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Die Sage vom Sarge Josephs und der Bericht Benjamins von Tudela über Daniels

schwebenden Sarg
Author(s): Bernhard Heller
Source: Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums , Juli/August
1926, Jahrg. 70 (N. F. 34), H. 7/8 (Juli/August 1926), pp. 271-276

Stable URL: https://www.jstor.org/stable/23082140

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Die Sage vom Sarge Josephs


und der Bericht Benjamins von Tudela
über Daniels schwebenden Sarg.
Von Bernhard Heller in Budapest.

Als merkwürdigstes Beispiel aus dem jüdischen Schrifttum f


das Motiv vom schwebenden Sarg haben wir oben (MGWJ 19
LXIX S. 51) eine Stelle aus dem Reisebericht Benjamins von Tud
angeführt. Hier wird der Sarg Daniels in der Stadt Susa bewahr
Lange Zeit hindurch auf dem Ufer des Tigris, wo die Juden in W
stand leben. Die ärmeren Bewohner des andern Ufers schreiben
diesen Wohlstand des gegenüberliegenden Stadtteils dem sege
spendenden Sarge zu. Auch sie wollen dieses Segens teilhaftig werd
und setzen es durch, daß der wundertätige Sarg abwechselnd ein
Jahr auf dem rechten, ein Jahr auf dem linken Ufer verbleibe. Doch
der Schah Sandschar sieht in dieser jährlichen Ueberführung de
Ueberreste Daniels eine Verletzung jener Ehrfurcht, die dem Pro
pheten gebühre. Auf sein Geheiß mißt man die Tigrisbrücke ab,
genau in der Mitte wird der gläserne Sarg auf Ketten herabgehän
und darüber eine Andachtsstätte erbaut, in welcher Juden und Nicht
juden ihr Gebet verrichten.
Man gewinnt hier den Eindruck, daß dieser Bericht durch sein
Gepräge zur Sage gestempelt sei und sich durch die Andachtsstätt
für Juden und Nichtjuden als jüdisch-muhammedanische Legend
verrate. Dieser Eindruck wurde mir zur Gewißheit, seitdem ich die
Vorlage für diese Legende gefunden habe. Sie wird uns in einer
versprengten Fassung der Josephslegende geboten, wie diese in einer
arabischen Handschrift der Berliner Nationalbibliothek bewahrt
wird. Ueber deren Inhalt erfahren wir von Ahlwardt1: Josephs
Sarg ‫״‬zieht so viel Segen an sich, daß das Land diesseits des Flusses
üppig üppig gedeiht, während das angrenzende Land jenseits desselben
Mißernte und Hungersnot hat. Schließlich wird das Abkommen
getroffen, daß der Sarg in den Fluß versenkt wird und so beiden
Teilen zugute kommt. Endlich zur Zeit des Moses kommt er durch
diesen in seine Heimat zurück und wird neben seinen Vater Jakob
beigesetzt."
Diese gar zu knappe Inhaltsangabe können wir nach Al-Kisä'i
ergänzen, dessen Prophetengeschichten nunmehr im Druck vor
liegen2. Al-Kisä'i erzählt ausführlicher: Joseph bekehrte die
Aegypter zum wahren Glauben (Islam). Darum mußte ihn der
König, so beliebt Joseph auch war, des Landes verweisen. Joseph
ließ sich am Nilarm von Fajjüm nieder. Dort wurde er auch be
graben, am Ufer des Nils, das gegen die Wüste zu lag. Und nun welches
Wunder! Die Wüstengegend, wo Joseph begraben war, blühte in
Fruchtbarkeit auf, wohingegen das andere Ufer, das eigentliche

1 W. Ahlwardt, Verzeichnis der arabischen Handschriften der König


liehen Bibliothek zu Berlin. VIII. Band (XX. Bd. der ganzen Reihe, Berlin 1896,
S. 7, Nr. 8960.
‫ ־‬Vita Prophetarum anetore Muhammed ben Abdallah Al-Kisa'1", ed.
Dr. Isaac Eisenberg. Leiden 1922. I. 178, 179.

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Aegypten, von Dürre heimgesucht ward. Da wandte sich der König


an Éphrajim, er möge seines Vaters Sarg in Aegypten beisetzen.
Ephrajim willfahrte dieser königlichen Bitte. Die Folge davon war,
daß jetzt Aegypten die Fülle des Segens genoß, während das andere
Ufer dorrte und darbte. Endlich wurde der Sarg Josephs mitten
in den Nil versenkt, damit beide Ufer seines Segens teilhaftig werden.
Dort blieb der Sarg, bis ihn Moses mit sich nahm und neben seinem
Vater Jakob beisetzte.

Sagen- und Märchenhaftes in Benjamins von Tudela Reisebericht.


Zunz verdanken wir die treffliche Zweiteilung, daß in Ben
jamins v. T. Werk ‫״‬die geschichtlichen und geographischen Daten
sich bewähren, die Fabeln aber nicht ihm, sondern seiner Zeit zur
Last fallen"1. Anders gefaßt bedeutet dies: Benjamin berichtet
stets treu; treu berichtet er die Tatsachen, die er sieht, erlebt, treu
auch die mannigfachen Sagen und Märchen, die man ihm erzählt.
Ich möchte hierin nicht eine Entschuldigung für Benjamin suchen,
vielmehr darin ein weiteres Verdienst seines Werkes erblicken. Von
den 248 Namen der nennenswerten Männer, denen er von Navarra
bis an die Grenze Persiens in drei Erdteilen begegnet, bedeuten uns
die meisten kaum etwas. Hingegen bieten uns die Sagen, die er auf
zeichnet und die in vielen Fällen nur durch ihn bezeugt sind, ein
lebendiges Bild von der Anschauung seiner Zeitgenossen.
Außerhalb Roms wird ein Palast gezeigt, in den Titus von seinen
300 Räten (Senatoren) verbannt worden sei, weil er Jerusalem erst
nach dreijähriger Belagerung einnahm, während sie ihm nur zwei
Tage für die Belagerung angesetzt hätten. Die Juden von Rom
erzählen ihm, in der Kirche des Protomartyrs Stephanus stehen
zwei Erzsäulen aus dem Tempel Salomo's, auf denen eingegraben
sei: ,,Salomo Sohn Davids" und die jeden 9. Ab schweißtriefend
gefunden werden. Auch eine Höhle stehe dort, in welcher Titus die
Schätze des geplünderten Heiligtums bewahrt habe, ferner eine
andere Höhle, wo die Gebeine der zehn Märtyrer aus dem Hadria
nischen Kriege bestattet seien. In Sorrento wird unserm Benjamin
vorgefabelt, die Stadt sei von König Hadar'ezer gegründet worden,
als er (nach II Sam 8) vor David flüchtete; auch Romulus habe aus
Furcht vor David und Joab 15 Meilen lange Katakomben angelegt.
Sobald Benjamin den Boden des Islam betritt, häufen sich
Sagen und Märchen, vorzüglich im Heiligen Lande, wo Juden,
Christen und besonders Muhammedaner um die Wette an der Sagen
bildung mitwirken. Allerdings, Benjamin verkehrte meist mit
Juden, doch diese Juden standen in lebhafter Fühlung mit ihren
christlichen und muslimischen Landsleuten.
In Benjamins geschichtlich bedeutsame Nachrichten über die
Samaritaner mischt sich die böswillige Erfindung, die Samaritaner
schreiben Abraham ohne ‫יה‬, Isak ohne ‫׳ח‬, Jakob ohne ‫׳ע‬, ihnen
gehe ‫דוה‬, ‫ הונע «דפה‬Würde, Huld und Demut ab, — die sama
ritanischen Handschriften, welche Gall's Ausgabe verzeichnet, kennen

1 Zunz, Gesammelte Schriften I, 164.

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natürlich diese Schreibart nicht. Neben dem Toten Meere wird die
Salzsäule gezeigt, in die Lots Weib verwandelt wurde; das Weide
vieh lecke gerne daran, doch allemal wachse die Lücke nach.
Weites Gebiet öffnet sich der Legendenbildung in Jerusalem.
Hier begegnen wir auch einem namentlich hervorgehobenen Sagen
tradenten: Abraham, dem Frommen, dem Asketen, der sich in
Trauer um Zijjon kasteit. Dieser Abraham genießt auch das Zu
trauen des Patriarchen, er wird in das Geheimnis hineinbezogen,
als christliche Arbeiter auf das Grab Davids und Salomos und der
Könige Judas stoßen, die Krone und das Zepter Davids sowie ver
schlossene Schränke finden, aber von grauenhaften Stimmen betäubt
werden; der Patriarch berät sich mit Abraham dem Frommen und
läßt die Zugänge zu den geheimnisvollen Gräbern verschütten. All
dies erzählt Abraham unserm Benjamin.
Im Libanontale sieht Benjamin ‫״‬salomonische Bauten, welche,
nach dem Volksglauben, von Aschmodai aufgeführt sein müssen.
Zuweilen fließt Jüdisches und Muhammedanisches ineinander: der
Abbasidenkalif erscheint bewandert in der Lehre Mosis, in der heiligen
Sprache und Schrift, der Exilarch wieder als von Muhammed ein
gesetzt. In Ispahan lernen wir einen zweiten Gewährsmann Ben
jamins mit dem Namen kennen: es ist R. Moses, der ihm fabelhafte
Kämpfe der Perser schildert, unter anderem auch den Einfall in
Persien von wundersamen Menschen mit zwei Gesichtern, die an
Stelle der Nase nur zwei Löcher haben. (Ed. Grünhut S. 77). Da
stehen wir nun schon ganz auf dem Boden des Märchens, ähnlich
wie bei der Erzählung von den Toten, die heimkehren, um ihre
Schulden abzutragen (S. 86) oder von den Menschen, die sich auf
dem Rücken des Vogels Greif übers Meer tragen lassen (S. 87).
Ueberaus reich sind die angeblich der Vorzeit entstammenden
Denkmäler. Die Sage wird niemals verlegen, sie kennt alles, sie findet
alles: Abrahams Haus und Brunnen; Elijah us Höhle; Achabs Palast
in Samaria; das Zimmer, in dem Daniel betete; den Ofen, in den
Chananja, Mischael, Azarja geworfen wurden; die Tora, welche Ezechiel
für seine Verbannungsgenossen geschrieben.
Besonders geläufig sind der Volks Vorstellung die berühmten
Gräber. Alles wird aufgefunden: die Höhle Machpela mit allen
ihren Gräbern, das Grab Rachels, Josephs Grab bei den Samaritanern,
das Grab Baraks ben Abinoam, die Gräber der meisten Propheten,
der Könige in Palästina und in Babylon, das Grab Ezras, die Gräber
der Tannaiten und Amoräer, der berühmtesten Gaonen (von den
Gräbern der Letzteren durfte manches auch historisch sein). In den
Kreis dieser Volks Überlieferungen gehört auch der Bericht Benjamins
über den Sarg Daniels.

Die Entwicklung der Sage vom Sarge Josephs.


Mit Benjamins Bericht über den Sarg Daniels wird eine längere
Sagenentwicklung abgeschlossen oder, genauer: die abgeschlossene
Entwicklung der Sage vom Sarge Josephs wird auf den Sarg Daniels
übertragen.
Monatssdirift, 73. Jahrgang 18

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Ueber diese Entwicklung bietet uns eme Fülle und Ueberfülle


yon yon Belehrung das Schlußkapitel in Jakob Horovitz's Buch über die
Josephserzählung1. Horovitz verbindet gewissenhafte Kenntnis
ier heutigen Forschung mit einer wunderbaren Belesenheit in der
nebräischennebräischen Literatur aller Zeiten, sowie mit viel Geist. Jedoch sein
Urteil erscheint mir oft allzu scharf. Sein Schlußkapitel ist gegen
Güdemann gerichtet. Dennoch glaube ich, daß Güdemanns These
voll aufrecht zu erhalten ist. In ihrem Lichte wollen wir die Ent
wicklung der Josephssage betrachten.
Die letzten Worte der Genesis berichten, wie der Leichnam
Josephs in einen Sarg gelegt wird. Beim Auszug aus Aegypten wird
dann erzählt (Ex 1319), Moses habe diesen Sarg mit sich genommen.
Doch wo war dieser Sarg vier Jahrhunderte hindurch geborgen?
Im Nil —, schallt uns die Antwort der Aggada vielfach entgegen.
Diese Erfindung der Aggada hat Güdemann geistvoll beleuchtet,
indem er sie ins Licht des Osirismythus rückte2. Osiris wurde von
seinem feindlichen Bruder Tryphon in einer Kiste in den Nil geworfen.
Man zieht aus, ihn zu suchen3. Voll Angst und Jammer irrt Isis auf der
Suche nach dem Leichnam umher, bis sie nach drei Tagen den
schwimmenden Sarg findet. Nach diesem Vorbild läßt die Aggada
den Sarg Josephs in den Nil versenken, läßt Moses drei Tage und
drei Nächte umherirren, um Josephs Leichnam zu suchen und läßt
diesen ebenfalls durch ein Weib, durch Serach, Tochter des Ascher,
auffinden.
Horovitz bestreitet die Abhängigkeit der Aggada vom Osiris
my thus. Er meint, die Aggada erkläre sich ganz aus sich selbst.
Gewiß ist es Horovitz (S. 129—132) gelungen, ein lebhaftes Bild
von Serach in der jüdischen Legende zu entwerfen und einige Züge
aus dem Schriftwort (Num 2640) abzuleiten. Gewiß hat er (S. 142)
auch darin recht, daß biblische Ausdrücke wie ‫תומ יתמצצ״תא םתלצהו‬
(Gen 5025) oder ‫( לארשי ינב ולצה רשא ףסוי תומצצ תאו‬josua 2432) die
Vorstellung begünstigten, Josephs Gebeine seien aus der Tiefe (des
Nils) emporgestiegen. Doch dadurch wird Güdemanns scharfsinnige
Aufstellung nicht im mindesten erschüttert.
Horovitz (S. 121—125) selbst führt Berührungen der Aggada
mit dem ägyptischen Mythus an. Die wesentlichste hat bereits Güde
mann (S. 28, 29) erörtert: in der Barajta Bab, Aböda Zära 43a heißt
es ‫ ולוכ םלועה לכ תא סיפמו רסש ףסוי םש לע םיפא רס‬Sarapis bezeichne
niemand anderen als Joseph, der die Welt versorgt und beruhigt
habe, — eine Auffassung, die Güdemann sogar bei Suidas nachweist.
Derart wird Joseph mit Sarapis gleichgesetzt und (da Sarapis sogar

1 Jakob Horovitz, Die Josephserzählung. Frankfurt a. M. 1921. Osiris


irnin! Midrasch 1 Die haggadischen Ueberlieferungen über das Grab Josephs,
S. 120—146, 154—156. Die Parallelen der Legende in der Aggada aufgezählt,
S. 126.
s Dr. M. Güdemann, Religionsgeschichtliche Studien. Leipzig 1876.
Joseph Osiris. S. 26—40.
® Hugo Greßmann, Tod und Auferstehung des Osiris nach Festbräuchen
und Umzügen. Leipzig 1923, S. 61.

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nach einer wissenschaftlichen Auffassung Osiris bezeichnet) mittel


bar mit Osiris.
In der Aggada von Josephs Sarg und im Osirismythus herrscht
dieselbe Stimmung: verzweifeltes Suchen, Angst um den Entschwunde
nen, Jubel und Jauchzen über das Auffinden.
Schlechthin entscheidend, jeden Zweifel verscheuchend er
scheint mir die Uebereinstimmung der beiden Sagen in dem an
scheinend bedeutungslosen Zug: im dreitägigen Suchen1. Für die
Josephssage hat dieser Zug tatsächlich gar keine Bedeutung. Er er
klärt sich nur aus der Uebernahme. Im Osirismythus gehört er zu
den wesentlichen Bestandteilen. Osiris ist auch Mondgott2. Der
Mond bleibt allmonatlich drei Tage lang unsichtbar, also tot. Nach
drei Tagen wird er wieder sichtbar, er ersteht vom Tode. Deswegen
findet auch Osiris' Auferstehung nach drei Tagen statt. Frazer
bietet uns eine Fülle von Sagen, in denen der Mond als Vorbild von
Sterblichkeit und Auferstehung gilt: die Menschheit kommt um die
Gabe der Unsterblichkeit, weil die Botschaft des Mondes an die
Menschen vergessen oder verfälscht wird3.
Osiris ist aber nicht nur Mondgott, er 1st auch Nilgott. ,,Nilerde
ist sein Leib und Nilwasser sein Blut." Für ihn bedeutet das Ver
senken im Nil nicht nur den Tod, sondern auch die Wiedergebur
Sein Leichnam ist also im Nil am rechten Platze. Was aber hat
Josephs Sarg mit dem Nil zu schaffen ? Eigentlich nichts. Da se
nun die Aggada erklärend ein, die älteste in der Mechiltha noch nich
wohl aber schon die talmudische Aggada (B. Sota 13 a) ‫ןורא‬
.‫וימימ וכרבתיש ידכ רהנה םולינב והועבקו םיירצמ ול ושע תכתמ‬
Aegypter bargen Josephs Leichnam in einem Erzsarg und versenkte
ihn in den Nil, damit dessen Gewässer dadurch gesegnet werden
Ueberaus beliebt wurde die Aggada vom Sarg Josephs in de
mohammedanischen Legende. Die treffliche Budapester Dok
dissertation Eduard Neumanns über den Ursprung und die Ent
wicklung der mohammedanischen Josephslegende sowie M. Grün
baums Beiträge zur semitischen Sagenkunde5 haben reiche Parallelen
aus den Koranerklärungen (Zamachschäri, Baidävl) aus Chronisten

1 Betreffs der Dauer des Herumirrens heißt es Deutr-R. XI zweimal,


Moses habe drei Tage und drei Nächte hindurch den Sarg Josephs gesucht,
bis ihn Serach bath Ascher auf die richtige Spur lenkt. Bei Plutarch (D. Iside
356356 C) lesen wir, Osiris sei am 17. des Monats Athyr in den Nil gestürzt worden
und am 19. Athyr feiern die Priester seine Wiederauffindung (366 F.). Dem
nach ist er am dritten Tage auferstanden, wie dies auch Greßmann (Tod und
Auferstehung des Osiris, Leipzig 1923, S. 4) scharf hervorhebt, Isis mußte ihn
also drei Tage lang gesucht haben.
2 Hugo Greßmann, Tod und Auferstehung des Osiris. Leipzig 1923.
S. 5, 9.
3 Sir James George Frazer, Folk lore in the Old Testament! London 1919,
I 52—77, besonders 55, 71, 72, 73. Klingt eine derartige Anschauung vielleicht
auch Hosea 62 ‫ וינפל היחנו ונמיקי ־שילשה םויב‬nach i Vgl. auch II Könige 20,
sowie das dreitägige Verweilen Jona,s im Innern des Fisches.
4 Greßmann, S. 8.
5 Neumann Ede, A muhammedán Józsefmonda eredete és fejlodése.
Budapest 1881. M. Grünbaum, Neue Beiträge zur semitischen Sagenkunde.
Leiden 1893, S. 149—152.
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und Geschichtsschreibern (z.B.Tabarí, Ibn al Athir, Mas üdi, Makrizi,


Birüni, Dimischki, Jakübi) zusammengestellt, Parallelen, die durch
den seither veröffentlichten Kommentar Tabari's sowie durch die
Prophetengeschichten u. A. mannigfach ergänzt werden können1
Nun geht die islamische Legende, wie sie uns heute in zwei Fas
sungen vorliegt, einen Schritt weiter. Sie verwertet das, wie es scheint
mohammedanische Motiv vom schwebenden Sarge2: Um den Segen,
den Josephs Sarg spendet, wetteifern die beiden Ufer des Nils; der
Streit wird derart geschlichtet, daß der Sarg in der Mitte zwischen
den beiden Ufern versenkt wird. Diesen Zug hat uns eine Berliner
Handschrift sowie Al-Kisä'I bewahrt, vielleicht auch Tha'libl, der
der in seinen Prophetengeschichten (Kairo 1320, S. 89) erzählt, der
Sarg Josephs sei dort versenkt worden, wo sich der Nil entzwei teilt.
Die mohammedanische Legende hat dann Eingang gefunden
in die jüdische Sage. Vielleicht schon ins Sefar hajjaschar, wo es
(Ende Genesis) heißt: ‫השעמ לכו םימשב אלמ דשא ןוראב ףסוי תא ומישיו‬
‫ רוחיש אוה רואיה תפש לע והורבקיו חקור‬den einbalsamierten Leichnam
Josephs begrub man am Ufer des Nils. Daß dieses Motiv vom in
der Mitte des Flusses versenktem Sarge in jüdisch-arabischen Kreisen
bekannt sein mußte, ist daraus ersichtlich, daß es vom Sarge Josephs
auf den Sarg Daniels übertragen wurde. Diese Uebertragung wird in
Susa stattgefunden haben, da die Juden Susas auf Grund der
biblischen Erzählung (Dan 82) glauben mochten, sie besäßen ein
näheres Anrecht auf den Sarg Daniels, der ja auch in seiner Vision
nach Susa versetzt worden sei.
Derart bietet uns die Legende vom Sarge Josephs und Daniels
ein anschauliches Beispiel für das Zusammenwirken biblischer,
ägyptischer, aggadischer, mohammedanischer und mittelalterlich
jüdischer Motive zu gemeinsamer Sagenbildung.

1 Horovitz (S. 137) weist einen Zug der mohammedanischen Legende,


welcher aggadisch nicht belegt war ,imMidrasch haggadol naeh. BirünT erzählt,
Moses versuchte den versenkten Sarg erst mittels der Figur eines Fisches zu
heben, — vergeblich; mit Hilfe der Figur eines Kalbes gelingt es. Jak'übi
läßt hierbei die Figur eines Adlers, eines Löwen, eines Stieres, eines Menschen
(also der vier Tiere an dem Gotteswagen der Ezechielsvision) anwenden. Horo
vitz weist auf die großartige aggadische Parallele im Midrasch haggadol
(Genesis ed. Schechter 771) hin: Moses nimmt den Zauberbecher Josephs und
schneidet daraus vier Platten, auf die eine gräbt er die Gestalt eines Löwen,
auf die zweite die eines Adlers, auf die dritte die eines Stieres, auf die vierte
die eines Menschen ein. Zuerst wirft er die Platte mit dem Löwenbild in den
Nil und ruft: Joseph, Joseph, da ist sie nun, die Stunde der Erlösung Israels,
deinetwegen ist die Herrlichkeit Gottes (Schechma), sind die Ehrenwolken
aufgehalten; zeigst du dich, so ist es recht; entziehst du dich uns, nun so sind
wir frei von dem Eid, den wir dir geschworen. Der Sarg regt sich weder beim
ersten, noch beim zweiten, noch beim dritten Wurf und Ruf; erst als Mose
die Gestalt eines Menschen in den Nil wirft, steigt der Sarg auf. — Das Magische
dieser Heraufbeschwörung des Sarges bespricht A. Marmorstein in ZATW
1925, XLIII S. 120.
2 Wir haben MGWJ 1925, LXIX S. 51, 52 den schwebenden Sarg als
eigenartig muhammedanisches Motiv behandelt. Die jüdisch-muhammeda
nische Polemik weist wiederholt auf Mohammeds schwebenden Sarg hin,
s. Steinschneider, Polemische und apologetische Literatur in arabischer Sprache,
zwischen Muslimen, Christen und Juden. Leipzig 1877, S. 310, 311, 371.

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