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B IB L I O TI IEK D ER

-
W E LT G E S C H I C H T E
ER A U S G E G EB EN V O N
K A R L A L E" A ND E R V O N M Ü LL ER U ND O TT O W ES T PHA L

D IE DEUTSCHE
ROMA NT IK
VO N

D R G E O R G M E H LZ I S
.

A . O P
. R OFES SO R A D . . R
U NI VE S I T Ä T I . FR EI B UR G I . B .

1 9 2 2

R Ö S L © C I E . / M Ü N C H E N
C O P " RI GHT 1 9 2 2 R Ö S L & C I E .
/ M Ü N CH E N
I n h a l t

I Die romantische Bewegung


.

D a s n L b n g fü hl
eue e e s e

D i his tori h Si t ation


e sc e u

Roman tis h H imat c e e

Der roman tis h M n h d d Romantik r


c e e sc un er e

Der roman tis h K is c e re

F h r d roman tis h n B w g ng
u re er c e e e u

Romanti h S h l d Rom an tik


sc e c u e un

Gli d r ng d romantis h n B w g ng
e e u er c e e e u

Das Programm d Roman tik er

Roman tis h Kritik c e

I I Das romantische
. K ulturb e w uß t sein
D es Primat d th fi h W rt s
es as e sc en e e

Romantis h Einh i t d ro m an tis h r G g nsatz


c e e un c e e e

Das Id al d In t ition d Ko kr th it
e er u un n e e

Gri h nt m d Romantik
ec e u un

Das P rinzip d Kontin i tä t d d hi toris h B w ß ts in


er u un as s c e e u e

III . Die Philosophie der Romantik


D as W e sen roman ti h n P h i1 p h i
d er sc e 05 0 e

F orm n d roman tis h n P h i1 ph i


e er c e 0 50 e

Das Id al d P rsönli hk i t
e er e c e

D i romant i h Ironi
e sc e e

S tilform n d P e ii hk it
er e rso n c e

Das G m ins haftsid al d Roman tik


e e c e er

D i K lt p hi1
e u urph i d Roman tik
0 50 e er

D i K lt rphil osophi
e u u No ali e v on v s

D i K lt rph ilosophi Fri dri h


e u u S hl g ls e e c v on c e e

Di e sys t m a ti h P hi losophi d Rom a tik


e sc e e er n
6 I nhalt s rz i h is
ve e c n

S h lling
c e

D ie I n d en titä t
S c h lli ngs M thod
e e e

S c h llings N t t
e p hi
a ur o so e

S c h llings G hi htsphilosophi
e e sc c e

S c h llings Philo ophi d K ns t


e s e er u

S c hl i rma h r
e e c e

IV . Die Dichtung der Romantik


Allg m in r Charakt r d romantis h n Di ht ng
e e e e er c e c u

F orm n d rom a ntis h n Di ht ng


e er c e c u

D i Ly rik d
e Romantik er

D romantis h Mär h n
as c e c e

D Rom n d Romantik
er - a er
D as n e ue L eben sg efuhl
In der Ges chichte der Mens c hheit gibt es Epochen ,

die einen e inzigartigen Glanz und eine b e sonder e S chön


heit besitzen Zeiten die immer wieder z um V e rweilen
, ,

einlade n in denen so etwas w ie Erfüllung gegeben zu


,

sein scheint Es gibt Zeiten die e twas versprechen und


.
,

etwas erwart e n lass e n und andere d ie d a s Zei c h e n des


,

Verfalls nur zu deutlich zur S c hau st e llen Es gibt l eere .

und voll e langsame und bew e gt e Zeiten Auf Zeiten


,
.

der Stagnation oder des ruhig e n Ab fiie ß e n s der Be


g e b e n h e it e n folgen Epochen in denen sich,
eine Fülle
des Großen und Bedeutsamen z usam m e n d ran g t Aber .

am schönsten sind die Zeiten in denen neues Leben in ,

n euer Form s e ine große Erfüllung findet .

Wenn w ir in d e nkender Betrachtung bei solchen


Epochen verweilen so fühlen wir die Fülle und Frische
,

des j ungen Lebens das uns e ntg egenströmt Uns e r


, .

füllt jenes N e u e U n e rh o rte no ch nie Dagewesene das


, , ,

so plötzlich als gerund e t e Wirklichk e it uns beg e gnet .

Von stiller B e wunderung sind wir e rgri ffen von der


Größe des Menschenge i stes und gläubiges Vertrauen er
füllt uns auf die Zukunft uns e res G e schlecht e s D as .

eigentümliche Leben dies e r Epo chen v e rdi cht e t sich in


gewissen Begri ffen : Gri echentum Renaissan c e Auf , ,

klärung Romantik das sind solche groß e Zentren der


, ,

Kulturb e w e gung .
10 I . D ie romantis h B w g ng
c e e e u

D e r Historiker liebt diese Zeiten denn sie o ff en ,

baren die ganze Macht und H errlichkeit des Geschehe n s ,

un d der Philosoph der nach dem Gesamtsinn der Ge ‚

schichte fragt sucht von ihnen aus den En t w icklun g s


,

zusammenhang des historischen Universums zu ver


stehen .

Wie in j enen anderen wahrhaft großen Z e iten handelt


es sich auch in der Romantik um ein neues L eb en sg e
fühl Das Ne ue ist das Wunderbare i n der Geschichte
.
,

das niemals so ganz erklärt werden kann : die neue


Idee der neue Kulturwille das neue Gefühl dem Leben
, ,

gegenüber Dies Gefühl der Romantik ist eine große


.

helle Freude e in Aufj ubeln der Seele d ie nun p lo t z lich


, ,

befreit zu s e in scheint von manchem was sie gequält ,

und eingeengt hat Enge und Dumpfheit schwan d da


.

hin und das Gefühl des verhaltenen T ro t ze s der j ungen ,

überschäumenden Kraft die sich langsam neue Wege ,

bahnte j etzt schien das Ziel erreicht oder doch sehr


,

nahe zu sein Es war alles so anders so mächtig ge


.
,

worden Wahrlich es lohnt e sich zu leben


.
, .

Dies Ge fühl der Freude war ein sehr inniges tiefes ,

un d dankbares Gefühl Es war als ob die Seele aus


.
,

e i nem schweren Traum erwachte oder von langer


Krankheit genesen war Von einer F ulle lastender .

Vorurteile Vors chrift e n un d Einrichtungen der alten


,

S taatsv e rn un f t hatte sich damals der Mensch befreit .

Man fand den Mut sich über viele Dinge h in w eg zu


setzen die früher als strenge Regeln der S itte un d
,

Konvention anerkannt waren Aber die Seele f uh lte .

sich vor alle n auch innerlich frei Nicht mehr gebeugt .

durch ein strenges Gebot des M ü ssens das n ur ihre ,

äußer e E rscheinung als S in n en w e sen betraf fühlte sie ,


Das n e ue L eb e nsg füh l
e I I

sich in ihrem Inneren vo l lkommen abg e lo st und un "

gehemmt D ie Seele fühlte sich souverän S ie emp


. .

fand ihr selbst ä ndiges Bedeuten ihren eigentümlichen , ,

unersetzlichen Sinn f ur das Ganze Ein neuer Aus .

blick schien gegebe n Neue Horizonte hatte n sich a uf


.

getan Die S in n enwelt konnte nun nicht mehr als das


.

einzige Dasein gelten als die wahrhafte Welt war die


,

Welt des Ub e rsin n lich e n aufgewiesen als das wahr ,

hafte Leben e rschien immer mehr das Leben im Geiste


und in der Vernunft das W ertleb en des Ich Und in
, .

diese r freudigen Seele erwachte das Ge fühl einer gren


z e n lo se n Lieb e und H ingabe an alle Formen des Daseins ,

die verwandt und v e rtraut erschien e n erfüllt von d e m ,

selben Geist b ese ligt durch dasselbe Geheimnis des


,

Göttlichen Es erwachte der Wunsch alles z u verbinden


.
,

un d zu vereinigen was kalt und feindlich geschieden


,

wa r die Sehnsucht und das Verlangen nicht nur die


,

Menschen und die individuellen Dinge sondern auch ,

die Lebens und Kulturformen und schließlich auch


das Universum in liebende Umarmung zu sch l ieß en .

Es erwachte die Sehnsucht sich aufzugeben und hinzu


geben im pantheistischen Allg e f ü h l und dann auch
wieder zu bilden und zu gestalten die noch unvollendete ,

göttliche Welt durch bildende Tätigkeit zu vollenden


und dadurch erst ganz göttlich zu machen .

Prophetische Formen nahm dieses S eh n such t sg e fuh l


an in der Hinwendung auf d a s Zukünftige Unerhörte .

Taten des Geistes waren geschehen die Ideenwelt un d ,

das Übersinnliche neu entdeckt die Freiheit wahrhaft ,

verstanden die Kuns t zur Vollendung geführt Nun


, .

steht d a s Höchste unmittelbar bevor das vollendete ,

Zeitalter der Kultur in dem sich a l le Menschen un d


,
12 I . D ie romanti h B w g g
sc e e e un

alle D inge in einer großen Liebesgemeinschaft begegnen .

Eine Vorstellung erwacht von dem was kommen wird , ,

ein Traum von Vollendung S chönheit und Größe Das , .

Angesicht der Welt hatte sich verändert alles schien ,

w ieder so neu und so j ung zu sein und in diese r j ungen ,

frühlingshaften Welt gab es so viel zu schauen zu ver ,

stehen und zu tun .

D iese Welt war f ur das neu e Nat ur und Lebens


gefühl nicht mehr eine Wirklichkeit die von mechanisch ,

wirksamen Gesetzen beherrscht wurde sondern sie ist , ,

wie wir sie erleben und erschauen ein Produkt des ,

Geistes und die Ge setze 5be g riffe sind nur Spiegelungen


,

unserer geistigen Funktionen in den mannigfaltigen


Inhalten des Lebens Als irrational in ihr e m tiefst e n
.

L eb en sg run d e wurde die Wirklichkeit empfunden S ie .

ist selber wunderbar denn sie trägt d as Wun derbare


,

i n sich Mögen wir auch immer wieder in der ver


.

standesmäß igen Reflexion an der Krücke der K a usali


t at dahinschleichen Unser schlichtes heiliges Gefühl
.
, ,

so vor allem das unteilbare Gefühl der Liebe läßt uns „

überall in der Welt das Wunderbare und Geheimnis


volle ahnen und v erstehen Der Organismus in seinen .

mannigfaltigen Funktionen das bunte Leben in seiner ,

reichen Fülle e s ist überreich an Geheimnis und


,

Wunder .

Und so brach dies es neue Leb e nsgef ü hl hervor in


einem hinreißenden Enthusiasmus dem platonischen ,

Ge iste verwandt wie er allen wahren Fr e und e n der


,

Ideen eigen ist und an dieser gl ü henden und nährenden


,

Flamme schien die ganze deutsche Kultur eine Wieder


geburt erfahren zu sollen Und so bestätigt e sich auch
.

bei den Romantikern das Wort de s sterb enden St Si .


Das n eu e L b nsg fü hl
e e e I 3

mon daß et w as wahrhaft Großes in der Welt nur durch


,

Enthusiasmus un d Leidenschaft geschehen kann .

Dieses neue Lebensgefühl bezog sich auf u nge


messene Weiten : auf das Ganze auf die Menschheit , .

auf das Universum Verständnis und S inn für alle


.

Dinge war in diesem Gefühl wohnhaft Es verband sich .

den L eb en sge sta ltun g e ri der verschiedensten Völker un d


Zeiten und verweilte mit Andacht vor allem Gro ß en der
Vergangenhe it un d der Gegen w art Dem roman .

tischen Leben sgefühl w ar der S inn f ur Andacht un d


Verehrung gegeben Sie verehrte n so gern un d trieben
.

ihren Kultus mit menschlicher Größe .

Wir meinen das romantische L eb en sg e f uh l als ein


Gefühl j ubelnder Freude deut e n zu können aber mit ,

dieser Freud e ist S e hnsucht und Verlangen und somit


auch die Ide e des Mangels und des Unerr eichten ver
b unden Wenn wir an die höchste Vollendung unseres
.

Leb ens denken dann sprechen wir von unserem Glück


, .

Glück hat dann nicht mehr den S inn der zufälligen


Gabe die das Schicksal uns im Spiel un d keckem Wage
,

mut zuteil werden läß t Auch ist unter G lück nicht


.

jener B e istand gemeint den das Schi cksal dem Men


,

s chen zuteil w e rden läßt der mit unermüdlicher Energie


,

u n d mutiger Tatkraft seinem Ziele nachgeht Sondern .

Glück ist jetzt das was z u un s gehört un d nur mir


,

allein etw as g eb en kann weil es dieses Ich das auf


, ,

Erfüllung wartet erfüllt Die Seele ah nt diese s Er


, .

füllende n ur aber sie kennt es nicht Es erscheint wohl


, .

mal in blassen Träumen ist aber gleich wieder e n t ,

sch w un d e n Dieses immer Ersehnte und nie ganz


.

Erreichte das uns manchmal so nah und manchmal


,

so f e rn ersch e int das in undeutlicher G e stalt vor un s


.
1 4 I . D ie romanti h B w gung
sc e e e

steht un d von dem wir manchmal vermeinen mochten ,

daß es mit lieb e such e n de n Augen uns irgendwo in


bleicher Dämmerung erwartet das ist das Glück wie , ,

w i r es fühlen und dessen Symbol für die Romantik die


b l a u e B l u m e geworden ist .

Die h isto r i s ch e S i t ua t i o n
Das neue romantische Lebensgef ü hl erwachte in der
klassischen Zeit unserer Literatur und Dichtkunst .

j ede große Kulturnation erlebt e i nmal ihr klassisches


Zei talter Klassik war nicht nur e i nmal d a in dem
.

S inne daß ein vorbildliches Volk wie die Griechen den


,

Kanon der Kunst und des Denkens ein für allemal


-

gegeben hätte Und unter Klassik verstehen wir des


.

halb auch nicht die R e naissance des antiken Geistes ,

sondern Klassik ist überall dort vorhanden wo eine ,

große Nation ihr innerlichstes We sen in bedeutenden


Formen der Kultur wie Dichtung und Philosophie zu
vollendetem Ausdruck gebracht hat So können wir .

ebensogut von einer Klassik d e s deutschen Volkes


wie von ein e r Klassik des hellenischen Volkes sprechen ,

ob w ohl ganz andere B ild un g sid e ale bestimmend ge


wesen sind In der Philosophie begründeten Kant
.
,

Fichte Schelling und H egel die Philosophie des de ut


,

schen I de alism uus die einzige große Form der Philo


,

sophie die der griechischen Philosophie ebenbürtig


,

war Neben der gri echischen Philosophie hat nur die


.

deutsche P hilosoph i e epochale Bedeutung gewonnen ,

so daß wir das Recht haben e inen bedeutsamen Ab ,

schnitt der Philosophie auf den Namen deutsch zu “

taufen Es gibt keine Epoche d e r f ran zo sisch e n oder


.
D ie his toris h Sit ation
c e u 1 5

englischen Philosophie wie es ein e griechische und


deutsche Philosophie als Teil ihrer Gesamtentwicklung
gibt Die große Leistung der Philosophie des deutschen
.

Idealismus war die Wiedergewinnung der übersinn


lichen Welt die sich in den genannten vier großen
,

S y stemen vollzog oder vollzogen hatte De r philo .

so p h isch e Genius versuchte wieder einmal die Welt im

Begri ff z u denken und deckt e ganz neue ungea hn t e ,

Zusammenhänge des geistigen Lebens auf Nachdem .

im ganzen 1 8 Jahrhundert die Philosophie des eng


.

lisch en un d französischen Empiris m us un d P o sit iv is


m us geherrscht hatte fand die Philosophie des Abend
,

landes in den großen Systemen des deutschen I de alis


m us ihre Erfüllung un d dieser philosophische Ausdruck
,

der abendländischen Kultur war auch gleichzeitig der


tiefste Ausdruck für das Eig en tum lich e des deutschen
Wesens .

Eine ah n lich e große T at der Befreiung hatte sich in


der Dichtung vollzogen Im 1 8 Jahrhundert war das
. .

Leben der Dichtkunst durch rationalistische Theorien


beherrscht die an dem französischen Klassizismus orien
,

tie rt waren D ie Umbildung die Gottsched mit diesen


.
,

Leh ren vollzog lief auf ein e n engherzigen Naturalis


,

m us hinaus Ein Kanon von Regeln wurde aufgestellt


.
,

nach denen sich der D ichter zu richten hatte Die Wirk .

lichkeit sollte so wiedergegeben werden wie sie ist S ie , .

sollte rezeptiv aufgenommen nicht spo ntan gestaltet ,

w erden Des w egen durfte die in einem Drama gemeinte


.

Han dlung in ihrem Zeitverlauf die Auff ührungszeit


des Stückes nicht überdauern Der poetische Ausdruck .

wurde auf das äuß erste gedämpft und herabg e setzt der ,

T rivialität der Alltagssprach e angenähert D ie T at der .


1 6 I . D ie romantis h B w g ng
c e e e u

Befreiung b e ginnt s chon bei den Schweizern und emp


f ä ngt die erste Stu fe ihrer Vollendung durch Lessing ,

dess e n kritischer Genius über die Aufklärung hinaus


reichte S ie vollzog sich in der Weise daß der Geist
.
,

Sha kespeares dem deutschen Gei ste vermählt wurde


und daß als Kanon der Dichtkunst nun nicht mehr die
französische Klassik sondern d a s Griechentum bet t ach
,

tet wurde d as eine dem deutschen Geiste angemessene


,

Deutung erfuhr Wie sehr im Aufklärungszeital t er die


.

Dichtkunst in Abhängigkeit von dem logischen Prinzip


der Erkenntni s gedacht wurde zeigt sich ganz beson ,

ders darin d aß Alexander Baumgarten die T ä tigkeit


,

des Künstlers der Wirklichkeit gegen über als eine sinn


liche Form der Erkenntnis verstand Ganz allgemein .

ab e r war die Auffassung daß der Künstler nach einem


,

Kanon ein f ur allemal festgelegter Regeln das Kuns t


werk herstellen könne und d aß j eder kultivierte leidlich ,
'

begabte Mensch auf Grund dieser Anweisung auch


etwas k ü nstlerisch Wer t volles leisten könne .

Aber die D ichtkunst war im Au fklärungszeitalter '

nicht nur in die Fesseln des Rationalismus verstrickt ,

sondern auch dur ch d ie h e don isch e n uti litaristis ch e n und


,

moralischen Tendenzen d e r Aufklarung b eherrscht S ie .

sollte den Menschen erfreuen und angenehm berühren ,

sie sollt e ihn e rheitern u n d e rgötzen oder in ihrer


ernsten Form ihn belehren und warnen Die Deutung .

der Kunst n ach dem moralischen Werte hin bedeutete


demgegenüb e r schon em tie fe res Verstehen und vor
allem empfing die Kunst dadurch eine Wurde un d
Weih e d ie sie in der h ed o n isch e n und utilitaristischen
,

Wertung ni emals erhalten konnte Dieser Begri ff der .

moralischen Wirku n g des Kunstwerkes wurde im m er


D ie hi toris h Sit atio
s c e u n 1 7

mehr vertieft und verfeinert Hatte man ursp run g lich .

die Vorstellung daß die Kunst erbaulich wirken un d z u


,

Bravheit und Tüchtigk e it der Gesinnung hinführen


solle so finden wir bei Lessing und spät e r auch noch
,

bei Kant und Schill e r die Vorstellung einer sittlichen


Erhebung und Läuterung im S inne eines großen
innerlichen Aufsch wungs unseres sittlich p e rson lich e n
'

Wesens .

Für die Eigengesetzlichkeit der D ichtung un d ihre


Anerkennung hat dann besonders viel die künstlerische
Tat Klopstocks und die kritisch theoretische Tat Kants -

geleistet .

Klopstock o ffenbarte in d er S elbst ä ndigkeit seiner


ku n st le risch e n Formgebung gegenüber allen schul
meisterlichen Regeln jene Fre iheit des ästhetischen
Bewußtseins die Kant in de r Kritik der Urteilskraft
,

dann philosophisch begr ü ndet H ier wird das große .

Wort geprä g t d aß alle Kunst Kunst des Genies sei un d


,

daß der Künstler scha ffe wie die Natur un b ewuß t zweck
mäß ig Das Wesen der künstlerischen Betrachtung
.

wurde in dem idealen Zustande eines interesselosen


W ohlge fallens gesehn S c hön ist das was absichtslos .
,

zweckm äßig in seiner inneren und äußeren Formg ebung


erscheint und was b eg riff lo s gefällt Die Autonomie .

u n d Obj ektivität der Kunst wurde vom ästhetisch ge ,

n ieß e n d e n Menschen ausg e hend auf allgemeinen Prin ,

z i ien der Vernunft begründet und de r eigentümliche


p
Gegensatz des S chönen und Erhabenen auf den Ver
h ä ltn isse n der H armonie und des Gegensatzes a u f g e
baut In der Lehre vom Erhabenen wurde der Triumph
.

der produktiven Einbildungskraft gegenüber dem Ver


st a nd un d dem Willen deutlich gemacht und d as Gefühl
2 M hli
e s, D ie d e ut s ch R m a i k
e o nt
1 8 I . D ie rom an i h B w g ng
t sc e e e u

des Erhabenen durch die Idee einer Ber ü hrung mit der
ü bersinnlichen Welt metaphysisch begründet Dagegen .

verblieb Kant noch in den Bahnen der Aufklarung so ,

fern er ihre Aufgabe dahin bestimmte daß sie mora ,

lische Ideen darzustellen habe und er bleibt ein S chüler ,

der Griechen sofern ihm das Nat ursch ö n e mehr be


,

deutet als das K un stsch ö n e .

An den von Kant so t ie f g ep rag t e n Begri ff des Ge


nies knüpft dann j ene Bewegung an die der Verstandes ,

kultur der Aufklärung den Krieg bis aufs Messer er


klärt : die Ze it des Stu rmes und Dranges die Genie ,

epoche od e r wie sie Ste ffens der S chüler S chellings


, , ,

recht glücklich bezeichnet hat das Zeitalte r der Kraft


und des T rot zes S ie ist inauguriert von H amann und


.

hat Sprache und Wirksamkeit besonders durch Herder


erfahren Nunmehr wird d a s Gefühl die Leidenschaft
.
, ,

die Phantas i e die Ekstase die Eingebung der Instinkt


‚ , ,

auf das höchste bewertet und d as Gebiet des V e rst an


des eingee n gt Das Unbegrenzte und Ma ß lose wird
.

gefeiert das Unbeherrschte die frei ausströmende


, ,

K raft Das Unmittelbare der Intuition gegenüber der


.

Reflexion des Verstandes das Unmittelbare der An ,

sc h a uun g gegenüber der M itt elb a rke it des Begri ffes .

A lles Ursprüngliche Natürliche W urze lh a f t e in Sprache


, ,

und Ausdruck gegenüber den matten und ü b e rfe in erte n


Bildern der Kultursprache So kam es zur Derbheit .

un d Ausgelassenheit zur Sprengung aller Formen und


,

Regeln zu einer gewaltsamen Emanation des Ge f uh ls


, ,

und alles das geschah unter der Parole Shakespeare ,

in dem das Wesen des Genies klar zutage trat der die ,

Natur und d as Leben be lauscht und versteht un d beide


so mächtig gestaltet ohne nach irgendwelchen Regeln
,
1 8 I . D 1e rom a n i h
t sc e w e gn n g

des Erhabenen durch die Idee e er B e ruh run g mit der


ü bersinnlichen Welt m e t ap h y si3 1 begründet Dagegen .

verblieb Kant noch in den Bah m de r Aufklarung so ,

fern er ihre Aufgabe dahin be im m te daß sie mora ,

lische Ideen darzustellen habe 1 d er bleibt ein S chüler ,

der Grie c hen sofern ihm das Q at u rsch ö n e mehr be


,

deutet als das K un st sch ö n e .

An den von Kant so tie f ge ag t e n Begri ff des Ge


nies knüpft dann j ene B e we g un an die der Verstandes ,

kultur der Aufklärung den K 1 g bis aufs Messer er


klärt : die Ze it des Sturmes L l Dranges die Genie ‘

epoche od e r wie sie Ste ffens e r Schüler S chellings


, , ,

recht glückli c h b e zeichnet hat as Zeitalte r d e r Kraft ,

und des T rot z e s S ie ist in a ug ie rt von H amann und


.
°

hat Sprache u n d W irksamk e it e so n d e rs durch Herder


erfahren Nunmehr wird das fühl die Leidenschaft
.
, ,

die Phantasie die Ekstase die in g e b un g der Instinkt


, , ,

auf das höchste bewertet und 1 5 Gebiet des V e rst a n


des eingee ngt Das U n b e g re te und Maß lose wird
.
*

gefeiert das Unbeherrschte ie frei ausst römende


, ,

K raft Das Unmittelbare der i t u it io n gegenüber der


.

R e flexion des Verstandes d as U n m it t e lb a re der An ,

sc h auun g gegenüber der M iu barkeit des B egri ff es .

A lles Ursprüngliche Natürliche Wu rze lh a f t e in Sprache


,

und Ausdruck gegenüber den t i t t e n und üb e rfe in erte n


B ildern der Kultursprache S kam es zur Derbheit .

un d Ausgelassenheit z u r S p re ; un g aller Formen und


,

Regeln zu einer gewaltsamen Im an at io n des Gefühls


, ,

und alles das geschah unter er Parole Shakespeare ,

in dem d a s Wesen des Genies lar zutage trat der die ,

Natur und das Leben be lausch und versteht und beide


so mächtig gestaltet ohne n ac irgendwelche n Regeln
,
I his toris h Sit ation
c e u 1 9

der Konven t ion z u ragen und so durch die Art seines


Schaff ens selber z u höchsten Vorbild werden kann .

Und Herder w uch 5 1b er de n S turm und D rang hinaus .

E r deutete den G st der verschiedenen Völker un d


Kulturen und zei g t wie sie organisch gewachsen sind
und ihre Blütezeit m d ihren Verfall e rleben Wenn .

L essing das Ziel ve zündete das der K ü nstler erreichen


,

sollte so zei gt e "erde r wie die Eigentüm l ichke it


, ,

un d Besonderheit iner k ü nstlerischen Individualität


unter den g eg eb em B ild un g sv e rh ä lt n isse n zu dieser
besonderen L e istun gelangen mu ß te Und wenn auch .

für ihn wie für t sere andern großen Klassiker das


griechische Volk as vorbildliche das No rm alvo lk ,

bleibt so vermag d h e r die Genialit ä t des Shakespeare


,

schen S cha ffens ir seiner Ursprünglichke it als erster


v ollkommen zu ve t e h n und deutlich zu machen .

Und dann kam ( 3 Zeit der Vollendung I n unseren .

großen D ich t e rg e sx lte n wie Goethe S chiller Jean , ,

Paul Hölderlin E T A Ho ffmann erfuhr die poe


, , . .

t ische A usd rucksm glich keit des deutschen Geistes ihre


vorläufige höchste lrf ü llun g Und so erlebte die R o.

mantik das schöne Vun d e r der deutschen Klassik wie ,

es ihr in der Ge st zz Goethes am schönsten und sicht


barsten vor A ug e r tra t und sah von diesem Erlebnis ,

bewegt immer n e e und weitere Horizonte a uf dä m


,

mem .

G leichzeitig m i t ie r Dichtung war aber auch die


deutsche Musik ii ein S tadium der Vollendung ge
treten Wir b rauc en nur an Mozart un d Beethoven
.
,

an Bach S chuber und S chumann zu denken Und


, .

dieser Geist der M l ik ist für die poetischen Ausdrucks


formen der Roma n k für ihre Theorie der K ü ns t e so
, ,
1 8 I . D ie roman t i h B w g ng
sc e e e u

des Erhabenen durch die Idee einer B e ruh run g mit der
übersinnlichen Welt metaphysisch begründet Dagegen .

verblieb Kant noch in den Bahnen de r Aufklarung so ,

fern er ihre Aufgabe dahin bestimmte d aß sie mora ,

lische Ideen darzustellen habe un d er bleibt ein Schüler ,

der Griechen sofern ihm d a s Nat ursch ö n e mehr be


,

deutet als das K un stsch ö n e .

An den von Kant so tief gepr ä gt en Begri ff des Ge


nies knüpft dann j ene Bewegung an die der Verstandes ,

kultur der Aufklärung den Krieg bis aufs Messer er


klärt : die Ze it des Sturmes und Dranges die Genie ,

epoche oder wie sie Ste ffens der Schüler S chellings


, , ,

recht glücklich bezeichnet hat das Zeitalte r der Kraft ,

und des T rot ze s S ie ist inauguriert von H amann und


.

hat Sprache und Wirksamkeit besonders durch Herder


erfahren Nunmehr wird d a s Gefühl die Leidenschaft
.
, ,

die Phantas i e die Ekstase die Eingebu n g d e r Instinkt


, , ,

auf das höchste bewertet un d das Gebiet des V e rst an


des eingeeng t Das Unbegrenzte und Maßlose wird
.

gefeiert das Unbeherrschte die frei ausströmende


, ,

K raft Das Unmittelbare der Intuition gegenüber der


.

R e flexion des Verstandes das Unmittelbare der An ,

sc h a uun g gegenüber der M itt elb arke it des Begri ffes .

A lles Ursprüngliche Natürliche W urze lh a f t e in Sprache


, ,

und Ausdruck gegenüber den matten und übe rfe in erte n


Bildern der Kultursprache S o kam es zur Derbheit .

un d Ausgelassenheit z u r Sprengung aller Formen und


,

Regeln zu einer gewaltsamen Emanation des Ge f uh ls


, ,

und alles das geschah unter der Parole Shakespeare ,

in dem d as Wesen des Genies klar zutage trat der die ,

Natur un d das Leben be lauscht und verste ht und beide


so mächtig gestaltet ohne nach irgendwelchen Regeln
,
D ie his toris h Si t ation
c e u 1 9

der Konven t i on z u fragen und so durch die Art seines


Scha ffens selber zum höchsten Vorbild werden kann .

Und Herder wuchs über den Sturm und Drang hinaus .

Er deutete den Geist der verschiedenen Völker un d


Kulturen un d zeigt e wie sie organisch gewachsen sind
,

und ihre Blütezeit un d ihren Verfall erleben Wenn .

Lessing das Ziel verkündete das der K ü nstler erreichen


,

sollte so zeigte Herde r wie die Eigentümlichke it


, ,

und Besonderheit einer kun stlerisch en Individualität


unter den gegebenen B ild un g sv e rh ä lt n isse n zu dieser
besonderen Leistung gelangen mußte Und wenn auch .

für ihn wie für unsere andern großen Klassiker das


griechische Volk das vorbildliche das No rm a lvolk ,

bleibt so vermag doch er die Genialit ä t des Shakespeare


,

schen S cha ffens in seiner Ursprünglichke it als erste r


v ollkommen z u v e rst e h n und deutlich zu machen .

Und dann kam die Zeit der Vollendung I n unseren .

großen D ichtergestalten wie Goethe S chiller Jean , ,

Paul Hölderlin E T A Ho ffmann erfuhr die poe


, , . . .

t ische Ausdrucksmöglichkei t des deutsche n Geistes ihre


vorläufige höchste Erfüllung Und so erlebte die R o .

mantik das schöne Wunde r der deutschen Klassik wie ,

es ihr in der Gestalt Goethes am schönsten un d sicht


barsten vor Augen trat und sah von diesem Erlebnis ,

bewegt immer neue und weitere Horizonte a ufdä m


,

mern .

Gleichzeitig mit der Dichtung war aber auch die


deutsche Musik in ein S tadium der Vollendung ge
treten Wir brauchen nur an Mozart un d Beethoven
.
,

an Bach Schubert un d Schumann zu denken Und


, .

dieser Geist der Musik ist für die poetis chen Ausdrucks
form e n der Romantik für ihre Theorie der Ku u ste so
, ,
20 I . D ie rom antis h B w g ng
c e e e u

wie f ur die ganze Art ihres Fuh le n s und Erlebe ns be


sonders bestimmend geworden Das ästhetische Ideal .
,

das früher mehr im Zeiche n des Plastischen gestanden


hatte wie es die Nachah mung der Antike mi t sich
,

brachte wurde nunmehr von dem Geist der Musik er


,

f u llt An die Stelle des Apollinischen war das D io n y


.

s isch e getreten oder zum mind e sten hatte doch das


D ionysische dem Apollinischen gegenüber eine ent
scheidende Macht gewonnen .

Um die historische S ituation zu kennzeichnen in ,

welche die romantische Bewegung so entscheidend ein


gri ff wollen wir schließlich noch einen kurzen Blick
,

auf die Entwicklung des religiösen und politisch sozialen -

Lebens im 1 8 Jahrhundert werfen


. .

Das religiöse Bewuß tsein war durch den Ge ist der


Kritik den d a s Zeitalter der Aufklärung beherrschte
, ,

auf d as tie fste erschüttert Als F e ind des Wunderbar e n


.
,

Ub e rsin n lich en und I rrationalen mußte der Geist der


Aufklärung mit seinem gesunden Menschenverstand
und seiner Mißa chtung des Gefühls dem zarten G ebilde
d e s religiösen Wertes ganz besonders verhängnisvoll
werden Die p sy ch o g en e t isch e Erklärung und die mora
.

lisiere n dé Tendenz der Aufklärung führte zu einer voll


ko mm e n e n Ausleerung des religiösen B e w uß t e in s so ,

d aß von seinem früheren Reichtum nichts übrig blieb


als ein paar kahle V e rn un f tide en von Gott und Un
sterblichkeit sow e it ni cht der Materialismus und Positi
,

v ism us zu einer vollkommenen Verneinung der religiösen

Lebensformen gelangte und sie in das Reich der Fabel ,

der Phantasie und des Aberglaubens verwies D ie .

herrschende Au ffassung kann man aber wohl dahin for


m ulie re n d aß das religiöse Ge fühl nicht mehr v e r
,
D ie hi toris h Si t ation
s c e u 2 I

stand e n wurde a ls ein ursp ru n g lich e r Akt der Seele ,

der als unverlierbare und gültige Form mit der Natur


der menschli chen Vernunft zusammenhän gt sondern ,

vielmehr als ein v o rlä ufig es dem K in d h e itsz ustan d d e r


,

Menschheit angemessenes m iß leit ete s Gefühl und S tr e


ben das der Kritik des aufgeklärten Menschen nicht
,

standhalten kann D ie Rationalisten be e ilten sich deut


.
,

lich zu machen daß in Mythos und Religion nichts


,

anderes gemeint sei als ein Erklärungsversuch des primi


tive n Mensch e n der die unbekannten Naturkräfte in
,

Analogie zu sein e m e igenen Wesen zu begreifen sucht ,

und die einseitigen Verehrer des M o ralp rin z ip s suchten '

deutli ch zu machen daß der wahre und allgemein ver


,

b in d lich e Kern des religiösen V o rst e llun g sleb en s in ge


wisse n moralischen Ideen zu suchen sei So ist auch .

Kant trotz seiner tiefen Einsicht in das Wesen der


menschlichen V ern un ft o rg an isat ion nicht dazu gelan g t

die Selbständigkeit des r e ligiösen Bewuß tseins zu be


gründen Es gibt für ihn kein a priori des religiösen
.

Gefühls wie es ein a priori des ästhetischen Gefühls gibt ,

un d die religi ö sen Ideen der Gottheit und der Un

sterblichkeit wurden von ihm als Postulate des sitt


'

lichen Bewußtseins gedeutet Von den Angri ffen de s


.

Deismus S o z in ian ism us un d des Fre ig eistert um s aufs


,

schwerste bedrängt flüchtete d as religiöse L eben und


,

Erleben sich in die sanften und zärtlichen Arme d e s


Pietismus ohne dadurch neue Impulse und Kräfte fin
,

den z u können .

Die Gen ie ep o ch e h at dem religiösen Bewußtsein wie


der neue Bahnen und Wege gewiesen inde m sie der ,

He rrschaft des gesunden Mensch e nverstand e s ein Ende


bere itete und eine Erneuerung des Lebens und der Kul
2 2 I . D ie roman tis h B w g ng
c e e e u

tur durch die Innerlichkeit des Ge f uh ls un d die Kraft


der Instinkte und Le idenschaften zu vollziehen suchte .

Hamann und Herder sind beide die Wegweiser ge


wesen und Kants Neuentdeckung der übersinnlichen
,

Welt sowie seine Lehre von D ing an sich und Er


,

s c h e in un g mußte der Entfaltung des religiösen Bewuß t

seins zugute kommen Und so hat denn die Romantik


. .

d ie anfangs ganz im Bann einer ästhetischen W e ltan


s ch a uu n g stand besonders unter dem Einfl uß S chleier
,

machers und seiner Reden über die Religion „ an die



Gebildeten unter ihren V e rach t e rn si ch den religiösen
Fragen zugewendet und die Innigkeit des mystisch re -

lig iö se n Gefühls neu verstanden und n e u belebt D ie .

H ymnen an die Nacht von Novalis die Jugendschri ften ,

Hegels die Gedichte H ölderlins Fic h te s Anweisung


, ,

zu m seligen Leben und die religiös p h i10 50 ph isch en —

Schriften S chellings legen lebendiges Zeugnis ab für


das Ne ue rw a ch en un d mächtige Erstarken des rel i
g i ö se n Gefühls .

Wir vollenden die K en n ze ich n un g d er historischen


S ituation in welche die Romantik hineingeboren wurde
,

mit der Darst e llung der politisch sozialen Lage wobei —


,

un s das Ge m e in sch a f t 5 p rob lem d as f ü r d ie Romantik


,

so wichtig war in erster Linie interessieren soll


,
.

Das politisch bürgerliche Leben in Deutschland stand


-

im Aufklärungszeitalter unter der Herrs chaft des


väterlichen Despotismus Zwei entgegengesetzte The.

orien ragten aus der Renaissance in die Aufklarung


hinein die d a s Wesen des Staates un d der Gesellschaft
,

verständlich zu machen suchten S ie stehen beide im .

Zei chen des Rationalismus es handelt sich um die ,

schon von den Griechen gedachte Form der Vertrags


D ie h is tc sc h e Sit at ion
u 2 3

theorie Alles m e n s ch liae Gemeinschaftsleben beruht


.

auf Übereinkunft und I e rt rag Der S taat ist nicht


.

etwas historisch Ge w o ren e s zu dem die Not un d


.

das Bedürfnis oder i e Freude an geordneten


Fo rmen des Zusamm en bens getrieben hat sonde rn ,

etwas Ausgedachtes ein Cun st p ro d ukt des Verstandes


,
.

D urch den Vertrag sin d g e w isse Rechte und Pflichten


für die sozialen I n d iv id t n ein für allemal festgesetzt
und festg e legt und j e n a ud em de r Vertrag als kündbar
oder unkündbar a n g e see n wurde konnte man zu ,

einer Recht fertigung der e m okra t isch e n oder der despo


tischen S taatsform g elar en .

Indem nun im 1 8 J a rh un de rt auch in Deutschland


.

ein g e m ild et er Despotis m s zur H errschaft gelangte ,

der sich mit väterlicher ü rso rg e der Landeskinder an


nahm entwickelte sich in strenges Aufsichtssystem
, ,

das das bürgerliche L eh m bis ins einzelne kontrollierte


u n d i n einem w e it v e rz wi te n Beamten Polizei und
g
Zensursystem sich wirk3 m erwies D urch die Fülle .

des Verbotenen u n d de hohe Maß der landesväter


lichen Bevormundung w rd e der Geist des S ubalternen ,

Knechtischen und U n to v ü rfig en in D eutschland ge


steift Das politische I re re sse konnte aus Mangel an
.

politischen Re chten nur eh r gering sein In breiten be .

h ag lich e n V e rh ält n isse n w irkte sich ein geistig inter


e ssie rt e s Bürgertum aus Üb er die eng gezogenen Gren

zen des staatlichen Lebe n hinaus erhob sich die Reflexion


zu der Idee um f a ssen cr soziale r Zusammenschlüss e ,

die zu erreichen a ls Z ie b in e r schönen Zukunft gedacht


wurde Es war die f o rste llun g eines friedlichen
.

Zu samme nschlusses all Völker der Erde der Ge


:
e
,

danke des V ö lkerb un d e und Staate nbundes die Idee ,


2 2 I . D ie rom an ti h B w g ng
sc e e e u

tur durch die Innerlichkeit des Ge f uh ls un d die Kraft


der Instinkte un d Leidenschaften zu vollziehen suchte .

Hamann un d H erder sind beide die Wegweiser ge


wesen un d Kants Neuentdeckung der übersinnlichen
,

W e lt sowie seine Lehre von D ing an sich un d Er


,

s c h e in un g mußte der Entfaltung des religiösen Bewußt

seins zugute kommen Und so h at denn die Romantik


. .

die anfangs ganz im Bann einer ästhetischen We ltan


s ch au un g stand besonders unter dem Einfluß S chleier
,

machers und seiner Reden über die Religion „ an die



Gebildeten unter ihren V e rach t e rn sich den religiöse n
Fragen zugewendet un d die Innigkeit des mystisch re —

lig iö se n Gefühls neu verstanden un d n e u belebt D ie .

H ymnen an die Nacht von Novalis die Jugendschriften ,

Hegels die Gedichte H ölderlins Fich t e s Anweisung


, ,

z um seligen Leben un d die religiös philosophischen -

Schriften S chellings legen lebendiges Zeugnis ab für


das Ne ue rw ach e n un d mäch t ige Erstarken des rel i
g i ö se n Gef ü hls .

Wir vollenden die K en n ze ich n un g d er historischen


Si tuat i on in welche die Romantik hineingeboren wurde
,

mit der D arst e llung der politisch sozialen Lage wobei -


,

un s das Ge m e in sch a f t sp rob lem das f ü r d ie Romantik


,

so wichtig war in erster Linie interessieren soll


, .

Das politisch bürgerliche L eb e n in Deutschland stand


im Aufklärungszeitalter unter der H errschaft des


väterlichen Despotismus Zwei entgegengesetzte The.

orien ragten aus der Renaissance in die Aufklarung


hi n ein die das Wesen des Staates un d der Gesellschaft
,

verst ä ndlich zu machen suchten S ie stehen beide im .

Zeichen des Rationalismus es handelt sich um die ,

schon von den Griechen gedachte Form der Vertrags


D ie his tori h Sit ation
sc e u 2 3

theorie Alles m e ns chli c he Gemeinschaftsleben beruht


.

auf Übereinkunft und V e rtrag Der S taat ist nicht .

etwas historisch Gewordenes zu dem die No t un d ,

das Bedürfnis oder die Freude an geordneten


Formen des Zusammenlebens getrieben hat sondern ,

etwas Ausgedachtes ein Kunstprodukt des Verstandes


,
.

Durch den V e rtrag sind gewisse Rechte un d Pflichten


für die sozialen Individuen e in für allemal festgesetzt
un d festgelegt un d j e nachdem der Vertrag als kündbar

oder unkündbar angesehe n wurde konnte man zu ,

einer Rechtfertigung der d e mokratischen oder der despo


tischen Staatsform gelangen .

Indem n un im 1 8 Jahrhundert auch in Deutschland


.

ein g e m ild et e r Despotismus zur H errschaft gelangte ,

der sich mit v ä terlicher Fürsorge der Landeskinder an


nahm entwickelte sich ein strenges Aufsi chtssystem
, ,

das das bürgerliche Leben bis ins einzelne kontrollierte


un d in einem weitverzweigten Beamten Polizei und
Zen sursystem sich wirksam erwies D urch die Fülle .

des Verbotenen u n d das hoh e Maß der landesväter


lichen Bevormundung wurde der Geist des S ubalternen ,

Knechtischen un d U n terwü rfig en in Deutschland ge


steift Das politische Interesse konnte a us Mangel an
.

politischen Rechten nur sehr geri ng sein In br e it e n b e .

h ag lich e n Verhältnissen wirkte si c h ein geistig inter


e ssie rt e s Bürgertum aus Üb er die e n g g e zogenen Gren
.

z e n d e s staatlichen Lebens hinaus erhob sich die Reflexion

zu der Idee umfassender sozialer Zusammenschlüsse ,

die zu erreichen als Ziel ein e r schönen Zukunft gedacht


wurde Es war die Vorstellung eines friedlichen
.

Z usammenschlusses aller Völker der Erde der Ge ,

danke des Völkerbundes un d Staatenbund e s d ie Idee ,


2 4 I . D ie roman tis h B w g ng
c e e e u

des ewigen Friedens und der w e ltb u rg e rlich en Ge


sells chaft D as aufgeklärte I n d iv id ium das von der
.
,

Idee des Fo rtsch ritt e s mächtig ergriffen war ver ,

meinte d aß dieser voll e ndete Zustand der Gesell


,

schaft in absehbarer Zeit zu erreichen sei und d aß


das Ve rn un f t z eitalt e r de r Menschheit nahe bevor
stünde D ie Idee des Weltbürgertums h at j edoch
.
,

wie mir scheint ihre tiefere Bedeutung erst in der R o


,

mantik erfahren In der Aufklärung wurde darunter ein


.

gewisses Maß der A b g elö st h e it von nationalen Vor


urte ilen und der Wille zu großen internationalen Z u
samm e n sch lü ssen verstand e n .

Was das Verhältnis der K ultu rg ut er zum Staat be


traf so wurde gegenüber der staatlichen B ev o rm un
,

d un g sp o litik ihre Unabhängigkeit und Selbständigkeit


gegenüber dem Staatsgedanken gefordert Staat und .

Volk sind nicht dasselbe Staat ist nur die äu ß ere Form
.
,

die sich ein Volk gegeben h at oder die ihm aufgeprägt


ist Man hatte im allgemeinen eine abstrakte A uf f as
.

sung vom S taat die ihre schärfste Formulierung schon


,

durch Hobbes und im 1 8 Jahrhundert durch Rousseau .

wiederum in ganz entgegengesetzter Weise gefunden


hatte Für Hobbes ist der Staat gleichbedeutend mit
.

der Person des H errschers nach Rousseau mit dem ,

allgemeinen Volkswillen d er im Volksreferendum zum ,

reinlichen Ausdruck gelan gt Wissenschaft und Kunst .


,

Religion und Sittlichkeit gehören nicht eigentlich


in die Sphäre des staatlichen Lebens S ie sind eigen .

w e rt ig e Mächte die sehr häufig in Gegensatz zum Staats


,

gedanken treten Nur d as im engeren S inne politisch


.

soziale wirtschaftliche und rechtliche Leben kann allen


,

falls als zur Sphäre des Staates gehörig angesehen


D ie hi tori h Sit ation
s sc e u 2 5

werden Vielfach aber bestand die Auffassung daß nur


.
,

der Mechanismus der Gesetze des V erf a ssun g s und,

Ve rw alt u n g sleb e n s den Begri ff des S taates ausmache .

Man hat mit Recht von dem weitgehenden I n d iv i


dualismus und Atomismus de r Aufklärung gesprochen .

Er beruht zum großen Teil darauf daß obj ektive Kul ,

t urm ä ch te wie Religion S ittlichkeit und Erkenntnis


,

durch die bohrende Kritik des Zeitalters in ihrem Gel


t un g sch a ra kt e r e rschüttert ware n S o erschien schließ
.

li ch j edes Individuum be fugt sich mit seinem gesunden


,

M en sch en v erst an d e zum Richter d e r Tradition und der


gegenwärtigen Kultur zu erheben Es kam zu der .

Auffassung daß der eine Mensch so gut und so schle cht


,

sei w ie der andere daß wesentliche \Ve rt un te rsch ied e


,

z w ischen den Menschen nicht bestehen und d aß nicht


nur die Idee der Menschheit sondern auch der Begriff
,

jedes einzelnen Menschen geweiht sei Jeder wollte .

nach seiner eigenen Form lebe n und immer mehr setzte


sich die Vorstellung durch d aß die Gemeinschaft und
,

ihre Einrichtungen nur für das Individuum da seien


und ihr abgesehen von dem Nutzen welchen sie dem
, ,

Individuum gewährt kein selbständiger Wert zukomme


, .

Als dann die Wirkungen der französischen Revo


lut io n si c h in Deutschland bemerkbar machten wurde ,

der Individualismus noch mehr gestei ft und gestärkt .

Dieser Individualismus nahm aber sehr bald die Form


des Gen iekult us an Nicht j ed es Individuum hat d a s
.

absolute Recht in Theorie und Leben sondern nur der ,

Genius der mit d e r Natur im ewigen Bunde steht und


,

die geheimen Quellen kennt und versteht a us denen d as ,

Leben des Einzelnen und das Kulturlebe n der Völker


in un e ndlicher Fülle entströmen .
2 6 I . D ie roman tis h B w g ng
c e e e u

war die historische S ituation als die romantische


SO ,

B ewegung losbrach und mit ihrem Kulturprogramm


dem Leben neue Ziel e setzte und den L ebe n sg estal
tungen neuen S inn verlieh .

Ro man t i s ch e H ei mat
D ie Romantik ist ihrem innersten Wesen nach ein
Erzeugnis des deutschen Geistes wenn sie auch schöne ,

Blüten in den romanischen Ländern getrieben hat wenn ,

auch England ihr den größten Dichter g ab und d a s


wei te Rußland sie liebevoll um fin g Der rationalistische .

französische Geist konnte nur vorübergehend von ihr


ergri ffen se in und der Wirklichkeitssinn der Engländer
mußte dem romantisch en Geist im Grunde genommen
widerstreben der immer in zwei Welten beheimatet war
,

und die eine in die andere üb e rleitete das Leben zur ,

Phantasiewelt umbildete und der Phantasiewelt Wirk


lichkeit verlieh Die romantische S chule in F rankreich
.

hat sich erst später im Gegensatz zu dem fra n zösischen


Klassizismus von Corneille un d Racine gebildet Hier .

handelte es sich ähnlich wie in Spanien Italien und ,

Polen um ein Zerbrechen der alten Formen damit die ,

poetische Gestaltung frei e r und phantasievoller sich


vollzi e hen konnte Dagegen w ar die Philosophie der
.

französischen Romantik der Traditionalismus d em


alles darauf anka m die durch d ie große Revolution er

s ch ü t te rt e Kultur wieder zum Prinzip der Ordnung und

Gesetzm ä ßigkeit zurückzuführen Von dem damals .

herrschenden Materialismus machte er den Weg zur


mittelalterlichen Weltanschauung zurück So bestand .

also in Frankreich diese doppelte Spannung zwischen


I . D ie romantis h B w g ng
c e e e u

ist : die D amm e run g und d as Geheimnis der ratsel


haften Ferne d as Nebulose das Dunkle Dumpfe und
, , ,

Nächtige d as eine seltsame Welt phantastischer Ge


,

sp e n st e r und Dämonen gebären kann .

Wenn wir an den absoluten S uden etwa an Indien ,

denken so kann es dort wohl niemals so etwas geben


wie unsere deutsche Romantik D ie vegetative Üppig .

keit und Pra cht läßt den Menschen hier selber in eine
Art P fl an z en dase in versinken und weil er in einem ,

Lande von unübertro ff e ner S ch on h e it wohnt so brau cht ,

er sich nicht mehr zu sehnen Wie ware aber Romanti k


oh ne Sehnsucht zu denken ?Und der schro ffe Uber
.

gang von Tag und Nacht von Licht und Dunkel läßt ,

j ene Atmosphäre der Dämmerung ve rmissen in der de r ,

romantische Geist nun einmal beheimatet ist .

Jena und Heidelberg sind f ur die Entfaltung des


romantischen Geistes besonders bedeutsam geworden .

Vielleicht kam dem romant ischen Geiste aus dieser


Landschaft etwas entgegen was seiner Entfaltung ,

förderlich w ar Wir können eine Landschaft entweder


.

gerne haben so daß wir dort wohnen möchten oder


,

ästhetis ch bewundern oder schlie ß lich lieben Wenn wir .

eine Landschaft gern haben so ist sie uns behaglich ,

und vertraut sie gibt uns die Möglichkeit uns frei und
, ,

ungeh emmt zu ergehen abe r sie gibt uns keine großen


,

Emotionen keine großen Impulse für die Seele S ie ist


,
.

geeignet zum b e haglichen Verweilen aber sie kommt ,

der schöpferis chen Funktion unseres Geistes nicht ent


gegen Solche Landschaft e n haben etwas U n a usg e
.
«

sp ro ch e n e s Still für sich Seiendes S ie geben uns Ruhe


-
- -
,
.
,

sie lassen uns Zeit S ie gewahren uns den Spielraum


.
,
Roman ti h
sc e He im at 2 9

dessen wir be d urf en aber sie geben uns keine großen


,

Impulse .

Und es gibt andere Landschaften die unsere ä sth e ,

tische Bewunderung erwecken die wir schön finden , ,

aus der uns eine Fülle ästhetischer Motive entgegen


strömen vor deren Bild wir in stillem S chauen ver
,

sunken stehen deren Form und Linie Gestalt und W ö l


, ,

bung deren starre Schro ffheit deren maßlose Ferne


, , ,

deren leuchtende Farbenpracht das Gefühl der ä sth e


tischen Bewunde rung so mächtig in un s erweckt
un d doch möchten wir nicht dort wohnen und wir
lieben sie auch nicht .

Und es gibt Landschaften die wi r lieben die uns mit


, ,

leidenschaftlicher Zuneigung erfüllen die uns tief inner ,

lich ergreifen die unserem Gefühl und unserer Emp


,

fin d u n g entgegenko mmen und ihnen immer wieder


°

neue Nahrung geben können Am schönsten wenn .


,

uns eine ästhetisch bedeutsame Landschaft auch zu einer


geliebten Heimat werden kann Und wir möchten fast .

meinen daß das Neckartal und die thüringer Land


,

s chaft dieser dreifachen Forderung genügen könnte .

In dieser H eimat der romantischen Bewegung mahnte


so manche alte Burgruine an verklungene Märchen und
Sagen und lo ckte den Zauber der Vergangenheit hervor ,

weckte S innen und Träumen un d lenkte das Ge fühl au f


Vorzeit und historisches Leben .

Jena und Heidelberg können wir als die Wiege des


romantischen Geistes betrachten In Jena blühte die .

Romantik auf in H eidelberg e rwachte sie von neuem


, ,

wenn auch ohne die Kraft der starken sch icksalsm ä ch


tigen Triebe die in der Frühromantik sich wirksam
,

erwiesen Von dort verbreitete sie sich weit über die


.
I . D ie romantis h B w g ng
c e e e u

ist : die D ä mmerung und d as Geheimnis der ratsel


haften Fe rne d as Nebulose das Dunkle Dumpfe und
, , ,

Nächtige das eine seltsame Welt phantastischer Ge


,

sp e n st e r und Dämonen gebär e n kann .

Wenn wir an den absoluten S uden etwa an Indien ,

denken so kann e s dort wohl niemals so etwas geben


wie unsere deutsche Romantik D ie vegetative Üppig .

ke it und P racht läßt den Menschen hier selber in eine


Art P fl an z en d ase in versinken und weil e r in einem ,

Lande von unübert ro ffener S chönheit wohnt so braucht ,

e r sich nicht mehr zu sehnen Wie ware aber Romantik


oh ne Sehnsucht zu denken ?Und der s chro ffe Über
.

gang von Tag und Nacht von Licht und Dunkel läßt ,

j ene Atmosphäre der Dämmerung vermissen in der de r ,

romant ische Geist nun einmal beheimatet ist .

Jena und H eidelberg sind f ur die Entfaltung des


romantischen Geistes besonders bedeutsam geworden .

Vielleicht kam dem romantischen Geiste aus dieser


L andschaft etwas entgegen was seiner Entfaltung ,

förderlich war Wir können eine Landschaft entweder


.

gerne haben so daß wir dort wohnen möchten oder


,

ästhetis ch bewundern oder schlie ß lich lieben Wenn wir .

eine Landschaft gern haben so ist sie uns behaglich ,

und vert raut sie gibt uns die Möglichkeit uns frei und
, ,

unge h e mmt zu ergehen aber sie gibt uns keine großen


,

Emotionen kein e großen Impulse für die Seele S ie ist


,
.

geeigne t zum b e haglichen Verweilen aber sie kommt ,

der schöpferis c hen Funktion unseres Geistes nicht ent


gegen Solche Landschaften haben etwas U n a usg e
.
«

sp ro ch en e s Still für sich Seiendes S ie geben uns Ruhe


- - -
,
.
,

sie lassen uns Zeit S ie gewah ren uns den S pielraum


.
,
Rom an ti h
sc e He imat 2 9

dessen wir b e d urf en aber sie geben uns keine großen


,

Impulse .

Und es gibt andere Landschaften d ie uns e re ä st h e ,

tische Bewunderung erwecken die wir s chön finden , ,

aus der uns eine Fülle ästhetischer Motive entgegen


strömen vor deren Bild wir in still e m S chau e n ver
,

sunken stehen deren Form und Linie Gestalt und W ö l


, ,

bu rig deren starre S chro ffheit deren maßlose Ferne


, , ,

deren leuchtende F arb e n p rach t d as Gefühl der ä st h e


tischen Bewunderung so mächtig in uns erweckt
und doch mö chten wir nicht dort wohnen und wir
lieben sie auch nicht .

Und es gibt Landschaften die wi r lieben die uns mit


, ,

leidenschaftlicher Zuneigung erfüllen die uns tief inner ,

lich ergreifen die unserem Gefühl und unser e r Emp


,

fin d un g entgegenko mmen und ihnen immer wieder


°

neue Nahrung geben könn e n Am schönsten wenn .


,

uns eine ästhetisch bedeutsame Landschaft auch zu einer


geliebten H eimat werden kann Und wir möchten fast .

meinen d aß d as Neckartal und die thüringer Land


,

schaft dieser drei fachen Forderung genügen könn te .

In dieser H e imat der romantis chen Bewegung mahnt e


so manch e alte Burgruin e an verklunge ne Märchen und
Sagen und lockte den Zauber der Vergangenheit hervor ,

weckte S innen und Träumen und lenkte das Ge fühl auf


Vorzeit un d historisches Leben .

Jena und Heid e lberg können wir als die Wiege des
romantischen Geistes betrachten I n Jena blühte die .

Romantik auf in H eidelberg erwachte sie von n e uem


, ,

wenn auch ohne die Kraft der stark e n sch icksa lsm ä ch
tigen Triebe die in der Frühromantik sich wirksam
,

erwies e n Von dort verbreitete sie sich weit über die


.
30 I . D ie romantis h B w g ng
c e e e u

deutschen Lande Jena war aber so besonders b ed eut


.

sam als Zentrum un d Ausgangspunkt für die deutsche


Romantik weil es der B ild un g sre siden z Weimar wo
, ,

Goethe weilte so nahe lag un d zwischen Jena un d


,

Weimar ein lebendiger geistiger Zusammenhang be


stand In Jena haben F ichte Schiller und Schelling
.
,

gelehrt für diese seine Landesunive rsitä t h at Goethe


,

gewirkt und gearbeitet immer bemüht neue bedeutende , ,

Kräfte heranzuziehen Und so entfaltete sich die Ro .

mantik unter seinen Augen die ihre Liebe un d Ver ,

ehrung dem gro ß en D ichter weihte .

Von Jena ist die romantische Bewegung nach der


preußischen Landeshauptstadt Berlin vorgedrungen wo ,

die beiden Freunde S chleie rmacher und Friedrich von


S chlegel zuerst als Vertreter der romantischen Gesin
nung un d der romantischen Ideen auftraten Erst .

später ist sie dann nach Dresden und München g ew an


dert wo Tieck und Sche l ling in ihrem Alter gescha ffen
,

un d gelehrt haben .

Im Grunde genommen hat die Romantik gar keine


H e ifn at Jedenfalls is t sie nicht festgewurzelt in dieser
.

irdischen \Nirklich ke it S ie hat nichts Bodenständiges .


,

H e im at e rf ü llt es denn sie gehört ja der Welt un d der


,

Menschheit Ihr wird das Vaterland imm ef wieder


.

zum Universum un d das eigene drängende un d st ü r


mende Ich möchten die Romantiker zur Menschheit er
weitern Ihr j ugendlich enthusiastischer Liebesdrang
.

breitete die Arme nach der schönen Einheit des Ganzen


aus Die Daseinswelt vermochte ihr nicht z u gen ü gen
. ,

die Welt des Ub e rsin n lich en schien ihr n ah zu se in .

Und mit besonderer Z art lich ke it verweilte ihr Geist in


j enem Lande das zwischen Traum und Wachen zwi
, ,
D er romantis h M ns h
c e e c un d d er Roman tik r
e
3I

schen Nacht und Tag zwischen poetischer Vorstellungs


,

welt un d sinnlicher Wirklichkeit gelegen ist Das .

Traumland und das Reich der Phantasie wurde ihr


zur Wirklichkeit die Wirklichkeit zu Poesie un d Traum
,
l
.

Die Romantik ist eine un iv ersale Bewegung sie ist ,

nicht lokal begrenzt oder auch nur an eine bestimmte


Nation gebunden sondern in den meisten Ländern
,

Europas ist sie wirksam gewesen Wenn wir meinten .


,

daß sie in erster Linie deutschen Geist un d deutsches


Wesen o ff enbare so soll damit nicht geleugnet werden
, ,

daß auch in anderen Kulturnationen damals ein ver


w an d te s Streben erwacht war dem der Impuls der deut ,

schen Romantik entgegenkam So lag auch in der Seele .

des russischen Volkes manches bereit das nur auf den ,

Weckruf de r Romantik gewartet hatte um sich zu ent ,

falten und zum Selbstverstehen zu gelangen R ußland .


,

das keine Renaissance erlebt hatte un d dem Helle n is


m us fremd gegenüberstand hat die deutsche Romantik,

mitge fühlt un d m itg e leb t S o w urde besonders die rus


.

sis ehe Poesie un d Dichtkunst von dem romantischen


Ge ist ergri ff en und unter dem Einfluß de r Philosophie
Schellings vollzog sich die Gebur t der russischen Philo
S Op h ie aus dem Geiste der Romantik .

D er ro man t is ch e M ens ch un d der Ro man t i k e r


Wie groß und nachhaltig der Eindruck der roman
tischen Bewegung gewesen l ä ßt sich auch daraus er ,

sehen daß es seit ihrem Erscheinen in der K u lturg e


,

s chichte Menschen gibt die wir nach ihr nennen


,
.

W ie wir jemand als e inen echten H ellenen oder Re


n a issan ce m e n sch e n bezeichnen so nennen wir andere ,
3 2 I . D ie ro m antis h B w g ng
c e e e u

mit dem Namen der Romantiker Wir konnen da s auch


so ausdrücken d aß es seit den Romantikern den roman
,

tischen M e nschen gibt indem wir bezeichnende Wesens


,

züge der Romantiker w iede rz ufin d en meinen Die .

romantische Bewegung hat die Refl e xion einer sp ä teren


Zeit dazu veranlaßt einen Typus des romantischen
,

Menschen zu bilden Wie nun dieser Typus des roman


.

t ischen Menschen gedacht wird das hängt zum großen ,

Teil von der Zeit ab die sich mit ihm beschäftigt So


, .

wird eine materialistisch gesinnte Zeit in d em roman


tischen Menschen wohl schwerlich etwas Wertvolles
erblicken können .

Wir haben drei verschiedene Dinge zu unt e rscheiden :


den romantischen Menschen den Romantiker und die ,

romantische P e rson lich ke it Unter den romantischen.

Menschen verstehen wir einen Typus Mensch wie er ,

uns manchmal begegnet wo wir dann e ine R e ihe b e


, .

zeichnender Zuge zu entdecken glauben die an den ,

Romantiker erinnern Unter dem Romantiker wollen


.

wir begri fflich alles das zusammenfassen was für die ,

Männe r und Frauen des romantischen Zeital t ers be


sonders charakteristisch war So sind „ romantisch e r .


Mensch und Romantiker beides Begri ffe von Wirk
lich ke ite n
. Dagegen verstehen wir unter der roman
tischen Persönlichk e it den I d e a lb eg riff den die Roman ,

tik e r von der Persönli chkeit gebildet haben un d der erst


bei der B e trachtung ihrer Philosophie z u ero rte rn wäre .

Welche Vorstellungen ver b inden wir n un in der Regel


mit dem romantischen Me nschen ? Mir s c heinen es
in der Hauptsach e diese drei Bestimmungen z u sein :
er ist ein Schwä mer ein Reaktionär e in Ästhet
r
, , .

Der roman t ische Mensch ist e in Schwärmer ein ,


34 I
. Die roman ti h B w g g
sc e e e un

schen hin w eg tä uschen uber die ernsthaften Aufgaben


der Gegenwart .

Der romantische Mensch ist endlich ein Ästhet d h , . .

das Schöne wird ihm zum regulierenden Prinzip aller


L eb en sb e w e rt un g un d L ebe n sb eurt eilun g Sein ganzes .

Wesen ist kontemplativ gerichtet Arbeit und Tätig .

keit achtet e r gering Nicht da s Gute erstrebt er son


.
,

dern das Geschmackvolle Er h at eine überm ä ßige.

F reude an schönen Gegenst ä nden die e r in reicher Fülle ,

um sich häuft . Er liebt mehr den Schmuck als die


Größe un d Tiefe des Leben s Vor Armut un d H äßlich
ke it bebt er scheu zurück Er flüchtet sich in die heitere
.

Welt des S ch ö n h eit g e n ieß e n s un d verachtet als Aus


erwählter und W e rtm e n sch die Dürftigkeit und Pl ump
heit der großen Masse .

S o oder in ähnlicher Form spiegelt sich die Idee des


romantischen Menschen in einem mehr oder weniger
von praktisch technischen Zielen bestimmten Zeitalter
- .

Im allgemeinen handelt es sich hier um ein Zerrbild


des gegen wärti gen Z e itbe w uß t sein s wenn auch einige ,

Tatsachen und W e se n sb e züg e der Wirklichkeit des


Romantikers abgelauscht sind
Wie sollen wir nun den Romantiker verstehen ?Wo
.

rin liegt das Eigent ü mliche dieses Typus ?Der Roman


tiker ist kein Gegenwartsmensch sondern Erin n erun g s ,

mensch und Z ukun f tsm en sch Er lebt in Vergangen .

heit und Zukunft Seine Liebe und sein Interesse ge


.

hört dem was gewesen ist und dem was kommen soll
, ,
.

Der Romantiker ist ausgezeichnet durch sein inniges


Verhältnis zum historischen Universum und so müssen ,

W i r ihn verstehen im Gegensatz zu dem Typus der


Aktivität un d Aktualität für den die Gestaltung des
,
D er roman tis h M n h
c e e sc un d d er Romantik r e
35

gegenwä rt igen Lebens die Erf ü llung der Aufgaben des


,

Tages un d praktische Zielsetzungen das Entscheidende


sind Der historisch romantische Mensch jener Zeit
.
-

steht im Gegensatz zum Realisten zum Handlungs ,

menschen zum Mann der praktischen Tat Des w egen


, .

ist der Romantiker auch in seinem ganzen Denken u n d


in seiner ganzen Au ffassung das Gegenstück zu j edem
systematisch eingestellten Denken Denn der re in .

sys t ematische Geist ist ein Gegner der Geschichte un d ,

der S inn des Systems zerstört die Perspekt ive der Zu


kun ft . Nach der Au ffassung des systematisch ge
richteten Geistes ist die Vergangenheit das Vergangene
un d Vergängliche S ie ist überlebt und ein für alle
.

mal abgetan D ie Vergangenheit ist das Tote das


.
,

Interesse für die Gegenwart nicht mehr besitzen kann .

Wir sollen die Gegenwart gestalten und durch diese


unsere Tat un d Leistung f ü r die zukünftige Mensch
heit wirken Das Historische belastet unser Denken
.

mit der ganzen Fülle der Tradition Es macht uns ver .

zagt un d mutlos unfähig zu j eder se lb st sch ö p fe risch en


,

Tätigkeit Wenn wir un s zu vie l mit dem Vergangenen


.

un d mit der Geschichte beschäftigen so führt das sehr ,

leicht zum Bewußtsein des Ep ig o n e n t um s Und so birgt .

die Geschichte Ge fahr un d S chaden für das Leben der


Gegenwart In besonders hoh e m Maße gilt das
.

für die Beschäftigung mit der Kunstgeschichte und


Philosophiegeschichte Denn wo gäbe es ein Gebiet
.

menschlicher K ult urb et ä t ig un g wo das Vergangene ,

mit solcher Würde und imposanter Größe si c h geltend


macht wie gerade hier ?Und diese großen Systeme und
Kunstwerke der Vergangenheit erschei n en um so großer ,

weil sie die Tat des einzelnen wird während die Wissen ,
36 I . D ie roman tis h B w g ng
c e e e u

schaft in weit höherem Maße als das Werk der Gemein


schaft angesehen werden muß Auch droht von der Ge .

schichte aus dem Geg en wart sleb en die Gefahr daß wir ,

zu dem B ewußtsein gelangen konnen d a s absolute ,

Kunstwerk un d d as vollendete System sei eine Illusion ,

weil immer neue Formen des künstlerischen Lebens auf


tauchen und immer neue Ideen und Werte dem mensch
lichen Geiste bewußt werden .

Die großen Werke der Kunst un d Philosophie un d


die großen Denker und Künstler von denen die Ge ,

schichte beri chtet gerade sie sind die Li ebe und Freude
,

d e s h ist o risch romantischen Menschen



Er weilt gern .

bei dem Großen der Vergangenheit Wenn die Gegen .

wart ihn nicht fesselt baut er sich im fernen Lande


,

der Erinnerung Tempel der Verehrung Er ist nicht .

von dem mächtigen Tätigkeitsdrang des systematischen


Den kers erfüllt Er kann warten un d zuschauen in
.

der Betrachtung genießend verweilen Was bedeutet


für ihn die Welt der Geschichte ?
.

S ie ist für ihn nichts Abgetanes Totes keine Samm , ,

lung wertvoller Andenken S ie ist aber auch nichts .

Gefährliches und Drohendes das ihn kl ein macht un d ,

e rniedrigt Das Wissen von der Vergangenheit bedeutet


.

für ihn Erweiterung des eigenen Wesens unendlichen ,

B ild un g sre ich t um Und all e s Vergangene lebt w e iter


.
,

d ie Ide e n und Gedanken sind ins Unendliche wirksam .

Der hellenis che Geist ist nicht gestorben sondern lebt ,

als wertvolles Bildungselement im romantischen Geiste


weiter Und nachdem es einmal H ellenen gegeben hat
.
,

wird es immer wieder Hellenen geben S o wi rd auch .

d e r romantische Geist und die Bildungsformen die er ,

geprägt niemals vergehen D ie Ve rgangenheit ist kein


,
.
D er roma n tis h M ns h
c e e c un d d er Roman tik r e
37

toter Ballast der uns hernieder zieht I n ihr rauscht


,
.

der eine ewige Ge iste sst ro m der auch mein S chicksal


,

und mein e Zukunft trägt .

Die Ideen der Philosophie und die großen Kunst


werke bleiben wirksam und lebendig Mit der Ge .

schi chte der Kunst un d Philosophie ist es ja nicht b e


stellt wie mit der Geschi cht e der Wissenschaft H i e r .

verblaßt die alte Theorie gar schnell vor der neuen


und ist durch die Ergebnisse der Forschung überholt
, ,

unbrauchbar und wertlos geworden D as philo .

s o p h isch e System und dasselbe gilt vom Kunst


werk bleibt bestehen und ist wirksam als Kultur
macht im Gedächtnis der M e nschheit Das p t ole .

m ä isch e System h at allen Glanz verloren durch die T at


des Kopernikus Der Spinozismus hat auch nach der
.

kopernikanis chen Tat Kants nicht aufgehört als leben


dige Geistesmacht a uf weite Kreise zu wirken .

Der romantische Geist ist dem Vergangenen hin


gegeben un d gelangt zum freudigen Genuß ferner
schöner Kulturwelten I n den große n W erken der Ver
'

g an g e n h e it e rschaut er den Geist un d die Seele d e r


Persönli c hkeiten un d Völker d ie sie gescha ffen Die
, .

Systeme der griechischen Philosophie bewegen uns als


Ausdruck griechischer Kultur un d griechischer Geistes
große Und dieses ferne Griechentum ist eine ewige
.

und notwendig e Gegenwart Mit Recht sagt der R o


?
.

m antike r Friedrich von Schle gel : D as antike Leben „

un d seine Erforschung ist heute wie j e mit demant

starken Banden in die ganze moderne Bildung un d in


das Schicksal der Menschheit v erfl och ten .

A us dem philosophischen System der Vergangenheit


redet z u un s die große Erscheinung des einsamen Den
38 I . D ie roman tis h B w g ng c e e e u

kers und in j edem Kunstwerk ist eine Fulle b luh en de n


,

Lebens au fbewahrt das eine feine geistige Prägung ,

erh alten hat I n all diesen Werken spiegelt sich eine


.

Kultur die f ur den geistigen Menschen einen unver


,

g le ich lich e n Wert besitzt Unser Leben würde e rh eb .


lich ärmer sein wenn wir das Erlebnis „ Griechenland
,

nicht gehabt h atten und nicht immer wieder neu er


zeugen könnten S inn und Verständnis für e i gentum
.

liche Kultur das war es was den Romantikern in ,

hohem Maße eigen w ar Und das ist nicht ganz leicht .


,

wenn wir ü berlegen wie schwer es f ü r un s is t d en , ,

Geist e i nes anderen Volkes zu w urd ig e n und zu ver


stehen .

Selbs t wenn wir die Beziehung a uf die Gegenwart


beiseite l assen so liegt schon in dem reinen Verstehen
,

der Vergangenheit ein unbedingter Wert denn dies ,

Verstehen bedeutet eine unendliche Bereicherung der


e igenen Individualit ä t Das historisch romantische Be .
-

w uß t sein weiß aber auch daß d as Vergangene für die ,

Gegenwart etwas bedeutet Denn wenn auch die R o .

mantik historisch geworden ist so lebt der romantische ,

Geist doch weiter wie ja auch der Geist der Antike in


,

uns weiter lebt Die F ormen des Geistes haben ein un


.

sterbliches Leben Wenn auch der romantische Geist


.

nicht mehr herrschend ist so werden doch immer wieder ,

Werke aus diesem Geist geboren Geschichtslosigke it .

muß te den Romantikern als höchste Armut des Geiste s


.

ersch e inen Und so wurde für sie die Frage des Wo


.

her und Wohin von entscheidender Bedeutung .

Auch die Frage des Wohin denn der Romantiker ,

l ebt auch ganz besonders der Zukunft Er ahnt ein .

neues go l denes Zeital t er der See le e in Ze i ta l ter der ,


D er romantis h M n h
c e e sc un d d er Romantik r e
39

hochsten Klassizität des deutschen Geistes die un m ittel ,

bar bevorsteht un d sich teilweise schon erfüllt hat So .

sind sie in allen ihren Werken und Worten vorbereitend ,

prophetisch andeutend und hinweisend Einem g e


, .

sch lo sse n en System des Denkens sind sie abgeneigt ,

weil ein solches mit dem Anspr ü che etwas Endgültiges


z u sein , au ftritt und somit dem z ukun f tsf reud ig en C c
,

danken einer unendlichen Progressivität entgegentritt .

A uch ist nach ihrer Auffassung das Leben viel zu reich ,

um sich in ein System einfangen z u lassen .

D ie romantische Seele ist zerrissen un d zerspalten ,

aber sie sehnt sich nach Einheit un d Ganzhei t D iese .

eigentümliche Zerrissenheit un d Unfertigkei t ihres


Charakter s gibt sich nach verschiedener Richtung kund .

So be st e ht ein erheblicher Gegensatz zwischen ihren


Ideen Zielen un d Plänen die gar nicht groß un d um
, ,

fassend genug angelegt sein konn t en un d ihrer Lei


st un g sm ö g lich ke it un d L e ist un g sg en e ig t h e it Es fehlte .

ihnen im allgemeinen an der Kraft des Vollbringens .

E in Gegensatz bestand ferner zwischen ihrem hoch


fliegenden Idealismus und der Glut ihrer sinnlichen
Leidenschaft Ein Gegensatz zwischen der Feinheit
.

ihrer Reflexion un d ihrer Kritiklosigkeit j enen Kräften


gegenüber die aus den Tiefen des Unbewußten empor
,

zusteigen schienen Üb e r diesen Dualismus ihres


.

Wesens wußten sie vollkommen Bescheid S ie be .

trachteten ihre Charakt erbildung als typisch für die


gegenwärtige K ult urlag e sowie als Übergangsform
,

zu einer höheren Menschenbildu n g Denn sie waren .

überzeugt von dem unendlichen Wachstum der See l e


un d vertraten die Au ffassung daß in den Tiefen des
,

Unbewu ß ten noch zahlreiche Kräfte schlummer t en und


40 I . D ie romantis h B w g g
c e e e un

daß noch mancher v erh ullte und verborgene S inn sich


dereinst erschließen würde .

Ricarda H uch h at d ie Romantiker als D amm erun g s


menschen bezeichnet D as gilt in sehr vieler H insicht
.
,

besonders auch sofern de r Romantiker die Mitte hält


zwischen der Deutlichkeit und Klarheit de s R a t io n a
liste n und der schwerfälligen Dumpfheit und Unklarheit
des reinen I n st in ktm en sch e n D ä m m e run g sm e n sch e n .

auch sofern die lichte Sonne des S üdens niemals die


,

ihnen e ig en t um lich e Sphäre schuf sondern vielmehr ,

das Ve rschleierte und Verhüllte das immer wieder von ,

n eh em zu raten und zu deuten gibt D amm e run g s .

menschen sind sie auch sofern sie besonders gern in


,

j enem Gebiet verweilen das an der Grenze des B ew uß


,

ten und Unbewu ß ten liegt .

D e m Romantike r ist g e g e ben der S inn f ur d a s Ganze


und der S inn für d as Einzelne Er widerstrebt allem .

Spezialistentum Er ist der universal gerichtete Mensch


. .

Sinn für das Universum zu haben tritt sehr häufig als ,

Forderung der Romantik auf Sie suchten alle Formen .

des Lebens und der Kultur von großen einheitlichen


Gesichtspunkt en aus zu betrachten S ie vermochten .

sich eine allgemeine universale Bildung anzueignen die ,

nicht auf bloßer Aufnahme beruhte sondern bis in letzte ,

Tiefen hinabreichte S ie hatten sich die Kultur fremder


.

Völker wahrhaft angeeignet und deswegen war sie ,

auch in ihnen lebendig Und wie ihr Blick im mer auf


.

d a s Ganze gerichtet war so vermocht e er auch bei dem


,

Einzelnen liebevoll zu verweilen un d bei der Erf o r


schung historischer Denkmäler Bruchst ü cke von Bruch
stücken zu verehren .

D e r Wunsch und das B estreben alles aus einem ,


42 I . D ie roman tis h B w g ng
c e e e u

rischen Bedeutsamkeit voll anerkannt aber von vorn ,

herein macht sich das Bestreben bemerkbar ihn in einer ,

höheren Form des religiösen L ebens aufzuheben un d


z u ü ber w inden .

Eine gewisse Exklusivit ä t ein vornehm aristokra ,

tischer Z ug ist der Romantik eigen Es handelt sich um .

eine kleine Schar auserlesener Geister die damals d as ,

esamte B ild un g sleb en Deutschlands beherrsch t e Eine


g .

auserwählte Gemeinschaft durch Bande der Freund ,

schaf t un d Liebe eng verbunden D ie Romantiker waren .

eine B ild un g saristokratie im edelsten S inne und von


W iderwillen erfüllt gegen die in tellukt uelle P lebs zu ,

ma l wenn d i ese wie i m Zeital t er de r Aufklärung s i ch


,
"


erdreiste t e mit ihrem „ gesunden Menschenvers t and
,

alles z u beurteilen un d zu kritisieren .

S o ist de r romantische Geist wie er in der roman ,

tischen Bewegung z um Ausdruck gelangt ein durchaus ,

eigenartiger Typus Sein Grundelement ist die Sehn


.

sucht Es fehlt ihm an Reife und Geschlossenheit Groß e


. .

liebevolle H ingabe große Gabe des N ach em pfin d en s ge


,

hört zu seiner besonderen Art Ve rständnis für i rem .

des Wesen ist se i ne schöne un d seltene Fähigkeit Der .

Romantiker besitzt ein fast weibliches An leh n un g sb e


d ü rf n is Er scheint manchmal j ener Ernsthaf t igkeit zu
.

entbehren die wir an dem reifen un d gefestigten Mann


,

finden z u müssen glauben S ie lieben es das Leben .


,

leicht zu nehmen und spielend zu gestalten .

D er romantische Geist ist faul un d stolz auf seine


F aulheit Das m uß paradox erscheinen d a dem
.
,

Romantiker doch eine so große innere Lebendigkeit ,

ein so schöner Rh y thmus de r Seele eignete Diese ro .

m an t isch e F aulhe i t kommt darin z um Ausdruck da ß ,


D er romantis h M s h c e en c un d d er Romantik r e 43

ihnen der Zustandswert oder auch der S ein swert mehr


galt als der Wert der Leistung Es kommt in erster .

Linie darauf an was für ein Mensch man ist un d was


,

man andern Menschen durch sein bloßes Dasein be


deutet nicht auf die Leistung für Staat un d Kultur
, ,

die groß un d sichtbar hervortritt Es kommt auf die .

Z ust ä n d lich ke it au f die Größe un d Schönheit des Er


,

lebens an nicht so sehr auf das was aus dem Erlebnis


, ,

dann für äußere Zwecke gemacht wird die mit der ,

I n n e n kult ur der S e ele n i ch ts zu t un haben S o h at der .

Roman t iker einen W i derwillen gegen das fest Geregelte


beruflicher Schranken In dieser H insicht macht n ur
.

Novalis eine Ausnahme Alles Ungewisse un d S chwer .


«

fällige ist ihnen verhaßt Sie nehmen das Leben leicht .


,

aber nicht flach S ie können alles verstehen un d nach


.

fühlen in alle Verhältnisse sich hineindenken S ie kön


,
.

nen sich auf alle Menschen stimmen un d einstellen dem ,

einen Menschen diese dem anderen jene Seite ihres


,

Wesens kundgeben Deswegen sind sie insgesamt Le


.

b e n skü n stle r un d Schauspieler .

Alles verstehen heißt alles verzeihen D ie F ä higkeit .


,

sich so tief hineinzuleben in das Wesen des anderen ,

schließ t j ede schro ffe Verneinung aus An dem sche in .

bar Bösen und Wertlosen zumal auf moralischem ,

Gebiete wird sich immer noch etwas Gutes un d Wert


,

vol l es finden lassen W o ist der Bösewicht der nich t


.
,

z um Engel würde w enn wir den Richter in die geheime


,

Werkstätte seiner Seele f ü hren lesen wi r bei einem ,

R omantiker .

Das tiefe Verständnis f ur e ig en t umlich es Wesen


macht den Romant i ker zum Ve rtrauten der Menschheit
un d zum K ünst l er der Freundschaft Seit den Gr i echen .
44 I . D ie roman tis h B w g ng
c e e e u

haben die Romantiker zuerst wieder eine philosophische


Deutung der Freundschaft versucht Schöne Erlebnisse .

haben sie ge formt un d gebildet u n d die Glut ihrer B e ,

g e ist e run g ve rmochte eine neue Epoche der Kultur


heraufzubeschwören S ie die wenigen repräsentierten
.
, ,

den B ild un g sre ich t um einer Nation Ihre Reizbarkeit .


,

ihre Empfänglichkeit für alles Neue für alles Große , ,

der leidenschaftliche Impuls von dem sie getrieben ,

sind gibt ihnen allen etwas ewig J un g lin g h a ft es darin


, ,

ihre Eigenart un d ihre Schönheit ruht .

D er r o man t i sch e Krei s


Man spricht in der Regel von der romantischen
S chule um j enen Kreis von Menschen z usamm e n zu
,

fassen der in Jena seinen Mittelpunkt und Ausgangs


,

punkt fand und von dem a us das neue Leben sich über
Deutschland verbreitete Romantik bedeutet j a in erster
.

Linie ein neues Lebensgefühl ein Aufj auchzen der ,

Seele ein frohes E rwachen un d Verwunderung und


,

Staunen darüber daß so etwas Großes so unerhört


, ,

Neues geschah Ohne an den historisch geheiligten


.

Begri ff der romantischen Schule rütteln zu wollen so ,

bezeichnet er doch sehr unvollkommen un d m iß v erstä n d


lich das was eig e ntlich gemeint war Denn unter Schule
, .

verstehen wi r in der R egel eine Berufsgemeinschaft ,

die auf der Autorität e ine r überragenden Pe rsönlichkeit


beruht un d die durch einen Kanon von Regeln und
Vorschriften geleitet wird die ihre letzte Begründung,

un d Sanktion in der Autorität des Schuloberhauptes

haben wie etwa die Philosophenschulen des Griechen


,

tums gebildet und organisiert w aren D as Mitglied der .


D er romantis h Kr is
c e e 45

Schule ist einem gewissen Zwang un d Regeln unter


w o rf e n die er anerkennen m uß Dabei brau c ht zwischen
,
.

den Schülern kein tie ferer innerlicher Zusammenhang


zu bestehen vor allem keine nahe gefühlsmäßige Be
,

ziehung sondern es genügt vollkommen eine gewisse


,

Gemeinsamkeit im Denken un d Wollen Es soll in .

ihnen so etwas leben wie ein gemeinsamer Geist der ,

Gedanke daß sie zur Erfüllung eines gemeinsamen


,

Zweckes verbunden un d beruf e n sind Der Zwe ck d as .


,

Ziel ist einfach da und festgelegt solange die S chule ,

besteht Auch sind mit d e r Mitgliedschaft eine Re ihe


von Pflichten un d Aufgab e n verbund e n Mit diesem .

uns g e lä ufig en Begri ffe einer Schule hat die roman


tis c he Schule so gut wie nichts gemeinsam .

Wenn wir n un all den Regelzwang entfernen aber ,

den Gedanken der Autorität und d e s gemeinsamen L e


b en sz ie le s bestehen lassen so kommen wir zu dem Ver
,

h ä lt n is von Meister un d Jünger H ier hat das Schul .

verhältnis eine sehr wesentliche Modifikation erfahren .

Denn d e r Meister ist eine schöpferische P e rson lich keit ,

was das Oberhaupt einer S chule nicht zu sein braucht ,

d a s j a seine Stelle häufig n ur a u f Grund der Tradition


einnimmt und augenscheinli ch ers e tzbar ist Dagegen .

ist der Meister für die Junger unersetzlich und s e ine


Autorität beruht nicht auf Zwang sondern auf Liebe ,

und Freiheit Zwischen Meister und Jüngern besteht


.

ein leidenschaftlich e s Gefühl der Liebe und Verehrung ,

und n otwendig muß die Zahl der Jünger eine begre nzt e
sein damit ein so starkes intensives Gefühl sich entfalten
, ,

kann Der Zweck dies e s Lebensverhältnisses liegt abe r in


.

d e r Persönlichkeit u n d in der Lehre des M e isters und es ,

wird manchmal schwer zu entscheid e n sein ob die Per ,


46 I . D ie romantis h B w g g c e e e un

so n lich ke itoder die Lehre des Meisters f ur die Junger


mehr bedeutet In der Regel sind beide nicht mehr
.

voneinander z u trennen Die J un g ersch a f t die sich um


.
,

den Meister schart führt zu einem persönlichen Ver


,

h ä lt n is die Lebensbeziehungen in einer S ch ulg em e in


,

schaft werden immer etwas Unpe rsönliches haben .

Lassen wir nun auch den Ge danken der Autorität


un d der schöpferischen Persönlichkeit fallen so kommen ,

wir zu Gemeinschaften die wir als Kreis un d als Bund


,

bezeichnen Auf die Idee des Bundes kommt Friedrich


.

von S chlegel z u sprechen indem er zwischen einer mehr ,

äußerlichen und einer mehr innerlichen Freundschaft


unterscheidet Jene eilt von Tat zu Tat un d nimmt
.

j eden w ürdigen Mann in ihren Bund auf Je mehr diese .

Freundschaft hat um so mehr begehrt sie auch Augen


, .

sch e in lich handelt es sich auch im Verhältnis des Bundes

nicht um t ie fin n e rlich e große see lische Beziehungen


, ,

sondern da s Verbindende ist ein Zweck der nicht w ie , ,

in der Berufsgemeinschaft schon vorliegt und gegeben


ist sondern durch gemeinsame Tätigkeit erst her
,

vorgebracht werden soll Im Verhältnis des Bundes .

handelt e s sich etwa um die Verwirklichung e ines so


z ia le n Ideals eine Reform der Gesellschaft um die Be
, ,

gründung einer neuen ethischen Kultur oder auch um


eine Verwirklichung des religiösen Lebens Durch einen .

starken W ille n sim p uls durch einen gemeinsamen ,

W illen sen t sch luß und durch unermüdliches Zusamme n


arbeiten soll dieses Ziel erreicht werden .

In der romantischen Gemeinschaftsform schwingt der


Gedanke des Bundes mit sofern auch sie ein Kultur ,

programm verwirklichen w ollte aber entsche idend ist ,

für sie die Idee eines freundschaftlichen Kreises In .


D er romantis h K i
c e re s
47

einer solchen Kreisgemeinschaft sind das Entscheidende


die innerlichen Beziehungen starke Gefühle der S ym
,

pathi c Zuneigung und Freundschaft ein wechselseitiges


, ,

Ergri ffensein ein hohes Maß von gegenseitigem Ver


,

stehen und geistige Verwandtschaft Ein freundschaft .

licher Kre is ist notwendig begrenzt denn ein so starkes ,

Füreinander Em p fin d en kann immer nur zwischen


wenigen Menschen vor sich gehen die ein gl ü cklicher ,

Zufall zusammengeführt h at un d die durch die Stärke


ihres Gefühls gegenseitig aufeinander angewiesen un d
sc h icksalsm äß ig verbunden sind D ie Mitglieder eines
.

solchen Kreises bedürfen e inander und ergänzen sich


einander a uf das beste Jeder einzelne gibt hier seinen
.

eigentümlichen u n d wertvollen Beitrag zur Erhöhung


des Gemeinschaftsverhältnisses Nicht in einem ein .

zelnen wird die Ergänzung gefunden sondern j eder ,

bedeutet für den andern die Ergänzung eines Mangels ,

die Erfüllung einer Sehnsucht Da sie sich nun alle.

gegenseitig notwendig sind so kann die ganze Gemein


,

schaft zerstört un d aufgehoben werden wenn n ur ein ,

einziges Glied ausscheidet Denn n un empfinden alle


.

eine Lücke un d einen Mangel der nur durch diese Per


,

sö n lich ke it aufgehoben werden konnte Und diese .

Lücke wie sie nun einmal da ist kann kein andere r


, ,

schli eßen weil dieser Neue sich unmöglich in all den


,

Beziehunge n wirksam erweisen kann die der Aus ,

geschiedene zu pflegen vermochte I n di e sem freund .

schaftlichen Kreis können dann auch wieder die Zwei


sam ke it sv e rh ä lt n isse der Liebe un d Freundschaft wirk

sam sein und durch ihre tiefe Innigkeit und Kraft dem
Ganzen noch einen besonderen Zauber verleihen In .

dem romantischen Kreis lebt die romantische Liebe un d


48 I . D ie roman tis h B w g ng
c e e e u

die romantische Freundschaft un d bildet den geheimen


Untergrund für alle gegenseitigen O ff enbarungen u n d
Kundgebungen D ie Menschen dieses Kreises waren
.

so nah miteinander verbunden und so vollkommen auf


einander eingestellt daß die psychisch e Wechselwirkung
,

eine ungeheure war die sich dann als geistige Macht ,

o ffenbarte un d wirksam erwies .

Der freundschaftliche Kreis duldet nicht die Autori


t at eines Oberhauptes denn j eder einzelne gehört diesem,

Kreis nicht nur mit gewissen Fähigkeiten und Berufs


eigenschaften sondern mit seinem urpe rsö n lich e n
,

Wesen und mit ganzer S eele an S o bedarf ein solcher .

Kreis um a ls Einheit nach auß en sich geltend zu


,

machen nur einer repräsentierend e n Persönli chkeit und


, ,

d a s war für die Romantiker August W ilhelm von


Schlegel .

Wir S pre chen von dem romantischen Kreis un d


müßten doch streng genommen von den romantischen
, ,

Kreisen S prechen denn die Romantik entwickelte


,

schließlich ein System von Kreisen Aber vorbildlich .

für alle blieb doch d ie Kreisgemeinschaft die sich in ,

Jena im H ause Wilhelm von Schlegels z usammen


schloß .

Der Romantiker bedarf der Gemeinschaft er flieht ,

d ie Einsamkeit D ie Einsamkeit die von dem modernen


.
,

Menschen doch augenscheinlich als ein Wert ane rkannt


wird deren er dringend bedarf dies Ein sam se in mit sich
, ,

selbst mit Gott mit der großen Natur und der großen
, ,

Kunst die Romantiker konnten sie nur schw e r ertragen


,
.

Es möchte so scheinen als ob sie von der Einsamkeit ,

gequält und beunruhi gt wurden S ie waren ja von den .

mannigfachsten Empfindungen hin un d hergetrieben


50 I . D ie romantis h B w g ng
c e e e u

suchen den i nneren S inn z um Verst ä ndnis des


,

Eigenen und Fremden zu bilden .

Dem Bedürfnis des Romantikers nach freunds c haft


lich em Zusammenschluß kam das H aus Wilhelm von
Schlegels entgegen das ihrem Verlangen nach gesell
,

s c h a f t lich fre undschaftlichem Verstehen wie kein an


-

deres gen ü gen konnte H ier in diesem H ause fand ein


.

wahrhaft tiefer un d geistreicher Gedankenaustausch


statt. Alle Neuheiten der philosophischen un d
literarischen Welt wurden hier zuerst besprochen .

Jedes neue Werk Goethes Schillers F ich te s S chellings


, , ,

war ein Ereignis des Tages H ier erfuhren die großen.

Leistungen der deutschen Philosophie und Kunst ihre


erste kritische Würdigung H ier wurde ihre Be deu .

tung am tiefsten verstanden H ier em p fin g en sie ihre .

e rste Einstellung in das Gesamtgebiet der Literatur .

H ier e rstand eine wahrhaft große Kunstkritik von ein


dringlicher Tief e und einem Reichtum der Ideen und
Gesichtspunkte wie sie unserem Zeitalter im we se n t
,

lichen abhanden gekommen ist Hier entfalteten sich .

Formen wahrhaft schöner Geselligkeit Bis tief in die .

Nacht hinein wurden Fragen der Philosophie und der


Kunst besprochen Pedanterie und nüchterne S trenge
.

war aus diesem Kreise verbannt Ebenso alle stei fe .

Moralität Die schwebende Leichtigkeit des roman


.

tischen V e rkehrs w ar von schwerfällig e r Gründli c hkeit


un d obe rfl ä ch lich e m Geistreicheln gleich weit entfernt .

In anderen Städten bildeten sich ähnliche Kreise und ,

die Frauen nahmen an dieser Bew e gung lebhaften


Anteil .

In diesen romantischen Kreisen e ntwickelt e sich die


Überzeugung von der großen philosophischen und kü n st
- F ü hr r e d er romant i h n B w g ng
sc e e e u
51

le risch e n Sendung die Deutschland zu e rfullen hatte


, ,

der Glaube an das Volk der D ichter und Denker H ier .

w urde unsere Philosophie und Literatur nicht n ur als


gleichwertig sondern als überlegen den Erzeugnissen
,

der anderen Nationen gegenüber verstanden und ge


wertet Und so halfen die Romantiker die geistige
.

Substanz des deutschen Volkes begründen S ie ver .

standen worin der eigentümliche Wert der deutschen


,

Nation und d as Unvergängliche seiner L eist un g sm ö g lich


keit lag In ihnen gelangte das deutsche Geistesleben
.

zur Selbstbesinnung und zum S elbstbewußtsein S ie .

hal fen die geistige S ubstanz des deuts chen Volkes be


gründen und arbeiteten damit der politischen Ein
heit vor .

Andererseits mussen wir betonen da ß die romantischen ,

Kreise politisch indi fferent von einem starken nationalen


Bewußtsein nicht getragen waren daß ihre Vertrautheit ,

mit den Geistess chöpfungen aller Völker und Zeiten


sie von vornherein auf kosmopolitische Tendenzen hin
wies wenn auch der Wert der eigenen V o lksin d iv id u
,

a lit ä t tie f gefühlt u n d verstanden wurde .

Fuh r er der r o man t is ch e n B ew egung


Unter den f uh re n de n Geistern der Romantiker wollen
wir die verstehen die ni cht nur d as romantische Leben
,

gelebt oder im S inne der Romantik ge dacht oder g e


dichtet haben sondern diej eni gen welche durch Wirk
, ,

sam ke it und Werke durch d ie Anregung die von , ,

ihnen ausging durch ihr weitherzig e s Ve rstehen und


,

Nach e m p fin den durch die Fe in f uh lig ke it ihrer Kritik


,
52 I . D ie roman tis h B w g ng
c e e e u

entscheidende Bedeutung f ur deutsche Kultur und


deutsches Geistesleben gewonnen haben .

Unter den Romantikern welche diese ganze auf ,

reizende Bewegung führten und dem scheidenden Jahr


hundert so mutig den Krieg erklärten war August ,

W ilhelm von S chlegel selber Führer wenn auch nur ,

in repräsentativ e m S inne Denn Wilhelm von Schlegel .

war ke in sw eg s die bedeutendste Persönlichkeit un t er


den Romantikern Ganz abgesehen von S chelling un d
.

Schleiermacher die ihn j a auch an produktiver Leistung


,

weit überragten wird er an S e in sw e rt und Be


,

gabung von seinem Bruder Friedrich und von Novalis


weit übertro ff e n Er war j edo ch zum Führer geeignet
.
,

weil er eine ruhige und überlegte Art sich erworben


und an e rzogen hatte Er besaß diplomatische Geschick
.

lichk e it im Umgang und Verkehr mit Menschen und


vermo c hte zu vermitteln und zu gewinnen Den star .

ken Einfluß den er ausübte v e rdankte er auch zu nicht


, ,

geringem Teil s e iner Frau der v ie lg e rü h m t e n und g e


,

schmäht e n Karoline S chlegel .

S chl e gel war eine vornehme sichere und aus ,

g ge lich e n e Natur Er milderte


. wo es notwendig war , ,

die heftigen Angri ffe seiner Fre unde So lag es ihm .

vor all e m daran d as gute Verhältnis zu Goeth e au f


,

r e cht z u e rhalten und dazu war es notwendig in der


, ,

Kritik S chillers d er mit Goeth e e n g b e freundet w ar


, ,

s chon e nd zu verfahren obwohl s e ine Werke teilweis e


,

die leidens chaftliche Opposit ion der Romantiker h e ra us


forderten Besonders machte man Schiller die Nach
.

ah m un g der Antike zum Vorwurf und b e lä c helte ja ,

verspottete vielfach sein Ideal der Frau S chlegel selber .

war e in äuß e rst feiner und verständnisvoller Kritiker ,


F ü hr r e d er rom an tis h n B w g ng
c e e e u
53

der jede a llz usch a rf e und geh ä ssige Polemik zu ver


meiden suchte Als Dichter wenig originell h at er sich
.
,

durch seine Shakespeare Übersetzung bei welcher er von


-
,

Karoline wirksam unterstützt wurde ein großes blei ,

h endes Verdienst um die deutsche Literatur erworben .

Die Vermählung Shakesp e ares mit dem deutschen Geist


ist der bedeutsamste Vorgang f ü r die Entfaltung
unserer klassischen Literatur gewesen Lessing war .

der unermüdliche Vorkämpfer dieser Verbindung Er .

spielte Shakespeare gegen die französische Klassik


aus Er zeigt e daß diese das Geset z der Tragödi e
.
,

nicht verstanden ha t te während Shakespeare voll ,

kommen dem Vorbild des Griechentums entsprach .

Wieland hat dann d ie e rst e b e d e utsame P ro saüb e r


setzung gegeben Er vermocht e j edoch seiner eig en e n
.
,

Natur gemäß nur d as Weiche S innliche und H eiter e


, ,

in angem e ssen e r Form wiede rzugeben so besonde rs den ,

Sommernachtstraum un d verwandte G e staltunge n .

Herder hat dann den Genius S hakespeares entde ckt D e n .

Genius der wie die Natur wirkt u n b ew uß t zweck


, ,

mäß ig ohne nach b e stimmten Regeln zu verfahren


, ,

sondern selber neue Reg e l erzeugend H erder hat die .

ganze Atmosphäre der großen Tragödien Shak e spear e s ,

die S timmung des Macbeth und Hamlet vollkommen


ergri ffen Auch sein e Ub ersetz un g sp rob e n sind meister
.

haft Er versteht Shakespeare aus seiner Entwick


.

lung Er ist unter eigentümli chen L eb e n sb e difig un g en


.

gewachsen u n d geworden und bezeichnet die höchste


Blüte d er dramatischen Dichtung im Geist eines be
stimmten Volkes Vielleicht hat Herder nur den G e ist
.

des großen R en aissan ced ich t ers zu sehr nach d em deut


schen Gemü t un d der erhitzten Leidenschaft des


54 I . D ie romantis h B w g ng
c e e e u

Sturmes und Dranges gedeutet wahrend doch S hake ,

speare in seinen D ichtungen auch dort wo e r d as D unkle ,

und Furchtbare und Leidenschaftliche darstellt nie ,

mals die H elligkeit Kühle und klare Formgebung ver,

missen laßt die seiner Zeit eignete S o hat uns denn


,
.

erst Schlegel e ine vollendete S h akesp eareü be rse t z un g


gegeben die ganz aus dem Geist des großen B riten
,

h e rau sg eb o re n zu sein s c heint Ihm ist das Tragische .

und Furchtbare ebensogut gelungen wie d as H eitere


und Liebliche Er vermochte vor allem auch die ge
.

d run g en e Le i denschaft der Sprache Shake speares vor


tre fflich wiederzugeben Diese Übersetzung i st bisher .

noch nicht übertro ffen und vielleicht nur in Einzelheit en


ergänzungsbedürftig .

Philosophisch interessant ist Schlegel als Kunst


theoretiker Seine feinen Beobachtungen uber d as
.

W esen de r bildenden Künste und der Poesie sind von


'

S chelling in seiner Philosophie der Kunst in größerem


Umfange verwertet worden Denken wir seinem Wesen .

n ach ,
so war er augenscheinlich der Korrekteste und
Ausgeglichenste unter den Romantikern Weniger .

fragmentarisch j ünglingshaft un d temperamentvoll wie


,

die anderen Diese Korrektheit möchte beinah als ein


.

Fehler erscheinen Wilhelm von Schlegel ist so glatt


.

gefeilt wie seine lyrischen Gedichte Und er ein Roman .


,

tiker ist mit sich fertig geworden hat seine Gaben


, ,

entfaltet und seinen Charakt e r gebildet Er hat e r .

reicht was er e rre ichen konnte E r starb keinen Jü n g


,
.

lin g st o d er erweckte keine Trauer über unerfüllte Ho ff


,

nungen Er h at den Reichtum seiner Gaben nicht in


.

verschwenderischer Weise den S türmen und Kämpfen


eines le idenschaftlichen Jugendlebens zum Opfe r ge
F ührer d er romantis h n B w g ngc e e e u
55

bracht Dazu war er z u ernst Er hat niemals mit


. .

glühender S ehnsucht das U n m og lich e begehrt Dazu .

war er z u v ern un f t ig Sein Herz krankte nicht so sehr


.

an dem inneren Zwiespalt Dazu war er zu ge sund In


. .

seinem Alter ist er beinah zur Karikatur geworden in


der Eitelk e it un d Geckenhaftigkeit seines Wesens in ,

der ewigen S e lb stbe rä uch e run g un d der gesuchten Ele


ganz seiner äußeren Erscheinung Als Gre is noch .

kleidete er sich w ie ein Jüngling un d suchte mi t allen


Mitteln der T o ilett ekun st vor seinen zahlreichen Ver
e h re rn un d Verehrerinnen die in literarischen Kreisen
,

ihren Kult mit ihm trieben als der ewig Junge z u er ,

scheinen eine Rolle von der er dann abends müde un d


, ,

erschöpft ausruhte Ach er vergaß d aß die Roman t ik


.
, ,

deren Jugendkraft auch in ihm geschäumt ha t te schon ,

lange alt un d müde geworden w ar "


Die drei P e rso n lich ke ite n die ihm am n ä chs t en stehen
, ,

sind Karoline Friedrich von Schlegel un d S chelling :


,

die Frau der Bruder der Freund Karoline ist die be


, ,
.

d e ute n d st e Frauengestalt der roman t ischen Kreise Ihr .

eigenartiges Wesen is t von Ricarda Huch sehr schön


un d verständnisvoll gerechtfertigt K aro lin e n s Lebens .

element war die Freude Ihre Gegenwart beglückte.

und beruhigte Eine edle harmonische Geschlossenheit


.
,

eine wunderbar gereifte Bildung machten sie zum


Gegenstand allgemeiner Bewunderung un d Liebe .

Friedrich von Schlegel hat in seiner L ucin de die Viel


seitigkeit und Schönheit ihres Wesens geschildert dem ,

kecker Mutwil l e Grazie und Zierlichkeit ebenso eign ete


,

wie Enthusiasmus un d Würde die durch Witz un d ,

wundervolle Erz ä h lun g sg abe in der Ge sellschaft gl ä nzte


56 I . D ie rom an tis h B w g ng
c e e e u

und die auch wieder so ernst s o m ut t e rlich und freund


,

lich z u reden und zu h elf en w uß t e .

Die schönsten Jahre ihrer Jugend verlebte Karoline


an der Seite eines ung e liebten Mannes in tiefer Ein

sam ke it, und doch wurd e ihr H erz ni cht verbitt e rt .

Nur e ine große Sehnsucht erwachte darin nach Gluck


und Leben Nach dem Tode ihres Mannes wurden
.

ihr schwere Prüfungen nicht er 3 part Gewohnt dem .


,

Zuge ihres Herzens zu folgen wurde sie von dem ,

Manne ihrer Liebe grausam verlassen S ie hatte s chw e r .

zu k ä mpfen brach aber alle S chwierigkeiten dur c h ihre


,

leidenschaftliche Energie und bewah rte sich auch in


mancherl e i Irrungen ein reines und edles Gemüt S ie .

gehörte z u den schönen und seltenen Charakt e ren deren ,

Wesen keine Trübung erfährt auch wenn sie z e it ,

w e ilig in nahe B e rührung mit dem H äßliche m und Ge


meinen geraten Für eine Frau wie Karoline war
.

S chuld allein die Rü cksichtnahme auf äußer e Ver


h ä lt n isse. S ie fehlte nicht als sie d em leid e nschaft
,

lichen D range ihres liebevollen H e rzens folgte aber ,

sie entheiligte ihre eigene Natur als sie sich dem un ,

geliebten Manne als sie sich S chlegel zu eigen g ab


,
.

Daß sie e s getan hat in ihrer damals verzweifelten


Lag e können wir wohl verstehen aber nicht billigen
, ,
.

S chl e gel r e ttete sie au s d e n peinlichsten Ve rhältnissen


und gab ihr die Möglichkeit zu freier und selbständiger
Entfaltung S o war sie mit ihrem Gatten durch die
.

Pflicht der Dankbarkeit verbunden und vi e lleicht hatte ,

dies V e rhältnis Bestand gehabt wenn nicht der Mann ,

in ihren Gesichtskreis getreten wäre der ihr geistig ,

verwandt und e be nbürtig war der sie ganz verstand ,

und liebte : Joseph S chelling .


R8 I . D ie romantis h B w g ng
c e e e u

dung Und seltsam genug : d as F re un d sch a ft sv e rh alt


.

nis zwische n Schelling und Schlegel hat dadurch nicht


die geringste E inbuße erfahren Allerdings handelte .

es sich in ihrer Lebensbeziehung auch nicht um ein


starkes Gefühlsverhältnis um eine enthusiastische Jung
,

lin g s f re un d sch a f t sondern um ge gens e itige Wert


,

schätzung au f Grund der beiderseitigen philosophisch


wissenschaftlichen Leistungen .

Friedrich S chlegel ist die dritte P erso n lich keit die ,

si ch eng an die Gestalt Wilhelm Schlegels fügt : der ge


liebte ihn verstehende Bruder und ihm gleich in früher


,

Jugend a n mutwilliger Keckheit und strahlendem Üb er


mut S ie gehörten so eng zusammen und ergänzten
.
,

sich so vorz ü glich d aß sie in d e r Tat sich selber auf


,

gaben als sich in späteren Jahren ihr enges bruder


,

liches Verhältnis lockerte und schließlich löste Fried .

rich S chlegel sprudelte an geistrei chen Einfällen aber ,

diese Einfälle waren haufig in e iner so wunderlichen


un d umständlichen Form g e geben daß ihre Wirksam ,

keit in Frage gestellt wurde Dann w ar es August .

\Nilh e lm s Aufgabe dies prächtige Material weiter zu


,

formen un d nutzbar zu machen .

In Friedrich S chlegels Persönlichkeit tritt ein eigen


t um lich e r Kontrast hervor zwischen der Grazie seines
Geistes und der Schwerfälligkeit seines Körpers In .

seiner Jugend eine schöne un d liebenswürdig e E r


sch e in u n g wurde e r später ä uße rst träge und ko rp u
,

lent Er v e rkörpert in sich geradezu die romantische


.

Faulheit die j ede r persönlichen L e istung abhold ist


,

u n d doch eine so große innere Lebendigkeit bedeutet .

Ihm zu Gebote stand ein glänzender Witz un d sp rü


hende P aradoxen die nur manchm al zu scharf g e
, ,
F ü hr r e der roman tis h n B w g ng
c e e e u
59

schli ff en an Gehalt und Deutli chkeit verloren Das


, .

Fragmentarisch e und Aphoristische ist ihm die einzig


adäquate Form und er verme inte daß manche dieser
,

Aphorismen ohne erhebliche Müh e zu einem p h i10 5 0 p h i


schen oder künstl e rischen Werk ausg e sp on n en und aus
gebreitet w e rde n könnt e n Er li e bte es den Gedanken
.
,

in der Urform des geistreichen Einfalls zu geben und


übe rließ es anderen etwas Bestimmtes daraus zu machen
, .

Er hatte es nur mit den e n g g e d run g e n e n Ge danken


zusammenhängen mit einer Art Extrakt des Denkens
,

z u tun. Zu einer größeren philosophischen oder kü n st


lerisch en L eistung hat er sich nicht aufgera fft Viel .

leicht war er auch dazu nicht befähigt Aber er war .

unter den Romantikern der geniale Anreger de r fe in ,

sinnige Altertumsforscher und der Künstler der Kritik .

Er besaß ein hervorragendes Kunstverständnis aber ,

wenig S inn f ur Natur Seine Belesenheit war außer


.

o rdentlich Novalis kannte am besten die Größe und die


.

Schwächen seines Freundes Er sah die Gefahr die .


,

ihm drohte und schreibt ihm : Mich dauert dein armes „ ,

s c hönes H erz es muß brechen früh oder spät Es kann


,
.

se ine Allmacht nicht e rtragen Der Konig von Thule .

war dein Vorfahre liebe r Schlegel Du bist aus d e r


, .


Familie des Unterganges .

Es ist ein betrübendes Bild zu sehen wie dieser , ,

hochstehende Geist voll kuhner Plane und Entw ü rfe ,

a llmählich matt und fl ü g e llah m wird Unklarheit un d .

Z e rrissenheit bilden den Anfang s e ines Lebens Dann .

findet er sich selber durch den wunderbaren Einfluß ,

den Karoline S chlegel auf ihn ausübt In ihr sieht er .

die Ausgeglichenhe it die er immer erstrebt D ie Be


, .

ka n n tsch a f t mit Karoline Schlegel ist das große Er


60 I . D ie romantis h B w g ng
c e e e u

c ignis seines Lebens Sie wird n un Brennpunkt aller


.

seiner philosophis chen und künstlerischen Überlegungen .

Und nach ihrem Tode zerbricht immer mehr die Elast i


z it ä t seines Geistes Er der Vorkämpfer für eine neue
.
,

umfassende Religion gleite t zurück in die Arme eines


,

starren Dogmatismus .

Neben Friedrich von S chlegel steht sein Freund


Schleiermacher D ie se zarte un d unansehnliche Ge


.

stalt dieser edle un d feurige Ge ist


,
Vielleicht hat ke i n .

Philosoph vor ihm das Wesen der Religion so rein


begri ffen un d das religiöse Bewußtsein besser ver
standen als er E r ha t die tiefe Religiosität des
.

Atheisten Sp i noza verstanden Er hat durch sein e



.

Reden über die Religion an die Gebildeten unte r



i hren Verächtern in den Kre isen der Romantiker ein
tiefes Interess e fur religiöse Fragen erregt Trotz .

se in e r schönen und kunstvollen Sprach e w ie sie in den ,

Monologen zum Aus druck kommt ist er nicht e ig e n t



,

lich künstlerisch interessi e rt Wohl ab e r besitzt er in.

hohe m Maß e Liebe und Verständnis f ü r e ig e n tü m lich e ‚

Natur So vermag er in seinem feinen Ve rstehen


.

der L ucin de von Friedrich S chlegel gerecht zu werden ,

die in ihrer überaus seltenen und paradoxen Gestalt de n


VVid e r5 p ruch der anderen Freunde herausforderte Er .

drang durch all die wunderlich e n Verhüllungen un d


E inkleidungen hindurch und erriet was Schlegel ge ,

meint hatte .

Noch ein zweiter hat Friedrich von Schlegel in seinem


Roman L ucin d e gut verstanden un d den Gedanken
gehalt des seltsamen Werkes gepriesen Novalis .

Novalis ist vielleicht die sympathischste Gestalt unter


den Romantikern Auch seine Philosophie bedurfte
.
Fü hr r e d er roman tis h n B w g ng
c e e e u 61

als B e z ieh u n g sund Ruhepunkt der Schönheit des indi


v id ue lle n Lebens Während aber Friedrich von Schlegel
.

s ich s e lber fand in der Liebe zu einer gereiften har ,

m o n isch gebildeten Frau g e h o rte die Liebe H arden ,

bergs einem Kinde Alles was w ir von diesem Kinde


.
,

wissen hebt es nicht üb e r die Schranke des Alltäglichen


,

hinaus Aber für ihn war diese Kinderseele und sein


.

Verhältnis zu ihr tiefster S inn und tiefste Bedeutung .

An ihr konnte sich sein hochfliegend e r Idealismus


in schrankenloser Weise betätigen Er liebte das Ein .

fache und Primitive weil es die g roß t e S ch ö p f e rt ä t ig


,

keit ermöglichte Karoline trat Friedrich von Schlege l


.

fertig und geschlossen e ntgegen I n ihre r H armonie .

suchte er seinen Friede n Novalis bedurfte dieses .

Fri e dens ni cht Sein e r e iche Phantasie sucht e einen


.

Gegenstand unendlicher U m fo rm un g sm ö g lich keit en .

W e il Sophie nichts oder doch n ur wenig w a r konnte ,

sie ihm so viel konnte sie ihm alles bedeuten d a sie ihm
, ,

die Möglichkeit gewährte imme r wieder anderen un d


neuen S inn mit ihr zu verbinden .

Novalis war der Liebling de r Romantiker Fu r .

alle hatte er Geduld Liebe und Verständnis D ieser , .

e dl e, einem früh e n Tod e g e w e ihte Mensch ist wie be


rührt von einem l e isen Schimmer der Verklärung .

Tüchtig und ve rst ä ndnisvoll auch in seinem praktischen


Beruf vermochte e r alle D inge zu romantisieren Er
, .

ist der e inzige wahrhaft große D ichter der Romantik .

S e in e I I y m n e n an die Na cht sind von einer wunder


-
'

samen S chönheit Ni e mand von den Romantikern h at


.

so ernst gemacht mit dem Gedanken all e Verhältnisse ,

d e s Leb e ns künstl e risch zu sehen und zu gestalten .

Wir wollen von der Gruppe der ält e r e n Romantiker


62 I . D ie romantis h B w g ng
c e e e u

nur noch das Fre un d e 3 p aar Tieck und W acke n rod e r


ausdrücklich erwähnen S ie bilden das Beispiel einer .

enthusiastischen J ü n g lin g sf re un d sch a f t Gemeinsam .

durchforschen sie die großen Denkmäler der Vergangen


heit S ie folgen den Spuren des Mittelalters auf ihren
.

Wanderungen durch die Reliquien altehrwürdige r


S t ä d t ep ra ch t S ie verw e ilen andächtig und e h rf urch t s
.

voll an den archit ektonischen Wunde rwerken der g o


tischen Dome deren Verwandtschaft mit dem Musi
,

kalisch e n sie tief empfind e n Der j unge Tie ck in seiner


.

leidenschaftlichen Natur d e m Lovell seines Romans


nicht unähnlich und W a cke n ro der so fein und zart wie
,

die wundersamen Em p fin d un g sw e llen die sich ab lo se n ,

aus dem Herzen seines kunstliebenden frommen Kloster ,

bruders .

Wir beschließen den Kreis der Romantiker die wir ,

als f uh re n d e Gestalt e n ausdrücklich bei Namen nenn e n


wollen mit Clemens Brentano und Achim von
,

A rnim , die der j üngeren Generation a n g e h o rte n ,

die besonders in der Atmosph ä re von Heidelberg zu einer


Nachblüte gedieh Stadt und Landschaft vermocht e n
.

hier dem romantischen Geiste so manche interessanten


Motive zu geben Beide Männer waren eng befreundet
.

und durch Brentanos S chwester Bettina miteinand e r


verwandt In der feinen Bewegli chkeit ihres Geistes
. .

in d e r Füll e phantasievoller Einfälle in d em liebevoll e n .

Ve rständnis für kleine und große D inge verraten beide


noch all e Vorz ü ge des romantischen Typus Ander .

seits erhält di e se Beweglichke it bei ihnen schon etwas


Fluchtartiges und Gehetztes als ob sie s cheu zurück ,

b eben vor dem Grauenhaften und Entsetzlichen das ihn e n ,

aus den Tiefen des Unterbewußtseins e n g eg en st arrte .


Roman tis hc e Sc h ule un d Ro m an tik 63

Die H elligkeit des romantischen Ge istes v erfin st ert sich


zu Trübheit und Ve rworrenheit Lebensbej ahung ver .

wandelt sich immer meh r in Furcht vor Leben und


Dasein Ein großes Verdienst um die deutsche Literatur
.

haben sich die beiden Freunde durch j ene Sammlung


von Volksliedern erworben die als des Knaben ,


Wunderho rn bezeichnet wird in der es ihnen vor allem ,

darauf ankam den Schatz von Poesie zu heben der im


‚ ,

deutschen V o lksb ew ußt se in verborgen lag Aber auch .

a ls epische D ichter sind beide nicht unbedeutend und ,

manches Schöne vermag der verstehende G e ist noch in


ihren Werken zu finden wenn es auch nur Weniges bei ,

ihnen gibt das er als Ganzes b e we rten und genieße n


,

kann .

Ro man t i s ch e S ch ul e un d R o man t ik
Die Dichter und P h ilo so p h e n g e stalt en mit denen wir ,

un s beschäftigt haben bilden in der H auptsache j ene


,

Kreisgeme inschaft oder Gemeins c haft von Kreisen die ,

man als die romantis che S chule zu bezeichnen pflegt .

Ü ber d en Umfang dieses Begri ffes li eße sich str e iten .

M a n könnte die Frage erstreben warum nicht D ichter ,

wie Jean Paul E T A Ho ffmann Heinrich von Kleist


, . . .
,

und Heine und Philosophen wie Fichte und Schopen


,

hauer ebenfalls de r romantischen Schule z uz uz ä h len


sind Was die beiden genannten Philosophen betri ff t
.
,

so läßt si ch hier aus dem Prinzip der romantischen W e lt


a n schauung ihre Nichtzugehörigk e it wohl unschwer b e
gründen Wie erst später deutlich gemacht werd e n
.

kann ist es die ethische Weltanschauung die Fichte , .

den man früher wohl zur Romantik g e rechn e t hat doch ,


64 I . D ie roman ti h B w g g
sc e e e un

augensche inlich von ih r trennt Und w ahrend die R o .

man t ike r das historische Be w ußtsein pflegen u n d die


Geschichte als höchstes Bildungsmittel betrachten ist ,

Schopenhauer durchaus g e sch ich t sf ein d lich gesinnt .

N icht so ohne weiteres einle uc htend ist die Be


g re n z un
, g die m an den Dichtern der romantischen
S chule zuteilwerden l ä ßt So hat noch Heinrich Heine
.
,

Jean Paul und E T A H o ffmann der romantischen


. . .

Schule b e ig e z ä h lt un d gewiß haben sie vieles mit ihr


,

gemeinsam D ie Mär chendichtungen Ho ffmanns er


.

in nern a n Tieck und Brentano D ie Bevorzugung des .

Grausigen Rätselhaften und Unheimlich e n in der Sto ff


,
-

wahl haben seine Erzählungen mit Arnim gemeinsam ,

und auch die äußere Formgebung seiner Werke erinnert


an die romantische Theorie Auch daß er die Musik .

so ausdrücklich als die höchste der Künste feie rt zeigt ,

seine Verwandtschaft mit der romantischen Schule .

Etwas Ähnliches könnte für Jean Paul gelten dem die ,

U nform der Form die romantische Ironie die hier


, ,

zum H umor erweicht ist die Feier der roman t ischen ,

L eb e n sid eale der Liebe und Freundschaft und die Ver


bindung von D ichtung und p h ilosophischer Reflexion
der romantisch e n Schule s e h r nahe zu rücken scheinen .

Wenn wir diese beiden D i chter trotzd e m nicht zu den


Romantikern im engeren S inn e zählen so hängt d as d a ,

mit Z usammen d aß ihre überragenden künstl e rischen


,

P e rso n lich ke ite n sich nicht ohne weiteres in den Rahmen


der romantis ch e n Schule einfügen lassen In ihnen .

machen sich e ine Reihe von Motiven geltend d ie s ie ,

über den romantischen Kreis hinausheben Au ch eignet .

ihnen j ene Gestaltungskraft deren Mangel für die R o ,

m an t ike r im engeren S inne charakteristisch ist Novelle .


66 I . D ie rom n tis h B w g ng
a c e e e u

stimmten Zeit e t wa von 1 795 1 83 0 zusammenfaßt


,

,

sondern dann wird Romantik z u einem g e sch ich t s


philosophis c hen oder systematischen Begri ff Dann ver .

stehen wi r unter Romantik eine eigentümliche Form


der Kunst oder der Philosophie die immer wieder le ,

bendig un d w irksam werden kann Dann gibt es eine .

romantische Kunstform wie e s eine antike realistische


, , ,

symbolische un d naturalistische gibt Dann haben wir .

das Recht überall von Romantik zu sprechen wo das


, ,

z u r Gestaltung un d z u m Ausdruck ge langt was in ,

ihrer Theorie gemeint war un d ihrem Programm ent


sp r i cht .

Wenn einmal das Neue in Erscheinung tritt un d


F orm und Gestalt gewinnt aus einem neuen Geist ge ,

boren so bleibt diese Ge istesform auch für alle Zukunft


,

der Menschheit aufbewahrt Und so wird es immer .

wieder Romantik geben sowie es auch immer wieder so ,

etwas gebe n wird wie Gri e chentum .

In diesem erweiterten S inne lebt die Romantik auch


in unserer Zeit weiter Man glaubte daß sie gestorben
.
,

sei um niemals wieder wirksam zu werden aber sie


, ,

hatte im Verborgenen neue Kr ä fte entfaltet Nach .

e iner Zeit die von den u n g e ist ig en Mächten des M a


,

t erialism us un d P osit iv ism uris beherrscht war ist so ,


,

etwas wie eine Neuromantik entstanden Dies „ R o .


mantische äußert sich ganz allgemein in dem S inne ,

da ß die Kunst das Leben durch Stärke der Formgebung


z u ub e rw in d e n sucht während die Philosophie sich dem
,

Leben naht um es deutend zu verstehen Wenn wir


,
.

die verschiedenen Kunststile bestimmen nach dem Maß


d e r Umformung das sie an der Wirklichkeit vollziehen
, ,

so steht der Naturalismus der Wirklichkeit am nächsten ,


Roman tis h S h
c e c ul e un d Ro m an tik 67

namlich de r Wirklichkeit als dem bloßen Dasein wie ,

es un s erscheint und die Romantik am fernsten R o


, .

mantik zei chnet sich aus durch e in hohes Maß der Ver
idealisierung und phantasievoller Umgestaltung bis
zum Phantastischen hin Das Kunstwerk ist hier in
.

eine denkbar reine w e lten t rü ckt e Sphär e gehoben


, .

Reichtum an P h an t asieb eg ab un g und Phantasie


erfüllung zei chnet alle romantische Kunst aus und wir ,

erleb e n überall das Durchs cheinen der übersinnlichen


Welt D ie Romantik ver sucht imm e r die Wirklichkeit
.

zu übe rwinden und alle D inge mit Geist und höherem


Leben zu erfüllen Als besonders bezeichnendes Kunst
.


mittel mag bei ihr gelten das Wunderbare d as seinen ,

A usdruck in dem künstlerisch geformten Leben findet .

indem dieses Leben selber immer ein Geheimnis ahne n


läßt oder die Gestalten des Lebens bald als Wesen dieser
Erden w irklich ke it bald als Ausstrahlung einer ander e n
,

S in n sp h ä re erscheinen So scheint in unserer mo


.

d ern e n Lyrik viel von romantischem Geist zu leben ,

auch bei George der in eigentümlich glanzvoller Weise


,

den Geist der Antike mit dem Geist der Romantik ver
m ä h lt u n d in weit höherem Maße noch bei Rainer
Maria Rilke und zwar nicht nur in seinem S tunden
,

buch und im Marienleben sondern auch in seiner ,

Liebeslyrik Das S eh n such t sm o t iv das fur die Roman


.
,

tiker so wesentlich ist aus der modernen Lyrik bricht


,

es überall hervor und auch in manchem Roman der


,

Weltlite ratur klingt das S ch ö n h eitslied der R o


mantik Denken wir etwa an Gö sta Berling von Selma
.

Lagerlöf wo Wirklichkeit und Phantasiewelt in c in


,

ander übergehen un d manchen Gestalten und Ge


st alt un g en ein Doppelsinn anzuhaften scheint So kann .
68 I . D ie roman tis h B w g ng c e e e u

ich den b o sen S in t ram einmal als den schlechten geizigen ,

Gutsherrn verstehen der seine Freude daran hat überall


, ,

Unheil zu stiften und dann nimmt er plötzlich die T e n


,

f e ls f ra t z e an und tritt mir so entgegen wie ihn ein ,

phantasiebegabtes Volk mit all e rlei Sagen und Legenden



umwoben Oder d as Wunderbare im Bildnis des
.

Dorian Grey dieses B ild das s e inen s c honen Gegen


, ,

stand den j ungen Lord Dorian vor Alter und H äß lich


,

ke it bewahrt indem e r das alles in sich aufnimmt und


,

zum Ausdru ck bringt was ein Gesicht entstellen kann


, ,

die Runz e ln des Alters Laster und Gemeinheiten so


.
, ,

daß Dorian j ung bleibt während sein Bildnis altert


, ,

daß er rein und vornehm e rscheint während sein Bild ,

n is die Spuren se iner Laster deutlich zur S chau trä g t .

Während die romantische D ichtkunst die Ferne im


fl uch t ig en Erdendas e in betont und alle D inge zu e r
klären und zu vertiefen sucht begibt sich die roman ,

tische Philosophie in die Nähe des Lebens um es zu ,

verstehen und zu deut e n und mit allen Erscheinungen


S inn zu ve rbinden Wenn die Lebensphilosophie in
.

unserer Zeit so m ä chtig hervortritt die immer zum ,

Gegner des Systems wird weil ihr d as Leb e n wertvoller


,

erscheint als j edes m o g lich e System es fassen und faß


bar ma chen kann und ein e n p rop h eth isch en Charakter
trägt so gibt si ch auch hier e in Ne uerw ac h e n des ro
,

m a n t isch en Geistes kund d er in lieb e volle r Weise dem


,

Leben zugewendet ist Auch der Geist der Synthes e


.
,

der in der Romantik so wirksam war sch e int in neuer e r ,

Zeit wieder mächtiger zu werden die den Geist de s ,

Spezialistentums und der bloßen Analyse zu über


winden bemüht ist .

Schließlich können wir Romantik noch in einem ganz


G li d r ng
e e u d er roman tis h n B w g ng
c e e e u 69

w e iten S inne verstehen indem wir diesen B e gri ff de r


,

Theorie der Romantiker gemäß auf alle Erscheinunge n


der Kultur anwenden die entgegen dem Geist d er Antike
,

und sp e zi e ll des Grie ch e ntums aus dem Geist des Chri


st en t um s geboren sind dem das Ewige nicht mehr in
,

der Form des Endli chen sondern in der Form des Un ,

endlichen gegeben ist Dieser geschichtsphilosophis ch


.

sehr bedeutsame Begri ff von Romantik als d i e eine ,

groß e Möglichkeit der Kultur un d Geistesbildung wird


uns dort beg egn e n wo wir das e igentümliche Kultur
,

bewußtsein der Romantik zu entwickeln haben .

G l i eder ung der r o man t i s ch en B ew egung


Wenn auch die Romantik als Zeiterscheinung nur
verhältnismäßig kurze Zeit gedauert hat wenn sie auch ,

plötzlich erschien um bald wieder dah in z uw e lken so


, ,

lassen sich doch deutlich W an d lun g sst u f en in der Ent


wicklung des romantischen Bewußtseins unterscheiden .

Es gibt Großes und Schönes das schnell entsteht un d ,

vergeht aber niemals den Charakter des Schönen ver


,

lie rt sondern wo Anfang un d Ende die gleich e Herr


,

lichkeit o ffenbart wie der f rüh v o llen d et e Jüngling der


, ,

eines plötzlichen gewaltsamen Todes stirbt un d dem die


H ä ß lich ke it und d er Schmerz eines langen S iechtums
e r 5 part bl e ibt
. D ies ästhetisch beneidensw e rte Los ist
der romantis chen Bewegung nicht zuteil geworden .

Die H äß lich ke it des Alters und de s Verfalls bli e b ih


nicht erspart Wir müssen untersch e iden zwische n
.

einer alteren un d j üngeren Romantik und d a w ar die ,

alte Romantik die j unge die das Neu e und Große zu ,

sagen und zu g eben hatt e D ie erste Epo ch e trug einen .


70 I . D ie roman tis h B w g g
c e e e un

Charakter sie war so reich an neuen


sc h o p f e risch e n ,

Ideen und Einfällen so f ruh lin g sm ä ch t ig so sehnsuchts


, ,

stark so zukunftsfroh D ie zweite Epoche hat g ed an k


,
.

li c h wenig hervorgebracht und auch in künstlerischer


H insicht an Kraft eingeb üßt S ie w ar nicht mehr glau .

b e n s f roh und z ukun f t sg e w iß S ie war alt und müde .

geworden S ie verzweifelte an der Durchführung ihres


.

Programms und an der Erfüllung ihrer Kulturaufgabe .

Während die ältere Romantik eine neue Welt enthüllen


und heraufbeschwören wollte beschwor die spätere die ,

S chatten d e r Vergangenheit und k ehrte zurück in längst


überwundenen D o gm e n z w an g Wahrend j ene eine neue .

Zeit ahnte die mit Sturmesbrausen näher kam eine


, ,

neue Kunst eine neue Religion e ine neue h oh e re Form


, ,

der Erkenntnis so sah di e se schließlich nur noch in


,

dem Geist der alten Zeit in der Macht der Tradit ion , ,

in der Form der alten Kirche einen Ruheort für die


geängstigte und gequälte Seele U n d diese Entwick .

lung h at sich mit un g ew o h n lich e r seltener S ch n e llig ,

keit vollzogen D ie Romantik schien nur da zu sein


.
,

um gleich wieder zu vergehe n Blütezeit und Verfall .

folgten unmittelbar aufeinander so daß ihre Früchte ,

nicht reifen konnten Deswegen erwe ckt die Romantik .

auch in dem verstehenden Betrachter immer eine ge


wisse Wehmut S ie w a r zu schön um lange l eben zu
.
,

können
Und w a s w ar an diesem Untergange schuld ?Wes
.

wegen mußte der hohe Flug d e s Geist e s so bald e rlah


?
men War es ein I karusfl ug in allzu große Sonnennähe ?
H atte m an zu sehr dem Unmöglichen gelebt ? Hatte
man d ie Wirkli chk e it ganz aus den Augen verloren ?
H atte m an d a s Ideal zu hoch erschaut ? Od e r litt und
Gli d r ng e e u d er roman tis h n B w g ng
c e e e u 71

duldete man zu sehr unter der Qual des Nich tv e rst an


d en w erd e n s ?Fühlte m an sich einsam und verwaist ,

und war es Verzicht un d Resignation was die Roman ,

tiker dazu veranlaß te ihren alten Idealen un d Ziel


setzungen untreu zu werden ?Vielle icht aber w uß te n
,

sie es selber nicht daß sie sich wandelten und was mit
,

ihnen geschah S ie glaubten noch Wegführer in eine


.

neue Zukunft zu sein als sie schon längst wieder die ,

altgewohnten oft betretenen Bahnen wandelten


, .

In der Tat die B ildungsziele un d K ult urid eale der


,

Romantik reichten so hoch hinauf d aß sie dem Alltags ,

menschen unzugänglich bleiben muß ten D ie A u f .

klärung bildete hinab D ie Id een welche sie entwickelte


.
, ,

sollten mit dem g e sunden M e n sch e n v e rst an d e erfaßbar


sein D ie Romantik bildete hinauf Aber das Ideal
. .

höchster Geisteskultur das sie aufstellte un d die große


, ,

Sinngebung die sie am Leben vollzog konnten nur für


, ,

die Gebildeten die Intell i genz für die geistigen Men


, ,

schen etwas bedeuten der großen Menge mußte es un ,

verständlich bleiben un d die Romantik hatte im Grunde


,

auch keine Liebe f ur diese große Menge S ie hatte eine .

große Liebe für die Einzelnen für die S eltenen und ,

Ungewöhnlichen aber allem D urchschnittlichen un d


,

Trivialen gegenuber f uh lte sie die Li e beskraft ihres


Enthusiasmus e rlahmen Die romantische Bewegung .

war niemals von der breiten Masse getragen un d konnte


wohl schon deshalb nur kurzen Bestand gewinnen S ie .

kon n te sich nicht in d as L eb en hineinbauen Ihr Reform .

werk scheiterte an der Größe de r Forderungen Was .

sie ersehnte und forde rte war vielleicht einer ferneren ,


Zukunft vorbehalten sie aber wollten d as was der un


, ,

endlichen Entwicklung gehörte schon j etzt in das L e ,


72 I . D ie roman tis h B w g g
c e e e un

ben h in ein bild en un d das Endliche uber sich hinaus


führen D ie erste Resignation mochte dann zuerst da
.

hin führen das was m an als noch bevorst e hend gedach t


, ,

hatte d as große Reich unive rsaler B ildung und die Wirk


,

sam ke it an und in diesem Reiche auf eine ferne Zukunft ,

zu verschieb e n Es wird einmal ein e Zeit kommen so


.
,

hieß es bei Friedrich von S chlegel die wird e rkenne n , .

w as die Romantik gewollt hatte S ie wird erkenn en .


,

wie alles g e meint war Diese Z e it wird d e n Geist der


.

L u c in de ni c ht mehr als frivol und unrein sondern als ,

den G e ist einer höheren S ittli chkeit empfinden Und .

d ie R o m an t ike r kommen dem großen Mißverständnis


'

der Zeitgenossen g e g e nüb e r immer mehr zu de r Ein ,

sicht daß sie doch wohl auf sofortige oder baldige Um


,

bildung des Wirklichen verzichten müssen daß sie nichts ,

anderes sind und sein konnen als die weit vorgeschobenen


Pioniere einer geistigen Ma c ht daß ihre Aufgabe in der ,

H auptsache darin besteht der Zukunft neue Bildungs ,

aufgaben zu s tellen D ie Bej ahung des V o rlä ufig en un d


.

der Verzicht auf sofortige Zi e lerfüllung fuhrt dann


schlie ß lich zur Bej ahung des Alten D ie romantische .

Seele fühlt sich nicht stark genug noch weiter d a s Un ,

mögliche zu begehren und gleitet zurü ck in d ie A rm e


der Tradition Die Z ukun f t sseh n su ch t wird zur Sehn
.

sucht na ch d em Ve rgangenen und die Romantik wird .

reaktion ä r .

W e nn w ir d ie Romantik in eine Z e it sch o p f erisch er


Geisteskultur und eine Z e it des V e rfalls z e rlegen so ,

gibt es Romantik e r die ganz d er e inen od e r ganz der


,

andern angehört e n Novalis nur der schöpf e rischen


.

F rü h ro m an t ik Er lebte und starb mit ihr Brentano


. .

und Arnim der Zeit des Niedergange s Fri e drich von .


74 I . D ie roman tis h B w g ng
c e e e u

klaren S ie versuchte allen Formen und Inhalten des


.

Lebens einen künstlerischen S inn z u geben und d as ,

Ideal der Bildung und der Persönlichkeit als des ge „



bildeten Menschen wie es zuerst von ihnen aufgestellt
,

w ird ist vor allem durch den ästhetischen Wert geweiht


,
.

Der Religion war die Romantik ursprünglich nur


wenig zugewendet S ie war von ihr nicht so un m itte l
.

bar ergri ffen w ie von der K unst und der Philosophie ,

die ihr in so großen Meisterwerk e n aus der eigenen


Kultur entgegentraten Erst durch Schleiermacher .

wurde die Religion de r Romantik nahe gebracht und ,

d a s geschah au f dem Umwege durch d as ästhetische


Ge f uh l Schleiermacher löste von der Religion alle die
.

Vorstellungen ab die das theoretische Bewußtsein an


,

sie herangetragen und die zu Dogmen erstarrt und ver


dichtet waren und ebenso alle Forderungen die das
, ,

s ittliche Bew ußtsein mit ihr verbunden hatte Er zei g te .


,

daß die Religion ein eigenes Leben führe auch unab


hängig von dem sittlichen F reiheitswillen mit dem sie ,

Kant in der Kritik der praktischen Vernunft so eng


v erbunden hatte Und so blieb nichts zurück als d as
.


fromme Gefühl der Abhängigkeit dem er einen ,

ä sthetischen Zauber verlieh und das die Romantiker


alle in sich selb e r verspürte n und tief empfinden konn
ten S o gewann die Religion immer mehr an Be
.

deutung für ihre ganze Lebensanschauung An die .

Stelle des Primats der ästhetischen Vernunft der für ,

das Erwachen der romantischen Bewegung so b e z eich


n e n d war ist dann immer mehr der Primat der reli
,

g iö se n Vernunft getreten Urspr ü nglich galt die


. Reli
gion wohl als ein notwendiges Element der Bildung ,

abe r keineswegs als d a s Entscheidende De r Weg der .


Das P rogr mma d er Roman tik 75

Kunst und der Philosophie erschien vor allem geeignet ,

das höchste B ildungsziel zu erreichen Sp ä ter aber .

gilt die Religion nicht nur als ein Teil der Bildung als ,

e in Glied der Menschheit sond e rn als das Zentrum des


,

g e samten B ild un g sleb e n s Die Religion ist überall das


.

Erste und Höchste das schlechthin Ursprüngliche


,
.

Auch die Liebe ist religiös sofern sie auf das U n e n d


,

liche abzielt .

D as P ro g r a mm der R o ma n t i k
Das Ziel der romantischen Bewegung war die Er
neuerung des geistigen Lebens die Begr ü ndung einer ,

n euen Geisteswelt Dieser Reformgedanke wächst ga n z


.

von innen heraus aus einer neuen S chau der Welt und
,

des Lebens Es handelt sich um die Weltanschauung


.

des deutschen Idealismus um die Gedanken unserer ,


'

großen Denke r um die Gestalten sch au unse rer großen


,

Dichter die in allen Gebieten der Kultur und des Lebens


,

zur H e rrschaft gebracht w erden sollten D a s Zeitalter .


der „ V e rn un f tkun st wie es Fichte in den „ Grundzügen
,


des gegenwärtigen Zeitalters bezeichnet hatte stand ,

nahe b e vor Alle Verhältnisse sollten mit Freiheit nach


.

der Vernunft einge richtet w e rden Die Vernunft ist .

das Vermögen der Ideen wie Kant sie bestimmt h at


,
.

So galt es denn all e V e rh alt n isse des Lebens der Natur ,

un d Kultur mit Ideen zu durchdring e n die Natur zu ,

verge i stigen und S inn und geistigen Gehalt mit allen


Dingen zu verbinden .

Was in den Werken der großen deutschen Denker


u n d Dichter no c h ein unverstand e n e s Leben führte d as ,

wollt e die Romantik dem deutschen Volke vermitteln .


76 I . D ie rom antis h B w g ng
c e e e u

Jene wollte sie durch die romantische Theorie z um Ver


st ä n d n is ihres Schaffens führen diesem das Neue Groß , ,

gescha ffene verständlich machen So waren sie „ p op u .


lä r im besten S inne des Wortes indem sie die Men ,

schen zu sich h e rau fb ild e te n ohne zu ihnen h e rab z u


,

steigen Es galt die Versöhnung von Ide e und Leben


.
,

von Id e al und Tun die große V e rn un f t o rd n un g welche


, ,

die Philosophie erkannte und die Dichtung und Musik


verherrlichte sie sollte auch im Leben zur H errschaft
,

geführt w e rden Die Ding e sollten von der Vernunft


.

ge le itet nach der Vernunft geordnet s e in Alle Ver


, .

h ä lt n iss e sollten vergeistigt d h vernunftgemäß g e


, . .

formt un d v e ride alisie rt oder romantisiert d h mit


, ,
. .

neuem S inn und Wert mit neuem geistigen Inhalt er


,

füllt werden .

Bei dieser allgemeinen Forderung blieben die Roman


tiker aber nicht stehen sondern entwickelten ihr Pro
,

gramm für die verschiedenen Kulturgebiete In erster .

Linie lag ihnen das Gebiet der absoluten Werte der ,

Kunst Philosophie und Religion am He rzen die wir


, ,

j a auch im engeren S inne als die eigentlich schöpfe


rischen Kulturwerte bezeichnen mussen jene Werte , ,

für die sich Thomas Mann in den Betrachtungen eines



Unpolitischen einsetzt und deren Untergang Spengler
verkündet Aber au ch für das Gebiet des gesells chaft
.

lichen politis ch e n staatlichen L ebens werden pro


, ,

grammatische Fö rd erun g e n erhoben Und die wich .

t ig st e und entscheidendste Forderung welche die R o ,

mantik erhebt ist die Forderung absoluter Synthesen


,
.

Nach ihrer Deutung und Auffassung war das Mittel


alter ein großes synthetis ches Zeitalt e r gewesen Das .

ist es w a s sie ganz in erste r Linie am Mittelalter be


,
Das Prog amm
r d er Roman tik 77

wundern und ihre Sympathie fu r diese Zeit erweckt .

Damals ruhte alles geistige Leben in der Einheit des


religiösen Wertes Von der Idee der Religion ging eine
.

H eiligung und Verklärung der Kultur und der Lebens


verhältnisse aus In den religiösen Ide en fand die Kunst
.

einen schönen und tiefsinnigen Inhalt für großen


künstlerischen Ausdruck Die Idee der Ordnung und
.

der Tradition wurde g epflegt und das L eben der Men


,

schen war auf Verehrung Bewunderung und Andacht


,

gerichte t Kritik und Beu rteilung war die Sache weniger


.

würdiger Menschen Der Geist der großen Masse war


.

damals noch nicht m ü ndig gesprochen .

Andererseits war die H errschaft des mittelalterlichen


Geistes auf d ie Dauer schwer zu ertragen weil er zu ,

einer einseitigen Unterordnung anderer Kulturformen ,

so besonders der Philosophie und Wissenschaft ge -


,

führt hatte weil die Autonomie die Selbständigkeit und


, ,

Fr e iheit der Menschen schweren Schaden litt und so ,

hohe W ert g eb iet e des Lebens wie etwa das Gebiet des
,

Geschlechtslebens wegen ihrer notwendigen Beziehung


,

zur S innlichkeit von den führende n Geistern des Mittel


alters gering geachtet und mehr entschuldigt und ge
duldet als positiv g e wertet wurde So hat dann erst die .

Renaissance die S innlichkeit geadelt und die Kunst zum


Leitstern des Lebens gemacht Gl e ichzeitig befreite .

sich die Wissenschaft von der Vorherrschaft des theo


logischen Geistes und das Ideal einer universalen Per
sö n lich ke it wurde aufgestellt die in ihrer S innenfreudig
,

keit auch dem Übersinnlichen l eben konnte und die von


d e m mittelalterlichen Id e al der Abge s chiedenh e it von
de r niedrigen Frau Welt weit entf e rnt war Auch .

d e r Protestantismus wird in diesem Ge d an ke n z usa m


78 I . D ie roman tis h B w g g
c e e e un

von der Romantik durchaus gew ü rdigt H at


m e n h an g .

er doch das Prinzip der persönlichen Freiheit sehr viel


reiner und mächtiger hervortreten lassen und die Be
freiung von altem D o g m en z w an g angestrebt .

Aber mit der Renaissance der Reformation und dem ,

Humanismus beginnt ein analytisches Zeitalter das ,

schließlich zu einer schweren Erschütterung der Kultur


geführt hat Diese Bewegung hat in der Aufklärung
.

ihre äußerste Form erreicht Es kam zur Herrschaft .

des gesunden Menschenverstandes zur Ablehnung aller ,

Tradition sozialer Bindungen und Verpflichtungen


, ,

zur rücksichtslosen Kritik Der religiöse Geist wurde


.

unter die Aufsi cht des Verstandes und de r Moral gestellt


und auch die Kunst moralisiert und in t ellektualisiert Die .

Kritik richtet e sich schließlich gegen den Verstand als


Prinzip der Kritik und so drohte alles in Grund und
,

B oden zu versinken Dazu kam noch die Kritik des


.

moralischen sozialen und politischen Lebens die dann


, ,

schließlich zur Revolution führte So ist das Zeitalter .

de r Aufklarung das atomistische Zeitalter dem die An ,

dacht gegenüber der Autorität des Geistes fehlt das ,

Zeitalter de s bloßen Spezialistentums der Leere der , ,

Gedankenlosigkeit und des Mechanismus der Einseitig ,

keit der Vernunft und Ideenlosigkeit oder w ie


, ,

Fichte es genannt hat das Zeitalter der vollendeten


,

Sündhaftigkeit .

Nachdem die große Philosophie und Kunst der Deut


schen die überirdische Welt das Leben d er Vernunft ,

und des Ge istes und d as Prinzip der wahren Freiheit


neu entdeckt hat gilt es nunmehr in Kultur und Leben
,

die absolute Synthese zu vollziehen un d das getrennte


geistige Leben neu zu einen und z u verbinden die Ord ,
Das Programm d er Roman tik 79

nung des geistigen Lebens neu aufzubauen un d im


Leben und Dasein fest zu verankern und sicherzustellen .

B e i dieser Neuordnung des geistigen Lebens muß abe r


der Zwang der alten Autorität die durch Gesetz und ,

Dogma herrscht e vermieden werden An die Stelle von


,
.

Gesetz und D og rn a soll Versöhnung und Liebe treten ,

und das Prinzip der Autorität soll ein für allemal


durch das Prinzip der wahrhaften Freiheit abgelöst
werden Das Allgemeine soll nicht mehr herrschen als
.

die Macht des Gesetzes das von außen her d ie Indi,

v id uen bestimmt und alle geistigen Güter einem dogma

tischen Prinzip zwangsweise unterstellt sondern als ,

V e rn un ft id ee die von innen her die Se e le gewinnt und


,

ergreift als unsichtbare nicht als sichtbare Macht als


, , ,

ein Ganze s das die Teile in sich schließt und vereinigt


, ,

ohne daß eine wertvolle Form der Kultur un d des


Lebens auf Kosten de r anderen erniedrigt un d beleidigt
würde .

Somit tragt das Kulturprogramm der Romantik wie ,

es ursprünglich aufgestellt wurde keinen reaktion ä ren ,

Charakt er Es handelt sich nicht um Rückkehr in d ie


.

alten Heiligtümer sondern um einen neuen Aufbau


,

des Geisteslebens in dem Fr e iheit und Notwendigkeit


,

v e rsöhnt sein sollten .

So soll etwa zunächst einmal die Einheit und Syn


these auf dem t h eo re th isch e n Gebiet des Denkens her
gestellt werden un d d a ist vor allen D ingen de r Gegen
,

satz zwischen Philosophie und Erfahrungswissen


sch ä ften zu überwinden Als die Wissenschaft von .

griechischem Geist gescha ff en wurde best and ein enges ,

Band zwischen Philosophie und Wissenschaft Da .

mals gehörten Mathematik und Naturwissenschaft noch


80 I . D ie romantis h B w g ng
c e e e u

zur Philosophie S e it dem Mittelalter hat sich die


.

Wissenschaft immer mehr von der Philosophie ab


gelöst zuerst die Math e matik und r e in e Naturwissen
,

schaft zuletzt die Biologie und Ch e mie Diese zerrissen e


, .

Verbindung muß wied e r hergest e llt werden denn d ie ,

Trennung ist zum Schaden der Philosophie und Wissen


schaft erfol gt Die Wissenschaft soll wieder zurück
.

genom men werden in die Philosophie aus der sie ge ,

boren ist Ein kontinuierli cher Zusammenhang soll


.

zwischen den e inzelnen Wissensgebieten und der


\Nissen sch a f t von den höchsten Prinzipien der Philo , _

sO p h ie wieder hergestellt werden


,
Die Ablösung der .

Wissenschaften von der Philosophie im Mitt e lalter w ar


vollkommen berechtigt denn damals war die Philo
,

S Op h ie der Theologie gegenüber zum dienen verurteilt .

Darin lag eine G e fahr für den wissenschaftlichen Geist .

Nachd e m nun aber d ie Philosophie wieder zur selb


ständigen Würde und Unabhängigkeit gelangt ist ,

steht e iner Neuv e rein ig un g und Ve rbindung von Philo


sophie und Wiss e nschaft kein H indernis mehr entgegen .

Getrennt von der Philosophie läuft die Wissenschaft


Gefahr ihr wahres Ziel und d a s Vernunftprinzip au f
, ,

das sie aufgebaut ist aus dem Auge zu verli e ren Ge


,
.

t rennt von der \Nisse n sch a f t der Erfahrungswelt und ,

de r Geschichte läuft die Philosophi e Gefahr das Ver ,

h ä lt n is zur Konkretheit zu verlieren Dies e r Bund .

zwischen Philosophie und Wissens chaft kann auf da s


engste geschlossen w e rden unbes chadet der v e rschie
,

denen Gesichtspunkte der Betrachtung die in Philo ,

sophie und Wissenschaft zur Anwendung gelangen denn ,

die Philosophie erschaut alles sub specie ae te rn i ,

während die Wissenschaft die Ve rn un f t id ee n in ihrer


82 I . D ie roman tis h B w g ng c e e e u

der Kunst widerstrebt der strengen S cheidung un d Son


derung zwischen lyrischen epischen un d dramatischen ,

Kunstformen in der Dichtung Diese Scheidunge n schie .

z u konve n tionell u n d zu äußerlich zu sein un d


'

n en

dem wahr e n Wesen der Poesie nicht zu entsprechen .

Augenscheinlich gibt es doch dramatische Kunstwerke ,

die mehr der lyrischen Form und Epen die mehr der , ,

dramatischen Form sich nähern Und d as lyrische Ge .

dicht strebt in de r Ballade der epischen Form z u In .

der wahrhaft poetische n Dichtung in der T ran szen ,

d e n t alp o e sie m uß eine Vereinigung und innige Verbin


dung dieser verschiedenen F o rm e lem en te gesucht w er
den Werke wie Faust und Wilhelm Meister schienen
.

den Romantikern in diesem S inne universale Dich


tungen zu sein die alle Elemente der Poesie ver
,

einigten .

Auch zwische n den einz e lnen Kunsten bestehen


Übergänge un d Verwandtschaften In dem Aufsatz .


„ die Gemälde der von August Wilhelm von S chlegel
,

und Karoline h e rruh rt heißt es : „ Und so sollte man die


,

Künste wiede r einander nähern un d Übergänge a us


einer in die andere suchen Bildsäulen bilden sich .

vielleicht zu Gemälden Gemälde werden zu Gedichten


Gedichte zu Musik un d wer weiß ?so eine herrliche
, ,

, ,

Kir chenmusik stiege auch manchmal wieder als Tempel


in die Luft . H ier liegt augensch e inli ch die V o rste l
lung zugrunde daß d ie verschiedenen Kunstformen sich
,

kreisförmig zusammenschließen un d in der genannten


Reihenfolge sich ablösen Es gibt auf j eden Fall Uber
.

g g
an s f o rm e n in der Kunst wie e twa plastis che Malerei
,

und malerische Plastik D iesen Übergangsformen ist


.

das Interesse der Romantiker in besonders hohem Maße


D as Programm d er Roman tik 83

zugewendet Gerade in den Werken der g roß ten


.

Künstler ist nicht selten der Geist einer anderen Kunst


zu spüren Malt nicht Michelangelo wie ein B ildhauer
Ra ff ae l w ie ein Architekt und Correggio w ie ein Musiker ?
.
,

Und gewiß sind sie darum keine schlechteren Maler als


Tizian der bloß Maler war Auch für die Dichtkunst
, .

scheint ähnliches zu gelten Lebt nicht in den rö .

mischen Elegien der Geist der Plastik un d gibt es nicht


Dichtungen die sich a uf das engste mit der Musik be
?
,

rühren
Ande rseits ruft die gotische Architektur in uns un
mittelbar die Gedankenverbindung mit der Musik her
vor Tieck hat die gotische Architektur als gefrorene
.

Musik bezeichnet So neigen sich Musik Poesie Ma


.
, ,

lerei Plastik und Architektur einander zu S ie fließen


, .

häufig ineinander übe r D a s Poetische kann einen


'

p lastischen das Musikalische e inen architektonischen


,

Ausdruck finden Es gibt malerische Plastik und p la st i


.

sche Malerei Und der Wert des Werkes erleidet da


.

durch keine rlei Abbruch .

Besonders Tieck hat immer wiede r dieses Übergehen


der einen Kunst in die ande re betont Seine poetischen .

Werke selber sind eine bunte Mischung des Lyrischen ,

Epischen und Dramatischen Und ganz besonders reizte .

ihn das Problem des Überganges und Übergehens aus


der Sphäre des W o rt ausd rucks in die Welt der Tone .

Wenn die Steigerung der Empfindung un d des Ge füh ls


ihren höchsten Grad erreicht dann versagt das Wort , ,

und nur die Tonfolge Rhythmus und Melodie Ton , ,

stärke und Tonhöhe vermögen dann n o ch e in Aqui


val e n t für das Gefühlte Erwartete und Geliebte zu sein


'

.
,

Süße Li ebe denkt in Tönen d e nn Gedanken steh n zu ,


84 I . D ie romantis h B w g g
c e e e un

fern Wir konnten uns auch denken d aß der tiefste


.
,

Schme rz etwa der S chmerz uber den Tod eines ge


,

liebten Menschen nur noch in Musik faßbar ist H ier


,
'

gibt es dann nur noch Verstummen oder musikalischen


Ausdruck D iese Auffassung wird von Tieck in der
.

„ Verkehrten Welt noch dahin erweitert d aß Wort ,

klang Symbol und Rhythmus in der Sprache auch die


,

M öglichk e it besitzen rein musikalisch z u wirken in , ,

dem die Plastik des Ausdrucks beseitigt wird un d das


Tönende und Klingende die Vorstellungsbilde r z uruck
drängt Wie e s wäre nicht erlaubt in Tonen zu
d e nken und in Worten und Gedanken zu musizieren ?
.
„ , ,

O wie schlecht wäre es dann mit den Künstlern b e


stellt Wie arme Sprache wie ä rmere Musik " Denkt
.
,

ihr nicht manche Gedanken so fein so geistig daß , ,

diese sich aus Verzweiflung in Musik h in ein re tt en


nur um Ruhe endlich zu finden ?Ach ihr lieben Leut e
,

, ,

d as meiste in der Welt grenzt weit mehr aneinander ,


als ihr es meint .

In Zerbino wird dann weiter d as Verhaltnis zwischen


dem Reich der Töne und dem Reich der Farben betont .

So etwa wenn Tieck die Flöten sprechen l ä ßt : „Unser


,

Geist ist himmelblau führt dich in blaue Ferne Uber ,


.

all in der Romantik die Betonung des Analogen zwi


sch e n den Künsten des unmerklichen Überganges der ,

einen in die andere .

Aus diesem G e danken der Verbindung und V e r


schmelzung d e s Überganges und der g egenseitigen
,

Durchdringung ist dann auch s chli e ßlich die Id e e des


Ge sam t kun st w e rke S hervorg egangen in dem alle Künste ,

sich zu einer Gesamtwirkung verbinden sollten und d ie


in dem Musikdrama von Richard Wagner ihre vor
Das Progr mm a d er Roman tik 85

laufig e Erf ü llung fand Es lag hier die Vorstellung


.

zugrunde d aß die Künste durch ihr Zusammenwirken


,

n otwendig eine Steigerung des Gesamteindrucks hervor

rufen m üßten vielleicht schon aus der Erwägung her


,

aus daß j e mehr S inne gereizt und durch den kunst


, ,

le risch e n Ausdruck berührt werden um so größer auch ,

die Wirkung a uf G em ü t und Seele sein müsse .

Diese Ausführungen der Romantiker die auch hier ,

zur Forderung der Synthese führen sind ebenso inter ,

e ssan t wie diskutabel E s ist zum mindesten sehr


.

zwei felhaft ob die gleichzeitige Inanspru chnahme


,

mehrerer S inne durch d as Gesam tkunstwerk den wahr


haft künstlerischen Eindruck erhöhen kann ob 2 B , . .

die Oper notwendig ei nen größeren seelischen Eindruck


machen m uß als die Kammermusik Und so fe in der .

Gedanke ist daß der Geist einer anderen Kunst zu den


,

Na ch b a rkü n st en Zutritt finden kann so der Geist der ,

Plastik in der D ichtung oder der Geist der Musik in der


Architektur so lieg t doch auch f ü r die Kunst wiederum
,

eine Gefahr in dem Einlassen des and eren Geistes ,

nämlich dann wenn man ihm zu viel Raum gewährt


,

un d dadurch das Ausdru cksmittel welches für die be ,

stimmte Kunstart entscheidend ist das Wort der Ton , ,

oder auch die Farbe zu seh r an eigentümliche r Form


,

und Ausdru ckswert verliert So hat d as musikalische


.

Z e rfl ieß en lassen des W o rta usd rucke s die Um formung ,

des Wo rtes nach der Se i te des bloßen Tönens hin und


seine Ve rwendung als bloßes Klangmittel den ä st h e
tischen Wert der romantischen Dichtung geschädigt .

Die Absage an eine bestimmte Form wird in der Regel


z ur Schwächung des künstle rischen Ausdruckes führen ,

weil die relativ entgegengesetzten Fo rm w e rt e und Form


86 I . D ie romanti s h B w g ng
c e e e u

element e sich in ihrer Wirkung schließlich aufheben


und zum Unbestimmten und Chaotischen führen .

Wi r verst e hen die Sehnsucht der romantischen S eele ,

ihr großes Allh e it serleb n is auch allseitig zum Ausdruck


zu bringen D as unbestimmte A llg ef ü h l d as sie be
.
,

see lt e g ab dem Romantiker seine S chönheit und seinen


,

Zauber in der Sphäre der zuständlichen Werte Wo .

es sich um den Wert der Liebe und Freundschaft um ,

das Verständnis für Natur und Kunst sowie um die ,

anderen L ebenswerte handelte ma chte ihn diese All ,

seitigkeit groß Aber der Irrtum der Romantiker lag


.

wo h l darin daß sie verm e inten d as A llein h e it serleb n is


, ,

könnte dur c h allseitige Mitt e l i n einem Werk ob jek


t iv iert und zur Darstellung gebrach t werden Jede gegen .

st ä n d lich e Leistung erfordert eine gewisse Distanzierung

und Di fferenzierung gegenüber dem Erlebnis S ie be .

deutet einerseits eine Ablösung vom Individuellen und


andererseits eine D i fferenzierung der ursprünglichen
Erle b n isein h eit Das A llh e it se rle b n is das gro ß e Wert
.
,

erlebnis in dem wir ganz und ungeteilt sind un d darin


,

unser innerstes Wesen ruht kann al s solches nicht dar ,

gestellt werden kann sich niemals ganz in Leistung


,

umsetzen Auch die Allseitigkeit sämtlicher Kunst


.

formen und Kunstmittel vermö chte dies schöne Ein


h e its und Gan z h e itse rleb n is nicht zu o ffenbaren wie ,

das g ä nzlich Unbestimmte und Irrationale d a s All des ,

N i chts sich überhaupt j eder adäquaten Formgebung


,

entzieht Wollen wir zur Leistung übergeh e n so sind


.
,

wir b e reits einer bestimmten Wert sphäre zugewandt ,

so etwa der künstlerischen inde m wir den ast h e tisch e n ,

Wert anerk e nnen Von dem ästhetischen W e rt e rleb n is


.

aus ergibt sich dann weiter die Notwendigkeit der


Das P rogramm d er Romantik 87

D istanzierung die nur in bestimmten Formen sich voll


,

ziehen kann Z ust an d sg em ä ß vermag ich wohl in ver


.

schiedenen Welten zu wohnen u n d das Reich des S chönen


mit dem der Erkenntnis unmittelbar zu vergleichen so ,

bald es sich aber um Leistung und Schöpfung handelt ,

muß i ch immer einer bestimmten Welt zugewendet


sein wel che durch die besondere Gesetzmäß igk e it ihrer
,

eigentümlichen Formen beh e rrs cht wird D ie Leistung .

bedeutet immer eine teilweise Überwindung d e s b l oß



Individuellen zugunsten des Überindividuellen unter
Aufgabe des Persönlichen .

D ie künstleris che I n t iut io n des Ge nius kann die ganze


Metamorphose der Kunst durchlaufen die von den ,

Romantikern in ihrer Theorie anerkannt wird D ie .

plastische Form die er schaut kann sich mit leu chten


, ,

den Farben um h ulle n D ie Symphonie der Farben kann


.

z u einer Symphonie der Töne werden un d Rhythmus


,

un d Melodie konkretisieren sich z um Wohllaut des


V\ o rt es So l l s ich die Intuition in eine be stimmte
'

Leistung umsetzen so ist wiederum d ie H inwendung


,

zu einer bestimmten Kunstsphäre erforderlich Der .

künstlerische Erlebniswe rt widerstrebt der Formung


durch alle m o g lich en Mittel einer gleichzeitig musika
,

lisch e n und plastischen Behandlung Und wäre auch


.

die Verwendung allseitiger Mittel moglich so könnte ,

de swegen das künstlerische A llein h e itse rleb n is doch


nicht zum Ausdruck gebracht werd e n Augenschein .

lich wollte die Romantik j ene unendliche Fülle die sie ,

belebte auch in unendlicher Fülle wiedergeben und o h


,

jekt iv ie re n in künstlerischer Anschauung Ab e r d ie .

Mittel sind ein für allemal begrenzt un d konnen d em


Reichtum der Se e le nicht genügen D ie Erleb n ise in.
_
88 I . D ie roman tis h B
c e e we g g
un

heit kann in ihrer Fulle nich t h in a usp ro jiz iert werd en .

S ie ist an die Dürftigkeit der künstlerischen Ausdrucks


mittel gebunden Das A lle in h e itserleb n is in seiner Fülle
.

vermag auch durch die größte gegenständliche Leistung


nicht zum Ausdruck gebracht zu werden Die s e elische .

Fülle ist immer sehr viel mehr als der Reichtum der
äußeren sinnlichen Anschauung in welche das Erlebnis ,

in der künstlerischen Darstellung eingehen soll .

Zu dieser neuen großen Kunst welche die Roman ,

tiker forderten un d ers e hnte n ist ein neuer kü n st le ,

risch e r Typus e rforderlich nämlich der bewußte roman


,

tisc h e Künstler In j ed e m großen Kunstwerk muß der


.

ursprüngliche Gegensatz von Form und Inhalt gelöst


und zu einer vollkommenen Einheit gebracht sein D as .

Unendliche das im Kunstwerk zur Darstellung ge


,

bracht ist ergreift den ganzen Menschen In j ener


, .

e ig en t um lich e n Einstellung dem Kunstwerk gegen ü ber ,

die wir a ls den ästhetischen Zustand bezeichnen ist der ,

Mensch in der Totalität seine r Gemütskräfte zugegen .

H ier wird weder die Einbildungskraft dem Verstande ,

noch der Ve rstand der Einbildungskraft untergeordnet .

Und so vermag das Kunstwerk zu beseligen und zu be


glucken weil es uns keinen Zwang antut sondern
, ,

unsere Gemütskr ä fte in ein harmonisches Spiel ver


setzt Es wendet sich an den ganzen Menschen und
.

vermag ihn ganz zu beglücken D iese Wirkung vermag .

nur der bewußte Künstler zu erzielen Er vermag uns .

in j enen ästhetischen Zustand zu versetzen in d em der ,

Mensch ganz und ungeteilt in der Fülle seines Wert


lebens vorhanden ist Der Mensch ist nur dort ganz
.
,

wo er spielt wo d e r kun st le risch e Tri eb oder d ie kün st


,

le risch e Wirkung ihn erfüllt Sonst ist der Mensch im .


90 I . Die rom n tis h B w g ng
a c e e e u

Deutungen die sie allen Ersch ei


v e rst a n d n isv o llen ,

nungen des Lebens und der Kultur zuteil werden


ließen um jene S in n g eb un g en die sie an allen
, ,

Dingen und Gegenständen vollzogen und d ie darauf


hinaus liefen d a ß nichts Lee res und Kaltes zurück
,

bleibe . S ie erhoben die Forderung eines philo


so ph is ch en Kunstwerkes un d einer künstlerischen
Philosophie . D ie Nat urp h i10 3 0 p h ie Schellings mit
ihren großen Natursymbolen mochte ihnen als kunst
le risch e Philosophie Faust mit dem Reichtum seiner
,

philosophischen Gedanken als philosophisches Kunst


w e rk gelten Der O f t erd in g er von Novalis in seiner
.

e igentümli c hen Verschmelzung von Kunst un d Philo

sophie mochte wohl dem Programm der Romantik am


meisten entsprechen ist aber selber nichts Vollendetes
, ,

sondern auch eine Art Programm geblieb e n .

Die paradoxe Forderung der Romantik daß alle ,

\Nissen sch a ft Kunst und alle Kunst Wissenscha ft


w e rden solle rechnete mit dem philosophisch kü n st
,
-

le risch en Charakter der Zeit und mit der Tatsache d aß ,

unsere großen D ichter ein bedeutendes philosophisches


und wissenschaftliches Verständnis besaßen un d Philo
s o p h en wie Fichte S chelling und S chleiermacher von
,

künstl e rischem G e ist erfüllt waren D ie Romantik wendet .

sich gegen eine gedankenarme D ichtkunst und eine ab


s t rakt scholastis c he Philosophie
-
Sie betont die kün st
.

lerisc h e Darst e llung als W e rt m om e n t auch für die philo


so p h isch e Leistung D ies Paradoxon der Romantik
.

konnte für die exakte wissenschaftliche Betra chtung ge


f ä h rlich werden und ist es auch tatsächlich g e worden .

Trotzdem lag ihm e twas Ber echtigtes zugrunde vor allem


in dem Gedanken der Ann ä herung un d der Aufweisung
Das Programm d er Roman tik 9 1

bedeutsamer Z w isch e n g eb iet e wo der P li ilO$ 0 p h au ch


,

Künstler und der Künstler auch Philosoph sein muß .

In seinem Bestreben den ästhetischen Wert als


,

h o ch st e Einheit des geistigen Lebens aufzuweisen ver ,

suchte Novalis zu zeigen daß alles wertende T un ur


,

sp rü n g lich Kunst war und daß die höchsten Begriff e

un d Ide e n mit welchen es Wissenschaft un d Moral zu


,

tun haben einen ästhetisch e n Charakter tragen Alle


,
.

\Nissen sch a f t bedarf zu ihrer letzten teleologischen B e


gründung gewisser Ideen oder Werte Alle Wert .

bildung ist aber ein Produkt der Einbildungskraft ,

denn der künstlerische Geist ist der Urheber aller Id e en


un d Ideale Das gilt sowohl für die Materie als einer
.

Idee der Naturwissenschaft wie auch für das U n en d


liche als einer Idee der Mathematik Auch die wich .

t ig st e n Begri ff e der Morallehre sin d poetischer Natur .

S o ist etwa nach Novalis die Wahlfreiheit eine ä sth e


tische Idee S ie bedeutet das Ideal der Alleswollun g
. .

Ebenso ist d as Böse ein poetischer B egri ff D a s B öse .

ist nichts Wirkliches sondern e ine notwe ndige Illusion


, ,

die dazu dienen soll das sittliche Ideal des Guten


,

stärker hervortreten zu lassen Auch S chmerz H ä ß


.
,

lich ke it l rrt um un d Disharmonie haben k eine reale


'

Bedeutung Sie sind Illusionen und lediglich aus der


.

Magie der Einbildungskraft zu erklären .

So ruht alles geistige Leben un d alle Kultur im Grunde


genommen auf poetischen Vorstellungen auf Fikt ionen ,

und Ideen un d die romantische T ran sze n de n t alpo e sie


, ,

welche die neue groß e Kultureinheit begründen soll ,

umf aßt nach der Auffassung von Novalis d ie gesamte


W e lt des Geistes Um diese Welt zu formen be
.
,

darf der Dichter des Symbols das ausdru cksvoll be , ,


92 I . D ie romanti h B w g ng
sc e e e u

d e utsam un d weit genug sein muß um die entlegensten ,

Dinge zu ve reinigen und zu verbinden D as S y mb oli .

sieren ist eine beziehende Funktion welche die un ,

e ndliche Mannigfaltigkeit der Anschauung durch kunst

le risch e Formgebung überwindet D ie künstlerische .

Tätigkeit die in S ymbolen sich kundgibt bedeutet ihrer


, ,

seits dann wieder eine Ob jekt isierun g und Darstellung


des eigenen Ichs Alle Symbole durch die der Künstler
.
,

bemüht ist die Mannigfaltigkeit de r Dinge zu ver


,

binden und ihren geh e ime n S inn zu enthüllen sind Dar ,

stellungsformen des Ich Transkriptionen des Aller


.

persönlichsten Wird so durch die symbolische Funktion


.

die Einheit des Verschiedenartigen erreicht so ist doch ,

diese Einheit selber die immer wieder von ne uem ge


,

sucht und zum Ausdruck gebracht wird nur ein Symbol ,

der letzten Ziele der Entwicklung ein Symbol für j enes ,

goldene Zeitalter der Seele das im Unendlichen liegt


, ,

da alle Trennung aufgehoben un d H immel und Erde


vereinigt sind .

D ie u n iv ersalist isch e T e n d en z die Forde rung absoluter


,

Synthesen kommt auch auf kirchlich religiösem und p o -

lit isch sozialem Gebiet zum Ausdruck



D ie Romantik .

widerstrebte der Aufteilung der christlichen Kirche in


die katholische und protestantische Durch diese S p a l .

tung und Tr e nnung hat das Christentum sehr viel von


seinem leb e ndigen Geist eingebüßt und ist innerlich ge
schwächt und ze rrissen Vielleicht war diese Spaltung
.

der christlichen Ki rche eine notwendige Übergangs


form zu der wahrhaft universalen Kirche Die katho .

lische Ki rche hat gar zu einseitig das Prinzip des All


gemeinen und der Gebundenheit der Protestantismu s ,

d as Prinzip des Eigentümlichen und d e r Fre iheit betont .


94 I . D ie romantis h B w g ng
c e e e u

Verst ä ndnis f ur das Ganze des V o lke rlebe n s h eraus


verstanden sie die Eigentümlichkeit des deutschen Geistes
un d bestimmten ihm seinen Rang in der Weltgeschichte

und i n der W e lt lite ratur .

Ro man t is ch e Kri t i k
In j eder großen Kulturbewegung konnen wir ein
zerstörendes un d ein aufbauendes Element unter
s cheiden E s muß zum Ausdruck kommen d aß etwas
.
,

Altes nicht mehr gilt un d seines L eb en sre ch te s verlustig


gegangen ist Es soll nunmehr endgültig der Sph ä re
.

des Vergangenen angehören Mag es nun ein Irrtum .

d e r Menschheit gewesen sein oder a ls etwas V o rlä ufig es


betrachtet werden das damals gut und notwendig war
,
.

M it einer ge wissen H e ftigk e it muß der Kampf gegen


dies Alte geführt werden damit es sich nun endlich ,

entschließt von dem Schauplatz seine r Taten zu


,

verschwinden un d damit das Recht des Jugendlichen


und der kommenden Menschheit um so deutlicher her
vortritt Jede große Kulturbewegung ist in ihren An
.

fängen Auflehnung und Empörung gegen das Alte ,

das bisher gegolten hat U n d um das Alte zu ver .


'

nichten und seine H altlo sigkeit aufzuweisen bedarf es ,

der Kritik .

And e rerseits ist die große Kulturbew e gung auf


bauend konstruktiv sie gibt das Neu e das Z ukun f t s
, , ,

reiche d as neue L ebensformen bildet Zumal wenn sie


,
.

so sch o p f e risch und von innen heraus bew e gt ist w ie ,

es die Romantik war Und um das Neue das Gemeinte


.
,

und Geforderte d e utlich zu machen bedarf e s neben der ,


Romantis h Kritik
c e
95

absolut selbst ä ndigen S ch o p f un g die ruhig f ur sich ,

dasteht gleichfalls in hohem Maße der Kritik


, .

Es gibt also eine zerstörende und eine aufbauende


Kritik Die z erst o re n de zerreißt und z e rp fl ü ckt j en e
.

VVe rtg eb ild e die bisher gegolten und z e igt ihre Rück
,

st ä n d ig ke it ihren logischen Widersinn ihr M iß v er


, ,

st ä n d n is ihr feindliches und g e fah rd roh en de s Ver


,

h ä lt n is zur Gegenwart un d den neuen Kulturaufgaben .

Die aufbauende Kritik zeigt das Wer tvolle B e deut ,

same un d Z ukun ft sg e m aß e in den Werken Gestalten ,

u n d Erscheinungen d es vergangenen und gegenwärtigen

Lebe ns .

Die Kritik der Aufklarung war in der Hauptsache


zerstörend Sie hatte den Verstand zum Richter über
.

alle Werte erhoben S ie vermochte die selbständige Be


.

deutung des Kunstwerkes nicht einzusehen und anzu


erkenn e n: Sie verstand es als Nachbildung der Wirk
lichkeit als sinnliche Erkenntnis oder als Mittel der
,

moralischen Erziehung S ie versuchte das sittliche Le


.

ben von dem Prinzip der Einsicht der Vollkommenheit ,

im S inne des A ufg eklä rt se in s der Lust und des Eg o is


,

mus aus zu de uten und zu verstehen S ie sah den W e rt .

der Religion in etwas anderem was ni cht religiöse Id e e


,

und religiösen Wert bedeute n kann nämlich in der ,

theoretischen Erklärung der Natur oder in Postulaten


des sittlichen Lebens und unterhöhlte so die Formen
,

des religiöse n Lebens bis sie kraft und hal t s g ew o r


,

den waren Dem sozialen und politischen Leben geg e n


.

über machte sich in einseitiger Form das Recht des


Individ uums und der Freih e it im S inne der Gle ich b e
rech t i u n
g g un d gl e icher Rechte aller Das e insfo rmen
geltend Und diese s chro ffe und einseitige Kritik die
.
,
96 I . D ie roman tis h B w g ng
c e e e u

schließlich keine Tradition und keine sozialen Bindun


gen mehr anerkennen wollte wandte sich dann schließ ,

lich gegen ihr eigenes Prinzip den leeren bloß re fl ek , ,

t ie re n de n Verstand und verfiel in bodenlosen S kep t i


i m us
z s .

Die Kritik Kants war schöpferisch und z erst o ren d


zugleich Sie zerstörte das D ogma der rationalistischen
.

Philosophie die d a vermeinte die Totalität des Wirk


, ,

lichen könnte in e in Begri ffsnetz vollkommen einge


fangen werden und gleichzeitig bekämpfte sie den
Empirismus der nur das Sinnliche gelten ließ und die
,

Ideen aus der Welt des Geistes verbannte Seine krit i .

sche Besonnenheit zeigte sich in den Grenzen die er ,

ein für allemal der wissenschaftlichen Ve rstan d e se r


kenntnis setzte und die schöpferische Leistung seiner
,

Kritik liegt vor allem in der reinlichen Scheidung der


verschiedenen V e rn un f t g eb ie t e die von dem reinen ,

spekulativen Denken vollzogen und eingesehen wird


und die S elbständigkeit der ästhetischen Welt gegen
über dem Theoretischen un d S ittlichen begründete .

Die negative Kritik der Romantik wandte sich gegen


die einseitige Betonung des R e fl ekt ierten un d B e w uß
ten in der Aufklärung gegen ihren Atomismus und ,

ihr e inseitiges Spezialistentum aber auch gegen die ,

e inseitige Ge f ü h lsb eto n un g in der Gen ieep och e sei es ,

a ls Leidenschaft Kraft und Trotz oder als Rührselig


,

keit und Em p fin d samke it .

Das eigentümlich schöpferisch e Element d e r Kant


schen Kritik die auf dem Wege notwendiger S chei
,

dungen und Trennungen die W e lt des Geistes sehr viel


tiefer verstehen lehrte und das Reich des ve rnünftigen
Lebens neu ordnete und begründete war der Romantik ,
98 I . D ie rom antis h B w g ng
c e e e u

so p h ie re n o ff enbart sich der gemeinschaftliche Z ug nach



einer geliebten Welt .

In dem ro mantischen Freundeskreise wurde der


schöne Ausdruck der Rede gepflegt und wir mussen ,

v iele ihrer Werke und das gilt wohl besonders für


Friedrich von Schlegel a ls unmittelbaren Nieder

schlag geistreicher Einfalle Unterhaltungen und B e ,

urt e ilun g e n verstehen die e in verstehendes freund


, ,

sch a f t lich e s Zusammensein h e rv o rg e t rie b e n und erzeugt

hatte Das tiefe Ergri ffensein von e inem großen Kunst


.

w erk war hier a ls gemeinsames Erlebnis hervorgetreten ,

un d über diesen Eindruck suchte man sich Re c henschaft

zu geben D ie romantis che Kunstkritik in ihrer großen


.

Gestaltung wurzelt in dem Enthusiasmus un d in der


Liebe den das Kunstwerk im Freundeskreise erregt
, ,

un d ist selber ein Kunstwerk denn Po e sie kann nur


,

durch Poesie beurt e ilt un d kritisi e rt werden .

D ie Möglichkeiten der Kunstkritik sind unendlich


mannigfaltig aber nur wenige Formen sind wahrhaft
,

produktiv un d fruchtbar für das Kunstscha ffen D ie .

Bedeutung der romantischen Kunstkritik ist un e rm eß


lich . Friedrich von Schlegels Kritik des Wilh e lm
Meister ist wohl die wertvollste Kunstkritik die j emals ,

geleistet ist Ge rade in einer Zeit wie der un se rig en die


.
,

vermöge ihrer geistigen Anarchie e inen sicheren Instinkt


für d as künstl e ris c h Wertvolle nicht mehr zu besitzen
scheint der auch die Gabe d es V e rstehens abhande n
,

gekommen ist und die keine zuverlässig e n Maßstäb e


ästhetischer Beurteilung aufzubringe n vermag kann ,

nicht dringend genug auf die vorbildliche Form der


romantischen Kritik hingewiesen werden .

Es gibt eine Kritik der Zerstörung und Vernichtung ,


Rom an tis h Kri tik
c e
99

des M iß fa lle n s un d der Ablehnung d er liebevollen ,

Interpretation des Nach erz e ug en s und der produktiven


,

S c höpfung Die Kritik de r Vernichtung m uß an


.

gewandt werden wenn von dem B an a usen h a f t en und


,

Trivialen he r oder durch eine gef ä hrliche Tendenz F ä l


,

s chung un d Entstellung der wahrhaften Kunst Gefa h r


,

droht Diese scharfe Wa ffe führte die Romantik etwa


.

gegen Nicolai als d e n typischen Vertreter der A uf


klärung Die Kritik der Ablehnung und des M ißf allen s
.

haben sie mit vollem Freimut auch Schiller gegenüber


angewandt weil in seiner Lyrik Pathos und Senti
,

mentalität manchmal de n einfachen großen und schlich


ten Ausdruck des Gefühls zu ersticken droht e Mochte .

Schiller auch ein wund e rvoll e r V e rkünder des Erhabenen


sein so fehlt ihm doch manchmal d e r angem e ssene
,

Ausdruck und das zutr e ffende Symbol wenn es sich ,

um die Einfachheit und S ch lichtheit des Gefühls um ,

die Zartheit der L ieb e sem p fin d un g hand e lt .

Die Kritik der liebevollen Interpretation und Deutung


fuhrt leicht dazu n ur das Wertvolle h ervorzuheben
,

und das Minderwertige unerwähnt zu lassen und zu


re to u sch ie re n od e r so lange an einem Werke hin und

h e rz ud eut e n bis etwas Sinnvolles und Bedeutsames


,

herauszukomm e n s cheint Falls ein e r sol chen Kunst


.

kritik keinerlei feste Maßstäbe zugrunde liegen wie ,

das in der mod e rn e n Kunstkritik in der Regel der Fall


ist muß sie zur Charakterlosigkeit und Schwäche f ü h
,

ren oder das Werk wird Anl aß für den Kunstkritiker ,

sich auf etwas Neues zu besinnen Wenn der Roman .

tiker diese liebevolle Interpretation anwend e t so ver ,

mag e r das zu tun weil er für alles Eig e ntümliche Ver


,

st ä n d n is und Liebe besitzt und e in Meister ist in der


1 00 I . D ie romantis h B w g ng
c e e e u

H erausarbeitung verborgenen S innes Wenn er aber .

liebevoll interpretiert so t ut er es n ur dem Gro ße n


,

oder dem Z ukunftsreichen gegenüber und n ur selten ,

wird man bei ihm etwas von j ener Wahllosigkeit un d


U rte ilslo sig ke it bemerken die auch dem gänzlich U m,

bedeutenden das lieber hätte verschwiegen w erden


,

sollen noch etwas künstlerisch Bedeutsames abzur i ngen


,

sucht .

Auch vermieden di e Romantiker j ene Form der


Kunstkritik die nur eine W iedergabe des Werkes zu
,

geben sucht die eigentlich nichts Neues bringt sondern


, ,

m it eigenen Worten d as Wort des Dichters nachtönt .

Die große romantische Kunstkritik die Kritik des Wil ,

helm Meister und H amlet ist ein Kunstwerk über ein ,

Kunstwerk D ie Bedeutung dieser Kritik liegt in der


.

t ie fin n e rlich e n Deutung die sie dem großen Kunstwerk


,

zuteil werden lassen indem sie mit ihren a sth et isch e n


,

W ertbegri ffen mit ihrer romantischen Theorie an das


,

Kunstw e rk herantreten und zu zeigen suchen d aß es ,

sich hier um ein romantisches Kunstwerk handelt Zu .

diesen Wertbegri ffen gehörte der Typus des roman


t ischen Menschen oder der romantische n P e rson lich
keit die Idee der B ildung das Prinzip der Ironie und
, ,

d e s Witzes d ie Idee d e s Wunderbaren d a s Prinzip der


, ,

Verbindung und Verschmelzung aller Arten der Po e sie .


In j edem romantische m Kunstwerk u n d unter R o ,

mantik wird hier der Gegensatz zur Antike d ie andere ,

große Möglichkeit auf dem Gebiet des Kunstscha ff ens


verstanden müssen diese ästhetischen Wertbegri ffe ver
,

w irklich t se in die mit künstlichen Regeln und Vor


,

schriften nichts zu tun haben sondern der Kunst ein ,


1 06 II Das romantis h
. c e K ulturb ewuß tse in

stante zu liegen scheint die in seiner ganzen geistigen


,

Verfassung sowie in seinen Anlagen und F ä higkeiten


wurzelt so d aß man etwa das russische Volk als das
,

religiöse das englische als das der politischen Selb


,

st ä n d ig ke it und Freiheit und das französische als das

spezifisch rationalistische bezeichnen kann so ist der ,

Geist eines Volkes doch auch wieder erheblichen Wand


lungen unterworfen Dem eigentü m lichen Gesetz seiner
.

Wandlungen un d seinem historischen S chicksal gem ä ß ,

wird er zeitweilig geneigt sein die materiellen Güter am ,

h ö ch ste n z u stellen um später wieder nachdem er die


'

, ,

Enttäuschung an den bloß materiellen un d S innlichen


D ingen e rlebt sich mit le id en sch a f lich e r S e hnsucht den
,

rein geistige n Gütern zuzuwenden So ist der Geist des .

englischen Volkes was die letzten W e rt an erke n n un g en


,

betri fft gewiß sehr verschieden im Zeitalter Shakespeares


,

von dem des beginnenden zwanzigsten Jahrhunderts ,

un d der deutsche Geist im Zeitalter der Reformat ion ist

von dem in erster Linie politisch un d wirtschaftlich


interessierten Deutschland der sechziger und siebziger
Jahre des vorigen Jahrhunde rts weit getrennt .

Wenn somit ein Volk zu wan d lun g sreich erscheint ,

um bestimmte W e rtan e rken n un g en als verbindlich für

seine Wesensart zu betrachten so i st es wie es scheint , , ,

erst recht un m o g lich einen ganzen Kulturkreis wie


, ,

etwa den abendländischen oder den ägyptischen den ,

i n dischen und den ostasiatischen so zu denken d aß ihm ,

ein gemeinsames von denselben Werten besti mmtes


,

K ult urb eken n t n is zugrunde gelegt wird Wenn Spengler .

in seinem viel gelesenen un d berühmt g ewordenen


Buche : Der Untergang des ei nen sol
chen Versuch gemacht hat so sind es die sinnlichen ,
D er Pri m at d es äs th tis h n W rt s
e c e e e 1 07

Anschauungsformen von Raum und Zeit die ihn hier ,

zu interessanten und fruchtbaren Unterscheidungen ge


führt haben Die Ägy pter mit ihrem Ve rg an g en h e it s
.

bewußtsein die Griechen mit einem Z eitb e wußt sein


, ,

das auf Gegen w art eingeste l lt war Das Griechentum .

mit seiner Bej ahung des Punktuellen un d Begrenzten ,

ohne H in t ergrund un d Perspektive und die abend


lä n d isch e Seele die das Unbegrenzte un d Unendliche
,

bej aht Aber es fehlt die Deutung der Innerlichkeit


. .

Die Werte des sittlich religiösen Lebens werden nicht


-

weiter herangezogen um die innere Bewegung un d


,

Wesensform der Kulturseelen deutlich z u machen Und .

auch das künstlerische un d philosophisch e Bewuß tsein


wird n ur wenig berücksichtigt In der H auptsache wird .

von ihnen n u r so Gebrauch gemacht daß gezeigt wird , ,

wie jeder Kulturkreis zunachst einmal die absoluten


Werte Religion Kunst und Philosophie bej aht um
, ,

sich dann später denjenigen Werten zuzuwenden die f ü r ,

die Zivilisat ion bezeichnend sind .

Sehr vie l leichter ist es das K ult urbe wu ß tsein einer


,

bestimm ten Ep oche der Renaissance der Aufklärung


, ,

oder de r Romantik zu bestimmen Und es besteht n un .

d ie eigentümliche Erscheinung daß gleichzeitig ver ,

schiedene Völker die nicht einmal demselben Kultur


,

kreis angehören von denselben Ideen beherrscht w erden


, .

So hat die Renaissance mit ihrem eigentümlichen Kul


t urb e w uß t sein nicht nur Italien Holland Spanien Eng , , ,

la nd Deutschland un d Frankreich e rg iffen sondern auch


, ,

in der indischen Kultur der Moguls des indischen Is ,

lams etwa in dem Wunderwe rk des Taj Mahal ist das


,
-

K ult urb ew uß t se in der Renaissance zu spüren .

D ies plötzliche Hervortreten von neuen Lebens un d


1 08 II Das roman tis h
. c e K ulturb e wuß tse in

Kulturformen auf Grund eines neuen L eb en sg e f uh les


und einer neuen S tellungnahme zum Universum ge
hört z u dem Wunderbaren der Geschichte un d ist nie
mals ganz rationell zu erklären Das Neuartige gibt .

sich dann plötzlich in allen D ingen und aller Lebens


verfassung kund Wir pflegen dann wohl von neuen
.

Motiven oder von neuen Tendenzen oder Strömungen


d e r Kultur zu sprechen ohne den S inn des Motivs d a s
, ,

Ziel des Strebens und die geheime Quelle der S trö


mungen z u kennen und zu verstehen .

_
I n diesem Sinne wollen wir vers uchen die eigentum ,

liche Struktur den Charakter des romantischen Kul


,

t urb e w uß t se in s zu bestimmen das augenscheinlich so


,

etwas wie eine geistige Einheit bildet Wir müssen die .

Frage erheben nach der eigentümlichen W ertan e rken


nung oder der b e so n de re n W ert h a lt un g der Romantik Es .

handelt sich dabei um die We rt un g sw e isen un d Voraus


setzungen die allem romantischen Leben und Gütern
,

zugrunde liegen um die Entfaltung des Begri ff s oder


,

der Idee Romantik un d ihre A use in an d erle g un g in eine


Anzahl charakteristischer We rtsetzungen Es handelt .

sich um die K riterien un d Kennzeichen die mich veran ,

lassen einen Menschen als Romantiker und ein Werk


,

als romantis ch anzuspr e chen Und dabei liegt das


.

Eigentümliche sowohl in der Tathandlung die gewisse ,

Werte als höchste setzt und anerkennt wie auch in der ,

e ig en t um lich en Form welche diese Werte erhalten


, .

S o ist für die Romantik nicht n ur der P rimat des


ästhetischen Wertes charakteristisch sondern auch die ,

besondere Form die dieser Wert im Gegensatz zu einer


,

fr ü heren Wertauffassu n g erhält .

Jedes K ult urbe wuß t se in das aus e i nem re i chen und


,
1 10 II . Das romanti h sc e K ulturb e wuß tse in

Gro ße und Bedeutung der Dichtung im Zeitalter


Goethes verständlich wird Für Kant ist j eder Wert .

in einer bestimmten Richtung der höchs te : der theo


re t isch e sofern er das Ganze der Philosophie begründet
,

und uns die Möglichkeit gibt auch die anderen Wert ,

gebiete zu verstehen der praktis che sof e rn es die sitt


, ,

liche Vernunft mit den höchsten V ern un f t ide en z u t un


h at der ästhetische sofern e r das praktische un d theo
, ,

re t isch e Gebiet zu einer Einheit verbindet und zu


sam m en sch ließ t Fichte erhebt die sittliche Vernunft
.

über die theoretische S chelling sieht im ästhetischen


,

Wert und in der ästhetischen Vernunft die Einheit der


theoretisch e n und praktischen Sphäre .

Vor allen andere n Kategorie n der Kunst war es aber


die Idee der harmonischen Einheit die dazu genutzt ,

wurde um deutlich zu machen d aß die Vernunft in


, ,

ihrer höchsten Form die ästhetische sei D ie har .

m on isch e Einheit ist keine ursprüngli che Einheit im


S inne des Unbestimmten und Monotonen d a s den Ge ,

g en sat z noch nicht kennt sondern eine Einheit die den


, ,

Gegensatz überwunden un d hinter sich gelassen hat .

Die S truktur der Vernunft in ihrer höchsten un d ent


scheidenden Form trägt den Charakt e r der h arm o
nischen Einh e it und Versöhnung und wie der Mensch ,

nur dort ein ganzer und vollend e ter M e nsch ist wo er ,

spielt wo Einbildungskraft und Verstand durch den


,

ästhetischen G e genstand in e in harmonisches Spiel ge


s e tzt sind so ist auch die V e rnunft der Dinge un d der
,

Welt nur dort in ihrer Vollendung nach Überwindung


aller Einseitigkeit vorhanden wo sie in der Form der ,

harmonischen Einheit uns entgegentritt Dies Ideal .

tritt uns im harmonischen Me n schen als Ideal der


Roman tis h c e E inh it
e un d roman t is h r G g nsatz
c e e e 1 1 1

Lebensf ü hrung in der ube rw in de n d en T at des Genies


,

und im großen Kunstwerk entgegen .

Indem aber der ästhetische Wert so stark betont


wurde kam es schließlich dahin daß alle W e rt g eb ie te
, ,

in das S ch ö n h e it slich t gerückt wurden Die Philosophie .

wurde künstlerisch in ihrer feinen Deutung des Lebens ,

und in dem B e gri ff der intellektuellen Anschauung


schuf sie sich ein Organ das der geniale n Intuition des
,

Künstlers verwandt schien D e r harte Gegensatz von .

Pflicht un d Neigung wie ihn Kant aufgestellt hatte


, ,

wurde überwunden in der Idee einer freiwilligen Übe r


einstimmung von Pflicht und Neigung in dem Ideal ,

der schönen Seele D ie Härt e und S trenge des poli


.

tischen Lebens wird erweicht dur ch die Idee des b armo


n ischen Staates der den moralischen Staat abzulösen
,

b e rufen ist Die Konvention des gesellschaftlich e n Le


.

bens soll si ch wandeln zu dem leicht bewegten Spiel


ästhetisch geschauter Gestalten Und das religiöse Ge .

biet wird beherrscht durch das religiöse Genie das aus ,

unendlicher Tiefe in schöpferis c her We ise neue Ideen


des religiösen Lebens bildet Die Natur wird nicht mehr .

als ein starrer Mechanismus angeschaut sondern als ,

unbewußt e s Kunstw e rk verstanden Diese Entwicklung .

hat dahin geführt d aß die anderen Kulturwerte bis zu


,

einem g e wissen Grade ihre S elbst ä ndigkeit gegenüber


dem ä sthetischen Wert einbüßten Alles erschien sub .

spezie des Schönen .

R o ma n t i sch e E i n h ei t un d r o man t is ch e r G eg en sa t z
Die höchsten Begri ffe an den e n wir Leben und Natur
, ,

Erfahrung un d Wi rkli chkeit Ku ltur und Ges chi cht e ,


I 12 II Das roman tis h
. c e K ul t urb ewuß ts e in

messen können sind Einheit un d Gegensatz Das t o


, .

m an t isch e W e rtb e w uß t sein ist von der Bedeutung dieser


Ideen auf da s tie fste ergri ffen die ja auch augenschein ,

lich mit der innerlichsten Natur der Vernunft und des


D enkens auf das engste zusammenhängen D ie absolute .

Einheit war für die Romantik das höchste Ideal das sie ,

bald im Sinne des ästhetischen Wertes als Ausgleich un d


H armonie bald im S inne des religiösen Wertes als die
,

Aufhebung aller Gegensätze in der göttli chen Einheit


verstand Diese Einheit welche sie bej aht
. darf
, ,

nicht verstanden werden im S inne eines Allgemein e n ,

das d ie Menschen unter ein hartes Gesetz des Müssens


un d des Sollens zwingt sondern als Einheit im S inn e
,

eines Ganzen das die Teile harmonisch verbindet oder


,

im S inne des religiösen L ieb esg e dan ken s sich ergänzen


un d eins werden läßt Es muß aber eine doppelte Ein
.

heit unterschieden werden nämlich eine Einheit der Un ,

schuld des Unmittelbaren und Unberührten die den


, ,

Gegensatz noch nicht an sich erfahren hat und eine Ein ,

heit des Geprüften die durch den G e gensatz hindurch


,

gegangen ist un d ihn überwunden hat Die erste Ein .

h e it ist die Einheit des Unbewußten un d Naiven welche ,

die Gegensätze noch verschlossen wie die Knospe in


si c h trägt D ie zweite Einheit ist Bewußtheit und Reife
.
,

A ufhebung und si e greiche Überwindung all e r G e gen


sätze D ie unbewußte Einheit können wir auch als die
.

Einheit d e r Natur die zweite als die Einhe it der Kultur


, ,

als das bewußte V e rn un f tleb e n bezeichnen Die Ver .

n un f t e in h e it st e ht für die Romantiker höh e r an Wert

w ie die Natureinheit die bewußte Ein h e it sg e st a ltu n g


,

ist wertvoller als die unbewußte des Ve rn un f t in stin kt es .

Im Kulturleben wird die U nbewußte Einheit durch


I 14 II Das rom n tis h
. a c e K ulturb e wuß tse in

lichkeit alles beisammen ist Wurde es ihn aber auch .

ge ben so könnte er für die Romantiker wegen seiner


,

Einseitigkeit kein absolut e s Ideal sein .

D ie Romantik widerstr ebt der von Kant vollzogenen


Aufteilung des einheitlichen Vernunftwesens Mensch
in ein theoretisches praktisches und ästhetisches Sub
,

je kt S ie widerstrebt der Verschiedenheit der B et ra ch


.

t un g sw e ise n dem bald ethischen ästhetischen usw


, ,
.

Verhalten dem Universum gegenüber Vielmehr muß .

unsere geistige Einstellung immer dieselbe sein indem ,

das Innerste unseres geistigen Lebens von der ganz e n


Füll e der V e rn un f t f un kt io n e n getragen wird S ie .

widerstrebt der Parzelli e rung des G e istes in verschie


dene sorgfältig getrennte Ve rn u n ft g eb ie t e und sucht
,

die ursprüngliche Einheit d e r wertenden Funktion in


der Unterwelt des Bewußtseins Und auch den Gegen .

stand des Wertens sucht sie immer a ls Allheit Ganz ,

heit und ungetrübte Einheit zu verstehen Im S inne .

K ants gibt es e ine moralische historische Welt eine ,

Welt der moralischen Ordnung und der Freiheit als


Formung der sittlichen Vernunft Und daneben gibt .

es eine theoretische Welt als Produkt des reinen sp eku ,

lat iv e n Verstande s und e ine Welt de r Kunst als S ch ö p


fung des ästhetischen Bewußtseins Schleiermacher h at .

in seinen Reden über die Religion noch an der Unter


scheidung zwischen einer Welt des Denkens und des
Gedenkens e iner Welt des Willens d e r Tat und der
, ,

Freiheit und einer Welt des Gefühls und der Anschau


ung festgehalten Aber im Grunde gibt es doch nur
.

das eine ungeteilte Universum a u f das die eine un t eil ,

bare Vernunft gerichtet ist .

Nach der Grundeinstellung des romantischen Kultur


Romantis h
c e E inh it
e un d roman tis h r G g nsatz
c e e e 1 1 5

bewußtseins befinden sich der logische und ä sthetische


Wert nicht i n e i ner absoluten Distanz Kunst und .

Wissenschaft d u rfe n nicht in absoluter Trennung ver


harren S ie sollen eine lebendige Einheit werden Alle
. .

Trennung ist Mangel und Unvollkommenheit Die .

Wissenschaften haben ihren festen Grund verloren seit ,

dem sie sich von der Philosophie ablösten D ie Philo .

sophie ist dürr und abstrakt geworden seitdem die ,

intellektuelle Tätigkeit des Denke rs nicht mehr von


dem Enthusiasmus des D ichters getragen wird .

Die Philosophie soll z urü ckfl ut e n in die Poesie aus ,

der sie geboren ist Die dürre Abstraktion soll Kraft


.

und Fulle gewinnen aus der schöpferischen Tätigkeit


der Einbildungskraft Der ganze Reichtum des g eist i
.

gen Lebens soll h in g e w e n det werden auf d as absolut


W e rtvo lle Nicht abe r soll der Mensch als ein einseitig
.

ethischer ästhetischer religiös e r einem Getrennten


, , ,

Vereinzelten nachstreben d as in dieser seiner Isoliert


,

heit aufhört das Höchste und Wertvollste zu sein .


Diese Idee der Romantik die Grun d we rf é d er Kultur
,

auf eine un g esch ie de n e Einheit nicht sowohl logisch


zur ü ckzuführen um z u zeigen daß ihnen ein gemein
, ,

sames Prinzip innewohnt sondern sie vielmehr darin


,

untergehen und verschwinden zu lassen ist i m hö chsten ,

geistigen S inne reaktionär und w issen sch a ft sfe in d lich .

So berechtigt die Frage nach einem höchsten ab so


luten Werte auch sein mochte eine Frage die von dem , ,

Schöpfer der Kritik der reinen Vernunft nicht gestellt


w ar um darin ein e n Ab sch luß w e rt für sämtliche Kultur
,

formen z u finden und die Einheit der Vernunft zu doku


m e n t ie re n um so unberechtigter war es augenscheinlich
, ,

d ie große Entwicklung des geistigen Lebens die sich


so
1 1 6 II . Das romantis h c e K ultu rb ew uß tsein

in der Di ff erenzierung des urspr ü nglich ungeteilten


Ve rn un f t leb e n s vollzogen hatte wieder rückgängig zu ,

machen .

Denken wir uns die Geschichte der Kultur in einer


Ideengeschichte oder Geschi chte der Werte sich voll -

enden so würden wir zu zeigen haben wie sich die


, ,

Wertformen von der H errschaft des Seins allmählich


ablösten und eigenartige Gestalt gewannen durch einen
Prozeß der Spezialisierung unter ständiger Abstoßung
von P se udo we rte n D ie Romantik will das D i ff eren
.

zierte die selbständig geword e nen geistigen Formen


, ,

w ieder in die Einheit zurückführen und ist insofern


reaktion ä r Wi r dürfen aber nicht vergessen daß in der
.
,

Annäherung der W e rtg eb ie te wie sie die Romantik ,

vollzog auch ein Berechtigtes lag denn in der Tat


, ,

stehen sich Logik Ethik und Ästhetik nicht so schro ff


,

und un v e rm it t elt g eg en üb e r wie das nach Kant den


'

Ans chein haben konnte In das Gebiet der Logik spielen .


_

e this c he El e mente und in das Gebiet der Ethik logis c he

Elemente mit hinein Die zahlreichen Analogien welche.


,

die Romantik zwischen den W e rt g eb iet en gebildet ,

haben zu ihrer tieferen Erfassung gewiß manches bei


getrag e n Vor allem ist der Wert der Kunst und der
.

Religion tiefer begri ffen und gefühlt wie j e zuvor So .

hat vor allem Schelling de n Wert der Kunst un d


Schleiermach e r d e n Wert der Religion in seinen Grund
tiefen v e rstanden .

So s ehr nun das romantische K ulturb e wuß t se in die


Idee einer absoluten Einheit anerkennt und bej aht so ,

we iß es doch au ch welch große Bedeutung der Gegen


,

satz für d a s Leben und die Kultur besitzt Der G e gen .

satz ist wertvoller als die un g esch ied e n e Einheit Wie .


1 1 8 II Das rom n tis h
. a c e K ultu rb e wuß ts e in

und die Religion bildet aber das Gef ü hl die psycho


logische Basis wie dem logischen Wert die Vorstellung
,

un d d em sittlichen Wert der Wille entspricht Kant .

hatte in der Kritik der Urteilskraft das a priori de s


Schönen im Ge fühl aufgewie sen un d nun z e igte Schleier ,

macher daß auch die Religion ihr eigentümliches a priori


,

im Ge f uh l besitzt Das religiöse Gefühl ist auf das


.

Universum bezogen und geht mit einer reinen Anschau


un g zusammen die mit Erkenntnis und Begriff en nichts
,

zu tun h at Und in dieser Anschauung fühlt sich dann


.

das Individuum durch das Geschau t e durch den Geist ,

des Universums bestimmt .

Weil nun der religiöse Wert ähnlich wie der a sth e


tische in den Tiefen des Gefühls veranker t ist so ist ,

d ie H erausarbeitung und Aufstellung bindender Nor


men auf diesen Gebieten sehr viel schwieriger als auf
dem Gebiet der Logik und der Ethik Die logischen .

Normen die mit der Klarheit des V o rst ellun g slebe n s


,

zusammenhängen sind augenscheinlich die gesichert


,

sten und zuverlässigsten Und so vermögen wir i n Er


.

ke n n tn isth eo rie und Logik eine große Zahl logischer


Formen aufzuweisen als Regeln nach denen unser Ver ,

stand sich richtet und ihre transzendentale Bedeutung


,

festzustellen S chwieriger ist ein solches Unternehmen


.

schon dort wo es sich um die Beziehung des sittlichen


,

Wertes zum Willen handelt So klar und zuverlässig .

auch d as Prinzip alles sittlichen Lebens sein mag so ,

groß sind die Schwierigkeiten die entstehen wenn wir , ,

na ch den e inzelnen Formen des sittlichen Lebens den ,

besonderen Pflichten und Forderungen fragen die an ,

das sitt l iche B ewuß tsein gestellt werden Weitaus .

schwieriger is t j edoch die Le i s t ung d i e das theoretische


.
,
Das Id al e d er In t i tion
u un d Konkr th it e e 1 1 9

B ewußtsein zu vollziehen hat wenn es den Versuch ,

macht die Normen des ästhetischen und religiösen Be


,

w uß t se in s aufzuweis e n die so ti e f mit dem Untergrund


,

unseres Ge fühlslebens verwoben sind Um so evidenter .

ist gerade hier das W e rte rleb n is so e t wa d ie Gewißheit, ,

die Überzeugung daß das S chöne wirklich ist das vom


, ,

Gefühl so innig erlebt un d von der H ellsichtigkeit der


Intuition deutlich gemacht wird .

Bei der Beziehung des Religiösen un d Ästhetischen


zum Gefühl ist es nachweislich und selbstverständlich ,

daß der Primat dieser Werte wie es von der Romantik


,

vertreten wird eine gewisse Abwendung vom Begr i ff


,

als dem Mittelbaren und eine stark e Hinwendung zum


Irrationalen und Dunklen bedeutet Denn schön ist das .
,

wa s ohne Begri ff gefällt und auch in der religiösen


Stellungnahme zum Universum muß der Begri ff unter
gehen S o wird denn von jenen zwei Prinzipien auf
.
,

die Kant das menschliche Denken gestellt hatte das ,

Anschauliche und Konkrete gegenüber dem abstrakten


V erst an d esbe g riff e ganz besonders beton t D ie Un .

m ittelb arkeit der Anschauung die Intuition die im Er, ,

leben verweilt wird in ihrer Fülle und Konkretheit


,

dem Prinzip einer l e eren Reflexion entgegengese tzt .

So kam man zu der Vorstellung eines anschaulich kon -

kreten Denkens das der Wirklichkeit sehr viel näher


,

tritt als es das naturwissenschaftliche Denken und Er


.

kennen mit seinen abstrakten Begri ffen vermag D ies .

v o n der Anschauung erfüllte Denken wo die Form ,

noch in inniger Berührung mit dem Inhalt verweilt ,

o ffenbart sich in dem was wir Denken und Versteh e n


der gegebenen I n h alt h ch keit nennen eine Funktion die , ,

der ästhetischen Einfühlung nahe verwandt ist und die


120 II Das romantis h
. c e K ulturb e wuß tse in

niemals auf eine gewaltsame Umbildung des Wirk


lichen ausgeht sondern ihr so nahe wie möglich z u
,

kommen sucht die den Gegenstand vom Innern heraus


,

transparent macht und eigentümlichen S inn in alle Ge


st alt e n und Erscheinungen hineinlegt Das wahrhaft .

philosophische Denken ist im Gegensatz zu dem ab


st rakte n Denken des naturwissenschaftlichen Bewußt
seins das konkrete Denken der Vernunft .

Nur mit diesem konkreten Denken konnen wir d a s


A lle in h e it se rleb n is des Menschen verstehen der noch ,

nicht einem besonderen Gegenstande zugewendet auf ,

geteilt un d isoliert ist sondern als ganzer un d unge


,

te ilt e r Mensch in dem Reichtum seines inneren Lebens


in einer allseitigen Beziehung zum Universum verharrt .

Dennoch würde man da s K ult urb e w uß tse in der R o


m a n t iker mißverstehen wenn m an meinen wollte daß sie
, ,

n ur das Gestaltlose und Chaotische als Unmittelbarkeit

der Anschauung und des Gefühls bewertet hätten Die .

Romantik wahrt durchaus das Prinzip der Form un d


Begrenzung Ihr schien die einseitige Betonung des
.

Unbewußten des Instinkts und Gefühls des bloßen


, ,

Erlebens genau so verfehlt wie die einseitige Kulti


vierung des Bewußts e ins un d der Reflexion Daher .

negierte die Romantik die Glaubensphilosophie Jacobis


e b e n so w o h l wie die Philosophie der Aufklärung Der .

Rationalismus der Aufklärung und die Gestaltlosigkeit


der Gen iepe rio d e sollte in gleicher W e ise überwunden
werden Die Romantik sehnte sich nach Konkretheit
.

und hatte wenig Res pekt vor dem durren B eg riff ssch e
m at ism us aber sie hegte denselben Widerwillen gegen
,

die dumpfe Macht der Instinkte gegen das Chaos der ,

Leidenschaf t en Z u dem Ges t altlosen sol l die Reflexion


.
12 2 II Das romantis h
. c e K ulturb e w uß t se in

che n un d Romer war es besonders die indische un d die


persisch arabische Kultur die ihren Zauber geltend
-
,

machte D ie große politische Geschichte die Welt


.
,

geschichte die Kunstgeschichte die Philosophie


, ,

geschichte die Religionsgesch ichte die Sprachgeschichte


, , ,

die Literaturgeschichte die Wirtschaftsgeschichte


,

sie alle haben ihren Ursprung genommen aus der großen


historischen Anschauung des Universums zu der die ,

Romantik gelangt war D as Problem der historischen


.

Methode bewegte die Gemüter Man suchte die philo .

so p h isch e Betrachtung des hist orischen Universums die ,

Ideengeschichte v o n der wissenschaftlichen Tatsachen


betrachtung der historischen Begebenheiten zu unter
scheiden Auch der Unterschied zwischen historischem
.

un d naturwissenschaftlichem Denken beschäftigte das

romantische K ulturb ew uß t se in Der anschaulich kon .


-

krete Charakter der Ge schichte vertrug sich nicht mit


der historischen Begri ffsbildung Und so erwuchs das .

P roblem einer neuen Methode die der Konkretheit des,

historischen Lebens gerecht werden konnte Be i der .

Schöpfung eine r neuen Wissenschaft pflegt es ohne


schwerwiegende Irrtümer nicht abzugehen un d so ,

sind gewiß manche methodische Unterscheidungen der


Romantik nicht mehr aufrecht zu erhalten Aber es .

war für das Verständnis der neuen Aufgaben die dem ,

wissenschaftlichen Geiste gestellt wurden von aller ,

größter Bedeutung daß sie den Begri ff des S innes und


,

der S inngebung sowie auch besonders den Begri ff des


,

Verstehens im Gegensatz zur Verstandeserkenntnis



deutlich gefühlt un d auch schon teilweise b eg riff licn
herausgearbei t et hat Auch in dem Begri ff der „in
.

t e llekt uellen Anschauung



der sehr v i eldeutig ist und
,
Das Id al
e d er In t ition
u un d Ko kr th it
n e e 12 3

der sowohl als ein Prinzip des Rationalen wie des Irra
t io n alen aufgefaß t werden kann d a er ja schließlich die
,

Überwindung dieses Gegensatzes bedeutet tritt ein ,

P rinzip des neuen konkreten Denkens hervor Man .

könnte in diesem Begriff der „ intellektuellen Anschau



un g das Suchen un d Tasten nach einem neuen Organ
vermuten das imstande wäre dem anschaulichen Cha
, ,

rakte r der h isto risch en W isse n sch a f t en zu genügen .

D ie Be t onung des Ko n kreten un d das S uchen nach


sinnvollen Zusammenhängen w i rkte zur ü ck auf die B e
handlung der Natur Der mechanischen Au ffassung der
.

Natur wurde der Krieg erklärt Mechanismus un d .

Chemismus sind als niedere Formen des Organismus


zu verstehen Und in der Idee des Organismus r ü ckte
.

die Natur sehr viel näher an die geistige Welt heran .

D ie Na t ur wurde unter den Aspekt der Geschichte ge


stellt Und so erhob sich der Gedanke einer Entwick
.

lun g sg e sch ich te des organischen Lebens ein Werden ,

des Be w ußten aus dem Unbewuß ten eine Entfaltung ,

der höheren Formen aus den niederen Formw des Le


bens . Mit Goethe widerstrebte die Romantik der
mechanischen Erklärung des Lichtes un d war von der
Idee einer Morphologie de r Pflanzen un d Tiere ergri ffen .

So wurde die Naturwissenscha ft z ur Naturphilosophie ,

i n dem die Natur als ein Verwandtes un d Vertrautes ,

a l s Gegenbild des menschlichen Geistes erschien .

Diese starke H inwendung zum Anschaulichen un d


Konkreten führte die Romantik au f den B egriff des
Lebens als den wichtigsten un d bedeutsamsten ihrer
Philosophie ein Begri ff der ü ber die äußerliche bio
, ,

logische Fassung weit hinaus in le t zte Tiefen des ver


n ü n f t i en
g un d geistigen Lebens reicht Dem Me .
1 2 4 II Das roman tis h
. c e K ulturb e w uß tse in

als dem S eel e nlosen Kalten Toten un d


c h an isch e n , , ,

A bstrakten gegenüber wird der Begri ff des Lebens aus


gespielt Und so deuteten sie das Leben der Natur
.

un d der Geschichte vor allem aber das V e rn un f t leb en


,

der Menschheit wie es im B ild un g sleb en der Völker


,

z um Ausdruck gelangt .

G r i ech en t um un d R o man t i k
D as K ulturb ew uß t se in der Romantik bedeutet ein
Geh obe n sein des geistigen Lebens d a s darauf a us ,

geht das Große un d Bedeutsame der Vergangenheit


, _ ,

d as es tief innerlich durchdr u ngen un d sich z u ‚

e 1 gen ge macht hat als absolutes Vorbild abz ulehnen


_ ,
.

Durch die Romantik gelangte der deutsche Geist


z ur Autonomie und S elbständigkeit sowohl d en an
deren noch lebenden Nationen als auch der Welt
der Antike gegenüber Noch f ur Lessing waren die
.

Griechen e id un erreich t es und unerreichbares Vorbild ,

un d so e ntwickelte er die Regeln der Tragödie an


der Theorie des Dramas die Aristoteles gegeben hatte
, .

Shakespeares Bedeutung scheint ihm vor allem darin


z u liegen d aß er seine großen Werke im S inne dieser
,

Theori e gestaltet hatte H erder hat die selbst ä ndige


.

und eigentümliche Bedeu tung der verschiede nen Völker


zu würdigen gewußt und wenn er auch mit besonderer
,

Liebe und Teilnahme bei der griechischen Kultur ver


weilt als dem Zeitalt e r der schöne n Individualität als ,

dem J ü n g lin g sz e italt er der Menschheit wie spater H egel ,

in seiner Geschichtsphilosophi e di e se große Epoche d e r


menschlichen Entwicklung bezeichnet h at so ver ma g ,

e r doch der Größe und Selbständigkeit des Shakespeare


12 6 II D as romantis h
. c e K ulturb e wuß tsein

stand sie das antike K ulturb ew uß t se in als Einheit und


Harmonie Mag si ch das G riechentum auch auf den
.

Gegensatz besonnen haben und wer hätte den Gegen


satz des Lebens und der Welt s c härfer betont als
H eraklit so lösen sich diese Gegensätze doch schließ
lich in einer absoluten Einheit Uber die Idee des .

erhebt sich die Idee des ä g u ovia Auch zeigt ,


o

sich die Einheitlichkeit des antike n K ult urb ew uß t .

seins darin daß die Gegensätze zwischen de n einzelnen


,

We rtg eb iet e n so etwa zwischen Religion und Philo


,

sophie zwischen Kunst und Wissenschaft zwischen


, ,

S ittlichkeit un d Recht noch nicht deutlich entfaltet


sind .

Dagegen ist fur d a s romantische K ulturb ew uß t se in


der Gegensatz charakteristisch Der D ualismus der .
,

sich in den verschiedensten Formen äußert beherrscht ,

die philosophische Weltanschauung un d ist für das


große System Kants besonders bezeichnend als Ge
g e n sat z von Begri ff und Anschauung vom D ing an sich ,

und Erscheinung sowie als Gegensatz zwischen dem


,

theoretischen ethischen und ästhetischen Bewußtsein


,
.

D ie großen Antinomien die Kant herausgearbeitet hat


, ,

sind der voll e ndete Ausdruck dieser dualistischen Welt

-
ansicht Der Gegensatz von Glaube und Wissen be
.

w eg t d ie ganze c hristlich romantische Kultur und der ,

romantis che Mensch ist ebenso dualistisch wie seine


W eltansicht un d so disharmonisch wie der antike
Mensch harmonisch gebildet war .

Griechentum bedeutet Geschlossenheit Romantik ,

Unendlichkeit und Unbegrenztheit Der I n t ellekt ualis .

mus des Griechentums bej ahte die begrenzte Welt un d


die göttliche T otalität wurde als in sich geschlossen
Gri h nt m
ec e u un d Roman tik 12 7

und begrenzt vorgestellt Denn das Unendliche ist das


.

Irrationale und Unbegreifliche und die Gottheit ist ,

da um erkannt und verstanden zu werden Das Un


,
.

begrenzte ist das Fragmentarische und Mangelhafte .

Das in sich Ruhende und Geschlossene ist das Vollendete .

Das Universum ist schön und vollkommen Deswegen .

muß es notwendig endlich und begrenzt sein Und dies .

Prinzip der Begrenzung das für das Denk e n so nichtig


,

war kommt un s auch ü berall als Prinzip der gro ß en


,

griechischen Kunst entgegen Auch dem S treben des


.

Willens wi rd Halt und Ziel geboten in der Ablehnung


des U n m og lich e n und in der Betonung des Maßvollen
un d Beherrschten .Ein geschlossener H orizont um
gibt die schöne Welt des G riechentums Das Uni .

v e rs um wird als begrenzt vorgestellt Es fehlt die un.

endliche Perspektive .

Und mit dieser e ig en t um lich en Bewertung der Be


g r e n z t h e it und des Endlichen mit der S cheu vor dem
,

Maßlosen Irrationalen un d Unendlichen hängen die be


,

grenzten Bildungsmöglichkeiten des griechis chen Geistes


zusammen D ie Kultur der antiken Welt konnte nur
.

die Wertbildung di e s e s einen genialen Volkes sein das ,

innerhalb einer begrenzten und von vornherein fest


gele g t e n Sphäre all seine Mögli chkeiten voll u n d reif
auswirkte In verhältnismä ß ig kurzer Zeit hat sich
.

die ganze griechische Philosophie und D ichtkunst ent


wickelt S ie sind zur vollkommenen Erf ü llung un d
.

E ntfaltung un d damit zur Klassizität gelangt Die .

griechische Kultur ist in sich vollendet abe r über das ,

Ge leistete konnte der griechische Geist nicht m e hr hin


ausgehen Auch die Bewahrung der nationalen Freiheit
.

hätt e den griechischen Geist au f dem einmal ein g esch la


12 8 II Das romantis h
. c e K ultu rb ewuß ts ein

genen Wege nicht weiterf ü hren konnen Die Kultur .

des griechischen Geistes mit seinen eigentümlichen


B ildungsmöglichkeiten war schon vor der Frem d h e rr
schaft der Römer vollendet und vollkommen zum Ab
schluß gelangt .

D agegen be deutet die Romantik Unendlichkeit und


Unbegrenztheit Ein unendlicher Horizont h at sich
.

aufgetan Das Universum ist unendlich Und das ro


. .

m an t isch e K ult urb e w uß t se in ist von Sehnsucht und


Liebe erfüllt zu diesem unendlichen ewigen Universum .

Alles Göttliche trä gt den Namen des Unendlichen j ener ,

großen Idee die uns übe r uns selber h in a us fü h fi und


,

uns immer wieder neue Bildungsmöglichkeiten ahnen


läß t Wir woll e n über uns selber hinausgeführt sein
.

und das Unmögliche bej ahen D ie neue Klassizität die .


,

das romantische K ult urb e w uß t se in vertritt ist von der ,

Vorstellung beherrscht daß den Menschen immer neue


,

Bildungsmöglichkeiten gegeb e n sind und d a ß e in Auf


stieg z u un e rm e ß lich e r H öhe in den B ild un g sp rin z ip ie n
der neu e n Zeit angelegt sei Und so wird die roman .

tische K ultur niemals zum Zi e le gelangen wie die grie


ch isch e Kultur die ein begrenztes und festgele g tes Ziel
,

zu e rreichen und zu erfüllen hatte denn ihr Ziel weist ,

immer wieder von neuem auf das Un e ndliche hin .

Griechentum bedeutet Ruhe Romantik Tätigkeit und ,

Streben D e r kontemplative G e ist des Griechentums


.


feiert die fiov zca und d ie 7 GMW7 die Meeresstill e d e r .

Seele Über alle sittli che und politische Tätigkeit weit


.

h inaus ragt an Würde und Be deutung das reine Den


ken die selige 08 609 501
,
In der Beschäftigung mit
.

Philosophi e u n d Wissenschaft nehmen wir teil an der


Seligkeit Gottes Dagegen bedeutet Romantik ewiges
.
1 30 II Das rom antis h
. c e K u lt urb e w uß tse in

einem guten Gedicht muß alles Absicht und alles In


stinkt sein An die Stelle der unbewußten Kultur des
.

Griechentums die au f genialer unbewußter Tätigkeit


, ,

beruhte soll die bewuß te Kultur der Romantik treten


, .

Griechentum ist Natur Romantik Geschichte Für


, .

den griechischen Geist war die Natur das höchste denn ,

d ie we ite Welt der Geschichte war damals noch nicht


entdeckt Der griechische Geist fügte sich ohne Wider
.

streben der g roßen Gesetzmäßigkeit der Natur und ord


nete sich ihr willig ein In der Bewunderung die der
.
,

griechische Geist der Natur entgegenbrachte galt sie ,

ihm als schön und vollkommen und er glaubte nicht daß , ,

es möglich sei durch künstlerische Leistung die Natur


,

zu übertre ffen So vermag etwa die Plastik die schöne


.

Form des menschlichen Körpers niemals ganz zu e r


reichen Dagegen feiert der romantische Geist die Ge
.

schichte als das höhere Prinzip gegenüber der Natur .

War doch die Welt der Geschichte von der Romantik


erst vollkommen entdeckt und in ihrer Bedeutung ver
standen Das Griechentum weiß nichts von Fortschritt
.

und Entwi cklung Seine bedeutendsten Denker lehrten


.

die ewige Wiederkehr aller D inge Auch die Geschichte .

muß nach e inem gewissen Z e ite n lau f wieder anfangen ,

so daß ihr sch e inbar Neues dann im Grunde genommen


ein Altes ist Jede Kultur führt in sich ein e ig en t ü m
.

li ches Dasein und dann wird sie verschüttet und an


, ,

derselb e n Stelle b luh t spater einmal n e ue Kultur auf .

Dagegen ist d as romantische K ult u rb e w uß t se in uber


zeugt von der Einmaligkeit und Unwiederholbarkeit
des historischen Geschehens d a s in immer mehr ge ,

steigerten Formen einem unendlichen fernen Ziele


nachstrebt Und das Verhältnis von Natur und Kunst
.
Gri h nt m
ec e u un d Roman tik 1 31

ist nicht so zu deu t en daß die Natur als Vorbild von der
,

Kunst nachgeahmt werden soll sondern die Natur soll ,

sich nach der Kunst richten S i e soll d as tun was die , ,

Kunst ve rlangt Für den Griechen bedeutet die schöne


.

Natur mehr als die schone Kunst Die romantische .

Weltanschauung sieht dagegen in dem Kunstwerk das


H öhere Dem was die Natur bewußtlos stammelt ver
.
, ,

leiht die Kunst bewußten Ausdruck Und dieser Tri .

umph der Kunst gegenüber der Natur tritt in Poesie


und Musik am deutlichsten hervor .

In der Romantik war ein neues se lb st an d ig es Kultur


bewußtsein erwacht Die D ualität das war die Über
.
,

zeugung der Romantik ist wertvoller als die u rsp rü n g


,

liche Einheit S ie ist bedeutsamer w e nn wir auf das


.
,

Ganze schauen Das scheinbar Kranke und Zerrissene


.

bedeutet Übergang zu höherer Gestaltung An die .

Stelle des Endlichen und U n b e wußten soll das U n en d


liche un d Bewußte treten D ie Romantik ist Übergang .

und Weg zu diesem Ziele Die Seligkeit des U n b e w uß .

ten die das Griechentum rep rä se n t ie rt„ ist un w ie de r


,

b rin g lich verloren Trauern wir ihr nach so ist der


.
,

Geist seinem K in dh e itsalt er zuge wendet und d as Kul


t urb ew uß t se in sentimental D ie Romantik ist ein Feind .

de s Sentimentalen Ihre Sehnsucht ist auf die Zukunft


.
,

nicht auf die Vergangenheit gerichtet An die Stelle .

der Natureinheit soll die Kultureinheit treten .

D as P r i n z i p der K o n t i n ui t ä t u n d das h i s t o r isch e


B ew ußt sei n
Wir vollenden unsere Ausführungen uber das roman
tische K ult urb ew uß tsein ind em wir seine historische,
1 32 II . Das romantis h c e K ultu rb ewuß ts e in

Einstellung auf das schärfste betonen Gew iß hatte .

es auch der Ve rgangenheit nicht an h istorischem S inn


gefehlt Aber im Geist des Griechentums wurde das
.

Vergangene sehr bald zum Mythos und wenn auch die ,

Gen iep e rio d e im Gegensatz zu dem unhistorisch gerich


teten Zeitalter der Aufklärung von Liebe und Ve rstä n d
nis für historisches Leben erfüllt w ar so kann man von ,

einer Selbstbesinnung der historischen Vernunft doch


erst im romantischen Zeitalter sprech e n Das kom mt .

darin zum Ausdru ck daß die Romantik ganz b e sonders


,

j ene Begri ffe und Idee n wertet die für die Geschichte ,

wichtig und bedeutsam sind und d aß die Macht des


historischen Denkens sich auch in der Philosophie Ein
gang verscha fft Und dabei denke ich ni cht sowohl an die
.

zahlreichen Beispiele g esch ich tsp h ilo sop h iseh er S p eku


lation an denen j ene Zeit so reich ist s ondern beson
, ,

ders auch daran daß sich die Logik und Metaphysik


,

in j ener Zeit Z uerst das Problem einer zeitlosen



Geschichte d e s Selbstbewußtse ins stellte Zu den .

j g
e n i e n Begri ffen d ie für d a s
,
historische Bew ußtse i n
eine entscheidende Bedeutung hab e n gehört aber ganz ,

besonders der Begri ff der Kontinuität der dem Prinzip ,

d e s s ch e idenden und trennenden diskursiv e n Verstandes


und dem Begri ff des D iskreten gegenübersteht .

Der Begriff des Kontinuums wurzelt in der anschau


lichen Vorstellu ng des Lebens Das Leben selber in
_
.

seiner Unmittelbarkeit ist rein kontinuierlich zu denken .

D a s unangetastete Leben in sein e r Reinheit und Ur


sp rü n g lich ke it kennt keine schro ff en Gegensätze keine ,

Aufteilung und Vereinzelung sondern d a s eine geht ,

allmählich in das andere über un d das scheinbar Ver ,

e in ze lt e steht im innigsten Zusammenhang mit anderen .


1 34 II Das romantis h
. c e K ulturb e wuß tse in

w andern In de r Vernun ft selber ist ein P rinzip ge


.

geben das uns immer weiter treibt und weiter fuhrt


,

un d das schon Kant in der Idee seiner D ial ektik geahnt

hat Aus dem letzten Grunde des geistigen Lebens


.

h e raus das die Philosophie als Ich oder auch wie


,

Schell ing als Identit ä t bezeichnet lassen sich alle For ,

men der vernünftigen Wirklichkeit ableiten un d ver


stehen Wir haben die Möglichkeit der Emanation und
.
,

dem Aufbau der Vernunft zu folgen und w e rden fin ,

den daß uns d a s Ende wieder an den Anfang zur ü ck


,

führt Aus der letzten Einheit des geistigen Lebens


.
,

die im reinen Selbstbewußtsein g e geben ist konnen Ge ,

en sä t z e hervorgelockt werden die in der Natur der


g ,

Vernunft angelegt sind Die Gegensätze entfalten sich .

zu e iner Geschichte der Vernunft Indem aber die Ge .

g en s ä t ze versöhnt u n d ausgeglichen und immer mehr

behoben und aufgehoben werden kehrt die Entwicklung ,

schließlich an den Anfang zurück .

Zwischen Gott und Welt zwischen dem Unendlichen ,

un d dem Endlichen zwischen Geist un d Natur bestehen


,

keine absoluten Gegensätze sondern auch hier geht d as ,

eine in das andere über un d das scheinbar so weit Ge ,

trennte hängt doch auch wieder au f das innigste mit


ei n ander zusammen D ie Natur ist die Sphäre des un .

bewußten Geistes und so vermag si c h die Vernunft in


,

der Natur w ied erzufin d en Sie erkennt sich dort so wie .

sie vormals war Gott ist nicht von der Welt g e sch ie
.

d e n sondern im Leben unmittelbar wirksam und die


, ,

höchste Daseinsform erreicht Gott in der menschlichen


Individualität Das Endliche als die begrenzte Lebens
.

form das Einsame und Isolierte ist nur ein Vorüber


,

gehendes Es ist nur d a um aufgehoben zu werden


.
,
.
D as P rinzip d er Ko tin i t ät
n u un d das h ist or . B w ß ts i
e u e n 1 35

Das Unendliche in seinem Rei c htum hat die Macht ,

allem Mangel des Endlichen abzuhelfen Im letzten .

Grunde aller Dinge deren Symbol die geheimnisvolle ,

Nacht ist wird das Endliche zu vollkommener Einheit


,

mit dem Unendlichen gelangen .

Der Gege nsatz von Wert und Unwert von Gut und ,

Böse von Wahrh e it und Irrtum : die Romantik läßt ihn


,

nicht stehen S ie kann ihn in dieser Schro ffheit nicht


.

anerkennen S ie kennt im Grunde genommen wohl n ur


.

das Wertfreie nicht aber das W e rt w id rig e Das naive


,
.

Bewußtsein kennt nur die sinnlich anschauliche Gestalt -

der D inge die durch V e rst an d esre fl ex io n mehr oder


,

weniger zersetzt wird D ie philosophisch kritische Be .


-

sin un ug v e rfällt dann auf d en Gegensatz von Wert un d


Wirklichkeit von Ideal un d Leben und um das Ideal
, ,

recht deutlich zu machen wird d as Böse Irrtum S chuld , , ,

und Sünde als etwas Unaufhebbares und Radikales dem


Werthaften entgegengestellt Dringen wir aber noch .

tiefer in das Geheimnis der Wirklichkeit e in so wird ,

das W e rtf e in d lich e immer mehr überwun den un d aus


g e lo s ch t Es
. ist das Naturhafte u n d Unbewu ß te Es .

hängt mit dem allgemeinen S ch icksalslo s des Endlichen


zusammen Unter d em letzten metaphysischen Gesichts
.

punkt bleibt das Endliche mit dem Unendlichen allein .

Aber auch diese letzte Ver e inzelung wird einmal über


wunden s e in Dann stellt d as Endliche s e ine Beziehung
.

zum
,
Unendli c hen wieder her un d k e hrt in seinen Ur

sprung zurück Dann werden alle Unters c hiede und


.

Gegensatze getilgt so wie die Nacht all e Unterschied e


,

aufhebt die das Licht hervorgebracht hat Dann weicht


, .

die Ve reinzelung der innigsten Liebesg e m e inschaft .

Das Individuum wird d em göttli chen Ganzen so voll


1 36 II . D as . rom an tisch e K ulturb ewuß tsein

kommen eingeordnet daß wir zwis chen dem Endlichen ,

un d Unendlichen nicht mehr unterscheiden können .

Wie das Prinzip der Einheit dem Gegensatz gegen


ü bertritt so die Idee der Kontinuität dem Zusammen
,

h an g lose n un d Vereinzelten Aber in der Idee der Kon .

t in uit ä t liegt auch die Vorstellung des Lückenlosen .

D ie Teile sind auf das engste verbunden S ie geh e n .

unmerklich ineinander uber Das Allmähliche ist das .

Organische Gesunde und H eilsame Das Abgebrochene


,
.

und Gewaltsame ist das Krankhafte So werten die .

R omantiker auch im historisc h en Geschehen das Konti


n uie rlic h e und bekä m pf e n unter diesem Gesichtspunkt
die allzu hastigen und gewaltsamen Bewegungen des
historischen Lebens un d ganz besonders auch d a s Revo
lutio n ä re sofern es sich um eine materielle B ewegung
,

handelt Geistige Revolutionen die etwa auf dem Ge


.
,

biet d e r Philosophie Kunst und Religion erfolgen sind


, ,

wertvoll und groß Verraten sie doch die Übermacht


.

des Geistes Dagegen pflegen politisch soziale Revo


.
-

lutio n en im allgemein e n von materiellen Interessen ge


leitet z u sein Vielleicht sind sie notwendig weil sie
.
,

eine Krisis des sozialen Lebens bedeuten un d den er


krankten sozialen O rganismus der Genesung entg egen
führen S o ist die Haltung des historischen Bewußt
.

seins d e r Romantik gege n über d e r französischen Revo


lut ion durchaus verständnisvoll S ie ist gleichweit ent .

f e rn t von B e wunderung und Verurteilung Wohl abe r; .

h a t d as kritische Bewußtsein der Romantik diese eigen


tü m lich e Struktur d aß es nicht in e rster Linie die großen
,

Umwälzungen un d Wendepunkte des historischen Ge


s ch eh en s bej aht u n d feiert da diese nur z u oft den kon
,

t in uie rlich en Ab fl uß der his t orischen Bewegung schro ff


1 38 II Das romantis h
. c e K ulturb e wuß tse in

zu verkennen aber von vornherein macht


t estan t ism u s ,

sich d as Bestreben bemerkbar ihn in einer höheren Syn


,

these z u überwinden Vor allem aber mußte die Roman


.

tik dem Geist der Aufklärung entgeg e ngesetzt sein ,

weil sie d as Prinzip eines e xtremen Individualismus


vertrat und dadurch die Beziehungen des sozialen Le
bens bedrohte So ist die Werthaltung der Romantik
.

in hohem Maße von der Idee der Kontinuität bes t immt ,

die für ihre Stellungnahme gegenüber dem historischen


Ge schehen maßgebend wird .
1 42 III . D ie Philosophi e d er Romantik

entde cken und au fzuweisen Wenn es der Philosophie .

der Aufklärung darauf ankam alle Verhältnisse zu ,

r ationalisieren d h verstandesm ä ßig zu erklären un d


, . .
,

sie das Leben sehr einfach machte sofern von wenigen ,

Hypothesen und Theorien aus seine Fülle be m e ist ert


w erden sollte kam es der romantischen P h i10 5 0 ph ie
,

darauf an alle Verhältnisse des Lebens zu idealisieren


, ,

d h sie so zu deuten und zu verstehen daß ihr


. .
,

übersinnlicher geistiger Gehalt ihre Beziehung zur


, ,

Idee deutlich und sichtbar wurde Dadurch erschien das .

Leben unendlich reich weil das scheinbar Kle ine un d U n


,

b e deutende durch eine abstrahierende Erklärung nicht ein


fach beseitigt wurde sondern selbständigen S inn un d ,

Eigenart erhielt und immer neue Beziehungen und Ver


bindungen ahnen ließ Der Gegenstand der Philosophie .

wurde also durch die romantische Philosophie un en d


lich erweitert Für Kant waren Wissenschaft und sitt
.

liches Leben sowie die damit verbundenen Fragen von


,

Recht und Staat Le itprobleme der Philosophie Ur .

sp rü n g lich war es ihm zweifelhaft erschienen ob es ,

möglich sei die philosophische Frag e stellung auch an


,

das Natursch ö n e und die Kunst zu richten D ie t o .

m a n t isch e Philosophie hat es nicht nur mit Mathe


matik und reiner Naturwissenschaft sondern auch mit ,

d er Geschichte wie überhaupt mit allen Formen des


,

Wissens und ganz besonders auch mit einer p h ilo so


p h isc h e n Spekulation über die Philosophie zu tun Sie .

ist a ber nicht nur mit Problemen der Wissenschafts


lehre sondern auch immer mit dem Problem der Wirk
,

lichkeit und des Lebens beschäftigt S ie versucht


mit ihrer philosophischen Deutung auch unmittelbar an
Natur und Geschichte heranzukommen nicht n u r mittel ,
Das W s n
e e d er ro m antis h n Phi lo ophi
c e s e 1 43

bar durch Naturwissenschaft und Geschichtswissen


schaft S ie ist nicht nur Logik der Naturwissenschaft
.

und Geschichtswissenschaft sondern auch Naturp h ilo ,

sophie und Geschichtsphilosophie S ie beschäftigt sich .

nicht nur mit der Frage nach dem Allgemeingültigen


der ästhetischen Beurteilung wie es Kant getan hatte , ,

den gegenständlich vor allem d as Problem der ä st h e


tischen Naturbetrachtung interessierte sondern sie er ,

obert das we ite Gebiet der Kunst für die philosophische


Deutung Die Romantik e r trugen die philosophische Frage
.

an alle Gegenstände des Lebens heran nicht nur an die ,

großen Wertverhältnisse des Leb e ns wie Freunds chaft


un d Liebe sondern auch an Kleinigkeiten über welche
, ,

die frühere Philosophie hinweggesehen hätte entweder ,

deshalb weil sie diese Kl e inigkeiten überhaupt nicht b e


,

merkte oder weil sie sich zu vornehm dünkte um ,

von ihnen Notiz zu nehmen Aber im S inne der R o .

mantik ist nichts unbedeutend weil nichts vereinzelt ,

ist Und so bezieht sich die romantische Philosophie


.

a u f d a s Größte un d auf das K leinst e a u f%a s Weiteste ,

und Umfassendste auf das Engste und B esch rä n k


,

t c st e
. Denn auch die metaphysische Spekulation er
hob sich von neuem sofern die von Kant in ihrer
,

Isoliertheit geschauten und a ufg e f aß te n Ideale des Lo


gischen Ethischen und Ästhetischen zu dem Begri ff
,

des Absoluten verdichtet wurden .

Neben dieser prinzipiellen Einsicht in die Natur der


philosophischen Fragestellung ist die romantische Philo
sophie dann noch dur ch eine Reihe von Bestimmung e n
gekennzeichnet die durch den Charakter des roman
,

tisch e n K ult urbe w uß t sein s w ie wir ihn ges childert un d


, ,

dur ch die ganze Z e itlage ohne weiteres verständlich sind .


1 44 III . D ie P h i10 50 p h ie d e r Romantik

Indem sich die Philosophie der Romantik zur Totali


tat des Lebens bekannte mußte sie dahin gelangen die
, ,

streng systematische Form der Philosophie abzulehnen .

Niemals läßt sich die unendli che Lebensfülle in ein ge


sch losse n e s Begri ff ssystem einfangen Der Begriff ist .

zu derb un d zu hart um die Feinheit und Zartheit des


,

Lebens zu tre ff en Er ist zu arm um sie zu er


.
,

schöpfen Selbst unendlich viele Begri ff e können das


.

unendliche Leben niemals ganz durchdringen weil sein ,

seltsamer Reichtum auch über die Unendlichkeit der


Fo rmen noch hinausgeht Das philosophische System .

kennt aber immer nur eine sehr begrenzte Zahl von Be


gri ffen welche die Konturen des Lebens nur sehr un
,

deutlich und unsicher zu treff en vermögen Dazu ent .

wickelt sich das Leben : es entfaltet sich in immer wieder


neuen Formen Wie so llte das System der Philosophie
.

auch das schon umschließen und in sich aufnehmen ,

dessen Erscheinung und Gestalt fernen Jahrhundert e n


aufbewahrt ist Dem Leben das sich immer weiter ent
.
,

faltet kann nur e in o ffenes System entsprechen


, ,

welches Lücken o ffen laßt für das Neue d as immer ,

wieder sich geltend macht .

So sehr auch d as romantische K ult urb e wuß tsein die


Tradition bej aht und in der Vergangenheit wurzelt ,

seine leidenschaftliche Li ebe gehört doch dem was d a ,

kommen soll un d d e mentsprechend hat auch die ro


m an t isch e Philosophie einen prophetischen Charakter .

Es handelt sich nicht nur um theoretis che Deutung und


A uffassung des Lebens die Philosophie will nicht nur
,

Einsicht in letzte Zusammenhänge gewinnen : sie will


auch verk ü nden was der Menschheit bevorsteht ihr
, ,

n ahendes ihr kommendes Schicksal den Endzustand der


,
.
1 46 II I . D ie Philosophi e d er Romantik

des sittlichen L e b en s der Natur un d des Staates in


J ,

Analogie zum Kunstwerk erfolgt das metaphysische ,

Wesen in de r endgültigen Überwindung des Dualis


mus in Vo l lendung und vollkommener Einheit bes t eht
,
.

In diesem Sinne ist nicht die formale Logik sondern ,

die Kunst das Organ der romantischen Philosophie


, .

D ie Logik lehrt mich die Mittel und Werkzeuge der


Erkenntnis den Begri ff und d as Urteil kennen die
, ,

Kunst aber lehrt das Wesen der Idee die als Produkt ,

der Vernunft gle ichzeitig Gegenstand und Weg w eiser


f ü r alle philosophische Spekulation bedeutet .

D urch den Primat d e s ästhetischen un d religiösen


Wertes sowie durch die hohe Bewertung des h i
,

sto risch en Lebens ist alles das gekennzeichnet was wir ,

unter roman t ischer Philosophie verstehen un d dadurch


auch eine deutliche Abgrenzung gegen ü ber ver w andten
Erscheinungen vollzogen Wo der k ü nstlerische der .
,

religiöse oder der historische Einschlag fehlt d a ist die ,

Philosophie der Romantik auch nicht mehr in ihrer


Reinheit vorhanden denn die innige D urchdringung,

dieser drei Sphären des geistigen Lebens macht ihr


e ig e n t um lich e s Wesen a us .

Fo r men der ro ma n t is ch en Ph i10 3 0 ph ie


Wenn wir einen allgemeinen Überblick gewinnen
wollen üb e r die Fragen welche die romantische Philo ,

sophie am meisten beschäftigt haben so gehen w ir am ,

besten von dem Gedanken aus daß die Philosophie sich ,

ei n e dreifache Aufgabe gegenüber der W irklichkeit


stellen oder daß sie mit drei ganz verschiedenen Fragen
,

dem Leben und dem Dasein nahen kann D ie den k .


F orm ne d er romantis h n Ph ilosophi
c e e 1 47

bar umfassendste Fragestellung ist die nach dem S inn


des Weltg an ze n und in ihr liegt augenscheinlich auch
,

die höchste Zielsetzung der Philosophie beschlossen .

Unter Philosophie verstehen wir in erster Linie die


großen philosophischen Systeme der einsamen Denker ,

die von ihrer K ulturlag e aus und den Tiefen ihres per
sö n lich e n Wesens eine Antwort gegeben haben auf
,

die ewigen Fragen des Daseins und j enes anderen das ,

mehr als bloß es Dasein ist : das All das Universum das , ,

Göttliche die ewige Ordnung der Dinge und in deren


, ,

Antwort selber so etwas wie Ew ig keit sg eh alt zu liegen


scheint so d aß hie r ein Ewiges und Unverg ä ngliches
,

das Ewige un d Unvergängliche berührt Wenn diese .

allumfassende Frag e nicht gestellt wird so kann das ,

sehr verschiedene Gründe haben Es kann R e sig .

nation Ohnmacht Skepsis aber auch Pietät Andacht


, , , ,

un d weise Begrenzung bedeuten Resignation wenn .


,

das metaphysische Problem ein f ur allemal als un


lösbar beisei t e geschoben wird ; Ohnmacht wenn das ,

Vertrauen auf die Leistungsfähigkeit des eigenen Den


kens vor den Wagnissen der Vernunft zurü ckschreckt ,

Skepsis wenn die Verzweiflung an ein e r allgemein


,

gü ltigen Erkenntnis das Problem vernichtet un d auf


hebt Pietät und Andacht kann das Motiv sein wenn
.
,

das Leben de s Alls zu groß erscheint um in der ,

Sprache des Begri ffes eine Lösung zu finden und


weise Begrenzung wenn die Spekulation sich auf
,

dasj enige einstellt was uns am nächsten liegt und


,

un s am unmittelbarsten b eruh rt D a s romantische .

Denken war von Andacht erfüllt gegenüber dem


großen un d geheimnisvollen Lebe n des All aber ,

auch von Liebe und Interess e für das Nahe und


1 48 III . D ie P i l h osophi e d er Roman tik

N ä chste ergri ffen D ie Romantik wollte durch ihre


.

S innge bung und ihr liebevolles Eingehen und Ver


stehen den Dingen e ine Vorform geben und eine Ge
st alt u n g die der künftige Genius als willkommenes M a
,

t erial nutzen konnte und sie wollte das groß Gedacht e


,

der Gegenwart und Vergangenheit a u f all e Wirklich


ke it e n und Verhältni sse d e s Lebens anwenden und sie
all e mit Sinn und G e ist und Form erfüllen so daß nichts ,

S innloses und Geistlose s mehr zurü ckblieb Und so .

konnte sie die Frage erheben nach dem S inne des Le


b ens indem sie vom mens c hlichen L e ben in erster Linie
,

b e rührt und ergri ffen wurde die Beziehung des End ,

lichen zum Unendliche n wohl überall ahn e n und durch


scheinen ließ aber doch mit besonderer Vorliebe bei der
,

Deutung des Menschenleben s und sei ner mannigfaltigen


Formen verweilte S ie fragt nach dem Ziel und S inn
.

des menschlichen Daseins wie wir es unmittelbar er ,

leben indem sie das System als Vergewaltigung d es


,

Lebens abl e hnt I n dieser Form bezeichnen Wir sie als


.

Lebensphilosophie Die Lebensphilosophie wird sich


.

damit begnügen die Werte aufzuweisen die mein D a


, ,

sein erhöhen S ie wird Prinzipien der L eb en sb e ur


.

t e ilung aufweisen von denen aus ich den We rt des


,

Daseins bestimmen kann .

Schli eßlich kann sich aber auch die Philosophie mit


dem beschäftigen was zwischen dem Ganzen der Wirk
,

lichkeit und den schlichten Lebensinhalten liegt Dieses .

Etwas ist die Kultur als Inbegri ff der g e istigen Güter .

\Nenn die Philosophi e die Fr a ge erhebt nach dem S inn


der gegenwärtigen Kultur so bezeichnen wir sie als ,

Kulturphilosophie .

Au c h die systematische Philosophie hat es j a augen


1 50 II I . D ie Philosophi e d er Roman tik

Neben der Deutung des Lebens auf seinen eigen
t um lich en Wertgehalt hin steh t die Deutung der Kultur ;
die Kulturphilosophie der Romantik H ier se t zt das .

historische Interesse mächtig ein Es handelt sich z u .

nächst um die Frage : Was bedeute t unsere Kultur


?

im historischen Ganzen Ist sie eine Zeit des Nieder


ganges und des Verfalls ? Ist sie ein Zeitalter siegreicher
Vollendung ?Oder ist sie eine Zei t der Erwartung und
S ehnsucht ?Bereiten sich in ihr neue höhere Daseins
formen und Kulturform e n vor ? Wie ist unsere Zeit
,

zu v e rstehen und was für M e nschen fordert die neue


ze it ? Das sind Frag e n die wohl schon lange das

,

menschliche Nachdenken besch ä ftigt haben die j edoch ,

früher nur gelegentli c h hervortraten nicht aber die ,

führend e n Geister e in e r ganzen Nation beschäftigen .

Wi r w e rden sofort auf die Verwandtschaft auf m erk


sam die zwischen d e r Problemstellung der Romantik
,

und der p h ilO S Op h isch e n Fragestellung unsere r Zeit be


steht W ie bedeutende Denker der neueren un d
neuest e n Zeit ich brauche nur an B e rgson Georg ,

S immel u n d Nietzsch e zu erinnern a ls L eb e n sp h ilo


soph e n angespro c hen werden können so h at die kul ,

t urp h ilo sop h isch e Fragestellung vor und nach dem Welt
kriege diejenigen De n ker beschäftigt die dem histo ,

rischen Geschehen mit verstehender S inngebung zu


nahen suchten So h at Wilhelm Windelband vor dem
.

\Ve ltkrie g e die Kultur der Gegenwart als eine Art Re


naissance gedeutet Der Geist des Zeitalters sollte r ü ck
.

w ä rt s gewende t sein Es hand elt sich darum d aß der


.
.

deuts che Ge ist seine größte Ze i t d as Ze i talter v on Kan t


,

und Goethe noch ein mal durchlebt und es sich ganz


zu eigen macht Nachdem der deutsche Geist durch
.
Form n
e d er roman tis h n Philosophi
c e e 1 51

Materialismus un d Naturalismus sich selbst entfremdet


war fand er in den achtziger Jahren des vorigen Jahr
,

h un de rt s den Weg z u seiner ewigen H eimat wieder .

Die deutsche Philosophie besann sich au f ihre große


Herkunft A uf die Renaissance Kants folgte die R e
.

naissance Fich te s und später die Renaissance S chellings


un d H egels Die großen Systeme des deutschen I d ealis
.

m us die man j ahrzehntelang nicht mehr verstanden


,

hatte wurden neu entdeckt und neu dur c hlebt Die


, .

ewigen Motive aller großen Philosophie wurden wieder


aufgenommen un d a uf die Kultur der Gegenwart an
gewandt D as war kein schwä chliches Epigonentum
.
,

sondern eine z ukun f t sf reud ig e Bewegung Der deut .

sche Geist war in die Irr e gegangen Er war bei sich .

eingekehrt u n d eilte nun von dem neugewonnenen A us


g an g sp un kt einer hoheren Ent faltung entg e gen G e org .

S immel hat die Kultur der G e genwart als e ine Zeit des
Ü be rganges ge deutet Niemals war das Leben so
.

mächtig wie in unserer Zeit un d so erl e ben wir d a ß


, ,

alle Formen zerbrochen werden darin S ich das Leben ,

früh e r obj ektiviert hatte D as fuhrt vorübergehend zu


.

einer Anarchi e die auf religiösem künstlerisch e m und


, ,

politisch sozialem Gebiet besonders deutlich hervortritt


-
.

Das religiöse Sektenwesen der Expressionismus un d


,

Dadaismus un d die Bestrebungen des Kommunismus


werden als Zeichen dieser Krise geltend gemacht Os .

wald Spengler hat dann schließlich d as gegenw ä rtige


Zeita l ter im Rahmen seiner groß angelegten Kultur
phi l osoph i e als ein Zeitalter des Unterganges gedeutet .

D ie Kul t ur die mit Philosoph ie Religion und Kunst


, ,

zusammengeht ist im Ab e n d lan de nach dem Gesetz d e s


,

historischen Schicksals unrettbar de m Untergange ver


1 52 I II . D ie Phi losophi e d er Roman tik

fallen Es folgt das Zeitalter der Zivilisation in dem


.
,

wir uns seit etwa hundert Jahren befinden und d a s dann


allmählich zur vollkommenen Vernichtung un d Zer
störung des westeuropäischen Völkerlebens hinleitet .

Die Kulturphi losophie geht schließlich in die syste


m a t isch e Betrachtung uber So wird die Kultur .

philosophie zur Geschichtsphilosophie wenn die philo ,

sop h isch e Spekulat ion mehr der Idee des Ganzen als

den Teilen un d speziell auch der gegenwärtigen Kultur


gehört An der systematischen Philosophie nehmen n ur
.

wenige Romantiker teil so besonders S chelling den


, ,

man a ls d e n systematischen Philosophen de r Roman


tiker bezeichnen kann und daneb e n noch S chleiermacher ,

der ab e r nur mit seinen Jugendwerken zur Romantik


gerechnet werden kann Schelling ist in al l en seinen
.

Werken dem romantischen Geiste treu geblieben Er .

gehört aber nicht nur der Romantik sondern auch der ,

großen Entwicklungsreihe der Philosophie des deutschen


Idealismus von Kant bis H egel S chelling ist nicht nur .

Romantiker Er wächst über den Ze itgeist seiner Epoche


.

weit hinaus Wir aber wollen ihn hier nur von der ro
.

m an t isch e n S eite aus zu verstehen suchen Die syste .

m at isch e Philosophie wird immer relativ am freies ten


sein von den Einflüssen einer besondere n Ku l tur S ie .

ist ni cht so sehr der Ausdruck eines besonderen Kultur


bewußtseins wie etwa des romantische m sondern des ,

W e rtb ew uß tse in s überhaupt .

Das Ideal der Perso n lich keit


D ie Philosophie der Roman t ik ist in erster Linie ein e
Philosophie des Lebens Eine s o lch e s e tzt das Lebe n
.

1 54 III . D ie P h 110 5 0p h ie d e r Romantik

tete das L eben und machte es zum Gegenstand seiner


Liebe und se i nes Wissens .

Mit der Romantik scheint etwas ganz Neues wirklich


zu werden eine Steigerung des Lebensgefühls w ie wir
, ,

es in der Geschichte der Menschheit selten finden ein ,

Aufj auchzen der S eele ein heller Jubel e in freudiges, ,

Erwachen Das Leben der Seele wird als ein wertvolles


.
,

kostbares empfunden Als das Beste und Edelste von


.

allem Gescha ffenen gilt diese Sphäre der Innerlichkeit ,

Reinheit und Einfachheit In der Hochhaltung und Be .

wertung der Seele berührt sich die Romantik mit


Meister Eckhart un d der Mystik .

In dem Leben der S e ele ist d a s We rtvolle wirklich .

Aber no c h kennen wi r die Seele zu wenig D a gibt es .

große weite Gebiet e die uns gänzlich verschlossen ge


,

blieben sind S o ist denn der romantische Geist viel


.

f a ch in sich versunken und lauscht den Stimmen die ,

aus d er Tiefe des Unbew ußten h in auf t ö n en In Tiecks .

Lovell un d in W a cke n ro d e rs „ H e rzensergießungen


e ines kunstli ebenden Klost e rbruders s ehen wir den ro
m a n t isch e n G e ist so nach innen gerichtet Fur chtbar .

erscheint man chmal d as was unter der S c hwelle des ,

Bewuß tseins verborge n lie g t Es kann zu Wah nsinn .

und Entsetzen führen Abe r diese Unterwelt des Be .

w uß t se in s ist es auch zugleich aus der d a s Material z u ,

a lle r W e rt g e st alt un g stammt Es gibt keine Größe kein e .


,

Macht und keinen Reichtum der Seele ohne diesen D ä


mon in der Tiefe .

Das Unbewußte ist die Que l le des Dunklen Ra tsel ,

haften Geheimnisvollen Wir tragen unentdeckte Kräfte


,
.

un d unentdeckte L änder in un s Wie in der Renaissance .

die Natur so erscheint in der Romantik die menschliche


,
Das Id al
e d er P rsönli hk it
e c e 1 55

Seele als das große Geheimnis Auch hier werden ge .

h eim n isv o lle Kräfte geahnt Eine magnetische Kraft


.

der Seele ein Fühlen in die Ferne wundersame Ein


, ,

fl ü sse der Sympathie un d Antipathie die Macht d e s ,

Willens in der Form manni g fache r Beeinflussung un d


Suggestion un d unte r der klaren Flä c he des Ob e rb e
w uß t se in s das T ra um b e wuß t se in und das Unterbewußt
sein der Somnambule .

Das Unbewußte das verborgene Genie die un g eb ä n


, ,

d ig te geheime Kraft der Seele soll zur Klarheit des


Bew ußtseins gef ü hrt w
,

erden Das Bewuß te sol l dem.

Unbewußten M a ß un d Grenze setzen So trit t dem .

schrankenlosen Individualismus der Geniezeit ein neuer


Individualismus entgegen der die vol lkommene Gestal
,

tung der dunk l en G e fühlswelten verlangt .

Feind d e m Rohen un d Gestaltlosen sind die Roman ,

tiker auch Gegner aller S e ntimentalit ä t allem weichen ,

un d unbe wußten Ausströmen der Gefühle Rührselig .

ke it lie gt ihnen vollkommen fern U n d selb st der ge .


_

\ ‚

läuterte Begri ff des S en tim e n t alisch e n w ie er sich bei ,

S chill e r finde t die Sehnsucht nach dem für immer ver


,

lo re n e n Zustand der Natur u n d Unschuld tri fft a u f sie ,

nicht zu D ie romantische Seele trauert nicht um ein


.

verlorenes Glück da sie ein große s neues unmitte l bar


,

erwar tet .

D ie Romantik lehnt die freie Entfaltung der Tr i ebe


ab aber sie v e rt rit t im Gru nde genommen einen sch ran
, _

ke n lo se n Indiv i dualismus sofer n die wertvolle Individu


,

a lit ä t sich unter kein Gesetz un d u nter keine rle i Max ini c
é ‘
-

beugt Der Wert steht nich t als \Ne rtmaß stab als ab
.
,

strakt e Forde rung der Pflicht dem Individuum gegen


1 56 III . D ie P h i10 50 p h ie d e r Roman tik

uber Diese Distanzierung wird aufgegeben Er ist


. .

unmittelbar mit der Individualität verschmolzen .

Das Ich ist Wert sofern e s die vollkommene E rfü l


,

lung un d Gestaltung der individuellen Gefühlswelten


bedeutet Die Persönlichkeit ist Form alles wertvollen
.

Lebens S ie ist unbezweifelbar S ie ist evidente Gewiß


. .

heit D ie Forderungen die an das Ich gestellt w erden


.
, ,

sind sekundär S ie ergeben sich aus dem Verhältnis des


.

Individuums zur K ult urlag e Es gibt somit kein ab so .

lutes moralisches Gesetz ke ine unbedingten Fo rde run ,

gen moralischer Natur Die Romantiker sind Gegner .

aller P rin z ip ien m o ra l Jeder Mensch hat sein in d iv i


.

d ue lles Sollen Wer sein Leben gestalten kann ist


.
,

Lebenskünstle r Nach der Seite des künstlerisc hen Ver


.

stehens der fremde n Individualität und nach der Seite


der k ü nstlerischen Gestaltung der eigenen Seele legt
sich die ästhetische Forderung auseinander Die Ana .

logie von Kunst und Leben führt dann weite r dazu die ,

Eigentümlichkeit und Originalit ä t im Sinne der be


so n d e re n W e rt g e st alt un g zu betonen .

Als w e rtb ild en de Kräfte der See le werde n von den


Romantikern Enthusiasmus und Liebe an erster Stelle
genannt In ihnen kommt der platonische Eros zum
.

Ausdruck Auch in der platonischen Liebe ruht ein


.

ästhetisches W e rt m om en t Der Gegenstand der Liebe .

ist na ch Plato notwendig d as S chön e .

Eine gewisse weibliche H ingabe o ffenbart sich im


Wesen der Romantiker Der Wille tritt häufig g anz .

zu rück hinter der genießenden Betrachtung Der R o


mant ike r genie ß t sich selbst und andere Er füh l t sich .

als M i ttelpunkt universa l er Beziehungen .

Die Seele ist aber nicht nur passiv sondern auch ,


1 58 III . D ie Philosophi e d er Romantik

sch o p fe risch e Urfunktion gedacht w elche die Erlebnis ,

teile zusammenschlie ß t un d steht vollkommen un t er ,

dem Aspek t des Ästhetischen Die bildende Kraft ist .

zurückzuführen auf den inneren Künstler Jeder Mensch .

ist im Grunde ein Genie Der D ich t er scheidet sich .

vom naiven Menschen nicht prinzipiell sondern nur ,

graduell Der Gegenstand aber au f den die Bildner


.
,

kraft der S eele sich richtet ist das ä sthetische Leben ,


.

Es gilt den ästhe t ischen Wert mit dem Leben zu ver


binden .

D ie Romantiker wenden sich gegen das a l te Idea l


der Frau als eines schwachen zarten der Anlehnung , ,

b ed urf t ig en We sens Sie kämpften auch gegen d a s alte


.

Ideal des Mannes als des Starken Brutalen und Rohen


, ,
.


Formgebungen wie sie sich noch in S chillers „ Glocke
,

u n d besonders in Würde der Frauen geltend machten .

D ie Potenzierung der S chwäche ist ebenso unschön w ie


die Po t enzierung der Kraft Weder ist die zarte Li .

a n en n a t ur eines Jean Paul Ideal der F raue n sch ö n h e it

noch d a s derbe Ath let e n t um Ideal der M ä n n e rsch ö n


heit So verteidigen sie das Ideal der Androgy ne D as
. .

Männ l iche darf des Weiblichen d as Weibliche des ,

Männlichen nicht entbehren .

D as Geniale ist der natürliche Zustand des Menschen .

S eine unbe w ußte Phantasie baut sich aus eigener Kraft


die Welt auf Der Liebende vergöttert den Gegenstand
.

se iner Liebe und sieht ein B ild der Verehrung das nicht ,

existiert Der Wil de der die Sprache scha fft a ls be


.
,

w e g lich e n Körper für den Gedanken auch er besitzt ,

ge w iß Genie S o is t j eder Mensch seiner Anlage nach


.

ein großer K un st ler Um ein scha ffender un d ges t al


.

tender Küns t ler zu werden braucht er sich nur auf ,


D as Id al
e d er P rsö
e hk it
n li c e 1 59

das Genie das in ihm ist zu besinnen Er muß es in


, ,
.

seine Gewalt bekommen .

Die Künstler bilden e ine Aristokra t ie des Geistes .

S ie haben sich selber e ingewe ih t zu ihrem g o tt lich en


Beruf K un stler ist ein j eder dem es Zie l un d Mitte
.
,

des Daseins ist seinen S inn zu bilden Nur au f den


, .

En t schluß kommt es an sich a uf ewig von allem Ge


,

meinen abzusondern Das was sich ursprünglich un


.
,

be wußt vollzog wird im K ü nstle r zum bew ußten Selbst


,

zweck D ie v on entfaltete ästhetische Funktion be


.

deutet die Erhebung des urspr ü nglichen Rh y thmus


der Seele .

D as Material f ur die kun st lerisch e Gestaltung des


Lebens liefert die Natur Sie ist das Prinzip de r .

M annigfaltigkeit und der unendlichen Fulle Es ent .

stammt zunächs t der eigenen Natur Jeder Mensch .

besitz t eine Fülle von Anlagen un d daraus resul


t iere n d e Entwicklungsmöglichkeiten D ie Romantiker .

forderten die Gestaltung aller Anlagen Nichts soll un .

ge nutzt un d unges t al t et bleiben De r M eh éch soll sich .

nicht einseitig entwickeln sondern zu einem ganzen ,

Menschen zu einem V o llm en sch en werden Jede Ein


, .

seitigkeit un d Halbhei t ist ein schwerer Mangel Die .

Herausarbeitung un d Ges t altung e inzelner Anlagen


un d ihre Kultivierung auf Kosten der anderen kann z u

einseitiger Größe führen niemals aber das Ideal der


,

universalen Persönlichkeit zeitigen N ichts empfanden .

die Romantiker schwerer als den Vorwurf der Ein


seitigkeit den Mange l an Sinn f ur irgendeine wert
,

volle Erscheinung der Kultur un d des Lebens .

Weiter entstammt das Material der künstlerischen


Gestaltung des Lebens aber auch den fremden Naturen ,
1 60 I II . D ie P h il0 5 0 p h ie d e r Roma tik
n

und d a erschien den Romantikern die Moglichkeit zur


Aufnahme des fremden B ild un g sst off e s viel zu gering
zu sein So sieht etwa Novalis die H auptaufgabe der
.

Kultur : d ie Ve rb e sse run g des Mens chengeschlechtes sich ,

erfüllen in der Vermehrung und Ausbildung der S inne .

Würden unsere S inne schärfer sein so würden sich uns ,

ganz neue Welten erschließen Und ge fordert wird die .

Entwicklung neuer und eigenartiger Organe zum Ver


stehen von Welt und Leben Das Verstehen soll z um .

umfassenden Organ des W eltb e t rach t en s werden Alles .

Nichtverstehen erfolgt aus Mangel an Sinn B ildung .

und Gestaltung bedeutet Erwe iterung der eigenen Per


so n lich ke it zur Aufnahme von unendlich Vielem In .

der Fähigkeit das eigene S elbst zu erweitern zum


,

universalen Mitge fühl mit dem Ganze n des historischen


Geschehens zur lebendigen Anteilnahme an Kultur
,

und Lebe n gerade darin besteht unsere Gottähnlichkeit


,
.

Und so gilt für sie auch die faustische Sehnsucht :


was de r ganzen Menschheit zugeteilt ist
Un d ,

Will ich in meinem eigenen Selbst genießen .

Kein Mensch ist schlechthin Mensch sondern kann ,

und soll wirklich die ganze Menschhe it sein Bildung .

ist das höchste Gut und so ist der ungebildete Mensch


,

die K arrikatur von sich selbst Wilhelm Meister wird .

von Friedrich S chlegel a ls echt romantischer Charakter


betrachtet weil e r Empfänglichkeit für alles besitzt und
,

immer die große Kunst des Lebens im Auge hatte .

Ein unendliches Bildungsstrebe n wird z um Ideal der


Zeit Von allen Bildungsmitteln erscheint aber die Be
.

sch ä f t ig un g mit der Geschichte am wertvollsten So .

sagt Friedrich Schlegel : „ D ie Geschichte erhöht unser


1 62 I II . D ie P h i10 5 0p hi e d er Roman tik

sei Kunst und Wissenschaft dein Leben Liebe un d ,

B ildung so bist du ohne es zu wissen scho n auf dem


, ,

Wege zur Religion


Der Mannigfaltigkeit und Fulle der L eb en sg e fuh le
gegenuber ist die Form das Prinzip der Einhei t un d
Verknüpfung D ie F orm ist Quelle alle r W e rt em p fin
.

dung Als produkt ive Kraft der Seele is t sie En th usi


.

asmus und Liebe D ie Natur als S t o ff is t das S ch w ere


.

und D u n kle Der Geist als die Form ist Leichtigkeit


.

und Licht D ie Form ist d as Licht der D inge im Le


.

b en un d in der Kunst Ihr höchster Ausdruck ist die .

Musik .

Mit diesen I n e in sse t z un g en ist e ine Fulle histor i scher


B e ziehungen gegeben : der platonische Eros der Form ,

u n d Sto ffbegr iff Kants die S ymbole des Ne up lat on is ,

mus Licht und Finsternis die Apperzeption der Leib


, ,

n iz sch e n Monade Dazu Vorstellungen d e r Mystik im


.

S inne von Meister Eckhart u n d Einflüsse der Fichte


schen Philosophie .

Die Form ist leer und arm alle Mannigfal t igkeit und ,

Fülle entstammt dem Inhalt D as Prinzip der Form .

ist die Liebe S o lesen wir bei Friedrich S ch leg e h


.

Reine Liebe ist schlechthin arm alle ihre Fülle ist Gabe ,

d e r Natur Reine Natur ist nichts als F ülle Alle


. .


H armonie ist ein Geschenk der Lieb e D ie durch Liebe .

vollkommen g estaltete Individualität darf den Anspruch


erh eben ein harmonisches Lebenskunstwerk z u sein
, .

Als Ideal einer universalen Persönlichkeit im Besitz ,

einer erstaunlichen A n eig n un g skra ft im Bestreben die , ,

Totalität zu erkennen und zu erleben erschien den R o ,

m an t ike rn de r Dichter des Faust Goethes D ichtung .

und Leben war Stützpunkt ihrer Theorie In ihr war .


Das Id al e d er P rsö li hk it
e n c e 1 63

die Vollkommenh eit der see lischen Einheit Gleich ,

gewicht un d Ebe n maß In ihr hatten die beiden gro


.

ß en B ild un g sm ä ch te der Zeit : Kunst und Wissenschaft


in ungeschiedener Einheit Gestalt und Leben gewonnen .

Nach Friedrich Schlegel gehören zum vollko mmenen


Charakter in gleicher Weise der Reichtum der Gefühle
und Triebe ihre harmonische B ildung durch die w ert
,

scha ffende Funk t ion des Geistes und die Vollendung ,

die sich darin äußert daß die Persönlichkeit v o llko m


,

men autonom und selbständig von sittlicher Liebe ge


t ra gen w ird .

Eine groß e Zahl verschiedener Motive haben an dem


Idea l der romantischen Persönlichkeit mitgewirkt und ,

gerade dadurch erhält dieser Begri ff eine schwankende


Unbestimmtheit Im allgemeinen aber bedeutet er das
.

Ideal der künstlerisch historischen Persönlichkeit mit


-
,

der sich einerseits ein mystisch religiöser und ander -

seits ein h e do n isch e r Einschlag verbindet Das individu .

elle Ausleben das historische Verstehen der logische


, ,

Enthusiasmus , das künstlerische H armoniebedürfnis


suchten Ausgleich in umfassender Einheit .

Dabei fehlte der W e rt in d iv id ualit ä t der Romantik


der spezifisch moralische Charakter Es fehlte ihr das .

ethische Pathos Es fehlt ihr auch an Mark und Rück


.

grat S ie läuft i m mer Gefahr sich an die Fulle der Er


.
,

sch e in un g en zu verlieren u n d droht von kein e m Pflicht ,

gebot gehemmt ins Gigantische auszuwachsen Das


, .

ethische Persönlic h keitsideal wie es von Kant auf ,

gestellt war hatte schon den Widerspruch S chillers


,

herausgefordert Dem Kampf der Pflicht gegen die


.

Neigung wird das Ideal ihrer freiwill i gen Vereinigung


entgegengestellt Die Romantike r gehen noch weiter
. .
1 64 III . D ie Philosophi e d er Romantik

S ie hab e n wenig S inn fur die Große und Bedeutung


der Kantischen Ethik S ie sahen in ihr allzu große .

Strenge un d so etwas wie Vergewaltigung der I n d iv i


dualität Auch sche int ihnen die Lehre Kants von
.

Spießbürgerlichkeit nicht ganz frei zu sein Die sitt .

liche Natur des Mensche n bekundet sich in ihren ersten


Regungen als Opposition ge gen die positive Gese tzlich
ke it u n d konventionelle Rechtlichkeit als e ine un ,

g e h e u re Reizbarkeit des Gemütes D ie Romantiker .

vermeiden es durchaus die Moralit ä t zu b e tonen Man


,
.

hat nur so viel Moral als m an Philosophie und Poesie


hat D ie w ertb ild en d en Kräfte der Seele wie auch ihr
.

Resultat das gestaltete Leben stehen durchaus unter


, ,

dem Aspekt des Ästhetischen Daneben wird allerdings .

besonders durch den Eindruck S chleiermachers die Reli


gion imm e r mehr als unentbehrliche Ingrediens der
Bildung erkl ä rt D ie Religiosität ist nicht nur e in Teil
.

der Bildung ein Glied de r Menschh e it sond e rn d a s


, ,

Zentrum alles übrigen überall d a s erste und höchst e , ,

das schlechthin ursp run g lich st e Auch die Liebe ist .

religiös sofern sie a u f d a s Unendliche abzielt


,
.

D a s gestaltete oder gebilde te Leben ist d as schone


Leben das Lebenskunstw e rk als Produkt von Li e be
,

und Enthusiasmus wie all e s Schöne überhaupt Ist .

d a s W e rk vollendet so verweilt der Geist gern in der


,

Betra chtu n d e s schönen Daseins indem er sich un d


g ,

and e re i n beschaulicher Ruhe genießt H ier entspringt .

nun d ie Gefahr des vollkommenen Aufgehens und S ich


verlierens im Genuß des S chönen des S ich nicht los ,
- -

reißen könnens von dem geliebten Gegenstand Um


-
.

dieser Gefahr zu entgehe n w ird die Ironie gefordert ,


.
1 66 II I . D 1e Philosophi e d er Roman tik

hat selber wieder zu v e rg eg en st an dlich en So b l eibt


, .

es nicht bei dem Wissen von einem Gegenstand sondern ,

wir können auch ein Wissen dieses Wissens erwerben .

D ie Ironie in ihrer souveränen Willkür zerbricht die


S chranke der Kausalität Für d as D rama kann sie eine .
,

Gefahr bedeuten denn der D ichter der ausschließlich


, ,

von ihr geleitet wird stellt schli eß lich keine wirk l ichen
,

Menschen mehr dar sondern nur seine Reflexion über ,

die Menschen und diese läuft Gefahr sich in das


, ,

Marionettenhafte und S chattenhafte zu verlieren .

D ie I ronie darf nicht als ein Prinzip aufgefaßt wer


den das Form und Gestalt zerstört es handelt sich im
, ,

Gegenteil um eine Bej ahung der Form Aber der K ün st .

ler soll durch d as Gescha ff ene un d Gewirkte nicht ge


bunden sein In allem was er schafft i n j edem Produkt
.
,

seiner Kunst m uß etwas liegen was ihn zu neuer Pro ,

d ukt io n anreizt und antreibt Der Geist soll sich i mmer .

wieder über das Geschaff ene erheben Darin o ff enbart .

sich die S eligkeit des Künstlers als des scha ff enden


Menschen Wohl bleibt die romantische Seele sich se l
.

ber treu abe r nicht ihrer S chöpfung Ihre K un stp ro


,
.

d ukt ion ist eine unendliche variab l e Reihe die immer ,

wieder uber sich hinaus weist D ie roman t ische S eele .

weiß d aß sie gern verweilen und genießen möchte un d


, ,

so legt sie sich die Forderung der En tbehrung auf .

Darin liegt die göttliche Freiheit des Künstlers daß er ,

immer wiede r vergessen und sein S chönstes un d Bes t es


immer wieder in neue Lebensinhalte hineinlegen kann .

D ie Ironie is t ein sch o p f erisch es Prinzip der geistigen


Bewegung das immer wieder neue Inha lt e o ff enbart
, ,

ein Trieb nach Wechsel der nie zur Ruhe kommen ,

darf .
D ie roman t is h Ironic e e 1 67

Aber die Ironie hat noch eine ganz andere Bedeutung ,

die mit dem Prinzip der Reflexion auf das engste zu


sam m e n h ä n g t S ie weist auf das Persönliche hin Die
. .

ironische Stimme des Kunstwerkes ist die Stimme des


Dichte rs der immer dabei ist und seinem Werke zu
,

schaut D as Werk ist niemals ganz ab g e lo st niemals


.
,

vol lkommen objekt iviert sondern durch die ironische


,

R eflexion mit dem Schöpfer verbunden Zum W e sen .

der Reflexion gehört aber auch dies : daß sie sich immer
wieder in neuen Strahlen bricht Ich habe etwas über .

wunden un d beherrsche es indem ich es zum Gegen ,

stand meiner Reflexion mache Ich kann aber auch da s .


,

was überwunden hat diese H andlungen und Funktionen


,

des Geistes wiederum zum Gegenstand meiner Reflexion


machen Und so kann immer wieder das Geschaff en e
.

un d Geformte die Sprache des S chöpfers reden Aus .

H amlet redet die Ironie Shakespeares aus R o se n ste rn ,

un d Gü ld e n st e rn die Ironie H amlets Und die Ge stalten .


,

Dinge un d Ereignisse können zu einem S chauspiel im


S chauspie l f ü hren Die göttlichste Freihe i t und Unge
.

b un den h eit off enbart die Musik die ihre höchste O ffen ,

barung in Mozart gefunden hat .

Mit der Ironie berühr t sich der Witz ein we rt sch aff en ,

des Vermögen der S eele Er ist der Vermehrer des .

inneren Reichtums Er löst und zer setzt den geistigen


.

Sto ff den die Seele als wertvolles Material in sich trägt


, .

Er macht die geistige Substanz immer wieder flüssig


un d wird zum Entdecker neuer wertvoller Inhalte d ie ,

sich erst in der Ge sch ied en h e it o ffenbaren In Ironi e .

un d Witz zeigt sich die Heiterke it des romantischen

Geistes Diese beiden geben der romantisch e n Seele die


.

schw ebende Leichtigkeit die alles S chwere und Strenge


,
1 68 II I . D ie Philosophi e d er Roman tik

siegreich ub erw in de t aber ande rerseits auch Gefahr ,

läuft der le t zten erns t en Tiefe zu en t behren


, .

S t i l fo rmen der Pe rso n lid1 keit


Betrachten wir die I n d iv id ua lit at als Inbegri ff von
W e rt e rleb n issen so liegt ihr Stil in der eigentümlichen
,

Gestaltung dieser E rleb n isfü lle und ihre Freiheit in der


selbständigen Behauptung der S t ile ig en tüm lich keit .

Die W e rtin d iv id ua lit ä t ist schön aber noch unfrei so , ,

fern sie sich ihre r Eigenart nicht bewußt ist un d nicht


aus dem Bewußtsein ihrer Eigentümlichkeit heraus
handelt D ie S chönheit erwirkt die innige Zu n eigung
.

der Freih e it Die S chönheit ist notwendige Vorstufe


.

der Freiheit .

Der Stil der W e rt in div id ualit ate n kann verschieden


sein D ie Lebenskunstwerke sind nicht gleich gebildet
. .

D ie höchste Form seelischer Gestaltung ist wohl die


H armonie als die vollkommene Vereinigung der Wert
,

inhalte Harmonie ist Einheit un d Maß Ihre Stim


. .

m un g sq ualit ä t ist das schöne Gleichge w icht der Seele .

Insofern nun in der H armonie die vollkommene Ver


e inigung liegt die Überwindung der Trennung die
, ,

immer S chmerz bedeutet ist der Rhythmus des b armo ,

nischen Lebens von einer hohen Freude begleitet Har .

monie wirkt Fr e ude Fre ude ist das Lebenselement des .


_

harmonis chen Geistes


Diesen St il zu e rreiche n strebt e n die Romantiker ,
.

D aß er möglich sei bewies ihnen die Existenz Goethe s ,

Ihnen selber fehlt e die Einhe it S ie waren wie Ricarda .


,

H uch sagt D ä m m e run g sm e n sch e n a ber sie strebten


, ,

nach Harmonie .
1 70 II I . D ie Philosop hi e d er Romantik

Das G emeins d1 aft sideal der R o man t i k


Nach der Deu t ung der Romantiker gegenuber dem
Leben ist j ede Isoliertheit ein Zustand de s Mangels D as .

Individuum is t ergänzungsbed ü rftig un d alle Trennung


bedeute t S chmerz Das Individuum wünscht aus seiner
.

Lage herauszukommen Es sucht seinem Mangel ah zu


.

helfen Sehnsucht ist Folge des Mangels un d Liebe


.
,

ist die Ergänzung der Sehnsucht D as B edurf t ig e .

brauch t die Liebe heißt es bei Novalis Mit dem Über


, .

fl uß verbindet sich f ü r ihn die große Vorstellung der


Liebe Es ist das Wesen der Liebe das Bedürftige z u
.
,

wählen weil sie dann ihre Freiheit un d Kraft üben kann


,

un d weil nur das Bedürftige die Liebe braucht Not .

wendig ist die Selbständigkeit der Individuen gegen


einander um ihrer Freiheit w illen notwendig ist aber ,

auch die Aufgabe dieser Selbs t ändigkeit um der Ein


he it un d Versöhnung wil l en Um de r Freiheit willen
.

m uß Entzweiung sein um der Versöhnung w illen m uß


,

L iebe sein .

Die Liebe fuhrt zur V e rsoh n un g Die L iebe sseh n .

sucht der Romantik geht darauf aus alles Ungleich ,

artige sich gleich zu machen Von allen Formen der .

Seele ist die Liebe am wichtigsten Deswegen is t für .

Friedrich S chlegel der S inn für Liebe die Seele der


Seele Ohne sie vermochten wir Natur un d Leben
.
,

Kultur un d Universum nicht z u begrei fen .

In dem Wesen der Liebe is t Geistiges un d S innliches


verbunden Weder ein rein geistiges noch ein rein sinn
.

liches Verhal t nis verdient den Namen der L i ebe B e ide .

können nur zu eine r partiellen Vereinigung führen Die .


Das G m ins h aft sid
e e c eal d er Roman tik 1 71

Liebe ist n i cht eine Vereinigung zwischen ge t eil t en


Mensch en sondern zw i schen ganzen Menschen
,
.

Niemals darf nach Fr i edrich Schlege l in dem Ver


h alt n is der Liebenden zueinander das Prinzip der Form
und der Reflexion gänzlich untergehen in dem dunkl en
Strom des Gefühls Der regulierende Wert des Liebes
.

lebens ist für ihn der äs t hetische Der Liebende darf .

sich an den Gegens t and seiner Liebe nicht verlieren .

Die Gestaltung des Liebesgefühls darf niemals ins Ge


stalt lo se untertauchen Anders Novalis dessen Auf .
,

fassung der Liebe mehr einen religiös mystischen Cha -

rakt e r trägt Eine große mystische Liebessehnsucht


.

klingt in den H ymnen an die Nacht Hie r erscheint .

das Religiöse in naher Beziehung zum Erotischen Er .

feiert die tie fe Einsamkeit der Nacht die z ur Einhei t ,

führt In dem höchsten Mysterium d e r Liebe scheint


.

Licht un d Dunkelhe it Form un d Inhalt zu v ersch m el


,

zen Der Liebe zum Ge l iebten ein t sich die L iebe z um


.

Universum .

Auch für Schlegel hat die Liebe die Be ziehung au f


Totalitä t Die Liebenden sollen einander das Univer
.

s um sein Gerade durch den T o ta lit ä tsg edan ke n des


.

S ich alles sein wird die Liebe geweiht In der einsamen


- -
.

Umarmung der Liebenden wird die Wol l ust geweiht .

Sie wird wieder zu dem was sie im Ganzen ist : da s ,

heiligste Wunder d e r Natur Die romantische Liebe i s t .

nicht nur ein stilles Verlangen nach dem Unendlichen .

S ie ist auch freudiger Genuß der schönen Gegenwart .

D ie begeisterte D iotima h at ihrem Sokrates n u r die


H älfte der Liebe o ff enbart S ie ist nicht n ur eine .

Mischung ein Übergang vom Sterblichen zum Un


,

sterblich e n sondern sie wird auch die völlige Einheit


,
1 72 II I . D ie Philosophi e d er Romantik

beider Es gibt e ine rei ne Liebe ein unteilbares un d


.
,

einfaches Gefühl ohne die le ises t e S to run g dureh un


ruhiges Streben D ie Freundschaft ist nach Auff as
.

sung der Romantiker der Liebe nahe verwandt S ie .

waren ohne Zweifel Virtuosen der Freundschaft un d


trugen in dies Verhältnis sehr viel Ti e fe und En t h usias
mus hinein Das Ve rhältnis der Freundschaft ist mehr
.

Erg ä nzung als Einswerdung In weit höherem Maße .

w i rd hier die Selbständigkeit der Glieder gewahrt In .

der Freunds c haft gebe n wir uns nicht ganz wie i n der
Liebe In der Freundschaft geb e n w ir nur unser Bestes
. .

Freundschaft ist partial e Ehe w ie Friedrich Schlege l ,

sagt un d Liebe ist Freundschaft nach allen S ei ten :


,

u niversale Freundschaft Das Bewußtsein der n ot w en .

digen Grenzen ist das Unentbehrlichste un d Seltenste


in der Freundschaft .

Zwe i Hauptformen der Freundschaft lassen sich


nach Schlegel unterscheiden Die erste ist mehr äußer .

licher Natur S ie eilt von Tat zu T at un d nimmt


.

j eden würdigen Mann in ihren Bund auf Je mehr .

diese Freundschaft h at um so mehr begehrt sie ,

auch Ihr gegenüber steht die innerliche Fr e und


.

schaft H ier handelt es sich um eine wunderbare


.

Sympathie eine Sympathie des Eigentümlichen als


, ,

ob es bestimmt sei d aß man sich überall ergänzen ,

solle H ier handelt e s sich um eine rein geistige Liebe


.
,

um ein e schöne Mystik des Umgangs Und die Freund .

schaft is t nicht nur bloß d as fern e Ziel eines nie voll


endeten Strebens Wo sie ist da ist sie auch voll un d
.
,

ganz da Zu dieser Freu n dschaft ist nur der Mensch


.

fähig der in sich ganz ruhig wurde un d mit Demut


,

das Go tt lich e im anderen zu ehren weiß Der höchste .


1 74 I II . D ie P ilh osophi e d er Romantik

die erforderlich sind um ein un abh an g ig es selb st g e


, ,

m ach t e s und eigenartiges Leben zu führen .

Der Romantiker studiert d as Leben wie der Maler ,

Musiker Mechaniker Farbe Ton un d Kraft studiert


, , , .

Er h at S i nn für alle Einzelheiten für das ganze Detail ,

des Lebe ns Alles erreg t sein Interesse nichts ist für


.

ihn zufällig und gleichgü ltig Alles gewinnt Bedeutung .


,

w eil es der Romantiker auf To ta lität un d Einheit be


zieht D as sorgfältige Studium des Lebens macht den
.

romantischen Menschen aus D as Leben soll kein un s .

gegebener sondern ein von uns gemachter Roman sein


, .

D er Roman i st die Buchausgabe des L ebens A ll e .

se i ne Zufä l le sind Materialien aus denen w ir machen ,

können was wi r wollen Wer viel Geist hat macht


, .
,

viel a us seinem Leben Jede Bekanntschaft j eder Vor .


,

fall ist für ihn Glied einer unendlichen R e ihe Anfang ,

un d Ende eines unendlichen Romans . Wer aus seinem


L eben nichts mache n kann ist ein geistig Arme r un d ,

St ü mper des Lebens Wer nicht zur vollkommenen .

Gestaltung vordringt gehört zu den Dilettanten des,

Lebens .

Das wichtigste Organ des Romantikers ist die Kunst


des Verstehens Das Verstehen richtet sich unmittelbar
.

au f die Natur auf das eigentümliche Wesen de r Indi


,

v id uen D iese gilt es aufzuhellen un d zu durchleuchten


. .

D er Romantiker soll sich einfühlen in die Natur des


fremden Bewußtseins und es nachgestalten Er soll .

den Menschen nach seinem inneren Lebe n w ägen ,

w eniger nach seiner Leistung Das Verstehen aus der .

Leistung ist ein mittelbares Ein Mensch kann wert .

voll sein ohne daß e r den Be w eis seines werthaften Da


se i ns durch ein Werk ge l i efert hätte .


D as G m ins h ftsid al
e e c a e d er Roman tik 1 75

Damit wi r verstehen ist es notwendig sich au f alles


, ,

einstellen zu können Dem Saitenspiel vergleichbar


.
,

müssen wir un s stimmen können auf vieles ja auf alles , .

Wir m ü ssen eine Fülle von S timmungen kultivieren ,

immer den rechten Ton bei allen Menschen z u finden


wissen Wir m ü ssen die Fähigkeit haben mit dem
.
,

Elegischen elegisch mit dem Nüchternen nüchte rn un d


,

mit dem Enthusiasten enthusiastisch zu sein .

Von manchen Romantikern wird mehr die rezeptive


Kunst des Einfühlens von anderen mehr die schöpfe
,

rische Kraft der Gesta l t ung betont So besonders von .

Novalis wenn er sagt : M an m uß in der Welt se in


, ,


w as man auf dem Papier ist I d ee n sc h ö p f e r

Er ver .

langt von dem vollendeten Menschen daß er die Fähig ,

keit besitzt j edem eine beliebige Form zu geben d h


, , . .

er soll auf denselben Inhalt e ine Fülle von Gestaltungen


anwenden können un d anderseits soll er imstande sein ,

j ede Form mit dem mannigfaltigsten Inhalt und Leben


auszufüllen un d z u bewegen .

Die Lebensphilosophie der Romantiker wie wir sie ,

un s hier in ihren Grundzügen vor Augen geführt haben ,

ist aus der Philosophie des deutschen Idealismus her


vorgegangen un d sucht gewisse Begriff e dieser Philo
sophie für das Leben fruchtbar zu machen Das ge .

st alt e te un d geformte Leben galt ihnen als hoher Wert .

S ie verstanden die transzendentalen Werte un d Formen


nicht in ihrer Abgeschiedenheit und A bg elö sth eit vom
Dasein als ein ruhiges Reich der B egri ffe un d Id e en ,

sondern als lebe ndige Funkt ionen der mens chlichen


Seele als seelische Kräfte und seelische Akt e Das
, .

We rt e rleb n is war ihre eigentliche Position das Dasein ,

des Wertvollen in der Seele Es handelt sich be i ihnen.


1 76 I II . D ie Philosophi e d er Romantik

um ein feinfühlig e s Deuten und Verstehe n des Erlebnis


inhaltes um ein in B ez ieh un g se t ze n zu den verschiedenen
,

W ert erle b n isse n um ein Verstehen der Wertformen


,

un d bildenden Kräfte der Seel e

Was bedeutet Individualität ?Was sind die Forme n


.

ihrer Ausgestaltung Was ist das Ideal des gebildeten


Menschen ?Was ist Verstehen S inn und Geschmack ?
.

Was sind die O rgane des historischen und künstlerischen


?
Menschen Was be deut e n Form und Sto ff in Kunst
und Leben ? Wie verhält sich d as Individuelle zum
Universalen ? Dazu die H erausarbeitung un d Be
tonung einer Reihe wertvoll e r Kunst un d Lebens
formen : der Ironie des Witzes der Sehnsucht des
, , ,

Enthusiasmus der Liebe der Freundschaft Wert


, , ,

begri ffe die teilweise in Nüchternheit und Plattheit


,

untergegangen waren deren Bedeutung sie verstanden


,

und deren Wesen sie vertieften .

D ie K ult urph i10 3 0 ph ie der Ro ma n t i k


In der Kulturphilosophie handelt es sich um die
Frage nach dem S inn der Kultur Um ihrer selbst .

willen wird die Kultur gedeutet nicht um des Lebens ,

willen wie in der Lebensphilosophie noch um der Welt


, ,

willen w ie in d e r systematische n Philosophie D a s


, .

e ig e n t um lich e Interesse hängt an der Bewegung un d

Ent w icklung des Kulturl ebens un d das Interesse ist vor ,

allem e iner bestimmten Epoche zugewendet Vo r allen .

anderen Epochen interessiert abe r die e i gene Zeit deren ,

Sinn gedeutet deren Bedeutung verstanden werden soll


,
.

Die eigene Zeit aber ist nur zu verstehen im Verhältnis


zu dem was war un d dem was kommen soll Und über
, , , .
1 78 III . D ie Philosophi e d er Romantik

D ie Gefahr der Revolution liegt in der H inrichtung


der Vergangenheit in der Pietätlosigkeit gegenübe r d e r
,

Tradition S ie verstößt gege n das Prinzip der Kon


.

t in uit ä t und bedeutet die H errschaft der materialen


Ge w alten die das geistige Leben der Menschheit in
,

ihren Bann geschlagen haben S ie hat die idea l en Güter


.

der Menschheit schwer geschädigt und den Geist der


Zersetzung zur H errschaft gebracht .

Trotz dieser o ffenkundigen Abneigung gegen die


französische Revolution vermag die Romantik ihre
historische Bedeutung un d Notwendigkeit vollkommen
zu verstehen Für den französischen Tradi t ionalismus
.

ist die f ran z o sisch e Revolution ein S trafgericht Gottes


über die sun dig e Menschheit Nach der Auffassung .

der deutschen Romantik sind revolut ionäre Bewegungen


den Krankheitsersch e inungen des Organismus ver
g le ich b a.r Es sind Krisen in denen der soziale
,
Orga
n ism us um Genesung ringt Die Revolution ist ein not
.

wendiges Durchgangsstadium der menschlichen Ent


wicklung Aus der Krankheit blüht die Genesung
. .

Auch ist die Revolution nicht nur eine Erscheinung


des materiellen und praktischen Lebens Auch auf dem .

Gebiete des Geistes werden rev o lut io n are Taten voll


zogen die eine neue Zukunft inaugurieren So stellt
,
.

Friedrich von S chlegel die f ran z o sisch e Revolution mit


F ich t e s Wissens chaftslehre und Goethes Wilhelm Mei
ster ins Parallele S ie sind die größten Tendenzen des
.

Zeitalters Und Schlegel fügt hinzu : Wer an dieser


.

Zusammenste llung Anstoß nimmt wem keine R e v o lu ,

tion wichtig ist die nicht laut und mate riell ist der
, ,

hat sich noch nicht auf den hohen weiten S tandpunkt



der Geschichte der Menschheit erhoben .
D ie K ult urp hi10 5 0 p h ie d er Roman tik 1 79

Wie deutet die Romantik die Ge n iep e rio de und Auf


klärung ?Die Gen iep eriode bedeutet die Herrschaft des
Unbewußten des rein Gefühlsmäßigen un d I rrat io
,

nalen Ihr Wesen ist Gestaltlosigkeit Es ist die


. .

Epoche der rohen Kraft un d des T rot ze s der A uf ,

leh n un g und Empörung ein Zeitalter dessen Leistungen


, ,

un d Werke durch ihre Maßlosigkeit g eke n n ze ich


net s ind .

D agegen bedeutet die Aufklarung die einseitige


Herrschaft de r Reflexion Ihr fehlt es fiir Kraft und.

Tiefe Es ist d as Zeitalter des leere n Verstandes un d


.

der zunehmenden Kritik D ie Aufklärung führte zum


.

Atomismus der Kultur und des Lebens S ie unte rgr ub


' '

den Wert der Religion S ittlichkeit und Kunst S ie ent


, .

heiligte un d e n tg ö tt lich te die Welt S ie ist das ideen .

lose Zeitalter das Zeitalter der vollend e t en S ü n dh a ft ig


,

keit Die Aufklärung führte zum Materialismus un d


.

z e rst ort e schließlich auch die Erkenntnis selber .

Die Kulturaufgabe der Romantik muß im Ge gen


'

satz zur Aufklärung Revolution und Gen iepe rio de ver


,

sta n den werden .


Gegenüber der H inrichtung der Vergangenheit wie ,

sie die Revolution vollzogen hatt e betont die Romantik ,

die Tradition Auf d en Kultus der sichtbaren Ver


.

mun i t wie ihn die R e volution gepfl eg t hat soll nun


, ,

m ehr der Kultus der unsichtbaren Vernunft folgen .

Die Welt soll wieder v e rg ö tt lich t werden und der Geist ,

soll sein altes H errenrecht der Materie gegenüber wied e r


geltend machen .

Aufklärung u n d Ge n iep e rio de vertreten nach der


Deutung der Romantik sehr einseitige K ult urt en d en zen .

Diese Einseitigkeit m uß überwunden w e rden D ie Au f .


1 80 III . D ie Philosophi e d er Romantik

klarun g verhalt sich zu Kant ah n lich wie die Genie


periode zur Romantik Der blinde Ve rn un f tkultus der
.

Aufklärung ge l angt z ur Selbs tbesinnung in Kant s Kri


tik der re in en V ern un f t die Ent w ick l ung des histor i schen
,

S i nnes in der Geniezeit z ur Selbstbesinnung der his t o


rischen Vernunft in der Romantik D i e Aufklärung .

hat t e das Wissen die Ge l ehrsamkei t die Gen iep erio de


, ,

den Instinkt betont D ie Romantik erkannte daß das


.
,

Wissen dem Ge nie f o rd e rlich sei S ie feiert e das Ideal .

des be w uß ten K ü nst l ers In einem guten Gedicht m uß .

alles Absicht un d alles Ins t inkt sein Lionardo da .

Vinc i galt den Romant i kern als hervorragendes B ei


sp i e l f ü r d i e Vere i nigung des K un stt rieb e s un d des
W ah rh eit slebe n s B eide durchdrangen sich i n ih m ge
.

g en se it ig Insofern war sein F o rsch erg e ist durchaus t o


.

m an tisch . Die Forderung einer Synthese z w ischen


dem Absichtlichen un d Instinktiven verschmilzt mit der ‘

Forderung einer Vereinigung des künstlerischen un d


theoretischen Geistes .

Was ist die Au fgabe der Romantik diesen gefahr


drohenden Mächten gegen über die schli eßlich doch al l e
?
,

einer geistigen Anarchie zusteuern Und w as ist bis


her z ur Abwehr der ungeheuren K ult urg e f ah r geleistet
worden ? Die groß e Leistung die sich erst kürzlich ,

vollzogen ist d ie S ch ö p f un g des deutschen Idealismus


,
°
.

j etzt gilt es vom Standpunkt des Idealismus aus Natur


un d Kultur ,Geschichte und Leben zu begreifen .

D as romantische Zeitalter war ergri ff en von der


Macht des Ideellen M an kann von einem Naturalismus
.

des Ideel l en im roman t ischen Zeitalter sprechen Nichts .

war ihm so gewiß und unmittelbar greifbar w ie die


Mach t un d Wirk l ichkeit des Ideellen .
1 82 II I . D ie P h i10 5 0p h ie d e r Roman tik

Philosophie kann mit dem Gottesbegri ff nichts anfangen .

Je bedeutender sie ist u m so mehr wird sie ,


ihn z u r

Seite schieben Kant und Fichte haben die Philosophie


.

bis an die S chwelle der Religion geführt und dann ab


gebrochen S o lustwandelte auch Goethe nur in den
.

Propyläen des Tempels Lessing h at viel von der neuen


.

Religion geahnt Das Evangelium des Geistes bewegt


.

die romantische S eele .

Und auch Novalis sieht ü berall ein neues Werden ,

Fingerzeige Hinweise auf die Zukunft


,
Noch ist .

alles Andeutung aber sie v errät eine neue Geschichte


,

und eine neue Menschhe it Die s üß este Umarmung .

einer j ungen überraschten Kirche und eines liebenden


Gottes und die innige Empfängnis des neuen Messias in

tausend Gliedern zugleich .

Voller Zuversicht war diese Zeit daß das neunzehnte ,

Jahrhundert einen gewaltigen Fortschritt auf allen



Kulturgebieten bringen würd e Die neue Z e it heißt .
„ ,

es bei Friedrich S chlegel kun d ig t sich an als eine , „

schnellfüßige soh le n b e fiüg elt e Die Morgenröte hat


, .

S i e benmeilenstiefel angezogen Nahe bevor steht die .

Zeit e iner neuen Klassizität der Kunst Ein neues .

Zeitalter kommt mit S inn und Ve rständnis fur das


G roße un d S ch ö m Ein neues Zeitalter das erkennt
.
, ,

was das Athenäum bedeutet h at was die Romantik e r ,

strebte Leicht und v erst an dlich werden im neun


.

zehnten Jahrhundert alle jene Fragmente erscheinen ,

die zuerst hart und unverständli ch erscheinen mußten .

S ie sollten de r Zukunft neu e Bildungsaufgaben stellen .

Die Menschheit der Zukunft wird von ihnen lernen .

S ie wird verstehen wie alles gemeint war Das neun


, .

zehnte Jahrhundert wird die Pr ü derie so weit ab


D ie K u ltu rphi losophi e d er Roman tik 1 83

gestreift haben daß es die L ucin de unschuldig findet


,
.

Auch wird sich dies Zeitalter an der Verherrlichung


des Katholizismus in Tiecks Genoveva nicht mehr
stoßen Es wird den Katholizismus und den Pro
.

t e st an t ism us überwunden haben .

Eine neue Religion eine neue Kunst erwartet die ,

Romantik Die vollkommene Klass i z i tät als Ideal der


.

modernen Kunst ist noch nicht erreicht Auch Goethe b e .

deutet noch nicht die Vollendung der neuen Kunst Nur .

i n einzelnem wenig e m so besonders in der Lyrik seiner


, ,

Jugendj ahre in Faust und Wilhelm Meister hat er dies


,

Ideal erreicht Weit Größeres ist noch zu erwarten


. .

Vor allem sind der Roman un d e in e neue b ohere Gat


tung der h e iteren Dichtung Forde rungen der Roman
tik Der Roman ist d as romantische Buch Er ist
. .

T ran sz en den t alp oe sie und o ffenbart die H errschaft des


S ubj ekt iven wie das griechische Epos die Herrschaft
,

des Obj ektiven Er ist Symbol des Ich Er vereinigt


. .

in sich alle Gattungen der D ichtkunst Daneben ist das .

Lustspiel die dramatische Form der Zuk unft D ies .

Lustspiel der Zukunft soll d ie dumpfe Lust veredeln


und unter Vermeidu n g aller niederen Komik un s
hinaufheben in den re inen At h er der Freude Das C c .

fühl der Freude soll gleichwertig sein dem Gefühl des


Tragischen das etwa Faust oder H amlet erregt D ie
, .

moderne Kultur hat noch ke in Lustspiel erzeugt d as ,

der große n Tragödie ebenbürtig wäre D aß es aber .

möglich ist auf dem Gebiet des Heiteren un d Freu


,

digen Werke von höchstem künstlerischen Range zu


scha ffen das schien den Romantikern Mozarts Figaro
,

zu beweisen .
1 84 I II . D ie Philosophi e d er Romantik

Die K ulturph i10 5 0 phie v on N ov a l i s


Nach Novalis besteht die Aufgabe der Zei t darin ,

den Materialismus z u überwinde n D ie Natur soll mo .

ra lisch werden : das ist d e r Zweck des historischen Ge

s ch eh en s S ie wird es sein wenn sie tut was die Kunst


.
, ,

will wenn sie sich den Gesetzen der künstlerischen Ge


,

s t alt un g vollkommen f ü g t D ie Kunst wird moralisch .

sein Wenn sie aus Liebe zur Natur lebt und nach der
,

Natur arbe ite t Unter Moral versteht Novalis keine


.

P fiich t en leh re sondern eine Reihe ästhetisch sittlicher


_
,
-

Forderungen die der küns t lerische Mensch z u erfüllen


,

h at .Dazu gehört S inn f ü r Dasein für Wirklichkeit ,

und Leben Sinn f ur Bund für Freundschaft und Ge


, ,

sellschaft S inn für d as H o ch ste Sinn für Harmonie


, , ,

S inn für das Übersinnliche Das w ahre sittliche Gefühl .

bes t eht in der Überzeu g ung d aß es un s möglich sei , ,

über die Enge unserer Natur hinauszukommen .

Der Träger der moralischen Idee ist der K un st le r ,

der Dichter Er ist Prophet und Erzieher des Menschen


.

geschlechts Noch ist die Aufklarung mächtig mit


.

ihrem öden Rationalismus und ihrem B eg riff sm ech a


n ism us der dem einförmigen Gek l apper einer un
,

g e h e ur e n Mühle vergleichbar ist Die Aufklarung m uß .

überwunden werden Wir müssen Magier wir mussen .


,

D ichter werden um recht moralisch zu sein D er ,


.

Dichter ist der natürliche Feind des Intellekt ualismus .

Der e chte D ichter ist immer Priester Er ist der Ge nius .

der Menschheit Einen weiten Weg hat die Mens chheit .

zurückgelegt bis dem Dichter wieder der alte Ehren


,

platz eingeräum t wurde den er in der Antike be ,

se ssen Gab es doch eine Zeit da die Beschäftigung


.
,
1 86 III . D ie Philosophi e d er Romantik

Monche un d B uß e r sind unter diesem Gesichtspunk t mit


einander ver w andt .

H errscht aber im Ve rn un f t leb e n der Menschhe it die


R eflexion so klammert sie sich an die bloße Form an
, ,

d ie Zeichenwelt Wenn das Ge fühl ausschließlich


.

herrscht so bleibt alles chaotisch wenn der Verstand


, ,

allein regiert bleibt alles leer und seelenlos D a s ist das


, .

Z e italter der S cholastik Der S cholastiker ist der rohe.

diskursive Denker der an die Stelle der lebendigen Natur


,

ein Ge dan ke n kun st st ü ck setzt .

Und doch haben diese beide n der rohe intuitive Dich



,

ter und der S cholastiker einen Vorzug : ihr A usgangs ,

punkt ist das Absolute S ie wollen beide d ie Sinnen .

welt überwinden Insofern sind sie der Wahrheit näher


.

als der Eklektike r Der Eklektiker ist der Empiriker


.
,

der nur die Erfahrung gelten lassen will dem seine ,

Philosophie von außen her g e g e b e n wird Das Zeit .

alter der Aufklarung war besonders reich an solchen


emp irist isch e n, ekl e ktis c hen Tende nzen Kant und Ficht e
-
.

hab e n dieser H albheit e in Ende bereitet Der magische .

Idealismus wird d ie große Synthese von Gefühl un d


Reflexion vollziehen .

Diese Konstruktion von Novalis ist e in ä ußerst inter


e ssa n t es Beispiel kulturphilosophischer Deutung Die .

eigene Zeit wird verstanden im Verhältnis zur Aufklä


rung in der tatsächli ch der Gegensatz von Gefühl un d
,

Ve rstand (Rouss e au und Voltair e ) a ls allge meines Kul


t urp h ä n om e n besond e rs deutlich zutage trat Der ge .

f un d e n e Gegensatz wird dann nachträgli c h auf die ge


sam te Kulturgeschichte angewendet Das ursprünglich .

Wertvolle ist der Natur oder Ve rn un ftin stin kt Der .

Dualismus des K ult urb e wuß t sein s äußert sich in dem


D ie K ulturp h i1 0 5 0p h ie F ri d ri h
e c v on S hl g ls
c e e 1 87

Gegensatz von Ge fuh l (intuitiver D ichter ) und Reflexion


(Scholastik) Das Ziel der Kulturentwicklung wird in
.

der Wiedervereinigung des ursprünglich Verbundenen


erblickt.

D ie K ult urph i10 3 0 p h ie Fri edri ch v on S d1 1egels


An geschichtsphilosophischem Verst ä ndnis wird No
valis von Friedrich von Schlegel überragt Novalis ist .

mehr D i chter S chlegel mehr Philosoph und H istorike r


,
.

Es i st bezeichnend für S c hlegel daß er in seiner ku l tur


,

philosophischen Konstruktion die Orientierung des


g e ge nwärtigen Zeitalters nicht an der Aufklärung so n ,

de rn am Gri e chentum vollzieht Dadurch e rö ffnet sich .

eine größere un d bedeutsamere Perspektive Nur im .

G e gensatz zur Antike konnte das eigentliche Wesen der


modernen Philosophie Religion und Kunst deutlich
,

wer den .

Philosophie und Geschichte stehen nach Friedrich von


S chlegel in einem besonders engen Verh ältnis S ie be .

dürfen einander gegenseitig Durch geschichtliche Be


.

s in n un g vollendet sich die P h i10 3 0 h ie durch p h ilo so


p ,

p h isch e Grundlegung ist alle in eine Geschichte mög


lich die den Namen einer Wissenschaft verdient D ie
, .
_

Geschichte zum Range e iner Wissenschaft zu erheben ,

ihre a p rio risch en Grundlagen aufzuweisen darin sieht


-
,

d ie Romantik eine der wichtigsten Aufgaben der Zeit .

Gro ße Ergebnisse hatte die historische Forschung


zu verzeichnen Das Wesen des griechisch e n Geistes
.

erhob sich in wundervoller Klarheit Damals war die .

seltene Vollendung der Kunst : die Klassik erreicht .

Und dieser Kunst entsprach e ine groß e Philosophie .


1 88 III . D ie P hilosoph i e d er Roman tik

Was im Philosophischen ein e große Metaph y sik b e


deutet : d as ist im Leben der S chönheit die Klassik .

Auch wußt e man schon damals w as das D ionysische ,

für das Griechentum bedeutet e Damals wandte sich .

der forschende Geist dem Orient zu D a s Wunderland .

Indien ö ffnete seine geheimnisvollen Pforten Überall .

sah un d ahnte man neue Beziehungen Man suchte die .

Wiege des Menschengeschlechte s M an e rkannte die .

Verwandtschaft der Sprachen wie man die Verwandt ,

schaft der Mythen erkannte Jetzt galt es den We rt .


,

der gemachten Entdeckungen zu prüfen Jetz t hande lt e .

es sich um ein Ve rstehen des großen gemeinsamen


Schicksals der Menschheit Was ist der S inn der Ge
?
schich t e Was ist ihr Wesen ihre Methode ?Welche
.

?
,

Stellung nimmt sie im Ganzen der Wissenschaften ein


Was vermag sie für d as Verstehen der Menschheit zu
leisten ?
Friedrich von S chlegel fragt : Wie ist Geschich t e „

als Wissenschaft möglich D ie Antwort lautet : Ohne „



K ult urb e w uß t se in keine Geschichte Diesen Zusam .

me n h an g hat das romantische Zeitalter vollkommen


verstanden d as selber ein so feines K ulturb ew uß tsein
,

besaß Gegenstand der Geschichte sind die Kul t urwert e


. .

D iese ordnen sich in dem groß en Zusammenhang des


Kulturgeschehens D ie Entwicklung zu e i nem letz t en
.

Kulturzweck hin gibt der Geschichte den Charakter der


Freiheit Alle Kultur ist B ruch mit der Natur eine
.
,

Loslösung un d Befreiung eine Erhebung zu höheren,

D a sein sst uf en .

Schlegel fordert mit Kant den Newton der Geschichte .


Aber d ie historische Dynamik die geforder t wird
„ , ,

bedeu t et do c h nur eine geistreiche Analogie zu der Auf


1 90 II I . D ie P h i10 3 0p hi e d e r Romantik

ist niemals he rrlicher gewesen als in der griechischen


Welt : „ Damals s ch wang sich die Kunst zum Ideal
empor die S itten zu Hoheit und Selbständigkeit die
, ,

Freundschaft zu gottähnlichem Enthusiasmus die Philo ,

sophie zur Weisheit der Staat zur freien Gesetzm äß ig


,

keit .

In Griechenland hat die Kultur zum erstenmal der


Natur ob g e sieg t Der griechische Geis t o ffen bart e eine
.

wundervolle Ursprünglichkeit Das Große der Kunst .


,

Philosophie und Wissenschaft die Schönheit und Voll ,

endung des gesellschaftlichen und staatlichen Lebens


erschien hier zum erstenmal Nur in zarten m y th olo .

gischen Erin ne run g 3 trä um e n knüpften sich Fäden an


den Geist der orientalischen Welt Schlegel hat der .

Forschung die Aufgabe gestellt die Philosophie der ,

Griechen die selbstbew uß te Vernunft aus den ersten


,

Regungen des religiösen Bewußtseins aus Orgien u n d ,

Mysterien zu begre ifen Nicht mit der Philosophie des .

Tales s ondern mit Orgien und Mysterien beginnt die


,

griechische Philosophie .

S chlegel hat die große Gegen überstellung von antiker


und moderner Kultur vollzogen den Gegensatz zwischen ,

dem antiken und abendländischen K ult urb e w uß t se in


deutlich gemacht Und diese Entgegensetzungen sind
.

ein für allemal zum Besitz des K ult urv e rst eh e n s g ewo r
den Griechentum bedeutet Natur Romantik bedeutet
.
,

Geschichte Nicht als ob das griechische Volk ein


.

Naturvolk gewesen ist sondern weil es s e ine Maßstäbe


,

der Natur entlehnte Seine Philosophen lehren die ewige


.

Wiederkehr nicht die e inmalige Entwicklung Die


.
,

Freiheit tritt hinter d e r Notwendigkeit ganz zurück ,

so auch in dem Wunderwerk der griechischen Tragödie ,


D ie K ulturp h i10 5 0 p h i e F ri dri h
e c v on S hl g ls
c e e 1 91

wahr e nd in der T rag o d ie des Abendlandes das No t we n


dige hinter d e r Idee der Fr e ihe it verschwindet Wenn .

das Griechentum in sich ruhendes Sein und Wesen be


deutet so die Romantik Entwicklung und Wandlung
,
.

Ferner betont er d ie Geschlossenheit der griechischen


Kultur Aus e i n e rn Volke ist sie erwachsen un d konnte
.

a uch nur in diesem einen Volke hohe Gestaltung ge

Winnen Alle geistigen Formen stimm e n in der grie


.

ch isch e n Kultur auf das glücklichst e zusammen An .

de rerseit s zeigt d 1 ese antike Kultur eine gewisse Enge


und Grenze Sie ist partikular und stabil In P h ilo so
. .

phie und Kunst ging der griechische Ge ist einen vor


gezeichneten Weg und ge langte zur Vollendu n g In
-
.

e iner ganz bestimmten Richtung ist durch den g riech i


schen Geist die Klassik vollkommen erreicht .

D as Klassische ist das Vollendete und nicht gleich


bedeutend mit antik Es g ab eine Klassik der Griechen
.

und es wird eine Klassik der Romantik geben D ie .

universale T ran sz en d en t alp o esie hat im m er neue Ent


w icklun g sm ö g lich ke it e n D ie romantische Po esie ist
.

progressiv Die moderne Kunst ist notwendig roman


.

tisch sofern der Ge f ü h lsst o ff des mode rnen Em p fin


,

d un g sleb en s romantisch ist S ie wird klassisch sofern .


,

in ihr die ewigen Fo rm g e se t z e d e s Schönen zur Dar


stellung gela n gen .

Alle moderne Poesie ist romantisch Dante Shake .


,

speare Calderon Cervantes Goethe sind große Vor


, , ,

bilder der romantischen Poe sie Alle romantische Poes ie .

ist aus dem Geist d e s Christentums geboren Das Chri .

st e n t um hat ih r den unive rsal e n und progressiv e n Cha

rakt e r gegeben Die Philosophie des Idealismus und der


.
1 92 III . D ie Philosop hi e d er Romantik

Romantik stehen in einem notwendigen Zusammenhang .

S ie bringen sich gegenseitig zur Vollendung .

Auch für S chlege l ist die Antike Vorbild aber nach ,

g e ah m t darf sie nicht werden D ie neue Zeit erfordert


.

eine neue Kunst S ie fordert neues auf allen Gebieten


. .

Shakespeare bildet den äußersten Gegensatz zu der


reinen S chönheit und Tragik der Griechen Die B e .

ziehung zur Geschichte ist für die moderne Kunst


wesentlich S ie ist historisch individuell während die
.
-
,

griechische Kunst naturhaft allgemein war D ie grie -


.

ch isch e Kunst ist typisch die moderne charakteristisch


,

un d interessant D ie Aufgabe der Zukunft ist die Ver


.

sö h n un g zwischen dem antiken un d modernen Stil In .

Goethes größten Werken scheint das erreicht zu sein .

Das ist die wahrhaft obj ektive Kunst die Sehnsucht ,

der Romantiker E in solches Meisterwerk der ob jek


.

t iven Kunst ist etwa in Schlegels S inne der Wilhelm


Meister Der Roman ist das Symbol der modernen Zeit
.
,

u n d dieser große Roman Goethes gibt die Aussicht au f

eine grenzen l os w achsende Klassizität .

Das romantische Zeitalter im engeren S inne ist anti


n om isch gespalten Die Poesie der Romantik ist frag
men tarisch und nicht vollendet D ie romantische Dich
.

tung ist als Übergangsform notwendig Sie hat die .

große Aufgabe e iner Vorbe reitung der obj ekt iven Kunst
übernommen In ihr kommt zum Ausdruck die ab so
.

lute Forderung geistiger Bewegung Leben un d Gesell .

schaft sollen poetisch werden die ä sthetischen Ideale , ,

die ewigen Gesetze des S chönen sollen das Leben er


füllen un d alles feindlich Getrennte und Geschiedene
,

soll in absoluter S y nthese verbunden sein .


1 94 I II . D ie Philosop hi e d er Romantik

In der L e bensphilosophie lag die W e rtb eto n un g be


sonde rs auf der Pe rsönlichk e it D ie Kulturwerte dienen .

ihr zur Bereicherung und Ausgestaltung L eb e n skün st .

ler und Lebenskunstwerk stehen im Mittelpunkt aller


Ü berlegungen In der K ult urp h i10 50 p h ie verschiebt sich
.

der Schwerpunkt Jetzt ist es die wirklich e g eg en w ä r


.
,

tige Kultur auf Welche das philosophische Interesse


,

gerichtet ist D ie eigene Kulturepoche wird gedeutet


. .

S ie wird als eine Zeit d e r Vorbereitung neuer höherer


Kultur un d Lebensformen erkannt Eine neue Religion .
,

eine neue große Kunst steht unmittelbar bevor Nun .

wi rd die Persönlichk e it in den Dienst der Kulturleistung


g estellt u n d der egozentrische Standpunkt überwunden .

A u s der Erkenntnis des gegenwärtigen Zeitalters er


gebe n sich eine Fülle von Kulturproblemen die es zu ,

lösen gilt .

Aber no ch ist der höchste Standpunkt der p h ilo so


ph isch en Reflexion nicht erreicht D a s Interesse liegt .

auf der Wirklichkeit und hängt nicht eigentlich am


Wert D ie Werte werden genutzt für das Verstehen
.

der eigenen Kultur Nicht aber wird die Kultur genutzt


.

für die Erkenntnis der Werte und zum Verstehen des


Weltalls All den kulturphilosophis chen Überlegungen
.

fehlt es an einem systematis chen Einheitsbegri ff und


an einer d urch g eb ild e ten M e thode So tragen sie alle .

einen zufälligen Charakter S ie machen den Eindruck .

eines geistreichen R ä so n n e me n t s aber es fehlt ihnen ,

an zwingender Kraft Der große Philosoph mußte kom .

men der all der zerstreuten Ideenfülle der Romantik


,

die letzte Einheit gab S chelling kam . .

Dadurch verschiebt sich noch einmal der S tandpunkt


der philosophischen Reflexion und der Gegenstand der
S h lling
c e 1 95

Philosophi e Es handelt sich nicht um das Leben no ch


.

um die wirkliche Kultur sondern um ein System der,

Kulturwerte .

S d1 elling
'

Man kann S chelling von zw e i verschiedenen Seiten


aus betrachten Ei n ers e its sof e rn e r si c h als großer
.

Systematiker einordnet in die Linie der Systeme die ,

von Kant na ch Hege l fuhrt Will m an ihn so b et ra ch .

ten m uß man zeigen in wel cher W e is e er die von Kant


, ,

und Fi c hte gescha ffenen P rob lem b ild un g en und lö sun -

gen weit e rgeführt hat Dazu wä re ein näheres Ein


.

gehen auf die Philosophie Kants und F ich te s erfo rde r


lich ein Weg der uns f e rn liegt Das System Schellings
, , .

h at aber noch eine andere Seite Es ist der Philosophie .

der Romantik zugewendet Man hat ja Schelling nicht .

mit Unr e cht d e n Philosophen der Romantik genannt .


Deswegen werden wir das „ Romantische in der Philo
sophie Schellings be sonde rs scharf betonen un d sein
System aus der Romantik hervorwachsen lassen .

W ir b e ge h e n damit eine bewußte Einseitigkeit denn ,

Schelling ist nicht nur Romantike r sondern hat auch ,

eine Fulle von Ideen we ite rgeleitet die in der P h ilo so ,

phie der V e rgangenheit vorgebildet waren Schelling .

ist der erste große P li ilö $ 0 p h des deutschen Idealismus ,

der umfass e nde Kenntnisse auf dem Gebiet der Ge


schichte der P 11 i10 50 p l1 ie besaß und überall an ihr e V e r
a n e n h e it angeknüpft hat nicht nur an Kant u n d
g g ,

Fichte sondern auch unmittelbar an Leibniz und Spi


,

noza an Jacob Böhme und Bruno an Platon und


, ,

Aristote les .
1 96 m . D ie Ph ilosophi e d er Roman tik

Wie steht nun Schellings System zu den p h ilo sop h i


schen Lehren der anderen Romantiker ?Es is t ja augen
sch e in lich daß die Begri ffsbildungen mit denen die
, ,

Romantik arbeitete zum großen Teil der Termino logie


,

Kants und F ich t es entstammen Vor allem erscheint .

der Form un d Sto ffbegri ff Kants in immer neuen Varia


tionen Novalis stellt die Entwicklung der Menschheit
.

in seiner kult urp h i10 3 0 p h isch en Deutung unter den Ge


s ich t sp un kt des rein Intuitiven un d des rein R e fl ex iv e n ,

ein Gegensatz der uns a n Kants Unterscheidung von


,

Anschauung und Begri ff gemahnt Oder wenn Novalis .

die Natur des aktiven D ichters des Künstlers als Er ,

zieher des M en sch en g e seh le ch t s charakterisiert un d den


leichten schwebenden Übergang vom Gefühl zur Re

fl ex ion als sein eigentümliches Wesen be ze ichnet so ,

ist dieser Begri ff augenscheinlich auf Kants Ästhetik


z urü ckz u f uh re n Aber was das W ich t ig ste ist : indem
.

diese Begri ffe a u f romantische Kultur und romantisches


Leben ihre Anwendung erfahren we rden sie dehnbar ,

gemacht und nehmen eine Fülle neuen Inhaltes in sich


auf D ie philosophische Reflexion der Romantik hat
.

sich der Kultur bemächtigt und eine Menge Beziehungen


hine ingelegt Das Material ist vorbereitet abe r d as
.
,

Wichtigste ist noch zu tun : es gilt all die verschiedenen


Bezi e hungen zu einer Einheit zu verbinden .

Versuchen wir noch einmal die wichtigsten Anschau


ungen Motive und Forderunge n de r Romantik hervor
,

zukehren um an ihnen d a s System Schellings zu ver


,

deutlichen .

Das romantische Zeitalter ist ub e rw ie g en d von asth e


tischen und religiösen Interessen beherrscht wie w ir ,

es nun an zahlreichen Beispielen verdeutlicht haben .


1 98 III . h osophi
D ie P il e d er Roman tik

den Begri ff seines Systems in enge Beziehung gesetzt .

So erkennen wir bei Schelling die Anfänge jener großen


idealistischen Geschichtsphilosophie d ie sich in H egel ,

vollendete .

Friedrich von Schlege l hatte die Orientierung des


eig e nen Zeitalte rs an der Antike unternommen Er ver .

suchte den eigenartigen Charakter der mode rnen Philo


sophie und Kunst im Gegensatz zur Antik e zu begreifen .

Auf de r einen Seit e e in e geschlossene nationale Kultur ,

die nicht übe r sich hinausg e hen kan n die in si c h ruht ,

un d in sich vollend e t ist und auf der ander e n Seite eine


,

internationale christliche Kultur d ie von d e r Idee des ,

Fortschritts getragen wird und immer neue Entwick


lun g sm ö g lic h ke ite n besitzt Es war das eine K o n st ruk
.

tion S chleg e ls d ie aus Schillers Unt e rscheidung zwi


,

schen naiver und sen t im en t alisch e r Dichtung hervor


g e gangen war S chelling n immt diese Gedanke n v o n
.

Friedrich von S chlegel auf ab e r er r e chtfertigt sie auch


,

zugl e ich Er formuli e rt die Prinzipien d e r beiden


.

Epo ch e n und entwi ck e lt sie aus dem Gedanken de s End


zwe ckes der seinerseits w ied e r durch den Einheitsbegri ff
,

d e s Systems gerechtfertigt ist Darin müssen wir d as .

Kennzei chen des groß e n Systems e rbli ck e n d aß hier ,

nichts zufällig und unb e wiesen bleibt daß alle Te ile des ,

Systems mit dem l e itenden Einheitswert notwendig


verknüpft sind .

D ie Romantik b e k ä mpft e den roh e n diskursive n D e n


ker der an die Stelle d e r lebend e n Natur ein bloß e s
,

Ge d an ke n kun st st ü ck s etzt Ihr e künstleris che A uf f as


.

sun g d e r Welt n eigte dazu die Natur als beseelt zu


' '

denken Nach ihrer Vorstellung w ird das bloß Natü r


.

li che immer m e hr v o n dem Gei stigen u n d Wertvollen


S h lling
c e 1 99

durchdrungen Die Vergeistigung der Welt erscheint


.

als S inn und Aufgabe des historischen Prozesses Auch .

diesen Motiven und Tendenzen trägt die Philosophie


S chellings Rechnung insofe rn die Naturphilosophie
,

lehrt daß die Natur Geist un d Leb e n sei und mit aller
,

Schärf e der Mechanisierung der W e lt entgegentritt .

Wir könn e n somit S chelli n gs Verhältnis zu den ande


ren Romantikern zunächst einmal in dieser dre i fache n
H insi c ht b e stimmen :

1 . Schelling entspricht der ä sthetisch religiösen -

Weltanschauung der Romantik u n d den Forde


rungen einer obj ekt i v en Kunst und Universal
religion durch große Systembildungen deren ,

Charakter überwiegend ästhetisch und religiös ist .

S chelling rechtfertigt die Bewertu n g der Ge


schichte durch die Romantiker ihre historische ,

Weltanschauung durch ein System in dem die ,

Ge sch ich t 3 p h ilo s0 ph ie e in e herrschende Stellung


einnimmt Der historischen Kons truktion die sie
.
,

v e rsu c ht haben fügt e r die b e gründend e n Prin


,

z ip ie n hinzu .

3 . Schelling kommt all den Motiven der Roman


tik d ie auf eine sinnvolle Verklärung der Natur
,

abzielen durch sein e Naturphilosophie entgegen


, ,

welche lehrt d aß die Natur der unbewußte Geist


,

se 1 .

Neb en diesen drei Momenten die sofort deutlich her ,

vortreten haben wir noch zwei anderen Motiven nach


,
.

z u e b en
g die,
d as Wesen der S ch e llin g sch e n P h i10 50 p h ie

in ihrem Innersten berühren durch welche S chell i ng i n


,

der Tat a ls d e r Philosoph der Romantik erscheint :


2 00 III . D ie P h i10 5 0 p h ie d e r Romantik

I . D ie Romantik erheb t d as K un stsch on e uber das


Nat ursch ö n e Kunst is t mehr als Na t ur S chel
. .

ling recht fertigt diese Unterordnung durch die


Deutung ihrer B eziehung .

2 . D ie Romantik erhebt die Forderung der absoluten


Synthese S chelling entspricht dieser Forderung
.

durch seinen Begri ff der Iden t ität .

Auf diese beiden le t zten Punk t e mussen wir noch


naher eingehen Wenn die Romantik das K un stsch ö n e
.

über d as Nat ursch ö n e erhebt so stellt sie sich damit in ,

d en a uß e rste n Gegensatz zu der Vorstellung der Antike .

Nach der Vorstellung der Ant ike ist die Natur als solche
"

schön und vollendet Der Künstler steht der Nat ur.

nach un d kann sie nicht erreichen Der Gr i eche hatte .

ein außerordentlich feines Verständnis f ü r körperliche


Schönh eit Der Reiz der lebendigen S ch op f un g ga l t
.

ihm mehr als die tote S chönheit d e s Kunstwerkes Di e s .

Verhältnis wurde durch Plato geweiht Nach der plato .

nisch e n Ideenl e hr e sind die D inge Nachbilder der Ideen


als der wahren W irklichkeit Kunstwerke dagegen n ur
'

Bilder von Nachbildern Wenn Plato vom S chonen .

Spricht so denkt er in erster Linie an die schöne leben


,

dige Na t ur .

Erst allm ä hlich h at sich in der En t wi cklung der


Menschheit d en Gedanke Bahn gebrochen daß der ,

Mensch der Natur überlegen sei Entscheidend für diese .

Vorstellung war wohl zuerst die Renaissance Die Be .

h e rrsch un g der Natur durch die Technik li e ß den Men


schen zuerst als S ieger gegenüber der Natur erscheinen .

Der We rt der Kunst wurde in der Renaissance vor


übergehend au f das höchste ge feiert Als ab er die Kunst .
2 02 II I . D ie Phil osophi e d er Roman tik

war wie wir gesehen haben eine der dringendsten


, ,

Forde rungen der Romantik D ieser Gedanke kann in .

sehr verschiedenen Formen auftreten Einmal mehr .

äuß e rlich das Leben und die konkreten Verhältnisse be


,

rührend so etwa wenn eine neu e Ordnung der mensch


, ,

lichen Gesellschaft gefordert wird oder der Z ersplit te


rung des konfessionellen Lebens durch eine neue
Menschh e itsreligion ein Ende b e r e itet werden soll Aber .

auch ohne re formatoris che T e nde nz kann sich das Ver


langen nach e inem höchste n Grundwert als letzte Basis
alles Obj ektiven geltend machen D iese Werteinheit .

würde auch d e r Trennung d e r W e rt g eb iete ein End e


machen und ihre g e meinsame Basis enthüll e n Wissen .

schaft und Religion Kunst und S ittlichkeit würden in ,

diesem Grundwert ihre letzte Einheit finden Wenn .

die Romantik fordert daß alle Wissenschaft K un st un d ,

alle Kunst Wissenschaft werde n soll so gilt d as zu ,

nä chst für die Wirklichk e it D ie Ford e rung scheint .

paradox und ganz unmöglich zu sein S ie scheint die .

W isse n sch a ft zum künstle risch e n Dil e ttantismus zu


treiben und die Kunst dem Zw ä nge der Theorie zu op
fern S ie macht die große Kulturentwicklung scheinbar
.

wieder rü ckgängig die nur durch Di ffere nzierung d er


,

Kulturg ebi ete sich vollziehen konnte .

Wir brauchen aber nur ein wenig ti e fer einzudringen


in d ie romantis che n Vorstellungen so e rkennen wir , ,

wie alles ge m e int ist Eine g e dankenlose Po e si e ist ge.

w iß ebenso mangelhaft w ie schwindsüchtig abstrakte


Denkgebilde d ie k e in V e rhältnis zu Kultur und Leben
,
"

haben die uns nichts mehr sagen können d ie kein Ver


, ,

h ä lt n is mehr zu dem besitzen was uns als wertvoll gilt ,


.

G e hen wir ab e r n o ch e i n en Sch ritt w e it e r Der M en s ch .


,
S h lling
c e 2 03

mit dem die Kulturentwicklung anhebt war n ach der ,

Meinung der Romantiker nicht e inseitig sondern ein ,

h e it lich
. Di e se Einheitlichkeit machte seine natürliche
Schönheit aus Er war kein einseitig abstrakter Denker
.
,

ke in spezifisch wissenschaftlicher K 0 p f Er war kein .

e inseitiger Moralist e r w ar auch kein trunkener Schwär


,

mer Er war alles und nichts von di e sem Er war all e s


. .

in vollkommener Einheit I n se iner B rust war kein


.

\Vid e rstre it zwischen wissenschaftlich e r Überzeugung


und religiös e m Glaub e n Ein solcher Mensch ist schön
.

in der Fülle un d Ges c hlossenheit s e ines persönlichen


Wesen s J e tzt ist dieser ästhetisch e Zustand verlor e n
.

gegangen D ie M e ns chen sind zu Sp e zialiste n geworden


.
,

und alles Sp e zialist e ntum ist Stückw e rk Wir können .

uns einen Zustand der M e ns chhe it denken wo die Na ,

tur vom Geist durchdrungen und d ie harmonische Ein


heit der menschlichen Natur au f ein e r höheren Stufe
wieder herg e stellt ist Ganz und ungeteilt wird die
.

Menschh e it der Zukunft dem All gegenüberstehen .

Deswegen wird sie auch imstande sein das Universum ,

i n s e ine r Gesamtheit zu fass e n Der ganz e und unge .

teilt e Mens ch wird das All v e rst e h e n Für di e s e n Men .

schen d e r Zukunft ist dann ni cht mehr e in spezifisch


the oretisches od e r e this ches Verhalt e n dem Universum
ge g e nü b e r e rforderli ch Dann wird Wiss e nschaft Kunst
.

und Kunst Wiss e nschaft sein .

So w e it führt diese Überlegung die noch in dem ,

Gedanken de r Wirklichkeit oder doch eine r möglichen


Wi rklichkeit stehen bl e ibt Wir brauchen j e doch n ur
.

ihre Voraussetzu n g a ufz u suchen so komme n wir zu


'

der Forderung da ß die Werte die in Kunst und Wis


, ,

se n sch a f t a n erk an nt w e r d e n n i ch t in e in e r abso luten


.
2 04 II I . D ie Philosophi e d er Romantik

Trennung verharren d urfe n S ie weisen a u f eine h o ch ste.

Einheit hin D iese höchste Einhei t w ird das m etaph y


.

sisch e System aufzuweise n haben un d aus ihr heraus

d as Universum begreifen .

Überall macht sich in der Romantik d as S uchen nach


einer letzten We rteinheit b e merkbar Für Friedrich .

von S chlegel ist A l lheit die Bestimmung der W e rte in


heit S ie bedeutet d aß S inn un d M aß in allem Beson
.
,

deren liegt Es gibt ein Allgemeingültiges das in den


.
,

verschiedenen Wertsphären in verschiedener Form z um


A usdruck gelangt Ihn den hochste n u n d letzten Wer t
.
, ,

nennen wir a uf j edem Gebiet mit verschiedenem Na


men Wir nennen ihn die Seele des Kunstwerkes
.
,


den „ Geist des Menschen den lebendigen Zusammen ,

hang der gottlieb en Schöpfung Und dieser g e g en stä n d .

lichen Einheit entspricht als notwendiges Korre l at das


A lle in h e it se rleb n is in dem alles besondere W e rt e m p
,

fin d en in u rsp run g lich e r Einheit ruht .

D iesem Verlangen nach einer Werteinheit tragt d as


S ch e llin g sch e System Rechnung Dem W e rt erleb n is .

in seiner u ngeteilten Ganzh e it erwä chst s e in Gegen


stand in dem Begri ff der Identität .

In die Blütezeit der Romantik fällt der ä sthetische


Pantheismus Schellings Ihm voraus ging die Natur .

ph ilo s0 p h ie a ls erste selbständige Tat seines Denkens .

Die Naturphilosophie als solche gibt noch kein System


der Philosophie Sie will lediglich ein Gebiet des Wi rk
.

lichen deuten das die Wiss enschaftslehre Fich tes noch


,

nich t berücksichtigt hatte S chelling s ucht zu zeigen .


,

da ß das P rob l em der Naturphilos ophie im Zusammen


hang des Fich t esch en Systems entspringt Die Natur .

ph i l osophie gliede rt s i ch d e m ethischen Idealismus


2 06 III . D ie Philosophi e d er Romantik

t ä tig sein es soll den G egenstand b e stimmen D ie Welt


, .

der Gegenstände soll ihm zum Material p fl ich t m ä ß ig e n


H andelns we rden Bis ins Unendliche soll sich das Ich
.

neue Aufgaben stellen Die Unendlichkeit ist sein Ziel . .

D a s Ich soll une ndlich werden .

Unter diesem Gesichtspunkte wird die ganze Welt


zu einem Arbeitsfeld rastlosen mutigen Handelns Der ,
.


I rä g e degradiert sich selbst zum bloß e n Material
'

Wertvoll allein ist das unendliche Streben das nie zur ,

Ruhe kommt Es gibt nichts was ethis ch indi fferent


.
,

wäre w as nicht in irgendeiner Weis e sittliche B eden


,

tung gewinnen könnte Keine unserer H andlungen .

steht j enseits von gut und böse


Dagegen sieht Schelling in der praktischen Vernunft
eine Antinomie die ihr den Charakter des Unvolle ndeten
,

gibt und die nur in de r ästhetischen Vernunft iib e r


wunden we rden kann .

Die I den t i t ä t
Schellings Metaphysik ist ein System d a s tief in die ,

einzelnen Kulturgebiete eingesenkt ist Jedes System .

b edarf eine s höchsten E in h e it sb eg riff e s in dem es ver


ankert ist D ieser Einheitsb e gri ff ist fur Schelling der


.

Begri ff der Identität der für seine P h i10 3 0 ph ie dasselbe


,

leisten soll wie für Fi chte d a s I ch oder für H egel d e r


,

absolute Geist .

Wir wollen zuerst di e sen Grundbegri ff seiner Philo


sophie u n d die daraus r e sultier e nde Weltanschauung
entwickeln um dann die Frage zu erheben wie denn
, ,

ein Wissen vo n diesem Prinzip möglich sei Dazu .

heben wir die wichtigsten Bestimmungen der Schelling


D ie Id nti tät
e 2 07

sch e n Method e he rvor Wir werden dann endlich sehen


. ,

wie Schelling diesen Begri ff der Identität für Natur ‚


,

Geschi chte und Kunst nutzbar gemacht hat Das führt .

uns zur Naturphilosophie Ge sch ich t 5 p h ilo so ph ie und


,

K unstphilosophie Sch e llings .

Schellings Begri ff der Identit ä t ist von H egel als die


Nacht des Absoluten als das gänzlich B e st im m u n g s
,

los e als das lee re Etwas ge geißelt worden D ie sen V o r


,
.

w urf teilt die S ch e llin g sch e Identität mit d e r Substanz


Spinozas und der Gottheit Eckh arts sowie mit der ,

ganz e n negativ e n Th e ologie bis zu einem gewissen


Grade So bestimmungslos das Absolut e nun aber au ch
.

g e da cht werd e n mag so ist es doch nicht be ziehungslos


,
.

Im Verhält nis zum Univ e rsum kann auch das an sich


Bestimmungsl ose ein e Fülle von Bestimmungen o ffen
baren So ist etwa d ie S ubstanz Spinozas selber an
.

si ch e ig e n sch a f t slo s und insofern nichts aber wir wisse n


, ,

d aß sie Grund und Ursach e der Welt ist daß alle Dinge ,

mit Notwendigkeit aus ihr folgen usw S o ist auch die .

Identität Schellings an sich e ig e n sch a f t slos und b e st im


m un g slo s aber sie ist r e i c h in der Fülle der Beziehungen
,

zu allen Gebiete n des G e istes .

Ähnli c h der Gottheit des Nicolaus Cusanus ist die


Identität S chellings die co in cid en t ia o pp o sito rum das ,

Zusammenfallen aller Gegensätze und Schelling hat das


,

alte Problem d e r Metaphysik wieder aufgenommen d as ,

H ervorgehen der Vielheit aus der Einheit des D i fferen ,

ten aus der absoluten Indi ff erenz zu erklären Diese .

Versuche Schellings haben für uns lediglich ein histo


risch e s aber kein lebendiges philosophis ches Interesse
,

m e hr u n d können vollkommen unbe rücksi chtigt bleiben .

Von Int e ress e abe r ist für uns d e r Charakter der I d en t i


2 08 I II . D ie Philosophi e d er Romantik

t at ,die W ert m o m en te welche ihr anhaften un d die


,

S y nthesen welche sie vollzieht


,

D ie Identität S chellings wächst wie sich deutlich


'

zeigen läß t aus dern ästh e tischen Bewußtsein heraus


, ,

dessen We sen darin besteht d aß mit der Form zugleich ,

der Inhalt gesetzt wird denn die produktive Ein b il ,

d un g skra f t des K ü nstlers ist an keine Gegebenheiten


gebunden und scha fft die Inhalte aus sich heraus Der .

Begri ff der Identität ist zugewendet dem ästhetischen


Begri ff der H armonie und insofern sich dieses Prinzip
,

im Univ ersum darstellt gelangen wir zu dem Begri ff ,

des ästhetischen Pantheismus Identität un d Welt ve r .

halten sich wie d as Undi fferenzierte z um D i fferenzierten .

Das Universum als absolutes Kunstwerk ist der voll


kom m e n e Ausdruck der Identität .

Die Identität ist d a s Absolute als Grundwert un d


Einh eitswert als metaphysische Wirklichkeit S ie ist
,
.

kein selbstbewußter Geist kein absolutes Subj ekt un d ,

somit durchaus p e rsö n lich keit sf rem d und üb erpe rsö n



lich S ie ist das „ ewig Unbewußte das als solches
.
,

niemals Bew uß tsein ist wohl aber Grund aller Be w uß t


,

heit Bewußtsein ist nicht die höchste Bestimmung des


.

absolut Wertvollen und auch nicht der Grund der Welt .


Aber d a s „ ewig Unbewußte ist auch nicht g le ich b e
de utend mit der Nat ur sofern ihr Wesen der unbe wußte
,

Geist ist In d em e w ig Unbewuß ten gründet das


.

R eich der Natur u n d das Reich der Geschichte Die .

Natur ist d as Reich des Unbew ußten die Geschichte ,

das Reich des Bewußten S o m uß die Identität das .


,

P rinzip der Welt als die Einheit des Bewuß ten un d


,

Unbewußten verstanden werden .

D ie Idee des ab solut en G e ist es als des absoluten S ub


2 10 III . D ie P h i1 0 50 p h i e d e r Roman tik

faltet (deus ex p licit us) Schelling bezeichnet die I d en t i


.

tät als die Einheit von Form un d I nhalt von Not ,

wendigkeit und Freiheit von endlich und unendlich , .

Diese Gegensätze bezeichnen die Spannungsverhältnisse


und den D ualismus auf den sich im S inne der K an t sch en
,

Philosophie die theoretische Erkenntnis un d das sitt


lich religiöse Lebe n aufbaut D ie Identität S chellings
-
.

ist also überall W e rtsy n th e se : die Überwindung des


logischen ethischen un d religiösen Gegensatzes w ie er
, ,

nun einmal für das menschliche Bewuß tsein besteht .

Wir finden bei Kant Begri ffe welche auf die se Synthese ,

schon hinweisen ; so etwa Kants Begri ff des intuitiven


Verstandes de r mit der Form zugleich den Inhalt e r
,

zeugt d h ein Verstand der nicht an da s Sto ffliche


, . .
,

gebunden ist der nicht abhängig ist von dem Material


, ,

das ihm die Erfahrung darbietet sondern über den In ,

halt souverän verfügt wie der Künstl e r übe r d as Ge ,

bilde seiner Schau War so von Kant die Überwindung


.

von Form und Inhalt in der Idee des intuitiven Ver


standes angedeutet so bedeutet die Idee des heiligen ,

Willens die in der Ethik entwickelt wird die Über


, ,

windung der Antinomie von Sein u n d Sollen Kant .

e ntwickelt die Idee eines Willens für den der Gegen ,

satz von Pflicht un d Neigung nicht mehr besteht wo ,

das Sollen zum Wollen geworden wo das Sollen in ,

den Willen aufgenommen ist D ie Identität S chellings .

ist die logische Synthese von Form und Inhalt d ie ,

ethische von Sein und Sollen und die religiöse von end
lich und unendlich .

Das Absolute S chellings hebt aber nicht nur die


Gegensätze auf welche die verschiedenen Kulturgebiet e
,

beherrschen und begr ü nden sondern auch die Gegen ,


D ie Id ntit ät
e 2 1 1

satze zwischen den verschiedenen Kulturgebieten als den


verschiedenen Welten des geistigen Lebens Gerade di ese .

A ufhebung ist das wichtigste Problem des ästhetischen


Idealismus Es gilt die Grenzen der theoretischen und
.

praktischen Vern unft zu fix ieren und an der E insicht


in ihre Begrenzung den Primat der ästhetischen Ver
mun i t zu entwickeln Es gi lt aus dem Wesen und der
.

Idee des Kunstwerkes des K ünstlers und der ä st h e t i


,

schen Ve rnunft die Bestimmungen des Absoluten zu


entwickeln .

D ie theoretische Vernunft sucht e in S y stem von Be


gri ff en an die S t elle der an sich sinnlosen Materie zu
setzen Fur die vollendete Theorie der Natur ist d ie
.

ganze Natur in Intelligenz aufg e löst Das theoretische .

Bewußtsein findet in der Natur se ine eigenen Formen


w ieder So wird die Materie durch die theoretische
.

Vernunft gleichsam vergeistigt oder auch als geistig


erk annt Die theoretische Vernunft gelangt aber nie
.

mals zum Ziele Die vollkommene W isse n sch af t der


.

\ /

Natur die alles Nicht I ch vergeistigt d ie a lle Wirklich


,
-
,

keit restlos be gri ffen hat ist Ziel e ines unendlichen ,

Prozesses Das wissenschaftlich e Bewußtsein ist nie


.

mals fertig und abgeschlossen .

Dasselbe gilt nach S chelling auch fur die praktische


Vernunft Unendlich ist die Spannung zwischen dem
.

Sein und dem Sollen Das Wesen der praktischen Ver


.

n un f t steht und fällt mit diesem Gegensatz S ittliches .

Leben ist ja nur dort wo etwas unbedingt gefordert


,

wird un d zugleich die Möglichkeit eines Verstoßes gegen


die Forderung vorliegt Alles sittliche Leben bedeutet.

ein ewiges Get e ilt se in eine ewige Bewegung und Un


,

ruhe die f ur das moderne K ult urb e w uß t se in mit seinen


,
2 12 III . D ie P hilosophi e d er Romantik

streng umschriebenen P fl ich te nkre isen besonders ch a


rakt erist isch ist Jede P fl ich te rf ü llun g involviert eine
.

neue Pflicht Je sittlicher wir werden um so feste r ge


.
,

ra t en wir in den Bannkreis des Sollens Bis ins U n en d .

liche stellt sich das sittliche Bewuß tsein ne ue Aufgaben .

Auch die praktische Vernunft ist ihrem Wesen nach


niemals fer t ig .

Wenn nun die sittliche Handlung und die theo retische


Leistung ewig ein Unvolle ndetes bleibe n m uß gibt es ,

da nicht so fragt sich Schelling vielleicht ein Kultur


, ,

p rodukt zu dessen Natur die Abgeschlossenheit gehört


?
, ,

in dem die rastlos tätige Vernunf t zur Ruhe kommt


S che ll ing bej ah t diese Frage Das Gesuchte un d Ge .

forderte i st das Kunstwerk .

Zwischen der theoretischen und praktischen Vernunft


besteht eine Antinomie Im Gebiet des Theoretischen .

sind wir durch die Dinge durch die Gegenstände be ,

herrscht Wir müssen die Macht der Notwendigkeit


.

anerkennen Im Gebiet des Praktischen bestimmen


.

wir die D inge H ier ist das Reich der Freiheit und der
.

Tat Weder auf praktischem noch auf theoretischem


.

Gebiet kann diese Antinomie gelöst werden .

Wir müssen an eine höhere Instanz appellieren durch ,

welche der Gegensatz von Freiheit und Notwendigkeit


zur Aufhebung gelangt Wie kann das geschehen Wir . ?
müssen ein Produkt aufweisen das seiner ganzen S truk ,

tur nach nur als Resultat einer bewuß ten re fl ektie rt en , ,

mit Überlegung vollzogenen H andlung und anderer


seits w ieder nur als Resultat einer bewuß tlosen 1 n st in k ,

tiven naturhaften Tätigkeit begri ffen w erden kann


,
.

E in solches Gebilde müßte an der Grenze von Kultur


un d Natur stehen Es müßte d as relativ Natürlichste
.
2 1 4 I II . D ie P h i10 3 0 p hi e d e r Romantik

im Theoretischen und Ethischen die Unendlichkei t als


?

Ziel gesetzt ist gehört der U n en dlich ke it sch arakte r zu


,

j edem wahren Kunstwerk Es erfüllt die paradoxe .

Forderung : Unendlichkeit in der Begrenzung zu sein .

D a s was als solches niemals zum Bewu ß tsein gelangen


,


kann das ewig Unbewußte
, „ wird durch das Wunder ,

der Kunst aus ihren Produkt en z uruckg e st rah lt Wäre .

nicht die Kunst so könnte die höchste Frage der Tran


,

sz e n de n t a lp h ilo so p h ie : Wie verhält sich Geist un d Na



tur Notwendigkeit und Freihe it nicht gelöst werden
,
.

Dann m üßte die Philosophie au f ha l bem \Nege stehen


bleiben Sie würde niemals zu einem vollkomme n en
.

System gelangen So unternimmt Schelling die ä sth e .

tische Recht fertigung von Welt und Leben N ur a us .

dem Wesen der ästhetischen Vernunft ist ihr S inn zu


verstehen Die Gewißheit des Absoluten is t n ur im
.

Kunstwerk gegeben D ie Kunst ist Dokument un d .

Organon aller wahren Philosophie .

Schelling erhebt die Kunst über Moral und Wissen


schaft S ie ist im e minenten S inne Selbstzweck S ie
. .

will wed e r veredeln noch belehren un d nützen So kann .

die Kunst auch für die Wissenschaft als Vorbild gelten ,

weil sie den Punkt bezeichnet den diese erst erreichen ,

soll .

In der Idee des S chonen ist das Wahre und Gute ein
geschlossen S o heißt es in der Philosophie der Kunst :
.

„D ie Wahrh e it die nicht S chönheit ist ist nicht die ab


, ,

solute Wahrh e it und die Güte d ie nicht S chönheit ist


, , ,

ist nich t die absolute Güt e “


Kampf zwischen F reiheit .

und Notwendigkeit im S inne d e r Kan t isch e n Ethik ist


-

wohl sittlich aber nicht absolut sittlich noch nicht die


, ,
S h ll ings M th od
c e e e 2 1 5

volle Blute der Sittlichkeit die nur in der Ve rso h n un g ,

von Pflicht und Ne igung liegen kann .

Das S chone bedeutet die vollkommene Einswerdung


d e s Guten und des Wahren D ie Kunst ist in der Philo .

sophie das H öchste wei l sie ihr das Allerheiligste gleich


,

sam öffnet w o in ursprünglicher un d ewiger Ver


,

einigung gleichsam in einer Flamme brennt was in


, ,

Natur und Geschi c hte gesondert ist und was im Leben


und H andeln sowie im De nke n ewig sich fliehen m uß
, ,
.

In e iner großen poetische n Vision sieht S chelling das


Verhältnis zwischen Natur Geschichte und Kunst : ,

D ie Natur ein geh e imnisvolles Gedicht die Ilias des


, ,

Ge iste s die Entfernung un d Abwendung vom Ewigen


,

und Göttlich e n d e r Z ug in die Ferne : ihrem inne rsten


,

Wesen nach ist sie identisch mit der Geschichte als dem
Lied von der Heimkehr des irrenden Odysseus Die .

Kunst aber ist es welche den geheimnisvollen Schleier


,

lüftet der übe r dem Wunderbild der Natur ausgebreitet


,

liegt un d die ideale Welt durchscheinen läß t .

S ch ell i n gs M et h o de
Der Zentralbegri ff des S ch e llin g sch e n Systems an ,

dem seine ganze Le hre hängt ist die Identität heraus , ,

gewachsen aus dem ästhetischen Bewußtsein das alle ,

S chranken überwindet un d alle Gegensätze versöhnt .

Der Begri ff der Identität meint das Göttliche un d Ab


solute das sich in seinem reinen Wesen jeder begri ff
,

lichen Erklärung entzieht Welch e Möglichkeiten un d .

welche Wege h at nun die Philosophie sich dem Un ,

begr e iflichen zu nahen das seiner Natur nach das ,



„ ewig Unbewußte ist das selbe r re fl ex io n slo s dem re
,
2 1 6 III . D ie P h i10 5 0 p h i e d e r Rom antik

Denken auch keinen Zugang in sein ge


fl e kt iere n d e n
heimes Reich v erst at t et ?Wir erheben also die F rage
nach dem Weg oder nach der Me t hode durch welche ,

Schelling den Gegenstand seiner Philosophie erschlossen


hat : Gegenstand und Methode der Philosophie ge
hören auf d as engste zusammen D ie Methode m uß .

dem Gegenstand angemessen sein un d anderseits ,

m ü ssen wir den Gegenstand auch immer wieder an der


Methode kontrollieren indem wir uns fragen ob er
, ,

auch in rechtmäßiger und zuverlässiger Weise durch die


Metho de begründet und konstruiert ist D ie philo .

so p h isch e Methode Schellings läßt sich aber auf drei

G rundbestimmungen zurückführen d ie für sie ent ,

scheidend sind auf Momente die besonders deutlich an


, ,

ihr hervort reten :


der Begri ff der intel l ektuellen Anschauung der
1 .
,

d as Prinzip des Verstandes auf das engste mit S chau


und Anschauung verbindet ,

2 der Begri ff des Teleologischen der mit Zweck


.
, ,

Ziel Grund un d Bedingung zusammenhängt


, ,

3 der Begri ff der D ialektik der die Ausbreitung


.
,

un d V erso h n un g von Gegensätzen meint .

Der Begri ff der inte l lektuellen Anschauung der un s ,

als wichtigste Grundbe stimmung der Methode Schellings

b e gegn e t ist von verschiedenartigem Bedeutungsgehalt


,

e rfüllt .

In erster Linie ist die intellektuelle Anschauung d a s


Prinzip absoluter Gewißh e it Was si c h dem refl ek .

t ie ren de n Ve rstande entzieht das ist in de r in t e llek ,

t ue llen Anschauung gegeben D ie Philosophie hat ein


.

besonderes Organ das ü ber allem Zweifel erhabe n ist


,
.
I II . D ie P hi losophi e d er Romantik

auch nicht verstehen Der Philosoph h at die Idee des


.

Absoluten unmittelbar wie der Künstler die Idee des


Kunstwerkes Aber damit ist es nicht getan Der
. .

Philosoph m uß die Idee des Absoluten konstruieren ,

er m uß sie zu einem System entfalten Nur das große .

geschlossene System kann die Idee des Absoluten recht


fertigen .

Der Philosoph darf nicht von einem urspr ü nglichen


Dualismus zwischen der Form als der idealen Einheit ,

die leer und in h alt lo s ist un d einer absoluten M an n ig


,

fal tigkeit als Tatsache der Gegebenheit ausgehen Das


_
.

wäre genau so als verlangte der Mathematiker zu seiner


,

idealen Figur noch die Zufälligkeit des empiris chen Drei


e cks . Ein De n ken das von der Tatsächlichkeit der Er
,

f ah run g abhängig wäre od e r in seinen philosophischen


,

Überlegungen auf die Zufälligkeiten des Ta t sächlichen


Rücksicht nehme n müßte würde niemals zur Wahrhei t ,

gelangen .

Kant hat nach S chellings Auffassung den Stand


punkt der absoluten P h i10 5 0 p h ie vorbereitet doch t ragen ,

seine Fo rmen den En d lich ke itsch a rakt er in ihrer Be


schränkung auf die Erfahrung Dadurch ist seine .

Philosophie im wesen t lichen negativ kritisch Wenn .

aber die Formen oder Kategorien wie in der Phi l o ,

S Op h ie Kants eine mittelbare Erkenntnis von den Ge

g e n st ä n d e n gewähren d h eine begrif


,
f lich diskursive
. .
,

so kann d as Wissen von den Formen doch selber


'

nicht wieder ein durch die Formen verm itteltes son ,

dern muß vielmehr e 1 n unvermitteltes sein .

In der intellektuellen Ans chauung Schellings handelt


es sich auch um einen seelischen Akt durch den das ,

Unbewußte in den Zustand der Bewußtheit erhoben


S h lli g M thod
c e n s e e 2 1 9

wird D as W e rte rleb n is v ertieft sich zur Wert


.

schöpfung Wir werden bei dieser neuen B e stimmung


.


der intellektuellen Anschauung an Leibniz Begri ff der
Apperzepti on gewiesen durch welche die unbew uß te
,

Vorstellung in eine bew ußte v e rwandelt wird Der .

Unterschi e d besteht vor allem darin d aß die Ap pe rze p


,

tion allen höher e n Monaden L e ib n iz en s gemeinsam ist ,

während die Funktion der intellektuellen Anschauung


Schellings mehr als Gabe de s Genies erscheint Darum .

handelt es sich bei der intellektuellen Anschauung Schel


lings auch um e ine besonders wertvolle und große
Schöpfung Aus dem Unbew ußten als ein e r üb e rin d i
.

v id ue lle n Organisation die an die Tiefen des g ö tt


,

li c hen Gehe imnisses ruh rt schöpft der Genius der


,

Menschheit sein vorbildliches Wissen .

S chließli ch kann die intell ektu e lle Anschauung die in ,

Orientierung an dem Begri ff des Organismus und an


die Begri ffe der Geometrie den Fortschritt de s Denkens
von der Idee des Ganzen zu seinen Te ilen fordert als ,

Postulat einer Begri ff sbildung a n g e se h ä f werden d ie ,

das Individu e lle im Ganzen aufbewahrt die d as Be ,

sonder e dem Allgemeinen einordnet nicht aber dur ch ,

einseitig generalisierende Begri ffsbildu ng das Einzelne


dem Allgemeinen unterordnet und in seinem B ed e ut un g s
gehalt herabsetzt .

Nebe n dem Begri ff der intellektuellen Anschauung


ist d a s Element des Teleologischen für S chellings Me

t h od e v on Bedeutung das der kritischen Methode Kants


.

entstammt D e r S inn der Kantischen Problemstellung


.

ist bei Schelling no ch au fbewahrt Es handelt sich


.

a l lerdings weniger um die e rkenntnisth e or e tische Frage


nach den B e dingunge n d e r Erkenntnis sondern um ,
220 II I . D ie Philosophi e d er Romantik

die Bedingung aller kVe rt w irklich keit ub e rh aup t und ,

dies Gött liche un d Absolute wird in naher Beziehung


z ur menschli chen Vernunft entwi ckelt un d konstruiert .

Es hande lt sich nicht so sehr um die Frage : wie ist


Erkenn t nis möglich sondern um die sehr viel all
,

gemeinere Frage : Wie ist das Absolute möglich


Schelling hält den grundlegenden Gedanken Kants ,

d aß es sich in der Philosophie um eine W e rt b e t rach t un g ,

nicht aber um e ine S ein sb et ra ch t un g handelt in der ,

H auptsache aufrecht Z um mindesten tritt die Seins


.

bet rachtung ganz z uruck hinter der W ertb et rach tun g .

Die Wertprobl e me interessieren Schelling am meisten .

Nur gibt er d e n in der erkenntnistheoretischen Vor


stellung freischwebenden Werten Normen und Gelt un g s ,

komplexen einen Ruhe und Einheitspunkt in der Idee


eines übersinnlichen Seins Wohl können wir d a s .

Übe rsinnliche nicht begri fflich erklären die Gesta l ten ,

und Vorgänge j ene r Welt sind unserer Erkenntnis


im einzelnen entzogen aber wir können die Idee
,

un d das Wesen des Ganzen verstehen D ie Philosophie .

hat es nach S chelling nicht mit der kausalen E rklä


rung z u t un Das h a t sie mit der Mathematik gemein
.

sam die auch niemals erklärt woher e s komme daß in


, , ,

einem Dreieck dem größeren Winkel immer die grö ß ere


Seite gegenüberliegt .

Der Gedanke des Teleologischen verbindet sich dann


unmittelbar mit d em Begri ff der intellektuellen A n
sch auun g. Der Philosoph weiß das Absolute Er hat .

von ihm die große S icht un d S chau die der Künstler ,

hat gegenüber der Id e e des K unstwerk e s Das Ah .

solute ist für den schauenden philosophischen Ge ist ke i n


forma l er Begri ff Z um formalen Begri ff wird das
.
2 2 2 I II . D ie Philosophi e d er Romantik

g e n sa t z kann sich im menschlichen Bew u tsein in ver ß

sch ie d e n e r Form o ffenbaren B esonders g elä ufig ist


'

-
.

der Gegensatz der zwischen zwei Begri ffen oder auch


,

zwischen zwei Urteilen h e rvortr e ten kann und den wir


als Widerspruch bezeichnen Der Gegensatz kann sich .

unserem Bewußtsein aber auch ankündigen als v er


s ch ie d e n art ig e Motive durch die unser Wille b e,

sti mmt w ird Wi r kön nen annehmen daß auch die


.
,

E n tgegensetzung die zum Wider spruch fuh rt auf


,

einem ursprünglichen Akt des Geistes be r uht Ver


sö h n ung setzt Entzweiung voraus Der Akt der Ent .

z w e iun
g ist die Antithesis der Akt der Versöhnung ,

ist die Synthesis Vor der Entgegensetzung muß da nn


.

schließ lich noch d ie S etzung als ursp run g lich e Tätig


k e it des De n kens vorliegen Und so bewegt sich alles .

methodische Denken durch Setzung Gegensetzun g ,

und Überwindung des Gegensatzes Wir können uns .

somit drei Begri ffe denken von denen der erste durch ,

Setzung der zweite dur c h Gegensetzung und der dritte


,

durch die synth e tische Verbindung des Entgegen


gesetzten entstanden ist Der dritte Begri ff dieses Drei .

klangs einer dialektischen Beziehung hebt den Gegen


satz a uf und wird im Ve rhältnis zum erst e n und zwe i
ten a ls der höhere Wert gedacht Er gilt nicht nur als .

der u mfassende re und allg e meinere Begri ff der die b ei


' '

den ers ten als Elem ente in sich trä gt und bewah rt son ,

d e rn auch als die höher e Form in der Skala des Wert


sys t ems D as heiß t mit and e ren Wo rten d aß das di a
‘ '
"

.
,

le kt isch e S ch em a zu einer Rangordnung der Begri ff e


führt D iese Wertordnung zwischen d e n B e g riffe n e r


.

weist sich dann weiter in der Anwendung au f den h i


st o risch e n Prozeß a ls sehr geeignet W e rtstufen der ,
S h llings M thod
c e e e 22 3

Entwicklung herauszuheben Das dialektische S chema


.

charakterisiert in der Geschichte der Begri ff des Fort


schritts .

Der dialektische Geda n ke wurzelt in der Vorstellung ,

daß es z um Wese n des Ge istes und der Vernunft gehört


sich zu entzweien und dann aus der Entzweiung zu
einer hoheren Einheit zurückzukehren So werden die .

Antinomien der Kantischen D ialekt ik w eitergebildet ,

die nach S chelling die ewigen Prop y läen de r wahr en


Philosophie bedeuten .

Schon bei F ichte findet sich der dialektische Ge


danke aber in der typischen Form daß es sich hier
, ,

immer um e inen Gegensatz zwischen Urteilen oder um


einen Widerspruch im Urteil handelt der in der theo ,

re t isch e n P h i10 3 0 p h ie nie ganz behoben sondern schli e ß ,

lich durch einen Machtspruch der Vernunft beseitigt


wird .

Bei Schelling wie bei H egel handelt es sich um eine


D ialektik der Begri ffe oder Ideen Der Ge gensatz oder .

Widerspruch gewinnt für beide Denker große Bedeu


tung Beide stimmen auch darin überein d aß der
.
,

\Nid ersp ru ch nur für den endlichen Verstand Geltung


be sitzt daß er kein absolutes Prinzip sei wie e s Leib
, ,

niz behauptet hatte Im Absoluten verliert dies Ver


.

bot seinen S inn .

Dabei tritt aber zwischen S chelling und Hegel in


der Auffassung des Widerspruchs ein Unters chi e d her
vor der sich zu einem groß en w elt an sch auun g sm äß ig en
'

G e gensatz steigert Für Sch e lling bedeutet das Ab


.

solute die co in cid en t ia opp osit o rum Alle Gegensätze .

fallen im Absoluten zusammen werden im Göttlichen ,


22 4 I II . D ie Phi losophi e der Romantik

a usg elo sch t Mit dieser Auffassung ist Schellings


.

Metaph y sik dem Geist der Mystik ver w andt .

Ganz anders Hegel Wohl sind die Gegensa t ze i n .

der absoluten Idee in der Freiheit des absoluten Geis t es ,

aufgehoben aber nicht ausgelöscht Vielmehr wird der


, .

Widerspruch zu einem Moment der absolu t en Wahr


heit z ur unendlichen Triebfeder des schöpferischen
,

Denkens H egel kämpft gegen das Dunkle Irrationale


.
, ,

gegen die Nacht de s Absoluten gegen eine P hilosophie , ,

die den ganzen Reichtum der Formen in der an sich


e ig e n sch a f t slo se n Gottheit im Absoluten untergehen ,

l äßt D as Absolute der Hegelschen Philosophie ist


.

n i ch t die Verschmelzung der Gegensätze sondern die ,

volle Ent faltung des V e rn un f tre ich t um s durch die Macht


des Negativen durch den Widerspruch ,
Nach der .

Hegelschen Vorstellung ist das Absolute die Fülle der


Fo rm in h a lte nach Schelling die Armut der Indi fferenz
,
.

Ein großer w eltan sch au un g sm ä ßig er Gegensatz tritt


in der Lehre der beiden Denker hervor H egel vermag .

vie l vom Göttlichen zu sagen Wir wissen nicht n ur .


,

daß Go t t ist w ir wissen auch sein ewiges Werden Wir


,
.

wissen ihn als Unendlichke it als S ubstanz un d Per ,

sö n lich ke it . In zahlreichen Formen e w iger Gesetz


mäßigkeit o ffenbart sich uns das Absolute Überall .

begegnet un s Gott auf den v ie lv e rsch lun g en en P faden


des Denkens Für Schelling bleibt das Göttliche ein
.

M y s t erium Keine Bestimmung darf auf das Absolute


.

als solches ange w andt werden Es ist nicht Geist un d .

Persönlichkeit aber mehr vielleicht als Geist un d Per


,

sö n lich ke it . Nur die größte aller W ert v erw irk


lich un g en das Kunstwerk allein als Überwindung des
, ,

Gegensa t zes als Ruhe un d Harmonie vermag un s einen


,
2 2 6 m . D ie Philosophi e d er Roma tik n

philosophis che Reflexion die immer trennen und son ,

dern muß unbegreiflich D ie Allein h e it von Wert un d


,
.

Wirklichkeit die denkbar höchste Synthese kann n ur


, ,

erlebt nicht begri ffen werden


, .

D as Absolute der historischen Wirklichkeit stellt sich


dar in de n Kategorien der Geschichte d as Absolute der ,

Naturwirklichkeit in den Formen der Natur das Ab ,

solute der künst lerischen Wirklichkeit in de n Formen


der Kunst Die N at urp h ilo sop h ie hat es mit den Formen
.

der Natur die Geschichtsphilosophie und K un st p h ilo


,

sophie haben es mit den Formen der G e schichte und


Kunst zu t un .

Die relativ vollkommenste Darstellung erfahrt das


Allgemeingültige in der P h i10 3 0 ph ie der Kunst Die .

Naturphilosophie betrachtet da s Absolute einseitig end


lich und notw e ndig die Gesch ichtsphilosophie einse itig
,

unendlich und fre i .

Soviel uber den systematischen Zusammenhang zwi


schen der I de n t it ä t sle h re un d den objektiven Wissen
schaften Wir wenden uns nunmehr der Na t urph ilo
.

sophie Schellings zu un d wollen uns zuerst über den


Wert und Unwert dieser Lehre verst ä ndigen Was ist .

das Bedeutsame und Wertvolle dieser Lehre und was


müssen wir von vornhe rein als verfehlt zurückweisen ?
H ier ist nun wiederum zwischen dem systematischen
Wert und Unwert und dem kulturhistorischen Wert
und Unwert zu unterscheiden Beides braucht durchaus .

nicht zusammenzufallen Eine Leistung kann vom .

systematischen Gesichtspunkte aus sich als mehr oder


we niger verfehlt erweise n u n d dennoch eine große
kulturhistorische Bedeutung besitzen .
Sh
c e llin gs Naturp h i10 5 0 p hi e 2 2 7

Worin sehen wir den systematischen Unwert von


Schellings Naturphi losophie ?
Schelling lag ein höchst lückenhaftes Material f ur die
Konstruktion seines naturphilosophischen Systems vor .

Diesen Mangel suchte er zu ergänz e n durch kritiklose


Aufnahme von Hypothesen die ihm aus dem Gebie t der
,

Wissenschaften entgegengetragen wurden Zudem hat .

er selber e ine Reihe s e hr kühn e r Theorien aufgestellt .

Die se H ypothesen e twa die Lehre über die Natur


,

des Sauerstoffes suchte er philosophis c h zu begründen


,

un d stempelte sie zu apodiktischen Wahrheiten Auf .

diese We ise machte e r die Philosophie von den inhalt


lichen Ergebnissen der Wissenschaften abhängig Der .

Fo rm en z usam m en h an g den e r entwickelte nahm inhalt


, ,

liche Momente der S ein sw isse n sch a ft en in sich auf So .

konnte ihm der Vorwurf eines unwissenschaftlichen


D ilettantismus nicht erspart bleiben Seine Na t urp h ilo .

sophie die es doch mit den allgemeingültigen und


,

ewigen Formen der Natur zu tun haben sollte wurde in ,

den Entwicklungsgang der n aturwissensch a ftlichen E r


kenntnis einbezogen un d so m ußte e r es e rleben daß
, ,

der stolze Bau der Naturphilosophie zusammenbrach ,

als die wissenschaftlichen H ypoth e s e n d ie e r genutzt ,

hatte sich als falsch und verf e hlt erwiesen S o büßte


, .

die Naturphilosophi e sehr bald ihre Überzeugungskraft


und ihr Ansehen ein .

Was ist das systematisch Wertvolle der Na turph ilo


sophie ?Es handelt sich rein philosophisch gesehen um
, ,

einen großartigen Versuch die Mannigfaltigkeit der,

Naturformen von der mechanis chen bis zur organischen


Welt zu einem S t uf e n re ich z uamm e n z usch lie ß e n und
von einem einheitlichen Vernunftprinzip aus zu deuten
22 8 11 1 D ie Phil osophi e d er Romantik

und aufzu fassen M ag dieser Versuch als ein Ver


.

such mit untauglichen Mitteln auch schließlich g e sch e i


te rt sein so muß trotzdem die Größe der Konzeption
, ,

der Tiefsinn der Lehre und die geniale wenn auch ge ,

w alt sam e Art mit der S c helling seine Grundidee zur


,

Darstellung bringt unsere Bewunderung und unser


,

Staunen erregen Vor allem tritt Schellings Natur


.

philosophie der Einseitigkeit der mechanischen Natur


erklärung entgegen Vom Organismus au s als der
.

je n ig en Lebensform die der menschlichen Vernunft


,

am nächsten steht wird d as All der Natur ergri ffen


, .

Auch hat Schelling ganz abgesehen von se iner rein


,

philosophischen Leistung eine Reihe wertvoller Anre


gungen und Direktiven für die Naturwissenschaften ge
geben die sich später als bemerkenswerte heuristische
,

Prinzipien erwiesen S chelling kann wie Kant als Vor


.

läufer der Deszendenztheorie angesehen werden und ,

gewisse Lehren von ihm haben die moderne Energetik


vorbereitet .

Aber die systematische Bedeutung der S ch ellin g sch en


Naturphilosophie muß hinter ihrer kulturhistorischen
Bedeutsamkeit doch noch z uruckt re t en S ie war das .

große Phänome n und Symbol einer großen Zeit D iese .

kulturhistorische Bedeutung besitzt sie auch fur die


Entwicklung der Naturwissenschaften D ie Natur .

wissenschaft am Anfang des 1 9 Jahrhunderts befand .

sich im Zustande der Zersplitterung der Geist der Spe ,

z ialisierun
g herrschte übe rall D ie Bezi e hungen zwischen .

den einzelnen Naturwissenschaften waren nicht aufge


wiesen Prinzipien und Methoden standen sich unver
.

mittelt gegenuber D ie große Zahl der gefundenen Ele


.

mente entbehrte der Ordnung und Systematisierung .


2 30 III . D i e P hi10 5 0 p h ie d e r Romantik

tung und d as ist ihr V e rhaltnis zu Goe the D ie Natur


, .

philosophie kam der künstlerischen W e ltansicht Goethes


entgegen Wir haben den Namen Goethe im Z usam
.

m e n h an g der romantischen Philosophie bisher nur fl üch


tig genannt Damals s childerten wir w a s die P e rsö n
.
,

lichkeit Goe thes für die Lebensphilosophi e der Roman


tik bedeutete Jetzt haben wir festzuste llen daß die
.
,

Nat urphilosophie S chellings G o e t h e etwas bedeutet


hat Goethes Vorstellungen uber Gott und Natur wur
.

z e ln zum großen Teil in d e r Naturphilosophie S chel

lings .

Man pflegt Go e th e vielfach als S p in o ziste n zu be


ze ichnen Das kann nur in sehr b e schranktem Maß
.

s t ab e gelten Die A lle in h e it der Natur ihre ewige


.
,

und notwendige Gesetzmäß igkeit : d as waren erhabene


Vorstellungen die Go e the mit Spinoza teilte Aber
, .

weitab von der künstlerischen \Ne ltau f fa ssun g Goeth e s


lag doch die Starrheit und Unbew e gli chkei t dieser Natur
vorstellung na ch der alle Dinge mit mathematis cher
,

Notwe ndigkeit aus der einen unendlichen S ubstanz und


ihr e n ewig e n Attributen folgen e ine Lehre die keine , ,

lebendig wirkenden Kräft e in der Natur keine Zwecke ,

und Werte anerkennt .

We it verwandter w ar seiner ganzen Anschauung


der ästhetische Pantheismus S chellings An die Stelle .

der starren R ä umli c hk e it der ex t en sio trat hier die , ,

Lebendigkeit und Schönheit des Organismus .

Ich möchte besonders zwei philosophische V o rstel


l ungen erwähnen in denen sich Goe the mit Schelling
,

berührt : einmal die Lehre von der Verwandtschaft der


Formen und dann z w eiten s die Selbständigkeit un d
A utonomie der Q ualit ä ten .
S h llings Nat rphilo ophi
c e u s e 2 31

Mit Vorliebe ging Goethe den verwandten Form


gestaltungen der Natur nach und verfolgte dasselbe
B ild un g sp rin z ip a u f den verschiedenen Stufen des Le
bens So heißt es in der „ Metamorphose der P fl an
.


zen '

Alle Gestalten sind ah n lich u n d keine g le ich et


de r andern ,

Und so d e ute t das Chor au f ein geheimes Ge


setz
Und spater :
Also prangt die Natur in hoher voller Er ,

sch e in un g ,

Und sie ze ig e t gereift Glieder an Glieder g e


s t u f tß

Seine Naturauffassung die mit soviel Liebe un d


,

Weisheit beim S t ufe n re ich der Natur verweilte mußte ,

sich lebhaft hingezogen fühlen zu einer Le hre welche ,

die Verwandtschaft aller Naturformen a us dem O r


g a n ism us zu begründen suchte die a us d eü cklich lehrte
, ,

daß dasselbe B ild un g sp rin zip a uf j eder höheren Stufe


einen vollkommener e n Ausdruck gewinnt .

Die Autonomie der Qualitäten ist dann der andere


wichtige Gesichtspunkt der die Naturauffassung
,

Goethes und Schellings verbindet Goethe widerstrebte .

der Zurückführung der farbigen und tön enden Welt '

auf ein Rei ch des bloß Quantitat iven un d war ein Geg
ner der Newtonschen Naturphilosophie Er dem als .
,

Künstler die selbständige kosmische Bedeutung de s


Li chtes selbstverständlich war die e r in seiner F arben,

lehre theor eti sch zu rechtfertigen suchte mußte mit ,

einer Lehre vollkommen übereinstimmen welche die ,


2 32 II I . D ie Philosophi e d er Romantik

Bedeutung der Qualit ä ten gegenuber de n Quantitäten ,

ge genüber der blo ß mechanischen Natur zu rechtfertigen


unternahm
Wir finden eine Reihe von Vorstellungen bei Goet h e ,

die unmittelbar auf den I d een kre is der Nat urp h ilo
sophie hindeut e n S o etwa d ie Vorst e llung von dem
.

R ie sen g e ist in der Natur der seine Fesseln zerbrechen ,

will D iese poetische Deutung hatte S chelling selber


.

in einem Jugendgedicht für seine Naturauf fassung ge


funden D ie entsch e idenden Worte lauten :
.

St e ckt aber ein R ie sen g e ist darinnen ,

Ist versteinert an all seinen S innen ,

Kann nicht aus dem engen Kerker heraus


'


Noch brechen d as eiserne Gitt erh aus .

Im verwandten S inne heißt es in Goethes „ M e tamor



phose der Tiere ,

D och im Innern sche int ein Geist gewaltig z u


ringe n ,

W ie e r d urch b ra ch e den Kreis W illkur zu ,



schaffen den Formen .

Ich erinnere ferner an Goethes Gedi c ht von der Welt



seele un d an d as Gedicht Eins und Alles (Im Gr e n

z e n lo se n si c h zu finden
) S o hat denn auch Goethe .

mit Schelling die Vorstellung gemeinsam daß die Oh


jekt e d er Natur n u r Verschied ene Gestaltunge n des


selben geisti g en Lebens sind d ie aus dem Geist ge , „

boren in den Geist zur ückge nom me n werd e n


,
"

Ich .

°
erinnere v o r allem an d a s A ltersged ic h t Goethes welche s ,

überschrieben ist : Bei B et rachtu ng v 0n S chillers S ch ä w


del das von ein er sö t ie f sin n ig e n Naturs ymbolik g e
,

"
'

t rag en w ird Der D ichter schildert wie er in der Gruf t


.
,
II I . D ie Philosop hi e d er Romantik

zuerst die genetische Frage in welchen Grund ,

bestimmungen der früheren Philosophie diese Lehre


vorgebildet war Da haben wir in erster Lini e an Kants
.


Kritik der Urteilskraft und an die metaphysischen
Anfangsgr ü nde der Naturwissens chaft zu den ken un d ,

zwar ist es in der Kritik der Urteilskraft die Lehre


von der Z w e ckbe trach t un g de s Organismus un d in den
Anfangsgründen die Lehre von der dynamischen Kon
st rukt io n de r Materie an die S chelling ankn ü pft
,
.

In den Anfangsgründen bild e t Kant den Begri ff der


me chanis chen Materie und zwar versteht er Materie ,

im S inne der Mechanik a ls Produkt zweier entgegen


gesetzter Kr ä fte der Attrak t ion und der Repulsion
,
.

Kants Mechanik ist eine K rä f te leh re Konstitutiv für .

die Naturwissenschaft ist nach Kant die mechanische


Kausalität Das Ziel der Naturwissenschaft muß die
.

mechanische E rklärung aller Erscheinungen sein .

Und do ch hat die m e chanische Erklärung un d d a

mit treten wir an das zwe ite Werk Kants heran eine
Grenze S ie scheitert am Organismus Leben laßt sich
. .

nur durch Leben e rkl ä ren Wir können die Abhängig .

keit des Organismus von seiner Umgebung mechanisch


zu erklären suchen aber wir können die ursprüngliche
,

Reaktionsfähigkeit des Lebendigen nicht mechanisch


erklären So werden wir immer wieder auf den Begri ff
.

einer ursprünglichen O rganisation der Materie g et rie


ben Der Organismus ist deswegen d as Wunder d e r
.

Natur Logisch betrachtet ist hier das Ganze nicht


.

nur durch die Te ile bestimmt sondern auch die Teile ,

durch das Ganze Jedes Glied ist zugleich Ursache un d


.

Wirkung So setzt a n der Gre nze der mechanischen


.

Erklärung die Z weckb e trach t un g ein Um die orga .


S h lli ngs Nat rph ilosophi
c e u e 2 35

nische Natur zu verstehen mussen wir sie so betrachten ,


„ als ob die organischen Gebilde ein in sich Zweck
volles waren Doch ble ibt das nur eine B e t ra ch tun g s
.

weise be i der si ch das re in naturwissenschaftliche Den


,

ke n nicht beruhigen darf .

Die Z w e ckb e trach t un g des Organismus un d die


dynamische Konstruktion der Materie sind die Ansatz
punkte für Schellings Konstruktion D ie Wendung die .
,

S chelling mit der Lehre Kants vollzieht wollen wir un s ,

im folgenden deutlich zu machen suchen :


Für Kant war die mechanis che Nature rkla run g kon
st it ut iv d h der M e chanismus ist diej enige Form
,
. . ,

die dem Ziel der naturwisse ns chaftlichen Begri ffs


bildung entspricht und mit dieser M e thode und Er ,

klä run g sa rt die in ihrem Begri ff und Wesen liegt darf


, ,

sie auch vor d e m Organismus und d e m Leben nicht


haltmachen S ie muß z ielg em aß auch den O rg a n is
.

mus und das Leben zu mechanisi e ren und zu atomi


sie ren suchen Dagegen ist die t e leologische B etrach
.

t un g sw e ise in bezug auf den Organ i smus regulativ ,

d h es handelt si ch hier um e ine möglich e logische


. .
,

gerechtfertigte Betrachtung des Lebens in der Philo


sophie Schelling e rhebt die teleologis che Betrachtun g
.

zur konstitutiven d h die Betrachtung unter dem Ge


,
. .

sich t sp u n kt e 1 ner inn e ren Zw e ckm ä ßigkeit ist dem


wahren Wesen der Natur angemessen und deshalb die
ungleich tiefere und verständnisvollere Interpretation
der Naturerscheinungen Auch die mechanische Welt
'

s oll teleo lo g isch begri ff en Werden Auch jen e Natur


'

vorgänge die seit der Renaissance einer rein mecha


,

nischen Erkl ä rung unterlagen soll e n der ph ilo so ,

p h isc h e n Sinn und Z w e ckb e t rac h u n g zurückgewonnen


2 36 III . D ie Philosophi e d er Roman tik

w erden Dazu die beiden Gebiete die zwischen der Me


.
,

c h an ik und der Biologie liegen : das Gebiet der Physik

u n d Chemie .

Fragen wir zuerst : Was ist der Gegenstand der


Na t urp h i10 5 0 p h ie ? D a es sich um einen Gegenstand
des ph ilosophischen Nachdenkens handelt so m uß der ,

Gegenstand der Naturphilosophie e in Absolutes Un ,

bedingtes sein denn die Philosophie hat es nur mit dem


,

Unbedingten zu t un D asje n ig e aber was in der Na t ur


.
,

philosophie unbedingt gilt ist das Leben Die Natur , .

philosophie hat es mit dem unbedin g ten durch nichts ,

einge schränkten Leben zu tun D ie Erscheinungen .

des Absterbens un d des Todes muß sie sub spezie des


L eben zu betrachten suchen Was wir das T ote in der .

Natur nennen ist nur e in er l oschenes Leben das immer


, ,

wieder in neue T ä tigkeit umgesetzt werden kann Der .

Gegenstand der Naturphilosophie ist d a s absolute Le


ben oder der absolute O rganismus .

D ie naturphilosophische Betrachtung unterscheidet


sich dann w e iter von der naturwissenschaftlichen da
durch d aß s ie es nicht mit Produkten mit irgend
, ,

welchen D ingen Geg en st an d en un d S ubstanzen sondern


, ,

mit Produktion z u tun hat d h mit einer h e rv o rb rin , . .

genden immer neu scha ffenden und bildenden Tätig


,

keit D as Wes e n der Natur ist wie das Wesen des be


.

wuß ten Geistes T un und H andeln Sein ist E rsch ei .

nung Wesen ist Wande l und Werden D ie Na t ur


,
.

philosophie hat es mit dem absoluten P rod ukt ion st rieb


der Natur mit eine r unbedingten Täti g keit z u t un
,
.

Auch die Naturphilosophie sucht den B eweis zu l i efern ,

da ß alles Sein ein Sekundäres is t gegenüber dem T un .


2 38 I II . D ie Phi losophi e d er Roman tik

lich sein Das Unbedingte der Naturphi l osophie ist


.

d a s natürliche Kunstwerk In d e m natürlichen Kunst .

werk ist aber die Schönheit noch nicht autonom H ier .

dient sie dem Zweck der Gattung Erst im Kunstwerk .

des Geistes tritt die Schönheit als vollkommener Selbst


zweck in Ersche inung .

Im Verhältnis zur Welt des bewußten Geistes ist die


Natur nur relativ absolut D as unbew ußte geistige Le .

ben wird hier in einer kun st lich en Isolation von den


Produkt en der Kultur betrachtet D ie Natur wird so .

angesehen als ob s i e lediglich der Grund der Natur


,

formen sei S ie wird nur so betrachtet In Wahrheit


. .

gibt es nur einen einzigen unteilbaren Grund der Natur


und Geschichte .

Warum ist die Geschichtsphilosophie der Nat urph ilo


5 0 phie gegenüber die höhere Betrachtungsweise ?
Augensche inlich schon deswegen weil sich die Welt ,

d er Natur zur Welt des bewußten Geistes entfaltet


und dann die Natur zum Mittel der Kultur herabgesetzt
wird .

Und weiter : D ie Sph ä re der Natur ist doch n ur


als Abwendung vom Absoluten und Allgemeingü ltigen
zu begreifen S ie ist die Sphäre eine r relativen Wert
.

freiheit Dagegen ist die Geschichte d as eigentliche


.

Gebie t der Wertverwirklichung In dem Prozeß der .

Geschi chte realisieren sich die absoluten Kultur w erte


i n Wissenschaft Kunst und Religion ,
Durch den Pro .

z eß der Geschichte wird die tragis che S chuld der Indi

v id ua lit a t aufgehoben und überwunden u n d die Welt

zur Einheit des Göttlichen zurückgeführt .

Die Na t urp h i10 3 0 p h ie hat es mit dem absoluten Pro


d ukt io n st rieb der Natur mit dem unbedingten Lebe n , ,
S h lli gs Nat rp h ilosophi
c e n u e 2 39

mit der unbedingten T ä tigkeit zu tun Diese unbedingte .

T ä tigkeit ist die Tätigkeit der Vernunft derselben Ver ,

mun i t die wir in uns v o rfin d e n und e rleben


,
Es ist .

dieselbe schöpferische Tätigkeit der Vernunft n ur auf ,

einer ti e feren Stufe de r Entfaltung Nur w e il die Na .

tur ihrem Wesen na ch vernünftig ist können wir etwas ,

von ihr wissen S o gilt hier auch für die n at urp h ilo
.

so p h isch e Erkenntnis d as berühmte Wort Kants daß ,

die Ve rnunft nur das erkennt was sie s e lbst nach ihrem
,

En t w urfe hervorbringt .

So st e ht e s nach Schelling auch mit der Naturp h ilo


sophie Über die Natur philosophieren h e ißt die Na
.
,

tur scha ffen Wir wissen nur von dem was wir selbst
.
,

hervorgebracht haben Von einem F e rt ig e n von einem


.
,

Produkt von einem D ing gibt es keine Erkenntnis de s


,

Werdens und d e r Entwicklung .

Von dem Geistlosen können wir nichts wissen Wir .

wissen nur von dem G e istig e n und dem was e als ,

Produkt des Geistes denken können Das Nich t g eist ig e .

müssen wir mit Geist erfüllen um es a u begreifen , .

Wollen wir über die Natur philosophieren so müssen ,

wir sie mit Freiheit beleben und d ie Natur als ein


großes System der Entwi cklung be greifen .

Was wir unmittelbar wahrnehmen sind Nat u rp ro ,

d ukte
. Denken wi r die Natur als absolute Tätigkeit ,

als absoluten P ro d ukt io n st rieb so müssen wir fragen


, ,

wie denn der Schein eines ruhenden Dinges d a s schein ,

bar feste und seiende Produkt entsteht .

Schelling sucht diese Frage zu lösen ind e m e r ganz ,

im Sinn e von Kants Konstruktion der Materie zwei


T ä tig ke it s rich t un g e n der wirkenden Natur unt e r
scheidet deren Zusammenspiel eine ideale Gleich
,
2 40 III . D ie Philosophi e d er Roman tik

g e w ich t slag e , den absoluten Organismus h e rv o rz u


bringen b em uh t ist, ohne ihn doch j emals zu erreichen .

Auf den verschiedenen S tufen der Produktion im S y


stem der Entwicklung entstehen als H e mm un g s
erscheinungen die Naturprodukte d ie eine r e lative ,

Gleichgewichtslage entgegengesetzter T at ig keit e n be


deuten Aus dem Zusammen w irken der be iden T at ig
.

keiten an den unendlich vielen H em m un g sp un kte n ent


springen überall Kräfte und Aktionen von individueller
Natur D iese U rq ualit ä t e n sind selber unräumlich zu
.

denken S ie e rf ü llen mit ihrer Tätigkeit den Raum


. .

Wir werden sogleich an d ie Monaden von Leibniz e r


innert die hier in der naturphilosophischen K on st ruk
,

tion ihre Stelle finden .

Der Naturbegri ff S chellings bedeutet in der Haupt


'

sache eine Rückwendung von Kant zu Leibniz D ie


Natur ist die Vorgeschichte des bew ußten Geistes In .

der Natur ist der Geist no ch gebunde n und gefesselt .

Schwe r und langsam ringt er si c h empor Überall in .

der Natur sind seine Regungen zu spüren : bald als


ein ruhiges D ä m m e rleb e n bald als ein trotziges S ich
,

auflehnen gegen gesetzte S chranken .

In der Lehre von der Natur als dem unbewuß ten


Geiste liegt das Ge m e insame von S chelling und Leib
niz . Dennoch ist ihre Naturauffassung sehr ver
schieden Leibniz lehrt die streng e Exklusivität und
.

Isolation der Monaden j ener individuellen m e t ap h y


,

sisch e n Naturenergien D ie Monad e n habe n kein le


.

b e n d ig e s Einheitsprinzip in der Natur sondern nur eine ,

gl eichsam technische Ordnung und Einstellung dur ch


p rä st ab ilie rt e H armonie Die Lebenseinheit der M O
.

naden liegt im Transzendenten Dorthin ist ih r Voll .


2 42 III . D ie Phi losophi e d er Romantik

zu einem Zustand der Gestaltlosigke it als dem Flussig en ,

noch zu einem Zustand der Gestaltung im S inne des ab


solut Festen gelangt D ie Wärme kann als das P rinzip
.

angesehen werden das dem Z ustand der Flüssigkei t


,

z u t re ib t aber dieser Auflösung widerstreben die form


,

bildenden Kräfte un d so ist in der ganzen Natur der


,

Kampf z w ischen der Form un d dem F orm lo se n deut


lich z u erkennen D ie schöpferische Natur begibt sich
.

in unendlich viele Metamorphosen Dem immer seine .

Gestalt wechselnden Proteus ist sie zu vergleichen .

B etrachten wir die einzelnen Naturprodukte so stoßen ,

wir auf den Gegensatz des Einfachen und K o m p li


zierten Die Einfachheit un d Gleichartigkeit beweist
.

die Unterdrückung der individuellen Tendenzen die ,

etwa bei den Metallen hervortritt die Kompliziertheit ,

und Heterogenitä t das Zurücktreten der generellen Ten


denzen So lassen sich zwe i T ä t ig ke itsrich t un g en unter
.

scheiden von denen die eine au f das Gattungsmäßige


,

und Einfache die andere auf das Individuelle und Kom


,

p liz ier t e gerichtet ist .

Wir können von einer individualisierenden un d


generalisierenden Tendenz in der Natur sprechen von ,

denen keine zur vollen Herrschaft gelangt D ie Rich .

tung der Natur geht vielmehr auf mittlere Produkte ,

und so ist s ie in einem beständige n Wechse l von Z u


sam m e n se t z e n und Auflösen begri ffen Diesen Wechsel .

bezeichnen wir als W e r d e n .

Alles Zusammensetzen ist e in Vereinigen ein B in ,

den und Unterwerfen e in zur Gelt un g b rin g e n der ge


,

n e ra lisiere n d e n Tendenz u n d damit der N o t w e n d i g

ke i t . Alle Auflösung bringt die individualisierende


Tendenz und die W illkur des einzelnen zur Geltung .
S h llings Nat rphilosophi
c e u e 2 43

Keine Monade kann sich durchsetzen und das Über


gewicht erlangen Das Streben der Natur geht auf eine
.

Einheit in der die Individualität der Aktion gewahrt


,

bleibt Alle Produkte der Natur sind m iß lun g e n e Ver


.

suche un d Experimente der Natur eine solche Einheit ,

herzustellen So muß das Individuum als Mittel die


.
,

Gattung als Zweck betrachtet werden D ie individuali .

s ie re n d e Tendenz tritt am deutlichsten in der Erhöhung

und Ausgestaltung des Gesch le ch t sch arakte rs hervor .

In dieser Richtung ent falte t die Natur einen unendlichen


Reichtum verschiedenartiger Reize und Lockmittel die ,

dem Werk der Zeugung dienen sollen D a nun die .

Zeugung auf die Erhaltung der Gattung abzielt stellt ,

sich die individualisierende Tendenz in den Dienst der


generalisierenden .

Wie schon früher bei Kant tritt auch bei Sche lling
die Überlegung ein daß es fruchtbar für die Wissen ,

schaft sei die verschiedenen Arten de s Organismus als


,

Abweichungen von einer gemeinsamen U rform zu


denken D iese Urform ist eine Art re gulative Idee
.

nicht des Zieles sondern des Ursprungs S ie wäre das


, .

vollkommen Geschlechtslose das weder Individuum ,

noch Gattung ist Durch den Gesch le ch tsch a rakt er


.

entspringt ja erst der Gegensatz zwischen dem Gatt un g s


mäß igen und Individuellen .

Alle Übe rlegungen S chellings zielen somit doch


schließ lich auf das Verstehen des Organischen ab Der .

Organismus bedeutet ein hohes Maß von S e lb st an d ig


ke it geg e nüber dem allgemeinen Walten der Natur Die .

Selbständigkeit dokumentiert sich durch die Fähigkeit


der Zeugung die auf der Polarität der Geschlechter
,

ruht Der Organismus hat sich vom Ganzen losgelöst


.
,

1 6°
2 44 III . D ie Philosophi e d er Roman tik

die Natur als Ganzes sucht diese Trennung zu uber


winden S ie will das Einzelne wieder in d a s Ganze
.

einschmelzen In der Polarität der Geschlechter tritt


.

aber ein Gesetz hervor das für da s ganze S t u f en reich ,

der Natur gilt .

Und so sucht S chelling das Prinzip der Polarit ä t in


allen Gebieten der Natur zu enthüllen Auf j edem Ge .

biet der Natur treten sich zwei Tätigkeitsformen gegen


über die ihre Auflösung in einer höheren T ä tigkeit
,

finden Das heißt die Natur o ffenbart d as h o ch st e Ge


.

set z der Vernunft : die D ialektik des Geis t es .

Auf dem Ge biet des Mechanischen entfaltet sich der


Gegensatz in der Polarität von Anziehung und Ab
st oß un g Der Gegensatz wird überwunden durch die
.

Tätigkeit der Schwere .

Auf dem Gebiet des Physikalischen und Chemischen


tritt das Gesetz der Polarität noch weit deutlicher her
vor Es o ffenbart sich im Wesen des Magnetismus und
.

de r Elektrizität die selbst entgegengesetzt j edes für


, ,

sich die Polarit ä t zum Ausdruck bringen Der Gegen


,
.

satz der magnetischen und elektrischen Form ist im


Begri ff des chemischen Prozesses überwunden der ,

seinerseits in dem Verhältnis von Licht und Sauersto ff


sich entfaltet .

D iese P o la ritat : die Gegensatze und ihre V e rso h n un g


sind aber am deutlichsten im Gebiet des Organis ch e n
ausgebildet Die Tätigkeitsformen die hier einander
.
,

gegenüberstehen sind S ensibilität und Irritabilität


,
.

Unter Sensibilit ä t ist die Em p fin d un g sf ah ig ke it des


Organismus unter Irritabilität seine R e izbarke it und
,

Erre g un g sf ä h ig ke it zu verstehen Beide gehörten nach .

der ph y siologischen Lehre der Zeit zu den wichtigsten


2 46 III . D ie P h i10 5 0p h ie d e r Roman tik

stufen zur Vermittlung des hochs t en Zweckes D ie .

Formen der Natur sind z we ckb ilden de idee l le d h un , , . .

räumliche Kräfte deren kunstvolles Ineinandergreifen


,

das schöne Ganze der Natur verwirklicht Und um .

den vern ü nftigen S inngehalt der Natur recht deu t lich


z u machen nennt er das Einheitsprinzip der un b e w uß t
,

zweckmäß ig scha ffende n Natur mit dem w eihevollen


Namen der Weltseele .

S ch ell i ngs G esd1 id1 tsph i10 3 0 ph ie


Wenn die I d en t it at5p h ilo soph ie Schellings dem Stre
be n der Romant ik nach universalen Synthesen wenn ,

die Naturphilosophie S chellings der Natursymbolik der


Romantiker Rechnung trägt so ist in der Gesch ich ts
,

phi l osophie S chellings der wir un s nunmehr zu wenden


,

wollen ein systematischer Ausdruck gescha ff en f ü r den


historischen S inn der Romantik .

Wir sahen bei den Romantikern eine Re ihe von A n


sätzen zu einer g esch ich t 3 p h i10 3 0 p h isch e n Konstruktion ,

abe r was ihnen allesamt fehlte d as war ein deutlich ,

herausgearbeitetes B eurte ilun g sp rin z ip z ur Bewertung


des historischen Geschehens und begri fflich fix ierte me
th o d isch e Einsicht Nur Friedrich S chlegel macht hier
.

eine gewisse Ausnahme der mit seinem bedeu t enden


,

Kulturverständnis auch der Geschichte neue Pfade


weist Dagegen findet sich bei S chelling ein Wert
.

maß stab z ur B eur teilung der Geschichte un d eine Re i he


sehr bedeutsamer Überlegungen übe r die h i stori sche
Methode .

S chellings g esch ich t sp h i10 50 ph isch e Über l egungen


haben bereits im Jahre 1 80 0 ihre erste Formung er
S h llings
c e Ge sch ich t sp h i10 5 0 p h i e 2 47

halten Die Geschichtsphilosophie Schellings geht also


.

der Geschichtsphilosophie Fich te s um mehrere Jahre


voraus Relativ unbekannt ist sie nur deshalb we il sie
.
,

keine große geschlossene Form angenommen h at son ,

dern vereinzelt z ur D arstellung gelangt ist .

Der Gegenstand der Ge sch ich t sp h i10 3 0 ph ie ist das


Unbedingte in einer höheren Form Was in der Na .

t ur als L eh e n angeschaut wird ist als bewußter Geist ,

der Gegenstand der Geschichtsphilosophie Das Ab .

solute wird hier überwiegend als frei un d unendlich an


geschaut Das weist schon von v o rh e re in auf die
.

beiden Werte hin mit denen es die Ge sch ich t sp h ilo


,

sophie ganz in e rster Linie zu tun h at nämlich der ,

Kulturwert des Staates und der Kulturwert der Re


lig ion .

Die Freiheit ist das Prinzip des sittlichen Lebens das ,

Unendliche ist der Gegenstand der Religion Für d a s .

sittliche Leben für das Reich der Gesinnung als solches


,

ist ein Forts chritt ä ußerst schwierig festzustellen Ab e r .

der Staat stellt sich als äuß e rer A usd rucle u n d Abdruck
des sittlichen Lebe ns dar indem er die Bedingungen
,

eines wertvollen Gemeinschaftslebens gewähren soll .

Desgleichen gewinnt das religiöse Leben e in e konkrete


Darstellung in der kirchlichen Gemeinschaft Die Ge .

s ch ic h t sp h iloso p h ie Schellings dokumentiert sich somit

in der Hauptsache als philosophi sche Staatengeschi chte


un d philosophische Religionsgeschichte Daß Recht .
,

Staat und Religion von S chelling überwiegend als Ge


g e n st an d der philosophischen Überlegung g e dacht w e r
d e n das war in der ganzen bisherigen Entwicklung des
,

g e schichtsphilosophischen Ge dankens von der Gnostik


bis zu Kant durchaus begründ e t .
2 48 m . D ie Philosophi e d er Roman tik

Wenn nun auch in der geschichtsphilosophischen Be


t ra ch t un g das Freie und Unendliche überwieg e n soll ,

so besteht doch auch hier der Gedanke des Notwendigen


durchaus zu Recht denn in j eder Sphäre m uß das Iden
,

tische als die Einheit von Freiheit un d Notwendigkeit


zum Ausdruck gelangen Niemals erscheint das höchste
.

Prinzip in einer Sphäre der anschaulichen Wirklich


keit als rein ideal oder als rein real .

Daraus ergibt sich für S chelling daß die Geschichte ,

ihren S inn verlieren würde ohne den Gedanken eines


notwendigen Geschehens Wäre die Willkür die Göttin
.

de r Geschichte so h el e der Ge danke eines En d z w ecks


, ,

dem die Entwicklung in sinnvoller Weise zustrebt .

Dann fiele aber auch der Begri ff der Geschichte welcher ,

die Verwirklichung eines Ideals als Aufgabe der


menschlichen Gattung meint Denken wir die Ge .

schicht e als Reich der Freiheit im Gegensatz zum Reich


der Notwendigkeit so bleibt es un e rklärlich w ie die
, ,

vers c hi e denen Zweck e w e l c he sich die Individuen stellen


, ,

dermaßen zusammenstimmen d aß e in sinnvolles Ge ,

sc h e h e n resultiert D ie Erreichung des Zieles fordert


.

das Notwendige das in der Geschichte als Schicksal oder


,

auch als Vorsehung e rs cheint .

We iter sind aber auch gewisse historische Ph ä nomen e


nur unter der Voraussetzung eines Notwendigen in der
Ges chi ch te verständli ch So vor allen die herois chen
.

H andlungen in d e ne n sich die großen I n dividu e n m it


,

selbstloser Aufopf e run g dem Di e nst der M e ns chh e it


weihen Wäre die Geschichte das Reich d e s Zufalls so
.
,

bleibt die Tat des Helden sinnlos und ungerechtfertigt .

Endlich aber macht Schelling auch noch e in ä sth e


tisches Moment für die No t wendigkei t in der Geschichte
2 50 III . D ie Philosophi e d er Roma tik n

schichte weil das was e r tun wird sich nach keiner


, , ,

Theorie im voraus berechnen l ä ßt Insofern ist die .

Willkür die Göttin der Geschichte Der Begri ff der .

Voraussi cht der als wichtiges Kriterium der exakten


,

Naturwissenschaften angesehen werden muß wird von ,

S che lling als unfruchtbar für die Geschichte zurück


gewiesen D ie Geschichte kennt weder Voraussicht
.

noch Gesetz .

Schellings Verst ä ndnis f ur d as Wesen der Geschichte


bekundet sich neben dieser fundamentalen Einsicht die ,

der G e schichtstheorie der Aufklärung entgegentritt ,

noch in einer Reihe verständnisvoller methodologischer


Über l egungen die sich au f den Begri ff der Ge schichte
, ,

auf das historische Material und auf die verschiedenen


B etrachtungsweisen des historischen Prozesses beziehen .

Um nur auf den letztgenannten P unkt mit wenigen


Worten einzugehen so unterscheidet S chelling drei
,

Hauptarten historischer Betrachtungsweisen nämlich ,

einmal die empirische Geschichtss chreibung zweit e ns ,

die historische Kunst und schließlich die Ge sch ic h t s


philosophie Bei der empirischen Geschichte handelt es
.

sich um die reine Aufnahme und Ausmittelung des Ge


sch eh e n s sowi e um die V e rknüpfung der Begebenheiten
,

nach einem selb stg e set zt en Zweck Dabei b e tont S chel .

ling sehr scharf den rein theoretischen Charakter der


Geschichte Belehrung und Erbauung liegt dem Er
.

ken n t n isz w e ck der Geschichte vollkommen fern Auch .

wendet sich S chelling mit großer S chärfe gegen j ede


seichte Ge sch ich t sp sy ch olo g ie un d stellt an den H isto
riker die Forderung höchster P ie t ät gegenüber den
eh rwurd ig e n Denkmälern der Vergangenhe i t Ist doch .

unter dem H e iligen nichts das he iliger wäre als die Ge,
S h llings
c e Ge sch ic h tsp hi10 5 0 p h ie 2 51

schichte dieser große Spiegel des Weltge istes dieses


, ,

ewige Gedicht des göttlichen Verstandes .

Der empirischen Geschichtsschreibung tritt die Uni


v e rsa lg e sch ich t e gegenüber die entweder historische
,

Kunst oder Geschichtsphilosophie ist .

In der historischen Kunst handelt es sich keineswegs


um phantasievolle künstlerische Betätigung Die histo .

rische Kunst darf die Tatsachen nicht umwandeln noch


den wirklichen Zusammenhang der Begebenheiten ver
nachlässigen denn ihr höchstes Gesetz ist die Wahr
,

heit Sie folgt dem empiris chen Gang der Geschichte


.

un d läß t sie in ihrer ganzen Fülle an un s vorüber

rauschen .

Allerdings ist die historische Kunst keine Ge sch ich t s


phi l osophie Es handelt sich nicht um eine Konstruktion
.

au f Grund eines letzten Wertm aß stabes Aber die histo .

rische Kunst l ä ßt über den empirischen Ab fl uß der Be


g ebe n h e ite n hinaus eine höhere Ordnung der D inge
gleichsam hindurchscheinen S ie bringt zum Ausdruck
.
,

daß die großen historischen Geschehniss e die Taten ,

der historischen Persönlichkeiten einen Wert be sitzen ,

der über ihr e individuellen Zwecksetzungen und Ziele


hinausgeht In dem scheinbar zufälligen Erfolg i n der
.
,

großen Wirkung minimaler Ursachen in dem plötz ,

lichen Untergang des rastlos f o rt stü rm en d en Ge nius


läß t die historische Kunst das Schicksal ahnen das dem ,

Übermaß eine G renze setzt und die geheime und innere


Wirksamkeit w ert b ilde n den Scha ffens ans Licht drängt ,

wenn ihr Eingre i fen in den Gang der historischen


Entwicklung notwendig und an der Zeit ist .

In der Ge sch ich t 5 ph ilosoph ie dagegen verbindet sich


der un iv e rsalh ist o risch e Gedanke mit der philosophischen
2 52 I II . D ie Philosophi e d er Romantik

Konstruktion Dazu ist ein Endzweck erforderlich aus


.
,

dem die Prinzipien der historischen Epochen abzuleiten


sind Dieser Endzweck ist gleichzeitig Wertmaßs t ab
.

und B e urte ilun g sp rin z ip und muß mit dem Ein h eit s
we rt des Systems sich notw e ndig v e rbinden .

Wir wollen versuchen diesen Zusammenhang an ,

e inem Beispiel zu verdeutlich e n und wählen dazu die


philosophische S taatengeschichte die es nach S chel ,

ling mit den Formen des ö ffentlichen Lebens nicht e t wa ,

mit der Entwicklung der Gesetzge bung und V e rf a s


sung zu tun h a t .

I n der philosophischen S taatengeschichte g e langt wie ,

ub e rall im historischen Leben das höchste Prinzip d e r ,

Vern unft die Identität zu obj ektiv anschaulicher D ar


, ,

stellung D ie höchste Bestimmung die wir ihm in dies er


.
,

Sphäre geben können ist die Einheit von Freiheit und ,

Notwendigkeit oder die Überwindung des Gegensatzes


,

von theoretisch und praktisch als d a s Wes e n des K ü n st ,

le risch en D as absolut Wertvolle ergibt sich aus den


.

B estimmungen des Kunstwerkes Soll de r Staat ein .

absoluter Wert sein so muß er die Form des Kunst ,

werkes tragen D e r absolut e Staat ist der ästhetisc h e


.

Staat .

Die absolute Idee des Staates ist aber nicht mit einem
S chlage verwirklicht Sie setzt sich allmählich durch .

im Kampf mit d er Empirie S ie gelan g t allmählich .

zur Verwirklichung Nun ist aber d ie ästhetische Form


.

eine Synthesis d e r theoretischen und praktis chen : Fo lg


lich läß t sich au s dem Begri ff des ästhetischen Staates
der B e gri ff e ines theoretischen und praktischen ableiten .

Der t h eore t ische S t aat is t für Schell i ng der Staat der


Not we ndigkeit und des Unbewußten Er bedeutet d ie .
2 54 III . D ie P h i10 5 0 p h i e d er Romantik

Naturreligion der auß erst en Betonung der göttlichen


Transzendenz Zugleich aber weicht der Begri ff des
.

dunklen erbarmungslosen S chicksals dem Begri ff der


,

Vorsehung und des göttlichen H eilsplanes .

Der moderne St aat ist auf dem Begri ff der Freiheit


aufgebaut un d wird durch Freiheit gerechtfertigt Er .

soll Mittel sein für das Reich freier Pe rsönlichkeiten ,

in dem sich das sittliche Leben vollendet Nach dieser .

Auffassung herrscht nicht die Notwendigkeit des Gan


zen sondern die Freiheit des Einzelnen Um so wert
, .

voller ist der S taat je größer die Rechte und Freihe i t en


,

sind die er seinen Bürgern gewährt Der moderne


, .

Staatsbegri ff kann nach S chellings Auffassung un m ö g


lich die verschiedenen Wertverhältnisse zu einer letzten
Einheit zusammenschließen So steht et w a das wissen .

schaftliche und religiöse Leben im Gegensatz zum staat


lichen und die Sittlichkeit ist nicht mehr die Sache des
,

Ganzen sondern des Einzelnen Der Staat hat es nur


, .

mit de r Legalität nicht mit der Moralität zu tun D ie


,
.

S ittlichkeit ist in der Persönlichkeit nicht aber im ,

Staat verankert Oder der Staat gilt auch vielfach als


"

das gleichgültige und indi ff erente S ubstrat aus dem sich ,

das Wertvolle entfaltet Der Charakter des modernen .

S taates ist dem antiken durchaus entgegengesetzt .

Der Naturzustand und der moralische Zustand w ird


dann schließlich aufgehoben un d überwunden im kün st
le risch en Zustand in dem sich das B ild un g 3 p rin zip der
,

Menschheit vollendet H ier ist d ie Antinomie des Lebens.

überwunden Alle W ertg eb ie t e befinden sich im vol l


.

komm en e n Einklang Die ver lorene Schönheit des n atü r


.

lichen Stadiums wird in bewußter Form wieder auf


gebaut .
S h llings
c e P h d 0 5 0 p h ie d e r K ns t
u 2 55

In diesem Zustande der Menschheit erscheinen alle


Werke Einrichtungen und Gestalten der Kultur in
,

künstlerischer Gewandung Das gilt vor allem für die .

Idee des Staates Der ideale Staat ist für S chelling ein
.

W ertg eb ild e in dem sich Wissenschaft Religion un d


, ,

Kunst au f lebendige Weise durchdringen und eine Ein


heit bilden .

Im Staat der Zukunft sollen sich alle sozialen Funk


tionen zu einer gemeinsamen Blüte entwickeln Wissen .

schaft Religion u n d Kunst können sich nur im S taate


,

ent falten In ihm herrscht ein freies schönes allge


.
, ,

meines Leben Der ideale Staat kennt keine Zwangs


.

institutionen durch die der eine Lebens un d Kultur


,

wert zug unsten der anderen niedergehalten wird Er .

kennt keine Hemmung un d Unterdrückung D ie Kirche .

ist zum Glied des S taates geworden das sich ihm ohne ,

Widerstand einfüg t Alle große Kulturleistung ver.

bindet sich unmittelbar mit den Funktionen des Staates .

Die Wissenschaft lebt in ihm durch die Gesetzgebung


?
,

die Religion durch die ö ffentliche S it t li h ke it und den


Heroismus der Nation die Kunst durch den schöpfe ,

rischen Geist der über dem Ganzen schwebt und es


,

kunstmäßi g nicht maschinenmäß ig beseelt durch die


,

lebendige rhythmische Bewegung des ö ffentlichen Le


bens die Schönheit seiner Erscheinung
, .

S d1 ellin gs Ph il0 3 0 ph ie der K un st


Die relativ v o llkom m e n st e Darstellung erfahrt das
.

Absolute in der Kunstwelt Deswegen bedeutet auch .

die Kunstphilosophie die Betrachtung des Universums


in der höchsten Potenz Die Philosophie der Kunst .
2 56 11 1 . D ie Phil osophi e d er Romantik

steht ni cht auf derselben Stufe w ie die philosophische


Staatenge schichte D ie Verwirklichung des ästhetischen
.

Wertes gehört nicht zur Welt der Geschichte Vielmehr .

konstituiert die ästhetisch e Wertverwirklichung ein


besonderes Gebiet neben de r Natur und Geschichte .

Wenn wir den Gegenstand dieses dritten Rei ches be


stimmen wollen so stellt e r si ch uns zun ä chst als das
,

Mythologische d a r D as Unbedingte der Philosophie


.

der Kunst ist die gestaltenreiche Welt der m y th en b ild en


den Phantasie D a s mythologische Bewußtsein ist nicht
.

d a s historische D a s mythologisch e Bewuß ts e in ent


.

faltet sich bereits in dem vorgeschichtli chen Zustand


der Menschheit Die Formen des mythologischen Be
.

w uß t se in s zerfallen dann wieder in zwei ganz verschie


d en art ig e Gru ppen von denen die ein e mehr den For
,

men der Natur die andere mehr den Formen der Ge


,

schi chte verwandt ist .

In dem Wechsel der mythologis ch e n Vorstellunge n


gibt sich der Wand e l des ästh e tischen Bew ußts e ins
kund D ie mythologischen Vorstellungen bilden den
.

S to ff der Kunst S ie sind das übersinnliche S ubstrat


.
,

das der Kunst einen Inhalt gibt Sie sind der Boden .
,

aus dem heraus sich die Kunstwelt entfaltet S ie geben .

die ästhetischen Id e al e zu aller künstlerischen P ro d uk


tion D ie Mythologie ist die aller bew ußten Poesie vor
.

ausgehende ursprüngli che ide e n erz e ug e n d e Poesie des


Geistes Das mythologisch e Bewußtsein des Griechen
.

tums h at die Gestalten der Götter ge s cha ff e n der e n ,

Gesetz Universalität und ruhige S ch o n h e it ist .

In der Entwicklung der Kunst macht sich e ine ewige


Notwendigkeit geltend D ie empirische Psychologie .

vermag den Wert und die Bedeutung des Kunstwerkes


2 58 III . D ie Ph ilosop hi e d er Rom n tika

Dante und Goethe die mit ihren H aup t sch op f un g en in


,

diesem wahren Boden aller Poesie wurzeln S chellings .

Theorie ist nicht ohne bedeutsame Wirkung geblieben .

Das Musikdrama Richard Wagners verrät d as Wehen


des romantischen Geistes .

Die gr i echische Got te rwelt w ar Mythologie der Natur .

D ie großen Nat urm ä ch t e : Meer un d Himmel L i cht ,

un d Dunkelheit haben in den Göttergestalten einen


phantasievollen Ausdruck gefunden Und diese Ge .

st a lte n der Götter atmen den Geist de r Natur in ihrer

Gesetzmäßigkeit un d ihrem t y pischen Wesenscharak t e r .

Das Unendliche tritt uns hier in der Begrenzung ent


gegen Noch h at es d as Kleid des Natürlichen nicht ab
.

gestreift Der Inhalt des mythische n B ewu ß tseins kann


.

von der großen griechischen Kunst vollkommen übe r


w ä lt igt werden : Deswegen ist sie so vollendet .

Der Sto ff der modernen Kunst ist der christliche


Mythos D ie christliche Mythologie folgt in ihrer Ent
.

wicklung der christlichen Religion während die grie ,

ch isch e Mythologie der griechischen Religion voraus

geht Der christliche Mythos entfaltet sich in legenda


.

rischen Erzählungen Welche Bedeutung haben doch


.

diese heiligen Gestalten und vor allem die Madonna f ur


die christliche Kunst gewonnen " Die moderne Kunst ,

die der Antik e gegenübertritt ist M in n ed ich tun g so , ,

fern sie vom Geist der Gottesliebe getragen wird D ie .

Mystik gibt der christlichen Kunst ihr besond e res Ge


präge Die Kunst h at nunmehr einen Inhalt gewonnen
. ,

der über alle Grenze n h in ausd ran g t und durch die Be ,

ziehung der christlichen Mythologie zur Geschichte ist


die Möglichkeit immer neuer künstlerischer Inhalte un d
S i rma h r
ch le e c e 2 59

die Idee einer w ahrhaft großen progressiven Kunst ge


geben .

Schelling fallt keine Entscheidung uber die Frage ,

ob die Welt der modernen Kunst der Welt der antik e n


Kunst überlegen sei I n der antiken Kunst scheint die
.

F orm in der modernen der Inhalt bedeutsamer zu sein


,
.

Einen W e rtm aß stab kann es hier nicht geben denn wenn ,

von Schelling der ästhetische Wert in seinem e ig en t ü m


lichen Fo rm ch arakt e r zum Maßstab der W e rtb e urt e i
lung erhoben wird sofern alle Kulturformen ihre
,

höchste Steigerung dadurch erfahren daß sie die Ge ,

stalt des Kunstwerke s annehmen so kann es ke ine Be ,

stimmung mehr g eh e n durch welche der Fortschritt


,

auf dem Gebiet des Künstlerischen selber noch zu be


urteilen wäre Wo ein Kunstwerk d a ist d a ist es auch
.
,

ganz vollendet Die großen Kunstwerke der verschie


.

denen Völker und Zeiten o ffenbaren das Göttliche in


verschiedener F orm Uns fehlt aber j ede Möglichkeit
.
,

z u entscheiden welche Form die größte un d wert


,

vollste sei .

S ch leierma d1 er
Wir wurden kein zutre ff endes Bild von den Pro
b leme n gewinnen die das romantische Denken in seiner
,

Blütezeit beschäftigten wenn wir achtlos an der Gestalt


,

des großen Denkers v o rüb erg in g e n der dem religiösen ,

Wert seine be deutsame Stellung in dem Umfang der


romantischen Gedankenschöpfungen anwies : Schleier
macher .

Gew iß mussen wir zugeben d aß S chleiermacher kein ,

rein romantischer Typus ist Was ihn von den R o .


2 60 III . D ie Philosophi e d er Romantik

m an t ike rn unterscheidet ist vor allen der hohe Ernst


, ,

mit dem er den ethischen Problemen nachgegangen


ist die für die Romantiker ein durchaus sekundäres In
,

t ere sse besaß en .

Wie j edoch S chleiermacher in se iner ganzen D ialektik ,

deren er sich als Methode zur Entwicklung der ethischen


Grundwerte bediente von S chellings I den t it ä t 3 ph ilo
,

sophie durchaus abhängig ist so zei gt auch seine Auf ,

fassung des religiösen Lebens den Einfluß der roman


tischen Weltanschauung in dem ästhetischen Einschlag
und der künstlerischen Orientierung der Probleme .

S chleiermacher hat in seinen Monologen behauptet ,

d aß ihm der S inn f ur das Künstlerische fehle D as .

Äquivalent d as er für sich in Anspruch nimmt ist


, ,

S inn und Ve rständnis für e ig en t um lich e Natur Mochte .

er somit in den romantischen Kreisen als un kü n st


le risch e Natur erscheinen die ästhetische VVe rt set z un g
,

blieb doch durchaus bestimmend für seine Auffassung


von Welt und Leben .

Von Schleiermachers Schriften kommen im Zu


sam m e n h an g der romantischen Philosophie vor allem

die Monologe die Ethik und die Reden über die Re


,

lig io n in Betracht .

In den Monologen gelangt die Individualethik


Schleierma chers zur Darstellung die sich von dem Be ,

gri ff des E ig e n tum lich en aus entfaltet In der Ethik .

erhält das Problem der S ittli chkeit seine kosmische Er


weiterung .

In seinen Monologen deren stark rhythmisierte Prosa


,

h aufig in Dichtkunst übergeht nimmt Schleiermacher ,

für sich in Anspruch den S inn fur die Eigentümlichkeit


des Ein ze lda sein s Beide Begri ffe S inn und Eigen
.
,
2 62 III . D ie Philosophi e d er Roman tik

Freih eit gen ü gen ihm auch in der t ie fen Deutung der ,

K antischen Ethik nicht zum Vers t ehen un d z ur Regu


,

lie run g de s si t tlichen Lebens Wir müssen zu erg rün .

den suchen was denn diese Einheit sei die das p e rsö n
, ,

liche Wesen des Menschen ausmacht Denn eine Ein .

heit liegt hier vor Ein j edes Tun führt u n s immer .

wieder auf diese Einheit unseres Wesens z uruck N ichts .

ist geteilt und j ede Tätigkeit begleitet die andere Die .

Aufteilung der psychischen Funktionen besteht nur f ü r


die Abstraktion Die Persönlichkeit bildet eine un
.

lösliche Einheit S o lesen wir bei S chleiermacher :


.

Teile nicht was ewig vereint ist dein Wesen das


, , ,

weder d as Tun noch d as Wissen um d a s T un entbehren


,


kann ohne sich zu zerstören
,
.

D as Wesen der Persönlichkeit besteht in der Eigen


t um lich ke it und so erhebt sich Schleiermacher zu dem
,

Gedanken d aß j eder Mensch a uf eigene Art die Mensch


,

heit darstellen soll in eigener Mischung ihrer Elemente


, ,

damit auf j ede Weis e sie sich o ff enbare und alles ent
wickelt werde in der Fülle des Raumes und der Zeit ,

was irgend Verschiedenes aus ihrem S choß e hervor


gehen kann Das Be wuß tsein der Eigentümlichkei t
.
,

das W i ssen von der un w iderh o lb aren Einmaligkeit des


Wesens ist ein schwerer und später Erwerb des Nach
denkens Einmal gefaßt führt er zu der F orderung
.
, ,

daß der Mensc h seine Eigentümlichkeit darstellen un d


sein Gepräge der Mit und Umwelt aufdrücken soll .

Den S inn des eigenen Wesens zu verstehen ist die ,

wichtigste Forderung die wir an den Menschen richten ,

können Erst von hier aus kann er zu einem Ver


.

st ä n d n is des fremden Wesens vordringen indem dann ,

wieder das Verstehen des andern das Verstehen des


S hl i rma h r
c e e c e 2 63

eigenen Wesens vervollkommnet Wer si c h zu einem be .

stimmten Wesen bilden das heißt wer die Eigenart , ,

seiner Anlage zu einer eigentümlichen Persönlichkeit


gestalten will dem muß der S inn geö ffnet sein für alles
, ,

was er n i c h t ist Je reicher das Ve rstehen der Mit


.

und Umwelt um so tiefer wird d as Verstehen des


,

eigenen Wesens sein Immer deutlicher erkennt der


.

M ensch seinen Wert und seine Grenze in dem ver


st ä n d n isv o lle n S ich v e rg leich e n mit fremder Individu
alit ä t .

Schleie rmacher ist zu diesem V e rst ä ndnis seiner


eigenen Natur vorgedrungen Er weiß genau was .
,

seinem Wesen ziemt Versagt ist ihm d as he ftige


.

Feuer das mit leidenschaftlichem U n g e st um sich des


,

Neuen bemächtigt un d es blitzartig durchdringt Gleich .

mut un d Harmonie macht den Grundzug seines Wesens


a us . Langsam und allmählich vollzieht sich für ihn
die Aneignung des fremden Daseins Reich aber ist er .

geworden in dem stillen kontinuierlichen Prozeß des


inneren B ildun g sw irken s Nur das Ge eif te B e d e ut
. ? ,

same scheint ihm der Mitteilung würdig Nicht der .

ä ußeren Handlung sondern dem inneren Wesen ge


,

l i ch ter un d befreundeter Menschen ist sein Inte resse


zugewandt .

Gegenstand seiner Liebe un d Freundschaft kann aber


n u r dasj enige sein was Anlage z ur Eigentümlichkeit
,

besitzt un d diese gibt sich in dem S inn in dem fein


, ,

f ü h lig en Verstehen sowie in der we rtb ilde n d en Liebes


kraft kund Jedes eigene in seiner B e sonderheit wert
.
,

volle Wesen möchte er mit Liebe umfassen von der un ,

befangenen Jugend an in der die Fr e iheit erst keimt


, ,

bis zur reifsten Vollendung der Menschheit Abe r .


I II . D ie P hilosophie d Roman tik er

bei diesem Verstehen der fremden Eigent ü mlichkeit


verweilt der Denker nicht Es gilt das Verhältnis des .

eigentümlichen Dase ins zur gesamten menschlichen Na


tur z u verstehen .

Die Freundschaft ist f ur den Romantik e r Schle ier


macher ein hoher Wertbegriff Aber wo ist d as schöne
Ideal vollkommener Freundschaft zu finden ? Ein
.

Freundschaftsverhältnis das auf beiden Seiten gleich


vollendet ist ?Nur dort ist es möglich wo S inn und
,

Li e be fast uber alles Maß gewachsen Doch die .

vollendete Liebe ist auch die Volle ndung der Liebenden ,

das Ziel ihrer S ehnsucht leitet zurück in der Unendlich


keit S choß .

Wie groß ist die S ehnsucht nach Liebe und Freund


schaft " Wie spärlich ist das Moment der Erfüllung "
Wo aber ein großes und weihevolles Verhältnis besteht ,

d a gilt es den Freund zu nehmen wie er ist


,
Was uns ,
.

an ihm als F e hler erscheint müssen wir aus der Eigen ,

t ü m lich ke it seines Wesens zu verstehen suchen Viel .

leicht erscheint un s nur d as als fehlerhaft was unserem ,

eigenen Wesen fremd ist Nichts ist falscher und v e.


r

w e rf lich e r als wenn wir versuchen den Freund un s


, ,

selber ähnlich zu machen denn in dem Ma ße als er , ,

uns ähnlich wird wird er sich selber un ä hnlich Alles


, .

Ä h n lich w erd en bedeutet Verlust an Eigentümlichkeit


un d damit an Eigenwert So gilt es denn in Sprache
.
, ,

Ausdru ck und G e bärde in j eder Art des Tuns das eige n


,

t ü m lich e Wesen des Geist e s zu klarer und sicher e r Dar


stellung z u bringen .

Der Mensch soll sich die Aufgabe stellen immer ,

mehr zu werden w as er ist In der Aufnahme de s


, .

fremden B ild un g sst o ff e s soll er s e ine Eigen tü mlichkeit


2 66 III . D ie Phi losophi e d er Romantik

H erausarbe i tung des P e rso n lich ke it sb eg riffe s Nach .

Kant ist der Mensch Persönlichkeit sofe rn er von der ,

Idee der Pflicht bestimmt wird Das P fl ich t m ä ß ig e .

der Gesinnung macht d a s Persönliche das Wertvolle am ,

Individuum aus Der Mensch ist eine freie autonome


.
,

P e rson lich ke it wenn er sich dem Gebot der sittlichen


,

V ernunft unterwirft Der Begri ff der Persönlichkei t


.

ist einseitig ethisch und formal gefa ß t Persönlich ist .

am Menschen nur das was als wertvoll unter den B e


,

gri ff der Pflicht subsumiert werd e n kann Das Wert .

vo l le der Persönlichkeit verhält sich zur Pflicht wie d as


Besondere zum Allgem e inen .

Ganz anders bei S chleiermacher H ier geht die .

ä sthetische W e rtun g st en den z au f das Einzigartige ,

W e rte in m alig e Die Persönlichke it ist n i ch t wertvoll


'

.
,

sofern sie d as S ollen der Pflicht anerkennt sonde rn ,

sofern sie auf besondere A rt die Eigentümlichkeit ihrer


Anlage bildet um so die Menschheit in e inzigartiger
,

Weise darzustellen .

Das Liebenswürdige und S chone der Eig en art h ält


des Romantikers H erz gefangen un d doch ist sie we i t
entfernt von einer oberflächlichen Gen iemoral Eine .

große sittliche Überzeugung s t eht hinter seiner Au f


fassung von Persönlichkeit Freundschaft un d Staat
, ,

mag auch das romantische S chönheitsgef ü hl alle Herb


heit un d Strenge von diesen Wertbegri ffen ausschließen .

D ie ethisch ästhetischen Postulate der Monologe


haben dann in der S ittenlehre S chleiermachers m eta


physische Gestalt gewonnen Im Ans c hluß an Schel .

lings Identitätsphilosophie legt er seiner S ittenlehre den


Gegensatz von Natur und Vernunft zugrunde die in ,

der Wirklichkeit di fferenziert in Wahrheit aber iden ,


S hl i rma h r
c e e c e 2 67

tisch sind Die S ittenlehre hat auch nach S chleier


.

macher ein besonders enges Verhaltnis zur Ge schichte .

Die S ittenlehre verhält sich zur Geschichte wie die Na


t urle h re zur Naturkunde .

S chleiermacher lehnt die Ethik des Sollens ab Im .

Sollen liegt nicht die Wirksamkeit der Vernunft auf die


Natur die doch ein so wichtiges Postulat bildet Gilt
,
.

es doch vor allem zu erklären wie Freiheit u n d Ver


, ,

n un ft in d e r Natur wirksam sein können Im Sollen .

liegt auch nicht die e ndgültig e Einh e it von Natur un d


Geist die ebenfalls eine not w end i ge Forderung der Ver
,

n un ft bildet .

Vor allem erhebt si ch die Frage nach dem Ursprung


des Bösen des W e rtwid rig en Auf jeden Fall kann
, .

das Böse nicht in der Vernunft sein die den Inbegri ff ,

des Wertvollen ausmacht Aber auch die Natur als .

solche ist nicht böse sie ist vielmehr d a s Gleichgü ltige


, ,

das We rt in d iff ere n t e Das Bös e entspringt a us dem Ver


.

h a lt n is von Vernunft und Natur Es ist der Wider .

stand den die träge Masse der gestaltend en Vernunft


,

kraft entgegensetzt .

Die Natur die als Gegens t and des sittlichen Han


,

deln s un s entgegentritt ist bereits geform tes Material


, ,

also nicht rein naturhaft sondern eine durch Vernunft ,

gestaltete Wirklichkeit D ie Natur ist das No t wendige


.
,

die Vernunft das F reie Mit diesem Gegensatz haben.

wir es in der Ethik nicht zu tun Es ist die u r3 p rün g .

liche Antinomie auf der alle Entwicklungsmöglichkeit


,

beruht Notwendig ist das Mechanis che gänzlich U 11


.
,

gestaltete frei ist die Tätigkeit der Vernunft Dieser


, .

Gegensatz kann nie ganz überwunden werden .

D as sittliche Sein ist ein ursprüngliches Ineinander


2 68 III . D ie P hfl 0 5 0p h ie d er Romantik

von Kraft un d Masse Das Na t urhafte ist das S ub


.

strat der Wertverw i rklichung So is t der Geschlech t s


'

trieb als so l cher rein na tü rlich und deswegen w ertfrei ,

bloße Masse Erst durch die Ehe erhält er se i ne Ge


.

st a lt un g als Naturprodukt .

D ie Ethik h at es mit Begri ffen wie Guter P flich t en , ,

Tugenden zu tun Unter Gut versteht S chleiermacher


.

den verwirklichten Wert die erreichte Gestaltung ,


.

Güte r sind sittliche Gestalten wie Familie und Ehe .

Den ethischen Begri ffen Tugend und Pflicht gibt


Sch leiermacher ei n e eigenartige Deu t ung Er lehrt daß .
,

der B e gri ff d e r Tugend in einem ähnlichen Verhältnis


zur Na t ur steht wie der Begri ff der Pflicht zur Ge
schichte D er Begri ff der Tugend der Tüch t igke it er
.
,

w ächst durch Refle x ion auf die Natur der Begri ff der ,

Pflicht erwächs t aus dem Gedanken der Aufgaben die ,

wir im historischen Prozeß zu erfüllen haben Daraus .

erklärt es sich daß im Altertum die Tugendlehre in


, ,

der Neuzeit die P fl ich te n le h re in der Ethik überwiegt .


Alles Handeln ist auf die Einheit von Vernunft und
Na t ur auf ihre absolute D urchdringung gerichtet
,
.

D a s Individuum soll in einer besonderen nur ihm ,

m öglichen Weise diese Lebenseinheit zur Dars t e l lung


bringen Indem nun S chleie rmacher die Unter
.

scheidung Schellings zwischen dem idea l en und realen


Faktor für seine Ethik nutzbar macht sucht er j edes
-

Wertprodukt als Erzeugnis einer symbolisierenden un d


einer organisierende n V e rn un f t f un ktion zu begreifen .

Jedes sittliche Gut trägt den Gegensatz des S ym b o


lisc h en (Geistigen ) und Organischen (Naturhaften ) in
sich und mit diesem Gegensatzpaar verbinden sich für
,

ihn die Begri ffe des Allg e meinen un d Ei gentüm l ichen .


2 70 III . D ie Philosophi e d er Roman tik

In den Reden uber die Religion erscheint der reli


g iö s e Wert im ästhetischen Gewande M a n kann von .

einer ästhetischen Auffassung des religiösen Wertes


sprechen Aber diese Verquickung mit dem Ästhetischen
.

f ü hrte Schleiermacher doch keineswegs zur Verkennung


der wichtigsten Bestimmungen des religiösen Lebens .

Paradox im höchsten Maße mußte es der Zeit er


scheinen daß als Typus des religiösen Menschen Spinoza
,

genannt w ird Schleiermacher gebührt das große Ver


.

dienst daß e r die tiefe religiöse Gesinnung des als A th e


,

ist e n v e rsch rie n e n Juden verstanden hat Jeder der .

das Wesen des religiösen Lebens versteht muß ihm seine ,

Verehrung zollen „ Opfert mir ehrerbietig eine Locke


.

den Manen des heiligen vers t o ßenen Spinoza " ruft er


aus .

M ankann nach S chleiermacher Religion haben ohne ,

an einen persönlichen Gott un d a n die Unsterblichkeit


der Seele zu glauben Es gilt das Wesen der Religion .

rein herauszuarbeiten und die fremden W e rtb e st im


mungen ab zulo sen .

So viel ist gewiß daß es die Religion nicht mit Ur


,

sachen un d letzten Gründen noch mit dem Willen Got t es ,

zu t un hat D as sind vielmehr Begri ffe der Metaphysik


.

un d Ethik zweier philosophischer Disziplinen die den


, ,

Menschen als Mittelpunkt des Universums betrachten .

Im Gegensatz zur Philosophie die alles au f d as End ,

liche bezieht wird in der Religion alles auf das Un


,

endliche bezogen Unendlichkeit und Endlichkeit sind


.

Grundbestim mungen des religiös en Lebens Wie etwa .

für die Logik das Verhältnis von Form un d Inhalt


grundlegend ist so für die Religion das Verhältnis des
,

Unendlichen zum Endlichen .


S hl i rma h r
c e e c e 2 71

Denken un d Wollen Spekulation und Praxis sind


,

f ur die Religion unwesentlich Die Tätigkeit ist das .

Gebiet des künstlerischen und sittlichen Lebens Auch .

h at die Religion mit spekulativer Einsicht un d theo


ret isch e r E rkenntnis durch Begri ff e nichts zu tun Die .

Religion kennt nicht de n ethischen Gegensatz von Sollen


und Sein von Freiheit un d Natur Die Religion atmet
,
.

da wo die Freiheit schon wieder Natur geworden ist


,
.

Sie lebt in der unendlichen Natur des Ganzen D ie ser .

Zug z um Ganzen ist für sie durchaus charakteristisch .

D ie Religion sieht in allem Endlichen nur das U n en d


liche S ie schaut in dem einzelnen das Ganze Sinn
. .

un d Geschmack für d as Unendliche ist das Wesen aller

R eligion .

Der religiöse Mensch ist kontemplativ gerichtet Er .

t ritt dem Universum nicht als ein H andelnder sondern ,

in vollkommener Passivität gegenüber N iemals ver .

weilt er bei einem Endlichen und Beschrankten als sol


chem sondern nimmt es hin als Darstellung des Gö t t
,

lichen un d Unendlichen .

Die eigenste Position der Religion ist Ge f uh l un d


Anschauung Von Ableitung und V e rkn up f un g weiß
.

sie nichts Ihr Prinzip ist d ie unmittelbare Gewißheit


. .

Alles ist intuitiv wahr Auch ist das Wesen der Religion
.

mit einem System unve reinbar Alles in ihr ist unbe .

stimmt u n d un e ndlich Die Religion ist ein Unendliches


.

in jeder Beziehung .

D ie Religion hat es auch mit dem einzelnen Ge f uh l


un d der einzelnen Anschauung zu tun Oder vi e lmehr .

Anschauung und Gefühl sind im religiösen Erlebnis


eins und ungeschieden D ie s religiöse Erlebnis ist durch
.

aus individuell Es gibt eine unendliche Mannigfal t ig


.
2 72 III . D ie Philosop hi e d er Romantik

keit frommer Gef ü hle Der rein religiöse Mensch macht


.

keinen Versuch d a s Erlebnis begri fflich umzuformen


, .

Er läß t es in seiner Individualität und konkreten A n


sch aulich ke it bestehen Jedes H inausgehen über das
.

individuelle Erlebnis bedeutet in gewissem Sinne be


reits eine Entstellung und Verunstaltung der Religion .

Zur Eigentümlichkeit des religiösen Lebens gehört


die Heiligkeit der Individualität Die Seele in ihrer .

Eigenart mit ihren Tugenden und Fehlern ist in ihrem


ungeteilten Dasein ein Wertvolles das eine einzigartige ,

Gestaltung des religiösen Lebens involviert .

Der religiöse Wert leitet darauf hin d aß wir die Ge ,

f uh le besi t zen festhal t en und darstellen H andlungen


,
.

soll die Religion nicht veranlassen S ie will nicht zu .

Taten treiben Ist sie doch ihrem ganzen Wesen nach


.

kontemplativ gerichtet D ie Religion soll nicht zum .

Motiv des Handelns werden aber über all unseren Hand ,

lungen soll ein Abglanz des religiösen L ebens ruhen .

Der Mensch soll alles mit Religion nicht aus Religion ,

tun .

S p e z ifisch religiöse Ge f uh le wie F ro m m ig keit Mit ,

l e id Dankbarkeit Demut und Reue haben nichts mit


, ,

dem Handeln zu tun Deswegen fallen sie auch nicht


.

in das Gebiet der S ittlichkeit sondern sind dem leiten ,

den Wert der Religion untergeordnet Im H andeln soll .

der Mens ch nach Virtuosität s t reben Jede Art der Pro .

d ukt io n die sittliche th e oretische und ästhetische ver


, , ,

langt eine gewisse Beschränkung und Einseitigkeit D ie .

Anerkennung dieser W e rte die bew ußte Zuwendung zu ,


-

ei nem bestimmten Kulturgebiet bed e utet eine Aufgabe ,

des vollen ganzen Menschen Einseitigkeit ist hier


,
.

i m mer die notwendige Vorbedingung für die Größe der


2 74 III . D ie P hi1 0 3 0 p h ie d e r Romantik

nicht die Religion hinzutritt Erst durch sie wird d er .


"

einfa c he Gesang des Lebe ns zu einer vollständigen und


pr ä chtigen Harmonie .

So führt die Religion immer wieder die Einseitigkeit


zur Ganzheit zurück Ohne sie sind Mensch und Leben
.

fragmentarisch S ie ist d as Prinzip der Vollendung


. .

Erst durch sie erhält die Verschiedenheit des We rt leb en s


die ge forderte Einheit .

D a s psychische Korrelat des religiöse n Wertes ist


d a s religiöse Ge f ü hl ein Gefühl sch lech t h in ig e r Ab
,

h ä n g ig ke it vom W e lt g run d e D ies Gefühl ist in j edem


.

Menschen ein durchaus eigenartiges Mit j edem dieser .

Gefü h le v e rbindet si ch eine besondere Anschauung des


Unive rsums Es gibt unzählig viele solcher Anschau
.

ungen und da j ede dieser Anschauungen zur Religion


,

führt da j eder sich seine Religion nur seiner eigenen


,

Natur gemäß bilden kann auch unendlich viele m ög ,

lich e Religionen Religion ist das Allerin d iv id uellste


.

und Persönlichste .

In der Religion handelt es sich um ein Verhältnis des


Endlichen zum Unendlichen Alles kann Gegenstand .

der Religion sein I n j edem endlichen D ing können


.

wir ein Unendliches schauen Alle D inge können wie .


,

Meister Eckhard sagt lauter Gott werden ,


.

Gegenstand des religiösen Gefühls ist aber weniger


die G e setzm ä ßi g keit das in allem Gleiche sondern viel
, ,

mehr d ie Anomalie das Unregelmäßige Der religiöse


,
.

Gegenstand ist seinem Wesen nach unerschöpflich er ,

ist ein Prinzip der Fülle und des Reichtums .

Gegenstand der religiösen Werthaltung ist daher f ur


S chleiermacher vor allem die Geschichte Der Gegen .

stand der sp in o z ist isch en Gottesliebe w ar die überall


S chl e e i rma h r
c e 2 75

gleiche Naturordnung Gegenstand der romantischen


,

Liebe ist das Individuelle Einzigartige des historischen


,

Ganzen Geschichte sagt Schleiermacher ist der höchste


.
, ,

Gegenstand der Religion D ie Idee der Menschheit un d


.

des Fortschritts tragen für ihn einen religiösen Cha


rakt e r . Diese eine Menschheit die durch ein gemein ,

sames Schicksal verbunden ist soll zu einem höheren ,

und wertvolleren Leben vordringen Der Genius der .

Menschheit muß als der vollendetste un d universellste


Künstler erscheinen Wie unendlich reich ist die Fülle
.

seine r Gestaltungen Groteske Erzeugnisse schauen wir


.
,

die der Laune eines Virtuosen ihren Ursprung zu ver


danken scheinen un d alles ist bis ins einzelne eigen
,

t ü m lich gebildet .

Wir können uns kein g roß eres Kunstwerk denken


als das dessen Sto ff die Menschheit ist Und dieses
, .

große Kunstwerk der Ge schichte bedarf einer würdigen


Auslegung Mit Kraft un d Ge ist m uß der Künstler der
.

Weltgeschichte interpretiert werden A us d e n früheren .

Werken sind die späteren aus diesen jene zu erklären , .

Vergangenh e it Gegenwart und Zukunft sind in einer


,

großen Einh e it v e rbunden un d stellen sich dar a ls eine


endlose Galerie erhabenster Kunstwerke Religion und .

Geschichte weisen notwendig aufeinander hin Mit Reli .

gion fing das historis che Lebe n an Die Geschichte möge .

der Religion als ihrer ersten P fl e g erin mit dankbarer


Liebe lohnen .

Die erste Bedingung alles religiösen Lebens ist un


beschränkte Universalität der S inn e S inn für das Ganze . ‚

muß d er Mensch besitz e n alle partikularen Regungen ,

müssen überwunden werden K on fe ssion sh aß un d Fana .

1 8*
2 76 III . D ie P hi losophi e d er Roman tik

t ism u s sind deutliche Anzeichen einer a n t ire lig i03 e n Ge


sin n u n g .

Wie kann der Mensch unter dieser Voraussetzung


zur Religion gelangen ?Schleiermacher verweist zu
nächst auf den Weg der Mystik Der religiöse Mensch .

soll i n sich gekehrt sein Er soll sich von der äußeren .

W elt abwenden und die Richtung a u f d a s I ch n e hmen .

D a s ist der erste Weg zur Religion Der Mensch kann .

aber auch zur Religion gelangen wenn sein S treben ,

a uf den unbestimmten und unfaßbaren Grund der Welt

gerichtet ist Eben dahin wandte sich stets die m y st i


.

sche Gottesliebe indem sie vom innersten Erlebnis au s


,

die Einswerdung mit dem W e lt e n g run de e rstrebte .

Nach S chleiermacher gibt es noch e inen dritten Weg


zur Religion der die beiden ersten vereinigt Auf dem
, .

ersten Wege wurde das Göttlich e im eigenen We sen ,

in der Tiefe der Innerlichk e it auf dem zwe it e n Wege ,

in der Unbestimmtheit des Ganzen gesucht die alle In ,

d iv id ua lit ä t zerstört und auslöscht In dem Endlichen .

und dem Unendlichen kann somit das Göttlich e gesucht


und gefunden werden Somit auch in d er Einheit bei .

der Das ist die Richtung auf das Vollendete auf die
.
,

Kunst und ihre Werke D a s Kunstwerk ist ein e in .

sich ruhende Welt die eine unbew ußte Unendlichkeit


,

ausdrückt So hat S che lling später das W e sen d e s


.

Kunstwerkes verstanden und für Schleiermacher ist ,

e s g e wiß daß d a s Kunstwerk vor allem d ie Fähigkei t


,

besitzt den Sinn für d as Universum au fzuschließen


,
.

Die religiösen Begri ffe des Wunders d e s Glaubens ,

der Inspiration der Gottheit der Unsterblichkeit usw


, ,
.

werden von S chleiermacher einer Kritik unte rzogen und


2 78 III . D ie P hilosophi e d er Romantik

D ie heiligen S chriften in welcher die Lehren der re li


,

g iö sen Me nschen niedergelegt sind ein Mausoleum , ,

eine Totengruft der Religion Durch die Vermitt lung .

un d den toten Buchstaben muß das religiöse Leben not

wendig erstarren Nicht der h at Religion welcher an


.
,

eine heilige S chrift glaubt sondern der welcher keiner , ,

bedarf un d wohl selbst eine ma chen könnte D as Wesen .

des religiösen Lebens besteht nicht in der gläubigen


H innahme fremder Lehren die als theoretische F o rm u ,

lie run g eines fremden religiösen Gefühls angesehen wer


den müssen sondern vielmehr in der Entwicklung eine r
,

ei gentümlichen religiösen Anschauung .

Was wi r Gottheit zu nennen pflegen ist e ine religiöse ,

A n sch au un g sa rt Gott ist nicht nur der Genius der


.

Menschheit Er ist auch die vollkommene Einheit aller


.

Dinge in ihrer unendlichen Mannigfaltigkeit Der .

G laube an die Gottheit hän g t seinem besonderen Cha ,

rakte r nach von der Richtung der Phantasie ab Die


,
.

Phantasie ist das H öchste un d Ursprünglichste im


Menschen .

Und wie stellt sich f ur diesen religiösen I n d iv id ualis


m us der ein unmittelbares einzigartiges Verhältnis
,

z um Gött l ichen sucht die Lehre von der Uns t erblich keit

?
,

dar Dem religiösen Menschen erwachst die Forderung ,

a us Liebe zum Universum das Leben aufzugebe n H in .

gabe an das Ganze wird gefordert H ingabe an das All ,

in einem einzigartigen Verhältnis Aber damit ist es .

nicht genug Aufopferung gehört zum Wesen des reli


.

iö s en Menschen Der religiöse Mensch strebt danach


g .
,

schon hier in seinem irdischen Leben die Individualität


zu vernich t en
Wie kann das aber geschehen ?Der Mensch soll mit
.
S hl i rm a h r
c e e c e 2 79

ten in der Endlichkeit eins werden mit dem Unendlichen


und ewig sein in einem Augenblick Das ist die Un .

sterblichkeit der Religion .

D i e ser S inn für das Ganze diese Universalit ä t des ,


Gefühls fehlt nun einmal den „ verständigen Leuten
Die Verständigen fragen nicht ob d as was sie ver , ,

stehen wollen e in Ganzes sei Der Rationalismus ver


, .

steht sich n ur auf die Analyse Er gelangt nicht zu .

der Einsicht daß das Wertvolle das er sucht ge rade


, , ,

in der Einheit liegt un d daß diese Einheit durch d ie


zersetzende Tätigkeit verloren geht So wundert er .

sich denn schließlich w e n n n ich t s mehr ub rig bleibt


, .
,

das einen W ert ch arakter besitzen könnte oder er t rium


p h ie rt wohl gern über die Größe seiner Entdeckung .

Er bed e nkt nicht d aß es eine Analys e des Kunstwerkes


,

gibt die gleichbedeutend ist mit seiner Zerstörung


, .

Wir haben gesehen d aß es S chleiermacher vor allem


,

darauf ankommt das Wesen des religiös e n Wertes und


,

des religiösen Mensch e n zu bestimmen Der religiöse .

Wert soll befreit werden von all den B estimmungen ,

die logisch e s un d ethisches Interesse an ihn herange


tragen haben Desgleichen soll auch das religiöse K ul
.

t urp ro d ukt der Kirche abgelöst werden aus der Ver


bindung mit fremden I n te re sse n 5 ph ä ren die ihre Rein ,

heit verdächtig macht un d sie als Mittel erscheinen


lassen muß für heterogene Zwecke un d Ideen .

Dazu ist es e rforderlich daß die Kirche keinerlei,

politische Existenz besitzt Die Kirche muß vom Staat


.

vollkommen getrennt werden Mit der Erneuerung der .

K irche wird die Erneuerung des Priesterstandes ge


fordert Unwürdige Menschen nehmen den Platz der
.

V irt uo sen der H eiligkeit ein Die Lehrer der Religio n .


2 80 III . D ie Ph ilosophi e der Rom antik

suchen durchaus Entgegengese t z t es mi t einander zu


verbinden Niemand kann zugleich ein Mystiker ein
.
,

physischer Got t esgelehrter und ein heiliger K ü nstler


sein N iemand kann Deismus un d Pantheismus zu einer
.

religiösen Anschauung ve reinigen Be i der unendlichen .

Di ffer e nziertheit des religiösen Lebens kann der Gottes


gelehrte der religiöse Künstler seiner Gemeinde nicht
, ,

zugeordnet werden Me ister un d Jünger mussen ein


.

ander in vollkommener Freiheit aufsuchen und wählen


dürfen sonst ist einer für den anderen verloren Ein
, .

solches Verhältnis w ar ja auch von dem religiösen Genie ,

a uf d a s die christlich e Religion zurückweist gemeint ,

und als erhabenes Vorbild verwirklicht Der Theologe .

soll Künstler sein er soll sein ganzes Leben zu einem


,

prie sterlichen Kunstwerk gestalten .


A llgemei ner C h a r ak t e r der ro ma ntisd1 en D id1 t un g
Als besonders bezeichnend f ur das romantische Zeit
alter galt uns das enge Zusammenge hen von P h ilo so
phie un d Dichtkunst D ie Philosophie wah lte das Ge
.

wand der Schönheit un d die romantische D ichtung w ar


von Geist un d Idee durchdrungen N icht um e ine Be
.

g riff sd ic h t u n g handelt es sich hier.Nicht war die D ich


kunst der Romantik von Zweck und Absicht geleitet .

Wohl aber war das Erlebnis der Romantik ihr schönes ,

un d starkes Lebensgefühl vor allem den übersinnlichen

Formen und Gestalten des Daseins den hohen un d ,

ewigen Mächten den kosmischen Grundkräften zuge


,

wendet Die ursprüngliche Einheit von Idee und An


.

sch auun g wird in der D ichtung o ff en b a n u ich t handelt


_

es sich um Begri ffe die mit den Mitteln des poetischen


,

Ausdrucks zur Darstellung gelangt sind Nur in diesem .

S inne können wir die romantische D ichtung als Ideen


dichtung bezeichnen S ie ist bis zum Übermaß von Geist
.

un d Sinn erfüllt und steht somit im Gegensatz zu aller

gedankenarmen un d gedankenleeren Kunst der es ,

lediglich darauf ankommt ein anschauliches B ild der


,

Wirklichkeit zu geben und welche die Dinge nimmt ,

so wie sie gerade sind ohne sie zu weihen und zu ver


,

klären. Manchmal n ur vermag das S ch w c lg en in


schöner Klan g w irkung die allzu scharfe Wendung des
,

Ausdru cks nach dem Tönend e n und Lautmalerische n


2 84 IV . D ie Di ht ng
c u d er Roman t ik

hin e in fremdes Element in die Dichtung hinein


zutragen .

Die romantische D ichtung ist ein schönes ewiges Ge ,

bilde S chön nicht im S inne hellenischen Eb e n m aße s


.
,

nicht die He rrlichkeit der Proport ion die Einfachhei t , ,

d as M aß die plastische S ichtbarkeit und Regelmäß ig


,

ke it sondern eine weiche schwebende Schönheit eine


, , ,

S chönheit die sich verbirgt un d deren Reize sich in


,

einem Zauberspiegel bunt und v ie lf ä llig brechen un d


welche durch die Magie des Wortes Dinge zu sagen
versuchte die bisher ungesa gt gebliebe n waren und
,

kei nen Ausdruck gefunden hatten .

Ewig aber möchten wir dies e Kunst nenn e n w e il sie


eine ganz neue Art des Sagens eine neue Formgebung ,

bedeutet D ie romantische D ichtkunst bildet einen


.

neuen Typus ästhetischer Formgebung eigent ü mlich ,

und selbständig gebildet wie Renaissance Barock und ,

Rokoko Nachdem die romantische Po e sie einmal ge


.

scha ffen ist wird es wohl immer wie der Dichtung in


,

der Form d e r Romantik g e ben und der geistige Gehalt ,

der Romantik ist ein unverlierbares Element uns e r e r


modernen Kultur geworden .

Wenn wir nunmehr von der romantischen Dichtung


sprechen so brauchen wir an ihre Theori e die wir im Zu
, ,

sa m m e n h an g der philosophischen Probleme besprochen

haben nur noch gelegentlich zu erinnern Es handelt


, .

sich j etzt nicht mehr um das was die Romantiker woll ,

ten und um die Forderungen d ie sie der Dichtung


, ,

st e llten sondern um das was sie tatsächlich geleistet


, ,

haben N icht um d ie Theorie sondern um das Leben


.
,

der D ichtkunst hand e lt e s sich Wenn wir aber Wollen .

und Leisten miteinand e r verglei chen so komm e n wi r ,


2 86 IV . D ie Di ht ng
c u d er Romant ik

wichtig ist d a s ist die Auffassung der Romantik als


,

einer besonderen zeitlich nicht gebundenen Kunstform


,
.

Dann soll sie aber nicht als die zweite große Möglich
keit neben der Antike verstanden werden sondern als ,

eine Formgebung und ein S til der zu einer bestimmten ,

Zeit gescha ffen immer wieder von neuem in Ersch e i


,

nung treten kann weil er einer ganz besonderen Ge


,

f üh lslag e und W e rt b ejah un g entspricht und der als ,

gleichberechtigt steht neben Renaissance und Barock ,

neben Antike Realismus Naturalismus un d Impressio


, ,

n ism u s, ideale Typen deren wir bedürfen um in der


, ,

unendlichen Mannigfaltigkeit der künstlerischen P ro


d ukt io n eine Orientierung zu ermöglichen D iesen .

mittleren Begri ff der Romantik den wir weit übe r ,

den romantischen Kreis auch a uf verwandte Ersch ei


nungen bis in die Gegenwart hinein anzuwenden
pflegen brauchen wir auch um uns d a s Wesen der Di ch
, ,

tung j ener romantischen Schule deutlich zu machen .

Unser Begri ff von romantischer Kunst ist aus der


Theorie und der Produktion des romantischen D ichter
kre ises gewonnen h at sich dann zu einem I dealb eg riff
,

verdichtet und muß nun wieder genutzt werden um ,

j ene zu verstehen denen er seinen Ursprung verdankt


,
.


Nur einen wirklich großen D ich t er h at die Romantik
neben einer Fülle von Talenten h e rvorgebracht un d

d as ist Novalis In seiner schönen und liebenswerten


Erscheinung tritt uns die Verwirklichung des roman


tischen K un st id e als entgegen Er h at in der Poesie .
,

vor allem in der religiösen Lyrik Vollendetes ge


scha ffen Weil er aber ein F ruh v ollen d ete r war so hat
.
,

d a s Ideal der romantischen Dichtung sich zu seiner Zeit


niemals ganz auswirken können Und so blieb die Idee .
A llg e m in r Charakt r
e e e d er romantis h n Di ht g
c e c un 2 87

der romantischen D ichtung zum größten Teil ein Pro


gramm eine ideale Forderung Die italienische Re
,
.

naissance hat eine große Zahl von D ichtern in ihrer


Zeit ge funden D ie Romantik fand nur einen großen
.

Dichter und dieser war einem frühen Tode geweiht


,
.

Das Wesen der romantischen D ichtung ist am ein


f ach ste n aus dem absoluten Gegensat z z um Naturalis
mus zu verstehen Der Naturalismus geht von der
.

Voraussetzung aus daß das sinnliche Dasein die wahre


,

Wirklichkeit ist und diese sinnliche Realität will er


,
.

n at urw ah r abbilden D ie Romantik verneint dagegen


.
,

daß diese S innenwelt n ur Erscheinung ist und als Gleich


nis und Symbol ein höheres Wesen reiner Geistigkeit
spi egelt das die Kunst zur Darstellung bringen soll
,
.

All e s was wir in Ges chichte und Natur erschauen ist


, ,

Gleichnis un d H in deutun g auf dies höhere Wesen .

Und niemanden wird so sehr W i e dem D ichter d a s ver


borgene G e heimnis der Welt kund Wenn wir alle .

künstlerische Formgebung als eine Umformung des


Lebens verstehen wie es als , natürliches
Dasein uns entgegentritt so h at augenscheinlich der ,

Naturalismus die größte Wirkli chkeitsnah e Auch er .

muß die sinnliche Wirklichk e it umformen de ren un ,

endliche Fülle in kein e ästhetische Formgebung voll


kommen eingeh e n kann aber er formt sie am wenigsten ,

um Er hält sich am meisten an die Wirklichkeit und


.

am wenigsten an das was über der Wirklichkeit steht ; ,

d a s Ideelle d a s Übersinnliche d a s Geistige


,
Dagegen , .

h at die Romantik die größte Wirklichkeitsferne j a sie ,

läuft manchmal Gefahr die Wirklichk e it vollkomm e n ,

zu verlieren Indem sie aber dur c h d ie Stärke und


.

Kraft ihrer Umbildung und Idealisierung die dies


2 88 IV . D ie Di ht ng c u d er Roman ti k

s e itige Welt mehr oder wenige r verlor glaubt e sie dem ,

r e inen ewigen Grunde des Lebens nahe zu sein der


, ,

durch das Antlitz dieser Welt nur v e rh u llt und ver


zerrt gegeben ist .

Wenn wir un s d as S t ilg e f ug e der romantischen Dich


tung die Art und Weis e ihrer Gestaltung näher an
,

sehen so ist neben der Perspektive vor allem die Be


,

w uß t se in slag e wichtig aus der die D inge geseh e n und ,

gescha ffen werden Wir können uns eine D ichtung .

denken die eine starke Umbildung und Umformung


,

der Wirklichkeit bedeutet aber von hier aus d a s Leben ,

klar und bestimmt erscheinen l äß t Dagegen bej aht .

die Romantik d as Ahnungsvolle und Unbestimmte S ie .

liebt es d as Leben dort darzustellen wo das wachende


, ,

Bewuß tsein in das T ra um b ew uß t se in übergeht S ie be .

handelt den Traum als Wa chen und d as Wachen als


Traum Wirklichkeit verknüpft sich hier mit Phan
.

ta sie . Die reale Gestalt des Leb e ns g e ht in ein e Form


d e s M ä rchens des Mythos u n d de r Legend e üb e r
,
D ie .

romantische D ichtung bringt zum poetischen Ausdruck ,

d aß d as Traum und Wunschland der Poesie u n d Ein


bildungskraft d as der Realist mitleidig lächelnd als
.

\Nah n g eb ild e der Phantasie gelten läßt mehr Tiefe , ,

Leben und S inn besitzt als die nüchtern ge s chaute re ,

ale Welt Und wenn Traum und Wachen einander so


.

sehr gen ä he rt wurden so ließ die romantische Dicht ,

kunst auch zwischen Tod und Leben keine schro ffen


Grenzen bestehen Sie deutete den Tod als höhere Le.

b en sf o rm Sie nahm ihm d a s Grauen und verklärte


.

ihn als Bild der Liebe Sie ließ auch das Gestorbene .

und Tote noch Anteil nehmen an dem Geschehen dieser


Welt Und so ist die Gefahr der Romantik die Ver
.
2 90 IV . D ie Di ht ng
c u d er Romantik

mehr in d ie Ferne getrieben und glaubt auch dort schon


Vollendung zu schauen wo erst Werden und Anfang ,

war Aber alles d a s geschieht doch im letzten Grunde


.

aus einem liebevollen Verstehen ferner schöner Kultur


welten In der romantischen Dichtung handelt es sich
.

nicht um eine Nachahmung der Vergangenheit speziell ,

des Mittelalters sondern um ganz neue Gestaltung un d


,

Formgebung aus einem ganz anderen Lebensgefühl


heraus Nur fehlt es der romant ischen D ichtung a n
.

Kraft der Gestaltung Wie die italienische R e n a1 3 3 an ce


.

am Griechentum so war die Romantik an der Idee


,

d es Mittelalters orientiert Renaissance un d Romantik .

bedeuten ihren Vorbildern gegenüber etwas Neues und


Selbständiges Während aber die Renaissance d a s Ge
.

schaute auch vollständig zu bilden vermochte verblieb ,

es in der Romantik vielfach bei der S chau D ie neuen .

Ideen und Ideale blieben in der S chwebe und gewannen


kein künstlerisches Leben D ie ganze romantische .

Di chtung hat etwas Verschwimmendes und Zer


fl ieß en de s D ie ästhetische Idee gelangt nicht zur an
.

sch au lich e n S ichtbarkeit Zu vieles bleibt Andeutung .

un d wird immer wieder durch neue S chleier verborgen

und verhüllt Auch die Bilder haben etwas Ver


.

schwimmendes und die Klarheit des poetischen Aus


,

dru cks wird haufig dem musikalischen Woh l laut dem ,

Tönen und Klingen geopfert Wenn es zum Wesen .

de r Musik gehört die Mannigfaltigkeit der B ilder


,

untergehen zu lassen um unmittelbar die Seele zu ,

rühren und Formen zu entfalten die den m an n ig ,

faltigen Lagen und S chichten unserer innersten Gefühle


entsprechen so kann m an sagen d aß die romantische
, ,

Dichtung im Zeichen des Musikalischen steht Damit .


A llg m in r Charakt r
e e e e d er rom ntis h n D i ht ng
a c e c u 2 91

steht sie im Gegensatz zu der ungeheuren plastischen


S ichtbarkeit der Go et h isch e n D ichtung so etwa um , ,

ein besonders charakt eristisches Beispiel zu nennen im ,

Gegensatz zu den römischen Elegien .

Der poetische Ausdruck d er romantischen Dichtung


zei gt häufig eine große Zartheit und Feinheit der Bil
der un d Metaphern deren eigentümlicher Charakter
,

mit der Überzeugung von der selbständigen Wirklich


keit alles seelischen Geschehens zusammenhängt Ich .

denke an jene schönen Bilder mit denen Novalis in ,

den Hymnen an die Nacht den sinkenden Abend und


das H ereinbrechen der Nacht feiert : „ Fernen der Er
in n e run g Wünsche der Jugend der Kindheit Träume
, , ,

des ganzen langen Lebens kurze Freuden und vergeh


liche H o ffnungen kommen in grauen Kleidern wie

Ab e n d n eb e l nach der Sonne Untergang An Geist un d .

Tiefe fehlt e s der romantischen D ichtung nicht Ja .


,

man möchte fast meinen d aß der Gedankenreichtum


,

der Romantiker ähnlich wie bei Jean Paul allzu groß


, ,

war so d aß sie Mühe hatten ihre I d een un d die Fülle


, ,
\

von Assoziationen die daraus entströmten in ihrer


, ,

D ichtung unterzubringen und die Gedankengebilde aus


Raummangel in dem begrenzten Rahmen e ine s Werkes
miteinander kollidierten u n d nicht so recht zur Ruhe
und Auswirkung gelangen konnten .

S ehr bedeutsam ist in der romantischen Dichtung das


t ie fin n erlich e Naturgefühl der Sinn für alle Formen
,

des organischen Lebens die Möglichkeit sich hinein


, ,

lebe n z ukönne n in all das geheimnisvolle W eh en und


Walten der Natur D a s Steinreich j enes Gebiet der
.
,

Natur wo der Übergang vom Tot e n zum Lebendigen


,

besonders sichtbar wird gewinnt für sie allegorische


,
2 92 IV . D ie Di ht ng
c u d er Romantik

Bed e utung Das Leben der Blumen Pflanzen und Tiere


.
,

spiegelt wieder auf verschiedenen Stufen und in ver


sch ie de n e r Gestalt romantische Sehnsu c ht und roman

tisch e Liebe Fromme heilige Tiere nahen sich den Men


.

schen da s r ä tselhafte Einhorn un d die sanfte H indin


,

der armen verlassenen P f alz g rä fin Genoveva Und .

über alle Blumen im bunten Zaub e rwald der Romantik


hinaus wächst die blaue Blum e als das große Symbol
der ewigen Sehnsucht und der nie e rreichten Ferne .

In den Landschaftsbildern wird bevorzugt der st illv e r


sch w ie g e n e dichte Wald der uns j eden Augenblick d a s
, ,

U nerwartete und Wunderbare entgegenführen kann .

Die Wiesen am Ba c h wo Erle n b ä um e rauschen und,

Nebelschleier ziehen D ie Dämmerung und d a s Zwie


.

licht mit ihrer ahnungsvollen Erwartung und zärtlichen


Unsicherheit und Unbestimmtheit D ie m o n db eg lan z te .

Zaubernacht der stille Weiher der t o tg e w eih t e Park


, , ,

das einsame Forsthaus des M uh le n ra d e s rauschende r


,

Klang die raunende Linde


,
.

Und diese romantische Natur ist durchseelt und


durchwirkt von Geistern und Dämon e n Auf g run e m .

\W ie se n p lan tanzen die Elfen ihren Z a ub e rre ig en aus ,

den Ritzen und Spalten d e r Berge tauchen Gnom e n


und Wichtelmänn ch e n hervor Ihre schönen nackten .

Glied e r bad e n die Nix e n im Strom und unruhig ,

verzehrend wie das Element das ihm untertan leuchten , ,

die Augen des Salamanders Und diese Fülle von Natur .

leben Naturgestalten un d Naturg e iste rn ist erfüllt und


,

durchdrungen von e in e m a llh errsch en d e n und allieb en


den religiösen Pantheismus In der göttlichen Nat ur .

feiert der menschliche Geist seine S chönheit und Gö t t


lichkeit .
2 94 IV . D ie Di ht ng
c u d er Rom an tik

Strom die stolze Ritterburg d as ernsthafte Kloster


, , ,

das Schloß mit verträumtem Park die stille Kapelle der , ,

h imm e la n st reb e n d e Dom .

Mit der mittelalterlichen W e lt verbindet sich in vielen


Dichtungen d e r Romantik das S chlichte Innige d e r ,

Volksart und Volksweise : die Waldeinsamkeit die ,

weite grune H eide der M o n d esz aub er d as Glück der


, ,

Treue das Unglück der Untreue der Liebe Lust un d


, ,

Leid und die Sterne die der Liebe ihren S chein geben
,
.

L an d skn ech t sw e ise froher Burschen Sang Ringe ltanz


, ,

bei Spiel und Wein Und e ndli c h noch eine besonder e


.
.

Welt eine starre unheimliche un d tote die in all dies


, , ,

blühende Lebe n hineinragt D a s ist die Welt der Ab .

geschiedenen der Toten die keine Ruhe fin den da sie


, , ,

noch erfüllt sind von den L e id e nschaften und Beg i e rden


dieser Welt Das ist das Unheimliche und d as Grauen
.
,

der Teufel un d Ge sp en st e rsp uk d e r in die schöne ,

Sinnenwelt hine inragt und s e liger Liebe Glü ck mit


L e ich e n f a rb e und Tod e sahnung mit blauen blutleeren , ,

Gespenstern verbindet .

Fo r men der r o man t is ch en D i ch t ung


D ie Theorie d e r romantischen Dichtung verlangte
die T ran sz en d en t alp o esie als vollendete Form der Kunst ,

die si ch hinausheben sollte über die typischen Gat t un g s


formen der Kunst d ie bisher ihre besondere Pflege er
,

halten hatten : Lyrik Epos und Drama In der Tran ,


.

sz e n d en t alp o e sie sollt e n alle Gege nsätz e v e rsöhnt s e in .

D ie absolute Po e si e muß all die Schranken einreißen ,

die aus technisch ä uß erlichen Grunden ins Bereich d e r


Dichtkunst gezogen sind D a s Werk d e r T ran sze n de n .
F orm n e d er ro m an tis h n Di ht ng
c e c u 2 95

t alp o e sie wird lyris ch episch und dramatisch se in und


, ,

weil sie diese Gegensätze vereinigt und in sich aufhebt ,

muß die T ran sz en d en talp o esie als die denkbar höchste


Form der Poesie als die absolute D ichtkunst aufgefaßt
,

werd e n Das Vollende te ist im Geiste de r Romantik


.

das Universale das alle Möglichkeiten erschöpft und


,

erfüllt Und in diesem S inne voll e ndet w ar für sie der


.

Faust und der Wilhelm Meister Faust war ein drama .

tisches Gedicht das Lyrik und Epos in sich auf g en om


,

men hatte Wilhelm Meister ein episches Kunstwerk


, ,

das lyrische und dramatische El emente in si c h barg .

Die Erfüllung der romantis chen Th e orie aus dem Kreis


der Romantiker heraus sollte vor allem He inri ch
von Ofterdingen von Novalis bedeuten und auch
Friedrich von Schlege ls „ L ucin d e ist ein Versuch in
derselben Richtung D ie starren Gattungsformen in
.
,

denen sich die Dichtkunst bisher bewegt hatt e sollt e n ,

e i ngerissen werden und alles von demselben einheitlichen


Geist der Poesie ü b e rfiut et sein Man bedachte nicht .
,

daß die eigentümliche S to ff wahl eine be sondere Form


gebung und Behandlung d er Materie bedingt und daß
dramatische und epische Stil un d Ausdrucksformen
sich nicht ohne Trübung der Reinheit und S ichtbark e it
, ,

durcheinander wirren und mischen lassen daß auch ,

die Wirksamkeit einer D ichtung von der einheitlich e n


Formgebung abhängt die alles in derselben Art und ,

R ichtung bildet Man verlangte d as Gesamtkunstwerk


.

der Poesie das indem es von allen Ausdrucksmitteln


, ,

Gebrauch macht die Wirkung der Mittel teilw e ise kom


,

p e n sie rt und aufhebt .

Ihrer Theorie entsprechend zeigt die romantische


Di chtung überall die V e rmischung der Stilformen so ,
2 96 IV . D ie Di ht ng
c u d er Romantik

daß es nicht angemessen ware ihrer Darstellung den ,

Gegensatz von lyrisch episch un d dramatisch zugrunde ,

zu legen Wenn wir j edoch an diese uns g elä ufig en


.
,

künstlerisch so sehr berechtigten Unterscheidungen


denken so sind wohl die Leistunge n der Romantik au f
,

dem Gebiet des Dramas verhältnismäßig die schwach


sten Den satirischen D ramen Ludwig Tiecks die
.
,

enthusiastische Zeitgenossen mit der antiken K o m o d ie


von Aristophanes verglichen haben liegt keine tiefere ,

Welt und Lebensansicht keins von den ewigen schick ,

salssch we re n Problemen der Menschheit zugrunde .

D iese Dramen haben in ihrer Unregelm ä ßigkeit und


metrischen Willkür nichts mit dem streng e n Gang und
der gewählten Versform der attischen T ra g o die zu tun ,

der Aristophanes in seinen Komödien huldigt Und .

während dieser von ewigen M e n sch h e it sdin g e n redet ,

beschäftigt den romantischen Dichte r in der H aupt


sache die Kritik des Bühnenwesens die Zustande am ,

Theater Später h at er M ä rch e n d ram en verfaßt von


.
,


denen D ie heilige Genoveva das s chönste ist Neben .

Tieck kann Zacharias Wern e r der der romantischen ,

Schule nahe stand a ls Vertreter des romantischen ,

Dramas angesehen werden Er h at neben religiösen .

Dramen die in ihrer phantastis c hen S chwärmerei


,

ungenießbar sind die erste moderne S chicksals,

tragödi e Den vierundzwanzigsten Februar g e sch rie


ben Diese neue Kunstform d ie dann später in M ü lln e rs
.
,

“ “
Schuld und in Grillparzers „ Ahnfrau si ch Geltung
verscha ffte ist also ihrem Ursprung na ch romantischer
,

Natur kann j edoch nicht als bedeutsame Ne usch ö p


,

fung auf dem Gebiet des Dramas angesehen werden .

Vielmehr handelt es sich hier doch nur um ein e Ver


2 98 IV . D ie Di ht ngc u d er Rom antik

und w e hrlos gegenüber den fiuch be lad en en O rten ,

Zeiten und Gegenständen Es handelt sich nicht wie in .


,

der gri e chisch e n Vorst e llung um ein frei d ah in fiut en d e s , ,

großes mä chtiges S chicksal sondern um e in V e rh ä n g


, ,

nis das ähnli c h d e r b e gr e nzten Wirkungssphär e der


,

F e t isch g o t t e r an einen Ort e inen Gege nstand ein e , ,

Zeit haftet und vermieden werden kann wenn man ,

diesen bestimmten Ort diese Z eit und diesen Gegen


,

stand ve rmeidet .

In Grillparzers Ahnfrau h at d ie romantische S chick


sa lst rag ö d ie i hr e Vollendung gefunden aber die G e stalt
_
,

des Räubers j aromir und d as bleich e Gesp e nst der A l m


frau sind für uns abgetan und vermögen uns nicht mehr
ä sthetisch zu interessieren Dagegen h at S chillers .

S ch icksalst rag o d ie mit dieser Verirrung des roman


tischen Geistes ni chts z u tun sondern ist lediglich a us ,

dem reinen G e iste d e r antiken S ch ö n h e it sw e lt g eboren .

Nur haben wir diesem W e rk e wahrhaft groß e r Kunst


ge g e nüber die Empfindung d aß e s si c h um d ie N ach ,

ah m un g von e twas Abges c hiedenem handelt d as nicht ,

m e hr leb e n sm ach t ig ist Dem modernen Bewußtsein an


.

gemessen erscheint die Notwendigkeit als Prinzip des


Dramas e rst bei H ebbel und Ibsen Die S chicksalsidee .

nimmt hier die Gestalt des modernen Naturges e tzes ,

d e r G e s e tze der Ver e rbung wie in Ibsens Gespenster , ,

und d e r G e s e tze der Umwelt an .

H at nun d ie romantis che Di c htung kein e E rf u llun g


im Drama gefunden gibt e s dann ni cht vielleicht ein e
,

große Dicht e rgestalt d ie in der Auffassung und G e stal


tung des D ramas der Romantik nahe steht ? D ieser
,

Dichter scheint mir Heinrich von Kleist besonders in ,

Käthchen von Heilbronn zu sein Man kann in seinem,


.
F orm n e d er romantis h n Di ht g
c e c un 2 99

Wesen und Werk manches von roman t ischem Geist ent


decken und dennoch gehö rt er ebensowenig zur ro
m an t isch en S chule wie J e an Paul E T A H o ffmann , . . .

oder H einrich Heine Es handelt sich in allen diesen


.

Fällen um große se lb stan d ig e Di c htergestalten die woh l ,

in manchen ihrer Anschauungen dem Geist der Roman


tik nahe stehen die ab e r zu vi e l Eigenart und Viel
,

seitigkeit besitzen als daß sie dem Begri ff de r Romantik


,

im engeren historischen S inne eingeordnet werden


könnten .

In drei H auptgestalten tritt uns d ie roma n tisch e


Dichtung entgegen : als Lyrik als Märchen und als ,

Roman Das Drama d as wir im allgemeinen als die


.
,

höchste Form der D ichtung anzusprechen gewohnt sind ,

hat keine bedeutsame Gestaltung erfahren Für die .

Romantiker selber war d er Roman nicht n ur die mo


d ern st e sondern auch die höchste Form der Poesie
, .

Der Roman ist die wahre Buchausgabe des Lebens .

E r gewährt die meisten Möglichkeiten alle Formen der ,

Dichtung in sich zu vereinigen .

All e Di c htung ist Gestaltung de s Lebens d as von ,

mannigfachen Gegensätzen dur c hfurcht und zerrissen


ist D ie Gegensätze formuliert d ie Philosophie als den
.

Gegensatz von Ich un d Nich t ich Bew ußtsein und ,

Gegenstand Subj ekt un d Obj ekt Vorstellung und Vor


, ,

gestelltes Immanenz und Transzendenz Freiheit und


, ,

Notwendigkeit Geist und Natur D ie Eigentümlich


, .

keit der lyrischen Gestaltung ist darin zu suchen daß ,

hier die Welt vor dem Ich verschwindet D ie Gestalten .

der Natur werden Symbole für die Em pfin d un g sz u


stände des Ich und die Formen lyrisch er Gestaltung
,

lasse n si ch untersche iden na ch dem Maß von Selb


30 0 IV . D ie Di ht ngc u d er Ro m n tik
a

st a n d ig ke it ,das die Natur und ihre Lebensformen


gegenüber dem Ich noch b e sitzen Dagegen v e rsch w in .

det in der epischen Gestaltung d a s I ch mehr von de r


Welt Es handelt si c h um die Gestaltung des bunten
.
,

w ech se lre ich e n Weltlebens Der Dichter h at Menschen .

gescha ffen die ein von seine r Seele und seinem Emp
,

fin d un g sz u stan de unabhängiges Leben führen Aber .

diese Gestalten bleiben doch schließlich Ge sch o p f e des


Dichters der sie mit eigenen und fremden Wesens
,

zügen ausg e stattet h at In dem Roman kann nun ab e r .

auch das Ich des Di chters mehr oder weniger hervor


treten Es gibt epische Kunstwe rke w o es ganz aus
.
,

gelöscht scheint und wir den D ich ter vergessen Es .

gibt andere wo der Dichter unter seinen Ges t alten


,

weilt und mit ihnen lebt und leidet und es gibt auch ,

solche wo das Ich uber seinen Gestalten schwebt und


,

ihr Schicksal und ihr H andeln mit s e iner Reflexion be


gleitet D e r Roman d e s Romantikers ist dadurch
.

c harakterisiert daß er das Ich s chärfer hervortreten


,

läßt daß wir den Dichter in seinem Werk e wieder


,

finden und d aß er häufig die Form des Bildungs


romans annimmt inde m der Dichter sein eigenes L e
,

ben und seine eigene Entwicklung poetisch zu gestalten


unternimmt .

So ist die subj e ktivierende Darstellung f ur die ro


m a n t isch e Di chtung entscheidend und mit dieser Art , ,

die D inge zu formen verträgt sich auf d a s beste die ,

liebliche Erscheinung d es romantischen Märchens in ,

dem die Dinge der Gesetzm ä ßigkeit verlustig gehen ,

die sie im natürlichen Dasein besitzen un d so in ihrer


Abhängigkeit von der schweifenden P h antasie des
Dicht e rs das H ö ch stmaß de r Subj e ktivität o ffenbaren .
302 IV . D ie Di h t ng
c u d er Romantik

schließung immer neuer Kulturgebiete durch die er ,

auch der Poesie immer w ieder neue Motive zuführte .

Vielleicht hat H eine nicht ganz unrecht wenn er be ,

h aup t e t d aß August Wilhelm von Schlegel i mmer


,

nur die Poesie der Vergangenh e it und nicht die der


Gegenwart zu verstehen vermo chte Er neigte dazu .
,

den älteren D ichtern gegenüber den j üngeren den Vor


zug zu geben Er versucht ein absolutes Ideal aus der
.

Vergangenh e it aufzubauen Aber wir dürfen nicht .

verkennen d aß diese Orientierung der Poesie an dem


,

Großen ihres Ursprungs in allen kritisch e n und stark


b eizveg t e n Zeiten künstl e rischer Entwi cklung zu einer
Art Notwendigkeit wird Wenn die Kunst in die Irre .

gegangen oder in eine Sackgasse geraten ist so tuen ,

wir gut uns auf die ewigen Vorbilder aller wahren


,

Poesie zu besinnen D a s geschieht nicht um der Nach


.

ah m u n g willen j ede neu e Zeit erfordert eine neue


,

Dichtkunst sondern um deutlich und lebendig z u


,

machen was a ls Poesie und als großes K un st w e rk an


,

gesprochen sein will Und so hat auch der j unge .

H einrich Heine dem Verdienste S chlegels gehuldigt ,

und b e sonders zutre ffend für die Bestimmung seines


Wertes erscheinen mir die schönen Vers e die Ludwig ,

Tieck in dem t ie f v e rsteh en d en Sonettenkranz an seine


,

Fre und e d em Andenken A Wilhelm von Schlegels ge .

weiht h at .

„ B est e ig dein Schi ff mit frohem Mute gerne ,

Such fremdes Land und Meer sieh neue St e rne , ,

D ir werden Geister freundli ch sich gesellen .

Es steigt d e r Briten höchster lächelnd nieder ,

Und Calderon den Kränz e bunt um g luh en


, ,

Der Minnesang im Go ldg ewan d erblühen ,


D ie Ly rik d er Rom a t ik
n
303

Will neu Italien uralt h eilg e Lied e r


,

Vom Gange s wachen auf und rundum g lan z e n ,


’ “
T rop h ä n die dankbar deinen Namen kränzen .

Ludwig Tieck ist d er erste große Lyrik e r der R o



m antik Er ist der D ichter des Phantasus einer
.
,

Sammlung von Märch e n Erzählungen S chauspielen


, ,

und Novellen d ie von einer Gesellschaft einer Gemein


, ,

schaft im S inne des romantischen Kr e ises vorgel e sen


und erzählt werden e in reicher P h an t a sie st rauß von
,

ü ppiger Willkür und zarter S c hönheit Tieck ist d e r .

D ichter der überquellenden zügellosen Phantasie der


, ,

er in dem G e dicht gleichen Nam e ns e in seltsam e s


S ymbol gesetzt h at in der Gestalt des wunderlichen
Alten des launigen Phantasus
, .

Wer ist dort der alte Mann ,

In einer Eck e festgebunden


D aß e r sich ni c ht rührt und regt ?
,

Vernunft halt über ihn Wache


?
,

S i e ht und erkund e t j ede Miene


Der Alte ist verdrießlich ,

Um ihn in taus e nd Falten


Ein weiter Mantel geschlagen .

Der alte launige Phantasus d e r immer wieder auf ,

neue Possen sinnt tagsüber ist er unschädlich ge


,

macht damit e r dem armen M e nschen im Alltagsleb e n


,

R uhe läßt und seine Vernunft im Denken nicht stört .

So wird er sich verständig geb ä rden und d e m Nachbar


gegenuber nicht als Tor ers ch e inen m ag auch der ,

Alte d er n ie was Kluges im S inn e hat heimlich sein


, ,

Spielzeug auskramen und damit lärmen .


30 4 IV . D ie Di ht ng
c u d er Romantik

Der M e nsch handelt denkt d ie Pflicht , ,

Wird indes treu von ihm getan ;


Fällt in die Augen das Abendrot hinein ,

S t eh n S chlummer und S chlaf aus ihrem Winkel


au f ;

Da sie den Schimmer merk e n .

D ie Vernunft wird zu Bett gebracht und der ,

S chlummer singt ihr e in Wiegenlied Morgen ist auch .

ein Tag Morgen kann sie weiter wirken un d ihrem


.

lieben Menschen Ehre bringen S ie ist un erm ü de t und .

d a s ist schön Und so schläft die V e rnunft ein un d


.

auch die Erinnerung ihr e stille G e fährtin Und n un


, .

befreit der Schlaf den launigen alten Phantasus von


seinen Banden der S chlaf der gute Kamerad der ur
, ,

alten ewigen Phantasie aus der alle Formen des Gei ,

st e s ihren Ursprung genommen haben Und der Alte .

steht auf aller Bande frei und sch ut t elt sich vor
, ,

Freude E r kehrt den Mantel um und sp re ite t ihn


.
_

weit umh e r Ein e bunte Tap e te ist die untere Seite


. .

D a s ist das Zelt der Phantasie .

Nun hantiert Phantasus in seinem Zelt


Und weiß sich vor Freuden nicht zu lassen .

Aus Glas und Kristallen baut er S chlosser ,

Läßt oben a us den Zinnen Zwerge gu cken ,

Die mi t dem großen Kopfe wackeln .

Unten gehe n F o n t ä n e n im Garten spazieren ,

Und Röhren sprudeln Blumen in die Luft ,

Dazu singt der Alte e in seltsam Lied


Und klimpert mit aller G e walt auf der H arfe .

Und der Mensch vergißt diä V e rn un ft und mochte


sich immer weiter freuen an dem bunten Spiel Und .
30 6 IV . D ie Di ht ng
c u d er Roman tik

gerne ein Die Anfange seiner lyrischen Entwicklung


.

sind ähnlich wie die Jugendgedichte Heines von Me


lan ch o lie und Grausen von Rausch und Wahn um
,

d ü st e rt. Dann aber erklingt immer mächtiger das ro


m a n t isch e Motiv der Sehnsucht nach ewiger Ferne ,

durchbebt die Tages und Jahreszeiten glüht in d e m ,

Ge fühl der Liebe erklingt in P o sth o rn sch all in Wald


, ,

h o rn sm elo d ie in Reise und Wanderlust


,
D ie Musik .

steht in großer Feier H at doch Tieck sogar den Geist


.

und Sinn der einzelnen Instrumente zu deuten unter


nommen : der v e rwandte Fre un d e st o n de r H arfe der ,

Flöte S eh n such t sklan g :


Unser Geist ist himmelblau ,

Führt di ch in blaue Ferne .

Der ahnungsvoll zögernde Laut der H oboe der ,

siegesgewisse triumphierende Ton der Trompete und


,

der b ese lig e n d e Klang der Geigen In d e m Gedicht .

Lebenselem e nte hat er dem Geist der Elemente p o


e t isch e n Ausdru c k verliehen : der S icherheit der Erde ,

der Unsicherheit des Unterirdischen D a s Wesen des ,.

Wassers ist sanfter Niedergang :


Nieder gehst du
In Andacht
In Demut ,

E n t fl ie h st den Gebirgen ,

Den steilen H öhen ,

Und senkst dich selig sanft in stille Tal e r .

H olde S ehnsucht ewige Ruhe allumfassend e a ll


, , ,

e rhalt e nde Macht ist der Luft e igen Mit dem Feuer .

aber verbindet der Dichter die Wonne des Wieder


sehens die Vorstellung der alten H eimat den Gegen
, ,
D ie Lyrik d er Romantik 307

satz der zur Ordnung sich schließt Und die Flamme


, .

hält ein wunderbares Mysterium in sich verborgen :


D a wohnt im Innersten ,

In heiligster Einsamkeit verschlossen


Die Erinnerung ;
S ie reißt sich los ,

Und bricht hindurch


Durch alle Hallen
Und kalten tyrannischen V o rh o fe ;
Und schwingt der Freiheit goldnes Panier .

Im Schwinden erblinden die alten Kräfte ,

Verbinden entzünden sich freundliche Mächte


, ,

Und der Vorhang fällt ,

Und statt der Leere


Schaut uns das Auge an .

Sehr schön ist auch der symbolische Ausdruck fur


Wald Garten und Berg in dem so benannten Gedicht
, .

Der frische Morgenwind der die Blätter des Waldes


,

rührt un d die Bangigkeit verscheucht .

Wir rühren mit Zweigen


In den H immel hinein
Und spüren so eigen
Den glänzenden Schein .

Und die Waldbäume von spielenden Winden durch


,

rauscht und von den Waldvögeln d urch sun g en freuen ,

sich frisch bis in die Wurzeln hinein Jede Blume .

redet ihre besondere Sprache Bergstrom und Sturm


,

künden das hohe Lied des Lebens und die Geister der
Berge fühlen sich dem Sterblichen verwandt .

Von den Gedichten Tiecks haben dann noch z wei


eine ganz besondere Bedeutung und Bekanntschaft e r
308 IV . D ie Di ht ng
c u d er Romantik

worben d a sie d as Programm der roman t ischen Lyrik


,

am reinsten zum Ausdruck bringen sollen Beide sind - .

in der in Spanien besonders beliebten Form der Glosse


gehalten Die Glosse ist eine klangreiche stark ge
.
,

b un den e der Musik besonders nahest e hende Form des


,

lyrischen Ausdrucks S ie gibt d as Thema des ganzen


.

Gedichte s in der Form e iner vierzeiligen Strophe un d


in vier achtzeiligen Strophen von kunstvoller Reim
bildung wird dann immer eine dieser V e rsz e ile n des
Themas näher e ntfaltet und ausgeführt so daß der ,

t h ematische Satz j edesmal am Schluß der a usf uh re n d en


Strophe e rscheint .

Das erste dieser Gedichte stellt das Thema mit j enen


berühmten Versen die man gern als programmatisch
,

für die Romantik betrachtet hat :


Liebe denkt in suß en Tonen ,

Denn Gedanken st e h n zu fern ,

Nur in Tönen mag sie gern


Alles was sie will verschönen
, , .

Ein Gegner der romantischen D ichtung konnte


diese S trophe so auffassen als ob sie e ine Absage an ,

das Gedankliche an S inn inneren G e halt und ä st h e


, ,

t ische I dee bedeute Es könnte so aussehen als ob


.
,

ein bloßes Wor t und R eim g eklin g el ode r auch die Be


jah un g der äußeren schönen gefälligen Form ohne
Rücksicht auf inneren geistigen Zusammenhang ge
meint wäre Aber gerade das Gegenteil ist der Fall
. .

Die romantische Dichtung ist von tiefstem innerem


S inn erfüllt und getrage n nur daß dieser S inn wie in
, ,

jeder wahren Kunst heimlich und verborgen gegeben


,

ist Wohl aber betont diese Strophe den innigen Zu


.
3 10 IV. D ie Di ht ng
c u d er Romantik

g em aß im S inne des Eros glossiert was eine Ein ,

en g un g de s an sich s e hr viel reicheren Motivs bedeu t et .

Die Variation ü ber die erste V e rsze ile lau t et :


Liebe laßt sich suchen finden , ,

Niemals lern e n oder lehren ,

W e r d a will die Flamm en t z un d en ,

Ohne selbst sich zu verzehren ,

M uß sich reinigen der S unden .

Alles schlaft weil er noch wacht


, ,

Goldne Augen a u f ihn blicken ,

S chaut er trunken vor Entzücken



M o n db eg lan z te Zauberna cht .

Wenn man den romantischen Zauberwald gern hat ,

so muß man Ludwig Tieck besonders lieb gewinnen ,

denn er ist recht e igentlich der Di chter dieser Märchen


welt dieser phantasievollen z artb e se ele n de n Form
, ,

gebung Es ist das die Welt in de r auch einige der


.
,

schönsten Li e der von H einri ch H e in e wurzeln Die


"

Romantik kennt aber auch ein e Dichtergestalt die über ,

Tieck w e it hinausgeht und über d a s Z e itliche der R o


mantik hinweg das Ewige berührt hat : das ist die un
vergeßli che Ers cheinung von Novalis und wenn wir ,

an seine Lyrik denken so meinen wir beso n ders die


,


H ymn en an die Nacht Novalis war der Liebling
'

des romantis ch e n Kreis e s und so hat ihn denn auch


,

Tie ck in seinem Sonett e nkranz an die Freunde in dre i


Gedichten gef e iert Ich möchte m e inen daß das erste
.
,

dieser Gedichte so etwas von dem Dichtergeist d e s No


valis S piegelt :
Es steige n a lt e Kr ä fte aus dem Kerne ,

Und wurzeln in ihr stilles H erz z urü cke ,


D ie Lyrik d er Roman tik 31 I

Es gibt Natur uns tausend Lieb e sblicke ,

Damit der Mensch der Gottheit Liebe lern e .

I ch weihe mich dem großen Schauspiel gerne ,

Und wenn ich mich an vollem Glanz erquicke ,

Führt mich zum H immel e ine lichte Brü cke ,

Ich fühl in mir den Schwung der hohen Stern e .

Doch weilt mein Aug wenn h eit re Lüfte spielen , ,

Am liebsten a u f de r bunten Welt im Maien ,

A u sb lum e n d duftend und in Farben brennend


,
.

So liebster Fr e und das H öchste sanft erkennend


, ,

W i ll ich mich dein un d der Magie erfreuen ,

Den W un de rg eist in süßen Bild e rn fühlen .

Die H ymnen an die Nacht geb oren zu den schon


st e n was wir a uf dem Gebiet einer mystisch religiösen
,

Lyrik besitzen Die religiöse Idee welche dies Kunst


.
,

w erk e rfüllt ist die Ve rschmelzung des Endlichen mit


,

dem Unendlichen die Tilgung des Begrenzten und


,

Vereinzelten die Feier der Nacht als Symbol de r ab


,

so lut e n Einheit und Austilgung aller Ge nsätze D as


ge .

Kunstwerk gliedert sich in zwei H auptteile Der e rste .

handelt vom mystischen S chicksal der Einzels ee le im


V erhältnis zu Licht un d Nacht d e r zweite vom m y st i ,

schen Schicksal der Menschheit .

Die Nacht ist das Unbewußt e das Grenzenlose der , ,

Ursprung aller Dinge Alles tiefe Bedeuten aller g e


.
,

h e im n isv o lle r Sinn erwächst dem Schoß e der uralt e n


heiligen Nacht S ie ist das Prinzip der Vereini g ung
. .

S ie führt a l les was das Licht trennte zu trauter


, ,

Umarmung z usammm e n S ie lo sch t die Gegensatze


.

aus Sie ist Symbol des S c hweigens der grenzen


.

losen Einsamkeit ab e r sie fuhrt zur innigsten V e rein i


,
3 12 IV . D ie Di ht ng
c u d er Romantik

gung S ie trägt in sich das Geheimnis der Liebe un d


.

des Todes die Aufgehen in das Unendliche bedeuten


, .

Die Sprache der D ich t ung wechselt zwischen stark


rhythmischer bilderreicher Prosa und lyrischem Stro
,

p en b au Am Anfang steht die Apotheose des Lichtes


h
Welcher Lebendige sollte nicht d as Licht lieben ?„ Wie
. .

des Lebens innerste Seele atmet es der rastlosen Ge


stirne Riesenwelt und schwimmt tanzend in seiner
blauen Flut ; atmet es der fu nkelnde ewig ruhende ,

S tein die sinnige saugende Pflanze und das wilde bren


, ,

nende v ie lg e st alt ete Tier ; vor allem aber der herrliche


,

Fremdling mit den sinnvollen Augen dem schweben ,

den Gange und den z art g e sch lo sse n en tonr e ichen ,


Lippen .

Aber der Dichter wendet sich zu der heiligen un ,

a u ssp re ch lich e n geheimnisvollen Nacht Und nun er


,
.

klingt das Motiv ti e fster Einsamkeit Ode und Weh ,

mut Es nahen sich die Gestalten der Jugend „ in grauen


.


Kleid e rn w ie A b e n d n eb el nach der Sonne Untergang
,
.

Doch wir si nd nicht einsam mit unserer Liebe zur


dunklen Nacht D ie Nacht liebt uns wi e der S ie lindert
. .

unseren Schmerz mit des Moh ns köstlichem Balsam .

Wir fühlen uns u naussprechlich bewegt :


Ein ernstes Antlitz seh ich froh e rs chrocken das , ,

sanft und anda chtsvoll sich zu mir neigt und unt e r un ,

endlich v e rsch lun g e n e ri Locken der Mutter liebe Jugend



zeigt .

Die m ut te rlich e Nacht gib t dem liebenden Sohn die


liebe nde Gestalt der Mutter wieder so w ie sie sich d a ,

mals nach S ch la f en g eh en ü be r ihn genei g t Und noch .

ein anderes teures Bild nimmt das Antlitz der Nacht


an Sie sendet dem Liebe nden die zar t e Geliebte U n d

. .
1
3 4 IV . D ie D i h t ng
c u d er Roman t ik

sam m en die Wehmut in eine neue un erg run d lich e


fl oß
Welt ; du Nach b eg e iste run g Schlummer des H immels ,

kamst über mich : die Geg e nd hob sich sacht empor ,

über der Gegend schwebte mein entbundener n e ug e ,

b o re n e r G e ist Zur Staubwolke wurd e der H ügel durch


.
,

die Wolke sah ich die verklärten Züge der Geli e bten .


In ihre n Augen ruhte die Ewigkeit .

Im folgenden Hymnus kündet der Dich t er sein Wis


sen von dem letzt e n Morgen der e intreten wird wenn , ,

das Li cht nicht mehr die Nacht und die Liebe scheucht ,

wenn d er S chlumme r e wig und nur ein unerschöpflicher


Traum sein wird W e r die Wohnsitze der Nacht einmal
.

geschaut der v e rspürt kein e Neigung mehr dort zu


, ,

wohnen wo das Licht in ewiger Unruhe hauset Ge


, .

w iß wird d a s Licht noch weiter auf den Na ch t g e w e ih t en


wirken Es wird den Müden zur Arbeit locken Er
. .

w ird auch bereit s e in seine Herrlichkeit zu preisen ab er


, ,

treu d e r Na c ht bleibt sein geheimes H erz Denn was


vermag ihm das Licht zu ge b e n ?Wohl S chönh e it un d
.

G lanz aber kein e Liebe keine vertraute Nähe keine


, , ,

Ver e inigung kein e Erfüllung Auch h at d ie Na cht dem


,
.

Licht e mehr gegeben als das Licht der Nacht Die .

Nacht gewährt die höchste S eligkeit denn welche Wol ,

lust welchen Genuß bietet das Leben die auf w ö g e n


?
, ,

des Todes Entzückungen Alles was uns begeistert , ,

trägt d ie Farbe der Nacht Sie tragt auch da s Li cht .


,

und d a s Licht verdankt ihr seine H errlichkeit Es würde .

im unendlichen Raume zerge hen wenn nicht die Nacht ,

das Licht bände so daß es warm wird und fl am m en d


,

die Welt zeugt Die menschliche Seele war früher als


.

d a s Licht und einst wird auch des Lichtes S tunde ge


,

schlage n haben Dann vergeht alle Zeit und die Stunde


.
D ie Lyrik d er Romantik 31 5

der seligen R uckkeh r ist gekommen Immer mehr .

m ü ssen wir einsehen daß das Licht der Feind des alten
,

herrli ch e n H imme ls ist Vergeblich lehnt sich das


.

Prinzip des Endlichen und der Begrenzung gegen das


Prinzip des Unendlichen und Gr e nzenlosen a uf D ie .

ewige Nacht wird doch siege n :

H in ub e r wall ich ,

Und jede Pein


Wird einst ein Stachel
Der Wollust sein .

No c h we nig Z e it e n ,

So bin ich los ,

Und lieg e trunken


Der Liebe im S choß .

Unendliches L eb e n
Wogt mächtig in mir ;
Ich schaue von oben
H erunter na ch dir .

An jenem H ügel
Verlischt dein Glanz .

Ein Schatten b rin g e t


Den kühlenden Kranz .

O sauge Geliebter
, ,

Gewaltig mich an ;
Daß ich entschlummern
Und lieben kann .

Ich fühle des Todes


Verj üngende Flut ,

Zu Balsam und At h er
Verwandelt mein Blut .

I ch leb e bei Tage


3 6
1 IV . D ie Di ht g
c un d er Roman tik

Voll Glauben un d Mut


Und sterbe die Nächte
In heiliger G l ut “
.

Der zweite Teil der H ymnen an die Nacht handelt


von dem mystischen S chicksal der Menschheit D ie .

alte Welt stand unter der Herrschaft des Lichtes Da .

mals war die Erde un e ridlich ; der Götter Aufenthalt


un d ihre Heimat . Damals herrschte ein herrliches Gö t
t erg esch le ch t und ihre Verwandten war e n die fröhlichen
,

Menschen Wie schön w a r diese Z e it :


.

Des Meeres dunkl e grüne Tiefe war einer Gottin


,

Schoß In den kristallenen Grotten schwelgt e ein ü p


.

piges Volk Fl ü sse Bäume Blumen und Tiere hatten


.
, ,

menschlichen S inn S üß er schmeck t e der Wein von


.
,

sichtbarer J ug e n d f ulle geschenkt ; ein Gott in den T rau


ben ; ein e liebende mütterliche Göttin emporwachsend
, ,


in vollen gol denen Garben ; der Liebe h e il g e r Raus ch ,

ein süßer Dienst der sch o n st en Gö tte rf ra u .

Und diese schone Welt wäre vollkommen selig ge


wesen wenn sie ni c ht b e droht worden wäre durch das
,

entsetzliche Traumbild des Todes da s die heiteren Feste ,

de r Gotter und Menschen störte un d die schöne Liebe


mit Abschied und trauriger Trennung bedrohte Der .

Zustand des Toten erschien als ein matter Traum der


Ohnmacht und Verlassenheit D e nnoch ist es der Kuhn .

heit des menschlichen G e istes damals in der antiken


S ch on h e it sw e lt gelun g en auch mit dem S ch re ckg e
,

spenst des Todes fertig zu werden wenigstens so weit , ,

d aß es dem griechischen Geiste gelang das furchtbare ,

Antlitz des Todes zu mildern und zu verklaren :


318 I V . D ie Di ht ng
c u d er Roman tik

Welt zu walten dort bis zum Ausbruch der tagenden


,

\Ve lt h e rrlich ke it .

Die lichten Go tt erg est alt e n verschwanden S ie ver .

bargen sich im Schatten der Nacht Und aus dem .

D unkel der Nacht aus dem tie fen Schoße ewiger Ge


,

h eim n isse tönten die neuen O ffenbarungen In dem .

Schoß e der ewige n Nacht waren die alten Gö tte rg e


st alt e n zur Ruhe gegangen um in neuer Form sich ,

wieder auszubreiten üb e r die ve rwandelte Welt In .

einem verachteten Volke d a s früh gerei ft der seligen


, , ,

Unsc huld der Jugend fremd geworden war e rschien ,

mit nie gesehenem Antlitz die neue Welt Jesus wurde .

geboren und die blütenreiche Weisheit d e s Morge n


,

landes huldigte ihm mit Glanz und D uft den höchsten ,

Wundern der Natur Von ihm ging ein neues Leben


.

au s und die fröhlichste der Botschaften Und nunmehr .

o ffenbart Novalis den geheimnisvollen Zusammenhang


zwischen der alten und der neuen Welt Von den hei .

te ren Kusten Grie c henlands kam ein Sänger nach


Palästina gezogen und verkündete daß Jesus der Tod ,

sei j ene r schöne Tod den die griechischen Meister ge


, ,

bildet um das entsetzliche Traumbild von Vergehen


,

und Abschied zu überwinden der sanfte Jüngling


mit gesenkter Fackel der das Licht auslöscht
, .

Der Jüngling bist du der seit langer Zeit ,

Auf unsern Gräbern steht in tiefe m Sinnen ,

Ein tröstli c h Zeichen in der D unkelheit ,

Der höheren Menschheit freudig e s Beginnen ;


W as uns gesenkt in tief e Traurigkeit ,

Zieht uns mit s üß er Sehnsucht nun von hinnen .


Im Tode ward das ew g e L eben kund :
Du bist der Tod und machst uns erst gesund
,
.
D ie L yrik d er Roman tik 1 9

Und bald nach des S angers Abschied m uß te der lieb


liche Mund des H errn der unsäglichen Leiden dunklen
Kelch leeren Er rang mit des alten Todes S chrecken
.
,

und der Druck de r alten Welt lastete schwer auf ihm ,

der Bringer einer neuen Welt und eines neuen Todes


war Noch einm al sah er freundlich auf seine Mutter
.
,

d a kam der ewigen Liebe lösende H and und er ent ,

schlief Aber dann ist Jesus auferstanden und w ir alle


.
,

habe n an dieser Auferstehung Anteil .

Von den beiden weihevollen Gedichten geistlichen


Charakters mit denen die Hymnen an die Nacht sch lie
,

ßen feiert d a s erste die Auferstehung die den Tod zu


, ,

einem H ochzeitsfest gemacht h at Nun gibt es keine .

Trauer der Liebe mehr denn es gibt keinen Abschied ,

von der Liebe Unser Leben schreitet zu einem ewigen


.

Leben hin Die Liebe ist nicht mehr ge fesselt und g e


.

bunden D ie Liebe ist freigegeben und es gibt keine


.
,

Trennung mehr D as zweite Ge dicht handelt von der


.

Sehnsucht nach dem Tode Es gehört zu den schönsten .


,

die Novalis geschrieben Vielleicht wa r es niemals .

einem D ichter mit der Sehnsucht nach dem Tode so


ernst wie Novalis D ie j unge Ge liebte hat er verloren
.
,

un d die fromme Vorzeit kehrt nicht wieder d a Gott ,

den Menschen so nahe war Und so sehnt er sich fort .

aus des Lichtes Reichen Er preist die ewige Nacht .

un d den ewigen S chlummer Der lange Kummer hat .

un s welk gemacht Was sollen wir liebende Menschen


.

noch auf diese r Welt die das Große und Schön e der
,

Vergangenheit herabsetzt :
O " Einsam steht un d ti e fbetr ü bt ,

Wer heiß un d fromm die Vorzeit liebt .


32 0 IV . D ie D i ht ng
c u d er Romantik

Und doch war die Vorzeit so schon Damals kannten .

die Menschen noch d a s Angesicht Gottes und glichen


in ihrer frommen Einfalt noch ihrem e igenen ewigen
U rb ild e Damals prangten blütenreich uralte Stämme
.
,

und Kinder waren so liebre ich und so opferbereit d aß ,

sie nach dem Martyrium für das H immelreich v e rlan g


ten Gewi ß waren die Menschen damals auch lebens
.

froh aber sie waren auch so groß und mächtig in ihrer


,

Liebe d aß sie ohne den Besitz des Ge l iebten nicht z u


,

leben vermochten .

Und wenn auch Lust und Leben sprach ,



Doch manches H erz vor Lieb e brach .

In j ener heiligen Vorzeit hat sich Gott den Menschen


unmittelbar o ff enbart und in der Kraft und Juge ndglut
se iner Liebe sein süßes Lebe n einem frühen Tode g e
weiht Diese fromme Vorzeit ist in dunkle Nacht ge
.

hüllt Sie hat hier auf Erden keine Stätte mehr :


.

Wir mussen nach der H e imat gehn ,

’ “
Um diese h eil g e Ze it zu sehn .

Wir haben d a s Liebste verloren und deswegen auch


nichts mehr auf Erden zu suchen Wi r gehör e n dort .

hin w o unsere Liebe weilt Und da haben wir in unserer


, .

S ehnsucht plötzlich die Empfindung als ob wi r von ,

einer anderen Welt angeweht wären :


Unendlich und geheimnisvoll
Durchströmt uns süßer Schauer ;
Mir deucht aus tiefen Fernen scholl
,

Ein Echo unserer Trauer .

D ie Lieben sehnen sich wohl auch ,

Und sandten uns der Sehnsucht Hauch .


32 2 IV . D ie Di ht ng
c u d er Roman tik

Wer in das Bild v e rg an gn er Zeiten


Wie tief in einen Abgrund sieht ,

I n we lchen ihn von allen Seiten


Ein süßes Weh hinunterzieht .

Wenn vor diesem einsame n Menschen die Zukunft


so entsetzlich lang und bang dalie g t und er in w ildem
Unges t üm sich selber sucht und nicht findet : dann naht
sich ihm als Freund der sanfte D ichter un d gesteht
ihm daß er selber genau so gelitten und empfunden
, ,

bis er ihn gefunden hatte der den einsamen Menschen


,

allein trösten kann und wo m an ewig ruht .

Und in einem anderen schönen Lied verk ü ndet der


D ichter da ß von tausend frohen S tunden die er im
, ,

L eben gefunden h at war doch d as H erz dieses


liebenswü rdigen D ichters auc h a n Freuden so reich
n u r eine ihm getreu geblieben namlich diese eine wo , ,

er unter tausend S chmerzen e rfuhr d aß der H err für ,

uns gestorben sei .

Eins der schönsten unter d en geistlichen Lied e rn ist


j enes da der D ichter seine unwandelbare Treue zur
,
.

geliebten Gestalt des H errn bekennt ein Zeugnis wahr ,

hafter J un g e rsch a f t :

Wenn alle untr e u werden ,

So b l eib ich dir doch treu ;


D aß Dankbarkeit auf Erden
N icht ausgestorben se i .

Für mich um fin g dich Leiden ,

Vergingst für mich in Schmerz ;


D rum geb ich d ir mit Fre uden
Auf ewig dieses Herz .
D ie Lyrik d er Rom n tik
a
32 3

Novalis ist nicht nur der D ichter d e r Trauer der ,

Todessehnsucht und der e rnsthaften geistlich e n K lan g e ,

er h at auch das H eitere un d F re ud ig e des irdischen


D aseins gelieb t und besungen Auch war seine Seele .

nicht schmerzhaft von Melancholie um dü ste rt wie die


Seele L en aus Aus dem Gedanken des Todes und de s
.

Vergehens sog er unendliche Wollust Zu den Ged ich .

ten deren Geist auf freudige Lebe nsbej ahung gestellt


,

ist gehören vor allem Der Frühling un d Klingsors


,

prächtiges Weinlied In dem ersten Gedicht ist das


.

allmählich Werdende D ämmernde das zögernd sich


, ,

Nahende des F rüh lin g s und der Liebe auf den schön
sten Ausdruck gebracht Der D ichter sieht wie die .
,

Wiesen grünen der Wald immer dunkler wird Er


, .

fühlt die Milde der Luft e r spürt den Wohlgeruch auf


,

allen Wegen und den süßen S chall der Vogelstimmen ,

abe r er weiß ni c ht was ihm damit geschieht und was


,

das alles bedeutet .

Es quoll und trieb nun ub e ra ll 1

Mit L eben Farben Duft un d Schall ;


, ,

S ie s chien e n ge rn sich zu ver e in e n ,

Daß alles mochte lieblich s ch e inen .

Ich wußte ni cht wie mir geschah , ,

Und wie das wurde was ich sah “


, .

Was ist der Sinn aller dies e r reichen und rat selh a fte n
?
Vorgänge O ff enbart sich ein neuer Geist ?Beginnt
eine n eue Welt die sich dadurch dokum e nti e rt daß
alles Gescha ffene um eine Stufe erhöht wird ?Der
, ,

lockere Staub wird zum Gesträuch d e r Baum nimmt ,

tierische Gebärden an und das Tier soll gar zum Men


schen werden Und wie der Dichter sinnend diese
.
32 4 IV ,
D ie Di ht ng
c u d er Romantik

Wandlung erw ä gt begegnet ihm eines freundlichen


,

Mädchens liebliche Gestalt und nimmt Herz un d Sinn


ihm gefangen Und als der Wald sie beide um fin g un d
.

vor den Strahlen de r Sonne verbarg d a wurde es dem ,

Dichter d eutlich daß es Fr ü hling sei un d auch d ie


,

Menschen sich hoher wandeln sollte n zu seligen Gö t


tern .

Nun w uß t ich wohl was mir geschah , ,



Und wie das wurde was ich sah , .

Und schließlich das prächtige Weinli e d Klingsors ,

das den Gott im Wein besingt und seinen Werdegang


schildert dessen A n f an g sst roph e lautet :


,

Auf grunen Bergen wird geboren


Der Gott der uns den H immel bringt ;
,

D ie Sonne hat ihn sich erkoren ,

Daß sie mit Flammen ihn durchdrin g t .

Zahlreich ist der Kreis von D ichtern die mehr oder , —

weniger selbständig d a s Traumlied d e r Romantik g e


sungen Wir wollen hier nur noch einen besonders er
.

wähnen Clemens Brentano der der j üngeren Gene


, ,

ration angehört un d gemeinsam mit seinem Freund


Achim von Arnim j ene berühmt e Sammlung alte r d e ut
scher Lieder herausgegeben h at die Des Knaben W un ,

d e rh o rn betitelt ist Wäh rend es sich in der berühmten



.

Volksli e de rsammlung von Herder um die Lieder de r


verschiedensten Völker vom warmen weichen Suden , _

bis zum hohen Norden handelt bringt „ Des Knaben , _


Wunderhorn nur alte deutsche Lieder Die H eraus .

gabe ist nicht philologisch kritisch erfolgt Die beiden


-
.

Dichter sammelten volksmäß ige Lieder die ihnen schön ,

un d beme rkenswert erschienen Es handelt sich dabei .


32 6 IV . D ie Di h t ng
c u d er Romantik

Er verweiger t ihr den Tanz mit dem H inweis auf seinen


morgigen Hochzeitstag S ie bietet ihm g ulde n e Sporen .
,

ein Hemd von weißer Seide un d einen H aufen Goldes ,

doch er weist sie z uruck D a w un sch t sie ihm Seuche .

un d Krankheit .

einen Schlag ihm auf sein Herz


S ie t at
No c h nimmer fühlt er solchen Schmerz .

Und als er nach H ause kommt sieht ihn seine Mutter ,

so blaß un d bleich Er sagt ihr daß er in Erlkönigs


.
,

R eich gewesen Nun gibt es keine Rettung mehr


. .

Die Braut hob auf den Scharlach rot ,


D a lag H err Olaf und er w ar tot ,
.

Das Lied vom eife rsuch t ig e n Knaben findet sich schon


in H erders Volksliedern Es ist das Lied von de r Un .

treue von dem Mädchen d as zwei Knaben lieb gehabt


, ,

hat un d beginnt mit den Worten :


Es st eh n drei Sterne am H immel ,


Die geben de r Lieb ihren S chein .

D rastisch aber doch nicht ohne Anmut ist das Lied :


,


„Geh du n ur hin ich h ab mein Teil das von zwei
, ,

Liebesleuten handelt die einander mude ge w orden ,

sind un d der tiefe Kummer über die V e rg an g lich ke it


,

der schönen Lieb e zittert in dem kleinen nur leise an ,

d e utenden Gedicht :
Laß rauschen Lieb laß rausch e n , ,
.

Wenn wir aber die Frage aufwerfen welches Gedicht ,

wohl d as schönste der ganzen Sammlung sein möchte ,


so zög e re ich nicht die Ed e lko n ig s Kinder zu nennen
, , .
-
.
D ie Ly rik d er Roman tik 32 7

Es handelt sich eine Neubildung des H ero und


um

L ean d e rm o t iv s das hier in der mittelalterlichen Welt


,

erscheint Alles qualvolle Leid der Trennung zittert


.

in der A n fan g sst rop h e die ganz schlicht und einfach


,

die Lage der beiden Liebenden s childert :


Es waren zwei Ede lko n ig s Kinder -
,

Die beiden sie hatten sich lieb


, ,

Beisammen konnten sie dir nit kommen ,


Das Wasser war viel zu tief .

Die K o n ig sto ch te r fordert den Liebsten au f zu ihr ,

herüberzuschwimmen un d damit er den Weg über das


,

dunkle Wasse r finde zündet sie ihm drei K e rz le in an


,
.

Aber ein loses Nönnchen die heimliche Aufpasserin , ,

blies die K erz le in aus und der Jüngling versank so


tief Und da er nicht kommt bittet die Königstochter
.
,

ihre Mutter noch am späten Abend am See spazieren


,

gehen zu d ü rfen d a das Haupt ihr so weh tut D ie


, .

M utter will sie nicht all e in gehen lassen aber das Magd ,

lein weist Schwester un d Bruder a ls B egieit un g zurück .

S ie sind no c h so klein man soll sie nicht wecken Sie


, .

will allein gehen Unten am See findet sie e inen Fischer


.
,

der seine Netze auswirft S ie weiß i n ihrem liebenden .

Herzen alles was geschehen ist un d so sagt sie dem


, ,

Fischer :
Fisch mir doch einen Toten ,

Er ist ein Ede lkö n ig s Kind -
.

Und da der Fischer den Toten an das Land gezogen hat ,

endet das Gedicht mit der rührend schlicht e n S trophe :


S ie nahm ihn in ihre Arme ,

Und küßt ihm sein e n Mund :


32 8 IV . D ie Di h t g
c un d er Ro m an tik

Adie mein Vater und Mutter


, ,


Wir sehn uns nimmermehr .

Aber Clemens B rentano hatte nicht nur ein tiefes


Verständnis für die alt e n deutschen Volkslieder er h at ,

auch selber einige sehr schöne Gedichte im Volkston


gedichtet un d so mögen am Schluß dieser unserer B e
,

t rach tun g der romantischen Lyrik z wei Gedichte a u s der


leid e r unvollendet geblieb e nen „ Chronika eines fahre n

d e n S chülers erwähnt sein Das eine d as Lied der
.
,

L au re n b u rge r Els ist e in Lied des V erla sse n se m s d as


, ,

andere d a s Lied des sch eidenden Ritters ist ein Lied


, ,

von Abschied und Wiedersehn D as Lied der Lauren


'

burger Els erklingt des Nachts am Spinnrocken un d


wird von dem Gesang der Nachtigall begleitet Das .

Lied ist s c hli cht und einfach von tiefer Traurigkeit


,

erf ü llt :
Es sang vor langen Jahre n
Wohl auch d ie Na c htigall ,

Das war wohl s üßer Schall ,

Da wir zusammen waren .

Ich sing un d kann nicht weinen


Und spinne so allein


D en Faden klar un d rein ,

S o lang d er Mond wird scheinen .

Da wir zusammen waren ,

D a sang die Nachtigall ,

Nun m ah n et mich ihr S chall ,

Daß du von mi r gefahren .


3 30 IV . D ie Di h t ng
c u d er Rom a ntik

Leg es in Linnen die d u gewebt ,


-

Zu B lumen die du g ep fl ü cket


, ,

Stirb m it daß wenn es die Äuglein hebt


, , ,


Im H imme l es dich erblicket .

Und dann die Vorste llung der unzerstörbaren seligen ,

Unschuld des Kindes das die fremde und kalte Welt


,

nicht kennen l e rnt das nur au f die Mutter schaut d a s


, ,

nur für die Mutter d a ist mag es nun gleich mit der ,

Mutter gehn oder ihr bald nachfolgen :


So lallt zu dir ein frommes H erz ,

Und nimme r lernt e s S prechen ,

Blickt ewig zu dir blickt himmelw ä rts ,


Und will in Freuden brechen
"

Und ganz wundervoll und echt v o lksm aß ig die Schlu ß


strophe mit ihrem lieblichen Widersinn und Doppel
sinn daß das Wiedersehen so fern und das Scheiden
,

so nahe geht :
B rich tsnicht in Freud b rich t s doch in Leid , ,

B richt es uns allen beiden .

Ach Wiedersehn geht fern un d weit ,


Und nahe geht d a s S cheiden .

D as ro man t s c e i h M a rch e n
Wenn schon das Reich der Kunst die Sph ä re des Un
wirklichen ist so bedeutet die Märchenwelt das U n
,

wirkliche im Unwirklichen Die romantisch e Di c htung .


,

d ie dem Naturalismus entgegengesetzt ist bedeutet an ,

sich schon durch ihre Kraft der V e ridealisie run g un d


in dem Wunsche das ganze Leben zu poetisieren ein
, ,
Das romantis h Mä r h nc e c e
33 1

hohes M aß von Wirklichke i tsfern e Auch im Roman .

un d in der Erzählung hat d as Wunderbare u n d Über

natürliche sein Recht So möchte es schwierig e rsch e i


.

nen eine scharfe Grenze zwische n der romantischen


,

Erz ä hlung als Novelle und Roman und dem roman ,

tischen Marchen zu zi e h e n D as e ine geht wie es .


,

scheint in das andere über Und doch läß t sich prin


,
.

z ip ie ll wohl b e haupten daß die epische Erzählung so


, ,

fern sie nicht Märchen ist immer ein e Beziehung zur


,

Wirklichk e it bewahr e n wird sofern die Gesetze des Da


,

seins un d des Leb e ns in Kraft bleiben Wohl kann es .

in der romantischen Erz ä hlung geschehen d aß die übe r ,

sinnliche Welt in die sinnliche Welt eintritt und so zum


Phänom e n des Wunderbar e n führt denn d ie übersinn ,

liche Welt ist für den Romantiker eine absolute Gewiß


heit aber au c h d ie übersinnli che Welt unterliegt einer
,

strengen Gesetzm ä ßigkeit deren Zusammenhang mit


,

den Gesetzen d e r S innenwelt uns im einzelnen verhüllt


und verschleiert bleibt Das Märchen beginnt erst dort
.
,

wo die Gesetze der r e al e n Welt v o llko m m erf aufgehoben


sind wo die S teine reden u n d die Tiere denken und
,

Raum und Zeit ihre Bedeutung einbüßen wo d ie Ge ,

schöpfe dieser Welt dem Gesetz der Schwere nicht


unterliegen und alle Schranken und Banden dahin
sinken S ie beginnt auch dort wo Fabelwesen Ge
.
, .

schöpfe von seltsam fremder Organisation welche die ,

Welt der Erfahrung nicht k e nnt sich mit S e lb stv e r ,

s t ä n d lic h ke it in dieser Welt g e ltend machen wie Riesen , ,

Zauberer Zwerge und Fee n Währ e nd in der epischen


, .

Erzählung die nicht Märchen ist das Wund e rbare als


, ,

etwas Fremdes und Rätselhaftes aufgefaßt wird ist im ,

Märchen das Wunderbare und Übernatürliche das


3 32 IV . D ie Di h t ng
c u d er Roman tik

und vielmehr das Naturlieb e un d


S e lb stv e rst a n d lich e
Alltägliche das Unverständliche Diese Unterscheidung .

scheint bei dem großen Roman von Novalis „ Heinrich


von O fterdingen hinfällig zu sein d a hier ja augen ,

s ch e in lich alle Gesetze der natürlichen Wirklichkeit au f

gehoben werden Aber bea chten wir ausdrücklich


.


dies Werden Ursprünglich stehen die Gesetze des
.

W irklich e n vollkommen in Kraft und die Menschen ,

bewegen sich auf natürlichem Boden bis vor der ,

tieferen S chau des Lebens w ie sie d em Di chter geg eben


,

ist die übersinnlich e Welt die Welt der wahrhaften


,
.

Poesie sic h so stark g e ltend macht d aß d ie bloße


, ,

S innen w elt immer mehr vers c hwindet In dem Roman .

des Novalis handelt es sich weniger um Fabelwesen als


vielmehr um Fabel selber Das ist der Name unter dem .
,

die ewige Poesie im Märchen Klingsors erscheint .

Wenn nun aber das Märchen auch die w irklich ke it s


fremdeste aller Kunstformen ist so d aß man sagen ,

kann d as Märchen hebt die Wirkli c hkeit und d as un s


,

bekannte und gewohnte Leben vollkommen auf so be ,

steht die Kunst de s M ä rch e n e rz ä h len s auch wiede r


darin d as Unglaublich e glaublich d as Unnatürliche
, ,

natürlich zu machen und d as Unwahrscheinliche und


Unmögliche so darzustellen d aß e s natürlich und mög ,

li ch klingt .

Wir woll e n die M a rch en p oe sie der Romantik die ,

unerschöpflich reich ist uns an drei Beispielen vor ,


Augen führen und wahlen dazu : D ie Seel e von Lud
wig Tie ck das Marchen von H yazinth und Rosen
, „

blüt e von Novalis und Go ckel Hinkel un d Gackele ia ,

von Brentano Diese drei Di chter sind für das roman


.

tische Märch e n und die erwähnten Märch e n auch m ehr


3 34 IV . D ie Di ht ngc u d er Romantik

st ren g un g ,und p lo t zlich sprang ein ganz kleines graues


Mäusche n aus dem halbgeö ffneten Munde Der H erzog .

blieb wie tot daliegen und regt e sich nicht mehr Das .

kleine M ä uschen sah sich neugierig um un d sch lup f te


dann ein Stückchen in den Wald hinein j edoch nicht ,

allzu weit so d aß der Knappe sich entschloß dem Tier


, ,

chen zu folgen Bald mußte das Mäuschen halt machen


.
,

denn es gelangte an ein Wässerchen das ein Kind ,

leicht überspringe n konnte für das kleine Tier aber den ,

Eindruck e ines breite n S tromes machen mußte Ä n g st .

lich lief es bald nach rechts und bald nach links Da .

half ihm der gutmütige Knappe indem er seinen H irsch ,

fänger aus der S cheide zog und die blanke Scheide


über d a s Bachlein legte D ie Maus ging behutsam übe r .

den blanken glatt e n Stahl worauf sie dann bald in eine


,

,

kleine H öhle sprang die sich in einem grün bemoosten


,

Fels ensteine zeigte Der Furst lag noch immer tot


.

dicht hinter dem Knappen der angstlich den Ausgang ,

abwartete Da wohl s c hon m e hr als e in e Viertelstunde


.

v e rfl o sse n war und er seinen Degen wieder einstecke n

w ollte springt das kleine Wesen mit glänzenden Augen


,

wieder aus dem Gebüsch hervor sieht sich um setzt , ,

die netten Beine prüfend auf den Stahl und wandelt


behutsam bis an den Gri ff De r Knappe Gottfried .

nimmt seine Wa ff e und die Maus re nnt zum H erzog


,

zurück Der Diener überlegt ob er sie nicht fassen soll


.
, ,

d a es ihm unziemlich dünkt daß die kleine Maus in ,

dem Gesicht des H erzogs herumspaziert Aber b e v or .

er es verhindern kann ist d as Mäusch e n s chon wieder


,

in den Mund des Herzogs zurückgelaufen der wieder ,

zu läche ln und zu atmen beginn t Der H erzog erwacht


und erzählt seinem Knappen den seltsamen Traum ,
Das roman tis h Mä r h n c e c e
33 5

den er g e t raum t Ihm tr ä umte er ginge in einen dichten


.
, ,

dunklen Wald Doch war alles so seltsam verändert


. .

Das Gras w ar zu hohen dicken Binsen geworden die , ,

sein H aupt weit überragten Ungeheure Büsche sch lu .

gen über ihn zusammen Er hörte ein gewaltiges Tosen


.

un d Brüllen wie vo n W a sse rfl ut en und sah sich einem

breiten Strom gegenüber den er kaum überblicken ,

konnte Er eilte hin und her um ein Fahrzeug ode r


.
,

eine Brucke zu erspähen denn ein dunkles Gefühl sagte


,

ihm e r müsse den Fluß unbedingt überschreiten Plötz


, .

lich geschah etwas Wunderbares : eine große und breite


Br ü cke aus reinem S piegelblankem geschli ffenem Stahl
, ,

legte sich uber den Strom ohne Geländer un d B rust ,

wehr blinkend un d glänzend im Sonnenschein Vor


, .

sichtig betrat er die glatte Bahn und kam glücklich hin


über Jetzt geriet e r in eine geräumige Felsenhöhle
un d was erblickte er dort ?
.

H ohe Tonnen die dick mit ,

Goldstücken angefüllt waren Schwere Goldbarren .

lagen a u f dem Boden v e rmischt mit dem köstlichste n


,

Gestein von aller Art und von allen Fai b e n Lange .

verweilt e er in dem verzauberten S c hatzgewölbe um ,

sich alles genau zu merken Er war von Furcht erfüllt .


,

ob die Brücke wohl noch daliegen wurde Richtig .


,

sie w a r nicht verschwunden Und dann den langen .

Gang zurück un d schließlich die Einsi cht daß alles ein ,

Traum gewesen Es war nur die Fortsetzung des Ge


.

sp rä c h e s das er mit seinem treuen Knappen Gottf ried


,

ü ber den verborgenen Schatz geführt Die Begierde .

danach begleitete ihn in den Schlaf hinein Gott fried .

abe r ist stumm und starr un d schütte lt mit dem Kopfe .

D e r gute Mann war in seinem poetischen Erstaunen


nur darüber verlegen wie e r es seinem Herrn erö ffnen
,
3 36 I V D ie
. Di ht ng
c u d er Roman tik

solle daß er ihn selber als Maus aus seinem Korper


,

habe auswand e rn sehen Er faßte sich endlich ein Herz .

und erzählte alles was er erlebt hatte Dann gingen


, .

sie die wenigen S chritte und sprengten mit ihren Schwer


tern die Öffnung der Höhle um sie zu erweitern un d ,

fanden einen unermeßlichen Schatz von Gold un d Ede l


stei n en Der H erzog blieb als Wächter zurück Der
.
"

Knappe eilte in die Stadt und holte Rosse Geschirre , ,

Wagen un d getreue Diener Man brauchte einen .

ganzen Tag um alle Kleinodien aufzuladen So w urde


, .

dieser burgundische H err der reichste Fürst un d de


m ü t ig te alle seine Feinde .

Das Groteske dieses M ä rchens liegt in der Vor


stellung daß die Seele des H erzogs die Gestalt einer
,

kleinen grauen Maus annimmt sich im Schlaf a uf ,

Wanderung begibt und nunmehr alle D inge ent ,

sprechend ihrer Kleinheit so viel großer und mächtiger


erschaut Besonders aber auch darin daß der treue
.
,

Knappe Gottfried alles sehen kann was die Seele se ines ,

H erzogs unternimmt .

Novalis Märchen von Hyazinth un d R o sen b lut e ist


von allem Zauber der Poesie umgeben Es erzählt von .

einem wunderlichen Jungen der sich uber nichts un d ,

wieder nichts grämte der immer still und einsam ging,

und saß u n d wenn die Gefährten spielten seltsamen


, ,

D ingen nachhing Wald un d H öhle waren sein lieb


.

ste r Aufenthalt Er sprach mit Tieren und Vögeln


.
,

mit Bäumen und Felsen nat ü rlich nichts Vernünftiges , ,

sondern lauter närrisches Zeug Er war immer .

kummervoll obwohl die ganze Natur bemüht war ihn


, ,

zu zerstre uen D ie Rose schlich sich freundlich hinter


.

ihn herum kroch durch seine Locken un d der Efeu


, ,
3 38 I V Die
. Di ht g
c un d er Roma tik n

Schuler ein Buch mit geheimnisvollen Zeichen hinter


lassen hatte Er hat sich damals wenig um Rosen
.

b lü t ch e n g e kum m e rt un d ist imm er für sich geblieben .

Einmal aber kam er nach Hause und war wie neu


geboren Er fiel seinen Eltern um den Hals un d
.

weinte Er m uß fortgehe n um gesund zu werden Er


. .

hat d as B uch des Zauberers ins Feuer geworfen Und .

e r erklärt den Eltern : Vielleicht komme ich bald viel


_ ,

leicht niemals wieder Gr üßt R o se n b lü t ch en Er hätte


. .

sie gern noch gesprochen aber eine unbestimmte Sehn ,

sucht drangt ihn in die Ferne D ie Ruhe isr fort .


,

H erz und Li e b e mit Er will dorthin wo die Mutter


.
,

der D inge wohnt die V erschleierte Jungfrau Nach


, .

ihr verlangt sein Gemüt S eine Eltern w ehklagten .


,

und R o se n b lut ch e n weinte bitterlich H yazinth eilte .

fort über Berge und Wildnisse dem geheimnisvoll en


Lande zu Tiere Pflanzen und Felsen fragt e er nach
.
,

der heiligen Göttin Isis Nirgends erhielt er Bescheid. .

Anfangs ging er durch ra uh e s Land dann d urch ,

glühenden Wüstensand Allmählich le g te sich seine .

innere Unruhe Er wurde sanfter und das gewaltige


.

Treibe n in ihm verw andelte sich in einen leisen aber ,

starken Z ug in den sein ganzes Gemüt sich auflöste


, .

Es lag wie viele Jahre hinter ihm Nun wurde die .

Gegend reicher und mannigfaltiger S ie schien z u ihm .

zu sprechen aber e r verstand ihre Sprache nicht


,
.

Immer höher wuchs j ene süß e Sehnsucht in ihm immer ,

breiter und saftige r wurden die Blätter immer heißer ,

seine Liebe D ie Z e it ging immer schneller als sähe


.
,

sie si c h n ah am Ziele Seltsamen Blumen begegn e te


er die er nach dem Wege fra g t S ie antworteten ihm
, .
,

e r solle n u r immer aufwärts gehen Und endlich kam .


Das romantis h Mär h n
c e c e
3 39

H yazinth zu d e r langg e su chten W ohnung die unter


'

Palmen versteckt lag Die süßeste Bangigkeit durch


.

drang ihn in dieser Behausung der e wigen Jahreszeiten .

Unter himmlischen Wohlgerüch e n entschlummerte e r ,

weil ihn nur der Traum in das Allerheiligste führen


konnte Der Traum führte ihn dur ch unendliche Ge
.

m ä ch e r . Überall erklang Musik Alles schi e n ihm .

so b ekannt und doch in nie ges e hener H errlichkeit .

D a schwand auch der ie t z te irdische Anflug wie von


der Luft ve rzehrt und er stand vor der himmlischen
,

Jungfrau Er hob den l e i chten glänz e nd e n S chleier


.
,

und R o sen b lü t ch en sank in s e ine Arm e .

Und so woll e n wir es niemals v e rgessen daß die ,

Liebe d as Fernste mit dem Nächst e n verbindet d aß sie ,

reich ist an wertvollen Geheimnissen wie d a s ver


s ch le iert e Bild zu Sais Der Liebende von reiner
.
,

Sehnsucht b e wegt darf es enthüllen allen anderen


, ,

droht es Gefahr und Untergang W ie seltsam das .


,

Glück der Nähe zu fliehen um es in weiter Ferne wieder


,

zu gewinnen .

D a s Märchen Brentanos von Gockel H inkel und ,

Ga cke le ia

o ffenba rt alle Vorz ü ge dies e s glänzenden
Erzählers Es beri chtet von dem alten Go ckel von
.

H anau , sein e r F ra n Hink e l und s e iner Tochter


Gacke le ia Der edle Gockel von H anau hatte seine
.

Stellung als Fasanen und H ü lm e rm in iste r bei dem


benachbarten König von Gelnhause n verloren Er war .

in Ungnade gefallen und m ußte si ch mit Frau und Kind


in sein altes S tam m sch lo ß zurü ckziehen das tief im ,

Walde gelegen w a r Außer s e in e r Frau H inkel von


.

H e nn e gau und seinem Tö cht e rchen Gacke le ia be


g le ite t e n ihn sein Stammbahn A lekt ry o und die
3 40 IV . Die D i htung
c d er Roman tik

Gallina Der alte Gockel von Hanau trug


S t amm h e n n e .

se i n Schicksal mit V V
ü rd e aber Frau H inkel un d
°

Gacke le ia konnten die Herrlichkeit von Gelnhausen


nicht vergessen wo immer ein Haus um d as andere ein
,

Bäcker oder F l eisch e rladen war Und ihr neues H eim .

mochte wohl auch nicht so ganz nach ihrem Geschmack


sein : Ihre Wohnung war in einem alten Schloß ,

woran nichts auszusetzen war denn es war nichts darin , ,

aber viel e inzusetzen nämlich Tür und Tor un d F em


,

ster Mit frischer Luft und Sonnenschein un d aller


.

lei Wetter war es wohl ausgerüstet ; denn das Dach


-

war eingestürzt un d die Treppen und Decken und



Böden auch Allerlei Vöge l nisteten in dem alten
Schlo ß die mit ihrem Gesang die edle gr ä fliche Fa
,

mi lie e rfreuten aber auch eine böse Katze hauste d a


,

drin Die gräfliche Familie lebte im H uh n ersta ll als


.

dem einzig bewohnbaren Teil des alten S chlosses .

Alekt ry o ist S ch loß h aup t m an n und hat in A b w e se n


heit des Grafen alles zu b e aufsichtigen und das Stamm
h uh u Gallina ist zur S ch lü sse ld am e ernannt Frau .

H inkel und Gackeleia die es mit ihren Pflichten nicht


,

so genau nehmen und etwas zur Trägheit neigen ,

mussen von dem tüchtigen Alektry o manchmal er


mahnt werden so daß sie in e ine feindselige Stimmung
,

ihm gegenüber geraten Als nun der Graf Gockel ein .

mal auf längere Zeit von dem alten Schloß entfernt


war um dem M ä usep rin ze n und der M ä usep rin zessin
,

zur Rückkehr in ihre H eimat zu verhelfen steckte die ,

törichte Frau H inkel den braven S ch loß h a up t m an n


in einen Sack hinein um seiner Beaufsichtigung zu ent
,

gehen Und da geschieht das große Unglück Durch


. .

Verschulden der kindischen Gacke leia wird Gallina das ,


342 IV . D ie Di h t ng
c u d er Roma t ik
n

wohl der Glanzpunkt des M ä rchens Eine Fulle von .

Poesie liegt darüber ausgebreitet Die ritterliche Ges t e .

wird hier in das ganz Kleine Puppenhafte gezogen ,


.

D ie D arst e llun g des Tragikomischen ist dem D ichter a us


gezeichne t gelungen Ri c hter ist Graf Gock e l Er
. .

erö ff net den Gerichtstag mit den Worten :


Ich pflege und hege ein rechtes Gericht ,

W D Gockel von H anau d as Urt e il spricht ,

Und über d e n Mörder den Stab zerbricht .

Und dann erhebt er die Frage :


Wer kommt zur Rüge wer kommt zu Recht ,

D a tritt A le kt ry o vor und spricht mit gesenkt e m


H a up t e :
Ale kt ryo naht dein Ede lkne c ht
, .

Ach wie erschrock e n waren H inkel und Gackele ia


, ,

als sie bemerkten d aß der H ahn reden konnte Und


,
.

nun kam alles an d e n Tag .

Schwalbe und Rotkel ch e n traten als Z e ugen auf Die .

Katze wurd e d e s Mordes s chuldig befunde n und de m


Scharfrichter Eule überge ben D ie Faulheit und d er .

Leichtsinn d e r Frau H inkel und Ga cke le ia kamen an


den Tag Gockel bestrafte sie dadurch daß er ihnen
.
,

zum e wig e n Anged e nken f ur ihre bösen H andlungen


ein H ühnerbein und e inen K at z en e llen b o g en ins
Wappe n setzte Und Gacke le ia durfte niemals mehr
.

mit e iner Puppe spielen D e r edle Hahn A lekt ry o


aber starb den freiwilligen Tod durch das Grafen
s chwert und Gockel gelangte in den Besitz des Edel
st e ins der ihm zu großem Reichtum verhalf ein Reich
, ,

tum d e r ihm durch die To rheit seiner Tochter u n d die


,
Der Roman d er Roma tik
n
343

Ve rschlagenheit der Juden noch einmal wieder verloren


ging den e r abe r später durch die Li ebe und Klugheit
,

der kleinen Gacke leia mit Hilfe des M ä usep rin zen un d
der M ä usep rin z essin wiederge wann Welche groß e .

Rolle be i all diesen wunderbaren B e gebenheiten die


Puppe oder in Gackeleias Sinne gespro chen d ie schöne

K u n stfig ur spielte mag m an bei Brentano selber nach
,

lesen .

D er Ro man der R o man t i k


Wir hatten dem Marchen eine Sonderstellung zu
erkannt weil in dieser Form der Erzählung die Ge
,

setze des Daseins vollkommen durchbrochen werden der ,

romantische Roman un d die ihm verwandten Formen


der Novelle un d Erzählung bauen auf der Wirklichkeit
auf S ie nehmen das wirkliche Leben zum Ausgangs
.

punkt ihrer Umformungen und Gestaltungen Sie .

lassen das Üb erw irklich e in der Form ées Wunder


baren in die Entwi cklung der H andlung eintreten ohne ,

j edoch die Gesetze d e s Daseins vollkommen aufzulösen .

Auch der große Roman des Novalis „ H einrich von



Ofterdingen nimmt die wirkliche Welt zum Ausgangs
punkt Er zeigt un s nur daß diese Welt in einer
.
,

höheren Gest alt en welt begründet ist d aß die be ,

grenzten Gestalten des Dase ins die wir e rlebe n nur , ,

H inweise sind a u f höhere Gestalten daß die Welt der ,

Poesie die der Dichter intu i tiv erschaut und die Welt
,

de r Ideale die der Philosoph verkündet das wahre


, ,

Antl i tz der D inge enthül l t “


D e r magische I de alis
.

m us läßt uns die D inge sub spezie a e te rn i erschauen


'

.
3 44 IV . D ie Di ht ng
c u d er Roman tik

E r v erkun d et die Relativit ä t von Zeit un d Raum und


der vereinzelten endlichen Gestalt .

Ludwig Tiecks Jugendroman William Lovel l w ur


z e lt fest in der Wirklichkeit und läßt das Wunderbare
n ur leicht hindurchsche inen Der ganze Gang der .

Handlung ist nur aus den Briefen ersichtlich welche ,

die Personen des Romans einand er schre iben I n dem .

Schicksal des Helden erleben wir d ie Macht des Un


bewußten der dunklen Instinkt e Triebe un d Leiden
, ,

schaften Wir sehen in William Lovell wie ein Mensch


.
,

von ursprünglich guter V e ranlagung mit Sinn und ,

Verständnis für d as S chöne mit weichem gütigem , ,

Herzen immer mehr auf die Bahn des Lasters un d des


Verbrechens getrieben wird Die S chwäche seiner Na .

tur liegt vor allem in der gar zu großen Empfänglich


keit und Rei zbarkeit seines Gemütes sowie in der ,

leidenschaftlichen unbeherrschten Sinnlichkeit seiner


,

Natur Mit diesen Eigenschaften begabt mußte er


.
,

de r überl e genen Intelligenz s e in e s R e ise b eg le iters d e s ,

Itali e ners Rosa einem skrupellos e n Wollüstling unter


,

liegen Durch ihn wird er dem guten Einfluß seines


.

Jugendfreundes Eduard Burton und seiner Jugend


g e liebten immer mehr entzogen Er macht sich den .

Sophismus einer optimistischen Lustlehre zu e igen und


gerät immer mehr in Schuld un d Verwirrung In .

Paris ge rät e r in die Netze der Komtesse Blainville ,

eine r kaltherzigen und berechneten Kokette deren ,

schwule S innlichkeit e r als Liebe empfindet und genießt .

Ihr gegenüber gibt er schon einen Teil seines besseren


W esens preis : Seine aufgepeitschte Sinnlichkeit führt
d a nn später in Rom zu einem Liebesverhältnis mit
einem Mädchen niederen Standes d i e Tieck als eine ,
3 46 IV . D ie Di ht ng
c u der Rom a n tik

Und dann e rklingt das Lied des Wundervogels :


Waldeinsamkeit ,

Die m i ch erfre ut ,

S o morgen w ie heut

In e w g e r Zeit ,

O wie m ich s fre ut



Waldeinsamkeit .

Gegenuber dem schönen Rahmen in den die Handlung ,

gespannt ist verblaßt beinah die d ustere Erzählung von


,

dem Leid d e s blonden Eckbert dessen Frau dereinst


,

die gute Waldfrau mit schnödem Undank belohnt hat .

Beide mussen erfahren d aß Unrecht sich selbst bestraft


, ,

un d der blonde Eckbert m uß dort sterben wo seine ,

Frau als Kind einmal schuldig geworden ist .

Das große Vorbild für den Roman w ar für die R o


m an t ike r Goethes Wilhelm Meister Darzustel len wie .
,

e in empfänglicher allseitig aufgeschlossener M e nsch


,

im Leben si ch bildet u n d durch das L eben gebildet Wird


d as ist d ie künstle rische Aufgabe die sich Friedrich ,

von S chlegel in der L ucin de und Novalis im Heinrich


von O fterdingen gemeinsam stellen S chlegels L ucin de .

kann j edoch trotz schöner Einzelheiten die besonders ,

in der Typisierung der F rauengestalten liegen nicht ,

eigentlich als D ichtung be zeichnet werden Es ist über .

wiegend Gedankenwerk und nicht Kunstwerk In der .

a uß e re n Formgebung bemerken wir eine absichtliche


un d w i llk ü rliche Vern achlässigung aller Gesetze der

Symmetrie und der Stilisierung so daß man die L ucin de


,

u nter diesem Gesichtspunkt nicht ganz mit Unrecht als

ein literarisches Monstrum bezeichnet h at F ü r die B e .

u n ruh ig un g
, d ie durch den allzu häufigen Wechsel der
D er Rom an d er Roman tik 347

Stilisierung und Formgebung hervorgerufen w ird kann ,

die S chönheit des poetischen Ausdrucks wie sie sich ,

manchmal findet uns nicht e ntschädigen Andererseits


, .

sollte man die L ucin d e nicht a ls unmoralisch verurteilen ,

denn sie spekuliert ni cht auf Lüsternheit und Sensation ,

sondern bringt d ie S ch leg elsch e Lebensphilosophie mit


ihrem eigentümlich para doxen Charakter zum Aus
druck S ie erhebt den S e in sw ert uber den Leistungswert
.

und ist besonders bemüht deutlich zu machen wie viel


, ,

der erotische Wert und der Wert der Freundschaft f ü r


die Bildung unseres Wesens bedeuten .

Dageg e n ist H einrich von Ofterdingen ein wahrhaftes


Kunstwerk wenn auch ein unvollendetes ein Fragment
, , .

Er ist das Buch der Romantik das von ihren höchsten ,

Zielen und von ihrer großen Sehnsucht handelt Ziel .

und Ausgang des Romans h at Novalis selber deutlich


bezei chnet : „ Die Märc henwelt wird ganz sichtbar die ,


wirkliche Welt wird wie e in Marchen angesehen D ie .

Handlung geht von der Wirklichkeit aus S ie schildert .

die Entwicklung und de n B ild un g sg an g e in e s j ungen /

Künstlers der für alles S chöne und S innvolle em p f ä n g


,

lich ist Abe r s chon im erst e n Teile d e s Romans der


.
,

von Novalis im wesen tlichen vollendet ist wankt der ,

reale Boden immer mehr Wir gewinnen Einblicke in


.

tiefer liegende Schichten des Lebens W ir ahnen überall .

eine tiefere Bedeutung Es erö ffnen sich geheimnisvolle


.

Reiche und wir gewahren seltsame Beziehungen zwi


schen Menschen die scheinbar sich fernstehen Wenn
, .

so im ersten Teile des Romans das Wunderbare des


Übersinnlichen in der sinnlichen Welt sich geltend ‘

macht so kann man sagen daß im zweiten Teile das


, ,

\Nun d e rb are ve rschwind e t und all e s si ch in Wunder


3 48 IV . D ie D i h t ng
c u d er Romantik

auflöst Alles gewinnt symbolische Bedeutung H inter


. .

de r S innenwelt baut sich eine Welt höherer Gestalten


auf und unser Tun und Leiden in dieser S innenwelt
,

w ird durch j ene Welt des höheren Leb e ns bestimmt


u n d beherrscht Auch j ene höhere Welt schöner und
.

bedeutender Gestalten die u n s d as Märch e n Klingsors ,

v o r Augen führt die Welt der Goc p ia un d des göttlichen


,

359 60 9 diese Welt der seelischen Kräfte ke n nt Kampf


, ,

und Streit aber sie hat auch in sich die Macht alle
, ,

Gegensätze zu über w inden Und e ine der höchsten kos .

m ischen Kr ä fte d ie in der üb e rsinnlichen Welt b eh e i


,

matet sind ist die göttliche Po e si e die in der Gestalt


, ,

der kleinen Fabel ihren symbolischen Ausdruck g e f un


den hat Jenes übersinnliche Land kann n ur durch die
.

Augen des Dichters geschaut werden und breitet sich


vor ihm in wunderbarer H errlichkeit aus Was der

Dichter formt fühlt und gestaltet läßt die ide elle Welt
, , ,

d ie wahre geistige hervortreten und dies e Welt ist


, , ,

eine Welt d e r e wigen Juge nd H ier e rn e ut sich n ach .

schwerem Kampf das Reich der V e rso h n un g des Frie ,

dens und der Liebe D as Irrationale und Unvernünftige


.
,

wa s in dieser we lt un ub e rw in d lich scheint muß sich ,

dort der höheren Ordnung fügen Dies Unvernünftige .

ist aber in Novalis Sinne das scheinbar Verständige das ,

die große Leidenschaft die Liebe und Poesie nicht , ,

gelten lassen will und in Klingsors Märchen in der Ge


st a lt des Schreibers erscheint .

Durch die ganze Handlung des Ro m ans aber duftet


die blaue B lume der Romantik die Idee der ewigen ,

F erne und Sehnsucht des G lückes das in dieser Welt , ,

unerreichbar ist Gleich am Anfang der Erzählung


.

taucht die blaue Blume auf


3 50 IV. D ie D i ht g
c un d er Romant ik

Welche ruhige Zuv e rsicht liegt in dem schlichten


Bergmannslied
Das ist der H err der Erde ,

Wer ihre Tiefen mili t ,

Und jeglicher Beschwerde



I n ihrem Schoß vergißt .

W e lche geheimnisvolle Tiefe in dem wunderlichen Lied


von dem stillen König tief im Schoße der Erde :
I ch kenne wo ein festes Schloß ,

Ein stiller König wohnt darinnen


Mit einem wunderlichen T ro ß ,

Doch steigt e r nie a u f seine Zinnen .

Verborgen ist sein L ustg em ach


Und unsichtbare Wächter lauschen
Nur wohlbekannte Quellen rauschen

Zu ihm herab vom bunten Dach .

Und in tiefer B e rg e sh o h le erschaut Heinrich von


Ofterdingen den Grafen von H ohenzollern als eh rw ü r
digen Einsiedler und bl ä ttert in dem wunderbaren Le
b e n sb uch e das sein und der Seine n Schicksal zur D a r
,

stellung gebracht h at das ihn zeigt wie er war und w ie


,

er einst sein wird So greift ihn immer mehr das Wun


.

derbare und Rätselhafte auf dieser ganzen Reise an bis ,

er dann s chließli c h mit seiner Mutter in Augsburg im


H ause des Großvat e rs anlangt \Vu n d e rv o ll ist Novalis
.

die Schilderung des Fest e s im alten P at riz ierh au se g e


lungen wo Heinrich Mathilde d ie To chte r Klingsors
, , ,

kennen und lieben lernt wo beim rausch e nden F e st das


,

schönste Lied zum Lobe des Weins ertönt Klingsor .


,

der berühmte Meister steht seiner Liebe nicht entgegen


,
.
D er Rom n a d er Roman tik 3 51

Er ist bereit ihn als Sohn und Junger in der edl e n


,

Dichtung zu empfangen und anzunehmen Und für .

H einrich erblüht in die sem ersten Teile des Romans ,


den Novalis als Erwartung bezeichnet hat in der ,

Liebe zu Mathilde die blaue Blume Am Ende des .

Teiles steht das Märchen von Fabel und Eros von ,

Poesie und Liebe und von der göttlichen Sophia die ,

dort ob e n wohnt in der Welt ewige r Gestalten Diese .

Welt die von Klingsor dem Dichter als Märchenwelt


, , ,

verkünd e t wird sollt e sich im zweiten Teil der den


, ,

Namen Erfüllung trägt als die wahre Welt erweisen



, .

In dies e m zweiten Teile der nicht vollendet ist sollte


, ,

nach dem Plane des Dichters die Geschichte un auf h ö r


lich aus dem Ge wöhnlichsten in das Wunderbarste
ü b e rsch w e if en u n d beides sich gegenseitig erklären un d
ergänzen Am Anfang spricht der siderisch e Mensch
.

A st ralis der die enge Verbindung der übersinnlichen


,

und sinnlichen Welt zum Ausdruck bringt Wir finden .

H einri c h als Pilgrim verzweifelt u n d verlassen der ,

Liebe un d des Glückes be raubt Er h at sei n Weib u n d .

sein Kind verloren In tiefer Waldeinsamkeit au f hohem


.

Gebirge klingt ihm aus einem alten Eichbaum die


Stimme der Geliebten entgegen und tröstet ihn mit der
Vorstellung eines höheren Lebens Und in der weiteren .

H andlung vermischen sich immer mehr alle Gestalten


u n d alle Beziehu n gen des Lebens Der Gärtner den .
,

H einrich kennen lernt scheint der alt e Bergmann zu


,

sein und ist derselbe Mann der schon einm al Ofter ,

dingens Vater aufgenommen hatte Das j unge M ä d .

c hen, welches in seiner Ge sells chaft weilt und Cyan e


heißt ist die To chter des Graf e n von H ohenzollern und
,

hat ein wunderliches Le ben ge führt Einmal war sie .


3 52 IV . D ie Di ht ng
c u d er Roman tik

in einem Grab g e w o lb e dem Tode sehr nahe aber ein ,

alter Arzt h at sie auf seltsame Weise vom Tode er


rettet S ie liebt Heinrich von Ofterdingen Und auf
. .

seine Frage : \No gehen wir denn hin antwortet sie




ihm bedeutungsvoll : Immer nach H ause .

Der Roman sollte H einrich auch in die große bunt


bewegte We lt führen Er sollte als Feldherr in Italien .
,

das H eldenleben kennen lernen i n Griechenland d as ,

Altertum und im Orient die Welt der Mär c hen Er .

begibt sich nach Rom und schließli c h an den Hof des


deutschen Kaisers Friedrich des Zweiten des e dlen
, ,

Staufen wo er die wunderbarsten Menschen findet


, ,

deren Mittelpunkt der Kaiser ist Nachdem H einrich .

so viel erlebt und er fahren kehrt er in seine alte Heimat , ,

in sein Ge m ü t ein Aus dem allseitigen Verständnis.

entspringt in ihm der Trieb zur Verklärung die w un ,

derbare Märchenwelt tritt ihm ganz n ahe Heinrich


'

von O fterdingen gelangt in S op h ie n s Land ein wunder ,


J

bares Land in welchem Luft und Wasser Blum e n und


, ,

Tiere von ganz v erschiedener Art sind als in unserer


irdischen Natur Die Märchenwelt wird ganz sicht
.

bar die wirkliche W e lt selbst wird wie ein Marchen


,

angesehen Er findet die blaue Blume es ist Mathilde
.
,

und gleichzeitig auch die Morgenländerin und Cyane .

D ie Gestalten der Wirklichkeit die Heinrich durchlebt , ,

schließen sich mit den symbolischen Kräften und Ge


st alt e n der Märchenwelt zusammen Alle Gegensätze .

sind überwunden das goldene Z e italter der S eele ist


,

wiedergew onnen und die Jahreszeiten ve rmahlen sich


,

zu ewigem B unde .

H e inri c h Heine sagt in seiner Romantischen



Schule daß die Muse Brentanos die Kaprice gewesen
,
3 54 IV . D ie Di h t g
c un d er Romantik

Mutter d a w ar e s ihm immer als laufe sie vor sein e m


, ,


P f e rde her und riefe : Kasper tue mir e ine Ehre an ,
.

D a s e in P f e rd vom langen Ritt gedruckt war kehrte ,

e r bei e inem befreund e ten Müller ein der ihn wie eine n ,

r e c ht lieben Gast a us der Fremde aufnimmt In der .

Nacht geschieht e in Überfall und dem armen Kasper


wird sein Pferd und s e in F e lle isen geraubt .

W ie mußte der brave und ehrenhafte Kasper v e r


zweif e ln als er dann erfuhr daß sein Vater und sein
, ,

Sti e fbrud e r d ie Rauber gewesen waren E r hat sie .

schweren H e rzens dem Gerichte ange zei g t denn er ,

sagte : Ich bin ein Soldat und muß der G e rechtigkeit


dienen Und dann h at e r sich au f de m Grabe seiner


.

Mutt e r ers chossen Er hatte sich die Kugel durch das


.

H erz geschossen auf welches er si c h das Kränzlein das


, ,

er f ur schön A n n erl mitgebracht am K n o p f e befestigt ,

hatte ; durch diesen Kranz hatte er sich ins H erz g e



s chossen D ie alte Frau zeigt dem Dichter die Brief
.

tasche wo auf e iner S chr e ibtafel noch e twas mit B l ei


,

stift geschrieben stand und d a las e r folge nde l e tzte


,

Vv o rte des unglücklichen Kasper : Auch ich kann
m e ine S chande nicht üb e rleb e n Mein Vater und mein .

Brud e r sind Diebe sie haben mich selbst bestohlen ;


,

mein H erz brach mir aber ich mußte sie gefange n neh
,

m e n und d e n G e richten überge b e n denn ich bin e in ,

Soldat mein e s Fürsten und m e ine Ehr e e rlaubt mir


,

k e ine Schonung I ch habe meinen Vater und meinen


.

Bruder der Rache übergeb e n um der Ehre willen Ach " .

Bitt e doch j e d e rmann für mi c h d aß man mir hier wo , ,

ich gefallen bin ein ehrli ches Grab neben meiner Mutter
,

vergönne " Das Kr ä nzlein durch welches ic h mic h er ,

s chos sen soll die Großmutter dem s c hönen A n n e rl sch ik


,
Der Ro m a n d er Romantik 3 55

ke n und sie von mir g ruß e n Ach sie tut mir so leid .
,

durch Mark und Bein aber sie soll doch den Sohn ein e s
,

Diebes nicht heiraten denn sie hat im me r vi e l a uf Ehre


,


gehalte n .

S o die G e schichte vom brave n Kasperl Von d e r .

schönen A n n erl ab e r erfahr e n w ir aus der E rz ählung


der Alten daß sie einmal mit ihr als kleines Ding in
,

der S ch arf rich te re i gewesen ist weil der Meist e r als ,

V ieh dokt o r berühmt war A n n e rl bli eb e ine Zeitlang


.

in der Stube d e s S charfri chters allein und d a h at sich ,

das Richtschwert im Schranke bewegt Es dürst e te .

nach dem Blut der schon e n A n n e rl Der H enker wollte .

d as U n g lu ck verhindern und d e n H als des Kind e s e in


we n ig mit dem Schwerte ritzen aber m an h at es nicht ,

geduldet und so mußte die schöne A n n erl dur c h das


,

Richtschwert sterben Morg e n um vi e r Uhr soll sie


.

hing e richtet werden D ie Ehre die Ehr e lag ihr im


.
,

S inn S ie war zuschanden g ekommen aus Ehrsu cht


. .

Sie w urde von e inem V orn e hm e n verführt Er hat sie .

sitzen lassen und sie hat ihr Kind in der S ch u rz e e r


,

sti ckt Der Verführ e r hatt e ihr die Eh e v e rsprochen


.

un d g e sagt der Ka 5 per se i in Frankr e ich geblieb e n


,
.

Dann ist sie verzw e i felt und hat das Böse g e tan und
hat sich selbst den Gerichten übergeb e n .

Jetzt kommt e s der alten Bäuerin nur no ch darauf an ,

daß dem H erzog eine Bittschrift überg eben wird ein ,

ehrli ches B e gr äbnis zu erwirken f ur den brav e n Ka 5 per


und d as schöne A n n e rl daß sie den Lei chnam d e s Kas
,

per nicht in die Anatomie bringen und auch d a s s chön e


A n n e rl in geweiht e r Erd e ruhen darf .

S e hr schön ist dann am S chluß d er E rz ah lun g der


Übergang vom Vergange nen das d ie Großmutter er ,

*
2 3
3 56 IV . D ie D i ht ngc u d er R oman tik

zah lte zum Geg e n w a rtssch icksal a usg e f uh rt


, Der .

Dicht e r d e r die Erzählung vernommen wird j e t zt z um


, ,

treibenden Moment zum Impuls der Handlung Er , .

erzwingt trotz W i derstandes des Fähnrichs Gro ssin g e r


die Audienz beim H erzog Und es li egt eine e ig en t üm .

liche V e rkett un g der Verhä lt nisse darin daß dieser ,

Fähnrich Gro ssin g e r der Verführe r der schonen An n e rl


ist und daß d roh e n beim Herzog die Schwester des
Fähnrichs als dessen Geliebte weilt Als der H erzog .

alles erfahren ist er gerührt und ergri ffen Er b e fie h lt


, .

dem Fähnrich zur Richtstatt zu reiten un d Gnad e zu


,

verkünd e n Aber der Fähnrich kommt zu spät Sein


. .

Rufen un d Winke n ist vergeblich Als er die Richt .

stätte e rrei c ht bricht er mit seinem P ferde zusamm e n :


,

Gro ssin g er stürzte das Volk stob auseinander ich , ,

sah einen Kreis ich sah einen S t ah lb lit z in der fr ü hen


,

Sonn e a ch Gott e s w ar der S ch w e rtb lit z des Rich


,

ters ' Ich sprengte heran ich hörte das Wehklagen ,


d e r Menge Pardon Pardon " schrie Gro ssin g e r un d
.
, ,

stürzte durch d e n Kreis wie ein Rasende r Ab e r de r .

Richter hie lt ihm das blutende H aupt der schön e n A n


nerl entgegen das ihn wehmütig anlä chelt e D a schrie
,


er : Gott sei mir g n ä dig l und fiel a uf die Leiche hin

zur Erde Tötet mich tot e t mich ihr Mensche n " Ich
.
, , ,

‘“
habe sie verführt ich bin ihr M ö rde r l ,

Mit Achim von Arnim wollen wir von der roman


tischen Dichtung Abschi e d nehmen Von seine n Er .

zählungen sche int mir am wertvollste n Isabella von



Ägypten zu sein bedeutender als s e in e Romane „ Die
,

“ “
K ron w ä ch te r un d Die G räfin Dol ores D as Grau e n .

h afte un d Gesp en st ig e spielt ähnlich wie bei E T A . . .

H o ffmann auch in den Erz ä hlu n ge n von Arnim e in e


3 58 IV . D ie Di ht ng
c u d er Romantik

seinem h e imatlichen W un de rlan de Der maj est ä tische


.

Z ug s e ines Todes ge ht in die unendlich e Ferne dem ,

W un d erb a re n entgegen danach auch das blühende


,

Leb e n der Romantik in ewiger S e hnsucht u n d e wiger


Li e b e verlangt
.
BIBL IOTH EK
D E R W E LT G E S C H I C H T E
r ggbn He aus e e e vo n

K AR L AL E" AN D E R V O N M Ü LLER
S y n d iku s d e r Aka d e m i e d e r
. W i ssen sc h a f t e n in M ü n c h e n

un d
DR O TT O . W ESTPHAL

Bi s h r li g n
e e e v o r

O T T O W E S T P H A L
D I E P H I L O S O P H I E D E R P O L IT I K
E I N HEITEN U M Ä C HT
. E DER U NI VER S AL GESC H I C HT F
22 B o g n e G ro ß = O kt a v , hol f z r e ie s Pa pi r e

A u s dem I nh a lt
De r W elt k e ri g ri i d s n A ss
K t k der eut ch e n N i is
uffa un g e D ie at o n al te n
is p i is ns n id g
Die Paz fi te n D er ol t ch e M e c h Die S taat e b l un ni D ie it alie =
N i
s d1 e at o n un d dasWe lt re ich Die R e a
n iss Enanc eg N i nn
t st e h un de r at o e

En n d
gla un d A ri i is r s
me ka Das R e ch B ma ck un d d ie K at ast r0 p h e usw .

H . C A L M A N N °

D I E F I NA N Z P O L I T I K D E R
D E UT S C H E N S O Z I A L D E M O K R A T I E
1867 19 14
17 B o g n
e G ro ß = 0 kt a v ‚ h o l f z r i s e e Pap i r
e

A u s d e m ln h a lt
Sd1 e ma d er W a lu nd ng
der o al e mo k at ch e s zi d r is n Ans
ch auu g e Die n n
ide elle Eins
t ellu ng
D ie p o lit isdae t e llu Eins ng
D ie ö ko o m c h e Ein n is ":

stellu ng Ein fluß der T h eo e t ker / S ch ut zzo llä ra r iF a re fo rme


. in nz n
nn r
I e e Parte ie n tw idrlun g usw .

Z a h lr e i ch e weit r e e B a nd e in V o rb r it ng
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ROS L (DI E - VER LA G MÜ NC HEN


D R UC K V ON E H AB ER L AND I N L EI P Z I G
.
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