Sie sind auf Seite 1von 5

Klinische Psychologie

Zur Navigation springenZur Suche springen

Die Klinische Psychologie ist ein Teilgebiet der Psychologie, das zur angewandten Psychologie zählt. Sie
untersucht wissenschaftlich die biologischen, sozialen, entwicklungs- und verhaltensbezogenen sowie
kognitiven und emotionalen Grundlagen psychischer Störungen. Auch die Auswirkungen dieser
Störungen und anderer körperlicher Erkrankungen (z. B. neurologischer Störungen, Krebs, chronischer
Herzleiden) auf das Erleben und Verhalten sind ein Forschungsgegenstand.

Ursprünglich handelte es sich um die psychologischen Methoden der Diagnostik und Therapie, soweit
sie im Rahmen der Klinik bzw. der Krankenhausbehandlung anwendbar sind. Thematisch eng verbunden
mit der Klinischen Psychologie sind die Medizinische Psychologie und die Neuropsychologie. Vor allem in
Deutschland wird die Klinische Psychologie sehr weit definiert, da z. B. ein eigenständiges Teilgebiet der
Counselling Psychology nicht existiert. Begriff und Inhalt der Klinischen Psychologie wurden im
deutschen Sprachraum insbesondere durch Willy Hellpach[1] und das 1954 von Erich Stern[2]
herausgegebene[3] Handbuch der klinischen Psychologie bekannter gemacht.

Anders als die Klinische Psychologie sind Psychiatrie und Psychosomatische Medizin keine
Unterdisziplinen der Psychologie. Sie gehören stattdessen zur Medizin und stellen dort thematisch
äquivalente, sich aber in wesentlichen Punkten von der klinischen Psychologie unterscheidende Gebiete
dar.

Inhaltsverzeichnis

1 Themen der klinischen Psychologie

2 Unterdisziplinen

3 Ausbildung

4 Literatur

5 Fachzeitschriften

6 Einzelnachweise

7 Weblinks

Themen der klinischen Psychologie

Immer dann, wenn interne (psychische oder körperliche) oder externe (umweltbezogene, soziale und so
weiter) Störungen auf Einzelne, Gruppen oder Systeme einwirken, kann die klinische Psychologie mit
wissenschaftlichen Methoden und Erkenntnissen die Ursachen-Wirkungs-Zusammenhänge,
Wirkungsbedingungen und deren Auswirkungen auf das Erleben und Verhalten untersuchen. Sie
beschreibt diese z. B. in Form von Diagnosen, um daraus im wissenschaftlichen Prozess Erklärungen
abzuleiten, Vorhersagen (wissenschaftlich informierte Prognosen) zu treffen und verschiedene
Möglichkeiten zur Beeinflussung (Interventionen) zu entwickeln. Diese Interventionen werden
anwendungsorientiert eingesetzt, in der Praxis idealerweise unter Berücksichtigung anderer klinischer
Diagnosen.

In der klinischen Psychologie bilden psychologische Forschung (besonders mit naturwissenschaftlicher


Orientierung), Evaluation, wissenschaftlich fundiertes und evidenzbasiertes Vorgehen mit der
praktischen Anwendung eine Einheit. Die Ausbildung wie auch die praktisch klinisch-psychologische
berufliche Tätigkeit folgt dabei dem Scientist-Practitioner Modell. Daher ist die klinische Psychologie
keine rein praktische Psychologie, die nur oder vorwiegend zur Diagnostik und Behandlung dient. Auch
in der klinischen Psychologie nehmen kontrollierte Laborexperimente eine zentrale Stellung im Prozess
des Erkenntnisgewinns ein, werden allerdings wegen ihrer Realitätsferne, d. h. mangelnder externer
Validität zunehmend kritisiert (z. B. Seligman, 1995).

Die Beschäftigung mit psychischen Störungen (englisch „Abnormal Psychology“) ist ebenfalls nur ein
Teilgebiet der klinischen Psychologie. Die klinische Psychologie umfasst theoretische Grundlagen,
Methoden und Systeme für die Diagnose und Klassifikation (ICD-10, DSM-5) psychischer Störungen, für
ihre psychologische Behandlung, für Prävention und Rehabilitation. Sie überschneidet sich vielfach mit
anderen angewandten Teilgebieten der Psychologie und der Psychiatrie. Sie ist in allen Bereichen der
Methodendisziplinen und der Grundlagendisziplinen verwurzelt. Daher ist eine gründliche, umfassende,
wissenschaftliche Ausbildung in Psychologie unabdingbare Voraussetzung für das Studium der klinischen
Psychologie.

Primär ist die klinische Psychologie allerdings Grundlagenforschung, indem sie aus der Erforschung von
„gestörtem“ Erleben und Verhalten Rückschlüsse auf „normale“ psychische Funktionsbereiche liefert.
Ebenso sucht sie auch im Rahmen angewandter Forschung nach den Ursachen und
Wirkungszusammenhängen von gestörten Funktionsbereichen (z. B. gestörter Informationsverarbeitung,
insbesondere bei Vorliegen von bestimmten Erkrankungen wie z. B. Angststörungen) und erforscht in
dem Zusammenhang auch Grundlagen zur Entstehung (bio-psycho-soziales Modell: Diathese-Stress-
Modell), Symptomatik und Aufrechterhaltung von psychiatrischen Erkrankungen (wie z. B. der
Depression). Aus den Forschungsergebnissen ergeben sich Möglichkeiten, Methoden zur Veränderung
zu entwickeln, die dann wiederum Forschungsgegenstand der klinischen Psychologie sind. Insofern kann
die klinische Psychologie neben der Psychotherapie auch in Form von Trainings (Psychoedukatives
Training etc.), Beratung und Training von Angehörigen und so weiter psychologische Hilfestellungen
leisten. Sie überschneidet sich hier mit der psychologischen Diagnostik und Intervention bzw. wird durch
diese ergänzt. Dabei gehört die allgemeine psychologische Diagnostik (insbesondere Persönlichkeits-
und Leistungsdiagnostik) und natürlich im Speziellen die klinisch-psychologische Diagnostik (ICD-10,
DSM-5) einschließlich Befundung und Begutachtung ebenso zum Aufgabenfeld der klinischen
Psychologie wie die evidenzbasierte Therapieplanung, die Therapieevaluation und das
Qualitätsmanagement. Ein weiteres sehr wichtiges Forschungsgebiet der klinischen Psychologie ist die
Epidemiologie.

Unterdisziplinen

Ein Spezialgebiet der klinischen Psychologie ist die klinische Neuropsychologie, die sich mit
schädigungsbezogenen Zuständen und Veränderungen des Zentralnervensystems und den sich daraus
ergebenden gestörten Funktionsbereichen beschäftigt.

Das Spezialgebiet der klinischen Kinder- und Jugendpsychologie wie auch z. B. die klinisch-
psychologische Familienberatung und -therapie unterscheiden sich stark von systemischen oder
psychoanalytischen Richtungen.

Die klinische Psychologie überschneidet sich mit der Gesundheitspsychologie, die sich mit
gesellschaftlichen Fragen nach wirksamer Prävention, gesundheitsförderlichem Verhalten (auch in Bezug
auf die psychische Gesundheit) und den sozialen Faktoren von Krankheit sowie Stress beschäftigt.
Vielfach wird diese aber auch als Teilbereich der klinischen Psychologie klassifiziert.

Weitere Überschneidungspunkte existieren z. B. zur Arbeits- u. Organisationspsychologie, sofern es etwa


um Stressfolgeerkrankungen, Auswirkungen von Schichtarbeit, Traumata bei bestimmten Berufsgruppen
(Rettungsdienst, Feuerwehr, Militär, Polizei) geht.

Ausbildung

Ein abgeschlossenes Studium der Psychologie, welche das Fach Klinische Psychologie einschließt, ist
Zugangsvoraussetzung für die Ausbildung als psychologischer Psychotherapeut (§ 5 Abs. 2 Nr. 1). Das
Fach wird an keiner deutschen Fernuniversität angeboten. In der Schweiz wird es ausschließlich in
Kombination mit Präsenzveranstaltungen angeboten.

In Österreich ist die Ausbildung zum Klinischen Psychologen, zur Klinischen Psychologin gesetzlich durch
das Psychologengesetz[4] geregelt. Voraussetzung sind ein abgeschlossenes Psychologiestudium mit
mindestens 300 ECTS, einschließlich des Nachweises von mindestens 75 ECTS aus den Bereichen
Psychopathologie, psychologischer Diagnostik, Gesundheitsförderung und Rehabilitation sowie
Interventionen der Gesundheitspsychologie und Klinischen Psychologie. Weiters ist die physische,
psychische und persönliche Eignung durch entsprechende ärztliche Zeugnisse bzw. klinisch-
psychologische oder fachärztliche psychiatrische Gutachten zu belegen und ein Aufnahmegespräch zu
führen. Neben 2098 Praxisstunden und 340 theoretischen Einheiten müssen 120 Einheiten Supervision
und 76 Einheiten Selbsterfahrung absolviert werden. Die theoretische Ausbildung gliedert sich in ein
Grundmodul "Klinische und Gesundheitspsychologie" mit 220 Einheiten, welches mit einer schriftlichen
Prüfung abschließt. Danach kann das Aufbaumodul "Klinische Psychologie" gewählt werden mit 120
Einheiten. Ebenfalls ist es möglich, das Aufbaumodul "Gesundheitspsychologie" zu wählen, welches für
die Ausbildung zum Gesundheitspsychologen, zur Gesundheitspsychologin benötigt wird. Nach
Abschluss der theoretischen und praktischen Ausbildung ist zum Erwerb der fachlichen Kompetenz eine
kommissionelle mündliche Prüfung abzulegen.

Anbieter des theoretischen Lehrgangs müssen vom Österreichischen Bundesministerium für Gesundheit
anerkannt sein. Dies trifft für folgende Einrichtungen zu (alphabetische Reihenfolge):

Alpen-Adria-Universität Klagenfurt

Arbeitsgemeinschaft für Verhaltensmodifikation

Berufsverband Österreichischer PsychologInnen (BÖP): Österreichische Akademie für Psychologie (ÖAP)


[5]

Gesellschaft kritischer Psychologinnen und Psychologen (GkPP)

Österreichische Akademie für Psychologie (AAP)[6]

ÖTZ-NLP

Schloss Hofen

UMIT

Universität Wien

Wiener Akademie für Klinische Psychologie – WIKIP[7]

Für die Supervision sind Klinische Psychologen zu betrauen, welche seit mindestens fünf Jahren selbst
als Klinische Psychologen tätig sind. Die Selbsterfahrung darf bei Klinischen Psychologen,
Gesundheitspsychologen, Psychotherapeuten, oder Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapeutische
Medizin, die selbst zumindest 120 Einheiten Selbsterfahrung absolviert haben, absolviert werden.

Literatur

R. Bastine: Klinische Psychologie. Band 1 u. 2, Kohlhammer, Stuttgart 1992/1998. (digi.ub.uni-


heidelberg.de)

H. Bommert, F. Petermann (Hrsg.): Diagnostik und Praxiskontrolle in der Klinischen Psychologie. DGVT,
Tübingen 1982. ISBN 3-922686-55-9.

J. N. Butcher, S. Mineka, J. M. Hooley: Klinische Psychologie. 13. Auflage. Pearson Studium, München
2009, ISBN 978-3-8273-7328-1.
F. Caspar, D. Regli: Klinische Psychologie. (= Basiswissen Psychologie). VS Verlag, Wiesbaden 2010, ISBN
978-3-531-17076-3.

A. Ehlers, K. Hahlweg (Hrsg.): Grundlagen der Klinischen Psychologie. Hogrefe, Göttingen 1996, ISBN 3-
8017-0543-9.

W. Hartje, K. Poeck: Klinische Neuropsychologie. 6. Auflage. Thieme, Stuttgart 2006, ISBN 3-13-624506-
7.

St. C. Hayes, D. H. Barlow, R. O. Nelson-Gray: The Scientist Practitioner. Research and Accountability in
the Age of Managed Care. 2. Auflage. Allyn & Bacon, Boston 1999, ISBN 0-205-18098-1.

P. C. Kendall (Hrsg.): Handbook of Research Methods in Clinical Psychology. 2. Auflage. Wiley, New York
u. a. 1999, ISBN 0-471-29509-4.

A. E. Kazdin: Research Design in Clinical Psychology. 4. Auflage. Allyn & Bacon, Boston u. a. 2010, ISBN
978-0-205-77406-7.

S. O. Lilienfeld, J. M. Lohr, S. J. Lynn (Hrsg.): Science and Pseudoscience in Clinical Psychology. Guilford
Press, New York 2004, ISBN 1-57230-828-1.

S. O. Lilienfeld, W. T. O’Donohue (Hrsg.): The Great Ideas of Clinical Science. 17 Principles That Every
Mental Health Professional Should Understand. Routledge, New York, NY u. a. 2007, ISBN 978-0-415-
95038-1.

M. Perrez, U. Baumann (Hrsg.): Lehrbuch Klinische Psychologie. Psychotherapie. 3. Auflage. Huber, Bern
u. a. 2005, ISBN 3-456-84241-4.

R. Barrabas: Kerngebiete der Psychologie. Eine Einführung an Filmbeispielen. Vandenhoeck & Ruprecht,
Göttingen 2013, ISBN 978-3-8252-3850-6, S. 91ff.

H. Reinecker (Hrsg.): Lehrbuch der Klinischen Psychologie und Psychotherapie. Modelle psychischer
Störungen. 4. Auflage. Hogrefe, Göttingen 2003, ISBN 3-8017-1712-7.

M. C. Roberts, S. S. Ilardi (Hrsg.): Handbook of Research Methods in Clinical Psychology. Blackwell,


Boston 2003, ISBN 0-470-75698-5.

H.-U. Wittchen, J. Hoyer (Hrsg.): Klinische Psychologie und Psychotherapie. 2. Auflage. Springer
Heidelberg 2011, ISBN 978-3-642-13017-5. (Online-Materialien)

M. Berking, W. Rief (Hrsg.): Klinische Psychologie und Psychotherapie für Bachelor. Band I: Grundlagen
und Störungswissen. Springer, Heidelberg 2012, ISBN 978-3-642-16974-8. (Online-Materialien)

M. Berking, W. Rief (Hrsg.): Klinische Psychologie und Psychotherapie für Bachelor. Band II:
Therapieverfahren. Springer, Heidelberg 2012, ISBN 978-3-642-25522-9. (Online-Materialien)

Das könnte Ihnen auch gefallen