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1. ECHE Baden-Baden 5.-7.9.

2005

Optimierung der Einkaufs- und Logistikprozesse eines 1.400-


Betten-Krankenhauses in Deutschland

Dr. Horst Gudat, Hannover

1. Einführung

Um den wirtschaftlichen Fortbestand des Krankenhauses zu sichern, sind Krankenhäuser


gezwungen, in allen Bereichen ihre Effizienz zu steigern. Bislang wird häufig übersehen,
dass die Materiallogistik einen erheblichen Einfluss auf sehr viele Abläufe und
Leistungsbereiche im Krankenhaus hat. Die mit der Logistik verbundenen Prozesskosten
bieten außerdem ein erhebliches Einsparpotenzial. Deshalb kommt ihrer Optimierung eine
grundsätzliche Bedeutung zu.

Dieser Vortrag behandelt sowohl die grundsätzlichen Ansätze zur Logistikoptimierung


anhand der im Mai 2005 neu erschienenen WGKT-Empfehlungen als auch das konkrete
Projektbeispiel des Krankenhauses „
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kum Augsburg“in Bayern.

2. Die neue WGKT-Empf


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Die Wissenschaftliche Gesellschaft für Krankenhaustechnik (WGKT) hat im Jahr 2005 vier
Empfehlungen - eine Basisempfehlung und drei spezielle Ergänzungen - zur Verbesserung
logistischer Prozesse im Krankenhaus fertig gestellt und veröffentlicht. Beteiligt war ein
Arbeitskreis hochkarätiger Fachleute aus Kliniken, der Wissenschaft und aus
Dienstleistungs- und Beratungsunternehmungen unter Leitung des Verfassers dieses
Artikels. Die Empfehlungen zeigen Verbesserungspotenziale für den gesamten
Logistikprozess von der Nutzeranforderung über die Stufen Einkauf, Lieferung, Transport,
Lagerung, Verbrauch und Dokumentation bis zur Entsorgung von Medizinprodukten und
allgemeinen Wirtschaftsgütern auf. Sie beinhalten sowohl grundsätzliche Ansätze wie z.B.
die Entwicklung des operativen Einkaufs zu einem strategischen Einkauf als auch
praxisorientierte und konkret umsetzbare Verbesserungsvorschläge für alle Stufen des
Logistikprozesses.

Im Folgenden werden die vier Empfehlungen in Auszügen kurz vorgestellt.

Teil 1: Verbesserung logistischer Prozesse im Krankenhaus (Basisempfehlung)


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Logi st
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cheAnf orderungs-, Beschaffungs-, Transport-, Lager-,
Umschlags- und Entsorgungsvorgänge von Waren. Diese Güterbewegungen umfassen den
gesamten Materialfluss vom Lieferanten bis zum Kunden (im Krankenhaus also Stationen,
Funktionsbereiche bis letztendlich zum Patienten) einschließlich der Entsorgung von nicht
wieder verwendbaren Gütern, Abfällen und Verpackungen.

Unter Logistikkosten ist der Aufwand an Dienstleistungen sowie an Lager-, Transport und
Organisationsmitteln zu verstehen, der erforderlich ist, die gesamte Materialbeschaffung und
-bereitstellung sicherzustellen. Der Materialwert selbst zählt nicht zu den Logistikkosten.

Moderne Logistik im Krankenhaus muss heute sowohl den funktionellen als auch den
betriebswirtschaftlichen Anforderungen gerecht werden und die einzelnen Leistungen und
Aufgabenbereiche transparent gestalten:

 Schnelle und zuverlässige Belieferung der Bedarfstellen


 Ständige Verfügbarkeit ohne Überdimensionierung der Lagerbestände

Gudat Vortrag Logistik 1 1. ECCHE Baden-Baden


 IT-gestützte Logistikorganisation und -dokumentation
 Durchgängige Betriebsabläufe (ohne Abteilungs-Bruchstellen)
 Kostenstellenspezifische Nachweise der Verbrauchs- und Entsorgungsdaten
 DRG- bzw. Patienten-spezifische Nachweise der Material-Verbräuche und
Entsorgungsleistungen

Zur Optimierung des logistischen Gesamtprozesses ist auf alle Glieder der Kette Einfluss zu
nehmen. Zielsetzung ist die Ablauf- und Kostenoptimierung der gesamten Prozesskette
Krankenhauslogistik, insbesondere durch eine weitgehend papierlose Verknüpfung aller
Glieder in einer geeigneten IT-Struktur.

Der klassische Logistikprozess

Zentrallager
Artikel- Kom-
externer Waren- interner
stamm- missio-
Transport eingang Transport
daten nierung

Liefe- IT-Struktur Sta-


ranten tionen

Externe Ent-
interne
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Einkauf Ent-
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sorgung
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Als besonders wichtig empfiehlt die WGKT folgende Punkte:

- Die Weiterentwicklung des operativen Einkaufs zu einem strategischen Einkauf


- Die weitgehend papierlose, EDV-gestützte Abwicklung aller Logistikprozesse
- Die Standardisierung der Produkte und ständige Pflege der Artikelstammdaten
- Die Koordinierung und Bündelung aller logistischen Prozesse im Krankenhaus
durch eine Abteilung
- Die Einbeziehung eines Entsorgungsmanagements in die Beschaffungs-
entscheidungen und in die Struktur der internen Logistikprozesse
Krankenhäusern, die ihre Logistikprozesse reformieren wollen, sollten zu Beginn eine IST-
Analyse zur Erfassung der Ausgangssituation durchzuführen, aus der heraus ein an das
Haus und an diese Empfehlungen angepasster verbesserter Logistikprozess entwickelt
werden kann.

Teil 2: Strategischer und operativer Einkauf

Krankenhäuser haben die Möglichkeit, durch konsequenten strategischen Einkauf und durch
Prozessverbesserungen schnell Kosteneinsparungen zu realisieren und die
Beschaffungsabläufe zu verschlanken. Die Möglichkeiten des strategischen
Beschaffungsmanagements in deutschen Krankenhäusern sind jedoch nicht immer

Gudat Vortrag Logistik 2 1. ECCHE Baden-Baden


ausgeschöpft. Nachholbedarf besteht in der Standardisierung von Prozessen und bei den
eingesetzten Produkten sowie in den Vertragsverhandlungen und der Vertragsgestaltung.
Die meist hohe Zahl der Lieferanten zieht eine hohe Komplexität der Beschaffung nach sich.
Die heutigen klassischen Einkaufsabteilungen sollten zu einem strategischen Einkauf
entwickelt werden, der das Bindeglied zwischen Markt und Nutzern darstellt.

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“:

- Die Ziele des Einkaufs mit den Zielen des Krankenhauses in Einklang zu bringen
- Die Prüfung und Entscheidung für einen eigenen strategischen Einkauf oder für
eine Einkaufskooperation zu treffen
- Die Teilevielfalt und die Anzahl der Lieferanten zu reduzieren
- Sich auf die Materialien zu konzentrieren, die einen hohen Einfluss auf
die medizinischen Leistungen haben.

Teil 3: Wareneingang, Lagerung und interner Transport

Häufig werden die personellen, baulichen, organisatorischen und technischen


Anforderungen für optimale Logistikprozesse im Krankenhaus nicht erkannt. Hierzu zählen
die Ausstattung des Wareneingangs und des Zentrallagers, die Qualifikation des Personals,
die verschiedenen Transportsysteme, die Lagerbedingungen und der Personaleinsatz an
den unmittelbaren Verbrauchsorten. Es sollte das Zusammenwirken zwischen
Produktauswahl und Sortimentsbereinigung sowie den logistischen Effekten von Transport
und Lagerhaltung beachtet werden.

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anspor
t“u.a.:

- Zur Erhöhung der Versorgungssicherheit und zur Senkung von Pflegepersonal-


kosten den Einsatz von Stations-/Versorgungsassistenten und einer Systemversorgung
(Schrank-, Modulsysteme u.ä.) zu prüfen

Teil 4: Effizientes Entsorgungsmanagement im Krankenhaus

Nicht nur die anfallende Müllmenge im Krankenhaus ist ein Problem, auch deren
Zusammensetzung hat sich stark geändert. Grundsätzlich muss angestrebt werden,
unnötiges Müllaufkommen zu vermeiden, verwertbare Bestandteile zu verwerten (z.B.
Recycling, Leergutnutzung, Kompost, Rückgewinnung von Metallen). Besondere Relevanz
erhält das Thema Entsorgung im Krankenhaus durch die Tatsache, dass ein Patient die
doppelte bis dreifache Menge an Abfall verursacht und gleichzeitig die dreifache Menge an
Energie und Wasser verbraucht wie zu Hause.

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sor
gungs
management
“u.a. :

- Bereits bei der Beschaffung mögliche Entsorgungsfragen zu berücksichtigen,


um Abfallvermeidungspotenziale zu nutzen.
- Das Entsorgungskonzept zu standardisieren und mit den betroffenen Bereichen
abzustimmen.
- Die Entsorgung in das Logistikkonzept des Hauses einzubeziehen (gemeinsame Ver-
und Entsorgung).
- das Abfallmanagement zu zentralisieren, um eine Rückkopplung und Kontrolle über alle
Prozesse zu erreichen.

Gudat Vortrag Logistik 3 1. ECCHE Baden-Baden


3. Die Optimierung der Logistik am Klinikum Augsburg

Das Klinikum Augsburg wurde Ende der 70iger Jahre in Kompaktbauweise errichtet. Es hat
heute rund 1.400 Betten und 4.900 Beschäftigte, davon 170 im Bereich Logistik (ohne
Technik, aber incl. Zentralapotheke). Das gesamte Beschaffungsvolumen (incl. Technik,
Baumaßnahmen und Apotheke) betrug im Jahr 2004 Mio 93,2 €und gliedert sich wie folgt:

Beschaffungsvolumen 2004
Einkauf 22.325.172,07 €
Apotheke 31.547.764,65 €
Technik 36.444.460,93 €
Diagnostika 2.920.460,06 €

SUMME 93.237.857,71 €

In dem Projekt analysiert und optimiert wurde ein engerer Bedarf an Medizin- und
Wirtschaftsgütern (ohne Baumaßnahmen und Technik) mit mehr als 20.000 Produkten und
einem finanziellen Jahresvolumen von rund 44 Mio €.Rund ¾ davon sind Durchläufer, d.h.
Artikel, die nicht im Lager vorgehalten, sondern extern eingekauft werden. Diese
Bestellungen erfolgten bisher in Papierform von den Stationen über die Einkaufsabteilungen
(per Hauspost) zu den Lieferanten; der damit verbundene Aufwand an Papier, Kopier- und
Ablagevorgängen war immens. Nur die rd. 13% Lagerartikel können bereits per EDV von
den Stationen im Lager abgerufen werden.

Die Einkaufs- und Logistikprozesse blieben seit Gründung des Klinikums nahezu
unverändert. Eine Ist-Analyse im Jahr 2004 zeigte Handlungsbedarf in vielen Punkten:

Logistik-Organisation
Einkauf
Optimierung nach Artikelgruppen, Standardisierung der Artikelstammdaten,
Bedarfsmeldung Stationen
Belieferung Interne Lagerung / Transport AWT
Optimierung Lagerartikel / Zentrallager
Transporte und Umpackvorgänge
Externe Beschaffung / Durchläufer

Daraus wurden –zusammen mit einer Arbeitsgruppe des Klinikums - folgende Zielsetzungen
zur Optimierung der gesamten Materiallogistik entwickelt:

●Deroper ativ eEinkaufwi r


dz uei nem s trategischen Einkauf entwickelt, der von operativen
Routineaufgaben entlastet wird.
●Routinebestellungen werden direkt in den Stationen und Funktionsabteilungen
per EDV ausgelöst.
●Eswer denEi nkaufs-Budgets für die Kliniken eingeführt, innerhalb derer die Kliniken
frei bestellen dürfen; die Kontrolle der Budgetvorgaben erfolgt per EDV.
●Al l
eBest ell- und Einkaufsvorgänge werden papierlos per EDV durchgeführt.
●Di eAr ti
kel stammdat enwer denunt erEi nbeziehung der Nutzer bereinigt.
●Di eLi eferant enstrukturwi r
dkonz entr
ier t.
●Di eBer ei
che:Ei nkauf- Zentrallager - Interner Transport - Versorgungsstützpunkte -
Entsorgung werden organisatorisch zusammengefasst.

Gudat Vortrag Logistik 4 1. ECCHE Baden-Baden


●DieLager haltungwi rdhinsicht li
chLager ar ti
kel undDur chläuferopt imiert
,d. h.dasLager
wird um die Artikel reduziert, die weniger als 5x pro Jahr bestellt werden; andererseits wird
das Lager um häufige Durchläufer erweitert.
●DasFor mul arwesen (mehr als 2000 Formulare) wird gestrafft und in der EDV hinterlegt

Die Umsetzung dieser Maßnahmen läuft erfolgreich seit Jan. 2005 und ist weitestgehend
abgeschlossen. Die größten Probleme bestanden in der Anpassung der EDV, da die
vorhandene Software zunächst nicht alle Anforderungen erfüllen konnte. Insgesamt zeigten
sich aber innerhalb weniger Monate erhebliche Rationalisierungseffekte in der gesamten
Materiallogistik in Form wesentlich schnellerer und zuverlässigerer Beschaffungs- und
Belieferungsvorgänge, in einer höheren Transparenz der Verfügbarkeit und erheblichen
Reduzierungen in der Personalbelastung und des Papieraufkommens in der Logistik und auf
den Stationen. Die Einspareffekte in den Prozesskosten betreffen somit nicht nur die
Logistikabteilungen, sondern nahezu alle medizinischen Stationen.

Verfasser

Dr.-Ing. Horst Gudat


Vize-Präsident der WGKT

c/o Dr. Gudat Consult


Güntherstr. 19
D-30519 Hannover
Fax +49 511 54 45 85 1
dr.h.gudat@t-online.de
www.dr-gudat.de

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