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MYTHOMAGIE
Grundlagen,Techniken und
S y m b o l m at r i c e s
Bernhard Reicher
MYTHOMAGIE
Grundlagen,
Techniken und
Symbolmatrices
Mythomagie · © 2009 by Bernhard Reicher. Alle Rechte vorbehalten! www.mythomagie.at Seite 2
INHALT
Begriffsbestimmung und Urheberschaft ............................................... 4
Was kennzeichnet mythisches Denken? ................................................. 5
In der Zauberhöhle ............................................................................................. 5
Remythologisierung .......................................................................................... 8
Schlußfolgerungen für die Anwendung in der Mythomagie ......... 24
Magie, oder: Was ist eine Geschichte? ................................................. 25
Weltbild ................................................................................................................ 25
Das Prinzip von Sein, Haben und Tun ..................................................... 27
Warum Magie funktioniert .......................................................................... 30
Wie Magie funktioniert .................................................................................. 33
Ethos ...................................................................................................................... 34
Techniken der Mythomagie, oder: Erzähl mir eine Geschichte .. 36
Grundsätzliches Vorgehen und ritueller Rahmen ............................. 36
Enthòwil ......................................................................................................... 40
Das Erzählen von Märchen und Mythen ................................................ 41
Phantasiereisen ................................................................................................ 42
Film als mythomagisches Verfahren ....................................................... 42
Orakel .................................................................................................................... 44
Tarot ................................................................................................................ 44
Ogham ............................................................................................................. 44
Magischer Schmuck; Sigillen, Talismane und Tattoos ..................... 45
Praktiken der Volksmagie ............................................................................ 45
Schamanische Techniken ............................................................................. 47
Schamanische Reisen ............................................................................... 47
Schwitzhütte ................................................................................................. 47
Visionssuche ................................................................................................. 48
Krafttiere und Kraftplanzen .................................................................. 48
Stäbe der Kraft ............................................................................................. 48
Mythomagischer Tempelschlaf .................................................................. 49
Verstärkung durch Kristall‐Magie ............................................................ 49
Symbolmatrices ........................................................................................... 50
Die Reise des Helden ...................................................................................... 50
Das Enneagramm ............................................................................................. 51
Tarot ...................................................................................................................... 51
Der Runenkreis ................................................................................................. 52
Das Medizinrad ................................................................................................. 52
Der Zodiak ........................................................................................................... 53
Korrespondenzen‐ und Chakrenlehre .................................................... 55
– und natürlich: Mythen ................................................................................ 56
Glossar ............................................................................................................ 58
Autor ................................................................................................................ 73
Literaturverzeichnis .................................................................................. 78
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Begriffsbestimmung und Urheberschaft
Ich definiere Magie als die Kunst und die Wissenschaft, mit Hilfe veränderter Bewußt‐
seinszustände im Einklang mit seiner Bestimmung Veränderungen in der geistigen und
(dadurch) stofflichen Welt herbeizuführen. Es gilt1:
M = W + I + T
M = magischer Akt
W = Wille (Wissenschaft: linke Gehirnhälfte, Vernunft, analytisch, rational, faktisch, formal‐logisch, Yang)
I = Imagination (Kunst: rechte Gehirnhälfte, Gefühl, synthetisch, irrational, mythisch, symbol‐logisch, Yin)
T = (magische) Trance: vorübergehende Ausschaltung des Zensors zwischen Bewußtsein und Unbewußtem
W Das gewünschte Resultat wird klar bestimmt;
I diese Definition wird in Form eines Gegenstandes, eines Bildes, einer Substanz oder einer rein geistigen
Visualisierung kreativ ausgedrückt
T und in einem Trancezustand aktiviert (wobei zwischen dämpfenden und erregenden Trancen unter‐
schieden wird, siehe Glossar).
Dabei gibt es keine „weiße“ oder „schwarze“ Magie. Es gibt ja auch keinen „guten“ oder
„bösen“ Strom. Es gibt also allenfalls weiße oder schwarze Magier.
Mythomagie wurde von mir entwickelt und zum ersten Mal am 20. Mai 2007 im Rahmen
des MerryMeet‐Festivals2 in dieser Form öffentlich vorgestellt.
Sie stellt ein eigenständiges magisches System dar, das sich in seinem philosophischen
Rahmen und dem verwendeter Symbolmatrices verschiedener magischer Techniken be‐
dient. Mittels dieser archetypischen Verfahren wird einerseits gezielt auf bestimmte Tei‐
le des Unbewußten zurückgegriffen, die dem bewußten Denken im Normalfall unzu‐
gänglich sind – und durch symbol‐logische Veränderungen in diesen Bereichen werden
andererseits auch Änderungen in der persönlichen Wahrnehmung ermöglicht… was ein
neues Erleben der Realität herbeiführt. Um dem inneren Prozeß dabei eine strukturierte
Form zu geben, bedient sich dieses flexible System3 der bildhaften Sprache des Mythos.
Diese Arbeit versteht sich als vorläufige Darstellung des mythomagischen Systems.
1 Angelehnt an die Auslegung von Frater V D
2 http://www.wurzelwerk.at/infos/merrymeet/2007/
3
Insofern, als Mythomagie auch eklektizistisch auf unterschiedliche Traditionen, Schulen und Modelle zurück-
greift, folgt sie einem chaosmagischen Ansatz.
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Was kennzeichnet mythisches Denken?
Bei der Mythomagie werden die Fähigkeiten und Energien des Magiers durch methodi‐
schen Einsatz der umfassenden Wirkung mythischer Geschichten potenziert. Aus diesem
Grund ist eine genaue Kenntnis der Funktionsweise mythischen Denkens und Empfin‐
dens erforderlich.
In der Zauberhöhle
Die Höhle ist Geborgenheit.
Hier ist es trocken und sicher. Der Wind ist ausgesperrt, die Mägen sind gefüllt. Und vor
allem: Es ist warm. In den Gesichtern der Menschen, die sich um das Feuer versammelt
haben, spiegelt sich die allmähliche Entspannung wider, die sich in ihnen breit macht.
Jetzt, wo die Gefahreninstinkte zur Ruhe gekommen sind, können sie ihrer Phantasie
Raum geben: Der Schamane erzählt.
Diesmal ist es die Geschichte, wie sich der Sohn des Himmelsgottes in einen Bären ver‐
wandelte, der vom Himmel herabstieg und in einer Höhle seine Mutter, die Erde, traf.
Später half er ihr dabei, die Menschen zu erschaffen; aber ihre Geschöpfe wollten sich
nicht regen, es fehlte ihnen das Blut. Da opferte sich der Bär und ließ sein Blut in die Lei‐
ber der Menschen fließen, da erwachten sie. Und seither heißen sie der Bären‐Clan, ge‐
schaffen von Himmel und Erde, und das Blut in ihrem Körper legt davon Zeugnis ab bis
ans Ende der Zeit.
Die Menschen in der Höhle kennen die Geschichte seit ihrer frühesten Kindheit – seit sie
sich erinnern können. Erzählt hat sie damals der Vorgänger des heutigen Schamanen, es
ist aber immer noch dieselbe Geschichte. Während der Erzähler, das Bärenfell um die
Schultern gelegt, zum Klang der Trommel durch die Höhle schreitet und den gefahrvol‐
len Weg des Himmelsgottes und der Erdmutter schildert, ihren Sohn aus der Unterwelt
zurückzuholen, breitet sich vor dem geistigen Auge der Zuhörer eine immense Land‐
schaft aus: das graue Feld der Ahnen, auf dem ihre Vorfahren verzweifelt nach ihrem
Sohn suchen ... und obwohl sie die Geschichte schon so oft gehört haben, daß sie sie
auswendig kennen, hat sie nichts von ihrer Kraft und Eindringlichkeit verloren. Kaum
wagen sie zu atmen, als die Götter am Ende der Welt stehen, und fast bleibt ihnen das
Herz stehen, als sie ihren Sohn auf dem Rückweg beinahe verlieren und alle Hoffnung
verloren scheint. Kinder und Erwachsene sitzen im Bann der Geschichte und lauschen
dem Schamanen: Unter seinen Worten gewinnt die Welt Sinn und Gestalt, und die Seele
findet Trost.
Nachdem die Geschichte zu Ende ist, hört man nur noch das Atmen der Menschen vom
Bären‐Clan. Und das Feuer knistert. Im flackernden Licht der Flammen wirken die Bil‐
der, die auf die Höhlenwände gemalt sind, beinahe lebendig. Der wieder auferstandene
Bär blickt auf seinen Stamm herab. Unter seinem Schutz schlafen die Menschen ruhig
ein.
Inzwischen hat sich die Technik des Erzählens weiterentwickelt. Wir hängen uns kein
Bärenfell mehr um und unsere Bilder malen wir nicht mehr mit Kalk, Blut und Asche.
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Aber die Geschichten sind immer noch die gleichen4. Manche Geschichten sind so gut,
daß wir sie immer wieder hören möchten. Buchstäblich über Jahrtausende hinweg be‐
gaben wir uns immer wieder mit Gilgamesch auf die Suche nach Unsterblichkeit,
schwangen uns mit Ikarus in den Himmel empor und kosteten mit Siegfried vom Herz
des Drachen. Solche Geschichten, die für uns offenbar etwas so Wichtiges und Faszinie‐
rendes enthalten, daß wir sie wieder und wieder erzählen, werden zu Märchen und My‐
then. Sie gehören zum Schatz der gesamten Menschheit.
In allen guten Geschichten finden wir mythische Elemente. Sie sind der Grund, warum
wir die Geschichten erzählen; weil sie es sind, die uns in sich geordnete und geschlosse‐
ne Welten eröffnen und uns unaufdringlich Antwort geben auf die großen Fragen des
Lebens. Mit dem allmählichen Verblassen der Tradition des mündlichen Erzählens wur‐
den andere Formen entwickelt, wesentliche Inhalte zu transportieren. Die Mythen wur‐
den in dramatische und literarische Gewänder gekleidet… und heute begegnen sie uns
unter anderem in ihrer breitenwirksamsten, der filmischen Form. Die moderne „Höhle“,
in der wir uns dem magischen Sog einer Geschichte aussetzen, ist das Kino. Unbewußt
empfinden viele Menschen ein „Heimweh“ nach der Höhle, in der die Welt einfach war,
in der eine Geschichte das Leben mit einem neuen Inhalt erfüllen konnte.
Die Sehnsucht nach Inhalt ist eine Folge der zunehmenden Individualisierung und Pluralisierung der moder‐
nen Gesellschaft (U. Beck 1986). Unter diesen Bedingungen richtet sich eine „Auskuppelkultur“ (W. Salber
1993) ein, in der sich die Menschen immer weniger in umfassende Lebensbilder eingebunden fühlen. Dafür
genießen sie eine noch nie dagewesene Vielfalt an Möglichkeiten. Um nichts zu verpassen, fahren viele
Menschen „mit durchgetretener Kupplung“ durchs Leben. Sie haben Angst, sich auf eine Gangart festzule‐
gen und halten sich alle Optionen offen. Aber das Getriebe des Lebens wird ihnen immer rätselhafter.
So sieht sich tendenziell jeder selbst der Aufgabe ausgesetzt, eine Richtung in seinem Leben und eine
„Moral“ für seine Unternehmungen zu finden. Diese Aufgabe wurde einst von Religionen, Staatsführern,
Weltanschauungen und den durch Arbeit bestimmten Lebensbildern erfüllt. Man gliederte sich in sie ein
oder stellte sich gegen sie. In dem Maße jedoch, in dem solche allgemeinen Sinnbildner nicht mehr zur Ver‐
fügung stehen, sind die Menschen allein. Jeder sucht für sich in der flirrenden Vielfalt von Lebensmöglich‐
keiten nach dem Eigenen. Besonders junge Erwachsene machen heute eine jahrelange Experimentierphase
durch, in der sie sich in raschem Wandel in die unterschiedlichsten Milieus und Szenen einklinken. In vielen
Fällen so lange, bis sie nicht mehr wissen, wer sie sind.5
Der einzelne läßt sich mal von dem einen, dann wieder von einem anderen Bild ein Stück weit mitziehen.
Man kann Buddhist sein, Esoteriker, Punk, Rocker, Raver, ja sogar Transvestit. Man kann sich als Single, als
Familie oder als bizarrer Aussteiger einrichten. Beinahe alle erdenklichen Lebensformen werden toleriert
und finden ihren Rückhalt in entsprechenden Szenen und Märkten. Neue soziologische Begriffe wie „Erleb‐
nisgesellschaft“ (G. Schulze), „Pluralisierung“ und „Individualisierung“ (U. Beck) benennen diese Umorien‐
tierung. Grundlage dafür ist, was W. Salber (1993) „Auskuppeln“ nennt: Die Menschen verstehen sich im‐
mer weniger als Teil eines gesellschaftlichen Ganzen. Immer seltener sind sie in Entwicklungen von Anfang
bis Ende einbezogen, halten sie für längere Zeit an ein und derselben Sache fest. Statt dessen schalten sie
nach kurzer Zeit um wie mit den Tasten ihrer Fernbedienung, nehmen Dienstleistungen in Anspruch und
überlassen sich den Strömungen der vielfältigen Medienangebote. Bevor sie eine Sache durchstehen, wech‐
seln sie lieber das Programm, den Partner oder gleich das Milieu. Das läßt sie freier erscheinen als je zuvor,
das macht sie allerdings auch anfälliger für Zwänge, die in dieser Welt der Entscheidungsfreiheit Orientie‐
rung versprechen.
Es mehren sich nämlich inzwischen die Anzeichen, daß die Menschen sich von der Vielfalt überfordert
fühlen und unter Desorientierung und Ängsten leiden. Da grundsätzlich alles möglich ist, fällt es ihnen im‐
mer schwerer, sich für eine Sache zu entscheiden. Die ungeheure Gleichwertigkeit unserer kulturellen Viel‐
4 Vielleicht tragen den Helden nicht mehr der Wind oder sein weißes Pferd ans Ziel, sondern ein weißer
Sportwagen, und das rettende Elixier ist nicht mehr ein Zaubertrank, sondern ein Computercode, aber im
Kern bleiben die Erzählungen unverändert.
5 Aus: Dirk Blothner, Erlebniswelt Kino, S. 9.
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falt wird ihnen zuviel. Eine unbewußte Sehnsucht nach einer entschiedenen Sinngebung ist zu beobachten.
So frei und so beweglich sich die jüngere Generation auch zeigt, sie wird von Sekten, Abhängigkeiten,
Zwängen und Obsessionen angezogen, die in der flirrenden Vielfalt eine Richtung versprechen. Vor dem
Hintergrund einer kunterbunten und scheinbar lebensfrohen Anarchie lockt das Diktat geregelter und ver‐
bindlicher Lebensformen.6
Am Ende des 20. Jahrhunderts ist eine folgenschwere Kluft zwischen technischem und wissenschaftlichem
Fortschritt einerseits und dem Fehlen von praktikablen Techniken der Alltagsbewältigung andererseits ent‐
standen. Kommunikationsmedien wie Telefon und Internet verbinden die entlegensten Orte der Erde, aber
wir wissen immer weniger mit Nähe umzugehen. Wir manipulieren unsere Gene und stellen leistungsstarke
Computer her, sind aber orientierungslos bei der Erziehung unserer Kinder. Wir haben Medikamente ent‐
wickelt, die das Leben verlängern. Aber wir wissen nicht, wie wir mit unseren alten Menschen umgehen sol‐
len. Seelisch und sozial werden wir mehr und mehr zu Analphabeten, während die Wissenschaftstempel der
Moderne an dem Glauben festhalten, daß alles machbar sei.
Wir haben vergessen und verlernt, wie das Leben funktioniert! Apparate, Computer und rund um die
Uhr laufende Unterhaltungsprogramme nehmen uns die Gestaltung des Alltags ab. Im doppelten Sinne al‐
lerdings: Sie erleichtern das Leben, nehmen es uns aber auch weg. Wir können uns nicht mehr auf uns
selbst verlassen. Wir befinden uns in einem Netz von Schematisierungen, Formalisierungen und Apparatu‐
ren. Es erdrückt uns, und wir wollen es loswerden. Aber wir können es nicht loslassen, weil wir spüren, daß
wir dann ins Ungewisse stürzen. Dann wissen wir nicht mehr, was wir tun sollen, wie wir den Augenblick ge‐
stalten können. Trotzdem hat es etwas Vielversprechendes, den ganzen komplizierten Ballast, die ganze Op‐
tionsvielfalt zusammenbrechen zu sehen. Eine unbewußte Sehnsucht nach einfachen Formen des Umsat‐
zes, nach überschaubaren Lebenskreisen bestimmt unsere Zeit. Und in den Filmen findet diese Sehnsucht
immer häufiger Ausdruck.7
Aber was geschieht in der Höhle noch, abgesehen von relativ abstrakten Begriffen wie
„Sinn“ und „Inhalt“, die eine Geschichte vermittelt? – Wer schon einmal einem guten Er‐
zähler gelauscht hat, ihm mit all seinen Sinnen gefolgt ist, der weiß, daß sich einem hier
die Möglichkeit bietet, einen Blick hinter die Kulissen seines Lebens zu tun und in ande‐
re Welten einzutauchen... und von dieser Perspektive aus wieder eine neue Sicht auf sein
eigenes Leben zu gewinnen.
Eine archetypische Geschichte vermag, auch wenn sie einem einmaligen kulturspezifi‐
schen Ausdruck folgt, universale menschliche Erfahrungen ans Licht zu bringen – sie bie‐
tet uns so seltene Umgebungen und Figuren, daß wir uns an jedem Detail weiden kön‐
nen, während im Erzählen Konflikte beleuchtet werden, die für die Menschheit so wahr
erscheinen, daß sie in jeder Kultur zu Hause sind. Sind wir einmal in dieser fremden
Welt, entdecken wir uns selbst. Tief im Innern dieser Figuren und ihrer Konflikte erken‐
nen wir unser eigenes Menschsein. Wir lauschen diesen Geschichten, um eine neue, fas‐
zinierende Welt zu betreten, um indirekt ein anderes menschliches Wesen zu bewohnen,
das uns zunächst so unähnlich scheint und doch im Grunde seines Herzens ist wie wir,
um in einer erfundenen Wirklichkeit zu leben, die unsere tägliche Wirklichkeit erleuch‐
tet. Wir möchten nicht dem Leben entfliehen, sondern das Leben finden, unseren Ver‐
stand auf frische, experimentelle Weise gebrauchen, unsere Gefühle spielen lassen, ge‐
nießen, lernen, unseren Tagen Tiefe verleihen.8
Die Begegnung mit dem Mythos kann demnach zur Selbsterfahrung werden. Wir suchen
sie wegen der Erlebnisse, die wir in unserem Leben ähnlich intensiv nicht machen kön‐
nen oder wollen. Diese Begegnung bringt Saiten in uns zum Schwingen, auf die wir sonst
6 Ebda, S. 215.
7 Ebda, S. 235f.
8 Nach Robert McKee, Story, S. 10‐12.
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nur selten aufmerksam werden, sie hebt den Grauschleier des Alltags und macht die
märchenhafte Konstruktion der Realität erfahrbar.
Wir neigen dazu, den Alltag grau zu malen. Einerseits wegen seiner Gleichförmigkeit. Vor allem aber, weil
wir seine unbewußte Dramatik, seine phantastischen Verwandlungen fürchten. Der eintönige Alltag ist ein
Konstrukt der Menschen aus Furcht vor seinen ungeheuerlichen Zuspitzungen. Im Unbewußten der Men‐
schen wird häufiger gekämpft, getötet und überwältigt, als wir wahrhaben wollen. Hierauf hat uns die Tie‐
fenpsychologie aufmerksam gemacht. Es vergeht kein Tag ohne die Frage von Gelingen oder Verfehlen, oh‐
ne den Rausch der Vereinigung und den Schmerz des Verrats. Der alltägliche Klatsch ist oft gespeist von
Neid und Haß. Bei manch harmlosem Einkaufsbummel werden Ansätze zu Raub und Mord belebt. Dieser
Bereich ist stets wirksam, aber er wird nur in Ansätzen bewußt.9
Mythos vermag also auch ganz archaische Instinkte zu wecken, die wir in unserer zivili‐
sierten Welt weitgehend nicht mehr bewußt erleben (können). Doch es scheint so zu
sein, daß wir eben diese archaischen, mythischen Erlebnisse brauchen. So wie unser
Körper den Vorgang des Träumens braucht, um gesund zu sein, dürfen wir unserer Seele
den Mythos nicht vorenthalten.
Eine der größten Schwierigkeiten dabei dürfte darin liegen, daß uns genau diese mythi‐
sche Weltsicht in jahrelanger, gewissenhafter Arbeit durch das Bildungssystem abge‐
wöhnt wurde. In bester Absicht, den Aberglauben auszutreiben, hat die westliche Gesell‐
schaft seit der Aufklärung das Kind mit dem Bade ausgeschüttet und die Welt sukzessive
entmythologisiert – mit allen negativen Konsequenzen.
Jenes Ungleichgewicht, das heute in der westlichen Gesellschaft zugunsten der linken
Gehirnhälfte herrscht, und die Auswirkungen davon, gehören zu den Gründen, warum
sich die Menschen (mehr oder weniger unbewußt) so sehr nach Märchen und Mythen
sehnen.
Es kann keine Frage sein, daß wir heute – insofern wir ungläubig sind oder aber einen Glauben haben, der
mit den wirklichen Problemen unserer Gegenwart keinen Kontakt hat – die psychologischen Gefahren,
durch welche frühere Generationen von den Bildern und Exerzitien ihres mythischen und religiösen Erbes
hindurchgeleitet wurden, allein zu bestehen haben oder bestenfalls unter zögernder, improvisierter und nur
selten wirksamer Leitung. Dies ist unser Problem, das der modernen, „aufgeklärten“ Individuen, für die alle
Götter und Teufel aus der Welt rationalisiert sind.10
Remythologisierung
Um uns der Vorstellungs‐ und Bilderwelt des Mythos anzunähern, lassen wir den be‐
kannten Schriftsteller Thorwald Dethlefsen zu Wort kommen. In einem Vortrag bricht er
eine Lanze für den Mythos.
Der Mythos ist für uns erst einmal ein sehr schwieriger Begriff, schwer zu verstehen. Denn wir haben in den
letzten Jahrzehnten eine Haltung entwickelt, die vor dem Wort „Mythos“ so ein „nur“ denkt, als etwas „nur
Mythos“. Mit einer für unsere Zeit typischen, grandiosen Arroganz schauen wir ja auf alle früheren Kulturen
und alle nicht‐technisierten Kulturen herab, und meinen, sie wären immer unterentwickelt, gehen davon
aus, daß sie dümmer sind wie uns [sic], weniger weit wie wir sind. Wir setzen einfach voraus, daß unsere
Art, mit dem Leben umzugehen, unsere von der Wissenschaft und von der Technik geprägte Welt einfach
9 Aus: Dirk Blothner, Erlebniswelt Kino, S. 33.
10 Aus: Joseph Campbell, Der Heros in tausend Gestalten, S. 103.
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den absoluten Spitzenpunkt der Welt darstellt – das wäre das höchste, was Menschsein produzieren kann,
was Menschsein erreichen kann.
Die Zeit ist reif, an dieser Hybris ein wenig zu rütteln. Vielleicht waren die vor uns gar nicht so viel düm‐
mer; vielleicht waren sie in vielen Dingen weiser und wir verstehen sie nur nicht. Vielleicht ist das, was wir
zur Zeit machen, gar nicht die letzte Lösung für das Menschsein, ist gar nicht der letzte Clou, in dem men‐
schliche Entwicklung enden muß. Wenn wir mal mit etwas mehr Bescheidenheit und etwas mehr Demut
das anschauen, was Kulturen vor uns und außerhalb unseres engeren Kulturkreises hervorgebracht haben,
dann finden wir, daß dort auf eine ganz andere Art und Weise Weisheit zu finden ist.
Und dann werden wir vielleicht auch fähig, den Begriff des Mythos nicht einseitig abfällig zu beurteilen,
indem es immer „nur Mythos“ ist, als Ausdruck von Leuten, „die eben es nicht besser wußten, und in ihrer
kindlichen Phantasie so Dinge zusammenreimten und zusammenfabulierten, die ja ganz nett sind, aber
sonst, ... was nützen sie uns schon?“
Mythos besteht rein äußerlich gesehen erst einmal aus einer Summe von Erzählungen, Geschichten, Bil‐
dern, Riten, Zeremonien und Symbolen. Mythen können auf geschichtlichen Tatsachen beruhen – aber
nicht jede geschichtliche Tatsache, nicht jedes geschichtliche Ereignis ist geeignet, Mythos zu werden. My‐
thische Tradition wird nicht vorsätzlich, wird nicht willentlich aufgebaut. Mythos ist etwas, was wächst; es
ist etwas ganz Lebendiges, was von sich aus aus den Tiefen unbewußter Schichten heraus wächst und eine
Gestalt annimmt. Doch diese Gestalt, die hier angenommen wird, sollte man nicht als zufällig, sollte man
nicht als sinnlos betrachten.
Denn so wie auf der ganzen Welt Bäume wachsen – unterschiedlichster Art und Weise – und dennoch
alle eine gemeinsame Grundstruktur haben, die sie eben alle unter dem Begriff „Bäume“ einreihbar macht,
so wie auf der ganzen Welt Menschen auf die Welt kommen, unterschiedlichster Hautfarbe, unterschied‐
lichsten Aussehens, und doch liegt allen gemeinsam zugrunde eine Grundstruktur, die uns erlaubt, von ei‐
nem „Menschen“ zu sprechen – genauso wie schon den Schneekristallen und wie Metallsalzen eine Struk‐
tur, eine Kristallisationsstruktur zugrunde liegt – genauso liegt dem Wachstum eines Mythos eine Struktur
zugrunde. Wir müssen uns an den Gedanken gewöhnen, daß Struktur nicht etwas ist, das durch den Men‐
schen aufgepflanzt wird, sondern das a se da ist. Das lehrt uns die Chemie, das lehren uns die Pflanzen, das
lehrt uns die Natur. Hier wird nichts von den Menschen übergestülpt und trotzdem offenbaren sich arche‐
typische Strukturen.
Und genauso ist es mit den Bildern, Vorstellungen, Erzählungen, Gleichnissen, die aus unbewußten Tie‐
fen des Volkes auftauchen: Ohne Willen, ohne ein bewußtes Dazutun wächst auch hier der Mythos nach ei‐
ner innenliegenden Struktur – und dadurch sind Mythologien (ähnlich wie Märchen, die ja auch in diesen
Bereich gehören) aller Völker und aller Zeiten in sich vergleichbar, ähnlich wie Bäume untereinander ähnlich
sind, auch wenn sie im individuellen Fall ein unterschiedliches Aussehen haben. Die Arbeiten von C. G. Jung
waren geeignet, vielleicht unsere Einstellung zum Mythos grundsätzlich zu verändern – und wir sollten uns
vielleicht mit dem Mythos in unserer Zeit wieder auseinandersetzen.
Denn der Mythos ist letztlich die eigentliche Nahrung der Seele. Und wir sind alle ein bißchen verhun‐
gert auf diesem Gebiet, weil wir diese Nahrung verschmäht haben, weil wir glaubten, in einer gewissen Ar‐
roganz, darauf verzichten zu können, weil’s ja „nur Phantasie, nur Unwirkliches“ ist – und dabei übersehen
haben, daß Mythos immer wirklicher ist, wie jemals Tatsachen, Ereignisse, Dinge oder Geschichte an sich je
werden kann.
Der Mythos kommt, wie ich schon sagte, aus einer sehr tiefen seelischen Schicht. Aus einer seelischen
Schicht oder einer Bewußtseinsschicht, die niemals in unsere Scheinwelt miteinbezogen wurde. Und damit
spiegelt der Mythos seelische Wirklichkeit wider, und diese Wirklichkeit ist es, um die es uns geht. Mythos
berührt damit den Menschen, wenn er noch aufgeschlossen ist. Mythos enthält Seelenbilder, die von den
tiefen Schichten auch wieder verstanden werden. Und das ist es, was ich meinte mit „Nahrung für die See‐
le“. Durch den Mythos wurde damit das Wissen um die Wirklichkeit, die hinter den Erscheinungsformen
liegt, immer allen Menschen zugänglich gemacht.11
Somit ist der Mythos eine Mitteilungsform der Anderswelt. Inwiefern unterscheidet sich
aber mythische Wahrnehmung von der alltäglichen? Betrachten wir dazu die Merkmale
mythischen Denkens.
Zunächst müssen wir feststellen, daß unsere Gesellschaft eine große Ausnahme dar‐
stellt: In jeder anderen Zivilisation, zu jeder anderen Zeit, wurde die Welt als etwas be‐
11 Thorwald Dethlefsen, Auszug aus dem Vortrag Die esoterische Bedeutung von Weihnachten, Tonband.
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trachtet, das vom Göttlichen durchdrungen ist, das ein Ausdruck des Göttlichen, ja, Teil
des Göttlichen selbst war – wie auch immer dieses Göttliche benannt wurde. Bezeich‐
nenderweise haben wir es in unserer Gesellschaft, in der alles Göttliche und Dämonische
aus der Welt rationalisiert ist, geschafft, diese Welt an den Rand des Abgrunds zu führen.
Menschen früherer Zeiten befanden sich in ihrem Glauben, ihrem Denken und Empfin‐
den im Einklang mit der Welt und damit dem Göttlichen. Mythisches Denken unter‐
scheidet nicht zwischen Geist und Materie. Für den Mythos ist alles belebt, der Geist
wohnt in der Materie – und in allen Kulturen gab es ein Wort dafür.
Bei den Inuit gibt es eine göttliche Kraft, die als Sila bekannt ist. Es ist „eine Kraft ... die nicht in einfachen
Worten erklärt werden kann. Ein großer Geist, der die Welt und das Wetter und alles Leben auf der Erde
trägt.“ Sila spricht, aber nicht mit Worten, „sondern durch Sturm und Schnee und Regen und das Wüten der
See; durch alle Kräfte der Natur, die der Mensch fürchtet.“ Aber Sila umfaßt auch die sanfte Natur und spricht
„wenn die Sonne scheint und die See ruhig ist und kleine Kinder unschuldig spielen“. Der Inuitschamane Najag‐
neq erklärt, daß in den Ohren der Kinder Silas Stimme „sanft und freundlich ... fast wie die einer Frau“ klingt. Sila
ist „gleichzeitig unter uns und unendlich weit fort“. Seine Stimme ist „so fein und freundlich, daß nicht einmal
Kinder sich fürchten können. Was sie sagt, ist ‚Fürchtet Euch nicht vor dem Universum‘ “.
Dieses Geflecht göttlicher Macht, das Sila genannt wird, entspricht der göttlichen Macht in anderen Urein‐
wohnerkulturen. Es ähnelt dem, was die Polynesier mana nennen, die Algonquin manitou, die Lakota wakanda,
die Irokesen ironda, die Pawnee tirawa, und die !Kung ntum. Praktisch dasselbe wird in Indien durch Brahman
ausgedrückt und in China und Japan durch tao. Eine europäische esoterische Tradition nennt es häufig magick. Es
ist der Gott ohne Gestalt, der große Geist oder das wundersame Geheimnis hinter allem, was ist. Tatsächlich ist
es Alles‐was‐ist. [...]
Keltische Denker in der christlichen Ära nannten dieses Gewebe göttlicher Macht „Gnade“ oder „Chri‐
stus“. In der frühen irischen Kirche umschloß diese Vorstellung die Weltlichkeit der Schöpfung, die göttliche
Gabe der Natur in all ihrer Körperlichkeit. Im Katholizismus und den späteren protestantischen Formen des
Christentums jedoch, wurde das Heilige vom Weltlichen geschieden und der Geist von der Materie ge‐
trennt, bis schließlich die Natur nicht nur als unheilig, sondern als dämonisch galt. „Die Welt, das Fleisch
und der Teufel“ war dafür eine Umschreibung. So verlor die westliche Welt die ältere keltische Vision einer
Einheit von Natur und dem Göttlichen, von Materie und Geist. Die Welt wurde entzaubert, die Magie des
Lebens verschwand.12
Die neue Religion brachte eine völlig andere Einstellung zur organischen Welt. Was einst heilig gewesen
war, wurde jetzt dämonisiert. Die fruchtbaren, lebensspendenden Naturgeister wurden nun als böse darge‐
stellt. Die heiligen Haine wurden zerstört, die heiligen Quellen verseucht und die Grünen Männer zu Teufeln
gemacht. Wo heidnische Bräuche trotz christlicher Gegnerschaft unvermindert weiterbestanden, nahm die
Kirche die heiligen Stätten in Beschlag und verwandelte sie in christliche Heiligtümer, die sie einem kirchli‐
chen Heiligen weihte. Das Ziel blieb dasselbe: jene Plätze in der Natur zu zerstören oder umzuwandeln, an
denen die Menschen in Europa über Jahrhunderte ihren Göttern und Göttinnen begegnet waren und sie
verehrt hatten.
Die Schönheit der Natur konnte die Kirche weder zerstören noch leugnen. Aber sie entmythologisierte
diese Schönheit und verwandelte sie in schale Stofflichkeit, die zwar Gottes Größe spiegelte oder versinn‐
bildlichte, aber in keiner Weise mehr das Göttliche selbst oder auch nur ein Behältnis des Göttlichen sein
sollte. Was für die Keltenvölker Glaubenserfahrung war, wurde zur bloßen Ästhetik. Für den Kelten war der
Wald nicht nur schön, sondern göttlich. Der Christ sah einfach einen Haufen Bäume voller Dämonen, wilder Tie‐
re und wilder Menschen. [...] Viele, die sich zu dem neuen Glauben bekehrten, vergaßen, daß die Natur einst ein
Quell heilender Kraft und spiritueller Weisheit gewesen war.13
Und doch scheint es für den Mythos kein Ablaufdatum zu geben, findet er doch immer
wieder Eingang in unser Alltagsleben, nicht nur in Form von Geschichten: Noch heute
stellen wir Maibäume auf, erwecken zu Halloween die Geister, ehren Sieger mit Gold,
Silber und Bronze, schwören uns an bestimmten alten Eichen Liebe, pilgern zu besonde‐
ren Steinen oder Höhlen, denen man die Kraft zuschreibt, Fruchtbarkeit, Liebe und ein
12 Aus: Tom Cowan, Die Schamanen von Avalon, S. 68f.
13 Ebda, S. 153f.
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langes Leben zu sichern und werfen Münzen in Brunnen – Handlungen, die allesamt auf
das mythische Denken keltisch‐schamanischen Ursprungs zurückgehen.14
Eine mythische Haltung der Natur und dem Leben gegenüber achtet diese nicht nur als
gleichwertig, sondern sieht sie auch als belebt und heilig an.
Sofern Naturerscheinungen wie Äußerungen von etwas Personalem wirken, werden diese Äußerungen als
Sprache aufgefaßt, aber eben nicht als Sprache von Menschen, sondern als Sprache anderer Art, nämlich
durch Zeichen, also durch Numina. Am deutlichsten geschieht dies vielleicht dort, wo außerordentliche,
dem Menschen Furcht und Schrecken einjagende Naturerscheinungen auftreten. Sie können, wie Kant sag‐
te, den Eindruck des Erhabenen und der majestätischen Offenbarung eines Wesens vermitteln. Aber als Zei‐
chen eines Wesens kann auch Bescheideneres erfahren werden, so etwa, wenn Hölderlin, wie erwähnt,
vom „jauchzenden“ oder „säumenden“ Bach spricht oder vom Erwachen der Natur im Frühling. In beiden
Fällen handelt es sich um Numina von etwas, das weder bloß Mensch noch bloß Natur ist, das aber zugleich
als über beiden stehend aufgefaßt wird, weil es auf den Zusammenhang verweist, aus dem beide überhaupt
erst abgeleitet sind. Hierin hat alles Lebendige seinen Ursprung, seinen Sinnbezug, und sein Verlust ist dem
Tode vergleichbar. Deswegen ist es aber auch ein Göttliches und Heiliges. Außerhalb seiner haben weder der
Mensch noch die Natur eine eigentliche Existenz, getrennt voneinander erscheinen beide als schattenhaft, leer
und leblos.15
Als etwas Lebendiges hat die Natur auch die Fähigkeit, zu kommunizieren, und das ist
die zweite wichtige Eigenschaft des mythischen Weltverständnisses: Wenn etwas belebt
ist, dann spricht es auch zu uns!
So sagt man etwa, dieses Tal sei „lieblich“ oder jener Berg „majestätisch“, womit vorausgesetzt wird, daß
man von beiden den geradezu unwillkürlichen Eindruck einer Wesensgestalt hat. Gerade weil es sich aber
um gebräuchliche Redewendungen handelt, deren Aufzählung überdies leicht ein Buch füllte, verraten sie
eine allgemeine Erfahrung.16
Denn was heißt denn Sprache? Eine langjährige Märchenerzählerin schreibt dazu:
Das Märchen‐Erzählen fügt sich in den „Alltag“ und das „ganz normale Leben“, indem es alltägliche Gegen‐
stände, Tiere und Menschen vorkommen läßt. Es spielt mit diesem Alltag und verwandelt ihn, indem es den
Gegenständen, Tieren und Menschen wunderbare Eigenschaften und somit eine wunderbare Bedeutung
verleiht […].17
Eine der wichtigsten wunderbaren Eigenschaften: Alles im Märchen kann sprechen. Nur
ein voreiliger Mensch würde dies als kindisch oder naiv abtun. Was bedeutet denn Spra‐
che eigentlich? In seinem Buch Über die Sprache des Menschen. Sprache und Geschichte.
Philosophische Essays, Stuttgart 1992, schreibt Walter Benjamin:
„Es gibt kein Geschehen oder Ding weder in der belebten noch in der unbelebten Natur, das nicht in gewisser
Weise an der Sprache teilhätte, denn es ist jedem wesentlich, seinen geistigen Gehalt mitzuteilen.“
Geht man von diesem Sprachverständnis aus, das „jede Mitteilung geistiger Inhalte“ umfaßt, so wird
Sprache von einer bewußten Absicht, mitzuteilen, vom bewußten Aus‐Sprechen unabhängig.18
14 Vgl. ebda, S. 78ff., S. 109, S. 154f., S. 176f. Auch bei anderen Bräuchen, die sich v. a. im alpenländischen
Gebiet erhalten haben, wie etwa dem Perchtenlauf oder dem Glöckeln, erkennt man Jahr für Jahr bei Be‐
trachtern wie Ausführenden die Anziehungskraft des Mythisch‐Archaischen.
15 Aus: Kurt Hübner, Die Wahrheit des Mythos, S. 24.
16 Ebda, S. 25.
17 Aus: Margarete Wenzel, Mit Märchen unterwegs, Eigenverlag, Wien 1998, S. 50
18 Zitiert in und ebda, S. 128.
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Vollkommen zurecht bezeichnen wir mehr oder weniger ausdrucksstarke Gestik, Mimik,
Körperhaltung etc. ja als „Körper‐Sprache“, da sie uns etwas (und oft sogar sehr viel)
über den Gefühlszustand und die Einstellungen eines Menschen mitteilen. Also:
Was als Sprache verstanden werden kann, kann als solche gelten.
In diesem Sinne ist die DNA eine Sprache. In diesem Sinne „spricht“ alles, das eigene Regeln hat (die wir
feststellen können) zu uns, wie ein individuelles Gegenüber.
Ein Baum sagt: „Laß mir Raum!“ oder „Leg’ dich in meinen Schatten!“. Durch bestimmte Zugsitze spricht
ihr Konstrukteur: „Mir ist es egal, ob du es bequem hast.“ 19
Dieses Denken gibt dem, der es praktiziert, eine Sprache, die leicht mit Dingen und Lebewesen in Kontakt
kommt, die wir normalerweise eher als „sprachlos“ zu betrachten gewohnt sind.
Goldmarie hört den Apfelbaum rufen: „Schüttle mich!“ – ähnlich kann es jedem ergehen, der beginnt,
Lebewesen, Dinge und Ereignisse als sprechendes Gegenüber wie einen Menschen mit seinen eigenen
Wünschen und Bedürfnissen wahrzunehmen. […]
Wer die inneren Regeln dessen, womit er Tag für Tag zu tun hat, wie eine Sprache „hört“ oder „liest“,
geht damit anders um, als wer dort keine eigene Sprache sieht. Wer sein Sprachverständnis in diesem Sinne
radikal erweitert, der wird Märchenhaftes wahrnehmen, wo andere bloß die Oberfläche sehen.20
Wenn all das Sprache ist, dann muß der konkrete verbale Ausdruck eines Menschen so‐
gar noch mehr sein als Mitteilung. Davon geht der Mythos aus, wenn er jedem einzelnen
Wort magische Kraft beimißt.
Eine solche Einheit von mythischer Wirklichkeit und gesprochenem Wort ist besonders im Gebet zu finden,
ferner in der kultischen Rezitation von Mythen, im Trinkspruch, im Schwur und im Fluch. Im Worte steckt
eine Kraft, die den Menschen als eine numinose Substanz durchdringt, eine Kraft, durch die ein Mythos ge‐
genwärtige Wirklichkeit wird [...] und künftiges Heil oder Unheil herbeigezwungen werden kann.21
Auch aus diesem Grund wurden die Barden unserer Vergangenheit so sehr verehrt:
Zu den magischen Kräften des Dichters zählte seine Fähigkeit, ein Spottgedicht zu verfassen, das deren Ge‐
genstand vernichten, die Landschaft umformen, die Elemente beherrschen und Tiere beeinflussen konnte.
Besonders Könige fürchteten diese Spottgedichte, denn sie konnten dazu führen, daß sie ihr Herrschafts‐
recht verloren. [...]
[...]
Der dichterische Bannspruch hatte die magische Kraft, den von ihm beschriebenen Zustand herbeizu‐
führen. [...]
[...]
Das Gegenstück zum Bannlied ist ein Lobgesang, und auch dieser ist eine Form der Magie. Könige und
mächtige Familien begrüßten günstige Lieder, denn sie sprachen von Schutz, Glück und erfolgreichen Un‐
ternehmungen und riefen all diese tatsächlich hervor. In diesen Stammesbräuchen lagen die Ursprünge des
jetzigen Amtes des poeta laureatus, dessen Fähigkeiten immer noch ein klein wenig Magie zu besitzen
scheinen. Offizielle Gedichte werden geschrieben, um eine Nation zu ehren und so ihr Wohlergehen zu si‐
chern. Schriebe ein poeta laureatus ein Gedicht, das sein Land kritisiert, würden manche Bürger das zweifel‐
los zumindest als schlechtes Omen ansehen, wenn nicht gar als einen regelrechten Fluch, der die Nation in
Gefahr bringt.22
In dieser Form der Magie liegen auch die heilbringende Wirkung des Segens und die un‐
heilvolle Kraft des Fluchs. Der Grund liegt darin, daß den Worten eine mythische Sub‐
19 Ebda, S. 128f.
20 Ebda, S. 129f.
21 Aus: Kurt Hübner, Die Wahrheit des Mythos, S. 124.
22 Aus: Tom Cowan, Die Schamanen von Avalon, S. 121f. Man denke z. B. an die Rituale, vor Unterrichtsbe‐
ginn in amerikanischen Schulen oder vor Sportveranstaltungen die Nationalhymne zu singen, um sich
bewußt zu machen, wie diese Kraft des Wortes auch heute noch überall genutzt wird.
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stanz innewohnt, etwas, das man tiefenpsychologisch ausgedrückt vielleicht als archety‐
pische Energie bezeichnen würde. Welchem Zuschauer rinnt nicht ein Schauer über den
Rücken, wenn Willeke van Ammelrooy in Antonias Welt ihren Fluch über den Vergewal‐
tiger ausstößt? Und wer ist nicht zutiefst ergriffen über die wunderbaren irischen Se‐
genssprüche? Man braucht nur einmal dem folgenden nachzuspüren (und sich dabei
vielleicht vorstellen, wie einem der Barde dabei die Hand auf den Kopf legt), um die Ma‐
gie des Wortes direkt zu erfahren:
Einen strahlenden leuchtenden Segen wünsche ich Dir:
Licht von außen und von innen.
Die Sonne möge Dich überstrahlen und Dein Herz wärmen,
bis es glüht wie ein großes Torffeuer,
zu dem der Fremdling gerne kommt,
um sich zu wärmen.
Aus Deinen Augen möge Licht voller Glück und Segen strahlen
wie von einer Kerze, die in das Fenster gestellt wird,
damit der Wanderer heimfindet
aus dem Sturm in die Ruhe.
Möge der gesegnete Regen – der frische, milde – auf Dich fallen,
daß ringsum die Blumen hervorsprießen
um mit ihrer Schönheit die Welt zu erfüllen.
Möge der Segen der Erde – der guten, reichen Erde – bei Dir sein.
Einmal aber soll Deine Seele leicht und unbeschwert
wie ein Strahl von Licht aus der Tiefe sich erheben
– auf und davon – zur Höhe, zum Licht, zu Gott.
Das nächste Kennzeichen: Im Mythos kann, im Sinne des pars pro toto, ein Teil für das
Ganze stehen. Ähnlich, wie sich in jeder einzelnen Zelle der Bauplan des gesamten Kör‐
pers befindet, enthält jedes Ding eine mythische Substanz dessen, wofür es steht. Wenn
Karl der Große die Irminsul zerstört, schwächt er also nachhaltiger der heidnischen
Glauben der Sachsen unter Widukind als durch Krieg. Wer das World Trade Center zer‐
stört, stört den Welthandel äußerst effektiv. Das Symbol hat mehr Kraft als das Ding.
Das heißt, daß die einem Gott geweihte Statue ihn nicht nur versinnbildlicht, sondern
daß ein Teil seiner Kraft tatsächlich in ihr ist. Das heißt, daß, obwohl der einem Gott hei‐
lige Ort nicht der Gott selbst ist, die Kraft dieses Gottes an diesem Ort doch besonders
hoch ist.
Aber oft ist die Gegenwart des Gottes an einer heiligen Stelle nur beständiger und konzentrierter als an‐
derswo, ohne deswegen dort sozusagen verwurzelt zu sein. So ist zwar Demeter überall da, wo das Korn
reift und auf dem Felde angerufen werden kann, und Zeus ist in jedem Blitz, Pan in vielen Wäldern einsamer
Berggegenden, aber sie alle können sich auch irgendwo bevorzugt aufhalten und sich dort vielleicht sogar
zur Personengestalt „verdichten“ (was die Griechen eine „Epiphanie“ nennen).23
Für eine Kultur, die noch im Mythos verwurzelt ist, lebt ebenso wie jeder andere Aspekt der menschlichen
Existenz die Landschaft von symbolischer Sprache. Die Hügel und Haine haben ihre übernatürlichen Be‐
schützer und werden in den Schöpfungsberichten der Umwohnenden mit einzelnen Episoden der Erschaf‐
fung der Welt verknüpft. Außerdem gibt es da und dort besondere Heiligtümer. Wo immer ein Held gebo‐
23 Aus: Kurt Hübner, Die Wahrheit des Mythos, S. 113.
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ren wurde, kämpfte oder wieder in die Leere einging, wird der Platz bezeichnet und verehrt. Der Tempel,
der dort errichtet wird, bedeutet das Wunder der vollkommenen Sammlung in der Mitte, des Durchstoßens
in den Überfluß. An dieser Stelle hat einer die Ewigkeit entdeckt. Der Ort kann deshalb zur fruchtbaren Me‐
ditation beitragen. In der Regel bezeichnet der Grundriß eines solchen Tempels die vier Richtungen des
Welthorizonts, der Schrein oder Altar im Zentrum den unerschöpflichen Punkt. Wer in den Tempelbereich
eintritt und sich dem Heiligtum nähert, ahmt die Tat des Helden selber nach. Sein Ziel ist die Übung im Be‐
gehen des universalen Wegs, um in sich die Erinnerung an die lebenssammelnde und lebenerneuernde
Form zu wecken.
Wie die Tempel sind auch die alten Städte gebaut, mit den Stadttoren nach den vier Himmelsrichtungen
und dem größten Tempel, dem des göttlichen Stadtgründers, im Zentrum. Die Bürger leben und arbeiten im
Bereich dieses Symbols. Und im gleichen Sinne sind die Bereiche der großen Weltreligionen um eine Mut‐
terstadt wie um eine Nabe zentriert, die westliche Christenheit um Rom, der Islam um Mekka. Die gemein‐
samen Verbeugungen, die die mohammedanische Gemeinschaft in der ganzen Welt dreimal am Tage gen
Mekka macht, so daß alle wie die Speichen eines weltweiten Rades auf die sie verbindende Kaaba weisen,
schafft ein großes lebendes Symbol der „Unterwerfung“ (islam) eines jeden und aller unter den Willen Al‐
lahs. „Denn es ist er, der dir die Wahrheit von allem zeigen wird, was du tust“, heißt es im Koran. Und
schließlich kann an jeder beliebigen Stelle ein großer Tempel errichtet werden, da im Grunde das All alleror‐
ten ist und jeglicher Ort der Sitz der Kraft werden kann. Im Mythos kann jeder Grashalm die Gestalt des Er‐
lösers annehmen und den suchenden Pilger ins Allerheiligste seines eigenen Herzens führen.24
Aber nicht nur Tempel, Kirchen oder Städte sind diesem mythischen Empfinden nach
gebaut, auch Häuser entstanden früher auf diese Weise, damit sie unter dem Schutz der
Götter standen.
Der Himmelsthron ruht auf den vier Erdsektoren, manchmal getragen von vier karyatidenartigen Königen,
Zwergen, Riesen, Elefanten oder Schildkröten. Daher die Bedeutung, die in dem mathematischen Problem
der Quadratur des Zirkels in der Überlieferung zukommt: in ihm steckt das Geheimnis der Umwandlung
himmlischer Formen in irdische. Der Herd im Hause ist wie der Altar im Tempel die Nabe des Erdrades, der
Schoß der Weltmutter, und das Feuer darauf das Feuer des Lebens. Und die Öffnung am First der Hütte ist –
wie auch die Krone, Spitze oder Rose am Dom – Nabe oder Mittelpunkt des Himmels, die Sonnentür, wel‐
che die Seelen passieren, wenn sie aus der Zeit wieder eingehen in die Ewigkeit, und durch welche auch der
Duft der Opfergaben zieht, die im Feuer des Lebens verbrannt und auf der Achse des aufsteigenden Rauchs
von der Nabe des Erdrades zu der des Himmelsrades getragen werden.25
Es ist offensichtlich, daß auch Gegenstände von diesem Verständnis keineswegs ausge‐
schlossen sind – ja, das mythische pars pro toto wird anhand von Gegenständen am ehe‐
sten ersichtlich:
Ein Objekt wurde genauso behandelt wie sein Bild, ein Wort ebenso wie das, wofür es stand, ein Traum wie
die äußere Wirklichkeit. [...] Was man dem Symbol antut, tut man ja, entsprechen der magischen Logik,
auch dem Objekt an, das symbolisiert wird.26
Aus diesem Grund bewahren wir auch Liebesbriefe auf oder kleine, materiell eigentlich
wertlose Geschenke unserer Partner, die nicht mehr funktionierende Taschenuhr unse‐
res toten Großvaters, oder tragen die Fotos unserer Liebsten in der Brieftasche mit uns –
sie alle erinnern uns durch die mythische Substanz dieser Menschen, die sie in sich tra‐
gen, an deren Wesen. Aus diesem Grund tragen viele Münzen auch heute noch das Bild
gekrönter Häupter, haben Firmen Logos, sammeln Menschen Autogramme.
Aus diesem Grund enthält auch der Name das Wesen einer mythischen Gestalt: eines
Gottes oder Dämons, eines Engels oder Helden. Um einen Dämon zu beschwören, muß
24 Aus: Joseph Campbell, Der Heros in tausend Gestalten, S. 47f.
25 Ebda, S. 46.
26
Aus: David Feinstein, Stanley Krippner, Persönliche Mythologie, S. 40.
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man seinen Namen kennen. Sobald die Königstochter Rumpelstilzchens Namen weiß,
hat es keine Macht mehr über sie. In vielen Ureinwohnerkulturen gibt es den Brauch,
daß die Menschen (meist beim Übertritt ins Erwachsenenalter) einen neuen Namen an‐
nehmen, einen, der ihr neues Wesen ausdrückt. Beim Eintritt in einen Mönchsorden
nimmt man einen neuen Namen an, meist auch bei der Hochzeit. Ebenso künden der
neue Namen des Papstes bei seinem Amtsantritt, Künstlernamen oder akademische Titel
von diesem Prinzip.
Das gleiche gilt auch umgekehrt, etwa bei in Unehre Gefallenen, deren Name nicht mehr
ausgesprochen wurde – was sich bis heute fortsetzt, wenn in gewissen Familien über
das „schwarze Schaf“ nicht gesprochen wird oder Gefängnisinsassen zu Nummern deg‐
radiert werden. Wundert es jemanden, daß im deutschsprachigen Raum seit 1945 so gut
wie keine Kinder mehr auf den Namen „Adolf“ getauft werden? Der Name ist ein Ener‐
gieträger! Das haben sich die Dramatiker schon immer zu nutzen gemacht, wenn sie ih‐
ren Figuren „sprechende Namen“ zuwiesen. Das finden wir auch in Bestandteilen von
Namen wie Mac, O‘, son, dottir, Ben, Ibn usw.
Das Verständnis, einem Ding oder Namen wohne mythische Kraft inne, führt zum Ver‐
halten der Assimilation: Die Kraft des Gegners soll auf einen selbst übergehen. Eine Er‐
klärung für Kopfjagd, Kannibalismus, das Nehmen von Skalps oder für den Brauch bei
einigen Fleischhauern, ein Achtel Liter Blut vom frisch geschlachteten Stier zu trinken.
Wenn die Persönlichkeit sich aber den Kräften gewachsen zeigt, die ihr begegnen, und es versteht, sie in
sich hineinzunehmen, wird sie erfahren, wie Übersicht und Selbstbewußtsein in fast übermenschlichem
Maße wachsen.27
Wenn der Held den Feind besiegt hat, nimmt er ihm seine Rüstung oder kostet das Blut des Drachen.
Wenn wir der negativen Energie entgegentreten, die uns angreift, zähmen und assimilieren wir sie. Und
das stärkt uns. Wenn man sich diese niederen Energien zu Nutze macht oder zähmt, assimiliert man sie wil‐
lentlich und bringt sie unter bewußte Kontrolle. Der Held, der das Blut des Drachen kostet, den er gerade
erschlagen hat, ist eine perfekte Metapher für unsere Assimilation dieser Energien.28
In einer gewissen Weise haben wir am Mythos teil, wenn wir einen Teil von ihm assimi‐
lieren, oder uns sogar mit ihm identifizieren. Dazu gehört zum Beispiel das Sich‐
Verkleiden. In alter Zeit stellte man den Mythos nach, indem man sich als mythische Fi‐
gur verkleidete und ihre Handlungen nachahmte. Daraus entstand bekanntlich das
Theater. Dieser unbewußte mythische Drang ist aber auch heute noch vorhanden – zu
einem nicht unerheblichen Teil sorgt er für ein erfolgreiches Product Placement: Man
denke nur an erwachsene Star Wars – Fans, die mit Laserschwertern aus Plastik umher‐
laufen oder sich die Maske von Darth Vader aufsetzen. Unbewußt haben sie am Mythos
teil.
Ein Mythomagier macht sich das zunutze, indem er die Elemente in seinem Ritual mit
einer charismatischen Kraft auflädt oder solche schon aufgeladenen Gegenstände ver‐
wendet.
Wenn die Kraft, die Sie brauchen, eine übernatürliche gute oder böse Qualität ist, können Sie das wunder‐
bare oder fürchterliche Element kreieren, indem Sie es mit einem Objekt assoziieren. Der Heilige Gral hat
Kraft, weil er mit Christusbewußtsein assoziiert wird; der Diamant der Hoffnung, weil er mit einem bösen
27 Aus: Joseph Campbell, Der Heros in tausend Gestalten, S. 68.
28 Aus: James Bonnet, Stealing Fire From The Gods, S. 120.
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Fluch assoziiert wird; ein Beweis, weil er mit der Kraft assoziiert wird, einen Verbrecher zu überführen. Ein
Dolch, der Dschingis Khan gehörte, oder Turnschuhe, die Michael Jordan gehörten, nehmen die guten oder
schlechten Qualitäten an, die wir mit diesen Menschen assoziieren.29
Die Stärke des Charisma wird zustande gebracht durch den Grad der Übereinstimmung mit der verborgenen
Wahrheit hinter den Archetypen. Je getreuer die Metaphern diese verborgene Wahrheit personifizieren,
um so stärker und charismatischer der Effekt. Eine Erhöhung der Übereinstimmung wird durch das Be‐
schwören bewirkt [darunter versteht Bonnet eine kreative Technik, bei der zum Vorschein kommende Me‐
taphern zu immer perfekteren Spiegelbildern der darunterliegenden Archetypen entwickelt werden, Anm.]
[…].
Bring Superman auf den Pyjama eines kleinen Jungen und er wird sich stärker fühlen. Er wird versuchen,
im Raum herumzufliegen. Bring Nala auf die Turnschuhe eines kleinen Mädchens und sie fühlt sich lebhaft
und abenteuerlustig. Bring Einstein auf dein T‐Shirt und du fühlst dich schlauer. Bring Dschingis Khan auf
deine Lederjacke und du bist bereit für eine Harley. Das ist Charisma.30
Aber auch, wenn wir älter werden, verliert dieser Zauber seine Faszination nicht: Man
stelle sich vor, was ein Schriftsteller empfindet, wenn er plötzlich die Feder Shakespea‐
res in Händen hielte. Oder ein Tänzer, wenn er die Schuhe von Fred Astaire tragen dürf‐
te. Oder ein Jazzstudent, wenn er auf der Trompete von Louis Armstrong spielen könnte.
Pars pro toto! Darum prügeln sich Teenager um ein Autogramm oder weinen am Grab
ihres Idols, darum machen religiöse Menschen eine Wallfahrt oder verehren Reliquien.
Darum verkaufen sich Steine der Berliner Mauer, darum pflanzen manche Eltern auf der
Nachgeburt ihres Kindes einen Baum oder bewahren dessen erste Haarlocke auf. Das ist
der Hintergrund von Amuletten, Talismanen und Glücksbringern. Die Gegenwart des
Mythischen leuchtet uns aber nicht nur aus einzelnen Objekten entgegen, sondern tritt
uns auch ständig im politischen Alltag entgegen:
Die Gegenwart der geschichtlichen Ereignisse, von denen hier die Rede ist, kann durchaus substantiell er‐
fahren werden. Manche empfinden einen „heiligen Schauer“, wenn sie Orte betreten, wo solche Ereignisse
stattgefunden haben, oder wenn sie der Gegenstände angesichtig werden, sie gar berühren können, die
dabei eine Rolle spielten. Die Reichsinsignien zum Beispiel sind für solche Betrachter mehr als Gold und
Edelstein, genauso wie das Wasser, mit dem getauft wird, mehr als Wasser, der Wein mehr als Wein ist.
Man erinnere sich in diesem Zusammenhang an den tiefen Eindruck, den die Rückkehr der Stephanskrone
nach Ungarn vor wenigen Jahren hinterließ. So wird als „heiliger Schauer“ das Gefühl des Eindringens und
Einfließens der in solchen Gegenständen liegenden Kraft beschrieben. Alles Physische löst sich hier in jene
ideell‐materielle Einheit auf, die sich als kennzeichnend für mythische Substanzen erwies.31
Ich erinnere mich gut an den Schauder, der mich unwillkürlich ergriff, als ich in Schott‐
land im William‐Wallace‐Museum das originale, jahrhundertealte, riesige Schwert von
„Braveheart“ bestaunte.
Ein „Nationalgefühl“ solcher Art ist offensichtlich von denselben ontologischen Vorstellungen geprägt wie
das mythische Verständnis der Zugehörigkeit zu einer Sippe oder einem Stamm. [...] Auch hier verschwin‐
den die scharfen Unterschiede von Materiellem und Ideellem, von Innerem und Äußerem. Entsprechend
werden damit äußere Gegenstände, in denen eine Nation „lebt“ und sich materialisiert, wie Landschaften,
Baudenkmäler, Dokumente, Kultstätten usf., zu einem Teil des inneren Wesens jener selbst, welche dieser
Nation angehören. Mensch und Vaterland, Mensch und Heimat verschmelzen so zu einem untrennbaren
Ganzen; wer sie verliert, verliert seine Identität.32
29 Ebda, S. 181. Ein Vorgang, den die magische Tradition das „Gesetz der Einprägung“ nennt.
30 Ebda, S. 191. Wie sehr liebte ich als Kind meine Batman‐Maske!
31 Aus: Kurt Hübner, Die Wahrheit des Mythos, S. 350.
32 Ebda, S. 352.
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Deswegen galt früher Verbannung als eine der schlimmsten Strafen: Weil sie den Verlust
der (im Mythischen verwurzelten) Identität des Verbannten mit sich brachte. Das führt
mich zu folgender Überlegung für angehende Machiavellis: Wenn du ein Volk wirklich
vernichten willst, nimm ihm seine Überlieferungen, seine Mythen, seine Rituale, seine
Heiligtümer, seine Götter usw. – und ersetze sie durch neue, mindestens ebenso mächti‐
ge Bilder.
So hat das Christentum die heidnischen Religionen verdrängt – indem es deren mythi‐
sche Bilder und Bräuche für böse erklärt hat oder sie modifiziert ins eigene System in‐
tegriert hat. So haben die Spanier halb Amerika erobert, indem sie ihre Kultstätten ge‐
schleift und ihre heiligen Artefakte zerstört haben (was sie nie hätten tun können, wenn
die Indigenas nicht an einen Mythos geglaubt hätten, der das Wiederkommen eines Got‐
tes mit einem Bart und weißer Haut in naher Zukunft beschrieb...). So konnte der Natio‐
nalsozialismus unter anderem deshalb so erfolgreich sein, weil er anstelle des Vakuums,
das herrschte, kraftvolle Bilder anzubieten hatte: erst nur Symbole und Visionen, dann,
mit zunehmendem Einfluß, beispielsweise auch aufwendig inszenierte Reichsparteitage
und die genialen Filme der Bildmagierin Leni Riefenstahl.33
Ein weiterer, wesentlicher Punkt ist: Es existiert im Mythos kein Zufall! Zufall definiert
der Duden als „etwas, wofür keine Ursache, kein Zusammenhang, keine Gesetzmäßigkeit
erkennbar ist“. Wenn etwas jedoch nur nicht erkennbar ist, heißt das nicht notwendi‐
gerweise, das es nicht da ist. Im Mythos herrscht konsequent das Gesetz von Ursache
und Wirkung: Wie überall auf der Erde, gibt es auch im griechischen Mythos keinen Zu‐
fall und alles ist lebendig – der Nordwind etwa ist Boreas, der Sohn der Morgenröte Eos;
die Gefühlslage des Achilleus wird als Gegenwärtigkeit der Athene verstanden; der Tod
des Patroklos und seine Begleitumstände sind durch Apollo bewirkt; der Raub der Rü‐
stung des Helden ist der Raub seines Wesens; in Münzen ist die Substanz von Göttern
wirksam, die auf ihnen abgebildet sind.
Selbst das banalste Naturobjekt wird ganz verschieden aufgefaßt, zum Beispiel je nachdem, ob man darin
etwa die mythische „Einheit des Ideellen und Materiellen“ sieht oder etwas rein Materielles. Läßt man also
eine Deutung weg, erhält man nur eine andere Deutung. Dann werden zum Beispiel der Wind zu einer me‐
chanischen Luftbewegung (Physik), die Gefühlslage eines Menschen zu etwas Subjektivem (Psychologie),
der Tod zu einem chemisch‐physikalischen Vorgang (Medizin), die Münze zu einem profanen Tauschmittel
(Nationalökonomie). Wohlgemerkt, es geht hier nicht um die Frage, welche dieser Deutungen die richtige
ist, sondern nur darum, daß alle diese Ereignisse in solchen Deutungen erfaßt werden und erfaßt werden
können. Meist wird dies nur deswegen verkannt, weil man sich an eine bestimmte Auffassung von der Wirk‐
lichkeit so gewöhnt hat, daß man diese Auffassung nicht mehr reflektiert und ihr Ergebnis deshalb für eine
„reine“ Tatsache hält.34
Es gehört zu den bisher fast unausrottbaren Vorurteilen gegenüber dem Mythischen, daß es sich dabei um
eine Art Glauben an etwas Transzendentes, zumindest der Wahrnehmung und Erfahrung Unzugängliches
gehandelt habe. In Wahrheit beruht es jedoch ganz im Gegenteil darauf, daß die Wirklichkeit dem Men‐
schen ursprünglich mythisch entgegentrat. Er fand die Archái und ihre Gruppierungen in einer Mannigfaltig‐
keit einzelner Erfahrungen, durch eine Fülle von Ereignissen und Erscheinungen ebenso bestätigt oder wi‐
derlegt, wie der Wissenschaftler Naturgesetze oder geschichtliche Regeln.35
33 Mehr aufschlußreiche Informationen zur okkult‐mythologischen Basis der NS‐Zeit finden sich in: Rüdi‐
ger Sünner, Schwarze Sonne. Die Macht des Mythos geht soweit, daß Menschen bereit sind, für Symbole zu
sterben.
34 Aus: Kurt Hübner, Die Wahrheit des Mythos, S. 260f.
35 Ebda, S. 260.
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Die Denkweise der mythischen Weltsicht ist nicht weniger logisch und plausibel als die
der wissenschaftlichen. „Jede Wahrnehmung von Wirklichkeit“ nämlich, schreiben die
Psychologen David Feinstein und Stanley Krippner, „ist ihrer Natur nach mythisch.“36
Und ganz gleich, ob es sich um die ersten Versuche eines Kindes handelt, der Welt einen Sinn zu geben,
oder um das fortschrittlichste wissenschaftliche Denken – immer gilt das Prinzip „Die Landkarte ist nicht das
Land“. Unsere Vorstellungen von der Welt mögen noch so entwickelt und verfeinert sein, sie sind und blei‐
ben doch mythische Konstruktionen.37
Mythisches, religiöses und wissenschaftliches Denken sind einfach verschiedene Syste‐
me, die Welt zu erklären, sind drei verschiedene Ontologien. Jetzt wird auch verständ‐
lich, daß es kaum einen Unterschied gibt zwischen einem Märchen/ einem Mythos, einer
wissenschaftlichen Erkenntnis und einer religiösen Glaubenslehre.
Jede Konstruktion der Wirklichkeit – ob intuitiv oder wissenschaftlich – ist ihrer Natur nach metaphorisch
und, genau besehen, Mythologie.38
Alle erklären ihre Erkenntnisse über die Welt anhand von Geschichten: Der Mythos in
Form von Sagen / Märchen, die Religion in Form von Gleichnissen und die Wissenschaft
in Form bemühter Versuche, etwa: „... und dann kommt das Atom dahin und muß sich
entscheiden, ob es nach links oder nach rechts will ...“
Es geht, wie Hübner sagt, hier nicht um die Frage, welche Art der Welterklärung die rich
tige ist. Es ist allerdings bezeichnend, daß wir, seitdem wir das Mythische mit allen Mit‐
teln aus unserer Weltsicht zu verbannen versucht haben und es nur mehr „nur Mythos“
ist, die Welt dem ökologischen Kollaps immer näher brachten.
Der Mensch hat den Trieb [...] unerklärte äußere Reize in eine zusammenhängende kognitive Matrix zu or‐
ganisieren. Diese Matrix hat in nichtindustriellen Gesellschaften die Form von Mythen [...]39
Mit dem Beginn der wissenschaftlichen Revolution vor etwa 300 Jahren, „begann der menschliche Ver‐
stand, sich ganz anders auf die Welt zu beziehen. Man machte es sich zur Gewohnheit, die Tatsachen der
Natur sorgfältig zu beobachten und systematisch in Begriffen von physikalischer Ursache und Wirkung zu
interpretieren; diese Gewohnheit wurde immer stärker und hatte unberechenbare, aber meist wohltätige
Folgen durch die Anhäufung praktischen Wissens, das die Manipulation der Natur möglich macht.“ Im
neunzehnten Jahrhundert wurde ein weiterer Schritt getan, als „die zur Gewohnheit gewordene Praxis bei
der Suche nach Wissen zum Dogma wurde, das man positive Philosophie oder Positivismus nannte. Positi‐
vismus ist die philosophische Bezeichnung für einen Glauben, den man heute eher unter dem Namen Mate‐
rialismus kennt. Er ist die Doktrin ... daß die oben erwähnte Methode, die Tatsachen der Natur zu interpre‐
tieren, nicht einfach eine nützliche, sondern die einzig sinnvolle Methode ist.“40
Die Grundregeln des rationalen Denkens wurden zum bestimmenden Maßstab in der Konstruktion der
Wirklichkeit, zu beherrschenden Kriterien der autoritären Mythologie „betreffs Wahrheit“. Erfahrungsbe‐
reiche, die man mit den Begriffen dieser Rationalität nicht verstehen konnte, wurden systematisch aus dem
offiziellen Bewußtsein ausgeschlossen. Das Ergebnis all dessen sind erfolgreiche Nierentransplantationen,
menschliche Fußabdrücke auf dem Mond und eine Entfremdung von der Natur, die [...] zur Auslöschung der
Spezies Mensch führen kann.41
36 Aus: David Feinstein, Stanley Krippner, Persönliche Mythologie, S. 30.
37 Ebda, S. 28.
38 Ebda, S. 437.
39 Eugene d’Aquili und Charles D. Laughlin, zitiert in: Ebda, S. 83.
40 Owen Barfield, zitiert in: Ebda, S. 61f.
41 Ebda, S.45.
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... es gab keine Harmonie mehr mit dem Himmel ..., sondern eine technologische Vergewaltigung der Natur ....
Es ist eine Sache, sich von den Schwankungen der Natur, der Gefühle, Instinkte und unserer Umwelt zu be‐
freien – aber es ist etwas ganz anderes, sich ihnen zu entfremden.42
Das Göttliche verschwand völlig aus der wissenschaftlichen Weltsicht und hinterließ ein spirituelles Va‐
kuum, das charakteristisch wurde für die Hauptrichtung unserer Kultur.43
Wie kommt es nur, daß der Mensch, je mehr er die Welt zu seinen Gunsten manipulieren kann, desto weni‐
ger Sinn in ihr wahrzunehmen vermag?44
Das soll kein Plädoyer für die Ausrottung der Vernunft sein, sondern ein Aufruf für die
neuerliche Annäherung von Vernunft und Mythos – zweier Gebiete, die, wie wir gesehen
haben, nicht so weit voneinander entfernt sind, wie man zu glauben meint.
Selbst Aristoteles, wahrlich ein Freund der reinen Vernunft, hat gesagt: „Der Freund der Weisheit ist auch
ein Freund des Mythos“ [...]. Joseph Campbell sieht eine primäre Funktion der Mythologie darin, daß sie
„dem Wachbewußtsein die Kräfte seines eigenen Ursprungs, aus dem es sich speist“, enthüllt.45
Und damit kommen wir zum letzten und vielleicht faszinierendsten Merkmal: Mythos ist
ein Spiegel. Jedes Element eines Mythos, jede Figur, jede Situation ist ein Spiegel des
menschlichen Geistes. Er bietet für jeden eine Projektionsfläche. Das bedeutet, daß der
Mythos ein Echo bildet, von woher auch immer man ruft. Ob Psychologen, Soziologen,
Historiker, Feministinnen, Esoteriker, Philosophen, Marxisten, Theologen, Künstler – sie
alle haben mit ihren Interpretationen (insofern sie in sich folgerichtig sind) recht!
Der moderne Intellekt hat die Mythen interpretiert als einen primitiv‐täppischen Versuch der Naturerklä‐
rung (Frazer); als Produkt der poetischen Phantasie prähistorischer Zeitalter, verzerrt von den folgenden
(Müller); als Arsenal allegorischer Unterweisungen, die das Individuum der Gruppe gefügig machen sollen
(Durkheim); als Gruppentraum, in dem die Tiefenschicht der Menschenseele ihre archetypischen Impulse
ausdrückt (Jung); als das überlieferte Medium metaphysischer Einsicht (Coomaraswamy) und schließlich als
Offenbarung Gottes an seine Kinder (die Kirche). In Wahrheit sind die Mythen das alles, nur zeigen sie je‐
dem Interpreten, je nach dessen Standort, ein anderes Gesicht. Denn den Anliegen und Bedürfnissen der
Individuen, Rassen und Zeitalter kommen sie so aufgeschlossen entgegen wie das Leben selbst, wenn die
Frage nicht auf ihr Wesen, sondern auf ihre Funktion dringt, darauf, wie sie in der Vergangenheit der
Menschheit gedient haben und wie sie es heute könnten.46
Wenn wir uns auf den Mythos einlassen, öffnet sich uns eine Tür in die zeit und raumlose
Anderswelt, und von mal zu mal erkennen wir dann ein Stück mehr von der Welt und uns
selbst. Und ein wesentlicher Teil davon ist jedesmal, daß wir Schöpferkraft besitzen! Und
das ist wesentlicher Bestandteil der Magie.
Ohne Übertreibung läßt sich sagen, daß der Mythos der geheime Zufluß ist, durch den die unerschöpflichen
Energien des Kosmos in die Erscheinungen der menschlichen Kultur einströmen. Religionen, Philosophien,
Künste, primitive und zivilisierte Gesellschaftsformen, die Urentdeckungen der Wissenschaft und Technik,
selbst die Träume, die den Schlaf erfüllen, all das gärt empor aus dem magischen Grundklang des Mythos.
Das Seltsame ist, daß das charakteristische Vermögen, tiefliegende schöpferische Zentren zu berühren
und zu wecken, auch dem geringsten Kindermärchen eigen ist, nicht anders, als der Geruch des Ozeans in
einem winzigen Tropfen oder das ganze Geheimnis des Lebens in einem Fliegenei enthalten ist. Denn die
mythischen Symbole sind nicht gemacht und können weder bestellt, erfunden noch dauernd unterdrückt
42 Ken Wilber, zitiert in: Ebda, S. 47.
43 Fritjof Capra, zitiert in: Ebda, S. 438.
44 Owen Barfield, zitiert in: Ebda, S. 61.
45 Ebda, S. 447.
46 Aus: Joseph Campbell, Der Heros in tausend Gestalten, S. 365f.
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werden. Sie sind spontane Hervorbringungen der Psyche, und jedes trägt in sich, als unbeschädigten Keim,
die Kraft seines Ursprungs.47
Ein altes chinesisches Sprichwort sagt: „Wenn du den Griff einer Axt schnitzen willst, dann ist das Modell
dafür in deiner Hand.“ Und wenn es um eine Sprache zum Verständnis der menschlichen Natur geht, dann
ist die Art, wie die Seele sich ausdrückt, das Modell. Mythen sind, nach C. G. Jung, „zuerst und vor allem
seelische Phänomene, die die Natur der Seele enthüllen“.48
Damit finden wir bestätigt, was Bonnet sagt, nämlich, daß der Mythos (in Form einer
attraktiv verpackten Geschichte) die Geheimnisse des menschlichen Geistes enthüllt.
Der große Philosoph A. K. Coomaraswamy hat ganz schlicht festgestellt, daß „der Mythos die größte Annä‐
herung an die absolute Wahrheit verkörpert, die man in Worte fassen kann“.49
Der Mythos ist umfassende Erklärung der Welt und des Menschen in ihr durch univer‐
sell gültige, allgemein zugängliche Bilder und Metaphern. Er ist stichhaltig und folgerich‐
tig und dennoch nicht kompliziert. Die Geschichten, die er erzählt, sind ein Spiegel, in
dem sich der Mensch (wieder)erkennen kann – das ist einer der Hauptgründe, warum
Menschen sich nach dem Mythos sehnen.
„Wir müssen uns wieder daran erinnern, wie wichtig Mythen für unsere Seele und für
die gesamte Zivilisation sind“, sagt John Houston, „denn sie sind so etwas wie die DNS
der menschlichen Seele.“50
Große Geschichten sind also komplexe Metaphern, deren unterschiedliche Charaktere, Schauplätze, Hand‐
lungen und Objekte verschiedene Aspekte jener versteckten, inneren Wahrheit reflektieren. Und wenn man
Hunderte dieser großen Geschichten analysiert, treten bestimmte Muster in Erscheinung. Diese Muster
werden Archetypen genannt.51
Nach Eliade besteht einer der herausragenden Grundzüge des Mythos darin, in einem für heilig erachteten
Urereignis nicht etwas Vergangenes zu sehen, dessen man vielleicht gedenken oder das man irgendwie na‐
chahmen kann, sondern ein ewig Gegenwärtiges oder zumindest beständig identisch Wiederholbares. Der
Mythos hat demnach im Archetypos seine Mitte. Dieser Archetypos kann im Kult, im Gesang, in der Rezita‐
tion usf. immer wieder herbeibeschworen werden und fortwirken wie am ersten Tag.52
Die Kraft der Archetypen sorgt demgemäß dafür, daß der Mythos trotz allem lebendig
bleibt – bis in die heutige Zeit hinein! Mythisches Denken und Empfinden bezieht sich
nicht nur auf Menschen früherer Zeiten und deren Weltbild, sondern es ist (wenn auch
in den meisten Fällen unbewußt) auch noch in unserem heutigen Leben beheimatet; das
haben wir in diesem Kapitel ansatzweise gesehen.
Eine Möglichkeit, willentlich in Kontakt mit der archetypischen Energie der Anderswelt
zu treten, ist das Ritual. Im Schüler‐Duden „Die Philosophie“ liest man unter dem Eintrag
„Mythos“ zum Thema Ritual:
Wie man heute aufgrund religionswissenschaftlicher und ethnologischer Untersuchungen weiß, sind My‐
then untrennbar mit religiösen Ritualen verbunden. Rituale sind Ort und Zeit, wo die Mythen vorgetragen
47 Ebda, S. 13.
48 Aus: David Feinstein, Stanley Krippner, Persönliche Mythologie, S. 448.
49 Ebda, S. 449.
50 Zitiert in: Ebda, S. 9.
51 Aus: James Bonnet, Stealing Fire From The Gods, S. 47
52 Aus: Kurt Hübner, Die Wahrheit des Mythos, S. 81f.
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werden, also auch „geschehen“, d. h. die profane (also außerhalb des „fatum“, des Heiligen befindliche)
Welt ist im historisch‐geographischen Sinn real. Die sakrale, fane Welt wird aber in einem über‐historischen,
über‐geographischen Sinn real verstanden. Die Ortlosigkeit und Zeitlosigkeit mythischen Geschehens wird
nun im Rahmen eines Rituals, das in „heiler Zeit“ am „heiligen Ort“ stattfindet (magischer Kreis, das Tem‐
pelinnere, zur Jahreswende oder anderen ausgezeichneten Zeiten), mit realem Geschehen magisch identifi‐
ziert. Dies sagt auch der griechische Ausdruck „sýmbolon“53. Nur im aktuell stattfindenden Ritual sind histo‐
risch‐reale Welt und Mythisches identisch: Das rituelle „Hier und Jetzt“ ist als Koinzidenz von „Himmel“ und
„Erde“ ein „Nabel‐der‐Welt‐Ereignis“, und der Mythos ist das Drehbuch eines kosmischen Dramas. Alle Ver‐
suche, solche magische Identifizierung als „Irrtum“ „primitiven“ Denkens zu deuten (Frazer) sind gescheitert
bzw. widerlegt worden (Wittgenstein, Eliade, Duerr). Der rituell inszenierte Mythos hat reale Auswirkungen:
Er dient der Legitimation von Handlungen (z. B. Königsinitiationen), der Existenzabsicherung (Stadtgrün‐
dung, Eheschließungen, Grundsteinlegungen), der Aufhebung der Angst um den Fortbestand der Welt (Jah‐
reswendfeste54) und der Ernährungsmöglichkeit (Jagd‐ und Fruchtbarkeitsriten), der Initiation eines Indivi‐
duums in die soziale Gruppe (sogenannte Übergangsriten), v. a. auch der Heilung von Krankheiten, deren
tatsächliches Funktionieren heute nicht mehr ernsthaft bezweifelt werden kann (Schamanismus).
Poetischer ausgedrückt:
Ein Ritual ist, in der Tat, dreidimensionale Poesie, oder das in die Welt der Aktion und Bewegung gebrachte
poetische und archetypische Reich.55
Aldous Huxley meint, Rituale seien so etwas wie „das Tor, durch das die Seele aus der
Zeit in die Ewigkeit schlüpft“.
Erst in der Wiederholung, so lehrt uns die Mythologie, erhalten menschliche Eigenschaften und Beziehungs‐
formen Bedeutung, so daß vom Individuellen auf das Allgemeine, vom Sonderfall auf eine Prägung ge‐
schlossen werden kann und sich ein Mensch als Teil der Menschheit begreifen darf – das und nichts anderes
ist das Wesen des Rituals. Im Ritual löst sich der Mythos ein. Die Geschichten wurden erzählt, damit sie sich
wiederholen. Jeder mythische Held trägt in sich die Aufforderung, es ihm gleichzutun. Erst in der Wiederho‐
lung gewinnt der Mythos Sinn.56
Das Fest‐ und Feierliche des mythischen Festes liegt aber darin, daß in ihm der Gott gegenwärtig ist, daß
sich in ihm eine Epiphanie ereignet. Das Fest ist Begegnung mit der Gottheit.57
53 Gr. symballein „zusammenwerfen“. Das Symbol als „einen tieferen Sinn andeutendes Zeichen“ oder als
„bildhaftes, anschauliches, wirkungsvolles Zeichen für einen Begriff oder Vorgang“ (Wahrig), das in die‐
sem Sinn nicht nur in Religion, Kunst und Literatur eine Rolle spielt, sondern auch in den Naturwissen‐
schaften (z. B. chemische und mathematische Symbole), in der neueren Logik und Sprachphilosophie, in
der Technik (z. B. Schaltzeichen), sowie im täglichen Leben (z. B. Piktogramme, Verkehrszeichen), entsteht
durch jene „magische Identifikation“. Das Gegenteil ist übrigens gr. diaballein „auseinanderwerfen“, wo
der große Auseinanderwerfer, der Diabolos (le Diable, der Teufel) seinen Ursprung hat.
54 Vgl. dazu Joseph Campbell, Der Heros in tausend Gestalten, S.367f.: „Einen weiteren Horizont noch eröffnen
die Feste, in denen der Jahreslauf kulminiert: daß so, wie das Individuum ein Organ der Gruppe ist, der Stamm,
die Stadt und schließlich die ganze Menschheit nichts anderes sind als Phasen des kosmischen Riesenorganismus.
Die übliche Interpretation dieser Feste der sogenannten Primitiven, als Versuche zur Naturbeherrschung,
geht fehl. Sicher ist in jeder menschlichen Handlung, und besonders in jenen magischen Praktiken, die Regen‐
wolken erzeugen, Krankheiten heilen oder die Fluten abhalten sollen, der Wille zur Beherrschung lebendig.
Was aber in allen religiösen und nicht nur finster magischen Zeremonien dominiert, ist das Motiv des Sich‐
Schickens ins Unabwendbare, und besonders auffallend ist es bei den Jahresfesten. Noch von keinem Zeremo‐
nial ist berichtet worden, das den Einbruch des Winters hätte verhindern wollen, sondern alle stimmen die
Gruppe darauf ein, daß sie, zusammen mit der übrigen Schöpfung, die Zeit der schrecklichen Kälte über sich
ergehen lassen muß. Ebensowenig sind die Frühlingsriten darauf aus, der Natur unmittelbar einen Strom von
Korn, Bohnen und Früchten für die darbende Gruppe zu entlocken, sondern sie bringen den ganzen Stamm der
Natur dar für die Arbeit der kommenden Jahreszeit. Gefeiert und vorgezeichnet wird immer, wie der Zyklus des
Jahres mit seinen Mühen und Freuden in dem des Stammeslebens sich fortsetzt.“
55 OBOD, Gwers of the Bardic Grade. Grade Two. Übersetzung des Verfassers.
56 Aus: Michael Köhlmeier, Geschichten von der Bibel.
57 Aus: Kurt Hübner, Die Wahrheit des Mythos, S. 186.
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„Als allgemeine Formel können wir sagen“, faßt Eliade zusammen, „daß man, die Mythen ‚lebend‘, aus der
profanen, chronologischen Zeit in eine andere Zeit von anderer Beschaffenheit eintritt, nämlich eine ‚heilige
Zeit‘, die ursprünglich und dennoch unbestimmt oft wiederholbar ist.“ „... die erste Aufgabe des Mythos be‐
steht darin, exemplarische Modelle für alle menschlichen Riten und alle bedeutsamen menschlichen Tätig‐
keiten zu offenbaren: Ernährungsweise oder Heirat, Erziehung, Kunst oder Weisheit...“ „Einen Mythos ‚le‐
ben‘ stellt demnach eine genuin ‚religiöse‘ Erfahrung dar, die sich von der gewöhnlichen Erfahrung des täg‐
lichen Lebens unterscheidet. Die ‚Religiosität‘ dieser Erfahrung liegt daran, daß man sagenhafte, erhebende,
bedeutsame Ereignisse wieder in Kraft setzt“ (re‐enact) „und erneut Augenzeuge der schöpferischen Taten
der Übernatürlichen“ (Supernaturals) „wird; man hört auf, in der täglichen Welt zu existieren und tritt in ei‐
ne verklärte, leuchtende Welt ein, die von der Gegenwart der Übernatürlichen durchdrungen ist. Es handelt
sich nicht um eine Erinnerungsfeier“ (commemoration) „mythischer Ereignisse, sondern um deren Wieder‐
holung“ (reiteration). „Die handelnden Personen des Mythos werden gegenwärtig, man wird ihr Zeitgenos‐
se. Das bedeutet auch, daß man nicht länger in einer chronologischen Zeit lebt, sondern in der Urzeit, der
Zeit, als das Ereignis zum ersten Mal stattfand ... Diese Zeit wieder zu erfahren, sie so oft wie möglich zu
wiederholen, Zeuge des Schauspiels göttlichen Werkes zu sein, den Übernatürlichen zu begegnen und ihre
schöpferische Lehre wieder zu lernen, das ist der Wunsch, der sich durch alle rituellen Wiederholungen des
Mythos wie ein roter Faden hindurchzieht.58
Das Ritual löst in einer „Zwischenwelt“ eine der Zeit entrückte, wesentliche Gefühlser‐
fahrung aus. Insofern ist es klar, daß ein Ritual jemanden nachhaltig verändern kann. Es
ist an sich heilsam oder zerstörend. Wir denken an Filme, die ganze Generationen be‐
einflußt haben oder der letzte Tropfen waren, der Mörder oder Selbstmörder zu ihren
Taten getrieben hat. Wir denken an unser Lieblingsmärchen in der Kindheit.
Immer hatten Mythen und Riten vor allem die Funktion, die Symbole zu liefern, die den Menschen vor‐
wärtstragen, und den anderen, ebenso konstanten Phantasiebildern entgegenzuwirken, die ihn an die Vergan‐
genheit ketten wollen. Es ist durchaus möglich, daß die große Häufigkeit der Neurosen in unserer Kultur ihren
Grund im Verfall jener mythologischen Instanzen hat, die dem Individuum wirksam den Rücken stärkten.59
Für die heutige Zeit, in der Gebete, Rituale, heilige Zeremonien in den meisten Fällen
entweder belächelt oder kommerzialisiert werden (wenn man sie nicht ohnedies igno‐
riert), könnte eine Re‐Integration des Rituals äußerst heilsam sein. Das Ritual macht
eine Situation, einen Ort nicht heilig, es versetzt uns in die Lage zu erkennen, daß diese
Situation, dieser Ort heilig ist.
Wie wohltuend ein Ritual sein kann, sehen wir etwa in schamanistischen Kulturen. Hier
kann das Ritual als eine Methode betrachtet werden, um etwas in der äußeren Welt zu
schaffen, das zum inneren Sein und zur inneren Welt sprechen kann. Die Normalität
wird durch die Übereinkunft aller Betroffenen aufgehoben, und wir gehen zusammen in
eine heilige Zeit und einen heiligen Raum hinein – eine Zeit, in der wir nichts haben
müssen, nichts erstreben müssen und nichts versuchen müssen. Wir brauchen nur zu
lauschen, unsere Wahrheit zu sagen, mit offenem Herzen zur großen Kraft des Univer‐
sums zu beten und tief auf die anderen, die auch im Kreis sind, zu hören. Wir treten in
den magischen Raum der Zeitlosigkeit ein, in dem nur noch das Hier‐und‐Jetzt wichtig
ist.60 Ein Großteil der Wirkung eines Rituals spielt sich – wie bei allen Mysterien – auf
einer unbewußten, archaischen Ebene ab, über die wir kaum Worte verlieren können,
die wir auch nicht erklären können. Und das ist gut so, denn Dogmen erwachsen aus Er‐
klärungen, Mythen aus Einsichten.
58 Ebda, S. 197f.
59 Aus: Joseph Campbell, Der Heros in tausend Gestalten, S. 20.
60 Vgl. Leo Rutherford, Schamanismus, S. 70f.
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Es ist die Funktion der Mysterien, die Archetypen für eine zeitlose Zeit miteinander zu verknüpfen und so zu
verschmelzen, daß sie in der menschlichen Psyche oder der äußeren Welt Resonanzen hervorrufen [...].61
An diesem Punkt [...] muß darauf hingewiesen werden, daß Schlüssel wie die oben beschriebenen Diag‐
ramme und Analysen kein Ersatz für das eigentlich Gemeinte sind; die Mythen, Legenden und das damit zu‐
sammenhängende Weisheitswissen aus der kollektiven Tradition müssen direkt erfahren werden. Es ist völ‐
lig sinnlos, die bisher und im folgenden aufgezeigten Systeme bloß intellektuell oder oberflächlich korrelie‐
rend anzuwenden; man wird zwar die Zusammenhänge finden, man wird in den Charakteren oder mythi‐
schen Themen die Muster aufzeigen können, und man wird lange (und langweilige) Listen von Überein‐
stimmungen anfertigen können. All dies ist völlig wertlos ohne eine lebendige Reaktion aus unserem Innern.
Ursprünglich wurden die Muster, die wir diskutieren, direkt im Alltagsleben angewandt, als Leben und ri‐
tuelle Magie noch kaum getrennt waren.62
Wie deutlich die Überschneidung der beiden Welten auch in unseren Gebieten früher
noch war, wurde mir bewußt, als ich für einen Erzählabend mit Schauermärchen über
okkulte Bräuche in der Steiermark recherchierte: Vor 70, 80 Jahren gab es noch verein‐
zelt Zauberbücher, man braute Liebestränke, und die Leute glaubten an unterschiedlich‐
ste Hexenmittel. Es gab die Glückshand, mit der man jedes Schloß öffnen konnte: Dazu
mußte man einer Schwangeren den Leib aufschneiden und dem Embryo die Hand ab‐
hacken. Es gab „Gfrerte“, die sich unverletzbar machten, indem sie sich eine geweihte
Hostie in die linke Hand einnähten, zwischen Haut und Fleisch, und die nicht verwesten,
wenn sie nicht vor dem Tod entfernt wurde (und noch während des Ersten Weltkrieges
wurden Leichen ausgegraben, die vollkommen unverwest waren und eine Naht in ihrer
linken Handfläche hatten). Dann gibt es Gerichtsakten über die „Herzlfresser“, die sich
an den rechten Arm ein Fledermausherz hingen, um beim Kegeln immer zu treffen und
an den linken, um beim Wildern nie zu verfehlen, die einer Jungfrau das Herz heraus‐
schnitten und es aßen, um sich unsichtbar zu machen. Das alles hat wirklich stattgefun‐
den! Als ich mit meinen Großeltern darüber sprach, sagten sie mir: „Ja, das hat’s damals
gegeben.“ Nicht: „...das hat man uns erzählt“!
Es ist dem Rationalismus hoch anzurechnen, daß er viele Greuel, die der Aberglaube mit
sich bringt, weitestgehend abgeschafft hat. Aber wie so oft wurde auch hier das Kind mit
dem Bade ausgeschüttet: Alles, was nicht dem neuen Dogma der Meßbarkeit entsprach,
wurde gleichfalls als Aberglaube bezeichnet und rigoros aus der Welt verbannt – mit
dem Ergebnis, daß unsere Welt nun viel ärmer an Geheimnissen und viel reicher an
Problemen ist. Denn eine Verbindung mit dem Spirituellen, eine Verankerung im Trans‐
zendenten, die wir (und seien wir noch so aufgeklärt) brauchen, diesen Halt, den der
Mythos liefert, verweigerte sich die neue Weltsicht. Wie verheerend sich diese Trennung
von Ideellem und Materiellem auf die Umwelt auswirkte, haben wir schon untersucht;
aber auch die Religion wurde entmythifiziert.
Und im modernen fortschrittlichen Christentum ist der Christus, der fleischgewordene Logos und Erlöser
der Welt, in der Hauptsache eine historische Persönlichkeit, ein harmloser ländlicher Weiser aus der halb‐
orientalischen Vergangenheit, der eine sanfte Lehre vom „Tue, wie du willst, daß dir getan werde“ verkün‐
digte, aber als Verbrecher hingerichtet wurde. Die Geschichte seines Todes liest man als großartiges Bei‐
spiel von Integrität und Seelenstärke.
Wo immer die Poesie des Mythos als Biographie, Geschichte oder Wissenschaft verstanden wird, stirbt
sie ab. Aus den lebenden Bildern werden entlegene Fakten aus einer fernen Zeit oder einem fernen Him‐
melsstrich. Außerdem ist es niemals schwer zu zeigen, daß der Mythos, als Wissenschaft oder Historie ge‐
nommen, absurd ist. Wenn eine Zivilisation anfängt, ihre Mythologie in dieser Weise umzudeuten, weicht
61 Aus: Robert John Stewart, Merlin. Das Leben eines sagenumwobenen Magiers, S. 230.
62 Ebda, S. 230f.
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das Leben aus ihr, die Tempel werden zu Museen, und die Verbindung zwischen den beiden Perspektiven
reißt ab. Solches Welken hat ohne Zweifel die Bibel und einen großen Teil des christlichen Kultus befallen.63
Kein Wunder, daß sich die Kirchen leeren. Wer dagegen keine hohlen, blutleeren Bräu‐
che wiederholt, sondern wirkliche Rituale und damit etwas aus dem Reich des Mythi‐
schen in unsere Welt bringt, füllt ein spirituelles Vakuum. – Diese Sehnsucht der Men‐
schen nach tiefgehenden Erlebnissen ist eine Basis für die Wirkweise der Mythomagie.
Wer wie die guten Erzähler aller Zeiten bedeutsame Geschichten anbieten kann, wird
erfolgreich (ver)zaubern können. Dazu ist es jedoch entscheidend, wie man an die Sache
herangeht. Beschäftigt man sich nur akademisch mit dem Mythos, wird kaum etwas zu
spüren sein. Läßt man die Geschichte jedoch durch sich hindurch, wird man von einer
andersweltlichen Kraft getragen – essentielle Voraussetzung für nutzbringende magi‐
sche Arbeit. Fassen wir abschließend also die Merkmale des mythischen Weltverständnis‐
ses zusammen und sehen, welche Grundsätze für die Mythomagie sich daraus ergeben:
Schlußfolgerungen für die Anwendung in der Mythomagie
1 Mythisches Denken unterscheidet nicht zwischen Ideellem und Materiellem, zwi‐
schen Geist und Materie. Alles ist belebt – und zwar vom Göttlichen, das als das All
Eine gesehen wird. Alles ist belebt und ursprünglich eins.
2 Etwas, das belebt ist, teilt sich auch mit. Für den mythisch denkenden und empfin‐
denden Menschen kann alles sprechen und er kann mit allem kommunizieren. Belebt
sind natürlich auch die Wörter, und aus diesem Grund kann jemand, der die Magie des
Wortes beherrscht, kraft ihrer Autorität Veränderungen hervorrufen. Alles erzählt
(s)eine Geschichte und gibt Antwort.
3 Im Sinne des pars pro toto kann ein Teil die mythische Kraft des Ganzen haben. Das
schließt alles mit ein: Landschaften, Städte, Tempel, Häuser, Statuen, Körperteile, Klei‐
dungsstücke, Talismane und Namen – sie alle können mit der Energie eines Gottes, Dä‐
mons, Engels, Helden oder Heiligen aufgeladen sein. Darin hat die (religiöse wie profane)
Reliquienverehrung ihren Ursprung, auch das Sich‐Verkleiden und Nachspielen mythi‐
scher Ereignisse als Assimilation eines (oder Identifikation mit einem) Mythos. Alles ist
miteinander verbunden und besitzt Macht.
4 Es gibt im Mythos keinen Zufall. Er befindet sich damit nicht im unauslöschlichen Ge‐
gensatz zu einer naturwissenschaftlichen Weltsicht, sondern stellt lediglich eine an‐
dere, in sich ebenso logische und überzeugende Ontologie dar – eine Erklärung der
Welt, die auf allgemein gültigen, seelischen Mustern basiert. Alles wird gestärkt
durch die gezielte Ausrichtung des Fokus‘ der Aufmerksamkeit.
5 Mythos (und jedes seiner Elemente) ist ein Spiegel des menschlichen Geistes. Das be‐
deutet, daß jeder sich in ihm wiederfinden und aus dieser Begegnung eine berei‐
chernde Erkenntnis und / oder emotionale Erfahrung für sein Leben mitnehmen
kann, die ihn verändert. Die Begegnung mit dem Mythos weckt schöpferische Kräfte
und findet immer in scheinbarer Zeit und Raumlosigkeit statt (das Gefühl, daß Zeit
sehr schnell oder sehr langsam verstreicht oder überhaupt nicht mehr zu wissen „ob
Minuten oder Tage vergangen sind“ und das Gefühl, in eine andere Welt hineinver‐
setzt zu sein, so daß man „nicht mehr mitbekommt, was rings um einen vorgeht“).
Denn im Reich des Mythos – hinter dem Spiegel – existieren Zeit und Raum nicht, be‐
ziehungsweise sind nur Schein. Den Eintritt in diese Ewigkeit des Mythischen ermög‐
licht das Ritual. Alles ist, wofür man es hält und kann dadurch verändert werden.
63 Aus: Joseph Campbell, Der Heros in tausend Gestalten, S. 240f.
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Magie, oder: Was ist eine Geschichte?
Die fünf grundlegenden Auffassungen mythischen Denkens und Empfindens haben im‐
plizite Konsequenzen für die Praxis der Mythomagie, die in diesem Abschnitt ausführli‐
cher beschrieben sind.
Alles ist belebt und ursprünglich eins führt direkt zum Weltbild der Mythomagie.
Alles wird gestärkt durch die gezielte Ausrichtung des Fokus‘ der Aufmerksamkeit
wird genauer erläutert im magisch hochwirksamen Prinzip von Sein, Haben und Tun.
Alles erzählt (s)eine Geschichte und gibt Antwort erklärt, warum Magie funktioniert.
Alles ist, wofür man es hält und kann dadurch verändert werden beschreibt anhand
verschiedener Paradigmen, wie Magie funktioniert.
Alles ist miteinander verbunden und besitzt Macht schließlich begründet das Ethos
der Mythomagie.
Weltbild
Entsprechend dem ersten Grundsatz mythischen Denkens und Empfindens folgt das
Weltbild der Mythomagie dem „idealistischen Monismus“64. Der folgende Text ist eine
poetische Meditation darüber.
Alles ist Eins.
Es ist nicht nur alles mit allem verwoben und in ständiger Kommunikation miteinander und alles ein Teil
voneinander – letztlich gibt es nichts, das mit einem anderen verbunden sein könnte, da es nichts ande‐
res gibt. Jegliche Form von Trennung ist illusionär.
Es existiert nur das All‐Eine.
Man hat dem All‐Einen unterschiedliche Namen gegeben (z. B. Gott, der universelle Geist, Tao, Atman,
das Eine Bewußtsein, die Leere, Wakan Tanka, Allah, Ain, die Uressenz) und versucht, es zu personifizieren.
Gegen eine solche Form der Personifizierung ist prinzipiell nichts einzuwenden, wenn sie im Bewußt‐
sein geschieht, daß es dem Verstand erleichtert wird, sich an diese Einheit zu erinnern und mit ihr zu
kommunizieren. (Wenn auch diese Art der Kommunikation illusionär ist... denn letztlich gibt es den Ver‐
stand, den Menschen und dessen Bewußtsein nicht. Es existiert nur das All‐Eine.)
Das All‐Eine ist Das, Was Du Bist.
Dieses All‐Eine Bewußtsein spielt ein Spiel.
Es tut so (für einen Moment nur), als würde es sich teilen... in unendlich viele verschiedene Aspekte sei‐
ner selbst, in unendlich vielen Möglichkeiten und Welten. Dadurch erfährt es sich selbst.
Ob als Straßenkehrer oder Generaldirektor, als materialistischer Börsenhai in New York oder sinnsu‐
chender Aussteiger in einem indischen Ashram, als Elitesoldat oder als Kindergärtnerin, als Außerirdi‐
scher, als Baum oder als Ameise, als Blume oder Wüste oder Fluß oder Planet oder Sonne, als Ignoranz
oder Großmütigkeit – es ist Das, Was Du Bist. (Es kann sein, daß Du Dich in manchen Fällen so gut ver‐
kleidet hast, daß Du Dich nicht auf Anhieb erkennst. Aber das macht nichts, auch das gehört zum Spiel.)
All das sind die tausend verschiedenen Aspekte Gottes – die wie die Speichen eines Rades für sich
stehen aber alle zur Mitte hin führen, die wie die einzelnen Facetten eines Juwels diesem seinen Glanz
und seine Schönheit verleihen.
64 Vgl. Amit Goswami, Das bewußte Universum und die Titel der „Neo‐Advaita“‐Sektion im Literaturverzeichnis.
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Wenn die Zeit gekommen ist, wirst Du Dich wieder bewußt mit Deiner Göttlichkeit vertraut machen.
Du wirst erwachen zu Deiner eigenen Herrlichkeit und Deine Schätze enthüllen. Dann bist Du ein leben‐
diger Ausdruck Deiner tiefsten Wahrheit und Liebe.
Denn dann wirst „Du“ nicht mehr sein.
Der letzte Schritt zurück ins Paradies ist die Erkenntnis, daß Du es nie verlassen hast. Es wertet Dein
Selbst ab, wenn Du glaubst, Du müßtest etwas anderes sein als das, was Du bist. Gib Verbesserungsver‐
suche auf. Bejahe Dein Leben. Laß das Groß‐Werden los und erkenne Dein Groß‐Sein an! Du bist das
Licht, das Du suchst. Du bist die Quelle von allem.
Du mußt nichts "lernen". Du weißt schon alles. Du brauchst dich bloß daran zu erinnern. Ein Meister
ist jemand, der die Auffassung des Geprüftwerdens hinter sich gelassen hat.
Es existiert keine Schuld. Alles ist eine Einladung, Dich selbst mehr zu lieben. Alles im Leben hat das
Potential, Dich Deiner Göttlichkeit wieder bewußt werden zu lassen; auch Essen und Einkaufen und
Kampf und Sex. Du hast die Berechtigung, so zu leben, wie Du willst. Das große Sein kümmert sich um Dich.
Jede Technik, die Du erlernt, jede Methode, die Du geübt, jede Tradition, der Du Dich anvertraut
hast, haben letztlich ein Ziel: Dich zur Erkenntnis Deiner selbst zu führen. Du kannst nichts falsch ma‐
chen. Alle Wege führen ins Licht.
Heiße jede Blüte des Seins mit offenem Gewahrsein willkommen. Sei Dir gewiß, daß Dein Leben eine
schöpferische Weise ist, Dich selbst zu feiern. Es ist wie Verliebtsein – in die Poesie der Intimität mit
Dem, Was Ist.
Dieses Spiel des All‐Einen, seine Geschichte, kann folgendermaßen vereinfacht darge‐
stellt werden:
Das All‐Eine
teilt sich auf in unzählige Bewußtseinsfunken. Einer davon empfindet sich als individualisiertes menschliches
Bewußtsein.
Es enthält holographisch alle Aspekte oder Facetten des All‐Einen. Der Mensch nimmt sie wahr als
Archetypische Energiemuster / Seinszustände,
die sich wiederum ausdrücken als
Gefühle und Gedanken,
welche sich gegenseitig beeinflussen und
Überzeugungen, Glaubenssätze, Charaktereigenschaften, Gewohnheiten, Worte und Taten
hervorbringen. Diese ziehen gemäß dem Prinzip der Resonanz ihnen entsprechende
Menschen, Situationen, Orte und Dinge
in der „Realität“ an, wodurch sich das All‐Eine über das „Interface menschliches Bewußtsein“ erfährt.
Dies ist wie gesagt eine Illusion, ein Traum. Es ist eine Geschichte, die sich das All‐Eine
selbst erzählt, eine Geschichte, die aus unendlich vielen ineinander verschachtelten an‐
deren Geschichten aufgebaut ist.
Innerhalb des Traums, innerhalb der Geschichte scheinen gewisse Gesetzmäßigkeiten zu
gelten65. Magie ist ein Weg, die geträumte Geschichte für das individuelle Bewußtsein,
das sich als Träumer empfindet, den Gesetzmäßigkeiten entsprechend angenehmer zu
gestalten (und vielleicht auch, sich an die ursprüngliche Einheit zu erinnern: aus dem
Traum aufzuwachen). Dies geschieht, indem der Magier (genauer: die illusionäre Vor‐
stellung seines Ichs) den oben dargestellten Prozeß des Erschaffens bewußt lenkt, um
damit seine Realität zu verändern. Mythomagie steuert dabei insbesondere die Ebene
der archetypischen Energien an. Dort werden Impulse gesetzt.
Dazu gibt es verschiedene Methoden, die im Abschnitt „Techniken“ genauer beschrieben
werden. Sie dienen dazu, den Prozeß des Erschaffens willentlich formend zu lenken…
denn er verläuft ohnedies immerzu – meist unbewußt –, und zwar nach dem Prinzip von
Sein, Haben und Tun.
65 Sie werden im Kapitel „Ethos“ genauer dargestellt.
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Das Prinzip von Sein, Haben und Tun
Vor allem in der westlichen Welt herrscht ein Denkmuster, das besagt, man müßte et‐
was tun, um dadurch etwas zu haben, um infolgedessen jemand zu sein. Beispielsweise
glauben die meisten Menschen, sie müßten viel arbeiten, um Geld zu haben, um irgend‐
wann reich zu sein. Oder sie müßten Kontaktanzeigen aufgeben und ausgehen, um einen
Partner zu finden, um dann verliebt zu sein.
Durch diese Ausrichtung des Fokus‘ der Aufmerksamkeit auf die Voraussetzungen für
etwas (z. B. auf das Tun), werden die Voraussetzungen gestärkt, nicht notwendigerweise
aber auch das gewünschte Ergebnis, der letztlich angestrebte Seinszustand. Das bedeu‐
tet nicht, daß Tun falsch wäre. Es sollte nur nicht an erster Stelle stehen. Wenn ein
Seinszustand klar ergriffen wurde, ergibt sich das Tun ohnedies automatisch.
Jemandem, der reich ist, wird auch Geld zufließen, jemandem, der verliebt ist, werden
sich die Herzen öffnen. Er wird vermutlich auch arbeiten oder ausgehen, aber nicht
mehr, um etwas zu erreichen, sondern weil es sich sozusagen organisch aus dem gewähl‐
ten Seinszustand heraus ergibt, und diesen bestätigt. Eine ausführliche Abhandlung über
das Prinzip von Sein, Haben und Tun findet sich zum Beispiel bei Neale Donald Walsch66:
Sie sind ein menschliches Wesen, kein menschliches Tun. Deshalb führt eine Entscheidung über ein Tun
oder eine Tätigkeit selten zum Ziel. Viel leichter fällt es durch eine Seins‐Entscheidung – die dann an irgend‐
einem Punkt zu einem Tun führt. Es geht weniger darum, was Sie tun, sondern wer Sie sein wollen. Das Tun
möge dem Sein entspringen, nicht umgekehrt.
Dinge, die Ihr Körper automatisch macht, sind Widerspiegelungen oder Verkündungen eines Seinszu‐
standes, den Sie bereits erreicht haben: Wenn Sie lachen, ist es eine automatische Reaktion auf einen be‐
reits erlangten Seinszustand, den man mit Begriffen wie glücklich, freudig – oder in einigen Fällen auch mit
dem Wort nervös beschreibt. Wenn Sie weinen, ist das eine automatische Reaktion auf einen bereits er‐
langten Seinszustand, den man mit Begriffen wie traurig, kummervoll – oder in einigen Fällen auch mit dem
Wort glücklich beschreibt. Wenn Ihr Herzschlag sehr viel schneller wird, ist das eine automatische Reaktion
auf einen bereits erlangten Seinszustand, den man aufgeregt – oder in einigen Fällen auch verängstigt
nennt. Wenn sich Ihr Herzschlag verlangsamt und einen langsamen und stetigen Pulsschlag erzeugt, ist das
eine automatische Reaktion auf einen bereits erlangten Seinszustand, den man mit Begriffen wie friedvoll,
heiter, gelassen beschreibt.
Ihr Körper demonstriert stets, was Sie sind. Deshalb beschleunigt sich Ihr Herzschlag bei der Erinnerung
an eine wunderschöne Frau oder an einen wunderbaren Mann. Beim Gedanken an eine beängstigende Si‐
tuation bricht Ihnen vielleicht sogar der kalte Schweiß aus... obwohl sich im gegenwärtigen Zeitpunkt über‐
haupt nichts ereignet! Doch das weiß der Körper nicht. Er ist ein lebendiger Ausdruck des Seinszustandes, in
dem sich Ihre Seele befindet.
Alles, was Sie sind, sind Sie, weil Sie beschließen, es zu sein. Wenn Sie in irgendeinem bestimmten
Moment verängstigt sind, dann deshalb, weil Sie beschließen, es zu sein. Wenn Sie erfreut sind, dann des‐
halb, weil Sie beschließen, es zu sein. Wenn Sie verärgert sind, dann deshalb, weil Sie beschließen, es zu
sein. Wenn Sie schikaniert werden, dann deshalb, weil Sie sich dazu entschieden haben. Wenn Sie geliebt
werden, dann deshalb, weil Sie sich dazu entschieden haben. Wenn Sie ignoriert werden, dann deshalb,
weil Sie sich dazu entschieden haben. Wenn Ihnen geholfen wird, dann deshalb, weil Sie sich dazu entschie‐
den haben. Wenn Sie verletzt werden, dann deshalb, weil Sie sich dazu entschieden haben. Wenn Sie weise
sind, dann deshalb, weil Sie sich dazu entschieden haben. Wenn Sie sich ungerecht behandelt fühlen, dann
deshalb, weil Sie sich dazu entschieden haben.
Sein ist ein Zustand, in dem man ist, und keine Handlung, die man unternimmt. Sie können nicht „glück‐
lich“ tun, Sie können nur „glücklich“ sein, abhängig davon, was zu sein Sie entscheiden. Sie können nicht
„traurig“ tun. Sie können nicht „geängstigt“, „ins Unrecht gesetzt“ oder „verletzt“ oder „verärgert“ tun, Sie
können diese Dinge nur sein.
66 Das Folgende ist zum Teil sinngemäß umformuliert und / oder gekürzt, zum Teil wörtlich übernommen
aus: Neale Donald Walsch, Bring Licht in die Welt, S. 31 – 74.
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Und was bringt Sie dazu, diese Dinge zu sein? Nicht die Dinge, die um Sie herum vorgehen, oder das, was
jemand anderer tut. Die Ursache dafür ist vielmehr die Entscheidung, die Sie in Bezug auf das Tun eines an‐
deren fällen. Es ist die Wahl, die Sie treffen.
So viele Ihrer Entscheidungen werden inzwischen von Ihnen so automatisch (und tief gegründet auf frü‐
here Erfahrungen) gefällt, daß sie scheinbar gar nicht von Ihnen kontrolliert werden können. Deshalb sieht
es so aus, als ob die Handlungen anderer oder Ihrer Erfahrungen in der Außenwelt die Reaktionen in Ihnen
verursachten.
Doch in Wahrheit entscheiden Sie sich dafür, in dem Zustand zu sein, in dem Sie sich befinden. Der Un‐
terschied liegt darin, daß jemand, der sein Leben wirklich meistert, bewußt und selbständig eine Wahl trifft.
Ein Seinszustand wird gewählt und nicht durch etwas anderes hervorgerufen. Sie wählten zu sein, was
Sie erleben. (Warum Sie es wählten ist eine andere Sache.) Die Wahl wurde nicht erzwungen. Manchmal
mag eine Wahl erzwungen scheinen, doch sie ist es nie.
Sie können einen Seinszustand dadurch herstellen, daß Sie sich ganz einfach einen aussuchen. Und das
können Sie jederzeit und überall tun. Sie können sich vornehmen, auf eine bestimmte Weise zu fühlen. Das
heißt, Sie haben die Macht zu entscheiden, wie Sie sich fühlen wollen und wie Sie sich in diesem Augenblick
fühlen. Damit ist Ihnen alle Freiheit garantiert, die Sie sich je wünschen konnten, um zu sein und zu erfah‐
ren, wer Sie wirklich sind.
Akzeptieren Sie dies zumindest als eine Möglichkeit. Entscheiden Sie sich, sich in den Seinszustand zu
begeben, den Sie gewählt haben, und treffen Sie die Wahl, das zu sein, ganz gleich, was Sie „tun“. Wählen
Sie also jetzt den Seinszustand, den Sie in sich erfahren und erleben möchten. Dann seien Sie es.
Und wie? Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit darauf und bleiben dabei konzentriert! Dann werden Sie
merken, daß Ihr Körper automatisch Dinge tut, um Ihnen beizustehen und Sie diesen Seinszustand erfahren
zu lassen. Unter anderem wird er Sie mit allem in Kontakt bringen oder Sie alles wahrnehmen lassen, was
im Gegensatz steht zu dem, was Sie gewählt haben. (Warum das so ist, folgt im nächsten Absatz.) Danach
wird er Sie zu all dem führen, was Ihrer Entscheidung entspricht und Sie von allem wegführen, was ihr nicht
entspricht. Dazu wird er alle möglichen Tricks einsetzen. Wenn Sie sich beispielsweise dazu entschieden ha‐
ben, innerer Frieden zu sein, wird er sich aus Räumen entfernen, in denen es laut zugeht. Er wird sich dazu
entschließen, ganz zu vergessen, den Fernseher einzuschalten. Er wird plötzlich eine ganz bestimmte Musik
unerträglich finden. Er könnte eine Möglichkeit finden, den Verkehrslärm auszublenden. Wenn Sie ent‐
schlossen sind, etwas zu sein – ob „fröhlich“, „verliebt“, „erfolgreich“ oder „deprimiert und unfähig“ – dann
kann nichts auf der Welt Sie davon abhalten.
Das Kontrastprogramm. Seins‐Entscheidungen sind Zünder, die in jeder Faser Ihres Wesens auf allen
Funktions‐ und Wirkungsebenen Reaktoren befeuern. Sie sind die Zündschlüssel, die den Schöpfungsmotor
in Gang setzen. Wenn Sie auf diesen Prozeß vertrauen, werden Sie entdecken, daß Sie einen Seinszustand
(oder auch mehrere) wählen und sich in diese Erfahrung hineinbegeben können. Sie werden auch entdek‐
ken, daß Ihr innerer Seinszustand nichts mit Ihrem äußeren Erleben zu tun hat. Sie werden sich ganz leicht
und mühelos von äußerlichen Umständen entfernen oder äußerliche Bedingungen ausschalten; genau so
leicht werden Sie an den Umständen festhalten, die Sie bewahren wollen. So werden Sie sich als Ebenbild
dessen, wer Sie wirklich sind, wieder aufs Neue erschaffen. Doch zu diesem Prozeß sollten Sie noch ein paar
Dinge wissen.
Zuerst werden Sie auf Opposition stoßen: In Form von Menschen, Ereignissen und Umständen, die Hin‐
dernisse für alles, was Sie Ihrer Aussage nach sind, schaffen werden; für alles, was zu sein Sie proklamieren.
Diese Opposition wird es nicht nur geben, sie wird auch noch zunehmen. Sie wird größer sein denn je zuvor.
Denn: Sobald Sie entschieden haben, wer und was Sie sind, kommt alles in den Raum, was im Gegensatz da‐
zu steht.
Warum dies so ist? „Heiß“ kann nur in einem Umfeld oder Raum existieren, in dem „kalt“ vorkommt.
„Groß“ existiert nicht, außer im Raum dessen, was „klein“ ist. „Schnell“ kann es nicht einmal als Begriff oder
Vorstellung geben, wenn es nicht auch ein Ding namens „langsam“ gibt. In unserer Welt des Relativen (der
Welt in der Sie Ihrer Entscheidung nach den größten Teil Ihrer Zeit verbringen), ist ein Ding nur das, was es
in Relation zu einem anderen Ding ist, welches nicht dieses Ding ist. Das heißt, auch Sie können nur inner‐
halb des Raums dessen, was Sie nicht sind, etwas sein.
Und daher wird das Gegenteil von dem, was Sie zu sein wünschen, in dem Moment in Erscheinung tre‐
ten, in dem Sie Ihren Wunsch, es zu sein, äußern. Sie können einen weißen Punkt nicht auf einer weißen
Mauer erkennen, Sie brauchen den dunklen Hintergrund, damit die Konturen klar hervortreten. Sie können
also in der Opposition ein sicheres Zeichen dafür erkennen, daß Sie sich auf Ihrem Weg befinden.
Darüber hinaus ist das Auftreten und Wirken der negativen Gegenkräfte nur von vorübergehender Na‐
tur. Ihr Zweck ist es, jegliche negativen Gefühle, die Sie in Bezug auf die äußeren Erfahrungen Ihres Lebens
gehegt haben mögen, ein für alle Mal zu heilen.
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Das heißt, wenn Sie, um beim Beispiel zu bleiben, die Erklärung abgegeben haben: „Ich bin innerer Frie‐
den“, wird in dem Moment, in dem Sie das proklamieren, alles, was im Gegensatz zum „inneren Frieden“
steht, in Ihr Erfahrungsfeld einströmen – und die Kinder machen größeren Radau als je zuvor! Doch nun ha‐
ben Sie, was Ihre Reaktion darauf angeht, die Wahl, denn jetzt wissen und verstehen Sie, warum es ge‐
schieht. Sie können sich dazu entscheiden, diesen Gegensatz als etwas anzusehen, was Ihnen ein Geschenk
bringt, nämlich die günstige Gelegenheit, inneren Frieden zu erfahren und ihm Ausdruck zu verleihen. (Na‐
türlich können Sie sich auch dazu entscheiden, ihn als Dieb zu betrachten, der Ihnen den inneren Frieden raubt.)
Wenn Sie nun an Ihren Beschluß halten und sich auf ihn konzentrieren, werden Sie nicht mehr auf die al‐
te gewohnte Art reagieren; Sie werden nicht genauso laut und chaotisch werden wie die Kinder, Sie werden
nicht Ihre Stimme erheben und von ihnen verlangen, leiser zu sein. Sie werden sich ganz einfach friedlich
und ruhig durch den Moment bewegen. Und unversehens werden die Kinder sich vielleicht ganz von allein
beruhigen, weil sie Ihre energetischen Schwingungen aufgenommen haben. Und selbst wenn es nicht so ist,
wird es keine Rolle spielen. Sie haben den Augenblick gemeistert. Sie haben die Erfahrung umgestaltet.
Wenn Sie in den folgenden Tagen und Wochen auf Ihren Vorsatz gerichtet bleiben, wird das Ihren Kindern
zeigen, daß Lärm zu machen kein Weg mehr ist, um Ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen. Ja, sie werden mer‐
ken, daß das Gegenteil der Fall ist. Das wird zu einem großen Erwachen führen – in Ihnen und in Ihren Kin‐
dern. Als nächstes werden Sie bemerken, daß allgemein mehr Frieden herrscht.
Und so wird es in jedem Lebensbereich sein. Was immer es ist, das Sie zu sein wählten, der Gegensatz
wird in Erscheinung treten (oder es wird deutlicher zu Tage treten, daß er schon immer da war!). Wenn Sie
sich dann von der Illusion heilen, daß der Gegensatz das ist, was Sie sind, und wenn Sie sich entschließen, kon‐
zentriert und stetig in den immer umfassender werdenden Ausdruck dessen, wer Sie wirklich sind, hineinbege‐
ben, wird das, was sich Ihnen entgegensetzte, keine Wirkung mehr haben; Sie haben es null und nichtig gemacht.
So werden Sie nie mehr verdammen, was andere als böse oder das Übel bezeichnen. Denn Sie wissen:
Das Ding, dem Sie sich widersetzen, bleibt bestehen, und das, was Sie sich anschauen, verschwindet. Das
heißt, es verliert seine gegenwärtige Form, es hört auf, seine gegenwärtige Wirkung auszuüben. Das Gegen‐
teil von Liebe ist nicht Haß, sondern Urteilen.
Lassen Sie die Form sich selbst erschaffen. Es gibt zwei Möglichkeiten, wie Sie Ihren tiefsten Herzens‐
wunsch in eine physische Form bringen können. Sie können versuchen, Ihre Wünsche in eine vorgegebene Form
einzupassen, oder Sie lassen die Form sich selbst erschaffen. Die zweite Möglichkeit ist die empfehlenswerte.
Denn wenn wir darauf beharren, daß sich unsere Wünsche in einer bestimmten Form manifestieren,
schränken wir das Leben gewissermaßen ein. Lassen wir aber alle Optionen offen, schaffen wir Raum für
wunderbare Schöpfungen. „Was soll ich tun, um den gewählten Aspekt meiner selbst auszudrücken?“ sollte
die letzte Frage sein, die Sie stellen.
Begeben Sie sich erst in den Seinszustand, in dem Sie verweilen möchten, und lassen Sie dann das Tun
Ihres Lebens diesem Sein entströmen. Was das für ein Seinszustand ist? Er ist das, was immer Sie sich vor‐
stellen. Er ist Ihre Wahl. Er ist Ihre Entscheidung.
Das Symbol des Prinzips von Sein, Haben und Tun ist für mich die Triskele – in ihr ist all
das zusammengefaßt, was hier gesagt wurde.
Um einen Seinszustand herbeizuführen, der dann in ein Haben
und Tun mündet und so erfahren wird, genügt wie gesagt eine
bewußte Entscheidung – das heißt, man richtet den Fokus sei‐
ner Aufmerksamkeit darauf. Um diese Entscheidung dann auch
zu festigen (sie in seinem Unbewußten zu verankern, sie zu ver‐
innerlichen oder zu inkorporieren – wie auch immer man das
ausdrücken möchte) sind bestimmte Methoden hilfreich und
machen den ganzen Prozeß wesentlich effektiver. Dazu gehö‐
ren die im Späteren vorgestellten magischen Techniken.
Darauf ist so viel Energie vorhanden / so viel Information in den Äther eingeprägt, daß
dafür gesorgt ist, dieser durch rituelle Bekräftigung intensivierten Seins‐Entscheidung
entsprechende Energien auf allen Ebenen anzuziehen – so daß sich gemäß dem Reso‐
nanzgesetz die Realität als immer deutlicherer Spiegel dessen darstellt, was in einem
schon zur Wirklichkeit geworden ist und man sich genußvoll, spielerisch und liebend als
eins mit allem erlebt, was IST. Und damit schließt sich der Kreis.
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Warum Magie funktioniert
Die schamanische Auffassung davon, daß „alles träumt“ (unsichtbare Wirklichkeiten, die
den äußeren Traum, das alltägliche Leben, hervorbringen), entspricht ziemlich genau
dem mythischen Verständnis, daß alles (s)eine Geschichte erzählt und Antwort gibt.
Die Geschichte ist der innere Kern einer Erzählung. Handlung ist das, was geschieht; Ge‐
schichte ist das, worum es geht. Geschichten sind das, womit die Menschen der Welt
eine Gestalt geben. Eine Geschichte kann sich durch viele verschiedene Handlungen,
Genres und Formen (mündliche Wiedergabe, Theater, Oper, Roman, Film, das Leben
eines Menschen…) erzählen, und in immer wieder neuen, modernen Varianten auftau‐
chen (siehe etwa Aschenputtel und Pretty Woman, Beowulf und Alien, Jesus und E.T. etc.)
– doch sobald sich die Geschichte ändert, muß sich eine neue Handlung ergeben.
Eine Geschichte läßt sich hören. Ihre Strukturen und Bilder lassen sich durch Empathie,
Vorstellungsvermögen und mythologisches Hintergrundwissen aufnehmen. Und wer die
Muster einer Geschichte verändert, verwandelt auch die Handlung – die realen
Ereignisse –, die aus dieser Geschichte hervorgehen. Wenn der bisherige Mythos (die
Summe seiner Geschichten zu einem Lebensbereich) eines Menschen etwa besagt hat:
„Ich werde ständig ungerecht behandelt“, dann läßt sich durch mythomagische Arbeit
die Beschaffenheit dieses alten Mythos herausfinden und dahingehend verändern, daß
er eine neue, konstruktive Richtung nimmt und sich somit ungewöhnlich bejahende Er‐
fahrungen in der Realität auftun. Mythomagische Praxis besteht vielfach darin, die mo‐
mentane Geschichte eines Menschen, einer Firma, eines Organs, eines Gegenstands, ei‐
ner Stadt usw. zu „erlauschen“ und sie durch geeignete Techniken in eine konstruktivere
Richtung zu verändern. Man kann ihnen eine neue Geschichte erzählen, sie einen neuen
Traum träumen lassen.
Weniger poetisch dargestellt, findet sich das gleiche Prinzip auch in physikalischen Mo‐
dellen wider.
um mit den Worten des berühmten Physikers John Wheeler zu sprechen: „Das Nichts ist der Baustein des
Universums.“ Das Nichts schließt auch die gleichzeitige Erfahrung von potentiell allem ein. […] Die Leere
zieht sich zusammen und bildet Ton, Licht, Energie, Raum, Materie und Zeit. Sie zieht sich weiter zusammen
und bildet Energiemuster. Diese Energiemuster erzeugen das, was C. G. Jung als Archetypen bezeichnete.
Das uns alle verbindende kollektive Unbewußte enthält Energiemuster. Wenn sich die Energiemuster zu‐
sammenziehen, erhalten wir universelle Geschichten bzw. Mythen. Jede Geschichte bzw. jeder Mythos ist
verdichtete Energie, und diese wiederum ist verdichtete Leere. Wenn sich die verdichtete Energie der
archetypischen Mythen weiter komprimiert, bildet sie das individuelle Unbewußte des einzelnen Men‐
schen. Das individuelle Unbewußte zieht sich dann weiter zusammen und erzeugt unseren bewußten Geist
mit unseren Glaubenssätzen und Haltungen, die uns von anderen Menschen unterscheiden.67
Alles in dieser Schöpfung ist in Schichten oder Stufen der Manifestation aufgebaut. Uns am nächsten liegt
all das, was wir mit unseren Sinnen wahrnehmen: Das ist die erste Ebene, die Oberfläche. Aber unter der
Oberfläche sind zunehmend feinere, weniger sichtbare Ebenen verborgen. Sie sind nicht direkt greifbar,
weniger konkret und schwerer zu erfassen. Sie scheinen stiller und weniger aktiv zu sein. Aber diese feinen
Ebenen sind die Grundlage für die groben, sinnlich erfassbaren Ebenen. Und sie sind in Wahrheit mächtiger,
kraftvoller als jene.
Die moderne Quantenphysik hat das eindrucksvoll belegt.
Mit dem bloßen Auge betrachtet, besteht die Welt aus klar abgegrenzten Objekten. […]
67 Aus: Stephen Wolinksy, Jenseits des Enneagramms, S. 277.
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Aber schon als Schüler haben wir gelernt, dass unsere ach so feste Materie – näher betrachtet – gar
nicht so solide ist, wie sie sich anfühlt. Die Dinge um uns herum bestehen aus Molekülen, diese wiederum
aus Atomen, und die Atome setzen sich aus so genannten subatomaren Teilchen zusammen.
Und auf der Ebene dieser kaum noch zu lokalisierenden, extrem feinen Teilchen geschieht etwas Er‐
staunliches: Hier löst sich die feste Materie auf. Es ist, als wären wir einer Fata Morgana aufgesessen. Die
subatomaren Teilchen, das beweist die Quantenphysik, bestehen nicht aus solider Masse, sondern aus Wel‐
len. Und diese wiederum lassen sich auf noch fundamentalere Energie‐ oder Potenzialfelder zurückführen.
Kurz: Die Bausteine der Schöpfung sind keine festen Kügelchen, wie wir uns das früher vorgestellt ha‐
ben. Es sind Phänomene, die Physiker mit Begriffen wie Wellenpakete, „Wavicles“ oder „Solitone“ beschrei‐
ben. Und das Feld, das wiederum die Grundlage die Grundlage dieser Wellenpakete bildet, ist ein unbeg‐
renzter Ozean reiner Potenzialität. Es ist unendliche Kraft, größtmögliche Energie und gleichzeitig tiefe Stil‐
le. Es enthält die konzentrierte Intelligenz der Natur. Alle Dynamik, so formuliert es die theoretische Physik,
ist in diesem Feld schon in Form virtueller Fluktuationen enthalten.
[…]
Dieses Modell einer geschichteten Schöpfung gilt nicht nur in der Physik; andere Wissenschaftszweige
sehen die Welt genauso. Nehmen wir unseren Körper. Auch er ist in Schichten oder Ebenen aufgebaut. Or‐
gane bestehen aus Zellen. Zellen besitzen Zellkerne, Membranen und andere Bestandteile. Diese wiederum
setzen sich aus Molekülen zusammen, einschließlich der DNS‐Stränge, in denen die Baupläne des Körpers
gespeichert sind.
[…]
Es ist außerordentlich wichtig, daß wir dieses Konzept verstehen: Das Feine ist die Grundlage des Gröbe‐
ren, des Greifbaren. […]
Dieser Grundsatz gilt überall und ausnahmslos. In allen Bereichen der Schöpfung sind die jeweils feineren,
fundamentaleren Ebenen machtvoller und energetischer als die gröberen, für uns sichtbaren Strukturen. […]
[…] wahre Kraft wächst aus dem Feinen, wahre Macht aus dem Diskreten. Hier liegt das Geheimnis allen
Erfolgs. Wer dieses Prinzip anwendet – bewusst oder unbewusst –, besitzt den Schlüssel, der alle Türen öffnet.
[…]
Vor 200 oder 300 Jahren noch war es üblich, Nachrichten auf Papier zu schreiben und mit reitenden Bo‐
ten von Stadt zu Stadt zu tragen. Und Kaufleute berechneten ihre Lagerbestände und Business‐Pläne, indem
sie Steine auf Rechenbrettern oder Holzperlen auf Schnüren hin und her schoben.
Heute erledigen Computer diese und viele andere Rechenvorgänge in unvorstellbar kurzer Zeit. Funk, Fax und
Fernsehen, Laser, Glasfaserkabel und Internet schicken Nachrichten in Sekundenbruchteilen um die Welt.
Wie ist das möglich? Weil Wissenschaftler und Ingenieure es gelernt haben, nicht nur die groben Ebenen
der materiellen Welt zu nutzen – sondern auch die elektrische Ladung der Atombausteine und die unsicht‐
baren elektromagnetischen Felder. Erst diese feineren, für die Sinne nicht greifbaren Ebenen haben unsere
modernen Telekommunikations‐Technologien entstehen lassen.
[…]
Unsere Vorfahren kannten eine wunderbar einfache Methode, Steine zu sprengen. Man trieb einen
Holzkeil in eine Felsspalte und begoss ihn mit Wasser. Das sich ausdehnende Holz sprengte das Gestein wie
von Götterhand. Nicht schlecht. Aber wie lange hätte es wohl gedauert, die Alpentunnel zu bauen oder den
Eurotunnel unter dem Ärmelkanal – nur mit Keil und Hacke und Schaufel?
Zum Glück kennen wir heute bessere Mittel, um Felsen zu spalten. Sprengstoffe wie Dynamit sind tau‐
sendmal wirksamer als Meißel, Keil und Hebel – weil sie nicht nur mechanische Kräfte nutzen, die an der
Oberfläche der Dinge ansetzen. Sie nutzen die Energie, die bei einer bestimmten chemischen Reaktion ex‐
plosionsartig frei wird. Wissenschaftlich ausgedrückt: Sie setzen die Bindungsenergie frei, die Atome anei‐
nander kettet.
Noch tiefer, feiner und tausendmal kraftvoller als die chemische Ebene ist die nukleare. Bei der Kern‐
spaltung wird jene Energie freigesetzt, die innerhalb eines Atomkerns die Kernbausteine zusammenhält.
Was für eine unglaubliche Kraftreserve! […]
Im nächsten Schritt werden Sie leicht erraten, warum die Kernfusion, die im Inneren der Sonne abläuft
und unser gesamtes Planetensystem heizt und beleuchtet, noch mehr Energie freisetzt als die Kernspaltung.
Richtig: Weil sie noch tiefere Kräfte nutzt.
[…]
In allen Bereichen gilt das universelle Gesetz: Je elementarer die Naturgesetze, die wir nutzen, – je fei‐
ner die Ebene der Schöpfung, auf der wir die Impulse setzen –, desto größer sind die Erfolge, die wir erzie‐
len. Und desto geringer wird der Aufwand, den wir betreiben müssen.68
68 Aus: Fred Gratzon, The Lazy Way To Success, S. 100‐107.
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Mythomagie setzt ihre Willens‐Impulse über den Zugang mythischer Geschichten meist
auf den sehr feinen Ebenen der Archetypen und Energiemuster.
Unsere Realität ist ein Produkt unserer Bewußtseinszustände. Sie ist ein verdichteter
Ausschnitt der Wirklichkeit69, deren Großteil vom Alltagsbewußtsein ausgefiltert wird.
Man könnte sagen, ein Aspekt des Unendlichen Bewußtseins identifiziert sich mit jenem
kleinen Segment der Wirklichkeit namens Realität so sehr, daß er seine Erfahrung vor‐
nehmlich darauf beschränkt: „Er“ erlebt „sich“ als Mensch auf dem Planeten Erde zu ei‐
ner bestimmten, als linear empfundenen, Zeitspanne.
Innerhalb dieses „Traums, den die Welt träumt“, innerhalb der Großen Geschichte, in‐
nerhalb des illusionären Spiels des All‐Einen ist der Magier dazu aufgerufen, seine eige‐
ne Geschichte zu finden und ihr genau die Gestalt zu geben, die ihm am besten dünkt.
Das, was er somit be‐stimmt, ist seine Bestimmung.
69 Das non‐duale, Unendliche Bewußtsein, das All‐Eine, das sich in verschiedenen Dichtegraden manife‐
stiert und buchstäblich alle möglichen Zustände an allen möglichen Orten (Stichwort parallele Dimensio‐
nen) und auch noch in bezug auf alle anderen möglichen Gesichtspunkte seiner selbst annehmen kann.
Einzelne Segmente davon sind einzelne Realitäten. Daraus ergibt sich ein Raum unendlich vieler Varianten
oder Möglichkeiten, innerhalb dessen sich ein Aspekt dieses Unendlichen Bewußtseins (der sich z. B. als einzel‐
ner Mensch empfindet) ausdrücken kann. Was er erfahren möchte, definiert er durch seine Bestimmung.
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Wie Magie funktioniert
Das oben beschriebene direkte, schöpferische Eingreifen in die Geschichten impliziert
wiederum eine Geisteshaltung, die in der grundlegenden mythischen Idee begründet ist,
daß alles ist, wofür man es hält und dadurch verändert werden kann.
Dies drückt sich auch in den folgenden vier Paradigmen der Magie aus, welche die un‐
terschiedlichen magischen Vorgänge erläutern und veranschaulichen. Sie sind chronolo‐
gisch nach ihrer Entwicklungsgeschichte geordnet, und ihre Grenzen sind untereinander
natürlich fließend. Traditionell werden sie als Geister, Energie, Psychologisches und In
formationsmodell bezeichnet.
Modell Dauer einer verändernden Operation
Geister‐ von einigen Stunden bis zu mehreren Tagen oder gar Wochen
Energie‐ bis zu mehreren Stunden
Psychologisches wenige Minuten
Informations‐ eine ¾ Sekunde, ≈ „Technik der Leeren Hand“
Modell Weltbilder und häufig verwendete Techniken
Geister‐ Schamanismus, Channeling
Energie‐ traditionelle Volksmedizin, Radiästhesie
Psychologisches verschiedene Formen der Therapie
Informations‐ Morphische Felder, Radionik, Homöopathie, „Bestellungen beim Universum“
Modell wahrscheinlicher Grund einer Störung in Räumlichkeiten
Geister‐ Heim‐Suchung durch eine Wesenheit, Besetzung
Energie‐ energetisches Ungleichgewicht, Wasserader, Erdstrahlen
Psychologisches verdrängte Bewußtseinsinhalte, Komplexe, negative Konditionierungen
Informations‐ Beeinflussung durch eine/n fehlgesteuerte/n Information / Programmierbefehl
Modell als Krankheitsauslöser wird gesehen
Geister‐ real existierende Wesenheit(en)
Energie‐ Energieblockade(n), ‐stauung(en), ‐ungleichgewicht
Psychologisches psychische Störung(en)
Informations‐ fehlende Heilinformation
Modell Kraftobjekte werden aufgefaßt als
Geister‐ Tor zur und Werkzeug der Geisterwelt; belebte Wesenheit
Energie‐ Energiespeicher; Energielenker; Energieüberträger; Energiesauger
Psychologisches Projektionsmittel; Assoziationshilfe; Komplexauslöser
Informations‐ Informationsspeicher; Datenträger; Programmgenerator; Programmierbefehl
Modell Der Magier wird aufgefaßt als
Geister‐ Vermittler / Grenzgänger zwischen Geistern / Anderswelt und uns/erer
Energie‐ Energiekünstler, der Feinstoffliches wahrnimmt, balanciert, polarisiert, etc.
Psychologisches Psychonaut / Meister des Unbewußten und dessen gezielter Konditionierung
Informations‐ Kybernetiker / Informations‐Steuerer, der für sie kein Transportmedium braucht
Ein routinierter Mythomagier wird stets, je nach Anforderung seiner Arbeit, im einen
oder anderen Modell arbeiten, ja, auch während einer Arbeit zwischen verschiedenen
Modellen wechseln – da er das übergeordnete MetaModell anwendet (das in diesen vier
keinen Widerspruch sieht). Dieser autonome Umgang zeigt sich auch in seinem Ethos.
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Ethos
Auf einer Stele des in seiner Bedeutung für die Magie des 20. Jahrhunderts kaum zu un‐
terschätzenden Austin Osman Spare steht der Spruch „NOTHING IS TRUE. EVERYTHING
IS PERMITTED.“ Über die Bekundung, nichts sei wahr und alles erlaubt, ließe sich
selbstverständlich ein eigenes Buch schreiben; in diesem Zusammenhang soll der Hin‐
weis genügen, daß sich der Magier nie unreflektiert an eine herrschende „Wahrheit“
klammern soll.
Er sucht sich vielmehr selbst aus, was er glaubt.
Er erzählt sich bewußt seine eigene Geschichte.
Er ist frei in der Wahl seines Realitätsmodells.
Der Magier hält die Illusion aufrecht. Er ist selbst die Gottheit; er schafft und zerstört
seine Welt und ist nur sich selbst verantwortlich.
Das ist eine wichtige Forderung in meinem Verständnis von Magie: die nach Autonomie.
Diese Eigenständigkeit im magischen Denken und Handeln zeichnet sich zum Beispiel
aus durch die Freiheit, religiöse Systeme, jegliche Art von Glauben und Wesenheiten nur
bewußt und nach Neigung anzunehmen. Dadurch entsteht auch eine Authentizität, die
dazu beiträgt, die Möglichkeiten des menschlichen Geistes so unabhängig wie möglich zu
erforschen („You create your reality according to your beliefs.“). Diese so weit als möglich
völlige Unabhängigkeit geht auch mit absoluter Selbst‐Verantwortung einher – Autono‐
mie bedeutet mithin auch, daß man sich zutraut, in sich selbst die nötige Kraft finden zu
können und niemandem eine wie auch immer geartete Schuld in die Schuhe schiebt.
In diesem Sinne ist das hier vorgestellte Ethos der Mythomagie (wie auch ihr Weltbild
und alles andere) für niemanden dogmatisch verbindlich. Es beruht nicht auf einer per
se existierenden „Wahrheit“, sondern ist die Summe willkürlicher Entscheidungen:
Als wesentliche Grundlage der mythomagischen Ethik erachte ich das non‐dualistische Weltbild70.
Solange der Magier intellektuell und gefühlsmäßig von einer auch nur irgendwie gearteten Trennung
ausgeht, kann er seine Kraft höchstens oberflächlich nutzen.
Über allen mythomagischen Arbeiten steht das Prinzip des freien Willens.
Magische Akte sollen nur unter Beachtung der so weit als möglich freien Entscheidung aller Beteiligten
stattfinden. (Ein Unterscheidungskriterium zwischen „weißen“ und „schwarzen“ Magiern.) Unter diesem
Gesichtspunkt sind auch die folgenden drei Gesetzmäßigkeiten zu sehen:
Analogie
Andere Namen: Gesetz von Mikrokosmos und Makrokosmos
Kerngedanke: Prinzipien und Verhältnisse entsprechen einander symbol‐logisch auf allen Ebenen.
Beispiel: Korrespondenzen und Synchronizität
Spruch: „Wie oben, so unten. Wie innen, so außen. Wie im Großen, so im Kleinen.“
Auswirkung: Einprägung
Ein kleiner Teil der Energie des Magiers bleibt mit dem verbunden, was er berührt. Je
stärker Erinnerungen, Bilder, Emotionen mit etwas verbunden sind, desto intensiver
können die Auswirkungen sein (bezieht sich auf Körperteile, persönliche Kraftobjekte,
Bilder, Reliquienverehrung, Spukphänomene, etc.). Das Medium der Speicherung wird
meist Äther oder Akasha genannt.
70 Vgl. z. B. http://kiaos.net/text/t.nondual_2.html und http://kiaos.net/text/t.magiephil.html
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Affinität
Andere Namen: Gesetz der Resonanz
Kerngedanke: Gleiches zieht Gleiches an.
Beispiel: Sympathiemagie, Funktionsweise einer Stimmgabel
Spruch: „Wie Du in den Wald hineinrufst, so schallt es zurück.“
Auswirkung: Spiegel
Das, worauf man seine Aufmerksamkeit lenkt, wird gestärkt: „Du kriegst, was Du be‐
stellst.“ Deshalb: „Was Dich stört, ist Dein Problem!“
Ausgleich
Andere Namen: Gesetz des Rückstoßes / des Rhythmus / des Karmas
Kerngedanke: Alles ist mit allem verbunden und wirkt sich aufeinander aus.
Beispiel: Kugelstoßpendel (Newton‐Wiege)
Spruch: „Was Du säst, wirst Du ernten.“
Auswirkung: Kausalität
Je liebevoller oder angstbesetzter seine Beschäftigung mit etwas ist, um so schneller
zieht man es in sein Leben (und zwar nach dem Prinzip von Sein, Haben und Tun): „Du
erreichst immer Dein wichtigstes Ziel.“ Also: „Sei die Quelle dessen, was Du erleben
möchtest!“
In diesem Rahmen erzählt (sich) der Mythomagier durch sein eigenes Leben eine Ge‐
schichte. Die Stärken, die ihm dabei helfen, sind:
Mnemotechnisches Talent: Neben profundem Wissen über magische Zusammenhänge
und mögliche Gefahren und den Umgang mit ihnen benötigt der Magier ein gutes Ge‐
dächtnis für Namen, Ritualabläufe, Strukturen von Symbolmatrices, Sprüche, usw. Zu
diesem Talent gehört aber auch die Fähigkeit, etwas bewußt zu vergessen, ins Unbe‐
wußte zu versenken (etwa bei der Ladung von Sigillen). Entspricht der alten Forde‐
rung nach Wissen.
Selbstreflexives Talent: Die Bereitschaft, sich selbst in Frage zu stellen und stellen zu las‐
sen, ist sozusagen die goldene Mitte zwischen übertriebenem Selbstwert und Selbst‐
zweifel. Es geht darum, sich nicht übermäßig zu identifizieren mit seiner Realität
(auch nicht mit sich selbst) und sich der Leerheit hinter allen Erscheinungen bewußt
zu bleiben. Dieses beständige Arbeiten an sich selbst entspricht der alten Forderung
des Wollens, das sich u. a. auszeichnet durch die Bereitschaft, für seinen magischen
Weg und seine Bestimmung auch schwierige Situationen zu meistern und Unbequem‐
lichkeiten auf sich zu nehmen.
Imaginatives Talent: Vorstellungskraft kann einerseits die außersinnliche Wahrneh‐
mung ergänzen (und manchmal auch im zweifelnden Widerstreit mit ihr stehen…),
andererseits ist sie auch nötig, um Ziele, Symbole, Entitäten usw. mit allen Sinnen zu
visualisieren. Diese kreative Herangehensweise an die Dinge und der gezielte Einsatz
von Phantasie führt zur alten Forderung nach dem Wagen, wozu der Mut gehört, sein
Wollen auch Wirklichkeit werden zu lassen.
Sensorisches Talent: Sinnliche und außersinnliche Wahrnehmung sind die Basis, um in‐
tensive Empfindungen bei sich und anderen wahrzunehmen, zu wecken und zu ver‐
ändern. Es beinhaltet die Fähigkeit, Elemente des Alltags auf magische Weise in eine
stärkere, klarere, bedeutsamere Erfahrung umzuwandeln und es umzugestalten in
ein mythisches Erzählen, das unser Leben bereichert. Genauso weiß der Magier aber
auch um die alte Forderung des Schweigens: Er kann seine Wahrnehmungen für sich
behalten und achtet darauf, wem er wann was erzählt.
Diese Eigenschaften sind beständig zu üben. Sie entscheiden, wie selbständig, elegant
und zielführend einzelne Techniken in der magischen Praxis eingesetzt werden können.
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Techniken der Mythomagie, oder:
Erzähl mir eine Geschichte
Der Mythomagier tritt in eine Wechselwirkung mit der Geschichte, der er lauscht: Sie
verrät ihm ihre Bedeutung; er erzählt ihr eine neue Wendung, die sie nehmen kann. Da‐
bei besteht die Kunst darin, ein winziges Stück vom übrigen Universum abzutrennen
und es in einer Weise hochzuhalten, daß es in diesem Moment als das Wichtigste, Faszi‐
nierendste überhaupt erscheint.71 Dafür gibt es unterschiedliche Methoden und Techni‐
ken, die Magie in ihren unterschiedlichen Systemen versammelt.
Alle hier vorgestellten Verfahren
• führen idealerweise letztlich zu jenem Punkt, an dem man sich bewußt für einen
Seinszustand entscheidet, ihn gefühlsmäßig auflädt, durch spielerische Konzentration
ausrichtet und anschließend losläßt, damit er sich verwirklicht
• und / oder unterstützen diesen Prozeß. So kann der Seinszustand wiederum für einen
vorher bestimmten Zweck eingesetzt werden.
Bei der Auswahl der Techniken bin ich pragmatisch vorgegangen: Ich habe sie selbst
jahrelang erprobt und empfinde sie als hochwirksam. Um nicht den Rahmen dieser
Schrift zu sprengen, werden sie nur kurz dargestellt; detaillierte Beschreibungen sind in
Form weiterer Traktate geplant.
Grundsätzliches Vorgehen und ritueller Rahmen
Im Folgenden gehe ich davon aus, daß eine gegebene unangenehme, unerwünschte Si‐
tuation als Basis einer mythomagischen Operation angesehen wird, die es konstruktiv zu
verändern gilt. Die Beschreibungen sind so allgemein wie möglich gehalten; spezifische‐
re und vollständigere Informationen enthält der von mir angebotene Lehrgang in My
thomagie.
Schritt 1: Der Geschichte lauschen.
Zuerst geht es darum, die jeweilige Geschichte zu hören. Dazu muß man nichts tun. Der
englische Ausdruck „Put your mind at ease“ trifft es ganz gut: eine Geisteshaltung der
entspannten Ruhe und Leichtigkeit. Ich nenne es die Bereitschaft, der Geschichte zu lau
schen.
Dazu braucht es einen Seinszustand der Offenheit, die geprägt ist vom Zurücknehmen
des eigenen Egos, von Toleranz, Behutsamkeit, Mitgefühl, Neugierde und der Fähigkeit,
den persönlichen (Wahrnehmungs‐)Filter und dessen Projektionen auf ein Mindestmaß
zu reduzieren. Übungen, um einen solchen Seinszustand rituell zu bestätigen, sowie
praktische Anwendungsbeispiele werden wiederum in einem gesonderten Traktat be‐
schrieben werden.
Jede Geschichte hat ihre eigene Stimme, ihren eigenen Tonfall und Rhythmus. Der My‐
thomagier sollte bereit sein, sich diesen Gegebenheiten anzupassen. Es gibt einen Grund,
warum diese Geschichte so und nicht anders spricht. Es sind ihre und allein ihre Inhalte,
71 Vgl. Robert McKee, Story, S. 84f.
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Strukturen, Gefühle. Niemand hat das Recht, ihr seine eigenen Sichtweisen aufzupfrop‐
fen oder sie zu verurteilen.
Dieser Schritt beinhaltet, das bisherige „Ziel“ der Geschichte herauszufinden (meist ist es
nicht offensichtlich), zu verstehen, aus welchem Grund sie erzählt wird, und die Erfah‐
rung, die sie mit sich bringt, voll und ganz auszukosten, bis sie in Liebe angenommen
und losgelassen werden kann.
Schritt 2: Eine neue Geschichte ins Leben rufen.
Mit großem Einfühlungsvermögen und Besonnenheit vermag die bisherige Geschichte in
eine neue, konstruktivere Richtung gelenkt werden. Im Fall, daß sie sich gänzlich verab‐
schiedet, kann in das herrschende Vakuum eine völlig neue Geschichte implementiert
werden.
In beiden Fällen möge sie so erzählt sein, daß sie sich für alle Beteiligten stimmig anfühlt
(das heißt, daß sie daran „glauben“ können, daß sie keine Angst vor ihr haben, und daß
sie entsprechende hinderliche Überzeugungen mit den geeigneten Mitteln überprüft und
verwandelt haben).
Dabei läßt er sich von seiner Inspiration leiten und setzt innerhalb der verwendeten
Paradigmen und Symbolmatrices die im Moment geeigneten Techniken ein, um die neue
Geschichte abzubilden – in welch gegenständlicher oder abstrakter Form auch immer.
Das Ziel ist es jedenfalls, in diesem Schritt einen Seinszustand zu wählen und symbolisch
darzustellen.
Schritt 3: Die neue Geschichte in die Welt senden.
Die kreativ abgebildete Geschichte (das Ergebnis kann in einer mündlichen Erzählung
gemündet sein, einer in bedeutsamen Elementen veränderten Phantasiereise – eventuell
im Rahmen eines mythomagischen Tempelschlafs –, in ein Symbol wie eine Sigille oder
ein Tattoo, einen magisch aufgeladenen Knoten, einen Talisman oder Fetisch uvm.) wird
gefühlsmäßig‐energetisch aufgeladen, ausgerichtet und „auf ihren Weg gesetzt“.
Je nach verwendetem Paradigma, persönlicher Vorliebe und Vorstellungskraft wird die‐
ses „auf den Weg setzen“ unterschiedlich formuliert und verlangt daher unter Umstän‐
den auch unterschiedliche Herangehensweisen (etwa zusätzliche Opfer, versicherndes
Gebet, bewußtes psychologisches Verdrängen). Mögliche Ausdrücke für dieses Stadium:
Die neue Geschichte wird
• ins Dasein geträumt,
• in den Äther eingeschrieben,
• in der Anderswelt proklamiert,
• als neuer Selbstausdruck angenommen,
• ins Unbewußte versenkt und bewußt vergessen,
• mit der Erlaubnis versehen, sich zu manifestieren,
• den Gottheiten oder geistigen Helfern zur Verwirklichung übergeben,
• und dergleichen mehr.
Das verbindende Element all dieser Möglichkeiten ist, daß sie in magischer Trance statt
finden um dann vertrauensvoll losgelassen zu werden. (Welche Art von Trance dabei
erzeugt wird, hängt ebenfalls von den örtlichen Umständen, dem Zeitrahmen und der
individuellen Neigung des Magiers ab.)
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Zusammengefaßt könnte man sagen: Realität ist dadurch veränderbar, daß der My
thomagier innerhalb seines durch sein Weltbild und Ethos gewählten Machtbe
reichs sich und / oder anderen jene Geschichte erzählt (und zwar in Form einer
Seinsentscheidung),
Kriterien Magischer Akt
die seiner und / oder Seinsentscheidung ist exakt formuliert und „stimmig“: rational‐
deren Bestimmung in Der freie Wille aller Beteiligten ist beachtet, hinderli‐ analytischer Teil
diesem Moment noch che Glaubenssätze und Ängste vor Mißerfolg sind
mehr entspricht, aufgelöst, alle können „ohne Scheiß“ dran glauben. W
seinen und / oder deren Die im Verlauf der Zauberhandlung auftretende Inspi‐ kreativ‐
Sinn für Schönheit, Har‐ ration ist spielerisch umsetzt – in eine symbolische schöpferischer Teil
monie und Geheimnis Form (die kann visuell, auditiv, gestisch, gegenständ‐
anspricht, lich etc. sein oder auch eine Kombination daraus). I
und die Kraft hat, sich zu Die symbolische Form ist in einem Trance‐Zustand magischer Teil
verwirklichen. aufgeladen, auf ihr Ziel ausgerichtet und losgelassen. T
Dies ist die Quintessenz mythomagischer Praxis. Bei aller Unterschiedlichkeit in der
konkreten Ausführung und der Anwendung verschiedener Paradigmen, Techniken und
Symbolmatrices ist diese Grundstruktur der gemeinsame Nenner.
Alle Zauberhandlungen wirken um so stärker, je mehr sie ritualisiert werden. Während
eines Rituals werden möglichst viele sinnlich erfahrbare Energiequalitäten in einem ma‐
gischen Akt bewußt kombiniert, um spezielle Effekte zu erzielen. Das konsequente sym‐
bolisch‐gleichnishafte Vorwegnehmen des Gewünschten kann mächtige Auswirkungen
haben.
Die Naturwissenschaft „spricht“ mit der Materie und wird von ihr zu neuen Antworten
geführt; im Ritual fragen wir das Numinose und erhalten Antworten in Form innerer
Bilder und intuitivem Wissen, in Form von Omen und Körperreaktionen, in Form intel‐
lektueller Erkenntnisse und gestärkter Gefühle.
die Funktion eines Rituals – eines mythologisch begründeten Rituals – besteht darin, uns in die Erfahrung
des Mythos zu befördern. Ein Ritual ist die Inkraftsetzung eines Mythos.72
Ein Ritual bedient sich strukturierter Mittel, um symbolische Bedeutungen sicht‐ und
nachvollziehbar zu machen. Es vereinfacht das Erfahren und Verinnerlichen bestimmter
Seinszustände und erleichtert es damit, Entscheidungen zu treffen. Das Ritual macht
eine Situation, einen Ort jedoch nicht heilig; es versetzt uns in die Lage zu erkennen, daß
diese Situation, dieser Ort heilig ist. Das Ritual ist eine Methode, um etwas in der äuße‐
ren Welt zu schaffen, das eine Brücke der Kommunikation mit der geistigen Welt bildet.
Bei Ritualen sind folgende wichtige Punkte zu beachten:
Vorbereitung des Rituals
Dazu gehören die Bestimmung der Zielsetzung, die Auswahl der Utensilien, die Termi‐
nierung und das Festlegen des Ritualablaufs, bei Gruppenritualen die Aufgabenvertei‐
lung sowie natürlich auch das innere Sicheinstellen auf das Ritual und seinen Zweck.
(Bei guter Vorbereitung ist letztlich festzustellen, daß eigentlich schon alles erledigt ist
und die Durchführung des Rituals wenig mehr als die symbolische Krönung und Dank‐
sagung darstellt.)
72 Joseph Campbell, zitiert auf http://www.martinweyers.com/sukhavati/rituale.htm (17. 03. 2009)
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Eröffnung durch symbolisches Überschreiten der Schwelle
Die Normalität wird ab jetzt ersetzt durch eine heilige Zeit und einen heiligen Raum –
eine Zeit, in der nichts erstreben werden, nichts versucht werden muß. Im magischen
Raum der Zeitlosigkeit ist nur noch das Hier‐und‐Jetzt wichtig. Das kann durch ein spe‐
zielles Ritualgewand aller Beteiligten unterstützt werden (es wird traditionellerweise
nicht gewaschen). Das Überschreiten der Schwelle wird z. B. durch einfache Gesten dar‐
gestellt.
Reinigung / Schutz aufbauen
Traditionellerweise wird der Ritualplatz geräuchert oder mit klingenden silbernen
Glöckchen / Schellen umschritten. Jeder Teilnehmer visualisiert ein für sich „hieb‐ und
stichfestes“ Bild, das unerwünschte Energien ausschließt, zum Beispiel: Goldene Kugel;
Silberne Pyramide; Blaues Ei; Kristallwall; Schwarzer Würfel; Transparenter Kegel;
Feuerring.
Konzentration auf die gewünschte Energie
Die gewünschten Energien werden in den Beteiligten erweckt – durch Techniken wie
• Phantasiereisen oder schamanische Reisen zu den jeweiligen Orten und / oder We‐
sen, die diese Energie repräsentieren,
• szenisch‐rituelles Darstellen der gewünschten Kräfte,
• Gebet,
• ekstatisches Tanzen, usw.
Es geht darum, die Energie so sehr zu verinnerlichen, daß man zu ihr „wird“. Durch diese
magische Identifikation kann man in dieser Phase auch verfügen, daß etwaige zuvor an‐
gefertigte Gegenstände energetisch geladen werden. Dies ist sozusagen die „Verwer‐
tung“ der gerufenen Energie: Sie wird gelenkt – d. h. sie mündet in den eigentlichen Wil‐
lensakt – (Talismane werden geladen, Kerzen abgebrannt, Knoten angezogen, Fernbe‐
einflussungen durchgeführt, usw.) oder auch ganz einfach nur erfahren (mystische Er‐
lebnisse werden genossen, Opfergaben verzehrt, usw.). Bei der Lenkung von Energien
werden diese in einen Gegenstand oder auf ein Ziel projiziert, was unterstützt werden
kann durch
• gezielte Atmung,
• eingesetzte Mantras,
• Kristalle,
• Orgasmus‐Entladung,
• schon früher geladene Kraftgegenstände,
und natürlich Kombinationen aus diesen Punkten.
Danksagung und Entlassung der gerufenen Energie(n)
Das Ritual hat damit seinen Höhepunkt überschritten und wird organisch zu einem lok‐
kereren Schluß übergleiten. Bevor dies geschieht, ist jedenfalls ein nochmaliges Innehal‐
ten angebracht, um die geleistete Arbeit zu vergegenwärtigen und sich bei allen helfen‐
den Energien und Wesenheiten zu bedanken, die durch dieses Ritual gerufen wurden.
Sie werden in Frieden entlassen.
Allmählicher Wiedereintritt ins Alltagsbewußtsein
Das wird signalisiert durch Lachen und Plaudern. Der zuvor aufgebaute Schutz wird auf‐
gehoben; man tritt wieder über die Schwelle zurück. Sinnvoll ist, das Ritual auch zu Do‐
kumentationszwecken in ein magisches Tagebuch einzutragen, und später etwaige Er‐
folgskontrollen beziehungsweise Auswertungen des Rituals durchzuführen.
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Ein Ritual, das einen starken Anfang und ein starkes Ende hat, die Sinne anspricht, eine
vertraute, berechenbare, vorhersagbare Form hat sowie verständlich und aus dem All‐
tag herausgehoben bleibt, wird seine Wirkung kaum verfehlen73. Der Sinn eines er‐
folgsmagischen Rituals ist dann erfüllt, wenn
• der Verstand weiß, daß sich die Absicht erfüllen wird und auf höheren Ebenen der
Existenz schon erfüllt ist;
• das Herz das Gefühl der Erfüllung erfährt, so als ob es schon geschehen wäre;
• und der Körper die Erfahrung in sich selbst fühlt, genau so, als ob die Absicht gerade
jetzt, in diesem Moment, erfüllt würde.
Enthòwil
Im Kapitel über die Kennzeichen mythischen Denkens habe ich schon kurz auf die Magie
des Wortes verwiesen. Die kreative Umwandlung von gewöhnlicher Sprache in eine hö‐
here, ausdrucksvollere Form beschreibt lebendig unsere Welt und fängt ihre vielfältigen
Stimmen ein („Alles spricht“). Dem immanent Magischen aller Dinge wird eine Stimme
verliehen. Wie essentiell hierbei eine genaue Wortwahl ist, muß nicht extra betont wer‐
den – man denke nur an die vielen Witze mit der wunscherfüllenden Fee, die sich exakt
an die Vorgabe hält.
Sprache und Denken haben eine uralte, geheimnisvolle Wechselwirkung aufeinander.
Nicht von ungefähr werden Zauberformeln, Bannsprüche u. Ä. häufig in „Ursprachen“
verfaßt, nicht umsonst gelten Sanskrit, Hebräisch, Altgriechisch oder Latein dem Magier
als „heilige Matrix“, aus der er schöpft, um wirksame Leitsätze und realitätsbeeinflus‐
sende Verse zu gestalten: Sie wirken allein schon durch ihr Alter und ihre Exotik auf uns
– ein nicht zu unterschätzender Faktor in der Mantramistik. Um so faszinierender und
aufschlußreicher kann die Magie des Wortes sein, wenn wir uns einer Sprache bedienen,
deren Kraft für uns persönlich maßgeschneidert ist! Aus diesem Grund setze ich im Ri‐
tual auch gerne die Strukturen und Wirkungen einer von mir selbst entwickelten Spra‐
che ein, die ich Enthòwil nenne.
Ihre Strukturen hier umfassend darzustellen, würde zu weit führen. Eine eigene Schrift
dazu ist in Planung. Als exemplarisches Beispiel soll hier die Erklärung des thá genügen,
jenes Zeichens, das im Zentrum des Symbols der Mythomagie steht.
Diese Kalligraphie ist zusammengesetzt aus den drei Enthòwil‐
Buchstaben t, h, und á. Es ist eine Silbe, die mit „Beginn, Anfang“
übersetzt wird. Die drei Buchstaben stehen in diesem Zusammen‐
hang auch für die „Schöpfungsprinzipien“ Sein, Haben und Tun:
Das eindeutig‐klare Wählen eines Seinszustandes drückt sich im t
aus, das sich wie selbstverständlich daraus ergebende Haben der
dafür nötigen Umstände im gehauchten h, und das umfassende
Genießen des Seins im Tun im vollen á.
Daß das Zeichen graphisch in gewisser Weise einer Triskele ähnelt, zeigt für mich die
oftmals verblüffend anmutende Fügung einer bewußt gestalteten Realität: Als das thá
intuitiv entstand, war ich 18 Jahre alt und hatte noch nie bewußt eine Triskele gesehen
geschweige denn vom Prinzip von Sein, Haben und Tun gehört. Als ich dieses Prinzip
73 Vgl. Serge Kahili King, Der StadtSchamane, S. 228‐237.
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mehr und mehr verstand und es bewußt anwendete, spürte ich gefühlsmäßig, daß mein
altes thá es irgendwie ausdrückte. Erst in der Kontemplation darüber wurden mir diese
Zusammenhänge bewußt.
Enthòwil ist eine Sprache, die viele Wörter aus Silben zusammensetzt und so mehr‐
schichtige Metaphern erzeugt. Das Wort für „magisch“, thahòr (das „h“ gesprochen als
stimmloser uvularer Frikativ, d. h. als „ch“), etwa ist zusammengesetzt aus dem thá und
einer Ableitung des Wortes horás (das einerseits „Ehre“, andererseits „Handeln im Ein‐
klang mit der Bestimmung“ bedeutet), hòr. „Magie“ – wörtlich
übersetzt „Beginn dessen, was sein soll“ – heißt thahòread,
wobei die verantwortungsbewußte und selbstverantwortlich‐
autonome Konnotation von horás bewußt mit anklingt.
Eine selbständige Sprache als äußerst authentische Methode, das Denken und Fühlen
mit unabhängig kreierten Zauberformeln, Mantras, Anrufungen etc. zu beeinflussen!
Aber natürlich hat Sprache auch eine wichtige magische Wirkung, wenn sie benutzt
wird, um ein Geheimnis weiterzugeben:
Das Erzählen von Märchen und Mythen
Durch seine Inspiration schafft der Mythomagier beim mündlichen Erzählen den Brük‐
kenschlag und Austausch zwischen Alltag und mythischer Anderswelt – persönliches
Erleben wird ins Allgemeingültige überhöht, Allgemeingültiges als etwas Individuelles
wahrgenommen. Dies geschieht durch den Prozeß der Identifikation: die Eigenschaft
des menschlichen Geistes, sich empathisch in ein anderes Wesen einfühlen zu können
und sich für eine bestimmte Zeit als dieses zu begreifen.
Ausnahme‐Menschen wie Dichter, Geschichtenerzähler und Schamanen schienen einen Zauber zu gebrau‐
chen, wenn sie Visionen im Geiste der hellwachen Zuhörer hervorriefen, die ihren Geschichten, Märchen,
Legenden und inneren Erlebnisse [sic] lauschten. Ohne diese geführte Imagination hielten die meisten Men‐
schen ihre Aufmerksamkeit auf die Außenwelt gerichtet, gefangen in deren relativen Gleichheit tagein, tag‐
aus, jahrein, jahraus.74
Mircea Eliade sagt, Märchen und Mythen würden größtenteils aus Reiseerlebnissen von Schamanen in die
Anderswelt abgeleitet sein. Es seien diese Erfahrungen, die den Stoff liefern, aus dem Mythologie einer Kul‐
tur gewirkt wird.75
Wenn dem so ist, dann können Mythen und Märchen auch dazu verwendet werden, wie‐
der solche Erlebnisse und Fahrten in die Anderswelt herbeizuführen.
Zum andern ist das gesprochene Wort oft nicht mehr Sinnbild, sondern heraufbeschworene und gegenwär‐
tige Wirklichkeit.76
Das (Herauf‐)Beschwören innerer Bilder ist aber nicht Selbstzweck, es dient dem My‐
thomagier als Mittel zur Verwirklichung seines Willens.
74 Aus: Ebda, S. 142.
75 Aus: Felix von Bonin (Hrsg.), Schamanismus und Märchen, S. 130.
76 Ebda, S. 144.
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Erzählt wird nicht ein unverbindliches „Es war einmal…“, sondern etwas, von dem man erhofft, daß es sich
schon in der kommenden Nacht wieder erfüllen könnte. Die Erzählung von einer Initiation wird fast selbst
zu einer Initiation. Wort und Nachahmung gehen ineinander über.77
Im bildhaften Mit‐Erleben eines mythologischen Zyklus vollziehen die Zuhörer die Prü‐
fungen und Siege, die Katharsis und den Erfolg der Protagonisten an ihrem eigenen Leib
nach. Sie werden für die rituelle Erzähl‐Zeit zum Helden und erfahren, obwohl es sich um
allgemein menschliche Motive handelt, eine nur für sie gültige Wahrheit.
Phantasiereisen
Hierbei handelt es sich um geführte Meditationen, bei denen in tiefer Entspannung eine
archetypische Geschichte erlebt wird. Sie wirken erfahrungsgemäß um so stärker, je
eigenständiger sie erschaffen wurden. Dazu braucht es Übung und Grundverständnis für
mythologische Dramaturgie (siehe z. B. „Die Reise des Helden“ im Abschnitt „Symbol‐
matrices“).
Natürlich ist es aber auch möglich, in die Rolle von Mythen‐ oder Märchenhelden zu
schlüpfen und deren Fahrten nachzuvollziehen.
Bei meiner Aschenputtel‐Reise wünschte ich mir am Grab der Mutter eine Möglichkeit, beim Schreiben ei‐
nes Buches finanziert zu werden. Auf dem Baum saß ein Papagei und warf mir als Antwort einen Bleistift
mit einem bunten Papageienkopf aus Holz herunter. Ich wusste nicht recht, was das bedeuten sollte.
Ich hielt meinen Wunsch für völlig unrealistisch, aber wenige Wochen später begegnete ich tatsächlich
einer Sponsorin, die mir anbot, meine Arbeit zu unterstützen. Wir saßen in ihrem Wintergarten, um die nä‐
heren Einzelheiten zu besprechen, als ich plötzlich im Blätterwerk eines Strauchs einen bunten Papagei aus
Holz sitzen sah! Und nicht genug damit: Als mein Freundeskreis sich zu einem späteren Zeitpunkt ebenfalls
für das Buch engagierte, saß ich während der Besprechung in einem Restaurant, das wieder mit lauter bun‐
ten Papageien aus Holz dekoriert war.
Offenbar vermögen die Märchenreisen sogar Ereignisse in unserer Alltagswirklichkeit auszulösen. Vor al‐
lem aber führen sie zu größerer Selbsterkenntnis und führen darüber hinaus zu heilsamen Persönlichkeits‐
veränderungen.78
Auf mythomagischen Phantasiereisen können einzelne Elemente mit entsprechender
Übung sogar bewußt umgestaltet werden, um Veränderungen in der Realität in Gang zu
setzen. Eine „Basis‐Reise“ ist zum Beispiel die von mir entworfene „Zauberschloß‐Reise“.
Film als mythomagisches Verfahren
Viele Menschen lieben Filme – und dennoch meiden die meisten geflissentlich gewisse
Arten von Filmen. Der eine kann keine Krimis sehen, der andere keine Liebesschnulzen.
Viele Menschen haben panische Angst vor Horrorfilmen. Andere können sich partout
keine Dokumentationen übers Dritte Reich anschauen. Wieder welche sehen sich völlig
ruhig ein blutiges Gemetzel an, halten es aber keine Minute lang aus, mit anzusehen, wie
jemand im Gefängnis sitzt. Ich finde solch emotionale, übertriebene Abwehrreaktionen
auf ein bestimmtes Genre oder bestimmte Situationen extrem spannend (wir sprechen
hier nicht von einem relativ entspannten Sehverhalten oder von Desinteresse).
77 Ebda, S. 152.
78 Ebda, S. 206f.
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Meiner Erfahrung nach lassen diese heftigen Abwehrreaktionen praktisch ausnahmslos
auf etwas Verborgenes (meist unterdrückte Ängste in unterschiedlicher Form) schlie‐
ßen, welches das Ego des Betreffenden nicht wahrhaben will: Film als Spiegel der Psy‐
che. Richtig ausgewählte und (nach)besprochene Filme können ebenso wie erzählte
Märchen und Mythen durch den Mechanismus der Identifikation dabei helfen, seinen
Schattenseiten auf die Schliche zu kommen.
Es geht hier natürlich keineswegs darum, abzustumpfen. Es ist wichtig, beispielsweise
tatsächlich gewaltverherrlichende Dinge auch beim Namen zu nennen und nicht zu ver‐
harmlosen. Wenn einem grausame Szenen gefallen, wäre das genau so fragwürdig, wie
die beschriebenen heftigen Abwehrreaktionen. Man muß Darstelllungen, die einem Ent‐
setzen bereiten, auch nicht unbedingt suchen (es sei denn, man möchte sich seinem
Schatten in einem mythomagischen Prozeß bewußt stellen) – man sollte nur keine
Scheuklappen aufsetzen und sie fliehen, wenn sie einem begegnen. Wie bei allem ande‐
ren auch, ist es wünschenswert, sie objektiv sehen zu können… und viele Filme, denen
man es nie zugetraut hätte, bergen große Schätze in sich.
Manche Menschen schließen gewohnheitsmäßig bei Szenen, die ihnen nicht gefallen, die
Augen. Diese Szene arbeitet dann unweigerlich im Unbewußten weiter: um so stärker, je
mehr sie verdrängt wird – und nichts, was auf der Leinwand gezeigt wird, kann so
schlimm sein wie die eigene Phantasie! Es bringt lang‐ und meistens auch kurzfristig
nichts, vor der Angst die Augen zu verschließen; dadurch wird sie höchstens größer. Die
beste Möglichkeit, mit Angst umzugehen, ist stehenzubleiben, ihr in die Augen zu sehen
und sie beim Namen nennen (vgl. S. 14f. dieser Arbeit). Dann bekommt man Macht über
sie und sie verschwindet. Wer sie nicht wahrhaben will, den kontrolliert sie.
Mit diesen Ausführungen steche ich oft in ein Wespennest. „Aber es gibt doch eindeutig
Filme, die einfach nur brutal sind, und die gehören am besten verboten!“ klingt es dann.
Ich erinnere mich an einen Seminarteilnehmer, dessen Widerstand gegen Horrorfilme
aller Art hier als Beispiel dienen soll (ein eigenes Traktat zur Thematik ist geplant) –
seiner Meinung nach waren Horrorfilme prinzipiell verdammenswert und böse. Nun bin
ich immer sehr hellhörig, wenn jemand pauschalisiert. Immerhin gibt es in diesem Genre
eine große Bandbreite. Doch er beharrte darauf, daß alle Horrorfilme schlecht wären.
Ich fragte ihn weshalb, und er erwiderte, daß er Alpträume bekäme, seine Nerven regel‐
recht darunter leiden würden und er deswegen schon generell eine richtige Wut auf
Horrorfilme hätte.
„Was löst diese Reaktion denn aus“, fragte ich ganz sachlich, „sind es vielleicht Vampi‐
re?“ – „Nein, Vampire machen mir eigentlich nichts aus.“ Aha. Und Werwölfe? Auch nicht
schlimm. Monster jeglicher Art? Ach, die fand er im Grunde genommen sogar recht wit‐
zig. Teenie‐Slasher? Uninteressant. Psycho‐Killer? Spannend und faszinierend. Schön
langsam gingen mir die Untergattungen aus! Doch dadurch dämmerte es auch meinem
Teilnehmer schön langsam, daß seine Generalisierung offensichtlich nicht unbedingt
haltbar war; alle diese Elemente konnte er sich problemlos ansehen. Dann fiel mir noch
eine Klasse des Horrorfilms ein: „Und wie steht’s mit Zombies?“ – „Exakt, ja! Genau!
Zombies! Das geht überhaupt nicht!“ Treffer.
Nun erklärte ich ein wenig, daß der Zombiefilm ursprünglich als herbe Sozialkritik im
Gewand eines Gruselfilms gedacht war: Die letzten überlebenden Menschen nämlich, die
sich auf der Flucht vor den Zombie‐Horden in beispielsweise einem Einkaufszentrum
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verbarrikadieren und dort gefangen sind, tun einander viel schrecklichere Dinge an als
die Untoten vor den Toren. Was also innerhalb der Zombie‐Filme war es, das meinen
Seminarteilnehmer „antriggerte“? Das Eingeschlossensein? Nö. Lebende Tote? Die sind
doch eher lächerlich. Kannibalismus? Ist zwar grauslich, wenn Menschen gefressen wer‐
den, aber auch nicht wirklich. Hmmm. „Wenn einem mit der Axt der Schädel gespalten
wird?“ Da sprang er beinahe auf wie von der Tarantel gestochen. Volltreffer. Ich fragte
noch ein paar andere Elemente ab, aber es beschränkte sich genau darauf. Dieser Vor‐
gang – wenn einem anderen mit der Axt der Schädel gespalten wird – hatte scheinbar
eine so bedrohliche Konnotation für ihn, daß er bereit war, ein ganzes Genre zu verurtei‐
len, um nur ja nicht in Gefahr zu geraten, damit konfrontiert zu werden. Erschießen, er‐
würgen, erdolchen, erschlagen… nichts davon löste die Reaktion aus. Als ich auf einen
intuitiven Impuls hin ganz naiv fragte, ob er denn selbst manchmal gerne jemandem mit
der Axt den Schädel einschlagen würde, rief er wie aus der Pistole geschossen: „Ja natür‐
lich! Aber das darf man ja nicht!“ – um sich sofort darauf den Mund zuzuhalten. Von die‐
ser Überraschung mußte er sich erst mal erholen. Selbstreflektiert genug, war ihm klar
geworden, daß ihm seine unterdrückten Aggressionen einen Spiegel vorgehalten hatten.
Durch einen ehrlichen Umgang mit sich selbst können Filme ein Tor zu inneren Welten
öffnen – und natürlich lassen sich nicht nur Schattenseiten bereisen…
Orakel
Ein Orakel kann als spielerische Technik benutzt werden, um Zugang zum Wissen unse‐
res Unbewußten zu finden. Verwendet wird ein divinatorisches System, in dem einem
nicht vorhersehbaren oder nicht beeinflußbaren Ergebnis zuvor festgelegte Bedeutun‐
gen zugewiesen werden: vom einfachen Münzwurf bis zur komplexen Auslegung bei‐
spielsweise des I Ging.
Orakel ermöglichen es, die Zukunft bewußter zu gestalten – nicht notwendigerweise, sie
vorherzusehen. Sie liefern aufschlußreiche Einsichten in unser eigenes Leben, geben uns
Zusatzinformationen. So ermöglichen sie es, neue Ideen, Perspektiven und Zusammen‐
hänge in eine Wahl mit einzubeziehen, sie nehmen diese selbstverantwortlichen Ent‐
scheidungen jedoch niemandem ab. – In diesem Kontext interpretiere oder „dolmetsche“
ich die Aussage eines Orakels. Am häufigsten verwende ich die folgenden beiden Arten:
Tarot
Ich gebrauche mehrere Sets, am liebsten jedoch das so genannte „Rider‐Tarot“, das vom
englischen Magier Arthur Edward Waite entworfen und der Künstlerin Pamela Colman
Smith gestaltet wurde. Seine märchenhaften Bilderwelten kommen meinem visuellen
Denken am meisten entgegen.
Ogham
Die Ogam‐ oder Ogham‐Buchstaben waren ein Schriftsystem in Irland und westlichen
Teilen Britanniens, benannt nach dem altirischen Gott der Redekunst, Ogma. Wahr‐
scheinlich wurden sie u. a. auch zu divinatorischen Zwecken verwendet. Ich habe selb‐
ständig eine Variante entwickelt, sie als Orakel einzusetzen, indem ich bardische Vierzei‐
ler, die ihnen als „Merksprüche“ zugeordnet werden, als Auslöser für Visionen benutze.
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Magischer Schmuck; Sigillen, Talismane und Tattoos
Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. In ein magisches Symbol sind im Idealfall vielfälti‐
ge Informationen codiert, die dem bewußten Verstand nicht mehr zugänglich sind und
aus diesem Grund von dessen zweifelndem oder moralisierendem „Zensor“ nicht mehr
an ihrer Wirkung gehindert werden können. Dazu gehört etwa magischer Schmuck.
Die archetypischen Energien, die der Magier mit den Elementen eines Schmuckstücks,
Ringes oder Anhängers verbindet (und die im morphogenetischen Feld damit assoziiert
werden) – zum Beispiel welches Metall, Holz, Horn oder Leder, welche Kräuter, Farbe(n)
und Gravierung(en), welcher Edelstein verwendet wurden – wirken in ihrer Kombina‐
tion ganz automatisch auf ihn; dies natürlich um so gezielter, je bewußter er das Kleinod
auswählt beziehungsweise gestaltet und je häufiger er es trägt. (Das Gleiche gilt im Übri‐
gen auch für magische Waffen.) „Aufladung“ wird hierbei vor allem erzeugt, …
• indem er es selbst gestaltet und nach Möglichkeit auch selbst herstellt;
• je länger es benutzt wird; und / oder
• wenn es ein Geschenk oder Erbe von einem ihm sehr verbundenen Menschen ist.
Sigillen sind außergewöhnlich wirksame magische Zeichen, deren moderne Anwendung
auf Austin Osman Spare zurückgeht.79 Sie sind nicht zu verwechseln mit den für das
Spätmittelalter und die Renaissance typischen „Siegeln“ von Engeln, Dämonen, Plane‐
tenwesen etc. Ein Sigil / eine Sigille ist das Ergebnis eines meist in mehreren Schritten
reduzierten Willenssatzes auf eine dem Verstand nicht mehr nachvollziehbare Form, die
durch geeignete Methoden „geladen“ (ins Unbewußte verdrängt) und danach bewußt
vergessen wird. Im Normalfall wird die graphische Darstellung der Sigille gleich danach
zerstört.
Es gibt aber auch Gründe, Sigillen bestehen zu lassen. Dazu gehören solche zu Lehr‐ und
Übungszwecken; jene, die Bestandteil von Stelen sind; welche, die als materielle Grund‐
lage eines magisch erschaffenen Geistes dienen u. Ä. Sie lassen sich auch gut auf Talis‐
mane anbringen oder im Extremfall tätowieren.
Da es ein Leben lang hält (und auch seine Wirkung durch so genannte Cover‐Ups, das
heißt „Übermalungen“ nicht einbüßt), kann die magische Kraft eines Tattoos gar nicht
unterschätzt werden. Wichtig ist meiner Meinung nach auch der Bewußtseinszustand, in
dem sich der Tätowierer und sein Kunde beim Stechen befinden.
Praktiken der Volksmagie
Im Gegensatz zur Magie elitärer Gelehrter mußte das einfache Volk mit den Gebrauchs‐
gegenständen des täglichen Lebens auskommen, um Magie zu betreiben. Bis heute ver‐
wendet werden in allen möglichen Kulturkreisen z. B. Brot, Eier, Hölzer, Wurzeln, Asche,
Wasser von Heilquellen, Stoffe, Wachs, Kreide, Besen, Messer, Spiegel, Spucke, Haare,
Nägel uvm. Natürlich kommt auch die Magie des Wortes nicht zu kurz: Es wird gesegnet,
verflucht, ge‐ und verwünscht, besprochen und geflüstert. Die teilweise beeindrucken‐
den Ergebnisse der Volksmagie zeigen auf, daß sie anderen Formen der Magie in nichts
nachsteht. Exemplarisch beschreibe ich hier fünf Methoden der Verzauberung:
79 Vgl. z. B. auch http://kiaos.net/text/t.zoskia.html
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Knoten
Knoten sind Symbole gespeicherter Energie; sie können in jeder Form und auch in Kom‐
bination mit fast allen hier beschrieben Techniken angewendet werden. Der Magier be‐
gibt sich innerlich so intensiv wie möglich in den Zustand seiner Wahl, so deutlich, daß
er mit allen Sinnen erlebt, was er wünscht. Er wartet ab, bis sich dabei das Gefühl eines
„Energiestaus“ im Körper entwickelt, um die Ruhe dann explosionsartig in die heftige,
aber gesteuerte Bewegung des Knotenschließens münden zu lassen. (Der Knoten ist be‐
reits vorbereitet und wird beim Ruck zugezogen.) Dabei empfiehlt es sich, ebenso heftig
und ruckartig einzuatmen, um sich abschließend durch Lachen wieder zu „erden“. Es
können auch mehrere Knoten auf eine Schnur gebunden werden, um die Energie so zu
konzentrieren. Die Schnur wird entweder dem Kreislauf der Natur übergeben oder für
eine bestimmte Zeit z. B. in der Hosentasche getragen: Jedesmal, wenn man dann in die
Tasche greift, spielen die Finger mit der Schnur und das Unterbewußtsein erinnert sich
an den Seinszustand, den man mit dieser Schnur verknüpft hat!
Opfer
Ein Krug, der randvoll ist, hat keinen Raum mehr für zusätzliches Wasser; ein voller Bauch kann kein weite‐
res Essen zu sich nehmen. Das Opfern, Weggeben oder Verschenken von etwas Bedeutungsvollem oder
Wertvollem, schafft einen leeren Raum, in dem sich Neues entfalten oder manifestieren kann.80
Seit jeher werden kostbare Gegenstände, Flüssigkeiten, Speisen, Körperflüssigkeiten,
Statussymbole u. Ä. den Göttern, Ahnen, Schutzgeistern oder einem Ziel dargebracht. Im
mythomagischen Kontext erklärt sich die Wirkung eines Opfers dadurch, daß man nur
etwas weggeben kann, wenn man schon etwas hat. Das heißt, ein Opfer ist der sichtbare
Ausdruck und das Bekräftigen eines Seinszustandes.
Deflektionspuppe
Eine Puppe (aus Ton, Wachs, Knetmasse o. Ä.), die den Magier darstellt und einen klei‐
nen Teil seines Körpers enthält (Spucke, Nagel, Haar…). Sie wird speziell der Aufgabe
geweiht, alle negativen Einflüsse, die gegen ihn gerichtet sind, auf sich zu ziehen. Sie
muß selbst hergestellt und sicher verwahrt werden.
Salz
Salz verwehrt negativen Energien den Zugang zu einem Bereich (und ist damit, ähnlich
wie Kalk oder Asche in dieser Hinsicht das genaue Gegenteil von Blut, Mehl oder ande‐
ren „lebensspendenden, nährenden Substanzen“). Aus diesem Grund können Schälchen
mit Salz um einen zu schützenden Bereich aufgestellt oder ein Kreis darum gezogen
werden. (Natürlich sollte man sich vorher vergewissern, daß man dadurch keine negati‐
ven Energien einschließt…)
Gesegnete Nägel
Ähnlichen Schutz bieten drei speziell gesegnete Nägel, die am Türsturz oder am Rand
des Grundstücks eingeschlagen werden: Es heißt, „die Elfen“ mögen kein Eisen.
Die erwähnte Weihung eines Gegenstandes erfolgt in einem Ritus, bei dem das Numino‐
se einer bestimmten archetypischen Energie auf diesen übertragen und dieser im Ideal‐
fall auch noch versiegelt wird.
80 Aus: Wolf‐Dieter Storl, Naturrituale, S. 199.
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Schamanische Techniken
Die im Gegensatz zur rituellen Magie westlicher Prägung mit einem komplexen, dreh‐
buchartigen Ablauf und fest vorgeschriebenen Utensilien meist eher formlosen Varian‐
ten schamanischer Praktiken sind teilweise an die Vorstellungswelt und die Kultur eines
Volkes gebunden. Mithin sollte dem Magier bewußt sein, auf das Feld welcher sozioreli‐
giösen Tradition und damit verknüpften Kodices er sich einläßt, wenn er sich entschei‐
det, entsprechende Methoden, Formeln und Entitäten für seine Arbeit anzunehmen.
Nichtsdestotrotz besticht der Schamanismus aber auch durch universell vergleichbare
Techniken, die systemunabhängig eingesetzt werden können. In beiden Fällen erleich‐
tern sie das Lauschen und Erzählen mythischer Geschichten ungemein.
Schamanische Reisen
Die Grenzen von Phantasiereisen zu schamanischen Reisen sind fließend; wo es sich bei
Phantasiereisen in der Regel um reine inner‐psychische Erlebnisse handelt, kann es sich
bei der schamanischen Erfahrung aber auch um tatsächliche Reisen in andere Bereiche
der Wirklichkeit handeln.
Meist geht das schamanische Weltbild von drei Welten aus (mit möglichen weiteren Un‐
terteilungen), die betreten und immer genauer erforscht werden können. Die Informa‐
tionen, die auf solchen Reisen bezogen werden, hängen auch von diesen Welten ab: In
der Unterwelt trifft man auf Tiere, Pflanzen, die Elemente, Elementarwesen, verlorene
Seelenanteile u. Ä.; in der Oberwelt nimmt man Kontakt zu Göttern, Geistwesen, Engeln
und vergleichbaren Entitäten und Konzepten auf; in der Mittelwelt befindet man sich auf
der uns bekannten Ebene der Erde, eventuell in ihrem Astralaspekt. Im psychologischen
Modell entsprechen diese drei Welten mit ihren vielfältigen, archetypischen Erschei‐
nungsformen ziemlich genau dem kollektiven Unbewußten C. G. Jungs.
Das Spektrum des Erlebens reicht dabei von höchsten zu tiefsten emotionalen Extrem‐
zuständen, von befremdlichsten Identifikationen mit Pflanzen und Tieren bis hin zu gan‐
zen Planeten, von kräftezehrenden Kämpfen mit Ungeheuern bis hin zur beseligenden
mystischen Ekstase. – Das Elixier, das der schamanisch praktizierende Magier von einer
solchen Reise mit in die Realität bringt, kann ein tieferes Verständnis für eine Geschichte
sein, eine Weisung für sich oder andere, eine veränderte Einstellung zu einem Sachverhalt,
erweiterte Erkenntnisse, verschwundene Symptome, wiedergefundenes Vertrauen uvm.
Schwitzhütte
Vermutlich hat es in den meisten Kulturen verschiedene Formen des rituellen Schwit‐
zens gegeben; auch die finnische Sauna ist aus solch einer Tradition hervorgegangen.
„Klassische“ Schwitzhütten als Mutterbauch, in den man für eine gewisse Zeit wieder
zurück krabbelt, um sich dort zu reinigen, zu beten und mögliche Visionen zu empfan‐
gen, sind heute selten geworden. Vor allem einige nordamerikanische Völker konnten
die sweat lodges neben anderen ihrer Zeremonien am Leben halten. Ich besuche mehr
oder weniger regelmäßig solche Inipis nach Lakota‐Tradition, namentlich der Familie
Lame Deer.81
81 Kontakt z. B. über www.lamedeer.org
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Visionssuche
Auch die Visionssuche hat ihre Wurzeln bei so gut wie allen Völkern – natürlich in un‐
terschiedlicher Form und zu unterschiedlichen Zwecken (Initiation, Gelübde, Vorberei‐
tung für ein Ritual, Abschluß oder Neubeginn einer Phase, Heilung uvm.). In unserer
Kultur sehen wir z. B. noch Reste davon in der mittelalterlichen Dichtung: Die Queste
eines Ritters ähnelt mit ihren archetypischen Bezügen sehr dem rituellen Verlauf archa‐
ischer Visionssuchen.
Wieder hat sich bis auf einige Reste bei indigenen Kulturen wenig davon erhalten, es
gibt aber Versuche der Wiederbelebung im Westen82. Im Allgemeinen haben diese Vi‐
sionssuchen aber nicht so rigide Rahmenbedingungen wie jene überlieferter Traditio‐
nen. Die Zeit der Einsamkeit, des Fastens und Betens in der Natur kann auch mit einer
Dunkelheitserfahrung kombiniert werden (längerer Aufenthalt in einer Höhle).
Krafttiere und Kraftpflanzen
Clan‐ und Totemtiere sind nicht nur auf archaische Kulturen bezogen. Bis heute finden
sie sich bei uns in Form von Adelswappen, Teilen von Orts‐, Flur‐ und Familiennamen. In
Form persönlicher Krafttiere begleiten uns die Energien bestimmter Tiere für eine ge‐
wisse Zeit oder unser ganzes Leben. Der Magier lernt, mit ihnen auf schamanische Weise
zu kommunizieren, sich ihre Stärken zunutze zu machen, und sich in der Anderswelt von
ihnen führen und beraten zu lassen. Je enger die (Ver‐)Bindung an sein Krafttier, desto
mehr wird ein Mensch in seinem Verhalten die Eigenschaften aufweisen, die ihm zu‐
gesprochen werden, und desto mehr kann er dessen Züge tatsächlich auch körperlich
annehmen – so stark kann die Geschichte sein, die ihm das Tier über die Jahre erzählt.
Wenn von „Kraftpflanzen“ die Rede ist, denken viele Menschen zuerst an Entheogene,
von deren Kraft schamanische Kulturen zu Recht immer nur rituell und verantwor‐
tungsvoll Gebrauch machten. Doch jede Pflanze erzählt ihre eigene machtvolle Geschich‐
te, und ein schamanisch Praktizierender wird vermutlich auch einen besonders intensi‐
ven Bezug zu bestimmten Pflanzen haben, die ihm auf seinem Weg immer wieder be‐
gegnen. So hat mir beispielsweise der Beifuß sein Lied gegeben; ich verwende ihn auf
alle möglichen Arten und zu allen möglichen Gelegenheiten. – Zur weiteren Beschäfti‐
gung mit der heilsamen Wirkung der Pflanzen seien hier die hervorragenden Bücher des
Ethnobotanikers und Kulturanthropologen Wolf‐Dieter Storl empfohlen.
Stäbe der Kraft
Seit alters her assoziieren wir mit dem Symbol des Stabes Macht und Autorität: Könige
haben Zepter, Götter wundersame Speere, weise Eremiten den Pilger‐, Magier den Zau‐
ber‐ und Heiler den Äskulapstab, die als ihre Attribute archetypische Kräfte versinnbild‐
lichen.
Ich arbeite sehr gerne mit Stäben, die ich nach mythomagischen Richtlinien herstelle:
Zuerst wird definiert, wofür der Stab stehen soll (d. h. welche Energien er repräsentiert,
mit welchen Energien er geladen ist). Dann lasse ich mich im Wald führen, bis ich einen
abgestorbenen Ast finde oder einen frischen schneide, der die richtige Länge und Dicke
82 Vgl. z. B. Sylvia Koch‐Weser und Geseko v. Lüpke, Vision Quest.
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und den richtigen Wuchs zu haben scheint (wenn ich einen frischen Ast oder gar einen
jungen Baum schneide, vergewissere ich mich natürlich vorher bei ihm, ob ich das darf
und hinterlasse ein Opfer). Die Schnittkanten werden abgerundet, und wenn es mir pas‐
send erscheint, ziehe ich die Rinde ab (danach salbe ich ihn vielleicht mit einem speziel‐
len Öl) oder schnitze Muster hinein. Ich bringe Symbole für die Energie, die in den Stab
fließen soll, an ihm an (evtl. auch unter Zuhilfenahme eines „Medizinbeutels“); das kön‐
nen sein: Federn, Knochen, getrocknete Blüten, Kräuter, Räucherwerk, Steine, Bänder,
Metalle, Schnüre, Glas, Leder, Glöckchen, Perlen, etc. … bis er meinem ästhetischen und
energetischen Gespür entspricht. Ich arbeite nur an ihm, wenn ich in einer der ge‐
wünschten Energie / dem gewählten Seinszustand entsprechenden Stimmung bin! Nach
der Fertigstellung weihe ich den neuen Stab für seine Aufgabe in einer Zeremonie und
zu einem Zeitpunkt, die passend erscheinen. Danach steht / liegt / hängt er an einem
entsprechenden Platz, solange ich ihn nicht aktiv benutze, und verströmt von dort aus
seine Wirkung.
Mythomagischer Tempelschlaf
In antiken Mysterienkulten gab es den von Mystagogen – eingeweihten Priestern – prak‐
tizierten Heilschlaf: Die Teilnehmer wurden nach einer Zeit der Reinigung in Tempeln,
Höhlen oder Orakelstätten in einen der hypnotischen Trance verwandten Bewußtseins‐
zustand versetzt. Manchmal wurden sie davor durch eine Initiation in den Kult aufge‐
nommen. Im Verlauf des Tempelschlafs begegneten sie in einem heiligen Moment den
Göttern oder deren Abgesandten und bargen daraus Erkenntnisse für ihre Heilung,
Klarheit für ein bevorstehendes Unternehmen, Einsichten in das Jenseits u. Ä.
Die mythomagische Ausformung dieser Methode ist eine spirituelle Mischung aus Phan‐
tasiereise, Hypnose, Gebet und Segen. Hierbei fließen also verschiedene Techniken in ein
umfassendes Ritual ein, in dessen Rahmen jemand seiner persönlichen Mythologie zu‐
tiefst auf den Grund gehen kann. Er geht verwandelt in seine Welt zurück.
Verstärkung durch KristallMagie
Wenn in diesem Zusammenhang der einfacheren Sprechweise zuliebe von Kristallen die
Rede ist, meine ich damit grundsätzlich einzelne, ungeschliffene Bergkristallspitzen. Sie
haben die grundsätzliche Eigenschaft, jedwede Art von Energie 1.) aufnehmen, 2.) ver‐
stärken und 3.) weiterleiten zu können (im Unterschied zu anderen Edelsteinen oder
Halbedelsteinen, die für jeweils einzelne bestimmte Energien geeignet sind).
Bei der Kristall‐Magie werden die Fähigkeiten und Energien des Magiers durch gezielten
Einsatz der Eigenschaften eines Bergkristalls potenziert. Aus diesem Grund ist eine ge‐
naue Kenntnis der magischen Funktionsweise von Kristallen erforderlich.
Dann sind ihrer Anwendung jedoch kaum mehr Grenzen gesetzt. Man kann mit ihnen
Energien projizieren, Aura und Räume schützen, Sigillen einschreiben, Wasser impräg‐
nieren, sie als Talisman und Geisterfalle verwenden, als Meditationsobjekt und Fokus
außersinnlicher Wahrnehmung, sie mit einem gewählten Seinszustand „programmie‐
ren“ uvm.
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SYMBOLMATRICES
Im luftleeren Raum ist es schwierig, Halt zu finden. Menschen haben immer schon Be‐
zugssysteme entworfen, um bestimmte Bereiche ihres Lebens zu strukturieren. Ihr ma‐
gischer Nutzen liegt nicht nur im übersichtlichen Organisieren und Festlegen der Ter‐
minologie einer Domäne, sondern auch im „Öffnen eines Tores“, um in diese Bereiche
einzusteigen und sich dort wie mit einer Landkarte besser zurechtzufinden.
Natürlich ist es eine lohnende Aufgabe, selbst eine Symbolmatrix zu ersinnen (ich habe
das etwa mit der schon erwähnten „Zauberschloßreise“ gemacht und kann es nur jedem
praktizierenden Magier empfehlen), doch muß man nicht jedes Mal das Rad neu erfin‐
den. Deshalb greift die Mythomagie gerne auf überlieferte Modelle zurück, die hier wie‐
derum in aller gebotenen Knappheit gezeigt werden.
Die Reise des Helden
Joseph Campbell hat den Monomythos das erste Mal akademisch beschrieben: In allen
Mythen, Märchen und Legenden der Welt, aber auch in praktisch allen moderneren Er‐
zählungen bis hin zu den kleinen und großen Zyklen des menschlichen Lebens finden
wir die Geschichte des Helden, der aus seiner Alltagswelt aufbricht ins zauberhafte Un‐
bekannte, wo er übernatürliche Gegner besiegt und seiner größten Angst begegnet,
stirbt und wiedergeboren wird, um schließlich mit dem Elixier zurückzukehren, das sei‐
ne Welt heilen wird.
Ich halte mich in der Darstellung dieser universalen Dramaturgie an Christopher Vog‐
ler83:
83 Christopher Vogler, Die Odyssee des Drehbuchschreibers
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Das Enneagramm
Wahrscheinlich ist das Enneagramm die älteste Typologie zumindest des westlichen
Kulturkreises. Seine Aussagen über neun verschiedene Energien beziehen sich aber
nicht nur auf Menschentypen, sondern lassen sich auf beinahe alle Bereiche umlegen. Ich
verwende die Interpretation von Rohr und Ebert84.
Tarot
Die Arkana des Tarot weisen als Orakel nicht nur auf Prinzipien menschlicher Erfahrung
hin, sie erzählen darüber hinaus auch auf ihre Art von mythischer Weltenschöpfung und
der darin stattfindenden Reise des Helden.
Sie zeigen, wie aus uranfänglichem Chaos (0 = Narr) die
beiden polaren Urprinzipien hervorgehen, das zeugend
Männliche (1 = Magier) und das empfangend Weibliche
(2 = Hohepriesterin), die sich wieder vereinen müssen
(1+2=3), um die Schöpfung in Gang zu setzen (3 = Herr‐
scherin, die Karte der Urkräfte der Natur, der Fruchtbar‐
keit und der steten Geburt des Neuen). So entsteht das
geordnete Universum, die Welt mit ihren 4 Weltenden, 4
Winden, 4 Elementen und den 4 Jahreszeiten (ausged‐
rückt durch die 4. Karte, das Ordnungsprinzip, der Herr‐
scher).85
Dies nur als einführende Gedanken.
84 Richard Rohr und Andreas Ebert, Das Enneagramm.
In Pfeilrichtung: „Streßpunkt“; gegen Pfeilrichtung: „Trostpunkt“.
85 Aus: Hajo Banzhaf, Schlüsselworte zum Tarot, S. 23f.
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Der Runenkreis
Das Ältere Fuþark enthält ebenfalls eine in sich geschlossene Kosmologie, die in den drei
Ættir dargelegt ist.
Freyrs Ætt: Fehu, Uruz, Þurisaz, Ansuz, Raiðo, Kenaz, Gebo, Wunjo
Odins oder Hagals Ætt: Hagalaz, Nauðiz, Isa, Jera, Eihwaz, Perþro, Algiz, Sowilo
Tyrs Ætt: Tiwaz, Berkano, Ehwaz, Mannaz, Laguz, Ingwaz, Dagaz, Oþala
Das Medizinrad
Viele schamanische Traditionen beschreiben mit dem einfachen Symbol des Medizin‐
rads die ganze Welt: In ihm enthalten sind die Himmelsrichtungen und die vier Elemen‐
te, die Zyklen des Tages wie des menschlichen Lebens, die heiligen Farben und Totem‐
tiere, die gestaltenden Prinzipien. Es erzählt eine mächtige Geschichte.
Märchen und Medizinrad sind, obwohl sie den Weg des Menschen darstellen, beide auch Ausdruck von et‐
was ganz anderem – von einem Raum. Sie sind Darstellung des Raums, in dem nichts vergeht und sich
nichts ändert, sondern alles immer überall vorhanden ist.86
Für naturmagische Aktivitäten orientiere ich mich meistens am „ naturnahen Freistil“
nach Frederic Lamond87:
Erde – Wo befindet sich der größte Berg / die größte Landmasse? In dieser Richtung ist Erde.
Wasser – Wo ist das größte Gewässer in der Nähe? In dieser Richtung ist Wasser.
Feuer – In welcher Himmelsrichtung befindet sich die Sonne gerade? Dort ist Feuer.
Luft – Umgibt uns überall, nimmt also die letzte Richtung ein (häufig kommen Winde von dort).
86 Aus: Felix von Bonin (Hrsg.), Schamanismus und Märchen, S. 198.
87 Vgl. Frederic Lamond, Naturpantheismus. Religion ohne Dogmen und Fifty Years of Wicca.
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Ansonsten gebrauche ich üblicherweise das Lakota‐Medizinrad, wie es von Chief Archie
Fire Lame Deer überliefert wurde.
Der Zodiak
Die vielfältigen astrologischen Bezüge füllen Regale von Bibliotheken. Die hier vorge‐
stellten ersten Übersichten gehen zurück auf Hajo Banzhaf.88
88 Vgl. Hajo Banzhaf, Astrologie, Diederichs, Kreuzlingen / München 2003
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Archetyp Schatten Aufgabe
Widder der Streiter der Zerstörer Neuland erobern,
Krieger, Pionier Risiken eingehen
Stier der Bewahrer der Sturkopf Bewährtes hegen und pflegen,
Bauer, Hirte, Hüter Werte bewahren
Zwilling der Neugierige der Zyniker Erkenntnisse gewinnen,
Händler, Intellektueller Neuigkeiten verbreiten
Krebs der Romantiker das ewige Kind, emotionale Bande knüpfen und
Barde, Dichter, Mutter Glucke pflegen, die Seele berühren
Löwe der Souveräne das Großmaul würdevoller, vorbildlicher
König, Sonnenheld Mittelpunkt sein
Jungfrau der Praktiker der Pedant instinktsicher Nützliches
Handwerker, Ökonom von Nutzlosem trennen
Waage der Ästhet der Unentschiedene Schönheit, Harmonie und
Künstler, Richter Frieden in die Welt tragen
Skorpion der heimliche Machthaber der Besessene Hintergründiges erforschen,
Magier, Schamane Unangenehmes aufdecken
Schütze der Weltoffene der Selbstgerechte den Sinn suchen und verkünden
Hohepriester, der Gerechte
Steinbock der Verantwortungsvolle der Verbitterte Grenzen setzen,
Patriarch, der Älteste, Vater Ziele verwirklichen
Wassermann der Individualist der Exzentriker Altes überwinden und Neues in
Humanist, der weise Narr die Welt bringen
Fische der Spirituelle der Haltlose Fantasie und Transzendenz in
Mystiker die Welt tragen
Haus Bereich Thematik Leitsatz Körper
1 Eingangsbereich, Zug‐ Auftreten, Ich will Kopf, Blut, Muskeln, Biß
brücke, Schaufenster Erscheinungsbild
2 Schatz‐ und Werte und Sicherheit Ich habe Nacken, Hals, Schultern, Mund,
Vorratskammer Schlund, Speiseröhre
3 Marktplatz, Redaktion, Kommunikation, Ich denke Arme, Schlüsselbein, Hände,
Schule, Telefonzentrale Lernen Finger, Bronchien, Lungen
4 Ahnengalerie, Herkunft, Geborgen‐ Ich fühle Brust, Magen, Gebärmutter,
Kinderzimmer heit, Zuhause Drüsen
5 Bühne, Spielwiese Spielen, Hobby, Flirt Ich gestalte Wirbelsäule, Herz, Kreislauf
6 Arbeitsräume, Arbeitsalltag, Ich prüfe Darm, Verdauungstrakt,
Fitneßstudio Gesundheit Stoffwechsel, Sonnengeflecht
7 Ehegemächer dauerhafte Ich wäge ab Niere, Blase, Haut
Verbindungen
8 Keller, Friedhof, Lebenshintergründe, Ich ergründe Geschlechtsorgane
Tabuzone Sexualität
9 Universität, Kirche, Erweiterung innerer u. Ich glaube Hüften, Oberschenkel, Leber,
Reisebüro äußerer Horizonte Galle
10 Ruhmeshalle, der weit Berufung, Lebensziel, Ich vollende Knochen, Knie, Zähne, Nägel
sichtbare Turm Anerkennung
11 Gesellschaftsräume, Freundschaft, Ich weiß Unterschenkel, Nerven,
Gästezimmer Gruppen, Teams Bauchspeicheldrüse
12 Einsiedelei, Transzendenz, Ich erahne Füße und Knöchel
Meditationsraum Aufopferung
Daumen Mars Planeten‐ und Elementmatrix Daumen Wasser
Zeigefinger Jupiter der Hand Zeigefinger Feuer
Mittelfinger Saturn Mittelfinger Äther
Ringfinger Sonne Daumenballen Venus Ringfinger Erde
Kleiner Finger Merkur Außenballen Mond Kleiner Finger Luft
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Korrespondenzen und Chakrenlehre
Als Beispiel für eine erweiterte, ausgearbeitete Übersicht magischer Analogien soll hier
die „druidische Korrespondenzentabelle“ nach Douglas Monroe stehen.89
Mond, weiblich, schwarz, Sonne, männlich, weiß,
passiv, dunkel, unsichtbar, aktiv, licht, sichtbar,
Nacht, Silber, Anderswelt, Tag, Gold, Welt,
kalt / kühl, zusammenziehend, warm / heiß, ausdehnend,
Phantasie, Winter, Apfel, Tatsache, Sommer, Eiche,
Yin, Avalon, Kraft Yang, Anglesey, Gestalt
ERDE WASSER LUFT FEUER
Norden Westen Osten Süden
Lochstein / Pentakel (Muschel‐)Kelch (Eichen‐)Stab Schwert / Goldsichel
Stein von Fal Kessel des Dagda Speer von Lugh Schwert von Nuada
Schweigen Wollen Wissen Wagen
Gnome, Zwerge Undinen, Nixen Sylphen, Elfen Salamander, Drachen
Mitternacht Abenddämmerung Morgendämmerung Mittag
Winter Herbst Frühling Sommer
Neumond Abnehmender Mond Zunehmender Mond Vollmond
Alter Kindheit Reife Jugend
Mutter Tochter Sohn Vater
Hase Salm Rabe Drache
Trommel Harfe Flöte Horn
Imbolc Alban Arthuan Samhain Alban Elfed Alban Eiler Beltane Alban Heruin Lugnasad
Samstag Donnerstag Montag Freitag Sonntag Mittwoch Dienstag
Saturn Jupiter Mond Venus Sonne Merkur Mars
Blei Zinn Silber Kupfer Gold Quecksilber Eisen
Note B Note A Note G Note F Note E Note D Note C
(lokrisch) (äolisch) (mixolydisch) (lydisch) (phrygisch) (dorisch) (ionisch)
Onyx Saphir Perle Smaragd Diamant Opal Rubin
Mineral Pflanze Tier
WEISE ALTE MUTTER JJJU
UN
U NG
N GFFFRRRAAAU
G U
U
Elemente: in Ziehrichtung anrufend, gegen die Ziehrichtung bannend
Erde Wasser Luft Feuer
89 Douglas Monroe, Merlins Vermächtnis und Merlins Wiederkehr.
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Das System der Chakren, wie es in der modernen Esoterik üblich ist, geht meines Wis‐
sens nach zurück auf Osho und stellt sich vereinfacht wie folgt dar:
Chakra Farbe Sanskrit Drüse Lage Prinzip
7 Scheitel‐ Violett Sahasrara Epiphyse / Zirbeldrüse Scheitel Spiritualität
6 Stirn‐ Indigo Ajna Hypophyse / Hirnanhangdrüse Stirn Intuition
5 Hals‐ Blau Vishuddha Schilddrüse Kehle Kommunikation
4 Herz‐ Grün Anahata Thymusdrüse Herz Harmonie, Liebe
3 Nabel‐ Gelb Manipura Bauchspeicheldrüse Oberbauch Selbstachtung
2 Sakral‐ Orange Svadisthana Keimdrüsen Unterbauch Gefühle, Sex
1 Wurzel‐ Rot Muladhara Nebennieren Damm Lebensenergie
– und natürlich: Mythen
Als Systeme der Welterklärung bieten Mythen und Märchen, klassische wie moderne
Erzählungen, einen symbolischen Rahmen.
Innerhalb der von ihnen vorgegebenen Matrix kann sich der Mythomagier frei bewegen
– er kann diese Welten bereisen, sie als Metaphern für seinen eigenen Pfad ansehen, wie
auch als Gleichnisse für andere Menschen.
Als Spiegel bieten sie ihm immer wieder einen Raum der Selbstreflexion.
Der Fundus der Menschheit an mythischen Geschichten ist nahezu unendlich. Jeder fin‐
det sich in anderen wieder. Die im Folgenden aufgelisteten Sekundärwelten stellen mei‐
ne persönliche Auswahl dar; ich setze ich sie häufig für die mythomagische Arbeit ein
(nicht berücksichtigt wurden Fernseh‐ und Computerspielwelten):
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Mythen Märchen Legenden, historische Stoffe
Sumerische Mythologie 1001 Nacht Bibel und Heiligenlegenden
Ägyptische Mythologie Grimms Märchen Jeanne d‘Arc
Griechische Mythologie Andersens Märchen Robin Hood
Indische Mythologie Hauffs Märchen Faust
Nordische Mythologie Hesses Märchen Wilhelm Tell
Keltische Mythologie gängige Verschwörungstheorien
Artus‐Sagenzyklus
Tolkiens Mittelerde
Literatur, Oper Science‐Fiction und Fantasy Comicwelten
Die göttliche Komödie Foundation‐Zyklus V for Vendetta
Don Quixote Der Wüstenplanet Watchmen
Shakespeare‐Stücke Star Wars The League of Extraordinary Gentlemen
Die Zauberflöte Star Trek Swamp Thing
Wagner‐Opern Stargate The Sandman
Cthulhu‐Mythos Babylon 5 John Constantine ∙ Hellblazer
Illuminatus!‐Trilogie Otherland Lucifer
Die Scheibenwelt Momo The Invisibles
Harry Potter Die unendliche Geschichte Preacher
Die BuchWelt Die Wächter‐Tetralogie Transmetropolitan
Jonathan Strange & Mr. Norrell Fables
Promethea
Hellboy + B.U.A.P.
Sin City
… sowie die bekanntesten Superhelden
von DC und Marvel, Asterix, das Disney‐
Universum (v. a. Carl Barks, Don Rosa),
Zamonien, Die Simpsons
In vielen Welten des Mythos finde ich eine verborgene Anregung. Sie geht darüber hi‐
naus, Magie als Möglichkeit zu sehen, um den Traum zu verändern; sie weist auch darauf
hin, durch sie aus ihm zu erwachen. Das ist der Moment, wo Magie und Mystik eins wer‐
den. Denn wer weiß, vielleicht lauschen wir dem Erzähler (der niemand anderes ist, als
wir selbst) so gebannt, daß wir all die Jahre über vergessen haben, daß wir immer noch
in der Zauberhöhle sitzen…
Könnte es sein, daß wir gar keine Individuen sind, sondern das Geschehen der Großen
Geschichte? Keine Einzelwesen, sondern der Raum der Erzählung? Nicht Verzweifelte,
Suchende, Ängstliche, Inspirierte, Begnadete, Erleuchtete, sondern Ausdruck und Entfal
tung des Mythos? Nicht der Weg, sondern das So‐Sein?
Dann werden wir mit Sicherheit – wenn wir noch nicht gestorben sind – glücklich und
zufrieden leben bis ans Ende unserer Tage.
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Glossar
Übersicht der Termini, wie sie in der Mythomagie verwendet werden. Eingang fanden
insbesondere Begriffe der traditionellen und neueren Magie, der Mythologie, des Scha‐
manismus, sowie der Parapsychologie und gängigen Esoterik.
A
Advaita: Hinduistisch geprägte Ausformung non‐dualer Sichtweise, welche auch die
Grundlage des mythomagischen Weltbildes ist.
Äther: Auch oft gleichgesetzt mit Akasha. Gilt in der westlichen Tradition neben den vier
Elementen Erde, Wasser, Luft und Feuer als fünftes, geistiges Element. Langfristiges
Speichermedium feinstofflicher Informationen und Energien, die beispielsweise über
ASW abgerufen werden können.
Altar: Ein Altar stellt ein Universum im Kleinen dar, eine „heilige Zone“, in der eine be‐
stimmte Art von Kraft herrscht. Insofern ist der Altar auch eine Manifestationshilfe:
Symbolische Objekte auf entsprechende Stellen des Altars gelegt, ermächtigen sie, in der
Realität des Magiers stärker zu wirken, um seine Visionen aus der Anderswelt in
diese zu tragen. Diese Objekte können alles Mögliche sein – von einem besonderen Stein
oder einer Muschel, über ein Medaillon oder eine Münze, ein Stück Wurzelholz oder eine
Haarlocke, bis hin zu einer getrockneten Blüte, einer Götterstatuette oder einem Kri‐
stall… oder noch tausend andere Dinge, die alle eine tiefe Verbindung zu seinem Leben
haben: Eine lebendige Symbolmatrix der wichtigsten Andenken, die ihm im Leben zu‐
fallen. Indem diesen Objekten vorher genaue Bedeutungen zugewiesen werden, kann
der Altar auch als Orakel benutzt werden.
Amulett: Ein magisch geladener Gegenstand zur Verhinderung eines bestimmten Ereig‐
nisses oder Zustandes. Ein Amulett ist „gegen etwas“. Vgl. auch Talisman und Fe‐
tisch.
Anderswelt: Keltische Bezeichnung für eine andere Realität, die je nach Paradigma
als tatsächlich existierender Ort oder bildhafte Vorstellung in einem veränderten Be‐
wußtseinszustand gesehen wird. Die Nichtalltägliche Wirklichkeit des Schamanismus.
Überschneidungen mit der esoterischen Vorstellung einer Astralwelt.
Archetyp: Urform, Grundtyp. Bildhafter Ausdruck des kollektiven Unbewußten für eine
gewisse Energie, die überall sofort intuitiv verstanden wird. Archetypen sind z. B.: der
König, der Narr, der Räuber, die Mutter, das Opfer, der alte weise Mann, etc. Laut Jung
repräsentieren Archetypen unterschiedliche Elemente unserer Psyche; so kann bei ei‐
nem der Krieger‐Archetypus schwach ausgeprägt sein, beim anderen stark, so daß er
von ihm nahezu „besessen“ ist.
Astralwelt: Die „nächstfeinere“ Ebene: Jenes feinstoffliche Gebiet, das manchmal auch
Äther oder Jenseits genannt wird, das der Materie aber (im Vergleich zu noch „höher“
schwingenden Ebenen) noch relativ nahe steht. Der Wirkungsbereich u. a. der Ele‐
mentarwesen, von bestimmten Außerirdischen und auch Dämonen. Aufenthaltsort
von vielen Verstorbenen. Erfahrungsumfeld vieler Träume und Drogentrips. Bereich der
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Astralreisen und mancher schamanischer Reisen. Viele paranormale oder Spukphäno‐
mene sind hier beheimatet.
ASW: Abkürzung für „außersinnliche Wahrnehmung“; beinhaltet u. a. Hellsehen,
Hellhören, Hellfühlen und Intuition. Geläufig ist auch der englische Ausdruck ESP
(für extrasensory perception).
Aura: Die Gesamtheit der feinstofflichen „Schichten“ des Körpers. Ein Energiefeld, das
den physischen Körper umgibt und über verschiedene Methoden der ASW wahrge‐
nommen werden kann. Darin spiegeln sich unterschiedlichste Gemütszustände eines
Menschen, sein gesundheitliches Befinden einschließlich energetischer Blockaden, die
Gesamtheit seiner Erfahrungen aus all seinen Inkarnationen, seine Hoffnungen, Wün‐
sche, Ängste, Überzeugungen, Abneigungen, Talente etc. (Auf welche Art und Weise ein‐
zelne Informationen hiervon wahrgenommen werden, hängt u. a. von der benutzten Me‐
thode, der Übung und nicht zuletzt vom Filter des Rezipienten ab.) Gleichzeitig stellt
die Aura das energetische „Immunsystem“ des Menschen dar.
Autonomie: Eine Forderung der Mythomagie nach Eigenständigkeit im magischen Den‐
ken und Handeln. Zeichnet sich u. a. aus durch die Freiheit, religiöse Systeme, jegliche
Art von Glauben und Entitäten nur bewußt und nach Neigung anzunehmen. Soll dazu bei‐
tragen, die Möglichkeiten des menschlichen Geistes so unabhängig wie möglich zu erfor‐
schen. Es bedeutet auch, daß man sich zutraut, in sich selbst die nötige Kraft finden zu kön‐
nen. Diese völlige Unabhängigkeit geht allerdings auch mit absoluter Selbst‐Verantwortung
einher (was bei einer Einweihung mit Kraftübertragung nicht gegeben ist.)
B
Besetzung: Das zeitweise „Übernehmen“ eines Teils des Geistes eines Menschen durch
ein anderes Wesen. Beim Channeling beispielsweise geschieht dies normalerweise
bewußt, in gegenseitigem Einverständnis und ist zeitlich begrenzt (und würde daher in
der Praxis auch nicht als Besetzung bezeichnet werden, schon eher als in Aktion ge‐
brachte Invokation). Es gibt aber auch Fälle, in denen ein Mensch ohne sein Wissen
und / oder seine Einwilligung (gewöhnlich mit dem Ziel, ihn bis zu einem gewissen Grad
zu kontrollieren) besetzt wird, was im Extremfall zum Phänomen der Besessenheit füh‐
ren kann (und von der klinischen Psychiatrie fälschlicherweise etwa als Schizophrenie
oder psychotischer Schub diagnostiziert werden könnte). In diesem Fall kann oft nur
noch ein Exorzismus helfen.
Bestimmung: Oft auch Wahrer Wille, Thelema. Ein Akt der Selbstdefinition; eine Entschei‐
dung darüber, welchen von all seinen potentiell unendlich vielen Seinszuständen man Aus‐
druck verleiht und dadurch (s)eine Realität gestaltet, die das eigene Wesen widerspiegelt.
Bewußtseinszustand: „Wahrnehmungsmatrix“, innerhalb der bestimmte Informatio‐
nen und Erlebnisinhalte erfahren werden können.
"Wenn das Gehirn mit seinem Zusammenspiel von 100 Milliarden Neuronen wirklich die Bedeutung hat, die
ihm in der Neurowissenschaft zugewiesen wird, dann kann es mindestens 10 hoch 2 hoch 11 mögliche (Be‐
wußtseins‐)Zustände annehmen."90
90 Franz‐Theo Gottwald, zitiert in: Sylvia Koch‐Weser und Geseko v. Lüpke, Vision Quest, S. 238.
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(Anders ausgedrückt das „Betriebssystem“, das den Hintergrund für damit kompatible
„Programme“ bildet. Um andere Programme laufen zu lassen, muß das Betriebssystem
geändert oder erweitert werden.) Über den Zustand des „normalen“ Wach‐ oder All‐
tagsbewußtseins hinausgehende Bewußtseinszustände sind z. B. das Traumbewußtsein,
die Hypnose, das Koma, die Meditation, die Kontemplation, der Flow, die Trance.
Veränderte Bewußtseinszustände lassen sich als Gehirnwellen (EEG) messen:
Wellen Frequenz Zustand und mögliche Effekte
Delta‐ 1‐4 Hz Traumlose Tiefschlafphase, Trance
Theta‐ 4‐7 Hz Tiefe Entspannung, visionäre Erfahrungen, Wachträume, Hypnose
Alpha‐ 8‐13 Hz Leichte Entspannung, entspannte Wachheit, Super Learning
Beta‐ 14‐30 Hz Wachbewußtsein von Aufmerksamkeit bis Streß; REM‐Schlaf
Gamma‐ > 30 Hz Starke Konzentration, Lernprozesse, hoher Informationsfluß
Bindeglied (magisches): Oft essentieller Wirkstoff in der Sympathiemagie; Körper‐
substanzen des zu Beeinflussenden, sowie Fotografien, Darstellungen oder Gemälde ei‐
nes Ortes oder Gegenstandes.
C
Chakren: Aus dem Sanskrit Chakra = Rad, etwas sich Drehendes. Energetische „Schalt‐
zentralen“ in der Aura eines Menschen, die jeweils Verbindungen zu bestimmten Drü‐
sen in seinem Körper haben, und denen eine Vielzahl von Bedeutungen und Aufgaben
zugeordnet werden. Traditionellerweise gibt es sieben Haupt‐ und einige Nebenchakren,
die als Empfänger, Umwandler und Leiter von Energien wirken.
Channeling: Tätigkeit eines Menschen, der sich als „Kanal“ für andere Wesen zur Verfü‐
gung stellt, die durch ihn sprechen (verbales Channeling), schreiben (Automatisches
Schreiben) oder handeln (eine Möglichkeit, wie Flow zustande kommen kann). Dabei
kann es sich um einen personifizierten Teil des eigenen Unbewußten handeln, um das
Höhere Selbst, einen Verstorbenen, einen Außerirdischen, geistige Helfer und andere.
Chaosmagie: Relativ junge (Pete Carroll 1978), experimentelle und persönliche Form
der Magie, in der beispielsweise Paradigmen willkürlich gewechselt und unterschied‐
lichste Traditionen kombiniert werden – in dem Moment aber, in dem man sie verwen‐
det, „glaubt“ man fest an sie. Chaosmagier stehen daher in der Regel außerhalb aller Ka‐
tegorien und benötigen auch nicht zwingend beschworene oder verehrte Entitäten für
eine magische Operation. Der Bewußtseinszustand des Magiers selbst wird als aus‐
schlaggebend angesehen (vgl. Trance).
D
Dämon: Oft auch Schatten. Mythologische Bezeichnung für ein Bewußtsein, das aus un‐
terschiedlichen Gründen Erfahrungen der „dunklen Seite“ macht. Siehe auch Beset‐
zung.
Dualseele: Die angenommene andersgepolte (im Sinn von Yin und Yang) „Ergänzung“
einer Seele mit der Vorstellung einer ursprünglichen Einheit zwischen diesen beiden.
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E
Einweihung: Auch Initiation. Jemanden mit etwas, was er noch nicht weiß und was als
vertraulich behandelt werden soll, vertraut machen. (Ein magischer Orden ist organisa‐
torisch gesehen selten mehr als ein Einweihungssystem.) Unter den folgenden Einwei‐
hungstypen gibt es natürlich Mischformen und Überschneidungen:
Einweihung durch Merkmale
Belehrung Wissens‐ und / oder Erkenntniserwerb durch Upaguru (alles und jeder, mit dessen
Hilfe man etwas lernt) oder Satguru („der wahre, eigentliche Guru“, ausschließlich
für die spirituelle Entwicklung verantwortlich).
Offenbarung Plötzliche, unverhoffte Vision oder Berufung, die oft mit physiologischen Verände‐
rungen einhergeht (Schamanenkrankheiten), sich nicht selten jeder sprachlichen
Beschreibung entzieht und zu neuem Moralkodex führen kann.
Übergangsriten Kult‐ / Weihehandlung nach gewisser Probe‐ / Ausbildungszeit, bei der die Persön‐
lichkeit / Physis des Initianden rituell und meist stufenweise von einem (gesell‐
schaftlichen) Seinszustand in den anderen transformiert wird; fast immer rituell
nachgespielter Tod. Künstlich herbeigeführtes Entsetzen (vgl. Erregungs trancen);
Herbeiführen von Ehrfurcht, Demut; Erzeugen von plötzlicher Überraschung (z. B.
durch Abweichen vom minutiös besprochenen Ritus ohne Vorwarnung).
die Praxis Aktives, kreatives Experimentieren, um eigene Erfahrungen zu gewinnen. Keine
formellen Gradverleihungen. Im Gegensatz zur Einweihung durch Offenbarung
entspringt die Einweihung durch eigenes Tun und nicht als Gnade einer anderen,
transzendenten Instanz.
Selbsteinweihung Magischer Eid: Der Magier geht vor sich selbst oder vor etwaigen anderen Mächten
eine rituelle Verpflichtung ein. Dazu gehört viel Erfahrung, Ehrlichkeit und Imagi‐
nationskraft.
Was die magische Einweihung ausmacht, ist eine Veränderung der Persönlichkeit, der
Wahrnehmung, der Lebensdeutung und ‐führung. Es geht nicht nur um Wissenserwerb,
sondern vor allem um Transformation (so daß das Wissen auf allen Ebenen weihevoll
wirken kann)!
Elementarwesen: Eine bestimmte Lebensform, die Bewußtsein annehmen kann (wie es
z. B. auch diejenige einer menschlichen Seele – egal auf welchem Planeten –, einer Sonne,
eines Planeten, eines Engels etc. annehmen kann). Elementarwesen werden nach den
vier klassischen Elementen Erde, Wasser, Luft und Feuer benannt, für die sie traditionel‐
lerweise „zuständig“ sind und in und mit denen sie in der Astralwelt arbeiten. Über
ASW können sie wahrgenommen werden. Offenbar war die Kommunikation zwischen
ihnen und den Menschen früher reger und selbstverständlicher als heute, wovon etliche
Märchen und Volksüberlieferungen künden, die von Gnomen, Feen, Elfen, Baumwesen,
Sylphen, Nixen, Wassermännern, Luftgeistern und Salamandern sprechen.
Energie (eingeschränkte Definition): Auch Schöpfungsidee, Seinszustand. Abstrakte
Kraft mit dem Drang, sich zu sinnlich Wahrnehmbarem zu verdichten – zu Bildern, Tö‐
nen, Düften, Geschmäckern und Berührungen; ebenfalls zu Bauwerken oder Landschaf‐
ten. Davon sprechen wir, wenn wir sagen, daß dieses oder jenes Gebäude, Musikstück,
Parfüm etc. „etwas Harmonisches ausstrahlt“, „einen abstößt“ usw. Die Energien jedoch
sind an sich neutral; wie sie in ihrer Verdichtung empfunden werden, darüber entschei‐
det der Filter des jeweiligen Menschen – so können sie sich dann „positiv“ oder „nega‐
tiv“ auswirken.
Energiemodell: Das zweitälteste Paradigma der Magie.
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Entitäten: Sammelbezeichnung für geistige Wesen wie Gottheiten, Dämonen, Engel,
geistige Helfer, Elementarwesen, Psychogone, Krafttiere, Geister, Planeten‐ oder
Fabelwesen etc.
Entlassungsformel: „Hiermit entlasse ich alle Wesen und Energien, die durch dieses
Ritual gebannt wurden. Ziehet hin in Freiheit – Friede herrsche zwischen euch und mir!“
o. ä.
„Erden“: Bezeichnung für den Vorgang, energetisch wieder „zurück auf den Boden“ zu
kommen, um sich fest im „Hier‐und‐Jetzt“ zu verankern / „verwurzeln“. Oft als Ausgleich
nötig, um nach intensiven spirituellen Erlebnissen nicht „den Boden unter den Füßen zu
verlieren“ und „abzuheben“, was manchmal nicht ungefährliche Konsequenzen nach sich
ziehen kann. Es gibt verschiedene Techniken, sich zu erden, denen allen gemeinsam ist,
das Bewußtsein wieder auf den physischen Körper zu richten.
Evokation: Beschwören und Herbeirufen einer Entität in möglichst sichtbarer Form
durch z. B. Opfer, Beschwörungsformeln u. Ä. zum Zweck der Dienstbarmachung, zum
Schutz oder Erkenntnisgewinn, für einen Pakt etc.
EVP: Abkürzung für Electronic Voice Phenomenon. Das Auftauchen von postulierten
Stimmen Verstorbener im weißen Hintergrundrauschen auf Tonband oder elektroni‐
schen Audiodateien.
Exorzismus: Das Austreiben eines Dämons aus dem Körper eines Besessenen (vgl.
Besetzung) durch direkte Kommunikation und im Kontext vorgegebene Rituale. Insofern
unterscheidet sich z. B. ein schamanischer Exorzismus natürlich stark vom Rituale Ro
manum der Katholischen Kirche.
F
Fetisch: Ein magisch geladener und belebter Gegenstand zur Speicherung von Energien
und zur magischen Einflußnahme. Ein Fetisch kann sowohl „für etwas“ als auch „gegen
etwas“ sein, wird in der Regel aber eher als magische Kraftbatterie (zweckgebunden,
nicht aber personengebunden) und / oder als Wohnort für ein Egregor ( Psychogon)
gebraucht. Der Fetisch kann dazu dienen, andere Gegenstände aufzuladen oder zumin‐
dest bei ihrer Ladung behilflich sein. Vgl. auch Talisman und Amulett.
Filter: Das persönliche „Übersetzungsprogramm“, das erfahrungsfremde Bereiche in
verständlichen Formen und Zeichen interpretiert. Sorgt dafür, daß man die über ASW
erhaltenen Informationen zunächst in den gelernten und gewohnten „irdischen“ Mu‐
stern wahrnimmt und erlebt. Dies gilt beispielsweise für Astral‐ und „Jenseits“‐
Bereiche, vor deren direkte Wahrnehmung sich meist ein eigener „Bildteppich“ schiebt.
Dies ist ein natürlicher, selbsttätiger Anpassungsmechanismus des Verstandes, der sich
gleichzeitig als „Verfremdungsvorgang“ auswirkt, so daß ein und der selbe geistige
Helfer von einem stark religiösen Menschen vielleicht als Marienerscheinung, von einem
modernen Esoteriker als „Engel“ oder „Aufgestiegener Meister“ und von einem amerika‐
nischen Ureinwohner als Vision eines Totemtieres wahrgenommen wird. Der Filter kann
nie wirklich ganz und gar ausgeschalten werden, muß mithin also bei allen Berichten
über Astralreisen, medialen Durchsagen oder mystischen Schwellenerfahrungen be‐
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rücksichtigt werden. (Dieser Wirkungsmechanismus scheint den Verstorbenen übrigens
bis in die Jenseitsbereiche hinein zu begleiten und hat häufig genug Verwirrung und vie‐
le scheinbare Widersprüche zur Folge. Erst die zunehmende Unabhängigkeit von kör‐
pergeprägtem Bewußtsein befreit von solchen Verfremdungen und Verzerrungen.) Es
ist also bei Anwendung medialer Techniken darauf zu achten, die wahrgenommene Wir‐
kungskraft so weit als möglich von der eigenen Reaktion auf sie zu unterscheiden.
Flow: Auch White Moment. Begriff aus der Kreativitätsforschung, beschreibt den Zu‐
stand vollkommener Inanspruchnahme, in dem das Bewußtsein von der eigenen Person
verloren geht und man sich auf dem Gipfel seiner Leistungsfähigkeit befindet. Man
scheint mit der Aufgabe eins zu werden, und das kann in jedem Lebensbereich eintreten:
beim Spiel, bei künstlerischer Tätigkeit, beim Sport, beim Liebesakt. Voraussetzung dazu
scheint zu sein, daß die Fähigkeiten den Erfordernissen des Augenblicks vollkommen
entsprechen (sonst entsteht entweder Angst oder Langeweile). Ein Zeichen für Flow ist
das Empfinden, daß die Zeit langsamer (oder schneller) verstreicht und man gefeit ist
gegen Ablenkungen. Es ist der effektivste Zustand des Gehirns (die an der Aufgabe betei‐
ligten Bereiche sind äußerst aktiv, alle anderen aber relativ passiv).
G
Geistige Helfer: Auch Geistführer oder geistige Lehrer. Sammelbezeichnung für Wesen,
die – von unterschiedlichen feinstofflichen Ebenen aus – einen Menschen als Freunde
und Ratgeber begleiten. Dabei kann es sich um wohlmeinende Ahnen des Betreffenden
handeln, Geschwister aus seiner Seelenfamilie, andere befreundete Seelen oder Men‐
toren, ein Elementarwesen, seine Dualseele usw. Kommunikation mit ihnen wird oft
als Inspiration aufgefaßt, als rettender Einfall, warnende Stimme, visionärer Traum oder
das Eingreifen des „Schutzengels“. Mit Hilfe von ASW können geistige Helfer wahrge‐
nommen werden, wobei der persönliche Filter eine wesentliche Rolle spielt.
Geisterfalle: Magisch geladene Gegenstände, die für unerwünschte Geister / Energien /
Projektionen eine Art Kerker darstellen. Oft fungiert die Geisterfalle auch als Kanal oder
Eintrittstor, mit dessen Hilfe die unerwünschten Wesen / Energien / Projektionen in
eine andere Ebene („ins Licht“) transportiert werden.
Geistermodell: Das älteste Paradigma der Magie.
Geschichte (mythomagisch): Der innere Kern einer Erzählung (jede Erzählung weist
mythische Elemente auf, wenn man danach sucht). Handlung ist dabei das, was ge
schieht; Geschichte ist das, worum es geht. Das bedeutet: Eine Geschichte kann sich durch
viele verschiedene Handlungen, Genres und Formen (mündliche Wiedergabe, Theater,
Oper, Roman, Film, das Leben eines Menschen…) erzählen (siehe etwa Aschenputtel und
Pretty Woman, Beowulf und Alien, Jesus und E.T. etc.) – doch sobald sich die Geschichte
ändert, muß sich eine neue Handlung ergeben. Mythomagische Praxis besteht deshalb
vielfach darin, die momentane Geschichte eines Menschen, einer Firma, eines Organs,
einer Stadt usw. zu „erlauschen“ und sie durch geeignete Techniken in Übereinstimmung
mit dem freien Willen in eine konstruktivere Richtung zu verändern.
Gewand, magisches: Eine Kleidung, die ausschließlich bei magischen Arbeiten getragen
und nicht gewaschen wird. Sie ist entweder a) selbst hergestellt (genäht) worden, oder
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b) vererbt / geschenkt worden beziehungsweise durch ähnliche Bedeutung aufgeladen,
und / oder c) durch langjähriges Tragen intensiv mit dem Magier verbunden.
Gottesformen: „Ganzkörpermudras“, die den stilisierten bildhaften Darstellungen von
Gottheiten nachempfunden sind, um deren archetypische Attribute und Energien in ei‐
nen Zauber, ein Ritual etc. einfließen zu lassen.
H
Hellfühlen: Das „Bauchgefühl“ des Volksmundes, geht oft auch einher mit mehr oder
weniger starken körperlichen Empfindungen. Der körperliche Wahrnehmungsbereich
dieses medialen Sinnes ist der Solarplexus (vom oberen Teil des Zwerchfells bis direkt
unter den Nabel).
Hellhören: Akustische Wahrnehmung außerhalb der Reichweite der physischen Ohren.
Der körperliche Wahrnehmungsbereich dieses medialen Sinnes liegt auf beiden Seiten
des Kopfes, direkt über den Ohren (das ist die Gegend der Schläfenlappen des Gehirns).
Hellsehen: Auch Clairvoyance. Optische Wahrnehmung außerhalb der Reichweite der
physischen Augen. Taucht als inneres Bild, Vorstellung, Traum, visuelle Vorahnung, Visi‐
on o. ä. auf. Der körperliche Wahrnehmungsbereich dieses medialen Sinnes ist das „drit‐
te Auge“ (in etwa das sechste Chakra oder Hypophyse / Hirnanhangdrüse).
Höheres Selbst: Oft auch göttlicher Funke. Die direkte Verbindung des Menschen zu
seinem Ursprung. Die Bezeichnung „höheres Selbst“ beinhaltet einen übergeordneten,
emotionslosen, nicht verurteilenden Standpunkt, der die großen Zusammenhänge des
Lebens überblickt und um die individuelle Bestimmung weiß.
Hyperventilation: Kräftiges, flaches, sehr schnelles Schnaufen, bei dem das Gehirn mit
einem außergewöhnlichen Sauerstoffanteil versorgt wird, was magische Trance ver‐
stärkt.
Hypnose: Das absichtliche und zielgerichtete Nutzen der sinnesunabhängigen (bildhaf‐
ten) Erlebnisfähigkeit des Menschen. (Definition nach Andreas Winter.)
I
Imagination: Auch Visualisieren. Das gezielte geistige Herbeirufen so vieler (meist ei‐
nander entsprechender und zu einem konzentrationsfördernden Zweck dienlicher) sen‐
sorischer Eindrücke wie möglich (innere Bilder, Töne, Gerüche, Tast‐ und Geschmacks‐
empfindungen) sowie folgender Assoziationen.
Informationsmodell: Das modernste Paradigma der Magie.
Intuition: Innere Gewißheit, die von keinem äußeren Reiz abhängt. Der körperliche
Wahrnehmungsbereich dieses medialen Sinnes befindet sich am oberen Teil des Kopfes
und dem Bereich darüber (hilfreich ist die Vorstellung eines offenen Trichters, der vom
Zentrum des Gehirns ausgeht – dem Corpus Callosum, jenem Nervenstrang, der die bei‐
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den Gehirnhälften miteinander verbindet – und sich von dort aufwärts erstreckt, wobei
er um so weiter wird, je weiter er sich über den Kopf erhebt).
Invokation: Anrufung und Hineinrufen einer Entität in den Körper des Magiers, z. B.
durch Gebet, Gottesformen u. Ä., etwa zum Erkenntnisgewinn, der zeitweisen „Verei‐
nigung“ oder zum Channeling.
J
K
Kondensator: Auch Akkumulator. Flüssige oder feststoffliche (selten auch luftförmige)
Substanz, die wie ein elektrischer Kondensator als Speichermedium bestimmter Ener‐
gien verstanden wird. Oft sind damit die feinstofflichen Energien der Elemente Erde,
Wasser, Luft, Feuer, Äther gemeint. Traditionelle Kondensatoren sind Gold, Harze, Kräu‐
terextrakte, Blut, Sperma, Räuchermischungen, etc. Bei aus mehreren Bestandteilen zu‐
sammengesetzten Kondensatoren werden die einzelnen Bestandteile gern pulverisiert
und gut miteinander vermengt, um auf den zu ladenden Gegenstand gesiebt zu werden,
nachdem dieser mit farblosem Lack bestrichen wurde; danach wird das Ganze zum
Trocknen beiseite gelegt. Das Pulver kann aber auch in eine Höhlung des Gegenstandes
eingefüllt werden.
Korrespondenzen: Energetische Entsprechungen. Beispielsweise entspricht die Ener‐
gie des (astrologischen) Mars auf der Ebene der Metalle dem Eisen und auf derjenige der
Farben dem Rot; sie wird dem Dienstag, der Note C, dem Rubin, dem Daumen usw. zu‐
geordnet.
Kristallmagie: Anwendung der grundsätzlichen Fähigkeit insbesondere ungeschliffener
Bergkristall‐Spitzen, jedwede Energie aufnehmen, verstärken und weiterleiten zu kön‐
nen. Aus diesem Grund eignen sie sich ideal für magische Arbeiten im Energiemodell,
aber auch als Projektionsfläche und / oder Konzentrationshilfe, etwa bei ASW, Medita‐
tionsobjekt, Geisterfalle, Kommunikationshilfe (speziell bei Elementarwesen), uvm.
Kybermagie: Eine der modernsten Ausformungen der Magie. Gearbeitet wird aus‐
schließlich im Informationsmodell. Sie wird v. a. eingesetzt zum Übertragen des In‐
halts von Wissensspeichern (Fremdsprachen, Fachwissen, Erfahrung), Energieschalt‐
kreisen (Energieleitbefehle bei Heil‐ und Beeinflussungszaubern) und zur Selbstbeeinf‐
lussung (Aktivierung von „Blitz‐Willenssätzen“). Die Technik der Informationsübertra‐
gung verläuft dabei nach folgendem Schema:
Aktivierung von Rückenmark und Hirn des Senders („Golfschlägerchakra“) – durch menta‐
len Befehl wird der Hauptdatenspeicher des Organismus aktiviert.
Abrufbefehl – die gewünschten Daten werden mental benannt, ohne jede weitere Imagi‐
nation.
Senden – die aufgerufenen Informationen werden ins Scheitelchakra geleitet und von
dort mit einem mentalen Sendebefehl quasi „abgeschossen“.
Empfang – der Empfang wird, wenn überhaupt, ganz ähnlich empfunden wie das Senden.
Aktivierung der empfangenen Information – die Verarbeitung empfangener Informatio‐
nen erfolgt zunächst automatisch und wird meist in der Wirbelsäule wahrgenommen; es
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fühlt sich oft so an, als „habe man diese vor ganz langer Zeit schon einmal gelernt“ und
wird durch entsprechende Kontextualisierung aktiviert (z. B. bei empfangenen Fremd‐
sprachenkenntnissen bei einer Reise in das entsprechende Land). Ein großer Teil der
empfangenen Informationen offenbart sich auf subtile Weise auch erst nach und nach.
L
M
Magie: Die Kunst und die Wissenschaft, mit Hilfe veränderter Bewußtseinszustände
im Einklang mit seiner Bestimmung Veränderungen in der geistigen und (dadurch)
stofflichen Welt herbeizuführen. Zu welchem Zweck sie eingesetzt wird, entscheidet der
Magier, Magie an sich ist neutral.
Magiesystem: Ein in sich geschlossenes Modell der Magie mit eigenen philosophischen
Vorstellungen und typischen Ausprägungen. Beispiele sind: die Ägyptische Magie, Dees
und Kellys Henochischer Kult, die Abendländische Magie und der Golden Dawn, Crow‐
leys Magick, Spares Zos Kia, das Wiccatum u.v.a. Auch die Mythomagie stellt ein eigenes
magisches System dar.
Magis: Bezeichung für die magisch wirksame Kraft. Ähnliche Bezeichnungen sind Vril,
Od, Orgon, Mana (und mit Einschränkungen auch Prana, Chi, Qi, Ki).
Mantra: Heilige Silbe(nfolge), eine kurze Wortfolge, die repetativ rezitiert wird. Dies
kann entweder flüsternd, singend oder in Gedanken geschehen. Das Rezitieren eines
Mantras dient meist dem Freisetzen mentaler Energie. Auch als Beschwörungsformeln
sind Mantras in Gebrauch.
Medium: Jemand, der sich beispielweise das Channeling zunutze macht. (Manchmal
auch: Jemand, der in einer spiritistischen Sitzung / Séance, meist unter Zuhilfenahme
von Hilfsmitteln wie beispielsweise dem Ouija‐Brett, Kontakt zu Verstorbenen oder an‐
deren geistigen Wesen aufnimmt und mit ihnen kommuniziert.)
Medizin (schamanisch): Alles, was die Power, die Kraft, in sich trägt, heilsam zu wirken
(auf welche Weise, ist durch das jeweilige magische Paradigma definiert). Es kann also
nicht nur ein Gegenstand Medizin haben, sondern auch eine Person ihre ganz eigene
Medizin in die Gemeinschaft einbringen, jede Gottheit kann einen an ihrer Medizin teil‐
haben lassen, jedes Krafttier steht für eine bestimmte Art von Medizin usw.
Mudra: Symbolisch aufgeladene Handgeste von einfacher bis sehr komplexer Form mit
magischer Funktion (Reinigung, Heilung, Schutz, Verstärkung des Energieflusses oder
generell spezieller Energien).
Mythos (mythomagisch): Welterklärung in Form von Erzählungen mit archetypi‐
schen Figuren und Dramaturgien. Spiegel des menschlichen Geistes und Metapher, die
ihm als „Landkarte“ / Wegweiser dient und dem Leben Bedeutung verleiht. Auch: die
Summe der Geschichten eines Menschen zu einem bestimmten Lebensbereich (sog.
„alter Mythos“ oder „neuer Mythos“).
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N
Naturmagie: Magische Richtung, die aus einer religiösen Haltung erwächst, welche die
Natur (Flüsse, Seen, Bäume, Tiere, Sonne, Mond und Sterne) ekstatisch verehrt. Verwen‐
det werden Pflanzen, Tiere und Mineralien sowie Naturphänomene (z. B. Mondphasen,
Gewitter). Eine der Ausdrucksformen schamanistischer Magie. Naturmagie wird aber
auch in diversen (neu)heidnischen rituellen Gruppen oder Hexenkreisen praktiziert und
/ oder wieder neu belebt, meist in Form sympathiemagischer Methoden.
Nullpunkt: Die normalerweise äußerst kurze Phase zwischen Wachbewußtsein und
Schlaf. Tritt ein kurz vor dem Einschlafen und kurz vor dem Aufwachen. Dieser Über‐
gang ist gekennzeichnet durch uneindeutige Ausrichtung des Bewußtseins, immer
schwächere Identifizierung mit dem Körper, das Einfließen von Traumbildern in die
Wahrnehmung und deren Vermischung mit Erinnerungen. Zustand extremer Freiheit
und Ruhe, des friedlichen Daseins, alles Mögliche könnte geschehen. Durch Übung kann
diese Phase verlängert und bewußt magisch genutzt werden – denn Absichten, Bilder,
Gefühle usw. haben dort einen wesentlich stärkeren Einfluß auf das Leben als norma‐
lerweise. Im Nullpunkt ausgerichtete Intentionen wirken umfassend und nachdrücklich.
O
Öffnen des Schleiers: Die Ausführung einer bestimmten magischen Geste – dabei stellt
man sich vor, man würde mit ausgestreckten, geschlossenen Armen (die Handflächen
zeigen dabei nach außen) einen zweigeteilten Vorhang in der Mitte öffnen und beiseite
schieben.
Opfer: Von lat. sacrificium, „heilig machen“. Das Darbringen von für den Magier wertvol‐
len Gütern / Lebewesen an eine „höhere“ Macht (Ahnen, geistige Helfer, Götter…). Tradi‐
tionellerweise wird oft unterschieden zwischen Sühneopfer, Bittopfer, Dankopfer und
Lobopfer. Der Hintergrund ist die starke energetische Verbindung, die dabei zwischen
dem Magier und der jeweiligen Macht entsteht. Neben herkömmlichen Opfern wie Räu
cherwerk, Statussymbole, Geld, Waffen sind hierbei besonders wichtig: Speisen und Ge
tränke, heilige Pflanzen (Hier ist es häufig so, daß ein Teil des Opfers einem Element
überantwortet wird – auf die Erde oder ins Wasser gegossen, in den Wind gestreut, ver‐
brannt –, um danach den restlichen Teil des Opfers feierlich zu verzehren); Körperflüs
sigkeiten („Blut, Schweiß und Tränen“ sowie alle anderen Körperflüssigkeiten zählen zu
besonders effektiven Opfern, da sich von sich aus mit der Energie des Magiers aufgela‐
den sind – um so mehr, wenn sie im Rahmen eines Rituals dargebracht werden, da in
ihnen dann die Kraft der jeweiligen Zeremonie steckt. Achtung: Insbesondere bei Blut‐
opfern und ‐schwüren entsteht eine äußerst intensive Bindung!); Gelübde (Das Com‐
mitment, für eine bestimmte Zeit – traditionellerweise 21 oder 40 Tage bzw. nach intui‐
tiver „Vorgabe“ – auf etwas zu verzichten oder eine bestimmte Handlungsweise an den
Tag zu legen, erzeugt eine gezielte Energetisierung, die für unterschiedliche Absichten ein‐
gesetzt werden kann, z. B. Reinigung, Dank, Visualisierung, Reue, Aneignung von Fähigkei‐
ten etc.).
Orakel: Die Qualität des Augenblicks nutzende Methode, durch ein divinatorisches, be‐
wußt nicht beeinflußbares, „zufälliges“ System (z. B. ein frisch gemischter Stapel Karten,
eine blind gezogene Rune, aber auch eine geworfene Münze) eine Antwort auf eine vor‐
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her gestellte Frage zu bekommen, wobei den einzelnen Komponenten des Systems tradi‐
tionellerweise bestimmte Bedeutungen / Aussagen / Prinzipien zugeordnet werden.
Eine spielerische Technik, um Zugang zum Wissen des Unbewußten zu finden. Orakel
ermöglichen es, die Zukunft bewußter zu gestalten – nicht notwendigerweise, sie vor
herzusehen.
P
Paradigmen der Magie: Das Phänomen der Magie erklärende Weltbilder, die, chrono‐
logisch nach ihrer Entstehungsgeschichte geordnet, Geister, Energie, Psychologisches
und Informationsmodell genannt werden. Alle weisen Vor‐ und Nachteile auf, überlappen
sich auch fließend und werden innerhalb der Mythomagie im Rahmen eines Meta
Modells gesehen, das in diesen vier keinen Widerspruch sieht – je nach Erfordernis und
Vorliebe des Magiers bewegt er sich in einem dieser Paradigmen.
Prinzip von Sein, Haben und Tun: Axiom des Manifestierens einer Energie. Durch
Ausrichten des Fokus der bewußten Wahrnehmung auf einen und Wahl eines bestimm‐
ten Seinszustandes ergibt sich ein „organischer“ Prozeß, der durch das Festhalten an der
ursprünglichen Wahl trotz widriger Umstände („Kontrastprogramm“) die Erfahrung
ermöglicht, das auch zu haben und es im Tun des Alltags dann zu erleben.
PsiFähigkeiten: Phänomene wie Telepathie, Telekinese, Teleportation, Radiästhesie,
Prophetie, Psychometrie, Geistheilung oder Remote Viewing werden unter dieser Be‐
zeichnung der parapsychologischen Forschung subsumiert.
Psychogon: Auch Egregor(e). Magisches Kunstgeschöpf, das vor allem auf astraler Basis
tätig wird und allenfalls durch seine materielle Basis an die grobstoffliche Ebene gebun‐
den ist. Entsteht durch bewußten magischen Akt (z. B. bei manchen Geheimbünden als
Gruppen‐Egregor), durch kollektive Identifikation (z. B. Clan‐, Wappen‐ und Nationaltie‐
re) oder durch wiederholte unbewußte kollektive Projektion einer bestimmten Vorstel‐
lung (z. B. Weihnachtsmann, Superman, etc.) bzw. wird durch diese Möglichkeiten auch
genährt und gestärkt.
Psychologisches Modell: Das zweitjüngste Paradigma der Magie.
Q
R
Realität: Ein verdichteter Ausschnitt der Wirklichkeit, deren Großteil vom Alltagsbe‐
wußtsein ausgefiltert wird. Das materielle Universum, das mit den fünf körperlichen
Sinnen wahrgenommen wird plus jene Bereiche der feinstofflichen Welt, die mit ASW
wahrgenommen werden. Man könnte sagen, ein Aspekt des Unendlichen Bewußtseins
identifiziert sich mit jenem kleinen Segment der Wirklichkeit namens Realität so sehr,
daß er seine Erfahrung vornehmlich darauf beschränkt: „Er“ erlebt „sich“ als Mensch auf
dem Planeten Erde zu einer bestimmten, als linear empfundenen, Zeitspanne. – Mithin
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ist etwa das Universum einer Comic‐Saga nicht unbedingt gleich „real“ wie die physische
Alltagswelt, aber nichtsdestotrotz genau so „wirklich“.
Remote Viewing: Fernwahrnehmung. Bislang einzige wissenschaftlich einigermaßen
anerkannte Psi‐Fähigkeit; wird beispielsweise eingesetzt, um vermißte Personen, Bo‐
denschätze oder Verbrecher aufzuspüren, aber auch zur Spionage.
Ritual (eingeschränkte Definition): Die bewußte und zielgerichtete Kombination
möglichst vieler sinnlich erfahrbarer Verdichtungen von Energien im magischen Akt,
um spezielle Effekte zu erzielen.
S
Seelenfamilie: All jene Bewußtseinsfunken, die sich zum selben „Zeitpunkt“ von der
Quelle ablösen.
Schamanismus: Archaische „Urreligion“ universalen Charakters, das heißt mit global
beobachtbaren übereinstimmenden Phänomenen, wie der Einteilung des Kosmos in
mehrere (meist drei) Welten, die vom Schamanen durch Trance‐ und Ekstasetechni‐
ken „bereist“ werden können, um dort Kontakt zu Entitäten aufzunehmen, Hilfestel‐
lung, Weisheit, Prophezeiungen und Heilungsmöglichkeiten für die Gemeinschaft zu fin‐
den.
Schließen des Schleiers: Vgl. Öffnen des Schleiers. Die Ausführung einer bestimmten
magischen Geste – dabei stellt man sich vor, man würde mit geöffneten ausgestreckten
Armen (die Handflächen zeigen dabei nach innen) einen Vorhang wieder schließen.
Schutz: Die magisch beeinflußte Konzentration des Magiers auf seine Mitte; dient der
gesteigerten Sorgfalt, der Fernhaltung unerwünschter Energien, dem Aussondern von
Überflüssigem, sodaß sich nur einmischen kann, was ausdrücklich gerufen wurde. Die
(durch unterschiedliche Techniken und Imaginationen hervorgerufene) symbolische
Bestätigung des individuellen Kosmos des Magiers, in dem er allmächtig ist.
Schweigen: Einer der 4 Grundpfeiler der Magie (vgl. jeweils dort: „Wissen – Wollen –
Wagen – Schweigen“). Das Stillschweigen über die eigenen magischen Aktivitäten, um
sie nicht zu zerreden, bevor sie zu wirken beginnen und zum persönlichen Schutz.
Sigil: Auch Sigille. Eine durch die sog. Wort‐, Bild‐ oder mantrische Methode abstrahier‐
te graphische Darstellung eines Willenssatzes, traditionellerweise spasmisch ins Unter‐
bewußtsein geladen, (meistens) durch Lachen gebannt und durch Ablenkung vergessen.
Sigillen entfalten ihre magische Wirkung im Idealfall schon nach wenigen Minuten oder
Stunden.
Symbolmatrix: Magisches Bezugssystem. Entsprechend dem Denken in Analogien und
Korrespondenzen ein in sich geschlossenes Modell, das einen bestimmten Erfahrungs‐
bereich strukturiert‐übersichtlich erfaßt. Dieser Bereich kann dabei vom Mikrokosmi‐
schen zum Makrokosmischen reichen, von grundlegenden Informationen in unseren
Zellen über menschliche Charakterzüge und Verhaltensweisen bis hin zur Kosmologie.
Aus diesem Grund kann eine Symbolmatrix sowohl als „Portal“ benutzt werden, um in
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den entsprechenden Erfahrungsbereich einzutreten, als sich dort auch wie mit einer
„Landkarte“ zurechtzufinden.
Sympathiemagie: Das Anwenden des Prinzips der Korrespondenzen, der magischen
Philosophie, daß ähnliche Dinge zusammenhängen und aufeinander wirken. So kann
etwa durch die Manipulation einer Puppe, in die ein Fingernagel, ein Haar, ein Foto etc.
eines Menschen eingearbeitet wurde, dieser beeinflußt werden.
Synchronizität: Phänomen, bei dem ein äußeres Ereignis relativ zeitnah auf ein inneres
Ereignis (z. B. Idee, Erkenntnis, Traum, Vision, Emotion) folgt, wobei das äußere Ereignis
wie eine manifestierte Spiegelung, quasi eine Antwort auf den inneren Zustand wirkt. Es
existiert für den Beobachter also eine sinnhafte Verbindung zwischen den beiden Ereig‐
nissen, obwohl dabei keine kausale Beziehung festgestellt werden kann. So kann bei‐
spielsweise ein gehäuftes, synchronistisches Auftreten von Omen o. Ä. als Hinweis einer
höheren Macht gedeutet werden, als Botschaft von Entitäten oder dem höheren
Selbst, als Bestätigung für magischen Erfolg etc.
T
Talisman: Ein magisch geladener Gegenstand zur Erreichung eines bestimmten Zwecks
oder Ziels. Ein Talisman ist „für etwas“. Vgl. auch Amulett und Fetisch.
Tempelschlaf: Der hypnotischen Trance vergleichbarer, der spirituellen Heilung
dienender Bewußtseinszustand an einem geweihten Ort. Meist geht dem Tempelschlaf
eine Zeit der rituellen Reinigung voraus (Fasten, Beten, Opfer). Ziel des (je nach Kult
unterschiedlich lange dauernden) Tempelschlafs kann die Begegnung mit einer Gottheit
sein, die Ergründung von Wissen, Initiation ( Einweihung) o. Ä.
Trance: Veränderter Bewußtseinszustand.
Der Gehalt an Streßhormonen wie Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol im Blut ist dabei verringert, der
Blutdruck sackt ab und der Puls erhöht sich. Die Medizin spricht von einem „paradoxen Erregungszustand“,
weil der Körper diese Prozesse sonst nur in lebensbedrohenden Krisen wie hohem Blutverlust entwickelt.
Auch die Wissenschaft erkennt heute an, daß Halluzinogene ebenso wie Fasten, Abgeschiedenheit, Schlaf‐
entzug, monotone Reize oder die konzentrierte Aufmerksamkeit zu ähnlichen Ergebnissen führen. […] Bei
Trancezuständen kommt es zu einer Veränderung des Denkens mit subjektiven Konzentrationsstörungen
oder dem Gefühl, klarer und schneller zu denken als sonst. Tiefe Entspannung, ein „Sich‐gehen‐lassen“, ist
oft zu beobachten. Widersprüche bestehen konfliktfrei nebeneinander. Es herrscht eine Art „Zeitlosigkeit“,
das Körperschema verändert sich, Empfindungen zu fliegen oder zu zerfließen werden beschrieben. Ein Ge‐
fühl des Verlustes der Selbstkontrolle tritt auf. Die Stimmungen schwanken stark und sind durch intensive
Emotionalität gekennzeichnet. Es kommt zu einer Auflösung der „Subjekt‐Objekt‐Grenze“ und somit zu ei‐
nem Einswerden des Ichs mit der Umwelt.91
Grundsätzlich werden in der Magie – je nach Bedarf – zwei Formen der Trance herge‐
stellt:
91 Sylvia Koch‐Weser und Geseko v. Lüpke, Vision Quest, Ariston, Kreuzlingen · München 2000, S. 239f.
Zum Thema vgl. auch http://de.wikipedia.org/wiki/Bewu%C3%9Ftseinszustand, 24. 3. 2009
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Dämpfungstrance Erregungstrance
• Todeshaltung von A. O. Spare • sexuelle Erregung
• magische Trance auslösende Konzentration auf • starke Emotionen wie Wut, Furcht, Entsetzen
Gegenstände, auf Bilder, auf Klänge (meist → • Schmerzfolter
Mantras) • Flagellation
• Schlafentzug • Tanzen, Trommeln, Singsang
• Fasten • magisches Gehen
• Erschöpfung • erregende oder enthemmende Drogen
• Starren • milde Halluzinogene
• hypnotische oder tranceinduzierende Drogen • → Hyperventilation
• sensorische Deprivation (Entzug der Sinnesreize) • Reizüberflutung
In Trance können z. B. magische Anweisungen dem Unbewußten eingeprägt werden, die
dort ohne das Zutun des Verstandes umgesetzt werden.
U
Unschärferelation, magische: Der Grad des magischen Erfolgs verhält sich umgekehrt
proportional zum Grad der (rationalistischen) Präzisierung der beim magischen Akt
verwendeten Formel. (Beispiel: Je unpräziser die Aussage eines Orakels, umso höher
seine Trefferwahrscheinlichkeit. Je präziser seine Aussage, umso geringer seine Tref‐
ferwahrscheinlichkeit.)
V
Volksmagie: Die Magie des „einfachen Volkes“, die mit wenig Aufwand und Gegenstän‐
den des Alltags auskommt. Einfache sympathiemagische Zauber werden z. B. gewirkt
mit Kerzen, Knoten oder Wachs; zum Repertoire der Volksmagie zählen aber auch Se‐
gen, Flüche, Mudras, Exorzismen uvm. Deutliche Überschneidungen mit der Na‐
turmagie.
W
Waffen, magische: Auch Paraphernalia. Magische Gerätschaften sind zunächst einmal
reine Symbolhilfen, um den Geist des Magiers in einen bestimmten Bewußtseinszu‐
stand zu bringen. Indem er sein Universum äußerlich wie innerlich durch Symbole
strukturiert, setzt er „Bewußtseinsanker“. Die Projektion eines Teils seiner selbst auf
einen Gegenstand soll so total wie möglich sein, wenn sie Eigendynamik entwickeln und
im gewünschten Sinne wirksam werden soll – ohne daß der Magier so abhängig von den
Paraphernalia wird, daß er ohne sie handlungsunfähig wäre. Die Unabhängigkeit von
magischen Werkzeugen wird in der Regel dadurch erlangt, daß der Magier so lange mit
ihnen arbeitet, bis er sie wieder so weit verinnerlicht hat, daß sie auch auf der astralen
Ebene völlig real existieren („Technik der Leeren Hand“).
Wagen: Einer der 4 Grundpfeiler der Magie (vgl. jeweils dort: „Wissen – Wollen – Wa‐
gen – Schweigen“). Der Mut, sein Wollen auch Wirklichkeit werden zu lassen.
Wirklichkeit: Das non‐duale, Unendliche Bewußtsein, das All‐Eine, das sich in ver‐
schiedenen Dichtegraden manifestiert (so wie Eis, Wasser und Dampf verschiedene Ma‐
nifestationen derselben Energie sind) und buchstäblich alle möglichen Zustände an
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allen möglichen Orten (Stichwort parallele Dimensionen) und auch noch in bezug auf
alle anderen möglichen Gesichtspunkte seiner selbst annehmen kann. Einzelne Segmen‐
te davon sind einzelne Realitäten. Daraus ergibt sich ein Raum unendlich vieler Va‐
rianten oder Möglichkeiten, innerhalb dessen sich ein Aspekt dieses Unendlichen Be‐
wußtseins (der sich z. B. als einzelner Mensch empfindet) ausdrücken kann. Was er er‐
fahren möchte, definiert er durch seine Bestimmung.
Wissen: Einer der 4 Grundpfeiler der Magie (vgl. jeweils dort: „Wissen – Wollen – Wa‐
gen – Schweigen“). Umfaßt die intellektuelle Vorbereitung der magischen Arbeit, die
grundlegende Beherrschung der Prinzipien und Techniken der Magie, die Kenntnis der
eigenen Glaubenssysteme und Symbolmatrices.
Winkeltradition: Die deutlich konservativere, traditionalistischere Richtung in der Ma‐
gie; besonders verbreitet in „patriarchal“ strukturierten Orden. Zeichnet sich durch rigi‐
de, oft minutiös ausgearbeitete, „unumstößliche“ Rituale (und ebensolches Denken) aus.
(Vgl. Zirkeltradtion.)
Wollen: Einer der 4 Grundpfeiler der Magie (vgl. jeweils dort: „Wissen – Wollen – Wa‐
gen – Schweigen“). Die persönliche Verbindlichkeit, Magie zu betreiben, seiner Be‐
stimmung zu folgen und seine magischen Fähigkeiten zu verbessern. Zeichnet sich aus
durch die Bereitschaft, dafür auch schwierige Situationen zu meistern und Unbequem‐
lichkeiten auf sich zu nehmen.
X
Y
Z
Zauberei: Die Manipulation symbolischer Objekte um eines magischen Effekts willen.
Zirkeltradition: Die eindeutig progressivere, unbekümmerte Richtung in der Magie;
zeichnet sich durch hohen Anspruch an Individualität sowie hohe Anforderungen an das
Wissen um Bezugssysteme beziehungsweise Fähigkeit zur Improvisation aus. (Vgl.
Winkeltradition.)
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Autor
Ich möchte an dieser Stelle weniger biographische Details berücksichtigen – wer sich
dafür interessiert, sei auf meine Homepage www.bernhardreicher.at verwiesen –, son‐
dern anhand mythomagischer Korrespondenzen Aufschluß geben über mein Wesen.
Astrologisch
Geboren wurde ich am 19. Februar 1976, bin also vom Tag her Wassermann, jedoch von
der Uhrzeit her schon Fisch – und bei meinem Aszendenten ist's noch knapper: um eine
halbe Minute nicht mehr Jungfrau, sondern gerade noch Löwe. Auf die Sekunde genau
gerechnet bin ich also Fisch / Löwe, sehe mich aber in beiden Fällen als Grenzgänger.
Krafttiere
Die heilige Geometrie der Fibonacci‐Sequenz ruft mir ins Gedächtnis, die Dinge mit
Leichtigkeit zu betrachten und mich daran zu erinnern, daß sich alles harmonisch fügt –
etwas, das mir meine geistigen Helfer ebenso ständig vermitteln wie drei meiner wich‐
tigsten Krafttiere: Bär, Puma und Luchs.
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Bär verbringt den Winter in seiner Höhle und träumt vom Großen Geist. Er ist der Hüter
und Bewahrer der bildhaften neuen Ideen. Sein Platz der Kraft ist die Traumhütte, der
Ort des inneren Wissens, wo der Tod der Illusion physischer Realität zusammenfällt mit
der Ewigkeit. Von dort kommt der Rat der Geister.
Menschen mit Bärenmedizin, sagt man, brauchen viel Schlaf. Sie lieben ein warmes und
gemütliches Heim. Sie sind selbstgenügsam und stehen lieber auf eigenen Beinen als von
anderen abhängig zu sein. Zu ihren Stärken gehören Introspektion und Weisheit, die
Fähigkeit des Umgangs mit Einsamkeit, Tod und Wiedergeburt, Transformation und Hei‐
lung, Astralreisen, die Kommunikation mit den Geistern und Wesen der Träume. Bären‐
menschen sind die geborenen Propheten, Schamanen und Mystiker.
Bär spricht überlegt aus ihnen, nachdem er alle verfügbaren Informationen begutachtet
und sie an einem ruhigen Ort verarbeitet hat. Bär ist jemand, der sagt: „Ich muß in Ruhe
darüber nachdenken. Ich melde mich wieder.“ Man kann sich auf das verlassen, was er
sagt. Doch obwohl er schwerfällig und langsam wirkt, ist er ein grimmiger Krieger – er
ist schwer zu erzürnen, doch einmal provoziert, kann seine Wut verheerend sein. Dann
ist er blitzschnell. Bär trägt die Einladung, ihn in das Schweigen der Traumhütte zu be‐
gleiten, wo Visionen zu konkreten Realitäten werden. Das ist die Stärke des Bären.
Puma ist derjenige, der hundertprozentig zu seinen Überzeugungen steht und andere
dorthin führen kann, daß sie ebenfalls für ihre Grundsätze einstehen. Machtmißbrauch
deckt er schonungslos auf.
Menschen mit der Power von Puma werden von ihrem ausgeprägten Verantwortungs‐
bewußtsein oft dazu gebracht, dann einzuspringen, wenn andere nicht (mehr) können
oder sich nicht trauen – selbst dann, wenn eine Situation schon aussichtslos ist. Dadurch
werden sie auch immer wieder zum Sündenbock gemacht oder es wird Ihnen der letztli‐
che Fehlschlag vorgeworfen. Ihre leidenschaftliche Kompromißlosigkeit und Konse‐
quenz machen es ihnen schwer, menschlich oder verletzlich zu sein.
Puma ist verbindlich und sagt immer die Wahrheit. Er verweigert sich der Unsicherheit,
sowohl bei sich als auch bei anderen. Er fordert dazu auf, die eigene Macht anzuerken‐
nen und zu nutzen! Puma brüllt mit Macht und lacht brüllend, um die Medizin im Gleich‐
gewicht zu halten.
Luchs ist der Träger von Geheimnissen und okkultem Wissen. Frei und hellsichtig be‐
wegt er sich im Mysterium. Er beobachtet. Er hört zu. Man kann ihm seine Kenntnisse
abluchsen, aber das hat seinen Preis: Er weiß um Dinge, die man am liebsten vor sich
selbst verborgen halten möchte.
Luchsmenschen sehen die Ängste, die Lügen und den Selbstbetrug anderer – aber auch,
wo deren Schatz liegt. Sie sprechen nicht darüber… außer wenn sie gefragt werden. Und
sie erwarten, daß ihre Traditionen und Eigenheiten respektiert werden.
Luchs kann einem Dinge über sich selbst und seine eigene Macht beibringen, die man
vergessen geglaubt hatte: in Form von Omen, Offenbarungen, Bildern, Geräuschen. Das
in ihn gesetzte Vertrauen bricht man dabei besser nicht, sonst ist er sofort wieder ver‐
schwunden – und lächelt darüber, wie man vergeblich mit seinen Bruchstücken an In‐
formation kämpft. Denn die Medizin von Luchs ist die des Rätsels.
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Tattoos
Die Tattoos auf meinem Körper beschreiben meine Erfahrungen, Charakterzüge und
Werte. – Auf meinem Rücken befinden sich drei Tattoos:
Das unterste Symbol ist geheim. Es ist eine Sigille, deren komplexe Bedeutung nur ich
kenne.
Den mittleren Kreis nenne ich „Herz der
Welten“. Es ist eine Weiterentwicklung der
vesica pisces, die für mich die Überschnei‐
dung und Durchdringung zweier Welten
versinnbildlicht. Als schönste Darstellung dieses Symbols
empfinde ich die Verzierung des Brunnendeckels der Cha‐
lice Well in Glastonbury, wo sich der keltischen Überliefe‐
rung nach einer der heiligsten jener Plätze befindet, an
dem sich unsere Welt und die Anderswelt berühren:
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Das Herz der Welten stellt für mich die Über‐
schneidung nicht nur zweier, sondern vieler
verschiedener Welten dar, die sich alle in ei‐
nem einzigen Punkt treffen.
In meinem Leben habe ich viele Traditionen,
Anschauungen, Techniken und Vorstellungen
kennengelernt. Die Kombination von sowohl
außergewöhnlicher spiritueller als auch küns‐
tlerischer Begabung schlägt sich bei mir schon
mindestens in vierter Generation in direkter
(der mütterlichen) Linie meiner Familie nie‐
der: Meine Urgroßmutter war ein „Kräuterweibl“ und eine begabte Zitherspielerin, die
ihr (wohl auch schon länger weitergegebenes) Hexenbüchlein an ihren Sohn vererbte,
meinen Großvater. Er beschäftigte sich sein ganzes Leben lang mit ungewöhnlichen
Phänomenen und Magie, konnte unsere Schafe hypnotisieren und war äußerst talentiert
als Zeichner, Schnitzer und Musiker (unter anderem konnte er zwei Instrumente gleich‐
zeitig spielen). Seine Tochter, meine Mutter, ist eine hervorragende Pädagogin und Em‐
pathin. Sie malt, musiziert und dichtet. Bei mir zeigt sich die kreative Seite vor allem im
Schreiben, Schauspielen und Erzählen, noch deutlicher aber eben die spirituelle:
Seit meiner Kindheit habe ich immer wieder außerkörperliche Erfahrungen und mystische
Einheitserlebnisse gehabt. Ich habe über mehrere Jahre regelmäßig alte Heilquellen aufge
sucht und erlebte Visionen an keltischen Kraftplätzen. Ich habe mit Medien und Hellsehern
aus dem In und Ausland meditiert und EnergieArbeit verrichtet.
Ich habe mit Maha Avatar Babaji in seinem Ashram in Nainital Übungen des KriyaYoga
praktiziert und vom 17. Gyalwa Karmapa Taye Dorje der KarmaKagyüSchule des tibeti
schen Buddhismus eine Einweihung auf Milarepa erhalten.
Ich habe unter der Leitung des peruanischen Schamanen Don Pedro an einer Ayahuasca
Zeremonie teilgenommen und bin mehrmals mit John Fire Lame Deer jr., Häuptling und
Medizinmann der SicanguLakota, in der Schwitzhütte gesessen. Der König des Benin, Aaré
Omo Odu Dua, schenkte mir heilige VoodooArzneien.
Ich hatte teil an Heilritualen der Sangomas in Südafrika und an KultHandlungen von Wic
caPriestern und Priesterinnen. Ich habe die FindhornGemeinschaft in Schottland be
sucht, in der Königskammer der Großen Pyramide von Gizeh meditiert, Riten mit Chaos
Magiern durchgeführt, an Zeremonien des Ordo Militia Templi Austria teilgenommen und
den magischen Gebrauch von Runen mit ÁsatrúAnhängern erforscht. Mit Druiden
Schülern habe ich mich über die Verwendung von Orakeln und Heilkräutern ausgetauscht,
mit Theosophen und Anthroposophen über altes Schrifttum und Menschheitsmythen disku
tiert, mit Enthüllungsjournalisten und Geheimdienstlern Fragen der Verschwörungspraxis
erörtert. Mit einem Sufi des MevleviOrdens habe ich universelle Prinzipien der Mystik
besprochen und mit AdvaitaLehrern über den Witz des Lebens gelacht.
Ich kann Wolken auflösen, Löffel verbiegen, channeln und hypnotisieren. Ich habe in eini
gen Fällen große globale Ereignisse vorausgeahnt, schamanische Initiationserlebnisse ge
habt, übe diverse Orakeltechniken aus und kommuniziere mit Geistwesen. Ich habe Spuk
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häuser gereinigt und Exorzismen durchgeführt, ich habe gesehen, wie Kristalle auf einen
Schlag klar wurden, sich in Luft aufgelöst und wieder materialisiert haben. Ich habe Spon
tanheilungen gesehen und an mir selbst erlebt, ich kann mich an eine ParallelDimension
meines eigenen Lebens erinnern. Ich habe Menschen unterrichtet, sie bei spiritueller, psy
chischer und physischer Genesung unterstützt und auf vielfältige Weise inspiriert.
Der Punkt in der Mitte des Symbols, das Herz der Welten, das, wohin alle Wege führen,
ist für mich identisch mit dem, was außerhalb des Symbols ist: der reinen Bewußtheit
des All‐Einen.
Sowohl Labyrinth als auch Ouroboros gehören zu den ältesten Symbolen der Mensch‐
heit. Das Labyrinth ist wie eine Einladung des Lebens: Es lockt mich mit Geheimnis und
Magie, einem zu bergenden Schatz, Tod und Wiedergeburt, Er‐
kenntnis, Abenteuer – und dem Versprechen, daß ich, egal wie der
Weg verläuft, nicht in die Irre gehen kann. Es ist umwunden vom
Ouroboros: Wenn ich mich in der Identifikation mit dem Spiel zu
sehr verlieren sollte, erinnert er mich (manchmal schmerzhaft)
daran, daß alles in diesem Zyklus eins ist. „Das bin ich selbst“
merkt die Schlange, wenn sie sich in den Schwanz beißt. Mein Ou‐
roboros ist eine geflügelte Schlange, ein Drache (ich liebe Dra‐
chen!), der all das träumt, was im Labyrinth geschieht.
– Auf meinen beiden Unterarmen
prangt die Triskele, um mich an das
Prinzip von Sein, Haben und Tun zu
erinnern. Und auf meiner Brust
schließlich lebt ein keltisches Zei‐
chen, das für mich die größte Kraft
und letztlich einzig Wirkliche sym‐
bolisiert: Liebe.
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SPIRITUELLE UNTERSTÜTZUNG
Ich stelle meine Erfahrung als „magischer Reisebegleiter“ gerne zur Verfügung. In re‐
gelmäßigen Abständen in Graz (oder bei Interesse prinzipiell auch im gesamten deutsch‐
und englischsprachigen Raum) finden statt:
Mythomagische Abende
• Unterricht zu Grundprinzipien und Feinheiten der Mythomagie
• Besprechen aktueller Fragen
• Vorstellen konkreter Techniken
• Mythomagische Rituale
Termine unter: www.bernhardreicher.at
Im Lauf der Jahre haben sich einige meiner Spezialgebiete herauskristallisiert; sie kön‐
nen als individuelle Betreuung in Anspruch genommen werden:
Einzelcoaching
• Lebensaufgabe, Bestimmung
• Bewußtmachen destruktiver Konzepte
• Auflösen von hinderlichen Glaubenssätzen
• Unterstützung persönlicher Veränderungen
• Schamanische Grundtechniken
• Basistraining Channeling und außersinnliche Wahrnehmung
Magische Beratung
• Supervision mythomagischer Arbeiten
• Hilfestellungen bei verwirrenden spirituellen Erfahrungen
• Entlassen von Besetzungen, Klären emotionaler Schatten
• Reinigen und Schützen von Räumen, Orten und Spukhäusern
• Orakelmethoden
• Nonduales Bewußtsein
Tarife und Beschreibung meiner Arbeitsweise auf www.selfcoaching.bernhardreicher.at
Alle Angebote sind überkonfessionell und politisch unabhängig. Voraussetzung ist die
Bereitschaft, sich selbst in Frage stellen zu können sowie an sich arbeiten zu wollen. Ich
lehne magische Arbeiten ab, die sich gegen das Wohlbefinden und den freien Willen an‐
derer Menschen richten. Die Arbeit findet in einem geschützten Raum statt, und selbst‐
verständlich gilt Verschwiegenheit. Weder bei magischen Arbeiten noch bei einem Ein‐
zelcoaching wird eine hundertprozentige Wirkung garantiert. Die Verantwortung liegt
vollständig auf Seiten des Klienten / der Klientin, auch für etwaige durch die vermittel‐
ten Techniken auftretende Phänomene. Das während eines Termins vermittelte Wissen
ist rein spiritueller Natur, das der Selbsterforschung, ‐wahrnehmung und ‐entfaltung
dient. Es ersetzt weder einen Besuch beim Arzt, Psychotherapeuten oder Heilpraktiker
noch eine Diagnosestellung und ist keine Therapie im Sinne des Gesetzes, obwohl es die‐
se unterstützen kann. Diese Bedingungen werden durch eine Terminvereinbarung zur
Kenntnis genommen.
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Literaturverzeichnis
Verwendete sowie weiterführende, vertiefende Literatur. Selbstverständlich stimme ich
nicht notwendigerweise jeder Aussage in jedem dieser Titel ausdrücklich zu.
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ders., Der weiße Dominikaner, Buchhandlung Blessing, Bremen 2002
ders., Der Engel vom westlichen Fenster, Buchhandlung Blessing, Bremen 2003
Mike Mignola, Baltimore, or, The Steadfast Tin Soldier and the Vampire, Bantam, New York 2007
Dan Millman, Der Weg des friedvollen Kriegers, Ansata, München 2004
ders., Socrates, Ansata, München 2005
Walter Moers, Die 13½ Leben des Käpt‘n Blaubär, Eichborn, Frankfurt a. Main 1999
ders., Ensel und Krete. Ein Märchen aus Zamonien, Eichborn, Frankfurt a. Main 2000
ders., Wilde Reise durch die Nacht, Eichborn, Frankfurt a. Main 2001
ders., Rumo & Die Wunder im Dunkeln, Eichborn, Frankfurt a. Main 2003
ders., Die Stadt der Träumenden Bücher, Piber, München 2004
ders., Der Schrecksenmeister, Piber, München 2007
Marlo Morgan, Traumfänger, Goldmann Taschenbuch, München 1995
Mikhaïl Naimy, Das Buch des Mirdad, Rozekruis Pers, Haarlem 2000
E. A. Poe, Grube und Pendel und andere Erzählungen, Insel, Frankfurt a. Main 1978
ders., Geschichten aus dem Dunkel, Dr. Riederer‐Verlag, Stuttgart o. J.
James Redfield, Die Prophezeiungen von Celestine, Ullstein, Berlin 2004
ders., Die zehnte Prophezeiung von Celestine, Ullstein, Berlin 2006
Jane Roberts, Überseele Sieben, Goldmann, München 1992
Joanne K. Rowling, Harry Potter and the Philosopher’s Stone, Bloomsbury, London 1997
dies., Harry Potter and the Chamber of Secrets, Bloomsbury, London 1998
dies., Harry Potter and the Prisoner of Azkaban, Bloomsbury, London 1999
dies., Harry Potter and the Goblet of Fire, Bloomsbury, London 2000
dies., Harry Potter and the Order of the Phoenix, Bloomsbury, London 2003
dies., Harry Potter and the Half‐Blood Prince, Bloomsbury, London 2005
dies., Harry Potter and the Deathly Hallows, Bloomsbury, London 2007
Mary Shelley, Frankenstein oder der moderne Prometheus, Bastei Lübbe, Bergisch Gladbach 1994
Robert Silverberg, König Gilgamesch. Roman, Heyne, München 1987
Robert Louis Stevenson, Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde, Diogenes, Zürich 1996
Bram Stoker, Dracula, Insel, Frankfurt a. Main 2004
Mária Szepes, Der Rote Löwe, Heyne, München 2002
John Twelve Hawks, Traveler, Page & Turner / Goldmann, München 2005
Elsa Sophia von Kamphoevener, Anatolische Hirtenerzählungen, rororo, Reinbek 1990
Walter Wangerin, Das Buch von Gott. Die Bibel als Roman, R. Brockhaus Verlag, Wuppertal 1997
T. H. White, Der König auf Camelot. Erstes Buch: Das Schwert im Stein. Zweites Buch: Die Königin von Luft und
Dunkelheit, Hobbit‐Presse / Klett‐Cotta, Stuttgart 1996
ders., Der König auf Camelot. Drittes Buch: Der mißratene Ritter. Viertes Buch: Die Kerze im Wind, Hobbit‐
Presse / Klett‐Cotta, Stuttgart 1996
ders., Das Buch Merlin, Hobbit‐Presse / Klett‐Cotta, Stuttgart 1998
Oscar Wilde, Erzählungen und Märchen, Phaidon, Essen o. J.
Tad Williams, Otherland (Bde. 1‐4), Hobbit‐Presse / Klett‐Cotta, Stuttgart 1998‐2002
Robert A. Wilson mit Robert Shea, The Illuminatus! Trilogy, Robinson, London 1998
… sowie alle Bücher von:
Neil Gaiman, insbesondere
American Gods, Heyne, München 2003
Anansi Boys, Heyne, München 2007
Mythomagie · © 2009 by Bernhard Reicher. Alle Rechte vorbehalten! www.mythomagie.at Seite 86
Der Sternwanderer, Heyne, München 2007
Coraline, HarperTrophy, New York 2004
Neverwhere, Review, London 2005
Smoke and Mirrors, Review, London 2005
Fragile Things, Review, London 2006
The Graveyard Book, HarperCollins, New York 2008
H. P. Lovecraft
Terry Pratchett
J. R. R. Tolkien
Graphic Novels
Für genauere Angaben, insbesondere der Continuity, siehe die „Comics und Graphic Novels“‐Sektion der Buch‐
tips unter dem Menüpunkt „Links“ auf www.bernhardreicher.at. Als absolut empfehlenswert erachte ich neben
einzelnen Titeln hierbei folgende Reihen:
Mike Mignola u. a., Hellboy plus B.U.A.P
Alan Moore u. a., Swamp Thing
Neil Gaiman u. a., The Sandman plus Spin‐Offs
Neil Gaiman u. a., The Books of Magic plus Spin‐Offs
Jamie Delano, Garth Ennis, Warren Ellis, Brian Azzarello, Mike Carey, Andy Diggle u. a., John Constantine ∙ Hellblazer
Mike Carey u. a., Lucifer
Grant Morrison u. a., The Invisibles plus The Filth
Garth Ennis und Steve Dillon, Preacher
Bill Willingham u. a., Fables plus Jack of Fables
Alan Moore, J. H. Williams III und Mick Gray, Promethea
Neo‐Advaita
Diese Sektion ist nicht alphabetisch, sondern in der Reihenfolge geordnet, in der ich empfehle, die Bücher zu lesen:
Werner Siefer und Christian Weber, ICH. Wie wir uns selbst erfinden, Campus, Frankfurt / Main 2006
Alan Cohen, Wiedergefunden!, Lüchow, Freiburg i. Br. 1999
Eckhart Tolle, Jetzt! Die Kraft der Gegenwart, Kamphausen, Bielefeld 2002
ders., Sogar die Sonne wird verglühen (2 CDs), Goldmann / Arkana Audio, München 2003
ders., Torwege zum Jetzt (CD), Goldmann / Arkana Audio, München 2004
ders., Worte sind Wegweiser (2 CDs), Goldmann / Arkana Audio, München 2003
ders., Freiheit von Gedanken (3 CDs), Kamphausen, Bielefeld 2004
ders., Es ist immer jetzt (2 DVDs), Kamphausen, Bielefeld 2004
ders., Eine neue Erde, Goldmann / Arkana, München 2005
David Deida, Instant Erleuchtung. Schnell, tief und sexy, Kamphausen, Bielefeld 2008
Chuck Hillig, Erleuchtung für Anfänger, Lüchow, Freiburg i. Br. 2001
Daniel Ackermann, Alles eine Frage von Bewußtsein, Assunta, Serocca d’Agno 2002
Hermann R. Lehner, Was suchst du?, spirit Rainbow Verlag, Aachen 2003
ders., Das große Blendwerk, Omega, Aachen 2005
Sri Ramana Maharshi, Über das Selbst, Drei Eichen Verlag, Hammelburg 1997
OM C. Parkin, Tod, advaitaMedia, Hamburg 2004
OM C. Parkin, Gott + Teufel, advaitaMedia, Hamburg 2004
Karl Renz, Das Buch Karl. Erleuchtung und andere Irrtümer, Kamphausen, Bielefeld 2004
ders., Essentielle Sehnsüchte (DVD), bliss Video Produktion, Scherer / Eggeling 2004
Satyam Nadeen, Von der Zwiebel zur Perle, Kamphausen, Bielefeld 2002
ders., Satsang. Das Handbuch zum neuen Erwachen, Windpferd, Aitrang 2000
Barbara Vödisch, Erwachen ist einfach, Kamphausen, Bielefeld 2003
Samarpan, Glücklich sein in jedem Moment, Kamphausen, Bielefeld 2003
Pyar Troll, Reise ins Nichts, Kamphausen, Bielefeld 2004
Werner Ablass, Gar nichts tun und alles erreichen, Omega, Aachen 2006
Jan Kersschot, Niemand zu Hause, Kamphausen, Bielefeld 2003
Tony Parsons, Open Secret, Lüchow, Freiburg i. Br. 2000
Tony Parsons, So wie es ist, Lüchow, Freiburg i. Br. 2002
Tony Parsons, Das ist es, Kamphausen, Bielefeld 2004
OWK [d. i. Edgar M. Hofer], Erleuchtung, Bohmeier, Leipzig 2003
Nathan Gill, Schon wach, Kruse Verlag, Fürstenfeldbruck 2008
Mythomagie · © 2009 by Bernhard Reicher. Alle Rechte vorbehalten! www.mythomagie.at Seite 87