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Klasse

Chapter · April 2015


DOI: 10.1007/978-3-531-19021-1_5

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Elisabeth Klaus
University of Salzburg
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Klasse 4
Elisabeth Klaus

1 Einleitung

Die Auseinandersetzung mit dem Klassenbegriff ist für jedwede kritische Gesellschafts-
und Kulturtheorie wichtig, markiert dieser doch eine zentrale Strukturkategorie kapita-
listischer Gesellschaften. Weil sie mit der Herstellung von gesellschaftlicher wie kultu-
reller Differenz und Ungleichheit aufs Engste verknüpft ist, ist die Klassenzugehörigkeit
zugleich eines der wichtigsten Bestimmungsmerkmale kultureller Identität. In den ver-
schiedenen Theorien gibt es keine Einheitlichkeit über das, was Klasse ausmacht und
Klassenzugehörigkeit bestimmt. Vor allem im Deutschen finden des Weiteren eine Viel-
falt an Begriffen Verwendung, die mit dem der Klasse eng verwandt sind. Wenn im Fol-
genden von Klasse gesprochen wird, dann geschieht dies im Sinne von » class «, da die
englischsprachige Bezeichnung die unterschiedlichen Bedeutungen und die Vieldimen-
sionalität des Begriffs besser zum Ausdruck bringt. Klasse umfasst in diesem Beitrag
auch die im deutschsprachigen Raum häufig verwendeten Begriffe des sozialen Milieus
oder der Schicht. Als Beispiel für die Begriffsvielfalt spricht Irmtraud Voglmayr (2012)
u. a. von » (Mittel-)Klasse «, » (Unter-/Ober-)Schicht «, » prekären Lebenslagen « und » be-
nachteiligten Schichten « – all diese Bezeichnungen subsumiere ich in diesem Aufsatz
unter dem Klassenbegriff.

2 Klasse in den Medienanalysen der Cultural Studies

Einen Eintrag zu » class « oder » Klasse « sucht man in den bekanntesten Einführun-
gen, Readern und Lexika der englisch- wie deutschsprachigen Cultural Studies verge-

A. Hepp et al. (Hrsg.), Handbuch Cultural Studies und Medienanalyse,


Medien • Kultur • Kommunikation, DOI 10.1007/978-3-531-19021-1_5,
© Springer Fachmedien Wiesbaden 2015
40 Elisabeth Klaus

bens.1 Das erscheint zunächst paradox, ist der Klassenbegriff aus der Geschichte des
Centre for Contemporary Cultural Studies in Birmingham (CCCS) doch nicht wegzu-
denken, denn die Beschäftigung mit Artikulationen der Arbeiterklasse stand am Be-
ginn der Entwicklung der britischen Cultural Studies. Die grundlegenden Arbeiten von
Richard Hoggart (2009), » The uses of literacy «, Raymond Williams (1987, 2001), » Cul-
ture and society « und » The long revolution «, und Edward Palmer Thompson (2011),
» The making of the Englisch working class «, thematisierten alle die kulturellen Mani-
festationen und die Herausbildung der britischen Arbeiterklasse. Thompson beschrieb
diese als eine Geschichte der Ermächtigung unter schwierigen Lebensbedingungen und
prägte damit das Forschungsprogramm der Cultural Studies: » Agency « blieb das Stich-
wort, welches das Herangehen der Cultural Studies auch in Bezug auf andere Gruppen
und andere Forschungsfelder bestimmte. Das Interesse an der Arbeiterklasse und ih-
ren Lebensäußerungen im Rahmen des CCCS hatte gesellschaftliche und biographische
Wurzeln. Die Nachkriegsentwicklung in Großbritannien, wie in vielen anderen west-
europäischen Ländern, warf Fragen danach auf, ob es ein Arbeiterbewusstsein, eine ge-
meinsame Kultur der Arbeiterklasse überhaupt noch gäbe. Zugleich stammten Thomp-
son und Williams wie viele ihrer Studentinnen und Studenten aus dem Arbeitermilieu.
Beide spürten und reflektierten als Intellektuelle ihr Grenzgängertum zwischen den
Klassen-Kulturen, was u. a. zu einer intensiven Gramsci-Rezeption beitrug.
Den Ausgangspunkt für die Studien am CCCS bildete eine Auseinandersetzung
mit dem Klassenbegriff von Karl Marx, der letztlich als ökonomistisch und determi-
nistisch abgelehnt wurde, zudem mit dem Primat der Ökonomie auch der Ausschluss
anderer Strukturkategorien wie » Rasse « (→ Rasse) und Gender (→ Feminismus, Gen-
der und Queer) verbunden war. Stattdessen wurden Antonio Gramscis Hegemoniekon-
zept und Louis Althussers Ideologiebegriff zentral für die Bestimmung des Verhältnis-
ses von Macht und kulturellen Manifestationen am CCCS (→ Ideologie, Hegemonie und
Diskurs). Auch wenn damit der Zusammenhang von Politik, Ökonomie und Kultur we-
sentlich blieb und klassenspezifische Milieus in den Jugendkulturstudien (→ Jugend-,
Sub- und Fankulturen) noch einige Beachtung fanden, rückte die Kategorie Klasse als
Untersuchungsgegenstand damit zunehmend in den Hintergrund.
Die Anfänge der Medienforschung am CCCS weisen ebenfalls auf ein theoretisches
wie empirisches Defizit in der Bestimmung von Klasse als eine der zentralen Struktur-
kategorien und Identitätsachsen hin. So operationalisierte David Morley (1980) in der
» Nationwide «-Studie, die Stuart Halls Konzept unterschiedlicher Lesarten überprüfen
sollte, Klasse anhand verschiedener Beschäftigungsgruppen (Managerinnen und Mana-
gern, Studentinnen und Studenten, Lehrlingen, Gewerkschaftsführerinnen und -füh-

1 Vgl. beispielhaft During (2003), Hepp und Winter (2006), Hepp (2004). Ein Eintrag findet sich zwar
bei Bennett et al. (2005, von Tsing und Hershatter), jedoch stellt dieser vor allem die unterschiedlichen
Klassenbegriffe von Karl Marx und Max Weber in den Mittelpunkt und bezieht sich nicht auf die Ent-
wicklung der Cultural Studies.
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rern etc.), die der Ober-, Mittel- und Unterschicht zugeordnet wurden (→ Überblicks-
artikel Aneignung und Alltagswelt). Diese Operationalisierung folgt demnach nicht dem
Modell antagonistischer Klassen, sondern bezieht sich auf ein weit verbreitetes Schich-
tenmodell, das sich in Anknüpfung an Max Weber etabliert hat und soziale Positionen
nach Beruf, Bildung, Einkommen etc. zuweist. Zu den darin sichtbar werdenden theore-
tischen Unschärfen kam hinzu, dass zunehmend andere Forschungsinteressen und -fra-
gen die Arbeiten am CCCS bestimmten. Von der immer präsenten Trias Klasse, Gender
und » Rasse « wurden vor allem die letzten beiden im Rahmen der Beschäftigung mit
Medienkulturen theoretisch ausgearbeitet und empirisch untersucht. Dabei traten Fra-
gen von struktureller Ungleichheit und sozialer Ausbeutung zunehmend zugunsten von
Untersuchungen zu Differenz und kulturellen Identitäten bzw. Identifikationen in den
Hintergrund. Stuart Hall, in Fortführung dann John Fiskes, einflussreiche Formulierung
vom » power bloc « und » the people « oder Michel Foucaults Konzept der Machtdispo-
sitive, so wichtig sie sind, um die Dynamiken von Machtverhältnissen zu beobachten,
trugen zu einer weiteren Relativierung der Relevanz von Klasse bei der Untersuchung
von Medienprozessen bei, da sie den Blick weg von Ökonomie und Politik hin zu multi-
plen und variablen Machtkonstellationen lenkten.
Implizit blieb die Bedeutung sozialer und ökonomischer Positionierungen jedoch in
den Cultural Studies präsent, etwa wenn von kultureller Hegemonie, dominanter Ideo-
logie, Subalterität, Marginalisierung, Inklusion und Exklusion oder den Mächtigen ge-
sprochen wird, allesamt Begriffe, die irgendwie mit Klasse in Verbindung stehen. Dou-
glas Kellner (o. J.) und Lawrence Grossberg (1995) stehen für das Bemühen, die Kluft
zwischen der Kritik der politischen Ökonomie und den Cultural Studies zu überwinden.
Der Klassenbegriff scheint in ihren Ausführungen manchmal sprachlich auf, wird darin
aber nicht explizit ausgearbeitet. Latent wird Klasse auch in der Kritik an der Entpoli-
tisierung, Pluralisierung und Relativierung der Cultural Studies, etwa im Rahmen der
sogenannten Revisionismusdebatte, aufgerufen, aber hier ebenfalls nicht tiefergehend
behandelt. Im Ergebnis wurde Klasse in den Cultural Studies zum » theme that dare not
speak its name « (Bromley 2000, S. 51).
Dass das Interesse am Zusammenhang von Klasse und Kultur nicht nur eine singu-
läre Phase am CCCS war, sondern die Entwicklung der Cultural Studies auch in ande-
ren Ländern beeinflusst hat – und insofern eine andere Ursprungsgeschichte geschrie-
ben werden könnte –, zeigt Olaf Sandners (2001) für Österreich. Im Austromarxismus
der 1930er Jahre entwickelten sich Ansätze, die das Verhältnis von Kultur und Arbei-
terklasse neu zu bestimmen versuchten. Die noch zu schreibende Geschichte der Be-
schäftigung mit Klassenkulturen in Deutschland, der BRD wie der DDR, könnte auf
Arbeiten zur Lebensweise und Kultur (vgl. Mühlberg 1983; Maase 1985), auf die Alltags-
geschichtsschreibung (exemplarisch vgl. Niethammer 1980, 1983) sowie nicht zuletzt auf
das Konzept einer proletarischen Öffentlichkeit von Negt und Kluge (1972) zurückgrei-
fen (→ Öffentlich(keit) und Privat(heit)). Auf keine dieser Traditionslinien bezogen sich
jedoch jene Arbeiten, die ab Mitte der 1990er Jahre die Cultural Studies in der deutsch-
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sprachigen Kommunikations- und Medienwissenschaft verankerten. Diese Etablierung


erfolgte zu einer Zeit, in der die historisch-materialistische Gesellschaftswissenschaft
zu einer » vergessenen Theorie « (Holzer 1994) geworden und innerhalb der britischen
Cultural Studies die Kategorie der Klasse aus dem Fokus gerückt war, weil andere ge-
sellschaftliche und kulturelle Fragen der Medienentwicklung im Mittelpunkt standen.
Implizite Bezüge auf die weiter bestehende Bedeutung der Kategorie Klasse lassen sich
allein bei jenen deutschsprachigen Autorinnen und Autoren finden, die sich einer ge-
sellschafts- und kulturkritischen wissenschaftlichen Tradition verbunden fühlen, wie es
etwa für viele von Udo Göttlichs Arbeiten gilt (exemplarisch vgl. Göttlich 2001). Spu-
ren einer kontinuierlicheren empirischen Beachtung des Zusammenhangs von struktu-
rellen Ungleichheiten und Medienprozessen finden sich daneben vor allem im Rahmen
der feministischen Gender Studies, der Postcolonial und Queer Studies – diese wurden
jedoch im Hinblick auf die Kategorie Klasse theoretisch nicht tiefergehend ausgearbeitet
(→ Postkolonialismus).
Die feministischen Cultural Studies richteten ihren Blick auf die Texte und die Re-
zeption sogenannter » Frauengenres «. So fanden etwa in der Soap-Opera-Forschung
en passant auch klassenspezifische Differenzierungen Beachtung (vgl. Seiter et al. 1989;
O’Connor 1990; Press 1987, 1990, 1991). Die Ergebnisse ihrer Soap-Opera-Studie resü-
mierend kommt Ellen Seiter zu dem Schluss: » Die Klassenposition ist (…) sicherlich
ein Faktor, der die Interpretation der Soap-Opera-Texte beeinflusst « (Seiter 1987, S. 57).
Die durch » Rasse «, Klasse, Alter oder sexuelle Orientierung gegebenen sozialen Unter-
schiede zwischen Frauen müssten deshalb in der weiteren Forschung verstärkt beach-
tet werden. Mit dem Intersektionalitätskonzept, das auch in die feministischen Cultural
Studies Eingang gefunden hat, werden solche Zusammenhänge theoretisch und empi-
risch heute explizit untersucht. Auch hier ergibt sich aber eine merkwürdige Diskre-
panz: Zwar fehlt in keiner der unterschiedlichen Aufzählungen Klasse als eine zentrale
Ungleichheits- und Differenzkategorie, diese wird dann aber nicht weitergehend dis-
kutiert.
Der Klassen- und Schichtenbegriff scheint in den letzten Jahren jedoch wieder stär-
ker ins Zentrum der Cultural-Studies-Forschung zu rücken. Soziale Ungleichheiten
haben sich in den europäischen Gesellschaften enorm verstärkt, was sich u. a. in der
Neuschöpfung des Begriffs Prekariat, der Menschen bezeichnet, » die über geringe ma-
terielle und […] kulturelle Kapitalien verfügen « (Voglmayr 2012, S. 4), niedergeschlagen
hat. Um die Folgen des neoliberalen Gesellschaftsumbaus und der Globalisierung auch
auf kultureller Ebene und in Bezug auf Medienproduktion zu analysieren, erweisen
sich Konzeptionen von Kapitalismus und Ausbeutung als unverzichtbar, denn mit dem
Umbau der europäischen Gesellschaften sind nicht zuletzt Bemühungen verbunden,
strukturelle Ungleichheiten als Folge kulturellen Versagens der jeweils Exkludierten
zu legitimieren. Den Medien kommt dabei eine wichtige Rolle zu, wie etwa die » Un-
terschichtendebatte « in Deutschland verdeutlicht hat. In der Rede vom » Unterschich-
tenfernsehen « erscheinen Ungleichheiten nicht als strukturelle, sondern als habituelle
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Probleme » falscher « kultureller Entscheidungen marginalisierter Bevölkerungsgruppen


(vgl. Klaus und Röser 2008). Als Reaktion auf diese sozialen Entwicklungen und media-
len Debatten finden auch in die Cultural Studies wieder Begriffe Eingang, die lange Zeit
keine Resonanz erzeugten: Gerechtigkeit (vgl. Virchow 2008), Solidarität (vgl. McRob-
bie 2010), Respekt (vgl. Sennett 2002), oder auch Scham, Hoffnung, Verzweiflung (vgl.
Kirk 2002).
Ulla Wischermann und Tanja Thomas (2008, S. 16) thematisieren diese » diskursive
Rückkehr des Sozialen « in ihrem 2008 erschienenen Sammelband » Medien – Diversi-
tät – Ungleichheit «, in dem viele der Autorinnen und Autoren als Bezugspunkt die Cul-
tural Studies wählen. Thomas (2008) untersucht darin unter Bezug auf die Arbeiten von
Foucault und Pierre Bourdieu das Lifestyle-TV, das zu einer radikalen Individualisie-
rung führt und mit einer De-Thematisierung der Bedeutung ökonomischer Ressourcen
von Akteurinnen und Akteuren sowie des ihnen zur Verfügung stehenden sozialen und
kulturellen Kapitals verbunden ist (→ Individualisierung). Voglmayr (2012) sieht in der
österreichischen Sendung Die Schuldenfalle die Beziehung zwischen den aus der Mit-
telschicht stammenden Beraterinnen und Beratern und den aus dem Prekariat stam-
menden Schuldnerinnen und Schuldnern durch Erniedrigung, Moralisierung und Ab-
grenzung gekennzeichnet und spricht in diesem Zusammenhang von der Reproduktion
» vergeschlechtlichter Bedeutungen von Klasse « (Voglmayr 2012, S. 2).
Angela McRobbie (2010) diskutiert in » Top girls « das Konzept der » Politik der
Desartikulation « feministischer Bewegungen, die auf eine Solidarität über Grenzen
von Klasse, » Rasse «, Ethnizität, Gender und sexuelle Orientierung hinweg zielten. Sie
kommt vor diesem Hintergrund zu einer Neubewertung der in den frühen Jugendstu-
dien am CCCS ausgearbeiteten Bedeutung der Medien bei der Produktion von verge-
schlechtlichten klassen- und genderspezifischen Identitäten. Medien trügen heute ent-
scheidend zur Individualisierung und Entsolidarisierung bei. Den Zusammenhang von
(Arbeiter-)Klasse und Gender hat Beverley Skeggs (1997, 2004) empirisch untersucht,
wobei sie Klasse als diskursive, historisch spezifische Kategorie konzeptualisiert und mit
Bourdieus Konzepten von Habitus und Kapitalsorten in Verbindung bringt. Oliver Mar-
chart (2008, S. 195 – 202) hat in » Cultural Studies « dem Begriff der Klasse ein eigenes
Unterkapitel gewidmet. Er zeichnet darin den Weg nach von den Anfängen der Beschäf-
tigung mit der Arbeiterklasse über ein Verschwinden dieser Identitätsachse hin zu den
neueren Versuchen, den Klassenbegriff von Bourdieu für die Cultural Studies fruchtbar
zu machen – neben Skeggs’ Arbeiten erwähnt er vor allem John Frows (1995) » Cultural
studies and cultural values « (vgl. auch Wiseman-Trowse 2008).
In besonderer Weise knüpft der Sammelband von Sally R. Munt (2000), » Cultural
studies and the working class. Subject to change «, an die frühen Arbeiten am CCCS an,
indem viele der hier versammelten Autorinnen und Autoren – Andy Medhurst, Joanne
Lacey, Roger Bromley, Beverley Skeggs, Glen Creeber u. a. – wie Williams und Thomp-
son 50 Jahre zuvor ihre eigenen Erfahrungen des » displacements «, des » Nichtdazuge-
hörens «, des » Stummseins « beim Wechsel von der Arbeiterklasse in die Wissenschaft
44 Elisabeth Klaus

für die Bearbeitung des Themas nutzen. Ohne die Bedeutung von Ideologie und da-
mit die Brüchigkeit von Subjekten und die Unzuverlässigkeit persönlichen Welterlebens
zu vernachlässigen, wird in diesem Band Klasse als eine mächtige Erfahrungskategorie
deutlich, die » structures of feeling « und damit verbundene kulturelle Ausdrucksweisen
grundlegend beeinflusst. Dass der Alltag durch Klassenbeziehungen geprägt ist, wird
in Munts formativem Werk ebenso thematisiert wie die Nichtrepräsentierbarkeit der
» ruling class « oder die interne Stratifizierung von Klassen durch die Identitätsachsen
von » Rasse «, Gender oder Ethnizität.

3 Fazit

» Class matters « – das verdeutlichen die neueren im Rahmen der Cultural Studies
entstandenen Arbeiten. Damit ergibt sich als Aufgabe und große Herausforderung,
die Bedeutung dieser zentralen Strukturkategorie und Identitätsachse weitergehend
theoretisch auszuarbeiten. Die fast schon reflexhafte Abwehr jener Arbeiten, die den
Marx’schen Klassenbegriff weiterentwickelt haben, wird dabei ebenso zu überwinden
sein, wie die, oft unter Bezugnahme auf Bourdieu und Foucault, erbrachten Erkennt-
nisse über den Zusammenhang von sozialen Ungleichheitskategorien und Medienpro-
zessen zu berücksichtigen sind, die im Rahmen der Gender und Queer Studies sowie der
Postcolonial Studies erzielt wurden. Die Auseinandersetzung mit dem Klassenbegriff
ist besonders in den deutschsprachigen Cultural Studies unterentwickelt und zwar so-
wohl in empirischer als auch, noch eklatanter und folgenreicher, in theoretischer Hin-
sicht. Die Verschärfung sozialer Gegensätze und die Veränderung der damit verbun-
denen medialen Repräsentationsweisen hat aber zu ersten, noch verstreuten Arbeiten
geführt, die das Thema in Zusammenhang mit weiteren Differenzkategorien, vor allem
von » Rasse « und Gender, aufgreifen und damit zu einer weitergehenden Einschreibung
des Klassenbegriffs in die Theorie und Praxis der deutschsprachigen Cultural Studies
beitragen können.

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