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Darstellungsbereiche der Pantomime

1. Der imaginäre Gegenstand:


Die Tn erfinden Gegenstände und reichen sie gestisch und mimisch an den/die
Partner weiter, kurzes charakteristisches Andeuten des Gegenstandes durch Zeigen
von Größe, Gewicht, Form, Material und Funktion.
Das wichtigste Instrument des Pantomimen ist dabei die Hand (Mimik kann auch
wichtig sein).
Übungen mit den Händen: wedeln, streicheln, fassen, reiben, greifen, pflücken,
wellen, klatschen, puffen, knuffen.
Übungen für die Beweglichkeit der Finger: einzelne Fingerglieder, einzelne Finger
und Fingergruppen bewegen, Greifübungen.
2. Der imaginäre Raum:
Darstellung des Spielraumes, des vorgestellten Raumes. Die Vorübungen 'Gehen
durch den Raum' können diesen Punkt vorbereiten. Begrenzungen des Raumes
durch Hand und Fingerkontakt, Blick-Kontakt, Augen-Blick, Zeigen der Wand,
Abschreiten der Grenzen des Raumes; der Körper zeigt die Grenzen des Raumes
(Höhe, Tiefe, Länge, Breite), der Blick zeigt den unendlichen Raum.
3. Die imaginäre Kraft:
Darstellung von Kraft und Gegenkraft durch den Körper, Ziehen und
Gezogenwerden, hierbei Hinweis auf die Wichtigkeit des 'Toc' (s. Übung 10), Tau
ziehen zu zweit und in der Gruppe, Lasten tragen, Koffertragen, Kugelstoßen, Druck
und Gegendruck, Formen der Ballführung und Spiele mit Luftballons.

Der Toc
Anfang und Ende einer pantomimischen Übung ist der "Toc", das heißt kurze deutliche
Momentaufnahme in einer bestimmten Körperspannung.

Nach der Schule von Decroux und der hier verwendeten Literatur von Jean Soubeyran, eines
Schülers von ihm, funktioniert die Pantomime wie ein Vortrag, der aus Sätzen besteht und
durch die Mittel von Spannung und Entspannung, die „die Atmung des Mimen“ sind, die
Zuschauer zu begeistern versucht. Diese Sätze wiederum bestehen ebenso wie der
gesprochene Vortrag aus Satzzeichen und -gliedern, die zueinander in Beziehung stehen
müssen, um verständlich zu sein, und haben einen Anfang und ein Ende. Die so genannten
„Tocs“ dienen dazu, einen pantomimischen Satz oder ein Satzelement einzuleiten oder als
„Schluss-Toc“ eine Aktion abzuschließen, wobei letztere durch ein Auftreten der Ferse oder
der Fußspitzen als so genannter „Stoß“ auch hörbar sein können.

Die zeitweilig auch als Pantomimin aufgetretene Brigitte Soubeyran definiert den
Toc so: „Der Toc ist ein Punkt, der innerhalb eines Bewegungsablaufes eine
neue Phase einleitet.“Zusätzlich wird jede Gestik auf das Minimum an Bewegung
reduziert und jeder mimische Ausdruck auf das Einfachste, um sie dadurch
„klarer“ zu machen.

Dies verlangt vom Pantomimen oder von der Pantomimin einen hohen körperlichen
Trainingsaufwand. Es werden viele gymnastische so genannte „Separationsübungen“
angewendet, um jeden einzelnen Körperteil (fast könnte man sagen: jeden Muskel)
unabhängig voneinander und auch gegeneinander bewegen zu können. Zusätzlich wird
während der Ausbildung auf den Gebieten der „Erschaffung der Zeit und des Raumes“, des
Umgangs mit fiktiven Gegenständen, der Darstellung der Gemütsbewegungen und der
„dramatischen Improvisation“ in Einzel- oder Gruppenimprovisationen sowie der so
genannten „geometrischen Pantomime“ gearbeitet.
Ausgangspunkt letzteren Schwerpunkts, die das Ziel hat den „Körper in allen Stellungen im
Gleichgewicht zu halten“ und „keinerlei Ungenauigkeit im Stil, keinerlei Erschlaffung bei der
Ausführung“ zuzulassen, ist die Stellung „Neutral“, die je nach „Schule“ variiert wird: leicht
angewinkelte Füße, die hüftbreit voneinander entfernt stehen, die Wirbelsäule bis zum Kopf
völlig gerade, Arme und Schultern hängen locker und (ganz wichtig!) die Zunge klebt nicht
oben am Gaumen, sondern hängt ebenso locker in der Mitte der Mundhöhle. Decroux
nannte diese Stellung „Eiffelturm“, weil sie eine physiognomische Ähnlichkeit mit diesem hat.
Bei der Positur „Baum“ als Ausgangspunkt berühren sich jedoch die Fersen leicht, bei der
„japanischen“ Positur sind die Knie leicht durchgedrückt, sodass sie genau über den Füßen
stehen, das Becken nach vorne geschoben und die Handflächen geöffnet nach vorne.
Danach wird mittels der rhythmischen Elemente eines Toc oder eines so genannten „Fondu“,
einem fließenden und gleichmäßigen Übergang von einer Stellung in die nächste, an den
verschiedensten Körperübungen gearbeitet.

Der Pantomime arbeitet also auf zunächst zwei unabhängig voneinander stehenden
Gebieten: dem der „Körpertechnik“ und dem der „Improvisation“. Indem beide unabhängig
voneinander ausgeführt werden, nähern sie sich einander an. Je weiter der Mime die
körperliche Technik perfektioniert hat ohne an sie zu denken, und je mehr er im Bereich der
Improvisationsübungen seine Fähigkeiten und Möglichkeiten des Ausdrucks erweitert hat,
desto mehr verbinden sich diese beiden widersprüchlich erscheinenden Gebiete zu einer
Einheit, die schließlich einen großen Teil des „Spiels“ des Mimen ausmacht, der nun ein
athlète affectif, ein „empfindungsfähiger Athlet“ (Barrault) geworden ist.

Aufgabe: Stell dir vor, du stehst vor einem Tisch, auf dem ein Glas Wasser steht. Du sollst
das Glas ergreifen, es zum Munde führen, trinken und das Glas wieder auf den Tisch stellen.
Beginne die Etude mit einem deutlichen Startzeichen: (Toc) Die Hand wird in Bewegung
gesetzt in Richtung Glas, nähert sich in einer fließenden Bewegung dem imaginären
Gegenstand, die Hand öffnet sich weit, die Finger werden rund und umschließen das Glas,
stoßen auf Widerstand (Toc) und verharren in der umschließenden Haltung einen Moment
(Entspannung). (Toc) Von der Schulter aus bis zur Hand geht eine Bewegung auf das Glas
zu, die Hand führt das Glas zum Mund in einer fließenden Bewegung bis zu den Lippen
(Toc), die Bewegung ist erst einmal beendet (Entspannung). (Toc) Mache die Bewegung des
Trinkens, neige deinen Kopf nach hinten, schlucke, zeige dein Wohlbehagen, nimm das Glas
von den Lippen, schließe den Mund, führe das Glas zum Tisch zurück, setze es auf den
Tisch (Toc), halte die Spannung trotz des Schlusstocs, (neuer Toc) löse die Hand vom Glas
und führe sie an deinen Körper zurück (endgültiger Schlusstoc und Entspannung).
Übungen
• Übung 1: Gruppenpantomime (Mimik, Gestik, Haltung)
"Das Gruppenphoto"
Eine Gruppe baut sich auf, um photographiert zu werden:
1. Reihe: 4 Sitzende
2. Reihe: 4?5 Stehende
3. Reihe: 4?6 Stehende auf Stühlen
Auf ein Zeichen des Photographen ergeben sich folgende Phasen:
1. Phase: alle sind in Körperhaltung und Mimik entspannt,
2. Phase: alle atmen ein und richten die Körper auf (Spannung),
3. Phase: alle nehmen eine gestische Pose ein ( Handkontakt der Gruppenteilnehmer
untereinander).
4. Phase: Großes, vom Photographen in die Gesichter geworfenes Lächeln erfasst
die starre Gruppe; alle Phasen eingefroren bis zum Klicken des Auslösers - dann
wieder Phase 1.
Modifizierung: Während der Phase 4 durchbricht ein Gruppenmitglied durch ein
gespieltes Missgeschick kurz vor dem Klicken die Starre der Gruppe. Auflösung der
Gruppe, Neuaufbau aller vier Phasen; mehrere Missgeschicke als Wiederholung bis
zur Pointe; endlich: Gelingen der Aufnahme.
• Übung 2: Gruppenpantomime (Gestik, Mimik, Haltung)
"Das Geschenkpaket"
Die Gruppe sitzt kreisförmig am Boden. Ein imaginäres Paket wird dem ersten
Gruppenmitglied vom Leiter oder einem anderen Teilnehmer überreicht. Teilnehmer 1
packt das Paket pantomimisch aus, "zeigt" den anderen den Inhalt, indem er Größe,
Gewicht, Funktion des Geschenks erspielt.
Der Reihe nach packen alle Tn ein Paket aus; jeder Tn führt dessen Inhalt vor und
spielt damit.
• Übung 3: Gruppenpantomime (Gestik, Haltung)
"Der sich verändernde Gegenstand"
Ein imaginärer Gegenstand wird pantomimisch weitergereicht und verändert sich bei
jedem Tn in Form, Farbe, Material, Gewicht und Maßen.
Modifizierung: Jeder einzelne spielt kurz mit seinem Gegenstand, bevor er ihn
weiterreicht. Oder: jeder Tn spielt kurz mit seinem Gegenstand, tauscht ihn dann mit
dem des Nachbarn aus.
• Übung 4: Gruppenpantomime (Gestik)
"Das Fließband"
Ein imaginärer Gegenstand (Paket, Klotz, Ball) wird von der Gruppe ? in langer Reihe
nebeneinanderstehend ? auf gleichbleibender Höhe so weitergereicht, dass er seine
Form, sein Gewicht, seine Ausmaße nicht verändert.
Modifizierung: Im gleichen Rhythmus werden mehrere gleich große, gleich schwere
Gegenstände hintereinander weitergereicht, wobei die Gleichartigkeit der Weitergabe
zu beachten ist.
• Übung 5a: Gruppenpantomime [Mimik, Gestik, Haltung (erstarrte Pose)
"Das Schaufenster"
Ein Tn dekoriert ein Schaufenster mit Gruppenmitgliedern als Modepuppen. Typische
Schaufensterpuppenposen werden erstellt.
Variation: Ein Schaufenster wird unter einem bestimmten Leitthema dekoriert: Party,
Strandleben, Schule, Hobby, Sport usw.
• Übung 5b: Gruppenpantomime (Mimik, Haltung, Gestik, Posen)
"Der verliebte Lehrling"
8-10 Mitglieder der Gruppe stehen unbeweglich im Raum verteilt, so dass der
Eindruck eines ungestalteten Schaufensters entsteht. Ein unwilliger "Lehrling" hat den
Auftrag, die Puppen von den Posen her so zu formen, dass der Eindruck eines
gestalteten Schaufensters entsteht. Im Laufe seiner Arbeit verliebt er sich in eine
besonders attraktive Puppe, kehrt ständig zu ihr zurück, umwirbt sie, formt sie zuletzt
in eine Umarmungspose, er umarmt sie. Plötzlich erwacht die Puppe zum Leben
(nach einer Spieluhrmelodie). Die Puppe lächelt, beide lächeln sich an, tanzen ein
paar Schritte. Die Musik bricht ab. Die Dame erstarrt wieder zur Puppe. Der "Lehrling"
versucht sie wieder zum Leben zu erwecken; schließlich geht er traurig davon.
• Übung 6: Zweierpantomime (Mimik, Gestik, Blick, Haltung, stilisierte
Bewegungsabläufe)
"Kugelstoßen"
Zwei Typen: A - athletisch, sportlich
B - leptosom, unsportlich
A macht pantomimische Freiübungen, übertrieben und typisiert. Er bereitet einen
Kugelstoß vor. Er stößt die Kugel mit enormem Kraftaufwand, er zeigt das
kümmerliche Ergebnis von einem Meter durch Abschreiten an.
B nähert sich dem Kugelstoßer bescheiden und zurückhaltend, schaut interessiert
den Bemühungen A's zu. Das Ergebnis bleibt das gleiche. A reicht B die Kugel: " Nun
versuch' du's doch mal, scheinst es ja besser zu können." Hier Gegensatz der beiden
Typen ausspielen.
B stößt ohne Vorbereitung weit über den Seitenrand der Bühne, schreitet zählend
davon, entschwindet den Blicken der Zuschauer, kommt nach einer Weile (nach etwa
50 Schritten, die sich der Zuschauer vorstellen muss) zum perplexen A zurück. B
stößt ein weiteres Mal die Kugel, diesmal senkrecht in die Luft. Beide schauen der
Kugel lange nach, die Kugel kommt nicht zurück.
Modifizierung: Kugel kommt nach langer Zeit zurück, schlägt großes Loch in die Erde.
Beide schaufeln einen immer größer werdenden Krater, heben endlich die Kugel
hoch über den Rand und klettern nach oben, werfen die Kugel zum Zuschauer.
• Übung 7: Gruppenpantomime (Mimik, Gestik, Blick, Bewegung, Haltung)
"Der seltsame Koffer"
A sitzt auf einer Bank, B kommt mit einem imaginären Koffer auf die Bank zu, stellt
den Koffer neben die Bank, setzt sich zu A, beide kommunizieren auf vielfältige Art
miteinander. B springt auf, will unter Mitnahme des Koffers davoneilen, der Koffer
lässt sich nicht mehr vom Boden heben. Verblüffung, Unglauben, erst B, dann A
versuchen den Koffer zu heben, dann beide. Ein sportlicher Jogger kommt vorbei,
bietet seine Hilfe an, muss beschämt davonlaufen, weil der Koffer nicht zu bewegen
ist. A und B verstecken sich hinter der Bank, beobachten einen Dieb, der den Koffer
stehlen will, lachen ihn aus. Der Dieb verschwindet eiligst. Verschiedene Typen
scheitern, werden alle ausgelacht.
Schlusspointe: ein Ehepaar kommt vorbei. Der Mann versucht auf Befehl seiner Frau,
den Koffer zu heben, er scheitert erwartungsgemäß. Dann nimmt sie den Koffer mit
dem kleinen Finger, hebt ihn an, und beide verschwinden. B. eilt nach einer Weile
hinter seinem Koffer her.

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