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Bank of England will den Dollar abstürzen

lassen – mit einer digitalen Währung


1. September 2019 aikos2309

Wegen des chaotischen und skandalösen G7-Gipfels ist ein anderes Ereignis der letzten Tage
im Schatten geblieben, das aber ebenfalls enorm wichtig war: In der angelsächsischen Welt
scheint eine Art „Revolte“ Londons gegen Washington im Wirtschaftsbereich zu beginnen.
Sie ist viel wichtiger als jede politische Annäherung an die USA, mit der der neue britische
Premier Boris Johnson im Falle eines „harten“ Brexits rechnen dürfte.

Während Johnson auf dem politischen Parkett sein Bestes tut, um sich dem US-Präsidenten
Donald Trump anzunähern, lässt sich im Finanzwesen ein entgegengesetzter Prozess
beobachten: Der Gouverneur der Bank of England (britische Notenbank), Mark Carney, hat
sich für eine Reform des globalen Devisensystems ausgesprochen, bei der das aktuelle
System, das sich auf den US-Dollar stützt, dringend ersetzt werden sollte, nämlich durch neue
„digitale Aktiva“ oder eine „digitale Währung“.

Besonders prekär ist Carneys Affront wegen zwei Details, auf die Journalisten der
kanadischen Bloomberg-Redaktion verwiesen haben: Der britische Zentralbankchef trat mit
dieser aggressiven Erklärung auf dem jährlichen Wirtschaftssymposium in Jackson Hole
(USA) auf, das von der Federal Reserve Bank of Kansas (sprich vom Federal Reserve System
(Fed), der US-Zentralbank) organisiert wird.

Man müsste immerhin sehr gewichtige Gründe haben, um zu Bankiers und Finanziers, deren
Leben, Wohlstand und sozialer Status vom Status der US-Währung abhängt, zu Gast zu
kommen und offen zu sagen, dass sie ihren privilegierten Status quasi aufgeben sollten.

Ein weiteres wichtiges Detail: Was der Gouverneur der Bank of England vorschlägt, ähnelt
sehr dem „Projekt Libra“ – einer Digitalwährung, die ein Konsortium ins Leben rufen will,
dem führende Finanz- und High-Tech-Unternehmen (überwiegend amerikanische, darunter
Facebook, MasterCard, Paypal, Stripe, Visa, Ebay, Lyft, Uber, Vodafone usw.) angehören.

Dieses Projekt hat bereits den Zorn des US-Präsidenten Trump provoziert, der nicht
unbegründet glaubt, dass die Digitalwährung Libra sehr gefährlich für die monetäre
Souveränität der USA und für den Status des Dollars wäre. Angesichts dessen ist
offensichtlich, dass Carneys Vorschlag eine ähnliche Reaktion der US-Administration
hervorrufen wird.

Der Chef der Bank of England ergänzte sofort, dass das Projekt des Konsortiums, das vor
allem von Facebook initiiert wurde, vorerst keine Alternative für den Dollar als wichtigste
Währung der Welt sein könnte, aber der Londoner Bankier hat etwas Anderes zu bieten: Es
sollte im Grunde eine ähnliche Digitalwährung geschaffen werden, aber auf Basis eines
Konsortiums, das nicht aus Privatunternehmen, sondern aus Zentralbanken verschiedener
Länder bestünde.

Kurz und knapp: Carney hat die Fed aufgefordert, ihre „Krone“ abzulegen und ein
„gleichberechtigtes Mitglied“ eines Verbandes von Zentralbanken zu werden, der die globale
Digitalwährung emittieren würde.
Um die Logik der Reaktion der Administration in Washington zu begreifen, muss man
einfach den Umstand berücksichtigen, dass die Gründe, aus denen Dollar auf dem Weltmarkt
wirklich gefragt sind, nicht mit der US-Wirtschaft und ihren Erfolgen verbunden sind. Der
erste Grund ist der Status des Dollars als globale Leitwährung, für die die wichtigsten Waren
wie beispielsweise Öl oder Getreide gekauft bzw. verkauft werden und die als
„Übergangswährung“ beim Tausch verschiedener Devisen dient.

Der zweite Grund: Wer sein Öl oder irgendwelche andere Ware nicht für Dollar verkaufen
will, wird mit einer großen Wahrscheinlichkeit früher oder später von Experten für „bunte
Revolutionen“ aufgesucht (üblicherweise wegen plötzlich entdeckter Verstöße gegen die
Menschenrechte) – oder auch von US-Truppenverbänden. Mark Carneys Initiative könnte im
Falle ihrer praktischen Umsetzung zu Riesenproblemen für den US-Haushalt und das US-
Finanzsystem im Allgemeinen führen, was seinerseits sogar die Möglichkeiten für den
Einsatz von US-Flugzeugträgern wesentlich beschränken würde.

Übrigens hat Reuters die Position des Chefs der Bank of England praktisch als Schuldspruch
für die US-Währung und das auf ihrer Basis bestehende System dargestellt: „Laut Carney
haben die Schwellenländer ihren Anteil an den globalen Wirtschaftsaktivitäten auf 60 Prozent
aufgestockt – von 45 Prozent vor der Finanzkrise vor zehn Jahren. Aber der Dollar wird im
Welthandel mindestens in 50 Prozent aller Operationen verwendet, und das ist fünf Mal mehr
als der Anteil der Vereinigten Staaten am globalen Warenimport, was die Nachfrage nach US-
Aktiva anspornte und für viele Länder negative Nebeneffekte von den Schwankungen der US-
Wirtschaft hatte.“

Und noch eine wichtige Nuance: Mark Carney hatte erst vor acht Monaten gesagt, der Dollar
würde seinen Status als Leitwährung verlieren, allerdings an den chinesischen Yuan.

„Je nach der Umformatierung der Welt wird die jetzige Spaltung zwischen der Real- und
Finanzwirtschaft wohl geringer, und dabei könnten andere Reservewährungen entstehen (die
Zentralbanken statt Dollar als solche verwenden werden). Vor allem erwarte ich, dass dies
aktuelle nationale Währungen wie beispielsweise der Yuan sein werden“, sagte der
Gouverneur der Bank of England im Januar, präzisierte jedoch, dass der Übergang vom
Dollar zum Yuan viel Zeit in Anspruch nehmen würde.

Jetzt aber hat Carney seine Meinung geändert, wie auch seinen Plan: „Der chinesische Yuan
war der wahrscheinlichste Kandidat dafür, die neue Reservewährung zu werden, die dem
Dollar entspricht, aber ihm steht noch ein langer Weg bevor, bis er dazu bereit ist“, so
Reuters. „Carney zufolge wäre ein diversifiziertes multipolares Finanzsystem, das eine
Unterstützung auf der technologischen Ebene genießen würde, die beste Lösung.“

Zyniker (oder Verschwörungstheoretiker) könnten einen solchen Sinneswandel darauf


zurückführen, dass sich London mit Peking über akzeptable Kooperationsbedingungen auf
diesem Gebiet nicht einigen konnte. Oder dass London eine Chance wittert, eine
internationale „Anti-Dollar-Koalition“ zu bilden, in der die Bank of England eine bedeutende
Rolle spielen würde.

Jedenfalls haben die Gegner des Dollars eine wichtige Verstärkung bekommen. Denn wenn
schon die Briten es wagen, gegen die USA aufzutreten, dann ist die Frage, ob Washington in
dieser Welt noch richtige Freunde oder Verbündete hat, im Grunde rhetorisch.

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