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Ein Service von Stiftung Lesen und Deutsche Bahn Stiftung

Wie der Weihnachtsmann beinahe das


Weihnachtsfest verpasste - Teil 1
Eine Geschichte von Wolfram Hänel mit Illustrationen von Susanne Göhlich,
erschienen im cbj Verlag.
Hier kommt der erste Teil der Geschichte
Es war vor langer Zeit, als der Weihnachtsmann noch kein Spielzeug, sondern

Äpfel und Nüsse und selbst gebackene Kekse zu den Kindern brachte.

Und manchmal auch selbst gestrickte Socken!

Oder lange Schals, dicke Mützen und bunte Handschuhe.

Ganz selten auch mal einen Pullover und eine Jacke.

Aber wirklich nur ganz selten.

Und wirklich nur, wenn die Frau vom Weihnachtsmann noch genug Wolle

übrig hatte.

Und wenn ihr die Finger nicht so wehtaten, dass sie kaum noch die Nadeln

halten konnte.

Die Frau saß nämlich das ganze Jahr über in ihrem Schaukelstuhl, hatte die

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Brille auf der Nase und strickte.

Und der Weihnachtsmann hatte eine Schürze umgebunden, stand am Herd

und backte Plätzchen.

Plätzchen mit Nüssen und Plätzchen mit Rosinen und welche mit klein

gehackten Mandeln.

Und andere mit bunten Zuckerstreuseln obendrauf.

Oder welche mit Löchern drin, damit man sie an den Weihnachtsbaum

hängen konnte.

Zwischendurch ging er immer mal nach draußen in den Garten und suchte

neue Nüsse.

Oder sammelte Eicheln und Kastanien.

Dann holte er die alte Kaffeemühle und mahlte neues Mehl aus den Eicheln

und Kastanien, mit dem er dann noch mehr Plätzchen backte!

Und natürlich pflückte der Weihnachtsmann auch Äpfel.

Schöne, runde rote Äpfel, die er vorsichtig in eine große Kiste legte und in den

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Keller stellte.

Bis es Zeit war, alles in den Sack zu packen und sich auf den Weg zu machen.

Eines Morgens wachte der Weihnachtsmann auf und warf einen Blick auf den

Kalender über seinem Bett.

Den Kalender hatte ihm seine Frau zum Geburtstag geschenkt, damit er

immer wusste, welchen Tag sie gerade hatten.

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Und immer, wenn ein Tag vorbei war, machte der Weihnachtsmann ein dickes

Kreuz durch das kleine Feld.

Damit er genau sehen konnte, wie viele Tage es noch bis Weihnachten waren.

Und jetzt waren es gerade noch drei Wochen!

Und er musste sich ordentlich sputen, wenn er überall noch rechtzeitig seine

Geschenke abliefern wollte.

Bis in die Stadt war es weit.

Und der Weihnachtsmann musste durch den ganzen Wald und dann weiter

über die Felder und Wiesen, bis endlich die ersten Häuser kamen.

Außerdem hatte es schon seit Tagen in dicken, weißen Flocken geschneit.

Die ganze Welt draußen vor dem Fenster schien im Schnee zu versinken.

Und er würde nur langsam vorankommen in dem tiefen Schnee!

Der Weihnachtsmann kratzte sich am Bart und an der Nase und unter unterm

Hemd und dann auch noch am Po.

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Dann schlurfte er ins Bad, um sich die Zähne zu putzen.

Als er fertig war, ging er in die Küche.

Seine Frau kochte gerade heißen Kakao.

„Heute ist es so weit", sagte der Weihnachtsmann. „Gleich nach dem

Frühstück laufe ich los.“

Der Weihnachtsmann aß zwei Spiegeleier.

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Und dann noch ein Rührei.

Und zum Schluss drei Brote mit Erdbeermarmelade.

Dann holte er seinen großen Sack und fing an zu packen.

Die selbst gestrickten Socken und Mützen und Schals kamen ganz nach

unten.

Und darauf die roten Äpfel und ganz nach oben die selbst gebackenen Kekse.

Der Weihnachtsmann schnürte den Sack sorgfältig zu, holte sich die dicken

Winterstiefel aus dem Regal und setzte sich die rote Mütze auf.

Dann strich er sich vor dem Spiegel den Bart glatt und nahm den langen

Mantel vom Haken.

„Pass auf dich auf", sagte seine Frau. „Lauf nicht mit offenem Mantel rum,

binde den Schal ordentlich zu und achte darauf, dass du keine kalten Füße

bekommst."

„Mach ich", brummte der Weihnachtsmann.

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Er nahm noch einen letzten Schluck heißen Kakao und gab seiner Frau einen

Kuss.

Gerade wollte er sich den schweren Sack über die Schulter werfen, als seine

Frau mit den Handschuhen ankam.

„Die hättest du doch glatt vergessen", sagte sie. „Manchmal weiß ich wirklich

nicht, wo du deinen Kopf hast.“

Der Schnee lag so hoch, dass der Weihnachtsmann bei jedem Schritt bis über

die Knie versank.

Und der Sack war so schwer, dass ihm schon bald die Schulter wehtat.

Nächstes Jahr mache ich das nicht mehr zu Fuß, dachte der

Weihnachtsmann.

Nächstes Jahr baue ich mir endlich einen Schlitten!

Er wollte schon lange einen Schlitten haben.

Aber irgendwie war immer irgendwas dazwischengekommen.

Ihm fehlte einfach die Zeit, weil er ja das ganze Jahr über Plätzchen backen

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musste!

Und ein Schlitten alleine würde nicht reichen.

Irgendjemand musste den Schlitten ja schließlich auch ziehen.

Er brauchte also noch ein ... Rentier!

„Das ist es", sagte der Weihnachtsmann laut zu sich selbst. „Am besten sogar

zwei Rentiere!“

Er beschloss, die Augen offen zu halten, falls er unterwegs zufällig ein Rentier

treffen würde. Oder zwei.

Und er stellte sich vor, wie er im nächsten Jahr schön gemütlich auf seinem

Schlitten sitzen würde und nur noch zu rufen brauchte: „Hüh! Schneller! Lasst

die Hufe fliegen, Jungs!“

Plötzlich hatte er richtig gute Laune.

Und er pfiff sogar ein Lied, während er zwischen den verschneiten Bäumen

dahinstapfte.

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Ein Eichhörnchen flitzte vor ihm über den Weg.

„Hallo Eichhörnchen!", rief der Weihnachtsmann fröhlich. „Alles klar?“

„Gar nichts ist klar!", rief das Eichhörnchen zurück.

Und kletterte an der nächsten Tanne hinauf und turnte schimpfend über die

Äste.

„Was hast du?", fragte der Weihnachtsmann. „Warum regst du dich so auf?"

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„Ich kann meine Vorräte nicht wiederfinden!", jammerte das Eichhörnchen.

„Ich habe schon überall gesucht, aber sie sind weg!"

„Hast du dir nicht gemerkt, wo du sie versteckt hast?", fragte der

Weihnachtsmann. „Ich dachte immer, ihr Eichhörnchen wisst genau, wo ihr

eure Nüsse habt!“

„Wissen wir eben nicht. Wir verbuddeln sie einfach irgendwo, und wenn wir

Hunger haben, dann fangen wir an zu suchen. Aber der Schnee liegt so hoch,

und ich habe keine Ahnung, wo sie sein könnten.“

„Kein Problem“, sagte der Weihnachtsmann und nahm den schweren Sack

vom Rücken. „Ich habe genug Nüsse dabei! Da kann ich dir gut welche

abgeben.“

Er knotete den Sack auf und holte eine ordentliche Portion Nüsse für das

Eichhörnchen heraus.

„Lecker!", sagte das Eichhörnchen, während es geschickt die Schalen

aufknabberte. „So gute Nüsse habe ich schon lange nicht mehr gegessen."

„Das will ich wohl meinen", antwortete der Weihnachtsmann. „Die sind ja

schließlich auch frisch aus unserem Garten! Lass es dir schmecken."

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Das Eichhörnchen knabberte und schmatzte zufrieden.

Bis es den Weihnachtsmann plötzlich mit großen Augen traurig ansah und

sagte: „Aber das ist gemein. Ich schlag mir hier den Bauch voll und ..."

„Und?“, fragte der Weihnachtsmann.

„Und es gibt doch noch viel mehr Tiere, die alle Hunger haben! Und die

niemanden kennen, der ihnen etwas zu fressen bringt“, schluchzte das

Eichhörnchen.

„Der Winter ist dieses Jahr viel zu früh gekommen. Die Rehe finden kein Gras

mehr, die Vögel haben keine Beeren und die Mäuse keine Körner."

Ein paar Äpfel kann ich den Tieren wohl auch noch abgeben, dachte der

Weihnachtsmann.

Und ich habe ja auch jede Menge selbst gebackene Kekse dabei, die werden

den Vögeln und Mäusen bestimmt schmecken.

„Zeig mir, wo deine Freunde sind", sagte er zu dem Eichhörnchen. „Das wäre

doch gelacht, wenn wir ihnen nicht helfen könnten!"

„Wirklich?", fragte das Eichhörnchen.

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„Wirklich", nickte der Weihnachtsmann. „Und jetzt aber los, damit ich noch

rechtzeitig in die Stadt komme!“

Das Eichhörnchen sprang dem Weihnachtsmann mit einem Satz auf die

Schulter.

Dann drehte es ihm die Nase in die richtige Richtung und rief: „Siehst du den

großen Baum da hinten? Da müssen wir hin.“

Der Weihnachtsmann stapfte los.

Und als sie an dem großen Baum waren, rief das Eichhörnchen: „Jetzt nach

links! Und immer schön aufpassen, damit du nicht stolperst und den Sack

verlierst."

Es dauerte nicht lange, bis sie plötzlich vor einem Bach standen.

Auf dem Bach war eine dicke Eisschicht, aber unter dem Eis gurgelte und

plätscherte das Wasser.

„Und jetzt?", fragte der Weihnachtsmann.

„Rüber auf die andere Seite!", rief das Eichhörnchen. „Aber probier erst, ob das

Eis auch wirklich trägt. Damit wir nicht einbrechen und uns nasse Füße

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holen.“

Vorsichtig setzte der Weihnachtsmann einen Fuß aufs Eis.

Und dann den anderen.

Das Eis knackte ein bisschen, aber es hielt.

Und mit einem großen Schritt waren sie auf der anderen Seite.

Der Weihnachtsmann stapfte durch den Wald, bis das Eichhörnchen rief: „Du

machst das gut, Weihnachtsmann. Gleich haben wir es geschafft!“

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Und schon standen sie auf einer Lichtung zwischen den Bäumen, und der

Weihnachtsmann wollte seinen Augen nicht trauen, als er die Tiere sah, die da

im Schnee hockten und vor Kälte und Hunger zitterten.

Es waren so viele Tiere, dass er sie kaum zählen konnte!

Ein paar Rehe standen dicht nebeneinander, und ein großer Hirsch hob sein

Geweih, um den Weihnachtsmann zu begrüßen.

Es gab auch noch zwei Wildschweine, deren Borsten vor Kälte ganz steif

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gefroren waren.

Und einen Dachs und einen Fuchs und einen Igel mit langen Stacheln.

Plötzlich kam lautlos eine Eule angeflogen und landete mitten zwischen den

Spatzen und Meisen.

Sie legte den Kopf ein bisschen schief und blickte den Weihnachtsmann aus

ihren gelben Augen an.

Ein paar Mäuse versuchten, an seinen Stiefeln hochzuklettern.

Und als der Weihnachtsmann sich zu ihnen bückte, kam ein Hamster und

flitzte ihm den Ärmel hinauf, um frierend unter seinen Bart zu kriechen.

„Na so was", sagte der Weihnachtsmann gutmütig. „Da müssen wir wohl mal

ganz tief in unseren Sack greifen, um euch alle satt zu bekommen."

Der Weihnachtsmann verteilte alles, was er hatte.

Die Äpfel und die Nüsse und die selbst gebackenen Kekse.

Bis nichts mehr übrig war als ein paar kleine Krümel, die er in den Schnee

schüttete.

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„Du bist gerade noch rechtzeitig gekommen", sagte die Eule. „Ein Glück, dass

das Eichhörnchen dich hergebracht hat, sonst hätte es schlimm für uns

ausgesehen.“

Die Tiere des Waldes machten sich über die Leckereien her, sie knusperten

und knabberten, pickten und schmatzten zufrieden, bis auch die letzten

Krümel verschwunden waren.

Fast hätte es noch richtig Ärger gegeben, weil das eine Wildschwein

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behauptete, die Mäuse hätten ihm einen Apfel geklaut.

Aber die Mäuse schworen, dass sie nichts damit zu tun hatten.

Der Hirsch musste kommen, um den Streit zu schlichten.

Und dann stellte sich heraus, dass das andere Wildschwein sich nur aus

Versehen mit seinem dicken Hintern auf den Apfel draufgesetzt hatte.

Der Reihe nach kamen die Tiere zum Weihnachtsmann, um sich zu bedanken.

Ein Rabe schenkte ihm zum Abschied eine Feder.

Und das Eichhörnchen brachte ihm einen kleinen Tannenzweig.

„Damit du immer an uns denkst“, wisperte es.

„Und vielleicht kannst du ja im Sommer mal wieder vorbeikommen, dann

feiern wir ein Fest, nur für dich!“

Die Waldtiere winkten noch einmal, bevor sie wieder in ihre Verstecke

krochen.

In die Mäuselöcher, den Fuchsbau, die Dachshöhle und das dunkle

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Tannendickicht.

Nur die Vögel flatterten noch eine Weile um den Weihnachtsmann herum.

Der Weihnachtsmann warf einen Blick in seinen Sack und kratzte sich am

Bart.

Und an der Nase und am Po.

Aber es half alles nichts, der Sack war halb leer.

Und die selbst gestrickten Socken und Schals und Mützen würden nie

reichen, um allen Kindern etwas zu schenken.

Es hilft alles nichts, dachte der Weihnachtsmann.

Ich muss noch mal nach Hause und neue Sachen holen.

Hoffentlich hat meine Frau noch genug Teig übrig, um neue Kekse zu backen!

Er warf sich den Sack über und stapfte los.

Zurück über den zugefrorenen Bach und weiter bis zu dem großen Baum und

dann nach rechts. Oder nach links?

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Der Weihnachtsmann blickte sich um.

Der Wald sah überall gleich aus!

Die Tannen standen groß und dunkel im Schnee, und er wusste beim besten

Willen nicht mehr, aus welcher Richtung er gekommen war.

Oder wo er jetzt hinmusste!

Er bückte sich, um nach seiner Fußspur zu suchen.

Aber da waren überall Spuren!

Von den Rehen und Hirschen und Wildschweinen, und von den Mäusen und

Igeln, die kreuz und quer durch den Schnee gelaufen waren.

Und als er seine Stiefelabdrücke entdeckte, führten sie im Kreis zurück zu

dem Platz, an dem er schon gewesen war.

Der Weihnachtsmann hatte sich verlaufen!

Er stand mitten im Wald und wusste nicht weiter.

Ein paar Mal drehte er sich im Kreis, aber das machte die Sache auch nicht

besser.

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Und als er den Kopf zum Himmel hob, spürte er plötzlich etwas Kaltes und

Nasses auf der Wange.

Und gleich darauf auch auf der Nase.

Und schon kam die nächste Schneeflocke und torkelte ihm genau ins Auge!

Es schneite!

In dicken, schweren Flocken rieselte der Schnee vom Himmel, wie ein weißer

Vorhang.

Und es war noch kälter geworden als vorher, sein Atem dampfte wie eine

kleine Wolke in der Luft.

Der Weihnachtsmann wischte sich mit den Handschuhen über den Mantel.

Aber das Schneetreiben war jetzt so dicht, dass im nächsten Moment alles

schon wieder weiß war.

Die Schneeflocken verklebten ihm den Bart und seine Nase und die Augen,

und er konnte kaum noch seine eigenen Stiefel sehen.

Er streckte die Arme vor und tastete sich blind von einem Baum zum

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nächsten.

Der Schnee war so tief, dass er jetzt bei jedem Schritt Mühe hatte, die Stiefel

wieder herauszuziehen, um weiterzustapfen.

Dann wischte ihm auch noch ein Tannenzweig die gute Mütze vom Kopf!

Er bückte sich, um sie wieder aufzuheben.

Aber da war nicht nur die Mütze im Schnee, sondern gleich daneben noch

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irgendetwas anderes ...

Der Weihnachtsmann bückte sich noch tiefer, bis er mit der Nase fast an die

Schneedecke stieß.

Jetzt konnte er es ganz deutlich erkennen!

Aus dem Schnee blickten ihn zwei dunkle Augen an.

Und er konnte auch die Barthaare sehen, die ein bisschen zitterten.

Und das weiche Maul mit den beiden vorstehenden Zähnen, die vor Kälte

klapperten.

Da hockte ein Hase vor ihm im Schnee!

„Was machst du denn hier?", fragte der Weihnachtsmann verblüfft. „Wo

kommst du her? Hast du dich etwa auch verlaufen?"

„Ich bin zu spät zur Fütterung gekommen“, antwortete der kleine Hase

zitternd.

„Die anderen waren schon alle weg. Da bin ich hinter dir hergehoppelt. Aber

der Schnee ist so tief und mir knurrt der Magen vor Hunger!"

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„Ach, du Armer", sagte der Weihnachtsmann. „Was machen wir denn jetzt mit

dir?"

„Hast du nicht vielleicht noch ein paar Krümel für mich?“, fragte der Hase

leise.

Aber der Weihnachtsmann konnte ihn kaum verstehen, so laut knurrte dabei

sein Magen.

Er hielt dem Hasen den halb leeren Sack hin.

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„Sieh selber nach! Ich hab nur noch selbst gestrickte Socken und Handschuhe

und Mützen, aber nichts zu fressen."

„Guck noch mal in deinen Manteltaschen", bat der Hase, „vielleicht ist da noch

irgendwas."

„Stimmt!", rief der Weihnachtsmann. „Du hast vollkommen recht, das habe ich

ja ganz vergessen!"

Als der Weihnachtsmann aus dem Haus gegangen war, hatte seine Frau ihm

nicht nur die Handschuhe hinterhergebracht, sondern auch noch eine Tafel

Schokolade! Mit ganzen Nüssen drin!

„Schokolade ist gut", hatte sie gesagt. „Falls du unterwegs Hunger kriegst.“

Der Weihnachtsmann schob die Hand in die rechte Manteltasche.

Aber da waren nur die Rabenfeder und der kleine Tannenzweig, den das

Eichhörnchen ihm geschenkt hatte.

„Warte“, sagte er zu dem Hasen. „Mein Mantel hat ja zum Glück zwei

Taschen!“

Und tatsächlich!

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In der linken Manteltasche war die Schokolade.

„Ich hoffe, du magst Schokolade", sagte der Weihnachtsmann, während er

schon mit klammen Fingern das Papier aufriss.

„Nicht so gerne", antwortete der Hase. „Klebt so an den Zähnen."

„Kein Problem! Ich weiß, was wir machen!", rief der Weihnachtsmann.

„Ich puhle die Nüsse für dich raus und die Schokolade esse ich selber. Ich

habe nämlich auch Hunger. Und dann ist uns beiden geholfen!“

Genauso machten sie es dann auch.

Der Hase bekam die Nüsse und der Weihnachtsmann den Rest.

Eine Weile schmatzten sie ganz zufrieden vor sich hin, bis die Packung leer

war.

Aber es war immer noch kalt.

Und es schneite auch immer noch!

Und der Weihnachtsmann und der Hase klapperten vor Kälte mit den Zähnen

um die Wette.

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Der Weihnachtsmann nahm den Hasen hoch und schob ihn vorne in seinen

Mantel.

„Irgendwas muss uns einfallen, wie wir aus dem Wald wieder rauskommen„,

sagte er. „Sonst dauert es nicht mehr lange und wir sind festgefroren!“

Mit einem Mal fühlte sich der Weihnachtsmann furchtbar müde.

Und so schwach, dass er sich kaum noch auf den Beinen halten konnte.

Am liebsten wollte er nur noch schlafen!

Er lehnte sich mit dem Rücken gegen einen Baumstamm und machte die

Augen zu.

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„Was ist los? Was hast du?“, rief der kleine Hase ängstlich.

„Ich brauche nur einen Moment Pause", flüsterte der Weihnachtsmann.

„He, warte! Nicht einschlafen!", rief der kleine Hase aufgeregt. „Einschlafen ist

gar nicht gut!“

Er kitzelte den Weihnachtsmann mit seinen Barthaaren an der Nase.

Wie es weiter geht, erfahrt ihr in der nächsten Geschichte!

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Wie der Weihnachtsmann beinahe das


Weihnachtsfest verpasste - Teil 1
Geschichte aus: Wie der Weihnachtsmann beinahe das
Weihnachtsfest verpasste
Autor: Wolfram Hänel
Illustration: Susanne Göhlich
Verlag: cbj Verlag
Alterseinstufung: ab 5 Jahren
ISBN: 978-3-570-17667-2

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