Sie sind auf Seite 1von 52

FLEISCHATLAS

Daten und Fakten über Tiere als Nahrungsmittel 2021

JUGEND,
D
KLIMA UN
NG
ERNÄHRU
IMPRESSUM
Der FLEISCHATLAS 2021 ist ein Kooperationsprojekt von
Heinrich-Böll-Stiftung, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland
und Le Monde Diplomatique.

Inhaltliche Leitung:
Christine Chemnitz, Heinrich-Böll-Stiftung (Projektleitung)
Katrin Wenz, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V.

Projektmanagement, Grafikrecherche: Dietmar Bartz


Art-Direktion und Herstellung: Ellen Stockmar

Textchefin: Elisabeth Schmidt-Landenberger


Dokumentation und Schlussredaktion: Andreas Kaizik, Sandra Thiele (Infotext GbR)

Mit Originalbeiträgen von Reinhild Benning, Matthias Brümmer, Christine Chemnitz, Inka Dewitz, Astrid Häger,
Carla Hoinkes, Heike Holdinghausen, Kristin Jürkenbeck, Ilse Köhler-Rollefson, Silvie Lang, Jonas Luckmann,
Bettina Müller, Lia Polotzek, Christian Rehmer, Julia Schmid, Maureen Schulze, Shefali Sharma, Achim Spiller,
Lisa Tostado, Katrin Wenz, Sabine Wichmann, Stephanie Wunder, Anke Zühlsdorf

Die Beiträge geben nicht notwendig die Ansicht aller beteiligten Partnerorganisationen wieder. Die Flächenfarben der
Landkarten zeigen die Erhebungsgebiete der Statistik an und treffen keine Aussage über eine politische Zugehörigkeit.

Titel: Ellen Stockmar


Bildbearbeitung: Roland Koletzki

V. i. S. d. P.: Annette Maennel, Heinrich-Böll-Stiftung

1. Auflage, Januar 2021

ISBN 978-3-86928-224-4

Produktionsplanung: Elke Paul, Heinrich-Böll-Stiftung

Druck: Druckhaus Kaufmann, Lahr


Klimaneutral gedruckt auf 100 % Recyclingpapier.

Dieses Werk mit Ausnahme des Coverfotos steht unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung –
4.0 international“ (CC BY 4.0). Der Text der Lizenz ist unter https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/legalcode abrufbar.
Eine Zusammenfassung (kein Ersatz) ist unter https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de nachzulesen.
Sie können die einzelnen Infografiken dieses Atlas für eigene Zwecke nutzen, wenn der Urhebernachweis
Bartz/Stockmar, CC BY 4.0 in der Nähe der Grafik steht (bei Bearbeitungen: Bartz/Stockmar (M), CC BY 4.0.)

BESTELL- UND DOWNLOAD-ADRESSEN


Heinrich-Böll-Stiftung, Schumannstraße 8, 10117 Berlin, www.boell.de/fleischatlas
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V., Kaiserin-Augusta-Allee 5, 10553 Berlin, www.bund.net/fleischatlas

Der Fleischatlas kann auch im Klassensatz für den Unterricht bestellt werden.
Die Bestellbedingungen finden Sie auf unserer Website unter www.boell.de/publikationen.
FLEISCHATLAS
Daten und Fakten über Tiere als Nahrungsmittel

2021
INHALT

02 IMPRESSUM 18 KONZERNE
DAS ZIEL IST MARKTMACHT –
06 VORWORT VOM STALL BIS ZUM KÜHLREGAL
Globale Fleischkonzerne spielen eine wichtige
08 ZWÖLF KURZE LEKTIONEN Rolle bei der Frage, wie Fleisch und Futter-
ÜBER FLEISCH UND DIE WELT mittel produziert, transportiert und gehandelt
werden. Ernährung ist lukrativ: Unter den 100
10 KONSUM größten Lebensmittel- und Getränkemultis der
ALLTAGSESSEN UND LUXUSGUT Welt finden sich auch die zehn umsatzstärksten
Die globale Nachfrage nach Fleisch Schlacht- und Weiterverarbeitungsbetriebe.
steigt durch Wirtschafts- und
Bevölkerungswachstum weiter an, 20 PASTORALISMUS
allerdings langsamer als noch KARGES LAND UND REICHER NUTZEN
vor zehn Jahren. Geflügel macht dabei Mobile Hirtenvölker ziehen mit ihren
einen immer größeren Anteil aus. Nutztieren noch über die abgelegensten
Die großen Unterschiede beim Weiden. Diese Wirtschaftsform, der
Pro-Kopf-Konsum zwischen Ländern und Pastoralismus, ist ökonomisch bedeutend und
Bevölkerungsgruppen bestehen fort. klimafreundlich, aber auch stark bedroht.

12 HANDEL 22 KLIMA
IN DIE FALSCHE RICHTUNG DER FUSSABDRUCK DER TIERE
Beim Assoziierungsabkommen Der Anteil der Viehzucht an den globalen
zwischen der EU und vier Mercosur-Staaten Treibhausgasemissionen wird oft unterschätzt,
geht es um viel Fleisch und Futtermittel, doch in der Klimarechnung hinterlassen
den Regenwald und das Klima. Aber die die Nutztiere und ihr Futter deutliche
EU hat Angst vor billigen Importen, und Spuren. Es gibt Vorschläge, das zu ändern.
der Widerstand wächst. Ob das Abkommen
in Kraft tritt, ist deshalb fraglich. 24 PESTIZIDE
IN DER EU VERBOTEN,
14 PRODUKTION IN SÜDAMERIKA ERLAUBT
EINE PROBLEMATISCHE NAHRUNG Weltweit steigt die Verwendung von Pestiziden
UND IHRE GROSSEN ERZEUGER in der Landwirtschaft. Einige der gefährlichsten
Globalisierung und Reformen in vielen Stoffe wurden in der EU bereits verboten,
Ländern Asiens und Osteuropas haben kommen in anderen Teilen der Welt aber im
die Produktion tierischer Erzeugnisse in großen Stil zum Einsatz. Viele sind für den
den letzten Jahrzehnten erhöht. Anbau von Soja und Mais bestimmt, die meist
Tierseuchen tragen dazu bei, dass im Futtertrog von Nutztieren landen.
die kleinbäuerlichen Betriebe verlieren.
26 WASSER
16 FUTTER DER UNSICHTBARE DURST DER
ERNTEN, BIS DER VIEHTROG VOLL IST TIERE – UND IHRES FUTTERS
Über ein Drittel aller Feldfrüchte In allen tierischen Produkten steckt auch ein
weltweit landet in den Mägen von Wasserfußabdruck. Dabei ist nicht die
Nutztieren – allein eine Milliarde Tonnen Gesamtmenge zu betrachten, sondern nach
Soja und Mais jährlich. Die Futtermittel- Wasserkategorien zu unterscheiden. Grünes
industrie und die Tierhalter wollen Wasser gibt es genug – auf möglichst wenig
das noch steigern. blaues und graues Wasser kommt es an.

4 FLEISCHATLAS 2021
28 MOORE 38 SCHLACHTHÖFE IN DEUTSCHLAND
WIEDERVERNÄSSUNG ALS CHANCE KLIMA DER ANGST
In vielen Teilen Europas werden Die Corona-Infektionen haben ein grelles
Rinder auf entwässerten Moorböden Licht auf die schlechten Arbeitsverhältnisse
gehalten. Seit ihrer Trockenlegung emittieren in deutschen Schlachthöfen geworfen.
die Torfböden enorme Mengen an Es müsste, gegen den Trend, mehr staatliche
Treibhausgasen. Die klimaverträgliche Kontrollen geben.
Nutzung dieser Flächen zu organisieren,
wäre Aufgabe der Agrarpolitik. 40 VERSCHWENDUNG IN DEUTSCHLAND
VIEL ZU WENIG WIRD VERMIEDEN
30 ANTIBIOTIKA Entlang der gesamten Wertschöpfungs-
ZU VIEL DAVON IM TIERSTALL – UND kette verenden Tiere und werden
EINE GEFAHR FÜR DIE MENSCHEN Hunderttausende Tonnen Fleisch vergeudet.
Antibiotika helfen bei vielen Die Verschwendung von Ressourcen
Erkrankungen. Das große Problem: für deren Produktion ist enorm.
Erreger in Menschen und Tieren können
gegen Antibiotika resistent werden, 42 KULTURWANDEL
eine tödliche Gefahr. Doch in der VERHÄNGNISVOLLE SYMBOLIK
Nutztierhaltung werden sie noch Kritik am Fleischverbrauch muss es mit
immer nicht sparsam genug eingesetzt. vielem aufnehmen: mit geschicktem
Marketing, gesellschaftlichen Werten
32 PANDEMIEN und Traditionen. Für einen reduzierten
GEFÄHRLICHE KONTAKTE Fleischkonsum müssen sich langfristig
Viehzucht und Fleischverzehr sind die sozialen Normen ändern.
Ursachen für den Ausbruch von Krankheiten,
die von Wildtieren auf Menschen 44 ERSATZPRODUKTE
übergehen. Solche Zoonosen können ÜBERALL WIRD EXPERIMENTIERT
katastrophal sein – wie im Fall von Covid-19. Veganer und vegetarischer Ersatz für Fleisch
und Wurst wird schnell beliebter – und
34 JUGENDUMFRAGE für Großkonzerne attraktiv. Als Nächstes
WENIGER FLEISCH, entbrennt wohl die Konkurrenz mit
MEHR FUTURE In-vitro-Fleisch. Start-ups mit Produkten
Im Vergleich mit der Gesamtbevölkerung aus dem Labor sprießen aus dem Boden.
ernähren sich doppelt so viele 15- bis
29-Jährige vegetarisch oder vegan. Für 46 POLITIK
viele junge Erwachsene ist der Verzicht auf NÄCHSTE SCHRITTE
Fleisch ein politisches Statement. Längst haben zivilgesellschaftliche
Organisationen Vorschläge für eine klima-
36 PRODUKTION IN DEUTSCHLAND und umweltfreundliche Tierhaltung
RABIATER STRUKTURWANDEL ausgearbeitet. Doch Fortschritte zeichnen
Die Zahl der Tierhaltungen in sich nur bei den Haltungssystemen ab.
Deutschland sinkt seit Jahrzehnten –
und zwar schnell. Finanzkräftige 48 AUTORINNEN UND AUTOREN,
Betriebe vergrößern dagegen ihre QUELLEN VON DATEN, KARTEN
Bestände noch. Bei der Verteilung der UND GRAFIKEN
Tiere und beim Ökoanteil unterscheiden
sich die Regionen stark. 50 ÜBER UNS

FLEISCHATLAS 2021 5
VORWORT

E
s schien wie ein Weckruf, als im
Sommer 2020 Covid-19 in Deutschlands
größtem Schlachthof ausbrach: Die
„ Trotz Skandalen und
Corona – die Bundesregierung
will von einer „Fleischwende“
erste Welle der Pandemie verklang gerade, nichts mehr wissen.
da meldeten die Gesundheitsämter mehr
als 1.500 infizierte Arbeiterinnen und
Arbeiter in dem Mega-Schlachtbetrieb von gegeben, in der Meinungsbilder von Men-
Tönnies in Rheda-Wiedenbrück. Dort, wo schen zwischen 15 und 29 erhoben wurden.
am Tag knapp 30.000 Schweine geschlachtet
werden, musste aufgrund der Pandemie Die Ergebnisse zeigen, dass mehr als zwei
alles stillgelegt werden. Infiziert waren vor Drittel der jüngeren Generation die heutige
allem Arbeiterinnen und Arbeiter aus dem Fleischindustrie ablehnen. Sie sehen in der
Ausland, die in der Fabrik für wenig Geld Fleischproduktion eine Bedrohung für das
arbeiten und unter prekären Bedingungen Klima und ernähren sich doppelt so oft
wohnen. Agrarministerin Klöckner vegetarisch und vegan wie der Durchschnitt
verkündete einen grundlegenden Wandel der gesamten Bevölkerung. Und sie sehen
in der Fleischindustrie, sogar ein „Fleisch- Handlungsbedarf beim Staat: Er soll Konsu-
Gipfel“ wurde organisiert. mentinnen und Konsumenten darin unter-
stützen, sich klimafreundlich zu ernähren.
Endlich der Moment für einen grundlegen- Das sind interessante Ergebnisse, denn im
den Wandel? Leider nein. Durch den Gegensatz dazu proklamieren viele
Kampf der Gewerkschaften endet nun die Politikerinnen und Politiker, dass Ernährung
Zeit der Leiharbeit und der Werkverträge eine persönliche Entscheidung sei – und
in den Schlachthöfen. Ein erster wichtiger der Staat nichts gegen den Konsum von
Schritt. Doch weiter geht der Umbau billigem Fleisch unternehmen könne.
der Fleischindustrie nicht. Die Corona-

D
Aufregung erinnert an die vielen anderen och das ist falsch. So wie die Produk-
Skandale, die in den letzten Jahrzehnten tionsbedingungen kann der Staat auch
ohne wirkliche Konsequenzen an der den Konsum beeinflussen. Ernährung
Branche vorbeigezogen sind. Für uns ist ist zwar individuell. Doch Gesetze und Regeln
es kaum nachvollziehbar, wie wenig sich können unsere Konsumentscheidungen zu-
ändert – trotz der seit nun fast zehn Jahren gunsten von Nachhaltigkeit und Gesundheit
anhaltenden öffentlichen Kritik und steuern. Instrumente dafür gibt es zahlreiche:
der vielen Skandale. fiskalische, informatorische und rechtliche.

Uns hat in diesem Zusammenhang Vor allem aber bedarf es eines entschiedenen
interessiert, wie die jüngere Generation politischen Willens zur Veränderung. Doch
mit ihrem beeindruckenden Engagement die Bundesregierung will von einer „Fleisch-
gegen die Klimakrise diese Beharrungskräfte wende“ offenbar nichts mehr wissen. Das
der Fleischindustrie erlebt. Daher haben ist auch im globalen Zusammenhang ein
wir eine repräsentative Umfrage in Auftrag dramatischer Irrweg, weil die ökologischen,

6 FLEISCHATLAS 2021
sozialen und gesundheitlichen Folgen der
industriellen Fleischproduktion ignoriert
werden: Ohne Kurswechsel wächst die
„ Ernährung ist zwar
individuell. Doch Gesetze
und Regeln können unsere
Fleischproduktion bis zum Jahr 2029 noch Konsumentscheidungen steuern.
einmal um 40 Millionen Tonnen auf dann
mehr als 360 Millionen Tonnen Fleisch
pro Jahr. Die Folgen kann man sich kaum Konsumentinnen greifen immer häufiger
vorstellen, weil bereits jetzt die ökologischen zu vegetarischen Produkten oder zu
Grenzen unseres Planeten überschritten Fleisch aus besserer Haltung. Die deutsche
werden und die Klima- und Biodiversitäts- Agrarpolitik hingegen pflegt ihre Ver-
krise für viele Menschen weltweit dramati- weigerungshaltung. Neue Konzepte gibt
sche Auswirkungen hat. es, doch leider wird die Umsetzung im
Landwirtschaftsministerium verschleppt.

I
m Jahr 2015 haben sich die Staats-und

D
Regierungschefs der Welt auf die aher soll dieser Atlas all diejenigen
globalen Entwicklungsziele (SDGs) in ihrer Arbeit und ihrem Enga-
geeinigt. Der Schutz des Klimas, der gement unterstützen, die sich für
Biodiversität, der Meere und allem voran Klimagerechtigkeit einsetzen. Er beleuchtet
das Ende von Hunger und absoluter Armut die Probleme, die aus der industriellen
stehen auf der Liste der 17 Ziele. Die Land- Fleischproduktion entstehen und liefert
wirtschaft ist eng mit dem Erfolg der Ziele neue Daten und Fakten zu Themen, die
verknüpft, doch steht gerade die indust- wir auch zuvor schon aufgegriffen haben.
rielle Fleischproduktion dem im Weg. Sie Zwar mangelt es noch an positiven Trends,
befeuert die Klimakrise, Waldrodungen, doch es wird deutlich, dass viele, gerade
Pestizideinsätze und Biodiversitätsverluste, auch junge Menschen die Machen-
vertreibt Menschen von ihrem Land. schaften der Fleischindustrie nicht mehr
hinnehmen wollen und sich zunehmend
Die globalen Nachhaltigkeitsziele müssen für Klima, Nachhaltigkeit, Tierwohl und
wir in neun Jahren erreichen. Und das Ernährung interessieren und einsetzen.
bedeutet, dass die Industrieländer ihren Das ist großartig. Darum möchten wir mit
hohen Fleischverbrauch auf Kosten des diesem Atlas vor allem ihr Engagement
Klimas, der Biodiversität, globaler Gerech- mit Informationen stärken.
tigkeit und des Tierwohls um mindestens
fünfzig Prozent reduzieren müssen.
Barbara Unmüßig
Vor acht Jahren haben wir den ersten Heinrich-Böll-Stiftung
Fleischatlas veröffentlicht. Seitdem hat
Olaf Bandt
sich in Deutschland einiges verändert. In
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland
Gesellschaft, Medien und Wissenschaft
ist Fleisch inzwischen als kritisches Dorothee D’Aprile
Thema etabliert. Konsumenten und Le Monde diplomatique, deutsche Ausgabe

FLEISCHATLAS 2021 7
12 KURZE LEKTIONEN

ÜBER FLEISCH UND DIE WELT


1 Die globale Fleischproduktion wächst. Doch KLIMA UND
BIODIVERSITÄT können nur geschützt werden, wenn
die Industrieländer ihren FLEISCHKONSUM HALBIEREN.

2 Je mehr Wälder für FUTTERMITTEL gerodet werden, desto mehr schrumpfen die
LEBENSRÄUME der Wildtiere. Der Kontakt zwischen Menschen und Tieren wird enger –
das begünstigt die Übertragung von Viren und die Entstehung neuer PANDEMIEN.

3 Der STRUKTURWANDEL in der Landwirtschaft geht


weiter. Wenige Betriebe – die ihre Tiere unter
industriellen Bedingungen halten – wachsen noch.

4 Der Einsatz von ANTIBIOTIKA IN DER TIERHALTUNG führt zu immer


mehr RESISTENTEN KEIMEN. Dies bedroht die Wirksamkeit
von Antibiotika, einem der wichtigsten Mittel der Humanmedizin.

5 Die führenden Anbauländer von Futter-


mitteln gehören zu den größten Anwendern
von PESTIZIDEN – zum Schaden
von Grundwasser und BIODIVERSITÄT.

6 Die fünf größten FLEISCH- UND MILCHKONZERNE


emittieren genauso viele KLIMASCHÄDLICHE GASE
wie Exxon, der größte ÖLMULTI der Welt.

8 FLEISCHATLAS 2021
FLEISCHATLAS 2021 / STOCKMAR
7 Moorflächen werden häufig für die Tierhaltung genutzt. Würde die EU drei Prozent
ihrer agrarisch genutzten MOORFLÄCHEN WIEDERVERNÄSSEN, könnte sie
ein Viertel der klimaschädlichen EMISSIONEN AUS DER LANDWIRTSCHAFT EINSPAREN.

8 Unsere GEWOHNHEITEN, Rollenbilder und


die Werbung sowie gesellschaftliche
Traditionen regen zum FLEISCHESSEN an. Die
Ernährungsindustrie profitiert vom Status quo.

|||||| SCHWEIN?
|||||| FREITAGS
GEHABT! |||||| |||||| STOP!
FÜRS KLIMA |||

||||| INLANDSFLÜGE NUR FÜR INSEKTEN ||||| ||| GRÜNKOHL STATT BRAUNKOHLE

9 Viele JUNGE MENSCHEN in Deutschland haben eine


KRITISCHE HALTUNG zum Fleischkonsum. Drei Viertel
lehnen die heutige Fleischproduktion ab.

10 Junge Menschen ernähren sich doppelt so häufig VEGETARISCH UND VEGAN


wie der Durchschnitt der Bevölkerung. Viele sehen Ernährung nicht nur
als etwas Individuelles, sondern wollen, dass der Staat STÄRKER EINGREIFT.

11 Der Markt für FLEISCHERSATZPRODUKTE


wächst schnell. Ein großer Teil der jungen
Konsumentinnen und Konsumenten
findet, dass sie GUT SCHMECKEN.

12 Trotz der globalen Auswirkungen hat kein


Land der Welt eine STRATEGIE ZUR SENKUNG
DES FLEISCHKONSUMS. Dabei können
Regierungen durch GESETZE und finanzielle
Anreize wichtige Beiträge dazu leisten.

FLEISCHATLAS 2021 9
KONSUM

ALLTAGSESSEN UND LUXUSGUT


Die globale Nachfrage nach Fleisch steigt son gegessen werden, sind es in den USA und Australien
durch Wirtschafts- und Bevölkerungs- mehr als 100 Kilogramm. Seit einigen Jahren sinkt die Nach-
wachstum weiter an, allerdings langsamer frage in einigen Industrieländern leicht, weil die Bedenken
bezüglich Gesundheit, Tierwohl und Umwelt zunehmen.
als noch vor zehn Jahren. Geflügel
Das größte Wachstum des Fleischkonsums wird in den
macht dabei einen immer größeren Anteil Ländern des Südens stattfinden. Der Industrieländerorgani-
aus. Die großen Unterschiede beim sation OECD zufolge steigt die Nachfrage dort bis 2028 vier
Pro-Kopf-Konsum zwischen Ländern und Mal mehr als in den Industrieländern. Ausgehend von ei-
Bevölkerungsgruppen bestehen fort. nem viel geringeren Niveau, dafür aber mit deutlich größe-
rem Bevölkerungswachstum als in den Industrieländern, ist
der zusätzliche Konsum pro Person nicht sehr hoch. Auf dem

D
er weltweite Fleischkonsum hat sich in den vergange- afrikanischen Kontinent wird das besonders deutlich. Dort
nen 20 Jahren mehr als verdoppelt und erreichte 2018 wächst die Nachfrage insgesamt zwar besonders schnell,
320 Millionen Tonnen. Die Bevölkerung ist gewach- aber pro Person steigt der Fleischkonsum in den nächsten
sen, die Einkommen sind gestiegen – beide Faktoren haben zehn Jahren kaum – von 17 auf 17,5 Kilogramm.
die Zunahme zu ungefähr gleichen Teilen verursacht. Die Auf die bevölkerungsreichste Nation der Welt, China,
Prognosen für die Fleischindustrie waren ohnehin schon entfällt fast ein Drittel des gesamten heutigen Fleischkon-
gut – bis 2028 wird der Fleischkonsum möglicherweise noch sums und ein Drittel des Wachstums der vergangenen 20
einmal um 13 Prozent wachsen. Jahre, auch wenn der Pro-Kopf-Verbrauch immer noch bei
Doch noch immer ist Fleisch für viele Menschen auf der weniger als der Hälfte des Verbrauchs in den USA liegt. Die
Welt ein Luxusgut, dessen Konsum stark vom Einkommen Nachfrage nach Fleisch wird wohl auch in China weiter stei-
abhängt. Durch die weltweite Wirtschaftskrise im Zusam- gen, das Wachstum jedoch deutlich geringer werden. Denn
menhang mit Covid-19 sind die Einkommen vieler Men- die Sorge um Übergewicht wächst, und ab 2030 wird die Be-
schen eingebrochen. Die Weltbank geht davon aus, dass bei völkerungszahl wieder zurückgehen.
anhaltender Krise rund 150 Millionen Menschen unter die In Afrika und Asien wird der Fleischkonsum die Produk-
Armutsgrenze rutschen werden und viele weitere Millionen tion überholen. Daher werden auch die Importe zunehmen,
gravierende Ausfälle bei ihren Einkommen haben werden. besonders schnell in Subsahara-Afrika. Der Anstieg der
Das gilt auch für China, den Staat mit dem größten Fleischimporte wird aber vom nichtchinesischen Asien an-
Fleischkonsum weltweit. Zusammen mit dem Ausbruch getrieben. Auf die Region insgesamt werden bis 2029 rund
eines anderen Virus, der Afrikanischen Schweinepest, ist 56 Prozent des Welthandels entfallen.
Covid-19 der maßgebliche Grund für den schwächeren Kon- Die globalen Großtrends treffen nicht auf alle Fleisch-
sum von Schweinefleisch im Jahr 2020. Die Bekämpfung sorten in gleichem Maße zu. Während der Anteil von Rind
von Covid-19 ließ die Wirtschaft in China im ersten Halbjahr
2020 um über drei Prozent schrumpfen.
In den meisten Industrienationen liegt der Fleischkon- Trotz einer mehr als fünfmal größeren
sum seit Jahrzehnten relativ konstant auf hohem Niveau. Bevölkerung verbrauchen die ärmeren Länder nicht
Während in Deutschland 2019 fast 60 Kilogramm pro Per- einmal doppelt so viel Fleisch wie die reicheren
FLEISCHATLAS 2021 / OECD, FAO

INDUSTRIELÄNDER SIND KEIN VORBILD


Fleischkonsum entwickelter und sich entwickelnder Länder, nach Fleischarten, Jahresdurchschnitt 2017–19, in 1.000 Tonnen

Rind und Kalb Geflügel Pro-Kopf-Verzehr

68,6
Schwein Schaf (Einzelhandelsgewicht),
Kilogramm pro Jahr

29.300 41.200 48.400 2.700


entwickelte Länder* gesamt: 121.600 26,6
40.200 75.100 76.000 12.300
sich entwickelnde Länder *
gesamt: 203.600

*
nach der bis heute üblichen Einteilung der FAO, entwickelt: Kanada, USA, Europa, GUS, Japan, Israel, Südafrika, Australien, Neuseeland; sich entwickelnd: alle anderen

10 FLEISCHATLAS 2021
FLEISCHATLAS 2021 / OWID
LANDSCHAFT, WIRTSCHAFT, TRADITIONEN
Fleischverbrauch nach Ländern und Wirtschaftsleistung, pro Kopf, 2017
Kilogramm pro Jahr
140 bis unter 20
kg 20 bis unter 40
40 bis unter 60 USA
60 bis unter 80
120 80 bis unter 100
über 100

100
Brasilien
Deutschland
Italien
Frankreich
80
Großbritannien
Länder mit über 50 Millionen Einwohnerinnen und Russland
Einwohnern nach Wirtschaftsleistung in US-Dollar Südkorea
Vietnam
und Fleischverbrauch in Kilogramm pro Jahr, 2017 Mexiko
60

Südafrika China
Myanmar
Japan
Philippinen
40 Iran
Türkei
Ägypten
Pakistan Thailand
20 Kenia

Äthiopien Tansania Indonesien


Nigeria Indien
Dem. Rep. Kongo (k. A.)
0
Bangladesch
0 1.000 2.000 5.000 10.000 20.000 50.000 100.000
US-Dollar

Generell gilt: Je reicher, um so mehr Fleisch


und Schaf am Gesamtkonsum abnimmt, essen die Men- wird konsumiert. Aber viele weitere Faktoren
schen immer mehr Schwein und Geflügel. Geflügel allein beeinflussen den Pro-Kopf-Verbrauch
wird rund die Hälfte des globalen Zuwachses in den kom-
menden zehn Jahren ausmachen. In den USA zum Beispiel
ist der Pro-Kopf-Konsum von Rindfleisch in den vergange- USA – wo die Ernährung generell fleischlastig ist – sind es
nen 30 Jahren um etwa ein Drittel zurückgegangen, wäh- immer noch rund fünfzig Prozent mehr. In ärmeren Regio-
rend sich der von Geflügel mehr als verdoppelte. Das liegt nen der Welt sind die Einkommen extrem unterschiedlich,
unter anderem am Preisvorteil und dem niedrigeren Fett- was sich auch im Pro-Kopf-Fleischkonsum widerspiegelt.
anteil. Auf Schweinefleisch entfallen rund 28 Prozent des Die Oberschicht kommt dabei auf Werte, die denen in den
Wachstums in den kommenden zehn Jahren, angetrieben OECD-Ländern ähneln, wohingegen für die viel größere Un-
vor allem durch den steigenden Konsum im asiatischen ter- und untere Mittelschicht Fleisch ein seltener Luxus ist.
Raum. In vielen asiatischen und afrikanischen Ländern es- Auch deswegen bleibt es für viele ein Statussymbol.
sen die Menschen allerdings kaum Schweinefleisch, weil
der Verzehr für große Teile der Bevölkerung aus religiösen
Gründen nicht infrage kommt.
FLEISCHATLAS 2021 / OWID

GEFLÜGEL DOMINIERT
Die Daten zur Gesamtnachfrage und dem durchschnitt-
Zunahme des Weltverbrauchs nach Fleischarten,
lichen Konsum in einzelnen Ländern geben nur ein unvoll- mit Knochen, in Millionen Tonnen
ständiges Bild ab, denn auch innerhalb der Länder ist die 10,5
350 15,8
Nachfrage mit Blick auf die sozioökonomischen Strukturen
71,6
sehr unterschiedlich. In den industrialisierten Regionen 300 Schafe und Ziegen
nimmt der Fleischkonsum pro Kopf tendenziell mit höhe- Rinder und Büffel
250 120,9
Schwein
rer Bildung und höherem Einkommen ab. Auch Frauen und
200 Geflügel
Jugendliche essen weniger Fleisch als Männer. In Deutsch- andere
land zum Beispiel verzehren Männer im Durchschnitt etwa 150
doppelt so viel Fleisch und Wurst pro Tag wie Frauen. In den 127,3
100

50

Der Fleischkonsum hat enorm zugenommen. 0


Inzwischen ist als Ursache der zunehmende Wohlstand 1961 1970 1980 1990 2000 2010 2018

kaum weniger wichtig als das Bevölkerungswachstum

FLEISCHATLAS 2021 11
HANDEL

IN DIE FALSCHE RICHTUNG


Beim Assoziierungsabkommen zwischen Regierung rechnet in einer eigenen Untersuchung damit,
der EU und vier Mercosur-Staaten geht dass allein der erleichterte Marktzugang für Rindfleisch aus
es um viel Fleisch und Futtermittel, dem Mercosur die Abholzung im südamerikanischen Wirt-
schaftsblock über sechs Jahre hinweg um mindestens 5 Pro-
den Regenwald und das Klima. Aber die
zent pro Jahr steigern könnte. Das sind weitreichende Fol-
EU hat Angst vor billigen Importen, und gen, obwohl der Anteil der Mercosur-Rindfleischexporte in
der Widerstand wächst. Ob das Abkommen die EU im Verhältnis zur gesamten Produktion dort – mehr
in Kraft tritt, ist deshalb fraglich. als 11 Millionen Tonnen Lebend- und 7,8 Millionen Tonnen
Schlachtgewicht – gering ist.
Rindfleisch ist heute schon einer der Haupttreiber von

Ü
ber 20 Jahre hat es gedauert, bis die EU und die Merco- Entwaldung. Sie führt zu einer Zerstörung der Lebens-
sur-Länder Argentinien, Brasilien, Uruguay und Para- grundlage indigener und kleinbäuerlicher Gemeinden. Im
guay ein Assoziierungsabkommen für ihre beiden Amazonas grasen auf 63 Prozent aller entwaldeten Flächen
Wirtschaftsräume ausgehandelt haben. Es sieht vor, bei 92 Rinder. Zwischen 70 und 80 Prozent aller Rindfleischimpor-
Prozent der Importe aus dem Mercosur in die EU und bei 91 te in die EU kommen aus den Mercosur-Ländern. 50 Prozent
Prozent in Gegenrichtung die Zölle nach einer Übergangs- der aus Brasilien in die EU gelieferten landwirtschaftlichen
frist abzuschaffen. Dadurch wird der Export von Agrarpro- Produkte sind auf Abholzung zurückzuführen, vor allem
dukten wie Ethanol, Soja und Rindfleisch aus Südamerika Soja, Rindfleisch und Kaffee.
und im Gegenzug der Export europäischer Produkte wie Auch die Exporte von Geflügel- und Schweinefleisch
Autos, Maschinen oder Chemieprodukte in die Mercosur- würden mit dem Abkommen steigen. 180.000 Tonnen Ge-
Staaten enorm erleichtert. Wenn das Abkommen im EU- flügelfleisch sollen zollfrei importiert werden dürfen, zu-
Ministerrat angenommen wird, müssen anschließend das sätzlich zu den bereits eingeführten 392.000 Tonnen. Bei
EU-Parlament und die Parlamente der EU-Mitgliedsstaaten Schweinefleisch kämen 25.000 Tonnen zu einem geringen
sowie die Parlamente und Regierungen der Mercosur-Län- Zollsatz hinzu. Dies entspräche fast einer Verdoppelung der
der zustimmen. Schweinefleischimporte aus dem Mercosur in die EU, die
Das Abkommen würde die Fleischexporte aus dem Mer- derzeit bei 33.000 Tonnen liegen.
cosur ausweiten. Zu den 200.000 Tonnen Rindfleisch, die Ähnlich sehen die Prognosen für Soja aus, das zu einem
bereits von dort in die EU gelangen, könnten weitere 99.000 großen Teil als Tierfutter für die europäische Fleischindus-
Tonnen ohne oder mit geringen Zöllen importiert werden. trie dient. Brasilien ist der größte Exporteur von Sojapro-
Die im Juli 2020 von der EU publizierte Nachhaltigkeitsfol- dukten weltweit. Das SIA-Dokument der EU geht davon aus,
genabschätzung (Sustainability Impact Assessment, SIA) dass der Import von Ölsaaten aus dem Mercosur um bis zu
erwartet nach den Einzelbestimmungen einen Anstieg der 5,9 Prozent ansteigen könnte und gravierende ökologische
Rindfleischimporte um 30 bis 64 Prozent. Die französische Folgen hätte. Einer Studie von 2019 zufolge werden fast
zwei Drittel aller verkauften Pestizide in Brasilien im Anbau
von Soja und Zuckerrohr eingesetzt. Mit dem Abkommen
würden die Einfuhrzölle auf Pestizide in den Mercosur abge-
FLEISCHATLAS 2021 / BLOOMBERG

SOJA VOR DEN ZEITEN DER STRAFZÖLLE


schafft, die derzeit bei bis zu 14 Prozent liegen. Der Handel
Die wichtigsten Handelsströme der Sojabohnen, 2017,
in Millionen Tonnen mit Pestiziden würde gestärkt, was der EU- und vor allem der
deutschen Chemieindustrie zugute käme.
Das EU-Mercosur-Abkommen würde sich nicht nur ne-
37,5 gativ auf die Waldbestände und die Biodiversität in Teilen
5,0 Südamerikas auswirken. Auch das Klima würde in Mitlei-
EU-28
USA China denschaft gezogen. Die zusätzlichen CO2-Emissionen ent-
9,5 stünden wegen weiterer Entwaldung, stärkerer Produk-
13,5 48,0 tion und zunehmendem Transport. Die Folgeabschätzung
8,8 Frankreichs hat sogar ergeben, dass unter diesen Bedingun-
Brasilien gen die Produktion eines Kilos Rindfleisch in Lateinamerika
20,5 mit viermal höheren Treibhausgasemissionen verbunden
22,5 andere wäre als eine Produktion in Europa. Dass das Abkommen in
Argentinien Kraft tritt, ist noch nicht ausgemacht.

Als 2018 die USA Strafzölle gegen China verhängten, kaufte China
weniger in den USA und mehr in Südamerika. Die starken Zwischen den drei weltgrößten Sojahändlern – den USA,
Schwankungen seither lassen derzeit keine Aussagen über Trends zu.
Brasilien und, als Kunde, China – ist die EU eher unbedeutend.
Scheitert das Handelsabkommen, bleibt es dabei

12 FLEISCHATLAS 2021
FLEISCHATLAS 2021 / OECD, FAO
ZENTREN DES FLEISCHHANDELS 3,1
Staaten mit mehr als fünf Millionen Tonnen Fleischkonsum und/oder mehr als einer Million Tonnen 3,9
Im- oder Exporte, Jahresdurchschnitt 2017–19, in Millionen Tonnen
0,8
2,0 1,8

0,7 1,6
Russland

Großbritannien 0,3
Kanada
Japan
USA 2,0 0,0
EU-28
0,0 China 1,4
2,0 0,8

0,6
0,0 Korea
Mexiko Indien 0,0
1,5
0,4 0,0
1,6 Thailand Vietnam
0,0
1,2
Brasilien
0,3
0,1 Australien
Argentinien 0,1
Importe Neuseeland
6,7 Exporte
0,7 6,1
1,1
7,5 2,2

Auf drei etwa gleich große Exporteure – die USA,


Zu groß ist die Kritik. Landwirtinnen und Landwirte in die EU und Brasilien – entfallen fast
Europa befürchten, aufgrund sinkender Preise nicht mit- 60 Prozent aller internationalen Fleischverkäufe
halten zu können. Nichtregierungsorganisationen kritisie-
ren die Vergünstigung von Pestizidexporten und die Folgen
für das Klima. Immer mehr EU-Mitgliedsstaaten zeigen sich In nicht bindender Abstimmung votierte das EU-Parla-
ebenfalls skeptisch bis kritisch. In Frankreich, den Nieder- ment für Änderungen. EU-Handelskommissar Valdis Dom-
landen, Belgien, Irland, Luxemburg und Österreich sind sich brovskis hat allerdings betont, dass das Abkommen nicht
Regierungen oder Parlamente einig, dass das Abkommen in erneut aufgemacht und nachverhandelt werde. Nachbes-
seiner derzeitigen Form nicht ratifiziert werden kann. Auch serungen würden sich auf Protokollanhänge, Fahrpläne
die deutsche Bundeskanzlerin äußerte Bedenken. oder Ähnliches beschränken. So ist es auch aus anderen
EU-Abkommen bekannt. Der Ratifizierungsprozess hat sich
bereits in das Jahr 2021 verschoben. Auf Eis gelegt, wie es
Fleisch und Soja gegen Autos und Maschinen – Bernd Lange, Vorsitzender des Handelsausschusses des EU-
das Mercosur-Abkommen trägt dazu bei, eine Parlamentes, forderte, ist das Abkommen damit allerdings
solche Handelsstruktur aufrechtzuerhalten keinesfalls.
FLEISCHATLAS 2021 / AFP

DAS ABKOMMEN IM ÜBERBLICK


Außenhandel im Mercosur-EU-Wirtschaftsraum, Mercosur EU EU Mercosur
in Milliarden Euro, 2018
insgesamt
42,5 44,9

nach Ländern
31,7 8,4 1,7 0,7 33,6 9,3 1,4 0,6

Brasilien Argentinien Uruguay Paraguay

nach Warengruppen
14,6 12,2 15,7 19,0 11,7 14,3

Nahrungsmittel Rohstoffe Maschinen, Fahrzeuge chemische Produkte sonstiges


Differenzen durch Rundung

FLEISCHATLAS 2021 13
PRODUKTION

EINE PROBLEMATISCHE NAHRUNG


UND IHRE GROSSEN ERZEUGER
Globalisierung und Reformen in vielen zent – mehr Fleisch importiert als im Vorjahr. Am meisten
Ländern Asiens und Osteuropas haben die profitiert haben die brasilianischen Erzeugerkonzerne, die
Produktion tierischer Erzeugnisse in den Rekordmengen von Geflügel- und Schweinefleisch nach
China lieferten. Aber auch die EU hat ihre Ausfuhren ausge-
letzten Jahrzehnten erhöht. Tierseuchen
baut. Im ersten Halbjahr 2020 wuchsen die Schweinefleisch-
tragen dazu bei, dass die kleinbäuerlichen exporte im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 15 Pro-
Betriebe verlieren. zent. Die Lieferungen nach China verdoppelten sich. Als die
ASP im Spätsommer 2020 Deutschland erreichte, stoppten

D
ie globale Fleischproduktion ist im Jahr 2019 das ers- Importländer wie China, Südkorea und Japan die Einfuhren
te Mal seit 1961 nicht gewachsen, sondern um zwei aus Deutschland. Daraufhin revidierte die EU-Kommission
Prozent auf 325 Millionen Tonnen gesunken. Hierfür ihre positive Exportschätzung für das Jahr 2020 und sagte
ist die Afrikanische Schweinepest (ASP) und nicht ein rück- für 2021 ein Minus von 10 Prozent voraus. Ein Zeichen für
gängiger Konsum der Hauptgrund. So hat die ASP in China Verwerfungen auf dem Weltmarkt ist das aber nicht: Insge-
dazu geführt, dass die Produktion von Fleisch insgesamt um samt werden noch immer nur etwa 11 Prozent des weltweit
10 Prozent, von Schweinefleisch sogar um mehr als 20 Pro- produzierten Fleisches international gehandelt.
zent eingebrochen ist. Mitte 2019 waren mit 150 bis 200 Mil- Rückblickend betrachtet ist die globale Fleischproduk-
lionen Schweinen mindestens 30 Prozent der chinesischen tion in den vergangenen Jahrzehnten rasant gewachsen. In
Schweinepopulation infiziert und die Produktion auf dem den 1970er-Jahren betrug sie gerade mal ein Drittel der heu-
niedrigsten Niveau seit 2003. Vor der ASP-Epidemie war die tigen Menge. Die OECD geht davon aus, dass sie – etwas ver-
Schweinefleischproduktion des Landes doppelt so groß wie langsamt bis 2029, also fast bis zum Referenzjahr 2030 der
die der EU und betrug mehr als das Fünffache der US-Menge. globalen Entwicklungsziele – um weitere 40 Millionen Ton-
Trotz der jüngsten Einbrüche bleibt China aber mit 80 Mil- nen steigen wird. Dann wäre, wenn vorher nicht politisch
lionen Tonnen Fleischproduktion neben den USA, Brasilien, umgesteuert wird, eine Produktion von etwa 366 Millionen
Russland und Deutschland eines der wichtigsten fleischpro- Tonnen pro Jahr erreicht.
duzierenden Länder der Welt.
Auch der globale Handel mit Fleisch war und ist deut-
lich vom Ausbruch der Schweinepest beeinflusst. Insgesamt In vielen Gegenden der Welt nimmt die
wurden etwa 6,8 Prozent mehr Fleisch gehandelt. Allein Fleischproduktion weitherin zu. In der EU ist dieser
China hat im Jahr 2019 zwei Millionen Tonnen – also 37 Pro- Trend seit etwa 20 Jahren abgeschwächt

BOOM-BUSINESS
Entwicklung der Fleischproduktion in wichtigen Erzeugerländern und in der EU sowie in deren Mitgliedsstaaten, Auswahl*,
in Millionen Tonnen
90 9

80 China 8 Deutschland
Spanien
70 7

60 6

50 5 Frankreich Polen

40 EU-28 4 Italien

30 3

20 Brasilien 2
Niederlande
USA Russland
FLEISCHATLAS 2021 / OWID

10 1
Indien
Großbritannien
0 Argentinien 0
1961 1970 1980 1990 2000 2010 2018 1961 1970 1980 1990 2000 2010 2018
*
zum Erhebungszeitpunkt noch mit Großbritannien. Deutschland vor 1990: mit DDR. Rückgang der ostdeutschen Fleischproduktion nach dem Beitritt der DDR zur BRD

14 FLEISCHATLAS 2021
FLEISCHATLAS 2021 / OECD, FAO
OSTEN IM ZENTRUM
Größte Produzentenländer für die wichtigsten tierischen Produkte, Jahresdurchschnitt 2017–19, 50.500
in 1.000 Tonnen
23.100
21.800 5.000
3.700
1.600
230

13.200 Russland
11.900

11.800
7.300
China
13.800 650
70

USA EU-27
9.100 3.700
2.500
300 740 20.400

4.000 Indien
120

Brasilien

2.900
2.100
600 50
Argentinien 6.500
4.800
Rind Schwein Geflügel Schaf
EU-27 ohne Großbritannien

Wo Fleisch und Milch hergestellt werden,


80 Prozent des Wachstums dürfte in den Ländern des entstehen nicht nur Nahrungsmittel, sondern
Südens stattfinden. Die größten Produktionsländer bleiben auch Belastungen für Mensch und Natur
China, Brasilien, die USA und die Mitgliedsstaaten der EU.
Gemeinsam könnten sie 2029 noch 60 Prozent des weltwei-
ten Fleisches produzieren. Mittelbare Auswirkungen der ASP gibt es auch in
Geflügelfleisch bleibt der Bereich mit dem stärksten Deutschland. Die Preise für Schweinefleisch sind infolge der
Wachstum in der Fleischbranche. Fast die Hälfte der gesam- Exportverbote und des großen Angebots auf dem Inlands-
ten Zuwächse in der Fleischproduktion in den kommenden markt deutlich gesunken. Dies setzt besonders kleinere Be-
zehn Jahren soll im Geflügelsektor stattfinden. Niedrige Pro- triebe, die etwas teurer produzieren, unter Druck.
duktionskosten, ein kurzer Produktionszyklus und damit Viele Bereiche der Tierhaltung haben Erfahrungen mit
auch niedrige Verkaufspreise tragen dazu bei, dass Geflügel Seuchen gemacht. Bei Rindern war es BSE, bei Geflügel
zum Fleisch der Wahl sowohl für Produzentinnen und Pro- die Vogelgrippe, und nun ist auch die Schweinepest aus-
duzenten als auch Verbraucherinnen und Verbraucher ge- gebrochen. Aber die Pandemien sind nur ein Faktor des
worden ist. Strukturwandels, den die Fleischproduktion seit Jahren
Die Afrikanische Schweinepest hat den Strukturwandel durchläuft.
in der Fleischindustrie Chinas stark beschleunigt, heißt es in Die Tierhaltung hat sich in den vergangenen 50 Jahren
einer Analyse. Ihr zufolge werden kleinere Betriebe die Fol- grundlegend geändert. Immer weniger Tiere werden auf
gen der Notschlachtungen wirtschaftlich schlechter über- der Weide gehalten. Der größte Teil des Fleisches kommt
stehen und mehr als 55 Prozent die Schweinezucht nach der aus Stallhaltung oder der Haltung aus sogenannten „Feed-
Tötung ihrer Tiere nicht wieder aufnehmen können. Im Jahr lots“, in denen die Tiere unter freiem Himmel auf ähnlich
2003 seien etwa 70 Prozent der chinesischen Schweinepro- kleiner Fläche gehalten werden. Die konzentrierte Haltung
duktion aus Betrieben mit bis zu 49 Tieren pro Jahr gekom- und die wachsende Zahl der Nutztiere erfordern immer
men und nur 3 Prozent aus Betrieben mit 10.000 oder mehr mehr Futtermittel aus Getreide oder Ölsaaten. Das wieder-
Tieren. Im Jahr 2022 hingegen würden etwa 42 Prozent der um bedeutet, dass Landflächen wie Wälder oder Wiesen in
gesamten Produktion von Betrieben mit mehr als 10.000 Äcker umgewandelt werden. Aufgrund all der negativen
Tieren stammen, während Betriebe mit unter 50 Tieren nur Auswirkungen auf Klima und Umwelt ist Fleisch zu einem
noch mit etwa 3 Prozent dabei seien – und diese Erwartun- der besonders problematischen Konsumgüter unserer
gen stammen noch aus der Zeit vor dem ASP-Ausbruch. Welt geworden.

FLEISCHATLAS 2021 15
FUTTER

ERNTEN, BIS DER VIEHTROG VOLL IST


Über ein Drittel aller Feldfrüchte weltweit porte stammten 2019 aus diesen drei Ländern. Brasilien ist
landet in den Mägen von Nutztieren – mit 74 Millionen Tonnen der größte Exporteur, gefolgt von
allein eine Milliarde Tonnen Soja und Mais den USA. Mit der Ausweitung des Anbaus hat sich auch die
Fläche vergrößert, die mit gentechnisch veränderten Soja-
jährlich. Die Futtermittelindustrie und
bohnen bewirtschaftet wird. In den USA hat sie einen Anteil
die Tierhalter wollen das noch steigern. von 94 Prozent erreicht, in Brasilien bestand 2017 die Ernte
sogar zu 97 Prozent aus gentechnisch behandelten Sorten.

D
er seit Jahren weltweit steigende Fleischkonsum China ist der mit Abstand größte Produzent und Konsu-
treibt auch den Bedarf an Futtermitteln in die Höhe. ment von Fleisch weltweit. Entsprechend groß ist der Bedarf
In der intensiven Tierhaltung ist Soja eines der wich- an Futtermitteln, der China zum größten Sojaimporteur
tigsten Protein liefernden Bestandteile des Futters. Seit 2001 weltweit macht. Im Jahr 2019 kaufte das Land mit 74 Mil-
hat sich sein Anteil im internationalen Handel mehr als ver- lionen Tonnen knapp zwei Drittel aller Exporte, gefolgt von
fünffacht. Soja wird als Lebensmittel, Treibstoff oder Indus- der EU mit 13 Millionen Tonnen. Entsprechend groß können
triematerial genutzt – fast 90 Prozent allerdings landen in Veränderungen in den weltweiten Handelsströmen sein:
den Trögen. Zwischen Januar und Mai 2020 importierte China fast 37
Die größten Anbauländer sind Brasilien mit 133 Mil- Prozent mehr Soja aus Brasilien, weil das Land als Folge der
lionen Tonnen, die USA mit 117 und Argentinien mit 53 handelspolitischen Spannungen mit den USA weniger von
Millionen Tonnen. Fast 90 Prozent der weltweiten Sojaex- dort importierte.
Zu Futtermitteln verarbeitet und gehandelt wird Soja
von Agrarhandelskonzernen, die weltweit in Häfen, Flotten
und Logistik investieren. Die größten Agrarhändler sind die
STATUS UND TREND
sogenannten ABCD-Konzerne, die vier Firmen Archer Da-
Mischfutterherstellung nach Ländern und Ländergruppen,
in Millionen Tonnen niels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus Company.
Im Jahr 2018 exportierten sie zusammen mit dem brasilia-
sonstige nischen Händler Amaggi 56 Prozent des Sojas aus Brasilien.
restliches Amerika EU-28 Weil die Nachfrage zunimmt und eine Steigerung der
68
Kanada 61 165 Produktivität auf den bestehenden Flächen schwierig wäre,
22 wird für den Sojaanbau immer mehr Platz benötigt. In den
20 Jahren bis 2019 sind die Anbauflächen von 77 auf 125
restliches Europa
91 Millionen Hektar gewachsen. Mittlerweile steht der Soja-
USA 177
2018 anbau nach der Viehwirtschaft an zweiter Stelle der Verur-
sacher von Abholzung weltweit. Besonders in Brasilien und
35 188 Argentinien werden Wald und Grasland in Sojafelder um-
Mexiko China
69 gewandelt.
Brasilien 24
185 Zwischen 2006 und 2017 wurden im Amazonas-Regen-
Japan wald und der brasilianischen Savanne Cerrado, eines wegen
restliches Asien
seiner Biodiversität sehr wertvollen Trockenwaldes, 220.000
Quadratkilometer Wald abgeholzt. Das entspricht mehr als
Mengenwachstum, Auswahl, Index 1999=100 60 Prozent der Fläche Deutschlands. Zumeist entstanden
300
Viehweiden, doch zehn Prozent der gerodeten Fläche wur-
de einer Untersuchung der Initiative Trase zufolge direkt für
Brasilien den Sojaanbau verwendet. Die massive Abholzung im Cerra-
250 do hat einen einfachen Grund: Das Amazonas-Moratorium,
eigentlich ein großer Erfolg, verbietet den Handel mit Soja,
das von Regenwaldflächen stammt, die nach 2008 gerodet
200
China wurden – aber eben nur im Amazonas. Die Sojaproduktion
ist deshalb auf den Cerrado ausgewichen.
150 Keiner der großen Agrarhändler unterstützt die Forde-
USA rung, das Handelsmoratorium auch auf den Cerrado aus-
zuweiten. Cargill spricht sich sogar öffentlich dagegen aus.
FLEISCHATLAS 2021 / IFIF

100
EU-28

Nicht-EU-Europa
50 Während die industrielle Tierfutterproduktion
1999 2003 2006 2009 2012 2015 2018 in Amerika stagniert, ist Osteuropa – vor allem
die Ukraine – zur neuen Boomregion geworden

16 FLEISCHATLAS 2021
FLEISCHATLAS 2021 / OECD, FAO
FELDFRÜCHTE MIT VIELEN INTERESSENTEN
Wichtigste landwirtschaftliche Produkte nach Erträgen und Verwendungszwecken, Auswahl, Durchschnitt 2017–19,
in Millionen Tonnen und Anteile in Prozent
77
18 9 149
143 80 10,3 %
3,5 % 1,2 %
15,6 % 20,0 %
12,5 %

512 746
181 15,9 %
1.141 Mais 414 80,9 %
511 68,5 %

59,2 % 675 Reis


12,4 %
Weizen
10,8 % 9 15
18,1 %
142 59
29 9,7 % 83
4,8 % 59 71,1 %
Hülsenfrüchte
54 53
Viehfutter 609
173 28,4 % 22,9 % 22,5 %
menschliche Nahrung 57,1 % 348
Treibstoff 5 2,1 % 236
Industrie/andere
52,5 % 124
Ölsaaten (u. a .Soja) Wurzeln und Knollen
industrielle und dezentrale Produktion

Nur rund 40 Prozent der Ernte der wichtigsten


Das Moratorium gilt allerdings auch im Amazonas nur für Feldpflanzen bleiben den Menschen zur
das Land, das explizit für den Sojaanbau abgeholzt wurde. Ernährung. Fast ebenso viel geht an die Tiere
Soja, das auf Flächen angebaut wird, die ursprünglich für
andere Zwecke gerodet wurden, fällt nicht darunter. Daher
dehnen sich die neuen Anbauflächen mehrheitlich auf ehe- Entwaldung auch zu Landkonflikten und verletzt die Rech-
maligem Weideland aus, für das ebenfalls Regenwald oder te indigener Gemeinschaften. Der Nichtregierungsorgani-
Savanne gerodet wurde. sation Global Witness zufolge nehmen Konflikte zwischen
Dass Fortschritte schnell zunichte gemacht sind, bele- lokalen Gemeinschaften und Soja- oder Viehfarmern zu,
gen auch die Waldbrände von 2019 und 2020, die vor allem genauso wie Drohungen und Gewalt gegen jene, die sich
das Resultat von Brandrodungen waren – unter anderem für für ihr angestammtes Land und das Klima einsetzen.
Sojafarmen. Dies zeigt der Vergleich von Satellitenaufnah- 2019 wurden in Brasilien 24 Umweltaktivisten und Um-
men der Feuer einerseits und der Karten mit den größten weltaktivistinnen getötet – 90 Prozent davon in der Ama-
Fleischfabriken und Sojasilos andererseits: Viele Feuer lo- zonas-Region.
derten in unmittelbarer Nähe der Fabriken, Lager und ihrer
Infrastruktureinrichtungen. Unterstützt wird dies durch die
Politik des brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro, der
FLEISCHATLAS 2021 / TNI, USSOY

DAS SOJALAND WÄCHST IMMER WEITER


die Bestimmungen zum Umweltschutz fortlaufend lockert.
Anbauflächen der fünf wichtigsten Produktionsländer,
Er begrüßt die Ausdehnung des Agrobusiness in den Regen- in Millionen Hektar
wald und die tropische Savanne nicht nur, sondern legali- 40
siert sie auch. Die Abholzungsrate in Brasilien stieg 2019 auf
das höchste Niveau seit 2007/08, und die Prognosen sehen 35

einen weiteren Anstieg voraus. USA


30
Laut einer Studie, die das renommierte Magazin Science
im Jahr 2020 veröffentlichte, stammen 20 Prozent der So- 25 Brasilien
jaexporte aus dem Amazonas und dem Cerrado in die EU Argentinien
20
von illegal abgeholztem Land. So steht der Fleischkonsum
in Europa in direktem Zusammenhang mit der Abholzung 15
Indien
in Brasilien – und den Folgekonflikten: Neben den negati-
ven Auswirkungen auf das Klima und die Biodiversität führt 10

5 China
Allein für Sojabohnen haben sich die Anbau- 0
flächen seit 1990 mehr als verdoppelt. Inzwischen 1990 1994 1998 2002 2006 2010 2014 2018

sind sie dreimal so groß wie Deutschland

FLEISCHATLAS 2021 17
KONZERNE

DAS ZIEL IST MARKTMACHT –


VOM STALL BIS ZUM KÜHLREGAL
Globale Fleischkonzerne spielen eine Die größten europäischen Konzerne sind weltweit eher
wichtige Rolle bei der Frage, wie Fleisch schwach vertreten, während JBS, Tyson, Cargill und die chi-
und Futtermittel produziert, transportiert nesische WH Group auch in ganz Europa Niederlassungen
haben. Sie erwirtschaften hier Gewinne mit frischem und
und gehandelt werden. Ernährung ist
gefrorenem Fleisch, das in Europa produziert oder aus Län-
lukrativ: Unter den 100 größten Lebensmittel- dern wie Brasilien und Thailand importiert wird. Die beiden
und Getränkemultis der Welt finden brasilianischen Konzerne BRF und Marfrig liefern über Ver-
sich auch die zehn umsatzstärksten Schlacht- triebszentren oder direkt nach Europa. Doch auch in der EU
und Weiterverarbeitungsbetriebe. dominieren Umsatzmilliardäre. So zählen Danish Crown
(Dänemark), Groupe Bigard (Frankreich), Tönnies (Deutsch-
land), Coren (Spanien) und Westfleisch (Deutschland) zu

O
bwohl die zehn wichtigsten Unternehmen der den größten Produzenten von Rind- und Schweinefleisch.
Fleischbranche ihren Hauptsitz in nur wenigen Län- Dawn Meats (Irland) ist europäischer Marktführer bei Rind-
dern – in Brasilien, den USA, China, Japan und Län- und Lammfleisch, während LDC (Frankreich), Plukon Food
dern der EU – haben, dominieren sie die Märkte weltweit Group (Niederlande), Gruppo Veronesi (Italien) und die
und sind in allen wichtigen fleischerzeugenden Regionen PHW-Gruppe (Deutschland) führend in der Geflügelver-
präsent. Diese Unternehmen sind für die industrielle Pro- arbeitung sind.
duktion und Schlachtung einer riesigen Zahl von Tieren ver- Durch Fusionen und Übernahmen kaufen sie immer
antwortlich. mehr kleinere Unternehmen auf und festigen ihre Markt-
Das größte von ihnen, JBS aus Brasilien, stellt dabei alle macht. So hat beispielsweise Tyson seine Präsenz in Europa
anderen in den Schatten. Das Unternehmen ist in 15 Län- durch den Aufkauf der europäischen Betriebe von BRF ver-
dern mit über 400 Niederlassungen vertreten und lässt täg- stärkt und beliefert den Markt nun mit tiefgefrorenem Hüh-
lich bis zu 75.000 Rinder, 115.000 Schweine, 14 Millionen nerfleisch aus seinen europäischen und globalen Lieferket-
Geflügeltiere und 16.000 Lämmer schlachten. Zusammen
ergibt dies mehr als 210.000 Tonnen Fleisch pro Monat. Im
Vergleich dazu bringt es der zweitgrößte Schlachter, der Auf nur fünf Großunternehmen
US-Gigant Tyson Foods, pro Tag „nur“ auf knapp 22.000 Rin- entfallen zwei Drittel der deutschen
der, 70.000 Schweine und 7,8 Millionen Hühner. Schweinefleischproduktion

TOP 10 DER FLEISCHWIRTSCHAFT IN DEUTSCHLAND


Größte Unternehmen nach Umsatz, alle Tierarten, 2019, in Millionen Euro

Tönnies-Gruppe
7.300
Vion Food German Top 5 der Schweineschlachter nach
2.800
Zahl der Tiere und Marktanteil, 2019
Westfleisch
2.790
PHW-Gruppe
2.680
16,7 Mio.
andere
Heristo
1.328 32,1 30,3
Rothkötter Tönnies-Gruppe
1.185 %
Zur-Mühlen-Gruppe 2,1 Mio.
1.000
7,7 Mio.
FLEISCHATLAS 2021 / AFZ, AGRARHEUTE

3,8 14,0
Müller-Gruppe Müller-Gruppe
950 6,0 Westfleisch
Danish Crown 13,8
Kaufland *
849 Vion Food German
3,3 Mio.
Sprehe-Gruppe 7,6 Mio.
753
*
geschätzt

18 FLEISCHATLAS 2021
MULTIS DER ERNÄHRUNG
Umsätze der größten Fleisch- und Molkereikonzerne 2019/20, Itoham Yonekyu
in Milliarden US-Dollar
7,8
5,6 11,8
11,3 8,5
Smithfield/ Vion Arla 6,5 10,9
WH Group*
Saputo 12,6 Danish Crown 8,6 DMK
NH Foods

23,3 6,3
FrieslandCampina Tönnies-Gruppe
11,9
13,4 5,9

OSI Group
9,5 Yili
Meiji

20,1 Hormel Foods 21,0 22,1


Mengniu
*

Dairy Farmers
of America
31,7 Lactalis
18,2 Nestlé

17,2
Cargill
5,8
5,5
42,4
Danone
Sodiaal
GCMMF CP Foods

Tyson Foods 12,6


8,5

FLEISCHATLAS 2021 / FOODENGINEERINGMAG.COM


5,4 BRF
Marfrig
Kraft Heinz

48,8 Fleischkonzerne 13,2


JBS Molkereikonzerne
Fonterra
*
Smithfield/WH Group ist ein US-Konzern in chinesischem Besitz

Vollständigkeit nicht möglich – weil Daten fehlen,


ten. In den USA liegt die Fleischverarbeitung in den Händen stellen Chinas Fleischkonzerne, sofern sie nicht an einer
einiger weniger Konzerne. Bei Rindfleisch sind es JBS, Tyson, Börse notiert sind, noch immer große Unbekannte dar
Cargill und Marfrig, die zusammen 85 Prozent des Mark-
tes beherrschen. Bei Schweinfleisch bringen es JBS, Tyson
und Hormel auf 66 Prozent, bei Hühnerfleisch Tyson, JBS, schnittspreis von nur 1,48 Euro durchschnittlich sieben Cent
Sanderson Farms und Purdue auf 51 Prozent. In Deutsch- bei jedem Kilogramm Schweinefleisch.
land kontrollieren nur fünf Unternehmen, nämlich Tönnies, Über diese indirekte Subventionierung hinaus profi-
Westfleisch, Vion, die Müller-Gruppe und Danish Crown, tieren die globalen Giganten gelegentlich von speziellen
zwei Drittel der Schweinefleischverarbeitung. staatlichen Hilfsmaßnahmen. So erhielt JBS 78 Millionen
Mit einer derartigen Marktmacht sind diese Unterneh- US-Dollar an Zahlungen aus dem von der Trump-Regierung
men in der Lage, niedrige Erzeugerpreise durchzusetzen während des US-chinesischen Handelskriegs aufgelegten
und die Zuchtbetriebe manchmal selbst unter deren Pro- Rettungspaketes für landwirtschaftliche Betriebe. 20 Pro-
duktionskosten zu zwingen. Daher produzieren die Land- zent von JBS befinden sich im Übrigen in Besitz der Brasilia-
wirtinnen und Landwirte eine große Zahl von Tieren, um nischen Entwicklungsbank, die sich aus Steuergeldern des
mit ihren Großkunden im Geschäft zu bleiben, oft mithilfe Landes finanziert. 2017 hatte die brasilianische Staatsan-
von öffentlichen Subventionen. Nach einem Bericht des waltschaft eine der höchsten Geldstrafen in der Unterneh-
internationalen Netzwerkes Agri Benchmark von 2019 mensgeschichte wegen Korruption verhängt, als festgestellt
haben die EU-Agrarsubventionen dafür gesorgt, dass die wurde, dass die JBS-Chefs für ihre Geschäfte fast 1.900 Regie-
Landwirtschaftsbetriebe trotz der Verluste bei der Kuh- rungsbeamtinnen und -beamte bestochen hatten.
und Kälberaufzucht unterm Strich Gewinne verzeichnen Manche Fleischgiganten, etwa Cargill, befinden sich
konnten. vollständig in Privatbesitz. Andere sind zumindest teilweise
Die Rindfleischveredelungsbetriebe erlitten sogar noch börsennotiert. Nach Angaben der Nichtregierungsorgani-
größere Verluste als die Kuh- und Kälbermastbetriebe. Sie sation Feedback investierten mehr als 2.500 Investment-
profitierten aber stärker von den Subventionen, da viele von und Privatbanken sowie Pensionsfonds aus aller Welt zwi-
ihnen auch noch als Produzenten von Futtergetreide aktiv schen 2015 und 2020 insgesamt 478 Milliarden US-Dollar in
sind. Die Schweinezuchtbetriebe verloren im Jahr 2016 in Fleisch- und Molkereiunternehmen. Zu den größten Inves-
fast allen europäischen Ländern – mit Ausnahme von Bel- toren gehören Black Rock, Capital Group, Vanguard und der
gien, Dänemark und Spanien – bei einem EU-weiten Durch- Pensionsfonds der norwegischen Regierung.

FLEISCHATLAS 2021 19
PASTORALISMUS

KARGES LAND UND REICHER NUTZEN


Mobile Hirtenvölker ziehen mit ihren zentrale Rolle. In Burkina Faso werden mehr als 70 Prozent
Nutztieren noch über die abgelegensten der Tiere in pastoralen Systemen gehalten, in Niger und im
Weiden. Diese Wirtschaftsform, der Tschad mehr als 80 Prozent, und im Sudan, in Tansania und
Somalia sogar über 90 Prozent. In Indien, dem Land mit der
Pastoralismus, ist ökonomisch
größten Zahl armer Nutztierhalterinnen und -halter, stam-
bedeutend und klimafreundlich, aber men mehr als die Hälfte der Milch und mehr als 70 Prozent
auch stark bedroht. des Fleisches aus pastoralen Systemen.
Geschätzt leben weltweit mehr als 200 Millionen Men-

D
ie Anfänge des Pastoralismus lassen sich über mehr schen als Pastoralistinnen und Pastoralisten. Die UN-Organi-
als zehn Jahrtausende zurückverfolgen. Er entstand sation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) geht davon
am Rande der frühesten festen Siedlungen im Nahen aus, dass etwa eine Milliarde Tiere in pastoralen Gesellschaf-
Osten. Vermutlich waren es Frauen, die zuerst Ziegen und ten leben. In den ganzjährig trockenen und den von jährli-
Schafe domestizierten, indem sie mutterlose Jungtiere auf- chen Trockenzeiten geprägten Gebieten Afrikas und Asiens,
zogen. Später begannen Teile der Bevölkerung, den Herden aber auch in den Anden Südamerikas und der Arktis sind sie
zu saisonalen Weidegebieten in der Wüste zu folgen. Sie für die Ernährung und das Einkommen vieler Menschen von
bildeten den Ursprung zahlreicher Hirtenkulturen, die seit- großer Bedeutung. Beides, Ernährung und Einkommen, ist
her mit ihren Nutztieren Produkte wie Fleisch, Milch, Wolle, bei den pastoralistisch Wirtschaftenden im nördlichen Sa-
Häute, Dünger und Brennstoff erzeugen. hel sicherer als bei den sesshaften Bäuerinnen und Bauern
Der Begriff Pastoralismus beschreibt eine ökonomische derselben Region.
Tätigkeit und eine kulturelle Identität. Gemeint ist die häu- Viele Pastoralistinnen und Pastoralisten nehmen für
fig mobile und extensive Haltung von lokal angepassten das Wohlergehen der Herden große Mühen und eine
Tieren auf natürlich gewachsenem Busch- und Grasland. mobile Lebensweise mit wenigen materiellen Besitz-
Auf jedem Kontinent der Welt – vor allem in den trockens- tümern auf sich. Entscheidungen über die Weideflä-
ten, steilsten, kältesten und heißesten Gebieten – gibt es chen und Wege basieren auf traditionellem Wissen und
Hirtenvölker, die mit Herden von Alpakas, Kamelen, Rentie- Erfahrungen mit Tierverhalten, Wetterverhältnissen und
ren, Rindern, Schafen, Wasserbüffeln, Yaks und Ziegen die dem Nährwert der Vegetation. Wichtig sind auch soziale
Gebiete der Erde bewirtschaften, die kaum anders genutzt Netzwerke, die über viele Generationen aufgebaut wur-
werden können. Es handelt sich um mehr als 26 Millionen
Quadratkilometer, das ist mehr als die gemeinsame Fläche
der USA, Chinas und der EU. Ziegen und Rinder machen den Hirtenfamilien
Trotz der häufig marginalen Produktionsflächen spielt in der Mongolei etwa gleich viel Arbeit –
Pastoralismus in vielen Ländern auch ökonomisch eine aber wer Rinder hat, verdient mehr an ihnen

FLEISCHATLAS 2021 / GONCHIGSUMLAA


BLICK IN DEN HAUSHALT
Einkommensvielfalt aus pastoralistischer Tierhaltung in der Provinz Bulgan in der Mongolei,
200 repräsentativ ausgesuchte von 943 Haushalten, 2016, Daten: 2012
Gewinn pro Schafeinheit* (in Euro)
Ertrag pro Haushalt und Jahr 81 31
5 Arbeitskosten berücksichtigt
Ziege Arbeitskosten nicht berücksichtigt
Schaf 147
Rind 6,9
Fleisch (Kilogramm) Ziege
Pferd 307 28,4
Kamel
5,2
Schaf
12,9

18,4
Rind
27,3

24 Milch (Liter) 1,9


Pferd
3,0 *
Schafeinheiten (SE) dienen
Wolle (Kilogramm) 1.876 der besseren Vergleichbarkeit
25
2 1,6 der Tiere. Umrechnung:
7 Kamel 1 Kamel = 7 SE, 1 Rind/Pferd = 5 SE,
2,3
244 10 6 5 1 Schaf = 1 SE, 1 Ziege = 0,9 SE
Ziege: Kaschmir, Pferd: Haar (ausgewachsene Tiere)

20 FLEISCHATLAS 2021
FLEISCHATLAS 2021 / PRAPS
NAHRUNG FÜR DIE STÄDTE
Pastoralistisch gehaltene und gehandelte Viehbestände in Westafrika und dem Sahel,
Auswahl, Tiere in Millionen
gehandelte Rinder pro Jahr gehandelte Ziegen und Schafe pro Jahr
über 300.000 über 2 Millionen
über 100.000 bis 300.000 über 300.000 bis 2 Millionen
20.000 bis 100.000 über 100.000 bis 300.000
unter 20.000 20.000 bis 100.000

18 10
Mauretanien
11

Mali
33 26 8
11 3
Niger
10
Senegal Burkina Faso Tschad

Gambia
23
9
Guinea- 5
Bissau 6
2
Guinea 3 Nigeria
2 2 Benin Zentralafrikanische
Liberia 3
Côte d’Ivoire 10 5
20 Kamerun
Republik

Ghana Togo
Sierra Leone

Rinder und Büffel


114 Afrika

Schafe und Ziegen

Vieh verbindet – Rinder-, Schaf- und Ziegenherden


den und Zugang zu bestimmten Weidegebieten ermög- bilden den wichtigsten intraregionalen
lichen. Wirtschaftsfaktor in Westafrika und der Sahelzone
Pastoralismus ist auch ökologisch von besonderer Be-
deutung. So spielt der von Weidetieren in der Landschaft
verteilte Dünger eine wichtige Rolle. Er erhält Insekten, die gehören, die am meisten durch den Klimawandel bedroht
wiederum die Nahrung für Vögel, Amphibien und Reptilien sind. Neue Temperatur- und Niederschlagsverhältnisse ver-
sind. Außerdem ist das beweidete Grasland eine wichtige ändern Futter und Wasservorräte, sie beeinflussen das Auf-
Kohlenstoffsenke. kommen von Krankheiten und die Reproduktionsleistung
Bedroht wird die pastorale Lebensweise vor allem durch der Tiere und damit letztlich die Herdengröße. Der Rück-
die zunehmende Fragmentierung ihrer Weidegründe. Mit gang der Tierzahlen wiederum wirkt sich auf die Ernäh-
steigender Nachfrage nach Agrarprodukten wurde seit rungssicherheit und das Einkommen der Menschen aus.
etwa 2005 auf den wertvollsten Weideflächen viel in die in- Andere Fachleute halten ihre mobile Wirtschafts- und Le-
dustrielle Landwirtschaft investiert. In den seltensten Fällen bensweise für besonders geeignet, auf die Folgen des Klima-
haben Pastoralistinnen und Pastoralisten selbst ein Mitspra- wandels zu reagieren
cherecht, was mit ihren über viele Generationen genutzten Pastoralismus erhält sowohl vonseiten der Wissenschaft
Weideflächen passiert. Häufig reklamiert der Staat den Be- als auch von UN-Organisationen wie der FAO immer mehr
sitz der Ländereien für sich und entscheidet über Investitio- Zuspruch. Doch die politischen Rahmenbedingungen sind
nen und Nutzung. in vielen Ländern der Welt unzulänglich. Wenige Länder
Dabei bräuchten die pastoralistisch Wirtschaftenden in erkennen pastoralistisch genutzte Weidegründe formell an
Zeiten des Klimawandels möglichst vielfältige und zusätzli- und integrieren sie in ihre Politik zur ländlichen Entwick-
che Möglichkeiten, ihre Mobilität und ihre Weidekonzepte lung. Für Pastoralistinnen und Pastoralisten aber wären
den sich verändernden Futter-, Wasser- und Wetterbedin- Landrechte, die eine gemeinschaftliche Nutzung stärken,
gungen anzupassen. Einige Wissenschaftler und Wissen- und eine Förderung des Wissensaustausches zwischen den
schaftlerinnen gehen davon aus, dass Pastoralistinnen Beteiligten die besten Rezepte, um in Zeiten des Klimawan-
und Pastoralisten zu den Bevölkerungsgruppen der Welt dels weiter nachhaltig leben zu können.

FLEISCHATLAS 2021 21
KLIMA

DER FUSSABDRUCK DER TIERE


Der Anteil der Viehzucht an den Etwa 70 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen
globalen Treibhausgasemissionen Nutzfläche – Grasland als Weiden sowie Äcker für den An-
wird oft unterschätzt, doch in der bau von mehr Futter – werden für die Viehzucht genutzt.
Ihre Ausweitung hat zu deutlichen Veränderungen bei der
Klimarechnung hinterlassen die Nutztiere
Landnutzung geführt und trägt zu steigenden Emissionen
und ihr Futter deutliche Spuren. und einem massiven Verlust an biologischer Vielfalt bei. In-
Es gibt Vorschläge, das zu ändern. zwischen werden rund 40 Prozent des Ackerlandes auf der
Welt zur Futtermittelproduktion genutzt. Während Wie-

D
er UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation derkäuer selbst große Mengen an Treibhausgasen aussto-
(FAO) zufolge trug die Viehzucht im Jahr 2013 mit ßen, stellen die Futtermittel das Hauptproblem der indus-
14,5 Prozent zu den globalen Treibhausgasemissio- triellen Geflügel- und Schweineproduktion dar. Parallel zu
nen bei. Nach ihren Schätzungen stammen 45 Prozent die- deren rasantem Wachstum steigen die Treibhausgasemis-
ser Emissionen aus der Produktion und Verarbeitung von sionen, weil mehr Futterpflanzen angebaut und dafür mehr
Futtermitteln und 39 Prozent aus der enterischen Fermen- Düngemittel eingesetzt werden.
tation, also Emissionen, die aus dem Verdauungstrakt von Im Jahr 2018 berechneten die Nichtregierungsorgani-
Wiederkäuern wie Rindern, Ziegen und Schafen freigesetzt sation GRAIN und das Institute for Agriculture and Trade
werden. Weitere 10 Prozent lassen sich auf die Lagerung Policy die Emissionen von 35 der weltgrößten Fleisch- und
und Verarbeitung von Dung zurückführen. Zusammen ma- Milchproduzenten. Dazu benutzten sie GLEAM, ein Modell,
chen diese Emissionen 56 bis 58 Prozent der gesamten Treib- das auch die FAO einsetzt und das die Auswirkungen der
hausgasemissionen des Nahrungsmittelsektors aus – und weltweiten Viehwirtschaft auf die Umwelt berechnet. Die
das, obwohl die Viehwirtschaft nur 37 Prozent des Proteins Ergebnisse waren erschreckend: Die fünf großen Fleisch-
und 18 Prozent der Kalorienversorgung der Weltbevölke- und Milchkonzerne JBS, Tyson, Cargill, Dairy Farmers of
rung bereitstellt. Dem Weltklimarat IPCC zufolge beträgt America und Fonterra zusammen verursachen im Jahr
der Anteil des Ernährungssektors am globalen Treibhaus- mehr Emissionen als ein großer Ölkonzern wie Exxon, Shell
gasausstoß zwischen 21 und 37 Prozent. oder BP. 20 dieser Unternehmen sind zusammen für mehr
Treibhausgasemissionen verantwortlich als Deutschland,
Großbritannien oder Frankreich. Von diesen 20 Unterneh-
men haben (übrigens) sechs ihren Hauptsitz in der EU.
KLIMABILANZEN IM VERGLEICH
Rund 90 Prozent der Emissionen von Fleischproduzen-
Treibhausgasemissionen bei der Produktion des Fleisches von
drei Tierarten, Bestandteile in CO2-Äquivalente umgerechnet, ten stammen aus der Lieferkette oder von den Tieren selbst.
weltweite Durchschnitte, in Prozent Nur wenige Unternehmen geben diese Emissionen an, von
Reduktionszielen ganz zu schweigen. Nur drei Fleischunter-
Rind Schwein Huhn nehmen haben einen Teil ihrer Emissionen aus der Liefer-
100 kette gemeldet (JBS, Marfrig und NH Foods), wobei nur eines
Futter: Reis, CH4
(NH Foods) glaubwürdige Zahlen vorweisen konnte, die
90
Lebensmittel-
verarbeitung, CO2 mit den Berechnungen der Forscher übereinstimmten. Die
von JBS gemeldeten Emissionen hingegen beliefen sich auf
80 direkter und indirekter
Energieaufwand, CO2
nur drei Prozent und die von Marfrig auf 37 Prozent der von
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern geschätzten
70 Güllemanagement (u. a.
Menge. Keiner der Fleischkonzerne mit Hauptsitz in der EU
Lagerung, Aufbereitung)
CH4 hat bislang die gesamten Emissionen seiner Lieferkette ge-
60
N 2O meldet. Weltweit verlangt bis heute auch keine einzige Re-
50 Gasbildung der
gierung von ihren Fleischunternehmen, ihre Emissionen zu
Wiederkäuer, CH4 dokumentieren oder Emissionsreduktionsziele zu standar-
40 disieren, um einen brancheninternen Vergleich zu ermög-
Änderung der Landnutzung:
für Weiden, CO2 lichen.
Lösungsvorschläge für das Klimaproblem der Vieh-
FLEISCHATLAS 2021 / ROJAS-DOWNING ET AL.

30 für Sojabohnen, CO2


Futter, CO2
zucht lassen sich in zwei Kategorien einteilen. Die eine
20 Möglichkeit, die von den Fleischkonzernen favorisiert
Dünger und
wird, ist die Intensivierung, das heißt höhere Futtermittel-
Ernterückstände, N2O
10
ausgebrachte und
0
deponierte Gülle, N2O
Rind-, Schweine- und Hühnerfleisch tragen auf
CO2: Kohlendioxid, CH4: Methan, N2O: Distickstoffmonoxid (Lachgas) sehr verschiedenen Wegen zur Erderwärmung
bei – mit vielen wechselseitigen Abhängigkeiten

22 FLEISCHATLAS 2021
SCHWERGEWICHTE ERHITZEN DIE WELT
Treibhausgasemissionen 20 führender Unternehmen der Fleisch- und Milchwirtschaft*
im Vergleich mit Emissionen von Staaten und Ölkonzernen, in Megatonnen, Emissionen in Megatonnen im Vergleich
Daten von 2015 (Staaten) und 2016 (Firmen)
Top 20 der Fleisch-
17 und Milchindustrie
22
Dean Foods Danish Crown 932
19 15
Arla
Saputo Deutschland

118
902
24 18
Tyson 15
Lactalis Yili Top 5 der Fleisch-
20 Vion 578
52 und Milchindustrie
86 Dairy Farmers of America
22
Nestlé
FrieslandCampina
Exxon
Fleisch- und 577
Cargill
Milchkonzerne
41 National Beef Staaten Shell
Ölkonzerne 508
30
39
280
15 Smithfield/WH Group** Frankreich
Marfrig
507
California Dairies

FLEISCHATLAS 2021 / IATP, GRAIN


JBS Großbritannien
35 464
23 42
Minerva
BRF Fonterra BP
448
*
Firmen, deren Berichterstattung Berechnungen zuließ. ** US-Konzern in chinesischem Besitz

Fleischrinder und Milchkühe sowie der auf den


und Herdenproduktivität und damit mehr Fleisch zu den Äckern für Tierfutter eingesetzte Kunstdünger dominieren
gleichen Belastungen. Die andere setzt beim Verbrauch an die Treibhausgasemissionen des Agrarsektors
und spricht sich dafür aus, tierische Erzeugnisse drastisch
zu reduzieren.
Andere Studien empfahlen noch einen dritten Weg. zeigt, dass dieses System im Vergleich zum bislang üblichen
Danach soll die Produktion und damit auch der Verbrauch hohen Viehbestand auf Dauerweiden auch für eine bessere
tierischer Produkte durch Maßnahmen begrenzt werden, Weideproduktivität, Kohlenstoffbindung und Futterqua-
die die Konkurrenz zwischen Nahrungsmittel- und Futter- lität sorgt. Der Verzicht auf Getreide und sein Ersatz durch
mittelerzeugern im Land vermeiden. Für den menschlichen stickstoffbindende Leguminosen und verschiedene mehr-
Verzehr ungeeignete Biomasse wie etwa Ernterückstände, jährige Gräser in einem integrierten Viehhaltungssystem
Essensreste oder Pflanzenteile, die nach der Verarbeitung könnte die Ernten zudem auch widerstandsfähiger gegen
der Feldfrüchte übrig bleiben, sollen zu Viehfutter verarbei- den Klimawandel machen.
tet werden. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
schätzen, dass auf diese Weise 9 bis 23 Gramm tierisches
Protein pro Person und Tag bereitgestellt werden könnten –
HANDLUNGSBEDARF VON HEUTE
bei einem täglichen Proteinbedarf von 50 bis 60 Gramm. Sie
Treibhausgasemissionen in Gigatonnen und Anteil
fanden außerdem heraus, dass diese kostengünstige Verfüt- der Fleisch- und Milchwirtschaft in Prozent
terung bei gleichzeitiger Vermeidung der Konkurrenz zwi-
schen Futter- und Lebensmittelanbau zu einer Reduktion 23 %
der Treibhausgasemissionen um 19 bis 50 Prozent führen 45 %
könnte.
Darüber hinaus könnten gute Tierhaltungspraktiken 14 %
38 Gt 23 Gt
den derzeitigen Klimafußabdruck des Viehbestands um
mehr als die Hälfte verringern. Die „adaptive Mehrweide-
haltung“ beispielsweise ist ein System, bei dem das Vieh zwi-
51 Gt 2030 2050

27 %
schen abgegrenzten Weideflächen wechselt. Es verhindert
Überweidung, fördert das Wachstum von Futtermitteln 2016 31 Gt 13 Gt
81 %
zwischen den Weidezyklen und ahmt die Bewegung von
FLEISCHATLAS 2021 / IATP, GRAIN

Weidetieren in natürlichen Systemen nach. Es hat sich ge-


Basisjahr 2016
Szenario: Erderwärmung maximal 2 Grad Celsius
Szenario: Erderwärmung maximal 1,5 Grad Celsius
Auch die industrielle Nutztierhaltung muss ihre
jeweiliger Emissionsanteil der Fleisch- und Milchindustrie
Emissionen senken. Ignoriert sie diese Aufgabe, könnte sie
2050 zum größten klimapolitischen Problemfall werden

FLEISCHATLAS 2021 23
PESTIZIDE

IN DER EU VERBOTEN,
IN SÜDAMERIKA ERLAUBT
Weltweit steigt die Verwendung von an proteinhaltigen Futtermitteln aus Soja, dessen wichtigs-
Pestiziden in der Landwirtschaft. Einige der te Anbauländer USA, Brasilien und Argentinien sind. Diese
gefährlichsten Stoffe wurden in der drei Länder gehören zu den größten Pestizidverbrauchern
überhaupt. An Herbiziden, den Unkrautvernichtungsmit-
EU bereits verboten, kommen in anderen
teln, wurden in den USA mehr als 250.000 Tonnen verwen-
Teilen der Welt aber im großen Stil zum det, in Brasilien knapp 230.000 und in Argentinien 161.000
Einsatz. Viele sind für den Anbau Tonnen, zusammen knapp 70 Prozent des Weltverbrauchs.
von Soja und Mais bestimmt, die meist Dort kommen die Agrarchemikalien in der Produktion
im Futtertrog von Nutztieren landen. zahlreicher Nutzpflanzen zum Einsatz. Das meistens zu
Futtermittel weiterverarbeitete Soja spielt eine besondere
Rolle. So sind etwa in Brasilien 52 Prozent der gesamten Pes-

S
eit 1990 hat sich der Einsatz von Pestiziden weltweit tizidverkäufe für die Anwendung im Sojaanbau bestimmt.
verdoppelt. Heute beläuft er sich auf mehr als vier Mil- Parallel zur Sojaproduktion, die sich seit 1990 fast versechs-
lionen Tonnen jährlich. Es ist purer Pestizid-Wirkstoff, fachte, werden heute in Brasilien neun Mal mehr Pestizide
umfasst also die Substanzen, die Unkräuter, Insekten oder gespritzt als vor 30 Jahren.
Pilzkrankheiten bekämpfen. Die Handelsmengen sind viel Die Zunahme des Pestizidverbrauchs in Brasilien und
größer: Um die Anwendung zu vereinfachen und die Wirk- Argentinien hängt mit der Einführung von gentechnisch
samkeit zu verbessern, werden die Pestizide mit weiteren modifizierten (GM) Sojapflanzen Ende der 1990er-Jahre zu-
Chemikalien und Wasser gemischt. Während der Einsatz sammen. Sie sind resistent gegen Glyphosat. So kann das
in vielen Ländern der Europäischen Union (EU) in den ver- Totalherbizid auch während der Wachstumsphase der Soja-
gangenen 30 Jahren stagnierte, hat er in anderen Teilen der pflanze gespritzt werden, um konkurrierende Pflanzen zu
Welt stark zugenommen. vernichten. Doch je mehr Glyphosat zum Einsatz kommt,
Dieser Anstieg beruht auch auf der weltweit wachsen- umso wahrscheinlicher wird es, dass die Unkräuter gegen
den Nachfrage nach Fleisch. Denn sie fördert den Bedarf das Herbizid resistent werden – weshalb die Landwirtinnen
und Landwirte wiederum auf größere Mengen und andere
Unkrautvernichter zurückgreifen. So ist ein Teufelskreis ent-
standen.
FLEISCHATLAS 2021 / FAOSTAT

CHEMISCHE KEULEN
Davon profitieren die Hersteller der Pestizide. Allen
Einsatz von Pestiziden, in 1.000 Tonnen
voran sind es die Unternehmen Syngenta mit Sitz in der
8.000 Schweiz, Bayer und BASF aus Deutschland sowie Corteva
4.122 und FMC aus den USA. Die fünf Konzerne kontrollieren
mehr als 70 Prozent des globalen Pestizidmarktes, dessen
7.000
Wert 2019 auf 60 Milliarden US-Dollar geschätzt wurde.
Welt
Syngenta ist Weltmarktführer und erzielt allein ein Viertel
6.000 des Branchenumsatzes.
Die Pestizide, die die fünf Konzerne verkaufen, unter-
scheiden sich in ihrer Wirkungsweise ebenso wie in ihrer
5.000
Gefährlichkeit. Zivilgesellschaftliche Organisationen schät-
zen, dass die Unternehmen 2018 zusammen 35 Prozent
4.000 ihrer weltweiten Pestizidumsätze mit den Substanzen er-
zielten, die als besonders schädlich für Menschen oder die
368
Umwelt gelten. Die Nichtregierungsorganisation Pesticide
3.000
Action Network (PAN) stuft sie als „hochgefährlich“ ein und
EU-28 408
USA stützt sich dabei auf nationale und internationale Bewer-
2.000 1.704 tungen verschiedener Behörden.
Das Geschäft dieser „CropLife-Konzerne“ mit hochge-
China
fährlichen Pestiziden läuft beim Anbau von Futtermittel-
1.000
Brasilien 377
Argentinien
173
0 Global steigt der Pestizidverbrauch nicht mehr.
1990 1995 2000 2005 2010 2015 2018 Für Hersteller bedeutet das Verdrängungs-
wettbewerb und Suche nach neuen Märkten

24 FLEISCHATLAS 2021
FLEISCHATLAS 2021 / PUBLIC EYE
DIE TOP 5 DER PESTIZID-PRODUZENTEN UND -ABNEHMER
Kombinierte Umsätze der fünf größten internationalen Pestizid-Produzenten auf ihren fünf wichtigsten Märkten,
in Millionen US-Dollar, 2018, und Anteil verkaufter bzw. gekaufter hochgefährlicher Pestizide, in Prozent

Kanada 625 Deutschland 649 Bayer Crop Science 4.600


23,0 % 12,0 %

USA 2.890 Frankreich 784 BASF 2.570

11,0 %
36,7 %
36,0 % 24,9 %

Corteva 1.850
Brasilien 3.330 Syngenta (ChemChina) 3.410

32,0 %
49,0 % Verkäufer
Anteil hochgefährlicher
FMC 971
39,2 % Pestizide

51,5 % Käufer
Anteil hochgefährlicher
*
identifizierbare Produkte der Hersteller Bayer, BASF, Syngenta (Europa) sowie Corteva und FMC (USA);
Pestizide
auf dem weltgrößten Markt China haben inländische Hersteller einen Marktanteil von 90 Prozent

Nach vielen Fusionen sind fünf global tätige


pflanzen besonders gut. Die Verwendung für Soja und Mais Pestizidhersteller übrig geblieben. Die Kleineren sind
macht fast die Hälfte aller ihrer Verkäufe an hochgefährli- vorwiegend in ihren nationalen Märkten aktiv
chen Pestiziden aus. In ihrem größten Markt Brasilien ent-
fielen sogar fast zwei Drittel auf den Sojaanbau.
Spitzenreiter war Glyphosat, das von der Internationa- Chemieprodukte – einschließlich der für Pestizide – redu-
len Agentur für Krebsforschung als „wahrscheinlich krebs- ziert werden sollen. Immerhin: Die europäische Kommis-
erregend“ eingestuft wurde. Neben der Bayer AG, die den sion will die Produktion von EU-weit verbotenen Chemi-
größten Teil ihres Glyphosatgeschäftes über den aufgekauf- kalien, darunter hochgefährliche Pestizide, für den Export
ten US-Konzern Monsanto erworben hat, vertreiben längst stoppen. Erste Erfolge: In Frankreich tritt ein solches Verbot
Hunderte andere Firmen das umstrittene Herbizid. Allein in 2022 in Kraft. Der Export aus der Schweiz wird ab 2021 ver-
Brasilien und allein für den Sojaanbau sind 246 glyphosat- schärft und für fünf Pestizide verboten.
haltige Pestizidprodukte von 50 verschiedenen Unterneh-
men zugelassen.
Es kommen auch zahlreiche andere hochgefährliche
BRISANTE CHEMIE FÜRS VIEHFUTTER
Stoffe zum Einsatz. Beliebt ist zum Beispiel Paraquat. Dieses
Pestizidumsätze und Anteile hochgefährlicher Stoffe daran,
1955 entwickelte Herbizid wurde wegen seiner hohen aku- nach Einsatzbereichen, 5 größte internationale Hersteller*,
ten Toxizität bereits in über 50 Ländern verboten, darunter in Milliarden US-Dollar und Prozent
die EU-Staaten und die Schweiz, China und seit September
36,2 %
2020 schließlich auch Brasilien. Trotzdem verkaufen es Syn-
davon 0,93
genta und andere Firmen weiterhin in Ländern, in denen
die Regulierung und ihre Umsetzung schwächer sind. Auch
die deutschen und US-amerikanischen Konzerne vertreiben
zahlreiche Pestizide, die in ihren Heimatmärkten wegen be-
5,0 51,2 %

kannter Risiken verboten sind. So verkauft die deutsche Bay- Glyphosat Atrazin
Soja Paraquat Acetochlor
er AG in Südamerika Insektizide, die innerhalb der EU verbo-
Glufosinat andere
ten wurden, weil sie für Bienen höchst giftig sind. Mancozeb
Viele dieser Pestizide werden in der EU produziert und

3,5
49,7 % 27,7 %
anschließend exportiert. Mit dem EU-Mercosur-Abkommen
FLEISCHATLAS 2021 / PUBLIC EYE

davon 0,43
könnte dieser Handel weiter zunehmen, weil die Zölle für

Mais
Bei Soja und Mais sind rund die Hälfte aller *
identifizierbare Produkte der Hersteller Bayer, BASF, Syngenta (Europa)
eingesetzten Pestizide hochgefährlich. Atrazin sowie Corteva und FMC (USA)

ist seit 2004 in der gesamten EU verboten

FLEISCHATLAS 2021 25
WASSER

DER UNSICHTBARE DURST DER


TIERE – UND IHRES FUTTERS
In allen tierischen Produkten steckt auch das den Pflanzen durch Niederschlag zur Verfügung steht.
ein Wasserfußabdruck. Dabei ist nicht die Blaues Wasser ist jenes, das im Bewässerungsanbau einge-
Gesamtmenge zu betrachten, sondern nach setzt wird. Graues Wasser meint das Volumen, das rein rech-
nerisch benötigt würde, um eingetragene Schadstoffe auf
Wasserkategorien zu unterscheiden. Grünes
ein unschädliches Maß zu verdünnen, sodass es die Grenz-
Wasser gibt es genug – auf möglichst wenig werte für die Wasserqualität einhalten könnte.
blaues und graues Wasser kommt es an. Bei dem Blick auf den Fußabdruck bei der Fleischpro-
duktion ist also entscheidend zu wissen, ob er durch grünes,

I
m Allgemeinen muss für die Produktion von Fleisch mehr blaues oder graues Wasser erzeugt wird, um beurteilen zu
Wasser eingesetzt werden als für Nahrungsmittel auf können, ob die begrenzten Wasserressourcen übernutzt
pflanzlicher Basis, also etwa Getreide oder Hülsenfrüchte. wurden. Zwar sind zwei Drittel der Erde mit Wasser bedeckt,
So ist der durchschnittliche Wasserfußabdruck pro Kalorie aber das meiste davon ist Salzwasser in den Meeren. Nur ein
bei Rindfleisch zwanzigmal größer als bei Getreide. Doch winziger Anteil von 0,4 Prozent ist Trinkwasser. Diese 0,4
Fleisch ist nicht gleich Fleisch, je nach Tierart und Haltung Prozent zirkulieren in lokalen, regionalen und globalen
unterscheidet sich der Wasserbedarf erheblich. Wasserkreisläufen und versorgen Pflanzen, Tiere und Men-
So verbraucht die Produktion eines Kilogramms Rind- schen.
fleisch im Schnitt 15.415 Liter Wasser, die des gleichen Ge- Weil Rinder in industrieller Haltung ihr Kraftfutter ef-
wichtes an Schaf- oder Ziegenfleisch fast 9.000, bei Schwei- fizienter verwerten, ist ihr Wasserfußabdruck in der Regel
nefleisch sind es 6.000 und bei Huhn 4.300 Liter Wasser. kleiner als der der Rinder aus den anderen Haltungsformen,
Insgesamt entfallen 92 Prozent des globalen Wasserfuß- etwa aus einer ökologischen Produktion, in der die Tiere viel
abdrucks auf die Landwirtschaft, 29 Prozent davon gehen Zeit auf der Weide verbringen. Allerdings stammt ihr Futter
in die Tierproduktion. Nach anderen Berechnungen nutzt häufig aus Ackerkulturen, die gewässert, gedüngt und mit
die Landwirtschaft 70 Prozent des verfügbaren Süßwassers, Ackergiften behandelt werden. Das heißt, der Fußabdruck
dreimal mehr als vor 50 Jahren. der Futterproduktion für die industrielle Tierhaltung ent-
Allerdings ist auch ein Stück Rindfleisch nicht unbedingt hält große Anteile blauen und grauen Wassers. Der Fuß-
mit einem anderen zu vergleichen. Der genaue Wasserfuß- abdruck des blauen Wassers ist beim Kraftfutter 43-mal so
abdruck hängt von dem Produktionssystem ab, aus dem groß wie beim Raufutter, beim grauen Wasser gar 61-mal so
das Fleisch stammt. Stand das Tier auf der Weide, in einem hoch. Daher ist Fleisch aus Weidehaltung dem aus industri-
gemischten System mit Pflanzenanbau, oder befand es sich eller Haltung auch deswegen in der Regel vorzuziehen, weil
in einem industriellen System mit hohen Tierzahlen pro es die Wasserressourcen schont.
Hektar, in denen über 90 Prozent des Futters zugekauft wur- Problematisch für die Ökosysteme und die Böden wird
den? Ebenso wichtig sind die Zusammensetzung und die es, wenn in trockenen Regionen blaues Wasser für den An-
Herkunft des Futters. bau von Futtermitteln genutzt und den regionalen Kreisläu-
Ein Beispiel: Bei der Berechnung für das Kilogramm fen entzogen wird. Wiederkäuer, deren Futter aus Bewässe-
Steak, das 15.455 Liter Wasser benötigt, wird davon aus- rungsanbau stammt, werden vor allem in den USA, China
gegangen, dass ein Rind etwa drei Jahre alt ist, wenn es ge- und Indien aufgezogen. Schweine aus industrieller – und
schlachtet wird. In dieser Zeit hat es 1.300 Kilogramm Kraft- damit bewässerungsintensiver – Tierhaltung stammen vor
futter aus verschiedenen Getreiden und Soja gefressen, dazu allem aus dem Nordosten der USA, Europa und China.
7.200 Kilogramm Raufutter (Gras, Heu, Silage), und 24.000 Die Folgen für Flüsse, Feuchtgebiete und den Grund-
Liter Wasser getrunken. Sein Stall musste gesäubert und wasserspiegel in diesen Regionen sind verheerend. Der
ausgespritzt werden. Das allermeiste Wasser aber, 94 Pro- UN-Welternährungsorganisation zufolge leiden beispiels-
zent, ist der Futterproduktion zuzurechnen. Bei dieser Be- weise die Mitte der USA und der Westen Chinas wegen des
rechnung muss allerdings bedacht werden: Ein Fleischrind, Bewässerungsanbaus mit Grundwasser unter versalzenden
das sein Leben in einer feuchten Region auf einer Weide Böden. Und wenn auch noch Wasserspeicher wie Brasiliens
verbracht hat, wird einen vergleichsweise großen Wasser- Wälder oder Moore rund um die Welt in Ackerland umge-
fußabdruck hinterlassen, denn die häufigen Niederschläge wandelt werden, ist die Übernutzung der Wasserressourcen
auf seiner Weide werden dem Tier angerechnet. Zudem besonders schwerwiegend.
verwendet es sein Weidefutter wenig effizient und benötigt
eine lange Zeit bis zur Schlachtreife. Daher muss der Blick
auf den Wasserfußabdruck präzisiert werden. Schweine- und Rindfleisch hinterlassen den größten
Fachleute unterscheiden zwischen grünem, blauem und blauen und grauen Wasserfußabdruck. Bei den
grauem Wasser. Grünes Wasser bezeichnet Regenwasser, Futterpflanzen sind es die eiweißreichen Hülsenfrüchte

26 FLEISCHATLAS 2021
FLEISCHATLAS 2021 / FAO, MEKONNEN ET AL.
PROBLEME IN BLAU UND GRAU
Wassereinsatz bei der Herstellung landwirtschaftlicher Produkte, globale Durchschnittswerte, nach Kategorien der Nutzung,
in Litern pro Kilogramm tierisches bzw. pflanzliches Produkt

grün: natürlich vorkommendes Regen- und Bodenwasser Eine Badewanne


blau: Grund- oder Oberflächenwasser, das entnommen, entspricht etwa
zur künstlichen Bewässerung und zur Produktion genutzt 140 Litern Wasser
und nicht mehr in ein Gewässer zurückgeführt wird
grau: Wassermenge, die bei der Herstellung verschmutzt
wird oder zur Säuberung eingesetzt werden müsste Eier 3.265

Butter 5.553

Schwein 5.988

Milch 1.020

Huhn 4.325

Schaf, Ziege 8.763

Rind 15.415

Wurzeln 387

Zuckerfrüchte 197
Gemüse 322

Ölsaaten 2.364 Getreide 1.644 Früchte 962

Hülsenfrüchte 4.055

FLEISCHATLAS 2021 27
MOORE

WIEDERVERNÄSSUNG ALS CHANCE


In vielen Teilen Europas werden Rinder auf kühe stellen hohe Anforderungen an die Qualität ihres Fut-
entwässerten Moorböden gehalten. Seit ihrer ters, besonders an dessen Energiegehalt. Intensivgrünland
Trockenlegung emittieren die Torfböden und Äcker auf Moorböden sind mit Treibhausgasemissio-
nen von 20 bis 50 Tonnen CO2-Äquivalent je Hektar und Jahr
enorme Mengen an Treibhausgasen. Die
besonders schädlich für das Klima – und meist auch ohne
klimaverträgliche Nutzung dieser Flächen zu Wert für die Biodiversität. Daher ist der CO2-Fußabdruck von
organisieren, wäre Aufgabe der Agrarpolitik. 1 Kilogramm Moor-Milch mit rund 4 Kilogramm ungefähr
fünfmal so hoch wie für Milch von Mineralböden mit etwa

M
oore haben infolge eines hohen Wasserstandes über 0,6 bis 1,5 Kilogramm. Auch für andere Milchprodukte ist
Jahrtausende Pflanzenreste zu Torf umgewandelt der CO2-Fußabdruck entsprechend höher, wenn das Futter
und speichern nun große Mengen Kohlenstoff. Doch auf entwässerten Moorböden gewachsen ist: Je Kilogramm
seit dem 17., vor allem seit dem 18. Jahrhundert wurden in Käse liegt er bei 45 statt 9 Kilogramm CO2 und je Kilogramm
Deutschland Moore für Torfabbau, Landwirtschaft und als Butter bei 97 statt 25 Kilogramm.
Siedlungsgebiete trockengelegt. Bis heute werden Moor- Der Anteil der Moorböden an der Ackerfläche ist mit
böden und andere kohlenstoffreiche organische Böden in 1 bis 2 Prozent selbst in den moorreichen Bundesländern
Deutschland zu etwa 72 Prozent landwirtschaftlich genutzt. sehr gering, aber aus klimapolitischer Sicht überpropor-
Hierfür werden die Wasserstände dauerhaft abgesenkt, Luft tional bedeutsam. Ihr Anteil an der Grünlandfläche liegt in
dringt in den Torfboden ein, Kohlenstoff oxidiert und trägt einigen Bundesländern bei bis zu 50 Prozent. Wie groß die
als CO2 zum Klimawandel bei. Abneigung der Landwirtinnen und Landwirte gegen eine
Obwohl der Anteil solcher organischen Böden an der Wiedervernässung ist, geht aus einer Befragung nordwest-
landwirtschaftlichen Fläche in Deutschland nur 7 Prozent deutscher Betriebsleitungen im Jahr 2018 hervor. Die Höhe
beträgt, ist ihre Entwässerung für 37 Prozent der Treibhaus- der Zahlungen, die notwendig wären, damit sie einer An-
gasemissionen in den Sektoren Landwirtschaft und agrari- hebung des Wasserstands auf ihren Flächen zustimmen
sche Landnutzung verantwortlich. Eine ähnliche Situation und ein Düngungsverbot akzeptieren, liegt deutlich über
findet sich in vielen anderen EU-Ländern. Die Wiederver- dem Betrag, den die Betriebe mit der jeweiligen Fläche er-
nässung von durchschnittlich nur 3 Prozent der landwirt-
schaftlichen Flächen der EU-Mitgliedsstaaten würde bis zu
25 Prozent dieser Emissionen reduzieren. Auf trockengelegten Moorflächen stehen häufig
Überwiegend produzieren auf den landwirtschaftlich Milchrinder. Deren „Moor-Milch“ ist mehrfach
genutzten Moorböden Betriebe, die Futter anbauen. Milch- CO2-intensiver als die Milch der Kühe auf anderen Weiden

ZUSAMMENHANG VON MILCH UND MOOR


Räumliche Überschneidung der Schwerpunkte von Milchproduktion und organischen Böden in Deutschland

Milchproduktion Verbreitung
in Kilogramm je Hektar von Moorböden
landwirtschaftlicher
Nutzfläche, 2018

bis 500
über 500 bis 1.500
über 1.500 bis 3.000 Fußabdruck von 1 Kilogramm Milch
über 3.000 bis 4.500 in Kilogramm CO2-Äquivalent
über 4.500
keine Angaben

4
0,6–1,5
FLEISCHATLAS 2021 / MILCHTRENDS.DE, GMC

ca.
von Mineralböden

von Moorstandorten

28 FLEISCHATLAS 2021
UNSICHTBAR KLIMASCHÄDLICH
Treibhausgasemissionen landwirtschaftlich genutzter Moorböden je EU-Land, 12 %
in Millionen Tonnen CO2-Äquivalente, 2019, und Anteile dieser Emissionen
an den gesamten landwirtschaftlichen Emissionen 62 %

Anteile im Vergleich zur gesamten Landwirtschaft, 5% Finnland


in Prozent 5%
38 %
landwirtschaftlich genutzte Moorfläche
Treibhausgasemissionen dieser Fläche
4%
Schweden 65 %
Treibhausgas- 29 %
emissionen, Estland
Millionen Tonnen 7%
0 bis 0,5 Dänemark 6%
32 %
über 0,5 bis 5
über 5 bis 20
über 20 bis 40 6% 71 %
4%
Irland
15 % Lettland
41 % 53 %
34 %
7% Litauen
Polen
3% 25 % Niederlande 37 %

4%
Deutschland 1%

FLEISCHATLAS 2021 / GMC


24 % 49 %
EU-28

Rumänien
Ungarn

Durch die Wiedervernässung von Mooren, einem nur


wirtschaften könnten. Auch wenn entwässerte Moorböden kleinen Teil der EU-Agrarfläche, kann die Emission enormer
deutschlandweit nur einen geringen Anteil an der land- Mengen klimaschädlicher Gase vermieden werden
wirtschaftlichen Fläche ausmachen, ist ein Verzicht auf ihre
Nutzung für viele dort wirtschaftende Betriebe keine Opti-
on. Eine weitere Beweidung nach der Wiedervernässung ist sollten zukünftig gefördert, Subventionen für entwässer-
nur in Randbereichen oder mit bestimmten Tieren denkbar, te Moore hingegen abgebaut werden. Für einen solchen
zum Beispiel mit Wasserbüffeln. Wandel benötigen die Landwirtschaftsbetriebe Unterstüt-
Für die Nutzung großer Moorgebiete sind also Alterna- zung – angefangen bei der individuellen Beratung über
tiven jenseits der Tierhaltung gefragt. Daher werden soge- Investitionsbeihilfen bis zur angemessenen Honorierung
nannte Paludikulturen („palus“ ist das lateinische Wort für ihrer Umwelt- und Klimaleistungen. Denn der Schutz der
Sumpf oder Morast) getestet, also Pflanzenarten, die sich für Moorböden liegt nicht in der Verantwortung der einzelnen
eine produktive Nutzung wiedervernässter Moorstandorte Landwirtinnen und Landwirte, sie ist vielmehr eine gesamt-
eignen. Rohstoffe aus Paludikultur können zur Dekarboni- gesellschaftliche Aufgabe.
sierung unserer Wirtschaft beitragen. Dazu gehören Torf-
moose, die auf ehemaligem Hochmoorgrünland kultiviert
werden und den derzeit hauptsächlich verwendeten klassi-
SPEKTRUM DER BEGEHRLICHKEITEN
schen Torf im Gartenbau ersetzen. Süß- und Sauergräser von
Weltweite Umnutzung von Moorflächen, Flächen in Millionen Hektar
Nasswiesen eignen sich als Fasern für Papier und Pappe, Ein- und Anteile in Prozent, gerundet
weggeschirr und Bauplatten. Schilf und Rohrkolben liefern 5 Torfabbau
Ausgangsmaterial für Bau- und Dämmstoffe.
1,5 Flutflächen 10 %
Über die klimaverträgliche Nutzung der Moorböden
und Reservoire 3%
und deren sozialverträgliche Umgestaltung entscheidet 25 Landwirtschaft
letztlich die Gemeinsame Agrarpolitik der EU. Wissen-
schaft und zivilgesellschaftliche Organisationen sind sich 15 Waldwirtschaft
weitgehend einig, dass die Förderpraxis eine Schlüsselrolle 50 %
30 %
FLEISCHATLAS 2021 / GEC, WI

innehat. Paludikulturen und zeitweilig überstaute Flächen


5%
2%
2 Urbanisierung
Rund 50 Millionen Hektar Moorlandschaft sind
und Infrastruktur 1 sonstige
bisher menschlichen Aktivitäten zum Opfer gefallen.
Der größte Teil wurde zu Äckern, Wiesen und Weiden

FLEISCHATLAS 2021 29
ANTIBIOTIKA

ZU VIEL DAVON IM TIERSTALL – UND


EINE GEFAHR FÜR DIE MENSCHEN
Antibiotika helfen bei vielen Erkrankungen. ellen Tierhaltung mit routinemäßigem Antibiotikaeinsatz.
Das große Problem: Erreger in Menschen Marktanalysen für Pharmaunternehmen zeigen, dass der
und Tieren können gegen Antibiotika Weltmarkt für Tierarzneimittel in den vergangenen Jahren
um 5 bis 6 Prozent jährlich gewachsen ist. Wenn Regierun-
resistent werden, eine tödliche Gefahr. Doch
gen nicht regulierend eingreifen, erwartet die Wissenschaft
in der Nutztierhaltung werden sie noch einen Anstieg des Antibiotikaverbrauchs bei Nutztieren um
immer nicht sparsam genug eingesetzt. 67 Prozent bis 2030 im Vergleich zu 2010.
Bakterien passen sich fortlaufend an. Sie entwickeln Re-

D
ie weltweite Krise infolge der Covid-19-Pandemie sistenzgene, die sie auch artübergreifend an andere Bakte-
zeigt, wie gefährlich es wird, wenn wirksame Medika- rien weitergeben können. Besonders problematisch ist das
mente für kranke Menschen fehlen. Eine ähnlich glo- bei Zoonosen – also Erregern, die sowohl Tiere wie Men-
bale Gesundheitskrise, an deren Folgen schon heute jedes schen besiedeln und daher Resistenzen aus dem Tierreich
Jahr 700.000 Menschen sterben, haben Resistenzen gegen auf den menschlichen Körper übertragen können.
Antibiotika ausgelöst. Immer öfter ist die Wirkung dieser Resistenzen in Tierhaltungen nehmen in vielen Ländern
Medikamente gegen Bakterien eingeschränkt, weil sie über- seit der Jahrtausendwende deutlich zu. An erster Stelle ste-
mäßig und falsch angewendet wurden und die Krankheits- hen derzeit Nordostchina und Nordostindien, aber auch
erreger widerstandsfähig geworden sind. Die Weltgesund- die Zahlen in Brasilien und Kenia steigen schnell. Die WHO
heitsorganisation (WHO) weist seit Jahren darauf hin, dass warnt, dass eine übermäßige und missbräuchliche Verwen-
diese Resistenzen sich immer weiter ausbreiten. dung von Antibiotika bei Nutztieren die Handlungsfähig-
Umso schwerer wiegt, dass 73 Prozent aller weltweit ver- keit der Humanmedizin zunehmend bedroht. Denn in der
kauften Antibiotika für Tiere genutzt werden und nicht für Tierhaltung werden die Bakterien gegen die Antibiotika
kranke Menschen. Weltweit wächst der Anteil der industri- resistent, die bei Menschen regelmäßig zur Behandlung von
Infektionskrankheiten eingesetzt werden.
Besonders problematisch ist der Einsatz von sogenann-
ten Reserveantibiotika. Der WHO zufolge sollen diese Not-
KEIMZEIT IM FLEISCHREGAL
fall-Antibiotika dem Menschen vorbehalten sein, wenn an-
Gegen Antibiotika und Reserveantibiotika resistente Erreger
auf Hähnchenfleisch dreier marktführender EU-Fleischkonzerne, dere Antibiotika nicht mehr wirken. Laut EU-Behörden aber
Zahl der Proben und Ergebnisse in Prozent, 2020 steigt ihr Einsatz in der Tierhaltung in einigen EU-Ländern
weiter. Fachleute weltweit, auch in der EU, drängen darauf,
Anzahl der Proben diese Mittel bei Lebensmittel-Tieren zu verbieten.
ohne Keime, die gegen Antibiotika resistent sind Einer Studie der Organisation Germanwatch zufolge
mit Keimen, die gegen Antibiotika und Reserve-
fanden sich auf 51 Prozent der Hähnchenfleischproben
antibiotika aus der Gruppe der Chinolone resistent sind
führender europäischer Geflügelkonzerne aus fünf EU-Län-
dern Krankheitserreger mit Antibiotikaresistenzen. Auf 35
54 56 55 165 Prozent der Laborproben waren es sogar Erreger, die gegen
Reserveantibiotika resistent sind. Die Krankheitserreger
können also auch diese letzten Mittel unwirksam machen.
Das Fleisch der Geflügelkonzerne schleppt die resistenten
41 %
43 % Krankheitserreger in die Lebensmittelkette ein – bis in die
PHW-Gruppe, 49 %
64 % Küchen der Verbraucherinnen und Verbraucher. Menschen
Deutschland,
u. a. „Wiesenhof“ zusammen können multiresistente Erreger bei der Zubereitung und
beim Verzehr des rohen Fleisches aufnehmen. Die resisten-
Plukon-Gruppe,
12 % Niederlande,
ten Keime können schwere Infektionen auslösen, gegen die
26 % u. a. „Friki” kaum noch ein Antibiotikum wirkt. Oder die Resistenzgene
16 %
45 % bleiben im Darm und können bei einer Antibiotikabehand-
FLEISCHATLAS 2021 / GERMANWATCH

LDC-Gruppe, 11 % lung des Menschen wegen einer anderen Infektion die ein-
Frankreich, u. a. gesetzten Mittel wirkungslos machen.
33 % „Le Gaulois“ 35 %
25 %

Jede zweite Hähnchenfleischprobe ist mit antibiotika-


resistenten Krankheitserregern belastet. In einem Drittel der
Fälle sind diese sogar gegen Reserveantibiotika gewappnet

30 FLEISCHATLAS 2021
VERHÄNGNISVOLLE MILLIGRAMM
Antibiotikaverbrauch für 1 Kilogramm Fleisch in elf großen Erzeugerstaaten
in Milligramm pro Kilogramm Nutztier, 2017/18
33
Großbritannien 39
Dänemark 89
141 Deutschland
Kanada
56
165
Niederlande
Polen

172
230 90
USA
69
274 Rumänien
Spanien
Frankreich Italien China: keine Angaben

Prognose des Antibiotikaverbrauchs weltweit im Jahr 2030

FLEISCHATLAS 2021 / NRDC, WALLINGA ET AL., GUGLIELMI


und Möglichkeiten, ihn zu senken, in Tonnen
Verbrauch 2020, geschätzt 160.000

Verbrauch 2030 ohne politische Interventionen 200.000

Limit von 50 Milligramm Antibiotika pro Kilogramm tierische Produkte *


81.000

Fleischverbrauch maximal 165 Gramm/Tag 157.000

50 Prozent Steuer auf Antibiotika 138.000

alle Maßnahmen kombiniert 40.000


*
nur für die Industrieländer der OECD und für China berechnet

Die EU-Kommission will den Antibiotika-


Besonders häufig sind die Beschäftigten in Ställen und verbrauch bei Tieren bis 2030 halbieren.
Schlachthöfen, Tierärzte und -ärztinnen sowie Menschen in Dafür schlagen Fachleute Maßnahmen vor
Regionen mit höherer Tierdichte von resistenten Erregern
befallen. In Ställen ist die Gefahr mehr als 100-mal so hoch
wie in demselben Umfeld ohne Tierkontakt. Zu den mise- lien, ist ihr Einsatz zur Leistungssteigerung erlaubt. Die Tie-
rablen Arbeitsbedingungen für Beschäftigte in Schlachthö- re verwerten ihr Futter besser und nehmen schneller zu; in
fen, die im Zuge der Corona-Krise offenbar geworden sind, der EU ist diese Anwendung verboten. Human- und Veteri-
kommen also noch überdurchschnittliche Gesundheitsbe- närärztinnen und -ärzte sowie Verbraucherschutz- und Um-
lastungen durch resistente Erreger. weltverbände weltweit fordern bessere Tierschutzgesetze,
Seit 2007 ist keine neue Antibiotikaklasse gegen Infek- ein Verbot der Reserveantibiotika im Stall und hohe Abga-
tionen bei Menschen und Tieren auf den Markt gekommen. ben auf andere Antibiotika, damit Tierschutz mit möglichst
Es gibt also keine neuen Wirkungsmechanismen oder Wirk- wenig Antibiotika für die Landwirtschaft attraktiver wird.
stoffe. Im Gegenteil: Der Patentschutz für viele Antibiotika
ist ausgelaufen, und die Medikamente sind für wenig Geld
verfügbar. Aus unternehmerischer Sicht lohnt es sich nur,
SKRUPELLOSE ANWENDUNG
Reserveantibiotika und neue Antibiotika zu erforschen und
Einsatz von Antibiotika in den USA, 2017 (Menschen), 2018 (Tiere),
herzustellen, wenn davon möglichst viel verbraucht wird. in Prozent
Die Marktlogik widerspricht daher dem Ziel, die Wirksam-
Menschen
keit der vorhandenen Mittel möglichst lange zu erhalten, 2,4 %
Rinder
indem man sie nur im Notfall einsetzt. Schweine 9,4 %
Antibiotika senken die Kosten der Tierproduktion auf Hühner 2,8 % 22,0 %
vielfältige Weise. Sie können Missstände bei Hygiene, Hal- Truthühner
tung und Betreuung des Viehs kurzfristig überdecken und andere Tiere 22,7 %
verursachen dennoch nur ein bis drei Prozent der gesamten 37,3 % 17,0 %
Erzeugungskosten. In einigen Ländern, darunter auch Brasi-
FLEISCHATLAS 2021 / NRDC

nicht medizinisch
begründet* 40,7 %
16,0 %
1,7 % 1,5 % medizinisch
4,5 % begründet
Fast die Hälfte der Antibiotika, die Tiere in den
USA erhalten, dienen nicht der Behandlung, sondern *
z. B. Prophylaxe für ganze Herden, Einsatz in der Tiermast

der Prophylaxe – oder als Mastbeschleuniger

FLEISCHATLAS 2021 31
PANDEMIEN

GEFÄHRLICHE KONTAKTE
Viehzucht und Fleischverzehr sind eine zentrale Rolle. Untersuchungen haben ergeben, dass
Ursachen für den Ausbruch von Krankheiten, fast 75 Prozent der verschiedenen bekannten Zoonosen von
die von Wildtieren auf Menschen Wildtieren stammen, beispielsweise durch den Konsum
ihres Fleisches. Da immer mehr Flächen für die landwirt-
übergehen. Solche Zoonosen können
schaftliche Produktion genutzt und so die Lebensräume von
katastrophal sein – wie im Fall von Covid-19. Wildtieren zerstört werden, überschneiden sich die Lebens-
räume von Wildtieren und Menschen zunehmend. So steigt

D
ie internationale Organisation für Tiergesundheit die Gefahr, sich bei infizierten Tieren anzustecken. Auch
(OIE) schätzt, dass 60 Prozent aller beim Menschen Zwischenwirte wie Zecken oder Mücken spielen eine Rol-
existierenden Infektionskrankheiten Zoonosen sind, le. Der Anteil von Zoonosen an menschlichen Krankheiten
also Krankheiten, die von Tieren auf Menschen übertragen wird sich mit steigender Weltbevölkerung und veränderten
werden und umgekehrt. Sie verursachen etwa 2,5 Milliar- Konsummustern hin zu mehr Fleisch noch erhöhen, wenn
den Krankheitsfälle bei Menschen – von der Malaria- bis zur nicht politisch umgesteuert wird.
Covid-19-Infektion – und 2,7 Millionen Todesfälle jedes Jahr. Ein Beispiel für den Zusammenhang zwischen Umwelt-
Eine der wohl bekanntesten zoonotischen Infektions- zerstörung und Zoonosen ist der gut untersuchte Ausbruch
krankheiten ist die Tollwut. In Deutschland kommt sie seit des Nipah-Virus in Malaysia. Brandrodung und eine starke
einigen Jahren nicht mehr vor, in vielen anderen Ländern Dürre in Indonesien vernichteten von August bis Oktober
der Welt hingegen schon. Viele solcher Krankheiten sind 1997 etwa fünf Millionen Hektar Wald. Die riesigen Rauch-
aber erst vor Kurzem aufgetreten, wie die Vogelgrippe, das schwaden verhinderten, dass in Malaysias Wäldern ausrei-
Schwere Akute Respiratorische Syndrom (SARS, auch Atem- chend Blüten und Früchte gedeihen konnten. Flughunde,
wegssyndrom), das West-Nil-Virus, der „Rinderwahn“ (BSE) die das Nipah-Virus in sich trugen, suchten jetzt in Mango-
oder eben Covid-19. Der Ursprung dieser Infektion wird auf farmen nach Nahrung. Das Virus wurde dort entweder
dem Wildtiermarkt der chinesischen Stadt Wuhan vermu- durch ihren Speichel oder ihren Urin auf die Hausschwei-
tet, wo das Virus durch den Konsum von Wildfleisch auf den ne übertragen, die ebenfalls Mangos fraßen. Die Schweine
Menschen übergesprungen sein soll. wiederum infizierten Bauern und Bäuerinnen, die an einer
Bei der Übertragung von Zoonosen auf den Menschen Enzephalitis erkrankten. Diese Gehirnentzündung verur-
spielen die Umstände von Fleischproduktion und -konsum sachte Hunderte von Todesfällen, die Sterblichkeitsrate lag
bei etwa 40 Prozent.
Stärkere Präsenz der Menschen, Verkleinerung der
Lebensräume von Wildtieren und eine größere Zahl an
CHRONOLOGIE DER TIER-ZU-MENSCH-SEUCHEN
Nutztieren: Diese drei Faktoren machen die Übertragung
Entdeckung oder erster großer Ausbruch von bekannt
gewordenen Zoonosen, Ausgangstiere und Überträger von Infektionskrankheiten von Tieren auf Menschen wahr-
scheinlicher. Einer im Wissenschaftsmagazin Nature ver-
1878 Geflügelpest (HPAI) Vögel öffentlichten Recherche zufolge können Rodungen oder
Affen
1920er-Jahre Acquired Immune Deficiency Syndrome (AIDS) Trockenlegungen von Flächen für die Landwirtschaft sowie
die landwirtschaftliche Produktion mit mehr als 25 Prozent
1931 Infektiöse Bronchitis Geflügel
aller Infektionskrankheiten und mehr als 50 Prozent aller
1937 West-Nil-Fieber Vögel, Pferde zoonotischen Infektionskrankheiten beim Menschen in Ver-
1947 Zikafieber Affen, dann Mücken bindung gebracht werden.
Auch die industrielle Nutztierhaltung erhöht das Risiko
1976 Ebolafieber Fledertiere, Affen
Rinder, Schafe der Übertragung. Während sich die Weltbevölkerung in
1986 Rinderwahn (Bovine spongiforme Enzephalopathie, BSE) den vergangenen 50 Jahren verdoppelt hat, nahm die glo-
1994 Hendravirus-Infektion Flughunde, Pferde bale Fleischproduktion um mehr als das Dreifache zu. In
Flughunde, Haustiere Tierzahlen heißt das, dass im Jahr 2017 weltweit etwa 1,5
1997 Vogelgrippe (H5N1), eine Form der Geflügelpest Milliarden Rinder, eine Milliarde Schweine, fast 23 Milliar-
1998 Nipahvirus-Infektion Flughunde, Haustiere den Geflügeltiere sowie mehr als 2 Milliarden Schafe und
Fledertiere, dann Schleichkatzen
Ziegen gehalten wurden, vielfach in Gruppen von vielen
Zehntausend Tieren auf engem Raum.
FLEISCHATLAS 2021 / UNEP, WIKIPEDIA

2003 Schweres akutes Atemwegssyndrom (SARS)


vermutlich Fledertiere, dann Dromedare vermutlich Die Weltgesundheits- und die Welternährungsorga-
2012 Nahost-Atemwegssyndrom (MERS) Fledertiere, nisation der Vereinten Nationen warnen schon seit Jahren
Ferkel
2016 Akutes Diarrhoe-Syndrom der Schweine (SADS)
Wildtiere, noch unbestimmt
2019 Coronavirus-Krankheit-2019 (Covid-19) Nicht bei allen Zoonosen ist klar, von
welchem Tier das auslösende Virus
stammt und ob es Zwischenträger gab

32 FLEISCHATLAS 2021
WO DIE ZOONOSEN DROHEN
Risiko der Entstehung von für Menschen gefährliche Krankheiten, die von Wildtieren ausgehen, geografische Verteilung der Hotspots

hohes
Risiko

FLEISCHATLAS 2021 / UNEP


niedriges
Risiko

Wenn viele Menschen und viele Nutztiere auf Erreger


vor Pandemien im Zusammenhang mit industrieller Tier- stoßen, die von Wildtieren stammen, ist das
haltung – vor allem von Geflügel und Schweinen. Besonders Risiko eines infektiösen Krankheitsausbruchs hoch
problematisch sind intensive Tierhaltungssysteme, in de-
nen die genetische Vielfalt der Tiere sehr gering ist. Dringt
in diese Systeme ein Virus ein, kann es sich leicht ausbreiten, auch in dem internationalen Handel mit Geflügel eine Ge-
weil es auf einen Schlag viele passende Wirtszellen findet. fahr, ebenso in den Infektionen in Geflügelbetrieben. Die
Ein enger Kontakt schafft dann auch für den Menschen ein Viren gelangen von dort in die Natur und werden dann auf
hohes Risiko. Wildvögel übertragen.
Außerdem trägt der Handel sowohl mit lebenden Tieren Wie gefährlich die Vogelgrippe ist, hängt einerseits vom
als auch Fleischprodukten potenziell zur globalen Verbrei- Erreger ab, andererseits vom Kontakt der Menschen mit
tung von Zoonosen bei. Die der UN zuarbeitende wissen- krankem oder verendetem Geflügel. An der Vogelgrippe
schaftliche Arbeitsgruppe für aviäre Influenza bei Wild- mit ihrem Erreger H5N1 erkrankten seit 2003 weltweit rund
vögeln ist überzeugt, dass die Vogelgrippe-Viren nicht nur 850 Menschen, von denen etwa 450 starben, also mehr als
durch Wild- und Zugvögel übertragen werden. Sie sieht die Hälfte. Wenn aber auch die Infektion von Mensch zu
Mensch hinzukommt, drohen Millionen Tote. Spätestens
die Covid-19-Infektion hat gezeigt, was bisher oft übersehen
Infektionen, die von Wildtieren auf Menschen übertragen wurde: Um das Risiko künftiger Pandemien zu verringern,
werden, lassen sich auf wiederkehrende Umstände muss die Biodiversität unseres Planeten geschützt und die
zurückführen – allerdings sind sie unterschiedlich wichtig industrielle Tierhaltung umgebaut werden.

MEHR ÄCKER UND WEIDEN, MEHR INFEKTIONEN


Hauptgründe für die Verbreitung von Zoonosen in 183 dokumentierten Fällen, 1940 bis 2004

„Bushmeat“: habitatnaher Verzehr des andere geänderte Landnutzung:


Fleisches wilder und exotischer Tiere Expansion von Agrar-
flächen, Urbanisierung,
Zusammenbruch des öffentlichen Gesundheitswesens: 7% Entwaldung, Fragmentie-
Wegfall von Behandlungen und Vorsorgemaßnahmen 3% 31 % rung der Landschaft
3%
Bevölkerungsentwicklung und menschliches
Verhalten: Siedlungen und Wege in Wildtiernähe 4%
Landwirtschaft:
Klima und Wetter: vorteilhafte Bedingungen für die 6% Tierweiden in der
Verbreitung von Erregern in Trägern und Zwischenträgern Nähe von Wäldern
und Sümpfen,
7%
Krieg und Hunger: Flucht in den Wald, 15 % Herdeninfektionen,
FLEISCHATLAS 2021 / LOH ET AL.

Kämpfe und Nahrungssuche dort, Folge durch Zäune ver-


von Verwundungen und Hungerschwäche 11 % änderte Wildtier-
13 % habitate
Anfälligkeit des Menschen für Infektionen: mangelhafte sani-
täre Anlagen, Übervölkerung in abgelegenen Industriesiedlungen. Internationales: Ausfuhr von Lebend-
Durch Antibiotika-Einsatz genetische Auslese resistenter Erreger wildtieren und Wildtierprodukten

FLEISCHATLAS 2021 33
JUGENDUMFRAGE

WENIGER FLEISCH, MEHR FUTURE


Im Vergleich mit der Gesamtbevölkerung scher oder veganer Ernährung sind keine Unterschiede aus-
ernähren sich doppelt so viele 15- bis zumachen. Fleischkonsum ist keine Stadt-Land-Frage – und
29-Jährige vegetarisch oder vegan. Für auch kein Ost-West- oder Nord-Süd-Thema.
Stattdessen ist auffallend, wie stark der Fleischkonsum
viele junge Erwachsene ist der Verzicht auf
mit politischen Einstellungen verknüpft ist. Wer wenig
Fleisch ein politisches Statement. Fleisch konsumiert, ist umwelt- und insbesondere ernäh-
rungs- und tierschutzbewusster. Bei den Veganern und Ve-

D
as Ziel, den Konsum tierischer Produkte um bis zu 50 ganerinnen sehen sich 75 Prozent als Teil der Klimaschutz-
Prozent zu verringern, ist entscheidend für eine nach- bewegung, bei den Vegetariern und Vegetarierinnen fast
haltige Ernährung. Auf dem Weg dorthin ist der Blick 50 Prozent; bei den Omnivoren und Omnivorinnen sind es
auf die Ernährung der jungen Generation besonders wich- nur 15 Prozent. 42 Prozent der Menschen, die sich vegeta-
tig. Exklusiv für den Fleischatlas wurden daher 1.227 junge risch ernähren und sogar 63 Prozent derjenigen, die vegane
Deutsche im Alter von 15 bis 29 Jahren im Oktober 2020 zu Ernährung bevorzugen, engagieren sich gegen Lebensmit-
diesem Thema interviewt. Die Onlineumfrage ist hinsicht- telverschwendung; bei denen, die nicht verzichten, nur 29
lich des Geschlechts, der Region und Bildung repräsentativ. Prozent. Bei den Vegetariern und Vegetarierinnen lehnen
Die Ergebnisse zeigen: Fleischverzicht liegt bei den Ju- 92 Prozent die Arbeitsbedingungen in der Fleischwirtschaft
gendlichen und jungen Erwachsenen im Trend. 10,4 Pro- ab, 96 Prozent sind es bei denen, die sich vegan ernähren, 64
zent ernähren sich vegetarisch, 2,3 Prozent vegan. Zusam- Prozent bei denen, die alles essen.
men verzichten damit knapp 13 Prozent auf Fleisch – rund Ganz offensichtlich ist der Fleisch- oder Nicht-Fleisch-
doppelt so viele wie in der Gesamtbevölkerung. Insgesamt konsum heute ein stark politisches Thema, keine private
steigt ihre Zahl an: Vor zehn Jahren lag sie bei 4,3 Prozent, „Geschmacksfrage“. Anhängerinnen und Anhänger der
heute nach verschiedenen Studien bei etwa 6 Prozent. Die vegetarischen und veganen Ernährung sind deutlich nach-
Bewegung „Fridays for Future“ und ihr Umfeld sind damit haltigkeitsorientierter und sehen sich auch selbst als Pio-
zu einem wichtigen Treiber für pflanzlich dominierte Er- niergruppe eines zukunftsfähigen Ernährungsstils. Die
nährungsstile geworden. Rund ein Drittel derjenigen, die Vertreter und Vertreterinnen der veganen Ernährung sind
sich vegetarisch oder vegan ernähren, haben erst im ver- darüber hinaus besonders stark an Ernährung interessiert,
gangenen Jahr auf fleischfrei umgestellt. diejenigen der Gruppe, die alles essen, deutlich weniger.
Zur Verringerung des Fleischkonsums trägt auch der Große Unterschiede gibt es bei der Frage nach der Zu-
Anteil der Flexitarier und Flexitarierinnen bei, der bei den kunft der Tierhaltung insgesamt: 96 Prozent aller Anhänger
jungen Menschen rund 25 Prozent beträgt. Sie essen nur der veganen und 49 Prozent der vegetarischen Ernährung
manchmal Fleisch, vor allem in Gemeinschaft, und dann sol- würden die Nutztierhaltung am liebsten abschaffen. Bei de-
ches, von dem sie wissen, wo es herkommt. Von denen, die nen, die sich flexibel ernähren, sind dies nur 15 Prozent und
Fleisch essen, wollen 44 Prozent künftig den Konsum redu- bei denen, die auf nichts verzichten, 4 Prozent.
zieren. Bei rund der Hälfte dieser Generation ist die Reduk- Was diese Generation eint, ist die Ablehnung der heuti-
tionsbotschaft also angekommen, auch wenn es ihr nicht gen Form der Tierhaltung. Fast niemand findet sie in Ord-
leichtfällt: Selbst von denen, die sich vegetarisch ernähren, nung. Und die in der Landwirtschaft zum Teil geäußerte Po-
gibt rund die Hälfte an, dass ihnen Fleisch gut schmeckt. sition, man solle die Tierhaltung noch effizienter machen,
Umgekehrt sind Geschmack, Grill-Leidenschaft und das Ge- also Kühe sollten noch mehr Milch geben, Schweine und
fühl, dass Fleisch besonders satt macht und gesund sei, Trei- Hühner noch schneller gemästet werden, um das Klima zu
ber eines hohen Fleischkonsums. schützen, wird fast durchgängig abgelehnt.
Wer gehört zu denen, die sich vegetarisch oder vegan Die jungen Menschen sehen den Staat in der (Mit-)Ver-
ernähren? Rund 70 Prozent in beiden Gruppen sind Frau- antwortung für eine nachhaltige Ernährung. Entsprechend
en, zudem sind die Jüngeren etwas stärker vertreten. Unter findet sich eine deutliche Zustimmung zu vielen, allerdings
den Studierenden gibt es etwas mehr Veganer und Vega- nicht zu allen abgefragten Politikinstrumenten, die einen
nerinnen, unter denjenigen mit Berufsausbildung etwas nachhaltigen Konsum unterstützen könnten. Sie befür-
häufiger Omnivoren und Omnivorinnen, also Menschen, worten eine Klimakennzeichnung von Lebensmitteln und
die nicht auf Fleisch und tierische Produkte verzichten und strengere Tierschutzgesetze – ebenso, Containern zu zulas-
grundsätzlich alles essen. Wer sich für Technik und Hand- sen und ein Tierschutzlabel zur Pflicht zu machen. Ein obli-
werk interessiert, isst tendenziell mehr Fleisch. Insgesamt gatorischer „Veggie Day“ wird kritischer gesehen.
gibt es aber nur erstaunlich geringe Unterschiede bei den Weitere Grafiken zur Jugendumfrage auf den folgenden Doppelseiten.
soziodemografischen Merkmalen. Auch eine Spaltung zwi-
schen Stadt und Land hat die Umfrage nicht ergeben. Kleine
Unterschiede zeigen sich nur für die Gruppe derjenigen, die Der Schulstreik hat Millionen junger Menschen geprägt.
sich flexibel ernähren, also nur manchmal Fleisch essen – sie Neue Präferenzen zeigen sich beim Wunsch
sind in den Metropolen etwas stärker vertreten. Bei vegetari- nach klimabewusster Ernährung und engagiertem Staat

34 FLEISCHATLAS 2021
FLEISCHATLAS 2021 / ZÜHLSDORF
JUNG UND KRITISCH
Umfrage unter 15- bis 29-Jährigen über Klimaproteste, Ernährung und Tierhaltung

„Fridays for future 26,2 % 24,4 % 23,4 % 12,5 % 13,5 %


ist eine wichtige
Bewegung.“ 4,5 % 12,3 % 30,3 % 21,3 % 31,7 %

stimme voll und ganz zu teils, teils lehne eher ab


stimme eher zu lehne ganz und gar ab
„Da mache ich mit.“

2,3 % 1,9 % 2,4 % 1,4 %

10,4 % 9,7 % 8,7 %


18,6 %

„Ich gehöre zu den ...“


25,7 % 18,6 % 27,0 % 26,5 %

61,7 % 60,9 % 60,9 % 62,3 %


Veganer/innen
Vegetarier/innen
Flexitarier/innen
Omnivor/innen alle 15- bis 19-Jährige 20- bis 24-Jährige 25- bis 29-Jährige
(15- bis (Jahrgang 2001 (Jahrgang 1996 (Jahrgang 1991
29-Jährige) bis 2005) bis 2000) bis 1995)

Frauen 37,7 % 30,6 % 29,6 %


40,5 %
Männer 59,5 % 62,3 % 69,4 % 70,4 %

Omnivor/innen Flexitarier/innen Vegetarier/innen Veganer/innen

3,9 %
„Ich ernähre mich so ...“ Omnivor/innen 6,6 % 89,3 %

Flexitarier/innen 35,3 % 42,5 % 22,1 %


seit diesem Jahr
seit einigen Jahren Vegetarier/innen 29,8 % 37,9 % 32,3 %
seit vielen Jahren,
schon immer Veganer/innen 28,6 % 39,3 % 32,1 %

3,3
„Es sollte staatliche
6,1 Werbekampagnen Flexitarier/innen
geben, um den Fleisch-
„Der Staat soll die 27,1 % 49,0 %
32,9 konsum zu reduzieren.“
Menschen unterstützen, 19,3
sich klimafreundlicher %
zu ernähren.“
1,1 Omnivor/innen
38,5 3,4
15,3 69,7 % 46,2 %
stimme voll und ganz zu
stimme eher zu 39,6 Vegetarier/innen
teils, teils „Die Politik sollte dafür %
lehne eher ab sorgen, dass Lebens- Veganer/innen
mittel umweltgerecht 40,5
lehne ganz und gar ab
erzeugt werden.“
stimme voll und ganz zu, stimme eher zu
Differenzen durch Rundung

FLEISCHATLAS 2021 35
PRODUKTION IN DEUTSCHLAND

RABIATER STRUKTURWANDEL
Die Zahl der Tierhaltungen in Deutschland In Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen werden
sinkt seit Jahrzehnten – und zwar schnell. rund 60 Prozent aller Schweine und Hühner, in Bayern und
Finanzkräftige Betriebe vergrößern Niedersachsen fast 50 Prozent aller Rinder und Milchkühe
gehalten. Die Bestände pro Betrieb sind sehr unterschied-
dagegen ihre Bestände noch. Bei der
lich. Ein Beispiel: In Niedersachsen hält ein durchschnitt-
Verteilung der Tiere und beim Ökoanteil licher Betrieb etwa 95 Kühe, in Bayern sind es nur 42. Mehr
unterscheiden sich die Regionen stark. als 40 Prozent der bayrischen Milchkühe leben dabei in An-
bindehaltung, die aus Sicht des Tierschutzes nicht zu akzep-

D
ie Nutztierhaltung ist ein wichtiges Standbein der tieren ist.
deutschen Landwirtschaft. Ihr Anteil an den erzeug- In Ostdeutschland hat die Nutztierhaltung eine gerin-
ten Waren und Dienstleistungen des Agrarsektors lag gere Bedeutung als im Westen. Es gibt mit 64 GVE je 100
in den vergangenen zehn Jahren konstant zwischen 45 und Hektar weniger Tiere pro Fläche als in den westdeutschen
50 Prozent. In der EU nimmt Deutschland die Spitzenposition Bundesländern mit ihren 128 GVE. Im Durchschnitt werden
bei der Erzeugung von Schweinefleisch und Milch ein und jedoch in den neuen Ländern pro Betrieb von allen Arten
erreicht Marktanteile von 21 beziehungsweise 20 Prozent. deutlich mehr Tiere gehalten. So leben dort über 90 Prozent
Bei Rindfleisch und Eiern liegt es mit 15 beziehungsweise 12 der Schweine in Beständen von mindestens 200 GVE, also
Prozent nach Frankreich auf Platz zwei, bei Geflügelfleisch beispielsweise 1.400 Mastschweinen oder 660 Sauen. Solche
mit 12 Prozent nach Polen und Frankreich auf Platz drei. hohen Zahlen pro Betrieb werden in den alten Bundeslän-
Zudem ist Deutschland ein Exportland für Fleisch. Es pro- dern bei Weitem nicht erreicht.
duziert 16 Prozent mehr, als im Inland konsumiert wird. Bei Die gesamte deutsche Nutztierhaltung durchläuft seit
Schweinefleisch liegt der Wert sogar bei 19 Prozent. Jahren einen enormen Strukturwandel. Während die Tier-
Je nach Region werden die Tierbestände unterschiedlich bestände abnehmen, hält eine immer geringere Anzahl an
konzentriert gehalten. Gemessen wird in Großvieheinhei- Betrieben zunehmend größere Viehbestände. Beispiel Rin-
ten (GVE) pro 100 Hektar; eine GVE entspricht einer Lebend- der und Milchkühe: Von 2010 bis 2020 sank die Zahl der Rin-
masse von 500 Kilogramm, so viel wie ein ausgewachsenes der um knapp 11 Prozent, die der Milchkühe um 5 Prozent.
Rind, etwa sechs ausgewachsene Mastschweine oder 320 Im gleichen Zeitraum gaben rund 35.000 Betriebe die Hal-
Legehennen. Bei der Tierdichte liegt Deutschland im EU- tung von Milchkühen auf, während die durchschnittliche
Vergleich im oberen Drittel. Mit 109 GVE je 100 Hektar ist Herdengröße von 45 auf 68 Kühe stieg.
Deutschland jedoch weit von der Spitzenposition der Nie- Bei der Schweinehaltung ist der Strukturwandel noch
derlande mit 380 GVE entfernt. Die Tierbestände sind zu- deutlicher. Zwar gingen die Schweinebestände in Deutsch-
dem in Deutschland sehr unterschiedlich verteilt: Regionen land um knapp 4 Prozent zurück, die der Zuchtschweine
in Niedersachsen oder Nordrhein-Westfalen erreichen Wer- allerdings um etwa 21 Prozent. Die Zahl der Mastschweine
te wie in den Niederlanden, in anderen wie der Uckermark blieb jedoch konstant. Die zur Mast benötigten Ferkel wer-
in Brandenburg gibt es nur sehr wenig Vieh. den also zunehmend nicht mehr in Deutschland produziert.
Bereits 2018 stammten 20 Prozent der in Deutschland ge-
mästeten Ferkel aus Importen. Immer mehr Betriebe haben
diesen Produktionszweig aufgegeben. Die Folge ist ein star-
DIE MENGE IST DAS ZIEL
ker Konzentrationsprozess mit immer größeren Beständen.
Zahl der Betriebe mit Masthühnern und Anzahl Masthühner,
Index 1999 = 100 So stieg die Tierzahl pro Betrieb bei Zuchtschweinen von
142 auf 256, bei Mastschweinen ab 50 Kilogramm von 398
200 190 auf 653. Bedenklich ist, dass die Zahlen bei Schweinen gera-
de in Nordrhein-Westfalen und Niedersachen so gestiegen
sind, wo die Konzentration bei der Tierhaltung ohnehin
150 schon sehr hohe Werte erreicht.
Auch die Geflügelhaltung spielt in Deutschland eine grö-
Masthühner ßere Rolle, vor allem die von Legehennen für Eier und Hähn-
100
chen zur Geflügelfleischerzeugung. Die Haltung von Scha-
fen lässt hingegen deutlich nach. Seit 2010 sank ihre Zahl um
25 Prozent. Insbesondere ihre Haltung als Weidetiere gestal-
FLEISCHATLAS 2021 / THÜNEN

50
28 tet sich aus vielen Gründen zunehmend problematisch.
Betriebe
0
1999 2003 2007 2010 2013 2016 In nur 17 Jahren hat sich der Mast-
keine jüngeren Daten verfügbar hühnerbestand nahezu verdoppelt, während
fast drei Viertel der Betriebe aufgaben

36 FLEISCHATLAS 2021
FLEISCHATLAS 2021 / DESTATIS, LUCKMANN
DIE KLEINEN VERSCHWINDEN
Rückgang von Tierhaltungen in landwirtschaftlichen Betrieben, 2020 gegenüber 2010

aufgegebene Betriebe und Haltungen, -2.200


in Prozent -130
-400 bis -600
unter 10 30 bis unter 40
10 bis unter 20 40 bis unter 50
20 bis unter 30 über 50
-5.600
keine genauen Angaben,
-3.400 Rückgang um bis zu 300 Betriebe -400 -640

-5.000
-1.400
-2.200 -540
-2.700
Rinderhaltungen
-900 -1.600
Schweinehaltungen
-190 -17.000

-3.300 1 Schleswig-Holstein 1 9 Nordrhein-


2 Mecklenburg- 3 2 Westfalen -6.700 Bei Rindern werden nicht Betriebe,
4 sondern die Haltungen (Stallungen)
Vorpommern 5 7 10 Hessen
erfasst. Mehrere dieser räumlich
-1.700 3 Hamburg 6 8 11 Thüringen
9 getrennten Tierbestände können
4 Bremen 12 12 Sachsen
10 11 zu einem Betrieb gehören. Die Zahl
5 Niedersachsen 13 13 Rheinland-Pfalz
der Schweinehaltungen entspricht
6 Sachsen-Anhalt 14 Saarland
14 16 in etwa der Zahl von Betrieben.
7 Berlin 15 15 Baden-Württemberg
Rückgänge bei Tierhaltungen und
8 Brandenburg 16 Bayern
Betrieben sind vergleichbar.
nur Flächenländer

In nur zehn Jahren sind viele Zehntausend


Um Defizite im Umwelt- und Tierschutz zu verringern, Tierhaltungen verschwunden. Größere
könnte die ökologische Tierhaltung ausgebaut werden. Der Betriebe übernehmen ihre Marktanteile
Ökolandbau hat klare Vorgaben, wie viele Tiere maximal
pro Hektar gehalten werden dürfen. Er schreibt ebenfalls
vor, dass ein großer Teil des Futters von betriebseigenen Flä- ten, bei Rindern sind es etwa sechs Prozent, bei Schweinen
chen kommen muss. Häufig hat er auch schärfere Regeln, ist es sogar nur ein Prozent. Ziegen kommen auf einen An-
um für das Wohl der Tiere zu sorgen. teil von 33, Schafe auf 12 Prozent. Es gibt jedoch Vorreiter
Diese Haltungsform fristet allerdings noch immer ein unter den Bundesländern. So werden in Mecklenburg-Vor-
Nischendasein. Nur fünf Prozent des gesamten Viehbestan- pommern, Hessen und im Saarland mehr als zehn Prozent
des werden in ökologisch wirtschaftenden Betrieben gehal- der Tierbestände in Ökobetrieben gehalten. Beim Geflügel
sticht Mecklenburg-Vorpommern heraus. Dort werden 16
Prozent der Legehennen in Ökobetrieben gehalten. Bei
Junge Menschen lehnen die jetzige Tierhaltung Schweinen gehen das Saarland mit sieben Prozent und wie-
ab und sprechen sich gegen die derum Mecklenburg-Vorpommern mit sechs Prozent voran.
preisdrückenden großen Handelsketten aus Bundesweit ist also noch viel Luft nach oben.

ÜBERWIEGEND UNZUFRIEDEN
Ergebnisse der Jugendumfrage 0,8
„Tiere zukünftig
4,4 artgerechter halten, Flexitarier/innen
auch wenn das Fleisch
„Die heutige Tierhaltung 22,4 80,8 % 88,2 %
etwas teurer wird.“
ist im Grundsatz in 36,1
Ordnung, so wie sie ist.“ %
1,2 Omnivor/innen
36,3
4,5
17,7 94,4 % 89,3 %
stimme voll und ganz zu
FLEISCHATLAS 2021 / ZÜHLSDORF

stimme eher zu Vegetarier/innen


34,0 %
teils, teils
lehne eher ab „Der Lebensmittel- Veganer/innen
lehne ganz und gar ab einzelhandel ist unfair 42,6
zu den Landwirt/innen.“
stimme voll und ganz zu, stimme eher zu
Differenzen durch Rundung

FLEISCHATLAS 2021 37
SCHLACHTHÖFE IN DEUTSCHLAND

KLIMA DER ANGST


Die Corona-Infektionen haben ein grelles tung einem Dritten, dem Entleihenden, zur Verfügung. Dies
Licht auf die schlechten Arbeitsverhältnisse ist innerhalb der Europäischen Union legal.
in deutschen Schlachthöfen geworfen. Die Schlachthöfe wiederum schließen Verträge mit den
Entleihfirmen, die üblicherweise als Personaldienstleister
Es müsste, gegen den Trend, mehr staatliche
auftreten. Genaue Daten, wie viele Beschäftigte von diesem
Kontrollen geben. System betroffen sind, liegen nicht vor. Tarifliche Regelun-
gen für die Werkverträge gibt es nicht, aber nach Auskunft

I
m Jahr 2019 wurden in Deutschland mehr als zwei Mil- der zuständigen Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststät-
lionen Tiere pro Tag geschlachtet, darunter 1,7 Millionen ten (NGG) wird meist der gesetzliche Mindestlohn gezahlt.
Hühner, 151.000 Schweine und 94.000 Puten. Getötet, Die NGG und andere zivilgesellschaftliche Organisatio-
zerlegt und verarbeitet werden die Tiere meist in einem der nen kritisieren die prekäre Situation, in der die Beschäftig-
großen Fleischunternehmen. Durch Übernahmen und Fu- ten durch Leiharbeit und Werkverträge stecken. Zum einen
sionen wachsen die Schlachtkonzerne stetig und bauen ihre werden häufig weder Urlaub noch Feier- oder Krankheits-
Marktmacht aus. Allein auf die drei größten Unternehmen tage gezahlt, zum anderen offenbar häufiger die Überstun-
– Tönnies, Westfleisch und Vion – entfällt ein Marktanteil den nicht richtig abgerechnet. Oft werden die Kosten für
von 57,1 Prozent. Die zehn größten Schweineschlachtbe- die Unterkunft vom Lohn abgezogen. Der Regelmietsatz
triebe haben 2018 zusammen einen Marktanteil von 78,9 für eine Matratze in einem Mehrbettzimmer beträgt 230 bis
Prozent erreicht. 300 Euro im Monat. Außerdem können Kosten für die per-
Ein wichtiger Faktor für den Erfolg der deutschen sönliche Arbeitsschutzausrüstung anfallen, das An- und
Schlachtindustrie sind die niedrigen Arbeitskosten. In der Auskleiden wird häufig nicht als Arbeitszeit gerechnet.
Branche sind fast 90.000 Menschen beschäftigt. Beinahe Auch werden Nutzungsgebühren für Arbeitswerkzeuge wie
zwei Drittel dieser Beschäftigten sind von Subunternehmen etwa Fleischermesser fällig. Bereits 2004 wurde im Rahmen
über Werkverträge oder durch Arbeitnehmerüberlassung eines Gerichtsverfahrens zwei Schlachthofbetreibern und
angestellt und kommen aus Mittel- und Osteuropa. Bei der einem Subunternehmer nachgewiesen, dass sie die Beschäf-
Arbeitnehmerüberlassung stellt ein Arbeitgeber, der Ver- tigten mit Werkverträgen für einen Euro pro Stunde ent-
leiher, seine Beschäftigten zur Erbringung einer Arbeitsleis- lohnt hatten.
Für diese Kritik gibt es teilweise Belege. Das gesamte
System der Arbeitnehmerüberlassung und Werkverträge
in Deutschland ist bisher wissenschaftlich und lebenswelt-
FLEISCHATLAS 2021 / BMAS

DIE JUNGEN WOLLEN LÄNGST NICHT MEHR


lich wenig erforscht. Es bleibt intransparent, auch weil die
Beschäftigte und Auszubildende in Schlachthöfen,
nach Bundesländern, 2018 Betroffenen nicht gewerkschaftlich organisiert sind – was
durchaus im Sinne der Fleischunternehmen liegt. Men-
Beschäftigte
schen, die sich gewerkschaftlich organisieren, laufen Ge-
Auszubildende 700 22
1.100 fahr, kurzfristig gekündigt zu werden. Die NGG, die sich
Schleswig- 20 für die Beschäftigten der Fleischbranche einsetzt, zieht ihre
Holstein Mecklenburg-
Vorpommern Informationen vor allem aus persönlichen Gesprächen, Ar-

10.500 500 beitsgerichtsverfahren und Erfahrungsberichten.


Bremen In Nachbarländern mit großer Fleischproduktion wie
Niedersachsen den Niederlanden oder Dänemark sind Werkverträge und
800 1.100 15
9 Arbeitnehmerüberlassungen nur sehr eingeschränkt mög-
104
Sachsen- Brandenburg lich. Daher hat zum Beispiel die Firma Danish Crown einen
Nordrhein-
Anhalt
Westfalen Teil ihrer Produktion nach Deutschland verlegt. Denn durch
1.000 Sachsen
die hohen Standards im Heimatland Dänemark – gute Tarif-
10.000 1.400 12 19
Thüringen 900 9 verträge, hoher gewerkschaftlicher Organisationsgrad – lie-
Hessen gen die Arbeitskosten in Deutschland bei nur der Hälfte der
900 dänischen. Für einschlägige Unternehmen in den Nachbar-
116 Rheinland- staaten ist Deutschland ein Billiglohnland. Als Folge wurden
400
Pfalz 2.700 4.700 in Dänemark und den Niederlanden viele Schlachthöfe ge-
Saarland 0 schlossen. Allein in Dänemark verschwand die Hälfte der
68 45 20.000 Arbeitsplätze. In den Jahren 2000 bis 2018 sind die
Baden-
Bayern
Württemberg

Im Inland sozialversicherte Vollbeschäftigte, ohne Teilzeitkräfte.


Es gibt nur noch ein Prozent Azubis in Schlachthöfen.
Einige Bundesländer ohne Angaben Gegen den Personalmangel hilft nur Personal
aus dem Ausland, das für wenig Geld arbeiten muss

38 FLEISCHATLAS 2021
MASSENHAFTES TÖTEN ZUM DUMPINGPREIS
Geschlachtete Tiere in Deutschland, 2019, in Millionen pro Symbol

23.000 Ziegen 594.000 Gänse 1.121.000 Schafe 3.386.000 Rinder

15.876.000 Enten

34.226.000 Puten

FLEISCHATLAS 2021 / DESTATIS


55.131.000 Schweine

652.700.000 Hühner
Ohne Hausschlachtungen. Schafe einschl. Lämmer; ohne Pferde

Im Westeuropa-Vergleich ist das Schlachten


Schlachtungen von Schweinen von 21 Millionen auf rund 18 in Deutschland finanziell attraktiv. Daher steigen
Millionen Tiere gesunken. Dafür hat Dänemark den Export Mengen und Umsätze – vor allem bei Hühnern
lebender Schweine nach Deutschland ausgebaut.
Die Gewerkschaft NGG fordert seit Langem mehr staat-
liche Kontrollen in der Fleischindustrie. In den vergange- gungen der Beschäftigten ins Rampenlicht gerückt. Ein
nen Jahren hat sich ihre Zahl jedoch fast halbiert, weil der Gesetzesentwurf der Bundesregierung sieht nun ein voll-
Zoll – der für die Kontrolle der Schwarzarbeit zuständig ist ständiges Verbot von Werkverträgen und Leiharbeit in
– zu wenig Personal hat. Auch aufseiten der Betriebe ist trotz Fleischfabriken vor. Einzelhandelsketten haben mit ihren
langjähriger Bemühung der NGG und trotz zahlreicher Me- Frischfleisch- sowie Frischgeflügel-Lieferanten vereinbart,
dienberichte lange nichts passiert. ab Januar 2021 auf Werkverträge in den Kernprozessen
Eine Veränderung haben erst die Corona-Skandale ge- Schlachtung, Zerlegung und Verpackung zu verzichten.
bracht. Sie haben die prekären Arbeits- und Wohnbedin- Zahlreiche Unternehmen haben zudem angekündigt,
Werkvertragsbeschäftigte in Festanstellungen zu über-
nehmen. Würden die Beschäftigten aus Süd- und Osteuro-
Selbst unter jungen Fleischessern pa künftig fest angestellt und für 20 Prozent mehr Lohn
lehnen fast zwei Drittel die Bedingungen arbeiten, stiege der Preis eines Schnitzeln auch nur um ein
ab, unter denen ihr Essen entsteht Prozent.

RUINIERTES IMAGE EINER BRANCHE


Ergebnisse der Jugendumfrage
9,1
4,5 „Die Arbeitsbedingungen Flexitarier/innen
„Ich will die Fleisch- in der Fleischindustrie 64,4 % 80,1 %
wirtschaft nicht 12,3 stoßen mich ab.“
unterstützen.“* %

17,8 56,3 1,5 Omnivor/innen


4,9
92,2 % 95,8 %
FLEISCHATLAS 2021 / ZÜHLSDORF

22,2 37,3
stimme voll und ganz zu Vegetarier/innen
%
stimme eher zu
Veganer/innen
teils, teils
lehne eher ab 34,2
* nur Vegetarier/innen und Veganer/innen
lehne ganz und gar ab stimme voll und ganz zu, stimme eher zu
Differenzen durch Rundung

FLEISCHATLAS 2021 39
VERSCHWENDUNG IN DEUTSCHLAND

VIEL ZU WENIG WIRD VERMIEDEN


Entlang der gesamten Wertschöpfungs- tet, die immer mehr Nachwuchs auf die Welt bringen. In
kette verenden Tiere und werden Deutschland liegt die durchschnittliche Wurfgröße jetzt bei
Hunderttausende Tonnen Fleisch vergeudet. über 15 Ferkeln. Das sind 3 mehr als noch vor zwölf Jahren.
Das Resultat: Viele der Tiere sind kleiner und anfälliger und
Die Verschwendung von Ressourcen
verenden in den ersten Tagen nach oder schon bei der Ge-
für deren Produktion ist enorm. burt. Die addierten Verluste entlang der Produktionsstufen
in der Schweinemast liegen bei etwa 28 Prozent.

Z
u Beginn der 1990er-Jahre schockierten Bilder von Und auch nach der Schlachtung entsteht viel Abfall,
hunderttausenden getöteten Rindern und Kühen die denn bei Weitem werden nicht alle Teile des Tieres verzehrt.
Menschen in Europa. Doch BSE, der „Rinderwahn“, Weil Fleisch vergleichsweise günstig geworden ist, essen die
war nicht die letzte Tierseuche, die dazu führte, dass große Menschen in vielen Industrieländern nur noch ausgewähl-
Bestände getötet wurden, ohne für den menschlichen Kon- te Stücke. Während im Jahr 2019 pro Kopf in Deutschland
sum genutzt werden zu können. Nach BSE kam die Vogel- 7 Prozent weniger Fleisch verzehrt wurde als 1991, sank der
grippe und dann die Afrikanische Schweinepest. Fachleute Verzehr von Innereien von 1,4 Kilogramm auf 160 Gramm,
gehen davon aus, dass aufgrund dieser für Schweine hoch also um fast 90 Prozent. Geflügel hingegen wird immer
ansteckenden Krankheit im Jahr 2019 in China bis zu 200 beliebter. Hier lag der Pro-Kopf-Verzehr 2019 bei 13,8 Kilo-
Millionen Schweine verendeten oder vorsorglich getötet gramm. Das sind 90 Prozent mehr als 1991. Beliebt ist vor
und beseitigt wurden. allem die Brust. Andere Teile, zum Beispiel Flügel und Füße,
Auch ohne pandemische Ereignisse sterben allein in werden tiefgefroren und dann nach Asien und Afrika ex-
Deutschland Jahr für Jahr fast 100 Millionen Tiere, ohne portiert. Auch nur etwa 60 Prozent eines geschlachteten
dass ihr Fleisch verzehrt wird. Dies sind zum einen Tiere, Schweines landet in Deutschland schließlich als Fleisch und
die während der Mast verenden oder aus wirtschaftlichen Wurst auf dem Teller.
Gründen getötet und beseitigt werden. Jährlich müssen bis Was von den Knochen über einige Organe bis hin zu
zu 200.000 männliche Milchrasse-Kälber und 45 Millionen Klauen und Krallen nicht für den menschlichen Verzehr ge-
männliche Küken sterben, weil sich ihre Mast aufgrund des eignet ist, wird zu Haustier- und Fischfutter verarbeitet, in
geringen Fleischansatzes nicht lohnen würde. der Chemie- und Düngemittelindustrie verwendet oder als
Zum anderen führen schlechte Haltungsbedingungen Biokraftstoff in den Tank gefüllt. Im Jahr 2019 wurden bei 8,6
und auf Hochleistung gezüchtete Rassen dazu, dass Tiere Millionen Tonnen Schlachtgewicht rund 2,6 Millionen Ton-
während der Aufzucht sterben. So liegt der Verlust von Fer- nen dieser „tierischen Nebenprodukte“ weiterverwertet.
keln bei etwa 16 Prozent; das sind rund 8,6 Millionen tote Im Handel und im Endverbrauch entstehen weitere
Tiere pro Jahr. Der Effizienz wegen wurden Sauen gezüch- Verluste, weil Haltbarkeitsdaten überschritten oder ver-
brauchsfertige, aber nicht verzehrte Nahrungsmittel weg-
geworfen werden. Weltweit gingen im Jahr 2016 – das
ist die aktuelle Zahl – 11,9 Prozent der Fleischproduktion
SCHICKSALE IM SCHWEINESTALL
zwischen Schlachtung und Einzelhandel verloren, 39 Mil-
Verendete Tiere in der Mast
lionen Tonnen oder, legt man dieselbe Verlustrate für alle
tot geboren Tierarten zugrunde, 8,7 Milliarden Tiere. Diese Menge lie-
Eine Zuchtsau
bekommt in ihrem Tod in der Säugephase ße sich auch in 115 Millionen Rinder oder 413 Millionen
Leben 101 Ferkel Tod in der Ferkelmast
Tod in der Schweinemast
Schweine umrechnen.
Schlachtung Durch die hohen Verlustraten werden enorme Ressour-
cen verschwendet, denn diese Tiere werden aufgezogen
9 und gefüttert, obwohl sie nicht für den menschlichen Kon-
sum genutzt werden. Während in den Ländern des Südens
meist die unzureichend organisierten Kühlketten für die
Fleischverluste verantwortlich sind, ist es in den Industrie-
ländern vor allem das Wegwerfen. Studien schätzen die-
sen Anteil in Europa auf 4 bis 11 Prozent der konsumierten
Menge. Dies liegt auch daran, dass Fleisch als Lebensmittel
14 infolge der vergleichsweise günstigen Preise eine immer ge-
FLEISCHATLAS 2021 / LUCKMANN

ringere Wertschätzung erfährt.

Rund ein Viertel der Schweine wird tot geboren


2 3 73
oder stirbt vor der Schlachtung. Die Kadaver
landen in Tierkörperbeseitigungsanstalten

40 FLEISCHATLAS 2021
FLEISCHATLAS 2021 / LUCKMANN, THÜNEN
PRODUZIERT FÜR DEN MÜLL
Fleisch- und Wurstabfälle in Deutschland

Jahresmenge der Fleisch- und Wurstabfälle in Privathaushalten Gänse


in Deutschland, umgerechnet in ganze Tiere
71.000
Schafe und Ziegen
50.000
52.000
Rinder Hühner

640.000 Schweine
360.000
Enten

Vermeidbare Verluste in Industrie und Handel, 2015,


in Tonnen
450.000
Puten
bis zur Schlachtung* 150.000

8.900.000
32.200 Verarbeitung**

53.300 Einzelhandel

* ohne Knochen alle Abfälle; vermeidbarer Abfall in der Lebensmitttelbranche insgesamt: 55 Prozent
**

Je billiger das Fleisch wird, desto


Auf jeder Ebene der Wertschöpfungskette können Ver- weniger Wertschätzung erfährt es – und
luste und Verschwendung reduziert werden: bessere Kühl- landet umso schneller im Abfall
ketten und tiermedizinische Versorgung im Süden, im Nor-
den Haltungssysteme, die hohe Verlustraten vermeiden,
und robustere Rassen, bei Schweinen mit weniger großen dann das Töten von Eintagsküken in Deutschland generell
Würfen. Mehrnutzungsrassen bei Kühen und Hühnern verboten.
könnten verhindern, dass die männlichen Tiere getötet wer- Die Verschwendung von Lebensmitteln kann vor allem
den. Zunehmend kommen etwas teurere Eier von Zweinut- durch eine bessere Wertschätzung vermieden werden. So
zungshühnern auf den Markt, die weniger Eier legen, bei könnten sich Konsumenten und Konsumentinnen auf die
denen aber auch die Hähne Fleisch ansetzen. Ab 2022 wird früher übliche Nutzung des ganzen Tieres besinnen und
etwa mit einem wieder zunehmenden Verzehr von Inne-
reien einen wichtigen Beitrag leisten. Vegetarische Fleisch-
Eine Dreiviertelmehrheit unter jungen Menschen ersatzprodukte sind nicht immer eine Alternative, weil sie
ist dafür, die Mitnahme weggeworfener häufig zu einem großen Teil aus Ei bestehen – was wiederum
Lebensmittel aus Abfallcontainern zu legalisieren mit der Tötung von Küken einhergeht.

SYMPATHIEN GEGEN VERSCHWENDUNG


Ergebnisse der Jugendumfrage
„Ich engagiere mich
gegen Lebensmittel- Flexitarier/innen
„XXL-Schnitzel sollten 21,2 14,9 verschwendung.“
28,8 % 35,7 %
verboten werden.“
16,7
%
23,6
2,6 Omnivor/innen
23,7
3,9
41,7 % 62,5 %
stimme voll und ganz zu 17,8
FLEISCHATLAS 2021 / ZÜHLSDORF

stimme eher zu Vegetarier/innen


teils, teils %
lehne eher ab „Der Staat sollte dafür 53,4 Veganer/innen
22,4
lehne ganz und gar ab sorgen, dass Containern
erlaubt ist.“
stimme voll und ganz zu, stimme eher zu
Differenzen durch Rundung

FLEISCHATLAS 2021 41
KULTURWANDEL

VERHÄNGNISVOLLE SYMBOLIK
Kritik am Fleischverbrauch muss es mit vielem den. Sie müssten lediglich informiert werden, ihre Ernäh-
aufnehmen: mit geschicktem Marketing, rungsentscheidungen träfen sie dann „frei“.
gesellschaftlichen Werten und Traditionen. Das Konzept des „souveränen Konsumierenden“ igno-
riert jedoch, dass Konsum- und Ernährungsentscheidun-
Für einen reduzierten Fleischkonsum müssen
gen maßgeblich vom persönlichen Umfeld beeinflusst wer-
sich langfristig die sozialen Normen ändern. den. Hierzu gehören gesellschaftliche Normen und Werte,
aber auch die sozialen und materiellen Bedingungen, in

U
m die Pariser Klimaschutzziele zu erreichen und die denen das Ernährungsverhalten erlernt und praktiziert
Ökosysteme der Welt zu schützen, muss der Konsum wird.
von Fleisch, Milch und Käse reduziert werden. Dies Derzeit werden viele dieser Umweltfaktoren stark von
gilt vor allen Dingen in den Industrieländern – dort, wo die der Privatwirtschaft beeinflusst. Das Ergebnis ist wenig
Menschen besonders viel konsumieren. Die Transforma- nachhaltig und in weiten Teilen auf das Essen von Fleisch
tion hin zu einer stärker pflanzenbetonten Ernährung ist ausgerichtet. Das verfügbare Angebot, die Preise, die Bil-
eine gewaltige Herausforderung. In keinem Industrieland dersprache und das gesamte Einkaufssetting beeinflussen
der Welt ist bisher ein größerer Rückgang des Konsums zu Kaufentscheidungen mehr als das grundsätzliche Wissen
beobachten. So hat sich in Deutschland zwar der Fleischver- über Umwelt, Tierwohl und Gesundheit.
zehr seit 1991 um sieben Prozent reduziert. Den klimawis- Hinzu kommt, dass Fleisch rund um den Globus eine
senschaftlichen Empfehlungen zufolge sollten im Durch- hohe soziokulturelle Symbolik hat. Untersuchungen aus
schnitt nur bis zu 15 Kilogramm pro Kopf und Jahr gegessen Industrienationen zeigen beispielsweise, dass sich die As-
werden. Und nicht knapp 60, wie derzeit. soziation von Fleisch und Männlichkeit weiter fortschreibt.
Fachgremien wie der Weltklima- und der Weltbiodiver- Als kulturell tradierte und frühkindlich geprägte Alltags-
sitätsrat empfehlen deutlich stärkere Interventionen von- praktik erfährt das Essen von Fleisch damit seine tägliche
seiten der Politik, weil sie davon ausgehen, dass andernfalls Renaissance – am Familientisch, in der Werbung, in Kita
derart weitreichende Umstellungen bei der Ernährung in und Schule und in öffentlichen Kantinen. Sowohl die akute
der Breite der Bevölkerung nicht gelingen könnten. Bisher Einkaufs- und Esssituation als auch gesellschaftliche Nor-
gibt es jedoch weltweit kein Land, das Reduktionsziele für men und privatwirtschaftliches Marketing setzen starke
den Fleischkonsum festgelegt hat und diese mit einer um- Anreize.
fassenden Strategie verfolgt. Im Gegenteil, politische Inter- Informationskampagnen, die Wissen über die Gesund-
ventionen werden von vielen Politikern und Politikerinnen heits- und Klimaeffekte eines zu hohen Fleischkonsums
mit der Begründung abgelehnt, Konsumentscheidungen vermitteln wollen, reichen daher bei Weitem nicht aus, um
der Bürgerinnen und Bürger sollten nicht beeinflusst wer- Konsumverhalten dauerhaft zu verändern. Problematisch
ist zudem, dass sich Informationskampagnen häufig stark
am Leitbild der bürgerlichen Mittelschicht orientieren. So-
zioökonomisch benachteiligte Gruppen werden zumeist als
FLEISCH UND GENDER
„aufklärungsresistent“ eingeschätzt. Zu bedenken ist dabei,
Einschätzung von Fleischspeisen unter Einsatz von Bildern,
australische Studie mit 123 Erwachsenen, 2018 dass die derzeitige Kommunikation über Ernährung weit-
gehend an ihren materiellen und sozialen Realitäten vor-
Intensität: 1,0 = maximal Einordnung: 8 = maximal beigeht. Sozial benachteiligte Gruppen werden selten ge-
1,0 8
hört und unterstützt. Die derzeitigen Hartz-IV-Sätze reichen
0,9
7
nicht aus für eine qualitativ hochwertige und nachhaltige
Ernährung.
0,8 Männer
Frauen 6 Um den Fleischkonsum weitgehend und dauerhaft zu
0,7 verringern, muss sich die „gesellschaftliche Infrastruktur“
0,6
5 des Fleischessens verändern. Dazu gehört, dass staatliche
Rahmenbedingungen geschaffen werden, die die Verhält-
0,5 4 nisse ändern, in denen Konsumenten und Konsumentinnen
0,4
ihre Entscheidung treffen. Preise für Fleisch könnten die
FLEISCHATLAS 2021 / LOVE, SULIKOWSKI

3
ökologischen und sozialen Kosten widerspiegeln, Werbung
0,3 und Bebilderung sich an realistischen Produktionsbedin-
2
0,2 gungen orientieren und Sonderangebote im Supermarkt so
bewusste Entscheidung
spontane Entscheidung 1
0,1

0 „gesund“ „lecker“ 0 „gesund“ „lecker“


Männer assoziieren Fleisch spontan viel ausgeprägter
mit positiven Attributen als Frauen. Bewusst entschieden
sind die Unterschiede nicht mehr ganz so groß

42 FLEISCHATLAS 2021
ZWISCHEN GIER, SOCIAL MEDIA UND REKLAME
Einflüsse und Verhaltensweisen von Fleischkonsument/innen, Beispiele

Fleisch- und Gemüseverzehr nach Fleisch, Fisch 277 Anzahl der Follower von Lebensmittel-
Restaurantformen, in Gramm pro Mahlzeit Gemüse anbietern (Aldi Nord, Aldi Süd,
Edeka, real, Rewe, Lidl,
vier Online- und
146 159
Lieferdienste)
109
75
60
Twitter 63.500
À-la-carte-Restaurant Selbstbedienungsrestaurant Buffetrestaurant
Facebook 6,9 Millionen

FLEISCHATLAS 2021 / AMI, RENTENBANK, REINDERS ET AL.


Instagram 1,0 Millionen
Wirksamkeit von zwei Hackfleisch- „Super Samstag“: ab Donnerstag:
Sonderangeboten bei Lidl, Verkäufe gemischtes Hackfleisch gemischtes Hackfleisch
1. bis 17. Woche 2017, in Tonnen 3,39 €/kg 3,39 €/kg

612 625
490 483
438 415
374 387 369 348
329 329 319 341
302 284 266

KW 1 KW 2 KW 3 KW 4 KW 5 KW 6 KW 7 KW 8 KW 9 KW 10 KW 11 KW 12 KW 13 KW 14 KW 15 KW 16 KW 17

Entscheidungen über die Ernährung mit Fleisch werden


reguliert werden, dass sie nicht unter dem Produktionspreis von vielen Faktoren beeinflusst. In diesem Sinne
verkauft werden. Umwelt-, Arbeits- und Tierschutzgesetze sind „freie“ Ernährungsentscheidungen eine Illusion
könnten eine Produktion garantieren, die den gesellschaft-
lichen Ansprüchen genügt, Tierwohl- und Klimalabel einen
Beitrag für eine bessere Wahlfreiheit im Supermarkt leisten. öffentliche Kantinen), in der eine pflanzenbasiertere Ernäh-
Eine Besteuerung von tierischen Produkten und im Gegen- rung nicht die Ausnahme, sondern die Norm ist.
zug günstige Preise für Obst und Gemüse eröffnen Chancen Eine umfassende Studie des Wissenschaftlichen Beirats
auf einen geringeren Fleischkonsum. für Agrarpolitik und Ernährung der deutschen Bundesre-
Für eine weitreichende Reduktion des Fleischkonsums gierung aus dem Jahr 2020 kommt zu dem Schluss, dass die
müssen sich langfristig die sozialen Normen verändern. Verantwortung für Ernährungsfragen derzeit zu stark indi-
Handlungsorientierte Bildung in Kitas und Schulen leistet vidualisiert ist. Auch sie sieht den Staat in der Pflicht, Um-
einen wichtigen Beitrag genauso wie eine Gemeinschafts- gebungen, die die Ernährung beeinflussen, fair zu gestalten
verpflegung (Kita, Schule, Altersheime, Krankenhäuser, und soziale Ungleichheiten stärker anzugehen. Die Studie
empfiehlt unter anderem, zielgruppenspezifische Infor-
mationskampagnen zu entwickeln, Einnahmen aus einer
Wovon auch immer junge Menschen sich ernähren – höheren Besteuerung von Fleisch an einkommensarme Be-
es dominiert das Bedürfnis, über die völkerungsgruppen zurückzuführen und die Hartz-IV-Sätze
angebotenen Lebensmittel besser aufgeklärt zu werden anzuheben.

HUNGER NACH INFORMATIONEN


Ergebnisse der Jugendumfrage 3,3
„Es sollte ein
7,0 verpflichtendes Flexitarier/innen
„Marketing für Tierschutzlabel
tierische Produkte 69,9 % 80,6 %
37,4 geben.“
nur mit Bildern, die 19,1
%
der Realität der
Tierhaltung 2,3 Omnivor/innen
entsprechen.“ 33,2
3,3
13,5 88,0 % 88,9 %
stimme voll und ganz zu
FLEISCHATLAS 2021 / ZÜHLSDORF

stimme eher zu 42,5


% Vegetarier/innen
teils, teils „Ich fände es gut,
lehne eher ab wenn klimafreundliche Veganer/innen
Lebensmittel klarer ge- 38,4
lehne ganz und gar ab
kennzeichnet wären.“
stimme voll und ganz zu, stimme eher zu
Differenzen durch Rundung

FLEISCHATLAS 2021 43
ERSATZPRODUKTE

ÜBERALL WIRD EXPERIMENTIERT


Veganer und vegetarischer Ersatz für Fleisch stränge erinnern. Auch gibt es neue Inhaltsstoffe, etwa Erb-
und Wurst wird schnell beliebter – und sen- und Lupinenproteine oder ein pflanzlich gewonnenes
für Großkonzerne attraktiv. Als Nächstes Hämoprotein, das – ähnlich wie der Blutfarbstoff Hämoglo-
bin – dem Produkt nicht nur das blutige Aussehen, sondern
entbrennt wohl die Konkurrenz mit
auch einen fleischigen Geschmack gibt. Noch nicht auf dem
In-vitro-Fleisch. Start-ups mit Produkten aus Markt erhältlich, aber umkämpft bei Investoren, ist das In-vi-
dem Labor sprießen aus dem Boden. tro-Fleisch: Ende 2019 waren bereits 55 Unternehmen damit
befasst, im Labor künstlich erzeugte Fleischprodukte aus tie-

D
er Markt für Fleischersatzprodukte entwickelt sich rischen Stammzellen zu gewinnen. 20 von ihnen sind Neu-
so dynamisch wie nie zuvor. Fachleute sehen in den gründungen aus dem Jahr 2019.
kommenden Jahren bei den pflanzenbasierten Alter- Welche Rolle Fleischersatzprodukte in Deutschland
nativen weltweit eine jährliche Wachstumsrate von 20 bis spielen werden, hängt stark davon ab, wie sich die Nach-
30 Prozent. 2017 betrug der weltweite Absatzmarkt bereits frage entwickelt. Umfragen zeigen, dass vor allem pflanzli-
4,6 Milliarden US-Dollar. Dies ist im Vergleich zu der rund che Produkte akzeptiert werden. 15 Prozent sehen in ihnen
eine Billion Dollar des globalen Fleischmarktes noch immer einen guten Ersatz, und 26 Prozent würden sie probieren.
gering, auch wenn dieser weitaus weniger wächst und in ei- In-vitro-Fleisch oder Insekten halten nur 6 beziehungswei-
nigen Ländern stagniert. se 5 Prozent der Befragten für eine Alternative, aber 27 be-
Ersatzprodukte werden also immer beliebter, aus ver- ziehungsweise 25 Prozent würden sie einmal probieren. Es
schiedenen Gründen. Die Fleischindustrie steht wegen der hat sich gezeigt: Je höher der individuelle Fleischkonsum,
Arbeitsbedingungen, der ihr zugrundeliegenden Tierhal- desto stärker sind Skepsis und Ablehnung. Aufgeschlossen
tung sowie der Klima- und Umweltauswirkungen in der Kri- sind am ehesten junge Bevölkerungsgruppen mit höherer
tik. Deutlich mehr Menschen können sich mit Alternativen Bildung.
anfreunden, die sich technisch wie geschmacklich und in Im Vergleich zu herkömmlichem Fleisch sind Fleisch-
ihrer Textur auch spürbar weiterentwickelt haben. Inzwi- ersatzprodukte in der Regel deutlich umweltfreundlicher.
schen gibt es eine große Auswahl unterschiedlicher Produk- Rein pflanzlicher Fleischersatz, also Produkte, die auch auf
te im Angebot. Ei und Milch verzichten, schneiden am besten ab. Im Ver-
Neben den seit vielen Jahren verfügbaren Fleischer- gleich zu Rindfleisch entstehen bei der Herstellung über
satzprodukten – zum Beispiel aus Seitan (Weizenprotein), 90 Prozent weniger Treibhausgase, und der Verbrauch von
Quorn (fermentiertem Pilzmyzel) und Soja – sind neue auf Wasser und Flächen ist viel geringer. Oft sind diese Produkte
den Markt gekommen, die tierischem Fleisch sehr ähnlich jedoch stark verarbeitet und mit zahlreichen Zusatzstoffen
sind. Proteine werden so verändert, dass sie an Muskel- versehen. Etwas schlechter als pflanzliche Ersatzprodukte
wird in Studien der Fleischersatz auf Insektenbasis bewer-
tet. Die Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit von In-
vitro-Fleisch sind bislang noch schwer abzuschätzen, da die
FLEISCHATLAS 2021 / KEARNEY

BOOM ERWARTET
Forschung ganz am Anfang steht.
Globale Markttrends für Fleisch und Fleischersatz,
in Billionen US-Dollar und Prozent, sowie durchschnittliches Ob Fleischersatzprodukte das Ernährungssystem der Zu-
jährliches Wachstum bis 2040, Prognose kunft bestimmen werden, hängt davon ab, welche Unter-
nehmen die Märkte prägen werden. Die Finanzkraft und
gezüchtetes (Labor-)Fleisch Wachstum Marktpräsenz großer und etablierter Akteure können dazu
vegane Ersatzprodukte im langjährigen führen, dass sich ihre Produkte schneller durchsetzen. Grö-
herkömmliches Fleisch Durchschnitt
ße und Zahl der Unternehmen haben auch Einfluss auf die
Diversität oder Monopolisierung der Märkte – mit allen ih-
+3 % 1,8
ren Folgewirkungen. Derzeit drängt eine große Zahl neuer
1,6
Akteure und Start-ups auf den Markt. Großkonzerne aus der
1,4 35 % Tech- und der Fleischindustrie wie Google, Nestlé oder Car-
1,2 22 %
10 % gill investieren. Auch Pharmaunternehmen werden aktiv
18 % und entwickeln Nährmedien für die Herstellung von In-vi-
10 % 23 %
25 % tro-Fleisch.
So ist die PHW-Gruppe, der größte deutsche Geflügel-
90 %
zucht- und Verarbeitungskonzern, Partnerschaften mit Be-
72 %
55 % 40 %

Perspektive 2040: Auf nur noch 40 Prozent


2025 2030 2035 2040 des Marktes könnte der Anteil
konventionellen Fleisches schrumpfen

44 FLEISCHATLAS 2021
FLEISCHATLAS 2021 / DESTATIS, AMI
GLEICHE FORM, ANDERER INHALT
Entwicklung des Marktes für Fleischersatzprodukte in Deutschland

Jahresumsätze, 2019 Produktionsmengen

273 Millionen Euro 14.700 Tonnen


Fleischersatzprodukte 1. Quartal 2019
+37 %

20.000 Tonnen
1. Quartal 2020

Privatkäufe von Fleisch- und Wurstersatz,


26,6
in 1.000 Tonnen
23,5
konventionell 21,4 21,7 21,4
40,1 Milliarden Euro
bio
herkömmliches Fleisch 15,3
16,0 9,9 13,2
12,2 12,0
13,3 4,5
11,0 3,5
2,7

9,9 11,5 11,6 10,3 11,3


8,3 9,5 9,5

Differenzen durch Rundung 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019

Als Fleischersatz konzipierte Produkte haben


yond Meat sowie dem Unternehmen Super Meats eingegan- ihr Nischendasein aufgegeben. Die Verfügbarkeit im
gen, das an In-vitro-Geflügelfleisch arbeitet. Nordamerikas Supermarkt wird über ihre Zukunft entscheiden
größter Fleischproduzent Tyson investierte erst ebenfalls
in Beyond Meat und führte dann seine eigene Marke für
Fleischersatzprodukte ein: Raised & Rooted. Der Agrarkon- Der Hersteller Rügenwalder Mühle machte im Juli 2020
zern Cargill beteiligte sich an dem In-vitro-Fleisch-Unter- erstmals mehr Umsatz mit veganen und vegetarischen
nehmen Memphis Meats. Ein veganes Angebot hat der Le- Fleischalternativen als mit klassischem Aufschnitt oder Tee-
bensmittel-Multi Nestlé mit der Marke Garden Gourmet auf wurst. Und das, obwohl das Familienunternehmen erst 2014
den Markt gebracht und mit McDonald’s in Deutschland die in die Produktion von Veggie-Fleisch und -Wurst eingestie-
Lieferung veganer Burger vereinbart. gen ist. Die Tierschutzorganisation PETA möchte nicht auf
vergleichbare Schritte bei anderen Unternehmen warten:
Im Mai 2020 kaufte sie Aktien der Fleischkonzerne Tyson
Alternativen zur Milch stoßen auf eine höhere und Smithfields, um als kritische Anteilseignerin die Unter-
Akzeptanz als Ersatzprodukte für Fleisch und Wurst. nehmen zu einem stärkerem Engagement für pflanzenba-
Doch auch sie sieht ein Drittel der Jugendlichen positiv sierte Fleischersatzprodukte zu bewegen.

WOHLWOLLEN FÜR DEN ERSATZ


Ergebnisse der Jugendumfrage

stimme voll und ganz zu „Ersatzprodukte schmecken


stimme eher zu mir gut, oder ich könnte „Ersatzprodukte können
teils, teils mir vorstellen, dass sie gut meinen Appetit auf das
lehne eher ab schmecken.“ Original nicht stillen.“
lehne ganz und gar ab

14,6 % 30,6 % 29,8 % 13,2 % 11,8 % Fleisch 14,4 % 18,1 % 28,7 % 20,8 % 18,0 %
FLEISCHATLAS 2021 / ZÜHLSDORF

12,1 % 25,6 % 31,8 % 17,3 % 13,2 % Wurst 14,3 % 21,9 % 26,6 % 18,2 % 19,0 %

19,3 % 29,7 % 27,6 % 19,4 % Milch 7,9 % 20,4 % 31,8 % 23,4 % 16,4 %
4,1 %
Differenzen durch Rundung

FLEISCHATLAS 2021 45
POLITIK

NÄCHSTE SCHRITTE
Längst haben zivilgesellschaftliche werden wie fast alle Lebensmittel mit einem reduzier-
Organisationen Vorschläge für eine klima- ten Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent belegt. Doch eine
und umweltfreundliche Tierhaltung Vergünstigung von Fleisch und Wurst ist sinnlos, wenn
ohnehin zu viel davon konsumiert wird. Eine Anhebung
ausgearbeitet. Doch Fortschritte zeichnen
der Mehrwertsteuer würde einen leichten Rückgang des
sich nur bei den Haltungssystemen ab. Konsums bewirken. Der Gewinn für die Umwelt wäre aller-
dings sehr begrenzt, weil diese Maßnahme die Qualität der

D
er gesellschaftliche Wunsch nach einer klima- und Produktion nicht beeinflusst. Im Gegenteil: Der Preisunter-
umweltfreundlichen sowie artgerechten Tierhal- schied zwischen konventionell und ökologisch produzier-
tung erfordert eine weitreichende politische Neuaus- tem Fleisch würde sich weiter vergrößern und die billigere
richtung der Agrarpolitik. Die derzeitigen niedrigen Preise – aber weniger nachhaltige – Variante attraktiver machen.
machen es den Bäuerinnen und Bauern schwer, auf die ge- Anstatt tierische Produkte mit einer reduzierten Mehr-
stiegenen nationalen Anforderungen nach mehr Umwelt- wertsteuer zu belegen, könnte sie für pflanzliche Produkte
schutz und mehr Tierwohl zu reagieren. Der Umbau muss wie Hafermilch reduziert werden und so einen Anreiz für
sowohl beim Konsum als auch bei der Produktion ansetzen eine pflanzenbasierte Ernährung schaffen.
und bedarf einer umfassenden politischen Strategie. Um die Tierhaltung ökologischer zu gestalten, fordern
Als wichtigste Maßnahme schlagen Nichtregierungs- Nichtregierungsorganisationen als eines der wichtigsten
organisationen und Wissenschaft vor, den Konsum tieri- Instrumente, die Tierhaltung an die Fläche zu binden. Ein
scher Produkte bis 2050 zu halbieren. Würde der Fleischver- landwirtschaftlicher Betrieb müsste also genug Flächen
brauch von etwa 1,1 Kilogramm auf 600 Gramm pro Woche nachweisen, auf denen er seine Tiere ernähren und den
reduziert, könnten die Schweine- und Mastgeflügelbestän- Dung ausbringen kann. Nicht mehr als zwei Großviehein-
de um mehr als 40 Prozent verringert werden. Zwar geht heiten (GVE) sollten pro Hektar erlaubt sein, auf besonders
der Konsum seit Jahren leicht zurück, doch derart massive mageren Standorten noch weniger. Eine Großvieheinheit
Verhaltensänderungen in der Bevölkerung müssten wohl entspricht einem Rind, etwa sechs Schweinen oder zehn
gezielt gesteuert werden. Schafen.
Die Bundesregierung hätte verschiedene politische Die Flächenbindung wurde erst 2006 aufgehoben. Das
Instrumente zur Verfügung. Sie könnte zielgruppenspe- hat in einigen Regionen Deutschlands dazu geführt, dass
zifische Informationskampagnen entwickeln, die Mehr- die Tierzahlen massiv angestiegen sind. Neben der schritt-
wertsteuer erhöhen und pflanzliche Ernährung in Kitas, weisen Wiedereinführung dieser Flächenbindung sollten
Schulen und Krankenhäusern fördern. Die derzeitige landwirtschaftliche Betriebe auch dabei unterstützt wer-
Strategie bewirkt das Gegenteil: Tierische Lebensmittel den, ihre Tierhaltung zu ändern – mit weniger Tieren und
einer Ausrichtung auf besseres Tierwohl. Obwohl auch viele
Agrarfachleute verschiedener Parteien die Flächenbindung
als einen wichtigen Beitrag zur Lösung der Umwelt- und Kli-
BESTEUERN UND VERTEUERN?
makrise sehen, hat die Politik dafür bisher noch keine kon-
Preisnachteile für höherwertige Produkte, wenn die
Mehrwertsteuer auf Fleisch von 7 auf 19 Prozent kreten Pläne vorgelegt.
erhöht würde; Beispiel: Preise für 700 Gramm + 0,94 € Der Ökolandbau sieht derzeit 1,5 GVE pro Hektar vor. In
Schweinekotelett in vier Gütestufen den Landkreisen mit zu hohen Tierzahlen würde eine der-
artige Reduktion zu 13 Prozent weniger Schweinen und
Bruttopreis mit 19 % MwSt. 9,34 € 9 Prozent weniger Rindern führen. Produktion und Ver-
Bruttopreis mit 7 % MwSt.
Nettopreis + 0,70 € 8,40 € brauch im Land würden sich annähern, und das Ziel, sich
zu 100 Prozent selbst zu versorgen, geriete in Sichtweite.
Verteuerung 7,85 € Gegenwärtig werden für Fleisch 114 Prozent gemeldet, für
+ 0,54 € 6,90 €
Schweinefleisch sogar 119 Prozent.
6,20 €
Die Möglichkeiten der Flächenbindung können aber
+ 0,43 € 5,79 € nur dann ausgeschöpft werden, wenn sich auch die Kon-
5,34 €
4,80 € sumgewohnheiten ändern. Denn ein signifikanter Anteil
4,23 € 4,49 € der exportierten Erzeugnisse sind sogenannte Kuppelpro-
3,80 € aus dukte von Gütern, die für den Inlandsmarkt erzeugt wer-
3,55 € ökologischem
FLEISCHATLAS 2021 / ARCHIV

Landbau den. So gehen kaum Schweinefilets in den Export, sondern


besonders
gehobenes artgerecht
Tiefpreis, Standard-
Standard- angebot
angebot Preiserhöhungen in Prozent benachteiligen
die Qualität, Preiserhöhungen in
festen Beträgen belasten die Billigkäufe

46 FLEISCHATLAS 2021
FLEISCHATLAS 2021 / ÖKO-INSTITUT
WAS WENIGER FLEISCHVERBRAUCH BEWIRKT
Folgen einer Reduktion des Fleischverzehrs auf durchschnittlich 600 Gramm pro Person und Woche gemäß Empfehlung
der Deutschen Gesellschaft für Ernährung und daher Senkung um 48 Prozent, für 2017 berechnet, Auswahl

Pro-Kopf-Verbrauch*, Treibhausgasemissionen, Stallplätze, bisher empfohlen


in Kilogramm in Millionen Tonnen in Millionen** Rind

2,6
Schwein
Geflügel
2,9
20,9
14,6 sonstiges
1,5
87,8

49,7

- 48 %
12,3 22,8 9,1
0,14

0,07

1,3
10,9 7,6 6,4 106,2
45,7
25,9 8,2
52,2
4,3

*
Verbrauch: Gewicht vor Schlachtung **
von Schlachtungszahlen abweichend, weil Produktionszyklen kürzer (Schweine, Hühner) oder länger (Rinder) als ein Jahr sind

Wer sich im Fleischverbrauch an den


beispielsweise Schweinsköpfe und -füße, die in Deutschland empfohlenen 600 Gramm orientiert, lebt
nicht mehr gegessen werden. gesünder und ökologischer zugleich
Die ökologischen Aspekte der Tierhaltung machen keine
großen Fortschritte. Dafür gibt es aber inzwischen konkre-
te Pläne für Haltungssysteme, die dem Tierwohl gerechter mehr existieren. Finanziert werden soll der Umbau durch
werden. Das Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung, beste- eine Verbrauchssteuer auf tierische Produkte von etwa 40
hend aus Fachleuten, Umwelt- und Verbraucherschutzorga- Cent pro Kilogramm Fleisch. Der Bundestag hat diesem Vor-
nisationen sowie Branchenvertretern und -vertreterinnen, schlag im Sommer 2020 zugestimmt.
erarbeitete ein Jahr lang ein gemeinsames Konzept. Es sieht Viele zivilgesellschaftliche Organisationen fordern zu-
vor, dass die Standards bei der Haltung bis 2040 schrittweise sätzlich eine verbindliche staatliche Kennzeichnung von
verbessert werden. Viele der heute üblichen Tierhaltungs- Fleisch, die anzeigt, wie die Tiere gehalten wurden. Wie bei
anlagen werden unter dem vereinbarten Kompromiss nicht Eiern sollen die Kriterien so ausgestaltet sein, dass sie Anrei-
ze schaffen, das Wohl der Tiere stärker zu berücksichtigen.
Für die Kundschaft im Einzelhandel wäre diese Kennzeich-
Fleisch soll teurer und Vegetarisches sichtbarer nung wichtig, weil sie mit ihrer Hilfe Fleisch aus artgerech-
werden, finden junge Menschen. Was für Zigaretten gilt, ter Haltung erkennen und die Entscheidung für eine bessere
ist für Fleisch wenig erwünscht: ein Werbeverbot Haltung treffen könnte.

ENTSCHEIDUNGEN FÜR DEN SUPERMARKT


Ergebnisse der Jugendumfrage
„Supermärkte sollten
Veggie-Produkte in den Flexitarier/innen
14,4
„Der Staat soll durch 20,7 Regalen bevorzugen und
24,6 % 48,9 %
eine Steuer den auffälliger platzieren.“
Fleischpreis erhöhen 15,8
%
und das Geld für
mehr Klimaschutz 24,4 Omnivor/innen
einsetzen.“ 24,8
10,9
17,1 63,4 % 88,9 %
stimme voll und ganz zu
FLEISCHATLAS 2021 / ZÜHLSDORF

15,4
stimme eher zu Vegetarier/innen
teils, teils %
„Es soll ein Werbeverbot 26,0 Veganer/innen
lehne eher ab
lehne ganz und gar ab für klimaschädliche Pro- 30,7
dukte wie Fleisch geben.“
stimme voll und ganz zu, stimme eher zu
Differenzen durch Rundung

FLEISCHATLAS 2021 47
AUTORINNEN UND AUTOREN,
QUELLEN VON DATEN, KARTEN
UND GRAFIKEN
Alle Internetquellen wurden zuletzt im 18–19 KONZERNE
Dezember 2020 abgerufen. Der Fleischatlas ist DAS ZIEL IST MARKTMACHT – VOM
im PDF-Format unter den Download-Adressen STALL BIS ZUM KÜHLREGAL
herunterzuladen, die im Impressum aufgeführt von Shefali Sharma
sind. Im PDF sind alle Links anklickbar. S. 18: AFZ/agrarheute, https://bit.ly/3gi9KlX.
S. 19: foodengineeringmag.com,
https://bit.ly/3go1h0D. Rabobank,
https://bit.ly/2L4bsf8.

20–21 PASTORALISMUS
KARGES LAND UND REICHER NUTZEN
von Ilse Köhler-Rollefson
S. 20: Ganzorig Gonchigsumlaa,
Competitiveness of pastoral livestock,
https://bit.ly/39UhB7Y, S. 8 f., 16, 55.
10–11 KONSUM S. 21: PRAPS/Inter-réseaux,
ALLTAGSESSEN UND LUXUSGUT https://bit.ly/39PS7J0, S. 3, 12.
von Lisa Tostado
S. 10: OECD-FAO Agricultural Outlook 2020–29, 22–23 KLIMA
https://bit.ly/3owfvzc, S.16, Annex C, S. 10. DER FUSSABDRUCK DER TIERE
S. 11 o., u.: OWID, https://bit.ly/2IjaQkR. von Shefali Sharma
S. 22: M. Rojas-Downing et al., Climate
12–13 HANDEL change and livestock, https://bit.ly/3mPTon0,
IN DIE FALSCHE RICHTUNG https://bit.ly/36NpTgf. S. 23 o., u.: IATP,
von Bettina Müller und Lia Polotzek GRAIN, https://bit.ly/3qsfq1z.
S. 12: Bloomberg, Soybean Destinations,
https://bit.ly/3ghUDJt. S. 13 o.: OECD-FAO 24–25 PESTIZIDE
Agricultural Outlook 2020–29, https://bit.ly/3owfvzc, IN DER EU VERBOTEN,
S. 50 f. S. 13 u.: AFP, nach EDNH, https://bit.ly/3qwBic7. IN SÜDAMERIKA ERLAUBT
von Carla Hoinkes
14–15 PRODUKTION S. 24: Faostat, https://bit.ly/2VIXamf.
EINE PROBLEMATISCHE NAHRUNG S. 25 o., u.: Public Eye, https://bit.ly/3giFyaq.
UND IHRE GROSSEN ERZEUGER
von Christine Chemnitz 26–27 WASSER
S. 14: OWID, https://bit.ly/2IjaQkR. S. 15: DER UNSICHTBARE DURST DER
OECD-FAO Agricultural Outlook 2020–29, TIERE – UND IHRES FUTTERS
https://bit.ly/3owfvzc, S. 52–58. von Heike Holdinghausen
S. 27: FAO, SOFA 2020, Mekonnen et al.,
16–17 FUTTER https://bit.ly/3lOB8ZO, S. 11.
ERNTEN, BIS DER VIEHTROG VOLL IST
von Silvie Lang 28–29 MOORE
S. 16: IFIF, https://bit.ly/2LedLfR. S. 17 o.: WIEDERVERNÄSSUNG ALS CHANCE
OECD-FAO Agricultural Outlook 2020–29, von Sabine Wichmann
https://bit.ly/3owfvzc, S. 28. S. 17 u.: TNI, S. 28: milchtrends.de, https://bit.ly/3gfIvbE.
https://bit.ly/345vgFV S. 10. ussoy.org, Tegetmeyer et al., Aggregierte Karte der
https://bit.ly/2ImYnga. organischen Böden, https://bit.ly/2VIZcTp, S. 8.

48 FLEISCHATLAS 2021
S. 29 o.: GMC, https://bit.ly/2JRCcz9. 38–39 SCHLACHTHÖFE
S. 29 u.: GEC, WI, Assessment on Peatlands, IN DEUTSCHLAND
https://bit.ly/3mPqZxA. KLIMA DER ANGST
von Matthias Brümmer
30–31 ANTIBIOTIKA S. 38: BMAS, Antwort auf eine Kleine Anfrage
ZU VIEL DAVON IM TIERSTALL – der Linksfraktion, https://bit.ly/3oqRuK4.
UND EINE GEFAHR FÜR DIE MENSCHEN S. 39 o.: https://bit.ly/2VOTEa0 (Vieh),
von Reinhild Benning https://bit.ly/36O7sYC (Geflügel). S. 39 u.: s. S. 35.
S. 30: Germanwatch, https://bit.ly/3mS0veE.
S. 31 o.: NRDC, David Wallinga et al., Very High 40–41 VERSCHWENDUNG
Livestock Antibiotic Use Undercuts Effective IN DEUTSCHLAND
Drugs, https://on.nrdc.org/3lPOAN4. Giorgia VIEL ZU WENIG WIRD VERMIEDEN
Guglielmi, Are antibiotics turning livestock von Jonas Luckmann
into superbug factories?, https://bit.ly/2JYvNlt. S. 40: J. Luckmann, eigene Berechnungen.
S. 31 u.: NRDC, https://on.nrdc.org/37Gfq5f. S. 41 o.: ebd.; Thünen Report 71,
https://bit.ly/2VLD1MA, Tab. 22, 24 f.
32–33 PANDEMIEN S. 41 u.: s. S. 35.
GEFÄHRLICHE KONTAKTE
von Christine Chemnitz 42–43 KULTURWANDEL
und Inka Dewitz VERHÄNGNISVOLLE SYMBOLIK
S. 32: UNEP, Preventing the next pandemic, von Julia Schmid
https://bit.ly/37Fau0D, S. 22 f. S. 33 o.: ebd., S. 42: Hamish J. Love, Danielle Sulikowski,
S. 14. S. 33 u.: UNEP Frontiers 2016 Report, Of Meat and Men, https://bit.ly/3gpatly.
https://bit.ly/36MQnya, S. 22, von: H. Loh S. 43 o.: AMI, Aktionspreise Fleisch
et al., Targeting Transmission Pathways for im LEH, https://bit.ly/33RURll.
Emerging Zoonotic Disease Surveillance Rentenbank, Die künftige Rolle des LEHs,
and Control, https://bit.ly/36KIqtx, S. 432. https://bit.ly/2Ihq1uO, S. 139.
Machiel J. Reinders, Portioning meat
34–35 JUGENDUMFRAGE and vegetables in four different out
WENIGER FLEISCH, MEHR FUTURE of home settings, https://bit.ly/33L7Y7J.
von Achim Spiller, Anke Zühlsdorf, S. 43 u.: s. S. 35.
Kristin Jürkenbeck und Maureen Schulze
S. 35: Universität Göttingen und Zühlsdorf + Partner, 44–45 ERSATZPRODUKTE
Ergebnisse der Umfrage „Fleischkonsum ÜBERALL WIRD EXPERIMENTIERT
in der Generation Fridays for Future“ für die von Stephanie Wunder
Heinrich-Böll-Stiftung, 2020, unveröff. S. 44: Kearney, https://bit.ly/37Cq516.
S. 45 o.: Destatis, https://bit.ly/37HnO4y.
36–37 PRODUKTION IN DEUTSCHLAND AMI, nach oekolandbau.de,
RABIATER STRUKTURWANDEL https://bit.ly/3qySNbS. S. 45 u.: s. S. 35.
von Astrid Häger und Julia Schmid
S. 36: Thünen, Steckbriefe zur Tierhaltung 46–47 POLITIK
in Deutschland: Mastgeflügel, 2020, NÄCHSTE SCHRITTE
https://bit.ly/3lNSB4P, S. 8. S. 37 o.: Destatis, von Katrin Wenz und Christian Rehmer
2010, https://bit.ly/3gkOUTc, 2020, S. 46: Fleischatlas 2018,
https://bit.ly/3lPeiBB, J. Luckmann, eigene https://bit.ly/3ou6ZRC. S. 47 o.: Öko-Institut,
Berechnungen. S. 37 u.: s. S. 35. https://bit.ly/3ggFO9T, S. 11. S. 47 u.: s. S. 35.

FLEISCHATLAS 2021 49
HEINRICH-BÖLL-STIFTUNG
Demokratie und Menschenrechte durchsetzen, land und erleichtert die soziale und politische Teilhabe
gegen die Zerstörung unseres globalen Ökosystems von Immigrantinnen und Immigranten.
angehen, patriarchale Herrschaftsstrukturen über-
winden, die Freiheit des Individuums gegen staatliche Ein besonderes Anliegen ist ihr die Verwirklichung einer
und wirtschaftliche Übermacht verteidigen – demokratischen Einwanderungsgesellschaft sowie einer
diese Ziele bestimmen das Handeln der grünnahen Geschlechterdemokratie als eines von Abhängigkeit
Heinrich-Böll-Stiftung. und Dominanz freien Verhältnisses der Geschlechter.
Darüber hinaus fördert die Stiftung Kunst und Kultur
Mit derzeit 32 Auslandsbüros verfügt sie über ein als Element ihrer politischen Bildungsarbeit und als
weltweites Netz für ihr Engagement. Sie arbeitet mit Ausdrucksform gesellschaftlicher Selbstverständigung.
ihren Landesstiftungen in allen deutschen Bundes-
ländern zusammen, fördert gesellschaftspolitisch Heinrich-Böll-Stiftung
engagierte Studierende und Graduierte im In- und Aus- Schumannstr. 8, 10117 Berlin, www.boell.de

BUND FÜR UMWELT UND NATURSCHUTZ DEUTSCHLAND


Eine bewohnbare Erde für alle. Dafür tritt der Bund Nutztierhaltung sowie eine Agrarwende hin zu einer
für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V. (BUND) umwelt- und klimafreundlichen Landwirtschaft.
als unabhängiger und gemeinnütziger Verband ein.
Wir verstehen uns als treibende gesellschaftliche Kraft Der BUND ist mit mehr als 626.000 Mitgliedern und
für ökologische Erneuerung, soziale Gerechtigkeit und Unterstützer*innen einer der größten Umweltver-
nachhaltige Entwicklung. Eine zukunftsfähige Landwirt- bände Deutschlands. Mit 16 Landesverbänden und
schaft ist einer der Schwerpunkte unserer Arbeit. 2.000 lokalen Gruppen ist er im ganzen Land aktiv und
erreichbar. Der BUND ist Mitglied des internationalen
Wir engagieren uns für eine bäuerlich-ökologische Netzwerks Friends of the Earth International (FoEI) und
Landwirtschaft, gesunde Lebensmittel, den Schutz des hat Partnerorganisationen in 72 Ländern.
Klimas, der Wälder und des Wassers, für den Ausbau
regenerativer Energien und für bedrohte Lebensräume Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND)
und Arten. Wir fordern den zügigen Umbau der Kaiserin-Augusta-Allee 5, 10553 Berlin, www.bund.net

LE MONDE DIPLOMATIQUE
Le Monde diplomatique (LMd) ist eine internationale Zeitung wie LMd unverzichtbar. Sie erklärt die Ursachen
Monatszeitung, deren deutsche Ausgabe unter aktueller Konflikte und erkennt entscheidende
dem Dach der taz produziert wird. LMd berichtet aus künftige Entwicklungen. So hat LMd früher als andere
aller Welt, wird von Leuten in aller Welt gemacht und die neokoloniale Ausbeutung des Globalen Südens
auch in aller Welt gelesen. beschrieben, vor der Kettenreaktion der Finanzkrise
gewarnt und über das zerstörerische Fracking oder die
Von ihren weltweit 1,5 Millionen Leser/innen haben fatale Biospritlüge berichtet. Le Monde diplomatique
viele die Zeitung auf Arabisch vor Augen, andere lesen veröffentlicht außer der Monatszeitung seit 2003
sie auf Japanisch, Polnisch, Portugiesisch oder Farsi. auch den Atlas der Globalisierung und die thematische
Denn LMd ist längst zu einem internationalen Netzwerk Heftreihe Edition LMd.
geworden, mit 26 Print- und 7 Onlineausgaben in
Le Monde diplomatique, deutsche Ausgabe
22 Sprachen. In einer Zeit, in der die Nachrichten- Friedrichstr. 21, 10969 Berlin, www.monde-diplomatique.de,
vermittlung immer oberflächlicher wird, ist eine www.atlas-der-globalisierung.de

DER PODCAST ZUM FLEISCHATLAS


Klimaschutz und Fleischkonsum – wie geht das zusammen?
Um diese Frage wird es in unserem Böll.Fokus zum Fleischatlas gehen.

Diesen und weitere Podcasts


der Heinrich-Böll-Stiftung können
Sie auf unserer Webseite, bei
Soundcloud, Spotify, Apple-
Podcasts oder in der Podcast-App
Ihrer Wahl abonnieren.

Scannen Sie den QR-Code, um den Podcast zum


Fleischatlas zu hören, oder geben Sie folgenden Link ein:
boell.de/fleischatlas-2021-podcast

50 FLEISCHATLAS 2021
BISHER ERSCHIENEN

INSEKTENATLAS
Daten und Fakten über Nütz- und Schädlinge
in der Landwirtschaft
2020
INSEKTENATLAS
Daten und Fakten über Nütz- und Schädlinge
in der Landwirtschaft
2020
INSECT ATLAS
Facts and figures about friends and foes in farming 2020
MOBILITÄTSATLAS
Daten und Fakten für die Verkehrswende 2019

ÖSTERREICHISCHE AUSGABE

AGRAR-ATLAS
Daten und Fakten zur EU-Landwirtschaft 2019
AGRAR-ATLAS
Daten und Fakten zur EU-Landwirtschaft 2019
ATLAS DE LA PAC
Chiffres et enjeux de la Politique Agricole Commune 2019
ATLANTE DELLA PAC
Dati e fatti della Politica Agricola Comune UE 2019
ATLAS DE LA PAC
Hechos y cifras sobre la Política Agrícola Común 2019
AGRICULTURE ATLAS
Facts and figures on EU farming policy 2019 ATLAS ROLNY
Dokąd zmierza europejska wspólna polityka rolna 2019

VERSO PANORAMA REFORMS ROLNICTWO


REFORMEN REFORMEN URE MA NO-
LE, LE, L’AGRICULT UNA RIFOR DE LA FOR A DLA ZRÓW
FÜR STÄL FÜR STÄL E EN
ÄCKER UND ÄCKER UND
EUROPÉENN
E AGRICOLA AGRICULTU
RA
SUSTAINA
BLE WAŻONEJ
PERSPECTIV A ŚCI
NATUR NATUR ECOLOGIC EUROPEA FUTURE PRZYSZŁO

ÖSTERREICHISCHE AUSGABE

FLEISCHATLAS MEAT ATLAS ET ATLASI ATLAS CARNE ATLAS CARNE ATLAS MASA
DE DA
LA
Daten und Fakten über Tiere als Nahrungsmittel 2013 La réalité et les chiffres sur les animaux Hechos y cifras sobre los animales que comemos Fatos e números sobre os animais que comemos
Facts and figures about the animals we eat que nous consommons Příběhy a fakta o zvířatech, která jíme
Yediğimiz hayvanlar hakkında gerçekler ve rakamlar

FLEISCHATLAS
Daten und Fakten über Tiere als Nahrungsmittel 2014
FLEISCHATLAS
Daten und Fakten über Tiere als Nahrungsmittel 2016
FLEISCHATLAS
Daten und Fakten über Tiere als Nahrungsmittel 2018
MEERESATLAS
Daten und Fakten über unseren Umgang mit dem Ozean 2017
OCEAN ATLAS
Facts and Figures on the Threats to Our Marine Ecosystems 2017

NEUE THEMEN DEUTSCHLAND REGIONAL REZEPTE FÜR


ERE
EINE BESS
NG
TIERHALTU

EXTRA: ABFALL UND VERSCHWENDUNG

°
BODENATLAS
Daten und Fakten über Acker, Land und Erde 2015
BODENATLAS
Daten und Fakten über Acker, Land und Erde 2015
SOIL ATLAS
Facts and figures about earth, land and fields 2015
L’ATLAS DU SOL
Faits et chiffres sur la terre, les sols et les champs 2016
ATLAS PUDY
Fakta a čísla o zemi, půdě a životě 2018
EUROPA-ATLAS
Daten und Fakten über den Kontinent

ÖSTERREICHISCHE AUSGABE

ENERGIEATLAS ENERGY ATLAS ATLAS DE L’ÉNERGIE


Faits et chiffres sur les énergies renouvelables en Europe 2018
ATLAS ENERGII KONZERNATLAS AGRIFOOD ATLAS ATLAS DO
AGRONEGÓCIO
Daten und Fakten über die Agrar- und Lebensmittelindustrie 2017 Facts and figures about the corporations that control what we eat 2017
Daten und Fakten über die Erneuerbaren in Europa 2018 Facts and figures about renewables in Europe 2018 Fakty i dane o energetyce odnawialnej w Europie 2018

Fatos e números sobre as corporações que controlam o que comemos 2018

KOHLEATLAS COAL ATLAS COAL ATLAS ATLAS UHLÍ ATLAS WEGLA KOHLEATLAS
SACHSEN
Daten und Fakten über einen globalen Brennstoff 2015 Dane i fakty o globalnym paliwie 2015 Činjenice i podaci o fosilnom gorivu 2016
Facts and figures on a fossil fuel 2015 Facts and figures on a fossil fuel 2015 Příběhy a fakta o palivu, které změnilo svět i klima 2015

NIGERIA Daten und Fakten über einen verhängnisvollen Rohstoff 2017

KAKO
O
ŽRTVUJEM
KLIMU
WIE WIR HOW WE ARE HOW WE ARE JAK SI JAK KLIMA
A OHŘÍVÁME FT
MY
DAS KLIM COOKING COOKING PRZEGRZEWA WIRTSCHA
VERHEIZEN THE CLIMA
TE
THE CLIMA
TE
PLANETU KLIMAT ARBEIT
8.000

4.122

7.000

Oft infizieren Wildtiere Menschen,


6.000 weil die Landwirtschaft viele Habitate zerstört.
aus: GEFÄHRLICHE KONTAKTE, Seite 32

5.000
Um den Fleischkonsum weitreichend zu reduzieren,
müssen sich langfristig die sozialen Normen verändern.
4.000
aus: VERHÄNGNISVOLLE SYMBOLIK, Seite 42

3.000
368

2.000
408

1.704
2,9
14,6 %
30,6 % 29,8 % 13,2 % 11,8 % 14,4 % 1,5
18,1 % 28,7 % 20,8 % 18

1.000
377
12,1 % 25,6 % 31,8 % 17,3 % 13,2 % 14,3 % 21,9 % 26,6 % 18,2 % 19

0
19,32010
% 29,72015
%
173
27,6 %
22,8
19,4 % 7,9 % 20,4 % 9,1
31,8 % 23,4 % 16
1990 1995 2000 2005 2018
4,1 %

Junge Menschen ernähren sich doppelt so oft vegetarisch und


vegan wie der Durchschnitt der Gesamtbevölkerung.
aus: WENIGER FLEISCH, MEHR FUTURE, Seite 34

Der Erfolg der deutschen Schlachthöfe liegt zum


großen Teil an den niedrigen Löhnen.
aus: KLIMA DER ANGST, Seite 38

Das könnte Ihnen auch gefallen