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Ästhetik im 20.

Jahrhundert
Prof. Dr. Birgit Recki, WS 2022/23, Do 18-20 Uhr
Rudolf Harms: Philosophie des Films. Seine ästhetischen und
metaphysischen Grundlagen (1926)

Zwei Tendenzen des Films:

vollendete Realistik vs. größte Irrealität


absolute Wirklichkeitsnähe vs. Wirklichkeitsferne
objektiver Urkundenwert vs. spielerische Wirklichkeitsform
„Dadurch, daß der Film eine der Wirklichkeit zwar ähnliche,
aber doch von ihr grundverschiedene Welt erzeugt, eine Welt
der bewegten Lichtflecke in einem zur Fläche
zusammengepreßten Dunkel, die durch jeden fremden
Lichtstrahl zerstört wird, der ihre Fläche in der Aufsicht trifft,
drängt er zur Wirklichkeitsferne und damit zu einem
geistesfreien Spielen mit einer Wirklichkeit, die in Wahrheit nie
besteht und im Grunde nichts als die absolute Bewegung
darstellt.“

Harms, Philosophie des Films, 117; Hervorhebg. B.R.


André Bazin: „Ontologie des photographischen Bildes“ (1945),
in: Ders.: Was ist Kino? Bausteine zu einer Theorie des Films,
Berlin 2004
„Unter allen existierenden Medien ist es allein das Kino, das in
gewissem Sinn der Natur den Spiegel vorhält und damit die
`Reflexion´ von Ereignissen ermöglicht, die uns versteinern
würden, träfen wir sie im wirklichen Leben an. Die
Filmleinwand ist Athenes blanker Schild.“

Siegfried Kracauer: Theorie des Films. Die Errettung der äußeren Wirklichkeit (1960/64),
Frankfurt am Main 1985, 395
Ein Imperativ der Vielfalt

„[D]er Film soll bestimmte Möglichkeiten der Darstellung


entwickeln, denn er kann es“.

Harms: Philosophie des Films, 116


André Malraux: „Le premier art mondial“, (1959), in:
André Malraux. Présentation par Denis Marion (Cinéma
d'aujordhui 65), Paris 1970
„Ob man darüber erfreut ist oder nicht: der Film bestimmt stärker als
jeder Einzelfaktor die Meinungen, den Geschmack, die Sprache, die
Kleidung, das Benehmen, ja sogar die äußere Erscheinung eines
Publikums, das mehr als 60 Prozent der Erdbevölkerung umfaßt.“

Erwin Panofsky: „Style and Medium in the Motion Pictures“ (1934; deutsch: „Stil
und Stoff im Film“, in: Filmkritik 6/1967, 343-355; Zitat: 344
„Man könnte sagen, daß der Film, der durch gemeinschaftliche
Anstrengung ins Leben gerufen wird, in welcher alle Beiträge den
gleichen Grad von Dauer erreichen, am ehesten das moderne
Äquivalent einer mittelalterlichen Kathedrale ist. Die Rolle des
Produzenten entspricht, mehr oder weniger, der des Bischofs oder
Erzbischofs; die des Regisseurs jener des leitenden Baumeisters; die
des Drehbuchautoren jener des scholastischen Beraters, der das
ikonographische Programm aufstellt […]

Und jeder von denen, die zum Ganzen beitragen, wird einem bona fide
sagen, daß gerade seine Tätigkeit die wichtigste sein – was ja insofern
wahr ist, als sie unentbehrlich ist.“

A.a.O., 353
„Die spezifischen Möglichkeiten des Films lassen sich
definieren als Dynamisierung des Raumes und
entsprechend als Verräumlichung der Zeit.“

A.a.O., 345
„Im Theater ist der Raum statisch, das heißt sowohl der dargestellte
Raum auf der Bühne als auch die räumliche Beziehung zwischen
Betrachter und Schauspiel ist unveränderlich. Der Zuschauer kann
seinen Platz nicht verlassen, und die Anordnung auf der Bühne kann
sich während des Aktes nicht ändern.“

„Auch hier [im Film, B.R.] hat der Zuschauer einen festen Platz inne,
aber nur äußerlich, nicht als Subjekt der ästhetischen Erfahrung.
Ästhetisch ist er in ständiger Bewegung, indem sein Auge sich mit
der Linse der Kamera identifiziert, die ihre Blickweite und
Blickrichtung ändert.“

A.a.O., 345
Principle of coexpressibility / „Prinzip des kombinierten Ausdrucks“ [???]

„Im Film bleibt, im guten wie im schlechten, das Gehörte unlösbar gebunden an das
Gesehene; der Ton, artikuliert oder nicht, kann nicht mehr ausdrücken als die gleichzeitig
sichtbare Bewegung. Ein guter Film versucht das auch gar nicht. Kurz: das Stück, oder wie
es richtig heißt, das Skript des Films unterliegt dem, wie man sagen könnte, Prinzip des
kombinierten Ausdrucks (principle of coexpressibility). Der empirische Beweis dieses
Prinzips liegt in der Tatsache, daß überall, wo in einem Film vorübergehend ein
monologisches oder dialogisches Element bestimmend ist, so unvermeidbar wie ein
Naturgesetz eine Großaufnahme erscheint. Was bewirkt die Großaufnahme? Indem die
Kamera das Gesicht des Sprechers oder das des Zuhörenden oder abwechselnd beide in
starker Vergrößerung zeigt, verwandelt sie die menschliche Physiognomie in einen
Schauplatz: schauspielerische Qualität vorausgesetzt, wird die feinste, aus gewöhnlicher
Entfernung nicht erkennbare Regung des Gesichts zum ausdrucksstarken Ereignis im
sichtbaren Raum und verschmilzt dabei vollkommen mit dem Ausdrucksgehalt der
gesprochenen Worte.“

A.a.O., 347
Stanley Cavell: Pursuits of Happiness. The Hollywood Comedy
of Remarriage, Harvard University Press, Cambridge, Mass.,
1981
Die Remarriage Comedies

 It Happened One Night / Es geschah in einer Nacht (1934), directed by Frank Capra, starring Clark Gable and Claudette Colbert

 The Awful Truth / Die schreckliche Wahrheit (1937), directed by Leo McCarey, starring Cary Grant and Irene Dunne

 Bringing Up Baby / Leoparden küßt man nicht (1938), directed by Howard Hawks, starring Cary Grant and Katharine Hepburn

 The Philadelphia Story / Die Nacht vor der Hochzeit (1940), directed by George Cukor, starring Cary Grant and Katharine Hepburn

 His Girl Friday / Sein Mädchen für besondere Fälle (1940), directed by Howard Hawks, starring Cary Grant and Rosalind Russell

 The Lady Eve / Die Falschspielerin (1941), directed by Preston Sturges, starring Barbara Stanwyck and Henry Fonda

 Adam's Rib / Ehekrieg (1949), directed by George Cukor, starring Spencer Tracy and Katharine Hepburn
Mind-Game-Movies (Eine Auswahl)

The Game (David Fincher, 1997)

Lost Highway (David Lynch, 1997)

The Truman Show (Peter Weir, 1998)

Being John Malkovich (Spike Jonze, 1999)

The Matrix (Wachowski Brothers, 1999)

Fight Club (David Fincher, 1999)

Memento (Christopher Nolan, 2000)

Donnie Darko (Richard Kellie, 2001)

Mulholland Drive (David Lynch, 2001)

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