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Chancen Der Landwirtschaft in Den Alpenlndern
Chancen Der Landwirtschaft in Den Alpenlndern
18 09:56 Seite 1
tischen Entwicklung und deren Folgen für die Umwelt. Dabei stellen sie den
ist da bei, wie sich eine sichere Ernährung der Bevölkerung erreichen lässt,
Alpenländern
Wege zu einer raufutterbasierten Milch- und Fleisch-
ohne die Tragfähigkeit des Ökosystems zu gefährden.
produktion in Österreich und der Schweiz
Mit der «Regenerativen Milch- und Rindfleischproduktion» stellen die Auto-
ren einen neuen und innovativen Lösungsweg für eine ökologisch nachhal-
Matthias Stolze / Rainer Weisshaidinger /
tige Landwirtschaft im Alpenraum vor, der sich von der momentanen Hoch -
Andreas Bartel / Othmar Schwank / Adrian Müller /
leis tungsstrategie unterscheidet. Doch zeigt dieser Lösungsweg auch positive
Roger Biedermann (Red.)
Effekte auf die Umwelt in der Schweiz und in Österreich? Und inwieweit
Haupt
NATUR
Herausgeber
Ruth und Herbert Uhl-Forschungsstelle für Natur- und Umweltschutz,
Bristol-Stiftung, Zürich
www.bristol-stiftung.ch
Matthias Stolze, Rainer Weisshaidinger, Andreas Bartel, Othmar Schwank,
Adrian Müller, Roger Biedermann (Red.)
Haupt Verlag
Verantwortlich für die Herausgabe
Bristol-Stiftung. Stiftungsrat: Dr. René Schwarzenbach, Herrliberg;
Dr. Mario F. Broggi, Triesen; Prof. Dr. Klaus Ewald, Gerzensee; Martin Gehring, Zürich
Managing Editor
Dr. Manuela Di Giulio, Natur Umwelt Wissen GmbH, Zürich
Zitierung Stolze, M.; WeiSShaidinger, R.; Bartel, A.; SchWank , O.; Müller, A.; BiederMann,
R. (Red), 2018: Chancen der Landwirtschaft in den Alpenländern. Wege zu einer raufutterbasier-
ten Milch- und Fleischproduktion in Österreich und der Schweiz. Zürich, Bristol-Stiftung; Bern,
Haupt. 173 S.
Zitierung einzelner Kapitel Kapitelautoren, 2018: Kapiteltitel. In: Stolze, M.; WeiSShaidinger, R.;
Bartel, A.; SchWank, O.; Müller, A.; BiederMann, R. (Red), Chancen der Landwirtschaft in den
Alpenländern. Wege zu einer raufutterbasierten Milch- und Fleischproduktion in Österreich und der
Schweiz. Zürich, Bristol-Stiftung; Bern, Haupt. S. x-y.
Der Haupt Verlag wird vom Bundesamt für Kultur mit einem Strukturbeitrag für die Jahre
2016 – 2020 unterstützt.
www.haupt.ch
5
Abstract
Keywords: environmental impacts, agriculture, agricultural policy, land use systems, nitro-
gen, sustainability strategies, grassland-based beef and milk production, Switzerland,
Austria, alpine region
6
Vorwort
Ich kann nun bald fünf Jahrzehnte des Landschaftswandels im Alpenrheintal des Fürs-
tentums Liechtenstein überblicken. Mir sind in dieser Zeitspanne bei der Erstellung von
Naturmonografien über schützenswerte Landschaftsausschnitte massive Veränderun-
gen der Lebensgemeinschaften aufgefallen. So verwandelten sich einst lockere Kopf-
binsenrasen in Flachmooren mit Mehlprimeln und Sonnentau zu dichten Pfeifengras-
wiesen mit starker Verschilfung. Die bunten Blumenwiesen sind verschwunden. Auch
dem Laien muss auffallen, wie sich die einst vielfältigen Farbtupfer in den Wiesen aus-
dünnen. Zugleich summt und brummt es kaum mehr, die einst vielen Insekten, insbe-
sondere die Tagfalterwelt, ist leise verschwunden. Es stimmt nicht mehr, sowohl op-
tisch wie akustisch und geruchlich. Es herrscht immer mehr eine beklemmende
ökologische Monotonie. Sie ist gekennzeichnet durch eine Arten- und Strukturarmut,
verursacht durch ein intensives Schnitt- und Düngerregime. Einst vielfältige strukturier-
te Landschaften werden zu gepuschten Produktionslandschaften. Man muss heute von
«Grünen Wüsten» sprechen. Nach Vegetationskartierungen im Gelände musste ich zu
Hause umgehend einen Kleiderwechsel vollziehen, ich stank massiv nach Ammoniak.
Recht zeitlich verzögert werden nun die dramatischen Verluste der Biodiversität verlaut-
bart, angefangen mit den Bienen (more than honey). Dabei hatte bereits vor 30 Jahren
Pro Natura gemeldet, dass im Schweizer Mittelland und im Vergleich zur Zeit nach dem
Zweiten Weltkrieg nur mehr wenige Prozente der Tagfalterpopulationen fliegen. Und
kürzlich wird in einer deutschen Publikation festgehalten, dass die Biomasse der Insek-
ten auch in Schutzgebieten in den letzten 30 Jahren um 75 Prozent zurückgegangen ist.
Dies ist eine Bankrotterklärung für die Vielfalt. Man spricht weiter von der Landschafts-
pflege durch die Landwirtschaft, fördert sie dafür und nimmt diese Biodiversitätsverlus-
te wenig zur Kenntnis.
Erschwerend kommt die langfristige Wirkung der massiven Überdüngung unserer Le-
bensräume dazu, wobei der Treiber die zu hohen Tierbestände sind. Dies wurde bereits
im Rahmen des Bristol-Bands mit der Darlegung der Ergebnisse der experimentellen Öko-
systemforschung auf der Schynigen Platte im Berner Oberland belegt. Dort eingebrachte
Dünger liessen sich nach 80 Jahren noch immer im Stoffkreislauf markant nachweisen.
Ebenso sind heute auf der Alp Stabelchod im Schweizer Nationalpark noch die Stickstoff-
anzeiger der Lägerflora festzustellen, wo im Jahre 1911 die Alpwirtschaft eingestellt wor-
den ist. Auch wenn wir morgen die Landwirtschaft auf ressourcenschonende Wirt-
schaftsweisen umstellen, braucht der Bremsweg des Düngerabbaues noch viele
Jahrzehnte, wenn nicht mehr. Ähnliches gilt für den Pestizidabbau im Boden.
Die Wirkungen der luftgetragenen reaktiven Stickstoffverbindungen erweisen sich für
mich als die Schlüsselrolle des Problems für die Erhaltung der biologischen Vielfalt. Die
Landwirtschaft ist hier als der bedeutendste Emittent identifiziert. Was tun, nachdem ja
bereits seit 25 Jahren Agrarumweltmassnahmen getätigt werden, deren Wirkungen aber
recht ernüchternd sind? Die Biodiversitätsverluste konnten bisher ja nicht gestoppt wer-
Vorwort 7
den. Jammern und Anklage nützen wenig, wirkungsvolle Lösungsansätze sind gefragt.
Einige mögliche Bausteine für Lösungsansätze erlebte ich in meiner beruflichen Laufbahn,
etwa bei der Leitung des Bundesinventars der Flachmoore in der Schweiz. In den Voral-
pen verwalden tausende von Hektaren als schutzwürdig erkannte Flachmoore. Wie kön-
nen diese Flächen offen gehalten werden, nachdem das frühere Schnittregime nicht mehr
ausgeübt wird? Robustrindern müsste es doch mit der Beweidung gelingen solche Habi-
tate offen zu halten. Das sollte im Gelände geprüft werden, ob sich so die biologische
Vielfalt erhalten lässt und es den Tieren gut geht. Mit agrarischen und biologisch ausge-
richteten Instituten (Agridea, Agroscope, WSL) gelang in einer Versuchsanordnung mit
dem Projekt PASTO im Unterwallis der Nachweis, dass sich eine Wiederkäuerführung im
Falle des Eringerrindes primär auf Wiese und Weide abstützen lässt. Sie veredeln mit Hil-
fe ihrer komplexen Verdauung verwertbares Grasland zu Fleisch und Milch. Das ist eine
Form von «Niedrig-Energielandwirtschaft», die für die Natur wie für die Landwirtschaft in
extensiv genutzten Lagen von Interesse sein kann.
Indessen hat sich die Milchwirtschaft in jüngster Zeit von der Grünlandwirtschaft teil-
weise abgekoppelt. Die Milchleistungen sind mit Hilfe von Mais und weiterem importier-
tem Kraftfutter seit rund 25 Jahren mit Hilfe von Hochleistungskühen um 40 Prozent ge-
stiegen. Dabei fällt auf, dass sich die Wiederkäuer zusehends zum Nahrungskonkurrenten
für den Menschen entwickeln. Wir exportieren zudem negative Umwelt- und Sozialwir-
kungen in Drittländer. Wir stehen an einem Scheideweg in der Landwirtschaft. Es muss
uns gelingen Synergien in ökologischer, sozialer, ökonomischer, betrieblicher wie gesell-
schaftlicher Sicht für neue nachhaltige Wege zu finden. Es ist Zeit, sich von den bisheri-
gen Dunstblasen der Worthülsen zu lösen.
Ich erinnerte mich an Kontakte zum früheren Ostschweizer Kantonschemiker Roger
Biedermann, der sich mit Stickstoffproblemen in der Landwirtschaft beschäftigt. Aus
neuerlichen Gesprächen mit ihm haben sich Diskussionsrunden mit weiteren Experten
ergeben. Es wurde dabei der Vergleich der Landwirtschaft in der raufutterbasierten Milch-
und Fleischproduktion in Österreich und der Schweiz angeregt. Es entstand in der Folge
eine länderübergreifende Zusammenarbeit zwischen dem Österreichischen Umweltbun-
desamt in Wien und dem FiBL Schweiz in Frick, dem FiBL Österreich in Wien sowie
Schwank Earthpartner in Rüdlingen (Schaffhausen). Ein sechsköpfiges Kernteam mit 18
weiteren Fachleuten nahm sich der Fragestellung nach Lösungsansätzen unter der Lei-
tung des Forschungsinstitutes für biologischen Landbau FiBL an. Sie legen uns nun einen
«Gesundheits-Check» der Landwirtschaft in den beiden Alpenstaaten vor. Dafür nehmen
sie eine umfassende Bestandsaufnahme hinsichtlich der agrarpolitischen Entwicklung
und der Umweltauswirkungen vor. Sie diskutieren Perspektiven mit Ansätzen und Leitli-
nien, die zentral sind, um eine ökologisch nachhaltige Landwirtschaft mittelfristig zu er-
reichen. Eine wichtige Frage stellt die sichere Ernährung der Bevölkerung dar, dies ohne
die Tragfähigkeit der Ökosysteme zu schädigen, wie es jetzt der Fall ist. Es werden Lösun-
gen im Modellcheck unterbreitet und wertvolle Schlussfolgerungen gezogen.
Das vorliegende Werk des Autorenkollektivs ist kohärent und transparent verfasst. Sie
berücksichtigen die komplexen Rahmenbedingungen und weisen uns den möglichen
8 Chancen der Landwirtschaft in den Alpenländern
Pfad. Es sind ja wieder einmal Weichenstellungen für eine künftige Agrarpolitik zu stellen.
Dieses Werk bietet entsprechende Anregungen.
Wir danken dem Autorenkollektiv für diese äusserst wertvolle Arbeit, ein Dankeschön
auch an die drei unterstützenden Stiftungen (Bristol Stiftung, Paul Schiller Stiftung, Vonto-
bel-Stiftung) ohne deren Unterstützung das Werk kaum zustande gekommen wäre. Es ist
die vornehme Aufgabe der gemeinnützigen Stiftungen ohne Einflussnahme freies Den-
ken und Formulieren zu ermöglichen. Mögen die vorliegenden zahlreichen Anregungen
ihre Anwender finden.
Mario F. Broggi
Stiftungsrat der Bristol Stiftung und Geschäftsführer der Ruth und
Herbert Uhl-Forschungsstelle für Natur- und Umweltschutz
9
Inhalt
Abstract 5
Vorwort 6
Dank 11
1 Einleitung 13
6 Schlussfolgerungen 133
Matthias Stolze, Rainer Weisshaidinger, Roger Biedermann,
Othmar Schwank, Richard Petrasek, Andreas Bartel, Adrian Müller,
Helmut Gaugitsch
Literatur 144
Anhang164
Dank
Für die Arbeiten an diesem Buch war es sehr wichtig, immer wieder die Diskussion mit
Experten aus Österreich und der Schweiz in Rahmen von Workshops und Diskussions-
runden zu suchen.
Für die sehr spannenden Diskussionsbeiträge zu Lösungsmöglichkeiten und Thesen
für eine ökologisch nachhaltige Landwirtschaft im Alpenraum im Rahmen der Experten-
workshops im Dezember 2015 in Zürich und Wien möchten wir den Teilnehmern und Teil-
nehmerinnen unseren ausdrücklichen Dank aussprechen:
Zürich: Beat Achermann, Robert Huber, Florian Leiber, Stefan Mann, Martin Ott, Walter
Richner, Otto Schmid, Peter Thomet.
Wien: Thomas Dax, Paul Ertl, Ignaz Knöbl, Regina Mayer, Thilo Nigmann, Valentin Op-
fermann, Günther Rohrer.
Bei einem weiteren Workshop diskutierten wir die Eckpunkte für eine regenerative
Milch- und Rindfleischproduktion mit Landwirten, Wissenschaftlern und Beratern. Dies
war ein sehr wichtiger Schritt für die Arbeiten an diesem Buch. Für diesen Input danken
wir ganz herzlich: Paul Ertl, Florian Leiber, Robert Obrist, Martin Ott.
Für die konstruktive Diskussion unserer Ergebnisse beim Abschlussworkshop im De-
zember 2016 bedanken wir uns herzlich bei: Kaspar und Annemarie Kohler, Martin Ott,
Walter Richner, Otto Schmid, Franz Josef Steiner. Die Diskussionsergebnisse waren äus-
serst wertvoll und trugen wesentlich zur Fertigstellung des Buchmanuskripts bei.
Ganz herzlich bedanken möchten wir uns bei Dr. Stefan Hörtenhuber (Universität für
Bodenkultur Wien sowie FiBL Österreich) und Dr. Matthias Meier (FiBL Schweiz). Sie ha-
ben das Buchmanuskript mehrfach gelesen. Ihre kritischen Kommentare und Vorschläge
haben das Manuskript wesentlich verbessert.
Wir bedanken uns bei der Bristol Stiftung, der Paul Schiller Stiftung und der Vontobel
Stiftung. Ohne ihre finanzielle Unterstützung wäre dieses Buch nicht möglich gewesen.
Die Bristol Stiftung ermöglicht uns die Projektergebnisse in einem Buch einer breiten Öf-
fentlichkeit zugänglich zu machen. Für diese grosszügige Unterstützung möchten wir uns
ganz herzlich bedanken. Unser ganz besonderer Dank gilt Mario Broggi von der Bristol
Stiftung, der uns während der ganzen Projektdauer begleitet und unterstützt hat. Seine
hervorragenden Kommentare zum Entwurf des Manuskripts waren für das Gelingen von
grosser Bedeutung.
1 Einleitung
Die Landwirtschaft in den Alpenländern Österreich und Schweiz erfüllt für die Gesell-
schaft wichtige wirtschaftliche, soziokulturelle und ökologische Funktionen. Dies nicht nur
aus Sicht der Nahrungsmittelproduktion, sondern insbesondere auch aufgrund ihrer
wichtigen Funktion bei der Erbringung von vielfältigen öffentlichen Leistungen: Ernäh-
rungssicherung, Abpuffern von Naturgefahren, Klimaregulierung, Regulierung des Was-
serhaushalts, Lebensraumfunktion, Biodiversität landwirtschaftlicher Flächen, Nährstoff-
bereitstellung, Erholungsfunktion, kulturelle Funktion (Baldock et al. 2011; TEEB 2010).
Gleichwohl verursacht die Landwirtschaft in der Schweiz und Österreich – verstärkt
seit den 1960er Jahren – ernste negative Auswirkungen auf den Zustand der Ökosysteme
und der natürlichen Ressourcen. In den 1990er Jahren kam es daher in der Schweiz und
in Österreich bzw. der Europäischen Union (EU) zu einem agrarpolitischen Wechsel, weg
von einer reinen Marktstützung hin zu einer ökologieorientierten Agrarpolitik. Diese Öko-
logieorientierung wurde vor allem durch die Einführung von Agrarumweltmassnahmen
umgesetzt. Die Massnahmen der Agrarpolitik und die Landwirtschaft stehen aber weiter
in der Kritik, denn die negativen Umweltauswirkungen der Landwirtschaft konnten bisher
nicht grundlegend behoben werden (SRU 2015; Schweizerischer Bundesrat 2016).
Dafür sind insbesondere die Intensivierung der Landwirtschaft und die damit einher-
gehenden Verluste an Lebensräumen sowie die agrarpolitischen und ökonomischen Rah-
menbedingungen verantwortlich (Bosshard et al. 2011; Briner et al. 2012; Huber et al.
2013; Rounsevell et al. 2012; Wrbka et al. 2008; Young et al. 2005).
Die Stickstoff- und Phosphorkreisläufe sowie der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln
sind Indikatoren, die die Intensität der Landwirtschaft anzeigen. Stickstoff ist dabei der
zentrale Faktor, a) für die Intensität der Landwirtschaft und b) deren Umweltwirkungen
(Abb. 1). Der Import von Stickstoff in das System Landwirtschaft über Futtermittel und
Mineraldünger sowie die Ammoniak-Emissionen aus der Landwirtschaft sind wichtige
treibende Stoffflüsse, die wiederum andere Stoffflüsse induzieren (Emissionen aus Bö-
den, Auswaschung und Abschwemmung von Böden in die Grund- und Oberflächenge-
wässer, Depositionen aus der Atmosphäre) und zum Artenverlust beitragen. Die Land-
wirtschaft ist daher einerseits Verursacherin dieser negativen Umwelteffekte, anderseits
und als Nutzerin der natürlichen Ressourcen auch Betroffene.
Die Schweiz und Österreich haben als Alpenländer einen hohen Anteil Dauergrünland
an der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche (LN) (Schweiz: rund 60 % der LN, Ös-
terreich: 40 % der LN). Als sogenannte «Grasländer» stellt sich daher die Frage, welche
Lösungen für die Milch- und Rindfleischproduktion in den Alpenländern Schweiz und Ös-
terreich zu einer ökologisch nachhaltigen Landnutzung beitragen können, so dass die Pro-
duktion die lokalen Belastungs- und Ressourcengrenzen nicht überschreitet.
Vor diesem Hintergrund unterziehen wir die Landwirtschaft in den Alpenländern Öster-
reich und Schweiz zu Beginn einer umfassenden Bestandsaufnahme hinsichtlich ihrer ag-
rarpolitischen Entwicklung und der Umweltwirkung. Dabei betrachten wir in diesem Buch
14 Chancen der Landwirtschaft in den Alpenländern
Globaler Einfluss
Treibhausgase
Alpenregion & Luftqualität /
Klimawandel
Stickstoffüberschuss
Biodiversitätsverlust
Lachgas (N 2O) Habitate
Nutzungsdruck
Intensive
Tierhaltung
Intensivierung Nitrat (NO 3 ) Arten
Landwirtschaft Intensive
pflanzliche Prod.
Ammoniak (NH 3 ) Genetische Div.
Handelsdünger-
einsatz (-import)
Endogene
Einflussfaktoren
Verbuschung
Verwaldung
Exogene Ökosystemleistungen
Einflussfaktoren
die Länder Schweiz und Österreich in ihrer Gesamtheit und nicht nur das Berggebiet. Die
Begriffe «Alpenraum» bzw. «Alpenregion» werden aus Sicht einer europäischen Alpen-
politik verwendet und schliessen die ausseralpinen Gebiete, wie die Alpenvorländer und
die Mittelgebirge Jura und Böhmische Masse, mit ein (Bätzing 2015; Alpine Space Pro-
gramme 2018).
Einem systemischen Ansatz folgend, diskutieren wir dann aus verschiedenen Perspek-
tiven Ansätze und Leitlinien, die zentral sind, um eine ökologisch nachhaltige Landwirt-
schaft mittelfristig zu erreichen. Eine wichtige Leitfrage ist dabei, wie wir eine sichere
Ernährung der Bevölkerung erreichen, ohne die Tragfähigkeit des Ökosystems zu gefähr-
den. Fünf Gastbeiträge behandeln die Grundlagen der artgemässen Wiederkäuerfütte-
rung, die Auswirkungen einer Kraftfutterreduktion auf Tiergesundheit, Fruchtbarkeit und
Nährstoffeffizienz, die Bedeutung des Grünlands für die Lebensmittelproduktion sowie
die Potentiale einer weidebasierten Low-Input-Milchviehhaltung für die Alpenländer.
Aufbauend auf diesen Erkenntnissen leiten wir sieben Thesen und Fragestellungen für
eine zukunftsfähige Landwirtschaft und Agrarpolitik im Alpenraum her. Thesen, die uns
auf der Lösungssuche mit Expertinnen und Experten in beiden Ländern begleiteten.
Mit der «Regenerativen Milch- und Rindfleischproduktion» stellen wir einen neuen und
innovativen Lösungsweg für eine ökologisch nachhaltige Landwirtschaft im Alpenraum
vor. Dies ist ein Lösungsweg, der sich von der momentanen Hochleistungsstrategie unter-
Einleitung 15
scheidet. Die zwei Praxisbeispiele von Hans Braun (Aargau, Schweiz) und Kaspar und
Annemarie Kohler (Vorarlberg, Österreich) veranschaulichen, dass dieses Konzept der
kraftfutterfreien und graslandbasierten Wiederkäuerhaltung bereits auf landwirtschaftli-
chen Betrieben erfolgreich umgesetzt wird.
Doch zeigt dieser Lösungsweg auch positive Effekte auf die Umweltwirkung auf natio-
naler Ebene? Und wie weit verändert er die Produktion von Lebensmitteln? Diese Fragen
beantworten wir mittels Modellberechnungen in unterschiedlichen Szenarien, die wir mit
zwei Extremszenarien vergleichen. Das erste Extremszenario umfasst den kompletten
Verzicht auf Futtermittel von Ackerland in der Nutztierhaltung. Das zweite beinhaltet die
vollständige Umstellung auf biologische Produktion als Extensivierungsstrategie.
Im letzten Buchkapitel ziehen wir unsere Schlussfolgerungen und leiten Handelsemp-
fehlungen für die Politik ab.
17
Die Landwirtschaft in beiden Alpenländern ist seit den 1950er Jahren durch einen hohen
Anstieg der Produktivität und der Kapitalintensität gekennzeichnet, ferner durch einen
starken Strukturwandel und einen Rückgang beim Anteil an Erwerbstätigen sowie einem
stark zunehmenden globalisierten Handel (Hovorka 2014). Dies gilt auch für die Periode
seit der Ökologisierung der Agrarpolitik in den 1990er Jahren. Die Tabellen 1 bis 3 stellen
die Entwicklung der landwirtschaftlichen Produktion und der Versorgung der Bevölkerung
mit Lebensmitteln der beiden Länder von 1995 bis 2015 dar. Im Folgenden sind wichtige
Kennzahlen bzw. wichtige Veränderungen letzterer beschrieben.
Die Betriebsstrukturen haben sich in diesem Zeitraum in beiden Ländern deutlich ver-
ändert (Tab. 1). So ist beispielsweise die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe seit 1995
um ungefähr ein Drittel zurückgegangen. 2015 gab es in der Schweiz 53 253 landwirt-
18 Chancen der Landwirtschaft in den Alpenländern
Tab. 1. Entwicklung der landwirtschaftlichen Betriebsstrukturen in der Schweiz und Österreich (1995-
2015).
Schweiz Österreich
Betriebsstrukturen1
Anzahl Betriebe in Tsd. 79,5 3 63,6 53,3 239,1 189,6 161,25
Anteil Nebenerwerb % 30 3 37 44 63 56 55 4
Durchschnittliche Betriebsgrösse ha 13,6 3 16,7 19,7 15,3 18,8 19,75
Beschäftigte in der Landwirtschaft 2 % 63 4 3 6 5 5
1 Quellen: Schweiz: BFS 2017a, b; Österreich: Statistik Austria 2017b, BMLFUW 2007, 2016b.
2 Beschäftigte in der Landwirtschaft (Schweiz) bzw. Beschäftigte in der Land- und Forstwirtschaft (Ös-
terreich) gemessen an Beschäftigten insgesamt in der Schweiz bzw. Österreich (alle Beschäftigungs-
grade).
3 Wert für das Jahr 1996.
4 Wert für das Jahr 2013.
5 Wert für das Jahr 2016.
schaftliche Betriebe und 2016 in Österreich 161 155. Gleichzeitig ist die durchschnittliche
Betriebsgrösse in beiden Ländern deutlich angestiegen. Sie liegt 2015 in beiden Ländern
bei rund 20 Hektar pro Betrieb. Damit stieg die durchschnittliche Betriebsgrösse seit 1995
um 45 Prozent in der Schweiz und um 29 Prozent in Österreich. Der Anteil an Betrieben
mit einem Nebenerwerb in der Schweiz ist von 30 auf 44 Prozent deutlich gestiegen. Ein
gegenteiliger Trend auf höherem Niveau ist in Österreich zu beobachten: Hier ging der An-
teil an Nebenerwerbsbetrieben von 63 auf 55 Prozent zurück. Das bedeutet, dass für rund
die Hälfte der landwirtschaftlichen Betriebe in der Schweiz und Österreich das landwirt-
schaftliche Einkommen alleine nicht mehr ausreicht. Insgesamt sind in der Schweiz ledig-
lich 3 Prozent aller Erwerbstätigen in der Landwirtschaft beschäftigt, in Österreich sind es
5 Prozent.
In beiden Ländern ist die landwirtschaftliche Fläche von 1995 bis 2015 um etwa 10 Pro-
zent gesunken (Tab. 2). Österreich und die Schweiz sind Grasländer und der Anteil an
Dauergrünland an der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche (LN) beträgt in der
Schweiz rund 60 Prozent und in Österreich 40 Prozent. Österreich hat relativ mehr Acker-
flächen zur Verfügung als die Schweiz. Aufgrund der höheren Bevölkerungsdichte weist
die Schweiz eine geringere Landwirtschaftsfläche pro Einwohner auf. Sie beträgt 0,13 ha
LN/Einwohner in der Schweiz, während sie in Österreich mit 0,27 ha LN/Einwohner rund
doppelt so hoch ist. An Ackerflächen stehen in der Schweiz lediglich 0,05 ha pro Einwoh-
ner und in Österreich 0,16 ha pro Einwohner zur Verfügung. Österreich hat somit eine
dreifach höhere nutzbare Ackerfläche wie die Schweiz. Um die Versorgung der Bevölke-
rung mit Lebensmitteln sicherzustellen ist damit der Druck zur Intensivierung bzw. die
Notwendigkeit von Lebensmittelimporten in der Schweiz deutlich höher als in Österreich.
Ein Vergleich mit den umliegenden Ländern zeigt: Italien und Deutschland liegen mit 0,11
bzw. 0,15 ha Ackerfläche/Einwohner zwischen der Schweiz und Österreich, während
Landwirtschaft in den Alpenländern: Ein Gesundheits-Check 19
Tab. 2. Entwicklung der Landnutzung und der Tierhaltung in der Schweiz und Österreich (1995-2015).
Schweiz Österreich
Landwirtschaftsfläche1
Landwirtschaftsfläche2 kha 1082,9 6 1065,1 1049,7 2574,5 2536,1 2366,0 8
Landwirtschaftsfläche pro ha 0,15 0,14 0,13 0,32 0,31 0,27
Einwohner
Biologisch bewirtschaftete % 56 11 13 13 14 18 8
Fläche
Ackerfläche12 kha 420,3 6 405,4 398,4 1404,2 1405,2 1346,1
Dauergrünland kha 629,0 6 625,1 613,0 1078,2 1058,0 934,5 8
Sömmerungsfläche 3 kha 523,9 9 513,910 509,011 858,7 731,4 362,6 8
Silomais kha 43,4 6 42,9 45,9 90,7 77,0 92,0
Körnermais kha 22,9 6 20,6 15,3 120,5 167,2 188.7
Getreide kha 196,4 6 167,7 144,1 809,1 796,1 780,7
Soja kha 1,8 6 1,5 1,7 13,7 21,4 56,9
Obst kha 7,76 7,4 7,2 7,6 10,1 11,4
Gemüse kha 8,8 6 9,7 11,6 9,4 12,8 15,7
Tierbestand4
Anzahl Rinder in Mio. 1,76 1,6 1,6 2,3 2,0 2,0
Anzahl Schweine in Mio. 1,4 6 1,6 1,5 3,7 3,2 2,8
Anzahl Hühner in Mio. 6,26 8,1 10,8 13,2 12,4 15,1
Tierbestand gesamt in Anzahl in Mio. 1,87 1,8 1,87 2,9 2,5 2,4 8
GVE5
Tierbesatz GVE/ha 1,7 1,7 1,7 1,1 1,0 1,18
1 Quellen: Schweiz: BFS 2016a, 2017b; Österreich: BMLF 1996, BMLFUW 2007, 2016b.
2 Exkl. Sömmerungsflächen (Alp- bzw. Almflächen).
3 Alp- bzw. Almflächen.
4 Quellen: Schweiz: BFS 2014b, 2016b, 2017b, Eurostat 2017e; Österreich: BMLF 1996, BMLFUW
Grossvieheinheiten (=1 GVE) dient der Futterbedarf (Weideäquivalent) einer erwachsenen Milchkuh
mit einer Jahresmilchleistung von 3000 kg ohne Zufütterung von Kraftfutter.» (Eurostat o. J.).
6 Wert für das Jahr 1996.
7 Werte Schweiz 1995 und 2015: Eigene Berechnung aufgrund nicht verfügbarer Eurostat-Daten für
1995 und 2005: Prozentuelle Veränderung 1995-2005-2015 gemäss Daten zu GVE von BFS (s. Quellen
unter «4»), Übertrag auf Eurostat-Wert von 2005.
8 Wert für das Jahr 2013. Durch geänderte Erfassungsbedingungen in der Agrarstrukturerhebung bei
den Almflächen (Trennung in Futterfläche, Forstfläche bzw. unproduktive Fläche) ist ein Vergleich mit
Angaben von vor 2007 in Österreich nur bedingt möglich.
9 Wert für die Jahre 1992-1997 (Arealstatistik).
10 Wert für die Jahre 2004-2009 (Arealstatistik).
11 Eigene Schätzung.
12 Ackerfläche entspricht der gesamten Ackerfläche inklusive Kunstwiese/Feldfutter
20 Chancen der Landwirtschaft in den Alpenländern
60 %), in Österreich hat sie deutlich abgenommen (1995: 106 %, 2015: 88 %). Der Selbst-
versorgungsgrad mit Gemüse ist in beiden Ländern konstant geblieben und beträgt zwi-
schen 50 und 57 Prozent. Bei Obst ist die Versorgung in beiden Ländern zurückgegangen,
in der Schweiz sogar deutlich (-25 %).
In der Schweiz haben sich die Exportmengen an Milchprodukten (gemessen am Ge-
wicht) zwischen 1995 und 2014 ungefähr verdoppelt, wobei sie sich seit 2010 auf einem
ähnlichen Niveau bewegen. In der Schweiz ist der Anstieg hauptsächlich auf die grosse
Zunahme der Exporte von Molke, eingedickter Milch (inkl. Milchpulver) und anderen Er-
zeugnissen aus natürlichen Milchbestandteilen zurückzuführen. In Österreich haben die
Exporte der Milchprodukte im Zeitraum von 1999 bis 2016 um das Vierfache zugenom-
men. Dies ist auf Zunahmen beinahe aller Milchprodukte-Kategorien (u. a. Milch, Rahm,
Molke, Käse etc.) zurückzuführen. Bei den Fleischexporten ist in der Schweiz analog zu
den Milchprodukten ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen, wobei dies vorrangig auf die
starke Exportzunahme der Schlachtnebenprodukte zurückzuführen ist. In Österreich
schwanken die Fleischexporte im Zeitraum von 1999 bis 2016 zwischen 36 000 t und
84 000 t, wobei sich kein spezifischer Trend abzeichnet. Im Gegensatz zu der Schweiz ex-
portiert Österreich deutlich mehr Fleisch. Dasselbe gilt für Gemüse und Getreide, wobei
auch hier kein klarer Trend ersichtlich ist. In den Jahren 1999, 2005 und 2006 wurden in
Österreich im Vergleich zu den anderen Jahren hohe Mengen Getreide exportiert (1999
v. a. Roggen und Gerste; 2005, 2006 v. a. Weizen).
In der Schweiz ist der Einsatz von mineralischem Stickstoffdünger für die Produktion
von Lebensmitteln pro Hektar Landwirtschafsfläche seit 2005 um 11 Prozent zurückge-
gangen. In Österreich hingegen ist der Verbrauch um 28 Prozent angestiegen. Im Jahr
2015 wurden in der Schweiz durchschnittlich 44 kg Stickstoff-Mineraldünger/ha LN ein-
gesetzt, in Österreich 53 kg Stickstoff-Mineraldünger/ha LN. Bei den Pestiziden zeigt sich
ein anderes Bild: Hiervon hat die Schweiz 2015 gegenüber 1995 12 Prozent mehr einge-
setzt, während der Wert in Österreich um 1 Prozent, also ganz leicht abgenommen hat.
Insgesamt ist mit einem Pestizidverbrauch (aktive Substanzen) von 5,2 kg/ha Ackerfläche
der Pestizideinsatz in der Schweiz rund doppelt so hoch als in Österreich (2,5 kg Pestizide/
ha Ackerfläche). Bei Kraftfutterimporten gibt es in der Schweiz eine deutliche Zunahme
(+219 %). In Österreich haben die Importe um 38 Prozent zugenommen.
22 Chancen der Landwirtschaft in den Alpenländern
Tab. 3. Entwicklung der landwirtschaftlichen Produktion, Selbstversorgung, Exporte und eingesetzte Be-
triebsmittel in der Schweiz und Österreich (1995-2015).
Schweiz Österreich
Produktion1
Milchproduktion kt 3929,0 3957,0 4105,4 2948,2 3113,7 3537,8
Fleischproduktion kt 442,28 450,7 492,5 818,0 855,5 917,2
Selbstversorgungsgrad2
Konsummilch % 97 98 9610 101 128 162
Butter % 93 93 10910 101 73 75
Käse 3 % 125 117 11710 87 93 98
Eier % 45 44 5210 89 74 84
Rindfleisch % 91 86 8610 132 140 146
Schweinefleisch % 97 96 9510 98 100 103
Geflügelfleisch % 48 45 5210 80 68 67
Getreide % 57 58 5810 106 104 88
Gemüse % 55 51 5210 57 57 57
Obst % 36 36 279 53 53 49
Exporte 4
Milchprodukte kt 72,9 112,2 182,210 k.A. 14,1 33,1
Fleisch kt 1,5 7,9 27,410 k.A. 58,0 56,3
Gemüse kt 6,1 1,0 4,810 k.A. 12,3 11,1
Getreide kt 0,9 0,8 4,110 k.A. 294,9 85,4
Betriebsmittel5
Mineralische Düngemittel, kt k.A. 57,5 50,0 k.A. 120,7 138,4
gesamt (Verbrauch)
Stickstoff (Verbrauch) kt k.A. 52,4 45,8 k.A. 105,0 125,3
Phosphor (verbrauch) kt k.A. 5,1 4,2 k.A. 15,8 13,1
Pestizide (Verbrauch, aktive t 1826,3 1388,3 2052,210 3402,0 3404,0 3380,710
Substanz)
Energie (Verbrauch, Ölein- kt 278,0 295,0 k.A. 539,2 543,1 549,5
heit)
Kraftfutterimporte 16 kt 375,3 643,7 1156,4 k.A. k.A. k.A.
Kraftfutterimporte 27 kt k.A. k.A. k.A. 472,3 536,8 651,2
1 Quellen: Schweiz: SBV 2016a, 2016c, BFS 2014a; Österreich: BMLFUW 2007, 2016b, Statistik Austria
2017b.
2 Quellen: Schweiz: SBV 2008, 2014, 2016b; Österreich: Statistik Austria 2017b.
3 Werte Schweiz 1995 und 2005 beziehen sich auf «Fettkäse» bzw. 2015 (2014) auf Käse insgesamt
(inkl. Quark).
4 Quellen: Schweiz: EZV 2015; Österreich: Eurostat 2017b.
Landwirtschaft in den Alpenländern: Ein Gesundheits-Check 23
5 Quellen: Schweiz: Eurostat 2012, 2017a, FAOSTAT 2017, EZV 2017; Österreich: Eurostat 2012, 2017a,
2017d, FAOSTAT 2017, Statistik Austria 2017a.
6 Eigene Definition Kraftfutterimporte (Schweiz): Summe aus importiertem Futtergetreide, Ölkuchen/
tet, Mehl und Pellets von Luzerne und Ölkuchen und andere feste Rückstände der Sojaölgewinnung.
Quelle: Statistik Austria 2017a.
8 Wert für das Jahr 1999.
9 Wert für das Jahr 2013.
10 Wert für das Jahr 2014.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts formierte sich verstärkt ein globales Agrarsys-
tem, d. h. es fand eine «zunehmende Verflechtung lokaler, regionaler und nationalstaatli-
cher Agrarsysteme im weltweiten Massstab» statt (L angthaler 2010). Verstärkt setzten
die Alpenländer auf agrarpolitische Massnahmen, um die eigene Landwirtschaft zu schüt-
zen oder zu fördern. In den folgenden Abschnitten wird die Entwicklung der Agrarpolitik
für die Schweiz und Österreich seit den 1960er Jahren zusammengefasst. Damit soll die
Frage, warum die Agrarpolitik heute so ist wie sie ist, besser beantworten werden kön-
nen. Trotz der zum Teil unterschiedlichen Entwicklungen in der Schweiz und in Österreich
sind für beide Länder in den vergangenen sechs bis sieben Jahrzehnten zwei Hauptpha-
sen der Agrarpolitik kennzeichnend (Abb. 2):
–– Phase 1: Preisstützung und Selbstversorgung als Ziele der Agrarpolitik
Bis in die 1990er Jahre zielte die Agrarpolitik auf die Produktivitätssteigerung und
Preisstützung ab – ausgelöst durch eine niedrige Selbstversorgung der Bevölkerung
und geringe landwirtschaftliche Einkommen in den Nachkriegsjahren.
–– Phase 2: Die Ökologie hält Einzug in der Agrarpolitik
Anfang der 1990er Jahre kommt es aufgrund gesellschaftlicher Umschwünge und Ver-
werfungen im Welthandel zu einem Paradigmenwechsel und einer ersten Ökologisie-
rung der Agrarpolitik.
Seit der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts sind verstärkte staatliche Interven-
tionen in der Landwirtschaft in erster Linie durch den niedrigen Selbstversorgungsgrad der
Bevölkerung mit Lebensmitteln sowie dem geringen landwirtschaftlichen Einkommen be-
gründet. In beiden Staaten führte dies zu einer Agrarpolitik der Preisstützung, mit dem Ziel
die landwirtschaftlichen Einkommen zu sichern, die Strukturen des ländlichen Raumes und
die Kulturlandschaft zu erhalten, die Selbstversorgung besser abzusichern und Lebensmit-
telimporte zu reduzieren (Thiel 1998). Beide Länder verfolgten als Mitglieder der Europäi-
schen Freihandelsassoziation (EFTA) eigenständige Agrarpolitiken; in Österreich war dies
bis zum Beitritt zur EU bzw. kurz davor der Fall, in der Schweiz ist es bis heute so.
24 Chancen der Landwirtschaft in den Alpenländern
Phase 1 Phase 2
Preisstützung, Selbstversorgung Ökologisierung
Österreich
Marktordnungs- Landwirtschafts- Marktord- «Agenda 2000» 1999
gesetze 1958 gesetz 1976 nungsreform
1988
Landwirtschafts- Richtmengen- GAP (Beitritt EU) Greening
gesetz 1960 regelung 1978 1995 2013
Abb. 2. Phasen der Agrarpolitik in der Schweiz und in Österreich. DZV: Direktzahlungsverordnung; GAP:
Gemeinsame Agrarpolitik der EU. Quelle: Eigene Darstellung.
Schweiz
Die Bauern wurden in der Schweiz um 1800 aus der untertänigen Rechtsstellung befreit
und produzierten bis in die 1880er Jahre in einem liberalen Markt (Moser 2003). Aufgrund
der grossen Wirtschaftsdepression gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurden auch die
Schweizer Märkte zunehmend geschützt, wobei dies im Agrarsektor nur zögerlich und mit
dem Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit zu fördern geschah (Moser 2003). Diese Agrarpolitik
führte zu einem Rückgang des Getreideanbaus und einer Zunahme der Viehwirtschaft
(Moser 2003). Der Preis für diese Politik war, dass die Ernährung des Landes während
dem Ersten Weltkrieg nicht mehr sichergestellt war. In der Folge und bis in die 1980er Jah-
re wurde die landwirtschaftliche Produktion dann ganz auf die Ernährungssicherung aus-
gelegt (Moser 2003). Während des Zweiten Weltkriegs wurde die schweizerische Eigen-
produktion ab 1940 mit dem «Plan Wahlen» gefördert, um die Abhängigkeit von Importen
und den damit verbundenen Risiken zu senken (Rieder und Phan - huy 1994). Dieses Pro-
gramm – auch bekannt unter dem Begriff «Anbauschlacht» – führte mit Hilfe der Reduktion
der Viehwirtschaft und der Ausweitung des Ackerbaus zu einer Steigerung des Selbstver-
sorgungsgrades von 52,2 auf 59 Prozent im Jahre 1945 (Tanner 2010). Dieser Wert ist
trotz Bevölkerungswachstum ungefähr konstant geblieben (Bosshard et al. 2011).
1947 wurde die Bundesverfassung mit einem Artikel zur Landwirtschaft ergänzt
(Art. 31bis Abs. 3 lit. B). Auf dessen Basis kann der Staat seither mit Hilfe von agrarpoliti-
schen Massnahmen in das Landwirtschaftsgeschehen eingreifen (Rieder und Phan - huy
1994). Über Jahrzehnte hinweg hatte die Schweiz ein System etabliert, das charakteri-
siert war durch eine ausserordentlich hohe Stützung der Preise zur Förderung der Lan-
Landwirtschaft in den Alpenländern: Ein Gesundheits-Check 25
desversorgung und zum Erhalt des Bauernstandes (Mann 2003; Rieder und Phan - huy,
1994). Das bedeutet, dass der Fokus der schweizerischen Agrarpolitik auf der Unterstüt-
zung der Landwirte und Landwirtinnen lag, indem Preise festgelegt wurden, die sich an
den Produktionskosten orientierten (OECD 2015). Das Landwirtschaftsgesetz von 1951
stellte in Art. 29 den kostendeckenden Anspruch an die Preise in den Vordergrund (Popp
2013). Die Preise wurden in jährlichen Verhandlungen festgelegt, wobei der Bundesrat
zwischen den Forderungen des Bauernverbands, die Preise zu erhöhen und der Markt-
situation, welche keine Preiserhöhungen ertrug, entscheiden musste. Zu dieser Zeit war
die marktwirtschaftliche Lenkungsfunktion der Preise wenig bekannt oder umstritten
(Popp 2013).
In den Jahren 1968 und 1969 zeigten sich die Auswirkungen der preisstützenden Politik
in einer Überproduktion von Milch (Popp 2013). Als Folge davon hat der Bundesrat staatli-
che Transferleistungen – in der Schweiz bekannt als «Direktzahlungen» – zur Sprache ge-
bracht und eine Expertenkommission zu diesem Thema eingesetzt (Popp 2013). Unter
«Direktzahlungen» werden Einkommenszuschüsse zusammengefasst, die nicht an den
Produktpreis gebunden sind, sondern direkt an die Landwirte bezahlt werden (Rieder und
Phan - huy 1994). Die eingesetzte Expertenkommission veröffentlichte im Jahr 1973 den
Bericht «Ausgleichszahlungen an die schweizerische Landwirtschaft» und schlug darin vor,
produktunabhängige Transferleistungen einzuführen. Dieser Vorschlag konnte sich – abge-
sehen von Bewirtschaftungsbeiträgen für Hang- und Steillagen sowie Sömmerungsbeiträ-
gen (Beiträge für die Bewirtschaftung von Alpweiden) – zu dieser Zeit auf politischer Ebe-
ne noch nicht durchsetzen. Das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) versuchte die
Überproduktion an Milch durch Lenkungsmassnahmen zu steuern, indem es Alternativen
wie Ackerbau förderte und Futtermittelimporte verteuerte. Dies glückte jedoch nur bedingt
(Popp 2013). So wurde die Kontingentierung von Milch 1977 unvermeidlich.
Zusätzlich zur Preisstützung wurde die Landwirtschaft durch Handelsbarrieren und die
heimische Marktregulierung vom internationalen Markt isoliert (OECD 2015). Gegen
Ende der 1980er Jahre waren die Preise, die den Landwirten in der Schweiz bezahlt wur-
den, im Durchschnitt 4,5-mal höher als die Weltmarktpreise (OECD 2015). Fast 80 Pro-
zent des Einkommens der Landwirtinnen und Landwirte setzte sich aus Unterstützungs-
zahlungen durch die Agrarpolitik zusammen.
1984 löste der sechste Landwirtschaftsbericht eine Debatte aus, die sich für umfas-
sende Reformen aussprach. Bauernvertreter waren jedoch weiterhin skeptisch gegen-
über produktunabhängigen staatlichen Transferleistungen an die Produzenten. Gleichzei-
tig äusserte sich in der Bevölkerung ein zunehmendes Unbehagen gegenüber der
Agrarpolitik: Dies zeigte sich beispielsweise bei der von der Vereinigung zum Schutz der
kleinen und mittleren Bauern (VKMB) lancierten Initiative «für ein naturnahes Bauern –
gegen Tierfabriken», die 1986 nur knapp abgelehnt wurde.
Zur Einführung von produktunabhängigen staatlichen Transferleistungen kam es in der
Schweiz 1993 mit der Direktzahlungsverordnung (DZV) (Popp 2013). Den endgültigen Anlass
gab unter anderem das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (GATT), welches zu einer
Reduktion der produktbezogenen Stützung, der Exportbeiträge und des Grenzschutzes zwang.
26 Chancen der Landwirtschaft in den Alpenländern
Österreich
Die österreichische Landwirtschaft war im 19. und 20. Jahrhundert einem tiefgreifenden
Strukturwandel unterworfen. Seit den 1870er Jahren sank die finanzielle Ertragskraft der
Landwirtschaft aufgrund der sich öffnenden Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben.
Dies führte – ähnlich wie heute – zu zwei unterschiedlichen Lösungswegen (L angthaler
2010): Extensivierung oder Intensivierung der Landwirtschaft. Im Gegensatz zu anderen
europäischen Staaten war Österreich-Ungarn zum Beispiel bei Getreide mit nur 3 Prozent
Importen fast Selbstversorger (L angthaler 2010). Einige agrarische Bereiche Öster-
reich-Ungarns waren (gänzlich) geschützt, zum Beispiel Zucker mit Einfuhrzöllen und Ex-
portprämien (-stützung) (Fink 2016).
In der Zwischenkriegszeit verfielen die Agrarpreise noch vor Beginn der Weltwirt-
schaftskrise und die österreichische Regierung reagierte mit protektionistischen Mass-
nahmen (Senft 2004):
1. Zollerhöhungen (1930) mit einem relativ geringen Effekt;
2. Direkte Preisstützungsmassnahmen wie Interventionskäufe oder Einfuhrverbote, mit
dem gewünschten Effekt, aber mit dem Nachteil sehr hoher Haushaltskosten;
3. Unmittelbare Produktionsbeschränkungen, welche die zuvor getätigten Investitionen
im Bereich der Vieh- und Milchwirtschaft sinnlos machten.
Infolge des Zweiten Weltkriegs befand sich die österreichische Landwirtschaft in einer
schweren Krise. In den ersten Jahren der Nachkriegszeit war die Versorgung der Bevölke-
rung mit Lebensmitteln nur durch die Hilfe von aussen möglich. Die finanzielle Unterstüt-
zung durch den «Marshall-Plan» wurde auch zur Produktivitätssteigerung in der Landwirt-
schaft eingesetzt, die rasch zur Selbstversorgung und später zur Überproduktion führte
(Loibl 2005). In den folgenden Jahrzehnten nahm die Mechanisierung in der Landwirt-
schaft zu, was zu einer massiven Reduktion der Arbeitskräfte führte (Loibl 2005) und den
Strukturwandel anheizte.
Landwirtschaft in den Alpenländern: Ein Gesundheits-Check 27
Von 1960 bis zum EU-Beitritt war Österreich Mitglied der Europäischen Freihandelsasso-
ziation (EFTA). Im Rahmen der EFTA war die Landwirtschaft von der Handelsliberalisie-
rung ausgeschlossen und blieb mit dem nationalen Markt und der nationalen Agrarpolitik
verbunden (Hancvencl 2002). Die Marktordnungsgesetze (1958), die sich aus dem Milch-
wirtschaftsgesetz, dem Getreidewirtschaftsgesetz sowie dem Viehverkehrsgesetz zu-
sammensetzten, unterliegen den Prinzipien der Preisstützung, der Marktlenkung und der
Abschöpfung auf Basis einer betriebsbezogenen Förderpolitik, die weiter auf die Intensi-
vierung in der Landwirtschaft setzt (Loibl 2005).
Im Landwirtschaftsgesetz von 1960 (BGBl 1960/155, § 2) ist u. a. die «Erhaltung eines
wirtschaftlich gesunden Bauernstandes» und die «Produktivität und Wettbewerbsfähig-
keit der Landwirtschaft, insbesondere durch strukturelle Massnahmen zu erhöhen» als
Ziel formuliert. Auch erfahren die Bergbauernbetriebe verstärkte Berücksichtigung. Agrar-
politik-Reformen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) – wie etwa der
Mansholt-Plan (1968) – wurden in der österreichischen Agrarpolitik abgelehnt, ohne sich
um die für Österreich notwendigen Alternativen (Reformen) zu bemühen. Die Preisstüt-
zungsmassnahmen blieben daher bis 1992 (MacSharry-Reform) bzw. 1995 (EU-Beitritt)
das dominante Instrument der Agrarpolitik (Loibl 2005).
Unter der sozialdemokratischen Alleinregierung setzte in Österreich eine «differenzie-
rende Agrar- und Regionalpolitik» ein. Für die Berggebiete war dies vor allem durch das
erste Bergbauernsonderprogramm (1972) von grosser Bedeutung. Dieses regelte erst-
mals den «Bergbauernzuschuss», eine gestaffelte, produktionsneutrale Direktzahlung,
die im Landwirtschaftsgesetz 1998 Gesetzesrang erlangte (Loibl 2005; Streifeneder
2010). Im österreichischen Landwirtschaftsgesetz 1976 war die Sicherung eines ange-
messenen Lebensunterhaltes und Einkommens für die Landwirte prominent in § 1 gere-
gelt. Im Gegensatz zur Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) verfolgte Österreich dar-
in die folgenden Ziele (Hancvencl 2002):
1. Einen vollumfänglichen Selbstversorgungsgrad an Lebensmitteln;
2. Eine Bestandsförderung von existierenden Strukturen – gekennzeichnet durch eine
bäuerliche Landwirtschaft, Familienbetriebe und vergleichsweise kleine Strukturen;
3. Einen zunehmenden Umweltschutz.
Die Förderung der Bergbauern 1978 erfolgte durch die Einführung der «Richtmengenre-
gelung» zur Steuerung und Begrenzung der produzierten Menge als auch der Kosten für
den Milchsektor mittels eines Quoten- und Kontingentierungssystems (Loibl 2005). Im
gleichen Jahr wurden auch die Viehbestandsobergrenzen geregelt und 1979 bei den Ge-
treideproduzenten ein Verwertungsbeitrag eingehoben (Loibl 2005).
Unter Landwirtschaftsminister Josef Riegler wurde Ende der 1980er Jahre die «Öko-
soziale Agrarpolitik» in Österreich eingeläutet, zum Beispiel durch die erstmalige Förde-
rung der biologischen Landwirtschaft 1989. Die Einführung der Düngemittel- und Saat-
maisabgabe war aber vor allem zur Finanzierung der Überschüsse und des Exports
gedacht (Hancvencl 2002; Loibl 2005). Die Marktordnungsreform 1988 führte mit der
Abschaffung der amtlichen Preisregelung von Milch, Mahl- und Backwaren zu einer ers-
28 Chancen der Landwirtschaft in den Alpenländern
ten Liberalisierung und Deregulierung, v. a. des Milchsektors (Loibl 2005). Diese Phase
der Agrarpolitik bereitete die österreichische Landwirtschaft auf den EU-Beitritt vor.
Schon vor dem EU-Beitritt 1995 hatte die erste grosse Agrarreform in der Europäischen
Gemeinschaft (EG), die MacSharry-Reform (1992), bereits grossen Einfluss auf die Agrar-
politik Österreichs. Weitere Schritte der Liberalisierung der Marktpolitik – Reduktion der
Preis- und Marktstützung bei gleichzeitiger Einführung von Direktzahlungen zur Kompen-
sation der Preisverluste – wurden damit gesetzt (Loibl 2005).
Mit dem EU-Beitritt hat Österreich die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP; oder engl.
Common Agricultural Policy (CAP)) übernommen (Loibl 2005). Die GAP wurde 1962 von
den damaligen Mitgliedern der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) auf Basis
der Römischen Verträge aus dem Jahr 1957 bzw. der Konferenz von Stresa 1958 ratifi-
ziert. Die Grundprinzipien der GAP waren (Hancvencl 2002; Hovorka 2014; Thiel 1998):
–– Die «Einheit des Marktes»: allgemein gültige Regeln, freier Warenaustausch und keine
Binnenschranken;
–– die «Gemeinschaftspräferenz»: Vorrang für eigene Produkte sowie Schutz vor Niedrig-
preisimporten über Schwellenpreise für die Einfuhr (Abschöpfung) und Förderung der
Agrarexporte über Erstattungen bei niedrigeren Weltmarkpreisen;
–– die «finanzielle Solidarität»: gemeinsame Finanzierung der Agrarpolitik im Rahmen des
Unionshaushalts.
Die GAP war somit von Beginn an vor allem durch Preisgarantien und Preisinterventionen
sowie der Produktionssteigerung gekennzeichnet. Dies trug zwar rasch zur Nahrungssi-
cherheit und zur Selbstversorgung in den Mitgliedsstaaten der EWG/EU bei, resultierte
in Folge aber auch in einer massiven Überproduktion, die zu wiederkehrenden Krisen der
GAP führte. Gleichzeitig belasteten die steigenden Kosten den Finanzhaushalt, bei gleich-
zeitig niedrigen Einkommen für die Landwirte (Europäische Kommission o. J.-b). Einer-
seits führten die Exporterstattungen zu Verwerfungen auf den internationalen Märkten
und Einsprüchen der Welthandelsorganisation (WTO). Andererseits resultierten die
Preisstützungen in massiven Differenzen zwischen den EU- und Weltmarktpreisen, wie
etwa bei Getreide. Die GAP wurde daher wiederkehrend reformiert. Die wichtigsten Re-
formen bis Anfang der 1990er Jahre sind der «Mansholt-Plan» und die «Strukturmass-
nahmen» von 1972. Der Mansholt-Plan hatte zum Ziel, dem steigenden Haushaltsauf-
wand zu begegnen und die niedrigen landwirtschaftlichen Einkommen zu bekämpfen
(Stead 2007). Die Strukturmassnahmen bezweckten, die landwirtschaftlichen Betriebe
zu modernisieren, die Ausbildung von Landwirten zu verbessern und die landwirtschaft-
lichen Betriebe zu vergrössern, verbunden mit Anreizen der Betriebsaufgabe (Europäi-
sche Kommission 1972). Das «Mandat vom 30. Mai 1980» und die Einführung der Milch-
quote (1984) waren weitere Reformschritte. Das Grünbuch «Perspektiven der GAP»
(1985) zielte auf die Reduktion der Überproduktion an Getreide ab, zum Beispiel durch
den Anbau alternativer Kulturen und der Nivellierung hoher Preise (Europäische Kommis-
sion 1985). Die «Leitlinien für Agrarausgaben» (1988) reformierten die GAP vor dem
Hintergrund einer Budgetstabilisierung und enthielten unter anderem auch einen Vor-
Landwirtschaft in den Alpenländern: Ein Gesundheits-Check 29
Bis in die 1990er Jahre war die Agrarpolitik der Schweiz und Österreichs wie im vorheri-
gen Kapitel beschrieben durch eine Preisstützungspolitik gekennzeichnet und umfasste
kaum Auflagen zum Schutz von Umwelt und Gemeingütern. In den 1990er Jahren kam
es zu einem bedeutenden agrarpolitischen Paradigmenwechsel, weg von einer reinen
Marktstützung hin zu einer ökologieorientierteren Agrarpolitik bzw. zur «Ökologisierung
der Landwirtschaft» (Europäische Kommission 2013; Nitsch und Osterburg 2005; Popp
2013). In der EU leitete diesen Prozess 1992 die MacSharry-Reform ein (Hancvencl
2002). In der Schweiz wurde die Reform auf Basis einer Volksabstimmung 1993 und mit
dem Beschluss des Parlaments im Jahr 1996 in der Verfassung festgeschrieben (Mann
2003).
Diese Ökologisierung wurde jeweils umgesetzt durch die Einführung von Agrarum-
weltmassnahmen: in der Schweiz durch die Direktzahlungsverordnung und in der EU in-
nerhalb der nationalen bzw. regionalen Programme zur ländlichen Entwicklung. Letztere
werden gemeinsam von der EU und den Mitgliedsländern finanziert. Die Agrarumweltpro-
gramme beinhalten ein Set aus Massnahmen für umweltfreundliche Landwirtschafts-
praktiken. Für deren Umsetzung werden den Landwirten die zusätzlichen Kosten und die
Einkommensverluste ganz oder teilweise kompensiert.
Schweiz
Die Intensivierung der Landwirtschaft, die aufgrund der Preisstützungen im 20. Jahrhun-
dert zu Stande kam, führte teilweise zu irreparablen Schäden an Natur und Landschaft
(Ewald und K laus 2010). Beispiele dafür sind: die Überdüngung und Belastung mit Fremd-
stoffen von Boden und Wasser, der Verlust von Biodiversität und die Veränderung der
Kulturlandschaft (Bosshard et al. 2011). Durch die Einführung der produktunabhängigen
30 Chancen der Landwirtschaft in den Alpenländern
«Der Bund sorgt dafür, dass die Landwirtschaft durch eine nachhaltige und
auf den Markt ausgerichtete Produktion einen wesentlichen Beitrag zur
sicheren Versorgung der Bevölkerung, zur Erhaltung der natürlichen Lebens-
grundlagen und zur Pflege der Kulturlandschaft sowie zur dezentralen
Besiedlung des Landes leistet. […] Er richtet die Massnahmen so aus, dass
die Landwirtschaft ihre multifunktionalen Aufgaben erfüllt. […]». (BV §104,
Abs. 1 und 3)
Aufgabe der Schweizer Agrarpolitik ist es zu gewährleisten, dass die Landwirtschaft ihre
multifunktionalen Aufgaben erfüllt und besonders naturnah, umwelt- und tierfreundliche
Produktionsformen gefördert werden.
Seit dem Inkrafttreten der Direktzahlungsverordnung 1998 am 1. Januar 1999 sind die
Transferzahlungen der Schweiz an den so genannten Ökologischen Leistungsnachweis
(ÖLN) geknüpft (OECD 2015). Die Bedingungen für diesen Nachweis sind eine ausgegli-
chene Düngerbilanz, ein geeigneter Bodenschutz, eine geregelte Fruchtfolge mit mindes-
tens vier Ackerkulturen und die Ausweisung von Biodiversitätsförderflächen von 7 Prozent
der landwirtschaftlichen Nutzfläche (3,5 % bei mit Spezialkulturen belegten Flächen,
Bosshard et al. 2011). 2010 wurde 97 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche nach
ÖLN bewirtschaftet (Bosshard et al. 2011). Ausserdem sind die Landwirte zum Erhalt
weiterer Zahlungen berechtigt, wenn sie zusätzliche freiwillige Massnahmen zur Förde-
rung der ökologischen Qualität und der räumlichen Vernetzung auf nationaler Ebene
durchführten (Mann 2003). Diese spezifischen Leistungen waren in der Öko-Qualitätsver-
ordnung (ÖQV) geregelt, die 2001 in Kraft trat (Bosshard et al. 2011).
Trotzdem gab es Kritik an der Agrarpolitik, die sich insbesondere auf die sogenannten
Allgemeinen Direktzahlungen bezog. Die «Allgemeinen Direktzahlungen» waren an Tiere
bzw. Fläche gebundene staatliche Transferzahlungen. Sie erforderten zwar die Erfüllung
des ÖLN, letztendlich waren es aber unspezifische Transferleistungen für die Versor-
gungssicherheit, die Kulturlandschaftspflege sowie die Einkommenssicherung. Sie mach-
Landwirtschaft in den Alpenländern: Ein Gesundheits-Check 31
ten einen Grossteil des Agrarbudgets für Transferleistungen aus (etwa 80 %) (Bosshard
et al. 2011; L anz et al. 2010). Aufgrund der fehlenden Zielausrichtung kam es zu Fehlanrei-
zen. So führten die tierbezogenen Zahlungen zu einer Ausdehnung und Intensivierung der
Tierhaltung und damit zu negativen Effekten für die Umwelt (L anz et al. 2010), wodurch
die ökologische Ausrichtung der Agrarpolitik konterkariert wurde.
Das Hauptkriterium für die nächste Reform der Schweizer Agrarpolitik 2014-2017 war
die Ausrichtung an konkreteren Umweltzielen für die Landwirtschaft, die messbar und
überprüfbar sind (Schweizerischer Bundesrat 2012). Mit der Agrarpolitik 2014-2017 wird
nicht mehr zwischen allgemeinen und ökologischen Direktzahlungen unterschieden, statt-
dessen wurden sieben Direktzahlungsarten eingeführt (Abb. 3; BLW 2017). Der ÖLN
bleibt Voraussetzung für den Erhalt von Direktzahlungen. Insbesondere die Biodiversitäts-
beiträge, Produktionssystembeiträge (z. B. biologische Landwirtschaft) und Ressourcen-
effizienzbeiträge sind auf die Umweltziele gerichtet. Die Biodiversitätsbeiträge sind in
zwei Qualitätsstufen unterteilt: Qualitätsbeiträge und Vernetzungsbeiträge.
Über die Jahre stiegen die Bundesmittel für die Agrarumweltprogramme in der Schweiz
von 1,09 Milliarden Franken im Jahr der Einführung der Programme (1992) auf mittlerwei-
le 2,8 Milliarden Franken im Jahr 2016 (EFV 2017a). Heute fliessen in der Schweiz 79 Pro-
zent der gesamten staatlichen Ausgaben für die Landwirtschaft und Ernährung in die Ag-
rarumweltprogramme (EFV 2017b).
Art. 104 BV
Sichere Versorgung
Pflege der Kulturlandschaft
Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen
Dezentrale Besiedlung des Landes
Förderung besonders naturnaher, umwelt- und tierfreundlicher Produktionsformen
Übergangsbeiträge
¢Sicherstellung einer sozialverträglichen Entwicklung
ffenhaltung durch flächendecken-
Weiterentwicklung vielfältiger
Arten- und Lebensraumvielfalt
Landschaftsqualitätsbeiträge
Produktionssystembeiträge
¢ Förderung der Sömmerung
Kulturlandschaftsbeiträge
¢ Ausgleich Erschwernis
Biodiversitätsbeiträge
de Bewirtschaftung
Produktionsformen
Einzelkulturen
Landschaften
¢ F
¢ E
¢ E
¢ F
¢ O
Abb. 3. Konzept und Aufbau des weiterentwickelten Direktzahlungssystems der Agrarpolitik 2014-2017
in der Schweiz. Quelle: BLW 2013.
32 Chancen der Landwirtschaft in den Alpenländern
Österreich
Die Österreichische Agrarpolitik ist seit dem Beitritt zur Europäischen Union (EU) – dieser
erfolgte am 1. Januar 1995 – massgeblich durch die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der
EU bestimmt. Dadurch ist der Spielraum für die nationale Agrarpolitik, die im Landwirt-
schaftsgesetz von 1992 (LWG) geregelt ist, äusserst eng. Da Österreich die MacShar-
ry-Reform bis zum EU-Eintritt nicht umsetzte und die gestützten Erzeugerpreise sehr
hoch waren, musste die Preisanpassung infolge des Beitritts mit Übergangsmassnahmen
abgefedert werden. Dies waren u. a. die Förderung der Lagerabwertungskosten, über vier
Jahre dauernde degressive Ausgleichszahlungen, Schutzklauseln über fünf Jahre, die In-
vestitionsförderung und eine bis 2004 geltende staatliche Beihilfe an landwirtschaftliche
Bergbauernbetriebe (Hancvencl 2002).
Die GAP beinhaltet die gemeinsame Marktorganisation und die Direktzahlungen in der
«ersten Säule» der GAP. Diese dient der Regelung der Produktion von und des Handels
mit landwirtschaftlichen Erzeugnisse in der EU. Die «zweite Säule» der GAP beinhaltet
sowohl Umweltmassnahmen, die über die erste Säule hinausgehen, als auch die Entwick-
lung der ländlichen Räume. Das Besondere an der GAP ist die gemeinschaftliche Rege-
lung, Entscheidung und Finanzierung auf EU-Ebene. Somit stellt die GAP einen der weni-
gen Politikbereiche der EU dar, der nicht auf Ebene der Mitgliedsstaaten entschieden
wird.
Wie in der Schweiz wird die Agrarpolitik der EU regelmässig reformiert. Die wichtigs-
ten Reformschritte der EU GAP seit 1992 sind:
–– Um den massiven Produktionsüberschüssen, den Finanzierungsproblemen und der
steigenden Umweltdegradierung entgegenzuwirken, leitete die «MacSharry-Reform»
(1992) das Ende der Markt- und Preisstützung ein. Dabei wurden Ackerflächen stillge-
legt und im Gegenzug Ausgleichszahlungen zur Kompensierung von Einkommensver-
lusten über Flächen- und Tierprämien eingeführt. Damit wurden die staatlichen Trans-
ferzahlungen von der Produktion entkoppelt (Swinbank 1999). Diese Entkopplung ist
eine Reaktion auf die Forderung der WTO-Gespräche nach einem Abbau von produk-
tions- und handelsverzerrenden Massnahmen (K irschke und Weber 2004; Swinbank
1999). Darüber hinaus wurden erstmals in der GAP Agrarumweltprogramme (in Öster-
reich später ÖPUL) eingeführt (BMEL 2014; Hancvencl 2002; K irschke und Weber
2004).
–– Die «Agenda 2000» (1999) führte die im Jahr 1992 eingeführte Entkopplung von staat-
lichen Transferzahlungen und Produktion weiter, indem sie die Stützpreise weiter
senkte und die Einkommensstützung über Direktzahlungen weiter anhob. Der wich-
tigste Reformschritt der Agenda 2000 aber ist die Einführung des bis heute angewand-
ten Zwei-Säulen-Prinzips. Mit der zweiten Säule der GAP «Förderung der Entwicklung
des ländlichen Raums» wird die Entwicklung der Landwirtschaft, des ländlichen Rau-
mes und eine umweltverträglichere Landbewirtschaftung gefördert (BMEL 2014;
Hancvencl 2002; K irschke und Weber 2004).
–– Die «Halbzeitbewertung» (2003) führte die Entkoppelung der Direktzahlungen von der
Produktion und die Bindung der Direktzahlungen an Cross Compliance ein (Verordnung
Landwirtschaft in den Alpenländern: Ein Gesundheits-Check 33
(EG) Nr. 1782/2003 des Rates vom 29. September 2003). Die Reform wird auch als
«Luxemburger-Beschlüsse» und in Österreich zum Teil als «Fischler-Reform» bezeich-
net.
–– Die «Health-Check»-Reform (2008) hatte mit einer stärkeren Modulation der Direkt-
zahlungen eine Kürzung der EU-Agrarausgaben zum Ziel.
–– Das «Greening» (2013) stellte verstärkt die Förderung von Gemeingütern in den Vor-
dergrund, mit einer verpflichtenden Anbaudiversifizierung in der Fruchtfolge, des Er-
halts von Dauergrünland und einer ökologieorientierten Flächennutzung (Abb. 4, Bailey
et al. 2016).
In der EU entfallen lediglich 24 Prozent (etwa 99 Mrd. Euro) des für 2014 bis 2020 vorge-
sehenen Förderbeitrags für die Landwirtschaft von ungefähr 411,7 Milliarden Euro auf die
ländliche Entwicklung. Von diesen 99 Milliarden Euro sind mindestens 30 Prozent für Um-
welt- und Klimaschutzmassnahmen zu verwenden, was lediglich 7,2 Prozent der gesam-
ten Ausgaben für die Landwirtschaft entspricht (Stolze et al. 2016). Im Jahr 2015 lag das
österreichische Agrarbudget (EU-, Bundes- und Landesmitteln) bei 1,93 Milliarden Euro,
das ist ein Minus von 127 Millionen Euro bzw. 6,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr
(BMLFUW 2016b). Davon gehen 19,8 Prozent (382,7 Mio. Euro) in das österreichische
Agrarumweltprogramm ÖPUL und 13,1 Prozent (252,6 Mio. Euro) als Ausgleichzulage an
Betriebe in benachteiligten Gebieten (BMLFUW 2016b).
Umsetzungs-
Mechanismus
2. Säule GAP
Entwicklung des Freiwillig mit
ländlichen Raums Ausgleichszahlungen für
entstandene Kosten und
(inkl. Agrarumwelt- und
Kumulativer Nutzen
Einkommensverluste
Klimaschutz-Massnahmen)
für die Umwelt
Umweltschutzauflagen nach
Cross-Compliance regulatorischen
Voraussetzungen
Abb. 4. Übersicht über die GAP Reform 2014-2020 in der EU. Quelle: Europäische Kommission 2013,
modifiziert.
34 Chancen der Landwirtschaft in den Alpenländern
2.1.3 Fazit
Umweltziele für die Landwirtschaft veröffentlicht und den erforderlichen Beitrag der
Landwirtschaft zum Erreichen der Schweizer Umweltziele konkretisiert (BAFU und BLW
2008). Bis 2016 konnte jedoch keines dieser Umweltziele vollständig erreicht werden
(Schweizerischer Bundesrat 2016). Verfehlt wurden die Umweltziele der Landwirtschaft
insbesondere bei der Biodiversität, den Treibhausgasen, dem Stickstoff und der Boden-
fruchtbarkeit. Bei den Stickstoffeinträgen in die Gewässer sowie bei den Ammoniak- und
Treibhausgasemissionen fand ein Rückgang statt, vor allem zwischen 1990 und 2000.
Seither stagnieren sie aber auf hohem Niveau (Jan et al. 2013; Schweizerischer Bundesrat
2016).
Von der Gesellschaft wird der Druck jedoch stärker, die landwirtschaftlichen Förderun-
gen mit klar umrissenen ökologischen und sozialen Leistungen zu koppeln. Dies firmiert
unter dem Schlagwort «public money for public goods». Eine Grund dafür dürften die ho-
hen Folgekosten der intensiven Landwirtschaft und die Einsparungsmöglichkeiten einer
extensiveren Landwirtschaft sein, wie zum Beispiel Schader et al. (2013) für Österreich
aufzeigten. Darüber hinaus wird das in der EU festgelegte «Verursacherprinzip» auch für
die Landwirtschaft eingefordert.
Roger Biedermann, Andreas Bartel, Othmar Schwank, Rebekka Frick, Matthias Meier,
Klavdija Ramsak-Noemi, Gerhard Zethner, Rainer Weisshaidinger
Damit die Folgen der aktuellen landwirtschaftlichen Praxis auf die Umwelt bestimmt wer-
den können, müssen die massgeblichen Treiber analysiert werden, welche sich negativ
auf die Umwelt auswirken. Dabei zeigt sich, dass Stickstoff (N) der Haupttreiber ist. Wir
gehen daher von der Leitsubstanz Stickstoff aus und betrachten in der Folge die Wirkung
von Phosphor und von Pflanzenschutzmitteln (Pestiziden). Im Weiteren wird auf die Nut-
zungsintensivierung eingegangen.
Stickstoff ist mit seinen vielfältigen Erscheinungsformen und aufgrund seiner Funktion
als lebensnotwendiger Nährstoff ein Schlüsselelement für das Leben auf der Erde. Doch
sind die Emissionen an reaktiven Stickstoffverbindungen aus Landwirtschaft, Verkehr, In-
dustrie und Haushalten in die Umwelt erheblich und greifen drastisch in den natürlichen
Stickstoffkreislauf ein. Seit Beginn der Industrialisierung hat sich die Freisetzung dieser
Stickstoffverbindungen fast verzehnfacht (Biedermann und Leu 2003; SRU 2015).
Reaktive Stickstoffverbindungen belasten Umwelt und Gesundheit auf vielfältige und
komplexe Weise (Abb. 5). Wasser wird durch lösliche Stickstoffverbindungen wie Nitrat
beeinträchtigt, Stickoxide und Feinstaub belasten die Luft, Lachgas und Aerosole tragen
zum Klimawandel bei. Zudem schädigt die Summe aller reaktiven Stickstoffformen, die
durch menschliche Aktivitäten emittiert werden, über Versauerung und Eutrophierung
terrestrische und aquatische Ökosysteme. Festgestellt werden massive Verluste an Bio-
36 Chancen der Landwirtschaft in den Alpenländern
Abb. 5. Auswirkungen von reaktiven Stickstoffverbindungen auf Mensch und Umwelt. Quelle: SRU 2015.
diversität, Algenblüten in den Meeren (z. B. Nordsee) sowie negative Auswirkungen auf
die Wälder (Heldstab et al. 2014). Gruber und Galloway (2008) bringen es auf den Punkt:
«With humans having an increasing impact on the planet, the interactions between the
nitrogen cycle, the carbon cycle and climate are expected to become an increasingly im-
portant determinant of the Earth system».
Das Umweltproblem Stickstoff – wie auch andere Nährstoffe wie Phosphor und Ka-
lium – ist in der Vergangenheit, trotz grundsätzlicher Standortbestimmungen – erstmals
durch die Projektgruppe Stickstoffhaushalt Schweiz (1996) – zu stark in den Hintergrund
getreten, sodass wir heute wegen der Überdüngung (Eutrophierung) massive Probleme
in der Natur haben (Reichholf 2011). Der deutsche Sachverständigenrat für Umweltfra-
gen hält deshalb in seinem Bericht «Stickstoff – Lösungsstrategien für ein drängendes
Umweltproblem» fest, dass zu hohe Einträge von Stickstoffverbindungen eines der gros-
sen ungelösten Umweltprobleme unserer Zeit sind und betont dabei die grosse Bedeu-
tung der landwirtschaftlichen Produktion in Bezug auf Stickstoffemissionen (SRU 2015).
Stickstoff ist zu einer globalen Herausforderung geworden, wie etwa der Weltagrarbericht
(IAASTD 2009) oder auch der World Development Report der Weltbank (The World Bank
2007) zeigen.
Landwirtschaft in den Alpenländern: Ein Gesundheits-Check 37
Betrachtet man die Hydrosphäre verlassen über die Flüsse folgende Frachten das Gebiet
der beiden Länder:
–– Schweiz: 73 Kilotonnen Stickstoff pro Jahr (kt N/Jahr)
–– Österreich: 90 kt N/Jahr.
In der Landwirtschaft wird der natürliche Umsatz von Stickstoff intensiviert, um die Pro-
duktivität der Kulturen zu erhöhen und damit die Lebensmittelversorgung der Bevölke-
rung sicherzustellen. Diese Zufuhr von Stickstoff geschieht einerseits natürlicherweise
durch den Anbau von Pflanzen (z. B. Leguminosen oder Hülsenfrüchtler), welche auf-
grund einer Symbiose mit Bakterien zur biologischen Stickstofffixierung befähigt sind und
so Stickstoff (N2 ) aus der Atmosphäre auf andere Nutzpflanzen übertragen. Andererseits
werden aus dem Luftstickstoff industriell hergestellte mineralische Stickstoffdünger so-
wie Hofdünger aus der Tierhaltung verwendet. Im Vergleich zu anderen Sektoren wird
heute innerhalb der Landwirtschaft weitaus am meisten Stickstoff umgesetzt. Ein Teil des
Stickstoffs geht aus den landwirtschaftlichen Produktionssystemen verloren.
Bei der Analyse der Stickstoffflüsse ist es hilfreich, die Stoffflüsse in «treibende» und
«induzierte» Flüsse zu unterteilen (GSK 1993). Treibende Stoffflüsse sind besser steuer-
bar als die induzierten Stoffflüsse (Heldstab et al. 2013). Die wichtigsten «treibenden»
38 Chancen der Landwirtschaft in den Alpenländern
Tab. 4. Die wichtigsten Stickstoffverbindungen in der Umwelt, ihre Eigenschaften, Quellen und Auswir-
kungen. Quellen: Projektgruppe Stickstoffhaushalt Schweiz 1996, Heldstab et al. 2010.
Tab. 5. Darstellung der anthropogenen Emissionen von reduzierten und oxidierten Stickstoffverbindun-
gen nach Stoffquellen. Quellen: BAFU 2017b, UBA 2017a.
Schweiz Österreich
Stickoxide NOx-N
Verkehr, Industrie, Haushalte kt 26,8 17,1 68,8 41,5
Landwirtschaft kt 1,0 0,9 3,0 3,3
Total kt 27,7 18,0 71,8 44,9
Ammoniak NH3-N
Verkehr, Industrie, Haushalte kt 4,8 3,4 3,3 2,3
Landwirtschaft kt 47,8 46,5 49,4 51,9
Total kt 52,5 49,9 52,7 54,2
Stoffflüsse sind: der Input von Stickstoff über Futtermittel- und Handelsdüngerimporte,
durch Verbrennungsprozesse verursachte Stickoxid-Emissionen sowie Ammoniak-Emis-
sionen aus der Landwirtschaft. Diese sind, gemeinsam mit der Art und Weise, wie die
landwirtschaftlichen Böden bearbeitet und bepflanzt werden, verantwortlich für die An-
kurbelung aller übrigen, sprich der «induzierten» Stoffflüsse. Dazu zählen unter anderem
die Nitrat-Auswaschung aus Böden, Abflüsse ins Ausland sowie die atmosphärische De-
positionen.
Im Folgenden wird für die einzelnen Umweltsphären die zeitliche Entwicklung der
Stickstoffflüsse mit der dazugehörenden Interpretation im Bereich Landwirtschaft detail-
lierter abgehandelt. Die wichtigsten Stickstoffverluste aus dieser Quelle sind Nitrataus-
waschung und Abschwemmung aus Landwirtschaftsböden, Ammoniakemissionen aus
der Tierhaltung und Denitrifikationsverluste (NH3, N2O, NOx ) aus Landwirtschaftsböden.
Schweiz Österreich
Einheit 1995 2005 2010 2013 1995 2005 2010 2013
Input1
Mineralische und organische Dünger tN 67 533 57 108 59 862 50 388 150 133 106 216 99 736 121 102
Wirtschaftsdünger tN 140 617 132 511 133 980 132 338 182 950 189 644 172 440 166 348
Saat- und Pflanzgut tN 892 907 932 975 2868 2673 2662 2748
N-Fixierung tN 32 915 33 475 33 802 33 343 31 007 35 385 35 938 33 750
Deposition tN 31 648 27 413 26 632 26 488 52 830 47 319 45 778 39 487
Input gesamt tN 273 606 251 414 255 208 243 532 419 788 381 237 356 553 363 435
Output1
Marktfrüchte tN 28 658 26 009 23 600 22 033 93 202 106 735 104 762 124 085
Ackerfutter und Grünland tN 129 852 132 393 131 698 128 337 167 888 192 528 167 735 168 113
Output gesamt tN 158 510 158 402 155 298 150 370 287 558 299 263 272 497 252 064
Überschuss tN 115 096 93 012 99 910 93 162 132 230 81 974 84 056 111 371
Landwirtschaftsfläche2 kha 1083 6 1065 1052 1050 2575 2536 2412 2366
Überschuss je ha kg N/ha 106 87 95 89 51 32 35 47
Grossvieheinheiten (GVE) 3 gesamt kGVE 1824 4 1768 1794 1793 2851 2454 2517 2439
Tierbesatz GVE/ha 1,7 1,7 1,7 1,7 1,1 1,0 1,0 1,0
Überschuss je GVE3 kg N/GVE 63,1 52,6 55,7 52,0 46,4 33,4 33,4 45,7
Kalorienproduktion Pflanzenbau5 Tcal 3352 3476 3361 3238 8930 10 617 11 355 11 409
Kalorienproduktion Tierhaltung5 Tcal 3077 3154 3262 3220 4268 4460 4517 4325
Kalorienproduktion Landwirtschaft gesamt5 Tcal 6430 6631 6624 6458 13 198 15 077 15 872 15734
N-Effizienz je produzierter Kalorie kg N/Gcal 42,6 37,9 38,5 37,7 31,8 25,3 22,5 23,1
kg N/Gcal
Chancen der Landwirtschaft in den Alpenländern
Überschuss je produzierter Kalorie 17,9 14,0 15,1 14,4 10,0 5,4 5,3 7,1
Landwirtschaft in den Alpenländern: Ein Gesundheits-Check 41
(Fortsetzung Tab. 6)
1 Quellen: BMLFUW 2012, 2016a, BFS 2017b.
2 Exkl. Sömmerungsflächen (Alp- bzw. Almflächen). Quellen: BFS 2017b, BMLFUW 2016b.
3 GVE = Grossvieheinheit gemäss Eurostat-Methodik: «Als Referenzeinheit für die Berechnung der
Grossvieheinheiten (=1 GVE) dient der Futterbedarf (Weideäquivalent) einer erwachsenen Milchkuh
mit einer Jahresmilchleistung von 3000 kg ohne Zufütterung von Kraftfutter.» (Eurostat o. J.).
4 Wert Schweiz 1995: Eigene Berechnung aufgrund nicht verfügbarer Eurostat-Daten für 1995: Prozen-
tuelle Veränderung 1995-2005 gemäss Daten zu GVE von BFS 2016b, Übertrag auf Eurostat-Wert von
2005.
5 Quelle: Eigene Berechnung auf Basis FAO (2017a).
6 Wert für das Jahr 1996.
hoch wie in Österreich. Seit 2010 beträgt der Stickstoffüberschuss in der Schweiz jährlich
durchschnittlich rund 90 kg N/ha, in Österreich etwa 35 kg N/ha (BFS 2017d; BMLFUW
2016a). Konkret betrug der Stickstoffüberschuss im Jahr 2013 in der Schweiz rund 93 000
t und in Österreich rund 110 000 t. Im Jahr 2014 nimmt er in der Schweiz leicht ab auf
89 900 t und in Österreich deutlich auf 71 500 t. Es zeigt sich, dass bei den nationalen
Stickstoffbilanzen, welche nach der OECD-Methode berechnet werden, grosse jährliche
Differenzen bestehen. So bewegte sich in Österreich der jährliche Stickstoffüberschuss
pro ha im Zeitraum 2007 bis 2014 zwischen 23 kg und 41 kg (bezogen auf die Landwirt-
schaftsfläche, inkl. Sömmerungsflächen, in Tab. 6 nicht dargestellt; BMLFUW 2016a). Die
Hauptursache dieser Unsicherheiten liegt bei der Ermittlung der Daten zu den Mineral-
düngerverkäufen und des Nährstoffentzugs durch die Erntemenge (BMLFUW 2016a).
In der Schweiz wird die Stickstoffeffizienz nach der OSPAR-Methode (BLW 2016a;
Heldstab et al. 2010) berechnet, welche wesentlich genauer differenziert als die Euro-
stat-OECD. Dadurch erklären sich die Unterschiede in den Resultaten. Abbildung 6 zeigt
eine Zeitreihe der Stickstoff-Inputs in die Landwirtschaft.
Besonders zwei Entwicklungen sind auffallend: Einerseits hat der jährliche Einsatz von
Mineral- und Recyclingdünger seit 1995 von jährlich 69 kt N auf 53 kt N im Jahr 2014 um
kt N
70
60
50
40
30
20
10
0
1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013
Jahr
Deposition auf Landwirtschaftsböden Import-Futtermittel Mineral- und Recyclingdünger
Abb. 6. Inputs von Stickstoff in die schweizerische Landwirtschaft. Quelle: BLW 2016a, ergänzt nach
Heldstab et al. (2010).
42 Chancen der Landwirtschaft in den Alpenländern
Einfluss des Stickstoffs auf die Umweltsphäre Wasser: Frachten über Ober
flächenwasser
Die in den letzten Jahrzehnten erfolgten massiven Eingriffe in den Stickstoffkreislauf ha-
ben zur Folge, dass wir beim Medium Wasser vor zwei Hauptproblemen stehen. Einer-
seits verursachen die grossen Stickstofffrachten der Flüsse aus den Alpenländern in den
Meeren grosse ökologische Schäden. Andererseits werden die Grundwasser vor Ort mit
dem gesundheitsschädlichen Nitrat angereichert (Heldstab et al. 2010; IARC 2006).
Überschüssige Stickstoffkonzentrationen in Flüssen beeinträchtigen marine Ökosyste-
me (Projektgruppe Stickstoffhaushalt Schweiz 1996). Der Eintrag von Stickstoff in die
Nordsee über die Zuflüsse ist heute auf das rund drei- bis vierfache der natürlichen Fracht
angestiegen (Prasuhn und Sieber 2005). Als Folge davon hat sich beispielsweise im nie-
derländischen Wattenmeer seit Mitte der 1970er Jahre die Biomasseproduktion des
Phytoplanktons innerhalb von 20 Jahren verdoppelt bis verdreifacht. In Übergangs- und
Küstengewässern ist Stickstoff für das Wachstum von Algen limitierend. Somit führt die
Zufuhrt von Stickstoff zur Eutrophierung. Aus diesem Grund ist die Begrenzung des Stick-
stoffeintrages äusserst relevant (Heldstab et al. 2010). Reduktionsstrategien setzen da-
bei auf der Ebene des Gesamteinzugsgebiets an. Die Nordsee-Anliegerstaaten und die
Internationale Kommission zum Schutz des Rheins (IKSR) haben beschlossen, die Stick-
stoffeinträge in die Nordsee gegenüber dem Basisjahr 1985 so bald als möglich um 50
Prozent zu vermindern (Heldstab et al. 2010). Die Schweiz hat den Beschluss unterzeich-
net und ein Ziel festgeschrieben mit dem gleichzeitig die Nitratproblematik im Grundwas-
ser angegangen werden kann. Denn die diffusen Einträge der Landwirtschaft liefern über
den Weg vom Boden ins Grundwasser und dann in die Oberflächenwasser den Hauptteil
der Frachten in den Flüssen (Heldstab et al. 2010). Die Schweiz ist, wie auch die übrigen
Signaturstaaten, weit von der Zielesetzung entfernt, die Einträge zu vermindern. Wäh-
rend die Einträge aus häuslichen und industriellen Abwässern seit 1995 deutlich zurück-
gegangen sind, sind die diffusen Einträge aus der Landwirtschaft kaum verringert wor-
den. Im schweizerischen Rheineinzugsgebiet unterhalb der Seen ist die Stickstoffbelastung
durch diffuse Einträger aus der Landwirtschaft zwischen 1985 und 2001 kontinuierlich
gesunken. Seit 2001 jedoch bleiben sie auf dem Niveau von jährlich 16 kt Stickstoff an-
nähernd gleich. Somit übersteigen heute in beiden Ländern die Stickstofffrachten aus der
Landwirtschaft in die Gewässer diejenigen aus der Abwasserreinigung.
Landwirtschaft in den Alpenländern: Ein Gesundheits-Check 43
Mit dem Modell MODIFFUS (Hürdler et al. 2015) wurde für die Schweiz für das Jahr
2010 ein diffuser Eintrag von insgesamt 51,5 kt Gesamtstickstoff errechnet. Davon stam-
men 32,2 kt N/Jahr aus dem Hauptemittenten «landwirtschaftliche Böden» und eine ak-
tuelle Prognose zeigt, dass die Auswaschung bis ins Jahr 2020 auf diesem hohen Niveau
bleiben wird (Reutimann und Heldstab 2015). Der flächenspezifische Eintrag ist dabei mit
48 kg N/ha/a besonders hoch. Hotspots dieser Einträge finden sich im Berner Seeland, im
unteren Rhonetal (Raum Monthey), im St. Galler Rheintal etc. (Hürdler et al. 2015).
Für Österreich ist der Eintrag in die Nordsee nur für einen sehr geringen Teil der Land-
flächen entscheidend. Der weitaus grösste Teil (96 %) der österreichischen Landfläche
wird über die Donau in das Schwarze Meer entwässert. Die damit verbundenen Nähr-
stofffrachten tragen zusammen mit denen aus anderen Ländern zur grossen Umweltbe-
lastung dieses Binnenmeers bei. Die Anrainerstaaten haben sich in der Internationalen
Kommission zum Schutz der Donau (IKSD) vertraglich dazu verpflichtet, die Stickstoffbe-
lastungen der Donau und damit den Eintrag ins Schwarze Meer zu reduzieren (ICPDR
2018). Verglichen mit dem Vertrag der Nordsee-Anrainerstaaten sind die damit verbunde-
nen Verpflichtungen jedoch weit weniger konkret.
Die Abschätzung der Nährstoffeinträge in die Gewässer erfolgte mit Hilfe des an die für
Österreich typischen Verhältnisse angepassten MONERIS-Modells (BMLFUW 2012). Da-
bei ergab sich eine Reduktion der Gesamtstickstoffemissionen von 100 552 t N/a (für den
Betrachtungszeitraum 1998-2002) auf 80 315 t N/a (für den Betrachtungszeitraum 2001-
2006). Die Einträge stammen zu 20 Prozent aus Punktquellen und zu 80 Prozent aus dif-
fusen Quellen. Mit knapp 50 Prozent ist die Landwirtschaft die Hauptquelle für Stickstoff-
emissionen in die Fliessgewässer.
44
42
40
38
36
34
32
Nitrat [mg/L]
30
28
26
24
22
20
18
16
14
12
10
Jan./11
Jan./02
Jan./03
Jan./04
Jan./05
Jan./06
Jan./07
Jan./08
Jan./09
Jan./10
Jan./12
Jan./13
Jan./14
Jan./15
Jan./16
Jan./17
Der Alpenraum ist mit rund 4500 Pflanzen- und rund 30 000 Tierarten ein wichtiger Bio-
diversitäts-Hotspot für Europa (Chemini und Rizzoli 2003; Stöcklin et al. 2007), der sich
über komplexe räumliche Muster von Ökosystemen und Lebensräumen erstreckt. Die
Landwirtschaft spielt dabei eine äusserst bedeutende Rolle, da nach Tasser et al. (2011)
ungefähr ein Viertel der Diversität von Pflanzen-Gemeinschaften in den Alpen auf mensch-
lichen Aktivitäten beruht oder von bestimmten Formen der Landwirtschaft abhängig ist.
In der Schweiz und in Österreich nimmt das Dauergrünland den Grossteil der gesamten
Landwirtschaftsflächen ein: Gemessen an der Landwirtschaftsfläche ohne Sömmerungs-
flächen sind es in der Schweiz ungefähr 60 Prozent und in Österreich 40 Prozent (BFS
2013; BMLFUW 2015a). Das Dauergrünland wird in beiden Ländern zu zwei Dritteln ex-
tensiv genutzt. Die Erhaltung der biologischen Vielfalt beim Grünland ist somit von beson-
derer Bedeutung.
Die Biodiversität ist in den beiden Alpenländern stark gefährdet. Haupttreiber für den
Verlust der biologischen Vielfalt sind (EEA 2016; Ewald und K laus 2010; Fischer et al.
2015; L achat et al. 2010; Stöcklin et al. 2007; UBA 2013a):
–– Die Intensivierung der Landwirtschaft (Ausräumung der Landschaft, Trockenlegung
von Feuchtstandorten usw.; Kap. 2.2.4);
–– die Stickstoffdeposition aus der Luft;
–– die Über- und Verbauung von Landwirtschaftsflächen (Kap. 2.2.4).
Die Beeinträchtigung der Artenvielfalt durch die Stickstoffdeposition aus der Luft wird von
vielen Autoren beschrieben (Broggi 2012; Roth et al. 2013; Storkey et al. 2012), diese
betonen die negative Korrelation zwischen Stickstoffdeposition und Artenreichtum. An-
hand einer Langzeitbetrachtung zeigten Habel et al. (2016) Änderungen in der Artenzu-
sammensetzung aufgrund des Klimawandels und aufgrund von Stickstoffdepositionen.
Ein schwerwiegender Artenverlust ist besonders bei den Arten mit eingeschränktem
Ausbreitungsverhalten und bei Arten, die auf nährstoffarme Böden angewiesen sind, zu
verzeichnen. Ferner zeigen Billeter et al. (2008), dass sogar auf höherer räumlicher Skala
(Landschaftsebene) die Artenvielfalt der Gefässpflanzen und Vögel neben der Land-
schaftsstruktur auch durch den Stickstoffinput beeinflusst wird.
Einfluss des Stickstoffs auf die Umweltsphäre Luft und die Biodiversität
Zur Beurteilung der Wirkung von reaktiven Stickstoffverbindungen auf Ökosysteme und
somit auf die Biodiversität – wobei hier die Wirkung auf Pflanzengesellschaften im Vorder-
grund steht – werden heute die «Critical Loads» für Stickstoffverbindungen (CLN) heran-
gezogen. Critical Loads bezeichnen die Schwellenwerte an Stickstofffrachten in ein Öko-
system, die im System nicht mehr gepuffert werden können und zu einer Veränderung der
Artengemeinschaft führen. Die Critical Loads-Werte sind im Übereinkommen über weit-
räumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung (Convention on Long-Range Trans-
boundary Air Pollution, LRTAP) der UNO-Wirtschaftskommission für Europa (UNECE)
festgelegt. Sie sind wissenschaftlich abgestützt und dokumentiert (EKL 2014). Roth et al.
(2013) konnten quantitativ aufzeigen, dass eine übermässige Stickstoffdeposition die Ar-
Landwirtschaft in den Alpenländern: Ein Gesundheits-Check 47
nichtüberschritten
nicht überschritten
0–5 kg
0–5 kgN/ha/a
N/ha/a
5.1–10
5.1–10
10.1–20
10.1–20
20.1–30
20.1–30
>30
> 30
0 50
km Quelle: Bundesamt
Quelle: Bundesamt für Umwelt
für Umwelt
Karte: Meteotest
Karte: Meteotest 20142014
Abb. 8. Überschreitungen der Critical Loads für Stickstoff in der Schweiz, Belastungskarte für das Jahr
2010 in kg N/ha/Jahr. Quelle: Rihm und Achermann 2016.
nicht
0–1nicht überschritten
überschritten
kg N/ha/a
kgN/ha/a
2–50–5 kg N/ha/a
6–105.1–10
5.1–10
11–20
10.1–20
10.1–20
21–40
20.1–30
20.1–30
41–60
>30
> 30
> 60
0 50
km
Terrain BFS GEOSTAT
Quelle:
Umweltbundesamt GmbH 2013
0 50
km Quelle: Bundesamt für Umwelt
Karte: Meteotest 2014
Abb. 9. Überschreitung der Critical Loads für Stickstoff in Österreich, Belastungskarte für das Jahr 2010
in kg N/ha/Jahr. Quelle: Dirnböck et al. 2014, modifiziert.
48 Chancen der Landwirtschaft in den Alpenländern
Schweizer Landwirtschaft sind nach Kupper et al. (2013) von 1990 bis 2002 gefallen, seit-
her aber wieder leicht angestiegen. Bis 2020 wird nur noch eine marginale Reduktion
prognostiziert.
Zwischen den Ammoniakemissionen und der Anzahl Nutztiere besteht ein sehr enger
Zusammenhang. Mehr als die Hälfte der Ammoniakemissionen werden in Österreich und
der Schweiz von Rindvieh verursacht (Kupper et al. 2013). In der Schweiz sind die höchs-
ten NH3 -Emissionen in Gebieten mit intensiver Nutztierhaltung im Alpenvorland zu finden.
Konkret werden in diesen Gegenden jährlich bis über 60 kg Ammoniak-Stickstoff pro Hek-
tar Landwirtschaftsfläche in die Luft emittiert (Kupper et al. 2010). In Kapitel 2.1.1 wird
gezeigt, dass die Viehbesatzdichte über die landwirtschaftliche Nutzfläche ohne Sömme-
rungs-/Alpweiden in der Schweiz mit 1,7 GVE/ha im Jahr 2010 deutlich über jener Öster-
reichs mit 1,1 GVE/ha lag.
Interessant ist der Vergleich der Ammoniakemissionen bezogen auf die Fläche der bei-
den Länder (Tab. 8). Er zeigt, dass die Werte der Schweiz deutlich höher sind als jene
Österreichs.
Tab. 7. Gesamte Ammoniakemissionen der landwirtschaftlichen Landnutzung in der Schweiz und in Ös-
terreich im Jahr 2013, Angaben in NH 3, hier nicht als NH 3 -N. Quellen: Zusammenfassung der NH 3 Emis-
sionen nach Quellen (kt) aufgrund eigener Berechnungen auf der Basis von BAFU (2015c) und UBA
(2015).
Schweiz Österreich
kt % kt %
0–1 kg
0–1 kg N/ha/a
N/ha/a
2–5
2–5
6–10
6–10
11–20
11–20
21–40
21–40
41–60
41–60
>>60
60
0 50
km
Terrain BFS GEOSTAT
Abb. 10. Modellierte Ammoniak-Emissionen in der Schweiz 2010. Quelle: kUPPer et al. 2013.
0–1 kg N/ha/a
0–1 kg N/ha/a
2–5
2–5
6–106–10
11–20
11–20
21–40
21–40
41–60
41–60
> 60
>60
0 50
km
Terrain BFS GEOSTAT
Quelle:
Umweltbundesamt GmbH 2013
Abb. 11. Modellierte Ammoniak-Emissionen aus der Tierhaltung in Österreich 2010, bezogen auf die je-
weilige Gemeindefläche. Quelle: Eigene Darstellung, basierend auf UBA (2016c). Kartografie: Umwelt-
bundesamt Österreich.
Landwirtschaft in den Alpenländern: Ein Gesundheits-Check 51
Abbildung 10 zeigt, dass in der Schweiz die höchsten NH3 -Emissionen in Gebieten mit
intensiver Nutztierhaltung im Alpenvorland (Übergangsgebiet zwischen Mittelland und
Voralpen: Teile der Kantone Bern und Freiburg, Zentralschweiz, St. Gallen, Appenzell und
Thurgau) zu finden sind.
Für Österreich liegt eine vergleichbare Auswertung vor (Abb. 11). Anstatt einer geoco-
dierten landwirtschaftlichen Betriebszählung wie im Falle der Schweiz und einer Auswer-
tung in einem Raster, werden in Österreich die Tierzahlen auf Gemeindeebene ausgewer-
tet. Die Schwerpunkte der Tierhaltung liegen ähnlich wie in der Schweiz in den
Alpenvorländern, vor allem in den Bundesländern Ober- und Niederösterreich sowie der
Steiermark. Besonders hohe Stickstoff-Depositionsraten treten in der Folge in den Alpen-
vorländern und den angrenzenden voralpinen Gebieten auf. Inneralpin weisen das Rhein-
tal, das Inntal und das Kärntner Becken höhere Ammoniakemissionen auf.
2.2.2 Phosphor
Phosphorbilanz
Phosphor (P) ist einer der wichtigsten Pflanzennährstoffe und ist essentiell für wichtige
Funktionen des Pflanzenhaushalts und der Photosynthese. Auf der anderen Seite schädi-
gen hohe Phosphoremissionen der Landwirtschaft die Umwelt und die natürlichen Res-
sourcen, zum Beispiel tragen sie zur Eutrophierung von Oberflächengewässern bei. Bei
letzteren ist Phosphor der limitierende Faktor für das Pflanzenwachstum.
In der Schweiz nimmt der Phosphorvorrat im Oberboden seit rund 50 Jahren zu: Allein
zwischen 1990 und 2000 nahmen die aufsummierten Phosphorüberschüsse jährlich um
20 000 t auf insgesamt 140 000 t zu (BAFU und BLW 2008). Betrachtet man den Zeitraum
1975 bis 2010 beläuft sich der Zuwachs des Phosphorvorrates in den landwirtschaftlich
genutzten Böden in der Schweiz auf annähernd 560 000 t (BLW 2010). Aufgrund von
Massnahmen in der Landwirtschaft konnten die jährlichen Phosphorüberschüsse stark
reduziert werden (BFS 2017c). Konkret vom Anfang der 1990er Jahre mit rund 19 000 t/a
verglichen mit dem Zeitraum 2010-2014 mit Werten zwischen 2200 und 4000 t/a. Damit
gibt es nach wie vor eine Anreicherung von Phosphor in den schweizerischen Böden, ob-
wohl die betrieblichen Phosphorbilanzen gemäss Direktzahlungsverordnung auf 97 Pro-
zent der schweizerischen Landwirtschaftsbetriebe ausgeglichen sein sollten (herzog und
richner 2005). Eine Abnahme des Bodenvorrats wurde nur auf den Flächen beobachtet,
in denen die Düngung auf unter 100 Prozent des Pflanzenbedarfs reduziert wurde.
Im Jahr 1990 betrugen die jährlichen Phosphorüberschüsse in Österreich 31 000 t. Ab
2005 pendelten sich die Werte auf 3000 bis 6000 t ein. In einzelnen Jahren war die Bilanz
negativ. Dementsprechend ist für das Grünland in Österreich die Versorgungssituation
insgesamt als niedrig oder sehr niedrig zu bewerten (AGES 2010). Im Jahr 2014 wurde
von der OECD und Eurostat eine vereinfachte Methode zur Bilanzierung beschlossen, um
den Mitgliedsstaaten die Datenerhebung leichter zu machen. Nach dieser weniger präzi-
sen Methode ergibt sich im Jahr 2013 nun ein stark positiver Phosphorüberschuss. Heute
steht in Österreich die ungesicherte Vollständigkeit der Phosphor-Mineraldüngerstatistik
52 Chancen der Landwirtschaft in den Alpenländern
20
15
kg P ha -1
10
0
1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005
Importierte Futtermittel Mineraldünger
Recycling- und andere Dünger Deposition
Abb. 12. Phosphor-Nährstoffmenge in den Inputs der Schweizer Landwirtschaft. Quelle: Spiess 2011.
werden. Bei einem Phosphorgehalt von 47 bis 111 mg P/kg Boden – dieser Bereich wird
in der Landwirtschaft als ausreichende Versorgungslage eingestuft – ist im Grünland mit
steigender Phosphorversorgung eine deutliche Abnahme der Artenzahl festzustellen. Ge-
rade in diesem mittleren Intensitätsniveau reagiert die Biodiversität extrem sensibel auf
die Bewirtschaftung und ein standortsangepasstes Flächenmanagement ist von immen-
ser Bedeutung. Am oberen Rand der ausreichenden Phosphorversorgung, bei etwa 100
mg P/kg Boden, ist nur noch eine minimale Artenausstattung vorhanden.
2.2.3 Pestizideinsatz
Situation Pflanzenschutzmitteleinsatz
Einen Überblick über den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln vermitteln der schweizeri-
sche Agrarbericht und der österreichische Grüne Bericht (BLW 2016a; BMLFUW 2016b).
Messungen von Pflanzenschutzmittelrückständen werden in der Schweiz primär durch
die Überwachungsprogramme der Kantone (Lebensmittelkontrolle etc.) sowie zusätzlich
durch den Bund im Rahmen der nationalen Grundwasserqualitätsbeobachtungen (NA-
QUA) gewährleistet. In Österreich werden die Beobachtungen der Grundwassermesspe-
gel vom Bund über das Umweltbundesamt durchgeführt, die Oberflächengewässer lie-
gen in der Kompetenz der Bundesländer.
Ob die Zulassung und Anwendung von einzelnen Pflanzenschutzmittelwirkstoffen dem
in den EU-Verträgen erwähnten und in der Mitteilung der Kommission (Europäische Kom -
mission 2000) erläuterten Vorsorgeprinzip entspricht, wird – wie aktuell am Beispiel Gly-
phosat zu verfolgen ist – kontrovers diskutiert. Unter anderem auch, weil der Rückgriff auf
das Vorsorgeprinzip voraussetzt, dass «die möglichen negativen Folgen eines Phäno-
mens, eines Produkts oder eines Verfahrens ermittelt worden sind» (Europäische Kom-
mission 2000).
2014 betrug der Absatz an Pflanzenschutzmitteln für die Landwirtschaft in der Schweiz
2130 t (Abb. 13). Im Jahresvergleich ist diese Menge seit 2006 (1911 t) um etwa 10 Pro-
zent angestiegen. In Österreich lag die verkaufte Menge im Jahr 2006 bei 3416 t und 2014
bei 3378 t (Abb. 14). Im Jahresvergleich sind Schwankungen von +/-10 Prozent zu erken-
Landwirtschaft in den Alpenländern: Ein Gesundheits-Check 55
nen. Eine Ausnahme war das Jahr 2008, in dem mehr als 4000 t Pflanzenschutzmittel
verkauft wurden.
2000
Tonnen Wirkstoff
1500
1000
500
0
2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014
Abb. 13. Verkauf von Pflanzenschutzmitteln in der Schweiz 2006-2014. Quelle: Eigene Darstellung, ba-
sierend auf BLW (2016a).
2500
2000
1500
1000
500
0
2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014
Abb. 14. Verkauf von Pflanzenschutzmitteln in Österreich 2006-2014. Quelle: Eigene Darstellung, basie-
rend auf BMLFUW (2016b).
Landwirtschaft in den Alpenländern: Ein Gesundheits-Check 57
3. Die Abnahme von bodenbrütenden Vögeln im Umkreis von Ackerflächen korreliert eng
mit der Häufigkeit der Insektizid-Applikationen und wird auch durch Fungizid-Applika-
tionen beeinflusst.
4. Mit zunehmender Menge ausgebrachter Insektizide nimmt der Frassdruck auf Blatt-
läuse in Winterweizen ab.
5. Die biologische Bewirtschaftung und andere Formen von ökologischem Ausgleich er-
höhten die Pflanzen- und Laufkäfer-Diversität in und um Ackerflächen, jedoch nicht die
Diversität der Brutvögel.
Geiger et al. (2010a) kommen zu dem Schluss, dass sich Pflanzenschutzmittel trotz der
Agrarumweltprogramme nach wie vor «katastrophal» auf Wildpflanzen und Tierarten aus-
wirken. Der Schutz der Biodiversität und anderer natürlicher Ressourcen bzw. Ökosys-
temleistungen wird ohne Änderungen der Anwendungspraxis und Minimierung des Pflan-
zenschutzmitteleinsatzes in der Landwirtschaft nicht gelingen.
Pestizide in Oberflächengewässern
Aufgrund verbesserter Analysemethoden werden in den Fliessgewässern in den intensiv
bewirtschafteten Agrargebieten Österreichs und der Schweiz relativ viele Pflanzen-
schutzmittel und deren Abbauprodukte festgestellt. In der Studie von Wittmer et al.
(2014) wurden in der Schweiz fünf repräsentative, mittelgrosse Fliessgewässer auf mög-
lichst alle polaren organisch-synthetischen Pflanzenschutzmittel und Biozide (etwa 300
Wirkstoffe) untersucht. Insgesamt konnten 104 verschiedene Pestizide, hauptsachlich
Pflanzenschutzmittel, nachgewiesen werden. Die Konzentrationssumme war in 78 Pro-
zent der Proben grösser als 1 μg/l. Die numerische Anforderung der Gewässerschutzver-
ordnung (GSchV) wurde bei 31 Pestiziden überschritten. Als problematisch sehen die
Autoren den Pestizidmix. Ferner nehmen sie an, dass es nach Niederschlagsereignissen
kurzfristig zu Spitzenwerten kommt, die den Grenzwert um ein Mehrfaches überschrei-
ten und bei einzelnen Substanzen zu für Wasserorganismen akut toxischen Konzentratio-
nen führen. Die Studie gilt als repräsentativ für das Schweizer Mittelland (BAFU 2015d).
Abbildung 15 zeigt die Fliessgewässer-Auswertungen und Überschreitung aus Munz et
al. (2012).
In einer aktuellen Studie des schweizerischen Oekotoxzentums und des Amtes für Um-
welt Thurgau wurde im Rahmen des Programms NAWA SPEZ eine Risikobewertung für
chemisch analysierte Pflanzenschutzmittelmischungen durchgeführt (L anger et al. 2017).
An vier von fünf analysierten Standorten wurde ein zeitweise hohes Risiko der Pflanzen-
schutzmittel-Mischung für Pflanzen oder wirbellose Organismen nachgewiesen.
Für sechs Fliessgewässer Österreichs wurden in einem Sondermessprogramm Pflan-
zenschutzmittel und Metaboliten stichprobenartig untersucht. 25 der 121 untersuchten
Pflanzenschutzmittelwirkstoffe und -metaboliten wurden in den Fliessgewässern nach-
gewiesen (BMLFUW 2011). Für sämtliche dieser nachgewiesenen Wirkstoffe mit einem
Resultat über 0,1 μg/l gibt es jedoch derzeit keine gültigen Umweltqualitätsnormen für
Fliessgewässer.
58 Chancen der Landwirtschaft in den Alpenländern
Abb. 15. Anzahl verschiedener Pestizide pro Fliessgewässer-Standort über 0,1 μg pro Liter (2005-2012).
Quelle: Munz et al. 2012.
Pestizide im Grundwasser
Auch die Grundwassermessdaten in der Schweiz zeigen einen unbefriedigenden Zustand
im Hinblick auf Pestizidrückstände: Im Grundwasser werden vor allem Abbauprodukte
von Herbiziden nachgewiesen – an 20 Prozent der Messstellen wurden überhöhte Werte
von > 0,1 μg/l festgestellt (BAFU o. J.). Untersuchungen im Mittelland (repräsentativ für
eine intensive landwirtschaftliche Nutzung) zeigen, dass in Einzugsgebieten 30 bis 50
Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffe mit Konzentrationssummen mehrheitlich über 1 μg/l
nachgewiesen werden konnten. Allerdings wiesen 2012 in ackerbaulich genutzten Gebie-
ten 59 Prozent der Messstellen einen Nachweis von mindestens einer einzelnen Wirk-
stoffkonzentration über 0,1 μg/l auf (BAFU o. J.).
Im Rahmen des «Sondermessprogrammes Pestizide» wurden in Österreich 201 aus-
gewählte Grundwassermessstellen auf 121 Pflanzenschutzmittelwirkstoffe und -metabo-
lite ausgewertet. Es wurden 21 Wirkstoffe und 29 Metabolite im Grundwasser nachge-
wiesen. Bei rund 46 Prozent bzw. 92 Messstellen wurde zumindest bei einem Parameter
der Schwellenwert von 0,1 µg/l überschritten. Bei den Metaboliten Desethyl-Desisopro-
pylatrazin, N-Dimethylsulfamid, Metazachlor-Sulfonsäure und Metazachlor-Säure kam es
zu jeweils mehr als zehn Überschreitungen des Schwellenwerts von 0,1 μg/l (BMLFUW
2011). Überschreitungen treten vor allem in ackerbaulich intensiv genutzten Regionen ge-
häuft auf, so etwa bei den Grundwasserkörpern Marchfeld, Tullnerfeld und Traun-Enns-
Platte mit rund 90 Prozent, 82 Prozent bzw. 67 Prozent der Messstellen mit festgestellten
Überschreitungen.
also für die Degradation der natürlichen Ressourcen (EEA 2016; Fischer et al. 2015; FAO
2017b). Die auf externen Betriebsmitteln basierenden und somit ressourcenintensiven
Landbausysteme sind daher auch nicht in der Lage, eine nachhaltige Lebensmittel- und
agrarische Produktion zu gewährleisten (FAO 2017b).
Die Intensivierung der Landwirtschaft setzte in der Schweiz und in Österreich in den
1960er Jahren verstärkt ein. Mit den in Kapitel 2.1 vorgestellten agrarpolitischen Refor-
men in beiden Ländern und der EU wurde die Intensivierung zwar zum Teil gebremst, je-
doch nicht umgekehrt.
X = unbekannt
U2 = ungünstig - schlecht
U1 = ungünstig - unzureichend
FV = günstig
Abb. 16. Bewertung des Erhaltungszustands der Lebensraumtypen in der biogeographischen Region
«Alpine Region» in Österreich für den Zeitraum 2007-2012 (N=66). Quelle: UBA 2013a.
X = unbekannt
U2 = ungünstig - schlecht
U1 = ungünstig - unzureichend
FV = günstig
Abb. 17. Bewertung des Erhaltungszustands der Lebensraumtypen in der biogeographischen Region
«Kontinentale Region» in Österreich für den Zeitraum 2007-2012 (N=58). Quelle: UBA 2013a.
scher et al. 2015, auf Basis von Delarze et al. unveröffentlicht). Insbesondere sind davon
die Lebensraumtypen der Gewässer (dabei zu 100 % die stehenden Gewässer), der Ufer-
und Feuchtgebiete sowie der Pioniervegetation und der Ackerbegleitflora betroffen
(Tab. 9). Neben baulichen und anderen Eingriffen des Menschen – z. B. Zerstörung der
Auen und Verbauung der Ufer, Entwässerung der Landschaft, Abflussschwankungen
durch die Wasserkraftwerke, Fragmentierung der Fliessgewässer durch künstliche Hin-
dernisse (Fischer et al. 2015) – sind die Gewässer durch die Nährstoff- und Pflanzen-
schutzmitteleinträge stark belastet (Wittmer et al. 2014). Moore sind einerseits beson-
ders wertvolle, andererseits auf Umwelteinflüsse äusserst sensibel reagierende
Lebensräume. Für 100 Prozent der Hochmoore und 84 Prozent der Flachmoore sind die
zu hohen Stickstoffeinträge problematisch, die Critical Loads für Stickstoff werden hier oft
deutlich überschritten (Fischer et al. 2015).
werden, mit der Folge, dass das Erosions- und Hochwasserrisiko steigt. Bodenverdichtun-
gen sind vor allem im Unterboden zum grossen Teil irreversibel und schwierig zu sanieren.
Im österreichischen Alpenvorland sind nach einer Studie zur potentiellen Verdichtungs-
empfindlichkeit 9,1 Prozent der bewerteten Flächen äusserst hoch, 25,1 Prozent sehr
hoch und 32,6 Prozent hoch gefährdet (IKT und AGES 2010).
Der Prozess der Bodenerosion ist in Europa ein massgeblicher Faktor der Degradierung
bzw. Zerstörung von Bodenressourcen (Boardman und Poesen 2006). Dabei sind nicht
nur die Schäden im Agrarökosystem (on-site) – z. B. Humus- und Nährstoffverluste – von
Bedeutung, vielmehr wirken sich transportierte Schwebstoffe und daran partikulär gebun-
dene Schad- und Nährstoffe gravierend auf benachbarte bis weit entfernte Ökosysteme
aus.
Als Alpenländer mit hoher Reliefenergie sind die Schweiz und Österreich seit jeher mit
Erosion im weiteren Sinne und Massenbewegungen konfrontiert – und mit deren Be-
kämpfung (Bätzing 2015). Die Bodenerosion auf Ackerflächen wird in den beiden Ländern
unterschiedlich betrachtet.
Österreichs Hauptbodentypen in den ackerbaulich genutzten Regionen sind Brauner-
den mit mittlerem Erosionspotential. Die höchsten Erosionsraten treten auf Böden mit
Löss als Substrat auf, die vor allem in Niederösterreich in der pannonisch-trockenen Klima-
provinz mit sommerlichen Starkniederschlägen vorkommen (Strauss und K laghofer
2006). Über 800 000 Hektar oder 25 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Flächen
Österreichs gelten als wassererosionsgefährdet. Auf rund 250 000 Hektar beträgt laut Be-
rechnungen des IKT Petzenkirchen der Bodenabtrag mehr als 6 Tonnen Erde pro Hektar
und Jahr (Strauss 2006). Zudem sind Regionen vor allem im Osten des Landes auch re-
lativ stark der Erosion durch Wind ausgesetzt.
In der Schweiz wird Bodenerosion in der Verordnung über Belastungen des Bodens
(VBBo) behandelt. Gemäss Anhang 3 der VBBo beträgt der Richtwert für Erosion auf
Ackerflächen zwei Tonnen pro Hektare und Jahr (t/ha/Jahr) bis zu einer durchwurzelbaren
Bodenmächtigkeit von 70 cm, bei einer durchwurzelbaren Bodenmächtigkeit von mehr als
70 cm beträgt er 4 t/ha/Jahr (Prasuhn et al. 2007). 22 Prozent aller Schweizer Ackerflä-
chen weisen einen kritischen Bodenabtrag zwischen 2 und 4 t/ha/Jahr und 17 Prozent der
Flächen übersteigen den VBBo-Richtwert und sind als stark erosionsgefährdet einzustu-
fen (Prasuhn et al. 2007).
In Österreich ist der landwirtschaftliche Bodenschutz föderal geregelt und auch der
Vollzug ist Ländersache. Im Gegensatz zur Schweiz enthalten die gesetzlichen Vorgaben
Österreichs keinen Anhaltspunkt über Schwellenwerte einer nicht mehr tolerierbaren Bo-
denerosion (Strauss und K laghofer 2006).
Nutzungsaufgabe
Die Nutzungsaufgabe oder Aufforstung von Grenzertragsflächen, also Flächen, die meis-
tens artenreiche Wiesen und Weiden sind, ist insbesondere im Berggebiet verbreitet. So
werden in der Schweiz jedes Jahr 2400 Hektar Sömmerungsweiden zu Wald, weil sich
die Nutzung aus ökonomischen Gründen nicht mehr lohnt (L auber et al. 2014). In Öster-
Landwirtschaft in den Alpenländern: Ein Gesundheits-Check 65
reich nahm laut INVEKOS die gesamte Grünlandfläche zwischen 2009 und 2011 um 4,9
Prozent ab (von rund 1,38 Mio. ha auf rund 1,31 Mio. ha). Den grössten Rückgang ver-
zeichnete dabei das extensiv genutzte Wirtschaftsgrünland, vor allem die Almflächen. Die
Fläche des intensiv genutzten Grünlands dagegen blieb relativ konstant (UBA 2013b). Die
Verbuschung durch Grünerlen führt zu einem Verlust an Biodiversität, einem Überschuss
an Stickstoff (aufgrund ihrer Fähigkeit Stickstoff zu fixieren), einer Reduktion der Boden-
qualität und der Beeinträchtigung des Landschaftsbildes (Bühlmann et al. 2013). Darüber
hinaus verzögert die Grünerle eine natürliche Sukzession und damit die Entwicklung eines
naturnahen Bergwaldes mit Schutzwaldfunktion gegenüber Erosion und Lawinen (Bühl-
mann et al. 2013). Die Aufgabe von landwirtschaftlichen Flächen vor allem auf marginalen
Standorten bietet jedoch auch die Chance zur Verwilderung von Ökosystemen. Navarro
und Pereira (2012) zeigen, dass sich die Nutzungsaufgabe nicht nur negativ auf die Bio-
diversität auswirkt, sondern dass eine beträchtliche Anzahl von Arten davon profitieren.
Die Verwilderung von aufgegebenen Flächen ist daher eine Chance, die vorteilhaft sein
kann für die Biodiversität und für die Ökosystemleistungen, und die bisher kaum beachtet
wurde.
Eine Form der Nutzungsintensivierung ist die Über- bzw. Verbauung von Landwirt-
schaftsflächen als Folge der Ausbreitung von Siedlungen und Betriebsflächen sowie die
Landschaftszerschneidung durch den Verkehr (EEA 2016). Vor allem in den Tallagen und
in den Alpenvorländern kommt es zu einer Zunahme der Siedlungs- und Wirtschaftsflä-
chen, tendenziell auch in den infrastrukturell hoch entwickelten und attraktiven Touris-
musgebieten der Hochalpen. Generell weisen die Alpenländer und insbesondere das
Berggebiet bereits eine Raumknappheit in Bezug auf Siedlungs- und Wirtschaftsentwick-
lung, Verkehr und Infrastruktur auf (Tappeiner et al. 2008).
In Österreich verdoppelte sich die Siedlungsfläche zwischen 1950 und 2010, während
die Bevölkerungszahl nur um 20 Prozent angestiegen ist (ÖROK 2012). Im Jahr 2016 wur-
den täglich 14,7 Hektar Freiflächen in Bau-, Verkehrs- und Betriebsflächen umgewandelt,
2013 waren es noch über 20 Hektar pro Tag (UBA 2017b). In der Schweiz gehen täglich
9,5 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche verloren. Das landwirtschaftliche Kulturland ist
zwischen 1979/85 und 2004/09 um 85 000 Hektar zurückgegangen (-5,4 %). Rund zwei
Drittel davon betrifft Landwirtschaftsflächen im Dauersiedlungsgebiet (-55 500 ha) und
ein Drittel alpwirtschaftlich genutzte Flächen (-29 500 ha) (BLW 2016b; BFS 2013).
Die negativen ökologischen und ökonomischen Effekte durch die Bodenversiegelung
sind laut Umweltbundesamt unter anderem der Verlust von biologischen Funktionen und
Produktivität, Gefährdung der biologischen Vielfalt und erhöhtes Hochwasserrisiko (UBA
2017b). Der Prozess der Siedlungsausweitung führt zu einem hohen Verlust an oft hoch-
wertigen Landwirtschaftsflächen in den Gunstlagen und ist eine unmittelbare Herausfor-
derung vor allem für die Landwirtschaft und die Raumplanung.
66 Chancen der Landwirtschaft in den Alpenländern
Methan (CH4 ) und Lachgas (Distickstoffmonoxid, N2O) sind Treibhausgase, die haupt-
sächlich von der Landwirtschaft in die Atmosphäre freigesetzt werden. Als Quelle von
fossilen Kohlendioxidemissionen (CO2 ) spielt die Landwirtschaft nur eine sekundäre Rolle.
Dies soll nun im Gesamtzusammenhang betrachtet werden.
In Tabelle 10 sind die Treibhausgasemissionen aller Sektoren aus beiden Ländern wie-
dergegeben. Die Angaben verstehen sich ohne Emissionen/Senken aus der Waldwirt-
schaft, der Landnutzung und den Landnutzungsänderungen. Beim Kohlendioxid sind die
Emissionen aus landwirtschaftlichen Fahrzeugen, Maschinen und Heizanlagen (ohne bio-
gene Brenn- und Treibstoffe) wiedergegeben.
Sowohl in der Schweiz als auch in Österreich beträgt der Anteil der Landwirtschaft bei
den beiden Treibhausgasen Methan und Lachgas über zwei Drittel der nationalen Emis-
sion (in CO2-Äquivalenten). Gemäss den Treibhausgasinventaren gehen in beiden Län-
dern um die 10 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen auf das Konto der Land-
wirtschaft.
Der Stellenwert der Landwirtschaft kann anhand der historischen Entwicklung der
Treibhausgasemissionen in der Schweiz seit Beginn des 20. Jahrhunderts beurteilt wer-
den. 1900 war der Sektor Landwirtschaft noch fast für die Hälfte der Treibhausgasemis-
sionen verantwortlich. Durch das Wirtschaftswachstum und vor allen durch den Verkehr
sind heute die Gewichte anders verteilt. Die Landwirtschaft trug im Jahr 2015 noch zu 13
Prozent an die Gesamtemissionen bei, während der Verkehr 32 Prozent der Gesamtemis-
sionen verursachte, die Haushalte und die Industrie 55 Prozent. Im Gegensatz zur Land-
wirtschaft wird in den anderen Bereichen vor allem Kohlendioxid aus fossilen Energieträ-
gern emittiert (BAFU 2017a).
Wie aus Tabelle 10 hervorgeht, stammten im Jahr 2015 82 Prozent der Methanemissio-
nen aus der Schweiz und 69 Prozent derjenigen aus Österreich aus dem Landwirtschafts-
sektor. Da Methan vor allem im Verdauungstrakt von Wiederkäuern (z. B. Rinder, Ziegen,
Schafe) entsteht, wird in der Schweiz der Grossteil dieser Emissionen der Milchkuhhal-
tung zugeordnet. In der Schweiz war der Methanausstoss schon im Jahr 1900 mit gegen
5 Mio. t CO2eq etwa gleich hoch wie heute (Abb. 18). Der Anstieg der gesamten Methan-
emissionen Ende der 1970er Jahre und deren Rückgang in der Folge wiederspiegelt pri-
mär die Entwicklung des Tierbestandes. Mitverantwortlich für die hohen Methanemissio-
nen zwischen 1970 und 1985 war die Zunahme der deponierten Siedlungsabfälle. Das im
Jahr 2000 erlassene Deponieverbot von brennbaren Abfällen bewirkte einen langsamen
Rückgang der Methanemissionen aus diesen Quellen.
Am Beispiel der Schweiz lassen sich exemplarisch die Mechanismen zwischen der
Milchproduktion und den Methanemissionen aufzeigen. Trotz sinkendem Milchkuhbe-
stand zwischen 1990 und 2013 hat die Milchproduktion in der Schweiz leicht zugenom-
men. Durch den höheren Milchoutput haben sich die Methanemissionen pro kg Milch
zwar verringert. Infolge der höheren Fütterungsintensität mit vorwiegend importierten
Kraftfuttern sind allerdings die Methanemissionen pro Tier gestiegen, so dass gesamthaft
Landwirtschaft in den Alpenländern: Ein Gesundheits-Check 67
Tab. 10. Treibhausgasemissionen in der Schweiz und in Österreich. Quellen: A nderl et al. 2017; BAFU 2017a.
die Methanemissionen aus der Milchproduktion gegenüber 1990 um rund 15 Prozent zu-
genommen haben (Abb. 19).
Lachgas entsteht in der Landwirtschaft zu rund 86 Prozent über die Bodenbewirtschaf-
tung (Ackerbau und Grünlandbewirtschaftung) infolge der Ausbringung von Stickstoffdün-
gern (Mineral- und organische Dünger). Ein Teil des über Dünger ausgebrachten Stick-
stoffs wird im Boden mikrobiell zu Lachgas umgebaut und in die Atmosphäre emittiert.
Die restlichen 14 Prozent der landwirtschaftlichen Lachgasemissionen kommen aus der
Hofdüngerlagerung.
In den nationalen Treibhausgasinventaren nach IPCC Methodik (IPCC 2006) werden
die «grauen Emissionen», die bei der Produktion von Importgütern entstehen, nicht be-
rücksichtigt, da sich die Inventare nach dem Territorialitätsprinzip richten. Für den Bereich
Landwirtschaft fallen hier namentlich die Treibhausgas-Fussabdrücke der Produktion von
Futtermitteln und von mineralischen Stickstoffdüngern ins Gewicht (Bosshard et al. 2011).
Das Haber-Bosch-Verfahren zur Produktion von synthetischen Stickstoffdüngern benötigt
weltweit ein Prozent des Einsatzes an fossilen Brennstoffen (Heldstab et al. 2010).
Die Lachgasemissionen korrelieren sowohl in der Schweiz als auch in Österreich mit
der Intensität der landwirtschaftlichen Nutzung. Sie sind aber aus biochemischen Grün-
den nicht zu vermeiden. Der Agrarbericht 2016 der Schweiz vermerkt denn auch, dass es
«entsprechend schwierig ist, Massnahmen für eine wirksame Minderung der Emissionen
zu finden» (BLW 2016a).
68 Chancen der Landwirtschaft in den Alpenländern
5
4
3
2
1
0
1900
1910
1920
1930
1940
1950
1960
1965
1970
1975
1980
1985
1990
1995
2000
2005
2010
2015
Abb. 18. Entwicklung der CH4 -Emissionen in der Schweiz seit 1900. Quelle: BAFU 2017a.
100
80
60
1990
1991
1992
1993
1994
1995
1996
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
Die Höhe der Methanemissionen ist wiederum eng mit der Rindviehdichte verknüpft.
Wiederkäuer fressen Gras, welches von den Menschen und den Monogastriern nicht ver-
wertet werden kann, und veredeln es in Biomasse (Milch und Fleisch). Die Unterschei-
dung zwischen Wiederkäuern und Monogastriern bezieht sich auf Unterschiede in deren
Verdauung: Wiederkäuer wie beispielsweise Rinder, Schafe oder Ziegen haben einen
mehrteiligen Wiederkäuermagen und Monogastrier wie beispielsweise Schweine und
Geflügel haben einen einteiligen Magen. Bei der Betrachtung der schädlichen Wirkung auf
die Umwelt muss somit die Systemgrenze weit geöffnet werden. Dies ist gegenwärtig
bei den meisten Ökobilanzen leider nicht der Fall. Die Positionen zu dieser Problematik
reichen von den Aussagen der FAO-Studie «Lifestock‘s Long Shadow» (STEINFELD et al.
2006), welche zukünftig auf eine industrielle Landwirtschaft mit Monogastriern setzt, bis
zum Buch «Die Kuh ist kein Klimakiller» (Idel 2011), das auf die Bedeutung der Nutzung
der riesigen Graslandflächen durch Wiederkäuer weltweit hinweist. Wie das Beispiel der
Entwicklung der Methanemissionen in der Schweizer Milchproduktion zeigt, können
durch die Intensivierung der Produktion die Emissionen pro kg Produkt gesenkt werden.
Absolut betrachtet haben die Methanemissionen aus der Milchproduktion in der Schweiz
infolge der Intensivierung aber zugenommen. Würde die Milchproduktion in der Schweiz
vorwiegend graslandbasiert erfolgen, würde insgesamt eine geringere Milchmenge pro-
duziert, die pro kg Produkt vermutlich höhere Treibhausgasemissionen aufweisen würde.
Absolut würden sich aber die Methanemissionen aus der Milchproduktion in der Schweiz
aufgrund einer geringeren Anzahl Milchkühe reduzieren.
Sowohl in Österreich als auch in der Schweiz konzentriert sich die Reduktion der Treib-
hausgase auf die Reduktion der CO2 Emissionen, konkret auf die «Dekarbonisierung» der
Volkswirtschaft (Stocker 2017). Entsprechend werden die gesetzlichen Grundlagen er-
gänzt, um die Klimaziele für die Periode 2020-2030 zu erreichen. Österreich strebt im
Rahmen der Selbstverpflichtung unter dem Paris-Abkommen für das Jahr 2030 eine
Emissionsreduktion um 25 Prozent an, die Schweiz eine von 30 Prozent.
In der vorliegenden Publikation werden die relevanten CO2-Senken nicht beschrieben.
Eine Vergrösserung der pflanzlichen Biomasse (z. B. über mehr Waldflächen) und die Wie-
dervernässung von Mooren können durchaus positiv zum Klimaschutz beitragen. In der
Schweiz wäre insbesondere der Beitrag aus der Wiedervernässung heute drainierter
Moorböden signifikant. Es wird geschätzt, dass sich die Emissionen unter der heutigen
intensiven Bewirtschaftung (z. B. im Seeland) und dem damit verbundenen weiteren Ver-
lust von Humus in den Moorböden total zu etwa 9 Prozent des CO2-Budgets der Schweiz
im Rahmen des Paris-Abkommen summieren würden (Denzler 2017).
2.2.6 Fazit
Auf den vorangehenden Seiten haben wir dargelegt, welche Auswirkungen die heutige
landwirtschaftliche Praxis auf die Umwelt, wie beispielsweise die Biodiversität, die Bo-
denqualität, das Klima und die Luftqualität oder die Wasserqualität, hat und welche die
massgeblichen Treiber sind. Dem Stickstoff kommt dabei eine zentrale Rolle zu, doch
70 Chancen der Landwirtschaft in den Alpenländern
auch andere Stoffflüsse wirken sich negativ auf die Umwelt aus. Im Folgenden sind die
wichtigsten Erkenntnisse zusammengefasst:
–– Weltweit fordern die UN Nachhaltigkeitsziele Massnahmen in der Ernährungssicherung
und beim Klimaschutz. Globale Herausforderungen sind heute sowohl die CO2-Proble-
matik als auch der Einfluss von reaktiven Stickstoffverbindungen auf die Biosphäre.
–– Die Landwirtschaft spielt bei den Emissionen von reaktiven Stickstoffverbindungen
eine Schlüsselrolle. Sie ist heute der bedeutendste Emittent von reaktiven Stickstoff-
verbindungen. Durch effiziente Massnahmenpakete in den letzten Jahrzehnten hat
sich die Lage bei den übrigen Emittenten (Haushalte, Industrie und Verkehr) viel stärker
entspannt als bei der Landwirtschaft.
–– Bei den Luftschadstoffemissionen haben die oxidierten Verbindungen (NOx ) dank viel-
fältiger Reduktionsmassnahmen beim Verkehr und den Feuerungen deutlich abge-
nommen. Bei den reduzierten Verbindungen (NHy ) hingegen, die zu über 90 Prozent
aus der Landwirtschaft stammen, hat sich die Lage nicht im selben Ausmass verbes-
sert. Entsprechend sind auch die Depositionen von oxidierten Stickstoffverbindungen
stärker rückläufig als jene von reduzierten Stickstoffverbindungen
–– Die Landwirtschaft der Schweiz belastet die Umwelt hinsichtlich der reaktiven Stick-
stoffverbindungen deutlich stärker als diejenige von Österreich. So ist die Überschrei-
tung der Critical Loads für Stickstoffeinträge in empfindliche Ökosysteme besonders in
der Schweiz problematisch. Der durchschnittliche Stickstoff-Bruttoüberschuss aus der
Landwirtschaft war in der Schweiz für den Zeitraum 2010-2014 deutlich höher als in
Österreich (Schweiz: 90 kg N/ha, Österreich: 35 kg N/ha). Auch die Viehbesatzdichte
ist in Österreich mit 1,0 GVE/ha gegenüber der Schweiz mit bzw. 1,7 GVE/ha geringer
(ohne Sömmerungsweiden).
–– Bei den Gewässern werden die international festgeschriebenen Reduktionsziele für
Stickstoff weder in der Schweiz noch in Österreich erreicht. Handlungsbedarf besteht
primär bei der Reduktion der diffusen, primär durch die Landnutzung induzierten Stick-
stoffflüsse. Das Grundwasser ist nach wie vor mit Nitrat belastet und über den Pfad
Grundwasser-Oberflächenwasser werden die Meere primär mit Stickstofffrachten aus
dem Hauptemittenten «landwirtschaftliche Böden» belastet.
–– Der Eintrag von luftgetragenen reaktiven Stickstoffverbindungen wird sowohl in der
Schweiz als auch in Österreich hinsichtlich der Critical Loads weiträumig überschritten,
was sich drastisch auf die Biodiversität auswirkt. Die wichtigste Ursache dafür ist die
Deposition von reduzierten Stickstoffverbindungen, eine Folge der Emission von Am-
moniak. Zwischen den Ammoniakemissionen und der Anzahl Nutztiere besteht ein
sehr enger Zusammenhang.
–– Weder konnte der allgemeine Artenverlust gestoppt noch der Rückgang der Feldvogel-
arten und der Verlust von Lebensräumen verhindert werden. Die – regional unter-
schiedlichen – hohen Emissionen an Stickstoff, Phosphor und Pflanzenschutzmitteln
gelten als Hauptverursacher des Biodiversitätsverlustes im Alpenraum. Daneben wir-
ken sich die Aufgabe der landwirtschaftlichen Nutzung von wertvollem alpinem Grün-
Landwirtschaft in den Alpenländern: Ein Gesundheits-Check 71
Abgeleitet aus der Entwicklung der Agrarpolitik und derer Auswirkungen können die fol-
genden vier Thesen formuliert werden:
Landwirtschaft in den Alpenländern: Ein Gesundheits-Check 73
These 2: Die Reduktion des Stickstoff-Inputs ist ein Schlüssel für den Erfolg.
Der Reduktion des Stickstoff-Inputs in landwirtschaftliche Landnutzungssysteme kommt
in einer ökologisch nachhaltigen Landnutzung eine Schlüsselstellung zu. Die Stickstoff-Mi-
neraldüngung zusammen mit den hohen Tierzahlen führen zu hohen Stickstoffüberschüs-
sen. Die hohen Tierzahlen sind möglich durch den Anbau von Futtermitteln auf Ackerflä-
chen und durch die Entkoppelung der Tierhaltung von der Pflanzenproduktion, d. h. hohen
Kraftfutterzukäufen, die zu hohe, flächenungebundene und standortunangepasste Vieh-
besatzdichten ermöglichen.
Stickstoff-Bilanzüberschüsse sind eine der wichtigsten Ursachen für die negativen Um-
weltwirkungen der Landwirtschaft: der Verlust der Lebensraumvielfalt und Biodiversität, die
Verschlechterung der Wasser- und der Luftqualität sowie die Erhöhung der Treibhausgase.
These 4: Verluste an landwirtschaftlichen Flächen tragen dazu bei, den Druck zur
Intensivierung der Lebensmittelproduktion zu erhöhen.
Durch die Nutzungsaufgabe und den Flächenverbrauch für Siedlung und Infrastruktur ge-
hen in den Alpenländern in grossem Umfang Landwirtschaftsflächen verloren. Dies steht
im Konflikt zu einer ökologisch nachhaltigen Landwirtschaft. Denn um Flächenverluste zu
kompensieren und die gleiche Menge an Lebensmitteln zu produzieren, steigt der Druck
zur Intensivierung auf den verbliebenen Flächen.
3.1 Systembetrachtung
Die Landwirtschaft ist auf betrieblicher, regionaler und globaler Ebene mit einer zuneh-
menden Komplexität und Dynamik an sie beeinflussenden Grössen konfrontiert. Die Be-
trachtung systemischer Faktoren und Zusammenhänge der Landwirtschaft sind wichtig,
um Konzepte einer ökologisch nachhaltigen Landwirtschaft ableiten zu können. Neben
einer betrieblichen Perspektive, die im Fokus der nachfolgenden Kapitel steht, wollen wir
in diesem Kapitel auf beispielhafte Systembetrachtungen auf globaler und regionaler Ebe-
ne eingehen.
Die landwirtschaftliche Produktion hat sich zwischen 1960 und 2015 verdreifacht und hat
zu einer massiven Verbesserung der Lebensmittelversorgung beigetragen, jedoch mit er-
heblichen Folgen für die Umwelt, etwa verschwindenden Wäldern, sich erschöpfenden
Grundwasserressourcen, Bodendegradation, enormer Biodiversitätsverluste und Klima-
wandel (FAO 2017b). Die Landwirtschaft ist einerseits Verursacherin und andererseits
Betroffene dieser und weiterer Aspekte des globalen Wandels. Unter globalem Wandel
werden Veränderungen weltweiten Ausmasses, die die Funktionalität des Systems
Erde-Mensch beeinflussen, verstanden, wobei dieses System physikalische, biogeoche-
mische, ökonomische, soziale, kulturelle, demographische und politische Prozesse be-
inhaltet (Steffen et al. 2015; Steffen et al. 2006). Gleichzeitig führt das globale Bevölke-
rungswachstum zu Fragen der Ernährungssicherung – die Vereinten Nationen berechnen
die Erdbevölkerung auf 9,7 Mrd. im Jahr 2050 und auf 11,2 Mrd. in 2100 (UN DESA 2015).
Ein Team um den schwedischen Umweltwissenschaftler Johan Rockström publizierte
2009 erstmals das Konzept der «Planetary Boundaries» (Rockström et al. 2009). Die «pla-
netarischen Grenzen» zeigen die ökologischen Belastungsgrenzen der Erde. Das Konzept
versucht, diese Grenzen zu definieren und zu quantifizieren und setzt die momentane Be-
lastung in Relation dazu. Bei einer dauerhaften Überschreitung postulieren die Autoren
«plötzliche und irreversible Änderungen des Ökosystems und in Folge eine mögliche mas-
sive Schädigung der Lebensgrundlage der Menschheit» (Rockström et al. 2009). Zwar
gibt es Kritik an diesem Konzept (Nordhaus et al. 2012), dennoch greifen massgebliche
Akteure wie etwa das Panel für globale Nachhaltigkeit der UN, das UN Umweltprogramm
(UNEP 2012) und der World Wide Fund for Nature (WWF) darauf zurück. Steffen et al.
(2015) legten neue Erkenntnisse zu den «Planetary Boundaries» vor. Die Untersuchungen
zeigen, dass in vier von neun Bereichen die ökologische Belastungsgrenze überschritten
ist. Dies betrifft den Klimawandel, den Verlust an Biodiversität, die Landnutzungsände-
76 Chancen der Landwirtschaft in den Alpenländern
rung – welche sich insbesondere auf den Boden negativ auswirkt – und die globalen Stick-
stoff-Phosphor-Kreisläufe (Abb. 20). Die Autoren messen dabei die weitaus grössten
Überschreitungen der ökologischen Belastungsgrenzen den Phosphor- und Stickstoffflüs-
sen sowie dem Verlust an Biodiversität zu.
Schneidewind (2015) spricht von Schwellen, ab denen sich Systeme mit einem hohen
Risiko destabilisieren und die Gesundheit und Lebensbedingungen für den Menschen
nachhaltig beeinträchtigt werden können: «Es entsteht eine neue Herausforderung für die
menschliche Zivilisation: Ein «immer mehr» in Gesellschaft und Ökonomie gerät an öko-
logische Grenzen.» Vor allem die sogenannte Konsumgesellschaft möchte Haben, Konsu-
mieren und Erleben maximieren. Nach Deckung der elementaren Grundbedürfnisse führt
das dazu, dass wir Dinge konsumieren nicht weil wir sie brauchen, sondern weil wir sie
kaufen können (Linz 2006).
Klimawandel
lf a lt
Intaktheit der V ie
c he
Biosphäre t is
ne
Ge t Neue Substanzen
al
el f
Vi
al e
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k ti
F un
Ozenverlust in
Landnutzungs- der Stratosphäre
wandel
Süsswasser- Aerosolgehalt
nutzung der Atmosphäre
or
sp h
P ho
f
S t ic k s t o f
Versauerung
Biogeochemische der Meere
Flüsse
Abb. 20. Belastungsgrenzen des Planeten. Quelle: Steffen et al. 2015, modifiziert.
Grundsätze für eine neue Agrarpolitik 77
Bedenken in Bezug auf die weitere Überschreitung der Tragfähigkeit des Planeten be-
stehen aufgrund aktueller globaler Trends:
–– Steigender Pro-Kopf-Verbrauch: Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der
Vereinten Nationen (FAO) schätzt, dass der durchschnittliche Pro-Kopf-Verbrauch an
Lebensmitteln bis 2030 weiterhin ansteigen wird (A lexandratos und Bruinsma 2012;
FAO 2017b).
–– Steigende Weltbevölkerung: Die Weltbevölkerung wird von momentan 7,35 Mrd.
Menschen in 2015 auf 8,5 Mrd. in 2030 und 9,7 Mrd. in 2050 anwachsen (UN DESA
2015).
–– Steigender Fleischbedarf: Die steigende Kaufkraft in den Schwellen- und Entwick-
lungsländern führt global betrachtet zu einem Anstieg des Fleischkonsums (OECD/
FAO 2016) und somit zu einer weiteren Verschärfung der Situation.
–– Steigender Bedarf an Agrotreibstoffen und damit verbundene negative Auswirkungen
auf die Umwelt und die natürlichen Ressourcen (OECD 2012).
–– Sinkende landwirtschaftliche Nutzfläche (pro Kopf): Aufgrund von Bevölkerungs-
wachstum, Bodendegradierung (Versalzung, Desertifikation, Erosion) wird ein Rück-
gang der pro Kopf verfügbaren landwirtschaftlichen Nutzfläche von 2200 m2 im Jahr
2015 auf rund 2000 m2 im Jahr 2030 prognostiziert.
Foley et al. (2011) zufolge, werden lediglich 62 Prozent der pflanzlichen Produktion auf
Ackerland für die menschliche Ernährung herangezogen, 35 Prozent wird Tieren verfüttert
und 3 Prozent wird in Bio-Energie verwandelt. Die räumlichen Unterschiede sind markant:
Während in Afrika der Anteil für die menschliche Ernährung über 80 Prozent beträgt, ver-
wenden Europa und Nordamerika nur rund 40 Prozent dafür. Es kann angenommen wer-
den, dass die globale Zunahme des Fleischkonsums den Nutzungsdruck auf die Landwirt-
schaftsflächen verstärken wird. Dies führt unweigerlich zu einer Intensivierung und nicht
zu einer Extensivierung der Landwirtschaft und zu zunehmenden negativen Umweltwir-
kungen der Landwirtschaft auf globaler Ebene (z. B. Biodiversitätsverlust, Gewässerbe-
lastung). Heutzutage expandiert die Landwirtschaft hauptsächlich in den Tropen und 80
Prozent der neuen Flächen ersetzen Wälder (Gibbs et al. 2010), mit massiven negativen
Folgen für die natürlichen Ressourcen. Muller und Bautze (2017) und Foley et al. (2011)
betonen jedoch, dass für viele Regionen graslandbasierte Systeme, z. B. Beweidung oder
gemischtwirtschaftliche Systeme (d. h. pflanzliche und tierische Erzeugung), zur Ernäh-
rungssicherung beitragen können. Voraussetzung dafür ist, dass die Futtermittel keine
Ackerbauprodukte sind. In diesem Zusammenhang ist auch die Frage wichtig, wie Grenz-
standorte (insbesondere Grünland) nachhaltig bewirtschaftet werden können.
Aus diesen globalen Trends einer zunehmenden Überschreitung der planetaren Trag-
fähigkeit sowie eines starken Bevölkerungsanstieges, in Kombination mit einem steigen-
den Fleischverbrauch, ergibt sich die Frage: Wie ernähren wir die Weltbevölkerung mit
einer Landwirtschaft, die die Tragfähigkeit des Planeten nicht gefährdet?
Antworten darauf werden kontrovers diskutiert. Einige Akteure sehen den Ausweg in
einer reinen Effizienzsteigerung der landwirtschaftlichen Produktion, d. h. hoher Input an
78 Chancen der Landwirtschaft in den Alpenländern
Neben der skizzierten globalen Dynamik ist die heutige Landwirtschaft auf regionaler Ebe-
ne in komplexe naturräumliche und gesellschaftliche Entwicklungen eingebunden. Und
auch der beschriebene globale Wandel ist regional differenziert: Eine lokal-spezifische
Mischung an interaktiven Wandlungsprozessen führt zu unterschiedlichen regionalen Vo-
raussetzungen.
Die Landnutzung im Alpenraum wird durch eine Vielzahl an biophysischen und sozio-
ökonomischen Faktoren beeinflusst, die untereinander in einem Wirkungszusammen-
hang stehen (Claessens et al. 2009). Um herauszufinden, welche Faktoren die Landnut-
zung in den Alpenländern Österreich und der Schweiz beeinflussen und welche
Wechselwirkungen zwischen diesen Faktoren bestehen, kann man mit Hilfe einer Sys-
temanalyse ein mentales Denkmodell erstellen (Brand et al. 2013; Hecht et al. 2016).
Daraus lassen sich Ansatzpunkte für mögliche Hebel zur Veränderung ableiten.
Im Projekt «Mountland» wurde in der Schweiz eine Systemanalyse für die Region Visp
im Kanton Wallis durchgeführt (Brand et al. 2013). Diese Region ist typisch für viele
Alpenregionen, da sie mit einem Rückgang der Beschäftigung im Primärsektor und gleich-
zeitig einer Erhöhung der Beschäftigung im sekundären und tertiären Sektor (z. B. Touris-
mus) verbunden ist.
Die Leitfrage des Projekts für den Zeithorizont bis 2050 war: Welche Landnutzungs-
massnahmen können trotz globalen Wandels eine gewünschte langfristige Entwicklung
einschliesslich der Erhaltung des sozialen Wohlbefindens und wichtiger Ökosystemleis-
tungen sicherstellen?
Die Mountland-Systemanalyse ergab, dass drei Einflussfaktoren die Hebelfaktoren des
Systems bilden: (1) Raumplanung, (2) kommunales Haushaltsbudget und (3) demografi-
sche Entwicklung. Als weitere fünf Einflussfaktoren erwiesen sich: (4) die Umweltqualität,
(5, 6) die Art der Land- und Waldbewirtschaftung, (6) die Förderung von Unternehmen für
lokale Erzeugnisse und (7) die lokale Identität. Die Faktoren wurden als wichtig erachtet,
da sie sehr empfindlich auf andere Einflussfaktoren reagieren und daher ihre Auswirkun-
Grundsätze für eine neue Agrarpolitik 79
gen auf die Systemdynamik unvorhersehbar sind. Der Faktor Raumplanung hat den
stärksten Einfluss auf das System und wird gleichzeitig von anderen Faktoren erheblich
beeinflusst. Darüber hinaus war der Faktor lokale Identität (Bedeutung von Region, regio-
nalen Produkten und Traditionen im Alltag der Bewohner) der wichtigste Faktor des Sys-
tems. Neben diesen Faktoren spielt jedoch auch der Faktor Umweltqualität eine entschei-
dende Rolle für die langfristige Entwicklung einer Region im Alpenraum.
Das Projekt «Landnutzung im Alpenraum» untersuchte für die beiden Länder Öster-
reich und Schweiz die Frage, wie sich eine Fortführung der momentanen Landnutzung auf
Ökologie, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft auswirkt (Hecht et al. 2016). Das Ergebnis
zeigt, dass die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Einflussfaktoren in ihrer Ge-
samtheit zu einer Intensivierung der Landwirtschaft im Alpenraum führen. Die Intensivie-
rung wiederum ist mit negativen Auswirkungen auf den ökologischen Zustand der land-
wirtschaftlichen Flächen verbunden: ökologische Qualität der landwirtschaftlichen
Flächen als Lebensraum und Vernetzungselement für Flora und Fauna bezüglich Arten-
vielfalt, Ökosystemleistungen, Boden, Bodenzustand und Resilienz.
Um den Systemdruck hin zu einer Intensivierung der Landwirtschaft zu bremsen und
somit den ökologischen Zustand der Flächen in den Alpenländern zu verbessern, haben
folgende Faktoren eine wichtige Hebelfunktion:
–– Verbesserung der Rahmenbedingungen für eine ressourcenschonende Landwirtschaft
und Reduktion der Anreize für eine Produktionsausweitung;
–– Das Stärken von Eigeninitiative lokaler Akteure und der Bereitschaft zur Verhaltensän-
derung (z. B. Umstellung von Ernährungsgewohnheiten zur Reduktion des Fleischkon-
sums);
–– Verbesserung der Beratung und Bildung für eine ressourcenschonende Landwirt-
schaft;
–– Förderung der Nachfrage nach Produkten mit Mehrwert (beispielsweise Bio-Produkte
oder regionale Produkte) und gleichzeitig Bremsen der Nachfrage nach tierischen Pro-
dukten;
–– Bremsen der Nutzungsaufgabe und des Verlusts von landwirtschaftlichen Flächen für
Infrastruktur und Siedlung.
In Kapitel 2 zeigten wir auf, dass durch die Agrarpolitik und die Landnutzung weder der
Artenverlust gestoppt, noch der Rückgang der Feldvogelarten und der Verlust von Le-
bensräumen verhindert werden konnte. Hauptverursacher sind hohe Emissionen an Stick-
stoff, Phosphor und Pflanzenschutzmitteln. Grundwasser ist nach wie vor mit Nitrat be-
lastet und über den Pfad Grundwasser-Oberflächenwasser werden die Meere primär mit
Stickstofffrachten aus dem Hauptemittenten «landwirtschaftliche Böden» belastet. Kapi-
tel 3.1 zeigte, dass die ökologische Belastungsgrenze unserer Erde überschritten ist be-
züglich Klimawandel, den Verlust an Biodiversität, der Landnutzungsänderung und den
globalen Stickstoff-Phosphor-Kreisläufen.
Die zentrale Frage dabei ist, mit welchen Handlungsstrategien wir denn einen Wandel
im Denken, Handeln sowie im Umgang mit uns und unserer Umwelt hin zu einer ökolo-
gisch nachhaltigen Landnutzung erreichen könnten?
Nachhaltigkeit
Nachhaltigkeit bzw. eine nachhaltige Entwicklung unserer Gesellschaft – unseres Lebens-
stils, unseres Wirtschaftssystems, unseres Umgangs mit der Natur – hat sich als Begriff
bereits seit Jahrzehnten etabliert (Galbraith 1958; Schumacher 1973). Der Ausgangs-
punkt für eine nachhaltige Entwicklung stellt die Gerechtigkeit innerhalb und zwischen
den Generationen dar. So definiert die Welternährungsorganisation FAO nachhaltige Ent-
wicklung – mit Fokus auf die Land- und Forstwirtschaft und die Fischerei – als «die Bewirt-
schaftung und Erhaltung der natürlichen Ressourcen und die Ausrichtung des technologi-
schen und institutionellen Wandels in einer Weise, die die Erreichung und Fortführung der
menschlichen Bedürfnisse für die gegenwärtigen und künftigen Generationen gewähr-
leistet. Eine solche nachhaltige Entwicklung (in den Bereichen Landwirtschaft, Forstwirt-
schaft und Fischerei) schont Land, Wasser, pflanzen- und tiergenetische Ressourcen, ist
umweltverträglich, technisch sinnvoll, wirtschaftlich und sozialverträglich» (FAO 2014).
Ferner unterscheidet die FAO (2014) in ihren Leitlinien zur Nachhaltigkeitsbewertung von
Agrar- und Lebensmittelsystemen vier Dimensionen der Nachhaltigkeit, die gleichberech-
tigt nebeneinanderstehen: ökologische Integrität, ökonomische Resilienz, soziales Wohl-
ergehen und Good Governance. Ott und Voget (2007) weisen darauf hin, dass Nachhal-
tigkeit ein kollektives Ziel darstellt, das individuelle aber vor allem auch kollektive
Verpflichtungen mit sich bringt, um es zu erreichen.
Im Grund sollte nach Huber (2000b) jede Nachhaltigkeitspolitik einerseits die wirt-
schaftliche Entwicklung ermöglichen und dabei andererseits die ökologische und soziale
Nachhaltigkeit sicherstellen. Das Ziel muss sein, dass sowohl die ökologische Tragfähig-
keit unserer Erde nicht überschritten wird als auch die soziale Gerechtigkeit durch eine
ausgewogenere Verteilung der Möglichkeiten, natürliche Ressourcen zu nutzen, und Zu-
gang zu Wohlstand gewährleistet wird.
Grundsätze für eine neue Agrarpolitik 81
Der hohe Ressourcen- und Energieverbrauch und die entsprechenden Emissionen unse-
rer Gesellschaft führen zu einer Überbeanspruchung der ökologischen Tragfähigkeit der
Erde bzw. der natürlichen Grenzen der Regenerierfähigkeit von Ökosystemen. Unsere
Handlungen negieren oft die Belastungsgrenzen bzw. sind sich deren nicht bewusst. Da-
raus ergeben sich für die gesamte Menschheit bisher nicht gekannte ökologische und
daraus folgend auch soziale Probleme (Huber 2000b; Steffen et al. 2015). Als Beispiel
hierfür kann der Verlust an Lebensräumen und damit verbunden der Verlust an Biodiversi-
tät genannt werden. Einmal zerstörte Lebensräume können nicht mehr oder nur mit gros-
sem Aufwand revitalisiert werden (Fischer et al. 2015). Langfristiges Denken und Han-
deln sind dabei wichtige Prinzipien der Nachhaltigkeit (Pufé 2012).
Die Effizienzstrategie folgt dem ökonomischen Prinzip «Ertrag mit möglichst wenig Auf-
wand» (Minimalprinzip) bzw. «mit konstantem Aufwand möglichst viel Ertrag» (Maximal-
prinzip) zu erreichen. Damit wird also ein möglichst optimales Verhältnis zwischen Input
und Output angestrebt (A llievi et al. 2015; Huber 2000b). Die Effizienzstrategie hat das
Ziel eines geringeren Einsatzes von Ressourcen und Energie pro Ware oder Dienstleis-
tung und damit eines verringerten Verbrauchs natürlicher Ressourcen. Oftmals ergeben
sich daraus Win-Win-Situationen, weil ökonomische und ökologische Ziele gleichzeitig
erreicht werden können (Schäpke und R auschmayer 2014). Deshalb ist diese Strategie in
der Wirtschaft sehr verbreitet: «Eine Steigerung der Ressourcenproduktivität, der Stoff-
umlauf- und Energieeffizienz, ist in ökonomischer und ökologischer Hinsicht von Vorteil,
genauer gesagt, ökonomisch kostendämpfend und ökologisch belastungsmindernd» (Hu -
ber 2000a). Die Effizienzstrategie verspricht, dass der Weg zur Nachhaltigkeit keine Ände-
rungen von Werten oder Präferenzen erfordert, da die Effizienzstrategie kompatibel zum
Prinzip der Nutzenmaximierung ist.
Ökobilanzen sind Hilfsmittel und Werkzeuge anhand derer Effizienz bewertet bzw.
prospektiv abgeschätzt werden kann. Sie stellen den Input der Produktmenge (in kg
oder Fläche) gegenüber. Als effizient gilt jenes Produkt oder jener Produktionsprozess,
welches bzw. welcher am wenigsten Ressourcen verbraucht und die tiefste Umwelt-
belastung aufweist. Beim Einsatz von Ökobilanzen ist die zweckmässige Wahl von Sys-
temgrenzen zentral. Huber (2000a) betont, dass längerfristig die Effizienzstrategie und
deren Massnahmen alleine nicht zu mehr Nachhaltigkeit führen wird. Die Gründe dafür
sind:
82 Chancen der Landwirtschaft in den Alpenländern
–– Die Steigerung der Effizienz durch technologische Innovation unterliegt dem Prinzip
des abnehmenden Grenznutzens. Das bedeutet, dass ab einem bestimmten Punkt die
Kosten für eine weitere Effizienzverbesserung den Nutzen übersteigen. Es ist dann
eine gesellschaftliche Entscheidung ob sie sich eine weitere Effizienzsteigerung leis-
ten kann und will;
–– Dominoeffekte bzw. Rebound-Effekte sind die am meisten geäusserte Kritik an der
Effizienzstrategie (Berkhout et al. 2000; Herring und Roy 2007). Ein Rebound-Effekt
entsteht, wenn der aggregierte Ressourcenverbrauch durch eine zunehmende Nach-
frage nach der Effizienzmassnahmen aufgehoben wird oder sogar steigt (Schäpke und
R auschmayer 2014). Ein Beispiel dafür ist die Konsum-Akkumulation bei der neue, ef-
fiziente Technologien wie beispielsweise sparsame Motoren dazu führen, dass grösse-
re Motoren nachgefragt werden. Gründe dafür können zum Beispiel die geringeren
Kosten pro Einheit sein oder nachlassende Anreize, umweltbewusst zu handeln, da die
Wirkungen pro Einheit geringer werden. Bemühungen, eine höhere Effizienz zu errei-
chen, können somit zu höherem Output bei annähernd gleichbleibender Umweltbelas-
tung führen, zu konstantem Output bei geringerer Umweltbelastung oder zu einer
Kombination von beiden (Figge et al. 2001);
–– Die Effizienzstrategie verschiebt die Allokation des Verbrauchs von Ressourcen bzw.
die Allokation von Emissionen in Richtung des effizientesten Verfahrens, sofern die
Umweltregulierungen korrekt vollzogen werden. In der Landwirtschaft ist der mögli-
che Ertrag an das Potenzial des natürlichen Standorts gebunden. An Grenzstandorten
wie beispielsweise Grasland von Voralpen und Berggebiet kann pro Hektar Grünland
weniger Rindvieh gehalten und damit insgesamt weniger Milch oder Fleisch produziert
werden als an Gunststandorten. Eine konsequente Effizienzstrategie führt in der Ten-
denz dazu, dass die landwirtschaftliche Produktion über kurz oder lang an Hanglagen
in den Voralpen und im Bergebiet reduziert würde und damit weniger Milch und Fleisch
produziert würde.
Die Konsistenzstrategie zielt auf qualitative Veränderungen in der Produktion und im Ver-
brauch durch Substitution von Ressourcen und auf möglichst geschlossene Stoff- und
Energiekreisläufe ab (Kopfmüller und Grunwald 2006; Schäpke und R auschmayer 2014).
Die Konsistenzstrategie strebt daher nicht in erster Linie an, weniger Ressourcen zu ver-
brauchen, sondern andere Arten der Nutzung zu forcieren. Diese können auch in grossen
Mengen aufrechterhalten werden, ohne die Ökosysteme und die Umwelt zu beeinträchti-
gen. Ein Beispiel ist die Nutzung von Grasland über Wiederkäuer zur Produktion von Le-
bensmitteln.
Ein weiterer Aspekt der Konsistenzstrategie ist die Schliessung von Stoff- und Energie-
kreisläufen. Emissionen können beispielsweise dadurch vermindert werden, dass Abfälle
und die Produkte selbst zu Rohstoffen werden und somit im Kreislauf bleiben (Braungart
et al. 2010).
Grundsätze für eine neue Agrarpolitik 83
Produkte bzw. Abfälle werden heute nicht vollständig im Kreislauf gehalten, zum Beispiel
aufgrund von Hygienevorschriften oder weil sie nicht rezyklierbar sind. Dadurch ist es in
der Praxis schwierig, Kreisläufe vollständig zu schliessen (Schmidt-Bleek 2007). Zudem
sind auch erneuerbare Energien und Rohstoffe nur begrenzt verfügbar. Oft kommt es zu
Zielkonflikten, um den Bedarf an Ressourcen zu decken. Beispielsweise bei den Ernäh-
rungsgewohnheiten (wie die Höhe des Fleischkonsums), bei der Produktion von Bio-Ener-
gie auf den Ackerflächen – oder der Nutzung von Wind in Windparks gegenüber dem
Vogelschutz und der Erhaltung eines intakten Landschaftsbildes.
Während die Effizienzstrategie auf eine Verbesserung der Wirkungsgrade alter Techno-
logie- und Produktlinien abzielt, versucht die Konsistenzstrategie grundlegende Technik-
und Produktinnovationen herbeizuführen (Huber 2000b). Agrarökologische Landnut-
zungssysteme (z. B. biologische Landwirtschaft) sind ein Beispiel für eine solche
Innovation (Padel 2001).
Suffizienz ist eine Strategie zur Senkung des Ressourcenverbrauchs durch Verringerung
der Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen (A llievi et al. 2015; K leinhückelkotten
2005; Schäpke und R auschmayer 2014). Fischer und Griesshammer (2013) definieren Suf-
fizienz im Kontext der Planetary Boundaries so: «Unter Suffizienz verstehen wir Änderun-
gen in Konsummustern, die helfen, innerhalb der ökologischen Tragfähigkeit der Erde zu
bleiben, wobei sich Nutzenaspekte des Konsums ändern.»
Die Suffizienzstrategie beruht auf der Bereitschaft zur freiwilligen Selbstbegrenzung
des Verbrauchs natürlicher Ressourcen (Schäpke und R auschmayer 2014). Weniger Kon-
sum und Verbrauch wäre nicht nur aus einer ökologischen Perspektive wünschenswert,
sondern würde auch zu mehr Generationengerechtigkeit führen (K leinhückelkotten
2005). Zwar erfordert Suffizienz die individuelle Eigenverantwortung, den Konsum zu än-
dern (A llievi et al. 2015), jedoch soll suffizientes Konsumieren nicht bei Einzelpersonen
beginnen und enden, denn dies wäre weder gerecht noch zielführend (Geden 2009; Grun -
wald 2010). Letztendlich bringt es nichts für die Umwelt, wenn eine einzelne Person we-
niger Fleisch isst (Muller und Huppenbauer 2016). Vielmehr geht es darum festzulegen,
wie hoch das individuelle Verbrauchsniveau sein darf im Vergleich zum Verbrauch aller
anderen Bürger (Muller und Huppenbauer 2016). Die Suffizienzstrategie erfordert daher
ein gesellschaftliches Handeln und eine Diskussion über die gesellschaftlichen Ziele in
Bezug auf Nachhaltigkeit (A llievi et al. 2015; Lorek und Fuchs 2013).
Da die Suffizienzstrategie im Gegensatz zur Effizienzstrategie eine Änderung im Ver-
halten erfordert, ist diese Strategie aus Angst vor dem Verlust an Lebensqualität und auf-
grund der vorgeschriebenen Verhaltungsänderungen nicht sehr populär (Schäpke und
R auschmayer 2014). Suffizienz wird als «letztes Mittel» genannt, für den Fall, dass die
Effizienz- und Konsistenzstrategien versagen (Fischer und Griesshammer 2013). Ferner
werden auch Rebound-Effekte (Kap. 3.2.1) von Suffizienzstrategien angeführt (A lcott
2008). So kann bei Konsumenten der Verzicht auf das Produkt A zum vermehrten Konsum
84 Chancen der Landwirtschaft in den Alpenländern
von Produkt B führen. Oder eine verringerte Nachfrage nach Produkt A kann dessen Preis
reduzieren, wodurch dieses für andere Konsumenten attraktiver wird.
Die Umsetzung der Suffizienz muss die individuelle Verschiedenheit der Menschen mit
ihren eigenen Bedürfnissen und Zielen als auch den Aspekt der Gerechtigkeit berücksichti-
gen, wenn eine Gesellschaft und ihre Bürger sich in eine bestimmte Richtung entwickeln
(Muller und Huppenbauer 2016). Die Suffizienzstrategie ist daher keine Kurzfristlösung,
sondern erfordert einen längerfristigen Diskussionsprozess und von der Politik ein Umden-
ken. Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung für Globale Umweltveränderungen
in Deutschland (2011) fordert einen «gestaltenden Staat mit erweiterter Partizipation», der
«Suchprozesse» anregt und ihnen durch Rahmensetzung und Weichenstellung eine Rich-
tung gibt. Zum Beispiel durch einen zusätzlichen Wert in liberalen Gesellschaften, der auf
der einen Seite die klassischen drei Grundwerte der individuellen Freiheit, des Nicht-Scha-
den-Prinzips und der Gerechtigkeit um Suffizienz ergänzt, und auf der anderen Seite das
Vorhandensein globaler Grenzen bewusst macht (Muller und Huppenbauer 2016).
Als wichtige oder sogar entscheidende Stellschraube für eine nachhaltige Entwicklung der
Landwirtschaft wird die Agrarpolitik genannt (Garske und Hoffmann 2016). Die Landwirt-
schaft produziert nicht nur private Güter (private goods), wie Nahrung, Fasern oder Treib-
stoff, sondern stellt auch öffentliche Güter (public goods) bereit, wie hohe Naturvielfalt
auf den Betriebsflächen oder sauberes Wasser. Um diese Leistungen zu realisieren,
braucht die Landwirtschaft primär natürliche Ressourcen, aber auch ein förderliches poli-
tisches und gesellschaftliches Umfeld.
In den Sustainable Development Goals (SDG) haben die Vereinten Nationen das Ziel
verankert, die landwirtschaftliche Produktion nach den Prinzipien der Nachhaltigkeit aus-
zurichten. Umweltkriterien der Nachhaltigkeit schliessen ein, dass die landwirtschaftliche
Produktion standort-, art- und tiergerecht erfolgen soll und externe Umwelteffekte zu mi-
nimieren sind (UN DESA 2018). Oft werden jedoch – entgegen der Formulierung der
Nachhaltigkeitsziele – nicht die den Zielen entsprechenden agrarpolitischen Instrumenten
eingesetzt (K aufer et al. 2013).
Die Gesellschaft verlangt aber zunehmend von der Politik den Nachweis, dass mit den
umgesetzten Agrarumweltmassnahmen auch tatsächlich die gesetzten Umweltziele er-
reicht werden können (Pacini et al. 2015; Schweizerischer Bundesrat 2016). So wünscht
sich die Schweizer Bevölkerung, dass Lebensmittel naturnah produziert werden und die
ökologische Vielfalt durch schonende Produktionsverfahren erhalten wird (Brandenberg
und Georgi 2015).
Die Umsetzung der Agrarumweltmassnahmen in Österreich und der Schweiz (Kap. 2.1)
erfolgt vor allem handlungsorientiert: Betriebe erhalten Zahlungen, wenn sie vorgeschrie-
Grundsätze für eine neue Agrarpolitik 85
Die artgemässe Ernährung von Nutztieren ist ein wesentlicher Bestandteil der Grundprin-
zipien einer standortgerechten und ökologisch nachhaltigen Landwirtschaft. Die Entwick-
lungen in den letzten Jahrzehnten zeigen allerdings deutliche Veränderungen in der Fütte-
rung und Leistung von Wiederkäuern auf, vor allem von Rindern. Diese sind aus der
Perspektive eines ganzheitlichen Ansatzes und hinsichtlich einer artgemässen Tierernäh-
rung zu hinterfragen: Schlagwörter wie artgemässe Wiederkäuerernährung, graslandba-
sierte Milchproduktion, Low- und High-Input oder auch Nahrungskonkurrenz zeigen das
grosse Diskussionspotenzial in der gängigen Rinderfütterung auf.
Von Natur aus frisst ein Rind vorrangig Gras und Heu, also faserreiches Grundfutter.
Darauf ist das spezialisierte Magen- und Darmsystem optimiert. Schweine und Geflügel
hingegen zählen zu den Allesfressern und benötigen hauptsächlich energie- und eiweiss-
reiche Futtermittel, die gerne als Kraftfutter bezeichnet werden. Die Bezeichnungen
«Kraftfutter» und «Grundfutter» für Futtermittelkategorien werden aus langer Tradition in
der landwirtschaftlichen Praxis verwendet – und finden ein allgemeines Verständnis.
Ein Blick in die Fachliteratur zeigt jedoch, wie komplex die Unterschiede zwischen Fut-
termitteln sind. So werden Futtermittelkategorien nach unterschiedlichen Kriterien gebil-
det: nach Konsistenz, Wassergehalt oder Hauptinhaltsstoffen. Andere Herangehenswei-
sen differenzieren nach einsatzorientierten Aspekten in Grobfuttermittel (Grünfutter,
-konserven, Stroh) und Konzentrate (Futtermittel mit hohem Energie- und/oder Rohprote-
ingehalt). Auch die Unterscheidung nach Energiegehalt und Struktur führt zu Kategorien,
die den einsatzorientierten Aspekten ähneln, jedoch die Grobfuttermittel zusätzlich unter-
teilen: strukturreiches Grobfutter, Saftfutter mit einem Strukturwert zwischen Kraft- und
Grobfutter und energiereiches, strukturarmes Kraftfutter (>7 Megajoule Netto-Ener-
gie-Laktation (NEL) pro kg Trockenmasse, wobei die NEL Auskunft über den Energiege-
halt des Futters gibt). Sowohl die Einteilung nach einsatzorientierten Aspekten als auch
die Differenzierung anhand von Strukturwert und Energiegehalt entspricht in etwa den
traditionellen Begriffen Grundfutter und Kraftfutter. Wesentliche Kriterien von Grundfut-
terkomponenten sind: sie sind (roh-)faserreich und energiearm. Kraftfutter hingegen soll
durch einen hohen Energie- und Proteingehalt und -qualität gekennzeichnet sein.
Grundsätze für eine neue Agrarpolitik 87
Weder die EU Bio-Verordnung noch die Richtlinien von Bio Austria definieren, welche Fut-
termittelkomponenten als Grund- bzw. Raufutter gelten. Dagegen machen die Schweizer
Direktzahlungsverordnung und die Bio Suisse Richtlinien dazu konkrete Vorgaben. Dabei
gilt Silomais (Ganzpflanzensilage) als Grundfutter, weshalb weitere Abgrenzungen erfor-
derlich sind, um die Anteile der graslandbasierten Fütterung herauszuarbeiten.
Betrachten wir die für die Wiederkäuer-Ernährung relevante Futtermittelproduktion:
Futtermittel werden auf Ackerflächen und auf dem Grünland produziert. Erzeugnisse vom
Grünland sind (roh-)faserreich und energiearm und entsprechen damit den genannten
Kriterien von Grundfutter. Auf Ackerflächen angebaute Kulturen wie Getreide, Körnerlegu-
minosen, Hackfrüchte, Ölfrüchte fallen aufgrund ihrer hohen Energie- und Proteingehalte
sowie ihrer Strukturarmut klar in die Kategorie «Kraftfutter». Klee, Kleegras oder Luzerne,
die auf Ackerflächen produziert werden, stellen hingegen klassisches Grundfutter oder
wie im Fall von energiereichem Silomais eine Schnittstelle zwischen unseren traditionel-
len Kategorien Grund- und Kraftfutter dar. Silomais verlangt zudem einen hohen Ressour-
ceneinsatz und unterscheidet sich dadurch zusätzlich von Klee, Kleegras oder Luzerne.
Silomais fällt daher in die Grauzone zwischen Grund- und Kraftfutter. Tabelle 11 zeigt die
Unterschiede ausgewählter Futtermittel anhand ihrer Nährstoffgehalte sowie ökologische
Aspekte wie Treibhausgasemissionen auf.
88 Chancen der Landwirtschaft in den Alpenländern
Tab. 11. Charakteristika von Futtermitteln aus dem Grünland und Ackerland.
1 Nährstoffgehalte basieren auf Resch et al. (2006): Intensives Grünland: Mähwiese/-weide (drei und
mehr Nutzungen), Dauerweiden (Heu und Grünfutter) (Stadium Ähren- /Rispenschieben).
2 Nährstoffgehalte basieren auf R esch et al. (2006): Extensives Grünland: Einmähdige Wiesen, Mähwie-
se/-weide (zwei Nutzungen), Almen, Bergmähder, Hutweiden, Streuwiesen (Grünfutter) (Stadium Äh-
ren- /Rispenschieben).
3 Werte basieren auf Kolben zum Erntezeitpunkt Beginn Teigreife mit hohem Kolbenanteil (50 %) nach
teilweisem Import der Sonnenblumen, Verarbeitung in industriellen Anlagen und weiteren Transport-
wegen im Vergleich zu hofeigenem Futter.
6 Berechnungen der Treibhausgasemissionen basieren auf H örtenhuber et al. (2011).
7 Biodiversität: Reihung der Flächen erfolgt nach einer Einschätzung von D rapela (2015) (1=höchste Bio-
zienz (eng. human-edible feed conversion efficiency). Berechnung: Ertl et al. 2015.
9 Wert von Lucernecobs.
10 Quelle: Ertl 2016.
Grundsätze für eine neue Agrarpolitik 89
3.4.2 Teller oder Trog? Die Bedeutung des Graslands für die Lebensmittelproduk-
tion
Paul Ertl
Tierhaltungssysteme werden aus Sicht der Ernährungssicherheit oftmals sehr kritisch be-
trachtet. Diese Kritik ist zum Teil auch berechtigt, da Nutztiere grosse Mengen an Futter-
mitteln fressen, welche für die Menschen direkt essbar wären (z. B. Getreide oder Hül-
senfrüchte). Ausserdem finden sich nur rund 10 Prozent der aufgenommenen
Futterenergie in den tierischen Produkten wieder (Sabate und Soret 2014). Schätzungen
zufolge könnten über eine direkte Nutzung der derzeit angebauten landwirtschaftlichen
Grundsätze für eine neue Agrarpolitik 91
Kulturen für die menschliche Ernährung rund vier Milliarden Menschen zusätzlich ernährt
werden (Cassidy et al. 2013). Andererseits liefern Tierhaltungssysteme einen bedeuten-
den positiven Beitrag zur Ernährungssicherung, indem sie pflanzliche Ressourcen (z. B.
Gras), die nicht für die menschliche Ernährung geeignet sind, in tierische Lebensmittel
transformieren (Schader et al. 2015; Smith et al. 2013). Die Verfütterung von möglichst
geringen Anteilen an potenziell für die menschliche Ernährung geeignete Futtermitteln an
Nutztiere erhöht nicht nur die Menge an verfügbaren Lebensmitteln, sondern reduziert
auch die negativen Umweltwirkungen der Lebensmittelproduktion (Eisler et al. 2014;
Schader et al. 2015).
Aufgrund der Verschiedenheiten in ihren Verdauungssystemen, unterscheiden sich
Wiederkäuer und Monogastrier hinsichtlich Konkurrenz ihres Futters zur menschlichen
Nahrung deutlich. Bewertungen der in Österreich eingesetzten Futtermittel haben ge-
zeigt, dass die Rationen von Rindern, Schafen und Ziegen rund 10 Prozent für Menschen
direkt essbare Energie bzw. essbares Protein enthalten, während dieser Anteil bei Schwei-
nen und Geflügel bei 45-50 Prozent liegt (Tab. 12). In Österreich stammen rund 50 Prozent
der Futterenergie, sowie des Futterproteins für Wiederkäuer von Grasland, welches nur
über Wiederkäuer für die menschliche Ernährung genutzt werden kann. Umgekehrt be-
deutet dies, dass 50 Prozent der tierischen Produkte von Wiederkäuern ihren Ursprung im
Grasland haben. Zusätzlich zur Verwertung des Graslands werden über die Wiederkäuer
auch beträchtliche Mengen an Feldfutter, das wertvolle ökologische Vorteile bringt (z. B.
Fruchtfolge-Bestandteil, Stickstofffixierung, Schutz vor Bodenerosion etc.), in hochwerti-
ge Lebensmittel umgewandelt (Ertl et al. 2016a).
Stellt man nun dem Output an Lebensmitteln in Form von tierischen Produkten den In-
put an potenziellen Lebensmitteln über das Futter gegenüber (Lebensmittel-Konversions-
effizienz (LKE)), so zeigt sich, dass Rinder insgesamt und vor allem Milchkühe deutlich
mehr Lebensmittel produzieren als sie über das Futter aufnehmen (LKE >1). Andere Tier-
kategorien bleiben bei dieser quantitativen Betrachtung (MJ Energie bzw. kg Protein ess-
bar) mehr oder weniger deutlich bei einer LKE <1. Diese quantitative Betrachtung bezieht
allerdings nicht die Unterschiede in der Proteinqualität (Verdaulichkeit, Aminosäuren-Mus-
ter) mit ein (Wilkinson 2011). Bewertet man die Proteinqualität sowohl auf der Seite der
tierischen Produkte (Output), als auch auf der Seite der potenziell essbaren Futtermittel
(Input) mittels einer von der FAO vorgeschlagenen Methode (FAO 2013), so zeigt sich,
dass die Proteinqualität auf der Output-Seite im Durchschnitt um das 1,8-fache höher ist
als auf der Input-Seite (Proteinqualitäts-Verhältnis (PQV); Tab. 12). Berücksichtigt man
diese qualitativen Unterschiede in der Proteinqualität zusätzlich zu den mengenmässigen
Änderungen (LKEProtein*PQV), so erreichen neben Milchkühen und Rindern insgesamt
auch Schafe, Ziegen und Legehennen einen Wert >1, was einer Steigerung der Wertigkeit
des Proteins für die menschliche Ernährung entspricht. Die Empfehlungen mancher Wis-
senschaftler, Wiederkäuer aufgrund der günstigeren Effizienz bei der Umwandlung von
Futterenergie in tierische Produkte (kg Futter/kg tierisches Produkt) durch Schwein und
Geflügel zu ersetzen, ist daher aus Sicht der Lebensmittelproduktion nicht zu unterstüt-
zen.
92 Chancen der Landwirtschaft in den Alpenländern
Tab. 12. Berechneter Anteil an potenziell direkt für die menschliche Ernährung geeigneter Futterenergie
und geeignetem Futterprotein, Lebensmittel-Konversionseffizienzen. LKE: Lebensmittel-Konversionseffi-
zienz = essbarer Output/potenziell essbarer Input; PQV: Proteinqualitätsverhältnis = Proteinqualitäts-Sco-
re Output/Proteinqualitäts-Score Input; Produkt aus LKEProtein und PQV verschiedener Nutztierkategorien
in Österreich für die Jahre 2011–2013. Quelle: Ertl et al. 2016a.
teres Hindernis besteht darin, dass unter den derzeitigen ökonomischen Rahmenbedin-
gungen für die absoluten Leistungen bezahlt wird und nicht für netto produzierte Lebens-
mittel. Eine nachhaltige Lebensmittelproduktion im Alpenraum erfordert deshalb
einerseits, dass die Zuchtziele für Wiederkäuer wieder so ausgerichtet werden, dass die
Tiere auch über sehr faserreiches Futter ausreichend versorgt werden können. Anderer-
seits müssen die ökonomischen Voraussetzungen geschaffen werden, dass eine mög-
lichst hohe Netto-Lebensmittelproduktion auch aus wirtschaftlicher Sicht erstrebenswert
ist. Denn wenn Energie aus Getreide günstiger ist als aus Grasland, wird auch weiterhin
Getreide an Wiederkäuer verfüttert.
Florian Leiber
Der teilweise oder vollständige Verzicht auf Kraftfutter in der Milchviehfütterung kann
neben reduzierten Milchleistungen auch die Gefahr von Stoffwechselerkrankungen ber-
gen, die zum Beispiel Fruchtbarkeitsstörungen nach sich ziehen. Die starke genetische
Selektion auf hohe Milchleistungen in den vergangenen Jahrzehnten hat beim Milchvieh
zu Genotypen geführt, die ihre hohen Leistungen insbesondere in der ersten Laktations-
hälfte auch dann aufrecht erhalten, wenn sie nicht ausreichend mit Nährstoffen versorgt
sind (K naus 2009). Dies führt zu starker Mobilisierung von Körperreserven, und dabei zur
Bildung von Aceton und β-Hydroxibuttersäure, die die Leber je nach Konzentration latent
oder akut belasten. Der überlastete Organismus kann darauf unter anderem mit ausblei-
bendem Eisprung (Ovulation) oder Empfängnis (Konzeption) reagieren (Roche 2006). Als
weiterer Grund für Fruchtbarkeitsprobleme wird Eiweissmangel gesehen, auf den niedri-
ge Milchharnstoffgehalte hinweisen können.
Wenn Fütterungssysteme entwickelt werden, in denen wenig oder kein Kraftfutter
mehr eingesetzt werden soll, ist es wichtig, zu evaluieren, wie gesundheitliche Probleme
ausgeschlossen werden können. Eine weitere entscheidende Frage betrifft das Ausmass
der Milchmengenreduktion und ihr Verhältnis zum eingesparten Kraftfutter.
Um diese Fragen zu klären, führt das Forschungsinstitut für biologischen Landbau
(FiBL) verschiedene Versuche durch. Der umfangreichste war das Projekt «Feed no Food».
Dabei wurden 69 Bio-Milchviehbetriebe über drei Jahre wissenschaftlich begleitet, 42
davon über sechs Jahre – und ihre Fütterungs-, Milchleistungs- und Gesundheitsdaten
erhoben und ausgewertet. Im Detail umfasste die Erhebung: den Kraftfuttereinsatz, die
monatlich erhobenen Milchleistungsdaten (auch Milchinhaltsstoffe), die regelmässig er-
hobenen Körperkonditionsbeurteilungen (engl. Body Condition Scores (BCS); Isensee et
al. 2014), die Zwischenkalbezeiten als Fruchtbarkeitsmerkmal sowie die obligatorischen
Dokumentationen aller veterinärmedizinischen Behandlungen.
Nach einem ersten Jahr, in dem der Status quo als Basisvergleich erhoben worden war,
wurden die Betriebsleiter aufgefordert, ihren Kraftfuttereinsatz in einem freiwilligen aber
94 Chancen der Landwirtschaft in den Alpenländern
konstanten Ausmass zu reduzieren. Daraus ergaben sich fünf Gruppen von Betrieben (hier
aufgeführt sind nur die 42 Betriebe, die über die ganze Zeit teilgenommen haben): 1. Be-
triebe, welche bereits zu Projektbeginn kein Kraftfutter eingesetzt haben (n=6); 2. Betrie-
be, welche ihren Kraftfuttereinsatz im Projekt auf Null reduzierten (n=11); 3. Betriebe, die
ihren Kraftfuttereinsatz um mehr als 50 Prozent reduzierten (n=8); 4. Betriebe, welche
ihren Kraftfuttereinsatz um weniger als 50 Prozent reduzierten (n=12) und 5. Betriebe, wel-
che auf ihrem ursprünglichen Kraftfutterniveau verblieben (n=5). Es zeigte sich, dass in
den Gruppen 4 und 5 wesentlich mehr Betriebe mit Hochleistungsrassen und mit nennens-
wertem Maisanteil im Grundfutter vertreten waren. Hingegen wirtschafteten Betriebe, die
bereit waren, den Kraftfuttereinsatz stark zu reduzieren, grundsätzlich eher extensiv.
Eine erste Auswertung nach dem dritten Projektjahr (zwei Jahre Kraftfutterreduktion)
zeigte eine erwartungsgemässe leichte Reduktion der Milchleistungen, dafür aber keiner-
lei Beeinträchtigungen beim Body Condition Score und bei der Eutergesundheit in Form
von Zellzahlen in der Milch (Ivemeyer et al. 2014). Auch die Frequenz der dokumentierten
tierärztlichen Behandlungen war nicht erhöht und die Zwischenkalbezeiten sowie die
durchschnittliche Nutzungsdauer blieben gleich.
Das gleiche Bild zeigte sich auch im fünften Jahr nach Beginn der Kraftfutterreduktion
(Leiber et al. 2017). Die Gegenüberstellung der reduzierten Milchleistung mit der Menge
an eingespartem Kraftfutter ergab, dass je kg Kraftfutterreduktion 0,9-1,4 kg Milch weni-
ger produziert worden waren. Im Vergleich mit der häufig angenommenen Quote von 2 kg
Milch je kg Kraftfutter sind dies sehr niedrige Werte. Dies ist abhängig von den aktuellen
Milch- und Futterpreisen auch ökonomisch eher vorteilhaft. Bemerkenswert ist auch,
dass in allen Gruppen die Milchharnstoffkonzentrationen im Verlauf der Projektjahre auf
etwa 15 mg/dl sanken, was als kritischer Wert angesehen wird. Die Zwischenkalbezeiten,
die allgemeine Tiergesundheit und auch die Nutzungsdauer blieben jedoch davon unbe-
einflusst. Somit hat dieses Projekt gezeigt, dass unter den Bedingungen des Schweizer
Biolandbaus, der einerseits generell auf vergleichsweise niedrigen Inputs und anderer-
seits auf einer guten Grundfutterqualität beruht, verschiedene Grade der Kraftfutterreduk-
tion über einen Zeitraum von fünf Jahren ohne jede Beeinträchtigung der Tiergesundheit
und der Fruchtbarkeit möglich sind. Die damit einhergehenden Einbussen bei der Milch-
leistung blieben in einem Rahmen, der gemessen an den Einsparungen beim Kraftfutter,
bei den gegenwärtigen Futterpreisen keine ökonomische Einbusse darstellen.
Eine weitere wichtige Frage ist, ob bei kraftfutterarmen oder -freien Fütterungsre-
gimes die Nährstoffe – insbesondere der Stickstoff – effizient genutzt werden. Diese Fra-
ge untersuchte das FiBL in einem kontrollierten Experiment (Leiber et al. 2015). Das Füt-
terungsexperiment wurde auf einem Biobetrieb mit Schweizer Fleckvieh und einem
Stalldurchschnitt von 7000 kg Milch pro Jahr durchgeführt. Während der Winterfütte-
rungsperiode wurden 12 Kühen die auf dem Betrieb üblichen leistungsentsprechend ge-
fütterten Konzentrate (durchschnittlich 2,4 kg eines eiweissreichen Kraftfutters) vollstän-
dig gestrichen. Diese Kühe wurden mit 12 Stallgefährtinnen verglichen, die weiterhin
Kraftfutter erhielten. Der Versuch dauerte sechs Wochen. Während der Wochen drei und
sechs wurde die Futteraufnahme jeder Kuh individuell gewogen und die tägliche Milch-
Grundsätze für eine neue Agrarpolitik 95
leistung und Milchzusammensetzung erfasst. Beide Kuh-Gruppen waren in Bezug auf das
Laktationsstadium und die Leistung balanciert. Mithilfe von individuellen Kotsammlungen
und -analysen während der Erhebungswochen wurde die Verdaulichkeit des Rohproteins
geschätzt.
Die Kühe der kraftfutterfreien Gruppe kompensierten die 2,4 kg Kraftfutter fast exakt
mit einer entsprechend erhöhten Grundfutteraufnahme. Dies führte zu einer gleich blei-
benden Aufnahme an Netto-Energie (NEL), aber einer etwas tieferen Aufnahme an Roh-
protein. Als Konsequenz gaben diese Kühe rund 12 Prozent weniger Milch und 10,5 Pro-
zent weniger Milchprotein pro Tag. Der Milchproteingehalt pro Liter Milch war bei der
kraftfutterfreien Gruppe im Vergleich zur Gruppe mit Kraftfutter entsprechend leicht er-
höht. Die Reduktionen an Milch und Milchproteinen waren allerdings statistisch nicht signi-
fikant. Bemerkenswert war jedoch, dass in beiden Gruppen die Proteineffizienz, also die
tägliche Menge an Milchprotein im Verhältnis zum gefressenen Rohprotein, exakt gleich
blieb, nämlich 24 Prozent. Die wesentlich bessere Verdaulichkeit des Rohproteins im Kraft-
futter trug nicht zu einer Verbesserung der Proteinnutzung bei. Wenn das gebildete Milch-
protein in Beziehung gesetzt wird zur Aufnahme an verdaulichem Rohprotein (von wel-
chem im Kraftfutter mehr vorhanden ist), ist die Effizienz in der Gruppe, welche die
Konzentrate bekam, deutlich schlechter (34 % mit Kraftfutter; 39 % ohne Kraftfutter). Das
legt nahe, dass ein erheblicher Teil des Kraftfutterproteins im Pansen als Ammoniak ver-
loren ging. Von der Fütterungseffizienz her betrachtet, war also das als Kraftfutter verfüt-
terte Eiweiss verschwendet. Man könnte zwar vermuten, dass die Kühe ohne Kraftfutter
Körperprotein mobilisiert haben. Jedoch blieben alle erhobenen Indikatoren, die auf eine
Mobilisierung von Körperreserven hinweisen (BCS, Körpergewicht, Milch-Acetongehalte),
zwischen den beiden Gruppen gleich, sodass in der kraftfutterfreien Gruppe keine erhöhte
Mobilisierung anzunehmen ist. Unter Berücksichtigung der ökonomischen und ökologi-
schen Kraftfutterkosten erzielte die kraftfutterfreie Gruppe somit ein sehr gutes Ergebnis,
das je nach Betrachtungsweise sogar deutlich besser war als jenes der Gruppe mit Kraft-
futter. Die Ergebnisse dieses Projekts zeigen, dass die Effizienz von Konzentratgaben und
der Bedarf an Futterprotein bei Milchkühen unter Schweizer Bio-Bedingungen auch in Zu-
kunft kritisch betrachtet werden sollten und dass gras-basierte Fütterungssysteme auch
unter dem Gesichtspunkt der Nährstoffeffizienz nachhaltig sein können (Leiber et al. 2015).
Zusammengefasst zeigten die beiden beschriebenen Versuche, dass kraftfutterfreie
Fütterungssysteme unter Schweizer Bio-Bedingungen im Hinblick auf die Tiergesundheit,
die Fruchtbarkeit und die Nährstoffeffizienz sehr tragfähig sind.
3.4.4 Zum Einfluss von artenreichen Weiden auf die Fettqualität von Milch und
Rindfleisch
Florian Leiber
Die Haltung von Wiederkäuern auf alpinen Weiden führt zu deutlich erhöhten Konzentra-
tionen an Omega-3-Fettsäuren (n-3-Fettsäuren) in der produzierten Milch (K raft et al.
96 Chancen der Landwirtschaft in den Alpenländern
2003; Leiber et al. 2005) und im Fleisch (Gangnat et al. 2016; Willems et al. 2014). Dies
gilt jeweils im Vergleich mit der Haltung auf Kunstwiese im Tal oder der Stallfütterung mit
nennenswerten Anteilen an Getreide und Maissilage. Ausserdem werden die Gehalte an
weiteren gesundheitsfördernden Fettsäuren (konjugierte Linolsäuren und ihre Vorstufe,
die Vaccensäure) durch Futter von Bergweiden positiv beeinflusst (K hiaosa-ard et al.
2015; K raft et al. 2003). Welche Bedeutung haben die genannten Fettsäuren und wie
kommen die Vorteile des Weideganges auf Bergweiden gegenüber anderen Fütterungs-
systemen zustande?
Die Gruppe der n-3-Fettsäuren ist im Stoffwechsel aller Säugetiere von grosser Bedeu-
tung, insbesondere für die Entwicklung und Funktionalität von Gehirn und Nervensystem,
die Prävention von Gefässverengungen am Herzen und als entzündungshemmende Fak-
toren (Barceló -Coblijn und Murphy 2009). Die Ausgangsform der n-3-Fettsäuren ist die
α-Linolensäure (C18:3n-3), welche in allen grünen Pflanzenbestandteilen und in Ölen vor-
kommt. Sie ist essentiell, kann also von Säugetieren nicht selbst gebildet werden. Alle
längerkettigen n-3-Fettsäuren können jedoch von dieser Grundform der α-Linolensäure
im Säugetier abgeleitet werden (Burdge und Wootton 2007). Eine Steigerung der Kon-
zentration von n-3-Fettsäuren in Wiederkäuerprodukten ist daher als sehr positiv zu be-
werten. Dies ist offensichtlich in Wiederkäuerprodukten von Bergweiden gegeben. Die
konjugierte Linolsäure und die Vaccensäure gehören nicht zu den n-3-Fettsäuren, haben
aber ebenfalls nachgewiesene positive Effekte auf die menschliche Gesundheit, insbe-
sondere im Zusammenhang mit antikarzinogenen Wirkungen (Jutzeler van Wijlen und
Colombani 2010).
Auf welchen biologischen Zusammenhängen beruht der positive Effekt dieser weide-
basierten Fütterung? Bereits der Vergleich von kraftfutterreichen und kraftfutterarmen
Rationen für Milchkühe zeigt, dass letztere zu erhöhten Gehalten an α-Linolensäure im
Milchfett führen (K hiaosa-ard et al. 2010). Auch der Verzicht auf Maissilage in der Ration
führt zu deutlichen Erhöhungen der α-Linolensäure im Produkt (K hiaosa-ard et al. 2010).
Ein weiterer Effekt zeigt sich beim Vergleich von nährstoffreichen aber botanisch eher
artenarmen Talweiden (Kleegras) mit artenreichen Bergweiden. Dabei wird deutlich, dass
sich nicht die aufgenommene Menge an α-Linolensäure verändert, sondern die Transfer-
effizienz vom Futter in die Milch (Leiber et al. 2005). Der botanische Artenreichtum der
Weiden spielt hierbei möglicherweise eine wichtigere Rolle als die Höhenlage (Falchero
et al. 2010).
Zahlreiche Untersuchungen in den vergangenen 15 Jahren deuten darauf hin, dass vor
allem die mit der botanischen Vielfalt einhergehende biochemische Vielfalt der sogenann-
ten sekundären Pflanzeninhaltsstoffe den Fettstoffwechsel der Wiederkäuer entschei-
dend beeinflusst, wie im Folgenden beschrieben ist.
Die vom Wiederkäuer aufgenommenen Fette werden durch die anaerobe bakterielle
Fermentation im ersten Vormagen, dem Pansen, intensiv umgebaut. Dabei entstehen u. a.
aus der α-Linolensäure eine Vielzahl von Derivaten bis hin zur vollständig gesättigten Stea-
rinsäure (C18:0). Nur ein bis fünf Prozent der aufgenommenen α-Linolensäure überste-
hen die Vorgänge im Pansen und erreichen das Blut und damit den Stoffwechsel des
Grundsätze für eine neue Agrarpolitik 97
Tieres. Diese wichtige Fettsäure ist somit für den Wiederkäuer ein seltenes und teures
Gut. Die komplexen Umbauprozesse im Pansen werden durch die Wirkung verschiedener
pflanzlicher Substanzen (z. B. Tannine) gehemmt (Buccioni et al. 2012; Jayanegara et
al.,2012). Schon eine leichte Hemmung kann die Produktion von α-Linolensäure im endo-
genen Stoffwechsel und im Milchfett verdoppeln. Auch die konjugierte Linolsäure und die
Vaccensäure werden durch Effekte der pflanzlichen Wirkstoffe im Pansen stärker akkumu-
liert.
Die Konzentrationen an sekundären Pflanzeninhaltsstoffen sind in kräuterreichen Wei-
den höher als beispielsweise in Kleegraswiesen (Jayanegara et al. 2012; Willems et al.
2014) – darauf ist der Effekt einer artenreichen Bergweide im Wesentlichen zurückzufüh-
ren. Einen zusätzlichen positiven Einfluss hat es, wenn die Tiere grasen und somit besser
selektieren können als bei der Stallfütterung (K hiaosa-ard et al. 2015; Leiber et al. 2005).
Dabei kommt die Fähigkeit der Wiederkäuer zum Tragen, durch gezielte Selektion von
wirkstoffreichen Pflanzen ihren Pansenstoffwechsel zu regulieren (Provenza et al. 2007).
Aus den dargestellten Zusammenhängen wird ersichtlich, dass eine raufutterbasierte
Fütterung, insbesondere mit kräuterreichem Futter, eine ernährungsphysiologisch wert-
volle Zusammensetzung der Fette in Milch und Fleisch befördert. Man kann davon aus-
gehen, dass eine raufutterbasierte Fütterung auch für die Gesundheit der Tiere vorteilhaft
ist (Leiber 2014). Dies ist ein Paradebeispiel für einen mehrfachen Zusatznutzen einer
graslandbasierten Wiederkäuerwirtschaft. Allerdings dürfen nach den Bestimmungen
des schweizerischen Lebensmittelrechts (Verordnung des EDI betreffend die Information
über Lebensmittel vom 16. Dezember 2016) Rindfleisch und Milchprodukte nicht als
Quelle von Omega-3-Fettsäuren ausgelobt werden, weil der Gehalt an diesen Fettsäuren
zu gering ist. Dass kräuterreiches Futter zudem die Qualität von Lebensmitteln bezüglich
des Aromas aufwerten kann, zeigt der im Grenzgebiet Schweiz-Italien produzierte Bettel-
mattkäse. Sein besonderes Aroma verdankt dieser Käse dem auf den alpinen Weiden
gewachsenen Alpen-Mutterwurz (Ligusticum mutellina; Weissen 2015).
Low
Kühe mit hoher Grundfutter- Input Tiergemässe kostengünstige
Lebensleistung Milchviehhaltung (Stallbau,
(Fitness, Fruchtbarkeit, …) Technik, Weidehaltung)
Auf der Basis der vorangegangenen Beiträge in Kapitel 3 lassen sich drei weitere Thesen
für eine neue Agrarpolitik formulieren.
also aus ökologischer, sozialer und wirtschaftlicher sowie aus betrieblicher und gesell-
schaftlicher Sicht. So wird sichergestellt, dass Massnahmen, die sich positiv auf einen
Bereich auswirken, keine Verschlechterung in einem anderen Bereich bewirken.
Global werden 40 Prozent der pflanzlichen Produktion für die Tierfütterung verwendet.
Auch in den beiden Alpenländern Schweiz und Österreich werden in grossem Umfang
Futtermittel importiert und einheimische Ackerflächen mit Mais (Silomais, Corn-Cob-Mix,
Körnermais) und Getreide für die Futterproduktion von Nutztieren genutzt. Auf betriebli-
cher Ebene kommt es damit zur Entkoppelung der Tierproduktion von der Pflanzenpro-
duktion; Stoffkreisläufe werden unterbrochen. Einhergehend erfolgt der Export von nega-
tiven Umwelt- und Sozialwirkungen in Drittländer: a) importseitig in die Anbaugebiete von
Import-Futtermitteln und b) über den atmosphärischen und hydrologischen Export von
Nähr- und Schadstoffen. Darüber hinaus führt der Anbau von Futtermitteln auf dem Acker
zu einer Flächenkonkurrenz zwischen der Lebensmittel- und der Futtermittelproduktion.
Auf lokal-regionaler Ebene ist eine Systembetrachtung anzustreben, die neben der Land-
wirtschaft weitere Akteure – etwa Raumplanung, Regionalentwicklung, Tourismus und
Forstwirtschaft – einbezieht, um eine regional abgestimmte, nachhaltige Landwirtschaft
zu gestalten. Eine regional differenzierende Agrarpolitik ist erwünscht, um regional sehr
unterschiedliche negative Wirkungen der Landwirtschaft mit regional abgestimmten Ins-
trumenten zu entschärfen. Betriebswirtschaftlich bestehen in der High-Input-Landwirt-
schaft Abhängigkeiten von externen Betriebsmitteln wie etwa mineralische Düngemittel,
Zukaufsfutter und Energie. Graslandbasierte Milch- und Rindfleischproduktion bietet hier –
wenn kombiniert mit einer Niedrigkostenstrategie (z. B. Weidehaltung) – eine wirtschaft-
liche Alternative für den Einzelbetrieb.
Rinder ein deutlich positives Ergebnis. Die graslandbasierte Milch- und Fleischproduk-
tion produziert somit wesentlich mehr Lebensmittel als sie über das Futter aufnimmt.
Ausserdem liefert sie Produkte in einer meist höheren Qualität (Proteine, Aromen
etc.) – vorausgesetzt das Futter stammt von artenreichen Weiden und Wiesen. Da-
gegen ist bei den Monogastriern die Lebensmittel-Konversionseffizienz negativ, da
diese Tiere auf Futtermittel aus dem Ackerbau angewiesen sind.
2. Futter vom Grasland ist die natürliche Futtergrundlage für Wiederkäuer. Damit können
Wiederkäuer das für den Menschen nicht verwertbare Grasland zu Lebensmittel ver-
edeln, ohne dass dadurch eine Nahrungskonkurrenz zum Menschen entsteht. Wieder-
käuer sollten deshalb vom Grasland ernährt werden und nicht mit Futtermitteln, die auf
dem Acker angebaut wurden.
3. Aufgrund der Reduktion des Stickstoffs im Landnutzungssystem durch weniger Kraft-
futter, geringere Tierzahlen und ökologischere Fruchtfolgen, werden die Stickstoff-Bi-
lanzüberschüsse deutlich verringert. Das wirkt sich positiv aus auf die Biodiversität,
die Wasser- und die Luftqualität und verringert die Ammoniakemissionen aus der
Landwirtschaft.
In der vorliegenden Analyse haben wir die Intensivierung der Landwirtschaft und insbe-
sondere die damit einhergehenden Stickstoff-Bilanzüberschüsse und -depositionen als
zentrale Faktoren für die negativen Umwelteffekte der Landwirtschaft identifiziert. An-
satzpunkte für eine ökologisch nachhaltige Landwirtschaft und die Reduzierung der Stick-
stoff-Bilanzüberschüsse sind demnach (Kap. 2.2):
–– Standortangepasste Tierbestände und verringerte Tierbestandsdichten;
–– Verringerung des Futtermittelzukaufs;
–– der vermehrte Anbau von stickstofffixierenden Leguminosen;
–– eine Verringerung der mineralischen Stickstoffdüngung;
–– eine der Bodeneignung angepasste Pflanzenproduktion;
–– eine Erhöhung der Stickstoffeffizienz in der Tierhaltung und im Pflanzenbau.
Diese Ansätze sind Teil der sogenannten «Regenerativen Landwirtschaft». Der Begriff
nimmt Bezug darauf, dass die Belastungsgrenzen des Planeten respektiert werden müs-
sen und dass mit allen Ressourcen (Natur, Mensch und Tier) so umgegangen wird, dass
sie sich immer wieder regenerieren können. Unter «Regenerative Landwirtschaft» fallen
damit Anbaumethoden und Prinzipien, die die Biodiversität und die Bodenfruchtbarkeit
langfristig erhöhen, Wasserkreisläufe verbessern, Ökosystemleistungen standort- bzw.
kontextangepasst (inklusive sozioökonomischer Aspekte) weiterentwickeln und die Resi-
lienz der Landwirtschaft erhöhen (The Carbon Underground and Regenerative Agriculture
Initiative 2017). Der Begriff der «Regenerativen Landwirtschaft» wurde von Robert Roda-
le in den 1980er Jahren erstmals verwendet (Rodale 1983).
Unser Lösungsweg der «Regenerativen Milch- und Rindfleischproduktion» greift die
Prinzipien und Praktiken der «Regenerativen Landwirtschaft» auf. Die Umsetzung des
Konzepts, welches sich unter Labels wie «Wiesenmilch», «Bio-Weidefleisch» oder «Heu-
milch» in Nischenmärkten bereits etabliert hat, erfordert präzisere Definitionen. Beispiels-
weise ist nicht einheitlich definiert, welche Futtermittelkomponenten zu «Grundfutter»
oder «Kraftfutter» zählen. Die Begriffe lassen somit Raum für Grauzonen und nicht immer
kann der Begriff «Raufutter» mit dem Begriff «Wiesen- und Weidefutter» gleichgesetzt
werden.
Im Rahmen von drei Workshops in Österreich und in der Schweiz wurden die länder-
spezifischen Anforderungen an die Rinderfütterung in den beiden «Grasländern» mit Ex-
perten (Landwirte, Wissenschaftler, Vertreter von Verbänden) bewertet und Lösungs-
104 Chancen der Landwirtschaft in den Alpenländern
möglichkeiten diskutiert. Im Vordergrund stand die Frage, wie die Fütterung in Österreich
und in der Schweiz wiederkäuergerecht und kraftfutterfrei (Fütterung mit Raufutter vom
Grünland) gestaltet werden kann. Das Ergebnis ist der folgende Vorschlag für eine rege-
nerative Milch- und Rindfleischproduktion.
Unter einer regenerativen Milch- und Rindfleischproduktion verstehen wir:
1. Eine wiederkäuergerechte Fütterung mit Raufutter vom Grünland und von Klee-
gras-Flächen;
2. die Haltung von standortangepassten Raufutterverzehrern, deren Genetik an die rau-
futterbasierte Fütterung angepasst ist;
3. eine standortgerechte und gekoppelte Pflanzen- und Tierproduktion;
4. einen nachhaltigen Erhalt der Bodenfruchtbarkeit;
5. eine Minimierung der Flächenkonkurrenz zwischen Nahrungs- und Futtermittelproduktion.
Bei der Zusammensetzung des Kraftfutters spielt vor allem der Anteil an Nebenprodukten
aus der Lebensmittelverarbeitung (z. B. Weizenkleie oder Zuckerrübenschnitzel) eine gros-
se Rolle. In Kapitel 3.4.2 und 3.4.5 zeigten wir, dass diese Nebenprodukte aufgrund des
hohen Fasergehaltes nur in geringem Masse für Menschen essbar sind, aber sie sind den-
noch eine konzentrierte Nährstoffquelle für Wiederkäuer und ermöglichen eine günstige
Lebensmittel-Konversionseffizienz (Bradford 1999; Ertl et al. 2016b). Somit birgt eine
möglichst faserreiche und graslandbasierte Fütterung von Wiederkäuern, welche Neben-
produkte aus der Lebensmittelverarbeitung mit einschliesst, ein grosses Optimierungs-
potenzial der Lebensmittel-Konversionseffizienz in der Milch- und Rindfleischproduktion
(Bocquier und Gonzalez-Garcia 2010). Ferner wirkt sich der botanische Artenreichtum
des Grünlands positiv auf die ernährungsphysiologisch wertvolle Zusammensetzung der
Fette in Milch und Fleisch aus. Dies ist ein Zusatznutzen einer graslandbasierten Wieder-
käuerwirtschaft (Kap. 3.4.4).
Das Potential einer regenerativen Milch- und Rindfleischproduktion für eine ökologisch
nachhaltige Landwirtschaft in Österreich und der Schweiz wird in Kapitel 5 in Modellrech-
nungen überprüft. Das Ziel ist es abzuschätzen, welche Auswirkungen eine landesweite
Umsetzung der regenerativen Milch- und Fleischproduktion bis zum Jahr 2030 auf die
Umwelt und die Ernährung hat. Um die jeweiligen Effekte exakt zuordnen zu können, wer-
den schrittweise folgende Ansätze umgesetzt und berechnet:
–– Reduktion des Kraftfutters in der Rinderfütterung und Verzicht auf Importe von Kraft-
futtermitteln;
–– Verzicht des Anbaus von Silomais für die Milch- und Rindfleischproduktion;
–– Verbesserung der Grünlandfutterqualität insbesondere durch Leguminosen (Zusatz-
nutzen: Stickstofffixierung aus der Luft);
–– Substitution von mineralischem Stickstoffdünger durch Anbau von Leguminosen auf
Ackerflächen für eine ökologischere Fruchtfolge (Zusatznutzen: Stickstofffixierung aus
der Luft);
–– Abfälle und Nebenprodukte aus der Lebensmittelproduktion (Ackerbau, Milchwirt-
schaft, Verarbeitung von Lebensmitteln), die nicht für die menschliche Ernährung ge-
eignet sind, können als «Kraftfutter» für Rinder und Monogastrier verwertet werden.
Diese Ansätze lassen sich den in Kapitel 3.2 dargestellten Nachhaltigkeitsstrategien zu-
ordnen. So verfolgt die graslandbasierte Fütterung, die einhergeht mit einer Reduktion
des Kraftfutters und dem Verzicht auf Silomais, die Konsistenzstrategie («Alles verändert
sich, aber nichts geht verloren»). Ausserdem trägt sie bei zur Schliessung von Stoffkreis-
läufen durch die Nutzung von Nebenprodukten aus der Lebensmittelproduktion und die
Substitution von Stickstoff-Mineraldünger durch Leguminosen. Dagegen ist die Verbesse-
rung der Grünlandqualität eine klassische Effizienzstrategie («Mit wenigem viel»). Wichtig
für eine nachhaltige Entwicklung wird das Zusammenspiel dieser Strategien sein. Darüber
hinaus passen zum Beispiel Konsistenz und Suffizienzstrategien («Von nichts zu viel»)
sehr gut zusammen: eine konsistente rein graslandbasierte Tierproduktion würde zu we-
niger Output führen, was gut mit einer Suffizienzstrategie von reduziertem Konsum tieri-
106 Chancen der Landwirtschaft in den Alpenländern
scher Produkte einhergehen würde. Eine Kombination von Effizienz-, Konsistenz- und Suf-
fizienzstrategien, die die Produktions- und Konsumseite mit einschliesst, könnte einen
höheren Grad an Resilienz nach sich ziehen.
Die vorgeschlagene regenerative Milch- und Rindfleischproduktion wird bereits mit Er-
folg auf landwirtschaftlichen Betrieben in der Schweiz und Österreich praktiziert. Im Fol-
genden werden die gesammelten Erfahrungen anhand von zwei Praxisbeiträgen vorge-
stellt.
4.2 Praxisbeispiele
Hans Braun
Der Lehenhof (Abb. 22) liegt am Rande des Dorfes Rothrist und sein Land grenzt zum Teil
direkt an die Aare. Der Lehenhof ist im Besitze der Ortsbürgergemeinde Rothrist und war
bis im Jahre 1928 das Armenhaus oder im heutigen Ausdruck das Altersheim von Roth-
rist. Nach einem Brandfall wurde der Hof 1929 wieder aufgebaut mit einem kleineren
Wohngebäude, aber für diese Zeit mit einem grossen Ökonomiegebäude. Der Hof konnte
dann von meinen Grosseltern von der Ortsbürgergemeinde gepachtet werden. Nach mei-
nen Grosseltern führten meine Eltern bis 1994 den Betrieb. 1995 übernahm ich zusam-
men mit meiner Frau Sandra den Pachtbetrieb. Seit 1996 bewirtschaften wir ihn nach den
Richtlinien von Bio Suisse. Weil der Betrieb verschiedene Bedingungen beim Tierschutz
und dem Gewässerschutz nicht mehr erfüllte und die Ortsbürgergemeinde aus finanziel-
len Gründen nicht fähig war, die bestehenden Missstände zu beheben, bekamen wir eine
Baurechtsparzelle von 30 Aren, wo wir einen neuen Viehstall mit Maschinenhalle aufstel-
len konnten. Der Lehenhof ist heute ein Familienbetrieb. Neben dem Betriebsleiterehe-
paar arbeitet unser Sohn Felix, gelernter Landwirt, mit. Unsere älteste Tochter Claudia,
gelernte Köchin, führt den Betriebszweig Direktvermarktung und Gästebewirtung und
hilft auch sonst überall mit.
Wir bewirtschaften eine Fläche von gut 44 Hektar. Neben 5 Hektar Getreide und 0,5
Hektar Kartoffeln ist der grösste Teil Wiesen und Weiden. Dazu kommen noch 12,5 Hek-
tar Ökoflächen, welche sich aus Hecken, Buntbrachen, Blumenwiesen, Flachwasserzone,
Kleinstrukturen und hundert Hochstammbäumen zusammensetzen. Der grosse Anteil
Ökoflächen ist durch die Zuteilung nach der Teilgüterregulierung der Bahn 2000 und dem
Neubau des Kraftwerkes Alpiq entstanden. Durch diese Flächen wurden auf unserem Be-
trieb Artenvielfalt und Vogelarten massiv erhöht.
Unser Viehbestand besteht aus durchschnittlich 55 Kühen mit einem Zuchtstier, dazu
kommen die Kälber. Im Alter von vier bis fünf Monaten gehen die weiblichen Tiere Rich-
tung Aufzuchtbetrieb und die männlichen Tiere gehen auf den Weidemastbetrieb. Unsere
Lösungswege für eine ökologisch nachhaltige Landwirtschaft 107
Kühe gehören zur Rasse Swiss Fleckvieh, welche ich zusammen mit Kollegen ab 1990
aus den Rassen Simmentaler und Red Holstein heraus gezüchtet habe. Die mittlerweile
anerkannte Rasse ist eine milchbetonte Zweinutzungskuh, die immer beliebter wird. Dazu
betreiben wir auf dem Betrieb eine Freibergerzucht mit eigenem Deckhengst. Neben
Schafen, Ziegen und Schweinen gibt es auch Enten, Hühner und Tauben auf dem Lehen-
hof. Diese Kleintiere sind bei den Schulklassen, welche uns im Rahmen des Projekts
«Schule auf dem Bauernhof» regelmässig besuchen, sehr beliebt.
Die meisten Flächen unseres Betriebes liegen im Gebiet Hungerzelg. Der Flurname
stammt aus der Zeit als dieses Gebiet noch von einem Vogt verwaltet wurde und dieser
aus dem Gebiet sehr wenig «Zehnten» erhielt. Er liess dann einen Bewässerungskanal
bauen und so entstanden sehr viele Wässermatten. Mit der Güterregulierung wurden
wieder zwei Wässermatten eingerichtet, welche nun wieder bewässert werden können.
In unserem Gebiet haben wir also leichte kiesige Böden, welche stark auf Trockenheit
reagieren. Die besten Jahre für uns sind eigentlich die nassen Jahre. Dank dieser Boden-
beschaffenheit vertragen unsere Böden das Austreiben der Kühe bei jedem Wetter.
Mit dem Neubau der Viehscheune und der Übernahme des Inventars haben wir uns
stark verschuldet. Die Hochleistungsstrategie passte nicht zum Biolandbau und zu unse-
rem Betrieb. Die Lebensqualität war auch nicht gerade berauschend. Den grössten Teil
des Futters konservieren und den Kühen im Stall wieder vorlegen war sehr aufwendig
und verursachte neben Stress auch sehr hohe Kosten, welche auf den Arbeitsverdienst
drückten. Ab 1997 erhöhten wir den Weideanteil und reduzierten den Anteil des Kraftfut-
ters. Für uns war schnell einmal klar, dass 100 kg Trockensubstanz (TS) ab der Weide rund
fünf bis sieben Mal weniger kostet als konserviertes Futter und 20 mal weniger als
Bio-Kraftfutter. Unsere Kühe arbeiten sehr gerne für uns. Als Motormäher haben sie das
Maul, als Ladewagen dient der Bauch und das Güllefass führen sie auch mit. Wir stellten
auch schnell einmal fest, dass es einen anderen Kuhtyp braucht. Die Hochleistungskühe
waren fähig, 20 kg TS und mehr im Stall, mit wenig Weidegang, aufzunehmen. Eine Kuh
auf einer guten Bioweide kann höchstens 15 kg TS aufnehmen. Damit die Kühe weiterhin
gute Fitnesswerte vorweisen können, war ein anderer Kuhtyp gefragt. Mit der Swiss
Fleckviehkuh, der Schweizer Weidekuh, haben wir heute eine ideale Rasse für das Voll-
weidesystem zur Verfügung. Ab dem Jahr 2000 stellten wir auf saisonales Abkalben um.
Unsere Kühe kalben Januar, Februar und März, dadurch konnte die Produktion noch mehr
der Natur (Graswachstumskurve) angepasst werden.
Im Jahr 2008 haben wir unseren Stall vergrössert, die Leistungen weiter gesenkt und
dadurch auch die Kosten vermindert. Seit 2011 verzichten wir bei den Kühen ganz auf
Kraftfutter und Mais. Nach einer Testphase verzichten wir mittlerweile auch bei den Käl-
bern auf den Einsatz von Kraftfutter. Dafür haben wir die Milchmenge auf 680 Liter pro
Kalb erhöht und sie auf eine Zeitdauer von 17 Wochen ausgedehnt. Mit rund fünf Monaten
gehen die weiblichen Kälber ins Berggebiet zur Aufzucht. Sie erhalten auch dort kein Er-
gänzungsfutter und kein Mais. Unsere Rinder kalben mit 24 Monaten ab. Auf unserem
Betrieb spielt die Einzelleistung eine untergeordnete Rolle, für uns zählt die Hektarleis-
tung. Wir sind heute glücklich mit einer Rinderleistung von rund 4500 kg und einer Leis-
108 Chancen der Landwirtschaft in den Alpenländern
tungssteigerung auf rund 6000 kg Milch bis zur 4. Laktation. Mehr als 6500 kg Milch
möchten wir gar nicht mehr.
Die Futterkonvertierungs-Effizienz (kg energiekorrigierte Milch pro kg Trockensubs-
tanz) beträgt 1,1 kg und die Fütterungskosten (Rp./kg TS) 25 Rp. Im Jahr 2014 erreichten
wir bei einem europäischen Bio-Weidewettbewerb eine Hektarleistung auf der Weide
von über 11 300 kg, das ist ein absoluter Spitzenwert und dies im Gebiet Hungerzelg.
Unsere Kühe sind ohne Kraftfutter auch viel gesünder. Die meisten Kühe erreichen eine
Lebensleistung von 50 000 kg Milch und mehr. Unser letzter Einsatz von Antibiotika bei
den Kühen war im Jahr 2005. Dank dieser gesteigerten Gesundheit, können wir immer
mehr Nutzkühe zu einem guten Preis verkaufen. Seit zwei Jahren tränken wir auch alle
männlichen Tiere ab. Mit rund fünf Monaten gehen sie in das Projekt «schwere Ochsen
aus Weidemast».
Zukunft
Der Bio-Viehzucht muss in Zukunft mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Es wird
nicht möglich sein, mit jedem Kuhtyp und jeder Rasse ohne Einsatz von Kraftfutter gesun-
de Bio-Lebensmittel zu produzieren. Um weiterhin ein besonderes, hochwertiges Produkt
zu produzieren, welches sich von den anderen deutlich differenziert, muss der Kraftfutter-
und Antibiotikaeinsatz weiter reduziert werden.
Abb. 22. Auf dem Lehenhof in Rothrist (Aargau). Foto Hans Braun.
Lösungswege für eine ökologisch nachhaltige Landwirtschaft 109
4.2.2 «Blüte» hat es gut am Felsenhof der Familie Kohler in Sulzberg (Vorarlberg,
Österreich)
«Blüte» hat es gut! Sie lebt schon seit vielen Jahren auf dem Felsenhof in Sulzberg (Abb. 23;
Vorarlberg), zusammen mit 28 gehörnten Braunviehkühen. Die Herde – natürlich mit Stier –
darf sich auf der weichen Liegefläche aus Stroh ausruhen und auf dem 600 m2 grossen
permanenten Auslauf bewegen. An rund 200 Tagen im Jahr ist unser Vieh auf der Weide.
Der Felsenhof liegt auf 650 m Seehöhe im vorderen Bregenzerwald. Hier leben wir,
Annemarie und Kaspar, seit 2015 auch unsere Tochter Anka mit Schwiegersohn Josef-Pe-
ter und ihren vier Kindern. Wir sind ein Heumilchbetrieb und verarbeiten einen Teil unserer
Milch zu Käse, Joghurt und Topfen.
Auf dem elterlichen Hof lernte ich schon als Kind, dass die Kühe neben Gras und Heu
eine Getreidemischung bekommen (müssen). Aufgrund von Futterknappheit, und um die
Kühe zu einer höheren Milchleistung zu bringen, fütterte mein Vater Kraftfutter zu. Er leg-
te grossen Wert auf die Viehzucht und um dort erfolgreich zu sein, wird ein entsprechen-
der Einsatz vorausgesetzt. Bis 1994 bekam man für Zuchtvieh noch gute Preise. Bei den
Viehschauen des Zuchtverbandes errangen unsere Kühe Gruppen-, Euter- und Gesamt-
siege. In den Kategorien Altkühe und Dauerleistungskühe waren wir damals besonders
gut vertreten. Ich war Viehzuchtobmann, bis ich die Zuchtrichtung und die Methoden der
modernen Zucht nicht mehr vertreten konnte. Die heutigen Anforderungen betreffend
Grösse und Länge (Rahmen) sowie Leistung und Gewicht können und wollen wir nicht
erfüllen. Wir brauchen leichte, geländegängige, gesunde, langlebige, weidetaugliche,
fruchtbare, robuste und gefrässige Grundfutterkühe mit guter Futterverwertung.
In der landwirtschaftlichen Fachschule und erst recht in der Ausbildung zum Landwirt-
schaftsmeister wurde der Einsatz von Kraftfutter in den verschiedensten Varianten ge-
lehrt. Lange Zeit vertrauten wir auf diese Irrlehren, die wir leider ungeprüft übernahmen.
Durch Zukauffutter aus der ganzen Welt werden Unmengen von Milch und Fleisch auf
den Markt geschleudert. Diese Art von Landwirtschaft hat verheerende Folgen:
–– Sie macht sich selbst und allen anderen Bauern die Preise kaputt und zwar im Ein- und
Verkauf.
–– Sie verursacht hohe Arbeitsbelastung, grosse Investitionen und viel Risiko.
–– Durch die Steigerung der Menge leidet die Qualität, damit auch das Image der Produk-
te und der Landwirtschaft und es gibt vermehrte Skandale.
–– Mitverursacht werden Hunger, Klimaveränderung, Transport, Biodiversitätsverlust,
Bauernsterben u.v.m.
Drastische Rückgänge bei den Erzeugerpreisen auf allen Märkten waren – wenn auch
nicht in dieser Höhe – vorhersehbar. Uns war klar, wir können und müssen bessere Milch
bieten als der Weltmarkt.
110 Chancen der Landwirtschaft in den Alpenländern
Ab Ende der 1980er Jahre bewirtschafteten wir unseren Hof biologisch. Obwohl wir da-
mals weder höhere Produktpreise noch eine Bioförderung bekamen, war es der richtige
Weg. Zur Mineralstoffversorgung gab es Natursalz fein gemahlen im Barren und Natur-
salzsteine zur freien Verfügung. Ausser der Umstellung auf Bio-Getreide und Bio-Stroh
hatten wir nichts zu ändern.
Weil das Bio-Getreide nur schwer zu bekommen und zudem teuer war, setzten wir es
zunehmend sparsamer ein und verzichteten während der Weidesaison ganz darauf. Wir
glaubten aber viel zu lange, die Kühe bräuchten zu Beginn der Winterfütterung wieder Ge-
treide, um gut ernährt und gesund zu sein. Dann verzichteten wir ganz darauf.
Ob die Kühe jetzt wohl viel weniger Milch geben, recht mager und vielleicht nicht träch-
tig werden? Was vorerst ein gewagter Versuch war, hat sich gut bewährt. Nun füttern wir
unsere Kälber, Rinder und Kühe bereits das zehnte Jahr ackerfutterfrei. Besonders wich-
tig ist, den Kühen das Heu möglichst schmackhaft zu machen. Abwechslung und Qualität
hat eine noch grössere Bedeutung. Das Gespür dafür, genau die richtige Menge zu geben,
damit es genug aber nicht zu viel ist, haben wir gelernt. Die Fütterung ohne Kraftfutter
braucht auch etwas mehr Zeit im Stall.
Einen entscheidenden Einfluss auf den Erfolg hat die Heuqualität. Artenreiche Pflan-
zenbestände sind Grundlage einer funktionierenden Herde. Kräuter und Leguminosen auf
den Wiesen und Weiden erhöhen die Schmackhaftigkeit des Futters und damit die Futter-
aufnahme der Tiere, während Gras und Heu von überdüngten Orten und Gailstellen ge-
mieden wird. Die Heuarbeit erfordert äusserste Sorgfalt. Wir schneiden unsere Wiesen
dreimal.
Die Wiederkäuer haben sich durch viele Jahrtausende auf Gras in frischer und getrock-
neter Form spezialisiert. Ihre vier Mägen kommen damit am besten zurecht. Andere Fut-
termittel wie Getreide, Soja, Mais, Industrienebenprodukte, Tiermehl usw. haben zwar
eine höhere Energiedichte, stören aber den Verdauungsablauf und die Pansenstabilität.
Auftretende Probleme sind beispielsweise Pansenübersäuerung, Labmagenverlagerung
oder Durchfall, aufgrund zu kurzer Verweildauer.
Die Kühe warten nicht auf Kraftfutter, widmen sich voll und ganz dem Grundfutter,
fressen sich satt und sind zufrieden. Unsere Tiere sind gesund, vital und brav. Mit der
Leistung unserer Kühe sind wir sehr zufrieden. Im den letzten Jahren erreichten wir einen
Stalldurchschnitt bis zu 6743 kg Milch, 4,3 Prozent Fett und 3,4 Prozent Eiweiss. «Gusta»
erreichte in der soeben abgeschlossenen 305 Tage Laktation 8966 kg Milch mit 4,54 Pro-
zent Fett und 3,41 Prozent Eiweiss. Damit ist sie unsere Rekordhalterin in Bezug auf Leis-
tung. Wenn alles gut geht wird sie mit einer errechneten Zwischenkalbezeit von 356 Ta-
gen das achte Mal kalben. Obwohl junge Kühe mit weniger als 5000 Liter starten liegt der
Betriebsdurchschnitt über 6000 kg.
Wir brauchen weder Kraftfutter noch Ergänzungsfutter, Mineralstoffmischungen, Vita-
min- und Hormonzusätze, Antibiotika für Euter, künstliche Besamung, Enthornung, Dip-
mittel, chemische Dünge- und Pflanzenschutzmittel, sowie wenig Medikamente. Damit
können die Kosten erheblich gesenkt werden.
Lösungswege für eine ökologisch nachhaltige Landwirtschaft 111
Trotzdem wird die Qualität der Produkte nicht schlechter, sondern erhöht sich zum Teil
signifikant, weil sie rückstandsfrei bzw. -arm sind und höhere Gehalte an erwünschten,
gesundheitsfördernden Inhaltsstoffen wie Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente, Vi-
talstoffe, Antioxidantien, mehrfach ungesättigte Fettsäuren (Omega 3), und Lebensener-
gie haben.
Daraus resultiert eine beträchtliche Wertsteigerung der Lebensmittel, die zurzeit teil-
weise mit höheren Preisen honoriert wird. Die Orientierung an der Natur bringt gute Le-
bensmittel und betrieblichen Erfolg! Das war immer so – und ist es heute noch.
Abb. 23. Auf dem Felsenhof in Sulzberg (Vorarlberg). Foto Familie Kohler.
113
Adrian Müller, Simon Moakes, Rebekka Frick, Matthias Stolze, Rainer Weisshaidinger
Für die Modellierungen haben wir das SOL-Modell («Sustainable and Organic Livestock
Model») verwendet (Muller et al. 2017; Schader et al. 2015). Es bildet das Ernährungs-
system und dessen Umweltwirkungen für eine definierte Region ab. Das Ernährungssys-
tem beinhaltet die gesamte landwirtschaftliche Produktion an Nahrungs- und Futtermit-
teln, die Handelsflüsse landwirtschaftlicher Produkte (Importe und Exporte) und deren
Konsum. Mit Hilfe des Modells haben wir verschiedene Szenarien für ein neu strukturier-
tes Ernährungssystem und deren Auswirkungen auf die Produktionsmengen und Um-
weltwirkungen berechnet. Dies erlaubt es einerseits die Frage der «Konsistenz»: «Wel-
114 Chancen der Landwirtschaft in den Alpenländern
ches ist die optimale Nutzung einer Ressource (z. B. Grasland) in einem systemischen
Kontext?» und andererseits die Frage der «Suffizienz»: «Welches totale Konsumniveau ist
notwendig und tragbar (z. B. Anteil tierischer Produkte unserer Ernährung)?» in konsisten-
ter Weise auf der Ebene des gesamten Ernährungssystems zu diskutieren (Kap. 3.2).
Das Ernährungssystem wird im SOL-Modell über die folgenden Hauptkomponenten
dargestellt (Abb. 24):
–– Pflanzliche und tierische Produktion
–– Verwendung der Produktion
–– Umweltwirkungen
Ernährungssystem
Umweltwirkungen
• CH 4 -, N- und N2O-Emissio- • Emissionen der Inputs
nen aus der Hofdüngerlage- • N-Eutrophierung
rung, Düngung, Wiederkäu- • P-Eutrophierung
erverdauung und Reisanbau • Flächenbedarf
Outputs Outputs
• Pflanzliche Lebensmittel • Tierische Lebensmittel (Fleisch, Milch, Eier)
• Pflanzliche Futtermittel (Raufutter, Kraftfutter, • Tierische Futtermittel
Nebenprodukte) • Hofdünger
• Ernterückstände, Kompost
Inputs Inputs
• Landflächen • Pflanzenschutz • Gras/Weide • Elektrizität,
• Mineraldünger • Wasser • Sonstiges Raufutter Treibstoffe
• N-Fixierung • Elektrizität, Treibstoffe • Kraftfutter • Gebäude,
• N-Deposition • Gebäude, Infrastruktur Infrastruktur
• Saatgut
Abb. 24. Das SOL-Modell: Darstellung der Modellstruktur. Quelle: Eigene Darstellung.
Die Lösungen im Modellcheck 115
Die Komponenten «Pflanzliche Produktion» und «Tierische Produktion» bilden die gesam-
te landwirtschaftliche Produktion in den beiden Ländern und die damit verbundenen Nähr-
stoffflüsse ab. Dies beinhaltet einerseits die verfügbaren landwirtschaftlichen Flächen
(Acker- und Grasland) und die darauf produzierten Mengen pflanzlicher Produkte. Zu den
pflanzlichen Produkten zählen sowohl Lebensmittel für die menschliche Ernährung als
auch Futtermittel für die Nutztiere. Das Modell erfasst dabei die Landnutzung für die Pro-
duktion verschiedener pflanzlicher Kulturen und charakterisiert sie anhand der für den An-
bau benötigten Inputs (Flächen, Mineraldünger, organische Dünger, Saatgut, Pflanzen-
schutz, Wasser, Energie etc.), der Outputs (Erträge des Hauptprodukts, Ernterückstände)
und der Umweltwirkungen, die sich aus diesen Aktivitäten ergeben. Die Umweltwirkun-
gen setzen sich aus den Ammoniakemissionen, den Stickstoffbilanzüberschüssen, dem
Phosphoreinsatz und den Treibhausgasemissionen, inklusive der Emissionen aus der Wie-
derkäuer-Verdauung, zusammen. Biodiversitätseffekte wurden nicht modelliert, da der
Zusammenhang zwischen Wirkgrössen und Biodiversitätseffekten – soweit überhaupt
quantifiziert – sehr von den regionalen Gegebenheiten und der Art der Biodiversitätsindi-
katoren abhängen. Um abschätzen zu können, welche Effekte ein gegebenes Szenario
tendenziell auf die Biodiversität hätte, nehmen wir die Effekte auf den Stickstoffüber-
schuss sowie weitere Indikatoren eher extensiverer Systeme als Referenz-Variablen.
Analog zur pflanzlichen Produktion ist auch die tierische Produktion mit den entspre-
chenden Inputs, Outputs und Umweltwirkungen abgebildet. Die mögliche Anzahl an
Nutztieren ist abhängig von den verfügbaren Mengen an Futtermitteln (inländische Pro-
duktion plus Importe) sowie der Herdenstruktur. Aus der Anzahl an Nutztieren haben wir
die Menge tierischer Produkte abgeleitet. Die tierische und die pflanzliche Produktion sind
über die Futtermittel und die Hofdüngerflüsse verbunden. Mit Hilfe des SOL-Modells
konnten wir somit die detaillierten Massen- und Nährstoffflüsse in und aus der pflanzli-
chen und tierischen Produktion berechnen.
Die Komponente «Verwendung der Produktion» fokussiert auf die verfügbaren Men-
gen landwirtschaftlicher Produkte, deren unterschiedliche Nutzung und die Handelsflüs-
se. Das Modell bildet ab, über welche Kanäle die im Inland produzierten landwirtschaftli-
chen Produkte zu welchen Anteilen genutzt werden. Dazu zählen die Verwendung der
Produkte als Lebensmittel (direkt oder über die Lebensmittelverarbeitung) und als Futter-
mittel für die Nutztiere sowie die entstehenden Abfälle. Das Modell erfasst darüber hin-
aus auch die gesamthaft verfügbaren Agrarprodukte, welche sich aus der inländischen
Produktion, der Netto-Agrarimporte (Importe abzüglich Exporte) und der Veränderungen
in den Lagerbeständen zusammensetzt. Aus den Daten zur Verfügbarkeit und Nutzung
landwirtschaftlicher Produkte haben wir abgeleitet, welche Menge an Lebensmitteln und
Futtermitteln gemessen an deren Energie- und Proteingehalt in beiden Ländern zur Ver-
fügung stehen. Zudem werden die Umweltwirkungen auch auf der Ebene «Verwendung
der Produktion» ausgewiesen.
Zur Analyse der Auswirkungen einer in Österreich und in der Schweiz flächendeckend
eingeführten regenerativen Milch- und Rindfleischproduktion auf die Umwelt und die Er-
nährung wurde das ursprünglich als globales Modell entwickelte SOL-Modell für die bei-
116 Chancen der Landwirtschaft in den Alpenländern
den Länder regional differenziert. Dadurch können die regionalen Effekte in den acht
Hauptproduktionsregionen in Österreich (Hochalpen, Voralpen, Alpenostrand, Wald- und
Mühlviertel, Kärntner Becken, Alpenvorland, Südöstliches Flach- und Hügelland, Nordöst-
liches Flach- und Hügelland) und den drei Regionen in der Schweiz (Tal-, Hügel- und Berg-
zone) bewertet werden.
5.2 Szenarien
Im Folgenden sind die Szenarien beschrieben, die wir für Österreich und die Schweiz an-
hand von quantitativen Analysen errechnet haben. Sie sind die Basis für die Diskussion der
in Kapitel 4 vorgeschlagenen Lösungswege, insbesondere der regenerativen Milch- und
Rindfleischproduktion. In den Szenarien modellieren wir Ernährungssysteme, in welchen
sukzessiv auf Kraftfutter und Silomais in der Fütterung verzichtet wird. Wir analysieren die
Auswirkungen dieser Szenarien auf die Produktionsmengen und die Umweltwirkungen.
Die Resultate der Szenarien haben wir mit dem heutigen Ernährungssystem (Ist-Situation)
verglichen. Die Ist-Situation wurde aus dem Durchschnitt der Jahre 2012-2014 errechnet.
Sie repliziert die Produktionsstrukturen in diesem Zeitraum und berechnet die dafür benö-
tigten Inputs, die daraus resultierenden Outputs und die Umweltwirkungen.
Der Verzicht auf Kraftfutter und Silomais bedeutet, dass im Inland kein Kraftfutter und
Silomais produziert wird und dass auf Kraftfutterimporte verzichtet wird. Entsprechend
sinkt das Futtermittelangebot und damit auch die tierische Produktion. Diese Strategien
haben wir zunächst nur für die Wiederkäuer umgesetzt, während sich dabei für Hühner
und Schweine vorerst nichts ändert. Dies erlaubt es, die spezifischen Effekte bei einem
Fokus auf graslandbasierte Systeme und Wiederkäuer separat zu betrachten. Die Futter-
mittelrationen verändern sich dadurch bei den Wiederkäuern hin zu einer vollständig gras-
landbasierten Fütterung. Bei den Hühnern kommt weiterhin 100 Prozent Kraftfutter zum
Einsatz und bei den Schweinen ein Teil des Futtermaises. Anschliessend haben wir die
Fütterungsstrategien für alle Tiere (Wiederkäuer und Monogastrier) gleichermassen um-
gesetzt. Hierbei kommen lediglich noch Nebenprodukte der Lebensmittelproduktion (z. B.
Kleie aus Getreidemühlen, Presskuchen aus Ölmühlen, Abfälle von Brauereien etc.) als
Kraftfutter in den Futterrationen vor. Dabei ist zu betonen, dass auch auf Soja-Pressku-
chen verzichtet wird, da wir diese nicht als Nebenprodukt ansehen.
Aus dem Verzicht auf den Anbau von Futtermitteln auf Ackerflächen entstehen neue
Optionen für die Nutzung dieser Flächen. Dazu haben wir unterschiedliche Nutzungsva-
rianten untersucht. Die erste Variante sieht vor, dass die Flächen frei bleiben und dient als
Vergleichs-Szenario, um die Auswirkungen der Futtermittelproduktion auf das Ackerland
gesondert identifizieren zu können. In der zweiten Variante werden die Flächen als Grün-
land (Anbau von Kleegras) genutzt und dienen demnach der Raufutterproduktion. In der
dritten Variante liegt der Fokus auf dem Anbau von Lebensmitteln für Menschen. Ein öko-
logisches Produktionssystem setzt voraus, dass auch bei dieser Variante ein gewisser
Anteil an Kleegras angebaut wird, um eine nachhaltige Fruchtfolge zu gewährleisten.
Die Lösungen im Modellcheck 117
Neben dem Verzicht auf Kraftfutter und Silomais sowie den unterschiedlichen Strategien
für die Umnutzung der freiwerdenden Flächen haben wir auch eine vollständige Umstel-
lung der landwirtschaftlichen Produktion auf biologischen Anbau modelliert. Dieses Sze-
nario erlaubt es, einerseits zu analysieren, wie sehr die mit dem biologischen Anbau ein-
hergehenden Ertragseinbussen sowie die erhöhten Leguminosen-Anteile das
Lebensmittelangebot verändern. Andererseits zeigt dieses Szenario auf, wie der Verzicht
auf Mineraldünger die Stickstoffbilanz verbessert. Dies ermöglicht den Vergleich der Aus-
wirkungen einer Extensivierung über die Reduktion der Stickstoffdüngereinträge durch
Umstellung auf biologischen Anbau mit den Auswirkungen einer Extensivierung über den
Kraftfuttermittelverzicht.
Es ergeben sich die folgenden sechs Szenarien (Tab. 13):
Szenario 6: «Extensivierung»
Szenario 6 sieht die vollständige Umstellung des Produktionssystems der Ist-Situation auf
biologischen Anbau und somit den Verzicht auf Mineraldünger vor.
Tab. 13. Definition der verschiedenen nachfolgend diskutierten Szenarien. RMF: Regenerative Milch- und
Rindfleischproduktion. Quelle: Eigene Darstellung.
Fütterung
Analog zu Ist-Situation x
Kein Kraftfutter ausser
x x x x x
Nebenprodukte
Kein Silomais x x x x
Betroffene Nutztiere
Wiederkäuer x x x x x x
Monogastrier x x
Nutzung der freiwerdenden Ackerfläche
Ungenutzt x x
100 % Kleegras x
25 % Soja, 60 % andere
x
Lebensmittel, 15 % Kleegras
80 % Lebensmittel, 20 %
x
Kleegras
Die Lösungen im Modellcheck 119
5.3 Resultate
Im Folgenden sind die Veränderungen, die sich durch die Modellierung der sechs Szena-
rien auf das Ernährungssystem der Schweiz und Österreichs ergeben, dargestellt. Dies
beinhaltet die Veränderung der Tierzahlen (Kühe, Schweine, Hühner) und der sich daraus
ableitenden Veränderungen der Produktion von Milch und Fleisch. Ferner zeigen wir, wie
sich die Szenarien insgesamt auf die Lebensmittelproduktion hinsichtlich der Kalorien-
und der Proteinproduktion auswirken. Schliesslich stellen wir dar, wie sich die Umwelt-
wirkungen der Landwirtschaft in den einzelnen Szenarien verändern: die Ammoniakemis-
sionen, die Stickstoff-Bilanzüberschüsse (gesamthaft und pro Hektar), der Phosphoreinsatz
über Wirtschafsdünger sowie die Treibhausgase. Die sechs Szenarien sind dabei der
Ist-Situation gegenübergestellt. In den nachfolgenden Kapiteln 5.3.1 bis 5.3.4 beschrei-
ben wir die Resultate anhand der vier Hauptforschungsfragen, die die Basis der Szena-
rienbildung waren:
1. Inwieweit lassen sich durch eine regenerative Milch- und Rindfleischproduktion die
negativen Umweltwirkungen mildern?
2. Wie wirken sich die verschiedenen Optionen zur Umnutzung der freiwerdenden Flä-
chen auf die Produktionsmengen und die Umwelteinflüsse aus?
3. Was lässt sich aus einem vollständigen Kraftfutter- und Silomaisverzicht für alle Tiere
ableiten?
4. Wie wirkt sich die vollständige Umstellung aller landwirtschaftlichen Flächen auf bio-
logischen Landbau aus?
Tabelle 14 zeigt die Ergebnisse des Verzichts auf Kraftfutter (Szenario 1) sowie auf Kraft-
futter und Silomais (Szenario 2; regenerative Milch- und Rindfleischproduktion) in der
Wiederkäuerfütterung.
120 Chancen der Landwirtschaft in den Alpenländern
Tab. 14. Veränderungen in der landwirtschaftlichen Produktion und deren Umweltwirkungen in Szenario 1
(«Kein Kraftfutter für Wiederkäuer») und Szenario 2 («Regenerative Milch- und Rindfleischproduktion
(RMF)») im Vergleich zur Ist-Situation. Quelle: Eigene Berechnung.
Kühe Anzahl 1526 451 1961247 1334 281 1699 711 1258 590 1546 236
Veränderung zu IST -192 170 -261536 -267 861 -415 011
Relative Veränderung -13 % -13 % -18 % -21 %
Treibhausgase t CO2-eq 5 936 874 6 837 877 5 360 152 6 229 291 5 018 955 5 710 121
Veränderung zu IST -576 721 -608 586 -917 919 -1127 756
Relative Veränderung -10 % -9 % -15 % -16 %
Kalorienproduktion TCal 6 164 703 17 856 450 5 684 134 17 333 613 5 301644 16 963 627
Veränderung zu IST -480 569 -522 837 -863 058 -892 822
Relative Veränderung -8 % -3 % -14 % -5 %
Proteinproduktion t 259 342 556 587 232 178 536 363 211077 502 342
Veränderung zu IST -27 164 -20 224 -48 265 -54 245
Relative Veränderung -10 % -4 % -19 % -10 %
Milchproduktion t 4 188 978 3 441991 3 468 482 2 682 205 2 914 865 2 093 191
Veränderung zu IST -720 496 -759 786 -1274 113 -1348 800
Relative Veränderung -17 % -22 % -30 % -39 %
Fleischproduktion t 451417 852 350 438 441 828 199 426 948 805 494
Veränderung zu IST -12 976 -24 151 -24 469 -46 856
Relative Veränderung -3 % -3 % -5 % -5 %
Die Lösungen im Modellcheck 121
Durch die regenerative Milch- und Rindfleischproduktion (Szenario 2) sinkt die Anzahl Rin-
der und Milchkühe in beiden Ländern um etwa 20 Prozent. Die gesamthafte Produktion
an tierischem Protein sinkt um etwa 22 Prozent. Die Milchproduktion nimmt in der
Schweiz um etwa 30 Prozent und in Österreich um etwa 40 Prozent ab. Die Fleischpro-
duktion hingegen sinkt lediglich um etwa 5 Prozent. Der Effekt ist bei Fleisch kleiner als
bei Milch, da das Szenario 2 die Fleischproduktion von Wiederkäuern, nicht aber jene von
Schweinen und Hühnern reduziert. Zudem wirkt sich die veränderte Fütterung stark auf
die Milchmengen aus, da die raufutterbasierten Rationen schlechter verdaubar sind und
damit Ertragseinbussen von 15 bis 25 Prozent einhergehen. Betrachtet man nur die Rind-
fleischproduktion, so sinkt diese um knapp 20 Prozent in Österreich bzw. um rund 20 Pro-
zent in der Schweiz. Die gesamte Lebensmittelproduktion (tierisch und pflanzlich) sinkt
gemessen an den Kalorien in der Schweiz um 14 Prozent und in Österreich um 5 Prozent,
gemessen am Protein in der Schweiz um 19 Prozent und in Österreich um 10 Prozent.
Für alle untersuchten Umweltfaktoren (Ammoniakemissionen, Stickstoffüberschüsse,
Phosphoreinsatz und Treibhausgasemissionen) verbessern sich die Umweltauswirkungen
von Szenario 2 gegenüber der Ist-Situation. Der wesentliche Treiber für die Verbesserungen
der Umweltwirkungen sind die mit dieser Strategie einhergehenden Reduktionen der Tier-
zahlen und der Produktionsmengen. Wichtig ist es zu betonen, dass der alleinige Verzicht
auf importiertes Kraftfutter in beiden Ländern nicht sehr viel bewirken würde. Denn das
Kraftfutter und der Silomais, die im Inland produziert und verfüttert werden, tragen einen
grösseren Teil zur negativen Umweltwirkung der Milch- und Rindfleischproduktion bei.
Die Treibhausgasemissionen der Landwirtschaft reduzieren sich in beiden Ländern um
etwa 15 bis 20 Prozent. Ammoniak aus der Hofdüngerlagerung nimmt um etwa 15 Pro-
zent ab, während Ammoniakemissionen aus der Landnutzung um etwa 10 Prozent redu-
ziert werden. Die totale Stickstoffbilanz reagiert stärker: Die Stickstoff-Bilanzüberschüsse
gehen in Österreich um 25 Prozent und in der Schweiz um 28 Prozent zurück.
Da der Anteil der Futterbauflächen an der Gesamtackerfläche in der Schweiz höher ist
als in Österreich, werden durch den Verzicht auf den Anbau von Kraftfutter und Silomais
für Wiederkäuer in der Schweiz etwa 20 Prozent und in Österreich etwa 10 Prozent der
Ackerflächen frei. In Szenario 2 werden die freiwerdenden Ackerflächen nicht anderweitig
genutzt. Auf den freiwerdenden Flächen besteht aber das Potenzial, weitere Lebensmittel
anzubauen und somit die Produktionseinbussen an Protein zu mindern oder vielleicht so-
gar mehr Protein zu produzieren also vorher. Dies wird im nächsten Abschnitt diskutiert.
Die freiwerdenden Ackerflächen können auf verschiedene Weise genutzt werden. Die
Szenarien 3 und 4 stellen verschiedene Nutzungsvarianten dar, wobei sich diese unter-
schiedlich auf die Lebensmittelproduktion, die Raufutterproduktion und die Fruchtfolge
auswirken. In Szenario 3 steht der Anbau von Kleegras und in Szenario 4 der Anbau von
Lebensmitteln (statt Futtermitteln) im Vordergrund. Tabelle 15 zeigt die Ergebnisse dieser
beiden Szenarien im Vergleich zur Ist-Situation und zu Szenario 2.
Tab. 15. Veränderungen in der landwirtschaftlichen Produktion und deren Umweltwirkungen in Szenario 3 («RMF + Kleegras»)
122
und Szenario 4 («RMF + Nahrung statt Futter») im Vergleich zu Szenario 2 und zur Ist-Situation. Quelle: Eigene Berechnung.
Kühe Anzahl 1 526 451 1 961 247 1 258 590 1 546 236 1 459 547 1 771 954 1 344 260 1 648 707
Veränderung zu IST -267 861 -415 011 -66 904 -189 293 -182 191 -312 540
Relative Veränderung -18 % -21 % -4 % -10 % -12 % -16 %
Ammoniak tN 46 558 51 027 40 185 43 184 45 341 47 533 42 435 45 164
Veränderung zu IST -6 373 -7 843 -1 217 -3 494 -4 123 -5 863
Relative Veränderung -14 % -15 % -3 % -7 % -9 % -11 %
N-Bilanzüberschüsse tN 91 733 114 690 63 684 83 180 68 422 90 629 69 654 89 977
Veränderung zu IST -28 049 -31 510 -23 311 -24 061 -22 079 -24 713
Relative Veränderung -31 % -27 % -25 % -21 % -24 % -22 %
N-Bilanzüberschüsse kg N/ha 64,0 39,7 46,3 30,0 47,8 31,4 48,6 31,2
Veränderung zu IST -17,8 -9,8 -16,3 -8,3 -15,4 -8,5
Relative Veränderung -28 % -25 % -25 % -21 % -24 % -21 %
P in Wirtschaftsdünger t P2O5 53 109 75 888 45 054 63 350 50 661 70 114 47 366 66 254
Veränderung zu IST -8 056 -12 538 -2 449 -5 774 -5 743 -9 633
Relative Veränderung -15 % -17 % -5 % -8 % -11 % -13 %
Treibhausgase t 5 936 874 6 837 877 5 018 955 5 710 121 5 697 049 6 365 191 5 360 776 6 066 951
CO2-eq
Veränderung zu IST -917 919 -1 127 756 -239 825 -472 686 -576 097 -770 926
Relative Veränderung -15 % -16 % -4 % -7 % -10 % -11 %
Chancen der Landwirtschaft in den Alpenländern
Fortsetzung
Kalorienproduktion TCal 6 164 703 17 856 450 5 301 644 16 963 627 5 671 526 17 142 192 6 226 350 18 392 143
Veränderung zu IST -863 058 -892 822 -493 176 -714 258 61 647 535 693
Relative Veränderung -14 % -5 % -8 % -4 % 1% 3%
Die Lösungen im Modellcheck
Proteinproduktion t 259 342 556 587 211 077 502 342 232 696 520 870 231 172 537 434
Veränderung zu IST -48 265 -54 245 -26 646 -35 717 -28 170 -19 153
Relative Veränderung -19 % -10 % -10 % -6 % -11 % -3 %
Milchproduktion t 4 188 978 3 441 991 2 914 865 2 093 191 3 422 309 2 430 895 3 121 724 2 238 298
Veränderung zu IST -1 274 113 -1 348 800 -766 669 -1 011 096 -1 067 254 -1 203 693
Relative Veränderung -30 % -39 % -18 % -29 % -25 % -35 %
Fleischproduktion t 451 417 852 350 426 948 805 494 453 423 851 329 434 979 818 917
Veränderung zu IST -24 469,0 -46 856,0 2 006,0 -1 021,0 -16 438 -33 433
Relative Veränderung -5 % -5 % 0% 0% -4 % -4 %
123
124 Chancen der Landwirtschaft in den Alpenländern
Durch den Anbau von Kleegras auf den freigewordenen Ackerflächen (Szenario 3) nimmt
die Zahl an Rindern und Milchkühen wieder zu. Im Vergleich zu den Szenarien 1 und 2 steigt
dadurch die Produktion wieder an und die Produktionseinbussen werden geringer. Die Zu-
nahme der Tierbestände vermindert jedoch die Verbesserungen der Umweltwirkungen.
Die Verbesserungen bei den Treibhausgas- und Ammoniakemissionen liegen beim
Szenario 3 im Bereich von 5 bis 10 Prozent und beim Szenario 4 im Bereich von 10 bis 15
Prozent im Vergleich zur Ist-Situation. Die Stickstoff-Bilanzüberschüsse reduzieren sich
um 5 Prozent bei Szenario 3, bzw. um 20 bis 25 Prozent bei Szenario 4.
Beim Szenario 3 bleibt die Produktion (gemessen an den Kalorien und am Protein) von
pflanzlichen Lebensmitteln naturgemäss gleich wie in der Ist-Situation, da die Flächen für
den Anbau von Lebensmitteln unverändert sind. Die Produktion an tierischem Protein und
Kalorien nimmt um 12 bis 15 Prozent ab. Durch die Nutzung der freiwerdenden Flächen
lassen sich die Produktionseinbussen im Kalorienbereich teils auffangen, beim Protein
jedoch nicht.
Für Szenario 4 steigt die totale Kalorienproduktion (tierisch und pflanzlich) in beiden
Ländern leicht an (Schweiz: +1 % und Österreich: +3 %), während die totale Proteinpro-
duktion in Österreich um knapp 5 Prozent und in der Schweiz um gut 10 Prozent abnimmt.
Diese unterschiedlichen Reaktionen lassen sich auf die unterschiedliche relative Wichtig-
keit der tierischen und pflanzlichen Produktion in der Gesamtproduktion an Kalorien und
Protein erklären.
Neben den Szenarien des Verzichts auf den Anbau und die Fütterung von Kraftfutter und
Silomais für die Wiederkäuer (Szenarien 2 bis 4) wurde auch ein Szenario berechnet, wel-
ches alle Tiere miteinschliesst, also auch die Monogastrier und insbesondere Schweine
und Geflügel (Szenario 5; Tab. 16). Szenario 5 sieht zudem vor, dass die freigewordenen
Flächen zu 80 Prozent für Lebensmittel und zu 20 Prozent mit Kleegras für eine ökologi-
sche Fruchtfolge bebaut werden. Die Lebensmittelproduktion basiert auf den Kulturen
und deren Flächenanteilen, wie sie in der Ist-Situation angebaut werden.
Der Miteinschluss vom Verzicht des Kraftfutter- und Silomaisanbaus für Monogastrier
bewirkt eine starke Abnahme der tierischen Produktion, da die Monogastrier heute fast
ausschliesslich mit auf Ackerland angebautem Futter gefüttert werden. Es handelt sich
also um ein Szenario, das eine radikale Veränderung im Vergleich zum heute bestehenden
Ernährungssystem (Ist-Situation) darstellt. Die Bestände an Monogastriern verschwinden
nicht gänzlich, da aus der Lebensmittelerzeugung Futtermittel in Form von Nebenproduk-
ten zur Verfügung stehen. Die Bestände reduzieren sich auf etwa 20 Prozent im Vergleich
zur Ist-Situation. Gemessen an den Kalorien, können die Produktionseinbussen durch die
Umnutzung der Ackerflächen kompensiert werden. Betrachtet man jedoch die Produktion
gemessen an Proteinen, so zeichnet sich ein anderes Bild: In Österreich ergeben sich Ein-
bussen von 6 Prozent und in der Schweiz von knapp 18 Prozent.
Die Lösungen im Modellcheck 125
Die Ammoniakemissionen und die Stickstoffbilanz bleiben in diesem Szenario auf einem
tiefen Niveau, da diese stark von den Tierzahlen abhängen. Dennoch lassen sich die for-
mulierten Ziele zu den Ammoniakemissionen selbst mit diesem Szenario nicht erreichen.
In der Schweiz liegt das Ziel beispielsweise bei 25 000 t Ammoniak-Emissionen (NH3 -N)
pro Jahr (BAFU und BLW 2008).
Szenario 6 («Extensivierung») betrifft die Effekte einer vollständigen Umstellung auf bio-
logischen Landbau auf allen landwirtschaftlichen Flächen. Die Ergebnisse dieses Szena-
rios sind in Tabelle 16 dargestellt. Die Wirkungen dieses Szenarios auf die untersuchten
Faktoren beziehen sich auf die Folgen der Umstellung auf biologischen Landbau ohne
Reduktion des Kraftfutteranbaus bzw. dessen Verfütterung. Aufgrund der tieferen Erträge
im Biolandbau verglichen mit dem konventionellen Landbau reduziert sich das Produk-
tionsniveau um etwa 20 Prozent im Vergleich zur Ist-Situation.
Durch die Umstellung auf biologischen Landbau ergibt sich bei den untersuchten Indi-
katoren eine Reduktion der Umweltwirkungen von 5 bis 10 Prozent in der Schweiz und 10
bis 15 Prozent in Österreich. Dabei werden insbesondere die Stickstoffbilanzbilanzüber-
schüsse aufgrund des Verzichts auf Mineraldünger stark reduziert (Schweiz: -25 %, Öster-
reich: -70 %). Der starke Ausschlag in Österreich ist auf die Wichtigkeit des Mineraldün-
gers in der Stickstoffbilanz im Vergleich zum Hofdünger zurückzuführen. Das Schweizer
Ammoniakziel wird auch in diesem Szenario nicht erreicht, da die Ammoniak-Emissionen
auch im biologischen Landbau vornehmlich durch die Tierzahlen beeinflusst werden.
Kombiniert man die Umstellung auf Biolandbau mit der Kraftfutter- und Silomaisreduk-
tion (kein Anbau und keine Importe; nicht dargestellt in Tab. 16), so verbessern sich die
Umweltwirkungen weiter. Die Produktionseinbussen liessen sich durch die Nutzung der
freiwerdenden Flächen abfedern. Wegen der tieferen Erträge bleibt es im Kalorien- und
Proteinbereich bei einer totalen Reduktion von etwa 20 bis 25 Prozent. Die Einbussen bei
der Milchleistung aufgrund des Kraftfutterverzichts fallen nicht so stark ins Gewicht. Denn
der Kraftfutteranteil ist in der biologischen Produktion auch in der Ist-Situation bereits auf
einem tiefen Niveau und die Erträge sind entsprechend tiefer.
5.4 Fazit
Aus den Modellergebnissen wird klar, dass die landwirtschaftliche Produktion und die da-
mit verbundenen Umweltwirkungen stark mit dem Umfang der bewirtschafteten Fläche,
den Tierzahlen und der eingesetzten Düngermenge zusammenhängen. Signifikante Ver-
besserungen werden deshalb durch jene Strategien erreicht, die die Tierzahlen stark redu-
zieren, d. h. Kraftfutter- und Silomaisverzicht für alle Tiere (Wiederkäuer und Monogastrier).
Dabei ist zu betonen, dass eine Reduktion der Kraftfuttermittel alleine nur etwa halb so viel
bringt, wie in Kombination mit der Reduktion von Silomais. Wichtig ist auch die Erkenntnis,
Tab. 16. Veränderungen in der landwirtschaftlichen Produktion und deren Umweltwirkungen in Szenario 5 («RMF inkl. Monogastrier +
126
Nahrung statt Futter») und Szenario 6 («Extensivierung») im Vergleich zu Szenario 2 und zur Ist-Situation. Quelle: Eigene Berechnung.
Kühe Anzahl 1 526 451 1 961 247 1 258 590 1 546 236 1 378 374 1 703 321 1 400 270 1 720 324
Veränderung zu IST -267 861 -415 011 -148 077 -257 926 -126 181 -240 923
Relative Veränderung -18 % -21 % -10 % -13 % -8 % -12 %
Schweine Anzahl 1 512 241 2 936 787 1 512 241 2 936 787 305 565 368 953 1 175 513 2 229 442
Veränderung zu IST 0 0 -1 206 676 -2 567 834 -336 728 -707 344
Relative Veränderung 0% 0% -80 % -87 % -22 % -24 %
Hühner Anzahl 10 008 423 15 980 619 10 008 423 15 980 619 2 626 610 2 800 873 6 873 657 11 350 339
Veränderung zu IST 0 0 -7 381 813 -13 179 747 -3 134 766 -4 630 281
Relative Veränderung 0% 0% -74 % -82 % -31 % -29 %
Ammoniak tN 46 558 51 027 40 185 43 184 36 339 33 480 42 391 43 230
Veränderung zu IST -6 373 -7 843 -10 219 -17 548 -4 166 -7 798
Relative Veränderung -14 % -15 % -22 % -34 % -9 % -15 %
N-Bilanzüberschüsse tN 91 733 114 690 63 684 83 180 50 077 52 996 70 937 34 067
Veränderung zu IST -28 049 -31 510 -41 657 -61 694 -20 796 -80 623
Relative Veränderung -31 % -27 % -45 % -54 % -23 % -70 %
N-Bilanzüberschüsse kg N/ha 64,0 39,7 46,3 30,0 35,0 18,4 49,7 11,8
Veränderung zu IST -17,8 -9,8 -29,0 -21,4 -14,4 -27,9
Relative Veränderung -28 % -25 % -45 % -54 % -22 % -70 %
Chancen der Landwirtschaft in den Alpenländern
Fortsetzung
P in Wirtschaftsdünger t P2O5 53 109 75 888 45 054 63 350 39 473 50 138 47 808 64 768
Veränderung zu IST -8 056 -12 538 -13 636 -25 750 -5 301 -11 119
Relative Veränderung -15 % -17 % -26 % -34 % -10 % -15 %
Die Lösungen im Modellcheck
Treibhausgase t 5 936 874 6 837 877 5 018 955 5 710 121 5 124 246 5 707 305 5 188 657 5 914 699
CO2-eq
Veränderung zu IST -917 919 -1 127 756 -812 628 -1 130 572 -748 216 -923 178
Relative Veränderung -15 % -16 % -14 % -17 % -13 % -14 %
Kalorienproduktion TCal 6 164 703 17 856 450 5 596 250 17 237 684 6 663 081 20 652 249 4 625 321 12 374 153
Veränderung zu IST -568 453 -618 766 498 378 2 795 800 -1 539 382 -5 482 296
Relative Veränderung -9 % -3 % 8% 16 % -25 % -31 %
Proteinproduktion t 259 342 556 587 211 077 502 342 219 127 538 582 198 777 416 204
Veränderung zu IST -48 265 -54 245 -40 215 -18 005 -60 565 -140 383
Relative Veränderung -19 % -10 % -16 % -3 % -23 % -25 %
Milchproduktion t 4 188 978 3 441 991 2 914 865 2 093 191 3 187 725 2 307 178 3 436 661 3 065 932
Veränderung zu IST -1 274 113 -1 348 800 -1 001 253 -1 134 813 -752 317 -376 059
Relative Veränderung -30 % -39 % -24 % -33 % -18 % -11 %
Fleischproduktion t 451 417 852 350 426 948 805 494 192 030 281 200 346 542 664 348
Veränderung zu IST -24 469,0 -46 856,0 -259 387 -571 150 -104 875 -188 002
Relative Veränderung -5 % -5 % -57 % -67 % -23 % -22 %
127
Tab. 17. Veränderungen von Ammoniak-Emissionen, Stickstoff-Bilanzüberschüssen, Phosphor in Wirtschaftsdünger und Treibhausgasemissionen
128
für die verschiedenen Szenarien im Vergleich zur Ist-Situation und für 2013 im Vergleich zu 1995.
dass die alleinige Reduktion importierter Futtermittel die hier besprochenen Umweltwir-
kungen nur wenig verbessert. Durch die Nutzung der freiwerdenden Flächen für die Le-
bensmittelproduktion und den Anbau von Kleegras vermindern sich die verbesserten Um-
weltwirkungen ein wenig. Gleichzeitig können dadurch die Produktionseinbussen im
Kalorienbereich überkompensiert und im Proteinbereich reduziert (aber nicht ausgeglichen)
werden. Schliesslich können die Umweltwirkungen durch eine Reduktion der Stickstoff-
mengen verbessert werden. Dies gelingt durch eine generelle Extensivierung der Pflanzen-
und Tierproduktion, zum Beispiel durch die Umstellung auf biologischen Landbau. Dabei ist
jedoch die damit einhergehende Ertragsreduktion zu berücksichtigen. Wenn eine solche
Extensivierung mit der Reduktion der Futtermittelproduktion auf Ackerflächen kombiniert
wird, können diese Ertragseinbussen durch die vermehrte Lebensmittelproduktion auf
Ackerflächen teilweise kompensiert werden, vor allem im Kalorienbereich.
Zusätzlich wurden die in den verschiedenen Szenarien im Vergleich zur Ist-Situation er-
zielten verbesserten Umweltwirkungen mit der tatsächlichen Entwicklung verglichen, die
in den beiden Ländern im Zeitraum von 1995-2013 stattgefunden hat (Tab. 17). Der Ver-
gleich zeigt, dass sich die Veränderungen aufgrund der Szenarien auf einem ähnlichen
Niveau bewegen wie die Veränderungen, die während der letzten 20 Jahre durch die Öko-
logisierung der Agrarpolitik erreicht wurden.
Es ist wichtig hervorzuheben, welche Art Aussagen ein solches Massen- und Nährstoff-
flussmodell generell und anhand der hier betrachteten Szenarien im Speziellen machen
kann. Mit einem solchen Modell lässt sich sehr gut der Raum möglicher alternativer Pro-
duktions- und Ernährungssysteme analysieren sowie Zielkonflikte und Synergien aufgrund
agronomischer und materieller Aspekte identifizieren. Es geht dabei um Fragen wie: «Wie
viele Kalorien können produziert werden, wenn wir statt Futtermitteln mehr Nahrungsmit-
tel anbauen?» oder «Um wie viel reduziert sich die Produktion tierischer Produkte, wenn
kein Kraftfutter und kein Silomais mehr verfüttert würden?». Es lassen sich dadurch auch
systemische Aspekte der Konsistenz und Suffizienz insbesondere in Ergänzung zur gängi-
gen Effizienzdiskussion untersuchen. Somit kann ein graslandbasiertes Tierproduktions-
system (Beispiel einer Konsistenzstrategie) unter dem Strich zu weniger Treibhausgas-
emissionen führen, obwohl die Emissionen pro Kilogramm Fleisch und Milch höher sind als
im Vergleichssystem mit Kraftfutter- und Silomaisgaben. Dies ist der Fall, da ein solches
System ohne Kraftfutter und Silomais insgesamt viel weniger tierische Produkte produziert
als das Vergleichssystem, und die erhöhten Emissionen pro Kilogramm Produkt durch die-
sen Produktionsrückgang überkompensiert werden. Dabei ist zu beachten, dass natürlich
wenig gewonnen wäre, falls diese Produktionsreduktion einfach durch Importe substituiert
werden würde. Falls die reduzierte tierische Produktion aber in Kombination mit einer Suf-
fizienz-Strategie einhergehen würde, die auch den Konsum tierischer Produkte tief halten
würde, wäre eine solche Konsistenzstrategie sehr vielversprechend. Die hier verwendeten
130 Chancen der Landwirtschaft in den Alpenländern
5.6 Datengrundlagen
Die für die Modellierungen erforderlichen Daten stammen aus den bestehenden Daten-
basen des SOL-Modells und wurden mit spezifischen Daten für die beiden Länder er-
gänzt. Diese spezifischen Datenquellen und die damit verbundenen Herausforderungen
sind im Folgenden beschrieben.
Die Lösungen im Modellcheck 131
Die Daten zu den verfügbaren Futtermitteln stammen von Statistics Austria (2015a, b) für
Österreich und aus Hoop et al. (2016) für die Schweiz. Sie liegen nur auf Länderebene vor
und wurden mit Hilfe einer ökonomischen Allokation angepasst. Diese berücksichtigt
einerseits den unterschiedlichen Futtermittel-Bedarf der einzelnen Regionen, der aus de-
ren Wertschöpfung im Tiersektor abgeleitet wurde und andererseits die physiologischen
Bedürfnisse der Tiere an die Futterrationen, die mit Experten abgeglichenen wurden. Die
Daten zu Graslanderträgen und Leguminosen-Anteilen im Grasland stammen aus A m -
mann et al. (2009).
Für den Futtermittelbedarf von Milchkühen wurde auf Basis von DairyNZ Farmer Infor-
mation Service (o. J.) ein einfaches Modell entwickelt. Der Futtermittelbedarf der anderen
Tierkategorien wurde aus den Treibhausgasinventaren der beiden Länder entnommen
(A nderl et al. 2017; Bretscher et al. 2017). Diese Quellen liefern unter anderen auch An-
gaben zu den angewandten Hofdünger-Managementsystemen und zum Lebendgewicht.
Die atmosphärische Stickstoffdeposition wurde aufgrund von BAFU (2005) und Seit-
ler und Thöni (2016) abgeschätzt und so modelliert, dass ein Anteil von 60 Prozent direkt
auf die Menge des Stickstoffs aus der Landwirtschaft reagiert (volatil: NH3 und NOx ), sich
also beispielsweise entsprechend vermindert, wenn die Stickstoffmenge reduziert wird.
Die Stickstoff- und Phosphorbilanz wurden entsprechend der von der OECD verwendeten
«Gross N Balance» und «Gross P Balance» berechnet (OECD.Stat 2013). Wichtige Grund-
lagen dafür, zum Beispiel die Stickstoffverluste oder das Hofdünger-Management, stam-
men aus den IPCC-Berechnungen. Beim Vergleich von Österreich mit der Schweiz fällt
zum Teil auf, dass die Reaktionen auf die verschiedenen Szenarien im Zusammenhang mit
der Stickstoffmenge unterschiedlich stark ausfallen. Dies beruht darauf, dass sich die in
den Inventaren ausgewiesenen Hofdüngermanagementsysteme zwischen den Ländern
offenbar stark unterscheiden. Dies hat auch Einfluss auf die Treibhausgasemissionen. Um
die Modellresultate in der Ist-Situation mit Angaben zur totalen Menge an Stickstofffixie-
rung (Bretscher 2013; Spiess 2005) in Einklang zu bringen, war es auch nötig, unter-
schiedliche Annahmen zum Anteil an Leguminosen im Grasland und zur Fixierungsleis-
tung pro Hektar zu machen. Die Stickstoff-Fixierungsleistungen bei Leguminosen wurden
mit länderspezifischen Angaben aus Herridge et al. (2008) ergänzt.
Bei den Treibhausgas-Emissionen (THG-Emissionen) aus der Landwirtschaft gibt es
unterschiedliche Berechnungsmethoden. Im THG-Inventar des schweizerischen Bundes-
amtes für Umwelt (BAFU) wird die Nutzung fossiler Treibstoffe miteingerechnet. Dies ist
im Inventar der IPCC (IPCC Kategorie 1A4c), welches in Österreich angewandt wird, nicht
der Fall. Für die Modellrechnungen in diesem Kapitel verwenden wir die Systemgrenzen
der IPCC mit dem Genauigkeitsgrad «Tier 2» (IPCC 2006). Die THG-Emissionen der
schweizerischen Landwirtschaft fallen entsprechend für 2015 um etwa 0.5 Millionen Ton-
nen CO2-Äquivalente tiefer aus als im Inventar des BAFU ausgewiesen (Kap. 2.2.5). Die
Modellresultate zu den verschiedenen Treibhausgaskategorien und den einzelnen Werten
in der Stickstoff- und Phosphorbilanz wurden für die Ist-Situation mit den Treibhausgas-In-
ventaren und den OECD Stickstoff- und Phosphorbilanzen für Österreich und die Schweiz
verglichen und stimmen damit überein.
133
6 Schlussfolgerungen
Die Landwirtschaft und die Agrarpolitik stehen rund 25 Jahre nach Einführung von Agrar
umweltmassnahmen und der dadurch eingeläuteten Ökologisierung der Landwirtschaft
an einem Scheideweg: Der Sachverständigenrat für Umweltfragen der deutschen Bun-
desregierung bezeichnet «die Ergebnisse der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik aus
Sicht von Umwelt- und Naturschutz ernüchternd» (SRU 2015). In Österreich hat das ÖPUL
zwar Umweltverbesserungen angestossen, aber Umweltbelastungen durch die Landwirt-
schaft sind nach wie vor grossflächig zu beobachten. In der Schweiz stellt der Bundesrat
fest, dass bis 2016 keines der in den Umweltzielen Landwirtschaft formulierten Ziele er-
reicht werden konnte (Schweizerischer Bundesrat 2016).
Ein «Einfach weiter so» ist daher nicht möglich. Vielmehr braucht es neue Ansätze für
eine ökologisch nachhaltige Landwirtschaft in den Alpenländern Österreich und Schweiz.
In diesem Buch haben wir die Umweltwirkungen der heutigen Landwirtschaft detailliert
untersucht und auf dieser Grundlage die Potentiale einer graslandbasierten regenerativen
Milch- und Rindfleischproduktion dargestellt und überprüft. Daraus können wir folgende
Schlussfolgerungen ziehen und Handlungsempfehlungen ableiten:
Als Folge davon können bei den Gewässern weder in der Schweiz noch in Österreich die
international festgeschriebenen Reduktionsziele für Stickstoff erreicht werden. Das
Grundwasser ist daher nach wie vor mit Nitrat belastet und über den Pfad Grundwas-
ser-Oberflächengewässer werden die Meere primär mit Stickstofffrachten aus dem
Hauptemittenten «landwirtschaftliche Böden» belastet, was wiederum zum Absterben
der Flora und Fauna vor allem in Küstenregionen führt.
134 Chancen der Landwirtschaft in den Alpenländern
Darüber hinaus sind die regional unterschiedlich hohen Emissionen an Stickstoff in Zusam-
menspiel mit Phosphorüberschüssen und Pflanzenschutzmitteln die Hauptverursacher
des Biodiversitätsverlustes in den Alpenländern Österreich und Schweiz. Um den Verlust
an Lebensraumvielfalt und Biodiversität zu stoppen und um die Qualität von Grund- und
Oberflächengewässer zu verbessern, gilt es die «treibenden» Stickstoffflüsse zu reduzie-
ren. Zentral dabei ist die Verringerung der Ammoniakemissionen sowie der Stickstoff-Bi-
lanzüberschüsse. Über eine Reduktion der Ammoniakemissionen können einerseits die
bedrohliche Situation der durch luftgetragene, reduzierte Stickstoffverbindungen beein-
trächtigten Biodiversität verbessert und andererseits die Wälder und Feuchtgebiete lang-
fristig gesund erhalten werden. Mit reduzierten Stickstoff-Bilanzüberschüssen lässt sich
die Nitratauswaschung vermeiden, die Nitratproblematik im Grundwasser entschärfen und
gleichzeitig der Export von Stickstoffverbindungen in die Meere verringern.
Handlungsempfehlungen
Um die Situation beim Stickstoff zu verbessern, sind folgende Ansatzpunkte relevant:
1. Reduktion der Anzahl Nutztiere: insbesondere jener Nutztiere, die weitgehend mit Fut-
termitteln gefüttert werden, die auch für die menschliche Ernährung geeignet sind;
2. Verringerung des Zukaufs von betriebsexternen Futtermitteln: Durch den Zukauf von
Kraftfuttermitteln ist es möglich, die Tierproduktion von der Fläche zu entkoppeln. Da-
durch erst werden hohe Nutztierzahlen je Hektar (Viehdichten) und je Betrieb möglich;
3. Verringerung der mineralischen Stickstoffdüngung;
4. an den Standort angepasste Pflanzen- und Tierproduktion.
Wie könnte eine Reduzierung des Stickstoff-Inputs erreicht werden? Ansatzpunkte sind
die Verteuerung von Betriebsmitteln, Höchstgrenzen für die Viehdichte und die Förderung
von Landnutzungssystemen, die eine standortangepasste, landwirtschaftliche Produktion
umsetzen.
Ökonomische Instrumente (Pigou-Steuer, Lenkungsabgaben) werden seit vielen Jah-
ren immer wieder zur Reduzierung von Stickstoff-Inputs diskutiert. Länder in denen Steu-
ern auf mineralische Düngemittel eingeführt wurden sind beispielsweise Schweden (seit
1984) und Dänemark (seit 1996). Österreich führte 1986 eine Düngemittelabgabe ein, die
jedoch 1994 mit dem Beitritt zur EU wieder abgeschafft wurde (Gawel et al. 2011). Nach
Wegener und Theuvsen (2010) kann eine Abgabe oder Steuer auf Stickstoff-Mineraldün-
ger, auf Futtermittel oder organische Düngemittel erfolgen. Eine Stickstoff-Überschuss-
abgabe führt zur Verteuerung der Stickstoffbilanz-Überschüsse eines Betriebes und könn-
te neben Stickstoff auch weitere Nährstoffe einbeziehen (Wegener und Theuvsen 2010).
Gawel et al. (2011) und Möckel (2006) schlagen eine Kombination einer Abgabe bzw.
Verbrauchsteuer auf betriebsexterne Futtermittel in Kombination mit einer Verbrauch-
steuer auf Stickstoff-Mineraldünger vor. Dagegen kommen Wegener und Theuvsen (2010)
und der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU 2015) zum Ergebnis, dass eine
Stickstoff-Überschussabgabe zielgenauer und ausgewogener als eine Stickstoffsteuer
wirkt, da sie auch die Tierhaltung und damit den gesamten Betrieb miteinbezieht. Diese
Schlussfolgerungen 135
Abgaben und Steuern bewirken damit die Internalisierung der unzureichend berücksichtig-
ten externen Kosten des Stickstoffeinsatzes in der Landwirtschaft.
Handlungsempfehlungen
Schliessung von Stoffkreisläufen: Zur Schliessung von Stoffkreisläufen gibt es weitere bis-
her ungenutzte Potentiale (Baur 2013), die jedoch technologische Innovation und eine
gesellschaftliche Diskussion erfordern:
–– Rezyklieren von Phosphor für die Düngung von Pflanzen aus Klärschlamm und Klär-
schlammaschen;
–– Verwertung von mineral- und nährstoffreichen tierischen Abfällen (z. B. Tier- und Blut-
mehl) in der Fütterung von Monogastriern;
–– Gewinnung von Eiweissfutter aus Schlachtabfällen mit Insekten;
–– Nutzung von pflanzlichen Lebensmittelabfällen zur Kompostierung oder als Futtermit-
tel;
–– Reduktion von vermeidbaren Ernte- und Lagerverlusten sowie eine grundlegende Re-
duktion der Lebensmittelverschwendung.
Die Europäische Kommission stellt fest, dass für ein «nachhaltiges Wachstum» unsere
Ressourcen intelligenter und nachhaltiger genutzt werden müssen. Dazu schlägt die EU
für den Bereich Landwirtschaft und Lebensmittel folgende Massnahmen vor (Europäi-
sche Kommission 2015b):
–– Überarbeitung der EU-Düngemittelverordnung zur Erleichterung der Anerkennung von
organischem und aus Abfällen hergestelltem Dünger zwecks Aufbau eines EU-weiten
Markts.
–– Massnahmen treffen, um die EU-Rechtsvorschriften über Abfälle sowie Lebens- und
Futtermittel zu präzisieren und Lebensmittelspenden sowie die Wiederverwendung
von ehemaligen Lebensmitteln und von Nebenprodukten aus der Lebensmittelversor-
gungskette zur Herstellung von Futtermitteln zu erleichtern, ohne Abstriche bei der
Lebens- und Futtermittelsicherheit zu machen.
–– Eine Plattform einrichten, die die Mitgliedstaaten und alle Akteure der Lebensmittel-
versorgungskette zusammenführt, um die Massnahmen zur Erreichung der Nachhal-
tigkeitsziele in Bezug auf Lebensmittelverschwendung festzulegen, nachahmenswer-
te Verfahren auszutauschen und erreichte Fortschritte mitzuteilen.
136 Chancen der Landwirtschaft in den Alpenländern
Vergleicht man diese Zahlen mit der Entwicklung zwischen 1995-2013 so zeigt sich, dass
sich mit der regenerativen Milch- und Rindfleischproduktion allein durch Wiederkäuer
mindestens die gleichen Umwelteffekte erzielen lassen, wie sie die Agrarpolitik in den
letzten 20 Jahren für den gesamten Landwirtschaftssektor ermöglichte.
Der Haupttreiber für diese Verbesserungen der Umweltwirkungen durch die regenera-
tive Milch- und Rindfleischproduktion sind die damit verbundenen Reduktionen bei der
Anzahl der Nutztiere um rund 20 Prozent und die geringere Produktion von Milch (Reduk-
tion um 30-40 %) und Rindfleisch (Reduktion um 20 %). Die regenerative Milch- und Rind-
fleischproduktion ist damit eine wirksame Lösung zur Reduktion der durch Stickstoff in-
duzierten negativen Umweltwirkungen der Landwirtschaft.
Handlungsempfehlungen
Die regenerative Milch- und Rindfleischproduktion ist damit ein Landnutzungssystem mit
standortangepasster Tierproduktion im Sinne der Schlussfolgerungen 1 und 2 und somit
Teil der Lösung.
Die regenerative Milch- und Rindfleischproduktion bietet sich an als eine konsequente
Weiterentwicklung bereits existierender Konzepte wie beispielsweise die graslandbasier-
138 Chancen der Landwirtschaft in den Alpenländern
und qualitative Schutz der Lebensräume und deren Vernetzung in den Alpenländern
Schweiz und Österreich besonders wichtig. Um die Ziele zu erreichen, müssen Natur-
schutz und Landwirtschaft einbezogen werden und dies ist ohne eine Kooperation mit
der Landwirtschaft nicht zu realisieren. Naturnahe und biodiversitätsfreundliche be-
triebliche Anbausysteme bieten hier, flankiert mit zusätzlichen Massnahmen zum
Schutz von Biodiversität und Lebensräumen, ein beträchtliches Potenzial.
C. Funktion des ökologischen Ausgleichs und des Naturschutzes stärken: Die freiwerden-
den Flächen können zur Erreichung der Gewässerschutzziele (z. B. Gewässerschutz-
streifen) oder zur Verbesserung der Lebensraumqualität (z. B. ökologische Vernetzung)
genutzt werden. Einen Schritt weiter gehen die Ausweitung von Naturschutzgebieten
auf naturschutzfachlich wertvollen Flächen sowie die Wiedervernässung von Moor-
böden. Wenn in den Gunstlangen zusätzliche Flächen für die Lebensmittelproduktion
zur Verfügung stehen, dann könnten im alpinen Gebiet Österreichs und der Schweiz
jetzt noch landwirtschaftlich genutzte Grenzertragsstandorte der Sukzession, der
standortgerechten Extensivierung oder der Renaturierung gewidmet werden. In Wild-
nisgebieten oder Naturpärken könnten natürliche Prozesse, die für den Erhalt von Ar-
ten und Lebensräumen von besonderer Wichtigkeit sind, unbeeinflusst vom Men-
schen stattfinden (ergebnisoffener Prozessschutz). Daher profitiert eine beträchtliche
Anzahl von Arten und Lebensräumen von einer Verwilderung von Ökosystemen (Mül-
ler 2015; N avarro und Pereira 2012; SRU 2016). Die Verwilderung von Flächen ist
eine Chance für die Biodiversität und für Ökosystemleistungen, die bisher kaum be-
achtet wurde.
der Verlust an Kalorienproduktion kompensiert werden, nicht aber die Reduktion der Pro-
teinproduktion, die zwischen 3 bis 11 Prozent unterhalb der heutigen Situation liegen wür-
de (Kap. 5). Angesichts eines hohen Selbstversorgungsgrades bei Konsummilch und
Rindfleisch von 162 Prozent bzw. 146 Prozent fallen diese Produktionseinbussen in Öster-
reich nicht ins Gewicht; etwas stärker jedoch in der Schweiz, wo der Selbstversorgungs-
grad bei Konsummilch 96 Prozent und bei Rindfleisch 86 Prozent beträgt (Kap. 2.1). In
beiden Ländern sind heute die Exporte von Milchprodukten relevant.
Erwartet die Gesellschaft aber, dass die Landwirtschaft in Zukunft die negativen Um-
weltwirkungen sehr viel stärker reduziert als dies mit einer regenerativen Milch- und Rind-
fleischproduktion möglich wäre, beispielsweise durch eine flächendeckende Extensivie-
rung der Landwirtschaft durch agrarökologische, Low-Input, IP oder biologische
Anbausysteme, dann verbessern sich zwar die Umweltwirkungen weiter, aber die Kalo-
rien- und Proteinproduktion sinkt um 23 bis 31 Prozent.
Prinzipiell gibt es zwei Wege, um mit dieser Reduktion der Produktion umzugehen:
1. Durch eine Kompensation über Importe;
2. durch eine Anpassung der Konsum- und Ernährungsgewohnheiten.
Existenzgrundlage für die Landwirtschaft, einem verbesserten Schutz der Umwelt, der
Natur und des Tierwohls, zu mehr sozialer Gerechtigkeit und verbesserter menschlicher
Gesundheit führen (Bailey et al. 2016). Nachhaltigkeit bedeutet dann, dass die Politik die
Rahmenbedingungen gestaltet für a) die Bereitstellung von öffentlichen Gütern durch die
Landwirtschaft und b) für eine gesunde und nachhaltige Ernährung (Bailey et al. 2016).
Handlungsempfehlungen
–– Eine allfällige Kompensation von Produktionsrückgängen aufgrund einer ökologisch
nachhaltigen Produktion in den Alpenländern Österreich und Schweiz über höhere Im-
porte erfordert, dass diese Importe mit den gleichen Umwelt-, Sozial- und Nachhaltig-
keitsstandards produziert werden wie sie für die Schweizer und österreichische Land-
wirtschaft gelten.
–– Es sollte ein gesellschaftlicher Diskurs angestossen werden, bei dem die Belastungs-
grenze unserer Erde sowie die daraus resultierenden Veränderungen für die Landwirt-
schaft (eine ökologisch nachhaltige Lebensmittelproduktion) und für die Konsumentin-
nen und Konsumenten (angepasste Konsummuster) thematisiert und diskutiert
werden sollten. Die Suffizienz ist dabei eine legitime Strategie für eine ökologisch
nachhaltige Lebensmittelproduktion und Ernährung. Ein solcher Zugang würde eine
nachhaltige Produktion ohne die Notwendigkeit einer Kompensation durch Importe er-
möglichen, da zum Beispiel die geringere Produktion der regenerativen Milch- und
Rindfleischproduktion durch eine entsprechend reduzierte Nachfrage nach diesen Pro-
dukten aufgefangen werden könnte. Ein solcher Diskurs braucht jedoch Zeit und sollte
behutsam gestaltet werden.
–– Dieser Diskurs sollte auch eine Diskussion über die Möglichkeiten, Lebensmittelabfäl-
le zu reduzieren, eine Veränderung des Anspruchsdenkens an bestimmte Lebensmit-
tel und die Verringerung des Konsums von tierischen Produkten anstossen. Die Dis-
kussion sollte durch zielgruppenspezifische Konsumenteninformationen begleitet
werden (SRU 2015).
–– Ein erster Schritt zur Transition der Agrarpolitik hin zu einer Ernährungspolitik könnte
ein Aktionsplan «Nachhaltige Ernährung» sein. In einem solchen Aktionsplan könnten
Synergien mit der Agrarumweltpolitik, zum Beispiel mit Gesundheitsaspekten, identi-
fiziert und eine breite gesellschaftliche Diskussion gestaltet werden (Muller und
Bautze 2017).
schinen und Ställe investiert, die zunächst abgeschrieben werden müssen. Sie sind durch
das investierte Kapital in ihrer Produktionsweise festgelegt, weshalb der Übergang zu
einer ökologisch nachhaltigen Landwirtschaft einen längeren Zeithorizont benötigt. Glei-
ches gilt für die vor- und nachgelagerten Bereiche der Landwirtschaft. Darüber hinaus ist
eine auf agrarökologischen Prinzipien beruhende Landwirtschaft aufgrund der komplexe-
ren Zusammenhänge äusserst wissensintensiv. Es ist daher notwendig, die agrarökologi-
schen Zusammenhänge zu einem Schwerpunkt in der Ausbildung, Beratung und For-
schung zu machen und die dafür notwendigen Strukturen aufzubauen.
Die Transformation der Landwirtschaft von der stark effizienzgeprägten Grundausrich-
tung zu einer an der Ökologie ausgerichteten Landnutzung kann daher nicht von heute auf
morgen umgesetzt werden.
Handlungsempfehlungen
Aus diesen Gründen ist es einerseits wichtig, den Landwirten und Marktakteuren aber
auch den Konsumenten schon heute die Perspektive einer ökologisch nachhaltigen Land-
wirtschaft zu vermitteln und anderseits die notwendigen Umsetzungsschritte einzuleiten,
um die Rahmenbedingungen und die Voraussetzungen für eine ökologisch nachhaltige
Produktion zu schaffen:
–– Es braucht eine Neuorientierung der Zuchtprogramme, die auf die Zucht standortange-
passter Rindertypen mit einer langen Lebensleistung und hoher Grundfutterverwer-
tung (Zweinutzungsrind) abzielen.
–– Damit eine ökologisch nachhaltige Landwirtschaft in den nächsten Jahrzehnten reali-
siert werden kann, muss die Weichenstellung schon heute erfolgen. Dies erfordert
klare Signale durch die Agrarpolitik, damit die Betriebe zukünftige Investitionen im Sin-
ne einer ökologisch nachhaltigen Landwirtschaft tätigen.
–– Die Bereitschaft von Landwirten, eine nachhaltige Produktion auf dem Betrieb umzu-
setzen, ist dann besonders hoch, wenn sie von der Relevanz und der Wirkung über-
zeugt sind. Aus diesen Gründen sollten die Grundlagen einer ökologisch nachhaltigen
Landwirtschaft, d. h. eine gemeinsame bzw. parallele Produktion von Lebensmitteln
und öffentlichen Gütern, in der Ausbildung und in der Beratung der Landwirte einen
hohen Stellenwert einnehmen. Dort gilt es, den Landwirten das Wissen für eine öko-
logisch nachhaltige Landnutzung zu vermitteln und somit den Grundstein für eine Ver-
änderung in der Landwirtschaft zu legen. Dies erfordert auch Investitionen in For-
schung und Beratung, um notwendiges Wissen der regenerativen Landwirtschaft zu
generieren und zu transferieren.
–– Um auch auf der Nachfrageseite die notwendigen Schritte umsetzen zu können, ist
eine stärkere Sensibilisierung der Konsumentinnen und Konsumenten nötig, was nicht
zuletzt über geeignete Preissignale erfolgen könnte, wenn die Internalisierung der Kos-
ten weiter voranschreiten würde. Eine Kernbotschaft aus der regenerativen Milch- und
Rindfleischproduktion an Konsumentinnen und Konsumenten ist, dass bei tiergerech-
ten Haltungsformen (einschliesslich Schlachtungen) ein gewisser Fleischkonsum die
Nachhaltigkeit des Systems stärkt. Gleichzeitig ist es wichtig, dass bei einem Umbau
Schlussfolgerungen 143
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164
Anhang
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Entwicklung der landwirtschaftlichen Betriebsstrukturen in der Schweiz und Österreich
(1995 – 2015).
Tabelle 2: Entwicklung der Landnutzung und der Tierhaltung in der Schweiz und Österreich (1995 –
2015).
Tabelle 3: Entwicklung der landwirtschaftlichen Produktion, Selbstversorgung, Exporte und ein-
gesetzte Betriebsmittel in der Schweiz und Österreich (1995 – 2015).
Tabelle 4: Die wichtigsten Stickstoffverbindungen in der Umwelt, ihre Eigenschaften, Quellen und
Auswirkungen.
Tabelle 5: Darstellung der anthropogenen Emissionen von reduzierten und oxidierten Stickstoff-
verbindungen nach Stoffquellen.
Tabelle 6: Stickstoffbilanz Landwirtschaft Schweiz und Österreich.
Tabelle 7: Gesamte Ammoniakemissionen der landwirtschaftlichen Landnutzung in der Schweiz
und in Österreich 2013, Angaben in NH3, hier nicht als NH3 -N.
Tabelle 8: Ammoniakemissionen in t NH3 pro Landwirtschaftsfläche im Jahr 2013.
Tabelle 9: Anzahl Lebensraumtypen in Grosslebensräumen und Anteil gefährdeter Lebensraum-
typen in der Schweiz.
Tabelle 10: Treibhausgasemissionen in der Schweiz und in Österreich.
Tabelle 11: Charakteristika von Futtermitteln aus dem Grünland und Ackerland.
Tabelle 12: Berechneter Anteil an potenziell direkt für die menschliche Ernährung geeigneter Fut-
terenergie und geeignetem Futterprotein, Lebensmittel-Konversionseffizienzen.
Tabelle 13: Definition der verschiedenen nachfolgend diskutierten Szenarien.
Tabelle 14: Veränderungen in der landwirtschaftlichen Produktion und deren Umweltwirkungen in
Szenario 1 («Kein Kraftfutter für Wiederkäuer») und Szenario 2 («Regenerative Milch- und Rind-
fleischproduktion (RMF)») im Vergleich zur Ist-Situation.
Tabelle 15: Veränderungen in der landwirtschaftlichen Produktion und deren Umweltwirkungen in
Szenario 3 («RMF + Kleegras») und Szenario 4 («RMF + Nahrung statt Futter») im Vergleich zu
Szenario 2 und zur Ist-Situation.
Tabelle 16: Veränderungen in der landwirtschaftlichen Produktion und deren Umweltwirkungen in
Szenario 5 («RMF inkl. Monogastrier + Nahrung statt Futter») und Szenario 6 («Extensivie-
rung») im Vergleich zu Szenario 2 und zur Ist-Situation.
Tabelle 17: Veränderungen von Ammoniak-Emissionen, Stickstoff-Bilanzüberschüssen, Phosphor
in Wirtschaftsdünger und Treibhausgasemissionen für die verschiedenen Szenarien im Ver-
gleich zur Ist-Situation und für 2013 im Vergleich zu 1995.
Anhang 165
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Systemdarstellung.
Abbildung 2: Phasen der Agrarpolitik in der Schweiz und in Österreich.
Abbildung 3: Konzept und Aufbau des weiterentwickelten Direktzahlungssystems der Agrarpolitik
2014-2017 in der Schweiz.
Abbildung 4: Übersicht über die GAP Reform 2014-2020 in der EU.
Abbildung 5: Auswirkungen von reaktiven Stickstoffverbindungen auf Mensch und Umwelt.
Abbildung 6: Inputs von Stickstoff in die schweizerische Landwirtschaft.
Abbildung 7: Entwicklung der Nitratkonzentrationen im «Pilotprojekt Nitratreduktion im Klettgau».
Abbildung 8: Überschreitungen der Critical Loads für Stickstoff in der Schweiz, Belastungskarte
des Jahres 2010 in kg N/ha/Jahr.
Abbildung 9: Überschreitung der Critical Loads für Stickstoff in Österreich, Belastungskarte für
das Jahr 2010 in kg N/ha/Jahr.
Abbildung 10: Modellierte Ammoniak-Emissionen in der Schweiz 2010.
Abbildung 11: Modellierte Ammoniak-Emissionen aus der Tierhaltung in Österreich 2010, bezogen
auf die jeweilige Gemeindefläche.
Abbildung 12: Phosphor-Nährstoffmenge in den Inputs der Schweizer Landwirtschaft.
Abbildung 13: Verkauf von Pflanzenschutzmitteln in der Schweiz 2006-2014.
Abbildung 14: Verkauf von Pflanzenschutzmitteln in Österreich 2006-2014.
Abbildung 15: Anzahl verschiedener Pestizide pro Fliessgewässer-Standort über 0,1 μg pro Liter
(2005-2012).
Abbildung 16: Bewertung des Erhaltungszustands der Lebensraumtypen in der biogeographi-
schen Region «Alpine Region» in Österreich für den Zeitraum 2007-2012 (N=66).
Abbildung 17: Bewertung des Erhaltungszustands der Lebensraumtypen in der biogeographi-
schen Region «Kontinentale Region» in Österreich für den Zeitraum 2007-2012 (N=58).
Abbildung 18: Entwicklung der CH4 -Emissionen in der Schweiz seit 1900.
Abbildung 19: Milchproduktion und Methanemissionen.
Abbildung 20: Belastungsgrenzen des Planeten.
Abbildung 21: Grundfutterbasierte Low-Input-Milchviehhaltung: gesamtbetriebliche Strategie.
Abbildung 22: Auf dem Lehenhof in Rothrist (Aargau).
Abbildung 23: Auf dem Felsenhof in Sulzberg (Vorarlberg).
Abbildung 24: Das SOL-Modell: Darstellung der Modellstruktur.
166 Chancen der Landwirtschaft in den Alpenländern
Österreich
Marktordnungsgesetz: Bundesgesetz, mit dem wirtschaftspolitische Maßnahmen auf dem Ge-
biete der Milch-, Getreide- und Viehwirtschaft getroffen werden vom 16.12.1958, i.d.F. vom
29.12.1958, BGBl. Nr. 276/1958.
Landwirtschaftsgesetz 1960: Bundesgesetz vom 13. Juli 1960, mit dem Maßnahmen zur Siche-
rung der Ernährung sowie zur Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden Bauernstandes getrof-
fen werden, i.d.F. vom 27.07.1960, BGBl 1960/155.
Landwirtschaftsgesetz 1992 (LWG): Bundesgesetz vom 30. Juni 1992, mit dem Maßnahmen zur
Sicherung der Ernährung sowie zur Erhaltung einer flächendeckenden, leistungsfähigen, bäuer-
lichen Landwirtschaft getroffen werden, i.d.F. vom 24.07.2017, BGBl. Nr. 375/1992.
Qualitätszielverordnung Chemie Grundwasser (QZV Chemie GW):Verordnung des Bundesminis-
ters für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über den guten chemischen
Zustand des Grundwassers, i.d.F. vom 23.10.2017, BGBl. II Nr. 98/2010.
Qualitätszielverordnung Ökologie Oberflächengewässer (QZV Ökologie OG): Verordnung des
Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über die Fest-
legung des ökologischen Zustandes für Oberflächengewässer, i.d.F. vom 29.03.2010, BGBl. II
Nr. 99/2010.
Trinkwasserverordnung (TWV): Verordnung des Bundesministers für soziale Sicherheit und Gene-
rationen über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch, i.d.F. vom 23.10.2017,
BGBl. II Nr. 304/2001.
Wasserrechtsgesetz (WRG) von 1959, i.d.F. vom 23.10.2017, BGBl. Nr. 215/1959.
Anhang 167
International
Convention on Biological Diversity (CBD) der Vereinten Nationen vom 05.06.1992.
Convention on Long-Range Transboundary Air Pollution (CLRTAP) der UNO-Wirtschaftskommis-
sion für Europa (UNECE) vom 13.11.1979.
Donauschutzübereinkommen: Beschluss 97/825/EG des Rates vom 24. November 1997 über
den Abschluß des Übereinkommens über die Zusammenarbeit zum Schutz und zur verträgli-
chen Nutzung der Donau, i.d.F. vom 12.12.1997, ABl. L 342.
Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) der Europäischen Union: Richtlinie 92/43/EWG
des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildleben-
den Tiere und Pflanzen, i.d.F. vom 10.06.2013, ABl. L 158.
Nitratrichtlinie der Europäischen Union: Richtlinie 91/676/EWG zum Schutz der Gewässer vor Ver-
unreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen vom 31.12.1991, i.d.F. vom 11.12.2008,
ABl. L 375.
Verordnung (EG) Nr. 834/2007 über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeich-
nung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG)
Nr. 2092/91 vom 28.06.2007, ABl. L 189.
Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates vom 29. September 2003 mit gemeinsamen Regeln für
Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsre-
gelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe und zur Änderung der Verordnungen (EWG)
Nr. 2019/93, (EG) Nr. 1452/2001, (EG) Nr. 1453/2001, (EG) Nr. 1454/2001, (EG) Nr. 1868/94,
(EG) Nr. 1251/1999, (EG) Nr. 1254/1999, (EG) Nr. 1673/2000, (EWG) Nr. 2358/71 und (EG)
Nr. 2529/2001, i.d.F. vom 21.10.2003, ABl. L 270.
Wasserrahmenrichtlinie der Europäischen Union: Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parla-
ments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Mass-
nahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik, i.d.F. vom 22.12.2000, ABl. L 327.
168 Chancen der Landwirtschaft in den Alpenländern
Abkürzungen
AGES Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH
BAFU Bundesamt für Umwelt (Schweiz)
BCS Body Condition Score
BFS Bundesamt für Statistik (Schweiz)
BLW Bundesamt für Landwirtschaft (Schweiz)
BMLF s. BMLFUW
BMLFUW Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasser-
wirtschaft (Österreich) (vormals BMLF)
BV Bundesverfassung
CAP Common Agricultural Policy (s. auch GAP)
CBD Convention on Biological Diversity (dt. Biodiversitätskonvention)
CLN «Critical Loads» für Stickstoffverbindungen
DZV Direktzahlungsverordnung
EFTA European Free Trade Association (dt. Europäische Freihandelsassoziation)
EFV Eidgenössische Finanzverwaltung
EG Europäische Gemeinschaft
EKL Eidgenössische Kommission für Lufthygiene
EP Europäisches Parlament
EU Europäische Union
EWG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft
EZV Eidgenössische Zollverwaltung
FAO Food and Agriculture Organization of the United Nations (dt. Ernährungs-
und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen)
GAP Gemeinsame Agrarpolitik der EU (s. auch CAP)
GATT General Agreement on Tariffs and Trade (dt. Allgemeines Zoll- und Handels-
abkommen)
GMF Graslandbasierte Milch- und Fleischproduktion
GSK Eidgenössische Gewässerschutzkommission
GVE Grossvieheinheit
IKSD Internationalen Kommission zum Schutz der Donau
IKSR Internationale Kommission zum Schutz des Rheins
IP Integrierte Produktion
IPCC Intergovernmental Panel on Climate Change (dt. Zwischenstaatlicher Aus-
schuss für Klimaänderungen)
LKE Lebensmittel-Konversionseffizienz
LN Landwirtschaftliche Nutzfläche
LRT Lebensraumtyp
MJ Megajoule
NAQUA Nationale Grundwasserqualitätsbeobachtungen (Schweiz)
NEL Netto-Energie-Laktation
Anhang 169
Matthias Stolze
Nach einer Ausbildung als Landwirt studierte Matthias Stolze Ag-
rarwissenschaften und promovierte 1998 an der Universität Ho-
henheim (Deutschland) im Bereich Agrarökonomie. Seit 2001 leitet
er das Department Sozioökonomie am Forschungsinstitut für bio-
logischen Landbau (FiBL) in Frick. Ferner ist er Dozent an der Uni-
versität Hohenheim und an der Eidgenössischen Technischen
Hochschule Zürich (ETH Zürich). Seine Forschungsschwerpunkte
sind die Politikfolgenabschätzung, Politikevaluation und betriebs-
wirtschaftliche Wirkungsanalysen.
Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL),
Ackerstrasse 113, CH-5070 Frick
matthias.stolze@fibl.org, www.fibl.org
Rainer Weisshaidinger
Nach der Ausbildung zum Förster studierte Rainer Weisshaidinger
Geographie und Regionalforschung an der Universität Wien und
promovierte 2007 an der Universität Basel (Schweiz) im Bereich
Landschaftsökologie. Seit 2011 ist er leitender wissenschaftlicher
Mitarbeiter am Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL)
in Wien. Seine Forschungs- und Arbeitsschwerpunkte sind die
Nachhaltigkeitsanalyse und die Entwicklungsforschung bezie-
hungsweise Projekte der Internationalen Kooperation im Bereich
Agrarökologie.
Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL),
Doblhoffgasse 7/10, A-1010 Wien
rainer.weisshaidinger@fibl.org, www.fibl.org
Andreas Bartel
Andreas Bartel ist Biologe und Landschaftsökologe und arbeitet
am österreichischen Umweltbundesamt zu Fragen der Umweltwir-
kungen von Landwirtschaft. Räumliche Beziehungen stehen im
Mittelpunkt der Auswertungen von Landnutzungsdaten in Bezug
auf Biodiversitätswirkungen, integrierte Raumplanung und Nut-
zungskonflikte. Der Alpenraum mit seinen spezifischen Vorausset-
zungen und Möglichkeiten und den vielfältigen Nutzungsansprü-
chen ist ihm ein besonderes Anliegen.
Umweltbundesamt GmbH, Spittelauer Lände 5, A-1090 Wien
andreas.bartel@umweltbundesamt.at,
www.umweltbundesamt.at
Autorinnen und Autoren 171
Othmar Schwank
Othmar Schwank ist Biologe und promovierter Agrarwissen-
schafter (ETH Zürich) mit einer Nachdiplomausbildung zu Fragen
der Entwicklungsländer. Er berät Bund, Kantone und internationale
Organisationen und forscht zu Stoffflüssen und Politikinstrumen-
ten an der Schnittstelle von Umwelt-, Entwicklungs-, Energie- und
Wirtschaftsfragen. Als Gründungspartner von Schwank Earthpart-
ner AG (2010) leistet er Beiträge zu urbaner Entwicklung, Land-
wirtschaft und Ernährung hin auf eine umweltverträgliche Kreis-
laufwirtschaft.
Schwank Earthpartner AG, Hinterdorfstrasse 15, CH-8455 Rüdlingen
os@schwank-earthpartner.ch, www.schwank-earthpartner.ch
Adrian Müller
Adrian Müller ist promovierter Physiker (Universität Zürich) und
arbeitete seit 2000 an der ETH Zürich, der Universität Zürich und
der Universität Göteborg zu verschiedenen Themen nachhaltiger
Energie- und Ernährungssysteme mit einem Fokus auf das Design
und die Analyse von Politikinstrumenten. Seit 2009 ist er wissen-
schaftlicher Mitarbeiter am Department Sozioökonomie am For-
schungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) in Frick und an der
ETH Zürich. Seine Forschungsschwerpunkte sind Ernährungssys-
temmodellierungen, Klimawandel und Landwirtschaft und Design
und Analyse von Politikinstrumenten.
Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL), Ackerstrasse
113, CH-5070 Frick
adrian.mueller@fibl.org, www.fibl.org
Roger Biedermann
Roger Biedermann ist dipl.ing.agr. ETH und eidg.dipl. Lebensmit-
telchemiker. Nach seiner Promotion an der ETH Zürich mit einer
Dissertation über ein ernährungsphysiologisches Thema war er ei-
nige Jahre in der Produktionsleitung eines Unternehmens der Le-
bensmittelindustrie tätig. Von 1972 bis 2005 war Roger Bieder-
mann Kantonschemiker und zudem langjähriger Präsident der
Konferenz der Vorsteher der Umweltschutzamtsstellen der
Schweiz (KVU). Er ist Haupt- oder Mitautor zahlreicher strategi-
scher Studien unter anderem zum Stickstoffhaushalt, der Biozid-
problematik, der Energie- und Klimapolitik und dem Verwaltungs-
management. Nach dem Ausscheiden aus dem Staatsdienst
fokussierte er sein Engagement auf Fragen zur ökologischen Rele-
vanz der Landwirtschaft und zur Regionalentwicklung.
Schwank Earthpartner AG (Gast), Hinterdorfstrasse 15, CH-8455
Rüdlingen
biedermannroger@bluewin.ch, www.schwank-earthpartner.ch
172 Chancen der Landwirtschaft in den Alpenländern
Hans Braun
Lehenhof, Aareweg 46, CH-4852 Rothrist
braun.h@bluewin.ch, http://lehenhof.ch
Judith Brüggemann
Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL), Ackerstrasse 113, CH-5070 Frick
judith.brueggemann@fibl.org, www.fibl.org
Paul Ertl
Universität für Bodenkultur Wien, Institut für Nutztierwissenschaften, wohnhaft in Oberdorf 2,
A-9800 Spittal an der Drau
paul.ertl@gmx.at
Rebekka Frick
Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL), Ackerstrasse 113, CH-5070 Frick
rebekka.frick@fibl.org, www.fibl.org
Helmut Gaugitsch
Umweltbundesamt GmbH, Spittelauer Lände 5, A-1090 Wien
helmut.gaugitsch@umweltbundesamt.at, www.umweltbundesamt.at
Reinhard Gessl
Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL), Doblhoffgasse 7/10, A-1010 Wien
reinhard.gessl@fibl.org, www.fibl.org
Annemarie Kohler
Felsenhof, Wandfluh 79, A-6934 Sulzberg
felsenhof.kohler@aon.at
Kaspar Kohler
Felsenhof, Wandfluh 79, A-6934 Sulzberg
felsenhof.kohler@aon.at
Thomas Labuda
Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL), Doblhoffgasse 7/10, A-1010 Wien
thomas.labuda@fibl.org, www.fibl.org
Florian Leiber
Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL), Ackerstrasse 113, CH-5070 Frick
florian.leiber@fibl.org, www.fibl.org
Autorinnen und Autoren 173
Matthias Meier
Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL), Ackerstrasse 113, CH-5070 Frick
matthias.meier@fibl.org, www.fibl.org
Simon Moakes
Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL), Ackerstrasse 113, CH-5070 Frick
simon.moakes@fibl.org, www.fibl.org
Richard Petrasek
Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL), Doblhoffgasse 7/10, A-1010 Wien
richard.petrasek@fibl.org, www.fibl.org
Klavdija Ramsak-Noemi
Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL), Ackerstrasse 113, CH-5070 Frick
klavdijaramsaknoemi@gmail.com
Gwendolyn Rudolph
Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL), Doblhoffgasse 7/10, A-1010 Wien
gwendolyn.rudolph@fibl.org, www.fibl.org
Walter Starz
Bio-Institut der HBLFA Raumberg-Gumpenstein, Raumberg 38, A-8952 Irdning
walter.starz@raumberg-gumpenstein.at, www.raumberg-gumpenstein.at
Andreas Steinwidder
Bio-Institut der HBLFA Raumberg-Gumpenstein, Raumberg 38, A-8952 Irdning
andreas.steinwidder@raumberg-gumpenstein.at, www.raumberg-gumpenstein.at
Gerhard Zethner
Umweltbundesamt GmbH, Spittelauer Lände 5, A-1090 Wien
gerhard.zethner@umweltbundesamt.at, www.umweltbundesamt.at
Verzeichnis der Bristol-Schriftenreihe
Band 1 bis 7 siehe http://www.bristol-stiftung.ch
Band 8: Stremlow, M.; Sidler, C., 2002: Schreibzüge durch die Wildnis. Wildnisvorstellungen
in Literatur und Printmedien der Schweiz. Zürich, Bristol-Stiftung; Birmensdorf, Eidgenössische
Forschungsanstalt WSL; Bern, Stuttgart, Wien, Haupt. 192 S.
Band 9: Bräunicke, M.; Trautner, J., 2002: Die Laufkäfer der Bodenseeufer. Indikatoren für natur-
schutzfachliche Bedeutung und Entwicklungsziele. Zürich, Bristol-Stiftung; Bern, Stuttgart,
Wien, Haupt. 116 S.
Band 10: Mathis, P.; Siegrist, D.; Kessler, R., 2003: Neue Skigebiete in der Schweiz?
Planungsstand und Finanzierung von touristischen Neuerschliessungen unter besonderer
Berücksichtigung der Kantone. Zürich, Bristol-Stiftung; Bern, Stuttgart, Wien, Haupt. 83 S.
Band 11: Monitoring Institute for Rare Breeds and Seeds in Europe, 2003: Agricultural Genetic
Resources in the Alps, Landwirtschaftliche Genressourcen der Alpen, Re ssources génétiques
agricoles des Alpes, Risorse genetiche agricole delle Alpi, Kmetijski genetski viri v Alpah. Zürich,
Bristol-Stiftung; Bern, Stuttgart, Wien, Haupt. 178 S. + CD-ROM.
Band 12: Perrenoud, A.; Känzig-Schoch, U.; Schneider, O.; Wettstein, J.-B., 2003: Exploitation
durable des pâturages boisés. Un exemple appliqué du Jura suisse. Nachhaltige Bewirtschaf
tung von Wytweiden. Ein Fallbeispiel aus dem Schweizer Jura. Zürich, Bristol-Stiftung; Bern,
Stuttgart, Wien, Haupt. 235 S.
Band 13: Borgmann, P., 2004: Magerwiesen in Liechtenstein. Vegetation – Diasporenbanken und
Restitutionspotentiale. Zürich, Bristol-Stiftung; Bern, Stuttgart, Wien, Haupt. 121 S.
Band 14: Höchtl, F.; Lehringer, S.; Konold, W., 2005: Kulturlandschaft oder Wildnis in den Alpen?
Fallstudien im Val Grande-Nationalpark und im Stronatal (Piemont/Italien). Zürich, Bristol-Stiftung;
Bern, Stuttgart, Wien, Haupt. 629 S.
Band 15: Bauer, N., 2005: Für und wider Wildnis – Soziale Dimensionen einer aktuellen gesell-
schaftlichen Debatte. Zürich, Bristol-Stiftung; Bern, Stuttgart, Wien, Haupt. 185 S.
Band 16: Rust-Dubié, C.; Schneider, K.; Walter, T., 2006: Fauna der Schweizer Auen – Eine Daten-
bank für Praxis und Wissenschaft. Zürich, Bristol-Stiftung; Bern, Stuttgart, Wien, Haupt. 214 S.
Band 17: Safi, K., 2006: Die Zweifarbfledermaus in der Schweiz. Status und Grundlagen für den
Schutz. Zürich, Bristol-Stiftung; Bern, Stuttgart, Wien, Haupt. 100 S.
Band 18: Urmi, E.; Schubiger-Bossard, C.; Schnyder, N.; Müller, N.; Küchler, M.; Hofmann, H.;
Bisang, I., 2007: Zwei Jahrhunderte Bestandesentwicklung von Moosen in der Schweiz: Retrospek-
tives Monitoring für den Naturschutz. Zürich, Bristol-Stiftung; Bern, Stuttgart, Wien, Haupt. 139 S.
Band 19: Seiler, A.; Zucchi, H., 2007: Kinder begegnen der Natur: Ein Projekt in der Stadt Osna-
rück mit Anregungen für die Kindergartenpraxis. Zürich, Bristol-Stiftung; Bern, Stuttgart, Wien,
b
Haupt. 126 S.
Band 20: Sauberer, N.; Moser, D.; Grabherr, G. (Red.) 2008: Biodiversität in Österreich. Räum-
liche Muster und Indikatoren der Arten- und Lebensraumvielfalt. Zürich, Bristol-Stiftung; Bern,
Stuttgart, Wien, Haupt. 313 S.
Band 21: Di Giulio, M.; Holderegger, R.; Bernhardt, M.; Tobias, S., 2008: Zerschneidung der
Landschaft in dicht besiedelten Gebieten. Eine Literaturstudie zu den Wirkungen auf Natur
und Mensch und Lösungsansätze für die Praxis. Zürich, Bristol-Stiftung; Bern, S
tuttgart, Wien,
Haupt. 90 S.
Band 22: Spillmann, J.H.; Holderegger, R., 2008: Die Alpenpflanzen des Tössberglandes. Ein-
hundert Jahre nach Gustav Hegi. Zürich, Bristol-Stiftung; Bern, Stuttgart, Wien, Haupt. 220 S.
Band 23: Stegmann, P.; Zucchi, H. (Red.) 2009: Dynamik-Inseln in der Kulturlandschaft. Ein
Projekt im Raum Osnabrück. Zürich, Bristol-Stiftung; Bern, Stuttgart, Wien, Haupt. 109 S.
Band 24: Boschi, C.; Baur, B., 2009: Die Schneckenfauna der Schweizer Juraweiden – Auswir-
kungen unterschiedlicher Bewirtschaftungsformen sowie der Bewirtschaftungsgeschichte auf
die Trockenweiden-Schneckengesellschaft. Zürich, Bristol-Stiftung; Bern, Stuttgart, Wien, Haupt.
128 S.
Band 25: Lachat, T.; Pauli, D.; Gonseth, Y.; Klaus, G.; Scheidegger, C.; Vittoz, P.; Walter, T. (Red.)
2010: Wandel der Biodiversität in der Schweiz seit 1900. Ist die Talsohle erreicht? Zürich,
Bristol-Stiftung; Bern, Stuttgart, Wien, Haupt. 435 S.
Band 26: Schwick, C.; Jaeger, J.; Bertiller, R.; Kienast, F., 2010: Zersiedelung der Schweiz –
unaufhaltsam? Quantitative Analyse 1935 bis 2002 und Folgerungen für die Raumplanung.
Zürich, Bristol-Stiftung; Bern, Stuttgart, Wien, Haupt. 114 S. und 4 Karten.
Band 27: Meier, C.; Bucher, A., 2010: Die zukünftige Landschaft erinnern. Eine Fallstudie zu
Landschaft, Landschaftsbewusstsein und landschaftlicher Identität in Glarus Süd. Zürich,
Bristol-Stiftung; Bern, Stuttgart, Wien, Haupt. 186 S.
Band 28: Kilzer, R.; Willi, G., 2011: Avifaunistische Literatur und Landschaftswandel. B
eispiel
Vorarlberg. Zürich, Bristol-Stiftung; Bern, Stuttgart, Wien, Haupt. 304 S.
Band 29: Lachat, T.; Pauli, D.; Gonseth, Y.; Klaus, G.; Scheidegger, C.; Vittoz, P.; Walter, T. (Réd.)
2011: Evolution de la biodiversité en Suisse depuis 1900. Avons-nous touché le fond? Zürich,
Bristol-Stiftung; Bern, Stuttgart, Wien, Haupt. 435 S.
Band 30: Stuber, M.; Bürgi, M., 2012: Hüeterbueb und Heitisträhl. Traditionelle Formen der
Waldnutzung in der Schweiz 1800 bis 2000. 2. Aufl. Zürich, Bristol-Stiftung; Bern, Stuttgart,
Wien, Haupt. 302 S. + DVD.
Band 31: Hegg, O.; Schaffner, U. (Red.) 2012: 80 Jahre experimentelle Ökosystemforschung auf
der Schynigen Platte im Berner Oberland. Zürich, Bristol-Stiftung; Bern, Stuttgart, Wien, Haupt.
108 S.
Band 32: Schwick, C.; Jaeger, J.A.G.; Bertiller, R.; Kienast, F., 2012: L’étalement urbain en
Suisse – Impossible à freiner? Analyse quantitative de 1935 à 2002 et conséquences pour
l’aménagement du territoire. Urban Sprawl in Switzerland – Unstoppable? Quantitative Anal-
ysis 1935 to 2002 and Implications for Regional Planning. Zurich, Bristol-Stiftung; Berne,
Stuttgart, Vienna, Haupt. 216 p. 4 maps.
Band 33: Zurbuchen, A.; Müller, A. 2012: Wildbienenschutz – von der Wissenschaft zur Praxis.
Zürich, Bristol-Stiftung; Bern, Stuttgart, Wien, Haupt. 162 S.
Band 34: Herold, B., 2012: Neues Leben in alten Mooren – Brutvögel wiedervernässter
lusstalmoore. Zürich, Bristol-Stiftung; Bern, Stuttgart, Wien, Haupt. 200 S.
F
Band 35: Schwab, S.; Zecca, M.; Konold, W., 2012: Das Paradies auf Erden? Der soziale und
kulturelle Wert von alpinen Wildnisgebieten am Beispiel des Val Grande-Nationalparks im
Piemont. Zürich, Bristol-Stiftung; Bern, Stuttgart, Wien, Haupt. 147 S.
Band 36: Konold, W.; Petit, C. (Red.) 2013: Historische Terrassenweinberge. Baugeschichte,
Wahrnehmung, Erhaltung. Zürich, Bristol-Stiftung; Bern, Stuttgart, Wien, Haupt. 333 S.
Band 37: Meister, B.; Baur, B., 2013: Die Ringelnatter im Schweizer Landwirtschaftsgebiet.
Einfluss unterschiedlich genutzter Landschaften auf die genetische Populationsstruktur. Zü-
rich, Bristol-Stiftung; Bern, Haupt. 112 S.
Band 38: Rehnus, M., 2013: Der Schneehase in den Alpen. Ein Überlebenskünstler mit unge-
wisser Zukunft. Zürich, Bristol-Stiftung; Bern, Haupt. 93 S.
Band 39: Klarer, F.; Stöger, E.; Meier, B., 2013: Jenzerwurz und Chäslichrut. Pflanzliche Haus-
mittel für Rinder, Schafe, Ziegen, Schweine und Pferde. Zürich, Bristol-Stiftung; Bern, Haupt.
223 S.
Band 40: Held, T.; Minsch, J., 2013: Schweizgespräch. Von der Lust und Freude am Politi-
schen.
Eine Denk-Allmend für den Flugplatz Dübendorf. Zürich, Bristol-Stiftung; Bern, Haupt. 145 S.
Band 41: Seijmonsbergen, A.C.; De Jong, M.G.G.; de Graaff, L.W.S.; Anders, N.S., 2014:
Geodiversität von Vorarlberg und Liechtenstein. Geodiversity of Vorarlberg and Liechtenstein.
Zürich, Bristol-Stiftung; Bern, Haupt. 304 S. 5 maps.
Band 42: Senn, J.; Kuehn, R., 2014: Habitatfragmentierung, kleine Populationen und das
Überleben von Wildtieren. Populationsbiologische Überlegungen und genetische Hinter
gründe untersucht am Beispiel des Rehes. Zürich, Bristol-Stiftung; Bern, Haupt. 77 S.
Band 44: Siegrist, D.; Gessner, S.; Ketterer Bonnelame, L., 2015: Naturnaher Tourismus.
Qualitätsstandards für sanftes Reisen in den Alpen. Zürich, Bristol-Stiftung; Bern, Haupt. 309 S.
Band 45: Luka, H.; Daniel, C.; Barloggio, G.; Pfiffner, L., 2015: Biodiversität fördern und nut-
zen – Schädlingsbekämpfung in Kohlgewächsen. Zürich, Bristol-Stiftung; Bern, Haupt. 92 S.
Band 46: Pichler-Koban, C.; Jungmeier, M., 2015: Naturschutz, Werte, Wandel. Die Geschichte
ausgewählter Schutzgebiete in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Zürich, Bristol-
Stiftung; Bern, Haupt. 297 S.
Band 47: Rodewald, R.; Baur, B. (Red.) 2015: Wasserfälle – Ökologische und sozio-kulturelle
Leistungen eines bedrohten Naturmonumentes. Zürich, Bristol-Stiftung; Bern, Haupt. 246 S.
Band 48: Müri, H., 2015: Die kleine Wildnis. Einblicke in die Lebensgemeinschaft der kleinen
Raubsäuger und ihrer Beutetiere in Mitteleuropa. Zürich, Bristol-Stiftung; Bern, Haupt. 225 S.
Band 49: Di Giulio, M., 2016: Förderung der Biodiversität im Siedlungsgebiet. Gute Beispiele
und Erfolgsfaktoren. Zürich, Bristol-Stiftung; Bern, Haupt. 125 S.
Band 50: Bosshard, A., 2016: Das Naturwiesland der Schweiz und Mitteleuropas. Mit beson-
derer Berücksichtigung der Fromentalwiesen und des standortgemässen Futterbaus. Zürich,
Bristol-Stiftung; Bern, Haupt. 265 S.
Band 51: Keller, R., 2017: Ökosystemleistungen in der Schweiz. Chancen, Risiken und Neben
wirkungen bei der praktischen Anwendung. Zürich, Bristol-Stiftung; Bern, Haupt. 149 S.
Band 52: Kornmilch, J.C., 2017: Einblicke in das Leben der Europäischen Hornisse. Zürich,
Bristol-Stiftung; Bern, Haupt. 85 S.
Band 53: Weber, D., 2017: Feldhasen fördern funktioniert! Schlussfolgerungen aus dem Pro-
jekt HOPP HASE in der Nordwestschweiz. Zürich, Bristol-Stiftung; Bern, Haupt. 119 S.
Band 54: Kiebacher, T.; Bergamini, A.; Scheidegger C.; Bürgi, M., 2018: Bergahornweiden
im Alpenraum. Kulturgeschichte, Biodiversität und Rudolphis Trompetenmoos. Zürich, Bris-
tol-Stiftung; Bern, Haupt. 235 S.
Band 55: Küchler, M.; Küchler, H.; Bergamini, A.; Bedolla, A.; Ecker, K.; Feldmeyer-Christe, E.;
Graf, U.; Holderegger, R., 2018: Moore der Schweiz. Zustand, Entwicklung, Regeneration.
Zürich, Bristol-Stiftung; Bern, Haupt. 258 S.
Band 56: Caviola, H.; Kläy, A.; Weiss, H., 2018: Sprachkompass Lanschaft und Umwelt. Wie
Sprache unseren Umgang mit der Natur prägt. Zürich, Bristol-Stiftung; Bern, Haupt. 181 S.
Band 57: Schwick, C.; Jaeger, J.; Hersperger, A.; Cathomas, G.; Muggli, R., 2018: Zersiede-
lung messen und begrenzen. Massnahmen und Zielvorgaben für die Schweiz, ihre Kantone
und Gemeinden. Zürich, Bristol-Stiftung; Bern, Haupt. 238 S.