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Belten

Immer mehr Sängerinnen und Sänger, die zum Unterricht in mein Studio kommen, interessieren sich
für das belten,sei es aus persönlicher oder beruflicher Interesse.
Gerade für Schauspieler, deren Arbeitsbereich sich in den letzten Jahren sehr in den Musikbereich
geöffnet hat, ist dieses Thema unumgänglich geworden.
Leider herrscht in Deutschland immer noch Unklarheit über die Herangehensweise und technische
Beschreibung, was belten letzten Endes eigentlich ist.
Die Lehrmethoden sind sich nicht einig, ob es andere Registerarbeit, eine gänzlich andere Technik
oder einfach eine besondere stimmliche Begabung ist.

Einfacher ist es daher, aus meiner langen Unterrichtspraxis heraus zu benennen, was es garantiert
nicht ist:
Entgegen der in Deutschland verbreiteten Meinung ist belten niemals ein Hochziehen der
Bruststimme.
Jede Verlagerung und Missachtung der Registergrenzen einer Stimme wirkt sich stimmschädigend aus
und bedeutet eine Gefahr für die Belastbarkeit des künstlerischen Instruments.

Außerdem ist es in erster Linie ein Thema, was die Frauenstimme angeht, da die Männer auch im
Musical sehr klassisch orientiert klingen, währen von den Frauen ein sehr anderer Stimmklang
gefordert wird.
Dies wird schon in der Tessitura der Musicalpartien deutlich: Frauenrollen, die den belt verlangen, sind
oft sehr tief geschrieben, also in einer Lage, wo die normale Frauenstimme nicht ihre höchste
Durchschlagskraft hat. Die Domäne der Frauenstimme nun ist die Mittelstimmfunktion, und um den
spezifischen Klang zu erreichen, ist es notwendig geworden, in diese Mittelstimmfunktion viel
Brustresonanz hineinzumischen. Es geht hier also darum, deutlich zwischen Register und Resonanz zu
unterscheiden.

Belten ist also eine Frage der stilistischen Arbeit, die in erster Linie von Frauenstimmen gefordert wird,
ist eine Mittelstimmfunktion mit deutlicher Dominanz der Brustresonanz und als solches keine
Registerverschiebung.
Eine echte Bruststimmfunktion sollte niemals über d` gezogen werden, während eine
Mittelstimmfunktion mit deutlicher Brustresonanz ohne weiteres bis d`` geführt werden kann.Bei
Beherrschung des Instruments ist es möglich, diesen Klang bis e´´ und f´´ und sogar noch höher zu
ziehen.
Eine gesunde, belastbare Technik ist hier Grundvoraussetzung und ist meiner Erfahrung nach nur mit
einer klassischen Grundlage gegeben. Alles andere sind stilistische Fragen: so wie ein Trompeter
morgens im Sinfonieorchester proben kann, kann er Abends im Jazzkeller spielen - die Trompete
selbst bleibt aber die Gleiche, mit ihren gleichen Gesetzen.

Eine Stimme kann sich erst an das belten heranwagen, wenn sie gelernt hat, die Kehle bedingungslos
offen zu halten.Jegliche Manipulation mit der Zungen-oder Halsmuskulatur, um einen bestimmten
sound zu erzeugen ist dabei kontraproduktiv und endet im gnadenlosen Forcieren.
Die Stimmbildung in der italienischen Tradition kann daher als maßgeblich gelten, weil es die
gesündeste Art ist,eine
Stimme auf die Hochleistung eines Berufes vorzubereiten.
Auch ist das Klangideal des belcanto - die Mittelstimmdominanz - der Ansatzpunkt, von wo aus ich
den Musicalklang auf gesundem Wege ableiten kann.

Ich halte meine Schülerinnen an, in sauberer technischer Arbeit den klassischen Klang nicht zu
vermeiden, weil die Registerkreuzung und Registerverblendung der gesündeste Weg zum Erarbeiten
einer belastbaren Stimme ist, und es nicht darum geht, mit irgendwelchen Mitteln ein angestrebtes
Ziel zu behaupten, welches der Körper in diesem Moment überhaupt noch nicht halten kann.
An dem Punkt der Mittelstimmdominanz trennen sich dann auch die Wege, weil der Musicalklang dann
nicht in die reine Kopfstimmfunktion geht, wie es im klassischen Stimmideal der Fall ist.

Belten ist also eine Frage der Registermischung und somit stilistische Arbeit.

Alle meine Schülerinnen, die im belten geschult sind und damit erfolgreiche Auditions bestanden
haben, sind auf der Basis der klassischen schwedisch-italienischen Technik trainiert worden. Sie haben
gelernt, eine Rückenanbindung zu bauen und sind damit in der Lage, die Kehle offen zu halten, so
dass der ganze Körper die brustresonante Mittelstimme bis in die Höhe souverän halten kann.
Dies ist eine Voraussetzung, wenn ich die Anforderungen, die im Musicalbereich an eine Stimme
gestellt werden, gesund abrufbar und damit dauerhaft erfüllen will.

(c) Andreas Talarowski 2006

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