Beruflich Dokumente
Kultur Dokumente
Korallenfelsen umgeben ist. Dort lebt seit einiger Zeit glücklich und zufrieden
In ihrer „Stillen Lagune“ haben sie alles, was sie zum Leben brauchen:
Wasser, Sonne, ausreichend Nahrung und Schutz. Denn wenn ein Sturm über
das große Meer braust, sind sie hinter ihren Felsen sicher und geborgen.
Zu dem Schwarm gehört auch eine Delfinfamilie mit Mama, Papa, dem
großen Elia, der kleinen Fia und mit Daniel, der nicht mehr klein, aber auch
Bis vor Kurzem spielte er am liebsten mit seinen Geschwistern und Freunden.
Doch jetzt schwimmt er oft verträumt alleine hin und her. Dabei springt er
ständig aus dem Wasser empor und reckt neugierig seinen Kopf, um für einen
Es sieht aus, als ob er nach etwas Bestimmtem Ausschau hielte. Und das ist
1/20
Ein Service von Stiftung Lesen und Deutsche Bahn Stiftung
wirklich so.
Seitdem Tante Manta sie neulich besucht und von den wunderbaren Wellen
draußen im großen Meer erzählt hat, kann Daniel beinahe an nichts anderes
mehr denken. Wellen, die größer als der höchste Lagunenfelsen sind, die sich
„Ich möchte hinaus ins große Meer zu den wunderbaren Wellen. Dann kann
ich mit ihnen spielen und mich darin tummeln!", verkündet er begeistert.
2/20
Ein Service von Stiftung Lesen und Deutsche Bahn Stiftung
Seine Eltern sorgen sich und warnen ihn: „Das ist zu gefährlich! Bleib in
still in der kleinen Lagune, so still, dass man das Meer hinter den Felsen hören
kann.
Daniel lauscht. „Es ruft mich!“, denkt er und schwimmt unruhig hin und her.
Plötzlich springt er aus dem Wasser. Er springt so hoch wie noch nie, über die
Felsen hinweg und taucht mit einem kühnen Schwung ins große Meer ein.
„Nanu, was machst du schon so früh alleine hier?“, erkundigt sich Serafina,
Daniel antwortet ihr und merkt erst jetzt, wie unendlich groß das Meer ist.
Ängstlich schaut er sich um und sein großer Wunsch wird dabei immer
kleiner.
Das spürt Serafina und meint: „Ein Wunsch kann durch Angst vertrieben
werden, aber ein mutiger Wille nicht! Sag, WILLST du den Wellen begegnen?"
Nachdenklich blickt Daniel auf das Meer hinaus, und schon fallen ihm die
3/20
Ein Service von Stiftung Lesen und Deutsche Bahn Stiftung
wunderbaren Wellen wieder ein. Nun ist er sich ganz sicher: Er will sie
„Das mache ich gerne, Daniel Delfin!", sagt sie. „Denn die Vorsicht sollte bei
entgegen.
„Gib gut acht", sagt Serafina, „dann kannst du viel lernen. Denn nicht allein die
Wellen …“
„Pass auf! Da kommt eine große Wand!“, warnt Daniel sie erschrocken.
„Das ist keine Wand, das ist Nikodemus, der große Wal“, sagt Serafina
Nachdem sie sich herzlich begrüßt haben, will Nikodemus wissen, wohin
Serafina mit Daniel unterwegs ist. Die beiden erklären es ihm und der alte Wal
4/20
Ein Service von Stiftung Lesen und Deutsche Bahn Stiftung
Dann blickt er Daniel freundlich an und meint: „Gib gut acht, Daniel Delfin,
dann kannst du viel lernen. Denn nicht allein die Wellen sind wesentlich für
Serafina muss schmunzeln. Genau das wollte sie Daniel vorher auch sagen!
Mit der Zeit treffen sie immer weniger Tiere und schwimmen still
Algenwald, der vor ihnen liegt. Serafina schwimmt schneller. Sie will
nachsehen, wer dort in Not ist. Daniel zögert noch. Der dunkle Wald macht
5/20
Ein Service von Stiftung Lesen und Deutsche Bahn Stiftung
ihm Angst.
Serafina wartet geduldig und fragt: „Was könnte dir passieren?“ Daniel
überlegt. „Nichts! Denn du bist ja da!“, ruft er und folgt ihr in das dunkle Grün.
Sie müssen nicht lange suchen, bis sie den kleinen Seehund entdecken, der
Augustin heißt und sich in den Algen verfangen hat. Während Daniel und
Serafina ihn befreien, erfahren sie, dass er einmal zu weit von seiner Familie
Als Daniel das hört, überkommt ihn ein beklemmendes Gefühl. Aber nur für
eine Sekunde. Denn schon erkundigt sich Augustin: „Wo wollt ihr beide
eigentlich hin?“
Daniel erzählt von den Wellen und dabei kommt ihm eine Idee. „Willst du uns
„Au ja!“, ruft der kleine Seehund freudig, und Serafina, die still zugehört hatte,
lächelt weise. Sie ahnt, wie gut es ist, dass die beiden sich gefunden haben.
Kaum haben sie den Algenwald hinter sich gelassen, kommt ihnen ein neuer
Meeresbewohner entgegen. Noch nie zuvor sind Daniel und Augustin einem
6/20
Ein Service von Stiftung Lesen und Deutsche Bahn Stiftung
„Wie unheimlich seine vielen schwarzen Augen aussehen!“, sagt Augustin und
schüttelt sich.
„Ja, aber er macht schöne Wellen!“, ruft Daniel begeistert und schwimmt dem
Aber Serafina ruft ihn sofort zurück und warnt die beiden: „Das ist kein Fisch,
das ist ein Schiff. Haltet euch davon fern! Die meisten sind sehr gefährlich
und fügen uns Meerestieren nur Schaden zu. Und nun kommt, wir wollen eine
Sie kennt in der Nähe eine Höhle. Dort können sie sich ausruhen. Doch als sie
Lange Fangarme dringen plötzlich in die Höhle ein. Wie dicke, dunkle
Schlangen gleiten sie lautlos durchs Wasser und kommen den Freunden
„Los! Schnell weg hier! Das sind die Arme von Luzius, dem Wunschfänger!",
„Ja!", sagt Serafina. „Er lebt von den Wünschen anderer und saugt sie aus
7/20
Ein Service von Stiftung Lesen und Deutsche Bahn Stiftung
ihnen heraus.“
Mehr kann sie nicht erklären, denn schon taucht das Ungeheuer im
Höhleneingang auf. Blitzschnell schwimmen die drei davon. Wie gut, dass
Serafina einen zweiten Ausgang kennt, durch den sie entwischen können.
fürchterliches Gebrüll. Es kommt von Luzius, der sich bei der Verfolgungsjagd
selbst in seinen vielen Fangarmen verheddert hat. Nun steckt er wie ein
dicker, dunkler Pfropfen im Höhlenausgang fest und kann weder vor noch
zurück.
8/20
Ein Service von Stiftung Lesen und Deutsche Bahn Stiftung
Erleichtert lassen sich die Freunde auf dem glitzernden Wasser treiben und
genießen die warme Sonne. Nach einer Weile tauchen sie wieder ab und
stellen mit Verwunderung fest, dass es hier unten beinahe noch mehr
Der Glanz kommt von einem prunkvollen Korallenbau. Wer hier wohl wohnt?
Sie lugen vorsichtig durch einen kleinen Spalt zwischen den Korallen und
„Das muss die Quallenkönigin sein", flüstert Serafina. „Sie hat unzählige
9/20
Ein Service von Stiftung Lesen und Deutsche Bahn Stiftung
Meerestiere mit ihrem Reichtum hierher gelockt und dann zu ihren Dienern
gemacht.“
Jetzt verstehen Daniel und Augustin auch, warum so viele kleine Tiere emsig
Sie warten. Als in dem Korallenblau das Licht langsam erlischt, legt sich die
königliche Quallenfamilie schlafen. Nur ihre fleißigen Diener sind noch wach
und ahnen nichts von den dreien dort draußen und was diese sich
vorgenommen haben.
10/20
Ein Service von Stiftung Lesen und Deutsche Bahn Stiftung
Auf einmal knackst es … dann ist es still … noch ein Knacksen … wieder Stille
Serafina hat ein großes Stück der Koralle mit ihrem kräftigen Panzer
zertrümmert. Kaum haben die kleinen Gefangenen das große Loch gesehen,
strömen sie hinaus in die Freiheit. Nur einige wenige von ihnen wollen lieber
Eiligst verlassen die Freunde diesen Ort, umringt von den vielen kleinen
Meerestieren.
11/20
Ein Service von Stiftung Lesen und Deutsche Bahn Stiftung
„Wir wollen euch begleiten!“, rufen sie freudig. Als sie jedoch sehen, was da
Es ist ein Hai! Er kommt durchs Wasser geschossen, geradewegs auf die drei
zu. Und wie böse er aussieht! Daniel und Augustin gehen schnell hinter
Serafina in Deckung.
„Hallo, mein Freund, was ärgert dich so?“, ruft sie freundlich und schwimmt
„Hä?", macht dieser und hält ruckartig an. „Warum schwimmst du nicht
„Ich heiße Hainer, und ich habe keine Freunde, weil alle vor mir
12/20
Ein Service von Stiftung Lesen und Deutsche Bahn Stiftung
„Ja", brummt Hainer. „Siehst du, und deshalb schwimmen alle vor dir davon!“,
„Wenn du einen Freund haben willst, solltest du freundlich sein!", sagt sie.
Das sieht Hainer ein und will es sofort versuchen. Denn wie schön es ist,
Daniel, Serafina und Augustin setzen ihre Reise fort. Vor ihnen tauchen Felsen
auf, doch weit und breit sind keine Wellen zu sehen. Daniel ist enttäuscht.
13/20
Ein Service von Stiftung Lesen und Deutsche Bahn Stiftung
„Hab Vertrauen, Daniel Delfin, dann werden dir die Wellen entgegenkommen!",
sagt Serafina.
Aufgeregt hält Daniel Ausschau. Mit einem Mal hört er ein dumpfes Grollen.
Immer lauter wird es – und dann kann er sie sehen. Sie kommen! Wie eine
Sie wälzen sich den Felsen entgegen, türmen sich haushoch auf, machen eine
Verbeugung … tief … tiefer … bis sie vornüberfallen und einen riesigen Tunnel
bilden. Daniel scheint es, als ob sie direkt auf ihn zurollen würden. Und er
bekommt Angst.
Aber dann sieht er Augustin. Der kleine Seehund springt mit einem kühnen
Satz in eine Welle hinein, verschwindet ganz in ihrem Tunnel und taucht
lachend wieder auf. Wie mutig dieses Kerlchen ist! Und wie gerne würde
Daniel das auch sein. Fragend schaut er sich nach Serafina um, die ein wenig
zurückbleibt. Sie ruft ihm etwas zu, aber Daniel kann es bei dem Getöse nicht
Mit kraftvollen Zügen schwimmt er weiter, und bei jedem Zug sagt er zu sich
selbst: „Ich will!“ Plötzlich springt er aus dem Wasser und stürzt sich
entschlossen in eine Welle. Diese ergreift ihn und wirbelt ihn herum, als ob sie
14/20
Ein Service von Stiftung Lesen und Deutsche Bahn Stiftung
Dann wölbt sie sich langsam über ihn, und im nächsten Moment hat die Welle
einen Tunnel gebildet und er ist mittendrin! Da entdeckt er vor sich einen
Daniel macht es ihm nach und lernt dabei schnell, worauf es ankommt. „Ich
muss mich einfach nur so bewegen, wie es zur Welle passt!", denkt er. Mit
jeder Welle wird er sicherer, und schon bald kann er mit ihnen spielen und
War es nicht genau das, was er wollte? Oh, wie schön wäre es, wenn jetzt die
Doch die Zeit bleibt nicht stehen. Sie vergeht und mit ihr vergehen langsam
auch die wunderbaren Wellen. Aber Daniel weiß, dass er ihnen immer wieder
begegnen kann, weil er nun den Mut und den Willen dazu hat.
„Ich kann es kaum erwarten, nach Hause zu kommen und alles zu erzählen!",
sagt er. Und auf einmal entdeckt er noch etwas, das er vorher nicht kannte:
Bevor der Abend anbricht, erreichen sie die Lagunenfelsen. Daniels Herz
15/20
Ein Service von Stiftung Lesen und Deutsche Bahn Stiftung
pocht wild und er fragt: „Ob Mama und Papa wohl schimpfen werden, weil ich
Serafina beruhigt ihn und sagt: „Das glaube ich nicht. Denn du hast nicht nur
Erleichtert springt Daniel hoch und taucht mit einem Schwung wieder in der
Stillen Lagune ein. Sofort wird er neugierig umringt und jeder will ihn zuerst
begrüßen.
Sie freuen sich alle so sehr, dass sie beinahe überhört hätten, dass hinter
dem freundlichen Hai, und besonders von seinen beiden Freunden, der
von den Wellen, mit denen er spielte und sich darin tummelte, nachdem er
seine Angst überwunden hatte. Als es dunkel wird, ziehen sich die Delfine des
Schwarms nachdenklich zurück. Manche lächeln, weil sie spüren, wie ein
16/20
Ein Service von Stiftung Lesen und Deutsche Bahn Stiftung
Auch für Daniel und Augustin wird es Zeit, schlafen zu gehen. Beim
Daniel ahnt, dass die Zeit, die vor ihnen liegt, wunderbar werden wird.
Als Daniel am nächsten Morgen aufwacht, traut er seinen Augen kaum: Seine
Mama, sein Papa, Elia, Fia und viele andere vom Schwarm schwimmen
unruhig hin und her. Dabei springen sie ständig hoch und recken neugierig
Plötzlich springen sie aus dem Wasser. Sie springen so hoch wie noch nie,
über die Felsen hinweg und verschwinden einer nach dem anderen dahinter.
Staunend sehen Daniel und Augustin ihnen nach und jubeln so laut, dass sie
Es ist Serafina, die ein wenig länger gebraucht hatte, um über die Felsen bis
„Du hast Wünsche geweckt und andere mit deinem Mut angesteckt. Denn
17/20
Ein Service von Stiftung Lesen und Deutsche Bahn Stiftung
Mut kann ebenso anstecken wie Angst, und mit Mut wächst der Wille, sich
Wünsche zu erfüllen!"
„Und ihr, meine Freunde, habt mir dabei geholfen!“, ruft Daniel. Dann springt er
hoch und landet wieder im unendlich großen Meer, inmitten seiner Familie
und all den anderen, die nun auch zu den wunderbaren Wellen wollen!
18/20
Ein Service von Stiftung Lesen und Deutsche Bahn Stiftung
19/20
Powered by TCPDF (www.tcpdf.org)