­ wurde in Kapitel 2.2 mehrfach hingewiesen. Dabei betreffen, wie schon Givön (1972:32ff)
nisrelationen gemäß P-12 (Unmittelbares Teilereignis) und P-13 (Vollständigkeits­ feststellte,.die Implikationen auch Zustände und Ereignisse nach der eigentlichen Ereig­
bedingung für Ereignisstrukturen). Nachzustände werden gemäß dem in Kapitel 7.2.1 niszeit und die Präsuppositionen Zustände und Ereignisse vor der eigentlichen Ereignis­
Gesagten als Propositionen relativ zu Situationen aufgefaßt. zeit. Beispiel für ein Verb, das einen nachfolgenden Zustand impliziert und das Stattfin­
• Sorten von Teilereignissen: Durativität und Punktualität werden, wie in Kapitel 6.3.3 den eines vorausgehenden Ereignisses präsupponiert, ist fangen. In Lex. 52 findet sich die
beschrieben, gemäß P-8 (Punktualität und Durativität) verstanden und repräsentiert. Kurznotation für die Ereignisstruktur, in Lex. 53 der vollständige lexikalische Eintrag.
• Relationen zwischen Teilereignissen: Kausalität wird durch das zweistellige Prädikat
CAUSE repräsentiert; die temporalen Relationen folgen, wie in Kapitel 7.2.2 erläutert, fangen: xnom x ^ 3

P-15 (Temporale Relationen in Ereignisstrukturen). E-STR: (_»p ' l; yBEWEG) < (_>, e2[PKT] xIMPULS/WAHRNEHM... yAFFIZIERT)
e :

• Partizipanz an Teilereignissen: Thematische Rollen basieren gemäß P-7 (Thematische < (->! z: x,y)
Rollen) auf semantischen Relationen, die, wie in Kapitel 4.2.4 dargestellt, im Rahmen
von Bedeutungspostulaten relativ zu Teilereignissen spezifiziert werden. Lex. 52: Ereignisstruktur von fangen 29

• Implizierte vs. präsupponierte Teilereigrusse: Implikationen und Präsuppositionen aus


der vom verbalen Prädikat ausgehenden offenen Proposition werden in den lexikali­ Der Eintrag macht deutlich, daß weder das vorausgehende Ereignis noch der Nachzustand
schen Einträgen wie in den Ereignisstrukturen notiert, also als "->\" vs. "->p". als Teile des Ereignisses aufgefaßt werden, auf das das Verb referiert. Nichtsdestotrotz

Ein Verb im Lexikon - "ermorden": Die in Lex. 50 in Kurznotation dargestellte Ereignis­


E ST
struktur ist so zu verstehen wie das Bedeutungspostulat B P ^ I K - R ) in dem Lexika­
ermor

lischen Eintrag Lex. 51. Welche semantischen Relationen neben den angeführten im Ein­
2 9
Hier geht es nur um die Lesart, die etwa dem Satz siefingden Ball zugrundeliegt. Daneben ist
zelnen für das Verb ermorden noch anzunehmen sind, ist hier offengelassen. mit ähnlicher Ereignisstruktur eine Lesart von fangen im Sinne von 'zu fassen bekommen' (ei-
nen Hasen fangen) zu unterscheiden, sowie verschiedene reflexive Verwendungen (vgl. den
Eintrag in Götz / Haensch / Wellmann (1993).
336

sind sie Bestandteil der Ereignisstruktur des Verbs und können temporal mit dem verbalen Literatur
Ereignis verbunden werden.

fangen Bei Literaturangaben mit doppelten Jahresangaben, z.B. "Müller (7°63/1988)", verweist
SYN: V, /akk/nom die zweite Jahreszahl auf die zitierte Ausgabe, die erste, kursiv gesetzte Jahreszahl auf die
SEM: XyXx[FANG(x,y,e±d)] Erstveröffentlichung (EV) der Arbeit.
BP/ „g-K - ):
a
SEL R
• VxVyVe[FANG(x,y,e) ->r BELEBT(x)]
BP „ -II(E-STR);
/a g • VxVyVe[FANG(x,y,e) ->T 3e2[ Abraham, Werner (1990): A Note on the Aspect-Syntax Interface. - In: Joan Mascarö, Marina
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2
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Ein kurzes Schlußwort: Die beiden Lexikoneinträge in diesem Kapitel sind gewissermaßen Language Typology and Syntactic Description. Vol. I: Clause Structure, 62-154. Cambridge et
die Essenz der in dieser Arbeit präsentierten Überlegungen zu Verben, Ereignissen und al.: Cambridge University Press.
Bach, Emmon (1989): Informal Lectures on Formal Semantics. - New York: State University of
dem Lexikon. Sie fallen weit üppiger aus als lexikalische Repräsentationen in den meisten
New York Press.
anderen Arbeiten zur Verbsemantik, und ich habe einige Mühe darauf verwendet zu zei­ Ballas, James A. (1993): Common Factors in the Identification of an Assortment of Brief Everyday
gen, warum das so sein muß. Über den Nachweis der linguistischen Notwendigkeit solcher Sounds. - In: Journal of Experimental Psychology: Human Perception and Performance 19, 250-
Repräsentationen hinaus war es mir besonders angelegen, darzustellen, wie kognitionspsy- 267.
chologische Überlegungen in eine formale, wahrheitskonditionale (lexikalische) Semantik Ballweg-Schramm, Angelika; Ulrich Engel; Sabine Pape; Helmut Schumacher (1976): Einleitung. -
einfließen können, wenn man den grundlegenden Entitätensorten und den zentralen Prädi­ In: Ulrich Engel, Helmut Schumacher: Kleines Valenzlexikon deutscher Verben, 5-113. Tübingen
Narr.
katen in den lexikalischen Repräsentationen kognitionsabhängige Deutungen gibt. Dabei Becker, Karl Ferdinand (1870): Ausführliche deutsche Grammatik als Kommentar der Schulgram-
hat mir die Annahme, daß die Sprache, die Wirklichkeit und die Wege, über denen uns die matik. 2 Bde. - Zweite neubearbeitete Auflage. Prag: Tempsky.
Wirklichkeit zugänglich wird, letztlich das empirische Korrektiv für unsere semantischen Beckman, N. (1899): Spräkpsykologi och modersmälsundervisning. - Diss. Lund.
Theorien sind, einiges Kopfzerbrechen abgenötigt. Ob es blitzt die Bedeutung BLITZ(e) Beckmann, Frank (1994a): Review of "Grimshaw, Jane: Argument Structure. Cambridge MA: MIT
hat, hängt demnach erstens davon ab, ob es sprachliche Gründe gibt, daß es blitzt eine se­ 1990". - In: Journal ofSemantics 11, 103-131.
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mantische Form vom Typ PRÄD(a) hat, zweitens davon, daß es Ereignisindividuen vom
Beispiel von Instrumentalphrasen. - In: Monika Schwarz (Hg.): Kognitive Semantik / Cognitive
Typ 'Blitzen' gibt, und drittens setzt es voraus, daß wir auch erkennen können, daß es Er- Semantics. Ergebnisse, Probleme, Perspektiven, 119-129. Tübingen: Narr.
eignisentitäten ebendieses Typs gibt. Ich habe in dieser Arbeit zu zeigen versucht, daß es Behaghel, Otto (1900): Ich habe geschlafen. - In: Zeitschriftfür deutsche Philologie 32, 64-72.
theoretisch und heuristisch sinnvoll ist, dies als verschiedene, und zwar weitestgehend Bennett, Jonathan (1988): Events and Their Names. - Indianapolis, Cambridge: Hackett.
empirische Fragen aufzufassen. Man mag die zweite und dritte dieser Fragen nicht als Benson, D.F.; J.P. Greenberg (1969): Visual Form Agnosia. - In: Archives ofNeurology 20, 82-89.
genuin linguistische oder semantische Fragen auffassen, ihre Beantwortung bestimmt die Bhatt, Christa; Claudia Maria Schmidt (1993): Die am + Infmitiv-Konstruktion im Kölnischen und
im umgangssprachlichen Standarddeutschen als Aspekt-Phrasen. - In: Werner Abraham, Josef
Richtigkeit unserer Theorie aber ebenso wie es die Beantwortung der ersten Frage tut. Bayer (Hgg.): Dialektsyntax, 71-98 (= Linguistische Berichte, Sonderheft 5).
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Brace Jovanovich. 189 - und das Verarbeitungsproblem 18f
Art-und-Weise-Adverbiale 9lf, 99-101,131, - und das Vollständigkeitsproblem 21 f, 52
144, 223f, 238, 243, 306-309 Direkter Realismus 228
Aspekt- und Aktionsarttheorien (s. auch Direkte vs. indirekte Verursachung 292f, 330-
Aspektkomposition, Progressiv) 2-4, 9, 36- 332,334
38, 54, 56,63f, 69,72,101,299f Direkte Wahrnehmungstheorien 266, 272-274,
Aspektkomposition 2,4,35, 37,66,69-72 278-280
Aspektuelle Verben 60f, 63,77 Direktionalphrasen 40, 55, 69, 86, 89, 91-94,
Attributives Partizip 14, 56-58-, 62 99,126-128,296
352 353

Distal vs. proximal vs. zentral 266-268, 274, Ereignisstrukturtheorien (s. auch Lexikalische Implizitenanhebung 142,145-150,316-319, Kompositionsmodi (s. auch Funktionsauswer­
279 Ereignisstrukturtheorie) 4f, 9, 13, 35, 39- 334 tung, Konjunktion, mdividueneinfimrune)
Distributive Prädikate 164-167 48, 55,295f, 326f Impuls 206-208 109-115,130,137,141f, 145f, 149f
Ditransitive Verben 46, 192 Ereigniswahmehmung (s. auch Bewegungs- - als semantische Relation 208-214 Konjunktion (als Kompositionsmodus) 110
Durativität (s. Punktualität vs. Durativität) wahmehmung) 256, 258, 264-289, 294, Inchoatiwerben (s. auch Unakkusativa) 43-45, 114f, 122,129f, 136f, 176
Dynamische Eigenschaften 260f, 263, 304 300f 77 Kontrolle (als semantische Relation) 81f 194
Dynamisches Ereignis 75 - und Ereignisontologie 303-306 /wrfem-Relation 309 198-202,211,330
Ereigniszeit 90, 234, 241-249, 251-254, 257- Individual- vs. Stage-Level 74f, 103f, 132, 212, Kömigkeit (s. Ereignisauffassungen)
Effiziertheit 70 259,267
Eigenschaftsexemphfikationen 235-238,261- 310, 312f, 315 Körperfunktionen und Verben 204,207-209
Ergänzung vs. freie Angabe (s. Komplement Individueneinführung 109f, 113f, 126f, 130f, K-Relationen 332f
263, 305f vs. Adjunkt)
Eigenschaftsontologie 237,241 137
Essenzen / Essenzialität 216f, 249-252 Individuierung (s. Epistemische Indivi­ Lambda-Operator 105-108,146f
Eigenschaftsraum 259-262 Experiencer 46f, 74, 96,191 Leere Lambda-Bindung 123f, 142, 311f
Eigenraumzeit von Ereignissen 252-254 duierung)
Expletiva 115, 122-124, 156, 290f, 294 Inhaltsspezifik (s. auch Selektionsrestriktionen) Leeres Ereignisprädikat 123-126,294
Einmaligkeitsbeschränkung 135, 161-173, Leibniz* Gesetz 218,223f, 233,307
184f, 188f Fakultativität vs. Notwendigkeit 86, 91, 96, 115f, 120
Inkrementalität 70,76,167, 191 Lexemfunktion 108f, 119-121,152,177f, 334
Ellipse 60 115-120,134,139,153 Lexical Conceptual Structure 13,16,40f'
Innere Objekte 124-126,128,167
Enzyklopädisches Wissen 23-26 Formale Semantik und Wortbedeutung 3f, 27- Lexikalische Dekompositionsgrammatik 2 4
Instrument (als Thetarolle) 157f, 191
Epistemologie 30, 105-115 13,4245,50f,328f
Instrumentaladverbial 90, 94, 98f, 129, 131f,
- und Semantik 195,225-230, 304, 336 Formspezifik 93-95, 115f, 120f, 151 Lexikalische Ereigmsstrukturtheorie 10f, 31-
- und Wahmehmungspsychologie 285f, 287f, Funktionale Köpfe und Ereignisbindung 309- 136-138,141-147,291,306-308
Intention (s. Absicht) 35,48-84,192,213f, 319-336
304 314 Lexikalische Inferenzen 2, 18, 78f, 83f 191
Intentionalität 193f, 198,206
Epistemische Erreichbarkeit 305f Funktionsapphkation 107, 111, 113, 122, 124- 199f,208
Interlexematische Relationen 8f, 52-54
Epistemische Individuierung 225f, 233 127,310 Lexikalische Regeln 139f
Interpretationsbeschränkungen (s. auch Lexi­
Ereignisargument 41,43,100-105,121,163, Funktionsauswertung (s. auch Funktionsapph­ Lexikalische Semantik
kalische Inferenzen) 8
212,215 kation, Funktionskomposition) 109f, 113, - , Aufgabe 2f, 29f, 336
Interpretationsstrategien 23f
- und Argumenttheorien 173-189 130f, 137,143f, 145f, 317 - , Daten 1, 5-9
Introspektion 197,227
-.Bindung 102, 309-319 Funktionskomposition 113, 141 - , Explizitheit 9f, 22, 157f, 193f, 198,200,210
- als semantische Relation 197
Ereignisauffassungen (Kömigkeit) 231 f, 247- - , Restriktivität 21f, 30,41 f
Gegenstandsontologie 219, 241-243, 245f, 249- Iterativitat 73, 77f, 198f
249,261-263, 304, 309 - , Zirkularität 15-17, 28f, 157, 168, 222-224,
251
- feinkörnige 169f, 232-241,259,280,284 Junggesellenprinzip 18f 251f
- grobkörnige 232-233,236-238,241-247, Gegenstück-Relation 249-252
Generative Semantik 2, 17f, 38, 50, 181, 199 Linking 3-6, 13-17, 29, 38, 42, 44-47, 157,
253f, 259,280,284, 307 Kanonische Beschreibungen 261
Geräuschverben (s. Sensorische Verben) 192f, 196-198,202
Ereignisbäume 319-322 Kasusgrammatik 2,156-160
Geräuschwahmehmung 289f - , aspektuelles 45-47, 58
Ereignisbegriff (s. auch Ereignisontologie) 10, Kausale Erklärungen 239f, 244, 328
Geschehen/Tun-Test 88-96, 98f, 120,152,185 Logische Typen 110-112, 130, 140, 145f, 176,
41,47f, 163f,219f, 221,228-232 Kausalität (s. auch Direkte vs. indirekte Verur­
Geschehensverben 89f, 93-95,101 179,195f
- in der Wahrnehmungspsychologie 269,275, sachung, argumentsortenidentisches vs.
Grammatisch-kategoriale Restriktionen 6f argumentsortenverschiedenes CAUSE) - , Typverletzung 130f, 137,145f, 310f
279,284 Lokativadverbial 86, 89-92, 99-101, 104, 114,
Ereigniskonstitutive Eigenschaften 235-238, - und Aspektklassen 38,44f
Handlungsbegriff 193, 200-208, 301f 121f, 128-131, 222-224, 243, 255, 257f,
304f - und Ereignisontologie 101,230,232-234,
Handlungstheorie 191f, 207,231 291, 306f, 312-314, 322f, 324
Ereignismereologie (s. auch Teilereignisse) 237-241,243f, 246,249,262
Homogenitätsprinzip 245,255
164-168,220,242,244, 319-322 - und Ereignisstrukturen, 44f, 74, 325f, 332f Mentale Ereignisse 256f
Homonymie 9
Ereignisnomen 101-103, 125f, 230f, 244f - und freier Wille 202f, 294 Modifikator (s. Argument vs. Modifikator)
Hyponymie / Hyperonymie 21,23f, 52-53
Ereignisontologie 10, 12,102,163f, 168f, 174, - und sensorische Ereignisse 288f, 292 Modulare Valenzgrammatik 151f
- und Ereignisidentität 308f
215-225,229-263,280-288 - und Thetarollen 190,194,196 Mögliches Wort 2,327
Ereignisort / Ereignisraum 90,241-249,251- Identitätsbegriff 75,218 - und Zweibewegungsverben 298 Mögliche Welten 23-25
259,267,280,284-288, 309 Identitätskriterium 217-220 Kausatiwerben 18,20,4043,45, 78f, 98,201, - und Ereignisse 247-249
Ereignispartizipanten (s. auch Teilereignisse) - für Ereignisse 219f, 223-226, 230-263, 304- 288-294, 328-333 Montague-Semantik 2f, 109
- und Ereignisraum 254-256, 258,284f, 287 309, 334 Kognitionsmoment 302f
Imperativ 14,148,151f Kognitionspsychologie (s. auch Wahr­ Nachzustand 33, 40, 44, 52f, 54-63, 67f, 71f,
- und Identitätskriterien 235-237, 305 74-78, 80-84,198f, 324f, 334-336
- und Thetarollenauffassungen 161-173 Imperfektiv-Paradox 61-63 nehmungspsychologie) 10, 336
Implikationskriterium 90, 96,175 Kognitive Semantik 2,26-29 Negation 61,191,315
- und Valenz 87 Neo-davidsonische Argumenttheorie 41,174-
Ereignisstrukturen (ausgewählte) 30-33, 39f, Implizierte Teilereignisse (s. Teilereignisse) Kollektive Prädikate 164-167
Implizite Argumente 106,116-120,132f, 138- Komitativadverbial 86,89, 93-95, 98f, 129 189
43, 51-53, 60, 62, 64f, 72f, 75f, 79-81, 84, Neurologie
293f, 297f, 303, 324, 327, 331-333, 335f 141,149f, 153,172,186f, 189, 318 131-137, 145,147f,172f, 322
-.Modifikation 141-150 Komplement vs. Adjunkt 85,87-90,145,190 - und Willensbegriff 203-207
354
355
- und Ereigniswahmehmung 281 f Referentielle Semantik (s. Wahrheitskonditio­
Temporaladverbial 89f, 99-101,128-131,243, Vorgangspassiv 58,60, 89,125,132f, 138-141
Notwendigkeit (s. Fakultativitat vs. Notwen­ nale Semantik)
257,313f,324 Vorkommensbeschränkungen (s. auch Selek­
digkeit) Reflexhandlungen und Verben 204,207-209
Tempus 67f, 78,101,103,311,313 tionsrestriktionen) 7
NP-Intensionen und Ereignisse 169f, 235,237, Reflexivum 77
Themarolle (s. Patiens)
247f, 304f, 307 Reflexivverben 118,172,186 Theta-Binding 310f Wahrheit 225-229
Relative Adjektive / Adverbien 286, 308 Wahrheitsbedingungen 26,107,226f
Objektiv (als Thetarolle) 157,161 Thetahierarchie46f, 190
Relativität des Raums 245,287f Wahrheitskonditionale Semantik 26-29 227
Ökologische Wahrnehmungspsychologie 272- Thetakriterium 156,161
Repräsentationeller Realismus 228 336
280 Repräsentationsebenen 11,13-17, 28-30, 40-44, Thetarollen (s. auch Semantische Relationen)
Ontologie (s. auch Ereignisontologie) 12,27- 8f, llf,46f, 120,156-193,212f, 298, 334 Wahrnehmung
46,48 - als semantische Relation 194-198 210-212
30,215-217 - als Funktionen 159-164,168-174
Resultativkonstruktionen 40,43, 92, 329f
- und Semantik 220-225 - , individuelle 156f, 182f, 188f - und Wahrheit 227-230
Rezipient90,191
Ontologische Sparsamkeit 215-217,242 Reversible Zustande 72,80,82f Thetarollentheorien (s. auch Protorollentheo­ Wahmehrnungspsychologische Experimente
Ontologische Konstruierbarkeit 216f Rollenkriterium 90-92, 96,120,152,184f rien) 1,3,1 lf, 22,156-162 268-271,274,277,282f, 287f, 300-302
Ontologische Verpflichtung 215,217 Rotationsbewegung 275f, 283f, 288,298, 305f Transformationelle Invariante 267f, 276-280, Wahrnehmungspsychologie (s. auch Ereignis­
Operationale Verfahren 37, 89, 199f 284,294 wahmehmung) 10,12, 195, 264f
Optische Anordnung (s. Perzeptuelle Anord­ Sachverhalte und Ereignisse 234f, 237,240f Transition 39f, 42,44f Willen 194,202-208
nung) Scheinbewegung 281 Translatorische Bewegung 272,275,283f, 295- - als semantische Relation 190, 194 196 198-
Optischer Fluß 267-269,279 Selektionsrestriktionen 7, 24f, 118, 153f, 211, 299 201
334 Transworld Identity und Ereignisse 249-252 Wissen 22-26
Partikularia vs. Uni versahen 241,246f - in neodavidsonischen Argumentheorien 182f, - als semantische Relation 194-198,210-212
Passiv (s. Unpersönliches Passiv, Zu- Unaccusative Hypothesis 56,192
185-187,189 Unakkusativa 47, 56,71, 78f, 295 Wissenschaftlicher Realismus 216f, 228
standspassiv, Vorgangspassiv) - , Thetarollen als 159 Witterungsverben 122-125,128,305
Passivauxiüar (s. auch Me/'be/j-Passiv, Zu- Unergativa 56,69,71,322
- von Adverbialen 43,49f, 132-134, Unpersönliches Passiv 56,138,148, 198-200 Wortfeldtheorie lf
standspassiv) 140f Semantische Relationen (s. auch Thetarollen,
Patiens95,137,156,158,191f 208f Zeitdaueradverbial (for-??, lang-??) 36f, 39-
Rollenkriterium) 33, 78, 90-92, 132-138, 41,48,68, 72f, 82,299
Perfektauxiliar 55f, 62 152,182-185, 190-214,231 Unterspezifikation 147, 150
Perzeptionsverben 101,104,194 Zeitpunktadverbial (ar-PP, um-??) 36f, 39, 48,
Semantisches Wissen (s. Bedeutungsbegriff) 67f, 78
Perzeptuelle Anordnung 273, 275,279f, 286- Vagheit 254,258
Sensorische Ereignisse 255f, 258,284-289 Zeitspannenadverbial (m-PP) 36f, 39-41, 43-
288,291,305 Sensorische Verben 16,288-294 Valenz (s. Verbvalenz, Präpositionsvalenz)
Valenzaltemanz 6,22, 75f, 299 45,68-72,78f, 83f, 292, 322
Plurahsche Subjekte 135,164-167 Sentience (s. Bewußtheit)
Valenzerweiterung 6,119,153,288-294 Zeitwahmehmung 300-303
Polysemie 9,24,66, 153f Situationsargument 312-318, 324f
Valenzreduktion 6,139,153,186f,289f Zustandsbegriff 33,40,47,26lf, 324
Prädikatskonstante 85, 106, 108f, 119-121, Situationsontologie 314
Valenztheorie 2, 85-96 Zustandspassiv (s. auch Bleiben-Passiv) 58-60,
152f, 172, 177f, 184, 334 Skopusambiguitäten 8,20,41,43, 50-52
Vendlerklassen (s. auch Accomplishments, 62, 83f
Präpositionalobjekt 13 lf Statives / States 36, 38,73
Achievements, Activities, States/Statives) Zustandsverben 73f, 82, 98, 103f, 111, 163,
Präpositionsvalenz Ulf, 120,143f Stelügkeit (s. Argument vs. Modifikator)
36-38,44,63f,72f,84 305f,311f
Präsupponierte Teilereignisse (s. Teilereig­ Strukturelle Invariante 276f, 279,284
Veränderung Zweibewegungsverben 294-299
nisse) Subjektives Präsens 300-302
- als semantische Relation 56,191,194,211 Zwei-Ebenen-Semantik (s. auch Lexikalische
Process 39f 64 Symmetrische Verben 134f, 172f, 183, 188f,
- und Ereignisbegriff 259-263, 305-309 Dekompositionsgrammatik) 2, 14, 26f, 42,
Progressiv 14, 36f, 61f, 68, 73-75, 78f, 103f, 192 - und Ereigniswahmehmung 265,268,275, 102,312
299 Synonymie 2 304 Zykloidbewegung 282f
Projektive Geometrie 267-269,272
Verbvalenz 11, Ulf, 115f, 151-154, 192,213
Prospektivadverbial (für-??) 81-84 Teilereignisse (s. auch Adverbiale Modifika­
tion, Temporale Relationen) 31-35, 41, 334
Protorollentheorien 159,190-198,212-214
152, 185, 188f, 213f, 283, 294-299, 319- - semantische (s. auch Argument vs. Modifi­
Prototypentheorie 1-3,159 kator) 85-96,116-127, 152f
Proximal (s. Distal vs. proximal vs. zentral) 325,334
- syntaktische (s. auch Komplement vs. Ad­
Psych-Verben 46f, 197,289 - , impliziert vs. präsupponiert 33f, 64, 68, 71,'
junkt) 119,151f, 179,181
Punktualität vs. Durativität 33f, 38,42-45, 59, 74, 78, 323, 333-335 - und Aspektkomposition 69
63-78, 80f, 299-303, 334 - und Ereignispartizipanten 30-32, 46f, 78, 80- Verschiedenheitsbeschränkung 161 f 171 176f
Punktualitätsbegriff 299-303, 334 84,213f,331,334 183,188
Punktuelle Verben 63-78,299-303 - , unmittelbare 319-322, 334 Verursachung (s. Kausalität)
Telizität (s. Nachzustand, Veränderung) Volition (s. Willen)
Quantifikation über Ereignisse 101,230,234f, Temporale Relationen
238,310,315f Vollstandigkeitsbescluänkung 161f, 169 176f
- zwischen Teilereignissen 33, 35, 40, 78-81, 181f, 188
Referentielles Argument 102 84, 324-328,332-335 Vollständigkeit von Ereignisstrukturen 32lf
- zwischen Ereignissen 57-59,231 325, 334
356
357

Verbregister dämmern 122,256 essen 6, 14, 55, 62, 70f, 76, 82, 86£ 90 94f
dance 8,48 106-109, 167, 179, 181, 184, 187 '
decide 62 explodieren 7,48,65,67,276, 302
denken 256
Das Verbregister fuhrt nur die deutschen und englischen Verben auf. Bei Verben anderer depart 51 fahren 32, 49f, 62, 77, 89, 99, 101 172 238
Sprachen werden deren jeweilige deutsche Entsprechungen angeführt. destroy 40 292,295 '
die 36,64,74 fall 58,73, 79
dine 119 fallen 7, 55,72, 95,127,198,209,275
abbrechen 74 beginnen 77, 302 diskutieren 93,134f, 188 fallen 79f, 302
abfahren 83 beherrschen 90 dominate 36 fangen 34, 323, 335f
ablaufen 256 beiseiteschieben 82 donnern 286f färben 21
ablehnen 86 beißen 38,132 drag 40 fear46f, 196f
abreisen 199 beladen 58 draw 36, 66, 73 feel 104
abreißen 77 beleidigen 196 drehen, sich 222-224,232,243,248,257,284 fell 79
abschalten 81 believe 36,103,196 307f find 36,299
abspritzen 309 bemalen 131 dress 39 finden 58,71 f, 77,176
abtrocknen 31-33, 35, 54, 232, 319f bemerken 74 f drive 61 finish 60f, 77
ähneln 181,183, 189,312 beobachten 95,137 dröhnen 287f, 291 fliegen 34,279, 306
aimer 57f bersten 65 drop 66 fließen 276
akzeptieren 187 berühren 167,170 drown 330 flimmern 287,29 lf
alert 178 besetzen 81-83 drücken 287 float 295
altern 55,279 betrachten 90, 167 dry 55,61,79 flow 75
anblicken 255 betreten 83,296 duften 287 flüstern 92
anbrennen 95 bewachen 59f, 81, 83f durchbohren 77 fly 26
anbrüllen 167 bewegen, sich 49,296 duschen 71, 172 folgen 333
anfangen 56, 77f bewohnen 59f duzen 59f, 81 fressen 113f
ankommen 34,74,198f bewundem 58 dye 52f frieren 122f
anstreichen 79f biegen, sich 77 frighten 46f, 197
anziehen 81 bimmeln 290 eat 6,43, 103f frühstücken 71
anzünden 303, 330f bite 310 eiern 295 fühlen 138,256f
blacken 52f einladen 87 füllen 6
arbeiten 55,73, 95, 130f, 135-137,148,198,
bleiben 56, 80f, 83 einschlafen 86 funkeln 285f, 291 f
257,318
blicken 92 eintreffen 57 furchten 46
arrive 74
einwilligen 117
assassinate 236 blinken 287, 291,293
electrocute 330 gären 77
astonish 75 blitzen 65,256,285,291, 336
empty 43 geben 65,112,117f
atteindre 71 blockieren 84
endigen 58 gehen 55, 57, 69, 83, 93, 203, 207, 238, 245,
aufhalten, sich 91 blühen 55,276
entlaufen 57 294-298, 308
aufhören 56, 77f bluten 57, 125, 198f
erben 256 gehorchen 333
aufspringen 207 boil39
erblicken 74f gelieren 65
aufstehen 302 brauchen 132
ergeben, sich 68 gelingen 61
aufwecken 116 brausen 292
ergreifen 58 genesen 51
ausgehen 73 break 16,19,74
erinnern, sich 90 genießen 210
auslaufen 256 brechen 16,77,276
erkälten, sich 246 geschehen 89, 93-96,101,123
austrinken 69, 71 f brummen 65
erkennen 74f, 77,225 get 192
ausweichen 333 bügeln 59, 76
erklingen 256 gewinnen 34,64,72, 74,168
build40f, 194
backen 67f, 98,132f ermorden 202, 322, 334f gießen 6,122,254
butter 100, 102
baden 118, 172, 186 erreichen 71,77 give 36,40
buy 161
basteln 5f, 62, 65, 98, 148, 320 erröten 65 glätten 65
buzz 16
bauen 58f, 62, 69f, 76, 82, 98,133,148,209, erschrecken 77,181,289 gleichen 189
299 cause 20 erstaunen 74f, 329 glimmern 291
bedienen 49 close 40 erstechen 65,71 glitzern 285f,291f
bedrohen 57, 81 come 58, 158 ersteigen 68 go 58, 296
beep 16 creak 16 ertönen 126, 256 grauen 123
befinden, sich 91 cross 36 erwärmen, sich 222-224,232,243f, 248, 307f grow 58
begeben, sich 245 crush 199 erwürgen 62, 303 grow up 36
grünen 276
358
359
gurgle 16 leave 82 rain 75
leeren 76, 329-331 sein 55-58,62, 125
haben 55f, 125 rasieren 172 seil 188
lesen 76, 94, 117
halten 89 reach 36, 64
leuchten 285f setzen, sich 299, 302
hammer40 receive 192
lie 73 shoot 39
hämmern 170, 302 recognize 36,64, 73-75 sing 101, 164
lieben 14, 33, 58f, 95,163,181-183, 210
happen 101 liegen 91,132 regnen 65,122-124,127,256, 315f singen 34,238
hassen 58 like 197 reinigen 309 sinken 56,69
hate 36, 104 live 62 reiten 55,295 sitzen 33, 163,299, 306
hauen 170 rennen 54,238,295 slice 131
load 132, 192
hear74f, 104 reparieren 60f, 65, 68, 70, 72,76, 80, 83f, 257 sortieren 81
loben 58
heiratend 131, 159, 183,185,188 look 299 resemble 103f sperren 81 f
helfen 47, 96,232,309 losbrechen 77 riechen 75 spielen 71, 86,89,128,133,165-167, 172, 181
herstellen 58 love 36,40 ring 290
185,203,209,255,258,306
hiccup 64 ripen43 spot 64,75
hinunterrutschen 212 machen 58, 88f, 148 rodeln 295 spray 192
hoffen 86 mähen 70 roll 192,296 sprengen 59f, 65,76, 81,299
hop 74 malen 76, 131,203 rollen 77,279, 282-284, 288, 294-299, 307,
manipulieren 76 321,325-327 springen 34, 103, 125, 137,294-296,298, 302
horchen 92
march 188 rotate296 spülen 80, 98, 119, 127, 129, 134, 138, 144
hören 58,75,181, 195 148-150, 153-155, 172, 178, 180, 187,
hüpfen 74,77, 284 marry 192,237 rudern 134,295
meet 66, 164f rülpsen 65, 125, 132, 302 306, 318
husten 93,209 stab 175,236
melt 8,20,79 rumnörgeln 95
inherit 192 mogeln 202 run 36f, 40, 52f, 73, 103, 178, 295 steal 19
move 244 stechen 38
jog 52f, 82 sagen 232,234 stehen 132,163,209
joggen 8, 55,62,65,68, 92f, 112, 114f, 119, nachgeben 333 säubern 58 steigen 39,56
132-134,220,257,297, 316f nähen 76 saufen 224, 329 stellen 86,89,92,99
niederbrennen 32, 35, 54, 79f schaffen 61 sterben 7f, 51f, 55, 74, 125, 138, 198
kämpfen 125 1 r;
niesen 38,199,202,208f schälen 73 steuern 49
kauen 245, 299 r i;
notice 66,75,77 scheinen 285 stinken 199,202,287,292 '- "
kennen 6,14,76, 90,212, 225, 311, 324 stolzieren 308
kick 186,200 schieben 33, 35,65, 326 <>. f.i\nr»Mv,

kill 8, 19f, 50, 172, 236, 330


occur 101
öffnen 17,21,94,97,279
schießen 170,234f stop «M; 77 '•"' ' '' A lfr

klappern 290 schimmern 285f, 291-294 stören 89 •


open 40 schlafen 50, 90, 122, 125f, 151f, 257, 306
klatschen 207 operieren 95 sirangle 104,330 . a
klettern 298 schlagen 58, 65, 70, 90, 95, 103,119,156,176,
streicheln 47,50,59,65, 133 .
klingeln 288,290, 320 packen 312 209-211
streichen 70
klopfen 68, 73f, 77, 302 paint 61,164 schleichen 54
streiten 165
knacken 16f, 286, 290f, 322 passieren 101 schließen 21,49f, 80f, 83
stricken 76
knallen 34, 65, 286f, 292-294, 303 pfeifen 239f schlucken 299
stroll 236f
knarren 288 pieksen 65 schmecken 7, 33, 132
strut 295
kneifen 65,67, 74,76, 287 pieseln 122 schmelzen 7, 34, 39, 54, 57,65, 76, 77, 95,
suchen 59
knicken 65,68,71,77 pinch 74 127, 138,211,276,292, 326f suffer 192
knock 74 planen 73 schmücken 58 sway 244
know6, 14, 36,40, 73,196 platzen 64f, 71, 73 schmusen 134f swim 36
kochen 6, 76, 93, 226,289 please 197 schnarchen 65, 290 switch off 194
kommen 296 poison 330 schneiden 87, 131 tadeln 58
krabbeln 296 produce 199 schneien 122,124 take 19, 36,68,101
krachen 49,287 push 36f, 40f schreiben 6, 15, 22f, 69f, 76, 90 92 186 196 tanken 320
put 48 327
kratzen 302 tanzen 7, 55-57,69,72,134,208,294,299, 313
schubsen 59, 99
kriechen 295 putzen 7,70, 82 tap 64
schwärzen 21
kugeln tapezieren 134,209
quälen 33, 47, 59, 62, 65, 67, 72, 76, 81, 106- schweigen 132
tätscheln 95
küssen 6, 210-213, 310, 324 109, 111-113, 139-146, 148f, 151f, 173f, schwimmen 55, 131, 246, 294, 297-299 tauchen 298
177,212,317 see74f, 101,104,174, 196 tauen 122
lachen 33, 49, 65
quietschen 288f,291f segeln 77,295,307f telefonieren 198f,202
laufen 34, 57, 69, 73, 199, 208, 238, 294-296, sehen 58,75, 132,138, 195,255f, 258
298f, 316 terminer 71
360

think 194 versterben 57f


ticken 7, 287-290,292 verteidigen 95
tolerate 192 verunglücken 95
torkeln 298 verursachen 330
töten 51, 58, 82, 138, 211, 237, 324f, 33lf verwandeln 231
traben 295 verwöhnen 65
tragen 58, 86, 89, 126, 257, 313 verwunden 58
traineren 164f verzeihen 333
treffen 59,65, 73 verzehren 6
treten 95,209, 302 verzichten 196
trinken 7,69, 153, 165,224, 329f
trocknen 33, 55, 60,62, 65, 70f, 76, 129,211 wackeln 209
289,291,294,322,325 wait 88
tun 50, 88f, 91,93-96, 98 walk 61, 191
twitch 74 want74
type 66 <r warten 85f, 88-90, 94,112
waschen 35,46,70, 138, 172
überlegen 132 watscheln 295
überlisten 169 wecken 58
überqueren 308 wehen 7, 50
überraschen 58 weigh 103
überwinden 58 werden 58, 139-141
umbringen 329 werfen 33-35, 59, 99, 202, 213f, 307, 323, 325
umfallen 287, 302 327
umgeben 140 widersprechen 333
umkommen 104 wiegen 181
umstürzen 77 win 36f, 64
umziehen 320 wink 64
undergo 192 winken 302
unterhalten, sich 135
wissen 98,132, 140, 195, 313
verblühen 55
wohnen 86, 89-92, 112, 121f, 126, 128, 152
verbringen 91 f
write 36,66
verdampfen 276
verderben 77 zerbrechen 6, 20, 34, 44f, 55, 65, 71, 73 77
vererben 257 289f, 294, 302
verfärben, sich 211,276 zerdrücken 65
verfassen 6 zerreißen 276
verfaulen 44f zersetzen 276
verfolgen 34 zerstören 6, 57, 59
vergiften 325, 327 zischen 288
vergrößern 54 zittern 209
verheiraten 81 zucken 64f, 74, 209
verkaufen 183f zudecken 84
verkleinern 54 zufassen 86,118
verknoten 80 zufrieren 82
verlangen 58 zuschlagen 86, 118,152
verlassen 58, 82f zwicken 292
verlieren 68, 82 zwingen 199f
vernachlässigen 59f
vernichten 81, 138
verschlingen 72
verschwinden 33, 82
versenken 79
versinken 79
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