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Text B Frauensprache, Männersprache

S= sueddeutsche.de, E= Helmut Ebert

S: Männer und Frauen reden oft aneinander vorbei - sie haben

unterschiedliche Kommunikationsstile. Aber lassen sich diese

Missverständnisse tatsächlich durch das Geschlecht erklären? Helmut

Ebert ist Professor am Institut für Germanistik der Universität Bonn, er

beschäftigt sich mit Organisationskommunikation und hat überprüft, ob

es tatsächlich verschiedene Sprachstile von Männern und Frauen gibt.

Herr Ebert, Sie haben jetzt wissenschaftlich belegt, dass es im

Berufsalltag markante Unterschiede in der Sprache von Männern und

Frauen gibt - wie haben Sie das herausgefunden?

E: Wir wollten feststellen: Gibt es wirklich diese Unterschiede? Können

wir unterschiedliche Stile identifizieren? Zu dem Zweck haben wir vier

Arbeitsbesprechungen in der Zentrale des Landschaftsverbandes

Rheinland aufgezeichnet. Das hat rund 100 Seiten Text ergeben, den wir

anschließend ausgewertet haben. Die Teilnehmer waren etwa zu

gleichen Teilen Männer und Frauen.

S: Gab es ein Ergebnis, das Sie überrascht hat?

E: Überraschend war die Bestätigung, dass es tatsächlich verschiedene

Stile gibt. Ein Beispiel sind Aufforderungen. Die werden von Frauen

häufiger indirekt formuliert, Männer sind direkter. „Du gibst mir das

dann jetzt, bitte!“ - das wäre eine männliche Formulierung, „Könnte ich
das vielleicht haben?“ eine weibliche.

Die Folge: Eine Frau fordert einen Mann indirekt zu etwas auf. Wenn der

Mann das Muster nicht versteht, kann es sein, dass er nicht auf die

Forderung eingeht. Seine Tatenlosigkeit ist Folge eines

Missverständnisses: „War doch nur ein Vorschlag, kein Auftrag.“

S: Gibt es weitere markante Unterschiede?

E: Lösungsvorschläge sind ein anderes Beispiel. Während der

Entscheidungsfindung präsentieren Frauen offen und tolerant Lösungen

als ,,Möglichkeiten”. Männer bieten ihren Vorschlag eher als endgültig

an. Für Frauen ist die geäußerte Position also verhandelbar. Allerdings

gehen Männer davon aus, dass auch die Lösungsvorschläge von Frauen

nicht verhandelbar sind. Daher ist es schwierig, Entscheidungen im

Konsens zu treffen.

S: Sie haben auch zehn Erfolgsregeln für gelungene Kommunikation

entwickelt. Da sprechen Sie an, dass man falsche Bescheidenheit, aber

auch übertriebene Selbstinszenierung vermeiden soll. Lassen sich diese

beiden Eigenschaften den Geschlechtern zuordnen?

E: Ja, das hat unser Ergebnis gezeigt. Frauen werten häufig die eigene

Arbeit und die eigene Person ab, Männer neigen dazu, die eigene Person

und Leistung aufzuwerten, auch in Bewerbungen, wie ich an anderer

Stelle gezeigt habe. Das hat zur Folge, dass die Leistungen der Frauen

von Vorgesetzten nicht wahrgenommen werden und ihr Potential nicht


voll ausgeschöpft wird.

S: Sind einige ihrer Erfolgsregeln besonders wichtig?

E: Für Männer könnte es die Regel sein: „Bei der Entwicklung von

Lösungsvorschlägen ruhig mal laut denken”, also die Gedanken mitteilen

und nicht schweigen, bis man die Lösung gefunden hat und diese dann

als endgültig hinstellen. Für Frauen könnte gelten: Wichtige Beiträge

sprachlich hervorheben, um die Aufmerksamkeit der Männer sicher zu

stellen.

Und für beide gilt: Man muss daran denken, dass dem Erfolg in der Sache

der Erfolg auf der Beziehungsebene vorausgeht. Nur gegenseitige

Anerkennung und Respekt schaffen ein positives Gesprächsklima.

S: Herr Ebert, wir danken Ihnen für das Gespräch!

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