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22.12.

1938: Die erste Uran-Kernspaltung


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Japan im August 1945. Mehr als 300.000 Menschen sterben, als US-amerikanische
Flugzeuge Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki werfen. "Hahn war zutiefst
erschrocken, dass aus seiner Entdeckung eine solche Mordwaffe wirklich
herauskommt. Obwohl er wusste, dass es im Prinzip möglich ist." Nach dem
Atombomben-Abwurf hatte Carl Friedrich von Weizsäcker (1912-2007) große Angst um
Otto Hahn, denn Hahn fühlt sich schuldig für die Folgen seiner Entdeckung. Er droht
sogar einige Male damit, sich umzubringen, sollte Adolf Hitler die Atombombe
bekommen.

Barium

Ein paar Jahre zuvor, 1938, am Kaiser-Wilhelm-Institut für Chemie in Berlin


experimentierten Wissenschaftler mit Uran, beschossen Uran-Atome mit Neutronen -
um noch schwerere Atome zu erzeugen, sogenannte Transurane, die in der Natur nicht
vorkommen.

Eines Tages aber, am 22. Dezember 1938, sitzen Otto Hahn und sein Kollege Fritz
Straßmann vor ihren Experimenten und begreifen nicht, was passiert war. Bei der
Analyse ihrer beschossenen Uran-Atome finden sie etwas, das eigentlich nicht dorthin
gehört: Barium. Was also war passiert?

Carl Friedrich von Weizsäcker sagte später darüber: "Barium ist viel kleiner als der
Urankern und wenn aus Uran Barium entstanden ist, dann ist der Kern, wie es Hahn
damals nannte, zerplatzt. Und so sagte er mir dann auch am Telefon, als ich ihm sagte,
ja das könnte Barium sein, und er sagte, ja ich glaube auch, dass es Barium ist, aber
dann ist der Kern zerplatzt."

Kernspaltung

Das Uran war zerplatzt, Hahn hatte die Atom-Kern-Spaltung entdeckt. Doch die
entscheidende Erklärung dafür kommt von einer Frau, von Otto Hahns langjähriger
Mitarbeiterin, Lise Meitner (1878-1968). 30 Jahre lang forschten sie gemeinsam mit
großem Erfolg am Institut in Berlin.

Sie erinnerte sich später: "Die Zusammenarbeit mit Otto Hahn war besonders
stimulierend. Dass Hahn der beste Radiochemiker war und ich immer eine Physikerin
war, für die die einfachste chemische Gleichung Mystik war, war doch eine gute
Grundlage und eine gute Ergänzung in unsrer Zusammenarbeit."
1938 muss die Jüdin Lise Meitner vor den Nationalsozialisten ins Exil fliehen, sie geht
nach Schweden. Von dort aus liefert sie Otto Hahn per Brief die epochale Erklärung für
die "merkwürdigen Messergebnisse", wie Hahn es nennt.

Dazu sagte Weizsäcker: "Dann war aber auch ziemlich bald klar, dass wenn diese
Kernspaltung durch Neutronen ausgelöst wird und sie, wie man gesehen hat, wiederum
neue Neutronen erzeugt, dass dann eine Kettenreaktion möglich ist, wo die neuen
wieder Kerne spalten und das geht so weiter und dabei wird sehr viel Energie frei und
dann kann man das bauen, was man heute einen Reaktor nennt und was man heute
eine Atombombe nennt."

Nobelpreis mit Verantwortung

1944 erhält Otto Hahn für die Entdeckung der Urankern-Spaltung den Nobelpreis für
Chemie. Seine Kollegin und Freundin Lise Meitner geht leer aus. Schon damals, in
seiner Dankesrede warnt Hahn vor der Verbreitung und Weiterentwicklung von
Kernwaffen. Hahn betrat politisch brisantes Terrain.

1957 unterzeichnet er gemeinsam mit 16 weiteren international bekannten


Atomwissenschaftlern, darunter auch Max Born, Werner Heisenberg und Carl Friedrich
von Weizsäcker, die so genannte ″Göttinger Erklärung″. Doch bei den meisten
Politikern stieß Hahn mit dieser Anti-Atom-Erklärung auf taube Ohren: Franz-Josef
Strauß, damaliger Bundesverteidigungsminister, sagte einmal im Bonner Presseclub
über ihn: "Ein alter Trottel, der die Tränen nicht halten kann und nachts nicht schlafen
kann, wenn er an Hiroshima denkt."

Doch Hahn bleibt sich treu. Bis ans Ende seines Lebens kämpft er mit aller Kraft gegen
das atomare Wettrüsten, an dessen Anfang seine Entdeckung, die Kernspaltung stand.
1968 stirbt der Chemiker mit 89 Jahren in Göttingen.

Autorin: Judith Hartl

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