Wichtiger Hinweis: Gegenüber dem Skript sind in der Vorlesung Änderungen insbesondere der besprochenen Beispiele jederzeit
möglich; prüfungsrelevant ist in jedem Fall die Vorlesung.
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(www.fh-augsburg.de/architektur_bau); ergänzende Literatur wird ggf. im Skript den jeweiligen Vorlesungsthemen zugeordnet.
FACHHOCHSCHULE AUGSBURG
Prof. Dr.-Ing. Klaus Tragbar
1. Vorlesung:
Die Renaissance des 15. Jahrhunderts hatte das Ende der Vorstellung von einer gottgegebenen Ordnung
der Dinge und den Beginn naturwissenschaftlicher Forschung im heutigen Sinne eingeläutet, durch Expe-
riment und Beobachtung hatte man seither versucht herauszufinden, „was die Welt im Innersten zusam-
menhält“. Die aus dieser Idee entstandenen zahlreichen Erfindungen und Entdeckungen, vor allem der
Naturgesetze, führte zu der Annahme, allen Dingen und Erscheinungen lägen feste Regeln und Gesetze
zugrunde – also auch der Architektur; Beginn der Suche nach dem Ursprung, der „Urhütte“.
Aufklärung, nach Immanuel Kant verstanden als Befreiung vom Aberglauben, d. h. objektive Erklärung
der Welt auf der Grundlage logischer und allgemeingültiger Gesetze, bedeutete auch für die Architektur
eine Revolution, eine Befreiung von barocken Ordnungen und eine Rückkehr zu einfachsten Elementen
wie Würfel, Zylinder und Kugel.
Idee einer architecture parlante, einer sprechenden Architektur, die die Nutzung eines Gebäudes auf den
ersten Blick offenbart.
Métropole, 1784
Zur Suche nach dem Ursprung der Architektur gehörte die Beschäftigung mit der Antike:
Suche nach Regeln und Gesetzen beeinflußte die Ausbildung der Architekten:
2. Vorlesung:
Die Stilfrage
Auf der Suche nach einer nationalen Architektur
3. Vorlesung:
Ingenieurbauwerke als Vorreiter in der Zeit der Industriellen Revolution. Erfindungen und Entdeckungen
(Auswahl): 1642 Addiermaschine, 1662 Bleistift, 1673 Multipliziermaschine, 1681 Dampfkochtopf, 1711
Dreifarbendruck, 1738 Spinnmaschine, 1754 Eisenwalzwerk, 1769 Dampfmaschine, 1785 mechanischer
Webstuhl, 1800 Drehbank, 1807 Dampfschiff …
Verkehrsbauten sind typische Bauaufgaben des 19. Jahrhunderts ebenso wie Ausstellungsbauten, …
Paris, Eiffelturm: 1889, zur 100-Jahr Feier der Revolution ein 1.000
Fuß hoher eiserner Turm als Symbol der Fortschrittlichkeit
Frankreichs, geplant als temporärer Bau, dennoch Polemiken
gegen das „moderne Schandmal“, heute Wahrzeichen
Paris, Les Halles: 1853, Auf- und Ausbau der städtischen Infrastruk-
tur, notwendig durch das enorme Anwachsen der Städte als
Folge der Industrialisierung
Dilemma des 19. Jh.s: Neues Material ermöglicht neue konstruktive und architektonische Lösungen, Su-
che nach adäquatem, auch für das Publikum verständlichen Ausdruck (Änderung der Sehgewohnheiten,
vgl. Coalbrookdale), Trennung der Disziplinen des Bauwesens: Hier der Architekt, klassisch gebildet und
für die Hülle verantwortlich, da der Ingenieur, moderner und fortschrittlicher, für die Konstruktion:
4. Vorlesung:
Aufbruchstimmung Ende des 19. Jh. und Wunsch nach Veränderung, lebensreformerische Bewegungen:
Theosophen, FKK-Propheten, Licht- und Luftanbeter, Ernährungsreformer, Wandervögel etc. Neben viel
rührender Naivität gemeinsamer Wunsch nach Befreiung von Zwängen des wilhelminischen Zeitalters:
Reformkleidung, vegetarische Ernährung, lichtdurchflutete Kindergärten, Ausdruckstanz, und statt der
Stillosigkeit des 19. Jh.s ein neuer, historisch nicht gebundener Gebrauchsstil; Gesamtkunstwerk.
Paris, Metro: 1900, Hector Guimard, betont neue Gestaltung für das
neue Verkehrsmittel für Weltausstellung
5. Vorlesung:
Delirious Chicago
Die Entstehung der modernen Architektur
Günstige Lage Chicagos am Lake Michigan, Eisenbahnknotenpunkt, Kanal vom Lake Michigan zum
Mississippi; Stadtbrand 1871, weitgehende Zerstörung der Stadt und sofortiger Wiederaufbau; seltener
Fall der Entstehung eines neuen Bautypus mit allen rahmenden Bedingungen an einem Ort
Feuersicheres Bauen ist neben der automatischen Fallbremse von Elisha Graves Otis (öffentliche Vorfüh-
rung New York 1853) wichtigste Erfindung zum Hochhausbau (New York, Elevatorbuilding, 1856)
Hendrik Petrus Berlage, 1911 Amerikareise und Bekanntschaft/Einfluß von Hobson Richardson und
Frank Lloyd Wright, publiziert 1911 erstmals dessen Architektur in Europa, dort sofort Einfluß:
6. Vorlesung:
Wien, Haus Steiner: 1910, Adolf Loos, nach Bauordnung nur einge-
schossige Fassade zur Straße zzgl. Dach, zum Garten wg.
Hanglage dreigeschossig, uneinheitlicher Baukörper
Literatur
Oechslin, Werner: Stilhülse und Kern. Otto Wagner, Adolf Loos und der evolutionäre Weg zur modernen Architektur. Zürich,
Berlin 1994
Piper, Ernst/Schoeps, Julius H. (Hrsg.): Bauen und Zeitgeist. Ein Längsschnitt durch das 19. und 20. Jahrhundert. Basel, Boston,
Berlin 1998
Posener, Julius: Anfänge des Funktionalismus. Von Arts and Crafts zum Deutschen Werkbund (Bauwelt Fundamente 11). Ber-
lin, Frankfurt am Main, Wien 1964
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7. Vorlesung:
Experiment Industriebau
Alfeld/Leine, Faguswerke: 1911–1914, Walter Gropius/Adolf Mey-
er, verglaste Ecke mit dünnen Profilen, moderne Anmutung
auch in der legendären, aus den Primärformen Kreis und Qua-
drat aufgebaute Türklinke, Tür aber ornamentiert und Ein-
gangshalle klassizistische Gestaltung, Ambivalenz der Moderne
zwischen Reform und Tradition.
1907 Gründung Deutscher Werkbund, Vereinigung von Architekten, Künstlern, Industriellen, Pädagogen
und Publizisten mit dem Ziel der Entwicklung der „guten Form“ unter industriellen Produktionsbedin-
gungen; Gedankengut des Arts and Crafts Movement, aber Befürwortung der Maschine als modernes
Werkzeug im Unterschied zum englischen „Maschinensturm“.
Expressionismus
Phase nahezu aller wichtigen Architekten des frühen 20. Jahrhunderts, Expressionismus seinerseits ist
Rückgriff auf um 1900 entstandenes Gedankengut (Jugendstil), wichtig: Kein einheitlicher Stil, eher
Sammelbegriff!
Nach dem 1. Weltkrieg Auftragsmangel wegen hoher Inflation und raschem Preisanstieg, Rückzug aufs
Papier, theoretische Auseinandersetzung mit Architektur für die neuentstehende demokratisch verfasste
Gesellschaft, Außenwirkung durch Ausstellungen und theoretische Schriften, verschiedene Gruppierun-
gen: Gläserne Kette, Arbeitsrat für Kunst, Novembergruppe, alle 1919/20 mit teilweise identischen Per-
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sonen, mit Besserung der Auftragslage Auflösung der Gruppierungen, Suche nach eine neuen Architek-
tursprache: Expressionismus, die Sinne ansprechende Architektur als Ausdruck der Nervosität und Unsi-
cherheit einer Zeit, der mit dem Ende des Kaiserreiches die innere Ordnung abhanden gekommen war.
Literatur
Lampugnani, Vittorio Magnago/Schneider, Romana (Hrsg.): Moderne Architektur in Deutschland 1900 bis 1950. Expressionis-
mus und neue Sachlichkeit (Kat. Frankfurt 1994). Stuttgart 1994
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8. Vorlesung:
De Stijl
1917–32, vom Kubismus beeinflußte Künstlervereinigung, Einflüsse auch von Berlage und Frank Lloyd
Wright; ethische Prinzipien wie Wahrheit, Objektivität, Ordnung, Klarheit und Einfachheit, antitraditio-
nell, antiindividuell und interessiert an den sozialen und gesellschaftlichen Verhältnissen seiner Zeit.
Raum wird aufgelöst und neu definiert aus Punkt, Linie und Fläche, rechtwinkelige Durchdringungen und
Verdichtungen des Raums, drei Primärfarben rot, blau und gelb, dazu die drei primäre Nichtfarben weiß,
schwarz und grau; Raum entsteht durch Verdichtung dieser Elemente.
Purmerend, Fabrikentwurf: 1919, Jakobus Johannes Pieter Oud, Ideen von Doesburg und Wright
Einflüsse zunächst durch Arts and Crafts Movement, später durch De Stijl und den russischen Konstruk-
tivisten: Wende von expressionistischer Romantik und Schwärmerei zur aktiven Teilnahme an den Pro-
blemen der Gegenwart und den Problemen der Industriegesellschaft; Lebensdauer des Bauhauses (1919–
1933) identisch mit der Weimarer Republik, mit deren Schicksal es auf Gedeih und Verderb verknüpft ist.
„Das Bauhaus erstrebt die Sammlung alles künstlerischen Schaffens zur Einheit, die Wiedervereinigung
aller werkkünstlerischen Disziplinen – Bildhauerei, Malerei, Kunstgewerbe und Architektur – zu einer
neuen Baukunst.“ (Bauhaus-Manifest 1919)
1924 Selbstauflösung wg. NSDAP-Mehrheit in Thüringen, Otto Bartning übernimmt mit der Hochschule
für Handwerk und Baukunst das Erbe des Weimarer Bauhauses, 1925/26 Umzug nach Dessau.
Betonung von Zweckmäßigkeit, Ökonomie, primäre stereometrische Formen und maschinelle Produkti-
on, 1927 Einrichtung einer eigenen Architekturabteilung unter Hannes Meyer, 1928 Rücktritt Gropius,
Nachfolger wird Hannes Meyer, Betonung des sozialen Aspekts der Arbeit, „Volksbedarf statt Luxusbe-
darf“ und Förderung der Produktion preiswerter, auch für Arbeiter erschwinglicher Produkte, interne
Konflikte mit den Künstlern und externe mit der stärker werdenden NSDAP, 1930 Entlassung Meyers,
mit dem Nachfolger Ludwig Mies van der Rohe erhält das Bauhaus einen auf höchste Qualität und ein
unerbittliches Arbeitsethos eingeschworenen Direktor, die Arbeit konzentriert sich auf Bau und Ausbau.
1932 Schließung des Bauhauses in Dessau, letzte Phase in einer stillgelegten Telefonfabrik in Berlin-
Steglitz, am 20. Juli 1933 endgültige Schließung.
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Insgesamt nur etwa 1.250 Schüler, aber eine umgekehrt dazu stehende weltweite Wirkung, die nicht zu-
letzt auf die erzwungene Emigration der Bauhäusler zurückzuführen ist, die dessen Ideen in alle Welt ge-
tragen haben (Israel!), Gropius und Breuer gingen nach Harvard, Moholy-Nagy an das New Bauhaus in
Chicago, Mies und Hilbersheimer ans Armour Institute, heute Illinois Institute in Chicago, wichtig für
Rezeption und Legendenbildung war auch die Ausstellung 1938/39 im Museum of Modern Art in New
York; in den sechziger Jahren zog das Bauhaus einen Teil der Kritik am Funktionalismus auf sich.
Krefeld, Haus Lange: 1928, Ludwig Mies van der Rohe, Fabrikan-
tenvilla, breit gelagerter, kubischer Baukörper, klar disponierte
Fassade, roter Backstein, weiß gestrichener Beton und schwar-
zes Metall, innerer GRR eher konventionell, aber Türen und
Fenster aufeinander bezogen, so daß sich lange Sichtachsen
(und damit die Illusion kontinuierlicher Räume!) ergeben
1931 Ausstellung „The International Style“ in New York, Kuratoren Henry-Russel Hitchcock und Philipp
Johnson (Mies-Schüler!), „Der Stilbegriff … hat wieder Realität und Fruchtbarkeit erlangt … Der Stil un-
serer Zeit, weltweit verbreitet, ist einheitlich und umfassend, nicht fragmentarisch und widersprüchlich
wie so manches Werk der ersten Generation moderner Architekten“, Widerspruch von Gropius, das Bau-
haus wollte nie „irgendein Stil, ein System, ein Dogma, eine Formel oder eine Mode zu propagieren, son-
dern einzig und allein einen belebenden Einfluß auf die Planung auszuüben.“ Dennoch Definition von …
Literatur
Behne, Adolf: Der moderne Zweckbau (Bauwelt Fundamente 10). Berlin, Frankfurt 1964
Lampugnani, Vittorio Magnago/Schneider, Romana (Hrsg.): Moderne Architektur in Deutschland 1900 bis 1950. Reform und
Tradition (Kat. Frankfurt 1992). Stuttgart 1992
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9. Vorlesung:
Le Corbusier: Ausbildung als Ziseleur, als Architekt weitgehend Autodidakt, Studienreisen nach Italien,
Griechenland und die Türkei, Begegnungen mit Joseph Hoffmann (Wien) und Henri Sauvage (Paris),
Mitarbeit bei Auguste Perret (Paris) und Peter Behrens (Berlin), Treffen mit den führenden Köpfen der
deutschen Reformbewegung (Muthesius, Tessenow), Einflüsse von Frank Lloyd Wright; Interesse an
neuen Materialien und maschinellen Produktionsweisen (Bausystem Dom-Ino 1914/15), seit 1920 inten-
sive publizistische Tätigkeit, eigene Zeitschrift L’Esprit Nouveau 1920–25, Serie von Aufsätzen, Zusam-
menfassung 1923 als Vers une architecture (Ausblick auf eine Architektur).
Hendricus Theodorus Wijdeveld: Gründer der Zeitschrifte Wendingen, 1920 Reise nach Paris und Treffen
mit Amédée Ozenfant, einer der ersten Bauherren LC’s
El Lissitzky (1890–1941)
Futurismus
Futuristisches Manifest 1909; radikale, nationalistische Kunstbewegung, Bruch mit der Vergangenheit,
Krieg sei die „einzige Hygiene der Welt“, „ein Rennwagen ist schöner als die Nike von Samothrake“,
Verehrung der Maschine, Stadt = lärmender Abgrund und permanente Baustelle
Konstruktivismus
Übernahme und Weiterentwicklung der Dynamik und Wucht des Futurismus für Revolutionsarchitektur,
Schräge als Symbol der modernen, dynamischen und sozialistischen Gesellschaft
Hans und Bodo Rasch (geb. 1902 bzw. 1903): grundsätzliche Aus-
einandersetzung mit konstruktiven Problemen, die Hängehoch-
häuser von 1927/28 wohl die ersten dieser Konstruktionsart,
zwölfgeschossige Hochhäuser sind an hohen Stahlmasten auf-
gehängt, die Masten angespannt, Montage von oben nach unten,
Verkehrswege zwischen den Rundtürmen
10. Vorlesung:
Gartenstädte
Ebenezer Howard, Gartenstadtidee: 1898 Publikation von „A peaceful path to social reform“ 2. Aufla-
ge 1902 als „Garden cities of tomorrow“, reformistische Vorstellung einer idealen Siedlung mit max.
32.000 EW, autark und i. W. aus ländlichen Wohngebieten bestehend, ausreichend landwirtschaftliche
Flächen, als Ring um die Siedlung gelegt und so deren Wachstum verhindernd, im Zentrum Einkaufs-
möglichkeiten und kulturelle Einrichtungen, ein weiterer Park und ein „Kristallpalast“, in der Nähe Groß-
stadt mit max. 58.000 EW, Verbindung durch Eisenbahn und Fernstraßen, wichtig: Grund und Boden in
genossenschaftlichem Besitz und dadurch abgesichert gegen Spekulation, 1899 zur Gründung der Garden
City Association, 1907 dann die deutsche Ausgabe „Gartenstädte in Sicht“; Beispiele:
Novecento Milanese
Ideologische Alternative zum Futurismus durch die Pittura Metafisica und den Novecento (= 20. Jahr-
hundert), deren Ruhe und Klassikbezug nicht weniger national war, aber die Vergangenheit als Bezugs-
punkt akzeptierte.
Literatur
Brülls, Holger: Neue Dome. Berlin, München 1994
Burg, Annegret: Stadtarchitektur Mailand 1920-1940. Die Bewegung des „Novecento Milanese“ um Giovanni Muzio und Giu-
seppe de Finetti. Basel, Berlin, Boston 1992
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11. Vorlesung:
Scuola Romana
Offizielle, für repräsentative Bauten verwendete Architektur durch den „Staatsarchitekten“ Marcello Pia-
centini bestimmt, staatlicher Neoklassizismus trockener, akademischer Prägung, Übernahme klassisch-
antiker Formen, Vorbild: Imperium Romanum, Duce als pater patriae, Drittes Rom nach dem ersten der
Antike und dem zweiten der Päpste, Dekorelemente der faschistischen Symbolik entnommen (Liktoren-
bündel = fasces), dominierende Architekturströmung, da Genehmigungsbehörden und Wettbewerbsgre-
mien fest in faschistischer Hand
Rom, Via della Conciliazione: beg. 1937, fertig 1957 (!), bauliche
Manifestation der Lateranverträge von 1929
Rationalismus
Manifest 1926/27, einhellige Akzeptanz des Internationalen Stils wegen dessen formaler Ausprägung (die
dieser aber nicht wollte!) und konstruktiver Neuerungen, Ablehnung von dessen internationaler Kompo-
nente, Suche nach einer modernen, nationalen und eigenständigen Architektur, Verwendung absoluter
Formen, einfachster Elemente in perfekter Ausführung; europäische Moderne plus nationale Ideologie.
Rom, Postamt Via Marmorata: 1933–35, Adalberto Libera und Mario de Renzi
Rom, EUR Pal. della Civiltà Italiana: Guerrini, La Padula und Ro-
mano, sog. „Colosseo Quadrato“
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Nationalsozialistisches Bauen
Nürnberg, Reichsparteitagsgelände: 1934–37, Planung eines gewal-
tigen Aufmarschgeländes in Nürnberg, der „Hauptstadt der Be-
wegung“ und nach Hitler der „deutschesten aller deutschen
Städte“, als Aufbewahrungsort der Reichskleinodien auch my-
stische Dimension
Literatur
Nerdinger, Wilfried: Bauen im Nationalsozialismus. München 1993
Schneider, Romana/Wang, Wilfried (Hrsg.): Moderne Architektur in Deutschland 1900 bis 2000. Macht und Monument (Kat.
Frankfurt 1998). Ostfildern-Ruit 1998
Teut, Anna: Architektur im Dritten Reich 1933-1945. Frankfurt am Main, Wien 1967
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12. Vorlesung:
Neue Konzepte:
Freie Formen:
Berlin, Benjamin-Franklin-Halle:
Literatur
Bender, Michael/May, Roland (Hrsg.): Architektur der fünfziger Jahre. Die Darmstädter Meisterbauten (Kat. Darmstadt 1998).
Stuttgart 1998
Hackelsberger, Christoph: Die aufgeschobene Moderne. München 1985
Pehnt, Wolfgang/Stroh, Hilde (Hrsg.): Rudolf Schwarz. Architekt einer anderen Moderne (Kat. Köln u. a. 1997-1999). Stuttgart
1997
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Negative Folgen eines des industrialisierten Bauens und reinen Funktionalismus: Gesichtslose Großsied-
lungen ohne Maßstab und Ortsbezug, Anonymität, soziale Probleme; Kritik am seriellen Bauen und dem
immer gleichen Prinzip von Stapelung und Reihung und damit Diskreditierung einer der wesentlichen
Ideen der Moderne: Man wollte ja schließlich nur gute Architektur durch industrielle Produktionsweisen
billiger und für jedermann verfügbar machen.
Kritik auch an den strengen, autonomen, also selbstbezogenen Bauten der späten Moderne, die jeglichen
Ortsbezug vermissen lassen; Zerfall der Trias aus Funktion, Material und Konstruktion; Kritik und Wei-
terentwicklung der Moderne in mehreren Variationen:
6. Variation: Rationalismus
Riva San Vitale (Schweiz), Casa Bianchi: 1971–73, Mario Botta
8. Variation: Dekonstruktion
Entwurfsprinzip, bei dem ein Gebäude in seine einzelnen Bestandteile (Wände, Dächer, Türen, Fenster
etc.) zerlegt und wieder zusammengesetzt wird, Parallele zu den mathematischen Operationen Eisenmans,
nur noch willkürlicher und in den Entwurfentscheidungen noch weniger nachvollziehbar; Spiegel einer
zerrissenen Gesellschaft, (angeblicher) Theoretiker: Jacques Derrida.