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2.

SITZUNG

I. Früher Minnesang in lateinischem Umfeld: Die Sammlung


der mischsprachigen jubili im Corpus der 'Carmina
Burana' (clm 4660 u. 4660a)

Descriptio personae:
Über elementare Beschreibungstechniken in der
mittelalterlichen Poetik und ihre lyrische Umsetzung
Moodle-Passwort: Capella

Textausgabe (bitte anschaffen!):


Carmina Burana. Texte und Übersetzungen. Mit den Miniaturen aus
der Handschrift und einem Aufsatz von Peter u. Dorothee Diemer,
hrsg. v. Benedikt Konrad Vollmann, Berlin 2011 (Deutscher Klassiker
Verlag im Taschenbuch 49).

Digitales Faksimile:
a) clm 4660: http://daten.digitale-sammlungen.de/ ~db/0008/
bsb00085130/images/
b) clm 4660a: http://daten.digitale-sammlungen.de/ ~db/0008/
bsb00085131/images/

Corpus der Carmina mit deutschem Text(-anteil):


a) CB 48, 112-115, 135-153, 155, 161-175, 177-183, 203, 211
b) CB 2*, 7*, 16* (Magdalenenspiel), 17*, 23*
Codex Buranus
1230/14. Jhd.

München, BSB, clm 4660


Codex Buranus
1230/14. Jhd.

Gliederung:
• Moralisch-satirische Dichtungen (CB 1-55)
• Liebeslieder (Incipiunt jubili: CB 56-186)
• Trink-, Spieler- und Vagantenlieder (CB 187-
226, CB 215: Incipit Officium lusorum)
• Geistliche Spiele (CB 227-228,
Weihnachstsspiel / Ludus de Rege Aegypti)

Formale Leitdifferenz:
• Sangbare Lyrik (Strophenlieder, Leichs,
Sequenzen)
• Versus (Hexameter / Pentameter)

München, BSB, clm 4660,


f. 1r
Codex Buranus
1230/14. Jhd.

Incipiunt iubili

CB 56: Ianus annum circinnat

CB 57: Bruma, veris emula

München, BSB, clm 4660,


f. 18r
Codex Buranus
1230/14. Jhd.

München, BSB, clm 4660,


f. 89v
Feingliederung des Codex Buranus
1. CB 1-13: Lasterschelte (avaritia, simonia, invidia)
2. CB 14-40: Lehre für geistliche Fürsten (fortuna, largitas, virtus, conversio hominum)
3. CB 41-55: Politische Aktualisierung der Lehre (u. a. Romkritik, Kreuzugsthematik)
4. CB 56-131: Faszination und Gefahren der Liebe (iubili, planctus)
5. CB 132-186: Liebeslieder aus deutschen Quellen
6. CB 187-226: Faszination und Gefahren von Wein und Spiel
7. CB 227-228: Geistliches Spiel

nach Burghart Wachinger: Deutsche und lateinische Liebeslieder. Zu den deutschen Strophen der Carmina
Burana.
Codex Buranus
CB 177: Stetit puella

München, BSB, Clm 4660,


p. 70r
CB 177
Stetit puella
rufa tunica;
si quis eam tetigit,
tunica crepuit.
eia!

Stetit puella
tamquam rosula:
facie splenduit
et os eius floruit.
eia!

Stetit puella bi einem bovme,


scripsit amorem an eime lovbe.
dar chom Venus also fram;
caritatem magnam,
hohe minne
bot si ir manne.
CB 177
Stetit puella Es stand ein Mädchen da
rufa tunica; In einem roten Hemdchen;
si quis eam tetigit, Wenn es jemand berührte,
tunica crepuit. Raschelte das Hemdchen.
eia! Eia!

Stetit puella Es stand ein Mädchen da,


tamquam rosula: Sah aus wie ein Röslein:
facie splenduit Leuchtend sein Gesicht
et os eius floruit. Und blühend seine Lippen.
eia! Eia!

Stetit puella bi einem bovme, Es stand ein Mädchen unter einem Baum,
scripsit amorem an eime lovbe. Es schrieb seine Liebe auf ein Blatt.
dar chom Venus also fram; Da kam unverzüglich Venus herbei.
caritatem magnam, Große Liebe,
hohe minne Hohe Minne,
bot si ir manne. Schenkte sie ihrem Manne.
Andreas Capellanus, De Amore
Amor est O passio quaedam innata eine angeborene
Leidensfähigkeit,

procedens ex visione stimuliert durch den Blick


et und

immoderata cogitatione das unablässige Kreisen


des Denkens

formae alterius sexus um die Gestalt des anderen


Geschlechts O

O mit der Folge, dass man mehr als alles andere wünscht, diese Person zu
umarmen und alle Vorschriften der Liebe (amoris praecepta) in gegenseitigem
Einverständnis in der Umarmung des anderen zu erfüllen.
William Shakespeare, Sonnet 130
My mistress' eyes are nothing like the sun;
Coral is far more red than her lips' red;
If snow be white, why then her breasts are dun;
If hairs be wires, black wires grow on her head.
I have seen roses damask'd, red and white,
But no such roses see I in her cheeks;
And in some perfumes is there more delight
Than in the breath that from my mistress reeks.
I love to hear her speak, yet well I know
That music hath a far more pleasing sound;
I grant I never saw a goddess go;
My mistress, when she walks, treads on the ground:
And yet, by heaven, I think my love as rare
As any she belied with false compare.
ἔκφρασις – ékphrasis
Beschreibung
(descriptio)

ἐνάργεια – enárgeia
(von ἐναργής – anschaulich, deutlich,
detailliert)

ἐνέργεια – enérgeia
(von ἐνεργής – wirksam, tatkräfig)
Heinrich von Morungen, MF 140,32ff.
I III

Uns ist zergangen der lieplîch sumer. Die ich mit gesange hie prîse unde kroene,
dâ man brach bluomen, da lît nu der snê. an die hât got sînen wunsch wol geleit.
mich muoz belangen, wenne sî mînen kummer in gesach nu lange nie bilde alsô schoene
welle volenden, der mir tuot so wê. als ist mîn vrowe; des bin ich gemeit.
Jâ klage ich niht den klê, Mich vröit ir werdekeit
swenne ich gedenke an ir wîplîchen wengel, baz danne der meie und alle sîn doene,
diu man ze vröide so gerne ane sê. die die vogel singent; daz sî iu geseit.

II

Seht an ir ougen und merkent ir kinne,


seht an ir kele wîz und prüevent ir munt.
Si ist âne lougen gestalt sam diu minne.
mir wart von vrouwen so liebez nie kunt.
Jâ hât si mich verwunt
sêre in den tôt. ich verliuse die sinne.
genâde, ein küniginne, du tuo mich gesunt.

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