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Erklärung
zur Wasserkraftnutzung am Wehr Geesthacht
10. März 2009
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1. Einleitung
Unterzeichner
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Parlamentarische Gruppe Frei fließende Flüsse
Brunhilde Irber, Eva Bulling-Schröter, Dr. Anton Hofreiter
I. Erklärung
zur Wasserkraft am Elbwehr Geesthacht
Appell zum Verzicht auf die Wasserkraftnutzung am Wehr Geesthacht / Elbe
Die Parlamentarische Gruppe Frei fließende Flüsse begrüßt die Maßnahmen zur
Verbesserung der Durchgängigkeit für wandernde Fischarten an dem Elbwehr
Geesthacht und appelliert zugleich an die verantwortlichen Genehmigungsbehörden
und Konzessionsnehmer, auf die geplante Wasserkraftnutzung zu verzichten. Die
Parlamentarische Gruppe würdigt damit die besondere Bedeutung der Durchgängigkeit
speziell an diesem Standort für die biologische Vielfalt der Fischfauna im gesamten
Elbeinzugsgebiet. Für den Aufbau gesunder Fischpopulationen der stark gefährdeten
Wanderfischarten wie Aal und Stör ist der gefahrlose Fischabstieg über das Wehr
Geesthacht von existentieller Bedeutung.
Die Bewahrung und Wiederherstellung der Durchgängigkeit der Flüsse und Ströme für
wandernde Fischarten hat für die Parlamentarische Gruppe Frei fließende Flüsse des
Deutschen Bundestages einen hohen Stellenwert.
Die Passierbarkeit des Wehres Geesthacht ist von entscheidender Bedeutung für die
gewässerökologische Anbindung der Mittleren und Oberen Elbe sowie ihrer Nebengewässer
an die Tideelbe und die Nordsee. Die Staustufe Geesthacht bei Hamburg ist das einzige
Querbauwerk im Hauptstrom der Elbe für 731 km auf deutschem Gebiet. Oberhalb des
Wehres Geesthacht befinden sich 135.013 km² des Elbeeinzugsbereiches. Dies entspricht 91
Prozent der gesamten Flussgebietseinheit.
Die vorhandene Fischwechselanlage am Südufer der Staustufe Geesthacht stammt aus dem
Jahr 1998. Seit Bestehen der Anlage konnte der erfolgreiche Aufstieg von 33 Fisch- und
Rundmaularten nachgewiesen werden. Darunter nach Flora-Fauna-Habitat Richtlinie (FFH-
Richtlinie) geschützte Arten wie z.B. der Lachs, die Meerforelle aber auch die nach EG-
WRRL geschützten Langdistanzwanderfische wie z.B. Fluss- und Meerneunaugen, die
Quappe sowie der durch die EG-Aalschutzverordnung besonders geschützte Aal. Im Sinne
einer nachhaltigen Entwicklung - insbesondere der störungsempfindlichen Arten - ist die
derzeitige Fischwechselkapazität am Wehr Geesthacht unzureichend.
Die Erhöhung der Fischwechselkapazität am Wehr Geesthacht ist zur Stabilisierung der
Fischpopulationen im gesamten Elbeinzugsbereich dringend erforderlich. Durch eine solche
Maßnahme können das Wanderhindernis ‚Sauerstoffmangel‘ im Hamburger Hafenwasser
sowie die Fischverluste durch die zukünftige Kühlwasserentnahme für das in Bau befindliche
Kraftwerk Moorburg zum Teil ausgeglichen werden.
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Elbe festzustellen. Dieses sog. Sauerstoffloch führt immer wieder zu Fischsterben und
blockiert die Fischwanderung. Eine der Ursachen für den Sauerstoffmangel ist die künstliche
Vertiefung der Elbe im Seeschifffahrtsbereich und das damit verbundene Absinken und
Absterben von Algen. Der Zersetzungsprozess entzieht dem Wasser den für die Fische
lebensnotwendigen Sauerstoff. Verschärft werden könnte dieser Sauerstoffmangel durch die
künftige Kühlwassereinleitung aus dem Kraftwerk Moorburg. Denn mit steigender
Wassertemperatur sinkt der Sauerstoffgehalt im Wasser.
Bis heute ist es noch nicht möglich Kleinlebewesen wie Fischnährtiere sowie Fischbrut - auch
kleinere Fische - zuverlässig aus dem Kühlwasser für Industrie- und Kraftwerksanlagen
herauszuhalten. So auch im Falle des Kraftwerks Moorburg. Ein Großteil der Lebewesen, die
in den Kühlwasserstrom gelangen, werden abgetötet.
Die Fischfauna der Elbe leidet bereits heute unter den immensen Kühlwasserentnahmen an
den Kernkraftwerksstandorten in Brunsbüttel, Brokdorf und Krümmel.
Der Großraum Hamburg und insbesondere die Staustufe Geesthacht stellen deshalb einen
Engpass für wandernde Fischarten und damit unmittelbar für die biologische Vielfalt der
Fischlebensgemeinschaften im gesamten Einzugsbereich der Elbe dar. Mit der neuen
Fischwechselanlage am Nordufer der Staustufe Geesthacht soll der Anteil der in Moorburg
durch die Kühlwassernutzung getöteten Fische durch eine Verbesserung der Aufstiegs-
möglichkeiten für die verbliebenen Fische am Wehr in Geesthacht ausgeglichen werden.
Mit der verbesserten Durchgängigkeit am Wehr Geesthacht scheint es möglich, die negativen
Folgen der Kühlwasserentnahmen auszugleichen und darüber hinaus grundsätzlich eine
höhere Durchgängigkeit des Flusses zu erreichen. Dies ist jedoch nur dann möglich, wenn auf
eine Wasserkraftnutzung an diesem Standort verzichtet wird. Denn für den Aufbau stabiler
Fischpopulationen ist ein möglicher Fischaufstieg genau so bedeutend wie ein gefahrloser
Abstieg. Die Fischwanderung flussabwärts wird im Gegensatz zum Aufstieg von den meisten
Fischarten passiv treibend im Hauptströmungsbereich des Flusses vollzogen. Damit geraten
die abwandernden Fische zwangsläufig in die Turbinen. Eine Wasserkraftnutzung am Wehr
Geesthacht steht in Widerspruch zur Verbesserung der Durchgängigkeit mittels der geplanten
Fischwechselanlage am Nordufer. Eine Wasserkraftnutzung und die Fischwechselanlagen
sind deshalb im konkreten Fall Geesthacht nicht sinnvoll vereinbar.
Der Appell zum Verzicht auf die Wasserkraftnutzung im speziellen Fall Geesthacht stellt
keine generelle Ablehnung gegenüber einer sinnvollen und umweltverträglichen Wasser-
kraftnutzung an anderer Stelle dar.
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II. Begründung
für die Ablehnung der Wasserkraftnutzung am Elbwehr Geesthacht
1. Einleitung
Die EG-Wasserrahmenrichtlinie (EG-WRRL) sieht vor, dass bis zum Jahr 2015 der „gute
ökologische Zustand“ der Flüsse, Seen, Übergangs- und Küstengewässer erreicht wird. Die
ökologische Qualität der Flüsse wird neben dem Zustand des Gewässers selbst an der
Zusammensetzung sowie der Struktur fortpflanzungsfähiger Fischlebensgemeinschaften
gemessen. Deshalb kommt zukünftig der Erhaltung, Entwicklung und Verknüpfung von
Lebensräumen für die heimischen Fischarten eine besondere Bedeutung zu.
Viele Fischarten haben im Lauf der Evolution ein Wanderverhalten entwickelt, das es ihnen
ermöglicht verschiedene Lebensräume optimal zu nutzen. Für die Fortpflanzung werden
häufig andere Ansprüche an Umweltfaktoren wie Strömung, Temperatur und Untergrund
gestellt, als sie für die Ernährung, den Aufwuchs oder die Winterruhe notwendig sind. Aus
diesem Grund unternehmen viele heimische Fischarten mehr oder weniger ausgedehnte
Wanderungen. Einige Arten wechseln dabei auch zwischen Süß- und Meerwasser. Für die
wandernden Fischarten ist die Durchgängigkeit der Flüsse und die Vernetzung mit allen
erforderlichen anderen Teillebensräumen lebensnotwendig.
Die Elbe ist 1.094 Kilometer lang, ihr Einzugsgebiet beträgt 148.268 km². Nach Donau,
Weichsel und Rhein ist sie der viertgrößte Fluss in Mitteleuropa. Sie wird von ihrer Quelle im
Riesengebirge bis zur Mündung in die Nordsee in drei Abschnitte unterteilt: Obere, Mittlere
und Untere Elbe. Die Obere Elbe endet nach 463 km Flusslauf unterhalb von Meißen. Die
nachfolgende Mittlere Elbe ist bis zum Wehr Geesthacht oberhalb Hamburgs 489 km lang.
Das Abflussverhalten der Unteren Elbe zwischen Geesthacht und der Mündung in die
Nordsee an der Seegrenze bei Cuxhaven-Kugelbake wird durch die Gezeiten geprägt, sie wird
deshalb auch Tideelbe genannt. Dieser Abschnitt ist 142 km lang. Die größten Nebenflüsse
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der Elbe sind Moldau, Saale und Havel mit über 51 % des Einzugsgebiets. Auf Eger,
Schwarze Elster, Mulde, Ilmenau, Sude, Jizera, Orlice und die Müritz-Elde-Wasserstraße, mit
jeweils mehr als 2.000 km² Einzugsbereich, entfallen 21 %.
Die Elbe ist ein ausgewiesenes Fischgewässer. Sie war bis Ende des 19. Jahrhunderts
praktisch der wichtigste Lachsfluss in Deutschland und Böhmen. Ende des 19. und Anfang
des 20. Jahrhunderts gingen die Lachszüge jedoch durch den Bau von Wehren, vor allem in
den als Laichgewässern dienenden Nebenflüssen, zurück. Mit der Errichtung der Staustufe
Střekov an der Elbe in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts wurden die Wanderungen in
den tschechischen Abschnitt endgültig unterbrochen. Ein Anteil am Verschwinden des
Lachses kann auch auf die sich verschlechternde Wasserbeschaffenheit in der Elbe zu Zeiten
der DDR-Planwirtschaft zurückgeführt werden.
Alle oben genannten Wanderfischarten, die zum Teil auch nach der europäischen Fauna-
Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) und der Bundesartenschutzverordnung einen besonderen
Schutzstatus genießen, müssen nach EG-Wasserrahmenrichtlinie (EG-WRRL) zu den
störungsempfindlichen Arten gezählt werden. Ohne sie ist ein guter ökologischer Zustand
oder ein gutes ökologisches Potenzial nicht erreichbar.
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Bezüglich der durch die EG-WRRL geforderten Durchgängigkeit aller Flüsse für wandernde
Organismen kommt in der Elbe dem im Jahr 1960 in Betrieb genommenen Wehr Geesthacht
(Strom-km 585,9) eine Schlüsselstellung zu. Dieses etwa 140 km oberhalb der Mündung in
die Nordsee gelegene Querbauwerk, das die Schnittstelle zwischen der Tideelbe und der
tidefreien Elbe darstellt, ist das einzige Hindernis auf bundesdeutschem Gebiet für die im
Elbestrom wandernden Arten. Wegen seiner Fallhöhen von 1,3 m bis 2,9 m sowie der dort
herrschenden Strömungsgeschwindigkeiten von ca. 3 m/s bei mittleren Tidewasserständen
stellt es ohne Fischwechselanlagen ein selbst für leistungsstarke Fische unüberwindbares
Querbauwerk dar. Die Passierbarkeit des Wehres Geesthacht ist von entscheidender
Bedeutung für die gewässerökologische Anbindung der Mittleren und Oberen Elbe sowie
ihrer Nebengewässer an die Tideelbe und die Nordsee.
Mit einem mittleren Durchfluss von ca. 6 m3/s ist die im Jahr 1998 in Betrieb gegangene
Fischwechseleinrichtung am Südufer der Elbe bei Geesthacht zwar eine der größten in
Deutschland, ihre Durchflussmenge ist aber im Vergleich zum mittleren Abfluss der Elbe, der
ca. 735 m3/s beträgt, mit weniger als 1 % sehr gering. Der Mindestdurchfluss einer effektiven
Fischwechseleinrichtung sollte mindestens 2 - 3 % des mittleren Oberwasserabflusses ent-
sprechen. Übertragen auf die Elbe bei Geesthacht würde dies einen Durchfluss von
mindestens 15 – 22 m3/s bedeuten. Die derzeitige Fischwechselanlage am Wehr in Geesthacht
ist damit eindeutig unterdimensioniert.
Am Nordufer der Staustufe Geesthacht ist derzeit keine Durchgängigkeit für flussaufwärts
wandernde Organismen gegeben. Hier kommt es daher regelmäßig zu einer starken
Ansammlung von Fischen, die vergeblich versuchen das Wehr zu passieren, um ihre
Laichgebiete zu erreichen. Wegen der starken Turbulenzen im Wehrbereich führen nur
wenige, leistungsstarke Fische eine Flussquerung, verbunden mit einem erfolgreichen
Aufstieg am Südufer durch. Deshalb besteht aus Gewässerschutzsicht der dringende Bedarf,
unabhängig von der Fischwechselanlage am Südufer, eine effektive Fischwechselanlage am
Nordufer zu errichten und zu betreiben.
Die Parlamentarische Gruppe Frei fließende Flüsse begrüßt ausdrücklich die Entscheidung
des Bundes und der Flussgebietsgemeinschaft Elbe (FGG Elbe), den Bau einer ausreichend
dimensionierten Fischwechselanlage am Nordufer der Staustufe in die Bewirtschaftungspläne
für die Elbe aufzunehmen.
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mindestens 300 Tagen im Jahr ein durchgehender Wanderkorridor sowohl für die
leistungsschwächsten als auch für die größten Arten der heimischen Fischfauna vorhanden ist.
Der Betrieb einer Wasserkraftanlage führt unweigerlich zu Fischverlusten. Während bei der
Aufwärtswanderung die Fische aufgrund ihres großen Laichtriebes bereit sind Suchbe-
wegungen aktiv durchzuführen, was genutzt werden kann, um über strömungslenkende
Maßnahmen (sog. Leitströmung) den Einschwimmkanal der Fischwechselanlage aufzuzeigen,
findet die Abwärtswanderung überwiegend passiv treibend im Hauptstrom statt. Organismen
lenkende Maßnahmen (z.B. durch Stromimpulse) sind hier daher nur bedingt wirksam. Weil
im Sinne einer stabilen Fisch- und Rundmaulpopulation zu einem erfolgreichen Aufstieg der
Elterntiere auch ein erfolgreicher Abstieg der Jungfische gehört (bei den Aalen auch in
umgekehrter Richtung), bedarf es bei der Gesamtbewertung der Funktionstüchtigkeit der
geplanten Fischwechselanlage nicht nur des Nachweises des erfolgreichen Aufstieges sondern
auch des ebenso erfolgreichen Abstieges.
Die derzeitige Planung des Doppelschlitzpasses am Nordufer sieht eine Erhöhung des
Strömungsimpulses, d.h. der Wahrnehmbarkeit der Leitströmung der Fischwechselanlage
durch die zusätzliche Überströmung des benachbarten Wehrfeldes vor. Über fünf abgesenkte
Muldenbereiche sollen dauerhaft insgesamt ca. 10 m³/s abfließen damit die aufsteigenden
Fische den Einstieg in den Fischwechsel besser auffinden können. Diese Maßnahme ist aus
Gewässerschutzsicht zu begrüßen.
In den Planungsunterlagen zur neuen Fischwechselanlage finden sich jedoch auch Angaben,
dass dieses Wehrfeld für eine mögliche Wasserkraftnutzung zur Verfügung steht. Bei
Realisierung einer Wasserkraftanlage würden an dieser Stelle ca. 200 m³/s bis 500 m³/s anstatt
10 m³/s, wie bisher vorgesehen, passieren. Dies hätte zur Folge, dass die als Verstärkung der
Leitströmung vorgesehene Maßnahme in Gänze unwirksam werden würde, da der
Turbulenzbereich des aus der Wasserkraftanlage strömenden Wassers die Leitströmung der
Fischwechselanlage überdecken würde. Die Folge wäre, dass die wanderwilligen Fische den
Einstieg in die Fischwechselanlage nicht mehr sicher und in ausreichender Zahl finden
könnten.
Eine Durchführung von 200 - 500 m³/s durch die Wasserkraftanlage hätte zur Folge, dass an
100 bis 300 Tagen im Jahr mindestens die Hälfte des vorhandenen Oberwassers über diese
Anlage geleitet werden würde.
Selbst bei den als „Langsamläufer“ bezeichneten Kaplanturbinen beträgt die Rotorge-
schwindigkeit je nach Größe und Umdrehungsgeschwindigkeit zwischen 75 km/h bis 100
km/h. Fische und Rundmäuler, die eine Rechenanlage unversehrt passiert haben, droht durch
den Rotorschlag eine folgenschwere Verletzung ihres Schuppenkleides mit anschließender
Pilzinfektion bis hin zum direkten Tod in der Turbine.
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Größere Fische und Rundmäuler, die nicht durch die Rechenanlage passen, müssten bei
Realisierung einer Wasserkraftanlage zur erfolgreichen Abwanderung die Ausschwimm-
bereiche der Fischwechselanlage am Nord- und Südufer aufsuchen. Diese liegen jedoch 300
m bis 350 m entfernt stromaufwärts und zudem quer zur Strömungsrichtung. Das hat zur
Folge, dass nur ein zu geringer Anteil der Fisch- und Rundmaulfauna diesen Ausweg findet.
Der akut vom Aussterben bedrohte Aal würde durch eine Wasserkraftanlage am Wehr
Geesthacht besonders schwer in Mitleidenschaft gezogen. Bereits heute werden die
Zielvorgaben des Aalmanagementplans hinsichtlich einer erfolgreichen Abwanderungsquote
der Blankaale von mindestens 40 % deutlich verfehlt. Dies bedeutet, dass auch gemäß dem
Verschlechterungsverbot nach EG-WRRL keine Maßnahmen genehmigt werden dürfen, die
eine weitere Gefährdung des Aalbestandes bedingen. Im Gegenteil: Gemäß Verbesserungs-
gebot nach EG-WRRL sowie aufgrund der Vereinbarungen des Aalmanagementplanes sind
effektive Maßnahmen zur Populationsstützung beim Aal zwingend notwendig.
Ein weiterer Punkt aus dem die Unverträglichkeit von Fischwechselanlage mit der
Wasserkraftanlage hervorgeht, ist die Tatsache, dass die Funktionstüchtigkeit der bestehenden
Fischwechselanlage am Südufer wesentlich von der Ausprägung des Hauptstromes abhängig
ist. Untersuchungen haben belegt, dass bei geschlossenen südlichen Wehrfeldern die
Aufstiegsrate in der Fischwechselanlage signifikant abnimmt. Eine durch die Wasser-
kraftanlage bedingte Verlagerung der bisherigen Hauptströmung nach Norden würde daher
einhergehen mit einer Reduzierung der Funktionstüchtigkeit der Fischwechselanlage am
Südufer.
Die geplante Fischwechselanlage am Nordufer der Elbe bei Geesthacht ist geeignet den
derzeit bestehenden Mangel hinsichtlich der Passierbarkeit für Wanderorganismen an diesem
Flussabschnitt entscheidend zu verbessern. Die technischen Anforderungen an die Anlage
bezüglich Auffindbarkeit und Passierbarkeit werden erfüllt. Sowohl der größte als auch der
schwächste zu erwartende Fisch sowie bodenorientierte Organismen werden über die Anlage
von der Tideelbe in die Mittelelbe aufsteigen können. Die besonderen Ansprüche von Aalen
und Rundmäulern wird ebenso Rechnung getragen. Aufgrund der Ausmaße, der
Funktionsweise und der Positionierung werden die Anforderungen an eine derartige Anlage
eingehalten. Die relevanten Grenzwerte u.a. Passierbarkeit an mindestens 300 Tagen im Jahr
des künftigen DWA-Regelwerkes M-509 „Fischaufstiegsanlagen und fischpassierbare
Bauwerke“ werden berücksichtigt. Eine Konkurrenz zwischen den beiden Fischwechsel-
anlagen am Nord- und Südufer bezüglich der Wasserspeisung und damit der Funktions-
tüchtigkeit ist nicht zu befürchten. Im Gegenteil, die Anlagen werden sich in ihrer Funktion
ergänzen.
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dieser Stelle des Flusses verbunden ist. Aufgrund des Abwanderverhaltens - überwiegend
passiv treibend im Hauptstrom - würden die Fisch- und Rundmaularten unvermeidlich in den
Einströmbereich der Wasserkraftanlage geraten. Kleinere Fische und ein Teil der Aale würde
durch die Abfangrechen in die Turbine gelangen und dort durch den Rotorschlag geschädigt
oder getötet werden. Für größere Fische, welche nicht durch die Rechensiebe passen, würde
de facto ein unpassierbares Wanderhindernis entstehen, da die Erfolgsrate für das Auffinden
der Abstiegsmöglichkeit am Nord- und Südufer als gering einzuschätzen ist. Zusätzlich würde
unter der Verlagerung der Hauptströmung nach Norden die Funktionstüchtigkeit der
bestehenden Fischwechselanlage am Südufer erheblich leiden.
Dem geringen energetischen Gewinn durch eine Wasserkraftanlage am Wehr Geesthacht steht
ein unverhältnismäßig hoher gewässerökologischer Schaden gegenüber.
Es zeichnet sich ein erheblicher Konflikt zwischen der Nutzung der Wasserkraft und der
Funktionsfähigkeit der Fischwechselanlagen ab. Eine Verträglichkeit der Fischwechselanlage
mit einer Wasserkraftnutzung am Wehr Geesthacht besteht nicht.
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Quellen:
FGG Elbe (2008b): Die Notwendigkeit der Erhöhung der Fischwechselkapazität am Wehr
Geesthacht. Wassergütestelle Elbe, 11 S.
IKSE (2005): Die Elbe und ihr Einzugsgebiet. Ein geographisch-hydrologischer und
wasserwirtschaftlicher Überblick. Internationale Kommission zum Schutz der Elbe,
258 S.
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11011 Berlin