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ABHANDLUNGEN FÜR DIE KUNDE

DES MORGENLANDES
Im Auftrag der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft
herausgegeben von Florian C. Reiter

Band 111

Board of Advisers:
Christian Bauer (Berlin)
Desmond Durkin-Meisterernst (Berlin)
Lutz Edzard (Erlangen/Oslo)
Jürgen Hanneder (Marburg)
Herrmann Jungraithmayr (Marburg)
Karénina Kollmar-Paulenz (Bern)
Jens Peter Laut (Göttingen)
Joachim Friedrich Quack (Heidelberg)
Florian C. Reiter (Berlin)
Michael Streck (Leipzig)

2017
Harrassowitz Verlag . Wiesbaden
Frank Weigelt

Einführung
in die arabische Grammatiktradition

2017
Harrassowitz Verlag . Wiesbaden
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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen
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ohne Zustimmung der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft unzulässig
und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen jeder Art,
Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung
in elektronische Systeme.
Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.
Druck und Verarbeitung: Hubert & Co., Göttingen
Printed in Germany
ISSN 0567-4980
ISBN 978-3-447-10945-1
Inhalt

Vorwort ................................................................................................. VII

0. Einleitung ...................................................................................... 1
1. Die Entwicklung der klassischen arabischen Sprache ............. 11
1.1 Epochen des arabischen Schrifttums ................................... 12
1.2 Historische Gliederung des Arabischen............................... 34
1.3 Texte mit nichtklassischem Standard .................................. 39
1.4 ʿArabiyya, klassisches Arabisch und Fuṣḥā ......................... 41
2. Die Verbkonjugation in der arabischen Grammatiktradition 49
2.1 Grundlagen .............................................................................. 49
2.1.1 ṣarf und naḥw ................................................................. 55
2.1.2 Nominalsatz und Verbalsatz ........................................ 59
2.1.3 Die Kasus-/Modusendungen: ʾiʿrāb und bināʾ ............ 61
2.1.4 Die Wortarten................................................................. 66
2.1.5 Die Einteilung der Verbformen .................................... 67
2.2 Die Bildung der Verbformen ................................................. 70
2.3 Die Kasus-/ Modusendungen der Verbformen .................... 80
3. Hintergründe der arabischen Grammatiktradition ................. 85
3.1 Gesellschaftliche und religiöse Aspekte .............................. 85
3.2 Entwicklung der Grammatik ................................................. 92
3.2.1 Grammatik vor Sībawaih .............................................. 93
3.2.2 Sībawaih und das Kitāb ................................................. 95
3.2.3 Sībawaihs Nachfolger .................................................... 109
3.2.4 Die grammatischen Schulen von Baṣra und Kūfa ..... 111
3.3 Grundsätze der arabischen Grammatiker ........................... 115
3.3.1 ʿamal ‚syntaktische Einwirkung‘ .................................. 116
3.3.2 Der Analogieschluß: ḥukm /qiyās / ʾaṣl / ʿilla ................ 120
3.4 Äußere Einflüsse auf die Grammatikschreibung ................ 128
3.4.1 Fiqh („Islamisches Recht“) ............................................ 129
3.4.2 Koranauslegung (tafsīr) ................................................ 133
VI Inhalt

3.4.3 Griechische und syrische Grammatik ......................... 135


3.4.4 Didaktische Ausrichtung .............................................. 140
4. Die Verbkonjugation in Sībawaihs Kitāb ................................... 149
4.1 Das Verb ................................................................................... 150
4.1.1 Die Stellung der Verben im grammatischen System 150
4.1.2 Veränderliche und unveränderliche Endungen ........ 152
4.1.3 Die Tempora ................................................................... 157
4.1.4 Die Bildung der Imperfektformen ............................... 158
4.2 Das Personalpronomen.......................................................... 161
5. Die Methode der westlichen Grammatiker............................... 169
5.1 Was bedeutet „westliche“ Grammatikmethode? ................ 170
5.1.1 Von der Philologie zur Linguistik ................................ 170
5.1.2 Arabische Sprachwissenschaft in Deutschland ......... 172
5.1.3 Eine Theorie für die arabische Philologie ................... 173
5.2.Sprachwissenschaftliche Grundbegriffe .............................. 175
5.2.1 Beziehung von Laut und Schrift................................... 176
5.2.2 Laut und Phonem .......................................................... 177
5.2.3 Morphologie ................................................................... 179
5.2.4 Syntax .............................................................................. 185
5.3 Tempussystem und Modussystem........................................ 190
5.3.1 Das Tempus-/ Aspektsystem des Verbs ....................... 191
5.3.2 Die Modi des Imperfekts............................................... 194
5.3.3 Sprachhistorische Perspektive ..................................... 196
5.4 Forschungsüberblick .............................................................. 212
6. Schlußbetrachtung ....................................................................... 220
6.1 Brauchen wir die arabischen Grammatiker? ...................... 220
6.2 Korpusbasierte Grammatik als Alternative ......................... 225
6.3 Fazit .......................................................................................... 231

Textanhang.......................................................................................... 235
Zeittafel ............................................................................................... 247
Erläuterungen zur Landkarte ........................................................... 251
Literaturverzeichnis ........................................................................... 255
Register ................................................................................................ 281
Vorwort

Diese Einführung basiert auf meiner im Jahr 2003 am Orientali-


schen Institut der Universität Leipzig verfaßten Magisterarbeit. Sie
wurde angeregt durch einen an der Universität Bahrain besuchten
Grammatikkurs und den Wunsch, die dort verwendete Terminolo-
gie zu verstehen. Während es nämlich zahlreiche Arbeiten zu Ein-
zelfragen der arabischen Grammatiktradition wie auch komplexe
Analysen des gesamten Systems gibt, ist ein Einführungswerk, das
einen ersten Überblick ermöglicht, noch nicht vorhanden. Auch
wenn heute in vielen Sprachkursen der arabischen Welt nicht mehr
konsequent nach der traditionellen Methode vorgegangen wird, so
ist es doch ausnahmslos immer noch diese, nach der alle arabischen
Muttersprachler in der Schule und an den Universitäten den kor-
rekten Gebrauch der Hochsprache lernen. Die Grammatiktradition
ist damit ein arabisches Kulturgut von durchaus allgemeiner Ver-
breitung.
Das Anliegen des Buches ist es, den Studierenden der Arabistik
einen Zugang zu dieser Tradition zu eröffnen. Vor allem soll gezeigt
werden, daß diese von der im Westen üblichen Beschreibung der
arabischen Sprache in ihrer Herangehensweise und ihren Fragestel-
lungen völlig verschieden ist – eine Tatsache, die aufgrund der häu-
fig anzutreffenden Vermischung der Terminologie in Sprachkursen
und Lehrbüchern den meisten kaum bewußt sein dürfte. Mit dieser
Einführung können im Selbststudium die Grundlagen der arabi-
schen Grammatiktradition erarbeitet werden. Um den Kontrast zur
westlichen Herangehensweise zu verdeutlichen, wird auch ein
Überblick über die Methoden der arabischen Philologie gegeben,
wie sie an unseren Universitäten betrieben wird. Das Literaturver-
zeichnis gibt Hinweise für eine anschließende Vertiefung.
Es ist mir eine Ehre, meinen Freunden und Kollegen zu danken,
die mir in verschiedenen Phasen der Arbeit geholfen haben. Allen
voran möchte ich Professor Stephan Guth nennen. Er hat mir in
philologischen und literaturhistorischen Fragen in sehr anregender
Weise weitergeholfen und mich durch seine detaillierten Korrek-
VIII Vorwort

turvorschläge vor einer Reihe gravierender Fehler bewahrt. Profes-


sor Guido Mensching hat mir im Bereich der Sprachwissenschaft
wichtige methodische Hinweise gegeben und mich in vielen Ge-
sprächen immer wieder zur Weiterarbeit auf diesem Gebiet moti-
viert. Zu großem Dank bin ich auch Professor Rainer Voigt ver-
pflichtet, der meine Arbeit an diesem Buch von Anfang an gefördert
und begleitet hat. Jutta Schloon und Arne Sanders haben einzelne
Kapitel gründlich durchgesehen und mir wertvolle Verbesserungs-
hinweise gegeben. Zahlreiche Literaturhinweise, oft unmittelbar
verbunden mit der Zusendung einer Kopie des entsprechenden
Artikels, verdanke ich Gerhard Wedel. Andreas Hallberg hat mir die
Zeittafel auf Seite 247 zur Verfügung gestellt und sie eigens für die-
sen Zweck graphisch umgearbeitet. Die Landkarte auf Seite 10 wur-
de mit viel Hingabe von Gerd Gauglitz gezeichnet. Gundula Grieß-
mann und Bettina Weigand haben schließlich die große Aufgabe
auf sich genommen, das gesamte Manuskript vor dem Druck noch
einmal zu lesen und auf Fehler zu prüfen. Ihnen allen danke ich von
ganzem Herzen! Selbstverständlich gehen verbleibende Fehler zu
meinen Lasten.
Abschließend geht mein herzlicher Dank an Professor Lutz
Edzard für die Aufnahme dieses Bandes in die Reihe der Abhand-
lungen für die Kunde des Morgenlandes.

Bergen (Norwegen), im Herbst 2017 Frank Weigelt


0.
Einleitung

Die arabische Grammatiktradition, in der deutschsprachigen For-


schung meist als „arabische Nationalgrammatik“ bezeichnet, ist
grundverschieden von der Methode, die europäische Gelehrte zur
Beschreibung der arabischen Sprache entwickelt haben. In traditio-
nellen Sprachkursen in der arabischen Welt, besonders, wenn sie im
religiösen Rahmen stattfinden, merkt man dies deutlich. Wenn man
zunächst nach der europäischen Methode gelernt hat, ist man mit
einer völlig neuen Terminologie konfrontiert, die sich nicht durch
schlichtes Übersetzen der Begriffe verstehen läßt. Man ahnt, daß
hier ein anderes System zugrunde liegen muß: Es werden Wörter
bis ins Detail analysiert, deren Gebrauch bislang kein Problem be-
reitet hat, Klassifizierungen vorgenommen, die bisher nie eine Rolle
spielten, und an einzelnen Wörtern Bestandteile festgestellt und
genau benannt, deren Existenz vorher unbekannt war. Meist bleibt
es beim Auswendiglernen der erforderlichen, immer wiederkeh-
renden Satz- und Wortanalysefloskeln, ohne daß den Lernenden die
Grundlagen der Vorgehensweise klar sind.
Ziel dieser Einführung ist es, am Beispiel der Verbkonjugation
die Eigenarten der arabischen Grammatikschreibung aufzuzeigen
und die Terminologie verständlich zu machen. Es soll dabei keine
neue Theorie aufgestellt werden. Vielmehr geht es darum, die Vor-
gehensweise der arabischen Grammatiker aus sich heraus zu erklä-
ren und auch mit Blick auf kulturelle und religiöse Hintergründe zu
begreifen. Außerdem soll untersucht werden, inwieweit die Werke
der arabischen Grammatiker unser Verständnis der arabischen
Sprache fördern können. Dabei geht es auch um die Frage, ob viel-
leicht die traditionelle arabische Grammatikmethode Einsichten in
die Sprache vermittelt, die einem ansonsten entgehen würden. Mit
anderen Worten: Muß man diese Methode kennen, wenn man das
Arabische wirklich durchdringen will? Nachdem in den Kapiteln
2–4 die arabische und im Kapitel 5 die westliche Herangehensweise
dargestellt wurde, wird eine Einschätzung hierzu im Kapitel 6 gege-
ben.

1
2 Einleitung

Methodisch verfolgt diese Einführung einen traditionellen philo-


logischen Ansatz. Es geht darum, die sprachlichen und sprachtheo-
retischen Entwicklungen in ihren historischen Zusammenhang
einzuordnen und aus diesem heraus zu verstehen. So erklärt sich
das relativ umfassende erste Kapitel zur Sprachgeschichte. Dies
erschien mir notwendig, um dem Leser eine historische Perspektive
auf das Arabische zu eröffnen, die heute in vielen Arabisch-
Studiengängen nicht mehr im Vordergrund steht. An die Stelle des
historisch-sprachwissenschaftlichen Interesses, das in früheren
Zeiten die Beschäftigung mit dem Arabischen mitgeprägt hat, ist
nun die Ausrichtung auf die moderne arabische Welt und auf das
Studium des Islams getreten. Unterrichtet wird als Ausgangspunkt
modernes Hocharabisch, das als Werkzeug dienen soll, um alle
arabischen Texte lesen (bzw. hören und sehen) zu können. Semina-
re in klassischem Arabisch treten manchmal als Ergänzung hinzu;
regelrechte linguistische Schulung ist rar, sie ist eher bei den Semi-
tisten zu finden. Nur selten lernen Arabisten heute eine weitere
semitische Sprache und erhalten damit ein Bewußtsein für die
sprachhistorischen Zusammenhänge des Arabischen. Die vorlie-
gende Darstellung soll zeigen, daß auf eine sprachhistorische Per-
spektive in der Arabistik nicht verzichtet werden kann. Sie hilft uns,
das Wesen der arabischen Grammatiktradition besser zu begreifen
und uns kritisch mit ihren Darstellungen auseinanderzusetzen.
Außerdem erschließen sich uns durch die historische Betrachtung
grammatische Zusammenhänge, die den traditionellen arabischen
Grammatikern verborgen bleiben.
Im ersten Kapitel wird zunächst erörtert, was eigentlich der Ge-
genstand der arabischen Grammatikschreibung ist, also welche
Form und historische Variante der arabischen Sprache die Gram-
matiker darstellen wollen. Da dieses Buch als Einführung gedacht
ist, erscheint es mir angebracht, die Entwicklung der arabischen
Sprache insgesamt kurz zu umreißen. So kann die Grammatiktradi-
tion besser eingeordnet werden, und so wird auch die Komplexität
der arabischen Sprachgeschichte deutlich, die bei reiner Betrach-
tung der grammatischen Werke leicht vernachlässigt wird.
Im zweiten Kapitel beginnt die eigentliche Darstellung der
Grammatiktradition. Wer lediglich einen schnellen Einstieg in die-
ses Thema sucht, kann das erste Kapitel bedenkenlos überschlagen.
Am Beispiel der Verbkonjugation wird gezeigt, wie heute in der
arabischen Welt Grammatik betrieben wird. Daß in diesem Kapitel
Einleitung 3

moderne Grammatiken und Beispielsätze verwendet werden, im


vierten Kapitel hingegen klassische, hat seine methodische Berech-
tigung darin, daß die arabische Sprache von den einheimischen
Grammatikern als unwandelbare Einheit betrachtet wird. Es be-
steht nach diesem Verständnis kein Unterschied zwischen der
Grammatik klassischer und moderner Texte. Der große Umfang des
Verbalsystems machte es nötig, den behandelten Stoff einzugren-
zen. Es geht deshalb hier nur um diejenigen grammatischen Phä-
nomene, die unmittelbar mit der Veränderung des Verbs entspre-
chend der Person und der Zeit zusammenhängen. Nicht behandelt
werden etwa die schwachen Verben, die verschiedenen Stämme,
das unveränderliche Verb (al-fiʿl al-ǧāmid) und die Bildung der
passiven Formen.
Im dritten Kapitel folgt ein historischer Blick auf die Anfänge der
arabischen Grammatiktradition, in dem verschiedene Faktoren
untersucht werden, die Einfluß auf die Grammatiker gehabt haben
können. Dann werden die Grundprinzipien erläutert, nach denen
die Grammatiker arbeiten. Sie sind der Schlüssel zum Verständnis
der gesamten Vorgehensweise.
Im vierten Kapitel wird untersucht, wie der große Grammatiker
Sībawaih (ca. 142–180 / 760–796) in seinem Buch („Kitāb“) die Verb-
konjugation darstellt. Es werden die zuvor genannten Prinzipien
und Entwicklungen veranschaulicht und eventuelle Unterschiede
zur Vorgehensweise moderner arabischer Grammatiker aufgezeigt.
Im fünften Kapitel wird dargestellt, wie westliche Wissenschaft-
ler an die Beschreibung des Arabischen herangehen. Im Gegensatz
zur sehr einheitlichen Methodik der arabischen Grammatiktraditi-
on haben sich hier ganz verschiedene Modelle zur Beschreibung
von Sprachen entwickelt, von denen einige vorgestellt werden, die
für das Arabische von Bedeutung sind. Dabei wird auch der Status
quo der Erforschung des klassischen Arabisch skizziert und werden
Forschungslücken benannt. Im Forschungsüberblick wird besonde-
res Augenmerk darauf gerichtet, in welchem Maße die verschiede-
nen westlichen Forscher von der arabischen Tradition abhängig
sind.
Am Schluß steht die Frage, welche Rolle die arabische Gramma-
tiktradition für uns spielen kann, die wir nach einem besseren Ver-
ständnis der klassischen arabischen Sprache streben. Dies wird im
sechsten Kapitel erörtert.
4 Einleitung

Die Terminologie der arabischen Grammatiker


Die Übertragung der arabischen Termini ins Deutsche bereitet eini-
ge Schwierigkeiten, denn viele Begriffe haben keine genauen Ent-
sprechungen in der europäischen Sprachwissenschaft. So gibt es
z. B. bei den arabischen Grammatikern keine übergreifende Be-
zeichnung für das Subjekt. Stattdessen unterscheiden sie zwischen
dem Subjekt eines Nominalsatzes und dem eines Verbalsatzes. Er-
steres wird mubtadaʾ („das, womit angefangen wird“ 1), letzteres fāʿil
(„Täter“) genannt. Ein Sonderfall ist das Subjekt zu einem passiven
Verb, welches, da es ja nicht tätig ist, nicht Täter (fāʿil) heißen kann.
Es wird nāʾib fāʿil („Stellvertreter des fāʿil“) genannt, da es an der
Stelle des fāʿil steht, aber nicht fāʿil sein kann. Unser Begriff Subjekt
umschließt alle diese Fälle, verdeckt jedoch die von den arabischen
Grammatikern vorgenommene Differenzierung. 2
Um die arabischen Termini genau wiederzugeben, müßten in
den meisten Fällen Umschreibungen verwendet oder die arabi-
schen Begriffe beibehalten werden, was den Text sehr verkompli-
zieren würde. Es wird daher im folgenden der aus den europäischen
Grammatiken bekannte Terminus gebraucht, wenn sich seine Be-
deutung einigermaßen mit der des arabischen Begriffs deckt (z. B.
‚Verb‘ für fiʿl und ‚Perfekt‘ für al-māḍī). Nur wenn der europäische
Begriff irreführend wäre oder es gar keine Bezeichnung für das be-
treffende Phänomen gibt, wird das arabische Wort beibehalten (z. B.
ṣarf und naḥw statt „Morphologie“ und „Syntax“). Übersetzungen
von arabischen Begriffen sind in der Regel in ‚einfache Anführungs-
zeichen‘ gesetzt. Wenn es sich um Notbehelfe handelt, die mit Vor-
behalt zu nehmen sind, werden „doppelte Anführungszeichen“
verwendet.

Zur Glossierung der Beispielsätze


Die arabischen Beispielsätze sind mit einer interlinearen Überset-
zung versehen, in der jedes Wort in seine grammatischen Bestand-
____________________

1 Oder „das Anfangende“, siehe Ullmann, Die Relativierung der Genus-Verbi-


Opposition auf der Ebene der Partizipien.
2 Daß die arabischen Grammatiker keinen Subjektbegriff entwickelt hätten,
wie er in der lateinisch-griechischen Tradition zentral ist, wurde öfters
festgestellt (z. B. Weil, Zum Verständnis der Methode der moslemischen
Grammatiker, 385). Doch auch sie haben über die Subjekt-Prädikat-
Relation reflektiert; siehe Talmon, Musnad; Goldenberg, Subject and Pre-
dicate, und Versteegh, Art. ʾIsnād.
Einleitung 5

teile aufgespalten wird. In den Kapiteln 2–4 war es dabei das Ziel,
die Analysemethode der arabischen Grammatiker graphisch zu
veranschaulichen. Die Verwendung der Symbole und die Stellen, an
denen die Wortbestandteile segmentiert werden, unterscheiden
sich hier von der in der Sprachwissenschaft allgemein üblichen
Vorgehensweise. Die Regeln hierzu sind am Anfang von Kapitel 2
zusammengestellt.
Im Kapitel 5 wird dagegen die in der westlichen Forschung übli-
che Segmentierung angewandt. Deren Regeln werden im Abschnitt
5.2.3 erklärt.

Transkription des Hamza


Der Buchstabe Hamza (‫ )ء‬dient zur Bezeichnung des Stimmritzen-
verschlußlautes (glottal stop). Die Grundbedeutung der Wurzel
HMZ ist ‚zusammendrücken‘, der Name des Buchstaben bezieht
sich also darauf, wie dieser Laut in der Kehle gebildet wird. Seine
graphische Form ist vom Buchstaben ʿain ‫ ﻋـ‬abgeleitet. Der glottal
stop kann im Arabischen in zwei verschiedenen Fällen auftreten:
1. Als Phonem. Er muß dann immer durch das Zeichen ‫ ء‬mar-
kiert werden und kann niemals ausfallen. Man spricht in diesem
Fall von hamzat al-qaṭʿ ‚trennendes Hamza‘. Entsprechend den
orthographischen Regeln steht dieses entweder auf einem Träger-
buchstaben oder allein (‫ ء‬، ‫ ؤ‬، ‫ ﺋـ‬، ‫)أ‬, was aber bei der Transkription
nicht unterschieden wird. Die arabischen Grammatiker betrachten
das hamzat al-qaṭʿ als vollwertigen Konsonanten. Es wird in der
Umschrift stets mit ʾ wiedergegeben. Ein Beispiel ist der Elativ
ُ ْ ʾaḥsanu ‚überaus gut; besser‘). Die charakteristi-
ʾafʿalu (z. B. ‫أﺣ َﺴﻦ‬
sche Bildeweise ist hier die Vorschaltung der Silbe ʾa-. Ebenso ist es
bei den Verben des IV. Stammes ʾafʿala (z. B. ‫أﺣ َﺴﻦ‬
َ ْ ʾaḥsana ‚Gutes
hervorbringen, etwas gut machen‘). Auch wenn ein Hamza zur
Wurzel eines Wortes gehört, hat es phonemischen
َ َ Charakter und
ist also ein hamzat al-qaṭʿ , z. B. in ‫أﺧﺬ‬ʾaḫaḏa ‚nehmen‘ und ‫ِﺑـﺌ ٌـﺮ‬
ْ
biʾrun ‚Brunnen‘.
2. Als Vorschlag (Prosthese) zur Auflösung eines Konsonanten-
clusters. Das Hamza ist hier kein Phonem und hat keine morpholo-
gische Funktion, denn für die Bedeutung des Wortes ist es kein
Unterschied, ob es steht oder nicht. Allein die phonetische Umge-
bung bestimmt, ob hier ein glottal stop gesprochen werden muß. So
ist bei den Verben im XIII. Stamm (‫ﺳﺘﻔﻌﻞ‬َ ‫( ِا‬ʾ)istafʿala) das Bildeele-
ment st-. Da die Phonetik des Hocharabischen am Anfang des Wor-
6 Einleitung

tes keine Doppelkonsonanz zuläßt, wird die erste Silbe in *stafʿala


durch Vorschaltung eines glottal stop in (ʾ)is-tafʿala aufgespalten.
Wenn das Wort mit einem vorhergehenden Vokal verbunden wer-
den kann, ist dies nicht nötig: ‫اﺳﺘﻔ َﻌ َﻞ‬
ْ َ ْ ‫ َو‬wa_stafʿala. Ein solches
Hamza, dessen Auftreten allein von der phonetischen Umgebung
bestimmt wird, heißt hamzat al-waṣl ‚verbindendes Hamza‘. In der
Umschrift wird es normalerweise nicht bezeichnet, d. h. wenn ein
Vokal allein am Wortanfang steht, wird vor diesem ein hamzat al-
waṣl angenommen. Zur Verdeutlichung kann ein Hamza-Zeichen in
Klammern (ʾ) gesetzt werden, also istafʿala = (ʾ)istafʿala.
Das häufigste Beispiel für hamzat al-waṣl ist der Artikel (ʾa)l-. 3
Entscheidend ist bei diesem das Element l-, während das ʾa nur ein
Vorschlag ist, der wegfallen kann. Es steht nur nach einer Pause:
‫اﻟﺒ ْْي ُﺖ‬
َ
َ (ʾ)al-baitu. Steht vorher ein Vokal, fällt der glottal stop weg: ��
‫ اﻟﺒي ِﺖ‬fi_l-baiti. Ebenso ist es beim Imperativ des ersten Stammes,
der eigentlich *fʿal, *ktub, *ǧlis lautet. Um die Doppelkonsonanz am
Wortanfang aufzuspalten,
ْ ُ ‫( ُا‬ʾ)uktubwird
‫( ِاﻓ َﻌ ْﻞ‬ʾ)ifʿal ‚tu‘, ‫ﻛﺘ ْﺐ‬
bei Bedarf ein Hamza vorgeschaltet:
ْ ‫ﺟﻠ‬
‚schreib‘, ‫ﺲ‬ ِ ‫( ِا‬ʾ)iǧlis ‚sitz‘.
Hamzat al-waṣl kann in der arabischen Schrift mit ‫ٱ‬, also mit ei-
ner Art ‫( ﺻـ‬für waṣl oder ṣila ‚Verbindung‘) auf dem ʾalif gekenn-
zeichnet werden: ‫ﻟﺒيﺖ‬ ِ ‫ �� ٱ‬fi_l-baiti.
Transkription der langen Vokale
Die arabischen Grammatiker gehen in ihrer Argumentation konse-
quent vom Schriftbild aus. Die kleinste sprachliche Einheit ist daher
für sie der Buchstabe (ḥarf). Einen davon unabhängigen Begriff vom
Laut gibt es nicht. Die westliche Sprachwissenschaft unterschiedet
zwischen Phonemen (z. B. /ʾ/, /a/, /ā/, /b/, /ǧ/), ihrer lautlichen Um-
setzung ([ʔ], [a], [aː], [b], [d�ʒ]) und ihrer schriftlichen Repräsenta-
tion (‫ء‬, ‫ــــ‬,
َ ‫ــﺎ‬, ‫ب‬, ‫)ج‬. Die arabischen Grammatiker kennen dagegen
nur Buchstaben (‫ء‬, ‫ا‬, ‫ب‬, ‫)ج‬. 4 3F

Da die arabische Schrift im Prinzip eine Konsonantenschrift ist,


gelten alle Buchstaben (auch w und y) gleichermaßen als Konso-
nanten, egal in welcher Position sie sich befinden. Die Vorstellung,
daß ein Buchstabe einen Vokal ausdrücken könnte, gibt es nicht.
Vokale folgen den Buchstaben automatisch nach, ohne daß sie der
besonderen Erwähnung bedürfen. Sie sind es, die den Buchstaben
____________________

3 Zur Etymologie siehe Voigt, Der Artikel im Semitischen.


4 Siehe hierzu Punkt 5.2.
Einleitung 7

die „Bewegung“ geben, und sie werden daher als ḥaraka (pl. ḥa-
rakāt) bezeichnet. Bei Bedarf können sie mit den Zeichen ‫ــَـ ـــُـ ــِـ‬
markiert werden. Folgt auf einen Buchstaben kein Vokal, wird er als
sākin ‚stillstehend‘ bezeichnet und mit dem sukūn-Zeichen ‫ ـــْـ‬mar-
kiert. Dies sind aber alles nur Hilfszeichen, die nicht als Buchstaben
zählen, nach Belieben geschrieben oder weggelassen werden kön-
nen und keine den Buchstaben vergleichbare materielle Existenz
haben – „as if consonants were the bricks and vowels were the
mortar“, wie es Goldenberg formuliert. 5 4F

In diesem System ist die Kategorie „langer Vokal“ nicht bekannt.


Was westlichen Grammatikern als langer Vokal gilt, also die Laute
[aː], [iː] und [uː], bzw. die Phoneme /ā/, /ī/ und /ū/, sind in der
arabischen Theorie Kombinationen aus einem (Kurz-)Vokal und
einem Konsonanten, auf welchen kein weiterer Vokal folgt: Vokal–
Konsonant–Ø, oder verkürzt ausgedrückt: VK (bzw. englisch VC). So
das ‫ ـُ ْﻮ‬in dem Wort ‫‚ ُﺳ ْﻮر‬Mauer‘, das bei strikter buchstäblicher
Umschrift wie folgt aussieht: suwr, ausgesprochen [suːr]. Die übli-
che Umschrift ist sūr. Entsprechendes gilt für die beiden anderen
„Langvokale“:

Umschrift Schrift-
Beispiel
DMG IPA 7 buchstäblich bild
6
ُ
‫ُﺳ ْﻮ ٌر‬ suwr / sūr (‚Mauer‘) ū uː uw[Ø] ‫ـ ْﻮ‬
‫ِﻓ ْـﻲ‬ fiy / fī (‚in‘) ī iː iy[Ø] ‫ِـ ْﻴـ‬
ْ َْ
‫َﻣﺎ‬ maȧ / mā (‚was‘) ā aː aȧ[Ø] ‫ـﺎ‬

Die von den westlichen Grammatikern als Matres lectionis (Lesehil-


fen) für Langvokale interpretierten Buchstaben w, y und ȧ (wāw, yāʾ
und ʾalif) werden also von den arabischen Grammatikern wie ge-
wöhnliche Konsonanten behandelt, vergleiche z. B. die völlig analo-
ge Transkription des Vokals u in den Wörtern suwr ‫‚ ُﺳ ْﻮ ٌر‬Mauer‘ und
____________________

5 Goldenberg, Vowel Length, 59; hier findet sich eine detaillierte Darstellung
des Themas mit Hinweisen auf entsprechende Stellen bei den arabischen
Grammatikern.
6 Phonemische Transkription nach den Regeln der Deutschen Morgenländi-
schen Gesellschaft. In englischsprachigen Arbeiten ist auch uu, ii, aa üblich.
7 Phonetische Widergabe des Lautes nach der Regeln der International
Phonetic Association.
8 Einleitung
ٌ ْ
mulk ‫‚ ُﻣﻠﻚ‬Besitz‘. In diese Systematik wird auch das ʾalif einbezo-
gen, welches zur Darstellung des [aː] gebraucht wird. Analog zu uw
(sprich [uː]) und iy (sprich [iː]) wird auch das lange [aː] als Kurzvo-
kal + entsprechendem Konsonanten aufgefaßt, also a +ʾalif. Für ein
so verstandenes ʾalif gibt es kein allgemein verwendetes َْ Transkrip-
tionszeichen, so daß ich hierfür das ȧ einführe: aȧ ‫ ــﺎ‬, sprich [aː].
Um Verwirrung zu vermeiden, wird im Folgenden meist die her-
kömmliche Umschrift mit ū, ī, ā gebraucht. An einigen Stellen ist es
jedoch hilfreich, die Vorgehensweise der arabischen Grammatiker
genauer wiederzugeben, dort kommt die buchstäbliche Transkrip- ْ ََ
tion zur Anwendung. Ein Beispiel ist die Form katab-ū ‫‚ ﻛﺘ ُﺒﻮا‬sie
schrieben‘, von der es bei den Grammatikern heißt, sie ende auf
sukūn, d. h. vokallos. Das scheint zunächst nicht verständlich, denn
sie endet ja – auch für die Araber – hörbar auf [uː]. In der folgenden
Umschrift wird jedoch deutlich, was gemeint ist: katabu-w. Das [uː]
besteht hier aus einem Kurzvokal u und dem Konsonanten w. Auf
letzteren folgt kein Vokal.
In gleicher Weise behandeln die arabischen Grammatiker die
Diphthonge. Auch sie werden als eine Kombination aus Vokal und
vokallosem Konsonanten
َ َ angesehen. Die buchstäbliche Umschrift
ist hier ay ‫ ـ ْﻲ‬und aw ‫ـ ـ ْﻮ‬. Sie ist in englischsprachigen Publikationen
üblich. In der deutschsprachigen Forschung wird meist ai und au
verwendet, d. h. die Diphthonge werden wie die Langvokale als
eigenständige Einheiten und nicht als Vokal + Konsonant angese-
hen. Strenggenommen müßte man dann ai̯ und au̯ schreiben, um
den Status von i̯ und u̯ in diesen Verbindungen als Halbvokale zu
kennzeichnen.
In der Praxis wird selbst bei voll vokalisierten Texten wie dem
Koran das sukūn bei den Konsonanten, die Langvokale kennzeich-
nen, nicht mitgeschrieben. Man schreibt also ‫ ُﺳﻮ ٌر‬, ‫ ِﻓـﻲ‬, ‫ َﻣﺎ‬. ْ Beiُ َ der
Verbalendung
ْ -ū wird das sukūn jedoch mitgeschrieben: ‫ﻮا‬ ‫ﺎﻟ‬‫ﻗ‬, ‫ﻻ‬
‫( ُﺗ ْﻔ ِﺴ ُﺪوا‬Q 2,11). Die Diphthonge
َ َ werden bei Vollvokalisierung stets
mit sukūn geschrieben: ‫ﻓ ْﻮ ٌم‬, ‫ َﺑ ْ�ن‬.

Einzelheiten zur arabischen Orthographie


Die Endung -an für den Akkusativ mit Nunation wird korrekt wie
folgt geschrieben: ‫ًـًﺎ‬, also mit dem doppelten fatḥa vor dem ʾalif,
ً ‫ﺻ َﺒ‬
nicht darauf (nicht: ‫) ــﺎ‬. Beispiel: ‫ﺎﺣﺎ‬ َ ṣabāḥan ‚morgens‘.
Das ʾalif maqṣūra sieht mit voller Vokalisierung, z. B. im Koran,
so aus: ‫ ـَ ٰﻰ‬. Dabei markiert das fatḥa den Vokal a und das kleine ʾalif
Einleitung 9

die Verlängerung dieses Vokals (ȧ). Normalerweise َ wird nur eines


dieser beiden Zeichen gesetzt, z. B. ‫ إﻟ ٰـﻰ‬bzw. ��‫ إ‬ʾilā ‚zu‘. Dieselbe
Regel gilt für die wenigen Wörter, bei denen das lange ā nicht im
Konsonantentext geschrieben wird, z. B. ‫ َﻫـٰﺬا‬hāḏā ‚dieses‘, meist
ٰ
geschrieben als ‫ هﺬا‬.
Das Zentrum des islamischen Reiches um 750 n. Chr.

Die Entwicklung
der klassischen arabischen Sprache

Gegenstand der arabischen Grammatiktradition ist das klassische


Arabisch, so einfach scheint es. Doch was ist hier mit der „klassi-
schen arabischen Sprache“ gemeint? Welche Sprachform ist es ge-
nau, die die arabischen Gelehrten beschreiben? Die Meinungen
dazu gehen weit auseinander.
Die arabischen Grammatiker gingen davon aus, daß die echte,
reine arabische Sprache in ihren Regeln unveränderlich ist. Auf der
Grundlage von Sprachbelegen aus der vor- und frühislamischen Zeit
bis etwa 800 – und mit der Vision einer in ihrer Systematik unüber-
bietbaren Idealsprache im Hinterkopf – formulierten sie ein Regel-
werk, das bis heute für die arabische Schriftsprache Gültigkeit bean-
sprucht. In Analogie zu den anderen islamischen Wissenschafts-
zweigen wie Ḥadīṯ, Fiqh und Koranauslegung baut die Grammatik
auf Überlieferung auf und ist, wie ʾAbū l-Barakāt al-ʾAnbārī (gest.
1181) beschreibt, maʿqūl min manqūl ‚Verstandenes aus dem Überlie-
ferten‘, d. h. das rationale Durchdringen der Tradition. 1 Der Begriff
Grammatiktradition ist daher durchaus wörtlich zu verstehen. Auch
wenn sich die arabischen Grammatiker dessen bewußt sind, daß es
in den Inhalten und Ausdrucksweisen Veränderungen gibt, wird
doch die Sprache an sich als diachrone Einheit aufgefaßt. Die
Grammatik dient dazu, diese Einheit zu sichern. Den Begriff der
„klassischen“ arabischen Sprache als Bezeichnung für eine be-
stimmte Epoche gibt es nach diesem Verständnis nicht, da ja die
Sprache gewissermaßen durch alle Zeiten hindurch klassisch zu
sein hat. Während es in den Anfängen der Grammatikschreibung in
der Tat darum ging, das, was man für die echte, unverfälschte Spra-
che hielt, in Form von Belegen zu sammeln und zu dokumentieren,
gehen die späteren Grammatiker normativ an die Sprache heran. Es
____________________

1 al-ʾAnbāri, Nuzha, 55.


11
12 Entwicklung der klassischen arabischen Sprache

geht ihnen nicht darum, den tatsächlichen Stand der Sprache zu


ihrer Zeit zu beschreiben, sondern sicherzustellen, daß der Sprach-
gebrauch mit den Regeln übereinstimmt, die von den ersten
Grammatikern formuliert wurden. Diachrone Veränderungen wer-
den bei einer solchen Herangehensweise nicht verzeichnet.
Westliche Forscher verwenden den Begriff des klassischen Ara-
bisch sehr unterschiedlich. Einige bezeichnen damit in Anlehnung
an die arabischen Grammatiker die durch alle Zeiten hindurch
gültige Sprachnorm, andere beziehen ihn konkret auf die Sprache
einer bestimmten Epoche oder eines bestimmten Textkorpus. Die
verschiedenen Ansichten hierzu werden im Abschnitt 1.4 genauer
diskutiert.
Wenn es das Ziel einer Grammatik des Arabischen sein soll, zu
einem besseren Verständnis der unterschiedlichen Texte zu gelan-
gen, ist es notwendig, die Sprache auch in ihrer historischen Ent-
wicklung wahrzunehmen. Im Gegensatz zur Herangehensweise der
arabischen Grammatiker sollte man dann das Arabische nicht von
vornherein als unwandelbare Einheit annehmen, sondern die Spra-
che ausgehend vom Befund in den konkreten Texten beschreiben
und es zulassen, daß gewisse Regeln sich je nach Textsorte, Epoche
und Stilebene ändern können. Wenn man die Sprache differenziert
nach Zeitabschnitten und Textgattungen untersucht, wird man auf
viele Unterschiede zwischen den einzelnen Kategorien aufmerk-
sam, die in der arabischen Grammatiktradition unbemerkt bleiben
oder marginalisiert wurden. Die arabische Sprache erscheint dann
weniger einheitlich, als es die Werke der Grammatiker und Lexiko-
graphen vermitteln. Für beide Herangehensweisen, die traditionelle
arabische und die historisch-philologische, soll hier Verständnis
geweckt werden, da beide je auf ihre Weise uns der arabischen
Sprache und Kultur näherbringen. Wir beginnen mit dem histori-
schen Rahmen.

1.1 Epochen des arabischen Schrifttums


Die Geschichte des Arabischen ist auf das engste mit der allgemei-
nen Entwicklung der arabisch-islamischen Kultur verbunden. Sieht
man, wie verschieden die Umstände durch die Jahrhunderte hin-
durch waren, öffnet sich einem der Blick für die Veränderungen, die
1.1 Epochen des arabischen Schrifttums 13

sich währenddessen auch in der Sprache vollzogen haben. 2 Zur


Einführung folgt deshalb hier eine kurze, schematische Übersicht
über die Entwicklung des arabischen Schrifttums. Mit diesem zuge-
gebenermaßen etwas altertümlichen Begriff ist Literatur im wei-
testen Sinne gemeint, d. h. über die Dichtung und schöngeistige
Prosa hinaus auch die Werke der Religionsgelehrten, Mediziner,
Geographen, Mathematiker, Philosophen usw.
Die Grenzen der Epochen exakt mit Jahreszahlen festzulegen, ist
natürlich nur ein Behelf, um eine erste historische Orientierung zu
ermöglichen. Die Gliederung der arabischen Geistes- und Kulturge-
schichte ist im übrigen ein komplexes Feld, auf dem allgemeingülti-
ge Grenzziehungen schwierig sind. Große Unterschiede in der Ent-
wicklung gab es zum einen zwischen den einzelnen Literaturgat-
tungen und Wissenschaftszweigen, zum anderen zwischen den
verschiedenen Regionen. Nach dem Zerfall des Großreiches der
Abbasiden, der schon ab 850 einsetzte, war die kulturelle Aktivität
in den einzelnen Herrschaftsgebieten sehr verschieden. Außerdem
muß eingeräumt werden, daß wir über einen großen Teil des arabi-
schen Schrifttums schlecht unterrichtet sind, da Werke verschollen
oder noch nicht erschlossen sind oder aber noch keine angemesse-
ne Wertschätzung erfahren haben. Vor allem in der Mamluken- und
Osmanenzeit klafft eine große Lücke. Trotz dieser Vorbehalte soll
hier eine grobe Epocheneinteilung präsentiert werden, um einen
Eindruck von den historischen Dimensionen der arabischen Spra-
che zu vermitteln. Die Nomenklatur richtet sich nach den jeweils
herrschenden Dynastien. Diese Einteilung ist in der islamischen
Geschichte üblich und wird heute auch vielfach für die Geistesge-
schichte verwendet, da sie im Gegensatz zu anderen Benennungen
wertneutral ist.
In älteren Werken wird dagegen oft so verfahren, daß eine be-
stimmte Epoche als „klassisch“ definiert und die übrigen dazu in
Beziehung gesetzt werden. Hierbei herrscht allerdings über die
genaue Abgrenzung Uneinigkeit. In Brockelmanns wegweisender
Geschichte der arabischen Litteratur (1937–1949) wird die Zeit von
750 bis ca. 100o als klassisch und die darauffolgende Periode bis
____________________

2 In der englischsprachigen Forschung wird der Begriff islamicate gebraucht,


um die Kultur zu beschreiben, die sich unter dem Einfluß des Islams und
der arabischen Sprache entwickelte und an der auch Christen und Juden
Anteil hatten. In diesem Sinne ist hier die „arabisch-islamische Kultur“ zu
verstehen.
14 Entwicklung der klassischen arabischen Sprache

1258 als nachklassisch eingestuft. Auf die nachklassische Zeit folgt


nach diesem Muster die „Zeit des Niedergangs“ (1258–1798) und
anschließend der Übergang zur heutigen Zeit (ab 1798). In der
Cambridge History of Arabic Literature geht dagegen die klassische
Zeit bis ca. 1150 und wird von einer nachklassischen Zeit gefolgt, die
sich bis in die Mitte des 19. Jh. erstreckt. 3 Es ist dabei auch zu be-
denken, daß eine von literarischen Gesichtspunkten bestimmte
Einteilung nicht unbedingt mit den geschichtlichen Epochen zu-
sammen fallen muß und daß es längere Übergangsphasen geben
kann. So hat Régis Blanchère für die Dichtung folgende Jahreszah-
len als Richtwerte für die Epochengrenzen angesetzt: 670, 725, 925,
1517, 1860. 4 Für unsere Zwecke soll vorläufig die traditionelle Chro-
nologie nach Herrscherdynastien ausreichen: 5

ca. 500–622: Vorislamische Zeit


(Gibb: „The heroic age“, traditionelle muslimi-
sche Bezeichnung: ǧāhilīya ‚Unwissenheit‘)
622–750: Umayyadenzeit
(Miquel: „La littérature conquérante“)
750–1055: Abbasidenzeit
(Brockelmann: „Klassische Zeit“, Gibb: „Goldenes
Zeitalter“, Miquel: „La littérature des rencontres“)

____________________

3 Siehe Allen, The post-classical period. Zur Frage nach der Definition einer
„klassischen Epoche“ des Islam siehe Brunschvig / von Gruenebaum
(Hrsg.), Classicisme et déclin culturel dans l’histoire de l’Islam.
4 Ihm folgt Wagner, der die Einteilung in Grundzüge der klassischen Dich-
tung, 8–9, erläutert.
5 Genaueres ist den Handbüchern und Überblickswerken zu entnehmen:
Brockelmann, Geschichte der arabischen Litteratur (5 Bde., 2. Aufl. 1943–
1948), verzeichnet nahezu das gesamte arabische Schrifttum und ist das
unangefochtene Standardwerk. Gibb, Arabic Literature, gibt eine kompak-
te und gut lesbare Übersicht (2. Aufl. 1963, dt. Übers. 1968), ebenso Miquel,
La littérature arabe (1969). Einen aktuelleren Forschungsansatz vertritt Al-
len, An Introduction to Arabic Literature (2000), hierin auch eine nützliche
Zeittafel (S. X–XXI). Ausführlicher ist die mehrbändige Cambridge History
of Arabic Literature (1983–2006). Hinweise auf neuere Sekundärliteratur
enthält Cachia, Art. Arabic Literature. Die sehr bedeutende wissenschaftli-
che Literatur ist in diesen Werken nicht behandelt, gute Übersichtsartikel
zu fast allen Wissensgebieten bietet aber Rashed (Hrsg.), Encyclopedia of
the History of Arabic Science (1996). Zur Einführung siehe Endreß, Die wis-
senschaftliche Literatur (1987).
1.1 Epochen des arabischen Schrifttums 15

1055–1258: Seldschukenzeit
(Brockelmann: „Nachklassische Zeit“, Gibb:
„Silbernes Zeitalter“)
1258–1517: Mamlukenzeit
1517–1798: Osmanenzeit
(Brockelmann: „Der Niedergang der arabischen
Literatur“, Miquel: „La littérature du souvenir“,
Allen/Richards: „The Post-classical period“ (alles
bezogen auf die gesamte Zeit seit 1258))
1798–heute: Nahḍa (‚Wiedererwachen‘) und Moderne

Diese Einteilung kann auch als Richtschnur dienen, wenn man sich
daranmacht, die arabische Sprache nach ihrer linguistischen Ent-
wicklung zu gliedern. Es sind für die gesamte Zeit zwei Hauptab-
schnitte zu unterscheiden: klassisches Arabisch von der vorislami-
schen Zeit bis zur Nahḍa und Neuhocharabisch von der Nahḍa bis
heute. Im folgenden sollen zunächst die einzelnen Epochen kurz
skizziert werden; die Problematik der linguistischen Gliederung
wird dann im nächsten Kapitel vertieft. Um einen Eindruck davon
zu bekommen, wie entscheidend sich die Rolle des Arabischen
durch den Islam geändert hat, lohnt es sich, mit einem Blick auf die
Vorgeschichte zu beginnen:

1.1.1 Araber und arabische Sprache bis ca. 500 n. Chr.


Berichte über Bevölkerungsgruppen, die als Araber bezeichnet wer-
den, sind in assyrischen, griechischen, persischen und anderen
Quellen zu finden, von denen die ältesten bis etwa 800 v. Chr. zu-
rückreichen. Allerdings ist schwer zu bestimmen, was diese Men-
schen als „arabisch“ ausgezeichnet hat – die Zugehörigkeit zu einem
Stamm, eine besondere Lebensweise, ein bestimmtes Siedlungsge-
biet oder die Sprache? 6 Informationen über die Sprache der „Ara-
____________________

6 Retsö, The Arabs in Antiquity, geht diesen Fragen auf der Grundlage der
antiken Quellen im Detail nach. Er stellt die Erkenntnisse in chronologi-
scher Reihenfolge dar. Eine kompaktere Darstellung bietet Hoyland, Ara-
bia and the Arabs. Er ordnet die Darstellung nach Regionen und Themen-
gebieten (Wirtschaft, Religion u. a.). Eine Einführung in die arabische
Sprachgeschichte einschließlich Bibliographie gibt Versteegh, The Arabic
Language, 26–84. Sehr aufschlußreich ist Kouloughli, L’arabe. Zemánek
bringt in Vývoj arabštiny (‚Geschichte der arabischen Sprache‘) eine semiti-
16 Entwicklung der klassischen arabischen Sprache

ber“ sind in diesen Quellen spärlich, sie beschränken sich zumeist


auf Personennamen. Es gibt eine große Menge von Inschriften aus
dieser Zeit, die in Idiomen geschrieben sind, die man als frühnord-
arabisch klassifiziert hat (Ṣafaitisch, Liḥyanisch u. a.), die früheste
etwa von 650 v. Chr., die späteste aus dem Jahr 267 n. Chr. Die mei-
sten sind jedoch Graffiti, also private Kritzeleien auf Steinen oder
Felswänden, deren Inhalt sich auf Eigennamen und wenige formel-
hafte Ausdrücke beschränkt. Ihre Sprache ist mit dem Arabischen,
wie wir es heute kennen, verwandt, aber nicht dessen direkter Vor-
läufer. 7
Die erste bekannte Inschrift, deren Sprache dem klassischen
Arabisch nahekommt, wurde um 100 v. Chr. geschrieben. Man fand
sie in Qaryat al-Fāw, welches etwa 600 km südöstlich von Mekka
am Rand der Wüste ar-Rubʿ al-Ḫālī (‚das leere Viertel‘) liegt. Der
Schreiber bediente sich des altsüdarabischem Alphabets.
Die arabische Schrift, wie wir sie kennen, hat sich in den Jahr-
hunderten vor dem Islam aus der nabatäischen Schrift entwickelt,
einem Ableger des aramäischen Alphabets. Bislang ist noch nicht
völlig geklärt, wo der Übergang zwischen nabatäischer und arabi-
scher Schrift anzusetzen ist, da die meisten Inschriften sehr kurz
und formelhaft sind und nicht immer zu entscheiden ist, ob ihre
Sprache Arabisch oder Aramäisch ist. An dieser Nahtstelle befindet
sich die kurze Felsnotiz, die am Berg Jabal Ramm im heutigen Jor-
danien gefunden wurde und vielleicht aus der Zeit um 300–350
n. Chr. stammt. Sie wird oft als die erste Inschrift genannt, die in
arabischer Sprache und arabischer Schrift geschrieben ist. Dieses
Urteil wird allerdings durch einen genaueren Vergleich mit nabatäi-
schen Inschriften relativiert: Ihre Sprache könnte Arabisch sein,
doch Schrift und Phraseologie sind noch nabatäisch-aramäisch. 8
Sicher datierbar und zweifelsfrei in arabischer Sprache und Schrift
geschrieben sind zwei Inschriften aus Syrien: die Felsnotiz von Jabal
ʾUsais (528 n. Chr.) und die Bauinschrift von Ḥarrān (568 n. Chr.).
Die Entwicklung der Buchstabenformen, die hier zu beobachten ist,
und die Tatsache, daß eine eigene arabische Schrift überhaupt ent-
____________________

stisch orientierte Darstellung mit Textbeispielen aus allen Epochen. Siehe


auch Al-Sharkawi, History and Development of the Arabic Language, der al-
lerdings die deutschsprachige Forschung nicht berücksichtigt.
7 Eine Datenbank aller frühnordarabischen Inschriften bietet das Online
Corpus of the Inscriptions of Ancient North Arabia (http://krc.orient.ox.
ac.uk/ociana).
8 Hierzu Hoyland, Mount Nebo, 39–40.
1.1 Epochen des arabischen Schrifttums 17

stehen konnte, deutet darauf hin, daß es eine gewisse Schreibaktivi-


tät in arabischer Sprache – nicht nur in Form von Inschriften und
Graffiti, sondern auch mit Stift und Tinte – gegeben haben muß. 9

Abb. 1: Ausschnitt aus der Inschrift von Ḥarrān. 10

Auch gibt es Indizien dafür, daß in der Zeit unmittelbar vor dem
Islam die Bedeutung des Schreibens in arabischer Sprache zuge-
nommen haben muß, denn als der Koran niedergeschrieben wurde,
hatte sich schon eine feste Schreibkonvention entwickelt. Außer-
dem gibt es Rechtsdokumente auf Papyrus aus der Zeit um
645 n. Chr. (aus Aphrodito in Ägypten), die bereits ein eigenständi-
ges arabisches Rechtsformular aufweisen und auf eine bestehende
Schriftsprache hindeuten, wenn diese auch bis dahin nur in weni-
gen Lebensbereichen angewendet wurde. 11 Und nicht zuletzt der
Koran selbst setzt bei seinen ersten Hörern ein Bewußtsein für die
besondere Bedeutung des geschriebenen Wortes voraus, wie man
aus Versen wie den folgenden schließen kann: wa-l-qalami wa-mā
yasṭurūna ‚Beim Schreibrohr und was sie niederschreiben!‘ (Q 68, 1);
wa-ʾinna ʿalaikum la-ḥāfiẓīna / kirāman kātibīna ‚Und doch sind
Hüter über euch gesetzt / edle, mit dem Schreiben betraut‘

____________________

9 Eine Einschätzung der sprachlichen Situation im vorislamischen Arabien


auf der Grundlage aller verfügbaren Inschriften bieten Macdonald, An-
cient Arabia and the Written Word, und Stein, Literacy in Pre-Islamic Ara-
bia. Gruendler, Development, 7–14, und Macdonald, Reflections, listen alle
bekannten arabischen Inschriften aus vorislamischer Zeit auf. Sehr über-
sichtlich ist die Liste bei Macdonald, Art. Old Arabic. Zur Sprache der In-
schriften siehe Müller, Das Frühnordarabsiche.
10 Die gesamte Inschrift ist zweisprachig arabisch und griechisch und befin-
det sich am Eingang einer Reliquienkapelle (μαρτύριον, arab.:
marṭūr / marṭūl). Sie lautet: ... ... ‫ ﺳىٮ‬/‫اﻧﺎ ﺳﺮﺣﯩﻞ ﯨﺮ ﻃﻠﻤﻮ ﯨﯩىٮ دا اﳌﺮﻃﻮل‬
‫ ﯨﻌﻢ‬/‫ ﺣﯩﯩﺮ‬/ ‫„ ﯨﻌﺪ ﻣٯﺴﺪ‬Ich, Šarāḥīl bar Ẓalimu, baute diese Kapelle im Jahr
463 (= 568/69 n. Chr.), ein Jahr nach der Zerstörung von Ḫaibar.“ Die Jah-
reszahl ist nach dem griechischen Text erschlossen, das Arabische ist hier
unklar (Abb. nach Grohmann, Paläographie, II/17).
11 Siehe Khan, Middle Arabic, 821–822.
18 Entwicklung der klassischen arabischen Sprache

(Q 82,10–11). 12 Es ist daher wahrscheinlich, daß es eine gewisse


Schreibaktivität in arabischer Sprache gab, von der aber wohl die
meisten Zeugnisse verlorengegangen sind. Von einer ausgeprägten
arabischen Schriftsprache kann man jedenfalls hier noch nicht
sprechen. Die knappen Funde deuten vielmehr darauf hin, daß das
geschriebene Wort die Ausnahme war. Die Kultur der Araber in
vorislamischer Zeit gründe sich ganz überwiegend auf mündliche
Überlieferung. 13
Für die traditionellen muslimischen Gelehrten spielt die Frage
nach der „Vorgeschichte“ der Araber und ihrer Sprache keine Rolle.
Für sie ist erst die Zeit unmittelbar vor dem Islam interessant, weil
diese den sprachlichen und gesellschaftlichen Rahmen darstellt,
innerhalb dessen der Koran verkündet wurde. Was früher liegt, ist
theologisch nicht relevant. Das Interesse der Gelehrten beginnt
daher bei den Überlieferungen aus den gut einhundert Jahren vor
dem Islam.

1.1.2 Vorislamische Zeit (ca. 500–622)


Die altarabische Stammesgesellschaft, wie sie sich in der Zeit un-
mittelbar vor dem Islam darstellt, ist das Ergebnis eines komplexen
politischen und ökonomischen Umbruchprozesses in den ersten
nachchristlichen Jahrhunderten. Dazu gehört auch, daß als identi-
tätsstiftendes Element die Dichtkunst große Bedeutung gewann.
Gedichte wurde u. a. dazu gebraucht, den Stamm nach außen ge-
genüber anderen arabischen Stämmen zu repräsentieren und erfüll-
te damit eine wichtige gesellschaftliche Funktion. Die Dichter wur-
den zu angesehenen Persönlichkeiten innerhalb des Stammes.
Die vorislamische Dichtung wird von den arabischen Gelehrten
in islamischer Zeit in höchsten Ehren gehalten, da in ihr diejenige
reine arabische Sprache bewahrt gesehen wird, in der auch der
Koran verfaßt ist. Die Überlieferung der Gedichte erfolgte durch
Jahrhunderte hindurch ausschließlich mündlich. Erst die Gramma-
tiker und Lexikographen begannen ab etwa 750, sie als Belege auf-
zuschreiben. Umfangreichere Gedichtsammlungen gibt es ab dem
9. Jh. Bei der Erforschung der arabischen Sprachgeschichte stellt
uns diese Überlieferungsgeschichte vor eine Herausforderung, denn
es liegt auf der Hand, daß hier viel Spielraum für Überlieferungsfeh-
____________________

12 Übersetzung nach Neuwirth, Der Koran, 280 und 523.


13 Siehe Macdonald, Ancient Arabia and the Written Word, 20–21.
1.1 Epochen des arabischen Schrifttums 19

ler, vermeintliche Verbesserungen bis hin zu bewußten Fälschun-


gen bestand. Die Debatte um die Echtheit der altarabischen Dich-
tung hat schon die alten arabischen Gelehrten beschäftigt. 14
Aus der Überlieferung der Grammatiker ist bekannt, daß die
Araber in vorislamischer Zeit je nach Stamm unterschiedliche Dia-
lekte sprachen. 15 Es ist wahrscheinlich, daß schon zu dieser Zeit die
Sprache, die in der Dichtung und in feierlichen oder rituellen Zu-
sammenhängen gebraucht wurde, eine Hochsprache war, die sich
von der Alltagssprache unterschied und dialektale Unterschiede
ausglich. Ein Grund für ihre Entstehung dürfte das hohe Prestige
der arabischen Dichtung gewesen sein, die über die Stammesgren-
zen hinweg verbreitet war. Wie groß der Unterschied zwischen den
beiden Varietäten war, läßt sich kaum mit Sicherheit rekonstruie-
ren; es wurden darüber zahlreiche Vermutungen angestellt. Eine
der wichtigsten Fragen ist, ob in der arabischen Alltagssprache der
vorislamischen Zeit die Kasusendungen noch mitgesprochen wur-
den oder ob sie bereits weggefallen waren, wie es heute in allen
arabischen Dialekten der Fall ist. Es stehen hier verschiedene Theo-
rien gegeneinander, und ein abschließendes Urteil ist kaum mög-
lich. 16 Ein Charakteristikum der Hochsprache war jedenfalls, daß sie
stammesübergreifend recht einheitlich war. Den Dichtern muß
bewußt gewesen sein, daß sie eine besondere Form der Sprache
pflegten. Sie wird in der Forschungsliteratur oft als „Dichtersprache“
oder „Kunstsprache“ bezeichnet. Diese ist es auch, in der der Koran
verfaßt ist, und die gemeint ist, wenn es im Koran selbst heißt, die-
ser sei als ein „arabischer“ herabgesandt (qurʾānun ʿarabīyun, Q 12,2;
____________________

14 Siehe zur Einführung Wagner, Grundzüge, und die Beiträge von Jacobi in
GaP, Bd. 2. Eine ausgezeichnete Heranführung an die Lektüre ist Jones,
Early Arabic Poetry (2 Bde.); einen Überblick über die wichtigsten Genres
und Motive gibt Lichtenstädter, Altarabische Literatur.
15 Arabische wie westliche Grammatiker unterscheiden zwischen einer
westlichen und einer östlichen Dialektgruppe. Für erstere wird oft bei-
spielhaft der Dialekt des Ḥiǧāz genannt, den auch Muḥammad gesprochen
hat, für letztere der Dialekt der Banū Tamīm, denen viele Gewährsleute
angehörten, die Sībawaih in seinem Kitāb zitiert. Zu den phonetischen Un-
terschieden zwischen beiden Gruppen gehört z. B. daß im Westen intervo-
kalisches Hamza erweicht wurde, während es im Osten regulär ausgespro-
chen wurde (sāyil vs. sāʾīl ‫‚ ﺳﺎﺋﻞ‬fragend‘). Die Bedeutung der verschiede-
nen Dialekte für die Entwicklung des Hocharabischen untersucht Rabin,
Ancient West-Arabian (1951).
16 Siehe die Zusammenfassung der verschiedenen Positionen bei Versteegh,
The Arabic Language, 52–58.
20 Entwicklung der klassischen arabischen Sprache

39,28 u. a.). Die Sprache, deren Vollkommenheit und Unnachahm-


lichkeit spätere Gelehrte ausführlich begründeten, ist das Funda-
ment, auf dem die Authentizität der koranischen Offenbarung ruht.
Es war – nach Ansicht der meisten westlichen Forscher – nicht die
Alltagssprache eines bestimmten arabischen Stammes, sondern
eine dialektübergreifende Hochsprache, die bereits in vorislami-
scher Zeit eine feierliche und kultische Aura hatte. 17
Dem steht die Meinung der arabischen Grammatiker gegenüber,
die davon überzeugt waren, daß die in Dichtung und Koran ge-
brauchte Sprache in Grammatik, Wortschatz und Aussprache
grundsätzlich mit der alltäglichen Rede bestimmter, als sprachlich
rein (faṣīḥ) geltender Beduinenstämme übereinstimmte. Sie gingen
davon aus, daß das „reine, alte“ Arabisch als Umgangssprache so
lange bestanden hat, bis die Beduinen, die es ursprünglich spra-
chen, durch äußere Einflüsse, d. h. vor allem durch Kontakt mit
Nichtarabern, immer fehlerhafter zu sprechen begannen und es im
Laufe der ersten islamischen Jahrhunderte schließlich verloren. 18
Eindeutig wird sich die Situation nicht mehr klären lassen. Man
kann aber annehmen, daß die starke Identifikation der reinen ara-
bischen Sprache mit dem Beduinenmilieu zum Teil das Ergebnis
einer Idealisierung der alten Araber und ihrer Lebenswelt war, die
seit Anfang des 9. Jh. betrieben wurde. 19

1.1.3 Anfänge der arabisch-islamischen Kultur (622–750)


Diese Epoche beginnt mit der Ausbreitung des Islams unter
Muḥammad und den vier rechtgeleiteten Kalifen. 20 Mit dem Kalifen
Muʿāwiya I. (reg. 661–680) kommt im Jahre 661 die Dynastie der
____________________

17 Siehe Retsö, Arabs and Arabic in the Time of the Prophet, und Kouloughli,
L’arabe, 56–69. Die Entwicklung des Hocharabischen zur lingua sacra dis-
kutiert Wansbrough, Quranic Studies, 85–118. Zur Darstellung des Arabi-
schen im Koran selbst siehe Wild, An Arabic Recitation.
18 Diese Meinung herrscht in der arabischen Welt bis heute vor, da sie von
den alten Gelehrten einhellig überliefert ist. Hiernach sollen die seßhaften
Araber bis zum 2. Jh. d. H. und die Beduinen bis zum 5. Jh. d. H. die Fuṣḥā
bewahrt haben. Es gibt jedoch auch arabische Forscher, die von der früh-
zeitigen Trennung von Hochsprache und Dialekten ausgehen, etwa ar-
Rāǧḥī, Lahaǧāt.
19 Hierzu Brustad, The Iconic Sībawayh, 148–155.
20 Eine Übersicht über die islamische Geschichte (6.– 11. Jh.) gibt Robinson
(Hg.), The Formation of the Islamic World; mit guter Bibliographie. Zum
Verlauf der Eroberungen siehe Donner, The Islamic Conquests.
1.1 Epochen des arabischen Schrifttums 21

Umayyaden an die Macht. Das Zentrum der Macht war nun für ein
knappes Jahrhundert Damaskus. Durch die stürmische Expansion
des Islams wurde die Gemeinschaft der Muslime, die zunächst nur
aus Arabern bestanden hatte, schon zur Zeit der ersten Kalifen um
viele Nichtaraber erweitert. Es gab in dieser Periode aber keinen
Zweifel, daß das im Aufbau begriffene muslimische Reich ein arabi-
sches sein und die politische Führung ausschließlich in der Hand
von Arabern liegen sollte. Doch auch für Nichtaraber gab es die
Möglichkeit der Integration in die neue Gesellschaft. Anders wäre
es gar nicht möglich gewesen, in den eroberten Gebieten, die ja
ursprünglich fast durchweg von Nichtarabern bewohnt waren, das
gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben aufrechtzuerhalten.
Man mußte sich hierzu als maulā (‚Klient, Schutzbefohlener‘, pl.
mawālī) einem arabischen Patron unterordnen. Von dieser Mög-
lichkeit machten sehr viele Gebrauch, so daß der Begriff maulā oft
als allgemeine Bezeichnung für die Nichtaraber in der umayyadi-
schen Gesellschaft gebraucht wird. Während die politische Führung
in dieser Periode unangefochten bei den Arabern lag, gewannen die
mawālī in fast allen anderen Bereichen rasch an Bedeutung. 21
Ein wichtiges Mittel, um sich an die herrschende Schicht anzu-
nähern, war die arabische Sprache. Wie schnell die Arabisierung der
Bevölkerung in den einzelnen Regionen verlief, ist eine interessan-
te, doch mangels ausreichender Quellen kaum zu klärende Frage.
Eine entscheidende Maßnahme war in diesem Zusammenhang die
Umstellung der gesamten Verwaltung auf die arabische Sprache
durch den Kalifen ʿAbd al-Malik (reg. 685–705) ab dem Jahr 698:
Das Arabische, für das es hundert Jahre zuvor knapp ein Alphabet
gegeben hatte, verdrängte nun die alten Kultursprachen Griechisch,
Koptisch, Latein und Persisch (genauer: Mittelpersisch = Pahlavi),
auch wenn die Umstellung langsamer ging als in den muslimischen
Quellen dargestellt. 22
Entscheidenden Einfluß auf die Entwicklung der arabischen
Schriftsprache hatten in dieser Phase die Schreiber (kuttāb, sg
kātib), die an den verschiedenen Stellen der staatlichen Administra-
____________________

21 Siehe den interessanten Artikel Mawlā von Wensinck / Crone in EI2. Das
Wort maulā, Partizip passiv von WLY im IV. Stamm, bezeichnet sowohl
den Herren als auch den Klienten. Siehe Ullmann, Relativierung der Genus-
Verbi-Opposition auf der Ebene der Partizipien.
22 Siehe Sijpesteijn, Arabic Papyri and Islamic Egypt, 159–160. Eine spannen-
de Darstellung des Alltagslebens in dieser Zeit basierend auf Papyrusdo-
kumenten gibt Sijpesteijn, Shaping a Muslim State.
22 Entwicklung der klassischen arabischen Sprache

tion arbeiteten und von denen ein bedeutender Anteil nichtarabi-


scher Herkunft war. Ihnen kam die Aufgabe zu, für sämtliche Ver-
waltungs- und Kommunikationsanlässe, die zuvor auf griechisch
oder mittelpersisch abgewickelt wurden, eine passende arabische
Form zu finden. Sie wurden schnell zu einer neuen Elite, an die
hohe Anforderungen hinsichtlich Bildung, Sprachbeherrschung und
moralischer Integrität gestellt wurden. Der wohl bekannteste Ver-
treter dieser Zunft war der Perser Ibn al-Muqaffaʿ (gest. 756 oder
759). Er verfaßte u. a. ein Handbuch, in dem er das Ideal von Bildung
und Moral darstellt, dem ein kātib zu entsprechen hatte. Die Be-
zeichnung für dieses Ideal war ʾadab, und das Werk heißt dement-
sprechend Kitāb al-ʾAdab al-kabīr ‚Das große Buch des Adab‘. Es ist
mit dem europäischen mittelalterlichen Genre des Fürstenspiegel zu
vergleichen und legte den Grundstein für die klassische arabische
Prosaliteratur. 23
Ein noch bekannteres Werk von Ibn al-Muqaffaʿ ist die Ge-
schichte Kalīla wa-Dimna, die ihren Ursprung in Indien hat, von
dort nach Persien gelangte und schließlich von Ibn al-Muqaffaʿ aus
dem Persischen ins Arabische übersetzt wurde.
Im Bereich der Dichtung führte man die vorislamische Tradition
weiter und paßte sie nach und nach den veränderten Verhältnissen
an. Man muß sich vor Augen führen, wie sehr sich die Lebensweise
der Stadtbevölkerung, die sich jetzt der Literatur annahm, von der
der Nomaden unterschied, die die altarabische Dichtung geschaffen
hatten. Die Überlieferung der Gedichte erfolgte nach wie vor rein
mündlich, wie überhaupt der größte Teil der Kultur und Gelehr-
samkeit dieser Epoche auf mündlicher Überlieferung basierte. Eine
Ausnahme bildeten die erwähnten ʾAdab-Werke, die aber erst ge-
gen Ende der Epoche aufkamen.
Der erste schriftlich aufgezeichnete Text der arabischen Litera-
turgeschichte ist der Koran. Seine endgültige Sammlung wird dem
Kalifen ʿUṯmān (reg. 644–654) zugeschrieben. Er schließt sich an die
vorislamische Tradition insofern an, als er sich der arabischen Dich-
tersprache bedient, doch ist er in Ausdrucksweise, Stil, Wortschatz
und natürlich in der Thematik deutlich von dieser verschieden.
____________________

23 Siehe Fähndrich, Der Begriff „adab“ und sein literarischer Niederschlag,


und Hämeen-Anttila, Art. Adab a) Arabic, early developments. Ausg. des K.
al-ʾAdab al-kabīr von ʾAḥmad Zakiy Bāšā (1912). Das K. al-ʾAdab aṣ-ṣaġīr
‚Das kleine Buch des Adab‘ wurde dem Autor fälschlich zugeschrieben
(siehe Gabrieli, Art. Ibn al-Muqaffaʿ).
1.1 Epochen des arabischen Schrifttums 23

Abb. 2: Umayyadische Goldmünze (dīnār) vor 693

Abb. 3: Umayyadische Goldmünze (dīnār) nach der Münzreform


des Kalifen ʿAbd al-Malik, datiert 697–698

Die Münzen illustrieren die schrittweise Einrichtung einer ara-


bisch-muslimischen Verwaltung: Die erste Münze zeigt einen by-
zantinischen Kaiser mit zwei Söhnen. Die Kreuze auf den Kronen
sind weggelassen, die in den Händen durch Kugeln ersetzt. Der auf
der Rückseite abgebildete Stab mit Kugel ist auf byzantinischen
Münzen ein Kreuz. Die Inschrift lautet: ‫ﯨﺴﻢ اﻟﻠـﮫ ﻻ اﻟﮫ اﻻ اﻟﻠـﮫ وﺣﺪﻩ‬
‫‚ ﻣﺤﻤﺪ رﺳﻮل اﻟﻠـﮫ‬Im Namen Gottes. Es gibt keinen Gott außer Gott
allein. Muḥammad ist Gottes Gesandter.‘ Auf der zweiten Münze
sind die byzantinischen Symbole durch leicht variierte Koranverse
ersetzt: Q 9,33 (umlaufend: Muḥammadun rasūlu llāhi ʾarsala-hu
bi-l-hudā wa-dīni l-ḥaqqi li-yuẓhira-hu ʿalā d-dīni kullihi) und
Q 112,1–3 (allāhu ʾahadun allāhu ṣ-ṣamadu lam yalid wa-lam yūlad).

Staatliche Museen zu Berlin, Münzkabinett,


Objektnr. 18205146 und 18205131, Fotos: Lübke & Wiedemann
24 Entwicklung der klassischen arabischen Sprache

Abb. 4: Koranhandschrift vor 700

Die Seite stammt aus einer der ältesten erhaltenen Koran-


handschriften, dem Codex Parisino-petropolitanus. Er dürfte vor
700 geschrieben worden sein (siehe Déroche, La transmission écri-
te du Coran). Der Schrifttyp َ َ heißt
ً ‫ﻠ َﻨﺎ ُﻧ‬ḥiǧāzī.
ْ َ ْ َ ‫ ﱠ‬In der Mitte derّ Seite be-
ginnt Sūra 71 (Nūḥ): ‫ﻮﺣﺎ ِإ�� ﻗ ْﻮ ِﻣ ِﮫ‬ ‫اﻟﺮ ْﺣﻤـٰﻦ ﱠ‬
‫اﻟﺮ ِﺣ ِﻴﻢ ِإﻧﺎ أرﺳ‬ ‫� ْﺴ ِﻢ اﻟﻠ ِﮫ ﱠ‬.
ِ ِ
Ms. Arabe 328, Bibliothèque nationale, Paris, fol. 70r
1.1 Epochen des arabischen Schrifttums 25

Seine Form ist die Reimprosa (saǧʿ), d. h. der Text ist nicht an ein
Metrum gebunden, reimt sich aber am Ende eines jeden Verses. Die
besondere sprachliche Form des Korans wird als ein wichtiger Teil
der göttlichen Offenbarung betrachtet. Sie wird in ihrer Unnach-
ahmlichkeit (ʾiʿǧāz) als ein Beweis für die Echtheit der Offenbarung
angesehen.

1.1.4 Abbasidenzeit (750–1055)


Im Jahr 750 übernimmt die Dynastie der Abbasiden durch einen
blutigen Umsturz, dem die gesamte Umayyadenfamilie zum Opfer
fällt, die Macht. Ihre Herrscher leiten sich vom Onkel des Prophe-
ten, al-ʿAbbās, her. 762 gründet der Kalif al-Manṣūr (reg. 754–775)
die neue Hauptstadt Bagdad. Daß sich damit das geographische
Zentrum ostwärts verlagert, steht symbolhaft für die folgende kultu-
relle Entwicklung des muslimischen Großreiches. Dieses erhält nun
ein multiethnisches Gepräge. Das mawāli-System wird aufgehoben,
Nichtaraber stehen gleichberechtigt neben Arabern in der Gesell-
schaft und übernehmen in noch stärkerem Grad als zuvor führende
Rollen im kulturellen, wissenschaftlichen, religiösen und nun auch
politischen Leben. Einen besonders großen Beitrag leisteten – wohl
meist zum Islam übergetretene – Perser, die auch iranisches, indi-
sches und hellenistisches Wissensgut in die arabische Kultur ein-
brachten. Unter ihnen war Sībawaih (ca. 760–796), der Begründer
der arabischen Grammatiktradition. Das Grundgerüst der Gramma-
tik wurde in den ersten Jahrzehnten der Abbasidenzeit fertiggestellt
und setzte fortan den Rahmen für alles Schreiben in arabischer
Sprache.
Neben der religiösen und der schöngeistigen Literatur wurden
nun die Wissenschaften vorangetrieben, etwa Philosophie, Medizin,
Astronomie, Geographie und Mathematik. Um diese zu fördern,
ließen die Kalifen seit al-Manṣūr (reg. 754–775) systematisch alle
Werke der griechischen Wissenschaften und Philosophie, die sie für
nützlich hielten, ins Arabische übersetzen. Die Übersetzer waren zu
einem Teil Perser, sie übersetzten aus dem Mittelpersischen (Pahl-
avi), in der Hauptsache aber syrisch-aramäische Christen. Diese
übersetzten sowohl über den Umweg des Syrischen als auch direkt
aus dem Griechischen ins Arabische. Ihr Wirken war von großer
Bedeutung für die Entwicklung der arabischen Schriftsprache, denn
auch in diesem Zusammenhang mußten sprachliche Mittel vielfach
26 Entwicklung der klassischen arabischen Sprache

erst geschaffen werden, um die entsprechenden neuen Inhalte aus-


zudrücken. 24
Die hellenistische Wissenschaftstradition wurde zu einem we-
sentlichen Bestandteil der arabisch-islamischen Kultur, und wäh-
rend zuvor Philosophie jahrhundertelang ausschließlich in griechi-
scher Sprache betrieben wurde, entstand nun eine eigenständige
philosophische Tradition in Arabisch. Wurde diese auch nicht in
den Kanon der islamischen Wissenschaften aufgenommen, sondern
von den Religionsgelehrten vielfach skeptisch beäugt, hat sie doch
allgemeinen Einfluß ausgeübt. Auch die Grammatiker konnten sich
ihr nicht entziehen. 25 Insbesondere die aristotelische Logik wurde
von späteren Grammatikern rezipiert (Bsp. siehe Kap. 3.4.3). Diese
Auseinandersetzung zwischen muslimischer Tradition und helleni-
stischem Erbe ist ein entscheidendes Kennzeichen des Geistes-
lebens zur Zeit der Abbasiden. Für die schöngeistige Literatur wur-
de diese Zeit oft als die „klassische“ Epoche bezeichnet, als deren
Merkmale die Originalität der Autoren, die große Dynamik in der
Entwicklung und die Offenheit gegenüber fremden Einflüssen her-
vorgehoben werden. 26
Auf der politischen Ebene war für die Zeit von 750 bis etwa 850
kennzeichnend, daß das muslimische Großreich unter der Führung
der Kalifen geeint war und eine starke Zentralregierung hatte. Dies
begünstigte eine einheitliche kulturelle Entwicklung. Schon bald
begannen sich aber einzelne Regionen aus dem Verband zu lösen.
Höhepunkt dieser Entwicklung war die Ausrufung eines Gegenkali-
fats durch die Fatimiden in Ägypten 969. Gleichzeitig geriet etwa ab
der Mitte des 9. Jh. die Regierung in Bagdad immer mehr unter den
Druck verschiedener Kräfte, die ihre Macht schwächten. Ab 945
bestimmten hier die iranischen Buyiden faktisch die Politik. Für das
kulturelle Leben bedeutete das folgende Jahrhundert unter der
Herrschaft der Buyiden eine Blütezeit. 27

____________________

24 Beispiele siehe Kap. 5.3.2. Die gesamte „Übersetzungsbewegung“ wird


dargestellt von Gutas, Greek Thought, Arabic Culture.
25 Siehe zur Einführung Rudolph, Islamische Philosophie.
26 Auf die zahlreichen Gattungen und Strömungen kann hier nicht eingegan-
gen werden; einen Überblick geben Jacobi, Abbasidische Dichtung, und
Enderwitz, Adab b).
27 Siehe Blair, Art. Būyid Art and Architecture. Das Standardwerk zur Ge-
schichte dieser Epoche ist Busse, Chalif und Großkönig.
1.1 Epochen des arabischen Schrifttums 27

Abb. 5: Rekonstruktion Bagdad ca. 150 / 767–300 / 913

Das 145 / 762 von al-Manṣūr gegründete Baġdād (offizieller Name:


Madīnat as-Salām ‚Stadt des Friedens‘) wurde gemäß dem Bericht
im Tārīḫ ar-rusul wa-l-mulūk des Ṭabarī (839–923) kreisrund ange-
legt. Jedoch gibt es aus dieser Zeit fast keine archäologischen Spu-
ren, da die Stadt im Laufe der Zeit mehrfach stark zerstört wurde.
Auch für das Gründungsdatum gibt es außer Ṭabarīs Bericht keine
Belege. Schon zu dessen Zeit lag die Rundstadt, die er so detailliert
beschreibt, in Trümmern. Die Karte basiert auf Ṭabarīs Bericht. Sie
wurde von Le Strange 1901 veröffentlicht und seitdem mehrfach
reproduziert, zuletzt von Kennedy, An Historical Atlas of Islam, 28.
Zur Schwierigkeit der Rekonstruktion der frühen islamischen Ge-
schichte siehe Robinson, Formation, 1–15.

Kartenausschnitt aus: Le Strange, Baghdad during the Abbasid


Caliphate from Contemporary Arabic and Persian Sources, Karte 3
28 Entwicklung der klassischen arabischen Sprache

Eine eigene Entwicklung nahm das muslimische Spanien, das


neben dem Irak ein zweiter Leuchtturm arabischer Literatur und
Wissenschaft war. Es wurde ab 711 unter der Führung des berbe-
risch-stämmigen Ṭāriq b. Ziyād (gest. 720) erobert. Der Aufschwung
des geistigen Lebens begann, als der Umayyade ʿAbd al-Raḥmān I.
(731–788) im Jahr 756 die Macht übernahm. Er stammte aus Da-
maskus und war der einzige seiner Familie, der die Revolution der
Abbasiden überlebt hatte. Seine Dynastie blieb bis 1031 an der
Macht. Sein späterer Nachfolger ʿAbd al-Raḥmān III. (reg. 912–961)
erhob sich im Jahr 929 in den Rang eines Kalifen und begründete
damit das Kalifat von Córdoba. Das kulturelle Leben im muslimi-
schen Spanien war wesentlich von der ethnischen und religiösen
Vielfalt der Bevölkerung bestimmt. Neben großen muslimischen
Gelehrten wie etwa Ibn Ḥazm (994–1064) und Ibn ʿArabī (1165–
1240) wirkten hier auch Juden wie Moses Ibn Ezra (ca. 1055–1135/40)
und Juda Halevi (ca. 1075–1141). Christliche Gelehrte sorgten später
für die Übersetzung arabischer Werke, die antikes Gedankengut
weitertradierten, ins Lateinische, wodurch Theologie und Philoso-
phie im Abendland einen entscheidenden Aufschwung erlebten.

1.1.5 Seldschukenzeit (1055–1258)


Seit dem 11. Jh. wurde die politische Situation im gesamten vorderen
Orient grundlegend umgewälzt. Grund hierfür war u. a. das Vordrin-
gen von Nomadenstämmen in verschiedenen Regionen: Berber in
Marokko und Andalusien, die arabischen Banū Hilāl im westlichen
Nordafrika und türkische Stämme im Osten. Letzteres führte im
Jahr 1055 dazu, daß die türkische Dynastie der Seldschuken die
Herrschaft über Bagdad erlangte. In der Levante herrschten von
1099 an für ein Jahrhundert die Kreuzfahrer, während in Ägypten
noch immer die Fatimiden an der Macht waren. Sowohl die Fatimi-
den (1169) als auch die Kreuzfahrer (1187) wurden schließlich von
Ṣalāḥ ad-Dīn (= Saladin, 1137–1193) vertrieben. Diese Ereignisse mö-
gen die politische Zersplitterung des einstigen muslimischen Groß-
reiches deutlich machen. Die Entwicklung von Literatur und Wis-
senschaft verlief in den Regionen unterschiedlich, vor allem abhän-
gig davon, wie sehr den einzelnen Herrschern an der Förderung
entsprechender Aktivitäten gelegen war und wie lang die Perioden
relativer Ruhe zwischen den zahllosen Umstürzen und Auseinan-
dersetzungen waren.
1.1 Epochen des arabischen Schrifttums 29

In älteren Darstellungen wird diese Zeit gerne als „Silbernes


Zeitalter“ oder „nachklassische Zeit“ bezeichnet und damit als we-
niger produktiv und vor allem weniger originell bewertet. Wir kön-
nen hier nicht in eine Diskussion über die Berechtigung eines sol-
chen Urteils einsteigen, sondern nur auf einzelne Punkte hinweisen.
Die Entwicklung im Bereich der ʾAdab-Literatur stellt Thomas Bau-
er im Artikel „Adab c)“ in EI3 sehr aufschlußreich dar: Diese war
nun nicht länger die Domäne der Schreiber (kuttāb), wie in der
Abbasidenzeit, sondern wurde mehr und mehr von den religiösen
Gelehrten (ʿulamāʾ, sg. ʿālim) übernommen. Gleichzeitig wurden die
philologischen Disziplinen, also Grammatik, Lexikographie und
nun besonders Stilistik und Rhetorik (balāġa), bedeutend ausge-
baut und in das Curriculum der „islamischen Wissenschaften“ auf-
genommen. Zu den herausragenden Gelehrten zählen für die
balāġa (Rhetorik) al-Ǧurǧānī (gest. 1087) und für die Grammatik az-
Zamaḫšarī (1075–1143). Daß beide auch viel zum Gebiet der Theolo-
gie beigetragen haben, braucht angesichts der engen Verzahnung
von Sprachwissenschaft und Theologie kaum betont zu werden.
Zamaḫšarī ist in unserem Zusammenhang von besonderer Bedeu-
tung, da seine Grammatik, al-Mufaṣṣal ‚die Feingegliederte‘, große
Verbreitung erlangte und schon früh von europäischen Arabisten
rezipiert wurde.
Charakteristisch sind für die Epoche darüber hinaus nun die vie-
len enzyklopädischen Werke, in denen die Gelehrten sehr genau
das Wissen ihrer Zeit sammelten und systematisierten. Zu außeror-
dentlichen Leistungen gelangte die arabische Philosophie, von der
man keineswegs sagen kann, daß sie zu dieser Zeit minder originell
war als vorher. Namen wie Faḫr ad-Dīn ar-Rāzī (1149–1209) und der
in Spanien wirkende Ibn Rušd (= Averroes, gest. 1198) seien hier als
herausragende Vertreter genannt. Schließlich darf auch der wohl
bedeutendste theologische Denker seiner Zeit, al-Ġazālī (1049–1111),
nicht unerwähnt bleiben. Er hat in großem Umfang die Logik in die
religiöse Gelehrsamkeit einbezogen.

1.1.6 Mamluken- und Osmanenzeit (1258–1798)


Das Jahr 1258 bedeutet für die Geschichte der islamisch-arabischen
Welt einen tiefen Einschnitt: Die Mongolen erobern Bagdad. Das
ehemalige Zentrum literarischer und wissenschaftlicher Aktivität
wird dem Erdboden gleichgemacht, und ein vergleichbares Zen-
trum arabisch-islamischer Kultur sollte es nie wieder geben.
30 Entwicklung der klassischen arabischen Sprache

Abb. 6: Koran aus dem Jahr 1307 (hier Q 77,37–40)

Die monumentale Handschrift (73 x 50 cm) wurde vom mongo-


lischen Sultan Öljeitü (1280–1316) in Bagdad in Auftrag gegeben.
Ms. B.or. 001, Universtiätsbibliothek Leipzig
1.1 Epochen des arabischen Schrifttums 31

Diese Entwicklung hat der Kultur in arabischer Sprache einen


schweren Schlag versetzt. Der Reisende Ibn Baṭṭūṭa (1304–1377)
konstatierte nach dem Besuch einer Moschee in Baṣra im Jahr 1327:
„In dieser Stadt ist niemand mehr übrig, der etwas von Grammatik
versteht.“ 28
Nach mehreren Jahrhunderten mongolischer Herrschaft fiel
durch Eroberungen in den Jahren 1514–1517 der größte Teil der ara-
bischen Welt unter osmanische Herrschaft. Von nun an war das
Türkische die beherrschende Sprache in allen offiziellen Zusam-
menhängen, wie Verwaltung, Militär, Handel. Aus Spanien wurden
die Muslime nach und nach durch die Reconquista zurückgedrängt
und 1492 endgültig vertrieben.
Die Orientalisten belegten diese Epoche, die sich je nach Defini-
tion über 500–700 Jahre (!) erstreckt, mit dem Begriff „Niedergang“
bzw. „Dekadenz“, was die arabischen Gelehrten der Nahḍa als ʿaṣr
al-inḥiṭāṭ übernahmen. Da sich alle einig waren, es hier mit einer
kulturellen Dunkelzeit zu tun zu haben, wurde die Literatur dieser
Epoche, von wenigen Ausnahmen wie etwa Ibn Ḫaldūn (1332–1406)
und as-Suyūṭī (ca. 1454–1505) abgesehen, kaum gelesen und gewür-
digt. Der erste größere Anlauf, diesem Mißstand abzuhelfen, wurde
für den Bereich der schöngeistigen Literatur in zwei unlängst er-
schienenen Sammelbänden unternommen: Arabic Literature in the
Post-Classical Period (hrsg. v. Allen / Richards, 2006) in der Reihe The
Cambrigde History of Arabic Literature sowie Essays in Arabic Litera-
ry Biography II: 1350–1850 (hrsg. v. Lowry / Stewart, 2009). 29 Die Er-
forschung dieser langen Periode steht noch ganz am Anfang, so daß
es schwierig ist, eine allgemeine Einschätzungen zu geben. Es ist
auch hier nötig, die verschiedenen Zweige von Literatur und Ge-
lehrsamkeit je für sich zu betrachten. So stellt sich z. B. heraus, daß
im Bereich der Philosophie keineswegs ein so abrupter Niedergang
einsetzte, wie man meinen könnte, wenn man die Verhältnisse
verallgemeinert, die man in der Dichtkunst ausgemacht hat. Eine
ausgezeichnete aktuelle Darstellung der Philosophie in dieser Epo-
che gibt Tony Street in dem Beitrag „Arabic and Islamic Philosophy
of Language and Logic“. Er betont darin die Notwendigkeit, die
geistesgeschichtliche Entwicklung regional differenziert zu unter-
suchen und warnt davor, die Epoche aufgrund reiner Unkenntnis
____________________

28 Riḥlat Ibn Baṭṭūṭa, Ausg. Beirut 1964, 186.


29 Ein interessantes Bild von der Dichtung in der Mamlukenzeit präsentiert
Bauer, Toward an Aesthetics of Mamluk Literature (2013).
32 Entwicklung der klassischen arabischen Sprache

pauschal mit dem Begriff „Niedergang“ zu etikettieren. Die bisher


studierten Quellen ließen nicht den Schluß zu, daß ab einem be-
stimmten Punkt die originale Arbeit beendet war und man sich nur
noch mit Kommentierung und Reproduktion beschäftigte. 30
Besonders groß sind die Forschungslücken noch für die osmani-
sche Zeit bis zum Ende des 18. Jh. Das ist deshalb bedauerlich, weil
es von der Einschätzung dieser Zeit wesentlich abhängt, wie man
die Veränderungen beurteilt, die die folgende Zeit gebracht hat. 31

1.1.7 Nahḍa (‚Wiedererweckung‘) und Moderne (1798–heute)


Als Startschuß für den Aufbruch der arabischen Welt in die Moder-
ne – aber auch in die langwährende koloniale Abhängigkeit von
Europa – wird gemeinhin Napoleons Expedition nach Ägypten im
Jahr 1798 angesehen. Von nun an wird die Entwicklung der arabi-
schen Welt durch den Kontakt mit Europa geprägt. Für die Schicht
der Intellektuellen, die sich nun herausbildet, ist hinfort die Orien-
tierung an der europäischen Kultur maßgebend. Arabische Litera-
ten werden auf Studienreisen nach Europa entsandt, insbesondere
nach Frankreich, wo sie die zeitgenössischen Themen und Litera-
turgattungen rezipieren; das Genre des Romans wird in die arabi-
sche Literatur eingeführt, zunächst als Adaption von französischen
Vorbildern, dann als selbständiges Werk. Auch der Journalismus
entwickelt sich. 32
Mit der Nahḍa entstand eine neue Variante des Arabischen, die
wir mit Neuhocharabisch benennen können. Die sprachlichen Her-
ausforderungen waren vielleicht nicht unähnlich denen, die die
Dichter und Gelehrten im 8. und 9. Jh. zu bewältigen hatten: eine
Menge neuer Ideen, Textsorten, Erkenntnisse, technischer Mög-
lichkeiten taten sich auf, die alle nach sprachlichem Ausdruck ver-
langten. Zugleich gab es ein sakrosanktes sprachliches System, das
im Prinzip keine Neuerungen duldete. Zwischen diesen beiden
____________________

30 Siehe Street, Arabic and Islamic Philosophy, Punkt 1.6.


31 Einiges findet sich in den beiden o. g. Bänden. Zur theologischen Literatur
dieser Zeit siehe Berger, Interpretations of Ashʿarism and Māturīdism in
Mamluk and Ottoman Times, und Özervarlı, Theology in the Ottoman
Lands. Einen hervorragenden Einblick in das intellektuelle Leben des Bür-
gertums in osmanischer Zeit gibt Librenz, Die Rifāʽīya aus Damaskus. Eine
Privatbibliothek im osmanischen Syrien und ihr kulturelles Umfeld.
32 Eine Übersicht samt guter Literaturliste gibt Newman, The Arabic Literary
Language. Proben verschiedener Texte aus dem 19. Jh. geben Harder, Ara-
bische Chrestomathie, und Wahrmund, Lesebuch.
1.1 Epochen des arabischen Schrifttums 33

Polen entwickelte sich die Form des Arabischen, die bis heute im
Gebrauch ist. Wenn auch die grammatische Struktur und ein großer
Teil des Wortschatzes mit dem klassischen Arabisch übereinstim-
men, so gibt es doch in der Syntax und vor allem auf der inhaltli-
chen und stilistischen Ebene so große Unterschiede zu diesem, daß
man hier eine deutliche Trennungslinie ziehen muß. 33 Die Beson-
derheiten des Neuhocharabischen sind wesentlich dadurch bedingt,
daß sich sowohl in der Literatur als auch in der Gebrauchsprosa
innerhalb kurzer Zeit völlig neue Genres etablierten, für die eine
angemessene Ausdrucksweise erst gefunden werden mußte. Beson-
deren Einfluß hatte der Journalismus, der sich in der arabischen
Welt seit der Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte. Bis heute hebt
sich die typische arabische Zeitungssprache wohl unter allen Gen-
res am stärksten vom klassischen Arabisch ab.

Abb. 7: Wochenzeitung Al-Ǧawāʾib vom 9. Juni 1862


hrsg. v. ʾAḥmad Fāris aš-Šidyāq (1805–1887)

Die Sprachform, die sich während der Nahḍa entwickelte, ist noch
sehr spärlich erforscht (siehe die Literaturliste bei Newman, The
Arabic Literary Language). Die Arbeiten zum modernen Hochara-
____________________

33 Beispiele bringen Wild, Die Arabische Schriftsprache der Gegenwart, und


Newman, The Arabic Literary Language. Ausführlicher z. B. Monteil, L’ara-
be moderne; Somekh, Genre and Language; Blau, Remarks.
34 Entwicklung der klassischen arabischen Sprache

bisch gehen dagegen in die Hunderte, hierunter gute korpusbasierte


Wörterbücher, Glossare und Grammatiken. 34

1.2 Historische Gliederung des Arabischen


Der Überblick zeigt, wie groß die Zeitspanne ist, in der sich die ara-
bische Schriftsprache entwickelt hat, und wie sehr sich die Umstän-
de währenddessen verändert haben. Dies ist nicht ohne Einfluß auf
die Sprache geblieben, und es scheint sich die Notwendigkeit zu
ergeben, das Arabische in verschiedene Epochen einzuteilen. Doch
das ist eine kontroverse Angelegenheit, bei der die Sichtweise der
arabischen Grammatiker mit der der historischen Sprachwissen-
schaft in Konflikt gerät. Das Dogma von der Unveränderlichkeit der
arabischen Sprache stößt hier mit der Überzeugung zusammen, daß
jede lebendige Sprache notwendigerweise dem Sprachwandel un-
terliegt.
Wie zu Beginn des vorigen Kapitels erwähnt, ist es sinnvoll, und
hier sind sich die westlichen Forscher einig, zwischen dem klassi-
schen Hocharabisch (von der vorislamischen Zeit bis zur Nahḍa)
und dem Neuhocharabischen (von der Nahḍa bis heute) zu unter-
scheiden. Schwieriger wird es bei der weiteren Differenzierung des
klassischen Hocharabisch. Daß diese nötig ist, darüber herrscht
weitgehende Einigkeit, aber wo genau die Grenzen zu ziehen sind,
ist umstritten. Das liegt u. a. daran, daß die historische Erforschung
von Wortschatz und Grammatik trotz zahlreicher guter Einzelarbei-
ten immer noch in den Anfängen steht. Die Begrifflichkeiten gehen
vor allem für die früheste Zeit durcheinander: Fück (ʿArabiya)
nennt die Sprachform, die den Grammatikern als Quelle gedient
hat, klassisches Arabisch und alles davon Abweichende nachklas-
sisch. Waltisberg (Satzkomplex und Funktion) nennt diese früheste
Form Althocharabisch, was ich für die günstigste Bezeichnung halte.
Fischer teilt ein in vorklassisch, klassisch und nachklassisch. Vor-
klassisch nennt er die Sprache des Korans und der altarabischen
Dichtung, klassisch die Sprachform, die von den Grammatikern als
verbindlich festgestellt wurde und die etwa seit 750 die Literatur
bestimmt. Eine Streitfrage ist, wie sehr sich das (in Fischers No-
____________________

34 Siehe z. B. das äußerst nützliche Using Arabic Synonyms von Parkinson, die
Grammatik Modern Written Arabic von Badawi / Carter / Gully und das
Oxford Dictionary Arabic–English (übersetzt aus dem Niederländischen
2014; Original von Hoogland / Versteegh / Woidich 2003).
1.2 Historische Gliederung des Arabischen 35

menklatur so genannte) vorklassische Arabisch vom klassischen


Arabisch unterscheidet. Fischer sieht den Unterschied als einiger-
maßen gravierend an, während Ullmann eine weitgehende Konti-
nuität nachzuweisen versucht hat. 35 Uneinigkeit gibt es auch dar-
über, ab wann das nachklassisches Arabisch anzusetzen ist und wie
es definiert wird. Fischer versteht darunter weniger eine zeitliche
Abgrenzung, als vielmehr, daß in verschiedener Weise von den
Regeln der Grammatiker abgewichen wird. Tendenzen hierzu seien
schon im 9. Jh. zu erkennen, doch verläuft die Entwicklung je nach
Textsorte und individuellem Autor sehr verschieden. Etwa vom 11.
Jh. an spricht er allgemein von der nachklassischen Periode. 36
Wir wollen nun einen Blick darauf werfen, wie es um die histori-
sche Erschließung der arabischen Sprache allgemein bestellt ist und
dafür zunächst auf die einheimische arabische Tradition sehen.
Auch arabische Wissenschaftler sind sich heute der Vielschichtig-
keit ihrer Sprache bewußt, doch wird im allgemeinen eine konkrete
historische Untergliederung abgelehnt. Anerkannt wird allenfalls,
daß es verschiedene Stufen der „Höhe“ der Sprache gibt, also daß
bestimmte Texte dem Idealbild des Arabischen näher kommen als
andere. Dies kommt in der Einteilung von El-Said Badawi zum Aus-
druck, der zwischen fuṣḥā at-turāṯ ‚Hochsprache des (literarischen)
Erbes‘ und fuṣḥā al-ʿaṣr ‚zeitgenössische Hochsprache‘ unterschei-
det. 37 Er versteht darunter nicht getrennte Stufen in der histori-
schen Entwicklung, sondern zwei verschiedene Register, die heute
beide gleichermaßen zum arabischen Sprachkontinuum gehören
und nahtlos ineinander übergehen. In der westlichen Forschung
fand Badawis Ansatz viel Beachtung. Wie weit seine Einteilung
heute von arabischen Sprachwissenschaftlern anerkannt wird, wäre
zu untersuchen. Fest steht jedenfalls, daß die „klassische“ und die
„moderne“ Sprache von den arabischen Muttersprachlern als Ein-
heit angesehen werden. Separate Grammatiken für das „klassische
____________________

35 Fischer, Die Perioden des klassischen Arabisch; Ullmann, Vorklassisches


Arabisch. Die Merkmale des koranischen Arabisch samt ausführlichen Li-
teraturhinweisen zu dieser Periode sind zusammengestellt bei Talmon,
Art. Grammar and the Qurʾān.
36 Fischer, Altarabisch in islamischer Überlieferung.
37 Badawi / Hinds, A dictionary of Egyptian Arabic, S. VIII–X; ausführlich in
Badawi, Mustawayāt. Badawi hat zusammen mit Gully und Carter auch die
Grammatik Modern Written Arabic erarbeitet. Zur Einschätzung der ver-
schiedenen Formen des Hocharabischen durch die einheimischen Spre-
cher siehe Parkinson, Searching for Modern Fuṣḥā.
36 Entwicklung der klassischen arabischen Sprache

Arabisch“ und das „modernen Hocharabisch“ sind in der arabischen


Welt undenkbar, da eine solche Trennung nicht anerkannt wird.
„Modernes Arabisch“ hat im Idealfall „klassisch“ zu sein. Dies ent-
spricht auch der Darstellung in den modernen einheimischen
Grammatiken, wie sie im nächsten Kapitel behandelt werden.
Die Annahme, daß die arabische Hochsprache im Prinzip un-
veränderlich ist und alle Regeln zu jeder Zeit Gültigkeit haben, hat
auch die Lexikographie bestimmt. Die Sammlung der Wörter wurde
im wesentlichen in der ersten Hälfte des 9. Jh. abgeschlossen. Später
neu gebildete Wörter oder neue Wortbedeutungen wurden nicht
mehr verzeichnet, weil man sie nicht als Teil des arabischen
Spracherbes ansah. Obwohl es eine Vielzahl einheimischer arabi-
scher Wörterbücher gibt, die akribisch die noch so kleinsten Bedeu-
tungsnuancen verzeichnen, ist hierin vieles nicht zu finden. Beson-
ders große Lücken gibt es im Bereich der wissenschaftlichen Litera-
tur. Die Lexikographen setzten viel Mühe daran, seltene und alte
Wörter zu sammeln, hatten aber nicht zum Ziel, die tatsächlich
gebrauchte Sprache ihrer Zeit zu dokumentieren. Folglich ist vieles,
was im klassischen arabischen Schrifttum an Wörtern und Aus-
drücken gebraucht wird, nicht oder unzureichend in den Lexika zu
finden. Zudem gibt es keinerlei Hinweise auf Stilebene und Ge-
brauchshäufigkeit der Wörter. Ob ein verzeichnetes Wort im allge-
meinen Gebrauch war oder es sich um einen Einzelfund handelt,
muß der Benutzer selbst herausfinden, die Lexikographen äußern
sich dazu nicht. 38
Bis heute gebrauchen arabische und westliche Forscher diese
Werke als Hilfsmittel zur Lektüre klassischer arabischer Texte aller
Genres und Epochen, oft ohne sich ihrer methodischen Mängel
bewußt zu sein. Das vielgebrauchte und unverzichtbare Arabic-
English Lexicon (1863–1872) von Edward William Lane ist die engli-
sche Übersetzung des traditionellen Werkes Tāǧ al-ʿArūs von Mur-
taḍā az-Zabīdī (1732–1790), welches seinerseits auf ältere Vorlagen
zurückgeht. Ein vollständiges Wörterbuch des klassischen Arabisch,
das auf einem differenzierten Textkorpus anstatt auf der lexikogra-
phischen Tradition aufbaut und das die Wörter nach Epochen und
Stilebenen gliedert, gibt es noch nicht. Ein erster Schritt in diese
Richtung ist mit dem Wörterbuch der klassischen arabischen Sprache
____________________

38 Beispiele für dieses und weitere Defizite der arabischen Lexika bei Ull-
mann, Theorie und Praxis der arabischen Lexikographie, 51–75. Eine gute
Einführung gibt Seidensticker, Die einheimische arabische Lexikographie.
1.2 Historische Gliederung des Arabischen 37

(WKAS) gemacht, von dem die Buchstaben kāf und lām abgeschlos-
sen sind, doch die Weiterführung des Projekts steht in Frage. Es ist
aber wegweisend für die dringend notwendige Neuorientierung in
der Lexikographie des klassischen Arabisch. 39
Den Defiziten der arabischen Lexika scheint jedoch allgemein
nicht die gebührende Beachtung geschenkt zu werden. Dies zeigt
der Beitrag „The Classical Arabic Lexicographical Tradition“ von
Solomon I. Sara im Oxford Handbook of Arabic Linguistics (2013). Er
enthält keinerlei Reflexion über die Methodik der Werke, sondern
vergleicht lediglich ihre verschiedenen Vorgehensweisen bei der
alphabetischen Anordnung der Wörter. Ramzy Baalbaki beschreibt
in seinem Buch The Arabic Lexicographical Tradition (2014) mit
außerhalb jeder Kritik stehender Sachkenntnis das gesamte Wör-
terbuchwesen der Araber, geht aber auf die oben erwähnten, für
den praktischen Gebrauch wichtigen methodischen Probleme nur
im „Epilogue“ auf den beiden letzten Seiten (S. 416–417) ein.
Die Forderung nach einer historisch differenzierten Beschrei-
bung des Arabischen hat vor allem einen praktischen Hintergrund:
Uns würde damit ein Werkzeug an die Hand gegeben, das es uns
erlaubt, Wörter und Konstruktionen ausgehend von ihrem histori-
schen und thematischen Kontext sicherer zu interpretieren und
besser zu übersetzen. Eine ordentliche Chronologie in Grammatik
und Wortschatz kann helfen, Texte zeitlich einzuordnen. So ließe
sich z.B. das Alter von Handschriften besser bestimmen und die
Zuordnung von Texten zu bestimmten Autoren überprüfen. Bisher
ist man in solchen Fällen auf die eigene Leseerfahrung oder, falls für
das betreffende Gebiet vorhanden, auf Spezialglossare angewiesen.

____________________

39 Die Prinzipien dieses Wörterbuches erklärt Ullmann in Theorie und Praxis


der arabischen Lexikographie. Über die Buchstaben kāf und lām hinaus
enthält es in den Belegsätzen viele andere Wörter, die im „Index signifi-
kanter Wörter“ (WKAS, II/2333–2457) verzeichnet sind. Auf den folgenden
Seiten (2460–2494) gibt Ullmann einen Rückblick „Zur Geschichte dieses
Wörterbuches“, in dem deutlich wird, wie dringend ein historisches Be-
legwörterbuch des Arabischen gebraucht wird.
Im Jahr 2013 wurde von arabischen Wissenschaftlern unter maßgeblicher
Mitarbeit von Ramzy Baalbaki ein historisches Wörterbuch in Angriff ge-
nommen (www.dohadictionary.org).
38 Entwicklung der klassischen arabischen Sprache

Abb. 8: Aufforderung zur Rückgabe eines Dinars


ٰ ‫ إدﻓﻊ إﺑﻘﺎك ﷲ ذﻟﻚ‬/ ‫�ﺴﻢ ﷲ اﻟﺮﺣﻤﻦ اﻟﺮﺣﻴﻢ‬
‫ اﻟﺬي ﻣﻌﻚ اﻟﺬي‬/ ‫اﻟﺪﻧﺮ‬
‫ وﻻ ﺗﺆﺧﺮﻩ ﺑﮫ إن ﺷﺎء ﷲ‬/ ‫ ﺧﺮ�ﺞ إ�� هﺬا اﻟﺮﺟﻞ اﻟﺴﺎﻋﺔ‬/ ‫أﺧﺬﺗﮫ ﻣﻦ‬
„Im Namen Gottes, des Barmherzigen, des Erbarmenden. Gib –
Gott erhalte dich – diesen Dinar, den du hast und den du von
Ḫarīǧ genommen hast, diesem Manne umgehend zurück und
halte ihn damit nicht hin – so Gott will!“

Papyrus aus Ägypten (3./9. Jh.). Diakritische Punkte werden nur


sporadisch gesetzt. Zur Übersetzung siehe Diem, Dokumente, 76 f.
AP 11696v, Österr. Nationalbibliothek Wien, Papyrussammlung
1.3 Texte mit nichtklassischem Standard 39

1.3 Texte mit nichtklassischem Standard


Es gibt viele Texte, die so signifikant vom Standard der Grammati-
ker abweichen, daß man sie nicht als klassisch arabisch bezeichnen
kann. Dies sind zum einen Dokumente (z. B. Verträge und Briefe)
und zum anderen Texte der christlichen und jüdischen arabischen
Literatur. Ihre Sprache enthält Elemente, die ansonsten der münd-
lichen, dialektalen Sprache zugeschrieben werden, etwa die Erwei-
chung von Hamza zwischen zwei Vokalen (‫ ﻗﺎﻳﻞ‬qāyil statt ‫ﻗﺎﺋﻞ‬
qāʾil), der Gebrauch der obliquen Form des gesunden maskulinen
Plurals (-īna statt -ūna) und der Gebrauch der unveränderlichen
Relativpartikel ʾillī. Hinzu kommen Besonderheiten im Wortschatz
und in Phraseologie und Satzbau. In welchem Grad vom Standard
abgewichen wird, ist von Text zu Text höchst unterschiedlich, und
der Übergang zum klassischen Arabisch ist fließend. Für einen Un-
geübten ist diese Sprachform oft nicht leicht zu erkennen, zumal
man dazu sehr genau wissen muß, wie es eigentlich in „richtigem“
klassischen Arabisch heißen müßte.
Bezeichnungen für diese Sprachform sind Substandard-Arabisch
oder Mittalarabisch. Letzteres soll ausdrücken, daß sich das Idiom
hinsichtlich der grammatischen Regeln und des Sprachgebrauchs
(irgendwo) in der Mitte zwischen Standardsprache und Dialekt
befindet. 40 Diese Benennung ist allerdings irreführend, da die Nähe
zur Standardsprache meist weitaus größer ist als zum Dialekt. In
den bisherigen Grammatiken des klassischen Arabisch sind die
Besonderheiten des Mittelarabischen nicht verzeichnet. Man muß
auf Spezialwerke zurückgreifen (besonders Blau, A Grammar of
Christian Arabic und Hopkins, Studies in the Grammar of Early
Middle Arabic) und über umfangreiche Leseerfahrung verfügen, um
einschätzen zu können, welcher Sprachform im konkreten Fall ein
Text zuzuordnen ist. Das gleiche Problem stellt sich beim Wort-
schatz. Hier bietet das Dictionary of Mediaeval Judaeo-Arabic Texts
von Joshua Blau eine gute Hilfe.
____________________

40 Mit Mittelarabisch ist keine zeitliche Einordnung gemeint, wie es etwa bei
den Begriffen Alt-, Mittel- und Neuhochdeutsch der Fall ist, denn „mittel-
arabische“ Texte gab es zu allen Zeiten parallel zum Standardarabischen.
Joshua Blau, Geoffrey Khan und andere vertreten die Meinung, daß sich
das Mittelarabische in bestimmten Kontexten selbst als Standard etabliert
hat. Von diesem kann es wiederum Abweichungen geben, so daß nach
Blau zu unterscheiden ist zwischen Standard Middle Arabic und Substan-
dard Middle Arabic. Siehe Blau, Handbook, 14–15, und Khan, Middle Arabic,
817.
40 Entwicklung der klassischen arabischen Sprache

Texte, die in dieser charakteristischen Weise vom Standard der


Grammatiker abweichen, gibt es von frühester Zeit an, auch aus der
Feder (bzw. dem Schreibrohr) von Muslimen. Besonders interessant
sind Texte, die geschrieben wurden, als ein Standard noch gar nicht
festgelegt war bzw. sich noch nicht durchgesetzt hatte. Solche sind
uns in Papyri überliefert, also in originalen Schriftstücken, die so
erhalten sind, wie sie ursprünglich aufgeschrieben wurden. Sie ent-
halten überwiegend „Gebrauchsprosa“, d. h. Geschäftskorrespon-
denz, Verträge, Rechnungen u. ä. Besonders alte Dokumente wur-
den in Aphrodito (heute Kōm Išqaw) in Ägypten und in Nessana im
Negev gefunden. Das älteste datierte arabische Papyrusdokument
stammt aus dem Jahr 22 d. H. / 642 n. Chr. und ist eine Quittung über
den Verkauf von Schafen an die arabischen Truppen in Herakleo-
polis (arabisch: ʾAhnās) in Unterägypten. 41 Sehr viele Papyri aus
dieser Zeit sind zweisprachig arabisch / koptisch oder arabisch /
griechisch. Sie sind sowohl eine wichtige Quelle für die Rekonstruk-
tion der arabischen Sprachgeschichte als auch für Erforschung der
politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse
der frühislamsichen Zeit. Zu der Frage, wie die Arabisierung in die-
ser Zeit vor sich gegangen ist, sind die Papyri unsere einzige zuver-
lässige Quelle. Die Sprache der Papyri vor der Festschreibung der
Grammatik hat Khan (Studies in the Grammar of Early Middle Ara-
bic) untersucht. Mit der Verbreitung der standardisierten Gramma-
tik gerieten die Verfasser solcher Dokumente unter den Einfluß des
nunmehr normativen „klassischen Arabisch“, behielten aber teil-
weise auch hiervon abweichende Züge bei. 42
Außer einem Teil der Papyri sind auch zwei bedeutende Litera-
turtraditionen weitgehend in Mittelarabisch geschrieben, nämlich
die arabische Literatur der Christen und der Juden. Obwohl diese
nahezu genauso alt sind wie die muslimische Literatur und sich in
ständigem Austausch mit dieser entwickelt haben, treten sie in
kaum einer arabischen Literaturgeschichte auf, sondern werden
____________________

41 Siehe Diem, Aphrodito.


42 Eine einzigartige Sammlung der frühesten arabischen Papyri mit Texten,
Übersetzungen, Anmerkungen und Wörterbuch gibt es auf der Webseite
der Arabic Papyrology Database (www.naher-osten.lmu.de/apd). Einen
Online-Kurs zum Lesen der Originaldokumente bietet die Arabic Papyro-
logical School (orientw.uzh.ch:8080/aps/home). Sijpesteijn, Shaping a Mus-
lim State, zeichnet anhand von Papyrusdokumenten die Verwaltungsstruk-
turen im jungen muslimischen Staat nach. Zur Sprache der Papyri siehe
auch Khan, Middle Arabic.
1.4 ʿArabiyya, klassisches Arabisch und Fuṣḥā 41

bisher fast ausschließlich von Spezialisten behandelt. Abgesehen


von der großen Bedeutung, die diese Literaturen für die Angehöri-
gen der betreffenden Religionsgemeinschaften hatten, sind sie auch
ein wichtiges Glied in der arabischen Sprachgeschichte. Sie fügen
der Diskussion darum, was eigentlich das klassische Arabisch (oder
die ʿArabiyya) ist, eine interessante Facette hinzu. 43

1.4 ʿArabiyya, klassisches Arabisch und Fuṣḥā


Trotz der oben betonten Notwendigkeit einer historischen Diffe-
renzierung ist es deutlich, daß das Hocharabische in entscheiden-
den Punkten seit seinen Anfängen das gleiche geblieben ist: Phone-
tik, Morphologie, nicht zuletzt die Schrift, der größte Teil der Syntax
und ein guter Teil des Wortschatzes haben sich nicht verändert.
Verschiedene Autoren haben diese „festen Größen“ in Überblicksar-
tikeln beschrieben. Dabei gehen allerdings drei Begriffe durchein-
ander, die alle für diesen Zweck nicht unproblematisch sind: ʿAra-
biyya, klassisches Arabisch und das in der arabischen Tradition
gebrauchte fuṣḥā. Im folgenden ist dargestellt, wie diese Bezeich-
nungen von den verschiedenen Forschern gebraucht werden.

1.4.1 ʿArabiyya
Der Begriff ʿArabiyya (bzw. ʿArabīya) dient als Titel der Beiträge von
Yasir Sulaiman in der Encyclopedia of Arabic Language and Lingui-
stics (2006) und von Fleisch / Wehr / Rabin / Marçais / Gibb in der
Encyclopaedia of Islam (2. Aufl.). Außerdem hat Johann Fück 1950
eine vielzitierte Monographie mit diesem Titel veröffentlicht. Einge-
führt wurde der Begriff von Karl Vollers, der damit diejenige Form
des Arabischen meinte, die die arabischen Grammatiker in ihren
Werken festhalten. 44 Spätere Forscher definierten den Begriff unter-
schiedlich.
In allen Beiträgen wird auf die diachronen Veränderungen in-
nerhalb der Sprache hingewiesen. Dennoch ist charakteristisch für
den Begriff ʿArabiyya, der ja nichts anderes darstellt als das arabi-
____________________

43 Siehe Graf, Geschichte der christlichen arabischen Literatur. Zur jüdisch-


arabischen Literatur siehe z. B. Brody, The Geonim of Babylonia, sowie die
Encyclopedia of Jews in the Islamic World (www.brillonline.com).
44 Vollers, Volkssprache und Schriftsprache im alten Arabien, 7: „Innerhalb
dieser Grenzen (…) liegt für die Philologen das Gebiet der ʿArabîya, der von
ihnen anerkannten und beschriebenen arabischen Sprache.“
42 Entwicklung der klassischen arabischen Sprache

sche Wort für „das Arabische“, daß er die historischen Verhältnisse


im Prinzip offenläßt und die arabische Sprache als ein Kontinuum
darstellt. Es lehnt sich damit z. T. an die arabische Tradition an.
Außerdem schwingt in ihm die religiöse Dimension der Sprache
mit, sowie auch das Problem der Dichotomie zwischen Schriftspra-
che und Dialekt. Manche schließen die Dialekte in die ʿArabiyya mit
ein, andere meinen damit nur die Schriftsprache, Fück sogar nur die
vor- und frühislamische Sprache.
Nach der ersten, weiter gefaßten Definition könnte man etwas
vereinfacht sagen, ʿArabiyya bezeichnet das, was ein Muttersprach-
ler des Arabischen assoziiert, wenn er seine Sprache benennt, näm-
lich „the Arabic language in all its forms“, so im Artikel „ʿAra-
biyya“ in EI2. In der engeren Definition ist ʿArabiyya der Oberbegriff
für die arabische Schriftsprache aller Epochen im Gegensatz zur
dialektalen Umgangssprache. So versteht es Retsö, wenn er sagt:
„The spoken varieties have several features in common, contrasting
them with the Arabiyya”. 45 ʿArabiyya entspricht in diesem Ver-
ständnis dem Begriff fuṣḥā, den die Araber verwenden, wenn sie die
Hochsprache im Gegensatz zu den Dialekten (ʿāmmiyya ‚Volksspra-
che‘) bezeichnen. Auch bei fuṣḥā wird ein universelles System im-
pliziert, das nicht zeitlich festgelegt ist.

1.4.2 Klassisches Arabisch


Die Bezeichnung klassisches Arabisch, mit der wir oben die Sprache
der Epoche von den Anfängen bis zur Nahḍa benannt hatten, wird
oft gleichbedeutend mit dem Begriff ʿArabiyya gebraucht, also auf
die hocharabische Sprache schlechthin angewandt. Dadurch wird
in Anlehnung an die arabischen Grammatiker impliziert, daß die
heute gebrauchte Schriftsprache im Grunde mit der historischen
klassischen Sprache identisch ist. Wolfdietrich Fischer formuliert
dies in der Encyclopedia of Arabic Language and Linguistics so:
„Classical Arabic designates that form of Arabic which was de-
scribed by the Arab grammarians of the 8th century and called
by them al-ˤarabiyya (…) Western scholars call it Classical Ara-
bic to differentiate it from the Arabic vernaculars of the neo-
Arabic type (…) In the process of describing Classical Arabic, the
Arab grammarians standardized the language, and in this stand-
ardized form it became the official language of Islamic civiliza-
____________________

45 Retsö, Thoughts about the Diversity of Arabic.


1.4 ʿArabiyya, klassisches Arabisch und Fuṣḥā 43

tion and later on the written standard language of the Arabic


speaking world. From that time to the present, Classical Arabic
has remained outwardly almost unchanged.” 46
Was Fischer hier beschreibt, ist die typische Sicht der arabischen
Grammatiker. Liest man den letzten Satz nur oberflächlich, kann
man den Eindruck erhalten, heutzutage wäre noch immer dasselbe
klassische Arabisch im Gebrauch wie vor 1200 Jahren. Zwar ist es
nicht falsch, die Sprache als „outwardly almost unchanged“ zu be-
zeichnen, denn Schrift, Aussprache, grammatische Formen und
sehr viele Wörter sind gleich geblieben. Doch wie steht es um die
Verständlichkeit? Schon zur Abbasidenzeit hatten die Menschen
Schwierigkeiten, die altarabische Dichtung der Beduinen zu verste-
hen; um wieviel größer ist dann die Kluft zwischen den Arabern
früherer Epochen und den heutigen Sprechern! Ein heutiger Leser,
der nur an das moderne Hocharabisch gewöhnt ist, wird, mit klassi-
schen Texten konfrontiert, sofort merken, daß hier „irgend et-
was“ anders ist. Je nach Textsorte und Stil kann es vorkommen, daß
auch für Muttersprachler diese Texte unverständlich sind. Während
viele erzählende Prosatexte heute noch allgemein verständlich sind,
sind es die klassische Dichtung oder auch wissenschaftliche und
philosophische Texte oft nicht. Wenn dennoch ein arabischer Mut-
tersprachler heute in der Lage ist, diese Texte zu lesen, so ist das das
Resultat von Übung und Gewöhnung und sagt zunächst nichts dar-
über aus, wie nahe sich die verschiedenen Sprachstufen stehen. Vor
allem die großen Veränderungen im Bereich des Wortschatzes und
der Phraseologie, sei es durch Neubildungen, Außer-Gebrauch-
Kommen oder Bedeutungsverschiebungen, werden vernachlässigt,
wenn man sagt, das klassische Arabisch sei bis heute „outwardly
almost unchanged“. Natürlich war sich Fischer der historischen
Entwicklung der Sprache bewußt, wie in seinem Artikel „Die Perio-
den des klassischen Arabisch“ nachzulesen ist. Doch die Verwen-
dung dieser Bezeichnung in so universeller Weise und gleichbedeu-
tend mit ʿArabiyya ist zumindest mißverständlich.

____________________

46 Fischer, Art. Arabiyya. Ganz ähnlich drückt sich Carter im Oxford Hand-
book of Arabic Linguistics (S. 4) aus: „It is remarkable that what today is for
some the form of Arabic – the ʕArabiyya, or the Fuṣħaa, popular known as
Standard of Modern Standard Arabic – is by and large identical to the form
of Arabic broadly described by the late 2nd-/ 8th-century grammarian
Sibawaih.”
44 Entwicklung der klassischen arabischen Sprache

Auch Jan Retsö gebraucht in dem Beitrag „Classical Arabic“ im


Handbuch The Semitic Languages „klassisches Arabisch“ und „ʿAra-
biyya“ synonym. Er macht aber deutlich, daß er sich nur auf diejeni-
gen sprachlichen Phänomene bezieht, die sich tatsächlich durch die
Jahrhunderte nicht verändert haben, und weist zugleich darauf hin,
daß die konkrete Ausformung der Sprache jeweils sehr unterschied-
lich sein konnte. Mit anderen Worten: Er stellt den unveränderten
Kern des Hocharabischen dar, läßt aber dabei Raum für historische
Variation:
„Classical Arabic, or more properly the Arabiyya according to the
wide definition, is thus a large complex with considerable varia-
tion represented by the language of the old poetry, the Qurʾān,
the classical norm, and Modern Standard Arabic. Its common
features are the morphological structure, basic syntactic pat-
terns and a basic vocabulary.” 47
Dementsprechend bezeichnet Retsö die behandelte Sprache inner-
halb des Artikels durchweg als ʿArabiyya, nicht als klassisches Ara-
bisch, wie es in der Überschrift steht. Er legt den Schwerpunkt auf
die Beschreibung des grammatischen Standards, wie ihn die ein-
heimischen Grammatiken vorgeben, ohne sich ausdrücklich auf
eine bestimmte Sprachstufe zu beziehen: „The subject of this survey
will be the classical system. The language of the whole corpus could
be called by another designation.” 48 Als Beispiele dienen Sätze aus
dem modernen Sprachgebrauch.
Eine ähnliche Darstellung gibt Adolf Denz im Grundriß der Ara-
bischen Philologie im Kapitel „Die Struktur des klassischen Ara-
bisch“. Auch er will unter Ausblendung der diachronen Variation,
„die Struktur dieser Sprache strikt strukturalistisch beschreiben“
(S. 59), läßt aber dabei das moderne Hocharabisch außen vor. Auch
den Begriff ʿArabiyya, der eine Allgemeingültigkeit der Regeln im-
plizieren würde, gebraucht er nicht. Sein Gegenstand ist „diejenige
Sprachform des Klassischen Arabisch, die sich im 7. und 8. Jh.
n. Chr. herausgebildet hat und die auch von den arabischen Natio-
nalgrammatikern als klassischer Standard betrachtet wird“ (ebd.).
Dies spiegelt sich vor allem in den zahlreichen authentischen Bei-
spielen im Bereich der Syntax wieder. Hier liegt somit eine Be-
schreibung der Sprache für einen konkret definierten Zeitraum der
____________________

47 Retsö, Classical Arabic, 783.


48 Ebd.
1.4 ʿArabiyya, klassisches Arabisch und Fuṣḥā 45

arabischen Literatur vor. Die Frage, inwieweit die hier gültigen Re-
geln sich auf andere Sprachstufen übertragen lassen, wird nicht
erörtert, da eine diachrone Betrachtung ausdrücklich nicht ange-
strebt ist. Insofern ist hier der Begriff „klassisches Arabisch“ ange-
bracht.

1.4.3 Fuṣḥā
In den philologisch ausgerichteten Arbeiten zur Grammatik des
Arabischen steht bei westlichen Forschern am Anfang stets die
Frage nach dem Korpus: Auf welche konkrete Sprachform soll sich
die Beschreibung beziehen, welche Belege werden herangezogen?
Dabei kann durchaus angestrebt sein, nur die konstanten Elemente
zu beschreiben und die diachrone Variation, die ja verglichen mit
anderen Sprachen sehr gering ist, außen vor zu lassen, wie es Retsö
in dem o. g. Beitrag macht. Dennoch liegt in den meisten Arbeiten
das Bewußtsein zugrunde, daß sich die Sprache immer in einer
konkreten Form präsentiert, nicht als abstrakte Größe. Da sich aber
diese konkreten Formen durch die Jahrhunderte hindurch und
auch je nach Genre und Gebrauchsbereich der Sprache verändert
haben, folgt hieraus ein Evolutionsmodell, das die westlichen For-
scher für das Arabische wie für alle anderen Sprachen annehmen –
„une vision discontinuiste de l’arabe“, wie es Pierre Larcher formu-
liert. 49 Man geht davon aus, es mit verschiedenen Stufen oder For-
men des Arabischen zu tun zu haben, die sich im Laufe der Zeit
jeweils aus einem vorhergehenden Stadium entwickelt haben.
Der Begriff fuṣḥā stellt hierzu den Gegenentwurf dar. Die arabi-
schen Grammatiker betrachten das Arabische in all seinen Erschei-
nungsformen als Kontinuum. Es ist ihnen bewußt, daß es in vielen
Variationen auftreten kann, die sich irgendwo zwischen Hochspra-
che und Dialekt, zwischen vollkommener Regelhaftigkeit und weit-
gehender Mißachtung der Regeln bewegen, aber es handelt sich
doch um ein und dieselbe Sprache, an die als Maßstab nur ein ein-
ziges Regelsystem angelegt werden kann, nämlich die arabische
Grammatik schlechthin. Nur an dieser dürfen alle Äußerungen in
arabischer Sprache gemessen werden. Von diesem Standpunkt aus
ist es unmöglich, die Richtigkeit sprachlicher Phänomene von dem
Zusammenhang ihres Auftretens abhängig zu machen, etwa indem
____________________

49 Larcher, Al-lugha al-fuṣḥâ, 21. Der Artikel gibt Aufschluß über die histori-
sche Entwicklung des Begriffes fuṣḥā und seine Verknüpfung mit religiösen
Dogmen. Hierzu auch Ayoub, Art. Faṣīḥ.
46 Entwicklung der klassischen arabischen Sprache

man eine bestimmte Form im „modernen Hocharabisch“ für richtig


erklärt, während sie im „klassischen Hocharabisch“ falsch ist, oder
gar indem man feststellt, etwas sei im Hocharabischen falsch, im
Dialekt aber richtig. Dialektale Grammatik gilt, wenn sie von der
hochsprachlichen abweicht immer als falsch. 50
Fuṣḥā bezeichnet also das Ideal der grammatisch richtigen, in
Wortschatz und Idiomatik reinen und in der Aussprache korrekten
arabischen Hochsprache. Dieses Ideal, wie es von den alten Gram-
matikern beschrieben wurde, ist unveränderlich und gilt bis heute.
Der Begriff fuṣḥā zielt in zwei Richtungen:
a) Unterscheidung der Hochsprache von der dialektalen Umgangs-
sprache (ʿāmmiyya, dāriǧa). Mit der faktischen Zweiteilung des
Arabischen haben sich die Grammatiker von Anfang an auseinan-
dergesetzt. Die westliche Forschung bezeichnet das Phänomen seit
Ferguson (1959) als Diglossie. Dabei gibt es einen wichtigen Unter-
schied in der Herangehensweise: die westlichen Wissenschaftler
betrachten das Hocharabische und die Dialekte als verschiedene
Idiome, die je für sich studiert und zueinander in Beziehung gesetzt
werden können. Für die arabischen Grammatiker ist dagegen
ʿāmmiyya keine eigenständige, um ihrer selbst willen zu erfor-
schende Einheit, sondern eine Abweichung von der fuṣḥā. Ihr wird
nicht der Status einer Sprache zugestanden, und die Beschäftigung
mit ihr ist nur von Interesse, sofern sie dazu dient, Fehler in der
fuṣḥā auszumerzen.
b) Beurteilung der Richtigkeit hochsprachlicher Äußerungen. Das
Adjektiv faṣīḥ bezog sich zunächst nur auf Personen und bedeutete
‚klar, verständlich‘. Später erhielt es von den Grammatikern die
Bedeutung ‚sprachlich rein‘, womit das „reine“ Arabisch vom „un-
reinen“ abgegrenzt wurde. Bekannt ist der Ausspruch des Mose: wa-
ʾaḫī Hārūnu ʾafṣaḥu minnī lisānan ‚Mein Bruder Aaron ist von klare-
rer Zunge als ich‘ (Q 28,34). Der Grammatiker ʾAḥmad b. Fāris (gest.
1004) stellt in Anlehnung hieran klar:
ً َ َْ َ ‫( َأ ﱠن ُﻗ َﺮْي ًﺸﺎ َأ ْﻓ‬...) ‫اﻟﻌ َﺮب‬
َ ‫� ُح‬ ُ َُ َ َ ْ َ
َ ‫ﻤﺎؤﻧﺎ ﺑ َﻜﻼم‬
‫اﻟﻌ َﺮ ِب أﻟ ُﺴﻨﺔ‬ ِ ِ ِ ‫أ ﺟ ﻤ ﻊ ﻋﻠ‬
ً ُ ْ ‫َوأ‬
.‫ﺻﻔﺎهﺎ ﻟ َﻐﺔ‬
„Unsere mit der Rede der Araber befaßten Gelehrten (…) sind
____________________

50 Zu diesem Thema Diem, Hochsprache und Dialekt.


1.4 ʿArabiyya, klassisches Arabisch und Fuṣḥā 47

sich einig, daß die Quraiš diejenigen Araber mit den klarsten
Zungen und der reinsten Redeweise sind. 51
In beiden Fällen wird das Adjektiv in der Elativform gebraucht, d. h.
man vergleicht zwischen verschiedenen Graden sprachlicher Rein-
heit. Das Wort fuṣḥā ist die feminine Form des Elativs; es ist wohl
verkürzt aus al-luġa al-fuṣḥā ‚die sehr reine / reinstmögliche Rede-
weise‘. Darin drückt sich ein entscheidendes Charakteristikum der
arabischen Sprachbetrachtung aus: fuṣḥā ist das höchststehende,
das eigentliche Arabisch, das Ideal an dem sich jede sprachliche
Äußerung zu messen hat. Wie nahe man dem Ideal kommt, ist eine
graduelle Frage. Es gibt Äußerungen, von denen man eindeutig
sagen kann, ob sie faṣīḥ sind oder nicht, doch auch Abstufungen
sind häufig, so daß z. B. eine bestimmte Form ʾafṣaḥ ‚reiner, richti-
ger‘ sein kann als eine andere.
Nur wenige arabische Wissenschaftler befürworten heute eine
Einteilung der Hocharabischen nach Epochen oder Stilebenen, da
dies der tief verwurzelten Vorstellung von der Einheit der Sprache
zu widersprechen scheint. Das Wort fuṣḥā ist auf das engste mit
dieser Sichtweise verbunden, so daß es als Fachterminus bei der
philologischen, historisch orientierten Beschreibung des Arabi-
schen ausscheidet. 52

1.4.4 Vorschlag zur Terminologie


Auch die Begriffe ʿArabiyya noch klassisches Arabisch bringen nicht
genug Klarheit, wenn man beabsichtigt, die epochenübergreifenden
sprachlichen Merkmale der arabischen Schriftsprache zu beschrei-
ben. ʿArabiyya ist als kulturgeschichtliches Schlagwort geeignet, die
arabische Hochsprache in ihrer einzigartigen Komplexität zwischen
lingua sacra und modernem Kommunikationsmittel zu umreißen.
So skizziert unter dieser Überschrift Yasir Sulaiman in der Encyclo-
pedia of Arabic Language and Linguistics sehr aufschlußreich die
kulturgeschichtliche Rolle der arabischen Sprache von den Anfän-
____________________

51 Ibn Fāris, aṣ-Ṣāḥibī, 28. Luġa bedeutete nicht wie im modernen Hochara-
bisch allgemein ‚Sprache‘ sondern bezeichnete unterschiedliche Redewei-
sen, also Varianten innerhalb einer Sprache.
52 Larcher, Al-lugha al-fuṣḥâ, 30, bezeichnet den Begriff fuṣḥā als „idéolingui-
stique“, da er gleichermaßen von Ideologie wie von Linguistik bestimmt
sei. Einer der wenigen arabischen Wissenschaftler, der sich mit einer diffe-
renzierten Einteilung der fuṣḥā beschäftigt hat, ist al-Sayyid Badawī, Mu-
stawayāt al-ʿArabiyya fī Miṣr.
48 Entwicklung der klassischen arabischen Sprache

gen bis heute. Doch läßt, wenn man diesen Begriff so weit faßt und
ihn nicht historisch differenziert, die terminologische Schärfe zu
wünschen übrig. Wenn auch der Vergleich nicht in jeder Hinsicht
paßt, so ist es doch so ähnlich wie wenn man den ganzen Komplex
der französischen Sprache mit dem Fachbegriff Le français bezeich-
nete. Man hätte damit ein Feld abgesteckt, aber für die diachrone
Analyse kaum etwas gewonnen. Strebt man danach, die historische
Entwicklung der Sprache im Detail nachzuvollziehen, kann der
Begriff ʿArabiyya sogar ein Hindernis sein. Das in ihm mitschwin-
gende Dogma von der Unveränderlichkeit der Sprache steht einer
objektiven Untersuchung der Quellen der verschiedenen Epochen
und Textsorten im Weg. Eine treffende Verwendung wäre allenfalls
die nach der Definition von Vollers, nämlich zur Bezeichnung des
von den Grammatikern beschriebenen Idealbildes der Sprache.
Für die linguistische Abgrenzung der einzelnen Epochen sollte
man nach einer neutralen Terminologie suchen. Die arabische
Hochsprache in ihrer Gesamtheit könnte man mit Hocharabisch
(engl. Standard Arabic) bezeichnen. Soweit ich sehe, ist dieser Be-
griff auf keine bestimmte Zeit festgelegt und entspricht damit etwa
dem arabischen fuṣḥā. Man kann ihn dann bei Bedarf zeitlich ein-
grenzen, z. B. als klassisches Hocharabisch (engl. Classical Standard
Arabic) gegenüber Neuhocharabisch (engl. Modern Standard Arabic,
jenes wieder gliederbar in Early Modern Standard Arabic und Con-
temporary Modern Standard Arabic). Die ʿArabiyya in der weiteren
Definition kann man ohne Verlust einfach die arabische Sprache
nennen. Dieser Begriff ist ebenso offen wie der erstgenannte, ver-
schleiert diese Tatsache aber nicht.
Gegenstand der einheimischen arabischen Grammatiken, die im
folgenden Kapitel vorgestellt werden, ist nach dieser Einteilung die
Grammatik des Hocharabischen, d. h. die Regeln, von denen man
annimmt, daß sie für die arabische Schriftsprache durch alle Zeiten
hindurch gültig sind.

Die Verbkonjugation
in der arabischen Grammatiktradition

Die Methodik der arabischen Grammatiker soll anhand der Verb-


konjugation veranschaulicht werden. Hierzu wird zunächst die
heute an arabischen Schulen und Universitäten übliche Vorge-
hensweise dargestellt, um einen ersten Überblick zu gewinnen.
Dafür wurden Grammatiken berücksichtigt, die etwa innerhalb der
letzten 100 Jahre entstanden sind. In Kapitel 4 wird ergänzend hier-
zu die Sichtweise der frühen Grammatiker, vor allem die des Sība-
waih untersucht.

2.1 Grundlagen
Bei den in diesem Kapitel herangezogenen Grammatiken handelt es
sich zum größten Teil um Lehr- und Nachschlagewerke für den
praktischen Gebrauch, nicht um wissenschaftliche Betrachtungen.
Eine Ausnahme ist an-Naḥw al-wāfī von ʿAbbās Ḥasan, das nicht
zum vorrangigen Ziel hat, die Regeln didaktisch aufgearbeitet dar-
zustellen, sondern ausdrücklich für das Sprachstudium an Universi-
täten geschrieben ist. Als Grundlage des folgenden Abschnittes
dienen:
Nāfiʿ ʿAbdallah: al-Marǧaʿ fī n-naḥw al-ʿarabī, Beirut 2001.
Muṣṭafā Ġalāyīnī: Ǧāmiʿ ad-durūs al-ʿarabīya. mausūʿa fī ṯalāṯa
ʾaǧzāʾ, 39. Druck, Beirut 2001 (1. Aufl. Beirut 1912).
ʿAlī al-Ǧārim und Muṣṭafā ʾAmīn: an-Naḥw al-wāḍiḥ fī qawāʿid al-
luġa al-ʿarabīya, Kairo 1984 (1. Aufl. Kairo 1938).
ʿAbbās Ḥasan: an-Naḥw al-wāfī, maʿa rabāṭihi bi l-ʾasālīb ar-rafīʿa, wa
l-ḥayāt al-luġawīya al-mutaǧaddida, 4. Aufl., Kairo 1973–1975.
Fuʾād Niʿma: Mulaḫḫaṣ qawāʿid al-luġa al-ʿarabīya, 9. Aufl., Kairo
ohne Jahr (1. Aufl. Kairo 1973).

49
50 Die Verbkonjugation in der Grammatiktradition

Die arabischen Beispielsätze sind mit einer interlinearen Überset-


zung versehen, in der jedes Wort in seine grammatischen Bestand-
teile aufgespalten wird. Man nennt diese Methode Glossierung
(engl. glossing), ihre Grundregeln sind in den Leipzig Glossing Rules
zusammengestellt. 1 Die Übersetzung besteht aus in normaler Schrift
geschriebenen Wörtern, die die lexikalische Bedeutung des zu ana-
lysierenden Wortes wiedergeben, und aus abgekürzten Termini für
die grammatischen Kategorien. Folgende Abkürzungen werden
gebraucht:
1 1. Person
2 2. Person
3 3. Person
A/S Akkusativ / Subjunktiv (Konjunktiv); arab. naṣb,
a-Endung
AKK Akkusativ
AKT aktiv
APK Apokopat, arab. ǧazm, Ø-Endung
DIM Diminutiv
DEM Demonstrativum
DEF definit
DU Dual
ELAT Elativ
F Femininum
GEN Genitiv; arab. ǧarr, i-Endung
IND Indikativ
IPF Imperfekt
IDEF indefinit
M Maskulinum
NEG Negation
N/I Nominativ / Indikativ; arab. rafʿ, u-Endung
NOM Nominativ
PF Perfekt
PL Plural
PT Partizip
SG Singular
Um die verschiedenen Bestandteile der Wörter voneinander abzu-
grenzen, werden in der Transkription und Glossierung folgende
Zeichen verwendet:
____________________

1 Siehe: www.eva.mpg.de/lingua/resources/glossing-rules.phpt.
2.1 Grundlagen 51

(.) für grammatische Informationen, die in einem Wort enthalten


sind, ohne daß dafür ein konkretes Element abgeteilt werden
kann (nur in der Glossierung, z.B. bei kataba: schreiben.PF)
(·) für Elemente, denen keine syntaktische Funktion zugewiesen
wird, z. B. der Artikel al· in al·bait⸗u ‚das Haus‘ und das Imper-
fektpräfix ya· in ya·ktub⸗u ‚er schreibt‘
(⸗) für die Kasusendungen der Nomen und die Modusendungen der
Verben, wie etwa das ⸗u in al·bait⸗u ‚das Haus‘ und das ⸗u in
ya·ktub⸗u ‚er schreibt‘
(-) für Elemente, die zwar orthographisch zusammengeschrieben
werden, aber in der Satzanalyse wie zwei getrennte Wörter be-
handelt werden, z.B. die Präposition li- in li-l·walad⸗i ‚für den
Jungen‘
Ziel der Transkription ist es, die Wort- und Satzanalyse so darzustel-
len, daß daraus die Methode der arabischen Grammatiker sichtbar
wird. Die hier zunächst in aller Kürze genannten Prinzipien werden
im Laufe des Kapitels ausführlich erklärt.
Da sich diese von der in der europäischen Sprachwissenschaft
üblichen Methode in einigen Punkten grundsätzlich unterscheidet,
sieht die Segmentierung und Glossierung der Formen anders aus,
als in Arbeiten, die vom europäischen Modell ausgehen. 2 Dies liegt
vor allem an der unterschiedlichen Herangehensweise an die Syn-
tax. Diese zeichnet sich durch zwei Merkmale aus: Für die arabi-
schen Grammatiker ist ein Satz strengstens linear aufgebaut, d. h.
die steuernden Elemente stehen zuerst, und die von ihnen abhängi-
gen müssen ihnen nachfolgen. So ist die Reihenfolge des Verbalsat-
zes stets: Verb – Subjekt (z. B. kataba l·walad⸗u ‚der Junge schrieb‘).
Die einzelnen Satzglieder können – in dieser Theorie – nicht inner-
halb des Satzes verschoben werden. Die Reihenfolge Subjekt – Verb
(also al·walad⸗u kataba) kommt zwar praktisch durchaus vor, doch
wird die Satzanalyse dann so eingerichtet, daß formell doch die
Reihenfolge Verb – Subjekt eingehalten wird. 3 Es gibt keine Vorstel-
lung einer hierarchischen Satzstruktur, bei der auf verschiedenen
Ebenen Verschiebungen zugelassen sind.

____________________

2 Im Kapitel 5 wird die „westliche“ Glossierung benutzt, siehe die Erläute-


rung im Abschnitt 5.2.3. Dort dienen die Striche (⸗ und -) dazu, Morpheme
abzutrennen. Die arabischen Grammatiker kennen dagegen den Begriff
des Morphems nicht.
3 Siehe hierzu 2.1.2.
52 Die Verbkonjugation in der Grammatiktradition

Ein weiteres Kennzeichen ist die strenge Unterscheidung zwi-


schen den buchstäblich sichtbaren Elementen eines Satzes und den
ange impliziten. Die Analyse erfolgt zunächst rein mechanisch nach den
nom tatsächlich sichtbaren Wörtern und Buchstaben. Einige Bestandtei-
men le der Verbformen, die nach westlichem Verständnis als gebundene
Morpheme gelten, sind bei den arabischen Grammatikern eigen-
ständige syntaktische Elemente und werden nicht als Teil des Verbs
angesehen, etwa die Personalsuffixe der Perfektformen in der 1. und
2. Person (katab-tu, katab-ta). Andere Teile der Verbformen werden
hingegen in der Formen- und Satzanalyse gar nicht berücksichtigt,
obwohl sie sich nach westlichem Verständnis eindeutig abteilen
und einer Bedeutung zuordnen ließen. Dies betrifft insbesondere
die Personalpräfixe der Imperfektformen (z. B. ya·ktub, ta·ktub), da
sie – bedingt durch ihre Position vor dem Kern des Verbs – die strik-
te syntaktische Struktur, die die arabischen Grammatiker anneh-
men (Verb – Subjekt), durcheinanderbringen würden. Beispiele
hierfür folgen unten.
Es kommen vier verschiedene Zeichen zum Einsatz, um anzu-
zeigen, welche Funktion die arabischen Grammatiker den einzel-
nen Bestandteilen der Wörter zuordnen. Der entscheidende Unter-
schied zu den westlichen Grammatikern ist, daß die Araber nicht
den Begriff der Morphologie kennen! Alles dreht sich darum, die
Wörter und ihre einzelnen Bestandteile in das Schema der Syntax
einzuordnen. Die hier erläuterten Zeichen veranschaulichen daher
den syntaktischen Status der verschiedenen Elemente. 4
Ist eine grammatische Kategorie in einer Form impliziert, ohne
daß dafür ein konkretes Element abgeteilt werden kann, wird dies
durch einen Punkt (.) ausgedrückt:
(1) ṭullāb
Student.PL
‚Studenten‘
(2) kataba
schreiben.PF
‚er schrieb‘
Europäische Grammatiker würden letztere Form als katab-a analy-
sieren und das -a als Personalsuffix der 3. m. Sg. deuten. Dies sehen
die arabischen Grammatiker nicht so. Für sie ist kataba die Grund-
____________________

4 Siehe im Kontrast hierzu die westliche Morphologie (Punkt 5.2.3).


2.1 Grundlagen 53

form des Verbs, die nicht weiter gegliedert werden kann. Sie ist
zunächst nicht auf eine Person festgelegt. Nur wenn kein Suffix
hinzukommt, tritt als Default-Bedeutung die 3. m. Sg. ein.
Mit einem Hochpunkt (·) werden Elemente gekennzeichnet, die
dem Kern eines Wortes vor- oder nachgestellt sind, aber in der syn-
taktischen Analyse in aller Regel nicht erwähnt werden. Ein solches
Element nimmt nach arabischem Verständnis in der Syntax keine
Stelle ein (lā maḥalla lahu mina l-ʾiʿrāb):
(3) ya·ktub⸗u ʾAḥmad⸗u
3.M·schreiben. IPF⸗N/I ʾAḥmad⸗N/I
‚Aḥmad schreibt‘
(4) kataba·t Fāṭima·t⸗u
schreiben.PF·F Fāṭima·F⸗N/I
‚Fāṭima schrieb.‘
Auch dem Artikel al· wird keine eigenständige Rolle in der Syntax
eingeräumt. Ob ein Wort bestimmt oder unbestimmt ist, spielt für
die Satzanalyse keine Rolle:
(5) al·bait⸗u
DEF·Haus⸗N/I
‚das Haus‘
Alle mit Hochpunkt abgetrennten Prä- und Suffixe werden von den
Grammatikern als ḥarf ‚Buchstabe‘ klassifiziert. Sie werden als inte-
graler Bestandteil des Wortes angesehen und nicht an einem kon-
kreten syntaktischen Platz lokalisiert. Sie beeinflussen die Bedeu-
tung des Wortes in bestimmter Weise, aber haben keinen Einfluß
auf die Satzanalyse. Dies fällt besonders bei der Form ya·ktub⸗u ins
Auge, die nach europäischem Verständnis mit einem Personalpräfix
beginnt, das sich funktionell nicht von den Personalsuffixen unter-
scheidet, die in den Perfektformen verwendet werden (z. B. katab-
tu). Die Araber ordnen dagegen diese beiden Affixe in völlig ver-
schiedene Klassen ein. Die Präfixe der Imperfektformen werden
nicht als syntaktische Einheiten angesehen und daher in der gram-
matischen Analyse, die sich fast ausschließlich für die Syntax inter-
essiert, meist schlicht übergangen (siehe Kap. 2.2).
Ein Doppelstrich (⸗) kennzeichnet die je nach Satzkontext ver-
änderlichen Kasusendungen (bei Nomen) und Modusendungen
(bei den Imperfektformen des Verbs). Nach arabischer Terminolo-
gie nennt man diese Endungen ʾiʿrāb:
54 Die Verbkonjugation in der Grammatiktradition

(6) al·muʿallim⸗u
Lehrer⸗N/I
‚der Lehrer‘
(7) ta·ktub⸗u
2·schreiben.IPF⸗N/I
‚du (m.) schreibst‘
Diese korrekt zu bestimmen ist eines der Hauptanliegen der arabi-
schen Grammatiker. Es handelt sich dabei hauptsächlich um die
kurzvokalischen Wortendungen ⸗u, ⸗i und ⸗a, die in der arabischen
Konsonantenschrift nicht mitgeschrieben und nur bei Bedarf mit
den Vokalzeichen ‫ــُـ‬, ‫ ـــِـ‬und ‫ ــَـ‬markiert werden.
Ein Bindestrich (-) kennzeichnet Elemente, die zwar zusam-
mengeschrieben sind, aber verschiedene syntaktische Rollen ein-
nehmen. Die Grammatiker behandeln sie bei der Satzanalyse wie
getrennte Wörter. Wichtigstes Beispiel sind die Personalsuffixe der
Verben, die nicht als Teil des Verbs, sondern als ein eigenständiges
Element aufgefaßt werden. Sie werden in ihrer ganz konkreten
Form als das Subjekt betrachtet: 5
(8) katab-tu
schreiben.PF-ich
‚ich schrieb‘
Auch die Objektsuffixe gehören hierzu:
(9) katab-tu-hu
schreiben.PF-ich-ihn
‚ich schrieb ihn‘
Ein weiteres Beispiel sind die Präpositionen bi- und li-:
(10) li-l·walad⸗i
für-DEF·Junge⸗GEN
‚für den Jungen‘
____________________

5 Die arabischen Grammatiker kennen nicht die Kategorie des Morphems.


Es stehen ihnen zur Bezeichnung der mit (-) abgetrennten Elemente nur
die Einheiten ḥarf (‚Buchstabe‘) und kalima (‚Wort‘) zur Verfügung. Da die-
se Elemente allesamt eine Bedeutung tragen, sind sie mehr als nur Buch-
staben, müssen also als Wörter gelten. Dies führte die Grammatiker zu der
Frage, was eigentlich als Wort anzusehen sei – die gesamte orthographi-
sche Einheit (katabtu) oder aber die einzelnen syntaktischen Bestandteile
(katab- und -tu)? Siehe Giuliano / Bettini (Hrsg.), The Word in Arabic.
2.1 Grundlagen 55

Wie eingangs erwähnt, richtet sich diese Glossierung nach den Ein-
teilungskriterien der arabischen Grammatiker. Das bedingt einige
Schwächen, die daher rühren, daß sich die Eigenart des arabischen
Schriftsystems nicht vollkommen auf die lateinische Schrift über-
tragen läßt, vor allem beim Verhältnis von Konsonanten und Voka-
len. Die kleinste Einheit, mit der in der die Grammatiker operieren,
ist der Buchstabe (ḥarf), d. h. der sichtbare Konsonant. Die Vokale
sind den Konsonanten nachgeordnet: man gibt normalerweise an,
welcher Vokal auf einen Konsonanten folgt (bzw. in der Schrift über
ihm steht), aber nicht, welcher ihm vorausgeht. Ein sprachliches
Segment kann daher nur mit einem Konsonanten beginnen. In der
Umschrift führt das an einigen Stellen zu ungünstigen Segmentie-
rungen, die aber um der Beibehaltung des Systems Willen in Kauf
genommen werden:
(11) kataba·t(i) t·tilmīḏa·t⸗u
schreiben.PF·F DEF·Schüler·F⸗N/I
‚die Schülerin schrieb‘
In beiden Fällen würden wir aus westlicher Perspektive das Suffix
-at als Bildeelement annehmen (katab·at und at·tilmīḏ·at⸗u). Für die
arabischen Grammatiker ist hingegen als Femininum-Kennzeichen
nur das buchstäblich sichtbare ·t von Interesse (genannt tāʾ at·
taʾnīṯ); das a wird dem davor stehenden Wort zugerechnet.

2.1.1 Die Hauptgebiete der arabischen Grammatik: ṣarf und naḥw


Aus den genannten Beispielen geht bereits ein Hauptkennzeichen
der arabischen Grammatiktradition hervor: ihre starke, formalisti-
sche Ausrichtung auf die Syntax. Diese führt dazu, daß sich die Auf-
gabenverteilung zwischen Formenlehre und Syntax anders gestaltet
als wir es aus europäischen Grammatikern gewohnt sind. Am deut-
lichsten wird das bei den unter (8) und (9) aufgeführten Beispielen:
Die Form katabtu würde nach europäischer Terminologie als ein in
sich geschlossenes Wort aufgefaßt werden; das Suffix
-tu zeigt den Bezug auf die 1. Pers. Sg. an, aber verkörpert diese Per-
son nicht konkret. Die Form gilt insgesamt als „Verb“, ihre Zusam-
mensetzung wird im Rahmen der Formenlehre (Morphologie) ab-
gehandelt.
Nach arabischem Verständnis liegen hier hingegen zwei konkret
unterscheidbare syntaktische Einheiten vor: das Verb katab- und
das Nomen -tu. Eine integrale „Verbform“ katabtu gibt es für die
56 Die Verbkonjugation in der Grammatiktradition

arabischen Grammatiker nicht. Die Analyse des Wortes fällt also


nicht in den Bereich Formenlehre, da es personalisierte Verbformen
gar nicht gibt. Eine Formenlehre in dem umfassenden Sinn, wie sie
in den europäischen Grammatiken angewandt wird, kennt die ara-
bische Tradition daher nicht.
Wegen des grundlegenden Unterschieds zwischen der traditio-
nellen arabischen Terminologie und dem europäischen Konzept
von Formenlehre und Syntax, empfiehlt es sich, zur Beschreibung
der arabischen Grammatiktradition die arabischen Begriffe beizu-
behalten. Hier ist der Stoff gegliedert in die Bereiche ṣarf (‚Abwand-
lung‘; auch ʿilm at-taṣrīf ‚Wissenschaft von der Abwandlung‘) und
naḥw (eigentlich: ‚Richtung; Art und Weise‘). Letzterer ist der weit-
aus bedeutendere, daher wird naḥw auch für ‚Grammatik‘ allgemein
gebraucht. Der ṣarf umfaßt die inneren Veränderungen des Wortes,
die auf dessen syntaktische Rolle keine Auswirkungen haben. Der
naḥw behandelt dagegen die Funktion der Wörter im Satzkontext,
und zwar sowohl ihre syntaktischen Beziehung zueinander (wie in
dem o. g. Beispiel katab-tu) als auch die Veränderung Kasus- und
Modusendungen der Wörter entsprechen ihrer Stellung im Satz
(wie die Endung ⸗i im Beispiel li-l·walad⸗i).

2.1.1.1 ṣarf
Die Wortveränderungen die in den Bereich des ṣarf fallen, werden
von den arabischen Grammatikern in zwei Bereiche eingeteilt:
a) Veränderungen der Wortgestalt, die zu einer Bedeutungsverän-
derung führen. Dazu zählen u. a. folgende Formen:
Bildung des Plurals (ǧamʿ):
ُ
(1) ٌ ‫ِﻛ‬
‫ﺘﺎب‬ > ‫ﻛ ُﺘ ٌﺐ‬
kitāb kutub
Buch Buch.PL
‚Buch ‘ ‚Bücher‘

Bildung des Diminutivs (taṣġīr):


َ ُ
(2) ‫ﻓ ْه ٌﺪ‬ > ‫ﻓ َه ْﻴ ٌﺪ‬
fahd fuhaid
Gepard Gepard.DIM
‚Gepard‘ ‚kleiner Gepard‘
2.1 Grundlagen 57

Bildung des Elativs (ism at-tafḍīl):


(3) ٌ ‫َﻗﺮ‬
‫�ﺐ‬ >
ْ
‫أﻗ َﺮ ُب‬
qarīb ʾa·qrab
nah ELAT·nah
‚nah‘ ‚näher‘
Bei der Form ʾa·qrab läßt sich zwar das Bildeelement ʾa· ab-
trennen, doch kommt diesem keine syntaktische Bedeutung
zu. Daher wird es hier mit dem Hochpunkt gekennzeichnet.
Ableitung der Verbformen vom Infinitiv (maṣdar):
ٌَ ََ ْ
(4) ‫ﺘﺎﺑﺔ‬‫ِﻛ‬ > ‫ﻛﺘ َﺐ‬ > ‫َﻳﻜ ُﺘ ُﺐ‬
kitāb·ah kataba ya·ktub
schreiben·F schreiben.PF 3.M·schreiben.IPF
‚das Schreiben‘ ‚er schrieb‘ ‚er schreibt‘
Als Ausgangspunkt der Verbformen wird der Infinitiv be-
trachtet, von ihm wird das Perfekt abgeleitet, von diesem das
Imperfekt (vgl. 4.1).
Ableitung der erweiterten Verbstämme vom Grundstamm, z. B. von
ʿaraḍa ‫‚ ﻋﺮض‬erscheinen, sichtbar werden; vorzeigen‘:
II. ʿarraḍa ّ
‫ﻋﺮض‬ ‚(z. B. etwas der Sonne) aussetzen‘
III. ʿāraḍa ‫ﻋﺎرض‬ ‚sich widersetzen‘
V. taʿarraḍa ‫�ﻌﺮض‬ّ (passiv zu II)
Alle Wortveränderungen, die in diesen Bereich fallen, sind in der
Glossierung mit einem Punkt oder Hochpunkt gekennzeichnet, wie
in „schreiben.PF“ und „ELAT·nah“.

b) Veränderungen der Wortgestalt aus phonetischen Gründen, die


nicht zu Bedeutungsänderungen führen, oft aufgrund schwacher
Buchstaben (w, y) oder emphatischer Buchstaben (ṭ, ḍ ṣ, ẓ), z. B. der
Lautwechsel (ʾibdāl): *iṣtalaḥa → iṣṭalaḥa ‫‚ اﺻﻄ�ح → اﺻﺘ�ح‬einen
ّ und die Assimilation (ʾidġām): *iwtaṣala → ittaṣala
Begriff prägen‘,
‫‚ اﺗـﺼﻞ → اوﺗﺼﻞ‬sich in Verbindung setzen‘.
2.1.1.2 naḥw
Alles, was mit der Funktion der Wörter im Satzkontext zusammen-
hängt, fällt in den Bereich des naḥw. Dies sind zum einen die Regeln
dafür, wie ein Satz aufzubauen ist (siehe Punkt 2.2), und zum ande-
58 Die Verbkonjugation in der Grammatiktradition

ren die Anpassung der Kasus- und Modusendungen entsprechend


der Funktion des Wortes im Satz (siehe Punkt 2.3). Die Kasus- und
Modusendungen werden stets auf neue aus dem syntaktischen
Zusammenhang abgeleitet und nicht als ein integraler Bestandteil
des Wortes verstanden. Ohne Kontext kann die Kasus-/ Modusen-
dung eines Wortes nicht angegeben werden. Das zeigt sich auch
daran, daß ein „Durchdeklinieren“ von Wörtern, wie im Lateinun-
terricht üblich, den arabischen Grammatikern völlig unbekannt ist.
Erst aus dem Zusammenhang wird die Endung ersichtlich, daher
sind abstrakte Bestimmungen von Einzelformen unmöglich.
Diese Herangehensweise wird durch das Schriftbild des Arabi-
schen gestützt: Als Buchstaben gelten nur die Konsonanten; Kurz-
vokale können zwar notiert werden, werden aber nicht als unab-
dingbarer Teil der Schrift betrachtet. Das gilt auch für grammati-
sche Werke und sogar für Wörterbücher. Soll die Vokalisierung
eines Konsonanten klargestellt werden, geschieht dies in klassi- َ
schen Texten durch Umschreibung, indem man z. B. sagt ‫اﻟﺒﺎء‬ ِ ‫ِﺑﻜ ْﺴ ِﺮ‬
bi-kasr⸗i l·bāʾ⸗i ‚mit i auf dem b‘. Auch die kurzvokalischen Kasus⸗
und Modusendungen wurden nur sporadisch ausgeschrieben. Sie
waren also i. d. R. unsichtbar und konnten nur aus dem Kontext
erschlossen werden. Alles, was dazu dient, diese Endungen zu be-
stimmen fällt in den Bereich des naḥw, also die syntaktische Analy-
se und die Bestimmung der Endung im jeweiligen Einzelfall.
Es ist charakteristisch für die arabische Grammatiktradition, daß
sie sich fast ausschließlich an der äußeren Form orientiert und se-
mantische Überlegungen hintanstellt. Dies ist an den Bezeichnun-
gen zu sehen, die für die Kasusendungen der Nomen und die Mo-
dusendungen der Verben gebraucht werden. Sie werden begrifflich
nicht voneinander unterschieden, sondern einfach nach ihrer äuße-
ren Erscheinung benannt: die u-Endung (arab.: rafʿ) kennzeichnet
sowohl den Nominativ der Nomen als auch den Indikativ der Ver-
ben; sie wird daher in der Glossierung mit N/I abgekürzt. Die a-
Endung kennzeichnet den Akkusativ und Subjunktiv (Konjunktiv),
abgekürzt A/S. Die i-Endung (Genitiv) kommt nur beim Nomen vor,
die Vokallosigkeit (Apokopat) nur beim Verb. In der Glossierung
werden die Kasus-/ Modusendungen durch Doppelstrich ange-
schlossen:
al·bait⸗u
DEF·Haus⸗N/I
‚das Haus‘
2.1 Grundlagen 59

Von diesen unterscheiden die Grammatiker die unveränderlichen


Endungen, also die kurzen Vokale im Auslaut eines Wortes, die sich
َ
ُ ُ im Satzkontext verändern, z. B. in ʾaina ‫‚ أﻳﻦ‬wo?‘ und munḏu
nicht
‫‚ ﻣﻨﺬ‬seit‘. Nach europäischer Herangehensweise würden wir diese
als zum jeweiligen Lexem gehörend einordnen und sie nicht weiter
berücksichtigen, die arabischen Grammatiker müssen sie hingegen
im Rahmen des naḥw behandeln, da ausnahmslos bei jedem Wort
die Frage zu beantworten ist, welchen Endvokal es trägt. Dies läßt
sich mit dem arabischen Schriftbild erklären: Auch bei den unver-
änderlichen Wörtern ist die kurzvokalische Endung unsichtbar. Der
naḥw daher muß auch in solchen Fällen erklären, welche Endung
jeweils zu setzen ist, auch wenn diese nicht vom Kontext beeinflußt
wird. In der Glossierung sind der Übersichtlichkeit halber die un-
veränderlichen Endungen nicht gekennzeichnet, sondern stehen
direkt mit dem jeweiligen Wort verbunden.
Die Personalsuffixe der Verben werden nicht als Endungen, son-
dern als selbständige syntaktische Einheiten betrachtet. Wie in der
Einleitung beschrieben, werden sie in der Glossierung mit Binde-
strich gekennzeichnet: katab-tu ‚ich schrieb‘. Beide Elemente wer-
den wie getrennte Wörter analysiert, katab- als Verb und -tu als
Pronomen.

2.1.2 Nominalsatz und Verbalsatz


Von entscheidender Bedeutung für das Verständnis der syntakti-
schen Zusammenhänge ist die Unterscheidung von Nominalsatz
(ǧumla ismīya) und Verbalsatz (ǧumla fiʿlīya). Diese stimmt nicht
mit der Definition überein, die in den europäischen Grammatiken
verwendet wird, wonach jeder Satz mit Verb ein Verbalsatz und
jeder Satz ohne Verb ein Nominalsatz ist.
Ausschlaggebend für die arabischen Grammatiker ist allein der
Satzanfang: Als Nominalsatz gilt jeder Satz, der mit einem Nomen
beginnt (auch wenn später ein Verb folgt!), als Verbalsatz jeder Satz,
der mit einem Verb beginnt. So wird das Beispiel (1) als Verbalsatz
betrachtet, während (2) als Nominalsatz gilt:
ّ ُ ََ
(1) ‫ﻛﺘ َﺐ اﳌ َﻌ ِﻠ ُﻢ‬
‚der Lehrer schrieb‘
kataba l·muʿallim⸗u
schreiben.PF DEF·Lehrer⸗N/I
FIʿL (Verb) FĀʿIL (Täter)
60 Die Verbkonjugation in der Grammatiktradition
ََ ّ ُ
(2) ‫اﳌ َﻌ ِﻠ ُﻢ ﻛﺘ َﺐ‬
‚der Lehrer schrieb‘
al·muʿallim⸗u kataba
DEF·Lehrer⸗N/I schreiben.PF
MUBTADAʾ ḪABAR

Ein Verbalsatz besteht immer aus einem Verb (fiʿl) und einem „Tä-
ter“ (fāʿil) bzw. in passiven Sätzen einem „Stellvertreter des Täters“
(nāʾib fāʿil), sowie aus eventuellen Ergänzungen. Das Verb steht
grundsätzlich an erster Stelle.
Ein Nominalsatz besteht hingegen aus einem Element, über das
eine Aussage gemacht werden soll (genannt mubtadaʾ ‚das Begin-
nende‘), und aus der Aussage (ḫabar ‚Aussage, Nachricht‘). Das
ḫabar kann ein Nomen sein, wie etwa das Adjektiv kabīrun in fol-
gendem Satz:
(3) ٌ ‫اﻟﺒ ْي ُﺖ َﻛ‬
��‫ﺒ‬ َ
‚das Haus ist groß‘
al·bait⸗u kabīr⸗u·n
DEF⸗Haus⸗N/I groß⸗N/I·IDEF
MUBTADAʾ ḪABAR

Das ḫabar kann aber auch ein ganzer Verbalsatz sein, wie im obigen
Satz (2). Man kann diesen noch um ein Objekt erweitern:
َ َ َ َ ُ َّ ُ
(4) ‫اﻟﺮﺳﺎﻟﺔ‬
ِ ‫اﳌﻌ ِﻠﻢ ﻛﺘﺐ‬
‚Der Lehrer schrieb den Brief‘
al·muʿallim⸗u kataba r·risāla·t⸗a
DEF· Lehrer⸗N/I schreiben.PF DEF·Brief·F⸗A/S
MUBTADAʾ ḪABAR
6
FIʿL (Verb) [FĀʿIL (Täter)] Objekt
Hier gilt das Wort al·muʿallim⸗u als mubtadaʾ und der Verbalsatz
kataba r·risāla·t⸗a als ḫabar. Letzterer wird wiederum eigenständig
nach den Regeln des Verbalsatzes analysiert. 7

____________________

6 Das fāʿil wird als im Verb impliziert angenommen, siehe Punkt 4.2.1. Das
Objekt heißt auf arabisch mafʿūl bihi.
7 Weitere Beispiele unter Punkt 2.2.1.
2.1 Grundlagen 61

2.1.3 Die Kasus-/Modusendungen: ʾiʿrāb und bināʾ


Die Bestimmung und Erklärung der Kasus-/Modusendungen (ʾiʿrāb)
nimmt einen wichtigen Platz in den arabischen Grammatiken ein.
Sie ist in der Praxis das Hauptanliegen, wenn es darum geht, arabi-
sche Muttersprachler zum korrekten Gebrauch der Hochsprache zu
führen, da die Endungen weder in der normalen Schriftsprache
bezeichnet noch in der mündlichen Kommunikation gebraucht
werden. Ihren festen Ort haben sie überall dort, wo schriftlich abge-
faßte Texte vorgetragen werden, etwa in der Koranrezitation, der
religiösen Predigt und der Poesie sowie in geringerem Grad auch
beim Verlesen moderner Gebrauchsprosa, etwa in Ansprachen,
Nachrichtensendungen und hochsprachlichen Filmen. In begrenz-
tem Rahmen werden sie auch in formeller mündlicher Sprache
gebraucht. Die Endungen (ʾiʿrāb) gelten als das charakteristische
Merkmal der Hochsprache, und ihre Beherrschung wird als wichti-
ger Bestandteil der Bildung angesehen. Arabischunterricht bedeutet
daher für arabische Schüler und Studierende auf allen Niveaus ganz
überwiegend Grammatikunterricht und besteht hauptsächlich im
Einüben der stereotypen Satzanalysen, wie sie im folgenden vorge-
stellt werden. Das Verhältnis vieler Araber zu diesem Unterricht ist
gespalten. Es ist geprägt von der Bewunderung für die Vollkom-
menheit ihrer Sprache einerseits und dem Gefühl, diese nur schwer
beherrschen zu können andererseits. Die arabische Grammatik –
die in der Praxis fast ausschließlich auf die Bestimmung des ʾiʿrāb
abzielt – wird im Allgemeinen als äußerst kompliziert aufgefaßt,
und nur wenige fühlen sich auf diesem Gebiet sicher. 8
Da Kasus- / Modusendungen in der Alltagssprache nicht vor-
kommen, müssen sie von den Muttersprachlern regelrecht gelernt
werden. Im traditionellen Grammatikunterricht wird daher viel
Mühe auf die syntaktische Analyse verwendet, um daraus Schluß-
folgerungen auf die Endungen zu ziehen. Es haben sich hierfür wie-
derkehrende Beschreibungsmuster herausgebildet, die auswendig
gelernt und ständig wiederholt werden. Die grammatische Analyse
besteht auf allen Lernniveaus größtenteils im richtigen Aufsagen
der entsprechenden Formeln, die zur Bestimmung der Endungen
führen. Ein einfaches Beispiel ist folgender Satz:

____________________

8 Siehe hierzu Hallberg, Case Endings in Spoken Standard Arabic.


62 Die Verbkonjugation in der Grammatiktradition
ّ ُ َ
(1) ‫ﻏ ِﻀ َﺐ اﳌ َﻌ ِﻠ ُﻢ‬
ġaḍiba l·muʿallim⸗u
zürnen.PF DEF·Lehrer⸗N/I
‚der Lehrer zürnte‘
Er wird wie folgt analysiert:
َ
‫ﻠﻮم َﻣ ْﺒ ﱞ�ي َﻋ ٰ�� اﻟﻔ ْﺘ ِﺢ‬ ْ َْ ٌْ َ َ
ِ ‫ﺎض ِﻟﻠﻤﻌ‬
ٍ ‫ﻏ ِﻀﺐ ِﻓﻌﻞ ﻣ‬
ġaḍiba: Verb im Perfekt aktiv (maʿlūm)
mit unveränderlicher Endung ⸗a (mabnī ʿalā al-fatḥ)
ٌ َْ ٌ
‫ﻓﻮع ﺑ ﱠ‬ َّ ُ
‫ﺎﻟﻀ ﱠﻤ ِﺔ‬ ِ ‫اﳌﻌ ِﻠ ُﻢ‬
ِ ‫ﻓﺎﻋﻞ ﻣﺮ‬
al·muʿallim⸗u: Subjekt (fāʿil) im Nominativ (rafʿ); der Nominativ
ist gekennzeichnet durch die u-Endung (ḍamma)
Ganz grundlegend ist die Unterscheidung von Wörtern mit verän-
derlicher Endung (muʿrab) und unveränderlicher Endung (mabnī).
Je nachdem, welcher dieser beiden Gruppen ein Wort angehört,
wird seine Endung mit verschiedenen Begriffen beschrieben. Für
unveränderliche Endungen (mabnī) gelten folgende Bezeichnun-
gen:
Bezeichnung Vokal
ḍamm u (ḍamma)
fatḥ a (fatḥa)
kasr i (kasra)
sukūn Ø (sukūn)

Hat ein Wort eine unveränderliche Endung, wird es beschrieben als


mabnī ʿalā … . So ist im o. g. Beispiel das Verb ġaḍiba ‚er zürnte‘
mabnī ʿalā l-fatḥ ‚mit unveränderlicher Endung -a‘. Bei der typischen
Satzanalyse werden alle Endvokale analysiert, auch die unveränder-
lichen. Der Übersichtlichkeit werden aber letztere in der Umschrift
nicht abgetrennt. Immer wenn am Ende eines Wortes ein nicht
segmentierter Vokal erscheint, handelt es sich daher um einen un-
veränderliche Endvokal (mabnī ʿalā …), z. B. in ʾaina und ġaḍiba.
Ist ein Wort veränderlich (muʿrab), so entscheidet der Satzkon-
text, welche Endung steht. Diese wird in der Umschrift mit (⸗) abge-
trennt. Es werden vier Arten von Kasus-/ Modusendungen unter-
schieden, von denen zwei sowohl beim Verb als auch beim Nomen,
eine nur beim Nomen und eine nur beim Verb auftreten. Ursprüng-
2.1 Grundlagen 63

liches (primäres) Zeichen (ʿalāma ʾaṣlīya) für jede dieser Endungen


ist ein Kurzvokal bzw. beim Apokopat die Vokallosigkeit. In be-
stimmten Situationen können nicht die Kurzvokale selbst stehen,
sondern werden von einem abgeleiteten (sekundären) Kasus-/ Mo-
duszeichen (ʿalāma farʿīya) vertreten. Vergleiche:
ُ ََ ْ ‫َﺗ‬
(2) ‫� َح ُﻚ اﻟﻔﺘﺎة‬
ta·ḍḥak⸗u l·fatā·t⸗u
3.F·lachen.IMPF⸗N/I DEF·Mädchen·F⸗N/I
‚das Mädchen lacht‘
Das Wort ta·ḍḥak⸗u steht im Indikativ. Dieser wird durch sein ur-
sprüngliches Zeichen, das kurze ⸗u (ḍamma) gekennzeichnet.
َ ْ ‫اﻟﻄ ﱠﻼ َب َﻳ‬
ُ ّ
(3) ‫� َح�ﻮن‬ ‫إن‬
ʾinna ṭ·ṭullāb⸗a ya·ḍḥak-ū⸗na
ʾinna DEF·Student.PL⸗A/S 3.M·lachen. IMPF-PL⸗N/I
‚die Studenten lachen‘
Auch ya·ḍḥak-ū⸗na steht im Indikativ. Dieser wird hier aber nicht
durch ein ⸗u ausgedrückt, sondern durch das ⸗na am Wortende (im
Konjunktiv und Apokopat fällt dieses weg). Die Tabelle zeigt die
vier Kasus-/ Modusendungen und ihre ursprünglichen Zeichen:

Bezeichnung Ursprüngliches Tritt auf bei … Entspricht ...


des „Kasus“ Zeichen
Nomen Nominativ
rafʿ ⸗u (ḍamma)
Verb Indikativ
Nomen Akkusativ
naṣb ⸗a (fatḥa) Konjunktiv/
Verb
Subjunktiv
ǧarr ⸗i (kasra) Nomen Genitiv
ǧazm ⸗Ø (sukūn) Verb Apokopat

Die Bezeichnungen der Endungen bedeuten buchstäblich: rafʿ ‚Em-


porheben‘, naṣb ‚Aufrichten, Aufstellen‘, ǧazm ‚Abschneiden‘, ǧarr
‚Nachsichziehen‘ (hierfür wird auch ḫafḍ ‚Absenken‘ verwendet).
Rafʿ, naṣb und ḫafḍ beziehen sich darauf, wie bei der Artikulation
des entsprechenden Lautes der Mund geformt ist; bei ǧazm ist der
64 Die Verbkonjugation in der Grammatiktradition

Vokal gewissermaßen abgeschnitten. Der Begriff ǧarr bezeichnet als


einziger nicht die Artikulation des Lautes, sondern die Funktion des
Kasus, denn das betreffende Wort wird stets von einem vorange-
henden Nomen oder einer Präposition „nachgezogen“. Auch die
Namen der Vokale beziehen sich auf die Artikulationsart: ḍamm
‚Zusammenziehen‘, fatḥ ‚Öffnen‘, kasr ‚Brechen; Zusammenknei-
fen‘. 9
Die Kasus-/Modusendungen können auf unterschiedliche Weise
realisiert sein. Im Anschluß an die Beispiele ist die Beschreibung
des hervorgehobenen Wortes angegeben, wie sie heute im traditio-
nellen Arabischunterricht üblich ist:
tatsächliche Bezeichnung des Falls“): Es wird tat-
a) ʾiʿrāb lafẓī („buchstäbliche
sächlich eine Kasus-/Modusendung angehängt.
yu·rāfiq⸗u l·mutarǧim⸗u l·wafd⸗a
3.M·begleiten. IPF⸗N/I DEF·Dolmetscher⸗N/I DEF·Delegation⸗A/S
َ
‫اﻟﻮﻓﺪ‬ ُ
‫اﳌ��ﺟﻢ‬ ُ ‫ﻳﺮ‬
‫اﻓﻖ‬
‚der Dolmetscher begleitet die Delegation‘
ُ ‫ﱠ‬ ْ ُ َ َ َ ٌ َْ ٌ ُ ٌْ ُ ُ
‫اﻟﻀ ﱠﻤﺔ‬ ‫ﻼﻣﺔ َرﻓ ِﻌ ِﮫ‬ ‫ﻀﺎرع ﻣﺮﻓﻮع وﻋ‬
ِ ‫ﻳﺮا ِﻓﻖ ِﻓﻌﻞ ﻣ‬
yu·rāfiq⸗u: Verb im Imperfekt Indikativ.
Zeichen des Indikativs ist die u-Endung (ḍamma).

b) ʾiʿrāb taqdīrī („angenommene Bezeichnung des Falls“): Ein Wort


ist prinzipiell veränderlich, aber der letzte Buchstabe verhindert,
weil er ein schwacher Buchstabe ist, das Auftreten der Kasus-/ Mo-
dusendung. Die Endung ist nicht sichtbar, sie wird nur angenom-
men (taqdīr ist der Infinitiv zu QDR, II. Stamm ‚schätzen, anneh-
men‘):
ya·dʿuw 10 l·muʿallim⸗u ṭ·tullāb⸗a
3.M· rufen. IPF⸗[N/I] DEF·Lehrer⸗N/I DEF·Schüler. PL⸗A/S

ʾilā ṣ·ṣaff⸗i
in DEF·Klasse⸗GEN

____________________

9 Zu kasr siehe Ullmann/Peltz, Adminiculum (Wörterverzeichnis), 86: kasarū


l-ǧufūna ‚die Augen zukneifen; mit den Augen zwinkern‘.
10 Siehe zu dieser Transkription die Bemerkung auf S. 8.
2.1 Grundlagen 65
ّ ‫َ ْ ُ ْ ُ َّ ُ ﱡ َ ٰ ﱠ‬
‫ﻒ‬ِ ‫ﻳﺪﻋﻮ اﳌﻌ ِﻠﻢ اﻟﻄﻼب إ�� اﻟﺼ‬
‚der Lehrer ruft die Schüler in die Klasse‘

‫اﻟﻮاو‬ ٰ َ َُ ‫ﱠ َ ُ َُ ﱠ‬ َْ ُ َ َ َ ٌ ْ َ ٌ ُ ٌْ ُْ َْ
ِ ��‫ﻀﺎرع ﻣﺮﻓﻮع وﻋﻼﻣﺔ رﻓ ِﻌ ِﮫ اﻟﻀﻤﺔ اﳌﻘﺪرة ﻋ‬ ِ ‫ﻳﺪﻋﻮ ِﻓﻌﻞ ﻣ‬
ya·dʿuw: Verb im Imperfekt Indikativ. Zeichen des Indikativs
ist die u-Endung, die auf dem wāw angenommen wird.

Tatsächlich endet das wāw vokallos, also auf sukūn; die vollständige
Form wäre *ya·dʿuw⸗u. Der ʾiʿrāb taqdīrī betrifft nur den letzten
Buchstaben des Wortes.
c) ʾiʿrāb maḥallī („Bezeichnung des Falls durch die Stellung im
Satz“): Ein Wort ist unveränderlich (mabnī), wird aber von einem
Wort regiert, das eine bestimmte Kasus-/Modusendung fordert. In
diesem Fall bleibt das betreffende Wort unverändert, man sagt aber,
daß es an einer Stelle (maḥall) steht, an der eine bestimmte Kasus-/
Modusendung gefordert ist.
َ ‫ﻣﻦ‬
‫أﻳﻦ ﺟﺌﺖ؟‬
min ʾaina ǧiʾ-ta
von wo kommen.PF-du
‚Woher kommst du?’
َ
‫ﻀﺎف إﻟ ْﻴ ِﮫ‬ َ َ َ َْ َ
ٍ ‫هﺎم ﻣ ْﺒ ﱞ�ي ﻋ ٰ�� اﻟﻔﺘ ِﺢ �� ﻣﺤ ِ ّﻞ ﺟ ّ ِﺮ ُﻣ‬ ْ ُ ْ َ َْ
َ ‫اﺳﺘ ْﻔ‬
ٍ ِ ‫أﻳﻦ اﺳﻢ‬
ʾaina ist Fragewort (d. h. ein Nomen) mit unveränderlicher En-
dung ⸗a, das an einer Stelle steht, wo ein Genitiv gefordert ist,
weil es zweites Glied einer Constructus-Verbindung ist.

Der ʾiʿrāb maḥallī betrifft auch die Personalpronomen, denn sie sind
alle unveränderlich, stehen aber stets an einer Stelle im Satz, an der
ein bestimmter Fall gefordert ist:
َ ْ
‫اﻟﻨﻘﻮد‬ ‫أﺧﺬ ُت‬
ʾaḫaḏ-tu n·nuqūd⸗a
nehmen.PF-ich DEF·Geld.PL⸗A/S
‚ich habe das Geld genommen‘
66 Die Verbkonjugation in der Grammatiktradition
ْ َ َ ُ ‫ُ َ ٌ ُﱠ ّ ٌ َْ ﱞ َ ٰ ﱡ‬
ِ ‫اﻟﺴ�ﻮ ِن �� ﻣﺤ ِ ّﻞ َرﻓ ِﻊ‬
‫ﻓﺎﻋ ٍﻞ‬ ��‫ت ﺿ ِﻤ�� ﻣﺘ ِﺼﻞ ﻣﺒ�ي ﻋ‬
-tu ist verbundenes Personalpronomen mit unveränderlicher
Endung ⸗u. Es steht an einer Subjekt-Stelle,
wo der Nominativ gefordert ist.

2.1.4 Die Wortarten


Es werden drei Wortarten unterschieden:
ism Nomen (wörtlich: ‚Name‘)
fiʿl Verb (wörtlich: ‚Tat‘)
ḥarf Partikel (wörtlich: ‚Buchstabe‘)
Die Zuordnung der Wörter zu diesen Wortarten erfolgt nach se-
mantischen Kriterien. So lautet eine Definition des Nomens:
ٌ ‫ ُﻧ ﱠﺤ‬،‫ َﺑ ْي ٌﺖ‬:‫ ِ)ﻣ ْﺜ َﻞ‬،‫ﺬا��ﺎ َﻋ�� َ�ى ٍيء َﻣ ْﺤﺴﻮس‬ َُ ٌ َ َ
،‫ﺎس‬ ٍ ِ ‫ � ِﻠﻤﺔ ﺗﺪ ﱡل ِﺑ‬:‫اﻻ ْﺳ ُﻢ‬ ِ
ُ َُْ ْ َ ْ َ َ ْ َ ٌ ‫ُ ْ َ ُ َﱠ‬ ٌ ٌ َ َ
ْ ٌ ََ
‫ �ﻌﺮف‬،‫ﺴﻮس‬ ٍ ‫( أو �� ٍيء ﻏ� ِ� ﻣﺤ‬... ‫ ﻣﺤﻤﺪ‬،‫ ﻋﺼﻔﻮرة‬،‫ ﻧﺨﻠﺔ‬،‫ﺟﻤﻞ‬
ََ َ ‫( َو‬... ‫ ُﻧ ْﺒﻮ ٌغ‬،‫ ُﻧ ْﺒ ٌﻞ‬،‫ َﺷ َﺮ ٌف‬،‫ ُﻣﺮ ْو َء ٌة‬،‫جﺎﻋ ٌﺔ‬
َ �َ :‫ﺎﻟﻌ ْﻘﻞ؛ )ﻣ ْﺜ َﻞ‬
‫�� �� ا�حﺎﻟﺘ ْ� ِن‬ ِ ِ ‫ِﺑ‬
َ
ُ َ
.‫ﻻ َﻳ ْﻘ� ِ�ن ِﺑﺎﻟﺰﻣ ِﻦ‬
11 َ ‫ﱠ‬

„Das Nomen: ein Wort, das in seinem Wesen auf etwas Greifba-
res (z. B.: Haus, Kupfer, Kamel, Palme, Spatz, Muḥammad, ...)
oder etwas nicht Greifbares (z. B.: Mut, Mannhaftigkeit, Ehre,
Großmut, [persönliche] Größe, …) hindeutet und in beiden Fäl-
len nicht zeitlich festgelegt ist.“
Dementsprechend gilt für das Verb:
ً َْ َُ ََ َ َ َ ِ ‫اﻟ�ﻠ‬ َ َ َ َ ُ
‫ﺒﺎﺷﺮة‬ ِ ‫ ﺗﺪ ﱡل ِﺑﻨﻔ ِﺴهﺎ ُﻣ‬... ،(‫ﻤﺎت )ﻓ ِهﻢ( )ﺳﺎﻓ َﺮ( ) َرﺟﻊ‬ ِ ‫� ﱡﻞ � ِﻠﻤ ٍﺔ ِﻣﻦ‬
ُ ُ َ َ ُ َ َ ��ْ ‫)ﻣ ْﻦ َﻏ‬
‫ َﻣ ْﻌ ً�ى ُﻧ ْﺪ ِرﻛ ُﮫ‬: ‫ أ ﱠوﻟهﺎ‬.‫ َﻋ�� أ ْﻣ َﺮْ� ِﻦ‬... (‫ﺣﺎﺟ ٍﺔ إ�� � ِﻠ َﻤ ٍﺔ أ ْﺧﺮ ٰى‬ ِ ِ
ُ َ َ َ َ َ
‫ أ ْو ﱠ‬،‫ اﻟﻔ ْه ُﻢ‬:‫ﺎﻟﻌ ْﻘﻞ ) َو ْه َﻮ‬
َ
‹‫( ُوي َﺴ ﱠ�ى ›ا�حﺪث‬... ‫ﺟﻮ ُع‬ ‫ أ ْو ﱡ‬،‫اﻟﺴﻔ ُﺮ‬
ْ ‫اﻟﺮ‬
ِ ‫ِﺑ‬
َ
َ ٰ
.‫ﺼ َﻞ ِﻓ ْﻴ ِﮫ ذ ِﻟ َﻚ اﳌ ْﻌ ٰ�ى‬ َ ‫ َز َﻣ ٌﻦ َﺣ‬: ‫َوﺛﺎ� ُ�ﻤﺎ‬
ِ
„Jedes der Wörter er verstand, er reiste, er kehrte zurück usw. deu-
tet für sich selbst genommen, direkt (ohne daß es eines anderen
____________________

11 Ḥasan, an-Naḥw al-wāfī, I/26.


2.1 Grundlagen 67

Wortes bedarf) … auf zwei Dinge: erstens auf einen Begriff (al-
maʿnā), den wir mit dem Verstand erfassen (also das Verstehen,
das Reisen, das Zurückkehren usw.) und dem man ‚das Gesche-
hen / den Bedeutungsinhalt‘ (ḥadaṯ) nennt; zweitens auf die Zeit
(zaman), in der sich dieser Begriff (al-maʿnā) ereignet.“ 12
Als ḥarf gilt alles, was weder als Nomen noch als Verb eingeordnet
werden kann. 13 Um alle Wörter in dieses System einordnen zu kön-
nen, wird für jede Wortart eine Reihe von Merkmalen genannt, die
sie jeweils vor den anderen auszeichnet. Ist mindestens eines dieser
Merkmale vorhanden, gehört das Wort der entsprechenden Wortart
an. Zu den Erkennungszeichen des Verbs gehören:
َ َْ
a) Es kann mit qad, sa- oder saufa ‫ َﺳﻮف‬، ‫ َﺳـ‬، ‫ ﻗﺪ‬verbunden
werden.
b) Es kann ein nūn zur Bezeichnung des Modus
‫َُْﱠ‬ ْ َ ُ ْ energicus (nūn at-
taukīd) annehmen: ‫ َﻳﻜﺘـﺒـﻦ‬ya·ktuba·nna, ‫ َﻳﻜﺘـﺒـﻦ‬ya·ktuba·n.
c) Es kann
ُ َ ein „Femininum-tāʾ
ََ َ “ (tāʾ at-taʾnīṯ, Punkt 2.2.2.1) anneh-
men: ‫ �حﻜ ِﺖ اﻟﻔﺘﺎة‬ḍaḥaka·t(i) l·fatā·t⸗u ‚das Mädchen lachte‘.
Mit Hilfe solcher Abgrenzungen gelingt es, alle Wörter eindeutig in
eine der drei Klassen einzuordnen. Das Bestreben, die Phänomene
so exakt wie möglich zu klassifizieren, ist überaus häufig anzutref-
fen. Dies geschieht meist weniger durch abstrakte Definition der
Klassen, als durch Nennung von äußeren Merkmalen, die die Ele-
mente der einzelnen Klassen voneinander unterscheiden. Die ara-
bischen Grammatiker sind auch in dieser Hinsicht stark formali-
stisch ausgerichtet, so daß selbst ʿAbbās Ḥasan, dessen Grammatik
ausdrücklich für den wissenschaftlichen Gebrauch geschrieben ist,
nach dieser Methode vorgeht, anstatt tiefer nach dem Wesen der
einzelnen Klassen zu forschen. Das wird besonders bei der Be-
schreibung des Zeitsystems der Verben deutlich. 14

2.1.5 Die Einteilung der Verbformen


Die Verbformen werden in drei Kategorien eingeteilt:
al-māḍī Perfekt (wörtlich: ‚das Vergangene‘)
al-muḍāriʿ Imperfekt (wörtlich: ‚das Ähnelnde‘)
al-ʾamr Imperativ (wörtlich: ‚Befehl ‘)
____________________

12 Ḥasan, an-Naḥw al-wāfī, I/46.


13 Siehe Sībawaihs Definition im Textanhang, Abschnitt 1.
14 Ḥasan, an-Naḥw al-wāfī, I/46–65.
68 Die Verbkonjugation in der Grammatiktradition

Ausschlaggebend ist wieder die äußere Form. Die Grammatiker


sind sich zwar bewußt, daß jede dieser Formen jeweils unterschied-
liche Zeitstufen ausdrücken kann, doch werden in allen untersuch-
ten Grammatiken die drei Abteilungen des Verbs zunächst auf eine
oder zwei Zeitstufen beschränkt. Später wird dann bemerkt, daß die
jeweilige Form je nach Kontext auch für andere Zeitstufen stehen
kann. So schreibt Nāfiʿ ʿAbdallah über das Perfekt:
َ‫ﱠ‬ َْ َْ َ َ َ ََُ
ِ ‫ﳌﺎ��ي وهﻮ ﻣﺎ د ﱠل ﻋ�� ﻣ ْﻌ ً�ى �� ﻧﻔ ِﺴ ِﮫ ُﻣﻘ� ِ� ٍن ِﺑﺎﻟﺰﻣ ِﻦ‬
‫اﳌﺎ�� ْي‬ ِ ‫اﻟﻔ ْﻌ ُﻞ ا‬
ِ
„Das Verb in der Vergangenheit: Das, was auf einen ihm inne-
wohnenden Begriff deutet und mit der vergangenen Zeit ver-
bunden ist.“ 15
Später wird dann noch erwähnt:
ْ ْ ُ ََ ُ ‫َ َ ْ َ َ َﱠ‬
ّ
��‫ا�حﺎ‬
ِ ‫ﳌﺎ�� ْي ِﻟﻠ َﻮﻗ ِﺖ‬
ِ ‫وﻗﺪ ﻳﺘﻌ�ن اﻟﺰﻣﻦ ا‬
„Das Vergangenheitstempus kann auch für die Gegenwart
stehen.“ 16
Die Bezeichnung al-māḍī (‚das Vergangene‘) verstärkt den Eindruck,
daß diese Form ursprünglich und hauptsächlich zum Ausdruck der
Vergangenheit bestimmt ist.
Der Begriff muḍāriʿ für das Imperfekt bezieht sich dagegen nicht
auf eine bestimmte Zeitstufe, sondern beschreibt die äußere Form
des Verbs. Muḍāriʿ heißt nämlich ‚ähnelnd‘ und bezieht sich auf die
formale Ähnlichkeit der Imperfektform mit dem Nomen: beide
unterliegen dem ʾiʿrāb, haben also veränderliche Kasus-/ Modusen-
dungen. Daß hier das Nomen als Vergleichsmaßstab herangezogen
wird, hat seinen Grund darin, daß nach der Theorie der arabischen
Grammatiker veränderliche Endungen ursprünglich nur den No-
men zukommen. Treten sie bei einem Verb auf, muß es dafür einen
formalen Grund geben. Die Endungen der Imperfektform sind nach
dieser Auffassung von denen der Nomen abgeleitet (siehe Kap.
4.1.1). Auch in der Modellstruktur besteht Ähnlichkeit zwischen
Imperfektform und Nomen. Das Imperfekt der abgeleiteten Stäm-
me stimmt in Wortstruktur und Vokalreihenfolge mit dem Partizip
überein, vgl. yu·darris⸗u ‚er lehrt‘ – mudarris⸗u·n ‚Lehrer‘.
Wie dem Perfekt, so wird auch dem Imperfekt eine bestimmte
Zeitstufe zugeordnet: Es steht für Gegenwart und Zukunft, wobei
____________________

15 ʿAbdallah, al-Marǧaʿ fī n-naḥw al-ʿarabī, 11.


16 ʿAbdallah, al-Marǧaʿ fī n-naḥw al-ʿarabī, 12.
2.1 Grundlagen 69

der Gegenwart ein gewisser Vorzug eingeräumt wird. 17 Später wird


darauf hingewiesen, daß es auch Vergangenheitsbedeutung haben
kann. Für den Imperativ lautet die arabische Bezeichnung fiʿl al-
ʾamr (‚Befehlsverb‘). Ihm wird die Zeitstufe der Zukunft zugeord-
net. 18 ʿAbbās Ḥasan geht in einem zweiten Schritt detailliert auf die
Zeitstufen ein, die die verschiedenen Verbformen ausdrücken kön-
nen und führt eine Reihe von Beispielen an, z. B. daß das Perfekt
auch auf die Zukunft deuten kann: 19
ُ ‫ﺳﺎﻋ َﺪ َك‬
‫ﷲ‬ َ
sāʿada=ka llāh⸗u
helfen.PF-dir Gott⸗N/I
‚Möge Gott dir helfen‘
Das Imperfekt kann andererseits für Vergangenes stehen, nämlich
nach der Negation lam (Q 112,3–4):
َ ُ َ ُ َ َ َ َ
﴾‫﴿ ﻟ ْﻢ َﻳ ِﻠ ْﺪ َوﻟ ْﻢ ُﻳ ْﻮﻟ ْﺪ َوﻟ ْﻢ َﻳﻜ ْﻦ ﻟ ُﮫ ﻛ ُﻔ ًـﻮا أ َﺣ ٌﺪ‬
lam ya·lid wa-lam yu·wlad 20 wa-lam ya·kun lahū kufuw⸗a·n
ʾaḥad⸗u·n
„Er hat weder gezeugt, noch ist er (selbst) gezeugt worden.
Und keiner kann sich mit ihm messen.“
ʿAbbās Ḥasan beschreibt jedoch nur die unterschiedlichen Verwen-
dungsmöglichkeiten der einzelnen Verbformen, ohne darzustellen,
wie diese miteinander zusammenhängen. Für jede Kategorie wird,
wie schon oben in bezug auf die Wortarten beschrieben, eine Reihe
von Merkmalen genannt, die eine sichere Zuordnung jeder Form
ermöglichen. Die Suche nach einer abstrakten Gesamtbedeutung
der Verbformen mit dem Perfekt einerseits und dem Imperfekt
andererseits, die für die europäischen Grammatiker stets an erster
Stelle stand, spielt für die arabischen Grammatiker keine Rolle.
Auch daß die Verbformen in bestimmten Zusammenhängen eher
einen Aspekt (vollendet oder unvollendet) als eine Zeitstufe aus-
drücken, wird nicht in Erwägung gezogen. 21
____________________

17 Vgl. Ḥasan, an-Naḥw al-wāfī, I/46.


18 Der Imperativ kann sich bei entsprechendem Kontext auch auf die Ver-
gangenheit beziehen. Siehe Ḥasan, an-Naḥw al-wāfī, I/65.
19 Ḥasan, an-Naḥw al-wāfī, I/53.
20 Siehe zu dieser Transkription die Erläuterungen in der Einleitung.
21 In dieser formalistischen Beschreibung des Zeitsystems liegt eine große
Schwäche der arabischen Grammatiker. Besonders für das klassische Ara-
70 Die Verbkonjugation in der Grammatiktradition

2.2 Die Bildung der Verbformen


Die Konjugation der Verben fällt nur zu einem kleinen Teil in den
Bereich des ṣarf: Nur die Imperfektpräfixe, die Bildung der ver-
schiedenen Stämme und die Vokalveränderung bei den Passiv-
Formen werden als Veränderungen des Verbs angesehen und dar-
um dem ṣarf zugerechnet. Die Suffixe, die an die Perfektformen und
einige Imperfektformen angehängt werden, gelten hingegen als
Personalpronomen, also eigene Wörter und nicht als Bestandteil
des Verbs. Daher werden die suffigierten Verbformen im Rahmen
des naḥw, also der Syntax behandelt. Dabei werden traditionell
keine Paradigmata verwendet. Die Bildung der Formen wird be-
schrieben und durch Beispiele illustriert, doch werden nirgendwo
alle möglichen Personalformen eines Verbs zusammengestellt. Erst
in einigen neueren Grammatiken und in Lehr- und Nachschlage-
werken für den Ausländerunterricht finden sich Verbtabellen nach
westlichem Muster. 22
Das Fehlen solcher Zusammenstellungen in den traditionellen
Grammatiken erklärt sich daraus, daß die konjugierten Verbformen
gar nicht als zusammengehörige Wortklasse wahrgenommen wer-
den. Im westlichen Verständnis ist das konjugierte Verb eine Kate-
gorie, deren einzelne Formen alle als gleichartig betrachtet werden
und die sich nur durch ihre verschiedenen Suffixe und Präfixe bzw.
Veränderungen in der Basis voneinander unterscheiden: katab-a,
katab-at, katab-ta, katab-ti bzw. ya-ktub-u, ta-ktub-u usw. Die arabi-
schen Grammatiker analysieren hingegen die meisten dieser For-
men als syntaktische Konstruktionen und nicht als Veränderungen
des Verbs. Das Verb wird als prinzipiell unveränderliches Wort an-
gesehen, das zur Bezeichnung der Person mit einem Personalpro-
nomen kombiniert wird. Die folgende Darstellung beginnt daher
mit einem Blick auf die Personalpronomen.

2.2.1 Das Personalpronomen (ḍamīr)


Unter dem Begriff ḍamīr, der im Folgenden mit „Personalprono-
men“ wiedergegeben wird, werden folgende Arten von Wörtern und
Suffixen zusammengefaßt:
____________________

bisch bleiben dadurch viele Zusammenhänge unerklärt. Sehr viel mehr


Einsicht bringt dagegen eine historische Herangehensweise und der Ver-
gleich mit anderen semitischen Sprachen (s. Punkt 5.3.3).
22 Siehe Niʿma, Mulaḫḫaṣ, II/60–67; ad-Daḥdāḥ, Muʿǧam.
2.2 Die Bildung der Verbformen 71
َ
a) die eigentlichen Personalpronomen: ʾanā ‫ أﻧﺎ‬, ʾanta ‫ أﻧﺖ‬, ...
ّ ‫ ّإﻳ‬, ʾiyyā·ka ‫ﺎك‬َ ّ
b) die Objektpartikel ʾiyyā· mit Suffix: ʾiyyā·ya ‫ﺎي‬ ‫ إﻳ‬, ...
c) die Personalsuffixe derَ Verben:
ُ ْ َ ْ َ
faʿal-tu ‫ ﻓ َﻌﻠﺖ‬, faʿal-ta ‫ ﻓ َﻌﻠﺖ‬, ... َ
َ َ َْ ْ
ta·fʿal-ī⸗na ‫ ﺗﻔﻌﻠ�ن‬, ya·fʿal-ū⸗na ‫ َﻳﻔ َﻌﻠﻮن‬, ...
d) die Suffixe zur Bezeichnung des Akkusativs:
َ ُ ُُ
raʾai-tu-ka ‫ ر ْأﻳﺘﻚ‬, raʾai-tu-hu ‫َر ْأﻳﺘﮫ‬
e) die Possessivsuffixe: ṣadīq-ī ‫ﺻﺪﻳﻘﻲ‬ َ , ṣadīq⸗u-ka ‫ﺪﻳﻘ َﻚ‬ُ ‫ﺻ‬ َ , ...
Das Personalpronomen gilt als Nomen (ism). Es ist stets unverän-
derlich in der Endung (mabnī). Da es immer an Stellen im Satz
steht, an denen ein bestimmter Fall gefordert ist, es aber seine En-
dung nicht verändern kann, wird bei ihm stets der ʾiʿrāb maḥallī
(„Ausdruck des Falls durch die Stellung im Satz“) angenommen. Die
Tabelle zeigt, welche Arten von Personalpronomen unterschieden
werden. Die Kategorien werden unten im einzelnen erklärt. Man
unterscheidet Personalpronomen, die buchstäblich sichtbar (bāriz)
sind, wie die oben aufgezählten, von solchen, die als in einem Verb
verborgen (mustatir) angenommen werden:

ḍamīr rafʿ muttaṣil daras-tu (Nom.)


verbunden
muttaṣil
ḍamīr – Personalpronomen

ḍamīr naṣb muttaṣil raʾai-tu-ka (Akk.)


bāriz – sichtbar

ḍamīr ǧarr muttaṣil ruʾūs⸗u-hum (Gen.)


unverbunden

ḍamīr rafʿ munfaṣil huwa ya·drus⸗u (Nom.)


munfaṣil

ḍamīr naṣb munfaṣil ʾiyyā·ka na·ʿbud⸗u (Akk.)

mustatir – verborgen ʾa·ktub⸗u (Nom.)

2.2.1.1 Sichtbares Personalpronomen (ḍamīr bāriz)


Die sichtbaren Personalpronomen werden ausgeschrieben und aus-
gesprochen. Es gibt (1.) verbundene Personalpronomen und (2.) un-
verbundene Personalpronomen:
72 Die Verbkonjugation in der Grammatiktradition

1. Verbundenes Personalpronomen (ḍamīr muttaṣil)


Die verbundenen Personalpronomen verbinden sich mit
dem Wort, auf das sie sich beziehen.
1.1 Verbundenes Personalpronomen – Nominativ
(ḍamīr rafʿ muttaṣil), nur bei Verben:
‫ َد َر ْﺳ ُﺖ‬daras-tu (‚ich lernte‘): daras- ist das Verb, -tu das Per-
sonalpronomen, das das Subjekt der Handlung bezeichnet.
َ
‫ َﻳ ْﺪ ُرﺳﻮن‬ya·drus-ū⸗na (‚sie lernen‘): ya·drus- ist das Verb (auch
das ya· ist Teil des Verbs, es ist kein Pronomen!), -ū⸗ ist Per-
sonalpronomen, ⸗na ist Kennzeichen des Indikativs.
Je nach ihrer äußeren Form werden unterschieden:
1.1.1 Pronomen, die aus Konsonant+ Vokal bestehen (ḍamīr
mutaḥarrik):
ُ َ
-tu ‫ت‬, -ta ‫ت‬, -ti ‫ِت‬
(alle drei heißen taʾ al-fāʿil ‚Subjekt-tāʾ‘)
ُ ‫ُﱠ‬ َ
-nā ‫ﻧﺎ‬, -tum ‫ﺗ ْﻢ‬, -tunna ‫ﺗﻦ‬, -na ‫ن‬
1.1.2 Pronomen, die aus Konsonant+ Vokallosigkeit (d. h.
meist „Langvokal“) bestehen (ḍamīr sākin):
-ȧ (oder -ā) ‫( ا‬für den Dual)
-w (oder -ū) ‫( و‬für den Plural)
-y (oder -ī) ‫( ـﻲ‬für die 2. Pers. Sg. f. Impf. und Imperativ)
Die arabischen Grammatiker kennen nicht den Begriff
des Langvokals (siehe in der Einleitung S. 6). Die hier
gemeinten Pronomen bestehen aus einem der Buchsta-
ben w, y oder ȧ, der jeweils auf sukūn, auslautet, also von
keinem Vokal gefolgt wird, daher die Bezeichnung
ḍamīr sākin. Meistens steht davor der gleichlautende
Vokal, woraus
ْ َ َ sich dann de facto ein Langvokal ergibt,
etwa in ‫ ﻛﺘ ُﺒﻮا‬katabu-w ‚sieْ schrieben‘;
َ anders bei einigen
schwachen Verben, z. B. ‫ َرأوا‬raʾa-w ‚sie sahen‘. Um das
wāw des Plural-Pronomens von anderen wāws zu unter-
scheiden (wie etwa dem wāw zur Bezeichnung des Plu-
rals beim Nomen in muʿallimu-w ṭ·ṭullāb⸗i ‫اﻟﻄﻼب‬
ُ ), wird ihm, wenn es am Wortende steht, ein ʾalif
‫ﻣﻌﻠﻤﻮ‬
2.2 Die Bildung der Verbformen 73

angefügt,
ْ ُ das nicht ausgesprochen
ْ ُ wird (ḏahabu-w
‫ذهﺒﻮا‬ ‚sie gingen‘, iḏhabu-w ‫اذهﺒﻮا‬ ‚geht!‘).
1.2 Verbundenes Personalpronomen – Akkusativ
(ḍamīr naṣb muttaṣil), nur bei Verben und Verbalnomen:
َ
‫أﻳﺘﻚ‬ raʾai-tu-ka (‚ich sah dich‘): raʾai- ist das Verb, -tu- das
‫ر‬
Personalpronomen zur Bezeichnung des Nominativs, -ka das
Personalpronomen zur Bezeichnung des Akkusativs.
1.3 Verbundenes Personalpronomen – Genitiv
(ḍamīr ǧarr muttaṣil), nur bei Nomen:
‫وﺳ ُه ْﻢ‬
ُ ‫ ُرؤ‬ruʾūs⸗u-hum
(‚ihre Köpfe‘): ruʾūs⸗u- ist das Nomen,
-hum ist das Pronomen.

2. Unverbundenes Personalpronomen (ḍamīr munfaṣil)


2.1 Unverbundenes Personalpronomen – Nominativ
(ḍamīr rafʿ munfaṣil)
‫ْأﻧ ِﺖ َ َﺟ ْﻤﻴﻠﺔ‬ ʾanti ǧamīla·t⸗u·n ‚du (f.) bist schön‘
‫س‬ُ ‫هﻮ ﻳﺪ ُر‬ huwa ya·drus⸗u ‚er lernt‘
2.2 Unverbundenes Personalpronomen – Akkusativ
(ḍamīr naṣb munfaṣil)
ُ ‫ﺎك َ� ْﺴ َﺘ‬
﴾‫ﻌ�ن‬
َ ّ ُ ُْ َ َ ّ
‫﴿إﻳﺎك �ﻌﺒﺪ وإﻳ‬
ʾiyyā·ka na·ʿbud⸗u wa-ʾiyyā·ka na·staʿīn⸗u
‚Dir dienen wir, und dich bitten wir um Hilfe.‘ (Q 1,5)

2.2.1.2 Verborgenes Personalpronomen (ḍamīr mustatir)


Das verborgene Personalpronomen wird weder gesprochen noch
geschrieben, sondern lediglich angenommen. Es dient nur zur Be-
zeichnung des in bestimmten Verbformen angenommenen Sub-
jekts. Man unterscheidet wiederum zwei Gruppen:
1. Personalpronomen, das verborgen sein muß
(ḍamīr mustatir wuǧūban)
Es wird dann angenommen, wenn kein Nomen oder sichtbares
Personalpronomen stehen kann. Das ist u. a. der Fall beim Impe-
ْ ‫ ُا ْﻛ ُﺘ‬uktub ‚schreib!‘) sowie bei den Imper-
rativ 2. Pers. Sg. m. (‫ﺐ‬
fektformen der 1. Pers. Sg. und Pl. und der 2. Pers. Sg. m.:
74 Die Verbkonjugation in der Grammatiktradition
َْ
‫أﻛ ُﺘ ُﺐ‬
ʾa·ktub⸗u (‚ich schreibe‘): ʾa·ktub⸗u ist ein Verb im Imper-
fekt; Subjekt ist ein verborgenes Personalpronomen, das auf die
1. Pers. Sg. hindeutet. Das Pronomen muß verborgen sein, da
kein sichtbares Nomen stehen kann. Das hamza (ʾ ‫ )أ‬ist kein
Pronomen, sondern ein Imperfektbuchstabe (s. u.).
َ
Es kann z. B. nicht heißen ‫ﺐ اﻟ ِﺘﻠﻤﻴﺬ‬
ْ َُْ
ُ ‫* أﻛﺘ‬ʾa·ktub⸗u t·tilmīḏ⸗u, da
die Form ʾa·ktub⸗u einen Bezug auf die 3. Person ausschließt.
Zwar kann man sagen ‫ﺐ أﻧﺎ‬ ُ ‫ َأ ْﻛ ُﺘ‬ʾa·ktub⸗u ʾanā ‚ich schreibe‘, doch
wird hier ʾanā nicht als das Pronomen aufgefaßt, welches das
Subjekt angibt, sondern nur als Bekräftigung des verborgenen
Personalpronomens.
Ferner wird auch bei einigen Konstruktionen mit dem Elativ,
beim Verbalnomen und weiteren Formen ein verborgenes Per-
sonalpronomen dieser Art angenommen.

2. Personalpronomen, das verborgen sein kann


(ḍamīr mustatir ǧawāzan)
Dieses wird angenommen, wenn entweder ein verborgenes Per-
sonalpronomen oder aber ein Nomen oder sichtbares Personal-
pronomen das Subjekt angeben kann. Dies ist nur bei der 3. Pers.
Sg. möglich, und zwar im Maskulinum wie im Femininum, im
Perfekt wie im Imperfekt.
(1)
ٌ ‫َﻳ ْﺠ َ�� ُﺪ َﺳ‬
‫ﻌﻴﺪ‬ ِ
ya·ǧtahid⸗u Saʿīd⸗u·n
3.M·sich anstrengen⸗N/I Saʿīd⸗N/I·IDEF
FIʿL (Verb) FĀʿIL (Täter)
‚Saʿīd strengt sich an‘
Es liegt ein Verbalsatz vor, 23 ya·ǧtahid⸗u ist das Verb und
Saʿīd⸗u·n ist das Subjekt (fāʿil ‚Täter‘) zu diesem Verb. In diesem
Falle ist also kein Personalpronomen im Verb verborgen, da das
Subjekt explizit genannt ist. In umgekehrter Reihenfolge bedeu-
tet der Satz dasselbe, doch seine syntaktische Struktur ist anders:

____________________

23 Zum Verständnis dieses Zusammenhangs ist die Unterscheidung zwischen


Nominalsatz (ǧumla ismīya) und Verbalsatz (ǧumla fiʿlīya) grundlegend
(siehe Punkt 2.1.2).
2.2 Die Bildung der Verbformen 75

(2) ‫ﻌﻴﺪ َﻳ ْﺠ َ� ِ� ُﺪ‬


ٌ ‫َﺳ‬
Saʿīd⸗u·n ya·ǧtahid⸗u
Saʿīd⸗N/I·IDEF 3.M·sichanstrengen⸗N/I
MUBTADAʾ ḪABAR
FIʿL (Verb) [FĀʿIL (Täter)]
‚Saʿīd strengt sich an‘
Es liegt hier ein Nominalsatz vor bestehend aus dem Nominal-
satz-Subjekt (mubtadaʾ) Saʿīdun und dem Prädikat (ḫabar)
ya·ǧtahid⸗u. Das Prädikat ist seinerseits ein Verbalsatz, in dem
kein Subjekt genannt ist, weder in Form eines Nomens noch in
Form eines Personalpronomens. Daher ist in diesem Fall das
Subjekt im Verb verborgen sein. Es handelt sich um ein verbor-
genes Personalpronomen (ḍamīr mustatir) der 3. Pers Sg. m. mit
Rückbezug auf das Nominalsatz-Subjekt Saʿīd⸗u·n. Der gleiche
Fall findet sich im Perfekt, auch im Femininum:
َُ ْ ََ
(3) ‫ﻛﺘ َب ِﺖ اﻟ ِﺘﻠﻤﻴﺬة‬
kataba·t(i) t·tilmīḏa·t⸗u
schreiben.PF·F DEF·Schüler·F⸗N/I
Verb (fiʿl) Täter (fāʿil)
‚die Schülerin schrieb‘ 24
Wie im Beispiel (1) liegt auch hier ein Verbalsatz vor. Das ·t ‫ت‬
am Ende des Verbs ist kein Pronomen, sondern ein Femininum-
Marker, der keinen Platz im syntaktischen Raster einnimmt
(s. u.). Das Subjekt ist mit t·tilmīḏa·t⸗u offen genannt, so daß im
Verb kein Personalpronomen verborgen ist. Wie im Beispiel (2)
ändern sich auch hier die Verhältnisse, wenn man die Reihen-
folge der Wörter umdreht:
ََ َُ ْ
(4) ‫اﻟ ِﺘﻠﻤﻴﺬة ﻛﺘ َب ْﺖ‬
at·tilmīḏa·t⸗u kataba·t
DEF·Schüler·F⸗N/I schreiben.PF·F
MUBTADAʾ ḪABAR
FIʿL (Verb) [FĀʿIL (Täter)]
‚die Schülerin schrieb‘
Es liegt ein Nominalsatz vor, in dem kataba·t das Prädikat ist. Es
____________________

24 Das i in kataba·t(i) wird aus phonetischen Gründen eingefügt.


76 Die Verbkonjugation in der Grammatiktradition

ist seinerseits ein Verbalsatz, in dem das Subjekt nicht ausdrück-


lich genannt ist. Subjekt dieses Verbalsatzes ist also auch hier
ein verborgenes Personalpronomen mit Rückbezug auf das No-
minalsatzsubjekt at·tilmīḏa·t⸗u.

2.2.2 Das Perfekt


Die Grundform des Perfekts ist das Schema kataba ‫ﺐ‬ َ ‫ َﻛ َﺘ‬. Es hat die
unveränderliche Endung -a. Wenn kein anderes Subjekt ausdrück-
lich genannt ist, bezieht es sich auf die 3. Pers. Sg. Soll eine andere
Person bezeichnet werden, wird das entsprechende verbundene
Personalpronomen an die Grundform angehängt:
kataba -tu → katab-tu
ُ ََْ ُ
‫ﻛﺘ َﺐ َت ← َﻛ َﺘ ْ ْﺒـ َﺖ‬
ََ
-ta → katab-ta ‫ت ← َﻛ َﺘ ْ ْﺒـﺖ‬
-ti → katab-ti ‫ِت ← ﻛﺘ ْﺒـ ِﺖ‬
usw.
Dabei verschwindet aus phonetischen Gründen der ursprüngliche
Endvokal der Grundform (kataba). Welcher Vokal statt dessen
steht, wird im Abschnitt 2.3 „Die Endungen der Verbformen“ be-
handelt.

2.2.2.1 Der Femininum-Marker (tāʾ at-taʾnīṯ)


Eine Besonderheit ist die Bildung der 3. Pers. Sg. f. Während die 1.
und 2. Pers. Sg. durch ein an das Verb angehängtes Pronomen aus-
gedrückt werden, geschieht dies in der 3. Pers. Sg. nicht, weder beim
Maskulinum noch beim Femininum. Zunächst die 1. Person:
ََ
(1) ‫ﻛﺘ ْب ُﺖ‬
katab-tu
schreiben.PF-ich
‚ich schrieb‘
katab- wird als Verb betrachtet, -tu ist ein verbundenes Personal-
pronomen und drückt das Subjekt der Handlung aus. Hiergegen die
3. Person:
(2) ُ ‫َﻛ َﺘ َﺐ اﳌُ َﺪ ّر‬
‫س‬ ِ
kataba l·mudarris⸗u
schreiben.PF DEF· Lehrer⸗N/I
‚der Lehrer schrieb‘
2.2 Die Bildung der Verbformen 77

Das Verb kataba beinhaltet an sich keine Person! Das Subjekt der
Handlung wird durch das folgende Nomen l·mudarris⸗u ausge-
drückt. Genauso ist es in der 3. Person f.:
ُ ُ ََ
(3) ‫ﻛﺘ َب ِﺖ اﳌ َﺪ ّ ِر َﺳﺔ‬
kataba·t(i) l·mudarrisa·t⸗u
schreiben.PF·FEM DEF·Lehrer·F⸗N/I
‚die Lehrerin schrieb‘
Die Form kataba·t besteht aus dem Verb kataba· und dem ange-
hängten ·t (das (i) ist nur Bindevokal). Das ·t ist kein Personalpro-
nomen, sondern ein Femininum-Marker (tāʾ at-taʾnīṯ), der das Verb
an das feminine Subjekt anpaßt, welches anschließend genannt ist.
Es zählt lediglich als ḥarf ‚Buchstabe‘, nicht als ḍamīr ‚Pronomen‘.
Daher repräsentiert auch die Form kataba·t keine Person. Subjekt
der Handlung ist das folgende Nomen l·mudarrisa·t⸗u. Daß sich der
Femininum-Marker anders verhält als die verbundenen Personal-
pronomen, wird u. a. daran deutlich, daß er durchaus nicht immer
stehen muß, wenn sich das Verb auf die 3. Pers. f. bezieht. Jeder der
folgenden Sätze ist korrekt: 25
ُ
(4) ‫ﻓﺎﻃ َﻤﺔ‬ َ َ َ
ِ ‫ﺳﺎﻓﺮ ِت اﻟﻴﻮم‬
sāfara·t(i) l·yaum⸗a Fāṭima·t⸗u
reisen.PF·F DEF· Tag⸗A/S Fāṭima·F⸗N/I
‚Fāṭima ist heute gereist‘
ُ
(5) ‫ﻓﺎﻃ َﻤﺔ‬ َ َ َ
ِ ‫ﺳﺎﻓﺮ اﻟﻴﻮم‬
sāfara l·yaum⸗a Fāṭima·t⸗u
reisen.PF DEF· Tag⸗A/S Fāṭima·F⸗N/I
‚Fāṭima ist heute gereist‘

2.2.3 Das Imperfekt


2.2.3.1 Die Imperfektbuchstaben
Die Formen des Imperfekts beginnen jeweils mit einem der Präfixe
ʾ·, t·, y·, n· ‫ ﻧـ‬، ‫ ﻳـ‬، ‫ ﺗـ‬، ‫أ‬. Sie werden Imperfektbuchstaben (ḥurūf al-
muḍāraʿa) genannt und sind keine Personalpronomen. Bei der
Formenbeschreibung werden sie nicht wie die Personalpronomen
____________________

25 Vgl. al-Ǧārim/Amīn, an-Naḥw al-wāḍiḥ, I/74.


78 Die Verbkonjugation in der Grammatiktradition

gesondert vom Verb betrachtet, sondern als Teil von diesem. Sie
werden zwar dem Subjekt des Satzes angepaßt (also ʾa·ktub⸗u ‚ich
schreibe‘, ta·ktub⸗u ‚du schreibst‘ usw.), doch das Element ʾ·, t·, y·
usw. ist nicht die buchstäbliche Repräsentation des Subjekts. Man
geht vielmehr davon aus, daß ein Personalpronomen, welches das
Subjekt der Handlung angibt, implizit im Verb enthalten ist. Es wird
also ein verborgenes Personalpronomen (ḍamīr mustatir) ange-
nommen:
(1) ُ
‫ﺗﻜﺘﺐ‬
ta·ktub⸗u
2·schreiben. IPF⸗N/I
‚du (m.) schreibst‘
Die stereotype grammatische Analyse lautet: taktubu ist ein Verb im
Imperfekt Indikativ; der Indikativ wird durch das ⸗u am Wortende
ausgedrückt; Subjekt ist ein verborgenes Personalpronomen, das auf
die 2. Pers. Sg. m. hindeutet.
Anders verhält es sich bei denjenigen Imperfektformen, die zu-
sätzlich zum Präfix (= Imperfektbuchstabe) noch ein Suffix haben.
In diesem Fall ist die Reihenfolge des Verbalsatzes (Verb – Subjekt)
eingehalten, und das Suffix kann als sichtbares Personalpronomen
(ḍamīr bāriz) gedeutet werden:
َ
(2) ‫ﻳﻜﺘﺒﻮن‬
ya·ktubu-w⸗na
3 ·schreiben. IPF-sie⸗N/I
‚sie (m. pl.) schreiben‘
Die Analyse lautet: yaktubuwna (lies: yaktubūna) ist ein Verb im
Imperfekt Indikativ; der Indikativ wird durch das ⸗na am Wortende
ausgedrückt. Subjekt ist das verbundene Personalpronomen -w⸗.
Der Imperfektbuchstabe nimmt keine syntaktische Position ein,
daher wird er in der Satzanalyse normalerweise nicht erwähnt.

2.2.3.2 Die „fünf Verben“ (al-ʾafʿāl al-ḫamsa)


Es sind folgende Imperfektformen die sich mit sichtbaren Personal-
pronomen (-w, -y, -ȧ ‫ ـﺎ‬، ‫ ـﻲ‬، ‫ ) ـﻮ‬verbinden. Sie werden als die „fünf
Verben“ bezeichnet:
2.2 Die Bildung der Verbformen 79
ْ
3. Pers. Dual ya·drusa-ȧ⸗ni ‫َﻳ ْﺪ ُر َﺳ ْﺎ ِن‬
َ
2. Pers. Dual ta·drusa-ȧ⸗ni ‫ﺗ ْﺪ ُر َﺳﺎ ِ َن‬
3. Pers. Pl. m. ya·drusu-w⸗na ‫َﻳ ْﺪ ُر ُﺳ ْﻮ َن‬
2. Pers. Pl. m. ta·drusu-w⸗na ‫َﺗ ْﺪ ُر ُﺳ ْﻮن‬
َ َ
2. Pers. Sg. f. ta·drusi-y⸗na ‫ﺗ ْﺪ ْر ِﺳ ْ�ن‬
Diese nehmen im Indikativ das sog. „zusätzliche nūn“ (nūn az-
zāʾida) an. Es dient zur Unterscheidung des Indikativs von Konjunk-
tiv und Apokopat, in denen es wegfällt.
Die Unterscheidung der „fünf Verben“ von den übrigen Imper-
fektformen ist äußerst charakteristisch für die arabischen Gramma-
tiker. Da normalerweise nicht mit Paradigmata gearbeitet wird,
müssen Unregelmäßigkeiten auf andere Weise festgehalten werden.
Dies geschieht hier, indem diejenigen Formen, die scheinbar unre-
gelmäßig sind, in einer Gruppe zusammengefaßt werden, für wel-
che wiederum eigene Regeln aufgestellt werden.
Ähnlich wird bei den „fünf Nomen“ verfahren, die bei der Anfü-
gung der Kasus-/ Modusendungen von den Grundregeln abweichen.
ٌ
Es sind dies: ʾaḫunَ ‫‚ أخ‬Bruder‘, ʾabunُ ‫أب‬ ٌ ‚Vater‘, ḥamun ‫‚ َﺣ ٌﻢ‬Schwie-
gervater‘, famun ‫‚ ﻓ ٌﻢ‬Mund‘ und ḏū ‫‚ ذو‬Besitzer von‘ (Determinativ-
pronomen). Der Grund dafür, daß diese nicht in das normale Sche-
ma passen, ist, daß sie sich auf nur zwei Wurzelradikale zurückfüh-
ren lassen, während nach der Theorie der arabischen Grammatiker
jede Wurzel aus mindestens dreiْ Radikalen
Die 2. Pers. Pl. f. (ta·fʿal-na
َ ‫ ) َﺗ ْﻔ َﻌﻠ‬und diezu3.bestehen
‫ﻦ‬ Pers. Pl.
hat.
f. (ya·fʿal-na
ْ
‫ ) َﻳ ْﻔ َﻌﻠ َﻦ‬nehmen eine Sonderstellung ein, da sie im Gegensatz zu den
anderen Formen des Imperfekts eine unveränderliche Endung ha-
ben (-na). Sie haben kein ʾiʿrāb-Kennzeichen, sondern lauten in
Indikativ, Subjunktiv (Konjunktiv) und Apokopat gleich.

2.2.4 Der Imperativ


Der Imperativ wird vom Imperfekt abgeleitet, indem man den Im-
perfektbuchstaben wegläßt. Ist dann der erste Konsonant des Verbs
vokallos, wird zur Ausspracheerleichterung ein hamzat waṣl voran-
gestellt:
َْ َْ َْ
ya·ftaḥ⸗u ‫َﻳـﻔﺘ ُﺢ‬ → *ftaḥ ‫ → ﻓﺘ ْﺢ‬iftaḥ ‫ِاﻓﺘ ْﺢ‬ ‚öffne!‘
‫ََﱠ‬ ‫ََﱠ‬
ya·takallam⸗u ‫َﻳﺘ�ﻠ ُﻢ‬ → takallam ‫ﺗ�ﻠ ْﻢ‬ ‚red!‘
80 Die Verbkonjugation in der Grammatiktradition

Der Imperativ kann nur in der 2. Pers. gebildet werden. Die weite-
ren Formen (2. Pers. Sg. f. , 2. Pers. Dual, 2. Pers. Pl. m., 2. Pers. Pl. f.)
werden durch Anhängen der verbundenen Personalpronomen wie
im Imperfekt gebildet. Ein „zusätzliches nūn“ wird nicht angehängt.

2.2.5 Sprachhistorische Parallele


Daß die Konjugationsendungen der Perfektformen als Personalpro-
nomen aufgefaßt werden, entspricht der sprachgeschichtlichen
Entwicklung dieser Form, wenn auch dieser Zusammenhang den
arabischen Grammatikern nicht bekannt war. Die Perfektform geht
nämlich auf eine Konstruktion aus Adjektiv (oder Verbaladjek-
tiv) + Personalpronomen zurück. Diese ist im Akkadischen belegt,
z. B. marṣā-ta ‚du bist/warst krank‘. Die Konstruktion wird hier Sta-
tiv genannt, da sie ursprünglich einen (zeitlich nicht näher festge-
legten) Zustand ausdrückt. 26
Die arabischen Imperfektformen gehen historisch auf eine
Kombination aus Personalpronomen + Verb zurück, wie ebenfalls
der Vergleich mit dem Akkadischen zeigt. Die arabischen Gramma-
tiker hätten hier genauso wie bei der Perfektform die Präfixe als
Personalpronomen bezeichnen können, zumal auch deren Ähn-
lichkeit mit den selbständigen Personalpronomen ganz deutlich ist.
Dieser Zusammenhang wird aber vollkommen ignoriert. Der Grund
dafür ist, daß dadurch die Grundregel der Syntax in Frage gestellt
worden wäre, nämlich daß die Satzstellung im arabischen Verbal-
satz stets Verb–Subjekt ist. Es werden darum die Imperfektpräfixe
nicht im Bereich des naḥw behandelt, sondern dem ṣarf zugeordnet
und als eine Veränderung des jeweiligen Wortes beschrieben, die
für die Syntax keine Bedeutung hat.

2.3 Die Kasus-/ Modusendungen der Verbformen


Die Grundfrage bei der Bestimmung das ʾiʿrāb, also der Wortendun-
gen, ist, ob ein Wort in seiner Endung veränderlich (muʿrab) oder
unveränderlich (mabnī) ist. Ist es unveränderlich, so hat es immer
denselben Endvokal; ist es veränderlich, bestimmt ein ʿāmil (‚Ein-
wirkendes, Auslöser‘), welche Kasus-/ Modusendung steht. 27 Nomen
Agens ____________________

26 Zur Entwicklung der Verbformen im Vergleich mit den anderen semiti-


schen Sprachen siehe Punkt 5.3.3.
27 Siehe Punkt 3.3.1 „ʿamal“.
2.3 Die Kasus-/ Modusendungen der Verbformen 81

sind bis auf einige Ausnahmen immer veränderlich, Verben hinge-


gen werden als ursprünglich unveränderlich betrachtet. 28 Das Per-
fekt ist ausnahmslos unveränderlich. Die Imperfektformen teilen
allerdings einige Eigenschaften mit den Nomen und sind daher in
Analogie zu diesen auch veränderlich.
Zu berücksichtigen ist, daß, wenn hier von Verb die Rede ist, nur
das Verb im Sinne der arabischen Grammatiker gemeint ist und
nicht die „flektierten Formen“ im Sinne der europäischen Gramma-
ُ
tik. So geht es beispielsweise bei der Form katab-tu ‫ ﻛﺘبﺖ‬nur um
das Element katab-, da ja -tu als Nomen gilt.

2.3.1. Die Endungen der Perfektformen


Das Verb im Perfekt ist unveränderlich (mabnī) und endet ur-
sprünglich auf fatḥa, also ⸗a. Dies wird sichtbar bei den Formen der
3. Pers. Sg. m. und f.: kataba ‫ﺐ‬ َ ‫ َﻛ َﺘ‬und kataba·t ‫ َﻛ َﺘ َب ْﺖ‬, außerdem bei
َْ ََْ
den Formen des Duals: kataba-ȧ ‫ﻛﺘﺒﺎ‬ und kataba-taȧ ‫ﻛﺘبﺘﺎ‬. Man
sagt, das Verb ist hier mabnī ʿalā l-fatḥ ‚mit ⸗a als fester Endung‘.
Wird ein Pronomen angehängt, das aus einem
ُ ُ ْ َ َ Konsonanten und
einem Vokal besteht (z. B. -tu ‫ ت‬: katab-tu ‫)ﻛﺘبﺖ‬, so wird das auslau-
tende ⸗a des Verbs gekürzt, da nicht vier von einem Vokal gefolgte
Konsonanten unmittelbar hintereinander stehen können. 29 In die- 87F

sen Fällen ist das Verb daher mabnī ʿalā s-sukūn ‚mit Vokallosigkeit
als fester Endung‘. ََ
Wird in der 3. Pers. Pl. m. ein wāw angehängt (z. B. katabu-w ‫ﻛﺘ ُﺒ ْﻮا‬,
u und w ergeben zusammen das lange ū), so gleicht sich das
⸗a, auf das das Verb ursprünglich auslautet, an das wāw an und wird
zu ⸗u. Das Verb ist hier deshalb mabnī ʿalā ḍ-ḍamm ‚mit ⸗u als fester
Endung‘. Im Folgenden ein einfacher Beispielsatz und die typische
Beschreibung der Verbform:
ََ ُ ‫ﱡ‬
‫ﻼب ﻛﺘ ُﺒ ْﻮا‬ ‫اﻟﻄ‬
aṭ·ṭullāb⸗u katabu-w
DEF· Student. PL⸗N/I schreiben. PF-sie
‚die Studenten schrieben‘

____________________

28 Vgl. Ġalāyīnī, Ǧāmiʿ ad-durūs al-ʿarabīya, II/161.


29 A. a. O. II/163.
82 Die Verbkonjugation in der Grammatiktradition

َ ‫اﻟﻮ ْا ُو‬
�ٌ �ْ ‫ﺿ ِﻤ‬ َ ‫ َو‬.‫ﺎﻋﺔ‬
َ ََ َ َ ّ ُ ‫ﱡ‬
ِ ‫اﻟﺴ� ْﻮ ِن ِﻻ ِﺗﺼ ِﺎﻟ ِﮫ ِﺑﻮ ِاو ا�جﻤ‬ ��‫ﻣﺎض َﻣ ْﺒ ﱞ�ي َﻋ‬ ٌ ْ َُْ َ
ٍ ‫ﻛﺘﺒﻮا ِﻓﻌﻞ‬
َ ْ َ ُ ‫ﱡ‬
.‫ﺎﻋ ٍﻞ‬ ِ ‫اﻟﺴ� ْﻮ ِن �� ِﻣﺤ ِ ّﻞ َرﻓ ِﻊ ﻓ‬ ��‫ُﻣ ﱠﺘ ِﺼ ٌﻞ َﻣ ْﺒ ﱞ�ي َﻋ‬
katabu-w: Verb im Perfekt mit unveränderlichem Endvokal ⸗u
aufgrund der Verbindung mit dem Plural-wāw. Das wāw ist ein
verbundenes Personalpronomen mit Vokallosigkeit als unverän-
derlicher Endung; es steht an der Stelle eines Nominativs zur An-
gabe des Subjekts.

2.3.2 Die Endungen der Imperfektformen


Fast alle Imperfektformen sind veränderlich (muʿrab). Drei ver-
schiedene „Fälle“ sind möglich:
a) rafʿ „Indikativ“
b) naṣb „Konjunktiv/ Subjunktiv“
c) ǧazm „Apokopat“
Sie werden wie folgt realisiert:
a) rafʿ „Indikativ“
Das ursprüngliche Zeichen des rafʿ ist der Endvokal ⸗u (ḍamma).
Dieses tritt bei allen Imperfektformen der gesunden Verben auf, die
keine Suffixe haben, wie in:
ُ ‫َﺗ ْﺪ ُر‬
‫س‬ ta·drus⸗u ‚du (m.) studierst‘
Bei den „fünf Verben“ ist das Zeichen des rafʿ die Beibehaltung des
nūn am Wortende:
َ َ
‫ﺗ ْﺪ ُر ِﺳ ْ�ن‬ ta·drusi-y⸗na ‚du (f.) studierst‘
َ
‫َﻳ ْﺪ ُر ُﺳ ْﻮن‬ ya·drusu-w⸗na ‚sie studieren‘

b) naṣb „Konjunktiv/Subjunktiv“
Das ursprüngliche Zeichen des naṣb ist der Endvokal ⸗a (fatḥa). Es
tritt bei allen Imperfektformen der gesunden Verben auf, die keine
Suffixe haben:
َ ‫ْأن َﺗ ْﺪ ُر‬
‫س‬ ʾan ta·drus⸗a ‚daß du (m.) studierst‘
Bei den „fünf Verben“ ist das Zeichen des naṣb der Ausfall des nūn
am Wortende:
َ
‫ْأن ﺗ ْﺪ ُر ِ�� ْي‬ ʾan ta·drusi-y ‚daß du (f.) studierst‘
2.3 Die Kasus-/ Modusendungen der Verbformen 83

Ist das Verb mit dem Pronomen -w ‫ ـﻮ‬verbunden, so wird (genau wie
in der 3. Pers. Pl. m. Perf.) ein ʾalif angehängt, um die Form von an-
deren orthographisch zu unterscheiden (z. B. um eine Verwechslung
ْ
mit schwachen Verben zu vermeiden: yadʿuw ‫) َﻳﺪ ُﻋ ْﻮ‬:
‫ْأن َﻳ ْﺪ ُر ُﺳ ْﻮا‬ ʾan ya·drusu-w ‚daß sie studieren‘

c) ǧazm „Apokopat“
Das ursprüngliche Zeichen des ǧazm ist die Vokallosigkeit am Wort-
ende (sukūn). Es kommt bei allen Imperfektformen der gesunden
Verben vor, die keine Suffixe haben, z. B.:
ْ ‫ِﻟ َﻨ ْﺪ ُر‬
‫س‬ li-na·drus⸗Ø ‚laß uns studieren‘
‫س‬ْ ‫ﻻ َﺗ ْﺪ ُر‬ lā ta·drus⸗Ø ‚studiere nicht!‘
Bei den „fünf Verben“ ist das Zeichen des ǧazm ebenfalls der Ausfall
des nūn am Wortende, die Formen von Konjunktiv und Apokopat
sind hier also identisch:
َ
‫ْأن ﺗ ْﺪ ُر ِ�� ْي‬ ʾan ta·drusi⸗y ‚daß du (f.) studierst ‘ (Konj.)
َ
‫ﻻ ﺗ ْﺪ ُر ِ�� ْي‬ lā ta·drusi-y ‚studiere (f.) nicht‘ (Apk.)
‫ْأن َﻳﺪ ُر ُﺳ ْﻮا‬
ْ ʾan ya·drusu-w ‚daß sie (m. pl.) studieren ‘ (Konj.)
‫ِﻟ َﻴ ْﺪ ُر ُﺳ ْﻮا‬ li-ya·drusu-w ‚sie (m. pl.) sollen studieren‘ (Apk.)

Nicht veränderlich (mabnī) sind diejenigen Imperfektformen, die


mit einem nūn der Bekräftigung (nūn at-taukīd) enden, also nach
europäischer
َ Terminologieَ im Modus energicus stehen (ya·fʿala·n
‫ َﻳ ْﻔ َﻌﻠ ْﻦ‬bzw. ya·fʿala·nna ‫) َﻳ ْﻔ َﻌﻠ ﱠﻦ‬, sowie die Formen, die mit einem
nūn zur Kennzeichnung des Femininums (nūn at-taʾnīṯ) enden
َْ ْ َْ َْ
(ya·fʿal-na ‫ َﻳﻔ َﻌﻠﻦ‬und ta·fʿal-na ‫)ﺗﻔ َﻌﻠﻦ‬. Das wird für beide Fälle da-
mit begründet, daß durch das Anhängen des nūn das Verb die Ähn-
lichkeit mit dem Nomen verliert, da diese Art des nūn allein beim
Verb steht.

2.3.3 Die Endungen der Imperativformen


Der Imperativ ist unveränderlich in der Endung (mabnī), seine ur-
sprüngliche Endung ist die Vokallosigkeit (sukūn). Sie wird sichtbar,
wenn keinْ Personalpronomen mit dem Verb verbunden wird (z. B.
ifʿal⸗Ø ‫‚ ِاﻓ َﻌ ْﻞ‬tu!‘) und wenn ein nūn zurْ Kennzeichnung der 2. Pers.
Pl. f. angehängt wird (z. B. ifʿal⸗Ø-na ‫‚ اﻓﻌﻠـﻦ‬tut!‘ (Pl. f.)). Ansonsten
tritt an die Stelle der Vokallosigkeit die Auslassung des nūn:
84 Die Verbkonjugation in der Grammatiktradition
ْ
‫ِاﻓ ُ َﻌﻼ‬ ifʿala-ȧ ‚tut!‘ (Dual)
ْ
‫ِاﻓ ْ َﻌﻠﻮا‬ ifʿalu-w ‚tut!‘ (Plural m.)
َ
��ِ ‫ِاﻓﻌ‬ ifʿali-y ‚tu!‘ (Singular f.)
Der Endvokal lautet ⸗a, wenn das „nūn der Bekräftigung“ (nūn at-
taukīd) angehängt, also der Modus energicus verwendet wird:
َ ْ
‫ِاﻓ َﻌﻠـ ﱠﻦ‬ ifʿala·nna ‚tu!‘ (Singular m.)
Faktisch sind dies die Endvokale des Apokopats, doch auf diese
Verbindung gehen die arabischen Grammatiker nicht ein.

Hintergründe
der arabischen Grammatiktradition

Das folgende Kapitel beleuchtet die Entwicklung und Methodik der


traditionellen arabischen Grammatik. Im Zentrum steht Sībawaih,
der wichtigste arabische Grammatiker. Ausgehend von seinem
einzigen Werk, welches schlicht al-Kitāb ‚das Buch‘ genannt wird,
werden Zielsetzung und Argumentationsweise der Grammatiker
dargestellt. Abschließend wird der Blick auf mögliche äußere Ein-
flüsse gerichtet und damit die Grammatik in den Kontext der ara-
bisch-islamischen Wissenschaftstradition eingebettet.

3.1 Gesellschaftliche und religiöse Aspekte


Die frühen arabischen Grammatiker kamen einem Bedarf nach, der
sich aus den religiösen, gesellschaftlichen und politischen Entwick-
lungen ergeben hatte. Mit der Offenbarung des Korans und der
unaufhaltsamen Ausdehnung des islamischen Reiches während des
ersten Jahrhunderts nach der Hiǧra änderte sich die religiöse, sozia-
le und politische Bedeutung des Arabischen schlagartig. Von einer
nahezu ausschließlich mündlich gebrauchten, auf eine ethnisch
und kulturell homogene Gruppe beschränkten Sprache wurde es
zum Kommunikationsmittel eines Großreiches. Aus der Zeit um
132/750 sind die ersten arabischen Bücher überliefert, 1 und bereits
kurze Zeit später befanden sich arabische Literatur und Wissen-
schaft in voller Blüte. Wenn auch die Arabisierung der eroberten
Gebiete erst nach und nach erfolgte und von Region zu Region sehr
verschieden war, so war doch die Zunahme der Sprecherzahl gewal-
tig. Viele begannen, das Arabische zu erlernen, um Anteil an der
____________________

1 Darunter die Korankommentare von Muqātil b. Sulaimān (gest. ca.


150/767) und Muḥammad b. Ṣāʾib al-Kalbī (gest. 146/763) sowie die Werke
von Ibn al-Muqaffaʿ (gest. nach 139/756).

85
86 Hintergründe der Grammatiktradition

sich neu formierenden Gesellschaft zu bekommen. So entstand eine


Sprechergemeinschaft mit Mitgliedern verschiedenster ethnischer,
geographischer und kultureller Herkunft, die der ursprünglichen
„Beduinensprache“ einen völlig neuen Charakter gab.
Kernereignisse der arabischen Sprachgeschichte sind die Ver-
schriftung und Sammlung des Korans, deren Abschluß dem Kalifen
ʿUṯmān (reg. 23–35 / 644–664) zugeschrieben wird, und die Einfüh-
rung des Arabischen als einheitliche Verwaltungssprache des isla-
mischen Reiches durch den Kalifen ʿAbd al-Malik b. Marwān (reg.
65–86 / 685–705). 2 Hier zeigen sich zwei wichtige Motive, die die
Entstehung der arabischen Grammatiktradition angetrieben haben:
das Bemühen um Bewahrung und Verständnis des Korantextes und
das Aufblühen der islamisch-arabischen Kultur. Viele Nichtaraber
erlernten nun das Arabische, und der Gebrauchsbereich der Spra-
che erweiterte sich stark. Sie wurde von einer Stammessprache zum
Kommunikationsmittel eines Großreiches. Ihr Ausbreitungsgebiet
vergrößerte sich um ein Vielfaches und umfaßte nun auch Regionen
mit uralten Hochkulturen und Städte mit einem den Arabern zuvor
unbekannten kulturellen und wissenschaftlichen Leben. Das Um-
feld, in dem sich nun das Arabische entwickelte hatte in vieler Hin-
sicht nichts mehr mit der altarabischen Kultur, der die Sprache
entstammte, gemeinsam.
Dies führte auch mit sich, daß es immer schwieriger wurde, den
Koran sprachlich und inhaltlich zu verstehen. Es wurde daher zu
einem vorrangigen Anliegen der muslimischen Gelehrten, die Spra-
che des Korans rein zu bewahren, einerseits um die richtige Über-
lieferung und das Verständnis des Textes zu gewährleisten, anderer-
seits um ihrer Würde als Sprache der göttlichen Offenbarung Aus-
druck zu geben und ihre Vollkommenheit zu beweisen. Die Bewah-
rung und Bestätigung der „religiösen Reinheit“ des Arabischen war
ein Hauptmotiv der arabischen Grammatiker. Es ist nicht übertrie-
ben, wenn Carter feststellt: „Arabic grammar is an integral part of
the Islamic faith“. 3 Dies gilt bis heute.

3.1.1 Übergeschichtlichkeit der arabischen Sprache


Die Sprache wurde als Bestandteil der göttlichen Offenbarung ange-
sehen. 4 Die Gelehrten arbeiteten mit dem Bewußtsein, nicht eine
____________________

2 Er führte auch neue Münzen ein, siehe die Beispiele auf S. 23.
3 Carter, Art. Grammatical Tradition, 190.
4 Siehe zu diesem Aspekt Peters, Language and Revelation.
3.1 Gesellschaftliche und religiöse Aspekte 87

Grammatiktheorie zu entwickeln, sondern ein bereits vorhandenes,


der Sprache innewohnendes System aufzudecken, das je ausgefeil-
ter es war, je mehr dem göttlichen Charakter der Sprache Rechnung
trug. Dies wird besonders bei den späteren Grammatikern deutlich,
die großes Gewicht auf die Begründung (taʿlīl) der Regeln und Phä-
nomene legten, wodurch die Kohärenz und die göttliche Perfektion
des Sprachsystems bis zum Äußersten nachgewiesen werden soll-
ten. Die Betrachtungsweise ist dabei immer strikt synchron. Die
Grammatiker waren nur an der Beschreibung dessen interessiert,
was für sie als die wahre, vollkommene arabische Sprache ansahen,
also die Sprache, die im Koran, in der altarabischen Dichtung und
in der Rede von als faṣīḥ geltenden Gewährsleuten belegt ist. Frühe-
re Sprachstufen, von denen ohnehin keine Zeugnisse bekannt wa-
ren, waren nicht von Interesse. Daß sich das Arabische in zahlreiche
Dialekte aufspaltete, wurde natürlich zur Kenntnis genommen,
doch war die Haltung der Grammatiker zu den Dialekten durchweg
negativ, da es sich doch nur um eine Verfälschung und Verderbung
der eigentlichen Sprache handeln konnte. Diese Einstellung
herrscht in der arabischen Welt bis heute vor. Ziel der Grammatiker
war und ist es daher, die unveränderlichen Normen des „richtigen“
Arabisch herauszuarbeiten, festzuhalten und die tatsächlich ge-
brauchte Sprache immer wieder daran auszurichten.
Diese un-, oder besser übergeschichtliche Sichtweise steht im is-
lamischen Denken nicht isoliert da. Mit ihr korrespondiert die be-
sondere islamische Sicht auf das Heilsgeschehen. Während dieses
im Christentum und im Judentum als Heilsgeschichte wahrgenom-
men wird, offenbart sich Gott nach islamischer Vorstellung nicht
durch die im Laufe der Zeit sich ereignende Auseinandersetzung
mit den Menschen, sondern in einer von Anfang an dagewesenen
und durch alle Zeiten unveränderlichen Weise. Zwar gibt es im
Koran zahlreiche Berichte über vergangene Ereignisse (die vielfach
mit der biblischen Tradition übereinstimmen oder sich auf sie be-
ziehen), häufig über Menschen, die ungehorsam gegen Gott waren
und dafür bestraft wurden (z. B. der Stamm Ṯamūd in Q 91), oder
aber über solche, die trotz des allgemein verbreiteten Ungehorsams
an Gottes Weisung festhielten (z. B. der Prophet Noah (Nūḥ) in Q
71). Solche Geschichten haben aber nicht das Ziel, einen geschicht-
lichen Ablauf oder eine Entwicklung der Beziehung zwischen
Mensch und Gott abzubilden, sondern den Zustand zu verdeutli-
88 Hintergründe der Grammatiktradition

chen, in dem sich sie Menschheit befand, bevor ihr im Koran in


endgültiger und klarster Weise der Wille Gottes verkündet wurde.
Der rechte Weg, nämlich der Weg der Hingabe an Gott (ʾislām),
wurde bereits dem ersten Menschen gewiesen und ist immer der-
selbe geblieben. Die Religion ist demnach nicht Gegenstand einer
geschichtlichen Entwicklung. Von Anfang an, beginnend mit Adam,
ist der Mensch geschaffen worden, um sich Gott hinzugeben und
dadurch sein Heil zu erlangen, doch haben Fehlentwicklungen
immer wieder diese Heilsbestimmtheit überdeckt. Daher heißt es in
Q 30,30 (nach der Übersetzung von Rudi Paret):
„Darum richte dein Antlitz auf die (einzig wahre) Religion (ad-
dīn) als ein ḥanīf, die natürliche Art (fiṭra), in der Gott die Men-
schen geschaffen hat. Gottes Schöpfung kann man nicht abän-
dern. Das ist die richtige Religion (ad-dīn al-qayyim), aber die
meisten Menschen wissen (es) nicht.“
So ist auch die Offenbarung des Korans und die Hinwendung der
Menschen zu Gott auf dem Wege des Islams nichts Neues in der
Geschichte der Menschheit, sondern nur die Sichtbarmachtung und
Verwirklichung der ursprünglichen Bestimmung. Dies steht im
Gegensatz zum Christentum, in dem sowohl das Auftreten Christi
in der Geschichte als auch die Umkehr eines jeden einzelnen Gläu-
bigen zu ihm als der Beginn einer neuen Ära einer ansonsten verlo-
renen Welt verstanden wird. Die Offenbarung des Korans hingegen
markiert nicht den Beginn einer neuen heilsgeschichtlichen Epo-
che, sondern die endgültige klare (mubīn) Aufdeckung des seit jeher
dagewesenen Heils. Daß die Botschaft nunmehr vollkommen klar
mitgeteilt wird, betont der Koran mehrfach, u. a.:
„Der Barmherzige / lehrte die Lesung [qurʾān], / erschuf den
Menschen, / lehrte ihn das klare Verstehen (oder: die klare Spra-
che [al-bayān]).“ (Q 55,1–4)
„Wir haben keinen Gesandten geschickt, außer in der Sprache
seines Volkes, damit er ihnen Klarheit gibt [li-yubayyina la-
hum].“ 5 (Q 14,4)
Der Islam wird als etwas schon immer Dagewesenes angesehen,
nicht als das Resultat eines geschichtlichen Ablaufs, daher ist auch
die koranische Offenbarung nicht mit der Geschichte verbunden,
____________________

5 Übersetzungen nach Neuwirth, Der Koran, 588.


3.1 Gesellschaftliche und religiöse Aspekte 89

sondern übergeschichtlich. Eine Beschäftigung mit dem, was vor


der Offenbarung des Korans war, ist nach traditionellem muslimi-
schen Verständnis also für das Verständnis der Religion weder er-
forderlich noch hilfreich, denn alles Nötige ist in ihm überzeitlich
offenbart und muß nicht aus einer geschichtlichen Entwicklung
heraus interpretiert werden. 6
Hiermit korrespondiert das Desinteresse an der historischen
Entwicklung der arabischen Sprache, da ausschlaggebend allein die
letzte, reinste und klarste Offenbarungsstufe ist, also die Sprache, in
der sich Gott im Koran offenbart, al-bayān ‚das klare Verstehen/ die
klare Sprache‘ (Q 55,4). Genausowenig wie eine Entwicklung hin
zum Islam und zur arabischen Sprache untersucht wird, beschäftig-
te man sich mit einer Weiterentwicklung von beidem, da hier je-
weils Weiterentwicklung nur Verfälschung bedeuten kann. Im Ko-
ran als Höhepunkt der Offenbarung verkündet, kann sich weder die
Sprache noch die Religion verändern. Das Wirken und die Verkün-
digung Muḥammads ist nicht der Anfang der Entwicklung eines
Heilswerkes, sondern die klare Darstellung des seit jeher Dagewe-
senen. Es ist, wie Tilman Nagel formuliert, „mit Muḥammad schon
die unüberbietbare Vollendung der dem Menschen möglichen Reli-
giosität erreicht worden.“ 7 Daß in der arabischen Sprache der Hö-
hepunkt der Offenbarung gesehen wird, bedingte auch das Desin-
teresse der Grammatiker an anderen Sprachen. Selbst eine so nah
verwandte und wichtige Sprache wie das Syrisch-Aramäische oder
die Muttersprache vieler Gelehrter, das Persische, wurden fast nie
berücksichtigt. 8
Es ist abschließend anzumerken, daß auch im christlichen Mit-
telalter kein Interesse an synchroner Sprachbetrachtung bestand.
Bedingt durch die starke Stellung der lateinischen Bibel (Vulgata)
____________________

6 Die Überzeugung, daß die Botschaft des Korans grundsätzlich ahistorisch


gemeint sei, hat auch die Koranexegese westlicher Forscher bestimmt. An-
gelika Neuwirth weist dagegen darauf hin, daß man zumindest in den frü-
hen, d. h. den mekkanischen Suren sehen kann, wie der Text einen Ge-
schichtsdiskurs wiederspiegelt, aus dem heraus sich die frühe muslimische
Gemeinde formiert hat (Neuwirth, Der Koran als Text der Spätantike, 182–
230 „Koran und Geschichte“).
7 Nagel, Geschichte der islamischen Theologie, 11.
8 Allerdings stießen die Exegeten schon früh auf das Problem der im Koran
vorkommenden Wörter nichtarabischen Ursprungs und führten um dieses
Thema heftige Auseinandersetzungen. Siehe Jeffery, The Foreign Vocabu-
lary of the Qurʾān; Schall, Lehn- und Fremdwörter; Versteegh, Sībawayhi’s
treatment of loanwords.
90 Hintergründe der Grammatiktradition

und durch die Rolle des Lateinischen als Kirchensprache war auch
im Abendland die grammatische Wissenschaft eng mit Schriftex-
egese und Theologie verknüpft. Es herrschte auch hier eine normie-
rende und ahistorische Herangehensweise vor. Das Bild änderte
sich erst seit dem 16. Jh., wo u. a. durch die beginnende Beschäfti-
gung mit den Volkssprachen der Horizont erweitert wurde.

3.1.2 Sprache und Theologie


Wie eng die arabische Sprachwissenschaft mit der muslimischen
Glaubenslehre verbunden war, zeigt eine Reihe theologischer Aus-
einandersetzungen, die in den ersten Jahrhunderten der Hiǧra ge-
führt wurden. Hierzu gehören besonders einige Lehrmeinungen der
muʿtazilitischen Theologen, die zeitweise eine große Herausforde-
rung für die Orthodoxie waren. Auf sie soll nun kurz eingegangen
werden, da auch einige wichtige Grammatiker zu dieser Richtung
gehörten, darunter az-Zaǧǧāǧī (gest. 337/951), al-Fārisī (gest. 377 /
987) und Ibn Ǧinnī (gest. 392/1002).
Die Muʿtaziliten waren Gelehrte, die seit dem Ende des 7. Jh.
erstmalig im Islam eine auf rationalistischer Argumentation auf-
bauende Theologie entwickelten. Sie vertraten Lehren, die von der
Orthodoxie scharf bekämpft wurden, wie etwa daß schlechte Taten
des Menschen nicht auf Gottes Vorherbestimmung zurückzuführen
seien oder daß der Koran geschaffen sei und nicht präexistent. Den
dogmatischen Differenzen zum Trotz wurde ihre Argumentations-
technik bald auch von einigen Gegnern übernommen und bildete
die Grundlage einer rationalistischen Theologie (kalām) im Islam. 9
Das bedeutendste politische Ereignis im Zusammenhang der
Auseinandersetzungen zwischen Muʿtazila und Orthodoxie war die
Zeit der sogenannten miḥna (‚Prüfung‘) zwischen den Jahren
218/827 und 234/848, als die muʿtazilitischen Lehren mit Staatsge-
walt durchgesetzt wurden. Der Streit drehte sich vor allem um die
Realität der göttlichen Attribute (ṣifāt), das Dogma von der Wun-
derhaftigkeit (ʾiʿǧāz) des Korans und die Frage, ob der Koran ge-
schaffen oder präexistent sei. Nach Beendigung der miḥna wurde
die Muʿtazila zwar offiziell verboten, hatte aber weiterhin eine Rei-
he bedeutender Anhänger.
Einen Eindruck von der Reichweite grammatischer und sprach-
theoretischer Entscheidungen vermittelt der Streit um die Erschaf-
____________________

9 Siehe zur Einführung El-Affendi, Art. Islamic Theology.


3.1 Gesellschaftliche und religiöse Aspekte 91

fenheit des Korans und den Ursprung der Sprache: Zu den zentralen
Dogmen der Muʿtazila gehörte es, daß Gott vollkommen einheitlich,
unteilbar und unabgrenzbar sei, was durch den Begriff tauḥīd ‚Eins-
heit; Eins-Machen‘ ausgedrückt wurde. Demnach war es unvorstell-
bar, daß etwas Gott innewohnen könnte, was nicht Gott selbst ist.
So wurde etwa bestritten, daß Gott „Weisheit“ (ḥikma), „Leben“
(ḥayāt), „Allmacht“ (qudra) oder andere Wesenseigenschaften in-
newohnen können, denn das würde heißen, Gott in Teile zu zertei-
len. Diese Eigenschaften seien erst von Gott in der Zeit geschaffen
worden und daher nicht Teil des Ewigen. Dieselbe Argumentation
wurde auch bei der Frage angewandt, ob der Koran ewig, und damit
Teil Gottes, oder in der Zeit geschaffen sei. Für die Muʿtaziliten
konnte er aus den erwähnten Gründen nur als geschaffen angese-
hen werden. Andernfalls müßte er ja ein Teil von Gott sein, was
unmöglich war.
Hier schließt sich die Frage nach dem Ursprung der Sprache
an. 10 Die Muʿtaziliten sahen diese als Konvention zwischen den
Menschen an (iṣṭilāḥ oder tawāṭuʾ), die lediglich auf die Realität
hindeutet, aber nicht tatsächlich die Realität darstellt. Die Namen
der Dinge sind danach das Ergebnis der menschlichen Überein-
kunft und nur Zeichen. Man kann hier von einer nominalistischen
Sprachauffassung sprechen. In eben dieser menschlichen, auf Kon-
vention beruhenden Sprache ist nach muʿtazilitischer Ansicht auch
der Koran verfaßt, der als von Gott geschaffen und nicht als ewig
angesehen wurde. Dabei betonten die Muʿtaziliten aber in Überein-
stimmung mit dem allgemeinen Dogma, daß es sich nicht um ein
menschliches, sondern ein göttliches Werk handele, das Wunder-
charakter (ʾiʿǧāz) hat, was u. a. dadurch bewiesen wird, daß er nicht
nachahmbar sei.
Durchgesetzt hat sich im orthodoxen sunnitischen Islam
schließlich die Ansicht, daß die Sprache das Ergebnis göttlicher
Festsetzung (tauqīf) ist. Als Beleg hierfür wird Q 2,31 herangezogen:
„Und er lehrte Adam alle Namen.“ Man kann die Vertreter dieser
Sprachauffassung als Realisten bezeichnen, da sie die Meinung
vertreten, daß die Bezeichnungen mit der Realität identisch sind
und die Realität erst durch ihre Benennung von Gott konstituiert
wird. Dies wird vom Koran insofern gestützt, als er betont, daß es
das Wort ist, durch das Gott die Dinge erschafft, siehe z. B. Q 16, 40:
„Wenn wir eine Sache wollen, brauchen wir nur zu ihr zu sagen: sei!,
____________________

10 Siehe Shah, Classical Islamic Discourse on the Origins of Language.


92 Hintergründe der Grammatiktradition

dann ist sie.“ Den Menschen bleibt hiernach lediglich, die Dinge bei
dem Namen zu nennen (tasmīya), den ihnen Gott gegeben hat,
denn die Beziehung zwischen der Bezeichnung und der Realität, die
sie bedeutet, ist von Gott festgesetzt. Dieser Grundsatz gilt in dieser
Sichtweise auch für den Text des Korans: Was im Koran steht, ist
die Realität selbst, daher können auch die Attribute Gottes dessen
Realität darstellen, auch wenn dieser transzendent ist, also über der
Schöpfung steht. Der Koran wird von der sunnitischen Orthodoxie
nicht als Teil der Schöpfung, sondern als ungeschaffen angesehen.
ʾAḥmad b. Fāris (gest. 395/1004) stellte die Vorstellung vom
tauqīf, der göttlichen Festsetzung der Sprache besonders deutlich
heraus. Für ihn sind alle Erscheinungen der arabischen Sprache
Ergebnis des tauqīf, wodurch die Möglichkeit jeder Entwicklung
ausgeschlossen wird. 11 Er sieht das Entstehen der Sprache (oder
genauer gesagt: das Mitteilen der Sprache an die Menschen) als Teil
des Offenbarungsgeschehens, innerhalb dessen Gott den Menschen
die Sprache in dem Maße bekanntmacht, wie es der Fortschritt der
Offenbarung erfordert. Da der Koran als die endgültige, letzte Of-
fenbarung betrachtet wird, muß auch seine Sprache, das Arabische,
die letzte und höchste Sprachstufe sein, die den Menschen zuteil
werden kann. 12

3.2 Entwicklung der Grammatik


Das erste uns überlieferte grammatische Werk ist das Kitāb des
Sībawaih (ca. 143–180/760–796). Es hat den Grundstein für die ge-
samte arabische Grammatiktradition gelegt. Fast alle späteren Wer-
ke bauen auf ihm auf und interpretieren oder ergänzen es, und
seine Herangehensweise und Terminologie sind im Wesentlichen
bis heute gültig. Was die Entwicklung der grammatischen Wissen-
schaft vor Sībawaih betrifft, sind wir auf die Hinweise und Zitate
angewiesen, die im Kitāb genannt werden. Außerdem ist es in ei-
____________________

11 Ibn Fāris, aṣ-Ṣāḥibī, 13–15: bāb al-qaul ʿala luġat al-ʿarab – ʾa-tauqīf ʾam
iṣṭilāḥ? Siehe auch Fleisch, Art. Ibn Fāris, 764.
12 Auf muʿtazilitischer Seite ist auf das K. al-Ḫaṣāʾiṣ von Ibn Ǧinnī (gest.
392/1002) hinzuweisen, das ausführlich auf die Frage nach dem Ursprung
der Sprache eingeht. Eine Entscheidung, ob die Sprache auf Eingebung
oder Konvention zurückgehe, ist nach Ibn Ǧinnīs Meinung nicht zu tref-
fen. Einen Ausschnitt aus diesem Text erläutert Versteegh, The Arabic Lin-
guistic Tradition, 101–114.
3.2 Entwicklung der Grammatik 93

nem gewissen Rahmen möglich, das gelehrte Umfeld des Verfassers


zu rekonstruieren. 13

3.2.1 Grammatik vor Sībawaih


Noch bevor die Grammatik zur Blüte kam, begannen sich Koranex-
egese (tafsīr) und Religionsgelehrsamkeit (fiqh, meist übersetzt mit
„islamisches Recht“) zu entwickeln. Seit frühester Zeit waren die
Gelehrten außerdem mit der Sicherung der Koranüberlieferung
einschließlich der unterschiedlichen Lesarten (qirāʾāt) und mit der
Sammlung der Prophetenüberlieferung (ḥadīṯ) befaßt. 14 Vor dem
Hintergrund dieser islamischen Wissenschaften ist die Entstehung
der Grammatiktradition zu verstehen. Die Annahme einer engen
Verbindung der Grammatik mit der Koranüberlieferung wird da-
durch gestützt, daß die frühesten Grammatiker meist auch Koran-
überlieferer (qurrāʾ) waren, darunter Naṣr b. ʿĀṣim al-Laiṯī (gest.
89/703) und ʾAbū ʿAmr b. ʿAlāʾ (gest. 155/771). 15
Zwei wichtige Motive für die Systematisierung der Grammatik
sind bereits aus dem historischen Überblick hervorgegangen: die
rasche Ausbreitung des Arabischen und das Bemühen um die Be-
wahrung des Korantextes. Die muslimische Tradition sieht die Sor-
ge um die Reinheit der Sprache, besonders im Zusammenhang mit
der Koranüberlieferung, als Hauptmotiv an. Dies drückt sich in
einer Reihe von Anekdoten aus, die berichten, wie ʾAbū l-ʾAswad
ad-Duʾalī (gest. 69/688), der als der erste Grammatiker gilt, seinen
Auftrag erhalten haben soll. Hiervon berichtet al-ʾAnbārī (513–
577 / 1119–1181) in seiner Biographie der Sprachgelehrten (Nuzhat al-
ʾalibbāʾ fī ṭabaqāt al-ʾudabāʾ). Eine Anekdote spricht davon, daß
eine fehlerhafte Koranrezitation ʾAbū l-ʾAswad überzeugt haben
soll, sich an die Erarbeitung einer Grammatik zu machen. In einer
anderen Überlieferung erhält er den Auftrag hierzu vom Kalifen ʿAlī
b. ʾAbī Ṭālib (reg. 35–40/656–661), der bemerkt hatte, daß das Ara-
bische durch den großen Zustrom von Nichtarabern korrumpiert
____________________

13 Siehe z. B. Baalbaki, Legacy, 1–30.


14 Siehe zu den qirāʾāt und ihrem Einfluß auf die frühen Grammatiker Shah,
Art. Qirāʾāt.
15 Siehe Shah, Exploring the Genesis of Early Arabic Linguistic Thought:
Qurʾanic Readers and Grammarians of the Kūfan Tradition 2, S. 7. Diejeni-
gen Grammatiker, die in Sībawaihs Kitāb namentlich genannt sind, stellt
Baalbaki, Legacy, 11–16, dar. Die Beziehungen zwischen den frühesten mus-
limischen Gelehrten (also wer Schüler von wem war usw.) untersucht Ver-
steegh, Arabic Grammar and Qurʾānic Exegesis, 160–190.
94 Hintergründe der Grammatiktradition

wurde und der darum bereits selbst mit dem Verfassen einer
Grammatik begonnen haben soll. So lautet denn auch einer der
ersten Sätze in al-ʾAnbārīs Biographie der Sprachgelehrten:
„Wisse […], daß der erste, der die grammatische Wissenschaft
begründete und die Grundlage für ihre Regeln gelegt und ihre
Definitionen festgesetzt hat, der Kalif ʿAlī b. Abī Ṭālib war. Von
diesem hat es ʾAbū l-ʾAswad […] ad-Duʾalī.“ 16
Indem die Anfänge der Grammatik einem direkten Nachfolger des
Propheten zugeschrieben werden, ist diese Wissenschaft gleichzei-
tig religiös und politisch autorisiert. Wenn auch von ʾAbū l-ʾAswad
ad-Duʾalī eine Tätigkeit als Grammatiker nicht durch unmittelbare
Quellen belegt ist, war er doch eine bekannte historische Persön-
lichkeit. Er wurde in vorislamischer Zeit geboren, trat zur Zeit des
Propheten zum Islam über und lebte als Verwaltungsbeamter, Rich-
ter und Gelehrter in Baṣra. 17 Ob er tatsächlich der Begründer der
Grammatiktradition war, ist nicht feststellbar; wahrscheinlich han-
delt es sich um eine Legende. Die muslimische Tradition schreibt
ihm die Erfindung einiger wichtiger Neuerungen in der arabischen
Schrift zu, nämlich ein erstes Vokalisierungssystem (in welchem die
Vokale durch Punkte dargestellt wurden), das hamza und das šad-
da. Es ist denkbar, daß es weitere Gründungsfiguren gab, deren
Tradition zu seinen Gunsten an den Rand gedrängt wurde, um die
politische und religiöse Legitimation durch den Kalifen ʿAlī b. ʾAbī
Ṭālib hervorzuheben und die Baṣraer Tradition zu stärken. 18
Mangels primärer Quellen ist es schwer festzustellen, wann in
der Zeit vor Sībawaih über die bloße Sammlung von sprachlichem
Material hinaus zum ersten Mal die Grammatik systematisiert wur-
de. Der erste Grammatiker, über den eine sichere Aussage möglich
ist, ist Sībawaihs Lehrer al-Ḫalīl b. ʾAḥmad al-Farāhīdī (gest. 170/
786). 19 Ein grammatisches Werk ist von ihm nicht überliefert, doch
geht auf ihn zumindest teilweise das erste arabische Wörterbuch
Kitāb al-ʿAin zurück. Ihm wird auch das bis heute gebräuchliche
Vokalisierungssystem zugeschrieben. Sībawaih zitiert ihn in seinem
Buch 608 mal sowohl mit von ihm gesammelten Beispielsätzen als
____________________

16 Al-ʾAnbārī, Nuzha, 3.
17 Siehe Bernards, Art. Abū l-Aswad ad-Duʾalī, und Talmon, Who Was the
First Grammarian?
18 So mit Versteegh, Arabic Grammar and Qurʾānic Exegesis, 160.
19 Zu al-Ḫalīls Lebensdaten gibt es verschiedene Angaben, siehe Sellheim,
Art. al-Khalīl b. ʾAḥmad.
3.2 Entwicklung der Grammatik 95

auch mit grammatischen Ansichten, denen sich Sībawaih in der


Regel anschließt. Daraus läßt sich schließen, daß al-Ḫalīl b. ʾAḥmad
bereits ein grammatisches System entwickelt hatte, das die Grund-
lage für Sībawaihs Kitāb lieferte. Grundlegende grammatische Kon-
zepte, die Sībawaih im Kitāb anwendet, hat schon al-Ḫalīl verwen-
det, darunter die Theorie des ʿamal (‚syntaktische Einwirkung‘) und
die Verwendung des Analogieschlusses (qiyās) als Grundlage der
grammatischen Argumentation. 20

3.2.2 Sībawaih und das Kitāb


3.2.2.1 Biographische Informationen
Über Sībawaihs Leben gibt es kaum gesicherte Erkenntnisse. Erst
etwa 100 Jahre nach seinem Tod, als sich das Kitāb durchzusetzen
begann, interessierte man sich näher für seine Biographie. Viel kann
es nicht gewesen sein, was noch in Erfahrung zu bringen war, und
so fallen die ersten biographischen Notizen knapp aus. Die früheste
Erwähnung findet sich im K. al-Maʿārif von Ibn Qutaiba (gest.
276 / 889):
„Sībawaih – Das ist ʿAmr b. ʿUṯmān. Er ist vor allem als Gramma-
tiker bekannt. Er kam nach Bagdad, wo er mit den Grammati-
kern zusammentraf, wurde dann gedemütigt (ustuḏilla) und
ging daraufhin zurück in irgendeine Stadt in Persien. Dort starb
er als junger Mann.“ 21
Je mehr das im Kitāb beschriebene grammatische System zu einem
Allgemeingut wurde, desto größer war das Bedürfnis, Näheres über
dessen Urheber zu erfahren. So werden die biographischen Aus-
künfte über Sībawaih im Laufe der Zeit immer ausführlicher, und je
weiter man sich zeitlich von ihm entfernte, desto besser schien man
Bescheid zu wissen: Ein entsprechender Eintrag im K. ʾInbāh ar-
Ruwāt von al-Qiftī (gest. 624/1248) bringt es in der gedruckten Aus-
gabe auf 15 Seiten. Hier werden wir auch mit genaueren Angaben zu
seinem Namen versorgt (ʾInbāh, II/346):
„ʿAmr b. ʿUṯmān b. Qanbar, Schutzbefohlener (maulā) der Banū
al-Ḥāriṯ b. Kaʿb b. ʿAmr b. ʿUla b. Ǧald b. Mālik b. ʿUdad. Er wur-
de mit Beinamen (kunya) ʾAbū Bišr und ʾAbū l-Ḥasan genannt.“
____________________

20 Siehe hierzu Reuschel, Al-Ḫalīl ibn Aḥmad, und Baalbaki, Legacy, 16–17.
21 Ibn Qutaiba, Maʿārif, 544.
96 Hintergründe der Grammatiktradition

Abb. 9: Ein Streitgespräch (munāẓara)

Streitgespräche vor Publikum waren ein wichtiger Teil des wissen-


schaftlichen Diskurses in der Abbasidenzeit. Der Legende nach
wurde Sībawaih in einem solchen Streitgespräch um 795 von sei-
nem Gegner al-Kisāʾī in Bagdad besiegt und seine wissenschaftli-
che Laufbahn dadurch beendet. Die Illustration stammt aus einer
Handschrift von al-Ḥarīrīs Maqāmāt aus dem Jahr 1236.
Ms. Arabe 5847, Bibliothèque nationale, Paris, fol. 148 v
3.2 Entwicklung der Grammatik 97

Darüber hinaus bietet der Text Anekdoten und Aussprüche von


Sībawaih und gibt Auskunft über seine Studien in Baṣra, den Ablauf
des Streitgespräches mit al-Kisāʾī und seinen Rückzug nach Persien.
Die Zuverlässigkeit solcher Angaben läßt sich nicht nachprüfen,
doch dürfte das meiste davon im Laufe der Zeit konstruiert worden
sein, um das Bild dieses bedeutendsten Grammatikers der arabi-
schen Sprache in das gewünschte Licht zu rücken.
Schon über seinen wirklichen Namen läßt sich nichts Sicheres
sagen. In den grammatischen Werken wird er stets nur mit seinem
persischen Rufnamen Sībawaih genannt, den die Biographen als
‚Apfelduft‘ interpretierten: wa-Sībawaihi laqabun lahu wa-maʿnāhu
rāʾiḥatu t-tuffāḥi ‚Sein Beiname ist Sībawaih, was den Duft des Ap-
fels bedeutet‘ 22. Er wurde in Persien, vielleicht in der Nähe von Šīrāz
geboren und hat in Baṣra studiert, wohl u. a. bei ʿĪsā b. ʿUmar (gest.
149 / 766), al-ʾAḫfaš al-ʾAkbar (2./8. Jh.), Yūnis b. Ḥabīb (gest.
182/798) und dem bereits genannte al-Ḫalīl b. ʾAḥmad (gest. ca.
170/786). Wahrscheinlich hatte er nicht viele Schüler. Das wäre
jedenfalls eine Erklärung dafür, daß sein Werk zunächst kaum Be-
achtung fand. Schließlich soll er in Bagdad von seinem aus Kūfa
stammenden Rivalen al-Kisāʾī (ca. 119–189/737–805) zu einem
Streitgespräch (munāẓara) herausgefordert worden sein, das nach
dem Inhalt des entscheidenden Beispielsatzes als al-masʾala az-
zunbūrīya („die Hornissenfrage“) bezeichnet wird und aus welchem
er als Verlierer hervorging. Er soll daraufhin in seine Heimat zu-
rückgekehrt und bald gestorben sein, wohl um das Jahr 180/796. Die
Angaben darüber, welches Alter er erreicht hat, schwanken zwi-
schen 32 und etwas über 40 Jahren. 23 Als Ort seines Todes wird Šīrāz
genannt, wo sich heute sein Grabmal befindet, andere Biographen
nennen Baṣra.
Da das genannte Streitgespräch keinen Niederschlag in den
Werken der beiden betroffenen Personen fand, sondern erst in spä-
teren Quellen erwähnt ist, wird in der westlichen Forschung davon
ausgegangen, daß es sich um eine Legende handelt, deren Absicht
es war, die Konkurrenz zwischen den beiden Grammatikerschulen
von Baṣra und Kūfa bis auf Sībawaih zurückzuführen und diesen als
den Begründer der Schule von Baṣra darzustellen. Amal Marogy
stellte die Vermutung an, daß es in den alteingesessenen Kreisen
____________________

22 al-ʾAnbārī, Nuzha, 37.


23 Siehe zur Biographie Carter, Sībawayhi, 7–32. Verschiedene Überliefe-
rungen zu seinem Sterbejahr und -ort bringt al-ʾAnbārī, Nuzha, 39.
98 Hintergründe der Grammatiktradition

Vorbehalte gegenüber der Person Sībawaihs gegeben habe. Die


Überlieferung des Streitgespräches wäre dann damit zu erklären,
daß al-Kisāʾī, der immerhin Privatlehrer des Kalifen Hārūn ar-Rašīd
(reg. 170–191 / 786–809) war, persönliche Antipathien gegen ihn
hegte, da er um Ansehen und Einfluß fürchtete. 24 In diesen Sinne
wird das Ereignis im biographischen Lexikon des Ibn Ḫallikān
(608–681/1211–1282) dargestellt. Hier erscheint Sībawaihs Niederlage
als Komplott: Der einbestellte Beduine, der die Richtigkeit des Bei-
spielsatzes begutachten soll, will Sībawaih rechtgeben, doch Hārūn
ar-Rašīd verhindert dies, um seinen verehrten Lehrer Kisāʾī in
Schutz zu nehmen. Der Beduine sagt gegen Sībawaih aus, worauf
dieser den Rückzug antritt. 25
Auf ein wichtiges Merkmal von Sībawaihs Biographie, wie sie
uns von späteren Gelehrten dargestellt wird, hat Kristen Brustad
hingewiesen: seine Erfolglosigkeit. Anstatt seine Persönlichkeit zu
heroisieren, wird großes Gewicht auf sein schmähliches Ende ge-
legt. Er muß Fehler einräumen, läßt sich von Gegnern demütigen
und wird davon so hart getroffen, daß er sich in die Fremde zurück-
zieht aus der er gekommen war, um dort in der Mitte seines Lebens
zu sterben. Bis dahin hatte er sein großes Werk gerade soweit voll-
endet, daß es von einem Schüler aufgeschrieben und vor dem Ver-
gessen bewahrt werden konnte. Viele Anhänger hatte er jedoch
nicht, so daß das Kitāb, welches später zum „Koran der Grammatik“
werden sollte, zunächst lange unbeachtet blieb. Dieses schwache
Bild, das Sībawaih (über dessen Person man nicht viel mehr seinen
persischen Namen „Apfelduft“ weiß) abgibt, steht im Kontrast zu
dem genialen grammatischen System, das er uns mitgeteilt hat.
Seine Biographie scheint, als solle sie die Person des Autors hinter
seine Botschaft zurücktreten lassen. Die Grammatik wird hier zu
etwas Eigenständigem. Sie wurde nicht von einem genialen Gelehr-
ten geschaffen, sondern war als Bauplan der göttlichen Sprache
schon längst da. Es bedurfte lediglich eines klugen Kopfes, der sie in
Worte faßte. Doch selbst dieser ist nicht in der Lage, sie vollkom-
men zu beherrschen: Der größte Grammatiker aller Zeiten wird in
die Resignation getrieben, weil ein Gewährsmann sein Urteil wider-
legt. Später wurde sein System allgemein anerkannt, doch nicht
dank der Durchsetzungskraft seines Erfinders – denn dieser war
über seine Arbeit längst gestorben –, sondern aufgrund der Wahr-
____________________

24 Siehe Marogy, Kitāb Sībawayhi, 14.


25 Ibn Ḫallikān,Wafayāt, III/464.
3.2 Entwicklung der Grammatik 99

heit, die in ihm steckt. Angesichts des quasi religiösen Charakters,


den die Grammatik im Laufe der Zeit gewonnen hat, ist es vielleicht
nicht zu weit hergeholt, in Sībawaihs konstruierter Biographie Ele-
mente eines Offenbarungsvorgangs zu erkennen, bei dem nicht der
Überbringer, sondern der göttliche Inhalt im Vordergrund steht. 26

3.2.2.2 Textgeschichte und Aufbau des Kitāb


Es wurde darüber spekuliert, warum das Kitāb einen in gewisser
Hinsicht unfertigen Eindruck erweckt. Es hat keine Einleitung, wie
sie sonst in arabischen wissenschaftlichen Büchern üblich ist, und
es endet abrupt ohne einen besonderen Abschluß. Auch ein richti-
ger Titel fehlt ihm. Außerdem erscheint die Anordnung des Stoffes
oft unübersichtlich. Andererseits liegt jedoch der gesamten Darstel-
lung ein klares Konzept zugrunde, was vor allem daran sichtbar
wird, daß durchgehend die gleiche Terminologie gebraucht wird. 27
Der Aufbau ist durchaus geschlossenen, was u. a. an zahlreichen
Querverweisen und sich wiederholenden Beispielsätzen deutlich
wird. Dies belegt, daß das Kitāb keine Kompilation verschiedener
Schriften ist, sondern ein einheitliches Werk. Es ist aber in seiner
vorliegenden Form nicht von Sībawaih selbst zusammengestellt,
sondern von seinem Schüler al-ʾAḫfaš al-ʾAusaṭ (gest. 215/830) nach
dem mündlichen Vortrag des Lehrers gesammelt und aufgeschrie-
ben worden. Im religiösen und wissenschaftlichen Lehrbetrieb der
frühen islamischen Jahrhunderte war dies die vorrangige Art, Wis-
sen weiterzugeben und festzuhalten. 28 Die Endredaktion des Kitāb
erfolgte wahrscheinlich erst nach dem Tod Sībawaihs. Wenn dieser
also sein Werk niemals im Zusammenhang selbst bearbeitet hat,
würde dies eine gewisse Unübersichtlichkeit rechtfertigen. Auch
das Fehlen eines Vorwortes und eines systematischen Überblicks
ließe sich dadurch erklären. Schließlich ist zu berücksichtigen, daß
es sich hier um eines der ersten wissenschaftlichen arabischen Bü-
cher überhaupt handelt und Sībawaih und al-ʾAḫfaš kaum ein Vor-
bild gehabt haben dürften, zumal für ein Werk so komplexen In-
halts. So ist es verständlich, daß hier noch nicht den Konventionen
gefolgt wird, die später für wissenschaftliche Abhandlungen galten.
____________________

26 Hierzu Brustad, The Iconic Sībawayh.


27 Siehe Baalbaki, Legacy, 226–230 „The internal unity of the Kitāb”.
28 Siehe speziell zur Verschriftung und Überlieferung des Kitāb Schoeler,
Weiteres zur Frage der schriftlichen oder mündlichen Überlieferung, 47–
55. Zur Biographie von al-Aḫfaš siehe Carter, Sībawayhi, 136–137.
100 Hintergründe der Grammatiktradition

Die Überlieferung des Buches erfolgte, wie damals allgemein üb-


lich, auf dem Weg des Lesens (qirāʾa), also indem es ein Lehrer mit
seinen Schülern las und es ihnen erläuterte. Auf diese Weise ent-
stand eine regelrechte Überliefererkette, ähnlich wie bei einem
Ḥadīṯ, die angab, wer das Kitāb bei wem „gelesen“ hatte. Schüler
von al-ʾAḫfaš waren u. a. al-Ǧarmī (gest. 225/839) und al-Māzinī
(gest. 248/862). Bei diesen „las“ schließlich al-Mubarrad (210/826–
285/898), der einer der wichtigsten Sprachgelehrten seiner Zeit
wurde und dessen Wirken es zu verdanken ist, daß das Kitāb allge-
meine Verbreitung erlangte. Zunächst nahm al-Mubarrad, wie
schon andere vor ihm, eine kritische Haltung gegenüber dem Kitāb
ein, was in seinem K. ar-Radd ʿalā Sībawaih dokumentiert ist. Es ist
erhalten in einer Entgegnung von ʾAḥmad b. Wallād (gest. 332/943):
K. al-Intiṣār ʾaw kitāb an-naqd ʿalā l-Mubarrad fī raddihi ʿalā Sība-
waih ‚Buch des Sieges oder Kritik der Widerlegung Sībawaihs durch
al-Mubarrad‘. 29 Später revidierte er sein Urteil und näherte sich den
Ansichten Sībawaihs an. Davon zeugt sein Werk al-Muqtaḍab
(‚Kurzgefaßt‘), das sich weitgehend auf Sībawaih stützt. 30 Obwohl
al-Muqtaḍab nicht sehr hoch angesehen war, bildete Mubarrads
Wirken den Wendepunkt in der Rezeption von Sībawaihs Kitāb, das
sich nun so radikal durchsetzte, daß es sehr bald als die Grundlage
der arabischen Grammatik schlechthin angesehen wurde. 31
In den modernen Ausgaben umfaßt das Kitāb 574 thematisch
abgegrenzte, doch mitunter unübersichtlich angeordnete Kapitel.
Seine beiden Hauptteile sind naḥw („Syntax“, Kap. 1–284) und ṣarf
(„Morphologie“, Kap. 285–577). Der Abschnitt ṣarf beinhaltet auch
die Phonetik (Kap. 477–577). Diese Reihenfolge spiegelt Sībawaihs
beschreibende Vorgehensweise wider: Sein Ausgangspunkt war die
zusammenhängende sprachliche Äußerung, daher untersucht er
zuerst im naḥw das Zusammenspiel der einzelnen Wörter und ge-
langt im Laufe seiner Analyse zu den kleineren Einheiten: ṣarf und
schließlich Phonetik. Schon Mubarrad hat in seinem Muqtaḍab
diese Ordnung umgedreht und bespricht im wesentlichen zunächst
____________________

29 Ausgabe in Bernards, Changing Traditions.


30 Passagen hieraus sind auf S. 143 f. zitiert.
31 Siehe zur Überlieferungsgeschichte Humbert, Les voies de transmission,
und zur Rezeptionsgeschichte Bernards, Establishing a Reputation. Ber-
nards analysiert sehr konzise die frühesten Etappen der Rezeption des
Kitāb und die damit zusammenhängende Frage nach den „Schulen“ von
Baṣra und Kūfa. Das älteste Handschriftenfragment des Kitāb stammt aus
dem Jahr 351/962 (Hs. Kairo, Dār al-kutub, naḥw mīm 139).
3.2 Entwicklung der Grammatik 101

ṣarf und dann naḥw. Az-Zamaḫšarī (gest. 538/1144) ordnet schließ-


lich im K. al-Mufaṣṣal fī n-naḥw den Stoff nach den Redeteilen (No-
men, Verb und Partikel) an. 32
Die Kap. 1–7 des Kitāb, von späteren Gelehrten als ar-risāla be-
zeichnet, unterscheiden sich vom Rest des Werkes: Es werden hier
kaum andere Grammatiker zitiert, so daß man vermuten kann, daß
es sich bei den dargestellten Punkten um Sībawaihs eigene Ansich-
ten handelt. Zumindest enthält dieser Teil einen Überblick über die
Grundbegriffe, wenn auch keine regelrechte methodische Einfüh-
rung und erst recht keine Darstellung einer Grammatiktheorie. 33
Sībawaihs Prinzipien müssen aus dem Gesamtwerk erschlossen
werden.

3.2.2.3 Sībawaihs Methodik und Zielsetzung


Die westlichen Forscher betrachteten Sībawaihs Methodik zunächst
durch die Brille der späteren Grammatiker. Dies wird an der deut-
schen Übersetzung des Kitāb durch Jahn (1895) deutlich, wo in den
Anmerkungen Sībawaihs Argumentation ausführlich anhand des
Kommentars von as-Sīrāfī (gest. 368/979) erklärt wird. Einen Wen-
depunkt markiert die Dissertation von Carter A Study of Sībawayhi’s
Principles of Grammatical Analysis (1968), in der zum ersten Mal
Sībawaihs Methode unabhängig von späteren Kommentaren unter-
sucht wird. 34 Wenn auch nahezu der gesamte Aufbau der Gramma-
tik, alle wesentlichen Begriffe und die Argumentationsmethode von
den Nachfolgern übernommen wurden, so gibt es doch einen ent-
scheidenden Unterschied: Sībawaihs positive Einstellung zum
Sprachgefühl seiner Gewährsleute im Gegensatz zur ausschließlich
normativen Herangehensweise späterer Grammatiker. Sībawaihs
Vorgehen ist weitgehend deskriptiv. Das Rückgrat seiner Arbeit
bildet eine Sammlung von über 10 000 Sprachbelegen. Seine Quel-
len sind, geordnet nach dem Grad der Relevanz, die er ihnen zu-
schrieb, folgende: 35

____________________

32 Ausgaben: Broch (1859), ʿAbd al-Maqṣūd et al. (2001). Das Werk wurde sehr
populär und war Vorlage für Casparis Grammatica Arabica (1844).
33 Den voll vokalisierten Text mit Übersetzung ins Französische bietet Koul-
oughli, Risālat Kitāb Sībawaihi, und ders., Préambule.
34 Eine überarbeitete Fassung ist Carter, Sībawayhi’s Principles (2016).
35 Diese Liste und die folgenden Erläuterungen nach Carter, Sībawaih, 39–49.
Siehe auch Baalbaki, Legacy, 35–47 „Samāʿ (Attested Data)“.
102 Hintergründe der Grammatiktradition

1. Äußerungen von Gewährsleuten


2. Vorislamische und umayyadische Dichtung
3. Koran
4. Ḥadīṯe
5. Sprichwörter und Redensarten
Die Belege aus der Rede der Gewährsleute stellen mit 9735 Zitaten
die weitaus größte Gruppe dar. Ihnen kommt, wenn bestimmt wer-
den soll, was im Arabischen als korrekt und schön zu betrachten ist,
großes Gewicht zu. Sībawaih ließ sich von den Gewährsleuten be-
lehren. Dies bestätigt den Eindruck, daß es ihm um die Beschrei-
bung einer tatsächlich mündlich gebrauchten Sprache ging. Welche
Art von Sprache dies war – Umgangssprache des gemeinen Mannes
oder aber eine speziell gepflegte Hochsprache –, ist damit allerdings
noch nicht gesagt. Wir kommen gleich auf dieses Problem zurück.
Zitate aus der vor- und frühislamsichen Dichtung spielen im
Kitāb eine geringere Rolle, da sie aufgrund formeller Zwänge oft von
der freien Rede abweichen und grammatische Unregelmäßigkeiten
enthalten. Sie werden vorwiegend gebraucht, um Abweichungen
von den Regeln zu demonstrieren. Sībawaih zitiert 1056 Verse von
231 Dichtern aus 26 Stämmen.
Die Zahl der Koranzitate beträgt 421, wobei auch unterschiedli-
che Lesarten (qirāʾāt) berücksichtigt werden. Die Sprache des Ko-
rans stellt für Sībawaih einen Sonderfall dar, da sie vielfach vom
üblichen Sprachgebrauch abweicht. Er dokumentiert dies, sieht
aber die Besonderheiten des Korans nicht als normgebend für den
praktischen Gebrauch an. 36 Von theologischen Diskussionen hält er
sich fern. In sehr geringem Maße werden auch Ḥadīṯe und Sprich-
wörter herangezogen. 37 Viele Beispiele sind selbstkonstruierte For-
men und Sätze, die aber freilich nicht als Belege, sondern zur Illu-
stration und Demonstration der Regeln dienen.
Wenn es darum ging, die Richtigkeit eines sprachlichen Phäno-
mens festzustellen, war für Sībawaih das Urteil von Gewährsleuten
ausschlaggebend. Seine Vorgänger und er hatten ein umfangreiches
Korpus mit Belegen aus der „Rede der Araber“ (kalām al-ʿarab) ge-
sammelt, von denen sie annahmen, daß sie den korrekten arabi-
schen Sprachgebrauch wiederspiegelten. Doch hier liegt ein ge-

____________________

36 Siehe Carter, Sībawayhi, 44–46.


37 Siehe Sadan, Sībawayhi’s and later grammarians’ usage of ḥadīṯs.
3.2 Entwicklung der Grammatik 103

wichtiges methodisches Problem, auf das wir zunächst eingehen


müssen, bevor wir Sībawaihs Vorgehensweise näher beschreiben:
Was für eine Art von Sprache war es, die die frühen Grammati-
ker von den Gewährsleuten aufnahmen – was für eine Art von
kalām ist hier gemeint? War es die gewöhnliche Umgangssprache
oder vielmehr eine Hochsprache, die den betreffenden Sprechern
zwar sehr vertraut, aber nicht ihre Alltagssprache war? Die arabi-
schen Grammatiker vertraten die erstgenannte Ansicht. Sie mein-
ten, daß in altarabischer Zeit bestimmte Beduinenstämme als Um-
gangssprache das reine, unverderbte Arabisch (fuṣḥā) gesprochen
hätten. Die Sprache der im Ḥiǧāz, also im nordwestlichen Teil der
arabischen Halbinsel beheimateten Stämme (ʾahl al-ḥiǧāz) galt
ihnen als besonders ursprünglich. So heißt es nach einem entspre-
chenden Beleg im Kitāb: wa-hiya l-ḥiǧāzīyatu l-ǧayyidatu, wa-lākin
Banū Tamīm ʾaskanū t-tāʾa ‚das ist das gute Ḥiǧāzische, während die
Banū Tamīn hier das t vokallos aussprechen‘. 38 Ähnlich an folgender
Stelle, wo ebenfalls die Rede der Banū Tamīm mit der der Ḥiǧāz-
Stämme verglichen wird: wa-l-ḥiǧāzīyatu hiya al-luġatu l-ʾūlā l-
qudmā ‚das Ḥiǧāzische ist die erste, ältere Redeweise‘. 39 Diese Be-
vorzugung des Ḥiǧāzischen hatte vor allem theologische Gründe,
denn hierzu gehörte auch der Dialekt des Stammes Quraiš, dem
Muḥammad entstammte. Nach traditioneller muslimischer Auf-
fassung ist es dieser, in dem der Koran offenbart wurde und der
daher dem reinen Arabisch (fuṣḥā) am meisten entsprach. 40
In der Frühzeit des Islams sei diese Sprache jedoch durch den
Kontakt mit Nichtarabern immer mehr von außen beeinflußt und
verfälscht worden, so daß zur Zeit Sībawaihs die Zahl derer, die sie
noch korrekt sprechen konnten, schon stark zurückgegangen war.
Sībawaihs Sprachbelege stammten von Leuten, von denen man
meinte, daß sie das richtige Arabisch noch aktiv beherrschten. Es
waren vor allem Beduinen aus bestimmten Stämmen, denen man
große sprachliche Konservativität zuschrieb. 41
____________________

38 Kitāb II/478, Z. 17.


39 Kitāb II/276, Z. 12.
40 Als Beleg dient oft Q 14,4: mā ʾarsalnā min rasūlin ʾillā bi-lisāni qaumihi li-
yubayyina lahum ‚Wir haben keinen Gesandten geschickt außer in der
Sprache seines Volkes, damit er ihnen Klarheit gibt. Vgl. Gilliot / Larcher,
Art. Language and Style of the Qurʾān.
41 Den größten Anteil an Sībawaihs Belegen hatten aus praktischen Gründen
diejenigen Stämme, die in der Nähe seines Aufenthaltsortes Baṣra am ehe-
sten anzutreffen waren, vor allem die Banū Tamīm. Diese waren ein
104 Hintergründe der Grammatiktradition

Hiergegen steht die Sichtweise der westlichen Forschung. Diese


geht davon aus, daß die Sprache von Koran und altarabischer Dich-
tung, die für die Grammatiker das Paradebeispiel für gutes, reines
Arabisch war, schon lange eine Hochsprache gewesen war, die mit
keinem Dialekt übereinstimmte und möglicherweise von nieman-
dem je als Alltagssprache gesprochen wurde. Die „Rede der Araber“,
die Sībawaih in seinem Kitāb gesammelt hat, wäre danach ein Idi-
om, das sich als Kulturgut herausgebildet hat und als solches wei-
tergegeben und erlernt wurde – und keine von gewissen Beduinen-
stämmen bewahrte Ursprache. Es dürfte diese Hochsprache gewe-
sen sein, die Sībawaih bei den Beduinen abfragte. Bei allem Risiko,
das mit einem unmittelbaren Vergleich der heutigen mit der dama-
ligen Sprachsituation verbunden ist, kann man vermuten, daß
schon den damals befragten Gewährsleuten der Unterschied zwi-
schen „ordentlicher“ Hochsprache und „nachlässiger“ Alltagsspra-
che bewußt war und sie selbstverständlich diejenige Sprachform zu
Protokoll gaben, die ihnen als die richtigere und schönere galt,
nämlich das alte, schöne Arabisch, die fuṣḥā, in unserer Terminolo-
gie: die Kunst- und Dichtersprache, die Hochsprache. Schwer zu
beantworten ist allerdings die Frage, im welcher Weise diese
Sprachform gepflegt wurde und wie es sein konnte, daß den Spre-
chern hierin quasi muttersprachliche Kompetenz zugeschrieben
wurde, wenn es doch nicht ihre wirkliche Muttersprache war. Sie
muß ihnen jedenfalls sehr geläufig gewesen sein. Vielleicht war es
so, daß es in den Stämmen, deren Sprache als sehr rein galt, beson-
ders viele Personen gab, die die Hochsprache beherrschten und die
sie möglicherweise auch zum Zeitvertreib untereinander sprachen.
Eventuell stand auch ihr Dialekt der Hochsprache besonders nahe,
so daß ihre Aneignung leichtfiel. Auch hier kann man den Vergleich
mit der Situation heutiger arabischer Muttersprachler wagen, für
die das Hocharabische ebenfalls eine sekundär erlernte Sprachform
ist, die aber je nach Sprecher bis zur Perfektion beherrscht werden
kann.
Obwohl in der westlichen Forschung weitgehende Überein-
stimmung darüber herrscht, daß die Sprache der altarabischen
____________________

Stammesverbund aus zahlreichen Clans, die weite Gebiete zwischen Persi-


schem Golf (Baḥr Fāris) und Nafūd-Wüste bewohnten und auch in Baṣra
und Kūfa siedelten. Siehe Lecker, Art. Tamīm b. Murr. Die Territorien der
einzelnen Stämme sind in der Karte B VII 1 des Tübinger Atlas des Vorderen
Orients verzeichnet. Zum Begriff des Stammes siehe Landau-Tasseron, Art.
Tribes and Clans.
3.2 Entwicklung der Grammatik 105

Dichtung und des Korans nicht nur im Stil, sondern auch in der
Grammatik eine von der Umgangssprache verschiedene Hochspra-
che war, wird zum Charakter der Sprachbelege bei Sībawaih, die
dann konsequenterweise auch die Hochsprache, nicht die Alltags-
sprache wiederspiegeln müßten, kaum eindeutig Stellung bezogen.
Diese Kritik äußerte schon 1963 Joshua Blau:
„It is somewhat surprising that although modern research al-
most unanimously agrees about the differences between Classi-
cal Arabic and the individual Bedouin dialects before Islam,
scholars continue to accept stories that presuppose a common
spoken Bedouin language identical with Classical Arabic in the
first Islamic centuries (…) Even the most important recent pub-
lication on the development of Classical Arabic, J. Fück’s Arabīya
(1950), wholeheartedly accepts the thesis of a common Bedouin
language, for all practical purposes identical with Classical Ara-
bic.” 42
Auch Michael G. Carter setzt sich in seinem Buch Sībawaih mit
dieser wichtigen Frage nicht auseinander, sondern scheint sich der
Position der arabischen Grammatiker anzuschließen:
„Sībawayhi’s principle source was the natural language spoken
by the desert-dwelling nomads, conventionally known in the
west by the collective title ‘Bedouin’, usually simply called ‘Ar-
abs’ in grammatical works (an ethnic rather than linguistic des-
ignation).” 43
Die Formulierung „natural language“ ist der genaue Gegenbegriff zu
der oben beschriebenen Hoch- oder Kunstsprache. Er impliziert,
daß Sībawaih die beduinische Alltagssprache zum Maßstab nahm.
Allerdings nennt Carter im folgenden eine Reihe von Einschrän-
kungen, aus denen ersichtlich wird, daß Sībawaihs eigentlicher
Gegenstand eben doch nicht die Rede der Beduinen war, sondern
eine idealisierte fuṣḥā. Dies wird z. B. daran deutlich, daß er Belege
von Gewährsleuten als ‚sehr schlecht‘ (radīʿ ǧiddan) zurückweisen
konnte und die verschiedenen Dialekte nach ihrer relativen Rich-
tigkeit beurteilte. Sein Maßstab hierfür war das aus dem vielfältigen
Sprachmaterial abgeleitete und abstrahierte System der fuṣḥā.

____________________

42 Blau, The Role of the Bedouins as Arbiters, 43.


43 Carter, Sībawayhi, 40.
106 Hintergründe der Grammatiktradition

Abb. 10: Handschrift des Kitāb aus dem Jahr 1212. In der Mitte die
Überschrift des 3. Kapitels: hāḏā bāb al-musnad wa-l-musnad ʾilaihi
Ms. Arabe 5280, Bibliothèque nationale, Paris, fol. 2v
3.2 Entwicklung der Grammatik 107

Mit diesen methodischen Erwägungen im Hinterkopf können


wir nun einen Blick auf Sībawaihs Argumentationsweise werfen.
Ungeachtet der genannten Unsicherheiten kann man feststellen,
daß für ihn die (zu welchem Zweck auch immer) aktiv verwendete
(Hoch-)Sprache große Autorität hatte und daß diese allgemein mit
der alten, mit dem Aufblühen des Islams zurückweichenden bedui-
nischen Gesellschaft in Verbindung gebracht wurde. Die Urteile der
Gewährsleute hatten für Sībawaih wenn nicht absolutes, so doch
sehr hohes Gewicht. An ihrem Sprachgefühl hing es, ob eine Äuße-
rung oder grammatische Konstruktion annehmbar oder abzu-
lehnen, fein (ḥasan) oder häßlich (qabīḥ) war. Carter hat von dieser
Art der Beurteilung aus eine Brücke zum fiqh, dem „islamischen
Recht“ geschlagen:
„The subject of the Kitāb is therefore ‚speech‘, kalām, which
Sībawaih regarded as a social activity carried out in a context of
speaker and listener and guided by the same ethical principles
as all other human behaviour.“ 44
Reden und Tun sind die beiden Seiten des menschlichen Verhal-
tens. Dies kann erklären, warum die in der Grammatik gebrauchten
Methoden und Begriffe eine so große Nähe zum fiqh aufweisen:
beide Wissenschaften haben die Beurteilung des menschlichen
Verhaltens zur Aufgabe, der fiqh hinsichtlich der Taten, die Gram-
matik hinsichtlich der Sprache. Sībawaihs Urteil über die Richtig-
keit von sprachlichen Äußerungen fußte darauf, in welchem Grad
sie von den Sprechern akzeptiert wurden. Dies erklärt, warum er die
Grammatik als naḥw ‚Weg, Richtung’ bezeichnet: Er sieht die Spra-
che als eine Verhaltensweise, bei der der Mensch, wie bei seinen
übrigen Verhaltensweisen die Wahl zwischen verschiedenen Wegen
hat, von denen die einen der Norm entsprechend und löblich, die
anderen in unterschiedlichem Maße von der Norm abweichend
und abzulehnen sind. 45 Dies wird in Terminologie und Methodik
____________________

44 Carter, Sībawayhi, 56.


45 Synonym zu naḥw kommen im Kitāb eine Reihe anderer Begriffe vor, die
alle mit der Feststellung einer „rechten Verhaltensweise“ im Zusammen-
hang stehen und in diesem Sinne auch im fiqh gebraucht werden: sabīl
‚Weg‘/ ṭarīqa ‚Weg, Pfad; Art und Weise‘ / maḏhab ‚Weg, für den man sich
entscheidet; Lehrrichtung‘ / waǧh ‚Vorderseite, Außenseite; Art und Wei-
se‘ / al-maǧrā ‚(Wasser-)Lauf, Kurs‘ / sunna ‚Brauch, überlieferte Verhal-
tensnorm‘ / šarʿ ‚vorgeschriebener Weg‘. Diese Liste nennt Carter, Sība-
wayh, 60.
108 Hintergründe der Grammatiktradition

von Sībawaihs Kitāb deutlich, wo viele sprachliche Zusammenhän-


ge wie menschliche Taten beschrieben und beurteilt werden. 46
Die nachfolgenden Grammatiker übernahmen Sībawaihs Begrif-
fe und Methoden und bauten sie aus. Dabei unterschieden sie sich
aber in einem ganz wesentlichen Punkt von ihrem Meister: Sie lie-
ßen, zumindest in der Baṣraer Tradition, keine Belege von zeitge-
nössischen Gewährsleuten mehr zu. Während es Sībawaih darum
ging, aus dem Sprachmaterial Regeln und Begründungen abzulei-
ten, bzw. anhand des Materials die Regeln zu überprüfen, haben
fast alle nachfolgenden Grammatiker nicht ein bestimmtes Korpus
von sprachlichen Äußerungen, sondern das von Sībawaih aufge-
stellte Regelsystem als Ausgangspunkt genommen. Die Beurteilung
der Zulässigkeit einer Aussage richtet sich bei ihnen nicht mehr
nach der Akzeptanz bei den Gewährsleuten, sondern nach ihrer
Konformität mit dem Regelwerk. Sībawaihs Ansatz wurde hier na-
hezu umgekehrt. War sein Vorgehen weitgehend deskriptiv, so
schlugen die Grammatiker nach ihm bald eine rein normative Rich-
tung ein. Ausschlaggebend für die Richtigkeit waren jetzt nur noch
die bestehenden Regeln, nicht mehr ein tatsächlicher Sprachge-
brauch.
Für diese Entwicklung gab es einen guten Grund: Schon zu
Sībawaihs Zeit meinte man, daß die Zahl der Leute, die ein annäh-
rend reines Arabisch (fuṣḥā) sprechen konnten, immer geringer
wurde. Bald danach, im Laufe des 9. Jahrhunderts, traute man (in
der Baṣraer Tradition) niemandem mehr muttersprachliche Fähig-
keiten in der fuṣḥā zu, so daß man sich gezwungen sah, auf die vor-
handenen alten Belege zurückzugreifen, in denen man die ur-
sprüngliche Sprache bewahrt sah. Wenn wir bei unserer Annahme
bleiben wollen, daß Sībawaihs Belege eine Hoch- und Kunstsprache
repräsentieren, die wohl zu keinem Zeitpunkt jemandes Mutter-
sprache war, ist an dieser Stelle zu fragen, was dazu geführt hat, daß
sie in der Form, in der die Grammatiker sie haben wollten, bald
verschwunden ist. Dies kann damit zusammenhängen, daß man sie
eng mit der alten arabischen Beduinenkultur verbunden sah. Diese
Kultur und auch die aus ihr entspringende Hochsprache war aber
seit dem Beginn der islamischen Zeit ständiger Veränderung unter-
____________________

46 Baalbaki, Marogy und Carter widmen diesem Ansatz in ihren neueren


Arbeiten breiten Raum. Siehe Baalbaki, Legacy, 191–297; Marogy, Kitāb
Sībawayhi; Carter, Sībawayhi. Außerdem Levin, Sībawayhi’s Attitude. Nä-
heres unter Punkt 3.4.1 „Fiqh“.
3.2 Entwicklung der Grammatik 109

worfen, so daß man zu einem bestimmten Zeitpunkt der Ansicht


war, hier sei in Lebenswelt und Sprache nicht mehr das Ideal ver-
körpert, das man mit der fuṣḥā verband. Dazu kam, ähnlich wie im
fiqh, das Bedürfnis, das Belegkorpus abzuschließen, um dem System
ein unveränderliches Fundament zu geben.
Seitdem arbeiteten die arabischen Grammatiker rein normativ.
Es war nicht ihr Ziel den tatsächlichen Sprachgebrauch zu doku-
mentieren, der sich während der Blütezeit der arabisch islamischen
Kultur nach und nach entwickelt hat. Ihr Interesse galt, im Grunde
schon beginnend mit Sībawaih, dem Idealbild der arabischen Spra-
che, das sie mit der altarabischen Lebensart und Beduinenkultur
verbanden. 47

3.2.3 Sībawaihs Nachfolger


Es dauerte etwa 100 Jahre bis das Kitāb allgemeine Verbreitung
erlangte. Den Hauptanteil hieran hatte, wie bereits erwähnt, al-
Mubarrad (gest. 285/895). Seitdem bildete das von Sībawaih darge-
stellte System den Ausgangspunkt für alle weiteren grammatischen
Studien und wurde als der einzig richtige Weg zum Verständnis der
arabischen Grammatik angesehen. Es hatte quasi Offenbarungscha-
rakter. Dies ging so weit, daß ʾAbū aṭ-Ṭayyib al-Luġawī (gest. 351/
962) berichten konnte, die Leute bezeichneten Sībawaihs Werk als
den ‚Koran der Grammatik‘ (qurʾān an-naḥw). 48 Auch daß es allge-
mein einfach nur al-Kitāb ‚das Buch‘ genannt wurde, belegt seine
herausragende Stellung, denn eine solche Bezeichnung war in die-
ser absoluten Form sonst nur für den Koran und die Bibel üblich. 49
So erfahren wir von al-ʾAnbārī (Nuzha, 37):
.‫ﺳيﺒ َﻮ ْ� ِﮫ‬
َ ‫ﺘﺎب‬ َ ‫ َﻗ َﺮَأ اﻟﻜ‬:‫ﺼﺮة‬
ُ ‫ َﻓ ُﻴ ْﻌ َﻠ ُﻢ ﱠأﻧ ُﮫ ِﻛ‬،‫ﺘﺎب‬ َ ُ ‫�ﺎن ُﻳ‬َ َ
ِ ِ ْ ‫ﻘﺎل ِﺑﺎﻟﺒ‬ ‫و‬
„In Baṣra sagte man: ‚Er hat das Buch gelesen,‘ da wußte man,
daß dies Sībawaihs Buch war.“
Keine grammatische Studie kam nun an Sībawaih vorbei, und man
muß Versteeghs zustimmen, „that the entire linguistic tradition in
____________________

47 Dies ist zu berücksichtigen, wenn man die Darstellungen der arabischen


Grammatiker gebrauchen will, um damit die Texte des reichen „klassisch
arabischen“ Schrifttums zu erschließen. Siehe Kap. 5.3.
48 Abū aṭ-Ṭayyib al-Luġawī, Marāṯib, 106.
49 Beispiele in WKAS, I/41, z. B.: wa-l-kitābi ‚bei dem (göttlichen) Buche!‘, ahlu
l-kitābi ‚die Leute der Schrift‘ (d. h. Christen und Juden; z. B. Q 2,105).
110 Hintergründe der Grammatiktradition

Arabic is nothing but a huge commentary on the Kitāb Sībawayhi“. 50


Kommentare zum Kitāb wurden in großer Zahl geschrieben, Se-
zgin listet 76 Stück auf. 51 Darunter befindet sich als frühester der
von Sībawaihs Schüler al-ʾAḫfaš al-ʾAusaṭ (gest. 215 / 830) und als die
berühmtesten die von as-Sīrāfī (gest. 386/979) 52 und ar-Rummānī
(gest. 384/994). 53 Al-Mubarrads Widerlegung und Kommentar wur-
den schon erwähnt. Auch die im Kitāb angeführten sprachlichen
Belege wurden vielfach erklärt und kommentiert, z. B. von al-
Mubarrad (gest. 285/898), az-Zaǧǧāǧī (gest. 337/949) und as-Sīrāfī
(gest. 368/979). Am Grundsystem wurde dabei nicht gerüttelt. Die
Arbeit der Grammatiker bestand darin, Sībawaihs Argumentatio-
nen bei Bedarf zu präzisieren, Lücken auszufüllen und die Kohä-
renz des Systems immer deutlicher herauszustellen. Dabei beein-
flußten die Kommentatoren maßgeblich die Richtung, die die
grammatische Wissenschaft nach Sībawaih eingeschlagen hat. Die
Tradition, die sich durchgesetzt hat, ist nämlich nur eine mögliche
Interpretation des Kitāb, und Sībawaih hatte durchaus Ansätze, die
sich von der allgemeinen Richtung der späteren Grammatiker un-
terschieden. 54 Die weitreichendsten Auswirkungen hatte es, daß
keine neuen Sprachbelege mehr zugelassen wurden, die eine Modi-
fizierung der Regeln erforderlich gemacht hätten. Nicht mehr der
Sprachgebrauch der Gewährsleute war für die späteren Grammati-
ker maßgeblich, sondern das von Sībawaih daraus abgeleitete Re-
gelwerk. Die Grammatik entwickelte sich von Sībawaihs deskripti-
vem Ansatz in eine rein normative Richtung, bei der das gesamte
Interesse der Perfektionierung des formalen Systems galt. Zwar
standen die Gelehrten in Kūfa Modifikationen des Regelsystems auf
der Grundlage neuen sprachlichen Materials noch offen gegenüber,
doch wurde diese Richtung bald an den Rand gedrängt.
Ein weiterer Punkt war die fast völlige Zurückdrängung der Be-
deutungsebene (maʿnā) aus der grammatischen Argumentation
und die Konzentration allein auf die äußere Form der sprachlichen
Äußerung (lafẓ), die bis heute kennzeichnend ist. Dies war bei
____________________

50 Versteegh, The Arabic Linguistic Tradition, 39.


51 Sezgin, Geschichte des arabischen Schrifttums, IX/58–63.
52 Hrsg. v. Ramaḍān ʿAbd at-Tawwāb, Ṣalāḥ Rauwā, Muṣṭafā ʿAbd-as-Samīʿ
Salām, Ḥusain Naṣṣār u. a., Šarḥ Kitāb Sībawaih, 10 Bde., Kairo 2003–2008
(je Band verschiedene Autoren). Teile des Kommentars zitiert Jahn in sei-
ner deutschen Übersetzung des Kitāb.
53 Hrsg. v. ad-Dāmirī, Kairo 1988.
54 Siehe Carter, A Study of Sībawaihi’s Principles of Grammatical Analysis.
3.2 Entwicklung der Grammatik 111

Sībawaih zumindest im Bereich der Syntax noch anders, wie


Baalbaki gezeigt hat. 55 Nur in einigen Zweifelsfällen war eine am
Bedeutungsgehalt orientierte Diskussion unumgänglich, wie etwa
beim Gebrauch von rafʿ (Indikativ) oder naṣb (Konjunktiv /Subjunk-
tiv) nach gewissen Konjunktionen (fa-, ḥattā, wa-, ʾiḏā u. a.). 56 Abge-
sehen von solchen Fällen ist aber ein Vorgehen nach semantischen
Kriterien bei späteren Grammatikern selten. Im 11. Jh. bildete sich
im Rahmen der Rhetorik (balāġa) ein eigener Zweig heraus, der
sich ausschließlich mit der Frage nach der Bedeutung der Rede
befaßte (ʿilm al-maʿānī). Dieser war aber unabhängig von der
grammatischen Wissenschaft und führte dort zu keiner Änderung
der Herangehensweise.
Was das Regelwerk betrifft, werden Unterschiede zwischen Sība-
waih und seinen Nachfolgern vor allem bei komplexeren Proble-
men der Syntax und bei der tiefergehenden strukturellen Erklärung
der Regeln (taʿlīl) deutlich, nicht aber in grundsätzlichen Fragen. 57
Hinsichtlich der Grundregeln der Verbkonjugation etwa, die im
folgenden Kapitel dargestellt werden, gibt es keine Unterschiede. In
der Terminologie kommen zwar bei den späteren Grammatikern
viele neue Begriffe hinzu, doch wird Sībawaihs Grundstruktur nicht
angetastet. 58

3.2.4 Die grammatischen Schulen von Baṣra und Kūfa


Die arabische Tradition berichtet von zwei Schulen (maḏāhib, sg.
maḏhab, d. h. ‚Lehrrichtung‘), einer in Kūfa und einer in Baṣra, deren
konkurrierende Sichtweisen die grammatische Wissenschaft im
3./9. und 4./10. Jh. geprägt haben. 59 Als Gründungslegende wird der
bereits genannte Streit zwischen Sībawaih und Kisāʾī, die sog. „Hor-
____________________

55 Baalbaki, Lecacy, weist dies anhand zahlreicher Bespiele nach, siehe S.


170–191 „The balance between form and meaning“.
56 Sadan, Subjunctive Mood, hat hierzu die Argumentation verschiedener
arabischer Grammatiker zusammengetragen und ausgewertet.
57 Siehe Baalbaki, Legacy, 266.
58 Siehe Carter, Sībawayhi, 139–143 „Modified and abandoned terms“ und
„Terms introduced after the Kitāb“.
59 Siehe z. B. Carter, The Development of Arabic Linguistics After Sībawayhi
(2000); ʿAlāma, Taṭawwur an-naḥw al-ʿarabī fī madrasatai al-Baṣra wa-l-
Kūfa (1993); Ḍaif, Al-madāris an-naḥwīya (1968). Bernards, Changing Tradi-
tions, 11–18, diskutiert die Frage, was eigentlich eine „Schule“ ausmacht,
und vergleicht hierzu die Ansichten von Weil, Carter, Versteegh, Talmon
u. a.
112 Hintergründe der Grammatiktradition

nissenfrage“ angegeben. Bekannte Grammatiker waren in Baṣra


ʾAbū ʿUmar al-Ǧarmī (gest. 225/839), ʾAbū ʿUṯmān al-Māzinī (gest.
249 /863), al-Mubarrad (gest. 225/898) und in Kūfa al-Farrāʾ (gest.
207/822), Ibn as-Sikkīt (gest. 244/858) und aṯ-Ṯaʿlab (gest. 291/904).
Den Unterschieden zwischen baṣrischer und kūfischer Lehre wid-
meten sich spätere Grammatiker in speziellen Abhandlungen, wie
etwa dem K. al-Inṣāf fī masāʾil al-iḫtiklāf bain an-naḥwiyīn al-
baṣrīyīn wa l-kūfīyīn ‚Die gerechte Betrachtung der Streitfragen zwi-
schen den Grammatikern von Baṣra und Kūfa‘ von ʾAbū l-Barakāt
al-ʾAnbārī (gest. 577/1181). 60 Seit Mitte des 9. Jh. verlagerte sich die
Aktivität der Grammatiker nach und nach in die aufblühende
Hauptstadt Bagdad, wo, der arabischen Tradition entsprechend, die
Differenzen zwischen den Schulen zunächst weiterbestanden und
schließlich zugunsten der baṣrischen Richtung entschieden wur-
den.
In der westlichen Forschung wurde viel diskutiert, wie die Über-
lieferung von den beiden Schulen, die in der traditionellen arabi-
schen Grammatik bis heute einen festen Platz einnimmt, historisch
zu beurteilen ist. Dabei ist zunächst darauf hinzuweisen, daß in der
klassischen Literatur stets der Begriff maḏhab gebraucht wird, der
eine ‚Lehrrichtung‘ bezeichnet, nicht aber unbedingt mit einem
konkreten Ort verbunden sein muß, wie es der Begriff ‚Schule‘ nahe-
legt. Erst in der neueren arabischen Literatur taucht in diesem Zu-
sammenhang die Bezeichnung madrasa ‚Schule‘ auf, z. B. als Titel
der Abhandlung von Šauqī Ḍaif, Al-Madāris an-naḥwīya ‚Die gram-
matischen Schulen‘. Die Tatsache, daß die Berichte über zwei räum-
lich getrennte Lehrrichtungen, eine in Baṣra und eine in Kūfa, erst
aus der Bagdader Zeit stammen, läßt vermuten, daß die Überliefe-
rung von der Konkurrenz und den sich widersprechenden Lehr-
meinungen und vor allem das konkrete Profil der beiden Schulen
nachträglich konstruiert oder zumindest stilisiert wurde. Mit Si-
cherheit gab es an beiden Orten bedeutende Gelehrte. Baṣra und
Kūfa waren vor dem Aufblühen Bagdads die wichtigsten muslimi-
schen Städte in der Region und standen auf vielen Gebieten in Kon-
kurrenz zueinander, auch in der Wissenschaft. Zweifelhaft ist aber,
ob man die Grammatiker einer Stadt eindeutig je einer spezifischen
Lehrrichtung zuordnen kann, die sich in charakteristischer Weise
von der anderen abhob. Der profilierte Unterschied zwischen den
beiden Schulen von Baṣra und Kūfa dürfte vielmehr eine nachträg-
____________________

60 Ausg. Weil, Die grammatischen Streitfragen der Basrer und Kufer.


3.2 Entwicklung der Grammatik 113

liche Konstruktion sein. Sicher gab es individuelle Differenzen zwi-


schen einzelnen Gelehrten, vielleicht auch verbunden mit persönli-
chen Antipathien und verstärkt durch die allgemeine Konkurrenz
der beiden Städte, doch so systematisch, wie sie von den späteren
Grammatikern dargestellt wurden, können die Unterschiede schon
deshalb kaum gewesen sein, da sich das maßgebliche Werk, an dem
später alle Grammatik gemessen wurde, nämlich Sībawaihs Kitāb,
in der Zeit, als sich die „Schulen“ herausgebildet haben müßten,
noch gar nicht allgemeiner Standard war. Berichte über die Rivalität
zwischen dem Baṣraer al-Mubarrad (gest. 285/898) und dem Kūfaer
aṯ-Ṯaʿlab (gest. 291/904) hat Carter in den Quellen gefunden, doch
kann man von dieser nicht auf eine grundsätzliche Verschiedenheit
zweier Lehrrichtungen schließen:
„The surviving works of both authors confirm that there was by
their time a fully developed polemical opposition, but it was
largely inspired by personal and professional jealousy […] and
did not correspond to a codified or mutual exclusive concept of
grammar.“ 61
Das Hauptmotiv für die spätere Ausweitung und Systematisierung
des Gegensatzes dürfte das Bestreben gewesen sein, das Werk
Sībawaihs, das ja zunächst fast 100 Jahre lang kaum besonders be-
achtet wurde, nachträglich durch eine Lehrtradition zu stützen. Da
Sībawaih in Baṣra gewirkt hatte, mußte es also die Baṣraer Schule
sein, die die „richtigen“ Meinungen vertrat, während die Kūfaer
Schule die Gegenseite darstellte. Wenn es auch bedeutende Unter-
schiede zwischen den frühen Grammatikern gab, so ist doch die
Darstellung Sībawaihs als Vater der Schule von Baṣra eine Fiktion,
denn wesentliche Merkmale, die die Baṣraer Methode auszeichnete,
waren bei Sībawaih noch keineswegs so vorhanden, wie es später
dargestellt wurde. Ein entscheidender Unterschied zwischen beiden
Schulen, der in der späteren Literatur herausgestellt wird, ist die
Eingrenzung des Belegmaterials. Während die Kūfaer Schule fort-
während neue Sprachbelege hinzunahm, erklärten die Grammati-
ker in Baṣra das Korpus für abgeschlossen und stützten sich weitge-
hend auf die Belege im Kitāb. Diese methodische Entscheidung ist
aber lange nach Sībawaih gefallen und keineswegs charakteristisch
für dessen Arbeitsweise. Sein Bestreben war ja vielmehr eine mög-
lichst umfassende Sammlung von Belegen. Daß das Korpus abge-
____________________

61 Carter, The development of Arabic linguistics after Sībawaih, 265.


114 Hintergründe der Grammatiktradition

schlossen werden mußte, ergab sich erst bei der späteren Systema-
tisierung der Methode in Anlehnung an den fiqh. Carter kommt
daher zu folgendem Schluß:
„Sībawayhi’s role in all this is entirely posthumous: he collected
data with the simple aim of being as complete as possible, well
aware that the value of his inductive conclusions depended on
this. But he rejected no authentic data either, no matter how
anomalous, so the Kitāb often appears to be an anthology of in-
consistencies, with Sībawayhi making his own decisions about
which options to favour.” 62
Ungeachtet der Zweifel hinsichtlich der Entstehungsgeschichte
beider Schulen ist eine Beschäftigung mit ihren Unterschieden, wie
sie spätere Grammatiker überliefert haben, wichtig für das Ver-
ständnis der arabischen Grammatiktradition. An der Gegenüber-
stellung der unter den Etiketten „baṣrisch“ und „kūfisch“ überliefer-
ten Lehrmeinungen werden die Charakteristika der baṣrischen
Richtung, die sich schließlich durchgesetzt hat, besonders deutlich.
Differenzen gab es sowohl in der Terminologie als auch in zahlrei-
chen systematischen Fragen. 63 Der wichtigste Punkt war, wie bereits
genannt, die unterschiedliche Einstellung zum Korpus der Sprach-
belege. Während man in Baṣra allein Sībawaihs Kitāb und die darin
enthaltenen Zitate als Grundlage weiterer Forschungen nahm, ließ
man in Kūfa zu, daß kontinuierlich weiter Belege gesammelt und in
die Argumentation einbezogen wurden. Hieraus resultiert ein Un-
terschied in der Regelfindung: In baṣrischer Tradition stand das
Regelsystem völlig fest, da ja das für die Analyse zur Verfügung ste-
hende Sprachkorpus abgeschlossen war. Die Arbeit bestand nun
ausschließlich in der Verfeinerung des Systems. In kūfischer Tradi-
tion behielt man hingegen den Kontakt zur tatsächlich gebrauchten
(Hoch-)Sprache bei und zog immer wieder neue „gehörte“ Belege
heran (samāʿ). Dies machte die Arbeit viel offener, da ja immer
wieder neu auftretende Phänomene in das System eingegliedert
und die Grundregeln erforderlichenfalls angepaßt werden mußten.
Dazu, daß sich die Baṣraer Methode durchsetzte, können sowohl
der Einfluß der Logik, der sich in der Bagdader Zeit geltend machte,
als auch die Entwicklungen in fiqh und Theologie beigetragen ha-
____________________

62 Carter, Sībawayhi, 135. Siehe auch Baalbaki, Legacy, 250–263 „The Degen-
eration of Sībawayhi’s Approach“.
63 Siehe die Übersicht bei Carter, Development, 266–268.
3.3 Grundsätze der arabischen Grammatiker 115

ben. Der Analogieschluß (qiyās) konnte nach Ansicht der Baṣraer


Grammatiker nur dann zu verbindlichen Ergebnissen führen, wenn
die Basis, aus der die Grundregeln (ʾuṣūl) abgeleitet worden waren,
unveränderlich blieb. Wäre es möglich gewesen, immer neue, die
Norm möglicherweise verändernde Einzelfälle hinzuzunehmen,
hätte die Argumentation ihre Autorität verloren. Die Grundregeln
hatten festzustehen, von ihnen ausgehend wurden induktiv die
Regeln für die Einzelfälle abgeleitet. Die Veränderung der Grundre-
geln aufgrund von neuem Sprachmaterial war nicht vorgesehen.
Diese Beschränkung auf ein festes Korpus ist mit der Entwick-
lung vergleichbar, die zur gleichen Zeit, etwa seit Beginn des 4./10.
Jh., im fiqh und in der Koranexegese stattfand: Die betreffenden
Korpora wurden abgeschlossen: die verschiedenen möglichen Ko-
ranlesarten wurden offiziell festgelegt und die Ḥadiṯe in festen
Sammlungen zusammengefaßt. Hierdurch wurde die Autorität und
Verbindlichkeit der Urteilsfindung sichergestellt. 64 Zur gleichen
Zeit, in der die Rechtsgelehrten ihre Argumentationsgrundlage in
den ʾuṣūl al-fiqh (‚Grundregeln des fiqh‘) zusammenfaßten, erarbei-
teten die Grammatiker die ʾuṣūl al-luġa. Zu den ersten Werken die-
ses Genres gehört das K. ʾUṣūl an-naḥw von Ibn as-Sarrāǧ (gest.
316/928), einem Schüler von al-Mubarrad. 65 Die endgültige Festle-
gung des theoretischen Rahmens der arabischen Grammatiktraditi-
on fällt mit der Blütezeit des fiqh und der Konsolidierung der sun-
nitischen Orthodoxie zusammen.

3.3 Grundsätze der arabischen Grammatiker


Alle grundlegenden Prinzipien und Methoden der arabischen
Grammatiktradition gehen auf die frühesten Grammatiker zurück.
In Sībawaihs Kitāb sind sie schon voll ausgeprägt. Spätere Gelehrte
haben sie mitunter genauer formuliert und an einigen Stellen die
Systematik vervollständigt, doch sie haben nichts Wesentliches
hinzugefügt oder geändert. Die Grundlage bilden das Funktions-
prinzip des syntaktischen Einwirkung (ʿamal) und die Argumenta-
tion mit dem Analogieschluß (qiyās).

____________________

64 Siehe Carter, Sībawaih, 133–135.


65 Ausg. von ʿAbd al-Ḥusain al-Fatlī, 3 Bde., Beirut 1986. Im Bereich des fiqh
stammen die ersten entsprechenden Werke von aš-Šāšī (gest. 344 / 955)
und al-Ǧaṣṣāṣ (gest. 379/ 980).
116 Hintergründe der Grammatiktradition

3.3.1 ʿamal ‚syntaktische Einwirkung‘


Die arabischen Grammatiker wollten, wie wohl alle Grammatiker,
ergründen, wie ihre Sprache „funktioniert“, d. h. wie es kommt, daß
in bestimmten Fällen bestimmte Formen und Konstruktionen ge-
fordert sind: Warum heißt es hier soundso? — Die arabische Ant-
wort auf diese Frage ist das Prinzip des ʿamal ‚Bewirkung; syntakti-
sche Einwirkung‘. 66 Hiernach gehen die Änderungen, denen die
Wörter im syntaktischen Kontext unterliegen (also die Kasus-/ Mo-
dusendungen, arab. ʾiʿrāb) auf die Einwirkung bestimmter Auslöser
zurück. Ein Element, das in einem Wort eine Veränderung bewirkt,
wird als ʿāmil (pl. ʿawāmil) ‚Bewirkendes‘ bezeichnet, das Element,
welches die Veränderung erleidet als maʿmūl fīhi ‚Bewirktes‘. Das
Prinzip des ʿamal geht möglicherweise geht es schon auf die Zeit vor
Sībawaih zurück. 67
Diesem Ansatz entsprechend ist jedes Element eines Satzes in
ganz bestimmter Weise mit einem anderen Element verbunden:
entweder ist es ʿāmil und wirkt auf das andere ein, oder es ist
maʿmūl fīhi und steht unter Einwirkung des anderen. Äußeres Zei-
chen dieser Beziehung sind die Kasus-/ Modusendungen; jede von
ihnen kann auf ein ʿāmil zurückgeführt werden. Dabei wird streng
linear gedacht: das ʿāmil steht immer vor dem maʿmūl fīhi. Hieraus
ergibt sich z. B. daß die Ergänzungen eines Verbalsatzes immer vom
Verb gesteuert werden, da dieses per definitionem an erster Stelle
steht:
َ ‫َََْ ُ َُ ٌ ﱠ‬
(1) ‫اﻟﻀ ْﻴﻒ‬ ‫أﻛﺮم ﻣﺤﻤﻮد‬
ʾakrama Maḥmūd-u·n(i) ḍ·ḍaif-a
ehren.PF Maḥmūd-N/I·IDEF DEF·Gast-A/S
‚Maḥmūd ehrte den Gast.‘
Da ein Verb (fiʿl) immer auf eine Handlung hindeutet, muß es stets
ein fāʿil („Täter“) haben, das der Urheber dieser Handlung ist. Das
fāʿil steht immer nach dem Verb und ist somit von diesem abhängig.
Diese Beziehung wird durch die Endung -u (ḍamma) am fāʿil ausge-
drückt: Maḥmūd-u·n (hier mit Nunation, da der Name Maḥmūd
formell indefinit ist). Außerdem bezieht sich die Handlung des
____________________

66 Zur Terminologie siehe Rybalkin, Art. ʿamal und Baalbaki, Legacy, 83–98.
Beide wählen die Übersetzung ‚government‘, was deutsch ‚Rektion‘ ent-
spricht; Carter, Sībawaih, übersetzt mit ‚operation‘.
67 Siehe Levin, Sībawayhi, 256.
3.3 Grundsätze der arabischen Grammatiker 117

Verbs, wenn es transitiv ist, auf ein Objekt (mafʿūl bihi), im Falle
unseres Beispielsatzes auf aḍ·ḍaif-a. Auch dieses ist vom Verb ab-
hängig. Zeichen dieser Beziehung ist das -a (fatḥa) am Ende des
Objekts. Das Verb ist also verantwortlich dafür, welche Kasus-/
Modusendungen an fāʿil und mafʿūl bihi stehen, es wird als deren
‚Bewirker‘ (ʿāmil) betrachtet. Zwar ist den arabischen Grammati-
kern bewußt, daß die Endungen auf semantische Zusammenhänge
innerhalb des Satzes zurückgehen und daß jede der drei Nominal-
endungen (Nominativ, Genitiv, Akkusativ) für eine bestimmte Be-
deutung steht, 68 doch tritt dieses Bewußtsein in der ʿāmil-Theorie in
den Hintergrund. Die Bestimmung der Endungen erfolgt praktisch
nur durch mechanisches Zuordnen von ʿāmil und maʿmūl fīhi, nicht
durch die Vergegenwärtigung der semantischen Zusammenhänge.
Noch mehr als für die Nomen gilt das für die Imperfektformen,
denn während beim Nomen die einzelnen Endungen noch mit dem
inhaltlichen Zusammenhang erklärt werden, werden die Endungen
beim Verb einzig als Resultat des ʿamal angesehen. 69
Ein unumstößlicher Grundsatz ist, daß ein Verb immer ʿāmil ist,
da von ihm ja immer zumindest das fāʿil (und oft auch ein mafʿūl
bihi) abhängt. Ein Nomen ist dagegen stets maʿmūl fīhi ist und nie-
mals ʿāmil. Damit korrespondiert die Tatsache, daß Verben als ur-
sprünglich unveränderlich, Nomen als ursprünglich veränderlich
gelten. Oft stehen jedoch Nomen, die also maʿmūl fīhi sein müssen,
allein, ohne daß ein sichtbares ʿāmil (ʿāmil lafẓī) vorhanden ist, das
auf sie einwirken und deren Endung bestimmen könnte. In einem
solchen Fall wird von einem „ideellen“ ʿāmil ausgegangen (ʿāmil
maʿnawī). Dies ist im Nominalsatz der Fall, z. B:
(2) ٌ ‫اﻟﻔﻴﻞ َﻛ‬
��‫ﺒ‬ ُ
al·fīl-u kabīr-u·n
DEF·Elefant-N/I groß-N/I·IDEF
‚Der Elefant ist groß.‘
Das ʿāmil ist hier das „Prinzip des Nominalsatzes“, auf arabisch
ʾibtidāʾ, also die Tatsache, daß die beiden betreffenden Nomen im
Verhältnis von mubtadaʾ und ḫabar stehen. Der ibtidāʾ ist ein ʿāmil
maʿnawī. Beim Verbalsatz ist eine solche Annahme nicht erforder-
____________________

68 Siehe Ḥasan, an-Naḥw al-wāfī, I/77.


69 Nur bei bestimmten Partikeln wie etwa ḥattā und fa- wird die Bedeutung
der Modi diskutiert. Siehe Sadan, The Subjunctive Mood.
118 Hintergründe der Grammatiktradition
3.3 Grundsätze der arabischen Grammatiker 119

lich, da ja ein Verb ursprünglich nicht maʿmūl fīhi ist und kein ʿāmil
benötigt:
ً َ ‫ََ َ ََ ُ ُﱠ‬
(3) ‫ﺎﺣﺔ‬ ‫أ�ﻞ اﻟﻮﻟﺪ ﺗﻔ‬
ʾakala l·walad-u tuffāḥat-a·n
essen.PF DEF·Junge-N/I Apfel-A/S·IDEF
‚Der Junge aß einen Apfel.‘
Das Verb ʾakala ist unveränderlich und braucht kein ʿāmil. Man
sagt, es nimmt keinen Platz im System der Endungen ein: lā
maḥalla lahu min-i l-ʾiʿrāb. Anders sieht es im Imperfekt aus. Da die
Imperfektformen veränderlich sind, muß ein ʿāmil vorhanden sein,
das ihre Endungen auslöst:
(4) ‫ﻘﻮم َزْ� ٌﺪ‬
ُ ‫َﻳ‬
ya·qūm-u Zaid-u·n
3 ·stehen. IPF-N/I Zaid-N/I·IDEF
‚Zaid steht/ Zaid steht auf.‘
In diesem Falle gibt es zwei mögliche Erklärungen, warum die Im-
perfektform auf -u auslautet, also im Indikativ steht. Als erste Mög-
lichkeit wird angeführt, daß anstelle des Verbs im Imperfekt auch
ein Partizip stehen könnte:
(5) ‫ﻗﺎﺋﻢ ز ٌ�ﺪ‬
ٌ
qāʾim-u·n Zaid-u·n
stehen.PT.AKT-N/I·IDEF Zaid-N/I·IDEF
‚Zaid steht/ Zaid steht auf.‘

Abb. 11: al-ʿAwāmil al-miʾa von al-Ǧurǧānī (1009–1078)


Al-Ǧurǧānī listet hier in sehr schematischer Weise alle von ihm
ausfindig gemachten 100 bewirkenden Elemente (ʿawāmil) mit
kurzen Beispielen auf. Das Resultat ist ein rein auf der ʿāmil-
Theorie fußendes konzises Lehr- und Nachschlagebuch für jeder-
mann. Ohne Umschweife geht es in Zeile 3 mit der Kategorisie-
rung los: Die bewirkenden Elemente werden zunächst in buch-
stäbliche (ʿawāmil lafẓīya) und „ideelle“ (ʿawāmil maʿnawīya) ein-
geteilt. Zu letzteren gehört das Nominalsatzprinzip (ibtidāʾ).
Ms. Vollers 0448-01, Universitätsbibliothek Leipzig, fol. 1 v
120 Hintergründe der Grammatiktradition

Der mit der Imperfektform beginnende Verbalsatz wird also mit


einem Nominalsatz verglichen. Der entsprechende Nominalsatz
wäre vom ibtidāʾ regiert; das erste Wort stünde im Nominativ und
bekäme die Endung -u. Analog dazu bekommt auch die Imperfekt-
form am Satzanfang die Endung -u, steht also im Indikativ.
Als zweite mögliche Erklärung wird genannt, daß die Indikativ-
Endung dadurch hervorgerufen wird, daß kein Auslöser für eine
andere Endung vorhanden ist und gleichsam der Nominativ als
Default-Endung eintritt.

3.3.2 Der Analogieschluß: ḥukm / qiyās / ʾaṣl / ʿilla


Während im vorigen Abschnitt mit ʿamal das wichtigste Funktions-
prinzip der Sprache beschrieben wurde, geht es nun um die wichtig-
ste Argumentationsmethode, mit der das von diesem Prinzip ausge-
hende Regelsystem aufgestellt und begründet wird. Es ist maßgeb-
lich vom fiqh bestimmt, wie sich im Aufbau des Gesamtsystems und
in der Terminologie zeigt. Das beherrschende Werkzeug ist der
Analogieschluß (qiyās), dessen Grundelemente hier vorgestellt
werden.
Die Voraussetzung dafür, daß der qiyās zuverlässig angewendet
werden kann, ist eine eindeutige Hierarchisierung des Stoffes. Man
muß also von jedem sprachlichen Element zunächst bestimmen,
welches sein spezifischer Rang (manzila, martaba) im System ist. 70
So ordnet z. B. al-Mubarrad das hamzat al-qaṭʿ (‫ )أ‬folgendermaßen
ein:
ُ ‫ َﻷ ﱠ��ﺎ ﺑ َﻤ ْن�َﻟﺔ ﺳﺎﺋﺮ‬،‫ﻄﻮﻋ ٌﺔ‬
َ ‫ﺻﻠ �ﻴﺎ َﻓ َه ْﻤ َﺰُﺗ ُﮫ َﻣ ْﻘ‬ َ َ ٰ ْ َ ََ
. ‫ا�حﺮو ِف‬ ِِ ٍ ِ ِ ِ ِ ْ ‫ﻓﻤﺎ �ﺎن ِﻣﻦ ذ ِﻟﻚ أ‬
„Was von diesen (gemeint sind die verschiedenen ʾAlifs am
Wortanfang) ursprünglich ist, trägt ein hamzat al-qaṭʿ, denn sein
Rang (manzila) ist wie der der übrigen Buchstaben.“ 71
Seinem Rang entsprechend unterliegt jedes Phänomen gewissen
Regeln, die gleichermaßen für alle Elemente desselben Rangs gel-
ten. Damit wird z. B. begründet, daß nach der Bekräftigungspartikel
ʾinna ein Nomen im Akkusativ (naṣb) steht: ʾinna hat denselben
Status wie ein Verb, daher zieht es ein Nomen im Akkusativ (naṣb)
____________________

70 Die Begriffe mauḍiʿ, mauqiʿ und manzila erklärt Carter, Sībawayhi, 76–82.
Siehe auch Baalbaki, Legacy, 112–132 „Group Membership“.
71 Al-Mubarrad, Muqtaḍab, I/218. Zu den beiden Arten des Hamza siehe die
Einleitung des vorliegenden Buches (S. 5).
3.3 Grundsätze der arabischen Grammatiker 121

nach sich. Da aber ʾinna eben doch kein Verb ist, sondern nur in
bestimmter Hinsicht wie ein solches behandelt wird, gilt nicht alles,
was für ein Verb gilt, auch für ʾinna:
„Denn ʾinna ist kein Verbum, sondern wird nur ähnlich den Ver-
bis konstruiert. Dies erhellt daraus, dass kein Verbalsubjekt dar-
in liegen kann und dass das Subjekt nach ʾinna nicht dem Prädi-
kat nachgestellt werden darf. Es wird nur ähnlich den Verbis
konstruiert, so wie auch die Zahlwörter von 10 bis 90 wie die
Participien den Acc. regieren, ohne Verba zu sein und ein Sub-
jekt zu enthalten.“ 72
Die Grundlage des Rangsystems sind die Wortklassen, deren es drei
gibt: ism (Nomen), fiʿl (Verb) und ḥarf (Partikel). 73 Da die Rangbe-
stimmung jeder sprachlichen Erscheinung die Voraussetzung für
ein jedes grammatische Urteil ist, wird großer Wert darauf gelegt,
jedes Wort zweifelsfrei einordnen zu können. Hierfür ist die Defini-
tion der Partikeln charakteristisch, die lautet: ḥarfun ǧāʾa bi-maʿnan
laisa bi-smin lā fiʿlin ‚ein Buchstabe, der eine Bedeutung trägt, aber
weder Nomen noch Verb ist‘. 74 Durch dieses Ausschlußverfahren ist
gewährleistet, daß jedes Wort in eine eindeutige Klasse fällt, von der
aus die weitere Beurteilung vorgenommen werden kann.
Eine weitere Art der Hierarchisierung, die vor allem die Begrün-
dung der Regeln betrifft, ist die Einordnung aller Wörter, Formen
und Konstruktionen nach ihrer jeweiligen „Schwere“ (ṯiqal). Abge-
leitete (farʿī) Formen gelten dabei als schwerer im Vergleich zu
ursprünglichen (ʾaṣlī). So ist der Plural schwerer als der Singular,
Wörter mit Artikel schwerer als solche ohne, das Verb schwerer als
das Nomen und der Verbalsatz schwerer als der Nominalsatz. Hier-
aus können die unterschiedlichen „Verhaltensweisen“ der einzelnen
Phänomene erklärt werden, z. B. warum indeterminierte Nomen
eine Nunation haben und determinierte nicht oder warum Nomen
eine Kasusendung bekommen und Verben nicht (siehe Kap. 4.1.2).

3.3.2.1 ḥukm ‚Urteil‘


Ziel jeder grammatischen Analyse ist es, eine Entscheidung darüber
zu fällen, wie mit einem bestimmten Wort oder Ausdruck zu ver-
____________________

72 Sībawaih, Kitāb, I/38; Übersetzung nach Jahn, 60.


73 Genauer: ḥarf ǧāʾa li-maʿnan ‚Buchstabe mit (eigenständiger) Bedeutung‘,
siehe Sībawaih, Kitāb, I/1.
74 Sībawaih, Kitāb, I/1.
122 Hintergründe der Grammatiktradition

fahren ist, wie seine Korrektheit zu beurteilen ist und insbesondere


welche Endung im „zusteht“. Die Grammatiker nach Sībawaih ha-
ben für diesen Sachverhalt den Begriff ḥukm (‚Urteil, Beurteilung‘)
aus dem fiqh übernommen. Der ḥukm resultiert aus der Rolle, die
das Wort in der jeweiligen Funktion, in der es in der Rede vor-
kommt (al-mauḍiʿ fī l-kalām ‚Position in der Rede‘), spielt. Aus ihm
ergeben sich die „Rechte und Pflichten“ des Wortes (ḥaqq al-ḥukm).
Ein einfaches Beispiel hierfür ist folgender Satz:
َ
‫ﺿ َﺮ َب َز ٌ�ﺪ َﻋ ْﻤﺮا‬
ḍaraba Zaid-u·n ʿAmr-a·n
schlagen.PF Zaid-N/I·IDEF ʿAmr-AKK·IDEF
‚Zaid schlug ʿAmr.‘
Das „Recht“ des Wortes Zaidun ist es hier, eine Nominativ-Endung
zu bekommen (ḥaqqu-hu ar-rafʿ). Es resultiert daraus, daß Zaidun in
diesem Satz die Position eines Subjekts (fāʿil ‚Täter‘) hat. Ein solches
Beispiel gebraucht al-ʾAnbārī (513–577 / 1119–1181), um zu erklären,
wie ein qiyās funktioniert:
ْ ْ ‫ﱠ‬ َ ْ َ َ َ ْ َ َ َْ َ ْ
‫ َو ِذﻟ َﻚ ِﻣﺜ َﻞ‬، ‫ﺻ ٍﻞ َوﻓ ْﺮ ٍع َو ِﻋﻠ ٍﺔ َو ُﺣﻜ ٍﻢ‬ ‫ أ‬: ‫ﺎس ِﻣﻦ أر�ﻌ ِﺔ أﺷﻴﺎء‬ َ ّ ‫َوﻻ ُﺑ ﱠﺪ ﻟ‬
ٍ ‫�ﻞ ِﻗﻴ‬ِ ِ
ُ
‫ ِا ْﺳ ٌﻢ‬: ‫ﻓﺎﻋﻠﮫ ﻓﺘﻘﻮ ُل‬
َ َ ُ ُ َ ُ َ ْ
ِ ‫ﻻﻟﺔ ﻋ�� َرﻓ ِﻊ ﻣﺎ ﻟ ْﻢ �ﺴ ﱠﻢ‬
َ ‫ﱠ‬
ِ ‫ﻴﺎﺳﺎ �� اﻟﺪ‬ ً ‫َأ ْن ُﺗ َﺮ ِّﻛ َﺐ ِﻗ‬
��‫ﻴﺎﺳﺎ َﻋ‬ ً ‫ﻓﻮﻋﺎ ِﻗ‬ ً ‫ َﻓ َﻮ َﺟ َﺐ َأ ْن َﻳ�ﻮ َن َﻣ ْﺮ‬، ‫ُأ ْﺳﻨ َﺪ اﻟﻔ ْﻌ ُﻞ َإﻟﻴﮫ ُﻣ َﻘ ّﺪ ًﻣﺎ َﻋ َﻠﻴﮫ‬
ِ ِ ِ ِ
ُ‫ﱠ‬ ُ ُ ‫ﱠ‬ َ ُ ْ َ ُ ْ َ ُ َ ُ ُ ْ َ َ
‫ واﻟ ِﻌﻠﺔ‬، ‫ﻓﺎﻋﻠﮫ‬ ِ ‫ واﻟﻔﺮع ﻣﺎ ﻟﻢ �ﺴﻢ‬، ‫اﻟﻔﺎﻋﻞ‬ ِ ‫ ﻓﺎﻷﺻﻞ هﻮ‬، ‫اﻟﻔﺎﻋ ِﻞ‬ ِ
َ َ
ُ‫( َو َﻋ ٰ�� ٰهﺬا اﻟﻨ ْﺤﻮ ﺗ ْﺮ ِﻛﻴﺐ‬...) ‫اﻟﺮﻓ ُﻊ‬ ْ َ ‫هﻮ‬ َ ‫وا�حﻜ ُﻢ‬ ْ ُ ، ‫ﻨﺎد‬ ُ ‫اﻹﺳ‬ ْ �� َ ‫ا�جﺎﻣ َﻌ ُﺔ‬
ِ ِ
ْ َ َْ ْ ّ
. ‫ﺴﺔ اﻟﻨﺤ ِﻮ‬ ِ ‫ﻴﺎس ِﻣﻦ أﻗ ِي‬ ٍ ‫�ﻞ ِﻗ‬ ِ
„Jeder Analogieschluß (qiyās) besteht aus vier Teilen: ʾaṣl
(‚Grundfall‘), farʿ (‚abgeleiteter Fall‘), ʿilla (‚Begründung, Norm‘)
und ḥukm (‚Urteil‘). Das ist, wie wenn man einen Analogie-
schluß aufbaut, um zu beweisen, daß das Subjekt eines unper-
sönlichen Verbs (mā lam yusamma fāʿiluhu) im rafʿ (Nominativ)
stehen muß. Dann sagt man: Ein Nomen, dem durch Voranstel-
lung ein Verb zugeordnet wird (ʾisnād), muß im rafʿ (Nominativ)
stehen, da es „Täter“ (fāʿil) ist. Der Grundfall (ʾaṣl) ist der „Täter“
(fāʿil), und der abgeleitete Fall (farʿ) ist der „nicht genannte Tä-
ter“. Die Begründung, die beides miteinander verbindet (al-ʿilla
al-ǧāmiʿa), ist die Zuordnung (des Verbs zu dem Nomen, ʾisnād),
3.3 Grundsätze der arabischen Grammatiker 123

und das Urteil (ḥukm) ist also, daß es im rafʿ (Nominativ) steht
(…) So werden alle Analogieschlüsse in der Grammatik aufge-
baut.“ 75

3.3.2.2 qiyās ‚Analogieschluß‘


Grundbedeutung des Verbs QYS ist „messen, vergleichen“, qiyās
bezeichnet demnach wörtlich das Vergleichen und In-Beziehung-
Setzen verschiedener Phänomene miteinander mit dem Ziel, ihren
genauen Platz im System zu bestimmen. Für die Grammatik bedeu-
tet dies z. B., daß ein Wort, dessen „Verhalten“ ermittelt werden soll,
mit einem Wort in Beziehung gesetzt wird, das denselben Rang im
System (martaba, manzila) hat und dessen ḥukm man kennt. Hier-
von ausgehend läßt sich durch Analogie darauf schließen, welche
Regeln für das zu untersuchende Wort gelten. Ein neues, unbekann-
tes Phänomen wird nach diesem Grundsatz so lange untersucht, bis
man in ihm eine Struktur findet, die mit einem bereits bekannten
Phänomen vergleichbar ist. Alle Erscheinungen, die denselben Rang
haben, können mit Hilfe des qiyās miteinander in Beziehung gesetzt
werden und unterliegen in dem Grad, wie sie sich ähneln, densel-
ben Regeln. Hieraus erklärt sich, daß Formen, die auf den ersten
Blick keine inhaltliche Verbindung miteinander haben, wie in dem
Beispiel auf S. 121 die „Zahlwörter von 10–90“ und die „Participien“,
zueinander in Beziehung gesetzt werden können.
Umgekehrt heißt dies, daß Formen, die nicht in denselben Rang
fallen, nicht durch qiyās miteinander in Beziehung gebracht wer-
den, auch wenn sie äußerlich große Ähnlichkeit aufweisen. So wird
z. B. die inhaltlich wie formell auf der Hand liegende Nähe der Im-
perfektpräfixe ʾ-, t- und n- zu den Personalpronomen ʾana, ʾanta und
naḥnu nicht weiter untersucht. Der Grund hierfür ist, daß es sich
dabei um zwei völlig verschiedene Gruppen handelt, die verschie-
denen Staus haben, nicht derselben Kategorie angehören und daher
nicht vergleichbar sind. Erstere sind „Zusatzbuchstaben“, letztere
Personalpronomen; erstere gelten als Teil des Verbs, haben keine
syntaktische Funktion und werden bei der grammatischen Analyse
meist übergangen, während letztere als Nomen angesehen werden
und damit den Gesetzen des naḥw unterliegen (siehe Kap. 4).
Der qiyās gehört zu den ältesten Methoden der arabischen
Grammatik wie auch des fiqh und wird schon von Sībawaihs Vor-
____________________

75 Al-ʾAnbāri, Lumaʿ al-ʾadilla, 42.


124 Hintergründe der Grammatiktradition

gängern angewandt. Seine herausragende Wichtigkeit wird vielfach


betont, so von al-ʾAnbārī (513–577 / 1119–1181): 76
(...) ‫ﻴﺎس‬ ‫اﻟﻨ ْﺤﻮ ﻻ َﻳ َﺘ َﺤ ﱠﻘ ُﻖ َﻷ ﱠن ﱠ‬
ٌ ‫اﻟﻨ ْﺤ َﻮ ُ� ﱠﻠ ُﮫ ِﻗ‬ َ ‫ِا ْﻋ َﻠ ْﻢ ﱠأن ْإﻧ‬
‫�ﺎر اﻟﻘﻴﺎس �� ﱠ‬
ِ ِ ِ ِ
َ َُ َ ٌ َ َ ُ َْ ُ َ َ ْ ‫َ َ َ ْ ْ َ َ ﱠ‬ َْ ْ ََ
.‫ﻤﺎء ْأﻧﻜ َﺮ ُﻩ‬
ِ ‫اﻟﻌﻠ‬ ‫اﻟﻘﻴﺎس ﻓﻘﺪ أﻧﻜﺮ اﻟﻨﺤﻮ وﻻ �ﻌﻠﻢ أﺣﺪ ِﻣﻦ‬ ِ ‫ﻓﻤﻦ أﻧﻜ َﺮ‬
„Wisse, daß eine Ablehnung des qiyās in der Grammatik nicht
realistisch ist, denn die ganze Grammatik ist qiyās […], und wer
den qiyās ablehnt, lehnt die Grammatik ab. Es ist kein Gelehrter
bekannt, der das getan hätte.“
Das hiervon abgeleitete Adjektiv qiyāsī bezeichnet die aus den
Grundformen (ʾaṣl) abgeleiteten regelgerechten Formen im Gegen-
satz zu den unregelmäßigen Formen, die in der tatsächlichen Rede
vorkommen können. Diese werden als samāʿī ‚gehört‘ bezeichnet.

3.3.2.3 ʾaṣl ‚Grundform‘


Die Anwendung des qiyās setzt eine genaue Klassifizierung voraus.
Dies geschieht, indem man feststellt, in welcher Reihenfolge die
einzelnen Wörter, Formen, Konstruktionen usw. voneinander ab-
hängen, also was der Ursprung (ʾaṣl) und was eine Ableitung (farʿ)
ist. 77 ʾAṣl (pl. ʾuṣūl) bedeutet eigentlich ‚Wurzel‘ und bezeichnet in
der Grammatik die Grundformen, von denen andere Formen abge-
leitet werden können. Die abgeleiteten Formen werden als farʿ (pl.
furūʿ) ‚Zweig‘ bezeichnet. Während abgeleitete Formen eine Be-
gründung (ʿilla) haben müssen, brauchen die Grundformen (ʾuṣūl)
keine Begründung. Zu den uṣūl gehören z. B.:
a) die ursprünglichen Kasus- /Moduskennzeichen. So ist -u das ur-
sprüngliche Zeichen (ʾaṣl) des rafʿ (Nominativ/Indikativ). Alle
anderen Zeichen, die diesen Kasus /Modus ausdrücken können
(z. B. -ȧ, -w, Beibehaltung des nūn), gelten als von ihm abgeleitet
(furūʿ).
b) die angenommene zugrundeliegende Form. Beispielsweise wird
*qawala als ʾaṣl von qāla angesehen.
Man kann auf der Suche nach dem Ursprünglichen auf eine noch
grundlegendere Ebene gehen: So gelten die Nomen als ʾaṣl und die
____________________

76 Lumaʿ al-ʾadilla, 44. Siehe Troupeau, Art. qiyās. Die vier „Wurzeln“ des fiqh
sind Koran, Sunna, Konsens (ʾiǧmāʿ) und qiyās.
77 Siehe Baalbaki, Legacy, 98–112 „Aṣl (Origin)“ und Carter, Art. ʾuṣūl.
3.3 Grundsätze der arabischen Grammatiker 125

Verben als von ihnen abgeleitet. Ebenso gilt der Singular als ʾaṣl des
Plurals, die maskulinen Formen als ʾaṣl der femininen Formen
usw. 78 Die Zurückführung der Phänomene auf ihre „Ursprungsfor-
men“ war ein zentrales Anliegen der arabischen Gelehrten, denn sie
bildeten das Grundgerüst der grammatischen Argumentation.
Aufbauend auf dem Begriff ʾaṣl wurden in späteren Abhandlun-
gen unter dem Titel ʾuṣūl an-naḥw die Grundregeln der Grammatik
zusammengefaßt. So etwa im Buch Lumaʿ al-ʾadilla fī ʾuṣūl an-naḥw
‚Leuchtende Indizien der grammatischen Grundformen‘ von al-
ʾAnbārī, das folgendermaßen beginnt:
ُ ََ ‫ﱠ‬ ‫�� أد ﱠﻟ ُﺔ ﱠ‬
‫اﻟﻨ ْﺤ ِﻮ اﻟ�ي ﺗﻔ ﱠﺮ َﻋ ْﺖ َﻋ ْ� َ�ﺎ ﻓﺮو ُﻋ ُﮫ‬ ‫ا ْﻋ َﻠ ْﻢ ﱠأن ُأﺻﻮ َل ﱠ‬
‫اﻟﻨ ْﺤ ِﻮ‬
ِ َ ِ
ََ ‫ﱠ‬
‫اﻟﻔ ْﻘ ِﮫ اﻟ�ي ﺗﻔ ﱠﺮ َﻋ ْﺖ َﻋ ْ� َ�ﺎ‬
ُ‫ﱠ‬ ْ ‫ُأﺻﻮل‬ ‫ﱠ‬ َ
‫ ﻛ َﻤﺎ أن َﻣﻌ�ى‬، ‫وﻓﺼﻮﻟﮫ‬ ُ ُ ُ َ
ِ ‫اﻟﻔﻘ ِﮫ ِأدﻟﺔ‬
ِ ِ
ُ َ َ
. ‫ُﺟ ْﻤﻠ ُﺘ ُﮫ َوﺗ ْﻔﺼﻴﻠ ُﮫ‬
„Wisse, daß die grammatischen Grundregeln (ʾuṣūl an-naḥw) die
Grundfälle (ʾadilla) der Grammatik sind, von denen sich ihre
Zweige (furūʿ) und Abschnitte (fuṣūl) ableiten – so wie die ʾuṣūl
al-fiqh die Grundfälle (ʾadilla) des fiqh bedeuten, von denen des-
sen Gesamtheit und alle Einzelheiten abgeleitet werden.“ 79
ʾAdilla (sg. dalīl) ‚Hinweis, Indiz, Beweis‘ sind diejenigen konkreten
grammatischen Formen, auf denen die Festlegung der Grundfor-
men (ʾuṣūl) beruht, also gewissermaßen die Beweisformen für die
ʾuṣūl. Im fiqh sind die ʾadilla zweifelsfrei gültige Präzedenzentschei-
dungen, die aus dem Koran abgeleitet oder vom Propheten oder
einer anderen herausragenden Autorität entschieden wurden. Die
Gattung ʾUṣūl al-naḥw bezeichnet nicht etwa eine an Anfänger ge-
richtete praktische Einführung in die Grundlagen der Sprache, son-
dern Zusammenfassungen und Erläuterungen der durch Abstrakti-
on erschlossenen Grundregeln (ʾuṣūl), auf denen das gesamte Sy-
stem aufgebaut ist.

3.3.2.4 ʿilla ‚Begründung‘


ʿIlla (pl. ʿilal) bezeichnet die Begründung dafür, daß eine bestimmte
Form oder Konstruktion so ist, wie sie ist. 80 Juristisch gesprochen
____________________

78 Siehe dazu Punkt 4.1.2.1 „Schwere (ṯiqal) und Leichte (ḫiffa)“.


79 Al-ʾAnbārī, Lumaʿ al-ʾadilla, 1.
80 Siehe Baalbaki, Legacy, 56–68 „ʿIlla (Cause)“.
126 Hintergründe der Grammatiktradition

handelt es sich um die Ratio legis, den „Sinn“ hinter einem Gesetz
bzw. einer grammatischen Regel. Die Vorstellung, daß Regeln spezi-
fische Gründe haben müssen, ist schon bei Sībawaih vorhanden.
Aus diesem Ansatz entwickelten die nachfolgenden Grammatiker
einen eigenen Zweig der Grammatik: taʿalīl ‚das Begründen‘. Wäh-
rend Sībawaih bei seinen Begründungen wahrscheinlich noch den
beim Sprechen tatsächlich ablaufenden Denkprozeß im Auge hatte,
abstrahierten die späteren Grammatiker den taʿlīl immer mehr und
gebrauchten ihn, um die Kohärenz der Grammatik auf theoreti-
scher Ebene zu beweisen. Es wurden Werke verfaßt, die sich aus-
schließlich diesem Ziel widmeten, wie etwa das K. al-ʾĪḍāḥ fī ʿilal an-
naḥw ‚Erklärung der Begründungen in der Grammatik‘ von az-
Zaǧǧāǧī (gest. 337/949). Von ihm stammt die Unterteilung der Be-
gründungen in drei Kategorien: didaktische, systematische und
dialektisch-spekulative Begründung. Sie unterscheiden sich vor
allem durch den Grad ihrer Abstraktion: Während die didaktische
Begründung einen unmittelbaren Bezug zum praktischen Sprach-
gebrauch hat, führen die anderen zu den von den Grammatikern
angenommenen tieferliegenden Ebenen der Sprachstruktur. Sulei-
man hat vermutet, daß es u. a. didaktische Erwägungen waren, die
diese Gliederung des Stoffes, vom Einfachen zum Komplexen, be-
dingt haben. 81 Az-Zaǧǧāǧī nennt folgende Kategorien:
a) ʿilla taʿlīmīya – didaktische Begründung. Damit sind die prakti-
schen grammatischen Regeln gemeint, die für den korrekten
Sprachgebrauch nötig sind. Jedes Lernen von Sprache baut auf sol-
chen Regeln auf, seien sie explizit formuliert oder unbewußt er-
schlossen. Als Beispiel für das Erschließen der Regeln nennt az-
Zaǧǧāǧī den Fall, daß man durch Analogie die Bildung des Partizip
aktiv herleiten kann. Höre man folgende beiden Sätze:

____________________

81 Suleiman, The Arabic Grammatical Tradition, 57–58. Suleiman stellt in


dieser Arbeit die Rolle des taʿlīl anhand der Werke verschiedener Gramma-
tiker dar. Auf S. 43–63 geht er auf die erwähnten drei Arten von Begrün-
dungen bei Az-Zaǧǧāǧī ein. Siehe den Originaltext bei Az-Zaǧǧāǧī, K. fī ʿIlal
an-naḥw, Ausg. Kairo 1959, 63–65. Versteegh, The Arabic Linguistic Traditi-
on, 64–65, übersetzt diesen Abschnitt ins Englische. Von dort stammen die
hier zitierten Beispiele. Von Versteegh liegt auch eine Übersetzung des ge-
samten Werkes ins Englische vor.
3.3 Grundsätze der arabischen Grammatiker 127

ٌ ‫ﻗﺎم َز ٌ�ﺪ َو ْه َﻮ‬


‫ﻗﺎﺋﻢ‬ َ
qāma Zaid-u·n wa·hwa qāʾim-u·n
‚Zaid stand – er ist stehend‘
َ
‫َرﻛ َﺐ َز ٌ�ﺪ َو ْه َﻮ ر ِاﻛ ٌﺐ‬
rakaba Zaid-u·n wa·hwa rākib-u·n
‚Zaid ritt – er ist reitend‘,
so könne man die Bildung und Bedeutung des Partizip aktiv daraus
erschließen und selbständig folgendes konstruieren:
ََْ ََ
ِ ‫ذه َﺐ وهﻮ‬
‫ذاه ٌﺐ‬
ḏahaba wa·huwa ḏāhib-u·n
‚Er ging – er ist gehend‘
Beispiele für explizit formulierte Regeln lassen sich anhand der
folgenden Sätze geben:
‫ﻗﺎم َز ٌ�ﺪ‬
َ
qāma Zaid-u·n
‚Zaid stand / stand auf.‘
Warum steht Zaidun im Nominativ (rafʿ)? – Weil er das Subjekt
(fāʿil) ist.
ٌ ‫ﱠإن َز ً�ﺪا‬
‫ﻗﺎﺋﻢ‬
ʾinna Zaid-a·n qāʾim-u·n
‚Zaid ist aufgestanden/steht.‘
Warum steht Zaidan im Akkusativ (naṣb) und qāʾimun im Nomina-
tiv (rafʿ)? – Weil ʾinna das folgende Wort in den Akkusativ und das
ḫabar (Prädikat) zu diesem Wort in den Nominativ setzt.

b) ʿilla qiyāsīya – systematische Begründung. Diese erklärt, inwie-


fern es der Systemzusammenhang erfordert, daß eine Form oder
Konstruktion gerade so sein muß, wie sie ist. Hier kommen alle
oben beschriebenen Prinzipien zum Tragen, wie die Funktion in
der Rede (mauḍiʿ), „Rechte und Pflichten“ des Wortes (ḥukm), die
Zurückführung auf eine Ursprungsform (ʾaṣl) usw. Das herrschende
Argumentationsprinzip ist der Analogieschluß (qiyās). In Bezug auf
den Beispielsatz ʾinna Zaidan qāʾimun erklärt az-Zaǧǧāǧī:
128 Hintergründe der Grammatiktradition

Warum setzt ʾinna das folgende Wort in den naṣb (Akkusativ)? –


Weil ʾinna einem transitiven Verb ähnelt. Darum verhält sich das
folgende Wort wie ein Objekt zu einem Verb und steht im naṣb
(Akkusativ).
Warum steht das ḫabar im rafʿ (Nominativ)? – Weil es sich zu ʾinna
verhält wie der „Täter“ (fāʿil, also das Subjekt) zum Verb. Darum hat
es die Endung eines „Täters“, die rafʿ- (Nominativ-) Endung.

c) ʿilla ǧadalīya naẓarīya – dialektisch-spekulative Begründung. Im


vorgenannten Fall (b) basiert die Begründung darauf, daß man das
Verhalten sprachlicher Elemente zu anderen, vergleichbaren Ele-
menten in Beziehung setzt und durch Analogieschluß (qiyās) Re-
geln feststellt. Dabei werden im Prinzip nur Tatsachen konstatiert,
nämlich daß bestimmte Wörter aufgrund bestimmter Umstände
bestimmte Endungen erhalten. Die Argumentation gründet sich
allein auf dem linguistischen Befund. Die ʿilla ǧadalīya geht darüber
hinaus, indem sie fragt, warum solche Analogien überhaupt beste-
hen und warum bestimmte „Verhaltensweisen“ auftreten. Die Be-
gründungen gehen über die beobachtbaren linguistischen Tatsa-
chen hinaus. Für das genannte Beispiel heißt das, daß u. a. erforscht
wird, warum und inwiefern ʾinna einem Verb ähnelt und warum
überhaupt der Nominativ mit -u und der Akkusativ mit -a gekenn-
zeichnet wird.

3.4 Äußere Einflüsse auf die Grammatikschreibung


Sībawaih hat scheinbar aus dem Nichts heraus ein komplettes
grammatisches System für das Arabische entworfen. Zwar wissen
wir, daß er sich auf Vorgänger gestützt hat, besonders auf al-Ḫalīl b.
ʾAḥmad, doch hat es vorher mit Sicherheit kein so umfangreiches
und komplexes Werk wie sein Kitāb gegeben. Es liegt nahe, zu fra-
gen, aus welchen Richtungen Sībawaih Impulse aufgenommen
haben könnte, die seine Arbeit beeinflußt haben.
Die Ausgangslage für eine solche Suche ist nicht günstig, da es
sich ja beim Kitāb um eines der frühesten arabischen Bücher über-
haupt handelt. Man kann also nicht anhand früherer Quellen nach-
vollziehen, worauf Sībawaihs Bildung aufbaute und welche Vorstel-
lungen und Konzepte er gekannt haben kann. Grammatische Wer-
ke sind aus der Zeit vor Sībawaih, abgesehen von dem Wörterbuch
3.4 Äußere Einflüsse auf die Grammatikschreibung 129

Kitāb al-ʿAin, nicht bekannt, so daß wir eine schrittweise Entwick-


lung der Grammatik nicht zurückverfolgen können. Als einzige
Möglichkeiten bleiben daher einerseits, das Kitāb selbst als Quelle
zu nutzen und andererseits, das Umfeld der ersten Grammatiker zu
rekonstruieren, um daraus Schlüsse auf ihren wissenschaftlichen
Hintergrund zu ziehen.
Zunächst können wir feststellen, daß die Aktivität der ersten
Gelehrten im Islam mit der Koranüberlieferung (qirāʾa) und
-auslegung (tafsīr) sowie mit der praktischen Umsetzung der Religi-
on, wie sie im fiqh erörtert wurde, in Zusammenhang standen, und
man kann davon ausgehen, daß die frühen Grammatiker in diesen
Bereichen bewandert waren. Daß die Grammatik direkt von einem
dieser Gebiete abgeleitet ist, konnte bisher nicht nachgewiesen
werden. Alle drei dürften aber eine Rolle gespielt haben. Hinsicht-
lich der Methodik gibt es Parallelen zum fiqh, und ein Teil der Ter-
minologie könnte aus der Koranexegese bzw. aus der griechischen
oder syrischen Grammatiktradition stammen. Es ist auch die wis-
senschaftliche und philosophische Tradition der Spätantike in den
Blick zu nehmen, die praktisch das gesamte intellektuelle Umfeld
geprägt hat, mit dem nun die muslimischen Gelehrten in Kontakt
kamen. 82

3.4.1 Fiqh („Islamisches Recht“)


Der Begriff des fiqh wurde nun so oft genannt, daß es höchste Zeit
ist, ihn genauer zu erklären. Die Grundbedeutung der Wurzel FQH
ist ‚verstehen, begreifen‘. Die gängigen Übersetzungen des Wortes
fiqh als Fachterminus sind „islamisches Recht“, „Rechtswissen-
schaft“, „Jurisprudenz“. Wenn diese auch die Methodik des fiqh
treffend beschreiben, so vermögen sie doch nicht seine zentrale
Bedeutung für den Islam zu vermitteln. Für viele von uns dürfte
„Jurisprudenz“ nach einer Wissenschaft für besondere Fälle klingen,
mit denen die einen seltener, die anderen häufiger zu tun haben.
Vielleicht denkt man an Kauf- und Pachtverträge, Erbschaften, Hei-
rat und Scheidung, Diebstahl, Mord. Dies ist in der Tat alles inbe-
griffen, trifft aber nicht den Kern, denn es handelt sich hier nicht
um ein Wissensgebiet unter vielen, sondern das Rückgrat der mus-
____________________

82 Einen Überblick über die verschiedenen Theorien zu den Wurzeln der


arabischen Grammatiktradition gibt Shah, Exploring the Genesis of Early
Arabic Linguistic Thought, 48–55. Er stellt die Sichtweisen von Versteegh,
Talmon, Carter, Rippin und Bernards dar.
130 Hintergründe der Grammatiktradition

limischen Religion. Wenn die Bedeutung des Wortes ʾislām mit der
„Unterwerfung unter den Willen Gottes“ erklärt werden kann, so
regelt der fiqh in jeder Hinsicht, wie diese Unterwerfung zu gestal-
ten ist. Er umfaßt daher nicht nur Problemstellungen, die in unse-
rem Verständnis der Juristerei zuzurechnen sind, sondern schlecht-
hin jegliches Handeln des Menschen gegenüber seinem Nächsten
und gegenüber Gott. Dies schließt sowohl juristische und ethische
Bestimmungen als auch alle Aspekte des Kultus ein. Mit anderen
Worten: Der fiqh behandelt alle Fragen, die entscheidend sind,
wenn es darum geht, ein „guter Muslim“ zu sein, und ist damit die
Grundlage der muslimischen Religionsgelehrsamkeit. Seine Wur-
zeln reichen bis in die Zeit der ersten Kalifen zurück. Die spekulati-
ve Theologie (kalām), die sich mit den Glaubensüberzeugungen
auseinandersetzt, sozusagen die muslimische Dogmatik, hat sich
erst später entwickelt und hat in der Orthodoxie nie eine dem fiqh
vergleichbare Rolle gespielt.
Der fiqh wurde etwa zur selben Zeit systematisiert wie die
Grammatik, und die Begründer der vier klassischen Rechtsschulen
(maḏāhib, sg. maḏhab) waren allesamt Zeitgenossen von Sībawaih.
Die Aktivität auf diesem Gebiet hat bedeutend zur Entwicklung der
grammatischen Wissenschaft beigetragen. Die enge Beziehung in
der Methodik beider Bereiche, die bereits oben angesprochen wur-
de, ist schon bei Sībawaih angelegt und wurde von späteren Gram-
matikern gefestigt. 83
Auf mehreren Ebenen sind sich Grammatik und fiqh sehr ähn-
lich: Zunächst geht es auf beiden Gebieten darum, das Verhältnis
zwischen dem normgebenden Textkorpus und den immer wieder
notwendigen Aktualisierungen zu bestimmen. Die Quellen für die
Norm des menschlichen Handels sind im Islam der Koran und die
Prophetenüberlieferung (ḥādīṯ). Beide Korpora waren schon früh
abgeschlossen, und es konnte per definitionem nichts mehr hinzu-
kommen, da mit Muḥammad die Offenbarung als beendet betrach-
tet wurde. Da sich aber im Laufe der Zeit immer neue Fragen des
„rechten Handelns“ ergaben, mußte ein System entwickelt werden,
mit Hilfe dessen man aus der vorhandenen Offenbarung für alle in
Zukunft auftretenden Fragen Lösungen ableiten konnte. Dieses
wurde im fiqh gefunden. Ganz ähnlich liegt die Sache bei der
____________________

83 Zum Überblick siehe Carter, Art. Grammar and law. Eine ausführliche
Darstellung bietet Carter, Sībawayhi’s Principles. Zur Einführung in den
Fiqh siehe Vikør, Between God and the Sultan.
3.4 Äußere Einflüsse auf die Grammatikschreibung 131

Grammatik: Die reine, unverfälschte Sprache liegt in einem be-


grenzten Korpus vor, das relativ früh (nämlich gleich nach
Sībawaih) geschlossen wurde. Doch auch im Sprachgebrauch erga-
ben sich im immer wieder neue Fragen, wie mit bestimmten Pro-
blemen umzugehen sei und wie bestimmte Phänomene zu bewer-
ten seien. Ähnlich wie im fiqh war man auf ein universales Regel-
werk angewiesen, das es für alle Zukunft erlaubte, grammatische
Entscheidungen auf der Grundlage des normgebenden alten Text-
korpus zu treffen. So erklären sich die grundlegenden strukturellen
Ähnlichkeiten zwischen fiqh und Grammatik.
Eine weitere Parallele haben Carter und Baalbaki in ihren Arbei-
ten aufgezeigt: Sowohl die Rechtsgelehrten als auch die Grammati-
ker befassen sich je auf ihre Art mit menschlichen Verhaltenswei-
sen. Sībawaih betrachtet das Sprechen als einen Teil des menschli-
chen Verhaltens und beschreibt daher das System der Sprache in
Analogie zum System der menschlichen Gesellschaft. So kommt es
zur Verwendung der gleichen Terminologie in beiden Bereichen:
Hier wie dort spricht man von ḥukm ‚Urteil‘, ḥaqq ‚Recht‘, šāhid
‚Zeuge, sprachlicher Beleg‘, manzila ‚Rang‘, mauḍiʿ ‚Position, Funkti-
on‘. Nahezu alle sprachlichen Grundprinzipien und Ausdruckswei-
sen werden mit Termini beschrieben, die ursprünglich eine
menschliche Aktion ausdrücken, darunter ibtidāʾ ‚Anfangen, hier:
Prinzip des Nominalsatzes‘; istifhām ‚zu verstehen suchen, hier:
Fragesatz‘, taṯnīya ‚Verdopplung, hier: Dual‘; nafy ‚Verneinung‘. 84
Diese verschiedenen „Handlungen“ geben den Rahmen (mauḍiʿ
‚(Sprech-)Ort‘) vor, innerhalb dessen die betreffenden Äußerungen
in ihrem „Verhalten“ untersucht und bewertet werden. Diese deut-
lich aus dem menschlichen Bereich abgeleitete Terminologie, die
auf Sībawaih zurückgeht, kann auch als Beleg dafür gelten, daß
dieser bei seiner Sprachanalyse den Kommunikationsvorgang im
Mittelpunkt sah – ein Grundsatz, den seine Nachfolger bald verlie-
ßen.
Auffällige terminologische Übereinstimmungen zwischen fiqh
und Grammatik gibt es bei der Beurteilung der Richtigkeit von
sprachlichen Äußerungen, wo die Begriffe mitunter sehr konkret
vom menschlichen Bereich auf den sprachlichen übertragen wer-
den: Etwas, das von der Norm abweicht, heißt munḥarif ‚vom Weg
abweichend‘, regelgerechte Wortbildungen werden salīm ‚gesund‘
____________________

84 Carter, Sībawayh, 78–79, ergänzt diese Liste um mehrere Dutzend weiterer


Begriffe, die alle im Kitāb vorkommen.
132 Hintergründe der Grammatiktradition

genannt (z. B. ǧamʿ sālim ‚gesunder Plural‘), eine Gruppe von Wör-
tern, die der gleichen Regel folgen, wird als „Schwestern“ (ʾaḫawāt)
bezeichnet, wie etwa kāna wa-ʾaḫawātuha und ʾinna wa-ʾaḫawātu-
ha. So erscheint die Sprache als eine Gesellschaft mit Mitgliedern
unterschiedlicher Status, denen je nach ihrem Rang spezifische
Rechte und Pflichten zukommen. Alle haben sich ihrem Rang ent-
sprechend zu verhalten und werden danach beurteilt, wie gut die-
ses Verhalten dem Erwarteten entspricht: ḥasan ‚schön‘, qabīḥ ‚häß-
lich‘ usw. Um die Richtigkeit von sprachlichen Äußerungen zu be-
schreiben, gebraucht Sībawaih denselben Satz von Begriffen wie die
Rechtsgelehrten bei der Beurteilung menschlicher Handlungen. Im
Kap. 7 des Kitāb faßt er zusammen:
„Kapitel über die richtige (mustaqīm) und die verkehrte (muḥāl)
Rede. Es gibt (1.) mustaqīm ḥasan ‚richtig und schön‘, (2.) muḥāl
‚verkehrt‘, (3.) mustaqīm kaḏb ‚richtig, aber gelogen‘, (4.) mu-
staqīm qabīḥ ‚richtig, aber häßlich‘ und (5.) muḥāḷ kaḏb ‚verkehrt
und gelogen‘.
(1.) Richtig und schön ist es, wenn man sagt: ‚Ich kam gestern zu
dir‘ und ‚Ich werde morgen kommen‘. (2.) Verkehrt ist es, wenn
der Anfang der Rede dem Ende widerspricht, wie ‚Ich kam mor-
gen zu dir‘ und ‚Ich werde gestern kommen‘. (3.) Richtig, aber ge-
logen ist: ‚Ich habe den Berg getragen‘ und ‚Ich habe das Meer
ausgetrunken‘ und dergleichen. (4.) Richtig, aber häßlich ist es,
wenn man die Wörter an die falsche Stelle setzt, wie: ‚Gesehen
den Zaid ich habe‘ und ‚Damit kommen wird Zaid zu dir‘ und
ähnliches. (5.) Verkehrt und gelogen ist: ‚Gestern werde ich das
Meer austrinken‘ “ 85
Bereits der Terminus für die Bezeichnung des Richtigen, mustaqīm,
hat eine ethisch-religiöse Implikation, man denke nur an den Satz
aus der Fātiḥa ‚Und führe uns den rechten Weg‘ (wa-hdīnā ṣ-ṣirāṭa l-
mustaqīma, Q 1,6). An der Wahl dieses Begriffes wird deutlich, daß
korrekter Sprachgebrauch nicht nur ein Zeichen der Bildung, son-
dern eine allgemeine ethische Forderung ist. Die Ethik wiederum ist
verwurzelt im Glauben, so daß letztlich korrekte Sprache auch als
Ausdruck des Glaubens angesehen werden kann. Besonders für
Männer in politischen und religiösen Führungspositionen, von
denen stets moralische und religiöse Vorbildlichkeit verlangt wur-
____________________

85 Siehe hierzu Ayoub, Mustaqīm, muḥāl, ḥasan, qabīḥ, und auch Carter,
Sībawayhi, 61–65 „The ethical criteria“.
3.4 Äußere Einflüsse auf die Grammatikschreibung 133

de, war es unerläßlich, „richtig“ und „schön“ sprechen zu können,


und man sparte nicht mit Spott über diejenigen, die diese Erwar-
tung nicht erfüllten.
Deutlich sind die Übereinstimmungen zwischen Grammatik
und fiqh auch im Aufbau des Regelsystems. Beide stützen sich auf
den Analogieschluß (qiyās), bei dem es stets darum geht, ursprüng-
liche, primäre Erscheinungen (ʾaṣl) mit abgeleiteten, sekundären
(farʿ) in Beziehung zu setzen. Hiervon ausgehend werden in beiden
Bereichen die Grundlagen als ʾuṣūl bezeichnet (ʾuṣūl al-fiqh bzw.
ʾuṣūl al-luġa / ʾuṣūl an-naḥw). Die Gelehrten waren sich dieser Paral-
lelen voll bewußt, wie z. B. al-ʾAnbārī in Lumaʿ al-ʾadilla herausstellt.

3.4.2 Koranauslegung (tafsīr)


Die Auslegung des Korans schloß von Anfang an eine Beschäftigung
mit der arabischen Sprache ein, wie frühe Korankommentare zei-
gen. 86 Die ersten uns bekannten Werke auf diesem Gebiet stammen
von Muqātil b. Sulaimān (gest. 150/767) 87 und Muḥammad b. Ṣāʾib
al-Kalbī (gest. 146/763), 88 also aus der Zeit noch vor al-Ḫalīl b.
ʾAḥmad al-Farāhīdī (gest. 170/786) und Sībawaih (gest. 180/796).
Das Interesse der Exegeten war zwar nicht auf eine systematische
Beschreibung der Sprache gerichtet, doch wurden je nach Ausle-
gungsbedarf immer wieder auch grammatische Details besprochen,
für die schließlich Bezeichnungen gefunden werden mußten. Eine
wichtige Streitfrage war z. B., inwieweit der Artikel al- eine Verall-
gemeinerung des Wortes, vor dem er steht, bewirkt. Konkret ging es
um Q 82,14: „Die Übeltäter (al-fuǧǧār) sind in der Hölle“ und um die
Frage, wer hier alles mit „Übeltäter“ gemeint ist. Die ersten Abhand-
____________________

86 Siehe Versteegh, Arabic Grammar and Qurʾānic Exegesis. Eine knappe


Übersicht einschließlich eines Ausschnittes aus Muqātils Korankommen-
tar gibt Versteegh, The Arabic Linguistic Tradition, 11–22.
87 Ausgabe von ʿAbdallāh Maḥmūd Šiḥāta (4 Bde., 1971–1988). Eine Liste der
frühesten Korankommentare gibt Versteegh, Arabic Grammar and
Qurʾānic Exegsesis, 41–42. In der muslimischen Tradition gilt als einer der
ersten Exegeten Muǧāhid b. Ǧabr al-Makkī (gest. ca. 104/722), von dem
aber kein Werk überliefert ist. Eine Kairoer Hs. mit dem Titel Tafsīr
Muǧāhid wurde von ʿAbd ar-Raḥmān aṭ-Ṭāʾir b. Muḥammad as-Sūrtī (Is-
lamabad o.J., 2 Bde.) und von Muḥammad ʿAbd as-Salām ʾAbū n-Nīl (Kairo
1989) herausgegeben, doch handelt es sich hierbei wohl um Material, das
nachträglich dem Muǧāhid zugeschrieben wurde.
88 Noch nicht ediert; zu den Handschriften siehe Sezgin, Geschichte des ara-
bischen Schrifttums, I/34.
134 Hintergründe der Grammatiktradition

lungen hierzu stammen von Wāṣil b. ʿAṭāʾ (gest. 131/748–9) und


ʿAmr b. ʿUbaid (gest. um 144/ 761). Sie sind zugleich ein Beleg für die
frühe Aufnahme der aristotelischen Logik in Koranexegese und
Theologie. 89
Es bildete sich bei der Exegese ein Sprachgebrauch heraus, der
sich zunächst des Alltagsvokabulars bediente, welches dann sowohl
für linguistische als auch exegetische Erörterungen verwendet wur-
de. Ein Teil dieser Begriffe wurde offenbar in die Grammatik über-
nommen, wo sie zu Fachtermini wurden. Der Einfluß der frühen
Exegese auf die grammatische Terminologie wurde ausführlich von
Versteegh (Arabic Grammar and Qurʾānic Exegsesis, 1993) unter-
sucht. Im Kapitel „Grammatical terminology in early tafsīr“ (S. 96–
159) bringt er zahlreiche Beispiele aus den Kommentaren der o. g.
Gelehrten, hierunter die folgenden:
Der Begriff ʾiḍmār ‚Verbergung‘ bezeichnet bei Muqātil etwas,
das im Text mitgemeint, aber nicht ausdrücklich genannt ist. 90 Bei
Sībawaih kommt ʾiḍmār im Zusammenhang mit der Verbkonjugati-
on vor, wo es die Person bezeichnet, die in einer Verbform „verbor-
gen“ ist (siehe Punkt 4.2). Ferner spielt bei Muqātil der Terminus
ḫabar ‚Nachricht, Aussage‘ eine wichtige Rolle; er bezeichnet die
mit einer Person oder Sache verbundene Geschichte (also worum es
bei dieser Person / Sache geht). In der Grammatik bedeutet ḫabar
das Prädikat des Nominalsatzes, also ebenfalls „was es mit dem
Subjekt auf sich hat“. Es ist gut vorstellbar, daß es sich dabei um
eine Spezifizierung des Begriffes handelt, der bereits in der Exegese
im Gebrauch war. Während bei Muqātil ḫabar noch im konkreten
Sinne als ‚Mitteilung, Aussage‘ verstanden wurde, kann man bei
Sībawaih schon den Übergang des Wortes zu einem Fachterminus
mit der Bedeutung ‚Prädikat‘ beobachten. Auf diese Weise lassen
sich auch einige andere grammatische Termini aus dem frühen
exegetischen Sprachgebrauch herleiten, z. B. ḥaraka ‚Vokal‘, ṣifa
‚Adjektiv‘, waqf ‚Pause‘, sowie die Bezeichnungen für Genera und
Numeri.
Was hier in die Grammatik übernommen worden ist, sind ein-
zelne Begriffe und die jeweils dahinter stehenden Vorstellungen.
Das System, das die Grammatiker hieraus entwickelt haben, läßt
____________________

89 Siehe Schöck, Koranexegese, Grammatik und Logik, Kap. 3 „ʿAmr b. ʿUbaids


und Wāṣil b. ʿAṭāʾs existensionale Deutung der Allgemeinbegriffe“ (S. 31–
78).
90 Siehe das Beispiel bei Versteegh, The Arabic Linguistic Tradition, 17.
3.4 Äußere Einflüsse auf die Grammatikschreibung 135

sich damit noch nicht erklären. Auch ist der Anteil der Termini, die
aus der Exegese abgeleitet werden können, recht klein, wie Carter
angemerkt hat. 91 Unbestreitbar ist aber, daß Exegese und Gramma-
tik miteinander verknüpft waren und zumindest in der frühen Pha-
se von denselben Personen betrieben wurden. Daß diese in beiden
Bereichen ähnliche Begriffe gebrauchten, erscheint nicht abwegig.
Versteegh weist noch darauf hin, daß in Kūfa die Verbindung
zwischen Grammatikern und Exegeten stärker gewesen sein muß
als in Baṣra. Während in Baṣra die Koranüberlieferer (qurrāʾ, sg.
qāriʾ) und -kommentatoren von den Grammatikern als in sprachli-
chen Fragen nicht urteilsfähig erachtet wurden, weil ihre Vorge-
hensweise nicht der Systematik der Grammatiker entsprach, gingen
in Kūfa Exegese und Grammatik Hand in Hand. Dies wird u. a. an al-
Farrāʾ (ca. 144–207/761–822) deutlich, der sowohl grammatische
Werke als auch einen großen Korankommentar (Maʿānī al-Qurʾān)
verfaßte. 92

3.4.3 Griechische und syrische Grammatik


Die frühen arabischen Grammatiker arbeiteten nicht in einem in-
tellektuellen Vakuum. Syrien und der Irak, wo die muslimische
Gelehrsamkeit ihren Ausgang nahm, hatten seit Jahrhunderten
unter dem Einfluß des in griechischer Sprache überlieferten Kultur-
erbes des Hellenismus gestanden. Seit dem 3. Jh. n. Chr. gewann in
derselben Region die wissenschaftliche und theologische Aktivität
der syrisch-aramäischen Christen an Bedeutung, deren syrisch-
aramäische Sprache hier bald zur wichtigsten Gelehrtensprache
wurde. Auch Griechisch wurde weiter studiert und teilweise noch
gesprochen; es hatte großen Einfluß auf die syrische Sprache und
das syrische Schrifttum. Ein großer Teil der griechischen Philoso-
phie wurde ins Syrische übersetzt und wurde zu einem Grundpfei-
ler der syrischen Gelehrsamkeit. Wichtige Orte, an denen diese
Tradition gepflegt wurde, waren Edessa (arabisch: ar-Ruhā), Nisibis
(Nuṣaibīn), Mosul (al-Mauṣil), al-Ḥīra und Gondēšāpūr. Auch die
syrische Grammatik war von der griechischen Tradition abhängig.
Ein charakteristisches Beispiel sind die westsyrischen Vokalzeichen,
die nichts anderes sind, als über die syrische Schrift geschriebene
griechische Buchstaben, wie z. B. ‫ ܶܒ‬für e oder ‫ ܰܒ‬für a (hier über
____________________

91 Carter, Sībawayhi, 49.


92 Siehe Shah, Exploring the Genesis of Early Arabic Linguistic Thought:
Qurʾanic Readers and Grammarians of the Kūfan Tradition.
136 Hintergründe der Grammatiktradition

dem syrischen Buchstaben b stehend). Allerdings ist die Quellen-


lange für diese frühe Zeit äußerst mager. Die syrische Grammatik
geriet später so sehr unter den Einfluß der arabischen, daß nun
kaum mehr zu ermitteln ist, wie sie in frühester Zeit ausgesehen
hat.
Daß die ersten muslimischen Gelehrten mit den bereits beste-
henden grammatischen Traditionen und mit der griechischen Phi-
losophie in irgendeiner Weise in Berührung gekommen sind, ist
wahrscheinlich. Dies dürfte am ehesten durch persönliche Kontakte
passiert sein, denn schriftliche Übersetzungen ins Arabische lagen
ja zunächst noch nicht oder kaum vor. Das Fehlen schriftlicher
Quellen macht es allerdings nahezu unmöglich, genaueres über den
Austauschprozeß zu ergründen. Es bleibt uns nur, auf einige Details
in der arabischen Grammatik hinzuweisen, die so deutliche Paralle-
len in der syrischen bzw. griechischen Grammatik haben, daß wir in
diesen einzelnen Punkten einen Einfluß aus dieser Richtung an-
nehmen können: 93
1. Die Musterwörter für die Beispielsätze stimmen in ihrer Bedeu-
tung mit denen der griechischen Grammatik überein:
raǧul ‚Mann‘ vgl. griech. ἄνθρωπος
faras ‚Pferd‘ vgl. griech. ἵππος
ḍaraba ‚schlagen‘ vgl. griech. τύπτω vgl. syr. mḥā
2. Die Einteilung der Redeteile in Nomen (ism), Verb (fiʿl), und
Partikel, welche zu keiner der beiden anderen Wortarten gehö-
ren (ḥarf) findet sich bei Aristoteles. 94
3. Die Bezeichnung der Vokale nach ihrer Artikulationsart findet
sich auch in der syrischen Grammatik: 95
für a: fatḥ (‚Öffnung‘) vgl. syr. pṯāḥā (dass.)
für i: kasr (‚Zukneifen‘) vgl. syr. ḥḇāṣā (‚Druck‘)
für u: ḍamm (‚Zusammenziehen‘) vgl. syr. ʿṣāṣā (dass.)
____________________

93 Aufzählung nach King, Elements of the Syriac Grammatical Tradition,


202–203. Siehe auch King, Grammar and logic in Syriac (and Arabic).
94 Aristoteles, Rhetorik, III/13–19; siehe die Diskussion hierzu in der Überset-
zung von Rapp, 2. Halbb., S. 1000–1006.
95 Siehe hierzu Versteegh, Arabic Grammar and Qurʾānic Exegesis, 29–31. Es
ist allerdings fraglich, ob die syrischen Bezeichnungen tatsächlich älter als
die arabischen sind oder ob nicht etwa die Adaption in die andere Rich-
tung verlief. In Anlehnung an die arabische Terminologie wurden später
auch die Vokale des Hebräischen in dieser Weise bezeichnet.
3.4 Äußere Einflüsse auf die Grammatikschreibung 137

Der erste, der den Einfluß der griechischen Tradition auf die arabi-
sche Grammatik untersucht hat, war Adalbert Merx mit seiner 1889
erschienenen Abhandlung Historia artis grammaticae apud Syros.
Rundgren (1976) und Versteegh (1977) griffen seine These auf und
modifizierten sie. 96 Versteegh nennt an weiteren Parallelen die
Übereinstimmung folgender Termini:
ʾiʿrāb vgl. griech. ἑλληνισμός ‚korrekter (griech.) Ausdruck‘
ṣarf vgl. griech. κλῖσις ‚Beugung, Abwandlung, Flexion‘
rafʿ vgl. griech. ὀρθὴ (πτῶσις) ‚aufrechter, normaler Fall;
Nominativ‘ 97
Alle diese Punkte beziehen sich auf Übereinstimmungen der arabi-
schen mit der griechischen oder syrischen Grammatiktradition.
Darüber hinaus ist auch ein gewisser Einfluß der griechischen Phi-
losophie schon in diesem frühen Stadium denkbar, denn diese bil-
dete ja den Hintergrund sämtlicher Gelehrsamkeit in vorislami-
scher Zeit und dürfte den arabischen Grammatikern in Teilen be-
kannt gewesen sein. Ein Hinweis darauf ist der von Anfang an sehr
verbreitete Gebrauch des Analogieschlusses (qiyās) in Grammatik
und fiqh, eine Argumentationstechnik, die eindeutig auf die aristo-
telische Logik zurückgeht. Auch hier ist wohl davon auszugehen,
daß die arabischen Gelehrten solches Wissen durch mündliche
Überlieferung erhalten haben. Zwar ist unter dem Namen von Ibn
al-Muqaffaʿ (gest. nach 139/756) schon sehr früh die Übersetzung
einer Paraphrase von Aristoteles‘ Organon überliefert, die Sībawaih
rein theoretisch gekannt haben könnte, doch ist die Zuschreibung
unsicher. 98
Unbestritten ist dagegen, daß sich die Grammatiker in einer spä-
teren Phase, als die griechischen Texte in Übersetzungen zugäng-
lich wurden, ausführlich mit der Logik auseinandersetzten. Ein
großer Anhänger der Logik war z. B. der oben genannte Ibn as-
Sarrāǧ, zu dessen Schülern auch der Philosoph al-Farābī (gest.
339/950) gehörte. 99 Ein erklärter Gegner der Logik war ʾAbū Saʿīd as-
____________________

96 Rundgren, Über den griechischen Einfluß auf die arabische Nationalgram-


matik; Versteegh, Greek Elements in Arabic Linguistic Thinking.
97 Versteegh, Arabic Grammar and Qurʾanic Exegesis, 23.
98 Ausgabe von Dānišparžūh, al-Manṭiq, Teheran 1398/1978. Cooperson, Art.
Ibn al-Muqaffaʿ, hält die Zuschreibung für falsch.
99 Einen Auszug aus al-Farābīs sprachtheoretischen Betrachtungen präsen-
tiert Versteegh, The Arabic Linguistic Tradition, 76–87 „The Relationship
Between Speech and Thought“; siehe auch 52–63 „The Debate Between Lo-
138 Hintergründe der Grammatiktradition

Sīrāfī (vor 290 / 903–368/979). Der folgende Ausschnitt aus einem


Streitgespräch zwischen ihm und dem christlichen Philosophen
ʾAbū Bišr Mattā b. Yūnus (gest. 328 / 940) vermittelt einen Eindruck
davon, wie Grammatik und Logik miteinander verbunden waren:
„Mattā war verblüfft und sagte: ‚Das ist Grammatik, und Gram-
matik habe ich nicht studiert, denn der Logiker bedarf ihrer
nicht; doch der Grammatiker bedarf dringend der Logik. Denn
die Logik untersucht die Bedeutung, die Grammatik untersucht
die Sprachlaute. Wenn es der Logiker mit dem Sprachlaut zu tun
hat, so nur als Begleitumstand, und wenn der Grammatiker auf
die Bedeutung stößt, auch nur als Begleitumstand. Indessen ist
die Bedeutung edler als der Sprachlaut, der Sprachlaut niedriger
als die Bedeutung.‘
‚Du irrst‘, sagte Abū Saʿīd, ‚denn Rede und Logos, Sprache und
Laut (…), all dies gehört durch Übereinstimmung und Ähnlich-
keit in ein Revier. (…) Grammatik, aus der Hülle der ʿArabīya ge-
schält, ist Logik; und Logik, doch durch Sprache vernommen, ist
Grammatik.“ 100
Was as-Sīrāfī hier vorstellt, ist nicht eine Synthese aus Logik und
Grammatik, sondern der Beweis, daß der Logik an sich kein Wert
zukommt, da alles, was sie ausrichtet, schon von der Grammatik
geleistet wird. An seiner Einstellung zur Logik läßt er am Ende der
Abhandlung keinen Zweifel. Sie steht als etwas Fremdes den islami-
schen Wissenschaften gegenüber:
„Die rechte Einsicht in dieser Sache war schon vor der Begrün-
dung der Logik erstlich aufgekommen, und sie hat sich wieder-
um eingestellt nach der Logik. Wüßtest du, wie unsere Religions-
und Rechtsgelehrten mit ihren Problemen umgehen, kenntest
du ihre tief bohrende Untersuchung und ihre profunde Deduk-
tion, wie trefflich sie auslegen, was ihnen präsentiert wird (…)
____________________

gic and Grammar“, wo Sīrāfīs Vorbehalte gegen die Logik dargestellt wer-
den. Zum Verhältnis von Logik und Grammatik generell siehe Versteegh,
Grammar and Logic; Guillaume, La nouvelle approche de la grammaire au
IVe–Xe siècle: Ibn Ǧinnī; Carter, Art. Grammatical Tradition, 185–187 “The
Evolution of a General Theory”; Endreß, Grammatik und Logik (ausführli-
che Abhandlung einschließlich der Übersetzung von zwei Texten über den
Unterschied von Grammatik und Logik).
100 Der Text wurde überliefert von ʾAbū Ḥayyān at-Tauḥīdī (gest. 1023?) im K.
al-ʾImtāʿ wa-l-muʾānasa. Quellenangabe und Übersetzung bei Endreß,
Grammatik und Logik, 248–249.
3.4 Äußere Einflüsse auf die Grammatikschreibung 139

— dann würdest du dich selbst verachten, würdest du deine


Genossen schmähen und wäre ihre Lehre und Schule in deinen
Augen geringer als Suhā vor dem Monde, als ein Kiesel vor dem
Berg.“ 101
Diese Auseinandersetzung fand knapp 200 Jahre nach Sībawaih
statt. Sie sagt zwar nichts über die frühe, formative Phase der
Grammatiktradition aus, zeigt aber, wie wichtig die Rolle der
Grammatik für den gelehrten Diskurs insgesamt wurde.
*
Es läßt sich zusammenfassen, daß aus allen genannten Bereichen
(fiqh, Koranexegese, syrische und griechische Grammatiktradition,
Logik) Einflüsse schon in der frühen arabischen Grammatiktheorie
nachweisbar oder zumindest wahrscheinlich sind. Unbestreitbar
sind die methodischen Parallelen zum fiqh. Keiner dieser Einflüsse
ist aber so grundlegend, daß man daraus allein die Entstehung des
Gesamtkonzeptes der arabischen Grammatiktradition erklären
könnte. Diese erscheint insgesamt als eigenständig und in mehrerlei
Hinsicht grundlegend neu. Zwei bedeutende Neuerungen, auf die
Daniel King hingewiesen hat, seien hier genannt: 102
1. Während sich griechische und syrische Grammatiker allein an der
Schriftsprache orientierten (wovon ihnen, im Gegensatz zu den
frühen arabischen Grammatikern, auch ein reichhaltiges Korpus
zur Verfügung stand), liegt der Ursprung der arabischen Gramma-
tik, wie Sībawaihs Kitāb zeigt, in der Analyse mündlich überlieferter
Sprachbelege. Hiervon wurde zwar bald abgerückt, doch ist
Sībawaihs Methodik ganz von dieser Ausrichtung geprägt.
2. Die arabischen Grammatiker gehen von Anfang an von dem für
das Arabische typische System der Wurzeln (ǧaḏr, pl. ǧuḏūr) und
Modellstrukturen (wazn, pl. ʾauzān) aus, was die Methodik von
Lexikographie und Grammatik entscheidend prägte. Dieses Prinzip
war den syrischen Grammatikern noch nicht bekannt und muß also
eine Entdeckung der arabischen Gelehrten sein. Es wurde wenig
später für die syrische und hebräische Grammatik adaptiert. Dies ist
an dem bis heute gebräuchlichen, aus dem Arabischen stammen-
den Musterverb PʿL zu erkennen, das auch in der syrischen und
hebräischen Grammatik verwendet wird.
____________________

101 Endreß, Grammatik und Logik, 266–267.


102 King, Elements of the Syriac Grammatical Tradition.
140 Hintergründe der Grammatiktradition

Darüber hinaus hat auch die Theorie des ʿamal (‚grammatische


Einwirkung‘), auf der die gesamte syntaktische Argumentation auf-
baut, keine Parallelen in anderen Grammatiken. Alle diese Charak-
teristika sind in Sībawaihs Kitāb schon in ihren wesentlichen Zügen
ausgebildet. Wie sie sich bis dahin entwickelt haben, können wir
mangels Quellen aus der Zeit vor Sībawaih nicht nachvollziehen.

3.4.4 Didaktische Ausrichtung


Mit ihrer strengen Systematik, dem von Ausnahmen und Zweifels-
fällen nahezu freien Regelwerk und der mechanisch wirkenden
Orientierung an der äußeren Form kann die traditionelle arabische
Grammatik den Eindruck erwecken, speziell für einen effizienten
Sprachunterricht entwickelt worden zu sein. Und in der Tat wird ihr
didaktischer Zweck schon in der bereits genannten Gründungsle-
gende hervorgehoben, gemäß welcher Grammatik dazu dienen soll,
den Menschen klare Richtlinien für den Sprachgebrauch zu geben.
So wird dem Kalifen ʿAlī b. ʾAbī Ṭālib, der persönlich mit dem Ent-
wurf einer Grammatik begonnen haben soll, in den Mund gelegt:
„Ich habe die Rede der Araber betrachtet und gefunden, daß sie
dadurch, daß sie sich mit diesen Roten – d. h. mit den Nichtara-
bern (al-ʾaʿāǧim) – vermischt haben, verdorben worden ist. Dar-
um wollte ich ihnen etwas machen, auf worauf sie zurückgreifen
und sich stützen können.“ 103
Es ist schwer einzuschätzen, inwieweit didaktische Überlegungen
die Arbeit der Grammatiker in der Anfangsphase bestimmt haben.
Zum einen war die Grammatik in allen Sprachen stets für den Un-
terricht bestimmt. Ob an Laien oder Spezialisten gerichtet, immer
ging es – oftmals hauptsächlich – darum, das Sprachsystem an
Schüler zu vermitteln. Ob jedoch didaktische Erwägungen ein Mo-
tiv für die strenge Systematik waren, ist schwer zu sagen. Sībawaihs
Kitāb jedenfalls ist für den Laienunterricht zu kompliziert und auch
verkehrt herum angeordnet: Es beginnt mit der Syntax und behan-
delt erst dann Formenlehre und Phonetik, anstatt schrittweise von
den kleineren zu den größeren Einheiten vorzugehen.
Andererseits war der Bedarf an Arabischunterricht und damit
auch an Lehrmaterial groß, denn praktisch jeder, der im öffentli-

____________________

103 Al-ʾAnbārī, Nuzha, 4.


3.4 Äußere Einflüsse auf die Grammatikschreibung 141

Abb. 12: Aus der ʾAlfīya des Ibn Mālik (1204–1274)


Über muʿrab und mabnī (vgl. Kap. 2.1.3); Handschrift ca. 18. Jh.
Ms. Vollers 0431, Universitätsbibliothek Leipzig, fol. 2 r

Abb. 13: Aus der ʾĀǧurrūmīya des Ibn ʾĀǧurrūm (1273–1323) (umseitig)
Über mubtadaʾ und ḫabar (vgl. Kap. 2.1.2); Handschrift ca. 18. Jh.
Ms. Vollers 0897-02, Universitätsbibliothek Leipzig, S.[7]
142 Hintergründe der Grammatiktradition
3.4 Äußere Einflüsse auf die Grammatikschreibung 143

chen Leben eine Rolle übernehmen wollte, mußte die Schrift- und
Hochsprache erlernen, egal ob er arabischer Abstammung oder
anderer Herkunft war. Mit dieser Aufgabe waren alle Grammatiker
konfrontiert, und sie dürfte maßgeblich die Richtung bestimmt
haben, in die sich die Grammatikschreibung entwickelt hat. Gerade
in den hohen gesellschaftlichen Kreisen war guter Grammatikun-
terricht gefragt, und er konnte den Gelehrten Ruhm und Einfluß
bringen, so daß es durchaus Motivation für eine didaktische Aus-
richtung der Grammatik gab.
Einen Schritt in diese Richtung kann man schon bei al-
Mubarrad (gest. 285/898) beobachten, der in seinem al-Muqtaḍab
(„Kurzgefaßt“) den Stoff aus Sībawaihs Kitāb in veränderter Reihen-
folge paraphrasiert, erläutert und in Unterrichtsform präsentiert.
Die didaktische Zielsetzung wird sowohl an der Form der Darstel-
lung als auch an inhaltlichen Details sichtbar: Wo Sībawaih noch
die Korrektheit des Sprachgebrauchs mit Worten beschrieb, die an
das persönliche Urteil appellieren (mustaqīm ḥasan ‚richtig und
schön‘, mustaqīm qabīḥ ‚richtig, aber häßlich‘ usw.), macht es al-
Mubarrad dem ratsuchenden Lernenden einfacher, indem er ein-
teilt in yaǧūz ‚erlaubt‘ und lā yaǧūz ‚nicht erlaubt‘. In anderen Fällen
konkretisiert er die Terminologie, z. B. indem er die Begriffe ǧumla
‚Satz‘ und fāʾida ‚sinnvolle Aussage, Information‘ einführt.
Der Stil des Muqtaḍab ist durchgehend an den eines Lehrge-
spräches angelehnt, und die gesamte Form des Werkes einschließ-
lich seiner gewissen Unübersichtlichkeit in der Anordnung läßt den
Schluß zu, daß es sich um eine Unterrichtsmitschrift handelt. Ne-
ben systematischen Erklärungen bringt al-Mubarrad auch Kapitel
mit Wiederholungen und kontrastiven Darstellungen, wie etwa
über ‚Beispiele zur Illustration der Modellstrukturen von Verben
und Nomen‘ (al-ʾamṯila allatī tumaṯṯal bihā ʾauzān al-ʾafʿāl wa-l-
ʾasmāʾ, Muqtaḍab III/338). Auch Prüfungsfragen mit Lösungen
kommen vor (wa-naqūl fi-masāʾil ṭiwāl yumtuḥin bihā al-mutaʿalli-
mūn, etwa: ‚Komplexere Beispiele, zu denen der Lernende geprüft
wird‘, Muqtaḍab I/160; IV/400). Folgendes scheint eine simulierte
Prüfungssituation zu sein, bei der es um das Einüben der Modell-
strukturen geht (Muqtaḍab I/207):
َ َ َ َ ) ‫ ا ْﺑﻦ ﻣ ْﻦ‬:‫ﻴﻞ َﻟ َﻚ‬
َ ‫ َﻓﺈذا ِﻗ‬.‫حﻴﺤﺔ‬ َ َُ ََ
(‫)ﺟ ْﻌﻔ ٌﺮ‬ ‫ﺿ َﺮ َب( ِﻣﺜﻞ‬ ِ ِ ِ ِ �‫اﻟ‬‫ﻤﺎء ﱠ‬ ِ ‫وﻧ ْﺒﺪأ ﺑﺎﻷ ْﺳ‬
َ َ
‫ ﻓ َﺤ ّ�ى ٰهﺬا ْأن ُﺗﻜ ّ ِﺮ َر‬.‫ﻼﺛﺔ َﺣ ْﺮ ًﻓﺎ‬ ‫ﱠ‬ ُ ٰ َ ْ َ َ َ ‫َﻓ َﻘ ْﺪ‬
ِ ‫ ِزد ﻋ�� ه ِﺬ ِﻩ ا�حﺮو ِف اﻟﺜ‬:‫ﻗﺎل ﻟﻚ‬
144 Hintergründe der Grammatiktradition
َ ُ َ َ ُ َ َ َ َ :‫ َﻓ َﺘ ُﻘﻮ َل‬،‫اﻟﻼ َم‬
‫ﱠ‬
‫)ﺿ ْﺮَ� ٌﺐ( ﻓـﭑ ْﻋﻠ ْﻢ؛ ﻓ َﻴ�ﻮن َﻋ�� َو ْز ِن ) َﺟ ْﻌﻔ ٌﺮ( َوﺗ�ﻮن ﻗ ْﺪ‬
َ َ َ َ ‫ َو َﻛ ﱠﺮ ْر َت‬،‫واﻟﻌ َ�ن �� َﻣ ْﻮﺿﻌهﺎ‬ َ ‫ﺿ ْﻌ َﺖ‬
.‫اﻟﻼم َﺣ ّ�ى � ِح َﻖ ِﺑ َﻮ ْز ِن ﻓ ْﻌﻠ ٌﻞ‬ ِ ِ
َ ‫اﻟﻔﺎء‬ َ ‫َو‬

„Fangen wir mit den gesunden Nomen an. Wenn dir gesagt wird:
Bilde von ḌRB eine Form nach dem Muster Ǧaʿfarun, dann ist
gemeint: Füge zu diesen drei Buchstaben einen hinzu. Dafür
mußt du den dritten Radikal wiederholen, so daß du sagst
ḍarbabtun. Merk dir das. Dies ist dann nach dem Muster von
Ǧaʿfarun, wo du den ersten und zweiten Radikal an ihren nor-
malen Platz gesetzt und den dritten wiederholt hast, so daß es
dem Muster von Ǧaʿfarun folgt.“
Deutlich auf den praktischen Gebrauch ausgerichtet sind z. B. die
Kapitel über ‚Namen von Koransuren und Ländern‘ (tasmīyat as-
suwar wa-l-buldān, Muqtaḍab III/316) und über die Unterscheidung
von hamazat al-qaṭʿ und hamzat al-waṣl (bāb maʿrifat ʾalifāt al-qaṭʿ
wa-ʾalifāt al-waṣl, Muqtaḍab I/218). Letzteres Thema behandelt auch
Sībawaih im Kitāb (I/234), jedoch weniger zugespitzt formuliert. 104
Al-Mubarrad gibt in diesem Zusammenhang Hinweise und Beispie-
le, die Probleme des praktischen Sprachgebrauchs aufgreifen
(Muqtaḍab I/222-223):
ٌ ‫اﻟﺬي ِﻓ ِﻴﮫ َﻛ‬ ّ ْ َ َ ‫ﻒ إذا ﱠاﺗ‬ َ َ ‫ََْ َ ْ ُ َ َ َﱠ‬
‫ﻼم‬ ‫ﺎﻻ ْﺳ ِﻢ‬
ِ ‫ﺼﻠﺖ ِﺑ‬ ِ ‫وﻗﺪ ﺷ َﺮﺣﺖ ﻟﻚ أن‬
‫هﺬ ِﻩ اﻷ ِﻟ‬
َ َ َ َ ً َ ْ َ َ َ َ
‫ أ ْﺳﺘ ْﺨ َﺮ ْﺟﺖ ِﻣ ْﻦ‬:‫ ﺗﻘﻮ ُل‬.‫ ِﻟ ُﺴ�ﻮ ِن ﻣﺎ َ� ْﻌ َﺪهﺎ‬،‫ﻗ ْﺒﻠ ُﮫ َﺳﻘﻄ ْﺖ إذ �ﺎﻧ ْﺖ زا ِﺋ َﺪة‬
َ َ َ َ ‫َﱠ‬ َ ّ ‫ﻣﺎﻻ؟ إذا ُﻛ ْﻨ َﺖ ُﻣ ْﺴ َﺘ ْﻔه ًﻤﺎ؛‬
ً
‫هﺎم ﳌﺎ َدﺧﻠ ْﺖ َﺳﻘﻄ ْﺖ‬ ْ ْ ‫ﻒ‬
ِ ‫اﻻﺳ ِﺘﻔ‬ِ ‫ﻷن ِأﻟ‬ ِ ‫َزْ� ٍﺪ‬
ٌ ُ َ ْ َ ََ ‫َ ُ َ ْ َ ْ َ ﱠ‬
.‫هﺎم َﻣ ْﻔﺘﻮﺣﺔ‬ ْ ْ ‫ﻒ‬
ِ ‫اﻻﺳ ِﺘﻔ‬ ِ ‫ ﻓ ِﻤﻦ ﺛﻢ ﻇهﺮت أ ِﻟ‬،‫أ ِﻟﻒ اﻟﻮﺻ ِﻞ‬
„Ich habe dir erklärt, daß dieses ʾalif, wenn es sekundär ist, aus-
fällt, falls es sich mit einem Nomen verbindet, vor dem schon
etwas steht. Du sagst: ‚Hast du Zaid um Geld gebeten (ʾa·staḫraǧ-
ta)?‘ Du hast also verstanden; denn die Fragepartikel ʾalif ver-
drängt das ʾalif al-waṣl, und daher erscheint die Fragepartikel
ʾalif mit a-Vokal.“ 105 192F

____________________

104 Zum Unterschied zwischen den beiden Arten des Hamza siehe S. 5.
105 Schlägt man das in der letzten Zeile als Konjunktion fungierende min
ṯamma ‚von dort, daher‘ in verschiedenen Wörterbüchern nach, erhält
man einen Eindruck davon, wie unzureichend der Wortschatz des klassi-
schen Hocharabisch erschlossen ist. Lane (Lexicon, I/351) vermerkt am
3.4 Äußere Einflüsse auf die Grammatikschreibung 145

Diese Beispiele aus dem Muqtaḍab zeigen, daß schon früh die
Grammatik für Lehrzwecke bearbeitet und dadurch in Stil und
Struktur beeinflußt wurde. Zudem ist daran zu erinnern, daß es al-
Mubarrad war, der die Inhalte von Sībawaihs Kitāb so zu vermitteln
verstand, daß sie zu allgemeiner Anerkennung gelangten. Dies ist
vielleicht gerade seiner praktischen Aufarbeitung des Stoffes zu
verdanken, wie sie im Muqtaḍab repräsentiert ist. Die zunehmende
didaktische Ausrichtung kann eine Erklärung dafür liefern, warum,
wie oben dargestellt, Sībawaihs weitgehend beschreibende Heran-
gehensweise bald abstrahiert und in ein ganz und gar normatives,
mechanisches System überführt wurde.
Einen Höhepunkt der Didaktisierung markieren zwei Werke, die
bis in das 20. Jh. hinein die wichtigsten Anfängerlehrwerke für den
einheimischen arabischen Grammatikunterricht waren: die ʾAlfīya
von Ibn Mālik (1204–1274) und die ʾĀǧurrūmīya (eigentlich: al-
Muqaddima ‚Vorwort‘) von Ibn ʾĀǧurrūm (1273–1323). Ersteres ist
ein rund 1000 Verse langes Gedicht über alle für die Praxis wichti-
gen Bereiche der arabischen Grammatik. Das zweite Werk ist eine
wenige Seiten umfassende Einführung in die Grundlagen des ʾiʿrāb,
also über die Bestimmung der Kasus-/Modusendungen. 106 Beide
Werke werden in religiösen Lehreinrichtungen bis heute gebraucht
und genießen dort kanonischen Charakter. Man studiert sie gründ-
lich, lernt sie auswendig und gibt sie in einem religiös anmutenden
Rezitationston wieder. Zahlreiche Aufnahmen, die im Internet auf
You Tube zu finden sind, legen hiervon Zeugnis ab. Die eingangs

َ
____________________

Ende seines Eintrags über das Wort ṯamma: „‫ ِﻣ ْﻦ ﺛ ﱠﻢ‬is used by post-
classical writers as meaning Therefore; for that reason; on that
count.“ Das bedeutet, daß er es wahrscheinlich in den von ihm als „klas-
sisch“ betrachteten Wörterbüchern nicht gefunden hat. Auch in Wrights
Grammar, Brockelmanns Arabischer Syntax und Fischers Grammatik
kommt es nicht vor. Nun war aber min ṯamma schon sehr früh im Ge-
brauch: Neben der hier genannten Stelle kommt es sogar schon bei
Sībawaih vor (siehe Textanhang, S. 240, Z. 1; S. 242, Z. 10; S. 243, Z. 13 und
15), und Blanchère / Chouémi / Denizeau (Dictionnaire, 1232) verzeichnen
einen Beleg aus dem K. al-Buḫalāʾ von al-Ǧāḥiẓ (gest. 869). Obwohl also
Grammatiker und Lexikographen den Ausdruck mit Sicherheit gekannt
haben, nahmen sie ihn nicht auf, da er nur in Textsorten gebraucht wur-
de, die für die Feststellung des Sprachstandards nicht als maßgebend an-
gesehen wurden. Weitere Beispiele hierzu in Kap. 6.2.
106 Vollständiger Text in Brünnow/Fischer , Chrestomathy, 171–183; Überset-
zung und Kommentar bei Trumpp, Einleitung.
146 Hintergründe der Grammatiktradition

gemachte Bemerkung, daß Grammatik ein Teil der islamischen


Religion sei, wird darin eindrucksvoll illustriert.
Doch zurück zu früheren Epochen der Grammatikschreibung.
Die weitere Systematisierung, die Sībawaihs Nachfolger vornahmen,
führte nicht nur zu Vereinfachungen, sondern schufen auch unnöti-
ge Komplikationen für die Lernenden, die sich bis heute geltend
machen. Sie hängen vor allem mit der Begründung (taʿlīl) der von
den Grammatikern angenommenen Tiefenstruktur der Sprache
zusammen. Diese ist für den Gelehrten aufschlußreich, für den
einfachen Anwender aber fast immer überflüssig. Ein Beispiel ist
der ʾiʿrāb taqdīrī, also die theoretisch angenommene Flexion bei
unveränderlichen Wörtern. Für den Lernenden ist diese Informati-
on überflüssig, da ein unveränderliches Wort nun einmal unverän-
derlich ist, gleich welche Endung es theoretisch bekommen müßte.
Ähnlich ist es mit der Theorie des ʿamal ‚Bewirkung‘. Das Zurück-
führen jeder Endung auf einen Auslöser (ʿāmil) erleichtert einerseits
das Lernen, da die Bestimmung der Endung fast immer rein mecha-
nisch, ohne Berücksichtigung des Inhaltes vorgenommen werden
kann, bringt aber andererseits unnötige Schwierigkeiten in den
Fällen, da kein ʿāmil sichtbar ist und um der Aufrechterhaltung des
Systems willen eines angenommen werden muß. Dies ist z. B. beim
„Nominalsatz-Prinzip“ (ibtidāʾ) der Fall.
Solche didaktischen Schwachpunkte wurden schon früh kriti-
siert. Einige amüsante Zeugnisse hiervon in Gedichtform hat Geert
Jan van Gelder gesammelt, darunter die folgenden, einem gewissen
Damāḏ zugeschriebenen und von Al-Marzubānī (gest. 384/993)
überlieferten Zeilen. Sie beziehen sich auf die Schwierigkeit, bei fa-
und wa- und in einigen anderen Fällen zu entscheiden, ob das fol-
gende Verb im Indikativ oder im Subjunktiv stehen muß. Die Tatsa-
che, daß der richtige Gebrauch dieser Formen so viel Schwierigkei-
ten bereitete, zeigt, daß der semantische Unterschied zwischen den
Modi im Sprachbewußtsein bereits verschwunden war. Am Anfang
des Gedichts spielt der Verfasser auch auf die verschiedenen gram-
matischen Ebenen an, die es zu analysieren gilt, die sichtbare (bi-
ʾiḍmārihi) und die implizite (mā qad ʿalan). Dem arabischen Text
beigefügt ist van Gelders englische Übersetzung: 107

____________________

107 Van Gelder, Against the Arabic Grammarians, 250.


3.4 Äußere Einflüsse auf die Grammatikschreibung 147

َ ‫َوأ ْ� َﻌ ْﺒ ُﺖ َﻧ ْﻔ��ي ﺑﮫ َو‬


‫اﻟﺒ َﺪ ْن‬
َْ
‫اﻟﻨ ْﺤ ِﻮ َﺣ ﱠ�ى َﻣﻠﻠ ُﺖ‬ ‫َﺗ َﻔ ﱠﻜ ْﺮ ُت �� ﱠ‬
ِِ ِ
ّْ َ ّ ُ
‫ِﺑﻄﻮ ِل َﻣﺴﺎ ِﺋ�� �� � ِﻞ ﻓﻦ‬
ُ
‫حﺎﺑ ُﮫ‬َ � ْ ‫َو َأ ْ� َﻌ ْﺒ ُﺖ َﺑ ْﻜ ًﺮا َو َأ‬
َ َ ُ ْ ‫و ُﻛ ْﻨ ُﺖ َﻋﻠ ًﻴﻤﺎ ﺑ‬
‫َوﻛ ْﻨ ُﺖ َﻋ ِﻠ ًﻴﻤﺎ ِﺑﻤﺎ ﻗ ْﺪ َﻋﻠ ْﻦ‬ ‫ﺈﺿﻤﺎ ِر ِﻩ‬ ِ ِ ِ
َ ُ ُْ ً ُ ْ َُ
‫ﺒﺎﻃ ِﻨ ِﮫ ذا ِﻓﻄ ْﻦ‬ ِ ‫ِوﻛﻨﺖ ِﺑ‬ ‫ﻋﺎﳌﺎ‬ ِ ‫ﻈﺎه ِﺮ ِﻩ‬ ِ ‫ﻓﻜﻨﺖ ِﺑ‬
ْ ‫ُء ﻟ ْﻠﻔﺎء ﻳﺎ َﻟ ْﻴ َﺘ ُﮫ َﻟ ْﻢ َﻳ‬
‫ﻜﻦ‬ ِ ِ ‫اﻟﻌﻔﺎ‬ َ ‫ﺑﺎﺑﺎ َﻋﻠ ْﻴﮫ‬
ِ
َ ً ‫َﺳﻮ ٰى َأ ﱠن‬
ْ‫اﻟﺒ ْﻐﺾ َأ ْﺣ َﺴ ُﺒ ُﮫ َﻗ ْﺪ ُﻟﻌﻦ‬ ُ ‫ِﻣ َﻦ‬ َ
‫ﺑﺎب إذا ﺟﺎﻧ َﺒ ُﮫ‬ ٌ ‫ِوﻟ ْﻠﻮاو‬
ِ ِ ِ
َْ َ َ ُْ
‫ﺑﺂﺗﻴﻚ ْأو ﺗﺄ ِﺗ ْ�ن‬ ‫ُل ﻟ ْﺴ ُﺖ‬ ُ
‫إذا ﻗﻠﺖ هﺎﺗﻮا ِﳌﺎذا ﻳﻘﺎ‬ ُ
‫ﻤﺎر ْأن‬ ْ ْ ‫ﱠ‬ َ َ َ ‫َأ َﺑ ﱠي ُﻨﻮا ﳌﺎ‬
ِ ‫ ِﻹﺿ‬:‫ﻋﻠـ ٰﻰ َاﻟﻨﺼ ِﺐ؟ ﻗﺎﻟﻮا‬ ‫ﻗﻴﻞ هﺬا ﻛﺬا‬ ِ
ّْ ُ ‫ُ ﱠ ُ َ ْ َ ُ ﱠ‬ ً‫َوﻣﺎ ْإن َﻋ ِﻠ ْﻤ ُﺖ َﻟهﺎ َﻣ ْﻮ ِﺿﻌﺎ‬
‫ﻈﻦ‬ ‫ﻳﺒ ِ�ن وأﻋﺮف إﻻ ﺑ‬
ّْ َ َ ْ َْ َُُّ ُ ْ ََ
‫ﺾ ذا أن أﺟﻦ‬ ِ ‫أﻓ ِﻜﺮ �� �ﻌ‬ ‫ﻓﻘ ْﺪ ِﺧ ْﻔ ُﺖ ﻳﺎ َﺑﻜ ُﺮ ِﻣ ْﻦ ﻃﻮ ِل ﻣﺎ‬

I have thought about grammar until I was bored;


I have wearied my body with it and my soul;
I have worn out al-Māzinī and all his friends
With long queries and problems on all kinds of things.
In the past I knew matters implicit in it
And I used to know all things explicit in it,
I was knowledgeable about evident things,
Full of insight in things that I hidden in it,
There is only one chapter: the particle (Fie
On it!) fa, and I wish it would never have been!
And there is one on the particle wa, next to it,
That’s so hateful I think that I must have been cursed.
When I say, “Tell me, please, why on earth so they say,
‘I will not come to you, or it be that you come’,
Please explain why they use the subjunctive mood here!”
Than they say, “Here the particle ‘that’ is implied”.
Yes I cannot see any clear reason for it
To be there; I don’t know and I can only guess.
My dear Bakr, I’ve been thinking for such a long time
About part of this thing I’m afraid I’ll go mad.
148 Hintergründe der Grammatiktradition

Auch wurden die Gewährsleute mitunter ungeduldig. Mit Bezug auf


den ewig gleichen Beispielsatz, in dem unablässig Zayd den ʿAmr
schlägt, soll ein Beduine dem Baṣraer Grammatiker ʾAbū Zayd al-
ʾAnṣārī (gest. 214/829 oder 215/830) gesagt haben: 108
َ َ ُ َ ‫َﻟ ْي‬
‫ﻓﻴﮫ أ ْرﻏ ُﺐ‬
ِ ‫ﻻ وﻻ‬ ‫ﺲ ِﻟ ﱠﻠﻨ ْﺤ ِﻮ ِﺟ ْﺌ ُﺘﻜ ْﻢ‬
‫ﻀﺮ ُب‬ ‫َأ َﺑ َﺪ ﱠ‬
َ ‫اﻟﺪ ْهﺮ ُﻳ‬ ‫أﻧﺎ ﻣﺎ �� َو ِﻻ ْﻣ ِﺮ ٍئ‬
ِ
ْ َ َ َ َ
‫ﺷﺎء َﻳﺬ َه ُﺐ‬ ‫أﻳﻨﻤﺎ‬ ‫ﺧ ِ ّﻞ َزْ� ًﺪا ِﻟﺸﺄ ِﻧ ِﮫ‬

I haven’t come to you for grammar,


I do not long for it.
What have I got to do with one
Who’s always being hit?
Leave Zayd alone and let him go
Wherever he thinks fit.

____________________

108 Van Gelder, Against the Arabic Grammarians, 256.



Die Verbkonjugation in Sībawaihs Kitāb

Das Kitāb des Sībawaih ist das erste uns erhaltene Werk über die
arabische Grammatik. Sieht man einmal von den Kūfaer Gelehrten
ab, deren Ansichten nach und nach verdrängt wurden, so hat
Sībawaihs Methode die arabische Grammatik bis in unsere Zeit
hinein unangefochten bestimmt. Als Beispiel soll hier das System
der Verbkonjugation vorgestellt werden, wie es im Kitāb dargestellt
wird. Gelegentlich wird der Kommentar von Sīrāfī hinzugezogen, da
daran deutlich wird, an welchen Stellen die nachfolgenden Gelehr-
ten Sībawaihs Methode und Terminologie ergänzt und beeinflußt
haben. Wie bei den im zweiten Kapitel berücksichtigten modernen
arabischen Grammatikern findet sich auch bei Sībawaih keine zu-
sammenfassende Abhandlung der Verbkonjugation, wie sie in den
europäischen Grammatiken üblich ist. Auch bei ihm fällt dieses
Thema zum größten Teil in den Bereich des naḥw, da es als ein
Zusammenwirken von Verb und Personalpronomen verstanden
wird. Zu untersuchen sind deshalb Sībawaihs Ausführungen zu den
Verben und den Personalpronomen. Außerdem sind grundsätzliche
Fragen der Syntax zu klären, besonders die Begründung der Kasus-/
Modusendungen (ʾiʿrāb).
Die Hauptunterschiede zwischen Sībawaih und den modernen
arabischen Grammatikern liegen im Bereich der Terminologie.
Viele Begriffe sind bei Sībawaih noch nicht fest etabliert, so daß oft
nicht zu bestimmen ist, ob ein Wort als Fachterminus oder in seiner
alltagssprachlichen Bedeutung gemeint ist. So ist z. B. der Begriff
bināʾ (wörtlich: ‚Bau‘) noch nicht ausschließlich auf die unveränder-
lichen Endungen festgelegt, sondern bezeichnet allgemein, daß
etwas in einer bestimmten Weise konstruiert ist. So im folgenden
Beispiel (Kitāb, I/1):
: ‫ َو ُﻣ ْﺨ ِ� ً�ا‬، ‫ﺿ ِﺮ ْب‬ ِ ُ ‫َوأ ّﻣﺎ ﺑ‬
ْ ‫ ِا ْذ َه ْﺐ َوٱ ْﻗ ُﺘ ْﻞ َوٱ‬:‫ﻨﺎء ﻣﺎ َﻟ ْﻢ َﻳ َﻘ ْﻊ َﻓ ﱠﺈﻧ ُﮫ َﻗ ْﻮ ُﻟ َﻚ آﻣ ًﺮا‬
ِ
ْ �‫ﻀﺮ ُب ُو� ْﻘ َﺘ ُﻞ ُو‬
ُ‫ﻀ َﺮب‬ ْ �‫َﻳ ْﻘ ُﺘ ُﻞ َو� ْﺬ َه ُﺐ َو‬
ِ
149
150 Die Verbkonjugation in Sībawaihs Kitāb

„Was die Konstruktion (bināʾ) dessen betrifft, was noch nicht


eingetreten ist, so ist es, wie wenn du als Aufforderung sagst:
iḏhab⸗Ø ‚Geh!‘, uqtul⸗Ø ‚Töte!‘ und iḍrab⸗Ø ‚Schlag!‘, und als Aus-
sage: ya·qtul⸗u ‚er tötet‘, ya·ḏhab⸗u ‚er geht‘, ya·ḍrib⸗u ‚er schlägt‘,
yu·qtal⸗u ‚er wird getötet‘ und yu·ḍrab⸗u ‚er wird geschlagen.“
Die zuerst genannten Imperative gelten als unveränderlich in der
Endung (mabnī, von bināʾ) und die anschließend genannten Imper-
fektformen als veränderlich (muʿrab, von ʾiʿrāb). Beides wird mit
dem Verb BNY ‚bauen‘ beschrieben, das hier noch nicht auf den
alleinigen Gebrauch für die unveränderlichen Wörter festgelegt ist.
Auch kommt es einerseits vor, daß ein Begriff mehrere verschiede-
ne Erscheinungen bezeichnet, und andererseits, daß es für dieselbe
Sache mehrere Bezeichnungen nebeneinander gibt, wie unten am
Beispiel des Personalpronomens demonstriert wird.
Abgesehen von solchen Differenzen in der Terminologie kann
für den Bereich der Verbkonjugation festgestellt werden, daß die
Methode Sībawaihs sehr weitgehend mit der der modernen arabi-
schen Grammatiker übereinstimmt. Alle wichtigen Grundsätze sind
bereits bei ihm zu finden, darunter die Einteilung der Wortarten,
die Begründung der Flexionsfähigkeit von Imperfektformen, die
Erklärung der Verbkonjugation als Zusammenwirken von Verb und
Pronomen im Rahmen des naḥw, die Deutung der Imperfektpräfixe
als Zusatzbuchstaben sowie die Interpretation des Suffixes ·t bei der
3. Pers. Sg. f. Perf. als Femininum-Marker.

4.1 Das Verb

4.1.1 Die Stellung der Verben im grammatischen System


Sībawaih teilt die Wörter in drei Klassen ein: ism, fiʿl, ḥarf ǧāʾa li-
maʿnan. Das Verb (fiʿl) definiert er folgendermaßen (Kitāb, I/1):
َ َ َْ ْ ْ َ ُ ٌ َ ََ
.‫ﻤﺎء‬ ِ ‫ ﻓﺄ ْﻣ ِﺜﻠﺔ أ ِﺧﺬت ِﻣﻦ ﻟﻔ ِﻆ أ ْﺣ‬،‫اﻟﻔ ْﻌ ُﻞ‬
ِ ‫ﺪاث اﻷ ْﺳ‬ ‫ﱠ‬
ِ ‫وأﻣﺎ‬
Folgende Übersetzungen wurden hierfür vorgeschlagen:
„Das Verbum wird durch Formen gebildet, welche von den Wör-
tern herkommen, welche die Ereignisse der Nomen ausdrük-
ken.“ (Gustav Jahn 1895) 1
____________________

1 Jahn, Sîbawaihi’s Buch, Bd. I, Teil 1, S. 1.


4.1 Das Verb 151

„Die Formen des fiʿl sind aus den Lauten des Wortes gebildet,
das die über die ʾasmāʾ [‚Nomen‘] ausgesagten Tatbestände aus-
drückt (z. B. ḏahabtu aus ḏ-h-b von ḏahāb).“ (Ulrike Mosel 1975) 2
Dahinter steht Sībawaihs Ansicht, daß die Nomen das Ursprüngli-
che (ʾaṣl) und die Verben von diesen abgeleitet (farʿ) sind. Sīrāfaī
geht in seinem Kommentar zu dieser Stelle genauer auf die Bezie-
hung von Verben und Nomen ein und gibt für die Annahme, daß
die Verben von den Nomen abgeleitet sind, drei Begründungen. Er
drückt sich dabei differenzierter aus als Sībawaih. Folgendes sind
seine Argumente:
1. Das Verb deutet auf zwei Dinge: auf die Bedeutung des maṣdar
(„Infinitiv“) und auf den zeitlichen Aspekt. Der maṣdar hingegen
deutet nur auf sich selbst und ist daher das Ursprünglichere.
2. Das Verb nimmt verschiedene Formen an, je nachdem, auf wel-
che Zeit es sich bezieht (Perfekt, Imperfekt, Imperativ). Der maṣdar
hingegen ist immer derselbe, egal, auf welche Zeitstufe er sich be-
zieht. Daraus folgt, daß die unterschiedlichen Verbformen alle aus
einem maṣdar abgeleitet sein müssen, der damit der Ursprung die-
ser Formen ist.
3. Damit ein Verb eine vollständige Aussage ergibt, bedarf es immer
eines Nomens als Subjekt. Ein Nomen hingegen trägt bereits in sich
selbst eine vollständige Aussage. Außerdem kann mit einem Nomi-
nalsatz ohne die Hilfe eines Verbs ein vollständiger Satz gebildet
werden. Als ursprünglich (ʾaṣl) wird angesehen, was selbständig ist
und keiner Ergänzung bedarf, daher gilt das Nomen als ursprüng-
lich, das Verb dagegen als abgeleitet (farʿ).
Das Nomen, aus dem das jeweilige Verb abgeleitet ist, bezeichnet
Sīrāfī als maṣdar. Nach Sīrāfī scheint das Verb direkt vom maṣdar-
Wort abgeleitet zu sein; nach Sībawaih hingegen ist nicht das
maṣdar-Wort selbst sondern sein Inhalt (maʿnā) Grundlage des
Verbs.
Die Grundbedeutung von maṣdar ist ‚Ausgangspunkt, Ursprung‘.
Die Übersetzung mit ‚Infinitiv‘, ist nicht ganz korrekt, denn der
Infinitiv bezeichnet in den europäischen Sprachen eine Verbalform
mit nominalem Charakter, also ein Nomen, das aus dem Verbsy-
____________________

2 Mosel, Die syntaktische Terminologie bei Sībawaih, 29. Hier findet sich eine
genauere Analyse der einzelnen im Satz verwendeten Begriffe.
152 Die Verbkonjugation in Sībawaihs Kitāb

stem abgeleitet ist. Für den arabischen maṣdar trifft nach der eben
referierten Auffassung das Gegenteil zu: Er ist das Nomen, das den
Ursprung des Verbs darstellt. 3

4.1.2 Veränderlichkeit und Unveränderlichkeit der Endungen


4.1.2.1. Schwere (ṯiqal) und Leichte (ḫiffa)
Sībawaih teilt alle sprachlichen Phänomene nach ihrer verschiede-
nen Schwere bzw. Leichte ein und leitet hiervon ihr spezifisches
„Verhalten“ ab. Ein Grundsatz ist, daß die ursprünglichen Formen
(ʾaṣl) leichter sind als die abgeleiteten (farʿ). Das bedeutet, daß der
Singular leichter ist als der Plural, die indefiniten Nomen leichter als
die definiten, die maskulinen Nomen leichter als die femininen und
der Nominalsatz leichter als der Verbalsatz, da ersteres jeweils als
das ursprünglichere angesehen wird. Sībawaih hat diesen Ansatz
wohl aus dem praktischen Sprechvorgang abgeleitet, und diejeni-
gen Sprachelemente als leichter angesehen, die mit weniger Auf-
wand zu sprechen sind (weil sie kürzer sind). Damit wären viele
„leichte“ Formen zu erklären, die weniger Buchstaben haben als
ihre „schweren“ Entsprechungen, wie etwa das indeterminierte
Nomen in Gegensatz zum determinierten oder die männliche Form
im Gegensatz zur weiblichen. Auch die Vokale werden nach Leichte
und Schwere geordnet, und zwar in der Reihenfolge a – i – u. Diese
phonetischen Überlegungen dürften der Ausgangspunkt der Theo-
rie von der relativen Leichte und Schwere sein, die zu einem zentra-
len Funktionsprinzip der arabischen Grammatiktheorie wurde. 4
Das Ziel der Überlegungen zur Leichte und Schwere ist es, zu er-
klären, warum einige Formen Kasus-/ Modusendungen erhalten
und andere nicht. Es gilt die Regel: Je leichter ein Wort ist, desto
flexibler kann es sich im Satz bewegen, desto mehr muß es flektiert
werden, damit seine syntaktische Funktion klargestellt ist. Je leich-
ter also eine Form, desto höher ist also ihre Flexionsfähigkeit (ara-
bisch: tamakkun). Dies wird besonders an den Nomen sichtbar.
Sībawaih beschreibt diesen Zusammenhang wie folgt (Kitāb, I/5):

____________________

3 Dies gilt für den I. Stamm (Grundstamm). In den erweiterten Stämmen ist
der maṣdar aus dem Verbsystem abgeleitet.
4 Dieses wurde von späteren Grammatikern weitergeführt und besonders im
Bereich der Begründungen (taʿlīl) verwendet. Siehe z. B. az-Zaǧǧāǧī, K. al-
ʾIḍāḥ fī ʿilal an-naḥw, Übs. Versteegh, 177–178 „The Reason for the Heavi-
ness of the Verb and the Lightness of the Noun”.
4.1 Das Verb 153

‫ﺾ‬ ْ َ ْ ُ َ ْ َ ‫اﻟﻜ‬
َ َ ْ َ ‫َ َْ ْ َ ﱠ‬
ٍ ‫ﻼم أﺛﻘـﻞ ِﻣﻦ �ﻌ‬
ِ ‫وٱﻋﻠﻢ أن �ﻌﺾ‬
„Wisse, daß einige Wörter schwerer (ʾaṯqal) sind als andere.“
ُ َ َ َْ ‫َﱠ‬ َ َ َ َْ ُ ْ َ
ٰ ‫اﻷ‬
��‫و‬ ِ ‫ﻌﺎل أﺛـﻘ ُـﻞ ِﻣﻦ اﻷ ْﺳ‬
��ِ ‫ﻤﺎء ِﻷن اﻷﺳﻤﺎء‬ ‫ﻓﺎﻷﻓ‬
„Und die Verben sind schwerer als die Nomen, da die Nomen die
ersten (d. h. die ursprünglicheren Wörter) sind.“
Sībawaih betrachtet also die Nomen, wie oben von Sīrāfī ausgeführt,
aufgrund ihrer Leichte als die ursprünglichsten Wörter. Von ihnen
seien die Verben abgeleitet. Aus der Leichte der Nomen folgt, daß
sie die stärkste Flexionsfähigkeit haben (Kitāb, I/5):
‫َ ََ َ ﱡ‬
‫و�� أﺷ ُﺪ ﺗ َﻤﻜ ًﻨﺎ‬
„Und sie [die Nomen] haben die höhere/ höchste Flexionskraft.“
Die Flexionsfähigkeit der Nomen drückt sich darin aus, daß sie
prinzipiell ihren Endvokal verändern und die Nunation annehmen
können, wie in bait⸗u·n ‚ein Haus‘. Die determinierte Form al·bait⸗u
‚das Haus‘ ist bereits weniger flexionsfähig, da sie durch den Zusatz
des Artikels al· schwerer und nicht mehr ursprünglich (ʾaṣl) ist. Ein
indeterminiertes Nomen hat also höhere Flexionsfähigkeit (ta-
makkun) und kann mehr Flexionskennzeichen annehmen als ein
determiniertes. Daher erhalten indeterminierte Nomen als ein wei-
teres Flexionsmerkmal die Nunation, also ein ·n am Wortende. De-
terminierte Nomen haben dieses nicht.
Auch beim Verb leitet sich die Begründung der Veränderlichkeit
(ʾiʿrāb) der Kasus- / Modusendungen aus dem Verhältnis von leich-
ten zu schweren Wörtern ab. Verben sind schwerer als Nomen und
gelten daher als ursprünglich endungslos. Einige Verbformen teilen
allerdings die Eigenschaften der Nomen und werden dadurch in
gewissem Grad flexionsfähig. Dies gilt in erster Linie für das Imper-
fekt.

4.1.2.2 Das Imperfekt


Daß die Imperfektformen Kasus- / Modusendungen enthalten, wird
damit begründet, daß diese den Nomen formell ähnlich sind. Sība-
waih schreibt (Kitāb, I/2):
154 Die Verbkonjugation in Sībawaihs Kitāb
َ َ َْْ َََُّ َ ْ ُ ُ َ
ِ ‫ﻌﺎل اﻟـ ُﻤﻀﺎ ِرﻋ ِﺔ ِﻷ ْﺳ‬
‫ﻤﺎء‬ ِ ‫اب ِﻟﻸ ْﺳ‬
ِ ‫ﻤﺎء اﻟـﻤﺘﻤ ِﻜﻨ ِﺔ ِوﻟﻸﻓ‬ ِ ‫وﺣﺮوف اﻹﻋﺮ‬
‫واﻟﻨﻮ ُن‬
‫ ﱡ‬،‫ﻴﺎء‬ ْ ُ ‫ﱠ‬
ُ ‫واﻟ‬ ُ َ ُ َ َ ْ َ ُ ‫َو‬ َ ّ َ
،‫ واﻟﺘﺎء‬،‫اﻟه ْﻤﺰة‬ :‫اﻟﻔﺎﻋﻠ�ن اﻟ�ي �� أوا ِﺋ ِﻠهﺎ اﻟﺰ اﺋﺪ اﻷر�ﻌﺔ‬
ِ
„Die Flexionsbuchstaben (ḥurūf al-ʾiʿrāb) sind für die flektierba-
ren Nomen und für die Verben, die den Partizipien ähnlich sind
[und] die am Anfang einen der vier Zusatzbuchstaben haben: ʾ·,
t·, y· und n·.“
Die Ähnlichkeit der Imperfektform mit dem Nomen wird mit zwei
Argumenten begründet: Zum einen besteht in den abgeleiteten
Stämmen eine Gleichartigkeit der Modellstruktur von Partizip (wel-
ches ja ein Nomen ist) und Imperfektform. Vergleiche:
ّ
‫ُﻣ َﻌﻠ ٌﻢ‬ mu·ʿallim⸗u·n ‚lehrend‘ (Partizip)
ّ
‫ُ� َﻌ ِﻠ ُﻢ‬ yu·ʿallim⸗u ‚er lehrt‘ (Imperfekt)
Man sieht, daß sowohl das Nomen mu·ʿallim⸗u·n als auch das Verb
yu·ʿallim⸗u die Kasus-/Modusendung ⸗u haben. Das Nomen erhält
zusätzlich die Nunation (·n), da es eben doch noch flexionsfähiger
ist als das Verb.
Zum anderen lassen sich in bestimmten Zusammenhängen Im-
perfektformen durch Nominalformen ersetzen. Beide können also
dieselbe syntaktische Funktion einnehmen (Kitāb, I/2):
َ َ َ َ ‫َ َﱠ‬ َ ‫وإﻧﻤﺎ ﺿﺎ َر َﻋ ْﺖ َأ ْﺳ‬
‫ ﻓ ُﻴﻮا ِﻓ ُﻖ‬.‫ﷲ ﻟ َﻴ ْﻔ َﻌ ُﻞ‬ َ َ ‫ﱠ‬
ِ ‫ إن ﻋ ْﺒﺪ‬: ‫اﻟﻔﺎﻋﻠ�ن أﻧﻚ ﺗﻘﻮ ُل‬
ِ ‫ﻤﺎء‬ ‫ﱠ‬
َ َ َ َ
ِ ‫ ﻟ‬: ‫ﻗ ْﻮﻟﻚ‬
.‫ﻔﺎﻋ ٌﻞ‬
„Sie sind den Partizipien ähnlich; wenn man sagt: ʾinna ʿAbd⸗a
llah⸗i la·ya·fʿal⸗u (ʿAbdullāh tut), so entspricht das: la·fāʿil⸗u·n
(ʿAbdullāh ist ein Tuender).“
In diesem Fall kann das Partizip fāʿil⸗u·n dieselbe Stelle einnehmen
wie das Verb ya·fʿal⸗u. Auch im asyndetischen Relativsatz (d. h. ein
Relativsatz, der nicht durch ein Relativpronomen eingeleitet ist)
können Imperfektform und Partizip austauschbar sein:
(1) marar-tu bi-raǧul⸗i·n
vorbeigehen.PF-ich an-Mann⸗GEN·IDEF
ḍārib⸗i·n Zaid⸗a·n
schlagen.PT.AKT⸗GEN·IDEF Zaid⸗A/S·IDEF
4.1 Das Verb 155

‫َﻣ َﺮ ْر ُت ِﺑ َﺮ ُﺟ ٍﻞ ﺿﺎ ِر ٍب َز ً�ﺪا‬
‚Ich ging an einem Mann vorbei, der den Zaid schlug.‘
(2) marar-tu bi-raǧul⸗i·n
vorbeigehen.PF-ich an-Mann⸗GEN·IDEF
ya·ḍrib⸗u Zaid⸗a·n
3·schlagen.IPF⸗N/I Zaid⸗A/S·IDEF
ْ ‫َﻣ َﺮ ْر ُت ﺑ َﺮ ُﺟﻞ َﻳ‬
‫ﻀ ِﺮ ُب َ ْز� ًﺪا‬ ٍ ِ
‚Ich ging an einem Mann vorbei, der den Zaid schlug.‘
Außerdem kann das Imperfekt mit Partikeln stehen, nämlich für
das Futur sa· ‫ ﺳـ‬und
َ saufa ‫ ﺳﻮف‬und, wie im genannten Beispiel, zur
Bekräftigung la· ‫ﻟـ‬. Sībawaih vergleicht dies mit der Fähigkeit der
Nomen, den Artikel anzunehmen (Kitāb, I/2). Beim Perfekt sind
solche Partikeln nicht möglich.
Wir können also zusammenfassen: Die Imperfektform ist, da sie
eine Verbalform ist, schwerer als ein Nomen. Da sie jedoch einige
Eigenschaften mit dem Nomen teilt, ist sie leichter als andere Ver-
balformen und deshalb teilweise flexionsfähig. Sie kann eine rafʿ-
und eine naṣb-Endung bekommen (Nominativ/Indikativ und Akku-
sativ/ Subjunktiv), aber keine ǧarr-Endung (Genitiv), welche allein
dem Nomen vorbehalten ist. Im Unterschied zu den Nomen kann
die Imperfektform auch ganz ohne Endung stehen, nämlich im
Apokopat (arabisch: ǧazm). Die Vokallosigkeit wird als Ursprungs-
form (aṣl) des Verbs angesehen. 5

4.1.2.3 Das Perfekt


Auch das Perfekt ist nicht endungslos, wie es von einem Verb ur-
sprünglich zu erwarten wäre, sondern endet auf unveränderliches
⸗a. Dies begründet Sībawaih folgendermaßen (Kitāb, I/2):
ُ ُ ‫َو َﻟ ْﻢ ُ� َﺴ ِّﻜﻨﻮا ِآﺧ َﺮ َﻓ َﻌ َﻞ ِ َﻷ ﱠن ﻓ��ﺎ َ� ْﻌ‬
‫ﺾ ﻣﺎ �� اﳌﻀﺎ ِر َﻋ ِﺔ‬
„Sie lassen das Wortende der Form faʿala nicht vokallos auslau-
ten, da sie etwas mit den Imperfektformen gemeinsam hat.“
____________________

5 Zur Entwicklung der Modi des Imperfekts, besonders zum Apokopat siehe
Punkt 5.3.3. Die Theorie der Grammatiker deckt sich mit dem historischen
Befund: im Protosemitischen hatten nur die Nomen eine Kasus-/ Modus-
flexion, nicht aber die Verben.
156 Die Verbkonjugation in Sībawaihs Kitāb

Die Gemeinsamkeiten von Perfekt und Imperfekt werden ebenfalls


an zwei Beispielen verdeutlicht. Zum einen kann im asyndetischen
Relativsatz die Perfektform wie die Imperfektform (und wie das
Nomen) zur näheren Bestimmung eines Nomens stehen:
(3)
َ ‫هﺬا َ ُﺟ ٌﻞ‬
‫ﺿ َﺮَ�ﻨﺎ‬ ‫ر‬
hāḏā raǧul⸗u·n ḍaraba-na
DEM Mann⸗N/I·IDEF schlagen.PF-uns
‚Dies ist ein Mann, der uns geschlagen hat.‘
Das Verb ḍaraba hat hier dieselbe syntaktische Funktion wie das
Partizip ḍāribun im folgenden Satz:
(4) ‫هﺬا َر ُﺟ ٌﻞ ﺿﺎ ِر ٌب‬
hāḏā raǧul⸗u·n ḍārib⸗u·n
DEM Mann⸗N/I·IDEF schlagen.PT.AKT⸗N/I·IDEF
‚Dies ist ein schlagender Mann/ ein Mann, der schlägt.‘
Zum anderen kann in Bedingungssätzen das Perfekt gleichbedeu-
tend mit dem Imperfekt (Apokopat) stehen:
ْ َ َ
(5) ‫ْإن ﻓ َﻌ َﻞ ﻓ َﻌﻠ ُﺖ‬
ʾin faʿala faʿal-tu
wenn tun.PF tun.PF-ich
‚Wenn er tut, tue ich.‘ oder ‚Wenn er täte, täte ich.‘
ْ
(6) ‫ْإن َﻳ ْﻔ َﻌ ْﻞ أﻓ َﻌ ْﻞ‬
ʾin ya·fʿal⸗Ø ʾa·fʿal⸗Ø
wenn 3.M·tun. IPF⸗APK 1·tun. IPF⸗APK
[gleiche Bedeutung wie (5)]
Das Perfekt hat im Gegensatz zum Imperfekt zwar kein „Recht“ auf
eine veränderliche Kasus-/Modusendung (ʾiʿrāb), wohl aber auf
einen unveränderlichen Endvokal. Sīrāfī führt in seinem Kommen-
tar die Argumentation noch weiter und begründet, warum die Per-
fektformen gerade auf ⸗a auslauten: Der Hauptgrund sei, daß dies
der leichteste Vokal ist. Außerdem würdenَ damit zumُ einen َ phone-
tisch unschöne Formen wie *fuʿilu ‫ ﻓـﻌِـ ُﻞ‬und *faʿuli ‫ ﻓـﻌـ ِﻞ‬vermieden
und zum anderen einer phonetischen Verwechslung َ mit dem
ُ َ Plural
vorgebeugt, der auf [uː]auslautet (faʿala ‫ ﻓ َﻌ َﻞ‬vs. faʿalu-w ‫)ﻓ َﻌﻠﻮا‬. 6
201F

____________________

6 Siehe Sirāfīs Kommentar zu Kitāb, I/3, abgedruckt bei Jahn.


4.1 Das Verb 157

4.1.2.4 Der Imperativ


Der Imperativ hat keine Ähnlichkeit mit dem Nomen. Daher richtet
er sich ganz nach den Regeln ْ der Verben, d. h. er ist in seiner Grund-
form (ʾaṣl) vokallos: ifʿal⸗Ø ‫ ِاﻓ َﻌ ْﻞ‬.

4.1.3 Die Tempora


Entscheidend ist für Sībawaih bei der Einteilung der Tempora die
Zeit, in der sich die im Verb bezeichnete Handlung vollzieht: 7
ٰ ‫ﻤﺎء َو ُ� ِﻨ َي ْﺖ ِﳌﺎ َﻣ‬ َ َ َْ ْ ْ َ ُ ٌ َ ََ ََ
،‫�ىى‬ ِ ‫اﻟﻔ ْﻌ ُﻞ ﻓﺄ ْﻣ ِﺜﻠﺔ أ ِﺧﺬت ِﻣﻦ ﻟﻔ ِﻆ أ ْﺣ‬
ِ ‫ﺪاث اﻷ ْﺳ‬ ِ ‫وأ ﱠﻣﺎ‬
ََ َ َ َ ُ
.‫ َوﻣﺎ ُه َﻮ �ﺎ ِﺋ ٌﻦ ﻟ ْﻢ َﻳﻨﻘ ِﻄ ْﻊ‬،‫ِوﳌﺎ َﻳ�ﻮن َوﻟ ْﻢ َﻳﻘ ْﻊ‬
„Das Verb besteht aus den Bedeutungsinhalten, die vom Wort-
laut der Nomen her genommen sind und konstruiert wurden (1.)
für das, was vergangen ist, und (2.) für das, was sein wird und
noch nicht eingetreten ist (3.) und was ist und noch nicht aufge-
hört hat.“
Diese drei Kategorien von Verbformen werden mit Beispielen erläu-
tert. Zur ersten Kategorie zählt das Perfekt (al-māḍī), z. B. in den
َ
Formen samiḥa ‫ َﺳ ِﻤﺢ‬und ḏahaba ‫ﺐ‬ َ ‫ َذ َه‬. Zur zweiten Kategorie zäh-
len Imperativ und Imperfekt:
ْ ‫ ِا ْذ َه ْﺐ َوٱ ْﻗ ُﺘ ْﻞ َوٱ‬:‫َﻓﺈ ﱠﻧ ُﮫ َﻗ ْﻮ ُﻟ َﻚ آﻣ ًﺮا‬
[...] ‫ﺿ ِﺮ ْب‬ ِ ِ
„Das ist, wie wenn man befehlend sagt: iḏhab (geh) und uqtul
(töte) und iḍrib (schlag) ...“
ْ ََ ُ ََْ ً ْ َُ
ْ �ُ ‫ﻀﺮ ُب و�ُـ ْﻘ ُﺘ ُﻞ و‬
‫ﻀ َﺮ ُب‬ ِ ِ ‫ ﻳـﺬهﺐ و�ـ‬: ‫[ وﻣﺨ ِ��ا‬...]
„... und berichtend: yaḏhabu (er geht/ wird gehen) und yaḍribu
(er schlägt / wird schlagen) und yaqtulu (er tötet/ wird töten) und
yuḍrabu (er wird geschlagen / wird geschlagen werden).“
Das Imperfekt kann auch für ein gerade stattfindendes Ereignis
stehen:
َ ْ
‫أﺧ َ� ْ�ت‬ َ ‫ﻨﺎء ﻣﺎ َﻟ ْﻢ َﻳ ْﻨ َﻘﻄ ْﻊ َو‬
‫هﻮ �ﺎ ِﺋ ٌﻦ إذا‬ ُ ‫ﺬﻟ َﻚ ﺑ‬ ََ
ِ ِ ِ ‫وﻛ‬
„Ebenso verhält es sich mit der Konstruktion (des Verbs) für das,
was nicht beendet ist und was ist, während du es berichtest.“

____________________

7 Alle Zitate in diesem Abschnitt: Kitāb, I/1.


158 Die Verbkonjugation in Sībawaihs Kitāb

Eine Unterteilung in al-māḍī (Perfekt), ʾamr (Imperativ), und


muḍāriʿ (Imperfekt), wie sie spätere Grammatiker vornehmen, gibt
es bei Sībawaih noch nicht.

4.1.4 Die Bildung der Imperfektformen


Die Formen des Perfekts werden durch Anhängen von Personal-
pronomen gebildet, die im nächsten Abschnitt (4.2) behandelt wer-
den. Kennzeichen der Imperfektformen sind die Buchstaben ʾ·, t·, y·,
und n·, die der Wurzel vorangestellt werden. Sie werden als Imper-
fektbuchstaben (ḥurūf al-muḍāraʿa) bezeichnet, welche eine Unter-
gruppe der „Zusatzbuchstaben“ darstellen.

4.1.4.1 Die Zusatzbuchstaben (ḥurūf az-ziyāda)


Zu den Zusatzbuchstaben gehören hamza, ʾalif, tāʾ, sīn, mīm, nūn,
wāw, yāʾ ‫ ي‬، ‫ و‬، ‫ ن‬، ‫ م‬، ‫ س‬، ‫ ت‬، ‫ ا‬، ‫ء‬. Diese haben keine eigene
Bedeutung und werden von Sībawaih auch nicht daraufhin unter-
sucht, welcher Buchstabe in welchen Fällen auftritt. Wichtig ist ihm
nur zu erklären, wie man erkennt, ob bestimmte Buchstaben in
einem Wort zur Wurzel gehören oder ob sie als Zusatzbuchstaben
hinzugefügt wurden. Verwendung finden sie bei verschiedenen
Arten der Formen- und Wortbildung, z. B. beim gesunden Plural der
Nomen (z. B. -w⸗na/-y⸗na ‫ـ�ن‬/‫)ـﻮن‬, bei den Partizipien (z. B. mafʿūl⸗u·n
‫)ﻣﻔﻌﻮل‬, bei bestimmten Modellstrukturen der Nomen (z. B. faʿlān⸗-
u·n ‫ )ﻓﻌﻼن‬und als Infix bei einigen Verbstämmen (z. B. infaʿala
‫اﻧﻔﻌﻞ‬, istafʿala ‫)اﺳﺘﻔﻌﻞ‬. 8 203F

4.1.4.2 Die Imperfektbuchstaben (ḥurūf al-muḍāraʿa)


Sīrāfī erklärt in seinem Kommentar zum Kitāb, welche der Zusatz-
buchstaben als Imperfektbuchstaben verwendet werden, 9 nämlich
die ḥurūf al-madd wa l-līn, also die schwachen Buchstaben, die auch
zur Verlängerung der Vokale dienen: ʾalif, wāw, yāʾ ‫ي‬،‫و‬،‫ا‬. Allerdings
tritt de facto nur das yāʾ in unveränderter Form als Imperfektbuch-
stabe auf, während die anderen aufgrund folgender Umstände mo-
difiziert werden:
a) ʾalif: Das ʾalif kann nur nach einem Konsonanten stehen (nämlich
َ ), nie alleine am Silben-
ُ ‫اﻟﺒ‬
als Zeichen für langes ā, z. B. al·baȧb⸗u ‫ﺎب‬
____________________

8 Siehe zu den Zusatzbuchstaben Kitāb, II/339–359 (§ 509–512).


9 Siehe Jahn, Sîbawaihi’s Buch, Bd. I, Teil 2, S. 5–6.
4.1 Das Verb 159

anfang. Als Imperfektbuchstabe wird der dem ʾalif am nächsten


stehende Buchstabe verwendet, das hamza (ʾ).
b) wāw: Das wāw am Wortanfang wird manchmal durch das tāʾ
vertreten:
ٌ
w-r-ṯ → turāṯ⸗u·n ‚(das) Erbe‘ ‫ث < ُﺗﺮاث‬.‫ر‬.‫و‬
ٌ
w-h-m → tuhma·t⸗u·n ‚Verdacht‘ ‫م < ُ� ْ� َﻤﺔ‬.‫ه‬.‫و‬
Daß nicht wāw, sondern tāʾ als Imperfektbuchstabe dient, wird
ebenfalls mit einem solchen Wechsel erklärt.
c) nūn: Da ein vierter Imperfektbuchstabe nötig ist, es aber nur drei
schwache Buchstaben gibt, findet ein Buchstabe Verwendung, der
den schwachen Buchstaben am nächsten steht. Dieser ist das nūn,
dessen Ähnlichkeit mit den schwachen Buchstaben in der nasalen
Aussprache besteht. Aus diesem Grund tritt es auch neben den drei
Vokalen als ʾiʿrāb-Zeichen auf (z. B. ya·fʿal-ā⸗ni ‫ﻼن‬ َ ‫) َﻳ ْﻔ‬, außerdem in
‫ﻌ‬
ٌ ِ َْ َ
der Nunation (malik⸗u·n ‫ ) َﻣ ِﻠﻚ‬und als Pronomen (faʿal-na ‫)ﻓ َﻌﻠﻦ‬.
Während die Formen der verbundenen Personalpronomen mit
denen der unverbundenen Personalpronomen in Verbindung ge-
bracht werden, 10 wird zwischen den Imperfektbuchstaben und den
Pronomen trotz der offensichtlichen Ähnlichkeiten (vgl. ʾ·/ʾanā, t·/
ʾanta, n·/naḥnu) kein Zusammenhang gesehen! Dies dürfte damit
zusammenhängen, daß die arabischen Grammatiker die Imperfekt-
buchstaben aus Systemgründen nicht als Pronomen ansehen durf-
ten. Warum nicht, wird u. a. an denjenigen Imperfektformen deut-
lich, die sowohl ein Präfix als auch ein Suffix haben:
َ
(7) ‫َﻳ ْﻔ َﻌﻠﻮن‬
ya·fʿalu-w⸗na
3.M·tun-sie. PL⸗N/I
‚sie tun‘
Das Suffix -w wird als Pronomen angesehen und drückt das Subjekt
des Verbs aus. Betrachtete man das Präfix ya· auch als Pronomen,
wäre das Verb mit zwei Pronomen verbunden, was nicht möglich
ist. Abgesehen davon wäre dann auch die für den Verbalsatz obliga-
torische Reihenfolge Verb – Subjekt nicht eingehalten. Die Vorstel-
lung, daß Präfix und Suffix zusammen ein Pronomen darstellen
können, existiert nicht.
____________________

10 Vgl. Jahn, Sîbawaihi’s Buch, Bd. I, Teil 2, S. 6.


160 Die Verbkonjugation in Sībawaihs Kitāb

4.1.4.3 Die suffigierten Imperfektformen


Die an einige Imperfektformen tretenden Suffixe werden als Perso-
nalpronomen + Kasus-/Modusendung aufgefaßt und ausführlich
erklärt:
ْ
‫َﻳ ْﻔ َﻌﻼ ِن‬ ya·fʿala-ā⸗ni (2. Dual Imperfekt)
َ َ
‫ﺗ ْﻔ َﻌ ْﻠ�ن‬ ta·fʿali-y⸗na (2. f. Sg. Imperfekt)
َْ َ َْ
‫ﻳﻔﻌﻠﻮن‬ ya·fʿalu-w⸗na (3. m. Pl. Imperfekt)
Die Buchstaben -a, -y und -w sind Personalpronomen (ʿalāmāt al-
muḍmar), das ⸗n(a/i) ist ʾiʿrāb-Kennzeichen.ْ َ Der Zusammenfall von
ْ
Konjunktiv und Apokopat (z. B. ya·fʿala-ȧ ‫ ) َﻳﻔ َﻌﻼ‬wird mit dem Zu-
sammenfall von Genitiv und Akkusativ beim gesunden Dual َ ْ َ ّ َ ُ und
Plural der Nomen
َّ verglichen (z. B. muʿallimayna ‫ن‬ �‫– ﻣﻌ ِﻠﻤ‬
muʿallimay ‫) ُﻣ َﻌ ِﻠ�ي‬. Ein Sonderfall ist die Form der 2. und 3. Pers.
َ َ
Pl. f. (ya·fʿal-na ‫ ﻳﻔﻌﻠﻦ‬und ta·fʿal-na ‫)ﺗﻔﻌﻠﻦ‬, bei der das -n(a) ‫ـﻦ‬
َ
gleichzeitig Personalpronomen und ʾiʿrāb-Zeichen ist, welches in
allen Modi unverändert bleibt (Kitāb I/4–5):
َ َ ‫َوإذا أ َر ْد َت َﺟ ْﻤ َﻊ اﳌُ َﺆ ﱠﻧ ِﺚ �� اﻟﻔ ْﻌﻞ اﳌُﻀﺎرع َأ ْ� َح ْﻘ َﺖ ﻟ ْﻠ َﻌ‬
‫ﻼﻣ ِﺔ ُﻧ ْﻮ ًﻧﺎ َو�ﺎﻧ ْﺖ‬ ِ ِِ ِ ِ
ُ َ ُ ‫( َو َﺗ ْﻔﺘ ُﺤهﺎ ﱠ‬...) ‫وا�ج ْﻤﻊ‬
َ ْ ‫ﻼﻣ ُﺔ‬
‫ﻷ��ﺎ ُﻧﻮن َﺟ ْﻤ ٍﻊ َوﻻ ُﺗ ْﺤﺬف ِﻷ ﱠ��ﺎ‬ ِ
َ ‫اﻹﺿﻤﺎر‬
ِ
َ ‫َﻋ‬
ُ ‫ﱡ‬
�� ‫ﻓﺎﻟﻨﻮن َه ُهﻨﺎ‬
ُ
.‫اﻟ��اﻏﻴﺚ‬ َ ‫ﻗﺎل َأ َ� ُﻠﻮ�ﻲ‬
َ ‫إﺿﻤﺎر َو َﺟ ْﻤﻊ �� َﻗ ْﻮل َﻣ ْﻦ‬ ْ ‫ﻼﻣ ُﺔ‬ َ ‫َﻋ‬
ِ ٍ ٍ
ْ َ َ ْ ْ
.(‫) َﻳ ْﻔ َﻌﻠ َﻦ( ِﺑ َﻤن ِ�ﻟ ِ��ﺎ �� )ﻓ َﻌﻠ َﻦ‬
„Zur Bildung der Femininum-Form im Plural des Imperfekts
hängt man als Zeichen ein -n an, welches Zeichen für die Person
(ʾiḍmār) und für den Plural ist (…) Es bekommt den Vokal ⸗a, da
es das Plural-nūn ist, und es kann nicht wegfallen, da es Zeichen
für die Person und den Plural ist, so wie (das -w) in ʾakalu-w-nī
l·barāġīṯ⸗u (‚Die Flöhe haben mich aufgefressen‘). Das nūn in
(der Imperfektform) ya·fʿal-na ‚sie (f. pl.) tun‘ entspricht dem in
(der Perfektform) faʿal-na ‚sie (f. pl.) taten‘.“
Ergebnis. Die Erklärung der Imperfektbuchstaben ist ein Beispiel
dafür, wie die späteren Grammatiker über Sībawaih hinausgingen.
Sīrāfi knüpft nahtlos an die Aussagen des Kitāb an, doch ist das
Ergebnis mehr als ein bloßer Kommentar. Das von Sībawaih be-
schriebene System wird ausgefüllt und seine Zusammenhänge wer-
den begründet. Dabei zeigt sich eine überaus starke Orientierung an
formalen Aspekten. Da die Imperfektbuchstaben aus syntaktischen
4.2 Das Personalpronomen 161

Gründen nicht als Pronomen klassifiziert werden, scheidet jeder


Vergleich mit den diesen aus. Statt dessen werden sie als Zusatz-
buchstaben eingeordnet. Da Zusatzbuchstaben an sich keine Be-
deutung tragen, wird auch den einzelnen Imperfektbuchstaben
keine Bedeutung zugeordnet. Ihre äußere Form wird trotz der of-
fensichtlichen Ähnlichkeit nicht von den Personalpronomen, son-
dern recht umständlich von den ḥurūf al-madd wa-l-līn abgeleitet.

4.2 Das Personalpronomen


Sībawaih verwendet für das Personalpronomen sechs Termini, die
teilweise synonym sind. Im Folgenden werden drei hiervon erläu-
tert, an denen die Problematik des heute von den arabischen
Grammatikern so genannten „verborgenen“ und „sichtbaren Perso-
nalpronomens“ (ḍamīr mustatir und ḍamīr bāriz, siehe Punkt 2.2.1)
deutlich wird. Sībawaih geht mit den Fachtermini noch sehr flexibel
um, so daß nicht immer leicht zu entscheiden ist, wo es sich tat-
sächlich um einen Terminus technicus handelt und wo ein Wort im
allgemeinsprachlichen Sinne gemeint ist. 11 Folgende Begriffe sind in
unserem Zusammenhang interessant:
a) muḍmar („Verborgenes“) bezeichnet meistens die Person oder
Sache, die in einer bestimmten Form impliziert ist. So verbirgt sich
im Personalpronomen ʾanā ‫ أﻧﺎ‬und im verbundenen Personalpro-
ُ
nomen -tu ‫ ـﺖ‬die erste Person Singular, der „Sprecher“ (al-
mutakallim). ْ Dieser ist also hier das muḍmar. Auch in dem Verb
ُ ‫ أﻛ ُﺘ‬ist ein muḍmar enthalten, nämlich ebenfalls die erste
ʾa·ktub⸗u ‫ﺐ‬ َ
Person Singular. Genauso enthält die Form faʿala ‫ ﻓ َﻌ َﻞ‬ein muḍmar:
den „Abwesenden“ (al-ġāʾib), die dritte Person Singular.
b) ʿalāmat al-muḍmar („Zeichen des Verborgenen“) bezeichnet bei
Sībawaih meistens das Zeichen, das ein bestimmtes muḍmar reprä-
ُ
sentiert. So sind ʾanā ‫ أﻧﺎ‬und -tu ‫ ـﺖ‬jeweils ʿalāmat al-muḍmar für
den Sprecher, die erste Person. In diesem Zeichen (ʿalāma) verbirgt
sich das muḍmar (das „Verborgene“). Das in der Form ʾa·ktub⸗u ‫ﺐ‬ ُ ‫ْأﻛ ُﺘ‬
enthaltene muḍmar wird durch kein Zeichen repräsentiert َ (zur
Funktion des ʾa· am Wortanfang s. u.). Auch das in faʿala ‫ ﻓ َﻌ َﻞ‬enthal-
tene muḍmar hat kein Zeichen.

____________________

11 Siehe Mosel, Die syntaktische Terminologie bei Sibawaih, 102–109.


162 Die Verbkonjugation in Sībawaihs Kitāb

c) ʾiḍmār („Verbergung“) kann sowohl die Bedeutung von muḍmar


als auch von ʿalāmat al-muḍmar haben. Im folgenden Fall bedeutet
ʾiḍmār dasselbe wie muḍmar (Kitāb, I/188, Z. 4):
ٰ َ َ َ ٌ ٌ َ ُ َ َ َْ ّ ُ ْ َ
‫ ﻗ ْﺪ ﻓ َﻌ َﻞ ذ ِﻟ َﻚ‬: ‫ﻇﺎه َﺮة ﻧ ْﺤ ُﻮ‬
ِ ‫ﺲ ﻟﮫ ﻋﻼﻣﺔ‬ ‫اﻟﺬي ﻟي‬
ِ ‫واﻹﺿﻤﺎر‬
„ ... und das ʾiḍmār (= die gemeinte Person), das kein Zeichen hat,
wie in: qad faʿala ḏālika (Er hat dies getan).“
Das heißt, in faʿala ist eine Person impliziert, die durch kein Zei-
chen repräsentiert ist. Im nächsten Fall hat ʾiḍmār die Bedeutung
von ʿalāmat al-muḍmar (Kitāb, I/188, Z. 1):
َ َ َ َ ََ ُ ْ َ
‫ َوﻧ ْﺤ ُﻦ‬، ‫ َوأﻧﺎ‬، ‫ َوأ ْﻧﺖ‬، ‫ َو ﱠإﻳ ُﺎﻩ‬، ‫ ُه َﻮ‬: ‫ﻤﺎر ﻓﻨ ْﺤ ُﻮ‬ ‫َوأ ّﻣﺎ اﻹﺿ‬
„Das ʾiḍmār (= das Zeichen für die gemeinte Person) ist wie folgt:
er, ihn, du, ich, wir, ...“
An dieser Stelle zählt Sībawaih alle sichtbaren Personalpronomen
auf, verbundene wie unverbundene, sowohl für den Nominativ
(rafʿ) als auch für den Genitiv (ǧarr) und den Akkusativ (naṣb).
Weitere von ihm verwendete Termini sind ism muḍmar und ʿalāmat
al-ʾiḍmār. Sie sind alle vom IV. Stamm der Wurzel ḍ-m-r abgeleitet,
der die Grundbedeutung „verbergen“ hat. Außerdem verwendet
Sībawaih das von derselben Wurzel abgeleitete Wort ḍamīr, dessen
Grundbedeutung ‚Inneres‘ ist.
Seine Begriffe muḍmar und ʿalāmat al-muḍmar können nicht
unmittelbar mit dem heute gebrauchten ḍamīr bāriz / ḍamīr mu-
statir gleichgesetzt werden. Letztere stehen beide auf einer Stufe
und bezeichnen jeweils eine Kategorie des ḍamīr. Ein ḍamīr kann
demnach entweder bāriz (sichtbar) oder mustatir (verborgen) auf-
treten; die Verwendung der beiden Begriffe ist komplementär.
Muḍmar und ʾiḍmār hingegen bezeichnen allgemein die im Verb
implizierte Person, sei sie durch ein sichtbares Zeichen repräsen-
tiert oder nicht. Wenn ein muḍmar vorhanden ist, kann ein ʿalāmat
al-muḍmar hinzutreten, welches dann dem ḍamīr bāriz entspricht.
Ist ein muḍmar nicht durch ein Zeichen repräsentiert, entspricht
dies dem ḍamīr mustatir.

4.2.1 Die Pronomen für die „Verbkonjugation“


Die für die Verbkonjugation verwendeten Pronomen des Nomina-
tivs werden im Paragraphen 204 des Kitāb zusammenfassend be-
handelt (Kitāb, I/330):
4.2 Das Personalpronomen 163
َ َ َ ْ ُ َ ُ ‫ٰهﺬا‬
ِ ‫ﻼﻣﺎت اﳌﻀ َﻤ ِﺮ�ﻦ اﳌ ْﺮ‬
‫ﻓﻮﻋ�ن‬ ِ ‫ﺑﺎب ﻋ‬
„Dies ist das Kapitel über die ʿalāmāt al-muḍmar im rafʿ (Nomi-
nativ).“
Es werden zunächst die Personalpronomen den verschiedenen
Personen zugeordnet und dann der Gebrauch von verbundenen
und unverbundenen Personalpronomen erläutert. Als Subjekt des
Verbs kann nur das verbundene Personalpronomen stehen (Kitāb,
I/330, Z. 2):
َ َ َ َ ْ َ ‫َوﻻ َﻳ َﻘ ُﻊ )أﻧﺎ( �� َﻣ ْﻮﻗﻊ ﱠ‬
(‫ ﻻ َﻳ ُﺠﻮ ُز أ ْن ﺗ ُﻘﻮ َل )ﻓـﻌـ َﻞ أﻧﺎ‬،(‫اﻟﺘ ِﺎء اﻟ�ي �� )ﻓ َﻌﻠ ُﺖ‬ ِِ
ْ َ
(‫ﺎﻟﺘ ِﺎء ﻋﻦ )أﻧﺎ‬ ْ ‫َﻷ ﱠ� ُ�ﻢ‬
‫اﺳ َﺘ ْﻐ ُﻨﻮا ﺑ ﱠ‬
ِ ِ
„Bei faʿal-tu (ich habe getan) kann anstatt -tu nicht ʾanā stehen;
man kann nicht sagen *faʿala ʾanā, denn indem sie -tu gebrau-
chen, kommen sie ohne ʾanā aus.“
Die 3. Pers. Sg. m. Perf. hat kein sichtbares Personalpronomen (ebd.,
Z. 11):
َ َ ْ ُ َ ُ َ
ِ ‫وﻻ َﻳﻘ ُﻊ )هﻮ( �� َﻣ ْﻮ ِﻗ ِﻊ اﳌﻀ َﻤ ِﺮ‬
(‫اﻟﺬي �� )ﻓـﻌـ َﻞ‬
„An der Stelle des in faʿala enthaltenen muḍmar (= die gemeinte
Person) steht nicht (das unverbundene Personalpronomen)
huwa.“
Sībawaih geht davon aus, daß in der Form faʿala eine Person impli-
ziert ist, die nicht bezeichnet wird. Sie wird nicht durch ein ʿalāmat
al-muḍmar ausgedrückt. Das heißt, es gibt in der 3. Pers. Sg. eines
Verbs nie ein verbundenes Personalpronomen zur Bezeichnung des
Subjekts beim Verb. 12 Auch das unverbundene Personalpronomen
huwa kann diese Position nicht einnehmen, da unverbundene Pro-
nomen generell nie als Subjekt von Verbalsätzen dienen. Diese
Funktion ist den verbundenen َ Personalpronomen vorbehalten. In
ُ
dem Satz faʿala huwa ‫‚ ﻓ َﻌ َﻞ ه َﻮ‬er tat‘ wird als Subjekt das im Verb
faʿala verborgene muḍmar betrachtet, huwa ist lediglich Bekräfti-
gung dieses Subjekts. Dasselbe gilt für die entsprechende feminine
ْ َ َ
Form faʿala·t hiya �َ �ِ ‫‚ ﻓ َﻌﻠﺖ‬sie tat‘ (ebd., Z. 14):

____________________

12 In heutiger Terminologie nimmt man in diesem Fall ein ḍamīr mustatir als
Subjekt an, siehe Punkt 2.2.1.
164 Die Verbkonjugation in Sībawaihs Kitāb
ْ ‫ َﻷ ﱠن ٰذﻟ َﻚ‬،(‫اﻹﺿﻤﺎر اﻟﺬي �� َ)ﻓ َﻌ َﻠ ْﺖ‬
َ ‫اﻹﺿ‬
‫ﻤﺎر‬ ْ ‫َو َﻛ ٰﺬﻟ َﻚ )� َ�( ﻻ َﺗ َﻘ ُﻊ َﻣ ْﻮﺿ َﻊ‬
ِ ِ ِ ِ ِ ِ
ٌ َ َ َُ ْ َ َْ
.‫ﻤﺎر اﻟﺬي ﻟﮫ ﻋﻼﻣﺔ‬ ِ ‫ِﺑﻤن ِ�ﻟ ِﺔ اﻹﺿ‬
„Ebenso steht hiya nicht an der Stelle des ʾiḍmār (= verborgene
Person), das sich in faʿala·t befindet, da dieses ʾiḍmār denselben
Rang hat wie ein sichtbares Pronomen (wörtlich: ... wie ein Pro-
nomen, das ein Zeichen hat).“
Das im Verb implizierte Subjekt (ʾiḍmār) hat in der 3. Pers. Sg. m.
und f. denselben Rang wie ein sichtbares Personalpronomen,
weshalb der Zusatz eines sichtbaren Personalpronomens nicht
erforderlich ist. Für diesen Fall stimmt die Bedeutung des Begriffes
ʾiḍmār mit dem heute verwendeten Ausdruck ḍamīr mustatir über-
ein.
Sīrāfī befaßt sich in seinem Kommentar mit der Frage, warum es
für die 3. Pers. Sg. kein verbundenes Personalpronomen gibt, wohl
aber für die 3. Pers. Du. und Pl. (Kommentar zu Kitāb, II/33). Er sieht
den Grund darin, daß es von vornherein klar ist, daß ein Verb in
jedem Fall ein fāʿil braucht. Da die 3. Pers. Du. und Pl. durch Pro-
nomen bezeichnet sind, ist deutlich, daß sich ein Verb, wenn es
ohne Pronomen steht, nur auf die 3. Pers. Sg. (sowohl m. als auch f.)
beziehen kann. Eine weitere Kennzeichnung sei also nicht erforder-
lich. In moderner Terminologie ausgedrückt: die 3. Pers. Sg. ist der
Default, d. h. die Standardannahme. Tritt ein Element hinzu, das
eine andere Person bezeichnet, so bezieht sich faʿala auf diese, z. B.
faʿal-tu ‚ich tat‘ oder faʿalu-w ‚sie taten‘.

4.2.2 Buchstäbliches und nicht bezeichnetes muḍmar


Im letzten Satz des Paragraphen 204 des Kitāb faßt Sībawaih noch
einmal zusammen: Es ist das muḍmar, das das Subjekt eines Verbs
angibt. Dieses kann entweder durch ein Zeichen repräsentiert sein
(ʿalāmat al-muḍmar), wie in faʿal-tu und faʿalu-w, oder nicht be-
zeichnet sein, wie in faʿala und faʿala·t. In keinem dieser Fälle kann
ein unverbundenes Personalpronomen zur Bezeichnung des
muḍmar stehen (Kitāb, I/330, Z. 17):
ََ
‫ﻼﻣﺎت ِﻣ ﱠﻤﺎ ذﻛ ْﺮﻧﺎ‬
ِ ‫اﻟﻌ‬َ ‫[ ﻻ َﻳ َﻘ ُﻊ َ�� ٌيء ﻣ��ﺎ �� َﻣ ْﻮﺿﻊ َ�� ٍيء ﻣ َﻦ‬...] ‫َﻓ َﺄﻧﺎ َو ْأﻧ َﺖ‬
ِ ِ ِ ِ
َ ْ َ ْ َ ْ ُ‫َ َ َ َ ُ َﱠ‬ ْ ُ‫َوﻻ �� َﻣ ْﻮﺿﻊ اﳌ‬
‫ ﻓﺄﺳﻘﻄﻮا‬،‫ ِﻷ�� ِﻢ اﺳﺘﻐﻨﻮا ِ��ﺬا‬،‫ﻀ َﻤ ِﺮ اﻟﺬي ﻻ ﻋﻼﻣﺔ ﻟﮫ‬ ِ ِ
َ
.‫ذﻟﻚ‬
4.2 Das Personalpronomen 165

„ʾanā (ich) und ʾanta (du) [...], keines dieser Wörter steht an der
Stelle eines der Zeichen, die wir erwähnt haben (nämlich die
verbundenen Personalpronomen) und auch nicht an der Stelle
des muḍmar, das kein Zeichen hat, weil sie mit diesem (nämlich
dem muḍmar, sei es mit, sei es ohne sichtbares Zeichen) aus-
kommen und sie deshalb jenes (nämlich die anfangs aufgezähl-
ten unverbundenen Personalpronomen) ausfallen lassen.“
Das Subjekt in der 3. Pers. Sg. Perf. kann zwar nicht durch ein Per-
sonalpronomen ausgedrückt werden, wohl aber durch ein Substan-
tiv:
َ َ
(1) ‫ذ َه َﺐ اﻷ ُب‬
ḏahaba l·ʾab⸗u
gehen.PF DEF·Vater⸗N/I
‚Der Vater ging.‘
Die verbindliche Satzreihenfolge wann immer ein Verb im Spiel ist,
ist: Verb – Subjekt. Subjekt ist hier das dem Verb folgende Nomen
l·ʾab⸗u. 13 Es braucht kein ʾiḍmār im Verb angenommen zu werden,
da das Subjekt buchstäblich genannt ist. Ebenso ist es, wenn das
Subjekt im Plural steht:
َ َ
(2) ‫ذ َه َﺐ ﻗ ْﻮ ُﻣ َﻚ‬
ḏahaba qaum⸗u-ka
gehen.PF Leute⸗N/I-dein
‚Deine Leute gingen.‘
Auch hier wird das Subjekt durch das dem Verb folgende Nomen
qaum⸗u-ka bestimmt. Es braucht nicht noch ein Personalpronomen
an das Verb angehängt zu werden (etwa: *ḏahabu-w qaum⸗u-ka).
Andernfalls bezögen sich ja zwei Subjekte auf das Verb (nämlich -w
und qaumuka), und das ist unmöglich. Das Verb wird also nicht
dem Numerus „angepaßt“. Eine Anpassung des Verbs findet nur an
das Geschlecht des Subjekts statt, wie im folgenden Beispiel:

____________________

13 Beachte hierzu die Definition von Nominalsatz (ǧumla ismīya) und Verbal-
satz (ǧumla fiʿlīya) bei den arabischen Grammatikern: als Nominalsatz gilt
jeder Satz, der mit einem Nomen beginnt, auch wenn dieses von einem
Verb gefolgt wird! Siehe Punkt 2.1.2
166 Die Verbkonjugation in Sībawaihs Kitāb
َ ُ
(3) ‫ﺟﺎء ْت ِ�ﺴﺎؤك‬
َ
ǧāʾa·t nisāʾ⸗u-ka
kommen.PF·F Frauen⸗N/I-dein
‚Deine Frauen kamen.‘
Subjekt ist nisāʾuka ‚deine Frauen‘. Im Verb braucht kein ʾiḍmār
angenommen zu werden, da das Subjekt buchstäblich sichtbar ist.
Das ·t repräsentiert nicht das Subjekt, da es nicht als Pronomen gilt.
Sībawaih beschreibt dies wie folgt (Kitāb, I/201, Z. 18 und 21):
َ ‫[ َأ ْو‬...] ‫ﻤﺎر‬
‫)ﺟﺎء ْت‬ ْ ‫ﺣ َ�ن ُﻗ ْﻠ َﺖ َ)ذ َه َﺐ َﻗ ْﻮ ُﻣ َﻚ( َﻟ ْﻢ َﻳ ُﻜ ْﻦ �� َذ َه َﺐ‬
ٌ ‫إﺿ‬ ِ
ْ‫َ ﱠ‬ ْ‫َ َْ َ ﱠ‬ ْ َ َ ْ َ ُ‫ُ َ ﱠ ﱠ‬
.��‫ﻛ‬
ِ ‫ﻧيﺚ واﻟﺘﺬ‬ِ ‫ إﻻ أ��ﻢ أدﺧﻠﻮا اﻟﺘﺎء ِﻟﻴﻔ ِﺼﻠﻮن ﺑ�ن اﻟﺘﺄ‬.(‫ِ�ﺴﺎؤك‬
„Wenn man sagt: ḏahaba qaum⸗u-ka (‚Deine Leute gingen.‘), ist
in ḏahaba kein ʾiḍmār enthalten, [...] oder bei ǧāʾa·t nisāʾ⸗u-ka
(‚Deine Frauen kamen.‘): Hier haben sie das ·t eingefügt, um zwi-
schen männlich und weiblich zu unterscheiden.“
Fängt man den Satz mit einem Nomen an, liegt der Fall anders,
denn es liegt ein Nominalsatz vor. Dessen ḫabar ist ein Verbalsatz,
der ganz regelrecht die Reihenfolge Verb – Subjekt aufweist.
Sībawaih bringt folgende Beispiele (Kitāb, I/201, Z. 16):
َ َ َ َ َ َ َ َ ُْ َ ْ َ
‫ َو)أ َﺑﻮاك ﻗ ْﺪ ذ َهﺒﺎ(؛ ﻷ ﱠﻧ ُﮫ‬،(‫ )ﻗ ْﻮ ُﻣ َﻚ ﻗﺎﻟﻮا ذاك‬:‫ ﻗﻠﺖ‬،‫ﻓﺈذا َﺑ َﺪأت ِﺑ ِﺎﻻ ْﺳ ِﻢ‬
َ ‫ﻀ َﻤﺮ َأ ْن َﻳ‬
ْ ُ ْ ‫ﻤﺎر �� ْ َ ُ َ ْ ُ ُ ْ َ ُ ﱠ‬ ٌ ‫إﺿ‬ْ ‫َﻗ ْﺪ َو َﻗ َﻊ ُهﻨﺎ‬
�� ِ ‫ ﻓﻼ ﺑﺪ ِﻟﻠﻤ‬،‫اﻟﻔﻌ ِﻞ وهﻮ إﺿﻤﺎرهﻢ‬ ِ
ْ ُ َ ْ
.‫ِﺑ َﻤن ِ�ﻟ ِﺔ اﳌﻈ َه ِﺮ‬
„Wenn man mit einem Nomen anfängt, sagt man: qaum⸗u-ka
qālu-w ḏāka (‚Deine Leute haben dies gesagt.‘) und ʾabawā-ka
qad ḏahaba-ȧ (‚Deine Eltern sind gegangen.‘), da hier ein ʾiḍmār
(eine verborgene Person) im Verb steckt; und das muḍmar (die
verborgene Person) muß hier in Form eines muẓhar (sichtbaren
Pronomens) stehen.“
Das heißt, die mit dem Verb gemeinte Person (ʾiḍmār) kommt in
diesen Beispielen im (sichtbaren) verbundenen Personalpronomen
(muẓhar) zum Ausdruck, qālu-w und ḏahaba-ȧ:
4.2 Das Personalpronomen 167
َ ُ َ َ
(4) ‫ﻗ ْﻮ ُﻣ َﻚ ﻗﺎﻟ ْﻮا ذاك‬
‚Deine Leute haben dies gesagt‘
qaum⸗u-ka qālu-w ḏāka
Leute⸗N/I-dein sagen.PF-sie dies
MUBTADAʾ ḪABAR
FIʿL (Verb)- FĀʿIL (Täter) Objekt
ْ َ َ َ َ
(5) ‫أ َﺑﻮاك ﻗ ْﺪ ذ َه َﺒﺎ‬
‚Deine Eltern sind gegangen‘
ʾabawā-ka qad ḏahaba-ȧ
Eltern⸗N/I-dein QAD gehen. PF-sie (beide)
MUBTADAʾ ḪABAR
FIʿL (Verb)= FĀʿIL (Täter)

Man kann also bezüglich des ʾiḍmār (d. h. die im Verb angenomme-
ne Person) für die 3. Person die folgenden beiden Fälle unterschei-
den:
a) Verbalsatz (Verb + Nomen): Im Verb befindet sich kein ʾiḍmār, da
das Subjekt durch das folgende Nomen ausgedrückt wird:
‫َﻓ َﻌ َﻞ ﱠ‬
‫اﻟﺮ ُﺟ ُﻞ‬ faʿala r·raǧul⸗u ‚der Mann tat‘
ُ ‫اﻟﺮ‬
‫ﺟﺎل‬ ّ ََ َ
ُ‫ﻓﻌ َﻞ َ َ ِ ﱡ‬ faʿala r·riǧāl⸗u ‚die Männer taten‘
‫ﻓﻌﻠ ِﺖ اﻷم‬ faʿala·t(i) l·ʾumm⸗u ‚die Mutter tat‘
b) Nominalsatz (Nomen + Verb): Das ḫabar des Nominalsatzes ist
der Verbalsatz faʿala. Da dem Verb kein Nomen folgt, muß das Sub-
jekt im Verb impliziert sein. Das Verb hat also ein ʾiḍmār, welches
durch kein Zeichen (ʿalāma) ausgedrückt wird:
َ
‫اﻟﺮ ُﺟ ُﻞ ﻓ َﻌ َﻞ‬
‫ﱠ‬ ar·raǧul⸗u faʿala ‚der Mann tat‘

Steht das Subjekt im Plural, ist das ʾiḍmār nicht im Verb impliziert,
sondern wird durch das verbundene Personalpronomen -w ausge-
drückt:
ُ َ ُ
‫ﺟﺎل ﻓ َﻌﻠ ْﻮا‬‫اﻟﺮ‬
ِ ar·riǧāl⸗u faʿalu-w ‚die Männer taten‘

Die Methode der westlichen Grammatiker

Im Gegensatz zur arabischen Tradition, die in ihrer Methodik seit


rund 1200 Jahren vollkommen unverändert ist, hat die westliche
Sprachforschung zahlreiche Etappen durchlaufen und eine Vielzahl
zum Teil sehr unterschiedlicher Ansätze hervorgebracht. Es wird
daher unter Punkt 5.1 zunächst gefragt, was eigentlich die Grundzü-
ge der „westlichen Methode“ sind, mit der die arabische Gramma-
tiktradition hier verglichen werden soll. Anschließend, unter Punkt
5.2, werden einige Grundbegriffe der westlichen Linguistik erläutert
und an den entsprechenden Stellen der Kontrast zu den arabischen
Grammatikern herausgestellt. Unter Punkt 5.3 ist zusammengetra-
gen, wie in den verschiedenen Grammatiken und Lehrbüchern das
Tempus- und das Modussystem des Arabischen dargestellt wird. Es
schließt sich ein Forschungsüberblick über die gebräuchlichsten
europäischen Grammatiken des klassischen Arabisch an (Punkt
5.4), bei dem auch deren Verhältnis zur arabischen Tradition unter-
sucht wird. Abschließend wird in Kapitel 6 erörtert, welche Rolle
die Werke arabischen Grammatiker für uns bei der Erforschung des
Arabischen spielen können und wo ihre Grenzen liegen.
Sieht man die neueren Arbeiten zur arabischen Grammatik
durch, fällt sofort die Konzentration auf das moderne Hocharabisch
auf. Zu dieser Sprachform gibt es mittlerweile eine Vielzahl von
linguistischen Abhandlungen, Grammatiken, Lehrbüchern und
Wörterbüchern. Die Sprache der klassischen arabischen Literatur
ist dagegen immer noch nur sehr lückenhaft erschlossen. Die Grün-
de für diese Tendenz sind u. a. das große allgemeine Interesse an der
gegenwärtigen arabischen Kultur, vor allem an den Medien, und die
vergleichsweise leichte Zugänglichkeit und Erschließbarkeit dieser
Sprachform: Texte aller Genres in modernem Hocharabisch stehen
in fast unbegrenzter Zahl digital zur Verfügung, und arabische Spre-
cher, die das Hocharabische beherrschen, können als Gewährsleute
befragt werden. Inhaltlich sind die meisten modernen Texte für uns
mit weniger Aufwand zu entschlüsseln als das klassische Schrift-
169
170 Methode der westlichen Grammatiker

tum, das oft Spezialwissen und große Leseerfahrung erfordert. Zu-


dem spielt im Arabischunterricht an unseren Universitäten das
klassische Arabisch derzeit nur eine untergeordnete Rolle. Die Lage
hat sich hier von einem Extrem ins andere gewendet, denn bis in
die 1970er und 1980er Jahre hinein galt das Interesse der Arabisten
vor allem den klassischen Texten. 1

5.1 Was bedeutet „westliche“ Grammatikmethode?


Es ist selbstverständlich nicht möglich, hier in wenigen Abschnitten
die Geschichte der Linguistik samt ihrer verschiedenen Theorien
zusammenzufassen. Auch gibt es keine allgemeingültige Theorie,
die als die westliche Grammatikmethode gelten kann. Es sollen aber
einige charakteristische Denkweisen und Begriffe vorgestellt wer-
den, an denen grundsätzliche Unterschiede zu den arabischen
Grammatikern sichtbar werden.

5.1.1 Von der Philologie zur Linguistik


Bis zur Entwicklung der modernen Linguistik in der ersten Hälfte
des 20. Jahrhunderts gab es beim Sprachstudium keine Trennung
von Sprach- und Literaturwissenschaft. Beide wurden von densel-
ben Gelehrten betrieben, den Philologen (von φίλος ‚Freund‘ und
λόγος ‚Wort‘). Eine wesentliche Aufgabe der Grammatik war es, der
Erschließung der Texte zu dienen, eine andere, die historische Ent-
wicklung der Sprache zu erhellen. Die Grammatik war diachron
ausgerichtet. Im 19. Jahrhundert entdeckte man die Verwandtschaft
der semitischen Sprachen, und es wurde ein Hauptanliegen der
Philologen, die Entwicklungen innerhalb dieser Sprachfamilie so
genau wie möglich zu rekonstruieren. Man versprach sich davon
allgemeine historische Einsichten und Hilfen für die Interpretation
der Texte der verschiedenen Epochen. Die historische Ausrichtung
und die sprachübergreifende Perspektive sind wesentliche Unter-
schiede zum Ansatz der arabischen Grammatiker, für die nur die
____________________

1 Den Wendepunkt markieren Krahl, Lehrbuch des modernen Arabisch


(1974) und Fischer / Jastrow, Lehrgang für die arabische Schriftsprache der
Gegenwart (1977). In der Lexikographie hat das moderne Hocharabisch
schon vorher Niederschlag gefunden: Die erste Auflage von Hans Wehrs
Arabischem Wörterbuch für die Schriftsprache der Gegenwart entstand
während des zweiten Weltkriegs und erschien 1952.
5.1 Was bedeutet „westliche“ Grammatikmethode? 171

eine, unveränderliche arabische Idealsprache (fuṣḥā) von Interesse


war.
Die Methodik der Philologen des 19. Jahrhunderts war positivi-
stisch, d. h. man legte Wert auf die akkurate Beschreibung aller Phä-
nomene, ohne daß daraus eine bestimmte übergeordnete Sprach-
theorie entwickelt werden sollte. Der Ansatz orientierte sich an den
Naturwissenschaften und deren Möglichkeiten, durch Messungen
und Beschreibungen zu objektiven Feststellungen zu gelangen.
Besonders geeignet waren dafür Phonetik und Formenlehre, da hier
am ehesten „objektive Messungen“ gemacht werden können. Diese
beiden Bereiche nehmen dementsprechend in den älteren Gram-
matiken, ganz gleich welcher Sprache, den größten Raum ein, wäh-
rend die Syntax oft nur gestreift wird.
Der Schweizer Sprachwissenschaftler Ferdinand de Saussure
(1857–1913) legte den Grundstein für die moderne theoretische Lin-
guistik, deren Hauptziel das Aufstellen allgemeingültiger, sprach-
übergreifender Theorien, nicht die Erschließung und Deutung kon-
kreter Texte ist. Im Gegensatz zu den Philologen, die die
Spracherscheinungen diachron untersuchten, erklärte de Saussure
die Sprache auf synchroner Ebene, d. h. er wollte die inneren Me-
chanismen aufdecken, die in einem ganz bestimmten Sprachsystem
wirkten. Seitdem wurde eine Vielzahl sich ergänzender wie auch
konkurrierender Ansätze entwickelt. 2 Neben der theoretischen
Linguistik mit ihren zahlreichen Richtungen entwickelte sich auch
die angewandte Linguistik, zu der z. B. Soziolinguistik und Compu-
terlinguistik gehören. Wie weit Methoden und Erkenntnisse aus
allen diesen Bereichen Eingang in die arabischen Sprachwissen-
schaft gefunden haben, ist je nach lokaler Wissenschaftstradition
höchst verschieden. An englischsprachigen Universitäten gehören
zur arabistischen Grundausbildung oft Kurse, in denen Methoden
der allgemeinen Linguistik auf das Arabische angewandt werden,
und auch in der arabischen Welt werden teilweise Linguistik und
____________________

2 Einen eindrucksvollen Überblick gibt das Oxford Handbook of Linguistic


Analysis (hrsg. v. Heine / Narrog) mit seinen 33 Kapiteln, die je einen ande-
ren Ansatz beschreiben. Von den bedeutendsten seien genannt der auf
Ferdinand de Saussure (1857–1913) zurückgehende Strukturalismus und die
von Noam Chomsky (geb. 1928) begründete generative (Transformations-)
Grammatik. Letztere ist die heute vorherrschende Richtung. Sie wird vor
allem in der englischsprachigen Forschung oft auf das Arabische ange-
wandt, z. B. bei Benmamoun / Choueiri, The Syntax of Arabic from a Gene-
rative Perspective und Aoun / Benmamoun / Choueiri, The Syntax of Arabic.
172 Methode der westlichen Grammatiker

arabische Sprachwissenschaft kombiniert. Hieraus ist eine beachtli-


che Zahl von Arbeiten hervorgegangen, die meist das moderne
Hocharabisch oder eine zeitlich nicht differenzierte fuṣḥā zum Ge-
genstand haben. Im Gegensatz zur philologischen Arbeitsweise ist
das Hauptziel der theoretischen Linguistik jedoch nicht, die Inter-
pretation von Texten zu fördern, sondern allgemeine, sprachüber-
greifende Theorien zu überprüfen und weiterzuentwickeln. Dies
kann mitunter auch einen Fortschritt für das praktische Verständ-
nis der Sprache bringen, doch wird in der Regel die Argumentation
anhand von einfachen Beispielen geführt, deren Bedeutung be-
kannt ist, so daß der Nutzen solcher Arbeiten für die philologische
Textinterpretation, zumal für das klassische Arabisch, oft begrenzt
ist. Die moderne Linguistik bietet aber viele Ansätze, die auch für
die Philologie nutzbar gemacht werden können und sollten.

5.1.2 Arabische Sprachwissenschaft in Deutschland


In Deutschland ist es bis heute kaum zu einem Kontakt zwischen
Arabistik und Linguistik gekommen. Arabisch wird hier vorzugs-
weise für das Studium der modernen und klassischen arabischen
Literatur, der Islamwissenschaft und anderer „Nahostfächer“ ge-
lehrt. Einen Studiengang, in dem man sich mit moderner linguisti-
scher Methodik dem Arabischen nähert, gibt es im deutschsprachi-
gen Raum zur Zeit nicht. Am Anfang der Ausbildung stehen norma-
lerweise praktisch orientierte Sprachkurse, die es den Studierenden
ermöglichen, die Sprache aktiv zu gebrauchen und mit arabischen
Texten verschiedener Art zu arbeiten. Eine sprachwissenschaftliche
Vertiefung ist meist nicht beabsichtigt. Der Unterricht geht stets
vom modernen Hocharabisch aus und wird gelegentlich um Kurse
zum klassischen Arabisch ergänzt. Die linguistische Methodik ist im
wesentlichen die der Philologen des 19. Jahrhunderts, nur ohne den
Vergleich mit anderen semitischen Sprachen. Zum Teil werden
auch Begriffe aus der arabischen Grammatiktradition gebraucht,
jedoch meist ohne die westliche und die arabische Methode deut-
lich voneinander abzugrenzen.
In der Forschung ist der Umgang mit der arabischen Sprache
überwiegend traditionell philologisch. Im Vordergrund stehen die
inhaltliche Erschließung der Quellen und deren sprach- und litera-
turhistorische Einordnung. Angestrebt ist keine abstrakte linguisti-
sche Theoriebildung, sondern das Verstehen des tatsächlichen
Sprachgebrauchs in seiner stilistischen und grammatischen Vielfalt.
5.1 Was bedeutet „westliche“ Grammatikmethode? 173

Damit wird eine alte Wissenschaftstradition fortgesetzt, mit der vor


allem deutsche Forscher maßgeblich zur Erschließung des klassi-
schen arabischen Schrifttums beigetragen haben.
Ein Abbild dieser Methode ist der Grundriß der arabischen Philo-
logie (1982–1990), ein nach wie vor maßgebendes Standardwerk: Es
beschreibt zunächst den sprachhistorischen Rahmen, dann die
einzelnen Sprachstufen des Arabischen und schließlich die ver-
schiedenen Quellengattungen. An diesem Konzept fallen zwei
Punkte auf, die typisch für die Philologie sind: 1. die traditionelle
Einheit von Sprach- und Literaturwissenschaft wird aufrechterhal-
ten; 2. die Sprachwissenschaft steht im Dienst der Texterschließung.

5.1.3 Eine Theorie für die arabische Philologie


Nur höchst selten wird über die theoretischen Grundlagen der
Sprachbetrachtung innerhalb der arabischen Philologie reflektiert. 3
Dies hängt vor allem mit der Forschungstradition der deutschen
Arabistik zusammen, die stets die praktische Textarbeit der Theorie
vorgezogen hat. Die meisten Studierenden kommen daher bis heute
nicht mit der modernen Linguistik in Berührung und nehmen die
traditionelle Herangehensweise als selbstverständlich hin. Die phi-
lologische Grammatikbetrachtung zielt im Gegensatz zur allgemei-
nen Linguistik nicht auf das Aufstellen umfassender Theorien ab,
sondern auf die Einzeltexte, die verständlich zu machen das Haupt-
ziel der Grammatik innerhalb der Philologie ist. Dies dürfte der
Hauptgrund sein, warum sich auch Sprachwissenschaftler kaum für
die „philologische Methode“ interessieren. Spöttisch heißt es z. B. im
Metzler Lexikon Sprache:
„Ph[ilologie] bezeichnet weiterhin die penible, alle Einzelheiten
berücksichtigende (und kaum theoriegeleitete) Dokumentation
und Beschreibung von Texten, wie sie z. B. in der philolog. Text-
kritik betrieben wird. Mit der Metapher ‚philolog. Handwerks-

____________________

3 Einige grundlegende Bemerkungen zu Wesen und Berechtigung der arabi-


schen Philologie formulieren Fischer und Gätje im Vorwort zum Grundriß
der arabischen Philologie. Der einzige Beitrag, in dem die philologische
Grammatikmethode als solche benannt wird, ist – soweit mir bekannt –
Edzard, The Philological Approach to Arabic Grammar. Eine hervorragen-
de Reflexion über Wesen und Methodik der Philologie im allgemeinen bie-
tet Lepper, Philologie zur Einführung.
174 Methode der westlichen Grammatiker

zeug‘ werden die elementaren Kenntnisse bezeichnet, die jeder


Novize erwerben muß, bevor er Ph[ilologie] betreiben kann.“ 4
Was hier aufs Korn genommen wird, ist die traditionelle Arbeit an
den konkreten Texten – hier wohl besonders auf die Textkritik be-
zogen – und das geringe Interesse der Philologen an der Sprach-
theorie. Ersterem ist zu entgegnen, daß für die Erschließung des
Arabischen gerade solche „penible“ Textarbeit noch immer drin-
gend nötig ist. Große Forschungslücken, wie etwa das Fehlen eines
vollständigen Wörterbuchs oder einer textbasierten Grammatik des
klassischen Arabisch, sind darauf zurückzuführen, daß es zu wenig
Forscher gibt, die sich dieser Arbeit, die viel Erfahrung fordert und
Zeit raubt, annehmen.
Allerdings ist es zur Förderung der Erschließung des Arabischen
auch an der Zeit, die sprachtheoretischen Grundlagen der philologi-
schen Grammatik allgemein bewußt zu machen und ihre Methodik
weiterzuentwickeln. Die Linguistik hat in den letzten 100 Jahren
große Fortschritte gemacht und eine Reihe von Konzepten entwik-
kelt, die auch die Arbeit in der arabischen Philologie erleichtern
und voranbringen können. In den gängigen Grammatiken und
Lehrbüchern ist hiervon noch kaum etwas zu merken: der Abstrak-
tionsgrad ist gering, und eine Anpassung von Terminologie und
Methodik an den aktuellen linguistischen Forschungsstand steht
noch aus. Auch die meisten akademischen Arabischkurse sind rein
praktisch ausgerichtet. Eine Anhebung des Theorie- und Abstrakti-
onsgrades würde die Erschließung der Sprache fördern und es auch
erleichtern, die arabische Grammatik in einen sprachübergreifen-
den linguistischen Diskurs einzubinden. 5
Dabei soll natürlich die Grammatiktheorie nicht den Mittel-
punkt der Beschäftigung bilden, sondern vielmehr Dienerin sein,
um das Verständnis der Sprache vor allem in den konkreten Texten
zu fördern. Es kommt also nicht darauf an, strikt einer Rahmen-
theorie zu folgen und die Sprachbeschreibung an dieser auszurich-
ten. Ausgangspunkt müssen vielmehr die konkreten Texte sein, und
die Sprachbeschreibung sollte so gestaltet werden, wie sie der
____________________

4 Glück, Art. Philologie, 506.


5 Ein Lehrbuch, das eine aktuelle linguistische Terminologie schon in den
Anfängerunterricht einführt, liegt für das Koptische vor: Layton, Coptic in
20 Lessons. Dessen Methodik und Terminologie sind praktisch für die Ler-
nenden, erleichtern den Vergleich mit anderen Sprachen und führen zu-
gleich an eine theoretische Beschäftigung mit der Sprache heran.
5.2. Sprachwissenschaftliche Grundbegriffe 175

Struktur der Sprache am ehesten entspricht. Zugegebenermaßen ist


es nicht immer leicht zu bestimmen, welches Modell im jeweiligen
Fall die sprachliche Realität am geeignetsten widergibt. Eine Richt-
schnur kann der Ansatz sein, dem Gideon Goldenberg bei seinen
vergleichenden Betrachtungen der semitischen Sprachen folgt:
„Tending to avoid any particular theoretical framework, I have
naturally adopted Meillet’s ideal of ‘ordonner les faits linguis-
tiques au point de vue de la langue même’ (Meillet 1921:VIII).
The approach adopted here can identically be characterized as
prejudice-free, non-aprioristic, and empirically-based, intended
to describe each language in its own terms, but with close atten-
tion to analogous features and intrinsic typological affinities;
synchronic, but never dissociated from the areal and historical
contexts.” 6
Dieser eklektische Ansatz kombiniert Beschreibungs- und Analy-
semethoden der modernen Linguistik mit der traditionellen histori-
schen Sprachwissenschaft. Er kann auch der arabischen Sprachwis-
senschaft zu besserer Systematisierung und tieferen Einsichten der
in den Aufbau der Sprache verhelfen und zu einer besseren Ver-
knüpfung der Arabistik mit der semitischen und der allgemeinen
Sprachwissenschaft führen. Wohlgemerkt geht es Goldenberg dar-
um, „any particular framework“ zu vermeiden, dabei aber nicht
theoriefrei zu arbeiten. Im Gegenteil: Ohne ein Minimum an
sprachwissenschaftlicher Arbeitstechnik, Methodik und Termino-
logie sowie ohne Kenntnis wesentlicher sprachtheoretischer Model-
le ist eine wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Arabischen
heute nicht mehr vertretbar. Hier herrscht in der deutschen Arabi-
stik Nachholbedarf. Einige Forscher, die meist von der Semitistik
herkommen, arbeiten bereits mit einer zeitgemäßen Terminologie,
doch ist diese noch keineswegs allgemein verbreitet.

5.2. Sprachwissenschaftliche Grundbegriffe


Wir wollen nun einige grundlegende Begriffe erörtern, die in der
westlichen Sprachwissenschaft unabhängig von der jeweiligen
Richtung relativ allgemein verbreitet und auch für die Beschreibung
des Arabischen unabdingbar sind. Auf die Unterschiede zu den
____________________

6 Goldenberg, Semitic Languages, 4.


176 Methode der westlichen Grammatiker

arabischen Grammatikern wird an den entsprechenden Stellen


hingewiesen. 7

5.2.1 Beziehung von Laut und Schrift


Im Einleitungskapitel sahen wir, daß die arabischen Grammatiker
bei der Analyse der Sprache strikt vom Schriftbild ausgehen. Sie
analysieren die Rede nach den linguistischen Einheiten Buchstabe
(ḥarf), Wort (kalima), Satz (ǧumla). Unter Buchstaben werden da-
bei nur die Konsonanten verstanden, da nur diese in der Schrift
sichtbar sind. Die Vokale, so wichtig sie auch für das System sind,
werden immer nur als Anhängsel eines Konsonantenbuchstaben
gesehen; da sie in der gewöhnlichen Orthographie nicht mitge-
schrieben werden, führen sie kein eigenständiges Dasein, haben
also keine „Rechte“, um mit den Worten der Grammatiker zu spre-
chen, sondern treten immer nur an einen Buchstaben gekoppelt
auf. Die arabischen Grammatiker sind von der perfekten Einheit
von Schrift und Sprache überzeugt. Sie nehmen zwar auch phoneti-
sche Untersuchungen vor, doch gehen diese von den Buchstaben
der Schrift aus. Es wird im Rahmen der Phonetik nicht gefragt, wie
ein bestimmter Laut wiederzugeben sei, sondern wie ein bestimm-
ter Buchstabe auszusprechen ist. Der Buchstabe wird also als gege-
ben angenommen.
In der westlichen Grammatik wird dagegen streng zwischen
Lautung (Phonetik und Phonologie) und Schreibung (Graphie)
unterschieden. Die schriftliche Wiedergabe der Sprache wird als ein
sekundäres Phänomen betrachtet. In ihr spiegeln sich zwar oft tiefe
linguistische Einsichten wider, doch ist sie bereits das Produkt einer
(meist unbewußten) Analyse, also ein theoretisches Modell, mit
dem die Sprache graphisch dargestellt wird. Wie jedes Modell ist die
Schrift auf Vereinfachungen angewiesen und kann nicht alles wie-
dergeben, was die tatsächliche, hörbare Sprache ausmacht. Westli-
che Grammatiker trennen daher zwischen der (überlieferten) Or-
thographie und der Lautung der Sprache. Das gilt auch für das Ara-
bische.

____________________

7 Eine gute Einführung in die sprachwissenschaftliche Terminologie gibt


Ryding, Arabic. Detaillierter ist Watson, The Phonology and Morphology of
Arabic, wo auch die arabischen Dialekte einbezogen werden.
5.2. Sprachwissenschaftliche Grundbegriffe 177

5.2.2. Laut und Phonem


Die kleinste Einheit, die akustisch unterschieden werden kann, ist
für die westlichen Grammatiker der Laut (= das Phon). Die Anzahl
der physisch möglichen Laute ist nahezu unbegrenzt, doch nicht
alle möglichen Laute haben bedeutungsunterscheidende Funktion.
So besteht die erste Aufgabe bei der Beschreibung einer Sprache
darin, festzustellen, welches für sie die bedeutungsunterscheiden-
den Laute oder Lautgruppen sind. Man nennt diese Phoneme, und
jede Sprache hat hiervon ein relativ begrenztes Inventar: Arabisch
hat 28 Konsonantenphoneme und je nach Definition sechs oder
vier Vokalphoneme. Dabei wird im krassen Gegensatz zu den arabi-
schen Grammatikern kein grundsätzlicher Unterschied zwischen
Konsonanten und Vokalen gemacht, sondern mit beiden auf der
gleichen linguistischen Ebene operiert. Es sind nicht wie bei den
Arabern die Vokale den Konsonanten nachgeordnet.
Eine sehr kohärente Umschrift der arabischen Phoneme hat
Rainer Voigt vorgeschlagen. Sie ist besonders für Arbeiten zur arabi-
schen Morphologie zu empfehlen, da sie eine Reihe von inneren
Zusammenhängen der Sprache sichtbar macht, die bei den her-
kömmlichen Transkriptionssystemen verborgen bleiben. Sie unter-
scheidet sich in folgenden beiden Hauptpunkten von anderen Sy-
stemen: 8
a) Die Länge von Vokalen und Konsonanten wird völlig analog
behandelt. Es wird unterschieden zwischen einer Länge, die auf
das Schema (die Modellstruktur) zurückzuführen, also morpho-
logisch bedingt ist und einer Länge, die sekundär aufgrund einer
angenommenen Kontraktion entstanden ist: Morphologisch be-
dingt ist das lange a: in ‫ �ﺎ ِﺗﺐ‬ka:tib ‚schreibend‘. Hier liegt eine
Kombination der Wurzel KTB mit dem Schema Ca:CiC vor, 9
wobei das Schema nach dem ersten Radikal ein langes a: vor-
sieht. Auf Kontraktion geht das lange aa in ‫ﻗﺎم‬ َ qaama zurück. Es
ist nicht durch das Schema bedingt, sondern hier liegt die „Tie-
fenform“ *qawama (in Voigts Schreibung *qauama) zugrunde, in
der die Gruppe awa zu aa kontrahiert wurde. 10 Nach demselben
218F

____________________

8 Voigt, Die infirmen Verbaltypen, 11–16. Um Verwirrung zu vermeiden, ver-


wende ich jedoch im vorliegenden Buch weiterhin die herkömmliche
Transkription.
9 CCC steht für die drei Wurzelkonsonanten.
10 Bei dieser Erklärung stimmt Voigt mit den arabischen Grammatikern
überein. Auch sie nehmen *qawama als „Grundform“ (ʾaṣl) von qaama an.
178 Methode der westlichen Grammatiker

Prinzip wird die Länge der Konsonanten dargestellt: morpholo-


gisch bedingt ist das doppelte r: in ‫ ﻣﺪ ّ ِرس‬mudar:is ‚Lehrer‘ (Wur-
zel DRS + muCaC:iC); durch Kontraktion entstanden ist das
doppelte ṣṣ in ‫ﺧﺺ‬‫ﱠ‬ ḫaṣṣa (<*ḫaṣaṣa) ‚zugehören, eigentümlich
sein‘. Folgende Fälle sind also möglich:
Bezeichnung der Länge bei ...
Vokal Konsonant
morphologisch
ka:tib (Ca:CiC) mudar:is (muCaC:iC)
bedingt
durch Kontraktion
qaama (<*qawama) ḫaṣṣa (<*ḫaṣaṣa)
entstanden

b) Die Definition des Phonems als „kleinste bedeutungsunterschei-


dende Einheit“ wird konsequent auf die Laute w/u und y/i ange-
wandt. Herkömmlicherweise werden der Konsonant /w/ und der
Vokal /u/ sowie der Konsonant /y/ und der Vokal /i/ als je ein-
zelne Phoneme angesehen. Es gibt jedoch keinen Fall, wo die
Opposition zwischen w und u oder zwischen y und i bedeu-
tungsunterscheidend wäre, sondern lediglich der Kontext ent-
scheidet, ob die vokalische oder die konsonantische Variante ge-
sprochen wird. Daher handelt es sich um je nur ein Phonem, das
man mit /u/ bzw. /i/ bezeichnen kann und das wie folgt reali-
siert wird:
Phonem Realisierung
als Vokal als Konsonant Kontraktion zu
[i]/[u] [j]/[w] Langvokal [iː]/[uː]
(vor Konso- (vor Vokal: (wenn CiiC / CuuC
nant: iC / uC) iV / uV) vorliegt)
/i/ /min/ /iaktubu/ /mubiinun/
[min] [jaktubu] [mubiːnun]
‚von‘ ‚er schreibt‘ ‚klar‘
/u/ /kun/ /ualadun/ /takuunu/
[kun] [waladun] [takuːnu]
‚sei‘ ‚Kind‘ ‚du bist‘

____________________

Es geht dabei wohlgemerkt nicht um die Rekonstruktion eventueller histo-


rischer Entwicklungsstufen, sondern um das synchron wirkende zugrunde-
liegende Sprachsystem.
5.2. Sprachwissenschaftliche Grundbegriffe 179

Voigts Transkriptionsprinzipien stehen im Kontrast zur arabischen


Orthographie, wo zum einen nicht zwischen den beiden unter-
schiedlichen Arten der Vokallänge unterschieden wird (a: / aa) und
zum anderen, und das ist gravierender, keine Vermischung von
Konsonanten- und Vokalsystem möglich ist.

5.2.3 Morphologie
Die kleinsten bedeutungstragenden Einheiten der Sprache heißen
Morpheme. 11 Es gibt freie und gebundene Morpheme. Freie Mor-
pheme können allein stehen, z. B. die Präpositionen fī ‚in‘ und ʿalā
‚auf‘ oder die Personalpronomen ʾanā ‚ich‘ und hiya ‚sie (f. Sg.)‘. Die
allermeisten Morpheme im Arabischen sind aber gebunden, d. h. sie
können nur in Kombination mit anderen Morphemen stehen und
kommen nicht selbständig vor. Dies betrifft alle Nomen (z. B. ma-
lik⸗un ‚ein König‘) und Verben (z. B. katab⸗a ‚er schrieb‘). Das Wort
malik⸗un besteht aus zwei Morphemen: dem Kernmorphem malik⸗,
welches die lexikalische Bedeutung des Wortes trägt und den Kern
(oder Kopf) der Morphemgruppe bildet, und dem Flexionsmor-
phem ⸗un, welches die Merkmale ‚Nominativ‘ und ‚indeterminiert‘
ausdrückt. Man kann letzteres noch weiter unterteilen in ⸗u-n, denn
die Merkmale ‚Nominativ‘ und ‚indeterminiert‘ lassen sich eindeutig
dem ⸗u bzw. dem -n zuordnen:
malik⸗ ⸗u- -n 12
Kernmorphem Flexionsmorphem Flexionsmorphem
König NOM IDEF
Morphemgruppe (Wort)
Die Abtrennung der Morpheme wird in diesem Kapitel so vorge-
nommen, wie sie in der westlichen Sprachwissenschaft üblich ist –
im Gegensatz zu Kapitel 2–4, wo ein anderes System verwendet
wurde, um die Sichtweise der arabischen Grammatiker zu veran-
schaulichen. Im vorliegenden Kapitel bedeutet der Doppelstrich (⸗),
daß es sich um ein obligatorisches Morphem handelt und also hier
etwas stehen muß. Der einfache Strich (-) bedeutet, daß das Mor-
phem fakultativ ist und die Stelle (vom Kernmorphem aus betrach-
tet) auch leer bleiben kann. Mit einem Punkt (.) werden die Infor-
____________________

11 Die Phoneme sind dagegen die kleinsten bedeutungsunterscheidenden


Einheiten.
12 Da die Morpheme hier auseinandergezogen sind, werden die Verbin-
dungssymbole jeweils wiederholt; sonst schreibt man malik⸗u-n.
180 Methode der westlichen Grammatiker

mationen angefügt, die in einem Morphem mit enthalten sind,


ohne daß ein bestimmtes Element dafür abgetrennt werden kann.
Auch die Verben werden in dieser Weise segmentiert, z. B. die Per-
fektform katabtu ‚ich schrieb‘:
katab⸗ ⸗tu
Kernmorphem Flexionsmorphem
schreiben.PF.AKT 1.SG
Morphemgruppe (Wort)
Zur Flexion der Imperfektformen kommen Präfixe (z. B. y⸗ für die 3.
Pers.), Suffixe (z. B. ⸗u und ⸗a für Indikativ bzw. Subjunktiv) und
Zirkumfixe zum Einsatz. Zirkumfix bedeutet, daß ein Prä- und ein
Suffix zusammen ein Morphem ergeben. So läßt sich die Form
y⸗aktub⸗ū⸗na ‚sie schreiben‘ in das Kernmorphem ⸗aktub⸗, das Zir-
kumfix ya⸗…⸗ū⸗ und das Suffix ⸗na zerlegen:
y⸗ ⸗aktub⸗ ⸗ū⸗ ⸗na
FlexM KernM FlexM
3.M.PL schreiben.IMPF.AKT IND
Morphemgruppe (Wort)
Zu den bekanntesten Merkmalen der morphologischen Struktur des
Arabischen gehört das Zusammenspiel zwischen der meist drei-
radikaligen Wurzel und einem bestimmten Vokal- und Silbensche-
ma. Dieses Phänomen war auch den arabischen Grammatikern
bekannt, ja sie waren sogar die ersten, die es beschrieben und auch
die Wörterbücher hiernach geordnet haben. Im Gegensatz zu den
oben genannten Elementen y⸗, ⸗ū⸗, ⸗na, die man abtrennen kann,
lassen sich Wurzel und Schema nicht auseinandernehmen. Es han-
delt sich um zwei abstrakte Größen, die je eine eigene Bedeutung
tragen, doch nur ineinander verschachtelt auftreten. Es ist sinnvoll,
für diese Erscheinung, die typisch für die semitischen Sprachen ist
und deren Morphologie wesentlich prägt, einen besonderen Begriff
zu verwenden. 13 Wir können zunächst die Morpheme genauer defi-
nieren als „kleinste linear geordnete bedeutungstragende Einheiten“
der Sprache. 14 Die Form katab⸗ta ‚du schriebst‘ besteht aus zwei
solchen Morphemen, nämlich katab⸗ und ⸗ta. Nun läßt sich das
Morphem katab⸗ aber noch weiter analysieren, wenn auch nicht
____________________

13 Der Begriff Monem wurde in diesem Zusammenhang von Jean Cantineau


eingeführt. Er wird erläutert von Voigt, Die infirmen Verbaltypen, 36–41.
14 So mit Voigt, Die infirmen Verbaltypen, 36 (Hervorhebung von mir).
5.2. Sprachwissenschaftliche Grundbegriffe 181

linear. Es ist aus zwei sich durchdringenden Einheiten zusammen-


gesetzt, die wir als Moneme bezeichnen können: KTB und CaCaC⸗.
Ersteres ist das Wurzelmonem, das die lexikalische Bedeutung
‚schreiben‘ trägt, zweites das Vokalschema-Monem, das die Infor-
mation ‚Verb im Grundstamm, Perfekt‘ trägt. 15
Gegen die sonst meist übliche Abtrennung der Imperfektpräfixe
zusammen mit dem Vokal (ʾa⸗, ya⸗, ta⸗), halte ich es für besser, den
Vokal dem Kernmorphem zuzuordnen und als Imperfektpräfixe nur
die Konsonanten anzunehmen (ʾ⸗, y⸗, t⸗). 16 Fischer schreibt, es gebe
zwei Reihen von Imperfektpräfixen, nämlich mit Ca⸗ und Cu⸗, wo-
von die erste für das Aktiv (ya⸗ktub⸗u) und die zweite für das Passiv
(yu⸗ktab⸗u) verwendet werde. 17 Viel klarer wird es aber, wenn der
Präfixvokal dem Kern des Verbs zugerechnet wird, denn es ist ja das
Schema ⸗aCCuC⸗ (mit der charakteristischen Vokalfolge a–u) wel-
ches das Monem bildet, das die Bedeutung ‚Imperfekt, Aktiv‘ aus-
drückt. Das Passivschema lautet entsprechend ⸗uCCaC⸗ mit der
Vokalfolge u-a. Die morphemischen Segmente müssen also nicht
unbedingt mit den Sprechsilben übereinstimmen.

5.2.3.1 Die Bildung der Personalformen des Verbes im Vergleich mit


den arabischen Grammatikern
In dem Begriff Morphologie zeigt sich der Hauptunterschied zwi-
schen der westlichen und der arabischen Herangehensweise an die
Verbkonjugation. Die westlichen Grammatiker sehen in der Beu-
gung der Verben nach Person, Tempus und Modus einen morpho-
logischen Vorgang. Die Basis des Verbs (z. B. katab⸗ (Pf.) und ⸗aktub⸗
(Impf.)) bildet hier zusammen mit allen Präfixen, Suffixen, und
Infixen eine Einheit, die insgesamt als das Verb betrachtet wird,
welches sich den syntaktischen Erfordernissen entsprechend in
seiner Form verändert. Zwar lassen sich verschiedene Morpheme
abtrennen, doch gelten diese nur als Bildeelemente der Verbform,
nicht als eigene syntaktische Einheiten.
____________________

15 In neueren englischsprachigen Arbeiten (etwa Ryding, Arabic, 42) werden


Wurzel und Schema als Morpheme, nicht als Moneme bezeichnet. Es wird
dann zwischen gereihten / linearen (concatenative) und nichtgereihten /
nichtlinearen (nonconcatenative) Morphemen unterschieden. Letztere
entsprechen den Monemen.
16 Diese Segmentierung verwenden z. B. Voigt, Die infirmen Verhaltypen, und
Marmorstein, Tense and Text. Ebenso Tropper für das Ugaritische (siehe
Tropper, Ugaritische Grammatik, 431).
17 Fischer, Grammatik, 103.
182 Methode der westlichen Grammatiker

Die arabischen Grammatiker betrachten hingegen nur das


Kernmorphem (z. B. katab⸗) als das Verb, die Suffixe aber als selb-
ständige Einheiten, und zwar als verbundene Personalpronomen
(ḍamīr muttaṣil). Das Verb (katab(a)⸗) ist nach diesem Verständnis
unveränderlich, es erhält lediglich bei Bedarf ein Personalprono-
men angehängt. Das Zusammenwirken von Verb und verbundenem
Personalpronomen fällt hier in den Bereich des naḥw („Syntax“).
Eine Verbkonjugation im Sinne der lateinischen Grammatik gibt es
in diesem Verständnis nicht. Daher findet man in traditionellen
Grammatiken auch keine Paradigmata nach der Art katab⸗a,
katab⸗tu, katab⸗ta, usw.
Darüber hinaus stehen für die westlichen Grammatiker alle
Morpheme (Präfixe, Suffixe und Zirkumfixe) gleichberechtigt ne-
beneinander, und es bedeutet keinen wesentlichen Unterschied, ob
das Personenkennzeichen vor oder hinter die Verbalwurzel gesetzt
wird. Dies sehen die arabischen Grammatiker grundlegend anders:
sie sehen die Perfektsuffixe als konkretes Subjekt an, das auch in die
syntaktische Analyse einbezogen wird, die Imperfektpräfixe hinge-
gen nur als „Zusatzbuchstaben“, die auf das im Verb verborgene
Subjekt hindeuten, es aber nicht konkret verkörpern (s. Kap. 2.2.3).
Auch innerhalb des Perfekts werden in der europäischen Termi-
nologie keine Unterschiede zwischen den Suffixen gemacht. Es wird
konsequent an das Kernmorphem (z. B. qatal⸗) für jede Person ein
spezifisches Suffix angefügt. Die 3. Pers. m. Sg. erhält dabei das Per-
sonalsuffix ⸗a (z. B. qatal⸗a). Bei den arabischen Grammatikern gilt
hingegen qatala als Grundform ohne Personalsuffix. Auch eine
Sonderbehandlung der 3. Pers. f. Sg. (z. B. qatal⸗at), deren Endung
die Araber als tāʾ at-taʾnīṯ erklären, gibt es nicht (vgl. Kap. 2.2.2).
Nach der Darstellung von Brockelmann ist das Subjekt eines
Verbs nicht durch ein verbundenes Personalpronomen explizit
genannt, sondern im konjugierten Verb impliziert, und zwar in
allen Personen: „In allen arabischen Verbalformen ist ein Personal-
begriff enthalten“. 18 Einige Forscher arbeiten hier mit dem Begriff
Pronomen. Die Personalsuffixe werden dabei als „pronominelle
Repräsentanten“ des Subjekts aufgefaßt. Sie können ja keine echten
Personalpronomen sein, das diese eine andere Wortklasse als das
Verb wären und eine solche Mischung innerhalb ein und desselben
Wortes nicht zulässig ist. Goldenberg schreibt:

____________________

18 Brockelmann, Arabische Grammatik, 44.


5.2. Sprachwissenschaftliche Grundbegriffe 183

„the predicative relation is the very essence of the finite verb,


with the subject represented in it pronominally by the inflexio-
nal morpheme and the lexical base expressing the predicative.
Thus every finite verb form can be analyzed as a pronominal
subject + predicative connection (=nexus) + predicative base.” 19
Dementsprechend wird in einigen Arbeiten der Begriff „Subjekt-
pronomen“ gebraucht. Dieser bietet sich vor allem an, wenn man
von der historischen Erklärung der Formen herkommt, denn in der
Tat gehen die Personalaffixe der Verben zum Teil auf Personalpro-
nomen zurück. Außerdem sind tatsächlich alle arabischen Verb-
formen (mit Ausnahme des Imperativs) aus einem verbalen Kern
und einem eindeutigen Subjektkennzeichen zusammengesetzt, und
alle können sie allein, ohne Nennung eines „äußeren Subjekts“ ste-
hen. 20
Bei einer solchen konkreten Interpretation der „Subjektprono-
men“ muß man aber Sonderregeln für den Fall schaffen, daß ein
Subjekt von außen hinzutritt. Fischer unterscheidet zu diesem
Zweck zwischen „pronominalem“ und „substantivischem“ Subjekt
und erklärt:
َ
َ ‫‚ ﻟ ِﻌ‬er spielte‘,
„Dasْ pronominale Subj. ist im Vb. inkorporiert: ‫ﺐ‬
ُ‫‚ َﻳﻠ َﻌﺐ‬er spielt‘. Das substantivische Subj. folgt der 3. sg. m.
oder f.; ebenso steht auch ein verstärkendes Pers.-Pron. hinter
dem Vb.“ 21 29F

Zusätzlich zu dem im Verb inkorporierten „pronominalen Subjekt“


kann also ein äußeres Subjekt in Form eines Substantivs (3. Pers.)
oder eines Personalpronomens (alle Personen) hinzutreten. Die
____________________

19 Goldenberg, Semitic Languages, 140.


20 In der generativen Grammatik sieht man die Personalsuffixe – im Ge-
gensatz zu der hier vorgestellten Annahme, sie seien Subjektpronomen –
als Kongruenzmorpheme, die nicht selbst das Subjekt darstellen, sondern
bestimmte Merkmale des Subjekts, welches sich außerhalb des Verbs be-
findet, aufgreifen. Wenn die Verbformen katab⸗tu ‚ich schrieb‘ oder
katab⸗a ‚er schrieb‘ allein stehen, also ohne die Personalpronomen ʾanā
‚ich‘ bzw. ʾanta ‚du‘, ist also scheinbar kein Subjekt vorhanden. Man nimmt
hier ein sog. Nullsubjekt an. Dies ist im Arabischen in den 1. und 2. Perso-
nen die Regel. Arabisch wird daher von der generativen Grammatik zu den
Nullsubjekt- oder Pro-Drop-Sprachen gezählt. Letzteres impliziert, daß in
Äußerungen wie katab⸗tu ‚ich schrieb‘ oder katab⸗a ‚er schrieb‘ das Subjekt
ausgefallen ist.
21 Fischer, Grammatik, 164.
184 Methode der westlichen Grammatiker

folgende ausführlichere Erklärung von El-Ayoubi / Fischer / Langer in


der Syntax der arabischen Schriftsprache der Gegenwart scheint mir
die Sache jedoch komplizierter zu machen, ohne daß dadurch viel
gewonnen wird: Die Autoren legen ihren Überlegungen die an den
arabischen Grammatikern orientierte Unterscheidung von ǧumla
ismīya und ǧumla fiʿlīya zugrunde und übernehmen von diesen
auch das sehr materielle Verständnis vom Subjekt. Ein „Verbalsatz“
besteht bei ihnen immer aus den beiden Elementen Verb + Subjekt,
wobei grundsätzlich das Subjekt im Verb inkorporiert ist. Für den
Fall, daß das Subjekt nach dem Verb noch einmal genannt wird
(z. B. ḏahab⸗a r-raǧul⸗u), muß dann eine besondere Regel geschaffen
werden:
„Die Singularmorpheme der 3. Person sind ambivalent: sie fun-
gieren entweder als Subjektpronomina oder dienen lediglich als
Platzhalter für das folgende nominale Subjekt.“ 22
Das hieße, daß in der Form ḏahab⸗a ‚er ging‘ im Beispiel (1) das ⸗a
als „Subjektpronomen“ und in der Form fa-ḏahab⸗a im Beispiel (2)
als „Platzhalter für das folgende nominale Subjekt“ angesehen wird:
(1) ḏahab⸗a ṭ-ṭālib⸗u
gehen.PF⸗3.M.SG DEF-Student⸗NOM
„Der Student ging.“
(2) qām⸗a ṭ-ṭālib⸗u fa-ḏahab⸗a
aufstehen.PF⸗3.M.SG DEF-Student⸗NOM FA-gehen. PF⸗3.M.SG
„Der Student stand auf und ging.“
Eine andere, an der generativen Grammatik orientierte Lösung des
Problems wäre es, das Personalsuffix ⸗a als Zeichen für eine be-
stimmte Personenbezogenheit, also als Kongruenzmorphem zu in-
terpretieren anstatt als Subjektpronomen. Dadurch wäre allerdings
das Problem nur umgedreht, denn nun müßte für fa-ḏahab⸗a im
Beispiel (2) erklärt werden, wer oder was konkret das Subjekt ist.

5.2.3.2 Ist der ʾiʿrāb der arabischen Grammatiker mit der


„Morphologie“ vergleichbar?
Die Personalendungen der Verben fallen nach arabischer Vorstel-
lung nicht in den Bereich der Morphologie. Doch wie steht es mit
den Kasus-/Modusendungen (ʾiʿrāb)? Sie wirken wie ein Paradebei-
____________________

22 El-Ayoubi / Fischer /Langer, Syntax, II, 4.


5.2. Sprachwissenschaftliche Grundbegriffe 185

spiel für die Morphosyntax, fragt diese doch gerade danach, wie sich
die Form eines Wortes in Anpassung an den Satzkontext verändert.
Doch es gibt einen wichtigen Unterschied zwischen ʾiʿrāb und Mor-
phologie. Bei den allermeisten Wörtern treten in der arabischen
Schrift die Kasus-/Modusendungen nicht in Erscheinung. Verände-
rungen der Endungen werden also optisch nicht als Veränderungen
des Wortes wahrgenommen. Die angehängten Kasusendungen, also
der ʾiʿrāb, werden im klassischen Hocharabisch zwar als unver-
zichtbarer Bestandteil des Wortes angesehen, aber es besteht nicht
die Vorstellung, daß man ein Wort beliebig „beugen“ kann, um es
damit für in einen bestimmten Kontext passend zu machen. Man
hat also nicht das Gefühl, daß sich durch die Kasus-/ Modusendun-
gen das Wort ändert, sondern vielmehr vervollständigt. Daher geht
man mit einer anderen Fragestellung an diese Endungen heran. Die
westliche Grammatik geht von dem syntaktischen Wort aus und
fragt analytisch: Warum hat raǧul⸗un die Endung ⸗un? Die Araber
gehen die Sache gerade von der anderen Seite an und fragen: Wel-
che Endung muß raǧul⸗ im vorliegenden Kontext haben? Die Vor-
stellung von aus dem Kontext gelösten, paradigmenartig aufzählba-
ren Formen raǧul⸗un, raǧul⸗an, raǧul⸗in gibt es bei ihnen nicht. Die
Bestimmung der Kasus-/ Modusendungen fällt allein in den Bereich
der Syntax. Eine abstrakte Formenlehre der Kasus-/ Modusendun-
gen gibt es bei den arabischen Grammatikern nicht, darum kann
man auch in diesem Fall nicht von Morphologie sprechen.

5.2.4 Syntax
Im Rahmen der Syntax wird untersucht, nach welchen Mustern die
oben erörterten Morphemgruppen (Wörter) in der Rede angeord-
net sind. Syntaktische Strukturen sind oft wesentlich schwieriger zu
beschreiben als morphologische, denn während die Zahl der mor-
phologischen Elemente relativ begrenzt ist, ist die Menge der
sprachlichen Äußerungen, die die Syntax zu untersuchen hat, nahe-
zu unendlich groß. Bei deren Beschreibung ist der Spielraum für
individuelle Interpretationen viel größer und das Aufstellen objek-
tiver Regeln schwieriger als bei der Morphologie. Das ist ein Grund
dafür, daß in den älteren Grammatiken die Syntax oft nur am Rande
erscheint. Diese Tradition hat sich bis in die heute gebräuchlichen
Lehrbücher des Arabischen gehalten, wo viele syntaktische Er-
scheinungen nur oberflächlich erklärt werden und kaum eine Me-
thodik zu Erschließung syntaktischer Strukturen vermittelt wird.
186 Methode der westlichen Grammatiker

Die Theorien, die auf diesem Gebiet entwickelt wurden sind so


zahlreich, daß ein Überblick hier nicht möglich ist. 23 Es soll nur auf
einige in der Linguistik häufig verwendete Begriffspaare hingewie-
sen werden, deren allgemeine Einführung in die arabische Gram-
matik eine Reihe von Erklärungen erleichtern kann.

5.2.4.1 Kopf (Kern) und Komplement


Die meisten syntaktischen und morphologischen Konstruktionen
lassen als Kombination aus einem Kopf (oder Kern) und einem oder
mehreren von diesem Kopf abhängigen Komplementen erklären.
Der Kopf bestimmt dabei die grammatischen Eigenschaften der
gesamten Konstruktion. So z. B. in folgender Nominalphrase:
(1) bait⸗u l-malik⸗i
Haus⸗NOM DEF-König⸗GEN
[Kopf] [Komplement]
‚das Haus des Königs‘
Da der Kopf der Phrase ein Nomen ist, wird die gesamte Phrase im
Satzkontext wie ein Nomen behandelt. Sie kann z. B. als Ganze mit
einem Adjektiv beschrieben werden:
(2) bait⸗u l-malik⸗i l-kabīr⸗u
Haus⸗NOM DEF-König⸗GEN DEF-groß⸗NOM
[Kopf] [Komplement]
[Kopf] [Komplement]
‚das große Haus des Königs‘
Der Kopf der Phrase (bait⸗u l-malik⸗i) bestimmt auch Genus und
Numerus. Das sieht man, wenn man die Parameter des Komple-
ments (al-malik⸗i) verändert: al-kabīr kongruiert dann trotzdem mit
dem Kopf:
(3) bait⸗u l-mulūk⸗i l-kabīr⸗u
Haus⸗NOM DEF-König. PL⸗GEN DEF-groß⸗NOM
[Kopf] [Komplement]
[Kopf] [Komplement]
‚das große Haus der Könige‘
Die Nominalphrase bait⸗u l-malik⸗i bildet den Kopf der übergeord-
neten Phrase bait⸗u l-malik⸗i l-kabīr⸗u, die dadurch ebenfalls als
____________________

23 Siehe zur Einführung Ryding, Arabic, 107–139.


5.2. Sprachwissenschaftliche Grundbegriffe 187

Nominalphrase zählt. Folgendes ist eine Adjektiv-Phrase:


(4) ṭawīl⸗u t-tārīḫ⸗i
lang⸗NOM DEF-Geschichte⸗GEN
[Kopf] [Komplement]
‚mit langer Geschichte‘
Das Adjektiv ṭawīl⸗ ‚lang‘ bildet den Kopf, die ganze Phrase muß also
im Satzzusammenhang die Funktion eines Adjektivs haben. Diese
Erkenntnis ist eine wichtige Hilfe für die Praxis: die Übersetzung
der Phrase muß so formuliert werden, daß sie in eine Adjektiv-
Position hineinpaßt. Im Arabischen sind die allermeisten Konstruk-
tionen linksköpfig, d. h. es steht erst der Kopf, dann das Komple-
ment.

5.2.4.2 Phrase vs. Satz


Der Begriff der Phrase ist grundlegend, um einen Satz zu strukturie-
ren und die Beziehung seiner Bestandteile zueinander zu verstehen.
Ryding gibt folgende Definition:
„phrases are organized groups of words that fill particular func-
tions within sentences but which have also a certain integrity
and rule-structure of their own.” 24
Beispiele für einfache Phrasen sind oben unter (1) – (3) genannt. In
einer Phrase sind Wörter zusammengefaßt, die untereinander ein
eigenes Zusammenspiel haben und als Gruppe in die nächsthöhere
Einheit – eine weitere Phrase oder einen Satz – eingefügt werden.
Durch die Phrasengliederung wird im Satz eine Hierarchie aufge-
stellt, in der Gruppen von Wörtern auf bestimmten Ebenen zu-
sammengefaßt werden.
Die nächstgrößere Einheit ist der Satz. 25 Hauptkennzeichen ei-
nes Satzes ist, daß darin etwas über ein Subjekt ausgesagt (= prädi-
ziert) wird. Hierin besteht der wesentliche Unterschied zu einer
Phrase: in dieser wird nichts prädiziert. Diese einfache Unterschei-
dung kann schon in den ersten Unterrichtsstunden von Nutzen
____________________

24 Ryding, Arabic, 119.


25 Der Begriff Satz ist mehrdeutig, daher unterscheidet man auch zwischen
Klause und zusammengesetztem Satz. Eine Klause ist eine Äußerung, die
mindestens ein Subjekt und ein Prädikat enthält. Hierunter fallen sowohl
einfache selbständige Sätze wie al-bait⸗u kabīr⸗u-n ‚Das Haus ist groß‘, als
auch Teilsätze wie lau kān⸗a l-bait⸗u kabīr⸗a-n ‚wenn das Haus groß wäre‘.
188 Methode der westlichen Grammatiker

sein, etwa wenn es um den Unterschied zwischen Konstruktionen


wie den beiden folgenden geht:
(5) al-bait⸗u l-kabīr⸗u
DEF-Haus⸗NOM DEF-groß⸗NOM
‚das große Haus‘
Es liegt eine Nominalphrase vor mit al-bait⸗u als Kopf und l-kabīr⸗u
als Komplement. Das Komplement tritt in Kongruenz zum Kopf
und erhält daher den Artikel al- und die Nominativendung ⸗u.
(6) al-bait⸗u kabīr⸗u-n
DEF-Haus⸗NOM groß⸗NOM-IDEF
‚Das Haus ist groß.‘
Hier liegt ein verbloser Satz ( = Nominalsatz) vor. Das Substantiv al-
bait⸗u ist das Subjekt und das Adjektiv kabīr⸗u-n das Prädikat. Es
wird über das Subjekt, das Haus, eine Eigenschaft prädiziert, näm-
lich daß es groß ist.

5.2.4.3 Kongruenz vs. Rektion


Wo es um die formale Anpassung der Wörter an den Satzkontext
geht, gehen Syntax und Morphologie ineinander über. Man nennt
diesen Bereich daher Morphosyntax. Welche Form ein Wort in
seinem Satzkontext hat, wird durch eines der beiden folgenden
Prinzipien bestimmt: entweder Kongruenz (Angleichung) oder
Rektion (Steuerung). Kongruenz bedeutet, daß sich ein Wort dem
Kopf der Phrase morphologisch angleicht, wie es beim Adjektiv-
Attribut der Fall ist:
(7) al-bait⸗u l-kabīr⸗u
DEF-Haus⸗NOM DEF-groß⸗NOM
[Kopf] [Komplement]
‚das große Haus‘
Rektion bedeutet, daß der Kopf einer Konstruktion einen bestimm-
ten Kasus in einem von ihm abhängigen Wort auslöst, wie etwa in
der Genitivverbindung oder bei einem transitiven Verb:
(8) bait⸗u l-malik⸗i
Haus⸗NOM DEF-König⸗GEN
[Kopf] [Komplement]
‚das Haus des Königs‘
5.2. Sprachwissenschaftliche Grundbegriffe 189

(9) ḍarab⸗a ʿAmr⸗u Zaid⸗a-n


schlagen.PF⸗3.M.SG ʿAmr⸗NOM Zaid⸗AKK-IDEF
[Kopf] [Komplement] [Komplement] 26
ʿAmr schlug den Zaid.‘
Es ist hilfreich, den Unterschied zwischen Phrase und Satz sowie
zwischen Kongruenz und Rektion schon im Anfängerunterricht
bewußt zu machen, da dadurch die formalen Zusammenhänge
innerhalb der Phrasen und Sätze viel einfacher benannt werden
können. 27

5.2.4.4 Verbalsatz vs. verbloser Satz (Nominalsatz)


In den meisten semitischen Sprachen werden zwei Arten von Sät-
zen unterschieden: Verbalsatz und verbloser Satz (= Nominalsatz),
je nachdem ob das, was über das Subjekt ausgesagt wird (also das
Prädikat) ein Verb ist oder nicht. Für Sätze ohne Verb ist die Be-
zeichnung verbloser Satz dem herkömmlichen Begriff Nominalsatz
vorzuziehen, da letzterer leicht mit der ǧumla ismīya der arabischen
Grammatiker verwechselt wird, welche, wie beschrieben, etwas
anderes bedeutet. Verbalsätze sind z. B.:
qām⸗a Zaid⸗u-n ‚Zaid stand auf.‘
ʾinna Zaid⸗a-n qām⸗a (dass.)
Verblose Sätze sind:
Zaid⸗u-n ṭawīl⸗u-n ‚Zaid ist groß.‘
fī l-bait⸗i nās⸗u-n ‚Im Haus sind Leute.‘
ʾanta hunā ‚Du bist hier.‘
Die Wortstellung spielt bei dieser Einteilung keine Rolle. Es ist also
nicht wie beim arabischen Konzept von der ǧumla ismīya entschei-
dend, welches Wort am Satzanfang steht, sondern ob ein Satz über-
haupt ein Verb enthält oder nicht. Jeder Satz mit Verb ist ein Ver-
balsatz. Die übliche Wortstellung in Verbalsätzen ist im Arabischen
V–S–O, doch kann auch das Subjekt an die erste Stelle treten. Eine
solche Vorziehung des Subjekts wird fronting oder Topikalisierung
____________________

26 Ein Verb kann mehrere Komplemente haben, je nachdem, welche Ergän-


zungen es benötigt (Subjekt, direktes Objekt, u. a.)
27 In keinem der bekannten Lehrbücher wird bisher eine entsprechende
Terminologie systematisch verwendet, wohl aber in einzelnen Studien wie
Brustad, The Syntax of Spoken Arabic, und Aoun / Benmamoun / Choueiri,
The Syntax of Arabic.
190 Methode der westlichen Grammatiker

genannt und kann stilistische oder funktionale Gründe haben. 28 Auf


die Klassifizierung des Satzes als Verbalsatz hat dies keinen Einfluß:
„Die Wortfolge ist gewöhnlich Prädikat–Subjekt qāla n-nabīyu
‚der Prophet sprach‘. Bei Betonung oder Gegenüberstellung tritt
das Subjekt vor das Verbum: ʾinna l-ʿāqila yattaʿiẓu bi-l-ʾadabi wa-
l-bahāʾimu lā tattaʿiẓu ʾillā bi-ḍ-ḍarbi ‚der Vernünftige folgt der
Erziehung, das Vieh dagegen nur dem Stock‘.“ 29
Im Gegensatz zu den arabischen Grammatikern, die größten Wert
darauf legen, die einzelnen Glieder strikt linear in das von ihnen
angenommene Satzschema einzuordnen, stellt für die westlichen
Grammatiker eine Änderung der Satzreihenfolge kein prinzipielles
Problem dar, so daß auch ein Satz mit der Reihenfolge S–V–O als
Verbalsatz gelten kann.
Einige westliche Forscher weichen von dieser Sichtweise ab und
machen die Stellung des Subjekts zum Ausgangspunkt für die Ana-
lyse des Satzes. So stellen El-Ayoubi / Fischer / Langer fest:
„Der Verbalsatz weist obligatorisch die Reihenfolge Verb–
Subjekt–(Objekt) auf. Alle Satztypen mit der Reihenfolge Sub-
jekt–Verb werden dem Nominalsatz zugerechnet.“ 30
Ein Satz mit der Struktur S–V–O wird bei ihnen als „verbaler Nomi-
nalsatz“ bezeichnet. 31

5.3 Tempussystem und Modussystem


Im folgenden Abschnitt werden zwei Bereiche des arabischen Ver-
balsystems dargestellt, die in der Forschung besonders kontrovers
diskutiert werden und an denen zugleich entscheidende Unter-
schiede zwischen den arabischen und den westlichen Grammati-
kern zutage treten: die Frage nach den Zeit- und Aspektverhältnis-
sen des Arabischen sowie die Erklärung des Modussystems beim
____________________

28 Siehe Dahlgren, Topicalization, und Marmorstein, Tense and Text, 41–60.


29 Denz, Struktur, 75.
30 El-Ayoubi / Fischer /Langer, Syntax, I/1, 18.
31 El-Ayoubi / Fischer /Langer, Syntax, II, 226. Auch Marmorstein, Tense and
Text, 56–58, und Hoyt, Art. Nominal Sentence, folgen den arabischen
Grammatikern in Unterscheidung von Nominal- und Verbalsatz. Im Ge-
gensatz zu El-Ayoubi / Fischer /Langer gehen sie näher auf das arabische
Konzept von mubtadaʾ und ḫabar sowie auf den Begriff der Topikalisie-
rung ein.
5.3 Tempussystem und Modussystem 191

Imperfekt. Nach einem kurzen Überblick über die Darstellung die-


ser beiden Punkte in den gängigen Grammatiken wird das Thema
aus sprachhistorischer Perspektive beleuchtet.

5.3.1 Das Tempus-/ Aspektsystem des Verbs


Das Verbalsystem des Arabischen wird formell vom Gegensatz zwi-
schen Perfekt (faʿal⸗) und Imperfekt (y⸗afʿal⸗) bestimmt. Hinzu
kommt der Imperativ. Das Arabische hat damit, besonders im Ver-
gleich zu den indoeuropäischen Sprachen, einen recht geringen
Formenvorrat: Sieht man vom Imperativ mit seinen sehr begrenz-
ten Verwendungsmöglichkeiten ab, stehen nur faʿal⸗ und y⸗afʿal⸗ zur
Verfügung. Dem stehen äußerst vielfältige Funktionen gegenüber,
die diese beiden Formen zu erfüllen haben. Ausschlaggebend für
die Anwendung ist dabei neben der charakteristischen Bedeutung
der Form auch der lexikalische Inhalt des Verbs und der jeweilige
syntaktische Zusammenhang.
Seit rund 200 Jahren suchen Arabisten und Semitisten nach ei-
ner möglichst universalen Beschreibung für dieses System. Man ist
traditionell bestrebt, für jede der beiden Formen eine „Gesamtbe-
deutung“ festzustellen, von der sich alle konkreten Anwendungen
ableiten lassen. Dies hat aber bisher zu keinem allgemein anerkann-
ten Modell geführt. Einer der Hauptstreitpunkte war und ist, ob die
beiden Formen im Prinzip einen Zeitgegensatz (Vergangen-
heit : Nichtvergangenheit) oder aber einen Aspektgegensatz (voll-
endet : unvollendet) ausdrücken. Im Gegensatz zu den arabischen
Grammatikern gehen westliche Forscher überwiegend davon aus,
daß ein Aspektsystem zugrunde liegt. Diese Ansicht ist durch den
Vergleich mit anderen semitischen Sprachen (v. a. Akkadisch und
Hebräisch) geprägt, die nachweislich ein solches Aspektsystem
haben. Hiervon ausgehend meint man, daß auch im Arabischen die
Formen faʿal⸗ und y⸗afʿal⸗ im Grunde keine Zeitstufe ausdrücken,
sondern anzeigen, ob eine Aussage auf das Resultat einer Handlung
zielt oder auf ihren Verlauf. So schreibt z. B. Socin:
„Das arabische Verbum hat zwei Haupttempora, ein Perfectum,
welches im Allgemeinen eine abgeschlossene Handlung, und ein
Imperfectum, welches im Allgemeinen eine nicht abgeschlossene
Handlung darstellt.“ 32

____________________

32 Socin, Arabische Grammatik, 31.


192 Methode der westlichen Grammatiker

Und genauer dann im Abschnitt über die Syntax:


„Das Perfectum (…) drückt eine abgeschlossene Handlung aus,
deren Vollendung in die Vergangenheit, Gegenwart oder Zu-
kunft fällt, oder als in eine dieser Zeiten fallend gedacht wird;
das Imperfectum eine unabgeschlossene Handlung, welche
ebenfalls in jede dieser drei Zeitsphären fallen kann.“ 33
Dies steht im krassen Gegensatz zu den arabischen Grammatikern,
die den Verbformen grundsätzlich feste Zeitstufen zuordnen und
Abweichungen hiervon als Ausnahme darstellen. 34 Socins Darstel-
lung ist aus sprachhistorischer Perspektive korrekt und kann in
vielen Fällen den Gebrauch der jeweiligen Formen erklären; sie
verdeckt aber die Tatsache, daß bereits im klassischen Arabisch
Perfekt- und Imperfektformen in den meisten Fällen im Sinne eines
Tempussystems gebraucht wurden. Hätte es im Sprachgefühl ein
Bewußtsein für die Aspektunterschiede gegeben, wäre es kaum zu
erklären, warum Sībawaih in seiner Beschreibung solche nicht er-
wähnt, sondern allein auf die Zeitstufen bezugnimmt.
Die Konstruktionen, die eher durch ein Aspektsystem zu erklä-
ren sind, sind zwar zahlreich, doch werden sie ungleich seltener
gebraucht als die „normalen“ zeitbezogenen Anwendungen. Histo-
risch liegt hier das semitische Aspektsystem zugrunde, doch ist es
im klassischen Arabisch schon weitgehend in ein Tempussystem
übergegangen, zumindest, wenn man nach der Gebrauchshäufig-
keit der einzelnen Formen geht. In diesem Sinne erklärt Fischer
zuerst das Prinzip der Aspektopposition und macht dann deutlich:
„Insofern Perf. und Impf. auf Zeitstufen bezogen werden, dient
das Perfekt zum Ausdruck der Vergangenheit; das Imperfekt zum
Ausdruck der Gegenwart; das Imperfekt in Verbindung mit
sawfa, sa- zum Ausdruck der Zukunft.“ 35
Im modernen Hocharabisch ist der Gebrauch von Konstruktionen,
die sich nur durch das Aspektmodell erklären lassen, noch weiter
____________________

33 Socin, Arabische Grammatik, 77. Ebenso Brockelmann, Arabische Gram-


matik, 118–119. Die Diskussion darüber, ob das Arabische ein Zeit- oder As-
pektsystem hat, ist zusammengefaßt bei Retsö, Classical Arabic, 802–803,
und Bahloul, Structure, 38–43. Aartun, Altarabische Tempora, 17–24, refe-
riert die ältere Forschung. Zur Begriffsdefinition siehe Comrie, Aspect.
34 Siehe die Definition von Sībawaih, Kitāb, I/1 (s. Kap. 2.1.4).
35 Fischer, Arabische Grammatik, 91.
5.3 Tempussystem und Modussystem 193

reduziert. Dennoch ist es auch für diese Sprachform eine zu grobe


Vereinfachung, wenn man erklärt:
„Das Imperfekt dient zum Ausdruck der Nichtvergangenheit,
d. h. der Gegenwart und Zukunft, das Perfekt zum Ausdruck der
Vergangenheit.“ 36
Es ist wohl für den praktischen Sprachunterricht angemessen, mit
dieser Faustregel zu arbeiten, und die davon abweichenden Fälle als
Ausnahmen zu lernen. Im akademischen Unterricht ist es aber auch
zumutbar – eventuell in einer späteren Lektion –, das arabische
Tempus-/ Aspektsystem in seiner wirklichen Komplexität darzustel-
len und damit einen Einstieg in die sprachwissenschaftliche Be-
schäftigung mit dem Arabischen zu bieten.
Ein entscheidender Gesichtspunkt, der vor allem im klassischen
Arabisch von Bedeutung ist, wird in keinem der zitierten Werke
ausreichend besprochen: Der Gebrauch der verschiedenen Formen
ist stark von der Textsorte, der syntaktischen Umgebung, dem Be-
deutungsgehalt der Verben und von der historischen Sprachstufe
abhängig. Es ist kein Wunder, daß in einem berichtenden Werk wie
Ibn Hišāms Prophetenbiographie 98 Prozent der Perfektformen
Vergangenheitsbedeutung haben, wenn man „den Gebrauch der
Formen in konstatierenden (erzählenden) Hauptsätzen“ unter-
sucht. 37 Typische Fälle, in denen das Perfekt auf die Nichtvergan-
genheit deutet, wie Wunschsätze, Bedingungssätze und performati-
ve Äußerungen werden hierdurch ausgeschlossen. Nur genaue Un-
tersuchungen an einem breitgefächerten Textkorpus, wie sie z. B.
Michal Marmorstein in Tense and Text vorgenommen hat, können
hier zu verläßlichen Aussagen führen. Da das System äußerst viel-
fältig ist, fragt sich, in wieweit Grundregeln, die für alle Perfektfor-
men bzw. alle Imperfektformen gleichermaßen gelten, überhaupt
zu formulieren sind. Eine Hilfe zur Strukturierung der verschiede-
nen Anwendungen kann der Vergleich mit anderen semitischen
Sprachen und die Rekonstruktion der Entwicklung des arabischen
Verbalsystems geben. Wir werden dies unten am Bespiel der Imper-
fektformen sehen.

____________________

36 Blohm / Fischer / Fromm, Lehrgang Arabisch, 53.


37 Aartun, Zur Frage altarabischer Tempora, 25.
194 Methode der westlichen Grammatiker

5.3.2 Die Modi des Imperfekts


Es werden beim Imperfekt des arabischen Verbs traditionell die
Modi Indikativ, Subjunktiv/Konjunktiv, Apokopat (bei Wright: Jus-
siv / Konditional) und Energicus unterschieden. Wright zählt auch
den Imperativ zu den Modi; Fischer behandelt ebenfalls das Verb
unter allen oben aufgeführten Gesichtspunkten, ohne sie aber Modi
zu nennen. An der üblichen Verwendung des Begriffes Modus
(„Maßstab, Art und Weise“) in diesem Zusammenhang wird deut-
lich, daß die verschiedenen Erscheinungsformen des Imperfekts
zuallererst unter semantischen Gesichtspunkten betrachtet werden,
nicht wie von den arabischen Grammatikern primär als Ergebnis
der Einwirkung bestimmter Wörter (ʿawāmil, sg. ʿāmil). Fischer
beginnt den Abschnitt über den Subjunktiv / Konjunktiv daher wie
folgt:
„Der Konj. bezeichnet den als Absicht, Folge u. dgl. ins Auge ge-
faßten, möglicherweise eintretenden Vorgang in untergeordne-
ّ
ten Sätzen: ‫( اﻏﻔﺮ �� ﻳﺎ رّ�ﻲ ﻓﺄدﺧﻞ ا�جﻨﺔ‬ʾi)ġfir lī yā rabbī fa-ʾadḫula
l-ǧannata ‚vergib mir, mein Herr, auf daß ich ins Paradies einge-
he!‘ “ 38
246F

Ähnlich auch Ryding in A Reference Grammar of Modern Standard


Arabic (also einer Grammatik des modernen Arabisch, nicht des
klassischen wie Fischer):
„In general, the subjunctive mood is determined by an attitude
toward the verbal action such as volition, intent, purpose, doubt,
attempting, expectation, permission, hope, ability of necessity.
In Arabic, the subjunctive is also syntactically determined by
the presence of particular ‘subjunctivizing’ particles.“ 39
Für den korrekten Gebrauch des modernen Arabisch ist es nicht
nötig, den Bedeutungsgehalt der verschiedenen Modi zu kennen, da
sie, wie Ryding durch den Fettdruck des letzten Satzes betont, im-
mer eindeutig durch Partikeln ausgelöst werden. 40 Daher wird in
den Lehrbüchern nicht mehr darauf eingegangen, wie etwa im
Lehrbuch des modernen Arabisch von Krahl/Reuschel/Schulz, wo es
heißt:
____________________

38 Fischer, Grammatik des klassischen Arabisch, 97.


39 Ryding, Reference Grammar, 609; Hervorhebung der Verfasserin.
40 Im klassischen Arabisch gibt es mehr Spielraum. Siehe Sadan, The Subjunc-
tive Mode.
5.3 Tempussystem und Modussystem 195

„Der Indikativ (...) dient generell zum Ausdruck einer Handlung


(eines Geschehens, eines Zustandes). Dasselbe gilt auch für den
Konjunktiv (...) und den Apokopat (...), die jedoch nie in freier
Stellung vorkommen, sondern nur nach bestimmten Konjunk-
tionen und Partikeln gebraucht werden.“ 41
Für die praktische Anwendung des modernen Hocharabisch reicht
dies aus. Man gewinnt hier jedoch den falschen Eindruck, die drei
Modi seien grundsätzlich bedeutungsgleich und nur durch ihre
Stellung verschieden. Später wird noch hinzugefügt:
„Verben, die eine Feststellung treffen, leiten den Objektsatz mit
‫ ﱠأن‬ein (es folgt das Subjekt in Gestalt eines Substantivs im Akku-
sativ oder eines suffigierten Personalpronomens, dann das Verb
in der Perfekt- oder Imperfektform).
Verben, die eine Hoffnung, Befürchtung, einen Wunsch, eine
Forderung o. ä. zum Ausdruck bringen, leiten den Objektsatz mit
‫( ْأن‬+ folgendem Konjunktiv) ein.“42250F

Das ist eine gute Faustregel. Es wirkt allerdings, als ob der Bedeu-
tungsunterschied an der Konjunktion hängt und die Verbform die-
ser einfach folgt. In Wirklichkeit ist es aber umgekehrt, denn ʾan
und ʾanna ist ursprünglich eine Konjunktion, die nur verschiedene
Formen entwickelt hat. Der Bedeutungsunterschied liegt in der
Verbform. Wie gesagt, hat dies auf die Richtigkeit des Sprachge-
brauchs keine Auswirkungen, es werden jedoch bestimmte inner-
sprachliche und sprachgeschichtliche Zusammenhänge verdeckt. In
dieser Hinsicht ist die Herangehensweise im Lehrbuch des moder-
nen Arabisch wie in fast allen anderen Arabischlehrbüchern der der
arabischen Grammatiker sehr ähnlich. Auch letztere legen den
Schwerpunkt auf die Auslöser der Endungen (ʿāmil), nicht auf ihren
Bedeutungsgehalt. Dies ist aber bei ihnen nicht als didaktische Ver-
einfachung gedacht, sondern der ʿamal ist die Grundlage des Sy-
stems.
Schließlich soll noch auf einen Punkt hingewiesen werden, der
offensichtlich noch von keinem Lehrbuchautor erkannt oder jeden-
falls nicht als wichtig erachtet wurde: der grundlegende Unter-
schied zwischen den beiden Erscheinungsformen der Imperfekt-
formen, nämlich Indikativ und Subjunktiv einerseits und Apokopat
____________________

41 Krahl/Reuschel/Schulz, Lehrbuch, 129.


42 Krahl/Reuschel/Schulz, Lehrbuch, 130–131.
196 Methode der westlichen Grammatiker

andererseits. Was oben in den verschiedenen Zitaten hinsichtlich


Zeit- oder Aspektbezug der Imperfektform gesagt wurde, bezieht
sich nämlich nur auf Indikativ und Subjunktiv. Diese beiden be-
zeichnen die Verbalhandlung in ihrem Verlauf, dienen zum Aus-
druck der Gegenwart und Zukunft und verweisen auf die Unabge-
schlossenheit der Handlung (imperfektiver Aspekt). Der Apokopat
hat dagegen einen perfektiven oder punktuellen Aspekt! Er verweist
zum einen auf eine abgeschlossene Handlung in der Vergangenheit
(lam y⸗aktub⸗ø ‚er schrieb nicht‘) und drückt zum anderen aus, daß
eine Handlung einsetzen soll (li-y⸗aktub⸗ø ‚er möge schreiben‘) bzw.
nicht einsetzen soll (lā t⸗aktub⸗ø ‚schreib nicht!‘). Daß diese wichti-
gen Funktionen des Apokopat in den genannten Werken der ange-
nommenen allgemeinen Bedeutung des Imperfekts untergeordnet
werden, hängt auch damit zusammen, daß man sich weitgehend an
die arabischen Grammatiker hielt, die alle Imperfektformen in eine
einzige Kategorie einordneten und die verschiedenen Modusen-
dungen als reine Formalität betrachteten.

5.3.3 Sprachhistorische Perspektive


Ein Blick auf die Entstehungsgeschichte des arabischen Verbalsy-
stems kann helfen, diese zunächst unlogisch erscheinende Gliede-
rung der Imperfektform zu verstehen. Hierbei werden Zusammen-
hänge klar, die bei rein innersprachlicher Analyse nicht zu erken-
nen sind.
In der westlichen Forschung hat die historisch-vergleichende
Sprachwissenschaft eine lange Tradition. Hierin liegt ein weiterer
grundlegender Unterschied zu den alten arabischen Grammatikern.
Die enge Einbindung ihrer Sprache in die semitische Sprachfamilie
war ihnen nicht bekannt, und sie hätte auch nicht zu ihrer Vorstel-
lung von der Einzigartigkeit und Göttlichkeit des Arabischen ge-
paßt. Da Grammatik in der arabischen Welt nach wie vor fast aus-
schließlich auf den traditionellen Werken aufbaut, spielt hier bis
heute, außer bei einigen semitistisch interessierten Forschern, die
historische Perspektive keine Rolle. Auch bei vielen Ansätzen der
modernen Linguistik, die meist nur an synchronen Erklärungen
interessiert sind, hat die historische Perspektive keinen Platz. Es gilt
nun einen Mittelweg zu finden, der sowohl neuere linguistische
Methodik als auch die historische Perspektive einschließt. 43
____________________

43 Zur Einführung siehe Huehnergard, Arabic in its Semitic Context, und


5.3 Tempussystem und Modussystem 197

Das Arabische gehört innerhalb der semitischen Sprachfamilie


zum Zweig der westsemitischen (oder nach Otto Rössler: jungsemi-
tischen) Sprachen. Innerhalb dieses Zweiges fällt es nach der heute
verbreitetsten Ansicht unter die zentralsemitischen Sprachen. Über
die genaue Gliederung des Zentralsemitischen herrscht noch keine
Einigkeit, doch kann folgendes Modell als Richtschnur dienen: 44

Protosemitisch

Westsemitisch Ostsemitisch
(= Jungsemitisch) (= Altsemitisch)

Akkadisch

Südsemitisch Zentralsemitisch

Äthiopisch Modernes Alt- Arabisch Nordwest-


Südarabisch südarabisch semitisch

Ugaritisch Kanaanäisch Aramäisch


(Hebräisch u. a.)

Dem Westsemitischen steht das Ostsemitische (oder Altsemitische)


gegenüber, dessen Hauptvertreter das Akkadische ist. Dieses ist hin-
sichtlich des Verbalsystems die altertümlichste semitische Sprache.
Es spiegelt hier weitgehend den protosemitischen Stand wider.

____________________

Voigt, Art. Semitic Languages.


44 Kursive Schrift bezeichnet die angenommenen gemeinsamen Vorstufen,
normale Schrift die tatsächlich bezeugten Sprachen. Bei den äthiopischen
Sprachen sind der Übersichtlichkeit halber die Einzelsprachen (Altäthio-
pisch, Tigrinya, Amharisch u. a.) nicht aufgeführt. Die Einordnung des Ara-
bischen in dieses Schema war lange eine Streitfrage. Es wurde früher eher
dem Südsemitischen zugeordnet. Auch die Einordnung des Ugaritischen
und Altsüdarabischen sind umstritten.
198 Methode der westlichen Grammatiker

Eines der Hauptmerkmale, durch die sich das Westsemitische


vom Ostsemitischen abhebt, ist das Verbalsystem mit seiner Zwei-
teilung in Perfekt- und Imperfektformen, auf dessen Entwicklung
im Folgenden kurz eingegangen werden soll. Wie bereits deutlich
wurde, ist es für das Arabische schwierig, die Funktionen der beiden
Formen mit je einem allgemeingültigen Begriff zu benennen. Um
eine Festlegung auf die Funktion zu umgehen, gebraucht man da-
her auch die Bezeichnungen Suffixkonjugation (SK) für das Perfekt
und Präfixkonjugation (PK) für das Imperfekt. Sie beziehen sich auf
die äußere Form, sagen aber nichts über deren Gebrauch aus.
Das Verbalsystem ist hinsichtlich der Formen und Funktionen in
allen zentralsemitischen Sprachen sehr ähnlich, daher bietet es sich
an, zur Erklärung des Arabischen auch den Befund der anderen
Sprachen hinzuzuziehen. Sehr aufschlußreich ist der Vergleich mit
dem Ugaritischen (belegt ca. 14.–12. Jh. v. Chr.) und dem Althebräi-
schen (belegt ca. 10.–6. Jh. v. Chr.). 45

5.3.3.1 Das Perfekt (Suffixkonjugation, SK)


Einige grammatische Phänomene spielen für die praktische An-
wendung des Arabischen, zumal des modernen Hocharabisch, eine
untergeordnete Rolle, weil sie so selten vorkommen. Für den
Sprachhistoriker sind es aber oft gerade die vermeintlichen Rander-
scheinungen und Ausnahmen, die Hinweise auf frühere Entwick-
lungsstufen geben. In einzelnen Formen und Konstruktionen kön-
nen Erscheinungen bewahrt sein, die in früheren Sprachstufen
wichtige Funktionen hatten. Hierzu gehören im Arabischen die
Zustandsverben (stativische Verben), wie etwa kabur⸗a ‚groß sein‘
und ʾamin⸗a ‚sicher sein‘. Sie drücken Eigenschaften und Zustände
aus und sind zunächst nicht auf eine bestimmte Zeitstufe festgelegt.
Zustandsverben unterscheiden sich von Tätigkeitsverben (fien-
tischen Verben) in ihrer inneren Vokalisierung, im sog. Themavokal.
Zustandsverben haben die Vokalisierung a–u oder a–i, Tätigkeits-
verben meist a–a, manchmal auch a–i. Dies gilt nicht nur für das
Arabische, sondern auch für das Hebräische und Ugaritische, wie
die Tabelle zeigt:
____________________

45 Siehe die historischen Darstellungen des Verbsystems bei Meyer, Hebräi-


sche Grammatik, II/94–104 und III/39–57, sowie Tropper, Ugaritische
Grammatik, 431–471 und 682–736. Die im folgenden gebrauchte Einteilung
der arabischen Verbformen orientiert sich an Troppers Analyse des ugari-
tischen Verbalsystems.
5.3 Tempussystem und Modussystem 199

arabisch hebräisch ugaritisch


Tätigkeitsverben (fientische Verben)
CaCaC⸗ CåCaC⸗ CaCaC⸗
katab⸗a kåtaḇ⸗ø ktb /katab⸗a/
‚er schrieb‘ ‚er schrieb‘ ‚er schrieb‘
CaCiC⸗ CaCiC⸗
šarib⸗a l�͗k /laʾik⸗a/
‚er trank‘ ‚er schickte‘
Zustandsverben (stativische Verben)
CaCuC⸗ CåCoC⸗ CaCuC⸗
kabur⸗a qåṭon⸗ø rḥq /raḥuq⸗a/
‚er war/ist groß‘ ‚er war/ist klein‘ ‚er war/ist fern‘
CaCiC⸗ CåCẹC⸗ CaCiC⸗
salim⸗a šålẹm⸗ø šn�͗ /šaniʾ⸗a/
‚er war/ist heil‘ ‚er war/ist heil‘ ‚er haßte‘

Weitere Zustandsverben im Arabischen:


CaCuC⸗ (Imperfekt: y⸗aCCuC⸗)
baʾusa ‚stark, tapfer sein/ werden ‘
ṯaqula ‚schwer sein / werden‘
qaruba ‚nahe sein; sich nähern‘
CaCiC⸗ (Imperfekt: y⸗aCCiC⸗)
baʾisa ‚in Not sein / geraten‘
ʿalima ‚wissend sein; erfahren‘
ʿawiza ‚bedürftig sein / werden‘
Die Suffixkonjugation der westsemitischen Zustandsverben hat
eine Entsprechung im Akkadischen: den Stativ (oder Prädikativ-
Konstruktion). Dieser ist keine Verbalform, sondern eine Kombina-
tion aus einem Adjektiv (oder Verbaladjektiv) + enklitischem Per-
sonalpronomen. 46 Es werden hierdurch – wie bei den arabischen
Zustandsverben – zeitlich nicht näher festgelegte Zustände ausge-
drückt. Folgendes ist die Kombination aus dem Adjektiv marṣ⸗um
‚krank‘ und den entsprechende Endungen. Die Übersetzung lautet
je nach Kontext ‚er ist krank / war krank / wird krank sein‘. Gegen-

____________________

46 Siehe Huehnergard, A Grammar of Akkadian, 219–222.


200 Methode der westlichen Grammatiker

übergestellt ist das arabische Verb ḥasuna, das je nach Kontext


übersetzt wird als ‚er ist gut (= tugendhaft)/ war gut/wurde gut‘:
akkadisch arabisch
(Stativ) (Suffixkonjugation)
Sg. 1.m./f. marṣ⸗āku ḥasun⸗tu
2.m. marṣ⸗āta ḥasun⸗ta
2.f. marṣ⸗āti ḥasun⸗ti
3.m. maruṣ⸗ø ḥasun⸗a
3.f. marṣ⸗at ḥasun⸗at
Pl. 1.m./f. marṣ⸗ānu ḥasun⸗nā
2.m. marṣ⸗ātunu ḥasun⸗tum
2.f. marṣ⸗ātina ḥasun⸗tunna
3.m. marṣ⸗ū ḥasun⸗ū
3.f. marṣ⸗ā ḥasun⸗na
Man erkennt hier deutlich die Parallele zwischen den beiden For-
men. Den Stativ, wie er uns im Akkadischen überliefert ist, dürfte es
schon im Protosemitischen gegeben haben. Er wurde sowohl im
Ostsemitischen als auch im Westsemitischen weitergeführt. West-
semitisch hat sich daraus die Suffixkonjugation entwickelt, wie sie
auch im Arabischen auftritt.
Bei folgenden stereotypen Verwendungen läßt sich gut die be-
deutungsmäßige Parallele zwischen arabischen Zustandsverben
und akkadischem Stativ erkennen. Es wird eine Eigenschaft ohne
grundsätzliche zeitliche Eingrenzung ausgedrückt:
(1) allāh⸗u ʿazz⸗a wa-ǧall⸗a
Gott⸗NOM mächtig_sein.PF⸗3.MS und-groß_sein.PF⸗3.MS
‚Gott – er ist mächtig und groß –‘
(2) allāh⸗u taʿālā 47
Gott⸗NOM erhaben_sein.PF⸗3.MS
‚Gott – er ist erhaben –‘
Während im modernen Hocharabisch die Zustandsverben nur noch
in feststehenden Ausdrücken gebraucht werden, waren sie im Alt-
hocharabischen frei verwendbar, wie im folgenden Beispiel:

____________________

47 Das Verb taʿālā steht im VI. Stamm (Wurzel ʿLW). Man könnte es als se-
kundäres Zustandsverb bezeichnen.
5.3 Tempussystem und Modussystem 201

(3) man ṯaqul⸗at mawāzīn⸗u-hu


wer schwer_sein.PF⸗3F.SG Waagschalen⸗NOM-3.M.SG
‚derjenige, dessen Waagschalen (mit guten Taten) schwer
wiegen‘ (Q 101,6)
Auch im Althebräischen ist ein solcher Gebrauch verbreitet:
(4) mah gådǝl⸗ū maʿăśę-ḵå
wie groß_sein.PF⸗3.M.PL Taten-2.M.SG
‚Wie groß sind deine Taten!‘ (Psalm 92,6)
Da sich die Perfektformen der Zustandsverben sowohl in ihrer Form
(durch die Vokalfolge a-u oder a-i) als auch in ihrer Funktion von
den Tätigkeitsverben unterscheiden, sollte man ihnen auch in der
arabischen Grammatik eine eigene Kategorie zuweisen. Es eignet
sich die Bezeichnung, die Tropper in der Ugaritischen Grammatik
für das gleiche Phänomen gebraucht: SKS (Suffixkonjugation, stati-
visch). Dem stehen die Perfektformen der Tätigkeitsverben gegen-
über, die wir als SKF (Suffixkonjugation, fientisch) bezeichnen kön-
nen.
Während die formelle und semantische Parallele zwischen ak-
kadischem Stativ und arabischer Suffixkonjugation bei den Zu-
standsverben offensichtlich ist, fragt sich, wie die Suffixkonjugation
der Tätigkeitsverben entstanden sein kann. Die gängige Ansicht ist,
daß die Tätigkeitsverben dem Vorbild der Zustandsverben gefolgt
sind: auch bei diesen wurde mit der Suffixkonjugation eine Art Zu-
stand ausgedrückt, nämlich der Zustand des „etwas getan Habens“,
daher sagt man, die Suffixkonjugation drücke den perfektiven Aspekt
der Verben aus. 48
Mit der Suffixkonjugation der Tätigkeitsverben wurde also ur-
sprünglich das Abgeschlossensein von Handlungen ausgedrückt.
Der Fokus lag nicht auf dem Verlauf, sondern auf dem Resultat der
Handlung. Im klassischen Hocharabisch ist dieser Aspekt weitge-
hend zurückgetreten, so daß die Suffixkonjugation der Tätigkeits-
verben (SKF) nun jede Art von Vorgängen in der Vergangenheit
bezeichnen kann und faktisch größtenteils als Vergangenheitstem-
pus fungiert. Dieser Gebrauch überwiegt mengenmäßig bei weitem.
____________________

48 Voigt hat in dem Aufsatz „Die beiden Suffixkonjugationen des Arabi-


schen“ diese Herleitung angezweifelt und auch die Suffixkonjugation der
Tätigkeitsverben auf eine protosemitische Form zurückgeführt, die aber
im Akkadischen nicht bewahrt ist. Ein Indiz hierfür ist das Vorkommen ei-
ner ähnlichen Konstruktion im Ägyptischen.
202 Methode der westlichen Grammatiker

In einigen Anwendungen ist aber die alte Funktion bewahrt, die


in erster Linie auf einen Zustand oder ein Resultat abzielt, nicht auf
der Angabe einer Zeitstufe. Es ist hierbei zu beachten, daß es oft
nicht die Verbform allein ist, die diesen Aspekt bedingt, sondern
daß bestimmte Verben in ihrem Bedeutungsgehalt per se „perfektiv“
angelegt sein können. Außer zur Bezeichnung von Vorgängen in der
Vergangenheit wird die Suffixkonjugation in folgenden Funktionen
gebraucht: 49
Zum Ausdruck des Resultats eines Vorgangs:
(1) mā waqaʿ⸗a fī hāḏā l-kitāb⸗i
was liegen/fallen.PF⸗3.M.SG in dies DEF-Buch⸗GEN
‚was in diesem Buch steht‘
(es wurde im Buch niedergelegt > Resultat: es steht im Buch)
Die nächsten drei Beispiele fallen in die Kategorie der Verben des
Fühlens, Denkens, Glaubens und Wissens, die semantisch den Zu-
standsverben nahestehen und daher oft im Perfekt gebraucht wer-
den. Auch formal unterscheiden sich einige von ihnen durch die
Vokalreihenfolge a-i von den übrigen Tätigkeitsverben: ʿalima ‚wis-
sen‘, fahima ‚verstehen‘, samiʿa ‚hören‘. In Klammern ist angegeben,
wie ihr perfektiver Aspekt aus einer angenommenen fientischen
Bedeutung erklärt werden kann. Ebensogut ist aber auch die umge-
kehrte Erklärung möglich, nämlich, daß es sich ursprünglich um
stativische Verben handelt, deren fientische Bedeutung sekundär
ist:
(2) ʾinna lla⸗ḏīna kafar⸗ū
INNA REL⸗M.PL Gott_leugnen⸗M.PL
‚Diejenigen, die ungläubig sind ...‘ (Q 2,6)
(sie haben Gott geleugnet > Resultat: sie sind ungläubig)
(3) ʿalim⸗tu ʾanna
wissen.PF⸗1.SG daß
‚ich weiß, daß‘ / ‚ich wußte, daß‘
(ich habe erfahren > Resultat: ich weiß)

____________________

49 Siehe Reckendorf, Arabische Syntax, 10–12, und Aartun, Altarabische Tem-


pora, 41–61. Fast alle aufgezählten Anwendungen kommen auch in ande-
ren westsemitischen Sprachen vor, siehe Tropper, Altäthiopisch, 182–185;
ders., Ugaritisch, 74–76.
5.3 Tempussystem und Modussystem 203

(4) iḫtalaf⸗at(i) l-ʿulamāʾ⸗u


uneins_sein.PF⸗3.F.SG DEF-Gelehrte⸗NOM
‚Die Gelehrten sind uneins.‘
(sie haben sich gestritten > Resultat: sie sind uneins)
Bei allgemeingültigen Feststellungen und Regeln:
(5) ʾanǧaz⸗a ḥurr⸗u-n mā waʿad⸗a
erfüllen.PF⸗3.M.SG frei⸗NOM-IDEF was versprechen.PF⸗3.M.SG
‚Ein freier Mann erfüllt, was er verspricht / versprochen hat.‘
(Ein freier Mann hat erfüllt, ... > Das war immer so und bleibt
auch so.)
Wenn das Gesagte durch das Sprechen eintritt (Koinzidenzfall, per-
formative Äußerung):
(6) ḥalif⸗tu
schwören.PF⸗1.SG
‚hiermit schwöre ich‘
In Briefen („Briefperfekt“). Allerdings könnte hier auch eine echte
Vergangenheitsform beabsichtigt sein, mit Hilfe derer sich der
Schreiber in den Empfänger hineinversetzt, denn wenn der Brief
gelesen wird, liegt ja das Geschriebene in der Vergangenheit: 50
(7) ʾinn⸗ī katab⸗tu ʾilai⸗ka hāḏā l-kitāb⸗a
INNA⸗1.SG schreiben.PF⸗1.SG zu⸗2.M.SG DEM.M.SG DEF-Brief⸗AKK
‚ich schreibe dir diesen Brief‘
Bei Bedingungen: 51
(8) ʾin šāʾ⸗a llāh⸗u
wenn wollen.PF⸗3.M.SG Gott⸗NOM
‚Wenn Gott will.‘
(9) ʾin manaʿ⸗ū-nā qātal⸗nā-hum
wenn hindern.PF⸗3.M.PL-1.PL bekämpfen.PF⸗1.PL-3.M.PL
‚Wenn sie uns hindern, bekämpfen wir sie.‘

____________________

50 Siehe den Aufsatz von Diem, katabtu ilayka „Ich schreibe Dir“.
51 In dieser Funktion wird gleichbedeutend der Apokopat benutzt.
204 Methode der westlichen Grammatiker

Bei Wünschen: 52
(10) raḥim⸗a-hu llāh⸗u
erbarmen.PF⸗3.M.SG-ihn Gott⸗NOM
‚Gott erbarme sich seiner.‘
(11) ǧaz⸗ā-ka llāh⸗u ḫair⸗a-n
vergelten.PF⸗3.M.SG-dir (m.) Gott⸗NOM Gutes⸗AKK-IDEF
‚Gott vergelte (es) dir mit Gutem.‘
Man sieht, daß es eine Reihe von Möglichkeiten gibt, die Suffixkon-
jugation für verschiedene Arten der Nichtvergangenheit zu gebrau-
chen, und daß sie keineswegs ein reines Vergangenheitstempus ist.
Allerdings spielen diese mengenmäßig eine so geringe Rolle, daß für
das Sprachgefühl der Grammatiker die Vergangenheitsbedeutung
dominierend war. So bezeichnet Sībawaih die Suffixkonjugation als
al-māḍī ‚Vergangenheit‘ und stellt die oben genannten Anwendun-
gen als Sonderfälle dar. Im klassischen Arabisch sind die Fälle, in
denen diese Form nicht als Vergangenheitstempus gebraucht wird,
noch um einiges häufiger als im modernen Hocharabisch, wo sie auf
Formeln, Redensarten und Bedingungssätze beschränkt sind.

5.3.3.1 Das Imperfekt (Präfixkonjugation, PK)


Die soeben erklärte Suffixkonjugation ist allen westsemitischen
Sprachen gemeinsam. Die nun folgende Präfixkonjugation mit dem
an sie geknüpften Zeit-Modus-Aspektsystem ist dagegen ein typi-
sches Kennzeichen der zentralsemitischen Sprachen, sie findet sich
also auch im Hebräischen, Ugaritischen und Aramäischen, nicht
aber im Äthiopischen. 53 Sie geht auf eine protosemitische Verbform
zurück, die sich im Akkadischen erhalten hat: das Präteritum. Die-
ses bezeichnet eine punktuelle Aktion, die zu einem bestimmten
Zeitpunkt stattfindet oder stattgefunden hat. Es wird auch als Punk-
tual oder (in Anlehnung an das Indogermanische) als Aorist be-
zeichnet. Die Formen des Präteritums im Akkadischen lauten:
____________________

52 Auch hierfür kann der Apokopat benutzt werden, normalerweise mit


vorausgehendem li- (li-yaktub⸗ø), in der Dichtung auch ohne dieses; siehe
Wright, Grammar, II/35–36.
53 Zu den einzelnen Merkmalen dieses Systems siehe Huehnergard, Arabic,
9–11. Die Ausführungen in diesem Abschnitt folgen Voigt, Die Entwicklung
des Aspektsystems; ders., Die infirmen Verbaltypen; ders., Die drei Aspekte
des Semitohamitischen.
5.3 Tempussystem und Modussystem 205

Sg. 1.m./f. a⸗škun ‚ich legte‘


2.m. ta⸗škun ‚du (m.) legtest‘
2.f. ta⸗škun⸗i ‚du (f.) legtest‘
3.m./f. i⸗škun ‚er/sie legte‘
Pl. 1.m./f. ni⸗škun ‚wir legten‘
2.m./f. ta⸗škun⸗ā ‚ihr legtet‘
3.m. i⸗škun⸗ū ‚sie (m.) legten‘
3.f. i⸗škun⸗ā ‚sie (f.) legten‘
Es lassen sich zwei Ausprägungen dieser Form unterscheiden: der
Narrativ und der Jussiv. Diese sehen äußerlich gleich aus, unter-
scheiden sich aber wohl in der Betonung. Der akkadische Narrativ
fungiert als Erzähltempus, der Jussiv in Verbindung mit der Partikel
l- oder der Verneinung ayy- / ē- als Befehlsform:
(akkad.) Narrativ: í⸗škun ‚er/sie legte‘
Jussiv: l-i⸗škún ‚er / sie soll legen‘ (Prekativ)
ē-ta⸗škún ‚leg nicht!‘ (Vetitiv)
Wie man sieht, hat das akkadische Präteritum keine Modusendun-
gen. Es entspricht in der Form also dem arabischen Apokopat. Auch
in der Bedeutung stehen sich akkadisches Präteritum und arabi-
scher Apokopat nahe. Der Apokopat kann sowohl für Geschehnisse
in der Vergangenheit als auch als Befehlsform stehen:
(arab.) Narrativ: lam y⸗áktub⸗ø ‚er schrieb nicht‘
Jussiv: li-y⸗áktub⸗ø ‚er soll schreiben‘
lā t⸗áktub⸗ø ‚schreib nicht!‘
Damit ist eine Erklärung gewonnen sowohl für die verneinte Ver-
gangenheit des Arabischen (lam + Apokopat) als auch für die Be-
fehlsform. Die Unterschiede in der Betonung sind hier weggefallen,
da sich die Betonung der arabischen Wörter streng nach der Sil-
benstruktur richtet, und die ist ja bei beiden Formen gleich. Ganz
ähnlich werden diese Formen übrigens auch im biblischen Hebrä-
isch gebraucht. Sie werden hier meist als „Imperfekt-Kurzformen“
bezeichnet:
(hebr.) Narrativ: way-y⸗íḇęn [‫‚ ] ַויִּבֶן‬und er baute‘ 54 26F

____________________

54 Der Narrativ ist im Hebräischen das typische Erzähltempus. Es besteht aus


wa + Imperfekt Kurzform (PKK). Daß es sich um die Kurzform handelt, wird
bei den schwachen Verben deutlich: way-y⸗íḇęn (BNY ‚bauen‘, Langform:
y⸗iḇnę́h), way-y⸗ǻqåm (QWM ‚aufstehen‘, Langform: y⸗åqū́ m). Siehe Meyer,
206 Methode der westlichen Grammatiker

Jussiv: y⸗ǝh�̄ ́ [‫‚ ]יְהִי‬es werde‘ 55


263F

ʾal t⸗aʿáś [ֹ ‫‚ ]אַל תַּ ַעש‬tu nicht!‘


Sowohl im Arabischen als auch im Hebräischen sind die PK-Formen
mit punktueller Vergangenheitsbedeutung, in denen die älteste
Verwendungsweise dieser Formen bewahrt ist, nicht mehr frei ver-
wendbar, sondern an eine bestimmte Konstruktion gebunden: im
Arabischen an die Verneinung mit lam und im Hebräischen an die
Narrativkonstruktion mit wa-. Die Partikeln verhinderten durch die
Sprachgeschichte hindurch eine Verwechslung mit anderen Bedeu-
tungen der Präfixkonjugation und sicherten das Fortbestehen die-
ser Verwendungsweise. Im Ugaritischen können solche Formen
noch frei auftreten, jedoch nur in der Poesie:
(ugarit.) Narrativ: tšu͗ /tiššaʾū/ �͗lm ra͗ šthm 56
‚die Götter erhoben ihre Häupter‘
Die Entwicklung der endungslosen Formen der Präfixkonjugation
(Präfixkonjugation-Kurzform, PKK) und damit des arabischen Apo-
kopat wäre also erklärt. Nun fragt sich noch, wie hieraus die sog.
Langformen (Präfixkonjugation-Langform, PKL) entstanden sein
können, die sich im Arabischen mit der -u für den Indikativ und -a
für den Subjunktiv zeigen. Als Ausgangspunkt für den Indikativ
kommt der akkadische Relativ-Modus in Frage (auch Subjunktiv
genannt). Alle Verben, die in untergeordneten Sätzen stehen, erhal-
ten im Akkadischen das Suffix -u, wie in dem folgenden Beispiel:
ša a⸗škun-u
REL 1.SG⸗legen.PRÄT-SUBJ
‚welches ich legte’
Möglicherweise hat sich ausgehend hiervon im Zentralsemitischen
die Indikativ-Form des Imperfekts entwickelt (y⸗aktub⸗u). 57
____________________

Hebräische Grammatik, II/94–105.


55 Weitere Beispiele: ‫ יַכ ְֵרת‬y⸗aḵrẹṯ́ ‚er rotte aus‘ (Psalm 12,4), ‫ י ָשֹׁב‬y⸗åšóḇ ‚er
kehre um‘ (Richter 7,3).
56 tšu͗ /tiššaʾū/ ist eine Kurzform (PKK). Die Langform (PKL) wäre tšu͗ n
/tiššaʾūna/. Beleg zitiert nach Tropper, Ugaritische Grammatik, 697.
57 Es bedarf der besonderen Begründung, warum die Subjunktivform Aus-
gangspunkt der Langformen des Imperfekts sein soll. Ein entscheidender
Unterschied zwischen beiden ist ja, daß die Formen auf -u im Akkadischen
die abhängigen Verben kennzeichnen, während sie im Zentralsemitischen
gerade die unabhängigen Formen bezeichnen. Ein mögliche Erklärung gibt
Voigt, Entwicklung, 49–50.
5.3 Tempussystem und Modussystem 207

Wie es zur Subjunktiv-Form des arabischen Imperfekts (-a) ge-


kommen ist, ist schwer zu bestimmen. Einige nehmen als Aus-
gangspunkt den akkadischen Ventiv an, der durch das Suffix -am/
-m/ -nim gekennzeichnet ist und eine enge Verbindung zwischen
dem ausgesagten Sachverhalt und dem Sprecher zum Ausdruck
bringt. Im Hebräischen und Ugaritischen ist eine a-Endung belegt,
mit der die Selbstaufforderung (Kohortativ) markiert wird, wie etwa
in ugaritisch �͗qra͗ /ʾiqraʾ⸗a/ ‚ich will rufen‘. Sie könnte ebenfalls mit
dem akkadischen Ventiv zusammenhängen. Die Annahme einer
Verbindung von ugaritisch-hebräischem Kohortativ und arabi-
schem Subjunktiv wird dadurch bestärkt, daß beide eine volitivi-
sche Ausrichtung haben. Beim Kohortativ ist das ohne weiteres
ersichtlich, und auch der arabische Subjunktiv wird überwiegend in
Sätzen verwendet, die eine Absicht, einen Wunsch o. ä. ausdrük-
ken. 58
Wir können also mit Blick auf das Arabische zusammenfassen:
Die Funktionen des protosemitischen Präteritums (vgl. akkad.
i⸗aškun) sind teilweise im arabischen Apokopat (y⸗askun⸗ø) erhal-
ten geblieben. Dies erklärt den Gebrauch dieser Form als Befehls-
form und für die verneinte Vergangenheit. Man bezeichnet die
Apokopat-Form auch als Präfixkonjugation-Kurzform (PKK).
Daneben hat das Arabische eine Präfixkonjugation-Langform
(PKL): y⸗afʿal⸗u und y⸗afʿal⸗a. Diese wird für die Nichtvergangenheit
und für den Aspekt des Verlaufs verwendet. Man sollte PKK und
PKL deutlich voneinander trennen und damit ihre grundlegende
Verschiedenheit deutlich machen. Die bisher in den Grammatiken
übliche Zusammenfassung der Formen unter dem Oberbegriff Im-
perfekt bringt nicht genug Klarheit. Es gilt für das Arabische das
Gleiche, was Tropper für das Ugaritische feststellt: „ ‚Präfixkonjuga-
tion‘ (PK) ist der Oberbegriff über mehrere verschiedene morpholo-
gische Subvarianten zum Ausdruck unterschiedlicher verbaler
Sachverhalte.“ 59 Die Funktionen der verschiedenen Varianten der
arabischen Präfixkonjugation lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Die PKK (= Apokopat) hat perfektive Bedeutung, d. h. sie verweist
auf die Vollendung einer Handlung, entweder in der Vergangenheit
oder in der Zukunft. Sie dient:

____________________

58 Siehe die Diskussion bei Tropper, Ugaritische Grammatik, 457.


59 Tropper, Ugaritisch, 47.
208 Methode der westlichen Grammatiker

1. im indikativischen Modus (Aussagemodus, PKKI) zur Bezeich-


nung von verneinten Vorgängen in der Vergangenheit (lam
y⸗aktub⸗ø ‚er schrieb nicht‘). In dieser Funktion hat sie die glei-
che Bedeutung wie die Suffixkonjugation, mit dem Unterschied,
daß sie nur in verneinten Sätzen gebraucht werden kann.
2. im volitiven Modus (Wunschmodus, PKKV) zum Bezeichnung
eines gewünschten Geschehens (li-y⸗aktub⸗ø ‚er soll schreiben‘;
lā t⸗aktub⸗ø ‚schreib nicht‘). Der Aspekt kann hier als perfektiv-
punktuell bezeichnet werden, denn die Betonung liegt darauf,
daß eine Handlung begonnen bzw. überhaupt ausgeführt wird.
Die PKKV hat die gleiche Funktion wie der Imperativ und er-
gänzt diejenigen Aufforderungsformen, die im Imperativ nicht
gebildet werden können, also die 1. und 3. Person sowie die Ver-
neinung. Sie kann durch Anhängen der Endung -anna oder -an
verstärkt werden. In diesem Fall spricht man vom Energicus-
Modus (PKKEN).
3. im konditionalen Modus (Bedingungsmodus) zur Bezeichnung
eines möglichen Geschehens (Realis), meist mit der Konjunk-
tion ʾin ‚wenn‘. Sowohl im Vor- als auch im Nachsatz kann PKK
stehen: ʾin našāʾ⸗ø nunazzil⸗ø ʿalaihim min(a) s-samāʾ⸗i ʾāyat⸗an
‚Wenn wir wollen, senden wir ihnen vom Himmel ein Zeichen/
einen Vers herab‘ (Q 26,4). 60
In der gleichen Funktion wird auch die Suffixkonjugation ge-
braucht: ʾin kāna miṯqāla ḥabbatin min ḫardalin ʾatainā bihā
‚Wenn es das Gewicht eines Senfkorns wäre, wir würden es brin-
gen‘ (Q 21,47). Dies ist ein weiteres Indiz für die inhaltliche Nähe
von PKK und Suffixkonjugation.
Die PKL (= Indikativ und Subjunktiv, PKLI und PKLS) hat dagegen
imperfektive Bedeutung, d.h. sie zielt auf den Verlauf einer Hand-
lung, und zwar in Gegenwart oder Zukunft (in der einfachen Form
yaktub⸗u bzw. sa-yaktub⸗u) oder in der Vergangenheit (in der zu-
sammengesetzten Form kān⸗a yaktub⸗u ‚er pflegte zu schreiben / er
schrieb ständig‘). Sie tritt in zwei Formen auf:
1. im indikativischen Modus (Aussagemodus, PKLI) mit der En-
dung ⸗u (bzw. -na bei suffigierten Formen). Nur diese Form kann
selbständig stehen, und nur diese Form ist es eigentlich, die als
Gegenpart der Suffixkonjugation in Frage kommt, wenn der
____________________

60 Siehe auch Giolfo, Le strutture condizionali dell’arabo classico.


5.3 Tempussystem und Modussystem 209

Kontrast Perfekt : Imperfekt, punktuell : andauernd, Vergangen-


heit : Nichtvergangenheit, oder wie man ihn bezeichnen möchte,
zum Ausdruck gebracht werden soll. Denn nur zwischen diesen
beiden Formen, PKL-Indikativ und Suffixkonjugation, besteht
freie Wahl; nur diese beiden sind syntaktisch austauschbar,
während alle übrigen Formen an bestimmte Konstruktionen ge-
bunden und nicht frei wählbar sind. 61
2. im subjunktivischen Modus (Abhängigkeitsmodus, PKLS). Diese
Form drückt aus, daß die bezeichnete Handlung von dem im
übergeordneten Satz genannten Sachverhalt zeitlich oder se-
mantisch abhängig ist. Im untergeordneten Satz wird oft etwas
Gewünschtes, eine Absicht oder eine zeitliche oder logische Fol-
ge genannt. Je nach übergeordnetem Verb kann man wohl auch
hier teilweise von einem volitiven Modus (Wunschmodus) spre-
chen. Die PKL-Subjunktiv-Form steht fast nur in abhängigen
Sätzen, die von bestimmten Partikeln eingeleitet werden, wie
ʾan ‚daß‘, kai ‚damit‘, li- ‚damit‘, ḥattā ‚bis daß‘.
Der einzige Fall, wo der Subjunktiv im unabhängigen Satz vor-
kommt, ist die Zukunftsform lan y⸗afʿal⸗a ‚er wird (gewiß) nicht
tun‘. Es dürfte sich dabei um einen verkürzten Wunschsatz han-
deln: *lā ʾan y⸗afʿal⸗a ‚Nicht (gewünscht ist), daß er tut‘.
In Anbetracht des grundlegenden Unterschiedes zwischen PKK und
PKL muß die in den meisten Grammatiken angeführte Definition
des „Imperfekts“ präzisiert werden. Als Beispiel sei Fischer zitiert:
„Das Imperfekt bezeichnet den nicht abgeschlossenen Vorgang
(imperfektiver Aspekt)“ 62. Dies trifft nur auf die PKL zu. Die PKK
mit ihrem perfektiven Aspekt muß gesondert geführt werden. Diese
Erkenntnis ist nicht neu, doch hat sie bisher noch keinen Nieder-
schlag in den Lehrbüchern und Grammatiken gefunden.
In der Tabelle auf der folgenden Doppelseite sind die bespro-
chenen arabischen Zeitformen und ihre Entsprechungen im He-
bräischen und Ugaritischen sowie die Parallelen zum Akkadischen
noch einmal zusammengestellt.

____________________

61 Siehe Larcher, Le système verbal, 153.


62 Fischer, Grammatik, 91.
210 Methode der westlichen Grammatiker

Die Zeitformen des Arabischen und ihre semitischen Entsprechungen:


Bezeichnung Funktion Arabische Form
lam yaqum⸗ø
‚er stand nicht auf‘
(verneinte Vergangenheit)
perfektiv
indikativischer Modus ʾin yaqum⸗ø
(PKKI) ‚wenn er aufsteht‘
(Konditional)

Kurzform li-yaqum⸗ø
PKK ‚er soll aufstehen‘
perfektiv/punktuell (Jussiv)
(= Apokopat) volitivischer Modus
lā taqum⸗ø
(PKKV)
Präfixkonjugation

‚steh nicht auf‘


(Prohibitiv)
la-ʾaḍrib⸗anna (oder: ⸗an)
perfektiv/punktuell ‚ich werde gewiß schlagen‘
energischer Modus (nachdrückliches Futur)
(PKKEN) lā taḍrib⸗anna
‚schlag nicht‘ (Prohibitiv)
yaqūm⸗u
‚er steht (auf)‘
imperfektiv (Nichtvergangenheit)
Langform indikativischer Modus
kān⸗a yaqūm⸗u
PKL (PKLI)
‚er pflegte zu stehen‘
(= Indikativ / (Vergangenheit)
Subjunktiv) imperfektiv ʾan yaqūm⸗a
subjunktivischer Modus ‚daß er (auf)steht‘
(PKLS) (Nichtvergangenheit)

perfektiv kabur⸗a ‚er war/ist groß‘


Suffixkonjugation

stativisch salim⸗a ‚er war/ist heil‘


(Zustandsverben, SKS)
perfektiv katab⸗a ‚er schrieb‘
fientisch samiʿ⸗a ‚er hörte‘
(Tätigkeitsverben, SKF)
5.3 Tempussystem und Modussystem 211

Entspricht hebräisch Entspricht ugaritisch Vergl. akkadisch


way-yǻqåm [‫] ַויּ ָקָ ם‬ yqm /yaqum⸗ø/ íprus
‚und er stand auf‘ ‚er stand auf‘ ‚er sandte‘
(Narrativ, immer mit wa-) (Narrativ, nur poet.) (Präteritum)
tǻšęṯ ḥošęḵ [� ֶ‫]תָּ שֶׁ ת ח ֹש‬ hm ymt /him yamūt⸗u/ —
‚wenn du Finsternis ‘wenn er stirbt’
machst‘ (PKK) (wohl nur PKL)
ʾim taʿăśęh [‫]אִ ם תַּ עֲשֶֹה‬
‚wenn du tust‘ (PKL)
yåqóm [‫]י ָק ֹם‬ yqm /yaqum⸗ø / l-iprús
‚er soll aufstehen‘ ‚er soll aufstehen‘ ‘er soll schneiden’
(Prekativ)
ʾal tåqóm [‫]אַל תָּ ק ֹם‬ a͗ l tqrb /ʾal tiqrab⸗ū/ ē-ta⸗prús
‚steh nicht auf‘ ‚nähert euch nicht‘ ‚schneide nicht‘
(Vetitiv)
yiqṭǝl-ę́n -ni [‫]י ִקְ ְט ֶלנִּי‬ �͗qra͗ -n /ʾiqraʾ⸗anna/
‚er wird mich gewiß töten‘ ‚ich will rufen‘ evtl. illik-am
‚er kam hier an‘
— — (Ventiv)

yåqûm [‫]י ָקוּם‬ tqru͗ /tiqraʾ⸗u/ evtl. ša iprus-u


‚er steht (auf)‘ ‚sie ruft‘ ‚welcher sendet‘
(Imperfekt) (Nichtvergangenheit) (Subjunktiv)
tilbášnå [ָ ‫]תִּ ְל ָבּשְׂ ן‬ ysgr /yasgur⸗u/ —
‚sie (f. pl.) pflegten ‚er schloß‘
sich zu kleiden‘
— — evtl. illik-am
vgl. ʾåqûm-åh [‫]אָקוּמָה‬ vgl. �͗qra͗ /ʾiqraʾ⸗a/ ‚er kam hier an‘
‚ich will aufstehen‘ ‚ich will rufen‘ (Ventiv)
(Kohortativ) (Kohortativ)
qåṭon [‫]קָ ט ֹן‬ rḥq /raḥuq⸗a/ maraṣ-ku
‚er war/ist klein‘ ‚er war/ist fern‘ ‚ich war /bin krank‘
śånẹʾ ‚er haßt(e)‘ [‫]שָׂ נֵא‬ šn�͗ /šaniʾ⸗a/ ‚er haßt(e)‘ (Stativ)
kåtaḇ ‚er schrieb‘ [‫]כָּתַ ב‬ ktb /katab⸗a/ ‚er schrieb‘ —
l�͗k /laʾik⸗a/ ‚er schickte‘
212 Methode der westlichen Grammatiker

5.4 Forschungsüberblick
Die Orientalisten waren lange Zeit hindurch ganz von den Werken
der arabischen Grammatiker abhängig. Sie mischten die aus der
lateinisch-griechischen Schulgrammatik bekannte Terminologie
mit der Herangehensweise der arabischen Tradition, wohl ohne die
grundsätzliche Verschiedenheit beider Systeme voll erfaßt zu ha-
ben. Mittlerweile stehen die europäischen Forscher bei der Be-
schreibung der Morphologie des Arabischen weitgehend auf eige-
nen Beinen. Dennoch ist man in einem Punkt weiterhin von der
arabischen Tradition abhängig, ohne sich im Allgemeinen dessen
bewußt zu sein: Wenn auch, außer in Einzelfällen, nicht mehr die
grammatische Terminologie übernommen wird, so doch in gewisser
Weise die Sicht auf die Sprache. Denn auch in den meisten westli-
chen Grammatiken wird diese so statisch dargestellt, daß damit das
Bild der überzeitlichen ʿArabiyya zementiert wird, wie es die arabi-
schen Grammatiker vertreten. Unter Punkt 6.2 werden einige Bei-
spiele aufgeführt, die zeigen, daß hier stattdessen eine historische
Differenzierung angebracht ist. Allerdings ist einzuräumen, daß die
diachronen Unterschiede größtenteils im Bereich von Wortschatz
und Syntax liegen. Die Verbkonjugation des Hocharabischen, die
uns hier in erster Linie beschäftigt, hat sich durch die arabische
Sprachgeschichte hindurch nicht geändert. Sie stimmt zu allen
Zeiten mit dem überein, was schon Sībawaih beschrieben hat.
Im folgenden werden einige Grammatiken und Lehrbücher des
klassischen und modernen Hocharabisch vorgestellt und ihr Ver-
hältnis zur arabischen Grammatiktradition untersucht. Der Über-
blick beginnt im 19. Jahrhundert. 63

5.4.1 Grammatiken
Viele Orientalisten, die sich an die Beschreibung des Hocharabi-
schen machten, stützten sich auf die Werke der arabischen Gram-
matiker. Den nachhaltigsten Einfluß auf sie hatte das Kitāb al-
mufaṣṣal fī n-naḥw ‚das feingegliederte Buch über die Grammatik‘
von az-Zamaḫšarī (gest. 538/1144), denn es war in der arabischen
Welt eines der verbreitetsten Lehrwerke und dadurch für die euro-
päischen Gelehrten leicht zugänglich. Auf dieser Grundlage schrieb
____________________

63 Die Zeit davor behandeln Bobzin, Geschichte der arabischen Philologie in


Europa bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts (in GaP, Bd. 3) und Fück, Die
arabischen Studien in Europa bis zum Anfang des 20. Jh.
5.4 Forschungsüberblick 213

Carl Paul Caspari 1844 seine Grammatica Arabica, welche wiederum


William Wright als Vorlage für das 1859 erstmals erschienene und
bis heute viel gebrauchte Werk A Grammar of the Arabic Language
diente. Wright benutzte sowohl die bis dahin erschienenen von
europäischen Gelehrten verfaßten arabischen Grammatiken als
auch klassische und zeitgenössische einheimische arabische Werke,
die er im Vorwort der 2. und 3. Auflage auflistet, den Grundstock
bildet aber Zamaḫšarīs Mufaṣṣal. Damit ist schon der große
Schwachpunkt des Werkes benannt: Es reproduziert weitgehend
die Ansichten der arabischen Grammatiker, ohne das tatsächliche
arabische Schrifttum in seiner ganzen Breite einzubeziehen. Alle
Beispielsätze sind von den Grammatikern übernommen. 64
In seiner Darstellung war Wright bestrebt, den Stoff an die euro-
päische Methodik anzupassen, die zu seiner Zeit von der lateinisch-
griechischen Schulgrammatik geprägt war, und auch Verbindungen
zu anderen semitischen Sprachen, meist Hebräisch und Aramäisch,
aufzuzeigen. Er übernimmt von den arabischen Grammatikern die
Einteilung der Wortarten in Verb, Nomen und Partikel sowie das
Verständnis vom Personalpronomen, allerdings unter Weglassung
des ḍamīr mustatir. Andererseits folgt er in der Beschreibung der
Verbalmodi (Indikativ, Subjunktiv, Apokopat) eher der Schulgram-
matik. Die Suffixe des Perfekts werden entsprechend der arabischen
Tradition als Personalpronomen betrachtet, gleichzeitig werden
aber auch die Präfixe des Imperfekts als Personalpronomen darge-
stellt – gegen die arabische Tradition. 65 Es ließe sich eine lange Rei-
he weiterer Beispiele für die Vermischung der arabischen mit der
lateinischen Methode anfügen. Insgesamt dominiert die aus der
lateinischen Grammatik übernommene Systematik, während viele
Fachtermini aus der arabischen Grammatiktradition entlehnt wer-
den, nämlich oft dann, wenn ein Phänomen keine Entsprechung in
den traditionellen Grammatiken der europäischen Sprachen hat.
Für das klassische Arabisch bis heute in Ausführlichkeit und Ma-
terialreichtum unübertroffen sind die Syntaktischen Verhältnisse des
Arabischen (1895–98) und die Arabische Syntax (1921) von Hermann
Reckendorf. Im Gegensatz zu Wright baut Reckendorf seine Darstel-
lung auf genau dokumentierten Belegen aus der Literatur auf. Dabei
ist er sich bewußt, daß sein Werk nur einen Anfang darstellt und in
____________________

64 Die komplexe Geschichte von Wrights Grammar und dessen Beziehung zu


den Werken früherer Gelehrter erklärt Larcher, L’étrange destin d’un livre.
65 Wright, A Grammar of the Arabic Language, I/55.
214 Methode der westlichen Grammatiker

einem nächsten Schritt eine Differenzierung nach Epochen und


Textsorten dringend nötig ist: „Vorläufig liefern wir nur Durch-
schnittsbilder“. 66 Ähnlich wie Wright gebraucht Reckendorf viele
Begriffe der arabischen Grammatiker, ohne ihre grundsätzliche
Systematik zu erörtern. So schreibt er in Übereinstimmung mit der
bis heute bei den westlichen Grammatikern üblichen Definition:
„Enthält ein Satz ein Verbum finitum, so heißt er Verbalsatz (…),
andernfalls Nominalsatz“, 67 was aber sodann mit den Begriffen ǧum-
la fiʿlīya und ǧumla ismīya gleichgesetzt wird. Wir sahen oben (Kap.
2.1.2), daß diese Definition nicht der Sichtweise der arabischen
Grammatiker entspricht. Trotz solcher Schwächen sind Recken-
dorfs Arbeiten bis heute die wichtigsten Darstellungen der Gram-
matik des klassischen Arabisch. Viele Phänomene, die in späteren
Werken nur verkürzt beschrieben werden, hat Reckendorf bereits
ausführlich dargestellt. 68
Ebenfalls eine wertvolle Quelle sind die Kleineren Schriften
(1885–88) von Heinrich Leberecht Fleischer, deren erster Band de-
tailliert die Grammaire arabe von Sylvestre de Sacy (1. Aufl. 1810)
ergänzt und korrigiert. Fleischer hat sowohl die Meinungen der
arabischen Grammatiker berücksichtigt als auch Belege aus der
Literatur zusammengetragen.
Eine wichtige Tradition hat Albert Socin mit seiner Arabischen
Grammatik begründet (1. Auflage 1885), die sich deutlich von Wright
abhebt. Sie ist viel kompakter geschrieben: 135 Seiten gegenüber
rund 700 bei Wright. Dies liegt daran, daß sich Socin auf das We-
sentliche beschränkt, viele unregelmäßige Formen nicht bespricht
und vor allem viel weniger Beispiele anführt. Er erklärt in der Vor-
rede sein ausdrückliches Ziel, eine Lerngrammatik zu schreiben, die
den Studenten nicht durch Stoffülle und Komplexität überfordere.
Aus diesem Grund wurde auch auf die arabische Grammatiktermi-
nologie verzichtet, da, wie Socin meint, „für den Anfänger die
Kenntnis derselben unnöthig ist“. 69 Das heißt jedoch nicht, daß
Socin von der arabischen Tradition unabhängig ist. Vielmehr ver-
weist er im Vorwort auf die Grammatik von Caspari, die, wie oben
erläutert, unmittelbar von Zamaḫšarī abhängt. 1905 gab zum ersten
____________________

66 Reckendorf, Arabische Syntax, S. III.


67 Reckendorf, Arabische Syntax, 1.
68 Z. B. die verschiedenen Funktionen der Genitivkonstruktion; siehe Rek-
kendorf, Syntaktische Verhältnisse, 125–158.
69 Socin, Arabische Grammatik, S. VI.
5.4 Forschungsüberblick 215

Mal Carl Brockelmann eine Neubearbeitung von Socins Grammatik


heraus. Brockelmanns Arabische Grammatik erlebte vierzehn Auf-
lagen und wurde für Jahrzehnte, bis weit über die Mitte des 20 Jh.
hinaus, das Standardwerk für den Arabischunterricht in Deutsch-
land.
Abgelöst wurde es von der 1970 erschienenen Grammatik des
klassischen Arabisch von Wolfdietrich Fischer (Neuauflage 2006,
englische Übersetzung 2002, spanische Übersetzung 2014). Sie steht
in ihrer Konzeption als Lerngrammatik in der Tradition von Socin
und Brockelmann, trennt sich aber bewußt von allen terminologi-
schen Einflüssen der arabischen Grammatiker. Aus diesem Grund
werden ausschließlich Termini aus der lateinisch-griechischen Tra-
dition gebraucht, denn „die Verwendung arabischer Termini würde
(…) zu schwer wieder gutzumachenden Mißverständnissen füh-
ren.“ 70 Dem ist zuzustimmen, denkt man nur etwa an die grundle-
genden Unterschiede in der Definition von Verbal- und Nominal-
satz und das daraus sich ergebende ganz andere Verständnis vom
Subjekt. Allerdings stützt sich Fischer hinsichtlich des Belegmateri-
als wiederum zum größten Teil auf seine Vorgänger, nicht auf ein
größeres Textkorpus (siehe Fischers Vorwort S. VI). Im Bereich der
Syntax fällt Fischer weit hinter Reckendorfs Arbeiten zurück.
Kurz erwähnt seien noch einige Werke aus anderen Ländern, die
dort trotz ihres teilweise hohen Alters noch immer im Gebrauch
sind, worauf die jüngsten Neuauflagen hindeuten. In der Methodik
ähneln sie den Grammatiken von Brockelmann und Fischer.
Die Grammaire de l’arabe classique von Maurice Gaudefroy-
Demombynes und Régis Blanchère (1937, 3. Aufl. 1952, Nachdr.
2004) hat den großen Vorteil, daß die Beispiele zur Syntax mit Quel-
lenangaben versehen sind. Diese umfassen Koran und Ḥadīṯ am
einen und die Muqaddima von Ibn Ḫaldūn (1332–1406) am anderen
Ende der Zeitskala. Die grammatischen Phänomene werden zwar
nicht zeitlich differenziert dargestellt, doch kann sich der Leser
einen eigenen Eindruck vom tatsächlichen Sprachgebrauch ver-
schaffen. Die Abhandlung der Syntax ist mit 200 Seiten umfangrei-
cher als etwa bei Fischer mit 60 Seiten. Die Ansichten und Fachbe-
griffe der arabischen Grammatiker werden in bestimmten Fällen
erklärt, aber mit kritischem Abstand betrachtet.
Die Gramática Árabe von Federico Corriente (1980, 2. Aufl. 1988,
Nachdr. 2006) ist als einführendes Lehrwerk konzipiert und daher
____________________

70 Siehe Fischer, Grammatik des klassischen Arabisch, S. VII.


216 Methode der westlichen Grammatiker

in der Argumentation knapp gehalten. Als Beispiele dienen durch-


weg einfache, oftmals wohl konstruierte Sätze, jedenfalls ohne
Quellenangaben. Auch die Grammatica teorico-pratica della lingua
araba von Laura Veccia Vaglieri (2 Bde., 1937–1961, Neuauflage 2011)
ist ein Lehrbuch mit didaktischer Progression. Es behandelt klassi-
sches und modernes Arabisch vermischt. Außer bei den Koranzita-
ten ist nicht angegeben, ob die Beispiele selbst konstruiert oder
Originaltexten entnommen sind.
Noch gibt es keine umfassende Grammatik, die das klassische
Arabisch in seiner ganzen Breite und anhand von Textbelegen ver-
schiedener Genres und Epochen beschreibt. Gerade die Wright’sche
Grammatik, die gerne herangezogen wird, um Phänomenen auf den
Grund zu gehen, die in den anderen Werken nicht hinreichend
besprochen werden, basiert überwiegend auf den arabischen
Grammatikern. Ein Lichtblick sind aber einige neuere Abhandlun-
gen zu einzelnen Bereichen der Grammatik, in denen Belege aus
dem klassischen arabischen Schrifttum die Untersuchungsgrundla-
ge bilden. 71 Für den Einstieg sehr zu empfehlen ist das Adminicu-
lum 72 zur Grammatik des klassischen Arabisch (1989) von Manfred
Ullmann, in dem einige grammatische Erscheinungen in ihrem
ganzen Bedeutungsspektrum erläutert und dann anhand sehr vieler
authentischer (und dadurch meist schwieriger) Beispielsätze illu-
striert werden, so der Elativ, die Formeln des Staunens, Sätze mit
ʾillā u.a. Ohne es ausdrücklich zu erwähnen, ergänzt und berichtigt
der Verfasser damit die Darstellung von Fischer in der Grammatik
des klassischen Arabisch.

5.4.2 Lehrbücher
Die Lehrbücher sind es, durch die der Blick der Studierenden auf
die arabische Grammatik maßgeblich bestimmt wird. Angesichts
der Fülle auf diesem Gebiet kann nur eine kleine Auswahl berück-
sichtigt werden, nämlich Arabic Through the Qurʾan von Alan Jones
(2005), das Lehrbuch des modernen Hocharabisch von Krahl/ Reu-
schel / Schulz (1997), die Neubearbeitung dieses Werkes mit dem
Titel Modernes Hocharabisch. Mit Einführung in Hauptdialekte (2011)
und das englischsprachige al-Kitāb al-Mufīd von Woidich / Heinen-
Nasr (2011).
____________________

71 Siehe z. B. Kinberg, Studies in the Linguistic Structure of Classical Arabic;


Waltisberg, Satzkomplex und Funktion.
72 D. h. ‚Handbüchlein‘, von lateinisch ad manūs ‚zu Händen‘.
5.4 Forschungsüberblick 217

Das Lehrbuch von Jones ist nicht nur wegen seines ausgezeich-
neten didaktischen Aufbaus hervorzuheben, sondern auch weil es
eines des wenigen Lehrbücher des klassischen Arabisch ist (viel-
leicht das einzige?), die sich auf ein konkretes Textkorpus beziehen.
So bekommt man einen reinen Eindruck von der Sprache des Ko-
rans, und lernt, diese als etwas Eigenes zu betrachten. Wie wichtig
das ist, sieht man besonders in den letzten Kapiteln des Buches, wo
es um Konditionalgefüge geht, von denen einige charakteristisch für
die Sprache des Korans sind.
Bei den beiden Werken aus der Leipziger Tradition ist zu be-
rücksichtigen, daß es hier um das moderne Hocharabisch geht,
nicht um das klassische Arabisch. Terminologisch hält sich die alte
Fassung, also das Lehrbuch des modernen Hocharabisch ganz an
Brockelmann. Es werden durchgehend lateinische Begriffe ge-
braucht, in Klammern um die (vermeintlich) entsprechenden ara-
bischen ergänzt. Dies entspricht der Darstellung in Brockelmanns
Arabischer Grammatik. Einen Hinweis auf die Verschiedenheit der
beiden grammatischen Systeme gibt es nicht. Damit wird tatsäch-
lich ein „Mißverständnis“ erzeugt, „das schwer wieder gutzumachen
ist“, wie es oben Fischer formulierte. Es wird nämlich der Eindruck
erweckt, die Beschreibung der Sprache auf arabisch funktioniere
genauso wie auf deutsch, nur eben mit arabischen Worten. Man
muß aber den Autoren zugute halten, daß es hier darum ging, den
Lernenden eine Hilfestellung zur Übersetzung der Termini zu ge-
ben, um für den Besuch eines Sprachkurses in einem arabischen
Land gerüstet zu sein. Bis zu einem bestimmten Grad erfüllen die
Angaben diesen Zweck. Den allermeisten Lernenden werden aber
die wesentlichen Unterschiede zwischen den beiden Systemen
verborgen geblieben sein.
Schwerer wiegen die terminologischen Vermischungen in der
neuen Fassung des Werkes (2011). Was den methodischen Gesamt-
entwurf der Neubearbeitung betrifft, sind zunächst viele Pluspunkte
zu nennen, etwa die vielfältigen Übungen und die gelungene Inte-
gration der Dialekte in den Lehrplan. Auf terminologischer Ebene
werden wir allerdings z. T. bis zu Wright (1859) zurückgeworfen,
anstatt uns einer modernen, mit der aktuellen sprachwissenschaft-
lichen Literatur kompatiblen Grammatikterminologie zu nähern.
Einige der arabischen Begriffe, die in der alten Fassung nur in
Klammern erwähnt wurden, werden nun durchgehend anstelle der
lateinischen gebraucht, und zwar in arabischer Schrift, z. B. im Falle
218 Methode der westlichen Grammatiker

der Genitivverbindung (ʾiḍāfa) mit ihren beiden Elementen muḍāf


und muḍāf ʾilaihi (S. 115–117). In klassischer Terminologie heißen
diese Elemente Nomen regens und Nomen rectum; eine an der neue-
ren Linguistik orientierte Bezeichnung wäre Kopf und Komplement
(konkret: Genitivattribut).
Abgesehen von der Tatsache, daß die arabischen Begriffe den
Lernenden das Lesen der Erklärungen viel schwerer machen als
nötig, wird durch den Spagat zwischen den beiden Systemen die
arabische Terminologie unvollständig und mißverständlich darge-
stellt, weil nicht auf den grundsätzlichen Unterschied zwischen
beiden Systemen eingegangen wird. Zwei Beispiele: taṣrīf al-fiʿl wird
mit Verbkonjugation gleichgesetzt (S. 92). Das ist insofern zulässig,
als auch die zeitgenössischen arabischen Grammatiker diesen Be-
griff verwenden, um die Anpassung des Verbs an die jeweilige Per-
son zu bezeichnen. 73 Allerdings entsteht dadurch der Eindruck, daß
hiermit eine Lehre von der Morphologie gemeint ist, die der euro-
päischen entspricht. Eine solche kennen aber die arabischen
Grammatiker nicht (siehe Kapitel 2.1). Zur Syntax des Verbs heißt es
zwar richtig, das Verb (fiʿl) werde stets von einem Nomen (ism)
gefolgt (S. 94), doch als Beispiele für das Nomen werden hier nur
Substantive genannt, wie etwa šarib⸗a r-raǧul⸗u ‚der Mann trank‘,
nicht aber die verbundenen Personalpronomen, die für die arabi-
schen Grammatiker ebenfalls als Nomen gelten. Mit anderen Wor-
ten: Hier wird im Grunde die konventionelle lateinische Methode
gebraucht, jedoch mit arabischen Begriffen durchmischt.
Das einzige Lehrbuch, das (wenn auch nicht in allen Bereichen)
eine neuere sprachwissenschaftliche Terminologie verwendet und
mißverständliche arabische Begriffe vermeidet, ist al-Kitāb al-Mufīd
von Manfred Woidich und Rabha Heinen-Nasr. Hier wird mit Be-
griffen wie phrase und clause gearbeitet; die Genitivverbindung
wird mit head und complement erklärt, der Nominalsatz heißt tref-
fend equational sentence bzw. prepositional sentence und der
maṣdar oder Infinitiv wird richtig verbal noun genannt. Dieser Weg
sollte fortgesetzt und der akademische Arabischunterricht auf eine
grammatische Methodik gegründet werden, die die Erkenntnisse
der neueren Sprachwissenschaft nutzbar macht und – im Interesse
der Klarheit – arabische Begriffe nur benutzt, wenn sie aussagekräf-
tig und unverzichtbar sind.

____________________

73 Siehe z. B. Ḍaif, Taǧdīd, 67–79; ad-Daḥdāḥ, Muʿǧam, 123–134.


6.
Schlußbetrachtung

Bei der Würdigung der arabischen Grammatiktradition sind zwei


Bereiche strikt zu trennen: 1. Die von den arabischen Gelehrten
entwickelte Grammatikmethode als solche und ihre Bedeutung für
die arabisch-islamische Kultur; 2. Der Wert der Grammatiktradition
für die philologische Erschließung des klassischen Arabisch.
Die arabische Hochsprache (fuṣḥā) ist ein elementarer Teil der
arabischen Kultur. Sie gilt den Muslimen als das Medium, in dem
sich Gott den Menschen offenbart. Das System, das die Gelehrten
zur Beschreibung dieser Sprache entworfen haben, ist einerseits
von einer sehr praktischen Ausrichtung, andererseits von einem
hohen Abstraktionsgrad geprägt. Von den Anfängen bis heute ist es
eines der Hauptziele der Grammatiker, mit Hilfe von möglichst
sicheren Regeln die arabischen Muttersprachler zum korrekten
Gebrauch des Hocharabischen zu führen. Das Augenmerk richtet
sich dabei besonders auf die Kasus- / Modusendungen (arabisch:
ʾiʿrāb), die als das herausragende Merkmal der Hochsprache gelten.
Grammatikunterricht an arabischen Lehreinrichtungen ist daher in
erster Linie ʾiʿrāb-Unterricht.
Das Leitbild der arabischen Grammatiker ist die Überzeugung
von der vollkommenen Regelmäßigkeit und Rationalität des
sprachlichen Systems. Eine Reihe von universellen Regeln und
Grundsätzen (ʾuṣūl al-luġa) bilden das Rückgrat ihrer Argumentati-
on. Von diesen ausgehend werden alle sprachlichen Erscheinungen
erklärt und begründet. Das hierzu entwickelte System ist eine der
herausragenden Leistungen der arabischen Geistesgeschichte. Es ist
in der Zielsetzung, alle sprachlichen Erscheinungen auf möglichst
universelle Grundregeln zurückzuführen, durchaus mit Ansätzen
der modernen Sprachwissenschaft vergleichbar, geht aber in seiner
komplexen Verzahnung mit anderen Disziplinen der muslimischen
Gelehrsamkeit weit über diese hinaus.
Mit einigen modernen linguistischen Ansätzen teilen die arabi-
schen Grammatiker auch die Vorliebe für das Regelmäßige und die
219
220 Schlußbetrachtung

Marginalisierung der in den tatsächlichen Texten zutage tretenden


Vielfalt. Bereiche, die von Unregelmäßigkeiten gekennzeichnet sind
(wie z. B. die Formen des gebrochenen Plurals) oder die sich nicht
Faustformeln fassen lassen (wie etwa die Bedeutungsnuancen ver-
schiedener syntaktischer Strukturen), werden oft stillschweigend
übergangen.
Nachdem in Sībawaihs Kitāb das Regelwerk ausformuliert wor-
den war, war das Hauptanliegen der Grammatiker, das nun als un-
umstößlich geltende System zu festigen und rational zu untermau-
ern. Die Grammatik ist somit eine Traditionswissenschaft. Ihre
Regeln sind im Kitāb ein für alle Mal verbindlich festgelegt, und
eine Auslegung der Sprache gegen diese Tradition ist ausgeschlos-
sen.

6.1 Brauchen wir die arabischen Grammatiker?


Es bleibt die Frage, welche Rolle die arabische Grammatiktradition
spielen kann, wenn es darum geht, ein tieferes Verständnis der
Sprache zu gewinnen, sei es zur philologischen Erschließung von
klassischen Texten, sei es zum praktischen Gebrauch des modernen
Hocharabisch. Ist es vielleicht überhaupt nur auf dem Wege der
traditionellen Grammatik möglich, Arabisch wirklich zu verstehen
und zu beherrschen? Vermitteln uns also die arabischen Gramma-
tiker eine Wahrheit, die wir nur durch sie erkennen können, und
ohne die es unmöglich ist, zum Wesen der Sprache vorzudringen?
Muß man, um Arabisch zu können, die traditionelle Grammatikme-
thode beherrschen? —
Wir müssen bei der Beantwortung dieser Fragen zwischen
Sprachtheorie und Sprachpraxis unterscheiden. Die arabischen
Grammatiker waren Theoretiker. Ihre Arbeitsweise ist eher mit der
modernen Linguistik vergleichbar als mit der Philologie: es ging
ihnen darum, die Mechanismen, nach denen eine genau abgegrenz-
te Sprachvariante (nämlich die fuṣḥā) funktioniert, in möglichst
allgemeingültige Formeln zu bringen. Zur Erklärung nahmen sie,
ähnlich wie die modernen Linguisten, synchrone Tiefenstrukturen
an, die sie mit einem auf den Begriffen ʾaṣl ‚Ursprung‘ und farʿ ‚Ab-
leitung‘ basierenden System beschrieben. Die verschiedenen Arten
der ʿilla („Begründung“, siehe Punkt 3.3.2.4) innerhalb dieses Sy-
stems machen deutlich, wie je nach Bedarf der Abstraktionsgrad
stufenweise angehoben werden kann. Betrachtet man die arabische
6.1 Brauchen wir die arabischen Grammatiker? 221

Grammatiktradition als linguistische Theorie, kann man in ihr Er-


klärungen finden, die überzeugender sind, als in anderen Modellen.
Als Beispiele seien genannt die Interpretation der Langvokale als
Konsonant+(Kurz-)Vokal 1 und die Erklärung der Numeruskongru-
enz in den Sätzen qāla r-riǧālu vs. ar-riǧālu qālū (beides: ‚die Män-
ner sagten‘).
Fragt man aber, ob es für die praktische Sprachbeherrschung
und die philologische Erschließung der Sprache notwendig ist, den
arabischen Grammatikern zu folgen, muß dies verneint werden. Es
besteht kein Zweifel, daß die arabischen Grammatiker ein einzigar-
tiges System geschaffen haben, das in Originalität, theoretischer
Elaboration und didaktischem Nutzen anderen grammatischen
Ansätzen nicht nachsteht, doch handelt es sich eben nur um eine
Theorie, ein mögliches Erklärungsmodell. Es ist nicht, wie die arabi-
schen Grammatiker glaubten, das der Sprache innewohnende Sy-
stem, deren herausgearbeitete Prinzipien (ʾuṣūl) gleichsam ihren
göttlichen Bauplan widerspiegeln, sondern eine von verschiedenen
möglichen Methoden der Sprachbeschreibung, wenn auch eine sehr
gut durchdachte. Eine Form wie ḏahab⸗tu verstehen wir als ‚ich
ging‘, gleichgültig, ob wir sie wie die arabischen Grammatiker als
einen Nominalsatz bestehend aus Verb + Pronomen interpretieren
oder gemäß der europäischen Methode als deklinierte Verbform.
Die arabische Grammatiktradition ist zum Verständnis der arabi-
schen Sprache nicht der einzige Weg.
Es gibt aus unserer Sicht verschiedene Modelle der Sprachbe-
schreibung, von denen besonders die neueren danach streben, auf
möglichst viele Sprachen anwendbar zu sein. Die grammatische
Terminologie des Arabischen sollte nun daraufhin überprüft wer-
den, ob sie nicht in universellere Begriffe überführt werden kann,
um die Verbindung zur allgemeinen Linguistik einerseits und zur
vergleichenden Semitistik andererseits zu stärken.
Lutz Edzard ist der Ansicht, daß in bestimmten Fällen nur die
arabische Terminologie in der Lage ist, den Sachverhalt treffend
wiederzugehen und nennt als Beispiele u. a. die Begriffe ḥāl-Satz
und maṣdar mīmī. Er weist in diesem Zusammenhang auf Michael
G. Carter hin, zu dessen Hauptverdiensten es gehöre, „to de-
monstrate the unbroken relevance of native Arabic grammatical
theory to the proper description of morphological and syntactical

____________________

1 Siehe Goldenberg, The Treatment of Vowel Length.


222 Schlußbetrachtung

features in both Classical and Modern Standard Arabic.“ 2 Nun ist


aber die Struktur des Arabischen der der indoeuropäischen Spra-
chen, von denen die meisten neueren Theorien ausgehen, nahe
verwandt. Die Argumentation, daß bestimmte Sachverhalte im
Arabischen so speziell seien, daß man sie nur mit Hilfe der traditio-
nellen arabischen Grammatik richtig beschreiben könne, muß da-
her gründlich geprüft werden.

6.1.1 … im Bereich der Syntax?


Es ist nicht zu bestreiten, daß die auf der lateinischen Schulgram-
matik basierende Methodik, die bis heute die meisten Lehrbücher
und Grammatiken beherrscht, beim Arabischen ihre Unzulänglich-
keiten hat. Vor allem in der Syntax bieten die arabischen Gramma-
tiker in einigen Fällen sehr einleuchtende Erklärungen. Ein Beispiel
haben wir mit der Phrase qāla r-riǧālu ‚die Männer sagten‘ kennen-
gelernt. Die Singularform des Verbs ist hier nach dem arabischen
System völlig regelmäßig, während nach „lateinischem“ Verständnis
eine Ausnahme vorliegt (siehe Punkt 4.2.2). 3 Ebenso läßt sich mit
Hilfe der typischen arabischen Definition von Nominal- und Verbal-
satz eine Konstruktion wie ar-risālatu taktubu-hā Fāṭimatun ‚Den
Brief schreibt Fāṭima‘ leicht erklären. Es fällt darin auf, daß das
Objekt, das schon am Anfang des Satzes steht, und zwar im Nomi-
nativ (ar-risālatu), nach dem Verb noch einmal genannt wird (tak-
tubu-hā). Nach arabischem Verständnis liegt hier ein Nominalsatz
vor, bestehend aus ar-risālatu als mubtadaʾ und der Phrase taktubu-
hā Fāṭimatun als ḫabar. Letztere ist ein in sich abgeschlossener
Verbalsatz, in dem ganz regelgerecht mit dem Suffix -hā das Objekt
angegeben wird.
In solchen Fällen kann ein Blick zu den arabischen Grammati-
kern hilfreich sein und Anregungen geben. Es fragt sich aber, ob die
Probleme durch die Übernahme arabischer Terminologie gelöst
____________________

2 Edzard, Principles behind the New Revised Edition of Brünnow and Fisch-
er’s Arabische Chrestomathie, 71. In dem Beitrag „The Philological Ap-
proach to Arabic Grammar“ betont Edzard allerdings, daß die arabische
Tradition vorsichtig zu berücksichtigen sei (S. 181).
3 Daß ein dem Subjekt vorangestelltes Verb im Singular steht, kommt auch
in den romanischen Sprachen vor. Es heißt z. B. auf französisch trois per-
sonnes sont venues vs. il est venu trois personnes (‚drei Personen sind ge-
kommen‘ bzw. ‚es sind drei Personen gekommen‘); siehe Goldenberg, Se-
mitic Languages, 179, und Mensching / Remberger, Lack of Agreement in
Romance.
6.1 Brauchen wir die arabischen Grammatiker? 223

werden. Ein Desideratum besteht heute gerade darin, die Beschrei-


bung des Arabischen allgemeiner anzulegen, damit zum einen der
Vergleich mit anderen Sprachen möglich wird und zum anderen die
vielfältigen Methoden, die die Sprachwissenschaft mittlerweile
bietet, auch für das Arabische nutzbar gemacht werden können. Es
ist dem Fortschritt in der Erforschung des klassischen Arabisch
nicht dienlich, wenn wieder Spezialausdrücke eingeführt werden,
die nur für diese Sprache Gültigkeit haben und die jeden Vergleich
mit anderen, selbst semitischen Sprachen unmöglich machen.
Anzuerkennen ist, daß die arabischen Grammatiker große Di-
daktiker waren. Ihre Klassifizierungen und Benennungen waren
nicht zuletzt als Hilfe für Lehrer und Lernende gedacht. In diesem
Zusammenhang „funktionieren“ sie und können mitunter auch
heute noch ihren Zweck erfüllen, wenn sich auch die Lernmetho-
den gewandelt haben. Problematisch ist allerdings, daß die Gram-
matiker ausschließlich nach formellen Kriterien arbeiten und die
semantischen Bezüge der Konstruktionen fast völlig außen vor
bleiben. Partikeln werden z. B. danach sortiert, welche Wortart und
welchen Kasus sie regieren, aber nicht danach, wie sie die Satzaus-
sage verändern, wobei es gerade letzteres ist, was uns bei der Text-
interpretation interessieren würde. Ein Werk wie Arabische Präposi-
tionen. Eine neue Systematik unter Berücksichtigung der arabischen
Grammatiker mit Übungen von Salah Fakhri (2012) ist eine nützliche
Hilfe für den praktischen Gebrauch. Es gibt auch interessante Ein-
blicke in die Denkweise der Grammatiker, besonders was ihre Vor-
liebe für das strikte Kategorisieren angeht. Da aber eine Sprache
nicht immer so schematisch ist, wie es den Grammatikern lieb wä-
re, stößt man auf viele Fälle, an denen die Begründungen sprach-
wissenschaftlich und inhaltlich nicht befriedigen. Als Beispiel sei
die Partikel rubba ‚manch‘ genannt, wie etwa in rubba qatlin ʿārun
‚oh wie mancher Tod ist eine Schande‘. 4 Es handelt sich hier um
eine erstarrte Akkusativ-Form des (allerdings im Arabischen nicht
belegten) Substantivs *rubbun ‚Menge‘. Sie zieht stets einen inde-
terminierten Genitiv nach sich. Fakhri stellt sie vor als „semi-
fakultative Präposition“, 5 was eine wörtliche Übersetzung der Be-
zeichnung ist, die ihr die arabischen Grammatiker gegeben haben:
ḥarf al-ǧarr aš-šabīh biz-zāʾida ‚eine Präpositionen, die denjenigen
Präpositionen ähnlich ist, welche fakultativ gebraucht werden kön-
____________________

4 Zitiert nach Reckendorf, Arabische Syntax, 109.


5 Fakhry, Arabische Präpositionen, 12.
224 Schlußbetrachtung

nen‘. Hieran lassen sich gut die in Kapitel 3.3 erörterten Ordnungs-
prinzipien der arabischen Grammatiker illustrieren, aber einem
tieferen Verständnis des Wörtchens rubba bringt uns das nicht nä-
her. Man kann es zwar mit den arabischen Grammatikern als ḥarf
ǧarr bezeichnen, also als eine Partikel, die den Genitiv nach sich
zieht, aber es ist keine Präposition im Sinne der europäischen
Grammatiken. 6 Über seine tatsächliche syntaktische Funktion kön-
nen uns die arabischen Grammatiker keine genügende Auskunft
geben.

6.1.2 … im Bereich der Terminologie?


Eine wichtige Forderung an ein grammatisches Modell ist schließ-
lich, daß die Terminologie eindeutig, aussagekräftig und leicht faß-
bar sein soll. Arabische Termini wirken sich oft ungünstig aus: Sie
verkomplizieren die Metasprache und tragen mit ihrem Sinngehalt,
sofern er von den Lernenden überhaupt verstanden wird, nur selten
zum Verständnis des Sachverhaltes bei. Für maṣdar kann man bes-
ser ‚Infinitiv‘ oder ‚Aktionsnomen (Nomen actionis)‘ sagen, 7 für
maṣdar mīmī beispielsweise ‚m-Infinitiv‘ und für ḥāl ‚Zustands-‘
oder ‚Umstandssatz‘. Gerade für letzteren haben Isaksson / Kam-
mensjö / Persson in Circumstantial Qualifieres in Semitic gezeigt, wie
wenig der arabische Begriff die vielfältigen Konstruktionen zu re-
präsentieren vermag, die herkömmlicherweise hierunter zusam-
mengefaßt werden.
Mögen auch einige Termini der arabischen Grammatiker unver-
zichtbar sein, weil wir dafür keinen treffenderen Ausdruck finden
können – in vielen Fällen schaffen sie mehr Verwirrung als Klarheit
und verdecken für uns bedeutsame synchrone und historische Be-
____________________

6 Glück, Art. Präposition, stellt fest: „In semantischer Hinsicht begründen


Präpositionen Relationen (bzw. Verhältnisse, daher ‚Verhältniswort‘) zwi-
schen Lexemen, Wortgruppen oder Sätzen bzw. den jeweils bezeichneten
Gegenständen oder Sachverhalten und spezifizieren diese näher“. Dies
trifft auf rubba nicht zu; es spezifiziert nur das eine Wort, das ihm nach-
folgt, aber setzt dieses nicht in ein Verhältnis zu etwas anderem. Ein weite-
res Wort, das die arabischen Grammatiker völlig irreführend dieser Grup-
pe zuordnen, ist ḥāšā, dessen semantischer Gehalt mit den Begriffen ‚Ab-
wehr, Fernhaltung‘ (so Fleischer, Kleinere Schriften, I/405–406) umrissen
werden kann. Dessen syntaktische Verwendungsmöglichkeiten und die
daraus sich ergebenden konkreten Bedeutungen sind überaus vielfältig,
siehe Ullmann, Die arabische Partikel ḥāšā.
7 Siehe zu diesem Ullmann, Beiträge, 14–16 (Fußnote).
6.2 Korpusbasierte Grammatik als Alternative 225

züge. Auch fest etablierte Begriffe sollten gründlich überprüft und


gegebenenfalls durch bessere ersetzt werden. Man kann bei etwas
so Grundlegendem wie den beiden Kategorien der Pluralbildung
beginnen. Sie heißen auf arabisch al-ǧamʿ as-sālim und ǧamʿ at-
taksīr, was unsere Altvorderen mit ‚gesunder Plural‘ und ‚gebroche-
ner Plural‘ übersetzt haben. ‚Gesund‘ heißen die mit den Suffixen
-ūna und -ātun bzw. ihren entsprechenden Kasusvarianten gebilde-
ten Formen, weil die arabischen Grammatiker die Regelmäßigkeit
lieben und unregelmäßige, nicht voraussagbare Erscheinungen als
eine Art Defekt ansehen. Es wird durch diese Terminologie impli-
ziert, daß die regelmäßig gebildeten Formen des ‚gesunden Plurals‘
das Normale sind und der ‚gebrochene Plural‘ eine Abweichung.
Sprachideologisch mag das stimmen, doch in der Praxis ist das Ge-
genteil der Fall: die überwiegende Mehrheit der Wörter bildet ge-
brochene Plurale; der gesunde Plural ist auf wenige, meist voraus-
sagbare Kategorien von Substantiven beschränkt. Die Formenviel-
falt bei der Pluralbildung will nicht recht zum Dogma der strengen
Regelmäßigkeit des Arabischen passen. Ein alternatives Begriffs-
paar, das sich von solchen Vorgaben löst und stattdessen neutral die
Bildeweise der Formen benennt, wäre äußerer Plural vs. innerer
Plural oder Suffixplural vs. lexikalischer Plural.
Im vorigen Kapitel wurde schließlich gezeigt, daß auch bei der
Beschreibung des arabischen Tempus-/Aspektsystems die Termino-
logie der Grammatiktradition nicht ausreicht. Sie bleibt hinter den
Erkenntnissen der vergleichenden Semitistik zurück und spricht
auch das komplizierte Verhältnis von Tempus und Aspekt nicht an.
Dennoch wird bisher in allen Lehrbüchern und Grammatiken für
diesen Bereich eine von den arabischen Grammatikern beeinflußte
Darstellungsweise gebraucht. Eine Revision der Terminologie ist
hier dringend nötig, um der tatsächlichen Komplexität des arabi-
schen Verbsystems gerecht zu werden.

6.2 Korpusbasierte Grammatik als Alternative


Das Haupthindernis, das uns davon abhalten sollte, die Darstellung
der arabischen Grammatiker kritiklos zu übernehmen, ist die Tatsa-
che, daß sich ihre Analysen nicht auf die Texte beziehen, die die
arabisch-islamische Kultur im Laufe ihrer langen Geschichte her-
vorgebracht hat, sondern auf eine Sammlung von Belegen, die im
wesentlichen Verse aus der vor- und frühislamischen Dichtung und
226 Schlußbetrachtung

Beispielsätze von Gewährsleuten enthält. Gegenstand und Ziel-


punkt der Grammatiker war die fuṣḥā, die Idealform der arabischen
Hochsprache, die sie bei bestimmten Beduinenstämmen verorteten
und die bereits in der Frühzeit des Islams als in ihrer Reinheit ge-
fährdet galt. Das Korpus der Belegsätze wurde zu Beginn des 9. Jh.
abgeschlossen, also noch bevor das arabische Schrifttum zu voller
Entfaltung gelangte. Dies führte dazu, daß fast alles, was sich erst
nach diesem Zeitpunkt entwickelt hatte, in den grammatischen und
lexikographischen Werken nicht vertreten ist. Es war ausdrücklich
nicht das Ziel späterer Grammatiker, den tatsächlichen Sprachge-
brauch ihrer Zeit zu beschreiben. Vielmehr sahen sie es als ihre
Aufgabe an, das überlieferte System zu bewahren und die Sprache
nach dieser Norm auszurichten. Um ein richtiges Bild von der Spra-
che des klassischen arabischen Schrifttums zu erhalten, können wir
uns also nicht auf Grammatiker verlassen, sondern müssen die Tex-
te selbst analysieren. Man wird dann entdecken, daß das Arabische
nicht so statisch war, wie es in der Grammatiktradition erscheint.
Die Forderung nach dem, was heute als korpusbasierte Grammatik
bezeichnet wird, hat schon 1885 Heinrich Leberecht Fleischer erho-
ben:
„Der nächste größere Fortschritt der Grammatik des Altarabi-
schen wird einerseits von einer genau abwägenden Vergleichung
und Würdigung der morgenländischen Sprachlehrer, selbst nach
ihren verschiedenen Schulen, andererseits von einer möglichst
umfassenden und aufmerksamen, im Geiste unserer Sprachwis-
senschaft ausgeführten Durchforschung des in den massgeben-
den Sprachdenkmälern vorliegenden grammatischen Materials
ausgehen.“ 8
Wenige Forscher haben sich seitdem dieser Arbeit gewidmet; alle
bisherigen Grammatiken des klassischen Arabisch stützen sich in
ihren grammatischen Urteilen zum großen Teil auf das Material der
arabischen Grammatiker, nicht auf ein Textkorpus. Dadurch wird
zugegebenermaßen das klassische Arabisch im Wesentlichen gut
beschrieben, doch fällt vieles auch unter den Tisch oder wird falsch
oder unzureichend analysiert. Außerdem sind selbst in derjenigen
Sprachstufe, die die arabischen Grammatiker als Grundlage nah-
men, also dem Althocharabischen, nicht alle Phänomene erkannt
und ausreichend beschrieben. Ihr Interesse galt stets mehr dem
____________________

8 Fleischer, Kleinere Schriften, I/2.


6.2 Korpusbasierte Grammatik als Alternative 227

System als dem Verständnis der konkreten Texte. Durch die nach
wie vor bestehende Abhängigkeit der europäischen Wissenschaftler
von den arabischen Grammatikern werden diese Defizite nur lang-
sam aufgedeckt. Vor allem eine Differenzierung des klassischen
Arabisch nach Epochen, Textgattungen und Stilebenen ist ein Desi-
deratum. Für die Morphologie ist dies kaum von Bedeutung, wohl
aber für Syntax und Sprachgebrauch.
Es gibt eine Reihe von Beiträgen, in denen ausgewählte Themen
unter Berücksichtigung von authentischen Texten der klassischen
arabischen Literatur untersucht werden. Den Anfang machte Hein-
rich Ewald in der Grammatica critica linguae arabicae (1831–33). Viel
Material findet man in den Werken von Hermann Reckendorf und
Heinrich Leberecht Fleischer. Erwartungsgemäß großes Interesse
hat die Sprache des Korans hervorgerufen, doch gibt es noch immer
keine Arbeit, die dessen Grammatik insgesamt behandelt. Die wich-
tigsten Punkte finden sich aber zusammengestellt und mit weiter-
führenden Literaturangaben versehen im Artikel „Grammar and the
Qurʾān“ von Rafael Talmon. An weiteren Arbeiten aus jüngerer Zeit
sind u. a. hervorzuheben Satzkomplex und Funktion: Syndese und
Asyndese im Althocharabischen von Michael Waltisberg (2009),
Tense and Text in Classical Arabic von Michal Marmorstein (2016)
und mehrere Studien von Werner Diem, z. B. Arabisch kayfa „wie“ als
Konjunktion (2011). Allen voran steht Manfred Ullmann, der in zahl-
losen Beiträgen und anhand tausender Textbeispiele grammatische
Phänomene durch verschiedene Epochen und Textgenres hindurch
untersucht hat und dabei zu Erkenntnissen gelangt ist, die weit
über das hinausgehen, was man den arabischen Grammatikern
entnehmen kann. Er schafft dabei Klarheit in Themen wie Arabi-
sche Komparativsätze (1985), Das arabische Nomen Generis (1989),
Sätze mit lau (1998), „Arabische Proportionalgefüge“ (2009) und
Arabische Koinzidenzgefüge (2014).

6.2.1 Beispiel: Griechischer Einfluß


Ullmann hat u. a. herausgestellt, wie groß der Einfluß war, den die
Übersetzungen der griechischen wissenschaftlichen Texte hatten,
die im 9. und 10. Jh. angefertigt wurden. Die sprachlichen Mittel, die
die Übersetzer im Arabischen vorfanden, waren ja oftmals noch
nicht ausreichend, um damit abstrakte wissenschaftliche Sachver-
halte auszudrücken. Eine angemessene Sprache für die Übersetzun-
gen mußte erst entwickelt werden. Dies führte zu unzähligen Neue-
228 Schlußbetrachtung

rungen in Wortschatz und Phraseologie. Wenn auch viele hiervon


fachgebunden geblieben sind und nicht in den allgemeinen Sprach-
gebrauch übernommen wurden, so sind sie doch ein wichtiger Teil
der klassischen arabischen Sprache. 9 So sind z. B. folgende Wörter
und Konstruktionen erst durch die Übersetzungen in Gebrauch
gekommen:
a) Das Verb laḫḫaṣa (LḪṢ, II. Stamm) ‚erklären, verdeutlichen,
erläutern, kommentieren‘ tritt zum ersten Mal als Übersetzung
für die griechischen Wörter διαρίζω, διαρέω, διακρίνω, λέγω auf,
u. a. in den Schriften von Galen und Aristoteles. Später wird es
auch von al-Kindī und al-Ǧāḥiẓ gebraucht. 10
b) Das Nomen laḥnun bedeutet ursprünglich ‚Redeweise, Art zu
sprechen, Tonfall, Idiom‘, was später mit Bezug auf die fehlerhaft
sprechenden Nichtaraber auf ‚unkorrektes Arabisch, Kauder-
welsch, Sprachfehler‘ eingeengt wird. Unter dem Einfluß der
griechischen Literatur (und zwar schon bei Ibn al-Muqaffaʿ
(gest. nach 139/756) kommt die Bedeutung ‚Melodie‘ hinzu;
Komposition von Musik heißt hier taʾlīfu l-luḥūni. 11
c) laisa … faqaṭ, lākin … ʾaiḍan ‚nicht nur …, sondern auch …‘ ist
dem griechischen οὐ μόνον … ἀλλὰ καί … nachgebildet. 12
d) Verkürzte Komparativsätze wie ṭabīʿatu ṭ-ṭairi ʾašaddu ḥarāratan
min ġairi l-ḥaiwānāti ‚die Natur der Vögel ist wärmer als (die Na-
tur) der anderen Tiere‘ sind erstmals in der Übersetzungslitera-
tur belegt. 13
Diese Phänomene werden von den arabischen Lexikographen und
Grammatikern nicht berücksichtigt, da sie zu einer Zeit entstanden
sind, die nach der normgebenden Epoche lag.

6.2.2 Beispiel: ʿasā ‚vielleicht‘


In dem Beitrag Arabisch ʿasā „vielleicht“: Syntax und Wortart unter-
zieht Ullmann dieses Wort einer gründlichen Neubewertung. Dabei
gelingt es ihm u. a., die verschiedenen Konstruktionen, in denen
____________________

9 Eine ausführliche Darstellung der Besonderheiten dieses Genres in Wort-


schatz und Grammatik bietet Ullmann, Nikomachische Ethik.
10 WKAS II 427 b, 41ff. Zitiert nach Ullmann, Aufs Wasser schreiben, 25.
11 Siehe Ullmann, Wa-ḫairu l-ḥadīṯi mā kāna laḥnan.
12 Siehe Ullmann, Nicht nur …, sondern auch … .
13 Siehe Ullmann, Arabische Komparativsätze, 347–349.
6.2 Korpusbasierte Grammatik als Alternative 229

ʿasā gebraucht werden kann, gemäß dem Zeitpunkt ihres jeweils


frühesten Auftretens zu ordnen. Der praktische Nutzen einer sol-
chen Chronologie soll hier an einem Beispiel gezeigt werden. Die
ältesten Konstruktionen sind ʿasā + Verb im Imperfekt Konj und
ʿasā + Nomen im Nominativ. Sie kommen schon im Koran und bei
Ibn al-Muqaffaʿ (gest. ca. 142/759) vor: 14
fa-ʾulāʾika ʿasā llāhu ʾan yaʿfuwa ʿanhum
„Jenen wird Gott vielleicht verzeihen.“ (Q 4,99)
fa-ʾin lam yakun hāḏā fa-ʿasā ḏālika ʾan yakūna min baʿḍi sakārati
s-sulṭāni
„Wenn dies nicht zutrifft, so ist es vielleicht eine Art Trunken-
heit vom Herrscher.“
Daß bei der Verbindung ʿasā + Nomen statt des Nomens ein Perso-
nalsuffix stehen kann (z.B. ʿasāhā taḏkuru ‚vielleicht wird sie sich
erinnern‘), ist eine sekundäre Entwicklung, die erst etwa nach 800,
dann aber sehr häufig auftritt, wofür Ullmann zahlreiche Beispiele
anführt. Aufgrund solcher Erkenntnisse wird es möglich, Texte
aufgrund grammatischer Merkmale zu datieren. So ist in dem von
Ibn al-Muqaffaʿ (gest. ca. 142/759) übersetzten Werk Kalīla wa-
Dimna folgende Stelle in zwei Fassungen überliefert:
a) illā ʾannī rubba-mā ḫālaftu ʿalaihi … fa-ʿasā ʾan yakūna ʾanzala
ḏālika minnī ʿalā l-ǧurʾati ʿalaihi (Cheikho, 82,2 ff.)
„… außer daß ich ihm bisweilen widersprochen habe … Vielleicht
wird er mir dies als Dreistigkeit ihm gegenüber ausgelegt haben.“
b) illā ʾannī rubba-mā ḫālaftu ʿalaihi … fa-ʿasāhu yakūnu qad
ʾanzala ʾamrī ʿalā l-ǧurʾati ʿalaihi (Ausg. de Sacy, 116,11 ff.)
„… außer daß ich ihm widersprochen habe … Vielleicht wird er
mir mein Verhalten als Dreistigkeit ihm gegenüber ausgelegt
haben.“
Da man nun weiß, daß die Konstruktion ʿasā + Personalsuffix + Verb
im Imperfekt Indikativ erst ab etwa 800 vorkommt, kann man diese
Fassung des Textes einer jüngeren Überlieferung zuschreiben, da es
diese Ausdrucksweise zur Zeit des Verfassers höchstwahrscheinlich
noch nicht gegeben hat.

____________________

14 Zitate zu diesem Beispiel nach Ullmann, Arabisch ʿasā, S. 11, 19, 51. Die
Quelle des zweiten Zitates ist Kalīla wa-Dimnā, Ausg. Cheikho, 82,12 f.
230 Schlußbetrachtung

6.2.3 Beispiel: fāʿilatun als Nomen actionis (Infinitiv)


des I. Stammes
Auch Phänomene, die es zur Zeit der frühen Grammatiker schon
gegeben hat, wurden von diesen nicht immer richtig erkannt. Ein
aufschlußreiches Beispiel ist die Form fāʿilatun, die häufig das No-
men actionis (Infinitiv) des I. Stammes bezeichnet. Dies haben die
arabischen Grammatiker nicht gesehen. Da sich die bisherigen
westlichen Grammatiken des klassischen Arabisch vielfach am
Material der arabischen orientieren, wurde dieser Mangel auch in
ihnen nicht behoben. Die Klärung der Form liefert Ullmann in dem
Band Beiträge zur arabischen Grammatik, das Ergebnis ist folgendes:
Die Form fāʿilatun sieht zunächst wie die feminine Form des
Partizips aktiv des I. Stamms (fāʿilun) aus. So wird sie auch häufig
gebraucht. Sie bezieht sich dann auf ein weibliches Wesen oder eine
Sache weiblichen Geschlechts, die das Subjekt einer durch diese
Form ausgedrückten Handlung ist, z. B. ḫādima ‚die Dienende, Die-
nerin‘. Andere Wörter dieser Struktur bezeichnen Konkreta, z. B.
rābiya ‚Hügel‘, qāʿida ‚Basis, Fundament, Sockel‘. Darüber hinaus
taucht die Form fāʿilatun bei bestimmten Verben in anderer Funk-
tion auf, nämlich zur Bezeichnung einer Handlung in abstrakter,
unpersönlicher Weise. Mit anderen Worten: sie fungiert als Infinitiv
(oder besser: als Nomen actionis). Die arabischen Grammatiker
haben zwar gewisse Besonderheiten bei einigen nach dem Muster
fāʿilatun gebildeten Wörtern festgestellt, aber sind nicht so weit
gekommen, hier zwei Kategorien deutlich zu trennen und einzu-
räumen, daß die Form in nicht wenigen Fällen schlicht den Infinitiv
bezeichnet und nichts mit dem Partizip zu tun hat. Auch die euro-
päischen Grammatiker haben diesen Schritt nicht gemacht. Die
Beispiele bei Ullmann belegen dagegen klar, daß fāʿilatun die Funk-
tion des Infinitivs des I. Stamms haben kann. Viele Fehlübersetzun-
gen können durch diese Erkenntnis verhindert werden, hier nur ein
Beispiel: 15
ʾazifat(i) l-ʾāzifatu. laisa lahā min dūni llāhi kāšifatun
„Die Nähe (sc. des Gerichts) ist da. Es gibt dafür keine
Enthüllung, außer durch Gott.“ (Q 53,57–58)
Der Vers enthält zwei Formen der betreffenden Struktur: ʾāzifatun
und kāšifatun. Das Verb ʾZF im I. Stamm heißt ‚nahe kommen, sich
____________________

15 Übersetzung nach Ullmann, Beiträge, 32 und 217–218, dort auch die Erläu-
terung des Beispiels.
6.3 Fazit 231

(schnell) nähern‘, KŠF im I. Stamm ‚aufdecken‘. Beide lassen sich


sinnvoll als Nomina actionis übersetzen. Im ersten Vers liegt damit
eine für das Arabische durchaus gewöhnliche paronomastische
Konstruktion vor, d. h. ein Sachverhalt wird durch ein finites Verb +
Nomen actionis ausgedrückt. Dies ist eine Hervorhebung des Verbs,
die wir, wie Ullmann betont, im Deutschen nicht nachbilden kön-
nen. 16 Auch im zweiten Vers kommt nur eine Übersetzung als (un-
persönliches) Nomen actionis in Frage, nicht als Partizip, denn wer
sollte das Subjekt des Aufdeckens sein? Angelika Neuwirth hat sich
bei ihrer Übersetzung um besondere Texttreue bemüht, aber über-
setzt ausgerechnet deshalb falsch, denn sie hat zumindest die erste
Form unrichtig als Partizip verstanden: 17
„Die Überfallende fällt ein! Niemand außer Gott kann sie
aufhalten!“
Im Kommentar präzisiert sie al-ʾāzifatu als ‚die schnell Eintreffende‘
und führt als Parallele die ebenfalls in dieser Weise falsch gedeutete
Form al-qāriʿatu aus Q 101,1 an, die als ‚die Klopfende‘ übersetzt
wird. Zur Erklärung heißt es, beides seien Bezeichnungen für das
Naturereignis, das die endzeitliche Katastrophe ankündige. Für al-
qāriʿatu trifft das sicher zu, doch kommt das eschatologische Ereig-
nis wesentlich besser zum Ausdruck, wenn man es richtig mit Ull-
mann als ‚der Schlag‘ übersetzt und nicht als eine rätselhafte ‚Klop-
fende‘. 18 Auch der Name der ersten Sure, al-fātiḥatu, gehört übrigens
in diese Kategorie. Diese ist nämlich nicht, wie oft mißverstanden,
die ‚Eröffnende‘, sondern einfach ‚die Eröffnung, der Beginn, der
Anfang‘. 19
Insgesamt gibt es im Koran 28 verschiedene Lexeme dieser Art,
die weder von den arabischen noch von den europäischen Gelehr-
ten erkannt wurden, da ein Nomen actionis der Struktur fāʿilatun in
dem überlieferten System nicht vorgesehen ist.

6.3 Fazit
Das Resümee der Arbeit muß zweigeteilt ausfallen. Es schwankt
zwischen der Bewunderung für das einzigartige System der arabi-
____________________

16 Ullmann, Beiträge, 278.


17 Neuwirth, Der Koran, 648 und 666.
18 Ullmann, Beiträge, 207.
19 Ullmann, Beiträge, 187.
232 Schlußbetrachtung

schen Grammatiker und der Forderung, sich bei der philologischen


Erschließung des klassischen arabischen Schrifttums endlich von
diesem zu lösen. Die Ausrichtung der Grammatiker ist im Grunde
normativ. Zwar ist das Hocharabische von einer erstaunlichen Kon-
tinuität gekennzeichnet und wird in vielen Bereichen von den
Grammatikern sehr gut beschrieben. Doch es gab auch von Anfang
an Entwicklungen, die die Grammatiker nicht als normgemäß an-
sahen und die wir deshalb in ihren Arbeiten nicht behandelt finden.
Auch die Darstellung derjenigen Phänomene, die in den Grammati-
ken vorkommen, ist nicht immer verläßlich. Es gibt Lücken, wie bei
der Form fāʿilatun oder der Erklärung der Tempora, und auf der
anderen Seite viele Spekulationen ohne praktische Bedeutung und
ohne ausreichende Belege in den Texten, wie im Fall der Diminutiv-
formen des Relativpronomens. 20
Diese von den Erfordernissen unserer philologischen Herange-
hensweise bestimmte Einschätzung soll aber nicht die Leistung der
arabischen Grammatiker schmälern. Sie haben die Beschäftigung
mit der Sprache auf ein theoretisches Niveau gehoben, das in ande-
ren Grammatiktraditionen kaum seinesgleichen findet. Schon an
dem einfachen Beispiel der Verbkonjugation wird deutlich, wie
geschlossen und kohärent ihre grammatische Theorie ist. Dies ist zu
einem guten Teil dem Streben zu verdanken, die angenommene
göttliche Perfektion der arabischen Sprache mit dem Verstand zu
fassen und abzubilden. Das Herausarbeiten der Regeln bedeutete,
Gottes Vollkommenheit, die sich auch in der Struktur der Sprache
offenbart, sichtbar zu machen. Dabei ging man davon aus, daß das
formulierte Regelwerk nicht eine menschliche Konstruktion, son-
dern die Sichtbarmachung eines bereits vorhandenen göttlichen
Systems darstellte – „to legitimate a pre-existent system on an a
posteriori basis,“ wie Bohas / Guillaume / Kouloughli formulieren. 21
Die religiöse Verankerung führte dazu, daß die Grundlagen der
Grammatik, einmal benannt und systematisiert, nie im Kern ange-
zweifelt wurden und praktisch bis heute uneingeschränkte Gültig-
keit haben. Kaum jemand sah Anlaß, nach Alternativen zu suchen,
denn die arabische Grammatiktradition wurde und wird nicht als
ein Modell unter mehreren möglichen gesehen, sondern als Teil der
göttlichen Offenbarung. Auch Versuche in neuerer Zeit, das System
zu reformieren, wie sie vereinzelte arabische Forscher unter dem
____________________

20 Siehe die ausführliche Darstellung in Ullmann, Diejenige welche.


21 Bohas/Guillaume/Kouloughli, Linguistic Tradition, 51.
6.3 Fazit 233

Schlagwort tashīl an-naḥw oder taǧdīd an-naḥw ‚Vereinfachung /


Erneuerung der Grammatik‘ hin und wieder vorschlagen, stoßen
kaum auf Zustimmung. 22
Vergleiche mit philologischen Methoden oder modernen
Sprachtheorien können helfen, die arabische Grammatiktradition
methodisch einzuordnen, dürfen aber nicht unser Urteil über sie
bestimmen. Henri Fleisch mußte 1961 feststellen: „Les grammairiens
arabes se sont fastidieusement répétés, copiés les uns les autres et
sont tombés dans beaucoup de complications inutiles.“ 23 Besonders
die spekulative Grammatik griff er an. In Sībawaihs Kitāb sei bereits
alles Wesentliche gesagt, auf den Rest könne man sprachwissen-
schaftlich gesehen verzichten. Dieses Bild wurde seit den 1970er
Jahren bis heute durch eine beachtliche Zahl von Arbeiten zurecht-
gerückt, die zumeist darauf zielen, die arabische Grammatikschrei-
bung aus sich heraus verständlich zu machen und ihre internen
Diskussionen nachzuvollziehen. Es ist gelungen, die arabische
Grammatiktradition der westlichen Forschung in weiten Teilen zu
erschließen und damit die Tür zu einem wichtigen Teil der ara-
bisch-islamischen Ideengeschichte zu öffnen.

____________________

22 Siehe z. B. Ḍaif, Taǧdīd an-naḥw (‚Erneuerung der Grammatik‘, 1982) und


aš-Šūbāšī, Li-taḥyā al-luġa al-ʿarabiyya: yasquṭ Sībawaih (‚Es lebe das Ara-
bische – Nieder mit Sībawaih!‘, 2004).
23 Fleisch, Traité, I/46.
Textanhang

Es sind hier die Kapitel 1–3 aus Sībawaihs Kitāb nach der Ausgabe
von Derenbourg wiedergegeben. Die Seitenzahlen der Ausgabe
stehen in eckigen Klammern. Die anderen Zahlen am Rand geben
die Seiten im vorliegenden Buch an, auf denen die entsprechenden
Themen behandelt werden. Stellen, die zitiert und besprochen
wurden, sind fett markiert. Die Einteilung der Absätze ist die glei-
che wie in der Übersetzung von Jahn. Eine voll vokalisierte Ausgabe
des Textes findet sich bei Kouloughli, Risālat Kitāb Sībawaih.

Kapitel 1
Über die Wortarten des Arabischen
َ ْ ُ
‫ﺑﺎب ِﻋﻠ ِﻢ ﻣﺎ اﻟ� ِﻠ ُﻢ ﻣﻦ اﻟﻌﺮ�ﻴﺔ‬ ‫هﺬا‬ [1]
ً ‫وﺣ ْﺮف ﺟﺎء‬ ٌ َ ،‫ وﻓ ْﻌ ٌﻞ‬،‫اﺳﻢ‬ ٌ :‫ﻓﺎﻟ�ﻠﻢ‬ َ
. ‫ﻓﻌﻞ‬
ٍ ‫ﺑﺎﺳﻢ وﻻ‬ ٍ ‫ﳌﻌ�ى ﻟيﺲ‬ ِ ِ 66, 121
ْ َ ُ ٌ ُ ٌ ٌ ٌ ‫ ر‬: ‫ﻓﺎﻻﺳﻢ‬ ُ
‫اﻟﻔﻌﻞ ﻓﺄﻣﺜﻠﺔ أ ِﺧﺬت ﻣﻦ‬ ‫ وأﻣﺎ‬.‫ وﺣﺎﺋﻂ‬،‫وﻓﺮس‬ ،‫ﺟﻞ‬ 150, 157
‫ﻳﻘﻊ وﻣﺎ‬ ْ ‫ ُو�ﻨ َي ْﺖ ﳌﺎ َﻣ�ىى وﳌﺎ ﻳﻜﻮ ُن وﻟﻢ‬،‫ﻟﻔﻆ أﺣﺪاث اﻷﺳﻤﺎء‬
ِ ِ ِ ِ ِ ِ
َ َُ َ َ َ َ َ ُ ‫ﱠ‬ ْ َ ٌ
‫ ﻓﺄﻣﺎ ﺑﻨﺎء ﻣﺎ ﻣ�ىى ﻓﺬهﺐ وﺳ ِﻤﻊ وﻣﻜﺚ‬.‫هﻮ �ﺎﺋﻦ ﻟﻢ ﻳﻨﻘﻄﻊ‬
ُ َ ْ َ ً َ ُ َ
ْ ‫اﻗﺘ ْﻞ َو‬ ْ ‫ﺑﻨﺎء ﻣﺎ ﻟﻢ‬ ‫ ﱠ‬. ‫وﺣﻤ َﺪ‬ ُ
‫اﺿ ِﺮ ْب‬ ‫ ِاذهﺐ و‬:‫ﻳﻘﻊ ﻓﺈﻧﮫ ﻗﻮﻟﻚ آﻣﺮا‬ ُ ‫وأﻣﺎ‬
ِ 149, 157
ُ ‫ وﻛﺬﻟﻚ‬.‫ﻀﺮ ُب‬ َ ُ ُ
َ �‫ﻘﺘ ُﻞ ُو‬ َ ‫ﻳﻘﺘ ُﻞ‬ ُ
‫ﺑﻨﺎء ﻣﺎ ﻟﻢ‬ �‫و�ﻀﺮب و‬ ِ ‫و�ﺬه ُﺐ‬ ً
: ‫وﻣﺨ��ا‬
ْ َ ُ ُ َ ْ َ
‫ ﻓهﺬﻩ اﻷﻣﺜﻠﺔ اﻟ�ي أ ِﺧﺬت ﻣﻦ ﻟﻔﻆ‬. ‫�ﺎﺋﻦ إذا أﺧ َ� ْ�ت‬ ٌ ‫ﻨﻘﻄﻊ وهﻮ‬ ْ ‫َﻳ‬
ٌ ٌ
‫ واﻷﺣﺪاث‬.‫ﺳتﺒ� ُن إن ﺷﺎء ﷲ‬ ‫ﻛﺜ��ة ﱠ‬ ‫أﺣﺪاث اﻷﺳﻤﺎء وﻟهﺎ أﺑنﻴﺔ‬
ً َْ ْ َ ْ‫َ ْ ُ ﱠ‬
‫ﺑﺎﺳﻢ وﻻ‬ ٍ ‫ وأﻣﺎ ﻣﺎ ﺟﺎء ﳌﻌ�ى وﻟيﺲ‬.‫ﻧﺤﻮ اﻟﻀﺮ ِب وا�حﻤﺪ واﻟﻘﺘﻞ‬
ُ ،‫ و واو اﻟﻘﺴﻢ وﻻم اﻹﺿﺎﻓﺔ‬،‫وﺳ ْﻮ َف‬
.‫وﻧﺤﻮهﺎ‬ َ ،‫ ُﺛ ﱠﻢ‬:‫ﻓﻨﺤﻮ‬ ُ ‫ﻓﻌﻞ‬
ِ ِ ِ ِ ٍ
235
‫‪236‬‬ ‫‪Textanhang‬‬

‫‪Kapitel 2‬‬
‫‪Über die Endungen der Wörter im Arabischen‬‬
‫هﺬا ﺑﺎب ﻣﺠﺎري أواﺧﺮ اﻟ�ﻠﻢ ﻣﻦ اﻟﻌﺮ�ﻴﺔ‬
‫‪Benennung der Endungen‬‬
‫وا�جﺰم‪،‬‬ ‫واﻟﺮﻓﻊ‬ ‫ّ‬
‫وا�جﺮ‬ ‫اﻟﻨﺼﺐ‬ ‫ﻣﺠﺎر‪ :‬ﻋ��‬ ‫ﺛﻤﺎﻧﻴﺔ‬
‫ِ‬ ‫و�� ﺗﺠﺮي ﻋ��‬
‫‪62‬‬ ‫ِ‬ ‫ُِ‬ ‫ِ‬ ‫ِ‬ ‫ٍ‬
‫واﻟﻮﻗﻒ ‪ .‬وهﺬﻩ اﳌﺠﺎري اﻟﺜﻤﺎﻧﻴﺔ َﻳ ْﺠ َﻤ ُﻌ ُه ﱠﻦ‬ ‫ِ‬ ‫واﻟﻜﺴﺮ‬
‫ِ‬
‫ّ‬
‫واﻟﻀﻢ‬
‫ِ‬ ‫واﻟﻔﺘﺢ‬
‫ِ‬
‫ﺿﺮب واﺣﺪ‪ٌ،‬‬ ‫ٌ‬ ‫ُ‬ ‫ُ‬
‫أﺿﺮب‪ :‬ﻓﺎﻟﻨﺼﺐ واﻟﻔﺘﺢ �� اﻟﻠﻔﻆ‬ ‫ٍ‬ ‫اﻟﻠﻔﻆ أر�ﻌﺔ‬‫ِ‬ ‫��‬
‫ُ‬
‫وا�جﺰم‬ ‫ﱡ‬
‫واﻟﻀﻢ‪،‬‬ ‫ُ‬
‫ﺿﺮب واﺣﺪ‪ ،‬وﻛﺬﻟﻚ اﻟﺮﻓﻊ‬ ‫ٌ‬ ‫ٌ‬ ‫وا�جﺮ واﻟﻜﺴﺮ ﻓﻴﮫ‬ ‫ﱡ‬
‫ُ‬
‫واﻟﻮﻗﻒ‪.‬‬
‫‪61–64‬‬ ‫‪Der ʾiʿrāb‬‬
‫ُ‬ ‫َ ُُ‬ ‫َْ َ‬ ‫ُ‬
‫]‪[2‬‬ ‫ﻣﺠﺎر ِﻷﻓ ُﺮق ﺑ�ن ﻣﺎ ﻳﺪﺧﻠﮫ ‪ ǁ‬ﺿﺮب ﻣﻦ‬
‫ٌ‬
‫ٍ‬ ‫وإﻧﻤﺎ ذﻛﺮت ﻟﻚ ﺛﻤﺎﻧﻴﺔ‬
‫اﻟﻌﺎﻣﻞ – وﻟيﺲ ٌ‬ ‫ُ‬ ‫ُ ُ‬
‫��يء ﻣ��ﺎ إﻻ وهﻮ‬ ‫ﺤﺪث ﻓﻴﮫ‬ ‫هﺬﻩ اﻷر�ﻌﺔ ﳌﺎ ﻳ ِ‬
‫ُ‬
‫ﺒ�ى ﻋﻠﻴﮫ ا�حﺮف ً‬ ‫و��ن ﻣﺎ ُﻳ ٰ‬ ‫ﻳﺰول ﻋﻨﮫ – َ‬
‫ﺑﻨﺎء ﻻ ﻳﺰول ﻋﻨﮫ ﻟﻐ��‬
‫ٌ‬ ‫أﺣﺪث ذﻟﻚ ﻓﻴﮫ ﻣﻦ اﻟﻌﻮاﻣﻞ‪ ،‬اﻟ�ي ّ‬ ‫َ‬
‫ﺿﺮب‬ ‫ﻟ�ﻞ ﻋﺎﻣﻞ ﻣ��ﺎ‬ ‫��يء‬
‫ُ‬
‫ﻣﻦ اﻟﻠﻔﻆ �� ا�حﺮف‪ ،‬وذﻟﻚ ا�حﺮف ﺣﺮف اﻹﻋﺮاب ‪ .‬ﻓﺎﻟﺮﻓﻊ وا�جﺮ‬
‫ُ‬
‫‪154‬‬ ‫واﻟﻨﺼﺐ وا�جﺰم �حﺮو ِف اﻹﻋﺮاب ‪ .‬وﺣﺮوف اﻹﻋﺮاب ﻟﻸﺳﻤﺎء‬
‫ّ‬
‫اﳌﺘﻤﻜﻨﺔ‪ ،‬وﻟﻸﻓﻌﺎل اﳌﻀﺎ ِرﻋﺔ ﻷﺳﻤﺎء اﻟﻔﺎﻋﻠ�ن اﻟ�ي �� أواﺋﻠهﺎ‬
‫ُ‬
‫اﻟﺰواﺋﺪ اﻷر�ﻊ ‪ :‬اﻟهﻤﺰة‪ ،‬واﻟﺘﺎء‪ ،‬واﻟﻴﺎء‪ ،‬واﻟﻨﻮن ‪ .‬وذﻟﻚ ﻗﻮﻟﻚ ‪:‬‬
‫ﻔﻌﻞ هﻮ‪َ ،‬وﻧ ُ‬ ‫أﻧﺖ أو ��‪َ ،‬و� ُ‬ ‫َ ُ َ‬ ‫َْ‬
‫ﻔﻌﻞ ﻧﺤﻦ ‪ .‬واﻟﻨﺼﺐ‬ ‫أﻓ َﻌ ُﻞ أﻧﺎ‪ ،‬وﺗﻔﻌﻞ‬
‫ﺑﺰ�ﺪ‪ ،‬واﻟﺮﻓﻊ ‪ :‬هﺬا ز ٌ�ﺪ‪.‬‬ ‫وا�جﺮ ‪ :‬ﻣﺮرت ٍ‬ ‫ّ‬ ‫�� اﻷﺳﻤﺎء ‪ :‬رأﻳﺖ َزْ� ًﺪا‪،‬‬
‫َ‬ ‫َ ﱡ‬
‫وﻟيﺲ �� اﻷﺳﻤﺎء َﺟ ْﺰ ٌم‪ ،‬ﻟﺘ َﻤﻜ ِ��ﺎ وﻟ�حﺎق اﻟﺘﻨﻮ�ﻦ‪ ،‬ﻓﺈذا ذ َه َﺐ‬
‫ذهﺎﺑﮫ وذهﺎب ا�حﺮﻛﺔ‪.‬‬ ‫اﻟﺘﻨﻮ�ﻦ ﻟﻢ َﻳﺠﻤﻌﻮا ﻋ�� اﻻﺳﻢ َ‬
‫‪Sībawaihs Kitāb, Kap. 1–3‬‬ ‫‪237‬‬

‫‪Kennzeichen des Imperfekts‬‬


‫ﻔﻌﻞ‪،‬‬‫واﻟﺮﻓﻊ‪َ :‬ﺳ َﻴ ُ‬ ‫ُ‬ ‫ﻟﻦ َﻳ َ‬
‫ﻔﻌﻞ‪،‬‬ ‫واﻟﻨﺼﺐ �� اﳌُﻀﺎرع ﻣﻦ اﻷﻓﻌﺎل ‪ْ :‬‬
‫ﺟﺮ ﻛﻤﺎ أﻧﮫ ﻟيﺲ‬ ‫ﻳﻔﻌﻞ ‪ .‬وﻟيﺲ �� اﻷﻓﻌﺎل اﳌﻀﺎرﻋﺔ ﱞ‬ ‫ْ‬ ‫ﺰم‪ْ :‬‬
‫ﻟﻢ‬ ‫وا�ج ُ‬
‫ِ‬
‫ٌ‬
‫ﻣﻌﺎﻗﺐ‬ ‫اﳌﻀﺎف إﻟﻴﮫ‬ ‫داﺧﻞ ��‬ ‫ٌ‬ ‫ﻷن اﳌﺠﺮو َر‬ ‫ﺟﺰم‪ ،‬ﱠ‬ ‫�� اﻷﺳﻤﺎء ٌ‬
‫ِ‬
‫ْ‬
‫ﻟﻠﺘﻨﻮ�ﻦ‪ ،‬وﻟيﺲ ذﻟﻚ �� هﺬﻩ اﻷﻓﻌﺎل‪ .‬وإﻧﻤﺎ ﺿﺎرﻋﺖ أﺳﻤﺎء‬ ‫ِ‬ ‫‪154‬‬
‫ﻗﻮﻟ َﻚ ‪َ :‬ﻟﻔﺎﻋﻞٌ‬ ‫ََ ُ ُ ُ َ‬ ‫ل ﱠ َ‬ ‫َ ﱠ‬
‫ﻮاﻓﻖ‬‫اﻟﻔﺎﻋﻠ�ن أﻧﻚ ﺗﻘﻮ ‪ :‬إن ﻋﺒﺪ ﷲ ﻟﻴﻔﻌﻞ‪ ،‬ﻓﻴ ِ‬
‫َ َْ ُ‬ ‫ﻟﻔﺎﻋﻞ ﻓﻴﻤﺎ ُﺗ ُ‬ ‫ﱠ ّ ُ َ‬
‫اﳌﻌ�ى‪ .‬وﺗ� َحﻘ ُﮫ‬ ‫ﺮ�ﺪ ﻣﻦ‬ ‫ٌ‬ ‫ﺣ�ى ﻛﺄﻧﻚ ﻗﻠﺖ ‪ :‬ﱠإن ز ً�ﺪا‬
‫اﻟﻼم‪ .‬وﺗﻘﻮل‬ ‫ُ‬ ‫َ‬ ‫َْ‬
‫ﺳﻢ‪ ،‬وﻻ ﺗ� َح ُﻖ )ﻓ َﻌ َﻞ(‬ ‫اﻟﻼم ﻛﻤﺎ َ�ح َﻘﺖ اﻻ َ‬ ‫ُ‬ ‫هﺬﻩ‬
‫ِ ِ ِ‬
‫ُ ُ‬ ‫ُ‬ ‫ُ‬
‫ﻳﻔﻌﻞ ذﻟﻚ ﻓﺘ ِ�حﻘهﺎ هﺬﻳﻦ ا�حﺮﻓ�ن ﳌﻌ�ى‬ ‫ﺳﻴﻔﻌﻞ ذﻟﻚ وﺳﻮف‬
‫ُ‬ ‫ﻛﻤﺎ َﺗ َ‬
‫ﻟﻠﻤﻌﺮﻓﺔ‪ .‬و ُ� ِّﺒ�ن ﻟﻚ أ��ﺎ ﻟيﺴﺖ‬ ‫ِ‬
‫َ‬
‫اﻷﺳﻤﺎء‬ ‫ُ‬
‫واﻟﻼم‬ ‫�ح ُﻖ اﻷﻟﻒ‬
‫ّ‬ ‫َ‬
‫ﻟﻢ َﻳ ُﺠ ْﺰ ذﻟﻚ‪ .‬أﻻ ﺗﺮى أﻧﻚ‬ ‫وﺿﻌ��ﺎ ﻣﻮاﺿ َﻊ اﻷﺳﻤﺎء ْ‬
‫ِ‬ ‫ِ‬
‫َ‬ ‫ﺑﺄﺳﻤﺎء أﻧﻚ ﻟﻮ‬ ‫ٍ‬
‫ّ‬ ‫َُ ْ ً ّ‬ ‫ْ‬ ‫ﱠ‬ ‫َ‬ ‫ُ‬
‫ﻟﻮ ﻗﻠﺖ )إن َﻳﻀ ِﺮ َب ﻳﺄﺗيﻨﺎ( وأﺷﺒﺎﻩ هﺬا‪ ،‬ﻟﻢ ﻳﻜﻦ ﻛﻼﻣﺎ؟! إﻻ أ��ﺎ‬
‫أﻳﻀﺎ ��‬ ‫وﺳ َ��ى ذﻟﻚ ً‬ ‫ﺿﺎرﻋﺖ اﻟﻔﺎﻋﻞ ﻻﺟﺘﻤﺎﻋهﻤﺎ �� اﳌﻌ�ى‪َ .‬‬
‫َ ُ‬ ‫ﱠ ُ‬
‫ﺟﻞ ﺛﻨﺎؤ ُﻩ ﴿ َو ﱠإن َرﱠ� َﻚ ﻟ َﻴ ْﺤﻜ ُﻢ‬ ‫اﻟﻼم ﻗﺎل ﷲ‬ ‫ِ‬ ‫َﻣ ْﻮ ِﺿ ِﻌ ِﮫ‪ِ .‬وﻟ ُﺪﺧﻮ ِل‬
‫َ‬ ‫َ ٌ َ َ َ‬
‫اﻟﺴ�ن وﺳﻮف ﻛﻤﺎ‬ ‫ِ‬ ‫ﻣﻦ‬ ‫هﺎ‬ ‫ﻘ‬ ‫َﺑ ْﻴ َ� ُ� ْﻢ﴾ )‪ (Q 16,124‬أي �حﺎﻛﻢ‪ِ .‬وﳌﺎ � ِح‬ ‫‪67‬‬

‫واﻟﻼم ﻟﻠﻤﻌﺮﻓﺔ‪.‬‬ ‫ُ‬ ‫ُ‬


‫ﺳﻢ اﻷﻟﻒ‬ ‫َ�ح َﻘﺖ اﻻ َ‬
‫ِ ِ ِ‬
‫)‪Unflektierbare Wörter (bināʾ‬‬
‫ّ‬ ‫ْ ُ‬ ‫َ‬ ‫َ‬
‫واﻟﻜ ْﺴ ُ‬ ‫َْ‬
‫اﳌﺘﻤﻜﻨﺔ‬‫ِ‬ ‫ﻏ��‬
‫ِ‬ ‫ﻓﻠﻸﺳﻤﺎء‬
‫ِ‬ ‫ﻒ‬ ‫واﻟﻮﻗ‬ ‫واﻟﻀ ﱡ‬
‫ﻢ‬ ‫ﺮ‬ ‫وأﻣﺎ اﻟﻔﺘ ُﺢ‬
‫ّ‬ ‫‪61–64‬‬

‫ﳌﻌ�ى ﻟيﺲ‬ ‫اﳌﻀﺎرﻋﺔ ﻋﻨﺪهﻢ ﻣﺎ ﻟيﺲ ﺑﺎﺳﻢ وﻻ ﻓﻌﻞ ﻣﻤﺎ ﺟﺎء ً‬


‫ٍ‬ ‫ٍ‬ ‫ِ‬
‫ْ‬ ‫َ‬ ‫ْ‬ ‫َ‬ ‫ْ‬ ‫َ َ‬ ‫َ‬ ‫ُ‬
‫وﻟﻸﻓﻌﺎل اﻟ�ي ﻟﻢ ﺗﺠ ِﺮ ﻣﺠﺮى اﳌﻀﺎ ِرﻋﺔ‪،‬‬ ‫ِ‬ ‫ﻏ��‪ ،‬ﻧﺤﻮ ﺳﻮف وﻗﺪ‪،‬‬
‫ُ‬ ‫إﻻ ً‬ ‫َ ْ ّ‬
‫ﻓﺎﻟﻔﺘﺢ‬ ‫ﳌﻌ�ى‪.‬‬ ‫أﻓﻌﺎل وﻟﻢ ﺗ ِ��‬
‫ٍ‬ ‫ﺑﺄﺳﻤﺎء وﻻ‬
‫ٍ‬ ‫وﻟ�حﺮوف اﻟ�ي ﻟيﺴﺖ‬
‫ُ ُ‬ ‫ُ‬ ‫َ‬ ‫ﺣﻴﺚ َ‬ ‫َ‬ ‫�� اﻷﺳﻤﺎء َﻗ ُﻮﻟ ُه ْ‬
‫وﻻء‬
‫ِ‬ ‫أ‬ ‫‪:‬‬‫ﻧﺤﻮ‬ ‫ﻓ��ﺎ‬ ‫واﻟﻜﺴﺮ‬ ‫‪.‬‬‫وﻛﻴﻒ‬ ‫وأﻳﻦ‬ ‫‪:‬‬‫ﻢ‬
‫‪238‬‬ ‫‪Textanhang‬‬
‫ُ‬ ‫ﺒﻞ َو� ُ‬ ‫ﱡ ُ َ ُ َ‬
‫ﻧﺤﻮ‪َ :‬ﻣ ْﻦ‬
‫واﻟﻮﻗﻒ ُ‬ ‫ﻌﺪ‪.‬‬ ‫وﻗ ُ‬ ‫ﺬار َو� َﺪ ِاد‪ .‬واﻟﻀﻢ ﻧﺤﻮ‪ :‬ﺣﻴﺚ‬ ‫وﺣ ِ‬
‫َ‬
‫وﻗﻂ وإ ْذ ‪ .‬واﻟﻔﺘﺢ �� اﻷﻓﻌﺎل اﻟ�ي ْ‬ ‫ْ‬ ‫ْ‬
‫ﺗﺠﺮ ﻣﺠﺮى اﳌﻀﺎ ِرﻋﺔ‬ ‫ِ‬ ‫ﻟﻢ‬ ‫وﻛﻢ‬
‫َ‬ ‫�ﻞ ﺑﻨﺎء ﻣﻦ اﻟﻔﻌﻞ َ‬ ‫َ‬
‫‪155‬‬ ‫�ﺎن ﻣﻌﻨﺎﻩ ﻓ َﻌ َﻞ‪ .‬وﻟﻢ‬ ‫ِ‬ ‫ﻗﻮﻟهﻢ‪ :‬ﺿ َﺮ َب‪ ،‬وﻛﺬﻟﻚ ﱡ ٍ‬
‫ﺾ ﻣﺎ �� اﳌﻀﺎ ِر َﻋﺔ‪ ،‬ﺗﻘﻮل‪ :‬هﺬا‬
‫ُ‬ ‫ُ� َﺴ ّﻜﻨﻮا آﺧ َﺮ َﻓ َﻌ َﻞ َﻷ ﱠن ﻓ��ﺎ َ� ْﻌ َ‬
‫ِ‬ ‫ِ‬
‫ْ‬ ‫َ‬ ‫َ‬ ‫َ‬ ‫َ‬ ‫َ‬ ‫َ‬ ‫َ‬ ‫ر ٌ‬
‫]‪[3‬‬ ‫ﺟﻞ ﺿﺮ�ﻨﺎ ﻓﺘﺼﻒ ��ﺎ اﻟﻨ ِﻜﺮة‪ ،‬وﺗ�ﻮن �� ﻣﻮ ِﺿﻊ ﺿﺎر ٍب إذا ‪ǁ‬‬
‫ُ ِ‬ ‫َ‬
‫‪156‬‬ ‫ﺟﻞ ﺿﺎر ٌب‪ .‬وﺗﻘﻮل‪ :‬إن ﻓ َﻌ َﻞ ﻓﻌﻠﺖ‪ ،‬ﻓﻴ�ﻮن �� ﻣﻌ�ى‬ ‫ﻗﻠﺖ‪ :‬هﺬا ر ٌ‬
‫ْ‬
‫ﻓﻌﻞ َوﻗ ْﺪ وﻗﻌﺖ‬
‫ٌ َ‬
‫ﻀﺎرع‬
‫ﱠ ُ‬
‫اﳌ‬ ‫أن‬ ‫ﻛﻤﺎ‬ ‫ﻞ‬‫إن َﻳ ْﻔ َﻌ ْﻞ ْأﻓ َﻌ ْﻞ‪ ،‬ﻓ�ي ِﻓ ْﻌ ٌ‬ ‫ْ‬
‫ِ‬
‫اﻷﺳﻤﺎء �� اﻟﻮﺻﻒ ﻛﻤﺎ ﺗﻘﻊ‬ ‫ِ‬
‫َ‬
‫ﻣﻮﻗﻊ‬ ‫ﻮﻗﻌهﺎ �� ْإن‪ ،‬ووﻗﻌﺖ‬ ‫ﻣ ِ‬
‫َ‬
‫ّ‬ ‫ّ‬
‫اﻷﺳﻤﺎء‬
‫ِ‬ ‫�ﺴﻜﻨﻮهﺎ ﻛﻤﺎ ﻟﻢ �ﺴﻜﻨﻮا ﻣﻦ‬ ‫اﳌﻀﺎ ِرﻋﺔ �� اﻟﻮﺻﻒ‪ ،‬ﻓﻠﻢ ِ‬
‫َْ‬ ‫ّ‬ ‫اﳌﺘﻤ ّﻜﻦ‪ ،‬وﻻ ﻣﺎ ُ‬ ‫ﺿﺎر َع َ‬
‫اﳌﺘﻤﻜﻦ �� ﻣﻮﺿﻊ ﺑﻤن ِ�ﻟﺔ ﻏ��‬ ‫ِ‬ ‫ﺻ ِّ� َ� ِﻣﻦ‬ ‫ِ‬
‫ﻣﺎ َ‬
‫اﳌﺘﻤﻜﻦ‪ .‬ﻓﺎﳌُﻀﺎرع‪ :‬ﻣﻦ ﻋﻞ ّ‬ ‫ّ‬
‫ﺣﺮ�ﻮﻩ ﻷ��ﻢ ﻗﺪ ﻳﻘﻮﻟﻮن ﻣﻦ ﻋﻞ‬ ‫ِ ِ‬
‫ّ‬ ‫ُ‬
‫اﳌﺘﻤﻜﻦ �� ﻣﻮﺿﻊ‬ ‫ِ‬ ‫ﻓﻴﺠﺮوﻧﮫ‪ْ .‬وأﻣﺎ اﳌﺘﻤﻜﻦ اﻟﺬي ﺟ ِﻌﻞ ﺑﻤن�ﻟﺔ ِ‬
‫ﻏ��‬
‫َ َ‬
‫و�ﺎﺣﻜ ُﻢ‪.‬‬ ‫ﻓﻘﻮﻟﻚ ِا َﺑﺪأ ��ﺬا ّأو ُل‪،‬‬
‫‪Die Endungen der unflektierbaren Wörter‬‬
‫ُ َ ُ‬ ‫َ‬ ‫َ‬ ‫ُ‬
‫ﻳﺤﺮ�ﻮهﺎ ﻷ ّ��ﺎ ﻻ ﻳﻮﺻﻒ ��ﺎ‬ ‫ِ‬
‫ﻟﻢ ّ‬ ‫اﻷ ْﻣﺮ‪ْ ،‬‬ ‫��‬ ‫ﻗﻮﻟه ْﻢ‪ِ :‬ا ْ‬
‫ﺿﺮب‬ ‫واﻟﻮﻗﻒ ُ‬
‫َُْ َ‬ ‫ْ‬ ‫ََُ َ‬
‫ﻮﻗﻊ اﳌﻀﺎ ِرﻋﺔ‪َ ،‬ﻓﺒ ُﻌ َﺪت ﻣﻦ اﳌﻀﺎ ِرﻋﺔ �ﻌﺪ ﻛﻢ‪ ،‬وإذ ﻣﻦ‬
‫ْ‬
‫وﻻ ﺗﻘﻊ ﻣ ِ‬
‫ُ‬ ‫ْ‬ ‫�ﻞ ﺑﻨﺎء ﻣﻦ اﻟﻔﻌﻞ َ‬ ‫ّ‬
‫واﻟﻔﺘﺢ ��‬ ‫�ﺎن ﻣﻌﻨﺎﻩ ِاﻓ َﻌ ْﻞ‪.‬‬ ‫ِ‬ ‫ٍ‬ ‫اﳌﺘﻤﻜﻨﺔ‪ .‬وﻛﺬﻟﻚ ﱡ‬ ‫ِ‬
‫ا�حﺮوف اﻟ�ي ﻟيﺴﺖ إﻻ ﳌﻌ�ى وﻟيﺴﺖ ﺑﺄﺳﻤﺎء وﻻ أﻓﻌﺎل‪ ،‬ﻗﻮﻟهﻢ‪:‬‬
‫َ‬ ‫َ ُ‬
‫ﺰ�ﺪ‪.‬‬
‫ﺰ�ﺪ ِوﻟ ٍ‬‫ﻻﻣهﺎ‪ِ :‬ﺑ ٍ‬ ‫اﻹﺿﺎﻓﺔ و ِ‬
‫ِ‬ ‫ﺳﻮف وﺛ ﱠﻢ‪ .‬واﻟﻜﺴﺮ ﻓ��ﺎ ﻗﻮﻟهﻢ �� ِ‬
‫ﺑﺎء‬
‫ُ‬
‫واﻟﻀ ﱡﻢ ﻓ��ﺎ ‪ُ :‬ﻣ ْﻨﺬ‪ ،‬ﻓﻴﻤﻦ َﺟ ﱠﺮ ِ��ﺎ‪ ،‬ﻷ��ﺎ ﺑﻤن�ﻟﺔ ِﻣ ْﻦ �� اﻷﻳﺎم‪.‬‬ ‫َ‬
‫ّ‬ ‫وﻗ ْﺪ‪ .‬وﻻ َ‬ ‫ْ َ ْ َ ْ ّ‬ ‫َْ‬
‫اﻟﻔﻌﻞ ﻷﻧﮫ‬‫ِ‬ ‫ﺿ ﱠﻢ ��‬ ‫واﻟﻮﻗﻒ ﻓ��ﺎ ﻗﻮﻟهﻢ‪ِ :‬ﻣﻦ‪ ،‬وهﻞ‪ ،‬و�ﻞ‪،‬‬
‫‪Sībawaihs Kitāb, Kap. 1–3‬‬ ‫‪239‬‬
‫ٌ‬ ‫ﻟﻢ َﻳ ْ‬
‫�ﻞ ِﻓ ْﻌ ٍﻞ‬
‫ﺑﻨﺎء ّ‬
‫ِ‬
‫ﺛﺎﻟﺚ ﺳﻮى اﳌﻀﺎرع‪ .‬وﻋ�� هﺬﻳﻦ اﳌﻌﻨﻴ�ن ُ‬
‫ِ‬ ‫ِ‬ ‫��‬
‫اﳌﻀﺎرع‪.‬‬
‫ِ‬ ‫َ� ْﻌ َﺪ‬
‫‪Zusatzbuchstaben beim Dual der Nomina‬‬
‫ُ‬ ‫ُ‬ ‫اﻟﻮاﺣﺪ َ�ح َﻘ ْﺘ ُ‬ ‫َ‬ ‫َﱠْ َ‬
‫�ﺎدﺗﺎن ‪ :‬اﻷو�� ﻣ��ﻤﺎ ﺣﺮف‬ ‫ِ‬ ‫ز‬ ‫ﮫ‬ ‫ِ‬ ‫ﺖ‬ ‫واﻋﻠﻢ ﱠأﻧﻚ إذا ﺛﻨي‬
‫ُ‬
‫ﻣﺘﺤﺮ ٍك وﻻ ُﻣ َﻨ ﱠﻮ ٍن‪ ،‬ﻳ�ﻮن ��‬ ‫ِ‬
‫ّ‬ ‫ﺣﺮف اﻹﻋﺮاب ُ‬
‫ﻏ��‬ ‫ِ‬ ‫واﻟ ِ�ن وهﻮ‬
‫اﳌﺪ ِ‬
‫ّ‬
‫ِ‬
‫َ‬ ‫َ‬ ‫ْ‬ ‫ْ‬ ‫ً‬
‫واوا ِﻟ ُﻴﻔﺼ َﻞ ﺑ�ن اﻟﺘﺜنﻴﺔ وا�ج ْﻤ ِﻊ اﻟﺬي ﻋ��‬ ‫اﻟﺮﻓﻊ أﻟﻔﺎ‪ ،‬وﻟﻢ ﻳﻜﻦ ً‬
‫ْ‬ ‫َ‬ ‫ّ‬
‫ﻣﻔﺘﻮﺣﺎ ﻣﺎ ﻗﺒﻠهﺎ‪ ،‬وﻟﻢ ُﻳﻜ َﺴ ْﺮ‬ ‫ً‬ ‫ا�جﺮ ً‬
‫ﻳﺎء‬ ‫ِ‬
‫ّ‬ ‫ﺣﺪ اﻟﺘﺜنﻴﺔ‪ ،‬و��ﻮن ��‬ ‫ِ‬
‫ّ‬
‫ﺼ َﻞ ﺑ�ن اﻟﺘﺜنﻴﺔ وا�جﻤﻊ اﻟﺬي ﻋ�� ﺣﺪ اﻟﺘﺜنﻴﺔ‪ .‬و��ﻮن ��‬ ‫ُﻟﻴ ْﻔ َ‬
‫َْ‬ ‫ﺼ َﺐ ً‬ ‫اﻟﻨ ْ‬ ‫وﻟﻢ ﻳﺠﻌﻠﻮا ﱠ‬ ‫اﻟﻨﺼﺐ ﻛﺬﻟﻚ‪ْ ،‬‬
‫أﻟﻔﺎ ﻟﻴ�ﻮن ِﻣﺜﻠﮫ �� ا�جﻤﻊ‪،‬‬
‫ﺳﻢ ﻻ‬ ‫ﻷن ﱠ‬ ‫ا�ج ﱡﺮ ﻣﻨﮫ أو��‪ ،‬ﱠ‬ ‫ﺗﺎ�ﻌﺎ ﳌﺎ َ‬ ‫و�ﺎن ﻣﻊ ذا ْأن ﻳ�ﻮ َن ً‬
‫ﻟﻼ ِ‬‫ا�جﺮ ِ‬
‫َْ‬ ‫ُ ُ‬
‫أﻏﻠﺐ وأﻗﻮى‪.‬‬ ‫َ‬ ‫واﻟﺮﻓ ُﻊ ﻗﺪ ﻳنﺘﻘﻞ إ�� اﻟﻔﻌﻞ‪ ،‬ﻓ�ﺎن هﺬا‬ ‫ﺠﺎوز ُﻩ‪،‬‬‫ﻳ ِ‬
‫ض ﳌﺎ ُﻣﻨ َﻊ ﻣﻦ َ‬ ‫َ‬ ‫َ ٌ‬ ‫ً ﱠ‬
‫ا�حﺮﻛﺔ‬ ‫وﺗ�ﻮن اﻟﺰ�ﺎدة اﻟﺜﺎﻧﻴﺔ ﻧﻮﻧﺎ ﻛﺄ��ﺎ ِﻋﻮ ِ ِ ِ‬
‫اﻟﺮﺟﻼن‪،‬‬
‫ِ‬ ‫اﻟﻜﺴﺮ‪ ،‬وذﻟﻚ ﻗﻮﻟﻚ‪ :‬هﻤﺎ‬ ‫ُ‬ ‫ُ‬
‫وﺣﺮﻛ��ﺎ‬ ‫واﻟﺘﻨﻮ�ﻦ‪ ،‬و�� اﻟﻨﻮ ُن‬
‫َ‬ ‫ُ‬ ‫َ‬ ‫ُ‬
‫ورأﻳﺖ اﻟﺮﺟﻠ ْ� ِن‪ ،‬وﻣﺮرت ﺑﺎﻟﺮﺟﻠ ْ� ِن‪.‬‬
‫‪Zusatzbuchstaben beim Plural der Nomina‬‬
‫ُ‬ ‫َ‬ ‫ﺟﻤﻌﺖ ﻋ�� ّ‬‫َ‬
‫ﺣﺪ اﻟﺘﺜنﻴﺔ � َح ِﻘ َ��ﺎ زاﺋﺪﺗﺎن‪ :‬اﻷو�� ﻣ��ﻤﺎ ﺣﺮف‬ ‫ِ‬ ‫وإذا‬
‫ٌ‬ ‫ُ‬ ‫ّ‬
‫واﻟ ِ�ن واﻟﺜﺎﻧﻴﺔ ﻧﻮن‪ .‬وﺣﺎل اﻷو�� �� اﻟﺴ�ﻮ ِن ِ‬
‫وﺗﺮك اﻟﺘﻨﻮ�ﻦ‬ ‫اﳌﺪ ِ‬ ‫ِ‬
‫ٌ‬ ‫ﱠ‬
‫وأ��ﺎ ﺣﺮف اﻹﻋﺮاب‪ ،‬ﺣﺎل اﻷو�� �� اﻟﺘﺜنﻴﺔ إﻻ أ��ﺎ ٌ‬ ‫ﱠ‬
‫ﻣﻀﻤﻮم ﻣﺎ‬ ‫واو‬
‫َ‬
‫ﻗﺒﻠهﺎ ُ‬ ‫اﻟﺮ ْﻓﻊ‪ ،‬و�� ّ‬ ‫َ‬
‫وﻧﻮ��ﺎ‬ ‫ﻳﺎء ﻣﻜﺴﻮ ٌر ﻣﺎ‬‫ا�جﺮ واﻟﻨﺼﺐ ٌ‬
‫ِ‬ ‫ِ‬
‫ﻗﺒﻠهﺎ �� َ‬
‫َ ِ‬
‫ﱠ‬ ‫َ‬
‫ﻣﻔﺘﻮﺣﺔ‪ ،‬ﻓ َﺮﻗﻮا ﺑﻴ��ﺎ و��ن ﻧﻮ ِن اﻻﺛﻨ�ن‪ ،‬ﻛﻤﺎ أن ﺣﺮف اﻟﻠ�ن اﻟﺬي‬
‫َ‬ ‫ُ َ‬ ‫ٌ‬
‫اﳌﺴﻠﻤﻮن ‪ ǁ‬ورأﻳﺖ‬ ‫هﻮ ﺣﺮف اﻹﻋﺮاب ﻣﺨﺘﻠﻒ ﻓ��ﻤﺎ‪ .‬وذﻟﻚ ﻗﻮﻟﻚ‪:‬‬ ‫]‪[4‬‬
‫‪240‬‬ ‫‪Textanhang‬‬

‫ّ‬
‫ا�جﺮ‬ ‫اﳌﺴﻠﻤ َ�ن‪َ ،‬وﻣ َﺮ ْر َت ﺑﺎﳌﺴﻠﻤ َ�ن‪ .‬وﻣﻦ َﺛ ﱠﻢ ﺟﻌﻠﻮا َ‬
‫ﺗﺎء َ‬
‫ﻤﻊ �� ِ‬ ‫ُِ‬ ‫ا�ج‬ ‫ِ‬ ‫ِ‬ ‫ِ‬
‫َ‬ ‫َ‬ ‫َ‬ ‫ُ‬ ‫ﱠ‬ ‫رً‬
‫اﻹﻋﺮاب‬
‫ِ‬ ‫واﻟﻨﺼﺐ ﻣﻜﺴﻮ ة‪ ،‬ﻷ��ﻢ ﺟﻌﻠﻮا اﻟﺘﺎء اﻟ�ي �� ﺣﺮف‬ ‫ِ‬
‫ُ‬ ‫ﱠ‬ ‫ْ‬ ‫َ‬
‫اﻟﻮاو‬
‫ِ‬ ‫اﻟﺘﺄﻧيﺚ ﻧﻈ��ة‬
‫ِ‬ ‫واﻟﺘﻨﻮ�ﻦ ﺑﻤن ِ� ِﻟﺔ اﻟﻨﻮ ِن‪ ،‬ﻷ��ﺎ ��‬
‫ِ‬ ‫واﻟﻴﺎء‬
‫ِ‬ ‫�ﺎﻟﻮاو‬
‫ِ‬
‫اﻟﺘﺬﻛ�� ﻓﺄﺟﺮوهﺎ ﻣﺠﺮاهﺎ‪.‬‬ ‫ِ‬ ‫واﻟﻴﺎء ��‬
‫ِ‬
‫‪Die Dualendung des Imperfekts‬‬
‫َ‬ ‫ً‬ ‫َ َ‬ ‫َ‬
‫اﻷﻓﻌﺎل اﳌﻀﺎ ِرﻋﺔ ﻋﻼﻣﺔ ﻟﻠﻔﺎﻋﻠ ْ� ِن‬ ‫َ‬ ‫اﻋﻠﻢ ّأن اﻟﺘﺜنﻴﺔ إذا � ِحﻘ ِﺖ‬ ‫َو ْ‬
‫ﱠ َ ُ‬ ‫َ‬ ‫ُ‬ ‫أﻟﻒ وﻧﻮ ٌن‪ ،‬وﻟﻢ ُﺗﻜ ْ‬ ‫ٌ‬ ‫َ�ح َﻘ ْ‬
‫ﻷﻧ َﻚ ﻟ ْﻢ ﺗ ِﺮ ْد ْأن‬ ‫اﻹﻋﺮاب‬
‫ِ‬ ‫ﺣﺮف‬ ‫اﻷﻟﻒ‬ ‫ﻦ‬ ‫�ﺎ‬ ‫�‬ ‫ِ‬
‫آﺧ َﺮ وﻟﻜ ﱠﻨ َﻚ إﻧﻤﺎ ْأ� َح ْﻘ َﺘﮫُ‬ ‫َْ َ ُ َ‬ ‫ُ‬
‫اﻟﺒﻨﺎء ﻓﺘﻀ ﱠﻢ إﻟﻴﮫ ﻳﻔﻌﻞ‬
‫َ‬ ‫َ‬ ‫ﺗﺜ� َي ﻳﻔﻌ ُﻞ هﺬا‬ ‫َ‬ ‫ْ‬ ‫َ‬ ‫ّ‬ ‫َُ‬
‫ِ‬
‫ُ‬ ‫ﻟﻠﻔﺎﻋﻠ ْ�ن‪ ،‬وﻟﻢ ُﺗﻜ ْﻦ ُﻣ َﻨ ﱠﻮ َﻧ ًﺔ وﻻ ُ‬ ‫َ‬ ‫ً‬
‫ﻷﻧ ُﮫ‬ ‫ا�حﺮﻛﺔ ﱠ‬ ‫ﻳﻠﺰﻣهﺎ‬ ‫ِ‬ ‫ﻋﻼﻣﺔ‬ ‫هﺬا‬
‫ُ‬ ‫َ‬ ‫نَ‬ ‫نُ‬ ‫ُ‬ ‫ُ ُ‬
‫اﻹﻋﺮاب واﻟﺜﺎﻧﻴﺔ‬ ‫ِ‬ ‫ا�جﺰم واﻟﺴ�ﻮ ﻓﺘ�ﻮ اﻷو�� ﺣﺮف‬ ‫ﺪرﻛهﺎ‬ ‫ﻳ ِ‬
‫ِ َ‬ ‫ُ‬ ‫ْ‬ ‫ﱠ‬ ‫ُ‬ ‫َْ‬
‫اﻟﺘﺜنﻴﺔ‬
‫ِ‬ ‫اﻻﺳﻢ و��‬ ‫ِ‬ ‫ﺣﺎل‬ ‫اﻟﻮاﺣﺪ ﻏ�� ِ‬ ‫ﻮ�ﻦ ﻓ�ﻠﻤﺎ �ﺎﻧﺖ ﺣﺎﻟهﺎ ��‬ ‫�ﺎﻟﺘﻨ ِ‬
‫إﻋﺮاﺑ ُﮫ �� اﻟﺮﻓﻊ ﺛﺒﺎت اﻟﻨﻮن ﻟﺘ�ﻮن ﻟﮫ ��‬ ‫َ‬ ‫ﺑﻤن�ﻟﺘ ِﮫ ﻓﺠﻌﻠﻮا‬ ‫ِ‬ ‫ﻟﻢ ﺗﻜﻦ‬
‫ُ‬ ‫ً‬
‫اﻹﻋﺮاب‪.‬‬ ‫ِ‬ ‫اﻟﺘﺜنﻴﺔ ﻋﻼﻣﺔ ﻟﻠﺮﻓﻊ ﻛﻤﺎ �ﺎن �� اﻟﻮاﺣﺪ إذ ُﻣ ِﻨ َﻊ ﺣﺮف‬
‫َ‬ ‫ً‬
‫ﻛﺤﺎﻟهﺎ �� اﻻﺳﻢ‪ ،‬وﻟﻢ ﻳﺠﻌﻠﻮهﺎ ﺣﺮف‬ ‫ِ‬ ‫وﺟﻌﻠﻮا اﻟﻨﻮن ﻣﻜﺴﻮرة‬
‫َ‬ ‫ّ ً َُْ ُ‬
‫ﺤﺬﻓﻮا‬ ‫ﻣﺘﺤﺮﻛﺔ ﻻ ﺗﺜبﺖ �� ا�جﺰم وﻟﻢ ﻳ�ﻮﻧﻮا ِﻟﻴ ِ‬ ‫ِ‬ ‫اﻹﻋﺮاب إذ �ﺎﻧﺖ‬
‫َ‬
‫اﻷﻟﻒ ﻷ��ﺎ ﻋﻼﻣﺔ اﻹﺿﻤﺎر واﻟﺘﺜنﻴﺔ �� ﻗﻮل َﻣﻦ ﻗﺎل‪ :‬أ�ﻠﻮ�ﻲ‬
‫َ‬ ‫ُْ ُ‬
‫و�ﻤن�ﻟﺔ اﻟﺘﺎء �� )ﻗﻠﺖ( و)ﻗﺎﻟﺖ( ﻓﺄﺛبﺘﻮهﺎ �� اﻟﺮﻓﻊ‬ ‫ِ‬ ‫اﻟ��اﻏﻴﺚ‬
‫وﺣﺬﻓﻮهﺎ �� ا�جﺰم ﻛﻤﺎ ﺣﺬﻓﻮا ا�حﺮﻛﺔ �� اﻟﻮاﺣﺪ‪.‬‬
‫ا�جﺮ ��‬ ‫ﱠ‬ ‫ُ‬
‫اﻟﻨﺼﺐ‬ ‫َ‬
‫واﻓﻖ‬ ‫ا�جﺰم �� ا�حﺬف ﻛﻤﺎ‬ ‫َ‬ ‫ُ‬
‫اﻟﻨﺼﺐ‬ ‫وواﻓﻖ‬
‫اﻷﺳﻤﺎء واﻷﺳﻤﺎء ﻟيﺲ‬ ‫ا�جﺮ ��‬ ‫ُ‬ ‫َ‬ ‫ﱠ‬
‫ِ‬ ‫اﻷﺳﻤﺎء ﻷن ا�جﺰم �� اﻷﻓﻌﺎل ﻧﻈ�� ِ‬ ‫ِ‬
‫‪Sībawaihs Kitāb, Kap. 1–3‬‬ ‫‪241‬‬

‫ٌ‬
‫ﻧﺼيﺐ‪ .‬وذﻟﻚ‬ ‫ا�جﺮ‬ ‫ٌ‬
‫ﻟﻠﻔﻌﻞ �� ِ‬
‫ِ‬ ‫ﻧﺼيﺐ ﻛﻤﺎ أﻧﮫ ﻟيﺲ‬ ‫ﻟهﺎ �� ا�جﺰم‬
‫و)ﻟﻢ َﻳﻔﻌﻼ( ْ‬
‫و)ﻟﻦ َﻳﻔﻌﻼ(‪.‬‬ ‫ﻗﻮﻟﻚ‪ُ ) :‬هﻤﺎ َﻳﻔﻌﻼن( ْ‬
‫ِ‬
‫‪Die Pluralendung des Imperfekts‬‬
‫ﻋﻼﻣﺔ ﻟ�جﻤﻊ َ�ح َﻘ ْ��ﺎ اﺋﺪﺗﺎن ﱠإﻻ أنّ‬
‫ٌ‬ ‫َ‬
‫اﻷﻓﻌﺎل‬ ‫ﺖ‬
‫َ َ ْ‬
‫وﻛﺬﻟﻚ إذا � ِحﻘ‬
‫ِ‬ ‫ز‬ ‫ِ‬ ‫َِ‬
‫ُ‬ ‫ُ‬ ‫ّ‬ ‫َ‬ ‫َ‬ ‫ٌ‬ ‫اﻷو�� ٌ‬
‫ا�جﻤﻊ �ﺎﻟﺘﺜنﻴﺔ وﻧﻮ��ﺎ‬ ‫ﻣﻀﻤﻮم ﻣﺎ ﻗﺒﻠهﺎ ﻟﺌﻼ ﻳ�ﻮن‬ ‫واو‬
‫ﻷ��ﻤﺎ‬‫ﻣﻔﺘﻮﺣﺔ ﺑﻤن�ﻟ��ﺎ �� اﻷﺳﻤﺎء ﻛﻤﺎ َﻓ َﻌ ْﻠ َﺖ ذﻟﻚ �� اﻟﺘﺜنﻴﺔ ّ‬‫ٌ‬
‫ِ‬ ‫ِِ‬
‫َ‬
‫وﻗﻌﺘﺎ �� اﻟﺘﺜنﻴﺔ‪ ،‬وا�جﻤﻊ ههﻨﺎ ﻛﻤﺎ أ��ﻤﺎ �� اﻷﺳﻤﺎء ﻛﺬﻟﻚ‪ ،‬وهﻮ‬
‫ُ‬ ‫ُ‬ ‫ُ‬ ‫ُ‬
‫ﻗﻮﻟﻚ‪) :‬هﻢ َﻳﻔﻌﻠﻮن( و)ﻟﻢ َﻳﻔﻌﻠﻮا( و)ﻟﻦ َﻳﻔﻌﻠﻮا(‪.‬‬

‫ﻳﺎء َوﺗ ْﻔ َﺘﺢُ‬ ‫‪ُ Die Endung‬‬


‫اﻷو�� ٌ‬ ‫ّ‬
‫‪der 2. Pers. Sg. f. Imperfekt‬‬
‫َ‬ ‫َْ َ ْ َ‬
‫اﳌﺨﺎﻃﺒﺔ إﻻ أن‬
‫ِ‬ ‫��‬ ‫اﻟﺘﺄﻧيﺚ‬ ‫ﺖ‬ ‫وﻛﺬﻟﻚ إذا أ�حﻘ‬
‫َ‬
‫اﻟﺰ�ﺎدة اﻟ�ي ﻗﺒﻠهﺎ ﺑﻤن�ﻟﺔ اﻟﺰ�ﺎدة اﻟ�ي �� َ‬ ‫َ‬ ‫اﻟﻨﻮ َن ﱠ‬
‫ا�ج ْﻤ ِﻊ و��‬ ‫ِ‬ ‫ِ ِ‬ ‫ﻷن‬
‫َْ‬ ‫ُ‬
‫أﻧﺖ ﺗﻔ ِﻌﻠ َ�ن(‬ ‫واﻟﻨﺼﺐ‪ ،‬وذﻟﻚ ﻗﻮﻟﻚ‪ِ ) :‬‬ ‫ِ‬ ‫ِ‬
‫اﻷﺳﻤﺎء �� ّ‬
‫ا�جﺮ‬ ‫ِ‬ ‫��‬ ‫ن‬ ‫ﺗ�ﻮ‬
‫َْ‬ ‫َ‬ ‫َ َْ‬
‫و)ﻟ ْﻢ ﺗﻔ َﻌ ِ��( و)ﻟ ْﻦ ﺗﻔ َﻌ ِ��(‪.‬‬
‫‪Die Endung der 2. Pers. Pl. f. Imperfekt‬‬
‫ً‬ ‫َ َ ْ َ‬ ‫َ‬ ‫وإذا أر ْد َت َﺟ ْﻤ َ‬
‫ﻟﻠﻌﻼﻣﺔ ﻧﻮﻧﺎ‬
‫ِ‬ ‫ﺖ‬ ‫اﳌﻀﺎرع أ�حﻘ‬
‫ِ‬ ‫اﻟﻔﻌﻞ‬
‫ِ‬ ‫��‬ ‫اﳌﺆﻧﺚ‬ ‫ﻊ‬ ‫‪160‬‬
‫ُ‬ ‫َ‬ ‫ْ‬
‫وا�جﻤﻊ ِﻓ َﻴﻤ ْﻦ ﻗﺎل )أ�ﻠﻮ�ﻲ اﻟ��اﻏﻴﺚ(‬ ‫اﻹﺿﻤﺎر‬
‫ِ‬ ‫ﻋﻼﻣﺔ‬ ‫و�ﺎﻧﺖ‬
‫َ‬ ‫ِ َ‬ ‫َ ْ َ َ‬
‫اﻹﻋﺮاب ﻛﻤﺎ ﻓﻌﻠﺖ ذﻟﻚ ��‬ ‫ُ ِ‬ ‫ﺣﺮف‬ ‫اﻟﻮاﺣﺪ‬
‫ِ‬ ‫��‬ ‫�ﺎن‬ ‫ﻣﺎ‬ ‫ﻨﺖ‬ ‫وأﺳﻜ‬
‫ْ‬ ‫ُ‬ ‫ْ‬ ‫َ‬ ‫َ‬
‫)ﻓ َﻌ َﻞ( ﺣ�ن ﻗﻠﺖ )ﻓ َﻌﻠﺖ( و)ﻓﻌﻠ َﻦ( ﻓﺄ ْﺳ ِﻜ َﻦ هﺬا ههﻨﺎ ُو� ِ� َي ﻋ��‬
‫َ‬ ‫ُ‬
‫اﻟﻌﻼﻣﺔ ﻛﻤﺎ أ ْﺳ ِﻜ َﻦ )ﻓ َﻌ َﻞ( ﻷﻧﮫ ِﻓ ْﻌ ٌﻞ ﻛﻤﺎ أﻧﮫ ﻓﻌﻞ وهﻮ‬ ‫ِ‬ ‫هﺬﻩ ‪ǁ‬‬ ‫]‪[5‬‬
‫َ‬
‫ﻣﺘﺤﺮك ﻛﻤﺎ أﻧﮫ ﻣﺘﺤﺮك ﻓﻠيﺲ هﺬا ﺑﺄ ْ� َﻌ َﺪ ﻓ��ﺎ – إذا �ﺎﻧﺖ ��‬
‫واﺣﺪا – ﻣﻦ َﻳ ْﻔﻌ ُﻞ إذ ﺟﺎز ﻟهﻢ ﻓ��ﺎ اﻹ ْﻋ ُ‬ ‫ً‬ ‫َ‬
‫و)ﻓ َﻌ َﻞ( ً‬
‫ﺮاب ﺣ�ن‬ ‫ِ‬ ‫ِ‬ ‫ﺷيﺌﺎ‬
‫‪242‬‬ ‫‪Textanhang‬‬
‫ْ ْ‬ ‫ُ‬
‫ﺑﺎﺳﻢ‪ ،‬وذﻟﻚ ﻗﻮﻟ َﻚ‪ُ ) :‬ه ﱠﻦ َﻳﻔ َﻌﻠ َﻦ( و)ﻟﻦ‬ ‫ﺿﺎرﻋ ِﺖ اﻷﺳﻤﺎء وﻟيﺴﺖ ٍ‬
‫َ‬ ‫َ َ‬
‫ُ َ ُ ّ‬ ‫ُ‬ ‫ّ‬ ‫ﻟﻢ َﻳ ْﻔ َﻌ ْﻠ َﻦ(‪َ .‬وﺗ ْﻔ َﺘ ُ‬ ‫َﻳ ْﻔ َﻌ ْﻠ َﻦ( و) ْ‬
‫‪160‬‬ ‫ﺟﻤﻊ وﻻ ﺗ ْﺤﺬف ﻷ��ﺎ‬ ‫ٍ‬ ‫ن‬ ‫ﻧﻮ‬ ‫�ﺎ‬ ‫ﻷ�‬ ‫هﺎ‬ ‫ﺤ‬
‫ُ‬
‫وﺟﻤﻊ �� ﻗﻮ ِل َﻣ ْﻦ ﻗﺎل أ�ﻠﻮ�ﻲ اﻟ��اﻏﻴﺚ‪ .‬ﻓﺎﻟﻨﻮن‬ ‫ٍ‬ ‫إﺿﻤﺎر‬
‫ٍ‬ ‫ﻋﻼﻣﺔ‬
‫وﻓ ْﻌ َﻞ ﺑﻼم ) َﻳ ْﻔ َﻌ ُﻞ( ﻣﺎ ُﻓﻌﻞَ‬ ‫َ َْ َ ُ‬ ‫ﻳﻔﻌﻠ َ‬ ‫ْ‬
‫ِ‬ ‫ِ‬ ‫‪.‬‬‫(‬ ‫ﻦ‬ ‫ﻠ‬ ‫ﻌ‬ ‫ﻓ‬ ‫)‬ ‫��‬ ‫�ﺎ‬ ‫ﺑﻤن�ﻟ�‬
‫ِ‬ ‫(‬ ‫ﻦ‬ ‫ههﻨﺎ �� )‬
‫َ‬ ‫ُ‬ ‫ّ‬ ‫َ‬ ‫ُ‬ ‫َ‬
‫ﺑﻼم )ﻓ َﻌ َﻞ( ِﳌﺎ ذﻛﺮت ﻟﻚ وﻷ��ﺎ ﻗﺪ ﺗﺒ�ى ﻣﻊ ذﻟﻚ ﻋ�� اﻟﻔﺘﺤﺔ ��‬ ‫ِ‬
‫َ‬ ‫َ‬ ‫نَ‬ ‫َ‬ ‫َ‬ ‫َ‬ ‫ﱠ‬ ‫َ‬ ‫َ‬ ‫ْ‬ ‫َ‬
‫ﻗﻮﻟﻚ )هﻞ ﺗﻔﻌﻠﻦ(‪ .‬وأﻟﺰﻣﻮا ﻻم ﻓﻌ َﻞ اﻟﺴ�ﻮ و�ﻨﻮهﺎ ﻋ�� اﻟﻌﻼﻣﺔ‬
‫َ‬ ‫وﺣﺬﻓﻮا ا�حﺮﻛﺔ ﳌّﺎ ادوا‪ّ ،‬‬
‫آﺧﺮهﺎ ﺣﺮف‬ ‫ِ‬ ‫��‬ ‫ﻟيﺴﺖ‬ ‫اﻟﻮاﺣﺪ‬ ‫��‬ ‫�ﺎ‬ ‫ﻷ�‬ ‫ز‬
‫ذﻛﺮت َ‬ ‫ُ‬
‫ﻟﻚ‪.‬‬ ‫إﻋﺮاب ِﳌﺎ‬
‫ٍ‬
‫)‪„Schwere“ der Wörter (ṯiqal) und Flexionsfähigkeit (tamakkun‬‬
‫ُ‬
‫أﺛﻘﻞ ﻣﻦ‬ ‫ُ‬
‫ﻓﺎﻷﻓﻌﺎل‬ ‫�ﻌﺾ‬ ‫ُ‬ ‫َ‬ ‫اﻋﻠﻢ ﱠ‬
‫َو ْ‬
‫‪153‬‬ ‫أﺛﻘﻞ ﻣﻦ َ ٍ‬ ‫ُ‬
‫اﻟﻜﻼم‬
‫ِ‬ ‫�ﻌﺾ‬ ‫أن‬
‫َ‬ ‫ﱡ ﱡً‬
‫ﻓﻤ ْﻦ ﺛ ﱠﻢ ﻟﻢ‬
‫ِ‬ ‫ﺎ‬ ‫ﻨ‬‫ﺗﻤﻜ‬ ‫ﺷﺪ‬ ‫أ‬ ‫و��‬ ‫ٰ‬
‫و��‬ ‫اﻷ‬ ‫اﻷﺳﻤﺎء ﻷن اﻷﺳﻤﺎء ��‬
‫ََ‬ ‫ُن ّ‬ ‫ٌ َ َ‬ ‫ْ ْ‬
‫ا�جﺰم واﻟﺴ�ﻮ وإﻧﻤﺎ �� ﻣﻦ اﻷﺳﻤﺎء‪ .‬أﻻ‬ ‫ُ‬ ‫ﺗﻨﻮ�ﻦ و� ِحﻘهﺎ‬ ‫ِﻳ� َحﻘهﺎ‬
‫ﻛﻼﻣﺎ واﻻ ُ‬ ‫ُ ْ‬ ‫ﱠ‬ ‫ُﱠ‬ ‫َ‬
‫ﺳﻢ ﻗﺪ‬ ‫ﺗﺮى أن اﻟﻔﻌﻞ ﻻ ﺑﺪ ﻟﮫ ﻣﻦ اﻻﺳﻢ وإﻻ ﻟﻢ ﻳﻜﻦ ً ِ‬
‫َ ُ‬ ‫َْ ُ‬ ‫ُ ُ َ‬
‫ﷲ أﺧﻮﻧﺎ‪.‬‬ ‫اﻟﻔﻌﻞ ﺗﻘﻮل‪ :‬ﷲ ِإﻟ ُهﻨﺎ وﻋﺒﺪ ِ‬ ‫ِ‬ ‫�ﺴﺘﻐ�ي َﻋ ِﻦ‬
‫ِ‬
‫‪Auswirkungen der „Schwere“ auf die Flexion‬‬
‫ََ‬ ‫َ ُ‬
‫ﻀﺎر َع ﻣﻦ اﻷﺳﻤﺎء �� اﻟﻜﻼم وواﻓﻘ ُﮫ‬
‫ﺿﺎرع ُاﻟﻔﻌﻞ اﳌ ِ‬ ‫ِواﻋﻠﻢ أن ﻣﺎ‬
‫ُ‬ ‫�� اﻟﺒﻨﺎء ُأ ْﺟﺮي ﻟﻔﻈﮫ َﻣﺠﺮى ﻣﺎ �ﺴتﺜﻘﻠﻮن ُ‬
‫وﻣﻨﻌﻮﻩ ﻣﺎ ﻳ�ﻮن ِﳌﺎ‬
‫َ‬ ‫ُ‬ ‫َ‬ ‫َ‬
‫ِ‬ ‫ِ ِ‬
‫أﺣﻤﺮ( و) َ‬ ‫َ‬ ‫َ‬ ‫َ‬ ‫ْ‬ ‫َ‬
‫ﺴﺘ ِﺨ ﱡﻔﻮ َن وذﻟﻚ ﻧﺤﻮ )أﺑﻴﺾ( و)أﺳﻮد( و) َ‬ ‫َ َ‬
‫أﺻﻔﺮ( ﻓهﺬا‬ ‫�‬
‫ُ‬
‫ﻣﻔﺘﻮﺣﺎ اﺳتﺜﻘﻠ ُ‬
‫ً‬ ‫َ‬ ‫َ‬
‫ﺑﻨﺎء أذ َه ُﺐ وأ ْﻋﻠ ُﻢ ﻓﻴ�ﻮن �� َﻣ ْﻮﺿﻊ ّ‬ ‫ُ‬ ‫َ‬ ‫ُ‬
‫ﻮﻩ ﺣ�ن‬ ‫ا�جﺮ‬ ‫ِ ِ‬
‫اﻟﺒﻨﺎء‪.‬‬ ‫اﻓﻖ ��‬ ‫ﻗﺎر َب �� اﻟﻜﻼم وو َ‬
‫ِ‬
‫‪Sībawaihs Kitāb, Kap. 1–3‬‬ ‫‪243‬‬
‫َ‬ ‫ُ َ‬ ‫َ‬ ‫ﱠ ُ َ َُُ‬
‫اﻟﻴﻮم ﻗﻮ ﱞي( و)أﻻ‬ ‫َ‬ ‫اﻟﺼﻔﺔ ﻓﺈﻧﻚ ﻟﻮ ﻗﻠﺖ‪) :‬أﺗﺎ�ﻲ‬ ‫وأﻣﺎ ﻣﻀﺎرﻋﺘﮫ �� ِ‬
‫ﺴﻦ )أﺗﺎ�ﻲ‬ ‫وﻟﻢ ُﻳﻜ ْﻦ �� ُ‬
‫ﺣ‬ ‫ﺿﻌﻴﻔﺎ ْ‬ ‫ً‬ ‫ﺑﺎ ًدا( و)ﻣﺮر ُت ﺑﺠﻤﻴﻞ( َ‬
‫�ﺎن‬ ‫ِر‬
‫ِ‬ ‫ٍ‬
‫ُ‬ ‫َ‬
‫ﺟﻤﻴﻞ(‪ .‬أﻓﻼ ﺗﺮى أن‬ ‫ٍ‬ ‫ﻣﺎء ﺑﺎر ًدا( و)ﻣﺮرت ِﺑ َﺮ ُﺟ ٍﻞ‬ ‫ﺟﻞ ﻗﻮ ﱞي( و)أﻻ ً‬ ‫ر ٌ‬
‫ُ‬ ‫ﱠ‬
‫اﻻ ُ‬
‫ﺳﻢ‬ ‫ﺘ�ﻠﻢ ﺑﮫ إﻻ َوﻣ َﻌﮫ ِ‬ ‫هﺬا ﻳﻘﺒﺢ ههﻨﺎ ﻛﻤﺎ أن اﻟﻔﻌﻞ اﳌﻀﺎرع ﻻ ُﻳ ُ‬
‫ِ‬
‫َ‬ ‫ﱠ‬
‫اﻟﺼﻔﺔ ﻛﻤﺎ أﻧﮫ ﻗﺒﻞ اﻟﻔﻌﻞ‪ .‬وﻣﻊ هﺬا أﻧﻚ ﺗﺮى‬ ‫ﺳﻢ َ‬
‫ﻗﺒﻞ‬ ‫ﻷن اﻻ َ‬ ‫ﱠ‬
‫ِ‬ ‫ِ‬
‫ﺟﻞ ﺿﺎر ٌب ز ً�ﺪا(‪ ،‬وﺳ��ى‬ ‫ﻣﻌ�ى َﻳ ْﻔ َﻌ ُﻞ �ﻌ�ي )هﺬا ر ٌ‬ ‫اﻟﺼﻔﺔ َﺗ ْﺠﺮي �� َ‬
‫ذﻟﻚ إن ﺷﺎء ﷲ‪.‬‬
‫ُ َ ْ َ َ ُْ‬ ‫ﱠ‬ ‫ً‬
‫اﺳﻤﺎ �ﺎن أﺧﻒ ﻋﻠ��ﻢ وذﻟﻚ ﻧﺤﻮ أﻓ� ٍﻞ وأ�ﻠ ٍﺐ‬ ‫ﻓﺈن �ﺎن‬
‫ْ‬ ‫َ‬ ‫ُ‬
‫اﻟﻨﻜﺮة‪ .‬وﻣﻀﺎ َرﻋﺔ )أﻓ َﻌ َﻞ( اﻟﺬي ﻳ�ﻮن ِﺻﻔﺔ ﻟﻼﺳﻢ‬ ‫ﻳﻨﺼﺮﻓﺎن �� ِ‬ ‫ِ‬
‫َ ُُ‬ ‫ً‬ ‫ً‬
‫ﱠأﻧﮫ ﻳ�ﻮن وهﻮ اﺳﻢ ﺻﻔﺔ ﻛﻤﺎ ﻳ�ﻮن اﻟﻔﻌﻞ ﺻﻔﺔ‪ ،‬وأﻣﺎ )�ﺸﻜﺮ(‬
‫ُ‬
‫ﺻﻔﺔ وهﻮ ٌ‬ ‫ن ً‬ ‫ﺻﻔﺔ وهﻮ ٌ‬ ‫ن ً‬
‫ﻓﻌﻞ‪.‬‬ ‫اﺳﻢ وإﻧﻤﺎ ﻳ�ﻮ‬ ‫ﻓﺈﻧﮫ ﻻ ﻳ�ﻮ‬
‫‪Indeterminierte Formen sind leichter als determinierte,‬‬
‫‪der Singular ist leichter als der Plural‬‬
‫ﱡ ﱡ‬
‫ﺗﻤﻜ ًﻨﺎ ّ‬ ‫ﱡ‬ ‫َ‬ ‫َ ْ ﱠ‬
‫ﻷن‬ ‫اﳌﻌﺮﻓﺔ و�� أﺷﺪ‬‫ِ‬ ‫اﻟﻨﻜﺮة أﺧﻒ ﻋﻠ��ﻢ ﻣﻦ‬ ‫واﻋﻠﻢ أن ِ‬ ‫‪153‬‬

‫اﻟﻜﻼم‬ ‫ﻳﺪﺧ ُﻞ ﻋﻠ��ﺎ ﻣﺎ ُ� َﻌ ﱠﺮ ُف ﺑﮫ‪ .‬ﻓﻤ ْﻦ َﺛ ﱠﻢ ُ‬


‫أﻛ��‬
‫ُ‬ ‫َ‬
‫اﻟﻨﻜﺮة ﱠأو ُل ﺛﻢ‬
‫ِ‬ ‫ِ‬
‫ﻷن‬‫ﺗﻤﻜﻨﺎ ﻣ َﻦ ا�جﻤﻴﻊ ّ‬
‫أﺷﺪ ً‬ ‫َ‬
‫اﻟﻮاﺣﺪ ﱡ‬ ‫أن‬ ‫ﻳﻨﺼﺮ ُف �� اﻟﻨﻜﺮة‪َ .‬و ْ‬
‫اﻋﻠﻢ ّ‬
‫ِ‬ ‫ِ‬ ‫ِ‬ ‫ِ‬
‫َ‬ ‫َ‬ ‫َ‬ ‫ﱠ‬ ‫َ‬ ‫ْ‬ ‫ُ‬ ‫َ‬
‫ا�جﻤﻴﻊ ﻣﺎ ﺟﺎء ﻋ��‬
‫ِ‬ ‫ﺼﺮﻓﻮا ﻣﺎ ﺟﺎء ﻣﻦ‬ ‫اﻟﻮاﺣﺪ اﻷول ِوﻣﻦ ﺛﻢ ﻟﻢ ﻳ ِ‬
‫َ‬
‫وﻣﻔﺎﺗﻴﺢ‪.‬‬ ‫َ‬
‫ﻣﺴﺎﺟﺪ‬ ‫ﻣﺜﺎل ﻟيﺲ ﻳ�ﻮ ُن ﻟﻠﻮاﺣﺪ ُ‬
‫ﻧﺤﻮ‬ ‫ِ ٍ‬
‫‪Maskuline Formen sind leichter als feminine‬‬
‫َ‬ ‫أﺧﻒ ﻋﻠ��ﻢ ﻣ َﻦ اﳌﺆﻧﺚ ّ‬ ‫ﱡ‬ ‫ﱠ‬ ‫َو ْ‬
‫اﳌﺬﻛﺮ أول وهﻮ أﺷﺪ‬ ‫ﻷن‬ ‫ِ‬ ‫ِ‬ ‫اﻋﻠﻢ أن اﳌﺬﻛ َﺮ‬
‫َ َ‬ ‫ُ‬
‫اﻟﺘﺬﻛ��‪ .‬أﻻ ﺗﺮى ّأن "اﻟ��يء" ﻳﻘﻊ‬
‫ِ‬ ‫ﻣﻦ‬ ‫اﻟﺘﺄﻧيﺚ‬ ‫ﺨﺮ ُج‬ ‫ً‬
‫ﺗﻤﻜﻨﺎ وإﻧﻤﺎ َﻳ ُ‬
‫ُْ‬ ‫َ َََ‬
‫ﻗﺒﻞ ْأن ُ� ْﻌﻠ َﻢ ‪ ǁ‬أذﻛ ٌﺮ هﻮ أو أﻧ�ى واﻟ�ىيء‬ ‫ﻣﻦ‬ ‫ﻋﻨﮫ‬ ‫�‬‫ﻋ�� �ﻞ ﻣﺎ ُأ ْﺧ� َ‬ ‫]‪[6‬‬
‫ِ‬ ‫ِ‬
‫‪244‬‬ ‫‪Textanhang‬‬
‫ٌ‬ ‫َ ُ‬ ‫ّ‬ ‫ٌ َْ َ‬
‫واﻷﺧﻒ ﻋﻠ��ﻢ وﺗ ْﺮﻛ ُﮫ ﻋﻼﻣﺔ‬
‫ِ‬ ‫ﻋﻨﺪهﻢ‬ ‫ﻦ‬ ‫ُ‬ ‫ٌ‬
‫ذﻛﺮ‪ ،‬ﻓﺎﻟﺘﻨﻮ�ﻦ ﻋﻼﻣﺔ ﻟﻸﻣ ِ‬
‫ﻜ‬
‫ُ‬ ‫َْ َ ُ‬ ‫ﳌﺎ �ﺴتﺜﻘﻠﻮ َن‪ .‬وﺳﻮف ّ‬
‫ﺼ ِﺮف وﻣﺎ ﻻ ﻳﻨﺼﺮف إن ﺷﺎء‬ ‫ﻳﺒ� ُن ﻣﺎ ﻳﻨ‬ ‫ِ‬
‫ﷲ‪.‬‬
‫َ‬ ‫‪ُ َ Ähnlichkeit‬‬
‫َ‬ ‫‪von Diptotaَ und Nomen‬‬
‫َْ َ‬ ‫ُ‬
‫وﺟﻤﻴﻊ ﻣﺎ ﻻ َﻳ ْﻨ ِﺼ ِﺮف إذا أ ْدﺧﻠﺖ ﻋﻠﻴﮫ اﻷﻟﻒ واﻟﻼم أو أﺿﻴﻒ‬ ‫ُ‬
‫ودﺧ َﻞ ﻓ��ﺎ‬
‫َ َ‬ ‫َ ُ‬ ‫أﺳﻤﺎء ُأدﺧ َ‬
‫اﳌﻨﺼﺮ ِف‪.‬‬
‫ِ‬ ‫ﻋ��‬ ‫ﻞ‬‫ﺪﺧ‬ ‫ﻳ‬ ‫ﻣﺎ‬ ‫ﻋﻠ��ﺎ‬ ‫ﻞ‬ ‫ٌ ِ‬ ‫ﻧﺠﺮ ﻷ��ﺎ‬‫ِا ﱠ‬
‫َ‬ ‫ُ‬ ‫ُ‬
‫اﻷﻓﻌﺎل وأ ِﻣﻨﻮا‬
‫ِ‬ ‫اﳌﻨﺼﺮ ِف وﻻ ﻳ�ﻮن ذﻟﻚ ��‬ ‫ِ‬ ‫ا�جﺮ ﻛﻤﺎ َﻳﺪﺧﻞ ��‬ ‫ﱡ‬
‫ُ‬ ‫ُ ّ‬ ‫ُ‬
‫ﺻﺮﻓ ُﮫ ُﻣ ٌ‬
‫اﻟﻔﻌﻞ ﻷﻧﮫ إﻧﻤﺎ ﻓ ِﻌ َﻞ‬ ‫ﻀﺎرع ﺑﮫ‬ ‫ﻓﺠﻤﻴﻊ ﻣﺎ ُﻳ َ�� ُك‬
‫ُ‬ ‫َ‬
‫اﻟﺘﻨﻮ�ﻦ‪.‬‬
‫ﱡ‬
‫اﻟﻔ ْﻌ َﻞ ﻟيﺲ ﻟﮫ ﺗﻤﻜ ُﻦ‬ ‫ﱠ‬
‫ﻏ�� ِﻩ ﻛﻤﺎ أن ِ‬
‫ﱡ ُ‬ ‫ّ َ َ‬
‫ذﻟﻚ ﺑﮫ ﻷﻧﮫ ﻟيﺲ ﻟﮫ ﺗﻤﻜﻦ ِ‬
‫ﺳﻢ‪.‬‬
‫اﻻ ِ‬‫ِ‬
‫‪Der Apokopat der Verba III. w/y‬‬
‫ﱠ‬ ‫ﺴﻜ ُﻦ �� اﻟﺮﻓﻊ ُﺣﺬ َف �� َ‬‫َ ُ‬
‫ا�ج ْﺰ ِم َﻟﺌﻼ ﻳ�ﻮ َن‬ ‫ِ ِ‬ ‫اﻵﺧ َﺮ إذا �ﺎن �‬ ‫َ ْ ّ‬
‫واﻋﻠﻢ أن ِ‬
‫َ‬ ‫ُ‬ ‫َ ُ‬
‫اﻻﺛﻨ�ن‬
‫ِ‬ ‫ﻓﺤ َﺬﻓﻮا ﻛﻤﺎ َﺣ َﺬﻓﻮا ا�حﺮﻛﺔ وﻧﻮ َن‬ ‫اﻟﺮﻓﻊ‬
‫ِ‬ ‫ﺑﻤن� ِﻟﺔ‬ ‫ُ‬
‫ا�جﺰم ِ‬
‫ﻳﺨﺶ(‪ .‬وهﻮ ��‬ ‫َ‬ ‫وا�جﻤﻴﻊ‪ .‬وذﻟﻚ ﻗﻮﻟﻚ ) َﻟ ْﻢ َﻳ ْﺮم( و)ﻟﻢ ُ‬
‫�ﻐﺰ( و)ﻟﻢ‬ ‫ِ‬ ‫ِ‬
‫ُل َ ْ َ ْ ُ َ ْ َ‬ ‫ُ‬
‫و‬
‫اﻵﺧ ِﺮ ﺗﻘﻮ ‪ :‬هﻮ ﻳﺮ ِﻣﻲ ويﻐﺰ و�ﺨ��ى‪.‬‬ ‫اﻟﺮﻓﻊ ﺳﺎﻛﻦ ِ‬ ‫ِ‬

‫‪Kapitel 3‬‬
‫‪Über musnad und musnad ʾilaihi‬‬
‫ُ‬ ‫ُ ُ‬
‫ﺑﺎب اﳌ ْﺴ َﻨ ِﺪ واﳌ ْﺴ َﻨ ِﺪ إﻟﻴﮫ‬ ‫هﺬا‬
‫ّ‬ ‫ُ‬
‫واﺣﺪ ﻣ ُ��ﻤﺎ َﻋﻦ اﻵﺧﺮ وﻻ َﻳﺠ ُﺪ اﳌ َﺘ� ُ‬
‫‪vgl. S. 4‬‬ ‫ﻠﻢ ِﻣ ُﻨﮫ ُﺑ �ﺪا‪.‬‬ ‫ِ‬ ‫ِ‬ ‫ِ‬ ‫ِ‬ ‫ُِ‬
‫ٌ‬ ‫وهﻤﺎ ﻣﺎ ﻻ َ� ٰ‬
‫ﻐ�ى‬ ‫ُ‬
‫َ‬ ‫ُ‬ ‫َ‬ ‫ﺳﻢ اﳌُ ْﺒ َﺘ َﺪأ واﳌَ ﱡ‬
‫اﻻ ُ‬ ‫َ‬
‫أﺧﻮك(‬ ‫ﷲ‬‫ﺒ�ي ﻋﻠﻴﮫ‪ .‬وهﻮ ﻗﻮﻟﻚ )ﻋﺒﺪ ِ‬ ‫ﻓ ِﻤﻦ ذﻟﻚ ِ‬
‫ﻟﻠﻔ ْﻌ ِﻞ ِﻣ َﻦ‬ ‫َ ُﱠ‬ ‫ُ‬ ‫َْ َ ُ‬ ‫َ‬
‫ﷲ ﻓﻼ ﺑ ﺪ ِ‬ ‫و)هﺬا أﺧﻮك(‪ .‬وﻣﺜﻞ ذﻟﻚ ﻳﺬهﺐ ﻋﺒﺪ ِ‬
‫‪Sībawaihs Kitāb, Kap. 1–3‬‬ ‫‪245‬‬

‫ﺑﺘﺪاء‪ِ .‬وﻣ ّﻤﺎ‬ ‫اﻻﺳﻢ ﻛﻤﺎ ﻟﻢ َﻳ ُﻜ ْﻦ ﻟ ِﻼﺳﻢ ﱠ‬


‫اﻷو ِل ُﺑ ﱞﺪ ِﻣ َﻦ‬
‫اﻻ ِ‬ ‫اﻵﺧﺮ �� ِ‬ ‫ِ‬ ‫ِ ِ‬ ‫ِ ِ‬
‫َ‬ ‫َ‬ ‫َ‬ ‫ُ‬ ‫َ‬ ‫َْ‬
‫ﷲ ُﻣ ْﻨﻄ ِﻠ ًﻘﺎ( و)ﻟﻴﺖ َز ً�ﺪا‬ ‫َ ُ‬ ‫َ‬
‫ﻳ�ﻮن ِﺑﻤن ِ� ِﻟﺔ اﻻﺑﺘﺪاء ﻗﻮﻟﻚ ‪�) :‬ﺎن ﻋﺒﺪ ِ‬
‫ﺒﺘﺪأ إ�� ﻣﺎ َ� ْﻌ َﺪ ُﻩ‪.‬‬
‫ُ‬ ‫ﺤﺘﺎج إ�� ﻣﺎ َ� ْﻌ َﺪ ُﻩ ْ‬ ‫ﻷن هﺬا َﻳ ُ‬ ‫ُﻣ ْﻨ َﻄﻠ ٌﻖ( ﱠ‬
‫ﻴﺎج اﳌ ِ‬ ‫ِ‬ ‫ﺘ‬
‫ِ‬ ‫�ﺎﺣ‬ ‫ِ‬
‫ُ‬ ‫ُ‬ ‫ُ‬ ‫ّ‬ ‫ﱠ‬ ‫َو ْ‬
‫اﻟﻨﺎﺻﺐ‬ ‫ﺑﺘﺪاء وإﻧﻤﺎ ﻳﺪﺧ ُﻞ‬ ‫اﻻ ُ‬ ‫أﺣﻮاﻟ ِﮫ ِ‬
‫ِ‬ ‫ﺳﻢ أول‬ ‫اﻋﻠﻢ أن اﻻ َ‬
‫ِ‬
‫ﻣﺒﺘﺪا‬ ‫وا�جﺎر ﻋ�� اﳌﺒﺘﺪأ‪ .‬أﻻ َﺗﺮى ﱠأن ﻣﺎ �ﺎن ً‬ ‫ﱡ‬ ‫اﻻﺑﺘﺪاء‬ ‫واﻟﺮاﻓﻊ ِﺳﻮى‬‫ُ‬
‫ِ‬
‫ﺗﺼﻞ إ��‬ ‫ﻣﺒﺘﺪأ وﻻ ُ‬ ‫ٍ‬ ‫ﺣ�ى ﻳ�ﻮ َن َ‬
‫ﻏ��‬
‫ُ ّ‬
‫ﻗﺪ ْﺗﺪﺧ ُﻞ ﻋﻠﻴﮫ هﺬﻩ اﻷﺷﻴﺎء‬
‫ُ‬
‫ُ َ‬ ‫َ‬ ‫ُ َ ّ‬
‫ﻟﻚ إﻻ أن ﺗ َﺪ َﻋ ُﮫ‪ .‬وذﻟﻚ ﱠأﻧ َﻚ إذا ﻗﻠﺖ‬ ‫اﻻﺑﺘﺪاء ﻣﺎ دام ﻣﻊ ﻣﺎ ذﻛﺮت‬ ‫ِ‬
‫َ‬ ‫ُ‬ ‫ُ َ‬ ‫َ ْ َ َ ُ‬ ‫ٌ‬ ‫ُ‬
‫ﷲ‬‫ﷲ ﻣﻨﻄﻠﻖ إن ِﺷئﺖ أدﺧﻠﺖ رأﻳﺖ ﻋﻠﻴﮫ ﻓﻘﻠﺖ رأﻳﺖ ﻋﺒﺪ ِ‬ ‫ﻋﺒﺪ ِ‬
‫ً‬ ‫َ ْ ُ‬ ‫ً‬ ‫ُ‬ ‫ُ َ‬ ‫ً‬
‫ﻣﻨﻄﻠﻘﺎ‬ ‫ﷲ‬ ‫ﻌﺒﺪ ِ‬ ‫ﷲ ﻣﻨﻄﻠﻘﺎ أو ﻣ َﺮرت ِ� ِ‬ ‫ﻣﻨﻄﻠﻘﺎ أو ﻗﻠﺖ �ﺎن ﻋﺒﺪ ِ‬
‫واﻟﻨﻜ ُﺮة َﻗ َ‬ ‫اﻟﻮاﺣﺪ أو َل اﻟﻌﺪد َ‬ ‫ُ‬ ‫ﺒﺘﺪأ أو ُل ﺟﺰء ﻛﻤﺎ َ‬ ‫ُ ُ‬
‫ﺒﻞ‬ ‫ِ‬ ‫ِ‬ ‫�ﺎن‬ ‫ٍ‬ ‫ﻓﺎﳌ‬
‫َ‬
‫‪1‬‬
‫ﻓﺔ‪.‬‬ ‫ﻌﺮ ِ‬ ‫اﳌ ِ‬

‫____________________‬

‫‪1‬‬ ‫‪Mit musnad und musnad ʾilaihi sind die beiden Elemente gemeint, die‬‬
‫‪mindestens erforderlich sind, um eine vollständige Satzaussage zu erhal-‬‬
‫‪ten, und zwar einerseits im Nominalsatz (ǧumla ismīya), andererseits im‬‬
‫‪Verbalsatz (ǧumla fiʿlīya). Es könnte daher musnad ‚Subjekt‘ und musnad‬‬
‫‪ʾilaihi ‚Prädikat‘ bedeuten. Eindeutig geht aber diese Zuordnung aus die-‬‬
‫‪sem Abschnitt nicht hervor. Siehe dazu Goldenberg, Subject and Predicate,‬‬
‫‪und Talmon, Musnad.‬‬
Zeittafel

In der Zeittafel auf der folgenden Doppelseite sind die im Buch


genannten Gelehrten und einige ausgewählte Werke verzeichnet.
Die Übersicht wurde zusammengestellt und typographisch gestaltet
von Andreas Hallberg (Göteborg). Die Originalfassung steht im
Blogg Uppercase Alif unter http://andreasmhallberg.github.io/ zur
Verfügung.

247
1505 as-Suyūṭī al-Muzhir

** keine grammatischen Werke erhalten


1500
1494 al-ʾAšmūnī Šarḥ al-ʾAlfiyya

* keine Werke erhalten


Kommentierung der Tradition, Ausbau der Darstellungsformen

Osmanen

1400
Mamluken
1367 Ibn ʿAqīl Šarḥ al-ʾAlfiyya
1359 Ibn Hišām Muġnī l-labīb

1323 Ibn ʾĀǧurrūm al-ʾĀǧurrūmiyya

1300
1287 al-ʾAstarābāḏī Šarḥ al-Kāfiya
1274 Ibn Mālik al-ʾAlfiyya
1271 Ibn ʿUṣfur al-Mumtiʿ fī t-taṣrīf
1245 Ibn Yaʿīš Šarḥ al-Mufaṣṣal

1200
1196 Ibn Maḍāʾ ar-Radd ʿalā an-nuḥāt
1181 al-ʾAnbārī Seldschuken (Irak, Iran) Lumaʿ al-ʾadilla und Nuzhat al-ʾalibbāʾ

1143 az-Zamaḫšarī al-Mufaṣṣal


1100
(Ägypten)

1078 al-Ǧurǧānī Dalāʾil al-ʾiʿǧāz


Fatimiden
Abbasiden

1004 Ibn Fāris aṣ-Ṣāḥib fī fiqh al-luġa


1000

1002 al-Ḫaṣāʾiṣ
bġ b bġ bġ

Ibn Ǧinnī
Baṣra, Kūfa, Baġdād
Systematisierung:

994 ar-Rummānī Šarḥ kitāb Sībawaih


979 as-Sirāfī Šarḥ kitāb Sībawaih
951 az-Zaǧǧāǧī al-ʾIḍāḥ fī ʿilal an-naḥw
928 Ibn as-Sarrāǧ ʾUṣūl an-naḥw
b

904 Ṯaʿlab Kitāb al-faṣīḥ


b k

900

898 al-Mubarrad al-Muqtaḍab


Frühe Grammatiker

830 al-ʾAḫfaš al-ʾAusaṭ *


b b k k b

822 al-Farrāʾ Maʿānī al-Qurʾān**


805 al-Kisāʾī *
Zeittafel

800

798 Sībawaih al-Kitāb


786 al-Ḫalīl b. ʾAḥmad Kitāb al-ʿAin
767 Muqātil b. Sulaimān Korankommentar (ohne Titel)**
Vorläufer

Umayyaden

703 Koranüberlieferung (qirāʾa)**


700

Naṣr b. ʿĀṣim al-Laiṯī


688 ʾAbū l-ʾAswad ad-Duʾalī *
Baṣra/Kūfa/Baġdād
gestorben
248

al-Hiǧra (622)
1505 as-Suyūṭī al-Muzhir

** keine grammatischen Werke erhalten


1500
249 1494 al-ʾAšmūnī Šarḥ al-ʾAlfiyya

* keine Werke erhalten


Kommentierung der Tradition, Ausbau der Darstellungsformen

Osmanen
Mamluken

1400
1367 Ibn ʿAqīl Šarḥ al-ʾAlfiyya
1359 Ibn Hišām Muġnī l-labīb

1323 Ibn ʾĀǧurrūm al-ʾĀǧurrūmiyya


Zeittafel

1300
1287 al-ʾAstarābāḏī Šarḥ al-Kāfiya
1274 Ibn Mālik al-ʾAlfiyya
1271 Ibn ʿUṣfur al-Mumtiʿ fī t-taṣrīf
1245 Ibn Yaʿīš Šarḥ al-Mufaṣṣal

1200
Seldschuken (Irak, Iran)
1196 Ibn Maḍāʾ ar-Radd ʿalā an-nuḥāt
1181 al-ʾAnbārī Lumaʿ al-ʾadilla und Nuzhat al-ʾalibbāʾ

1143 az-Zamaḫšarī al-Mufaṣṣal


1100
(Ägypten)

1078 al-Ǧurǧānī Dalāʾil al-ʾiʿǧāz

1004 aṣ-Ṣāḥib fī fiqh al-luġa


Fatimiden

Ibn Fāris
Abbasiden

1000

1002 al-Ḫaṣāʾiṣ
bġ b bġ bġ

Ibn Ǧinnī
Baṣra, Kūfa, Baġdād
Systematisierung:

994 ar-Rummānī Šarḥ kitāb Sībawaih


979 as-Sirāfī Šarḥ kitāb Sībawaih
Entwicklung der arabischen Grammatiktradition

951 az-Zaǧǧāǧī al-ʾIḍāḥ fī ʿilal an-naḥw


928 Ibn as-Sarrāǧ ʾUṣūl an-naḥw
b

904 Ṯaʿlab Kitāb al-faṣīḥ


b k

900

898 al-Mubarrad al-Muqtaḍab


Frühe Grammatiker

830 al-ʾAḫfaš al-ʾAusaṭ *


b b k k b

822 al-Farrāʾ Maʿānī al-Qurʾān**


805 al-Kisāʾī *
800
Grammatiker und ausgewählte Werke

798 Sībawaih al-Kitāb


786 al-Ḫalīl b. ʾAḥmad Kitāb al-ʿAin
767 Muqātil b. Sulaimān Korankommentar (ohne Titel)**
Vorläufer

Umayyaden

703 Koranüberlieferung (qirāʾa)**


700

Naṣr b. ʿĀṣim al-Laiṯī


688 ʾAbū l-ʾAswad ad-Duʾalī *
Baṣra/Kūfa/Baġdād
gestorben

al-Hiǧra (622)
Erläuterungen zur Landkarte auf Seite 10

Die Karte zeigt die arabische Halbinsel und die angrenzenden Re-
gionen zu Beginn der Abbasidenzeit, d. h. ab 750. Es sind hauptsäch-
lich die Orte verzeichnet, die im Buch genannt werden. Wie die
einzelnen Landschaften zu dieser Zeit genannt wurden und welches
Gebiet dann genau gemeint war, ist in vielen Fällen nicht eindeutig
zu klären. Die vorliegende Karte orientiert sich an den Karten A I 1
und B VII 3 des Tübinger Atlas des Vorderen Orients. 1
Die Grenze des Kalifenreiches ist gestrichelt. Es werden i. d. R.
die zeitgenössischen arabischen Namen gebraucht. Der Übersicht-
lichkeit halber sind die Artikel bei den Ländern und Landschaften
weggelassen: mit Artikel stehen normalerweise al-ʿIrāq, al-Ǧazīra,
an-Naǧd, al-Ḥiǧāz, an-Nafūd, al-Baḥrain, al-Yaman, al-Ḥabaš, ohne
Artikel nur Miṣr und Fāris. Mit al-Ḥiǧāz wird die nordwestliche
Region der arabischen Halbinsel einschließlich des Gebirges be-
zeichnet. Die gesamte Küstenlinie entlang des Roten Meeres (Baḥr
al-Qulzum) heißt at-Tihāma oder at-Tahāʾim. Die Region östlich des
Gebirges ist an-Naǧd, über dessen genaue Ausdehnung allerdings
die Angaben stark auseinandergehen.
Ob der Name Ǧazīrat al-ʿArab als Oberbegriff für die gesamte
arabische Halbinsel zu jener Zeit im allgemeinen Gebrauch war,
müßte näher untersucht werden. Üblich war wahrscheinlich bei
den alten Arabern die Unterscheidung des nördlichen Teils (aš-
Šām, wohl von šimāl ‚links‘, in der Antike Arabia deserta) vom südli-
chen (al-Yaman ‚rechts‘, in der Antike Arabia felix).
Drei Städte gehen auf Garnisonen (miṣr, pl. ʾamṣār) aus der Zeit
der Eroberungen zurück: al-Fusṭāṭ (22/643), al-Kūfa (17/638), al-
Baṣra (15/636). Al-Kūfa wurde neben der zuvor bedeutenden Stadt

____________________

1 Der Tübinger Atlas des Vorderen Orients (TAVO) beschreibt auf rund 300
Karten die geographischen, historischen, wirtschaftlichen und politischen
Verhältnisse des Vorderen Orients von der Urgeschichte bis in die heutige
Zeit. Zu den einzelnen Landschaften, Meeren und Städten siehe auch die
entsprechenden Einträge in der Encyclopedia of Islam.
251
252 Erläuterungen zur Landkarte

Abb. 14: Bronzemünze (fals) aus Jerusalem um 690


Die Vorderseite zeigt wahrscheinlich den Kalifen ʿAbd al-Malik b.
Marwān (reg. 685–705); Inschrift: ‫ ﻣﺤﻤﺪ رﺳﻮل اﻟﻠـﮫ‬Muḥammadun
rasūlu llāhi. Auf der Rückseite die Wertangabe m (= 40 Nummi = 1 fils)
und ‫ اﻟﯩﺎ ڡﻠﺴﻄﯩــﮟ‬ʾĪliyā Filisṭīn, beides spiegelverkehrt; ø 19 mm.
Staatliche Museen zu Berlin, Münzkabinett,
Objektnr. 18204723, Foto: Lübke & Wiedemann

Abb. 15: Silbermünze (dirham) aus al-Kūfa, datiert 719–720


Inschrift auf der Vorderseite (umlaufend): bi-smi llāhi r-raḥmāni r-
raḥīm ḍuriba hāḏā d-dirham bi-l-Kūfa sanat ʾaḥad wa-miʾa ‚(…) dieser
Dirham wurde geprägt in al-Kūfa im Jahr 101‘; ø 28 mm.
Staatliche Museen zu Berlin, Münzkabinett,
Objektnr. 18234433, Foto: Reinhard Saczewski
Erläuterungen zur Landkarte 253

al-Ḥīra errichtet, al-Fusṭāṭ neben einer Stadt namens Babylon. Mehr


als 100 Jahre später, nämlich 145/762 gründete der Kalīf al-Manṣūr
die neue Hauptstadt Baġdād. Ihr offizieller Name auf Münzen und
Dokumenten war Madīnat as-Salām ‚Stadt des Friedens‘. Sie lag
etwa 30 km entfernt von der Doppelstadt Seleukia-Ktesiphon (ara-
bisch: al-Madāʾin), die unmittelbar vor der islamischen Eroberung
mit mehreren hunderttausend Einwohnern eine der größten Städte
der Welt gewesen war. Von 221/836 bis 279/892 residierten die Kali-
fen in der eigens hierfür neugegründeten Stadt Sāmarrāʾ – bzw.
(volksetymologisch umgedeutet) Surra Man Raʾā ‚Erfreut wird, wer
sie sieht‘. Bis heute ist hier aus dieser Zeit das berühmte Spiralmina-
rett der großen Moschee erhalten. Al-Qāhira (= Kairo) 2 wurde erst
358/969 von den fatimidischen Herrschern in unmittelbarer Nach-
barschaft zu al-Fusṭāṭ errichtet.
Kleine Orte, an denen Inschriften oder Papyri gefunden wurden,
sind auf der Karte mit einem Dreieck bezeichnet: Aphrodito hat den
arabischen Namen Kōm ʾIšqāw, wobei Kōm auf das griechische
κωμή ‚Ort‘ zurückgeht. ʾAhnās (< koptisch hnes) ist der arabische
Name für Herakleopolis Magna. Von hier stammt das älteste genau
datierte arabische Papyrusdokument (eine Quittung über den Kauf
von Schafen aus dem Jahr 22/643).
Die lateinische Bezeichnung für Jerusalem war seit dem 2. Jh.
n. Chr. Aelia Capitolina. Dies wurde zu Beginn der islamischen Zeit
als ʾĪlyā ins Arabische entlehnt. Zugleich entstand der Name Bait al-
Maqdis (auch: Bait al-Muqaddas), der nach der hebräischen Be-
zeichnung für Tempel und Tempelberg bēt ha-miqdaš (‚die heilige
Stätte‘) gebildet ist. Der heute übliche Name al-Quds taucht ab dem
9. Jh. auf. Die Städte in Nordsyrien und in der Ǧazīra heißen wie
folgt: Aleppo (Ḥalab), Edessa (ar-Ruhā), Nisibis (Nuṣaibīn), Mosul
(al-Mauṣil). Von den arabischen Beduinenstämmen sind nur die
beiden eingetragen, die im Buch erwähnt werden: die Banū Tamīm
im Osten und die Quraiš im Westen.
Für die Meere und ihre einzelnen Teile waren neben den hier
genannten Namen weitere Bezeichnungen im Gebrauch. Nähere
Auskunft geben die Einträge in der Encyclopedia of Islam. Baḥr ar-
Rūm ist der östliche Teil des Mittelmeers; es hat seinen Namen von
der arabischen Bezeichnung für die Bewohner des oströmischen
____________________

2 Das o in Kairo ist auf die in Ägypten übliche velarisierte Aussprache des ṛ
in al-Qāhiṛa zurückzuführen, wodurch das folgende a in Richtung o ge-
trübt wird.
254 Erläuterungen zur Landkarte

Reiches, die Byzantiner: ar-Rūm. Das entsprechende Land heißt


Bilād ar-Rūm.
Al-Qulzum (< griechisch Κλύσμα) ist der alte Name des heutigen
as-Suwais (Suez) am nördlichen Ende des Golfs von Suez. Nach ihr
ist Baḥr al-Qulzum benannt. Diese Bezeichnung wird manchmal
nur für den oberen Teil, meist aber wohl für das gesamte Rote Meer
gebraucht. Im Süden schließt sich hieran der heute so genannte
Golf von Aden an. Dieser konnte früher bei der Bezeichnung Baḥr
al-Qulzum mitgemeint sein. Eine eigener Name ist al-Ḫalīǧ al-
Barbarī, was auf den antiken Namen Sinus Barbaricus / Βαρβαρικός
κόλπος zurückgeht, der z. B. in der Geographie des Ptolemäus ge-
nannt wird. Dieser rührt daher, daß die nördliche Küste des heuti-
gen Somalilandes von antiken Geographen als βαρβαρία bezeichnet
wurde. Arabische Geographen übernahmen dies als Barbarā
(sprich: Berberā?). 3 Der Golf heißt daher auch Baḥr Barbarā.
Die Landschaft östlich des Persischen Golfs heißt auf persisch
Fārs. Der Golf ist auf der Karte mit Baḥr Fāris (mit i) bezeichnet,
also unter Verwendung der arabisierten Form von Fārs. Baḥr al-
Ḫazar, das kaspische Meer, ist nach den Chazaren benannt, einem
halbnomadischen Turkvolk, das zu Abbasidenzeit weite Gebiete
nördlich dieses Meeres beherrschte.

____________________

3 Siehe Lewis, Art. Berberā, und Tolmacheva, Indian Ocean.


Literaturverzeichnis

Die letzten Jahrzehnte haben für die Erforschung der arabischen


Grammatiktradition große Fortschritte gebracht. Es ist sowohl ge-
lungen, die spezifische arabische Herangehensweise an die Gram-
matik unvoreingenommen herauszuarbeiten und von der europäi-
schen abzugrenzen als auch einige Klarheit in die Entwicklungsge-
schichte zu bringen, besonders was das Verhältnis von Sībawaihs
Prinzipien zu denen seiner Nachfolger betrifft. Zum weiteren Studi-
um von Methodik und Geschichte der arabischen Grammatiktradi-
tion sind zur Einführung besonders folgende Arbeiten zu empfeh-
len:
Kees Versteegh: Die arabische Sprachwissenschaft, in: Grundriß
der arabischen Philologie, Bd. 2: Literatur, hrsg. v. Helmut
Gätje, Wiesbaden 1987, 148–176.
—: Landmarks in Linguistic Thought III. The Arabic Linguistic
Tradition, London / New York 1997. [Stellt die Entwicklung an
Textbeispielen verschiedener arabischer Gelehrter dar]
—: The Arabic Language, 2. Aufl., Edinburgh 2014. [Gute biblio-
graphische Hinweise am Ende jedes Abschnittes]
Michael G. Carter: Sībawayhi, London / New Delhi 2004. [Gut
lesbare Einführung; ausgewählte Literaturliste S. 146–150]
—: Art. Sībawayhi, in: EI2.
Djamel Eddine Kouloughli: L’arabe, Paris 2008. [Überblick über
die Sprachgeschichte, kurzgefaßt und mit vielen Bezügen auf
die Forschungsliteratur]
Eine gute Übersicht und viele Literaturhinweise gibt das Kapitel
„The Establishment of Arabic Linguistics“ im Handbuch History of
the Language Sciences (2000), S. 245–318 (verschiedene Autoren).
Außerdem bieten zu den Fachtermini wie ʿamal, ʾiʿrāb, ʿilla u. a. die
entsprechenden Artikel der Encyclopedia of Arabic Language and
Linguistics (www.brill.com) Informationen und Literaturhinweise,
sowohl auf Quellen als auch auf Sekundärliteratur. Der Aufsatz von
Gotthold Weil, Zum Verständnis der Methode der moslemischen
Grammatiker (1915), bringt wichtige Charakteristika der arabischen

255
256 Literaturverzeichnis

Grammatiktradition auf den Punkt. In einzelnen Punkten kann


man heute differenzierter argumentieren, doch seine Gesamtein-
schätzung ist immer noch richtig. Auch der Aufsatz von Ernst
Trumpp, Über den arabischen Satzbau nach der Anschauung der
arabischen Grammatiker (1879), ist immer noch wertvoll. Er gibt
eine gründliche Einführung in die Terminologie der arabischen
Grammatiker und schließt damit unmittelbar an die im vorliegen-
den Buch behandelten Punkte an.
Ein Kernthema behandelt Yasir Suleiman in The Arabic Gram-
matical Tradition. A Study in taʿlīl (1999). Er stellt anhand verschie-
dener Grammatiker die Bedeutung des Konzepts des taʿlīl („Be-
gründung der grammatischen Regeln“, siehe Kap. 3.3.4) dar. Berück-
sichtigt werden Az-Zaǧǧāǧī, Ibn Ǧinnī, Al-ʾAnbārī, Ibn Maḍāʾ und
as-Suyūṭī. In der Einleitung erklärt er die methodischen Grundsätze
der arabischen Grammatiker und alle wichtigen Termini technici.
Michael G. Carter hat in seinem Buch Arabic Linguistics. An In-
troductory Classical Text with Translation and Notes (1981) den von
aš-Širbīnī (gest. 1570) verfaßten Kommentar zur ʾĀǧurrūmīya (Ibn
ʾĀǧurrūm 1274–1323) übersetzt und ausführlich erklärt. Das Buch ist
gut geeignet, um sich in der Lektüre der arabischen Grammatiklite-
ratur zu üben. Die ʾĀǧurrūmīya selbst ist bei Brünnow/Fischer,
Chrestomathy, 171–183, zu finden; eine kommentierte Übersetzung
bringt Trumpp in seiner Einleitung in das Studium der arabischen
Grammatiker. Auf der Seite menadoc.bibliothek.uni-halle.de steht
eine PDF-Kopie von Trumpps Buch aus dem Nachlaß von Johann
Fück zur Verfügung, die dessen Randbemerkungen und Korrektu-
ren enthält.
Jonathan Owens stellt in The Foundations of Grammar. An Intro-
duction to Medieval Arabic Grammatical Theory (1988) die Herange-
hensweise der arabischen Grammatiker dar, indem er sie mit Hilfe
westlicher Terminologie analysiert und zu Konzepten der westli-
chen Sprachwissenschaft in Verbindung setzt. Der Leser sollte hier
allerdings eine gründliche Kenntnis sowohl der arabischen Gram-
matikmethode als auch der modernen Sprachwissenschaft mitbrin-
gen, um nicht von der Vermischung der beiden Konzepte verwirrt
zu werden. In einer sehr kritischen Rezension des Buches weist
Carter zudem auf die unzähligen Fehler in der Umschrift des Arabi-
schen hin.
Auch zu Sībawaihs Kitāb gibt es eine Reihe von ausführlichen
Untersuchungen. Besonders sind hervorzuheben:
Literaturverzeichnis 257

Michael Carter: Sībawayhi’s Principles. Arabic Grammar and Law


in Early Islamic Thought, Atlanta 2017.
Ulrike Mosel: Die syntaktische Terminologie bei Sībawaih, Disser-
tation, Universität München 1975.
Kees Versteegh: Arabic Grammar and Qurʾānic Exegesis in Early
Islam, Leiden 1993.
Geneviève Humbert: Les voies de transmission du Kitāb de Sība-
wayhi, Leiden 1995.
Monique Bernards: Changing Traditions. Al-Mubarrad’s Refuta-
tion of Sībawayh and the Subsequent Reception of the Kitāb, Lei-
den 1997. [enthält eine Edition von al-Mubarrads Widerlegung
des Kitāb]
Ramzi Baalbaki: The Legacy of the Kitāb. Sībawayhi’s Analytical
Methods within the Context of the Arabic Grammatical Theory,
Leiden 2008.
In dem Sammelband The Early Islamic Grammatical Tradition (hrsg.
v. Baalbaki) sind wichtige Aufsätze verschiedener Autoren aus den
Jahren 1970 bis 2000 noch einmal abgedruckt. Der Schwerpunkt
liegt auf der Methodik der arabischen Gelehrten und auf der Frage
nach den Ursprüngen der Grammatik. Einen Eindruck von der ak-
tuellen Forschungsaktivität im Bereich der arabischen Grammatik-
tradition gibt schließlich die Festschrift für Pierre Larcher Approa-
ches to the History and Dialectology of Arabic (2017), hrsg. v. Sartori,
Giolfo und Cassuto.
Fast alle in der Bibliographie genannten arabischen Bücher
(Textausgaben und wissenschaftliche Arbeiten), sind als PDF-
Kopien im Internet zu finden, z. B. unter lisaanularab.blogspot.com.

1. Quellen
Die Sībawaih-Zitate im vorliegenden Buch richten sich nach der
Ausgabe von Derenbourg. So ist ein Vergleich mit der Übersetzung
von Jahn möglich, die ebenfalls auf Derenbourg basiert und dem-
entsprechend numeriert ist. Der Lexique-Index von Troupeau ent-
hält eine Konkordanz (S. 259–266), wo die Seitenzahlen der Ausga-
ben Derenbourg und Bulāq gegenübergestellt sind. In der Ausgabe
von Hārūn sind am Rand durchgehend die Seitenzahlen der Aus-
gabe Bulāq angegeben.
258 Literaturverzeichnis

Eine neue kritische Teilausgabe wird z. Z. von Jean Druel erarbei-


tet. Er legt die bisher nicht edierte Pergamenthandschrift X 56 Sup
der Biblioteca Ambrosiana in Mailand zugrunde. Sie wurde wahr-
scheinlich im 5./11. in Nordafrika geschrieben und ist die mit Ab-
stand älteste. Sie enthält die Kapitel 327–435 des Kitāb, also etwa
ein Sechstel des gesamten Werkes. Von den bisherigen Ausgaben
bietet nach Druels Einschätzung Derenbourg den zuverlässigsten
Text, und zwar vor allem dank der zugrundeliegenden sehr guten
Leithandschrift (s. u.). 1 Maßgeblich für die Textgeschichte des Kitāb
ist im übrigen Humbert, Les voies de transmission du Kitāb de
Sībawayhi. Im Folgenden die vorhandenen Ausgaben in chronologi-
scher Reihenfolge:
al-Kitāb, hrsg. v. Kabīr al-Dīn ʾAḥmad, Calcutta 1887. [Es ist nicht
angegeben, welche Handschrift benutzt wurde, doch die Aus-
gabe ist unabhängig von Derenbourg]
Le livre de Sibawaihi, hrsg. v. Hartwig Derenbourg, 2 Bde., Paris 1881–
1889 (Nachdr. Hildesheim 1970). [Leithandschrift (A): Ms. Paris,
Bibliothèque nationale, arabe 3887 (supplément arabe 1155). Sie
stammt aus dem 18. Jh. und ist die Kopie einer wohl in Kairo ge-
fundenen Handschrift aus dem Jahr 1249]
Kitāb Sībawaihi, Būlāq 1898–1900 (Nachdr. Bagdad 1965). [Auf der
Grundlage von Derenbourg; keine weiteren Handschriften be-
rücksichtigt]
Kitāb Sībawaihi, hrsg. v. ʿAbd as-Salām Muḥammad Hārūn, 5 Bde.
und Einleitung, Kairo 1966–1967. [Auf der Grundlage von De-
renbourg; zusätzlich werden zwei Handschriften aus dem 18. Jh.
verglichen, siehe die Einleitung S. 57–60. Umfangreiches Regi-
ster im 5. Band]
Kitāb Sībawaihi, hrsg. v. ʾImīl Badīʿ Yaʿqūb, 5 Bde., Beirut 1999.
Kitāb Sībawaihi, hrsg. v. Muḥammad Kāẓim al-Bakkāʾ, Beirut 2015.
[Leithandschrift: Ms. Baġdād ʾAuqāf 1351 (datiert ca. 1789); Ver-
gleich mit Ms. Mauṣil 6184 Ṣāʾiġ 14/11 und mit den Ausgaben von
Derenbourg und Hārūn]

Jahn, Gustav: Sîbawaihi’s Buch über die Grammatik. Nach der Aus-
gabe von H. Derenbourg und dem Commentar des Sîrâfî über-
setzt und erklärt und mit Auszügen aus Sîrâfî und anderen
____________________

1 Ich danke Jean Druel, der mir Teile eines in Arbeit befindlichen Artikels
zum Thema vorab zur Verfügung gestellt hat. Hierauf basieren die Anga-
ben zu den Handschriften.
Literaturverzeichnis 259

Commentaren versehen von Dr. G. Jahn, 2 Bde. mit je zwei


Teilbänden, Berlin 1895–1900 (Nachdr. Hildesheim 1969).
Troupeau, Gérard: Lexique-Index du Kitāb de Sībawayhi, Paris 1976.

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Register

1. Sachregister

Abbasiden 25 f. Buchstabe (siehe ḥṛf)


ʾadab 22, 29
Adjektiv 186 –188, 199 (siehe Christen 13 Fn, 25, 28, 39–41,
auch wṣf) 87 f., 109 f., 135, 138
Akkadisch 197, 199 f., 204–207,
210 f. Dialekte, altarabische 19 f., 42,
ʿālim, Pl. ʿulamāʾ (Religions-) 46, 87, 105
Gelehrte 29 Dichtung, altarabische 18–20,
Althocharabisch 34 22, 34, 43, 87, 102, 105
Analogieschluß (siehe qiyās) Didaktik 140–147, 219, 223
ʾannā (Konjunktion) 195
Aorist (protosemitisch) 204 Elativ 5, 57
Apokopat (siehe ǧzm)
Araber, erste Erwähnung 15 f. Femininum (siehe ʾnṯ)
Arabische Schrift fientische Verben (s. Tätig-
Entwicklung 16–18, 23 f., 94 keitsverben)
Beziehung von Laut und fiqh („Islamisches Recht“) 107,
Schrift 6–8, 58 f., 176, 185 109, 114 f., 120–128, 129–133
Orthographie 8 f., 176 Frühnordarabisch 16
Transkription 4–9, 50–55, fuṣḥā / faṣīḥ 20, 35, 41, 45–47,
177–181 108, 219, 225
Vokale 6–8, 62, 177–179
Diphthonge 8 Genitivverbindung (ʾiḍāfa) 218
ʿArabiyya 41–48, 212 Glossierung 4, 50–55, 179–181
Artikel (al at-taʿrīf) 5f., 51, 53 Grammatik als Traditions-
wissenschaft 11, 220, 232
Banū Tamīm 103 griechischer Einfluß
Beduinen 98, 102–109, 148 auf die arabische Sprache
25 f., 227 f.

281
282 Register

auf die Grammatik 135–140 Koranüberlieferung (s. qirāʾa)


Korpus von Sprachbelegen
Hamza (siehe hmz) bei Sībawaih 101–105, 114,
Hebräisch 197–199, 204–206, 124, 110, 130f.
210 f. in der Philologie 225–231
Hocharabisch 48
Hochsprache (Kunst-/ Dichter- Lexikographie 36 f., 145 Fn,
sprache) 19, 104f., 108 170 Fn, 226, 228
Linguistik
ʾiʿǧāz al-Qurʾān (‚Wundercha- diachrone 170
rakter des Koran‘) 25, 90 f. moderne 171 f.
Imperativ (siehe ʾmr)
Imperfekt (= Präfixkonjugation) Mater lectionis 7
allgemein 67–69, 77–79, maḏhab (‚Schule, Lehrrichtung‘)
158–161 107 Fn, 111 f., 130
Präfixe 53, 77 f. maulā (‚Klient, Schutzbefohle-
Modi 80–83, 194–196, 207– ner‘) 21, 25
211 Mittelarabisch 39 f.
historische Entwicklung modernes Hocharabisch (s.
205–211 Neuhocharabisch)
(siehe auch ḍrʿ) Monem 180f.
Indikativ 180, 195, 206, 208–211, Mongolen 29
229 (siehe auch rfʿ) Morphem 54, 179–181
Infinitiv 230 (siehe auch ṣdr) Morphologie
Inschriften 17, 23, 252 allgemein 52, 54 f., 177, 179–
184, 188, 212, 218, 227
kātib (‚Schreiber‘) 21 f., 29 Vergleich mit ʾiʿrāb 181, 184 f.
klassisches Arabisch (Defi- (siehe auch ṣrf)
nition) 11–15, 34f., 42–48 min ṯamma (Konjunktion) 144
Komplement 186 f. munāẓara (‚Streitgespräch‘) 96 f.
Konditional 208 Münzen 23, 252
Kongruenz 188 f. Muʿtazila 90–92
Konjunktiv (s. Subjunktiv)
Kopf 186 f. Nahḍa 15, 31–33
Koran 17, 22–25, 30, 34 f., 86–92, naḥw
102, 217, 227, 231 allgemein 49, 55–59, 70, 80,
Koranauslegung (s. tafsīr) 100 f., 149 f., 182
Register 283

Bedeutung des Begriffs 4, 107 qirāʾa (‚Koranüberlieferung‘) 93,


Narrativ 205 f., 210 f. 102, 129, 135
Neuhocharabisch (= modernes qiyās (‚Analogieschluß‘) 95, 120–
Hocharabisch) 2, 15, 32f., 34, 128, 133, 137
48, 169 Quraiš 47, 103, 253
Nomen (siehe smy)
Nominalphrase 186 Rektion 188 f. (siehe auch ʿml)
Nominalsatz (siehe ǧml)
normative Grammatik 108 f., saǧʿ (‚Reimprosa‘) 25
130 f. ṣarf 4, 55–59, 70, 100 f., 137
Schema (= Modellstruktur) 139,
Objekt (siehe fʿl) 143 f., 177–181
Offenbarung 25, 99, 86–89 Schrifttum, arabisches 12–34,
85
Papyri 21, 38–40, 253 Schulen von Baṣra und Kūfa
Partizip 68, 119, 126 f., 154, 156, 111–115
231 Seldschuken 28
Perfekt (= Suffixkonjugation) semitische Sprachen 196f.
allgemein 67–69, 155 –157 Sprache
Personalsuffixe 52–55, 70– Ursprung 91f.
72, 76 f. als menschliche Verhal-
historische Entwicklung tensweise 131f.
198–204, 210–211 Stativ (akkadisch) 199 f.
(siehe auch mḍy) stativische Verben (s. Zu-
Personalpronomen (siehe ḍmr) standsverben)
Philologie 170–175, 220 Subjekt (siehe fʿl und bdʾ)
Phonem 5–7, 177–179 Subjunktiv (= Konjunktiv) 58,
Phonetik 140, 171, 176 63, 79, 82 f., 111, 194 f., 206–211
Phonologie 176 (siehe auch nṣb)
Phrase 187 f. Suffixkonjugation (s. Perfekt)
Plural (siehe ǧmʿ) Syntax 185–190
Präfixkonjugation (s. Imperfekt) syrisch-aramäische Sprache 25,
Präpositionen 224 135–140
Präteritum (akkadisch) 204 f.,
207, 210 f. tafsīr (‚Koranauslegung‘) 93,
Prekativ (akkadisch) 205 129, 133–135
284 Register

Tätigkeitsverben (= fientische Stämme 57


Verben) 201 f., 210 f. Verbalsatz (siehe ǧml)
Tempus-/Aspektsystem verbloser Satz 188–190 (siehe
arabische Terminologie 67 auch ǧml)
semitistische Terminologie Vetitiv (akkadisch) 205
191–196, 225
Wort 54, 176, 189–181
Ugaritisch 197–199, 206, 210 f. Wortklassen 66 f., 150 f.
Umayyaden 20 Wurzelsystem
ʾuṣūl an-naḥw (‚Grundregeln des Ursprung 139
naḥw‘) 115, 125 zweiradikalige Nomen 79

Verb (siehe auch fʿl) Zustandsverben (= stativische


Definition 66, 70, 181 f. Verben) 198–202, 210 f.

2. Arabische grammatische Termini

Eingeklammerte Seitenzahlen beziehen sich auf den Textanhang.

ʾnṯ taʾnīṯ — ins Femininum Setzen (240 f., 243)


tāʾ at-taʾnīṯ — Femininum-Marker (3. Pers. f. Sg. Perf.) 67,
76 f., 182
ʾmr ʾamr — Imperativ 6, 67, 69, 72, 79 f., 83 f., 150, 157f., 191, 208
ʾṣl ʾaṣl — Ursprung; Grundform 120–125, 133, 151–153, 177 Fn
pl. ʾuṣūl — Grundregeln 115, 121, 125, 133, 221
ʿalāma ʾaṣlīya — primäres Kennzeichen 63
ʿny maʿnan (al-maʿnā, pl. al-maʿānī) — Begriff, Bedeutung, Be-
deutungsgehalt 67, 151, (85)
maʿnawī — „ideell“, angenommen 117, 119,
ʿll ʿilla — Grund 120, 122, 126–128
~ taʿlīmīya — didaktische Begründung 126
~ qiyāsīya — systematische Begründung 127
~ ǧadalīya naẓarīya — dialektisch-spekulative
Begründung 128
Register 285

taʿlīl — Begründung der grammatischen Form 87, 111, 126,


146
ʿml ʿamal — syntaktische Einwirkung 116–120, 140, 146, 195
ʿāmil — Bewirkendes (Auslöser einer Endung) 80, 116–120,
146, 194 f., (236)
maʿmūl fīhī — Bewirktes (das Wort, auf dessen Endung
eingewirkt wird) 116–120
ʿrb ʾiʿrāb — Veränderlichkeit der Endung; allg. das System der
Flexionsendungen 53 f., 61–66, 80, 116, 137, 145, 153, 160,
184 f., 219, (236)
~ lafẓī — buchstäbliche Bezeichnung des Falls 64
~ taqdīrī — angenommene Bezeichnung des Falls 64, 146
~ maḥallī — Bezeichnung des Falls durch die Stellung im
Satz 65, 71
muʿrab — mit veränderlicher Endung 150
lā maḥalla lahu mina l-ʾiʿrāb — „ohne Relevanz für die
Syntax“ 62, 119
ʿrf muʿarraf — determiniert (mit Artikel al-)
maʿrifa — Determiniertheit des Nomens (237, 243)
bdʾ mubtadaʾ — „das Anfangende“ (erster Teil des Nominal-
satzes) 4, 59 f., 75, 117, 167, 222, (245)
ibtidāʾ — (das Prinzip des Nominalsatzes) 119 f., 146, (245)
bdl ʾibdāl — Lautwechsel 57
bny bināʾ — Unveränderlichkeit der Endung 61, 149 f., (237)
mabnī — mit unveränderlicher Endung 62, 65, 71, 80 f., 83,
141, 150
dġm ʾidġām — Assimilation 57
dll dalīl, pl. ʾadilla — Hinweis, Indiz; Grundfall 125
ḍmm ḍamm — u-Vokal 62 f., 64, 136 (236, 238)
maḍmūm — mit u-Vokal (239)
ḍmr ḍamīr — Personalpronomen 70–76, 161 f.
~ bāriz — sichtbares P. 71–73
~ mustatir — verborgenes P. 71, 73–76, 164, 213
~ muṭṭaṣil — verbundenes P. 72 f., 182
~ munfaṣil — nicht verbundenes P. 73
286 Register

~ mutaḥarrik — P. aus Konsonant + Vokal bestehend 72


~ sākin — P. aus Langvokal bestehend 72
muḍmar — (bezeichnet bei Sībawaih die in einer Verbform
verborgene Person) 161–164
ʿalāmat al-muḍmar — (das Zeichen, welches diese Person
repräsentiert) 161
ʾiḍmār — (z. T. gleichbedeutend mit muḍmar) 134, 160, 162,
164, 166, (241)
ḍrʿ ḍāraʿa (III. Stamm) – ähnlich sein (237, 242)
al-muḍāriʿ — Imperfekt 67–69, 158, (241)
(al-ʾafʿāl) al-muḍariʿa — die Imperfektformen (237)
fʿl fiʿl — Verb 59 f., 66, 116 f., 121, 136, 150 f., (235, 237 f.)
al-ʾafʿāl al-ḫamsa — „die fünf Verben“ (Imperfektformen, die
Präfixe annehmen) 78 f.
fāʿil — „Täter“ (Subjekt des aktiven Verbalsatzes) 4, 59, 62,
74 f., 116 f., 122, 164 (237, 240)
nāʾib fāʿil — „Stellvertreter des Täters“ (Subjekt des passiven
Verbalsatzes) 4, 59
mafʿūl bihi — Objekt 117
frʿ farʿ — von der Grundform (ʾaṣl) abgeleitete Form 121 f., 124,
151–153
ʿalāma farʿīya — sekundäres Kennezichen 63
fṣḥ faṣīh — klar, verständlich; sprachlich rein (s. Sachregister)
ftḥ fatḥ — a-Vokal 62, 64 (236 f.)
maftūḥ — mit a-Vokal (239)
fataḥa (I. Stamm) — mit a-Vokal versehen (239)
fyd fāʾida — sinnvolle Aussage, Information 143
ǧmʿ ǧamʿ — Plural 56, (239, 241)
al-ǧamʿ as-sālim — „gesunder“ Plural (Suffixplural) 225
ǧamʿ at-taksīr — „gebrochener“ Plural (lexikalischer Plural)
220, 225
ǧml ǧumla — Satz 143, 176
~ ismīya — Nominalsatz 4, 59 f., 75, 117, 120 f., 166 f., 188–190,
214, 218, (244 f.)
~ fiʿlīya — Verbalsatz 4, 59 f., 74 f., 116, 163, 165 –167, 184, 189 f.,
214, (244 f.)
Register 287

ǧrr ǧarr — i-Endung (Genitiv) 63 f., 155, (236 )


maǧrūr — mit i-Endung (236)
ǧry ǧarā (I. Stamm) — auslauten (236)
maǧran (al-maǧrā, pl. al-maǧārī) — Wortauslaut (236)
ǧwz yaǧūz — erlaubt 143
ǧzm ǧazm — Apokopat 50, 63, 82 f., 156, 195 f., 205–208, 210 f.,
(236)
hamza — Stimmritzenverschlußlaut (glottal stop) 19 Fn, 39, 94,
158 f., (236)
~t al-qaṭʿ — trennendes Hamza 5–6, 74, 120, 144
~t al-waṣl — Verbindungshamza 5–6, 79, 144
ḥkm ḥukm — „rechtlicher“ Status eines Wortes im
Satzkontext 121–124
ḥdṯ ḥadaṯ (pl. ʾaḥdāṯ) — Geschehen, Bedeutungsinhalt (eines
Wortes) 67, (236)
ḥrk ḥaraka — Vokal (s. Sachregister) (239 f., 244)
ḥarraka (II. Stamm) — (das Ende eines Wortes) mit Vokal
versehen (241 f.)
ḥqq haqq — „Rechte (eines Wortes im Satzkontext)“ 122, 131
ḥrf ḥarf — Buchstabe 6 f., 53–55, 58, 176
ḥarf ǧāʾa li-maʿnan laisa bi-smin wa-lā fiʿl (auch: al-ḥurūf
allatī laisat (ʾillā li-maʿnan) wa-laisat bi-ʾasmāʾ wa-lā ʾafʿāl)
— Partikel 66, 121 (235–237)
pl. ḥurūf — Buchstaben
~ al-ʾiʿrāb — y und w als Kasus-/Moduszeichen (236, 239 f.)
~ al-muḍāraʿa — Imperfektbuchstaben (ʾ-, t-, y-, n-) 74, 77 f.,
158–161
~ az-ziyāda — Zusatzbuchstaben 123, 154, 158, 161, (239, 141;
bei Sībawaih: zāʾida)
~ al-madd wal-līn — schwache Buchstaben (ā, w, y) 158, 161,
(239)
ḫbr ḫabar — „Prädikat“ (zweiter Teil des Nominalsatzes) 60, 75,
134, 166 f., 222
klm kalima — Wort 54, 176
288 Register

kalām — Rede 102 f., 107, 122


ksr kasr — i-Vokal 58, 62 –64, 136
maksūr — mit i-Vokal (239 f.)
mḍy al-māḍī — Vergangenheit 67–69, 157 (siehe auch im Sachre-
gister unter „Perfekt“)
mkn tamakkun — Flexionsfähigkeit (d. h. die Fähigkeit eine Ka-
sus-/ Modusendung anzunehmen) 150, 152 f., (242 f.)
mutamakkin — flektierbar (236, 238)
ġair mutamakkin — unflektierbar (237 f.)
nfy nafy — Verneinung 131
nḥw naḥw — „Syntax“, allg.: Grammatik (siehe Sachregister)
nkr nakira — indeterminierte Nomen (243)
nṣb naṣb — a-Endung (Akkusativ/Subjunktiv) 50, 63, 82, 120,
(236 ff.)
manṣūb — mit a-Endung (236)
nwn nūn az-zāʾida — „zusätzliches nūn“ an bestimmten
Verbformen im Indikativ Plural 79
nūn at-taukīd — nūn der Bekräftigung (modus energicus)
67, 83 f., 208
nūn (als Zusatzbuchstabe beim Dual und Plural) (239–244)
nawwana (II. Stamm) — mit Nunation versehen (236 )
tanwīn — Nunation 8 f., 121, 153 f., 159, (236 f., 239 f., 242, 244)
nzl manzila — Rang (den eine grammatische Erscheinung im
System einnimmt; = martaba) 120, 123, 131
qys qiyās — Analogieschluß 95, 120–128, 133, 137
rfʿ rafʿ — u-Endung (Nominativ/ Indikativ) 58, 63 f., 65, 72,78 f.,
82, 119 f., 124, 155, (236 ff.)
marfūʿ — mit u-Endung 62, (236)
rtb martaba — Rang (den eine grammatische Erscheinung im
System einnimmt; = martaba) 120, 123
ṣdr maṣdar — Infinitiv, Aktionsnomen 57, 151 f., 224, 230 f.
skn sukūn — Vokallosigkeit 7 f., 62 f., 65, 81, 83
sākin — auf Vokallosigkeit endend 7, 72, (244)
Register 289

sakkana (II. Stamm) — vokallos auslauten lassen (238)


smʿ samāʿ — „gehörte“ Sprachbelege 101 Fn, 114, 124
smy ism — Nomen 66, 71, 121, 136, 150, (235–237, 239 )
al-ʾasmāʾ al-ḫamsa — „die fünf Nomen“ (ʾaḫ, ʾab, ḥam, fū, ḏū)
79
ṣrf ṣarf — (Wortveränderungen ohne Auswirkung auf die Syn-
tax) 55–59 (siehe Sachregister)
munṣarif — voll flektierbar (triptotisch) (244)
lā yanṣarif — diptotisch (244)
t tāʾ at-taʾnīṯ — Femininum-Marker (das Verbalsuffix -(a)t) 55,
67, 76 f.
taʾ al-fāʿil — Subjekt-tāʾ (die Verbalsuffixe -tu, -ta, -ti) 72
ṯql ṯiqal — „Schwere“ („schwere“, abgeleitete Formen im
Gegensatz zu „leichten“, ursprünglichen) 121, 152 f., (242)
wḍʿ mauḍiʿ — Funktion, Position (die ein Wort in der Rede ein-
nimmt; = mauqiʿ) 120, 122, 127, 131
wqf waqf — Pausa-Form 134
wqʿ mauqiʿ — Funktion, Position (die ein Wort in der Rede ein-
nimmt; = mauḍiʿ) 120
wṣf ṣifa — Adjektiv 134, (243)
zyd ziyāda, zāʾida — Zusatzbuchstabe (siehe unter ḥrf)

3. Orte und Landschaften


(allgemein siehe 251–254)

Aphrodito (Kōm ʾIšqāw) 17, 40 al-Ḥiǧāz 19, 24, 103


Baġdād 25–30, 95, 97, 112, 114 al-ʿIrāq 135
al-Baṣra 31, 94, 97, 103 Fn, 109, Jabal Ramm 16
111–115, 135 Jabal ʾUsais 16
Córdoba 28 al-Kūfa 97, 104 Fn, 110, 111–115
Ḥarrān 16 f. Qaryat al-Fāw 19
Herakleopolis (ʾAhnās) 40 Šīrāz 97
290 Register

4. Arabische Gelehrte und Persönlichkeiten

ʿAbd al-Malik b. Marwān (reg. Ibn al-Muqaffaʿ (gest. 756 oder


685–705) 21, 23, 86 759) 22, 229
ʾAbū l-ʾAswad ad-Duʾalī 94 Ibn Qutaiba (gest. 889) 95
ʾAḥmad b. Fāris (gest. 1004) 46, Ibn as-Sarrāǧ (gest. 928) 115, 137
92 al-Kisāʾī (ca. 337–805) 97 f.
ʾAḥmad Fāris aš-Šidyāq (1805– al-Manṣūr (reg. 754–775) 25, 27,
1887) 33 253
ʾAḥmad b. Wallād (gest. 943) Muʿāwiya I. (reg. 616–680) 20
100 al-Mubarrad (826–898) 100,
al-ʾAḫfaš al-ʾAusaṭ (gest. 830) 109f., 113, 120, 143 –145
99, 110 Muḥammad 89, 130
ʿAlī b. Abī Ṭālib (reg. 656–661) Muqātil b. Sulaimān (gest. 767)
93 f., 140 85, 133 f.
al-ʾAnbārī (gest. 1181) 11, 93 f., 97, Öljeitü (1280–1316) 30
109, 112, 122–125, 133, 140 al-Qiftī (gest. 1248) 95
al-Farābī (gest. 950) 137 ar-Rummānī (gest. 994) 110
al-Fārisī (gest. 987) 90 Sībawaih (ca. 760–796) 92–115,
al-Farrāʾ (ca. 761–822) 135 128–133, 149–168 und öfter
al-Ǧurǧānī (1009–1078) 118 as-Sīrāfī (gest. 979) 101, 110,
al-Ḫalīl b. ʾAḥmad al-Farāhīdī 138f., 149, 151, 156, 158, 160,
(gest. 786) 94 f., 97, 128 164
Hārūn ar-Rašīd (reg. 786–809) as-Suyūṭī (ca. 1454–1505) 31,
98 256
Ibn ʾAǧurrūm (1273–1223) 142, aṭ-Ṭabarī (839–932) 27
145 aṯ-Ṯaʿlab (gest. 904) 113
Ibn Baṭṭūṭa (1304–1377) 31 Ṭāriq b. Ziyād (gest. 720) 28
Ibn Ǧinnī (gest. 1002) 90, 92 Fn, ʿUṯmān (reg. 644–654) 22, 86
138 Fn az-Zaǧǧāǧī (gest. 949) 90, 110,
Ibn Ḫallikān (1211–1282) 98 126–128
Ibn Mālik (1204–1274) 141, 145 az-Zamaḫšarī (1075–1143) 29,
101, 212f.
Register 291

5. Moderne Wissenschaftler

Aartun, Kjell 194f., 204 Fleischer, Heinrich Leberecht


Aoun, Joseph E. 172, 190 216, 226, 229
Ayoub, Georgine 134 Fück, Johann 35, 42 f., 107

Baalbaki, Ramzi 38, 95, 97, 101, Gaudefroy-Demombynes, Mau-


103, 110, 113, 116, 118, 122, 126, rice 217
133 van Gelder, Geert Jan 148–150
Badawi, El-Said 36, 48 Gibb, Hamilton A. R. 14
Bauer, Thomas 32 Goldenberg, Gideon 4, 7, 177,
Benmamoun, Elabbas 173 185, 223
Bernards, Monique 96, 102, 113
Blanchère, Régis 14, 217 Hallberg, Andreas 62, 249
Blau, Joshua 34, 40, 107 Hopkins, Simon 40
Bohas, Georges 234 Hoyland, Robert 15 f.
Brockelmann, Carl 13 f., 184, 194, Huehnergard, John 198, 206
217 Humbert, Geneviève 102
Brustad, Kristen 20, 100, 191
Jones, Alan 218 f.
Carter, Michael G. 44, 88, 103 f.,
107, 109 f., 113, 115 –118, 132 – Khan, Geoffrey 17, 40 f.
134, 137, 223 King, Daniel 138, 141
Caspari, Paul 103, 215 f. Krahl, Günther 172, 196 f., 218
Corriente, Federico 217 f.
Lane, Edward William 37, 146
Ḍaif, Šauqī 113 f., 220 Larcher, Pierre 46, 48, 105, 211,
Denz, Adolf 45, 192 215
Diem, Werner 41, 47, 205, 229 Levin, Aryeh 118
Librenz, Boris 33
Edzard, Lutz 175, 223 f.
Endreß, Gerhard 140 f. Marogy, Amal Elesha 99 f., 110
Ewald, Heinrich 228 f. Macdonald, Michael C. A. 17 f.
Marmorstein, Michal 192, 229
Fischer, Wolfdietrich 35 f., 43 f., Merx, Adalbertus 139
147, 172, 175, 183, 185 f., 192, Miquel, André 14
194–196, 211, 217 f. Monteil, Vincent 34
292 Register

Mosel, Ulrike 153, 163 Stein, Peter 17


Street, Tony 32 f.
Nagel, Tilman 91, Suleiman, Yasir 128
Neuwirth, Angelika 17–18, 90 f.,
233 Talmon, Rafael 36, 96, 229, 247
Owens, Jonathan 256 Tropper, Josef 200, 203 f., 209

Parkinson, Dilworth B. 35 f. Ullmann, Manfred 4, 36, 38, 218,


226, 229–233
Rabin, Chaim 19
Reckendorf, Hermann 204, 215 – Veccia Vaglieri, Laura 218
217, 229 Versteegh, Cornelis [Kees] 15,
Retsö, Jan 15, 20, 43, 45 f. 19, 94, 96, 111 f., 128, 135–141
Rundgren, Fritjof 139 Voigt, Rainer 6, 179–183, 203,
Ryding, Karin C. 178, 183, 188 f., 206, 208
196 Vollers, Karl 42, 49

Sadan, Arik 104, 113, 119, 196 Wagner, Ewald 14, 19


Schoeler, Gregor 101 Waltisberg, Michael 35, 229
Schulz, Eckehard 219 f. Wansbrough, John 20
Sijpesteijn, Petra M. 21, 41 Wild, Stefan 20, 34
Shah, Mustafa 93, 95, 131, 137 Woidich, Manfred 220
Somekh, Sasson 34 Wright, William 147, 196, 215 f.

6. Koranstellen

Q 1,5 73 Q 16,40 91 Q 77, 37–40 24


Q 1,6 132 Q 21,47 208 Q 82,10–11 17
Q 2,6 202 Q 26,4 208 Q 82,14 133
Q 2,11 8 Q 28,34 46 Q 91 87
Q 2,31 91 Q 30,30 88 Q 101,1 231
Q 2,105 109 Q 53,57–58 230 Q 101,6 201
Q 4,99 229 Q 55,1–4 88 Q 112,1–3 23
Q 9,33 23 Q 55,4 89 Q 112, 3–4 69
Q 12,2 19 Q 68,1 17
Q 14,4 88, 103 Q 71,1–6 24, 87

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