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Donau-Universität Krems › Bereich Technologie, Information und Medien › Verlagspostamt 3500 Krems › P.b.b. › Nummer 39, 12.

Jahrgang › 02Z030312M

› Sehen und Verstehen


Bekanntes belegen – Unbekanntes entdecken
Foto › Gerhard Maurer
ISSN 1992-6146 › Ausgabe 1/ 2007

› Second Life
› Berufsbild PressesprecherInnen
› Frauen in den niederösterreichischen Medien

„Es gibt nur eines, was auf Dauer teurer


ist als Bildung: keine Bildung.“

John F. Kennedy (1917–1963)


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Second Life
Mehr als ein Spiel

„Second Life“ ist der aktuelle Hype im Web. Rund 4 Millionen


Menschen haben sich derzeit registriert und ihre neue virtuelle
Existenz in der Online-Welt errichtet.

Wa lt e r S e b ö ck , wa lter.seboec k@donau-uni.ac.at Foto › Gerhard Maurer

Was ist Second Life?


Second Life wurde 2003 von der Firma „Linden Labs“ gegründet. haben bereits virtuelle Niederlassungen in Second Life errichtet. Aufgrund
Technische Basis ist eine Online-Plattform, welche die Eigendarstellung der derzeitigen Interessenlage, die vor allem über die Medien geschürt
der BewohnerInnen, die Kontaktaufnahme und Kommunikation sowie den wird, sichert der Aufbau eines virtuellen Outlets kostenlose PR.
Austausch bzw. das gegenseitige Angebot von Dienstleistungen ermöglicht.
Damit unterscheidet sich Second Life weder von den grundsätzlichen Ambi- Adidas beispielsweise nutzt Second Life für Produkttests und Produkt-
tionen aus der Frühzeit des Internet noch von anderen 3-D-Simulationsspie- informationen. So gelingt es, ohne nennenswerte Kosten, Artikel zu
len. Neu und anders ist, dass die 3-D-Animationen ein räumliches, also ein erstellen und deren Akzeptanz bei potenziellen Zielgruppen zu testen. Im
relativ reales Gefühl der Austauschprozesse und unmittelbare Interaktionen virtuellen Adidas Store können Schuhe aus der aktuellen Kollektion für
zulassen. Hauptsächlich aber liegt der Unterschied in der Tatsache, dass den Avatar gekauft werden.
Second Life nicht in allen Aspekten ein Spiel ist: Linden Labs selbst betont
den wirtschaftsnahen Charakter der Plattform. Medienhäuser haben bereits mit der Berichterstattung über das Leben im
Im Vordergrund der Darstellung steht weder der Spiel- noch der Simulati- Second Life begonnen: so berichten sowohl der „AvaStar“ aus dem Sprin-
onscharakter, sondern die Möglichkeit, auf einer neuen Ebene Geschäfte ger Verlag wie auch Spiegel Online laufend über Neuigkeiten.
abwickeln zu können. Zu diesem Zweck wurde mit dem Linden-Dollar eine Reuters eröffnete vor kurzem eine eigene virtuelle Repräsentanz.
virtuelle Währung entwickelt, die in US-$ gewechselt werden kann.
Damit schließt Second Life die Brücke zwischen der virtuellen Web-Ebene Die Niederlassungen setzen sich bis in den Behördenbereich fort:
(„In-World“) und der realen Wirtschaftsebene. Schweden hat soeben eine eigene „Botschaft“ im Second Life eröffnet, das
„Österreich Haus“ möchte über Österreich informieren.
Andere Plattformen bieten Rollenspiel- oder Kommunikationsmöglichkeiten,
Wirtschafts- und Managementsimulationen oder die Unterstützung wirt- Letztendlich sind nun die Aus- und Weiterbildungsinstitutionen in die Pflicht
schaftlicher Austauschbeziehungen. Second Life ist ein bisschen von allem. genommen; neue Formen der Interaktion, der Wirtschaftsbeziehungen und
der Arbeit werden in Zukunft auch den Bildungsbedarf verändern.
So verwandeln sich private User in SuperheldInnen, KriegerInnen, Phanta-
siewesen oder „normale“ künstliche Charaktere, kämpfen, jagen Monster Die Donau-Universität Krems beobachtet und begleitet seit ihrer Gründung
oder gehen einfach nur spazieren und beobachten die künstliche Welt und technologische Web-Tendenzen und Trends vor allem unter sozialwissen-
ihre Entwicklung. Wenn auf der Simulationsebene der Spielspaß fortgesetzt schaftlichen Gesichtspunkten der Technikfolgeabschätzung.
werden soll, haben diese TeilnehmerInnen die Möglichkeit, künstliches Aus diesem Grund wird die Donau-Universität auch die Auswirkungen die-
Land zu erwerben, darauf Häuser zu errichten und darin virtuell zu wohnen. ser Plattform mit einer eigenen Niederlassung beobachten, Informationen
für Unternehmen, die einen Auftritt planen und sich über finanzielle, image-
Unternehmen nützen die Plattform, um in der virtuellen Welt einen Schat- technische und rechtliche Konsequenzen nicht im Klaren sind, anbieten und
ten zu werfen: Mercedes, Reuters, Adidas, BEKO und andere Konzerne in den kommenden Ausgaben der TIMNEWSupgrade darüber berichten.

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Second Life:
Der Standpunkt der BEKO-Strategen
Da s i n t e rv i e w f ü h rte walter seböc k, walter.seboec k @donau-uni.ac.at

Die Welt wird neu erfunden und besiedelt. Zumindest im Internet. Second Life bietet die Möglichkeit, mit einer neuen,
künstlichen Identität aufzutreten, andere ebenso künstliche Personen kennen zu lernen, künstliches Land zu kaufen,
künstliche Häuser zu bauen und künstliche Geschäfte zu machen. Ist Second Life also nur ein Spiel, revolutioniert es die
Interaktionsmöglichkeiten oder finden angesagte Revolutionen ohnedies nicht statt?

Einblicke in diese zukünftige Welt, deren Entwicklungsaspekte und neue Geschäftsfelder


gibt der Vorstandsvorsitzende der BEKO Holding AG und Gastprofessor der Donau-Universität Krems,
Prof. Peter Kotauczek, im Interview.

› TIMNEWSupgrade: Wie sehen Sie Second Life? Nehmen Sie diese Die „Realos“ sind wir alle, die wir die Welt voll von Dingen sehen.
Entwicklung ernst, oder sehen Sie darin nur einen kurzlebigen Hype? „Virtos“ denken anders. Für diese ist es wichtig, alles in Dokumenten
verbrieft zu sehen. Worüber es kein Dokument gibt, das existiert für sie
› Prof. Kotauczek: Die BEKO Holding AG als strategischer Finanzin- nicht. Folgerichtig versuchen „Virtos“ alles in die Form von Daten zu
vestor im Technologiebereich hat definitiv einen anderen Fokus auf das bringen. Sie wollen kein Geld, sie wollen Kontoauszüge, Bankomatkarten,
Second Life als die Mitspieler und deren Beobachter. Überweisungen. Sie wollen keine Events, sondern Berichte und Analysen
über Events. Sie wollen keine Firmen, sondern Aktien an Firmen. Sie
Was tut ein Investor üblicherweise, wenn er beobachtet, dass sich ein wollen keine Bürger, sondern Akten über Bürger.
völlig neuer Markt auftut, der monatlich um 29,5 % wächst und außerdem Diese „Virtos“ glauben konsequenterweise den Medien und Statistiken
noch von anderen Trends massiv gestützt ist? mehr als der eigenen Wahrnehmung. Jetzt haben sie eine Plattform:
Second Life. Dort bildet sich eine Parallelwelt, wo man etwas erleben,
Die Antwort ist einfach: Er nimmt diesen Markt sehr ernst. Wir nehmen erproben und Geschäfte machen kann.
Second Life also sehr ernst.
› TIMNEWSupgrade: Wird diese Plattform neue
› TIMNEWSupgrade: Wird Second Life in der gesellschaftlichen und Geschäftsmöglichkeiten eröffnen?
wirtschaftlichen Interaktion etwas verändern?
› Prof. Kotauczek: Ja, denn derzeit sind 3,8 Mio. Avatare dabei, einen
› Prof. Kotauczek: Aus der Sicht eines High-Tech-Investors stellen Markt aufzubauen. Ein klaglos funktionierendes Zahlungssystem in einer
wir fest, dass es seit Jahren einen Mega-Trend von den so genannten konvertierbaren Währung, den Linden-Dollars, setzt bereits Millionen um.
„Realos“ zu den „Virtos“ gibt. Was bedeutet das? Ganz einfach: Gleichzeitig sorgt Microsoft mit seinem neuen Betriebssystem Vista dafür,

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dass die PCs dieser Welt auf 3-D-Fähigkeit aufgerüstet werden. BEKO betreibt daher mit dem BEKO-Island einen Forschungs- und
Die Avatare bauen in ihrer virtuellen Welt mit rasender Geschwindigkeit Entwicklungs-Stützpunkt im Second Life. Hier wird untersucht, welche
Vermögenswerte auf, die nach Konsum, Veranlagung und Absicherung Geschäftsideen derzeit die höchste Marktnähe aufweisen, wie die Kon-
suchen. Es ist nur eine Frage von Monaten, bis das auch Banken, Versiche- kurrenzlage aussieht und welche Investitionschancen sich gerade auftun.
rungen und Markenartiklern auffällt. Die Geschwindigkeit der Evolution im Second Life ist weit größer als in
der Realwelt, weil physische und politische Beschränkungen derzeit noch
› TIMNEWSupgrade: Sehen Sie neue Arbeitsmöglichkeiten? unmaßgeblich sind. Das kann sich sehr schnell ändern, und dann ist es
wichtig, ob man schon drin ist oder erst hinein will. Die Zugangsschranken
› Prof. Kotauczek: Eindeutig bildet sich bereits jetzt ein neuer werden wie in allen stark nachgefragten Bereichen immer höher und teurer.
Arbeitsmarkt heraus: das so genannte „Microworking“. Vor allem Software-
Spezialisten verkaufen Software-Teile um wenige Linden-Dollar in-world, › TIMNEWSupgrade: Welche Geschäftsideen weisen nach Ihren Unter-
dh. innerhalb von Second Life. In Summe sind das Mengen, die bereits suchungen die höchste Marktnähe auf?
so groß sind wie der Output der legendären indischen Bangalore-Soft-
wareschmieden. › Prof. Kotauczek: Das Versicherungsgeschäft und die Werbewirtschaft.

Diese Software-Atome werden von anderen gesammelt und zu größeren


Modulen zusammengefügt. Ab einem gewissen Komplexitätsgrad suchen
diese neuen Business-Modelle Risikokapital, um die Produkte in-world,
aber auch out-world zu verkaufen. Für Software als eines der wenigen
Produkte, die ja schon von Natur aus virtuell sind, gilt die Grenze zwischen
First Life und Second Life nicht. Das Gleiche gilt auch für Bankdienstleis-
tungen, Versicherungen, Hedge-Funds, Stiftungen, Werbung, Spartenme-
dien und ähnliche Wirtschaftszweige. Alle werden sich mit Second Life
professionell auseinander setzen müssen und brauchen Beratung, Support
und ausführende Dienstleister.

› TIMNEWSupgrade: Wie reagiert nun die BEKO auf Second Life?

› Prof. Kotauczek: Hier tut sich für die BEKO Holding ein weites Betä-
tigungsfeld auf, für das sie wegen ihrer Vorgeschichte im Engineering- und
Informatikbereich als eine der ganz wenigen Firmen Österreichs besonders
geeignet ist.

Prof. Ing. Peter Kotauczek


geb. 1. 6. 1939 in Wien › Masaryk-Preisträger für innovative Computerkunst.
Systemanalytiker, Ingenieur, Maler › Eintragung ins Guinness-Buch der Rekorde 1994 für das größte
direkt aus dem Computer ausgegebene CALSI-Bild, an der
Kunsthalle Wien-Karlsplatz.
› Initiator Impulsgruppe Fuzzy Logik in Österreich, mit dem Schwerpunkt
› HTL Maschinenbau, mehrere Semester Studien Wirtschaftswissen- Computergestützte Großbildverarbeitung (CALSI) und Medienübergrei-
schaften, Jus, Werbung und Marketing, Informatikausbildung bei IBM. fende Informationsverarbeitung, Entwicklung
› Gründer der BEKO – Engineering & Informatik AG, mit 600 › des REBUS-Perzeptrons (balanced scorecard).
MitarbeiterInnen eines der führenden Softwarehäuser Österreichs. › Zahlreiche Computer-Gemälde-Ausstellungen im In- und Ausland.
› Vorstandsvorsitzender der BEKO Holding AG (Börseticker BEO) › Aktives (ausübendes) Mitglied des Verbands
› Präsident des Verbandes Österreichischer Software-Industrie (VÖSI). Grafik-Design-Austria GDA.
› Dienstleistungsunternehmer des Jahres 1993 des › Berichte im ORF, in der Presse. Verfasser des Buches:
Wirtschaftsmagazins trend. „Hi-Tech-Faktor Kunst“.
› 1984–2000 Lehrbeauftragter an der Universität für angewandte Kunst, › Ausgezeichnet mit dem Grand Prix „Graphik Praha 94“ unter
Meisterklasse für visuelle Mediengestaltung Prof. Peter Weibel. 12 Nationen durch eine internationale Jury.
› Gründungsmitglied des „Club of Vienna“ am Konrad-Lorenz-Institut › Berufung als Gastprofessor für Telekommunikation, Information und
für Evolutions- und Kognitionsforschung in Altenberg Medien an die Donau-Universität Krems.
(Prof. Rupert Riedl). › Verleihung der Franz-Kafka-Medaille für Kunst in Prag.
› Mitglied des Verwaltungsrates des Österreichischen Arbeitsmarkt- › Wissenschaftlicher Leiter des Instituts für Humaninformatik
service (früher Arbeitsmarktverwaltung); auf Burg Hartenstein
› Mitglied des nationalen Beirates der CA-BV. › Mitglied des Kuratoriums der Donau-Universität

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