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W+W-Disk.-Beitr.

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Naturalistische Evolution und Gottesbild


Zusammenstellung von Texten mit Kommentaren von Reinhard Junker

Es gibt und gab viele Überlegungen, ob und wie das bracht hat, für Naturalisten inakzeptabel ist. Ein Gott
Evolutionsparadigma mit einem Schöpfungsglauben aber, der keine Wunder tun kann, die ihre Spuren in
vereinbar ist. Hier soll es um die Frage gehen, welcher unserer Welt hinterlassen, ist im eigentlichen Sinne des
Inhalt ein Schöpfungsglaube haben kann, wenn Wortes weltfremd und nicht der Gott, der sich in der
• Makroevolution als Tatsache betrachtet wird und Bibel geoffenbart hat.
• eine allgemeine Evolution der Lebewesen als voll- In Neukamms Worten spiegelt sich die durchaus
ständig naturgesetzlich erklärbar angesehen wird (unge- nicht neue Überzeugung, durch naturalistisch orien-
achtet der Frage, ob dies wirklich gelungen oder mög- tierte Wissenschaft könne irgendwann einmal alles er-
lich ist). klärt werden, auch alle Ursprungsfragen. Wenn Lük-
Ein Beitrag der ARD im Oktober 2004 über die neuen ken in unseren Kenntnissen Hinweis auf Gottes Wir-
Kontroversen um die Evolutionstheorie wurde wie folgt ken seien, bliebe für Gott schließlich kein Platz mehr:
im Internet angekündigt: „Seit mehreren Jahren stellen das ist das für die Theologie „ruinöse“ Lückenbüßer-
sich den dogmatischen Religionsideologen, die als so Argument. Dieses Argument ist in der Tat unbrauch-
genannte Kreationisten bezeichnet werden, engagierte bar, mit ihm wird aber von Theisten die Existenz Gottes
Evolutionsbiologen entgegen. Es geht dabei nicht dar- auch nicht begründet, siehe dazu „Ist Gott als Schöpfer
um individuelle ‘Glaubensbekenntnisse’ zu diskreditie- ein „Lückenbüßer“ für Unverstandenes?“ unter
ren, sondern darum, dass der wissenschaftlich bewiese- www.genesisnet.info/schoepfung_evolution/
ne Sachverhalt der Evolution nicht in Abrede gestellt f73_5.php
wird.“ Wenn also mit Evolution eine rein naturalistisch Weiter Neukamm (2004, Anm. 1): „Im Kontrast
verstehbare Gesamtevolution des Lebens (Makroevolu- dazu geraten pantheistische bzw. weltimmanente Schöp-
tion) gemeint ist (und auf dieses Verständnis wird von fungsentwürfe, wie sie von der Mehrheit der religiös
Evolutionsbiologen großen Wert gelegt), wie kann das veranlagten Wissenschaftler vertreten werden, nicht
Gottes Wirken als Schöpfer verstanden werden, wenn mit wissenschaftlichen Lehrinhalten und Prinzipien in
man dieses „Glaubensbekenntnis“ nicht „diskreditie- Konflikt. Denn anstatt mit ihnen zu konkurrieren und
ren“ will? für den Schöpfer eine transzendente ‘Sonderwirklichkeit
Drei deutsche Autoren, die sich in der aktuellen jenseits der Weltwerdeprozesses’ einzufordern, sind
Diskussion zu dieser Frage geäußert haben, sollen nach- ihre Aussagen vom Stand der Forschung unabhängig,
folgend zu Wort kommen. da sie Schöpfung als immanente (naturalistisch beschreib-
bare) Entwicklung einer ‘einheitlichen Weltwirklich-
Martin Neukamm (2004). Dieser Autor ist Mitarbeiter keit’ begreifen, womit der ‘Gegensatz von Transzen-
der AG Evolutionsbiologie im Verband deutscher Bio- denz und Immanenz, (...) von Theismus und Pantheis-
logen. Er schreibt: Es sei „keineswegs beabsichtigt, ei- mus [Naturalismus] aufgehoben wird’ (so der Theolo-
nem starken Naturalismus das Wort zu reden oder sogar ge Daecke 2001).“ Man beachte, dass dem Schöpfer
die Nichtexistenz einer wie auch immer gearteten Über- nicht einmal eine „Sonderwirklichkeit jenseits des Welt-
natur kategorisch zu verneinen.“ Religiöse Überzeugun- werdeprozesses“ eingeräumt wird (zusätzlich zur vor-
gen kollidierten jedoch mit der wissenschaftlichen Er- her schon gemachten Feststellung, dass ein souveränes
kenntnisstrategie, deren primäres Ziel darin bestehe, Eingreifen ausgeschlossen wird).
„auf alle Fragen nach dem Sein und Werden der Welt Weiter Neukamm: „Die Tatsache, dass die Natur-
rationale Antworten zu finden“. Das gelte „selbst dann, wissenschaften ‘keinen göttlichen Fuß in der Tür gestatten
wenn die Fragestellung den Urgrund allen Seins be- können’ (selbst dann nicht, wenn es ihn gäbe!), ist dem-
rührt.“ (Aus dem Kontext geht hervor, dass mit „ratio- nach weder Ausdruck einer kategorischen Verneinung
nal“ „naturwissenschaftlich durch Gesetze beschreib- der Existenz einer ‘Übernatur’, noch das Symptom ei-
bar“ gemeint ist.) Stütze man sich dagegen in „Erklä- ner dogmatischen Verkrustung der Wissenschaft, wie
rungen“ auf eine übernatürliche „Sonderwirklichkeit“ dies Lennox (...) beklagt, sondern schlichtweg Aus-
jenseits des Weltgeschehens, sei dies selbst für die Theo- druck methodologischer Notwendigkeit“ (Neukamm 2004,
logie ruinös. Denn Gott werde als Lückenbüßer an die 14). Das heißt: Selbst wenn es Gott gäbe, könnte die
Grenzen unseres gegenwärtigen Wissens gesetzt. Je mehr Wissenschaft nach Auffassung von Neukamm nicht
diese Grenzen aber ausgeweitet würden, desto weniger gestatten, dass ein Wirken Gottes in irgendeiner Weise
Platz bliebe für Gott. „Theologische Modelle, die hinge- Abläufe in der empirisch erfassbaren Welt tangiert.
gen eine Schöpfung als „weltimmanenten“ – naturali- Das gilt auch, wenn es um den „Urgrund allen Seins“
stisch fassbaren – Entwicklungsprozess begreifen, ver- geht (s. o.). Unter diesen Umständen ist Neukamms
meiden von vorne herein derartige Konflikte.“ Dies Aussage, dass die Existenz einer „Übernatur“ nicht
mache sie zwar nicht wissenschaftlicher, jedoch mit der verneint werde (s.o.) faktisch leer.
Wissenschaft und ihren Prinzipien grundsätzlich kom- Angesichts dieser Sachlage verwundert es nicht,
patibel. dass die Evolutionsbiologen einen Link auf die Home-
„Schöpfung“ müsse also weltimmanent, naturalistisch page von Gerd Lüdemann setzen. Lüdemann ist ein
fassbar sein, sonst sei sie nicht akzeptabel. Die Ausfüh- Theologe, der sich zum Atheismus gewendet hat. Auf
rungen Neukamms machen deutlich, dass Gott als sou- seiner Homepage finden sich keine Ausführungen zu
veräner Schöpfer, der in die Geschehnisse eingreifen evolutionstheoretischen Themen. Der Link darauf muss
kann und die Welt durch sein Machtwort hervorge- also andere Gründe haben. Diese liegen auf der Hand.

DISKUSSIONSBEITRÄGE, BERICHTE,
INFORMATIONEN 5/06
Jochem Kotthaus (2003). Kotthaus geht in seinem krea- lung“ unserer Spezies sei somit durch objektive Fakten
tionismuskritischen Buch „Propheten des Aberglau- widerlegt; bereits Charles Darwin habe in seinen Wer-
bens“ auf Fragen des Glaubens in einem evolutionisti- ken diese Schlussfolgerung gezogen.
schen Weltbild ein. Er lässt öfter (eher zwischen den Kutschera schlussfolgert: „Aus dem Gesagten folgt,
Zeilen) erkennen, dass für ihn in irgendeiner Weise dass die Evolutionsforschung (u. a. die historische Re-
Gott existiert; er argumentiert nicht allgemein gegen konstruktion von Abstammungsreihen) im christlichen
Religiosität. Seine eigene Sicht legt er zwar nicht expli- Sinne ‘geistlos’ ist, da gemäß dem Prinzip des Natura-
zit dar, einiges davon kommt aber in manchen Formu- lismus die Natur aus sich selbst heraus erklärt wird,
lierungen zum Ausdruck. So vertritt er an zahlreichen ohne Einbeziehung supranaturalistischer Götter, Gei-
Stellen eine strikte Trennung von Glauben und Wissen ster oder Designer.“ Mit anderen Worten hat auch bei
(S. 17), wobei Glaube sich nach Kotthaus wohl nur auf ihm ein souverän agierender Schöpfer, der in den Lauf
die Innerlichkeit der eigenen Psyche beschränkt (S. 24). der Dinge eingreifen und vor allem die Welt durch sein
Für rein (natur)wissenschaftliche Überlegungen spiele Wort auf übernatürliche Weise erschaffen hat, keine
es „keine Rolle, ob Gott die Welt, das Leben und den Men- Existenzberechtigung.
schen in einem gewaltigen Akt schuf“ (S. 146). Dem ist Selbst Papst Johannes Paul II., der Evolution als
zuzustimmen. Seiner Auffassung nach können wir über „mehr als eine Hypothese“ bezeichnet hat, wird von
Gott nichts wissen: „Wenn Gott existiert, dann ist er un- Kutschera herb kritisiert: Johannes Paul II. habe nicht
fassbar“ (S. 146); wir könnten seine Natur nicht verste- die naturalistische Evolution akzeptiert, sondern eine
hen. Das ist insofern richtig, als dass die naturwissen- theistische Variante der Evolutionsanschauung; „von
schaftliche Methode ungeeignet ist, das Wirken Gottes einer Akzeptanz der naturalistischen (,geistlosen‘) Denk-
unter experimentellen Bedingungen zu studieren. Wenn weise des modernen Evolutionisten ist er weit ent-
Gott die Welt jedoch geschaffen hat, dann ist es mög- fernt.“ Kutschera erkennt richtig: „Das wird sich auch
lich, dass die naturwissenschaftlich zugängliche Struk- nicht ändern, da die Katholiken durch Akzeptanz des
tur der Welt indirekte Rückschlüsse auf planvolles Wir- Naturalismus ihre Glaubensbasis aufgeben müssten.“
ken eines Gottes zulässt, auch wenn diese Rückschlüsse Er beklagt, dass viele Menschen noch immer an „Schöp-
an sich nicht naturwissenschaftlicher Art sind. fungsakte des biblischen Gottes bzw. des „Intelligenten
Theologisch gesehen lässt Kotthaus’ Position außer Designers“ glauben. „Dieses Faktum belegt, dass die
acht, dass Gott sich geoffenbart hat, abschließend und ,geistlosen‘ Evolutionisten noch viel Aufklärungsarbeit
alles überbietend in Jesus Christus. Unausgesprochen vor sich haben.“ Diese Aussagen Kutscheras zeigen
lehnt Kotthaus damit jede Offenbarung ab; anders kön- zunächst, dass er das Zeugnis von Gott als Schöpfer in
nen seine Formulierungen nicht verstanden werden. aller Deutlichkeit ablehnt, selbst dann, wenn man anneh-
Dazu passt, dass es für ihn Aberglaube ist, wenn Chri- men würde, der Schöpfer habe auf dem Wege einer allgemei-
sten auf Erhörung persönlicher Gebete hoffen oder glau- nen Evolution das Leben hervorgebracht. Das ist eine be-
ben, dass Gott in persönlicher Not hilft (S. 16). Kurz: grüßenswert klare Aussage und als persönliche Über-
Gottes Handeln findet bei Kotthaus in der Welt keinen zeugung zu respektieren. Die notwendige Aufklärungs-
Platz. arbeit der Evolutionsbiologen besteht laut Aussage ih-
res Vizepräsidenten nun aber offenkundig darin, schöp-
Ulrich Kutschera (2004). Kutschera ist Sprecher der AG fungsgläubige Menschen durch Vermittlung eines kon-
Evolutionsbiologie sowie einer der Vizepräsidenten des sequent evolutionistischen Weltbildes von der Unhalt-
Verbandes deutscher Biologen. In einem bemerkens- barkeit ihrer Glaubensbasis zu überzeugen. Auch das
werten Beitrag befasst er sich mit dem Pfingstwunder gehört selbstverständlich zur Ausübung der Meinungs-
und dem Heiligen Geist. Er zitiert darin aus einem freiheit in unserem Land. Allerdings kann man sich des
Kirchenblatt: „Alles, was ist, ist nicht aus sich selbst Eindrucks nicht ganz erwehren, dass diese Bemühun-
heraus, sondern verdankt sich einer Kraft, die ins Da- gen den missionarischen Bestrebungen nicht unähnlich
sein ruft und im Dasein erhält. Diese schöpferische sind, welche die meisten Religionen auszeichnen.
Kraft wird Geist Gottes genannt.“ Dazu bemerkt Kut-
schera: Theorien, die z. B. auf biblischen Wundern (gött- Quellen
lichen „Schöpfungsakten“) basieren, sind nicht als wis- KOTTHAUS J (2003) Propheten des Aberglaubens. Münster.
senschaftlich einzustufen, da die bewusste methodi- KUTSCHERA U (2004) Methodischer Naturalismus und geistlose
sche Beschränkung des Naturforschers (und -denkers) Evolutionsforschung. www.giordano-bruno-stiftung.de/
hier aufgehoben werde: die „Schöpfungstheorien“ sei- Archiv/kutschera1.pdf (Zugriff am 22. 11. 06)
NEUKAMM M (2004) Kreationismus und Intelligent Design: Über
en pseudowissenschaftliche Konstrukte christlich-reli- die wissenschaftsphilosophischen Probleme von Schöp-
giöser „Theo-Biologen“. fungstheorien. www.martin-neukamm.de/kreation.pdf
Die moderne Evolutionsforschung habe eindeutig (Version vom 12. 10. 2004)
gezeigt, dass der Spezies Homo sapiens keine biologische Die Internettexte sind auf www.evolutionsbiologen.de verlinkt.
Sonderstellung im Reich der Organismen zukomme.
„Diese durch Dokumente (Fossilfunde) und Experi-
Studiengemeinschaft WORT UND WISSEN 2006 – kopieren erlaubt!
mente (DNA- und Protein-Sequenzanalysen) belegte SG WORT UND WISSEN, Rosenbergweg 29, D–72270 Baiersbronn,
Tatsache steht im Widerspruch zur postulierten (ge- Tel. 0 74 42 / 8 10 06, Fax 8 10 08; www.wort-und-wissen.de
glaubten) Sonderstellung unserer Spezies.“ Das christ- Spendenkonten: Sparkasse Hagen BLZ 450 500 01,
liche Glaubensdogma von der „göttlichen Sonderstel- Kto. 128 014 660; Postfinance Basel, Kto. 80-76159-5.

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