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1/2024

ED.01

VITILIGO
GANZHEITLICH
BEHANDELN

Prof. Dr. med. habil. Ulrich Amon


Dr. (Univ. Istanbul) Raul Yaguboglu

VITILIGO RATGEBER

NATURE MEETS SCIENCE


© 2024 Dr. Schweikart Verlag, 10785 Berlin, Deutschland

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1. Auflage Januar 2024


Erschienen im Dr. Schweikart Verlag
NATURE MEETS SCIENCE
NMS-0034

Aus rechtlichen Gründen sei darauf hingewiesen, dass die-


ser Ratgeber nicht den Rat oder die Behandlung durch einen
Arzt oder Heilpraktiker ersetzen kann oder soll. Die Informa-
tionen in diesem Ratgeber wurden mit großer Sorgfalt und
nach bestem Gewissen recherchiert und dargestellt. Das
Wissen um die gesundheitliche Bedeutung von Vitalstoffen
unterliegt einem laufenden Wandel durch Forschung und kli-
nische Erfahrung. Trotz größter Sorgfalt können Druckfeh-
ler und Falschinformationen ebenfalls nicht vollständig aus-
geschlossen werden. Verlag und Autor übernehmen daher
keine Gewähr und Haftung für die Aktualität, Richtigkeit und
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Ausschließlich zum Zweck der besseren Lesbarkeit kann in


einigen Fällen auf die geschlechtsspezifische Schreibweise
verzichtet werden. Die in diesen Fällen gewählte männliche
Form soll immer zugleich weibliche, männliche und diverse
Personen inkludieren.
AUTOREN VITA

Prof. Dr. med. habil. Ulrich Amon, DermAllegra – Internationales


Zentrum für Ganzheitliche Medizin & Dermatologie, Facharzt für
Dermatologie – Allergologie, Lasermedizin – operative Dermatologie,
Schwerpunkt Autoimmunerkrankungen und Autoinflammation,
Zertifizierter Arzt für das COIMBRA-Protokoll, Am Markgrafenpark 6
- D-91224 Hohenstadt (Nürnberger Land), Tel +49-9154-914056 Fax
+49-9154-914058, info@dermallegra.de

Nach dem Studium in Innsbruck, Freiburg i. Br, Marburg/Lahn und


der Guy's and St. Thomas' Medical School, London, England,
absolvierte Professor Amon ein Post-Doctoral Fellowship in der
Abteilung für Experimentelle Dermatologie der Firma Hoffmann - La
Roche in Basel. Danach dermatologische Facharztausbildung in der Klinik für Dermatologie
der Medizinischen Universität zu Lübeck. 1996 bis 2012 Chefarzt/Ärztlicher Direktor der
PsoriSol Hautklinik in Hersbruck. Seit 2005 Mitinhaber des Internationales Zentrums für
Ganzheitliche Medizin & Dermatologie (Metropolregion Nürnberg). Tätigkeits- und
Forschungsschwerpunke sind die orthomolekulare Medizin, besonders auch die
Hochdosistherapie mit Vitamin D, im Rahmen von Autoimmunerkrankungen, chronischen
Entzündungen und Stoffwechselerkrankungen sowie Pigmentzelltransplantation bei Vitiligo
und die Laserchirurgie. Prof. Amon ist zertifizierter Coimbra-Protokoll-Arzt und Burnout-
Trainer. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich Vitamin D Stoffwechsel und
Weiterentwicklung ganzheitlicher Behandlungsansätze für Autoimmunerkrankungen.

Dr. (Univ. Istanbul) Raul Yaguboglu, Medizinstudium in Istanbul,


dermatologische Facharztausbildung mit der Zusatzbezeichnung
Allergologie in der Klinik für Dermatologie der Medizinischen
Universität zu Lübeck, später Leitender Oberarzt der PsoriSol
Hautklinik in Hersbruck bis 2004, seit 2005 als Mitinhaber im
Internationalen Zentrum für Ganzheitliche Medizin & Dermatologie
DermAllegra (Metropolregion Nürnberg) tätig.
VORWORT

Chronische, „nicht-übertragbare“ Erkrankungen in annähernd allen Organsystemen nehmen


auf der ganzen Welt in den vergangenen Jahrzehnten dramatisch zu. Dazu gehören neben
Krebserkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, sowie Diabetes mellitus (und zahlreichen
anderen Krankheiten) auch Autoimmunerkrankungen. Bei dieser Entwicklung spielen
unzählige, teils sehr komplexe Faktoren eine Rolle. Sehr viele dieser Ursachen sind auf den
sog. „westlichen Lebensstil“ zurückzuführen.

Auch Vitiligo gehört zu den Autoimmunerkrankungen, bei denen durch immunologische


Vorgänge Pigmentzellen zerstört werden. Es wird geschätzt, dass etwa 0,5 bis 2% der
Weltbevölkerung an Vitiligo leiden. In den letzten Jahren hat die Sichtweise auf Vitiligo einen
Paradigmenwechsel erfahren, sodass diese Erkrankung ganzheitlich und nicht als „reiner
Pigmentverlust der Haut“ betrachtet werden muss. Wir wissen, dass beispielsweise zeitgleich
oder zeitlich versetzt weitere Autoimmunerkrankungen Vitiligo begleiten können. Auch dies
ist ein Hinweis, nach den Erkrankungsursachen von Vitiligo immer im Stoffwechsel zu
suchen.

4
Inhaltsverzeichnis

Vorwort 4
Glossar 6
1. Was kennzeichnet Vitiligo? 7
2. Die unterschiedlichen Ausprägungen und Varianten der Vitiligo 7
3. Ursachen 8
4. Wie ist der Vitiligo-Verlauf? 9
5. Wie wird Vitiligo diagnostiziert? 9
6. Welche Rolle spielen Ernährung und Stress bei Vitiligo? 9
7. Wie können Menschen emotional und psychisch ihre Erkrankung bewältigen? 10
8. Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es? 11
8.1. UV-Lichttherapie 11
8.1.1. UVB 311 nm Lichttherapie (Schmalband-UVB)  11
8.1.2. 308 nm Excimer-Therapie 12
8.2. Pigmentzelltransplantation 12
8.3. Innerliche Therapie 13
8.3.1. Vitamin-D-Therapie 13
8.3.2. A
 ntioxidative Therapie, eingebettet in ein
orthomolekulares Behandlungskonzept 14
8.3.3. Kortison 16
8.3.4. JAK (Januskinase)-Inhibitoren 16
8.4. Äußerliche Therapie 17
8.4.1. Calcineurin- und JAK-Inhibitoren 17
8.4.2. Kortison 17
8.4.3. Depigmentierung 18
8.4.4. Camouflage, Selbstbräuner und Permanent-Make-up 18
8.4.5. Sonnenschutzmittel 19

5
GLOSSAR

Antikörper: Proteine, die vom Immunsystem produziert werden, um Erreger (wie zum
Beispiel Bakterien oder Viren) abzuwehren. Aufgrund einer Fehlregulation
(Autoimmunerkrankung) entwickeln sich auch Antikörper gegen körpereigene Zellen und
Gewebebestandteile. Diese Antikörper werden Autoantikörper genannt.

Depigmentierung: Verlust der Farbe, z.B. der Haut oder der Haare.

Melanin: Farbstoff der Haut.

Melanozyten: Pigmentzellen der Haut, welche das Pigment Melanin produzieren.

Nanometer (nm): Der millionste Teil eines Millimeters (mm).

Pigment: Farbstoff in den Zellen.

Pigmentierung: Färbung der Haut und des Haares.

Repigmentierung: Rückkehr der Farbe, z.B. in den weißen Flecken bei Vitiligo.

Ultraviolettes Licht A (UVA): Langwelliges UV-Licht (315-400 nm), das als Teil des
Sonnenlichts die Erdoberfläche erreicht. UVA-Licht erzeugt die Frühbräunung.

Ultraviolettes Licht B (UVB): Mittelwelliges UV-Licht (280-315 nm), das ebenfalls ein Teil
des Sonnenlichts ist. UVB-Licht erzeugt die Spätbräunung.

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1. WAS KENNZEICHNET VITILIGO?

Vitiligo wird auch als Weißfleckenkrankheit bezeichnet. Der Name beschreibt sehr anschaulich
das Bild der Haut der Betroffenen. Durch eine Pigmentzellzerstörung sind die Melanozyten
(Pigmentzellen) der Haut nicht mehr in der Lage, den Hautfarbstoff Melanin zu bilden. Es
entwickeln sich weiße, meist scharf begrenzte Flecken. Diese entstehen oft im Gesicht, an
Ellenbogen, Kniestreckseiten, Hand- und Fußrücken, im Genitalbereich und der Gesäßfalte.
Es können aber auch andere Bereiche des Körpers und sogar die Haare betroffen sein. Die
Erkrankung ist nicht ansteckend und nicht schmerzhaft.
Vitiligo betrifft Männer und Frauen etwa gleichermaßen. Man schätzt, dass in Deutschland
ungefähr eine Million Menschen betroffen sind.
Vitiligo kann in jedem Alter ausbrechen. Besonders oft geschieht dies zwischen dem 10. und
30. Lebensjahr. In etwa 50% der Fälle tritt die Erkrankung vor dem zwanzigsten Lebensjahr
auf. Gerade der Beginn in der Jugend und im jungen Erwachsenenalter ist psychisch
verständlicherweise oft sehr belastend.

2. D
 IE UNTERSCHIEDLICHEN AUSPRÄGUNGEN UND VARIANTEN
VON VITILIGO

Die sog. nichtsegmentale Form ist die häufigste Variante. Die weißen Flecken treten
typischerweise symmetrisch an verschiedenen Körperregionen auf. Am Anfang sind diese
Flecken meist klein. Zunächst sind häufig Körperstellen mit mechanischer Beanspruchung
(Ellenbogen, Knie, Knöchel, Augenlider, Mundwinkel, Achselhöhlen) betroffen. Im Laufe der
Zeit breiten sich die Flecken oft aus, bis die Erkrankung dann häufig zu einem relativen
Stillstand kommt. Der Verlauf des Pigmentverlusts ist oft wellenförmig, schubartig, manchmal
auch kontinuierlich und in kurzer Zeit massiv. Zusätzlich können Kopfhaare, Barthaare,
Augenbrauen und Wimpern Pigment verlieren und weiß werden. Manchmal können sich die
weißen Flecken, welche aufgrund von Vitiligo entstanden sind, auch spontan zurückbilden,
also quasi „von selbst“ pigmentieren.

Die sog. segmentale Form ist nicht symmetrisch und betrifft nur eine Stelle oder wenige
Körperbereiche der rechten oder linken Körperhälfte. Die weißen Flecken verändern sich ab
einem bestimmten Zeitpunkt in der Regel nicht mehr. In diesem Fall sind oft weniger als 3%
der Körperoberfläche betroffen. Dennoch: auch dies können kosmetisch sehr belastende
Areale sein!

Bei der sog. gemischten Form bestehen beide oben genannten Formen nebeneinander.

Zusätzlich existieren zahlreiche weitaus seltenere klinische Varianten und Ausprägungen


von Vitiligo.

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3. URSACHEN

Es gilt heute als allgemein anerkannt, dass der wesentliche Grund für den Abbau der
Pigmentzellen ein Autoimmunprozess ist. Durch immunologische Mechanismen werden
Pigmentzellen zerstört.
Die Gründe für diese Immunreaktion sind prinzipiell vielfältig. Vererbung ist auch ein wichtiger
Faktor, der jedoch im Alltag nicht überschätzt werden darf. Schätzungsweise werden etwa
30% der Vitiligo-Fälle vererbt.
Hinzu kommt die sog. molekulare Mimikry, bei dem unter anderem wiederholte Infekte, häufige
Antibiotikagabe und verzögerte Immunreaktionen auf Nahrungsmittel durch immunologische
Fehlregulation eine möglicherweise zentrale Rolle bei der Auslösung von Vitiligo spielen. Die
molekulare Mimikry beschreibt generell Vorgänge, bei denen das körpereigene Immunsystem
beispielsweise Eiweißbausteine körperfremder Substanzen (z.B. Infektionserreger oder
Nahrungsmittel) mit ähnlichen Antigenstrukturen eigener Körperzellen „verwechselt“ und
dann eine gegen sich selbst gerichtete (Auto-)Immunreaktion auslöst.
Eine wichtige Funktion beim Untergang von Pigmentzellen kommt außerdem dem sog.
„oxidativen Stress“ im Zusammenhang mit freien Sauerstoffradikalen zu. Das antioxidative
Schutzsystem ist bei Vitiligo gestört. Daher reichern sich freie Sauerstoffradikale in der Haut
an, allen voran Wasserstoffperoxid, und begünstigen die Zerstörung der Melanozyten.
Vermutlich ist das Zusammenspiel mehrerer Faktoren an der Entstehung von Vitiligo beteiligt,
was bedeutet, dass nicht ausnahmslos die eine oder andere Ursache dafür verantwortlich
gemacht werden kann. Im Alltag sind typischerweise an der Auslösung und Aufrechterhaltung
der Symptome kombinierte Faktoren beteiligt, die es individuell herauszufinden gilt.
Oft wird auch beobachtet, dass akute Sonnenbrände oder Hautverletzungen, wie Schnitte
oder Operationen etc. – als „physikalischer Stress“ bekannt –, akuter oder chronischer
extremer mentaler Stress bzw. dauerhafte seelische Belastungen Vitiligo auslösen
beziehungsweise zumindest massiv negativ beeinflussen können.
Bei vielen Patienten kommen verschiedene Autoimmunerkrankungen parallel zu Vitiligo vor,
darunter an erster Stelle die Schilddrüsenkrankheit Hashimoto-Thyreoiditis, kreisrunder
Haarausfall (Alopecia areata), perniziöse Anämie, atrophische Gastritis (Autoimmungastritis)
oder Zöliakie (glutensensitive Darmerkrankung) und zahlreiche andere. Gerade diese
Begleiterkrankungen, die Vitiligo sowohl vorausgehen, als auch im Laufe der Zeit nach den
ersten weißen Flecken auftreten können, müssen unbedingt bei der Ursachensuche bzw.
der ganzheitlichen Behandlung berücksichtigt werden.
Zur Ursachenabklärung von Vitiligo und der Entwicklung einer ganzheitlichen und individuellen
Behandlung ist eine gründliche Labordiagnostik unerlässlich. Diese beinhaltet unter anderem,
je nach Vorerkrankungen und Art bzw. Verlauf von Vitiligo, Blut- und Stuhldiagnostik, inklusive
Darmmikrobiom, Abklärung möglicher Immunreaktionen auf Nahrungsmittel (zum Beispiel
Gluten), gegebenenfalls auch eine gezielte Stressdiagnostik oder Überprüfung einer
möglichen Schwermetallbelastung.

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4. WIE IST DER VITILIGO-VERLAUF?

Es gibt keine Möglichkeit vorherzusagen, wie sich Vitiligo entwickeln und ob sich der Befund
eventuell ausbreiten wird. Der Verlauf der Erkrankung ist bei jedem Menschen sehr
unterschiedlich. Wenn sich die weißen Flecken spontan wieder verkleinern, kommt es von
den Rändern oder aus der Tiefe der Haarfollikel zur Aktivierung von Melanozyten und damit
zur Pigmentierung. Die Krankheit kann auch zum Stillstand kommen; die weißen Flecken
bleiben dann stabil. Andere Menschen werden nach mehreren intensiven Schüben fast
komplett weiß – dies ist allerdings extrem selten. Verständlicherweise hat die Mehrheit der
Patienten Sorge vor Ausbreitung der Erkrankung im Gesicht und an den Händen.
Ziel einer ganzheitlichen Behandlung ist zunächst definitiv der Stillstand der Erkrankung und
im zweiten Schritt die deutliche Verbesserung der Neupigmentierung (auch Repigmentierung
genannt). Erst wenn die individuellen Ursachen identifiziert sind und gezielt behandelt
werden, ist eine langfristige Stabilisierung wahrscheinlich. Das alleinige Auftragen von
Cremes/Salben und/oder UV-Bestrahlung ohne Ursachensuche ist aus unserer Sicht nach
sehr langjähriger Erfahrung meist sinnlos.

5. WIE WIRD VITILIGO DIAGNOSTIZIERT?

Zuerst wird die betroffene Person zur medizinischen Vorgeschichte befragt (u.a. familiäre
Veranlagung, Infekte, Allergien, Nahrungsmittelunverträglichkeiten, Magen-Darm-Probleme
und weitere Autoimmunerkrankungen sowie Stress).
In den meisten Fällen kann man als erfahrener Hautfacharzt die Diagnose bei der
Untersuchung der Haut spontan stellen. Zur Untersuchung von Vitiligo ist eine spezielle
Lampe (Wood-Licht) dennoch sehr hilfreich. Mit Hilfe dieser Lampe lässt sich in einem
abgedunkelten Raum die Ausdehnung der weißen Flecken auch bei sehr hellhäutigen
Personen gut erkennen und von anderen möglichen Differenzialdiagnosen unterscheiden.
Wenngleich selten notwendig, kann gegebenenfalls eine kleine Hautprobe (Biopsie) der
erkrankten Haut zur besseren Diagnosestellung entnommen werden. Durch eine besondere
Färbetechnik kann histologisch das noch vorhandene Melanin sichtbar gemacht werden.

6. WELCHE ROLLE SPIELEN ERNÄHRUNG UND STRESS BEI VITILIGO?

Eine ausgewogene, antientzündliche und antioxidative Ernährung ist bei Vitiligo unbedingt
erforderlich.

Patienten berichten immer wieder über chronische Verdauungsbeschwerden, wie ungeformte


Stuhlgänge und Blähungen. Es muss dann mittels Mikrobiomanalysen im Stuhl sowie weiterer
Untersuchungen auf mögliche Nahrungsmittelunverträglichkeiten geprüft und daraus
gegebenenfalls eine spezifische Diät – beispielsweise eine glutenfreie Ernährung – zur
Behandlung abgeleitet werden. Zu den zu meidenden glutenhaltigen Getreiden gehören
unter anderem Weizen, Roggen, Gerste, Hafer – wenn nicht glutenfrei deklariert – und deren
botanisch verwandte Sorten Dinkel, Grünkern, Kamut und Einkorn. Glutenfreies Brot,
Backwaren und glutenfreie Nudeln können über den konventionellen Handel, Biosupermärkte,
Reformhäuser oder den spezialisierten Versandhandel bezogen werden. Auch
Unverträglichkeiten auf Milch- und Milchprodukte, Bananen und Hühnereier weisen wir häufig
mit starken Immunreaktionen bei unseren Patienten nach. Bei entsprechender Notwendigkeit
muss parallel zur Diät eine Darmsanierung, wozu Darmreinigung und Darmaufbau zählen,
durchgeführt werden.

9
Bei den notwendigen Blutuntersuchungen sind auf jeden Fall die Spiegel verschiedener
Vitamine und Mikronährstoffe – unter anderem Vitamin D (als 25-OH Vitamin D), Vitamin B12
(als Holotranscobalamin und/oder Methylmalonsäure) sowie Selen im Vollblut -, aber auch
die Belastung durch freie Sauerstoffradikale (z.B. mittels Blutuntersuchung der sog.
Lipidperoxidation als Parameter für den „oxidativen Stress“) zu überprüfen.
Auf der Basis der gesamten Untersuchungsergebnisse kann dann ein individuelles (!),
ganzheitliches Konzept erstellt werden.
Je nach Vorerkrankungen und Nebendiagnosen werden weitere Untersuchungen notwendig
sein. Auch die Stressdiagnostik kann in Einzelfällen von zentraler Bedeutung für die
Behandlung sein. Hier sind im Alltag die Messung der Herzratenvariabilität (HRV-Messung)
als Maßstab für eine über einen längeren Zeitraum bestehende psycho-vegetativen
Belastungssituation, Cortisol-Speichel-Tagesprofile an unterschiedlichen Tagen und ein
Neurotransmitterprofil im Urin hilfreiche Untersuchungsmaßnahmen, um das Ausmaß der
Stressbeeinflussung beurteilen und therapeutisch gezielt ansetzen zu können.

7. W
 IE KÖNNEN MENSCHEN EMOTIONAL UND PSYCHISCH
IHRE ERKRANKUNG BEWÄLTIGEN?

Die Veränderung der äußeren Erscheinung stellt für viele Betroffene verständlicherweise ein
ernst zu nehmendes Problem dar. Tagtäglich werden Patienten damit konfrontiert, anders
auszusehen, was zu hohem psychischem Druck führt. Vitiligo wird immer wieder als Makel
oder sogar als „Entstellung“ empfunden.
Betroffene haben im Alltag nur wenig Chancen, sich dem Krankheitsbild ihrer äußeren
Erscheinung zu entziehen; sie fühlen sich oft neugierigen Blicken ausgesetzt. Mitmenschen
haben vielfach die unbegründete Angst, sich anstecken zu können. Das kann dazu führen,
dass sich Patienten zurückziehen und soziale Kontakte meiden.
Bei vielen Betroffenen kann der Stress als beitragende Bedingung für den Beginn oder als
Verstärkerfaktor von Vitiligo angesehen werden.
Leider wird Vitiligo häufig trotz der zugrundeliegenden Pigmentzellzerstörung immer wieder
völlig zu Unrecht (!) als „rein kosmetisches Problem“ abgetan. Wichtig für alle Betroffenen
ist eine konsequente, ganzheitliche Betreuung und Behandlung. Patienten sollten sich auch
so umfassend wie möglich selbst über ihre Erkrankung informieren und Be-
handlungsmöglichkeiten kennen, so dass sie sich an wichtigen Entscheidungen über ihre
medizinische Versorgung beteiligen können.

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8. WELCHE BEHANDLUNGSMÖGLICHKEITEN GIBT ES?

Die Behandlung von Vitiligo ist komplex und braucht Zeit und Geduld, da die Melanozyten
mehrere Monate brauchen, um wieder Farbstoff zu bilden. In den vergangenen Jahren
wurden erhebliche Fortschritte für neue Therapiemöglichkeiten erzielt. Dennoch: Die große
Mehrheit der Patienten mit Vitiligo, welche in unserem Zentrum Hilfe sucht, war zuvor bei 2
bis 3 dermatologischen Praxen vorstellig, ohne dass eine Therapie eingeleitet worden wäre.
Bitte lassen Sie sich nicht entmutigen! Fast allen Betroffenen kann gut geholfen werden. Das
Ziel der Vitiligobehandlung ist, die immunologischen Funktionen und jene des Stoffwechsels
der Haut so weit wie möglich wiederherzustellen, dass eine Repigmentierung unter der
Therapie gelingen kann und sich das äußere Erscheinungsbild langfristig wieder verbessert.
Es gibt keine Standardtherapie, die allen gleichermaßen hilft. Die Entwicklung eines
individuellen Therapiekonzeptes ist, wie erwähnt, Voraussetzung für den Erfolg. Die Wahl
der geeigneten Behandlungsstrategie ist von vielen Faktoren abhängig: zum Beispiel von der
Ausdehnung und der Art von Vitiligo, der Bestehensdauer, den Begleiterkrankungen, den
Ursachen, den Untersuchungsergebnissen usw. Jeder Patient reagiert anders auf die
verschiedenen Therapiemöglichkeiten; nicht jede Behandlungsform wirkt gleich gut.

Wir wollen Ihnen im Folgenden einen kurzen Überblick zu den verschiedenen Optionen
geben.

8.1. UV-LICHTTHERAPIE
Einige der Betroffenen werden vielleicht schon festgestellt haben, dass bei längerem
Aufenthalt in der Sonne im Rahmen eines Urlaubs einzelne Vitiligostellen beginnen, wieder
neue Pigmente zu bilden, also zu repigmentieren. Wenn in der Tiefe der Haarwurzeln noch
funktionsfähige Melanozyten liegen, können diese durch das UV-Licht zum Wachstum bzw.
zur Pigmentproduktion angeregt werden. Daher repigmentiert die weiße Haut zunächst
vorwiegend mit kleinen, braunen, oft dunkelbraunen Flecken, die zunächst wie
Sommersprossen aussehen. Diese Repigmentierungen können sich im besten Fall langsam
ausbreiten und zu größeren Flächen zusammenwachsen. Spontan ist dies allerdings eher
die Ausnahme; unter Therapie sollte dies jedoch erreicht werden können. Die Repigmentierung
von der Tiefe der Haarwurzel ist nicht möglich, wenn das betreffende Haar selbst auch weiß
ist (dies ist allerdings eher selten). Die Melanozyten können alternativ auch vom Rand der
Vitiligostellen langsam in die weißen Areale hineinwachsen.

8.1.1. UVB 311 NM LICHTTHERAPIE (SCHMALBAND-UVB)


Diese Form der Lichttherapie/UV-Therapie gilt heute als Mittel der ersten Wahl. Behandelt
wird entweder in einer dermatologischen Praxis oder als Heimtherapie/„Heimbestrahlung“ zu
Hause über mehrere Monate unter hautfachärztlicher Anleitung. Besonders gut sprechen
Gesicht und Rumpf auf diese Therapie an. Hand- und Fußrücken repigmentieren oft deutlich
schlechter, wobei dies für alle Behandlungsmethoden gilt.
Die in der Vergangenheit angewendeten verschiedenen Techniken der Lichttherapie
(„Bestrahlung“), wie die PUVA, KUVA und PAUVA, werden heutzutage nicht mehr empfohlen,
da die UVB 311 nm-Lichtterapie diesen Varianten überlegen ist.

11
8.1.2. 308 NM EXCIMER-THERAPIE
Der dermatologische Excimer-Laser ist ein energiereicher Laser, der hoch energiereiches
Licht der Wellenlänge von 308 nm erzeugt. Er wird vor allem zur Behandlung von einzelnen
und kleinflächigeren Flecken eingesetzt. Dieser Laser hat folgende Vorteile gegenüber der
herkömmlichen UV-Lichttherapie: nur die betroffenen Hautareale werden behandelt, die
gesunde Haut bleibt von der UV-Bestrahlung verschont, wodurch die Gesamtkörper-UV-
Belastung reduziert wird.
Die befallene Haut kann dagegen intensiver behandelt werden, und die Zahl der erforderlichen
Behandlungssitzungen wird geringer. Insgesamt ist mit zunächst mindestens 20-25
Therapiesitzungen zu rechnen.
Die vor einigen Jahren entwickelte 308 nm Excimer-Phototherapie funktioniert nach dem
gleichen Prinzip wie der 308 nm Excimer-Laser. Im Unterschied zum Excimer-Laser, der
einen gleichmäßigen (kohärenten) Lichtstrahl erzeugt, erzeugt das Excimer-
Phototherapiesystem einen unregelmäßigen (inkohärenten) Lichtstrahl. Leider sind von
diesen Behandlungsverfahren in deutschen Hautarztpraxen nur sehr wenige Geräte im
Einsatz.

Anmerkung: jede Form der UV-/Laser-Therapie ist definitiv nur dann sinnvoll, wenn
Untersuchungen zu den individuellen Auslösern der Erkrankung durchgeführt wurden und
sich das Immunsystem im Laufe von Monaten „beruhigt“ hat, sodass möglichst keine neuen
weißen Flecken entstehen. Dazu ist in fast allen Fällen mindestens eine Mikronährstofftherapie
mit spezifischen Vitaminen, Mineralstoffen und Antioxidantien notwendig.

8.2. PIGMENTZELLTRANSPLANTATION
Unterschiedliche chirurgische Verfahren kommen bei stabiler Vitiligo für ausgewählte Areale
(z.B. Augenlider) zur Anwendung. Bei einem Verfahren werden kleine, stark pigmentierte
Hautstückchen in örtlicher Betäubung entnommen. Daraus werden Melanozyten isoliert und
zu einer Pigmentzell-Lösung verarbeitet. Im Anschluss wird diese Lösung auf ausgewählte
Vitiligostellen übertragen. Es schließt sich eine UVB 311 nm-Lichttherapie oder 308 nm
Excimer-Therapie an. Für die Pigmentzelltransplantation kommen verschiedene Methoden
zur Anwendung. Da es weltweit sehr wenige Zentren gibt, welche solche Verfahren anbieten,
würde eine ausführliche Darlegung der verschiedenen Methoden den Rahmen dieses
Büchleins sprengen. Wir empfehlen, sich individuell beraten zu lassen. Die grobe Faustregel
lautet in diesem Zusammenhang, dass eine Pigmentzelltransplantation ohne eine zuvor
erfolgreich durchgeführte und ursachenorientierte Vitiligobehandlung mit einem stabilen
Erkrankungsverlauf (keine neuen Vitiligoareale über mindestens ein Jahr) nicht sinnvoll ist.

12
8.3. INNERLICHE THERAPIE
8.3.1. VITAMIN-D-THERAPIE
In den vergangenen Jahren wurde wissenschaftlich mehrfach publiziert, dass Vitamin D bei
der Entstehung und der Behandlung von sehr vielen Autoimmunerkrankungen eine ganz
zentrale Rolle spielt. Bei Vitiligo finden sich oft sehr niedrige Spiegel für Vitamin D.1
Es gibt gute Belege, dass eine hohe bis sehr hohe Dosierung von Vitamin D langfristig einen
sehr positiven Einfluss auf diese Autoimmunerkrankung hat.2 Die Hochdosistherapie mit
Vitamin D nach dem sog. Coimbra-Protokoll, einem brasilianischen Neurologen, der dies
ursprünglich für Patienten mit Multipler Sklerose entwickelt hat, bedarf jedoch einer ärztlichen
Anleitung, weil sie, zumindest theoretisch, mit Nebenwirkungen verbunden sein kann.
Deshalb steht vor dem Beginn einer hochdosierten Behandlung mit Vitamin D (und seiner
zahlreichen notwendigen Begleitfaktoren, z.B. Magnesium, Vitamin K2, Vitamin A) eine
ausführliche Aufklärung und therapeutische Begleitung. Auch wenn diese hohe Dosierung
von Vitamin D bei genauer ärztlicher Anleitung und hoher Zuverlässigkeit der Patienten
hinsichtlich der Umsetzung der notwendigen Vorsichtsmaßnahmen als sicher gelten kann3,
raten wir dringend von einer Selbstbehandlung nach dem Coimbra-Protokoll ab. Vielmehr ist
es sinnvoll, Zentren aufzusuchen, die einerseits für die Hochdosistherapie mit Vitamin D
ausgebildet wurden und gleichzeitig eine dermatologische Expertise aufweisen.4
Unabhängig von diesem speziellen Behandlungsprotokoll sollten in jedem Fall für alle Patienten
mit Vitiligo zu Beginn der Behandlung im Rahmen der Ursachensuche der Spiegel für Vitamin
D gemessen werden und langfristig bei mindestens 40-60 ng/ml bzw. 100-150 nmol/l eingestellt
werden. Eine selbst durchgeführte Einnahme von Vitamin D, welche zu deutlich höheren
Blutspiegeln führt, ist ohne professionelle therapeutische Begleitung mit umfangreicher
Fachkenntnis im Bereich der Vitamin-D-Therapie nicht zu empfehlen.

1 Amon U, Baier L, Yaguboglu R, Ennis M, Holick MF, Amon J. Serum 25-hydroxyvitamin D levels in patients with skin diseases including
psoriasis, infections, and atopic dermatitis. Dermatoendocrinol. 2018 Feb 22;10(1):e1442159. doi: 10.1080/19381980.2018.1442159
PMID: 29904567; PMCID: PMC5997090.
2 Finamor DC, Sinigaglia-Coimbra R, Neves LC, Gutierrez M, Silva JJ, Torres LD, Surano F, Neto DJ, Novo NF, Juliano Y, Lopes AC,
Coimbra CG. A pilot study assessing the effect of prolonged administration of high daily doses of vitamin D on the clinical course of
vitiligo and psoriasis. Dermatoendocrinol. 2013 Jan 1;5(1):222-34. doi: 10.4161/derm.24808. PMID: 24494059; PMCID: PMC3897595.
3 Amon U, Yaguboglu R, Ennis M, Holick MF, Amon J. Safety Data in Patients with Autoimmune Diseases during Treatment with
High Doses of Vitamin D3 According to the „Coimbra Protocol”. Nutrients. 2022 Apr 10;14(8):1575. doi: 10.3390/nu14081575. PMID:
35458137; PMCID: PMC9033096.
4 https://coimbraprotokoll.de/coimbraprotokoll_aerzte/

13
8.3.2. A
 NTIOXIDATIVE THERAPIE, EINGEBETTET IN EIN
ORTHOMOLEKULARES BEHANDLUNGSKONZEPT
Wie bereits erwähnt, scheint der sog. oxidative Stress in der Haut bei der Entstehung von
Vitiligo eine wichtige Rolle zu spielen. Freie Sauerstoffradikale werden durch Entzündungen
im Körper, eine ungünstige Ernährung, Immunreaktionen, Belastungen des Darms und der
Darmflora, Schwermetallbelastungen, massiven mentalen Stress und andere Faktoren
produziert und sind im Blut messbar (z.B. mittels Bestimmung der Lipidperoxidation und der
antioxidativen Gesamtkapazität).
Vitamine, Spurenelemente, Mineralstoffe und verschiedene Pflanzenstoffe, unter anderem
Vitamin D, OPC, Ginkgo biloba, Polypodium leucotomos, Quercetin, verschiedene Enzyme
wie Superoxiddismutase (SOD), Selen, Zink, Vitamin B12, Folsäure, Kupfer sowie Vitamin C
und Vitamin E, können in diesem Zusammenhang therapeutisch eingesetzt werden.5

OPC (Oligomere Proanthocyanidine) gehören zu den Pflanzenstoffen der Polyphenole mit


antioxidativen Eigenschaften. Bekannt sind die OPC insbesondere im Traubenkernextrakt,
wobei auch Pinienrindenextrakt, Kiefernrindenextrakt und Extrakt unreifer Äpfel hervorragende
Quellen sind. OPC werden u.a. antimikrobielle, wundheilungs- und durchblutungsfördernde
Wirkungen zugeschrieben.6,7

Ginkgo biloba ist ein Baum und zählt zu der letzten noch lebenden Art einer in der
Erdmittelzeit (vor etwa 66 Millionen Jahren) weit verbreiteten Gattung. Dessen Extrakt ist
unter anderem aufgrund seiner Flavonoide als Heilpflanze mit antioxidativer, antientzündlicher
und immunmodulierender Wirkung bekannt, gerade auch bei Vitiligo.8

Polypodium leucotomos kommt aus dem mittel- und südamerikanischen Regenwald. Als
Farnextrakt hat diese Substanz antioxidative und photoprotektive, also vor der Sonne
schützende, Eigenschaften, welche bei der Therapie von Vitiligo von Nutzen sind.9,10

Quercetin ist ein flavonoidhaltiger Pflanzenstoff mit antioxidativen sowie ent-


zündungshemmenden Eigenschaften und ist ein Pflanzenpigment, das für die kräftige
Färbung von Gemüse, Obst und Blumen verantwortlich ist.
Quercetin kommt in der Natur in hohen Konzentrationen u.a. in Kapern, Liebstöckel, Brokkoli,
Apfel- und Traubenschalen vor. Quercetin hat eine schützende Wirkung auf die Melanozyten.11

Superoxiddismutase (SOD) ist ein körpereigenes Enzym zum Schutz vor oxidativem Stress.
SOD entgiftet das sog. Superoxidradikal, das auch in den Mitochondrien entsteht und an der
Zerstörung von Melanozyten beteiligt sein kann. SOD kommt in der Natur z.B. im Cantaloupe-
Melonen-Extrakt vor. Eine positive Wirkung, besonders in der Kombination mit einer UV-
Phototherapie, ist wissenschaftlich belegt.12

Die Erkenntnisse der orthomolekularen Medizin sind ausschlaggebend für einen individuellen
Behandlungserfolg: es handelt sich dabei um Maßnahmen mit körpereigenen Mineralstoffen,
sekundären Pflanzenstoffen, essentiellen Fettsäuren, Aminosäuren, Spurenelementen,
Vitaminen, Enzymen und Hormonen auf der Basis gezielter Messungen, zumeist in Blut,
Stuhl und Speichel. Bei Autoimmunerkrankungen ist die orthomolekulare Medizin für die
Erstellung eines ganzheitlichen Behandlungskonzepts von zentraler Bedeutung.

14
5 Gianfaldoni S, Wollina U, Tirant M, Tchernev G, Lotti J, Satolli F, Rovesti M, França K, Lotti T. Herbal Compounds for the Treatment
of Vitiligo: A Review. Open Access Maced J Med Sci. 2018 Jan 21;6(1):203-207. doi: 10.3889/oamjms.2018.048. PMID: 29484024;
PMCID: PMC5816300.
6 Kim SH, Bang J, Son CN, Baek WK, Kim JM. Grape seed proanthocyanidin extract ameliorates murine autoimmune arthritis through
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11 H a AT, Rahmawati L, You L, Hossain MA, Kim JH, Cho JY. Anti-Inflammatory, Antioxidant, Moisturizing, and Antimelanogenesis
Effects of Quercetin 3-O-β-D-Glucuronide in Human Keratinocytes and Melanoma Cells via Activation of NF-κB and AP-1 Pathways.
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12 F ontas E, Montaudié H, Passeron T. Oral gliadin-protected superoxide dismutase in addition to phototherapy for treating non-
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15
8.3.3. KORTISON
Kortison ist ein körpereigenes, immunsuppressiv wirkendes Hormon, das in der Neben-
nierenrinde produziert wird.
Eine innerliche Kortison-Minipulstherapie mit Tabletten kann für zwei aufeinander folgende
Tage pro Woche bei schnell zunehmender Vitiligo allenfalls über einen sehr kurzen Zeitraum
bis zur Vorlage der ausführlichen Untersuchungsbefunde erwogen werden. Anmerkung:
sollte eine „aggressiv“ verlaufende Vitiligo vorliegen, bei welcher die innerliche
Kortisontherapie in Betracht gezogen werden sollte, muss unbedingt hinterfragt und
untersucht werden, was diese aggressiven Schübe ausgelöst hat! Andernfalls ist auch die
innerliche Kortisontherapie unsinnig, weil es sich um eine reine Symptomtherapie mit
unsicherem Nutzen, jedoch zahlreichen möglichen ungünstigen Auswirkungen auf den
gesamten Stoffwechsel handelt.

8.3.4. JAK (JANUSKINASE)-INHIBITOREN


Die orale Einnahme von JAK-Inhibitoren, wie z.B. Ritlecitinib13 und Tofacitinib14, kann in
Zukunft unter Abwägung von Nutzen und Risiken möglicherweise nach offizieller Zulassung
zur Anwendung kommen. Ein für Vitiligo zugelassenes diesbezügliches Präparat befindet
sich aktuell noch nicht auf dem Markt. Aus dermatologischer Sicht besteht bereits eine
Zulassung für atopische Dermatitis (Neurodermitis) und Alopecia areata (kreisrunder
Haarausfall)15. Das bislang bekannte Nebenwirkungsprofil von JAK-Inhibitoren (z.B. aus der
bereits seit einigen Jahren erfolgten Rheumabehandlung) lässt vermuten, dass ein breiter
Einsatz bei Vitiligo wohl eher nicht zu erwarten ist (u.a. Thromboseneigung, Kopfschmerzen,
Infektionen und Entzündungen der oberen Atemwege, Durchfall, Übelkeit, Hypertonie,
kardiovaskuläre Ereignisse und ggf. auch maligne Erkrankungen16). Ob solche Nebenwirkungen
dann auch für die für Vitiligo zugelassene JAK-Inhibitoren zutreffen werden, muss noch
abgewartet werden.

13 Blair HA. Ritlecitinib: First Approval. Drugs. 2023 Sep;83(14):1315-1321. doi: 10.1007/s40265-023-01928-y. Erratum in: Drugs. 2023
Oct;83(15):1457. PMID: 37556041; PMCID: PMC10556173.
14 Shalabi MMK, Garcia B, Coleman K, Siller A Jr, Miller AC, Tyring SK. Janus Kinase and Tyrosine Kinase Inhibitors in Dermatology:
A Review of Their Utilization, Safety Profile and Future Applications. Skin Therapy Lett. 2022 Jan;27(1):4-9. PMID: 35081305.
15 https://www.ema.europa.eu/en/documents/product-information/olumiant-epar-product-information_de.pdf
16 https://www.bfarm.de/SharedDocs/Risikoinformationen/Pharmakovigilanz/DE/RHB/2021/rhb-xeljanz.html

16
8.4. ÄUSSERLICHE THERAPIE
8.4.1. CALCINEURIN- UND JAK-INHIBITOREN
Tacrolimus-haltige Salben und pimecrolimus-haltige Cremes sind Calcineurin-Inhibitoren,
die ursprünglich zur Behandlung von Neurodermitis zugelassen wurden. Diese werden seit
sehr vielen Jahren weltweit auch zur äußerlichen Behandlung der betroffenen Areale von
Vitiligo, zum Teil mit sehr gutem Erfolg, eingesetzt.17 Vorteil: Diese Anwendung ist kortisonfrei.
Die neueste Entwicklung der äußeren Behandlung ist eine ruxolitinib-haltige Creme, die seit
dem 15. Mai 2023 eine EU-Zulassung hat. Ruxolitinib ist ein sog. JAK (Januskinase)-Inhibitor
und reguliert den Autoimmunprozess bei Vitiligo durch den Einfluss auf den sog. „Interferon-
gamma-Pathway“, um die Depigmentierung zu hemmen, die Repigmentierung zu bewirken
und die Schübe zu vermeiden.18 Aktuell ist das Präparat im Vergleich zu den auf dem Markt
befindlichen anderen Behandlungsmöglichkeiten extrem teuer. Vergleichsstudien mit anderen
Substanzen, die bislang bei Vitiligo eingesetzt wurden, sind noch nicht veröffentlicht bzw.
bekannt. Langzeitwirkungen und mögliche Langzeitnebenwirkungen sind verständlicherweise
noch nicht bekannt.
Anmerkung: auch hier weisen wir darauf hin, dass jede Form der äußeren Behandlung
zunächst voraussetzt, dass die Ursachensuche erfolgt ist. Die Therapie von Vitiligo allein mit
einer Creme/Salbe ist in fast allen Fällen nicht sinnvoll. Alle genannten Produkte sind
verschreibungs- und apothekenpflichtig. Die Anwendung ist individuell abzuwägen und
hinsichtlich der zu behandelnden Hautareale sehr unterschiedlich wirksam. Wir empfehlen
zuvor eine dermatologische Untersuchung und Beratung.

8.4.2. KORTISON
Kortisonhaltige Cremes und Salben können für die Repigmentierung der Haut hilfreich sein.
Vor allem bei Kindern und kleineren weißen Flecken wird diese Therapie in Ausnahmefällen
angewendet, z.T. mit gutem Erfolg. Vor- und Nachteile dieser Behandlung sind natürlich zuvor
ausführlich mit den Eltern abzuwägen. Kortisonhaltige Cremes und Salben sind aufgrund der
hinlänglich bekannten Langzeitnebenwirkungen für eine langfristige Behandlung,
insbesondere im Gesicht und der Genitalregion, völlig ungeeignet. Zu möglichen generellen
langfristigen Nebenwirkungen zählen u.a. Verdünnung der Haut (Atrophie), erhöhte
Gefäßverletzlichkeit mit Blutungsneigung, verstärktes Haarwachstum an der betroffenen
Stelle, Hautreizungen (Rötung, Brennen, Austrocknung), Entzündung der Haarfollikel, Milien
(Hautgrieß), erweiterte Hautgefäße und Steroidakne.

17
8.4.3. DEPIGMENTIERUNG
Depigmentierung bedeutet das Bleichen der restlichen, pigmentierten, gesunden Haut des
Körpers, um sie an die großflächigen, weißen Stellen anzugleichen. Für Betroffene mit extrem
ausgedehnter Vitiligo kann dies als Möglichkeit in Betracht kommen. Die Patienten tragen
eine Creme mit Hydrochinon-Monobenzylether zweimal am Tag auf die pigmentierten
Flächen auf, bis diese Areale auch (annähernd oder komplett) pigmentfrei sind. Dies dauert
oft viele Monate. Die Depigmentierung kann nicht mehr rückgängig gemacht werden!
Außerdem sind die Personen anschließend verständlicherweise sehr empfindlich gegenüber
Sonnenlicht. Diese Behandlungsform ist generell nicht empfehlenswert. Um es klar zu sagen:
so eine Vorgehensweise ist eine extreme Ausnahme!

17 Wong R, Lin AN. Efficacy of topical calcineurin inhibitors in vitiligo. Int J Dermatol. 2013 Apr;52(4):491-6. doi: 10.1111/j.1365-
4632.2012.05697.x. Epub 2013 Jan 20. PMID: 23331250.
18 Rosmarin D, Passeron T, Pandya AG, Grimes P, Harris JE, Desai SR, Lebwohl M, Ruer-Mulard M, Seneschal J, Wolkerstorfer A,
Kornacki D, Sun K, Butler K, Ezzedine K; TRuE-V Study Group. Two Phase 3, Randomized, Controlled Trials of Ruxolitinib Cream
for Vitiligo. N Engl J Med. 2022 Oct 20;387(16):1445-1455. doi: 10.1056/NEJMoa2118828. PMID: 36260792.

18
8.4.4. CAMOUFLAGE, SELBSTBRÄUNER UND
PERMANENT-MAKE-UP
Viele Betroffene möchten die weißen Flecken vor den Mitmenschen „verstecken“. Es gibt
verschiedene Möglichkeiten, die weißen Flecken abzudecken, z.B. Make-up, Camouflage-
Produkte, Permanent-Make-up oder Selbstbräuner.
Camouflage-Produkte sind spezielle Make-up-Präparate zur Abdeckung von
Hautverfärbungen. Die Produkte werden ähnlich wie ein Make-up angewendet, sind stark
abdeckend und sehr viel haltbarer als gewöhnliches Make-up. Camouflage gibt es in
verschiedenen Farbtönen, so dass man die Präparate der individuellen Hautfarbe anpassen
kann. Die ersten Anwendungen sollten möglichst unter Anleitung einer geschulten
Kosmetikerin erfolgen.
Selbstbräuner enthalten den Wirkstoff Dihydroxyaceton. Dieser Stoff reagiert mit Eiweißen
der oberen Hautschicht und färbt sie bräunlich. Da die künstliche Farbe nur wenige Tage
hält, muss der Selbstbräuner alle paar Tage neu aufgetragen werden. Solche Substanzen
werden als Creme, Milch, Lotion oder Spray in verschiedenen Farbtönen angeboten.
Permanent-Make-up ist für einzelne weiße Stellen in seltenen Fällen eine Option. Dieses
Verfahren sollte jedoch zuvor unbedingt in einem Vitiligo-Zentrum besprochen werden.

8.4.5. SONNENSCHUTZMITTEL
Menschen, die an Vitiligo leiden, sollten bei starker Sonnenexposition bzw. in sehr
sonnenreichen Arealen Sonnenschutzmittel benutzen, die sowohl vor UVA- als auch vor
UVB-Licht schützen. Diese vermindern auch das Bräunen der „gesunden“ Haut, so dass der
Kontrast weniger groß ist. Ein geeigneter Sonnenschutz hilft, die Haut vor Sonnenbrand und
langfristigen Sonnenschäden zu schützen. Die neuesten Untersuchungen zeigen, dass das
Hautkrebsrisiko bei Vitiligo-Betroffenen nicht höher ist als bei Menschen ohne Vitiligo. Unter
diesem Aspekt ist eine übertriebene Meidung des Sonnenlichts nicht notwendig. Des
Weiteren ist der positive Effekt des Sonnenlichts auf Vitiligo zu berücksichtigen. Auf jeden
Fall ist ein Sonnenbrand zu vermeiden. Wir raten nicht zu einer Ganzkörperanwendung von
Sonnenschutzmitteln, da bestimmte Chemikalien, die als UV-Filter fungieren, in die Blutbahn
übergehen können.19 Sinnvoller wäre dann eher ein Schutz durch geeignete Kleidung bzw.
eine Kopfbedeckung, ggf. mit UV-Schutz-haltigem Stoff.

19 Matta MK, Florian J, Zusterzeel R, Pilli NR, Patel V, Volpe DA, Yang Y, Oh L, Bashaw E, Zineh I, Sanabria C, Kemp S, Godfrey A,
Adah S, Coelho S, Wang J, Furlong LA, Ganley C, Michele T, Strauss DG. Effect of Sunscreen Application on Plasma Concentration
of Sunscreen Active Ingredients: A Randomized Clinical Trial. JAMA. 2020 Jan 21;323(3):256-267. doi: 10.1001/jama.2019.20747.
Erratum in: JAMA. 2020 Mar 17;323(11):1098. PMID: 31961417; PMCID: PMC6990686.

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