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Land der Bibe

Ein biblisches Sachbuch


von A. Salotnon mitBUd Lesèing
Alfred Salomon • Ich gebe dir ein weises Herz
Ich gebe dir
ein weises Herz
Auf den Spuren Salomos
durch das Land der Bibel

Ein biblisches Sachbuch


von Alfred Salomon
mit Bildern von Erich Lessing

Christophorus-Verlag, Freiburg • Aussaat Verlag, Wuppertal


CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek:

Salomon, Alfred:
Ich gebe dir ein weises Herz: auf d. Spuren
Salomos durch d. Land d. Bibel; e. bibl.
Sachbuch/von Alfred Salomon. Mit Bildern
von Erich Lessing.
Freiburg im Breisgau: Christophorus-Verlag
Wuppertal: Aussaat Verlag, 1982
ISBN 3-419-52964-3 (Christophorus-Verl.)
ISBN 3-7615-4811-7 (Aussaat Verl.)

© 1982 by Aussaat Verlag GmbH, Wuppertal


Christophorus-Verlag Herder GmbH, Freiburg i.Br.
Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks,
vorbehalten.
Reproduktionen: Rito AG, Zürich
Herstellung: Druckhaus Ernst Kaufmann, Lahr/Schw.
Inhaltsverzeichnis

Vorwort 7 AUCH DAS WAR SALOMO 61


Zu diesem Buch 9 Gott wohnt im Dunkel 62
Salomo und Konstantin 9 Gebaut für den Herrn und für den König . 65
ZU DEN SÄULEN SALOMOS 12 WENN BAUEN SCHWIERIG WIRD . 70
War hier auch Salomo? 13 Als Bauholz ungeeignet 71
Ein Tempel der Todesgöttin Hathor . . . . 16 Bauen kostet Geld 74
DER RÄTSELHAFTE SALOMO 18 DER TEURE FRIEDEN 77
Historie und Legende 19 Frieden durch Abschreckung 78
Ein Nachgeborener macht Karriere 20 Eine königliche Versorgung 79
EIN MENSCH VOLLER WIDER- Ein königlicher Unternehmer 80
SPRÜCHE 23 WAS DIE BIBEL NICHT BERICHTET . 83
Auge um Auge, Zahn um Zahn 24 Kupferminen Salomos? 84
Blut am Altar 26 Das Rätsel um den Pferdehandel 86
Ein Traumgesicht in Gibeon 27 AMROTENMEER 88
ZUM TELL MEGIDDO 30 Wunderwelt der Korallen 89
Wie nach Megiddo kommen? 31 Die Insel der Pharaonen 90
Die Ställe Salomos? 32 IRGENDWO IN AFRIKA 93
Die Schlacht von Harmagedon 35 Und brachten Gold aus Punt 94
ÜBERALL DERSELBE PLAN 40 Der Bildbericht der Hatschepsut 97
Geser und Hazor 41 WOHER NAHM SALOMO SEIN WIS-
Eine Höhe voller Disteln 43 SEN? 100
VERWANDTSCHAFTEN UND IHRE WolagOfir? 101
FOLGEN 49 Das Geheimnis der Pharaonentochter . . . 102
Eine gute Partie 50 Hochseefahrt der Phönizier 104
Wo stand der Tempel? 53 Zimbabwe - eine Theorie und ihr Schick-
Ein Haus für den Herrn 54 sal 107
WENN DIE SONNE IM NORDEN DIE KÖNIGIN VON SABA 129
STEHT 110 Im Lande der Minäer 130
Mißglückte Meuterei 111 Sie prüfte ihn mit Rätselfragen 132
Um das Kap der Guten Hoffnung 114 Und die Weisheit Salomos 134
EINE FAHRT HAT SICH GELOHNT . 116 BEI SICHEM SEHEN WIR UNS WIE-
ImGoldland 117 DER 139
Gold gegen Glasperlen 118 Wo Jakob einen Brunnen grub 140
Channo beginnt zu begreifen 120 Rehabeam verspielt das Reich 142
DERGROSSETÖRN 122 Das Ende einer Ära 146
Aus dem Logbuch einer Ofirfahrt 123 Zeittafel 152
Joschafat hatte kein Glück 126 Bildnachweis 156
Vorwort

Alfred Salomon habe ich in Jerusalem kennen- bringt. Alfred Salomon denkt - er war Militär-
gelernt - auf der Suche nach den Spuren der er- pfarrer- wohl an junge Leute, denen er ziemlich
sten drei Könige Israels. Er war mir während trockene Stoffe der Bibel vermitteln möchte,
mehrerer Wochen ein ausgezeichneter archäo- und mehr noch wohl an Reisende, die sich ihm
logischer Führer und anregender Gesprächs- als Reiseführer anvertrauen möchten. Ich selbst
partner. Sein erstes Buch über Saul „Berufen bin gewiß ein voreingenommener Leser, weil ich
und verworfen. Israels erster König. Ein Ro- mir immer vorstelle, wie ich bei den Erkundun-
man, den die Geschichte schrieb" konnte ich gen, die Salomon so lebhaft persönlich schildert,
damals in Jerusalem lesen; im zweiten über Da- dabei war bzw. dabei sei; meine Phantasie spielt
vid „David und Jerusalem. Ein Reiseführer, den mit. Aber ich stelle mir auch vor, daß andere Le-
die Bibel schrieb", das Alfred Salomon damals ser sich den Weg unterhaltender Belehrung
vorbereitete, fand ich mich selbst bei der Schil- gerne führen lassen - und danach selbst wieder
derung der Durchquerung des Hiskia-Tunnels einmal zum Alten Testament greifen und sich
porträtiert. Nun liegt der dritte Band über Sa- nicht nur die literarische Verdichtung der Ge-
lomo im Manuskript vor mir, und es geht mir wie schichte der Könige Israels neu erlesen, sondern
bei der Lektüre der beiden ersten: Ich fühle — vielleicht anhand eines Bibel-Kommentars —
mich auf die Erkundungsfahrt in die Zeit und auch deren theologische Deutung.
Umwelt Salomos, seine Geschichte mitgenom-
men und finde erneut: Hier wird Geschichte le- Freiburg i.Br., im April 1981
bendig, nicht nur weil ein Autor sie romanhaft
spannend zu vergegenwärtigen vermag, sondern
auch deshalb, weil er seine eigene Erkundung
der Geschichte, seine Leidenschaft für sie, mit
einbringt- und weil er schließlich Mut zur phan-
tasievollen Vorstellung von Geschichte auf- Rudolf Pesch
n 100 200 300 400 500 Km
1
' 1 ••'
Zu diesem Buch

Salomo und Konstantin dessen Durchlaufen sich der Strahl des weißen
Lichtes in seine Spektralfarben auflöst. Salomo
Die Konstantinische Wende — jenes Bündnis ähnelt in seiner schillernden Menschlichkeit
des römischen Kaisers mit dem Bischof von dem Regenbogen: vielfarbig, verschwommen,
Rom, diese Absprache zwischen Altar und in feinen Übergängen verschwimmend und nie
Thron — erscheint in vielerlei Variationen in der greifbar.
Weltgeschichte. Eine Ehe, die — wenn auch in Und noch etwas wurde mir mehr und mehr
etwas anderer Form - bei uns in Deutschland bis deutlich. An dem Problem Thron und Altar
zum Ende des Ersten Weltkriegs bestanden hat. wird nur die eine Seite sichtbar, die öffentliche,
Der weltliche Herrscher hält sein Schwert wenn ich sie so nennen darf. Es gibt außer ihr
schützend über die Kirche. Und diese Pflicht aber noch eine andere, die persönliche. Beide
begründet Rechte. Keine Frage, diese Ehe ist sind nur Ausdruck eines viel tiefer liegenden,
nicht unbedenklich. Es liegt in der Natur des eines theologischen Grundproblems: Gott und
Menschen, daß diese Mesalliance fast zwangs- der Mensch. Da spricht Gott zu einem Men-
läufig zu der Devise führt „Gebt dem Kaiser, schen. Zu einem Abraham, Mose oder David,
was des Kaisers ist, und Gott nicht, was Gottes zu einem Salomo, einem Konstantin oder Papst
ist". Leo, zu einem Luther oder zu einem von uns.
Doch nicht erst Kaiser Konstantin hat diese Ehe Gott spricht: Geh aus deiner Heimat! Geh zum
zwischen Thron und Altar geschlossen. Lange Pharao und sage ihm...! Geh hinunter zu den
vor ihm tat dies bereits König Salomo. Bei mei- Philistern! Tritt vor den Kaiser und die Fürsten!
ner Arbeit über Salomo hat mich diese Tatsache Und stets ist dieser Zuruf Gottes für den Men-
nicht mehr losgelassen. Ich spürte: in Salomo schen eine Zumutung. Eine Zumutung, der sich
wird die Kirchengeschichte - die Geschichte, der Mensch zu gern entzöge: Wer bin ich schon?
durch die Gott sein Volk führt, - gleichsam — Ich bin zu jung! — Ich kann nicht reden. — Ich
transparent. Salomo gleicht dem Prisma, bei bin nur ein armer Mönch.
Das sind nicht Ausreden, das sind Argumente. die Haltung des Menschen in der Funktion des
Und sie stimmen. Trotzdem: Gott bleibt bei sei- Herrschers. Da ist die archaische Gestalt Mel-
nem Vorsatz: „Ich sende dich. Also geh!" chisedeks. Er war König zu Salem und Priester
Da steht der Mensch nun. Was tun? Fliehen? des Höchsten Gottes (1. Mose 14,18). Diese
Jona hat es versucht. Es gab kein Entrinnen, es imponierende Erscheinung hat immer wieder
gibt kein Entrinnen. Ich bin Gott ausgeliefert. den Blick der Frommen auf sich gezogen. König
Dann also mit Gott! Aber so ein klein bißchen und Priester in einem! Gleichsam in Personal-
etwas soll dabei auch für mich abfallen! Wer union begegnen sich die himmlische und die ir-
seine Bibel kennt, wüßte sofort einschlägige dische Welt.
Beispiele für eine solche Haltung zu nennen. König: Das ist Ordnung und Macht, Gesetz und
Wer die Menschen kennt, wäre um Namen nicht Gewalt. Priester: Das ist Brückenbauer zwi-
verlegen. Wer sich selber kennt, - weiß sich ge- schen Gott und Mensch, Mittler zwischen
troffen. Ich bin dieser Erzschelm und Schalk. Schöpfer und Geschöpf, zwischen dem Sünder
Mich hat Gott gerufen. Nicht so eindeutig, nicht und dem Heiligen. König und Priester: Das ist
so unmittelbar wie einen Mose oder Elija. Ganz ein Abglanz des Ewigen im Heute. Hier leuchtet
still, unauffällig. Ich weiß, was bei Gott gut ist eine Verheißung: Dem Guten wird nicht nur
und was ich tun soll. Ich glaube. Ich weiß auch, Wort verliehen, nein, es wird auch zum Sieg ge-
daß dieser Glaube mir geschenkt ist. Ich weiß, bracht. Das Recht wird göttlich abgesegnet und
daß alles Gottes Werk war, Gnade. Und doch: legitimiert, das Böse wird im Namen Gottes ge-
Ich möchte sein wie Gott— „sicut deus". So bin straft. In Vollendung wäre es: Reich Gottes auf
ich, so! So ist der Mensch! Erden.
Kein Wunder, daß sich an dieser Vorstellung die
Salomo: An ihm springt dieses „sim sicut deus"
Geister seit je entzündeten. Gottes Willen auf
geradezu in die Augen. Nicht Jakob ist das Pa-
Erden verwirklichen, sein Reich schaffen hier
radebeispiel des „göttlichen Gauners", Salomo
mitten unter uns! Eine faszinierende Utopie —
ist es. Es lohnt sich, immer wieder in der Le-
und die größte Versuchung der Frommen.
bensgeschichte Salomos darauf zu achten. Sa-
lomo ist das Musterbeispiel für den von Gott be-
Und auch hier wieder steht Salomo beispielhaft
rufenen, glaubenden Menschen: Gerufen von
für viele. Gewiß, schon vor ihm hat es Priester-
Gott folgt er, weil er folgen muß. Und versucht
könige gegeben. Am Nil wie am Euphrat oder
doch immer wieder, schlau seine eigenen Ziele
anderswo. Doch da war es nicht Gott, nicht
durchzubringen. Immer nach der Parole: Mit
Jahwe der Einzige. Nicht der Herr, der im Dun-
Gott will ich Großes tun. Ich! So sucht der
kel wohnt und vor dem wir vergehen. Es waren
Mensch seinen Weg „mit Gott" in seinem per-
Naturmächte, die magisch herabgezwungen
sönlichen Leben zu gehen.
wurden. Die Sonne etwa, die herhalten mußte,
Weiter greifend, aber qualitativ nicht anders, ist als Vater des Königs zu gelten, ihn zu vergötzen.

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In Israel ist das anders. Da sind diese alle Nicht- Salomo ist in seinem politischen Handeln das
se. Nur einer war, ist und wird sein: Jahwe, der Musterbeispiel des Herrschers, der es versteht,
„Ich bin". Ihn kann man nicht magisch zwingen, Altar und Thron zusammenzuführen. Um das
beschwören, nötigen, einspannen. Er ist und Reich zu festigen durch die Macht der Kultge-
bleibt der HERR. meinschaft. Um die Ehre Jahwes zu verkünden
Darum lehnte es der Richter Gideon ab, König durch herrliche Bauten und eine wohlausgestat-
zu werden (Richter 8,22ff). Darum sträubte tete Priesterschaft.
sich — wie eine alte Überlieferung vermeldet — Und Salomo ist das Musterbeispiel für den Men-
Samuel bis aufs Blut, Saul zum König zu salben schen, der es versteht, in seinem persönlichen
(1. Sam. 8, besonders Vers 7). Handeln Gottes Weisung und eigenes Wün-
Salomo ist der erste in Israel, der sich mit großer schen in Einklang zu bringen. Geschickt und
Selbstverständlichkeit die Krone aufs Haupt selbstverständlich weiß Salomo sich allemal so
setzt. Er ist der Begründer der Idee „Thron und darzustellen, daß er im Einvernehmen mit
Altar". Er ist auch der erste, der sie verwirk- Jahwe zu handeln scheint (z.B. 1. Könige 1,24.
licht. Wie? Das werde ich im einzelnen ausfüh- 27. 31-33. 44).
ren. Und wir werden sehen, daß Salomo nichts Salomo — das ist ein Beispiel für den Menschen
Halbes tat. schlechthin. Salomo - das ist einer wie ich.

Zur Anlage und Gestaltung dieses Buches

Das vorliegende Buch vereinigt verschiedene Abschnitte, in denen der Autor zurückblendend
Darstellungsformen zum Thema Salomo. Um das Geschehen romanhaft darstellt, erscheinen
diese auch deutlich zu machen, wurden ver- in kursiver Schrift.
schiedene Schriftarten gewählt. Die biblischen Texte sind, soweit sie besonders
Die erzählenden Texte und die archäologischen gekennzeichnet sind, nach der Einheitsüberset-
Exkurse sind in der Normalschrift gesetzt. zung wiedergegeben.
Die biblischen Texte, herausgehoben aus dem
fortlaufenden Text, sind etwas kleiner wieder-
gegeben.

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Zu den Säulen Salomos
War hier auch Salomo?
Wir haben es im „Kochab hajam", dem Cam- Hölle von Sedom, da fällt sie aus. Also heißt es:
ping „Seestern", gut angetroffen. Ein Glück, Schwitzen! Alle Fenster weit auf! Es zieht, doch
daß ich telefonisch von Jerusalem aus klimati- es bringt ein wenig Abkühlung.
sierte Cabins vorgebucht hatte. Wir haben sie Bis wir endlich auf dem Busbahnhof von Elat
nötig! halten. Es weht uns wie aus einem Backofen
Sieben Stunden im Egged-Linienbus von Jeru- entgegen. Das Gepäck in ein Taxi. Wir können
salem hierher: Aus einer Höhe von gut sieben- es kaum aushalten. Der Fahrer lacht: „Heiß?
hundert Metern über dem Meeresspiegel hinab Bloß 38 Grad, gestern hatten wir 45." Auch ein
in die Jordansenke bis fast vierhundert Meter Trost!
unter dem Niveau des Weltmeers. Und dann Der Dicke in der Rezeption des Campings sieht
wieder hinauf bis auf Meereshöhe hier am Ufer unseren Zustand. „Papierkrieg später!" Er
des Roten Meeres. Als wir die Klimaanlage des wischt mit der Hand durch die Stickluft. „No
Busses am meisten benötigen, unten in der problem!" Er drückt uns die Schlüssel für un-

Al &SV/^K'y,

Campingplatz ,,Seestern" 13
sere Cabins in die Hand. „ Aircondition habe ich ich es in der Vorlesung über die Königsbücher.
schon heute mittag angestellt. Auch die Showers Das war im Sommer-Semester 1931. Inzwi-
sind klar." Gut! schen hat die Archäologie neue Erkenntnisse
Die Cabins entpuppen sich als nett in diese ans Licht gebracht.
Steppenlandschaft passende Bungalows. Stroh- Ezjon Geber: Auch dem werden wir nachspü-
dächer und Mattenwände, immer drei Cabins ren hier am Roten Meer. Doch zuerst wollen wir
bilden eine Einheit. Die Klimaanlage rauscht zum Ausgrabungsteam des Bochumer Berg-
auf vollen Touren und zaubert so etwas wie werkmuseums.
Nordseehauch ans Rote Meer. Unser erster Timna! Was hat es mit den Kupferminen Salo-
Gang: unter die Dusche! mos auf sich? „Bist du eingeschlafen, Vati?"
Als die Schatten der Palmen länger werden, wa- Schwiegersohn Heinz frottiert sich das Salz von
gen wir uns hinaus an den Strand, unmittelbar der Haut, schlendert mit Freund Hans zur Du-
vor der Türe. Die Sonne hat ihre Kraft ver- sche. Sie haben recht, es ist Zeit, sich für das
braucht, aber der Nordwind, heiß wie die Sonne Abendessen bereit zu machen. Ich beeile mich,
und trocken wir der Sand, rauscht durch die aus dem Wasser zu kommen, und folge den bei-
Palmblätter - die Glut der Wüste. Die See den. Kurz vor unseren Cabins hole ich sie ein.
scheint eisig. Doch dann merken wir, daß wir „Sieh mal da!" Hans zeigt auf den Landrover
uns haben täuschen lassen. Die Luft hat an die vor der Nachbarhütte. „Deutsche Araba - Ex-
vierzig Grad, da empfindet man Wasser, das ge- pedition"! Das trifft sich gut. Kaum angekom-
gen dreißig Grad haben mag, als kalt. Jedenfalls men, stoßen wir jetzt schon mit der Nase auf das
im ersten Augenblick. Doch dann, nach ein paar Bochumer Team.
Schwimmstößen, spürt man die Milde des Mee- Vor einem halben Jahr hatte ich es im Presse-
res. Ich habe mich auf den Rücken gelegt und dienst gelesen: Das Bergwerkmuseum Bochum
lasse mich treiben. Das Wasser trägt gut infolge wird sich an den Ausgrabungen der „Minen Sa-
seines verhältnismäßig hohen Salzgehaltes. Und lomos" beteiligen. Das ging mich an! Bei mei-
klar ist es, durchsichtig bis in eine Tiefe von drei, nen wissenschaftlichen Vorarbeiten über das
vier Metern. Kleine Fische huschen über den Wirken des Königs Salomo war ich just an die-
lichten Grund. Muscheln haben ein weißes sem Punkt hängengeblieben, und ich war ratlos
Band in den rötlichen Sand gezeichnet. angesichts der widersprüchlichen Thesen der
Draußen auf der Reede liegen ein halbes Dut- Fachgelehrten. Wer hatte recht? Gingen die
zend Schiffe, meist Tanker. Drüben vor Akaba, Minen, die der amerikanische Alttestamentier
auf der jordanischen Seite, warten ebenfalls Glueck Ende der dreißiger Jahre im Tal von
Frachter auf das Freiwerden eines Liegeplatzes Timna entdeckte, auf König Salomo zurück?
an der Pier. Und irgendwo hier zwischen Elat Oder gehören sie, wie man neuerdings meint, in
und Akaba soll Ezjon Geber gelegen haben, der eine weit frühere Zeit? Eine kurze Anfrage in
Hafen des Königs Salomo? So jedenfalls hörte Bochum bei Direktor Conrad, dem Leiter des

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Bergbau-Museums, und rasche und freundliche
Auskunft von dort: Professor Beno Rothenberg
aus Tel Aviv und Dr. Weisgerber aus Bochum
leiten die Ausgrabungskampagne in Timna.
Doch niemand wußte in Bochum, wo ich die
Gruppe treffen könne.
Dieses Problem hatte sich jetzt von selbst erle-
digt. Ich fand die Crew versammelt im Cam-
1 Totes Meer
2 Masada ping-Hotel an langer Tafel. Sie hatten einen an-
3 Arad strengenden Tag hinter sich, jetzt taten sie sich
4 Beer-Seba
5 Dimona gütlich an dem, was der aus Ungarn stammende
6 Sedom Wirt zu bieten wußte.
7 En Jehab
8 Rotes Meer Der Vorstellung folgte ein vorsichtiges „Abta-
9 Elat
10 Akaba
sten". Mir schien es, als sei Dr. Weisgerber be-
11 Fjord tont zurückhaltend. Lag es an den Strapazen,
12 Coral Island
13 Säulen Salomos die sich deutlich auf seinem Gesicht abzeichne-
14 Mine ten? Doch dann gewann ich den Eindruck, daß
es die ganz natürliche Zurückhaltung eines Wis-
senschaftlers sei, der sich nicht zu voreiligen
Schlüssen drängen läßt. Da haben sich nun
Weisgerber und seine Crew ein viertel Jahr lang
in Staub, Hitze und Dürre herumgeschunden,
Stollen freigelegt, ausgeräumt, den Abraum ge-
siebt, Scherben, Schlacken, Reste von Werk-
zeugen vermessen, beschrieben, kartiert. Und
dann kommt da ein Pastor aus Deutschland da-
her, behauptet, sich ungemein für diese Dinge
zu interessieren, und stellt Fragen, die ins „Ein-
gemachte" gehen. Wie bitte? Ein Buch will er
gar schreiben? Über den König Salomo und
dann natürlich auch über Timna und Ezjon Ge-
ber? Ist der überhaupt dazu in der Lage?
Ich nehme es daher als einen ersten Erfolg, daß
Weisgerber sich zu einem Treffen am nächsten
Tag in Timna bereitfindet.
11

15
Ein Tempel der Todesgöttin Hathor
Es ist noch Nacht, als wir die Archäologen ab- wirbelnden Sand. An ihrem Fuß tauchen jetzt
fahren hören. Sie wollen bei Sonnenaufgang vor aus dem rötlichen Staub junge Leute auf, be-
Ort sein, um die Morgenkühle zu nutzen. Wir kannte Gesichter von gestern abend. Eine kräf-
selber machen uns erst nach dem Frühstück auf tige Gestalt erhebt sich von einem Stein,
den Weg. Ein Linienbus bringt uns hinaus zum schwenkt ein Zeichenheft: Dr. Weisgerber.
Kupferbergwerk Timna. Mächtige Abraumhal-
den, grün schimmernde Schlemmteiche und „Sie haben hergefunden?" Er scheint es für
dazu der Lärm eines Pochwerks. „Professor Ro- selbstverständlich zu halten. Professor Rothen-
thenberg?" Ja, der sei im Morgendämmer hier berg? Nein, der habe sich hier heute noch nicht
gewesen, doch gleich wieder weggefahren. Ob blicken lassen. Na ja, ein Mißverständnis. Doch
wir zu Fuß zu den Ausgrabungen gelangen nun sind wir hier!
könnten? Der Pförtner lächelt mitleidig. Das sei Weisgerber bemerkt meinen fragenden Blick.
zu weit, und finden würden wir die Plätze auch „Nicht von Salomo, was wir da aufzeichnen, äl-
nicht. Nein, wir müßten uns schon gedulden, bis ter; offenbar ein Heiligtum der Todesgöttin Ha-
uns jemand abhole. thor, von Ägyptern im 12. oder 13. Jahrhundert
Wir gedulden uns! Nichts geschieht, die Hitze erbaut."
steigt, die Stimmung sinkt. Schon mehrmals hat Er wischt sich den Schweiß von der Stirn. „Doch
die technische Zeichnerin, in deren Arbeits- jetzt zu den Stollen!" Er wendet sich an Betteke.
raum man uns verfrachtete, auf die Uhr ge- „Halten Sie sich immer hinter mir, es gibt von
schaut. Jetzt schüttelt sie den Kopf, sagt in flie- hier ab keinen Weg mehr."
ßendem Deutsch: „Da ist wohl etwas schiefge- Es geht in westlicher Richtung in eine Schlucht
gangen! Ich werde Sie an Ort und Stelle brin- hinein. Rotgebänderte Felsen wuchten rechts
gen." Das zierliche Persönchen sprüht vor empor, erinnern an Helgoland, nur höher. Vor
Energie. „Ich nehme einen Geländewagen, und uns schwankt Weisgerbers Wagen durch ein tief
dann fahren wir!" Wir stellen uns vor; sie, mit eingefressenes Bachbett. Rundgerollte Kiesel
charmantem Lächeln: „Ich heiße Tal und zeigen, daß hier Wasser strömt, wenn es droben
stamme aus Litauen. Mit meinem Mann bin ich im Hochland einmal geregnet hat. Doch jetzt ist
schon vor vielen Jahren nach Israel gekommen. alles trocken. Und wir immer hinter Weisgerber
Sie können mich bei meinem Vornamen Bet- her, durch fliegenden Sand und mühlenden
teke nennen. Das ist hier so üblich." Staub - ohrenbetäubenden Lärm! Dann ist es
Und dann geht es über Stock und Stein. Betteke plötzlich still. Ist das Weisgerbers Gesicht? Rot-
fährt wie der Teufel, hinter uns eine Schleppe gegerbt ist es vom Staub. Ich wische mir über die
von Staub. Aus der wabernden Glut steigen Stirn, der Ärmel ist naß und rotbraun.
„Die Säulen Salomos" empor, rotglühende Fel- „Wir sind an Ort und Stelle." Weisgerber steigt
sen, verwittert von der Hitze des Tages und der über schneeweißen Sand in eine Schlucht hinab.
Kälte der Nacht, abgehobelt und geglättet vom Kein Windhauch, die Hitze ist mörderisch. Und

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in dieser Glut arbeiten sie: der Kumpel aus Bo- vor, wie ausgemergelte Kinder hier unter Tage
chum und ein paar Studenten. arbeiten, im Liegen sich durch den hellen Sand-
„Ist das Loch der Eingang?" Der Kumpel fährt stein arbeiten, andere Kinder hinter ihnen das
herum: „Loch? Das ist ein Stollen!" Verzei- lose Material in Körben nach draußen zerren.
hung, das war offenbar ein Fauxpas. Er grinst, Kinder...
zeigt auf eine Kiste: „Da finden Sie etwas Küh- Ich atme auf, als wir endlich wieder zurückkrie-
les zum Trinken!" Trinken! Das haben wir nö- chen und es vor uns heller wird. In der Höhlung,
tig. Die Hitze ist wegen der Trockenheit der zu der sich der Stollen gleich hinter dem Ein-
Luft gut zu ertragen, sofern man dem Körper gang weitet, sitzt Dr. Weisgerber. Er trägt in
genügend Flüssigkeit zuführt. Man sollte, wenn sein Tagebuch ein, was heute zutage kam. „Se-
man in die Wüste reist, täglich mindestens vier hen Sie mal hier, ein zerbrochener Steinschlä-
Liter Flüssigkeit zu sich nehmen. gel." Dann zeigt er mir ein paar Brocken Ge-
Und nun müssen wir kriechen. Der Stollen ist so stein. Weißer Sandstein, von giftgrünen Adern
eng, daß ein normal gebauter Mitteleuropäer durchzogen. Kupfer?
Mühe hat, sich hineinzuzwängen. Der Kumpel „Nicht aus der Zeit Salomos?" Weisgerber
kriecht voran. Ob wir genügend Luft bekom- schüttelt den Kopf. „Nein, mehrere Jahrhun-
men? Er weist auf kleine Quergänge: „Seitlich derte älter und — wie die Funde beweisen — von
neben diesem Stollen verläuft ein Parallelgang Ägyptern angelegt und ausgebeutet." „Aber
als Wetterführung." Richtig, mit Wetter be- das besagt doch nicht, daß nicht auch König Sa-
zeichnet der Kumpel einfach frische Luft. Ich lomo hier hat Kupfer abbauen lassen?" Weis-
leuchte mit der Taschenlampe in den Wetter- gerber lächelt. „Bisher haben wir keinen einzi-
gang: Ganz eng, kaum dreißig Zentimeter im gen Fund aus seiner Zeit."
Durchmesser. „Wie haben die Ägypter den an- Als wir endlich den Stollen verlassen, tauchen
gelegt?" Meine Stimme klingt hier im Stollen erste Schatten die Südwand der Schlucht in
dumpf und belegt. Doch der Kumpel vor mir hat Dunkel. Nach herzlichem Abschied rumpelt
verstanden: „Kinderarbeit!" Und ich stelle mir Betteke uns mit ihrem Jeep zur Bushaltestelle.

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Der rätselhafte Salomo
Historie und Legende
Der Streit der Gelehrten um die „Minen Salo- Licht. Begebenheiten jener Tage konnten zeit-
mos" ist typisch für die Widersprüchlichkeiten lich eingeordnet werden. Statuetten und Kult-
in unserem Bild über diesen König: Dem einen geräte gaben Hinweise auf Verbindungen nach
ein Ausbund der Weisheit, dem anderen der Phönizien oder Ägypten. Hausgerät und Töp-
große Frauenheld, ein Pferdefreund und Förde- ferware bieten Gelegenheit, uns in das alltägli-
rer der Seefahrt, ein Verschwender und Blut- che Leben des zehnten vorchristlichen Jahrhun-
sauger, ein Handelsmann mit politischem Weit- derts zu versetzen.
blick, ein Intrigant und Brudermörder — alles
kann man in diesem Mann finden. In vielen Fa- Eins aber vermag die Archäologie nicht: uns
cetten erscheint er, buntschillernd, kaum be- Auskunft über das Wesen und den Charakter
stimmbar. Ein schillernder Charakter. Wie war Salomos zu geben. Der Spaten legt die Umwelt,
dieser Salomo wirklich? in der er lebte und die er sich schuf, frei. Eine
Grabung bringt ans Licht, welche Bauwerke Sa-
Vor mir stapelt sich ein Packen Bücher. Alle be- lomo schuf, wie er sein Land durch militärische
fassen sich mit dem, was im 1. Buch der Könige Maßnahmen zu sichern oder durch Handel zu
in den Kapiteln 1-12 und in den Parallelberich- fördern versuchte. Doch wie und was er dachte,
ten des 2. Buches der Chronik von Salomo über- verrät keine Elfenbeinschnitzerei. Welche Mo-
liefert ist. tive ihn bewegten, läßt keine Kasemattenmauer
Das Erstaunliche: So viele Bücher, so viele erkennen. Hier sind wir auf die schriftlichen Be-
Meinungen! Kaum Übereinstimmung über die- richte angewiesen, in unserem Fall auf das 1.
sen „weisen König". Zumindest deuten die Au- Buch der Könige und das 2. Buch der Chronik.
toren einzelne Begebenheiten' unterschiedlich, Auch diese werden uns nicht auf alle unsere
manchmal aber widersprechen sie sich völlig. Fragen Antwort geben. Die Bibel will das Han-
Nur in einem Punkt sind sie sich einig: Kaum ein deln Gottes verkünden, des Gottes, der der
anderer Herrscher aus jener frühen Zeit hat die Herr der Geschichte ist. Auch ein Salomo „in all
Phantasie der Nachwelt so beschäftigt wie die- seiner Herrlichkeit" bleibt darin nur ein
ser. Wir sind also in guter Gesellschaft, wenn Mensch, ein schwacher Mensch. Die Bibel in-
auch wir unsere Phantasie spielen lassen. teressiert sich für ihn nicht, weil er als ein Gro-
In der Tat: Die Archäologie hat besonders in ßer der Weltgeschichte galt, sondern weil auch
den letzten Jahrzehnten eine Fülle von Fragen er einer der vielen Menschen war, durch die und
beantworten können. Seit in Jerusalem und im an denen Gottes Handeln spürbar wird. Um ein
Negev, in Galil wie im Herzen Judäas großzü- Bild zu gebrauchen: Historie ist für die Bibel das
gige Grabungen durchgeführt werden, ist auch Schachbrett, Salomo vielleicht einer der beiden
über die Zeit der frühen Könige manche neue Könige. Eine Hauptfigur, aber eben nur eine Fi-
Erkenntnis gewonnen worden. Tore und Zita- gur. Wichtig ist allein der, der die Figuren zieht;
dellen, Stadtmauern und Paläste kamen ans man erkennt ihn an seinen Zügen. Seine Hand

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spüren wir auch hinter dem Spiel, in dem Sa- spalt zwischen Gut und Böse, zwischen Gottes
lomo die Rolle des Königs einnimmt. Verheißung und dem Verlangen des eigenen
Wer sich mit dem Leben und Wirken des Königs Herzens. Vor Gott ist dieser Salomo des zehn-
Salomo befaßt, muß also das, was die Bibel be- ten vorchristlichen Jahrhunderts kein anderer
richtet und die Archäologie ans Licht hebt, deu- als wir, als ich im zwanzigsten nachchristlichen.
ten und entsprechend einordnen. Fast drei Jahr-
tausende trennen uns von König Salomo. Wie Und darum möchte ich es wagen, ihn zu deuten.
viel hat sich da geändert! Das Weltbild jener Um redlich zu sein, werde ich sagen, wo und
Menschen war eng begrenzt. Ihre sozialen Ver- wann ich meine „schriftstellerische Freiheit"
hältnisse, ihre Sitten und Anschauungen waren gebrauche. Der Leser muß wissen, wo er den fe-
von den unseren verschieden, vom inzwischen sten Grund der biblischen Textforschung und
erfolgten Fortschritt der Zivilisation und Tech- der Archäologie unter den Füßen hat. Diese
nik gar nicht zu reden. Doch der Mensch selbst Redlichkeit bin ich dem Leser schuldig, nicht
ist der gleiche geblieben, der Mensch im Zwie- nur als Schriftsteller, sondern auch als Christ.

Ein Nachgeborener macht Karriere

Es stand nicht an Salomos Wiege geschrieben, Salomo erst, als er zum Thronfolger ausersehen
daß er einmal seinem Vater David auf dem wurde? Wir wissen es nicht.
Thron nachfolgen sollte. Seine Mutter war jene Wichtiger ist da schon, auf welche Weise dieser
Batseba, deren erster Sohn - im Ehebruch von nachgeborene Sohn auf den Thron kam: Davids
David gezeugt — bald nach der Geburt starb (2. erste Ehe mit Michal, der Tochter Sauls, blieb
Samuel 12,15-23). Es scheint, als habe ihr zwei- kinderlos. Vielleicht wäre die Geschichte Israels
ter Sohn, unmittelbar danach empfangen, von anders gelaufen, wenn David von der Saulstoch-
seinem Vater David den Namen Salomo, ter Michal einen Sohn gehabt hätte. In einem
„Friedreich", vom Propheten Natan aber den solchen Thronerben hätten die Nordstämme
Namen Jedidja, „Geliebter Jahwes", erhalten. den Nachkommen Sauls sehen können. Wahr-
Ein Doppelname? Oder verbirgt sich hinter die- scheinlich wäre es dann nicht zu der späteren
ser Überlieferung ein zeitliches Hintereinan- Teilung des Reiches gekommen? Doch solche
der? Hieß dieser Davidssohn vielleicht ur- Überlegungen sind Gedankenspielerei.
sprünglich Jedidja, und erhielt er den Namen Der eigentliche Kronprinz war Amnon, der

20
Sohn der Ahinoam von Jesreel. Doch er brachte wird im entscheidenden Augenblick für ihn tä-
sich um seinen Kopf, weil er seine Halbschwe- tig. Die Mutter Batseba bittet für ihn, der Vater
ster Tamar verführte. Abschalom, Sohn der David entscheidet über ihn. Salomo ist bis zu
Maacha von Gessur, rächte die Ehre der Schwe- diesem Zeitpunkt immer nur Objekt, von ande-
ster (2. Sam. Kap. 13). Er wurde damit Thron- ren gesteuert. Wirklich? War Salomo vielleicht
anwärter, da ein vor ihm von Abigajil geborener doch aktiver, als die Geschichte von der Thron-
Sohn Kilab offenbar in zartem Alter verstorben folge Davids es vermuten läßt?
war. Ähnliches müssen wir von einigen anderen Denn: Kaum ist er als Nachfolger Davids ausge-
Söhnen Davids annehmen, die einmal beiläufig rufen, erwacht er aus der bisherigen Zurückhal-
genannt werden, aber dann nie wieder in Er- tung. Mit eiserner Konsequenz sichert er den
scheinung treten. Als Abschalom im Aufruhr Thron. Er fällt Entscheidungen, die keinen
gegen den Vater das Leben verliert (2. Sam. 18), Zweifel an seiner Willenskraft aufkommen las-
rückt Adonija, Sohn der Haggit, als Thronfolger sen. Es ist, alsfieleeine Verkleidung von diesem
auf. Ganz folgerichtig ruft ihn sein starker An- Mann ab; eine Maske, die er widerwillig getra-
hang am Brunnen Rogel zum König aus. Es be- gen hat.
darf eines letzten Machtwortes des schon dem Da ist Adonija, der rechtmäßige Thronerbe.
Tode nahen David, um Salomo gegen Adonija „Geh in dein Haus!" hatte Salomo ihm befoh-
durchzusetzen. Diese Vorgänge sind in 1. Kön. 1 len. Hausarrest, damit hatte er es bewenden las-
geschildert. sen, solange David noch atmete. Nun hat der
Es bleiben dabei aber Fragen offen: Welche große alte Mann die Augen geschlossen. Salomo
Rolle in diesem zwielichtigen Spiel um die besteigt den Thron. Kann er Adonija dulden?
Thronfolge fiel dem Propheten Natan zu? Wie Bildet dieser Adonija nicht eine ständige Ge-
weit spann Salomos Mutter Batseba die Fäden? fahr? Soll man ihn verbannen? Salomo erinnert
Und schließlich: Blieb Salomo so tatenlos, wie sich an Abschalom, der auch verbannt war, aber
es nach der Darstellung des biblischen Bericht- zurückkehrte und einen großen Aufstand anzet-
erstatters scheinen will? Auch hier müssen wir telte. Nein, Verbannung ist keine endgültige
bekennen: Wir wissen es nicht. Was sich hinter Lösung. Adonija muß aus dem Weg—eine Mög-
den Kulissen tat, bleibt uns verborgen. lichkeit, ein Anlaß wird sich schon finden.
Wer das erste Kapitel des 1. Buches der Könige
unbefangen liest, ist überrascht, wie plötzlich Adonija, der Sohn der Haggit, begab sich zu Batseba, der
dieser Salomo, ein bis dahin wirklich „unbe- Mutter Salomos. Sie fragte ihn: Kommst du in friedlicher
schriebenes Blatt", zu energischen Maßnahmen Absicht? Er antwortete: Ja. Dann fuhrt er fort: Ich möchte
übergeht. Bisher ist immer nur über den Prinzen mit dir reden. Sie erwiderte: Rede nur! Da sagte er: Du
Salomo entschieden worden. Er wird nicht ge- weißt, daß mir das Königtum zustand und daß ganz Israel
mich als König haben wollte. Doch ist mir die Königswürde
hört, kommt nicht zu Wort, spielt eine stumme entgangen: sie ist meinem Bruder zugefallen, weil sie ihm
Rolle im Hintergrund. Natan fördert ihn und vom Herrn bestimmt war. Jetzt aber möchte ich eine einzige

21
Bitte an dich richten. Weise mich nicht ab! Sie antwortete: Der biblische Berichterstatter nimmt nicht Stel-
Sprich sie nur aus! Da begann er: Rede doch mit König Sa-
lomo; dich wird er nicht abweisen. Bitte ihn, daß er mir Abi-
lung zu dieser Tat. Es bleibt uns unbenommen,
schag aus Schunem zur Frau gibt. ein eigenes Urteil zu gewinnen. Geschah dieser
(1. Kön. 2,13-17) Brudermord aus Staatsraison? Oder war pure
Angst die eigentliche Ursache?
Man muß sich beinahe wundern über die Naivi-
Zum Priester Abjatar sagte der König: Geh auf dein Land-
tät dieses Adonija! Daß er sich ausgerechnet mit gut nach Anatot! Zwar hast du den Tod verdient; doch will
diesem Ansinnen an Batseba wendet! Merkt er ich dich heute nicht töten, weil du die Lade Gottes, des
denn gar nicht, daß er mit seinem Hinweis, daß Herrn, vor meinem Vater David getragen und alle Demüti-
er eigentlich der rechtmäßige König sei, sich gungen mit meinem Vater geteilt hast. So setzte Salomo Ab-
selbst das Urteil spricht? Salomo muß ihn ja jatar als Priester des Herrn ab und erfüllte das Wort, das der
Herr über das Haus Eli in Schilo gesprochen hatte.
fortan als einen, der ihm den Thron streitig ma- (1. Kön. 2,26-27)
chen will, betrachten. Ist Adonija so kurzsichtig
- oder so verliebt? Ein Mann, der so töricht Einen Priester konnte man damals als Gegner
handelt, erweist nachträglich, daß er als König nicht ernst genug nehmen. Und: Abjatar ist
nicht taugt. Es kommt, was jetzt wohl kommen nicht irgendein Priester. Bereits in den Tagen
muß. des Anfangs stieß er zu David. Zur Höhle Adul-
lam, in der sich David vor Saul verborgen hatte,
Als nun Batseba zu König Salomo kam, um mit ihm wegen brachte Abjatar den heiligen Ephod und die
Adonija zu sprechen, bat sie: Man gebe doch Abischag aus Lose(l. Sam. 22,6-23). Abjatar kündete in kri-
Schunem deinem Bruder Adonija zur Frau. Der König Sa- tischen Situationen den Willen Jahwes. Er war
lomo entgegnete seiner Mutter: Warum bittest du für Ado-
nija um Abischag aus Schunem? Fordere doch gleich das der Vertraute Davids, sein Freund und, wenn
Königtum für ihn! Er ist ja mein älterer Bruder, und auf sei- man so will, sein Beichtvater.
ner Seite stehen der Priester Abjatar und Joab, der Sohn der Man kann nicht mit ihm verfahren wie mit Ado-
Zeruja. Und König Salomo schwor beim Herrn: Noch heute nija. Er wird verbannt nach Anatot, einem klei-
muß Adonija sterben. Darauf schickte König Salomo Bena-
ja, den Sohn Jojadas, hinauf, und dieser versetzte Adonija nen Dorf in Benjamin. Dort mag er auf seinem
den Todesstoß. angestammten Gut Schafe züchten und Oliven
(1. Kön. 2,19-25) ernten. Dort ist er leicht zu überwachen.

22
Ein Mensch
voller Widersprüche
Auge um Auge, Zahn um Zahn
Joab bedeckt das Gesicht mit der Linken. Ado- War da schon jemand an der Tür? Joab hat lau-
nija ist umgebracht! Adonija, den ich zum König schend den Kopf geneigt. Nein, meine Sinne ha-
machen wollte. Benaja hat es getan, auf Befehl ben mir einen Streich gespielt. Es war nichts,
Salomos. Ich habe es geahnt, vorausgesehen. Es niemand. Noch habe ich Zeit, nicht viel. Wie
mußte ja kommen. Doch daß es so rasch geschah, kann ich sie nutzen?
das dachte ich nicht. Plötzlich kommt Leben in den Alten. Ha, ich
Joabs Rechte tastet nach der Schwertseite. Als sie weiß, wie ich selbst im Fallen noch den König
ins Leere greift, wird er sich schmerzlich seiner treffen kann! Zur Tür! Ein rascher Blick die
Lage bewußt. Er hebt die Hand in Augenhöhe, Gasse hinauf, alles leer. In der Mittagshitze nicht
kneift die Lider zusammen, um besser zu sehen. anders zu erwarten! Er tastet sich an der Häuser-
Wie sie zittert! Du siehst es, trotz deiner schlech- front hin, nutzt den Schatten, wo er ihn findet. Es
ten Augen. Kurzsichtig, zittrig, verbraucht. Das geht steil bergauf, steiler, als das alte Herz es liebt.
bist du, Joab. Nicht mehr der reißende Wolf, Er muß anhalten, verschnaufen. Hier im grellen
nicht mehr der Schlagetot und Raubeschnell. Ein Mittagslicht machen die Augen noch mit. Dort
ausgemergeltes Bündel, halbblind, schwach auf unten das Kidrontal, drüben der ölberg. Joab
den Beinen, mit kurzem Atem. Es war ja nur eine blinzelt in die Helle. Da drüben den Wegsind wir
Gnade, daß David dich als Befehlshaber des hinaufgezogen, damals, als wir Jerusalem vor
Heerbanns beließ, Lohn für längst vergessene Abschalom räumten.
Dienste. Abschalom! Dieser falsche Fuchs! Was hatte ich
alles für ihn getan: für ihn gebeten bei David, jede
Der Alte reißt sich zusammen, wirft den Kopf in List angewandt, damit Abschalom wieder aus der
den Nacken. Das ist jetzt vorbei, Joab, vorbei! Verbannung heimkehren durfte. Und dann der
Adonija, den du zum Nachfolger Davids machen Aufruhr gegen den Vater! Das war auch Verrat
wolltest, fiel unter Benajas Schwert. Halte deinen an mir, wo ich doch die Versöhnung zwischen
Kopf klar! Denn jetzt bist du an der Reihe. Zuerst David und Abschalom betrieben hatte.
mußte Adonija fallen; Abjatar wurde nach Ana- Und dann gab ihn Jahwe in meine Hand: dort in
tot verbannt. Und nun gilt es dir. der Heide Ephraim. Da hing er vor mir in den
Joab lacht bitter auf Nein, mit Verbannung wird Ästen, wehrlos, ganz in meine Hand gegeben.
sich Salomo bei dir nicht begnügen. Das wollte Die anderen standen und starrten. Ich aber han-
dir wohl passen: daß er dich auf dein Landgut delte! Tat, was getan werden mußte: an einem
nach Betlehem schickt! Nein, Joab, so leicht Verräter, Abtrünnigen, Wortbrüchigen! Daß
kommst du nicht davon. Du bist kein Priester wie David sich über den Tod dieses Lieblingssohnes
Abjatar. Du bist Soldat, von Anbeginn an Soldat; kränkte? Mir konnte er nichts vorgaukeln, mir
immer gewesen, auch jetzt noch, trotz zittriger nicht! Er mußte froh sein, daß er diesen Heillosen
Hand und schwacher Augen. Für dich gilt das los war. Daß ich ihm die Blutarbeit abgenom-
Gesetz des Schwertes. men, seine Hände rein bewahrt hatte!

24
Träume nicht! Du mußt weiter, Joab. Jeden Au- heute noch nicht, warum die anderen maulten. Es
genblick können Salomos Schergen kommen, war doch Blutrache zwischen Abner und mir!
dann ist es zu spät für dich. Auf! Asahels wegen, meines Bruders Asahel (2. Sam.
Stufe um Stufe den Millo hinauf. Das Herz fliegt, 3,22-30).
die Brust ringt um Luft. Einen Augenblick Rast Gleich bin ich da, gleich habe ich das Zelt des
hier im Schatten des Durchgangs. Herrn erreicht, den heiligen Ort, an dem die Lade
Wohltuende Kühle hier. Wie damals, damals un- Jahwes steht. Und dort ist der Altar, dein Ziel.
ter dem Tor von Hebron. Wie war das doch, als Der Altar, aus einem einzigen Stein gehauen. Wie
ich Abner dort erwischte! Abner, der meinen warm sich seine Hörner anfühlen! Stein! Erin-
Bruder Asahel getötet hatte, nach jenem Gefecht nerst du dich noch an den Stein? An den großen
am Teich von Gibeon (2. Sam. 2,12ff). Damals Stein von Gibeon? Ja, dort geschah es: Da trafst
hatte ich ihn endlich vor mir. Im Dunkel des To- du Amasa, der vor dir Herr über den Heerbann
res sah er nicht, wie ich nach dem Messer griff. war. Wie du ihn am Barte packtest, ihn zu küssen,
Ich traf ihn gut. So schnell kam sein Tod, daß er und zugleich mit deiner Linken den Dolch unter
wohl gar nicht begriff, was ihm geschah. Ich weiß dem Gewand zogst. Ein rascher Stich, und
Amasa fiel! Ja, damals war deine Hand noch
schnell, dein Auge wacker. Jetzt warst du Gebie-
ter des Heerbanns in ganz Israel (2. Sam.
20, 7-13).
Amasa, mit dem Dolch. Abner, mit dem Dolch.
Abschalom, mit meinem Spieß...

Der Vorhang am Eingang bewegt sich? Benaja!


Benaja, Sohn des Jojada: alter Kampfgefährte in
der Wüste Siph, damals gegen Saul, dann im
Südland, den Amalekitern nach! Und jetzt wieder
hier. Im Auftrag—nein, nicht Davids, im Auftrag
des neuen Königs Salomo.
„Befehl des Königs: Komm heraus!" Joab lacht
lautlos. Nein, so leicht mache ich euch das Spiel
nicht. Wenn ihr mich schon haben wollt, dann
hier! „Hier will ich sterben, hier!" Ja, da zögerst
du, Benaja. Hier, am Altar des Herrn? Nicht
wahr, hier darf kein Menschenblut fließen. Das
weiß sogar ich, Joab, der sonst wirklich nicht mit
Menschenblut sparte. Benaja, du überlegst? Und

Hörneraltar 25
jetzt wendest du dich und gehst. Ja, geh nur und Joab hat sich aufgerichtet. Furchtlos sieht er Be-
sage deinem König Salomo, dem „Friedrei- naja entgegen. Der tritt mit sicherem Schritt her-
chen": Es geht nicht, Joab so abzutun. Der steht an. Er sieht Joab nicht in die Augen. Er blickt
im Heiligtum Jahwes und hat die Hörner des Al- ihm auf die Stirn, höher, auf den Scheitel. Und
tars umklammert. Nein, es geht nicht im Heilig- sticht zu, mit einer raschen, sicheren Bewegung.
tum des Herrn. Joab sinkt nach vorn. Mit beiden Händen hält er
Habe ich geschlafen? Die Schatten sind gewan- die Hörner des Altars. In seinem Angesicht steht
dert. Und - wie? Ist das nicht Benaja, der dort keine Furcht, auch kein Schmerz. Ein Lächeln
hereintritt? Wahrhaftig, er ist es. Und in der zuckt um seinen Mund. Ein Lächeln des Trium-
Rechten hält er das blanke Schwert. Er wird doch phes: Ha, Salomo, ich habe dich bezwungen! Ich
nicht —? Hier im Heiligtum? Er wird — doch! Ja, zwang dich, Freveltat zu begehen, Blut zu vergie-
jetzt weiß ich es: Er wird es tun. Hier im Ange- ßen am Altar des Herrn. Blut, König Salomo,
sicht Jahwes — weil es Salomo befahl. Blut klebt jetzt an deinen Händen!

Blut am Altar

Nun ging Benaja, der Sohn Jojadas, hinauf, stieß Joab nie- schädlich gemacht. Doch da ist noch einer, der
der und tötete ihn. Er wurde auf seinem Besitz in der Steppe sich in kritischer Stunde als Empörer erwiesen
begraben. hat, Schimi von Bahurim. (Vgl. 2. Sam. 16,6).
(l.Kön. 2,34)

Vor der erbarmungslosen Folgerichtigkeit eines Bahurim liegt nahe, Schimi kann von dort aus
weisen Salomo bot selbst das Zelt des Herrn seine Fäden spinnen. Ob er es tun wird? Der
kein Asyl. Der Blutmensch Joab stirbt in seinem junge König läßt es gar nicht erst darauf an-
Blut. Ein Kreis schließt sich. Joab kehrt dorthin kommen. Er gibt Schimi die Weisung, sich in Je-
zurück, von wo er einst ausgezogen war, zur rusalem niederzulassen und den Ort nicht zu
Steppe. Gemeint ist wohl jener Teil der Wüste verlassen. Und dann, als Schimi — aus gutem
Juda, der sich unterhalb Betlehems zum Toten Grund- es nach Jahr und Tag dennoch tut, folgt
Meer hin erstreckt. Joab war ein naher Ver- gnadenloses Gericht (1. Kön. 2,36ff). Die Fes-
wandter Davids. Seine Heimat ist Betlehem. seln der Vergangenheit sind damit abgestreift.
Dort findet dieser Ruhelose endlich seine Ruhe. Der junge König hat die Hände frei. Die Zu-
Die ärgsten Feinde des Thrones sind jetzt un- kunft liegt jetzt offen. Durchaus zutreffend

26
schließt dieser Bericht: „Die Herrschaft war als fragwürdig dargestellt. Man wird das Gefühl
nun fest in der Hand Salomos", (1. Kön. 2,46). nicht los, daß der Verfasser bei aller Sachlich-
keit seiner Berichterstattung Salomos Vorgehen
Damit endet die Erzählung von der Thronnach- mißbilligt.
folge Davids. Sie ist ein in sich abgeschlossenes Ganz anders die jetzt folgenden Kapitel. In ih-
Geschichtswerk, nicht nur chronologisch ge- nen ist Salomo der große, bewundernswerte
ordnetes Material: Hier wird kunstvoll erzählt. König. Der Verfasser dieses Abschnittes hat das
Viele Einzelheiten verraten, daß der Berichter- Bild des weisen Königs gezeichnet, das der
statter aus erster Quelle schöpfte, hier und da Nachwelt bis in unsere Tage vor Augen steht. Es
wahrscheinlich Augenzeuge der Begebenheiten scheint, als gehöre der Autor dieser Salomo-
war. Es ist kaum ein Zweifel möglich, daß dieser Biographie einer späteren Generation an, be-
Mann kein Freund Salomos gewesen ist. Die nutzt hat er aber authentisches Material einer
Art, in der Salomo seine Herrschaft festigt, wird älteren „Chronik von Salomo" (1. Kön. 11,41).

Ein Traumgesicht in Gibeon

„Höhe Gibeon" ist etwa das, was wir mit einem den Westbanks, dem von Israel besetzten Teil
„weißen Schimmel" meinen. Gibeon heißt Jordaniens. Mitten aus der kahlen Senke, die
nämlich Höhe. Es genügt auch als Name für die- Nabi Samwil von Jerusalem trennt, erhebt sich
sen Platz. Denn Gibeon ist weit und breit die eine Geisterstadt aus Stahl und Beton. Eine der
beherrschende Landmarke, die Höhe. neuen israelischen Trabantenstädte.
Genau genommen ist es die bei Gibeon gele- Nach einer bis ins vierte nachchristliche Jahr-
gene Höhe Nabi Samwil. Ihr Gipfel erhebt sich hundert zurückreichenden Überlieferung soll
896 Meter über den Meeresspiegel. Er wird ge- Samuel auf Nabi Samwil begraben sein. Diese
krönt von einer Moschee mit schlankem Mina- Tradition widerspricht eindeutig der Bibel:
rett. Von Nabi Samwil schweift der Blick bei
klarer Sicht - etwa in der Regenzeit - in weite Und Samuel starb, und ganz Israel versammelte sich und
hielt ihm die Totenklage. Man begrub ihn in seinem Haus in
Ferne: Im Süden die Skyline von Jerusalem, im Rama.
Westen das Mittelmeer, nach Norden zu die (1. Sam. 25,1)
Berge Ephraims und im Osten die Gebirgs-
mauer Gileads. Das Gebiet ringsum gehört zu Der Berghang senkt sich nach Nordost hin zu

27
dem Dorf Ed-Dschib. Es liegt an der Stelle, an Tode Elis hat sie in Schilo gestanden. Doch be-
der wir das alttestamentliche Gibeon suchen vor Schilo von den Philistern zerstört wurde, ist
müssen. Es ist nicht weit von Nabi Samwil nach sie offenbar nach Gibeon geschafft worden. Ge-
Ed-Dschib, und da es bergab geht, macht der naueres ist darüber nicht berichtet.
steinige Weg kaum Mühe. Der „Teich von Gi- In Gibeon, beziehungsweise auf der Höhe bei
beon", bei dem es zum Gefecht zwischen Davids Gibeon, ereignet sich nun das, was Salomo zur
und Abners Mannen kam (2. Sam. 2,13ff), der eigentlichen Würde seines Königtums noch
„Große Stein", bei dem Joab seinen Rivalen fehlte. Saul war durch den Gottesmann Samuel
Amasa ermordete (2. Sam. 20,8ff): Es fällt zum König gesalbt worden, David ebenfalls. Mit
nicht schwer, sich an diesen biblischen Plätzen dieser sakralen Handlung waren die beiden er-
ihrer oft so blutigen Vergangenheit zu erinnern. sten Könige Israels als Erwählte Gottes erklärt
Gibeon ist eine uralte kanaanäische Königsstadt worden. Salomo ist bisher noch nicht durch ein
(Jos. 10,2). Gibeons früher Glanz ist in späterer klares Zeichen Gottes ausgezeichnet worden.
Zeit durch das unweit gelegene Jerusalem über- Dies geschieht nun in Gibeon.
strahlt worden. Nur gelegentlich blitzt er noch
auf. So auch in der Erzählung von der Weisheit In Gibeon erschien der Herr dem Salomo nachts im Traum
Salomos. und forderte ihn auf: Sprich eine Bitte aus, die ich dir gewäh-
ren soll. Salomo antwortete: So hast du jetzt, Herr, mein
Gott, deinen Knecht anstelle meines Vaters David zum Kö-
Er sprach mit ganz Israel, den Obersten der Tausend- und nig gemacht. Doch ich bin noch sehr jung und weiß nicht, wie
Hundertschaften, den Richtern, mit allen Fürsten aus ganz ich mich als König verhalten soll. Verleih daher deinem
Israel und mit den Häuptern der Großfamilien. Dann ging er Knecht ein hörendes Herz, damit er dein Volk zu regieren
mit der ganzen Versammlung, die bei ihm war, zur Kulthöhe und das Gute vom Bösen zu unterscheiden versteht. Es ge-
von Gibeon; denn hier war das Offenbarungszelt Gottes, das fiel dem Herrn, daß Salomo diese Bitte aussprach. Daher
Mose, der Knecht des Herrn, in der Wüste angefertigt hatte. antwortete ihm Gott: Weil du gerade diese Bitte ausgespro-
Die Lade Gottes jedoch hatte David aus Kirjat-Jearim an chen hast und nicht um langes Leben, Reichtum oder um
den Ort bringen lassen, den er für sie hergerichtet hatte. Er den Tod deiner Feinde, sondern um Einsicht gebeten hast,
hatte nämlich in Jerusalem ein Zelt für sie aufgestellt. um auf das Recht zu hören, werde ich deine Bitte erfüllen.
(2. Chr. 1,2-4) Sieh, ich gebe dir ein so weises und verständiges Herz, daß
keiner vor dir war und keiner nach dir kommen wird, der dir
Die „Höhe, die bei Gibeon war", kann nur Nabi gleicht.
Samwil sein. Neu für uns ist, daß sich dort noch (l.Kön. 3,2f)
immer die Stiftshütte befand. David hatte die
Bundeslade (2. Sam. 6) nach Jerusalem geholt Eins ist klar: Es gibt für diese Begebenheit kei-
und dadurch „seine" Stadt zum religiösen Mit- nen anderen Zeugen als Salomo selbst. Ist das
telpunkt der Stämme gemacht („David und Je- ein Mangel? Stellt dieses Fehlen von Zeugen das
rusalem", S. 54ff). Die alte Stiftshütte aber, die Ereignis in Frage? Nein! Daß Salomo eine sol-
nicht wie die Lade in die Hand der Philister ge- che Erscheinung Jahwes bekundet, zeigt, daß er
fallen war, hatte ihr eigenes Schicksal. Bis zum sich der einmaligen Bedeutung des göttlichen

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Segens bewußt ist. Es ist daher im letzten Grund als Abfall von Jahwe ansahen. Der Verfasser
unwichtig, Erwägungen anzustellen, ob Salomo von 1. Könige 3-11 dagegen steht voll hinter
wirklich diese Gotteserscheinung erlebt oder dem König. Haben wir den Verfasser unter dem
nur vorgegeben hat. Er wußte: Ohne den Segen Gefolge des Hofpriesters Zadok zu suchen, den
Jahwes bin ich nichts. Verfasser der Thronfolgeerzählung hingegen im
Und noch eins wird klar: Salomo hat erkannt, Kreise der Opposition? Auch eine andere Be-
daß alles andere - Reichtum, Ehre, Sieg - dem obachtung spricht für die Möglichkeit, daß die
zufällt, der von Gott ein verständiges Herz be- Gruppe um Zadok für die Autorschaft des Sa-
kam (Vers 12-13). lomo-Berichtes in Frage kommt. Ganz unbe-
fangen wird Gibeon als heilige Höhe angesehen.
Wir sehen: Der Salomo, der hier vor uns steht, Das ist aus der Jerusalemer Sicht fast ein Sakri-
ist ein anderer als der Salomo der Thronfolgeer- leg gegen das Monopol des Nationalheiligtums
zählung (Kapitel 1 und 2). Der Berichterstatter auf dem Zion. Für einen Zadok aber, der - für
der Thronfolgeerzählung hatte von vornherein uns nicht mehr klar erkennbare-Verbindungen
Vorbehalte gegen Salomo, ja, gegen das König- zu Gibeon hat, der auch offensichtlich eine „li-
tum überhaupt. Er war einer von denen, die et- berale" Lehre vertritt, ist Gibeon als heiliger
was gegen die Institution Monarchie hatten, sie Platz keineswegs anrüchig.

29
Zum Teil Megiddo
Wie nach Megiddo kommen?
„Ich muß unbedingt noch Megiddo und Hazor
besuchen." Freund Moritz Levy, Chef im Cam-
ping Lehman im Norden Galiläas, nickt ver- 1
2
Megiddo
Hazor
=

ständnisvoll: „Ich verstehe, Sie brauchen Fotos 3 Haifa


4 Tel Aviv
für Ihr nächstes Buch." Er hat die Lage erfaßt. 5 Jerusalem
Ich habe mich über die Ausgrabungen, die Yi- 6 Geser

gael Yadin in Hazor durchgeführt hat, gründlich


informiert. Yadins Buch „Hazor" ist die beste
Quelle. Hazor ist wichtig, weil hier die Verbin-
dungslinien zu den Funden von Megiddo und
Geser exakt ausgezogen werden. Ich habe mir
auch im Museum zu Jerusalem die sehr sorgfäl-
tig zusammengestellte Sammlung über die Gra-
bungen angesehen, eine gute Vorbereitung für
den Besuch dieser Stätten. Wie aber hinkom-
men?
Moritz Levy: „Mit Linienbus zu umständlich.
Das ist an einem Tag nicht zu schaffen." Seine
Frau Ciaire schaltet sich ein: „Sie müßten sich
einen Wagen leihen. Früher gab es einen Ver-
leih gleich neben dem Hotel in Naharija. Doch
die haben, wie ich hörte, den Betrieb geschlos-
sen." Ich will es genau wissen und nehme den
nächsten Bus nach Naharija. Die Dame in der
städtischen Information ist höflich, spricht auch
ein gutes Deutsch, muß mich aber enttäuschen:
„Wenn Sie einen Wagen leihen wollen, müssen
Sie sich leider nach Haifa bemühen."
Ich versuche es trotzdem und schlendere um die
Ecke auf das Hotel zu. Gleich dahinter ein klei-
ner Laden. Der Mann hinter dem Tresen mu-
stert mich kurz und fragt dann prompt auf
deutsch: „Was kann ich für Sie tun, mein Herr?"
Ich klage ihm meine Not: „Wie ist es möglich, an
einem Tage nach Hazor und zurück zu kom-
men?" Er erkundigt sich: „Wieviele Perso-

31
nen?" „Insgesamt sechs." Er zieht einen Ta- zum See Genezareth und zum Schluß nach Ha-
schenrechner aus der Lade. „Ich könnte Ihnen zor."
ein Mercedes-Taxi mit Fahrer vermieten. Sie- Bis Haifa kennen wir die Strecke. Als wir zum
bensitzer, sehr bequem, aber...", er blinzelt Karmel abbiegen, wird die Straße frei. In gut
mich an, „leider nicht ganz billig." Er ist am ausgebauten Serpentinen erklimmt sie die
Rechnen, verkündet dann: „Wie ich schon sag- Höhe, vorbei an der Universität mit ihren
te, recht teuer, siebzehnhundert Lire. Der Wa- Hochhäusern und Instituten. Dann wird es um
gen steht Ihnen zu den genannten Bedingungen uns grün: Wald zwischen parkähnlicher Heide,
für volle zwölf Stunden zur Verfügung. Sie kön- eingestreute Felder. Und in der Ferne, tief unter
nen fahren, wohin Sie wollen, der Fahrer wird uns, das Meer. Später wechselt das Bergland die
jeden Wunsch erfüllen." Ich tue, als wenn ich Farbe, aus Grün wird Braun. Steine auf den Äk-
noch mit mir ringe, bin aber längst entschlossen. kern, dann Herden von mageren Kühen, Scha-
„Na schön, dann - sagen wir morgen? Um acht fen und schwarzhaarigen Ziegen. Auf einem
Uhr im Camping Lehman!" weiten Hang ein Beduinenlager: etwa ein Dut-
Pünktlich um acht Uhr hält ein Mercedes vor zend Zelte hingestreut ins wellige Land. Ab-
Levy s Office. Hinter dem Steuerrad ein gemüt- wärts stoßen wir dann auf die uralte Via Maris,
licher Dicker. „Israel!" stellt er sich vor. Sein die an Megiddo vorbei nach Galiläa führt.
Deutsch ist leider etwas lückenhaft, dafür Kahl und schwarz ragt vor uns der Teil Megiddo.
spricht er gutes Englisch. Was wir vorhaben? Ein Flächenbrand hat vor kurzem die Vegeta-
Nun, da wir den Wagen für den ganzen Tag zur tion vernichtet. Verkohlt liegen Unterholz,
Verfügung haben, können wir großzügig dispo- Buschwerk und Gestrüpp. Zwei Telegrafen-
nieren: „Zuerst die Karmel-Höhenstraße, dann stangen hängen nur noch an ihren Drähten. Ein
Teil Megiddo. Und weiter über Nazareth dann Windstoß wirbelt schwarze Asche auf.

Die Ställe Salomos?

In Megiddo angekommen, gehen wir zuerst ins 853, rund hundert Jahre nach Salomo, in Sama-
Museum. An einem anschaulichen Modell läßt ria über das Nordreich Israels regierte, erbaut
sich die Geschichte dieser Stadt erläutern. Wir wurden. Darunter erscheint dann die eigentli-
sehen die rekonstruierten sogenannten „Ställe che Stadt Salomos mit den Kasemattenmauern,
des Salomo", die von Ahab, der von 873 bis die für Salomos Bauten typisch sind, und das

32 Abb. S. 33: Die Treppe von Megiddo


klassische Sechskammertor. Fast auf den Zen- mit der Quelle verbunden. Den äußeren Zugang
timeter identisch mit denen von Geser und zur Quellhöhle hat man dann zugemauert und
Hazor. kaschiert. Damit war die Wasserversorgung für
Hitze springt uns an, als wir ins Freie treten. die Stadt gesichert.
Jetzt haben wir in Natura alles vor uns, was wir Die Anlage, wie sie sich heute bietet, geht - wie
eben im Modell gesehen haben: das Tor und die die Ställe - auf Ahab zurück. Zur Zeit Salomos
daran anschließende Kasemattenmauer Salo- bestand wohl ein oberirdischer Zugang zum
mos. Wir steigen höher, durchqueren die Ställe Quellteich, geschützt durch eine „Galerie", die
Ahabs und blicken hinab auf einen mächtigen Yadin unter der Ahabmauer freilegte.
Rundaltar aus kanaanitischer Zeit. Der Step- Über eine steile Eisentreppe steigen wir aus der
penbrand hat die Grabung „Salomos Palast", Quelltiefe ans Tageslicht empor. Der Aufstieg
sonst unter wucherndem Gestrüpp verborgen, mündet außerhalb des Teils ins Freie, dort, wo
freigelegt. Deutlich heben sich die Grundmau- sich vor Salomo der Zugang zur Quelle befand.
ern aus der Asche ab. Grelles Licht will uns blenden, Hitze fällt uns an,
Paradox: In Megiddo liegt der Höhepunkt der die Sonne steht fast senkrecht über uns.
Besichtigung in der Tiefe. Wir lassen die Aus-
grabung der Schicht IV B bis V A, die zur Ära Die Ausgrabungen von Megiddo durch Macali-
Salomos gehören, hinter uns und steigen durch ster 1902-05 und 1907-09 gehören noch in die
einen Stollen in die Tiefe zur Quelle. Was wäre Pionierzeit der palästinensischen Archäologie.
eine Festung ohne Wasser? Sie müßte nach kur- Neuere Untersuchungen, besonders durch Yi-
zer Belagerung kapitulieren. Darum hat man gael Yadin, haben erkennen lassen, daß ein be-
einen Zugang zum Grundwasser geschaffen. stimmter Typ Kasemattenmauer sowie das
Zunächst steigen wir über breite Steinstufen den Sechskammertor an der Nordseite Megiddos
trichterartigen Schacht hinab. Bohlenbelag, ein der Ära Salomo zuzuweisen sind. Ebenfalls
Holzgeländer, in Abständen Glühlampen. Die konnte ein Palastbau, der in die Kasematten-
Luft schmeckt feucht. Ein wenig erinnert dieser mauer einbezogen war, eindeutig in Salomos
Gang an den Tunnel von Schiloach. Nur daß Zeit datiert werden.
dort das Wasser meterhoch den Stollen füllt. Yadin weist darauf hin, daß dieser Palast eine
Vor uns weitet sich der Gang, links unter uns in große Ähnlichkeit mit einem aus Nordsyrien
der Tiefe das Wasser. und Phönizien bekannten Typ zeigt. Er hält ihn
Die Ausgrabungen haben ergeben, daß die für einen Repräsentationsbau, der vor allem ze-
Quellhöhle ursprünglich freilag. Es wäre daher remoniellen Zwecken diente. Yadins Grabun-
Belagerern möglich gewesen, die Quelle zu gen ließen auch erkennen, daß dieser Palast nur
blockieren oder auch zu vergiften. Um das zu einen Teil eines hier am Nordrand des Teils ge-
verhindern, wurde vom Stadtplateau her der legenen Areals von Monumentalbauten dar-
Schacht niedergebracht und durch den Stollen stellte. Eine genaue Datierung in die Ära Salo-

34
schlagen - beweist, daß die Herrlichkeit Salo-
mos wenigstens in Megiddo nicht von langer
Dauer war.
Aber im fünften Jahre des Königs Rehabeam zog Schischak,
der König von Ägypten, gegen Jerusalem. Er raubte die
Schätze des Tempels und die Schätze des königlichen Pala-
stes.
(1. Kön. 14,25-26)

„Und er nahm die festen Städte ein, die in Juda


waren", ergänzt 2. Chr. 12,4.
Vollen Beweis für die „Täterschaft" Schischaks
aber brachte eine bereits bei früheren Grabun-
mos wurde durch die reichlich gefundene Ke- gen zu Tage geförderte Gedenksäule Schi-
ramik möglich. Der Zustand dieser Keramik — schaks. Damit ist sicher, daß Salomos Megiddo
fast alle Töpfe, Krüge und Vasen waren zer- bereits um das Jahr 923 in Asche sank.

Die Schlacht von Harmagedon

„Die letzte, die entscheidende Schlacht steht mit Harmagedon auf sich? Har-Magedon heißt
unmittelbar bevor. Bei Harmagedon werden sie Berg Megiddo. Es handelt sich um den Hügel,
aufeinandertreffen. Und dann kommt das Ge- der heute Teil el Mutesselim genannt wird. Er
richt. Tod allen Feinden Jehovas! Nur die aus- springt aus dem Höhenzug, der sich zum Karmel
erwählten Hundertvierundvierzigtausend über- hinzieht, nach Nordost hin in die Ebene Jesreel
leben. Und Sie, wollen Sie nicht auch zu diesen vor. Selbst ein strategischer Laie erkennt auf
gehören? Dann kommen Sie zu uns, den Zeugen den ersten Blick die militärische Bedeutung die-
Jehovas. Und Sie werden sehen: Sie überle- ses Platzes. Drüben die Berge von Galil, rechts
ben." die Höhen von Gilboa, links Haifa mit dem ein-
Die Schlacht von Harmagedon gehört zum ei- zigen guten Naturhafen des Landes. Von dort
sernen Inventar der Zeugen Jehovas. Was hat es her zieht nach Osten die uralte Straße, die das

Palast des Salomo in Megiddo 35


Meer mit dem Binnenland verbindet. Sie kreuzt die Ebene, die vor dem Berge Megiddo liegt,
sich zu Füßen Megiddos mit der Völkerstraße, Schauplatz blutiger Schlachten gewesen. Es ist
der Brücke zwischen zwei Kontinenten, Asien daher zu verstehen, daß Harmagedon zum
und Afrika. Sinnbild der großen Entscheidungsschlacht ge-
Megiddo, Kreuzungspunkt zwischen West und worden ist. Der Seher Johannes denkt in seiner
Ost wie zwischen Nord und Süd. Megiddo, auf Offenbarung (Kap. 16,16) offensichtlich an die
dem nach allen Seiten gleichmäßig abschüssigen Vernichtung der Heiden durch Barak (Ri. 4—5),
Teil gelegen. Megiddo, der Riegel, das Sperr- wenn er den Namen Harmagedon nennt. Und in
fort, die Zwingfeste der Ebene Jesreel. moderner Zeit hat sich dann die Phantasie der
Kein Wunder, daß hier schon in frühester Zeit Zeugen Jehovas an diesem Namen entzündet.
die Mächtigen aufeinanderprallten. Wer Me-
Salomo hat früh die Wichtigkeit Megiddos er-
giddo besaß, der hatte das Sagen. Schon um
kannt. Er machte die Stadt, nachdem er ihre Be-
3500 v. Chr. wurde die erste Burganlage hier er-
festigungen verstärkt hatte, zu einem der zwölf
richtet. Ihre ursprünglich vier Meter starken
Amtssitze seines Reiches.
Mauern wurden später auf die doppelte Breite
gebracht. Megiddo war es wert. Pharao Thut- Und Salomo hatte zwölf Amtsleute über Israel... Baana,
mosis III schätzte Megiddos Eroberung mehr als der Sohn Ahiluds, in Taanach und in Megiddo...
(1. Kön. 4,7 und 12)
die von tausend anderen Städten. Ägypter und
Hethiter prallten hier aufeinander. Assyrer und Ob dieser „Amtmann" Baana in dem anderen
Babylonier stießen auf Megiddo vor, um sich Palast aus der Epoche Salomos, der auf der Süd-
eine Basis zum Vorstoß nach Ägypten zu schaf- seite der Stadt freigelegt wurde, residiert hat?
fen. „Könige kamen und stritten... zu Taanach Es wäre durchaus möglich. Auch dieser Palast
am Wasser Megiddos" (Buch der Richter 5,19). liegt- wie der Zeremonialpalast und das Sechs-
Das Siegeslied der Debora besingt die Schlacht, kammertor- eine Schicht unter den „sogenann-
in der Barak den Feldhauptmann der Kanaani- ten Ställen Salomos". Er ist wie diese beiden
ter Sisera besiegte (Ri. 4 und 5). König Ahasja und die Kasemattenmauer eindeutig der Bautä-
von Juda suchte schwer verwundet Zuflucht in tigkeit Salomos zuzuordnen.
Megiddo und starb hier (2 Kön. 9,27). Um das
Jahr 609 v. Chr. verlor König Joschija in der Kasemattenmauer, was ist darunter zu verste-
Schlacht bei Megiddo gegen den Pharao Necho hen? Es handelt sich um eine doppelte Mauer.
Sieg und Leben. Auch die Römer erkannten die Der zwischen den beiden Mauern liegende
strategische Bedeutung des Platzes. Unmittel- Raum ist durch Quermauern in einzelne Kase-
bar südlich legten sie ein Legionslager an. Noch matten geteilt. Diese sind von der Stadtseite her
heute erinnert der Name des Dörfchens Led- zugänglich und können - je nach Bedarf - als
schun an Legio. Vorratsräume oder Unterkünfte benutzt wer-
Immer wieder im Laufe der Jahrtausende war den. Wenn es im Verlauf einer Belagerung dem

36 Abb. S. 37: Krieger auf einem Turm


is .
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38 Das Wassersystem von Megiddo


Feind gelingt, die Außenmauer aufzubrechen,
kann der Raum zwischen beiden Mauern mit
Gestein gefüllt und der Belagerer aufgehalten
werden.
Eine Kasemattenmauer läßt sich mit verhält-
nismäßig wenig Material und in kurzer Zeit er-
bauen. Und darauf kam es Salomo an. Vergli-
chen mit einer Massivmauer weist eine Kase-
mattenmauer natürlich Schwächen auf.
Ahab hat das - etwa hundert Jahre später - er-
kannt und dementsprechend über der salomoni-
schen Kasemattenmauer eine massive Bastei-
mauer errichtet. Ahab hat bei ihrem Bau an
mehreren Stellen die Bauten Salomos zerschnit-
ten. Dies geschah unter anderem auch mit den
Resten des Salomonischen Palastes. Yadins
Grabungen haben gezeigt, daß die „sogenann-
ten Ställe Salomos" erst unter König Ahab von
Samaria errichtet worden sind. Vielleicht sind es
nicht einmal Ställe gewesen, sondern schlichte
Vorratsräume.

Das Wassersystem von Megiddo (S. 38)

A. Vor Salomo: (1) Quellgrotte. (2) Gang, der im


Freien mündet.
B. Anlage aus der Ära Salomo: (1) Quellgrotte, (2)
Teilstück des früheren Ganges, (3) jetzt gedeckt in
die Stadt geführt, (4) unter der Kasemattenmauer
Salomos hindurch.
C. Anlage unter Ahab: (1) Quellgrotte. (2) Neuer
Gang, in der Tiefe zum Schacht (5) führend. (3)
Mauer Ahabs. (4) Reste des salomonischen Gan-
ges unter der Ahabmauer.

Torbau in Megiddo aus der Zeit Salomos 39


Überall derselbe Plan
Geser und Hazor
Der Sandkasten gehört zum militärischen ses Tor zeugt zusammen mit den ebenfalls Sa-
Grundinventar. Am Sandkasten studiert man lomo zugeschriebenen Palästen, die unter den
Geländeformen und lernt, wie man sich ihnen Bauten Ahabs zu Tage kamen, von einer groß-
anpaßt und sie taktisch nutzt. Yigael Yadin hat artigen Bautätigkeit Salomos in Megiddo. Und
zweifellos oft am Sandkasten geübt und dies doch wird von dieser archäologisch nachgewie-
auch in die Praxis umgesetzt als General in den senen Aktivität des weisen Königs in der Bibel
israelisch-arabischen Feldzügen von 1967 und nur in einem knappen Satz berichtet.
1973. Er verfügt damit über die besten Voraus-
setzungen für einen erfolgreichen Archäologen: So verhielt es sich mit dem Frondienst: König Salomo hatte
Fronarbeiter ausgehoben zum Bau des Tempels, seines Pa-
Blick für das Gelände, Phantasie für das Denk- lastes, des Millo und der Mauern von Jerusalem, Hazor, Me-
bare und Mögliche und schließlich die Fähig- giddo und Geser.
keit, generalstabsmäßig zu planen. (l.Kön. 9,15)
Keine der Stätten, an denen Yadin tätig wurde,
war archäologisch „jungfräuliches" Gelände. So ganz beiläufig wird da erwähnt, daß Salomo
Megiddo, Geser, Hazor: An all diesen Orten Hazor, Megiddo und Geser baute. „Baute": was
war schon lange vor Yadin gegraben worden; heißt das in diesem Fall? Alle drei Städte waren
oft, von zahlreichen Forschern, mitunter in lan- uralt, hatten eine lange und blutige Geschichte
gen und kostspieligen Kampagnen. Doch keiner hinter sich, als Salomo sie „baute".
seiner Vorgänger war so planmäßig vorgegan- Megiddos Geschichte hatten wir schon an uns
gen wie Yadin. Bei seinen Vorgängern hat man vorbeiziehen lassen. Nach dem Grabungsbe-
den Eindruck: Sie fanden, was ihnen durch Zu- fund sieht es so aus, als habe Salomo eine ärmli-
fall vor die Hände kam. Bei Yadin: Er fand, was che Siedlung, eher Flecken als Stadt, vorgefun-
er hatte finden wollen. Am schönsten läßt sich den. Wahrscheinlich ist die frühere Stadt um
das an den Toren Salomos belegen. 1100 v. Chr. zerstört worden. Erst zur Zeit Da-
Da standen wir vor dem Tor von Megiddo. Die- vids fanden sich wieder Siedler, die - mehr
schlecht als recht - sich auf der Höhe niederlie-
ßen. Salomo erkannte den strategischen Wert
des Platzes und baute ihn, wie die Grabungen
gezeigt haben, zu einer gut befestigten Stadt aus.
Und Geser? Die Autostraße, die von Tel Aviv
nach Jerusalem führt, gabelt sich bei Ramla.
Ganz gleich, welche der beiden möglichen Rou-
ten man wählt, man kann den Teil von Geser
nicht übersehen. Er liegt genau zwischen den
beiden Straßen und wölbt sich wie ein breiter
Schild aus dem Rachland heraus. Auch dieser

Protojonisches Kapitell, der Zeit Salomos zuzuordnen 41


Platz beherrscht eine wichtige Kreuzung, die der ter, die darin wohnten, getötet und die Stadt als Brautge-
schon erwähnten Via Maris mit der Straße, die schenk seiner Tochter, der Frau Salomos, gegeben. Salomo
baute nun Geser wieder auf.
von Jaffa hinauf nach Jerusalem führt. Er sperrt (1. Kön. 9,16-17)
sie genau dort, wo sie durch das Tal Aijalon in
das Bergland zieht. Ein Tal, das die Einfall-
pforte nach Judäa bildet und daher oft Schau-
platz heftiger Kämpfe gewesen ist. Hier schlug Anfang unseres Jahrhunderts war bereits der
Josua die Kanaaniterkönige (Jos. 10); die Phili- junge irische Archäologe Macalister auf die Ka-
ster sind oft genug hier heraufgezogen. semattenmauern und das Tor Salomos gesto-
Geser liegt im Grenzland zwischen den Phili- ßen. Doch er ahnte nicht, daß er Bauten Salo-
stern und den Israeliten. Das war der Haupt- mos gefunden hatte, hielt sie vielmehr für die
grund dafür, daß seine kanaanitische Bevölke- Überreste einer Makkabäerburg. Da er nur die
rung von den Israeliten nicht ausgerottet wurde. eine Hälfte des Tores freigelegt hatte, erkannte
er auch nicht, daß es sich um ein Tor handeln
Der Pharao, der König von Ägypten, war nämlich heraufge- könne. Er meinte, es seien stallähnliche Räume
zogen, hatte Geser erobert und eingeäschert, die Kanaani- gewesen.

42 Torbau in Geser aus der Zeit Salomos


Eine Höhe voller Disteln
„Hazor?" Unser Fahrer Israel winkt ab. „Das den Bergen Galiläas. Das war ja dann wohl
schaffen wir bequem!" Ich bin nicht so optimi- nichts mit dem „bequem schaffen"?
stisch. Es geht nach Norden, auf guter, fast ge- Da ist dann doch plötzlich die Straße, die zum
rader Straße. Truppenlager, breit ins Gelände Teil hinaufführt. Wie ich's befürchtet hatte: Der
gestreut, verraten die Nähe der Grenze. Von Schlagbaum sperrt die Straße, das „Lokal" ist
den Golanhöhen ist nur selten ein Blick zu erha- geschlossen. Na ja, wer halt so spät kommt wie
schen. Zu staubig ist heute die Luft. Die Schat- wir. „Versuchen wir es durch die Hintertür!"
ten werden länger, die Sonne hängt niedrig über Ich lasse Israel wenden, die Straße einen halben

\
Hazor N \
1 Tal der Quellen
^ \ 2 Brunnen
I. Bronzezeitliche Stadt
II. Stadt Salomos
A Stadttor
B Zitadelle
M Mauerecke

\ —

Übersichtsplan von Hazor 43


Kilometer zurückfahren und rechts in den reichen jetzt das Stadttor Salomos. Fast dek-
Landweg einbiegen. Israel schaut ungläubig, tut kungsgleich mit dem von Megiddo. Und mit
aber, was ich sage. dem von Geser!
Im Gänsemarsch geht es durch ein Gewirr von
verdorrten Disteln, stacheligen Karden und Tatsächlich zeigt schon ein oberflächlicher Ver-
dornbewehrtem Gestrüpp, dann bergan, ziem- gleich, daß alle drei Tore—Megiddo, Geser, Ha-
lich steil und über Geröll, das einem bei jedem zor - nach gleichem Grundplan entworfen sind:
Schritt unter dem Fuß wegkollert. Wir kommen Das Außentor wird von zwei wuchtigen Türmen
ins Schwitzen. Oben angekommen, weht ein fri- flankiert. Tritt man ein, so muß man eine Tor-
scher Wind. passage durchschreiten, die rechts wie links von
Wir stehen und blicken ringsum in die Weite. je drei Kammern flankiert wird. Es scheint
Hier links die Berge von Galil, vor uns das obere wahrscheinlich, daß diese Seitenkammern ge-
Jordantal, etwas rechts dann die Golanhöhen. genüber dem Mittelgang erhöht waren. Ein ein-
Für einen Augenblick tauchen sie aus dem dringender Angreifer sah sich dann von über-
Dunst, rosafarben, von violetten Schatten höht aufgestellten Verteidigern auf beiden Sei-
durchmustert. Wir suchen uns an vertrauten ten flankiert. Ob sich über diesem Erdgeschoß
Karten zu orientieren: noch ein Obergeschoß befand, wissen wir nicht.
Vor uns das weite, viereckige Plateau, erst mit Die Türme waren sicher mehrstöckig. Doch
dem Mähdrescher abgeerntet; die Strohballen auch das Torhaus kann ich mir gut mit einem
liegen noch. Dieses ganze Gelände trug die alte Obergeschoß vorstellen, eine weitere Möglich-
Kanaaniterstadt. Geschichte wird lebendig. Ha- keit, einen Eindringling - mit heißem Wasser,
zor wird bereits in den ägyptischen Fluchtexten Pech oder auch Steinblöcken - abzuwehren.
des 19. vorchristlichen Jahrhunderts aufgezählt, Doch das sind, wie gesagt, theoretische Überle-
taucht dann wieder in den Amarnabriefen auf. gungen.
Im 13. Jh., als Josua mit den Israeliten ins Land Die drei Tore unterscheiden sich nur in unbe-
kommt, war Hazor die führende Königsstadt deutenden Einzelheiten. Die Maße sind gering-
hier im Norden. Damals war dieses ganze Areal fügig verschieden, doch im Gesamtkonzept ist
bewohnt, es mag etwa 40 000 Bewohner aufge- eine völlige Übereinstimmung vorhanden.
nommen haben, für jene Zeit eine ganz erstaun- Sie geht so weit, daß Yadin sich bei der Grabung
liche Zahl. Josua besiegte in der Schlacht am in Hazor einen echten Gelehrtenscherz leisten
Wasser Merom - etwa 15 Kilometer südlich von konnte. Lassen wir ihn selbst zu Worte kom-
hier - die Koalition der kanaanitischen Könige men: „Ich erinnere mich noch lebhaft, wie wir
und eroberte danach Hazor (Jos. 11). Hazor einen Trick anwandten, um unsere Arbeiter zu
ruhte verwüstet, bis Salomo es wieder aufbaute. beeindrucken, noch bevor Konturen und An-
Wir steigen über die Reste der Zitadelle, werfen lage des Tores sichtbar hervortraten. Wir steck-
einen Blick in die Tiefe des Wasser systems, er- ten den Grundriß des Megiddo-Tors auf dem

44 Abb. S. 45: Das Tal von Ajalon, von Gibeon aus gesehen
Zeittafel für Hazor

1. Epoche Um 2700 v. Chr. Stadtgründung.


Wachstum infolge der guten Quellen, des fruchtba-
ren Ackerlandes und der günstigen Lage.
2. Epoche Seit dem 18. Jh. v. Chr. wächst Hazor
zur Großstadt heran. Die Stadt umfaßt nun das ge-
samte Plateau und dürfte bis zu 40 000 Einwohner
gezählt haben. Sie war die Hauptstadt dieses Gebie-
tes.
Um 1240 v. Chr. wird diese Weltstadt unter Josua
von den Israeliten zerstört und dem Boden gleich-
gemacht.
3. Epoche Um 940 baut Salomo, der die strategi-
sche Lage erkennt, Hazor wieder auf; allerdings
nur auf dem westlichen Teilstück des Südhügels.
Ahab erweitert und festigt diese Stadt, schafft auch
die großartige Wasserversorgung. Um 732 wird die
Stadt endgültig durch die Assyrer vernichtet.

46 Torbau in Hazor aus der Zeit Salomos


Boden ab, kennzeichneten die Ecken und Mau- Mit der Grabung M an der Nordostecke konnte
ern mit Pflöcken und wiesen die Arbeiter an, der Yadin nachweisen, daß die von Salomo neuge-
Markierung entsprechend zu graben; dann ver- gründete Stadt verhältnismäßig klein war. Sie
kündeten wir: ,Hier werden Sie eine Mauer fin- blieb auf den Westteil des Teil beschränkt und
den' oder: ,Da sehen Sie bald eine Kammer.' umfaßte einen Raum von nur 26000 Quadrat-
Als unsere Prophezeiungen' eintrafen, gewan- metern. Wie die Übersichtskarte zeigt, war
nen wir ungeheuer an Prestige und wurden fast diese Stadt auf drei Seiten durch steil abfallende
für Zauberer gehalten." Der Zauber hielt nicht Berghänge gesichert. Nur nach Osten lag das
lange vor. Yadin verriet bald das Geheimnis sei- Vorgelände fast auf gleicher Höhe, doch Kase-
nes Vorherwissens. Er schließt dieses Stück sei- mattenmauer und Tor boten gegen Angreifer
nes Berichtes: „.. .nahm unser Ansehen schlag- guten Schutz.
artig ab, wohingegen das der Bibel stieg." Das salomonische Hazor erfüllte nach dem Wil-
Yadin konnte - wie in Megiddo - nachweisen, len seines Erbauers eine doppelte Aufgabe. Es
daß auch auf Hazor die Bauten Salomos von beherrschte die große Nordsüdstraße, die durch
noch stärkeren Fortifikationen des Königs das obere Jordantal führt und Asien mit Afrika
Ahab überdeckt sind. Auch die heutige Form verbindet. Und es gebot dem Reich von Damas-
der Wasserversorgung geht - ebenfalls wie in kus Halt, das zu neuer Macht gekommen war
Megiddo - auf Ahab zurück. und nach Süden vorzustoßen begann.

Abb. S. 48: Ägyptische Prinzessin 47


Verwandtschaften
und ihre Folgen
Eine gute Partie
Es war nicht geraten, in Ägypten um die Hand tischen Könige enthält noch immer große Unsi-
einer Prinzessin anzuhalten. Zu leicht bekam cherheiten. Unwahrscheinlich scheint, daß
man eine Absage. Selbst dem gewiß doch mäch- Schoschenk L, der 1. Kön. 14,25 Schischak ge-
tigen König von Babylon wurde, als er um eine nannt wird, in Frage kommt. Er kommt erst um
Pharaonin warb, knapp aber eindeutig beschie- 950 auf den Thron, während Salomo bereits um
den: „Von alters her ist eine Königstochter von 972 seinem Vater David in der Herrschaft folg-
Ägypten an niemand gegeben!" te. Die Heirat der Pharaonin dürfte aber gewiß
Diese Absage erteilte Pharao Amenophis III, vor 950 erfolgt sein. Bleibt uns die Wahl zwi-
der von 1413 bis 1377 regierte. Mehr als vier- schen Psusennis II, dem letzten Pharao der 21.
hundert Jahre später ist Ägypten nicht mehr, Dynastie (um 984—950), und Siamon (um
was es einst war. Immerhin, wohlfeil sind die 976-958), die beide als Rivalen in Tanis und
Prinzessinnen vom Nil noch immer nicht gewor- Theben residierten. Triftige Gründe, die für die-
den. Man muß schon Ansehen, Macht und sen oder jenen sprechen, gibt es nicht.
Wohlstand in die Waagschale legen können, um Auf jeden Fall hat die Spaltung Ägyptens das
die Augen zu einer Dame aus dem Pharaonen- Nilreich so sehr geschwächt, daß Israel unter
haus erheben zu dürfen. David und Salomo einen solchen Aufschwung
Salomo verschwägerte sich mit dem Pharao, dem König von
erleben konnte. Am Ende dieser Epoche ist
Ägypten. Er nahm eine Tochter des Pharao zur Frau und Ägypten so schwach und Salomo so stark, daß es
brachte sie in die Davidstadt, bis er sein Haus, das Haus des nicht mehr als Mesalliance empfunden wird,
Herrn und die Mauern rings um Jerusalem vollendet hatte. wenn der Pharao seine Tochter dem König von
(1. Kön. 3,1) Juda zur Frau gibt. Salomo war sich durchaus
bewußt, was er dieser Perle vom Nil schuldig
Man spürt noch etwas von der Hochachtung, die war:
der Berichterstatter empfand, als er diese Zeilen
niederschrieb. Wir hatten, als wir Geser besuch- Auch baute Salomo für die Tochter des Pharao, die er gehei-
ten, schon erfahren, daß ein Pharao als Schwie- ratet hatte, ein Haus, das dieser Halle glich.
gervater recht großzügig sein konnte: Alle diese Bauten waren vom Grund bis zu den Gesimsen
aus wertvollen Steinen ausgeführt, die in der Größe von
Der Pharao, der König von Ägypten, war nämlich heraufge- Quadern an der Innen- wie Außenseite 'mit der Säge zuge-
zogen, hatte Geser erobert und eingeäschert, die Kanaani- schnitten waren... Die Fundamente bestanden aus wertvol-
ter, die darin wohnten, getötet und die Stadt als Brautge- len, mächtigen Steinblöcken, aus Steinen von zehn und Stei-
schenk seiner Tochter, der Frau Salomos, gegeben. Salomo nen von acht Ellen. Darüber lagen wertvolle Steine in der
baute nun Geser wieder auf. Größe von Quadern sowie Zedernbalken.
(1. Kön. 9,16-17) (1. Kön. 7,8-11)

Der Name des Pharao ist leider nicht genannt, Wie so oft versteht es der weise König, zwei
auch nicht, in welchem Jahr Salomo die Pharao- Dinge zugleich zum Erfolg zu führen. Die Pha-
nin heimgeführt hat. Die Chronologie der ägyp- raonin residiert jetzt in einem Haus, das ihr an-

50
gemessen ist. Und zugleich nimmt Salomo den Historische Wirklichkeit dürfte sein: Salomo
Altkonservativen einen Grund zum Ärgernis: hat tatsächlich nach Art seiner Zeit und Umge-
bung einen Harem besessen. Das hat nichts mit
Salomo brachte die Tochter des Pharao aus der Davidstadt
in das Haus, das er für sie gebaut hatte; denn er sagte: Eine
Moral zu tun, sondern ganz schlicht mit politi-
Frau soll nicht im Haus Davids, des Königs von Israel, woh- schen Überlegungen. Zunächst wird Salomo -
nen; denn die Räume, in die die Lade des Herrn gekommen wie schon sein Vater David — Töchter einfluß-
ist, sind heilig. reicher israelischer Sippen an seinen Hof gezo-
(2. Chr. 8,11) gen haben. Das sicherte ihm Einfluß auch bei
den anderen Stämmen, verschaffte ihm eine Art
Nun kann sich niemand mehr darüber erregen,
Hausmacht. Außenpolitische Verbindungen
daß eine Fremdländische, die nicht Jahwe anbe-
aber wurden durch die Heirat ausländischer
tet, in der Davidsstadt wohnt. Das „Haus der
Prinzessinnen geknüpft und gesichert. Naëma,
Ägypterin" stand nämlich - wie wir noch sehen
die Mutter des späteren Thronfolgers Rehabe-
werden - in dem neuen, nördlich an die Jebusi-
am, offenbar die zeitlich erste Frau Salomos,
terstadt anschließenden Stadtteil.
war gebürtige Ammoniterin, stammte also aus
Die Ägypterin spielt zwar die führende Rolle
der Gegend der heutigen Hauptstadt des König-
am Hofe, doch die erste Frau Salomos war sie
reichs Jordanien. Neben der alle überragenden
nicht. Der spätere Thronfolger Rehabeam,
Pharaonin wird auch die sidonische Prinzessin,
Sohn der Ammoniterin Naëma, war jedenfalls
die aus dem Hause Hirams von Tyrus kam, gro-
schon geboren, bevor Salomo den Thron bestieg
ßen Einfluß ausgeübt haben. Wir werden noch
(1. Kön. 11,42 und 14,21).
sehen, mit wieviel Geschick Salomo aus der
König Salomo liebte neben der Tochter des Pharao noch Verbindung mit diesen beiden Frauen Vorteil
viele andere ausländische Frauen: Moabiterinnen, Ammo- zu ziehen verstand.
niterinnen, Edomiterinnen, Sidonierinnen, Hetiterinnen. Zunächst wirkte sich der Einfluß Phöniziens bei
An diesen hing Salomo mit Liebe. Er hatte siebenhundert
fürstliche Frauen und dreihundert Nebenfrauen. den Bauten aus, die Salomo durchführen ließ.
(l.Kön. l l , l f ) Wir stießen schon in Geser, Megiddo und Hazor
auf stilistische Eigenarten, die eindeutig auf
Selbst die lebhafteste Phantasie vermag sich ei- Phönizien weisen. Hier sind sie archäologisch
nen solchen Harem nicht vorzustellen. Und greifbar. Ganz anders hingegen verhält es sich
schon gar nicht, daß Salomo an allen diesen mit den salomonischen Bauten in Jerusalem.
Frauen „mit Liebe hing". Die Überlieferung Hier ist nichts mehr archäologisch zu erfassen.
übertreibt hier wohl. Volkstümliche Betrach- Doch dafür haben wir hier das literarische
tung geschichtlicher Begebenheiten gleicht oft Zeugnis der Bibel.
dem Blick durch ein Vergrößerungsglas. Es ver-
größert um so stärker, je mehr der Abstand zum
betrachteten Gegenstand wächst.

Abb. S. 52: Tempelmauer in Jerusalem 51


•^ \^v
Wo stand der Tempel?
Am Anfang dieses Abschnittes steht das Wort Tempel muß etwa dort gestanden haben, wo
„nichts". Nichts ist geblieben von dem, was Sa- sich heute der Felsendom erhebt. Die Kette der
lomo in Jerusalem gebaut hat. Keine Spur von Überlieferung ist - wie vor allem Kathleen Ken-
seinem Palast, dem Libanonwaldhaus, dem yon aufgezeigt hat - ohne Bruch. Glied reiht
Haus der Pharaonin. Nichts von dem Tempel, sich an Glied: Salomos Tempel stand bis zur Er-
an dem sich Jahrhunderte begeisterten. Nichts oberung Jerusalems durch Nebukadnezar im
von den Mauern und Toren Zions. Jahre 586 v. Chr. Zwar wurde die Elite des Vol-
Dabei besteht kaum ein Zweifel, an welcher kes in die babylonische Gefangenschaft geführt,
Stelle wir den Tempel zu suchen haben. Salomos doch die unteren Bevölkerungsschichten durf-
ten bleiben. Bereits 538 gab der Perserkönig
Kyrus, der Babylons Macht gebrochen hatte,
den ersten Verbannten die Erlaubnis zur Heim-
kehr. Selbst wenn keiner von ihnen sich mehr
hätte an die heilige Stätte erinnern können, die
er als Kind noch gesehen hatte, es gab genug
arme Leute im Lande, die seiner Erinnerung
hätten nachhelfen können.
Die geblieben waren, wußten, die Heimkehren-
den frischten ihre Erinnerung auf. Im Buche
Esra wird uns berichtet, wie der Tempel nach
der Heimkehr wieder hergestellt wird. Esra 3,3
heißt es ausdrücklich: „Und sie richteten den
Altar wieder her an seiner früheren Stätte".
Diese Notiz wird ergänzt durch Esra 3,12: „Und
viele von den betagten Priestern, Leviten und
Sippenhäuptern, die das frühere Haus noch ge-
sehen hatten, weinten laut, als nun dies Haus vor
ihren Augen gegründet wurde". Und in Esra
5,11 heißt es unmißverständlich: „...und bauen
das Haus wieder auf, das einst vor vielen Jahren
hier gestanden und das ein großer König Israels
gebaut und vollendet hat." Kein Zweifel: Der
Tempel Esras erhob sich genau an der Stelle, an
50 100 150 der Salomos Tempel zuvor gestanden hatte.
Meter Dieser Tempel Esras wurde in den kriegeri-
schen Wirren der folgenden Jahrhunderte

Plan des salomonischen Tempels und Palastes 53


mehrfach zerstört, doch niemals so, daß er völlig Leider hat gerade die herodianische Erneue-
ausgelöscht wurde. Es ist sicher, daß Herodes, rung des Tempels die zu jener Zeit sicher noch
der den großartigen Tempel erbaute, den wir vorhandenen Reste des salomonischen Baues —
aus dem Neuen Testament kennen, das aus frü- wie Miss Kenyon sagt — „förmlich verschlun-
herer Zeit vorhandene Material an der histori- gen". Die heutige Anlage dürfte hinsichtlich des
schen Stätte benutzte. Ob man an der sogenann- Umfangs in etwa mit der des Herodes überein-
ten Klagemauer steht, heute als Westwall be- stimmen. Ohne Frage ist der Tempelbezirk Sa-
zeichnet, oder über dem Kidrontal dem Fuß der lomos erheblich kleiner zu veranschlagen. Alle
Ostmauer folgt, überall erkennt man im unteren modernen Rekonstruktionsversuche tragen
Teil der Anlage das Mauerwerk des herodiani- dem Rechnung.
schen Baues.

Ein Haus für den Herrn

Wenn man den Bericht über den Bau des Tem- und damit zu ganz anderen Anschauungen über
pels (1. Kön. 6 und 7) oberflächlich liest, hat das Aussehen des Bauwerks gelangen.
man den Eindruck, es könne nicht schwer sein, Solche bautechnischen Fachausdrücke des da-
eine Rekonstruktion bzw. ein Modell herzustel- maligen Handwerks finden sich zuhauf in dieser
len. Doch der erste Eindruck täuscht. Sobald Beschreibung. So kommt es, daß sich nicht alles
man sich an eine Rekonstruktion macht, stellen zusammenreimen will. Fragen stellen sich, viele
sich Schwierigkeiten ein. Die erste liegt schon Dinge bleiben offen.
im Text selbst, der eine Reihe von Fachausdrük- Es ist unmöglich, alle Rekonstruktionen hier
ken bietet, die sonst im Alten Testament nicht vorzustellen. Als eine für viele mag hier die wie-
vorkommen. Nur ein Beispiel: Was bedeutet dergegeben sein, die im „Lexikon zur Bibel"
das hebräische Wort selaot? Zunächst einmal angeboten wird. Doch auch sie kann nicht An-
ganz einfach „Rippen", dann aber auch „Sei- spruch auf Authentizität erheben. Manche Ein-
ten". Hier im Zusammenhang mit dem Tempel- zelheit kann durchaus anders aufgefaßt werden.
bau handelt es sich um einen Fachausdruck, der Sicher sind folgende Merkmale: Der Tempel
- möglicherweise! - „Seitenstockwerke" be- selbst übertraf an Größe kaum eine mittlere
deutet. Es gibt aber auch Exegeten, die diesem Dorfkirche unserer Zeit. Da wir die hebräische
Wort eine ganz andere Bedeutung zuerkennen Elle ziemlich genau mit gut einem halben Meter

54
ansetzen können, ergeben sich als Maße 10x10 lige" war 20 Meter lang, 15 Meter hoch und -
x 10 Meter für das „Allerheiligste", in dem die wie das Allerheiligste - 10 Meter breit. Die
Bundeslade aufgestellt war. Das vor ihm liegen- „Vorhalle" hatte bei nur 5 Meter Länge die-
de, von ihm durch den Vorhang getrennte „Hei- selbe Breite und Höhe wie das Hauptschiff.

GRUNDRISS

Altar Rampe

Ehernes Meer

Wasserkessel

LÄNGSSCHNITT
Obergemach
D D D • • ü
Allerheiligstes Heiliges Vbrhalle

MtJXj/ yjsîj, ^»/ \J»j/ ygy


I I rS Pî ?-\ h- n

QUERSCHNITT

Maßstab:
ä T-:
0 5 10
l-tuj-i 1
20
1
30
1
40
1
50 Ellen
1
0 5.25 n.5 1S.75 21 2(25 m

Der Tempel Salomos; Rekonstruktion nach 1. Kön. 6-7 und 2. Chr. 3—4 55
Weiter wissen wir, daß sich die Hauptachse in
Ost-West-Richtung erstreckte, so daß der Ein-
gang nach Osten sah.
Im Innern des Heiligtums muß es ziemlich dun-
kel gewesen sein, da es auf beiden Seiten von
drei angebauten Stockwerken flankiert war,
Licht also nur durch kleine, hoch oben gelegene
Fenster eintreten konnte. Das Allerheiligste lag
in völligem Dunkel. Das entspricht der alten
Wie könnte es auch anders sein? Der Phönizier-
Vorstellung, daß Jahwe im Dunkel wohnt.
könig Hiram lieferte ja nicht nur das nötige Ma-
In diesem Dunkel findet sich kein Bild der
terial, er sandte auch die Fachleute, die sich auf
Gottheit, nur die Lade mit den Zehn Geboten.
solche Bauten verstanden.
Darüber die beiden Cherubim, eigenartige
Mischwesen mit Flügeln und Füßen. Sie sind
keine Gottheiten, vielmehr symbolische Wäch-
ter. Und Jahwe selbst? Er „thront" über der
Lade, er „wohnt" in „seinem" Hause. Doch es
nimmt ihn nicht gefangen, birgt, beherbergt ihn
nicht. Jahwe ist unfaßbar, erhaben, allüberall.
Eben: im Dunkel.
Vor dem Tempel stand der Brandopferaltar.
Der Eingang zum Heiligtum wurde gleichsam
bewacht von den Säulen „Jachin" und „Boas".
Das „Eherne Meer" - ein ungeheures Bronze-
becken, auf zwölf Rinderfiguren ruhend — und
fahrbare Wasserkessel vervollständigten das
kultische Inventar.
Es besteht kein Zweifel, daß die gesamte An-
lage auf phönizische Vorbilder zurückgeht. Die
Dreiteilung - Vorraum, Heiligtum, Allerheilig-
stes - findet sich überall im phönizischen Kul-
turbereich. Auch viele Einzelheiten, die uns im
1. Buch der Könige 6-7 und im 2. Buch der
Chronik 3-4 überliefert werden, entsprechen
genau dem, was der Spaten in Phönizien zu Tage öllämpchen und Kesselwagen,
gefördert hat. ähnlich solchen aus salomonischer Zeit

56 Abb. S. 57: Dreifuß mit kleinem Kultbecken


Und Salomo ließ Hiram sagen: Du weißt selbst, daß mein König Salomo ließ Hiram aus Tyrus kommen. Dieser war
Vater David durch Kriege verhindert war, dem Namen des der Sohn einer Witwe aus dem Stamm Naftali. Sein Vater
Herrn, seines Gottes, ein Haus zu bauen, da seine Feinde ihn war ein Bronzeschmied aus Tyrus. Er war mit Weisheit, Ver-
bedrängten, bis der Herr sie ihm unter die Füße legte. Jetzt stand und Geschick begabt, um jede Bronze-Arbeit auszu-
aber hat mir der Herr, mein Gott, ringsum Ruhe verschafft. führen. Er kam zum König Salomo und führte alle Arbeiten
Es gibt keinen Widersacher mehr und keine Gefahr. Darum für ihn aus.
gedenke ich, dem Namen des Herrn, meines Gottes, ein Er formte die zwei bronzenen Säulen. Achtzehn Ellen be-
Haus zu bauen. Hiram ließ Salomo sagen: Ich habe die Bot- trug die Höhe der einen Säule, und ein Band von zwölf Ellen
schaft vernommen, die du an mich gesandt hast, und werde umspannte sie. Ihre Wandstärke betrug vier Finger; innen
deinen Wunsch nach Zedern- und Zypressenholz erfüllen. war sie hohl. Ebenso war die zweite Säule. Dazu machte er
Meine Leute werden es vom Libanon an das Meer schaffen. zwei Kapitelle, um sie oben auf die Säulen zu setzen.
Ich lasse es dann auf dem Meer an den Ort flößen, den du Dann machte er das „Meer". Es wurde aus Bronze gegossen
mir nennen wirst. Dort lasse ich es wieder auseinanderneh- und maß zehn Ellen von einem Rand zum andern; es war
men, so daß du es abholen kannst. völlig rund und fünf Ellen hoch. Eine Schnur von dreißig El-
(l.Kön. 5,16ff) len konnte es rings umspannen. Er machte die zehn fahrbah-
ren Gestelle aus Bronze. Jedes war vier Ellen lang, vier Ellen
breit und drei Ellen hoch.
Es bleibt nicht bei solchen Materiallieferungen. Jedes Gestell hatte vier bronzene Räder und bronzene Ach-
sen. An den vier Füßen waren Ansätze, die unterhalb des
Die Ausgrabungen von zeitgenössischen Bau- Kessels angegossen waren.
werken in Israel zeigen, daß es in jener Zeit an (l.Kön. 7,13ff)
einheimischen Handwerkern gefehlt hat.
Durchweg verraten die Bauwerke aus der Ära Diese Fachleute aus Phönizien werden auch die
Salomos - soweit es sich nicht um königliche sachgerechte Verlegung der Innentäfelung
Bauten handelt — biedere Schlichtheit, mitunter ebenso wie die Goldblecharbeiten vorgenom-
gar Unbeholfenheit. Soweit es sich nicht um kö- men haben. Wer hier nach Einzelheiten sucht,
nigliche Bauten handelt! Diese unterscheiden findet die ausführliche Beschreibung in 2. Chr.
sich deutlich von allem, was sonst in Israel ge- 2-4.
baut wurde. Ob Hazor oder Megiddo, Geser Salomo hat den Tempelbau mit aller Energie
oder einer der anderen von Salomo ausgebauten vorangebracht. Das hatte guten Grund. Ihn
Plätze: Die Steine sind exakt behauen und so trieb nicht nur frommer Eifer, sondern auch po-
genau gefugt, daß es Mühe macht oder gar un- litische Klugheit. Der Ort, auf dem der Tempel
möglich ist, ein Messer in die Fugen zu schieben. erbaut wurde, war königliches Privateigentum.
Ohne Frage hat der König, wo er baute, auf die David hatte den Platz, der eine Tenne gewesen
erfahrenen Steinmetzen und Fachhandwerker war, von dem Jebusiter Arauna gekauft. Nun
Hirams zurückgegriffen. erhebt sich hier dank Salomos Initiative der
Tempel, ein Staatsheiligtum, an dem Priester tä-
Einer wird uns beim Ausführen der künstleri- tig sind, die im Dienst des Königs stehen. David
schen Arbeiten am Tempel namentlich genannt. hatte die Bundeslade nach Jerusalem gebracht,
Er heißt- wie sein phönizischer König — Hiram. das religiöse Wahrzeichen aus der Wanderzeit.

58
Es war früher zu Schilo stationiert und offenbar zenbilder. Gerade Funde in Hazor brachten —
bevorzugtes Heiligtum der Nordstämme gewe- wie an vielen anderen Orten — Beweise dafür
sen. David hatte die Lade provisorisch unter ei- ans Licht.
nem Zelt aufgestellt. Salomo gibt ihr das reprä- Es ist noch ein weiter Weg, den Propheten, Got-
sentative Bauwerk, das zum Nationalheiligtum tesmänner und die Stillen im Lande werden ge-
für alle Stämme werden soll. Werden soll! Doch hen müssen; doch ein entscheidender Schritt hin
noch ist es nicht so weit. Noch wird überall im zum Monotheismus, zur Alleinherrschaft Jah-
Lande auf den Höhen geopfert. Noch stehen in wes in Israel, ist der Bau dieses Tempels in Jeru-
den Häusern die „Theraphim" genannten Göt- salem.

59
'rv

Salbhorn
y
Auch das war Salomo
Gott wohnt im Dunkel
Zartes Rot spielt um den Gipfel des ölbergs, ein Dank schuldete!" Er wendet sich um und sieht
erstes Ahnen des Tages. Noch liegt das Kidrontal Ben Natan in die Augen. „Entscheidend ist, daß
im Dunkel, doch die Terrassen am Osthang der ich dein Herz sah." Er legt Ben Natan die Hand
Davidsstadt schimmern in fahlem Grau. Die auf die Schulter. „Ein König ist einsam; so ein-
Mauern und Zinnen auf dem Millo heben sich im sam wie wohl sonst kein Sterblicher. Und ist doch
Zwielicht scharf gegen den schwarzen Hinter- auch nur ein Mensch. Ein Mensch, der einen an-
grund des Stadttals ab. Nur hier oben auf der deren Menschen braucht!" Er reißt sich herum,
Höhe des Tempels wird es heller. winkt den anderen, ihm zu folgen, und schreitet
Eine Bewegung? Dort, wo der Stufenweg vom über den weiten Platz auf den Tempel zu.
Millo heraufführt? Drei Gestalten steigen herauf, „Da bist du, Zadok. Du bist mir treu ergeben,
kommen näher, gemessenen Schrittes, verhalten doch du bist Priester. Und das richtet zwischen
in den Bewegungen. Jetzt erreichen sie das Tor an uns eine Schranke auf. Du wirst mir stets ein Ge-
der Südseite des Tempelplatzes, halten, wenden genüber sein, einer, der im Namen Jahwes
die Gesichter nach Osten. Siestehen schweigend, spricht." Er senkt die Stimme. „Einer, der mir
sehen, wie die Morgenröte mit zitternden Fingern darum wohl auch hart widersprechen muß.
über den ölberg tastet und nach den zarten Fe- Wenn es - not tut."
derwölkchen greift. Er winkt mit dem Kopf zur anderen Seite. „Ben
„Der Herr hat die Sonne an den Himmel gestellt; Natan aber ist ,der Freund des Königs'. Ich weiß
er hat aber gesagt, er selber wolle im Dunkel nicht, wie ich es erklären soll, vielleicht so: Ein
wohnen." König muß einen Vertrauten haben; einen Men-
Der in der Mitte hat es gesagt, verhalten, mit schen, der ihm wie ein Du ist, der ihm antwortet,
schwebender Stimme. Der zur Rechten wendet zustimmt oder widerspricht."
sich ihm zu: „Mein König, gestern hast du mit
diesen Worten das Heiligtum Jahwe übergeben." Sie sind dicht vor dem mächtigen Würfel des
Er zögert, setzt dann entschlossen hinzu: „Es war Brandopferaltars angelangt, als Zadok antwor-
wohl nicht Zufall, daß du gerade diese Worte tet: „Ich habe den König wohl verstanden. Wenn
wähltest?" ich, ein Priester Jahwes, zu dem König spreche,
Der in der Mitte regt sich nicht. Er blickt in die dann redet Jahwe zu dem König. Wenn Sabud
wachsende Helle im Osten. Ein unhörbares La- Ben Natan zu dir spricht, dann redest du selbst zu
chen läßt seine Schultern zucken. „Ben Natan!" dir, mit der Stimme und mit den Gedanken deines
Leise kommen die Worte, so, wie man zu einem Freundes." Hat Salomo überhaupt noch hinge-
Vertrauten spricht. „Ben Natan, ich habe dich hört? Feierlichen Schrittes ist er in die Vorhalle
zum Freund des Königs ernannt, und ich wußte, des Heiligtums getreten, nur einen kurzen Blick
warum ich gerade dich zu meinem Freund er- zuvor nach links und rechts, zu den Säulen Boas
wählte." Lauter dann, lebhaft, als wenn er Wi- und Jachin. Jetzt steht er vor der hohen Doppel-
derspruch erwarte: „Nicht, weil ich deinem Vater flügeltür. Unaufgefordert schieben Zadok und

62
Sabud einen Halbeflügel auf. Sie müssen alle „Jahwe, ich habe dir einen Tempel erbaut, der
Kraft aufwenden. sich mit denen aller anderen Götter messen kann.
Ein erster Strahl der aufgehenden Sonne schießt Ich weiß, es ist kein Gott außer dir. Du bist der
über den Kamm des ölbergs. Er trifft den lang- Heilige, der Eine, der Herr. Du allein und keiner
sam aufschwingenden Türflügel und spiegelt sich sonst. Dir habe ich dieses Haus errichtet, damit
hundertfach im Goldblech, den Cheruben, Pal- dein Volk dich nahe weiß. Diese Cheruben da?
men und Blumen. Von der Sonne geblendet, hat Die Gojim beten sie als Götter an, als Götter, die
Salomo die Augen geschlossen. Unwillkürlich ta- im Sturm der Wolken daher fahren. Du hast die
stet seine Hand über die ins Gold gehämmerten Sonne an den Himmel gesetzt, den Mond und die
Figuren. Ein Granatapfel hier und daneben ein Sterne dazu. Du setztest deinen Bogen zwischen
geflügeltes Tierwesen. Der König blinzelt, als er die Wolken und gabst die Verheißung: Es soll
sich unwillig erinnert, wie die Altfrommen wider- nicht aufhören Tag und Nacht, Sommer und
sprachen, als sie die zierliche Arbeit entdeckten. Winter, Frost und Hitze. Du machst Cheruben zu
Aber er, der König, hatte die sidonischen Künst- deinen Boten und die Götter der Heiden zu dei-
ler verteidigt: Nein, keine heidnischen Götter nen Dienern."
seien diese Fabelwesen, sondern dienende Gei- Salomo spürt nicht, wie seine Arme müde wer-
ster Jahwes. den, wie die Hände zittern. Er fühlt nur, daß
Er tritt ein, zieht tief die Luft ein. Es duftet: nach Jahwe nahe ist und hört:
dem Zypressenholz der Tür. Und jetzt, unver- „Jahwe, mein Herr und mein Gott! Du siehst in
kennbar, der Duft der Zedern. Der Lichtstrahl mein Herz und prüfst meine Nieren. Du allein
der aufgehenden Sonne schneidet ein hohes, lich- weißt, wie viel von mir selbst in diesem Hause
tes Rechteck aus dem Dämmer. Und mitten in steckt: von meiner Eigenliebe und meinem Su-
diesem hellen Ausschnitt steht ein dunkler Schat- chen nach Ehre; von meinem Streben nach Glanz
ten, eine Menschengestalt mit ausgebreiteten Ar- und meinem Willen, Großes zu vollbringen. Ja,
men. Ein paar Herzschläge dauert es, ehe der Herr, du weißt es, undich, ich weiß es auch. Herr,
König begreift: Das bin ich! Mein Schatten ist es! sieh es nicht an, vergiß, daß ich ein schwacher
Ich bin es, der hier einsam steht und — betet, al- Mensch bin, der sich selber über alles liebt. Ver-
lein, ein Mann allein vor seinem Gott. Kein Prie- gib es, weil du der Starke bist, der vergeben
ster mehr, um zu künden, was Gott will. Kein kann."
Freund mehr, um Zwiesprache zu halten mit sich Die Hände, doch herabgesunken, tasten am
selbst. Hier ist Er, Jahwe, der im Dunkel wohnt. Saum des Gewandes. Und ohne daß es ihm be-
Wie im Traum tritt Salomo vor, öffnet mit zit- wußt wird, sinkt er in die Knie.
ternden Händen die Tür zum Allerheiligsten. Die „Jahwe, du Gott Abrahams und Jakobs, du Gott
Sonne greift hinein, es blitzt auf Gold und Elfen- meines Vaters David. Deine Gnade ist groß ge-
bein. Zierliches Schnitz werk und sauber getrie- wesen über uns. Du gabst meinem Vater Kraft
bene Goldarbeit. und Mut, du gabst ihm treue Freunde und am

Abb. S. 64: Cherub, Elfenbeinstatuette 63


i
M

*• **-
Ende das Reich. Du hast mich zum König deines ligsten. Im gebrochenen Licht der Sonne, deren
Volkes gemacht. Jahwe, hörst du? Hörst du, wie Strahlen jetzt durch die Fenster in der Höhe drin-
meine Zähne knirschen über meiner Schuld? gen, liegt die Heilige Halle. Doch der Wider-
Daß ich deinem Willen nachhalf, daß ich meinte, schein des Lichts auf Gold und Elfenbein genügt,
nicht alles dir überlassen zu können; daß Natan das Allerheiligste zu ahnen: Ganz nah die Enden
und meine Mutter — Jahwe, du weißt, du weißt! der Tragstangen, dahinter die Lade des Bundes
Ja, ich habe an deiner Gnade gezweifelt und dei- und darüber die beiden Cheruben mit segnend
ner Zusage nicht genug geglaubt. Und bin daher sich neigenden Flügeln.
nicht wert, dein Volk zuführen. Ich kann nur bit- „Vor Jahwe, der im Wolkendunkel wohnt,
ten: Herr, vergib!" danke ich euch und allen Getreuen. Ihr habt mir
Wie dämmrig es geworden ist. Die Sonne ist hö- geholfen, dieses Haus dem Herrn zu bauen. Ihr
her gestiegen. Ihr Licht fällt jetzt schräg auf den führtet die Lade herauf aus der Stadt meines Va-
Boden des Heiligen, bricht sich im Goldblech ters David und gabt ihr hier eine neue Heimstatt."
und zeichnet wirre Muster an die Wand, wie Er läßt die Hände der Freunde fahren und hebt
Buchstaben einer fremden Schrift, die niemand die seinigen zum Gebet.
deuten kann. Wo mögen Zadok und Sabud ge- „Der Herr hat die Sonne an den Himmel gesetzt.
blieben sein? Dort rechts, bei dem Leuchter! Sie Er selbst wollte im Dunkel wohnen.
stehen schweigend und blicken auf die Tür des Gebaut, ja gebaut habe ich ein Haus der Herr-
Allerheiligsten. Der König ist zu seinen Getreuen schaft für dich, eine Stätte für dein Wohnen auf
getreten. Er faßt sie, jeden bei einer Hand. Sie immer."
folgen ihm und stehen bei ihm vor dem Allerhei- (Nachl. Kön. 8,12-13)

Gebaut für den Herrn und für den König

Man tut gut, den Tempelbezirk erst gegen plastisch; mit ein wenig Phantasie ist man sogar
Abend zu besuchen. Die Touristen haben sich in der Lage, uralte, längst verwehte Spuren wie-
um diese Zeit verlaufen. Die Hitze hat sich in die der zu erahnen.
Steine verkrochen, vom Kidrontal her weht ein Den Felsendom haben wir schon kennenge-
angenehmer Wind. Die Schatten sind länger lernt, auch die Aksamoschee und den zierlichen
geworden und lassen die Konturen am Kidron- Kettendom. Wir waren auch schon in den soge-
hang deutlicher hervortreten. Das Gelände wird nannten „Ställen Salomos", die unter dem wei-

65
ten Tempelplatz liegen. Sie stammen nicht aus An seinem Palast baute Salomo dreizehn Jahre, bis er ihn
der Zeit Salomos, sondern sind die Stützkon- ganz vollendet hatte.
Er baute das Libanonwaldhaus, hundert Ellen lang, fünfzig
struktionen, mit denen Herodes den Platz auf Ellen breit und dreißig Ellen hoch, mit drei Reihen von Ze-
fast gleiche Höhe mit der Tenne Araunas brin- dernsäulen und mit Zedernbalken über den Säulen. Eine
gen ließ. Decke aus Zedernholz war über den Kammern, die über den
Salomo? Ist überhaupt etwas von seinen Bauten Säulen lagen; es waren fünfundvierzig Säulen, fünfzehn in
jeder Reihe. In drei Reihen waren Fenster so angebracht,
geblieben? Nichts! So stellten wir bereits fest. daß dreimal eine Fensterreihe einer anderen gegenüber-
Doch wir konnten wenigstens den vermutlichen stand. Alle Türen und Fenster waren viereckig gerahmt.
Standort des Heiligtums festlegen: dort unter Dreimal stand eine Fensterreihe der anderen gegenüber.
der Kuppel des Felsendoms oder zumindest (l.Kön. 7,1-5)
doch in seiner Nähe.
Auch hier ist die Bedeutung einzelner Fachaus-
Wie aber ist es um die anderen Bauten bestellt, drücke nicht ganz klar. Dennoch, der Gesamt-
von denen uns die Bibel berichtet? Eine schmale
und ziemlich steile Stufentreppe führt nahe der
Südostecke des weiten Tempelplatzes hinauf *\vfl
zur Mauer. Durch die Scharten der von den Sa-
razenen errichteten Mauerzinnen bietet sich ein
überwältigender Blick hinab ins Kidrontal und
hinüber zum ölberg. Hundert Schritte weiter
Ungefährer
auf dem schmalen Mauersteig, und wir errei- Mauerlauf der von
chen die Ecke. Ein kurzer Blick, fast senkrecht Salomo erweiterten
Stadt
hinab in die Tiefe: „Da führte der Teufel Jesus T Lage des Tempels
auf die Zinne des Tempels. Und sprach: Bist du (hypothetisch)
P Lage des Palastes
Gottes Sohn, so wirf dich hinab!" Ist dieser Ort (hypothetisch)
gemeint, von dem die Versuchungsgeschichte
spricht?
Ein paar Schritte noch nach Westen auf der
Mauerkrone entlang: Unter uns die Grabungen
an der Südfront der Tempelmauer und weiter
hinten die Felsnase, auf der die Stadt Davids
einst lag. Auf diesem Gelände, auf dem der
Schutt der Jahrtausende zehn Meter hoch und
mehr lagert, müssen wir Salomos Profanbauten
suchen. Als hervorragendes Bauwerk wird das
Libanonwaldhaus beschrieben. Hinnomtal

66 Jerusalem zur Zeit Salomos


eindruck bleibt: ein großartiger Repräsenta-
tionsraum! Rund 50 m lang und 25 m breit, bei
einer Höhe von gut 15 m. Ganz gleich, von wel- r 1r if
cher Seite man diesen riesigen Saal betrat, die
45 Zedernsäulen gaben das Gefühl, in das
Dämmerlicht eines Waldes mächtiger Bäume ^_ 4

eingetreten zu sein. Ein Libanonwald im wahr-


sten Sinne! ]* . t_ i L. J :.[
L _J

Offenbar auf dem Dach „über den Säulen" be-


fanden sich „Gemächer". Ich möchte sie mir k . JL j

nach Art eines überdimensionalen Penthouses


L J
vorstellen. Über die Treppe, die zu ihnen führte,
1 1
wird nichts gesagt, auch nicht über die Türen.
Man kann nur vermuten, daß die Treppe auf der
JA ,L
2
J
3

Außenseite hinaufführte und die Kammern L_ U


r 1
nicht die ganze Fläche des Daches einnahmen.
So wäre es möglich gewesen, jeden Raum von iL_ 4
>
der Dachplattform aus zu betreten. Dieses Mo- \ <
dell würde auch am ehesten der Angabe des
Textes entsprechen, daß die Gemächer sich L_ J

oben „über den Säulen" befanden. Leider hö-


ren wir nichts über den Zweck dieser Räume.
]• *[
Dienten sie als Waffenarsenal? Oder zur Unter- L .

kunft der Leibgarde des Königs? Wir wissen es 1
1
nicht.
Mit diesem Libanonwaldhaus verfügte Salomo
über einen Saal für hochoffizielle Empfänge. Da
der Raum eine Fläche von 1250 Quadratmetern
besaß, konnte er etwa zweitausend Besucher
aufnehmen. Verständlich, daß sechs Türen für Das Libanon waldhaus
einen reibungslosen Ablauf solcher Empfänge (A): Türen, über diesen vermutlich auch die Fenster.
zu sorgen hatten. Ich nehme an, daß die sechs
Fenster - ebenso wie die Türen - zu je drei auf (1) (2) (3): die drei Reihen der Säulen.
jeder Langseite angeordnet waren. Das gäbe die Gestrichelt sind die dreißig (?) Kammern des Oberge-
günstigsten Lichteffekte. schosses gezeichnet.

Libanonwaldhaus, möglicher Grundriß 67


Eine der Möglichkeiten, wie das Libanonwaldhaus
ausgesehen haben mag.
Im Erdgeschoß bieten die je drei Türen auf den beiden
Längsseiten mit den über ihnen liegenden Fenstern
eine architektonisch gute Lösung der Zugangs- und
Beleuch tungsmöglichkeit.
Im Obergeschoß liegen dreißig Kammern, jeßnfzehn
aufjeder Seite. Günstige Zugangsmöglichkeit wäre ge-
geben, wenn immer die mittlere von drei Kammern
eine Außentür hätte.

68 Libanonwaldhaus, mögliche Seitenansicht


Salomo baute die Säulenhalle, fünfzig Ellen lang und dreißig Alle diese Bauten waren vom Grund bis zu den Gesimsen
Ellen breit, davor eine Halle mit Säulen und einem Vordach. aus wertvollen Steinen ausgeführt, die in der Größe von
Er schuf die Thronhalle, das ist die Gerichtshalle, um darin Quadern an der Innen- wie Außenseite mit der Säge zuge-
Recht zu sprechen. Sie war vom Fußboden bis zum Gebälk schnitten waren... Die Fundamente bestanden aus wertvol-
mit Zedernholz ausgetäfelt. len, mächtigen Steinblöcken, aus Steinen von zehn und Stei-
Sein eigenes Wohnhaus stand im anderen Hof, von der Halle nen von acht Ellen. Darüber lagen wertvolle Steine in der
aus nach innen zu. Es hatte die gleiche Bauart. Auch baute Größe von Quadern sowie Zedernbalken. Der große Hof
Salomo für die Tochter des Pharao, die er geheiratet hatte, war rings von einer Mauer aus drei Lagen Quadern und ei-
ein Haus, das dieser Halle glich. ner Lage Zedernbalken umgeben; ebenso der innere Hof
(l.Kön. 7,6-8) um das Haus des Herrn und der Hof um die Palasthalle.
(1. Kön. 7,9-12)
Auch hier ist manches unklar: die genaue Lage
der einzelnen Gebäude zueinander, ihre Maße- Es ist immerhin möglich, daß einige dieser exakt
von der Säulenhalle abgesehen — und ihre Ein- behauenen Steine in der Tempelmauer des
richtung. Vermutlich sind ganze Stücke des al- Herodes wieder verwendet wurden. Solche
ten Berichtes verlorengegangen. Vielleicht hat Steine zerschlägt man nicht, dazu sind sie zu
der biblische Berichterstatter sie auch absicht- wertvoll. Wenn irgend möglich, wird man sie
lich fortgelassen, da er sich für diese Profanbau- abermals zum Bauen genutzt haben. Diese ge-
ten nicht interessierte. Nur über den Prachtbau, samte Palastanlage schloß sich südlich an den
der für die Pharaonin errichtet wurde, ist eine Tempelbezirk an. Man konnte sie überblicken,
kurze Notiz erhalten. Doch über das Material wenn man auf der Südmauer des Tempelplatzes
werden uns ausführliche Angaben gemacht. stand. Und heute? Nichts!

69
Wenn Bauen schwierig wird
Als Bauholz ungeeignet
„Morgen besuchen wir die Zedern des Liba- ne, zarte Wolken über dem Tal der Bik'a, die
non!" Meine Ankündigung weckt die begei- noch im Dunkel liegt. Und wir hier! Einer zitiert
sterte Zustimmung der Studenten, die mit mir in halblaut den 104. Psalm:
Kirbet Kanafar ein ökumenisches Aufbaulager
Herr, mein Gott, du bist sehr herrlich;
durchführen. Vier Wochen schon haben wir
du bist schön und prächtig geschmückt.
oben am Berge, in gut 1300 m über dem Mee-
Licht ist dein Kleid, das du anhast.
resspiegel, Gestrüpp gerodet, Steine zu Trok-
Du breitest den Himmel aus wie einen Teppich;
kenmauern aufgesetzt und Terrassen angelegt.
du baust deine Gemächer über den Wassern.
Früh um 5 Uhr geht es hinauf, um die Morgen-
Du fährst auf den Wolken wie auf einem Wagen
kühle zu nutzen, gegen 11 Uhr wird es so heiß,
und kommst auf den Flügeln des Windes...
daß wir die Arbeit einstellen müssen. Nachmit-
tags dann, sobald die Schatten länger werden, Die Sonne steht schon eine Handbreit über den
arbeiten wir auf dem Gelände der Ludwig- Bergen, als wir uns endlich losreißen. Ahmed
Schneller-Schule, ziehen Gräben für die Kanali- treibt uns an: „Bitte beeilen! Wir haben noch
sation oder legen bei der Sportplatzanlage letzte eine Stunde." Es geht noch immer aufwärts,
Hand an. doch wir haben keine Schwierigkeiten, da der
Morgen also soll es hinaufgehen in den Liba- Kamm des Gebirges gut zu begehen ist. Lang-
non. Ahmed, einer der einheimischen Lehrer, sam wird es heiß. Ein Glück, daß wir so früh auf-
wird uns führen. Um 3 Uhr wecken! Um 4 Uhr gebrochen sind.
stehen wir zur Tat bereit vor dem Tor; es kann Plötzlich schwenkt Ahmed vom Kamm ab nach
losgehen. Stetig geht es bergan, westwärts ins Westen. Fast im gleichen Augenblick zerreißen
Gebirge. Längst liegt unser Arbeitsplatz mit den die Nebel, die dort hingen, und geben den Blick
halb fertigen Weinbergterrassen hinter uns. Im ins Vorland frei. Berge, Welle hinter Welle, und
Dunkel geht es eine Schlucht hinauf, hinter die nächste immer ein wenig niedriger. Dahinter
Ahmed her, der als schwarzer Schatten sich über das dunkelgrüne Band der fruchtbaren Küste
uns gegen den Sternenhimmel abzeichnet. Der und ganz weit in der Ferne das Meer. Verwir-
Grat ist erreicht, Ahmed ordnet eine Pause an. rendes Bild: Das Meer dort scheint über die
Genau im rechten Augenblick haben wir den Wolken emporzusteigen. Verwirrend und doch
Kamm erstiegen. Die ersten goldenen Sonnen- verständlich. Befinden wir uns doch auf annä-
pfeile schießen hinter dem Antilibanon hervor, hernd 2500 Metern Höhe, also hoch über den
wischen die Sterne weg. Silbriges Zittern spielt Wolken dort im Westen. Darum trifft unser
um den Hermon, und nun - ganz plötzlich - Blick über die Wolken hin das Meer. Jetzt geht
steigt der obere Rand der Sonne über den es in eine Schlucht, um eine Bergecke, und -
Kamm der Berge. Ein überwältigendes Bild: „Da sind sie!" Ja, da sind sie, die Zedern des Li-
Rotgold glühend die Sonne, zu ihren Füßen als banon. Das heißt, eines der drei noch vorhande-
violetter Schatten der Antilibanon. Davor klei- nen Reservate.

71
ma
Wir sitzen im Schatten eines breitästigen Bau-
mes; die letzten Wolken dort am Hang haben
sich aufgelöst. Zu unseren Füßen Jungbäume.
Überall, wo genügend Feuchtigkeit ist, kommt
jetzt Wald hoch."
Erzeigt auf eine Ortschaft, die sich tief unter uns
Sie sind gerade gewachsen und haben gute Jah- an die Hänge lehnt: „Barouk!" Rainer betrach-
restriebe. Ahmed erklärt: „Seit die Ziegenhal- tet kopfschüttelnd die Zedern. „Diese Bäume
tung zugunsten der Plantagenwirtschaft zurück- sind ja sehr stattlich, aber als Bauholz doch
gegangen ist, scheint sich das Land zu erholen. denkbar ungeeignet." Er hat recht, diese Ze-

72 Libanonzeder
dem erinnern im Wuchs an Eichen, wie man sie Libanon gesehen haben? Nur bei dem bekann-
in Holstein trifft; hart, derb im Geäst, wuchtig ten Alttestamentier Noth stieß ich auf die Frage,
im Bau, aber knorrig verwachsen. Ich muß zu- welche Baumart wohl mit dem, was Luther als
geben: „Schlecht vorzustellen, wie man aus die- ,Zeder' übersetzt, gemeint sei.
sen Stämmen Säulen für das Libanonwaldhaus Noth stellt fest, daß es tatsächlich schwer ist,
herstellen sollte." Und Martin, gelernter Bau- Cedrus Libani Barrel, die Libanonzeder also,
schreiner, stellt fest: „Nein, aus diesen krum- für ein geeignetes Material zu halten. Cedrus
men und astreichen Stämmen kann man nicht Libani komme weder für die ägyptischen Schiffe
einmal anständige Bretter schneiden." Wir fin- noch für Balken oder Säulen in Salomos Bauten
den keine Lösung, doch ich nehme mir vor, der in Frage. Das hebräische Wort ,eres', das Luther
Sache bei passender Gelegenheit nachzugehen. mit Zeder übersetzt, müsse also einen anderen
War ich eingenickt? Ahmed rüttelt mich an der Baum meinen. Noth schlägt dafür die kilikische
Schulter: „Zeit für den Aufbruch!" Ich blinzle Tanne (abies Cilicia Kotschy) vor, die es nach-
in die Helle. Ein Blick auf die Uhr, es ist drei. weislich auch im Libanon gegeben habe.
Milchiges Weiß schiebt sich vom Meer her an Ich würde dieser Ansicht sogleich zustimmen,
den Hängen hoch. Wolken! Wie Gespenster ra- wenn mir nicht inzwischen Zweifel gekommen
gen die Zedern aus dem milchigen Dunst. Los wären, ob man die heute noch vorhandenen al-
also! ten Zedernbestände im Libanon für typisch im
Als wir den Kamm erreichen, sind wir in der Wachstum ansehen darf. Mir ist aufgefallen, daß
„Waschküche". Keine fünf Meter Sicht! Doch die Jungbäume, die dort nachwachsen, gerader
Ahmed kennt sich aus, verpaßt auch nicht den im Wuchs sind als die Altbestände. Vielleicht
Einstieg in die Schlucht, die uns hinunterführt sind die alten Überhälter schon als Jungbäume
ins Tal der Bik'a. Es ist Nacht, als wir Kirbet von den früher so häufigen Ziegen verbissen
Kanafar erreichen. worden und darum so krumm gewachsen? Mög-
lich auch, daß diese krüppligen Bäume stehen
Das war im Jahre 1957, als ich mit einer Gruppe blieben, eben weil sie als Bauholz ungeeignet
von Studenten und Handwerkern dort im Liba- waren? Alle gerade gewachsenen aber fielen der
non ein ökumenisches Aufbaulager durchführ- Axt zum Opfer?
te. Damals kamen mir Zweifel, ob die Zeder als
Baumaterial, wie es Salomo benötigte, geeignet Es ist schwer, diese Frage heute zu entscheiden.
sei. Jetzt, gut zwanzig Jahre später, ist die pas- Aber man wird nach weiteren dreißig Jahren
sende Gelegenheit da, der Sache nachzugehen. wissen, ob die natürlich gewachsene Zeder ge-
Die Klärung erwies sich indes als schwierig. Alle rade Stämme liefert, wenn die Jungbäume näm-
biblischen Exegeten stimmten in schöner Ein- lich ein entsprechendes Alter erreicht haben.
mütigkeit überein, Salomo habe Zedern zum Schieben wir also die Entscheidung bis dahin
Bauen verwendet. Ob sie niemals die Zedern im auf. Bäume werden eben älter als Menschen...

73
Bauen kostet Geld
Es war ein spannender Abend. Selbst der zu- Kapital verschlingen, um Sicherheit zu produ-
rückhaltende Zuhörer kann sich kaum heraus- zieren.
halten, wenn die Israelis über das Bauen disku- Das hört sich ausgesprochen modern an, ist aber
tieren. Nicht über Bauen schlechthin, sondern eine alte Weisheit. Salomo hat sich die Sicher-
über Bauen mit politischem Hintergrund. Dann heit seines Reiches etwas kosten lassen. Doch
gehen die Wogen hoch, dann werden Emotio- der Erfolg, vierzig Jahre Frieden, gaben ihm
nen entfesselt, dann prallen die Ansichten hart recht, zumal in jenen unruhigen Zeiten. Salomo
aufeinander. hat seinem Namen „Friedreich" Ehre gemacht.
„Salomo besaß schon den gleichen Wagemut, Doch dieser Frieden kostete einen hohen Preis.
den unsere unternehmenden Neusiedler heute Wenn man sich das alles vor Augen hält, kommt
beweisen. Seht euch doch an, wie die Siedlungen einem die Frage: Woher nahm Salomo das er-
aus dem steinigen Boden schießen!" Moshe forderliche Kapital? Wer mit Ausgaben solcher
Geva hob die Schulter und fuhr fort: „Natürlich Höhe zu tun hat, wird gut tun, sich bei seinen
kann man sagen: Auf bloßen Verdacht gebaut! Einnahmen nicht auf einen Einzelposten zu
Auf vage Hoffnung! Mit gehöriger Frechheit! - stützen. Je breiter die Basis der Einnahmen ist,
Das kann man sagen. Und trotzdem: Nur so desto sicherer wird das Unternehmen dastehen.
kann man Zukunft gestalten, Tatsachen schaf- Eine Methode - auch heute noch - ist die
fen, das Schicksal zwingen!" Schuldverschreibung. Salomo hat unseres Wis-
Ich weiß nicht mehr, wer an jenem Abend das sens nur ein einziges Mal davon Gebrauch ge-
letzte Wort behielt. Mir blieb nur das Stichwort macht.
„Salomo" in Erinnerung. Salomo baute auch,
aufwendig, großartig. In Jerusalem und Megid- Zwanzig Jahre hatte Salomo an den beiden Häusern, dem
Tempel des Herrn und dem königlichen Palast, gebaut. Der
do, in Hazor, Geser, Bet Horon, Baala und Ta- König Hiram von Tyrus hatte ihn dabei mit Zedern und Zy-
mar (1. Kön. 9,17). Er baute Kornspeicher und pressenholz sowie mit Gold in der gewünschten Menge un-
Garnisonen für seine Kampfwagen (9,19), den terstützt. Damals trat König Salomo zwanzig Städte in der
Hafen Ezjon Geber und eine Kauffahrteiflotte Landschaft Galiläa an Hiram ab.
(9, 26). Jeder, der einmal gebaut hat, weiß, daß (1. Kön. 9,10-11)
es mit dem Bauen allein nicht getan ist. Die so- Zwanzig Städte verpfändet! Das hört sich ge-
genannten Folgekosten sind oft hoch und blei-
waltig an. Doch es zeigt sich bald, daß Salomo
ben einem über Jahrzehnte treu. Das gilt beson-
wieder einmal klug spekuliert hat:
ders dann, wenn Dienstleistungen erforderlich
werden. Als aber Hiram aus Tyrus herüberkam, um die Städte anzu-
Und eine große Zahl der salomonischen Bauten sehen, die Salomo ihm gegeben hatte, gefielen sie ihm nicht.
Er meinte: Was sind das für Städte, die du mir gegeben hast,
machten solche „Dienstleistungen" als ständige mein Bruder? - Man nennt sie Land Kabul bis zum heutigen
Folgekosten erforderlich: Garnisonen und Wa- Tag.
genstädte sind nun einmal Unternehmen, die (1. Kön. 9,12-13)

74
Die „Masse", die der Schuldner seinem hoch-
geborenen Gläubiger in Tyrus überlassen hat,
erweist sich bei genauer Prüfung als wertlos.
Das ist wahrlich eines Salomo würdig!
Die Qualität des Pfandobjektes ist also ausge-
sprochen schlecht. So schlecht, daß man den
Ortsnamen, der genannt wird, als Wortspiel
verwendet: Kabul, das kann doch hier nur hei-
ßen „qe bal", wie ein Nichts! Interessant aber
auch, daß nur der Name dieses einen Ortes ge-
nannt wird. Wir können Kabul mit einiger Si-
cherheit am Westrand des galiläischen Berglan-
des lokalisieren, etwa 15 km östlich von Akko.
Bei den übrigen „Städten" dürfte es sich um
Gehöfte und Weiler im Gebiet des Fleckens
Kabul gehandelt haben. Auch quantitativ hat
also Hiram keinen guten Tausch gemacht. Es
dürfte sich bei diesem „Objekt Kabul" nicht um
eigentlich israelischen Besitz gehandelt haben.
Es können nur Orte mit kanaanäischer Bevöl-
kerung gewesen sein. Über Israeliten hätte auch
ein König Salomo nicht so selbstherrlich verfü-
gen können.
Bleibt unter dem Strich: Kein schlechtes Ge-
schäft für den weisen König. Und doch: Auch
dieser Habenposten auf dem Konto bedeutete
nur einen Tropfen auf einen heißen Stein. Die
Sollseite wies andere, weit größere Einzelposten
auf.
Löhne machen nicht erst in unseren Tagen einen
hohen Kostenanteil aus. Auch Salomo hätte sich
schwer getan, wenn er die Arbeiter, die er benö-
tigte, leistungsgerecht hätte entlohnen müssen.
Nun, damals gab es keine Gewerkschaften, die
ihm hätten mit Mindestforderungen kommen
können. Statt dessen gab es eine Einrichtung,

75
mit deren Hilfe schon die Pharaonen ihre Pyra- selbst hatte Sklavendienste leisten müssen im
miden gebaut hatten: die Sklaverei. „Knechtshause" Ägypten. Und diese Erinne-
rung, selbst einmal Sklave gewesen zu sein, ließ
So verhielt es sich mit dem Frondienst: König Salomo hatte Israel im Leibeigenen den Menschen sehen.
Fronarbeiter ausgehoben zum Bau des Tempels, seines Pa-
lastes, des Millo und der Mauern von Jerusalem, Hazor, Me- Mit Salomo bricht eine neue Zeit an. Im Zeital-
giddo und Geser. Ferner baute er das untere Bet-Horon aus ter der Richter waren nomadisierende Wander-
sowie Baala und Tamar in der Steppe im Land (Juda), dazu
alle Vorratsstädte, die ihm gehörten, die Städte für die Wa- hirten zu seßhaften Bauern geworden. Mit Sa-
gen und ihre Mannschaft und was er sonst in Jerusalem, auf lomo beginnt die Verstädterung Israels. Jetzt
dem Libanon und im ganzen Bereich seiner Herrschaft zu werden diese Bauern — wenigstens zu einem
bauen wünschte. Die Reste der Amoriter, Hetiter, Perisiter, großen Teil - zu Bürgern, Beamten, Berufssol-
Hiwiter und Jebusiter, die nicht zu den Israeliten gehörten daten. Damit vergrößert sich der soziale Ab-
und von denen noch Nachkommen im Land lebten - die Is-
raeliten hatten sie nicht ausrotten können—, hob Salomo als stand zu den leibeigenen Nachkommen der Ur-
Fronarbeiter aus, und sie blieben es bis zum heutigen Tag. einwohner. Sie werden aus den persönlichen
(l.Kön. 9,15ff) Bindungen gelöst, verschmelzen zu einer an-
onymen Masse von Fronarbeitern. Doch selbst
Ein uraltes Kriegsrecht: Der Besiegte wird zum unter diesen veränderten Verhältnissen sanken
Sklaven. Sofern man ihm überhaupt das Leben sie nicht in die harte Form der Sklaverei; auch
läßt! In der Zeit der Richter, auch unter Saul jetzt blieb die Grenze zwischen Freien und Hö-
und David haben die Überlebenden der altein- rigen durchlässig. Die Leibeigene konnte voll-
gesessenen Bevölkerung ein stilles, bedeutungs- gültige Ehefrau eines Freien, der Sklave Mit-
loses Leben führen dürfen. Den israelitischen glied der Kultgemeinde Jahwes werden.
Bauern genügte es, wenn die Unterworfenen bei Doch der König hatte mit der Aushebung der
ihnen als Knechte und Mägde dienten. Man be- Unfreien zur Fronarbeit billige Arbeitskräfte
handelte sie nicht schlecht, auch wenn sie nicht gewonnen. Es waren nur die Mittel für ihre Be-
volle Rechte besaßen. Niemals hat der Leibei- köstigung und Unterbringung bereitzustellen.
gene in Israel seine Würde als Mensch verloren. Und in diesen Dingen war man damals mehr als
Auch der Sklave genoß genau umrissene Men- bescheiden. Trotzdem, die große Zahl allein
schenrechte. Sie waren unter anderem im 21. schlug schwer zu Buche! Außerdem fehlten
Kapitel des 2. Mosebuches niedergelegt. Es hat diese Arbeitskräfte in der landwirtschaftlichen
über Jahrhunderte nachgewirkt, daß Israel und handwerklichen Produktion.

76
Der teure Frieden
Frieden durch Abschreckung
Von den Israeliten aber machte Salomo niemand zum Skla-
ven, sie waren seine Krieger und Beamten, seine Obersten
und Hauptleute, die Befehlshaber über seine Wagen und de-
ren Mannschaft. Die Leitung der Arbeiten Salomos oblag
den fünfhundertfiinfzig Werkführern unter dem Befehl der
Statthalter. Sie hatten die Aufsicht über die Leute, die bei
den Arbeiten beschäftigt waren.
(1. Kön. 9,22-23)

Die Fronarbeiter leisten produktive Arbeit. Sie


bauen Städte, Garnisonen und Festungen. Eine
breite Schicht der israelischen Bevölkerung
aber vertut jetzt ihre Zeit als Aufseher, Verwal-
tungsbonzen und Wachhabende. Sie werden aus
der Staatsschatulle besoldet und produzieren
dafür Sicherheit.
Kein Luxus, den sich Salomo da leistete! Sein
Vater David hatte ein Leben lang Krieg geführt.
Er hatte mit dem Schwert das Reich geschaffen,
das Salomo übernahm. Die weltgeschichtliche
Stunde war Juda günstig gewesen, die Groß-
mächte am Nil und Euphrat waren zu dieser Zeit
machtlos. Doch wer konnte wissen, wie lange
dies anhielt? Mit Ägypten hatte sich der weise
König durch Heirat arrangiert. Mit Phönizien
war man in Freundschaft verbündet. Doch da A Ir-Nahas
ÎCOPhunon C
«^
3
3

war Damaskus: Hier hatte sich Rezon zum Kö- (^OUmm el-Amad =$

nig gemacht, ein tatkräftiger und ehrgeiziger o f


Mann, gegen den man auf der Hut sein mußte. tJ #
JfOEsSabrah;
Und im Südosten hatte der edomitische Prinz Y
Hi
Hadad einen Teil Edoms vom Reich losgerissen.
Salomo zog seine Konsequenzen: Hazor als
Trutzfeste gegen den Aramäerkönig in Damas- 5fOJotbata
5f Schmelzöfen
kus, Tamar - südlich des Toten Meeres - als Gießereien
Bollwerk gegen den Edomiter. K Kupfer
WadiAmaneh e K E Eisen
Und schließlich eine völlige Umorganisation des
Heeres: David hatte sich auf eine kleine Truppe

78
verlassen und von Fall zu Fall die Miliz, den so- durch Abschreckung! Ein absurder Gedanke,
genannten Heerbann, einberufen. Der mochte sollte man meinen, denn er verschlingt Geld,
sich zwar recht stattlich darstellen, war aber viel Geld. Wieviel nützlicher könnte man die
doch nur ein schwerfälliger Organismus, benö- Milliarden verwenden!
tigte Wochen zur Mobilisierung und blieb ein Gewiß hat auch Salomo darüber Klage geführt.
stumpfes Instrument für den Heerführer. Mit Aber: Besser teurer Frieden als wohlfeiler
Kavallerie oder gar Panzerwagen hatte David Krieg!
überhaupt nichts anzufangen gewußt, sich ganz Doch woher die Mittel für die Rüstung nehmen?
auf den erprobten Mut seiner alten Partisanen Das Verpfänden ließ sich nur in engem Rahmen
verlassen. praktizieren. Das hatte Salomo rasch erkannt.
Das wurde jetzt anders. Salomo schuf ein ste- Und darum sann er auf andere Möglichkeiten,
hendes Heer: 1400 Kampfwagen, 4000 Ge- zu Geld zu kommen.
spanne, 12 000 Mann als Garnison in den eigens Zunächst sah Salomo zu, daß er, wo es möglich
erbauten „Wagen- und Reiterstädten". Ein war, Leistungen mit Naturalienlieferung aus-
schlagkräftiges und zuverlässiges Instrument in glich. Das war etwa Hiram gegenüber möglich
der Hand des Königs. Ein scharfgeschliffenes (1. Kön. 5,25): Weizen und öl gegen Zedern
Schwert, das jeden Gegner abschrecken sollte. und Zypressen. Umsonst freilich waren Weizen
Und das tatsächlich über vier lange Jahrzehnte und öl auch im eigenen Land nicht zu haben.
diesen Zweck erfüllte! Steuern lautet ein Zauberwort. In jener Zeit
Dies alles hört sich seltsam modern an: Frieden empfahl sich das Einfordern von Naturalien.

Eine königliche Versorgung

Salomo hatte zwölf Statthalter für ganz Israel, die den König wie man sieht, für die Seinen zu sorgen gewußt.
und sein Haus versorgten. Betrachtet man die Aufteilung der Verwal-
(1. Kön. 4,7)
tungsbezirke auf der Karte, so fällt sogleich auf,
Es folgt hier eine lange Liste, in der die Verwal- daß das Stammesgebiet Juda von ihr ausge-
tungsbezirke und ihre Amtsleute aufgezählt nommen ist. Auch die von Davids Mannen er-
werden. Interessant am Rande: Zwei dieser oberten Gebiete Edom, Moab und Ammon sind
Vögte sind Schwiegersöhne des Königs. Er hat, nicht Amtsleuten unterstellt. Sie sind damit,

79
wenn wir Vers 7 recht verstehen, davon befreit, reichende Möglichkeiten, seinen Einfluß gel-
den Hofstaat des Königs zu versorgen, eine Be- tend zu machen.
vorzugung, die bei den anderen Stämmen nicht Wer „Steuern" sagt, denkt im gleichen Augen-
eitel Freude ausgelöst haben wird. blick an Zölle. Durch die Eroberungen Davids
Der Berichterstatter sieht die Einteilung in hatte das Reich eine handelspolitisch glänzende
diese zwölf Verwaltungsbezirke hauptsächlich Position gewonnen. Die Festungen Geser und
unter dem Gesichtspunkt der königlichen Ver- Megiddo hatten die große Handelsstraße, die
sorgung. Ganz gewiß wird es eine, vielleicht so- Afrika mit Asien verbindet, unter Kontrolle.
gar die hauptsächliche Aufgabe dieser Amts- Die Eroberung von Edom und Moab hatte aber
leute gewesen sein, die Naturalien für Hofstaat auch die uralte „Gewürzstraße", die von Süd-
und Wagenpark einzuziehen. Doch daneben arabien heraufzieht, in die Hand Israels ge-
haben diese Vögte gewiß auch als Statthalter des bracht. Wir werden noch sehen, welchen enor-
Königs amtiert. Insgesamt unterstanden sie ei- men Handelswert damals Weihrauch besaß. Ob
nem Oberhofbeamten in Jerusalem (1. Kön. dieser Artikel von Saba her nach Phönizien oder
4,5). Diesen Schlüsselposten hatte interessan- nach Ägypten transportiert werden sollte, er
terweise Asarja, ein Sohn Natans, inne. Da ein mußte durch israelisches Gebiet. Gerade an die-
anderer Natansohn als „Freund des Königs" be- sen Transitzöllen wird Salomo nicht schlecht
zeichnet wird, was offenbar eine besondere Ver- verdient haben (1. Kön. 10,15).
trauensstellung bezeichnet, besitzt Natan weit-

Ein königlicher Unternehmer

Manufakturen bringen besonders dann Geld in den, sondern auch Industrien, die er allein in der
die Staatskassen, wenn der Staat das Monopol Hand hat und die konkurrenzlos sind.
hat. Es war Salomo leicht, sich auf vielen Gebie- Auf der Karte, die die Verwaltungsbezirke
ten diese Position zu sichern. Israel war bis da- zeigt, sind auch Hüttenwerke und Gruben ein-
hin ein rein landwirtschaftlich orientiertes Land gezeichnet. Sie liegen fast ausnahmslos auf „kö-
gewesen. Nur die Kanaaniterstädte verfügten niglichem" Gebiet, in der südlichen Araba. Nur
über technisches und handwerkliches Know- zwei befinden sich auf altem israelischem Bo-
how. Der König gründet daher mit Hilfe seines den: Sukkot und Zaretan. An diesen beiden, im
Freundes Hiram nicht nur handwerkliche Gil- „Jordankreis" gelegenen Orten entstand ein

80
Industriezentrum. 1. Kön. 7,40 ff werden noch guten Sinn, wie bereits Schiller im Lied von der
einmal die Kupfer- und Bronzegeräte aufge- Glocke gedichtet hat: „Fest gemauert in der Er-
führt, die Salomo für den Tempel gießen ließ. den, steht die Form, aus Lehm gebrannt". Die
Und dann heißt es: Bronzegeräte wurden in einer Erdform gegos-
In der Jordanau zwischen Sukkot und Zaretan ließ sie der
sen. Geeignete Formsande, Ton und Lehm
König in Formen aus festem Lehm gießen. Und Salomo gab kommen dort vor. Außerdem sind die Berge Gi-
allen Geräten ihren Platz. Wegen ihrer überaus großen lead nah, die noch heute dichten Wald tragen
Menge war das Gewicht der Bronze nicht festzustellen. und damals Feuermaterial zur Genüge liefern
(1. Kön. 7,46-47) konnten. Damit waren die Grundlagen für kö-
nigliche Bronzegießereien gegeben.
Diese Angabe „wegen der sehr großen Menge"
Es ist nicht anzunehmen, daß diese Gießereien
ist tatsächlich nicht übertrieben. Allein die bei-
nach Fertigstellung der Tempelgeräte stillgelegt
den Säulen „Boas" und „Jachin": neun Meter
worden sind. Wenn man erst einmal solche An-
hoch, etwa 1,90 Meter im Durchmesser, bei ei-
lagen besitzt, Fachleute herangezogen und wei-
ner Wandstärke von vier Fingern, also etwa acht
tere Kräfte angelernt hat, dann wird man eine
Zentimetern. Dazu kamen die Kapitelle mit ih-
solche Manufaktur auch weiterhin nutzen. Sa-
ren Verzierungen (1. Kön. 7,15-21) und rei-
lomo wird sehr bald erkannt haben, welch einen
chem Beiwerk, dann das „Eherne Meer" mit ei-
Wert solche Gießereien darstellten.
nem Innendurchmesser von 5 Metern bei einer
Aber: Brennmaterial und Erz lagerten an weit
Höhe von 2,5 Metern und einer Wandstärke
auseinander gelegenen Plätzen: Erz im Süden,
von einer Handbreit. In Vollplastik waren die
vor allem im Graben der Araba und ihren an-
Rinder ausgeführt, die das „Meer" trugen, auch
grenzenden Bergschluchten. Dort aber gibt es
die zehn Kesselwagen auf fahrbaren Gestellen
keinen Wald, aus dem man Brennmaterial für
mitsamt den dazugehörigen Kesseln selbst
die Verhüttung hätte gewinnen können. Wäl-
(1. Kön. 7,23-39).
der, die genügend Holz als Brennmaterial abga-
Man muß es sich vorzustellen versuchen und
ben, fanden sich nur weit im Norden, im Ge-
vergleichen mit bescheidenen Bronzegüssen,
birge Gilead. Sollte jetzt das Erz zum Brennma-
die wir selbst kennen! Man hat allein das Ge-
terial transportiert werden oder umgekehrt?
wicht des „Ehernen Meeres" auf rund 36 Ton-
Diese Frage wurde entschieden durch die Kal-
nen errechnet!
kulation. Was war billiger?
Alle diese Geräte entstanden im „Jordankreis". In die Kalkulation hinein spielte noch ein weite-
„Adama" dürfte wohl nicht, wie die Luther- rer Posten: Wie stand es mit dem Transport der
übersetzung meint, ein Ortsname sein, sondern Fertigware? Wo lag der Verwendungsort? Man
schlicht „Erde" bedeuten. Ein Ort Adama ist bedenke: Da waren zwei Säulen von 9 Meter
uns in der Gegend von Sukkot und Zaretan Länge und fast 2 Meter Stärke. Da waren riesige
nicht bekannt. „In der Erde" aber ergibt einen Kessel und Untergestelle, sperriges „Ranken-

81
an 36 Tonnen wog. Das kultische Zubehör war
sicher in Einzelteile zerlegbar. Die Säulen und
das „Meer" aber waren, vom Material her, aus
einem Stück- sogar heute müßte ein Spezialun-
ternehmen her; und dies alles sollte nach Jerusa-
lem.
Wir sehen, vor welchen Schwierigkeiten die
Techniker Salomos standen. Solche Fracht aus
der Gegend von Elat herauf nach Jerusalem
schaffen? Der Weg von Sukkot und Zaretan
nach Jerusalem beträgt aber nur ein Fünftel der
Strecke von Elat nach Jerusalem. Darum, meine
ich, erfolgte der Guß wohl in dem näher gelege-
nen „Jordankreis". Über den Ort, an dem das
werk" und ähnliches Zubehör. Da war ein Erz verhüttet wurde, ist damit nichts entschie-
„Ehernes Meer", das — wie wir schon hörten — den.

82 Rekonstruktion des Ehernen Meers aus dem Tempel Salomos


Was die Bibel nicht berichtet
Kupferminen Salomos?
Sie erinnern sich: Elat, Camping Sea-Star, am Teil el Chelife — gar nicht weit vom heutigen
Abendtafel im Camping-Restaurant — der Be- Camping Sea-Star entfernt — wollte er eine
ginn dieses Buches. Damals die Exkursion in das großartige Schmelzanlage zutage gefördert ha-
Tal von Timna: Dr. Weisgerber, die Studenten, ben. Nicht nur das, er setzte auch ohne Zögern
der Kumpel. Und immer wieder der Satz: die Ruinen vom Teil el Chelife mit dem Ezjon
„Nein, es ist nichts mit den Kupferminen Salo- Geber der Bibel gleich. Für Glueck bestand kein
mos, von denen die Bibel berichtet!" Die Bibel Zweifel, daß er die „Minen Salomos" entdeckt
berichtet? Ich war erstaunt. Hatte ich das über- hatte. Seiner Sache sicher, gab er der bizarren
sehen? Die halbe Nacht lag ich und las: 1. Köni- Felsgruppe, die einen dieser Minenplätze be-
ge, 2. Chronik. Wo stand da, daß Salomo Kup- herrscht, den romantischen Namen „Solomons
ferminen betrieben habe? Ergebnis: Fehlanzei- Pillars", Säulen Salomos.
ge! Am nächsten Abend dann: „Es ist nichts, Für Reiseunternehmen war dies die willkom-
meine Herren, mit den Kupferminen Salomos! mene Chance, auch den Süden Israels für sich zu
Denn - die Bibel berichtet kein einziges Wort erschließen: „Waren Sie schon bei den Säulen
von solchen Kupferminen!" Betroffenes Er- Salomos? Wie bitte? Noch nicht? Bedenken Sie:
staunen. Wirklich nicht? Nein, wirklich nicht. König Salomos Kupferhütten! Fast dreitausend
Die „sagenhaften" Kupferminen Salomos tau- Jahre alt! Das muß man gesehen haben!"
chen erst viel später auf, nämlich am Ende der Zu ärgerlich, daß dann ein anderer Archäologe
dreißiger Jahre unseres Jahrhunderts. Der ei- auf den Plan trat: Beno Rothenberg, der nach-
gentliche „Erfinder" der Legende allerdings wies, daß jenes Bauwerk, das Glueck am Teil el
lebte bereits zwei Generationen früher. Er hieß Chelife ausgegraben hatte, kein Hüttenwerk,
Sir Henry Haggard und veröffentlichte gegen sondern ein Magazin gewesen war. Wichtiger
Ende des vorigen Jahrhunderts eine abenteuer- aber: Er datierte es auf Grund des keramischen
liche Geschichte „King Solomon's Mines". Bei Materials in eine andere Zeit.
Haggard war es ein Stückchen literarischer In einigen Punkten gab Glueck dem Wider-
Phantasie. Ein Schriftsteller spielte es einmal spruch Rothenbergs nach, im Kern der Sache
durch, wie es hätte gewesen sein können. aber blieb Glueck hart: Die Minen Salomos
Dann aber, in den dreißiger Jahren unseres seien dort in der südlichen Araba und ihren Sei-
Jahrhunderts, meldete sich aus dem Süden der tentälern zu suchen. Rothenberg hielt dem ent-
Araba Nelson Glueck zu Worte, diesmal kein gegen: Niemals habe es überhaupt Minen Salo-
phantasievoller Schriftsteller, sondern ein Mann mos gegeben. Salomo habe alles Kupfer über
mit archäologischen Ambitionen. Und was er den Handel mit den Phöniziern erworben, große
verkündete, hörte sich sensationell an. Er erhob Mengen auch aus der Beute seines Vaters David
den Anspruch, diese sagenhaften Minen Salo- übernommen. Rothenberg berief sich dabei auf
mos im Original entdeckt zu haben. Er berich- 1. Chronik 22,14, wo David zu seinem Sohn Sa-
tete von Kupferminen und Hüttenwerken, ja, lomo sagt:

84
„Siehe, ich habe in meiner Mühsal herbeigeschafft für das sät ist. Es besteht daher kein Zweifel, daß in die-
Haus des Herrn hunderttausend Zentner Gold und tau- ser Gegend über Jahrhunderte hinweg Kupfer
sendmaltausend Zentner Silber, dazu Kupfer und Eisen, das
nicht zu wiegen ist, denn es ist zu viel." abgebaut und verhüttet worden ist.
Nur dieses eine Glied fehlt in der Beweiskette:
Stören wir uns nicht an den Zahlen! Wir wissen Es konnte bisher nicht nachgewiesen werden,
ja, wie im Laufe einer langen Überlieferung daß auch in der Zeit Salomos hier Bergbau statt-
Zahlen auswuchern. Die Sache selbst aber ist fand. Die Grabungen brachten bisher nur Fels-
eindeutig: Hier liegt eine alte Erinnerung vor, bilder und Hieroglyphen ans Licht, die den
daß David aus seiner Kriegsbeute - „in meiner Schluß zulassen, daß schon Pharao Ramses II
Mühsal" — unter anderem auch die für den hier Kupfer abbauen ließ. Damit wären wir -
Tempelbau nötigen Metalle seinem Sohn Sa- wie schon gesagt - im 13. Jahrhundert.
lomo hinterlassen hat. Solange nicht Funde aus dem 10. Jahrhundert
Doch: Schließt diese Überlieferung aus, daß Sa- vorliegen, fehlt uns der Beweis für Aktivitäten
lomo eigenen Kupferbergbau und Verhüttung Salomos in diesem Gebiet. Warten wir also ab.
betrieb? Wohl kaum; es bleibt denkbar. Damit Gleichwohl, ich möchte es nicht—wie Beno Ro-
ist aber noch nichts bewiesen. Bewiesen ist nur, thenberg — gänzlich ausschließen, daß auch Sa-
daß sich am Fuße jener „Säulen Salomos" ein lomo hier tätig war. Rothenbergs Forschungen
Heiligtum befunden hat, in dem Ägypter die selbst haben ergeben, daß über Jahrtausende
Göttin Hathor verehrten. Das schließt nicht aus, hinweg in dieser Gegend Kupfer abgebaut wor-
daß sie nicht auch für Salomo hätten arbeiten den ist. Es liegt kein zwingender Grund vor an-
können. Doch Rothenberg, der den Tempel zunehmen, daß ausgerechnet in der Ära Salo-
entdeckte, hat nachgewiesen, daß diese Funde mos die Minen stillagen. Gelangten doch gerade
dort bei den Säulen Salomos in eine ältere Zeit in der Regierungszeit Salomos Handwerk,
als die des Königs Salomo führen, nämlich ins Kunst und Gewerbe zu großer Blüte. Und noch
13. Jahrhundert v. Chr. eines: Salomo ließ, wie wir gesehen haben, die
Tatsache ist, daß sich an vielen Orten dieser Ge- Bronzegeräte „in der Gießerei... zwischen
gend Schmelzplätze nachweisen lassen. Selbst Sukkot und Zaretan gießen" (1. Kön. 7,40).
der flüchtige Tourist kann solche Schmelzöfen Dies läßt uns mit hoher Wahrscheinlichkeit die
unweit der Säulen Salomos besichtigen. In un- Erzgewinnung in der Araba vermuten. Es wäre
mittelbarer Nähe des „Pilzes", jenes eigenarti- wirklich höchst unwirtschaftlich gewesen, die
gen Felsens, den die Verwitterung und der Sand Erze von Jerusalem oder gar aus Phönizien an
aus dem Gestein herausmodelliert haben, hat den Jordan zu transportieren, sie dort zu verar-
beiten und schließlich die fertigen Geräte wie-
Rothenberg Schmelzplätze freigelegt. Infra-
derum nach Jerusalem zu schaffen.
rot-Luftaufnahmen haben darüber hinaus den
Nachweis erbracht, daß das Gelände hier und da
mit alten Stollen und Schächten geradezu über-

85
Das Rätsel um den Pferdehandel
Über einen weiteren Einnahmeposten in Salo- kien zu exportieren, hieße „Eulen nach Athen"
mos Staatshaushalt sind die Gelehrten geteilter tragen.
Meinung. In 1. Könige 10 wird berichtet: Man hat daher versucht, das „Koë" als „Que"
zu lesen, was Kilikien bedeutete. Aber wozu
Man bezog die Pferde für Salomo aus Ägypten und Koë; die dann dort Pferde kaufen und - wieder dorthin
Händler des Königs kauften sie in Koë. Ein Wagen, der aus
Ägypten kam, kostete sechshundert und ein Pferd hundert-
zurückverkaufen? Wir stehen hier vor einem
fünfzig Silberschekel. Ebenso trieb man Handel mit allen Dilemma.
hetitischen und aramäischen Königen.
(1. Kön. 10,28-29) Als ich darüber nachdachte, fiel mir die Zeit
nach dem 1. September 1939, als der Krieg aus-
Das sieht zunächst einfach aus. Salomo impor- brach, ein. Eingezogen zur sogenannten leich-
tiert Wagen — gemeint sind sicher Kampfwagen ten Artillerie, hatten wir Pferde, vom Acker in
- und Pferde aus Ägypten und Koë, um sie so- die Kasernen geholt, zu Gespannen einzufah-
dann in die nördlichen Reiche zu exportieren. ren. Je sechs im Gespann hatten die Haubitzen
Daß er das nur tut, weil er dabei gut verdient, zu ziehen. Die Pferde schlugen und bissen um
versteht sich von selbst und wird deshalb gar sich, daß man ständig auf der Hut sein mußte. Es
nicht erst erwähnt. Pferdezucht in Ägypten? dauerte Wochen, bis die Tiere „eingefahren"
Jawohl, die hat es gegeben. Und zwar seit der waren und taten, was man von ihnen verlangte.
Hyksoszeit. Diese Hirtenkönige hatten ihre Wenn ich mir jene Zeit ins Gedächtnis rufe,
Siege den überlegenen Kampfwagengeschwa- kommt mir eine mögliche Lösung des Rätsels in
dern zu verdanken, mit denen sie in den Vorde- den Sinn. Da kauft Salomo - zusammen mit den
ren Orient und das Nilland einbrachen. Sie ha- in Ägypten in großer Serie hergestellten
ben fast zwei Jahrhunderte hindurch - von etwa Kampfwagen - Jungpferde. Von seinen Berufs-
1700 bis 1500 v. Chr. - in Ägypten geherrscht. soldaten läßt er diese Jungtiere so weit ausbil-
In dieser Zeit entstanden Gestüte, aus denen den, daß sie als Gespanne ruhig vor dem Wagen
sich die Kampfwagengespanne rekrutierten. gehen. Später verkauft er sie als voll ausgebil-
Soweit stimmt der historische Hintergrund. dete und einsatzfähige Gespanne an die Nord-
Aber Fragen kommen uns, wenn wir an die reiche weiter. Ein Doppeleffekt: Die Soldaten
Länder denken, in die Salomo Pferde und Wa- haben Arbeit (in der Friedenszeit) und: Der
gen dann exportiert haben soll: die Reiche der Säckel des Königs füllt sich durch den Verkauf
Hetiter und Aramäer. Das alte, glanzvolle der Gespanne. Darüber hinaus behält Salomo so
Reich der Hetiter ist dahin. Es zerbrach unter die Rüstung des Aramäerkönigs Rezon unter
dem Ansturm der Nordvölker. Gemeint sind Kontrolle.
hier also wohl die hetitischen Nachfolgestaaten Ich meine, dies sei eine Möglichkeit, den sonst
in Kleinasien. Aber gerade in diesen Gebieten schwer begreifbaren Bericht über Pferdeimport
selbst blühte die Pferdezucht. Pferde nach Kili- und -export zu verstehen.

86 Abb. S. 87: Pferderelief


Am Roten Meer
Wunderwelt der Korallen
„Was steht heute auf dem Programm?" Unsere Wir stehen und staunen. Welch eine Fülle selt-
Tochter Marlies verzieht bei ihrer Frage das Ge- samer Lebensformen hier im Meer, und wie
sicht: Der etwas dünn geratene Kaffee scheint karg ist dagegen das Leben droben an der Luft.
ihr nicht zuzusagen. „Als erstes das Mee- Man ahnt, daß alles Leben im Meer begann, daß
res-Aquarium..." „Sehenswert?" erkundigt es erst spät auf das Land stieg, wo das Leben so
sich Heinz. „Abwarten!" vertröste ich. „Und viel schwerer ist. Wir fühlen uns wie verzaubert.
dann?" Marlies sieht mich erwartungsvoll an. Die eigenartige Befangenheit hält auch noch an,
„Tja, dann geht es auf der Küstenstraße weiter als wir, wieder oben, ins Licht der hohen Sonne
zum Korallen-Eiland und zum Fjord." „Ein treten.
Fjord?" Marlies schüttelt den Kopf. „Wir sind Wir gehen über den Steg zurück ans Ufer.
doch nicht in Norwegen!" Ich winke nur ab. Ein „Halt, noch nicht zum Wagen!" Ich deute nach
Blick auf die Uhr hat mich belehrt, daß in weni- links. Im Meerwasser-Aquarium bewundern
gen Minuten der Kleinbus des Reisebüros vor- wir die Tiere, die seltener und scheuer sind.
fahren wird. Wieder umfangt uns Dunkelheit; nicht grün-
Eine halbe Stunde später gehen wir über den blau, eher rötlich: Korallen, Seelilien und Hohl-
schmalen Steg zum Unterwasser-Aquarium. tiere. Tiere, die sich gern im Dunkel halten:
„Sieh nur, was ist denn das?" Marlies zeigt auf- Garnelen, Krebse und Langusten. Schließlich
geregt fragend ins Wasser, in dem sich ein rot-
brauner, eigenartig geformter Körper ruckartig 1 Elat
bewegt. Heinz hat es gleich erkannt: „Ein Tin- 2
3
Teil el Chelife
Akaba
tenfisch!" Wir treten in den Pavillon ein und 4 Unterwasser-Aquarium
5 Coral Island
steigen die Wendeltreppe hinab. Dann werden 6 Der Fjord
wir still. Um uns herum eine fremde Welt in 7 Landesgrenzen
8 Rotes Meer v
blaugrünem Licht. Sechs Meter unter der Was- 9 Sinai-Gebiet
seroberfläche sind alle Rottöne des Sonnen- 10 Israel
11 Jordanien
lichts herausgefiltert. Selbst der feine Sand zwi-
schen den Korallenstöcken schimmert grün. Im
gleichmäßigen Wiegen, der Küstendünung be-
wegen sich Seelilien und unzählige Fische.
Hochrückige in grellen Plakatfarben und nadel-
schlanke mit schnabelähnlichem Maul. Querge-
streifte, die wie Soldaten in Reih und Glied her-
ankommen. Hier ein Pärchen mitten in den Nes-
selarmen einer Seelilie, dort ein Plattfisch, der
sich mit schlangengleichen Bewegungen in den
Sand einwühlt.

89
auch solche, die sich wegen ihrer Scheuheit von Es warten alle auf dich, daß du ihnen Speise ge-
den Scheiben des Unterwasser-Aquariums best zur rechten Zeit.
fernhalten. Und hier auch, bizarr bis zum Gro- Wenn du ihnen gibst, so sammeln sie.
tesken, gefährlich giftig und doch atemberau- Wenn du deine Hand auftust, so werden sie mit
bend schön: der Feuerfisch. Majestätisch ruhig Gutem gesättigt.
zieht er heran, mit Stacheln und Giftpfeilen be- Verbirgst du dein Angesicht, so erschrecken sie,
wehrt. nimmst du weg ihren Odem, so vergehen sie und
Wir stehen, schweigen und staunen. werden wieder Staub.
Du sendest aus deinen Odem, so werden sie ge-
Herr, wie sind deine Werke so groß und so viel!
schaffen,
Du hast sie alle weise geordnet,
und du machst neu die Gestalt der Erde.
und die Erde ist voll deiner Güter.
Die Herrlichkeit des Herrn bleibe ewiglich,
Da ist das Meer, das so groß und so weit ist,
der Herr freue sich seiner Werke!
da wimmelt's ohne Zahl,
große und kleine Tiere. (Psalm 104,24 ff)

Die Insel der Pharaonen

Die größte Tageshitze ist vorbei, als wir nach ten, Schnorcheltaucher am flachen Strand; Tief-
Süden weiterrollen. Links das stahlblaue Meer, taucher mit Atemgeräten klettern gerade aus
rechts steinige Hänge, kahle Berge, ausgeglüh- einem schneeweißen Boot. Drüben, nur durch
ter Fels. „Habt ihr da eben die verlassene Stein- einen schmalen, aber tiefen Meeresarm vom
hütte an der Straße gesehen? Das ehemalige Festland getrennt, die Insel, die jetzt Coral Is-
Grenzhaus!" Bis zum Juni 1967 lief hier die land heißt. Die Araber nennen sie Dschesiret
Grenze zwischen Israel und Ägypten. Dies hier Fara'un, die Pharaoneninsel. Die Felsen krönt
war bis dahin der südlichste Punkt Israels. eine mittelalterliche Burg. Die Kreuzfahrer
Vor uns taucht jetzt Coral Island auf, ein roter nannten sie ,Isle de Gray'. Die Zinnen allerdings
Fels im stahlblauen Meer. Die Straße schwingt sind typisch für die Bauweise der Sarazenen.
sich um einige Vorgebirge. Später eröffnet sich Uns interessiert, ob Salomo etwas mit Coral Is-
zu unseren Füßen eine klare Bucht; vom Wind land zu tun hat.
verbogene Bungalows aus Latten und Rohrmat- Als ich Beno Rothenberg darauf ansprach, er-

90 Abb. S. 91: Der „Fjord" oder „Die Bucht des Pharao", südlich Elat
klärte er ohne Zögern, daß er diesen Hafen hier Ezjon Geber also hier? Als Segler wüßte ich bei
für noch älter halte. Wie Grabungen ergaben, heraufziehendem Sturm diesen Hafen zu schät-
diente er bereits im zweiten vorchristlichen zen. Tiefes Wasser bis dicht unter Land, als letz-
Jahrtausend den Pharaonen als Erzausfuhrha- ter Nothafen das fast kreisrunde Innenbecken
fen für die Minen von Timna. Von hier wurde dort im Süden der langgestreckten Insel. Über-
das Erz—als Roherz oder bereits verhüttet—um haupt dieser Binnenhafen: ideal als Bootshafen,
die Sinaihalbinsel herum in die Gegend von gut verwendbar als Reparaturliegeplatz. Man
Suez verschifft. Das war auf jeden Fall beque- braucht nicht viel Phantasie, um sich die Flotte
mer und billiger als der beschwerliche Weg über Salomos hier vorzustellen.
Land quer durch die unwirtliche Sinaihalbinsel. Die Sonne steht schon tief, als wir — ein paar Ki-
Rothenbergs Argumentation leuchtet ein. Und lometer weiter südlich—den „Fjord" erreichen,
wie steht es mit Salomo? Rothenberg: „Coral auch ein guter Naturhafen, der Schutz gegen je-
Island ist Ezjon Geber." Seine Begründung: den Sturm bietet. Was gegen ihn spricht: Er liegt
Dies sei - vom Fjord abgesehen - der einzige noch weiter entfernt von den Minen und hat
natürliche Hafen hier im Norden des Golfs von ebenfalls kein Wasser. Es findet sich vor allem
Akaba. In der Tat, die Insel bietet Schutz so- aber keine Spur menschlicher Besiedlung in
wohl vor dem ständig wehenden Nordwind wie früherer Zeit. Nein, wenn wir schon Ezjon Ge-
auch vor den nur gelegentlich auftretenden, ber hier an dieser Küste suchen wollen, dann bei
dann aber heftigen Südstürmen. Die Küste zwi- Coral Island, nicht aber hier.
schen Elat und Akaba dagegen kann nur eine
offene Reede bieten. Wir sehen zu, wie die Schatten immer länger
werden. In sattem Violett glühen die Berge drü-
Auch meine Frage, wie es auf Coral Island mit ben auf der anderen Seite des Meeres, - Saudi
der Wasserversorgung stehe, brachte Rothen- Arabien. Von Minute zu Minute wird es dunk-
berg nicht aus der Fassung. Wasser aus Zister- ler. Gleich ist es völlig Nacht. Der Himmel öff-
nen und Wasser auf dem—Seewege. Eine Flotte net sich: Ein Stern glüht auf, hoch über uns, ein
konnte jederzeit auf einfache Weise Wasser zweiter drüben über Arabien, und immer mehr
herbeischaffen. Solange sie das Meer hier be- - tausend Augen gleich - sehen auf uns herab.
herrschte. Das aber gilt ganz fraglos für die Flot- Sie sahen schon auf die Pharaonen, auf Salomo.
ten der Pharaonen, die hier keine Konkurrenz Sie werden auf dieses Meer herabsehen, wenn
zu fürchten hatten. Es galt auch für die Jahrhun- unsere Augen sich längst geschlossen haben.
derte, in denen Dschesiret Fara'un Fährhafen
für die Mekkapilger war. Und es hatte sicher
auch für Salomos Flotte Gültigkeit. Denn zu
seiner Zeit war, wie wir schon gehört hatten, das
Nilreich machtlos.

92
Irgendwo in Afrika
Und brachten Gold aus Punt
Es ist Nacht, als wir wieder im Camping See- trug die Last, die man sonst selber schleppen
stern eintreffen. Nach dem Abendessen suche mußte. Es floß als Strom rascher, als die eigenen
ich die Einsamkeit. Der Sand ist noch warm, in Füße trugen. Und dann der Wind, des Wassers
den Fiederblättern der Palmen harft der Nord- Bruder: Er gab dem Fahrzeug Flügel!
wind. Ob er jemals einschläft? Über mir in un- Auf dem Wasser hat der Mensch diesen Plane-
gewohnter Klarheit die Sterne, viel größer als ten entdeckt. Das gilt für alle Länder „über
daheim, weit mehr, als wir je im trüben Norden See", für alle „neuen" Inseln und Kontinente.
sehen. Viel näher, fast greifbar über mir, ein Es gilt aber auch weithin für unsere Alte Welt,
schimmerndes Band, von Horizont zu Horizont. lange, bevor man Geschichte schrieb und der
Und unversehens gerate ich ins Träumen. Sind- Nachwelt weitergab. Nur auf dem Weg über das
bad, der Seefahrer, zog über diese Meere Ara- Wasser konnte die Besiedlung der nördlichen
biens. Drüben, wo der Kamm des Gebirges Inseln erfolgen, als das große Eis das Land frei-
schwarz vor den Sternen steht, horstete der Vo- gab. Gar nicht zu reden von den tausend Inseln
gel Roch. Und Scheherezade spann ihre Ge- Indonesiens, den zehntausend der Südsee, von
schichten, dort hinter den Bergen, weit hinter Neuguinea und Australien, den Osterinseln
der Wüste, am Euphrat. Die Berge, die Wüste, oder Neuseeland.
das Meer: nie haben sie den Geist des Menschen Kaum hatte der Mensch das Boot erfunden, da
zur Ruhe kommen lassen. Der Mensch in seiner stieß er schon ins Unbekannte vor. Menschen
Unruhe will wissen, was hinter den Bergen und wollen wissen, was „drüben" ist, müssen die
der Wüste liegt, will erfahren, wie es drüben, am Rückseite des Mondes kennenlernen, müssen in
anderen Ufer aussieht. den „Raum" vorstoßen.
Ein Irrtum, wenn wir meinen, erst moderne
Sicht der Welt mache fähig, ins Unbekannte Früh — wir wissen nicht einmal, wie früh — hat
vorzustoßen. Ein Irrtum, weil er den Menschen der Mensch entdeckt, daß das Mittelmeer nur
nicht in die Rechnung zieht, diesen Menschen, ein Binnenmeer ist. Wahrscheinlich war es
der träumen kann: träumen von fernen Gesta- schon der Neandertaler, der die Meerengen
den und unbekannten Gefahren, träumen von überwand. Und war der erste Schiffer, vom
Frauen und Gold, träumen vom Erreichbaren Sturm verschlagen, an die jenseitige Küste ge-
und vom schier Unmöglichen. Ein Irrtum, wenn langt, so wagte es der nächste, weil er nun wuß-
wir meinen, die Seefahrer früher Zeiten hätten te, daß es ein „Drüben" gab.
sich ängstlich am Ufer hingetastet. Natürlich hat Weit schwieriger als im Mittelmeer ist Seefahrt
auch Seefahrt einmal „klein angefangen". Auf auf dem Roten Meer. Korallenriffe ohne Zahl,
einem Bündel Binsen, einem Baumstamm, ei- unwirtliche Küsten ohne Wasser und häufig zum
nem Floß. Doch diese Kindheit der Seefahrt Sturm auffrischende Winde. Nautisch ist sogar
liegt urweit zurück. Sehr früh entdeckte der heute noch das Rote Meer ein Gewässer, das die
Mensch, welch guter Freund das Wasser ist. Es volle Aufmerksamkeit eines Navigators erfor-

94 Abb. S. 95: Tontäfelchen, das eine Goldlieferung aus Ofir anzeigt


dert. Und doch haben sich bereits in der Zeit des
„Alten Reiches" ägyptische Seeleute auf dieses
gefährliche Gewässer gewagt. Sicher nachge-
wiesen sind Fahrten nach dem sagenhaften
Lande Punt unter Pharao Sahure (um 3000 v.
Chr.). „Weihrauch" hieß das Zauberwort, das
den Pharao das Risiko eingehen ließ. Weih-
rauch wurde für die gottesdienstlichen Feiern
benötigt, Weihrauch war kostbarer als Gold und
darum als Opfer für die Götter gerade gut. Knemhotep gar kein Ausnahmefall, sondern
Teuer war Weihrauch, weil er aus weiter Ferne nur einer unter vielen? Kurze Hinweise, die sich
eingeführt werden mußte, von den südlichen immer wieder finden, lassen darauf schließen,
Gestaden des Roten Meeres, aus den Ländern, daß bis in die Tage Menhoteph IV - um 2000 v.
die heute Namen wie Yemen, Äthiopien und Chr. - Punt im Blickfeld der Pharaonen blieb.
Somalia tragen. Um 1750 aber brachen die Hyksos in das Nil-
Leider haben uns die Nautiker Sahures kein ge- land ein, landverbundene Hirtenvölker ohne
naues „Besteck" hinterlassen, aus dem wir Sinn für das Meer. Punt lag jenseits ihres Hori-
heute die Lage Punts erschließen könnten. Wo zontes und wurde endgültig vergessen.
Punt lag, blieb ein Staatsgeheimnis. Doch mit Bis wieder Ägypter auf dem Thron der Pharao-
großer Zufriedenheit wird berichtet, daß die nen saßen! Schon der energische Thutmosis I -
Flotte 80.000 „Maß" Myrrhen, 6.200 „Gewich- etwa 1555 bis 1500 - weitete den Horizont der
te" Elektron — eine Weißgoldlegierung — und Macht, des Handels und des Wissens. Ihm folgte
2.600 Stück Edelhölzer nach Hause zu schaffen die erste große Frau der Weltgeschichte: Hat-
wußte. Verständlich, daß so wertvolle Fracht schepsut.
dazu einlud, solche Fahrten zu wiederholen. So Sie muß in der Tat eine Frau von Format gewe-
werden in den folgenden Jahrhunderten immer sen sein, frei von Komplexen, selbstsicher, der
wieder Reisen nach Punt vermeldet. Zukunft zugewandt und unternehmungslustig.
Da lebte — um 2300 - in dem Städtchen Elefan- Erstaunlich, wie sie es verstand, das Pharaonen-
tine, in der Nähe des ersten Nilkataraktes, ein amt mit Geist und Charme zu führen. Ihr Gatte
Steuermann Knemhotep. Auf seinem Grabstein lebte jahrzehntelang in ihrem Schatten als
wird für die staunende Nachwelt festgehalten, Prinzgemahl. Nach ihrem Sturz rächte er sich
daß Knemhotep elfmal die große Fahrt nach bitter. Sein Minderwertigkeitsgefühl trieb ihn,
Punt bewältigt habe. Er war also so etwas wie sie buchstäblich „auszuradieren". Alle Bilder,
ein vorzeitiger Cap Hornier! Ob es auch damals auf denen Hatschepsut dargestellt war, wurden
schon so etwas wie einen „Club der Puntfahrer" zerschlagen. Wir wissen daher nicht, wie Hat-
gegeben haben mag? Vielleicht war dieser schepsut aussah. Doch wir wissen, was für ein
Mensch sie war. Und das ist mehr.
96 Das ausgetilgte Bild der Hatschepsut
Der Bildbericht der Hatschepsut
Eine Frau mit Verstand, die wußte, was für sie
auf dem Spiel stand. Bestimmt hat sie erkannt,
daß sie der argwöhnischen Männerwelt Beson-
deres vorweisen müsse, um als Königin zu be-
stehen. Und da entsann sie sich der alten Be-
richte über die Fahrten nach Punt. Wahrschein-
lich waren solche Aufzeichnungen in den Archi-
ven zu finden. Anders ist es nicht zu erklären, Seeschiff ans der Zeit Sahures. Der Bockmast ist nie-
daß sich Hatschepsut in ihrer exponierten Stel- dergelegt. Außenbord umfaßt eine Spanntrosse den
lung auf solch ein Unternehmen einließ. Sie Rumpf. Über Deck ist eine starke Spanntrosse ge-
muß genau gewußt haben, wo Punt zu suchen spannt, die über Gabelstützen läuft und durch ein
ist, wie man es erreicht und was man dort gewin- Drehholz nachgespannt werden kann.
nen kann. Ein Fehlschlag wäre für sie tödlich
gewesen. Wenn Hatschepsut das Unternehmen
Punt startete, mußte sie sicher sein, daß es er-
folgreich endete.
Diese Überlegungen bringen mich zu dem
Schluß, daß im Nilland die früheren Puntfahrten
nicht vergessen, sondern in den Geheimarchi-
ven aufgezeichnet waren. Mit allem, was dazu-
gehörte: Kurse, Liegeplätze, Fahrtdauer,
Tauschartikel. Hatschepsut entließ ihre Flotte
also nicht zu einer Fahrt ins absolut Ungewisse,
sondern wußte das Ziel. Und sie verfügte über
bessere Fahrzeuge als ihre Vorgänger.

In Sahures Grabtempel (um 3000 v. Chr.) wur-


den Reliefs gefunden, auf denen die Heimkehr
einer Flotte gezeigt wird. Da auf den Fahrzeu-
gen viele Asiaten zu erkennen sind, hatte die
Reise wahrscheinlich nach Phönizien geführt. In
einem Text wird aber auch berichtet, daß Sa- Ein Sahure-Schiff unter Segel. Dieses ist hoch und
hure in seinem dreizehnten Regierungsjahr schmal. Der Bockmast verhindert eine stärkere seitli-
Schiffe nach Punt aussandte. Es wäre also im- che Drehung des Segels. Es kann daher nur wenig an-
merhin möglich, daß auf diesem Relief die gebraßt werden, so daß nur ein Segeln „vor dem
Heimkehr der Puntfahrer dargestellt ist. Wind'' möglich ist.

Schiffe aus der Zeit des Pharaos Sahure 97


Aus anderen Inschriften wissen wir, daß die viele Züge binnenländischer Herkunft. Sahures
Puntfahrten vom Hafen Kosseir aus unternom- Fahrzeuge tragen einen Bockmast, der dazu
men wurden. Dorthin führte eine uralte Kara- zwingt, ein verhältnismäßig schmales, nur be-
wanenstraße aus Koptos am Nil durch das Wadi grenzt bewegliches Rahsegel zu führen. Es hilft
Hammamat. Diese Straße war wichtig. Da es bei nur bei achterlichem Wind, macht aber ein
Kosseir weit und breit keinen Wald gibt, mußte Kreuzen unmöglich, da es nur wenig angebraßt
das Material für den Bau der Schiffe auf diesem werden kann.
Wüstenweg herangeschafft werden. Möglich, Offensichtlich haben diese Schiffe Schwierig-
daß die einzelnen Bauelemente bereits in den keiten im Seegang gehabt. Sie waren überlang,
Werften am Nil vorgefertigt und passend ge- mit weitem Überhang vorn und achtern. Auf je-
macht wurden. dem Wellenkamm geriet das Fahrzeug in Ge-
Daß man sich zumindest um 800 v. Chr. auf fahr, mittschiffs durchzubrechen. Die Ägypter
diese Kunst der Vorfertigung und Zusammen- halfen sich mit einem Spanntau, das über Deck
setzung verstand, wissen wir aus einer Notiz des geführt wurde und die Zugkräfte des Durch-
Diodoros Siculus, der berichtet, daß die Königin hängens auffing. Auch außenbords war ein
Semiramis von phönizischen Schiffsbauern Trossengurt angebracht, der rund um das Schiff
Fahrzeuge herstellen ließ, die zerlegt und über in seiner ganzen Länge lief und es zusammen-
Land transportiert werden konnten. hielt. Auf den Reliefbildern läßt sich dies gut er-
Trotz mancher modern anmutender Kunstfer- kennen.
tigkeit zeigen die Schiffe des Alten Reichs noch Aufschlußreich über das Unternehmen der Kö-

Schiffe der Hatschepsut verlassen Punt; deutlich erkennbar die Decksladung, die vorwiegend aus lebenden, in Kübel
gepflanzten Bäumen besteht. Über die Laufplanke tragen Arbeiter Kübelpflanzen an Bord. Affen, die wie Paviane
aussehen, turnen auf der Spanntrosse herum.

98 Schiff aus der Zeit der Pharaonin Hatschepsut


nigin Hatschepsut sind die Bilder im Tempel versehen ist, läßt es sich auch in der Dünung
von Deir el Behari, am Westufer des Nils, un- noch regieren.
weit Thebens, der alten Hauptstadt Oberägyp- Wenn man sich diese Puntflotte in Ruhe be-
tens. Da sind insgesamt zehn Schiffe abgebildet. trachtet, kommt einem die Frage, ob es sich
Fünf laufen eben ein, und fünf nehmen Ladung. nicht um nur fünf Schiffe gehandelt hat, die
Die Fachkundigen nehmen an, daß auch diese zweimal dargestellt sind: einmal bei der Aus-
Fahrzeuge auf Nilwerften gebaut, dann als fahrt, das zweite Mal beim Aufnehmen der La-
„Stückgut" nach Kosseir transportiert und dort dung in Punt.
zusammengesetzt wurden. Nach der Heimkehr Selbst über die Menschen von Punt haben die
aus Punt seien sie abermals demontiert, auf dem Seefahrer einen Bildbericht geschaffen. Da se-
Landweg nach Koptos gebracht, dort erneut zu- hen wir den Häuptling nebst seiner feisten Ge-
sammengebaut worden, um alsdann die wert- mahlin. Seine Leute bringen die Güter ihres
volle Fracht auf dem Nil nach Theben zu brin- Landes herbei, um sie gegen die bereits aufge-
gen. stapelten Angebote Ägyptens zu tauschen. Die
Unwillkürlich scheut man davor zurück, so viel Ägypter dürften Schmuck, Werkzeuge und
Know-how den Schiffbauern jener Zeit zuzu- Hausgeräte mitgebracht haben. Die Einwohner
trauen. Doch diese Theorie wird durch eine Re- von Punt lieferten dafür Weihrauch, Elfenbein,
konstruktion von Pharao Cheops Königsschiff exotische Tiere, Edelhölzer und Gold. Wir se-
gestützt, das für Landtransporte zerlegt werden hen, wie die Landesgroßen in einem Zelt bewir-
konnte. tet werden mit allem, was die ägyptische Bord-
Die Schiffe der Hatschepsut sind schon richtige, küche an Delikatessen zu bieten hat. Und wir
seegängige Fahrzeuge. Der Mast ist nach vorn erkennen, daß es sich lohnt: Eben trägt man le-
und achtern durch Stage abgefangen, die seitli- bende Weihrauchbäume in großen Kübeln an
che Verbiegung wurde — wenigstens zum Teil - Bord. Die Priester in Theben werden zufrieden
durch die Brassen aufgenommen. Durch den sein.
Fortfall des breitbeinigen Bockes läßt sich das
Rahsegel, das jetzt niedrig und breit gehalten Nur eins vermelden die Bilder uns nicht: die geo-
werden kann, anbrassen. Man konnte mit einem graphische Lage Punts. Nicht einmal über die
solchen Fahrzeug nicht nur bei raumem, son- Richtung, in der wir es suchen müßten, erfahren
dern auch bei halbem Winde Kurs halten. wir etwas. Diese Daten blieben Staatsgeheim-
Auch das Doppelruder ist für die See geeignet. nis, wohlverwahrt in den Archiven der Pharao-
Da es an festen Stützen befestigt und mit Pinne nen.

99
Woher nahm Salomo
sein Wissen?
Wo lag Ofir?
Wo hat nun das sagenhafte Punt gelegen? Doch Hilfe der Phönizier aufzubauen. Man konnte
stellen wir diese Frage noch einen Augenblick bequem auf altbekannten Routen zu Land dort-
zurück. Beantworten wir vorher eine andere: hin reisen. Seit David das Gebiet um Elat in is-
Wozu diese ausführlichen Berichte über Punt raelische Hand gebracht hatte, kannte man in
und die ägyptische Seefahrt? Was hat das alles Israel die Karawanen, die aus dem Süden Ara-
mit Salomo zu tun? biens heraufzogen. Sie mußten Elat passieren,
wenn sie ins Nilland wollten; gleichfalls taten sie
König Salomo baute auch eine Flotte in Ezjon-Geber, das gut, Elat als Etappenplatz zu benutzen, wenn sie
bei Elat an der Küste des Schilfmeers in Edom liegt. Hiram hinauf in den Norden Fracht brachten.
schickte seine Leute, geübte Seefahrer, mit den Leuten Sa- Angenommen, für Salomo wären die Güter aus
lomos zu Schiff aus. Sie fuhren nach Ofir, holten von dort Südarabien zu Schiff billiger zu importieren ge-
vierhundertzwanzig Talente Gold und brachten es dem Kö- wesen als auf dem Landweg. Angenommen, die
nig Salomo.
(1. Kön. 9,26-28) Differenz sei so hoch ausgefallen, daß sie die
ungeheuren Kosten für die phönizischen Schiff-
Diese Notiz ist offenbar alt und historisch zuver- bauer und Seeleute, das Material und das un-
lässig. Wahrscheinlich geht sie sogar auf Auf- vermeidbare Risiko einer Seefahrt im Roten
zeichnungen im königlichen Archiv zu Jerusa- Meer hätte decken können. All das angenom-
lem zurück. Ofir! Schon der Name strahlt einen men, bleibt die Frage: Hätten die Minäer es ta-
stillen Zauber aus. Doch wo lag das wirkliche tenlos hingenommen, daß Salomos Flotte ihnen
Ofir? Sicher weit hinter dem Horizont. das lukrative Karawanengeschäft aus den Hän-
In der „Völkertafel" 1. Mose 10,29 wird Ofir den riß? Ich bin sicher, sie hätten Salomos
zwischen Saba und Hewila genannt. Man hat Schiffe boykottiert und notfalls bestreikt.
daraus geschlossen, daß es an den Südküsten des
Roten Meeres zu suchen sei. Einige setzten es Nein, Saba war durch gute Karawanenstraßen
mit Saba gleich, andere verlegten es auf die mit den Mittelmeerländern verbunden. Es wäre
westliche Küste nach Eritrea. Dann allerdings - in mehr als einer Hinsicht - Unsinn gewesen,
erhebt sich sogleich die Frage: Lagen diese Kü- dorthin eine Flotte zu entsenden. Eine Flotte,
sten so weit außerhalb des Blickfeldes, daß man die überhaupt erst gebaut und bemannt werden
von Fahrten dorthin so viel Aufhebens hätte mußte, mit teuren Fachleuten von auswärts
machen können bzw. müssen? Es ist sicher, daß obendrein.
auf der uralten Straße, die sich durch den Hed- Andererseits: Salomo muß genau gewußt ha-
schas heraufzieht, bereits lange vor Salomo Ka- ben, wohin er die Flotte entsandte. Er muß - ge-
rawanen kostbare Fracht herauffuhrten. Und nau wie vor ihm Hatschepsut — gewußt haben,
das geschah regelmäßig durch die Zeiten hin. daß sich dieser ungeheure Aufwand lohnte. Und
Nach Saba - damals noch Land der Minäer - er muß seinem Kompagnon Hiram entspre-
brauchte man keine umständliche Seefahrt mit chenden Profit versprochen, nein, zugesichert

101
haben. Denn nur auf Profit war ein Phönizier seiner ägyptischen Gemahlin - unter der Vor-
ansprechbar. Und Hiram wird die Zusicherun- aussetzung, daß Ofir und Punt identisch waren.
gen Salomos genau überprüft haben. Erst, als er Wir hatten bereits gesehen, daß die Puntfahrten
gewiß war, daß dieses Unternehmen Erfolg ver- am Nil aktenkundig und in den Kreisen der Ein-
sprach, wird er zugesagt haben. geweihten bekannt waren. Nur so war es mög-
Salomo wußte also, wo Ofir lag. Salomo hat sein lich, nach Jahrhunderten die Fahrt nach Punt
Wissen auch Hiram plausibel machen können. erneut aufzunehmen. Jetzt, in den Tagen Salo-
Aber wie? Hier stehen wir am entscheidenden mos, liegt Ägypten darnieder. Es ist längst nicht
Punkt unserer Überlegungen. Woher konnte mehr das, was es früher war, weder zu Lande
Salomo wissen, wo Ofir lag, was es zu bieten noch auf dem Meer. Zur See haben die Phöni-
hatte und wie es zu erreichen war? Die Antwort zier das Erbe Ägyptens angetreten. Hier sah Sa-
drängt sich geradezu auf: Einzig und allein von lomo seine Chance!

Das Geheimnis der Pharaonentochter

Dies war Salomos Chance: Er kannte durch die wenn er könnte, er wird nicht teilen wollen. Im
Pharaonentochter den Weg nach Ofir. Und er Gegenteil, er wird alles tun, meine Pläne zu
hatte durch seine phönizische Gattin die Ver- durchkreuzen, um sich selbst die Verbindung
bindung zu Hiram, dem einzigen, der in der nach Punt zu erhalten. Hiram aber muß auf
Lage war, das, was Salomo wußte, zu realisie- mein Angebot eingehen. Auf mein Wissen ist er
ren. Man kann ihn sich vorstellen, den weisen in gleicher Weise angewiesen wie ich auf seine
Salomo: Wie er behutsam aus der Pharaonin Männer. Jeder von uns braucht den andern.
herausfragt, was sie über die Puntfahrt weiß. Möglich, daß es wirklich so gewesen ist. Denn es
Wie ihn dann, als er das Geheimnis kennt, dieses entspricht den tatsächlichen Gegebenheiten,
Wissen umtreibt, nicht zur Ruhe kommen läßt, basiert auf Wirklichkeit. Daraus ergibt sich, daß
bis der Entschluß gefaßt ist, sich Hiram anzuver- Ofir ein anderer Name für Punt gewesen sein
trauen. Hiram, der schon der Freund seines Va- mag. Ein Deckname? Geschickt eingespielt
ters David war, Hiram, mit dem er verschwägert vom weisen Salomo? Wir wissen es nicht. Und
ist, Hiram, der über Schiffbauer und Seevolk werden es wohl niemals wissen. Spielen wir aber
verfügt: Er allein kann helfen. Und der Pharao? einmal diese Hypothese durch, so ergibt sich
Nein! Er hat genug eigene Probleme. Ja, selbst eins aus dem anderen.

102
Damals begab sich Salomo nach Ezjon-Geber und Elat an guter Karawanenweg hinüber nach Elat. Über
der Küste des Meeres in Edom. Hiram schickte ihm durch
seine Knechte Schiffe und geübte Seefahrer. Sie fuhren mit
ihn werden die Einzelteile der Schiffe ans Rote
den Leuten Salomos nach Ofir, holten von dort vierhundert- Meer transportiert und dort, im Schutz des
fünfzig Talente Gold und brachten es dem König Salomo. heute Coral Island benannten Inselchens, wie-
(2. Chr. 8,17-18) der zusammengesetzt und zu Wasser gelassen.
Eine Meldung, die im Jahr 1979 durch die
Eine Notiz aus etwas späterer Zeit und auf den Presse lief, scheint diese Annahme zu unter-
ersten Blick zumindest ungenau. Hiram sandte streichen. Bei Kuntillet Ajrut wurden Festungs-
ihm durch seine Leute Schiffe? Unmöglich! Ein anlagen freigelegt. Phönizische und hebräische
Kanal zwischen dem Mittelmeer und dem Roten Inschriften kamen zu Tage, aus denen auf einen
Meer bestand zu jener Zeit nicht mehr oder regen Handel zwischen dem Mittelmeer und
noch nicht wieder. Der alte Durchstich war ver- dem Roten Meer geschlossen werden kann. Ei-
sandet und unpassierbar. Keine Möglichkeit nige Mitarbeiter der Universität Tel Aviv ver-
also, daß Hiram Schiffe mit phönizischer Mann- muten, daß über Kuntillet auch Schiffsteile
schaft von Tyrus nach Elat hätte schicken kön- transportiert wurden, die man dann in Ezjon
nen. Geber für die Ofirfahrt zusammensetzte. Man
Doch da fällt uns ein: War nicht schon das Schiff wird abwarten müssen, wie weit sich diese Ver-
des Cheops zerlegbar gewesen? Und die Flotte mutungen bestätigen. Sollte das der Fall sein, so
der Hatschepsut? Hörten wir nicht, daß Semi- ergäbe das einen weiteren Stein im Mosaik un-
ramis Fahrzeuge besaß, die für Landtransport serer Hypothese. Kuntillet liegt nämlich an je-
demontiert werden konnten? Dann liest sich der ner alten Piste, die von El Arish nach Ezjon Ge-
Text aus dem 8. Kapitel des 2. Chronikbuches ber führt, etwa zwei Tagesreisen vor diesem Ha-
so: fen.
Und Hiram sandte ihm durch seine Leute zer-
legte Schiffe und auch Seeleute. Die fuhren mit Auch die Notiz, Salomo selbst sei damals nach
Salomos Leuten nach Ofir. Ezjon Geber gereist, klingt dann nicht ganz un-
Im einzelnen sähe das so aus: Hiram läßt in Ty- wahrscheinlich (2. Chr. 8,17). Ein Ezjon Geber,
rus eine Flotille von zerlegbaren Schiffen bauen. in dem Schiffe, die auf dem Mittelmeer vom
Auf dem Seeweg erreichen sie die Gegend von Stapel gelaufen waren, wieder zusammenge-
El Arish. Von dort aus führt ein verhältnismäßig setzt wurden, war wirklich „eine Reise wert".

103
Hochseefahrt der Phönizier
Wenn man sich das alles — knapp dreitausend
Jahre danach — durch den Kopf gehen läßt,
kommt die Frage, ob wir dann nicht doch unsere
Ansichten über jene frühe Zeit hier und da kor-
rigieren müßten. Es ist noch gar nicht so lange
her, daß man den Ägyptern jegliche Seemann-
schaft absprach und in den Phöniziern das See-
fahrervolk der damaligen Zeit sah. Erst in den
letzten Jahrzehnten hat sich eine neue Ansicht
durchsetzen können. Heute wissen wir, daß die
Ägypter schon im dritten vorchristlichen Jahr-
tausend zur See fuhren. Wir wissen auch, daß die
kretisch-minoische Seemacht lange vor den
Phöniziern das Mittelmeer beherrschte. Die sa-
genhaften Etrusker sind aus dem Vergessen bald schwimmen sich die Phönizier frei. Als er-
aufgestiegen, und die Phönizier nehmen heute stes fällt die Spanntrosse fort. Sie ist nicht mehr
den Platz ein, der ihnen gebührt: Erben großer nötig. Die Phönizier verfügen über gutes Lang-
Vorgänger; Erben, die aber das, was sie über- holz und können dem Schiffsrumpf höhere Fe-
nahmen, weiter entwickelten und am Ende über stigkeit geben. Dann wird die untere Rah abge-
die Grenzen der damaligen Horizonte vorsto- schafft, das Segel nur noch an der Oberrah ge-
ßen konnten. führt und unten an den Unterlieken lediglich
durch Taue gehalten.
Bis in die Mitte des zweiten Jahrtausends spie-
len die Phönizier auf der See keine Rolle. Ägyp- Auch wird die Rah nicht mehr niedergeholt,
ter betreiben den Handel zwischen Syrien und sondern das Segel zur Rah durch besondere
dem Nil. Erst um 1500 werden die Phönizier zur Taue aufgeholt. Das Schanzkleid an der Bord-
See aktiv. In den Annalen Thutmosis III (nach seite wird erhöht, so daß die Schiffe jetzt weni-
1500) wird gemeldet, daß man an der syrischen ger Wasser übernehmen. Selbstverständlich
Küste einige Fahrzeuge gekapert habe. Nach sind die hochseefähigen Schiffe der Phönizier -
Lage der Dinge kann es sich eigentlich nur um wie bereits die der Hatschepsut — voll gedeckt.
phönizische gehandelt haben. Auch die ältesten Seemännische Erfahrung führt allmählich dazu,
ägyptischen Darstellungen phönizischer Schiffe die Schiffe gedrungener zu bauen, so daß sie
tauchen in dieser Zeit auf, etwa auf einem Grab schwere Dünung und Wellengang besser abrei-
bei Theben. Sie unterscheiden sich kaum von ten können. Konstruktiv übernehmen die Phö-
ägyptischen Schiffen. In Konstruktion und Ta- nizier die erprobte Bauweise der Kreter mit Kiel
kelung sind sie den Ägyptern „entlehnt". Doch und Spanten. Fast nebenbei ergibt sich dadurch

104 Phönizisches Handelsschiff


eine größere Querfläche, wodurch die Schiffe wie heute unmittelbar neben dem Polarstern. Er
besser gegen den Wind kreuzen können. befand sich vielmehr zwischen dem Großen und
Die große Zeit Phöniziens kommt, als Ägypten dem Kleinen Bären, mehr in der Nähe des
und Babylonien die Vorherrschaft einbüßen Sterns Kochab, der am entgegengesetzten Ende
und ins Mittelmaß zurückfallen. Wie in Damas- des Kleinen Bären steht. Doch die Phönizier
kus und Israel, so können auch an der Libanon- scheinen genau gewußt zu haben, wo der Him-
küste selbständige Staatswesen entstehen. In melspol lag. Plinius weist auf die Sternbeobach-
dieser Zeit erlebt die östliche Mittelmeerwelt tungen der Phönizier hin, und Strabo berichtet,
einen gewaltigen Umbruch. Junge Völkerschaf- daß sie den Kleinen Bären zur Navigation auf
ten sind aus unbekannten Fernen eingebrochen. hoher See benutzten.
Kreta, Mykene und Chatti sinken in Trümmer. Von den Phöniziern haben dann die Griechen
Die Herrensitze einer feudalen Zeit gehen in ihr astronomisches Wissen bezogen. Bereits um
Flammen auf. Barbaren herrschen mit dem 600 v. Chr. schreibt Thaies von Milet das erste
blanken Schwert. Aber sie staunen über das, astronomische Lehrbuch der Navigation. Er war
was sie vernichten. Aus dem Staunen wird Be- gewiß nicht der erste, der in der Lage war, ein
wundern und aus dem Bewundern Verlangen. einigermaßen zuverlässiges Besteck zu errech-
Die Phönizier sind es schließlich, die diese Wün- nen.
sche der kindlichen Barbaren zu befriedigen in Schiffsbautechnisch war dagegen von den Baby-
der Lage sind. Mit ihren reich beladenen Frach- loniern wenig zu lernen. Die Schiffahrt Mesopo-
tern, mit öl und Wein, Gewürzen und Delika- tamiens war auf Binnengewässer beschränkt
tessen, mit Geweben und Lederwaren, mit Ke- und recht konservativ. Noch zur Zeit Sargons
ramik und Glas. (um 700) werden die Boote mit Paddeln bewegt
Längst waren die Phönizier darüber hinaus, und nicht durch Ruder. Paddel kann man aber
ägyptische Schiffe zu kopieren. Außerdem hatte nur auf Kleinfahrzeugen benutzen, für seege-
man inzwischen auch das astronomische Wissen hende Schiffe sind sie unbrauchbar. Gab es also
der Babylonier übernommen. Hatten die Kreter bei den Babyloniern seemännisch nichts zu ler-
und Ägypter sich noch - reichlich grob - nach nen, so reizten doch ihre Schiffsverzierungen
dem Sternbild des Großen Bären gerichtet, so zur Nachahmung. Besonders der in Mesopota-
navigierten die Phönizier, wie uns Herodot be- mien übliche Pferdekopf am Bug scheint bei den
richtet, exakt nach dem Kleinen Bären mit dem Phöniziern Gefallen gefunden zu haben; er wird
Polarstern. Damit war es möglich, einen ge- jedenfalls zur klassischen Stevenzier aller phö-
nauen Kurs abzusetzen. Noch wichtiger: Die nizischen Schiffe.
geographische Breite war durch einfaches Mes-
sen der Winkelhöhe des Himmelspols im Klei- Im Palast des Königs Sargon (um 700) zu Kor-
nen Bären mit Leichtigkeit festzustellen. sabad sind solche Boote mit Pferdekopfsteven
Zugegeben, der Himmelspol lag damals nicht vorn und Fischschwanz achtern abgebildet. Sie

105
haben Holz im Schlepp und führen anscheinend Außer Gold und Silber ist da von Elfenbein, Af-
auch Bretter als Deckslast - reine Flußfahrzeu- fen und Pfauen die Rede: Affen gibt es in Indien
ge, die mit Paddeln bewegt werden. Ähnlich wie in Afrika. Pfauen weisen uns allerdings nach
wurden die Hölzer, die für die Bauten Salomos Indien, doch können sie unterwegs in einem
in Jerusalem benötigt wurden, von Tyrus nach Zwischenhafen an Bord genommen worden
Jaffa geschleppt — jedoch von phönizischen See- sein.
schiffen. Indien oder Ostafrika? Und damit sind wir nun
Holz! Der Name Ofir fällt ein und die Tatsache, wieder beim Problem, wo wir Ofir zu suchen ha-
daß auch aus Ofir Holz importiert wurde. ben. Nicht im näheren Bereich, das sahen wir
schon. Südarabien war auf dem Landweg gut er-
Auch die Flotte Hirams, die Gold aus Ofir holte, brachte von reichbar, desgleichen die äthiopische Region.
dort große Mengen Almuggimholz und Edelsteine. Indien also? Oder Ostafrika?
(1. Kön. 10,11) Wofür wir uns entscheiden, ist fast eine — Ge-
schmacksfrage. Ich neige eher zu Ostafrika aus
Auch die Leute Hirams und die Leute Salomos, die Gold aus
Ofir holten, brachten Almuggimholz und Edelsteine. Der
guten Gründen. Zuvor aber eine Klarstellung:
König ließ aus dem Almuggimholz Schnitzarbeiten für das Die erwähnten Schiffe fuhren nicht nach Tar-
Haus des Herrn und den königlichen Palast sowie Zithern schisch, sondern nach Ofir. Die irrtümliche Be-
und Harfen für die Sänger anfertigen. Dergleichen hatte merkung in 2. Chr. 9,21 geht darauf zurück, daß
man vordem im Land Juda nicht gesehen. die großen, seegängigen Schiffe allgemein die
(2. Chr. 9,10-11)
Bezeichnung „Tarschischschiffe" hatten. Sie
stellen eine Schiffsklasse hochseefähiger Fahr-
Wir wissen nicht, was unter „Almuggim", das zeuge dar, die auf große Fahrt gehen können.
Luther mit „Sandelholz" übersetzt, gemeint ist. Ihren Namen erhielten sie, weil sich diese Klasse
Wegen der weiten und kostspieligen Fracht muß auf den Fahrten nach dem fernen Tarschisch
es sich um ein Edelholz gehandelt haben. Dazu herausgebildet hatte. Tarschisch - oder Tartes-
paßt die Bemerkung, daß man solches Holz nie sos — lag in Südspanien, etwas landeinwärts vom
zuvor in Israel gesehen habe. Teakholz viel- heutigen Cadiz. Über Jahrtausende hin war es
leicht? Oder Ebenholz? Wieder einmal sind wir der Hauptumschlagplatz für das zur Bronzeher-
aufs Raten angewiesen, wie auch bei den „Edel- stellung so wichtige Zinn. Da die wenigen Zinn-
steinen", von denen da die Rede ist. Genauer lagerstätten des Mittelmeergebietes bald er-
scheint hingegen eine andere Notiz: schöpft waren, gewannen die reichen Gruben
der „Kassiteriden" - Cornwall und die Scillys —
Denn der König hatte eine Flotte, die mit den Leuten Hi- lebenswichtige Bedeutung für die Bronzeindu-
rams nach Tarschisch fuhr. Einmal in drei Jahren kam die
Tarschischflotte und brachte Gold, Silber, Elfenbein, Affen strie. Tarschisch war das Zentrum des Nord-
und Perlhühner. landhandels. Von hier fuhren die seetüchtigen
(2. Chr. 9,21) Tarschischschiffe über die Biskaja nach Britan-

106
nien und - durch die Säulen des Melkart - ins drei Tage benötigte. Das macht bei 450 Seemei-
Mittelmeer. Tarschischfahrt war keine Küsten- len Entfernung 140 Seemeilen pro Tag oder
fahrt, sondern echte Hochseefahrt, oft mehrere eine Durchschnittsgeschwindigkeit von etwa 6
Tagereisen außer Landsicht. Knoten.
Auf diesen weiten Routen entwickelten sich die Diese Fahrzeuge waren also in Größe, Tragkraft
Tarschischschiffe, Fahrzeuge von 30 bis 40 Me- und Reisegeschwindigkeit durchaus den Scho-
ter Länge und 8 bis 10 Meter Breite. Der Tief- nern vergleichbar, die im 19. Jahrhundert auf
gang mag- je nach Beladung- 2 bis 3 Meter be- den europäischen Randmeeren, an den Küsten
tragen haben. Das ergibt—grob gerechnet—eine Amerikas und zwischen den Atollen der Südsee
Wasserverdrängung von rund 400 Tonnen. Die den Handel wahrnahmen. Die Neufundland-
Segelfläche war relativ klein, betrug kaum 300 schoner allerdings, ebenso wie die Teeklipper
qm. Schwere, voll gebaute Fahrzeuge also, die und Weizenfrachter des 19. Jh., waren erheblich
leicht untertakelt und damit recht sicher waren. schneller. Immerhin, für eine Zeit, die dreitau-
Natürlich ging diese Sicherheit auf Kosten der send Jahre zurückliegt, leisteten die Tarschisch-
Geschwindigkeit. Immerhin wurden recht an- schiffe Großartiges.
sehnliche Strecken pro Tag erreicht. Solche Schiffe der Tarschischklasse waren auch
Thukydides berichtet, daß Handelsschiffe in für die Ofirfahrt geeignet. Und wenn wir die No-
vier Tagen von Abdera zur Donau segelten. tiz richtig verstehen, dann kamen sie in dreijäh-
Zahlreiche weitere Angaben dieses Schriftstel- rigem Turnus in den Heimathafen Ezjon Geber
lers bieten uns die Möglichkeit, für die Schiffe zurück.
seiner Zeit eine durchschnittliche Leistung von Drei Jahre für eine Reise! Damit ist die These,
4—5 Knoten zu errechnen. Weniger schwer be- Ofir sei in Südarabien zu suchen, endgültig nicht
frachtete Fahrzeuge waren entsprechend zu halten. Ofir lag weiter, viel weiter. In Ost-
schneller. So berichtet Xenophon, daß ein phö- afrika? Vielleicht gar weit im Süden, an den Kü-
nizisches Kaperschiff von Rhodos nach Tyrus sten Mozambiks?

Zimbabwe — eine Theorie und ihr Schicksal

Es gab da eine bestechende Theorie: Zimbab- Versuche, es zu erreichen, scheiterten. Dabei


we. Bereits die ersten portugiesischen Entdek- war es bereits 1561 zu einem ersten Kontakt ge-
ker erhielten im 16. Jh. Kunde von dem mär- kommen. Der Portugiese Silveira traf am Mu-
chenhaften Goldland Zimbabwe. Doch alle sengi den „Monomatapa", den „Herrn der

107
Bergwerke" von Zimbabwe. Doch erreicht hat letzten Jahre haben unter Anwendung der Ra-
erst im Jahre 1871 der deutsche Afrikaforscher dio-Karbon-Methode die Ruinenstadt Zim-
Karl Mauch das so lange vergeblich gesuchte babwe in eine spätere Zeit datiert. Zimbabwe
Dorado. Er stellte fest, daß Zimbabwe bereits war in zwei Epochen besiedelt, einmal zwischen
seit Jahrhunderten in Trümmern lag. Doch 580 und 710 nach Christus und dann wieder von
einstmals mußte es eine ansehnliche Stadt gewe- 1050 bis 1500. Nach Christus! Immerhin bleibt
sen sein. Noch die Ruinen zeugten von der auch dann noch verblüffend, was der Spaten ans
Größe und Kraft einer längst vergangenen Zeit. Licht brachte: Perlen und Porzellan aus China,
Spontan erklärte Mauch die Bauten der Rui- Seide und andere Artikel, die auf Handelsver-
nenstadt für phönizisch und fragte, ob es sich bindungen nach Ostasien und Indien weisen. Bis
nicht um das biblische Ofir handeln könne. Die in jene fernen Länder wurden also die Produkte
Ähnlichkeit dieser Bauwerke, besonders der Zimbabwes exportiert: Gold, Kupfer, Elfen-
konischen Türme, mit den Nuraghen, die man bein, Antimon. Vielleicht auch Sklaven? Denn
auf Sardinien und Korsika antrifft, ist allerdings Zimbabwe war ein ausgesprochener Feudal-
verblüffend. Man kann daher die Verbindung, staat, ein Stadtstaat von gut 10.000 Einwoh-
die Mauch — nur auf den äußeren Augenschein nern, regiert von Priesterkönigen. Der Nieder-
hin - herstellt, durchaus verstehen. gang erfolgte aus Gründen, die uns ausgespro-
Leider müssen wir von dieser verlockenden chen modern anmuten. Durch Überbeweidung
These heute abrücken. Die Forschungen der wurde die Vegetation vernichtet. Die bis dahin
grasreiche Savanne wurde zur Wüste. Dieser
Vorgang, der sich heute in der Sahel und in vie-
1 Tsodilo len anderen Gebieten abspielt, vollzog sich in
2 Okawango-Basin
3 Zimbabwe
Zimbabwe in der zweiten Hälfte des 15. Jahr-
hunderts. Der Mensch bereitete sich in seiner
Maßlosigkeit selbst den Untergang.

Die These, Zimbabwe sei von Phöniziern er-


baut, müssen wir unter diesen Umständen auf
jeden Fall aufgeben. Doch andere Hinweise und
Spuren, zwielichtig und schwer zu deuten, gibt
es noch. Zimbabwe stellt ja nur einen engen
Ausschnitt dar aus dem weiten Gebiet des Ma-
schonadistrikts. Alte Bergwerke und Minen, in
denen Gold und Antimon gefördert wurden,
finden sich auf einem weiten Umkreis in Seluk-
we, Queque und Gwelo. Gold: Stichwort für

108
Punt und für Ofir. Antimon: wie es nachgewie- von Zimbabwe nicht das letzte Wort gespro-
sen wurde in ägyptischem Schminkrot! chen. Noch wäre es voreilig, wenn wir sagten: So
Und dann stieß Professor Dart - derselbe, der und nicht anders ist es gewesen. Noch heißt es
den südafrikanischen Affenmenschen fand — in abwarten, was in den kommenden Jahren die
Rhodesien auf Fels- und Höhlenmalereien. Fachwissenschaft ans Licht bringen wird. Der
Dart vertrat die Ansicht, diese Malereien Vollständigkeit halber sei erwähnt, daß in letz-
stammten nicht von Buschmännern, sondern ter Zeit noch ein anderes Gebiet in den Zusam-
gingen in viel frühere Zeit zurück. Dart fragte, menhang mit den Puntfahrten gebracht worden
ob die Menschen einer weißen Rasse, die auf ist. Es überrascht, daß es im Herzen Südafrikas
diesen Bildern erscheinen, nicht Altägypter dar- liegt, in Botswana. In der abgelegenen Nord-
stellten. Dart wurde — wie konnte es anders sein westecke des Landes, unweit der namibischen
— ausgelacht. Damit schien seine Hypothese er- Grenze mit dem sogenannten Caprivi-Zipfel,
ledigt - bis in den dreißiger Jahren Leo Frobe- ragen die Tsodiloberge aus der Wüstensteppe.
nius Südafrika auf solche Felsmalereien hin Mehr als zweitausend Felsmalereien wurden
durchstöberte. Er fand viele bis dahin unbe- hier bisher entdeckt, die ältesten schätzt man
kannte Bilder und deutete sie wie Dart. Doch auf vier- bis sechstausend Jahre. Für unsere
auch über ihn brach man den Stab. Männer wei- Überlegungen im Zusammenhang mit Punt-
ßer Rasse vor Jahrtausenden in Südafrika? Un- Ofir sind aber die Ruinen und Minen interessan-
möglich! ter, die man am Nord- und Westrande der Oka-
Von 1942 bis 1952 untersuchte Abbé Breuil wango-Pfanne fand. Schächte und Schmelzöfen,
Hunderte dieser alten Felsmalereien. Breuil galt Brunnen und steinerne Wasserbecken geben
als der größte Kenner auf dem Gebiet der Höh- neben den Mauerresten von Häusern davon
lenmalereien. Ihn konnte man nicht mit einem Kunde, daß hier einst reges Leben herrschte.
überlegenen Achselzucken abtun. Und Abbé Die eigentliche Sensation ergab sich, als man die
Breuil bestätigte, was Dart und Frobenius ver- Funde zu datieren begann. Nach der Kohlen-
mutet hatten: Unter den Felsmalereien befin- stoff C 14-Methode sind die älteren Teile der
den sich viele sehr alte, auf denen weiße, offen- Siedlungen um 550 vor Christus entstanden. Ei-
bar der Mittelmeerkultur zugehörige Menschen nige Testproben führten sogar in das späte 10.
dargestellt sind. Und tatsächlich ergab hier die Jahrhundert vor Christus. Und damit hätten wir
Nachprüfung durch die Radium-Karbon-Me- Anschluß an die Ära Salomos! Auch die Minen
thode: Diese Felsmalereien stammen aus der gehen - wenn man der starken Verwitterung
Zeit um 1500 vor Christus. Das paßt genau in Beachtung schenkt - in sehr frühe Zeiten zu-
rück. Eisen, Kupfer und Gold sind hier geför-
die Zeit der Fahrten nach Punt, die Hatschepsut
dert und verhüttet worden. Noch aber reicht das
veranlaßte.
vorliegende Material nicht aus, endgültige
Wir stehen hier an der Grenze von Wissenschaft
Schlüsse zu ziehen.
und Phantasie. Noch ist über die Felsmalereien

109
Wenn die Sonne
im Norden steht
Mißglückte Meuterei
Channo blickte verächtlich auf das Schiffsvolk schnappte er zurück: „ Warum? Weil diese Fahrt
hinab, das sich lärmend auf dem Mitteldeck in die Hölle führt!" Die Männer im Hintergrund
drängte. Aus den Augenwinkeln nahm er wahr, schrien durcheinander, drängten näher. Das gab
daß der Schiffsführer Chenibal eine Handvoll Kynon neuen Mut: „Geben uns die Götter nicht
verläßlicher Leute herangewinkt hatte. Asarja ein deutliches Zeichen?" Er wies zur Sonne.
undAdoniram, die Beauftragten Salomos, traten „ Wer hat je gesehen, daß die Sonne zur Mittags-
aus dem Sonnenzelt. Gemächlich schlenderten zeit im Norden stand?" Seine Stimme überschlug
sie über das Achterdeck. Doch Channo sah, daß sich: „Der Wagen der Sonne hat seine Bahn ver-
sie die Hand am Schwert hielten, Männer, die un- lassen! Schemesch zieht jetzt einen Weg, wie noch
ter David gedient hatten. kein Mensch ihn jemals sah. Seit heute früh die
Auch auf den Nachbarschiffen schien man wach- Küste zurückwich, haben wir Kurs nach West;
sam zu sein. Es war wohl nicht Zufall, daß Cha- und die Sonne steht uns zur Rechten. Sie steht in
rams Segler enger aufschloß. Und drüben an Mitternacht am hellen Mittag!"
Backbord ließ eben Geber einen Mann zum „Sonst noch etwas?" spottete Channo. „Noch
Mastkorb aufentern. Er sollte wohl ausschauen, etwas?" heulte Kynon. Dann fing er sich: „Ja,
warum sich hier auf der „Arvad" das Schiffsvolk noch etwas! Seit Wochen, seit wir die Insel Suka-
nach achtern drängte. Hilfe war also nah, falls es tara hinter uns ließen, haben wir den Wind im
hart auf hart kam. Rücken. Tag um Tag, Woche um Woche weht es
Doch Channo war überzeugt, daß er die aufkei- hier von Norden. Gute Fahrt gab uns der Gott der
mende Meuterei allein werde bändigen können. Winde. Zu gute Fahrt! Nur: umkehren können
Zu oft schon hatte er aufmuckendes Schiffsvolk wir nicht. Nie!" Er hob die Fäuste gegen den
zur Vernunft gebracht. Er würde auch mit diesen Himmel. „Es gibt keine Heimkehr für uns. Stets
hier fertig werden — bei der großen Göttin Bellt kommt auf diesem gottverlassenen Meer der
Gibla! Wind von Norden."
„ Wer etwas zu sagen hat, der trete vor!" Er hatte „Schlimm, ganz schlimm!" höhnte Channo.
es nicht einmal laut gesagt. Doch die Matrosen „Doch eines hast du noch vergessen: Auch die
duckten die Köpfe, drängten sich enger zusam- Strömung trägt uns stetig nach Süden." Kynon
men und suchten sich durch Blicke zu ermuntern. duckte sich. „Ich habe es wohl bemerkt! Doch
Jetzt schoben sie einen Blatternarbigen nach wenn nur ein einziges Mal der Wind umgesprun-
vorn. Sieh an, den krätzigen Kynon von Zypern gen wäre! Ein steifer Wind aus Süd brächte uns
haben sie zu ihrem Wortführer ernannt! Hat der auch gegen die Strömung heim. Aber nein: im-
Kerl wirklich die Stirn, etwas zu sagen? mer bläst es nur aus Nord! Immer nur aus Nord!"
„ Wir wollen umkehren!" bellte Kynon heraus. Er wandte sich seinen Gefährten zu: „Es gibt
Channo sah ihn nicht einmal an, fragte nur keine Rückkehr mehr, keine!" Er schrie es, fast
„ Warum?", und es klang gelangweilt. Einen Au- hysterisch.
genblick verschlug es Kynon die Sprache, dann Breitbeinig stand Channo auf dem Achterdeck.

111
Wiegend folgte er den Bewegungen des Schiffes den!" „Nein, du Schlaukopf!" lachte Channo.
in der Dünung. Jetzt lachte er, so unbeschwert, „Aber dafür atmete der Ozean wie dieser hier."
daß alle verstummten und auf ihn starrten. Er wandte sich einer Gruppe von Matrosen zu,
„Kynon, ich bewundere deinen Verstand! Da die sich etwas zur Seite geschoben hatten, als ob
beweist du mir eben, daß es keine Rückkehr sie sich von den anderen absetzen wollten. „Ihr
gibt —" „Nein, keine!" heulte Kynon. „ Und weil werdet euch erinnern, wie es damals im Nebel-
die Rückkehr unmöglich ist", Channo lachte land des Nordens war: Wißt ihr noch, wie das
lautlos, „weil Rückkehr unmöglich ist, sollen wir Wasser dort fest wurde? Spürt ihr noch das
umkehren!" Grauen, als die blonden Nordmänner erzählten,
Die Männer stutzten, Kynon öffnete den Mund, daß dort im Winter die Nacht viele Monate
vergaß ihn zu schließen. Channo, mit eiskalter währt? Saht ihr nicht selbst, daß im Sommer die
Verachtung: „Ihr seid mir Schlauköpfe! Umkehr Sonne selbst um Mitternacht nicht unterging?"
unmöglich, darum laßt uns umkehren!" Er wandte sich an Kynon. „He du! Das war
Ein Stöhnen ging durch die Mannschaft. Fäuste schlimmer als hier, wo die Sonne nur eine andere
ballten sich, Flüche erklangen. „Du bist schuld! Bahn fährt. Ja, laß dir von denen da erzählen,
Du hast uns ins Verderben geführt!" was wir auf unseren Fahrten erlebt haben: Wie
„Ruhe!" Channos Stimme übertönte sie alle. der Ozean zu Kristall erstarrte, so daß man auf
Seine Hand schnellte vor, wies auf einen Grau- ihm gehen konnte. Jawohl, wir gingen auf dem
kopf in der vordersten Reihe: „Du da! Warst du Ozean. Mach uns das erst mal nach, Kynon! Und
nicht mit mir in Tarschisch?" Des Alten Augen dann rede zu Männern!"
blitzten. „Ja, Herr, in Tarschisch!" Channos Die alten Fahrensleute gaben dröhnend Beifall.
Hand fuhr vor auf einen Matrosen mit bronze- „Ja, ihr erinnert euch: An die Riesenbären in
farbener Haut: „ Und du warst bei mir an Bord, weißen Pelzen, an die Ungeheuer im Meer, diese
als wir den Berg der Götter aus dem Ozean stei- tauchenden Stiere mit den langen Hauern. Oder
gen sahen." Zu einem anderen, der ständig zu an das Einhorn des Ozeans, von dem die Nord-
grinsen schien, da ein Schwerthieb ihm die männer Elfenbein gewinnen! Was haben die
Wange zerschlitzt hatte: „ Und du, fuhrst du nicht Narren in Sidon gespottet, ab wir von all diesen
mit mir zu den fernen Zinninseln im Norden?" Wundern berichteten. Sie schalten uns Lügner,
Channo schlug ärgerlich in die Luft. „Ach, was glaubten uns kein Wort. Und doch war es so; wir
soll ich euch alle aufrufen und an die Meere erin- haben das alles wirklich erlebt."
nern, die wir durchpflügten! Ich führte euch zu Die Alten jener abenteuerlichen Reisen brüllten
den Enden der Welt. Und wieder zurück nach Si- lauten Beifall. Channo meinte, das Spiel schon
don! Immer brachte ich euch sicher heim, im- gewonnen zu haben. „Ja! Und wie werden die
mer!" Purpurhändler und Seidenkrämer die Köpfe
schütteln, wenn ihr erzählt: Wir hatten auf West-
Die Männer schwiegen betreten. Bis Kynon
kurs die Sonne zur Rechten!"
murrte: „Da stand aber nie die Sonne im Nor-

112
Der Krätzige kämpfte sich mit den Ellenbogen „Du kannst es beweisen?" fragte der Alte. Asarja
nach vorn. „Nichts werden wir erzählen! Wir nickte. „Ich bekam eine genaue Beschreibung
kehren nimmer heim!" Beschwörend hob er die der Route mit auf den Weg. Wir haben heute früh
Arme, wies auf die im steifen Nordmonsun ein Kap umfahren, von dem aus die Küste jetzt
schwellenden Segel: „Immer weht es von Mitter- nach Westen verläuft. Aus dem Munde des wei-
nacht, nie kommen wir nach Haus!" sen Königs erfuhr ich, daß wir nunmehr in weni-
Mit herrischer Handbewegung scheuchte gen Tagen einen mächtigen Strom erreichen wer-
Channo den Narbigen zurück. „Nichts weißt du, den, der sich in zahllosen Mündungen in den
gar nichts! Du siehst nur, wie der Wind von Nor- Ozean ergießt."
den weht, seit wir die Insel Sukatara verließen." Der Graukopf zog die Brauen zusammen. „ Wie
Kynon, fast schon flehentlich: „ Wochen ist das der heilige Nil?" Asarja nickte: „Ähnlich dem
her, Wochen!" Channo blickte verächtlich auf Nil. Doch während das Dalet* des Nils aus
ihn hinab. „ Was sind schon Wochen bei einer fruchtbarem Ackerland besteht, ist das Mün-
Seefahrt wie dieser! Hier zählen nur Monde." dungsgebiet des Stromes, der vor uns liegt, von
Channo wandte sich wieder den anderen zu. undurchdringlichem Wald bedeckt." Asarja
„Fast ein halbes Jahr lang weht auf diesem Meer warf den Kopf in den Nacken. „Haben wir diesen
der Wind von Nord. Dann springt er um und Strom passiert, dann ist es nicht mehr weit bis zu
weht mit gleicher Beständigkeit aus Süd." dem Goldland."
Schweigen. Kynon duckte sich, fragte unsicher: „Das sollen wir glauben?" knurrte Kynon. „Du
„ Und— woher weißt du das?" Channo warf den brauchst es nicht zu glauben", warf Asarja über
Kopf in den Nacken. „ Von den braunen Seefah- die Schulter hin, „du wirst es sehen." Er wandte
rern, die wir an Sabas Küste trafen. Und ich hörte sich den anderen zu. „ Und dann werdet ihr alle
schon früher davon, lange bevor wir Ezjon Ge- wissen, daß vor uns schon andere hier waren und
ber verließen." heil nach Hause kamen."
Der Graukopf schob sich vor. „ Wer konnte dort
von diesen Winden Kenntnis haben?" Channo
wies auf Asarja: „Der weise König gab seinen
Männern dieses Wissen mit auf den Weg."
Kynon lachte grell auf. „Der Jude! Ho, was ver-
steht ein Jud' von der See?" Asarja war vorgetre-
ten, sah dem Blatternarbigen ruhig in die Augen.
„ Woher der König sein Wissen nahm, ist sein
Geheimnis. Doch ich kann dir beweisen, daß vor
uns schon andere diese Küsten befuhren und, was
für dich so wichtig ist, auch richtig wieder heim- Dalet: Das Dalet ist der vierte Buchstabe des phönizischen und des
hebräischen Alphabets. Von den Griechen wurde es später als
kamen." Delta übernommen.

113
Um das Kap der Guten Hoffnung
Ich sagte es schon: Die Phantasie hat uns in uns auf dem festen Boden der Historie. Unser
Fahrt gebracht. Aber nicht nur sie, auch der Gewährsmann heißt Herodot. Er ist um 490 v.
Monsun. Zwar liest man allenthalben, erst im Chr. in Halikarnassos geboren, ein Mann mit
vorchristlichen Jahrhundert sei die Existenz des großem Unternehmungsgeist, der sich in jungen
Monsuns entdeckt worden, doch: Sollten die der Jahren am Sturz des Tyrannen Lygdamis betei-
See und dem Wind so eng verbundenen Seefah- ligt hat. Später bereist er Ägypten und Mesopo-
rer früherer Zeit wirklich nicht bemerkt haben, tamien, lernt die afrikanische Mittelmeerküste
daß im Indischen Ozean der Wind jahreszeitlich und die Nordküste des Schwarzen Meeres ken-
wechselt? Inder und Araber der Bronzezeit nen und „erfährt" so die damalige Welt zwi-
müßten mit Blindheit - oder mit Dummheit - schen Persischem Golf im Osten und Sizili-
geschlagen gewesen sein, wäre ihnen dieser en-Italien im Westen.
Windwechsel nicht aufgefallen, sie, die mit der In seinem großartigen Geschichtswerk schildert
Natur und ihren ursprünglichen Kräften lebten. er auch die von ihm besuchten Länder, Völker
Er sprang ihnen ja förmlich ins Gesicht, mit und ihre Sitten — ein ungeheures Geschichts-
Böen und Regenschauern bis hin zu Sturmstö- werk mit einer Fülle von Details, aufgelockert
ßen. Nein, sobald der Mensch es wagte, sich von durch eingestreute Anekdoten und Stories, das
der Küste zu lösen und über freie See sein Ziel erste große Geschichtswerk der Weltgeschichte;
anzusteuern, muß er diesen regelmäßigen Wind, ganz offensichtlich muß es ein hinreißendes
auf den Verlaß war, genutzt haben. Und hatte er Buch gewesen sein. Selbst die sonst eher hoch-
das Wagnis der offenen See das erste Mal erfolg- näsigen Athener zollten ihm lautstarken Beifall,
reich gemeistert, so wird er es immer wieder ge- als er seine erste Vorlesung daraus hielt.
tan haben. Nichts ist gefährlicher für ein rahge- In diesem Buch erzählt Herodot nun, daß ägyp-
takeltes Segelschiff, das nur begrenzt an den tische Schiffe auf Weisung des Pharao Necho II
Wind gehen kann, als eine Küste in Lee. Nur (609-594 v.Chr.) Afrika umfahren haben:
die, die das Meer nicht kennen, fürchten die of-
fene See; der Seemann weiß, wie gut es ist, noch „Afrikas Gestalt zeigt schon, daß es — abgese-
hundert Seemeilen bis zum nächsten Land zu hen von dem an Asien grenzenden Teil — auf al-
haben. len Seiten vom Meer umströmt ist. Als erster hat
Es ist den Phöniziern zuzutrauen, daß sie den das, soviel ich weiß, der Pharao Necho von
Monsun genutzt haben, wie es vor ihnen die Ägypten bewiesen. Nachdem er die Arbeit an
Ägypter schon taten, so, wie es an den Küsten dem Kanal, der den Nil mit dem Roten Meer
des Indischen Ozeans seit alters her Brauch war. verbinden sollte, eingestellt hatte, rüstete er
Aber: Das ist Hypothese, beweisbar erst, wenn eine Expedition aus und gab ihr den Auftrag,
uns eine schriftliche Kunde aus jener Zeit davon um Afrika herum durch die Säulen des Herakles
Zeugnis gibt. Keine Hypothese aber ist, wenn zurück ins Mittelmeer zu fahren und so wieder
die Sonne „im Norden steht". Hier bewegen wir nach Ägypten zu kommen. Die Phönizier bra-

114
chen also auf und fuhren aus dem Indischen in Wenn also als besondere Denkwürdigkeit jener
das Südliche Meer. Als es Herbst wurde, gingen Afrika-Umfahrung berichtet wird, man habe
sie an Land, bebauten die Felder und ernteten bei der Umfahrung - also auf Westkurs - die
sie ab, wo sie sich gerade in Afrika befanden. So Sonne zur Rechten — also im Norden — gehabt,
kamen sie nach zwei Jahren durch die Säulen so beweist dies klar: Die Flotte Nechos hat unter
des Herakles und kehrten im dritten nach Ägyp- phönizischen Seeleuten tatsächlich das Kap der
ten zurück. Sie erzählten — ich mag das nicht Guten Hoffnung umrundet. Denn erdenken
glauben, vielleicht aber glaubt es ein anderer — konnte sich dies zu Theben niemand.
sie hätten, als sie Afrika umfuhren, die Sonne
zur Rechten gehabt."
Und noch eines: Woher wußte Necho, daß man
Herodot weiß also, daß Afrika ein Kontinent ist, Afrika umfahren konnte? Woher kannte er die
der auf allen Seiten vom Ozean umgeben ist. Ein „Gestalt" Afrikas? Woher nahm er die Gewiß-
Wissen übrigens, das bald darauf verlorengeht. heit und den Mut, einen so „unmöglichen" Be-
Vielleicht war Herodot selbst schuld daran? fehl zu geben? Auch dies ist merkwürdig. Wir
Denn seine Bemerkung, bei der Umschiffung hatten ja schon gefragt, auf Grund welcher Tat-
Afrikas hätte man die Sonne zur Rechten ge- sache Hatschepsut ihrer Flotte so klare Weisung
habt, muß für die Menschen der damaligen Zeit hatte geben können. Und vor ihr Sahure. Und
unglaublich klingen, die unsere Erde für eine vor Sahure wohl schon andere? Wir hatten ge-
flache Scheibe hielten. Nur einige wenige Ge- fragt, woher Salomo wußte, daß der Kurs, den er
lehrte wußten, daß die Erde eine Kugel ist, hat- seinen Schiffen vorgab, nach Ofir führte?
ten sogar versucht, ihren Umfang zu berechnen. Nur eine Antwort ist möglich: Salomo wußte es
Doch dieses Wissen existierte nur im Elfenbein- über seine ägyptische Gattin, die dieses Wissen
turm der Denker, für alle anderen war sichtbar aus den Archiven der Pharaonen mitgebracht
und erfahrbar die weit sich dehnende Erden- hatte, über eine lange, alte Tradition. Es spricht
scheibe. Auch Herodot ahnte offenbar nichts vieles dafür, als sei Sahure wirklich nicht der er-
von der Kugelgestalt unseres Planeten. Sonst ste gewesen, der nach Punt fuhr. Und es sieht
hätte er dem Bericht der Seefahrer Glauben ge- auch so aus, als sei Necho nicht der erste gewe-
schenkt. Heute ist uns selbstverständlich, daß sen, der Afrika umfahren ließ. Sahure wußte,
auf der Südhalbkugel die Sonne von Osten über was er befahl. Und auch Necho war seiner Sache
Norden zum Westen zieht. sicher.

115
Eine Fahrt hat sich gelohnt
Im Goldland
Den Kapitänen und Kaufherren gingen die Au- überraschte. Mit fast verächtlicher Lässigkeit
gen über. Es hatte sich gelohnt, nach Punt zu fah- wühlte Adoniram in den Diamanten, undAsarja
ren. Der Vorstoß in das Unbekannte, der aufrei- winkte gelangweilt ab, als vier Sklaven einen
bende Marsch ins Inland, Moskitos, Fieber, übermannshohen Elefantenzahn vor ihm auf-
schwüle Hitze: es hatte sich gelohnt! richteten. Dabei wußte Channo, daß Salomos
Welche Schätze schleppten da die Sklaven dieses Beauftragte nie zuvor über die Grenzen ihres
schwarzen Fürsten heran: Silber und Edelsteine, kleinen Juda hinausgekommen waren. Woher
riesige Stoßzähne von Elefanten und — Gold! nahmen sie nur diese Selbstbeherrschung? Wie
Wer wollte da noch über diesen Mohrenkönig la- gelang es ihnen, sich so ruhig zu zeigen, ab wüß-
chen, der mit klirrenden Bronzeringen an den ten sie nichts von dem Wert dieser Schätze? Oder
Beinen daherkam? Wer wollte noch Witze ma- — Channo runzelte die Stirn — hatten sie von all
chen über seine beleibte Gemahlin, die sich beim diesem hier schon längst gewußt? Hatte ihr König
Gehen von zwei Sklavinnen stützen lassen muß- sie darauf vorbereitet? Doch, wenn es so war,
te? Ja, sie waren Barbaren, aber sie besaßen woher nahm dieser Salomo solche Weisheit?
Gold, Gold in Fülle. Und Gold wog alles auf: die Hatte ihm sein Gott offenbart, daß es am Rande
Grausamkeit, mit der dieser Fürst über seine der Welt diese Schätze gab?
Sklaven die Peitsche schwang, die tierische Art, Gleichwohl! Channo riß sich von seinen Gedan-
in der er die Speisen herunterschlang, die schwü- ken los. Hier und heute heißt es: Augen aufge-
len Feste, bei denen es nach Blut roch. Der Fürst macht und aufgepaßt! Hier wird gehandelt, hier
besaß Gold. Und darum war er kein Barbar. wird verdient.
Diese Wilden trugen Holzscheiben in den aufge- Nur gut, daß dieser schwarze Barbar gar nicht
schlitzten Lippen. Sie rochen nach dem ranzigen ahnt, welche Schätze er besitzt, nein, besaß!
Fett, mit dem sie ihr Haar zu Lehmknötchen fri- Denn, schau her, du Barbar, dieser Goldbarren
siert hatten. Sie waren ohne Zweifel Menschen- hier ist schon mein. Gegen ein paar Fetzen buntes
fresser! Was tat das alles! Wenn sie nur Gold her- Leinen habe ich ihn eingetauscht. Diesen mächti-
beischleppten, Gold. gen Elfenbeinhauer bietet mir die schwarze
Die Kapitäne aus Tyrus und Gebal hatten sich Fratze an? Da, diese Handvoll Glasperlen halte
gut in der Gewalt. Sie waren in der Welt herum- ich dagegen. Du willst nicht? Dann eben nicht.
gekommen, verstanden sich aufs Handeln. Wenn Mir ist an diesen bleichen Elefantenknochen gar
auch die Herzen brannten, ihre Gesichter blieben nichts gelegen, nein, gar nichts. Sieh an: Kaum
kühl und unbeteiligt. Sie neckten dieÄffchen, die stelle ich mich gleichgültig, so geht er auf den
ihnen angeleint vorgeführt wurden, und machten Handel ein. Na also, warum denn nicht gleich?
den dickleibigen Schönen bewundernde Augen. Da hast du die Glasperlen. Bei der großen Belit
Channo sah zu den Beamten des weisen Königs Gibla: das war ein gutes Geschäft. Doch, Chan-
Salomo hinüber. Nicht einen Augenblick hatten no, laß es dir nicht anmerken, schneid' ein Ge-
sie verraten, wie sehr sie dieser Reichtum hier sicht, als fühltest du dich betrogen!

117
Und nun zu den bunten Steinen da: etwas so du bietest den ganzen Beutel mit Diamanten da-
Herrliches habe ich noch nicht gesehen. Reiß für? Na gut, hier ist mein Messer. Her mit dem
dich zusammen! Der Schwarze braucht nicht zu Beutel!
ahnen, daß du dir für einen einzigen dieser Dia- Channo erhebt sich, winkt seinen Kapitänen mit
manten ein Schloß kaufen kannst. Wühle achtlos den Augen: Schluß für heute! Sonst denken diese
in den Steinen herum, als seien es wertlose Kiesel. Tröpfe gar, wir seien auf ihr Gold und Elfenbein
Ha, du speckiger Mohr, mach mir nur Zeichen, erpicht. Morgen schachern wir weiter oder auch
daß du es auf mein Eisenmesser abgesehen hast. erst übermorgen.
Ich habe das längst gemerkt und darum eben—so Er winkt seinen Dienern. Die raffen die Schätze
ganz nebenbei — die kopfgroße Nuß damit ge- zusammen, die Channo achtlos mit dem Fuß zu-
spalten. So ein Messer käme dir zupaß, wie? Jetzt sammenschiebt. Der Tag hat sich gelohnt. Was er
endlich beginne ich zu begreifen: Mein Messer erbrachte — nicht auszudenken. Dein Lebens-
willst du? Nein, nein, das brauche ich selbst! Ah, abend, Channo, ist gesichert.

Gold gegen Glasperlen

Zimbabwe war der Ort der Handlung, dort wo Das Beladen der Schiffe dort im Bildbericht der
Abbé Breuil die Felsmalereien entdeckt hatte: Hatschepsut zeichnet ein eher friedliches Bild.
Erzählen sie vielleicht vom Kommen der Flotte Da ist auch nicht die Spur von Raub zu bemer-
Salomos? Erzählen sie, wie Juden und Phönizier ken. Kann man überhaupt Kübelpflanzen bei
Glasperlen, Eisenwaren und bunte Tuche als einem Raubüberfall erbeuten? Das würde vor-
Tauschartikel anbieten für unermeßliche Schät- aussetzen, daß die Eingeborenen die Pflanzen
ze: Gold, Edelsteine, Elfenbein? Vielleicht! Das bereits in Kübeln zogen; unsinnig, wenn man
ist nicht ganz so selbstverständlich, wie es hier bedenkt, daß sie solches gar nicht nötig hatten,
scheinen mag. Einige Forscher haben behaup- weil diese Bäume überall in ihrer Umgebung
tet, die Fahrten nach Punt und später die nach frei wuchsen. Man wird also diese Bäumchen
Ofir seien reine Raubfahrten gewesen. Die See- vorsichtig ausgegraben und in Kübel gepflanzt
leute der Hatschepsut und die des Salomo hät- haben, eine Arbeit, die umständlich ist und Zeit
ten in bewährter Piratenmanier die Küsten ge- erfordert, Zeit, die man bei raschem Piraten-
plündert und den Raub als Beute heimgebracht. streich nicht zur Verfügung hat.
Ich mag mich dieser Ansicht nicht anschließen. Und was für die Fahrten der Hatschepsut gilt,

118
über die wir ja einen Bildbericht besitzen, dürfte Hunger litten die Eingeborenen Afrikas wohl
auch für die Ofirexpeditionen Salomos zutref- nicht. Doch an „Industriegütern" hatten sie
fen. Gewiß, Salomo hat im Anfang seines Kö- Mangel: an Tuchen, an Hausgeräten aller Art,
nigtums hart durchgegriffen, als es galt, seinen an Messern, Äxten und anderem Werkzeug. In
Thron zu sichern. Doch stets waren es einzelne Tyrus gab es davon genug. Und außerdem: Sol-
Personen, an denen er Gewalt übte. Uns ist aus che Dinge benötigen wenig Stauraum, sind auch
seiner langen Regierungszeit aber kein einziger nicht verderblich wie etwa Lebensmittel. Ich
Fall bekannt, wo er mit dem Schwert oder auch vermute deshalb, daß Salomo seinen Leuten
nur unter Androhung von Gewalt gegen ganze dieselben Tauschartikel mitgab, wie sie - Jahr-
Stämme, Städte oder gar Völker vorging. Im tausende später — die Portugiesen, die Spanier
Gegenteil, als Rezon von Damaskus sich selb- oder Holländer mit sich führten: billigen
ständig machte, ließ Salomo ihn gewähren und Schmuck, bunte Glasperlen, bedruckte Tuche,
versuchte nicht, mit militärischer Gewalt den Werkzeuge und Geräte jeder Art. Fünfhundert
Norden zurückzugewinnen. Und auch den Jahre nach Salomo haben es auch die Karthager
Edomiter Hadad ließ er, soweit wir wissen, un- so gehalten, als sie an der Westküste Afrikas
behelligt. nach Süden vorstießen. Und was für Afrika gilt,
das gilt auch, in noch stärkerem Maße sogar,
Ausgerechnet in Übersee, im fernen Ofir, sollte wenn wir - wie es oft geschieht — Ofir nach In-
Salomo seinem Namen Unehre getan und sich dien verlegen. In Indien hätte man für Getreide
als Räuberkönig erwiesen haben? Es scheint oder öl kein Interesse gefunden, aber kaum
unwahrscheinlich, zu fern dem, was wir an Spu- auch für die eben aufgeführten Tauschgüter.
ren dieses Königs fanden. Die Annahme, er Denn Indien - ein Land von hoher Kultur - be-
habe auch in diesem Fall seinen Vorteil im Han- saß selber eine reiche Auswahl an derlei Din-
del gesucht, entspricht dem Wesen dieses Man- gen! Für jeden, der Ofir in Indien sucht, bleibt
nes viel besser. daher die Frage: Womit hätte wohl Salomo in
Wenn wir dem zustimmen, bleibt nur noch die Indien das Gold und Elfenbein bezahlt? Die
Frage, was Salomo seinen Schiffsleuten mit auf Antwort muß offen bleiben. Gerade dies aber
den Weg gegeben haben mag. Weizen und öl, spricht ein weiteres Mal dafür, daß wir Ofir -
wie einige Kommentare meinen? Kaum, denn und Punt - in Afrika zu suchen haben.

119
Channo beginnt zu begreifen
Die Landratten aus Juda behielten recht. Der Morgens stieg ein schroffes Vorgebirge aus dem
Wind war umgeschlagen, wehte stetig nun aus Dunst. Kap der Hunde nannten es die Lotsen, die
Süd. Kynon schlich geduckt umher, da alle ihn Channo in Sukatara an Bord genommen hatte.
verspotteten. „ Wie war das doch, Kynon? Wir Bald darauf lief die Flotte in eine zauberhafte
kehren nie zurück zur Heimat?" Doch es lag in Bucht ein. Schwarze Felswände ragten aus der
ihrem Spott keine Feindschaft. Sie alle waren ja kristallenen Bläue des Wassers, sie boten Schutz
viel zu glücklich, um hassen zu können. Welche vor dem Wind.
Schätze bargen die Schiffe! Und es ging heim- Fremdartige Schiffe lagen hier vor Anker. Die
wärts, immer nach Norden, nach Norden. Lotsen wußten zu berichten, daß sie aus fernen
Steif standen die Segel, als die Flotte gegen die Landen weit im Osten kamen. Welch ein Lärm
Meeresströmung ankämpfte. Es kam der Tag, an im Hafen! Schlimmer noch als in Tyrus, ein
dem Channo die Mannschaft nach achtern rief. Schachern und Feilschen wie in Tarschisch, doch
Erwartungsvoll drängten sie sich auf dem Deck. nicht um Zinn oder Elfenbein aus dem Nord-
Channo trat an den Rand des erhöhten Achter- meer, nicht um den Bernstein, die Tränen der
decks, winkte dem Graukopf, der mit ihm in Tar- Sonne. Weihrauch bot man hier feil, in Ballen
schisch gewesen war. „ Tritt vor, Alter, und sieh!" säuberlich in Strohmatten verpackt. Schon am
Channo streckte den Arm aus. In der Hand hielt ersten Abend gab es Ärger mit Seeleuten, die aus
er eine Schnur, an deren Ende ein gerader Stab dem Reich des Pharao kamen. Argwöhnisch hat-
hing. „ Wie weist der Schatten, Alter?" Graukopf ten sie die Phönizier beobachtet. Was suchten die
bückte sich vor, betrachtete den kurzen Schatten, hier? Wie kamen sie überhaupt hierher? Die See-
den der Stab auf das Deck warf. Nun blinzelte der fahrt auf diesem Meer gehört allein dem Pharao
Alte zur Sonne hinauf. Ein Lachen lief über seine und seinen Flotten!
verwitterten Züge: „Männer! Dieser lotrecht Channo sah: Kam es zum Streit, dann war die
hängende Stab wirft seinen Schatten nach Nord. Heimkehr gefährdet. Auf diesem Meer besaß der
Die Sonne steht wieder im Süden!" Lärm bran- Pharao die Herrschaft. Channo wollte Erkundi-
dete auf, Kynon drängte vor, starrte auf den gungen einziehen, woher der Weihrauch komme.
Schatten, blickte zu Channo empor, der jetzt den Doch Adoniram hatte es schon erfragt: In den
Stab fallen ließ. Kynon sprach kein Wort, nickte Gebirgstälern des Hinterlandes wuchsen die
nur stumm. Da schwand auch der letzte Zweifel. Sträucher wild. Für heilig hielt man die Bäum-
Die Sonne war wieder in ihrer Bahn, nun wurde chen, für heilig auch die Familien, die das Vor-
alles, alles wieder gut. recht besaßen, die Stämme anzuritzen und das
Doch es verstrichen nochmals Woche um Wo- aus der Wunde sickernde Harz zu sammeln.
che, ehe die Insel Sukatara aus dem Ozean tauch- Channo wollte weiter. Ihn drängte nicht Heim-
te. Auf Westkurs ging die Flotte dann, der Wind weh, sondern die Sorge, ob nicht der Pharao ihm
kam nicht mehr achterlich, sondern von der Seite. den Weg verlegen könnte. Channo war nicht nur
Doch es reichte, den Kurs durchzuhalten. Eines Seemann. Ein Phönizier war immer, auch wenn

120
er eine Flotte führte, zuerst ein Kaufmann. Und Sorgen im eigenen Land. Er wird uns nicht den
darum wußte er, was es bedeutete, in einen Han- Weg verlegen.
deleinzubrechen, der bisher ausschließlich einem Schweigend hörte Channo zu, was Adoniram
anderen gehörte, dem Pharao. Erfuhr der Pha- vorzuschlagen hatte. Gut, sie würden also die
rao zu früh, daß sich eine tyrische Flotte hier ge- Herrin dieses Landes in ihrer Hauptstadt Marib
zeigt hatte, war Schlimmes zu befürchten. besuchen, um ihre Freundschaft zu suchen und
Adoniram hatte geduldig zugehört, was Channo den Handel mit ihr anzuknüpfen. Und es galt:
an Gründen für eine schnelle Abreise vorzubrin- Immer geht der Gewinn, wie zwischen Salomo
gen hatte. Doch dann lächelte er. „Du sprichst als und Hiram abgesprochen, in zwei gleiche Teile:
Phönizier, Channo. Und ich verstehe deine Sorge eine Hälfte für den König in Tyrus, die andere für
sehr gut. Doch nun verstehe auch mich. Ich den in Jerusalem. Ja, wir haben schon weise Her-
denke als Jude, als Vertrauter des Königs Salo- ren!
mo. Und darum sage ich dir: Hab' keine Sorge
vor dem, was Pharao tun könnte." Adoniram Aber auch dieser Adoniram ist schlau: Asarja
hob die Stimme. „Pharao wird nichts tun. Denn soll mit einigen anderen dieser jüdischen Herren
er ist der Vater Tejes, die Salomo zum Weibe hier im Hafen zurückbleiben, um auch hier Fä-
hat." den zu knüpfen, Freundschaften zu schließen?
Channo begriff. So also war das: Teje, eine der Nein, ich verstehe, mein lieber Adoniram: Um
Frauen dieses weisen Königs, war der Schlüssel, meine phönizischen Kapitäne zu überwachen!
der die Tür zum Wunderland Ofir aufgeschlos- Um fein säuberlich Buch zu führen über alles,
sen hatte. Über Teje hatte Salomo erfahren, daß was da an Bord kommt. Ach, wenn man doch die
es ein Goldland Ofir gab. Mehr: wie man dorthin Hände frei hätte, nicht angewiesen wäre auf die-
gelangt. Und von unserem König Hiram, der ihm sen Hafen Ezjon Geber, den der weise Salomo
ebenfalls eine Tochter zum Weibe gab, ließ er am Elanitischen Meer besitzt. Wenn man auf ei-
sich Schiffe bauen und dann die Mannschaften gene Rechnung hier Handel treiben könnte und
dafür stellen. Fürwahr, ein weiser König! nicht teilen müßte mit diesen Juden! Doch
Channo fuhr auf, Adoniram hatte gefragt, ob er Channo gab sich dem Ärger nicht hin. Ein
nun zustimme. Channo nickte. Ja, er stimmte zu. Kaufmann und Seemann muß die Dinge neh-
Adoniram hatte recht, vom Pharao drohte kaum men, wie sie sind. Träume bringen nichts ein.
Gefahr. Der weise Salomo würde sich beizeiten Channo straffte sich in den Schultern. Er sagte
abgesichert haben. Und außerdem: Es stand leichthin: „Ich bin einverstanden, Adoniram.
schlecht um die Macht Mizraims. Ägypten hatte Gib mir zwei Tage Zeit, die Reise ins Inland vor-
nicht mehr die Kraft wie einst. Der Pharao hatte zubereiten."

121
Der große Torn
Aus dem Logbuch einer Ofirfahrt
Es liegt auf der Hand, daß man in jener Zeit die Wind und grober See möglichst rasch geschützte
Strecke von Kosseir oder Ezjon Geber nach Buchten aufzusuchen, um die Lebensmittel zu
Südostafrika oder Indien nicht ohne Unterbre- trocknen und notfalls zu ergänzen. In unbe-
chung zurücklegen konnte. Dazu fehlten nicht kannten Gewässern wäre es im übrigen zu ge-
alle, aber doch eine ganze Reihe wichtiger Vor- fährlich gewesen, bei Dunkelheit Kurs zu hal-
aussetzungen. Mochten die Fahrzeuge selbst ten. Besonders in Landnähe verbot es sich von
auch in bedingtem Maß hochseefähig sein, der selbst, nachts unter Segeln zu bleiben. Nur auf
Proviant war es nicht. Mehl und Hartbrot halten hoher See konnte man Fahrt halten, solange
sich zwar, solange sie trocken bleiben. Doch wa- Richtung und Stärke des Windes es zuließen.
ren die Verhältnisse an Bord sicher nicht so, daß Wir werden das bei der Berechnung der Reise-
bei grober See die Räume unter Deck trocken zeiten im Auge behalten müssen.
gehalten werden konnten. Und was für Brot zu-
trifft, gilt in gleicher Weise für Hülsenfrüchte, Diktiert wurde die Reise in erster Linie vom
Rosinen, Feigen oder Dörrfleisch. Die Mög- Monsun. Er bestimmte, wann man fahren konn-
lichkeiten zur Konservierung waren bescheiden. te. Ich will hier einmal versuchen, einen Zeit-
Darum war es erforderlich, besonders nach plan für eine solche Fahrt aufzustellen.

WÊÊÊÊ. 1
2
Tyrus
Jerusalem
1
2
Tyrus
Jerusalem
5
6
„Saba"
Sokotra
3 Ezjon Geber 3 Ezjon Geber 7 Bab el Mandeb
^^"^C/^ 3 4 Kosseir 4 Kosseir 8 Sambesi
/) W? 5 „Saba" 9 Maschonaland
6 Sokotra
7 Bab el Mandeb
8 Sambesi
3 9 Maschonaland

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Wechsel der Monsume: links Sommer; rechts Winter 123


15. August des Jahres 950 v. Chr. : Die Flotte geht noch weht. Man kann in Ruhe handeln, verhan-
in Ezjon Geber in See. Der Wind kommt in dieser deln. Man hat sogar ausreichend Zeit, eine Expe-
Jahreszeit im Roten Meer aus West bis Nordwest. dition ins Inland durchzuführen, falls dies erfor-
Die Schiffe haben also räumen Wind und können derlich ist.
sich in der Mitte des Roten Meeres halten. Eine
Annäherung an die Küste ist wegen der zahlrei- 15. April des Jahres 949 v. Chr.: Der Wind weht
chen Riffe gefährlich. Man wird also die Küste jetzt stetig aus SO. Ein leichter Passat, der gerade
nur angelaufen haben, wenn es unumgänglich ausreicht, gegen die Meeresströmung anzulau-
war. Bei Tagesleistungen von etwa 2 00 km ist die fen. Je weiter die Flotte nach Norden gelangt, de-
Insel Sokotra am Horn von Afrika bis Mitte Sep- sto frischer weht es aus Süd. In der Nähe des
tember zu erreichen. Doch hier liegen die Schiffe Äquators geht der Passat unmerklich in den
fest und müssen warten, bis der Monsun um- Südwestmonsun über. Alles ist festgezurrt, die
springt. Das kann bald, aber auch erst nach Wo- Luken, soweit das damals schon möglich ist,
chen geschehen. dicht, die Segel müssen gelegentlich aufgegeit
werden. Denn nördlich des Äquators kann der
1. November: Der Monsun weht seit Tagen Monsun bis zu Sturmstärke aufbrisen. Kam man
gleichmäßig aus Nordost. Es sieht aus, als habe er anfangs nur mit 1 bis 2 Knoten Fahrt voran, so
jetzt Bestand. Die Schiffe setzen die Segel und ge- macht man jetzt im MonsungebietflotteFahrt mit
hen auf Kurs Süd bis Südwest. Auch wenn Sa- sicher 5 bis 6 Knoten.
lomo den Navigatoren genaue Anweisungen mit-
gegeben hat, können diese doch niemals so exakt 15. Mai: Man hat das Westkap der Insel Sokotra
gewesen sein, daß die Kapitäne Nachtfahrten in umrundet und läuft in den Hafen ein. Der Flot-
Küstennähe hätten wagen können. Wir müssen tenführer steht nun vor einer wichtigen Entschei-
daher annehmen, daß man nachts beidreht. Da- dung. Es ist nicht möglich, durch den Golf von
durch dürfte sich die Reisedauer verdoppelt ha- Eden in die Straße von Bab el Mandeb und das
ben. Eine weitere Verzögerung ist dadurch zu Rote Meer zu laufen, solange der Südwestmon-
erwarten, daß man nach Häfen Ausschau hält sun weht. Man muß also in Sokotra liegenblei-
und bei Gelegenheit kurze Erkundungen an ben, bis der Nordostmonsun kommt. Oder aber
Land unternimmt. Über all dies können wir aber man nutzt die Gelegenheit und läuft mit halbem
nur Vermutungen anstellen. Doch sie sind nicht Wind quer über den Golf von Aden zur südye-
aus der Luft gegriffen, sondern in der Situation menitischen Küste. Es dürfte nicht schwierig ge-
begründet. wesen sein, einen der östlichen Häfen Yemens zu
erreichen. Falb die tiefgeladenen Schiffe aber fä-
15. Dezember: Die Flotte erreicht den von Sa- hig waren, auch bei leichtem Gegenwind Kurs zu
lomo vorbestimmten Zielhafen. Und wieder hat halten, wäre sogar Aden anlaufbar gewesen.
man Zeit, viel Zeit; so lange Zeit, wie der Nord- Yemen: Das Gebiet, das heute so heißt, führte in
ostmonsun, der die Schiffe hierher getrieben hat, alter Zeit einen Namen von gutem Klang: Saba.

124
Und wen hätte es nicht gereizt, bei solcher Gele- 1. November: Jetzt weht wieder stetig der Nord-
genheit das sagenumwobene „ Glückliche Arabi- westmonsun. Die Anker können gelichtet wer-
en" kennenzulernen. Damals allerdings, als Sa- den. Die Küste mit Kurs Westsüdwest entlang
lomos Flotte unterwegs war, herrschten hier noch passieren wir die Straße von Bab el Mandeb. Bis
die Minäer. Der Name „Felix Arabia" ist aller- hierher hatten wir achterlichen Wind. Jetzt gehen
dings gut tausend Jahre jünger. Doch die Sache wir auf nordnordöstlichen Kurs, haben aber
selbst traf auch zur Zeit Salomos zu: Südarabien noch immer halben Wind und machen ruhige
galt als ein Paradies. Es war das Land, in dem Fahrt. Die schwierige Navigation in dem an Ko-
Myrrhe von den Zweigen troff; wo Weihrauch rallenriffen reichen Roten Meer läßt Vorsicht ge-
über die Felshänge duftete und Gold auf seinen raten sein. Es wäre ein Jammer, ginge ausgerech-
Finder wartete. net so kurz vor dem Heimathafen noch ein Schiff
mit dieser kostbaren Ladung verloren.
Und die Häfen dieser Küste waren Umschlag-
plätze zwischen Ost und West. Hier landete man 1. Januar des Jahres 948 v. Chr. (mit Abwei-
Seide aus China und Teakholz aus Indien. Hier chung): Einlaufen in Ezjon Geber. Alles, was
stapelten sich Gewürze aus Sri Lanka, Elfenbein, Beine hat, strömt am Hafen zusammen. Der Fe-
Edelsteine und Gold. Gewiß, das alles konnte stungskommandant gibt einen großen Empfang
man auch auf Sokotra — auf Sukatara, der droben auf der Inselburg. Stafetten sind nach Je-
„glücklichen Insel" - haben. Doch die Küste rusalem unterwegs, unsere glückliche Heimkehr
drüben bot mehr: vor allem die Lockung des un- dem König zu melden.
bekannten Reiches der Minäer, fern hinter Ber-
gen, die zum Himmel ragten, weit hinter endloser
Wüste. Wenn ich Führer der Flotte gewesen wäre, Summa summarum ergibt sich eine Reisedauer
mich hätte es nicht in Sokotra gehalten. von etwa eineinhalb Jahren, mit Abweichungen
wie schon gesagt. So pünktlich kentern die Mon-
1. Juni: Die Flotte legt in einem Hafen deryeme- sune nicht. Und Stürme oder gar Orkane lassen
nitischen Küste an. Bald spinnt sich ein munterer sich nicht einkalkulieren.
Handel an mit den Kapitänen der dort liegenden Vergleicht man die Reisezeit, die wir errechnet
indischen Fahrzeuge. Inzwischen wird eine Ex- haben, mit der Notiz 2. Chronik 9,21 „Denn die
kursion ins Inland vorbereitet, landeskundige Schiffe... kamen in drei Jahren einmal", so
Führer werden angeworben, diplomatische Be- reimt sich das recht gut zusammen. Nach ein-
ziehungen geknüpft. Die Expedition startet ins einhalb Jahren Seefahrt benötigen die Schiffe
Inland, leider zur Zeit der größten Hitze, was sich gründliche Überholung. Sie müssen auf Land
nicht vermeiden läßt. Man kann sich aber Zeit geholt, vom Bewuchs gereinigt, ausgebessert
lassen und während der heißen Stunden des Ta- und kalfatert werden. Die gesamte Takelage
ges ruhen. Es genügt ja, wenn die Karawane im wird man völlig neu ersetzt haben. Möglicher-
Herbst wieder im Hafen eintrifft. weise lohnte sich — zumindest bei einigen Fahr-

125
zeugen - eine Reparatur nicht mehr. Für sie Kapitäne, Nautiker, Piloten und Steuerer wird
mußte Ersatz in Tyrus bestellt, von dort heran- man nach Möglichkeit wieder herangezogen
geschafft und hier in Ezjon Geber zusammen- haben. Ihre Erfahrung war unersetzbar. Gerade
gebaut werden. ihnen aber mußte man einen längeren Urlaub
Vor allem aber: Die gesamte Mannschaft, vom zubilligen. Weil man auf sie nicht verzichten
Kapitän bis herunter zum Leichtmatrosen, war konnte und sie sich daher nicht vergrämen
landhungrig. Sie alle wollten und mußten erst durfte.
einmal nach Hause. Bis dahin war es allerdings Bis alle Schäden behoben, die Mannschaft wie-
noch immer eine weite Reise, durch öde Steppe der versammelt und alles zu neuer Reise bereit
und trostlose Wüste, durch Felsengebirge und war, reicht die nächste Gelegenheit zur Aus-
Sanddünen, in glühender Hitze. Wir wissen fahrt - Spätsommer 948 - nicht aus. Man wird
nicht, ob man für die nächste Reise nach Ofir deshalb gleich als Aufbruchstermin den Spät-
dieselbe Mannschaft aufstellte. Mag sein, daß sommer 947 in Aussicht genommen haben.
wenigstens teilweise neues Schiffsvolk genom- Nach dieser Rechnung erfolgten die Ofirfahrten
men wurde. Doch die Männer vom Fach, die im regelmäßigen Turnus von drei Jahren.

Joschafat hatte kein Glück

Der eine wußte, wo das Goldland Ofir zu suchen Ich habe mir die Freiheit genommen, dem Be-
war. Der andere verfügte über das technische vollmächtigten Hirams den Namen Channo bei-
Know-how, die kundigen Schiffsbauer und die zulegen. Ein Name, der im phönizischen Kultur-
Seeleute aller Dienstränge. Keiner konnte ohne raum später guten Klang hatte. Ein karthagi-
den anderen. Jeder war auf den anderen ange- scher Admiral dieses Namens ist um 470 an der
wiesen. Es drängte sich daher bei den Vorver- Westküste Afrikas entlang bis zum Kamerun-
handlungen schon auf, halbe-halbe zu machen. berg vorgestoßen. Er hat dabei insgesamt etwa
Es liegt in der Natur der Sache, daß Hiram wie 10 000 km hinter sich gebracht. Welch großar-
auch Salomo ihre besonderen „Bevollmächtig- tige Leistung dies darstellte, wird uns klar, wenn
ten" der Expedition mitgegeben haben; auch wir bedenken, daß die Portugiesen — zweitau-
wenn über diese delikate Angelegenheit in den send Jahre später - fast sieben Jahrzehnte benö-
Annalen kein Wort verlautet. tigten, um bis nach Kamerun vorzustoßen. Na-

126
türlich ist der von mir so benannte Channo, dem menschlich bei diesen Fernunternehmen ein gu-
ich das seemännische Kommando über die tes Zusammenspiel gegeben haben.
Flotte Salomos anvertraute, in keiner Weise mit Und noch ein anderes: Ohne Zweifel wäre das
dem späteren Karthager verwandt. Der Channo Unternehmen Ofir in einer Zeit großer ägypti-
unserer Geschichte ist ein Gebilde meiner scher Machtentfaltung unmöglich gewesen. Wir
Phantasie. Warum sollte er deshalb nicht weni- hatten schon gehört, daß es in stabilen Zeiten
ger „wahr" sein? undenkbar war, daß der Pharao eine seiner
Ebenso frei gewählt sind die Namen der Be- Töchter einem anderen Herrscher zur Frau gab.
vollmächtigten Salomos, zwei Herren namens Salomo hätte nicht einmal daran denken kön-
Adoniram und Asarja. Die so wichtige Mission, nen, in Theben oder Tanis um die Hand einer
„ein waches Auge auf die sattsam bekannten Pharaonin anzuhalten. Er wäre daher niemals in
Praktiken der Phönizier zu haben", wird Sa- den Besitz jener streng geheimen Segelanwei-
lomo bestimmt nicht untergeordneten Persön- sungen für Ofir gelangt.
lichkeiten anvertraut haben. Wenn es um solche Unvorstellbar bleibt darüber hinaus, daß ein
Werte geht, gibt man bewährten Männern des Pharao, der über Macht verfügte, einem ande-
Vertrauens die Prokura. r e n - und sei es der Schwiegersohn—freien Griff
Adoniram, der sich als Chef des Fronwesens in die Goldschatulle Punt gestattet hätte. Nur
bewährt hat, erhält die geheime Segelanwei- weil Ägypten ohnmächtig ist, kann Salomos
sung, versiegelt und erst nach Erreichen genau Flotte am alten Kosseir vorbei nach Süden vor-
festgesetzter Standorte zu öffnen, Rolle auf stoßen und in wiederholten Fahrten Ägyptens
Rolle zu gegebener Zeit. Und — so denken wir Monopol durchbrechen. Es scheint, als hätten
weiter — Asarja Ben Zadok, der Sohn des prie- Salomo wie Hiram die Gunst der Stunde er-
sterlichen Freundes Salomos, hat sich in leiten- kannt und sich in schönem Einvernehmen einen
der Verwaltungsstellung hervorgetan und ver- Griff in die geheimen Schätze Ägyptens geneh-
dient in allen finanziellen Dingen volles Ver- migt.
trauen. Er wird - das ist sicher - stets im Inter- Der Vorstoß nach Ofir war nur möglich, wenn
esse des Königs handeln. Ägypten stillhielt und wenn die Phönizier
Schiffe und Leute stellten. Jeder Versuch, der
Gleich auch, wie die beiderseits Bevollmächtig- ohne diese Voraussetzungen unternommen
ten geheißen haben mögen: Es wird des Taktes, wurde, mußte fehlschlagen. Das zeigt sich gut
des Fingerspitzengefühls und ruhiger Selbstsi- hundert Jahre später, als König Joschafat von
cherheit bedurft haben, um Reibereien gar nicht Juda mit Ahasja von Israel den Vorstoß ins
erst aufkommen zu lassen. Wenn wir den bibli- Südmeer wagt.
schen Erfolgsmeldungen über die Ofirfahrten
trauen dürfen, - und wir haben keinen Grund, Zuletzt verbündete sich Joschafat, der König von Juda, mit
sie zu bezweifeln — muß es organisatorisch wie Ahasja, dem König von Israel, dessen Tun frevelhaft war.

127
Joschafat schloß mit ihm ein Abkommen, um Schiffe zu König Joschafat gab den Auftrag, in Ezjon Ge-
bauen, die nach Tarschisch fahren sollten. Sie bauten die
Schiffe in Ezjon-Geber. So zerschellten denn die Schiffe und
ber Tarschischschiffe - also Hochseeschiffe - zu
konnten nicht nach Tarschisch fahren. erbauen. Der Chronist - wahrscheinlich in Un-
(2. Chr. 20,35f) kenntnis über Schiffsbau — hatte keine Vorstel-
lung, daß ein Tarschischschiff eine Schiffsklasse
Es wird leider nicht gesagt, aufweiche Weise das darstellt und schlicht ein seegehendes Tiefwas-
Unternehmen scheiterte. Die Lutherüberset- serschiff bedeutet. Er brachte den Namen Tar-
zung legt es nahe, an einen Sturm zu denken. schisch als Typenbezeichnung mit der sagenhaf-
Der hebräische Urtext macht es aber möglich, ten Stadt „irgendwo da hinter dem Meer" in
auch zu übersetzen „wurden zerbrochen". Mög- Verbindung; so kommt es, daß bei ihm Schiffe
lich, daß die Schiffe schon beim Bau auseinan- nach Tarschisch im Roten Meer starten.
derbrachen, weil sich die einheimischen Zim- Sehr viel näher an der Wirklichkeit und wohl auf
merleute nicht auf Schiffbau verstanden; mög- besseren Quellen fußend ist die Überlieferung:
lich, daß die Fahrzeuge in einem Sturm scheiter-
ten; möglich und denkbar aber auch, daß die in- Auch baute Joschafat eine Tarschischflotte, die nach Ofir
fahren sollte, um Gold zu holen. Doch kam es nicht zur
zwischen erstarkten Ägypter die Flotte auf Fahrt, da die Schiffe in Ezjon-Geber zerschellten.
Grund setzten. (1. Kön. 22,49)
Im übrigen ist der Text an dieser Stelle ohnehin
unsicher überliefert. In Ezjon Geber Schiffe zu Dieser - leider zu knappe - Bericht entspricht
bauen, die nach Tarschisch fahren sollten? Hier eher den wirklichen Begebenheiten. Joschafat
gehen dem Berichterstatter, der einer späteren hatte wohl in den Archiven den Bericht von den
Zeit angehört, zwei Dinge durcheinander, die Ofirfahrten Salomos aufgefunden und beschloß,
nicht zueinander passen: Ezjon Geber und Tar- die leere Staatskasse aus dieser Quelle zu füllen.
schisch. Der Hafen Judas liegt am Roten Meer Sein Unternehmen Ofir war aber aus den schon
und das Tartessos im fernen Westen Spaniens! angeführten Gründen von vornherein zum
Wahrscheinlich ist der Irrtum so zu erklären: Scheitern verurteilt.

128
Die Königin von Saba
Im Lande der Minäer
Channo wischt sich den Schweiß aus den Augen. Eine Oase, unter wiegenden Palmen ein spru-
Sein Atem fliegt. Nur gut, daß hier auf der Paß- delnder Quell. Hier werden wir einen Tag ruhen?
höhe ein frischer Wind weht. Doch die Helle ist Ich bin einverstanden, wir haben eine Rast ver-
unerträglich. Nach Luft ringend blickt Channo dient. Channo staunt. Eine heiße Quelle gibt es
zurück. Fast fühlt er sich an die Heimat erinnert: hier, sogar mehrere? Quellen, in denen Kranke
So ähnlich ist es, wenn ich vom Kamm des Liba- Heilung finden? Nun, warum sollen nicht auch
non nach Tyrus hinabblicke, denkt er, der Steil- wir ein Bad hier nehmen? Nötig wäre es: Staub
abfall des Gebirges, unmerklich übergehend in und Schweiß kämen herunter.
Hügelland, ein Grüngürtel von Gärten vor dem Schade, daß sie so bald weiterziehen mußten. Der
blauen Meer. Nein, der Grüngürtel fehlt hier. Abstieg in das tief eingeschnittene Wadi, das die
Schmal nur, verdämmernd im Dunst der Küste, Führer Hazamareth nannten, war fast noch be-
ein Saum von fahlem Olivgrün. Du bist eben schwerlicher als der Aufstieg zum Paß. Doch
nicht in der Heimat, Channo, sondern hier in der dann sind sie am Ziel: Ein Paradies in der Wüste
Fremde, im Lande der Minäer. von Stein, ein Gottesgarten, in dem frische Was-
Mit den Augen verfolgt Channo den Weg, den sie ser sprudeln; grüne Palmen, weiße Paläste, gel-
heraufgestiegen sind. Nichts für einen Seemann! ber Sand, stahlblauer Himmel.
Glut, Hitze, Durst. Nicht einmal das Reiten schuf Im Prunksaal der Königin — Channo kann es
Erleichterung. Diese Höckertiere schaukeln kaum fassen. Er streckt sich auf dem schwellen-
schlimmer als ein Nachen aufgrober See. Nun ja, den Polster. Fremdartige Musik schwebt durch
wir haben es geschafft, nun geht es wieder ab- die Halle. Die Königin dort auf ihrem Thron: El-
wärts. fenbein schimmert, goldgefaßte Edelsteine blit-
zen, ein Bild wie in einem Märchen.
Sie hat anmutig den Kopf geneigt, lauscht dem,
was Adoniram, vom Dolmetscher übersetzt, er-
zählt. Wo hat dieser Jude nur die höfische Art ge-
lernt? Ganz unbemerkt hat ersieh in den Vorder-
grund gespielt. Unauffällig hat er die Aufmerk-
samkeit der Königin auf sich gezogen. Sie ver-
schwendet keinen Blick mehr auf Channo oder
seine Großen. Sie hört nur noch diesem Juden zu.
Channo ist von den ungewohnten Mühen des
Marsches zu erschöpft, um sich ärgern zu kön-
nen. Er ist nur verwundert über diesen Adoni-
ram. Channo schüttelt, ohne es zu merken, den
Kopf. Da habe ich diese Juden immer für halbe
Barbaren gehalten; und—beim Baal!—sie waren

130
es bislang auch. Ihr erster König, dieser Saul, war läßt! Fast sieht es so aus, als sei es pure Beschei-
noch ein rechter Bauerntölpel. David? Ganz denheit, doch ich habe ihn ja auf der langen Reise
ohne Zweifel ein Großer, einer, den sein Gott zur kennengelernt: es ist Berechnung! Er will die
Höhe führte. Und doch immer noch ein Hirten- Königin auf die Folter spannen. Jetzt gibt er nach,
junge, selbst auf dem Throne noch. Erst sein mit einem Blick, der um Vergebung heischt; um
Sohn, dieser Salomo, paßt in den Purpur. Er Verzeihung, daß er, der untertänigst ergebene
weiß zu leben, hat die rechte Art der Könige. Er Adoniram, der hohen Herrin von der Weisheit
besitzt Lebensart, wird Schwiegersohn des Pha- Salomos berichten darf.
rao und macht dessen Tochter, wie es sich gehört, Ist es Absicht, daß er so leise beginnt? Er zwingt
zu seiner Hauptfrau. Er soll ihr ja einen wahrhaft damit die anderen, die da eben noch scherzten,
königlichen Palast erbaut haben. Nun, gerade jetzt zu schweigen. Damit dem Dolmetsch ja kein
unsere Reise beweist ja, daß sich so etwas aus- Wort entgeht und die Königin nicht warten muß!
zahlt. Und unwillkürlich hat sich der Übersetzer dem
Mein König Hiram kommt da beinahe schlecht Tonfall angepaßt. Des Juden Stimme schwebt
weg. Gewiß, auch aus seinem Hause hat sich die- nur noch im Raum.
ser weise Salomo ein Weib geholt. Aber, man soll „Zwei Frauen brachten ihren Streit vor den Kö-
es kaum für möglich halten, dieser Salomo ist so- nig. Ach mein Herr, hub die eine an, wir wohnten
gar einem syrischen König im Handeln überle- beide in einem Hause. Und drei Tage, nachdem
gen. ich ein Söhnchen geboren, gab auch diese da ei-
Channo kann ein Schmunzeln nicht verbeißen. nem Jungen das Leben. Doch dieses Weibes
Gibt doch dieser Salomo unserem König Hiram Sohn starb in der Nacht. Sie aber stand auf, nahm
zwanzig Dörfer in Zahlung, die keinen Ochsen- meinen Sohn,derweil ich schlief, von meiner Seite
kopf wert sind. Und als Hiram in einem Briefsich und legte ihren toten Sohn in meinen Arm. Als es
darüber beklagt, da gibt der Jude nicht einmal aber Morgen ward, erkannte ich, daß es nicht
Antwort. mein Sohn war, der tot auf meinem Bett lag. Die
Wieder muß Channo zu Adoniram hinüberse- andere aberstritt: Nicht also, mein Sohn lebt, und
hen. Der scheint die Königin ganz schön in sei- deiner starb! Die erste widersprach: Nein, meiner
nem Garn zu haben! Nun ja, auch diese höfische lebt, und deiner starb!"
Kunst, andere einzufangen, kommt wohl aus Die Königin hat sich vorgebeugt, forscht: „ War
Ägypten. Es sieht mir ganz so aus, als sei dieser denn da niemand, der die Kinder kannte?" „ Kein
Adoniram bei der Pharaonin in die Schule ge- Mensch hatte sie gesehen. So kam es, daß jetzt
gangen. Jetzt hat er auch noch — die Königin hat Aussage gegen Aussage stand."
es nicht einmal bemerkt—sein Ziel erreicht: Von Die Königin zieht die Brauen hoch. „ Wer sollte
der Weisheit Salomos erzählt er. Was sagt der da entscheiden mögen?" Adoniram lehnt sich zu-
Dolmetscher? Die Königin bitte um ein Beispiel rück, als bemerke er die Spannung nicht, die auf
dieser Weisheit? Wie Adoniram sich nötigen den Gesichtern liegt. „Und was tat der weise Kö-

131
nig?" drängt die Königin. „Holt mir ein Schwert! wahr, die Weisheit Gottes ist in deinem König."
gebot Salomo." Aller Augen hängen an Adoni- Sie wirft den Kopf zurück, scheint einer Einge-
ram. „Und der König sprach: Teilet das Kind bung nachzulauschen. Lebhaft spricht sie jetzt
und gebt jeder Frau eine Hälfte." auf den Dolmetsch ein. Der überträgt ihre Worte
Selbst Channo hat sich vorgebeugt und starrt auf Adoniram, doch alle können sie hören: „Ich muß
Adoniram. Der Dolmetsch hat schier vergessen, den weisen König kennenlernen! Schüttele nicht
daß er Mittler ist. Er muß sich zusammenreißen den Kopf, Adoniram, ich scheue die Reise nicht.
und übersetzt hastig: „Da schrie das Weib, des- Schon übers Jahr wirst du mich in Jerusalem ein-
sen Sohn lebte, denn ihr Herz entbrannte über ih- ziehen sehen." Ein Lächeln spielt um ihre
rem Kinde: Nein, Herr, gebt ihr das Kind leben- Mundwinkel. „Ich will dem Weisen Rätsel auf-
dig und tötet es ja nicht! Die andere aber trotzte: geben, die er mir lösen mag."
Es sei weder mein noch dein, laßt es uns teilen! Adoniram deutet eine Verbeugung an. „Mein
Da sprach Salomo: Gebt der das Kind, die für Herr wird sich glücklich schätzen. Im Palast mei-
sein Leben bat. Die ist seine Mutter." nes Königs strahlt die Perle vom Nil, Teje, die
Tochter Pharaos; und Wurzel schlug auf Zion
Ein Aufatmen geht durch die Runde. Die Köni- die Zeder vom Libanon, Izebel, König Hirams
gin, über deren Gesicht die Erregung mütterli- Nichte. Wie werden sie sich freuen, die Myrrhe
chen Miterlebens zittert, richtet sich auf: „Für- von Saba als ihren Gast zu begrüßen."

Sie prüfte ihn mit Rätselfragen

Auch um Saba haben sich die Fachleute lange mer, herrliche Schlösser, prachtvolle Städte in-
Zeit gestritten. Wo hat es gelegen? Hat es über- mitten blühender Gärten... Kein Wunder, daß
haupt existiert? Oder war es nur ein Gebilde der zur Zeit des Kaisers Augustus der Heerführer
menschlichen Phantasie? So eine Art orientali- Aelius Gallus von Syrien auszog, dieses Saba zu
sches Atlantis? erobern. Er kam tatsächlich bis zur Hauptstadt
Gewiß, da gab es ein Reich Saba in Südarabien, Marib, doch nach wenigen Tagen mußte er die
von dem außer der Bibel auch andere Autoren Belagerung abbrechen und den Rückzug antre-
berichteten. Strabo, der griechische Historiker, ten.
weiß von der „weiblichen Üppigkeit" zu berich- Mohammed berichtet in der 34. Sure des Koran,
ten, die dort herrschte. Unermeßliche Reichtü- daß die von Saba Gott nicht für seinen Segen

132
gedankt hätten. Und dafür habe Allah sie gen. Es gab nichts, was dem König verborgen war und was er
schwer gestraft: Die Dämme brachen, und die ihr nicht hätte sagen können. Als nun die Königin von Saba
die ganze Weisheit Salomos erkannte, da stockte ihr der
herrlichen Gärten trugen „fortan nur noch bit- Atem. Sie sagte zum König: Was ich in meinem Land über
tere Früchte, Tamarisken und ein wenig Lotus. dich und deine Weisheit gehört habe, ist wirklich wahr. Ich
Dies gaben wir ihnen zum Lohn für ihre Un- wollte es nicht glauben, bis ich nun selbst gekommen bin und
dankbarkeit." (Sure 34,18) es mit eigenen Augen gesehen habe. Und wahrlich, nicht
einmal die Hälfte hat man mir berichtet, deine Weisheit und
Damit spielt der Koran auf die große Katastro- deine Vorzüge übertreffen alles, was ich gehört habe.
phe an, die sich — wie wir heute wissen — um das Glücklich sind deine Männer, glücklich diese deine Diener,
Jahr 570 nach Christus zutrug: Der gewaltige die allezeit vor dir stehen und deine Weisheit hören. Geprie-
Staudamm, der den arabischen Historikern als sen sei Jahwe, dein Gott, der an dir Gefallen fand und dich
auf den Thron Israels setzte. Weil Jahwe Israel ewig liebt,
eines der großen Weltwunder galt, brach und hat er dich zum König bestellt, damit du Recht und Gerech-
begrub Marib mitsamt seiner paradiesischen tigkeit übst.
Umgebung unter Schlamm und Sand. Wenn (l.Kön. 10, Iff)
man den arabischen Geschichtsschreibern glau-
ben darf, wurde dieser Staudamm bereits um Wir haben hier einen volkstümlichen Bericht
820 vor Christus erbaut. Sicher nachgewiesen ist vor uns, der offenbar auf eine historische Bege-
er jedenfalls aus dem sechsten vorchristlichen benheit zurückgeht. Es ist echt orientalischer
Jahrhundert. Brauch, die Weisheit eines Mannes mit Rätsel-
Weniger gut wissen wir über die frühe Zeit Sa- fragen zu prüfen. Selbstverständlich weiß Sa-
bas Bescheid. Es scheint, als beginne die Kultur lomo Antwort auf alle Fragen. Und damit ent-
Sabas in der Zeit um 1200 bis 1000 vor Christus. puppt sich dieser Bericht als ein Lobpreis der
Jedenfalls läßt sich in dieser Zeitspanne ein Weisheit dieses Königs. Erst im neunten Vers
Übergang von nomadisierender Lebensweise kommt das Lob Gottes - fast am Rande - zum
zur Seßhaftigkeit und Städtebildung nachwei- Ausdruck. Nichts kann deutlicher zeigen, wie
sen. Durch den Handel—vorwiegend mit Weih- sehr die Bewunderung menschlicher Weisheit
rauch und Gold- scheint Saba mit seiner prunk- und Größe zur Versuchung auch der Frommen
vollen Hauptstadt Marib bald zu üppigem werden kann.
Reichtum gekommen zu sein. Es ist nicht weiter verwunderlich, daß dieser Be-
Das paßt gut in das Bild, das uns in 1. Kön. 10 richt vom Besuch der sabäischen Königin auch
beschrieben wird: weiterhin die Phantasie angeregt hat. Moham-
med macht aus dem alten Bericht eine Missions-
Die Königin von Saba hörte vom Ruf Salomos und kam, um geschichte: Die Königin wie das Volk von Saba
ihn mit Rätsetfragen auf die Probe zu stellen. Sie kam nach hatten die Sonne statt Allah verehrt. König Sa-
Jerusalem mit sehr großem Gefolge, mit Kamelen, die Bal-
sam, eine gewaltige Menge Gold und Edelsteine trugen, trat lomo habe davon gehört und der Königin von
bei Salomo ein und redete mit ihm über alles, was sie sich Saba einen Brief geschickt und sie darin einge-
vorgenommen hatte. Salomo gab ihr Antwort auf alle Fra- laden: „Im Namen Allahs, des allbarmherzigen

133
Gottes, kommt zu mir und unterwerft euch!" der Hoheiten ein Sohn entsprungen sein, Mene-
(Sure 27,21-45) lik L, der Ahnherr aller äthiopischen Kaiser.
Die Königin folgt dieser — etwas aufdringlichen „Die kaiserliche Würde soll beständig verbun-
- Einladung und wird am Ende durch das, was den bleiben mit der Linie ...Meneliks I., des
sie bei Salomo erlebt, bekehrt. Der Bericht im Sohnes der Königin von Äthiopien, der Königin
Koran schließt: „Darauf sagte die Königin... von Saba und des Königs Salomo von Jerusa-
nun unterwerfe ich mich, mit Salomo, ganz Al- lem." Dieser Artikel 2 der äthiopischen Verfas-
lah, dem Herrn der Weltenbewohner." sung ist erst durch die marxistische Revolution
Weltpolitisch bedeutsam wurde die äthiopische außer Kraft gesetzt worden. Bis in unsere Tage
Version über die Begegnung Salomos mit der hatte also der Besuch der Königin von Saba
Königin von Saba. Nach ihr soll dem Tête-à-tête noch aktuelle politische Relevanz.

Und die Weisheit Salomos

Bleibt in diesem Zusammenhang eine letzte zu beweisen. In geschickt verkleideten Fragen


Frage noch offen: Was hat es mit der Weisheit zeigt der Mensch, wes Geistes er ist. Und wer
Salomos auf sich? Worin bestand sie? Da lasen nun gar die Antwort findet, der darf als der
wir, die Königin von Saba sei nach Jerusalem Weisheit mächtig gelten. Für den biblischen Be-
gekommen, um Salomo mit Rätselfragen zu richterstatter und seine Leserschaft war ein sol-
prüfen. Wer wird schon eine Reise durch glut- ches Frage- und Antwortspiel aber Grund ge-
heiße Wüsten unternehmen, nur um Rätselfra- nug, Zeit und Geld in eine solch weite und stra-
gen zu stellen? Wir übersehen dabei, daß „Rät- paziöse Reise zu stecken.
setfragen" für die Menschen früherer Tage eine
ungleich wichtigere Rolle gespielt haben als in Immerhin dürften auch — wie wir schon gesehen
unserer Zeit. In unseren Volksmärchen kom- haben - handfeste kommerzielle Erwägungen
men Rätselfragen immer wieder und in den ver- Grund der Reise gewesen sein. Da ist von rei-
schiedensten Spielarten vor. Und nur zu oft ent- chen Geschenken die Rede und von Gegenga-
puppt sich da der scheinbar Törichte als der ben. Mit ihnen wurde ein lebhafter Austausch
wahrhaft Weise. In den orientalischen Märchen von Produkten und Gütern eingeleitet. Das ist
gar ist hintergründiges Fragen ein sehr beliebtes für den realistisch denkenden Orientalen
Motiv, wenn es darum geht, Witz und Findigkeit durchaus ein Stück Weisheit. Und in dieser Hin-

134
sieht dürfen wir den König Salomo als einen Das alles ist für Israel erstmalig. Doch es hat re-
Orientalen ansehen. gionale Bedeutung, bewegt nicht die Welt.
Und doch wäre damit nur ein Teil der Wahrheit Weltgeschichtlich bedeutsam aber wird, was Sa-
genannt. Salomo war bestimmt mehr als ein lomo auf dem Gebiet der Literatur in Bewegung
geistreicher Blender oder gerissener Groß- bringt. Doch dazu muß etwas weiter ausgeholt
kaufmann. Er gab immerhin „Schreibern" Auf- werden: Für den humanistisch Gebildeten gilt
trag und Unterhalt. Mit diesem eher tiefsta- das unter dem Namen Homer zusammenge-
pelnd anmutenden Ausdruck sind - wie der faßte Werk als Ursprung aller Literatur. Dabei
Sachverhalt zeigt - Wissenschaftler und Ge- wissen wir über „Homer" wenig. Ein gewisser
lehrte gemeint. 1. Kön. 5 berichtet: Melesigenes von Smyrna soll an der Endredak-
tion der Ilias entscheidend mitgewirkt haben,
Er redete über die Bäume, von der Zeder auf dem Libanon etwa im 8. vorchristlichen Jahrhundert. Etwas
bis zum Ysop, der an der Mauer wächst. Er redete über das später — frühestens in der zweiten Hälfte des 8.
Vieh, die Vögel, das Gewürm und die Fische.
(1. Kön. 5,13)
Jahrhunderts — scheint die Odyssee von anderer
Hand ihre Endfassung erhalten zu haben. Unter
Das entspricht dem, was man „Listenwissen- Salomo aber - zwei Jahrhunderte früher - er-
folgte bereits in Israel die Sammlung, Aufzeich-
schaft" nennt. Systematisch wird alles, was lebt
nung und erste Redaktion der alten biblischen
und webt, gesammelt, beschrieben, eingeordnet
Stoffe.
und zu einem großen Ganzen zusammengefaßt.
Begonnen hat diese systematische Wissenschaft Nur knapp sei hier zusammengefaßt, welch lite-
- soweit wir wissen - um 1100 in Ägypten mit rarische Leistung unter Salomos Hand in Jeru-
dem Onomastikon des Amenope. Ihren Höhe- salem vollbracht wurde. Da gab es uralte Lieder,
punkt erlebte sie mit dem Schweden Linné. die im Volk von Mund zu Mund weitergegeben
Ein anderer Schwerpunkt der wissenschaftli- wurden. Dazu gehören etwa Lamechs Schwert-
chen Arbeit, die am Hofe Salomos geleistet lied (1. Mose 4,23-24), das Schilfmeerlied (2.
wurde, lag auf dem Gebiet, das wir „Lebens- Mose 15), das Brunnenlied (4. Mose 21,17-18)
weisheit" nennen würden. 1. Kön. 5,12 berich- oder das Sihonlied (4. Mose 21,27ff). Es waren
tet: aber auch schon schriftlich fixierte Texte vor-
handen, wie etwa Listen von Richtern (Richter
Er verfaßte dreitausend Sprichwörter, und die Zahl seiner 10,1-5 und 12,7-15), Städten, Feldzügen.
Lieder betrug tausendundfünf. Auch das Bundesbuch (2. Mose 20,1-17) l a g -
wie viele andere Gesetzestexte - seit langer Zeit
Sprüche sind Lebensregeln, moralisch-ethische schriftlich vor. Daneben waren Annalen und
Grundsätze, die das Verhalten des einzelnen, Chroniken vorhanden, Einzelerzählungen und
aber auch das Zusammenleben des Volkes ord- Stammesüberlieferungen. Wohl schon in den
nen. Tagen Davids war dieses reiche Material durch

135
neue Aufzeichnungen fortgesetzt und ergänzt Der Mensch ist ein Gestoßener, ein Spielball der
worden. Die Psalmen Davids wurden aufge- Götter. Nichts kann der Mensch dagegen tun.
schrieben, dazu die Taten seiner Helden und Er ist den Unsichtbaren ausgeliefert.
Davids Kriege. Ganz anders in den Schriften, die an Salomos
Schon in die Ära Salomos fallen die Abfassung Hof aufgezeichnet werden. Da hält kein blindes
der Thronfolge-Erzählung, der Bauberichte Geschick den Menschen. Er muß nicht gehen
und die Fixierung all dessen, was über Salomo auf ihm vorgeschriebenen Gleisen. Wohl ist ihm
zu vermelden ist. Doch dann erfolgt eine Tat gesagt, was gut ist und was er tun soll. Doch er
von weltgeschichtlicher Bedeutung: An Salo- kann auch anders. Er kann Sünde tun und
mos Hof werden alle diese bunt verstreuten schuldig werden. Und: Er kann mit dieser seiner
Stoffe gesammelt, gesichtet und geordnet: Ein Schuld zu Gott gehen. Er kann seine Schuld be-
erster Kanon entsteht. Erstmalig aber in der Ge- kennen und auf Vergebung hoffen.
schichte der Literatur ist: Die „Schreiber" Von nun an kann der Mensch - als einer, der vor
zeichnen nicht nur auf, stellen nicht nur zusam- Gott verantwortlich und doch zur Entscheidung
men, beschränken sich nicht aufs Systematisie- frei ist - zum strahlenden oder auch tragischen
ren. Sie bringen den Menschen ins Spiel! Helden werden, so zum Beispiel die Erzählung
Sie fragen nach seinen Motiven, nach dem, was von der Größe Davids, seinem Fall und seiner
ihn treibt und bewegt. Ja, sie gehen noch einen Begnadigung.
Schritt weiter: Sie fragen nach dem Sinn aller Das gilt in gleicher Weise auch für Salomo.
Geschichte. Ein Spiel des blinden Zufalls? Nein, Auch er: ein Mensch mit all seinen Wider-
Jahwe steht hinter allem und über allen. Er sprüchlichkeiten. Ein Großer, der den Glanz
schuf nicht nur die Welt am Anfang. Er leitet sie der weiten Welt im Spiegel des winzigen Israel
auch durch die Zeiten. Jahwe sprach zu Abra- einzufangen weiß. Sein Kunstverstand, sein
ham: Geh! Jahwe gebot dem Pharao: Laß mein Sinn für alles Schöne und sein kaufmännischer
Volk ziehen! Weitblick fordern unsere Bewunderung. Wie-
Jahwe, der Herr der Geschichte. Er gebietet, viel staatsmännisches Können gehörte dazu, ei-
und es geschieht. In dieser Spannung zwischen nem Volk, das eingekeilt zwischen den großen
Jahwe und seinem Geschöpf, dem Menschen, Weltmächten liegt, über vierzig Jahre hin den
vollzieht sich jeder Augenblick. Denn Jahwe Frieden zu erhalten!
läßt dem Menschen Spielraum. Der Mensch Und doch liegt über all diesem Glanz schon der
kann vom Baum der Erkenntnis essen. Der Schatten kommenden Niedergangs. Seine Bau-
Mensch kann sich gegen Gott auflehnen. Der lust und sein unternehmerischer Einsatz in
Mensch darf sich entscheiden, auch anders, als Übersee haben bis dahin unerhörte Steuerlasten
Gottes Gebot befiehlt. zur Folge. Das stehende Heer und der „Friede
Wie war das bei Homer? Wie war es in den My- durch Abschreckung" gehen über die Lei-
then Babylons oder in der Literatur Ägyptens? stungskraft der Nation. Die Verpflichtung zum

136
Frondienst weckt Widerstand. Und es ist be- vid. Er verehrte Astarte, die Göttin der Sidonier, und Mil-
zeichnend, daß gerade unter denen, die Fron- kom, den Götzen der Ammoniter. Er tat, was dem Herrn
mißfiel, und war ihm nicht so vollkommen ergeben wie sein
dienst leisten, der Aufstand ausbricht, der die Vater David. Damals baute Salomo auf dem Berg östlich
Einheit des Reiches zerstört (1. Kön. 12). von Jerusalem eine Kulthöhe für Kemosch, den Götzen der
Moabiter, und für Milkom, den Götzen der Ammoniter.
Das sind die äußeren Gründe, die den Nieder- Dasselbe tat er für alle seine ausländischen Frauen, die ihren
gang einleiten. Viel folgenschwerer sind die in- Göttern Rauch- und Schlachtopfer darbrachten.
neren, im Religiösen wurzelnd. Der Versuch Sa- (1. Kön. 11,4-8)
lomos, mit dem Tempel ein religiöses National-
heiligtum zu schaffen, mißlingt. Er mußte miß- „Auf dem Berge östlich von Jerusalem". Noch
lingen. Denn: Jahwe ist kein Gott des Kultes. heute wird dieser Berg, der auf der Ostseite des
Jahwe ist der Herr der Geschichte, der Völker- Kidrontals gegenüber der alten Davidsstadt
geschichte wie der Lebensgeschichte des einzel- liegt, der „Berg des Ärgernisses" genannt. Dort
nen. Jahwe wohnt deshalb im Dunkel. Salomo liegen heute die häßlichen Häuser der Vorstadt
scheint diese Schwierigkeit geahnt zu haben. Silwan, elende Buden, hingeklatscht an den
Das Konzept, das dem Allerheiligsten zugrunde Berghang.
liegt, deutet — wie wir sahen — darauf hin. Doch
Salomo unterdrückt dies durch die Überbeto- Aus alter Zeit scheint wenig erhalten. Das
nung des Kultischen. Vor all dem Gold und El- „Grab der Ägypterin" - der Name erinnert an
fenbein kommt dem Beter Jahwe aus dem Blick. die Pharaonentochter im Hause Salomos. Ob
Der Rauch der Brandopfer verhüllt Jahwe. An das schlichte Bauwerk wirklich ihr Grabmal ist?
dieser Stelle entzündet sich - aus gutem Grund - Ausgrabungen in den letzten Jahren brachten
der Widerspruch der Propheten: „Ich habe Lust alte Gräber ans Licht. Einige davon gehen mit
an der Liebe und nicht am Opfer; an der Er- hoher Wahrscheinlichkeit in die Tage der ersten
kenntnis Gottes und nicht am Brandopfer" Könige zurück. Was immer noch der Spaten der
(Hosea 6,6). Und der Zorn des schlichten Got- Archäologen in Silwan zu Tage bringen mag,
tesvolkes entbrennt über der weltoffenen Vor- nichts wird dieser Höhe ihren Namen rauben
liebe Salomos für das Fremde. Daß er sich nach können. Sie bleibt verbunden mit der Abgötte-
Art der Zeit einen Harem hielt, mochte man rei desselben Königs, der Jahwe den Tempel er-
ihm noch nachsehen. Doch daß er seinen heidni- baute.
schen Frauen Kultplätze und Tempelchen er-
baute, das war in keinem Fall zu verzeihen. Daher sprach der Herr zu ihm: Weil es so mit dir steht, weil
du meinen Bund gebrochen und die Gebote nicht befolgt
hast, die ich dir gegeben habe, werde ich dir das Königreich
entreißen und es deinem Knecht geben. Nur deines Vaters
Als Salomo älter wurde, verführten ihn seine Frauen zur David wegen werde ich es nicht schon zu deinen Lebzeiten
Verehrung anderer Götter, so daß er dem Herrn, seinem tun, erst deinem Sohn werde ich es entreißen. Doch werde
Gott, nicht mehr ungeteilt ergeben war wie sein Vater Da- ich ihm das Königtum nicht ganz entreißen; ich lasse deinem

137
Sohn noch einen Stamm wegen meines Knechtes David und allzu weise sein wollte, wurde seine Weisheit zur
wegen Jerusalem, der Stadt, die ich erwählt habe.
(1. Kön. 11,11-13)
Torheit.
Ein Verdammungsurteil? Keineswegs! Hier gilt
für uns das Wort Jesu: „Wer unter euch will den
Das mag sich für manchen „Modernisten" wie ersten Stein werfen?" Wir alle sind Menschen
nachträgliche Geschichtsdeutung anhören. wie dieser Salomo. Nicht so groß, nicht so weise;
Doch diese deuteronomistische Schau ist im aber ebenso widersprüchlich in uns selbst.
tiefsten Grunde wahr. Der große Salomo ist Ebenso abgöttisch und ebenso angewiesen auf
letzten Endes gescheitert, weil er außer Jahwe Gottes Gnade. Um ehrlich zu sein: Das macht
noch andere Sicherheiten suchte. Weil er weise, mir diesen König so lieb.

138
Bei Sichem
sehen wir uns wieder
Wo Jakob einen Brunnen grub
Nablus! Wer den Namen hört, weiß wohl kaum,
daß er aus dem antiken Neapolis - „Neustadt" -
entstanden ist. Er denkt vielmehr an Demon-
strationen, Straßensperren, Militärpatrouillen
und Steinwürfe. Und tatsächlich ist Nablus
heute einer der neuralgischen Punkte in den be-
setzten Westbanks. Eine unruhige arabische
Bevölkerung, die immer wieder aufbegehrt ge-
gen Israel.
Wie ein Anachronismus erscheint da die kleine
samaritanische Gemeinde, die alte Traditionen
pflegt und lebt, als sei die Uhr vor zwei Jahrtau-
senden stehengeblieben. Der Gottesdienst nach
uraltem Ritus ist vorbei, die Gemeindeglieder
ziehen an uns vorüber, treten ins Freie, blinzeln
in die Helle. Meist überschlanke, leicht ge-
beugte Gestalten, Männer mit hohen Fistel-
stimmen und schmalen Frauenhänden.
„Darf ich von Hoch würden eine Aufnahme ma-
chen?" Der „Hohepriester" nickt wohlwollend,
stellt sich in Positur. Klick! Ich lasse den Appa- des Garizim, auf dem bis in die Gegenwart hin-
rat sinken, und im gleichen Augenblick zuckt ein die Samariter ihr Passafest feiern.
Hochwürdens Hand vor: „One Dollar, please!" Und mitten im Blickfeld die ausgegrabenen
In diesen drei Worten liegt beinah alles, was Trümmer von Sichern. Sichern: uralte Stadt mit
über die heutige Gemeinde der Samariter zu sa- großer Geschichte. Schon um 2000 v. Chr. mit
gen ist. einer Mauer umgeben, um 1600 v. Chr. in der
Hand der Pharaonen und verstärkt befestigt.
Nablus mit seinem Lärm und seinem Gestank Hier lagerte Abraham (1. Mose 12,6), hier sie-
liegt hinter uns. Das enge Tal zwischen Ebal und delte sich Jakob an (1. Mose 33,17ff). Noch
Garizim weitet sich, in der Ebene vor uns Oli- heute erinnert an diesen „Erzvater Jakob" der
venhaine, Citruspflanzungen, wohlbestellte Brunnen, der nach ihm benannt ist.
Gärten. Dahinter das Bergland, steinig, son- Schon der Kirchenhistoriker Eusebius (267 bis
nendurchglüht, schmutzigweiß. Links über uns 340 n. Chr.) und der Pilger von Bordeaux (333)
die mächtige Schulter des Ebal, im Volksmund erwähnen diesen Brunnen. Bald danach mag
seit alters her als „Berg des Fluches" bekannt auch schon die erste Kirche über ihm errichtet
(5. Mose 11,29 und 27,13ff). Rechts die Flanke worden sein. Wie der Pilger Antonius um 570

140
erwähnt, befand sich damals der Brunnen vor ten, die müssen ihn im Geist und in der Wahr-
den Schranken des Altars. Heute muß man über heit anbeten." Jesus war mit der Geschichte Is-
eine Anzahl Stufen in die Tiefe steigen. In der raels wohlvertraut. Er wußte vom Fluche des
Krypta stehen wir dann vor dem Brunnen des Berges Ebal und vom Segen des Garizim. Er er-
Vaters Jakob. Eine rechteckige, etwa einen hal- innerte sich, als er hier saß, gewiß auch an die
ben Meter hohe Ummauerung, über ihr ein Ei- Begebenheiten, die sich hier am Fuß der Berge
sengestell, das die Aufzugvorrichtung trägt. Der einst abgespielt hatten: an den „Landtag", den
Schacht soll 32 Meter tief sein, der Wasserspie- Josua hier hielt (Josua 24); an das Wort, das so-
gel aber scheint zu schwanken. So berichtet zusagen zum Grundgesetz der Zwölf Stämme
Wilken, daß e r - ich nehme an, in den zwanziger wurde: „Ich und mein Haus wollen dem Herrn
Jahren - durch Hinablassen des Eimers in 19 dienen" (Josua 24,15). Und Jesus dachte wohl
Meter Tiefe den Wasserspiegel festgestellt auch an den Tag, an dem hier über den verstor-
habe. Ich selbst habe dagegen im Jahre 1955 benen König Salomo Gericht gehalten wurde;
eine Tiefe von 28 Metern gemessen. jenen Tag, an dem das Reich Davids auseinan-
Hier, genau an dieser Stelle, spielt die Geschich- derbrach.
te, von der Johannes berichtet. Hier sprach Je- Segen und Fluch - hier in Sichern, zwischen dem
sus mit der Samariterin über das Wasser des Le- Ebal und dem Garizim, liegen sie dicht beiein-
bens (Johannes 4, 1-26). ander.

Dies ist einer der wenigen Orte, die wir noch


heute genau lokalisieren können. Der Tempel So kam er zu einem Ort in Samarien, der Sychar hieß und
des Herodes steht nicht mehr, um die genaue nahe bei dem Grundstück lag, das Jakob seinem Sohn Josef
vermacht hatte. Dort befand sich der Jakobsbrunnen. Jesus
Lage des heiligen Grabes gibt es noch immer war müde von der Reise und setzte sich daher an den Brun-
Streit. Niemand aber wird widersprechen, wenn nen.
ich meine Hand hier auf diesen Brunnenrand (Joh. 4,5)
lege und sage: Hier hat Jesus gesessen, als er mit
der Samariterin sprach. Dies ist eine wahrhaft
historische Stätte. Jakob und seine Leute haben eine erstaunliche
Damals lag dieser Brunnen noch unter freiem Leistung vollbracht. Man lebte damals — um
Himmel. Ebal und Garizim, davor der massige 1800 vor Christus — in der Bronzezeit. Eisernes
Schutthügel des alten Sichern, waren von hier Werkzeug war noch unbekannt. Einen Brunnen
mit einem Blick zu umfangen. Jesus sah zum in jener Zeit durch festen Fels in solche Tiefe zu
Garizim hinüber, als er zu der Frau sagte: bringen, war eine wahre Pioniertat.
„Glaube mir, es kommt die Zeit, daß ihr weder Ich habe mich auf dem Brunnenrand niederge-
auf diesem Berge noch zu Jerusalem werdet den lassen. Es ist hier ganz still zu dieser frühen
Vater anbeten. Gott ist Geist, und die ihn anbe- Stunde. Wie damals, als Er hier saß.

141
Rehabeam verspielt das Reich
Stahlblau wölbte sich der Himmel über dem Tal- Sein Blick suchte den Hochgewachsenen drüben
kessel von Sichern. Unter dem grellen Licht zit- bei der Gruppe der Jungen. „Als hätte ich nicht
terte die Luft, und jeder Laut ertrank in der Glut. schon, wie Jahwe mir gebot, zehn Teile meines
Reglos saßen in weitem Halbrund die Abgesand- Mantels an Jerobeam gegeben!" Es war, als sprä-
ten der Stämme. Ringsumher lagerten zu Tau- che er es zu sich selbst. „Zehn Stämme wird
senden die Ältesten, Sippenführer und Mächtigen Jahwe an Jerobeam geben, nur einer soll dem
aus ganz Israel. Zwei Gruppen mochten inmitten Hause Davids bleiben —". Der mit den heißen
der Menge einem aufmerksamen Beobachter Augen wies hinüber. „Rehabeam ist zu fein —
auffallen. Die eine bestand aus ärmlich gekleide- oder auch zu feig —, sich dem Rat der Ältesten zu
ten Männern. Es war deutlich zu erkennen, daß stellen. Der neben ihm im Streitwagen stand, ist
das Volk Abstand zu ihnen hielt. Manch ehr- abgestiegen, kommt den Hang herauf."
fürchtiger Blick verriet, daß nicht die Armut die- Hohngeschreiflatterteauf, wo der Bote Rehabe-
ser Männer Ursache der Zurückhaltung war. ams sich einen Weg durch die lagernde Menge
Fromme Scheu gebot den Abstand: Die Seher bahnte. Ahija kniff die Augen zusammen: „Es ist
von Schilo, Propheten Jahwes, Stimme des Adoniram, den Rehabeam sendet." Der neben
Herrn! Der Hagere dort: War das nicht Ahija? ihm zischte durch die Zähne: „Ausgerechnet
Ahija, der dem Hause Davids das Gottesgericht Adoniram, der oberste aller Fronaufseher!" Er
angekündigt hatte? spuckte aus. „So schätzt also Rehabeam die
War es Zufall, daß genau gegenüber sich die an- Stämme Israels ein: als Fronknechte!"
dere Gruppe niedergelassen hatte? Auch sie vom Jetzt hatte Adoniram die Ältesten erreicht. Der
übrigen Volk durch einen freien Raum geschie- Sprecher des Rates erhob sich, es wurde totenstill
den. Wegen der Drohung, die aus ihrer Haltung im weiten Rund. Deutlich klangen die Worte des
und ihren Mienen sprach? Kräftige junge Män- Alten, der im Namen der Stämme sprach, über
ner, mit schmalen Augen und harten Lippen. Ihr die Männer hin.
Anführer ohne Frage der Hochgewachsene in „Ihr Männer Israels! Wir sind hier versammelt,
dem Mantel, der nach ägyptischer Weise verziert um zu entscheiden, was nun, da Salomo zu seinen
war. Vätern versammelt ist, geschehen soll." Er
Unruhe kam auf, pflanzte sich durch die Menge machte eine Pause, und die Stille lag wie eine
fort, erreichte jetzt die Seher von Schilo. Der Ha- Drohung über allen. „ Wir sprachen mit Reha-
gere hob das Gesicht, blickte hinüber zu der Stra- beam, dem Sohn Salomos: Dein Vater hat unser
ße, die von Süden heraufführte. Auch der neben Joch zu hart gemacht. So mache du nun den har-
ihm, der mit den fanatischen Augen, hatte jetzt ten Dienst und das schwere Joch leichter, so wol-
die Staubwolke gesehen, die von dort heranzog. len wir dir untertänig sein."
„Rehabeam kommt", knurrte er, „mit Streitwa- Er brach ab, da zorniges Gemurr zu hören war.
gen und kriegerischem Gefolge". Der Hagere Allenthalben waren die Männer aufgesprungen,
lachte auf: „Als sei er schon König von Israel!" drängten nach vorn. Arme fuhren hoch, geballte

142
Fäuste drohten. „Sein Vater hat uns ausgesogen War es nicht vielleicht besser, wenn er zuvor sich
bis aufs Blut!" gellte es. „Frondienst Jahr um absicherte, durchblicken ließ, daß er, Adoniram,
Jahr!" erscholl es von drüben, wo die Ephraimi- zur Milde und zur Mäßigung geraten hatte? Und
ten standen. „In den Libanon verschleppt er un- daß man selbst die harten Worte eines so jungen
sere junge Mannschaft!" „In die Steinbrüche, in Menschen wie Rehabeam nicht so schlimm auf-
die Höhlen!" nehmen solle, wie sie klangen?
Endlich ebbte der Aufruhr ab, der Alte konnte Er kam nicht dazu, sich in Ruhe darüber schlüs-
sich wieder Gehör verschaffen. „ Vor drei Tagen sig zu werden. Die Schar jener jungen Burschen
fragten wir Rehabeam, den Sohn des Salomo, ob hatte sich nach vorn geschoben, langsam, aber
er der Not seines Volkes sein Ohr leihen wolle. unaufhaltsam wie das Schicksal. Ihr Anführer
Drei Tage erbat er sich Bedenkzeit. Nun, heute ist stand jetzt dicht unter Adoniram, das Gesicht
die Zeit herum." Er winkte Adoniram heran. spöttisch verzogen, die Arme herausfordernd
„Künde uns, was dein Herr beschlossen hat." verschränkt.
Ich kenne ihn doch? durchzuckte es Adoniram.
Adoniram war auf einen Stein gesprungen, so Das ist doch Jerobeam? Jerobeam, der land-
daß er weithin sichtbar war. Er hielt den Kopf ge- flüchtig wurde, als Salomo ihn wegen vorwitziger
senkt. In Windesschnelle zogen die Ereignisse Rede zur Rechenschaft ziehen wollte? Nach
der letzten Tage noch einmal an ihm vorüber: Die Ägypten war er geflohen. Und jetzt, jetzt ist er zu-
Abendstunde, als Rehabeam mit seinen Ältesten rückgekehrt! Wie sicher muß er sich fühlen, daß
Rat hielt; die Stimmen, die zur Besonnenheit rie- er dies gewagt hat, hier öffentlich vor Israel sich
ten und mahnten: Gib nach! Schenk dem Volk sehen läßt!
ein gutes Wort, und sie werden dir weiterhin die- Adoniram hört nicht, was jener höhnt. Ihn, den
nen! Der Morgen dann, da Rehabeam seine hitz- sonst so kühlen Rat des Königs, hat alle Beson-
köpfigen jungen Freunde um sich sammelte. Ihr nenheit verlassen, da der Hochverräter Jerobeam
Hetzen und Höhnen, ihr Spotten und Aufsta- hier so hervortritt. Adoniram wirft trotzig den
cheln! Jenes schlimme Wort dann, das Reha- Kopf in den Nacken, ruft über die Köpfe hin: „So
beam aufgepeitscht hatte, das ihn den guten Rat spricht der König Rehabeam: Mein kleiner Fin-
der Alten vergessen ließ. ger soll dicker sein als meines Vaters Lenden!
Adoniram fühlte einen bitteren Geschmack im Mein Vater hat euch mit Peitschen gezüchtigt, ich
Munde. War es der Ekel vor diesem vorwitzigen aber will euch mit Skorpionen züchtigen!"
Sohn des weisen Salomo? War es der Abscheu So, nun ist es heraus, das schlimme Wort, das die
vor diesem Volk, das eine dumpfe Masse war, ein Jungen dem König angeraten haben. Macht jetzt
jeder nur auf eigenes Glück und Wohlleben be- mit mir, was ihr wollt. Ich habe nur gesagt, was
dacht? Oder — war es die Angst? Die Angst vor mir aufgetragen war.
der Wut, die losbrechen mußte, wenn er Rehabe- Schweigen. Haben sie nicht begriffen? Müssen
ams Antwort kundtat? sie erst nachdenken, um zu begreifen? Jetzt tritt

143
einer der Ältesten vor, ruft: „ Was haben wir für Endlich ist alles vorbei, Stille um ihn her. Weit
Teil an David oder seinem Erbe?" Natürlich, es hinten ragen Ebal und Garizim, aber noch immer
ist einer aus Ephraim. Ein anderer schreit: „Isra- rasen die Pferde dahin, noch immer zuckt die
el, gehe heim zu deinen Zelten!" Peitsche über ihre Rücken.
Worte nur, Worte! Doch nein, dort neben Jero-
beam bückt sich einer. „Nieder mit Rehabeam Die Seher haben schweigend gesessen, als die
und seinen Fronknechten!" gellt es. Ein Stein Wut des Volkes losbrach. Sie haben, als die
kommt geflogen, streift Adonirams Schulter. Der Steineflogen,die weiten Mäntel vor die Gesichter
wankt nicht, steht hochaufgerichtet, Verachtung gezogen und ihre Köpfe verhüllt. Nein, das da
um den Mund. war nicht Jahwes Stimme. So redet der Herr
Ein zweiter Stein, besser gezielt, surrt heran. nicht! Die Masse ist es, die da tobt. Und Jahwe
Adoniram sieht ihn kommen, weiß, daß er treffen schweigt.
wird, und weicht nicht aus. Er fühlt den Schlag, Sie bleiben still, als die Menge sich zerstreut. „Is-
sieht dunkle Punkte vor den Augen tanzen, lacht, rael, gehe heim zu deinen Zelten!" Es kümmert
lacht. Wie Hagel prasseln jetzt die Steine. Adoni- sie auch nicht, als die Jungmannen sich um Jero-
ram spürt, wie es warm und klebrig über seine beam sammeln, ihn umjubeln und König nen-
Wange läuft. Ein Dröhnen erfüllt seinen Kopf, nen. Erst als es ganz ruhig ist, heben sie ihre Au-
Schatten huschen vor seinen Augen dahin: Sa- gen auf, sammeln sich um Ahija, gehen.
lomo auf seinem Elfenbeinthron, ein blaues Am Jakobsbrunnen verhalten sie, schöpfen Was-
Meer, weit, weit im Süden; Palmen rauschen, ser, trinken. Ahija ist der erste, der das Schweigen
Moskitos sirren, unendlich dehnt sich die Wüste; bricht. „Das Erbe Davids ist vertan. Zerfleischen
weißgetürmte Paläste in zitternder Sonnenglut, wird sich Israel, wenn Rehabeam heraufzieht,
eine Königin, die lauscht, wie er vom weisen Sa- gegen Ephraim zu streiten."
lomo erzählt. Ahijas Blick fällt auf den mit den schmalen Au-
Das Heulen der Hyänen fegt die Bilder fort, wie gen. Schemaja? Was ist mit ihm? Schemaja hat
dunkler Flügelschlag umrauscht es ihn. Alles jetzt die Augen geschlossen. Seine Lippen zittern.
dreht sich, die Sonne schwingt im Bogen herum, Jetzt neigt er den Kopf, als ob er lausche. Und da
dröhnt gegen den Garizim. Nun ist es dunkel. begreift Ahija: Jahwe redet zu Schemaja!
Dann ist nichts mehr. Ahija wirft den Kopf zurück, gebietet den ande-
Aufgeschrien hatRehabeam, als erAdoniram im ren mit einem Zucken der Brauen Ruhe, weist mit
Steinhagel fallen sieht. Dann hat er dem Lenker den Augen auf Schemaja hin. Und die anderen
die Zügel aus der Hand gerissen, die Peitsche. Sie verstehen: Der Herr spricht zu Schemaja. Da
zischt über die wild auskeilenden Pferde hin. Die muß der Mensch schweigen.
brechen aus, gehen durch, rasen quer durch die Sie wissen nicht, wie lange sie so sitzen. Die
Menge hin. Der einachsige Wagen schleudert, Sonne sinkt hinter die Berge, sie aber warten und
Steine fliegen, Flüche gellen. schweigen, schweigen. Endlich wächst Schema-

144 Abb. S. 145: Weihestein in den Ruinen des alten Sichern


jas zusammengesunkene Gestalt wieder empor. Morgens, als vor den Sehern, die schweigend
Steif sitzt er jetzt da. Seine schmalen Schultern durch die Nacht gezogen sind, die Mauern Schi-
unter dem fadenscheinigen Mantel stehen scharf los aus dem Dunkel wachsen. Dicht vor dem Tor
vor dem verblassenden Himmel. „Rehabeam Schilos verhält Ahija den Schritt, unwillkürlich
wird das Schwert in der Scheide lassen." Zögernd scharen sich die anderen um ihn. „Brüder",
tropfen seine Worte in die Stille. Leben kommt raunt er, „wir Menschen sind Wanderer in der
wieder in seine Augen, in denen der letzte Schein Nacht. Dunkel liegt auf unserem Weg. Doch wir
des Lichts sich spiegelt. „So spricht der Herr: Seher dürfen den Stern schauen, der noch nicht
Sage Rehabeam, dem Sohne Salomos, und dem aufgegangen ist." Ein schmaler Schatten wischt
ganzen Hause Juda und Benjamin: Ihr sollt nicht über den gestirnten Himmel. Es muß Ahijas
hinaufziehen und streiten wider eure Brüder, die Hand sein, die nach Osten weist. „Erscheinen
Kinder Israels." Er hebt die Stimme, und sie ist wird der Stern, der Licht bringt in des Volkes
jetzt voll verhaltener Kraft. „Denn solches alles Nacht. Ein Sohn Davids wird kommen, aufgehen
ist von mir geschehen, spricht der Herr!" wird ein Reis aus seinem Stamm."
Am Osthimmel steht schon der Schein des nahen (Nach Jesaja 11,1)

Das Ende einer Ära

Das Ende des Großreichs kam nicht von unge- neuen Mantel bekleidet. Während nun beide allein auf
fähr. Es hat sich Jahrzehnte zuvor angekündigt. freiem Feld waren, faßte Ahija den neuen Mantel, den er
anhatte, zerriß ihn in zwölf Stücke und sagte zu Jerobeam:
Nimm dir zehn Stücke, denn so spricht der Herr, der Gott Is-
Auch Jerobeam, der Sohn Nebats, ein Beamter Salomos,
raels: Ich nehme Salomo das Königtum weg und gebe dir
erhob sich gegen den König. Er war ein Efratiter aus Zereda,
zehn Stämme. Salomo suchte nun Jerobeam zu töten. Doch
seine Mutter hieß Zerua und war Witwe. Mit der Erhebung
dieser machte sich auf und floh nach Ägypten zu Schischak,
hatte es folgende Bewandtnis: Salomo baute den Millo und dem König von Ägypten. Dort blieb er bis zum Tod Salo-
schloß die Lücke in der Stadt Davids, seines Vaters. Jero- mos.
beam war ein tüchtiger Mann, und als Salomo sah, wie der
(1. Kön. ll,26ff)
junge Mann arbeitete, machte er ihn zum Aufseher über alle
Fronarbeiter des Hauses Josef. Als in jener Zeit Jerobeam
einmal aus Jerusalem herauskam, begegnete ihm auf dem Der Sachverhalt selbst scheint klar: Jerobeam,
Weg der Prophet Ahija aus Schilo. Dieser war mit einem ein energischer Patriot aus dem Stamme

146
Ephraim, lehnt sich gegen Salomos Fronwesen vorbei mit der früher gepflegten Freundschaft.
auf. In welcher Weise das geschah, wird nicht Ägypten rächte sich für das verlorene Ofirmo-
gesagt. Doch offenbar ist es nicht bei Worten nopol mit Nadelstichen.
geblieben. Jerobeam „erhob sich" gegen den Die Nadel, die stach, hieß Jerobeam. Sie wurde
König: Diese Redewendung läßt darauf schlie- zur Speerspitze, als Salomo tot war. Offensicht-
ßen, daß Jerobeam handfeste Vorbereitungen lich stieß Salomos Nachfolger Rehabeam in
zum Aufruhr traf. Juda und Jerusalem auf keinen Widerstand.
In seinem Vorhaben unterstützt wurde er durch Hier war er der Repräsentant des angestamm-
ein Zeichen, das ihm der Seher Ahija gab: Zehn ten Herrscherhauses.
der Stämme sollen dir zufallen. So spricht der Anders im Norden, wo sich schon zu Salomos
Herr, der Gott Israels! Zeiten Widerstand gegen den König aus Juda
Es wurde nichts mit dem Abfall des Nordens, geregt hatte. Es ist für die Situation bezeich-
solange Salomos starke Hand das Reich zu- nend, daß Rehabeam sich aufs Verhandeln ein-
sammenhielt. Doch sobald er die Augen ge- lassen, ja, daß er sich gar nach Sichern, dem al-
schlossen hat, erscheint Jerobeam erneut auf ten Kultzentrum Israels, begeben und dort dem
dem Plan. Und die Ansage Ahijas erfüllt sich. versammelten „Landtag" stellen muß. Die
Uns kommen Fragen. Jerobeam floh nach Nordstämme fordern Steuererleichterung und
Ägypten. Warum hat Salomo vom Pharao keine Einschränkung der Frondienste. Das scheint
Auslieferung verlangt? Ein unternehmungslu- uns ein bescheidener und durchaus berechtigter
stiger Rebell wie Jerobeam blieb doch für die Wunsch. Doch de facto bedeutete diese Forde-
Zukunft eine Gefahr! Mußte Salomo, der ja rung einen Eingriff in die Rechte, die sich das
weit vorauszuplanen verstand, nicht alles tun, judäische Königtum in den Tagen Salomos an-
Jerobeams habhaft zu werden? gemaßt hatte. Die Lage Israels im Jahre 926 v.
Die Antwort auf diese Frage kann nur vermutet Chr. ist bedrohlich und geht an die Substanz des
werden. Wir wissen nicht einmal, ob Salomo Staates.
auch nur versucht hat, die Auslieferung Jerobe- Nur äußerlich geht es um Arbeitserleichterung
ams zu betreiben. Mag sein, daß er am Pharao- und mehr Freiheit. Im Kern trifft die Forderung
nenhof vorstellig wurde und eine Absage er- der Nordstämme den Machtstaat an der Wurzel.
hielt. Der Grund für eine ablehnende Haltung Erklärlich darum wohl auch Rehabeams über-
Ägyptens dürfte klar sein: Salomos Fahrten heftige Reaktion. Daß sie in der von ihm ge-
nach Ofir hatten Ägypten an einer empfindli- wählten Form falsch ist, liegt an Rehabeams
chen Stelle getroffen. Das alte Monopol der Unerfahrenheit und Jugend. Er hört auf
Puntfahrt war durchbrochen! Offenbar war schlechte Ratgeber, ein Fehler, dem schon klü-
Ägypten in jenen Jahren zu schwach, einen of- gere Herrscher zum Opfer fielen.
fenen Kampf mit Salomo wagen zu können. Die Teilung des Reiches ist jedenfalls seit dem
Doch das Klima hatte sich abgekühlt, es war Tage von Sichern perfekt. Fortan gibt es ein

147
Südreich Juda, über das ein Davidnachkomme ist ihm gar nicht recht bewußt geworden. Sein
herrscht. Und es gibt das Nordreich Israel, dem Vater erkannte seine Schuld vor Gott, nachdem
die übrigen zehn Stämme angehören. Erster Natan zu ihm gesprochen hatte. Salomo hat -
König wird hier Jerobeam. Es ist verständlich, um es klar zu sagen - öfter und vielartiger ge-
daß sich das Verhältnis zwischen diesen beiden sündigt. Doch das wird - ganz pauschal - mit
Bruderstaaten alles andere als freundschaftlich allgemeinen Worten abgetan: „Salomo hatte
gestaltet. Die Ursache der Teilung muß von viele heidnische Weiber und opferte auf den
dem, der sie vollzogen hat, immer wieder betont Höhen." Daran gewöhnt man sich; es wird nicht
werden. Man muß sich ja gerade von einem bewußt, weder dem Sünder selbst noch seinen
Brudervolk profiliert abgrenzen, eben um der Zeitgenossen. Die einzelne, handfeste Tat - im
eigenen Indentität willen. Religion — oder in Falle Davids heißt sie Batseba - wird bewußt,
neuerer Zeit die Ideologie — muß dann herhal- wird genannt, bestraft: „Da kam Natan zu Da-
ten, die gegenseitige Abgrenzung zu untermau- vid."
ern. Jahwes Tempel steht in Jerusalem! ist die Zu Salomo kommt Natan nicht. Seltsam. Hat
Parole Judas. Israel aber betet ihn von nun an in mit dem Bündnis von Altar und Thron auch die
Bethel an. Urteilsfähigkeit des Propheten gelitten? Hat
Außenpolitisch bedeuten die beiden Teilstaaten „die Kirche" jetzt nicht mehr die Fähigkeit, die
nichts mehr. Das von David unterworfene Am- Sünde der Herrschenden zu erkennen, zu
mon macht sich selbständig. Das Königreich der brandmarken und zu strafen? Fast möchte es so
Aramäer erstarkt und wird bald zu einem ge- scheinen.
fährlichen Rivalen. Nur Moab und Edom schei-
nen auch weiterhin tributpflichtig geblieben zu Auf jeden Fall: Salomo erlebt nicht, was Sünde
sein. Der Glanz des Davidreiches war dahin. vor Gott bedeutet. Ihm wird nicht Strafe ange-
sagt. Er erfährt nicht, was es heißt, den Sohn zu
Wie steht es nun mit der vielgepriesenen „Weis- verlieren. Er fühlt nicht Gottes strafende Hand.
heit" Salomos? Kein Zweifel: Er war ein kluger Das Leiden bleibt ihm fern, nicht nur das vor-
Diplomat, ein geschickter Staatsmann und, dergründig menschliche Leiden an Leib oder
wenn's not tat, ein verschlagener Egoist. Doch Seele, mehr noch das Leiden an Gott. Nie hatte
zur wirklichen Weisheit hat er es, wenn ich recht er es nötig, aufzuschreien: „Mein Gott, warum
sehe, nicht gebracht, es wohl auch nicht bringen hast du mich verlassen?"
können. Und darum findet er nicht zur Weisheit. Erst die
Weil ihm eins fehlte, was zum Erlangen der Nachwelt hat ihn mit dem Lorbeerkranz der
Weisheit erforderlich ist: Leiden. Weisheit geschmückt. Bei Lebzeiten hat ihn Sa-
Salomo hat immer Erfolg gehabt. Handfeste lomo nicht getragen. Sein Vater David war da
Sünde — wie sie seinem Vater David unterlief - weiser, weil er wußte, was es heißt, wenn Gott
hat er vermeiden können. Genauer gesagt: Sie strafend ihn trifft.

148 Abb. S. 149: Christus der Weltenherrscher


So erklärt es sich, warum Salomo in Maßlosig- Hause und Geschlechte Davids. Doch schon die
keit verfällt, die der Feind der Weisheit ist. So Propheten ahnten, daß dieser Sohn Davids ein
verspielt Salomo das Reich schon zu seinen , Friedefürst sein würde, anders als David, anders
Lebzeiten, ja, er ahnt nicht einmal, daß sein Re- aïs alle Mächtigen dieser Erde. (Jes. 11,1-9)
gieren in den Abgrund führt.
Rehabeam, ein unreifer Junge, der genau da
weitermacht, wo sein Vater aufgehört hat, der Doch aus dem Baumstumpf Isäis waçhstèin Reis hervor, ein
Macht auch da noch demonstriert, wo sie längst junger Trieb aus seinen Würzen* bringt Frucht.
Der Geist des Herrn läßt sich; nieder auf ihm: der Geist der
geschwunden ist, vollendet nur, was vorgegeben Weisheit und der Einsicht,
war. Bei Salomo hielten noch Routine, der der Geist des Rates und der Stärkerer Geist der Erkenntnis
Glanz scheinbar erfolgreicher Betriebsamkeit und der Gottesfurcht.
und ein gut funktionierender Apparat das Reich Er erfüllt ihn mit dem Geis%:äer Gottesfurcht. Er richtet
in Gang. Auch liegt über Salomos Regierungs- nicht nach dem Augenschem^ffitfeiicht nur nach dem Hö-
rensagen entscheidet er.
zeit noch der Genius Davids, des Hirtenjungen, Er richtet.die Hilflosen gerecht und entscheidet für die Ar-
den der Herr sich erwählte. Doch jetzt — nach men des Landes, wie es recht ist.
vier Jahrzehnten Salomo - ist der Zauber Da- Er schlägt den Gewalttätigen mit dem Stock seines Wortes
vids verblaßt. Man kennt ihn nur noch vom Hö- und tötet den Schuldigen mit dem Hauch seines Mundes.
rensagen. Vor Augen aber steht der überzogene Gerechtigkeit ist der Gürtel um seine Hüften, Treue der
Gürtel um seihen Leib.
Machtanspruch eines Epigonen, der nicht ein- Dann wohnt der Wolf beim Lamm, der Panther liegt beim
mal sich selbst beherrschen kann. Gerade an Böcklein.
dieser Stelle wird erkennbar, in welchen Ab- Kalb und Löwe weiden zusammen, ein kleiner Knabe kann
grund der von Salomo gewählte und mit Folge- sie hüten.
richtigkeit beschnittene Weg führt. Überzoge- Kuh und Bärin freunden sich an, ihre Jungen liegen beiein-
ander. Der Löwe frißt Stroh wie das Rind.
nes Erwählungsbewußtsein wuchert aus zur Der Säugling spielt vor dein Schlupfloch der Natter, das
Überheblichkeit. Am Ende steht die Hybris. Kind streckt seine Hand in die Höhle der Schlange.
Es blieb dem Volk die Erinnerung und — die Man tut nichts Böses mehr und begeht kein Verbrechen auf
Hoffnung. Die Erinnerung an den König, der Is- meinem ganzen heiligen Berg;
denn das Land ist erfüllt von der Erkenntnis des Herrn, so
rael mächtig gemacht hatte. Die Hoffnung, daß wie das Meer mit Wasser gefüllt ist.
ein neuer Herrscher kommen werde aus dem (Jes. 11,1-9)

150
Zeittafel
ZEIT ÄGYPTEN KANAAN-PALÄSTINA VORDERASIEN
um Ramses IL (1301-1234),
1300 unter ihm kommt es zum
Frondienst und zwischen
1290-1260 zur Auswande- Ab 1250 beginnt die Erobe- Aufstieg des assyrischen Rei-
rung der Israeliten aus Ägyp- rung Kanaans durch die Is- ches besonders unter Salma-
ten raeliten unter Josua nassar I. (1272-1243)

Die Zeit der Richter Um 1200 Ende des Hethiter-


Reiches
um Im Süden des palästinen- Beginn der griechischen Kolo-
1200 sischen Küstengebietes las- nisation
sen sich die Philister nieder Unter Tiglatpileser I. (1112
bis 1074) Gründung des Neu-
assyrischen Reiches
Um 1125: die Schlacht der
Debora gegen die Philister

Die Zeit Samuels

1000 1020-1012 Saul, der erste


König Israels

Um 1012-972 David, der


Jerusalem erobert und zur
Hauptstadt von ganz Israel
macht

972 984-950 Psusennis II. 972-926 Salomo ; unter ihm


erreicht das Königreich Is-
rael seine größte Macht

976-958 Siamon Mit seinem Tod bricht der


Einheitsstaat auseinander

152
ZEIT ÄGYPTEN KANAAN-PALÄSTINA VORDERASIEN
ZWEITEILUNG ISRAELS
926 926-722 Nordreich 926-586 Südreich
Israel Juda

950-929 Scho- 926-906 Jerobeam 926-909 Rehabeam


schenk L Er fällt
in Juda ein und
plündert Jerusa-
lem

900 Nadab 909-907 Abiam


Bascha
Ela
Simri
Tibni

850 881-870 Omri 907-867 Asa 884-859 Assuma-


sirpal II. von Assy-
rien

870-851 Ahab Unter 867-842 Joschafat 858-824 Salmanas-


seiner Herrschaft lebt sar III.
der Baalskult wieder
auf.
Der Prophet Elia tritt
auf.

153
Bildnachweis

(A) Farbige Abbildungen (Erich Lessing) Wasser ist durch gebrochene Linien am rechten
S. 33: Treppe in Megiddo Bildrand dargestellt. Die Prinzessin trägt eine
Treppe in Megiddo aus der Zeit Davids. Sie seltsame Kurzperücke. Moderne Fassung mit
wurde freigelegt während der Ausgrabungsar- Resten alter Bemalung.
beiten 1925-1937. New York, Sammlung N. Schimmel

S. 37: Krieger auf einem Turm S. 52: Tempelmauer in Jerusalem


Bronzeköcher aus Luristan; er stammt etwa Steine der herodianischen Mauer an der West-
vom Anfang des 8. Jh. v. Chr. und zeigt in seiner seite des Tempelplatzes. Innerhalb dieser
assyrisch beeinflußten Darstellung einen Fe- Mauer finden sich heute noch — wie hier im Bild
stungsturm mit Schießscharten und Verteidi- - einzelne Steine, die wohl aus salomonischer
gern. Zeit stammen. Dieser Mauerteil ist heute be-
Basel, Sammlung E. Borowski kannt unter dem Namen „Klagemauer".

S. 45: Das Tal von Ajalon S. 57: Dreifuß mit kleinem Kultbecken
Das Tal von Ajalon ist ein Teil der Hochebene Kleiner Bronzedreifuß, geschmückt mit Granat-
von Judäa. Das Trockental, das auch im Winter äpfeln, der als Untersatz für eine Schale diente.
kein Wasser führt, erstreckt sich bis zum Mit- Dieser Dreifuß ist die Verkleinerung eines Sok-
telmeer bei Tel Aviv und durchschneidet die kels für ein großes Gefäß, vergleichbar dem be-
Hochebene in westöstlicher Richtung. kannten Ehernen Meer des Jerusalemer Tem-
pels. Er wurde in Ras Schamra gefunden zu-
S. 48: Ägyptische Prinzessin sammen mit einem Schatz von Bronzewaffen,
Teil eines Relieffragments der Amarnazeit aus von denen einige durch Inschriften als Besitz des
Hermopolis. Dargestellt ist eine in dieser Zeit Oberpriesters ausgewiesen waren.
sehr seltene Szene eines Reinigungsopfers. Das Paris, Louvre

155
S. 60: Salbhorn Blick auf eine Bucht 10 km südlich von Elat, die
Elfenbeingefäß in Form eines Horns. Dieses mit heute der „Fjord" genannt wird.
Goldbändern umzogene Stück stammt aus der
Zeit zwischen Bronze- und Eisenzeit und wurde
in Megiddo in der Schatzkammer eines Palastes S. 95: Tontäfelchen mit Schriftzeichen, die eine
aus dem 14. Jh. v. Chr. gefunden. Ähnliche Goldlieferung aus Ofir anzeigen
Stücke entdeckte man in ägyptischen Gräbern. Hebräische Tonschale aus Tel Quasile (etwa 8.
Sie waren vermutlich zur Aufnahme von Salböl, Jh. v. Chr.) mit der Inschrift „Gold aus Ofir nach
vielleicht zur Königssalbung, bestimmt. Bet-Horon — 30 Schekel". Für gewöhnliche
Jerusalem, Rockefeller-Museum Aufzeichnungen benutzte man im Altertum
nicht den kostspieligen Papyrus, sondern be-
S. 64: Cherub, Elfenbeinstatuette gnügte sich mit Tonscherben, auf die man mit
Ein vom Ägyptischen beeinflußter Cherub, der Tinte schrieb oder den Text mit einem Griffel
die ägyptische Doppelkrone trägt. Gewöhnlich einritzte. Zahlreiche solcher „Ostraka" genann-
wurden zwei Cherube dargestellt, zwischen de- ten Scherben wurden in Samaria, Lachisch und
nen ein heiliger Baum stand. Das Stück stammt in jüngster Zeit in Arad gefunden.
aus einer Kriegsbeute des Königs Adadnirari Jerusalem, Israel-Museum
III. (809-782) von Damaskus. Ähnlich diesem
Motiv darf man sich wohl die Cherube im salo- S. 145: Weihestein in Teil Balata
monischen Tempel vorstellen. In Sichern, dem heutigen Teil Balata, steht die-
Jerusalem, Sammlung E. Borowski im Israel- ser Stein in einem Tempelbezirk der jüngeren
Museum Bronzezeit (15.-13. Jh. v. Chr.), der sich auf den
Trümmern eines noch älteren Tempels erhebt.
Das Buch Josua erwähnt einen „großen Stein"
S. 87: Goldschale mit Pferderelief unter der Eiche im Heiligtum Jahwes in Sichern.
Teil vom Boden einer reliefgeschmückten
Goldschale aus Ugarit. Das Pferd zieht einen
Kampfwagen; der Jäger zielt mit seinem Bogen 5. 149: Christus der Weltenherrscher
auf eine flüchtende Gazelle. Die Schale von Thronender Christus. Gestalt aus vergoldetem
ägyptischer Form läßt einen mykenischen Ein- Kupfer, getrieben und graviert, Augen aus
fluß erkennen. blauem Glasfluß, türkisfarbener Glasflußdekor.
Paris, Louvre Entstanden im 2. Viertel des 13. Jh. n. Chr. in
Limoges.
5. 91: Die Bucht des Pharao, südlich von Elat Köln, Schnütgenmuseum

156
(B) Schwarzweißabbildungen S. 55 Der Tempel Salomos; Rekonstruktion nach
Die Vorlagen der Federzeichnungen und Kar- 1. Kön. 6-7 und 2. Chr. 3^
ten stammen, sofern nicht anders vermerkt, vom nach: Lexikon zur Bibel, Verlag R. Brockhaus
Verfasser.
Die Reinzeichnungen besorgten Lajos Jobbagy 5. 78 Karte der Verwaltungsbezirke und Indu-
und Herbert Becker. strieorte
nach: Lexikon zur Bibel, Verlag R. Brockhaus
5. 38 Das Wassersystem von Megiddo
nach: Yigael Yadin, Hazor. Verlag Hoffmann & S. 82 Rekonstruktion des Ehernen Meers aus
Campe dem Tempel Salomos
aus: Lexikon zur Bibel, Verlag R. Brockhaus
S. 39 Torbau in Megiddo aus der Zeit Salomos
nach: Yigael Yadin, Hazor. Verlag Hoffmann & S. 96 Das ausgetilgte Bild der Hatschepsut
Campe nach: Paul Herrmann, Sieben vorbei und Acht
verweht. Verlag Hoffmann & Campe
S. 46 Torbau in Hazor aus der Zeit Salomos
nach: Yigael Yadin, Hazor. Verlag Hoffmann & S. 98 Schiffe aus der Zeit der Pharaonin Hat-
Campe schepsut
nach: Björn Landström, Die Schiffe der Pha-
S. 53 Plan des salomonischen Tempels und Pala- raonen. C. Bertelsmann Verlag
stes
nach: Kathleen Kenyon, Archäologie im Heili-
gen Land. Neukirchener Verlag

157
Weitere Bücher von Alfred Salomon im Aussaat Verlag:

Berufen und verworfen


Saul — Israels erster König. Ein Roman, den die Geschichte schrieb
160 Seiten, gebunden, 12 Zeichnungen und Karten, 12 Farbfotos, großes Quartformat.

David und Jerusalem


Ein Reiseführer, den die Bibel schrieb
160 Seiten, gebunden, 25 Zeichnungen und Karten, 24 Farbfotos, großes Quartformat.
Sachkundig und faszinierend wird uns die Geschichte der großen Könige Israels an den Stätten
des Geschehens anschaulich gemacht. Bibeltexte, Reportagen — bei der forschenden Durchwan-
derung des Landes entstanden - und romanhafte Nacherzählungen lassen die Zeit Sauls und Da-
vids lebendig werden. In großer Unmittelbarkeit wird der Leser in das Geschehen des Alten Te-
staments mit hineingenommen. Archäologische und bibelwissenschaftliche Exkurse stellen es in
einen größeren Zusammenhang und machen den Bezug zur Gegenwart deutlich.
Fotos, Zeichnungen und Karten bieten Orientierungshilfen für Touristen.

Du führst mich durch die Zeiten


Stationen unseres Lebens — Bilder und Begegnungen
108 Seiten, gebunden, 45 vier- und einfarbige Fotos, Format 22,5 x 24 cm.
Der Autor ist vielen Menschen begegnet, schlichten und vornehmen; Menschen, die unbeachtet
ihr Leben führen, und solchen, die im Rampenlicht stehen. Doch scheint es, daß dies alles keine
Rolle spielt, wenn es um die Begegnung mit Gott geht. Denn diese Begegnungen kommen plötz-
lich und oft unerwartet; Gott ist wie ein fahrender Platzregen — so ähnlich hat es Luther einmal
ausgedrückt.
Für diese Augenblicke will der Autor unser Gespür schärfen - mit Bildern und Betrachtungen,
Liedern und Lyrik, nach dem Ablauf des Kirchenjahres gegliedert.
Ein repräsentativer Geschenkband für viele Anlässe.

Aussaat Verlag • Wuppertal


Meditative Bilder und Texte
Dein Licht hat die Nacht in ein
Morgen verwandelt

Texte von Wolfgang Poeplau, Fotos


acht!, von Conrad Contzen. 66 Seiten, vier-
verwais farbige Abbildungen, davon 3 aus-
klappbare Panoramaseiten, Format
30 x 30 cm, geb.
Die von Wolfgang Poeplau geschrie-
benen meditativen Texte sind Ge-
danken, Interpretationen und Medi-
tationen von ungeheurer Dichte und
dichterischer Kraft zu jeweils voran-
gestellten Psalmversen oder Kern-
aussagen der Heiligen Schrift. Die
Texte korrespondieren mit den aus-
drucksstarken Bildern des Fotogra-
fen Conrad Contzen. Es sind Ein-
drücke einer Landschaft, die sich
menschlichem Begreifen entzieht:
Die Felsküsten, Lavagebirge und
Gletscherfelder Islands. Bilder und
Texte, ineinander zu einem großen
Ganzen verwoben, sind von ruhiger
Klarheit, ja Einfachheit. Sie holen die
Menschen auf der Suche nach dem
Sinn seiner selbst ab. Ein Buch von
erstaunlicher Vielfalt, aber auch Tie-
Christophorus-Verlag fe, das existenzielle Fragen des Men-
schen heute trifft und Hoffnung
Schriftenmissions-Verlag macht - ein herausragender Ge-
Agentur des Rauhen Hauses schenkband.
Dieses Buch geht den noch greifbaren Spuren Salomos
nach, dem letzten der drei großen Könige Israels,
der das Reich zu seiner größten Blüte und Macht entfaltet
und der den Tempel in Jerusalem erbaut.
Auf ungewöhnliche Weise - in biblischen Texten,
archäologischen Exkursen und mit vielen,
teils mehrfarbigen Abbildungen - erzählt dieses Buch
vom Land der Bibel und seinen Menschen.
Die Gestalt Salomos, den die Bibel weise nennt,
zeigt exemplarisch einen außergewöhnlichen Menschen,
der zwar klug und geschickt zu regieren weiß,
dem aber die tiefste Weisheit fehlt,
die Demut vor der eigenen Begrenztheit und vor Gott

Christophorus-Verlag * Freiburg
Aussaat Verlag * Wuppertal

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