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LEHRBUCH

DER

HOCHBAU -KONSTRUI(TIONEN.

ERSTER THEIL.
LEHRBUCH
DER

HOCHB-L~U - KONSTRUKTIONEN
VON

RUDOLPH GOTTGETREU
ARCHITEKT
ORDENTL. Pl:WFESSOR AN DER TECHNISCHEN HOCHSCHULE IN l\ItNCHEX

ERSTER THEIL.

lVIAURER- UND STEINl\lETZARBEI~rEN.


(STEIN - KONSTRUKTIONEN.)

MIT EINEM ATLAS VON XXIX TAFELN


IN FOLIO
UND 340 IN DEN TEXT EINGEDRUCKTEN HOLZSCHNI'I'TEN.

BERLIN.
VERLAG VON ERNST & KORN
(GROPIUS'SCHE BUCH- UND KUNSTHANDLUNG)
90 .WILHEUISTRASSE
(NAcHST DEM ARCHITEKTENHAUSE).

1880.
Vor W 0 r t.

Die vorhandene Literatur in den Bauwissenschaften war bis zum


Ende des vorigen ,T ahrhunderts eine sehr einseitige. Wie schätzenswerth
einzelne jener älteren iWerke über die" ge s a m mt e Ci v i I bau k uns t
auch sein mögen, so behandeln sie doch fast ausnahmslos nur elen for-
malen Theil der Architektur, insbesondere die Säulenordnungen in Ver-
bindung mit der Austheilung und Gliederung der Profile und Gesimse.
Technische Mitthailungen über Baukonstruktionen und Baumaterialien
aus den Schriften Vitruv's , aus Plinius, aus den Abhandlungen von
Battista Alberti"}, Vignola und Palladio **) finden sich in ihnen nur
höchst dürftig vor.
Der verführerische Reiz der Zeichenkunst war zu jener Zeit bei
den Baukünstlern so vorherrschend ,dass er ein anderweitiges ,ernstes
Studium, auf welchem die Baukunst doch nicht minder beruht, gar nicht
aufkommen liess; die Baumeister traten, mit Vitruv zu reden, nicht mit
allen Waffen (omnibus armis ornati) auf die Wahlstatt.!
Der Mangel an praktischen, die Konstruktion von Wohngebäuden
behandelnden Büchern machte sich daher auch überall fühlbar. So richtet
unter anderen eine öffentliche Stimme in der decade philosophique,
Iitteraire et politique aus dem 3. Jahre der französischen Republik einen
energischen Appell an die damals in Frankreich lebenden Architekten, in
welchem gesagt wird: "es sei höchste Zeit, dass sich die Baukünstler
endlich der wir t h s c haft 1ich e n Bau k uns t befleissigen möchten.
Man eröffne ihnen, durch Ausschreibung von Preisen, neue Laufbahnen,
und sei vielleicht der Zeitpunkt nicht mehr fern, wo die allgemeine
Achtung Demjenigen nicht weniger zu Theil wird, der sich bestrebt,

*) De re aedificatoria, Florenz 1485.


**) Dell' Architettura von Palladio (gestorben 1580) erschien m 4 Bänden, ver-
deutscht von Böckl-r 1698 in Nürnbersr,
VI

gesunde und bequeme Wohngebäude. zn errichten, als dem, der Tempel


und Paläste entwirft !;; Und schon unter der Regierung Louis XV.
beklagte sich der Regierungsarchitekt Patte über den gänzlichen Mangel
eines gründlichen Werkes über Baukonstruktion *).
Auch in Deutschland konnten um dieselbe Zeit Bücher, wie: Helfen-
rieder's "Beiträge zur bürgerlichen Baukunst" (1793), dessen Autor Pro-
fessor der Mathematik und Doktor der Theologie an der Universität in
Ingolsta.dt war, die Lücken nicht beseitigen. welche von einsichtsvollen
Baumeistern tief empfunden wurden; selbst das Buch: "Theoretisch-
praktischer Unterricht über die Baukunst, für Steinmetzen, Zimmerleute
und jeden baulustigen Hausvater", welches in Nürnberg im Jahre 1794
erschienen war , enthielt, ebenso wie mehrere andere literarische Pro-
dukte der damaligen Zeit mit ähnlich hochtönendem Titel, Nie h t s,
was solchem nur einigermassen hätte entsprechen können.
Der Altvater der neueren Hochbaukonstruktion, D. Gilly in Berlin,
war es, welcher im .Jahre 1795 die Idee fasste, durch Herausgabe eines
entsprechenden Handbuches den angehenden Baumeistern einen Leitfaden
in die Hand zugeben, und diesen Gedanken durch die in den
Jahren 1797 und 1798 erschienenen ersten Bände seiner Landbaukunst
realisirte.
Als im Jahre 1808 D. Gilly nach vollbrachtem 60. Lebensjahre als
Geheimer Oberbaurath sein für die vVelt und den Staat so frucht-
reiches Leben beschlossen hatte, übernahm es der Regierungsbaurath
Friderici, Gilly's Schwiegersohn, und nach dessen Tode der Oberbau-
direktor F. Triest, das Handbuch der Landbaukunst in Rücksicht auf
die Konstruktion der Wohn- und Wirthschaftsgebäude in 3 Bänden
mit Atlas in Kupferdruck weiter zu ergänzen; in dieser Gestalt wurde
von diesem vortrefflichen Werke im Jahre 1831 die fünfte und letzte
Auflage herausgegeben.
Gilly's Bestrebungen waren hauptsächlich darauf gerichtet, "g u t
und s par s a m " zu bauen, und den angehenden Baumeister sowohl,
als auch den Ha n d wer k e I' über die wichtigsten und zugleich noth-
wendigsten Baukonstruktionen, welche die Ausführung von Wohngebäuden
bedingen, zu belehren. Um verstanden zu werden, begründete er seine
Lehren in der Art, dass er über einen blinden Mechanismus sich zwar
erhob, dabei aber die Schranken, welche eine praktische Anleitung von
einer mathematischen Theorie hätten trennen können, nie überschritt; bei
jeder Konstruktion entwickelte er die allgemein brauchbarsten Vor-
schriften und Handgriffe nach leicht fassbarer lVIethoc1e.
In Frankreich war es Ronclelet, der, 1743 geboren, nach einer

*) Observations 8Ur les objets les plus importanta c1e l'Architecture. Paris 1769.
VII

gründlichen Vorbildung unter der Leitung Sufflot's eine vielseitige Bau-


thätigkeit entfaltete, später in Italien seinen Studien" oblag, und dann
als Professor der Academie des beaux arts "wirkte und die Frucht seiner
unermüdlichen Thätigkeit und seiner" Forschungen in 5 Quartbänden
mit umfangreichem in Kupfer gestochenen Atlas herausgab.
Rondelet's "K uns t zu bau e n" erstreckt sich auf das gesammte
Bauwesen und behandelt neben dem Hochbau den Brücken - und
Strassenbau, sowie auch die Baumaterialien.
Wenn Rondelet in allen seinen Schriften der Theorie eine her-
vorragende Stellung einräumt, so legt er doch ein sehr entschiedenes
Gewicht auf praktisch erworbene Erfahrungen, welche sich jeder Bau-
meister vorher aneignen müsse. ,;Um über einen Gegenstand richtig
urtheilen und endgiltig entscheiden zu können, muss man ihn vor Allem
gründlich kennen lernen; solches Erkennen setzt aber oft eine grosse
Summe von Wissen voraus; die nicht Jeder in sich vereint; die Theorie,
die hauptsächlich auf realen B e 0 b a c h tun gen und U n t e r -
s u c h u n gen beruhe, könne nur in der Hand eines praktisch gebildeten
Mannes Erfolge haben, sie müsse mit der Praxis Hand in Hand gehen!"
Die Ku n s t zu bau e n wurde von dem Architekten Distelbarth
ins Deutsche übersetzt im Jahre 1823 "herausgegeben. Einer grossen
Verbreitung hat sich dieses vorzügliche Werk in Deutschland jedoch
nicht zu erfreuen gehabt; abgesehen davon, dass die Anschauungen vom
Bauen in Deutschland vielfach von denjenigen der Franzosen abweichen,
mag der grosse Umfang des Werkes und der Preis Manchen davon
abgehalten haben, es anzuschaffen.
In unserm Vaterlande erwarben sich um die Bau k 0 n s t r u k t ion s-
I ehr e ausser Friderici und Triest noch Menzel, "Linke und Manger
vielfache Verdienste; sie alle waren bestrebt, die Lehren Gilly's ihrer
Zeit entsprechend weiter auszubilden, und es haben die letzteren drei
als Lehrer der Baukonstruktion lange und erspriesslich gewirkt. Ganz
besonders aber war es G. Linke, welcher mit grösstem Eifer und besten
Erfolgen ein halbes Säkulum hindurch an der Berliner Bauakademie
Vorträge über Baukonstruktionhielt , denen er vorzugsweise seine ganze
Kraft zuwandte, ohne dieselbe durch seine umfangreiche Baupraxis jemals
beeinträchtigen zu lassen.
Linke's Vorträge; die vorherrschend praktischer Natur waren, wurden
seiner Zeit durch Zinkographie vervielfältigt und bildeten einen äusserst
brauchbaren Berather für alle angehenden Baumeister.
Um diese Vorträge erfolgreich zu unterstützen) wurden von der
tee h ni s c h enD e P u tat ion für Ge wer b e (einer Schöpfung von
Schinkel und Beuth) die Vorlegeblätter für lVlaurer und
Z im 111 er 1 e u t e herausgegeben, "welchen später Nachträge, von G. Stier
VIII

entworfen, folgten. Diese Vorlegeblätter*) bildeten und bilden heute !loch


e111 vorzügliches Hülfsmittel für die U e b u n gen im K 0 n s t r u ire n.
Nur durch fieissiges Zeichnen mit Zirkel und Massetab lässt sich
ein gründliches Vorständniss für den konstruktiven Theil des Hochbaues
gewinnen, nur hierdurch wird das Auge zum richtigen Sehen angeleitet
und für das Erkennen der richtigen Massverhältnisse erzogen. Je mehr
der angehende Architekt sich mit der vergleichenden Darstellung der
verschiedenen Konstruktionen befasst, desto sicherer wird sein Blick für die
Beurtheilung ihrer Stabilität sich ausbilden, so dass er der theoretischen
Berechnung allenfalls nur zur Kontrolle' bedarf; eine 'I'hatsache, die frei-
lich jedem Nichtzeichner verschlossen bleibt.
Linke's Vorträge, so klar und verständlich sie auch immerhin waren,
bewegten sich aber nur in engen und sehr konservativen Grenzen. Einem
seiner Schüler, einem jungen Süddcutschen , war es vorbehalten, auf
den alten Stamm ein junges Reis zu pfropfen. G. A. Breymann hat
auf der Basis der Linke'schen Vorträge und unter Benutzung der bereits
in voller Entwickelung begriffenen Tagesliteratur die Baukonstruktions-
lehre den Anschauungen und Anforderungen der neueren Zeit ent-
sprechend umgestaltet. Als Lehrer der Stuttgarter polytechnischen Schule
für das Fach der Baukonstruktion durfte er sich nachvieljähriger Lehr-
thätigkeit wohl dazu berufen fühlen.
Um den Studirenden Gelegenheit zu geben, die von ihnen erlernten
mathematischen Wahrheiten auf das Baufach zu übertragen, führte
Breymann überall, wo dies zulässig erschien, die theoretische Begründung
ein, ohne jedoch - wie er selbst sagt - den nöthigen Raum für die
praktischen Betrachtungen ungebührlich zu beschränken, und es hat sein
Lehrbuch der Baukonstruktionslehre Lehrern wie Studirenden wesentliche
Dienste geleistet.
Während Breymann's Baukonstruktionslehre mehr dem höheren
technischen Unterrichte angepasst war, vermochten es andere Hülfs-
bücher ähnlichen Inhalts nicht, der Forderung der Zeit gernäss einen
höheren Aufschwung zu nehmen.
Den technischen Hochschülern unserer Zeit sind nun aber Aufgaben
ganz anderer Art zugewiesen; denn, nachdem die technischen Hochschulen
ins Leben gerufen worden, nachdem die früher vereinten Bauwissen-
schaften sich nunmehr in das Hochbau - und in das Ingenieurfach
getheilt haben, zergliedert sich der gegenwärtig zu ortheilende Unter-
richt gleichfalls in Bau k 0 n s t ru k t ion s l e h r e für In gen i e u r e
und Hoc h bau k 0 n s t r u k t ion s l e h r e fü rAr c h i te k t e n,

*) Verlag von Emst & Korn in Berlin.


IX

In ersterer Beziehung liegen bereits hochgeschätzte Arbeiten YOL


wie : die Bau k 0 n s t r u k t ion s l oh r e für In gen i e ure als Lei t-
fad e n f r sei ne Vor t r ä ge, be ar bei t e t von W. Frauenholz.
ü

3 Bände, und All g e 111 ein e K 0 n s t r u k t ion sIe h red e s In -


gen i e urs ,n a c h Vorträgen des Herrn Professor Baumeister,
aus ge a r bei te t Y 0 n E. Y. Fe 1d e g g, Kar I s ruh e.
Bei der Bearbeitung der Hoc h bau - K 0 n s t r u k t ion s l e h r e fü r
Are h i t e k t e n hat es nun der Verfasser übernommen, das bisher vor-
handene Material zweckentsprechend umzugestalten, beziehungsweise zu
ergänzen; er glaubte sich hierzu nach einer nahezu 30jährigen Lehr-
thätigkeit in diesem Fache berufen und ging hierbei von folgenden An-
schauungen aus:
1. Es ist kein Grund vorhanden, die allgemeine Lehre von den
Baustoffen (Baumaterialien) den Ingenieuren anders vorzutragen, als den
Architekten; deshalb wurde es 'für zweckdienlicher gehalten, diesen
Lehrstoff nicht, wie das meistentheils geschieht, als Einleitung den ein-
zelnen Hauptabschnitten der Baukonstruktionslehre voranzuschicken.
Beide Lehrdisciplinen sind auch so wichtig und umfangreich, dass jede
für sich Stoff genug in sich fasst, um selbstständig gelehrt zu werden.
Die Zeit, wo die Baumaterialienlehre nur oberflächlich behandelt wurde,
scheint denn doch vorüber zu gehen, weil man sich klar darüber ge-
worden ist, dass für den gebildeten Techniker die Kenntniss der Bau-
stoffe ebenso wichtig ist, wie die Physiologie für den Mediziner.
2. Der gesammte Lehrstoff erfordert eine streng systematische Be-
handlung. Der Verfasser war daher bemüht, denselben demgemässzu
ordnen und dem angehenden Architekten zugleich in kurzer aber mög-
lichst klarer Sprache vorzuführen; eben deshalb erschien es gerechtfertigt,
dem Texte sehr viele Holzschnitte wie auch einen Atlas mit vielen Stahl-
stichen in korrektester Darstellung beizugeben; hierdurch findet das
richtige und leichte Verständniss eine wesentliche Unterstützung. Das
technische Zeichnen ist ja die eigentliche Sprache der gesammten Technik,
und darf dem entsprechend unter gar keinem Vorwande vernachlässigt
werden! *)
3. Bei der Hochbaukonstruktionslehre ist die Bauformenlehre nahezu
vollständig ausser Betracht zu lassen, denn letztere ist eine so umfassende
und dabei für den Architekten so wichtige Lehre, dass sie unter keiner
Bedingung nur so nebenbei behandelt werden darf ! Was haben über-
haupt nur wenig ausladende Gesimse und Gliederungen mit der Bau-
konstruktion zu thun? Steht auch bei einer grossen Anzahl von Gesimsen

*) Nicht mit Unrecht ist das Zeichnen von einem unserer älteren Philosophen
als Pasigraphie, d. h. als die gemeinsame Schriftsprache bezeichnetworden, die
allein von allen gebildeten Nationen verstanden wird.
x
olme Zweifel die Form in einem gewissen Zusammenhange mit der Kon-
struktion, so erfordern sie doch, mit fast einziger Ausnahme der Haupt-
gesimse , keiner e i gen t 1ich e n k 0 n s t r u k t i v e n Lösung, und mit
demselben Recht., mit welchem man einen ugTOSSen Theil der Formenlehre
in die Bücher über Baukonstruktion aufgenommen hat, könnte man den-
selben den Büchern der Baumaterialienlehre einverleiben: weil - wie all-
bekannt - das zur Disposition stehende Baumaterial in hohem Grade den
Charakter aller Bauformen beeinflusst t Die Baukonstruktion in bezug
auf Bauform hat sich vorherrschend nur mit elen weit ausladenden Haupt-
gesimsen zu befassen. Wollte man die Bauformenlehre mit der Bau-
konstruktion verquicken, so möchte bei dem Massenmaterial der ersteren
letztere verschwindend klein ausfallen. - Der Verfasser war daher be-
müht, sich streng an sein Programm zu halten.
4. Ebenso hat der Verfasser sorgsam zu vermeiden gesucht, seiner
Arbeit den Charakter einer Kompilation wirklich ausgeführter Bau-
konstruktionen zu geben, da es nur zu häufig geschieht, dass solche unver-
mittelt ohne Zusammenhang aneinander gereiht werden. Solche lVIittheilungen
sind freilich dem Pr akt i k e r stets ein sehr erwünschtes Material für
die' unmittelbare Nachbildung ; nichts desto weniger aber möchten sie
als ein Ruin alles selbstständigen Denkens und daher als bedenklich zu
bezeichnen sein - ganz besonders in einem Lehrbuche. J eele Bau-
konstruktion geht aus einer Summe von gegebenen Bedingungen hervor,
welche , wenn sie nicht alle bekannt sind, ihre richtige Beurtheilung
unmöglich macht; daher soll eine Baukonstruktions 1ehr e nur darauf
hinzielen, das innere Wesen sämmtlicher Konstruktionen dem Studirenden
soweit klar zu machen, dass sie dann weiter als Gegenstand graphischer
U ebungsaufgaben verwendet werden können. Zu solchenpassenclen
Uebungsbeispielen bietet der beigegebene Atlas das geeignete Material,
vor dessen gedankenlosem Copiren jedoch nicht genug gewarnt werden
kann! Es befinden sich in ihm Aufgaben von der leichtesten bis zur
schwierigsten Art, so dass die Studirenclen für die schwerer zu lösenden
Aufgaben sich Schritt für Schritt vorbereiten können.
5. Alles, was vorherrschend Sache des Ha n d w er Je s der Maurer
und Steinmetzen ist, gehört weniger in die Lehre der Baukonstruktion ;
hieraus mag sich die vielleicht Manchem auffällige Kürze erklären, mit
welcher z. B. die Steinverbäncle, die Pisetnauern etc. behandelt sind.
Dagegen wurde ganz entschiedenes Gewicht (besonders bei den Gewölben)
darauf gelegt, dass das in der' beschreibenden Geometrie Erlernte ebenso
gewissenhaft zur Anwendung gebracht werde, als die graphische Statik bei
den Untersuchungen über die Stabilität der Gewölbe. Hierbei war die
Ansicht massgebend, dass die Bau me c h a ni k für Architekten, wie für
Ingenieure immer noch neben cler Bau k 0 n s t r u k t ion bestehen solle,
XI

jedoch ebenfalls mit fleissigeu analytischen wie graphischen Uebungen


verbunden, ohne welche selbst der klarste Vortrag niemals den be-
absichtigten Erfolg erreichen wird.
Die statischen Untersuchungen wurden nur soweit verfolgt, als sie
zum richtigen Verstandniss der Stabilitätsverhältnisse für die einfachen
Tonnen-, Kappen-, Kreuz- und Kuppelgewölbe sich nothwendig erwiesen
haben. Die bezüglichen Untersuchungen wurden in elementarer Weise
mit ausschliesslicher Anwendung des graphischen Verfahrens angestellt,
und konnte dies hier um so eher genügen, als eine
eingehende theoretische Abhandlung über die sta-
tischen Momente der einfachen Mauern, der Stütz- und
Futtermauern, sowie der Gewölbe und der dazu ge-
h ö I' i ge n L ehr ger s t e auf A n I' e gun g des Ver fa s s e r s von
ü

Herrn Privatdozenten Dr. Wittmann verfasst wurde,


w e l c h e als Ergänzung der Hochbaukonstruktionen mit
die sen i n g lei c h e m Ver 1a g e e I' s chi e n e n ist.
In Rücksicht auf die grossen Schwierigkeiten, welche sich in stati-
scher Beziehung einer zuverlässigen theoretischen Erforschung aller in
der Hochbaupraxis vorkommenden, 0 f t s ehr k o m pli z i r t e n K 0 n-
s t r u k t i o n e n entgegen stellen, sowie beidemauffälligen
Faktum, dass so manche Bauausführung der gegen-
wärtig a 11 g e m ein ein geführt e n T h e 0 r i e ger ade zu
S pot t e t, w I' e e s ä u s s e r s t w ü n s c h e n s wer t h , d u r c h f 0 I' t-
ä

gesetzte Studien eine gesichertere Basis für die


T h e 0 r i e der Hoc h bau k 0 n s t-ru k t ion e n zu f in d e n.
6. Schliesslich wurden vom Verfasser bei den Abschnitten über
Mauern , Gewölbe, über Verputz und dessen ästhetische Ausbildung,
sowie über Estriche geschichtliche Notizen entweder vorangeschickt oder
auch mit hinein verflochten. -
Was die Eintheilung des Lehrstoffes anbetrifft, so ergab sich die
Nothwendigkeit einer Zerlegung desselben in 4 Hauptgruppen.
1. Hochbaukonstruktionen in Stein 0 der die Ar bei te n d e s
Maurers und S' e i n h a u e r s ;
11 Hochbaukonstruktionen in Holz 0 d e r d i e Ar bei te n d e s
Zimmermanns;
IH. Hochbaukonstruktionen in Eisen der d i e A r bei t e n cl e I'
0
Schmiede und Schlosser;
IV. Hochbaukonstruktionen des inneren Ausbaues; h i er her geh r e n ö

dieThür- undFensterkonstruktionen, Heizung


un d V e 11 t i 1a t ion , Hau s was s e r 1e i t TI 11 g e 11, Hau s-
tel e g r a p h i e u n d Abo r t e.
XII

Der I. Ban d b e h a n d e lt d i e Hoc 11 b a n k 0 n s t r u k t ion e n


In Stein (die Maurer- und Steinhauerarbeiten).
Die Ei 111 ei tun g: welche den ganzen Stoff des Staatsbauwesens
(Kameralbau) zergliedert, enthält auch die Lehre vom Baugrunde und
dessen Untersuchung; ferner elie Fundationen, soweit dieselben in das
Gebiet des Hochbaues eingreifen.
Dann folgt
A. Die Lehre vom Rohbau,
welcher wieder zerfällt in:
1. Die::tU a u e r Tl mit d e n i h 11 e n an geh r e n cl e n S c h or n -
ö

s t e i n r h r e n , Bögen und Gesimsen;


ö

2. Die Ge w 1b e und der e n S ta b i 1i t ä t ;


ö

3. Die m a s s i v e n T I' e P P e n.
und
B. Die Lehre vom Ausbau,
in welchem Abschnitt der Verputz mit dessen ästhetischer Ausstattung
und die Pflasterungen und Estriche eingehende Behandlung finden *).

. In bezug auf die einzelnen Abschnitte mögen nachfolgend noch wenige


Bemerkungen Platz finden, um darauf aufmerksam zu machen, in wie weit
. die hier behandelte Hochbaukonstruktionslehre von anderen Büchern
gleichen Inhaltes abweicht:
Bei dem Abschnitt ,,:Mauern~' wurde dem sogenannten "D r e i-
qua r ti e r e " eine bedeutendere Rolle, als bisher geschehen war, ein-
geräumt.
In bezug auf die von der Baupolizei vorgeschriebenen Mauerstärken
wurde unterlassen, speziell auf diese oder jene Bauordnung Rücksicht zu
nehmen, es schien vielmehr ausreichend, allgemeine Sätze in dieser Be-
ziehung aufzustellen.
In den geschichtlichen Notizen, welche der Konstruktion der Ge~
wölbe vorausgehen, ist den alten BabyIoniern die Priorität der Gewölbe-
kunst zugeschrieben, und wurde die eigenartige Technik der römischen
Gewölbe einer eingehenden Betrachtung unterworfen; eine weitere, in
gleichem Mass stabe ausgeführte Zusammenstellung von Gewölben aus der
Zeit der Tarquinier bis in die Renaissancezeit hinein möchte ein will-
kommener Beitrag sein, die epochemachenden Perioden der Gewölbe-
technik mit einander in Vergleich ziehen zu kÖ~lllen.
Besondere Aufmerksamkeit wurde der Gewölbetechnik der Gegen-
wart zugewendet, und erschien dies dem Verfasser schon aus dem Grunde
geboten, weil dieser Theil der Baukonstruktion bisher durchaus mangelhaft)

'<) Die Dacheindeclnmgen, ~L1s ein integrirender 'I'heil der Dächer , \verc1en im
11. Bande, nähere Besprechung finden.
XIII

Ja ungenügend behandelt worden war. Um die Unklarheit übel' das


\Vesen der Gewölbe zu beseitigen, hat der Verfasser bei Darstellung
derselben sich theils der orthogonalen, theils der isometrischen Projektionen
bedient; seine vieljährige Lehrpraxis hat ihn überzeugt, dass nur hierdurch
das r ich t i g e Verständniss für die Gewölbe gewonnen werden kann,
und dass es nur so möglich wird, die Studirenden auch mit Konstruktionen
bekannt zu machen, welche früher aus dem Bereich der Bauschulen aus-
geschlossen waren!
So wurden genaue Anleitungen ertheilt zur Darstellung der verschie-
denen Stichkappen bei den Tonnen - und Kuppelgewölben. Die Kreuz-
gewölbe, die Stern - und auch die normannischen Gewölbe sind in
ihrem konstruktiven Wesen zuerst systematisch entwickelt und dann an
ausgeführten Beispielen so eingehend behandelt, dass hierdurch nach des
Verfassers Meinung eine wesentliche Lücke ausgefüllt wurde.
In gleich systematischer Weise wurde auch das Kuppelgewölbe mit
seinen Kassetten behandelt , und versucht, den Begriff, beziehungsweise
die Nomenklatur der verwandten Kugel- und böhmischen Gewölbe richtig
festzustellen, denn es erscheint nicht gerechtfertigt, den Namen Kuppel-
gewölbe auch auf diese letztgenannten Gewölbe anzuwenden, wenngleich
dies selbst in den besten Werken über Baukonstruktion geschehen ist.
Das Durcheinanderwerfen dieser Gewölbebezeichnungen hängt offen-
bar damit zusammen, dass man die Gewölbe selbst in ihren wesentlichen
Unterschieden nicht erkannt hat, und dies ist besonders zu sagen vom
sogenannten böhmischen Gewölbe. Der Verfasser hofft, auch in dieser
Beziehung einen \Veg angegeben zu haben, welcher das bisher bestandene
Dunkel übel' diese Gewölbe erhellt.
Ohne die ganz genaue Kenntniss der im Hochbaue vorkommenden
oft sehr komplizirten Gewölbe ist eine Stabilitätsuntersuchung nicht
möglich, und erst die neuere Zeit hat sich daran gemacht, elie Kreuz-
und Kuppelgewölbe in den Kreis der Untersuchungen zu ziehen.
Die in dem Kapitel über die Stabilität der Gewölbe und
cl e I' e n S t ii t zen angestellten Betrachtungen basiren auf der Theorie
der S t t z - beziehungsweise lVI i t tel d I' U c k s 1i nie. Hierbei wurde
ü

nun versucht, die Begriffe genauer festzustellen, als dies in vielen Ab-
handlungen über elieGevvölbetechnik geschehen ist. Der Unterschied
beider Linien wurde oftmals nicht scharf genug betont, ja zuweilen ganz
übersehen.
Zur Unterscheidung beider Begriffe· wurde jene Gleichgewichtslinie,
welche die Druckmittelpunkte in den aufeinander folgenden Lamellen-
grenzen enthält, der Definition entsprechend S t t z I i nie genannt, wobei
ü

diese Lamellengrenzen vertikale oder radiale Ebenen (Fugenflächen) sein


können. Dagegen wurde das über den Einzelgewichten konstruirtc Seil-
XIV

polygen, ebenfalls ohne Rücksicht auf die Richtung der Lamellengrenzen,


der Bezeichnung in der graphischen Statik entsprechend, als JH i t t e 1-
k r a f t 1i nie, oder, da hier nur Druckkräfte in Betracht kommen;
als JH i t tel d r u c k s 1i nie bezeichnet.
Bezüglich des Verlaufs der Mitteldmckslinie aber stehen sich die
einzelnen Meinungen immer noch schroff gegenüber, und es wird sich diese
Frage endgültig auf rein theoretischem Wege nie mal s lösen lassen,
da aus den drei Gleichgewichtsgleichungen der Horizontalschub nach
Grösse und Lage nicht vollständig bestimmt, also auch der Angriffs-
punkt im Scheitel des Gewölbes nicht durch Rechnung erhalten wer-
den kann.
Hiermit fallen alle Anhaltspunkte für den thatsächlichen Verlauf
der Drucklinie , für die Art der Vertheilung des Drucks in den Fugen,
und in letzter Linie für die Bestimmung der Gewölbedicke fort, und sind
wir in dieser Beziehung lediglich auf die Erfahrung angewiesen.
Dementsprechend wurden fÜT die Dimensionirung der Gewölbebögen
die empirischen Angaben aufgenommen; ebenso der Verlauf der Stütz-
linie im Innern den neueren Beobachtungen an ausgeführten Kon-
struktionen anzupassen gesucht. Wenn dabei auch die wissenschaftliche
Seite der Abhandlung eine Einbusse erlitten haben sollte, so zeigt sich
andererseits, dass die mit Hülfe der hier entwickelten Anschauungen ge-
wonnenen Resultate sich den Erfahrungen. der Praxis besser anschliessen,
als jene, welche mit Anwendung der Na v i er' s ehe n oder gar der
ViII are e au ' s c h e n Theorie der Drucklinie erhalten werden.
Von den Gewölbeanordnungen wurden nur die symmetrischen be-
handelt, indem die Theorie auf die unsymmetrischen oder einhüftigen einer-
seits nicht schwer anzuwenden ist, andererseits solche unsymmetrischen
oder einhüftigen Bögen wegen ihres unschönen Ansehens wohl nur selten
vorkommen dürften.
Gewölbe unter Belastungen zu untersuchen, wie
solche niemals im Hochbaue vorkommen, wurde unter-
lassen; auch möchte darauf aufmerksam zu machen sein,
dass bei Untersuchung .v o n Hochbaukonstruktionen
Resultate, die 3 bis 4 m starke :Mauern ergeben, auf
Voraussetzungen beruhen, welche im Hochbaue ausge-
s chI 0 s s e n sei n soll t e n.
Der Abhandlung über die Gewölbe schliesst sich diejenige übel' die
massiven Treppen an.
Als Schluss werden die Putz- und Pilasterarbeiten besonders in bezug
auf ihre ästhetische Bedeutung besprochen; hier. finden sich auch Mit-
theilungen über die verschiedenen Arten, ursprünglich rohes Mauer-
werk das Kunatbedürfniss befriedigend zur Anschauung zu bringen,
xv

indem nicht allein die verschiedenen Methoden der monumentalen Malerei,


sondern auch die Marmorinkrnstationen , der Schmuck durch Intarsien
und .l\Iosaik eine eingehende Besprechung finden. Das Gleiche ist bei
der Abhandlung über die Bildung der aus Steinmaterial hergestellten
Fussböden zu sagen.
Indem nun der Verfasser noch die angenehme Pflicht erfüllt,
Herrn Architekt G ö 11n er, Assistent des Hochbaulehrfachs in München,
an dieser Stelle für seine Mitwirkung bei der Bearbeitung dieses Hand-
und Lehrbuches zu danken, übergiebt er dasselbe hiermit der Oeffentlich-
keit mit dem Wunsche, dass sein Werk wohlwollende Aufnahme bei
drn Publikum und nachsichtige Beurtheilung Seitens der Fachkenner
finden möge.

M ii n c h e n, im N ovember 1879.

Der Verfasser.
Illhaltsverzeichniss.
Seite
Einleitung . . . 1
Die Lehre vom Baugrunde:
seine Beschaffenheit . 5
" Untersuchung. 11
das Grundgraben . 14
Die Fundation oder der Grundbau:
durch Verdichten des Erdreichs 15
" Steinschüttungeri.. 16
"Betonirung . . . . . 17
" plattenförmige Gesteine und Sandschüttung 19
" Holzkonstruktionen 20
" liegenden oder Schwellrost 21
" stehenden oder Pfahlrost 23
" Schraubenpfähle 26
Konstruktion der Spundwände 27
Mauerbrul1nen und Senkkästen 30

]Iaurer- und Steinmetzarbeiten (Steinkonstruktionen).


Arbeiten des Rohbaues.
Die Mauern mit ihren Rauchröhren, Bögen und Gesimsen.
Ges chichtliches 33
Mauern aus künstlichen Steinen 42
Der Block- und Kreuzverband 44
" Dreiquartierverband 48
" gothische Strom- und Säulenverband . 49
Das Vorsetzmauerwerk. . . . . . . 50
" Mauerwerk mit Hohlräumen . . . . 51
Die praktische Ausführung des Mauerwerks 51
" Permeabilität der Mauern . . 53
Mauern' aus natürlichen Steinen:
aus rohen Bruchsteinen . . . . 55
" bearbeiteten Werkstücken (Quadern) 56
" gemischtem, Mauerwerk . . . . 60
Sockelverkleidungen . . . 65
Mauern aus Stampf- und Gusswerk 68
Rauchrähren, steigbare 70
" russische (nicht steigbare) 73
XVIII Inhaltsverzeiclmiss.
Seite
Bö ge 11. Allgemeines . 75
" scheitrechte. 77
Segment- und Rundbögen 79
Spitzbögen. . 80
Gedrückte Bögen (elliptische) 81
Bog e n ver b a n d für Backstein 89
v" " Haustein 91
Stärke der Bögen 9G
Lehrgerüste 97
Konstruktion der Gesimse (Hauptgesimse) 99

Stärke der Mauern:


der freistehenden 108
Stützmauern. 113
., Raum umschliessenden 114

Gewölbe.
Ge s chich tli ehe Notiz e n 121
Gewölbe bei den Assyriern 122
" "Aegyptern 124
.• ' 'i n Rölnern 12(j
" der Sophienkirche . 131
" des Doms zu Speyer . 132
" " " Köln 133
" " " "Florenz 134
" der Peterskirche in Rom 136
Allgemeines und Eintheilung der Gewölbe 138
Das Tonnengewölbe (Kufengewölbe) 139
Widerlagsstärke nach Rondelet 141
Backsteingewölbe mit Stichkappen . 144
Kassebtirbes Tonnengewölbe nach Möller 150
Das Kappen- oder Gurtgewölbe 151
Konstruktion nach Moller 154
Das Klostergewölbe ohne und mit Stichkappen 155
Das Kreuzgewölb e ohne Stich und mit Stich , 156
Die Entwickelung der Gratform . 163
Das normännische Kreuzgewölbe . 166
Das gothische oder Sterngewölbe (Grundrissformen) 169
Die Rippenformen . . 172
über quadratischem Raum (ohne Stelze) 173
" " " (mit Stelze) . 175
" oblongem Raum. 177
Stelzmethode . 179
N etzgewöl b e . . 181
Pfeiler und Dienste, Gewölbeanfänger, Schlussstein 185
Das normännische oder angelsächsische Gewölbe (Fächer-
gewölbe) . 187
Das Kuppelgewölbe 190
mit Pendentifs 192
" Stichkappen. 194
" mit Kassetten 195
Das Kugelgewölbe 19G
nach Moller's Konstruktion 198
über achtseitigem Raum . 200
Das böhmische Gewölbe 201
Kugelkappen, böhmische Kappen 207
Das scheitrechte, Spiegel- und lYIuldengewölbe 208
Die Topf- und Gussgewölbe . 211
Inhaltsverzeichniss. XIX
Seite
Ueber die Stabilität der Gewölbe und deren Stützen 212
Das Tonnen z e w öl b e 213
Bestimmunzen der Gewölbestärke 222
c~ ,,'iViderlagsstärke 225
Stabilitätsuntersuchungen für spezielle Fälle.
Das Kappen- und Kreuzgewölbe . 230
" Kuppelge-wölbe (einfaches) 235
S t a.b i 1i t ä t s u n tel' su ch u n gen der D 0 P p e1k u pp el n.
Kuppel des Tempels der Minerva medica 239
Pendentifs von S. Vitale und S. Michele zu Pavia 241
Die Sporen bei S. Maria Maggiere zu Nocera . 242
Das Widerlager der Kuppel S. Vitale zu Ravenna 243
, " " . der Sophienkirche in Konstantinopel 245
" "" des Baptisteriums S. Giovanni in Florenz 246
Die Doppelkuppel von S. Maria deI Fiore in Florenz 250
" " " S Peter in Rom . 252
" Kuppel der Befreiungshalle in Kelheim . 253
Stabilitätsuntersuchung der Peterskuppel in Rom 254
Die an der Petcrskuppel vorhandenen Armirungen 258
Schlussbetrachtung über die Stabilität der Gewölbe 260
Massive Treppen.
Allgemeines 262
Eintheilung der massiven Treppen 266
Unterstützte Treppen
durch Untermauerung . 268
" Unterwölbung 270
" Wangen 273
Freitragende Treppen 274
Spindeltreppen 279

Die Arbeiten des Ausbaues.


Die Arbeiten des Putsens,
Geschichtliche Notizen 281
Der äussere Verputz (Rapputz) 283
Besenputz, Spritz- und RieseIbewurf 284
Der ordinäre glatte Putz 284
Anstrich durch Kalkfarbe 286
" "Oelfarbe etc. 287
Ausstattung durch Malerei:
durch Freskomalerei 288
" Stereochromie 290
" Sgraffito 293
Enkaustische Malerei 296
Temperamalerei . 296
Ausstattung der Faeaden durch Inkrustation:
durch Marmor, Porphyr, Serpentin etc, 297
" . Terracotta (enkaustische Fliesen) 298
" Cement 299
" Mosaikarbeiten 300
" Stuckarbeiten 301
Der innere Verputz.
Der gewöhnliche und der Deckenputz 302
" Weissstuck . 303
" Stuckmarmor 304
" Stuccolustro 307
xx Inhaltsverzeichniss.
Seite
Die Pflasterungen
mitte l s t natürlicher Gesteine 307
" Marmorplatten (Lithostrata) 308
Die Nielloarbeiten . . . 309
mitte1st Marmormosaik 310
Der 'I'errazzo-, Battula- oder venetianische Estrich 311
Das Mosaik-Asphaltpflaster . 312
m i tt e l s t künstlicher Steine (Ziegel) . 313
,. engobirter und plattirter Fliesen 314
Thonmosaik . 315
" Cernentplättchen 316
"
Estriche.
Lehmestriche 316
Kalkmörtelestriche . 317
Cementestriche (Trassestriehe) 818
Gyps- und Asphaltestriche 319
Inhaltsverzeichniss
des dem ersten Theile der Hochbaukonstruktionslehre
von R. Gottgetreu beigegebenen Atlas.

Tafel I. Vorrichtungen zur Untersuchung des Baugrundes.


Fig. 1 u. 2: Bohrgerüste ; Fig. 3: Schutzkasten von Gusseisen; a Ramm-
klotz, b Rohraufsatz beim Rammen, c Ventilbohrer, d Bohrstange,
e Stangengelenke für den Bohrhebel , t' Wendeeisen zum Rohrc1rehen,
9 Hohlbohrer , li u. h l Sclmeckenbohrer, i Meisselbohrer , k Spitzbohrer,
l Kronenbohrer, m u. ml Steinzieher, n Stangenfänger, 0 u. 0 1 Rohrzieher,
p Bohrhebelklampe , 1', 1'1 U. 1''' Schraubenschlüssel, s u, Si Schutzkasten
von Gusseisen, t Muffelröhre zur Grundwasser-Untersuchung.
Tafel H. Der lieg-ende oder Schwellrost mit Spundwand in Verbinc1ung mit Bruch-
stein- unc1 Backsteinmauerwerk; letzteres im. Blockvorbande. Details von
Grund- und Langschwellen, sowie von c1en Spundbohlen.
Tafel III. Der stehende oder Pfahlrost mit Spundwand in Verbilld~mg mit Bruc~lstein­
und gemischtem Mauerwerk (Quadern und Backsteinen). Details der
Grundpfähle.
'I'afel IV. Backsteinverbände für verschieden sich schneidende Mauern und ver-
schiedene Pfeiler (13 Uebungsbeispiele).
Tafel V. Backsteinverbände für verschieden geformte Pfeiler und Säulen (11 Uebungs-
beispiele).
Tafel VI. Gemischtes Mauerwerk, aus Quadern und Backsteinen, im Sockel aus
Quadern und Bruchsteinen.
Tafel VII. Schornsteinröhren.
Fig. 1: Anlage von steigbaren Schornsteimöhren; Fig. 2: Anlage von
russischen Schornsteinröhren mit Putzthürchen auf den Korridoren;
Fig. 3: Anlagen von russischen Schornsteinröhren mit Putzthürchen im
Kellerj Fig. 4: Anlage von oblongen engen Schornsteinröhren mit Heiz-
kamin und Putzthürchen.
Tafel VIII. Bögen aus Hausteinen.
Figg. 1 bis 4: Bögen mit geradem und schrägem Anschlag: Figg. 5 bis 8:
Kernbogen über einer Thüröffnung.
Tafel IX. Zur geschiohtliohen Entwickelung der Gewölbe.
Figg. 1 bis 3: assyrische Gewölb e; Figg. Ll bis 9: ägyptische Gewölbe i
Figg. 10 bis 18: römische Gewölbe.
XXII Inhaltsverz.eichniss des beigegebenen Atlas.

Tafel X. Zur geschichtlichen Entwickelung der Gewölbe.


Fig. 1: Cloaca maxima; Fig. 2: Porta deI Arco, Fig. 3: Tempel der
Venus und Roma zu Rom; Fig. 4: das Pantheon in Rom; Fig. 5: Scphien-
kirehe in Konstantinopel ; Fig. 6: Dom zu Speyer ; Fig.7: Dom zu Köln;
Fig. 8; S. Maria deI Fiore zu Florenz; Fig. 9: Baptisterium S. Giovanni
zu Florenz; Fig. 10: St, Peterskirche zu Rom.
Tafel XI. Das Tonnengewölbe mit Stichkappen in Üylinder-, Kegel- und Kugelform.
Tafel XII. Das Kappengewölbe (mit Stichkappe).
Tafel XIII. Das Kreuzgewölbe mit geradem Stich und Entwickelung der Gratform.
Tafel XIV. Das Kreuzgewölbe mit geradem Stich; Gewölbe über einem regulären
achtseitigen Raum.
Tafel XY. Das spät-romanische Kreuzgewölbe.
Tafel XVI. Das spitzbogige Sterngewölbe übel' quadratischem Raum,
Tafel XVII. Das Sterngewölbe übel' einem oblongen Raum.
Tafel XVIII. Das Sterngewölbe; Details von Rippen, Pfeilern und Schlusssteinen.
(

'I'afel XIX. Das normannische oder Fächergewölbe.


Figg. 1, 2 u, 3: Entwickelung der einzelnen Felder nach der Ab-
wickelung; Figg. 4 u. 5: hängendes Fächergewölbe; Figg. 6 u. 7: Decken-
dekoration im Schlosse zu Babelsberg.
Tafel XX. Das ellipsoidische Gewölbe,
Tafel XXI. Das böhmische Gewölbe,
Tafel XXII. Das Kuppelgewölbe mit kegelförmigen Stichkappen, mit und ohne
Pendentifs.
Taf. XXIII. Das Kuppelgewölbe mit Kassetten.
Fig. 1: Konstruktion nach Emy und Gottgetreu ; Fig. 2: Kassetten-
konstruktion am Pantheon zu Rom.
Tafel XXIY. Das Kuppelgewölbe der Befreiungshalle in Kelheim,
Tafel XXV. Einfache überwölbte Treppe mit hölzernen Deckplatten.
Tafel XXVI. Freitragende Treppe aus Granit; freitragende Treppe in Hufeisenform.
Tafel XXVII. Bestimmung der Stütz - und Mitteldruckslinie für das Tonnen - und
preussische Kappengewölbe.
Tafel XXVIII. Stabilitätsuntersuchung eines Kreuzgewölbes über quadratischem Raum.
Tafel XXIX. Die Peterskuppel in Rom; zur Untersuchung der Stabilität derselben.
Verzeichniss
derjenigen Bücher, welche in mehr oder weniger eingehender
Weise die Hochbaukonstruktionen behandelt haben:

Gilly, D., Handbuch der Landbaukunst , bearbeitet von D. G. Friderici und


F. T riest. 6. Auflage. 1831-1836.
Rondelet, J., Theoretisch-praktische Anleitung zur Kunst zu bauen, übersetzt
nach der 6. französ. Auflage von C. H, D'i e s t eIb ar th und J. Hess.
1833 -1836.
Wolfram, B., Lehrbuch der Baukunst. 1839.
Moller, G., Beiträge zur Lehre der Baukonstruktionen. 1833-1.844.
Rarres, B.,Die Schule der Baukunst für Maurer und Steinmetzen. 3. Auf-
lage. 1870.
Engel, F., Handbuch des gesammten landwirthschaftl. Bauwesens. 6. Auf-
lage. 1879.
Ringhofer, E., Die Lehre vom Hochbau. 1862.
Wanderley, G., Die Konstruktionen in Stein. 2 Bände. 2. Auflage. 1878.
Linke, G., Vorträge über Kamoralbau (liehogr.). 1855.
Menzel, Dr. C. A. und C. Schwatlo, Der Steinbau. 7. Auflage. 1879.
Fleischinger, A. F. und W. A. Becker, Systematische Darstellung der
im Gebiete der Landbaukunst vorkommenden Konstruktionen. (Die
Mauerwerks- oder Steinkonstruktionen. 1858-1861.)
Becker, W. A., Der feuerfeste Treppenbau von natürlichen und künstlichen
Steinen. 2. Auflage. 1862.
Behse, Dr. W. H., Die praktischen Arbeiten des Maurers und Steinhauers.
5. Auflage. 1879.
Schmölke, 0., Die Konstruktionen des Hochbaues. 1. Theil. 1879.
Scheffers, A., Handbuch der Baukonstruktionslehre. 1865.
Reine, G., Darstellung der allgemeinen Baukunde. 1842.
Michel, Jos., Praktische Baugewerkslehre. 1870.
Müller, H., Die Maurerkunst. 1875.
Breymann, G. A. und R. Lang, Allgemeine Baukonstruktionslehre. 4 Bände.
5. Auflage. 1879.
Neumann, R., Ueber den Backstein. 1879.
Degen, L., Der Ziegelrohbau. 1874.
Bethke, H., Dekorativer Ziegelbau. 1878.
XXIV Büoherverzeiclrniss,'

Heinzerling, Dr. F., Die angreifenden und widerstehenden Kräfte der Brücken-
und Hochbaukonstruktionen. 1867.
Navier, L., Die Mechanik der Baukunst. 1851,
Scheffler, Dr. H., Theorie der Gewölbe, Futtermauern etc. 1857.
Ott, K. v., Vorträge über Baumechanik. 1877.
Holzhey, E., Vorträge über Baumechanik. 1879.
Wittmann, Dr. W., Die Statik der Hochbaukonstruktionen. 1879.
Leroy , C. T. A., Dei.' Steinschnitt, übersetzt von Kaufmann. 184'7.
Ringleb, Dr, A., Lehrbuch des Steinschnitts.
Vorlegeblätter für Maurer, herausgegeben von der k. technischen Bau-
deputation.
für Ziegel- und Steinarbeiten von Ungewitter. 1855.
" der Baugewerkschule in Holzrainden. 1857.
" für Maurer und Zimmerleute von G. Stier.
"" der Baugewerkschule zu Höxter.
Taschenbuch des Ingenieurs vom Verein die Hütte. 1877.
L'architecture et la construction par D. Ram m e e. 1871.
Ei 111 ei tun g~.
Mit der Lehre von sä m m tl ich e n Ban wer k endes Staates beschäftigt
flieh der Ka m e r a l b a u").
Der Begriff Ba 11 wer k umfasst nicht nur die verschiedenen Arten von
Ge b u den, sondern auch alle von. Menschenhand errichteten Werke, welche
ä

dem Fr i e den sowohl als auch dem Kr i e g e zu dienen haben, die sich er-
strecken übe r das L a n d und das M e e 1'; so gehören zu den Bauwerken
im weitem Sinne des Wortes die S tr a s s e n und Eis e n b ahn e n mit ihren
D n r c h I ä s sen, Tun n e l s und Via d u k t e 11, ferner die B r ü c k e n - und
VV a s.s erb a u t e n, die Ha fe TI a n lag end es ]V[ e er e. s , die F 0 r ti fi -
k a t i 0 TI e n; im weitesten Sinne aber gehört hierher auch die S chi f f s b an -
k uns t , der ]V[ a s e h i ne n - und der Bel' g bau.
Ein so umfangreiches Feld der technischen Thätigkeit kann von dem ein-
zelnen Individuum unmöglich überwältigt werden und daher erscheint es nothwendig,
das übergrosse Material zu zergliedern. Demgernäss bilden sich an unsern tech-
nischen Hochschulen Are h i t e k t e n einerseits, In gen i e u r e (Bau- und
Maschineningenieure) andererseits, denen gemeinsam die Aufgabe obliegt, sich
dem Studium der Bauwerke des Staates zu unterziehen; während sich die
Architekten vorherrschend mit der Lehre jener Bau werke befassen, die man
unter der Bezeichnung "G e b u d e" zusammenfasst, beschäftigen sich die
ä

Ingenieure vorherrschend mit dem S tr a s s e n - und Eis e n b ahn bau, mit


dem B r c k e n - und vVa s s erb a u.
ü

Die Aufgabe, für die Sicherheit des Staates im Kriegsfalle zu sorgen, fällt
in der Regel den Mi I i t a i r - I n gen i e u r e n zu, die ein eignes Geniecorps
untermilitairischer Formation bilden.
Die Lehre von den Gebäuden fasst man wohl unter dem Titel: Hoc h -
bau k und e oder b I' ger 1ich e Bau k uns t zusammen und zergliedert diese
ü

in die ökonomische oder l a n d w i r t h s c h a f't l i c h e Baukunst nnd in


die s t ä d t i s ehe. Ban k uns t , die man auch als S t a d t b a u oder Ci v i l -
bau bezeichnet.
Die- öko n 0 mi s c h e oder 1a n d wir t 11 s c h a f t 1ich e Bau k uns t
handelt von der zweckmässigen Anlage aller landwirthschaftlieher Bauten; die
s t d t i s ehe Bau k uns t umfasst aber nicht allein den Bau der bürgerlichen
ä

*) Unter Kameralwissenschaften (Cameralia) begreift man im engem Sinne die


Finanzwissenschaften , im weitem die Staatswissenschaften , deren hauptsächlichstes
Gebiet wieder die Nationalökonomie ist.
2 Einleitung.

,y ohnstätten, der Fabriken und der andern Gebände zn gewerblichen Zwecken:


sondern hat sich auch mit dem Bau von Palästen. Domen, Kirchen, Kapellen,
Denkmälern und allen audern Staatsgebiluc1en der verschiedensten Art zu
beschäftigen.
Bei allen Werken der Rmkunst. bei welchen allein dem äussern Bedürf-
nisse des Lebens geniigt werden soll, kommt es streng genommen nur darauf
an: eine vollständige Zweckerfüllung zu erstreben, und hierzu genügt die An-
eignung einer glücklichen Kombinationsgabe, U ebung und 'mechanisches Geschick;
geht aber der Baumeister davon aus, dem mechanischen Werke seiner Hand
zugleich das Gepräge seines Geistes aufzudrücken, und erhebt er dasselbe zum
Träger einer höheren Idee, so betritt er damit das Gebiet der s c h Ö n e n
Ban k u Tl S t -- der Ar c 11 i t e k t u r - welche als Schwester der P 0 e sie,
der Mal e I' ei und der S k 11 I pt u I' dem Gebiete der Aesthetik mit angehört.
Welcher Art auch immerhin ein Gebäude sein möge, so stellen wir stets
an dasselbe folgende drei Hanptbedingungen:
1. Dauer entsprechende Festigkeit;
2. zweckmässige Iiequemlichkeit (Brauchbarkeit);
3.ä s t h e t i s ehe Dur c h b i I d u n g (S c h lJ n h e i t ).
Die Dan er e n t s P r e c 11 end e Fes ti g k ei t gipfelt vor allen Dingen
in der Forderung, dass ein jedes Gebände unter allen Umständen so lange ein
durchaus sicheres Gefüge besitzt,als es sein Zweck erheischt, und demgernäss
kann -die Festigkeit eines te m pOl' ä I' enG e b u des eine ganz verschiedene
ä

sein von der eines mon u m e n t a l e n Bau wer k es, das stets darauf be-
rechnet sein muss, der spätesten Nachwelt erhalten zu bleiben.
Mit der Dauer entsprechenden Festigkeit befasst sich nunc1ie L ehr e
von der K 0 n s t l' U k t i o n des Hoc h b n u o s im innigen Verein mit der
L ehr e von cl e n B a um a tel' i a l i e n; obwohl beide nur eine rein praktische
Bedeutung zu haben scheinen, so übten sie doch bei der Entwickelung der
Architekturgeschichte eine intensive Wirkung mit aus; in allen Zeitperioden
beeinflussten neue Konstruktionssysteme und die Anwendung verschiedener Bau-
materialien den formalen Charakter der Architektur und wirkten denmach mit
bei der Ausbildung aller Baustile. So steht - um nur einige Beispiele anzu-
führen der in Griechenland in Fülle vorhandene prachtvolle Marmor
im innigen Zusammenhange mit der Architrav - Architektur der Tempelbauten.
während die Römer durch das ihnen zur Disposition stehende Baumaterial zur
Bogen- und Gewälbekonstruktion hingeleitet wurden; im weitem Verlaufe der
Architekturgesehiehte spielte die erweiterte Gewölbetechnik eine hervorragende
Rolle in der byzantinischen, romanisehen und gothisehen Stilbildung und selbst
hat das vielfach vorkommende, erst in der Renaissancezeit näher erkannte
Material -- der Gyps - auf den formal dekorativen Theil der sogenannten
Rococcozeit einen nicht zu unterschätzenden Einfluss ausgeübt; eine ähnliche
Wirkung möchte für unsere Zeit der immer mehr sich geltend machenden Ver-
wendung. des Eisens und der andern Metalle zuzugestehen sein I
Mit der z w eck m ä s s i gen B e q u e m I ich k e i t und der äst h e t i -
sc h enD ure h b i I du n g eines Gebäudes beschäftigt sich der Unterricht im
E nt wer fe n von Ge b 11 u den (Komposition). Dieser hat darauf hinzu-
arbeiten, dass jedes Gebäude so eingerichtet wird, dass die Benützung seiner
Räumlichkeiten nach allen Seiten hin zweckentsprechend und bequem ist; dem-
gemäss muss der Anordnung und der Aufeinanderfolge der einzelnen Ränmlich-
keiten, der Wahl ihrer Grössenycrhältnisse, der Beleuchtung und der zw eck-
Einleitung. 3

entsprechenden Kommunikation aufs Gewissenhafteste entsprochen werden ;


geschieht dies nicht, kann ein noch so grossartig erscheinender Bau sich als
total unbrauchbar erweisen.
Die äst h e t i s ehe Aus s tat tun g endlich hat sich nicht nur auf das
Aeussere eines Gebändes zu erstrecken, sondern in gleicher "Weise auf das
Innere; vorzugsweise aber ist die architektonische Schönheit in den Haupt-
verhältnissen zu suchen und ist eine rhythmische Anordnung der Massen anzu-
streben, zu denen dann wieder jeder Einzeltheil in harmonische Beziehung zu
treten hat. Jedem Gebäude ist dabei der entsprechende Charakter klar und
deutlich aufzuprägcn , so dass die architektonische Schönheit eines Landhauses
in ganz anderer IV eise aufzufassen ist, als die eines städtischen Wohngebaudes,
dessen formale Bedeutung wiederum nach den obwaltenden Umständen sich in
sehr weiten Grenzen bewegen kann.
Soll zur wirklichen Ausführung eines Gebäudes geschritten werden, so ist
es nothwendig, auch die ökonomisch-wirthschaftliche Seite ins Auge zu fassen,
und denmach bedingt eine geordnete Bauführung einen gewissenhaft aufgestellten
K 0 s t e n v 0 r ans c h I a g.
In1 innigen Zusammenhang mit den Kosten eines Bauwerkes steht aber
auch die Bedingung; dass jeder Konstruktionstheil über die statischen Bedürf-
nisse seiner Zwecklichkeit nicht unnöthiger vVeise einen Mehraufwand von Bau-
material und Arbeit erfordert.
Der Prozess; mit den geringsten Massen an Material die absolut nothwen-
dige Sicherheit für alle Konstruktionstheile eines Bauwerks zu erreichen, verlief
als ein vorherrschend empirischer in ziemlich träger Langwierigkeit und erst die "
vorgeschrittene Entwickelung der mathematischen Wissenschaften diente dazu,
den Sinn und den. Geist der Konstruktion zu erläutern und so recht anschau-
lich zu machen.
Die Mathematik lehrt uns, die Gesetze der S tat i k , der Me c h a ni k
und der gr a p h i s ehe n S tat i k auf alle Konstruktionen in bezug auf Sta-
bilität anzuwenden, und kann somit als sicherer Regulator aller konstruktiven
Ideen angesehen werden. Ein Hauptfaktor in dieser Frage bleibt aber stets
die im Verlauf der Architekturgeschichte sich geltend gemachte Er fa h r U n g ,
die nie unbeachtet bleiben darf und aus der wir alle unsere Erfahrungs-
koefficienten ermittelt haben.
Praxis und Theorie haben sich in der Neuzeit segenbringend ergänzt und
haben Resultate hervorgebracht, von denen die frühere Zeit keine Ahnung
hatte. Beweise hierfür liefern die kühnen Brücken und Viadukte unserer Eisen-
bahnen, die kühnen eisernen Konstruktionen unsrer Ausstellungspaläste etc.,
die im Vergleich mit früheren Bauwerken des Mittelalters mit so geringem
Aufwand an Material ausgeführt sind und dadurch - besonders dem Laien --
das höchste Staunen erwecken; hier erkennen wir die epochemachende vVirkung
der mathematischen "Wissenschaften in hohem Grade an!
Gehen wir nun auf die K 0 n s tr u k ti 0 n des Hoc h bau es selbst über,
so versteht man darunter die Lehre von der zweckmässigen und regelrechten
Zusammenfügung aller und jeder einzelnen Theile eines Bauwerks, so dass dem
ersten Haupterforderniss eines jeden Baues, der Da u e r h a ft i g k ei t , in jeder
Weise entsprochen wird, den anderen Hauptbedingungen aber, der Zweckmässig-
keit und Schönheit; kein Eintrag geschehe; dabei soll die Form selbst ans der
Konstruktion leicht hervorgehen und in ihrem Charakter die Eigenthümlichkeit
des verwendeten Materials nie verläugnen ; es darf denmach kein Baumaterial
4 Einleitung.

als ein fremdartiges erscheinen; so dass sich sofort Eisen als Eisen; Holz als
Holz, Stein als Stein charakterisirt *).
Bei Anwendung mustergiltiger Konstruktionen ist stets ein gesundes, fehler-
loses Banmaterial in Anwendung :7,11 bringen, aber man hat auch die BeschRffen-
heit des Bau g r und e s zu beachten ; ein solcher muss nicht allein 11 n -
w an d el bar, sondern auch möglichst t r 0 c k e n sein.
V orhandenes Wasser kann, besonders wenn es viel Kohlensäure enthält,
zur Auflösung des Steinmaterials - je nach dessen Zusammensetzung
Veranlassune b
aeben " sehr schädlich aber wirken auf Mauerwerk Chlornatrium
u

und faulende Stoffe, sobald solche im Baugrunde sich befinden; was nur allzu
häufig der Fall ist.
Chlornatrium (Kochsalz) ist ein häufiger Begleiter der Gartenerde und
giebt zur Bildung von Mauertrass Veranlassung " sobald es mit kohlensaurem
Kalk in Verbindung tritt. Kohlensaurer Kalk kann als Baustein die Mauer
zusammensetzen oder als regenerirter Mörtel die Verbindung der Bausteine
vermitteln; durch chemische Wahlverwandtschaft bildet sich dann kohlensaures
Natron und Chlorcalcium. Ersteres zeigt bei seiner Auswitterung halbkugel-
förmig angehäufte Nadeln, während das Chlorcalcium als schleimige Flüssigkeit
die Mauer überzieht und durch seine hygroskopische Eigenschaft die Mauer
durchnässt LInd allenfalls das Steinwerk , besonders schlecht gebrannte Back-
steine, erweicht. Tritt dann der Frost ein, so werden die vom 'Wasser durch-
setzten' Schichten "abfrieren"; durch diesen Prozess wird eine Zerstörung des
Mauerwerks eingeleitet; die so lange fortwirkt, als das hygroskopische Chlor-
calcium im Mauerwerk vorhanden bleibt.
Durch' Anwesenheit stickstoffbaltiger faulender, organischer Stoffe bildet
sich durch den Sauerstoff der Luft Ammoniak, das durch höhere Oxydation zu
Salpeterbildungen (salpetersaures Kali) Veranlassung geben kann und dann im
Mauerwerk KaI k s a l p e t e r bildet, der, ebenfalls Wasser an sich ziehend, zum
sogenannten S alp e t e r fr a s s Veranlassung giebt; eine gleicbe Zerstörung;
kann sich im Mauerwerk geltend machen, wenn auf dem Bauplatze Flüssig-
keiten vorhanden sind, die gelöste Salze in sich führen, wie Schwefel- und
Salpetersäure, schwefelsaure Magnesia, Chlormagnesium etc.; auch Gewässer,
welche Ammoniak und Schwefelwasserstoff in sich aufgenommen haben, können
zerstörend auf das Mauerwerk wirken (Kloaken wasser),
Nicht immer ist ein fehlerfreier Baugrund aufzufinden, auf dem man un-
mittelbar ein Gebäude errichten könnte, .und muss man zu verschiedenen Mitteln
greifen, um den vorhandenen Baugrund zu verbessern. Um aber entscheiden
zu können, zu welchen Mitteln der Verbesserung man zu greifen hat, erscheint
es nothwendig, den Baugrund nach allen Seiten hin gründlich kennen zu lernen,
und diese Erkenntniss giebt: die L ehr e v 0111 Ba 11 g r und e.

*) Dieser für die geschichtliche Entwickelung der Architektur so wichtige Satz


wird leider nur von zu Vielen für entbehrlich, ja, sogar für höchst bedenklich gehalten,
da er die Phantasie des frei schaffenden Künstlers in lästige Fesseln banne. "Man
hat sich schon längst daran gewöhnt, die edelsten Formen des Alterthums, welche
dem Marmor entsprungen waren, in Surrogaten der bedenklichsten Art herzustellen,
und scheut sich auch heute nicht, Gewölbe, Hauptgesimse aus Holz herzustellen, den-
selben aber das Aussehen von Stein zu geben; so macht sich auch der Trieb immer
geltender, den ganz ~LUs Holz konstruirten Thüren und 'I'horen Steinformen aufzu-
heften, die geradezu der eigentlichen Natur dei:: Holzes spotten! \AI 0 der Form die
mnere Wahrheit fehlt, ist sie selbstverständlich auch weit entfernt von absoluter
Schönheit.
Einleitung.

Die Lehre vom Baugrunde,


s e i n e Beschaffenheit und seine Ü n te r s u c h u u g.

Die gewälllte oder gegebene Stelle, welche zur Ausführung eines Gebändes
dient, heisst dessen GI' und und B 0 den; die Dauer eines auf demselben er-
richteten Bauwerks hängt wesentlich von der tragfähigen, unwandelbaren Be-
schaffenheit des Baugrunc1es ab. Die Ennittclung dieser Tragfähigkeit ist für
jeden Baumeister höchst wichtig.
. Wie ein jeder Körper nach dem Verhältniss seiner Schwere auf seine
U nterlage drückend. wirkt, ebenso drückt ein Gebäude nach dem Verhältniss
seiner Massen auf seinen Baugrund, welcher so widerstandsfähig sein muss, dass
er nicht allein in folge dieses Druckes keine Einsenkung erleidet, sondern auch
noch einen bedeutenden U eberschuss an Widerstand zu leisten vermag.
Besteht der Baugrund nicht gerac1e aus Fels, sondern aus den bekannten
Erdarten , so wird der Untergrund durch das darauf lastende Bauwerk mehr
oder weniger eine Zusammenpressung erfahren, wodurch im Bauwerke selbst
eine Höhenveränderung sich geltend machen wird, welche das" Sie h set z e n "
genannt wird. Ein ungleiches Sichsetzen der Baumassen verursacht aber unter
Umständen gewaltsame Trennungen in denselben, ja kann sognr zum Einsturz
Veranlassung geben.
Jedes Gebäude bedarf zu seiner Sicherstellung eine tragfähige Sub-
s t r u k t i o n , welche keiner Veränderung durch Frost unterworfen sein darf;
solche Substruktionen nennt man Fun d a m e n t e oder G run d m aue r n und
werden dieselben überall da angeordnet, wo das Mauerwerk eines Gebäudes
auf den Baugrund pressend wirkt.
Der Frost bewirkt , indem er in den feuchten Boden eindringt, eine Aus-
dehnung des Grund nndBodens, besonders ein Heben, das sich bei eintreten-
dem Thauwetter im Frühjahr oft in hohem Grade bemerkbar macht; bei uns
in Deutschland nimmt man an, dass der Frost auf die Tiefe von 0,80 bis
1,00 m, allerhöchstens bis 1,50 m nicht mehr schädlich auf den Untergrund
einwirken kann, und deshalb sind die Fundamente unserer Bauwerke bei an
und für sich gut e m Baugrunde im allgemeinen nicht tiefer als 1,00 m zu
legen. Fundamente, die im Innern eines Gebändes liegen und gegen Frost
geschützt erscheinen, können weniger tief angelegt werden, wenn dies die G (He
des Baugrundes gestattet.
Tiefer wie 1,00, höchstens 1,50 m in einen festen Baugrund mit der
Substruktion hinabzugehen , ist durchaus nicht nothwendig, und die vielver-
breitete Anschauung, dass Gebäude, je höher und schwerer sie sind, auch um
so tiefer fundirt werden müssen, beruht durchaus auf irrigen Anschauungen;
es kommt einzig und allein darauf an, dass der Baugrund das Gewicht des
Gebäudes sicher zu tragen im Stande ist, gleichviel in welcher Tiefe über 1 bis
1,50 m er zum Fundiren benützt wird.
Aeltere Baumeister wollen die eben ausgesprochene Ansicht nicht in allen
Fällen gelten lassen und behaupten, besonders hohe Bauobjekte , wie Fabrik-
schornsteine , Thürme müssten schon deshalb auf grosse Tiefen hinab fundirt
werden, um hierdurch für sie einen möglichst tiefliegenclen Schwerpunkt zu
gewinnen. In bezug auf die Fundation der Thürme weisen sie auf den Um-
stand hin, dass alle Kirchenbaumeister der früheren Zeit ihre Thurmbauten
ungemein tief func1irt haben; aus diesen nicht stichhaltigen Gründen besteht noch
die veraltete Hegel: Bei hohen Schornsteinen und Thürmen wähle man. zur
6 Einleitung.

1/
Tiefe der Fundamente 1/';2,5 bis 3 0 der gesammten Mauerhöhe +
1 bis 1,50111 "'");
nach einer andern , älteren Regel gab man Kirchthürrnen eine Fundamenttiefe
von 1/7 bis 1/6 ihrer ganzen Höhe **) 1,5 m. +
Gut nennt man einen Baugrund, welcher geeignet ist, bei gewöhnlicher
Fundamentanlage , die Last eines Gebäudes sicher zu tragen, ohne sich dabei
stellenweise verschieden zu setzen. Die Tragfähigkeit eines zum Bauen geeig-
neten Baugrundes hängt aber nicht allein von seiner Dichtigkeit, sondern auch
VOll der :l\fächtigkeit oder Dicke der Erdschichten ab. Häufig wechseln trag-
fähige Schichten mit nicht tragfähigen, sowohl über - als nebeneinander, und
müssen diese Verhältnisse besonders bei Anlage von Fundamenten ins Auge
gefasst werden.
Einen sicheren Massstab für die Tragfähigkeit eines j eden Baugrundes
ziffernmässig zu gewinnen, ist bei der oft sehr wechselnden Beschaffenheit des
Bodens äusserst problematisch, und liesso sich nur durch eine Probebelastung,
die selbstverständlich mit vielen Umständen verbunden sein kann, ermitteln;
für sogenannten ge w a ch sen e n Boden schwanken die Angaben für die zu-
lässige Belastung eines Quadratmeters Grundfläche von 80000 bis 100 000 kg
oder 80 bis 100 t,
Nach anderen Angaben beträgt die Druckfestigkeit des natürlichen Bau-
grundes:

Zulässige Belastung per


.Bezeichnung des natürlichen Baugrundes
Quadratmeter in Kilogr.

Lehmboden oder Thon mit Sand 20000 bis 80000


Gewöhnlicher Baugrund 40000 50000
Sehr fester Baugrund (felsiger Untergrund) 40000 " 120000
Bei gutem Untergrund empfiehlt sich: "
als interimistische Belastung 70 000" 80000
als definitive Belastung im Mittel 50000

Nach der neuen Berliner Bauordnung ist der Quadratmeter guten Bau-
grundes mit höchstens 35 000 kg zu belasten, während W e i s hall p t die zu-
lässige Belastung des Sandbodens zu 15 000 bis 18 00 Okg nnnirnmt.
Nach Aridern kann man unbedenklich die Fundamentsohle eines aus
grobkörnigem scharfen Sande bestehenden Baugrundes mit 40 000 kg belasten.
Schreitet man der Sicherheit wegen wirklich zu einer Probebelastung eines
Baugrundes, so legt man nach Aushebung der Baugrube, aber mindestens 1 m
tief, rechteckig bearbeitete Steinplatten oder auch wohl Bohlenstücke mit ebenen
Flächen auf den Grund und belastet "diese mit schweren Steinen, Eisen-
barren etc, so lange, bis der Boden nachzugeben beginnt, und lässt die Last
einige Zeit auf den Boden wirken. Tritt kein weiteres Einsinken ein, so lässt
sich die Tragfähigkeit des Bodens für die Flächeneinheit aus der Grösse der

*) Ein 40 m hoher Schornstein müsste hiernach 42~


o
+ 1,5 = 3,1 111 tief fundirt
.
werden.
**) Die erste Regel auf einen 60 l1l hohen 'I'hurm angewendet, ergäbe eine Fun-
60
clamenttiefe von 25 +
1,5 = 3,9 111, während nach der älteren Regel eine Tiefe von

66° -'j- 1,5 = 11,5 111 angezeigt wäre :


Einleitung, 7

gedrückten Fläche und dem Gewichte der Belastung leicht ermitteln. Der
Sicherheit wegen wird man den Baugrund niemals mit seiner ganzen Trag-
fähigkeit in Anspruch nehmen: man begnügt sich in den meisten Fällen mit
dem halben Gewicht.
Um einen Moorgrund auf seine Tragfähigkeit zu prüfen, Iiess die österr-
rcichische Südbahn einen stumpf abgeschnittenen Pfahl ~-on 1 0' Grundfläche
so auf den Boden stellen, dass er durch eine Führung loth recht hinab sinken
musste. Die Einsenkung des Pfahls hörte auf, wie er nach und nach mit
25 Ztr. belastet war ; wurden aber plötzlich noch 10 Ztr. aufgebracht, so. ver-
sank der Pfahl vollständig im Moore. Der Boden war also im Stande, die
erstere Last zu tragen, doch war seine Widerstandskraft nicht gross genug,
um auch noch die zweite Last aufnehmen zu können. In dem obigen Falle
betrug die Tragfähigkeit des Moorbodens 14000 kg per Quadratmeter.
Für einen weniger tragfähigen Baugrund wird man sich dadurch zu helfen
suchen, dass man die Grässe der Fundationsgrundfiäche verhältnissmässig ver-
mehrt; hierdurch wird der Druck auf eine grässere Fläche vertheilt und erscheint
vermindert. Dies Verfahren kann selbst auf ziemlich nachgebenden Baugrund
ausgedehnt werden, indem man den Druck einer Gebäudelast auf eine so grosse
Fläche vertheilt , dass der auf einer Quadrateinheit des Baugrundes lastende
Druck mit dessen Trafähigkeit im Gleichgewicht steht, oder besser von letzterer
noch übertroffen wird.
Genügte beispielsweise bei vorhandenem gewachsenen Baugrunde der bei-
gefügte Mauerquerschnitt , Fig. 1, wobei sich das Fundamentmauerwerk gegen
die getragene Mauer nur wenig verbreitert, so würde bei weniger tragfähigem
Baugrunde diese Basis verhältnissmassig breiter zu machen sein, wie dies in
Fig. 2 angedeutet ist; die hier sich ergebende Vertheilung des Druckes erstreckt

Fig. 1. Fig. 2.

sich alsdann auf eine weit grössere Oberfläche, wodurch die Pressung auf
die Quadrateinheit des Baugrundes selbstverständlich bedeutend geringer wird.
Um einem ungleichmässigen Setzen eines Gebäudes von vorn herein ent-
gegenzuwirken, ist es räthlich , die Gebäudemassen womöglich gleichmässig
über den Baugrund zu vortheilen ; ist jedoch eine solche Vertheilung der
Massen nach der Bestimmung des Bauwerkes nicht möglich, so muss ganz
besonders darauf geachtet werden, dass den schwereren Massen eine im Ver-
hältniss breitere Fundamentgrundfläche gegeben wird; ferner ist darauf zu
achten, dass die Mittellinie des Drucks mit der Mittellinie des Fundaments ZU~
sammcnfällt,
8 Einleitung.

Sind z: B. bei einem Baue stark belastete Pfeiler zu fundiren , so wird


deren .,Sohle" (unterste Druckfliichc) eine grösserc quadratische Abmessung
gegebel;, als wie dies Lei gering belasteten Pfeilern nothwenc1ig ist. l?ie Ver-
breitcrunz ist entweder in ALs c h r ä gun gen oder - was am häufigsten
der Fall '--'ist, in ALt I' e P P u n gen anzulegen. Fig. 3 und Fig. 4: geben eine
der hier üblichen Anordnung.,

l~ig-. 3 u. 4. Fig, 5.

Eine Anlage nach Fig. 5 wird nur in dem Falle gerechtfertigt sein,
wenn das zur Fundation verwendete und von oben belastete Material vollständig
gegen Bruch gesichert erscheint.

Fig. 6.
Einleitung. 9

Als eine Verbreiterung der Fundamente , zur U ebertragung des Druckes


auf eine grössere Grundfläche und zugleich zu einer zweckmassigen Ausgleichung
uneleieher
a Druckwirkunzen
a dienen die sehr häufig verwendeten Er c1- oder G r un d- ~

bögen; diese werden nach den nebenstehenden Skizzen Fig. 6 und Fig. 7

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._-------------~~--~---_._---------------_._.~~--- -----------

Fig.7.

in umgekehrter Lage, mit dem Scheitel abwärts, zwischen die Fundamente,


besonders zwischen einzelne Fundamentpfeiler gespannt, und vermehren hier-
durch die Druckfläche in hohem Grade.
Die K 1ass i f i k a t ion des Baugrundes beruht auf den Mitteln, die an-
gewendet werden müssen , ihn mit gesichertem Erfolge zum Bauen verwenden
zu können; je nachdem diese gering, gross öder sehr bedeutend sind, unter-
scheidet man wohl:
1. gut e n Bau g r U n d , bei dem· keine besonc1ern Anstrengungen ge-
macht zu werden brauchen, um ihn zum Bauen zu verwenden, hierher gehört:
Fels, angesclnvemmtes Diluvialgerölle (Münchener Baugrund), trocken liegender
10 Einleitung.

Lehm und Thon mit Sand vermischt, grobkörniger Sand und unter Umständen
auch feinkörniger band;
2. mit t I e I' erB a u g I' und, bei dem, um ihn zum Bauen verwenden
zu können, ein grösserer Aufwand von technischen Mitteln geboten erscheint,
hierher gehärt: Triebsand, Thon, Mergelerde und unter Umständen Torf- und
Wiesenerde (wenn diese beiden letzteren kompakte Beschaffenheit besitzen),
dann Acker- und Dammerde ;
3. s c h 1 e c h tel' Bau g l' U n d ist solcher, der sehr kostspielige Mittel in
Anspruch nimmt, um ihn bautüchtig zu machen, und hierher gehört: Schlamm,
Moor und jeder aufgefüllte Baugrund *).
F e l s i ger Bau g r und, aus hinlänglich starken und zusammenhängen-
den Massen bestehend, muss der Verwitterung zu widerstehen im Stande sein;
besteht der Felsen aber aus dünn gelagerten Schichten, zwischen welchen sich
wohl Lettenlagen befinden, die vom Wasser erweicht werden können, haben
ferner die Lagen eine geneigte Richtung, so kann auch er nicht unmittelbar
zum Bauen Verwendung finden und verlangt eine umsichtige Vorbereitung, die
wohl in stellenweisem Entfernen der unsichern Schichten zu bestehen hat, um
überall für die aufzubringende Last ein vollständig sicheres Unterlager zu
gew111nen.
A n g e s c h wem m t es D i 1 u via 1ger ö 11 e ist meistens mit Sand und
lehmigen Theilen durchsetzt und besitzt vorzügliche Tragfähigkeit; eine Stärke
von 1,50 m ist genügend, um ein drei Stock hohes massives Gebäude zu
tragen.
Gleich geschätzt als guter Baugrund ist der durchaus tr 0 c k e n 1i e gen d e
L eh m g l' und, besonders der von gelber Farbe, mit Geröll und Sand unter-
mischt; eine 2 m hohe Schicht genügt, um darauf mit Sicherheit unsere grössern
städtischen Gebäude zu errichten.
G r 0 b k r n i ger San d ist nur dann als Baugrund unbrauchbar, wenn
ö

er in zu geringer Mächtigkeit ansteht, oder wenn er eine zu geringe horizon-


tale Ausdehnung besitzt und so ein durch den Druck veranlasstes seitliches
Ausweichen zulässt; im andern Falle ist er, besonders untermengt mit lehmigen
Theilen und Geröllen bei einer Schichtenstärke von 2 m in bezug auf seine
Tragmhigkeit dem trockenen Lehm gleich zu stellen.
F ein k ö r n i ger San d von 2 bis 3 m Mächtigkeit und gehöriger hori-
zontaler Ausbreitung, und von Quellen oder Wasseradern nie h t durchzogen,
kann unbedenklich dem guten Baugrunde beigerechnet werden.
Bei Tri e b s a n d , der oft von Quellen und Wasseradern durchzogen ist,
müssen nicht selten vielfache Hindernisse beseitigt werden, die hauptsächlich
im Andringen von Wasser bestehen; ist die Mächtigkeit nicht bedeutend genug,
muss sehr häufig zur Betonirung oder auch wohl zum liegenden Rost ge-
schritten werden.

*) Die neueren Bauordnungen fordern auch von jedem Bauplatz, dass "e r den
Anforderungen der öffentlich en Ge s u n d h e i t.s p flege en t s P r e ehen 111 ÜSS e
o d er en ts pre ch e n d ge111 a.ch t w e r d e"; demgeinäss ist hauptsächlich darauf zu
sehen, dass Gebäude vollständig gegen alle Ueberschwemmungen gesichert sind; aber
auch das Grundwasser darf ein Gebäude in seinem Bestande nicht bedrohen. und dem ent-
sprech81.1 d i~t es nothwendig , dass sowohl das 'I'agswasser sowie aucll das Grund-
wasser 111 seinem .höchsten Stande berüc1~sichtigt werde. Ausserdem ist dafür Sorge
zu tragen, dass ehe Abführung aller flüssigen Abfälle, das Haus- und Gebrauchswasser,
das von der Küche und Waschküche , der Reinigung des Hauses etc. kommt, durch
Abzugskanäle aus dem Bereich der menschlichen Wohnunsren abgeleitet werden kann.
Einleitung. 11

Sehr bedenklich als Baugrund ist der T lt 0 n, besonders der blaugefärbte ;


wird er temporär vom Wasser erweicht, dann aber wieder trocken, so macht
sich in seiner ganzen Masse nbwochsolungsweise ein Anschwellen und Schwin-
den geltend, das dem darauf fundirten Bauwerke sehr gefährlich werden kann;
bleibt J' edoch sein Feuchtiskeitszustand
b
stets derselbe,' so treten die eben er-
wähnten Bedenken wohl mehr und mehr zurück, immerhin hat man beim Fun-
diren auf Thongrund die grösste Vorsicht anzuwenden.
Ist Tor f - und ,V i e sen erd e sehr kompakt, so kann sie, je nachdem
sie trocken oder sehr nass ist, durch Betonirung oder liegenden Rost zum
Baugrund verwendet werden; gehen diese Erdarten aber in flüssigen Schlamm
und Moor über, so zählen sie zum schlechten Baugrund und erfordern dann
wohl, um darauf bauen zu können, Pfahlrost oder Senkbrunnen.
vVe i tau s der s c h l e c h t e s t e Bau g r und aber ist der durch Auf-
fit 11 u n g entstandene, der fast in allen älteren Städten vielfach vor-
handen ist, indem Weiher, Stadtgräben, Kanäle, Kies- und Sandgruben durch
Bauschutt und Kehricht ausgefüllt und planirt wurden; um das gewonnene
Terrain wieder nutzbar zu machen, wurde es bepflanzt und es almt oft Nie-
mand, was hinter dem anscheinend' schön gelegenen Bauplatz steckt! Solch ein
Baugrund verlangt in der Hegel die allerkostspieligsten Mittel.
A c k er -, Gar t e n - und D a m m erd e sind vor dem Bauen vollständig
vom Baugrunde zu entfernen und dürfen selbst zum Hinterfüllen des Mauer-
werks nicht verwendet werden; ihr Gehalt an organischen Stoffen, ihr häufiger
Gehalt an Kochsalz erzeugen nur zu häufig den für die Gebäude so gefähr-
lichen Mauerfrass (vergl. S. 4).
Ein guter Baugrund ist aber - wie dies bereits erwähnt wurde - ab-
hängig von der Mächtigkeit,. in der er ansteht; sehr häufig finden sich weit
ausgedehnte Sandablagerungen , welche Torf oder Wiesen bei U eberfiuthungen
vollständig, hin und wieder nur in mässig starker Schiebt, überdeckt haben,
und es tritt hier der Fall auf, dass unter einem anscheinend guten Baugrunde
ein schlechter Untergrund sich befindet; eine wichtige Frage beim Fundiren
von Gebäuden betrifft auch das Grund wasser , das stets nach seinem höchsten
Stande ermittelt werden sollte. Aus alle dem geht hervor, dass es eine Haupt-
bedingung beim Bauen ist, vor der Wahl eines Bauplatzes die Beschaffenheit
seines Grund und Bodens nach allen Beziehungen hin gr Ü n d 1ich kennen zu
lernen, und dies kann nur durch eine sorgsame U n t crs u c h u n g des Bau-
gr und e s geschehen.

Die Untersuchung des Baugrundes


hat sich stets auf eine grössere Anzahl von Stellen zu erstrecken und nament-
lich sind jene Punkte zu untersuchen, wohin die Hauptmassen des Bauwerks
zu stehen kommen. Ein wichtiges Hilfsmittel bei Beurtheilung eines Baugrundes
einer bestimmten Oertlichkeit gewahren dem ausübenden Baumeister die Er-
fahrungen der Brunnenmacher, die oft tief in die Erde eindringen, um brauch-
bares Trinkwasser heraufzufördern ; '\tuch vorhandene Gebäude, die sich in ihren
Fundationen vollständig bewährt haben, lassen darauf schliessen, dass in ihrer
unmittelbaren Nachbarschaft sich gleichfalls ein guter Baugrund befindet. Immer-
hin aber ist es sicherer, in allen, auch anscheinend noch so günstigen Verhält-
nissen eine wirkliche Untersuchung des Baugrundes vorzunehmen, denn die Möglich-
keit eines plötzlichen Wechselns der Terrainbeschaffenheit oder das V orhandensein
eines aufgefüllten Grundes ist keineswegs ausgeschlossen und können sich durch
12 Einleitung.

das T'ntorlassen von BaugrundLlntersnclnmgen Schwierigkeiten ergeben ~ die oft


das Misslingen des projektirtcn Bauunternehmens zur Folge haben.
Am griindlichsten 'wird mall die Beschaffenheit des Baugrundes kennen
lernen, wenn man so tief wie möglich in den Boden eindringt; in neuester
Zeit haben einige zrosse Städte, so z. B. München, das ganze Stac1tterrain
geognostisch untersuohen lassen , und wurde hierdurch nicht allein eine genaue
Kenntniss der Bodenverhältnisse gewonnen, sondern auch der Stand dc~ Grund-
wassers ermittelt.
Man verwendete hierzu den auf Tafel I dargestellten Apparat mit allem seinen
Zubehör. Das benützte Bohrgerüst mit ,Vindevorrichtllng, in Fig. 1 dargestellt,
findet doppelte Verwendung, ein mal zum Einrammen von eisernen Muffen-
röhren , das andere mal zum Dirigiren des Erdbohrers. Fig. 2 zeigt das Ge-
rüst bei der Funktion des Ra m m e n s , Fig. 1 bei der des B 0 Ii r e n s; in
beiden Fällen ist in der Tiefe von beiläufig 4 m das Erdreich ausgehoben und
mittelst starker Bohlen ausgefuttert. Das Rammen erfolgt durch eine Zugleine
mittelst des mit Cl Cl Cl bezeichneten Rammklotzes ; die hier verwendeten Muffen-
röhren sind von Eisen und haben bei 9 bis 10 cm im Durchmesser eine Länge
von je 2 m; die unterste Röhre erhält unter Umständen, um besser in die
Tiefe eindringen zu können, einen keilförmig verstählten untern Rand; beim
Einrammen dieser Röhren nimmt der Rohraufsatz b den Schlag des Schlag-
werkes auf und schützt so die Muffenröhren gegen Deformation. Beim Herab-
schlagen der Röhren wird deren Inhalt herausgehoben und untersucht. Am
gründlichsten kann dies durch den in c dargestellten V e n t i 1 b 0 h r e r ge-
schehen, der beliebig durch eine in Gi dargestellte B 0 11 I' S t a n g e verlängert
werden kann; das S t a n gen gel e nk e des Erdbohrers wird vom Bohrgerüst
mitteist eines Seils stets in vertikaler Stellung erhalten und erfolgt dessen
Drehung durch das VV end e eis e n, das in l seine Darstellung gefunden hat.
Zum erfolgreichen Eindringen in den Erdboden sind je nach der Beschaffenheit
des Grund und Bodens verschiedene Vorbohrer und andere ,Yerkzeuge nothwendig;
bei verwachsenem Boden verwendet man Hohl- oder Schneckenbohrer g und h,
bei Steinen entweder Meissel- i, Spitz - k oder Kronenbohrer l, jenachdem
man es mit geringerem oder grösserem Widerstande zu thun hat; im letzteren
Falle wird es oft nothwendig, sich auch des Steinziehers m. und ?n' zu bedienen.
Bricht, was hin und wieder wohl vorkommt, eine Bohrstange ab, so bedient
man sich des Stangenfängers n, derselbe soll in das eingeschnittene Schrauben-
gewinde die abgebrochene Bohrstange aufnehmen, um sie dann empor heben zu
können. Um die Muffenröhren allenfalls mitteist der 'Winde des Bohrgerüstes
heraus heben zu können, dienen die Rohrzieher 0 und 0'. Um , sich über die
Schwankungen des Grundwassers orientiren zu können, lässt man die Muffen-
röhren t in dem untersuchten Grund und Boden zurück und giebt der oberen
mit einem Holzpfropf verschliessbaren Ausmündung eine sicher verschliessbare
Fassung von Gusseisen, wie dies in der Fig. 3 des Nähern angegeben ist.
Bei der anerkannt wichtigen Rolle, welche das Grundwasser sowohl beim
Bauen, besonders von Kellern, tiefliegenden Feuerungen etc., als auch in sani-
tärer Beziehung spielt, wäre es äusserst erwünscht, überall ein klares Bild
über die Schwankungen des Grundwassers zu gewinnen i der hieraus gewonnene
V ortheil ist ein so überaus eminenter, dass die verhältnissmassig geringen
Kosten solcher Bodenuntersuchungen gar nicht in Betracht kommen können;
es wäre wünschenswerth , dass alle grösseren Städte sieh klar zu werden
suchten, wie der Boden, auf dem man seine VY olmstätte allfgeschlagen hat, in
Wirklichkeit beschaffen ist.
Einleitung. 1 .Jo

Der eben besprochene Apparat lässt sich übrigens auch mit grossem Vor-
theil für beschränktere Baugrunduntersuchungen benützen *); steht jedoch ein
solcher Apparat nicht zur Verfügung, so wird man wohl genöthigt sein, sich
mit den bisher herkömmlichen Bangrunduntersuchungen zu begnügen. Auch
hierbei wird man gut thun, so tief wie möglich in den Baugrund einzudringen,
und dies geschieht wohl am einfachsten durch "G r ab e n "; eine solche
Untersuchung des Baugrundes ist jedoch bei verschiedenen, besonders lockeren
Erdarten ohne kostspielige Absteifungen gar nicht möglich; ist andererseits
das Erdreich von 'Nasser erfüllt, so werden auch in solchem Falle der Unter-
suchung sehr enge Grenzen gesteckt.
Ein sehr übliches Verfahren aber besteht in der Anwendung des Vi s i t i r -
oder So n dir eis e n s, einer schweren und mit einer Stahlspitze versehenen
eisernen Stange, am besten in der Länge von 2 m, und einem Durchmesser von
30 mm. Mit aller Kraft wird diese Stange in den Boden hinabgestossen,
wobei man nach dem mehr oder weniger leichten Eindringen des wuchtigen
Eisens auf die grössere oder geringere Widerstandsfähig''reit des Erdreiches
schliesst; dabei ist bei festem Baugrunde der Stoss "h a r t bei nicht festem
v ,

" n a c h ge b e n cl',,; immerhin gehört zur Beurtheilung der Tragfähigkeit des


Baugrundes, der mit dem Sendireisen untersucht wird, ein praktischer Sinn, der
erst durch oftmaliges Arbeiten mit diesem Instrumente erworben werden kann.
Um mit dem Sondireisen tiefer in den Boden eindringen zu können, gdibt
man wohl vorher einen Schacht, und beginnt von dessen Sohle aus die wei-
tere Untersuchung. Sondireisen, in welchen Vertiefungen angebracht sind, um
in denselben etwas von dem vorhandenen Grund und Boden mit ans Tages-
licht zu fördern, haben gar keinen Werth und können deshalb unberücksichtigt
bleiben.
Sehr erfolgreich sind die Boc1enuntersuchungen durch "B 0 h r e n undv ,

unterscheidet man hier das Bohren mit 0 ff e n e n und das mit g es c h l 0 s -


sen e n Erd b 0 h r e r n.
Hierbei wird die obere Rasendecke , die oft vielfach mit VVurzeln durch-
setzt ist, mit dem sogenannten L ö ff e 1b 0 h r e r durchdrungen, worauf dann
bei kompaktem Erdreich der offene Zylinderbohrer folgt; durch Zuhilfenahme
von "G e s t ä n gen" kann dieser Bohrer bei tiefem Eindringen in den Boden
beliebig verlängert werden. Die Tafel I giebt hierüber Aufschluss.
Ist es ein "fl i es sen der" Boden (feiner wasserhaltiger Sand oder Kies),
so müssen s c h 1i e s s bar e oder auch V e n ti 1b 0 h r er verwendet werden;
die letzteren sind die einzig empfehlenswerthen; der Ventilbohrer ist auf der
Tafel I dargestellt ; wie erkennbar, befindet sich zunächst der am untern Theile
der Hülse angebrachten Bohrwindung ein vortretender Rand, durch welchen
die Oeflhung eine beengtere wird. Diese Oeffnung wird durch eine mit
Charnier versehene Klappe geschlossen. Wird nun der Bohrer in Thätigkeit
gesetzt, so wird die Klappe beim Eindringen in den Boden durch die Erde
gehoben und der obere Theil des Bohrers mit Erde gefüllt werden. Beim
Heraufheben drückt das in den Bohrei eingetretene Material die Klappe nieder,
so dass man im Stande ist, auch das flüssigste Material, selbst Wasser , mit
diesem Bohrer zu Tage zu fördern.
Den Grund und Boden endlich durch Ein r a m m e n von Pro b e -

*) In München ist das stäcltif~che B8,U::1Illt stets bereit, gegen Ersatz seiner Aus-
lagen die Gnmduntersuclmng von Bauplätzen mit dem ihm geh ören den Apparat VOl'-
lwl1l11All 7,11 lassen.
14 Einleitung.

P fä h 1 e n; wie dies öfter vorgeschlagen wird; zu untersuchen; möchte in den


meisten Fällen unthunlich erscheinen; allerdings wird man durch Eintreiben
eines langen Pfahles mitte1st der Lauframme aus dem leichten oder schweren
Durchdrinzen
Cl
desselben ziemlich sichere Schlüsse über die Beschaffenheit des
Bodens ziehen können; die ganze Manipulation hat aber -- besonders in der
Nähe von schon bestehenden, Gebäuden - seine Bedenklichkeiten und ist auch
mit ziemlichen Unkosten verbunden ; demgernäss möchte die Untersuchung des
Baugrundes durch Eintreiben von Probepfählen nur da angezeigt sein, wo man
von vornherein eine Fundation durch Pfahlrost herzustellen in Aussicht genommen
hat, in welchem Falle dann die Probepfähle so angeordnet werden, dass
sie als "G r 11 n d P f ä 11 I e" mit verwendet werden können.
Die erste Arbeit, die nun das Errichten eines Bauwerks erheischt; besteht im

G run d g r ab e n.
Bei trockenen,, ziemlich festen Bodenarten bietet das Ausaraben
'--'
des Ban-
grundes keine besondern Schwierigkeiten; bei lockerem, sogenanntem fliessen-
den Boden werden aber Böschungen nothwendig, die um so flacher angelegt
werden müssen I je lockerer der auszugrahende Sandboden ist. Bei grossen
Tiefen werden stufenförmig zurückgesetzte Böschungen - sogenannte Bänke -
nothwendig, die dann zugleich dazu dienen, den Grund und Boden ohne An-
wendung von Gerüsten aus der Baugrube heraus zu befördern. Können des
fehlenden Raumes wegen - was nur zu häufig der Fall' ist - solche
Böschungen oder Bänke nicht nngelegt werden, so sind Holzabsteifungen noth-
wendig, so dass dann die losen Erdschichten durch Bretter oder Bohlen mit
Zuhülfenahme von Pfahl- und Riegelholz am Abrutschen verhindert werden.
Sehr erschwert wird jedoch das Ausheben und Fortschaffen des Baugrundes
aus der Baugrube, wenn das Grund- oder Quellwasser in grossen Massen sich
geltend macht. Das Quellwasser lässt sich unter sehr günstigen Umständen
verstopfen und zwar durch Einschlagen eines Pfahles, durch Dichten mittelst
Thon oder Beton, in den meisten Fällen aber muss es, wie auch das Grund-
wasser, entweder abgeleitet oder ausgeschöpft werden.
Das Ableiten ist selbstverständlich nur dann ausführbar, wenn ein tiefer
gelegener Ort vorhanden ist, wohin das 'Wasser geleitet werden kann. Wird
ein Ausschöpfen nothwendig, so geschieht dies entweder mit Handsimern,
Wurfschaufel , Schwungschaufel , Pumpen, Paternosterwerken, Schanfelwerken,
Kastenwerken oder N orien und endlich archimedischen Wasserschnecken, wobei
theils Menschenkraft, theils Dampfkraft in Anwendung kommt.
Ist ein Gebäude in nächster Nähe von stehendem oder fliessendem Wasser
zu bauen, so erscheint es oft geboten, die Baugrube durch eine künstliche vVand
gegen das andringende Wasser abzuschliessen ; solche künstlichen Wände be-
stehen entweder aus einem b l o s s e n Erd da m moder aus D ä m m e n aus
Hol z w ä n den.
Erd d m m e werden in der Regel aus dem stehen gebliebenen gewachsenen
ä

Boden gebildet; ihre Breite an der Basis beträgt dann das Vierfache der
Wasserhöhe.
D ä m m e ans Hol z w ä n d e n werden Fan g e d 11, m m e genannt und
unterscheidet man dabei Sei t e n fa 11 g e d ä m me mit einer Holzwand und
vorgeschüttetem Erdreich, oder K ast e 11 f a n g e d ä m m o mit zwei Holzwänden,
deren Zwischenraum am besten mit einem gemischten thonhaltizen Erdreich aus-
gestampft wird; die Konstruktion solcher Fang'ecHimme wird bei der Rost-
fundation weitere Besprechung finden. .-
Einleitung. 15

In 'weit höherem Gr::tde als beim Gebtiudebau machen sich bei den Fun-
dationen des Wasser- und Brückenbaues sehr bedeutende Schwierigkeiten geltend;
auf diese hier einzu 1:>srehen ,. würde zu weit führen, und haben wir es hier mit
einer Spezialität zu thun , die mehr der Baukonstruktion für Ingenieure und
namentlich dem "\Yasser - und Brückenbaue zugezählt werden muss. Um sich
über diesen Theil der Bautechnik eingehend zu unterrichten, wird 11:i8r auf das
H a n d b u c 11 der W as s erb a u ku n s t von G. H::t g e 11 hingewiesen, das
in seinem zweiten Bande die Brunnen , Wasserleitungen und Fundimngen be-
handelt. (Berlin bei Ernst & Korn. IH. Auflage. 1870.)*)

Die Fun d a t ion 0 der der G r und bau.

Unter Fun d a t ion oder GI' und bau versteht man im allgemeinen die
Herstellnng derjenigen meist in der Erde liegenden Mauermassen, welche einem
Bauwerke zur unmittelbaren sicheren Unterstützung dienen, inbegriffen sind
hierbei alle Anlagen, welche zur Verbesserung des Baugrundes oder zur gleich-
,mässigen Vertheilung der ungleichen Belastung nothwendig sind. Nur wenn
ein Gebäude auf zu Tage tretendem Felsengrund errichtet wird, dessen vr etter-
beständigkeit unzweifelhaft ist, kann ein Gebäude olme ein eigentliches Funda-
ment belassen werden.
Bei einem Gebäude mit unter der Erde liegenden Kellerräumen dienen
deren Mauern dem darüber sich erhebenden Mauerwerke zwar auch als Fun-
darnent , werden aber Kellermauern genannt, und nur ihre unter der Keller-
sohle liegenden 'I'heile erhalten den Namen Fundnmentmauern und bilden
Fundamente für die Kellermauem und im weitem Sinne für die höher
liegenden Etagenmauern. Giebt man den Fundamenten, wie dies häufig der
Fall ist, einen oder mehrere nach unten hin sich verstärkende Absätze, so nennt
man diese Ban q u e t t e oder Erd b ä n k e.
Da der Grund und Boden, auf dem ein Bauwerk errichtet werden soll,
nicht immer der Art ist, dass man ihn ohne weiteres' zum Daraufbauen ver-
wenden kann, so muss auf Mittel Bedacht genommen werden, denselben in
entsprechenJer 'IV eise zu verbessern, solche Mittel bestehen nun:
I. im Verdichten des Erdreichs vor dem Legen der Fundamente;
H. durch Bildung fester zusammenhängender Zwischenlagen zwischen
dem pressbaren Boden und dem Fundamentmauerwerke des Bauwerks ;
dies geschieht:
a) durch Stein-, Beton- oder Konkretschüttung,
b) durch natürliche Gesteine mit möglichst grossen Lagerflächeu,
c) durch Sandschüttung ;
In. dnrch Holzkonstruktionen, und diese sind:
a) der liegende Bohlen- oder Schwellrost,
b) der stehende Pfahlrost (Pilotage);
IV. durch Herstellung einzelner, bis auf den festen Grund abgetiefter
Pfeiler.
Das Ver die h t endes Erdreiches kann nur bei gleichmässiger Beschaffen-
heit des Untergrundes ausgeführt werden, und geschieht wohl' durch Au f-
bringen von Lasten, oder auch durch Schlagen mit gewöhnlichen Handrammen.
Eine solche Verbesserung des Baugrundes hat seiner Unvollkommenheit wegen

*) Sehr empfehlenswcrth ist auch das Handbuch der Pundirungsmefhodsn von


L. Klasen. Leinziz 1879.
Einleitung.

ein sehr beschränktes Feld, und möchte höchstens bei Gebänden Anwendung
finden, die mehr untergeordneter N atur sind.
Die Tragfähigkeit eines verdichteten Baugrundes durch eine auf die Fläche
f vertheilte Belastung P ergiebt sich aus der Formel
P
w=y.
Die "Wirkung eines solchen Stampfens mit der Ramme wird selbstverständ-
lich um so grijsser sein, je schwerer der Klotz und je grösser die End-
geschwindigkeit bei seinem Aufschlagen ist; hiernach ergiebt sich als Mass
des Effekts der Ramme das Produkt aus Schwere und Endgeschwindigkeit des
Rammklotzes, was durch die Formel
P= 9,5 G. c
ausgedrückt wird; wobei P den Druck in Kilogramman bedeutet, den ein
Quadratmeter verdichtetes Erdreich auszuhalten vermag, G bedeutet das Ge-
wicht des Rammklotzes in Kilogrammen, c einen der Fallhöhe h (in Metern)
entsprechenden Koefficienten.
Die folgende Tabelle giebt nach Rondelet die Werthe von c für ver-
schiedene Fallhöhen (h):
1

bei h in Werthe 11
bei h in Werthe 1
bei h in Werthe
:Meter für c Meter für c Meter für c
11 I1
--
I
Ii 2,60 I
0,32 11,47 32,37 4,87 44,30
0,65 I 16,20 I 2,92 34,34 5,20 45,76
36,19 11I
1

0,97 19,82 3,25 5,52 47,17


1,30 I 22,90 1 3,57 37,96 'I 5,85 48,53
11

1,62 25,95 I
3,90 39,63 I 6,17 49,86
1,95 28,02 4,22 41,25 I, 6,50 51,15
2,27 30,28 4,55 42,80 i 7,80 56,03
i I
I I I

° Ein Beispiel möge hier Platz finden: Es lastet eme Mauermasse mit
~ 000 kg auf 1 qm Grundfläche; der vorhandene Rammbär wiege 150 kg,
wie hoch muss dieser Rammbär gehoben werden, um eine Pressung des Erd-
bodens zu bewirken, welche die betreffende Last zu tragen vermag?
20 000 .
Antwort:
9,5.150
= 14 = C; dieser Werth von centspricht emer
Fallhöhe von ca. 0,60 m,
Eine bedeutendere Stellung in der Verbesserung eines pressbaren Bodens
gestatten die sogenannten S t ein s c h t tun gen (Rammbeton); hierbei werden
ü

sämmtliche, breiter als die Fundamentmauer angelegten Fundamentgruben oder


Fundamentgräben mit einer 0,30 m hohen Schicht Stein- oder Bauschutt über-
deckt; mitte1st einer Schwung- oder Zugramme wird diese Schicht eingerammt,
wobei die Steinbrocken sehr stark zerkleinert sich ziemlich dicht in einander
fügen; auf die erste Lage kommt dann eine gleich starke zweite, die in gleicher
Weise behandelt wird, und so fort, bis das Ganze eine Stärke von 1 bis 1,5 m
erhält. Durch solches Einrammen von Steinschutt wird der Grund und Boden
in hohem Grade nicht allein nach unten hin, sondern nach allen Seiten be-
deutend zusammer.gepresst; die err oi 11te 'I'ragfähii:;keit wird abc.' jedenfalls· mit
Bhhängig sein von der S(~hv-ere des R~\mmbären und von c1erHöhe seinss
Einleitung. 17

Falls; unter Umständen trägt selbst eine nur 0,50 m starke Schicht von
Rammbeton ein zwei Etagen hohes Gebäude.
Eine feste Unterlage für die Fundamente mit Zuhülfenahme einer Schlag-
ramme zu gewinnen, hat viele Schattenseiten, und so möchte auch in neuer
Zeit der Rammbeton mehr und mehr ausser Gebrauch kommen.
Die vorzüglichen und auch in so sehr grossen Massen produzirten Roman-
und Portlandcemente geben uns ein Mittel, schnell erhärtende und dann fest
zusammenhängende Massen auch olme die umständliche Rammarbeit herzu-
stellen, und wählen wir dazu Gemenge von Steinbrocken , Sand und vVasser~
mörtel, die dann B e ton - , K 0 n k r e t - oder GI' 0 b m ö r tel *) genannt werden.
Die Anwendung von Beton wird sich ohne Zweifel mehr und mehr verallge-
meinern, immerhin' bleibt es aber auffällig, dass gerade zur Fundation von Ge-
bäuden diese Gründungsmethode verhältnissmässig seltene Annahme findet,
während es vielen Orts vollständig gelungen ist, ganze Gebäude, und zwar
mehrstöckige, aus Beton herzustellen.
Dass Beton, richtig bereitet, in bezug auf seine Festigkeit mit den bessern
Bausteinen die Konkurrenz besteht, ist allgemein bekannt , ebenso auch die
Thatsache, dass der betreffende Erhärtungsprozess sich schnell und energisch
vollzieht und dass das erhärtete Produkt dem Wasser vollständigen Widerstand
entgegensetzt. Betonirungen erscheinen stets als vollständige Monolithen und
besitzen einen Zusammenhang, der bei keinem andern Mauerwerk in so hohem
Grade erreicht werden kann. Während jedes Mauerwerk, besonders das mit
Luftmörtel hergestellte, sehr lange braucht, bis seine Erhärtung sich vollzogen
hat - und dies ist in erhöhtem Grade von dem in der Erde sich befindenden
Mauerwerke der Fall - , so wird ein starkes "S ich set zen" der Gebäude-
massen schon in der Substruktion gar nie zu vermeiden sein, und dieses beun-
ruhigende Sichsetzen wird unter Umständen jahrelang fortdauern. Beim Beton,
der in kurzer Zeit Steinhärte besitzt, wird ein Sichsetzen, veranlasst durch das
Fundamentmauerwerk in sich, nie stattfinden können.
Bei der Herstellung von Betonfundationen ist auch darauf hinzuweisen,
dass dieselbe eine ungemein einfache Behandlung gestattet, und dass bei hohen
Steinpreisen -. wie sie gegenwärtig überall sich geltend machen - Beton-
fundationen billiger sind, wie solche- aus reinem Mauerwerk, besonders wenn
die Baustelle selbst beim Ausheben des Erdreichs Sand, Kies oder Gerölle
liefert. Den schätzenswerthesten Dienst leisten aber Betonirungen dann, wenn
Wasserzudrang bei den Fundationen sich geltend macht, weil in diesem Falle
das sonst so kostspielige Fortschaffen des Wassers gar nicht geboten erscheint.
Die Engländer, die den Beton Konkret nennen, setzen ihn zusammen aus
Mischungen von Portlandcement und Steinbrocken oder Kies, Schlacke, Kohlen-
asche und Sand, jenachdem von diesen Materialien einzelne leichter zu beschaffen
sind. Beim Betoniren selbst geht man so zu Werke, dass die Massen z, B.
1 Theil Portlandcement, 6 Theile Meeressand ,6Theile Abfälle von Bruch-
steinen abgemessen auf eine Bretterunterlage nur durch dreimaliges "U m -
s c h l a gen" mit der Schaufel, unter Zubringen des nöthigen Wassers gemengt
werden; die fertig hergestellte Betonmasse wird dann in die Fundamentgräben
hinabgeworfen, wodurch die Masse sich vollständig dichtet; die Erhärtung tritt
meistens nach 24 Stunden ein, und kann: oft schon nach Verlauf von einigen
Tagen mit dem Aufmauern begonnen werden .
. Dur eh a 11 s i r r i g ist die vielfach noch bestehende Ansieh! j dass rmn

*) Beton in Frankr ':h, Krnk:,'et in England, Grobmörtel in. Deutschland genannt.


Go t tg e t r eu l Hocnt.aukor.ctrukticn. 2
18 Einleitung.

Betonfundationen nur in einem durchaus durchnässtem Terrain vornehmen dürfe;


jedes natürliche Terrain ist dazu geeignet, nur bedarf ein durchaus trockener
Boden der Zuführung künstlicher Nässe, damit derselbe nicht allenfalls dem
Beton sein zum Erhärten noth wendirres
'='
Wasser nimmt.' dabei ist es räthlich,
ihn der unmittelbaren Einwirkung der Luft baldigst zu entziehen.
Bei ständig nassem und sehr nachgiebigem Baugrund hat man bisher viel-
fach Holzroste zur Anwendung gebracht, es möchte diese Fundation für unsere
gegenwärtigen Verhältnisse aber mehr und mehr zu den überwundenen Stand-
punkten gehören, denn jedenfalls lässt sich durch Betonirung der Zweck besser
und namentlich in den meisten Fällen auch wohlfeiler erreichen. Ferner ist
hervorzuheben, dass ein Holzrost wenigstens 0,30 cm unter dem niedrigsten
Wasserspiegel liegen muss, was bei Betonirung nicht nöthig ist. Betonirungen
haben endlich die höchst schätzenswerthe Eigenschaft, dass sie vollständig un-
durchdringlich gegen Wasser sind, und dass sie, richtig angeordnet, das Auf-
steigen der Feuchtigkeit verhindern.
Um Fundamente in stark pressbarem Boden herzustellen, wird der Fun-
damentgraben in dem Grade breiter angelegt, je pressbarer die Bodenart und
je grösser das Gewicht ist, das pressend auf die Fundamentsohle wirkt; für
die Stärke der. Betonschicht genügt für die höchsten Gebäude 0,60 bis 0,70 m.
Ist der Boden ganz weich, wie dies z. B. beim Moraste der Fall ist, so legt
man wohl über den ganzen Bauplatz eine Betonschicht, welche bei 1 bis 1,50 m
Stärke genügen würde, um die mächtigsten Bauwerke mit Sicherheit zu tragen
(Parlamentsgebäude in London); bei solchen Fundationen wird dann wohl der
ganze Bauplatz mit einer Spundwand umschlossen *).
Die gegenwärtig am häufigsten angewendeten Betonmischungen sind am
Rhein, und zwar beim Vorhandensein von fliessendem 'Vasser : 1 Theil Port-
landcement, 2 Theile Sand und 6 Theile Rheinkies ; im feuchten Terrain:
1 Theil Portlandcement , 12 Theile Rheinkies. Die erste Mischung erhärtet
derart, dass nach 2 Tagen eine Aufmauerung darauf erfolgen kann, die zweite
Mischung bedarf dazu 14 Tage. Um München herum verwendet man im
vVasser: 1 Theil bayerischen Cement , 5 Theile Isargries, der aus Sand und
Geröllen im Verhältniss von 2: 4 besteht; in feuchtem Terrain wird 1 Theil
bayerischer Cement und 7 Theile Isargries vermengt.
In England stellt man die Konkretarbeiten in zweierlei Weise dar, indem
man entweder einen flüssigen Cementmörtel herstellt, diesen in Formkästen
einschüttet und dann die gewählten Steinbrocken (Packung genannt) lagenweise
in den Mörtel eindrückt, oder man mengt, wie vorherrschend in Deutschland
dies geschieht, die betreffenden Materialmassen untereinander und bildet daraus
durch Umarbeiten eine Art Grobmörtel. In England verwendet man zur Her-
stellung des Konkrets auch andere hydraulische Materialien, wobei folgende
Mischungen als die üblichen hier folgen mögen: 1 Theil Cement , 7 Theile
Sand und als Packung 6 Theile Abfälle von Bruchsteinen; Mischungsverhält-
niss 1: 13; oder 1 Theil Cement, 7 Theile Kohlenasche ohne Packung,
Mischungsverhältniss 1 : 7; oder 1 Theil Cement, 7 Theile feingesiebte Schlacke
und als Packung 4 Theile grobe Schlacke, Mischungsverhältniss 1: 11; oder
1 Thcil Cement , 8 '1'heile Kies und als Packung 4 Theile gröbere Steine,
Mischungsverhältniss 1: 12; oder 1 Theil Cement, 7 Thei1e Flusssand und als

*) Ueber die Geschichte des B:.~tons und über c1f:2Sen Anfe:c,tigm1[' und Verwen-
dung siehe: Phys. c:, Cl. zm. Beschafienheit der Baumaterialien VOl1 R. Gottgetreu.
H. Bam1. S. 268-271.
Einleitung. 19

Packung 3 1/ 2 Theile Ziegelbruchstücken , Mischungsverhältniss 1: 10 1/ 2 ; alle


diese Kompositionen erlangen in 24 Stunden die genügende Festigkeit, um
darauf weiter bauen zu können.
In England hat man auch zur Herstellung von Fundamenten einen Kon-
kret zusammengesetzt aus 1 Theil feingemahlenem u n gel ö s c h t e n Kalk,
7 Theilen Kiesel und 1 Theil Sand; diese Materialien. wurden unter Zugabe
von Wasser tüchtig vermischt und das Gemenge so f 9 r t verarbeitet; nach
vorliegenden Berichten bildet sich ein Konglomerat von vorzüglicher Festigkeit.
An Orten, wo T ras s , Puz z 0 1 a ne oder San tor i n erd e zu haben ist,
werden die Betonmischungen aus gelöschtem Kalk hergestellt, dem dann die obigen
cernentirenden Stoffe als Zu s c 11 1ä ge beigemengt werden; beim Hafendamme
in Toulon verwendete man Beton, bestehend aus 42 Theilen gelöschtem Kalk,
28 Theilen Puzzolane, 7 Theilen Hammerschlag, 14 Theile;n Sand, 30 Theilen
Steingruss. Bei den Hafenbauten in Triest wurden angewendet und zwar im
Wasser: 2 1/ 2 Theile fetter Kalk, 7 Tbeile Santorinerde, 6 Theile Bruchstücke
von Steinen; im feuchten Boden: 2 Theile fetter Kalk, 7 Theile Santorinerde,
14 Theile Steinbruchstücke.
Sehr wünschenswerth wäre es, dass das Wesen des Betons a l l e nunsern
praktischen Baumeistern recht klar würde, ohne Zweifel fände dann auch die
Betonirung beim Häuserbaue mehr Eingang, wie dies bisher der Fall ist. Die
vielfachen Erfahrungen hierüber sind ja doch über allen Zweifel erhaben, aber
es versteht sich von selbst, dass streng s a c h g e m ä s s dabei verfahren wer-
den muss!
Die zulässige Belastung eines 0,75 bis 1 m starken Betonfundamentes
auf nicht nachgiebigem Untergrund wird pro -Quadratmeter auf 40000 bis
50000 kg angenommen.
In Gegenden, wo p l a t t e n f rm i g b r e ehe n d e Ge s t ein e mit
ö

g r 0 S sen Ab m e s s u n gen zu haben sind, verwendet man solche wohl als


unterste Lagerschichten in den Fundamentgräben , und gewinnt hierdurch ein
zusammenhängendes breites Zwischenlager zwischen dem pressbaren Baugrund
und dem darüber sich erhebenden Mauerwerke.
Bei sehr nachgebendem, tiefliegendem Baugrund aus Torf oder aus Moor
bestehend hat man vielfach mit besten Erfolgen zu San d s c h t tun gen ü

seine Zuflucht genommen. Grobkörniger, scharfkantiger Sand hat die Eigen-


schaft, sich mit seinen einzelnen Partikelehen so fest aneinander zu fügen, dass
eine förmliche Spannung in denselben beobachtet werden kann, die experimentell
sich schlagend nachweisen lässt; die Sandfundationen beruhen darauf, dass der
Druck auf den Boden eines mit Sand gefüllten prismatischen Gefässes in
ge w iss erHöhe unabhängig von dieser Höhe wird, und sobald diese Höhe
erreicht ist, nicht mehr vergrössert werden kann, so hoch auch die Sand-
schüttung gemacht werden, oder mit welchem Gewicht man sie auch beschweren
mag; bei einem 'oylindrischen Gefässe ergiebt sich diese Höhe etwa gleich dem
doppelten Durchmesser desselben.
Die ersten Versuche solcher Fundationen reichen bis ins Jahr 1823; in
dieser Zeit wurden in Paris Sandschüttungen von 1 m Höhe zur Fundation
einer Kaimauer angewendet; weiter angestellte Versuche ergaben, dass Mauer-
werk auf eine 1,7 m starke Sandschicht gesetzt, bei einer Last von 30 000 kg
auf den Quadratmeter keine merklichen Einsenkungen beobachten liess ; ferner
wurden in einem durchaus moristigen Boden zwei Gruben von je 1,2 m im
Quadrat rnc1 1,2 m ti'C ~Lsg8graben; die eine Grube, mit SZ~:.lc1 gefüllt; wurde
nach und nach mit 2 000 k:,
L
':
'-'
bervstet, und erfuhr die 2cmc1schüttunQ"
'-'
innerhalb
2 ~$
20 Einleitung.

acht Tagen eme Zusammenpressung von 0)259 111; dieselbe Last auf den
morastigen Boden der ändern Grube g'ebracht, verursachte innerhalb acht Tage
~ u

eine dreifach griissere Einsenkung.


Auch in Hamburz wurde im Jahre 1839 auf einem fast unergründlichen
Moorboden. in dem di~ Eingsten Pfühle verschwanden, ein Gebäude~ von 60 m
Länge, 14 m Tiefe, mit 6 m hohen Umfassungsmauern und 2 m hohem Sockel
auf Sand funclirt. Die Fundamentgräben wurden hierbei 2:90 111. tief angelegt,
mit einer sich nach unten auf 4,60 m verbreiternden Sohle. Der Sand wurde
in Wasser förmlich in die Fundamentgräben eingewaschen , und giebt Fig. 8
den Querschnitt der betreffenden Fundation in den erwiiJmten Massen; eine
bessere Anordnung möchte die Fig. 9 veranschaulichen.

Fig. 8. Fig. 9.

Die zulässige Belastung für einen künstlichen durch Sandschüttung ver-


besserten Boden wird pro Quadratmeter auf 20 000 bis 30 000 kg angenommen,
wenn die Schüttung die Stärke von ca. 2 m besitzt.
Man hat auch den Vorschlag gemacht, Pfähle in den weichen Boden
einzurammen , sie dann wieder herauszuziehen und die verbleibenden Löcher
mit Sand auszufüllen; oder noch besser: eiserne Pfahlspitzen werden mit Hülfe
von langen Aufsetzern in den Boden hinabgetrieben, sodass, nachdem Heraus-
ziehen der letztem, der in die Löcher eingewaschene Sand die eingetriebene
Eisenspitze zur Grundlage erhält. Solche Vorschläge möchten wohl mehr in
das Gebiet der Probleme zu verweisen sein!
Da, wo Sand in Massen vorhanden und das Holz verhältnissmässig theuer
ist, möchte die Sandschüttungden liegenden Rost zu ersetzen im Stande sein,
jedenfalls zeichnet sich diese Fundationsmethode durch Billigkeit aus, muss
aber stets sehr vorsichtig ausgeführt werden; besonders ist darauf zu sehen,
dass die Aufmauerung mit schnell bindendem Mörtel nicht zu schnell, und
womöglich in stets gleichmässiger Höhe gefördert werde.
.F und a t ion end u r c h Hol z k 0 n S tr u k t ion e n können nur da zur
Ausführung kommen: wo stets Wasser vorhanden ist; zur Sicherung gegen die
Fäulniss liegen alle Hölzer nach Ermittelung des niedrigsten Wasserspiegels
0,30 m unter demselben. Nach der Beschaffenheit des Bodens richtet sich
auch die Wahl der Konstruktion, die eine verschiedene sein kann.
Ist der Baugrund nämlich mir wenig nachgebend, besteht er aus ziemlich
gleichmässigen Schichten, namentlich aus Fluss -, Trieb - oder Quellsand , aus
kompaktem Wiesen- oder Torfgrunc1, die von Wasseradern durchzogen oder mit
vYasser bedeckt sind, so wählt man den 1 i e 12' G n den H 0 R t. der rlann
Einleitung. 21

ellt\Yed(~l' em B 0 h 1 e n - oder ein Sc 11 w C 111' 0 s t sein kann. Diese Kon-


struktion dient dann dazu; eine fest zusammenhängende Zwischenlage zwischen
dem nachgebenden Erdreich und dem Bauwerke zu schaffen, IV 0 bei u n t e l'
allen Umständen eine Senkung des Bauwerks e r f o l gt , die
bei normaler Konstruktion eine durchaus gleichmässige
sei n m u s s.
Ist der Baugrund aber ein sehr weicher, in abwechselnden Schichten an-
stehend, so dass zu befürchten ist, er würde durch die darauf zu bringende
Last zu bedeutend, oder auch ungleichmässig zusammengepresst werden, wie
dies bei Schlamm -, Moor- und 'Wiesengrund wohl der Fall ist, so konstruirt
man einen s t ehe n den R 0 s t oder P fa h 1 r 0 s t. Durch diesen wird dann
eine Zusammenpressung des Erdreichs nach der Seitenrichtung hin bewirkt
und gewinnt man durch einen Pfahlrost die erforderliche Festigkeit, durch
welche die Pfähle, von der Erde gehalten, das Bauwerk zu tragen im Stande
sind; ein Sichsetzen der Substruktion ist dabei vollständig ausgeschlossen.
Der B 0 h 1 e n r 0 S t besteht in seiner einfachen Konstruktion aus Q u e r-
oder G l' und b 0 h 1 e n , welche in die .horizontal ausgehobenen Fundament-
gr~LLen in Entfernungen von 0,60 bis 1,2 m eingelegt werden, übel' diese Grund-
bohlen werden die L an g b 0 h 1 engestreckt und mit eisernen oder hölzernen
Nägeln befestigt. Die Stärke der Boblen wählt man zwischen 5 bis 8 cm.
Bei der Konstruktion ist darauf zu sehen, dass alle Fugen der Langbohlen auf
die Mitte der Querbohlen zu treffen haben und letztere 30 bis 50 cm über die
Langbohlen vorstehen. Auf den Ecken und ebenso da, wo Mauern unter einem
Winkel gegenseitig auf einander stossen , lässt man die Langschwellen übe r -
ein a n d e r fortgreifen , so dass die Oberfläche des Rostes keine gleichmässige
Ebene bildet; diese Unebenheit wird durch das Mauerwerk ausgeglichen.
Bei beschränkten Bauplätzen wird wohl über den ganzen Baugrund eine
Brettung von Bohlen angeordnet, die aber dann stets breiter als die Basis des
Fundamentes sein muss. Der Bohlenrost findet meistens nur Anwendung bei
Gebäuden sehr untergeordneter Natur.
Der Sc h w e 11- oder S t r eck r 0 s t ist dem vorigen weit vorzuziehen,
er besitzt einen viel solidem Zusammenhang und lässt bei sorgfältiger An-
fertigung ein durchaus gleichmässiges Sichsetzen voraussehen. Zur Konstruktion
des Schwellrostes werden kantig bearbeitete Hölzer (Schwellen) und zwar
Quer- oder Grundschwellen, 24 bis 31 cm breit und 16 bis 24 cm
hoch, dann La n g sc h w e l l e n, 21 bis 31 cm im Quadrat stark, gewählt *) ;
zur Bebohlung verwendet man 5 bis 7 cm starke B 0 h 1 e n,
In Entfernungen von 1 bis 1,50 m werden quer
in die Fundamentgräben die Quer - oder Grund-
schwellen a a (Fig. 10) eingelegt, über diese werden
in entgegengesetzter Richtung die Langschwellen in
Entfernung von 0,60 bis 1 m "aufgekämmt";
die Querschwellen stehen auch hier, wie oben die
Querbohlen beim Bohlenrost, 30 bis 45 cm über die a
Langschwellen heraus, damit die gedrückte Grundfläche Fig·. 10.

*) Die Maurerkunst von Müller: Querschwellen 13 bis 26 cm breit, 7 bis 20 cm


Stärke, Langschwellen 14 bis 28 cm im Quadrat,
Die Hütte: Querschwellen 24 bis 31 cm.
Deutsches Handbuch: Querschwellen 20 bis 30 crn 16 bis 24 cm hoch,
TJ~,TlO'srllwellen
21 bis 31 cm im. Quadrat.
22 Einleitung.

eine möglichst groBse 'werde; auch ure Breite der Rostbcbohlung c lässt
man über das Banqnett um ;) bis 6 cm vorstehen.
Ist es nothwendig, die Langschwellen zusammenzusetzen, so darf dies nur
auf einer Grunclschwelle geschehen; sie erhalten dann entweder einen arm i l' t e n
Stoss , wie dies in Tafel II des Nähern dargestellt ist, oder sie werden mit
dem s c h r ii gen B 1a t t verbunden. Die Bebohlung, welche schliesslich auf
die Langschwellen aufgebracht wird, erhält ihren Halt durch Nagelung.
Auch beim Schwellrost, der selbstverständlich durchaus horizontal gestreckt
werden muss, greifen die einzelnen Hölzer bei sich abzweigenden Mauern und
an den Ecken der Bauwerke übe I' einander fort, wodurch in der Oberfläche
des Boblenbelags sich Höhendifferenzen ergeben, die, wie beim Bohlenroste,
durch Mauerwerk ausgeglichen werden.
Sind sämrntliche Schwellen verlegt, so füllt man die "R 0 s tf e l d er"
mit Sand, Kies oder Lehm aus, und stampft diese möglichst fest ein; besser
ist es, hier eine Mauerschüttung oder eine Ausmauerung mitte1st Bruchsteine
und Cementmörtel zu verwenden, am allerbesten aber ist es, zum Ausfüllen
Beton zu wählen.
Der in Tafel II zu lösenden Aufgabe liegt die Idee zu Grunde, das
Mauerwerk eines sehr ansehnlichen Gebändes durch einen liegenden Rost zu
fundiren, Von diesem Grundmauerwel'k, das auf einern Bruchsteinsockel sich
erhebt, ist eine Ecke der vier Stein starken Umfassungsmauern im Grundrisse
Fig. 1 sowohl, wie auch in der Ansicht Fig. 2 dargestellt, desgleichen eine
drei Stein starke Scheidemauer, welche unter rechtem 'Winkel sich an die Front-
mauer anschliesst und im Aufrisse selbstverständlich nicht sichtbar sein kann.
Um sich über eine solche Aufgabe klar zu werden, ist es nothwendig,
vor allem die verschiedenen Mauerprofile aufzutragen: Fig. 3 stellt das Profil
der Vorderfrontmauer, Fig. 4 das der Seitenfront und Fig. 5 das der Scheide-
mauer dar. Ordnet man nun für das Profil Fig. 3 den Bohlenbelag so an,
dass derselbe je 5 bis 6 cm über den Bruchsteinsockel vortritt, so wird sich
die beste Lage der diesen Rostbelag unterstützenden Langschwellen b b dadurch
ergeben, dass man sie bündig mit den Sockelkanten legt. Unter die Lang-
schwellen b b werden dann die Quer- oder Grundschwellen gestreckt, von beiden
Seiten die Langschwellen um 30 bis 50 cm überragend.
Von dieser Darstellung des Profils der Frontmauer lassen sich dann unter
Berücksichtigung der vorher entwickelten Konstruktionsregeln der Bohlenbelag
a a, die Langschwellen b b, die Grundschwellen C C leicht in den Aufriss Fig. 2
übertragen.
In gleicher Weise werden dann die Mauerprofile Fig. 4 und Fig. 5 be-
handelt, nur mit dem einzigen Unterschiede, dass hier der Rostbelag um die
Langschwellendicke von b b niedriger zu liegen kommt, denn nur hierdurch
wird es möglich, dass die Langschwellen eines liegenden Rostes in den
Eck- und Kreuzungspunkten der zu fundirenden Mauern sich gegenseitig über-
kämmen, was zur soliden Konstruktion absolut nothwendig erscheint.
Zur leichtern Orientirung sind die Bohlenbeläge , die Lang - und Quel'-
schwellen für die Profile Fig. 4 und Fig. 5 mit a' a' beziehungsweise mit b' b'
und c' Cl bezeichnet, und finden ausserd em auch bei ihrer Darstellung im
Grund- und Aufrisse dieselbe Bezeichnung.
Fig. 9 und 10 geben eine Detaildarstellung davon, wie eventuell die
Langschwellen entweder" ge s tos sen und arm i r t" oder durch ein schräges
Blatt mit einander verbunden werden; die Verbindung zwischen Lang - und
Grunc1schwellen findet durch die Verkämrnung statt.
23

In der Tafel II ist weiters noch eine Bohlenspundwand mit den n(ithigen
Details in den :Figg. 8 und 11 dargestellt, und bringt darüber Seite 27 das Nähere.
Als zulässige Belastung eines durch Schwallrost künstlich verstärkten Bau-
grundes wird per Quadratmeter 20000 bis 30 000 kg angenommen.
Beim s t ehe 11 den R 0 s t ~ P f a h 1 r 0 s t ( P i lot a g e) werden eine
Menge Pfähle ( GI' 11 n d P f ä h 1 e) mittelst der L ä u fe r - oder Ku n s t r a m m e
in den Grund getrieben; man schlägt diese Grundpfähle so lange, bis ihr
Stand so fest ist, dass sie bei der zu tragenden Last nicht nur nicht sinken,
sondern noch einen bedeutenden U eberschuss an Widerstand haben.
Die Last, welche jeder Pfahl zu tragen hat, lässt sich aus dem Plane des
Bauwerkes ziemlich genan ermitteln. Den festen Stand eines Pfahles aber be-
dingt die Grösse der Reibung der um den Pfahl gelagerten Erde, und daher
wird ein solcher um so fester stehen, je länger und dicker er ist, weil alsdann
die Reibung auf die Umfangsfläche , wenn sie gross ist, jedenfalls vermehrt
wird; auch je mehr Pfähle in den Baugrund eingetrieben werden, um so mehr
wir d sich das Erdreich verdichten und desto widerstandsfähiger wird es werden.
Um nicht einen unüberwindlichen Widerstand beim Einrammen der letzten
Pfähle zu finden, schlägt man dieselben von der Mitte des Rostes ausgehend ein.
In der Praxis bei unsern gewöhnlichen Gebäudeausführungen hält man es
für nothweridig, die Pfähle so lange zu scblagen, bis sie nicht mehr z i ehe n ,
man kann jedoch diejenigen Pfähle unter allen Umständen als fest betrachten,
die nach 10 bis 20 Schlägen mit einem 400 kg schweren Klotze nicht mehr
als 5 bis 8 cm in den Boden eindringen; jeder der Pfähle ist dann im Stande
17 500 kg zu tragen.
Nach S g an z i n ist ein Pfahl als feststehend zu betrachten und kann auf
die Dauer eine Last von 26000 kg tragen, wenn er bei Anwendung einer
Kunstramme auf 10 Schläge eines 650 kg schweren Klotzes bei 3,5 m Fallhöhe
nur noch 12 cm tief in den Boden eindringt, oder bei Anwendung einer Zug-
ramme ebenso tief bei 30 Schlägen und einer 1,2 m messenden Fallhöhe *).
Für die Druckfestigkeit eines durch Pfahlrost verstärkten Baugrundes wird
per Qua d r a t m e t e l' Grundfläche eine zulässige Belastung angenommen:
a) bei tiefstehendem Moorboden , der auf 0,6 qm
Grundfläche einen Pfahl von 5000 bis 7500 kg Kilogramm
Tragfähigkeit aufnimmt . 8000 bis 12 000
b) bei besserm Baugrunde, wobei auf 0,8 qm mit
vierfacher Sicherheit ein Pfahl von 25 000 kg
Tragfähigkeit **) zu rechnen ist . nahezu 30000
c) bei besserem Untergrunde und genügendem Ein-
treiben der Pfähle in die feste Bodenschicht 40000, bis 50000
d) bei festerem, durch Pfähle gedichteten Lehm,
Thon oder Sandboden bis ***) 70 000

*) Die Rammen können Zug-, Kunst-, D'a.m p f-, ja sogar auch Pulver-
ra111.111 en sein. Zugrammen haben 300 bis 1000 kg schwere Rammklötze von Eichen-
holz oder Gusseisen; ihre Tauscheibe von Holz oder Eisen hat 0,5 bis 0,6 111 im
Durchmesser ; die Hubhöhe beträgt 1,21Jis 1,5m. Kunstl'ammenmit500bis800kg
schweren Hammbären von Gusseisen besitzen eine Hubhöhe von 3,8 bis 7,5 m.
Die Na sm y t.h ls ch e Iram pfr a.mm e arbeitet mit Fallhöhen von 0,8 bis 1 mund
1000 bis 2500 kg schweren Hammbären , wobei auf die Minute 75 bis 100 Schläge
treffen. Bei den Zugrammen rechnet man per 50 kg Gewicht des Rammldotzes 3 Arbeiter.
*'*) entspricht dem Eindringen desselben um 25 111m durch den Schlag eines 700 kg
schweren Rammbären ·bei 6 m .F'allhöhe.
i<i<'frj DiA anzreifenden und widerstrebenden Kräfte von Dr. F. Heinzerfing. 1876.
24 Einleitung.

Soll die Tragfähigkeit der Pfühle durch Rechnung bestimmt werden, so bedient
man sich wohl der nachstehenden Formel:
Bezeichnet allgemein
J? das Gewicht des Rammklotzes,
11 die Fallhöhe" "
» das Gewicht des Pfahls,
s die Tiefe des Eindringens beim letzten Schlage,
N einen Sicherheitskoefficienten,
so beträgt (n. Brix) die zulässige Belastung pro Quadrateinheit der Rostfläche :
1 h p2 p
W= N . s(P+JJ)2'
Nach Eytelwein ist der Sicherheitskoefficient N = 4 zu setzen.
Die Tragfähigkeit pro P f a h 1 ergiebt sich aus den Gesetzen des un-
elastischen Stosses, indem man den 'Widerstand, den der Baugrund dem ein-
dringenden Pfahle entgegensetzt, berechnet. Dieser 'Widerstand findet sich unter
Beibehaltung der obigen Bezeichnung zu
p2 h I
TY=--·· --r-P+P,
P+p s
oder wenn man J? +p gegen den ersten Summanden vernachlässigt, annähernd
J?2 h
TV - --.--.- . -.
P+p s
Von diesem 'Widerstande nimmt man, je 118.ch der gewünschten Sicherheit,
einen Bruchtheil (l/10) als zulässige pro Pfahl treffende Baulast.
Beispiel. Es sei P = 400 kg ,p = 150 kg, h = 1,5 m, S = 0,001 m,
dann ist TV = 436 364 kg = 8727 Crr., also die pro Pfahl zulässige Belastung
= 872,7 C t r.
Die Pfähle eines stehenden Rostes, auch Grundpfähle genannt, werden
nach dem Ausheben des Grundes bis 60 cm unter dem niedrigsten vVasser-
spiegel in einzelnen Reihen in den Boden eingetrieben, wobei die Pfähle in
Entfernungen von 1 bis 1,5 m von einander zu stehen kommen; die einzelnen
Pfahlreihen werden 0,80 bis 1 m, höchstens 1,25 m weit aus einander gerückt.
Was die Stärke der Grundpfähle anbetrifft, so erhalten sie bei 4 m Länge
21 bis 24 cm Durchmesser; auf je 2 111 weiterer Länge hat ihr Durchmesser
um 3 cm zuzunehmen. In England und Frankreich werden meistens
Pfähle von 22 bis 25 cm Durchmesser angewendet; nach Perronet
sollen 4,5 bis 5,4 m lange Pfähle eine mittlere Stärke VOll
27 cm erhalten und auf jede Zunahme der Länge um 2 meine
Stärkenzulage von 6 cm; bei langen Pfählen möchte jedoch bei
2 m grässerer Länge eine Stärkenzunahme von 3 cm vollständig
genügen. Die Pfähle werden rund belassen und mit ihrem Wipfel-
ende nach unten eingerammt; der Rand des Stammendes wird
etwas abgekantet oder mit einem Pfahlringe versehen; sind die
Pfähle tiefer zu schlagen, als der Rammbär .fällt, so muss eine so-
genannte "J u n g fe r " oder ein "K n e c h t" mit Dorn und gemein-
samem Ring auf den Pfahl gesetzt werden) Fig. 11; am untern
Ende erhalten die Pfähle eine Spitze. deren Länae wohl das
Fig. 11. I ~ I Cl
1 1 2 - bis 2 fache des Durchmessers ist und entweder vier - oder
clreiseitig gear::'eitet in eine kleine stumpfe Pyramide ausläuft. 1st der Grund
Einleitung. 25

und Boden, den die Pfähle zu durchdringen haben, ein tl el 11' stennger , oder
stark mit verwachsenen ,Yurzeln durchzogen, so erhält jeder Pfahl einen eisernen
Schuh mit zwei bis vier Lappen und einem Gewichte von 2 bis 7 kg. Solche
Pfahlschuhe werden entweder aus Schmiedeeisen hergestellt und erhalten ihren
Halt durch starke Nägel, oder aus Gusseisen mit hohlem Kegel und innerm
Dorn, oder endlich aus beiden Materialien; in letzterm Falle 'wird eine guss-
eiserne Spitze von zwei Vförmig gebogenen, die vier Lappen bildenden Schienen
zusammengehalteil.
Dringen die Pfähle tiefer in den Grund, als zu vermuthen war , so wird
es nothwenc1ig, sie durch andere Pfähle zu verlängern, und dies geschieht
durch "aufpfropfen" mit oder ohne eiserne Bänder; wie dies in Tafel III
in Details dargestellt ist.
vVenn auch im allgemeinen die Entfernung der Grundpfähle zwischen
0,80 und 1,25 m als Maximum gewählt wird, so kann unter Umständen dieses
Mass auch wohl bis auf 1,80 m angenommen werden; dann aber müssen die
über die Pfähle gestreckten Langhölzer, welche dazu bestimmt sind, die Last
des Mauerwerks aufzunehmen, um so stärker gemacht werden. Was auf diese
vVeise durch Anwendung einer ,geringem Anzahl von Grundpfählen an Holz
und Rammarbeit erspart wird, gleicht sich durch die noth wendig grössere Stärke
der Traghölzer wieder aus.
Die einzelnen Pfahlreihen werden horizontal unter dem niedrigsten Wasser-
stande mitte1st einer Grundsäge abgeschnitten und erhält jeder Pfahl einen
starken Zapfen von nahezu 15 C111 Länge und 9 cm Breite; darüber werden
dann die La n g sc h w e l l e n oder Hohne mindestens 26 cm *) im Quadrat
stark mit den entsprechenden Zapfenlöchern gestreckt, ihr Stoss erfolgt allemal
auf der Mitte eines Grundpfahls, und muss derselbe durch Eisen armirt werden,
wie dies Fig. 12 zeigt.
Als Verbindung zwischen Grundpfahl und Holm wendet man wohl auch
den Grundzapfen an, der durch die ganze Höhe des Holms hindurch greift und
durch Anwendung von Keilen die schwalbenschwanzförmige Form annimmt. Fig. 13.

Fig. 12, Fig'. 13.

Die auf die Grundpfähle gezapften Langschwellen erhalten oft zur Siche-
rung ihrer parallelen -Lage rechtwinklig sich kreuzende Q u e r s eh w e l l e n
oder Z an gen; zur gegenseitigen Verbindung dieser Hölzer wird die Ver-
kämmung gewählt; die Zangen liegen 1,50 bis 2 m entfernt und greifen wohl
beiderseits 30 cm über die Holme hinweg; die Bohlen) mit welchen die Holme
schliesslich belegt werden, erhalten die Zangenlänge und werden 5 bis 7 cm
stark gewählt; im· Bohlenbelag stehen dann die Zangen gegen 9 cm über die
Bohlen vor.
Gleich dem Bohlen- und dem Schwellroste greifen auch beim stehenden Rost

*1 Besser wählt man einen Ouerschnitt VOll 24 em Breite, 30 em Höhe.


26 Einleitung.

bei den sich alJz\veigellc1ell Mauern oder an den Ecken eines Gebüudes die
Schwellhölzer übe r ein a n der fort und 'werden die Unebenheiten, die dem-
gemäss in der Rostoberfläche entstehen, durch Mauerwerk ausgeglichen.
Bevor die Bebo hlun o0" auf die Holme I?:ebraeht wird, hebt man
~ . die Erde
zwischen den Pfahlköpfen etwa 0,60 111 tief aus, und wird hier eine Stein-
schüttung und auch wohl eine vollständige Ausmauerung mit Bruch - oder
Ziegelsteinen hergestellt; einen grössel'l1 Zusammenhang gewinnt jedoch die
ganze Konstruktion durch die Betonirung, so dass sämmtliche Pfähle sowohl,
als auch die Schwellen förmlich im Beton eingebettet sind.
Statt der hölzernen Pfähle lIat man sich wohl auch der eisernen bedient,
und wurden dieselben mitteist
Rammen in den Boden getrieben,
was vielfach das Brechen der Pfähle
zur folge hatte; aus diesen Gründen
wurden die durch Mitchell erfundenen
Schraubenpfähle eingeführt; die
Schrauben. in verschiedener Form und
Grösse verwendet, dienen al~ Pfahl-
schuhe für hölzerne Pfähle und leisten
da, wie dies Fig. 14 darstellt, vor-
zügliche Dienste, wo dem Einrammen
von Pfählen unübersteigbare Hinder-
nisse entgegentreten; die Schrauben-
schuhe verlaufen in konische Spitzen
und besitzen vVindllngen von gleichen
Ganghöhen ; solche Schrauben werden
aber auch vielfach unmittelbar mit
Fig', 14. schmiedeeisernen oder gusseisernen
Pfählen verbunden. Eine Flachschraub e
mit gusseisernem Pfahl
s. Fig. 15. Umfassendere
Anwendung aber haben
die S chra u b en cy l i n d e r
aus Gusseisen (selten aus
Blech) gefunden; diesel-
ben bestehen aus Röhren
mit 0,30 bis 1 m Durch-
messer bei 25 bis 50 mm
vVandstärke und werden
Fig. 16:
aus einzelnen 2 bis 3 m
Fig-. 15.
langen Stücken mit innern
Flanschen zusammenge-
setzt, am untersten Theil ist eine Schraube mit 1 bis 1 1/ 2 cm allmälig an-
steigender Windung aussen angegossen, wie dies die Fig. 16 deutlich macht *) ;

*) Fundirungen im Meere, mit besonderer Anwendung auf dem Hafendamm von


Courtown-Wexforrl und die Leuchtthürme von Belgast-Lough, Fludwood etc. von Mitchell
aus der Institution of Civil-Engineers;Försters Bauzeitung, Jahrgang 1850. S. 133.
Tafel 320 und 321.
A complete Treatise on Cast and Wrought Iren Bridge Construetion by William
Emnber etc, Vol. I, 202 j Vol. Ir, Flate 38. vYeiteres: Zeitschrift für Bauwesen 1871,
S. 404, und Deutsche Bauzeitung 1874, S. 196.
Einleitung. 27

übrigens richten sich Radius; Steigung und Anzahl der Sc:hrauLenumgällge nach
der Bodenbeschaffenheit des Baugrundes; bei 'weichem Boden verwendet man
Schrauben mit 1 m Radius und 0;25 bis 0,3 m Steigung; während man für
festen Boden der Schraube 0,6 m Radius und 0,2 bis 0,3 m Steigung giebt.
Werden in der Nähe des ,Yassers oder unmittelbar an demselben Rostbauten
ausgeführt, so muss man, um das Unterspülen des Rostes zu verhindern, sowohl
beim liegenden als beim stehenden eine S p und w a n d anordnen. U eberhaupt
ist eine solche stets ein sehr bewa.hrtes Sichernngsmittel auch da, wo es sieh
darum handelt, das komprimirte Erdreich eines Bauplatzes zusammen zu halten.
Dergleichen Spundwände sind entweder B 0 h 1 e n s p und w n deoder
ä

Hol z s P und w ä n d e ; erstere werden aus 9 bis 12 cm starken Bohlen,


letztere aus kantig bearbeiteten Halbhölzern von 18 bis 20cm Stärke ange-
fertigt; nur in dem Falle, wo die Spundwand , wie dies beim stehenden Rost
häufig der Fall ist, mit zum Tragen des Bauwerks dienen soll, verwendet
man Hölzer von stärkeren Dimensionen.
Die Breite der Spundhölzer wird so gross wie nur möglich gewählt, weil
dadurch Rammarbeit erspart wird; Spundbohlen werden nicht unter 25 cm,
aber auch nicht über 35 cm breit gewählt, 'wobei die quadratische Spundung
= 1/3 der Bohlendicke arn empfehlenswerthesten ist. Die Bohlen sowohl als
die Spundhölzer sind unten mit symmetrischer Schneide, die zwei bis drei mal
so lang als die Dicke der gewählten Hölzer ist, zu versehen, bei steinigem
Boden erhalten die Spundhölzer eiserne Schuhe, am besten aus Schmiedeeisen.
In neuster Zeit hat man wohl zur Konstruktion von Spundwänden statt
Holz Gusseisen verwendet. Die in einander greifenden Konstrnktionstheile wer-
den 2 bis 4 cm dick, 40 bis ,1:5 cm breit und den Bedürfnissen entsprechend
hoch gemacht; ihre Verstärkung erhalten sie durch zwei angegossene Rippen,
sie werden mit einander verfalzt und besitzen einen verstärkten Kopfrand. wie
dies Fig. 17 verdeutlicht.
Hat die Spundwand die Sohle eines liegenden Rostes gegen Unter-
spülung zu sichern, so wird derselbe nach Fig. 18 angeordnet; es ist bei

L-

I
II 11

<,
'I
111'1
:1,

111
11
I,
I~

Fig. 18.
Fig. 17.

dieser Anordnung ersichtlich, dass der liegende Rost nicht in unmittelbarer


Verbinc1ung mit der Spundwand steht, demnach unabhängig von ihr sich -
was ja meistens der Fall sein wird - setzen kann ; macht jedoch ein
stehender Rost die Anlage einer Spundwand nothwendig, so dürfen beide
28 Einleitung.

nach Fig. 19 innig mit. einander verbunden werden: da ja beim stehenden Rost
ein nachträgliches Setzen ausgeschlossen erscheint.
Müssen Spundwände sehr tief
o'oschlae:en werden und haben die-
~elben Weinen grossen vViderstand zu
leisten, oder treten sie tragend auf,
so schlägt man wohl Hn die Ecken
Spundpfähle von besonderer Stärke,
lässt andere l2:leichstarke in Ent-
<.

fernungen von 1,80 bis 2,40 m folgen,


und bringt dann zwischen diese die
schwächere Spund wand hinein.
Holzspundwände erhalten meistens zu
ihrem oberen Abschluss einen Holm,
der mit durchlaufender N uth und
Feder versehen ist. Die Spundhölzer
werden nach Fig. 20 mit Feder
Fig·. 19. und Nuth in einander gefügt; nur
bei Anwendung von sehr schwachen
Bohlen erhalten sie schräg geschnittene Federn
und N uthen. Kommt es aber besonders darauf
an, die Spundwände möglichst gut zu dichten,
sie gegen Wasser undurchdringlich zu machen,
so zieht man die Nutlien tiefer und lässt
sie von der Feder nicht ganz ausfüllen; der
verbleibende leere Raum wird dann mit dünn-
Fig. 20. :flüssigem Cement ausgefüllt.
Um die Konstruktion eines Pfahlrostes
vollständig klar zu machen, dient die Tafel IH. Es handelt sich hier darum,
das sehr starke, aus Werkstücken und Backsteinhintermauerung bestehende
Umfassungsgemäuer eines gegebenen Bauwerkes nebst einer im Innern liegen-
den vier. Stein starken Scheidemauer durch einen stehenden Rost zn fundiren ;
sämmtliches Mauerwerk lagert sich nach unten hin auf einen Sockel aus Bruch-
steinen, der jedoch bei den äussern Frontmauern mit Werkstücken verkleidet
erscheint. Wie bei der Anordnung des liegenden Rostes ist es auch hier noth-
wendig, die einzelnen Profile der zu fundirenden Mauern in ihren richtigen
Massen aufzutragen. In Fig. 1, dem Grundrisse, ist ein Stück des Bruchstein-
sockels der Eckmauer von der Vorder - und Seitenfronte , dann ein Stück der
vier Stein starken Ziegelmauer dargestellt; Fig. 2 zeigt dagegen den Aufriss
der Vorderfrontmauer in ihrer Ansicht. Fig. 3 giebt das Profil der Haupt-
frontmauer , Fig. 4 das der Seitenfrontmauer und Fig. 5 das Profil der aus
Ziegelsteinen hergestellten Scheidemauer.
Zuvörderst ordnet man den Rostbohlenbelag in Fig. 3, mit a a bezeichnet,
an, und denkt sich diesen durch die Langschwellen b b mit rücksieht des zu
tragenden Mauerwerks (bündig mit der Sockelflucht) unterstützt, "velche letztere
auf die Grundpfähle c c aufgekämmt werden; bei Anwendung von Zangen cl cl
sind durch diese die Langschwellen mit einander verknüpft, Sind nun im
Profile 3 der Bohlenbelag und die Langschwellen, die GnmdpÜlhle und endlich
die Zangen endgiltig festgestellt, so lassen sich alle diese Konstruktionshölzer,
unter Berücksichtigung der bereits ortheilten Regeln, leicht in den Crundriss
Einleitung. 29

sowohl, wie auch in den Aufriss übertragen, und ist dies unter Zuziehung der
gleichen Buchstabenbezeichnung geschehen.
Hierauf schreitet man zur Anordnung des Rostbelages für die Proflle
FicrO'. 4 und 5 in derselben \Veise, wie bei Fi2.'. 3. nur mit dem Unterschiede,
~o ~ I

dass hier der Rosthohlenbelaz eine etwas höhere Lage erhält. denn nur hier-
0 0 1

durch wird es möglich, dass die Langschwellen an den Ecken und an


den Kreuzungspunkten des zu fundirenden Mauerwerks sich gegenseitig über-
kämmen, und dadurch zur Tragfähigkeit des Pfahlrostes besonders beitragen.
In diesen Profilen sind bezeichnet: der Bohlenbelag mit Ci' a/, die Lang-
schwellen mit b' b', die Grundpfähle mit c' c' und die Zangen mit cl' cl', während
im Grundriss Fig. 1 und im Aufriss Fig. 2 den betreffenden Konstruktions-
hölzern die gleiche Bezeichnung gegeben wurde.
In Fig. 6 ist die Langschwelle detaillirt auf dem stehenden Pfahl mit
einem Grundzapfen befestigt; in Figg..7 und 8 sind zwei Methoden angegeben,
um die Grundpfähle , wenn nöthig, zu verlängern, "pfropfen". Figg. 9, 10,
11 stellen die zugespitzten Grundpfähle einmal ohne Schuh, dann mit schmiede-
eisernem und dann mit gusseisernem Schuh dar.
Die Tafel III zeigt ferner die Anordnung einer Holzspundwand , deren
Holm dazu dient, einerseits mit den Zangen cl cl, anderseits mit den Lanz- Cl

schwellen b' b' in innige Verbindung zu treten.


Liegt bei einem zu errichtenden Gebäude die Fundamentsohle eines sonst
guten Baugrundes in bedeutender Tiefe, so werden sehr grosse Massen von
Mauerwerk für den Grundbau nothwendig, die das ganze Bauunternehmen über
alle Verhältnisse hinaus vertheuern; in solchen Fällen werden wohl, statt
ununterbrochener Fundamentmauern , in gewissen Entfernungen sowohl für die
Front - als auch für die Mittelmauern einzelne kräftige Pfeiler in Ausführung
gebracht. Diese Pfeiler werden dann unter sich durch entsprechend starke
Mauerbögen verbunden und bilden so vereint das tragende Moment für die
darüber zu errichtende Gebäudemasse.
Ein solches Fundiren macht tiefe Erdschachtaushebungen nothwendig, bei
denen man ähnlich verfährt, wie bei der Konstruktion der sogenannten Brunnen-
schächte ; zu diesen werden Bohlen verwendet, deren Länge der Tiefe des zu
durchsetzenden Grundes entspricht. Nach Ausgrabung eines Theils des Bau-
grundes werden die Bohlen mit Zuhülfenahme des nöthigen Riegelholzes zu
einem geschlossenen Schacht von quadratischem Querschnitt zusammengestellt
und in den Boden hinabgetrieben; durch fortgesetzten Erdaushub , durch fort-
gesetztes Hinabtreiben der Bohlen wird dann endlich der gute Baugrund er-
reicht, und kann. sofort mit der Grundmauer des Pfeilers begonnen werden.
Das Material wird mittelst Kübel in die Baugrube hinabgelassen ; in dem
Grade, wie das Pfeilermauerwerk sich erhebt, wird es entsprechend hinterfüllt,
während . die hinabgetriebenen Bohlen nach und nach wieder herausgehoben
werden, um für die Fundation der andern Pfeiler Verwendung zu finden. Zur
Herstellung der die einzelnen Pfeiler verbindenden Bögen verwendet man wohl
am sichersten die tragfähigen Rundbögen, deren Stärke selbstverständlich dem
aufzunehmenden Drucke entsprechen muss.
In Fällen, wo ein sehr kostspieliges Fortschaffen VOll Moor- oder Wiesen-
grund durch Ausgraben oder sogar durch Ausschöpfen nothwendig würde, um
den festen Baugrund zu erreichen, versenkt man wohl lieber feste Mauerkörper
durch die oberen weichen Erdschichten hindurch bis auf den unterhalb liegen-
den festen Grund; die in solchen Fällen nothwendiven Stütz- oder Tragpfeiler
verschafft man sich dann durch die Konstruktion sog .mannter 11 a u e l' - 0 der
30 Einleitung.

Sen k b r U n ne n , welche gewöhnlich cylindorförmig in Entfernungen von 2,5 bis


3 75 111 (von Mitte zu Mitte) und mindestens mit 1,25 bis 2 m Durchmesser
und einen Stein starker Wandstärke angewendet werden; nachdem sie auf einem
aus doppelten Brettern hergestellten Kranz versenkt sind, werden sie mitteist
Füllmauerwerk zu massiven Steinpfeilern umgestaltet und durch starke Mauer-
bözen
Cl
zu einer fortlaufenden Fundamentbasis verbunden. In der Regel pflegt
man unter jeden Fensterpfeiler einen Mau erb r u n n e n zu versenken, ebenso
an den Ecken und an den Kreuzungspunkten sich scheidender innerer vVände.
Um die Eckpfeiler eines so fundirten Gebäudes vollständig zu sichern, bringt
man im Fundamente Verstärkungsbögen an, die dann in der Form von Strebe-
bögen wirken. Fig. 21 zeigt solche Anordnung *).

Fig. 21.

Statt der Mauer - oder Senkbrunnen werden auch wohl Sen k k ast e n ,
aus Holz gezimmert, besonders da, wo man es mit fliessendem Wasser zu
thun hat, verwendet; man senkt sie entweder auf den vorher abgeebneten
Boden, wenn derselbe aus Kies, Sand oder festem Thon besteht, hinab, oder
sie finden ihr festes Auflager auf einem vorher geschlagenen und unter dem
Wasser abgeschnittenen Pfahlrost. Die Höhe der Kästen macht man nicht
über 5,5 bis 7 m, wobei durch U ebereinandersetzen eine Tiefe von 12,5 bis
14 m erreicht werden kann ; wie die Senkbrunnen , werden sie entweder mit
Beton oder Bruchsteinmauerwerk ausgefüllt, und zuletzt mit Mauerbögen
überspannt.

.. ~) Ueber Fundirungen mit Senkbrunnen, nebst Beschreibung einiger Fälle a1,S der
Pl',X1S siehe Zeitschrift für Bauwesen, J ahrg-ang 1875. S. 297.
Einleitung. 31

Eis er 11 e Sen k b r u n n e n aus Guss - oder Schmiedeeisen dienen fast


nur zur Fundirurig von Brückenpfeilern.·
Die grossartigen P n e 11 m a t i s c h e 11 G r ü n dun g e n , welche in n euster
Zeit so vielfach für Brückenpfeiler im fliessenden Wasser zur Ausführung
kamen, gehören so vorherrschend den Ingenieurarbeiten an ,' dass sie einer
Hochbaukonstruktionslehre doch sehr fern stehen, und wird hier auf die betreffende
Literatnr hingewiesen ;").

*) L. Khsen, Fundirungsmethode», 1879.


Die Hochbaukonstrukttonen
zergliedern sich nun in folgende Hauptkapitel:

1. Maurer- und Steinmetzarbeiten (Steinkonstruktionen).


11. Zimmermanns ar bei ten (Holzkonstruktionen).
III. Eis enkonstruktio nen.
IV. Innerer Ausbau.

Die lUanrer- und Stetnmetz arb ett.en


zerfallen:
A. in die Arbeiten des Rohbaues,
B. in die Arbeiten des Ausbaues.
Zu A. gehören:
1. Mauern mit ihren Rauchröhren, Bögen und Gesimsen;
2. Gewölbe;
3. Steinerne Treppen.
Zu B. gehören:
Die Putz- und Pilasterarbeiten und der Anstrich.
J. Maurer- und Steinmetzarbeiten.
(Steinkonstruktion.)

Ä. Arbelten des Rohbaues.


1. Mauern mit ihren Ranchröhren. Bögen und Gesimsen..
Die Fes t i g k e i tun d D 0, U e I' aller aus S t ein m a t e I' i a I her-
ge s tell t e n Mau ern 0 der 1V ä n d e hängt einerseits von der Verbindung
der einzelnen Steine unter sich ab, andrerseits von ihren Stabilitätsverhältnissen ;
vorausgesetzt wird hierbei, dass das Material, aus welchem die Mauer erbaut
ist, ein durchaus zweckentsprochendes sei.
Je nach dem Material, das zur-.Ausführung von massiven Mauern benutzt
wird, unterscheidet man:
a) Mauern aus künstlichen Steinen;
b) Mau ern aus n a t r 1ich e n S te i n e n, und zwar:
ü

1. aus rohen Bruchsteinen,


2. aus b e 0, r b e i t e t e n 1V e r k s t ü c k e n ;
c) Mau ern 0, u s S t a m p f - und G u s s wer k,

Geschichtliche Notizen.
Zü den Mauern aus künstlichen Steinen sind in erster Reihe die aus
Ziegeln hergestellten zu erwähnen; die Technik des Ziegelbaues ist eine uralte
und möchte deren Heimath in Asien zu. suchen sein und speziell in jenen
Ländern ,die vielfach als .die ältesten Kulturstätten der Erde sich ergeben
haben, wie China, Japan, Hinterindien. . Die ältesten unserer Zeit überlieferten
Ziegelbauten entstammen dem alten Pharaonenlande Aegypten; dort wurde erst
in neuerer Zeit in einer Tiefe von 20 bis 24 m (unter der mittlern Durch-
schnittsebene des Ni1s) eine 8 Meilen lange Ringmauer entdeckt, die nach
den vorhandenen Terrainverhältnissen in einer Zeit errichtet sein muss, die
weit zurück in die Mythenzeit fällt, sodass sich für dieselbe ein Alter von
über 10 000 Jahre vermuthen lässt.
Bei den Aegyptern wurde das Bauen 'mit Nil z i e ge In (Lehmsteinen)
in grossem Mass stabe betrieben, und erfahren wir aus Herodot *), dass der
Kern der meisten Pyrnmiden ans solchem Material hergestellt war, während

*) Herodot, LibeT n c. 136.


34 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.

König Asychis selbst eine der grössten Pyramiden erbaute, die nur aus Lehm-
steinen bestand; Nilziegel wurden auch in Keilform zum Einwölben der
durch Steinbalken gebildeten Deckenfelder und anderer Bogenöfiimngen ver-
wendet und reichen solche Konstruktionen zwei bis drei Tausend Jahre v. Chr.
zurück.
Die Technik, mit g e b r a n n t e n Ziegeln zu bauen, scheint zuerst von
den Babyioniern in grossartigem Mussstabe betrieben zu sein, und giebt auch
hierüber Herodot *) ausführliche Mittheilungen , wobei unter anderm der Ring-
mauer gedacht wird, die Babyion umgab, und die 50 Ellen Breite und
200 Ellen Höhe hatte. Dass in Babyion die Technik des Ziegelbaues auf hoher
Stufe stand, erfahren wir auch aus Diodor, welcher der Bauten der Semiramis
und des Nebukadnezar gedenkt, die aus gebrannten Steinen mit Basreliefs ge-
ziert waren und Thiere von allen Gattungen mit ihren natürlichen Farben dar-
stellten.
Auch die Griechen bedienten sich des Ziegelbaues in sehr vielen Fällen,
nach Pli n i u s **) zogen sie, "ausser wo man mit natürlichen Steinen bauen
konnte, für Mauern die Ziegelsteine vor, weil sie von ewiger Dauer sind, wenn
sie senkrecht stehen; daher haben sie ihre öffentlichen Gebäude und ihre
Königsburgen auf diese Art erbaut, so auch die Mauer bei Athen, welche die
Richtung nach dem Berge Hymettus hat".
Nach Pausanlas ***) bestanden die Festungsmauern Mantineas im Jahre
362 v. Chr, aus Lehmsteinen , und nach Böttcher und Poppe hatte auch das
alte Erechteum Backsteindetails und wurde erst nach der Zeit der Perserkriege
in Marmor umgebaut.
Die Römer unterschieden Lateres und Testae, erstere waren Lehmsteine,
die an der Sonne getrocknet waren, während letztere aus einer gebrannten
Lehmerde bestanden. Von den La te r e s hatte man (nach Plinius) drei
Arten: "die lydische (Lydion) , deren wir uns bedienen, ist anderthalb Fuss
lang und einen Fuss breit; die andere heisst Tetradoron, die dritte Pentadoron ;
sie haben ihre N amen nach den vier oder fünf Handbreiten ihrer verschiedenen
Grösse; die Breite ist dieselbe. In Griechenland nimmt man zu Privatgebäuden
die kleineren, zu öffentlichen die grösseren; für Gebäude hält man nur die
zweijährigen für gut". Da weder Plinius noch Vitruv t) die Dicke der Steine
angiebt, so wird von Vielen angenommen, dass die Lehmsteine in bezug auf
ihre Dicke den gebrannten Steinen ähnlich waren. Dies wird namentlich von
Rondelet widerlegt, der nachzuweisen sucht, dass die Lehmsteine die kubische
Form hatten, in folge dessen sie auch eine so sehr lange Zeit zum Trocknen
bedurften. Aber, auch Vitruv sagt: "was n a c h j e d e r Sei te fünf Hand-
breiten misst, wurde Pentadoron, was vier misst Tetradoron tt) genannt."
Zum Verbande verwendete man H'a 1b z.i e g e l , also halbir te Würfel.
Die geringste Dicke, welche die Griechen ihren Mauern gaben, war die
eines Lehmsteines , den gemeinschaftlichen Mauern gaben sie anderthalb und
den dicksten zwei Steine zur Mauerdicke.
Von gebrannten Ziegeln geht eine umfassende Anwen-
dung jedoch keineswegs über das Zeitalter der Kaiser-
r e gi e run g hin a 11 S und scheint das Pantheon (die Thermen des Agrippa)

*) Herodot, Liber T, c, 178-179.


**) Plinius, Liber 35, c. 49.
***) Pausanias, Liber VIII, e, 8.
t) Vitruv, Liber III, c, 3.
rt) Pentadorcn war ein Cubus von 745 111m, r.I.'es,:ac1orol1 Y011 5 6 111m.
Arbeiten des Rohbaues. 36

das älteste mit diesem Material erbaute Denkmal zu sein. Dasselbe war jedoch
mit sehr dickem; quaderartigen Putz bekleidet. Das Mausoleum des Augustus,
die heutige Engelsburg, dann die Pyramide des Cestius sind ebenfalls Back-
steinbauten mit Marmor bekleidet.
Unter den wirklichen Ziegelrohbauten nimmt der von Nero erbaute Aqua-
dukt die erste Stelle ein; hier bestehen die kühn geschwungenen Rundbögen
aus zwei übereinander gewölbten Ringschichten , deren hellfleischrothe Ziegel
ein vorzügliches Material bekunden.
Die römischen Ziegel waren vorherrschend quadratisch geformt und zwar
in drei verschiedenen Grössen:
die grössten Ziegel hatten eine Seitenlänge von 596 mm und waren 50 mm dick,
die mittelgrossen " " " "447"",, 45" "
die kleinen "" " "199"",, 40" "
Zur Herstellung des Verbandes bediente man sich der halben (oblongen)
Ziegel (semilateres), oder man theilte sie in der Richtung der Diagonale, wo-
durch die Dreieckform sich ergab; oder auch in der Richtung der beiden
Diagonalen,
Die massiven Ziegelmauern wurden 1, 1 1/ 2 und auch wohl 2 Steine
stark gemacht; solche Verbände zeigen die Figg. 22, 23 und 24, zu
deren Verband halbe Steine in rechteckiger Form verwendet sind; häufig
erhielt die Mauer auch die Stärke, welche sich aus der Diagonallänge des
Quadrates ergiebt, und ist ein derartiger Verband in Fig. 25 dargestellt.

Fig. 22. Fig. 23.

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Fig. 24. Fig. 25.

In grossartigem Mass stabe wurden auch schon im frühesten Alterthum


die natürlichen Steine zum Bauen verwendet , und es erscheint geradezu als
bewundernswürdig, wie z.B. die Aegypter es möglich machten, Obelisken *)
von nahezu 1 000 000 kg Gewicht in einem Stücke zu brechen, zu

*) Nach Diodor (Liber I, c. 57) liess Sethos in Theben etwr um das Jahr 1400 v, ChI'.
einen Obelisken VOll 120 Ellen Höhe err.chten , von dessen Existenz jedoch unsere
gegenwärtige Zeit nichts weiss.
.,*
o
36 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.

transportiren und aufzustellen: An den Resten alter ägyptischer Bauwerke


sind häufig Quadern von 10m Länge, 3 bis 4 m Breite und 2 bis 3 m Dicke
zu finden, deren Kubikinhalt mehr als 100 cbm und deren Ge-..vicht 250 000 bis
280 000 kg beträgt.
An den Ruinen von Persepolis findet man Steine von 17 m Länge, 6 m
Höhe und ebenso grossei Dicke, am Tempel zu Baalbock solche von 19 m
Länge und 4 m Höhe und Dicke.
Auch in Amerika in Peru sind Bauwerke von kolossaler Grösse aus der
Urgeschichte der Inkas auf unsere Zeit gekommen; bei Casco, der alten Haupt-
stadt (Nabel der Erde), befinden sich Ruinen, in denen man Steine 'von 12 111
Länge sieht, die über 400 Meilen weit auf den beschwerlichsten Wegen herbei
geschafft sein sollen. Die Steine haben alle eine umegelmässige Form, sind
aber mit solcher Geschicklichkeit und Genauigkeit zugerichtet, dass man kaum
die Fugen bemerkt; dies ist um so auffallender, da die Peruaner, welche diese
Steine so gut bearbeiteten, den Gebrauch des Eisens nicht kannten *); wahr-
scheinlich haben sie, nach einer vorhergehenden U eberarbeitung der Fläche mit
Obsidian-Instrumenten, dieselben durch Aneinanderschleifen verbunden; eine
Zwischenlage von Mörtel fehlt bei allen Steinmauern aus jenen uralten Zeiträumen:
In Griechenland und in Italien sind viele Ruinen von uralten Städte-
mauern erhalten, die ihres fremdartigen Aussehens wegen den Namen c y klo-
pis c h e Mau ern erhielten; das Wesentliche dieser Reste von Argos, Mykenae,
Tiryns und andern Orten besteht darin, dass man beim Ineinanderfügen der
rohen' Felsstücke sich so viel wie möglich der natürlichen Form anschloss und
sich darauf beschränkte, die einzelnen sich berührenden Flächen gegenseitig
mit dem Meissel zu ebnen; je roher im übrigen die Massen blieben, je un-
vollkommner das Gefüge, je häufiger und nothwenc1iger das Einschieben kleinerer
Steine zur Verbindung war, desto mehr verdienen die Mauern nach Pausanias
das Epitheton "c y klo pis c h ". Andererseits findet man aus der Zeit der
Pelasger und Etrusker rohe und mit geringer Nachhilfe des Meissels zuge-
richtete Mauern, welche ohne systematische Anordnung der Fugen und von
grosser Verschiedenheit in den Dimensionen der einzelnen Steine, ohne Mörtel
unmittelbar aufeinandergethürmt sind. Fig. 26 giebt ein Beispiel und stellt
ein Stück der Stadtmauer von Veji dar **).

Fig. 26.

,*) ROllc1elet, l'art de batir, II. Tom., I. eh.


**) A be k e n, Mittelitalien vor den Zeiten römischer Herrschaft, nach seinen
Denkmälern dargestellt.
37

Hegelmässig behauene Quadern zeigt zuerst die kapitolinische Tempelmauer


(Fig. 27) aus der Zeit des älteren Tarquinius (600 Y. ehr.); hier haben die

Fig. 27.

einzelnen Steine eine gleiche Höhe von nahezu 50 cm, während die Länge
variirt und auf einen richtigen Fugenwechsel noch gar keine Rücksicht ge-
nommen ist. Die spätere Zeit
bringt erst, bei den Griechen
/ /
sowohl als bei den Römern,
den ausgebildeten kunstgerechten
Quaderbau ; seinen Höhenpunkt
findet derselbe im Tempelbau,
auf den hier spezieller einzu-
gehen nicht möglich ist.
Der einfachste Quaderver-
band ist der t(JOoOfWr;; der Fig.28.
Griechen oder das opus isodo-
num der Römer; hier besteht
die Mauer aus durchaus gleich /----/
/
hohen Schichten bei gleichen
Steinlängen ; solche Mauern
wurden je nach ihrer Dicke
aus einer, zwei oder wohl aus
drei Quadern konstruirt; und
in den letzteren Fällen wurden
dann Quaderstücke nothwen-
dig, die durch die ganze Dicke Fig. 29.
der Mauer als durchgehende
Binder hindurchgriffen, welche
die Griechen OWTOVOVr;; nannten.
Dieser Verband für Mauern
von ein, zwei und drei Quadern
Dicke stellen die Figg. 28, 29,
30 dar.
Die Figg. 31 u. 32 (S. 38)
zeigen denVerbandaus Schichten
I
von zwei verschiedenen Höhen
abwechselnd aufeinander ge- [I' .~I~_~..!..--.:!'
setzt; die kleinem Steine hatten F\g.30.
38 1. 11 aurer- und Steinmetzarb eiten.

meistens zwei Drittel der Dimensionen der grossen , sodass abwechselnd drei
Steine der kleinen und zwei Steine der grossen zur Dicke der Mauer erforderlich

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Fig. 31. Fig". 32.

sind, was eine doppelte Verbindung im Innern und Aeussern bewirkt; dieser
Verband wurde von den Alten Pseudoisodonum genannt.
In alten Bauwerken;
z. B. in der pästanischen
Mauer (Fig. 33), erschei-
nen zwar alle Quader-
steine regelmässig ge~
schichtet, aber es greift
oft eine Schicht in die
andere über, indem die
sich begegnenden Steine
alsdann durch Einschnitte
eingehakt wurden; solche
Fig. 33. Anordnung finden wir
bei den Tempelsub-
struktionen von Sicilien fast durchgängig.
Fig. 34 giebt die gleiche Anordnung bei der Mauer der alten griechischen
Stadt Argos an der Küste des adriatischen Meeres im Golf von Larta gelegen **).

Fig. 34.

*) Abeken.
**) Rondelet, Tom. II, eh. 1.
Arbeiten des Holibaues. 39

Das Prinzip des unregelmässigen Quaderbaues erreicht seine höchste syste-


matische Ausbildung dann, wenn' die horizontale Schichtung der Steine fast
ganz aufgegeben wird, das Polygon freier hervortritt und nach allen Seiten
sich im Gefüge der Mauer geltend macht; hierbei liegen die einzelnen Steine
oft in einem "Yinkel von 45 Grad gegen einander, wie in den Mauern von
Fondi, Bovianum (Fig. 35), Voltera etc.; eine Nachahmung ist gewissermassen
das opus reticulaturn der spätem römischen Zeit.

Fig-. 35.

Vitruv theilt uns mit, dass das ne tz f ö r m i ge Mau e r wer k (reticu-


laturn) zu seiner Zeit das allgemein übliche gewesen sei; er lobt dessen
Schönheit, tadelt aber daran,
dass es leicht geneigt sei, Risse
zu bekommen; dauerhafter, aber
weniger schön sei das an t i k e
(antiquum}, welches auch das
u n g e w iss e (incertum) heisst.
Das 0 p u s r e t i c u 1a -
tu m , bei den Griechen
OOt'Cvw'Cov genannt, wurde
meistens als Verkleidung des
Füllmauerwerks (Emplekton)
angewendet, es war meisten-
theils aus kleinen Tuffsteinen
hergestellt, deren V orderfiäche
ein Quadrat von ungefähr 8 cm
Seitenlänge zeigt; diese Steine
werden rautenartig angeordnet,
wie dies Fig. 36 nachweist.
Mit einem Ansatze von 15 bis
16 cm, dessen Dicke allmälig
abnimmt, greifen sie mehr oder
weniger in das Innere der Mauer
ein, und verbinden sich mit
dem dort angebrachten Füll- Fig. 36.
werke.
40 1. Maurer- und Steülllli;'tzarbeiten,

Als Einfassung dienen in den meisten Fällen kleine viereckige Tuffsteine,


die 21 bis 24 cm lang: 12 bis 18 cm breit und 9 cm dick sind; statt dieser
Tuffsteine "werden auch wohl gebrannte Ziegel dazu verwendet.
Das 0 p u S r e t i c u 1 a t u m mit kleinen Steinen (minutissimis caementis)
dient ohne Zweifel nur dazu: die Mauer gleichsam mit einer Art Mosaik zu
zieren, einen konstruktiven Werth hat es nicht.
Vitruv und Plinius halten dieses Mauerwerk für leicht vergänglich, und
doch sind Ruinen vorhanden, in denen es sich vollkommen schön erhalten hat j
auch die spätere Zeit hat, besonders in Frankreich und Italien, vielfach von
diesem Mauerwerk Anwendung gemacht, wobei die rautenförmigen Steine mit
gezähnten Sägen geschnitten wurden.
Das 0 p u s in cer t u 111 oder die Verbindung von Bruchsteinen mit sehr
vatiirenden Formen wurde schon von den Etruskern auszeführt j so lässt sich
v .

das bereits erwähnte Mauerwerk von Bovianum (Fig. 36) als solches betrachten j
an andern Orten und in spätem Zeiten verwendete man zu diesem Mauerwerke
kleine Tuffsteine von unregelmässiger Form, bei" denen von vornherein die
Unmöglichkeit einer horizontalen Schichtung gegeben war. Das Opus incertum
wurde stets an den Ecken und am Schlusse" mit anderm, horizontal geschichteten
Mauerwerk eingefasst, wie dies in den Figg. 37 und 38 dargestellt ist.

Fig-. 37. Fig.38.

Mit grosser Vorliebe verwendeten die alten Griechen und Römer das
gemischte Mauerwerk fpnAcXT01J, das aus Elementen von verschiedener Form
und Beschaffenheit zusammengesetzt war und deren Verbindung hauptsächlich
durch Mörtel bewirkt wurde.
So wurde~ durch Mischmauerwerk alle jene Fundamente hergestellt, welche
zu dick waren, als dass die Steine der entgegengesetzten Mauerhäupter sich
hätten aneinanderfügen oder überbinden können jes wurde die Mitte der Mauer
dann mit rohen Mauersteinen ausgefüllt j um dieser Konstruktionsart mehr
Solidität zu geben, verband man die gegenüberstehenden, das Füllmaterial ein-
fassenden Mauern mitteIst durchgreifender einzelner Anker - oder Bindersteine
(diatonus),
Vitruv tadelt diejenigen, welche, nachdem sie die äussern Mauertheile
Arbeiten des Roh1)rlues. 41

mitteist Quadern, Bruch - oder gebrannter Steine aufgeführt hatten, die Füll-
masse aus Mörtel und umegelmässig grossen und kleinen Steinen olme weitere
Sorgfalt zum Ausfüllen einbrachten; ein solches Mauerwerk kann unter Um-
ständen als total unbrauchbar sich erweisen.
Das Füllwerk soll stets aus kleinen Steinen, kleiner als eine Faust, be-
stehen und sind diese womöglich recht gleichmässig in die Mörtelmasse einzu-
betten, so dass die Märtelquantität mit dem Volumen der kleinen Steine ver-
glichen etwas weniger als die Hälfte beträgt.
So scheint das Füllwerk, das wir in römischen Ruinen vielfach vorfinden,
und sich bis heute vorzüglich erhalten hat, schichtenweise ausgeführt zu sein,
indem in die flach ausgebreitete Mörtelmasse die einzelnen Steine von ziemlich
gleichmässiger Grösse "a 1s Pa c k un g" eingelegt wurden.
Solches Mischmauerwerk , Emplekton , erhielt entweder Einfassungen von
Haustein , von Bruch-
steinen oder auch von
gebrannten Ziegeln, die
Figuren 36, 37, 38 geben
hierüber Aufschluss. Bei
Anwendung von gebrann-
ten Steinen wurden in =-----'1

entsprechender Höhe hori-


a
zontal durchgreifende Zie-
gelschichten eingelegt, wie
dies Fig. 39 bei a a
weiter erklärt. Diese
Bauweise wurde unter
der Regierung der rorm- ---'--
sehen Kaiser, somit zur
hervorragendsten Bau-
periode der Römer, fast
für alle Bauwerke, selbst Fig. 39.
für die bedeutendsten ver-
wendet; der Kaiserpalast mit dem goldnen Palast des N ero, der Friedenstempel,
das Pantheon des Agrippa, die Thermen des Diocletian und des Caracalla, elie
Circus, die Naumachien und der grösste Theil der Theater und Amphitheater
zeigen in ihren auf unsere Zeit gekommenen Resten diese Konstruktionsweise
nicht nur in den glatten Mauern, sondern auch in elen höchstwichtigen Bogen-
und Gewölbekonstruktionen *).
Die Herstellung des Emplekton war so einfach und mit so wenig kost-
spieligem Material ausführbar, dass tausende von gewöhnlichen Arbeitern dazu
benutzt werden konnten; dabei war es geeignet zur Ausführung von all e n
:F 0 I' me n und beseitigte hierdurch die ungemeinen Schwierigkeiten, die der
reine Quaderbau im Gefolge hatte, besonders wenn es sich darum handelte,
Gebäude von so kolossaler Grösse in verhältnissmässig kurzer Zeit mit den
wenigsten Kosten auszuführen. Der reine Quaderbau erfordert besonders für
Gewölbe eine umfassende Kenntniss des Steinschnitts, und erfordert ausgesuchte
Materialien von beträchtlichen Abmessungen, welche mit grossen Schwierig-
keiten zu transportiren und zu versetzen sind, hierzu gesellt sich ein sehr

*) Siehe diese.
42 1. Maurer- und Steinmetzcubeiten.

bedeutender Zeit- und Kostenaufwand; über alle diese Schwierigkeiten half das
Emplekton den praktischen Römern hinweg! Dabei hat es sich vorzüglich
bewährt; die kleinen Tuffsteinehen sind von der Mörtelmasse , die steinhart
geworden ist, nur mit grösster Gewalt zu trennen; wir haben es hier förmlich
mit Monolithen zu thun , die oft ihrer Bekleidung beraubt der Zerstörung der
Athmosp härilien Jahrhunderte lang vollständig widerstanden haben, abgesehen
VOll dem guten Zustande jener Bauwerke, die seiner Zeit restaurirt , aus der
römischen Kaiserzeit stammend, noch heut zu Tage bestehen !Bei der Aus-
führung des Emplektons wurde übrigens auch das Füllwerk oft ein ge s ta m p f t ,
und dies geschah fast durchweg bei Fundationen, indem die vertikal ausgehobenen
Fundamentgräben dann selbst die widerstandsfähige Form bildeten, in welche sich
ohne weiteres das Füllwerk einstampfen liess, Hierbei wurden nahezu 15 cm
hohe Mörtelschichten gegeben, auf diese eine gleich hohe Schicht kleiner
Steine ausgebreitet und dann das Ganze scharf ), a b ger a m m t ". Hatte der
Fundamentgraben nicht Widerstandskraft genug, dem Seitendrucke, den das
Rammen veranlasste, zu widerstehen, so wurde er mit einer Bretterwand unter
Zuhülfenahme hölzerner Pfosten vorher ausgefüttert. An vielen alten römischen
Fundamenten lässt sich noch heutzutage diese S t am p ft e eh ni k aufs Eviden-
teste nachweisen *).
Bei Mau ern übe l' der Erd e w u r d e das Füll wer k n 11 r dan n
ein ge s ta m p ft, wenn die Mauereinfassungen aus grossen widerstandsfähigen
Steinquadern bestanden; hatte die Mauereinfassung die genügende Widerstands-
fähigkeit nicht, so begnügte man sich damit, 3 bis 4 cm starke Steinlagen in
den erforderlichen Mörtel schichtenweise übereinander auszuführen, wobei alle
Steine in ganz regelmässigen Lagen flach in den Mörtel eingebettet wurden.
Die oft ausgesprochene Ansicht, dass das Emplekton identisch sei mit einer
ans Mörtel und Steinen hergestellten _Gussmasse , ist von Choisy eingehend
widerlegt.
Mau ern aus g e s ta m p f tel' Erd e (P i s e) sind bei den alten Grie-
chen und Römern nicht gang und gäbe gewesen; Plinius **) spricht davon als
etwas Aussergewähnlichem: "vVerden nicht in Afrika sogenannte Formwände
aus Erde ausgeführt, die man so nennt, weil man die Erde zwischen zwei
umgebende Bretter mehr stampft als wirft, und welche mit der Zeit so hart
werden, dass sie von Regen, 'Wind und Feuer nicht leiden und fester als
aller Mörtel sind? Noch jetzt sieht man die Warten Hannibals in Hispanion
und Thürme von Erde, die auf den Höhen der Berge aufgeführt sind."

a) Mau ern aus k ü n s tl ich e n S t ein e n.


Zu den k ü n S t 1ich e n S t ein e n rechnet man in erster Linie die
g e b 1; a n n t e n k n S t 1 ich e n S t ein e, auch B a c k - oder Z i e gel s t ein e
ü

genannt; in zweiter Linie sind hier die u n g e b r an n t e n S te i n e zu er-


wähnen, deren Fabrikation auf der Erhärtungsfähigkeit der verschiedenen Ver-
bindungsmaterialien beruht und die wohl im allgemeinen als K uns t s t ein e
bezeichnet werden; von diesen haben in neuster Zeit die Schlackensteine und
auch die rheinischen Schwämmsteine vielseitige Anwendung gefunden.
Um einen richtigen Ver b a n d mit den künstlichen Steinen herstellen zu

*) Spezielles über diesen Gegenstand giebt August Ohoisy's: L'art de batir chez
les ROl11ains. Paris 1873.
**) Plinius, Liber 35, calJ. 14.
Arbeiten des Rohbaues. 43

können, gieht man denselben eine parallelepipedischo Form und zwar in der
Art, dass zwei ihrer Breitseiten mit der dazwischen liegenden Fuge genau mit
der Länge übereinstimmen; diese Massverhältnisse müssen aufs strengste ein-
gehalten werden, während die 'Vahl der Stärke der künstlichen Steine und
deren anderweitige Grössenverhältnisse vielfachen Schwankungen unter-
worfen sind.
Obwohl man sich in Deutschland in den meisten Staaten im allgemeinen
über ein Backsteintnass geeinigt hat, nämlich 250 mm Länge, 120 mm Breite
und 65 mm Dicke, so werden doch vielfach auch Backsteine mit andern Dimen-
sionen verbaut; in München hält man noch immer fest an den Steinen, die
nahezu dem frühem Fussmasse entsprechen, und diese sind 300 mm lang,
144 mm breit, während ihre dazwischen liegende Fuge 12 mm
in Anspruch nimmt; andern Orts in Bayern werden wohl noch
Backsteine von 340 mm Länge, 164 mm Breite und 66 mm
Dicke vermauert, während in Norddeutschland, besonders aber in
Holland, Backsteine verwendet werden, die 200 mm Länge,
95 mm Breite und 55 mm Dicke haben; demnach ist man
wohl berechtigt, von Backsteinen g r 0 S se r, mit tl e r er und
k lei n er Form zu sprechen.
Betrachtet man einen der in nebenstehender Fig. 40 dar-
gestellten Backsteine, so nennt man seine Seite a: die Läufer-
seite, seine Seite h : die Bieder- oder Streckerseite.
Eine Mauerschicht, in deren Aussenfläche lauter Läuferseiten
sich sichtbar machen, wie in c c Fig. 41, nennt man L ä u f er- Fig. 40.
s chi c h t und jeden' einzelnen Stein einen L ä u fe r; diese
wechseln in der Regel mit den S t re C k e r - oder B i e der sc h i c ht e n regelmässig
ab, und jeder hier liegende Stein wird S t re c k er oder B in d er genannt;
werden Backsteine in einer
Mauer auf die hohe Kante ge-
stellt, wie dies in e e darge-
stellt ist, so entsteht eine
Roll s chi c h t und j edel' der
c
einzelnen Steine ist dann ein
Roller. c
Bei den F u gen unter-
scheidet man in jedem Back-
steinmauerwerk die Lag er - Fig. 41.
f'u gen, d. h. diejenigen Mörtel-
bänder, auf welchen der Stein auf'lagert, und die S tos s fu gen, welche eme
vertikale Stellung haben und die einzelnen Steine seitlich mit einander ver-
binden; während man den Stossfugen bei normalem Mörtel eine Stärke von
10 mm giebt, erhält die Lagerfuge wohl solche von 15 mm.
Bei allen B a c k s t ein mau ern ist nun vor allen Dingen darauf zu
sehen, dass in den unmittelbar aufeinander liegenden Steinschichten ein regel-
mässiger Ver ban d streng eingehalten wird; hierbei dürfen Stossfugen nie
unmittelbar aufeinander treffen . . Um einen regelmässigen Verband durchführen
zu können, ist es nothwendig, Drciviertelsteine, sogenannte D r e i qua r t i e r e ,
zu besitzen, die meistens vom Maurer mit dem Hammer zugehauen werden,
weit besser und äusserst empfehlenswerth ist es jedoch, solche Dreiquartiere von
den Ziegeleien zu beziehen.
Die Stärke der Backsteinmauern bezeichnet man fast allgemein nach der
44 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.

Anzahl der Backsteine, aus welcher sie sich zusammensetzt, man sagt dem-
nach: eine 1 Stein, 1 1/ 2 Stein, 2 Stein etc. starke Mauer.
Die Regeln bei Anordnunz eines richtigen Backsteinverbandes mögen hier
sofort an einem bestimmten Beispiele erläutert werden: eine 1 1/ 2 Stein starke
Mauer stösst mit einer 2 Stein starken im rechten Winkel zusammen und stellt
Fig. 42 zwei übereinander liegende Sciiichten dar.

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Fig.42·

Die hier zu beobachtenden Regeln machen sich in Folgendem geltend (Fig. 42):
1. Die innere Kante der Mauer bildet abwechselnd eine durchlaufende Fuge
x x und Xl x';
2. die von diesen Fugen begrenzten Mauern werden jede mit so viel
Dreiquartieren angelegt, als sie halbe Steinstärken besitzt, deshalb sind
bei a drei, bei a' vier Dreiquartiere anzuordnen;
3. wo das an der Ecke liegende Dreiquartier seine Läuferseite b zeigt, folgen
die weitem Läuferschichten nach; da, wo das an der Ecke Hegende
Dreiquartier seine Streckerseite zeigt, wird mit einer durchgehenden
Streckerschicht fortgefahren;
4. an einen Läufer wird bei Mauern, die mehr als ein Stein stark sind,
ein Strecker angereiht, wie dies in d d d der ersten, und in d' d' dl der
zweiten Schichte sichtbar ist. Hierbei lässt man die Stossfngen, insoweit
es der Fugenwechsel gestattet, durch die ganze Stärke der Mauer hin-
durchgreifen;
5. in der Regel wechselt im Aeussern der Mauer eine Läuferschicht je
mit einer Streckerschicht ab.
Lässt man die beiden eben in ihrem
Verbande dargestellten Schichten abwechselnd
aufeinander folgen, so bildet sich ein Mauer-
körper, dessen äussere Ansicht in der Fig. 43
dargestellt ist, und giebt diese ein Bild von
jenem Verbande, der unter dem Namen
BI 0 c k v erb a n dbekannt ist. Wird die
Mauer nach der einen Seite a a hin als
unvollendet gedacht, so ergiebt sich hier
eine sogenannte Ver z ahn u n g (Schmatzen)
Fig. 43. von regelmassig gleichen, vor - und rück-
Arbeiten des Rohb,-mes. 45

springenden Steinen, oder eine Abt I' e pp u n g bei b b, welche abwechselnd


aus grossen und kleinen Stufen gebildet erscheint. Wird die Mauer nach
allen Seiten hin begrenzt, so kann dies wieder nur durch Anwendung
von Dreiquartieren geschehen; deren spezielle Anordnung aus der beigegebenen
Figur sichtbar ist.
Besonders charakteristisch für den BIo c k ver b a n d ist es noch, dass
sämmtliche Läufer - genau in vertikaler Beziehung - übereinander liegen,
es wechseln somit stets nur zwei durchaus gleiche Schichten miteinander ab.
Die nebenstehende Fig. 44 giebt nun
die äussere Ansicht der vorher dargestellten '---'-,-r-l--,--r-,..--,= -~~--"--"'--" --'---'----,--'---'--,.-~L-1 1
Mauer, wenn dieselbe in K I' e u z ver b a n d I I i I i1--'----; 2
ausgeführt werden soll; man sieht auf den i ! l!~il l ! I I ::iiiiiiiiC~==~ i
ersten Blick, dass in diesem Verbande die I '-~-j" 6
1II .L-1 7
einzelnen Läufer in ihren Stossfugen nicht - lill:qjill I I 8
alle vertikal übereinander angeordnet sind, I! I I! I =I~~\ 1 ~
d . d I ' V I '
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verb an h ier e111 verme Ir er .1.' ugenwec se - I " I I I
"I
I I I !
! I II I I I .I·_·_L._-_-~l
I
_ 1 4'

auf. Dieser vermehrte Fugenwechsel ist Fig.44.


begründet in den h a l ben Läufern (a a a),
die abwechselnd unmittelbar neben den mit der Läuferseite in der Front liegen-
den Dreiquartieren eingelegt sind; zur weitem Deutlichkeit sind diese halben
Läufer durch Schraffirung hervorgehoben:
Als charakteristisch am Kreuzverband ist hervorzuheben, dass bei der Ver-
zahnung ein zweimaliges Zurücktreten von je einem Viertelstein sich geltend macht,
eine Abtreppung aber gleich grosse Stufen zeigt; endlich liegen die Läufer
mit 2, 6, 10 bezeichnet vertikal übereinander, während die Läufer 4, 8, 12
um einen halben Stein vor jene vorrücken, dabei aber unter sich ebenfalls
vertikal übereinander liegen.
Zum Vergleich ist in Fig. 45 der Kreuzverband auch in seinen über-

11 Schi cht

JII Schicht IVScl1icht

Fig. 45.
46 1. ,Maurer· und Steinmetzarbeiten.

einanderliegenden Schichten dargestellt: und ist das beim Blockverbande gewählte


Beispiel beibehalten.
Der Kreuzverband findet seines guten äussern Ansehens wegen vorherr-
schend beim Ziegelrohbau Anwendung. Auf Tafel II ist die vom Bohlenroste
getragene, 4 Stein starke Mauer im Kreuzverband in allen Projektionen dar-
gestellt.
Werden Thür - und Fensteröffnungen in einer Backsteinmauer angelegt,
so erhalten dieselben in der Regel sogenannte ,:Ans eh I ä ge", die dazu
dienen, dem Fenster - oder Thürstocke (Zarge) einen bessern Halt zu geben;
in solchem Falle ergiebt sich die Anordnung, wie sie in der nebenstehenden
Fig. 46 dargestellt wurde, 'wobei der Anschlag einen halben Stein breit um

Fig.46.

ein Viertel des Steins vortritt; hier ergiebt sich der U ebelstand , dass ein
Viertelstein -- ein sogenanntes Quartierstück durch den Hammer zugehauen -
den betreffenden Anschlag mit zu bilden hat; da die Anwendung so kleiner,
noch dazu mit dem Hammer hergestellter Steinstücke sicher nicht zur Solidität
des Mauerwerks beitragen kann, so ist
auch hier sehr erwünscht, für die Her-
stellung von Anschlägen eigens geformte Steine
von den Ziegeleien zu beziehen, und würde sich
dann der Verband von Fenster und Thür-
anschlägen nach Fig. 47 gestalten ;'die erforder-
lichen Anschlagsteine sind mit a bezeichnet.
. An sehr vielen Orten verwendet man,
um einen richtigen Backsteinverband
herstellen zu können, der Länge nach
getheilte Backsteine, die man dann wohl
Kopfstücke (Riemchen) nennt. Um diese
a ct zu beschaffen, ist es nothwendig , einen
Fig. 47, Backstein seiner ganzen Länge nach zu
spalten, wie dies die Fig. 48 andeutet; würde
ein solches Spalten auch allemal gelingen, was keineswegs der Fall ist, so
wird solches mit dem Hammer erschüttertes kleines Steinstück nur einen äusserst
geringen Grad von Festigkeit besitzen, und eignet sich demgernäss
P
I
"1
" n Ij
in keiner Weise zur Ausführung eines durchaus soliden Mauerwerks;
" I
"
"
" ,I
I
ganz zu verwerfen ist es für den so wichtigen Eckverband, der mit
I: : I
}i--}--
. " Kopfstücken ausgeführt in umstehender Fig. 49 dargestellt ist: Die
Fig. 48. schraffirten Stellen geben den Raum an, in welchem die sogenannten
Arbeiten des Rohbaues. 47

Kopfstücke anzuordnen sind; in Wirklichkeit aber werden in diesen Raum


Quartierstücke eingelegt, oder noch h u f i ger allerhand Ziegel-
ä

f'r a Cl0' 111 e nt e '. sodass zuletzt


.
dieser schraffirte Theil als eine grosse' Mörtelfuge

Fig. 49.

zu betrachten ist, die meistens äusserst unvollständig mit Backsteingruss aus-


gefüllt wird. Hat man es, wie dies bei unsern Miethhäusern nur zu häufig
der Fall ist, mit schmalen Fenster-
pfeilern zu thun (siehe Fig. 50),
so wird ein mit Kopfstücken aus-
geführter Verband ein so durchaus
unsolides Mauerwerk involviren, dass
es dringend gerathen erscheint, diese
an und für sich sehr zweifelhafte
Fig. 50.
Konstruktion aus dem Bereiche
unserer Hochbaukunde ganz auszu-
merzen.
Fig. 51 giebt zum Vergleich
denselben Fensterpfeiler mit Anwen-
dung von Dreiquartieren.
Nur wenn die Ziegeleien g e -
f 0 r m t e Kopfstücke liefern würden, Fig, 51.
wäre die Herstellung des Verbandes
damit zuzulassen ,bei weitem aber erscheint es vortheilhafter , eigens geformte
Dreiquartiere von den Ziegeleien zu beziehen; mit denselben lässt sich nicht
nur in Mauern und Bögen ein vorzüglicher Verband einhalten, sondern es
lassen sich auch damit Mauern herstellen, die eine oft sehr wünschenswerthe
Variation in den zu wählenden Mauerstärken gestatten. Oft liegt dem Bau-
meister der VV unsch nahe, diese oder jene Mauer etwas schwächer oder etwas
stärker zu machen, als dies bei dem Vorhandensein von ganzen Steinen mög-
lich ist; beim Vorhandensein von geformten Dreiquartieren liegt sofort die
Möglichkeit vor, neben 1/2 und 1 Stein starken Mauern auch solche von
3/4 Steinstärke herstellen zu können, ein Umstand, der unter Umständen als
äusserst vortheilhaft bezeichnet werden kann.
Auch 11/4 , 1 3/ 4 , 2114, 2 3 / 4 Stein starke Mauern sind dann leicht ver-
wendbar und lässt sich für dieselben ein durchaus normaler Verband erzielen,
wie dies die Figg. 52 und 53 (S. 48) darthun.
Der grösste Vortlieil aber liegt in einer grössern Solidität des Mauerwerks, bei
dem womöglich jedes Zuhauen der Steine zu vermeiden ist; bei der grössorn Solidität
aber geniigt es dann auch, die einzelnen Etagenmauern von oben herab nicht
48 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.

um je einen halben Stein zu verstärken) sondern nur um je einen Viertel Stein) wie
dies bei der Besprechung der Mauerstärken spezieller nachgewiesen werden wird.

Fig'. 52. Fig. 53.

Die Anordnung eines richtigen Verbandes ist, wie an den vorstehenden


Figuren gezeigt wurde, höchst einfach, sobald die betreffenden Mauern sich
im rechten "Winkel begegnen; treten uns aber spitze, stumpfe Winkel entgegen,
stossen mehrere Mauern unter verschiedenen 'Winkeln zusammen, so wird die
Anordnung des Verbandes schon schwieriger; ähnliche Schwierigkeiten ergeben
sich bei Herstellung von Pfeilern, besonders solcher, die eine komplizirte Form
besitzen. Um die Lehre vom Verbande spezieller kennen zu lernen, sind zwei
Tafeln (IV und V) beigegeben, die verschiedene in der Praxis auftauchende
Fälle behandeln. Die Tafel IV giebt mehrere Beispiele von Steinverbänden, die
bei zwei' oder drei, im spitzen oder stumpfen Winkel sich treffenden Mauern
nothwendig werden; neben den allgemein zu beachtenden, bereits entwickelten
Regeln über den Verband ist hier vor allen Dingen darauf zu sehr..i, dass die
einzelnen Steine stets im rechten Winkel zur Mauerfront gelegt, und dass die
verhaueneu Steine der Zahl nach auf ein Minimum beschränkt werden.
Treten Vorsprünge oder Lisenen an Mauern auf, so müssen selbstverständ-
lich auch auf diese die Regeln des Steinverbandes angewendet werden; auch
hierüber giebt dieselbe Tafel mehrere U ebungsbeispiele.
vVeiters folgen einige Verbände von einfachen und komplizirteren qua-
dratischen und oblongen Pfeilern.
Aeusserst geringen Werth haben für unsere Verhältnisse die immer noch
III den meisten Lehrbüchern mitgetheilten Verbände, wie der go t his ehe,
polnische, holländische
Verband, der Fes tun g s - oder
Strom verband, der Strecker-
ver ban d und selbst der sogenannte
S ä u 1 e n v Ei r ban d.
I.
Der go t h i s ehe Ver ban d ,
in der Fig. 54 dargestellt, hätte nur
dann eine Berechtigung, für unsere
Jetztzeit in der Praxis sich zu er-
halten, wenn wir -- wie dies im
Mittelalter vielfach der Fall war -
auch heute noch sehr dicke Füll-
mauern herstellen würden; für solche
Fig. 54. leistet, wie das aus nebenstehender
Figur deutlich zu entnehmen ist,
der gothische Verband vorzügliche Dienste, da er bei stetem Wechsel von
Strecker und Läufer am vollständigsten in das Füllmaterial eingreift; diesen
Arbeiten des Rohbaues (Mauern). 49

Verband auf unsere ganz veränderten Bauverhiiltnisse zu übertragen, erscheint


als durchaus unmotivirt und daher verwerflich. Sehr problematisch erscheint
es auch, in sehr starken Mauern, beim Festungs- oder Strombau , sogenannte
Kreuzlagen in dem Winkel von 45 0 anzuordnen, um dadurch einen vermehrten
Fngenwechsel zn erzeugen. Die Fig. 55 ist dazu bestimmt, zn zeigen, WIe

--I' I - I J I I
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Fig. 55.

es nothwendig wäre, Formsteine von der Form x x etc. zu besitzen, um solche


Kreuzlagen solid auszuführen; im ändern Fall müssen särnmtliche Frontsteine
dieser Kreuzlagen verhauen und dadurch wesentlich in ihrer Tragfähigkeit beein-
trächtigt werden; kein praktisch denkender Baumeister wird solche Anordnung
für empfehlenswerth bezeichnen können, und demgemäss können wir diesen
nutzlosen Verband wohl zu den Todten verweisen.
Etwas anders verhält es sich mit dem sogenannten S t I' eck e I' ver b a n d ,
der häufig auch bei unsern neusten Festungsbauten Anwendung gefunden hat;
bei diesem Verbande erscheint die Aussenseite als wenn sie ans lauter Streckern
gebildet wäre; verwendet man beim Blockverbande statt der äussern Läufer
z w ei h a l beL ä u fe 1', so ist der beabsichtigte Zweck erreicht, und es möchte
einer so geringen Modifikation keine besondere "Wichtigkeit zuzuschreiben sein:
Prinzipiell erscheint es wohl von vornherein unstatthaft, Sä u I e n -
schäfte aus Backsteinen a u f'z u m a u e r n ; giebt man es jedoch aus
irgend einem Grunde auf, sich beim Backsteinbau statt des Pfeilers (wie dies
in der Natur der Sache liegt) der Säulenform zu bedienen, so scheint es auch
gerathen zu sein, sich für jeden besondern Fall
die hierzu nöthigen Formsteine anfertigen zu
lassen, wie dies beispielshalber die Fig. 56
angiebt; thut man dies nicht und begniigt
sich mit dem gewöhnlichen Backstein, so
wird der daraus hergestellte Säulenkörper
doch mehr oder weniger als ein leicht zer- Fig. 56.
brechliches Flickwerk erscheinen; hat man die
Mittel nicht, Säulen aus säulenartigen Werkstücken (Trommeln) herzustellen,
und ist man beim Bau nur auf den Backstein angewiesen, so wird es immer besser
sein, statt der Form der Säule die des Pfeilers zu wählen. Säulenverbände,
wie sie vielfach in unsern "Lehrbüchern empfohlen werden} befinden sich auf
Tafel V Fig, 1 und 2 und lassen erkennen, dass sämmtliche Steine der äussern
50 1. Jl.Lmrer- und Steinmeturbeiten.

Peripherie behauen werden müssen; einige dieser Steine erhalten so geriuge


Dimensionen und so scharfe spitze Winkel , dass sie wohl nur mit grösster
Mühe von unsern Maurern herzustellen sind; der Werth , den ein solches
durch Behauen v erkünsteltes Backsteinwerk in bezug auf Tragfähigkeit besitzt,
möchte nur wenig mehr als Null sein,
Besser gestaltet sich der Verband (vergl. Taf. IV und V) bei starken
einfach recluseitigen oder auch sternförmigen , . oder l11~itgerac1en Vorsprüngen
versehenen Steinpfeilern , bei welchen die verhaueneu Zwickelstücke nicht ins
Aeussere, sondern ins Innere des Pfeilers zu liegen kommen; treten jedoch an
starken Steinpfeilern runde säulenförmige Ansätze auf (Figg. G, 8 und n), wie
solches bei den romanischen und gothischen Kirchenpfeilern der Fall ist, so
erscheint deren Ausführung nur aus dem gewöhnlichen Mauerstein als eine
sehr problematische; man betrachte die hier in Rede stehenden Figuren etwas
näher und wird zugestehen müssen, dass der ge\vöhnliche Ziegel keineswegs
sich zu einer so komplizirten Formengebung, wie es hier nothwendig wäre,
eignet, und wären hier unbedingt eigens gefertigte Formsteine unter Umge-
staltung des Verbandes zur Anwendung zu bringen.
"ViI' können bei Besprechung des Mauerverbandes nicht unerwähnt lassen,
welche Vielseitigkeit sich darin entwickeln lässt, wenn es darauf ankommt, den
Ziegelrohban dekorativ in die Erscheinung treten zu lassen, es gehört aber dies
mehr und mehr in die Formenlehre, und verweisen wir in dieser Beziehung
auf die betreffende theilweise sehr schätzbare Literatur *). Auf der Tafel Y
Figg. '10 und 11 befinden sich - mehr als Lückenbüsser - zwei Beispiele
für den Verband freistehender, theilweise durchbrochner Mauern.
Der sogenannte S c h 0 r n S t ein ver b a n d wird an betreffender Stelle
besprochen werden.
Handelt es sich darum, ~gewöhnliches Backsteinmauerwerk mit "bO' e-
S c h n i t t e n e n S te i n e n " zu verkleiden, RO muss die ganze Facade zuvor
in vor- und rückspringenden Backsteinschichten hergestellt sein,. und muss sich
das ganze Mauerwerk vorher vollständig gesetzt haben. Die geschnittenen
Steine greifen dann mit ihren Streckern in Dreiquartierform
in den zu verkleidenden Mauerkörper um einen Viertelstein
ein, und wechseln schichtenweise mit dem einen halben Stein
breiten Läufer ab; Strecker sowohl wie Läufer sind, . insofern
sie in die Mauer eingreifen, keilförrnig geschnitten, sodass ihre
Mörtelfugen dieser Keilform entsprechen; die Aussenseite eines
solchen verblendeten Mauerwerks zeigt keine Fugen, ja es
werden häufig die Kanten aufeinander förmlich aufgeschllffen;
Fig, 57. dies scharfe Aufeinandersitzen der Verblendungsziegel ist dadurch
motivirt, dass sich das zu verblendende Mauerwerk bereits
vollständig gesetzt hat; es muss dem entsprechend nun
d 11 r c hau s vermieden werden, dass sich die nachträglich
angebrachte Steinverkleidung auch nur um ein Minimum
setzt, weil hierdurch eine Abtrenmmg unausbleiblich
sein würde, Die nebenstehende Fiz. b
5 7 g'iebt • die durch-
sclmittene Frontmauer an, die keilförmigen Steine sind
die Verblender. Statt der keilförmigen Steine werden
___ Fig. 58. auch solche mit einer Unterschneidung verwendet (Fig. 1)8).

_ . ~,) ~mpfehleilswerth: Der Backsteinrohhau in seinem ganzen Umfange von


F181schmger und A. '\V. Becker; Mittelalterliche Backsteinbauwerke von F. Adlpr; The
Terra-Cotta Architecture 01' North ltaly p. L. Gruner. Dekorativer Ziegelb~1U von Bethke.
Arbeiten des Rohbaues (Mauern). 51

JH a u e r wer k mit H 0h 1 r ä u m e n herzustellen) um sich gegen die


äussere Kälte zu schützen) hat bei Anwendung von ge,yöhnlichen Backsteinen
keine wesentlichen Schwierigkeiten; am zweckmiissigsten erscheint es ~ gegen
aussen die Stärke von einem Stein zn ver-
wenden; dann lässt man einen Hohlraum von
ungefähr 60 mm folgen und schliesst die
Mauer 118,ch innen mit einem halben Stein
nb ; Fig. 59 macht das Gesagte deutlich.
Viel einfacher aber wird der Zweck erreicht
bei An wendung von Hohlsteinen, deren Be-
schaffung bei dem gegenwärtigen Stande der
Ziegelfabrikation gar keine Schwierigkeiten hat.
Bei der praktischen Ausführung des
Backsteinmauenverks wird je nach seinem
Zwecke, welchen es zu erfüllen l.at , Luft-
mörtel o~") , Cementmörtel *-) , s c h war z e.r
KaI k *), oder auch in neuerer Zeit ein l{0111-
positionsmörtel if) aus Kalk und Porlandcement- Fig. 59.
mörtel gemischt, angewendet; handelt es sich
um Feuerungsmauern, so kann mit gutem Erfolg Lehmmörtel gewi.ihlt werden,
wenn die Hitzegrade, welche auf die Mauer einwirken, keine sehr grosse Inten-
sität erreichen; ist dies jedoch der Fall, so ist Charnottmörtel *) zu beschaffen.
Da, wo Gyps in grossen Massen vorhanden ist, wie z, B. in und um Paris
herum, leistet Gypsmörtel zur Herstellung von Mauern vorzügliche Dienste.
Gypsmörtel *) 'wird auch im 'Winter durch den Frost lange nicht in dem Grade
alterirt , wie dies bei allen andern Mörtelarten in sehr hohem Masse der
Fall ist.
Was die GrtJsse der Fugen anbetrifft, so sind dieselben möglichst in
gleicher Stärke und möglichst klein durchzuführen, wozu unter Umständen ein
Mörtel nothwendig wird, der mit gesiebtem Sande angemacht ist; sollen die
Fugen, wie dies beim Ziegelrohbau wohl erstrebt wird, durchaus gleich grass
werden, so legt man wohl die Vorderkanten der Backsteine auf feine, 10 mm
stark gehobelte und gefirnisste Holzleistchen auf, und richtet auch für die Yerti-
kalen Stossfugen die gleichen Zwischenlagen her. Nach dem Erhärten des
Mörtels werden selbstverständlich diese Leistehen entfernt und durch eine ent-
sprechende Ausfugung ersetzt.
Jeder Backstein muss vor seinem Vermauern gehörig vom Staube befreit
werden, dann wird er entweder mit einem ergiebigen Wasserpinsel gen ä s s t
oder besser in einen Wasserkübel g e t a u c h t , dann endlich s a t t in den
Mörtel eingedrückt. Je besser der Mörtel ist, in den man den Backstein setzt,
desto schneller - oft sofort - wird der Stein bin cl e n , und durchaus unnütz,
ja sogar sehr schädlich ist das nachträgliche Festschlagen der Steine mit dem
Hammer, wodurch das eingetretene Binden in den meisten Fällen, zum Nach-
theil der Festigkeit der Mauer, wieder gest()rt wird.
Da der Mörtel unter Umständen, z. B. bei nasser vVitternng, lange press-
bar bleibt, so wird in jedem Backsteinmauerwerk ein Si c h s e t zen eintreten,
das in seinen Grenzen auf 1/1 0 0 bis 1/200 seiner Höhe gesckitzt werden kann.
Dass dieses Sichsetzen ein womöglich gleichmässiges werde, darauf ist mit
Sorgf~Llt zu achten. Aus diesem Grllude ist das Mauerwerk womöglich gleich-

*) Siehe Gottg'eheu \; B aumaterialicn und zwatVerblnclun,Q;sl1la,terialierL


52 1. "llüwl'el'- und Steinmetzarbeiten.

massig zu fördern, Verzahnungen, Abtreppungen -- wenn nicht absolut noth-


wendig, sind möglichst zu vermeiden und ist je nach der "Witterung das Mauer-
werk nasser oder trockener auszuführen. In sehr starken Mauern , besonders
solchen. die sich unter der Ercle befinden, sind Luftkanäle anzulegen, damit clie
Erhärtung des Mörtels im Innern nicht in zn weite Ferne gerückt wird.
Da alles frisch angefertigte Mauerwerk sich nothwenc1ig set z e n mus s ,
so ist die unmittelbare Verbindung von altem und neuem Mauerwerke nicht
immer anzurathen. Sollen mehrere Häuser in unmittelbarem Znsammenhange
stehen und doch erst in verschiedenen Jahren
gebaut werden, so giebt man dem erst gebauten
Hause einen vertieften freien Falz a (Fig. 60), in
den man das zweite Haus eingreifen lässt; so kann
das zweite selbstständig sieb setzen, olme dass eine
Trennung im .Aenssern der Gebäude sichtbar wird.
Befinden sich bei einem und demselben Gebäude
Pig. GO. verhältnissmassig sehr seinver lastende Massen
von bedeutenden Höhendimensionen (Kirohthürme,
Fabrikschornsteine), so ist es gerathen, diese vom andern Mauerwerk 80 zu
trennen, dass ein unabhängiges Sichsetzen dieser Massen eintreten kann.
Handelt es sich darum, die Frage zu beantworten, welche Jahreszeit bei nns
wohl die beste zur Ausführung von Mauerwerk ist, so möchte ein frostfreies
Frühjahr in erster Reihe genannt werden; auch der Herbst mit seiner vor-
herrschend mittleren Temperatur ist der normalen Erhärtung unseres Luftmörtels
insofern günstig, als zur Regeneration des im fr i s ehen Mörtel
vorhandenen Kalkhydrates zn kohlensaurem Kalk fr eie s vV a s 8 er 1 ä n ger e
Z ei t im Mauerwerke vorhanden sein muss. Wird dem soeben erst fertig
gewordenen Mauerwerk sein freies "Wasser zn frühzeitig entzogen, so kann von
einer normalen Erhärtung des Mörtels keine Rede sein, er bleibt mehr oder
weniger eine ganz lockere Masse.
Im Frühjahre hergestelltes Mauerwerk, das gehijrig angenässt wurde, wird
bis in die Winterzeit hinein seinen Mörtelerhärtungsprozess ungestört fortsetzen
können und deshalb ein befriedigendes Resultat ergeben.
Weniger wird solches bei Mauerwerk der Fall sein, welches im Spätherbste
angefertigt ist, denn hier kann möglicher V\T eise ein frühzeitig eintretender
starker Frost das freie Wasser des noch nicht normal erhärteten Mörtels zum
Gefrieren und abwechslungsweise zum Aufthauen bringen; die Volumen-
veränderungen , die hierdurch im Mauerwerke sich geltend machen, alteriren
aber den Mörtelerhärtungsprozess in hohem Grade, ja machen ihn wohl zu Null!
Im Sommer, besonders bei sehr heissen Tagen, wird das freie Wasser
dem frisch aufgeführten Mauerwerke nur zu schnell und zu leicht durch
Sonnenschein und durch die hohe Temperatur entzogen; das so entstandene
Mauerwerk hat dann, besonders wenn mit" dem Wasser sehr sparsam zu vVerke
gegangen wurde, in bezug auf seine Festigkeit einen durchaus zweifelhaften
Werth und wirel jeder umsichtige Baumeister darauf zu achten haben, diesem
U ebelstande durch stetes Nasshalten der Mauer zu begegnen.
Das Mauern im "Vinter ist unter allen Umständen gefährlich und beson-
ders dann, wenn ein öfterer Wechsel von scharfem Frost - und Thauwetter
eintritt; die Kraftausserungen , elie sich beim Gefrieren und Aufthauen von
frischem Mauerwerk g(~ltend machen, veranlassen unter Umständen die voll-
ständige Trennung zwischen Stein und Mörtel und beben auch wohl schon
eingetretene Adhäsionsverbindungen wieder an .
Arbeiten c1e:" RohlJaue:" (Mauern). 53

Machen sich solche schroffe Wechsel nicht geltend, so kann allenfalls


auch im Winter ohne nachtheilige Folgen gemauert werden, und selbst einige
K~i.lt~O'rade
b
werden nicht dazu beitraeen , die MörtelerlJärtung sehr bedeutend
L.I I L.J

zu alteriren ; so wird z. B. bei starkem Mauerwerke die Kälte von einigen


Graden nicht so leicht in das Innere eindringen. namentlich dann nicht. wenn
U , ;

sogenannter war m e r Mörtel zum Mauern verwendet wurde .


. Solcher Mörtel wird - wie bekannt - aus frischgebranntem Kalk (im
,Vinter wohl mit Zuhülfenahme von warmem Wasser) hergestellt, und hat, so-
fort verarbeitet, aUSSOT der ihm vom Löschen her verbleibenden Wärme auch noch
eine Art Wärmereservoir in sich, weil in jedem frisch bereiteten Mörtel stets
eine grössere Menge Kalkpartikelehen sieb befinden, die erst im Verlaufe der
Zeit sich löschen und dabei Wärme entwickeln. Hat man es nun auch noch
mit Backsteinmauerwerk zu thun , das unter Umständen wegen seiner grässern
oder geringem Porosität (Hohlsteine) als ein sehr schlechter ,Yärmel eiter zu
betrachten ist, so möchten geringe Kältegrade in das Innere eines frisch aus-
geführten Mauerwerks kaum einzudringen im Stande sein.
Trifft das frisch angefertigte Mauerwerk ein starker Frost, der so lange
währt, 'dass das freie Wasser nach und nach, ohne aufzuthauen , verdunstet,
so kann eine nachtheilige Wirkung auf den Mörtel sich nicht geltend machen.
Dieser Umstand ist es, der viele Praktiker behaupten lässt, dass das
Mauern im Winter unschädlich sei, und oft die besten Resultate aufweise.
Starke Fundamentmauern aus Backstein mit warmem Mörtel bei nicht zu
grossen Kältegraden herzustellen, möchte unbedenklich sein, besonders wenn
man sie sofort mit dem entsprechenden Material hinterfüllt und gehörig ab-
deckt." Freilich wird man wohl im F'rühling die Weiterarbeit damit beginnen
müssen, die oberen durch den Winter alteritten Schichten durch andere zu
ersetzen.
Hat man es mit emem Mauerwerk zu thun , bei dem als Bindemittel
Cementmörtel verwendet wird, so ist unter allen Umständen auf eine Winter-
arbeit ' zu verzichten, da schon geringe Kältegrade im Stande sind, auf den noch
nicht vollständig erhärteten Cementmörtel zerstörend zu wirken.
Sollte unter allen Umständen auch im Winter Mauerwerk hergestellt wer-
den müssen, so kann dies nur unter Anwendung von Gypsmörtel geschehen,
dessen Erhärtung sehr schnell sich vollzieht; nöthig ist es jedoch, dem Gyps-
mörtel nicht mehr vVasser zuzusetzen, als er zu seiner Erhärtung bedarf; dieses
wird beim Erhärtungsprozess vollständig an den Gyps gebunden, und kann
vom Froste nicht mehr beeinflusst werden.
Die neu e n Bau 0 r d nun gen schreiben vor, dass die zum Bauen ge-
wählten Materialien auch den g e s u n Cl h e i t s pol i z eil ich e n An f 0 r d e -
rungen zu entsprechen haben, um insbesondere die Her-
s tell u n g t r 0 c k e n er vV n d e zu ermöglichen.
ä

Diejenigen Baumateria1ien, die diese Bedingung in hohem Grade erfüllen,


sind alle mehr oder weniger poröse, und in Folge dessen auch per m e ab e 1,
d. h, 1 u ft d u r c h 1 ä s si g. Die Per m e a b i 1 i t ä t derjenigen Baumatcrialien,
welche für die Herstellung von Mauern verwendet werden, bildet die Grund-
lage für die n a t r I ich e V e n t i 1 a t ion unserer ,Y ohnstätten und ist dem-
ü

nach für uns von höchster Bedeutung.


Von den künstlichen Steinen zeichnen sich durch Permeabilität besonders
die gut gebrannten Backsteine aus, noch mehr der Luftmörtel , die Schlacken-
steine und die rheinischen Sehwämmsteine ; weniger permeabel sind Portland-
cement, Gyps und Klinker oder glasirte Steine.
I. 1\Iru..n er- um! Rtcinmetzar1)eiten.

:L\ oc]: ist hier die Bemerkung anzuknüpfen. dass die porösen Baumaterialil'll
eine grosse Wärmekapazität besitzen; das Material. einmal angeheizt, behält die
Wärme geraume Zeit und lässt sie nur langsam ins Freie gelangen, während
die von aussen eintretende Luft in den Poren des Materials vorgewärmt in den
Innenraum tritt.
Am Schlusse der Besprechung übel' Mauern ans Backsteinen ist noch der
Einfluss hervorzuheben , der sich geltend macht, wenn eine. Mauer aus gut
gebrannten neuen Steinen und gutem Kalkmörtel ausgeführt wird; bei der Er-
härtung des letztem wird sich nämlich die auf der Oberfläche der Backsteine vor-
handene aufgeschlossene kieselsaure Thonerde mit dem Aetzkalk des Mörtels chemisch
verbinden und eine dünne Schicht von kieselsaurem Kalk bilden, die ungemein
fest sich nur durch Aetzung vom Stein entfernen lässt. Je vollständiger sich
diese... wenn auch nur sehr dünne Schicht von kieselsaurem Kalk bilden kann...
desto fester, tragfähiger und dauerhafter wird sich das Mauerwerk erweisen,
und beim Abbrechen von Mauern ist es diese Schicht, welche meistentheils
eher ein Zerbrechen der Steine als ein Siehtrennen in der Fugongrenze be-
wirkt. Bei alten, schon einmal gebrauchte1} Steinen wird sich die erwähnte
Schicht nicht zum zweiten Mal bilden können, und ist dem entsprechend von
Mauern aus schon gebrauchtem Backsteinmaterial kein günstiges no r mal e s
Festigkeitsresultat mehr zu erwarten.
D eberhaupt hat die chemische Beschaffenheit der Bausteinoberflächen auf
die Festigkeit der betreffenden Mauern einen nicht zu unterschätzenden Einfluss,
besonders bei Anwendung von gewöhnlichem Kalkmörtel. vYährend aus der
Lehre der Verbindungsmaterialien bekannt ist) dass gewöhnlicher Kalkmörtel
auf reinen Quarz nicht chemisch umgestaltend wirkt, wohl aber auf den Feld-
spath (kieselsaure Thonerde und kieselsaure Alkalien), indem sich hier auch
kieselsaurer Kalk bildet, so wird eine Mauer aus Quarzsandstein keineswegs
eine so innige Verbindung mit dem Kalkmörtel eingehen, wie eine Mauer aus
solchen Gesteinen, in denen Feldspath einen hervorragenden Bestandtheil bildet;
der beste Erfolg würde in dieser Beziehung von den traohytisehen Gesteinen
zu erwarten sein, weil diese vorherrschend aus Feldspath bestehen. Bei An-
wendung von Cementen hat man freilich auf eine so in ni geBindeschicht
zwischen Mörtel und Stein zu verzichten, da in den seltensten Fällen in diesen
Verbindungsmaterialien so viel freier Aetzk alk vorhanden ist und vorhanden
sein darf, tun mit der lösbaren Gesteinsoberiiäche sich wirksam und energisch
verbinden zu können.
Insofern wird bei llerstellung von Mauern ein guter
Lu f t m ö r tel v o I' a l l e u an d ern 1\1 ö r tel a r t e n d e n Vor zug ver -
d i e n e 11.

b) Mauern aus n a t ü r l i c h e n Steinen.

1. Aus rohen Bruchsteinen.


Gehören die Bruchsteine Gesteinsarten an, die eine natürliche Schichtung
haben, und werden dieselben aus Steinbrüchen gewonnen, so hat man es
meistentheils mit lagerhaftem Material zu thun , bei dem es darauf ankommt,
die einzelnen Gesteinsstücke so in die Mauer zu legen, dass in den einzelnen
Schichten ein vollständis-er Fuaenwechsel sich g'eltenc1 macht.
L L U
Andrerseits
hat man dafür Sorge zu tragen, dass an den Ecken des Mauerwerks grössere,
nach z we: Seiten cinigermusscn zugehauene Steine zu li~gen kommen,
~OWIe auch die Solidität einer Bruchsteinmauer wesentlich dadurch gefördert
wird, dass recht oft tief in die Mauer eingreifende Bin cl e r s t e i 11 e ange-
ordnet werden. Die Steine wii hlt man 12 bis 25 cm dick und sucht die
Schichten, so verschieden die Steine auch aus dem Steinbruche kommen, doch
möglichst nach horizontalen Lagcrfl1:\chen auszuführen; jedenfalls sollte dahin
gestrebt werden, dass in Höhen von 1,5 bis 2 m allemal eine horizontale Ab-
gleichung gewonnen wird.
Da geschichtete Bruchsteine ein annähernd horizontales D n t e r 1 a ger
und ein gleichartiges 0 b er 1 a ger haben, so ist es möglich, mit ziemlich
schwachen Mörtelbändern zu arbeiten, wobei alle entstehenden Hohlräume mit
Z wie k e 1 s t ein e n ausgefüllt werden.
Eine I-Ianptbec1ingung bei Herstellung von Mauerwerk aus Schichtsteinen ist
auch die, dass letztere auf ihr n a t r I ich e s Lager gelegt werden, im entgegen-
ü

gesetzten Falle werden die Steine sich auf bl ä t tel' n und leicht verwittern.
D ebrigens lassen sich die meisten Bruchsteine, wenn auch nur in roher "Y\T eise, mit
dem Mauerhammer so zurichten, dass die Stossfugen nahezu eine vertikale Richtung
erbalten können. Erfordert das Bruchsteinmauerwerk auch weniger Kunst, so
gehören doch immerhin gellbte Arbeiter dazu, die es verstehen, die einzelnen
Steine geschickt zu vertheilen und sie so mit einander in Verband zu bringen,
dass sie sich nicht ungleichmässig setzen.
Viel schwieriger wird es, ein Mauerwerk herzustellen aus grösseren Find-
lingen (Geröllen und G eschieben), wie dies wo hl hin und wieder auf dem
Lande gefordert wird, wo weit und breit kein besseres Steinmaterial zur Hand
ist. Bei der abgerundeten Form dieser Steine ist es nicht möglich, einen auch
nur annäherungsweise regelmassigen V erband in die Mauer zu bringen und es
erhält das Ganze mehr oder weniger seinen Halt durch den Märtel, der dann
nahezu den dritten bis vierten Theil der Mauer einnimmt. Bei diesem höchst
primitiven Mauerwerke hat man sich darauf zu beschränken, soviel wie irgend
thunlich ist, eine horizontale Schichtung mit gl'össtmöglichem Wechsel der Stoss-
fugen herzustellen, wobei eingelegte Bin cl e r - oder A n k e r s te i 11 e so tief
wie möglich in die Mauer einzugreifen haben; alle Hohlräume müssen
mit Z w i c k e 1 s t ein e 11 verkeilt werden und kann man sieh hier mit
Erfolg der Ziegelbruchstücke be-
dienen. Hauen die abgerundeten
Findlinge grosse Dimensionen, so
zerschlägt oder zersprengt man sie,
wodurch lagerhaftere Flächen ge-
wonnen werden. Einigermassen
scharfkantige Ecken mit solchem
Material zu erzielen ist durchaus
unmöglich, und daher bildet man
solche Ecken wohl aus gebrannten
Steinen, Iässt die einzelnen
Backsteinschichten mit den Roll-
steinschichten einen Verband bil-
den und stösst sie stumpf dagegen
(Fig. 61). Auch hat man vor-
geschlagen, diesem Mauerwerke
dadurch eine solidere Konstruktion Fig. 61.
56 L :'.Llurer- und StejnllletzarlJi3iti3~1.

zu geben, dass man in Entfernungen von 0,60 bis 0,90 III horizontal gelegte
Backsteinschichten durch die ganze Stärke der Mauer durchlegt. Fig. 62 giebt
solche Anordnung.

Fig. G2.

Mauern aus Bruchsteinen sollen nicht schwächer als 45 cm angelegt


werden.
2. Mauern aus bearbeiteten Werkstücken (Quadern),
Nach einer bestimmten Form bearbeitete Bausteine aus natürlichem Gestein
nennt man vV e r k s t ü c k e, Qua der, S c h n i t t s t ein e; meistentheils werden
sie den Steinbrüchen entnommen *) und kommen von dort in roh behauenem
Zustande, b 0 s s i r t , auf den vVerkplatz zur weitem Bearbeitung durch den
Steinmetz.
Beim B e a r bei t e 11 der Qua der 11 wird verschieden verfahren, je
nachdem man es mit harten oder weichen Steinen zu thun hat, oder je nach-
dem man der Arbeit selbst eine geringe oder eine grosse Sorgfalt zuwendet.
Ist ein Quader nach allen Seiten hin richtig ab ger ich te tundan den
Kanten mit den Sc h 1 ä gen (schmale scharf gearbeitete Bändchen) versehen,
was mit dem sogenannten S c h 1 a gei sen geschieht, so wird der rauh stehen
gebliebene Theil, Pos t engenannt, mit dem Z w eis p i t z fortgearbeitet. Bei
dieser Bearbeitung behält die bearbeitete Fläche sehr viele Unebenheiten und
bezeichnet man sie mit g e s p i t z t; bei weichen Steinen genügt zu dieser Arbeit
das. S p i t z e i s e n, bei harten Steinen aber folgt diesem noch' der schwere
Z ahn h a m me r mit breiter zahniger Bahn. Soll die Fläche eben bearbeitet
werden, so wendet man bei weichen Steinen das Grönel- oder Kröneleisen an,
und nennt' die Fläche g e g r ö n e 1 t oder g e k r ö n el t. Bei hartem Gestein,
wie Granit oder Marmor, wird der S t 0 c k h a m m e I' genommen und spricht
man dann von ge s t 0 c k tel' Fläche.
Eine anderweitige Bearbeitung erleiden die Quader wohl auch durch das
S c h a r r i r e i s e n , wobei die Fläche fein gestreift erscheint, während am
Rande der Quadern stets die auf g e s c h l a gen e F u g e als glatter schmaler
Streif erscheint.
Soll aber die Quaderfläche eine möglichst vollkommene Ebene erhalten, so
wird diese durch sorgfältiges Sc h 1 o i fe n gevYonnen, was je nach der Härte
der Steine verschiedene Manipulationen nothwenc1ig macht, und nennt man dann
die Fläche ge s c h l i ff e n. Den höchsten Reiz jedoch gewinnen die harten
und politurfähigen Gesteine durch Pol i r e n ;**).

*) Von der Gewinnung der natürlichen Gesteine siehe Gottgetreu: Baumaterialien,


III. Anflage, 1. Theil, S. 195.
**) Ebendas., S. 200.
Arbeiten des Rohbaues (Mauern). 57

",Yerden 'Y er k 13 t c kein der eben beschriebenen Weise bearbeitet, so


ü

entsteht selbstverständlich durch das Bearbeiten mit verschiedenen Instrumenten


ein Verlust, weshalb der rohe Quader aus dem Steinbruche ringsherum mit dem
sogenannten Ar bei t s zoll geliefert werden muss. Soll dieser Verlust auf
ein Minimum beschränkt werden, wie dies bei allen kostbaren Steinarten.
z. B. den Marmoren, wünschenswerth ist, so verwendet man zur Herstellung
der Quadern die Steinsäge, die jedoch auch bei allen andern Gesteinen, nament-
lich bei den weichen, sehr vortheilhafte Verwendung findet.
In neuster Zeit tritt bei Herstellung der Quadern statt der Handarbeit
vielfach die M ase hin e n a I' bei tauf.
Bei jedem Quader unterscheidet man das u nt e l' e und das 0 b er e Lag er;
das Hau pt oder die S ti I' n wird die Seite genannt, mit welcher der Quader in
die äussere Ansicht tritt; F u gen fl ä ehe n sind die, welche vertikal stehend
sich gegen· die seitwärts anliegenden Nachbarquadern richten.
Hinsichtlich des Ver b a n des, der bei Mauern aus Werkstücken einzu-
halten wäre, gelten im allgemeinen jene Regeln, die bei den Backsteinverbänden
entwickelt wurden, es möchte aber wohl schwerlich unter unsern Bauverhält-
nissen irgend einem Baumeister einfallen, eine sehr starke Mauer einzig und
allein aus regelrecht gearbeiteten Quadern zusammen zu bauen; man begnügt
sich fast ohne Ausnahme damit, die Aus 13 e n fr 0 n t unserer wichtigsten
Bauten in Haustein auszuführen, während der nach Innen liegende Theil der
Mauer in Bruchstein oder auch in Ziegeln hergestellt wird.
Hat man es mit sehr grossen und schweren Quadern zu thun, die schon
durch ihr bedeutendes Eigengewicht eine nahezu unverrückbare Lage gewinnen,
so kommt es hauptsächlich darauf an, die betreffenden Werkstücke aufs ge-
nauste in allen ihren Fugen zu bearbeiten; ist dies geschehen, so kann die
Anwendung von Mörtel ganz entbehrt werden, wie dies überall bei den griechi-
schen Tempelbauten der Fall war; wendet man aber Mörtel an, so geschieht
dies nicht, um denselben als Bindeglied zu benutzen, sondern nur zur Aus-
füllung der bei der Bearbeitung etwa noch belassenen Unebenheiten.
Verwendet man vYerkstücke, die trotz ihrer eigenen grossen Schwere
doch nicht als absolut sicher liegend betrachtet werden können, so verbindet
man sie gegenseitig entweder durch hölzerne oder metallene D übe I, oder auch
mitte1st Met a 11 k 1 a m m e r n , oder durch steinerne Doll e n.
Die Figg. 63, 64 und 65 geben· von diesen drei Verbindungsarten ein
erklärendes Bild.

Ftg. 63.

Fig. 64. Fig. 65.

Bleibt das Mauerwerk mit seinen "Y erkstiicken vollkommen trocken, so


verwendet man zum Verdübeln wohl harte Hölzer, z, B. Eichenholz, andrerseits
58 1. j\.Lull'cr- und Stcinmetztll'uciten,

möchte Bronze unter nlll'll T'mstiindcn die lJ(~,shm Dienste leisten und wurden
Bronzeklammern und die Bronzedübel beim griechischen Tempelban vielfach
vorwendet. Gegenwtütig wtihlt man zu solchen mechanischen Verbindungen
meistens das Eisen; damit dass elbe den Stein beim Rosten nicht zersprenge,
und selbst endlich zerstört werde. verzinnt. v erbleit oder v erz inkt man dasselbe,
oder verwendet Anstriche von P~ch, oder 'Pech mit Kohle, oder Kohlt' in V er-
bindung mit Asphalt.
Um den eisernen Dübeln und Klammern einen sichern Halt zn geben,
v ergiesst man sie wohl mit Blei, oder Schwefel in Verbindung mit Kolophonium,
oder auch - besonders in neuerer Zeit -- mit gutem Portlandcement. Die
beiden ersten Methoden müssen mit besonderer Vorsicht und Sachkenntniss
vorgenommen werden; vergiesst man mit Blei, so muss das Dübelloch voll-
ständig ausgetrocknet sein, damit nicht beim Eingiessen sich plötzlich bildende
VYasserdämpfe das flüssige Blei herauswerfen ; da ferner das Blei beim Erkalten
ein kleineres V olumen einnimmt, so ist es nothwendig, das zum Vergiessen
benutzte Blei mit Hammel' und Keil vollständig fest in das Vergussloc-h ein-
zutreiben. Verwendet man Schwefel, so muss derselbe weit über seinen
Schmelzpunkt erhitzt werden, sodass er eine tief braune Farbe annimmt; thut
man dies nicht, so bildet sich nur zu leicht Se1nyefeleisen, welches, ein grösseres
Volumen annehmend, die Steine auseinander treibt, und dieselben (nebenbei
gesagt) braunroth färbt. Ganz besonders gute Dienste leisten die freilich auch
theureren Kitte; ein solcher Kitt wird erhalten durch Mischung von 500 g
Schwefel und 500 g Pech, die dann geschmolzen mit feinem Quarzsand bis
zur gehörigen Konsistenz versetzt werden, ein anderer empfehlenswerther Kitt
besteht aus 1 kg über Kohlenfeuer erhitztem Leinöl, dem gleiche Theile Quarz-
sand und Bleiglätte, beide vorher gut gemengt, zugesetzt werden; dieser Kitt
kommt heiss zur Verwendung und muss sofort verarbeitet werden.
N ur bei ganz grossen Werkstücken werden die sogenannten Doll e n
verwendet, die aus andern harten Steinen, wohl 15 cm im Quadrat gehauen,
dazu dienen, die vorherbesprochenen Dübel aus Hol? oder Eisen zu ersetzen.
Alle diese Hülfsmittel könnten entbehrt werden, wenn man den einzelnen
Quadern eine s eh w a I ben s c h w an z f r m i g e oder hakenartige Form geben
ö

würde, mit der sie gegenseitig ineinander eingreifen; aber dieses Verfahren
kostet viel Material, wie auch viel Arbeit.
Ein interessantes Beispiel für haken-
/ artig ineinander greifende Quadern giebt
die nebenstehende Fig. 66; sie stellt ein
Stück der Substruktion dar, die beim
Tempel von Agrigent angewendet wurde.
Solch sorgsames Ineinandergreifen der Werk-
stücke lässt auf die Absicht schliessen,
allenfallsigen Verschiebungen durch Erd-
beben entgegenzuwirken.
Fig. 66. Ein ähnliches Ineinandergreifen von
Hakenquadern findet man auch bei dem
weit auskragenden Hauptgesimse des Palazzo Strozei in Florenz. Fig. 67 (S. 59)
giebt hiervon eine Skizze.
Von schwalbenschwanzförmigom Eingreifen der Werkstücke untereinander
gicbt Fig. 68 (S. 59) ein Beispiel; hierbei sind alle spitzen Winkel aU3~U­
schliessen, und jedes tiefe Ineinandergreifen zu vermeiden.
Arbeiten eIl''' Rohbaues (Mauern). 59

Anderw ei ti ge llii ufig gewählte Quaderverbindungen gicht die Fig. 69.


Bei den 'Ir erkstein - oder Quadermauern werden auch L u fe rund ä

Bin d er unterschieden. Die Läufer erhalten in der Regel eine Länge gleich
der zwei - bis dreifachen Höhe: und eine Breite gleich der einfachen oder
doppelten Höhe; während die Binder zur Breite die Hälfte bis ein Drittel der
Länge des Läufers erhalten., '-'!2,'iebt man denselben illre zwei- bis dreifache Breite
~

zur Länge; Fig. 7 I) giebt diese Grossenverhältnisse an.

Fig. 68.

[1
~~=1_.,

Fig. 69.

Fig. 67. Fig'. 70.

Eine Mauer, deren Werkstücke so breit sind, als die Mauer stark ist,
wird aus lauter Läufern gebildet; die Stossfugen der je zweiten Schicht treffen
dann jedesmal die Mitte der Läufer. Dies setzt aber voraus, dass sämmtliche
Läufer gleich lang sind, was immerhin als kostspielig sich herausstellt; aus
diesem Grunele verwendet man auch ungleich lange Läufer und sucht nur
zwischen den Fugen einen Wechsel zwischen 27 bis 36 cm zu erhalten.
Die einzelnen Schichten, aus denen Quadermauern bestehen, müssen in
einer Ebene und in gleicher Höhe durchgeführt werden; kann man sämmt-
liehen Schichten elie gleiche Höhe geben ohne zu bedeutenden Material verlust
in den Steinbrüchen, so ist dies immerhin erwünscht, andrerseits wird man
auch wohl den verschiedenen Schichten - unbeschadet der Solidität und des
Ansehens - ungleiche Höhe geben dürfen, und lässt dann-wohl die höheren
mit den niedrigeren Quaelerschichten regelmässig wechseln.
Was die Formbestimmung der Quadern anbetriflt , so sollen sich nach
Semper die Höhen der Werkstücke zweier verschieden hoher Schichten ver-
halten wie die Quadratwurzeln aus den Längen derselben eh :
h' = VT: V·lI),
wobei 11, und l die Höhe und Länge der niedrigeren) 11,' und l' die Höhe und
Länge der höheren (~uac1er bedeutet.
Bei stark,n Quadermnuern mussten je nach Erforderniss ZW81 oder elre:
60 1. ?Iuuer- und Steinmctzarbeiten.

Läufer nebeneinander gelegt werden und darüber Binder, deren Länge gleieü
der Mauerdicke ist; solche Anordnungen gehören aber - wie schon gesagt -
zu den überwundenen Standpunkten, denn jedes Quadermauerwerk erfordert
eine durchaus korrekte Bearbeitung aller seiner Lager- und Fugenflächen, erfordert
ein äusserst vorsichtiges Versetzen, und selbst der geringste Fehler, der hier
oder dort sich einschleicht, rächt sich oft in hohem Grade! So würde ein
vollständig durchgebildeter Quaderbau ungeheure Summen beanspruchen , und
dennoch für die meisten unsrer Gebäude Inkonvenienzen im Gefolge haben,
die vermieden werden, wenn man sich damit begnügt, das A e u s s e r B unsrer
Gebände im monumentalen Quaderbau durchzubilden; wir haben es dann mit
einem Mauerwerk zu thun, das wir als ein ge m i sc h t e s bezeichnen müssen,
und besteht dies dann meistens entweder aus QUa der n und B l' U c h s t ein e n,
oder aus Qua d ern und B a c k s t ein e n.
Um bei dem gemischten Mauerwerke einen gesichprten Verband
zwischen den äusseren Quadern und der Hintermauerung hervorzubringen, ist
das Einlegen von zahlreichen Bindern besonders geboten; ein sehr fester und
für die meisten Fälle auch ausreichender Verband besteht darin, dass in jeder
Schicht zwischen zwei Läufern immer
ein Binder zu liegen kommt, wie dies
die nebenstehende Fig. 71 darstellt.
Um Kosten zu ersparen, ordnet
man den Verband auch wohl so an,
dass in jeder Schicht zwischen je zwei
Bindern zwei oder drei, ja selbst auch
vier Läufer liegen, wie dies Fig. 71
und Fig. 72 verdeutlichen.
Fig. 71. ' Die Quaderverblendung kann auch,
wie dies in Tafel VI dargestellt .ist, aus
verschieden starken Schichten ausgeführt werden; in dem vorgeführten Beispiele
ist vor allen Dingen darauf Rüeksieht genommen, dass bei einem Qua der bau

Fig. 72.

mit Ba c k s t ein ver b le n d u.n g sä m mt 1 i ehe Qua der 11 in ihr e n


Abmessungen ein Vielfaches des zur Hintermauerung be-
n u t z t e n B a c k s t ein e s sei n m ü S sen *), um einen durchaus korrekten
Verband zu ermöglichen. vYas den speziellen Verband des vorgeführten Bei-
spieles anbetrifft, so wechseln in demselben hohe und niedrigere Quaderschichten
regelmässig miteinander ab; die erste Schicht über dem Sockel besteht nach
der Frontseite aus Läuforn, welche 92 cm (3 1/ 2 Stein) lang, 51 cm
(2 Stein) breit und 30 cm (4 Backsteinschichten) hoch sind; die mit diesen

*) . D"lese . bt'1ge
B eCclJignng
WlC~.l' . 1 nur zu 1läufig unb cachtet geütSSell;
wirc -r von aussen
erscheinen solche Mauem sehr solid, während die Hintormauerun > Flickwerk ist!
Arbeiten des Rohbaues (l'iIauern). 61

Läufern wechselnden S tr e c k e r greifen 78 cm (3 Stein) tief in die Mauer


ein und haben eine Breite des Hauptes von 38 cm (11/2 Stein); die
Hintermauerung in bezug auf die Läuferschichten besteht aus 3 Steinstärken.
in bezug auf die Streckerschichten aus 2 Steinstärken : die Läuferschicht der
Seitenfront , die gleichfalls mit Streckerschichten , wie sie in der Hauptfront
liegen, wechseln , haben die gleiche Länge wie in der Hauptfront und eine
Breite von 38 cm (1 1/ 2 Stein), wodurch die Hintermauerung in der Seiten-
front 3 1 / 2 Stein beziehungsweise 2 Stein stark wird; die zweite niedrigere
Quaderschicht besteht dann aus lauter Läufern; nach der Frontseite haben
diese eine Breite von 38 cm (1 1/ 2 Stein), nach der Seitenfront hin sind sie
Gi cm (2 Stein) breit) so dass die Hintermauerung der Hauptfront 3 1/ 2 Stein,
die der Seitenfront 3 Stein in Anspruch nimmt; die Höhe der zweiten Quader-
schicht entspricht dann unter Rücksichtnahme eines korrekten Ziegelverbandes
der Höhe von 3 Steinschichten oder 22,5 cm.
Der Sockel, der ebenfalls nach der Front zu mit Quadern verblendet ist,
wurde mit Bruchsteinen hintermauert angenommen. . Das . ganze Beispiel
eignet sich für eine D ebung im Ermitteln der verschiedenen Steinverbände ;
weiters ist zu bemerken, dass Tafel IIr insofern mit Tafel VI in Verbindung
steht, als die dort vorgeführte Rostkonstruktion sich auf die hier ge-
gebenen Mauern bezieht.
Eine besondere Aufmerksamkeit beim Verkleidungsmauerwerk aus vVerk-
stücken ist stets der Ecke zuzuwenden; die Vorschläge, die in dieser Beziehung
gemacht werden, sind in Fig. 73 dargestellt.

Fig. 73.

Den Läufern, welche bei Verblendungen in Hausteinen Anwendung finden,


giebt man wenigstens 2 G bis 30 cm Breite, während die Binder- oder Strecker-
steine 80 bis 90 cm tief in die Mauer eingreifen.
Dm eine Trennung der Werksteine von deren Hintermauerung zu ver-
hindern, verwendet man wohl kleine eiserne Zuganker , welche sowohl in die
Backsteinmauer , als auch in die Quadern eingreifen; ein Beispiel, wie solche
Verankerungen angewendet werden, giebt Fig. 74 (S. 62).
Ein weiteres Beispiel von gemischtem Mauerwerk geben Fig. 75, 76, 77 und 78
(S. 62); die zwei ersten Figuren zeigen die Konstruktion, wie sie am Gebäude
der technischen Hochschule in München von v. Neureuther ausgeführt wurde;
hier besteht die Verkleidung für das ganze Souterrain - und Parterregeschoss
aus vorgesetzten Granitquadern. F'ig. 77 und 78 sind dem von demselben
B8-umeister erbauten Akademiegebände entnommen; die Verkleidung besteht
hier aus oberitalienischem rothen und weissen Marmor.
62 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.

Was die Ausführung,' der Hintermauerung mit Ziegeln anbetrifft, so muss


derselben die grösste S~rgfalt ge,vidmet werden, denn nur zu nahe liegt es,
dass das so viele Mörtelfugen besitzende Backsteinmanerwerk das Bestreben
haben wird, sich in ganz auderm Grade zu setzen, als dies bei dem wenige Fugen
habenden Quadermauerwerk der Fall ist; um das Siehsetzen der Hintermauerung

Fig; 76. Fig. 78.

Fig. H.

Fig. 75.

Fig. 77.

möglichst aufzuheben, ist es angezeigt, mit sehr engen Fugen und gutem,
womöglich schnell erhärtendem Mörtel zu arbeiten. Immerhin sind hierdurch
noch nicht alle Schwierigkeiten gelöst, die durch ein ungleichmassiges Sich-
setzen der Mittel - und Scheidemauern eintreten, gegenüber der mit Haustein-
quadern ausgeführten Hauptmauer , denn jene werden wohl stets entweder 'nur
ans Backsteinen oder nur ans Bruchsteinen ausgeführt werden. Da durch ein
Arbeiten des Rohbaues (Mauern). 6 "o

ullQ'leichmässig;es Setzen von Haupt- und Mittehnauer in erster Linie die Balken-
'--' c.,

lagen alterirt werden ~ so ist dafür zu sorgen, dass nachträglich leicht eine
Korrektur in bezug auf die Lage der Balken vorgenommen werden kann.
Kann man das Lostrennen des Backsteinmauerwerks bei vorgeblendeten
Q, l1adel'l1 wie erwiihnt recht wohl verhüten., so wird bei einer Hintermaueruuz ~

VOll Bruchsteinen eine Trennung sich schwer vermeiden lassen; um keine zu


grossen Mörtelbänder zu erhalten, ist man genöthigt, zur Ansfüllung aller vor-
handenen Zwischenräume kleine Steinstücken (Zwickelsteine) mit zu verwenden ;
auf diese Weise erhält man eine Art Füllmauer von sehr zweifelhaftem Verbarid.
Unter allen Umständen möchte eine Hintermauerung mit gut gebrannten Back-
steinen derjenigen mit Bruchsteinen weit vorzuziehen sein.
Die allerungünstigsten Verhältnisse werden sich aber bei den ge m i s c h t e n
Mau er 11 ergeben, die zu gleicher Zeit aus Bausteinen, Bruchsteinen und
Ziegeln bestehen, beson-
ders wenn dabei so riesen-
hafte Dimensionen 1'01'-
kommen, wie dies bei-
spielsweise Lei dem aus-
geführten Mauerwerke der
Peterskirche in Rom
der Fall ist. Fig. 79
atellt ein Stück davon,
nach den besten Qnellen
zusammengestellt, dar.
Die nahezu 3 m dicke
Mauer ist gegen aussen
vo n Quadern aus Travertin
hergestellt und weist bei
einer Höhe VOll 10m
14 horizontale Lagerfngen
auf, während die Verklei-
dnng des 1nnern, welche
aus Backsteinen besteht
und mi( Stuck überzogen
ist, nahezu 160 solcher
Fugen zählt; der mittlere
Theil ist Mauerwerk aus
verhältnissmassig kleinen
Bruchsteinen, elie aber,
anstatt nach der Methode
der Alten schichtenweise Fig'. 79.
ausgeglichen und ge-
stampft zu werden, ohne Vorsicht mit unregelmässigen Steinen, Abfällen
und Schutt, unordentlich mit dem Mörtel zusammengeworfen, ausgeführt wurde.
Die äusseren Strebepfeiler sind von Quadern, wie auch der äussere Theil ihres
Unterbaues.
In folge dieser A norclnung musste nothwenclig das innere Mauerwerk, da
es eine grössere Last zu tragen hatte und einem stärkeren Setzen unterworfen
war, den grössten Thei1 der Bebstnng auf die Verkleidung überführen , und
musste dann diese Ueberbstung' alle die BescbäeHgnngen hervorbringen, die sich
an der Petcrskirche im Laufe der Zeit gezpjgt haben, nämlich die Risse, Spalten,
64 1. Maurer- und Steinmetzurbeiten.

Ausbrüche, Quetschungen und die Ablösung der Strebepfeiler von der Um-
fangsmauer. wie auch der Theile des Unterbaues, worauf jene ruhen.
"Diejenigen, welche diese Beschädigungen dem Seitendrucke der Gewölbe
zuschreiben, haben nicht bedacht, dass, wenn derselbe mächtig genug wäre, um
die Umfassungsmauer zu zerbrechen nnd überall zu zertheilen, diese nicht einen
Augenblick, bei dem schwachen Zustande, in welchem sie sich befand, dem
nunmehr durch die Trennune I::>
des Gewölbes stärker '-'Q:ewordenen Drucke hätte
widerstehen können. Ich (Rondelet) habe mir durch genane Untersuchung
aller beschädigten Theile die U eberzeugung verschafft, dass diese Beschädigungen
eine nothwendige Folge des ungleichen Sichsetzens der verschiedenen Kon-
struktionsarten gewesen sind, die auch hätten eintreten müssen , wenn bei der
Ausführung noch so sorgsam verfahren worden "wäre. Ein solches Verfahren
darf man niemals auf Mauern und Unterstützungspnnkte anwenden, welche
eine sehr grosse Last zu tragen haben *). "
Nur in seltenen Fällen hat man es im Hochbau mit geböschten Mauern
zu thun, sind aber solche auszuführen, so vermeidet man auch bei diesen die
Anwendung von Quadern mit spitzen "Winkeln und richtet die Fugen so ein,
dass sie 90 0 zu der Aussenseite bilden. Fig. 80 giebt übel' den betreffenden
Fugenschnitt Aufklärung. Ein ähnliches Verfahren wendet man an, wenn
eine Mauer in einer geneigten Ebene aufgeführt wird, wie dies bei Rampen oft
vorkommt; über den dann zu wählenden Fugenschnitt giebt die Fig. 81 Auskunft.

Fig. 81.

Bei der Bearbeitung der Quadern hat man wohl, um Arbeit zu ersparen, den-
selben die Form einer abgestumpften Pyramide gegeben, deren Grundfläche die
Stirn oder das Haupt der Quader bildet (Fig. 82). Eine solche
Anordnung ist aber durchaus verwerflich, denn es ist augen-
fällig, dass solche Quadern nur mit ihren äussersten Kanten dem
auf sie lastenden Drucke zu widerstehen vermögen. Bei An-
wendung von Quadern lässt es sich umgehen, alle U 11 t e r-
lag er durchweg, die Stossfugen aber doch wenigstens 9 cm
voll im Winkel I' ein zu bearbeiten. Hat man es jedoch mit
sehr tragfähigen Steinen und verhältnissmässig geringen Lasten
zu thun, so giebt man den horizontalen Quaderschichten nicht
durchgehends rein bearbeitete Unterlager, sondern begnügt sich
rnit Fugen, die auf 20 cm in die Mauer hineinreichen, von
Fig. 82. da ab aber gegen das Innere keilförmig sich erweitern und
dann nach demVersetzen mit Portlandeemerit ausgegossen werden.
Häufige Verwendung finden auch unsere in der Natur vorkommenden
Plattengesteine zur Verkleidung von Bruch- uud Backsteinmauerwerk ; man braucht
sie, um den ordinären Mauern ein besseres Ansehen zu geben, oder um sie gegen

*) Ronc1elet, I'art c1e bMir, tom. Ir, p. 312.


Arbeiten des Rohbaues (Mauern). 65

8 1 ;'t e r: besonders smd es cue G·ebäau d e~,


sockel die solchen
,
c~ ~
T' · l'
die TI itterung .zu . inie 1 bedürfen. und hier f n den S teinplatten v n 12 hIS
Schutzes
15 cm Dickein erster
vielfache Verwendung. ~
Aufrecht bzestellt ,
werden SIe stumpf
aneinander gestossen und
mittelst eingegossener
Steinklammern unter sich
und mit dem Sockelmauer-
werk zusammen gehalten.
Fig. 83 stellt diese ein-
fache Konstruktion dar.
Besserer Halt wird
jedoch in die Sockelver-
kleidung gebracht, wenn
einzelne kräftigere Binder-
steine mit in den Sockel
ein baefügt werden,

wie
dies Fig. 84 zeigt,
Sockelplatten lassen
sich jedoch auch mitte1st
über sie weggreifender
Bindersteine befestigen;
solch ein Binderstein kann
so in seiner Form ge-
halten sein, dass er mit
seinem Haupt vor der
Frontmauer nicht vor-
steht, sondern bündig mit
derselben liegt und durch
einen passend angebrach-
ten Einschnitt die vor-
geblendeten Sockelplatten
hält· die einzelnen Platten 1
erh;lten dabei seitliche
Dübel (Fig. 85).
Einen noch besseren
Halt erhalten die Ver-
kleidungsplatten durch
Anwendung von Deck-
und Sockelplatten , die
dann in Form von Gesims-
stücken dem Sockel eine
reiche, dabei solide Glie- - -- -- - ----------_.~-----------------------
I

derurig geben. Beispiele


dieser Anordnungen be-
finden sich in Fig. 86,
87 (S. 66), 88 (S. 67).
Das Ver set zen
der Werkstücke ist stets
mit Schwierigkeiten ver-
bunden; da es eine durch-
aus korrekte Bearbeitung Fig·. 85.
1. :.',Lturer- und Steinmetzarbeiten.
66

der einzelnen Quadern voraussetzt, so muss beim Versetzen darauf Bedacht


genommen werden, dass die fertig gearbeiteten Flächen und Kanten keine
Beschädigung erfahren. Prinzipiell müssen RUe Quadern eine voll e, durchaus
eben gearbeitete Lagerfuge erhalten;
um dies kontrolliren zu können, ist
es rathsam, vor 'dem wirklichen Ver-
setzen der Quadern in Mörtel zu unter-
suchen, ob auch die Obere Lagerfiäche
der untern Schicht genau im "Winkel
mit der Stirnfläche zugerichtet ist,
und ebenso, ob die vertikalen oder
geneigten Stossfugen durchaus ebene
Flächen bilden. Zu dieser Kontrolle
werden die Quadern provisorisch auf
ihr Lager gebracht und wird mit Loth
und Setzwaage geprüft, ob sie nach
allen Seiten hin eine korrekte Arbeit
erfahren haben. Hat man 'sich hiervon
überzeugt, so kann man zum wirklichen
Versetzen der Quadern übergehen.
Solches vorherige Probesetzen ge-
währt den Vortheil, dass sich etwa vor-
findende Ungenauigkeiten in der Be-
Fig. 86, arbeitung des zu versetzenden Steines
leichter beseitigen lassen,
als dies nachher durch
Anwendung unverhält-
nissmassig grosser Mörtel-
bänder oder durch U n ter-
k ei l e n geschehen kann.
Nachdem das vVerkstück
vorher gehörig hil1gepasst
und wieder abgehoben
wurde, lässt es sich dann
mit aller Sicherheit schnell
und sicher auf sein Mörtel-
lager absetzen.
Das Versetzen selbst
erfolgt entweder dadurch,
dass das vVerkstück vor-
sichtig auf sein Mörtel-
lager herübergekantet
wird, oder man bedient
sich eines eigenen Heb e-
zeug es, wobei das Werk-
Fig. 87. stück während des Aus-
breitens des Mörtellagers
in der Schwebe gehalten wird ; die letztere Methode ist der erstem durchaus vorzuziehen.
Mag nun das Versetzen in dieser oder jener Art vorgenommen werden,
so ist es als durchaus verwerflich zu bezeichnen, dass beim Versetzen von..
Quadern allenfallsige Unebenheiten im. Lager durch nntergelegte hölzerne oder
Arbeiten des Rohbaues (Mauem). 67

eiserne Keile ausgeglichen werden; bei solchem Verfahren erleiden nur diej enigen
Stellen, unter welche die Keile getrieben wurden, den Hauptdruck. und können
dadurch zermalmend auf die darunter liegenden Quadern wirken.
Sehr leicht leiden
auch wohl beim Versetzen
der Quadern ihre scharf
bearbeiteten Kanten; um
dies zu verhindern, ist es
empfehlenswerth , die- _
selben von vornherein
etwas abzustumpfen, so
dassjeder Quadervon einer
scharfkantigen Fugen-
fläche begrenzt erscheint;
ein ähnliches Verfahren
haben die Griechen in
vielen nachweisbaren
Fällen befolgt. Anderer-
seits schont man die schar-
fen Kanten der Werk-
stücke beim Versetzen
durch Unterlegen von
~
dünnen, 1 mm starken- Fig. 88.
Bleiblättchen. die nahezu
in der Grösse des bearbeiteten Lagers zwischen die Quadern gebracht werden, um den
Druck derselben gleichmässig auf das untere Lager zu vertheilen; statt der Bleiplatten
verwendet man wohl auch dünne Pappdeckel, oder ersetzt solche durch Kalkbrei.
Bei -den Stossfugen ist eine durchaus ebene Fugenfläche .durch die ganze
Tiefe des Steines gerade nicht nothwendig, und es genügt hier, dass die Fugen
etwa 10 .mm unterm 'Winkel sauber bearbeitet sind; nach dem Zusammenpassen
werden diese Fugen mit Cement ausgegossen.
Nur bei untergeordneten Arbeiten kann es zulässig sein, - dass beim
Versetzen der Quadern mit schief unterhanenenFugen diese mit Steingruss und
Cement förmlich aus g o k eil t werden, wobei ein pro vi s 0 I' i s c h e s Unter-
legen von Holzkeilen gestattet werden kann; diese Fugensehicht, aus erhärtetem
Beton bestehend, hat dann den betreffenden Druck aufzunehmen und muss
selbstverständlich solche Erhärtungsfähigkeit besitzen, dass sie letzterem auch
widerstehen kann.
Von grosser 'Wichtigkeit ist es endlich, dass jedes Werkstück aufs Bruch-
lager versetzt wird, andernfalls wird es leicht durch die VV itterung zerstört,
auch würde ein mit seinen Schichtungsflächen senkrecht gestellter Quader durch
eine darauf gebrachte Last vollständig zerklüftet werden; ebenso müssen D e ck -
s t ein e , Belagsplatten, Fenster- und Thürbänke auf ihr Bruchlager verlegt werden.
Auch bei allen vorspringenden Gesimsen, die im - Aeussern einer Facade
sich befinden, dürfen keine ge s tell t en Steine verwendet werden, nur unbe-
lastete Verkleidungsplatten stellt man, um Kosten zu ersparen, auf s Hau p t.
Bei den Thür - und Fenstereinfassungen muss das Lager nach Aussen in die
Flucht der Mauerfläche gebracht werden ; dann bildet das Haupt die Leibung
und erscheint mehr gesen den Angriff der Atmosphärilien geschützt. Sockel-
platten , gestellte Friess:ii.cke etc. sollten allemal, um gegen den Einfluss der
Witterung geschützt zu S8111, Lager- und Deckplatten erhalten.
68 1. .l\Iaur6l'- und Steinll1etzarbeiten.

c) :M a u e r n aus S t a m P f - und G u s s wer k.


Mauern aus Stampfwerk werden entweder aus nicht zn magerer Erde her-
gestellt, oder aus Lehm, oder auch wohl aus Kalk und Sand, und unterscheidet
man dem entsprechend Erd -, L eh m - und KaI k - Pis e.
Die betreffende Erde wird zwischen Holzwänden in .etwa 15 cm hohen
Lagen verbandartig eingestampft und liefert dann -Wände der primitivsten Art,
die hauptsächlich landwirthschaftlichen Zwecken dienen, und dem entsprechend
Gegenstand der landwirthschaftlichen Baukunde geworden sind. Zum Lehm-
pise verwendet man wohl 4- Theile Lehm, 1 Theil Sand und 1 Theil Kies
oder 2 Theile Lehm und 1 Theil Sand, 2 T heile Gartenerde ; Kalkpise stellt
man her nach Art eines sehr mageren Luftmärtels , indem man 1 Theil Kalk
mit 10Theilen Sand vermengt,
Das Spezielle dieser Bauart ist in Fr. EngeFs "Der Kalk- und Sandpise-
bau" näher und eingehender beschrieben, und wird hier auf dies sehr fleissig
bearbeitete Schriftehen hingewiesen.
Seitdem die Fabrikation der Cemente eine allgemeine geworden ist, hat
man sich in neuester Zeit wieder mehr und mehr' dem Gussmauerwerkezuge-
wendet, und stellt dasselbe aus Grobmärtel, Beton oder Konkret her, wie dies
auf Seite 17 besprochen ist.
Mit dieser Bauart, die sich mehr und mehr einbürgert und vielfach die
überraschendsten Resultate nachweisen kann, ist auch der C end r i n oder
Aschenstampfbau verwandt.
Bei der praktischen Ausführung von Stampf-und Gussmauern werden
noch gegenwärtig hölzerne Bretterformen , wie sie Gilly beschrieben hat, mit
gar keinen oder nur geringen Modifikationen verwendet; sicherer ist es, wenn
auch etwas kostspieliger, den betreffenden Grundriss eines Mauerkomplexes
durch Bretter und Riegel kastenartig zu umbauen; man erhält dann eine kon-
stante Form,. in welcher dem Gusswerke
vollkommen Zeit gelassen werden kann, um
eine entsprechende Härte vor dem Aus-
schaalen anzunehmen. Die nebenstehende
Fig. 89 stellt ein Mauerwerk mit Fenster-
anschlägen dar; dasselbe ist mit Brettern und
Riegeln kastenartig umbaut, und lässt sich
somit olme Schwierigkeit mit der vorbe-
reiteten Betonmasse füllen, wobei entweder
" G u s s oder P a c k u n g" angewendet
wird (siehe S. 18).
. In England , wo vielstöckige Häuser
aus' Konkretmasse hergestellt werden, ver-
wendet man Formkästen , die mit ihrem
ganzen Zubehör aus Eisen konstruirt sind.
Die eisernen Formplatten befinden sich an
vertikal aufgestellten Eisenstangen ; sie
können an denselben auf - und nieder-
geschoben werden und sind mit Schrauben
Fig. 89.
feststellbar. Für die am Gebäude vor-
kommenden Ecken sind eigene 'Winkel-
platten vorhanden, für die Fen::tc' und 'I'hüren gleichfalls,' und lassen sich
letztere mit den Formplatten der :e.1uptmau8rn fest und genau verbinden.
Arbeiten des Rohbaues (Mauern). 69

Die vertikal stehenden Ei.senständer lassen sich bei mehrstöckigen Gebäuden


etagenweise erhöhen; ausserdcm besitzen sie konsolartige Ansätze, die zur
Anbringung eines soliden Gerüstes benützt werden, sodass jedes anderweitige
Gerüst in Wegfall kommt.
Die Benutzung solcher eiserner Gerüste mit verschiebbaren Platten gestattet
ein durchaus präzises und schnelles Bauen; sind die Formplatten auf ihrer
innern Seite glasirt - was sehr zu empfehlen ·ist - , so liefern sie eine durchaus
glatte Wandfläche, die eines weitern Verputzens nicht bedarf.
Nachdem ein so grosser Fortschritt bei Herstellung des Gussmauerwerks
feststeht, möchte die bisherige Verwendung von Holzformkästen wohl mehr
und mehr in den Hintergrund treten, um so mehr, als dieselbe viele Unzulänglich-
keiten im Gefolge hat. So ist es nicht zu vermeiden, dass die Bretter, die Pfosten und
Spannhölzer bei dem nassen Material sich stets werfen und dann so ausserordentlich
leiden, dass sie meistentheils nur einmal mit Vortheil verwendet werden können.
Die Herstellung. selbst der höchsten Privatbauten mittelst eiserner Form-
gerüste hat sich in England vollkommen bewährt.
Da, wo Gyps in grossen Massen vorhanden ist - wie am Harz -.-, hat
man zur Herstellung von Mauerwerk auch 'den Gypsbeton oder Annalith ver-
wendet. (Näheres hierüber Gottgetreu, Baumaterialien, Band 11.)
Die staunenswertheste Leistungsfähigkeit des Grobmörtelmauerwerkes hat sich
beim Bau eines Wohnhauses in Holzminden ergeben, dessen Länge 16,30 m, dessen
Tiefe 15,80 m und dessen Höhe von der Oberkante der Kellersohle bis zur
Plattform 15 m. beträgt.
Ein durchaus zuverlässiger Bericht über diesen merkwürdigen Bau theilt
Folgendes mit:
"Alle Konstruktionen dieses umfangreichen Gebäudes sind aus Grobmörtel
hergestellt, und zwar die Aussenmauern 30 cm, die Hauptscheidemauern .25 cm,
die übrigen Scheidemauern 20 cm stark. Im Kellergeschoss haben sämmtliche
Mauern 10 cm Verstärkung erhalten. Das Hauptdach des gruppirten Gebäudes
hat Gewölbeform und ist dessen Gewölbeträger am Fusse 30 cm, in mitten
20 bis 25 cm und im Scheitel 10 bis 12 cm stark. Die Dachrinnen,massiv
aus Grobmörtel , sind durch Erhöhung von Mansardewänden gebildet. Die
Dächer über die vorspringenden Mittelbauten sind im Innern spitzbogig ge-
staltet und nur am Fusse bis auf 30 cm Höhe mit horizontalen, dann mit
ra-dialen Fugen hergestellt; inmitten sind sie 12 cm stark.
Zu den Mauern und Dächern sind ausser Cement im Verhältniss von
1 : 7 bezw. 1 : 6 und 1 : 4 Sand und Kies und aussetdem Konglomeratsteine
als Packung verwendet. Die innern Decken und Treppen bestehen aus Cement,
Steinkohlenschlacke und Sand; ihre Stärke beträgt am 'Widerlager 15 bis 18 cm,
im Scheitel 10 bis 12 cm, Auf 1 Theil Cernent sind 4 Theile Schlacke und
2 'I'heile Sand genommen worden. Zu den Decken hat man die verschiedensten
Formen benutzt, z. B. preussische, böhmische und Kreuzkappen. Bei den grossen
Räumen von über 3 m Tiefe dienen Eisenträger zur Verminderung der Spann-
weiten, und sind dieselben an den Ecken verankert. Die böhmischen Kappen
über den im Centrum gelegenen Vorplätzen sind jedoch bei 4,30 uncl5,20 m
Weite in drei Geschossen übereinander ohne Eisenträger ausgeführt, da sie in
elen anliegenden Mauern und Gewölben ihr Widerlager finden. Die Aussen-
mauern sind verankert, ebenso auch einzelne Innenmauern. Zur Ausführung
derselben ist, soweit sie über dem Boden .liegen ,ein stellbarer Holzapparat
benutzt; die Fundament- und Kellermauern sind dagegen ir. Erdgl'äben und die
Keller erst später nach der Erhärtung der Mauem durch Ausschachten her-
70 1. Maurer- und Steinmetza,rbeiten.

gestellt. Zur Anlage der Fenster- und 'I'hürbffnungen im Aeussern des Ge-
bäudes dienten Brottformen, die später entfernt worden sind.
Zur Vermeidung von Rissen u. dergl. liegen im Innern dieser Oeffnungen,
als Sturze, Hölzer von 15 cm im Quadrat, welche gleichzeitig zur Befestigung
der Gardinenstangen benutzt werden können. Die innern Thiiren haben Zargen.
Für die Gesimse an den Fronten wurden bei der Herstellung der Mauern kurze
Hölzer eingelegt, welche, später entfernt, Hohlräume von angemessener Höhe und Tiefe
bildeten, die mit Ziegelsteinen, nach der Gesimsform ausladend, ausgemauert wurden.
Die massiven Dächer sind ähnlich wie die Decken auf Brettschalung in
Bogenform hergestellt, bezw. gestampft. •
Die Treppen erhielten Tritte von 5 cm starken Schieferbelägen.
Nach Angaben der äusserst geringen Baukosten fährt der Bericht fort:
Die Decken wurden kurze Zeit nach ihrer Herstellung, bevor die Auffüllung
eingebracht war, auf Anordnung der Baupolizei pro Quadratmeter mit 300 kg
probeweise belastet. Die aufgebrachte d 0 P pe I t h o heB el ast u n g zeigte
aber keinerlei Wirkung in den Gewölben. Eine ähnlich gewölbte Decke aus
Grobmörtel von 3,70 m Breite und 4,15 m Länge, welche in ihrer Längen-
richtung durch einen nach auswärts gerichteten Eisenbogen als mittleres Wider-
lager in zwei gleiche Theile getheilt ist, wurde 16 Tage lang in der Mitte
auf 2,91 qm Fläche mit 4500 kg belastet (also mit 1550 kg pro Quadratmeter)
und zeigte sich weder eine nachtheilige Einwirkung an den nur 3 0 c m
s t a I' k e n Um f' a s s u n g s mau e r n , noch an den Gewölben selbst ''').
R a TI ehr h r e n,
ö

Im Hochbaue kommt es nun vielfach vor, dass in den Mauern Leitungs-


röhren für Rauch, für warme .oder kalte Luft, endlich für den Abzug von
Dämpfen angelegt werden müssen; solchen Röhren werden je nach ihrem Zweck
verschiedene Querschnittformen und Grässen gegeben.
Dienen sie zur Ableitung des Rauches und sind sie 'der wesentliche Be-
standtheil irgend einer im Gebäude sich befindenden Feuerung, so nennt man
sie am zweckmässigsten S eh 0 rn s te i n r h r e n; treten sie jedoch, wie das
ö

hauptsächlich in den nicht zu VV ohnungen benutzten Dachräumen der Fall ist,


aus der Mauer selbstständig heraus und werden sie über die Dachfläche ins
Freie geführt, so bezeichnet man elie freistehende Schornsteinröhre schlechtweg
mit dem Namen: S c h 0 r n s t ein. .
Rauchableitungsröhren , wie sie meistens in unsern VVolmgebiiuden Ver-
wendung finden, sind durch bau pol i z eil ich e Vor s c h r i ft e n in ihren
Dimensionen festgestellt und werden entweder als s te i g bar e, w ei t e, oder
als ru s s i s ehe, e 11 geRauchröhren unterschieden.
Die erstem bewegen sich in Dimensionen von 45 bis 50 cm lichte vVeite
mit streng quadratischem Querschnitt; ~lie diesen Raum umschliessenden Wan-
dungen, vV an gen genannt, müssen beim Ziegelmauerwerk mindestens 1/2 Stein
Stärke erhalten, bei anhaltendem und sehr intensivem Feuer muss die Stärke
zweckentsprechend 1 Stein, ja, unter Umständen noch stärker gewählt werden;
wünschenswerth ist es, solche Röhren möglichst vertikal aufzuführen, da hier-
durch, abgesehen von dem bessern Rauchabzug, der Verband des Mauerwerks
am wenigsten alterirt wird; dies ist aber nicht immer möglich, vielmehr müssen
die Rauchableitungsröhren oftmals g e zog e n werden; hierbei tritt dann. der
grosse U ebelstand ein, dass die Steine stark verhauen werden müssen, und
*) Diese Angaben sind der Deutschen Bauzeitung 1877, S. 458, entnommen; als
der betreffende Berichterstatter ist der Architekt B.. Liebold in Holzrainden genannt.
Arbeiten des Rohbaues (Rauchröhren). 71

dass der Verband oft ein sehr gezwungener wird. Treten solche steigbare
Schornsteinröhren mit andern innern Scheide - oder Tragmauern von verschie-
dener Stärke in unmittelbare Verbindung, so möchten über die Anordnung des
Verbandes die Figg. 90 und 91 den näheren Aufschluss geben. Tritt die Schorn-

Fig, 91.

steinröhre selbstständig auf, so zeigt Fig. 92 (S. 72) den üblichen Verband,
welcher unter dem Namen Schornsteinverband bei der Besprechung der Backstein-
verbände Erwähnung fand.
Fig. 93 (8.72) zeigt zwei unmittelbar nebeneinander liegende steigbare Röhren
in ihrem Verbande und ist hier zu bemerken, dass die, die beiden Röhren scheidende
Wandung Zu n g e genannt wird und mindestens die Stärke von 1/2 Stein
haben muss; ein sogenannter aufgestellter Stein ist hier durchaus unzulässig.
Werden, wie dies vielfach in N orddeutschlanc1 der Fall war, den Küchen
steigbare Schornsteinröhren gegeben, so legt man in mehrstöckigen Gebäuden
die Rauchabzüge stets an derselben Stelle an, und kann dies nur bewirkt wer-
den durch "Schleifen der Raucliröhren " ; die Figg.94 (S. 72) geben hierüber Auf-
schluss, indem A, B, Cf sich auf die Anlage der Rauchabzüge zu ebener Erde,
des ersten, zweiten und dritten Stockwerkes beziehen. Um eine solche Anlage
vollständig klar zu machen, ist dieselbe auf Tafel VII Fig. 1 in den nothwendigen
Durchschnitten dargestellt, und man ersieht .daselbst, wie die einzelnen Röhren
gezogen werden müssen, um die vorliegende Aufgabe genügend zu lösen. Jede
steigbare Rauchröhre muss eine gut schliessbare Einsteigethür besitzen; die
Raucheinleitung wird meistens vermittelt durch ein Eisenblechrohr , dem man
wohl eine I~egulin1llgsldappe gicbt, die eventuell auch vollkommen schliessbar
1. Maurer- und Steinmetzzrbeiten.

ist; weitaus besser ist es, bei der betreffenden Feuerung die Feuerungsthür
hermetisch schlussfest einzurichten.

Fig. 92.

Fig. 93. Fig. 94.

Die Reinigung aller steigbaren Röhren erfolgt durch den Schornsteinfeger,


wecher in ihnen aufsteigend den sich bildenden Glanz- und Staubruss entfernt;
Glanzruss muss, da er feste Krusten bildet, mit einem Scharreisen beseitigt
werden; in die Rauchröhren tretende Dämpfe, besonders solche, die aus Küchen
herstammen, begünstigen die Glanzrussbildung ; in erhöhtem Grade ist dies der Fall
durch zu starke Abkühlung der Verbrennungsgase, die sich tropfbar flüssig an die
Wandung niederschlagen und unvollkommen verbrannten Staubruss in sich aufnehmen.
Steigbare Schornsteinröhren in Wohngebäuden gehören gegenwärtig zu den
äussersten Seltenheiten, sie sind nach und nach - und auch mit Recht ' -
verdrängt worden durch die sogenanntep ru s si s c h e n , engen Rauchröhren.
Solchen Rauchableitungen giebt man I' und e n , qua d r a t i s c h e n oder auch
o b I 0 n gen Querschnitt; im erstem Fall genügt ein Durchmesser von 15 cm
als Minimum, einer von 30 cm als Maximum, was einem Querschnitte von
177 bis 700 Dcm entspricht; in der Regel möchte für unsere (selbst bei hohen
Wohngebäuden) vorkommenden Verhältnisse eine lichte vVeite von 18 bis 19 cm
genügen, nur in Ausnahmsfällen wäre das Mass von 25 cm anzuwenden.
Runde Röhren sind im Prinzip für die bessere Ableitung des Rauches
empfehlenswerther als Röhren mit quadratischem Querschnitt; letztere sind
jedoch solider im Mauerwerk auszuführen, da die Herstellung der runden Röhren
mit Hülfe eines aus Holz hergestellten Cylinders vielfach das Verhauen der
Ziegel nöth!g macht und unverhältnissmässig viel MÖl'tel in Anspruch nimmt.
Arbeiten des Rohbaues (RauChl'ö\l'Em). 73

Oblonge Querschnittformen ergeben sich bei Amvendung des neuen deutschen


Ziegelmasses, wenn die Rauchleitungsröhren in einer Mauer von 1 1/'2 Stein so
liegen sollen, dass nach keiner Seite ein Vorsprung
sichtbar wird; solche Röhren erhalten dann einen Quer-
schnitt von 12 auf 25 cm, wie dies die nebenstehende
Fig. 95 angiebt, sind aber eben ihrer langgestreckten
Form wegen für einen regulären Rauchabzug am Fig. 95.
ungünstigsten.
Die russischen Röhren erhalten 1/2 Stein starke Wangen resp. Zungen.
Befinden sich die russischen Röhren in verschieden starken Mauern, so müssen sie
so gut wie möglich in den Verband derselben eingepasst werden; die hier folgenden
Figg. 96 und 97 geben hiervon bei 1 und 1 3/ 4 Stein starken Mauern Aufschluss.

Fig. 96. Fig.97.

V ortheilhaft wird es stets sein, für die russischen Röhren solche Stellen im
Mauerwerk zu wählen, die durch Versetzen der Mauern die entsprechenden Stärken
erhalten können, ohne dass vorspringende Mauerkörper nötbig werden. (.Fig. 98.)

Treten die russischen Röhren frei aus der Mauer hervor, so giebt man
denselben den schon vorher erwähnten Schornsteinverband ; das neue deutsche
Ziegelmass macht besonders die nachfolgenden Querschnittformen mit 18 bis
19 cm im Quadrat empfehlenswerth. Die .Figg. 99, 100, 101, 102 (S. 74)
geben die betreffenden Verbände.
Auch das lichte Mass von 25 cm im Quadrat lässt sich vortheilhaft für
russische Röhren mit dem neuen Steinformat zur Ausführung bringen und dienen
.die Figg. 103, 104 und 105 (8. 74) dazu, dies nachzuweisen..
Oblonge russische Röhren verbandrecht auszuführen. zeigt die Fig. 95,
74 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.

Um russische Schornsteinrbhren solid in runder Form auszuführen , hat


man vielfach vorgeschlagen, extra geformte Steine dazu zu verwenden, und ist
dies auch sehr empfehlenswerth. Ganz illusorisch wird aber der Form-
stein, sobald es sich darum handelt, die einzelnen Röhren nach verschiedenen
Richtungen hin zu schleifen, ·und nur bei durchaus senkrecht aufsteigenden
Rauchröhren leisten sie angemessene Dienste. Die einfachsten Formsteine zur
Herstellung russischer Röhren geben die Figg. 106 und 107.

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Fig. lJ9. Fig. 100.

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Fig. 102.

Fig. 103. Fig. 104.

Fig. 105.

Fig. 106. Fig. 107.

VY:e bei den steigbaren Schornsteinröhren legt man auch gern die russi-
schen Röhren gruppenweise zusammen; -in den meisten Fällen erfordert- es die
Arbeiten des Rohbaues (Bögen). 75

Anlage der Oefen, dass auch diese Röhren bald nach dieser, bald nach jener
Seite hin gezogen oder geschleift werden müssen. Ein Beispiel solcher Anlage
giebt die Tafel VII in den Figuren 2 und 3.
In den russischen Rauchröhren bildet sich in den meisten Fällen nur
Staubruss, der mit einer eigens konstruirten Bürstenvorrichtung beseitigt wird;
die Bildung von Glanzruss ist jedoch unter gewissen Umstünden nicht aus-
geschlossen, und dann müssen die Röhren mit Vorsicht und unter Aufsicht der
Schornsteinfeger ausgebrannt werden. Die russischen Röhren erhalten an ihrem
tiefsten Punkte und nahezu an ihrer Ausmündung Putzthürchen, welche soviel
wie möglich luftdicht schliessen müssen.
Da sich in russischen Schornsteinröhren, welche Küchenherden angehören,
häufig Glanzruss bildet, so ist es angezeigt, hier Dampfableitungsröhren anzuordnen.
Das Spezielle über Schornsteinröhren findet weitere Erläuterung bei dem
Kapitel Heizung und Ventilation.

Bö g e n,
Werdon in den massiven Mauern Oeffnungen nothwendig - was sehr
vielfach der Fall ist - , so muss deren obere Begrenzung, welche S tu I' z oder
B og e n genannt wird, eine eigene Konstruktion erhalten;' haben solche
Bögen clie Funktion, mehrere sonst durch Mauern getrennte Räume mit
einander in unmittelbare Verbindung zu bringen, so nennt man sie
- allerdings nur im weitem Sinne - W an d b ö gen; sie sind, bei sehr
bedeutenden Spannweiten, oft sehr stark belastet und müssen daher besonders
sorgfältig ausgeführt werden; andere Bögen dienen dazu, den Fenstern und
Thüren, welche in massiven Wänden angelegt sind, ihre obere Begrenzung zu
geben, und vncnnt man diese Bögen wohl Fenster- und Thürstürze. Sieht man
sich veranlasst, Bögen in Mauern anzuordnen, die einzig und allein tragende
resp. entlastende Funktion haben, so nennt man solche Bögen E n t 1a s t u n g s-
b ö gen. Durchbrechen Bögen nicht die ganze Tiefe der Mauer, so entstehen
die Ni s ehe n - oder BI end b ö gen, die hauptsächlich den dekorativen
Zwecken dienen; andererseits ordnet man sie auch wohl, z. B. in Kellern, an, um
Material zu ersparen und Raum zu gewinnen. Auch zur Vertheilung des
Drucks, welchen das Mauerwerk auf seinen Untergrund äussert , ordnet man
häufig Bögen an,'· welche als umgekehrte GI' un d - oder Erd bö gen bei
Fundationen in gros sem Masse Verwendung finden.
Kleine Ooffnungcn in Mauern von Stein können wohl mit einem einzigen
Steinstück überdeckt werden, bei grösseren Bögen muss man aber, besonders
wenn sie belastet sind, zu einer regelrechten Bogenkonstruktion schreiten, wobei
prinzipiell k eil f ö I' m i geSteine so aneinander gereiht werden , dass sie sich
gegenseitig vollkommen im Gleichgewichte erhalten. Eine solche B 0 ge n-
k 0 n s tr u k t i o n , die sehr verschieden in ihrer Form sowohl, als in ihren
Abmessungen sein kann, nennt man W öl b u n g. Eine solche Wölbung in
Halbkreisform ist in Fig. 108 (S. 76) dargestellt.
Die Fläche, mit der eine Bogenwölbung in gleicher Ebene mit der Front
der Mauer liegt, und die von der Bogenlinie a cf e cl b begrenzt ist, heisst die
Stil' n oder das Hau P t des Bogens; die innere Fläche, von welcher in der
Figur das Stück b cl he g sichtbar ist , nennt man die in n e I' e Lei b u n g ,
die äussere Fläche, von der das Stück c kif sichtbar ist, die ä 11 S se I' e
Lei b u 11 g. Die Entfernung von b nach e ist die S pa 11 n w e i t e oder die
S p r e n g U Tl g des Bogens) die Entfernung von l nach cl die P fe i 1- oder
76 1. Maurer" und Steinl1letzZLrbeiten.

S ti c h h h e ., mit dem S c h ei tel des Barrens


ö
c d. . Der ganze Bogen, aus
K e i 1- oder Bog e n s t ein e n bestehend, hat in mund'm seine A 11 f n ger ä

oder K ä m p fe I' s t ein e, auch wohl Gewälbefüsse genannt, während der


Stein n den S c h I u s s s t ein der 'Wölbung bildet. Die zwischen den Bogen-
steinen liegenden Fugen werden als Central- oder 'Völbfugen bezeichnet.

Fig. 108.

Der Mauertheil, welcher den ganzen Druck des Bogens in sich aufnimmt, heisst
das 'V i der 1a ger, und eine Linie von C~ nach f gezogen die K ä m p fe I' 1i nie.
Der verschiedenen Bogenform nach unterscheidet man im allgemeinen:
s c h e i t l' e c h t e B gen oder g e r a d e S tür z e, S e gm e n t - oder F I ach -
ö

bö gen, zu welchen der Kr e u z bog engehört, Run d bö g e n , S p i tz -


b ö gen; g e d I' Ü c k t e und übe I' h ö h t e B ö gen, die dann wohl als
e l l i p t i s c h e oder als Kor b b ö gen unterschieden werden; liegen die Wider-
lager eines Bogens auf ungleicher Höhe, so erhält man die. s te i gen den
oder ein h ü f t i gen B ö gen. 'Wird die Bogenform eine zusammengesetzte,
wie dies bei vielen Bögen der maurischen und gothischen Architektur der Fall
ist, so erhält man Huf eis e n b ö gen, Es e l s r c k e n , Tu d 0 I' bö gen etc.,
ü

die vorherrschend bestimmten Bauperioden angehörten und häufig mehr dekora-


tiven als konstruktiven Charakter tragen.
Zur praktischen Ausführung der Bögen verwendet man das gleiche Stein-
material , aus denen die Mauern bestehen; bei der Verwendung von Ziegel-
oder Backsteinmauerwerk werden zum 'Wölben der Bögen Keilsteine immer
sehr erwünscht sein; je grösser aber die Anzahl der vVölbfugen ist, desto grösser
wird das Mass sein, nach welchem der Bogen sich "s e tz t"; bei Bögen aus
Hausteinen oder Werkstücken kann das "S ich set z e n " auf ein verschwin-
dendes Minimum gebracht werden. Ein sehr ungünstiges Material, um Bögen
zu konstruiren, bilden die Bruchsteine, selbst wenn sie gute Lager haben ; bei
denselben ist stets ein schnell bindender und gut erhärtender Mörtel in' An-
wendung zu bringen, da die -nöthige Keilform im Bogen in der Regel nur
durch eine keilförmige Fuge, die sich gegen die äussere Leibung oft sehr stark
erweitert, erreicht werden kann; bei Bägen mit verhältnissmässig kleinen Radien
ist man entweder genöthigt , die einzelnen Wölbsteine keilförmig zuzuhauen,
oder es müssen die stark nach Aussen klaffenden Fugen mit Zwickelsteinen
ausgekeilt werden; ein Si c h set zen von solchen Bögen wird bei der grossen
Arbeiten des Rohbaues (Bögen). 77

Masse von Mörtel wohl nie zu vermeiden sein, und daraus geht hervor, dass
prinzipiell' mit Bruchsteinen sc he j t r echt e Bö gen auszuführen nicht räth-
lieh erscheint; überhaupt lassen sich b e s tim m t e Regeln, Bögen aus Bruch-
steinen zu konstruiren, nicht geben, und bleibt deshalb das Bruchsteinmaterial
hier ausser weiterer Beachtung.
Um s c h e i t r e c h t e B ö gen mit Backsteinen herzustellen, wird man
deren Spannweite, wenn nicht zu künstlichen Mitteln gegriffen werden soll,
sehr beschränken müssen; um kein zu starkes Verhauen der
Steine zu bedürfen , stellt man von vorn herein das 'Wider- \.-5l
lager sehr steil, unc1 zwar so, dass dem ersten Wölbsteine \
in seiner Läuferseite eine solche Stellung gegeben wird, dass
die Kanten Cl und b in Fig. 109 sich" i m Lot h" befinden;
\
~:L
i\
0
hierbei wird das "Widerlager um eine Wölbschicht in die
Mauer hinein gerückt. In der Fig. 110 ist gezeigt, wie
nach gegebener Neigung des 'Widerlagers der Centralpunkt
für alle andern Gewölbefugen gefunden werden kann. Die
Stärke der vYölbung wird wohl nach der empirischen Regel Fig. 109.
gefunden, nach der für Cl ([' ein gleichseitiges Dreieck
gehildet wird, dessen Spitze der Centralpunkt eines
Segmentbogens ist; der Scheitelpunkt dieses Segment-
bogens bestimmt dann die Stärke der scheitrechten
Bogenkonstruktion, während nach c seine Ccntralfugen
gerichtet sind.
S ehe i t l' e c h t e B ö gen sind, streng genommen,
flache Segmentbögen mit horizontal abgeglichener unterer
und oberer Leibung; da es aber nur darauf ankommen
kann, dass die untere Leibung eine gerade horizontale
Linie bildet, 'so erscheint, es zwecklos, auch die obere
Leibung nach dieser Linie zu "y er hau e n ", und
man belässt sie besser, in der Form des sich von selbst
ergebenden Segmentbogens, wie dies Fig. 111 zeigt.
Den Centralfugenpunkt für einen scheitrechten Bogen Fig. 110.

so zu legen, wie dies in Fig. 112 geschehen, ist un-


thunlich , denn in solchem Falle müssen die Wölbsteine auf einer Seite in
scharfem spitzen Winkel zugehauen werden, was kein Backstein ertragen kann,
ohne dass seine Festigkeit durch und durch erschüttert ist. Häufig sieht man
scheitrechte Bögen nach Fig. 113 konstruirt; hierbei sind die Widerlager sehr


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Fig. 112. Fig. 113.
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Fig. 111.
78 1. 1L',111'er- und Steillllletzarbeitell.

stark gegen den Horizont geneigt. Die einzelnen Fugen laufen nicht in einen
gemeinsamen Centralpunkt , sondern halten dieselbe Neigung des 'Widerlagers;
den Schluss bilden keilförmig zugearbeitete Schichten.
Eine solche Konstruktion beruht auf der Bindekraft eines guten Mörtels;
ein normalmässigesS ich set zen ~ wodurch ein jeder Bogen erst seine wahre

\ ,,
\ \) I 7/ /
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Fig. 115. Fig. 114.

Tragfähigkeit erhält, kann hierbei


nicht stattfinden; damit auch bei
den scheitrechten Bögen ein nor-
males Sichsetzen möglich wird,
giebt man diesen Bögen stets
einen' "S ti c h", den man wohl
durch V er wendurig eines abge-
schrägten Brettstückes nach
Fig. 114 erhält; besser ist ein
Bogenstich ; da es schwierig, ja
fast unmöglich ist, diesen Stich
Fig. 116.
in seiner Höhe so zn bemessen,
dass naeh : dem Sichsetzen die
reine horizontale Linie sich er-

-\\ ';J17TF
~,
\\
4
/.{f'
1/ ~----
giebt, so wird. dieser Stich in
der Regel so hoch gewählt, dass
die bleibende flache Segmentlinie
erst durch den Verputz ausge-
- - - - I \\ glichen wird. Der eben erörterte
\\\ \ I /
// Umstand macht es räthlich, den
\ \\ /" / scheitrechten Bogen beim Ziegel-
\ \ , I
\
\
\
\..
,/
;,
f rohbau ganz auszuschliessen,
\ \ / / Verwendet man zur Her-
!-----
\ \ / / stellung scheitrechter Bögen Werk-
\ \
\ \ // /
I steine, so können die Fugen nach
Figg. 115 und 116 angeordnet
\ v /
werden.

\\ ,/ . I
Hakensteine , Sattel- oder
Tragbänke anzuwenden, wie dies
in Fig. 117 geschehen ist, möchte
als durchaus nicht nachahmens-
\
.
'.,/ werth bezeichnet werden .
l'ig. 117. Bei S e g m e TI t b ö gen eine
Arbeiten des Rohbaues (Bögen). 79

richtige Fugenanordnung zu treffen, ist höchst einfach, indem hierzu der Central-
punkt des betreffenden Kreissegmentes gewählt wird; je nachdem der Halb-
messer dieses Kreises gross oder klein ist, erhält man Segmentbögen, die einer-
seits dem scheitrechten Bogen, andererseits dem halbkreisförmigen Bogen sich
nähern. Einen Segmentbogen, dessen Radius gleich der Spannweite der Bogen-
öffnung ist, nennt man wohl einen Kr e u z bog e n, und stellt Fig. 118 einen
solchen dar.

Fig. 118.

Ueber die Anordnunz o der Fuo"en


0
bei halbkreisförmigen Bögen kann im
allgemeinen kein Zweifel bestehen, Fig. 119.

weder bei Anwendung von Backsteinen,


noch bei Anwenclung von vVerk-
stücken; alle Wölbfugen laufen in
dem Mittelpunkte des Halbkreises zu-
sammen.
Bei Anwendung von Quader-
mauerwerk wird es aber oft wün-
schenswerth, die einzelnen Bogensteine
in die Hintermauerung so eingreifen
zu lassen, dass womöglich nur recht-
winklige Quadern verwendet werden;
hierbei tritt dann der U ebelstand ein,
-r- I

__.L.
dass, wenn man - wie dies die Fig.119
zeigt - die horizontalen Quader-
schichten gleich hoch macht, die ein- Fig". 120.

zelnen Bogensteine .ungleich grass


werden; giebt man aber den Bogen-
steinen (Fig. 120) gleiche Grösse,
so müssen die horizontalen Quadern
ungleiche Theilung erhalten.
Um diesen Konflikt zu lösen,
theilt man die Bogensteine an der
innern Leibung in gleiche Theile
und verlängert die Centtalfugen so
weit, bis sie die Lagerfugen der gleich
hohen Mauerquadern schneiden, hier-
durch entsteht ein Bogen (Fig. 121)
mit ungleich grossen Centralfugen
und zwar mit wachsender Tendenz
aezen den Schlussstein. Fig. 121.
80 1. Maurer- und Steiumetzarbeiten.

Die Fig. 122 stellt eine Fugenanordnung dar, wie solche nur zu häufig
gewählt wird; abgesehen von sehr grossem Materialverbrauch , möchte eine
Bogenkonstruktion , die mit Haken-
steinen ausgeführt ist und sich nicht
setzen kann, als konstruktionswidrig
zu bezeichnen sein.
Um Bögen aus Haustein richtig
ausfü hren zu können, müssen für die
einzelnen Gewölbesteine sämmtliche
B I' e t tun gen in natürlicher Grösse
angefert.igt werden; diese Brettungen
(Schablonen) werden am häufigsten aus
starker Pappe, oder auch aus dünnen
Brettchen oder aus Blech hergestellt;
Fig. 122. hat man es mit einem einfachen Halb-
kreisbogen zu thun , der aus lauter
gleich grossen Wölbsteinen besteht, so hat die Bestimmung eines dieser Steine
in allen seinen begrenzenden Flächen keine Schwierigkeit, und haben wir es
hier mit einem der einfachsten Fälle aus der Lehre des Steinschnittes zu thun;
der Steinschnitt ist als eine praktische Anwendung der descriptiven Geometrie
zu betrachten.
. Wie das Verhältniss zwischen Spannweite und Pfeilhöhe bei Segmentbögen
ein äusserst verschiedenes sein kann, so ist dies auch der Fall bei den Spitz-
bögen; je nachdem für diese Bögen die Mittelpunkte auf der Kämpferlinie vom
Mittelpunkte weg in Fig. 123 nach 22, 3 3, 4 4, 5 5, 6 6, 7 7 vorrücken,
ergeben sich eine Reihe von Bögen mit stets zunehmender Pfeilhöhe , die sich
bis zum lanzettförmigen Bogen steigern lässt; für die mittelalterlichen Kon-
struktionen war der Bogen, bei welchem die Spannweite gleich dessen Halb-
messer ist, der beliebteste, und stellt Fig. 124 solchen Bogen dar. Die

-:=1

~~

_·=--=-=-=,1_1
7 6 5~-2-~-:l~-4.--1--'-1I--
G '7

Fig. 123. Fig. 124.

Centralfugen in solchem Bogen gehen selbstverständlich in den Mittelpunkt:


1
HlL G8m
Q
18 Be
die . 1met sm
ogen g ezerc . d ; cei'Verwendung von Ziegelmateüal müsste
1
Arbeiten des Itohuaues (Bögen). 81

bei gleichem Centralpunkt , wie das die beigegebene Fig. 123 darstellt, der
Schluss des Bogens mit Hülfe von keilförmigen Steinen hergestellt werden;
da es jedoch stets misslich bleibt, ge-
brannte Steine mit scharfem spitzen
i
Winkel zuzuhauen, so verwendet man

~~.~
lieber für den Schluss von Spitzbögen
die Methoden, welche in Fig. 125 an-
gegeben sind; hiernach erhalten die den
Bogen senliessenden Steine nicht gleiche,
sondern von einander abweichende
Centralfugen. Auch ein eigens geformter
Stein könnte den sonst aus Ziegeln ge-
wölbten Bogen schliessen ; die einzelnen
Centralfugen bei Anwendung von Werk-
stücken richtig zu bestimmen, bat, wie
Fig. 124 angiebt, gar keine Schwierig-
keiten.
G e d r ü c k t e B ö gen sind solche,
Fig'. 125.
bei welchen die Pfeilhöhe geringer ist
als ihre halbe Spannweite; bei übe r -
h ö h te n Bö gen aber ist die Pfeilhöhe grösser als die halbe Spannweite.
In beiden Fällen haben wir es mit elliptischen Bögen zu thun , bei welchen
im ersteren Falle die grosse Axe, im letztern die kleine Axe die Spannweite
repräsentirt,
Diese elliptischen Bögen werden nun entweder durch Ermittelung der
Brennpunkte, oder durch Vergatterung, oder mit Hülfe einer Reihe stetig in
einander übergehender Kreisbögen von verschiedenen Halbmessern und aus
verschiedenen Mittelpunkten dargestellt, und nennt man im letztem Falle
die Bögen: Kor b b ö gen.

Gedrückte Bögen.
Die gedrückten oder elliptischen Bögen entstehen dann, wenn die zur
Verfügung stehende Stichhöhe kleiner als die halbe Spannweite wird. Die
Kurve, welche in diesem Falle die Bogenlinie bildet, ist im allgemeinen eine
Ellipse, deren Axen durch die Spann weite (grosse Axe) und die Pfeilhöhe
(halbe kleine Axe) des Bogens ge-
geben sind. Das Verhältniss der kleinen
zur grossen Axe heisst dann das Ver-
d r c k u n g s ver h ä I t n iss und dürfte
ü

ein Viertel die kleinste zulässige Ver-


drückung sein.
Um die elliptische Linie zu zeich-
nen, können die verschiedenen Eigen-
schaften der Ellipse benützt werden.
In Fig. '126 ist die Ellipse konstruirt
mit Zuhülfenahme ihres Bildungsgesetzes :
"Die Snmmeder Radienvektoren,
welche von einem punkt der Elliose
, .l Fig. 126.
nach den Brennpunkten gezogen 'werden,
ist. p'lpi~h clPI' P'l'Ossen Axe."
82 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.

Die Brennpunkte finden sich, wenn man aus dem Endpunkte cl der kleinen
Axe mit dem Radius ac gleich der halben grossen Axe diese in den Punkten
rund t
durchschneidet. Zertheilt man nun nacheinander die grosse Axe in
den Punkten e el eil ... , in je 2 Theile CI; e und e b, Cl el und Cl bete. und be-
schreibt mit diesen Stücken aus den Brennpunkten Kreisbögen, so liegen in
deren entsprechenden Schnitten die Punkte 9 gl g" etc. der Ellipse, welche
man dann aus freier Hand zeichnen kann. Man findet ferner in einem be-
liebigen Punkte g" die Richtung der Normalen, indem man den Winkel f g" t'
der Radienvektoren halbirt.
Eine andere sehr einfache Methode, die Ellipse zu zeichnen, ist die soge-
nannte Ver g a t tel' u n g.
: .
Man theilt (Fig. 127) die
._..i ._._ •• • ~

~:: i~f.· i._+:rr/\,J, '


Spannweite Cl b des ellipti-

I••4b. . . i , , -__ .,
schen Bogens in eine be-
. .( .• •f·•.L
/t f 2- J If ,/-'J' 2 f
..•

er
liebige Anzahl gleicher Theile
und macht die zugehörigen
l Ordinaten denen eines Kreises
Fig. 127. gleich, der um die kleine
Axe geschlagen und dessen
halber Durchmesser in derselben Weise wie die halbe Spannweite getheilt ist.
(Um in der Nähe des stärker gekrümmten Theils die Punkte enger zu be-
kommen, schaltet man zwischen dem dieser Stelle zunächst liegenden Theil-
punkt und dem Scheitel b noch einen Theilpunkt (4), z, B. in der Hälfte etc,
ein.) Die Verbindungslinie der Endpunkte der Ordinaten giebt dann ebenfalls
eine Ellipse.
Der Wunsch, die Fugenrichtung in derselben einfachen vVeise wie beim
vollen Kreisbogen angeben zu können, veranlasst oft, dass die genaue Ellipse
aufgegeben und die Bogenlinie aus einzelnen Kreisbögen zusammengesetzt, d. h. als

Korbbogen
konstruirt wird. Es entsteht dann die Aufgabe, eine Reihe stetig in einander
übergehender Kreissegmente so zu konstruiren, dass die resultirende Bogenlinie
in den Kämpferpunkten je eine vertikale und im Scheitel eine horizontale
Tangente hat. Es folgt ·d.araus, dass bei ho I' i z 0 nt ale I' Lag e der
K ä m p fe I' P unk t e die Mittelpunkte für elie an das 'Widerlager anschliessen-
den Segmente auf der horizontalen, der Mittelpunkt für die den Scheitel bildende
Kreislinie aber in der vertikalen durch den Mittelpunkt des gedrückten Bogens
. gehenden Linie liegen müssen, so dass also die Anzahl der den Bogen bildenden
Segmente immer eine ungerade, 3, 5, 7 .. ist.

!f --. -------~---------,--.::.::--.:::!::::et
f~t~::~j;~>~1
tC/---------r----...f-------

: / ... :-(' :
/ Korblinien aus 3 Mittelpunkten.
Es sei in Fig. 128 Cl b die Spann-
~ ,/ .... ~;' \, : weite, 9 e die Pfeilhöhe , also c e d die
··-li i>'"'\X""\ !
----'-----Ji;\~.-.-.--.--:91---.---.---.:,:/
;.
. ------.-.----.'lJ'" Tangente im Scheitel eines Korkbogens,
der aus 3 Mittelpunkten konstruirt wer-
\... i //
\
~\,."·1
, ./.'
" den soll. Zieht man dann im Rechteck
'\c\i /'
~ I /
a 9 e c die Diagonale und die Halhirungs-
\j/-(~
:1
Iinien der Winkel c a e und c e a , und
Fig-, 128. füllt von dereIi3chnitt h eine Senkrechte
Arbeiten des Rohbaues (Bögen). 83

auf Cl e , so giebt der Durchschnitt k dieser Linie mit ag und f mit e g die
Mittelpunkte der Kreisbögen e hund h Ci, welche sich in h berühren.
Es entstehen nämlich dabei zwei gleichschenklige Dreiecke, h e fund h a k
a
denn es ist Lehf= /"hef=90 o - - und
2
ß somit ist
./' li Cl k = ./' k li Cl = 90 0 -> '2;

fe=fh,
kh= ka,
und da die Mittelpunkte der Kreisbögen auf der Geraden hf liegen, die durch
den Punkt h geht, so müssen sich die Kreisstücke e hund hain h noth-
wendig berühren.
Aus dieser Konstruktion lässt sich ein andrer Korbbogen herleiten, wenn
man für das Verhältniss der Dreiecksseiten k g : g f, von welchem die Grässe
der Radien fe und Je h abhängig ist, ein einfaches Verhältniss , z. B. 3 : 4,
setzt und dann die Längen Je g und f g durch die halbe Spannweite (a g = s)
und die Pfeilhöhe ge =-: p ausdrückt. Man erhält dann
3
kg = 2 (s -p)

4
fg= 2 (s-p) =2(s-P)'

Diese Konstruktion ist in Fig. 129 dargestellt. Man mache g cl = g e,


halbire a cl und trage 3 dieser Hälften von g nach kund 4 Theile von

Lv

Fig. 129.

g nach f, und ziehe f Je, so liegen in f und Je die bezüglichen Mittelpun kte
der Bögen e c und c a.

Korblinien aus 5 Mittelpunkten.


Eine rationelle Konstruktion der Korblinie aus 5 Mittelpunkten erhält man
nach Fig. 130 (S. 84). Nachdem man über die Grösse der Radien für die
Bogenstücke am Kämpfer und arn Scheitel bestimmte Annahmen gemacht, zieht
man aus e mit dem' angenommenen Radius e c den Bogen cf , der durch den
Rac1iJS e f begrenzt ist, ferner ar.s dem angenommenen Punkte cl mit dem
Radius a cl den 3Dg2.c. a Je vOThufig mlbc6~'cnzt. Man findet nun den Mittel-
6*
84 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.

punkt h des Zwischenstücks und damit den Berührungspmi.kt k, wenn man


fg = Cl cl macht und die Linie cl g senkrecht halbirr. Der Schnitt h der
Halbirungslinie mit dem Radius e f giebt den gesuchten Mittelpunkt. Denn
nach der Konstruktion ist
kd=acl=fg
clh = gh,
somit auch k h = f h und ferner gehen die Verbinclungslinien der Mittelpunkte,
eh und 11, d , durch die entsprechenden Berührungspunkte. (Für die Grösse
der zu wählenden Radien sei bemerkt, dass man e c nicht grösser als Cl b
und Cl d nicht kleiner als -~ Cl bannimmt.)
6
Eine weitere Konstruktion, die, obwohl mathematisch nicht allgemein
richtig, doch für alle praktischen Fälle eine ausreichende Genauigkeit liefert,
und eine der Ellipse sehr nahe kommende Korblinie giebt, ist in Fig. 131

Fig. 130, Fig. rsr.

dargestellt. Man mache d e = d c und zertheile Cl e in ;) gleiche Theile. Trägt


man nun 7 dieser Theile von d nach fund g und von g nach h , macht
ferner fl= ~ fd und zieht die Linieh l, so liegen in h, k und f die Mittel-
punkte zu den Kreisbögen c m, m » und n Cl.

Korblinien aus x Mittelpunkten.


vVenn die Verdrückung der elliptischen Bögen grösser wird, so sieht man
sich oft veranlasst, um einen möglichst kleinen Unterschied in der Grösse der
aufeinander folgenden Radien zu erzielen (und dadurch den Bogen stabiler zu
machen}, die Anzahl der .Mittelpunkte, aus denen der Korbbogen beschrieben
wird, zu vermehren. Am besten verfährt
man dabei, wenn man sich mit Hülfe einer
Ellipsenkonstruktiol1 eine gewünschte An-
zahl Punkte der Ellipse wirklich verschafft
und die zwischenliegenden Stücke der Kurve
durch Kreisbögen ersetzt.
Eine sehr einfache Art und 1Veise,
Punkte der Ellipse zu bekommen, ohne von
cl'mBreilllpunkt811 r.uszugehen, giebtFig, 132,
Fig. 132. Man beschreibt über beide Axon zwei
Arbeiten des Rohbaues (Bögen). 85

konzentrische Kreise aus dem Mittelpunkt c und zieht: um einen beliebigen


Kurvenpunkt zu erhalten, einen Durchmesser, der die beiden Kreise, z. B. in
den Punkten el und eil, schneidet.
Zeichnet man nun über el eil ein recht-
winkliges Dreieck, dessen Seiten den
Axen parallel sind: so liegt im Schnitt
der Katheten der gesuchte Kurvenpunkt.
Hat man sich auf diese Art eine
Anzahl Punkte der Ellipse verschafft,
so erhält man die Mittelpunkte der sie
verbindenden Kreisstücke dadurch: dass
man entweder nach Fig. 133 die
Sehnen a e, e e, el eil ... senkrecht
r ...
halbirt und die Schnitte f, f', je
zweier benachbarter Halbirungsperpen-
dikel sucht, oder indem man nach
Fig. 134 in den einzelnen Punkten Fig. 133,
der Kurve die Normalen e I, el fl etc.
errichtet, deren Schnitte f, fl, t" ... ebenfalls die Krümmungsmittelpunkte des
Bogens geben. Die Normale erhält man bei dieser Konstruktion für irgend einen
Punkt g dadurch, dass
man mit dem Radius
gleich der halben gros sen
plus halben kleinen Axe
aus dem Mittelpunkt c
einen Kreis beschreibt,
und den Schnitt h dieses
Kreises mit dem Durch-
messer C gl (der zur K9 n-
struktion des Punktesg
benutzt wurde) bestimmt;
es ist dann hg die Rieb-
tung der Normalen im
Punkte g.
Bei dem in Fig. 133
gezeichneten Fall liegt im
allgemeinen der Mittel-
punkt f des Stückes der Fig. 134.
Kurve am Widerlager
ausserhalb der Linie a c , und es hat dann in einem solchen Fall der Korb-
bogen in a und b keine vertikale Tangente. Es ist jedoch diese Abweichung
für alle Fälle sehr gering. Sollte in einem bestimmten Fall die Bedingung,
dass der Mittelpunkt f in ac liegen .solle , aufrecht erhalten werden, so dürfte
man nur nach Fig. 130 (S. 84) zwischenaund f auf a c einen Punkt an-
nehmen, aus ihm das erste Bogenstück ziehen und die neue Lage des Mittel-
punktes f nach der dort angegebenen Methode bestimmen.

Ueberhöhte Bögen.
Bei denselben ist die PfeiD-öhe grösser als die halbe Spannweite; . die
Kurve, welche den überhöhten Be'gen bildet, ist eine Ellipse, deren kleine Axe
86 I. Maurer- und Steinmetzi:lxbeiten.

die Spann weite und deren halbe grosse Axe die Pfeilhöhe ist. Die Kon-
struktion der Linie erfolgt im wesentlichen genau so, wie bei den Korbbögen.
Fig. 135 stellt eine Konstruktion der Ellipse für diesen Fall nach der
in Fig. 132 für den Korbbogen angewendeten Methode und Fig. 136 die
Konstruktion des überhöhten Bogens durch die Vergatterung dar.

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Fig. 135. Fig. 136.

Steigende Bögen.
Die steigenden oder einhüftigen Bögen entstehen, wenn bei einem ge-
drückten (oder überhöhten) Bogen die Kämpferpunkte in verschiedener Höhe
liegen. Meistens ist dabei ausser der Verbindungslinie der Kämpferpunkte noch
die Lage und Richtung der Tangente im Scheitel des Bogens gegeben.
Es werde vorerst angenommen, die Tangente im Scheitel sei parallel der
Verbindungslinie der Kämpferpunkte und die Ordinate im Scheitelpunkte gleich
der halben Entfernung der
--"tt Kämpferpunkte. In diesem
. / .> Fall erhält man die steigende
./ i Linie am einfachsten durch

/.r~ i ~::e~~:{:~er~1~ ~;~;c~3~;


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und e b der Kämpferlinie
in eine gewisse Anzahl
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zf--··--;;·J.. ---~)--·--i) ..~..-J6' -~''r e', 1', 2' . . . . auf die in
e, 1, 2, 3 . . . . errichteten
Fig. 137. Senkrechten übel', so ergeben
sich hierdurch die zur Zeich-
nung nothwendigen Punkte des steigenden Bogens.
Soll der steigende Bogen als Korbbogen konstruirt werden, so kann man
hierzu die in Fig. 138 u. 139 (S. 87) dargestellten Konstruktionen benutzen.

Es ist nach Fig. 138 c cl 11 a b, und Halbirt man die Cl C = ~ Cl b.


2
'Winkel bei c
und cl urd zieht in Cl und b die zu den Widerlagern senkrechten
Linien Cl fund bg, ferner 1.9, so sind fund g die Mittelpunkte der Bogen-
stücke Cl hund h b, die sich in h berühren.
Arbeiten des Roh1mues (Bögen). 87

In Fig. 139 ist die Verbindungslinie ab der Kämpferpunkte und die Parallele
zur Tangente im Scheitel Ce cl) gegeben. Man beschreibe aus e und cl mit den

/d
/{t J \
-'~ -
..-

/,'/'

(J~;;;~;~::=<......_~v
I '
Fig. 138. Fig·. 139.

Radien c a und cl b Kreisbögen, welche c cl in fund e schneiden, ziehe a f


und b e , so giebt deren Schnitt g den Berührungspunkt im Scheitel und man
erhält die Mittelpunkte hund k, wenn man g h .1 c cl und a hund b k normal
zu den Tangenten am Kämpfer zieht. Es ist dabei dann wieder die vertikale
1 .
Entfernung des Scheitels fl von der Kämpferlinie = 2 a b.

Diese Konstruktionen sind 'nicht mehr anwendbar, wenn die Ordinate im


Scheitel des steigenden Bogens nicht mehr genau die Hälfte der Entfernung
der Kämpferpunkte ist, sondern die obere Tangente beliebig liegt.
Man wendet dann, wenn es auf allzu
genaue Bestimmung der Bogenlinie nicht an-
kommt, die in Fig. 140 angegebene Ver-
gatterung an. Man theilt die Tangente
[6 b von a, und die Tangente bb im Scheitel
von dem Mittelpunkte c aus in eine beliebige
Anzahl gleich weiter Punkte, und zieht dann
die Sehnen a IV, 1 111, :2 11, 3 I, 4 c etc... ,
so geben diese in ihren aufeinanderfolgenden
Schnitten Anhaltspunkte für die Zeichnung
der Kurve.
Kommt es' darauf an, die Ellipse, welche
den steigenden Bogen bildet, genauer zu .a
zeichnen, so sucht man ihre Axen zu be-
stimmen. Ist in Fig. 141 (S. 88) a b die Fig. 140.
Verbindungslinie der Kämpferpunkte, c cl 11 ab,
die Tangente im Scheitel, so liegt in der Mitte von ab der Mittelpunkt e und
in der Mitte von cel der Berührungspunkt f der Ellipse; es entsteht dann die
Aufgabe, aus den Durchmessern a e und e f, welche einander konjugirt sind,
die Axen der Ellipse zu finden. Die Lösung erhält man dadurch, dass man
auf eine durch f zu c cI senkrecht gezogene Linie von f nach g und g' dei
88 I. Maurer- und Stei1ll11etzarbeiten.

Durchmesser a c trägt und e.rJ und e g' zieht. Halbirr man dann. de~ ./ g e g',
so gicbt diese Halbirungslinie die Richtung der grossen Axe, die Senkrechte
hierzu die Richtung der kleinen Axe an. Macht man nun noch eh = eh' = e g',
so ist in 9 h' auch die Grösse der grossen Axe und in 9 h die Grässe der
kleinen Axe gefunden. Die mit beiden Axen konstruirte Ellipse muss in a, f
und b die gegebenen Tangenten berühren.
Komplizirter wird die Aufgabe, die Axen der Ellipse zu bestimmen, wenn
(Fig. 142) die Tangente c cl nicht mehr parallel zu Cf; b ist. Der Mittelpunkt e

Fig-. 141. Fig. 142.

der Linie ab ist dann der Mittelpunkt der Ellipse; um den Berührungspunkt
in c d zu finden, ziehe man geh 11 c d, halbire c cl in f, ziehe 9 fund hf, und
mit diesen parallel Cl kund b k; so giebt deren Schnitt den Berührungspunkt k:
Nun ziehe man k l .L c cl, beschreibe aus f mit f cl einen Kreis ,der k l in 1Jl,
schneidet; ziehe e m und damit parallel in beliebiger Entfernung no; hierauf
ziehe man ke bis p und bestimme q auf 0 n so, dass e q 11 k l.. Halbirt man
nun p q in r und beschreibt aus '}" mit einen Halbkreis über
r e 0, so ist n n e

die Richtung der grossen , die Senkrechte e 0 dazu die Richtung der kleinen
Axe. Die Grösse der Axen findet sich, wenn man 1nm'II e o, und mm"l\ n e
zieht; 1'Jl' und m" liegen dann mit k auf einer Geraden und man hat in m" k
und m' k die Grösse der grossen resp. kleinen Axe erhalten.

Bogenverb and,
Der Verband, in dem die einzelnen Gewälbesteine zu einem Bogen zu-
sammengefügt sind, hat denselben Regeln zu folgen, wie solche bereits beim
Verbande des Mauerwerks besprochen wurden.
Bei Verwendung von Backsteinen wechseln in der äussern Ansicht oder
der Stirn des Bogens Strecker - und Läuferschichten (unter Verwendung von
Dreiquartieren) regelmässig mit einander ab; empfehlenswerth ist es, sich bei
allen Bogenkonstruktionen eigens geformter keilförmiger Gewölbesteine , be-
ziehungsweise auch geformter Dreiquartiere zu bedienen, um das sonst so viel-
fach nothwendig werdende Behauen der einzelnen Steine zu vermeiden; durch
die Anwendung von Keilsteinen lassen sich ziemlich gleich starke Centralfug8n
geben, die ein gleichmässiges Sichsetzen des Mauerwerks ermöglichen.
Arbeiten des Rohbaues (Bögen). 89

Die folgenden Figg. 143, 144, 145, 146 zeigen den Verband von Bögen
III Mauern von 1, 1 1/ , 2 und 2 1/ 2 Stein Stärke, deren Gewölbehöhe be-
2
ziehungsweise 1, 1 1/ 2 ' 2 und 2 1/ 2 Stein beträgt.

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r-+-} Jn!-II\II 11 §
Fig. 143. Fig. 144.

Bei allen Bogenverbänden spielt, wie aus den


angegebenen Figuren ersichtlich ist, das Dreiquartier
eine grosse Rolle. Bei der Wichtigkeit der Bögen
als hervorragende Mauerbestandtheile ist es hier Cf}
doppelt erwünscht, gefo.rmte Dreiquartiere auf den
Bau geliefert zu bekommen, um ein durchaus
solides, widerstandsfähiges Mauerwerk herstellen
zu können.
Sind Bögen von bedeutender Stärke einzu-
wölben, so würden beim Einhalten des Verbandes fig. 145. Fig. 146.
nach Fig. 143 bis 146 die Wölbsteine an derinnern
Leibung sehr dünn, die an der äussern Leibung sehr dick ausfallen; beim
Nichtvorhandensein . von geformten vVölbsteinen aber müssen die Steine an der
innern Leibung in sehr bedenklicher Weise verhauen werden; um diesem
U ebelstande zu entgehen, wird das Ineinandergreifen der einzelnen Gewölb-
schichten aufgegeben, und konstruirt man dann wohlrlie sogenannten Sc 11 ale n-
b gen, die dann nach Fig. 147 aus wohl drei und auch mehr unabhängig
ö
I. Maurer- und Steinmetzarbeiteu.

von einander ausgeführten Bögen bestehen. Solche Bögen setzen streng genommen,
um vollständig tragfcihig zu sein, ein durchaus gleichmässiges Sichsetzen voraus;
tritt dieses nicht ein, und das möchte die Regel sein, so wird die Trag-
fähigkeit der Bögen in ihrer Gesammtheit sehr illusorisch.
Diejenigen Bögen, welche zugleich als T h ü r - oder Fe n s t e r s tür z e
fungiren, sind mit sogenannten Anschlägen zu konstruiren (vergl. S. 46).
Bei Ausführung mit Backsteinen veranlasst solche Konstruktion keine
Schwierigkeiten, wenn der betreffende Anschlag vollständig mit der äussern
Form des Bogens parallel läuft, und in diesem Sinne erhalten scheitrechte
Bögen am geeignetsten auch scheitrechte Anschläge.
Sehr häufig zieht man es
vor, den innern Bogen ,wie

~\\\,~\,H·-HkH,H-#.ll!'/
11I1'lIliXllill!iiIXHlill:iI,lllInI:I11Iililll!:ll!ll l iii
dies die Fig. 148 andeutet, in
der Form eines flachen Segment-
III!
I 1I
bogens auszuführen, und glaubt
filill dadurch dem scheitrechten Bo-
11111
11II gen mehr Tragfähigkeit geben
---mi
-_. 1I1!1 zu können; eine solche An-
I1111
C::I=====---
.-
-~~. -_.~~.-~
11

11111
11111 =1-- -_.
schauung aber beruht auf Irr-
thum und es möchte wohl nicht
leicht zu begreifen sein, wes-
Fig. 148. halb der innere Bogen mehr
Tragfähigkeit erhält, wenn das
durch die punktirte Linie begrenzte Stück a beaus ihm herausgeschnitten wird.
Von einigen Baumeistern wird der innere geradlinig abschliessende Fenster-
sturz wohl durch Anbringung von 12 cm starken eichenen Riegeln hergestellt.
Solche Anordnung von Deckhölzern (Fig. 149 giebt davon ein Bild) gewährt

Fig'. 149.

zwar eine leichte Befestigung von Gardinen und Rouleaux, möchte aber dessen
ungeachtet nicht zu empfehlen sein.
Erweitert man im Innern die Fensternische durch Anlage sehr divergirender
Leibungsfiächen, giebt dabei aber dem Sturze selbst eine durchaus scheitrechte
'Wölbung, so. veranlasst dies schon beim Aufmauern der Fensterpfeiler ein
vielfaches Verhauen der Backsteine; die Ausführung eines solchen Fenster-
bogens aber erfordert eine ganz besondere Umsioht , weil eben die Spannweite
Arbeiten des Rohbaues (Bögen). 91

des äussern Bogens eine geringere ist, wie die des innern Bogens. Die sich
hieraus ergebende Schwierigkeit kann nur dadurch überwunden werden, dass
der Fenstersturz nach Innen sich erweiternd und zwar absatzweise eingewölbt
wird) wie dies die isometrische Fig. 150 darstellt und erklärt.

I I I
I
I \ \ I I
\ , I
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\ 1 . I --,-
I I
I
I
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I I
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.L. _ _
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\ : :•• __
~.:'.J&.~_~_!_!

FiF:.150.

Die divergirende Leibung auch für den Fenstersturz beizubehalten, ist


durchaus verwerflich; ein so ausgeführter Bogen würde grösstentheils aus lauter
verhauenen Backsteinen bestehen, und würde unter Umständen die den Fenstern
zu gebende Höhendimension beeinträchtigen.
Scheitrechte Bögen im Ziegelrohbau auszuführen ist, wie schon erwähnt,
.durchaus zu vermeiden; ausgenommen sind solche mit geringen Spannweiten,
bei denen das Sichsetzen auf Null reduzirt erscheint; scheitrechte Bögen, welche
nachträglich verputzt werden, erhalten einen sogenannten Stich, der sich
leicht mit Mörtel scheitrecht ausgleichen lässt.
In neuester Zeit werden scheitrechte Bögen, besonders solche mit grossen
Spannweiten, durch Eisenkonstruktionen ersetzt; hierdurch vermeidet man alle
jene Schwierigkeiten, die bei der Ausführung scheitrechter Bögen in Haustein
und Ziegel sich geltend machen. (Näheres bei den Eisenkonstruktionen. )
Die Konstruktion der
Fenster- und Thürbögen in
Segmentbogenform hat bei
Anwendung von Backsteinen
keine weitern Schwierigkei-
ten, es wird sich auch hier
um die Frage handeln, ob
die divergirende Leibung des
Fensterpfeilers im Bogen
beibehalten wird, oder nicht.
Für den letzteren Fall ist
unter Zuhülfenahme von
Werkstücken in der l<'ig. 151
eine S egmentbogenkon-
struktion dargestellt, und Fig. 151.
92 1. ='Iaurer· und St,einmetzarheiten.

ergiebt sich dabei zwischen der schrägen Leibung und d,:r. hOl'iz~~tal geführ~en
Bogen,völbun iJo- eine
..
Durchdrinzunz
. iJ iJ'
die einem Kee-eischllltt entspricht und sich
U ••

in der Linie a a' geltend


macht. Fig. 152 stellt einen
Segmentbogen dar, in wel-
chem die divergirende Lai-
.bung im Bogen beibehalten
ist; den hierzu gehörenden
Kämpferstein stellt die
Fig. 153 dar.
Wir haben es bei diesen
Aufgaben mit der Lehre
vom Steinschnitt zu thun,
der freilich nur in äusserst
seltenen Fällen sieh bei
Fig. 152. der Ausführung unsrer
gegenwärtigen Hochbauten
botheiligen kann, da Bögen und Gewölbe ge-
wöhnlich ökonomischen Gründen entsprechend
aus Backsteinen konstruirt werden.
Beispielsweise stellt die Tafel VIII die
. Konstruktion eines Rundbogens aus Haustein
mit Fenster- oder Thüranschlag dar, einmal mit
gerader, und dann mit divergirender Leibung.
Im ersten Falle (Fig. 1) hat der Fenster-
oder Thürbogen in seiner äussem und innern
Form parallele Leibungen, die zur Richtung
],'ig. 153. der Mauer senkrecht stehen; ein solcher Bogen
unterscheidet sich von dem gewöhnlichen
Wandbogen nur in sofern, als jedem Gewölbesteine ein Anschlag oder Falz
gegeben wird, der dazu dient, die Fenster - oder Thürstöcke in sich auf..
zunehmen.
Bei der grossen Einfachheit einer solchen Konstruktion ist die innere
Leibung des Falzes im Aufrisse Fig. 1 A in der Linie a b c punktirr eingetragen,
und entspricht dieser Aufriss der Grundrissfigur Fig. 2 A.
Giebt man dem Fenster- oder .Thürbogen aber aussen eine gerade, innen
eine schräge Leibung, wie dies in den Fig. 1 B, Fig. 2 Bund Fig. 3 .in den
verschiedenen Projektionen dargestellt ist, so ergiebt sich für die innere Leibung
des divergirenden Falzes eine konische Bogenfläche, während die äussere Bogen-
form cylindrisch bleibt. Fallen hierbei die Axen beider Bogenflächen in eine
auf der Stirn der Bögen senkrecht stehende lothrechte Ebene, wie dies ge-
wöhnlich der Fall ist, so bietet auch diese Konstruktion nicht die mindeste
Schwierigkeit der Ausführung dar. Eine isometrische Darstellung des Bogen-
stückes c ist in Fig. 4 dargestellt und sind die einzelnen Punkte mit 1 2 3 4 5
beziehungsweise mit l' 2' . . . und 1" 2" . . . . bezeichnet.
Schwieriger wird die Konstruktion, wenn es sich um die Herstellung eines
sogenannten K ern bog e n s handelt; ein solcher Kernbogen entsteht, wenn
aussen halbkreisförmig überdeckte Fenster- oder Thüröffnungen innen entweder
einen ganz scheitrechten Sturz erhalten, oder wenn ihre Fenster- .oder Thür-
flügel ihr erg a n z e nH ö h e n a c 11 geö[c'et und zmi.i.ckg81egt werden sollen.
Dieser letzten Bedingung [8mäss EJSS die innere Leibung des Kernbogens
Arbeiten des Rohbaues (Bögen). 93

dann so beschaffen sein ~ dass sie der um ihre Drehpunkte sich bewegenden
Thür kein Hinderniss bereitet. Die aus dieser Bedingung sich ergebende
Leibungsfläche wird im allgemeinen eine w i n d s chi e f e sein, deren spezielle
Konstruktion auf verschiedene Art durchgeführt werden kann ~ und die in der
Kunst des Steinschnitts eine nicht unbedeutende Rolle spielt."}.
Für den K e r n bog e n in Fig. 5 ist als äussere Bogenlinie der Halbkreis
angenommen, ferner die Tiefe des Anschlags und die divergirende Leibung
im Grundrisse Fig. G und im Querschnitte Fig. 7, durch a b c beziehungsweise
durch aß y bezeichnet.
Soll nun der eine von den beiden , nach oben hin rundbogig begrenzten
Thorflügel geöffnet werden, so dreht sich derselbe im Grundrisse aus seiner
geschlossenen Lage b x um die Axe b und nimmt ganz geöffnet die Lage b Cl a'
an, wobei der Thorflügel sich nur zum Theil, und zwar in der Länge von ba
an den Maueranschlag anschmiegt.
Dieser Theil aber, in dem Grundriss über Cl b in wirklicher Form dar-
gestellt (umgeklappt), ist mit b F 2" 3" c" bezeichnet, und erhält im Aufrisse
Fig. 5 seine entsprechende Darstellung in der Projektion b' l' 2' 3' c'.
Die Punkte Cl a' cl' (Fig.5) bestimmen dann die den Kernbogen nach oben
bi~ begrenzende Kreislinie, deren Mittelpunkt leicht zu ermitteln und mit m"
bezeichnet ist.
Die zwischen dem Rundbogen b' ß' und dem Segmentbogen c' a' liegende
w in d s chi e fe Leibungsfläche lässt sich dann weiter durch mehrfach parallel
zur Stirnfläche angenommene Vertikalschnitte leicht bestimmen, denn alle diese
Schnitte sind Kreislinien, deren Mittelpunkte, mit m' m" m'" bezeichnet, ohne
Schwierigkeit aufzufinden sind. Im Querschnitte (Fig. 7) liegen diese Mittel-
punkte auf einer Kurve, l1~omlom"om"'om""o, die in eine Gerade übergeht,
wenn die Kernbogenfläche aus einer Kegelfläche bestehen würde.
Theilt man endlich den Kernbogen durch Centralfugen in einzelne Bogen-
steine ein, wie dies in Fig. 5 geschehen ist, so ergiebt sich, dass die Lager-
fugen keineswegs gerade Linien, sondern Kurven bilden, deren Gestalt sich nur
in der Ansicht als gerade Linien (Spur der Schnittebenen) zeigen. Die Pro-
jektionen dieser Fugen Jassen sich sowohl im Grundrisse, als auch im Auf-
risse leicht ermitteln, und ist das Verfahren dazu an der Fuge e f deutlich
durch übereinstimmende Bezeichnung dargestellt.. .
Zur weiteren Klarstellung dieses Kernbogens ist auch der zur Fuge e f
gehörende Gewölbestein in isometrischer Darstellung gebracht.
Bei Ausführung von Bögen aus lag er h a f t e n B ru c h s te i n e n kommt
es hauptsächlich auf die Anwendung eines schnell bindenden und gut erhärtenden
Mörtels an , denn in den meisten Fällen kann die Keilform der einzelnen
.Schichten nur durch die verschiedene Dicke der Mörtelfuge bewirkt werden.
Bei Bögen mit verhältnissmässig kleinen Radien muss man zum Verhauen der
Schichtensteine schreiten, oder man muss die grossen Fugen, die an der äussern
Leibung entstehen, mit Zwickelsteinen auskeilen. Aus diesen Gründen ist es
räthlicI;, für Bögen aus Bruchsteinen vorherrschend die Flachbögen zu wählen.
Die zum Wölben verwendeten Bruchsteine müssen womöglich durch die ganze
Gewölbec1icke reichen, und ist darauf zu sehen, dass in den einzelnen Schichten
den Steinen ein möglichst annehmbarer Verband gegeben werde.

*) Wir varweisen hier auf die besseren SteinscL'.itbrerke: Leroy, C. F. A., deutsch
von E. P. Kr.uffmann, 1877; Ringleb, Dr. A., Lehrbuch des Steinsehniits, 1874.
94 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.

Hat man es mit gemischtem Mauerwerk zu thun, z, B. mit WerkstUcken


und Baksteinmauerwerk , so ist eine Konstruktion am Platze, welche durch
Fig. 154 des Nähern erläutert wird; in dieser Figur macht sich auch ein
Entlastungsbogen geltend, der die Funktion übernommen hat, den allenfallsigen
Druck des über dem Fenster sich befindenden Mauerwerks aufzunehmen.
Ein solches U ebertragen des Druckes auf unverrückbares Mauerwerk wird bei
Anwendung von scheitrechten Bögen mit grösserer' Spannweite selten zu um-
gehen sein, und in welcher Weise man hier verfahren kann, das zeigt die
Fig. 155 in erklärend ausreichendem Masse. Fig. 156 stellt eine Konstruktion

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Fig. 155.

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Fig. 156.

dar, welche die Aufgabe zu lösen' hat, eine verhältnissmässig sehr grosse
Spannweite scheitrecht zu überwölben; diese Aufgabe hat ihre Lösung darin
gefunden, dass zur U eberwölbung der Bogenöffnung zwei scheitrechte Bögen
verwendet wurden, die sich in der Mitte an einen gemeinsamen Widerlagsstein
anlegen; dieser Widerlagsstein ist an den Schlussstein des Entlastungsbogens
mittelst nachziehbarer Schraubenbolzen angehängt. Die in Fig. 156 angeordnete
Ausmauerung des Zwischenfeldes zwischen Fenstersturz und Entlastungsbogen
ist durch Anwendung von halben Steinen ausgeführt gedacht, und darf nur
dann erst erfolgen, nachdem der Entlastungsbogen sich vollständig gesetzt hat.
Die Figg. 157 und 158 (S. 95) zeigen, wie Doppelfenster mit sehr schwach
gehaltenem Mittelpfeiler bei Backstein- und Mischmauerwerk durch Entlastungs-
bögen vollständig in ihrem Bestande gesichert werden können. Traafähis-ar WiA
Arbeiten des Rohbaues (Bögen). 95

Segmentbögen wirken zur Entlastung Rund- und Spitzbögen, obwohl nur selten
hierfür die entsprechenden Höhen vorhanden sind. Ein Beispiel für die An-
wendung eines Spitzbogens als Entlastungsbogen giebt die Fig. 159.

~
~
I _

Fig. 158.
Fig. 157.
96 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.

Werden in vielstäckigen Gebäuden im Keller- oder Parterregeschoss sehr


starke Mauern nothwendiz, b,
so ordnet man.' wohl um Raum und Material zu
ersparen, sogenannte Blendbögen an; solche Blendbögen werden ferner an-
gewendet, um Mauerflächen durch Anordnung von Bogenstellungen architektonisch
zu zergliedern; sie finden häufig Platz in Vestibülen, Treppenhäusern etc, und
sind dann stilentsprechend auszubilden.
G run d b ö gen oder um g e k ehr t e Bö gen sind bereits bei den Fun-
dationen besprochen worden, und wird deshalb auf die Figg. 6 und 7 verwiesen.
)Vas die Stärke der Wandbögen anbetrifft, so kann die Bestimmung einer
solchen, trotz der unendlich verschiedenen Verhältnisse, die hier obwalten
können, ermittelt werden und verweisen wir in dieser Beziehung auf das be-
treffende Kapitel; im allgemeinen aber lehrt die Erfahrung, dass den Bögen,
welche in den Umfassungs - und Mittelmauern 2 und 3 .Stockwerk hoher
Häuser vorkommen, die folgenden Bogenstärken gegeben werden:
Stärke der Bögen im Scheitel
gedrückt bis zu
bei einer Spannweite halbkreisförmig: überhöht: 1/8 Pfeilhöhe:
bis nahezu 1,75 m 1 Stein 112 Stein 1 1/ 2 Stein
von 2 bis 3 m 1 1/ 2 " 1 " 1 1/ 2 bis 2 "
1 1
" 3,5 " 5,75m 2" 1 /2 " 2 bis 2 / 2 "
" 6 ,,8,5 m 2 1/ 2 " 1 1/ 2 bis 2" 2 1/ 2 bis 3 "
Bögen, welche eine noch grössere Spannweite besitzen, giebt man 1/1 2
bis 1/15 ihrer Spannweite zur Stärke.
Die Stärke der Widerlager lässt sich gleichfalls für jeden einzelnen Fall
theoretisch ermitteln, und muss diese so gross sein, dass sie dem Seitenschube
des Bogens nicht allein widersteht, sondern ausserdem noch einen bedeutenden
U eberschuss besitzt, um möglicher Weise bei späteren Umgestaltungen, z, B. Er-
höhungen, auf keine Hindernisse zu stossen.
Erfahrungsgemäss giebt man
den Widerlagern von Rundbögen 1/4 ihrer Spannweite,
" "überhöhten oder Spitzbögen 1/5 bis 1/6 ihrer Spannw.,
" "gedrückten bis zu 1/8 Pfeilhöhe 1/4 bis 1/3 ihrer Spannw.,
" "Segmentbögen bis 1/12 Pfeilhöhe 1/ 2 ihrer Spannw.,
" " '1 scheitrechten Bögen 2/3 ihrer Spannw.
" Eine starke Belastung der Widerlager von. oben, ebenso ein gegen das
Widerlager geführter Seitendruck kann unter Umständen zur bedeutenden Ein-
schränkung dieser eben gegebenen Masse hinleiten ; aus diesem Grunde kann
das gemeinschaftliche Widerlager zweier nur durch einen schwachen Pfeiler
getrennten Bögen sehr verschwächt sein, da der hier sich geltend machende
Schub sich gegenseitig vollständig aufhebt; in dem eben vorgeführten Falle
lässt man wohl zur Verstärkung des Widerlagers den Bogen nicht mit der
Kämpferschichte beginnen, sondern bildet einen Theil des Bogens durch
U e b er kr a gun g. Solche Anordnung bei Rund- und Segmentbögen geben
unter Rücksichtnahme auf Backstein- und Hausteinkonstruktionen die Figg. 160
und 161 (S. 97).
Schreitet man zur p r akt i s c h e n Aus f ü h r U n g d e r W a n d b ö gen,
so bedient man sich, je nach der Grässe ihrer Spannweiten, hölzerner Rüstungen,
welche entweder als 'Y 1b s ehe i b e 11, L ehr b iJ gen oder L ehr ger i.i s t e
ö

zu konstruiren sind.
Arbeiten des Rohbaues (Bögen). 97

Die W öl b s c he i ben, nur für Bögen von Spannweiten bis zu 3 m


verwendbar, bestehen in der Regel aus einzelnen, nach einer Bogenlinie

Fig. 161.

Fig. 160.

zugeschnittenen Brettern, welche durch darüber genagelte Leisten ihren Halt


bekommen; zur Unterstützung dienen Bohlstücke und' Riegelhölzer , während
für die innere Leibung des Bogens eine Schalung aus Brett- oder Lattstücken
hergestellt werden muss; die
vertikalen Stützen der 'Wölb-
scheibe werden durch einen
Spannriegel auseinander ge-
halten; in Fig. 162 sind beirrzwei
übereinander greifende Keile
angebracht, die vor dem vVeg-
nehmen der Bogenrüstung es
gestatten, dieselbe etwas zu
"lüften" .
Bei grösseren Spannweiten
werden L ehr b gen meistens
ö Fig. 162.
aus doppelten Brettlagen nach
Art der Bohienbögen hergestellt; befindet sich der Bogen in einer sehr starken
Mauer, so dass mehrere Lehrbögen nebeneinander aufgestellt werden müssen,
so wird zu ihrer gemeinsamen Unterstützung ein sogenanntes Rahmstück Cl Fig. 163

Fis:. 163.
98 I. Maurer- und Steinmetzarbeiten.

gewählt, das dann seine weitere Stützung durch zwei od~r drei ~ertik~le Ständer
aus Riegelholz erhält; eine doppelte Spannlatte b verbindet ehe. belden Fu,ss-
enden des Lehrbogens mit einander, der dann mit 2,5 bis 4 cm breiten Latt-
stücken oder schmalen Brettern mit Zwischenräumen von 1,5 bis 2 cm ein-
geschalt wird.
Auch bei dieser Gewölberiistnng dürfen die zwischen Rahmstück und
vertikalem Ständer einO'eschobenen
c Keile nie fehlen. .
Haben wir es endlich mit Bogenkonstrnktionen zu thun , die über G m
Spannweite besitzen, in sehr starken Mauern liegen und eine sehr bedeutende
Ge,völbedicke erfordern, so wird man dazu schreiten, die Bogenrüstungdurch
den Zimmermann anfertigen zu lassen, und es entstehen dann die sogenannten
Lehrgerüste, die speziell den Arbeiten des Zimmermanns zuzurechnen sind und
oft mitteist Häng - und Sprengwerke konstruirt werden müssen; ein Beispiel
eines solchen Lehrgerüstes giebt die Fig. 164.

Fig, 16i,

Ist der Bogen über dem Geriiste ausgeführt, so bleibt letzteres so lange
darunter stehen, und wartet man mit dem "A u s s c h a l e n " .so lange, bis
der Mörtel einigermassen das Steinmaterial zu .einer Masse verbunden hat; so
lange aber zu warten, bis der Mörtel wirklich erhärtet ist, erscheint als durchaus
unstatthaft, da das vVegnehmen der Bogenriistung mit dem gleichmässigen Sich-
setzen des Bogens aufs innigste verknüpft ist. Nur wenn ein solches Sich-
setzen eingetreten ist, kann ein Bogen als normal tragfähig- betrachtet werden.
Damit das Sichsetzen des Bogens allmälig und nicht ruckweise erfolge,
ist es nothwendig, in jeder Bogenrüstung Keile anzuordnen, durch deren
Lockerung die Hüstung eine geringe Abwärtsbewegung machen kann, welcher
dann das Gewölbe selbst sich setzend folgt.
Wie lange eine Bogenrüstung unter der ausgeführten Wölbung zu be-
lassen 'sei, lässt sich nicht genau bestimmen und hängt streng genommen von
der grössern oder geringem Trocknungsfähigkeit der Luft ab ; im allgemeinen
rüstet man kleine Bögen nach 1 bis 2 Tagen aus, grössere Bögen von 2 bis
3 m Spannweite in 4 bis 6 Tagen, während man bei noch grösseren Bögen
bis zu 10 m Spannweite wohl 8 bis 10 Tage wartet.
N ach anderer Ansicht werden Bögen, in Kalkmörtel ausgeführt, häufig erst
nach 2 bis 3 'Vocben ansgerüstet, während bei Anwendung von Cementmörtel
dies v i e I früher (i. 2 bis 3 TagEn) geschehen muss. 1')a8 Mass des Sich-
' ',
Arnerten 1
(2S HO
D lruaues
' (Gesimse)
TeSll11Se. 99

setzens oder der erfolgenden Senkung lässt sich im Voraus nicht mit Sicherheit
bestimmen ; Mittelwertue aber liefern folgende Formeln:
Bei Lehrgerüsten mit Hängewerken ist S = 0,01 bis 0,02 (7- a),
bei Lehrbögen und Lehrgerüsten, mit
stehenden Ständern unterstützt, ist S = 0,005 (l - a);
beide Form- ln beziehen sich auf Backsteinkonstruktionen ; S bedeutet das Mass
der Senkung, l die Spannweite und a die Pfeilhöhe des Bogens.
Das Sichsetzen der Bögen wird auch wohl ohne Rücksicht auf das Lehr-
gerüst bei halbkreisförmigen Bögen auf (1/144) 0,007, bei gedrückten auf 0,01
der Spannweite angenommen.
Beim Einwölben von Wandbögen mit Backsteinen ist besonders darauf zu
achten, dass den einzelnen Schichten gleichmässige und zwar möglichst schwache
Fugen gegeben werden; um dies möglich zu machen, ist es zu erstreben, dass
auf den Ba~ eigens geformte keilförmige Gewölbesteine geliefert werden, denn
Bögen aus stark verhaueneu Steinen hergestellt vermögen nur einen sehr ge-
ringen Widerstand gegen Zerdrücken zu leisten.
J edel' Bogen muss von wenigstens zwei Arbeitern in Angriff genommen
und womöglich ohne Unterbrechung fertig eingewölbt werden, wobei von beiden
Kämpfern aus die Arbeit gleichmässig gegen den Schluss hin zu fördern ist;
der Schlussstein selbst muss in die zuletzt gebliebene Oeffnung, wenn auch
streng, doch vollständig passen und darf unter keiner Bedingung mit grcsser
Gewalt eingetrieben werden, da hierdurch der ganze Bogen in seinen Schichten
auseinander getrieben'wird; während der ganzen Arbeit ist auch darauf zu
sehen, dass der Mörtel in den Fugen gleichmässig nass erhalten bleibe, damit
der Bogen beim Ausrüsten sich gleichmässig setzen kann.

K 0 TI S t r u k t ion der Ge s i m s e.
Die zum Zwecke unerlässlich resultirende Kernform eines jeden Gebäudes
zergliedert sich in das Untenliegende (Unterbau), das Raum - Umschliessende
(Aufrechtstehende) und das Deckende (Schwebende); diese d I' e i an. keinem
Gebäude fehlenden Hauptpartieen sind als die a b sol u te Hau pt g li e d e -
r u n g eines Baues zu bezeichnen, und werden weiter zergliedert in die so-
genannten U n tel' g 1i e der, die zwar vorherrschend konstruktiv ~ zweckliehet
Natur sind, aber' dennoch kein unerlässlich nothwendiges Dasein und Ge-
staltungsprinzip ansprechen, wie jene Hauptbestandtheile; sie verdanken ihr
Dasein mehr einer sekundären Zwecklichkeit.
Diese sekundär - zweckliehen Zwischenglieder bilden vorherrschend die
feineren Abstufungen der Konstruktion, sind den Gelenken des thierischen
Körpers zu vergleichen und können je nach ihrem Dienste und ihrer Stellung
als D eck gl i e der, F u ss g 1i e der oder Z w i s c h eng I i e der bezeichnet
werden.
, Viele dieser Zwischenglieder, wie z, B. die Gurt- und Brüstungsgesimse,
die Kapitäle und Basen, die Fenster- und ThUreinfassungen etc., leisten einen
ziemlich unentbehrlich konstruktiven Dienst, während andern nur eine geringe
statische Bedeutung zuerkannt werden kann.
So sind manche Zwischenglieder ~nehl' und mehr willkürlicher Natur --
wie zur Auswahl vorhanden und werden deshalb .wohl a r bit I' ä re
G I i e der u n gen genannt.
Diese arbiträren Gliederungen dienen dann häufig d: zu , die Sorgfalt der
Konstruktion , die Vollständigkeit des Organismus und die fe.rieren Nuancen
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Arbeiten des Rohbaues (Gesimse). 101

willkürliche Formen in eich aufgenommen hat. Die einzelnen Gliederungen


erfuhren, im Gegensatze zu der rein griechischen einfachen Gefübls"veise. eine
I

viel derbere Bildung, und häuften


sich unter Hinzuziehung VOll reich
c1ekorirten Konsolen und Zahn-
schnitten zu einer Gesammtgliederung,
die in bezug auf formalen Reichthum
nicht wohl mehr übertroffen werden
konnte, ohne dabei dem Barock-
U ebertriebenen zu verfallen. Charakte-
ristisch bei fast allen korinthischen
Hauptgesimsen ist der reiche Rosetten-
schmuck, den die untere Geisonplatte
stets in quadratischen stark vertieften
Füllungen aufnimmt, sowie die reiche
Skulptirung fast aller vorhandenen
Glieder, wobei, wie dies an dem ge-,
gebenen Beispiele der Fall ist, selbst
die Hängeplatte nicht ausgeschlossenist.
VV urde bei den Griechen bei
jeder Formenbildung die feinste Rück-
Fig. 167.
sicht auf die Funktion eines jeden
Baugliedes gewissenhaft im Auge
behalten, so war es den Römern mehr auf die Erzielung eines äussern Effektes
zu thun, eine Richtung, der sich vielfach die spätere und auch die Jetztzeit
(oft auf die rücksichtsloseste Weise) in die Arme geworfen hat. Immerhin
aber erhielt sich die hochtormale Bedeutung der dorischen, jonischen und
korinthischen Hauptgesimse für unsere Zeit ungeschwäch t und möchten diese
Formen für alle Zeiten als mustergiltige zu betrachten sein; dabei dürfen wir
freilich doch nie vergessen, dass alle diese Hauptgesimse ihre Entstehung dem
Quaderbau, meistentheils dem edlen Marmor zu verdanken hatten, und dadurch
einen Aufwand von Material und Arbeit erforderten, würdig den höchsten
idealen Zwecken, wie beispielsweise dem Tempelbau, gerecht zu werden, unsern
Verhältnissen jedoch kaum entsprechen möchten.
Halten wir dennoch an diesen Formen fest, so lässt sich dies prinzipiell
nur dann gut heissen, wenn einerseits das zur Verfügung stehende Material
dies gestattet, andererseits das mit dem Hauptgesimse zn krönende Bauwerk
Mauerstärken besitzt, welche die weit auskragenden schwerwuchtigen Stein-
massen mit Sicherheit zu tragen vermögen.
Das Streben, eine mächtige, nie dagewesene Wirkung durch ein krönendes
Hauptgesims zu erzielen, hat in den ersten Epochen der Renaissancezeit zu
ganz ausserordentlichen konstruktiven. Anstrengungen beim Bau des Palazzo
Strozzi geführt. Dieses mächtige, durch seine schönen Verhältnisse imponirende
Bauwerk wurde von Benedetto Majano 1489 erbaut, das Hauptgesims aber
nach dem Plane des Simone Palajuolo ausgeführt.
Fig. 168 (S. 102) giebt eine Zeichnung davon; dieses einzig in seiner
Art" 2,245 m ausladende Gesims ist in allen seinen Theilen ans italienischem
Marmor herausgearbeitet; die reich gegliederten, dekorirten Konsolen bestehen
aus einem nahezu 0,90 m langen, 0,25m hohen und 0,65 m breiten Quader-
stück und unterstützen kräftig das weit ausladende Geison nebst Sima,
102 1. Maurer- und Steillmetzarbeiten.

während Sie selbst auf einer weit vortretenden Auskragung ruhen, die aus den
Zahnschnitten mit den dazu gehörenden Ober- und Untergliedern besteht.
Die 1 111 starke Frontmauer , welche das
krönende Gesims auf sich aufzunehmen hatte,
erwies sich bei weitem nicht dazu befähigt, und
so musste man einerseits zu einem höchst
künstlichen System von in einander eingreifen-
den Hakensteinen schreiten, andererseits musste
durch Aufrnauerung an der Rückseite des Ge-
simses den überhängonden Gesteinen ein sicheres
Gegengewicht gegen Ueberkippen verschafft wer-
den, wie dies aus dem beigegebenen Holzschnitte
weiter erkennbar sein möchte *).
Welches Aufsehen diese eizenartize
o 0
KOll-
struktion seiner Zeit schon machte, äusserte sich
unter Anderrn dadurch, dass dem scharfsinnigen
Baumeister des unübertroffen wirkenden Haupt-
gesimses von seinen Zeitgenossen der Beiname
"Cronaca" gegeben wurde.
Wenn auch die Hauptgesimsbildung arn
Palazzo Strozzi ihres kolossalen Aufwandes an
Material und Arbeit für unsere Zeit keine Nach-
ahmer finden möchte. so bleibt doch immer die
I

Thatsache bestehen, dass die Ausbildung wirk-


Fig. 168. lieh klassischer Hauptgesimse inden entsprechend
edleren Steinmaterialien sehr reiche Geldmittel
voraussetzt, ja selbst dann noch, wenn - wie dies heutzutage häufig der Fall
ist -- Terracotten dabei mit in Verwendung kommen.
Fig. 169 stellt ein solches Hauptgesims dar, das dem vom Oberbaurathe
v, N eureuther erbauten Münchener Poly-
technikum entnommen ist. Der Haupt-
sache nach besteht dieses Gesims aus
einem' sehr güten Keupersandstein , wäh-
rend sämmtliche Konsolen und die mit
dem -sogenannten Eierstabe versehenen
Kymatien aus einer scharf gebrannten
Terracottamasse gebildet sind, welcher sehr
täuschend die Farbe und das Ansehen des
sonst verwendeten Sandsteins gegeben
'wurde.
Der tief in die Mauer eingreifenden
Hängeplatte ist durch eine entsprechend
schwere Aufrnauerung eine völlig sichere
Lage gegeben.
Um weit ausladenden, antikisirenden
Hauptgesimsen eine vollständig gesicherte
Fig. 169. Stabilität zu verschaffen, helastet man sie
clurch Anordnung von Attiken, die dann
~! ~ine mit al~en De:a,ils versehene Darstellung dieses Hauptgesimses wurde vom
französischer, Architekten Pascal aufgenommen und veröffentlicht: in der Renaissance
Italienne, in Photographien erschienen bei J, Baudry in Paris.
Arbeiten des Rohbaues (Gesimse), 103

auch in formal-ästhetischer Beziehung dazu beitragen, die Opulenz des Gebäude-


abschlusses nach oben in hohem Grade zu steigern. In solchem Sinne ist die
Fig. 170 aufzufassen.
Das hier mitgetheilte sehr reiche
Hauptgesims ist in seinen nicht dekorirten
Gliederungen aus mächtigen Marmor-
quadern zusammengebaut, während alle
dekorirten Konsolen, Füllungen und ander-
weitigen Gliederungen aus Marmor
imitirender Terracotta hergestellt sind;
die über dem Gesimse sich erhebende
balustradenartige Attika trägt sehr ent-
schieden dazu bei, die weit ausladende
Hängeplatte in Schwebe zu halten. Das
betreffende Hauptgesims gehört dem
neuen Akademiegebäude in München, von
v, Neureuther erbaut, an, und zeichnet
sich durch effektvolle Wirkung und äusserst
solide Konstruktion aus.
Aber welchem quid pro quo stehen
wir in den meisten Fällen gegenüber,
wenn es sich darum handelt, mit be-
schränkteren Mitteln zu bauen; dann
werden wohl statt des edlen Marmors
Surrogate oft von äusserst zweifelhaftem
Werth zur Herstellung der klassisch sein
sollenden Formen der Hauptgesimse zu
Hülfe genommen) und beschränkt man sich
dann wohl darauf, das Hauptgesims vor-
herrschend aus Holz zu konstruiren, wobei Fig. 170.
die Unteransicht der Hängeplatte und
deren tragende Gliederung von Mörtelverputz hergestellt wird; die Dachrinne
bildet dann wohl selbst die Sima des Hauptgesimses. In solchen Fällen muss
nach den meisten baupolizeiliehen Vorschriften
bei geschlossenem Bausystem das von Holz kon-
struirte Gesims mit irgend einem feuersicheren
Material gegen schnelles Feuerfangen geschützt
werden. In solch' bescheidener Weise ausgeführt,
wie dies die Fig. 171 näher andeutet, wird viel-
fach untergeordneten Zwecken ausreichend genügt
sein; als verwerflich aber möchte es bezeichnet
werden müssen, weit ausladenden, aus Holz her-
gestellten und mit Blech beschlagenen Haupt-
gesimsen dadurch eine klassische Ausbildung geben
zu wollen, dass man deren Hängeplatten mit
reichen Konsolen von Gyps oder Cement benagelt,
das~ man Zahnschnitte an die Mauer klebt, oder
die letztem aus Holzklötzchen bildet, die mittelst
Drahtstifte im Putz ihren Halt finden. Derartige,
Fig. 171.
leider herrschend geworc1ene unwürdige Imitation
von ehrwürdigen klassisohcn Formengebilden kann
104 I. Maurer- und Steinmetzarbeiten.

nur als Blasphemie im wahrsten Sinne des 1Vortes bezeichnet werden, und
ist zu bekämpfen!
Bei freistehenden Gebäuden, bei welchen aus Holz konstruirte Gesimse
nicht mit feuersicherem Material verkleidet werden müssen, werden oft die
Hauptgesimse in der reichsten Ausbildung der korinthischen Ordnung ganz aus
Holz ausgeführt; die Hängeplatte erhält dann wohl vertiefte Kassettenfelder.
in welchen Rosetten von Gyps ihren Platz finden, oder es wird wohl auch
das ganze durch Holzvertäfelung gewonnene Gesims polyehremisch dekorirr.
Ein solches, die Steinkonstruktion freilich
nur imitirendes Hauptgesims giebt die Fig.l 72.
Stehen beim Baue von VV ohngebäuden
dem Baumeister keine grässern Hausteinquadern
zur Verfügung, und ist er nur auf die Ver-
wendung von Backsteinen und auf den Back-
steinrohbau angewiesen, so wäre wohl prin-
zipiell die eigentliche traditionell-antike Form
bei Bildung der Hauptgesimse auszuschliessen,
da bei Verwendung von Ziegeln von vorn
herein weit ausladende Hängeplatten unzu-
träglich sind, auch dann noch, wenn eigene
grässere Gesimssteine dem Konstrukteur zur
Verfügung stehen; konstruktive Sch wierigkeiten
möchten bei Herstellung sämmtlicher Gesimse
Fig. 172. im Ziegelrohbau sich niemals ergeben, dagegen
liegt das Schwergewicht für diese Gesimse
in dem Erstreben schöner dekorativer Effekte durch U eberkragnng, Vor- und
Rücksprünge, Gruppirungen, Verwendung von verschiedenfarbigen Steinen etc. etc.
und ist ja in dieser Beziehung sowohl in der Zeit des Mittelalters, als auch
in der unseren Vieles geschehen, was darauf hinweist, dass das Formal-Schöne
des Ziegelrohbaues sich recht wohl kultiviren lässt *).
Sollen weit ausladende aus Backsteinen gemauerte Gesimse aber verputzt
werden, wie dies in äusserst vielen Fällen gefordert wird, so ist man genäthigt,
zu Eisenkonstruktionen seine Zuflucht zu nehmen; bisher bediente man sich eines
aus Bandeisen konstruirten Rostes, der, in der Unterfläche der Hängeplatte
liegend, den Backsteinen ein sicheres Auflager gewährte; den Haupthalt erhielt
dieser Eisenrost wohl an den Balkenköpfen oder andern Holztheileu, an die er
durch Nagelung befestigt wurde! Solche Konstruktionen oft sehr komplizirter
Art sind vielfach ausgeführt und empfohlen worden und machen sich auch
heute noch in vielen Handbüchern breit; wir halten sie für durchaus verwerflich,
und gehen deshalb nicht spezieller darauf ein. .
Jedenfalls möchte der Zweck, eine weit ausladende Hängeplatte durch Ziegel-
mauerwerk herzustellen, sich weit leichter und einfacher erreichen lassen durch An-
wendung gezogener eiserner .L Träger, wie dies Fig. 173 (S. 105) näher darstellt.
Hierbei leisten die im Profil mit ab, in der Ansicht mit ce c bezeichneten
ganz leichten, durch die ganze Mauerstärke hindurch greifenden .L Schienen
einen vorzüglichen Dienst ,indem man sie wohl auf die Läuferlänge der zur
Disposition stehenden Steine von einander entfernt legt; das übrige Gesims
wird dann mit Hülfe von Streckerschichten , Dachplatten - und Rollschichten,
. *) In dieser Beziehung wird auf das vorzügliche Werk: Der Backsteinrohbau in
semem ganzen Umfange, von A. F. Fleischirger und A. VV. Becker, Berlin, bei Ernst
&, Korn, verwiesen. '
Arbeiten des Rohbaues (Gesimse). 105

wenn nöthig mit dem Mauerhammer in die entsprechende Form gebracht, III
Cementmörtel hergestellt und später mit dem gleichen Material verputzt.

Fig. 173.

Um die Dachrinne zweckmässig anzubringen, empfiehlt es sich, dieselbe


oberhalb des Hauptgesimses so anzubringen, dass sie bei allenfallsigen Repara-
turen sofortherausgenommell werden kann; ihre gesicherte Lage erhält sie
entweder durch Rinnkaken, welche an die Sparren festgenagelt sind, oder durch
eigens geformte Rinnenhalter, die nach Art der Stirnziegel auf der Deckplatte
des Hauptgesimses ihren Halt finden.
Da Gesimse von nicht wetterbeständigem Steinmaterial zum Schutze gegen
die-Witterung mit Blech abgedeckt werden müssen, so ist solcher Abdeckung
eine besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden; am einfachsten befestigt man das
Blech auf ein Schalbrett, dessen untere Kante unterschnitten
ist (Fig. 174). Dieses Schalbrett bildet zu gleicher Zeit die
Fortsetzung und den Abschluss der Dachschalung sowohl, als
wie auch der Dachdeclmng, die im vorliegenden Falle in Metall-
blech auszuführen ist.
Für Hausgesiinse, die durchaus mit Backsteinen und späterm Fig. 174.
Verputz ausgeführt werden sollen, eignen sich besonders die
Hohlsteine, die sich auch mit Leichtigkeit in grössern Längcnabmessungenvon
den Ziegelfabriken beziehen lassen.
Fig. 175 (S. 106) zeigt eine Hauptgesimsanordnung, wie solche vom
Herausgeber dieses Buches vielfach da ausgeführt wurde, wo Sparsamkeits-
rücksichten den reinen Quaderbau ausschlossen.
Von 0,60 bis 0,75 m Entfernung werden Tuffstein-
quadern (Fig.~ 175a) gelegt, deren ausladende Theile mit
Widerlagsfläehen versehen sind, die sonst aber durch die
ganze Stärke der Mauer hindurchgreifen. In der Fig, 175
sind diese' weit ausladenden Steine sowohl im Profil als
auchin der Ansicht mit a a a bezeichnet; zum bessern Halt
ist J' eder dieser Steine mit einem andern., ebenfalls durch F'19. 1--
r oa,
die Mauer durchgreifenden Steinstück b b b unterlegt und an
der hintern Seite verklammert; durch flache oder auch scheitrechte Bögen, am
besten aus Hohlsteinen, werden dann dia einzelnen Tuffsteinquadern in ihrem
106 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.

ausladenden Theile zu einer Hängeplatte v:rlJuno:l1,


l' wa. h r en d dazwischen und
darüber eine Ausmauerung mittelst Backsteine erfolgt.

Fig. 175.

Die Sima besteht aus hohlen Rollsteinen und kann der unmittelbar dahinter
verbleibende Raum ganz hohl bleiben. .
Die in dieser Figur gewählte Dachkonstruktion
gestattet die Abdeckurig des J.Iaupt?esimses mit
Metallblech ohne Anwendung einer eJgenen Holz-
verschalung und genügt hier ein an den Stich-
balken befe~tigter starker Haftblechstreifen , wie
dies die nebenstehende Fig. 176 näher darstellt.
Ein solches Hauptgesims, in gutem Portland-
cement verputzt, lässt sich selbstverständlich
mitte1st Konsolen, Füllungen, Friesen etc. d~n
ästhetischen Anforderungen entsprechend dekorativ
Fig. 176. behandeln und möchte jedem nur aus Holz kon-
struirten Hauptgesimse weit vorzuziehen sein ..
Stehen dem Baumeister jedoch Hausteine zur Verfügung, so empfi~hlt SlCf~
bei geforderter Sparsamkeit für Hauptgesimse die Anordnung nach F ig. 17,

Fig. 177.

Um die weit ausladende Hängeplatte gegen allenfallsig en Druck zu .schützen,


wird der vordere dxs Gesims belastende Balkenkopf sckäg unterschnitten.
Arbeiten des Rohbaues (Gesimse). 107

Bei 8,11en Hauptgesimsen , ob aus Stein, oder Holz gebildet, hat man
eine besondere Aufmerksamkeit der Ableitung des Regen- und Schneewassers
zuzuwenden. Werden die so-
genannten Dachrinnen aus Blech
hergestellt, was ja meistentheils
der Fall ist, .so müssen die
selben allenfallsiger Reparaturen
wegen leicht herausgehoben und
wieder an ihre Stelle gebracht
werden können. Die Dachrinnen
aber mit andern Bautheilen so
zu verbinden, dass sie nicht
für sich ablösbar sind, hat stets
etwas Bedenkliches und ist
durchaus zu vermeiden.
Eine sehr geeignete Lage
für die Dachrinnen ist die ober-
halb der Hauptgesimse, wo sie
vielfach dem Auge des Be-
schauers durch ihr Zurückliegen
. sich entziehen oder auch durch
verschiedene Mittel maskirt wer-
. den können. Hierdurch geräth
man aber möglicher Weise in
Konflikt mit den meisten bau-
polizeilichen Vorschriften, nach
welchen auf die Strasse hin
kein Traufwasser abfallen darf;
und bleibt in solchen Fällen
nichts Anderes, übrig, als zu
einer ähnlichen Konstruktion
zu schreiten, wie solche in Fü,. 178.
Fig. 178 dargestellt ist.
Diese Anordnung giebt zugleich Anlass zu einer empfehlenswerthen Ver-
werthung des Regenwassers; andererseits wird durch die hier gegebene Kon-
struktion auch vermieden, dass das reich dekorirte Hauptgesims in störender
"Weise durch die sogenannte Stell- oder Abfallrinne verunstaltet wird. Die auf
dem Dachboden sich befindende Sammelrinne für das Rcgen-
oder Schneewasser lässt sich nämlich ohne irgend welche
Schwierigkeit mit einer Stellrinne in Verbindung bringen, die
unterhalb des" mit dem Hauptgesimse verbundenen Gebälks
in einen vertieften Falz eingelegt ist, .wie dies die Fig. 179
im Grundriss und Querschnitt andeutet.
J

Um das Abrutschen des Schnees vom Dache ungefährlicher


zu machen, sind aber Schneegitter anzuordnen, die sich hin und
wieder mit in dieDekoration desHauptgesimses hereinziehen lassen,
Von der Konstruktion romanischer und gothischer Haupt-
gesimse kann hier insofern Umgang genommen werden, weil Fig. 179.
diese, wie dies auch bei den meisten Hauptgesimsen des
Ziegelrohbaues der Fall ist, mcistentheils sehr geringe Ausladungen besitzen;
dip, zu konstruktiven Schwieriakeiten nicht den g<:)rintsten Anlass bieten.
108 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.

S t ä, r k e der Mau e r n.
Die im Hochbau verwendeten Mauern sind entweder:
1. freistehende Mauern,
2. Stützmauern (Futtermauern),
3. raumumschliessende Mauern,
4. vV i d e r lag s mau e r n.
Bei fr e i B t ehe n d e n Mauern, meist zur Einfriedignngoder Scheidung
von Höfen, Kirchhöfen, Gärten und Vorgtirten etc, verwendet, hat man es in
allen Fällen nur mit einer verhältnissmässig sehr geringen, lothrecht abwärts
wirkenden Kraft zu thun , die nur in dem Eigengewichte des Mauerkörpers
besteht, wobei die ganze Beanspruchung durch Druck auf die Sohle des Bau-
grundes übergeführt wird, die selbstverständlich dann fest genug sein muss,
um diesem Drucke hinreichend widerstehen zu können.
Die Stärke solcher Mauern wird in der Regel dem zur Disposition stehen-
den Baumateriale entsprechend unter Berücksichtigung des Widerstandes gegen
muthwilliges Durchbrechen gewählt.
Die Druckfestigkeit aber hier in Rechnung 'zu bringen, möchte schon aus
dem Grunde nicht statthaft sein, weil selbst das denkbar am wenigsten tragende
Steinmaterial immer noch tragfähig genug sich erweisen würde, solcher Ein-
friedigungsmauer eine Höhenabmessung zu geuen, die all und jedes Bedürfniss
weit übersteigt.
, So würde Ziegelmauerwerk in Kalkmörtel, dessen Druckfestigkeit bei ge-
nügender Sicherheit 7 kg pro Dcm beträgt, es gestatten, dass eine Mauer
in einer -Höhe von 44 m aufgefiihrt werden könnte, ohne dass sie durch ihr
Eigengewicht zerdrückt werden würde.
Verwendete man Bruchsteine zur Herstellung solcher Mauern, so möchte
von vornherein weder die Festigkeit des Steinmaterials , noch die des Binde-
mittels den geringsten Anhaltspunkt für eine Be r e c h nun g darbieten, weil
bei der unregelmäsigen Gestalt solcher Gesteine die gewöbnliche Annahme einer
Beanspruchung auf Druck nicht mehr statthaft ist.
Haben jedoch freistehende Mauern einer Kraft zu widerstehen, welche sie
zu ver s chi e ben oder umzukanten sucht, wie dies bei Einwirkung durch
Stürme der Fall sein kann, so' lassen sich aus der Grösse des Angriffs das
Gewicht und .sornit alle Abmessungen des Mauerkörpers bestimmen; man wird
aber auch hier zu einem Resultate gelangen, dass an den bisher der Erfahrung
entnommenen Abmessungen solcher freistehenden Mauern Nichts zu ändern
sein möchte,
Der durch den Windstoss auf eine Mauerflucht übertragene Druck wächst
bekanntlich proportional . der Angriffsfläche -und mit dem Quadrat der Wind-
geschwindigkeit. Bezeichnet F die dem Windsrosse ausgesetzte Mauerfläche
n?rmalzur vVindrichtung gemessen in Quadratmetern, v die Geschwindigkeit
des 'Windes oder Sturmes in Metern pro Sekunde, so ist der Druck
P 0,12248 F v 2 kg,
dabei 'kann man, um den MaxiI~aldl'uk zu erhalten, die Geschwindigkeit eines
Sturmes v = 30 bis 35 mannehmen.
Im Mittel sind hierbei als Druck 110 bis 130 kg pro qm in Rechnung
zu bringen, eine Druckbeanspruchung , die -rechnerisch zu annähernd gfeicher
Mauerstärke, wie die unten folgenden praktischen Regeln führt.
Das Mass der Stabilität einer Mauer gegen Umkanten ist nämlich gleich dem
Produkte aus <ihrem Gewichte und dem Abstande der Se;hw811inie von der
Arbeiten des Rohbaues (Stärke der Mauern). 109

Drehaxe, und dieser Werth muss dem Angriffsmoment gleich sein. Es ergiebt
sich sonach auf einfache Weise , dass die S t a b i I i t ä t ein e s Mau e r -
körpers im quadratischen Verhältniss der unteren Breite
der Mau e I' w ä c h s r,, und das s Mau ern von g lei c h e m G e wie h t
~

um so g r ö s s er e Stabilität b e si t z e n , j e entfernter die


S c h wer I i nie von der D r e h a x e I i e g t.
Hieraus ergiebt sich, dass ein Mauerkörper von gegebenem Querschnitt
an Stabilität gewinnt, sobald er durch einen Plinthen - oder Sockelvorsprung
verstärkt wird (Fig. 180); ferner ist leicht ersichtlich, dass bei einseitig an-
gelegtem Sockel eine Mauerverstärkung um so wirksamer ist, wenn sie in
bezug auf die angreifende Kraft am rückwärtigen Theil der Mauer angeordnet
ist (Fig. 181).
Aber nicht allein durch Anordnung von Plinthen- und Sockelvorsprüngen
wird die Stabilität einer Mauer .vermehrt , sondern auch durch Anlage von
sogenannten Bös c h u n gen, wobei die Stärke der Mauer gegen die Basis hin
verstärkt wird, und von S t r e b e p fe i I e r n,
Im ersteren Falle (a/ Fig. 182) wird die Basis bei gleichem kubischen

I
II I.,
Fig', 180.
I
Fig. 181..
a.
Fig. 182.
I
a, -

Inhalte, wie bei einer lothreehten Mauer (a) breiter und somit die Widerstands-
fähigkeit der Maue!' im quadratischen Verhältniss hierzu grösser.
Das beste Mittel aber, die Standfähigkeit, namentlich bei langen Mauern,
zu erhöhen, bleibt die Anlage von S t r e b e p f ei 1 e r n , welche sich in geeig-
neten Entfernungen wiederholen. Diese Entfernungen müssen so gewählt
werden, dass der Steinverband und die Bindekraft des Mörtels ausreichen , um
eine selbstständige Bewegung der zwischen den Verstärkungen liegenden Mauer-
stücke zu verhüten. Es können dann die dem Angriffe der Kraft entgegen-
gesetzt liegenden Kanten (aa' Fig. 183 S. 110) als Drehungsaxe angesehen
werden.
Untersucht man die vortheilhafteste Anordnung von den in der Fig. 183
dargestellten Strebepfeilern, und bestimmt für die drei -verschiedenen Anordnungs-
weisen die Schwerpunkte S 8 8 in den Grundrissfiguren , so erhält man die
verschiedenen Hebelarme Xl S X 2 '8 Xs "8 für das Widerstandsmomentder Mauern.
Nach dieser Ermittelung ergiebt sich, dass die Stabilität einer Mauer mit Strebe-
pfeilern, an der rückwärtigen Seite, in bezug auf den Angriff, am grössten, die
für eine 'Mau'er mit Strebepfeilern an der vordem Seite am 1:::' c~nsten ist; d«-
zwischen Iiezt ien Anordnung'. die' zu beiden Seite11 (h~' Mauer Strebepfeiler
110 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.

zeigt. In den der Fig. 183 zu Grunde liegenden Fällen verhalten sich die
Stabilitätsmomente der Mauern A, Bund 0 wie
Xl S : x 2 's : x 3 "s, oder annäherungsweise
WIe 9 : 6 4 *).

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-~r--I----~[I--------~·I-----
a---- a~__ "Lr4Jl!_
Fig. 183.

Erfahrungsgemäss nimmt man für die Stärke einer fr eis t ehe n den
Mau e r 1/ S' 1/1 0 oder 1/ 1 2 ihrer Höhe an; im erstem Falle ist dann die
Standfestigkeit eine sehr grosse, im zweiten Falle eine mittl re , im dritten
eine schwache.
Die Standfähigkeit freistehender Mauern ist aber nicht allein von ihrer
verhältnissmassigen Stärke zur Höhe abhängig, sondern auch von ihrer Länge
in gerader Linie gemessen; bezüglich dieses Umstandes wird z, ·B. an-
genommen, dass eine Mauer von 3 m Höhe bei einer Länge von 6 mund
einer Stärke von 0,25 m hinreichend stabil sei, während bei doppelter Länge
einer solchen Mauer ein e Verstärkung durch einen Strebepfeiler zn geben sei;
ebenso müsste eine freistehende Mauer von 6 m Höhe und 0,50 bis 0,60 m
Stärke von 12, zu 12 meinen Verstärkungspfeiler oder einen anderweitigen
Stützpunkt durch eine anstossende Mauer erhalten.
Allgemein gefasst ergiebt sich hieraus die Regel, dass j e deM aue I' ,
deren Stärke nach der Höhe "bestimmt ist, ohne weitere
S t t z P unk te nur z w e im a 1 s.o 1an g wer den k a n n, als sie
ü

hoc his t.
s
U n bel a s t e t e ger a d 1i n i g e U m fa s u n g s mau e r n , die an ihren
Enden unterstützt sind, werden nach Rondelet in ihrer Stärke dadurch ermittelt,
dass man auf der freien Länge ab (Fig. 184 S. 111) der Mauer in bein
Loth bc gleich 'der Höhe der Mauer errichtet und bein 8, 10 oder 12 Theile

*) Aehnliehe Anordnung von Strebepfeilern finclet man an den romanischen und


gothischen Kirchenbauten; besonders häufig ist die Anlage der Strebepfeiler nach
Pig. A, seltener die von C, welche ganz besonders die Hallenkirchen charakterisirt,
wo dann der Raum zwischen den nach Innen weit vorspringenden Pfeilern ZUT Anlage
von Seitenkapellen verwendet 'wurde, wie dies beispielsweise bei der Münchener
Frauenkirche der Fall ist.
Arbeiten des Rohbaues (Stärke der Mauern). 111

theilt , je nachdem die Mauer eine sehr grosse, mittlere oder geringe Festig-
keit erhalten soll. Trägt man dann einen dieser Theile (hier 1/10) von C

Fig-. 184.

nach cl ab und zieht von cl eine Parallele mit c b; so ergiebt sich hieraus die
verlangte Mauerstärke. dieselbe ist:
lh
s - ----";"====
-11, yl2+h 2 '

wobei s die Stärke der Mauer, l die freie Mauerlänge , h die Manerhöhe be-

d eutet uneI n = -hS . d.


gesetzt WIr

. Bei kreisrunden Mauern ist ab =


l = 1/12 der Peripherie zu setzen, nach
Rondelet gleich der Seite des eingeschriebenen Zwölfecks oder annähernd
= 1/4D des äussern Kreises; es ergiebt sich hieraus:
Dh
s- ny D2+ 16h2'
V orstehende Masse beziehen sich auf Mauern aus guten Backsteinen; da
nun aber jedenfalls Mauern aus Werkstücken eine verhältnissmässig grössere
j

Festigkeit besitzen, wie solche .aus Backsteinen, lagerhaften Bruchsteinen oder


aus unregelmässigem Gm1)lle, so erscheint es wünschenswerth, für deren Festig-
keit eine bestimmte
, Verhältnisszahl zu ermitteln. "

Rondelet hat durch seine Beobachtungen den Satz aufgestellt, dass Mauern
aus Werkstücken , Backsteinen, lagerhaften Bruchsteinen und unregelmässigen
Geröllen bei gleichen Stabilitätsverhältnissen sich verhalten wie die Zahlen-
werthe von 5 bis 6 :' 8 : 10 : 15, woraus sich ergiebt, dass eine Mauer bei
gleicher Widerstandsfähigkeit aus Werkstücken um das Dreifache schwächer
gemacht werden" kann, als eine Mauer aus unregelmässigen Rollsteinen. "
'V.as ~ie Fundamentstärke von freistehenden Mauern anbetrifft, so macht
man sie) -4'" hier meistens nur' das Eigengewicht in bettacht kommt, und die
Fundationssohle nur einen Vertikaldruck zu erleiden hat, bei gutem Baugrund
um die· Hälfte breiter wie die zu tragende Mauer; für eine 2 Stein stav'te
Mauer würde dies eine untere Sohle des Fundaments von 3 Stein Stärke
voraussetzen. ~Fig. 185 (S. 112) stellt diesen Fall dar; um Steinmaterial zu
ersparen, wird .aber nur dem untersten Banquett in. einer Höhe von 0,30 bis
0,45 m diese Stärke von 3 Steinen gegeben, während die eigentliche Stützmauer,
die theilweise in der Ente liegt, 2 1/ 2 Stein stark gemacht wird, so dass zugleich
für die freistehende Mauer ein beiderseits vorspringender Sockel gewonnen wird.
Freistehende Mauern, die ausser ihrer Eigenlast noch eine' andere zu tragen
haben) möchten im Hochbau nicht vorkommen; wohl aber ist dies der Fall
bei solchen Pfeilermauerwerk -' welches stark belastete Decken, oft in mehr-
112 1. 1Lwrer- und Steinmetzarbeiten.

stöckigen Gebäuden, besonders in Magazinen, Lagerhäusern und grossen Fabriken


zu tragen hat.
In solchen Fällen konzentrirt sich oft eine sehr bedeutende Belastung auf
jeden einzelnen Pfeiler, und geht man dann am korrektesten in der Weise
vor, die pressende Last gewissenhaft festzustellen, um dann nach der zulässigen
Pressung des Baugrundes die Grösse des Querschnitts für das unterste Banquett
des Pfeilers zu ermitteln '*).
N ach einer der Praxis entnommenen Konstruktionsweise verbreitert man wohl
das Fundamant eines sehr stark belasteten Steinpfeilers nach allen vier Seiten
um die halbe Pfeilerdicke. sodass die Fundamentsohle die v i er fa ehe Grund-
fläche des Pfeilers erhält.
In neuerer Zeit werden die steinernen Tragpfeiler vielfach durch eiserne
Säulen ersetzt; die untere Tragplatte wird dann am vortheilhaftesten in eine
Steinplatte aus widerstandsfähigem Material, am besten aus Granit, eingelassen
und gut verdübelt oder verbolzt. Zu ihrer Grösse wählt man den fünf- bis
sechsfachen Querschnitt der Säule und giebt der Fundamentsohle wohl auf je
1 m Tiefe eine weitere Verstärkung von einem halben Stein in solcher An-
ordnung, ~ie dies in der Fig. 186 dargestellt ist.

Fig. 185. Fig. 186.

Statt der hier angeordneten scharf ausgesprochenen Absätze erhalten solche


F"eiler wohl auch eine nach unten sich allmälig verbreiternde Verstärkung, die
sich theoretisch bestimmen lässt, indem zu der obern Last noch das Gewicht
des Pfeilers selbst in Betracht kommt.
.Hieraus ergiebt sich dann für den Pfeiler (oder für die Mauer) ein Anlaut
nach einer logarithmischen Kurve indem die Querschnittsbreiten nach unten
i

wie die Ordinaten der Exponentialkurve anwachsen.


Ein solcher Pfeiler von gleichem "Widerstande *'*) ist für jede, bestimmte

*) Siehe Seite 6: Die zuläs,sige Belastuns des Baugrundes.


*"') Der Statik dei' Hochbmll;:onstr. von D~. Wittmann 8. Hl: W. Frauenliolz ; Bau-
konstr, für Inzenieure. Steinkonstruktionsn R. 2!"\2. .
Arbeiten des Rohbaues (Stärke der Mauem). 113

Belastung zu berechnen, und ermöglicht allerdings eine ger in g e Material-


erspamiss, die aber durch die kom p l i z i r t e Bearbeitung des Pfeilers weitaus
.überholt werden möchte!
Was nun die S t ü t z - oder F u t tel' mau ern anbetrifft, so wurden deren
statische Momente durch Vauban, Poncelet, Redtenbacher, Weisbach, Hagen und
andere gelehrte Ingenieure ermittelt und wurden hierfür Formeln aufgestellt,
auf welche speziell einzugehen verzichtet werden muss.
Man findet danach den Erddruck P auf die hintere vertikale Fläche einer
Stützmauer von der Länge = 1 unter Annahme eines oben horizontal abgeglichenen
Terrains und unter Vernachlässigung der Kohäsion der Erdmasse :
h2 y 900 - rp . h
P = ~- . Tang ' ; ho = - für ein unbelastetes Terrain,
2 2 3
P = (h 2y _I _ n: h) Tano- 2 90° -- rp. h = ~ . h Y + 371; für ein mit
.. ,2 T 0 !",2 ' 0 3 hy + 2%
%10(/ pro Flächeneinheit belastetes Teti·ail;.
Dabei ist h die Höhe der Stützmauer,
, y das Gewicht der Erdmasse pro Kubikeinheit,
rp die natürliche Böschung des Materials,
ho die Entfernung des Angriffspunktes des Erddrucks von. der
untern Mauerfläche.
Aus der Momenten-Gleichung für die Vorderkante der Mauerbasis berechnet
sich dann das Widerstandsmoment der Mauer, aus welchem man in jedem ein-
zelnen Fall die Querschnittsfläche der Stützmauer berechnen kann.
Der natürliche Böschungswinkel beträgt:
für sehr dichte Erde 55°, für feuchte Gartenerde
" trocknen iLehm 40°, trockne "
" feuchten Sand 24°, " Getreide 30 0 •
" trocknen Sand 32°, "
" '
Für den praktischen Gebtart,ch möge hier eine Tabelle für die Stärke von
Stützmauern folgen, wie solche allgemein in die Praxis sich eingeführt hat.
Fig. 187 stellt das Profil einer Futtermauer dar, deren hintere Fläche
vertikal ist; der obere Abschluss ab wird die Kl'O n e genannt, der untere
c cl die. B a s i s , . das Mass von ce bezeichnet man. nütB ö s c h u n g. Die
mittlere Stärke einer Futtermauer von der Höhe H beträgt
im allgemeinen 1/3 bis 1/4 H; die Böschung wird zu. 1/1 0
bis 1/15 H für Backstein-, und 1/6 bis 1/1 0 H für Quader-
mauerwerk angenommen.
Tabelle für die Stütz- und Futtermauerstärken (der
Rheinischen Bahnen).
Breite Breite
Höhe Höhe
I oben unten
I[
I1 oben unten
In I 111 \ 111 11 In ..
111 I 111

1,88 0,47 - 0,63 .6,27 1,75 2,26


2,51 0,70 0,95
il 7,52 2,12 2,75
11

3,14 0,86 1,11 L 9,40 2,66 3,30


3,76 1,08 1,33 12,54 3,52 4,5c1
4,40 1,'25 1,60 11
15,70 4,40 5,64
5,02 1,40 1,83 !i 18,80 5,00 6,44 f! e
5,64 1,60 2,0,) !I Fig. 187.
0
114 r. Maurer- und Steinmetzarbeiten.

Für Futtermauern mit Strebepfeilern, bei denen einerseits Material und


Arbeit erspart werden kann, andererseits sich eine grössere architektonische
Wirkung erzielen lässt, giebt die folgende Tabelle die üblichen Abmessungen.
Bezeichnet Ii die Höhe der Futtermauer, so ist ihre Stärke unten = 0,14 H
zn wählen ; die Strebepfeiler sind in 1 bis 1 1/2 Ii (aber nie über 5,5 m) Ent-
fernung von einanc1erzu setzen.

Tabelle übe I' die Dimensionen der Strebepfeiler.


jl
'I
I,
Höhe Breite Stärke (I Höhe Breite Stärke
I,I
111 111 111
11
nl 111 111
-------

1~
3,1 1,26 0,78 11,0 2,82 1,41
4,7 1,57 0,94 12,6 3,14 1,57
6,3 1,88 1,02 15,7 3,77 1,88
7,9 2,20 1,18 18,8 4,40 2,00
9,4 2,51 1,31

Bei Ausführung von Futter- und Stützmauern ist besonders der Umstand
zu berücksichtigen,ob das von der Mauer gestützte Terrain zeitweise durch
Wasser durchtränkt werden .kann , wodurch der Bestand der Mauer in hohem
Grade gefährdet wird; aus diesem Grunde ist beim Anlegen von Futtermauern
dafür Sorge zu tragen, dass an ihrer Basis eine grössere Anzahl Durchlass-
kanäle , die dem "VVasser ungehinderten Abfluss gewähren, angebracht werden.
Bei umfassenden und hohen Terrassirungen kann es durch die Terrainverhält-
nisse geboten erscheinen , den vorhandenen Bauplatz bergmännisch mittelst
durchlassender Abzugskanäle so zu durchsetzen, dass die allenfalls vorhandenen
Gewässer gesammelt und abgeleitet werden können; solche Vorsicht ist be-
sonders da geboten, wo man an den Abhängen hoher Flussufer oder Berge
zu bauen hat *).
Handelt es sich darum, die~St'ärken jen er Mau e r.n zu b e ~ ti m m e n ,
d i eR a Um ums c h l i e s sen d die wesentlichsten Bestandtheile unserer Gebäude
bilden, so machen sich dabei eine so grosse Menge von verschiedenen Ver-
hältnissen geltend, dass es unmöglich erscheint, hier eine allgemein giltige
Regel aufzustellen. Nicht allein die so sehr verschiedenen Höhen der Ge-
bäude, wie die der einzelnen Stockwerke, bedingen die Stärke der Mauern,
sondern auch die Grösse und Lage der, einzelnen Zimmer, ferner die Anzahl
und Anordnung von Fenster- und Thüröffhungen.
Ein Theil der in einem Gebäude nothwendig werdenden Mauern erscheint
.oft bedeutend belastet oder einem Seitenschubeausgesetzt, während bei andern
Mauern dies nicht der Fall ist.
Liesse sich nun auch in allen möglicher Weise vorkommenden Fällen die
Belastung oder die anderweitige Inangriffnahme einer Mauer ermitteln, so bleibt
doch wieder die Berechnung des Widerstandes der verschiedenen Stein - und
Mörtelmaterialien , der Einfluss eines guten Verbandes, die Wirkung der an-

*) 'I'errassenbau der Albrechts-Villa bei Dresden.


Arbeiten des Rohbaues (Stärke der Mauern). 115

geordneten Verankerungen etc, immerhin, trotz der trefflichen neuern Arbeiten,


sehr unsicher und spielt dabei der Er fa h l' U n g s - K 0 e ffi ci e n t eine sehr
bedeutende Rolle; die gewissenhafteste theoretische Berechnung unserer Gebäude-
mauern führt uns übrigens auch meistentheils zu Resultaten, die für die
praktische Ausführung nicht brauchbar sind, sie müssen rektifizirt werden und
hierzu dient jene Erfahrung, die sich aus einer mehr als tausendjährigen Praxis
herausgebildet hat; immerhin wird uns die Theorie stets ein höchst geschätzter
Regulator für alle unsere Konstruktionen bleiben!
Die Mauerstärken in unsern Gebäuden sind übrigens noch abhängig von
dem uns zur Verfügung stehenden Steinmaterial , besonders von den Ab-
messungen der Backsteine, endlich bestehen in fast allen Staaten Bau g e set z e ,
nach welchen s m m t l i c h e Mauerstärken vorgeschrieben
ä

si n d.
Es würde zu weit führen, hier auf die grosse Verschiedenheit aufmerksam
zu machen, die sich in den verschiedenen Bauordnungen in bezug auf die Mauer-
stärken geltend macht; es möge das Brauchbarste hier übersichtlich geordnet Platz
finden:
Die Mauern, welche ein massives Gebäude bilden, lassen sich zergliedern:
1. in U m fa s s u n g s mau ern und
2. in Mit te 1- und Sc he i dem aue r n.
Die Um fa s s u n g s mau ern sind entweder tr a gen deoder nur Raum
umschliessende; die ersteren nehmen die Gebälke in sich auf, die letzteren
repräsentiren sich oft als Kommunmauern ; auch die Giebelmauern sind in den
meisten Fällen durch kein Gebälk belastet.
Für die Um fa s s u n g s mau ern uns e r erG e b ä u d e gelten allgemein
folgende Annahmen: Bei ein e r Stockwerkshöhe von 3,3 bis 4,5 m, einer
Zimmertiefe von 7 m und einer freien Frontlänge der Zimmer von 9,5 bis
10m ist die äussere belastete Umfassungsmauer 1 1/ 2 Stein stark auszuführen;
ist jedoch die Stockwerkshöhe bei sonst gleich bleibenden Verhältnissen geringer
als 3,3 m, so kann den statischen Verhältnissen vollkommen durch eine 1 Stein
starke Mauer genügt werden, wobei jedoch ein d u r c hau ss 0 I i d e s Mau e r-
werk, unter Anordnung einer aus r eie he n den Ver a n k e run g der
gegenüber stehenden Mauern vorausgesetzt wird. Da eine 1 Stein starke U m-
fassungsmauer aus Vollsteinen unseren klimatischen Verhältnissen nicht wohl
entspricht, so wählt man aus hygeischen Rücksichten diese letztere Mauerstärke
nur für solche Gebäude (Werkstätten , Magazine, Fabriken), die nicht VVohn-
zwecken dienen *).
Dienen Bruchsteine als Material, so können Umfassungsmauern unter den
erst angegebenen Verhältnissen 0,45 m , in letzterem Falle 0,35 m stark ge-
macht werden.
Die belasteten Umfassungsmauern sind jedoch im obersten Stockwerke
2 Stein stark zu machen bei Stockwerkshöhen über 4,5 m , bei Zimmertiefen
über 7 mundbei freien Frontlä.ngen der Zimmer über 10m.
Bei den oben angegebenen geringem Zimmerhöhen giebt man den be-
lasteten Umfassungsmauern zweier Stockwerke gleiche Mauerstärke und ver-

*) Auf dem Lande erhalten einstöckige Gebäude unter Zustimmung der meisten
Bauordnungen meistens nur eine 1 Stein starke Umfassungsmauer; werden dieselben
aus Hohlsteinen hergestellt, und Verkleiclungen mitte1st schlechter Wärmeleiter zum
Schutz gegen die äussere Winterkälte zu Hülfe genommen, so genügt dies auch voll-
kommen.
116 1. Maurer- und Steinmetz arbeiten.

stärkt sie nach unten in je zwei Stockwerken um 1/2 Stein; bei den grössern Zimmer-
höhen erfolgt die Verstärkung von 1/2 Stein bei j e dem tiefer liegenden Stockwerke.
Umfassungsmauern ~ welche nicht als Auflager für die Gebälke dienen,
können bei entsprechender Verankerung (bei freistehenden Bauten) durch alle
Stockwerke 1 1/ 2 Stein stark gemfLcht werden; in gleicher "Yeise ist diese Stärke
ausreichend, wenn die freie Frontlänge der Urnfassungsmaner 2,5 m nicht
überschreitet, wie dies wohl bei Aborten, Holzgelassen etc., der Fall sein kann.
Bei Anwendung von Bruchsteinen wählt man zur Verstärkung der Mauern
nach unten das Mass von 15 cm,
Die Fundament- resp. Kellermauern sind bei Anwendung von Backsteinen
um 1/2 Stein, bei Anwendung von Bruchsteinen um 0,15 cm zu verstärken.
Zu den Umfassungsmauern möchten auch jene Mauern zu zählen sein, die
zur Bildung von k lei n er e n H ö fe n (Lichthöfen) dienen; je nachdem solche
Lichthofmauern als Auflager für die Gebälke dienen, oder VY olmräume nach
Aussen hin begrenzen, hat man denselben in allen Etagen eine Stärke von
11/~ Stein zu geben, im andern Falle genügt wohl in den meisten Fällen eine
Stärke von 1 Stein.
Die Mittel- und Scheidemauern werden oft sehr stark durch die Gebälke
belastet und starken Erschütterungen ausgesetzt; ist nur ein e Mittelmauer
bei zwar tiefen Zimmern aber mässigen Höhen vorhanden, so wird man ihr
unter allen Umständen mindestens eine Stärke von 1 1/ 2 Stein zu geben haben;
bei sehr hohen Räumen) bei verhältnissmässig lang freistehenden Mittelmauern,
mit .vielen oder grossen Unterbrechungen darin, durch Anlage von offenen
Bögen oder Thüren, Rauch -, Heiz - und Ventilationsröhren wird den Mittel-
mauern eine Stärke von mindestens 2 Stein zu geben sein, während anderer-
seits unter günstigen Verhältnissen und dem Vorhandensein einer zweiten
Mittelmauer eine 1 Stein starke Mauer genügen kann.
1 Stein stark wird man auch solche Mauern machen, die in einem grössern
Miethhause die einzelnen Quartiere von einander trennen; auch Mauern, die
einerseits ungeheizten Vestibülen oder Treppenhäusern, andererseits geheizten
Räumen angehören, müssen 1 Stein Stärke erhalten, weil SOllst die geheizten
Räume nicht gegen die Kälte des ungeheizten Vestibüls geschützt erscheinen.
Auch Mittelmauern , welche Treppenhäuser umgrenzen, müssen - der
Feuersicherheit wegen - mindestens eine Stärke von 1 Stein erhalten. .
Handelt es sich endlich um Seheidemauern , die von Balkenlagen gar
11 ich t bel a s t e t , zwischen zwei Streichbalken liegen, so können solche
Mauern bei guter Verankerung der Gebälke in den Hauptmauern , selbst beim
Vorhandensein vieler Stockwerke, 1/2 Stein stark gemacht werden.
Mauern, welche die schnelle Ausbreitung des Feuers bei eingetretenen
Bränden zu verhindern haben, nennt man' wohl B r a n d mau ern; solche Mauern
müssen . mindestens eine Stärke von 1 Stein erhalten und werden im Dache
°
liegend, 0,3 m über die Dachfläche hinausgeführt; nehmen dieselben einen
bei aneinander gebauten Häusern gemeinsamen Charakter an, so entstehen die
sogenannten Kom 111 U nm a u e r n, die mindestens 1 1/ 2 Stein Stärke erhalten,
und in denen prinzipiell : die Anlage von nicht feuersicher schliessbaren
Oeffnungen verboten ist.
Nach Red t e n ba c her berechnet sich die Umfassungsmauer von Fabrik-
gebäuden nach der empirisch aufgestellten. Formel:
h' + h" h' + k"
ef = -
40
+--;
iM
25
e" = --
t
40
+ 25
.<:'> e"
.
= -
t
40
-+- ,-_.~ 25
kill
. _.---~_._.
_I
-- 8:8.'
'
Arbeiten des Hohbaues (Stärke der Mauern], 117

hierbei bedeutet e' die Stärke der 0 b e r s te n Umfassungsmauer, eil und eil'
beziehen sich auf die Höhe der mittleren, beziehungsweise des untersten Ge-
schosses; in derselben Weise sind h' h" hili die Geschosshöhen , t drückt die
Tiefe aus; demnach würde ein 12 m tiefes Fabrikgebäude, dessen Tl.I. Geschoss
3,50 m hoch und dessen H. und 1. Geschoss 4 m hoch wären, die folgenden
Mauerstärken zu erhalten haben:
1 ') 'l

e'=~+~~; e - 40
"'0 o" _ 12 + 3,50 + 4,00.
25' e
0'" = 12
40
+ 3,50 1- 4,00
25·'
+ 4,00
40 20
was den Massen VOll:

0,44 m 0,60 m 0,76 m entspricht;


durch Abgleichung würde man für den Ziegelbau erhalten für:
e' 1 1/ 2 bis 2 Stein, für eil 2 1/ 2 . Stein, für eil' 3 Stein Stärke.
R 0 n deI e t giebt für die Mauerstärken folgende Regeln an:
Hat ein Gebäude nur ein e Zimmertiefe und fehlt somit eine Mittelmauer.
so addire man zu der lichten Tiefe des Gebäudes die halbe Höhe bis unter das
Dach, und nehme von dieser Summe den 24. Theil als Stärke für die Um-
fassungsmauern; bedeutet t die Tiefe, h. die Höhe des -Gebäudes und X die
gesuchte Mauerstärke, so ergiebt sich

t+~
2
24
hiernach würde ein 8 m tiefes und 4 In hohes Gebäude, das serner Tiefe nach
nur einen Raum besitzt, eine Umfassungsmauer von
2 . 8,00 + 4,00 _
- - - - - ' - - - -- ,
0 41 6. m Stärke
48
zu erhalten haben, was für Ziegelbau einer Stärke von 1 1/ 2 bis 2 Stein ent-
spricht.
Hat ein Gebäude der Tiefe nach zwei Reihen Zimmer, so nehme man
von der halben Summe der Tiefe und Höhe den 24. Theil als Stärke der
Umfassungsmauer; oder in einer Formel ausgedrückt
h -1- t
x=----
2 h+t
24 48
Die Stärken der Scheide - oder Mittelmauern macht Rondelet abhängig
von der Tiefe der zu theilenden Räume und von der Höhe derselben; beide
Masse sind zu addiren und durch 36 zu' theilen; es ist also

x=h+t.
36
Eine Mittelmauer in einem 15 m tiefen Gebäude, bei einer Stockwerkshöhe
von 3,5 m würde dementsprechend
15 + 3,5 = 0,51 m
36
stark zu mach en S8m, was für Ziegelbau 2 Steinen entsprich i:,
118 1. Maurer- und Steinl11etzal'beiten.

Um die Mauerstärken von Thürmen zu bestimmen, theilt man die Höhe


der letzteren wohl in einzelne Geschosse von 5,5 m Höhe, giebt dem obersten
eine 2 Stein starke Umfassungsmauer, und verstärkt diese dann nach unten zu
bei jedem Geschoss um 1/2 Stein.
Die üblichen Stärken von den Umfassungsmauern eines vierstäckigen, . in
Backsteinen ausgeführten Gebäudes bei mässigen Etagenhöhen und Zimmertiefen
giebt die Fig. 188 (8. 119). Das oberste Stockwerk und das darunter folgende
sind 1 1/ 2 Stein stark angenommen, die beiden andern , noch tiefer liegenden
Stockwerke haben dann 2 Stein Stärke, und wird die Mauer im Kellergeschoss
weiter um 1/2 Stein verstärkt; das Banquert ist mit 3 Stein Särke anzulegen.
vVürden beim Bau eines solchen Hauses geformte Drei-
quartiere zur Disposition stehen, so kannmanunbeschadet
der 8 tab i l i t ä t s ver h ä I t n iss e die Umfassungsmauern nach dem Profile
in Fig. 189 (S. 119) ausführen; statt der Zunahme von einem halben Stein
(wie in Fig. 188) sind hier die Mauern nach unten nur um einen Viertel-
stein verstärkt, woraus sich für das Banquert eine Anlage von 2 1/ 2 Stein-
Stärke ergiebt.
Die Ersparniss, welche hierdurch erzielt wird, ist zwar keine sehr grosse,
immerhin aber beträgt sie über 10. Proz. von der Masse des Mauerwerks , ab-
gesehen von dem Raumgewinn , der, wenn auch nicht grass, hin und wieder
. doch sehr schätzenswerth ist.
Ein ähnliches Profil für Wohngebäude mit hohen Etagen und verhältniss-
mässig tiefen Zimmern giebt die Fig. 190 (S. 119). Die hier näthigen Mauer-
stärken für den Ziegelbau sind eingeschrieben; die Mauern sind nach unten in
je dem Stockwerk um 1/2 Stein verstärkt, so dass ein Banquett von 4 1 / 2 Stein
Stärke nothwendig wird; sind ge f 0 I' m teD I' e i qua r ti e r e auf dem Bau vor-
handen, so kann ohne Anstand dem Profile die Abmessung von Fig. 191 (S. 119)
gegeben werden, wobei eine Banquettstärke von 3 1/ 2 Stein sich ergiebt; die
hierdurch erreichte Massenersparniss beträgt 15 Proz.
Dass das Mau e I' wer k bei m Vor h an d e ns ein g e f 0 I' m t e r D r e i -
qua r t i e r e an Fes ti g k e i t g e w i n n t , möge hier nochmale betont
werden!
Um sich darüber klar zu werden, ob die Banquette der vier eben vor-
geführten Profile beim Vorhandensein eines guten Baugrundes eine hinreichend
tragfähige Basis abgeben, sei hier die Last ermittelt, mit welcher die Figg. 188,
189, 190 und 191 auf den Baugrund pressend wirken i das Gewicht ist für
eine Front von 1 m Länge berechnet:

Das Profil des ganzen Mauerkörpers . berechnet sich, den


Kubikmeter zu 1600 kg angenommen, auf 14000 kg
zieht man davon ein Drittel für die Fensteröffnungen mit 4 666 " ab,
---c:--------:---..:..
so verbleibt für das Mauerwerk 9334 kg.
Für die Deckenlast (500 kg pro qm) ergiebt sich . 7 500 "
für die Dachlast 1 500 ,~
" " " " Gesammtlast 18334 kg.

Die hier sich ergebende Banquettsohle ist = 0,77 qm, so dass der Druck
18334.100
für 1 qm . 77 = 23810,30 kg betr:igt.
Arbeiten des Rohbaues (Stärke der Mauem). 119

. .- - - , . ~ ~

:'"'"-~~=:
_r-_:--__ '.\\ -" 10//~'--:;>/=-
120 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.

Für Fig. 189 beträgt elie Last des Mauerwerks 12624 kg


ab für Fensteröffnungen 4208 "
----------
bleibt: 8416 kg.
Für die Decken ergiebt sich eine Last von 7 500 "
für das Dach " " " " " 1 500 "
Gesammtlast 17 416 kg.
Die Banquettsohle ist = 0,64 qm, so dass der Druck für 1 qm
17416.100
-----,---
64 = ,).... 7 212 , 5U_ kg beträgt.

Für Fig. 190 beträgt die Last des Mauerwerks 28144 kg


ab für Fensteröffnungen
- - - -9381
- - -" -
bleibt: 18763 kg.
Für die Decken ergiebt -sich eine Last von 7 500 "
für das Dach 1 500 "
" " " " Gesammtlast 27 763 kg.
Die Banquettsohle hat eine Fläche von 1,16 qm, so dass der Druck für
27763.100 '
1 qm 116' - 23 933,62 kg beträgt.

Für Fig. 191 berechnet sich die Last des Mauerwerks auf 23824 kg
ab für Fensteröffnungen 7 941 "
~--------
bleibt: 15883 kg.
Für die Decken ergiebt sich eine Last von . 7 500 "
für das Dach eine solche von . 1 500 "
Gesammtlast 24883 kg.
Die Bauquettsohle hat einen Querschnitt von 0,90 qm, so dass der Druck
24 883 . 100
für 1 qm 90 = 2 7 6 4"1,77 kg beträgt.
Nach Seite 6 beträgt die zulässige Belastung fiir den sogenannten ge-
wachsenen Boden oder für guten Baugrund 30 bis 100 tadel' 30000 bis
100000 kg, woraus sich ergiebt, dass in den vier vor-
stehenden Profilen (ganz besonders in den beiden ersten), eine
übergrosse Sicherheit. gegeben ist.
Nur bei einem Baugrunde von geringerer Tragfähigkeit
wäre es geboten, den .Fundamentsohlen eine grössere pressende
....-
~

Fläche zu geben; dies aber. bietet nicht· die geringsten


Schwierigkeiten dar, nur hat man' bei Kelleranlagen darauf
zu sehen, dass die betreffenden Verstärkungen in die Aussenseite
der Mauer zu liegen kommen, wie dies die Fig. 192 darstellt.
Das Kapitel über die Stärke der Mauern kann nicht
geschlossen werden, ohne die grosse Festigkeit zu erwähnen,
welche beim Bau' von Ge b ä u den mit G r 0 b m Öl' tel
Fig. 192. sich für dieselben ergeben hat, und wird hier auf das bereits
auf Seite 69 Gesagte verwiesen. Bei den meisten Gebäüden
aus Grobmörtel haben sich zwar Umfassungsmauern von 0,25 und 0,30 m
Stärke als vollkommen deng;1tischen V erhältnissengenügond bewährt; ob dies
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 121

aber auch der Fall in hygienischer Beziehung ist, möchte bezweifelt werden,
indem eine Mauer von so geringer Stärke wohl kaum im Stande sein
dürfte, bei starkem Frost die Bewohner gegen jene Nachtheile zu schützen,
welche durch eine starke und plötzliche Abkühlurig der inneren Zimmerluft ent-
stehen müssen. Kann man sich nun durch Anwendung schlechter Wärmeleiter,
namentlich durch innere Holzvertäfelungen gegen solche Nachtheil~ wohl voll-
ständig schützen, so möchte doch immer auch darauf Bedacht zu nehmen sein,
dem Bewohner nicht das be ä n g s ti gen d e Ge fü h 1 aufzudrängen, dass er
in einem Kartenhause wohne, welches ihm möglicher Weise übel' den Kopf
zusammenfallen kann.
Die VV i der 1 ag s mau e r n finden nähere Besprechung in den Kapiteln:
..U eber die Stabilität der Gewölbe und deren Stützen".
/,

2. Ge w öl b e.

Geschichtliche Notizen.

Bis vor kurzer Zeit wurde allgemein angenommen, dass die Technik des
Wölbans unter Anwendung von Keilsteinen und Centralfugen den ältesten
Kulturvölkern, wie den Chaldäern, Babyloniorn, Assyriern, dann den Aegyptern
und Phöniziern unbekannt gewesen sei; nach neuern Forschungen, besonders
durch Layard , Taylor und Loftus, Botta, Flandrin , Victor Place einerseits,
andererseits durch den Berliner Gelehrten Lepsius , lässt sich jedoch mit aller
Bestimmtheit die Konstruktion der ältesten, unserer Zeit erhaltenen Gewölbe auf
ein Alter von nahezu 3000 Jahren zurückführen.
Dass diese Gewölbe mit dem Uranfange der Gewölbetechnik in unmittel-
barem Zusammenhang stehen, d. h. dass sie die zu er s tel' fun den e n sind,
möchte wohl zu bezweifeln sein, um so mehr, da wir Mittheilungen von alten
Schriftstellern besitzen," die das Vorhandensein von Gewölben" bis in die Sagen-
zeit 'hinein versetzen.
Diodor, der die Gründung Babylons, freilich im Gegensatz zu andern
Schriftstellern, der mythenhaften Königin Semiramis zuschreibt, theilt uns im
II. Buche, dem 9. Kapitel mit, dass diese Herrseherin auch einen unterirdischen
Gang" zur Verbindung von zweien ihrer Paläste bauen liess, der unter dem
Euphrat durchgeführt werden musste.
Das Kanalgewölbe - heisst es an betreffender Stelle - war aus ge-
brannten Ziegeln ausgeführt und auf beiden Seiten so oftmals mit gekochtem
Erdpech überstrichen, bis es die Dicke von 6 Ellen erhielt. Die "Wände des
Kanals waren 20 Ziegel, dick, und, den eigentlichen Gewölbebogen nicht mit
eingyrechnet (also bis zum Widerlager), 12 Fuss hoch, während die" Spann-
weite 15 Fuss betrug. Weiter erzählt Diodor , dass dieser Kanal, der ein
zeitweises Verlegen des mächtigen Stromes nothwendig machte, in 7 Tagen
fix und fertig hergestellt worden war *). '
Steht Diodor's Mittheilung in geschichtlicher Beziehung in Widerspruch
mit den Zeugnissen der meisten Alten, nach welchen die Gründung" Babyloris

*) Nach Dioc1or, H. Buch, 7. Kap., liess Semiramis zum Bau von Babyleu überall
Baumeister und Künsbler anw erben ; nachdem alle"! sonst Nothwendige herbeigeschafft
war, unternahm sie mit 2 Millionen Mä.n n er n die Ausführung. '
122 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.

lange vor Semiramis zu setzen ist, so geht daraus noch nicht herv or , dass
unser durch seine Gelehrsamkeit und Gewissenhaftigkeit so berühmte Historio-
graph auch in seinen technischen Mittheilungen anzuzweifeln sei. Macht er
um; doch auch anderweitige technische Mittheilungen, die als durchaus un-
zweifelhaft sich erwiesen haben. 80 wird von Diodor im H. Buche, dem
8. Kapitel,. erzählt, wie 8e11111'amis die Stadt mit z w e i Ringmauern umgeben
liess etc., und dann sazt
b
er wörtlich: ..sie erbaute aber auch noch eine dritte
U

innere Mauer, welche die eigentliche Burg umschloss. Diese hatte einen Um-
fang von 20 Stadien (40 km), an Höhe aber überragte dieser Bau die mittlere
Mauer und so auch deren Breite. An den Thürmen und Mauern waren allerlei
Thiere zu sehen, an Farbe und Gestalt der Natur mit grosser Kunst nach-
gebildet. Das Ganze stellte eine Jagd vor mit zahlreichen Thieren und Figuren,
die mehr als 4 Ellen hoch waren; darunter war auch Semiramis als Reiterin
abgebildet, wie sie mit dem ,V urfspiesse einen Panther erlegt, und nahe dabei
ihr Gemahl Ninos, wie er mit der Lanze einen Löwen niederstreckt."
Dieser interessante Bericht über das musivische Backsteinmauerwerk der
alten Stadt Babyion stimmt vollständig überein mit der spätem Technik, die
sich an den Palästen Ninive's traditionell erhalten hatte; nachweisbar sind
aber in den ältesten Ruinen, z. B. in denen von Mugeir , aus der Zeit von
2230 v. Chr. stammend, das Vorhandensein von glasirten farbigen Ziegeln,
während in den Ruinen des Königspalastes von .Kisir - Sargon aus der Zeit
720 v, Chr, herrührend, sich musivisches Backsteinmauerwerk mit allerhand
Figuren vollständig erhalten hat, ähnlich wie es von Diodor beschrieben wurde.
Fig. 1 *) auf Tafel IX giebt ein Beispiel dieses polychromen Ziegel-
mauerwerks ; es stellt ein Bogenstück, entnommen einem Portalbogen, der selbst
später besprochen werden wird, dar. J edel' einzelne Ziegel, der zu' den figür-
lichen Darstellungen benutzt werden sollte, musste mit Rücksicht auf die ganze
Darstellung gezeichnet und farbig, ja oft mehrfarbig glasirt werden. Der
Hauptton der hier mitgetheilten Verkleidung von emaillitten Ziegeln ist ein
lichtes Blau; die Einfassung besteht aus einem gleich blauen Streifen mit weiss
und gelben Rosettchen geziert, dem ein gleichmässig gelber Streifen folgt. Die
doppeltgeflügelte Gestalt eines Brod (?) und Salz (?) darbietenden Cherubim
zeigt in allen Fleischtheilen die Fleischfarbe, Bart und Haare sind schwarz
und ebenso die Iris des Auges und die Augenbrauen, während der Augapfel
sonst weiss erscheint; die Stirnbinde ist grün, die Sandalen und die Kopf-
bedeckung sind gelb, das Gewand und die Flügel gelb und blau. Die ganze
Darstellung ist eine äusserst lebendige, die Farben sind gut gewählt, und hat
sich die ziemlich stark aufgetragene Glasur vortrefflich erhalten.
Aehnliches polychromes .Ziegelmauerwerk hat sich vielfach in den Städte-
ruinen des mesopotamischen Tieflandes erhalten, und man hat es hier mit
einer Technik zu thun, welche als eine äusserst charakteristische für die Bauten
von Alt- und N eu-Babylon anzusehen ist; die vorzügliche Ausbildung, welche
diese Technik in der frühesten historischen Zeit schon erfahren hatte, weist
ohne Zweifel auf eine sehr lang vorhergehende Ausübung hin, und möchte
dem entsprechend kein Grund vorhanden sein, die Mittheilung Diodor's , dass
das Alter dieser Technik in die Mythenzeit zu verlegen sei, anzuzweifeln.
Unserer -Zeit sind aber auch mehrere Gewölbe erhalten, die Diodor's
technischen Mittheilungen die grösste Wahrscheinlichkeit gehen; zwei dieser

~ .. *) Ninive et I'Assyrie, par Victor Place, Paris, PI. 11-16. Dann: Monuments de
Ninive decouvert et decl"te, par M. P. E. Botta, mesure et dessine par M. E. Flandrin.
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 123

Gewölbe gehören Kanälen an; der eine im Rundbogen mit regelrechten Keil-
steinen und Centralfugen gewölbte Kanal zog sich unter der Terrasse des
Nordwestpalastes von Nimrod fort, eines Baues, der wahrscheinlich aus der
Zeit 900 v, ChI'. herrührt und als dessen Erbauer nach den gefundenen In-
schriften der König .Asohurakbal (Sardanapal 1.) gilt *).
Aber nicht nur rundbogige Tonnengewölbe sind unserer Zeit erhalten,
sondern auch solche mit dem Spitzbogen ausgeführte; ein solcher Kanal Wurde
in dem Terrassenbau des etwas jüngern Südostpalastes von Nimrod entdeckt.
Dieses Kanalgewölbe zeigt die Fig. 2 **) im Querschnitt und in der Oberansicht.
Die Spannweite beträgt nahezu 1 m; das Spitzbogengewölbe ist aus keilförmigen,
sehr gut gebrannten, 30 cm hohen und 10 cm dicken Backsteinplatten in bestem
Verbande ausgeführt. ,Yährend der einen Schicht der Schlussstein, welcher
eine scharfe Kante hätte erhalten müssen, fehlt, zeigt die zweite Schicht einen
solchen und greift derselbe etwas in das spitzbogige Gewölbe ein; die Gewölbe-
schichten selbst stehen nicht lothrecht und macht dies die Oberansicht kenntlich,
sondern weichen um nahezu 10 0 von der Vertikalen ab, wie dies zu weiterer
Deutlichkeit die Profillinie a b c angiebt; diese Neigung ist dem Kanalgewölbe
wohl deshalb gegeben, um dem Erddrucke besser widerstehen zu können.
In den Kanal münden auch mehrere vertikal stehende Schächte, die zur
Aufnahme von Wasser bestimmt ge\vesen zu sein scheinen; das aufgenommene
Wasser wird durch niedrige, 0,50 m hohe Kanäle in den Hauptkanal , der
ein sehr starkes Gefälle hat, eingeleitet.
Dr, Reber hat die Ansicht, es sei nicht unwahrscheinlich, dass diese
Bogenform des eben erwähnten Kanals von Mesopotamien aus in ununter-
brochener Tradition an die Araber gelangte, und von diesen nach Europa ge-
bracht wurde, wo sie, den romanischen Rundbogen umformend, nach nahezu
2000 Jahren den Anstoss zur Gothik gab.
So vollendet die Technik der in den Palast-Ruinen von Nimrod aufgefun-
denen Kanalgewölbe auch war, so beschränkte man sich in Assyrien doch
meistens nur darauf, / die T h 0 r e in der Form vom Rundbogen einzuwölben.
Ein solches Beispiel stellt die Fig. 3 dar.
Wir haben es hier mit dem bereits erwähnten Portale des Palastes von
Kisir-Sargon (Korsabad) zu thun ; als Erbauer gilt König Sargon (720 v. Chr.),
Der drei Stein starke Schalenbogen ist von flach gelegten Steinen eingefasst,
und setzt sich überhöht auf den Rücken von geflügelten Stieren mit Menschen-
köpfen auf,' die als heilige Thürhüter alle grösseren Eingangsportale zu flankiren
pflegten und die zu den äusserst charakteristischen Erscheinungen der nini-
vitischen Skulptur zu rechnen sind.
Die äussere Stirnseite des Bogens ist mit emaillirten Ziegeln verkleidet
und zeigt einen äusserst reichen musivischen Schmuck von abwechselnden
Rosetten, zwischen welchen ähnliche Cherubim-Gestalten sich angebracht finden,
wie solche bereits besprochen und in Fig. 1 im Detail dargestellt sind.
Dieser Bogen macht in technischer wie in künstlerischer Hinsicht einen
so überaus befriedigenden Eindruck, dass man wohl geneigt sein dürfte, besonders
wenn man Diodor's Mittheilungen dabei berücksichtigt, die Erfindung des
Wölbens endgiltig den Altbabyloniern zuzuschreiben; faktische .Beweise für
eine solche Behauptung beizubringen, ist freilich nicht möglich, jeden-
falls lässt aber die Sage vom Thurmbau zu Babel vermuthen , dass überhaupt

*) Kunstgeschichte des Alterthums von Dr. Fr. Reber.


**) Ninive et L'Assyrie, par Vietor Place, PI. 38.
124 1. Maurer- und Steinmetzarb eiten.

in der Euphratebene der älteste Kulturmittelpunkt zu suchen sei, und dass von
Babel aus die Völker sich schieden und von dort aus sich über die ganze Erde
ergossen.
Ein anderes musterhaft auszefülirtes
e- Backsteingewölbe
. hat sich in einer
~

Terrassenpyramide von Nimrod, den Ruinen von Kileh Schergat angehörig,


vorgefunden.
Die Ursache, welche mussgebend war, in Mesopotamien die Gewölbe-
konstruktion mit aller Energie anzustreben, lag wohl mit in den lokalen Ver-
hältnissen dieses Landes, das fast ohne alle felsigen Erhebungen sich in 'der
Wüste verlor und darauf angewiesen war, seine förmlich unerschöpflichen Thon-
lager zum Bauen zu verwerthen. Leider aber fehlte es diesem Lande auch an
nachhaltigem Feuerungsmaterial. und s? musste man sich begnügen, die an der
Sonne getrockneten Lehmsteine selbst zu den umfassendsten Bauten zu ver-
wenden. Um diese Bauten aber doch gegen zu schnelles Verderben zu schützen,
war man darauf hingewiesen, die nach aussen gerichteten "Wände mit gut
gebrannten Backsteinen zu verkleiden, und da inan Steinbalken zum U eber-
decken von Räumen nur mit dem grössten Aufwand aufzun'eiben im Stande
war , so trieb die Noth zur Erfindung der Gewölbe. Trotz dieser höchst un-
günstigen lokalen Verhältnisse hat die assyrische Baukunst in bezug auf die
Gewölbetechnik und in bezug' auf Inkrustation mitteist emaillirter Ziegel ganz
Ausserordentliches geleistet.
Viel anders verhielt es sich mit Aegypten, wo das von Felsenwänden
eines hohen WÜtltenrandes eingeschlossene
u
Nilland das trefflichste Material zur
Herstellung gewaltiger, unvergänglicher Bauwerke im U eberfluss zu liefern im
Stande war; die vorzüglichen Granite und Syenite, dann der äusserst feste
und witterungsbestänclige Nummulitenkalk gestatteten den Aegyptern, ihre
monumentalen Bauten in allen Konstruktionstheilen aus Stein herzustellen.
Die kolossalen Abmessungen, in welchen sich die Aegypter bei allen ihren
Bauwerken gefielen, nöthigte sie oft zu fast unglaublichen Kraftanstrengungen
und wurden' sie in sehr früher Zeit die vollendetsten Meister in der Beischaffung
und Bewältigung selbst der kolossalsten Gesteinsmassen , wie solche beispiels-
weise zur Herstellung ihrer Obelisken benöthigt wurden. Alle Decken in ihren
Tempeln stellten sie aus Steinbalken her, und es ist demgemäss erklärlich, dass
die Gewölbekonstruktion unter solchen Verhältnissen bei ihnen nur eine unter-
geordnete Rolle spielen konnte; wo wir Gewölbe antreffen , da haben wir. es
stets nur mit sehr geringen Spannweiten zu thun , und nirgends wurde der
Versuch gemacht, dem Gewölbe oder dem Bogen durch die Kunstform eine
höhere ästhetische Becleutung aufzuprägen.
In den Tempelruinen von Theben *), und zwar in dem Tuthmosistempel
von Der el bahri aus der Zeit vor 1500 v. Chr., finden sich noch sämmtliche
Decken durch U eberkragung gebildet, wobei, wohl zum Schutz gegen den Erd-
druck von oben, giebelförmig gegeneinander gestellte starke Steinplatten dienten;
Fig. 4 stellt diese Deckenanordnung dar. Man hatte es hier mit einer Spann-
weite von 3,35 m zu thun; die halbkreisförmige Decke stellt einen sogenannten
falschen Bogen dar.
Die ältesten ägyptischen Gewölbe, welche unserer Zeit erhalten sind,
möchten wohl die der Felsengräber von Giseh sein; die Grabkapellen selbst;
aus dem Felsen gehauen, hatten sehr häufig halbkreisförmige Gewölbe aus

*) Lepsius' Denkmäler aus Ae2'vllt,p,n I'\t,P'.. AMh. T. BI. ~7


Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 125

keilförmigen Bausteinen zusammengefügt. Fig.5 und 6 *) stellen solche Ge-


wölbe dar. Das erste weist eine Spannweite von 2 m, das zweite eine solche
von 2,80 rn nach; beide Gewölbe sind äusserst primitiv konstruirt, das innere
Haupt aller Gewölbesteine ist geradflächig bearbeitet, anstatt den nöthigen Bus e n
zu erhalten, überhaupt sind alle Regeln des Steinschnitts vollständig ausser
Acht gelassen.
Auch in den Ruinenfeldern der Stadt Merof finden sich ähnliche Haustein-
gewölbe ; Fig. 7 *''') stellt ein solches mit sehr gedrücktem elliptischen Bogen
von.1,88 m Spannweite dar; hier ist die Ausführung eine sorgfältigere, auch
zeigt, das Gemäuer der Grabkammer einen regulären Quaderbau , was auf eine
spätere Zeit der Ausführung hinweist.
, Neben den verschiedenen Hausteingewölben spielten bei den Aegyptern
auch die Nilziegelgewölbe eine nicht unbedeutende Rolle. Fig. 8 ***) zeigt
zwei solche Gewölbe ,die durch eine Mittelmauer getrennt sind. Die Form
des Bogens erscheint hier als eine überhöht elliptische; der innere Schalen-
bagen, aus flachgelegten Nilziegeln bestehend, weist eine Spannweite von
2~ 90 m auf, und ist durch drei weitere gleich starke Bögen verstärkt. Die
hier verwendeten Nilziegel haben eine streng parallelepipodische Form von
0,38 m Länge, 0,18 m Breite und 0,13 m Dicke. Bemerkenswerth ist bei
diesem Nilziegelbauwerk der eigenthümliche, in der Zeichnung deutlich ersicht-
liche Verband, sowohl der Mauer, als auch der des Gewölbes. Welche Gründe
in letzterer Beziehung die gan~ abnormen Schichtenlagen veranlasst haben,·
möchte wohl schwer zu ermitteln sein. Der hier mitgetheilte Nilziegelbau
gehört den Ruinen an, welche sich unmittelbar in der Nähe des Ramsestempels
zu Theben befinden.
Ein anderes Gewölbe aus Nilziegeln, mit 3,95 m Spannweite, welches sich
vor dem eben erwähnten durch einen korrekteren Verband auszeichnet, hat sich
im Asasifthale bei Qurna erhalten; der streng halbkreisförmige Bogen gehört
einem Pylon an, in dessen unmittelbarer Nähe sich eine grössere Anzahl von
kleinen Pyramidengebäuden in derselben Bauart in ziemlich leidlichem Zustande
hefanden. Fig. 9 t) stellt dessen Ansicht und Querschnitt dar; die Pylon-
mauer hat, wie der Querschnitt ersehen lässt, eine ziemlieh starke beiderseitige
Böschung, verdickt sich demnach nach unten um mehr als das Doppelte seiner
oberen Breite. Der halbkreisförmige Rundbogen, aus 9 Schalen von je einem
halben Nilziegel Breite bestehend, zeigt eine ziemlich korrekte Arbeit.
N och ist hier zu erwähnen, dass in mehreren der ältesten Grabdenkmäler
die Decken theilweise aus durchgelegten Steinbalken bestanden, deren Zwischen-
felder mit k eil f ö I' m i g ge fo I' m t e n Nilziegeln eingewölbt waren; diese Gewölbe
möchten wohl als die Vorläufer der eben erwähnten von Lepsius nachgewiesenen
Grabkammergewölbe zu betrachten sein, deren geschichtliches Alter auf 600
bis 700. Jahre v, ChI'. zu schätzen ist.
Aus der pelasgischen Vorzeit Griechenlands und aus der früh etruskischen
I

Zeit Italiens sind Bauten auf unsere Zeit gekommen, die eine bedingte V 01'-
stufe zum eigentlichen Bogen- oder Gewölbebau bilden, und unter dem Namen
Tl~esauren oder Schatzhäuser bekannt sind. Sie bestehen aus einzelnen sich
vollständig verspannenden Steinkreisschichten in horizontalen Lagen, eine Dis-

*7 Lepsius' Denkmäler aus Aegypten, Abth. I, BI. 31.


**) Ebendas. BI. 134.
***) Ebendas. BI. 89.
+\ F.hpnrb.f.\ RL !04.
126 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.

position, welche das Prinzip des Wölbans mit Keilsteinen zweifellos vordeutet.
Wenn auch nicht dazu bestimmt, eine frei schwebende Decke abzugeben, hatten
doch jene Steinkreisschichten in sich diejenige Struktur, die sie geeignet machte,
dem seitwärts andrängenden Drucke des Erdreichs mit allem Erfolge zu wider-
stehen , wie dies beispielsweise sehr deutlich bei dem Solratshause des Atreus
zn Mykenae nachzuweisen ist.
Im griechischen Alterthum konnte die Gewölbekonstruktion noch weniger,
als wie dies in Aegypten der Fall gewesen war, sich Geltung verschaffen;
das vorzügliche Marmormaterial Griechenlands gestattete es, weite Räume mit
Steinbalken zu überdecken, und machte in allen monumentalen Bauten die An-
wendung von Gewölben durchaus unnöthig; überdem war der Tempelbau einer
streng hierarchischen Tradition unterstellt, so dass eine konstruktive Neuerung
nicht wohl Platz greifen konnte.
Anders verhielten sich die Verhältnisse bei den Etruskern; wenn auch in
ihren erhaltenen Mauerresten eine grosse Aehnlichkeit mit den aus der pelasgi-
sehen Zeit stammenden sich kund giebt, so zeigt sich doch bei ihren Bauten
schon frühzeitig das so wichtige Element der "Wölbung mit durchaus regel-
gerechtem Steinschnitt.
Zu den ersten" auf unsere Zeit gekommenen Gewölbebauten gehört die
Cloaca maxima, welche unter der Herrschaft der Tarquinier im alten Rom von
etruskischen Baumeistern ausgeführt wurde (Tafel X Fig. 1). Das aus vulka-
nischem Tuffstein bestehende Gewölbe hat einen geregelten Fugenschnitt und
ist als Schalenbogen 3 Schichten stark konstruirt. Die Sicherheit und Kühn-
heit, mit welcher der G e w I beb a u hier bei ziemlich beträchtlicher, nahezu
ö

7 m nachweisender Spannweite durchgeführt ist, die Festigkeit, mit welcher


derselbe seit mehr als 2000 Jahren dem ungeheuern Gewichte, das auf ihm
lastet, zu trotzen wusste, ist für die Gewölbetechnik der römischen Frühzeit
äusserst beachtenswerth.
Die Etrusker waren es aber auch, die der Bogenkonstruktion eine künst-
lerische vVeihezu geben suchten; den ersten Versuch hierzu glauben wir am
Thore von Voltera, der sogenannten Porta del Arco zu erblicken. Dieses
Thor zeigt ein halbkreisförmiges Bogengewölbe mit der freilich nur sehr be-
scheidenen Spannweite von 3,75 m; an dem beide Gewölbeanfänger- wie Schluss-
stein mit frei aus dem Stein heraustretenden Köpfen dekorirt sind, und welches
den Beweis liefert, dass man sich über deren konstruktive Bedeutung voll-
ständig klar war.
Die frühzeitige Vertrautheit in der Kunst des Gewölbebaues hat denn
auch die Veranlassung dazu gegeben, dass die Etrusker lange Zeit als die Er-
finder der Gewölbe bezeichnet wurden; mehrere Schriftsteller des Alterthums
aber schrieben dem bekannten Philosophen Democritos von Abdera (470 v. Chr.)
die Erfindung zu, was Seneca zu widerlegen suchte. Fassen wir aber die
Notizen ins Auge, die uns Diodor *) und Strabo *) geben, nach welchen der
lachende Abderite sich 5 Jahre lang in Aegypten aufhielt, und andererseits
seine Reisen bis nach Aethiopien, ja selbst nach Indien ausdehnte, um dem
Drange seiner lVissbegierde gerecht zu werden, so liegt es wohl nicht allzu fern,
die Annahme zu machen, Democrit habe bei den Aegyptern die Gewälbetechnik
kennen gelernt und die Griechen darüber belehrt; so viel ist sicher, dass die
Griechen in der Zeit ihrer höchsten perikleischen Glanzpel'iode die Kenntnisse

*) Diodor, I. Buch, Cap. 98.


**) Strabo, Cap. XVI.
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 127

der Gewölbetechnik besassen , wie aber schon erwähnt, keinen nennenswerthen


Gebrauch davon machten.
Den Gewölbebau in hervorragendster vVeise zur Geltung zu bringen,
war aber den technisch sehr gewandten Römern beschieden; ihr vortreffliches
heimisches Material unterstützte sie darin ebenso, wie ihr Bestreben, auch in
bezug auf ihre Bauwerke das grösste Volk der Welt zu sein.
Das h a l b k r eis f ö r m i g e Ton n eng e w ö 1b e, die HaI b k r eis -
n i s ehe, das K u p P e I g e w ö I b e und in späterer Zeit auch das Kr eu z -
g e wölb e "t'1nden vielfache Verwendung und häufig in Dimensionen, welche
geradezu Staunen erregen.
Der Tempel der Venus und Roma, von Kaiser Hadrian um 136 v. ChI'.
nach eigenem Plane gebaut und in Fig. 3 dargestellt, besass ein mächtiges,
mit Kassettirungen verziertes Tonnengewölbe, dessen Spannweite 18,50 m bei
5,50 m starkem "Widerlager betrug; im Innern befanden sich dem Portikus
gegenüber je zwei grosse Wandnischen mit Halbkuppel von 11,5 m Durch-
messer, die Höhe des innern Tempelraumes bis zum Scheitel des Gewölbes
betrug 25 m.
Das Ku p p el g e w ö I b e wurde sogar beim Pantheon (den Thermen des
Agrippa) in einer Spannweite von 44 m ausgeführt (siehe Fig. 4); dieses für
alle Zeiten so interessante Bauwerk wurde unter der Regierung des Kaisers
Augustus durch den Baumeister Valerius von Ostia im Jahre 26 v, Ohr. aus-
geführt. Das Gewölbe selbst zeigt eine fünffache Reihe von Kassetten und
besitzt eine sogenannte Laterne (Oberlicht) von 7,8 m Durchmesser. Der
mächtige Mauercylinder von 6,30 m Wandstärke. auf welchem sich die Kuppel
erhebt, ist durch acht halbkreisförmige Nischen ausgetieft. Die Scheitelhöhe
der Kuppel, vom Boden gemessen ,ist gleich dem innern Durchmesser des
Rundbaues, so dass das kolossale Gewölbe trotz seiner so bedeutenden Spann-
weite doch keinen kühnen Eindruck hervorruft, sondern eine augenfällige
Sicherheit ausspricht.
Einen viel kühneren Effekt machen die Kreuzgewölbe der Saalbauten, die
wir in den Thermen des Caracalla (211 n. Ühr.) antreffen, und welche von
acht mächtigen Granitsäulen gestützt wurden; ähnliche Gewölbe befanden sich
in den Thermen des Diokletian (284-305 n. Chr.).
Um diese durch ihre grossen Spannweiten hervorragende Gewölbetechnik
aber eingehend zu würdigen, ist es nothwendig, die Art und vVeise kennen zu
lernen, wie bei der praktischen Ausführung der römischen Gewölbe zu Werke
gegangen wurde; nur dann erst wird der grosse Unterschied erkennbar, welcher
zwischen der Gewölbetechnik der· Römer und der des Mittelalters sich in so
eminenter Weise geltend gemacht hat.
Gewölbe, die ga n z aus Bausteinen, oder g an z aus gebrannten Ziegeln
hergestellt waren, finden sich bei den Römern nur in äusserst seltenen Fällen,
wie ähnliches ja auch von allem übrigen römischen Mauerwerke gilt, welches
meistentheils nur von aussen Quadern, Backsteine oder auch gemischtes Stein-
material zeigt, im Innern aber mit einer gestampften oder nicht gestampften
Betonmasse, ausgefüllt wurde, je nachdem die äussere Steineinfassung wider-
standsfähig genug war, ein gewaltsames Stampfen ertragen zu können oder nicht.
Dieses (Efl'TCAc:X7:0v) Emplekton oder Füllmauerwerk , das bereits von· den
Griechen ~lelfach in Anwendung gebracht wurde, machte sich bei den Römern
besonders populär und wurde mit grösster Vorliebe selbst zu ihren hervor-
ragendsten Bauwerken verwendet.
So finden sich dann auch bei den meisten römischen Bauten die Gewölbe
128 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.

in der "Art (ähnlich dem glatten Mauerwerke) ausgeführt, dass nur die Stirn-
bögen von aussen massiv, entweder aus Hausteinen oder gebrannten Ziegeln
ausgeführt erscheinen; zwischen den Stirnbögen, förmlich von diesen eingefasst:
befindet sich dann das El:nplekton : eine Art Beton. Bei den grossen Mass -
verhältnissen , die vielfach den römischen Bauten eigen sind, tritt sowohl in
den Mauern , als auch in den Gewölben eine auffällige Masscnhaftigkeit auf',
und würde vman eine solche, namentlich bei der' Ausführung der Gewölbe, um
mit Hülfe einer sehr starken und aufmerksam konstruirten Gewölberiistnng
bewältigen können.
Solche VOll starkem Bauholz gezimmerte Gerüste wurden aber d u r c h weg
von den praktischen römischen Baumeistern, schon der grossen Unkosten wegen,
vermieden, und so bildete sich bei denselben eine Gewölbetechnik aus, wie eine
solche sonst nirgends wieder gefunden wird: dabei aber äusserst beachtenswerth
erscheint.
Zur näheren Erläuterung dient die Tafel IX.
Bei der praktischen Ausführung der Ton n eng e w ö 1 be benutzten die
römischen Baumeister entweder eine S t ein s c h ale, oder sie verwendeten
dazu Zell e n b ö gen.
Bei der K 0 n S t I' U k t ion der Ton n eng e IV Ö 1 b e mit tel s t S t ein -
sc h a l e (siehe Fig. 10) stellte man ein leichtes, bewegliches Bretter - oder
Lattengerüst in dem zu wölbenden Raume auf, und wurde auf diese ganz leichte
Schalung eine Art von Pflasterung aufgebracht. Die beigegebene Zeichnung*)
stellt ein Gewölbe aus den Thermen des Caracalla dar, bei welchem die unterste
Lage der Steinschale aus 0,6 Om im Quadrat messenden gebrannten Stein-
platten bestand; die in Gyps oder auch in guten Puzzolanmörtel gelegten
Platten waren 0,12 bis 0,15 m dick; bei grossen Spannweiten wurde die
Schale, wie solches das hier gewählte Beispiel zeigt, durch eine zweite Lage
von kleineren Plättchen mit 0,20 m Seite im Quadrat verstärkt"; in dieser
zweiten Schalenlage wurden, im ganzen Gewölbe vertheilt ,einzelne Plättchen
aufrecht gestellt, um einen bessern Halt für den später auf die schnell erhärtete
Doppelschale aufzubringenden Beton zu gewinnen. Dieser Beton ist aber
keineswegs -- wie das bisher angenommen wurde - auf die Steinschale auf-
gegossen, sondern in einzelnen horizontalen Schichten sorgfältig als "Packung"
vom 'Widerlager anfangend, bis in den Schluss hinein aufgebracht, wobei das
ganze Gewölbe nach oben hin vollständig horizontal abgeglichen wurde. Bei
Gewölben von geringen Spannweiten genügte eine einfache Schale. War ein
Theil des Tonnengewölbes ausgeführt, so. wurde das Gerüst verschoben und
der neue Gewölbetheil, stumpf, also ohne Verband, gegen den bereits aus-
geführten gestessen.
Es versteht sich wohl von selbst, dass das Aufbringen der einzelnen
Betonmörtelschichten und das Einbetten der vorbereiteten Steinfragmente von
heiden Widerlagern aus gleichmässig erfolgte. Bis zur Brechungsfuge konnte
das schnell erhärtende Füllmaterial die Steinschale nur in geringem Grade
belasten, während die Schale selbst hierdurch in ihrer Tragfähigkeit so verstärkt
wurde, dass ein vollkommenes Schliessen des Gewölbes ohne alle Gefahr eines
Dnrchbrechens vorgenommen werden konnte.
Der "eigentliche Begriff "G e w Ö 1 b e" wird freilich durch eine solche
Konstruktion vollständig illusorisch gemacht und beruht die ganze Festigkeit

*) L'art de bätir chez les Romains, par A. Choisv. Paris 1873.


Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 129

der so hergestellten massiven Steindecke nur auf der Güte des angewendeten
Verbindungsmaterials.
Die Met h 0 d e, die Ton n e n g e w öl be mit tel s t Zell e n bö gen
herzustellen, wurde meistens dann gewählt, wenn sehr bedeutende Spannweiten
zu überwinden waren. Fig. 2 stellt ein Gewölbe, das im Palatinischen Palaste
vorhanden war, dar; hier sind die leichten Zellenbögen theils aus quadratischen
Ziegeln, deren Seiten 0,60 m messen, und theils aus oblongen, von 0,15 m
Breite und 0,6U m Höhe hergestellt. Die letztem oblongen Ziegel dienen zur
Konstruktion von Gurtbögen, die von Mitte zu Mitte 0,60 m voneinander ent-
fernt sind, und in gleichen Abständen mitte1st der oben erwähnten quadrati-
schen Platten verbunden werden.
Auf diese Weise besteht das von unten sichtbare Gewölbe aus lauter gut
untereinander verbundenen leeren Zellen, deren Gewicht von einer verhältniss-
massig sehr leichten Bretterschalung getragen werden kann. War das Binde-
mittel der Zellenbögen cgehörig erhärtet, so wurden sie auf die bereits geschilderte
Weise mit Beton ausgefüllt. Dem Bedürfniss entsprechend erhielt die Gewölbe-
schale nach oben eine Vers,tärkung und wurde im Scheitel horizontal abgeglichen.
Ohne ein solch' leichtes Steinskelett würde die der Wölbung dienende
Schalung einem ungemein starken Drucke ausgesetzt gewesen sein, so aber ward
die Last zum grossen Theil auf das vorher konstruirte Steingerippe übertragen,
welches nun das eigentliche und zwar bleibende Gerüst bildete, und sich mit
dem später aufgebrachten Beton zu einer monolithischen durchaus festen Masse
verband.
Bei solcher Art Gewölbe auszuführen, lässt sich eine nicht geringe Er-
sparniss nachweisen; namentlich konnte das massige Gewölbe vorherrschend
aus dem billigen Beton hergestellt werden, dessen Bereitung und Verarbeitung
untergeordneten Arbeitern (Sklaven, Soldaten) übertragen wurde; dann liess
sich die Verwendung von gut gebrannten Ziegelsteinen auf ein Minimum be-
schränken und was die Hauptsache war, man konnte die nothwendig werdenden,
komplizirten und kostspieligen Holzrüstungen gänzlich entbehren, die bei Wahl
der gewöhnlich bei uns üblichen Gewölbeausführung nothwendig geworden wäre.
Das leichte Holzgerüst, das die Römer beim Wölben verwendeten, diente
mehr als Modell, nur in geringem Grade als Stütze. Statt der Zell e n-
b ö gen beschränkten sich die römischen Baumeister auch wohl darauf, mit
isolirt nebeneinander liegenden Gurtbögen, etwa in der Entfernung von 0,60 m
von Mitte zu Mitte, das ganze Tonnengewölbe zu durchziehen; solche Gurt-
bögen wurden dann aus oblongen Steinen von 0,15 m Breite und 0,60 ).~1
Höhe konstruirt; um dem Beton jedoch einen besseren Halt zu verschaffen,
wurden solche Gurtbögen auch wohl in der Art angeordnet, wie dies die
Fig. .6 darstellt; immerhin gehören solche Konstruktionen für Tonnen-
gewölbe zu den seltenen, denn es konnten hierbei leicht Seitwärtsverschiebungen
vorkommen.
Fig. 3 ogiebt die Anordnung an, welche bei einem kassettirten Tonnen-
gewölbe in der Constantinischen Basilika in Rom getroffen worden war; hier
hatte 'man es mit einer Spannweite von 23 rn zu thun und erforderte das hier
nothwendig werdende Steingerüst eine aussergewähnliche Verstärkung. Dem
entsprechend wurde sammtliehen Rippen eine Stärke von 2 Steinen (1,20 m)
gegeben, wobei je zwei solcher Rippen als Zellenbogen die mit achteckig ver-
tieften Kassetten versehenen Gewölbefelc1er von einander trennen; der das Ge-
wölbe nach aussen begrenzende Stimbogen besteht aber ans vier miteinander
vPl,hJinclpllPn Zellenbözen, während d eren äussere und innere Stirn als massive
130 I. Maurer- und Steinmetz arbeiten.

Schalenbögen erscheinen. Sämmtliche Zellen sowohl, als auch sämmtliche


Kassettenfelder sind aus Beton hergestellt und im Scheitel horizontal abgeglichen.
Auch bei der Ausführun blY der Kreuzgewölbe, .
die in elen
Thermenpalästen des Caracalla und Diocletian so vielfache Anwendung fanden,
wurden trotz ihrer sehr' bedeutenden Spannweiten nur die Schild- und Grat-
bölY8n
b
als Zellenbösren
0
aus 0o'ebrannten Steinen ausgeführt , während die da-
zwischen liegenden Gewölbefelder auf römische :Art mittelst Betonpackung aus-
gefüllt wurden.
Fig. 4 zeigt ein Kreuzgewölbe, wie ein solches in der Galerie des Pala-
tinischen Palastes ausgeführt ist.
Die Schildbögen bestehen hier aus vier Zellenbögen mit vollständig
geschlossenen Stirnseiten; die 2 Stein starken Schalenbägen zeigen Central-
fugen. Die Gräte sind bei der grossen diagonalen Spannweite von 12,40 m
dieses Gewölbes aus d l' ei mit einander verbundenen Zellenbögen hergestellt
und giebt die Fig. 5 Aufschluss über deren Verband. Zu diesen Gräten
wurden entweder quadratische Steine von 0,45 m Seite, oder häufiger solche
von 0,60 m Seite, bei 0,05 m Dicke benützt.
Ihre Ausführung erforderte nur das Behauen der unmittelbar den Grat
bildenden Steinseiten, und war die Form hierzu in der leichten Bretterschalung
gegeben, die aus der Durchdringung zweier cylindrischer Tonnengewölbe sich
ergab. Bei der Kreuzung der Gräte im Scheitel des Gewölbes half man sich
wahrscheinlich dadurch, dass der eine der Gratbögen ununterbrochen durch-
geführt wurde, während der andere Gratbogen in zwei Hälften sich dagegen
spannte; um hier im Scheitel die Gefahr des Zerdrückens der leeren und hohlen
Zellenbögen zu vermeiden, wurde der durchgreifende Bogen nach seiner Her-
stellung sofort mit Beton ausgefüllt, und konnte so dem betreffenden Drucke
den nöthigen Widerstand leisten.
Bei Gewölben von geringern Spannweiten wurde die Konstruktion der
Gräte insofern vereinfacht, dass der Bogen, welcher unmittelbar den Grat
bildete, fortblieb und der Zellenbogen selbst, dann nur aus zwei Bögen be-
stand; bei noch weiterer Vereinfachung der Gräte, die Kreuzgewölben mit
geringen Spannweiten angehörten, wurden dieselben nur aus ein e m Bogen her-
gestellt, dem in gewissen Abständen ein grösserer Stein eingefügt wurde, wie
dies die Fig. 6 deutlich ersehen lässt.
Alle diese Gratkonstruktionen sind auch nur als ein gewöhnliches Hülfs-
mittel für die praktische Ausführung der Kreuzgewölbe anzusehen; ihre
konstruktive Bedeutung hörte sofort nach der Betonirung beziehungsweise
Erhärtung des Ganzen auf, und verlor damit, wie dies beim Tonnen-
gewölbe hervorgehoben wurde, ebenfalls den eigentlichen Charakter eines
Gewölbes.
Aeusserst beachtenswerth ist es, wie die praktisch begabten römischen.
Baumeister ihre Kuppelgewölbe, denen sie oft so kolossale Spannweiten gaben,
auszuführen pflegten. U eber die Ausführung der Pantheonkuppel hat Pi l' an es i
der Nachwelt nähere Aufschlüsse hinterlassen.
Diesem durch seine schätzbaren vVerke allgemein bekannten Künstler war
Gelegenheit geboten, das Gewölbe des Pantheons bei einer Ausbesserung von
einem beweglichen Gerüste aus eingehend zu studiren.
Fig. 7 stellt das ineinander sich verspannende Bogensystem dar, durch welches
die mächtige Kuppel in 16 Felder getheilt wird und das Gerippe für die Auf-
nahme des Betons bildet. Zwei Reihen ineinander greifender halbkreisfönniger
Zellenbögen mit massiven Stirnen, und eingelegten Tuffsteinqnadsrn bilden den
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 131

untern Theil der Kuppel; auf diese setzen sich die nach dem Scheitel der
Kuppel aufstrebenden 16 Theilungsbögen auf und laufen, mit flachen Bögen ver-
spannt, wie dies Fig. 8 zeigt, gegen den das Gewölbe im Scheitel schliessen-
den Kranz an, welcher den Rahmen und das Futter der Laterne bildet.
vVährend die Zellenbögen und die frei gebliebenen Räume mit Beton ausgefüllt
wurden, machte sich, nach (Ln Berichten A. Ghoisy's, ein sehr bedenklicher
Druck gegen den Laternenkranz geltend, so dass man sich genöthigt sah, den
ursprünglichen Konstruktionsplan, der in Fig. 8 gegeben ist, zu verlassen, und
wurde dann der obere Theil des Gewölbes nach Fig. 9 ausgefiihrt; hiernach
erhielten die zuerst angelegten flachen Bogenverspannungen noch Gegenbögen,
und auch diese wurden weiters mit vollen Halbkreisbögen gestützt, welche zu-
gleich die Funktion zu übernehmen hatten, die nach dem Scheitel aufstrebenden
Haupttheilbögen ebenfalls gegen ein Verschieben zu schützen; die Ausführung
dieser Bögen konnte selbstverständlich dann erst erfolgen, nachdem die Widertags-
höhe derselben
r
durch die Betonirnng erreicht und die vollständige Erhärtung
des Betons erfolgt war. 19 Jahrhunderte haben den Beweis gegeben, dass
die Römer mit ä u s s e r S t ger i n gen Mit tel n die grössten Aufgaben zu
lösen im Stande waren, und möchte es wohl hier am Platze sein, ihre eigen-
thümliehe Bauart den heutigen Baumeistern zum näheren Studium aufs Wärmste
zu empfehlen *).
"Während die römischen Bauten überall eine auffällige Massenhaftigkeit an
den Tag legten - das Emplekton brachte dies schon mit sich - , so gelang
es erst der altchristlichen Zeit ,sich von dieser Massenheftigkeit zu befreien,
und besonders machte sich von jetzt ab im Gewölbebaue ein schwungvoller
. Fortschritt geltend.
Hier tritt zunächst die byzantinische Baukunst beachtenswerth auf und
entwickelt eine reiche und äusserst kombinirte Kuppelarchitektur von hoher
ästhetischer Wirkung, Die dieser Zeit entstammenden Centralbauten weisen
fast durchgängig, einen hochemporragenden mittleren Kuppelbau auf, der ent-
weder von niedrigem Halbkuppeln oder ganzen Nebenkuppeln umgeben ist;
der sehr bedeutende Gewölbeschub der Hauptkuppel wird hierbei auf wenige
Pfeiler - auf 4 oder 8 - abgeleitet; weiters angelegte Neben - oder Halb-
kuppeln (Apsiden) geben dem byzantinischen Gewölbesystem das umsichtig
erwogene Gleichgewicht.
Der hervorragendste Repräsentant dieser altchristlichen Bauepoche ist ohne
Zweifel die So phi e n kir c hein Konstantinopel; sie ist in Fig. 5 dargestellt
und wurde unter der Regierung des Kaisers J ustinian um das Jahr 530 durch
die Baumeister Anthemios v. Tralles und Isidor v. Milet erbaut. Die Haupt-
kuppel besitzt einen Durchmesser von 33 m, während ihre Höhe vom Boden
bis zum Scheitel der Kuppel gemessen 57,5 m nachweist, so dass das Verhält-
niss dieses innern Kuppelraumes von Breite zur Höhe sich nahezu wie 1 : 1 3/ 4
verhält, Die Hauptkuppel wird von zwei mächtigen Halbkuppeln gestützt, die
wiederum durch zwei, beziehungsweise drei kleinere Halbkuppeln mit getragen
werden; der ganze Schub dieses mächtigen Kuppelgewölbesystems wird von. vier
kräftigen Pfeilern aufgenommen und haben wir es hier mit einem nicht mehr über-
troffenem grossartigen Beispiel einer äusserst komplizirten Gewölbeanlage zu thun,
Die Kuppeln haben k ein e besondere Bedachung, sondern zeigen im Aeussern

*) A. Choisy h2t nicht blas die römischen Steinarbeiten einer eingehenden


Forschung unterworfen , er giebt auch interessanJee Aufschlüsse über die Zimmer-
arbeiten.
132 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.

ihre konstruktive Form. Die zuerst gewölbte Kuppel stürzte nach wenigen Jahren
in folge eines Erdbebens zusammen. Man verwendete bei der Wiederherstellung
eine verdoppelte Aufmerksamkeit; so wurden nach Berichten die Gewälbesteine
auf der Insel Rhodos gefertigt und waren nach den Nachrichten fünf mal, wie
Andere behaupten zwölf mal leichter als gewöhnliche Ziegel. Ein äusserst
beachtenswertlies Beispiel für den byzantinischen Kuppelbau bietet St. Vitale
in Ravenna*). Diese Kirche wurde im -Iahre 526, in welchem Kaiser Theoderich
starb, zn bauen begonnen und im Jahre 547 vollendet; die Hauptkuppel,
15,70 m im Durchmesser, wird mit Ausnahme der Seite, wo sich die Apsis
befindet, von sieben Halbkuppeln gestützt; die Umfassungsmauern bilden ein
regelmässiges Achteck, von 36,70 m Durchmesser.
In der altchristlichen Basilika findet sich meistens nur die Absis mit einer
Halbkuppel, die Krypten mit Kreuzgewölben versehen; aber auch ihre Bau-
anlage ist, wie die der byzantinischen Kirchen, durch und durch neu gedacht
und von jener der griechiscllen und römischen Gebäude sehr verschieden. Bei
den Römern finden wir zwar ausserordentlich grosse Räume mit augenfällig sicher
konstruirten Decken überspannt, überall aber zeigen dieselben, den späteren
Bauten gegenüber, ein mehr gedrücktes Hauptverhältniss ; die altchristliche Zeit
dagegen schaffte Räume mit sichtlich emporstrebendem Charakter, und wurden
hier die Decken durch hohe Mauern getragen, welche kühn aufluftigen Säulen-
stellungen aufgesetzt sind.
Die altchristliche Basilika bildete im Verein mit dem byzantinischen Central-
bau die V orläuferin für den romanischen Kirchenbaustil, der sich in der zweiten
Hälfte des 11. Jahrhunderts auszubilden begann, und in der vollständigen
U eherwölburig des dreischifflgen Kirchenraumes gipfelte.
Der romanische Stil, der mit Vorliebe den römischen Rundbogen acceptirte,
wählte auch für seine Gewölbeform das halbkreisförmige Kreuzgewölbe. Das
Mittelschiff theilt sich dabei regelmässig nach Quadraten ab, sodass immer zwei
Abtheilungen des Seitenschiffs einer Abtheilung des doppelt so breiten Mittel-
schiffs entsprechen; die Hauptgewölbefelder, wurden durch kräftige Gurtbögen
gebildet und fügen sich zwischen diese und, von ihnen gehalten und getragen,
die Kreuzgewölbe oft 'von 0,60 m Dicke ein.
Als die Repräsentanten des romanischen Kirchenbaustils lassen sich in
Deutschland wohl die Dome von Speyer, Mainz und VVorms bezeichnen, alle
drei stimmen in ihrem konstruktiven Charakter und in ihren räumlichen V er-
hältniesen so ziemlich überein.
Fig. 6 stellt ein Stück des Mittelschiffs vom Dom zu Speyer dar, der, von
Kaiser Konrad H. 1030 erbaut, nach dem Brande von 1137 seine Vollendung
erhielt; das 12 m weite Mittelschiff erreichte im Verhältniss seiner Breite zur
Höhe das Mass von 1 : 2 1/ 3 , während beim Mainzer Dom ,1<*) die Verhältnisse
noch geräumiger und schlanker sich erweisen, denn hier finden wir eine lichte
vVeite des Mittelschiffs von 14,4 m, ein Mass, das vom Mittelschiff des Kölner
Domes nicht erreicht wurde; das Verhältniss von Breite zur 35,5 m betragen-
den Höhe ist 1 : 2 1/ 2 , Auf die Seitenschiffe des romanischen Doms wird der
Schub des Mittelschiftgewölbes übergeleitet und findet hier äusserst mässige
Widerlagspfeiler , die sich im Aeussern und Innern nur durch beiderseits sehr

*) Näheres über diesen interessanten Kirchenbau giebt Hübsch in seinen "A H-


christlichen Kirchen ".
**) Der Dom cditt mehrere Brände und wurde wahrscheinlich von 1081 bis 1136
nach einem Brande neu erbaut. .
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 133

welllg vortretende Lisenen bemerkbar machen. An den ältern Kirchen wurde


dieser Gewölbeschub zum grÖBsten Theil den Mittelpfeilern allein überlassen,
und mussten dieselben desshalb sehr dick angelegt werden; um aber dann
schlankere Pfeiler zu ermöglichen, wurde in den spätem Kirchenanlagen der
Seitenschub über die Nebenschiffe hinweg und auf deren niedrige Umfassungs-
mauer geleitet; andererseits wurde der Gewölbeschub aber auch theils von den
meist durch Thürrne verstärkten Schlussmauern , theils von den kräftig ent-
wickelten Eckpfeilern der Vierung, und elen Mauern von Querschiff' und Chor
aufgenommen; jedenfalls aber erscheinen die Mittel, die beim romanischen Dom
angewendet wurden, um der Stabilität des gewölbten Mittelschiffs Rechnung zu
tragen, als äusserst gering gewählte.
Die romanisch gewölbte Basilika wurde lange Zeit aufs strengste von dem
Rundbogen beherrscht und besteht daher in ihrem Grundrissschema nur aus
quadratischen Räumen; sobald. aber durch maurische Einflüsse der Spitz-
bogen sich mit in die spätere Architektur hinein verflocht, - wie dies in dem
sogenannten S P t - oder Na ehr 0 man i sc he n S t i 1 der Fall war, befreite
ä

man sich von der Fessel, den Grundriss der Kirche aus lauter Quadraten zu
gestalten und wurden diese dann meistentheils nur zur Bildung der N eben-
schiffe verwendet ,während das Mittelschiff' entschieden ausgesprochene hing-
liehe Vierecke erhielt.
Dieses neue Grundrisssystem wurde dann auch besonders charakteristisch
für den gothischen Kirchenbau, als dessen Repräsentant hier der Köhler Dorn
in Fig. 7 vorgeführt wird.
Findet sich auch selbst am .Kölner Dome, der im .Iahre 1248 begründet
wurde, ein nicht so bedeutend weit gespanntes Mittelschiffgewölbe, wie an dem
von Mainz, so beträgt dessen Breite doch immerhin 13,2 m, bei einer Scheitel-
höhe von 48 111, was nahezu das Verhältniss von 1. : 3 1/ 2 ergiebt und in bezug
auf den Eindruck überwältigender Kühnheit das Höchste erreicht, was irgend
wie durch die Gewölbetechnik geschaffen worden ist.
Die gothischen Rippen -, die Stern - oder N etzgewälbe unterscheiden sich
wesentlich von den bisher üblichen romanischen Massengewölben ; während
diese als Hauptkonstruktiouslinie dcn Rundbogen zeigen, tritt bei jenen vor-
herrschend der Spitzbogen auf und verwandelt sich das frühere oft 0,60 m
dicke Gewölbe in ein System von selbstständig auftretenden, unter sich ver-
spannten schwachen Rippen mit äusserst dünnen Gewölbefeldern.
Die den einzuwölbenden Raum vielfach zertheilenden Rippen bilden häufig
im Grundriss einen mehr oder weniger reichen Stern, und aus diesem Grunde
werden diese Gewölbe auch wohl Sterngewölbe genannt.
Das c: vielfach aus dem Widerlager bis in den Scheitel des Gewölbes
emporschiessende Rippenwerk setzt sich auf die vielzertheilten , einen Bündel
von Dünnsäulen bildenden Pfeiler auf, und wird das Auge durch ihr reiches
Formenspiel förmlich wie durch ein statisches Wunder überrascht!
Sehr komplizirt aber und in die ä u s s e r e Architektur formal ungemein
reich eintretend, erweist sich der Apparat, durch den das statische Moment
für die Gewölbe gewonnen wurde; breite und kräftig nach aussen vorspringende,
reich gegliederte Strebepfeiler nehmen einerseits die konzentrirte Last der viel-
fach getheilten Gewölbefelder der Seitenschiffe in sich auf, andererseits schwingen
sich von diesen Stützpfeilern, bei fünfschiffigen Kirchen, doppelt über einander
angeordnete und in der Mitte nochmals getheilte Schwibbögen über die Seiten-
schiffe hinweg gegen das Mittelschiff, um auch hier stützend und strebend zu
wirken. Das so entstehende massenhafte, mehr dekorative als konstruktiv noth-
134 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.

wendige Stützwerk mit seiner reichen und phantastisch ausgestatteten archi-


tektonischen Formenfülle bildet im Aeussern ein Moment von so hervorragender
Weise, das mit dem übrigen Formenreichtlmm nur den gothischen Domen eigen
ist , die dann aber auch - wie allzernein
0 anerkannt werden muss - fast alle
andern Gebäude der alten und der neuen vVelt als förmliche Wunderwerke
übertreffen und ihre Zeit mit einer Pracht olme Gleichen feiern.
Ein nirgends sonst erreichter Glanz und Reichthum, besonders in der
Bildung der sogenannten F c her g e w öl b e entwickelt sich in England an
ä

einzelnen Kirchenbauten; als die ersten Beispiele dieser zierlichen Behandlungs-


weise sind der Kreuzgang der Kathedrale von Gloucester (1351), die Lady
Chapel der Kathedrale von Peterborough und die Kapelle des heiligen Georg
zu Windsor zu nennen. Das edelste und c1urchgebildetste Beispiel für Fächer-
gewölbe enthält die Kapelle des Kings college zu Cambridge (1441 bis 1530),
und bis zur überschwänglichen Pracht entfaltet erscheint das Gewölbe in der
Begräbnisskapelle Heinrichs IV. an der Westminsterkirche zu London *).
Handelt es sich um die äusserst wichtige Frage, wo die
k ü h n s teL eis tun gin der G e w öl b e te c h n i k zu fi n d e n sei, so
ist vor Allem auf die Domkirche Santa Maria d e l fiore zu
F I 0 ren z hin z u w eis e n, welche 1296 von Arnolfo di Cambio zu bauen
begonnen wurde, ihre Kuppel jedoch erst im Jahre 1420 durch Bruneleschi
erhielt. Der Florentiner Dom hat, wie dies Fig. 8 nachweist, eine Mittel-
schiffweite von 18 m (4,8 m breiter als am Kölner Dom) und eine Höhe bis
zum Gewölbescheitel von 37m, so dass sich Breite zur Höhe wie nahezu
i : 2 1/ 2 verhält; dabei sind die Mittelpfeiler der dreischiffigen Kirche äusserst
schlank, und weisen verhältnissmässig so grosse Zwischenweiten nach, wie dies
bei andern durchaus gewölbten Domen bis dahin nicht versucht worden war.
Dabei ist der Apparat für Schaffung der Widerlager ein ungemein ge-
ringer ; weder hoch über dem Dache der Seitenschiffe liegende Schwibbögen,
noch jene an den meisten gotbischen Kirchen übermässig weit vorspringenden
Strebepfeiler finden sich an diesem kühnen Bauwerke, denn man begnügte sich
hier nach Art der romanischen Dome mit wenig nach innen und aussen vor-
springenden Lisenen. Auch andere italienische Kirchen zeichnen sich in bezug
auf ihren wesentlichen Fortschritt in der Technostatik aus; sobeträgtz. B.
der Pfeilerdurchmesser in den Kirchen Maria ~lovella und St. Trinita zu Florenz
kaum 2/ 1 5 der Mittelschiffweite , wobei die Pfeiler der letztgenannten Kirche
9 Durchmesser Höhe und eine Zwischenweiten von 5 1/ 2 Durchmesser haben;
als statische Basis dient dieser Kirche 1/6 ihrer Mittelschiffweite.
Bei der Beurtheilung der techncstatischen Verhältnisse ist endlich auch
noch darauf Rücksicht zu nehmen, dass die italienischen Kirchen fast niemals
in der Weise mit Thürmen flankirt werden, wie dies bei deutsch-romanischen
Kirchenbauten meistens der Fall ist, ein Umstand, der wesentlich dazu beiträgt,
den Gewölben einen nicht zu unterschätzenden Haltpunkt zu geben.
Imposant wirken übrigens die italienischen Dome, sobald bei ihnen die
an den römischen Kirchen übliche feierliche Kuppel sich vergrössert, wie dies
z. B. am Dome zu Florenz in ausserordentlichen Dimensionen der Fall ist **).
Die Kuppel des Florentiner Domes hat durch ihre Baugeschichtebekannt-
lich eine grosse Berühmtheit erfahren; bei einem Durchmesser von 43 m besitzt

,,*,) Bi:itton, the history and antiquities of Bath abby church.


",-X) Die Grösse des betreffenden Kuppelbaues ist in unserer Fig, 8 einpunktirt.
ArlJeiten cle::, Hohbaues (Gewölbe}. 135

sie eine Scheitelhöhe von 87 m , steigt. in Spitzbogenform auf und schliesst


mit einer bis zur Spitze 25 111 hohen Laterne ab.
Die Kuppel in Florenz ist als D 0 p p el k u p p e 1 konstruirt , d. h. sie
besitzt ein zweischaliges Gewölbe mit 1,50 m Zwischenraum ; beide Schalen
sind kräftigst mit einander verbunden, und waren an ihren 8 Ecken starke
aufsteigende Hauptrippen angebracht, die sich im Scheitel der Kuppel an einen
starken, zugleich die Laterne tragenden Gewölbekranz anschliesson. Die so
entstandenen 8 Hauptgewölbefelder wurden, ähnlich den altrömischen Gewölben,
durch ein förmliches Netz vonkleinel'n sich gegenseitig verspannenden Gurt-
bögen zertheilt.Die Kuppel ohne Lehrgerüst ausgeführt, gilt immer noch als
ein Werk , das an Kühnheit seines Gleichen nicht besitzt und hat sich
Bruneleschi durch dieses Werk in der Baukonstruktion einen der hervorragendsten
N amen erworben *).
Da man als· den Vorlä nfer der florentiner Kuppelwölbnng das Gewälbe
des Baptisteriums San Giovanni in Fonte aus dem 4. oder 5. Jahrhundert
zu betrachten pflegt, so ist dies interessante Bauwerk hier allfgenommen und
giebt Fig. 9 einen Grundriss und Querschnitt.
Hübsch **) erwähnt hierüber: Die bewundernswerth konstruirte Kuppel
wurde ohne Zweifel die ermuthigende Lehrerin der berühmtesten Architekten.
Arnolfo di Lapo hätte gewiss nicht den Muth gehabt, eine so grossartige
Kuppelanlage , wie die vom Florenzer Dorn ist, zu projektiren, wenn er nicht
die gegenüberstehende Kuppel von St. Giovanni täglich betrachtet hätte.
Bruneleschi wagte aber darauf hin, die Domkuppel im 15. Jahrhundert wirk-
lich zu beginnen und auszuführen.
Die Kuppel von St. Giovanni erhebt sich über einen achteckigen Grund-
riss in Spitzbogenform , nach Art der Klostergewälbe, und hat 26,6 m im
Durchmesser. Die Umfassungsmauern sind im Innern durch übereinander
liegende Gallerien sehr stark durchbrechen und gewähren verhältnissmässig
geringe Widerlagsmassen.
Die Kuppel ist nur in ihrem unteren Theile doppelt; in ihrem oberen
Theile verbindet sie sich mit der schräg aufsteigenden Dachfläche , die in ihrer
Trauflinie hochliegend , eine ziemlich bedeutende Aufmauerung der Widerlags-
mauern nothwendig macht.
In dem untern Theile der verdoppelten Kuppel befinden sich an den
acht Ecken je eine Zungenmauer und an jeder Achteckseite wieder je zwei
solcher, welche, den Raum zwischen der innern Kuppel und der Aussenmauer
ganz ausfüllend, die äussere Umfassungsmauer mit der innern Gewölbekuppel
fest miteinander verbinden und zugleich das Steindach unterstützen; diese
24 Zungen oder Sporen sind es hauptsächlich, die dem ganzen Gewölbe das
statische Gleichgewicht bei höchster Einfachheit und Massenökonomie, verbunden
mit bedeutender Sicherheit, verleihen, und so als Musterkonstruktion gelten können.
N ach den Errungenschaften, die sich in bezug auf Gewälbetechnik schon
im 13. Jahrhundert geltend machten, muss es geradezu Wunder nehmen, wie
einige 100 Jahre später in dieser Hinsicht viel eher Rückschritte als Fort-
schritte nachweisbar sind, Betrachten wir in dieser Beziehung das "VVunder
der vVelt, die gewaltige, alle andern Bauten an Grässe weit übertreffende

*) Leider mussten wir es uns versagen, näher hier auf diesen interessanten
Kuppelbau einzugehen, wir verweisen auf: Isabelle, les edifices circulaires et Ies
dörnes. Paris 1843.
*") Hübsch: Die altchristlichen Kirchen.
136 1. Muurer- und Steil1l11etZtlrbciten.

Peterskirche in Rom, so müssen wir zwar gestehen; dass an Kolossalität diesem


Riesenbaue Nichts an die Seite zu stellen ist; dass dies aber auch nur auf
Kosten von Baumassen möglich ward; die bis dahin nahezu in das Bereich des
Unmöglichen versetzt wurden; und auch jetzt noch unser grösstes Erstaunen
herausfordern. Dabei macht die gr ö s s t o Kirche der ,Velt nicht annähernd
den Eindruck, der zu ihren ungeheuren Dimensionen nur einigermassen im
Verhältniss steht. Nirgends übersieht man die Gesammtheit der verschiedenen
Räume und das System der konstruktiven Formen ist kein an sich grosses
oder mannigfach gegliedertes.
Die meisten Formen gehören streng genommen kleinem Dimensionen an,
und sind in der Peterskirke oft nur kolossal vergrössert, und zwar in einem
Grade, der unser Augenmass weit übersteigt.
Michel Angelo, der 1546 den Riesendom zum Fertigbauen übernahm,
gab demselben - wie Bruneleschi das in Florenz gethan hatte- eine Doppel-
kuppel, aber von überhöht elliptischer Form; der Durchmesser dieses Gewölbes
misst '.12,5 m ,' die Höhe vom Boden bis zum Gewölbescheitel beträgt
101 rn , so dass sich ein Verhältniss nahezu wie 1: 2 1/ 2 ergiebt. Die
gewaltige Kuppel stützt sich unten auf vier mächtige Pfeiler; diese Pfeiler
haben quadratische Grundform mit 19 m Seite, sie sind gegen das Centrum
zur Hälfte abgestumpft und hier mit vertieften Nischen versehen; mächtige
halbkreisförmige Rundbögen, mit Kassetten geziert, verbinden die vier Stütz-
pfeiler, und wird durch Vermittelung von Pendentifs ein U ebergang in den
hohen runden Tambour gewonnen. Da, wo dieser nahezu 9 m in seiner
v.Vandstärke habende Tambour aus der Vierung des Langschiffs mit den Quer-
schiffen frei heraustritt, bildet er ein kräftiges Podium, auf das sich 16 doppelt
gekuppelte, je 12 m hohe Säulen aufsetzen, welche mit ihren Gebälken sich
gegen die Aussenseite der Tambours anlegen und neben ihrer ästhetischen Er-
scheinung den Zweck haben, die vViderstanc1sfhhigkeit der stark belasteten, von
nun ab nur 3 m dicken Tambourmauer zu erhöhen. In der Höhe von 6 m
über den eben erwähnten Gebälken setzt sich die gewaltige Kuppel auf einen
gemeinschaftlichen Gewölbefuss auf, und theilt sich dann in zwei Schalen, die
innen und aussen durch vortretende Rippen verstärkt sind. Nahezu am Scheitel
entfernt sich die äussere Schale um 3 m von der innern und legen sich beide
an einen 7 m im Durchmesser besitzenden kräftigen Steinkranz , auf den sich
dann krönend die 2'7 m hohe, säulenumgebene und reich' gegliederte Laterne
aufsetzt.
Der ganzen Anordnung der St. Peterskuppel scheinen mehr ästhetische
Rücksichten zu Grunde zu liegen, indem bei der Formgebung vor allem die
Wirkung im Innern sowohl als die im Aeussern in Betracht gezogen wurde.
Das Verhältniss des Hauptschiffs von St, Peter, das nur ein und einhalbmal so
hoch als breit ist, macht einen um so gedrückteren Eindruck, weil sich für
das Auge die Höhe schon mit dem schweren und stark ausladenden antiken
Hauptgesimse , worauf das Tonnengewölbe aufsitzt, abschliesst; überhaupt tritt
in diesem Riesendom an die Stelle. der kühnen Geräumigkeit, der an den
romanischen, besonders aber an gothischen Kirchen so wohlthuend wirkt, eine
plumpe Anhäufung von riesenmässigen dicken Mauerklötzen und riesenmässigen
antiken Details; jedenfalls bleibt es unbestritten, dass die St. Peterskirche in
Rom den bleibenden Ruhm besitzt, die grösste Kirche der Welt zu sein.
Der Flächeninhalt ihres Grundrisses ist dreimal grösser als der des Kölner
Doms, die Mittelschiffhöhe des Speyrer Doms wird von ihren korinthischen
Pilastern erreicht, elie im Hauptschiffe von St. Peter das Gebälk, auf welchem das
~\u,l)citcn des Rehbaues (Gewölbe). 137

Tonnengewölbe sich aufsetzt, tragen; die Mittelschiffhöhe des Speyrcr Domes


viermal h e r ei n a n d e r 'n'esetzt.
ü

=' ' giebt die Höhe des Scheitelpunktes der Laterne.


<,

Die Scheitelhöhe des Kuppelgewölbes vom Pantheon und des Innern


vom Tempel der Venus und Roma verhält sich zu der des Domes von St.Pcter
wie 1 : 2 1/ 2 beziehungsweise wie 1 : 4 11s ·
Weitere Vergleiche sind dem Leser überlassen; es sind solche um so
leichter zu machen, da sämmtliche Bauwerke auf Tafel X in gleichem Massetabe
dargestellt wurden. An der Aufgabe, die kolossalen Massen am Dome von
St. Peter künstlerisch zu bewältigen, scheiterte selbst der grösste Künstler der
Renaissancezeit und wir theilen Lübkes Ansicht hierüber, wenn er sagt: "vVer
die Schönheit anderswo als in den Massen sucht, der wird bei den staunans-
werthen Mitteln, welche hier aufgewandt, den kolossalen Kräften, die in Be-
wegung gesetzt sind, die durch mühsame Dekoration mehr beschönigte als be-
wältigte Massenhaftigkeit , die kalte, schwerfällige Pracht bcdauern , und über
einen Bau Schmerz empfinden, der nicht blos in seinen eigenen Schicksalen, son-
dern mittelbar auch für die folgende Entwickelung der Baukunst so verhängniss-
voll werden sollte! Wahrhaft bewundernswürdig ist nur der herrliche Kuppel-
bau , welcher in seiner ebenso schlanken als gewaltigen Form mit herrlichem
Profil Stadt und Umgegend weithin beherrscht und ihn zu einem VV under der
Baukunst macht! *)
Die Kuppel spielte in der Renaissancezeit beim Dombau eine bedeutende
Rolle, wie man überhaupt mit Vorliebe sich die Anlage der Potcrskirche zum
Muster nahm; erwähnenswerth möchte hier sein:
der Invalidendom in Paris von J. H. Mansard (1647 bis 1708) mit einer
Kuppel von 22,5 m Durchmesser und einer Höhe von 93m,
die Paulskirche in London von Christopher VV ren (1675 bis 1710) mit
einer Kuppel von 30 m Durchmesser und einer Höhe von 108 m,
die Kirche St, Gencvieve, das heutige Pantheon, erbaut von J. G. Souffiot
(1713 bis 1781), mit einer Kuppel von 19,5 m Durchmesser und einer Höhe
von 102 m mit Einschluss der Laterne.
Der neuern Zeit gehören die Kuppelbauten des Museums in Berlin von
Schinkel mit 21 m im Durchmesser und der Befreiungshalle in Kehlheim von
Klenze mit 30 m Durchmesser an. -
Die hier gegebenen geschichtlichen Notizen über die Gewälbetechnik
können nicht wohl geschlossen werden, ohne jene phantastischen Gestaltungen
zu erwähnen , welche in der maurischen Architektur sich bei Herstellung der
Gewölbe geltend machten. Hier wurden die Gewölbe mit Vorliebe so aus-
geführt, dass lauter kleine oft aus Gyps geformte Kuppelstückehen mit vor-
tretenden Ecken aneinander gefügt sind und nach Art der Bienenzellen ein
Ganzes bilden; eine solche, von oben mit vielen vorspringenden Ecken und
Spitzen versehene hängende Decke erinnert an Tropfsteingebilde. Die
S tal a k t i t eng e w 1 b e , wie sie bezeichnend genannt werden, finden
ö

sich nicht allein in Form von Zwickeln, um den U ebergang von den senk-
rechten Wänden zu der Decke zu vermitteln, sondern es sind auch ganze
Kuppeleinwölbungenin dieser Weise ausgeführt. Da jedoch die Stalaktiten-
gewölbe sich weder ihrer Konstruktion noch ihres Materials "wegen als eigentlich
konstruirbare Gewölbe betrachten lassen, so können sie höchstens als eine phan-
tastische Spielerei) keineswegs aber als zuverlässige Konstruktion betrachtet werden .

.1) Das Nähere über den konstruktiven Theil der Kuppelbauten bringt (1<1,S Kapitel:
Dübel' die Stabilität der Gewölbe und deren Stützen.
138 1. Maurer- und Steinmetzmbeiten.

Allgemeines und Einthelluug der G-ewölbe.

Unter Gewölbe versteht man eine in Bogenform ausgeführte Steindecke


über einem theil weise oder ganz von Mauern umschlossenen Raum; eine solche
Decke ist aus einzelnen keilförmigen Steinen derart zusammengesetzt, dass sie,
vermöge des im Gleichgewichte stehenden Druckes und ·Widerstandes derselben,
in schwebender Lage sich erhält.
Wenn auch zwischen einem Wandbogen und einem Gewölbe wesentliche
Unterschiede bestehen, so sind doch beide ihrem innern Wesen nach sehr ver-
wandt, und nennt man deshalb auch wohl einen Bogen ein Gewölbe; auf
diesem Umstand beruhen denn auch die gemeinsamen Bezeichnungen, wie: innere
und äussereLeibung, Spannweite, Pfeilhöhe etc. etc., wie dies bei der Bogen-
konstruktion erörtert wurde.
Alle Gewölbe spannen sich entweder zwischen geschlossene, oder zwischen
mitte1st Bögen durehbrochene Mauern ein; haben diese dem Schube des Ge-
wölbes zu widerstehen, so nennt man sie 1V i der 1a g s m a u e r n, im Gegen-
satze zu den Sc h i 1d m a u e rn, die nqr eine Raum umschliessende Funktion
haben und zur Stabilität des Gewölbes nichts beitragen.
Nach der grossen Verschiedenheit der Form , der Konstruktion und des
Materials haben die Gewölbe auch verschiedene Benennungen erhalten und
unterscheidet man:
1. das Ton n e n - oder K u fe 11 g e w I b e ,
ö

2. das Kap pe n - oder Gur t ge w öl be (Preussische Gewölbe),


3. das Klo s tel' g e w ö 1b e ,
4. das Kr e u zg e w ö I b e ,
5. das g 0 t h i s c h e oder S tel' n g e w ö 1 b e ,
6. das no r m ä n n i sc h e oder an gel säe h s i s c h o Ge IV öl b e (Fächer-
gewölbe),
7. das Ku P P e 1g e w ö I b e ,
8. das K 11 g e 1- und e 11i P s 0 'i d i 8 C he Ge IV Ö 1b e,
9. das böhmische Gewölbe,
10. das M u 1 den -, S pie g e 1-, sc h e i t I' e c h t e Ge IV öl b e.
Verwendet man Eisenkonstruktionen zur Herstellung von Gewölben, um
einzelne Widerlagssteine in der Schwebe zu erhalten, 80 entstehen die h ä n gen-
den Ge w öl be; verwendet man zur ·Wölbung Töpfe, Hohlsteine oder irgend
ein G u s s m a t e r i a l , so erhält man die Top f g e w ö 1b e, die G e w 1 b e
ö

a u s H 0 h l s t ein e n und endlich die sogenannten G u s 13 g e w öl b e, bei


denen freilich im strengen Sinn der Begriff des Wölbans ganz fehlt.
Wenden wir uns nach diesen allgemeinen Bemerkungen zu den einzelnen
Gewölbekonstruktionen selbst.

1. Das Ton n e n - 0 der K u fe n g e w Ö 1b e.


Die meisten Tonnengewölbe bestehen der Form nach aus einem h a 1ben
C y 1i n der mit ho r i z 0 n t a l li e gen der A xe; der Cylinder kann ein
kreisförmiger, aber auch ein elliptischer sein, und ergeben sich so die gedriickten
und die überhöhten Tonnengewölbe. Im Mittelalter hat man sich oft der spitz-
bogigen Tonnengewölbe bedient; wurde deren innere Leibung mit netzförmigen
Rippen dekorativ behandelt, so entstanden die sogenannten N e tz g e w ö 1b e.
Denkt man sich ein Gewölbe in der Form eines halben Cylinders mit geneigter,
Arbeiten de8 Rohbaues (Ge\völlJe). 139

steigender Axe , wie dies die Fig. 193 darstellt, so entsteht das ger a d e
s te i gen d e Tonneügewölbe; eine weitere Variation ergiebt sich im s c h l' a u ben-
f Ö •r mi b steio'enden
O'
<::>
und endlich im r i n g f ö r m i ge 11 Tonnengewölbe.

Fig. 193.

In der Baukonstruktion für Ingenieure spielt das s c h i e fe Ton n e n-


g e w 1 b e eine bedeutende Rolle, bei welchem die Gewölbeaxe nicht normal
ö

auf die Stirn oder das Haupt des Gewölbes gerichtet ist. Die sogenannten
schiefen Brücken, die in solcher Weise ausgeführt werden, gehören jedoch
durchaus in das Gebiet der Ingenieur - Baukonstruktionen , auf die hier ver-
wiesen wird.
Jedes Tonnengewölbe besitzt zwei Widerlags - und zwei Schildmauern ;
erstere bedingen in hervorragendem Grade die Stabilität des Gewölbes, letztere
dagegen sind nur Raum schliessend , können selbst fehlen oder sie werden
durch offene Bögen ersetzt.
Lässt man die Axe eines Tonnengewölbes gegen die Mitte des Raumes
etwas steigen, oder giebt man dem "Gewölbe einen Stich, wie dies in
Fig. 194 (S. 140) geschehen ist, so entsteht ein Gewölbe mit zwei geneigt
stehenden halben Cylindern; dann werden die Schildmauern in dem Grade zu
Widerlagsmauern , je grösser der Stich angenommen wird, wobei zu gleicher
Zeit die Widerlagsmauern in gleichem Grade entlastet werden.
Die empirischen Formeln, die Rondelet für die Ge w 1be s t ä r k e (s) der
ö

Tonnengewölbe aus Backsteinen entwickelt hat, sind für kreisfärmige Gewölbe,


1
die im Scheitel horizontal abgeglichen (Fig. 195 S. 140) sind, s = 48 l;
sind die Gewölbe bis zur halben Höhe hintermauert und ist die innere
1
Leibung mit der äussem parallel (Fig. 196 S. 140), so ist ~ -
Y Co' '- -
-36 l·' sind die
140 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.

Gewölbe bis zur halben Höhe hintermauert und von hier bis zum Scheitel
1
VC1jÜllgt (F'ig. 107)" so ist s = -. l am Schlussstcin , iderlager ; ,y
48

.:
/
/
/
I
I
I
I
I
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--------·1--1'--
I I
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I I
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I I
I I I
I I I
I ! I
I
I
I I
/ I I
I I
I I

Fig. 194.

Fig'. 195. Fig, 196, Fig. 197.,


Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 141

l
für die Widerlugsstärken giebt Rondelet im ersten Fall nn zweiten
11'
l l
Fall 1111 an. In diesen' Formeln bedeutet s die Gewölbe-
dritten Fall
9 ' 10
stärke am Schlusssteine, und l die Spannweite des Gewölbes.
Diese Dimensionen gelten für alle Widerlager , deren Höhe nicht grösser
als der Durchmesser des Gewölbes ist.
Aus der für das halbkreisförmige Gewölbe gemachten Angabe finden sich
dann auch die Stärken der Widerlager für überhöhte unl,gedri.ickte Gewölbe.
Zieht man nämlich im Querschnitt
des halbkreisförmigen Gewölbes die
Sehne A 0 (Fig. 198) und durch
deren Schnitt T mit der Begrenzungs-
linie 1? l' des für diesen Bogen ge-
fundenen 'Widerlagers aus A einen
Kreisbogen, so schneiden die der
Linie A 0 korrespondirenden Sejmen
0' A und O" A den letzteren in den
Punkten TI und r", durch welche
dann die äussere Begrenzungsebene
des Widerlagers für die in Frage
stehenden Gewölbe geht.
Bei Anwendung von Quader- ~ I _ // I "'"
" " ,
, . . , _·,],J,=--=;!JL-·-·-·--·-···-·-:,-,-·---·'GO·-·-·-~QO··-
oder Schmttstemen giebt derselbe \ 1~2z~fg
Autor für kreisförmige sowohl wie J~iF """", I
auch für elliptisc~le Gewiilbe, wenn /'!;f~~.'.·.--- '1P(] "
dieselbe~ am vYIderlag~r do~pelt ~o ~I~~~ i
stark WIe am Schlusssteine sind, fur ===-==1 i
unbelastete Gewölbe: Fig. 198.
S = 0,01 l+
0,08 m,
für mittelstarke Gewölbe: s = 0,02 l +
0,16 111; für stark belastete:
s 0,04 l +
0,32 m an, während Perronet für Brückengewölbe
s - 0,035 l +
0,32 m angiebt , wenn l kleiner als 24m ist; für grössere

Spannweiten sei s = :4 l und ist in beiden Fällen angenommen, dass solche


Tonnengewölbe am Widerlager doppelt so stark sind, wie am Schlusssteine.
Für die Stärke der Widerlager im allgemeinen nimmt man an, wenn
dieselben nicht über den äussern Gewölbescheitel geführt sind,
bei Halbkreisform 1/5 der Spann weite,
bei gedrückten Bögen bis 1/4 ihrer Spannweite zur
Stichhöhe .
bei gedrückten Bögen bis über 1/4 ihrer Spannweite " l'

zur Stichhöhe 2/7 "


bei überhöhten Bögen. .1/6 bis 1/7 " " , "
sind die Widerlugshöhen bedeutender als 2,5 111, so werden die angegebenen
Stärken um 1/6 bis 1/ s vermehrt.
Rondelet giebt für die spezielle Bestimmung der Wic1erlagsstärken von
Tonnengewölben auch eine gr a phi sc he Me t hode *) an, welcher seine,
aus vielfach gemachten Versuchen abgeleitete Gewölbetheorie zu Grunde liegt.

*) L'art de ibütir Tom. 4, pt1,g. 267.


142 L Maurer- und Steinmetzarbeiten.

Es wird hierbei die Annahme gemacht, dass ein halbkreisförmiges Tonnen-


gewölbe (Fig. 199) aus einer Anzahl von Ge"\völbesteinen bestehe, die ohne
Reibung auf einander wirken, und class
alle im Gewölbe thätigen Einwirkungen
in der Mittellinie E G des Gewölbes ver-
einigt gedacht werden können; dem ent-
sprechend repräsentirt diese Mittellinie
die Summe aller im Gewölbe wirksamen
Kräfte.
Die "Wirkungen der Gewölbesteine
in der vertikalen und horizontalen
Richtung sind in ihrer Summe durch
die Linien A Fund F G dargestellt;
die horizontalen Kräfte des untern Ge-
wölbestücks AB . K , dargestellt durch
die Linie HK, suchen das Gewölbe
um A nach innen umzukanten, während
die durch]~ N dargestellte horizontale
Wirkung des obern Gewölbestücks
K 0 D entgegengesetzt wirkt, und ein
Unikanten um B nach aussen ver-
:Fig. 199.
anlassen will.
Die sich so entgegenwirkenden Horizontalkräfte heben sich also theilweise auf
und ergiebt ihre Differenz 1J{ N mit der Gewölbedicke multiplizirt den Angriff
auf das Widerlager ; diesem Angriff' hat das Moment des Widerlagers sowohl als
das der vertikal wirkenden K1:äfte, ausgedrückt durch A H + HF, zu widerstehen.
Für den Gleichgewichtsfall, und P als Momentenpnnkt, ist also:
NMX ODX PL= PR XPp X PS+FHX CD XHL+
JIAXCDXAp;
aus dieser Gleichung bestimmt sich eine vViderlagsstärke s = PR = A p, bei
welcher das Widerlager an der Grenze des Gleichgewichts steht. Um eine
grössere Festigkeit der Widerlagemauer zu erzielen, nahm Rondelet die Höhe
des Widerlagers als unendlich gross an, so dass er schliesslich für die Breite
desselben den einfachen Ausdruck
PR=x= V20D+MN
erhielt, Es folgt hieraus eme Breite X , die ganz unabhängig von der Höhe
des Widerlagers ist, .
vYeil nun u

x 2 = 2 CD·X j}iN oder


2 OD: x=x: 1J{N,
so folgt, dass die gefundene Dicke des Widerlagers die mittlere Proportionale
zwischen der doppelten Gewölbedicke und dem Stücke MN ist, Macht
man also
An· 20D und A1n=MN
und zieht den Halbkreis 1n p n, so giebt der Schnitt desselben mit der Richtung
A 0 den Endpunkt p, der mittleren Proportionalen A p, welche gleich der
Widerlugsstärke ist. Die Figg. 200, 201 und 202 (S. 143) geben die Mo-
difikationen dieses Verfahrens für verschiedene Gewölbeanordnungen. Es liegt
hierbei der Punkt F immer im Schnitt der Tangenten , die im Scheitel und
am Kämpfer an die innere oder mittlere Bogenlinie gezogen werden, F K ist .
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 143

normal aus F zur innern Wölblinie gezogen und in Fig. 202 Angleich dem
doppelten Betrage der mittleren Gewölbec1icke I{ L gemacht.

Fig. 200. Fig. 201.

Die in den Figg. 200 und 202 angenommene Hintermauerung kann ent-
weder nach Fig. 198 bestimmt werden, indem man von den Schnittpunkten
F, FI, F" der Vertikalen am Kämpfer und 'der Scheiteltangenten die Normalen
F L, FI LI, F" L" zieht und die Aufmauerung bis zu den hierdurch erhaltenen
Punkten L, LI, L" führt, oder indem man
für letztere jene Punkte gelten lässt, die
im Schnitte der innern Widerlagsfläche mit
der äussern Gewölbefläche liegen.
Die Resultate der freilich als veraltet
zu bezeichnenden Rondelet'schen Gewölbe-
theorie ~urden hier aufgenommen, weil das
hier mitgetheilte graphische Verfahren in
Fällen, wo es sich um eine approximative
'Bestimmung der Widerlagerbreiten handelt,
namentlich dem praktischen Architekten
gute Dienste leisten kann, und auch sonst
vielfach in die Handbücher für Baukon-
struktion übergegangen ist.
Einen Anspruch auf wissenschaftliche
Begründung erhebt diese Konstruktion nicht. Fig·. 202.
Nach dem heutigen Standpunkt der
Gewölbetheorie wird die Grösse der erforderlichen Widerlagstnassen durch
Zeichnung der sogenannten S t ü t z - oder Mit tel d I' U c k s 1i nie für Gewölbe
und Widerlager ermittelt und wird hierüber das Kapitel über die S tab i 1i t ä t
der Ge w ö I be und der e n S t ü t zen das Nähere mietheilen.
Als M a tel' i a 1 für die Ausführung der Tonnengewölbe dienen Backsteine,
Quadern oder auch Bruchsteine.

Ton 11 eng e w öl be a TI s Back s t e i 11 e Tl.


Solchen Tonnengewölben, die nur derr' Fussboden des oberen Stockwerks
zu tragen haben, aiebt man bei einer Spafmweite bis zu 4 111 l/Q Stein Stärke;
144 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.

bei weitem Spannweiten legt man wohl in das Gewölbe von 2,4 bis 2, [) 111
Entfernung Verstärkungsgurte von 1 Stein Breite und Höhe, welche bündig mit
derinnern Leibung sind und nur gegen die äussere Leibung um 1/2 Stein
vorspringen. Bei Gewölben übel' 6 rn Spannweite giebt man denselben eine
Stärke von 1 Stein und verstärkt sie mitteist Gurtbögen von 1 1/ 2 Stein Stärke.
In der Tafel XI ist ein halbkreisförmiges Tonnengewölbe 1/2 Stein stark
mit 1 Stein starken Verstärkungsgurten im Grundriss, Längen- und Querschnitt
dargestellt.
Die hier vorgeführte Konstruktion stellt ein Kellergewölbe dar, dessen
Widerlagsmauern einerseits durch einen offenen Bogen durchbrochen sind,
anderseits durch Kellerfenster ; um durch die letztem den Raum gehörig be-
leuchten zu können, erscheint es nothwendig, das Tonnengewölbe entsprechend
zu durchbrechen, und in die betreffenden Durchbrüche "S ti c h k a p p e n "
einzusetzen.
Zu solchen S ti c h kap p e n kann man sich entweder der C y 1in Cl e I' - ,
el er K e g e 1- 0 der der K u gel f 1ä c h e n bedienen; erstem giebt man ent-
weder h 0 I' i z 0 n t all i e gen deoder auch s t e i gen d e A x e n.
Um solche Stichkappen richtig zeichnend darzustellen, ist 'es nothwendig,
die Durchdringungskurven der verschiedenen Rotationsflächen zu ermitteln.
Fig. 203 stellt eine einfache Stichkappe, Cylinderfläche mit horizontal

• •
--------------------..----------==;'7:'

Z~<~~nL:c-= __ ~_.~Ji'/) 2'


Fig. 203.

liegender Axe Cl a' dar; elie Durchdringungskurve mit dem halbkreisförmigen


Tonnengewölbe ist durch die Mantellinien 1 2 3 ermittelt, die in elen ver-
schiedenen Projektionen mit l' 2' 3/ beziehungsweise mit 1'1 2/1 3" bezeichnet
sind; in den Grundriss ist diese Dnrchdrillgungskurve einzupunktiren, wie man
ja auch die Form des Tonnengewölbes selbst in den gegebenen Raum einzu-
punktiren pflegt *).

*) Siehe die Tafel XI.


Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe)', 145

Fig. 204 giebt eine Stichkappe mit steigender Cylinderfläche und der
Axe a a'; auch hier ist die Durchdringungskurve dieser Stichkappe mit dem'
horizontalen halbkreisförmigen Tomiengewölbe durch Mantellinien ermittelt, die
mit den Zahlen 123, beziehungsweise mit l' 2' 3' und 1" 2" 3/l bezeichnet sind.

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i '-

Fig. 204.

Fig'. 205.
146 1. Maurer- und Steillmetzarbeiten.

Das in dieser Figur angenommene Kellerfenster hat einen scheitrechten


Bogen, während die Vertikalschnitte der Stichkappe Kreisbögen bilden; ein
Schnitt normal zur Axe ergiebt somit eine elliptische Form, und haben wir es
demzernass hier mit einer elliptischen Cylinderfläche zn thun.
I:> Zum bessern Verstandniss ist die vorstehende, geometrisch gezeichnete
Stichkappe in Fig. 205 (S. 145) auch. in isometrischer Projektion in ein-
fachen Linien dargestellt.
Eine weitere Stichkappe mit steigender Kegelfläche giebt die Fig. 206;

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Fig, 206.

a a' stellt die Axe in ihren verschiedenen Lagen dar; die vertikalen Kegel-
schnitte sind als Kreise angenommen, mit den Mittelpunkten 1 2 3 4 5, deren
weitere Projektionen mit l' 2' 3' 4' 5' beziehungsweise mit 1" 2/1 W' 4/1 5/1 be-
zeichnet sind; wir haben es hier mit einem elliptischen Kegel zu thun. Die
Schnittkurve zwischen dem Tonnengewölbe und dem Kegel ergiebt sich durch
die Mantellinien des Tonnengewölbes 1 10, 2 2 0, 3 30, 40 4 0, 5 ° 5°, und die ° ° °
vertikal gedachten Kegelschnitte; ·in der entwickelten Projektion ist der voll-
ständige Halbkegel im Grundriss, im Quer- und Längenschnitt einpunktirt, die
Stichkappe selbst ist begrenzt gedacht durch zwei Vertikalschnitte nach den
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 147

Mantellinien X x) y y. Zum weitem Verstandniss ist eine solche Kegelstich-


kappe in isometrischer Projektion in einfachen Linien (Fig. 207) beigefügt.

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Fig. 207.

Bei allen diesen Stichkappen sind Begränzungsmauern nqthwendig, in den


betreffenden Figuren mit 0 bezeichnet, welche zugleich für die Stichkappen das
Widerlager bilden und von dem, Tonnengewölbe selbst unterstützt sind; theil-
weise werden diese schon durch die Hintermauerung des Gewölbes gewonnen,
reicht diese nicht aus, so muss durch Aufmauerung nachgeholfen werden.
Als Mass für die Hintermauerung der Tonnengewölbe wählt man wohl
1/2 bis 2/3 der ganzen Gewölbehöhe.
Die Beleuchtung oder die Anlage von Bogenöffnungen durch die Schild-
mauern eines Tonnengewölbes veranlasst im allgemeinen keine Schwierigkeit,
und kann in den meisten Fällen ohne Anordnung von Stichkappen erfolgen j
.liegen jedocli die Fenster höher als der Gewölbescheitel , dann werden auch
hier Stichkappen nothwendig, die aber stets das ausgeschnittene Gewölbe sicher
ver s pan TI e n müssen; vertikal- stehende Schlussmauern lassen sich hier nicht
J

anbringen, da solche von den einzelnen Gewölbeschichten nicht getragen wer-


den können. Auch zu diesen Stichkappen lässt sich die Cylinder-, Kegel- oder
Kugelform verwenden; beispielsweise giebt Fig. 208 (S. 148) eine solche Kugel-
stichkappe im Grundriss, im Quer- und im Längenschnitt j wir haben es hier
mit einer Halbkugel zu thun , deren Durchmesser beziehungsweise Halbmesser
mit a a bezeichnet ist j die Durchdringungskurve zwischen der Kugel und dem
halbcylinderförmigen Tonnengewölbe ist gefunden durch die vertikalen Kugel-
schnitte 11, 22, 3 3, 44 beziehungsweise l' 1', 2' 2' etc, und 1/1 2/1 etc. und
durch die Cylindermantellinien 10, 20, 30, 40.
In Tafel XI befindet sich auch an der Schildmauer eine Stichkappe mit
steigender Kegelfläche , deren Entwickelung nicht weiter ve:'folgt zu werden
braucht.
1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.
148

Nachdem im V orstehenc1en die Form des Tonnengewölbes mit seinen Stich-


kappen behandelt ist, möge hier das Nothwendige über deren Ausführung
folgen.

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Fig. 208. Fig. 209.

Die Ausführung der Tonnengewolbe , insofern sie Gebäuden angehören,


erfolgt, wie bei allen Gewölben dieser Art, erst dann, wenn das Gebäude
sich unter Dach befindet, somit sämmtliche Mauern, zwischen welche die
Gewölbe eingespannt werden, vollständig sich gesetzt haben und hinreichend
erhärtet sind. Die Einwölbung erfolgt auf einer vollständigen Schalung, die
durch ein gut konstruirtes Gerüst, aus Lehrbögen *) bestehend, hinreichend
sicher unterstützt wird; eine ähnliche Einschalung benöthigen sämmtliche Stich-
kappen. Das Tonnengewölbe selbst wird vom 'Widerlager aus, Schichte für
Schichte, mit Berücksichtigung der Cylinderaxe so gefördert, dass in der Scheitel-

*) Siehe diese S. 97.


Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 149

linie des Cylinders zuletzt eine gut passende Schlusssteinschichte das Gewölbe
sohliesst. Der Fuss des Gewölbes lässt sich am zweckmässigsten durch Ueber-
kragung gewinnen, wie dies die Fig: 209 (S. 148) angiebt; für eine
solide Hintermauerung ist dadurch vorzusorgen, dass man dieselbe nachträglich
in die Mauer ein bin den kann; zu diesem Zweck wird an der betreffen-
den Stelle eine Verzahnung angelegt. Ist das Gewölbe aus Backsteinen
fix und fertig hergestellt, so übergiesst man es wohl mit einem dünnfliessenden
Mörtel, um alle Fugen möglichst vollständig zu füllen.
Bei den eylinderförmigen Stichkappen wählt man zum "Wölben derselben
entweder Schichten, die parallel zur Axe liegen, oder man wölbt dieselben auf
den Schwalbenschwanz; im ersten Falle lassen sich die Gewölbeschichten der
Stichkappe mit denen des Tonnengewölbes abwechselnd in guten Verband
bringen, und hat man nur .. darauf zu sehen, dass in der sich bildenden Grat-
linie keine Fuge entsteht;. w~hlt man den sehr beliebten Schwalbenschwanz-
verband , so wird das Tonnengewölbe da, wo die Stichkappe sich in dasselbe
einsetzt, vorher mit einem sogenannten Kranz begrenzt; dieser Kranz, 1 Stein
dick und in der Regel 1/2 Stein breit, hat sowohl die Funktion, das aus-
geschnittene Tonnengewölbe sicher zu verspannen, als auch die Stichkappe in
sich aufzunehmen. Die cylinderförmigen Stichkappen sind die am meisten ver-
wendeten, die kegelförmigen sind feil' solche Räume empfehlenswerth, in welchen
eine gute Lichtvertheilung erwünscht ist (Archive, Kassenlokale), und würden
solche Stichkappen auf den Schwalbenschwanz einzuwölben sein; die meisten
Schwierigkeiten möchten insofern die Kugelkappen im Gefolge haben, da für
sie einestheils eine Schalung nur schwer herzustellen ist, anderntheils die volle
Rundung, besonders im Scheitel, nur mit Quartierstücken ermöglicht wer-
den kann.
Schon bei den Römernstattete man die Tonnengewölbe mitte1st Kassetten
aus, eine solche Ausstattung ging. weiter über in die Renaissance-Zeit und selbst
auf unsere Gegemvart; für solche Gewölbe ist eine sorgfältige Einschalung er-
forderlich, auf welcher die Eintheilung der Gewölbefelder genau aufzutragen ist,
um dann die Kassetten selbst als kastenförmige Körper aus Holz darauf vorzu-
bilden; die Einwölbung erfolgt unter Einhaltung centraler Fugenschichten. Von
dieser sonst üblichen Einwölbung ist Moller in seinem Kanzleigebäude in Darm-
stadt bei Ausführung eines kassettirten Tonnengewölbes insofern abgewichen, dass
er nurdie,se11;lz1'echtenfIauptgurtbögen mit normal auf die Einschalung ge-
richteten~?g~rfqgen ausführen liess, während die Quergurten sammt der Decke
der Kass#tt~n mit senkrecht gegen di-e ·W iderlager gerichteten Schichten ge-
mauert wurden und sich so zwischen die I-Iauptgurtbögen nach dem Fugen-
schnitte scheitreqJ1terBögen einspannten.
Die Fig. 210 (S. 15 O)giebt über diese Konstruktion Aufschluss *); bemerkens-
werth daran ist hier noch die äusserst geringe Widerlagsstärke, welche diesem
nahezu 8,75 m weiten Tonnengewölbe gegeben wurde; dieselbe beträgt nur 1/1 2 der
Spannweite; die Widerlagsmauerti sind aus Bruchsteinen hergestellt, und erhielten
. von der Gewölbesohle bis zUlllzweiten Kassettenfelde eine U eberkragung, die
zu gleic.;he1'Zeit die Hintermauerung des Gev,ölbes bilclet; weiters sind die
\Viderlagsmauerndurch eine etwas schwächer gehaltene Aufmauerurig so be-
lastet, dass dadurch dem Horizontalschube des Gewölbes wesentlich entgegen-

*) Näheres: Beiträge zu der Lehre von d'en Konstruktionen VOll Dr.Georg Moller,
Ge"leüncn 0 ber- Betudirektor,
150 1. Maur er- und Steinmetzarbeiten.

gewirkt ist; nach Vollendung des Gewölbes wurden die Gewölbewinkel bis 3/4
der Höhe des Gewölbes mit Bruchsteinabfällen und Gussmörtel ausgeglichen.

Fig. 210.

Ein interessantes Tonnengewölbe, das von Moller beim Kirchenbau in


Bensheim ausgeführt wurde, ist mitgetheilt von B. Harres*); auch dem Ober-
baurathe Görz in "Wiesbaden haben wir eine Aufnahme und Beschreibung der
Peterskirche in Mainz zu verdanken, die beachtenswerthe Mittheilungen über
das dortige sehr weit gespannte Tonnengewölbe giebt **) und worauf hier
verwiesen wird.
Um Tonnengewölbe mitte1st Backsteine auszuführen,
verwendet man gegenwärtig überall (da, wo man es haben
k a n n) Ho h l s t ein e; die V ortheile , die dadurch erreicht werden, sind so
augenfällig, dass darüber kein Wort weiter zu verlieren ist.
Sind Tonnengewölbe aus Quadern oder Schnittsteinen
herzustellen, so tritt die Lehre vom Steinschnitt in ihr vollstes Recht und
muss auf diese verwiesen werden; in neuerer Zeit möchten solche Ausführungen
nur noch im Bereiche der Ingenieurarbeiten zu finden sein, und zwar beim
Brücken-, Eisenbahn- und Tunnelbaue. Irr städtischen Gebäuden solche schwer
lastende und kostspielige Gewölbe auszuführen, gehört wohl den überwundenen
Standpunkten an, und möchte sich der Architekt nur aus nah m s w eis e in
die Lage versetzt sehen, dergleichen Gewölbe auszuführen; Als solche Aus-
nahme sind die Gewölbe zu bezeichnen, die sich an dem durch König Ludwig 1.
erbauten Siegesthore in München befinden. Dieses Thor wurde nach den
Plänen Gaertners im Jahre 1850 vollendet; die Gewölbe, in weissem Jurakalk
ausgeführt, sind nach römischer Art mit Kassetten ausgestattet, in welchen
ornamental reich durchgebildete Rosetten sich befinden.

*) Die Schule des Maurers von B. Harres.


**) Förstersehe Bauzeitung, Jahrgang 1876.
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 151

Bei Tonnengewölben aus Bruchsteinen sind alle jene Punkte,


die bereits beim Bruchsteinmauerwerk Erwähnung fanden, beachtenswerth ; beim
Wölben selbst ist es erforderlich, dass die einzelnen Schichten womöglichst
parallel mit der Axe - des Gewölbes laufen und normal auf die Schalung ge-
richtet sind; die nicht zu vermeidenden stark klaffenden Gewölbefugen an der
äussern Leibung des Gewölbes müssen mit passenden Steinstücken aus-
g e k eil t werden; die einzelnen Wölbsteine selbst sollen durch die ganze
Stärke des Gewölbes hindurch reichen. Damit Bruchsteingewölbe nach dem
Ausschalen sich gleichmässig setzen, muss den Mörtelfugen eine besondere
Aufmerksamkeit in bezug auf gleiche Dicke zugewendet werden.
Die zweckmässigste Anordnung für
Tonnengewölbe aus Bruchsteinen giebt
die Fig. 211; das Gewölbe ruht hier
auf einem durch U eberkragung gebildeten
Gewölbefuss, wodurch das Widerlager
nicht unwesentlich verstärkt, die Spann-
weite des Gewölbes aber verringert wird.
Sehr cmpfehlenswerth ist es auch, die
Bruchsteingewölbe erst dann auszuführen,
nachdem der ganze Bau unter Dach
gebracht ist; eine Nichtbeachtung dieses
Umstandes kann zu grossen Unzukömm-
lichkeiten führen !
So einfach die Tonnengewölbe im
Grunde genommen auch sind, so können
sie doch durch vielfache Anlagen von
Stichkappen ziemlich komplizirt wer-
den. Sehr fatal aber ist der Umstand,
dass die meisten durch Tonnengewölbe
überdeckten Räume, wegen "der verhältnissmässig niedrig liegenden Kämpfer,
nur wenig senkrechte Wandflächen darbieten, um daran Schränke, Regale etc.
aufstellen zu können. In unseren meisten mit Tonnengewölben versehenen
Kellerräumen gestatten nur die vertikal aufsteigenden Schildmauern eine un-
behinderte Benützung, während die Widerlagsmauern in den meisten Fällen
eine so verschwindend geringe Höhe besitzen, dass sie in ihrer Nähe selbst
das Aufrechtstehen unmöglich machen, ein Uebelstan d, der sich nur durch eine
sehr grosse Höhe der Räume beseitigen lässt. Handelt es sich aber darum,
einen verhältnissmässigniedrigen Raum so einzuwölben , dass seine ihn um-.
schliessenden Wandungen eine möglichst ungehinderte Benützung zulassen, so
ist es gerathen , von der Verwendung des Tonnengewölbes ganz abzusehen,
und sich dem Kap p eng e w 1b e zuzuwenden. Diese Gewölbe bürgerten sich
ö

namentlich in Norddeutschland da ein, wo man die Kellerräume vielfach für


Wohnzwecke, Werkstätten, Bierkneipen etc. benützte; sie gewähren einen freien
Raum, gute Beleuchtung, meistens unter Ausschluss von Stichkappen, und sind
endlich ohne alle Schwierigkeiten auszuführen. Da sie fast ausnahmslos in
Preussen zu Kellergewölben verwendet werden, haben sie auch den Namen
preussische Gewölbe erhalten.

2. Das Kap pe 11- oder Gur t ge w ö 1b e (prouseisches Gewölbe).


Die Kappengewölbe bestehen ihrer Form nach aus flachen Segmentbögen,
um sich so viel wie möglich cler flachen Decke zu nähern; dies macht es von
J
152 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.

vornherein wünschenswerth, sehr bedeutende Spannweiten auszuschliessen, Alle


zu breiten Räume werden daher in dieser Beziehung durch sogenannte Gurt-
bögen oder durch andere diese ersetzenden Konstruktionen in kleinere Ab-
theilungen getheilt, und zwischen diese die Kappen eingespannt.. Auf solche
Weise werden die Gurtbögen zu VV idsrlagern, während die andern Mauern nur
die Funktion von Schildmauern übernehmen.
Die Entfernung der einzelnen Gurtbögen ist 3.1n geeignetsten zwischen
:2,5 bis 3,5 m zu wählen; sie erhalten, da sie fast durchgängig aus Back-
steinen hergestellt werden, eine Breite von 1 1.'2 bis 2 Steinen, je nach ihrer
Belastung durch darüber stehende Etagenmauern.
Als Form für die Gurtbögen dient in den meisten Fällen der Halbkreis,
der gedrückte elliptische Bogen und der Segmentbogen, dem man jedoch, wenn
er belastet ist, nicht gern unter 1/4 seiner Spannweite zur Stichhöhe giebt; in
letzterem Falle erhalten die Gurtbögen
bei Spannweiten" von 2,0 bis 3,5 m 1 1/ 2 bis 2 Stein Stärke,
1
" " ,,3,5 " 6,0" 2 bis 2 / 2 " "
1
" " ,,6,0 " 8,5" 2 / 2 bis 3 " "
je nach der Grösse der Belastung; bei An wendung von Rundbögen kann diese
Stärke mit Ausnahme des 1 1/ 2 Stein starken Gurtes um l/~l Stein abgemindert
werden; Gurtbögen, die nur als Widerlager für die Kappen dienen und keine
weitere Mauer zu tragen haben, kann unbedenklich eine geringere Stichhöhe
bis zu 1/6 der Spannweite gegeben werden.
Den" Kappengewölben selbst giebt man" eine Stichhöhe von 1/8 bis 1/12
ihrer Spannweite, und eine Scheitelstärke von 1/2 Stein; hat man es aus-
nahmsweise mit Kappengewölben von grossen Spannweiten zu thun, so verstärkt
man dieselben nach den "Widerlagern zu weiters um 1/2 Stein.
Als Widertagsstärke wählt man für Gurtbögen 1/3 bis 1/5 ihrer Spann-
weite, je nachdem die vViderlager mehr oder weniger stark belastet sind; die
Widerlager der Kappengewölbe werden in der Regel Y! bis l/sihrer Spann-
weite stark gemacht, jedoch nicht weniger als 1 1/ 2 Stein.
Genügt für die Gurtbögen die Stärke der vorhandenen Mauern als W ider-
lager nicht, so erhalten dieselben nach innen entsprechende Vorlagen von
1 1/ 2 , 2 etc. Steinen.
Damit die Kappengewölbe regelrecht von den Gurtbögen aufgenommen
werden können, wird in dieselben ein Falz eingearbeitet , der entweder gleich
bei der Einwölbung der Gurtbögen durch Verhauen der Gewölbesteine ge-
bildet wird, oder noch besser, nach vollständiger Erhärtung des Bogens mit
scharfem Meissel (wie es die Steinmetzen thuu) herausgehauen wird; ein
solcher Falz muss wenigstens 10 cm über dem Scheitel des Gurtbogens liegen.
Es versteht sich von selbst, dass erst, nachdem die Gurtbögen auf ent-
sprechend starken Lehrbögen ausgeführt, und womöglich gut erhärtet sind,
die Kappengewölbe eingespannt werden können; auch diese erhalten eine voll-
ständige Einschalung mitteist Wölbscheiben, wie solche auf S. 97 beschrieben
wurden, wobei die dort erwähnten Keile nicht fehlen dürfen.
Die Einwölbung der Kappen kann zwar mittelst Langschichten parallel
den Widerlagern (ähnlich wie dies beim Tonnengewölbe beschrieben wurde)
erfolgen, jedenfalls aber ist hier die Einwölbung auf den Schwalbenschwanz
weit vorzuziehen, wobei die einzelnen Wölbschichten von den vier Ecken der
Kappe aus in diagonaler Richtung sich nach und nach dem mittlern Scheitel-
punkte des Gewölb2s nähern, so dass das Gewölbe an dieser Stelle seinen
Schlussstein erhält; bei solcher Einwölbung auf den Schwalbenschwanz ver-
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 153

spannt sich jede einzelne Schicht in sich selbst und drückt nicht so stark auf die
Einschalung , wie dies bei der erst erwähnten Wölbmethode der Fall ist, - es
muss aber der Stirnmauer ein etwa 5 cm tiefer Falz gegeben werden, in dem
sich die einzelnen Schichten einfügen lassen. Eine erhöhte Sicherheit ge\vinnt
auch das Kappengewölbe , wenn man demselben einen Stich, wenn auch nur
von wenigen Contimetern Höhe giebt.
Sämmtliche Kappengewölbe sollen eine Hintermauerung erhalten, und
werden nach dem Einsetzen des Schlusssteines mit einem dünnflüssigen Mörtel-
guss überzogen.
Nur in seltenen Fällen werden bei den Kappengewölben Stichkappen noth-
wendig; ist dies jedoch der Fall, so werden dieselben wie bei den Tonnen-
gewölben behandelt.
Eine detaillirte Konstruktion für ein preussisches Kappengewölbe ist auf
Tafel -XII dargestellt. Für diese Konstruktion sind im Souterrain eines Ge-
bäudes mehrere sich aneinander reihende Räumlichkeiten angenommen; der
Hauptraum hat eine Abmessung von 5,38 m Länge und 5 m Tiefe, an welchen
sich nach rechts ein Raum VOll 3 m Frontlänge und [) m Tiefe anschliesst,
während sich gegen die Tiefe an beide Räume ein anderer von 2 m Breite
anlegt. Nur der Hauptraum ist in seiner ganzen Ausdehnung dargestellt, die
beiden Nebenräume aber nur zur Hälfte. Sämmtliche Räume wiederholen sich
im Erdgeschosse. Im Grundrisse Fig. 1 sind die äussern Mauern des Sou-
terrains 2 Stein stark, die andern Scheidemauern 2 beziehungsweise 1 1/ 2 Stein
stark gewählt.
Der 5,38 m grosse Hauptraum wurde mm, um ihn mittelst flacher Kappen
einwölben zu können, durch einen 1 1/ 2 Stein starken, mit Widerlagsverstärkungon
versehenen Gurtbogen in zwei kleinere Räume zerlegt, die je 2,50 m Spann-
weite zulassen. Um ferner sämmtliche Räume im Souterrain so viel wie mög-
lich mit einander zu einem Raume zu verbinden, sind alle andern Scheide-
mauern durch Bögen raumöffnend durchbrechen, und ebenfalls mit den nöthigen
Widerlagsverstärkungen versehen.
Für die Deckeneinwölbung ergeben sich hierdurch Räume von :3 m, 2,50 m
und 2 m Spannweite; wählt man für erstere 1/ 1 0 ihrer Spannweite zur Stich-
höhe , so ergiebt dies eine flache Kappe von 3/ 1 0 = 30 cm Stichhöhe , welche
dann für alle ändern Räume mit den Spannweiten von 2,50 und 2 m bei-
behalten werden 111USS.
Fig. 4 giebt den Fall an, wie bei allenfallsigem hochgelegenen Terrain
die Beleuchtung durch einen Lichtkasten beschafft werden kann; dem Boden
des Lichtschachtes ist für die Ableitung von Regen - und Schneewasser ein
passendes Gefälle zu geben. Alles Weitere möchte hinreichend durch die vor-
liegende Darstellung erklärt erscheinen.
In neuester Zeit ersetzt man die Gurtbögen wohl durch eiserne I Träger,
zwischen welche die Kappengewölbe mit einem Minimum von Spannweite ein-
gefügt werden; solche Deckenkonstruktionen machen sich für Fabrikräume,
Stallungen etc. immer mehr geltend, und werden ihre spezielle Behandlung bei
den "E i sen k 0 n s t r U k t ion e n " finden.
Eine eigenthümliche Konstruktion, die jedoch der Beachtung unserer Bau-
meister ganz besonders zu empfehlen ist, hat seiner Zeit der Oberbaudirektor
Moller ausgeführt und in seinen Beiträgen zur Backsteinkonstruktion ver-
öffentlicht *).

*) Beiträge zu der Lehre von den Konstruktionen von Dr. G. Moller etc.
154 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.

Es handelte sich darum, eine Nebentreppe im 4. Stock feuerfest zn über-


wölben, ohne die Unterstützungsmauer, welche nur einen Backstein dick war,
zu verstärken; um dies zu ermöglichen, war es geboten, den Seitendruck des
auszuführenden Gewölbes in einen senkrechten zu verwandeln, und wurde dies
auf folgende Art bewirkt: Das Gewölbe wurde aus Backsteinen auf hoher
Kante ausgeführt, sodass die einzelnen Bogenschichten die Dicke des Backsteins
besitzen, und sind dieselben so zusammengesetzt, dass in ihnen die Steine ab-
wechselnd horizontal und gegen das Centrum geneigt liegen; die beigegebene
Fig. 212 mag dies klar machen: die horizontale Schicht ab cd e ist in bc

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\

Fig. 212.

unterstützt und werden die nach dem Centrum gerichteten Steine der Schicht
cl e f g h, um einen Seitendruck auf die 'Widerlager ausüben zu können, sich
zwischen diesen horizontalen Schichten hinabsenken müssen. Dies kann aber
nur stattfinden, wenn der Widerstand überwunden wird, welchen die Adhäsion
der sich berührenden Backsteinschichten hervorbringt.
Da diese mit der breiten Fläche aneinander liegen und aussecdem durch
Mörtel verbunden sind, so ist dieser durch die Adhäsion bewirkte' 'V'fiderstand
viel grösser als das Gewicht der Steine. Die Schichten e cl f g h können dem-
gemäss nicht durch die Schichten e cl ab c durchgleiten , und ist das Gewölbe
somit als eine Masse zu betrachten, indem es nur senkrecht auf seine Unter-
lagen b c und hg wirkt.
Die nach dieser Art ausgeführten Gewölbe, sagt Moller, welche sich voll-
kommen bewährt haben, beweisen die praktische Brauchbarkeit dieser Kon-
struktion, die sich ebenso gut auf allen Gängen und Vorplatzen , welche Um-
fassungswände von der Stärke eines Backsteins haben, ausführen lässt!
Die Vorläufer dieser Moller'schen Konstruktion sind wohl in jenen Ge-
wölben zu suchen, die Rondelet in der Kriegskanzlei zu V ersailles nach gleichem
System ausführen liess; als Bindemittel wurde hier aber Gyps verwendet,
dabei hatten die Zimmer eine Breite von 5,5 mund 7,5 m Frontlänge , den
Gewölben gab er 1/14 ihrer Spannweite zur Höhe, und betrug die Gewölbe-
stärke im Scheitel 1/2 Stein *).
Für Kappengewölbe, welche im Rohbau, ohne Verputz bleiben sollen, ist
vorgeschlagen worden, dieselben von der Mitte aus einzuwölben; hiernach ist
die Mitte des Gewölbes zu ermitteln und sind, wie die Fig.213 (S. 155) zeigt,
daselbst 4 Steine so aufzustellen, dass sie ein regelmässiges Kreuz bilden mit

*) Rondelet, l'arb de bätir, tom. II, tabl. LXVII Fig.·l1 u. 12.


Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 155

diagonal laufenden Fugen; die zuletzt eingesetzten Steine, die sich unmittelbar
gegen das Widerlager anspannen, müssen dann aber mit besonderer Sorgfalt ver-
hauen und eingepasst werden; rathsam ist, diesen nur
sehr flach ausführbaren Kappengewölben einen Stich zu
geben, damit' eine Verspannung gegen alle vier Um-
fassungsmauern statthaben kann.
Das Kappengewölbe wird sehr häufig auch als
steigendes Gewölbe besonders beim massiven Treppenbau
zur Ausführung gebracht und wird in dieser Beziehung auf
das betreffende Kapitel verwiesen.
Zur Ausführung der Kappengewölbe verwendet man Fig. 213.
mit Vorliebe Backsteine von sehr geringem Gewicht, wie
Hohlsteine, Loch- oder Tuffziegel; auch werden da, wo man sie haben kann,
poröse Eisenschlacken genommen; 'Kappengewölbe aus Bruchsteinen zu kon-
struiren , möchte niemals vorkommen, während die Verwendung von Quadern
zu den seltensten Ausnahmsfällen zu zählen ist.

3. Klo s t 6 r g 6 W Ö 1b 6,
Dieses Gewölbe ist insofern dem Tonnengewölbe sehr verwandt, als es
aus der Durchdringung zweier gleicher Halbcylinder entsteht, und zwar in der
Weise, dass sämmtliche Umfassungswände Wiclerlagsmauern bilden; in Fig. 214
gehören die Gewölbefelder a a
dem Halbcylinder a' an, die Ge-
wölbefelder b b dem Halb-
cylinder b'; in 'Fig. 215 ist die
Durchdringung beider Halbcylinder
in isometrischer Proj ektion dar-
gestellt, und ergiebt zwei diagonal
sich schneidende Ellipsen, welche
im Grundrisse (der Horizontal-
proj ektion) gerade Linien bilden;
Schildmauern fehlen diesem Ge-
wölbe ganz. '.
Das Klostergewölbe lässt sich, \
wie über dem quadratischen Raum, ,, 6
über jedes andere regelmässige
Vieleck ohmlweitere SChwierigkeit
ausführen; denken wir uns das FLg 214.

reguläre Vieleck mit unendlich , t


'
,

vielen Seiten, so entsteht die


Grundrissform des Kreises und die
Gewölbeform der Kuppel, als
Halbkugel.
.Obwohl sich die Kloster-
gewölbe auch über jedem andern
Raum ausführen lassen, so ver-
meidet man dies, da solche Ge-
wölbe kein schönes Aussehen ge-
währen.
Interessant lassen sich die Fig. 215.
156 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.

Klostergewölbe nur dann bellandein , wenn sie nach allen Seiten hin durch
Stichkappen durchdrungen werden, und treten hier alle jene Fälle auf, die
bereits beim Tonnengewölbe Erwähnung fanden. Fig. 216 stellt eine Kloster-

,-,--;--,--1'--- ,
\~ I : I l ~ Y/
,~ I : ~ ~' /
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/
I

Fig. 216.

kappe dar, mit rundbogenförmigen Stichkappen über einem regulären acht-


eckigen Raum, und möchte solche Anordnung einen guten Effekt versprechen.
Was die Ausführung anbetrifft, so ist auch diese ziemlich identisch mit der
Ausführung der Tonnengewölbe; vor allen Dingen ist der ganze Raum ein-
zuschalen. Die einzelnen Schichten aber sollen im Grat nie eine Fuge bilden,
was durch ein gegenseitiges U ebergreifen leicht erreichbar ist. Was die Wider-
lager und dieScheitelstärke dieser Gewölbe anbetrifft, so gilt hier Alles,
was bei den Tonnengewölben bereits gesagt wurde.
Für Kellergewölbe , ebenso für bewohnte Räume von den gewöhnlichen
Höhendimensionen wird man schwerlich die Klostergewölbe mit ihren sehr
drückenden (klösterlichen) Verhältnissen. verwenden, weil durch dieselben der
eingeschlossene Raum no c h m ehr beschränkt wird, wie dies bei den Tonnen-
gewölben der Fall ist; wohl aber lassen sich diese Gewölbe für Kirchen, für
hohe Säle, wie das auch in früherer Zeit öfters geschehen ist, sehr gut ver-
werthen; Beispiele hiervon sind das im Grundrisse achtseitig angelegte Baptiste-
rium San Giovanni in fonte in Florenz aus dem 4. bis 5. Jahrhundert, und
viele Chorgewölbe von gothischen Kirchen, bei denen dann statt des Halb-
kreises der Spitzbogen auftritt und bei denen meistens ansteigende Stichkappen
eine bedeutende Rolle spielen; letztere Gewölbe sind aber mehr den gothischen
oder Sterngewölben beizuzählen.
Sehr flache Klosterkappen mit 1/1 2 ihrer grössten Spannweite werden von
Rondelet unter dem Namen a imperiale beschrieben; die Ausführung solcher
Arbeiten des Puohbaues (Gewölbe). 157

Gewölbe erfolgt auf einer Brettereinschalung , die nach und nach, je nachdem
die Gewölbearbeit vorrückt, hergestellt wird ; hat man nämlich die erste Reihe
Bretter angenagelt, so legt man rings herum eine oder zwei Reihen flach gelegter,
mit Gyps verbundener Backsteine, die man dann durch eine Lage mit
wechselnden Fugen verdoppelt; weitere Schichten werden diesen erst dann an-
gereiht, wenn die vorhergehenden ganz vollendet sind. Die Arbeiter stehen auf
leichten Gerüsten, die unmittelbar unter der Gewölberüstung angebracht sind,
und erhält die Gewölbeeinschalung erst dann ihre Vollendung, wenn der Raum
nicht mehr gross genug ist, um darin stehen zu können. Der Schluss des
Gewölbes wird von oben bewirkt; eine Hauptsache bleibt, die einzelnen Back-
steine gut in ihren Fugen und Lagern mit Gypsmörtel zu verbinden, denn
hiervon hängt die Festigkeit und Dauer des Gwölbes besonders ab. Ist das
Gewölbe gänzlich vollendet, so wird es entweder mit kleinen Backsteinen bis
in den Scheitelpunkt der oberen Leibung abgeglichen, oder man bringt solche
Hintermauerung nur in Entfernungen von nahezu 1 m)n der Form kleiner
Spornmauern von auf die breite Seite gelegten Backsteinen an .
. Die Tragfähigkeit so wohl als auch Widerstandsfähigkeit solcher Gewölbe
ist nach Rondelets Ausspruch eine ausserordentlich 'grosse und wird von ihm auf
eine Abhandlung des Grafen d'Espie verwiesen, welche derselbe 1759 über
diese Art von Gewölben herausgegeben hat. Unter den Erfahrungen, welche
der Graf s e l b s t an einem Gewölbe a imperiale gemacht hat, führen wir nur
ein Beispiel vor:
Ein eben fertig gewordenes Gewölbe über einen Raum von 7 m im
Quadrat wurde in der Mitte mit 1750 grossen Backsteinen, von denen jeder
12,5 kg wog, also mit einem Gewichte von 21 875 kg, belastet; als das
Gewölbe nach zweitägiger Belastung wieder entlastet wurde, zeigte sich nicht
die geringste Veränderung ,obwohl das Gewölbe eine Hintermauerung noch
nicht erhalten hatte. '
Die vorzüglichen Erfahrungen, die man namentlich im südlichen Frank-
reich mit dem dort vorhandenen Gyps als Mörtel machte, führte auch dazu,
ganze Dachungen aus übereinander gelegten und verdoppelten gebrannten Fliesen,
meistens in der Grösse von 0,24 m im Quadrat und 0,03 m dick auszuführen.
Auch diese Dachungen bewährten sich so vollständig, dass man sie bei der
bekannten Halle im ble in Paris in grossartigem Mass stabe zur Anwendung
brachte *).

4. D a s K r e u z g e w Ö1b e.
Das Kreuzgewölbe bildet sich wie das Klostergewölbe, indem zwei gleich
hohe Cylinder sich so durchdringen, dass sämmtliche Umfassungsmauern zu Schild-
mauern werden; in der Fig. 217 (S. 158) ist ein quadratischer Raum dargestellt,
dessen Gewölbefelder a a und b b beziehungsweise durch die umgelegt gedachten
Cylinder a l und bl gebildet sind; die Durchdringungskurven, die hierdurch sich
ergeben, bilden in der Horizontalprojektion gerade Linien, stellen jedoch in
Wirklichkeit Ellipsen dar, welche die sogenannten Gräte bilden. Fig. 218 (S. 158)
giebt hievon eine isometrische Zeichnung. Die 'Widerlager liegen in den
vier Ecken entweder in der Richtung der Diagonalen bei c oder in der
Richtung der zerlegten Kräfte nach Cl Cl. Zur Darstellung der Kreuzgewölbe

*) Weitere Erstaunen erregende Resultate über diese Art der Gewölbe finc1en sich
in Puondelet. Band H. S. 32'10-327 mit Tn,1el LXVII u. LXVIII.
158 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.

werden auch wohl elliptische oder auch Spitzbögen gewählt; bei Anwendung
von flachen (Segment-)Bögen entstehen die Kr e u z kap p eng e w ö 1b e.
Den Kreuzgewölben giebt man, wenn sie nur geringe Spannweite besitzen,
eine gleiche Gewölbestärke von 1/2 Stein, ohne weitere Gratverstärkung ; eine
solche tritt in der Regel erst bei Gewölben ein, die über 4 m weite Räume
gespannt sind;
bis zu 6 m Spannweite giebt man den Gewölbefeldern durchgängig 1/2 Stein
Stärke,
bis zu 9,5 m Spannweite erhalten die Gewölbefelder im Scheitel 1/2 Stein,
werden aber nach den Kämpfern zu um 1/2 Stein verstärkt,
bei Spannweiten bis zu 18 m wird eine solche Verstärkung nach den
Kämpfern zu bis auf 1 1/ 2 Stein gewählt.
Den 1 1/ 2 Stein breiten Gräten
giebt man 1 Stein Stärke und
verstärkt sie nach den Kämpfern
zu bei grössern Spannweiten um
1/2 beziehungsweise um 1 Stein.
Für die 'Widerlager wählt
man bei gedrückten elliptischen
und halbkreisförmigen Kreuzge-
wölben zur Stärke 1/4 bis 1/6 der
Diagonallänge; bei überhöhten
und spitzbogigen 1/5 bis 1/7;' bei
'Widerlagern, die höher als 2,5
i " bis 3 m sind, ist die Stärke um
\ / 1/8 bis 1/1 0 der Widerlagshöhe zu
\
\, '
/ vermehren.
/
'."....... ,--' Die graphische Darstellung
".,........ __ ..._--------_./// eines einfachen Kreuzgewölbes ohne
Fig. 217. Stich und ohne verstärkten Grat
hat keine Schwierigkeiten; in den
Grundriss (Fig. 219 S. 15D) wer-
den die Gratlinien einpunktirt;
die Durchschnitte nach der Linie
a bund d c sind in sofern leicht
zu zeichnen, als wir es hier nur
mit der einfachen horizontalliegen-
den Cylinderform zu thun haben;
dennoch möchte hier noch bemerkt
werden, dass in diesen Schnitten
der Wandbogen e f g durch die
beiden halben Gratbögen e bund
bg vollständig gedeckt erscheint;
Fig. 218. auch der Diagonalschnitt, welcher
die eine der Gratlinien in ihrer
wirklichen Gestalt, die andere als gerade Linie giebt und ausserdem die
Hintermauerung erkennen lässt, verursacht in seiner Darstellung keine Schwierig-
keiten, wie dies die beigegebenen Schnitte erkennen lassen.
In den meisten Fällen giebt man den Kreuzgewölben aber " ein e n
S ti eh", d. h. man bildet das Kreuzgewölbe aus vier gegen die Mitte hin
aufsteigenden Cylinc1erstücken, und wählt als Mass dieses Aufsteigens wohl den
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 159

zwanzigsten bis dreissigsten Theil der diagonalen Spannweite. In Fig. 220 ist
im Vergleich zu Fig. 219 ein einfaches Kreuzgewölbe mit Stich dargestellt,
und bilden die Gräte hier Linien, die als vier aufsteigende Viertels-Ellipsen zu
betrachten sind.

II
I
I
:
:
i
:
I
I
I.
I
:,
-- ----~-_._---~---------------jj-----, -

Fig. 220.
160 I. Maurer- und Steinmetzal'beiten.

Um das Wesen eines solchen Kreuzgewölbes mit Stich vollständig klar


zu machen, dient die in isometrischer Darstellung beigegebene Fig. 221; als

Stich ist die Höhe von X angenommen, und ergeben sich hieraus die auf-
steigenden Cylinderaxen ab, c b, d bund e b mit den Punkten 1, 2, 3, 4 als
Mittelpunkte der diese Cylinder bildenden und eingezeichneten Halbkreise mit
ihren Halbmessern 11', 22', 33', 44'; wo diese Kreisbögen sich gegen-
seitig schneiden, bilden sich die entsprechenden Punkte für die Gräte; dieselben
Punkte lassen sich auch ermitteln aus den gleich hoch liegenden Mantellinien,
welche selbstverständlich parallel der Cylinderaxe laufen; solche Mantellinien
sind f 9 und hg, i kund l k , m11, und 0 n, endlich p q und r q und ergeben
in g, k ,n, q Punkte der Gratlinie ; diese Punkte entsprechen auch wieder
der Lage von g', k", n', q' der in die Figur eingetragenen Horizontal-
projektion.
Die Mantellinien im Scheitel des Gewölbes p qp und r q r bestimmen zu
gleicher Zeit den Scheitelpunkt des steigenden Kreuzgewölbes in q und
bilden eine gegen den Scheitelpunkt aufsteigende Schnittlinie; ein Schnitt nach
der Linie 0 n n 0 bildet im mittleren Gewölbefeld eine Kreisbogenlinie n n,
während 0 n und no parallel r q und q r sind.
Nach dieser Darstellung möchte der wirkliche Schnitt in Fig. 220 hin-
reichend erklärt sein, und ergiebt sich für die richtige und leichte Darstellung
der Gratlinie , dass die Stichhöhe bei x angetragen wird und die betreffenden
Ordinaten 1', 2', 3', 4' um die sich ergebende Stichhöhe verlängert werden.
)"Vas die praktische Ausführung der einfachen Kreuzgewölbe ohne Stich
anbetrifft, so lässt sich dieselbe sehr leicht mit einer vollständigen Gewölbe-
einschalung bewerkstelligen; hierzu sind für die vier -VVandbögen VV ö 1b -
s c h e i b e n , wie solche auf Seite 97 beschrieben wurden, aufzustellen, und
bilden zwei derselben das Auflager für eine vollständige Schalung nach Art
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 161

der Tonnengewölbe; auf diese Schalung lassen sich die Gratlinien durch mit
Röthel gefärbte Schnüre anfreissen ; diese Schnüre, in Cl a/ der Fig. 222 an-
gedeutet, werden vorsichtig nach
b, beziehungsweise nachb' herab-
geleitet, so dass sie auf dem ~I
<l

Mantel der halben Cylinder-


flächen die Gratlinien bestim-
men; sind diese Linien durch
Ans eh 1 a gen auf der Scha-
lung fixirt , so erfolgt die
weitere EInschalung von den
entgegengesetzten 1Vandbögen
aus, wobei die schmalen Schal-
bretter nach der Gratlinie mit
der nothwcndigen Schärfe be-
arbeitet werden müssen. Er-
fordert die Einschalung ihren Fig. 222.
Abmessungen gemäss eine
weitere Unterstützung, so ist eine solche durch eine weitere Wölbscheibe , die
in der Mitte der Schalung des Tonnengewölbes angebracht wird, leicht her-
zustellen. Die Einwölbung erfolgt dann wohl durch parallel laufende Schichten
nach den Mantellinien, wie beim Tonnengewölbe, wobei darauf zu achten ist,
dass in der Gratlinie ein gegen-
seitiges U eberbinden erfolgt,
niemals aber in derselben eine
Fuge sich bildet; in Fig. 223
ist dieser Verband durch einige
Schichten angedeutet. Bei der
Ausführung ist den Anfängen
oder Füsseln der Gewölbe eine
besondere Aufmerksamkeit zu-
zuwenden. Um die ersten
Schichten normal zur Gratlinie
und den beiden Gewölbefeldern
anzuordnen, ist ein sehr sorg-
sames Behauen der einzelnen
Steine erforderlich, wobei zu-
gleich eine möglichst normale Fig. 223.
Hintermauerung mit zu berück-
sichtigen ist; besser möchten die Anfänger der Kreuzgewölbe durch horizontale
U eberkragung gewonnen werden, und setzt man diese so lange fort, bis so
viel Flächenraum gewonnen ist, dass der Grat in seiner vollen Form darauf
Platz findet; einen noch grössern Vorzug verdienen die aus Hausteinen gearbei-
teten Kämpfersteine. Eine sorgfältige Hintermauerung, wie solche beim Tonnen-
gewölbe erwähnt wurde, darf nie fehlen, denn sie trägt zur Stabilität des Kreuz-
gewölbes wesentlich bei.
Kreuzgewölbe mit Stich lassen sich zwar in ähnlicher Weise als gegen
die Mitte hin aufsteigende Tonnengewölbe einschalen , in den meisten Fällen
aber wählt man hier eigens konstruirte Lehrbögen für die direkte Unterstützung
der Gräte; von diesen Lehrbögen wird der eine in der Mitte durchgeschnitten,
während der andere ganz bleibt und erhalten sie in ihrem Zusammenstoss eine
Go t t g e t re u, Hocubaukonstruktlon. 11
162 1. Maurer- und Steimnetzarbeiten.

gesicherte Unterstützung durch einen aufrechtstehenc1en Stiel, Mönch genan~t;


ebenso wird für jeden Wandbogen je ein Lehrbogen aufgestellt. Ist der' StICh
ein gerader, wie dies in Fig. 220 angenommen wurde, so lässt sich das Ge-
wölbe vollständig einschalen.
Die praktische Ausführung erfolgt nun sehr häufig durch das Wölben auf
den Schwalbenschwanz, wobei die einzelnen Gewölbeschichten normal zur
Gratlinie angeordnet werden; in der Fig. 223 ist dies in einigen Schichten
angedeutet, auch hier müssen die einzelnen Steine abwechselnd die Gratlinie
überbinden, wodurch selbstverständlich ein Verhauen der Steine nach der stets
wechselnden Form des Grates nothwendig wird. Bei dieser Art der Ein-
wölbung greifen die Gewölbeschichten in vertiefte Falze ein, die den vier
Wandbösren
b
in ihrer Form entsprechen. Die wirkliche Form der Gratlinie • •
beim Kreuzgewölbe mit Stich ist im Diagonalschnitte in Fig. 220 ersichtlich.
Eine dritte Methode, die
bei der Einwölbung von Kreuz-
gewölben befolgt wird, ist die
mit " Bog e TI s t ich" ; die
Fig. 224 giebt eine solche An-
ordnung und lässt sofort er-
kennen, dass hier die Her-
stellung einer vollständige.n Ein-
schalung sehr erschwert ist,
weil man es mit lauter sphäri-
schen Flächen zu thun hat;
bei solchen Gewölben werden,
um sie auszuführen, ausser den
Fig', 224, Wandbögen die beidenDiagonal-
bögen als Wölbscheiben oder
Lehrbägen (je nach der kleinern oder grössern Spannweite) aufgestellt, und die
dazwischen liegenden Gewölbefelder aus fr eie r Ha n deingewölbt ; diese
Einwölbung erfolgt alle mal auf den Schwalbenschwanz, mit allen jenen
Rücksichten, welche schon bei dem Kreuzgewölbe mit geradem Stich erwähnt
wurden.
Fig. 225 (S. 163) stellt zwei Kreuzgewölbe dar, wie solche wohl zur Ueber-
wölbung langer Korridore gewählt werden; sämmtliche Bögen, wie vVand-, Gurt-
und Gratbägen sind hier elliptisch geformt; die Gurtbögen aber springen nicht
in der untern Leibung des Gewölbes vor, sondern nur oberhalb; ein Stich
fehlt diesen Gewölben. Eine solche Anordnung ist hauptsächlich dann gerecht-
fertigt, wenn die so erhaltenen Gewölbedecken durch Malerei dekorirt werden
sollen, wobei dann Gurt- und Gratbögen durch Lineamente hervorgehoben, die
einzelnen Gewölbefelder aber durch entsprechende Theilung und Trennung ab-
getönt und ornamentirt werden.
Wählt man zur Herstellung der Gewölbe statt der vollen Rundbögen
Segmentbögen, so entstehen die sogenannten Kr eu z k a p P eng e w öl b e)
denen ebenfalls entweder ein gerader oder ein Bogenstich gegeben werden
kann; solche Kreuzkappen finden auch in steigender Form beim Treppenbau
Anwendung.
Hat man es mit oblongen Räumen zu thun, so nimmt man wohl für die
geringen Spannweiten den Halbkreis an, und entwickelt für die längere Ab-
messung einen elliptischen Bogen mit der Pfeilhöhe des für die kürzere Seite
aewählten Bozens.
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 163

Sehr vortheilhaft lässt sich das Kreuzgewölbe über Räumen verwenden, die
reguläre Vielecke bilden, und namentlich das reguläre Sechs- und Achteck etc.
geben ein Gewölbe von ungemein freiem Schwung und schönem Ansehen ; ganz
irreguläre Räume mit Kreuzgewölben zu versehen, hat keine weitere Schwierig-
keit, da nur darauf zu achten ist, dass sämmtliche Wandbögen bei ihren ver-
schiedenen Spannweiten gleiche Pfeilhöhe erhalten; für den Scheitelpunkt eines
solchen irregulären Kreuzgewölbes ist der Schwerpunkt der betreffenden Grund-
rissfigur zu nehmen.
Kreuzgewölben von grössern Spannweiten giebt man verstärkte Gräte,
welche dann das Widerlager für die einzelnen Gewölbefelder bilden; hierbei
ist prinzipiell eine Fuge im Grat selbst zu vermeiden, woraus sich für die
Breite des 1 Stein hohen Grats am zweckmässigsten das Mass von 1 1/2 Stein
ergiebt. Soll nun der Regel genügt werden, dass sich alle Gewölbeschichten

I
I
,
I

,
I
I
I
,
I

I
___ _1 f1;:.

Fig. 225.

normal gegen ihr 'Widerlager anlegen, so erglebt sich daraus die N othwendig-
keit, dass die Form des Grats sich in derselben Weise ändert, wie dies bei den
Normalschnitten durch das Gewölbe der Fall ist.
Die Tafel XIII giebt den Weg an, wie in streng konstruktiver vVeise
die Form der Gräte sich entwickeln lässt; ohne diese Entwickelung ist ein e
d u r o hau s r ich ti g e Dar s tell u n g des Kreuzgewölbes nicht wohl mög-
lich. Fig. 1 stellt den Grundriss eines Kreuzgewölbes über einem quadratischen
Raum dar; dem 1/2 Stein starken Gewölbe ist ein gerader Stich und ein um
1/2 Stein verstärkter Grat gegeben.
. Durch diese Annahme setzt sich dieses Gewölbe zusammen aus vier gegen
den Scheitel hin aufsteigenden halbkreisförmigen Tonnengewölben, und es ent-
stehen demzufolge innere Diagonalgräte , welche nicht aus ein e I' elliptischen
Linie auf horizontallaufender Axe bestehen, sondern zusammengesetzt sind aus
je zwei Viertelsel1ipsen, deren Axen , dem Stich entsprechend, gegen den
Scheitel des Gewölbes aufsteigen; bei grosser Stichhöhe nehmen die Diagonal-
gräte im Scheitel des Gewölbes spitzbogenartigen Charakter an.
Bei der Wichtigkeit , welche der Diagonalgrat in der Konstruktion des
Kreuzgewölbes besitzt, ist es nothwenc1ig. denselben besonders darzustellen, und
164 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.

dies ist III der Fig. 2 geschehen, woselbst der Diagonalgrat in der Horizontal-
und Vertikalprojektion genau in seiner Form entwickelt wurde.
Die innere Gratlinie ABC in der Horizontalprojektion ist in der Vertikal-
projektion in der zusammengesetzten Kurve AI BIO' ersichtlich, und gehört
der halbe Gratbogen A' BI einer Ellipse an, welche die Linie aß y, mit den
Brennpunkten Y Va zur grossen Axe und die Linie ß 0 zur kleinen Axe hat;
der andere halbe Gratbogen BI 0' hat dagegen a' ßy', mit den Brennpunkten
yl Vlo zur grossen Axe, ß 01 zur kleinen Axe; die Stichhöhe des Gewölbes
ist 0 ß.
Bei Anwendung von Backsteinen wird nun der Grat in der Regel
1 1/ 2 Stein breit und 1 Stein hoch gemacht, und sind diese Masse auch in der
in Rede stehenden Konstruktion gewählt; an diesen Grat als Widerlager
müssen sich nun die einzelnen Gewölbschichten normal anlegen. Um die
Fugenrichtungen für den gewölbten elliptischen Grat bestimmen zu können,
sind die Brennpunkte V Va respektive yl Ya I von wesentlichem Nutzen, denn durch
sie und mit Hülfe der einpunktirtcn Linien werden die Fugenrichtungen D AI,
ab, cd, e f, g h, i k, i' k', gl h', el [', Cl d', a l b' und D' 0 1 leicht gewonnen.
Denkt man sich in allen diesen Fugenrichtungen nicht nur den Grat, sondern
auch das Gewölbe geschnitten, so ergiebt sich eine Reihe von Norrnalschnitten,
durch welche es klar wird, dass die Form des Grates eine stets variable sein
muss, da in jeder anderen Gratschicht die Gewölbeschicht sich in verändertem
Winkel anlegt.
Betrachtet man beispielsweise den Normalschnitt des Grates in d' d in der
Vertikalproj ektion, so wird diese Schnittlinie auf der inneren Leibung des Ge-
wölbes die Kurve n n l n" in der Horizontalproj ektion geben; diese Kurve lässt
sich .ermitteln mit Hülfe der angenommenen Mantellinien rnm, mi m', m" m",
welche alle durch dl Cl geschnitten werden; hier sinc1in beiden Projektionen
für die betreffenden Hülfslinien gleiche Buchstaben gewählt. Diese Mantel-
linien laufen in der Vertikalprojektion parallel der Cylinderaxe, hier m m,
m' 111/, m't m" parallel mit ß0°. Wird endlich der Grat-Normalschnitt in dl c'
umgeklappt gedacht, wobei die Hülfslinien n n, n' n', n" n" in der Vertikal-
projektion eine zu dl Cl normale Lage annehmen, so lässt sich an diese um-
geklappte Schnittlinie die wirkliche 1/2 Stein starke Gewölbeschicht antragen
und auch die Gratform . kann leicht ermittelt werden, da diese sich der Grösse
von, 1 1/ 2 Stein Breite und 1 Stein Höhe anpasst, und zwar in der Art, ßass
sich, wie bereits erwähnt, die Gewölbschicht normal an den Grat anlegt.
Hierbei ist zu bemerken, dass in den umgeklappten Normalschichten des Grates
inder Vertikalprojektion jedesmal die ganze Grösse von 1 1/ 2 Stein Breite und
1 Stein Höhe einpunktirr ist.
Wie nun der Normalschnitt dl Cl . in seiner wirklichen Form durch Um-
klappung mittelst angenommener Mantellinien gefunden wurde, so werden auch
die andern Normalschnitte des Grates in 0 1 DI, b' o', f' e', hl gl, i l k' in gleicher
Weise ermittelt, wie dies mit Hinweglassung der Hülfslinien an den betreffen-
den Stellen in der Vertikalprojektion geschehen ist. Das U ebertragen dieser
Normalschnitte in die Horizontalprojektion ist mit besonderen Schwierigkeiten
nicht verknüpft, und sind auch hier bei Schnitt cl l c' übereinstimmende Buch-
staben für die noth wendigen Hülfslinien gewählt (n n, n' n', n" n'I).
Betrachtet man nun den Grat-Normalsohnitt cl' Cl in seiner wirklichen Form
in der Umklappung, wie auch in seiner Horizontalprojektion, so tritt der Grat,
sich nach oben stark verjür gend, um nahezu 1/3 seiner Höhe über das 1/2 Stein
starke Gewölbe hervor; im Normalschnitt cc b' dr.gegen versenkt sich der sonst
l
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe), 165

aus dem Gewölbe heraustretende Grat in dasselbe und nimmt gegen die äussere
Leibung an Verjüngung zu, während iin den Normalschnitten e'(', g' 71,' und
i' k' der Grat immer höher, bis zur Hälfte aus der äusseren Leibung des Ge-
wölbes sich emporhebt und eine stets steilere Widerlagsfläche annimmt, und
diese wird bei der Annahme eines sehr hohen Stiches endlich eine Neigung
annehmen, wie dies beim Schlusssteine eines Spitzbogens der Fall ist; der
Normalschnitt ini' k' macht dies klar.
Nur durch eine Reibe von richtig entwickelten Grat-Normalschnitten lässt
sich ein Kreuzgewölbe absolut richtig darstellen. Während in der Fig. 2 auf
der linken Seite eine Reihe von Normalschnitten entwickelt wurde, ist auf der
. rechten Seite der Diagonalgrat so gezeichnet, als ob die sich an ihn an-
schmiegenden Gewölbschichten fortgeschnitten gedacht sind, so dass die Form
des Grates allein übrig bleibt, und wobei die sehraffirte Fläche den Schnitt
darstellt zwischen Grat' und Gewölbe, In dieser Darstellung ist nun deutlich
. zu erkennen, wie sich der Diagonalgrat in jeder Schicht verändern muss, um
stets die im veränderten Winkel sich an ihn anlehnenden Gewölbschichten
normal als Widerlager aufnehmen zu können. Aus dieser Entwickelung geht
hervor, wie schwierig es ist, ein Kreuzgewölbe im Rundbogen streng richtig
zu konstruiren , da die einzelnen Steine des Diagonalgratbogens alle in ihrer
Form von einander abweichen. Bei Annahme des Spitzbogens für die'se Kon-
-struktion fielen aber die beim rundbogigen Kreuzgewölbe entwickelten Schwierig-
keiten fort, weil hierdurch der Diagonalgratbogen zu einem Spitzbogen wurde,
der, aus einem Centrum konstruirt , es ermöglichte, ihn aus lauter gleichen
Bogensteinen auszuführen.
Nach der Entwickelung der richtigen Form der Diagonalgräte lassen sich
dieselben nun auch genau in die Horizontalprojektion übertragen, wie dies
in Fig. 1 geschehen ist; weiter lassen sich dann die Durchschnitte nach
CD, E F und nach GH Fig. 1 ermitteln, und diese sind in Fig. 3, 4 und 5
in genauer Zeichnung dargestellt.
Im Durchschnitte nach E Fist l ni die steigende Axe des Gewölbetheiles
E, und moder spitzbogenartig aufsteigende elliptische Grat, und dieser lässt
sich am einfachsten bestimmen, indem man die Längen von p, q, r, sund t von
der Kämpferlinie n n» aufwärts abträgt. Im Durchschnitt nach CD ergiebt
sich der Punkt u des Diagonalgrates durch eine vertikal gezogene Hülfslinie u',
währe~d sich die Höhen von v und w in v' und io' (Fig. 2) finden lassen;
der Schnitt u x des Gewölbetheils G durchdringt den Gewölbemantel in gerader
Linie, und entspricht hier in seiner Gewölbeschnittstärke der Höhe von Xl x",
wie dies die Hülfsfigur Fig. 5 am besten erklärt. Der Schnitt von u nach-ts
gehört dem steigenden Tonnengewölbe E an, dessen steigende Axe mit ln
zusammenfällt; die Schnittlinie, ein Halbkreisstück bildend, hat ihren Mittel-
punkt in ;;1, gleich hoch liegend niitz". Der vom Scheitelpunkte des Ge-
wölbes abwärts laufende Grat wird nach Fig. 2 (rechte Seite) richtig gestellt.
Die horizontal ausgeführte Hintermauerung in den vier Ecken des Ge-
wölbes (siehe Fig. 1) bildet -die Kurve 'JT Q, da hier aufsteigende Cylinder-
flächen mit einer horizontalen Ebene geschnitten werden.
In Fig. 1 rechts und Fig. 4 endlich sind noch die Gewölbeschichten
(ohne Stossfugen) eingetragen, welche ebenso wie die Schnittfiguren der
Horizontalprojektion mittelst Mantellinien konstruirt sind.
Noch möge hier erwähnt werden, dass bei Kreuzgewölben über nicht-
quadratischen Räumen die Normalschnitte G:'atformen bedingen, die ungleiche
N@igungsflächen besitzen.
166 1. Maurer- und Steinmetearbeiten.

N ach dieser Entwickelung des rundbogigen Kreuzgewölbes mit verstärkten


Gräten und Stich über einem quadratischen Raum kann es wohl keine
Schwieriakeit mehr haben, solche Gewölbe auch über andere reguläre Grund-
'" '
rissformen, wie Sechs- und Achtecke etc. zu konstruiren.
Tafel XIV stellt ein solches Gewölbe über einem regulären achtseitigen
Raum in den Figg. 1, 2 und 3 dar.
Im Grundrisse Fig. 1 ist der 5,50 m (im Schnitte AB) messende acht-
seitige Raum in seinen 2 Stein starken, mit Strebepfeilern verstärkten Um-
fassungsmauern allseits mitte1st Rundbögen durchbrechen, zu welchen die Wand-
bögen des Gewölbes parallel sind.
In Fig. 2, dem Durchschnitte nach der Linie AB, erscheint nur der
Wandbogen über a a in seiner wirklichen Rundbogenform , und ergiebt sich
die Form des Gratbogens, die im Grundrisse mit der dazu gehörenden Stichhöhe
von x einpunktirt ist, am einfachsten dadurch, dass diese Stichhöhe unmittelbar
in Fig. 2 von b nach b', von b' nach a übergetragen wird. Theilt man ab
sowohl in Fig. 1 als auch in Fig. 2 in beliebig viele Theile, welche im ge-
gebenen Falle mit 4, 3, 2 und 1 bezeichnet sind, so geben die betreffenden
Ordinaten der dazu gehörenden Stichhöhen die spitzbogig aufsteigende Grat-
linie ab' a (Fig. 2).
In ganz gleicher Weise lässt sich die Gratlinie b Ct' sofort darstellen, wenn
auch hier die Stichhöhe x von b nach b' (Fig. 2) aufgetragen, und in ihrem
weiteren Verlauf von hier nach a' einpunktirr wird; die Linie b a' im Grund:
risse und im Durchschnitte mit gleicher Theilung 4', 3', 2/ und 1/ versehen,
giebt die gleich hohen Ordinaten mit den betreffenden Stichhöhen der ersten
Gratzeichnung , da selbstverständlich in einem achtseitigen regulären Raume
sämmtliche Gräte ein und dieselbe Form haben, die sich nur in den ver-
schiedenen Lagen verschieden projiciren.
In Fig. 3, dem Durchschnitte des Raumes nach 0 D (Fig. 1), ist das
Gewölbe in einer der Gratlinien selbst geschnitten, und zeigt dieser Schnitt
die wirkliche Gestalt des Grats, während die Gratlinie, die im rechten Winkel
zum Schnitte steht, in dieser Projektion eine gerade Linie bildet; in Fig. 3
wird auch ein Theil der äussern Leibung des Gewölbes sichtbar.
Bei der graphischen Darstellung eines solchen Gewölbes hat' man es, wie
bei den meisten Gewölben, mit einer mehr oder weniger schwierigen Aufgabe
der darstellenden Geometrie zu thun; nur durch wirkliche Uebungen im
Zeichnen von verschiedenen Gewölbekonstruktionen kann ein vollständiges Ver-
ständniss dafür gewonnen werden!
Eine eigenthümliche Behandlung der Kreuzgewölbe findet man in den
beiden Abteikirchen St. Trinite und St Stephan in Caen; beide stammen aus
e-

dem Anfange des XII. Jahrhunderts, und gehören dem normännischen oder
angelsächsischen Stile an.
Die Kreuzgewölbe des Mittelschiffs von St. Trinite sind ohne vor-
springende Diagonalrippe und ohne Stich ausgeführt und nur die Wand- und
Quergurten besitzen in ihrer untern Leibung breite und ziemlich kräftig vor-
springende Profile. Fig. 226 (S. 167) stellt ein Stück eines solchen Kreuzgewölbes
im Grundrisse und Durchschnitte dar. Das ziemlich weit gespannte Gewölbe wird
in seinem Scheitel, in a a , . mitte1st einer rundbogigen Quergurtrippe , die eine
vertikale Aufmauerung bb erhalten hat, unterstützt. Fig.227 (S. 167) möge
durch ihre isometrische Darstellung diese eigenartige Konstruktion weiter
erklären.
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 167

Noch eigenthümlicher ist die Kreuzgewölbekonstruktion von St. Stephan,


welche die nebenstehende Skizze Fig. 228 erklärt: während die beiden Gewälbe-

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Fig. 226. Fig. 228.

Fig. 227.

felder a a aus halbkreisförmigen Cylinderstücken bestehen, sind die Felder bb


mitte1st je zwei kleiner Cylinc1ergewölbe geschlossen, deren Axen in der
Richtung von x y liegen; auch diese interessante Gewölbeanordnung ist in der
isometrischen Darstellung von Fig. 229 (S. 168) näher erläutert *).

*) Pugin and 1e .Reux's: Specimes of the Architectrral Antiquities of N ormandy.


168 1. Maurer- und Steinmetzal'beiten.

In der spätromanischen Zeit hat man den Gräten der Kreuzgewölbe oft-
mals statt der elliptischen Form die des Halbkreises gegeben; für die Wand-

Fig. 22D.

bögen wählte man dann ziemlich gedrückte Spitzbögen; ein solches Gewölbe
nennt man dann wohl am schicklichsten g 0 t h i s c h e s K r eu z g e w öl b e.
Die Tafel XV stellt ein solches über einem oblongen Raum konstruirtes Ge-
wölbe in allen seinen Schnitten dar. Fig. 1, der halbe Grundriss, zeigt ver-
tiefte Wand- unddurchbrochene Gurtbögen; Fig. 2 stellt einen Durchschnitt
nach der Linie AB dar ; Fig. 3 giebt einen Schnitt nach 0 D und Fig. 4
einen solchen durch einen der Diagonalgräte. bie ,Vandbögen besitzen gleiche
Höhe; im Schnitte AB sind die Wandbögen der Schmalseite von den Mittel-
punkten a a aus mit dem Radius a c geschlagen, während die Wandbögen der
Langseiten "g e s tel z t s in d", wie dies im Schnitte 0 D deutlich dargestellt
ist. Der untere' Theil des Wandbogens (die Stelze) hat den gleichen Radius,
wie der Wandbogen der Schmalseite, nämlich a' c, während der obere Theil
des Bogens aus b mit dem Radius bb' gezogen ist; dem Gewölbe wurde ein
/Bogenstich gegeben, der in beiden Schnitten die entsprechende Darstellung
durch Vergatterung gefunden hat. Weiters ist ein Normalschnitt einer Gewölbe-
schichte bei cl cl ermittelt, und diese Normalschicht bei cl' cl' mit ihrem Stein-
verbande dargestellt.
Der Einfachheit wegen wurde dem Gewölbe ein verstärkter Grat nicht
gegeben.
Im Mittelalter hat dieses Gewölbe -insofern eine weitere Variation erfahren,
als vor die sich bildenden Kreuzrippen Gräte mit Profilen versehen gelegt
wurden; diese Bogenrippen, meistens aus Hau-
stein bestehend, standen dann wohl, wie das die
Fig. 230 zeigt, in .keinem weitem Verbal~de mit
dem Gewölbe selbst, bildeten aber nichts desto
weniger eine sehr energische Unterstützung der
ganzen Gewölbedecke.
Fig. 230. Da diese Kreuz- oder Diagonalrippen, nach
ein e r Bogenlinie gebildet, aus lauter!gleichen
BogensWcken. bearbeitet werden konnten, so fiel die sonst sich ergebende
Schwierigkeit bei cl er Gratbildung der halbkreisförmigsn Kreuzgewölben fort,
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 169

und machte überhaupt eine weitere Verstärkung der Gräte nicht mehr noth-
wendig. Dabei versteht es sich von selbst, dass die Stärke der Rippen als
tragendes Moment sich nach den Spannweiten der Gewölbe zu richten hat.
Die Tragrippen erhielten stets eine geringe Breite bei grösserer Höl1E~; für
Gewölbe von mittlerer Spannweite, wie 5 bis 5,50 m, gen'Ögen Rippen von
12 bis 15 cm Breite und 24 bis 27 cm Höhe.
Um dem Gewölbe ein schönes Aussehen zu geben, wurden diese Rippen
verschieden, bald einfach, bald sehr reich profilirt, fanden auch wohl eine
Wiederholung an den Stirnseiten der Gewölbe, und wurden dann als "W an d -
r i P P e n " bezeichnet; auf diese Weise bildete das gothische Kreuzgewölbe
einen U ebergang zum:

G 0 t h i s 0 h e TI 0 der S t ern g e w Ö 1b e,
Bei diesen Gewölben tritt allemal die "R i p pe" als konstruktives und
dabei tragendes Gerüst für die einzelnen aber vielfach vermehrten Gewölbefelder
auf ; diese Gewölbefelder bilden in der Horizontalprojektion mehr oder weniger
reiche Sternformen, deren Hauptkonstruktionslinien aus den Ecken hervorgehen.
Die Formen, die hier gewählt wurden, zeigen in ihrer Anordnung eine unend-
liche Verschiedenheit und weisen darauf hin, dass dem ausführenden Baumeister
des Mittelalters ein nie dagewesener Spielraum für seine Phantasie geboten war,
und er sich darin auch frei zu bewegen wusste. Eine einfache Grundrissform
für ein Sterngewölbe stellt Fig. 231 dar; hier haben wir es mit Sternrippen

'Fig. 231. Fig. 232.

:t'ig. 233. Fig. 234.

zu thun, die, aus den vier Ecken sich heraus entwickelnd , . den ganzen Raum
in acht ziemlich gleich grosse Gewölbefelder zerlegen; Fig. 232 sucht durch
Anordnung einer reicheren Stemforrn die Mitte resp. den Scheitel des Gewölbes
170 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.

in höherem Grade zu betonen, während Fig. 233 (S. 169) wohl nur dann
Anwendung finden dürfte, wenn die Grösse des zu überwölbenden Raumes die
Vieltheilung motivirt,
Eine eigenthümliche Anordnung der Sternrippen giebt Fig. 234 (S. 16'9);
dieselbe ist dem Seitenschiffe der Frauenkirche in München entnommen; trotz der
scheinbaren Willkürlichkeit tritt uns hier doch eine Form entgegen, die einer
strengen Konstruktion ihr Dasein verdankt. Fig. 235 ist aus der Durchdringung
zweier Dreiecke entstanden, während bei Fig. 236, 237 und 238 die acht-
zackige Sternform sich geltend macht.

Fig. 235. Fig. 236.

Fig. 237. Fig. 238.

Fig. 239. Fig. 240.

Fig. 239 und 240 giebt das Rippenwerk , das in den Seitenschiffen des
Ülmer Münsters eine so überraschend reiche Wirkung hervorruft; hier finden wir
den ganzen Raum in sehr viele, aber ziemlich gleichgrosse Felder zerlegt, so
dass deren Rippen das ,Ansehen eines den Raum überspinnenden Netz 3S &8/-
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 171

winnen und daher auch wohl Ne t z g ew öl be genannt werden. Fig.241, 242,


243 und 244 gehören dem Dome von St. Stephan in 'Wien an; erstere sind
den Seitenschiffen, die beiden andern dem Mittelschiffe entnommen, während
die Figg. 245 und 246 Gewölbefelder darstellen, wie sie in der interessanten

Fig. 241. . Fig. 242.

Fig. 243. Fig.24-1.

Fig. 245. Fig. 246.

Domkirche von Kaschan aus der Mitte des 14. Jahrhunderts zur Ausführung
gebracht wurden.
Die hier vorgeführten Beispiele geben den 'Beweis, wie unendlich mannig-
fach die Stern- und Netzgewölbe sich gestalten lassen, und nimmt diese Mannig-
faltigkeit einen noch erhbateren Grad an, wenn man bedenkt, dass bei diesen
172 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.

Gewölben auch die Konstruktionsanordnungen die verschiedensten sein können;


die einen Gewölbe sind nach dem System der Kreuzgewölbe theils mit, theils
ohne Stich ausgeführt, andere zeigen die Form des Tonnengewölbes, wobei
dann wohl verschieden gestaltete Schilder dasselbe durchbrechen, wieder andere
erscheinen in der Form der Kloster -, Kugel- oder auch wohl der Kuppel-
gewölbe und sind dann gleichfalls oft in der mannigfaltigsten vVeise mit
geraden und steigenden, kleinen und grossen Stichkappen oder Schildern
durchsetzt.
Sämmtliche Rippen, am häufigsten aus Formsteinen bestehend, erhalten
entweder eine einfache oder auch eine sehr reich gegliederte Profilirung, wie
solche in der nebenstehenden Fig. 247 angegeben ist.
Bei Anordnung von Kirchengewölben theilt man den gegebenen Raum
zuerst in verschiedene J 0 c h e (Hauptgewölbefelder) ein, und erhält dann jedes
dieser Felder die Stern - oder Netzgewölbeform ; die hierzu dienenden Rippen
haben bei den verschiedenen Konstruktionssystemen verschiedene Funktionen
und unterscheiden sich ihrer Stellung und Bedeutung nach als W an d r i pp e n ,
Schildbogenrippen, Quer- oder Gurtrippen, Kreuz- oder
Hau p t r i pp e n, S ehe i tel r i pp e n und N e ben r i P P e n, welch' letztere

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Fig. 247. Fig. 248.

auch wohl Li ern e n genannt werden. Bei Anordnung sehr reicher N etz-
gewölbeformen fällt eine spezielle Bezeichnung des oft ziemlich gleicl1\verthigen
Rippenwerkes fort, und bezeichnet man dann sämmtliche Rippen und Gräte
mit Re ihn n gen 0. erG e w ö I b e. Sind da, wo sich mehrere Rippen kreuzen,
eigene Formsteine in Anwendung gebracht, so werden diese wohl K n ä u fe
oder Sc h I u s s s t ein e genannt; im' Scheitel der Gewölbe werden statt der
Schlusssteine auch Steinkränze mit mehr oder weniger grossem Durchmesser
eingesetzt, die entweder offen bleiben oder auch geschlossen werden können:
Die zwischen die Rippen sich selbstständig einspannenden Gewölbefelder
werden Kap p e n genannt, sie erhalten- in der Regel nur einen äusserst ge-
ringen Stich, oder einen Bus e n.
Im allgemeinen unterliegt die Ausführung dieser Gewölbe keiner besondern
Schwierigkeit, wie dies vielfach von Laien angenommen wird, denn nur das
Rippenwerk erhält durch aufgestellte Lehrbögen seine Unterstützung, und kann
dementsprechend ohne Schwierigkeit zur Ausführung gelangen; hat dasselbe
sich vollständig gesetzt, und ist der Mörtel im Rippenwerk gehörig fest gß-
worden, so erfolgt die Einwölbung der Gewälbefelder aU2 freier Hand ; unter
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 173

U mständen können, ehe die Kappenschichten ihre Verspannung zwischen den


Rippen erhalten haben, einzelne Wölbsteine durch ihre Schwere herabfallen;
um dies zu verhindem , bediente man sich schon in der Zeit des Mittelalters
der mit Steinen belasteten Schnüre, welche, in den Rücken des Gewölbes mit
Nägeln befestigt, das Herabfallen verhindern, wie dies die nebenstehende Fig. 248
(S. 172) des Nähern angiebt.
In wie fern bei dem Entwerfen und Darstellen eines Sterngewölbes zu
Werke gegangen wird, möge hier sofort ein praktisches Beispiel lehren; es
wird hierzu ein quadratischer Raum gewählt.

Einfachstes Sterngewölbe übel' quadratischem Raum


(ohne Stelze, Fig. 249).

Der gegeben~ quadratische Raum, im Grundrisse nur zur Hälfte dargestellt,


wird in möglichst gleiche Felder getheilt; Cl b beziehungsweise a' b' sind Wand-
rippen, Cl e a/ ist eine Gurtrippe , zwischen welche sich dann die Hauptrippen

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Fig·. 2·HJ.
174 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.

a c , a cl, a' cl, a' c' und die Nebenrippen oder Liernen cf, cl fund f c' ein-
spannen.
Sämmtliche Rippen müssen nun in der Art angeordnet werden, dass sie
ein vollständig sicher sich verspannendes Netz bilden, dessen Zwischenfelder.
nachträglich aus freier Hand eingewölbt , keine gebrochenen Flächen zeigen
dürfen; eine solche Anordnung lässt aber die verschiedensten Variationen zu,
und ist auch sehr häufig abhängig von der gewählten Form der Wandrippen.
Bei einem streng gesetzlich konstruirten Sterngewölbe möchte folgendes Ver-
fahren zu empfehlen sein: Um möglichst gleiche Felder bei der Annahme von
acht Hauptrippen zu erhalten, sind im Grundrisse die -Winkel von a, ß und r gleich
zu machen (nur ein Quadrant wird hier berücksichtigt); hiernach bestimmt man
die Hauptrippen ; die Rippenpunkte 1 2 3 4 werden beziehungsweise gleiche
Höhenlagen zu erhalten haben, und gilt dasselbe von den Punkten c und cl.
Eine angenommene Diagollalrippe würde in den Punkten 1'2' 3'4' 5'
mit den Rippenpunkten 1 2 3 4 c und beziehungsweise cl gleiche Höhen nach-
weisen müssen, und dürfte ·von 5' bis f kein Bruch entstehen; solche Be-
dingungen erfüllt die im Durchschnitt durch Umklappung dargestellte a n ~
gen 0 m me ne Diagonalrippe a 1 2 3 4 cl' f', die aus dem Mittelpunkte 1/0 als
stetige Spitzbogenlinie konstruirt ist. Da die korrespondirenden Punkte
sämmtlicher Rippen (d i e Dia gon a I I' i P P e nicht ausgeschlossen) gleiche
Höhenlagen erhalten sollen, so ergiebt sich die Form einer der Haupt-
rippen , z. B. Ci cl (im Grundriss) durch Verlegen dieser Linie nach a cl', im
Durchschnitte in der umgelegten Hauptrippe von a 1 2 3 4 d', während die
Gurt- beziehungsweise Wandrippe unter der Voraussetzung, gleiche Höhen-
punkte mit den Hauptrippen zu haben, den Bogen a 1 2 3 4 e bildet. Dem-
entsprechend sind in dem gegebenen Beispiele die Gurt - und Wandrippen
sowohl wie auch die andern Hauptrippen aus ein und demselben Mittelpunkt tu
wie die an gen 0 m m e n e (aber in VV irklichkeit nicht existirende) Diagonal-
rippe konstruirt; -hieraus ergiebt sich für die Punkte (im Grundriss und
Durchschnitt) c und f, beziehungsweise für d und f ein Höhenunterschied, der
von selbst auf die in diesem Falle zu wählende Stichhöhe des G-ewölbes hin-
weist. Da in dem umgelegten Bogen a 1 2 3 4 e cl' f' (im Durchschnitt) die
wir k I ich e n Masse für sämmtliche Rippen gegeben sind, so lassen sich diese
leicht in die betreffende Projektion bringen; bei der Bedingung, dass sämmt-
liehe Rippen sich vollständig verspannen, bleibt ein gerader Stich bei allen
Sterngewölben ausgeschlossen; in dem hier gegebenen Beispiele sind die Liernen
cf und f c' mit der Stichhöhe aus dem Punkte X bestimmt und bildet die
Lierne d f (im Grundriss) die verkürzte Linie d f (im Durchschnitte).
.In vielen Fällen ist im Scheitel des Gewölbes ein ringförmiger Schluss'-
. kranz eingesetzt, der hier absichtlich d81; grössern U ebersi.chtlichkeit wegen fort-
gelassen wurde.
Da sämmtliche Rippen unseres quadratischen Sterngewölbes ein und dem-
selben -Bogen angehören, so ist es nicht umständlich, di.e einzelnen Lehrgerüste
für die Unterstützung der Gewölberippen herzustellen und die betreffenden
Rippen selbst zur Ausführung zu bringen, Ist dies geschehen und hat sich
das Rippenwerk vollständig und sicher nach dem Lüften der Keile in der Ge-
wölberüstung verspannt, so werden die einzelnen Gewölbefelder aus freier Hand
zwischen die Rippen eingesetzt, und zwar so, dass jede Schicht sich selbst-
ständig in flacher Bogenform trägt; der Stich 7 hier Busen genannt 7 den man
den Gewölbefeldern giebt, muss für die grösste Spannweite des betreffenden
Feldes zuerst festgesetzt werden; dies ist annäherungsweise in der BogBnlinie
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 175

b c des Querschnitts geschehen; das Verhältniss der angenommenen Busenhöhe


zu 'den verschiedenen Spannweiten der einzelnen Gewölbefelc1erschichten muss
stets das gleiche bleiben.
. Um ein vollständiges Verstandniss für die eben beschriebene Konstruktion
zu gewinnen, ist ihre isometrische Darstellung mit derselben Buchstaben- und
Zahlenbezeichnung in Fig. 250 beigegeben.

tl ~"------_.

Fig. 250.

Eine Hauptbedingnng bei allen Sterngewölben ist es, dass sämmtliche


Rippen normal aus ihrem Kämpferpunkt heraussteigen ; diese Bedingung macht
sehr häufig das "S tel zen" der Rippenbögen nothwendig; um auch dies sofort
an einem Beispiele klar zu machen, folgt hier in Fig. 251 (S. 176)

ein einfaches Sterngewölbe über quadratischem Raum (mit Stelze).


Der gegebene quadratische Raum wird auch hier in möglichst gleich grosse
Felder getheilt, und ergeben die Theillinien die im Grundriss sich bildenden
sternförmigen Rippen und Liernen; ihre Umgränzung bilden die Wand- resp.
Gurtrippen , die zuerst in ihrer Form bestimmt werden; in dem vorliegenden
Falle sind sie aus den Mittelpunkten io in Spitzbogenform geschlagen und stellen
sich in den (im Grundriss und im Schnitt) mit ab a l b' bezeichneten Bögen dar,
sodass die Scheitelpunkte b, b, b alle auf gleicher Höhe liegen. Die sämmt-
lichen gleich grossen Hauptrippen a c . . . sind durch die Liernen cf sicher
zu verspannen, wozu sich ein entsprechender Bogenstich am besten eignet.
Z '11' Ermittehmg dieses Bogenstichs wird eine fi n gi r t e Hauptrippe a (gewählt,
176 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.

die, um sie in ihrer natürlichen Form darstellen zu können, um den Punkt a


nach af' (im Grundrisse) gedreht wird. Da sämmtliche Hauptrippen normal aus

,I
I
: f
I
I

;/
/ l

c
I
Fig. 251.

ihrem "Widerlager heraustreten sollen, 'so müssen dieselben in den meisten Fällen
eine S tel z e erhalten; ·für die fingirte Rippe ist diese Stelze durch das Bogen-
stück a y mit x als Mittelpunkt gewonnen, sie selbst aber wurde durch y f"
mit dem Mittelpunkte v in der Weise ermittelt, dass durch sie gleichzeitig die
konformen Hauptrippen gegeben erscheinen. Dreht man die Hauptrippen um
a so, dass (im Grundriss) der Punkt c nach c' fällt, so ergiebt sich durch
eine Normale Cl c' die Bogenlinie a y" Cl als wirkliche Form für die Hauptrippen,
während die Höhendifferenzen von b, Cl, f" die entsprechenden Stiche für die
Gewälbefelder, beziehungsweise für die Liemen abgeben. Der Mittelpunkt für
den Bogenstich, den die Liernen erhalten, befindet sich in unserer Figur in «'.
N achdem die wirklichen Bogenformen für d.ie Hauptrippen ermittelt sind,
lassen sie sich leicht in ihren Verkürzungen graphisch richtig darstellen, wie
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 177

dies (im Durchschnitt) in den Linien Cl C, a G, a c geschehen ist. Der Busen


der Gewölbefelder wird beliebig angenommen; im Durchschnitte ist derselbe
mit b c bezeichnet.
Bei der Ausführung des Gewölbes, bei der sich die einzelnen 1/2 Stein
starken aus freier Hand gemauerten Gewölbefelder gegen die verstärkten Rippen
legen, ist darauf zu sehen, dass diese nahezu normal zur Mittellinie des Ge-
wölbes stehen, wobei den einzelnen Schichten je nach ihrer kleinern und
grössern Spannweite ein entsprechender Stich zur bessern Verspannung ge-
geben wird; die dadurch sich bildenden Richtungen für die einzelnen Gewölbe-
schichten sind in der Figur skizzirt angedeutet.

S tel' n g e w Ö 1b e über 0 b l o n g e m Rau m,

Solche Gewölbe bieten der Konstruktion bedeutend mehr Schwierigkeiten


dar, als dies bei den vorhergehenden Sterngewölben der Fall war; wie solche
am leichtesten und sichersten zu überwinden sind, soll das folgende Beispiel
klar machen:
In Fig. 252 ist die Hälfte des zu überwölbenden Raumes gegeben; bei

x-==: ---*=----j~_4i~ ___='"

Fig-. 252.
178 1. Maurer- und Steinmetz arbeiten.

seiner Zerlegung in kleinere Gewölbefelder wurde das Mittelfeld durch die


Rippen x b und X cl und die Liernen b c und cl e und durch das dazu gehörige
Kranzstück begrenzt; durch die fingirt angenommene Diagonalrippe x f wird
der 'Winkel b x d in zwei gleiche Theile getheilt.
Die nächste Aufgabe 1st es nun, die wirkliche Form der einzelnen Rippen
und Liernen festzustellen, und dies hat zu geschehen für die Wandrippen x a
und xe, für die Hauptrippen X b und X cl, dann für die fingirt angenommene
Diagonalrippe x f. Um von vornherein die Bedingung zu erfüllen, dass sämmt-
liehe Bogenlinien normal aus ihrem Widerlager aufsteigen, ist eine Stelze in
dem Bogenstücke x' 0 mit dem Centtalpunkte y angenommen, und ist diese
Stelze bei allen andern Rippenbögen ein und dieselbe. Giebt man der Wand-
rippe x e die gewünschte Spitzbogenform x' 0 e' , mit der Stelze x' 0 und dem
Bogen 0 e, aus dem Mittelpunkte Z gezogen, so ist es nothwendig, für die
Hauptrippen X d und X b einen Bogen zu wählen, in welchem die Punkte cl
und b zwar auf gleicher Höhe) jedenfalls aber höher als der Punkt e' liegen,
d. h. diesen Bögen muss ein sogenannter Stich gegeben werden;' von dieser Stich-
höhe hängt aber die spätere Einwölbung der Gewölbefelder in der Art ab,
dass bei unrichtiger Wahl dieser Stichhöhe das Gewölbefeld nur zu leicht eine
gebrochene Fläche erhält; um dies von .vorneherein zu vermeiden, dient die
fingirt angenommene Diagonalrippe, deren Punkt g (siehe Grundriss) die gleiche
Höhe von b und cl zu geben ist. Dreht man den Punkt g nach g' und kon-
struirt für X g' den betreffenden Spitzbogen Xl 0 g" (im Durchschnitt), wobei die
Höhendifferenz von g" und e' der Stich für das Gewölbefeld B ist, so besteht
dieser Bogen aus der Stelze x' 0 und dem Bogen 0 q", dessen Mittelpunkt sich
in z' ermitteln lässt; wird der Punkt f (im Grundriss) der fingirten Diagonal-
rippe nach f' gedreht und dann die wirkliche Form dieser Diagonalrippe ent-
wickelt, so erhält man den Bogen x' 0 f" (im Durchschnitt), wobei die Höhen-
differenz von g" und f" die Stichhöhe ergiebt, die den beiden Liernen, die an
den Schlusskranz . sich anschliessen , zu geben ist. Das Feststellen der wirk-
lichen Form der Hauptrippen X b und x cl ergiebt sich im erstern Fall im
Drehen der Linie X b nach x b', im zweiten Fall im Drehen der Linie x cl
nach x cl'; von b' beziehungsweise cl' erglebt eine Normale die Scheitelpunkte
der betreffenden Spitzbögen in b" und cl", deren Stelze wiederum x' 0, und
deren Mittelpunkte in e" und beziehungsweise in z zu ermitteln sind. Endlich
wird es sich noch darum handeln, .die wirkliche Form für den Wandbogen X a
zu bestimmen. Ehe man hierzu schreitet, ist in Erwägung zu ziehen, in
welcher Weise die Gewölbefelder A A am vortheilhaftesten einzuwölben sind.
Die zweckmässigste Lage der einzelnen Gewölbeschichten in den Feldern A A
ist im Grundriss durch Strichlagen angedeutet, und dementsprechend ist es
wünschenswerth , dass die Punkte hund h , h' und h', a und h" je gleiche
Höhe besitzen, nach welcher Bedingung dann der Wandbogen x a seine Form
erhält. Dreht man die Linie X a in die Lage x a'', so giebt eine Normale in
a'" den Scheitelpunkt des zu ermittelnden Wandbogens mit der Stelze x' 0 und
dem Centralpunkt Z".
Sind sämmtliche Rippenbögen in ihrer wirklichen Form und Grösse er-
mittelt, so lassen sich dieselben leicht in die betreffende Projektion überführen.
Die Form der Liernen , ergiebt sich aus deren Stichhöhe (der Höhen-
unterschied von den auf gleicher Höhe liegenden Punkten b" g" cl" und dem
Punkte f") und ihrer Spannweite mit dem Centralpunkte in r,
Die Enhyickelung der wirklichen Form von sämmtlichen Rippen und
Liernen ist bei iedem Sterngewölbe schon deshalb zu ermitteln, weil nach der-
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 179

selben die Lehrbögen angefertigt werden müssen, die bei der praktischen Aus-
führung des Gewölbes zur Unterstützung d~r Rippen und Liernen absolut

nothwendig sind. Sind auf einem so sicher unterstützten und gut verspannten
Lehrgerüst sämmtliche Rippen und Liernen und der diese letzteren verspannende
Kranz durch die betreffenden meist profilirten Rippensteine ausgeführt und ist
ein vollständiges Sichsetzen und Erhärten des Rippennetzes eingetreten, so
wird zum Einwölben der einzelnen Gewölbefelder geschritten; hierzu wählt
man möglichst leichtes Steinmaterial und giebt den flachen, mit einem Busen
versehenen Gewölben höchstens die Dicke von 1/2 Stein, wobei die Ausführung
aus freier Hand erfolgt; der einmal gewählte Busen steht stets in gleichem
Verhältniss zu der Weite der Gewölbeschichten.
Die Ausführung muss selbstverständlich so geleitet werden, dass die Ein-
wölbung der Gewölbefelder niemals das Gleichgewicht in den verspannten
Rippen zu stören im Stande ist. Der im Scheitel der Sterngewölbe oft an-
geordnete Kranz kann entweder offen bleiben, oder er wird als flache Kugel-
kappe geschlossen.
Zur gründlichen Orientirung über die eben vorgeführte Konstruktion ist
auch hier eine isometrische Zeichnung in Fig. 253 beigegeben; die versenie-

Fig. 253.

denen Konstruktionspunkte haben dieselbe Bezeichnung der vorhergehenden


geometrischen Figur : die Stichhöhen des Gewölbes sind in der unteren
Horizontalprojektion zur weiteren Erklärung einpunktirt,
Die in Fig. 252 erläuterte S tel z methode ergiebt für die einzelnen
Rippenbögen der Sterngewölbe gl e ich ho h e Stelze, w ä h I' end die Bö gen
s e l b s t ver s chi e den e Rad i e n be s i t zen, deren Mittelpunkte aber stets
auf einer geraden Linie liegen, wie dies beispielsweise in der Linie 0 y z Z'ZII
der Fall ist, wo y der Mittelpunkt für den Stelzenbogen ist, und in z e' Z"
die Mittelpunkte für die oberen Theile der gestelzten Rippenbözcn liegen.
180 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.

Neben dieser Stelzmethode kommt auch wohl eine andere in Fig. 254
dargestellte zur Anwendung, die u n gl eie h ho h e S tel z e n , ab erg l e i c h
z r o s s e Radien für s m m t l i c h e Rippen ergiebt.
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Fig. 254.

Bei dieser Methode wählt man am vortheilhaftesten für die Stelze den
Radius Cl' Y = 1/2 Cl b, zugleich als Halbmesser einer Kreislinie, auf welche
sämmtliche Mittelpunkte, hier c+ cl+ e+ t: g+, für die Rippenbögen zu liegen
kommen. Die Form d81~ Rippen wird aus dem Grundrisse herausgetragen unter
Rücksichtnahme der ihnen zufallenden Stichhöhen , ohne welche ein Stern-
gewölbe, wie schon erwähnt wurde, gar nicht konstruirt werden kann.
Am sichersten geht man stets zu Werke, wenn man denjenigen Bogen, der
die geringste Spannweite nachweist, zuerst in seiner Form feststellt jim gegebenen
Falle ist dies die Wandrippe Cl c (im Grundrisse). Dreht man Cl C um aso,
dass C nach CO verlegt wird, so liegt der Scheitelpunkt der Rippe in der Linie
CO c'; für diese Rippe ist y der Mittelpunkt für die Stelze, c+ für den oberen
Theil des Rippenbogens, welcher selbst aus a" Cl besteht. Soll die Gmcrippe
Cl ti (im Grund ss) l~'it der 1/Yand:c .ppe a c gleiche Höhe erhclteu , so wird
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 181

deren Scheitelpunkt in der Linie cl cl' und zwar in der Höhe von c' liegen, und
ist dieser Punkt mit cl' bezeichnet. Der obere Theil der ,Yanclrippe Cl eist
mitte1st des Radius a' b = c+ C' dargestellt; dieser einmal gewählte Radius wird nun
für sämmtliche andere Rippen in der Art beibehalten, dass seine Länge beispiels-
weise für den Bogen Ci cl von cl' auf die Kreislinie nach d+ aufgetragen wird;
d+ ist dann der Mittelpunkt für den Bogen 0 cl', dem die Stelze a' 0 angehört.
In gleicher Weise werden die Hauptrippenbögen a c und Cl f in wirklichen
Grössen gefunden, wobei die betreffenden Stichhöhen zu berücksichtigen sind.
Im gegebenen Falle ist e nach eO und f nach (0 (im Grundriss) gedreht, in
elen Senkrechten eO e' Leziehungsweise in t" f' liegen dann die Scheitelpunkte
dieser Rippenbögen und zwar mit einem Höhenunterschiede von c' e', beziehungs-
weise cl' f'; wird von e' beziehungsweise f' mit dem ursprünglich angenommenen
Radius a' b die Kreislinie in e+ und t: geschnitten, so ergiebt sich für
die Hauptrippe a e der Bogen a' e e', und für die Hauptrippe Cl f 'der Bogen a,' Cf f';
ersterer mit der Stelze a' e, letzterer mit der von Cl' p.
Soll endlich die Diagonalrippe a' g in ihrer wirklichen Grösse ermittelt
werden, so dreht man g nach gO und bestimmt auf der Senkrechten gO g' deren
Scheitelpunkt unter Rücksichtnahme der diesem Punkte zu gebenden Stichhöhe
in g'; von g' der gleiche Radius c' c+ auf die Kreislinie übergetragen, ergiebt
dann mit den Mittelpunkten g+ und y die gestelzte Hauptdiagonalrippe a' y g'.
Sind sämmtliche Rippen in ihrer wirklichen Grösse und Form ermittelt, so
lassen sie sich leicht für die Darstellung verschieden angenommener Schnitte
verwerthen.
Die hier vorgeführten Beispiele, das Rippensystem bei Sterngewölben
richtig anzuordnen, lassen leicht erkennen, dass es vor Allem darauf ankommt)
sämmtlichen Rippen eine durchaus sichere Verspannung
zug e b e n , und aus diesen Gründen sind die sogenannten geraden Stiche
fast ausnahmslos unverwendbar , und müssen durch Bogenstiche ersetzt wer-
den; immerhin gehört eine grosse Umsicht und eine durch viele Konstruktions-
übungen gewonnene Klarheit dazu, in allen Fällen, besonders bei sehr kom-
pIizirten N e t z g e w ö I b e n , sofort das Richtige zu treffen.
Beschränken sich jedoch die N e t z g e w ö I b e, wie das sehr häufig der
Fall ist, in ihrer Hauptform auf das 'I'onnengewölbe, so treten alle Schwierig-
keiten in bezug auf ihre Anordnung sowohl, als auch in bezug auf ihre leichte
und praktische Ausführung zurück. In vielen Fällen erhalten die Netzgewölbe die
spitzbogige Tonnengewölbeform, mit grössern oder kleinem spitzbogigen Schil-
dern, mit oder ohne Stich.
Fig. 255 (S. 182) stellt das Liniensystem eines solchen Netzgewölbes
im Grundriss, Quer- und Längenschnitt dar. Die im Grundriss angeordneten
Re i h u n gen, dann die Schild- und Wandrippen. wie ab, b Cl', Cl c, ca', c bete.
sind bei der gegebenen Querschnittform leicht im Längenschnitt zu ermitteln
und wenn nöthig, in ihrer wirklichen Grösse und Form herauszutragen. Solche
Reihungen werden dann, wie dies die Fig. 256 (S. 183) weiters darstellt,
mitteist Rippenformsteine ausgeführt, und die zwischen den Rippen frei-
gebliebenen Felder später mit flachem Busen eingewölbt. Zur leichteren Orien-
tirung sind in den verschiedenen Projektionen sämmtliche Kreuzungspunkte der
sich gegenseitig verspannenden Rippen mit gleichen Buchstaben bezeichnet,
während der Bogen Cl" c" d' eil f" die Schablone für die nothwendigen Lehr-
bögen abgiebt. .
Eine weitere Erörterung möchte unnöthig erscheinen!
Nach diesen E'.l'l1terungsn wird es wohl statthaf] sein j auf die spezielle
182 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten,

Darstellung von Sterngewölben überzugehen; auf Tafel XVI ist ein Stern-
gewölbe über quadratischem Raum ausgeführt gedacht. Das dieser Aufgabe
zu Grunde liegende Programm ist im Mass stabe wie 1 : 50 dargestellt, und
der zu überwölbende Raum 7,5 m im Lichten weit angenommen.
Die ideal gedachte Diagonalrippe ab (im Grundriss) ist mit ihrem Punkte
b nach b' gedreht; eine Lothrechte, von b' nach b" (im Querschnitt) gezogen,
ergiebt mit dem Centrum in X die ideale Diagonalrippe in Ct' b"; alle andern
Rippen sind dieser Rippe insofern konform, als die Punkte c' in gleicher
Höhe von c und c, cl' in gleicher Höhe von cl cl d , e' in gleicher Höhe von
e e e etc, liegen, und lassen sich dem entsprechend aus der wirklichen Grösse

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Fig. 255.

der Diagonalrippe a' c' (im Durchschnitt), diese beiden gleichen mit a c be-
zeichneten Rippen des Grundrisses in der richtigen Projektion mit sammt ihren
Profilirungen darstellen, da auch für diese ganz bestimmte Schnittlinien sich
förmlich von selbst ergeben. .
Die Stichhöhe ergiebt sich für die die Diagonalrippen verbindenden Liernen
durch den Höhenunterschied zwischen Cl b"; ihr Mittelpunkt ist mit y be-
zeichnet,
Bei der praktischen Ausführung empfiehlt es sich, die An fä n ger der
Sterngowölbe in Hausteinherzustellen , und zwar in einer solchen Höhe,dass
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 183

die einzelnen Rippensteine, olme verhauen zu werden, auf sie aufgelagert wer-
den können. In der Tafel XVIII Fig. 1 ist der Ge w ö 1 b e a n f n ger des ä

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184 1. Maurer- und Steinl1let~arbeiten.

eben dargestellten Sterngewölbes im Detail dargestellt *); die Lagerflächen sind


alle normal zu den gewölbten Rippen zu stellen; die Rippen lassen sich, wie
dies im gegebenen Falle angenommen ist, als Säulenbündel h~s auf den Fuss-
boden des Raumes und dort die Sockelform bildend, herabführen, und erhalten
dann Kapitäl und Basis; alles TIebrige erklärt die Zeichnung selbst.
Die Tafel XVII stellt ein Sterngewölbe über oblongem Raum dar; einem
Theile der hier sich ergebenden Schwierigkeiten geht man schon aus dem
Wege , indem man die beiden Hauptdiagonalrippen so anordnet, dass die
Winkel a und (3 gleich gemacht werden; dann lassen sich auch im Grundrisse
Fig. 1 die Rippenprofile ohne Schwierigkeit so anordnen, dass sie mit den
Wand- und Gurtrippen in volle Harmonie gebracht werden können.
Bei Sterngewölben über oblongen Räumen macht sich ein viel grösserer
TInterschied in den verschiedenen Rippen in bezug auf ihre Form geltend, als
dies bei Sterngewölben über quadratischen Räumen der Fall ist, und wird
man deshalb, um ein normales Aufsteigen sämmtlicher Rippen aus ihrem
Widerlager zu ermöglichen, zu der sogenannten S tel z u n g greifen müssen **).
In dem vorliegenden Falle ist diese Stelze bei allen Rippen gleich hoch,
und zwar in dem Bogenstück Cl Cl' mit x -als Mittelpunkt gewählt, der im ge-
gebenen Falle zugleich auch den Mittelpunkt des in der Zwischenwand liegen-
den Gurtbogens für die Wandrippe Cl Cl' h ' abgiebt. Wird nun ferner die An-
nahme gemacht, dass die Wandrippen in bezug auf ihre Höhe in gewisse
Relation mit den Diagonalrippen zu treten haben, so ordnet man wohl die
Scheitelpunkte der Wandbögen h h h (siehe Grundriss) so an, dass sie im
Durchschnitte auf den gleichen Höhen von h' h' h' liegen; die Punkte d und c
des Grundrisses erhalten dann im Durchschnitte die gleichen Höhenlagen von
d:" c'" d/": wobei der Höhenunterschied von h' und d/" beziehungsweise c'"
nach dem Ermessen des Konstrukteurs gewählt werden kann. Die wirkliche
Form und Grösse der Diagonalrippen von Cl d und a c (im Grundriss) ermittelt
sich dann durch Drehen der Punkte cl und e nach cl l und Cl; in den N 01'-
malen, von cl l und Cl gefällt, liegen dann die betreffenden Scheitelpunkte der
Diagonalrippen in d" und eil, Punkte zur Ermittelung der wirklichen Grösse
der Diagonalrippen.
Ist einmal die Stichhöhe der Gewölbefelder von A und B (hier gleich
hoch) gewählt, so ist die Stichhöhe der Felder ce cekeine willkürliche mehr.
Nimmt man nämlich eine ideale, in der Diagonale des Rechtecks liegende Rippe
ai b (im Grundrisse) an, so müssen die Punkte cl i c auf gleicher Höhe liegen,
so dass die wirkliche Lage des Punktes i der idealen Diagonalrippe durch Drehen
des Punktes i nach i I und eine durch i I gezogene Vertikale in 'i 11 gefunden
wird; dreht man zugleich den Punkt b nach bl und errichtet auch hier die
Normale, so erhält man in b" den Scheitelpunkt der ideal gedachten Diagonal-
rippe und in aal i" b" diese Rippe selbst; aus " der Spannweite d'" d:": der
Stichhöhe eil' b'" und dem Punkt 9 ergiebt sich dann schliesslich die Form der
Liernen, die sich an einen geschlossenen Kranz anspannen.
Sind die wirklichen Fo~men und Grössen sämmtlicher Rippen mitte1st der
Punkte z, x', tc", XiII als gestelzte Bögen ermittelt, so ist es leicht, sie richtig in
dem Durchschnitt zu verzeichnen; so werden z, B. die im Grundriss bei y, ep, 0
geschnittenen Rippen durch Drehen der betreffenden Punkte nach y' ep' 0' und durch

*) Speziellere Erklärung folzt auf Seite 185 und 186.


**) Vergleiche Seite 178~ <::>
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 185

die normalen Linien sich leicht in y" p" 0" im Durchschnitte und in r"' p'" o"'
in ihrer Form ermitteln lassen.
Bei elen gothischen Sterngewölben setzen sich die einzelnen Rippen in den
meisten Fällen auf Viertel-, Halbsäulen oder auch freistehenden Säulen 'oder
Pfeilern auf; auch Kragsteine finden hierzu Verwendung, und hauptsächlich
wohl dann, wenn der Innenraum durch vortretende Mauennassen nicht beengt
werden soll. War hierauf jedoch keine Rücksicht zu nehmen, so entfaltete
sich der tragende Pfeiler in den meisten Fällen als eine mit Rundsäulen und
Hohlkehlen reich gegliederte schlank aufschiessende Stütze, deren Kern vor-
herrschend die runde Form hatte; an diese legte sich sehr häufig eine grössere
Anzahl von Dreiviertelsäulen. die dazu bestimmt waren, die Gewölberippen aut
sich aufzunehmen, und deshalb auch "D i e n s t e " genannt wurden. Fig. 257

Fig. 257.

stellt einen Bündelpfeiler (zur Hälfte gezeichnet) vom Kölner Dom dar; der-
selbe hat zur Aufnahme der Gurtrippen vier stärkere Säulenansätze - so-
genannte alte Dienste - , und zur Aufnahme der Kreuzrippen vier schwächere
Säulenansätze - sogenannte junge Dienste - ; diese Dienste entwickeln sich
nach unten zu einer reich gegliederten Basis, und bilden nach oben oft reich
ornamentirte Kapitäle, welche dann auf ihrer scharf unterschnittenen Deckplatte
die reich gegliederten Gewölberippen auf sich aufnehmen.
Wie überhaupt in der gothischen Architektur eine ungemein individuelle
Freiheit des Schaffens sich geltend macht, so möchte man vergeblich nach
starren R~geln in bezug auf die gothischen Konstruktionen sich umsehen; das
uns aus dem Mittelalter überlieferte Material ist ein ebenso umfassendes wie
interessantes, aber an diesem Platze es erschöpfend zu besprechen, liegt ausser
der Aufgabe dieses Buches, und müssen wir uns darauf beschränken, nur das
zu geben, was zum Verstandniss dieser Konstruktionen unumgänglich noth-
wendig erscheint.
Der unterste Theil der Gewölbe oder der Gewölbeanfänger besteht in der
Regel aus Hausteinen , in welchen die Gewölberippen zum theil sich mehr
oder weniger verschneiden, oder förmlich miteinander verwachsen, so dass die
Rippen erst in grösserer Höhe sich klar von einander abtrennen, um dann die
flachgewölbten Zwischenfelder aufzunehmen.
In Fig. 1 'I'afel XVIII ist der Gewölheanfänger des Sterngewölbes auf
Tafel XVI im Detail dargestellt und besteht derselbe aus einer Gurtrippe,
186 I. Maurer- und Steinmctzarbeiten.

einer 'N aridrippe und zwei Diagonalrippen. Der Gewölbeanfänger setzt sich
in Cf; b mit horizontal liegender Fuge auf die aus Rundstäben bestehende Eck-
säule mit einfacher Kapitälgliederung auf, und schliesst normal nach dem
Centralpunkte e geschnitten ab; der hierdurch sich ergebende Normalschnitt c cl
ist im Grundriss in c' cl' eingetragen, und lässt erkennen, dass der Gewölbe-
anfänger hier das normale Auflager für die Formsteine sämmtlicher Rippen zu
bilden hat; die in diesem Schnitte angeordneten Hohlkehlen verschwinden, gegen
das Kapitäl zu verfolgt, nach und nach, und gehen 80 in den Wandpfeiler
über, der nunmehr nur aus aneinander gereihten Rundstäben besteht, die jedoch
nahezu vom Sockel, also nahe vom Fussboden des Raumes beginnend, sich
bis in den Scheitel des Gewölbes verfolgen lassen. In Fig. 2 ist ein frei-
stehender achtseitiger Mittelpfeiler dargestellt, aus welchem die einzelnen Ge-
wölberippen sich erst nach und nach und zwar soweit heraus entwickeln müssen,
bis sie die Aufnahme der einfachen, mit Hohlkehlen versehenen Rippensteine
aufnehmen können, was bei e f der Fall ist; da, wo die Rippen sich selbst-
ständig entwickeln, ist der Gewölbeanfänger nach allen Seiten hin normal zu
den verschiedenen Gewölbeflächen abzugleichen; ein höher angenommener
Schnitt eil l", wie ihn unsere Figur darstellt, zeigt, wie die Gewölbefelder
9 9 9 . .. sich zwischen die geformten Rippensteine einspannen.
Fig. 3 stellt einen im Grundriss kreisrunden Gewölbeanfänger vor, der
einerseits von einem Kragsteine getragen wird, andererseits aus sich Gewölbe-
rippen der einfachsten Form hervorwachsen lässt, die, nach fünf Seiten hin sich
entfaltend, die Diagonal- und Gurtrippen eines Sterngewölbes bilden; die in
den Aufriss punktirte Linie ba b' giebt die obere Grenze des Gewölbeanfängers
an, aus welcher sich dann alle andern' Gewölberippen selbstständig entwickeln.
Sämmtliche Rippen haben, wie dies auch in der vorhergehenden Figur an-
genommen wurde, gleiche Radien.
In Fig. 4. setzen sich auf ein e n Kragstein: eine Gurtrippe und zwei
Diagonalrippen auf; in der Höhe von a nehmen die Rippensteine ihre volle
Form an. Bei solider Konstruktion ist dieser untere Theil des Gewölbeanfängers
aus Haustein herzustellen. Ein weiterer Normalschnitt bei b zeigt, wie sich
die Gewölbefelder zwischen die Rippen. verspannen.
Fig. 5 stellt einen freistehenden', mit acht Hohlkehlen versehenen Pfeiler
vor, aus welchem sich durchaus regelmässig vier Gurtrippen und vier Kreuz-
rippen mit gleichen Profilen herausheben; solche Pfeiler werden je nach ihren
grössern Dimensionen aus einem oder aus mehreren Werkstücken vzusammen-
gesetzt.
Ein sehr komplizirtes gegenseitiges Durchdringen von Pfeilerdiensten und
Gewölberippen ist in Fig. 6 dargestellt; hier haben wir es mit zwei viel ge-
gliederten breiten Scheidebögen CA A) zu thun , mit den schmalen Gurtrippen
(B B) und den etwas breiteren Kreuzrippen (C C); sämmtliche Gewölbe-
rippen sind in zweifacher Grundrissstellung schraffirt dargestellt, während der
diese Rippen aufnehmende Pfeiler unschraffirt , bis auf jene Gliederungen dar-
gestellt wurde, die dem Pfeiler - und dem Rippenwerk gemeinsam sind, wie
dies bei den Rundstäben, mit a a, b b bezeichnet, der Fall ist. Um solche
Durchdringungen richtig darstellen zu können, ist es freilich nothwendig, ein
sehr gewandter Zeichner zu sein, auch darf man es nicht scheuen, für die
richtige Darstellung der Kreuzrippen CO eine weitere Hülfsfigur zu Rathe zu
ziehen, die hier w~gen Mangel an Raum fortgelassen wurde ; überhaupt möchte
das hier mitgetheilte Beispiel mehr als originelles Kunststück anzusehen sein,
das wohl für unsere Zeit keine Nachahmung finden dürfte.
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 187

Wie hin und wieder das Gewölberippenwerk ornamentirt wurde, davon


möge die Fig. 7 ein Beispiel abgeben.
In Fig. 8, 9, 10 sind Schlusssteine dargestellt , welche entstehen, sobald
im Scheitel der Sterngewölbe sich die vier Kreuzrippen vereinigt an ein gemein-
sames Werkstück anlehnen; was die Form der Schlusssteine anbetrifft , so sei
hier nur bemerkt, dass das Mittelalter mit ungemeiner Sorgfalt und Vorliebe
diesem Konstruktionstheile eine ganz besondere Aufmerksamkeit zuwendete,
deren weitere V erfolzun
b
er aber dem ästhetischen Gebiete der Architektur zu-
u
fällt *).

Das n o r m ä n n i s ch e oder angelsächsische Gewölbe (Fächer-


oder Trichtergewölbe).

Dieses Gewölbe besteht im wesentlichen aus einer Rotationsfläche, deren


Erzeugende eine Kreislinie ist, die
um eine vertikal stehend gedachte
Axe gedreht wird. Fig. 25 8 möge
dies weiters klar machen; Cl b' X b'
sei im Grundriss der vierte Theil
eines zu überwölbenden Raumes;
a b (im Schnitt) als Wandbogen
bestehe aus einem vollen Viertels-
kreise , dessen Projektion im Grund-
riss in ab' dargestellt ist; wird
dieser Bogen a b nun um die Axe
a a' (die im Grundriss durch den
Punkt a vertreten ist) gedreht, so
bewegt sich der Punkt b (im Schnitt)
in der Richtung von c c' nach b',
und es bildet sich eine Trichterfläche, ,
,
welche im Grundrisse den Raum von
!~
a b' c c' b' ausfüllt. ,
Denkt man diese durch Drehung
1/
}'2
I J/
entstandene Fläche im Grunddss z. B. _.......
...:~{ »

2--
in drei Theile getheilt , sodass
a b' c = a cc' = Cl c' b' ist, so lassen
sich die gleichen Bogenlinien ab',
a c , a c' , ab' leicht in den Schnitt
eintragen und werden die Punkte
1 1 1 1, 2 2 ... , 3 3 ... etc. je auf
gleicher Höhe und in gleicher Ent-
fernung von der Drehungsaxe a liegen.
Sind in einem quadratischen
Raum die vier Ecken auf die ebe"u Fig. 258.
beschriebene Vireise mit den trichter-

*) Sehr gewandte Konstrukteure finden im Lehrbuche der gothischen Kon-


struktioneJ?- von G. Ungewitter vielfache Belehrung, wenn sie entschlossen sich
durch den leider äusserst ermüdenden Text hindurcharbeiten können' freilich eine
, nicht allzu leichte Arbeit! Sehr werthvolle Aufschlüsse über den gothi~chen Gewälbe-
bau giebt der geistreiche Architekt Violet 1e Duc in seinem Dictionnaire raisonne;
t. IX, pag. 500-550.
188 1. Maurer- und Steimnetzarbeiten.

förmigen Flächen überdeckt, so erhalten dieselben durch einen tangirenden


Rundbogenkranz ihre Verspannung, während die vier Zwickel (y) und die
Rundöffnung bei x eine flache Einwölbung erfahren. Nach Art der Stern-
gewölbe werden bei den Fächergewölben alle Theilungslinien, durch welche die
Grundrissfigur gebildet ist, mittelst geformter Rippensteine, und die dazwischen-
liegenden Gewölbefelder selbstständig mit geringem Busen und äusserst geringer
Wandstärke ausgeführt.
Tafel XIX Fiz. u
1 stellt den vierten Theil eines von offenen Wandbögen
umschlossenen und mit einem spitzbogigen Fächergewölbe überdeckten Raumes
im Grundrisse dar; Fig, 2 giebt dessen Durchschnitt nach der Linie AB.
Für das Gewölbe wurde als Hauptkonstruktionslinie ein Spitzbogen
gewählt, dessen Form, aus dem Mittelpunkte x geschlagen, ('-'ie Linie ab c cl e
ergieht. Diese Kreislinie, zugleich die vier Wandbögen des Gewölbes bildend,
erscheint als solche in Fig. 2 in ihrer wahren Gestalt, in Fig. 3 in ihrer Ab-
wickelung, und in Fig. 1 in ihrer Projektion, überall mit der gleichen Buch-
stabenbezeichnunz. u
Werden die Punkte e cl c bades Grundrisses um eine in 0
gedachte Axe gedreht, se beschreibt der. Punkt eden grössten Viertelskreis,
der durch e 1 e 2 eS e4 zugleich in viel' gleiche Theile zerlegt wurde; in gleicher
Weise bewegt sich der Punkt cl nach cF cl 2 d 3 cl 4 J und gilt dasselbe von den
andern Punkten c, bund a, wie dies im Grundrisse Fig. 1 ersichtlich ist.
Um die Gewölberippen für die Gewölbefelcler a e e 1 a 1 , a 1 e 1 e 2 a 2,
a 2e 2e 3a S , a 3e Se 4a 4 richtig entnehmen zu können, ist die Abwickelung eines
dieser Felder, wie solche in Fig. 3 dargestellt ist, nothwendig, und werden
von dieser Abwickelung aus, nach angefertigtem Entwurf, die Hippenformen in
die Felder überprojicirt, wie dies in Flg. 1 und 2 geschehen ist. Das Ver-
spannen der Rippe e e 1 e 2 eS e4 durch die Kranzrippe bietet bei Verwendung
von Spitzbögen eine geringere Schwierigkeit dar, als dies beim Rundbogen
der Fall ist.
Bei der praktischen Ausführung ist das ganze Rippenwerk durch Lehrbögen
zu unterstützen, und nach vollständiger Erhärtung desselben mit sehr flach ge-
haltenen Gewölbefeldern auszufüllen.
Eine weitere Ausstattung wird diesen Gewölben wohl durch Stuck und
Malerei gegeben.
Obgleich die normannischen Gewölbe dem Mittelalter angehören und die
englische Gothik di 'lse Form auch wohl in Holz ausführte und zwar unter
Anwendung des sogenannten Tudorbogens, so hat doch die neuere Zeit diese
äusserst elegante Gewölbeform mehrfach in den Kreis ihrer baulichen Thätig-
keit hereingezogen. Beispielsweise ist dies der Fall bei der von Stüler er-
bauten Börsenhalle in Frankfurt a, M., und auch Oberbaurath v. Leins hat
in seiner Königs-Villa in Berg bei Stuttgart solche Gewölbe zur Ausführung
gebracht.
Ohne Anstand lassen sich diese Gewölbe auch so ausführen, dass ihre
Leibungsflächen vortretende Rippen nicht erhalten; dies wird namentlich dann
der Fall sein,· wenn sie im Ziegelrohbau hergestellt werden sollen; wählt man
dabei einen Spitzbogen, ob über quadratem oder oblongem Raum, ist gleich,
so ergiebt sich, wie dies die beigegebene Fig~ 259 (S. 189) weiters erklärt, in der
Richtung b g und e g des Grundrisses eine eigenthümliche Gratlinie b c d e fg,
die in der Schnittfigur dargestellt den betreffenden Höhen der Wandbögen ent-
spricht, und deren einzelne Theilpunkte mit gleichen Buchstaben bezeichnet sind.
Die Fächergewölbe fanden, wie schon erwähnt, vorherrschend in Englanc1
Anwendung und zeichneten sich hier aus durch eine Mehrung der Rippen, die
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 189

vielfach mit einander verspannt, am Gewölbe eine Formenfülle zeigte, wie sie
bei keiner andern Art der Gewölbe wieder anzutreffen ist. Geradezu staunans-
werth ist aber die Art und Weise,
in der wir einzelne dieser Gewölbe
ganz in Hausteinen mit dem routi-
nirtesten Steinschnitt ausgeführt fin-
den, während das dekorirende reiche
Masswerk erst später in die Gewölbe-
decke eingemeisselt zu sein scheint;
solche Anordnungen treten freilich
aus dem Rahmen der eigentlichen
Rippengewölbe heraus, da bei ihnen
der konstruktive Charakter der ein
selbstständiges Netzwerk bildenden
Rippen vollständig illusorisch wird.
Auf Tafel XIX Fig. 4 ist eine
Skizze gegeben, in welcher Weise in
englischen Kathedralen, KlÖstern und
Colleges die Fächergewölbe häufig
zu gleicher Zeit h n gen d e G e -
ä

w 1b e bildeten, indem die sonst


ö

wohl das mittlere Gewölbe stützende


Rundsäule fortblieb. In diesem Falle
wurde ein oft tief herabhängender reich
dekorirter Schlussstein von kräftigen,
das Gewölbe. weit überragenden Spitz-
bögen mittelst starker Eisenstangen
in Schwebe gehalten, eine Kon-
struktion, die in ihrer formalen Er-
scheinung geradezu den Eindruck des Fig. 259.
Wunderbaren hervorzurufen im Stande
ist. Mit welcher echt englisch - nationalen Zähigkeit die einmal beliebte Form
unter U eberwindung der grössten Schwierigkeiten zur Ausführung gebracht wurde,
möge die Fig. 260 (S. 190) andeuten.
Wir haben es hier mit der Lady - Kapelle in der Kirche von Candebed
nördlich von Rouen gelegen zu thun *); das hier stark gothisirte Fächergewölbe
mit seinem tief sich herabsenkenden Widerlagsknauf ist aus einem kräftigen
Steinstück herausgearbeitet, allseitig von Spitzbögen oberhalb des Gewölbe-
scheitels getragen und durch Anordnung weiter Bögen vollständig verspannt.
Aus diesem' Beispiele routinirtester Steinmetzenkunststücke geht weiters die
interessante Thatsache hervor, dass sich die Fächergewölbekonstruktion bis in
die Mitte des 15 . Jahrhunderts erhalten hat; aber auch in diesem Beispiele ist
die konstruktive Bedeutung der Rippe durchaus in den Hintergrund getreten.
Wir können die Besprechung über das Fächergewölbe nicht schliessen,
ohne noch zu erwähnen, dass die formale Erscheinung dieser zierlichen Ge-
wölbe Veranlassung dazu gegeben hat, im Schlosse von Babelsberg , das im
englisch-gothischen Stile von Persius erbaut wurde, die Decke des Bibliothek-
zimmers nach den Motiven der Fächergewölbe durchzubilden, auf Tafel XIX

*) Pugin and Le Eeux's Specimens of the Architectural antiquities of Normandy;


Plate LXIV u. LXV.
190 I. Maurer- und Steinmetz arbeiten.

Fig. 6 u. 7 ist ein Stück dieser Decke im Grundrisse und einer isometrischen An-
sicht dargestellt; die herabhängenden Knäufe sind frei durchbrochen, das andere
Rippenwerk ist weiss, mit hellblauen Füllungen *).

Fig. 260.

Das Ku p p e1 g e w Ö1b 8.
Die ältesten K u p p el g e w I b e wurden über Räumen konstruirt, welche
ö

im Grundrisse die Kreisform besassen, und wählte man dazu die einfache Form
der Halbkugel; die den kreisrunden Raum umschliessende Ringmauer ist dem-
gemäss ihrem ganzen Umfange nach Widerlagsmauer, und lässt sich das ganze
Gewölbe von seinem Mittelpunkte aus leicht in eine beliebige Anzahl Ring-
schichten zerlegen, wobei jeder sich bildende Kranz seine vollständige Verspannung
erhält; die Fig. 261 (S. 191) giebt hiervon ein erklärendes Bild.
Sämmtliche Lagerfugen sind gegen den Mittelpunkt .der Halbkugel ge-
richtet, während die Stossfugen in senkrechten Ebenen liegen, die gleichfalls
durch den Kugelmittelpunkt gehen.
Statt der Halbkugel verwendet man für das Kuppelgewölbe auch wohl
ein halbes Ellipsoid, in der Regel mit vertikal gerichteter grosser Axe, wie dies
in Fig. 262 angedeutet ist; auch der Spitzbogen findet hier Anwendung.
Grösseren Kuppeln giebt man wohl, statt eines Schlusssteines im Scheitel,
oder Nabels, eine Lichtöffnung und sichert dieselbe durch die Anordnung eines

*) Das Schloss Babelsberg bei Potsdam , von Strack und M. Gottgetreu heraus-
NONOhOYl 'R1"Yl<lt.,Rr. T( (nn.
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 191

eigens konstruirten Kranzes, der am besten aus Haustein herzustellen ist; auf
diesen Kranz setzt sich dann wohl die sogenannte Laterne auf.
Konstruirt man die Kuppelgewölbe aus Backsteinen, so giebt man den-
selben
bei Spannweiten bis 4 m 1/2 Stein am Schlussstein und 1/2 Stein am Kämpfer,
" " u 6" 1 u" " "1 1
",, "
" " "8,, 1 "" " " 1 /2 " ,, "
" " " 10" 1 "" " "2",, "
Für die Widerlagsstärken giebt Rondelet an, dass sie halb so stark, wie
die eines Tonnengewölbes von gleicher Spannweite zu machen seien, oder auch
gleich 1/8 des Durchmessers.
Die in neuerer Zeit ,ausgeführte grosse
Kuppel über der Befreiungshalle von Kel- ---
",'"
'-.
-,." ..........

heim hat an der Laterne eine Stärke von


0,50 m; dieselbe wächst gegen den Kämpfer
bis zu 0,80 m an; die Wic1erlagsstärke
beträgt 1/6 des Durchmessers *).
Schon in der altchristlichen Zeit hat
man sich bemüht, die Kuppelgewölbe aus
möglichst leichtem Material auszuführen,
und wählte dazu Hohlsteine; diese hatten
sehr häufig eine topfähnliche Form und die
daraus hergestellten Decken nannte man dann
wohl Topfgewölbe *;~). In neuester Zeit
verwendet man die überhaupt auch zu
andern Zwecken vielfach benützten Hohl-
steine; aber auch poröser Backsteine, Fig. 261.
leichter und poröser Eisenschlacken, Bims-
steine etc. bediente man sich vorzugsweise und mit gutem Erfolg zu solchen
Wölbarbeiten.
Dass die Kuppel schon bei den Römern eine beliebte Gewölbeform war,
wurde bereits erwähnt, und entstammt auch die Ausstattung dieser Gewölbe
durch Kassetten dem Geiste der römischen Baumeister, welche das Motiv der
kassettirten antiken Tempeldecken auf ihre Gewölbe übertrugen.
Soll eine K np p e I über einen quadratischen Raum gestellt werden, so
kann dies nur mit Hülfe von sogenannten Pendentifs (durch TIeberkragung
oder durch Gewölbezwickel) geschehen.
Die Anordnung der Gewölbezwickel kann in vielfacher Weise geschehen,
am häufigsten in der Art, dass derWandbogen der Pendentifs einen vollen
Halbkreisbogen beschreibt; ein solches Beispiel versinnlicht Fig. 262 (S. 192).
Im Schnitte Cl b zeigt das Pendentif die volle Halbkreisform und findet hier sehr
häufig seinen Halt an einem kräftigen Wandbogen; ein Diagonalschnitt c b',
der den Gewölbezwickel in seiner grössten Ausladung durchdringt, ergiebt eine
steil aufsteigende elliptische Linie, wie dies die Zeichnung in Fig. 263 (S. 192)
darstellt.
Würde man für diesen Schnitt einen Viertelskreis wählen, so müssten
selbstverständlich die Wandbögen der Gewölbezwickel zu elliptischen Bögen

*) Das Spezielle über Gewölbe- und Widerlagerstärken folgt in der betreffenden


Abhandlung: über die SbtbilitLH der Gewölbe.
**) Siehe diese auf Seite 211.
192 1. Maurer- und Steinllldzar!)eiten.

werden, ,V1e dies die FiO'.


o 264 verdeutlicht ; in den meisten
. Fällen werden
solche Gewölbezwickel durch sogenannte U eberkragung, nicht durch 'Wölbung)
gewonnen, so dass sie ans vorgeschobenen, auf horizontalen Lagerfugen liegenden
Steinen konstruirt erscheinen. ,,\Yie bei allen Gewölben eine Hintermauerung.

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Fig. 263.

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Fig. 262.

Pig. 264.

wesentlich zur Stabiliüit der Konstruktion beiträgt,' so wird dies auch bei den
Kuppelgewölben der Fall sein; um jedoch an Mauerwerk zu ersparen, werden
mit bestem Erfolg sogenannte Sporen angeordnet, wie dies weiters bei der Er-
läuterung der Kuppel über der Befreiungshalle auseinander gesetzt werden soll.
Ist eine Kuppel über einem regulären achtseitigen Raum zu konstruiren,
so erhalten, wie in Fig. 265 (S. 193) ersichtlich ist, die Gewölbezwickel eine
verhältnissmässig geringe Ausladung, wobei man 'wohl mit Rücksichtnahme auf
den Rundbogen den Wanc1bogen der Pendentifs die gleiche Form giebt; ruht
die Kuppel nicht unmittelbar auf den Gewä 1bezwickeln auf, wie dies bei sehr
vielen Kirchenbauten der Fall ist, so schiebt sich zwischen beide ein sogenannter
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 193

Tambour, in unserer Figur in der Höhe von a h, ((I bl ein , dessen Höhe sehr
verschieden gewählt werden kann.
Soll ein mit einem Kuppelgewölbe überdeckter Raum durch eine Fenster-
.reihe beleuchtet werden, die höher als der Anfang der Kuppel liegt, so er-
fordert dies die Anlage von S ti c h k a p P e n, ähnlich wie wir sie früher beim
Tonnengewölbe kennen gelernt haben. Als Form dieser Stichkappen wird
man bei dem centralen Charakter dergleichen räumlicher Anordnungen wohl
immer die Kegelform wählen und zwar häufig so, dass die Axen der den
Lichteinfall vermittelnden Stichkappen nach dem Kuppelmittelpunkt geh en.

Fig. 265.

Auf Tafel XXII sind zwei derartige Konstruktionen dargestellt,. und zwar
ist in Fig. 1 und 2 der Fall behandelt, wo ein Kuppelgewölbe über einem
kreisrunden Raume durch Fenster beleuchtet werden soll, die auf dem zwischen
Kuppel und Tambour gelegten Gesimse stehen. Die Fenster erscheinen in der
äussern Flucht halbkreisförmig geschlossen und sind mit der Kuppel durch
Kegelkappen vermittelt , welche die Fortsetzung der innern Fensterleibung
bilden; die Axen derselben liegen horizontal und gehen selbstverständlich durch
die Mittelpunkte der halbkreisförmigen Fensterstürze.
Es entsteht sonach die Aufgabe, den Schnitt eines senkrechten Kreis-
kegels mit horizontaler Axe und zweier denselben tangirender Vertikalebenen
mit der Kuppel zu suchen. Zur Bestimmung der betreffenden Durchdringungs-
kurve bedient man sich wieder am besten vertikaler Schnittebenen, welche die
gegebenen Raumfiguren nach Kreisen schneiden; im Schnitt der so zu er-
haltenden beiden Schnittkurven erhält man dann jedesmal einen Punkt der
gesuchten Durchdringungslinie. Zur vollständigen Bestimmung dieser Schnitt-
Go t t g e t r e u, Hochbaukonst-uktioucn. 13
194 1. Maurer- und. Steinmetzarheitell.

kurve ist aUSSeI' dem Grundriss und dem Querschnitte auch eine Ansicht senk-
recht zur Axe des Kegels nothwendig, welch letztere im Durchschnitt Fig. 2 mit
eingezeichIl;et ist. Die angenommenen Schnittebenen sind Vertikalebenen senkrecht
zur Kegelaxe und ihre Spuren in den betreffenden Projektionen mit 1, 2 ... 5
bezeichnet; sie sind zwischen den Punkten 0" 0" an der 'I'ambour wand, welche
sich durch Eintragen der inneren Fensterleibungen in den Grundriss von selbst
ergeben: undc1en Scheitelpunkten der Stichkappen (6") beliebig eingeschaltet.
Die Schnittkurven dieser Ebenen mit der Kuppel (welche eine vollständige
Halbkugel ist) sind Parallelkreise der letzteren: deren Mittelpunkte in 1, 2 ... 5
liezen
b
und deren Radien die Höhen 1 1+, 2 2+ ... 5 5+ (Fig. 2) sind;• die
Schnittlinien mit dem Kegel werden Kreise, mit den auf der Kegelaxe hegen-
den Mittelpunkten 1 0, 2 °... ° ° °
5 und den Halbmessern 1 1', 2 2' ... 5 05';
für den unterhalb der Kegelaxe liegenden Theil;ler Durchdringungskurve
erhält man hier als Schnitt der Vertikalebenen und der Fensterleibung gerade
Linien, welche die Parallelkreise des Kegels tangiren. In der auf der Axe ce
sitzenden Stichkappe sind die einzelnen Schnittfiguren an den sich durch-
dringenden Gewölben verzeichnet, und hierdurch die Durchdringungskurve
1", 2", 3" .... 6" erhalten worden. Der den vertikalen Leibungsfiächeri der
Stichkappen angehörende Theil der Schnittfigur projicirt sich im Grundriss
gerade (Spur der Leibungsebene) und geht tangential in den elliptischen Theil
über. Ist die Kurve für die über c c stehende Stichkappe gefunden, so erhält
man die andern im Schnitt Fia. v
2 am einfachsten dadurch. dass man durch
I

die Punkte 1", 2" .... 6" Parallelkreise legt und auf diese die betreffenden
Kurvenpunkte aus dem Grundriss projicirt,
Die Figg. 3 und 4 Tafel XXII stellen ein Pendentifgewölbe über qua-
dratischem Raum dar, dessen oberes Kuppelgewölbe ebenfalls wieder als Halb-
kugel angenommen ist. Die Beleuchtung soll durch aussen vollkommen kreis-
förmige Fenster erfolgen, die ganz in der oberen Tambourwand liegen. Es
ergeben sich hierdurch Durchdringungen von elliptischen Kegeln mit kreis-
förmigem Vertikalschnitt mit dem Kuppelgewälbe. Die Methode zur Auffindung
der Schnittlinien ist genau dieselbe wie im vorigen Fall. Es sei hier nur
bemerkt, dass die Schnitte der Hülfeebenen mit der Kuppel wieder Parallel-
kreise mit den Mittelpunkten 1, 2 ... 5 und den Radien 1 1', 2 2' ... 5 5',
diejenigen mit dem Kegel ebenfalls Kreise mit den Mittelpunkten x o, Xl • . . x 4
und den Halbmessern x 0 xo, X 1 Xl • • • X 4 x 4 bilden, die in einer zweiten
Projektion in Fig. 4 in ihrer wirklichen Lage dargestellt sind und in ihren
Durchdringungen Anhaltspunkte für die Zeichnung der wirklichen Schnittkurve
ergeben.
Der linksseitige Theil der Fig. 4 giebt einige Anhaltspunkte für die
praktische Konstruktion dieses Gewölbes, elie einer weiteren Erläuterung wohl
nicht bedürfen.
Was nun die Anordnung der Kassetten anbetrifft, so ist diese bei der
Wichtigkeit einer solchen Konstruktion sowohl auf Tafel XXIII, wie auch auf
Tafel XXIV spezieller dargestellt.
Die Figg. 1 und 2 Tafel XXIII stellen ein Stück des Grundrisses und
des Querschnitts eines Kuppelgewälbes dar, dessen innere Gewölbefiäche mit
24 Kassetten in 4 übereinanderliegenden Reihen dekorirt ist; da in der Regel
jedes Kassettenfeld eine kreisförmige Rosette so in sich aufzunehmen hat,
dass sie vollkommen harmonisch das betreffende Feld ausfüllt, die einzelnen
Felder aber gegen den Scheitel des Gewölbes immer kleiner werden, so
haben sämmtliche Kassetten eine annäherungsweise quadratische Form zu erhalten.
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 195

Für die Anordnung der Kassetten wurden von den französischen Archi-
tekten Brunet und Rondelet einige mehr oder weniger komplizirte Verfahren
angegeben, auf die hier verwiesen wird *); einfacher und schneller zum Ziele
führend ist die Methode, die der französische Oberst A. R. Emy zuerst auf-
gestellt hat, und auf die hier näher eingegangen werden soll **).
In Fig. 1 (dem Grundrisse) ist die Linie ab ein Theil des grossen
horizontalen Kreises, welcher die Kämpferlinie des Kuppelgewölbes bildet und
die der Kassettenanzahl entsprechend, unter Berüchsichtignng der Kassetten-
stege , eingetheilt werden muss. Diese Theilung ist im Grundrisse auf einer
angenommenen Htilfslinie e f in der Weise vorgenommen, dass die grässeren
Kreise mit den Mittelpunkten h, die kleineren Kreise mit den Mittelpunkten iden
Kassetten - beziehungsweise den Steggrössen entsprechen. Sämmtliche Breiten
der aufsteigenden Kassettenfelder sind dann durch gleiche Linien, wie g x gl
begrenzt, und gilt dasselbe von den Stegbreiten, die sich durch Linien ergeben,
wie solche die Figur in gl X gil ergiebt.
Sind die Kassetten mit ihren Stegen im Grundrisse festgestellt, so lassen
sich dieselben auch im Durchschnitte auf der Kreislinie al bl unter Zuhülfe-
nahme derselben Kreise ermitteln.
Zu diesem Zweck dienen die Axenlinien ee' (im Grundriss) und deren
Verlängerung e" e'" (im Durchschnitt); auf der Linie e" e'" werden dann die
im Grundrisse angenommenen Kreise aus hund i geschlagen, in der Weise
verzeichnet, dass die Linien y Xl yl, yl Xl y", y" Xl yl" . . . . . zu denselben
Tangenten bilden. Diese Tangenten ergeben dann auf der Linie Cli bl in den
Punkten z e' Z" :/'1 . . . . . die Höhen sämmtlicher Kassetten und Stege, lassen
sich von hier ab in den Grundriss herab projiciren , wo sie ebenfalls mit
z e' e" z'" .... bezeichnet sind, und gestatten es, das gesammte Kassettennetz
ohne weitere Schwierigkeit in dem Grundriss und Durchschnitt zu vollenden.
Um allen Kassetten eine verhältnissmässig übereinstimmende Vertiefung zu
geben, lässt sich mit Vortheil die Pyramidenform benützen, indem man sich über
die annäherungsweise quadratischen Kassettenfelder Pyramiden von gleichen
Höhenverhältnissen verzeichnet denkt. Sämmtliche Spitzen der unter sich
ähnlichen vier übereinander liegenden Kassettenfelder liegen dann auf einer
leicht zu ermittelnden Kreislinie a" b" (im Durchschnitt) und lassen sich von
dort auch in den Grundriss für sämmtliche andere Kassetten übertragen. So
lassen sich alle Kassetten als ein Stück einer abgestumpften Pyramide betrachten,
deren Tiefe' genau nach dem Verhältnisse ihrer Höhe regulirt werden kann;
im vorliegenden Beispiele verhalten sich die Kassettentiefen zur Höhe der be-
treffenden Pyramide wie 1 : 5.
Da die angenommenen Hülfspyramiden sich sowohl in dem Grundriss als
wie auch in dem Durchschnitt verzeichnen lassen, so ergeben sich hieraus fast
von selbst die sonst schwierig zu ermittelnden "G ehr u n gen" für sämmt-
liche Kassettenfelcler.
Wird aber von der strengen antiken Kassettenform abgewichen, so ist es
vorzuziehen, ein zwischen zwei Meridianen der Halbkugel oder des Ellipsoides
liegendes Kassettenfeld in seiner wirklichen Grösse herauszutragen (abzuwickeln),
um dann zur Austheilung der einzelnen Gewölbefelder zu schreiten. U eber
solche Anordnung giebt die Tafel XXIV (Kelheim) nähere Auskunft. Ist ein
ganzes Kassettenfeld , abc des Grundrisses, in Fig. 3 in seiner wirklichen

*) Ronc1elet: T'0111. 11, p. 211.


**) A.R. Emy: Traite c1e la charpenterie, 'rom. II, pag. 41.
196 1. nI::\urer- und Steinmetzarbeiten.

Grösse al b' Cl dargestellt, so lässt sich für die entwickelte Fläche leicht eine
Dekoration entwerfen, wie dies in der betreffenden Figur geschehen ist; es
bleibt dann nur die freilich ziemlich mühsame Arbeit übrig, diesen geometrisch
dargestellten Entwurf in den Grundriss Fig. 1 und in den Durchschnitt Fig. 2
überzutragen.
Eine musterhafte Anordnung der Kassetten findet sich am Pantheon zu
Rom, und möge diese hier eine nähere Erörterung finden t die Figg. 3 und 4
Tafel XXIII stellen die Hälfte dieses interessanten Gewölbes dar.
Bei den kolossalen Dimensionen dieses gewaltigen Bauwerks können die
das Gewölbe schmückenden Kassetten nur von einem sehr entfernten und tief-
liegenden Standpunkte aus vom Beschauer gesehen werden; hei einer gl e i c h -
m ä s s i gen Umrahmung der sehr vertieften Kassetten würde, besonders bei
den unteren Reihen, die untere Umrahmung dem Auge nicht sichtbar werden
und somit würde die Kassettirung den beabsichtigten Effekt nicht erzielen.
Diesem Umstande entsprechend sind sämmtliche Kassetten so angeordnet,
dass sie von unten gesehen gleichmässig umrahmt erscheinen, und wurde dies
erreicht durch die Anordnung, welche die Fig. 6 im Detail ersichtlich macht;
die durchschnittene Kassette ist in ihrer Umrahmung nach drei Seiten hin
scharf unterschnitten, um schattenreich zu wirken, während die vierte untere
Seite aus überhöhten Abstufungen besteht, um auch diese dem Beschauer
sichtbar zu machen.
In Fig. 5 ist ein ganzes Kassettenfeld abgewickelt dargestellt; in Fig. 4
sind dieselben Kassetten im Durchschnitt ersichtlich, und erkennt man in beiden
Darstellungen das Streben, dem Beschauer den beabsichtigten perspektivischen
Effekt der Kassettirung zu sichern; dies ist auch vollständig gelungen und sind
ähnliche Anordnungen bei den meisten späteren Kuppelgewölben, die kassettirt
wurden, zu konstatiren.
Das auf Tafel XXIII mitgetheilte Gewölbe des Pantheons ist in seiner
ganzen Anordnung, . in seiner Stärke, in seinen Widerlagern etc, nach den
besten Quellen dargestellt und steht in bezug auf seine Gewölbekonstruktion
mit der auf Tafel X gegebenen Darstellung in Uebereinstimmung.

Das Kugelgewölbe
entsteht, wenn man sich über einem quadratischen Raum, wie ein solcher bei-
spielsweise in Fig. 266 (S. 197) zur Hälfte dargestellt ist, eine Halbkugel in der
Art aufgestellt denkt, dass deren grösster Kreis durch die Eckpunkte bund c
hindurchgezogen ist; unter dieser Bedingung liegt der Mittelpunkt der Halb-
kugel in e. Wird nun alles, was ausserhalb des quadratischen Raumes der
Halbkugel liegt, weggeschnitten, so bleibt eine Fläche zurück, die, massiv aus-
geführt, ein Kugelgewölbe ergiebt; ein solches Gewölbe hat vier durchaus
gleiche Wandbögen ; in der beigegebenen Durchschnittsfigur zeigt sich der eine
t
der Wandbögen in der Linie b' Cl und hat dieser die gleiche Scheitelhöhe
wie die durchschnittenen Bögen über ab und d c , nämlich b' a' und Cl d l •
Wird durch die Scheitelpunkte Ctl fl d' ein horizontaler Schnitt gedacht, so er-
giebt dieser die in den Grundriss eingezeichnete Kreislinie a f d, die in den
Bauplänen als punktirre Linie eingezeichnet wird, um anzudeuten, dass diebe,
treffenden Räume mit Kugelgewölben versehen werden sollen. Durch diese
Schnittlinie theilt sich das Gewölbe in die Kalotte und in die vier Lünetten
und wird diese Theilnnzslinie
u wohl durch ein leichtes Gesimseliedehen
. b deut-
Iiche- markirt , besonders dar.n , wenn, wie das häufig der Fan ist, diese
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 197

Gewölbe mit Malereien versehen werden. Das Kugelgewölbe spannt sich entweder
zwischen geschlossene, oder mit Gurtbögen durchbrochene Mauern ein; letzteres
ist in der beigegebenen Figur der Fall. Ohne Zweifel ist das Kugelgewölbe ein
äusserst verwendbares, indem es ähnlich dem Kreuzgewölbe ziemlich freie
Wandflächen darbietet.
Bei der Ausführung erleichtert man den Maurern die Arbeit wohl dadurch,
dass ausser den vier ,Vandbögen noch zwei Diagonalbögen in dem Raum als
Lehrbögen aufgestellt werden 1 um für die Wölbung ganz bestimmte Fixpunkte
zu erhalten j nothwendig sind diese Hülfsmittel aber keinen Falls 1 und dient
sehr häufig für die praktische Ausführung ein in der Mitte des Raumes 11n-

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Fig, 266.

verrückbar aufgestellter Ständer, an welchem e111 In sein Kopfende ein-


geschlagener Stift das Centrum der Gewölbehalbkugel markirt ; an diesem
befestigten Stift befindet sich für jeden Arbeiter eine mit der Länge des Kugel-
halbmessers markirte Schnur, die sogenannte Lei er, die bewegt und angezogen
alle Fugenlagen des Gewölbes angiebt. Bei der Ausführung werden wohl die
sämmtlichen Lünetten durch U eberkragung (am besten von Hausteinen) ge-
bildet, und erhält dann nur die Kalotte die eigentliche Wölbung, die wie beim
Kuppelgewölbe aus lauter sich selbst verspannenden Ringschichten besteht, und
deshalb auch statt eines vollen Schlusses, häufig, wie dieses, eine offene Licht-
öffnung erhält, die dann mit einem Holz - oder besser Steinkranze ge-
schlossen wird.
Das U eberkragen der Lünetten gewährt, ohne das es gerade nothwendig
ist, zu solcher Konstruktion zu greifen, den grossen Vortheil, dass die Spann-
weite des wirklichen Gewölbes dadurch sehr verringert wird, und dem ent-
sprechend eine verhältnissmassig sehr geringe Widerlagsstärke beEöthjgt, be-
198 I. Maurer- und Steimnetzarbeiten.

sonders dann, wenn - wie das mit Vorliebe geschieht - zur Ausführung
der Gewölbe ein ganz leichtes Material gewählt werden kann.
Eine interessante Anwendung von diesen Gewölben hat der Oberbaudirektor
Moller ") bei seinem Theaterbau in Mainz gemacht; Fig. 267 giebt im Grund-

Fig. 267.

risse den 8 m im Geviert messenden Treppenraum , mit der dreiarmigen


(punktirten) Treppe. "Nach der gewöhnlichen Art der Ausführung - sagt
Moller -- würden die Lünetten des Gewölbes so konstruirt worden sein, dass
die Steine derselben nach dem' Centrum geneigt wären; sie würden dadurch
als Keile auf die Umfassungsmauern wirken, ihren Verband unterbrechen und
sie auseinander drücken, oder die Umfassungsmauern hätten sehr dick werden
müssen, um den Druck jenes Gewölbes aushalten zu können. Um dies zu
verhindern, und die erforderliche Festigkeit ohne Verstärkung der Mauern und
ohne eiserne Anker zu erreichen, wurde das Kugelgewölbe auf folgende Weise
ausgeführt: die Lünetten bestehen aus horizontalen Schichten aus Bruchsteinen,
welche mit den ebenfalls aus diesem Material bestehenden Mauern in Ver-
band ausgeführt sind und mit diesen, eine einzige feste Masse bilden. Anstatt
also die Umfassungsmauern auseinander zu treiben, dienen die Lünetten nur
zur Verbindung und Verankerung derselben. Dieses aus horizontalen Schichten
von Bruchsteinen bestehende Mauerwerk ist bis zum Scheitel der halbkreis-
förmigen Wandbögen fortgesetzt, sodass dasselbe oben einen vollen horizontalen
Kreis bildet (siehe die Grundrissfigur , wo dieser im Durchschnitt dargestellt
ist); die Steine sind - wie hier zu ersehen' - nach dem Fngenschnitte
gegen das Centrum der Kugel zugehauen und bilden so die "Widerlager der
Kalotte. Letztere ist dann von Backsteinen ausgeführt und hat eine Dicke
von 0,25 m. Denkt man sich - so fährt Moller fort - die vier Lünetten

*) Beiträge zu der Lehre von den Konstruktionen von Dr. G. Moller, Blatt XVII,
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 199

des Kugelgewölbes jede als feste Masse, so wird der Schwerpunkt der über-
hängenden Lünetten sich mehr nach der innern Seite des Treppenraumes be-
finden und werden dieselben, wenn eine Bewegung stattfinden sollte, eine
Neigung haben, nach innen zu fallen. Diese Neigung der Lünetten nach innen
wird aber durch das Bestreben der mittleren Kugelkalotte , sie nach aussen zu
schieben, kompensirt , und man darf daher annehmen, dass das ganze Kugel-
gewölbe nur senkrecht wirkt; die Kalotte kann nämlich auf die Umfassungs-
mauern keinen Druck ausüben, bevor die sie umgebenden Lünetten nicht zer-
rissen sind. Da nun der 'Widerstand, den diese leisten, weit grösser ist als
der Druck, den die Kalotte ausübt, so bleibt das Gewölbe im Gleichgewicht.
Die Erfahrung hat dies bestätigt, indem diese Widerlager, welche eine Höhe
von 15,50 m über der Oberfläche des Theaterplatzes und oben nur 0,85 m
Stärke haben und durch keine eisernen Anker zusammengehalten werden, seit
der Ausführung im Jahre 1831 durchaus fest und unverändert geblieben sind."
Ein verhältnissmässig noch kühneres Kugelgewölbe führte Moller über
der Haupttreppe des Hauses des Prinzen Üarl v. Hessen in Darmstadt aus,
welches die Fig. 268 im Grundrisse und Durchschnitte mittheilt; es ist

Fig. 268.

gleichfalls nach den eben entwickelten Grundsätzen ausgeführt, die nur 0,25 111
starken Umfassungsmauern aber bestehen hier aus Backsteinen ohne alle
weitere Verankerung. Ein Schnitt Cl b durch das Gewölbe gemacht und in der
Horizontalprojektion dargestellt, giebt die einzelnen Schichten an, mit welchen
die vier Lünetten aus dem ursprünglich quadratischen Raum heraus gehagt
wurden und wie diese Schichten in einen innigen Verband mit den Um-
fassungsmauern treten; auch diese Konstruktion hat sich durchaus bewährt, und
hat niemals zu irgend einem Anstande Veranlassung gegeben.
200 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.

Soll ein K u gel g e ~v Ö 1b e übe r ein e m r e gel m ä s s i gen ach t -


sei ti gen Rau m ausgeführt werden) so wählt man ebenfalls eine Halb-
kugel, deren grösster Kreis, wie dies in Fig. 269 geschehen, die Eckpunkte
des Achtseits schneidet ; von dieser Kugel wird alles, was ausserhalb des zu
überwölbenden Raumes liegt, weggeschnitten gedacht, und es entstehen so acht
halbkreisförmige gleiche Wandbögen , deren Durchmesser gleich der Seite des
Achtecks sind; eine Ebene horizontal durch den Scheitelpunkt sämmtlicher gleich
hohen Wandbögen gelegt, theilt dann das Gewölbe in die Kalotte und acht
Lünetten, welch' letztere am einfachsten ebenfalls durch Ueberkragung gebildet
werden können. .
Auch j e der beliebige andere oblonge Raum lässt sich unter
Zuhülfenahme der Halbkugel einwölben. In der beigegebenen Fig. 270 ist eine

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Fig. 269. Fig. 270.

Halbkugel, welche die Ecken des oblongen Raumes durchdringt, im Grundriss und
Querschnitt einpunktirt, wodurch sich sämmtliche Schnitt- und Wandbögen
sofort bestimmen lassen: der kleinere Wandbogen hat Cl b', der grössere b" Cl zum
Halbmesser, während ein Schnitt durch die Mitte des Gewölbes stets dem
grössten Kugeldurchmesser angehört. Ein Horizontalschnitt 'in den höchsten
Punkten der beiden grössern Wandbögen genommen, ergiebt eine Kreislinie, die,
in den Grundriss eingetragen, den Halbmesser b" b besitzt aber k ein es w e'g s
die Eigenschaft hat, das Gewölbe in Kalotte und vier gleiche Lünetten zu
theilen; eine solche Anordnung ergiebt ungleich hohe Wandbögen , die um so
grössere Differenzen in ihren Scheitelhöhen erhalten, je grösser ihre Mass-
verschiedenheit ist.
Die Bedingung aber, auch für oblonge Räume Gewölbe mit s te ti g
sphärischer Gewölbefläche und gleich h o h e n vVandbögen
zu konstruiren, führt uns in das Gebiet der sogenannten
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 201

B ö h ID i s ehe n G e w ö 1b e.
Solche Gewölbe lassen mehrere Lösungen zu,' von welchen die interessan-
testen hier näher erläutert werden sollen:
a) Das e l l i ps 0 i d i s c h e Gewölbe, in der Fig. 271 zur Hälfte dar-
gestellt, entsteht, wenn über dem einzuwölbenden Raum ein Ellipsoid so auf-
gestellt gedacht wird, dass dessen grösste Ellipse die vier Eckpunkte des
Grundrisses enthält.

Fig, 271.

Das betreffende Ellipsoid wird in folgender Weise bestimmt:


Es sei ca b cl die Hälfte des zu überwölbenden Raumes, dessen vier Wand-
bögen gleiche Höhe zu erhalten haben; wählt man für die Schmalseite den
halbkreisförmigen Bogen, so erhält die Langseite eine diesem Bogen ent-
sprechende elliptische Gestalt, wie dies der Quer- und der Längenschnitt dieser
Figur deutlich nachweist. Die gleich hohen Wandbögen bedingen dann für
den Schnitt durch c cl einen Rundbogen, der genau durch den Scheitelpunkt
des elliptischen Wandbogens geht,' der im Querschnitte mit 1 1 bezeichnet ist
und dessen Projektion im Grundriss die Linie 1 c l' cl1 darstellt. Die
Diagonalen l' a und l' b über a und b hinaus verlängert, schneiden die mit
a c und b d parallel laufenden Linien 1 1, und ergeben im Grundrisse das
Oblongum, in welches das Ellipsoid mit seiner grössten Ellipse 1 alb 1 sich
leicht einzeichnen lässt, da in der grässern Seite des Oblongumszugleich die
grosse Axe, in der kleinem Seite die kleine Axe gegeben ist, und sich die
Brennpunkte zur genauen Darstellung dieser elliptischen Linie leicht finden
lassen.
Das über dem einzuwölbenden Raum aufgestellt gedachte und in den
Grundriss -einptmktirte Ellipsoid ergiebt, parallel zur kleinen Axe in 1, 2, 3, 4
und Cl, also in vier gleiche Theile ge3chnitten, laute" Halbkreisbögen, und sind
diese in den Querschnitt eingetragen; wird das Ellipsoid dann parallel seiner
202 1. Maurer- und St.eil1llletzarbeiten.

grossen Axe in die gleichen vier Theile zerlegt, wie dies unter Beibehaltung
der Bezeichnungen von 1 2 3 4 Cl geschehen ist, so ergeben diese Schnitte die
den Rundbögen in ihren Höhen entsprechenden Linien, wie solche im Längen.
schnitte der Fig. 271 eingezeichnet sind.
Dementsprechend lässt sich jeder Punkt im Gewölbe sofort in seiner Lage
bestimmen; ein Horizontalschnitt durch die Scheitel der Wandbögen gelegt,
ergiebt die in dem Grundriss einpunktirte, die innern Kanten des Raums tan-
genti-rende kleine Ellipse, und wird hierdurch ähnlich wie beim Kugelgewölbe
das ellipsoidische Gewölbe in Kalotte und vier Lünetten zerlegt; diese
Treimung wird wohl auch durch eine leichte Gliederung deutlich zum Aus-
'druck gebracht. Sollte das Gewölbe nach den Diagonalen geschnitten werden,
so hat dies keine Schwierigkeit, unel sind die betreffenden Diagonallinien im
Grundriss sowohl als wie auch in beiden Schnitten in den Punkten l' 2' 3' 4'
leicht zu ermitteln.
Das ellipsoidischeGewölbe ist noch lange nicht genug gewürdigt worden,
und kann häufig in Wechselfolge .mit dem Kugelgewölbe kaum entbehrt werden,
besonders wenn es sich darum handelt, beide Gewölbe harmonisch mittelst
Malerei oder Skulptur, unter Anordnung von Kalotten und Lünetten, zu deko-
riren ; kein Gewölbe über oblongen Räumen möchte eine so gesetzmässige und
regelmässige Gestalt besitzen, und so vorzügliche Benutzung der Seiten-
wandungen gewähren, wie gerade das ellipsoidische Gewölbe. Deshalb geben
wir auf Tafel XX dies Gewölbe in ausführlicher Darstellung.
Fig. 1 stellt einen Theil eines Vestibüls dar, dessen Langseite 6 m,
dessen Breitseite 4 m misst; nach den Langseiten hin ist der Raum durch
Blendbögen erweitert, an den Breitseiten sind die Wände durch offene Mauer-
bögen durchbrechen. Diese offenen Mauerbögen haben gleich den sich hier
befindenden Wandbögen die, Halbkreisform ) woraus für die Blendbögen der
Langseiten und der sich daselbst befindenden Wandbögen des Gewölbes
elliptisch gestaltete Bögen sich ergeben.
In Fig. 4 ist der im Grundriss mit 6 6 bezeichnete Wandbogen umgelegt,
und ergiebt hier einen Halbkreisbogen , dessen Scheitel dieselbe Höhe besitzt,
als wie der Scheitel des Wandbogens, der gerade im Durchschnitte der Lang-
seite liegt; aus dieser Bedingung ergiebt sich für den Schnitt 1 l' 1 (im Grund-
riss) ein Halbkreisbogen , welcher den Scheitelpunkt des Wandbogens in seine
Peripherie aufnimmt, und in Fig. 4 mit 1 l' bezeichnet ist; zugleich giebt dieser
Bogen den grössten der das Ellipsoid nach dieser Richtung hin mit bildenden
Kreise, dessen Durchmesser zu gleicher Zeit. elas Mass für die kleine .Axe re-
präsentirt. Mit Hülfe der Diagonallinie l' 6 und der aus 1 1 parallel dem
Schnitte A B (im Grundrisse) gezogenen Linien ergiebt sich dann das Recht-
eck, in welches mitteist der grossen Axe AB und der kleinen Axe 0 D
die grösste aller dem Ellipsoid angehörenden elliptischen Linien so eingetragen
werden kann, dass die Eckpunkte des zu überwölbenden Raumes in ihrer
Peripherie Platz finden. 'Wird dann das ermittelte Ellipsoid parallel OD von
1 nach 6 in beziehungsweise gleiche Theile getheilt , die mit 2 3 4 5 6 be-
zeichnet sind, so ergeben diese Schnitte Halbkreisbögen , wie sie mit g'leicher
Bezeichnung in die Umklappung Fig. 4 eingetragen sind.
Sämmtliche Schnitte parallel der grossen Axe ergeben dann Ellipsen, die
den Schnitten parallel der kleinen Axe, den bereits in Fig. 4 dargestellten
Halbkreisbögen , in allen ihren Höhen vollständig entsprechen und daher ohne
Schwierigkeit in Fig. 2 übergetragen werden können..
Ebenso leicht wird es sein, nach dem bish er übel' dies Ci ewölhe Gesagten
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 203

die diagonalen Schnittlinien des Gewölbes und dessen Kalottenlinie zu er-


mitteln; letztere bildet, in elen Grundriss eingetragen, eine durchaus gesetzmässig
sich entwickelnde Ellipse. 'Vürde dem auf unserer Tafel dargestellten oblongen
Raume nach A zu ein quadratischer folgen, so würde ein solcher unter den
gleichen Bedingungen mitteist eines Kugelgewölbeszu überdecken sein.
Bei der praktischen Ausführung sind ausser den Wandbögen am vortheil-
hattesten die beiden Scheitelbögen in der Richtung der grossen und kleinen
Axe und bei sehr sorgsamer Arbeit auch wohl die Diagonalbögen als Lehr-
bögen aufzustellen, während die Gewölbescbichten selbst, ähnlich wie beim
Kugelgewölbe, aus den Ecken gleichmässig heraus gearbeitet werden, und zwar
geschieht dies aus freier Hand.
Ein horizontales U eberkragen der Lünetten ist auch hier in bezug auf
eine Verminderung der Spannweite beziehungs weise ein Verschwächen der
Widerlager sehr empfehlenswerth.
Das eigentliche b h mi sc he Ge w öl b e, das bis jetzt nach ganz
ö

empirischen Vorschriften ausgeführt wurde, erhielt dadurch nur zu häufig eine


mehr zufällige, hin und wieder sogar unschöne Form.
Die bisher übliche
Anordnung der böhmi-
schen Gewölbe bestand
darin, dass dem ei'nzu-
wölbenden oblongen
Raume gleich hohe Wand-
bögen gegeben wurden,
für welche man behufs
Ausführung des Gewölbes
besondere Lehrbögen an-
fertigte und an den be-
treffenden Stellen auf-
stellte. In der Höhe der A
Scheitel der Wandbögen
wurde dann in der Rich-
tung von aal (Fig. 272)
ein Lehrbogen in Segment-
form mit 1/6 bis 1/8 seiner
Spannweite aufgestellt,
während ein gleich hoher,
jedoch zweitheiligerBogen
seine Stellung in x c an-
gewiesen bekam; streng
genommen ist dieser B
Bogen aus der Ver-
gatterung des in aal
aufgestellten Segment-
bogens zu ermitteln.
Sind sämmtliche
Lehrbögen vollständig Fig. 272.
sicher aufgestellt, so wird
bei der praktischen Ausführung die Wölbarbeit gleichmassig aus den Ecken
b"gonnen, so dass sämmtlicho Gewölbeschichten parallel mit a c, wie dies im
Grunclri2.3 beispielsweise in 1 1; 2 2, 3 3 ersichtlich ist, jedoch unter Anwendung
204 I. Maurer- und SteimnetzarlJeiten.

eines geringen Busens aus' freier Hand hergestellt werden. Da nun die einzelnen
Punkte 1 und 1, 2 und 2, 3 und 3, 4 und 4, C6 und c, 5 und 5, 6 und 6,
7 und 7 je auf gleicher Höhe liegen, und ihre Stützpunkte auf dem Lehr-
g er üste haben so handelt es sich nur mehr darum',, welche Stichhöhen diesen
"

Gewölbeschichtenbei ihren stets wechselnden Spannweiten zu geben sind.


Gewöhnlich wird der Schichte in a c ein Stich von 15 cm gegeben; diese
Stichhöhe wird nach und nach zu 0, je nachdem die Gewölbeschichten zuletzt
nach b sowohl wie nach X mit °
Spannweite sich verlaufen; so würde z, B.
eine Gewölbschichte, die sich wie die von 3 3 in der halben Entfernung von
15
e nach b befindet, eine Stichhöhe von - = 7,5 cm erhalten; dasselbe ist der
2
Fall bei der Schichte 6 6, sobald sie sich in der halben Entfernung von e
nach x befindet.
Eine solche rein empirische Annahme ist nun der Grund, weshalb ein
Gelingen in bezug auf eine schön sich verlaufende Gewölbefläche rein dem
Zufalle anheim fällt.
Um diesem U ebelstande aber abzuhelfen, ist zu untersuchen', welche ge-
brochene Fläche sich ergiebt, wenn die Bogenlinien CL bund bc, beziehungs-
weise die von a x und c X als Leitlinien, eine Horizontale VOn b ab in der
Richtung nach 1 1, 2 2 . . . . 6 6, 7 7, endlich bis X als Erzeugende gedacht
. wird. Ein Diagonalschnitt b X dieser so entstandenen Fläche stellt die gebrochene
Linie b l' 2' 3' 4' e 5' 6' 7 X dar, die dann, in eine stetige Linie verwandelt, die
genaue Stichhöhe für jede einzelne Gewölbeschicht ermitteln lässt.
In der beigegebenen Skizze würde danach die Schichte a e c die grösste
Stichhöhe bei e erhalten, während der Schichte 3 3 der Stich bei 3', der von
4 4 der von 4' etc, gegeben werden muss.
Ausdrücklich ist hierbei darauf aufmerksam zu machen, dass von der Wahl
der Ausgleichunglinie die Korrektheit der Gewölbefläche abhängig ist; je nach-
dem die Ausgleichungslinie nach A oder B (vergleiche die beiden Grundriss-
figuren) gewählt wird, ändert sich auch die Form der Gewölbefläche ; so wird
für A eine in das böhmische Gewölbe gelegte Schnittfläche durch die Scheitel-
punkte der Wandbögen im Grundrisse eine Kalottenlinie ergeben, die in den
Grundriss einpunktirt gegen c hin sehr spitz verläuft; wählt man aber die
Ausgleichungslinie nach B, so ergiebt sich eine Kalottenlinie von viel regel-
massigerer Form. Diese Betrachtung führt endlich zu dem Schluss, dass ebenso
wie die Ausgleichungslinie auf die Form der Kalottenlinie einen entschiedenen
Einfluss ausübt, umgekehrt eine von vorn herein angenommene Kalottenlinie
auf die Form der Ausgleichungslinie einwirkt; je mehr sich die Kalottenlinie
der streng elliptischen Form nähert,' desto gesetzmässiger wird sich die Gewölbe-
fläche des böhmischen Gewölbes regeln lassen.
Das hier über das böhmische Gewölbe Gesagte möge in einem durch-
gearbeiteten Beispiele auf Tafel XXI Anwendung finden.
Gegeben ist ein oblonger Raum von 5,25 m Länge und 3,45 m Tiefe;
derselbe ist einerseits von zwei 3 Stein starken Frontmauern , anderseits von
zwei 2 Stein starken Scheidemauern begrenzt, die jedoch alle gegen das Innere
durch Blendbögen um 1/2 Stein verschwächt wurden, um sowohl dem Raume
ein lebendiges Ansehen zu geben, als auch um Raum. zu gewinnen und
Mauerwerk zu ersparen. Als Wandbogen für die, Tiefe des Raumes wurde
ein voller Halbkreisbogen gewählt, woraus für die Langseite ein elliptischer
Bogen (bier durch Vergattenmg dargestellt) benöthigt wird, sobald die Be-
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 205

dingung, gleich hohe Wandbögen zu erhalten, gegeben ist; diese beiden Wand-
bögen sind in der Fig. 1 (dem Grundrisse) in der Umklappung dargestellt,
und in die betreffenden Durchschnitte übergetragen.
Der im Grundrisse umgeklappte Segmentbogen ab, dessen Stichhöhe X
beliebig gewählt werden kann, ergiebt im Schnitt AB der Fig. 3 die gleiche
Segmentbogenform, und zwar so, dass die Punkte a' c b' mit den Scheitelpunkten
der Wandbögen zusammenfallen J und die drei Punkte a' c' b' mussgebend für
die Konstruktion der Bogenlinie sind.
Ganz konform mit dem Bogen ab ist durch Vergatterung der im Grund-
riss umgeklappte Bogen d e zu konstruiren, und erhält er dementsprechend auch
die gleiche Stichhöhe von x; auch dieser Bogen ist im Schnitte CD der Fig. 2
so darzustellen, dass die Punkte cl l f e' konform den Punkten a' c b' beziehungs-
weise al c' b' zu liegen kommen.
Bei der Ausführung werden nun sowohl die Wandbögen als auch die
Bögen ab und c cl als Lehrbögen in dem einzuwölbenden Raum aufgestellt,
und die dazwischenliegenden vier Gewölbefelder aus freier Hand eingewölbt.
Soll diese Wölbung aber die bestmöglichste Form erhalten, so hat man sich
einen Diagonalschnitt E F Fig. 4 aufzutragen. Denken wir uns aber zu-
vörderst die Punkte der umgeklappt gedachten Wandbögen 1 2 3 4 5 (Fig. 1)
in die entsprechenden Punkte des Grundrisses 1/ 2' 3' 4/ 5' zurückgetragen,
so werden alle diese Punkte, wenn je zwei mit einer geraden Linie ver-
bunden werden, auf der Diagonale oder im Schnitte E F Punkte ergeben
mit den gleichen Höhen; dem entsprechend liegen die Punkte l' 1 0 l' in der
Höhe von l' 1; 2 12° 2' in der Höhe von 2' 2; 3' 3 ° 3' in der Höhe von
3' 3 etc.; trägt man nun die Punkte 1 ° 20 30 40 50 in den betreffenden Höhen
in den Diagonalschnitt ein, so ergeben sich dortselbst die gleich bezeichneten
Punkte mit 1 ° 20 30 40 50.
Werden dann auch die entsprechenden Punkte 6 7 8 9 der umgeklappt
gedachten Scheitelbögen in die entsprechenden Punkte des Grundrisses 6 1 7' 8 1 9'
zurückgetragen, so ergeben die geraden Verbindungslinien von 6' 6', 7' 7' . . . .
auf der Diagonale beziehungsweise die gleichen Höhenpunkte 60, 7 0, 8 ° und 9°,
die sich ohne alle SChwierigkeit gleichfalls in den Diagonalschnitt Fig. 4 über-
tragen lassen. Ist dies geschehen und hat sich durch diese Manipulation die
gebrochene Diagonalbogenlinie (Fig. 4) 0 1 0 2 0 3 0 4 ° 5 ° 6 ° 7 0 8 ° 9 ° ergeben,
so handelt es sich darum, diese gebrochene Linie in eine stetige umzuwandeln,
und dies lässt die verschiedensten Varianten zu; von der richtigen Wahl
dieser Ausgleichskurven aber hängt wesentlich das Gelingen in bezug auf tadel-
losen Gewölbeschwung ab, wie dies durch die Textfigur 272 und die an
diese geknüpften Erörterungen bereits erläutert wurde.
In Fig. 4, dem Diagonalschnitte , ist. die Ausgleichskurve mit
0+ 1 + 2+ 3+ 4+ 5+ 6+ 7+ 8+ 9+ bezeichnet, und geben die Höhendifferenzen
zwischen 1 ° und 1 +, 2° und 2+, 30 und 3+, 40 und 4+ 7° und
°
7 +, 8 und 8 + die Stichhöhen an, welche den einzelnen Gewölbeschichten
gegeben werden müssen ,um die sonst .entstehenden unschönen Bruchflächen
zu vermeiden.
Von der richtigen Wahl der Ansgleichskurve ist auch die horizontal ge-
dachte Schnittlinie abhängig, die durch eine Schnittebene durch die höchsten
Punkte sämmtlicher Wandbögen sich ergiebt; hierdurch entsteht in· Fig. 2 die
punktirte Linie cl' f e' , in Fig. 3 die punktirte Linie a' c b' als Kalottenlinie,
die in den Grundriss übergetragen annäherungsweise sich als ziemlich regel-
mässige Kurve ergeben wird, die keineswegs eine streng elliptische Form ergiebtJ
206 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.

immerhin aber, wie dies die ~rundrissfigur nachweist, einen ziemlich regelmässigen
Verlauf besitzt, sodass bei beabsichtigter Dekoration der Gewölbefläche durch
eine Kalotten- und Lünettentheilung, ähnlich wie dies bei Kugelgewölben sehr
beliebt ist, sich kein weiterer Anstand ergeben möchte, was freilich stets der
:Fall sein würde, wollte man bei der : Herstellung der böhmischen Gewölbe
stets die bisher übliche ganz empirische Methode der Ausführung beibehalten.
Schliesslich sei hier noch darauf aufmerksam gemacht) dass, um die
Kalottenlinie richtig in den Grundriss einzutragen, es nothwendig erscheint,
einige Punkte zwischen den bekannten Punkten a e b d (Fig. 1), z. B. die
Punkte 9 und g' näher in ihrer Lage zu fixiren ; diese beiden Punkte gehören
einer Bogenlinie an, die durch die Punkte 4' 9 4 0 g' 4' (Fig. 1) näher bezeichnet
und deren Stichhöhe gleich 4 04+ (Fig. 4) ist. Diese Bogenlinie nach Fig. 2
übertragen, hat den Punkten des Grundrisses entsprechend die gleiche Bezeich-
nung mit 4' 9 g"4' erhalten, wobei g, g' zugleich die betreffenden Zwischenpunkte
sind. In gleicher Weise lassen sich sämmtliche Gewölbelinien des Grundrisses
(1'1 ° 1', 2' 2° 2', 3' 3° 3' ....) in den Schnitt OD (Fig. 2) übertragen.
Bei der vorgeführten Gewälbekonstruktion auf Tafel XXI ist dies mit den
°
Bögen 5' 5 05', 4' 4 4', 3' 3 03' geschehen.
Eine dritte Methode, böh-
mische Gewölbe zu konstruiren,
giebt die Fig. 273, auch hier
sind gleich 'hohe Wandbögen,
.:, 1,'
I
I
I für die kleinere Seite ein Halb-
I
,,I kreisbogen , für die grössere
1
, ein gedrUckt elliptischer Bogen
!(J
- - -- - - --------.J- -- -- - - --
I
, ~ ~ ~--
gewählt'. Wird nun für den
-,:5 Schnitt in ab ein flacher Bogen
: mit dem Mittelpunkte 1 ge-
~,0!~Jif8
.-cl
I.:?
wählt, so lässt sich das Ge-
-----,----:----~-T~~~---.\-------- wölbe als eine Fläche denken,
: '2
I
:
_~.~ - --
! . die aus unendlich vielen Bägen

.T~_~~~~~~~~~~~l~~~~~~~~~~S~-- ; mit stets kleiner werdenden


Radien entsteht; von diesen
,:
t.: ------------ ---------------- ~~
-f
~ sind in gleichen Abständen sechs
~l Radien mit den Mittelpunkten
-a---- --". _.- ------- --- ------- --b~
-r:#
1 2 3 4 5 6 beziehungsweise mit
Fig. 273.
l' 2' 3' 4' 5' 6' eingezeichnet,
und die dazu gehörigen Kreise
III den Schnitt nach der Linie ab eingetragen; die Kalottenlinie ergiebt, wie dies
ebenfalls aus der beigegebenen Zeichnung des Grundrisses ersichtlich ist, eine
sich gegen den kleineren Wandbogen hin ziemlich stark zuspitzende Kurve. Bei
Anordnung dieser Gewälbeart, die von Einigen als g e d r ü c k t es b öhm i -
s c h e s G e w I be bezeichnet wird, kann der Schnitt von ab nahezu als ein
ö

scheitrechter Bogen angenommen werden.

K u gel kap P e nun d b öhm i s ehe Kap p eng e w ö1b e.


Sämmtliehe Konstruktionen, welche bei elen Kugelgewölben besprochen
wurden, lassen sich nun auch unter Annahme von flachen Segmentbögen
ausführen.
Ist z, B. em quadratischer Raum gegeben, der als flache Kugelkappe ein-
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 207

gewölbt werden soll, so bestimme man, wie dies in Fig. 274 geschehen ist,
die dem Gewölbe im Schnitte a cl zu gebende Stichhöhe , hier zu 1/8 der
Spannweite angenommen;
für diesen Bogen ergiebt
'sich der Centralpunkt x
mit dem Radius x d, wel-
cher auch als Halbkugel-
durchmesser gedacht wer-
den kann, sodass der Bogen
a d dem grössten Kreise
der Halbku bzel angehört
b
;
wird dieselbe Halbkugel
in den Grundriss vom
Punkte x aus eingetragen,
so erhält man die Dar-
stellung der ganzen Halb-
kugel in zwei Projektionen.
vVird nun Alles, was
von der Halbkugel ausser-
halb des einzuwölbenden
Raumes liegt, fortgeschnit-
ten gedacht, so erglebt
das U ebrigbleibende die Fig. 274.
gewünschte Form der
Kugelkappe, die im Durch-
____ 2I
schnitt nur noch durch
Eintragung des Wand-
bogens von b c ergänzt zu
werden. braucht. Dieser
Wandbogen gehärt dem
Kugelschnitte an, dessen
Halbmesser = Xl C ist und
sich sofort aus dem Grund-
riss entnehmen lässt, um
in den Durchschnitt als
Linie b c übertragen zu
werden. . Nehmen wir
auch hier einen Horizontal-
schnitt in den höchsten
Punkten der Wandbögen
an, so ergiebt ein solcher
eine Kreislinie, welche die
inneren Seiten des qua-
dratischen Raumes tangirt
und welche die Kugelkappe
in die bereits bekannten
Lünetten und Kalotte zer- Fig. 275.
theilt.
Ist statt eines quadratischen Raumes ein oblonger gegeben, wie dies in
der Fig. 275 angenommen wurde, so kann die über demselben zu konstruirende
Kugelkappe gleichfalls als eine Fläche betrachtet werden , welche einer Halb-
208 1. Maurer- und Steinmetz arbeiten.

kugel angehört; ist für die weiteste Diagonalspannweite eine mehr oder weniger
grosse Stichhöhe angenonmien, so erglebt sich durch diese die Grösse der
Halbkugel, die im Grundrisse und im Querschnitt aufgetragen, leicht sämmtliche
Schnitt- und Wandbögen vermitteln lässt. So erhält man für den Schnitt durch
C cl (im Grundriss) einen Bogen, dessen Halbmesser 1 1 J ist, und dessen Wand-
ß-Oge~ ab, 1 3' zum Halbmesser hat; die Form des Wandbogens über der
länge:ren Seite des oblongen Raumes ist in a' b' punktirt dargestellt, und ergiebt,
sich als Kreisbogen mit dem Radius 1 2', während ein Schnitt durch desr
Mittelpunkt der gedachten Kugel stets einen Bogen giebt, der dem grössten
Durchmesser der Halbkugel entspricht, ganz gleich, ob dies ein Diagonalschnitt
ist oder ein Schnitt durch C cl oder Cl cl'.
Denkt man sich in einer solchen
Kugelkappe einen Horizontaldurchschnitt
durch die Punkte c, cl (im Durchschnitt)
gelegt, so ergiebt dies eine Kreislinie, die,
in den Grundriss einpunktirt, die Linien
a c und cl b in den Punkten c und cl tangirt.
Eine eigenthümliche aber äusserst
;;- -oID
ver wen d bar e G e w I b e f 0 r m möge
ö

-, ,, die Fig. 276 klarstellen. Denkt man sich


, ,
\ / über einem oblongen Raum ~ hier über
\ I
\ I
\
\
\
I
J
, ab c cl, eine mehr oder weniger gedrückte
~~~:\~::~~::_-----------~~~~~:~L:~::- Bogenform in a c vertikal aufgestellt, und
:I \, bewegt diese Bogenlinie (a a' im Durch-
I \ schnitt, a a' c in der Umklappung), ihre
/ \
J
/ \, einmal gewählte Stellung stets beibehaltend
/ \ nach bcl, sodass sie auf dem Segmentbogen
c .~
ab, als Leitlinie, fortgeführt wird, so entsteht
Fig. 276. eine Gewölbefläche , für die sich leicht
bei ihrer praktischen Ausführung durch
Aufstellen einzelner vVölbscheiben Anhaltspunkte für die Einwölbung aus freier
Hand aufstellen lassen, wie dies ja auch bei sämmtlichen Kugelkappen der Fall
ist. Eine sogenannte Leier bei letzteren zur Anwendung zu bringen, gestattet der
Umstand nicht, dass in den meisten Fällen der Mittelpunkt der Halbkugel für
diesen Zweck unerreichbar ist.

S pie gel - I Mu 1den - und S0 h e i t r e 0 h t e Ge w Ö 1b e.


Die Spiegelgewölbe, sowohl über quadratischen als wie auch über oblongen
Räumen am häufigsten ausgeführt, suchen in der Mitte der Decke eine meistens
von einem mehr oder weniger reich gegliederten Rahmen umgebene ebene
Fläche zu gewinnen, die dann wohl zur Aufnahme von Gemälden ,dient; da
die Wand- und Deckenmalerei in der Renaissance - Zeit eine so hervorragende
Rolle spielte, so sind auch die hier zu besprechenden Gewölbe recht eigentlich
Kinder dieser Zeit.
Fig. 277 (S. 209) zeigt im Grundriss und Längenschnitt eine solche Gewölbe-
anordnung ; sämmtliche Umfassungsmauern sind hier, wie beim Kloster - be-
ziehungsweise Kuppelgewölbe Widerlagsmauern , indem sich ein Gewölbe mit
dem Querschnitt eines Viertelkreises aus allen Umfassungsmauern heraus ent-
wickelt 'und dabei in den Ecken einspringende (1räte bildet; der Radius des
Viertelkreises wird 'dabei sehr verschieden gross gewählt und der in der Mitte
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 209

verbleibende Raum dann in der "V eise überwölbt, dass eine wenig sich aus-
sprech~nde Mulde entsteht, die nachträglich durch Mörtelverputz vollständig
eben ausgeglichen wird. Da diese ebene Fläche oft von einem reichen Rahmen,
ähnlich einem Spiegel, eingefasst wird, so ist der Name S pie gel g e w öl be
entstanden; bleibt der mittlere Theil in seiner ursprünglich muldenförmigen
Gestalt, so nennt man das Gewölbe M u 1 den ge w ö I b e.
Bei der praktischen Ausführung erhält das gam;;e Gewölbe eine voll-
ständige Einschulung, und ist es am zweckmässigsten, die Gewölbefüsse durch
U eberkragung herzustellen, andernfalls muss ein rings um die Mauer aus-
gesparter Raum zur Aufnahme des Gewölbeanfängers vorhanden sein. In der
Regel ,!ird der vollständig hintermauerten Gewölbeeinfassung eine Stärke von
einem halben Stein gegeben, während der Spiegel durch übereinander gelegte
verdoppelte F'liesen und zwar in gut
bindendem GYPslnc'irtel mit geringem
Stich ausgeführt wird. Von Belastungen
durch Gebälk suclrt. man diese Gewölbe
frei zu halten, denn ihre Tragfähigkeit be-
ruht hauptsächlich in dem Vorhandensein
eines vorzüglichen Bindemittels *).
Für die Decken grosseI' und hoher
Räume, wie bei Sälen, Treppenhäusern,
Vestibülen, wählt man häufig nur die
Form der Spiegel- und Muldengewölbe mit 1.!!!!!!!!!II
b1
sich wiederholenden Stichkappen
Schildern, und führt sie in Holz und
oder
IIII~~~
dekorativen Verkleidungen aus. Solche 1
1

Decken" mit ihrem grossen Wechsel an I


I
Schatten und Licht geben der Dekoration,
sowohl der Skulptur als auch der Malerei,
vielfache Gelegenheit, sich aufs reichste
und anmuthigste zu entfalten, müssen aber Fig. 277.
äusserst sorgsam konstruirt werden, um
die arbeitende Wirkung , welcher alle Holzkonstruktionen mehr oder .wemger
unterworfen sind, möglichst unschädlich zu machen. Die Fig. 278 (S. 210)
stellt eine solche Konstruktion, im Haupttreppenhause der technischen Hochschule
in München ausgeführt, dar; der hier frei gelassene Spiegel ist mit einem
. Oberlicht versehen.
Scheitrechte Gewölbe, Fig. 279 (S. 210), unterscheiden sich wohl
von den eben erwähnten dadurch, dass statt des den Raum umgebenden Gewölbes
sich nur eine U eberkragung vorfindet, gegen die sich das scheitrechte Gewölbe
gegenspannt ; es erscheint dann der überkragte Theil nur als eine Art grosser
Hohlkehle, die weiters mitte1st kleiner Ziergliederprofile eine weitere ästhetische
Behandlung findet; die aus der Mauer heraustretende Ueberkragung kann ganz
sicher zum Auflegen der Gebälke oder der Fussbodenlager verwendet werden.
In unserer gegenwärtigen Zeit werden massive Decken, wenn sie die
scheitrechte Form bedingen, meistentheils mit Hülfe von Eisen ausgeführt,
und werden solche Konstruktionen indem betreffenden Abschnitte besprochen
werden.
Zum Schluss dieser Abhandlung über die verschiedenen Gewölbe-

*) In dieser Beziehung wird auf Seite f56 verwiesen.


210 I. Maurer- und Steinmetzarbeiten

konstruktionen sei noch erwähnt. dass auf Tafel XIX Fig. 4 und 5 ein
h ä n gen des Ge w öl b e dargestellt wurde; in anderer ",Yeise hat man wohl
das Eisen dazu verwenrlet , um flache Gewölbe mittelst förmlicher Armaturen
in Schwebe zu halten. u~d können auch diese ziemlich ausser Gebrauch ge-
kommenen Konstrnktio;10n als hängende Ge,v(ilbe beze'icImet werden *).
Das Bestreben, Gewölbe mit leichtem Material zu konstruiren , hat wohl
dazu geführt, einzelne Steine zu einer Art hohlem Kasten zusammenzustellen,
so dass das Gewölbe aus lauter Zellen besteht; so wurden in der neuen
Pinakothek in München aus gut gebrannten Ziegelplatten in einer Art von
Schornsteinverband mit eingelegtem quadratischen Plättchen, wie dies die
Fig. 280 andeutet, die leichten Gewölbe ausgeführt, welche das Oberlicht in

Fi;;-. 279.

,
r
[--1---1-71"--
1
I
_I _-,---,,,-----,-_
\-
Fig. 278. Fig. 280.

die Bildersäle einlassen. Hierbei verhindern die vier Nasen der Dacbplattedas
Durchfallen der eingelegten Plättchen; immerhin ist das eine mühsame Arbeit,
und deshalb war man schon sehr frühzeitig darauf bedacht, hohle gebrannte
Steine zum Wölben zu wählen, denen dann sehr verschiedene Formen und
Dimensionen gegeben wurden. Quadratische, runde, sechseckige hohle Prismen
mit Furchen, Vertiefungen und Löchern an den Seiten, damit der Mörtel
besser daran hafte, mit 0,09 bis 0,20 m Durchmesser und 0,11 bis 0,25 m
Höhe fanden bei verschiedenen Bauten Anwendung, hatten aber den Nach-
theil, dass sie gewöhnlichen Steinen gegenüber, da sie besonders angefertigt
werden mussten, sehr theuer im Preise zu stehen kamen, und überdem sich
nicht bebauen liessen, was bei Wölbungen, wo Gräte vorkommen, absolut noth-
wendig ist.

*) Näheres folgt später bei den Hochbaukonstrukbionen des. E~3ells.


Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 211

Die Verwendung von Hohlsteinen in der Gestalt förmlicher Töpfe ist


besonders an den Grabgewölben der heiligen Helena, der Mutter des Kaisers
Konstantin, und bei der grossen Kuppel von St. Vitale zu Ravenna nachweis-
bar; bei letzterer besteht die 10,7 In im Durchmesser weite.Kuppel aus kleinen
an einer Seite geschlossenen Röhrenstücken , 'welche ineinander geschoben sind
und eine mächtige Spirale (wie dies die Fig. 281 nachweist) bilden; die Stärke
des Gewölbes setzt sich am Kämpfer aus drei übereinander liegenden Spiralen,
gegen den Scheitel zu aus zwei solchen zusammen, Fig. 282; während die
Hintermauerung mit hohlen Gefässen von der Form Fig. 283 ausgeführt ist,
sind an der' Kuppel der Grabeskirche der heiligen Helena bei Rom Töpfe
von der Form Fig. 284 angewendet. Eine ähnliche Gewölbeausführllng findet
sich an der Kirche St. Stephan, früher Tempel des Fauns, in Rom.

Fig. 281. Fig. 282.

Fig. 283. Fig. 284..

In neuerer Zeit, wo die Hohlsteine in den verschiedensten Formen, fabrik-


mässig ohne besonderen Kostenaufwand, hergestellt werden können, nimmt ihre
Verwendung zur Ausführung der Gewölbe immer grössere Dimensionen an,
und zwar mit Recht.
Was schliesslich die sogenannten G u s s g e w ö 1b e anbelangt, so hört
streng genommen bei diesen der Begriff der 'Wölbung auf. Wenn Gussgewölbe
auch meistentheils die Form der Gewölbe besitzen, so bilden sie doch nur eine
aus Steintrümmern und einem vorzüglichen Bindemittel hergestellte Steimlecke,
welche nach dem Austrocknen und Erhärten als eine einzige feste monolithe
Masseanzl1sehen ist. Ein Schub kann von solcher Decke gegen ihre vYi4er-
Iagsmanern nicht ausgeübt werden, solange die Masse ihren vollständigen Zu-
summenhalt behält. In neuester Zeit macht man virlfach von solchen' Guss-
14*
,212 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.

decken Anwendung, wie man denn ja auch vielfach das ganze Mauerwerk
unter Verwendunzo b
von vorzüalichen Portlandcementen .aus Beton herstellt, und
hierdurch, wie das bereits auf S. 69 des Näheren ausgeführt wurde, staunens-
werthe Resultate erzielt hat.

U e b e r die S tab i 1 i t ä t der Ge w ö 1 b e und der e n S t ü tz e n.

Die Stabilitätsuntersuchungen der Gewölbekonstruktionen bilden ein wichtiges


Kapitel der angewandten Mechanik und sind seit langer Zeit Gegenstand der
empirischen und theoretischen Forschungen der namhaftesten Techniker und
Baumeister gewesen, ohne dass ein Resultat erzielt worden wäre, das allen in
einem gegebenen Falle vorhandenen BedingUIlgen vollständig entspricht. Dies
gilt namentlich von den Gewölben des Hochbaues, für welche die eigentliche
Belastungsweise der Gewölbe (durch die zufälligen Lasten) in den meisten
Fällen von vornherein gar nicht gen au bekannt ist, WO ausserdem das Binde-
mittel, der Mörtel, eine Rolle spielt, die schwer in die theoretische U nter-
suchung einzuführen ist, und schliesslich eine Mannichfaltigkeit von Gewölben
auftritt, welche, nicht selten schwierig in ihren konstruktiven Details zu ent-
wickeln, noch grössere Schwierigkeiten einer erschöpfenden statischen Unter-
suchung bereiten. Anders gestaltet sich die Sache bei den Gewölben des
Ingenieurfaches : Die Form der auftretenden Gewölbe ist meistens eine sehr
einfache, der Steinschnitt der einzelnen Gewölbsteine so exakt, dass der Ein-
fluss des Mörtels mehr zurücktritt, und ausserdem sind die zufälligen oder Ve1'-
kehrslasten neben dem Eigengewicht der Konstruktion meistens genau bekannt.
Die jetzt zur statischen Untersuchung der Bögen und Gewölbe angewendeten
Methoden laufen auf die Zeichnung der sogenannten Stütz- oder Mit tel d r U c k s-
I in i e hinaus, welche als Res u 1 tat g e m a c h tel' A n nah m e n b e -
züglich des Angriffs und der Zusammensetzung der im
Bogen thätigen Kräfte erhalten wird und die gegenseitige
Einwirkung der einzelnen Elemente der Bogenkollstruktion
auf ein a 11 der g I' a p h i s c h ver ans c hau 1ich e n s o l l. vVenn auch die
daraus gewonnenen Resultate, da sie auf Voraussetzungen gründen, die der
Wirklichkeit vielfach nicht entsprechen, nicht unbedingt angenommen werden
können, so kann das Verfahren doch sehr gut dazu benutzt werden, für ein
in der Praxis vorliegendes Gewölbe, das erfahrungsgemäss unter den obwalten-
den Umständen haltbar ist, die Mitteldruckslinie zu zeichnen und hieraus in
später zu erörternder vVeise die Grösse des Widerlagerapparates zu bestimmen.
Die T h e 0 I' i e der S t ü t z I i nie soll hier nicht Gegenstand der Be-
trachtung sein; dieselbe ist in den zu diesem Werke als Ergänzung er-
schienenen "statischen Untersuchungen der Hochbaukonstruktionen von Dr. Witt-
mann'" sowie sonst vielfach in technischen Zeitschriften und Werken *) ent-
wickelt. Es sollen hier vielmehr nur einige Eigenschaften dieser Linie soweit

*) Schwedler, Theorie d, Stützlinie (Zeitschrift für Bauwesen 1859).


Dr. Scheffler, Theorie der Gewölbe etc.
Frauenholz, Steinkonstruktionen.
r v. Ott, Vorträge über Baumechanik.
Holzhey,,, " "
Dr. Heinz.erling : Theorie, Konstruktion u. statische Berechnung der Brücken-
gewölbe. Allgemeine Bauzeitung. Wien 1872.
ete. etc.
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 213

vorgetragen werden, als zur gr a p h i sc h e n Be h a n d I u n g der Stabilitäts-


untersuchungen einfacher Fälle von Bogel1- und Gewölbekollstruktionen noth-
wendig ist.

a) Das Tonnengewölbe.
Allgemeine Bedingungen des Gleichgewichts für sym-
met r i s ehe und s y m met I' i s c h bel a s t e t e G e w Ö 1 beb ö gen.

Der einfachste Fall einer Gewölbekonstruktion liegt vor , wenn ein Ge-
wölbe gegeben ist, dessen Mantel aus einem senkrechten Kreiscylinder mit
horizontaler Axe und gleich hohen Kämpferlinien besteht. Die Gesammt-
belastung des Gewölhe-s,' welche sich aus dem Eigengewicht der Konstruktion,
dem Gewichte der Hinterfüllung und den zufälligen Belastungen summirt , sei
symmetrisch zum Gewölbescheitel vertheilt. Bei der Untersuchung wird der
Einfluss des Bindemittels der Einfachheit wegen vernachlässigt und eine gegen-
seitige Einwirkung der Steine nur durch Reibung angenommen; ferner wird
das Gewölbematerial als absolut fest und unpressbar vorausgesetzt. Wegen der
Kongruenz der beiden Gewölbeschenkel kann sich dann die Betrachtung auf
die eine Hälfte beschränken und zwar auf einen Querschnitt senkrecht zur Axe
des Gewölbes.
Es sei (in Fig. 285) ABCD die zu untersuchende Bogenhälfte , die
durch Ebenen senkrecht zur Wölblinie in eine Anzahl Steine getheilt ist. Die

n H-----"--;~~.
Fig. 285a.

Fig. 285.

gesammte Belastung denke man sich durch eine auf den Gewölberücken auf-
gelagerte Masse ersetzt, welche gleiches spezifisches Gewicht mit dem Bogen-
material hat. Die Tiefe des Gewölbes, d, h. die Dimension desselben in der
Richtung der Gewölbeaxe, werde gleich der Einheit gesetzt. Es entspricht
dann der Belastung des Gewölbeschenkels ein Steinprisma, 'dessen Länge = 1
und dessen Profil so zu bestimmen ist, dass das Gewicht des Prismas gleich
der auf den Bogen wirkenden Belastung ist. Die obere Begrenzung E}i' des-
selben heisst dann die auf das Gewölbematerial reduzirte Bel ast u n g s l in i e.
Um für den. Gewölbeschenkel ABC D die Bedingungen des Gleich-
gewichts zu erhalten , setzt man denselben ins freie Gleichgewicht , d. h, man
214 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.

bringt die Einwirkungen der abgetrennten Theile (des Widerlagers und des
symmetrischen Schenkels A B CI DI) als äussere Kräfte Rn und H an und
bringt diese mit den vorhandenen äusseren Belastnngskräften ins Gleichgewicht.
Die Einwirkung der durch den Vertikalschnitt F FI abgetrennten rechten Ge-
wölbehälfte auf die zu betrachtende ist eine horizontale Kraft H im Scheitel,
deren Angriffspunkt ao vorläufig noch beliebig ist. Die Reaktion Rn des
vV-iderlagers greife im Punkte an an und sei nach der horizontalen und verti-
kalen Richtung in die Komponenten HI und pi zerlegt. Dieäusseren Kräfte
repräsentirt die Kraft P, welche durch den Schwerpunkt der ganzen Gewölbe-
hälfte geht und das Gewicht derselbenincl. Belastung bedeutet. Sollen nun
die drei Kräfte: P, H und Rn im Gleichgewicht sein, so müssen sich ihre
Richtungen in einem und demselben Punkte (nt) schneiden. Die Gleich-
gewichtsgleichungen beschränken sich in diesem Falle, da alle Kräfte in einer
Ebene liegen, bekanntlich auf zwei Projektionsgleichungen :
P - PI=Ü,
H-HI=O
und auf die Momentengleichung (für elen Punkt an der Kämpferfuge)
P.p-H.h=O
und ergeben, dass zur Erhaltung des Gleichgewichts die vertikale Auflager-
reaktion des Widerlagers gleich dem Gewichte der Bogenhälfte zu sein hat,
sowie dass die horizontale Kraft im Scheitel gleich sein muss der horizontalen
Komponente der Kraft RIl' Diese Kraft H heisst der H 0 I' i z 0 n tal s c hub
des Gewölbes und ist, wie man sich durch wiederholtes Abtrennen von Bogen-
theilen überzeugen kann, fü I' den ga n zen Bog e n k 0 n s ta n t, Die
Grösse derselben ergiebt sich aus der Momentengleichung zu
p
1-1 = P. -y;;'
In dieser Gleichung ist nur die Grösse P (das Gewicht· des halben Bogens)
in einem bestimmten Falle gegeben; d e I' Ho I' i z 0 TI tal s c h ub des G e -
w 1 b e s 1 ä s s t s i eh s 0 mit a u s den G 1 ei c h g e wie h t s g lei e h u n gen
ö

nie h t voll s t ä nd i g b es tim m e n; die Hebelarme p und h sind im all-


gemeinen unbekannt, und von ihrer jeweiligen Annahme hängt ausser dem An-
griffspunkt auch die Grösse des gegen die Seheitelfuge wirkenden Horizontal-
schubes ab.
Sind nun P1 , P z ' Ps .... ~1 die Gewichte der Wölbsteine und der auf
sie treffenden Belastung, welche durch die Schwerpunkte der betreffenden La-
mellen gehen, so erhält man den Angriff gegen die dem Scheitel zunächst
gelegene. Fuge aß, wenn man den Schub H in b1 mit dem Gewichte P1 der:
ersten Lamelle zu einer Mittelkraft R I vereinigt; den Angriff gegen die }fuge
y 0, wenn man diese Resultante B 1 in b2 mit den Gewichte P2 der zweiten
Lamelle zu einer Resultante R 2 zusammensetzt und so fortfährt, bis alle Einzel-
kräfte P1 bis Pu erschöpft sind. Die Einwirkung Rn gegen die Kämpferfuge
CD entspricht dann der Mittelkraft aus H- und den sämmtlichen Einzolgewichten
Pi bis e;
Die Vereinigung dieser Kräfte: 1I, P1' P2 • • • • ~1 zur Resultirenden
Rn geschieht auf graphischem VVege durch Zeichnung eines Kr ft e - und Sei1-
ä

p cl yg ons. Das Kräftepolygon erhält man, wenn man den Horizontalschub 11


in einem beliebig zu wählenden Massstab von irgend einem Punkte u (Fig. 285a)
Arbeiten c1es Rohbaues (Gewölbe). 215

aus nach Grösse und Richtung aufträgt und an den Endpunkt 0 desselben die
Gewichte Pi bis ~1 anfügt, so dass also 0 1 dem Gewichte der ersten La-
melle, 1 2 dem der zweiten etc. entspricht. Das auf diese vVeise erhaltene
Kräftepolygon ~t 0 1 2 ... n giebt in der Verbindungslinie tb n die Richtung
und Grösse der Resultirenclen aus allen Kräften.
Für die Zeichnung des Seilpolygons legt man den Pol desselben am VOl'-
theilhaftesten in den Anfangspunkt tu der Horizontalkraft , weil dann die von
diesem Pol aus gezogenen Strahlen u 1, UJ 2 ... u n , zu welchen die Seiten
des Polygons parallel sind, mit den Mittelkräften der jeweiligen durch den
Strahl unterspannten Einzelkräfte zusammenfallen. Um das Seilpolygon selbst
zu erhalten, zieht man durch den angenommenen Angriffspunkt Clo des Hori-
zontalschubs die Horizontale ao bi parallel mit 'u 0, die Seite bi b2 parallel zum
Strahl ~(1, b2 b3 1\ tb 2 ete. und die letzte durch (tn gehende Seite parallel zur
Schlussseite ttn des Kräftepolygons. Die Angriffspunkte der Mittelkräfte
Ru R 2 • • • • Rn auf den Gewölbefugen : a l l a2 • • • an geben dann verbunden
im allgemeinen ein Polygon, für unendlich dünne Wölbschichten aber eine
stetige Kurve, welche man die S t ü t z 1 i nie des G e w öl b es nennt.
Aus vorstehender Konstruktion ist ersichtlich, dass die Stützlinie für
einen gegebenen Bogen gezeichnet werden kann, sobald von ihr drei Punkte
a m ao, an' gegeben sind. .
Der Werth der Stützlinie für die statische Untersuchung der Bögen und
Gewölbe ergiebt sich nun aus der Erwägung, dass ein Körper, der mit seiner
Unterlage nur durch Reibung verbunden. ist und
von einer Kraft R (Fig. 286) in schräger Richtung
angegriffen wird, nur so lange gegen U mkanten
um eine Kante a gesichert ist, als die Richtung
der Kraft R seine Unterlagsfläche noch durch-
schneidet, und ein Verschieben auf der Unterlage
nur' dann eintreten kann, wenn der Winkel («)
der Kraft R mit der Normalen zur Stützfläche
grässer als der Reibungswinkel ist.
Wendet man dies auf die Aufeinanderfolge
der Kräfte R im Bogen an, so ist klar, dass das Fig. 286.
Gewölbe gegen Umkanten und Gleiten seiner ein-
zelnen Steine gesichert ist, wenn die Angriffspunkte ao, al' a~ .. an der Mittel-
kräfte R i , R 2 • • • • Rn auf den jeweiligen Lagerfugen des Gewölbes innerhalb der
Gewölbedicke liegen und die Richtungen b, b2 , b2 bg • • • bn - 1 b« dieser Angriffe
mit den Normalen zu den Fugen keine grösseren Winkel als den zulässigen
Reibungswinkel einschliessen. Da die Stützlinie der geometrische Ort für die
Angriffspunkte auf den Gewölbefugen ist, so lässt sich die erste Bedingung
auch so aussprechen, das s die S t ü tz 1 i nie in n e r h a l b der G e w Ö 1 b e -
r ä n der ZU ver 1 a uf e n hab e.
Wie. man aus Fig. 285 ersehen kann, wird in den meisten Fällen die
durch obige Definition erhaltene Stützlinie ao ' ai • • • an mit dem Seilpolygon
ao bi b2 • • • bn sehr nahe zusammenfallen, namentlich bei flachen Gewölben und
in jenen Fällen , wo die beiden Polygone der Bogenmittellinie ziemlich nahe
kominen. Man beschränkt sich deshalb häufig darauf, nur das Seilpolygon zu
zeichnen und der statischen Untersuchung zu Grunde zu legen (Fig. 287 S. -216).
Diese an Stelle der Stützlinie eingeführte Gleichgewichtskurve heisst die
Mit tel d r uc k s 1i TI i e des G e w Ö 1b es, weil die Mittelkräfte BI' B2 • • Rn
des Kräfteplans in den zu diesen Strahlen parallelen Polygonsseiten liegen.
216 L Maurer- und Steinl1letzaY~Jeiten.

Da aber der Verlauf dieser Kurve lediglich durch die Aufeinanderfolge der
Gewichte P, wellIger durch die Richtung der Gewölbefugen bedingt ist und

Fig. 287.

für die Gewinnung der letzten Mittelkraft Rn (Einwirkung auf das Wider-
lager) die Art der Zertheilung des Gesal1lmtgewichts P in die einzelnen La-
mellengewichte gleichgiltig ist, so kann man der Einfachheit halber statt der
radialen Lamellen (Gewölbesteine) ver t i k a l e S t r e i fe n annehmen und aus
den Gewichten derselben und einem angenommenen Horizontalschub die
Mit tel d r u c k sI i nie konstruiren.
Diese Konstruktion ist in Fig. 288 dargestellt. ABCD ist die Hälfte
eines gegebenen Bogens oder 'Tonnengewölbes, für welche eine durch die

Fig', 288a.
1[,

Fig. 288. Fig. 288b.

Punkte a und b gehende Mitteldruckslinie gezeichnet werdenresoll. Die auf


das Gewölbematerial reduzirte Belastung sei durch die Fläche A OE F dar-
gestellt. Der Bogen einschliesslich der Belastung sei durch eine Anzahl verti-
kaler Ebenen I 1', II II', IIIIU'..... in eine Anzalil Lamellen, hier
sechs, eingetheilt, deren gleiche Breite man so b~el1lisst, dass man die obere
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 217

und untere Begrenzung der Vertikalkstreifen als gerade Linien, die Lamellen
mithin als Trapeze ansehen kann, olme einen grossen Fehler zu begehen. Die
Gewichte Pl bis Po dieser Lamellen sind dann den Mittellinien dieser Trapeze
proportional. Man darf also nur diese Stücke oder aliquote Theile derselben (wozu
man sich geeignet eines Reduktionsdreieckes nach Fig. 288b (S. 216) bedienen
kann) in den Kräfteplan eintragen, um in diesen Stücken 0 1, 1 2 ... 5 6 die
graphische Darstellung der einzelnen Lamellengewichte zu erhalten. Durch
eine einfache Rechnung lässt sich dann, wenn nöthig, der dem Kräfteplan zu
Grunde liegende Mass stab leicht finden. Um ferner die Grösse des Horizontal-
schubs , welcher in a die Scheitelfuge angreift, auf graphischem vVege zu er-
halten, ist es nöthig, vorerst das in der Schwerlinie der ganzen Gewälbehälfte
liegende Gesammtgewicht P, also die Mittelkraft aus den Gewichten .P1 bis
P6 der Lage nach zu bestimmen. Dies geschieht durch Zeichnung eines Seil-
polygons aus dem beliebigen Pol u' über den Kräften P 1 • • • • • • Po' Verlängert
man dann die erste und letzte Seite dieses Polygons bis zum Schnittpunkt n, so
ist damit ein Punkt der Schwerlinie der ganzen Bogenhälfte einschliesslich deren
Belastung und damit die Lage der Kraft P gefunden. Da nun von dem gesuchten
Seilpolygone (Mitteldruckslinie) die Lage der ersten Seite '(durch den Angriffs-
punkt Cl des Horizontalschubs) und damit der Schnittpunkt m gegeben ist, .so darf
man nur m mit b verbinden, um auch die Richtung und Lage der letzten Polygons-
seite der gesuchten Mitteldruckslinie zu erhalten. Zieht man nun durch den
Endpunkt 6 des Kräfteplans zu bm die Parallele 6 1;l , so schneidet diese auf
der Horizontalen 01;l die Grösse der Horizontalkraft H ab. Die aus dem
Pol u mit u 0 als Horizontalschub konstruirte Mitteldruckslinie geht durch die
Punkte Cl und b und ist somit die gesuchte Gleichgewichtskurve.
Mit Rücksicht auf das Gleichgewicht des Bogens hat nun die Mitteldrucks-
linie dieselben Bedingungen zu erfüllen, welche oben für die Stützlinie auf-
gestellt worden sind i es m)lss nämlich:
1. Die Mitteldruqkslinie ganz innerhalb der Gewölbe-
I' ä n der I i e g e ri c i " .
2. darf an keiner Stelle des Bogens die Ab w ei c h u n g der I' e s u 1-
t i r e n d e n Einwirkung von der Normalen zur Fugenfläche
gr ö s s e r als der R ei b u n g s w i n k e 1 sei n.
Ist es für ein Gewölbe nicht möglich, die letzte Bedingung zu erfüllen,
so ist dessen Stabilität anzuzweifeln, weil bei dem möglichen Abgleiten und
Herausfallen einzelner Steine ein Zusammenbruch der ganzen Konstruktion zu
befürchten wäre. Da aber die Reibung zwischen den einzelnen Steinschichten
in allen Fällen eine sehr beträchtliche ist
und die zulässige Grösse des Abweichungs-
oder Reibungswinkels bei doppelter Sicher-
heit noch zu 17 0 angenommen werden
kann, so ist ersichtlich, dass in den
meisten Fällen das G 1 e ich g e w ich t
ge gen G 1e i t e n der Steine vorhanden
sein wird; weshalb in der Regel nur die
Untersuchung des Gewölbes
ge g e n K an te n der Steine übrig bleiben Fig. 289.
wird.
Das Gleichgewicht gegen Drehen der Gewölbestücke ist aber nach Obigem
erhalten, wenn die Linie des Druckes an keiner Stelle die Gewölberänder ver-
lässt. An den Stellen , wo die Mitteldruckslinie die Gewölbe-Mantelfläeh« be-
218 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.

rührt oder durchschneidet, liegen die BI' e c h u n g s fu gen des Gewölbes, und
tritt das Oeffnen der Fugen natürlich immer an der dem Berührungspunkte
entgegengesetzten Seite ein (Fig. 289 S. 217).
Tritt die Mitteldruckslinie an irgend einer Stelle aus dem Gewölbemantel
heraus, so sucht man durch Aenderung des Angriffs der Horizontalkraft oder
des Drehpunktes an der Kämpferfuge, oder beider Punkte zugleich eine andere
Kurve zu erhalten, welche den gestellten Anforderungen genügt. Je nach der
Lage der beiden Punkte ergeben sich verschiedene mögliche Werthe des Hori-
zcntalschubs, deren Grenzwerthe sich leicht bestimmen lassen. Nach der früher
erhaltenen Gleichung für den Horizontalscliub:

H=p.L
h
erhält man, nämlich ein M a x i !TI U m des S c hub es, wenn bei gegebener
Anordnung des Gewölbes p seinen grössten und h seinen kleinsten Werth t

hat (siehe Fig. 290); also wenn H im Scheitel (B) der inneren Gewölbe-
fläche angreift und der Drehpunkt C an dem äussern Punkt C der Wider-
lagerfnge liegt. Der hierbei erhaltene Horizontalschub ist durch tlO im Kräfte-
plan, Fig. 290a, bestimmt; die zugehörige Drucklinie ist das Polygon B C.
Fig. 290a.

Fig. 290.

Dagegen erhält man das M in i m u m der H 0 r i z 0 n tal kr a f t , wenn


p seinen kleinsten und h. seinen grösstmöglichen vVerth erreicht; d. h. wenn
die Mitteldruckslinie durch die Punkte A und D geht und sonst ganz
innerhalb der Gewölbdicke verläuft. Bei der in Fig. 290 gegebenen Anlage
kommen für den Verlauf der Mitteldruckslinie des kleinsten Horizontalschubs
blos die Lamellen 1 bis 4 in Betracht; durch Hinzutreten der 5. Lamelle
rückt der Angriffspunkt der letzten Mittelkraft auf der Widerlagerfuge von D
nach D'. Der für A D erhaltene Horizontalschub tl' 0 ist aber hier deswegen
.das zulässige Minimum, weil für einen näher an D liegenden Drehpunkt (als
es der Punkt D' ist) die Mitteldruckslinie die Gewölberänder verlassen würde.
Zwischen den beiden Grenzen 1lJ 0 und u' 0 liegen also die Werthe der
Horizontalkraft für alle möglichen Drucklinien. Ver I u ft von all e n
ä

diesen nur eine ganz innerhalb des GewÖlbes, so ist die


S t a b i 1 i t ä t des s e l ben als g e sie her t zu er ach t e n.
Es ist hierbei vorausgesetzt, dass als geometrischer Ort des Angriffs der
im Bogen thätigen Druckkräfte die ganze an der treffenden Stelle liegende
JTuge angesehen werden kann, so dass also die Drucklinie in den Prechungs-
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 219

punkten die innere oder äussere'Mantelfläche des Gewölbes berühren kann. ~s


ist dies nun praktisch nicht ganz zulässig, da eine Kante eines Körpers me-
mals einen Druck bestimmter Grösse aufnehmen kann. Andrerseits ist aber
auch eine andere gemachte Voraussetzung, nämlich die unpressbaren Materials
im Hochbau niemals erfüllt. Vielmehr ist hier immer wegen der grossen Zahl
der Mörtelbänder eine geringe Be\vegung der Gewölbekonstruktionen, veranlasst
durch ein Sich setzen der Mauerwerkskörper vorhanden. Diese Bewegung wird
aber namentlich auch dann eintreten, wenn die Drucklinie an irgend einer
Stelle den Gewölberand berührt; durch eine Kompression des Gewölbematerials,
begleitet von einer geringen Veränderung (Verkürzung) der Bogenform , wird
es dann möglich werden, dass der am Brechungspunkt herrschende Druck sich
auf eine zwar kleine. aber doch hinreichende Fläche vertheilt.
Mit Rücksicht 'auf diese Druckvertheilung hat man sehr häufig die An-
nahm~ gemacht, dass. der Angriff des Druckes in den Bruchfugen um 1/3 der
Fugenhöhe vom Rande abstehe (Fig. 291).
In diesem Fallevertheilt sich der Druck
auf die ganze Fuge ab, ist in dem weiter
vom Druckmittelpunkt entfernten Endpunkte c
R
b = 0, am entgegengesetzten Ca) aber doppelt
so gross, als bei gleichmässiger Verbreitung
der Kraft R .über die Fugenfläche ab.
Hierdurch wird zu gleicher Zeit die Un-
bestimmtheit in der Wahl des Angriffs- und
.Drehpunkts der Stützlinie insofern etwas
vermindert, als nun die Lage dieser Punkte
durch den "C e nt I' a l k e r n " der Fugen-
flächen in engere Grenzen eingeschlossen
ist. Die Stützlinie verläuft dabei ganz Fig. 291.
innerhalb des inneren Drittels des Bogen-
querschnitts, innerhalb der "K ern I' ä n der". (N a v i er 'sehe T h e 0 I' i e.)
Es ist im Folgenden diese Theorie deswegen nicht beibehalten worden,
weil. ihre Resultate durch die Erfahrung nirgends bestätigt werden und sich
als Grundlagen für Anordnungen von Hochbaukonstruktionen durchgängig zu
gross erweisen.

Lage der Stütz- oder Mitteldruckslinie 1111 Innern der Gewölbe,

Sind für einen Bogen mehrere Stützlinien möglich, die alle ganz im Ge-
wölbe-Irmern verlaufen, so entsteht die für die statische Beurtheilung der Kon-
struktion höchst wichtige Frage, welche von allen möglichen Drucklinien
die wirklich thätige sei. Diese Frage lässt sich aber, da die Lage des
Horizontalschubs aus den Gleiche:ewichtsbedinO'uno'en
U Cl b
nicht bestimmt werden
kann, auf bloss theoretischem vVege nicht beantworten. Der jeweilige Verlauf
der wirklich stattfindenden Gleichgewichtslinie ist vielmehr von einer Menge
rein "praktischer und zufälliger Umstände (Bearbeitung der Wölbsteine, Qualität
des Mörtels, Ausrüsten etc.] bedingt, also in jedem speziellen Fall verschieden.
Direkte Beobachtungen an ausgeführten (Brücken-)Gewölben, wie sie neuer-
dings von französischen Ingenieuren angestellt wurden *) , leiten zu einer
D ru c k 1i nie hin, w e l o h e i m S c h e i tel s 0 W 0 h 1 als 1 n den

*) Siehe "Zeitschrift für Baukunc1e" 1878. Eefb 2. S. 318.


220 I. . Maurer- und Steinmetzarbeiten.

Brechungsfugen sich den Gewölberänclern zu nähern sucht;


und zwar liegt der Angriffspunkt der Horizontalkraft im Scheitel, wie aus
dem Klaffen der Scheitelfugen nach innen geschlossen werden kann, zwischen
dem äussern Gewölberand und dem obern Drittel der Schlusssteinhöhe.
S c h e f fl e I' bezeichnet diej enige Drucklinie als die wahrscheinlich statt-
findende, welche unter allen möglichen den kleinsten Horizontalschub erfordert.
Einen ähnlichen Verlauf der Stützlinie , wie eben angegeben, erhält man
auch durch die statische Untersuchung eines Gewölbebogens, der sich, nach
Rondelet, an der Grenze des Gleichgewichts befindet. Rondelet giebt nämlich
in seiner "Kunst zu bauen" im 9. Buche eine Anzahl "Bemerkungen über die
Art, wie die Gewölbesteine wirken, um sich zu unterstützen", von denen die
20. heisst:
"Ein überall zu gleicher Dicke abgeglichenes Gewölbe im vollen Bogen,
das in vier gleiche Theile getheilt ist, kann sich nicht tragen, wenn seine
Dicke weniger als den achtzehnten Theil seines Durchmessers beträgt, wie gross
auch der Widerstand der Widerlager sein mag" etc. . .. Hierbei setzt er ein
Hausteingewölbe voraus, dessen einzelne Theile ohne Bindemittel aneinander
gefiigt sind. Die statische Untersuchung dieses Bogens ist auf Tafel XXVII
in Fig. 1 dargestellt. Die konstante Gewölbestärke AB = 0 D ist zu 1/18 des
Durchmessers angenommen und der Bogen durch radiale Ebenen in 10 Lamellen
getheilt. Die Gewichte dieser Lamellen sind alle einander gleich und im
Kräfteplan durch die Stücke 0 1, 1 2, 2 3 . . . . 9 10 dargestellt. Für die
Zeichnung der Stützlinie ist zuerst auf bekannte Weise , durch Zeichnung des
Seilpolygons 0', I', 11' ... XI' (Pol 'Uo) die Lage des Gesammtgewichts P
ermittelt worden. Eine für die Punkte Bund C gezeichnete Mitteldruckslinie
liegt nur mit ihrem oberen Theile in der Gewölbedicke, und verlässt in ihrem
unteren Theil den Bogen, ein Beweis? dass der ihr zu Grunde liegende Hori-
zontalschub U'1 0, den man erhält, wenn man durch den Endpunkt 10 des
Kräfteplans eine Parallele zu C m zieht , zu klein ist. Soll nun diese Linie
eine mögliche Drucklinie des Gewölbes werden, so muss der weitest vom
innern Gewölberand entfernte Punkt «, noch auf der inhcl'nGewöltJefläche
in atj liegen; es muss also a6 'In1 die Richtung der Seilpolygonsseite V VI
oder des Strahles 5 t~ sein; dieser schneidet auf der Horizontalen die Grösse
des definitiven Horizontalschubs u 0 ab. Die neue Stützlinie geht durch den
Scheitelpunkt 0, berührt im Brechungspunkt a6 die innere Wölblinie und
geht in ihrem untern Theile durch den ällssernPunkt D der Kämpferfuge ;
liegt also gerade noch innerhalb der Gewölberänder. Der Verlauf dieser Druck-
linie bestätigt also die Ronclelet' sche Angabe, dass der vorliegende Bogen sich
in der Grenzlage des Gleichgewichts befindet. Die Stützlinie Baß D ist aber, da
sie die ein z i g e m ö g 1 ich e ist, zugleich die wir k 1ich i m Bog e n t h ä ti g e
GI ei c h g e wie h t s k u r v e. Es ist damit bewiesen, das s die D I' u c k -
mit tel P u 1.\ k t e in den BI' e c h u n g S f u gen bis an die G e wölbe -
r ä n der r c k e n k ö n n e n , ohne dass die Stabilität des Gewölbes gefährdet
ü

ist. Vergleicht man mit dem soeben gefundenen Resultat eine andere Be-
merkung Rondelet's: 9. Buch, S. 255, NI'. 14: "Sind die Widerlager zu
schwach, als dass sie den Wirkungen der Gewölbesteine widerstehen könnten,
so vereinigen sich .gleiohsam mehrere Steine und bilden nur eine Masse, welche
sich um ßen Punkt zu drehen strebt, der demjenigen entgegengesetzt ist, wo
sich die Fuge öffnet" " so ist . leicht einzusehen./ dass der hieraenannte ' 0
Drehungspunkt kein anderer als der Punkt aij der inn '.'n Wölblinie )ist. Eine
ähnliche Bewegung, wie bei einem Zurückweichen der vVic1erlager, tritt im
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 221

Gewölbe aber immer auch nach dem Losschlagen des Lehrgerüstes, bei dem
Sichsetzen des Gewölbes ein. Die S t ü tz I in i e des G e w ö 1b e s wir d
als 0 in al l e n Fäll e n ei ne n Pu n k t mi t der in n er n Ge w öl be-
fl ä eh e ge m ein hab e n. Erstreckt sich der Bogen nur auf den oberhalb
dieses Brechungspunktes .liegenden Theil (B (tB Fig. 1 Tafel XXVII), so geht
die Stützlinie offenbar immer durch ßen innern Punkt der Kämpferfuge. Diese
Gesichtspunkte sind auch im Folgenden den Konstruktionen der Stützlinie zu
Grunde gelegt.
Die Lag e der BI' u c h fu ge (aB Fig. 1 Tafel XXVII) kann Inan ausser
in der vorhin angegebenen vVeise mit Hülfe eines provisorischen Seilpolygons
auch direkt bestimmen, sobald man über die Lage der Horizontalkraft eine
Annahme gemacht hat. Es muss offenbar im Brechungspunkte die Resultante
aus dieser Kraft und dem Gewichte des oberhalb der Brechungsfuge liegenden
Gewölbestückes die innere Gewölbelinie tangiren. Man erhält also die Lage
des Brechungspunktes, wenn man sich aus dem Seilpolygon (0, 1, 11. . . VIII,
Fig. 292), das über den Einzelkräften konstruirt ist, die Lage der Gewichte

m
I

Fig. 292.

PI-2, PI-3 ••• PI-7 auf die bekannte vVeise verschafft und dann nachsieht,
bei welcher Fuge die Tangente zur innern Gewölbelinie durch den Schnitt der
Horizontalkraft und der jener. Fuge entsprechenden Gewichtsresultante geht.
In Fig. 292 ist dies ungefähr bei der Fuge e fder Fall. Die durch m ge-
zogene Tangente zur innern Wölblinie berührt genauer im Punkte g. Es ist
also hier mg die Richtung der Seite V VI des definitiven Seilpolygons , zu
welcher der Strahl 5 '/;{ parallel ist. °
Die mit dem Horizontalschub 'U ge-
zeidmete Stützlinie geht dann bei hinreichend genauer Zeichnung durch den
Bl'echungspunkt f. .
222 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.

B e s tim m U TI g d erG e w Ö1b e s t ä r k e.

Ausser den allgemeinen statischen Rücksichten bezüglich des Gleich-


gewichts sind für ein zur Ausführung bestimmtes Gewölbe noch wohl ins Auge
zu fassen die Grössen der in den einzelnen Fugen herrschenden Pressungen,
welche vom Scheitel gegen den Kämpfer hin wachsen und deren bezügliche
Grössen aus dem Kräfteplan entnommen werden können. Diese Kräfte be-
anspruchen das Gewölbematerial nach seiner absoluten Festigkeit und bedingen,
um einer Zerstörung desselben vorzubeugen, eine geeignete Stärke des Gewölbes.
Obwohl nun in den meisten Fällen schon die Sicherheit des Gewölbes
gegen Umkanten, oder die Aufnahme der Drucklinie innerhalb der Gewölbe-
ränder eine so grosse Stärke der Gewölbe bedingen ·wiTc1, dass ein Zerdrücken
des Materials nicht zu befürchten ist, so können doch einzelne Fälle eine
spezielle Bestimmung der Gewölbestärke verlangen. bies kann jedoch nur
auf r ein e m p i r i s ehe m Weg e -geschehen, da die Art und Weise der
Druckvertheilung in den einzelnen Gewölbeschichten theoretisch nicht festgestellt
werden kann. Während in einzelnen Querschnitten, da, wo sich die Druck-
linie in der Mitte der Gewölbedicke bewegt, eine ziemlich gleichförmige Ver-
theilung des Druckes stattfinden wird, konzentrirt sich dagegen der Druck in den
Bruchfugen auf einen ziemlich kleinen Theil derselben und veranlasst daselbst eine
ungemein starke Beanspruchung des Materials. Es ist deshalb auch in blosser
Rücksicht auf die Druckvertheilung wenig empfehlenswerth, die Gewölbestärke
gegen den Kämpfer hin anwachsen zu lassen, vorausgesetzt, dass dies nicht
aus statischen Rücksichten, zur bessern Unterbringung der Drucklinie erforder-
lich ist, weil eine solche Vermehrung der Gewölbedicke nur eine stärkere
Pressung in den Bruchfugen verursachen würde. Für die Gewölbekonstruktionen
des Hochbaues lässt sich deren erforderliche Stärke wohl für alle Fälle aus
den Erfahrungen einer mehr als anderthalbtausendjährigen Gewölbepraxis, welche
in zahlreichen Tabellen und empirischen Formeln niedergelegt sind, entnehmen.
Einige Angaben sollen auch hier folgen:
Ra n kin e giebt für die Schlusssteinhöhe kreisförmiger Gewölbe die Formel-
d = 0,346 y-r:-
und für gedrückte (Korb-)Bögen :
d = 0,412 j/-r:-
an, wobei r den Radius der innern Leibüngsfläehe Im Scheitel bedeutet.
D u P u i t nimmt für eine Spannweite s die konstante Gewölbestärke für
halbkreisförmige und elliptische Gewölbe d = 0,20 j/~
S egmen tgewölbe d = 0,15 ylS;
L e s q u i 11 er nimmt

d = 0,2 Jls+ 0,1 man.


Diese Formeln gelten hauptsächlich nur für stark belastete (Brücken-)
Gewölbe. aus Hausteinen.
R 0 TI cl eIe t giebt im dritten I:nche seiner "Kunst zu 'bauen" eine Tabelle
fi die kleinste Dicke kreisförmijcr oder elliptische:' GE?1ölbe, gemessen in der
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 223

Mitte des Schlusssteins, für Spannweiten von 1 bis 40 m (3' bis 120' par.)
und zwar
für stark belastete Gewölbe (Brücken),
für "mittlere~' Gewölbe (welche Fussböden bilden),
und für "leichte" Gewölbe (welche nichts zu tragen haben).
Man erhält die in dieser Tabelle niedergelegten Dimensionen, wenn man
für die Scheitelstärke der Brückengewölbe I.' plus so viel halben Zollen, als die
Spannweite Fusse enthält, ansetzt, und für mittlere Gewölbe die Hälfte, für
die leichten ein Viertel dieser Dimensionen annimmt. Hierbei sind (Hau-)
Steine von mittlerer Härte angenommen "und es ist vorausgesetzt, dass die Dicke
vom Schlussstein an bis in die Gegend, wo das Gewölbe von den Wider-
lagern abweicht, dergestalt zunimmt, dass sie hier das Doppelte ist".
. Für Ba c k s t ein ge w I be giebt Rondelet an anderer Stelle (9. Buch)
ö

folgende Resultate an:


"Ich habe gefunden, dass die geringste Dicke, welche man einem zu
gleicher Dicke abgeglichenen Bogen geben kann, damit er sich noch trage, nicht
weniger als den fünfzigsten Theil des Halbmessers betragen darf.
Da indessen die Steine und Backsteine, welche man zu Gewölben ver-
wendet, niemals so vollkommen sind, als es die Theorie voraussetzt, so kann
man die geringste Dicke der Tonnengewölbe von 9 bis 15 Fuss Halbmesser
auf 4 Zoll setzen; . . . bei weichen Steinen dagegen kann man 5 Zoll an-
nehmen und diese Dicke von der Mitte des Schlusssteins bis in die Gegend
zunehmen lassen, wo sich der Rücken von den Widerlagern trennt. Sind aber
die Gewölbewinkel bis in die mit N bezeichnete Gegend (Fig. 293) ausgefüllt,

Fig. 293.

so findet man, dass diese Dicke beim gothischen Bogen nur 1/


143 , und bei
Gewölben im vollen Zirkel l!Bo des Radius zu sein braucht.
Für gedrückte, aus einem einzigen Kreisbogen bestehende Gewölbe nimmt
man zur geringsten Dicke den fünften Theil der Höhe des Bogens K G, oder
des Sinusveraus der Hälfte dieses Bogens. Diese letzte Regel ist auch auf
224 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.

gothische Gewölbe und alle Arten von Tonnengewölben anwendbar. Das auf
diese Weise erhaltene Resultat vermehrt man bei Gewölben,' die mit Gyps ge-
mauert sind, noch um 1 Linie auf den Längenfuss oder um I/I H. der Sehne
]( G des abgeglichenen Theils.
Für Gewölbe mit Mörtel gel~auert, fügt man 1/9 6 zu jenem Resultat, und
1/ 7 2 für Gewölbe in weichen Hansteinen, die keine Last zu tragen haben.
Diese Dicke nimmt von der Mitte des Schlusssteins bis zu dem Punkt N zu,
wo sich das Gewölbe von. den Gewölbewinkeln trennt, und hier ist sie ein-
und einhalbmal so gross, als sie für die Mitte des Schlusssteins gefunden wurde.
Auf diese vVeise wurde die Dicke aller in Stein ausgeführten Tonnengewölbe
der Genovevenkirche geregelt.
Die Kreuz - und Klostergewölbe , sowie die sphärischen von gleichem
Durchmesser mit Tonnengewölben können eine geringere Dicke erhalten; man
braucht also das Resultat, das ihrem Profil entspricht, nicht, wie soeben ge-
schehen ist, zu vermehren."
Ferner giebt Rondelet eine Tab e l l e, w e l c h e d i e Die k e d e r a m
meisten gebräuchlichen Tonnengewölbe im vollen Zirkel,
sowie ihrer ·Widerlager von 4 m bis 42,5 m (12' bis 130' p a r.)
e nt h ä 1 t und sich, wie er sagt, zur unmittelbaren Anwendung für die Praxis
eignet. Es ist dabei zugleich auf drei verschiedene Anordnungen Rücksicht
genommen, unter denen diese Gewölbegew1ihnlich vorkommen, nämlich:
1. mit horizontal abgeglichenem Rücken, um Fussböden zu bilden;
2. mit zur Hälfte horizontalem Rücken und die andere Hälfte von gleicher
Dicke;
3. zur Hälfte abgeglichen und die andere Hälfte von ungleicher Dicke; für
Gewölbe, die keine Fussböden über sich haben, wie die der Kirchen
und andrer grosser Gebäude.
Die Dimensionen, welche die Tabelle für diese Fälle giebt, erhält man In
Spannweiten ausgedrückt, wenn man für die Gewölbestärke im Scheitel
bei 1. 1/4 8 der Spannweite (Fig. 294),
" 2. ]/36" " (Fig. 295),
" 3. 1/4 8 " " und 1/4 8 , 3/2 - 1/3 2 für die Stärke an der Hinter-
mauerung (Fig. 296) setzt.

Fig. 294. Fig. 295. Fig. 296.

Bei Gewölben des Hochbaues hat man es sehen mit sehr grossen Spann-
Yis~t;en und eben so selten mir einem anderen M[it8~ial als Backstein zu thun ;
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 225

dieses erlaubt keine kleineren U nterschiede in den Gewölbestärken als die


Backsteinbreite, und man wird daher meistens 1/2 oder 1 Stein starke Gewölbe
auszuführen 'haben. Für die am meisten vorkommenden Gewölbe, die Fuss-
böden zu tragen haben, wird man, M a t e r i alu n dAr bei t mit t el gut
vor aus g e set z t , bis zu 4 bis 5 m S pan n w e i t e 1/2 S te i nun d
dar übe r 1 S t ein S t ä r k e annehmen dürfen.
Näheres darüber ist noch in den einzelnen Kapiteln über die Konstruktion
der Gewölbe mitgetheilt.
Haben die Gewölbe nichts als ihre eigene Last zu tragen (Kirchen, Säle),
so reicht man mit 1/2 Stein im Scheitel, selbst bei sehr gros sen Spannweiten,
wobei man dann aber das Gewölbe gegen die Anfänge hin bis 1 1/ 2 Stein
Stärke anwachsen lässt.

B e s tim m u n g der W i der 1a ger s t ä r k e.


. Die "dem Gewölbe zur Stütze dienenden Mauern oder Pfeiler erleiden von
demselben eine Einwirkung, die sich als Resultante aus dem Horizontalschub
des Gewölbes und dein Gewichte desselben, inklusive Belastung, ergiebt und
durch die letzte Seite des für den Bogen gezeichneten Kräfteplans nach Rich-
tung und Grösse dargestellt wird. Diese Kraft äussert sich gegen das vVider-
lager in zweifacher Weise, indem sie einmal ein Verschieben der horizontalen
Schichten des Widerlagers und ferner ein U mkanten desselben um die äussere
Kante der Fundamentsohle anstrebt. Die. erste Wirkung wird aufgehoben durch

Fig. 297.

die in den Fugenflächen thätige Reibung und die Adhäsion des Bindemittels,
welche in allen Fällen ausreichend erscheinen. Die Bedingung der S ta -
b i 1i t ä t des VV i d e r l a ger s g e gen Um k a n t en ist die, dass die stati-
schen Momente des Angriffs und der Stütze einander gleich sind. Graphisch
drückt sich dies S0 aus" dass die Resultante aus allen Kräften die Sohle des
Widerlagers noch durchschneiden muss. Da in den Gewölben des Hochbaues
die Festigkeit des Mörtels gegeIlliber der des Materials (Backsteines) eine so
hervorragende Rolle spielt, so lf::,st sich immer das Widerlager als eine einzige
226 I. Maurer- und' Steinmetzarbeiten.

in sich zusammenhängende Masse betrachten, deren statisches Moment gross


genug sein muss, um dem Horizontalschub des Gewälbes das Gleichgewicht
halten zu können. Es ist deshalb nicht nothwendig, den Verlauf der Druck-
linie im Widerlager näher zu verfolgen.
Es sei Fig. 297 (S. 225) u h die Grässe des Horizontalschubs für den Bogen
ABO D, dessen Stützlinie durch den i~nern Kämpferpunkt D geht. Das
Gewicht der Gewälbehälfte incl. Belastung sei P = hp, somit u p die Grässe
und Richtung der resultirenden Einwirkung CR) auf die Widerlagemauer. Die
Breite der letzteren ist nun so zu bemessen, dass die letzte Mittelkraft S
C= u g im Kräfteplan) aus R und dem im Schwerpunkt des 'Widerlagers
wirkenden Gewicht G desselben die Sohle des 'Widerlagers noch innerhalb der
Kanten a und b durchschneidet. Soll sich der Druck S auf die ganze Fläche
ab verbreiten, so Il{uss bekanntlich der Druckmittelpunkt c im innern Drittel
der Widerlagerbreite liegen, so dass 3:1so
a c wenigstens noch = 1/3ab ist. Rückt
nämlich c näher an die Kante a (Fig. 298),
Cl <f.-+-~-<\------2-----»-ld b
I'IIII~" , I so vertheilt sich der Druck auf eine kleinere
Fläche a d = 3 a c , ist in a am grässten,
,...)
in d = 0 und bewirkt für die vom Druck-
Fig. 298. mittelpunkt entferntere Strecke d bein
Oeffnen der Fugen, vorausgesetzt, dass die
Zugfestigkeit des Mörtels, WIe gewöhnlich geschieht, gleich Null gesetzt wird.
Man erhält nun die kleinste zulässige Breite des Widerlagers, wenn a d
so bestimmt wird, dass, es den Druck des Gesammtgewichts Q= hg noch.
sicher aufzunehmen vermag. Da nun bekanntlich bei der ungleichen Druck-
vertheilung nach Fig. 298 die grässte Spannung in a doppelt so gross, als
bei gleichmässiger Vertheilung des Drucks über a cl ist, so darf hier nur die Hälft(
der gewöhnlich gebräuchlichen Festigkeits-Koefficienten bei der Berechnung der
Grundfläche in Ansatz gebracht werden.

Für S t ein m a tel' i a I hat die vom Verbande deutscher Architekten-


und Ingenieurvereine gewählte Kommission zur Klassifikation von Baumaterialien,
bestehend aus den Herren Bauschinger, Funk und Hurtig, folgende Zahlen für
die Festigkeit der einzelnen Sorten vereinbartv}:"

A. Natürliche Steine. Minimaldruck-


festigkeit in kg
per 1 qcm
1. Granit, Diorit, Grünstoin , Syenit, Syenit-
Granit, Glimmerschiefer ti. dgl. 1. Qual. 1600
H. " 1200
IU. 1000
IV. " 800
"
2. Kalksteine, also Marmor, Dolomit, Muschel-
und Nummulithenkalk u. dgl.. 1. Qual. 1000
n. 800
HL
"
" 600

*) Zeitschrift des Arch.- u. Ingen.-Yereins zu Hannover 1278, S. 406.


Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 227

Minimal dru ck-


festigkeit in kg
per 1 qCl11.
3. Sandsteine*) 1. Qual. 800
II. 600
IU. " 400
IV. " 200
"
4. Konglomerate und Tuffe 1. Qual. 400
U. 250
IU. " 150
"
B. Künstliche Steine.
1. Gebrannte künstliche Steine aus Thon.
a) Klinker 1. Qual. 200
II. " 160
b) Ziegel . 120
2. Ungebrannte künstliche Steine und Mörtel.
a) Formsteine 120
b) Cemente.
Portlandcement, langsam bindend I. Qual. 150
11. II 110
IU. 75
rasch bindend 1. " 90
" II. " 75
IU. " 50
Romancement 1. " 10
II. " 5
"
Bei der Bauabtheilung; '-des \Polizeipräsidiums zu Berlin sind folgende
Festigkeitskoefficienten der Baumaterialien in Gebrauch **) :

Kilogramm
per 1 qcm
Basalt 75
Granit 45
Marmor. 24
Sandstein 16-32
Gewöhnliches Ziegelmauerwerk in Kalkmörtel. 7
Gutes " " Cementmörtel 11
Bestes """ 14
Poröse Wölbziegel, leicht g,ebraimt
desgl. hart " 6
Steine aus Cement, Schlacken und scharfem Sand 12
Gute! Baugrund pro 1 qm 25000

*) Mit denl Vorbemerk, dass die Druckfestigkeit der G'-auw8;cke auf 2000 kg
für 1 qcm steigt und dass sie für Molasse-Sandsteine und F'indlins a von Buntsand-
stein bis zu 1500 kg per 1 qcm zu setzen ist.
*i")Beig~"be zum deutschen Baukalender.
15*
228 I, Maurer und Steinmetzarbeiten.

Gewöhnlich bestimmt man die Stärke der Widerlager nur in Rücksicht


auf den Widerstand derselben gegen Umkanten, und verlangt hierfür einen
bestimmten Sicherheitsgrad. Je nach der Veränderlichkeit der Belastung,
Grässe der Erschütterungen, denen die Konstruktion ausgesetzt ist etc., ver-
langt man, dass erst der 1 1/ 2fache oder 2fache Horizontalschub im Stande sein
solle, ein Umkanten der Widerlagsmauer herbeizuführen, dass also die aus den
Gewichten und dem 1 1/ 2fachen oder doppelten Horizontalschub erhaltene letzte
Resultante die Sohle des Widerlagers noch durchschneide. .So ist z , B. in
Fig. 299 c' cl die für den 1 1/ 2fachen Betrag des Horizontalschubs erhaltene
Widerlagerbreite für den Bogen ab.

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Fig. 299.

Es ist in manchen Fällen sehr bequem, anstatt das ganze Widerlager als
eine einzige Masse in Betracht zu ziehen, dasselbe durch vertikale oder hori-
zontale Ebenen in Lamellen (ähnlich wie das Gewölbe) zu theilen und die
Mitteldrucks - oder Stützlinie des Bogens .durch das "Widerlager fortzusetzen
(Fig. 300 S. 229); man trägt die Gewichte der Lamellen des Widerlagers und
den 1 1/ 2fachen Betrag des für den Bogen ab erhaltenen Horizontalschubs in den
Kräfteplan des Bogens ein und zieht parallel zu den Strahlen pO, 1 OJ 2 0 die
Seilpolygonsseiten bI, I II, II c. Die Seite II C schneidet dann auf der
Fundamentfläche die Breite c cl des Widerlagers ab, welches eine 1 1/ 2fache
Sicherheit gegen Umkanten gewährt.
Diese so erhaltenen Grundflächen der Widerlagsmauern werden in den
meisten Fällen auch hinreichend sein, den auf sie übertragenen Druck aufzu-
nehmen, r ohne dass eine Zerdrückung des Materials zu befürchten sein wird.
"Was die VT i d e r s t a n d s f ä h i g k ei t d e :r VV i der lag e r g e gen
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 229

Ver s chi e ben der Mauerschichten auf ihren Lagerflächen betrifft, so wurde
schon oben erwähnt, dass diesem Bestreben die Reibung und Adhäsion zwischen
Stein und Mörtel entgegenwirkt, welche zusammen den Betrag des horizontalen
Schubes erreichen müssen. Die Untersuchung kann sich auf die unmittelbar
unter dem Angriffspunkt der Horizontalkraft liegende Schichte D E, Fig. 297,
'beschränken, da in allen tiefer liegenden Schichten der "Widerstand gegen Ver-
schieben grösser als in DEist.

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Fig. 300.

Die Einwirkung gegen die Schichte D E erhält man, wenn die Resul-
tante R der Kräfte im Bogen mit dem Gewichte G' = p t des Widerlager-
stückes D E F C zusammengesetzt wird. Diese Kraft wirkt im Punkte e der
Fuge Und zerfällt in zwei Komponenten 1~ h = H, und h g' = P G', von +-
denen H das Verschieben des oberhalb D E liegenden Mauerstücks bewirken
will, während der Vertikaldruck P + G' = Q' in der Schichte D E die diesem
Verschieben widerstehende Reibung erzeugt. Der Druck Q' vertheilt sich auf
die ganze Fuge D E, so lange der Druckmittelpunkt e im innern Drittel liegt,
ausserdem auf eine kleinere Fläche f = DEI, wobei E' e = 2 Deist. Be-
zeichnet nun k den Adhäsionskoefficienten zwischen Stein und Bindemittel,
und fi den Reibungskoefflcienten , so ist zum Gleichgewicht erforderlich, dass
k·f+fi·Q'=H
ist,oder
. f=H-!l. Q'
k .
Der Sicherheit halber bringt man gewöhnlich nur die Hälfte des Betrags
der Reibung in Rechnung; es wäre also dann
= H- 1/2 [l . Q'
f k .
230 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.

Ist die so erhaltene Grösse f grösser als die Fugenfläche D EI, so ist es
nothwendig, das Verschieben der Schichten dadurch zu verhindern, dass man
auch im vViderlager die Lagerfugen der Steine annähernd. normal zur Mittel-
linie des Druckes macht.
Der Adhäsionskoefficient für Schub beträgt für Backsteine verbunden mit
Cement nach nahezu 30tägiger Erhärtung 0,4 bis 0,5 kg; für Backsteine mit
Luftmörtel verbunden 0,05 kg per qcm. (Siehe Baukonstruktionslehre f. In-
genieure v. VY. Frauenholz, 1. Thl., S. 241.)
Die gewöhnlich in der Praxis bei den Gewölbekonstruktionen angewen-
deten, aus der Erfahrung bestimmten Abmessungen der Widerlager sind in den
Kapiteln über die konstruktive Anordnung der einzelnen Gewölbearten ent-
halten.

S t a b i 1 i t ä t s u n t e r s u o h u n gen für ein z e 1 n e s p e z i e 11 e F ä 11 e.


Die in dem Vorstehenden gegebene Theorie der Gewölbe und Widerlugs-
mauern dürfte in allen Fällen, wo Tonnengewölbe auf ihre Stabilität zu unter-
suchen, oder die Stützen für solche Gewölbe zu bestimmen sind, Anhaltspunkte
genug für die graphische Lösung dieser Aufgaben bieten. Es soll hier nur
noch die praktische Venverthung der Mitteldrncks - oder Stützlinie an einigen
Beispielen gezeigt werden.
Die Figg. 2 und 3 Tafel XXVII stellen einen häufig vorkommenden
Fall, zwei Gewölbe übereinander, dar.
Das Gewölbe in Fig. 2 hat 2,5 m Spannweite, eine Stärke von Stein 1/2
und ist bis zur Hälfte hintermauert; eine Auffüllung sei nicht vorhanden, so
dass der darüber liegende Dachboden auf einer vollständigen Balkenlage ruht.
Dieses Gewölbe ist durch Vertikalebenen in fünf Lamellen getheilt, deren
Gewichte proportional ihren mittleren Höhen in den Kräfteplan Fig. 2a ein-
getragen sind. Die Ermittlung der Bruchfuge ergab den Punkt t als Be-
rührungspunkt der Drucklinie ; der Strahl 4 u 11 mit t ml-4 schneidet dann den
Horizontalschub u h auf der durch h gehenden Horizontalen ab. Die mit
diesem Schub und den Einzelgewichten konstruirte Mitteldruckslinie verläuft
vollständig innerhalb der Gewölberänder, das Gewölbe ist also stabil.
Der von diesem Gewölbe auf die äussere Umfangswand übertragene schräge
Druck ist durch u 5 im Kräfteplan gegeben, und setzt sich mit dem Gewichte
dieser Wand und ihrer Belastung durch das Dach zu einer Resultirenden zu-
sammen. Dabei kann man am einfachsten das Gewicht G1 des Stockmauer-
werks vom Fussboden bis zur Mauerlatte des Dachgebälks für sich in der
Schwerlinie 8 1 wirkend annehmen und dann andrerseits den Druck der Dach-
konstruktion, das Gewicht der Aufmauerurig zwischen den Balkenköpfen und
das des vortretenden Hauptgesimses auf bekannte 'V eise zu einem Gewicht G2
vereinigen, dessen Schwerlinie 8 2 ist.
Für die Zeichnung des Kräftezugs im Widerlager sind zuvor alle Kräfte
auf einen einheitlichen Massstab zu bringen; dieser ist in Fig. 2 b so gewählt,
dass 1 cm = 300 kg repräsentirt; die Resultante (R) aus allen Kräften schneidet
dann die in der Höhe des Fussbodens liegende Schichte aß im Punkte e, der
im innern Drittel der Mauerstärke liegt; der Druck verbreiteresich also noch
über die ganze Fläche a (3 und ist somit die angenommene Stärke der obern
Stockmauer (2 St. = 0,51 m) vollständig ausreichend.
Für das Gewölbe im Parterregeschoss (Fig. 3) ist eine Ausfüllung zur
Aufnahme des Fussbodens von usgesetzt und eine zufällige Belastuug durch ein
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 231

Menschengedränge von 280 kg pro qm angenommen. Das spezifische Gewicht


(1,6) der Auffüllung wurde dem' des Mauerwerks gleich gesetzt, so dass eine
Reduktion der Lamellen nicht nöthig' wurde; die Belastungshöhe durch die
zufällige Last erglebt sich zu 0,18 m. Im Kräfteplan Fig. 3a sind die Ge-
wichte der Lamellen proportional den Hälften ihrer mittleren Höhen und auf
die für das obere Gewölbe angenommene Lamellenbreite reducirt, eingetragen.
Die äussere Wan d verstärkt sich nach innen um 1/2 Stein; die diesem Vor-
sprung entsprechende Verkehrslast ist durch ein Mauerprisma von der Höhe
,8 ßI ersetzt gedacht; Q1 und Q2 sind dann die Gewichte der Mauerstücke
ab a' ß' und abc cl, von welchen' das letztere durch horizontale Schichten in
4 Lamellen getheilt ist. Auf bekannte Art wurden in den unter abliegenden
Schichten die Angriffspunkte der einwirkenden Kräfte gesucht und so die Stütz-
linie e f für die untere Widerlagsmauer erhalten. Da der Druckmittelpunkt f
sehr nahe an der äusseren Kante cl der Umfassungswand liegt, so würde sich
(ohne Berücksichtigung der Zugfestigkeit des Mörtels) der Druck nur auf die
Strecke eil cl der Grundfläche verbreiten, dagegen in dem Mauerstück a' c eil
ein Oeffnen der Fugen eintreten. Es empfiehlt sich deshalb eine Verstärkung
der Widertagsmauer in ihrem unteren Theile, welche hier durch Anlage eines
vortretenden Sockels bewerkstelligt ist. Die Fläche c' d', auf welche sich nun
der Druck verbreiten kann, beträgt 0,53 X 1,0 = 5300 qcm; das auf die
Fundamentfiäche übertragene Gewicht beträgt nach Fig. 3 b:
14,05 X 600 = 8430 kg,
der Einheitsdruck somit durchschnittlich
843°'_16 k
5300 - , g,
also an der stärkst gepressten Stelle (d') 2 X 1,6 = 3,2 kg; es beziffert also
an der Fundamentfläche Ci d' selbst der grösste Druck kaum die Hälfte jenes
Betrags, bei welchem noch eine vollständig genügende Sicherheit gegen Zer-
störung des Materials durch Druck vorhanden ist.
In ähnlicher "Weise ist der in den ~igg. 4 und 5 dargestellte Fan be-
handelt. Hier wirken zwei horizontal abgeglichene Gewölbe von ungleicher
Spannweite an einem gemeinschaftlichen "Widerlager.
Zeichnet man für die ursprüngliche Anordnung des grösseren Gewölbes
(Fig. 4), bei welcher die Scheitelstärke 1/2 Stein beträgt und sich gegen den Ge-
wölbefass hin auf 1 Stein vermehrt, in der gewöhnlichen Art die Mitteldrucks-
linie , so ergiebt sich, dass dieselbe in der Nähe des Kämpfers die innere
Gewölbelinie durchschneidet. Obwohl nun durch Annahme eines tieferliegenden
.Angriffspunktes der Horizontalkraft und somit durch eine Vergrösserung des
. Schubes diese Drucklinie in das Gewölbeinnere verlegt werden könnte, so
ist es doch vorzuziehen, da hier die nöthige Konstruktionshöhe vorhanden
ist, den Bogen durchgängig 1 Stein -stark zu machen. Unter dieser An-
nahme ist eine neue Mitteldruckslinie gezeichnet, die ganz zwischen den Ge-
wölberändern verläuft. Die Drucklinie für das zweite Gewölbe (Fig. 5)
kann ohne Weiteres durch den äussern Scheitel- und innern Kämpferpunkt
gelegt werden.
Zur Verfolgung der Drucklinie im "Widerlager ist letzteres durch die
Schichte ab in zwei Stücke zertheilt, und das Gewicht Q1 des oberen 'I'heils
abc d mit der letzten Mittelkraft des linksseitigen Gewölbes zur Resultante S'
vereinigt worden. U eber den Kräften S', BI und dem Gewichte Q2 des
Pfeilerstückes Cl b e f wurde dann ein St=lpolygon aus dem Pole 'uo des Kräfte-
222 I. Maurer- und 8teinl11etz2c1'beitfl"l.

plans Fig. 4 b gezeichnet und so die Richtung und Lage des auf die Fnndament-
fläche einwirkenden Gesammtdruckes erhalten, der sich auf die Fläche e' f in
bekannter ,Yeise vertheilt.
Das sogenannte pr e u s s i s e he Kap p eng e w I b e, welches haupt-
ö

sächlich zur U eberdeckung von Kellerräumen verwendet wird , ist in den


Figg. 6 und 7 Tafel XXII im Quer- und Längenschnitte dargestellt und einer
statischen Behandlung unterzogen. Die flachen Kappen sind 1/2 Stein stark,
hintermauert und tragen durch die Auffüllung den Fussboden des Parterre-
geschosses , der mit 288 kg pro qm (Menschengedränge) belastet angenommen
ist; dies entspricht einer Belastungshöhe durch Gewölbemauerwerk von
288
1600 = 0,18 m
Höhe. Die Hinterfüllung ist wieder von gleichem spezifischen Gewiyht (1,60)
mit dem Ziegelmauerwerk angenommen, so dass eine Reduktion der Lamellen
nicht nothwendig wird.
Bei gleicher Spannweite zweier an einem Gurtbogen liegenden Kappen
kommen deren Einwirkungen auf letzteren symmetrisch von beiden Seiten und
geben' einen vertikalen Druck gleich dem Gewichte einer Kappe, samrat deren
Belastung. Für den Gurtbogen (Fig. 7) ergiebt sich hiermit ausseI' der Ver-
kehrslast noch eine von den Kappengewölben herrührende stetige Belastung,
welche dem Gewichte einer Mauer von der Stärke des Gurtbogens und einer
Höhe von 4,44 m entspricht. Die Stabilitätsuntersuchung des Gurtbogens zeigt,
dass bei der in Fig.7 vorhandenen Anordnung, bei welcher die Standfestigkeit
des Widerlagers durch den Gegendruck einer Kappe, von der Grösse der in
Fig. 6 angenommenen, wesentlich erhöht wird, eine mehr als hinreichende
Sicherheit gegen das Umwerfender Widerlagerkonstruktion vorhanden ist.

b) Das Kr e u z g e w ö I b G,
Von den komplizirteren Gewölben sollen hier nur noch (las Kr e u z-
u TI d das Ku P P el g e w I b e bezüglich ihrer Stabilität untersucht werden
ö

und zwar deswegen, weil diese Gewölbe sich noch ziemlich einfach behandeln
und in kleinere Theile zerlegen lassen, deren Gleichgewichtsbedingungen leicht
zu übersehen sind.
Es ist schon früher erwähnt worden, dass sich die heutige Theorie der
Gewölbe auf eine Reihe von Hypothesen und 4nnahmen gründet, die vielfach
der Wirklichkeit nicht entsprechen. War es schon bei dem einfachen Cylinder-
gewölbe nicht möglich, die sämmtlichen in einem solchen wirkenden Kräfte
theoretisch vollkommen zu bestimmen, und mussten vielfach die Erfahrungs-
resultate zu Hülfe gezogen werden, so wird dies Letztere in erhöhtem Masse
bei den zusammengesetzten Gewölben der Fall sein. Die Modalitäten ihres
Gleichgewichtszustandes sind mannichfaltiger und es wird ein be fr i e d i gen-
des Resultat mehr noch, wie beim Tonnengewölbe, nur
durch engsten Anschluss der theoretischen Betrachtungen
an d i e Pr a x i s zu erwarten sein.
Von den mannichfachen Anordnungen der Kreuzgewölbe soll hier nur
der einfachste Fall derselben, in welchem die Kappen "auf den Kuf'" eingewölbt
werden, betrachtet werden. Dieser Fall liegt der Untersuchung auf Tafel XXVII
zu Grunde. ~ Das Kreuzgewölbe überspannt einen quadratischen Raum von
4 m Seite, hat halbkreieförmige Schilc1bögen und einen 0,30 m hohen geraden
Arbeiten des Rohbaues (GewöllJe). 233

Stich; ferner ist angenommen, dass die Wände durch Gurtbögen geöffnet sind,
so dass die Unterstützung des Gewölbes nur durch die Pfeiler erfolgt, die in
den Ecken der Grundfigur angebracht sind. Die Gesammtanlage ist aus den
Figg. 1 und 6 ersichtlich. Denkt man sich nun die Gewölbfelder zwischen
den Gräten so eingewölbt, dass die Lagerflächen durch Ebenen, die durch die
Axe des Cylinders gehen, also denselben nach Mantellinien schneiden, ge-
bildet werden, so kann manjedes Feld durch Vertikalebenen a 1 {'31 ' Cl2 ß'2 •••• a 6 ß5
in eine Anzahl gleich breiter Streifen theilen , und das Gleichgewicht eines
jeden derselben untersuchen. Hierbei kann sich bei der Symmetrie der Anlage
die Untersuchung auf 1/ 8 der Grundrissfigur , z, B. auf die halbe Kappe
CD F beschränken. Die Streifen zweier aneinanderliegender Gewölbefelder
CD Fund CD A treffen dann im Gratbogen zusammen und übertragen auf
denselben Einwirkungen ,welche bei regulärem Grundriss einander gleich sind
und symmetrisch zur Gratebene wirken. Diese Einwirkungen' liegen in den
Mittelebenen 'al bl , a 2 b2 • • • • • jedes Streifens und werden erhalten, indem man
jeden Streifen als Tonnengewölbe betrachtet und für denselben eine mögliche
Drucklinie zeichnet. In den Punkten b1 , b2 , bs . . . treffen somit immer zwei
Kräfte zusammen, die sich in eine einzige in der Richtung der Diagonalebene
wirkende Resultante vereinigen lassen. Unter der Einwirkung aller dieser in
den einzelnen Punkten des Grates wirkenden Mittelkräfte muss dann der Grat-
bogen im Gleichgewicht -sein. Die ~tütz - oder Mitteldruckslinie für diesen
Bogen giebt dann schliesslich die Lage, Grösse und Richtung der von der
Gratlinie CD auf den Widerlagepfeiler übertragenen Einwirkung an.
Die statische Untersuchung der einzelnen Streifen stellen die Figg. 2 bis 5
dar, und es ergiebt sich hierbei, dass für alle diese Streifen eine mögliche
Linie des Druckes gezeichnet werden kann, dass dieselben also die nöthige
Stabilität besitzen. Für den am Schildbogen liegenden grössten Streifen CtG bG
ist in Fig. 2 in bekannter Weise das Kräfte - und Seilpolygon unter der An-
nahme gezeichnet, dass der Horizontalschub im oberen Drittel der Scheitelfuge
angreife. Die Gewichte der vertikalen Lamellen 1 bis 6 sind im Kräfteplan
Fig. 2a durch die mittleren Höhen der letzteren dargestellt. Die Bruchfuge
cl cl' liegt unmittelbar vor der Grenze der 5. Lamelle; es kann deshalb die
Mitteldruckslinie CtB cl auch für den nächsten Streifen a5 b5 beibehalten werden.
Da sich die folgenden Bögen Ct4 b4 , (ts bs . . . . nicht bis zur Bruchfuge er-
strecken, so kann für dieselben bei gleicher Lage der Horizontalkraft im Scheitel
der Drehpunkt am Grat in die bezüglichen inneren Kämpferpunkte b4 , bs ' b2
gelegt werden, so dass sich hierfür die Drucklinien nach den :Figg. 3 und 4
ergehen. Für den letzten Streifen a 1 b1 am Scheitel des Kreuzgewölbes ergiebt
sich der zulässige Horizontalschub aus der Rücksicht, dass die Resultante aus
dieser Kraft und dem Gewichte des Streifens mit der Normalen zur Fugen-
fläche b, bl ' keinen grässeren Winkel als den Reibungswinkel einschliessen darf.
Der Horizontalschub nimmt also in den Streifen vom Schilc1bogen gegen
den Scheitel des Kreuzgewölbes hin allmählich ab. .
Die von den einzelnen Gewölbestreifen auf die Gratlinie übertragenen
Einwirkungen sind nun im Kräfteplan Fig. 2a durch die Strahlen u G 6,
u5 5 ..••. U'l 1 nach Grösse und Richtung dargestellt. Dieselben Einwirkungen
empfängt die Gratebene auch von den Streifen der Kappe A CD; es lassen
sich daher in irgend einem Punkte b des Grats die Horizontalkomponenten
bh' = bh" dieser Kräfte zu einer einzigen Kraft bh = Y2. bh/ 2
vereinigen,
während die vertikalen Komponenten jener KrEfte sich summiren. In der
234 1. Maurer- und SteimllehcGrb eiten.

Gratebene wirken also eine Reihe horizontoJer und vertikaler Kräfte, die sich
zu den Resultirenc1en R 1 , R 2 • • • Ra vereinigen lassen, welche in Fig. 7a in
einem gegen die Fig. 2a um die Hälfte reduzirten MfLSS stab dargestellt sind,
Da in der Zeichnung angenommen ist, es sei ein eigentlicher verstärkter
Grat nicht vorhanden, derselbe bestehe vielmehr nur als Durchdringungskurve
der Cylinderflächen, so können wir uns den Grat als schwerlose Linie denken,
an der in den Punkten b1 , b2 • • • b6 die oben erhaltenen Resultanten (hr ll
r 1 1'2 • • • rf> 1'6 Fig 7a) wirken. Da eine Belastung des Kreuzgewölbes nicht-
vorhanden ist, so muss lediglich eine über diesen Kräften konstruirte Mittel-·
kraftslinie für den Fall des Gleichgewichts ganz im Gratdurchschnitt (Fig. 7)
verlaufen. Zunächst sind wieder zur Ermittelung der Bruchfuge 00' die Re-
sultanten R l - -2 , R l - 3 • • • R l - 6 durch Zeichnung eines provisorischen Seil-
polygons aus dem Pol u' erhalten worden. Der Brechungspunkt 0 in der
innern Gewölbefläche entspricht dann dem Berührungspunkt einer von 11~-! an
die Gratlinie gezogenen Tangente 1n 4 0; die durch 'r 4 hiezu gezogene Parallele
1n4 u (Fig. 7a) aber schneidet auf der durch h gehenden Horizontalen die zum
Gleichgewicht erforderliche Grösse des Horizontalschubs ab, der im Scheitel
von der abgeschnittenen Hälfte des Gratbogens auf die betrachtete. übertragen
wird. Die resultirende Mitteldruckslinie liegt zwar noch innerhalb der Grenzen
des Gratbogens , zeigt aber am Gewölb~fuss ein ziemlich starkes Bestreben,
dieselben zu verlassen. Wir schliessen daraus, dass unter den angenommenen
Verhältnissen der Grat und damit das ganze Kreuzgewölbe zwar noch im
Gleichgewichte sind, dass aber eine Vergrösserung der Spannweite des Ge-
wölbes nicht ohne eine Verstärkung der Gratbögen erfolgen könnte.
Ausser den Gräten üben auch der Gurtbogen A D und die an den Wider-
lagspfeiler anstossenden Schildbögen einen Druck auf letzteren aus. Die Hori-
zontaldrücke der in der Aussenwand liegenden Schildbögen F D und E' D'
heben sich aber, da sie von gleicher Grösse und entgegengesetzter Richtung
sind, auf, so dass nur eine Vertikalkraft, welche dem Gewicht eines ganzen
Schildbogens (D E) und dessen Belastung entspricht, inder Axe des Pfeilers
wirkend, übrig bleibt. _
Zur Ermittelung der von dem Gurtbogen A D auf das Widerlager über-
tragenen Kraft ist in Fig. 6 ein Querschnitt nach CF durch das Kreuzgewölbe
und die Mitteldruckslinie für den Bogen A D in bekannter Weise gezeichnet;
der Strahl u 7 (Fig. 6a) giebt dann nach Grösse und Richtung die Resultante
aller in diesem Bogen thätigen Kräfte.
_ Somit sind alle auf das Widerlager D G wirkenden Kräfte bestimmt, und
es erübrigt nur noch, dieselben unter sich und mit dem Gewichte der Wider-
lagerkonstruktion zu einer einzigen Kraft- zu vereinigen. Es ist hierzu wieder nöthig,
die sämmtlichen Kräftepläne auf einen _einheitlichen Mass stab zu bringen. Dies
ist in Fig. 8 geschehen, und zwar sind die Gewichte der einzelnen Kon-
struktionstheile ihrem kubischen Inhalte proportional aufgetragen, so zwar, dass
1 kbm Mauerwerk durch 0,02 m dargestellt ist. Es ist dann 'in dieser Figur
u h' der im Punkte 8 1 der Pfeileraxe wirkende Schub H' des Gurtbogens A D ;
h' h" der in 8 2 wirkende Schub H" des Gratbogens ; h" 1, 1 2, (4 3 die in
den Schwerlinien 1, II, III wirkenden Gewichte des Mauertheils K L MN,
der Dachlast und des Pfeilers, deren Resultante S ihrer Grösse und Richtung
nach dann durch ~~ 3 im Kräfteplan (Fig. 8) dargestellt ist. Die 'Lage dieser
Kraft ergiebt sich wieder durch Zeichnung eines Seilpolygons (Polo) über den
Einzelkräften. Zur Aufnahme der Kraft S sind die Pfeiler des Kreuzgewölbes
durch Strebepfeiler verstärkt, w elche nach aussen vortreten und deren Y 01'-
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 235

sprung so zu bemessen ist, dass die Vereinigung ihres Gewichts Q mit S


(Fig. 8) eine Resultante giebt, deren Druckmittelpunkt in der \Yiderlagersohle
eine hinreichende Festigkeit gegen Zerdrücken des Materials sowohl, als auch
gegen Umkanten der Pfeiler gewährt. Dieser Druckmittelpunkt e fällt für die
angenommene Länge der Strebepfeiler zu 0,76 m ziemlich nahe an die Kante [',
Es ist deshalb angezeigt, den Pfeiler durch einen Absatz und vortretenden
Sockel zu verstärken, so dass sich der Druck auf eine grässere Fläche
tt" = 3 e( verbreiten kann.
o) Das Kup.pelgewölbe.
Das Kuppelgewölbe entsteht, wenn ein kreisförmiger Raum mit einer
sphärischen Fläche überdeckt wird, die man im allgemeinen als Rotationsfläche
um eine vertikale, durch den Mittelpunkt des' Raums gehende Axe bezeichnen
kann. In den meisten Fällen bestehen die Kuppelgewälbe aus Halbkugelflächen
oder Abschnitten von diesen.
Die statische Anordnung eines solchen Gewölbes erfordert als Lager-
flächen der Steine Kegelflächen , deren Spitzen im Mittelpunkte ° der Kugel
liegen, so dass die Mantellinien 02 ]( 02 ](' • • • senkrecht zur Wölblinie stehen,
und als Stossflächen Meridianebenen , welche den Kugelmittelpunkt enthalten
und mit 0;1. lVI, OlM' • <, • in Fig. 301 bezeichnet sind. Die einzelnen Steine

Fig. 301.

de: Gewölbes sind nach zwei Seiten keilförrnig , also als abgestumpfte Pyra-
mi.Ien zu betrachten. Jede Schichte des (' ewölbes trägt sich von selbst, sobald
236 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.

sie geschlossen ist; es kann daher die Kuppel in beliebiger Höhe offen
belassen werden.
Das Kuppelgewölbe lässt sich deshalb in Elementarstreifen auf einfache
Art nur durch Meridianebenen 0 a , 0 b zerlegen. Da ein solcher Kugelaus-
schnitt Cf; b 0 im Scheitel auf eine Kante zusammenläuft, so kann von einem
Horizontalschub im Gewölbescheitel , wie er beim Tonnengewölbe vorhanden
ist, nicht die Rede sein; das Gleiche gilt von den oben offenen Gewölben. C

Die zum Gleichgewicht des Kuppelausschnitts nöthigen Horizontalkräfte


ergeben sich vielmehr aus dem gegenseitigen Aneinanderpressen der Steine in
den oberen Schichten *). Sobald nämlich die Ebene
der Lagerfugen (e d Fig. 302) einen Erhebungswinkel
hat, der grö~ser als der Reibungswinkel ist, so
hat jeder Stein der darüber liegenden Schichte das
Bestreben, auf der schiefen Ebene c cl gegen das Ge-
wölbeinnere zu fallen. Das gleiche geschieht, wenn in
einer Schichte die durch die Schwerpunkte der Steine
gehenden Gewichte derselben die zugehörigen Lager-
fugen nicht mehr durchschneiden. Dies' Bestreben
erzeugt in dem betreffenden Schichtenkranz eine
Verspannung in horizontaler Richtung. Die horizon-
p
talen Einwirkungen, welche an jedem Stein von zwei
Seiten erfolgen (HI = HI' Fig. 301), lassen sich
in eine in der Richtung der Meridianebene liegende,
Fig. 302. nach auswärts wirkende Kraft H zusammenfassen,
deren Grässe sich aus der Forderung bestimmt, dass
die Resultante aus ihr und dem Gewichte P des - Steins die Lagerfuge c d
(Fig. 302) noch durchschneiden muss und dass aussetdem die Richtung dieser
Mittelkraft mit der N ormalen zur Fuge keinen grösseren "Winkel als den zu-
lässigen Reibungswinkel einschliessen darf.
Der Angriffspunkt der horizontalen Verspannungen kann zwar jeder Punkt
der Stossflächen zwischen den Gewölbesteinen sein, jedoch wird mit Rücksicht
auf die Festigkeit des Gewölbematerials der Druckmittelpunkt von den Kanten
der seitlichen Begrenzung der Steine etwas zurücktreten und sich auf einen
r
etwas kleineren Kern a {J 0 (Fig. 301) beschränken müssen, dessen Grösse
von der Pressbarkeif des Materials abhängig ist. vV 0 in Wirklichkeit der
Druckmittelpunkt liegt, lässt sich allgemein nicht angeben. Erwägt man; dass
bei dem Sichsetzen und Verspannen der einzelnen Schichten die Bewegung an
den äussern Kanten der Steine eine beschleunigtere als die der innern sein
muss, eine Klemmung also vorzugsweise an der äussern Gewölbefläche erfolgt,
so wird man auch den Mittelpunkt der horizontalen Pressungen an den Stoss-
flächen der Steine mehr -gegen die äussere Flucht, also in die Linie Cf, 0 rücken
können. Unter Voraussetzung einer ganz gleichmässigen Verbreitung der hori-
zontalen Kräfte H I H" über den Meridianschnitt kann ihr Angriffspunkt in
der Mitte der seitlichen Fugenflächen angenommen werden.
Theilt man nun den Elementarstreifen ab s, dessen Breite in der Kämpfer-
ebene man passend gleich Eins setzen kann, durch radiale Ebenen in einzelne
Lamellen und konstruirt für jede derselben die Mittelkraft aus dem Gewichte
der Lamelle und der nothwendig werdenden Horizontalkraft, so erhält man in
den Schnittpunkten der aufeinander folgenden Mittelkräfte mit den zugehörigen

*) Dr. Scheffler, Theorie der Gewölbe etc. Seite 187.


Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 237

Lamellengrenzen die Ecken eines Polygons, das die S t tz li nie des


ü

Ku p P e 1g e w Ö 1b es darstellt. Diese Linie kann dann in bekannter Weise


zur Bestimmung der Stärke des Tambours benutzt werden.

Stabilitätsuntersuchung für e i n einfaches, unbelastetes,


1 m S c 11 ei tel g e s c 11 los sen es Ku P p el g e w Ö 1b e.

Fig. 303 zeigt die Konstruktion der Stützlinie für den Streifen 0 A B
einer F 1ach k u p P el , deren Meridian der Segmentbogen ab c d von der
konstanten Dicke Cl b = c d ist. Derselbe ist durch eine Anzahl normaler
Ebenen in 7 Lamellen (Gewölbesteine) getheilt, deren Einzelgewichte in der

Fig. 303a.

Fig. 303.

mittleren Meridianebene 0 C, in welcher auch die Horizontalkräfte h1 , h2 • • •


liegen, wirken. Die Schwerpunkte der Lamellen können mit den Schwer-
punkten ihrer in dieser mittleren Meridianebene liegenden Qncrcchnittsfläohen
238 1. Maurer- und Stemmetzarbeiten.

zusammenfallend gedacht werden, mit Ausnahme der ersten .Lamelle, die als
Keil zu betrachten ist, so dass der Schwerpunkt Si im Drittel des mittleren
Abstandes der ersten Lamellengrenze von der Kante abliegt. Die Gewichte
.der Lamellen können dann den Querschnitten in Fig. 303 und ihren mittleren
Dicken proportional gesetzt werden. Ist nun die Eintheilung der.cLamellen
auf dem mittleren, die Gewölbedicke halbirenden Meridianbogen eine gleichheit-
liehe, so können diese mittleren Dicken 11', 22', 33' ..• 7 7' oder aliquote
Theil dieser Stücke als Repräsentanten der Lamellengewichte in den Kräfte-
plan Fig. 303 a eingetragen werden. Die in den oberen Schichten zur Erhaltung
des Gleichgewichts nothwendig werdenden Horizontalkräfte hv h2 ••• b« sollen
immer in den oberen Endpunkten der zugehörigen Fugen liegen, so dass sie
also ihre kleinste zulässige Grösse erhalten.
Die Horizontalkraft für die erste Lamelle bestimmt sich nun aus der
Forderung, dass die in C cl liegende Resultante B 1 aus dem Gewichte I und h
mit der Normalen zur Fuge 0 b1 keinen grösseren Winkel als den Reibungs-
winkel (Cf = 17°) einschliesse. Man darf also nur zu dieser Richtung durch
den Endpunkt 1 (Fig. 303a) des Gewichts I eine Parallele 1 u1 ziehen, so ist
in u1 h1 die Grösse der ersten horizontalen Kraft bestimmt. In cl setzt sich
mit R das Gewicht 11 zusammen, die Resultante 2 u1 = 81 schneidet zwar
noch die Fuge 0 b2 innerhalb der Gewölberänder , weicht aber um den zu-
lässigen Betrag vom Loth zu dieser Fuge ab; es ist deshalb eine horizontale
Kraft i; nothwendig, die, in Cl mit 8 1 zusammengesetzt, eine Resultante B 2
giebt, welche die gestellte Bedingung erfüllt. Hieraus ergiebt sich der Schub
=
u2 h h2 • Aehnlich erhält man B s und damit U s h = hs und die folgenden
horizontalen Kräfte.
In den unteren Fugen kommt es vor, dass die Mittelkräfte S die zulässige
Abweichung von den Normalen zu den Fugen zwar nicht überschreiten, wohl
aber die Fugenflächen nicht mehr durchschneiden. Dies ist hier bei der durch :
c4 gehenden Resultante B o' = 'u4 ' 5 der Fall; der Horizontalschub ho bestimmt
sich daher aus der Bedingung '. dass Bö = U ö 5 die Fuge 0 b" noch innerhalb
der Gewölberänder schneide. Verfolgt man in dieser Weise den Kräftezug
weiter, so kommt schliesslich eine Fuge 0 6, von welcher ab eine Vergrösse-
rung des Horizontalschubs nicht mehr nothwendig erscheint y so dass das
Maximum der horizontalen Kräfte u 6 h für die noch folgenden Schichten kon-
stant beibehalten wird. Diese Fuge kann als die BI' e c h u n g s J u g e des
Ku p p e I g e w I b e s bezeichnet werden.
ö

Bleibt die Stützlinie von der Bruchfuge abwärts ganz in Gewölbe, wie in
Fig. 303, so kann dasselbe als stabil bezeichnet werden. Durchschneidet in
einem Gewölbe die Stützlinie in dem unterhalb des Brechungspunkts liegenden
Theil die innere Gewölbelinie , so kann das Gewölbe durch blosse Vergrösse-
rung der Horizontalkräfte stabil gemacht und die Drncklinie ins Innere des
Gewölbes verlegt werden; durchschneidet dagegen die Stützlinie in den unteren
Schichten die äussere Begrenzungsfläche , so muss, wenn, wie oben geschehen,
die Minimalwerthe der Horizontalkräfte der Untersuchung zu Grunde gelegt
wurden, und die Stützlinie in der Brechungsfuge die innere Gewölbelinie be-
rührt, das Kuppelgewölbe als uns tab i I bezeichnet werden.
In Fig. 303 ist die Stützlinie a cl des Gewölbes noch durch das niedrige
Widerlager fortgesetzt, und hierdurch dessen Breite 111/ n erhalten worden, so
zwar, dass m' v = 1/2v n, also eine Verbreitung des Druckes über die ganze
Fnndamentfläche m' n stattfindet.
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 239

Konstruktion der "\Viderlager für g r ö s s e r.e Kuppelgewälbe.


D 0 P P e 1k u P p e l n.
Sollen Kuppelgewölbe über Räume von sehr bedeutendem Durchmesser
gespannt werden, so erfordert dies bei der gewöhnlichen Konstruktion der
Stützen, in Folge der nothwendig werdenden beträchtlichen Gewölbedicke sehr
bedeutende Widerlagsmassen , um den schrägen Druck· des Gewölbes aufzu-·
nehmen. Man hat deshalb schon in antik-römischer Zeit den Tambour solcher
Gewölbe durch zahlreiche Nischen und Hohlräume durchbrochen , diese durch
Entlastungsbögen überdeckt und so ein ringförmiges Widerlager von bedeutend
geringerer Masse erhalten.
Das bekannteste Beispiel einer solchen Anordnung ist das Pan t h e 0 n
in R 0 m") , dessen Kuppel die bedeutendste Spannweite (43,5 m) aller bis jetzt
ausgeführten Gewölbe dieser Art aufweist. Das Gewölbe ist als Massengewölbe
konstruirt und besitzt an der Oberlichtöffnung im Scheitel eine Stärke von
1,20 m, die sich gegen den Anschluss an das Widerlager hin in einzelnen
Absätzen auf 4,5 m verstärkt (vergl. Fig. \ 4 Tafel X). Der Tambour dieser
Kuppel ist 6,25 m dick und in seinem unteren Theil ausser den Eingang
noch durch 7 grosse Nischen durchbrochen ; hierdurch vertheilt sich der Druck
hauptsächlich auf 8 Pfeilermassen , die selbst wieder im oberen Theil d~r
Tambourwand durch kleinere Hohlräume durchbrochen und zertheilt sind.
Ein. wesentlicher Fortschritt in der statischen Anordnung der Kuppel-
gewölbe wurde in der auf die römische Architekturperiode folgenden. altchrist-
lichen Baukunst gemacht. Hier fand der von den Römern erfundene -Kuppel-
bau, wie überhaupt die gesammte Wölbtechnik ihre vollenderste Ausbildung.
Wenn auch der römische Kuppelbau durch die U eberdeckung sehr bedeutender
Spannweiten, wie sie spätere Zeiten selten versucht haben, imp onirt, so strebte
die altchristliche Zeit doch eine ungleich grössere Kühnheit an, wenn wir die
letztere nicht blos nach der Grösse des zu überdeckenden Raumes, sondern
nach dem Verhältniss namentlich der Widerlagerhöhe zur Spannweite bemessen.
Während. ferner die Römer die Unterstützung der Kuppel durch ein kontinuir-
liches Widerlager, den Tambour, bewirkten, sehen wir in den folgenden Jahr-
hunderten das Bestreben, den Druck der Kuppel durch eine Anzahl von
Pfeilern aufzunehmen unr] diese Anzahl auf ein Minimum zu beschränken.
Es war dies bei den meistens mehrschiffigen Räumen der altchristlichen Kirchen
unumgänglich nothwendig, um den Innenraum nicht zu sehr zu beengen.· Der
H.o r i z 0 n tal s eh u b der Ku p P el ab er w ur dem i t t e l s t S tr e be-
bögen oder Sporen über die niedrigeren Seitenschiffe auf
di e U m-f a n g S W ä n d e übe r tr a gen. .
Einen Uebergang zu dieser, dem entwickelten byzantinischen Baustyl an-
gehörigen konstruktiven Anordnung bildet der Kuppelbau des sogenannten
Te m pe I s der Mi ne r v a me die a , Fig. 304, welcher wohl in den Anfang der
altchristlichen Zeit (4. J ahrh.)zu setzen ist. Der Gesammtdruck der Kuppel wird von
10 Pfeilern, die durch halbkreisförmige Archivolten mit daran sich anschliessen-
den Exedren verbunden sind, aufgenommen. Auf diesen Gurten steht oberhalb
der Nischen die mit Fenstern durchbrochene Umfangswand, welche in ziemlich
unvollkommener Weise aus ihrer polygonalen Form in die kreisförmige Kuppel

*) Eine eingehende Darstellung dieses Bauwerks findet sich in: "Isabelle, les
edifices circulaires et les dörnes," PI. 14--18.
240 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.

überecht. Das Kuppelgewälbe hat bei einer Spannweite von 24,8. In. eme
/:) .
Scheitelhähe von 27 In und eine Dicke im Scheitel von 0, Ö6 m; SIe Ist m
der römischen Art als Gussgewölbe konstruirt. Die 1,6 m dicke TImfangs-
wand ist in den Ecken mit 2,7 ö m starken Strebepfeilern versehen, die zwi-
schen den erwähnten halbkreisförrnigen Ansbauten bis zum Anfang des Kuppel-
ge'wölbes aufsteigen. Die Fig. 304 giebt inder linken Hälfte des Durchschnitts

Schnitt a c

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Fig. 304.

den Schnitt b c durch einen solchen Pfeiler, während die rechte Hälfte den
Schnitt nach ac darstellt. 'ViI' sehen also den Strebepfeiler, wenn auch nicht
als Sporen behandelt, schon in konstantinischor Zeit ange,venclet.
Wie die oben angegebenen Ziffern nachweisen, so hat auch dieser Kuppel-
bau noch ein ziemlich gedrücktes Höhenverhältniss, dem des Pantheon ähnlich;
erst als man sich in der Folge mit wachsender Grösse der zu überdeckenden
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 241

Räume gezwungen sah, behufs besserer Beleuchtung die J\Iehrschiffigkeit der-


selben einzuführen, entstanden die für die byzantinische Architektur charakte-
ristischen Kuppelbauten,
welche, hoch über elen
Decken der Abseiten er-
ho ben, mit einer ungemeinen
Kühnheit und Fertigkeit in
der Wölbtechnik hergestellt
wurden. Hervorragende Bei-
spiele bieten sich in den
Baptisterien vonNo-
cer a und F 1 0 l' e n z, in
den Kir c h e n San L 0 -
r e n z 0 zuM a i 1a n d und
San Vitale zu Ra- Fig. 305.
v e n n a sowie in der S 0 -
p h i e n kir c h e z u K,« n -
stantinopel.
Die Kuppelgewölbe er-
heben sich dabei sowohl über
kreisförmigen, als auch acht-
eckigen und selbst quadrati-
schen Räumen; in den
letztem Fällen sind U eber-
gänge zur runden Kuppel mit
kreisförmigem Horizontal-
schnitt nothwendig, wenn
man nicht statt der Rund-
kuppel, wie z, B. bei
S. Giovanni zu Florenz
geschehen, das a ch t -
eckige Klostergewölbe
substituiren will. Die Wir-
kungsweise eines solchen
Polygonalen Klostergewölbes
ist im Prinzip dieselbe, wie
die der Rundkuppel , indem
sich im ersteren Falle wie
im 'letzteren die einzelnen
horizontalen Schichten des
Gewölbes für sich ver-
spannen, das Gewölbe also
in beliebiger Weise offen
bleiben, oder mit einem
Laternenaufsatz geschlossen
werden kann. 'I'hatsächlich
gehen solche Klostergewölbe Fig. 306.
bei einer sehr vermehrten
Seitenzahl des Horizontalschnitts in die runde Kuppel über. Es wird daher
im Folgenden die Bezeichnung "K'ppel" sowohl für die aus Umdrehungsflächen
als aus polygonalen Klostergewölben bestehenden Gewölbe gebraucht.
G 0 t t g e t re u, Hochbaukonstruktion. . 16 .
242 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.

Soll ein Gewölbe ans dem Quadrat oder Achteck in die I{reisform über:"
geführt werden, so können hiezu entweder die dreieckigen Zwickelgewölbe*),
sogenannte Pendentifs (wie Fig. 5 Tafel X an· der Sophienkirche zu Kon-
stantinopel), oder kleine Nischengewölbe (Fig. 305 S. 241 von St. Vitale)
verwendet werden. Aehnlich lässt sich der viereckige Horizontalschnitt ins
Achteck dadurch überführen, dass aus den Ecken Diagonalbögen vorgeschoben
werden, bis die reguläre achteckige Form hergestellt ist (Fig. 306 S. 241 von
St. Michael zu Pavia).
Es soll nun hier in Kürze die statische Anordnung einiger interessanter
Kuppelbauten , soweit sie einen Fortschritt in der Konstruktion bekunden, an-
gegeben werden.
Die Kirche Sa. Maria maggiore zu Nocera (Fig. 307). Dieses
Gebäude zeigt, obwohl seine Erbauung in den Anfang des 6. Jahrhunderts zu

10 0 1 .2. ;\ A 5 6 7
Ilud 1 "'l'~.! f

Fig. 307.

setzen sein dürfte, eine Anordnung des Grundrisses, wie sie in der frühesten
Zeit der altchristlichen Baukunst (z. B. am Grabmal der Konstantia zu Rom,
erbaut 360) üblich und später vielfach bei Taufkapellen (Baptisterien) beliebt
war. Die Kuppel steht auf. einem Kranze von 15 Paar gekuppelten Säulen

*) Vergleiche Seite 191.


Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 243

aus Marmor, welche durch Archivolten mit einander verbunden sind, und er-
reicht im Scheitel eine Höhe von 14,5 m , während die Spannweite derselben
11,80 m beträgt. Der Schub dieser, wenn auch nicht sehr beträchtlichen Kuppel,
deren Stärke im Scheitel 0,50 m beträgt und sich gegen den Tambour hin nur
wenig vermehrt, konnte keinesfalls durch den darunter stehenden Säulenkranz
aufgenommen werden; er wird vielmehr durch 15, den Säulenpaaren entsprechenden
Strebebögen oder Sporen a , welche von der 1,.20 rn dicken Umfassungswand
nach dem Tambour der Kuppel gesprengt sind, unc1 bis unter das Dach des
niedrigeren Umgangs reichen, a~\f9as.yundament der Umfangswanc1 übergeleitet.
Diese Sporen treten an der .li,is~eritWand als Pfeilerverstärkungen , an dem
ringförmigen Tonnengewölbe des Nebenraums aber als Gurtbögen auf, so das
Ringgewölbe in einzelne Felder zertheilend; sie sind in Fig. 307 im Grundriss
und Horizontalschnitt c cl eingezeichnet. Das Tonnengewölbe des Seitenraumes
ist einhüftig, indem die Kämpferlinie am Tambour 1,6 m höher' als an der
Umfangswand liegt. Diese Konstruktion vermehrt die gegen den Schub der
Kuppel des Mittelraums anstrebende 'Wirkung des Ringgewölbes , 'während sie
für, die Stabilität der Umfangswand insofern günstig ist, als dadurch der
Horizontalschub des Ringgewölbes tiefer gegen den Fuss der Wand zu liegen
kommt.
Die Kuppel des Mittelraumes selbst ist mit Bruchsteinen aus Kalktuff
gewölbt undJbeginnt unmittelbar über den Archivolten des Säulenkranzes. Das
Profil derselben ist jedoch keine kontinuirliche Linie, sondern eine gebrochene,
indem die untersten Gewölbeschichten sehr stark ausgekragt sind; für den
oberen freischwebenden Theil des Gewölbes ergiebt sich hierdurch eine be-
deutend verminderte Spannweite. Der Sc hub der Ku pp el wir d nun
in dem 1,75 m starken Tambour d u r eh das Hin zu t r e t end e s von
den Sporen ausgeübten, jenem entgegengesetzten, Hori-
zontaldruckes aufgehoben und so der Säulenkranz nur mit
dem ver ,t i k a l vi i r k end enG e w ich t des K u P p e 1 g e w Ö 1 b e s b e .;.
1 ast e t, U eber dem Tambour der Kuppel erhebt sich die 0,80 m dicke
obere Umfangswand , welche das Dach trägt und mit Fenstern durchbrechen
ist. Zwischen dieser Mauer und dem Gewölbe des Mittelraums liegen wieder
Sporen b, welche jedoch gegen die Sporen a nur in halber Anzahl vorhanden
sind und auf der äussern Leibung der Kuppel flach aufliegen, ohne in deren
Verband einzugreifen. Dr. Hübsch *) -vermuthet, dass diese Sporen, ebenso
wie die in a a -. . liegenden, ursprünglich flache Kappengewölbe zwischen sich
hatten, welche zugleich das Dach bildeten, ähnlich wie dies am sogenannten
Baptisterium zu Florenz der Fall ist.
San Vi t a l e zuR ave n na (Fig. 308 S. 244). Die Kirche des heil. Vitalis
zu Ravenna, erbaut in den Jahren 526--547, durch Julianus Argentarius, bildet
im Grundriss ein regelmässiges Achteck von 33,72 m Weite mit dreischiffigem
Aufbau. Der mittlere bis zu einer Höhe von 28,75 m aufsteigende, ebenfalls
regulär achteckige Raum ist mit einem Kuppelgewölbe von 15,70 m Spann:'
weite überdeckt, während die niedrigeren Seitenräume zweigeschossig und mit
Kreuzgewölben überdeckt sind. Die konstruktive Anordnung dieses Bauwerks
zeigt in dem Bestreben, das statische Gleichgewicht der Kuppel mit den ge-
ringsten Massen herzustellen, den altchristlichen Gewölbebau in seiner ent-
wickelten Gestalt. Statt der sonst angewendeten Säulenreihe , welche den
Druck der Kuppel des Mittelraums aufzunehmen bestimmt war, ruht dieses

*) Hübsch, Die altchristl, Kirchen, S. 41.


16*
244 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.

Gewölbe auf acht in den Ecken des Polygons sich hefiudliclien ziemlich un-
regelmässigen Grundriss besitzenden Pfeilern von 2~9 m Dicke, zwischen welche
sich nach den Abseiten einspringende, 4 m tiefe Exedren in Halbkreisform legen.
Diese Nischen sind in den beiden EtazenI:>
durch Säulenarkaden durchbrachen und
haben den Druck der äusserst kornplizirten Kreuzgewölbe des Seitenraums auf-
zunehmen. Die Aufstellung der Säulen in Halbkreisform macht sie hiezu besser
befähigt, als bei geradliniger Anlage.

Schnitt b c Schnitt a C

10 9
I
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1 G 5 <t.3 2 1 0
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10
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20
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Fig. 308.

Das Kuppelgewölbe ist eme vollständige Halbkugel und als Topfgewölbe


konstruirt "}; zwei Reihen übereinanderliegender und theilweiss ineinander
gesteckter hohler Töpfe (0,18 111 lang, 0,075 mdick), welche satt in den
Mörtel eingebettet sind, steigen in spiralisehen "Windungen vom Gewölbefuss
bis zum Scheitel auf. Die Festigkeit dieser Kuppel ist also bei dem gänz-
lichen vYegfall irgendwelcher Centralfugen lediglich in der Festigkeit des Binde-

*) Vergleiche Seite 211.


Arbeiten des Rohbaues (Ge\völbe). 245

mittels begründet. Ans der Herstellungsweise ergiebt sich neben dem geringen
Gewicht auch die nrhältnissmässig sehr geringe Scheitelstärke dieser Kuppel
von 0:30 m "), welche sich bis zur Hintermauerung nur um wenige Contimeter
vermehrt. Das 'Widerlager der Kuppel, deren Schub auf das geringste Mass
reduzirt erscheint, wird wieder von Sporen s s gebildet: welche in den
Ecken der Grundrissfigur liegen und bis zum Anfang des Gewölbes hinauf-
reichen. Diese Strebebögen, deren statisches Profil die linke Hälfte der Fig. 308
zeigt, sichern nicht nur den Bestand der Kuppelpfeiler in vollkommen aus-
reichender Weise, sondern sie dienen auch den Kreuzgewölben der Seitenräume
als tragende Gurtbögen nicht minder, wie der nur 1 m starken Umfangswand
als verstärkende Pfeiler. In sekundärer Weise wird die Kuppel auch durch
die zwischen den Hauptpfeilern liegenden Nischengewölbe unterstützt; doch ist
die Wirkung dieser Halbkuppelgewölbe hier nicht sehr hoch anzuschlagen, weil
deren Fähigkeit, Horizontalkräfte aufzunehmen, durch die Durchbrechung der-
selben mit Arkaden in den beiden Geschossen auf ein Minimum reduzirt ist.
Nur bei einem so kühn und mit so wenig U eberschuss . an statischen Mitteln
konstruirten Gewölbe, wie es die frühere Laurenrinskirche zu Mailand war
(Hübsch nennt sie das non plus ultra von Kühnheit), konnte es 'geschehen, dass
der Einsturz ein e I' solchen Nische die Zerstörung des ganzen Bauwerks nach
sich zog.
Die Kuppel von S. Vitale sitzt nicht unmittelbar auf den die Pfeiler ver-
bindenden Archivolten, sondern es schiebt sich zwischen den Kuppelanfang
und die Scheitel dieser Bögen ein niedriger achteckiger Tambour, der mit
kleinen Nischengewölben , welche in Fig, 308 angedeutet und in Fig. 305
(S. 241) grösser dargestellt sind, allmählich zur Runclform des Kuppelgewölbes
übergeführt wird.
Sahen wir an dem eben betrachteten Bauwerke die Aufgabe, das Wider-
lager einer Kuppel herzustellen, deren Kämpfer in der ziemlich bedeutenden
Höhe von 21 m liegt, in statisch vollkommen korrekter vVeise, wenn auch für
eine nicht sehr bedeutende Spannweite gelöst, so finden wir in der
So p h i e n k i r c h e zu K 0 n s t an t i 11 0 P el ein Beispiel, wie es der
Technik früherer Jahrhunderte möglich war, derselben Aufgabe bei den grc)ssten
Mussverhältnissen und einer denkbar geringsten Zahl von Unterstützungspunkten
gerecht zu werden, VVährenc1 die Kuppel von Sa. Maria maggiore zu N ocera
auf 15 gekuppelten Säulenpaaren , die von San Vitale auf 8 Pfeilern sich
erhob, wird hier noch ein Schritt weiter gethan und das dominirende Gewölbe
des Mittelraums auf 4 durch mächtige Gurtbögen verbundene Pfeiler gestellt.
An das centrale Gewölbe schliessen sich in der Richtung der Hauptaxe
zwei halbkreisförmige Nebenkuppeln an, die. mit ihrem Scheitel bis zum An-
fang jenes Gewölbes reichen, während die in der Richtung der Queraxe sich
anschliessenden Seitenräume in zwei Geschosse getheilt und mit Kreuzgewölben
eingewölbt sind. Es entsteht so im Ganzen ein überwölbtes Oblongum von
70,3 zu 75,5 m Seite, welches den eigentlichen Raum der Kirche bildet;
Fig. 5 Tafel X giebt hiervon den halben Grundriss.
Die Hauptkuppel hängt über einem quadratischen Raum von 31,5 m
Seite, der durch die erwähnten Gurtbögen gebildet wird. Auf der Scheitel-
höhe dieser Bögen, 42 m über dem Fussboden der Kirche, beginnt das Ge-
wölbe; es hat einen Durchmesser von 33 m und ist keine vollständige Halb-
kugel, sondern eine dieser Form nahekommende Kalotte von 15 m Höhe. Die

*) Isabelle, les edifices circulaires etc ... PI. L18.


246 1. Maurer- und Steinmetzürbeiten.

Gewölbedicke beträgt im Scheitel ungefähr 0,70 m und ist für den grössten Theil
der Kalotte beibehalten; nur am Fuss der Kuppel, ""IVO dieselbe mit 40 Fenster-
öffnuuzen durchbrechen ist, tritt rasch eine Vergrösserung der Gewölbedicke
/:)

und eine V erstärkung derselben durch aufgesetzte Pfeiler ein, so dass sich das
Gewölbe mit einer Dicke von 2,3 m auf die Gurtbögen aufsetzt. Das runde
Auflager der Kuppel, oder die Vermittlung des quadratischen Grundrisses der
Archivolten zur Kreisform wird durch Pendentifs hergestellt, die von den
Kämpfern der Gurtbögen bis zum Gesimskranz über den Scheiteln der letzteren
aufsteigen. Die in das Lichte des Kuppelraums geneigte Masse der Gewölbe-
zwickel bildet ein wirksames Gegengewicht gegen den Schub der Kuppel,
welche in dem Streben nach möglichster Leichtigkeit mit Backsteinen von sehr
g erin orrem spezifischen Ge,vicht
. einzewölbt
0
worden sein soll,' nachdem das erste
von den Erbauern der Kirche, von Anthemios Y. Tralles und Isidor v, Milet
ausgeführte Gewölbe 21 Jahre nach der Vollendung eingestürzt war.
Die statische Unterstützung der jetzigen Kuppel bilden ausser den 4 m
dicken Gurtbögen noch vier kolossale, 7,5 m dicke, 20 m breite Sporen, die,
im Innern der Kirche mit Bogenöffnungen durchbrcchen , über das Dach der
Emporen vortreten und bis dicht an den Anfang der grossen Kuppel reichen.
Die Masse dieser Strebepfeiler ist jedenfalls mehr als hinreichend, um den
Schub der Kuppel gegen die Seitenräume, also .nach der Queraxe aufzunehmen.
In der Richtung der Längsaxe werden die Gurtbögen durch Halbkuppeln
von gleichem Durchmesser wie der des mittleren Gewölbes unterstützt
und in ihrer Lage erhalten. Diese Halbkuppeln sind (ähnlich wie in Ravenna
die Hauptkuppel) auf zwei kräftige Pfeiler gestellt, zwischen welche sich wieder
halbkreisförmige mit Arkaden durchbrochene Exedren einstellen. Der östlichste
dieser Ausbauten bildet zugleich die Altarapsis , während an der entgegen-
gesetzten Seite die Nische ganz fehlt und durch einen breiten Gurtbogen ersetzt
wird, der den Eingang zwischen sich aufnimmt.
Ein Vergleich dieses Bauwerks mit dem von Ravenna ergiebt, dass hier
eine Grossräumigkeit und eine Kühnheit der "Wölbung herrscht, die vordem
nicht versucht worden war, dass aber der Widerlagerapparat weder in der
einfachen und korrekten Art, noch in derselben Oekonomie in der Masse, wie
zu Ravenna, angewendet worden ist. Die Kühnheit der Konstruktion ist bei
der Sophienkirche mehr in der Herstellung der U eberwölbung selbst, als in
der statischen Anordnung der Stützen zu suchen.
Das Ba pt ist e r i umS an Gi 0 v an ni zu F lo r e n z. Figg. 309 (S. 247)
u.309a (S. 248), Fig. 9 Tafel X. Das jetzige Baptisterium zu Florenz, vermuth-
lieh im 4. oder 5. Jahrhundert als Hauptkirche für Florenz gebaut"), ist ein ein-
sclliffiger achteckiger Bau von 25,6 m Weite, der mit einer achtseitigen Kuppel
(achteckiges Klostergewölbe) geschlossen ist. Dieses Kuppelgewölbe beansprucht
ein besonderes Interesse, weil seine Stabilität in sehr genialer Weise mit
ungemein geringen Massen hergestellt ist, und ferner das hier angewendete
Konstruktionssystem den Fingerzeig für die später in der Renaissancezeit ent-
standenen Doppelkuppeln giebt, deren hauptsächlichste Vertreter die Kuppeln
der Kirchen Sa. Mariadel flore zu Florenz und St. Peter zu Rom sind.
Das Konstruktionssystem der byzantinischen Kuppelbautcn, den Schub des
Hauptgewölbes durch Sporen oder Strebebögen auf das äussere Widerlager
überzuführen , eine Anordnung, die für die mit Kreuz - oder Tonnengewölben
überdeckten Basiliken durch das ganze Mittelalter beibehalten worden ist, wird

*) Dr. Hübsch: Die altchristlichen Kirchen, S. 44.


Arbeiren des Rohbaues (Gewölbe). 247

hier noch weiter vervollkommnet, indem bei der Einschiffigkeit des Raumes
diese Sporen, die sonst nur bis zum Anfange der Kuppel, wo der Schub sich
vorzugsweise bemerklich macht , binaufgeführt waren , nun in die eigentliche

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Fig. 309.

Kuppelfläche selbst hineingreifen und mit zwischen dieselben gespannten, nach


dem Profil der Kuppel aufsteigenden Kappengewölben zugleich das Dach
tragen *); ferner liegen hier solche Zungen oder Sporen nicht blos in den

*) Eine ähnliche Verwendung der Sporen zeigt, wie oben mitgebheilt , schon die
Kirche S. Marin maggiore zu Nocera , allein elie Sporen b b daselbst liegen nur auf
der äussern Kuppelleibung flach auf und bilden eine sehr untergeordnete statische
Basis, da sie selbst wieder auf dem, Tambour der Kuppel sitzen,
248 1, Maurer- und Steinmetzarbeiten.

Ecken der Grundrissfigur. sondern noch je zwei in jeder Fläche des Oktogons:
so dass das Kuppelgewölbe mit der Umfangs- oder ,Viderlagsmauer durch
24 solcher Zungen verbunden ist. Da sich zwischen diesen Sporen das Ge-
wölbe einsetzt, also sich nur auf geringe Länge frei zu tragen hat: kann es
verhältnissmässig dünn sein (1 m) und erfordert zu seiner senkrechten Unter-
stützung nur geringer Mittel. Der Vortheil , der in statischer Beziehung aus
dieser Anordnung erwächst: leuchtet durch die Bemerkung ein, dass man es
hier eigentlich mit einem Gewölbe von verhältnissmassig grossem Querschnitt
(Querschnitt des Sporens) zu thun hat, das aber in Folge der zwischen den
Sporen bleibenden leeren Räume ein sehr geringes Gewicht besitzt, also zu
seiner Stabilität keiner grossen
Horizontalkraft bedarf. Es
wird deshalb möglich sein,
Schnitt c d
den Schub des Gewölbes
I
I
durch Zusammensetzen mit
I
I dem Gewicht einer verhält-
I
I nissmässig dünnen Wider-
I
lagsmauer unschädlich zu
I ~~ [ machen.
~c-::J
.... Die Kuppel des Bap-
... I tisteriums S. Giovanni in
i fonte ist nach einem Spitz-
i bogen gewölbt und im Scheitel
I .
i mit einer Lichtöffnung ver-
I I
sehen, welche nachträglich
i i
---).<---' . - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - mit einer Laterne überbaut
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~9.. . I wurde. Im oberen Theil
=~~- ~~ ~_~=c~- des Gewölbes kommt der
I
I
Sporen wegen des dicht
I
I
I aufliegenden Daches nicht
~<::l selbstständig zur Geltung,
l>:>'
h
sondern es bilden Dach und
Gewölbe eine einzige Masse;
in der unteren Gewälbehälfte
dagegen trennen sich die
Gewölbfläche und die äussere
Wand : indem sie einen
Zwischenraum zwischen sich
Fig. 30%. lassen, der sich bis in das
Widerlager fortsetzt. Hier-
durch bot sich Gelegenheit, durch eingefügte Zwischendecken zwei obere
Gallerien anzuordnen, die unter sich, sowie mit dem Dache, durch Treppen
verbunden sind. Die obere Gallerie öffnet sich mit quadratischen Fenstern,
die mittlere mit grossen Bogenöffnungen gegen den Innenraum, während im
untersten Geschoss der Umgang in eine Säulenstellung aufgelöst ist, die sich
an jeder Achtecksseite zwischen die Ecksporen einfügt. In Fig. 309 stellt der
Sektor A im Grundriss ein Stück des Horizontalschnitts der Kuppel nach Cl Cl
dar und zeigt, wie sich die zwischen den Zungen eingespannten steigenden
flachen Gewölbekappen nach einer elliptischen Linie mit dem innern Gewölbe
zusammenschneiden ; der Sektor B zeigt den Schnitt durch die obere Gallerie
nach bb, Sektor C den Grundriss des untersten Ge:3chosses; der ganze Aufbau
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe), 249

dürfte aus dem Querschnitt in Fig. 9 Tafel X wohl hinlänglich zu er-


kennen sein.
Wie der Grundriss C Fig. 309 zeigt, wird das vertikale Gewicht der
Gallerie und der zwischen den Sporen eingespannten Füllungs wand , sowie ein
Thsil der Zwischenzungen selbst, unten durch je zwei 0,70 III starke Säulen
in jeder Achtecksseite aufgenommen. Diese Säulen, aus rothem orientalischen
Granit, stehen jedoch nicht unter der Axe der Sporen s, sondern haben ein
zrösseres mittleres Intercolumnium als die letzteren. Es ist deshalb der über
den Säulen liegende Architrav durch flache Bögen, die sich auf kurze von den
Säulenschäften nach der äussern Wand gelegte Quaderstücke stützen, entlastet.
Dass auf diese Säulen auch ein Antheil der aus der Kuppel- und Dachlast
und dem Schub der Kuppel resultirenden schrägen Kraft übertragen wird, ist
unwahrscheinlich. da sich in der Höhe des Architravs die Drucklinie schon so
/

weit von der inneren Mauerflucht entfernt haben dürfte, dass eine Inanspruch-
nahme der Säulen durch diese Kraft kaum vorhanden ist. Im wesentlichen
werden wohl die acht in den Ecken liegenden, 3,70 m starken Sporen, deren
Profil der Diagonalschnitt Fig. 309a giebt, sowie die in der äusseren, im unteren
Geschoss auf 1,85 m verstärkten Mauer liegenden Zwischenzungen den Druck
der Kuppel auf das Fundament des Bauwerks übertragen.

D 0 p p e 1k u P p e l n,
Den Schluss der konstruktiven Entwickelung des Kuppelbaues bilden die
zu Ausgang des Mittelalters und in der Renaissancezeit entstandenen Doppel-
kuppeln der Dome von Florenz und Rom. Als Vorläufer dieser grossartigen
Bauwerke wurde das oben beschriebene Gewölbe über dem Baptisterium zu
Florenz bezeichnet. In der TImt ist von dieser Vorstufe zur vollständigen Doppel-
kuppel nur mehr ein Schritt. Bei letzterer tritt das steinerne Dach, welches
im Baptisterium noch die geradlinige Form des Zeltes beibehielt, als eine zweite
Kuppelschale (sogenannte Schutzkuppel) auf, welche mit der Hauptkuppel an-
nähernd parallel und durch eine Anzahl Zungen oder Sporen verbunden ist.
Diese Sporen, welche häufig an der innern und äussern Kuppelfläche als pro-
filirte Rippen vortreten, liegen in Meridianebenen der Kuppel und sind die
eigentlichen tragenden Elemente der Gewölbekonstruktion. Zwischen .dieselben
fügen sich die beiden Gewölbemäntel ein, von denen meistens der innere von
beträchtlicherer Stärke als der äussere ist. Der Vortheil , den eine solche
Konstruktion in statischer Beziehung mit sich bringt, ist der, dass hier das
Gewicht der einzelnen Elementarstreifen im Verhältniss zur Dicke ihres Quer-
schnitts ein sehr kleines ist, und dass bei den bedeutenden Höhen der arn
Scheitel liegenden Fugen eine relativ günstigere Lage der Mitteldruckslinie als
bei den einschaligen Gewölben möglich ist; im engsten Zusammenhange damit
stehen aber die Grössen der Horizontalkräfte, welche zum Gleichgewicht des
Gewölbes nothwendig sind. Wie sich aus der früher mitgetheilten Theorie
der Kuppelgewölbe leicht ergiebt, erhält man nämlich um so kleinere Werthe
der Horizontalkräfte , je grösser der Querschnitt des Gewölbes und je kleiner
das Gewicht der Lamellen ist.
Die Dom k u P pe I von S a, MaI' i ade I fi 0 I' e erhebt sich über der
Vierung der Kathedralkirche zu F 1 0 r e n z, deren Grundriss ein lateinisches Kreuz
bildet und in einem kleinen '1'11eil in Fig. 8 Tafel X dargestellt ist. Der
Bau der Kirche wurde 1296 von Amolfo di Cambio (Arnolfo cli Lapo) be-
gonnen und nach dessen Tod durch Giotto weitergeführt; die Kur pel wurde
250 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.

aber erst im 15. J ahrhundert durch Bruneleschi dem Bau . angefügt. Im


Jahre 1420 legte Brunelcschi die Entwürfe hiezu einer Versammlung der be-
deutendsten Baumeister aller Nationen. welche nach Florenz einberufen worden
war, die Vollendung des Doms zu be'rathen, vor und erklärte, die Kuppel ohne
Lehrgerüst als Doppelkuppel ausführen zu wollen. Dies geschah denn auch,
und 1461, 15 Jahre nach Bruneleschi's Tod, war die Kuppel vollendet.
Die Domkuppel von S. Marin del fiore ist, wie ihre V orläuferin von
S. Giovanni in fonte, ein achteckiges Klostergewölbe, das über einem regulären
Achteck sich erhebt, dessen eingeschriebener Kreis 42,6 m Durchmesser hat,
Fig. 310 (S. 251). Das Gewölbe ruht auf vier schon VOll Arnolfo di Cambio
begonnenen mächtigen Pfeilern; dieselben tragen durch Gurtbögen zunächst einen
17,25 m hohen, 5 m dicken Tambour, der mit vier grossen Rundfenstern durch-
brochen ist und ungefähr in der Höhe des äussern Hauptgesimses in die Doppel-
kuppel übergeht. Das eigentliche Kuppelgewölbe ist nach einem ziemlich steilen
Spitzbogen gewölbt und hat bis zur Oeffnung der Laterne eine Höhe von 31,5 m;
die Kämpferlinie des Gewölbes liegt ca. 55 m über dem Fussboden des Kirchen-
schiffes, so dass sich eine Gesammthöhe bis zum Scheitel von 86,5 m ergiebt.
Die beiden Kuppelschalen trennen sich 2,6 m über dem Anlauf des innern
Gewölbes und laufen parallel mit einander bis zum Plateau im Scheitel, das
die Laterne _trägt. Die untere Dicke des äussern Mantels beträgt 0,85 .m,
die der innern Kuppel 2,15 m; das äussere Gewölbe verjüngt sich nur schwach
gegen den Scheitel hin, während die Stärke der Hauptkuppel konstant bleibt.
Die beiden Gewölbeschalen sind durch 24 Zungen zu einem sich verspannenden
Ganzen verbunden. Von den Zungen liegen, wie am Baptisterium, acht
stärkere in den Gräten des Klostergewölbes, und je zwei schwächere zwischen
den acht Mantelflächen. Diese Zwischenzungen sind mit den Eckzungen durch
kleine Strebebögen verbunden, die ziemlich gleichheitlieh auf dem Profil der
Kuppel verbheilt sind; in Fig. 310 giebt die rechte Seite des Querschnitts den
Durchschnitt nach ce, welcher diese Strebebögen, im Scheitel durchschnitten,
zeigt und zugleich ersehen lässt, dass die Ebene derselben ungefähr normal
auf der 'Wölbung der Doppelkuppel steht. Diese Verspannungsbögen sind
ausserdem auf derselben Seite der Fig. 310 im Grundriss und in Fig. 310a in
ihrer wirklichen Gestalt nach Schnitt f g dargestellt; hieraus dürfte die An-
ordnung derselben vollkommen zu entnehmen sein. Gegen die Mitten der
Polygonsseiten hin sind die mittleren Zungen nicht verspannt, sondern es ist
hier der Zwischenraum beider Gewölbe frei und der Rücken der innern Kuppel
in Stufen abgetreppt, wodurch man in jedem dieser Zwischenräume vom Tambour
der Kuppel bis zur Laterne emporsteigen kann. Um das Begehen der Kuppel
besser zu ermöglichen, sind ferner in verschiedener Höhe Podeste zwischen die
Gewölbemäntel gelegt,. welche durch Treppen verbundene Umgänge bilden;
dieselben sind in der linken Seite der Fig. 310 im Durchschnitt nach cd an-
gegeben. Die Sporen sind dabei, damit diese Umgänge ringsherum laufen
können, mit Thüröffnungen durchbrochen. Im Scheitel der Kuppel schliessen
sich die Zungen an eine Gallerie an, deren innere vertikale Wand den Aufsatz
der 25,5 m (incl. Kreuz) hohen Laterne trägt. Diese ist ebenfalls im Achteck
gebaut und mit einem kleinen achteckigen Klostergewölbe von 5,6 m Durch-
messer geschlossen. Das "Widerlager des Laternengewölbes wird durch acht in
den Ecken der Wand liegende, bis nahe an den Rand des Plateaus vortretende,
mit Durchgangsöffnungen versehene Strebepfeiler gebildet.
Das ganze Bauwerk, mit Ausnahme des innern GewölbBs, ist aus Haustein
(Marmor) konstruirt und das Mauerwerk mit grosser Sorgfalt hergestellt. Am
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 251

untern Theile der Kuppel, zwischen den beiden Gewölben, liess Bnmeleschi
eine Verankerung, bestehend aus einem Kranze von starken Hölzern, anbringen,

I~

Fig. 310a.

Fig. 310.
252 I. Maurer- und Steinmetzarbeiten.

um dadurch dem Schub der Kuppel entgegenzuwirken oder grössere Abtrennnngen


und Risse zu verhindern. Dass sich trotzdem bald an der Kuppel Risse und
Sprünge zeigten, ist einmal, wie noch näher dargethan werden soll, in der
Natur der Sache gelegen, anderntlieils in dem Umstande begründet, dass das
U eberführen so grosser Kuppellasten auf einzelne getrennt stehende Stützen
oder Pfeiler immer zu einem ungleichen Sichsetzen der Fundamente derselben
Anlass giebt, wodurch Abtrennungen an einzelnen Theilen des Aufbaues
unvermeidlich sind.
In noch höherem Grade als bei dem eben betrachteten Kuppelgewölbe
sind solche Risse und Sprünge an der
Kuppel derPeterskirche zuRom (Eig. 311 S.253u.10TafelX)
aufgetreten und haben Anlass zu Bedenken bezüglich der Stabilität dieses Gewölbes
und zu einer in Folge dessen nachträglich vorgenommenen umfangr,eichen Armirung
der Kuppel gegeben. Die Kuppel, welche ca. 130 Jahre nach Erbauung der
Florentiner entstand, zeigt die Doppelkuppel in vollkommener Gestalt mit kreis-
förmigem Horizontalschnitt. Das Gewölbe ist bei gleicher Spannweite bedeutend
einfacher konstruirt als die Kuppel von S. Maria del fiore, indem hier bei der
Kreisform des Horizontalschnitts stärkere Eckzungen sich nicht aussprechen
können, vielmehr alle Sporen in gleicher Stärke ganz gleichheitlich arn U m-
fang des Gewölbes vertheilt sincl. Es werden dadurch auch die von den Eck-
zungen gegen die Zwischenzungen in Florenz angeordneten kleinen Ver-
spannungsbögen gegenstandslos, und erfolgt hier die Verspannung der 16 Sporen
lediglich durch den äussern und innern Kuppelmantel selbst. Die Spannweite
der Kuppel beträgt 52,50 m, die Scheitelhöhe , gemessen vom Fussboden des
Schiffs, 101 m und die Höhe bis zur Kämpferlinie 72 m. Das Widerlager
liegt ca. 6,5 m tiefer als der Anfang des Bogenprofils und besteht nach
Fig. 311 (rechte Seite) aus einer 3 m breiten Tambourmauer , welche durch
16 Strebepfeiler verstärkt wird. Diese Strebepfeiler bilden, nach aussen vor-
tretend, eine Säulenordnung mit verkröpftem Gebälk und stehen mit der
Tambourwand auf einem 9 m dicken Podium, das selbst wieder von den ebenso
breiten Gurtbögen, welche die 4 mächtigen, die Unterstützung der Kuppel
bildenden Pfeiler verbinden, aufgenommen wird. Der Uebergang der quadrati-
schen Form der Gurten zur Rundform der Kuppel ist durch die bekannten
dreieckigen Zwickelgewölbe bewerkstelligt. Eine grössere Darstellung des
Kuppelquerschnitts enthält Tafel XXIX, welche zu der folgenden statischen
Untersuchung des Gewölbes gehört.
Nach Erbauung der Kuppel von S. Peter seben wir zwar allerorts mit
Kuppeln geschmückte Kirchen entstehen, allein es bleiben diese Gewölbe
Nachahmungen der ersteren in kleinerem Mass stab, welche selten auf die Kon-:
struktionsweise der Doppelkuppeln eingehen. So ist beispielsweise die
Ku p p eId es I n v a l i den d o m s zu Par i s zwar als doppeltes Kuppel-
gewölbe konstruirt, allein die beiden Gewölbeschalen bestehen iselbstständig für
sich und entbehren des sie verbindenden Sporens. Das obere Gewölbe ist hierbei
auf .der Hintermauerung der innern Kuppel jziemlich weit ausgekragt, so dass
sich dessen Spannweite bedeutend vermindert. Die Kir c h e S t. Gen e vi e v.e
zu Paris (franz, Pantheon) besitzt eine Kuppel, welche aus 3 Schalen besteht,
von welchen die beiden oberen die Laterne tragen. Hier wie bei der Kuppel
des Invalidendoms scheint die Anlage einer zweiten resp. dritten Kuppelschale
nur aus malerischen Rücksichten bewirkt worden zu sein. Das innere Gewölbe
ist in beiden Tällen mit einer grossen Scheitelöffnung versehen, die den Ein-
Arbeiten des Plohbaues (Gewölbe). 253

blick in die zweite und bei der Genovevenkirche sogar in die dritte Kuppel-
fläche gestatten soll.

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Fig. 311.

Von den Kuppelbauten der neueren Zeit ist hauptsächlich das Ge w I b e


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-':'~bel' der Befreiungshalle zu Kelheim (1842-1863 von Klenze


254 1. "Maurer- und Steinmetzarbeiten.

erbaut) von grösserem Interesse. Es ist auf Tafel XXIV im Grundriss und
Durchschnitt dargestellt und besteht aus einer einmanteligen halbkreisförmigen
Schale von 30 m Spannweite ; der Scheitel ist mit einem Oberlicht versehen,
dessen Unterkante 41,5 m über dem Fussboden liegt. Das -Widerlager ist nur
wenig über den Anfang der Kuppelfläche massiv aufgeführt, sonclern zum
grössern Theil aus Sporen s gebildet, die bis zu 1/s der äussern Gewölbe-
leibung aufgeführt sind; sie übertragen den Schub der Kuppel auf die äussere
"\Vand und das vertikale Gesvicht derselben zunächst auf einen Säulenk.ranz
von 36 gekuppelten Säulenpaaren , die vollständig frei stehen und deren quer
zur äussern Wand reichende Architrave durch ein Spitzbogengewölbe entlastet
sind. Im untern Geschoss nehmen kräftige, durch Segmentbögen verbundene
Pfeiler den Druck auf. Die Einzelheiten der interessanten Anlage werden aus
der auf Tafel XXIV gegebenen Darstellung ,wohl ohne weitere Beschreibung
zu entnehmen sein. '
Um die statische Wirksamkeit und Bedeutung der Sporen näher kennen
zu lernen, soll hier noch die Untersuchung eines Doppelkuppelgewölbes folgen.
Als Beispiel ist das oben beschriebene Kuppelgewölbe der Peterskirche in Rom
gewählt, dessen Stabilität aus früher erwähnten Gründen lange angezweifelt
und als von der eisernen Armatur abhängig betrachtet wurde, eine Meinung,
welcher Dr. Scheffler in folge einer statischen Untersuchung dieses Gewölbes
beigetreten ist. Wenn nun in der folgenden Stabilitätsuntersuchung ein hiervon
etwas abweichendes Resultat erhalten wird, so ist dies auf Rechnung der ge-
naueren Pläne zu setzen, welche uns in Letarouilly's Vatikan zur Verfügung
gestanden haben.

S tab i I i t ä t s u n tel' s u c h u TI g der Pet e r s k u P P e I zuR 0 m,


Der Querschnitt dieses Kuppelgewölbes mit Weglassung des Tambours ist
in den Figg. 2 und 3 Tafel XXIX im Massstabe 1 : 200 dargestellt. Das
Profil der Kuppelflächen ist ein stumpfer Spitzbogen, der Scheitel des Gewölbes
ist offen und trägt auf seinem oberen Kranze die Laterne. Die beiden Kuppel-
schalen vereinigen sich im unteren Drittel zu einer einzigen Masse, während
sie sich nach oben von einander mehr und mehr entfernen, so dass der
Zwischenraum zwischen beiden Mänteln unter dem Ansatz der Laterne ca. 5 m
beträgt. Diese beiden Kuppelflächen werden von 16 Sporen durchdrungen,
die nach innen und aussen als profilitte Rippen vortreten und ausser den
zwischen sie eingespannten Gewälbeschalen hauptsächlich noch die Laterne zu
tragen bestimmt sind. Die letztere sitzt auf einer Gallerie, die haupt-
sächlich durch zwischen den Zungen gespannte kleine Gurtbögen und die
innere Kuppel getragen wird. Die Laterne wird gebildet durch einen 7 m im
Lichten weiten Mauercylinder , der mit Fenstern durchbrochenund mit einem
halbkreisförmigen Kuppelgewölbe geschlossen ist. Das Widerlager dieses Ge-
wölbes wird, die Konstruktion des Widerlagsapparates der Hauptkuppel wieder-
holend, durch 16 Doppelsäulen mit verkröpftem Gebälk und Säulenstuhl ge-
bildet, welche mit der verhältnissmässig sehr schwachen Umfangswand des
Cylinders durch ebensoviel sporenartige Mauerkörper (Fig. 1) verbunden sind.
Ueber dem Gewölbe der Laterne beginnt ein steinerner Helm, welcher Knopf
und Kreuz trägt.
Die Darstellung des Gewölbes auf Tafel XXIX ist nach Letarouilly's Auf-
nahmen") gezeichnet, und gewährt ein ziemlich genaues Bild des konstruktiven

*) "Le Vaticul1" par P. Letarouilly,


Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 255

Aufbaues des Bauwerks, Leider lassen aber jene sonst vorzüglichen Dar-
stellungen die Zusammensetzung des Mauerwerks hinsichtlich der verschiedenen
Materialien nicht erkennen. Es ist deshalb im folgenden durchgehends ein
gleichartiges Material vorausgesetzt) was für die Genauigkeit des zu erreichenden
Resultats indess von keinem grossen Belang sein dürfte. Einen ungleich
grösseren Einfluss auf das Schlussresultat. hier auf den Verlauf der Stützlinie,
üben elle Annahmen und Hypothesen) welche) wie bekannt, allgemein und auch
bei der Stabilitätsuntersuchung der einfachsten Gewölbe gemacht werden müssen,
und die sich natürlich bei so komplizirten Gewölben, wie es die Doppelkuppeln
sind, noch in weit höherem Grade bemerkbar machen. Wenn nun auch bei
Abfassung der folgenden statischen Untersuchung der Werth einer lediglich
theoretischen Spekulation für die Erkenntniss der thatsächlichen Lage der
Dinge nicht zu hoch geschätzt wurde, so darf doch andrerseits behauptet
werden, dass, wen n e s u n t e r i r g'end ein e T m Ö g 1ich e n A n nah m e
gelingt, eine Drucklinie für das Gewölbe der Kuppel so zu
zeichnen, dass sie nirgends a u s den Gewölberändern tritt,
von ein er Uns t a b i 1i t ä t der Ku pp e I des wohl bedeutendsten Bauwerks
der neuen Zeit k ein e Red e m ehr sei n k an n. Dies letztere ist aber bei der
Petcrskuppel thatsächlich der Fall.
Bevor mit der Untersuchung der Hauptkuppel begonnen werden kann, ist
es nothwendig, die von der Laterne auf die Anfänge des grossen Gewölbes
iibertragene Kraft nach Grösse und Richtung zu bestimmen; es ist dies eine
besondere Untersuchung für sich, deren Resultat in Fig. 4 dargestellt ist. Der
Massstab des Kräfteplans ist so gewählt, dass 0,5 cm dem Gewicht eines
Kubikmeters Mauerwerk entspricht. Es ist dann 0 1 der Horizontalschub des
Kuppelgewölbes in der Laterne für einen Meridianstreifen JYIo 0'; 1 2, die von
dem Laternenhelm in cl. Knopf und Kreuz übertragene schräge Kraft; 2 3 das
Gewicht einer Lamelle der Laterne (1/16 des ganzen Gewichts) von der
Horizontalebene A A' abwärts bis zum Plateau am Scheitel der Hauptkuppel.
Der ungefähre Verlauf der Gleichgewichtskurve für den Querschnitt der Laterne
ist in Fig. 3 eingezeichnet. Der Punkt a, in welchem diese Kurve die obere
Begrenzung der grossen Kuppel schneidet, ist der Angriffspunkt der von der
Laterne auf die Hauptkuppel übertragenen Einwirkung, welche durch 0 3 (Fig. 4)
nach Grösse und Richtung dargestellt wird. -
Um die Stützlinie für das Hauptgewölbe zu bekommen, ist es nöthig, die
Doppelkuppel wieder erst in einzelne Meridianstreifen und diese in einzelne
Lamellen zu zerlegen. Die Art der Zerlegung der Doppelkuppel in einzelne
Streifen ergiebt sich aus ihrer konstruktiven Anordnung von selbst. Es bilden
offenbar die 16 aus dem Tambour aufsteigenden Zungen die Hauptträger der Kon- .
struktion, zwischen welche sich die beiden Gewölbeschalen, um Halt und Wider-
lager zu gewinnen, einspannen. Man kann deshalb am vortheilhattesten einen
Sporen, z, B. MN, herausgreifen und mit dem Gewichte desselben die der anstossen-
den Gewölbefelderhälften M NI 0 und M N 2 0' vereinigen, so dass sich also
das Gewicht eines Streifens auf 1/16 des Gesammtgewichts der Kuppel beziffert.
Die Gewichte der halben Gewölbefelder M N 1 0 und M N 2 0 lassen sich zu
einem einzigen in der Meridianebene des Sporens MN wirkenden Gewicht
vereinigen, so dass also wieder alle Gewichte in einer und derselben Vertikal-
ebene liegen. Die weitere Eintheilung des von den Meridianebenen JYIO und
]If 0' begrenzten Streifens in einzelne Lamellen lässt sich am besten mit Rück-
sicht auf die Konstruktion der Gewölbmäntel und Sporen bewerkstelligen.
Fig. 2 zeigt den Meridianschnitt MN durch den Sporen und in der,
256 1. Maurer- und Steinme:zarbeiten.

dunkler schraffirten Theilen den Schnitt JJ10 durch die Zwischenfelder, wobei
die Ebene JJ10 bis in die Lage JJ1 N gedreht gedacht wurde, so dass Fig. 2
nicht die Vertikalprojektion des Schnitts JJ10, sondern die wirkliche Schnitt-
figur zeigt. Die Ebenen, welche die einzelnen Lamellen begrenzen, wurden
nun senkrecht zur Mittellinie des Querschnitts durch den Sporen gestellt. Da
sich der Sporen zwischen den Gewölbeschalen nach oben in drei Absätzen
verjüngt, so ergab sich hieraus die Stellung der Ebenen IV, VII, X von
selbst; zwischen diese wurde noch eine passende Anzahl von Lamellengrenzen
eingeschaltet. Die Lamellengrenze I geht durch den äussem Fusspunkt der
Gallerie, 11 durch den Parallelkreis, in dem sich die innen vortretenden Rippen
von der Gewölbef1äche frei machen.
Das Gesammtgewicht jeder einzelnen Lamelle setzt sich nun aus drei
Summanden zusammen: aus dem Gewicht der Sporenlamelle , und aus dem
Lamellengewicht des innern und des äussern Gewölbes. Diese Einzelgewichte
kann man ihren in Fig. 2 gegebenen Querschnittsflächen und ihren mittleren
Dicken (aus Fig. 1) proportional setzen. Da eine Unterscheidung des Mauer-
werks nach dem Material für den Querschnitt der Kuppel, ,wie schon oben
bemerkt, nicht möglich war , so wurde (wie schon bei der Laterne) blos der
kubische Inhalt der einzelnen Lamellen bestimmt, also das Gewicht jeder
Lamelle ihrem Volumen proportional gesetzt.
Die der graphischen Bestimmung der Drucklinie zu Grunde gelegten Ge-
wichte resp. V olumina der einzelnen Lamellen sind in folgender Tabelle
enthalten.

Inhalt in Kubikmetern
Lamelle 1------;---------,------------
Sporen Innerer äusserer
zusammen
Mantel Mantel

1. 13,26 3,33 2,69 19,28


inkl, Gallerie
II. 8,66 5,62 4,14 18,42
III. 12,42 9,97 5,44 27,83
IV. 11,46 13,91 7,91 33,28
V. 15,88 15,81 8,44 40,13
VI. 15,57 19,14 10,63 45,34
VII. 15,12 22,31 12,54 49,97
VIII. 21,12 24,31 13,40 58,83
IX. 20,17 27,53 I 15,14 62,84
X. 19,54 30,05 15,72 65,31
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XI. 21,55 60,05 81,60
XII. 20,53 57,72 78,25
XIII. 19,58 54,26 73,84
XIV. 51,36 145,95 197,31

Es sind also in den Kräfteplänen Fig. 5 bis 8 nicht die Gewichte der
Lamellen, sondern nur ihre kubischen Inhalte eingetrag'3n, aus denen man
at,?'., die bezüglichen Gewichte durch einfache Multiplikation mit dem Gewichte
der Kubikeinheit Mauerwsr]; (2400 kg per 1 kbm) leicht erhalten kann.
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 257

Vereinigt man nun die in den Schwerlinien der einzelnen Stücke liegenden
Gewichte des äussern und innern Mantels, sowie des Sporens , zu einem ein-
zigen Gewicht (am einfachsten durch Zeichnung eines Seilpolygons über den
drei Einzelgewichten). so erhält man hierdurch die Lage des Gcsannntgewichts
jeder einzelnen Lamelle. So stellt Fig. 9 den Kräfteplan für die Bestand-
theile der ersten Lamelle vor; das über den Schwerlinien derselben gezeichnete
Seilpolygon giebt im Schnitt der ersten und letzten Seite die Lage des Ge-
sammtgewichts 1. Aeimlich ist mitte1st Fig. 10 die Schwerlinie 2 erhalten
worden und ähnlich alle folgenden: 3, 4 ... 10. Die Gewichte der Lamellen
X bis XV erhält man dann aus je zwei Kräften: dem Gewichte des Sporen und
des zwischen je zwei Rippen liegenclen Leibes des Gewölbes. Sind so die ein-
zelnen Lamellengewichte auch nach ihrer Lage festgestellt, so erübrigt es nur
noch, über die Lage der auftretenden Horizontalkräfte eine Annahme zu
machen. Die grosse ;Dicke .des Gewölbes am Scheitel lässt hier die verschie-
densten Annahmen dieser Kräfte zu, je nachdem man sich die Verspannung
der Rippen mehr durch den innern oder äussern Gewölbemantel erfolgt denkt.
Um hier eine ziemlich in der Mitte liegende Annahme z,u bekommen, betrachte
man vorerst die zwischen den Rippen liegenden Gewölbefelder bezüglich ihres
Gleichgewichtszustandes für sich, ohne Rücksicht auf die Laterne und die
Sporen des Gewölbes. Es muss dann für jeden Mantel eine Stützlinie möglich
sein, die ganz im Gewölbe liegt und aus der man die durch jeden Mantel
ausgeübte Horizontalverspannung bestimmen kann. Beide Horizontalkräfte ver-
einigt, geben dann eine Mittelkraft , die das Mi n i m u m der auf den Sporen
ausgeübten Horizontalverspannung vorstellt. Für die einzelnen Mäntel sind
die Angriffspunkte der zum Gleichgewichte erforderlichen Horizontalkräfte
h1 ' , h1 "', h2 ' , h2 ,,, etc.... in den oberen Grenzpunkten der bezüglichen Lamellen
angenommen. Der Kräfteplan für den innern Mantel ist in Fig. 5, der für
den äussern Mantel in Fig. 6 nach dem beigeschriebenen Mass stab aufgetragen.
Die Stützlinien wurden in früher angegebener Art unter der Annahme erhalten,
dass die grösste Abweichung der Resultanten von den Lothrechten zu den
zugehörigen Fugen 17 0 nicht übersteigen darf. Die bei den Drucklinien liegen
nach Fig. 2 grösstentheils dicht an den innern Wölblinien. Die Punkte b'
und b"', in denen sie die Ebene der Aufmauerung zwischen den beiden Kuppel-
schalen treffen, liegen so günstig, dass sie auch für einen vermehrten Hori-
zontalschub noch innerhalb der Gewölbedicke bleiben. Jeder der beiden Ge-
wölbemäntel hat also für sich den wünschenswerthesten Grad von Stabilität.
Je. zwei in einer Lamelle liegende Horizontalkräfte, deren resp. Grössen durch
die für die Stützlinie beider Gewölbeschalen gezeichneten Kräftepläne bestimmt
sind, lassen sich nun mit Hülfe der Flg. 11 zu einer Resultante vereinigen,
wodurch man die Lage der auf den Sporen wirkenden seitlichen Verspannungen
1-11 , H'J' Ha .... H s erhält. Aus diesen Horizontalkräften und den Total-
gewichten der einzelnen Lamellen, die in dem Kräfteplan Fig. 7 für die
Lamellen I bis X und in Fig. 8 für die Lamellen X bis XIV eingetragen
sind, lässt sich nun eine Stützlinie für den ganzen Kuppelsektor MO 0' ziehen.
Durch das Hinzutreten des Gewichts der Laterne, der Gallerie und des Sporens
in dem Kräfteplan Fig. 7 wird natürlich eine Vergrösserung der gefundenen
Horizontalkräfte H nothwendig werden müssen; allein dieselbe sei derart, dass
dabei der Mittelpunkt dieser Kräfte in den einzelnen Lamellen beibehalten
bleibt, so dass nach wie vor die Gesammthorizontaldrücke der einzelnen La-
mellen mit den Linien 1]1 bis Hf: zusammenfallen. Die Grösse dieser Hori-
zontalwirkungen ergiebt sich dann durch die Zeichnung der definitiven Mittel-
Go t t g e t r e 11, Hochbaukonstruktion. 1'7
258 I. Maurer- und Steimnetzarbeiten.

c1ruckslinie von selbst. Die grösste Abweichung der Resultanten von den
N orrnalen zu den angenommenen Fugenflächen wurde wieder auf 17 0 (wie
früher) festgesetzt. Unter dieser Annahme ist die gesuchte Stützlinie c cl für
den ganzen Ausschnitt JJ10 0' erhalten worden. ,Vie der Kräfteplan Fig. 7,
verglichen mit den Kräfteplänen der Figg. 5 und 6 zeigt, erfordern namentlich
die obern Lamellen eine sehr bedeutende Vermehrung der horizontalen Kräfte,
so dass von der Lamelle VII ab der Horizontalschub konstant bleibt. Die
G I' e n z e VII ist deshalb als die B l' e c h u n g s f u g e der Ku p P e 1 anzu-
sehen. Die Strecke e f, um welche in dieser Fuge die Stützlinie vom innern .
Gewölberand absteht, ist ungefähr zu 1/5
der Gewölbedicke eg angenommen;
es zeigt sich dann, dass auch in der Widerlagerfuge cl ni ungefähr gleich 1/5
lm
wird, so dass also die beiden Bruchfugene g und lm gleiche Widerstands-
fähigkeit gegen Urekanten der Gevvölbestücke besitzen.
Betrachtet man das Resultat der Untersuchung, so kann jedenfalls aus
dem Verlauf der Stützlinie c cl eine Instabilität der Kuppel nicht gefolgert
werden. Die für diese Stützlinie gemachten Annahmen sind noch lange nicht
die glinstigsten, und trotzdem war es möglich, eine Stützlinie zu finden, die in
den Brechungsfugen eine Verbreitung des Drucks über 3/5 der Länge derselben
ermöglicht, ohne alle Rücksicht auf die Zugfestigkeit des Bindemittels. Liegt
aber, wie wahrscheinlich, in Wirklichkeit der Punkt f noch näher, als hier
angenommen, arn innern Gewölberand , so rückt der Punkt cl der Stützlinie
in der vViderlagerfläche noch mehr in das Innere des Tambours hinein, erhöht
sich also die Stabilität des Gewölbes. Wir halten deshalb die Kuppel von
St. Peter in Rom nicht nur an und für sich für vollkommen stabil, sondern
auch hinsichtlich ihrer konstruktiven Anordnung für ein geradezu muster-
haftes Werl;:.
Was nun schliesslich die an der Kuppel zu Tage getretenen Risse und
Sprünge und die in folge dessen vorgenommene Armatur des 'Gewölbes an-
belangt, so mäge hier Folgendes bemerkt werden: Es ist selbstverständlich,
dass wie bei jeder grässern Gcwälbekonstrnktion, so auch an de~l in Rede
stehenden Kuppelgewölbe in den Brechungsfugen ein Oe ffn end e r F u gen,
hervorgebracht durch ungleiche Druckvel'theilung, ent-
s t ehe n k a n n. °
Die s e Abt l' e n nun gen e r f 1gen a b e r s t e t s
hauptsächlich nach der Richtung der Lagerfugen, also in
°
ho r i z nt ale r R i c 11 tun g. Die an der Petcrskuppel vorhandenen Sprünge
sind aber vorzugsweise vertikal gericbtet*), weil sie lediglich durch ein un-
gleiches Setzen des Mauerwerks und der Pfeilerfundamente , sowie durch Er-
schiitterungen des Gewölbes in folge von Stürmen, Erdbeben etc. entstanden
sind. Ein ungleiches Setzen grosser Mauerwerkskörper ist unvermeidlich,
namentlich aber an der Unterstützung der Petcrskuppel in grossem Massatabe
unabwendbar gewesen, weil hier die kolossalen Mauermassen in der unsolidesten
Art hergestellt wurden.
Der Kern der Mauermassen ist nämlich ein Füllmauerwerk aus Bruchsteinen,
welches aussen mit Vorsetzmauerwerk aus dem Travertinstein, innen mit Tuff:"
stein (Peperino) oder Ziegeln verkleidet ist. Fig. 312 (S. 259) giebt einen Quer-
schnitt durch den Tambour der Kuppel, mit Angabe der Mauerung, welcher
das Gesagte deutlich macht. Die im Laufe der Zeit an der Kuppel entstandenen
Risse und Sprünge sind bekanntlich Anlass zu einer nachträglichen Armirung
des Kuppelgewälbes geworden. - Diese Armatur konnte jedoch nur den Zweck

*) Ronc1elet: "Kunst zu bauen," 4. Buch, S. 385; 7. BclCh,S. 313; 9. Buch, 8. 180.


Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 259

haben, eine Wiedervereinigung der getrennten Theile ganz oder theilweise


herbeizuführen oder wenigstens einem weitem Fortschritt der Zerklüftung vor-

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Fig. 312.

zubeugen, niemals aber eine Bewegung von Mauerrnassen , entstanden durch


den Schub einer so gewaltigen Kuppel, wie es die von St. Peter in Rom ist,
zu verhindern. U ebrigens hat das Bauwerk selbst den besten Beweis geliefert,
dass es künstlicher Mittel zur Erhaltung seiner Stabilität nicht bedarf. So viel
bekannt ist, wurde die Kuppel zur Zeit ihrer Erbauung*) mit zwei grossen
79 mm breiten und 45 mm dicken Reifen armirt**). Der eine liegt ausser-
halb an dem innern Gewölbe, ungefähr 30 cm über dem Punkt, wo sich das
Gewölbe in zwei Theile theilt, vor der ersten Stufe der zur Laterne führenden
Treppe; der andere Ring liegt in der Mitte der Gewölbedicke der vereinigten
Kuppeln, ungefähr 5,35 m über dem Anfang des innern Gewölbes.
Diese Ringe konnten, wie erklärlich, die in folge starken ungleichmässigen
Sichsetzens des Mauerwerks uncl der Fundamente unvermeidlichen Abtrennungen
nicht verhindern, so dass man im -Iahre 1743 eine umfangreichere Armirung
der Kuppel mit sechs 95 111m breiten und 56 mm starken Reifen vornahm.
t

*) Die Kuppel wurde unter Leitung Domenico Fontana's , wie es scheint nach
dem Projekte Giacomo della Porta's , und zwar in einem Zeitraum von 22 Monaten
im Jahre ] 590 eingewälbt. C. A. Jovanovits: Der Bau der Peterskirche zu Rom,
pag. 114.
**) Bündelet: "Kunst zu bauen," 7. Buch, S. 313.
1'7 *
2GO 1. Maurer- und Steimnetzarbeiten.

Der unterste Ring liegt über dem Tambour, auf welchem die das 'Widerlager
der Kuppel verstärkende Säulenordnung steht; der zweite Ring liegt über
dem Kranzgesims dieser Strebepfeiler) vor dem Sockel der Attika (Fig. 2
Tafel XXIX); der dritte Ring wurde über der Attika, arn Anfang der
äussern Kuppel eingelegt, der vierte liegt auf der äussern Kuppel ungefähr
30 cm unter der Stelle, wo die A ufmauerung zwischen den Gewölbeschalen
aufhört; der fünfte in der halben Höhe der äussern Kuppel, der sechste
über dem Podium der Laterne. Diese Ringe liegen dicht an der Leibung
des Gewölbes, gehen also unter den Vorsprüngen der Rippen durch und sind
mit ihrer ganzen Dicke in die Gewölbefläche eingelassen. Die. Ringe wurden
in den Jahren 1743 bis 1748 gelegt, und bei dieser Gelegenheit (1747)
entdeckte man, dass der ursprüngliche bei der Erbauung der Kuppel über das
innere Gewölbe gelegte Ring an zwei Stellen gerissen war. Es ist mit
Sicherheit anzunehmen, dass auch der in der Aufmauerung gelegene Ring,
welcher nicht blossgelegt werden konnte, gerissen ist, sowie dass die Zer-
störung dieser Ringe bald nach der Vollendung der Kuppel erfolgte und wohl
erfolgen musste, als eine Mauermasse von ca. 14000 kbm mit einem Gewichte
von ca, 28 000 000 kg anfing, sich zu setzen. Seit jener Zeit 'bis zur Mitte
des 18 . Jahrhunderts, also durch 15 5 Jahre, ist daher die Kuppel ohne Armirung
gewesen und ihr Bestand lediglich durch den von vorneherein vorhanden ge7
wesenen Stützapparat erhalten worden.
Es ist in hohem Grade interessant, Vergleiche zwischen der von Domenico
Fontana ausgeführten Kuppel und dem Michel Angelo'schen Projekte anzustellen.
Dies ermöglicht die Fig. 311 (S. 253), in welcher beide Gewölbe in demselben
Mass stabe dargestellt sind; rechts die heutige Peterskuppel, links die Form nach
dem Modell Michel Angelo's. Es ist hierbei der gewaltige Fortschritt bei der
jetzigen Gestalt nicht blas in ästhetischer Hinsicht, sondern noch vielmehr in
statischer Beziehung unverkennbar. Zeigt uns der Verlauf der für die jetzige
Kuppel gezeichneten Stützlinie , dass die Kuppel Fontana's zwar stabil ist, zu
gleicher Zeit aber die Erhebung des Kuppelscheitels über den Widerlagerapparat
durch das stumpfe spitzbogige Kuppelprofil in ungemein kühner1Veise erfolgt
ist, so dürften wohl für das Projekt Michel Angelo's, welche für die Form
der inneren Gewölblinie den weniger stabilen Halbkreis setzt) Bedenken bezüg-
lich seiner Ausführbarkeit rege werden; namentlich da auch der Vorsprung
der Rippen ein bedeutend geringerer und die Last der Laterne verhalmiss-
mässig noch viel grösser als bei dem heutigen Bestande ist. VV ürde man indessen
heutzutage eine Petcrskuppel bauen, so dürfte es gerathen sein, den Spitzbogen
des Kuppelprofils etwas steiler und die Last der Laterne etwas geringer an-
zunehmen.

S e h l u s s b e t r a c h tun g.
Aus den vorstehenden über die Stabilität der Gewölbe angestellten Be-
trachtungen dürfte sich zur Genüge ergeben, dass die Baumechanik nach
ihrem heutigen Stande noch weit entfernt ist, dem ausführenden Bautechniker
in allen Fällen als sichere Richtschnur für die Stärkebestimmung der Stein-
konstruktionen des Hochbaues dienen zu können. Der unmittelbare praktische
Werth der theoretischen Untersuchungen müsste aber noch mehr schwinden
und die Mängel der Theorie würden noch bemerkbarer werden, wenn man
darauf ausgehen wollte, aus dieser 'Wissenschaft die zukünftigen Fortschritte
der Baukonstruktion abzuleiten. Für die Hochbaukonstruktionen besitzen die
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 261

statischen U ntersuchunzen
u der Gewölbe desweaen u keinen hohen 'Yerth., weil
dabei ein wesentlicher Faktor des gewöhnlich hier angewendeten Backstein-
mauerwerks , der M I' tel, bis jetzt nicht in Rechnung gezogen werden
ö

konnte. Denkt man sich aber den Märtel ganz hinweg , oder an Stelle des-
selben ein Bindemittel, dessen Bindekraft, d. h. Widerstand gegen Trennen
der verbundenen Steine gleich Null ist, so wird damit der Begriff des Mauer-
werks, wie es bei jenen Konstruktionen angewandt ist, vollständig aufgehoben.
Thatsächlich äussert sich die Vernachlässigung des Bindemittels in den
zu grossen Resultaten, welche man nach blasser Anleitung der Theorie erhält.
Dies tritt namentlich ein, wenn man nach der Na v i er' s c h e n T h e 0 r i e
annehmen wollte, dass alle Druckmittelpunkte innerhalb der Kernränder (mittlere
Drittel) der widerstehenden Flächen liegen müssen.
Die grosse Differenz der den jeweils bezüglich des Bindemittels gemachten
Annahmen entsprechenden Resultate zeigt sich am besten in den Angaben über
die Gewälbestärken von Rondelet. Während er die Minimalstärke eines Halb-
kreisbogens aus glatt bearbeiteten Hausteinen , ohne Bindemittel, auf 1/ 1 8 der
Spannweite setzt (pag. 218), giebt er andrerseits die geringste Dicke eines
halbkreisförmigen Backsteingewälbes zu 1/100 und die ge b r ä u c h I'i ehe Stärke
zu I/5 4 bis 1/9 0, also im Mittel zu 1/ 72 der Spannweite (pag. 221) an. Da
in ein solches Gewölbe durch kein Mittel eine Stützlinie gelegt werden kann,
so ergiebt sich, dass bei fest bindendem Märtel die Drucklinie selbst eines
stabilen Gewölbes die Gewälberänder wohl verlassen kann. Im Backstein-
gewälbe müssten also die vor dem Bruche auftretenden Zugkräfte der Mörtel-
bänder berücksichtigt und in Rechnung gezogen werden. Theoretisch bleibt
dies immer sehr prekär, da die Festigkeit des Mörtels gegen Zug namentlich
von der grässeren oder geringeren Sorgfalt bei der Bereitung desselben und
bei der Mauerung abhängen, also den grössten Schwankungen unterliegen
würde. Das Einfachste, wenn auch nicht das Richtigste, bleibt es daher unter
allen Umständen, die Zugfestigkeit des Märtels ganz zu vernachlässigen und
die Drucklinie so zu legen, dass sie selbst bei einem etwa eintretenden Bruche
des Gewölbes noch innerhalb der Gewälbedicke liegt, wozu genügt, wenn diese
Linie in den Brechungspunkten der Gewölbe tangirt.
Sind wir also auch weit entfernt, der Mit tel d r U c k s - 0 der S t t z ü «

linie vollständiges Vertrauen zu schenken, s 0 ist sie d 0 eh an d r e r sei t s


das beste bis jetzt bekannte Mittel, die Art der v'\Tirkung
und Zusammensetzung der Kräfte in den Konstruktionen
er k en ne n zu las s e n , und jeder Techniker wird sich in schwierigen, das
Gewöhnliche übersteigenden Fällen mit ihrer Hülfe von der theoretischen
Möglichkeit seiner Massnahmen überzeugen!
Ein Feld der praktischen Bauthätigkeit wird freilich noch lange der theo-
retischen Behandlung sich entziehen: nämlich der Ce m e n t- 0 der K 0 n k l' e t-
Ge w ö I beb a u. Lässt sich schon das gewöhnliche Ziegelmauerwerk nUT
schwer als Zusammenfügung einzelner verschiedenartiger Theile betrachten,
indem vielmehr hier schon durch die Bindekraft des Luftmörtels das Ganze
als homogene Masse aufzufassen ist, so ist dies um so mehr bei Verwendung
von Cementen der Fall. Hier erfolgt eine Vereinigung zwischen Stein und
Bindemittel, deren Intensität oft grösser als die Festigkeit des Steinmaterials ist,
so dass ein Bruch ebenso oft mitten im Stein, als an den Fugen eintreten
kann. Diese bedeutende Bindekraft des hydraulischen Märtels hebt den Cha-
rakter des Gewölbes vollkommen auf, und sind in folge dessen Steinc1ecken
in Cementmörtel als Y 0 11 ;c: t ä n d i g e m 0 11 0 1 i t h e M a s s e n z u den k e n ,
262 1. Maurer- und SteimnetzlLrbeiten.

die durch ihre Kohäsion die auf sie übertragenen zer-


störenden Einwirkungen, namentlich den in' allen Ge-
w 1 ben t h ä t i gen Hol' i z 0 n t a l s c hub, ver n ich t e n.
ö ,
Die Anwendunz c des Cementzuss
c - oder Grobmörtelmauerwerks hat ausser
in Frankreich und England, ,YO es zur Aufführung der verschiedensten Bauten
in ausgedehntem Masse verwendet wird, auch bei uns mehrfache Anwendung
gefunden, so in Württemberg , Berlin , München, Holzminden*) u. s. w. Es
werden dabei nicht nur alle Gewölbe, sondern auch die Umfangs- und Scheide-
mauern , die Treppen und Dächer, überhaupt alle Konstruktionen aus Beton-
guss hergestellt. Diese Bauten überraschen durch die geringen Massen , mit
welchen sie aufgeführt werden. Die Umfangsmauern erhalten selbst bei zwei
bis drei über dem Kellergeschoss liegenden Etagen eine Stärke von 0,25 bis
0,30 m und dienen dabei in allen Stockwerken den die Decken der Räume
bildenden Kappengewölben als 'Widerlager. Die Gewölbe selber, welche un-
mittelbar die Fussböden tragen und in bunter Mannichfaltigkeit als böhmische-,
preussische - oder Kreuzkappen auftreten, werden bei Spannweiten von 3 bis
5 m im Scheitel 0, 10 bis 0,12 m stark gemacht. Soviel bis jetzt bekannt,
haben sich diese Konkretbauten gut bewährt und haben Mauern und Decken-
gewölbe die an ihnen vorgenommenen Belastungsproben mit bestem Erfolg
bestanden. Eine statische Beleuchtung dieser gewiss interessanten Fälle ist
aber bis jetzt noch nicht angestellt worden.

Massive Treppen (aus Steinmaterial).

Allgemeines.

Alle Treppen bestehen aus einer Anzahl. von Stufen, deren Material em
sehr verschiedenes sein kann, wie z, B. Stein) Holz, Eisen, entweder jedes für
sich oder auch mit einander in verschiedener "V'l eise zur Verwendung gebracht.
Bei den Treppen aus Steinmaterial betheiligen sich in vielen Fällen auch andere
Baumaterialien.
Je nachdem die Treppen ausser- oder innerhalb unserer Gebäude liegen,
unterscheidet man Fr e i t r e P P e n und Hau s t r e P P e n; letztere sind ent-
weder Hau P t t l' e P p e n oder N e ben t r e P p e n, Selbst in grösseren Ge-
bäuden befindet sich meistens nur eine Haupttreppe, die freilich durch mehrere
Etagen hindurchgeführt sein kann, alle andern Treppen sind dann Nebentreppen
und können je nach ihrem Zweck Die n s t t r e p p e n , K elle I' t r e P pe n ,
D a c h b 0 den t r e P P e n, Ver bin dun g s - oder auch Geh e i m tr e P P e n
sein.
Jede Treppe besteht aus einzelnen S tu f e n mit S t e i gun g und Auf ~
tri t t; die erste Stufe einer Treppe wird als An tri t t, die' letzte als Aus ~
tri t t bezeichnet; eine Anzahl ununterbrochen auf einander folgender Stufen
wird Tl' e P p e na r moder Tl' e p P e n lau f genannt, der in vielen Fällen
von beiden Seiten durch Treppenwangen begrenzt ist. Treppenläufe mit einer
sehr grossen Anzahl von Stufen erhalten wohl sogenannte Ruh e p l ätz e oder
Po des te, indem man eine der Stufen bedeutend breiter macht. Ist der Treppen-
raum von Mauern vollständig umgeben, wobei er wohl auch ganz oder theil-

*) S. Deutsche Bauzeitung 1877, S. 458, und vergleiche Seite 68 u. ff.


A~'beJen des Rohbaues (Treppen]. 263

weise aus der Umfassungsmauer heraustritt , so bezeichnet man ihn als


T r e p pe n hau s , das je nach Umständen entweder mit Oberlicht oder auch
mit Seitenlicht beleuchtet werden kann.
Zur Bequemlichkeit, aber auch häufig zur Sicherheit hat jede Treppe
einen Geländergriff beziehungsweise ein Treppengeländer zu e1'11 alten. Treppen ~
arme, die nur nach einer geraden Richtung führen, geben ger a d e Tl' C pp e n ,
im Gegensatz zu den ein mal, z w e i mal und auch d I' e im a I g e b r 0 c h e-
11 e 11 TI' e pp e 11, deren Treppenarme ihre gerade Richtung verlassen, und in
den meisten Fällen, einen Podest zwischen sich bildend, um 90 0 ihre Richtung
verändern; sind statt der Podeste (in dem Bruche der Treppe) sogenannte
Winkelstufen angeordnet, so entstehen die ge w und e n e n Tl' e pp e n. Erhält
die ganze Treppe eine bogenartige , z. B. runde oder elliptische Windung , so
nennt man sie eine VV end el t r e P pe, während bei vollständig geschlossenem
Kreis die S 1) in d e 1 t re p p e n sich ergeben; letztere können in ihrem Treppen-
lauf die cylindrische Form besitzen,." wie das am häufigsten der Fall ist, auch
ist in einzelnen Fällen die Kegelform nicht ausgeschlossen, und von diesem
Standpunkte aus betrachtet, hätte man die Spindel- und Wendeltreppe noch
in C y 1 i n der - und K e gel t r e p p e n zu scheiden.
N eben diesen einfachen Treppenformen giebt es freilich auch Treppen
mit äusserst kornplizirten Grundrissanlagen , unter welchen die z. B. durch
zwei oder auch wohl drei unter sich verschlungene Kreise gebildeten nur als
verkünstelte Spielereien zu betrachten sind.
Bei grossartigen Treppenanlagen sind die sogenannten D 0 P pe I t I' e pp e n
sehr beliebt; sie beginnen entweder mit ein e m breiten Treppenlauf von dessen
Podest aus die Treppe z w ei arm i g angelegt ist, oder sie fangen mit zwei
Treppenläufen an und hören im obern Theil der Treppe mit einem auf.
Für 'die b e q u e me Ben t z u n g der Treppen ist v 0 I' All e m auf die
ü

Wahl der Masse zu achten, die. man den Treppenstufen giebt, und müssen
besonders deren Steigung und Auftritt in einem durchaus richtigen Verhältniss
stehen.
Ein solches Verhältniss erglebt sich aber durch den allbekannten Um-
stand, dass der beim gewöhnlichen Fortschreiten auf ebener Fläche vom nor-
malen Menschen gemachte Schritt auf 0,60 m geschätzt wird; wird nun an-
genommen, dass beim S t e i gen die doppelte Kraft, als dies beim Fortschreiten
auf der Ebene der Fall ist, erforderlich sei, so würde einer Steigung von 0,15 m
ein Fortschreiten auf der Ebene um den doppelten Betrag entsprechen, und es
blieben dabei noch 0,30 m übrig, die weiters zurückgelegt werden können,
ohne dass dabei ein grösserer Kraftverbrauch als beim gewöhnlichen Fort-
schreiten anzuwenden ist; aus dieser Betrachtung hat man dann folgende
allgemeine Regel abgeleitet:

2s+a= 0,60 m,
wobei s die Steigung und a den Auftritt einer Treppenstufe bedeutet.
N ach dieser Betrachtung ist es leicht, für jede gegebene Steigung den
Auftritt der Stufe zu bestimmen, oder auch umgekehrt für ein gewünschtes
Mass des Auftrittes das entsprechende Mass für die Steigung zu ermitteln. Die
bei der Treppenkonstruktion sich ergebenden 7 erhältnissmr.sse von Steigung
und Auftritt sind nun folgende:
264 I. Maurer- und Steinmotzal'beiten.

Steigung: A uf'tr i tt:


bei 0,120 m *) (0,60 - :2 . 0,120) = 0,36 m
0,125" (0,60 - 2 . 0,125) = 0,35 "
" 0,130" (0,60 - 2 . 0,130) = 0,34 "
" 0,135 ,,**) (0,60 - 2.0,135) = 0,33 "
"
.u. 0,140 u (0,60 -- 2 . 0,140) = 0,32 "
0,145.. (0,60 - 2 .0,145) = 0,31 "
" 0,150" (0,60 - 2 . 0,150) = 0,30 "
" 0,155" (0,60 - 2.0,155) = 0,29 "
" 0,160" (0,60 - 2 . 0,160) - 0,28 "
" 0,165" (0,60 - 2 . 0,165) = 0,27 "
" 0,170" (0,60 - 2.0,170) = 0,26 "
.."
u 0,175" (0,60-2.0,175)=0,25"
0,180" (0,60 - 2 . 0,180) = 0,2 L1 "
..
u
" 0,185" (0,60 - 2.0,185) = 0,23 "
0,190" (0,60 - 2 . 0,190) = 0,22 »
" 0,195" (0,60 - 2 . 0,195) = 0,21 "
" 0,200" (0,00' - 2 . 0,200) = 0,20 "
" 0,205" (0,60 - 2 . 0,205) = 0,19 "
" 0,210" (0,60 .- 2 . 0,210) = 0,18 "
" 0,:215" (0,60 -- 2.0,215) = 0,17 "
" 0,220" (0,60 ..- 2 . 0,220) = 0,16 "
" 0,225" (0,60 - 2 . 0,225) = 0,15 "
" 0,230" (0,60 - 2 . 0,230) = 0,14 "
" 0,235" (0,60 - 2 . 0,235) = 0,13 "
" 0,240" (0,60 - 2 . 0,240) :.- 0,12 u
"
Im allgemeinen nimmt mit der grässern Höhe der Steigung das Mass des
Auftrittes ab.
Von den vorstehenden Verhältnissmassen finden Anwendung:
die Steigung von 0,120 bis 0,135 m für Prachttreppen ; die Steigung
von 0,140 bis 0,165 m für Haupttreppen; die Steigung von 0,170 bis 0,220 m
für Nebentreppen ; noch höhere Steigungen und zwar bis zu 0,240 m finden
sich wohl nur bei den in Kaufläden, Bibliotheken etc. benützten trans-
portablen Trittleitern.
Nach dem Ingenieur-Obersten A. R. Emy in seiner l'art de charpenterie,
Tom. II, soll die Summe der Höhe und Breite einer Treppenstufe 0,487 m
sein und begründet er diese Regel darauf, dass die Länge des Schrittes einer
Person von mittlerem W uchse, die sich nach gewöhnlichem und am wenigsten
ermüdenden Gange bewegt, nur 0,487 111 beträgt, und dass die Höhe, in welcher
ein Fuss sich .vertikal über den andern erheben kann, bei dem Besteigen einer
senkrecht stehenden Leiter nicht wohl 0,487 111 übersteigen dürfe; hiernach
sei es nicht nöthig, beim Durchlaufen einer Treppe nach horizontaler und nach
vertikaler Richtung Anstrengungen zu machen, deren Summe grässer ist als
die, um horizontal fortzuschreiten oder vertikal in die Höhe zu steigen.

"') Eine Prachttreppe aus weissem Marmor mit 12 cm Steigung und 36 cm


Auftritt befindet sich im Vatiean zu Rom.
*''') Die Haupttreppe aus Granit in der techn. Hochschule in München, hat 13,5 cm
Steigung und 35 cm Auftritt; diese Stufenbreite seLzt sich zusammen aus der wahren
Stelnbreite und einem 2,5 em vorspringenden Profile,
Arbeiten des Eohbuues (Treppen). 265

Demgemäss entspräche den Steigungen von


0,12 m der Auftritt von 0,487 - 0,12 = 0,367 m
0,15. ,. " ,. 0,487 - 0,15 = 0,337 "
0,18" u •. 0,487 - 0,18 = 0,307 /,
0,20" 11 " u 0,487 - 0,20 = 0,287 " etc.
Vergleicht man beide Resultate , so' ergiebt das französische Verfahren
verhältnissmassig bedeutend grässere Auftritte, und möchte dem deutschen
Verfahren keineswegs vorzuziehen sein. Der effektive Auftritt unserer Treppen-
stufen wird übrigens fast ohne Ausnahme durch eine vortretende Gliederung um
2,5 bis 3 cm verbreitert.
Sind einmal die Masse für Steigung und Auftritt festgestellt, so sollten
dieselben auch für die ganze Treppenanlage d u r c hall e S t 0 c k wer k e bei-
behalten werden, wie dies besonders bei Neubautell ohne alle Schwierigkeit sich
erreichen lässt. Beispielsweise sollten bei einer Treppe mit 0,15 m Stufen-
höhe (Steigung) die einzelnen Etagenhöhen inkl. der Balkenstärke ein Viel-
faches von 0,15 m sein; so würden 23 Stufen einer Etagenhöhe von 3,45 m,
26 Stufen einer solchen von 3,90 mete. entsprechen.
Werden die Etagenhöhen 'bestimmt ohne diese Rücksichtsnahmo, so erhält
man sehr häufig Zahlen von mehreren Dezimalstellen, die für den praktischen
Gebrauch immer sehr unbequem sind; so würden, um eine Höhe von 4,25 m
zu ersteigen, 28 Stufen, jede mit 0,1518 m Steigung nothwendig werden, eine
Grösse, die sich weder genau messen, noch genau auftragen lässt; dieser Um-
stand macht es nothwendig , die betreffenden Stufenhöhen auf einer die
ganze Etagenhöhe messenden Latte dadurch zu bestimmen, dass man sie eben
in 28 Theile gleichmässig eintheilt.
Aus der Zahl der Steigungen einer Treppe ergiebt sich die Zahl der
dazu gehörigen Auftritte, und hieraus lässt sich weiters der Raum entwickeln,
der im Grundplane für die ganze Treppenanlage erforderlich ist.
Da die Austrittsstufe stets in der Oberfläche des Fussbodens selbst liegt,
so beträgt die Anzahl der Auftritte um Eins weniger als die Anzahl der
Steigungen. Die Länge (a) eines geraden Treppenlaufes im Grundrisse wird
gefunden, indem man die Grösse des Auftritts eb) mit der um Eins verminderten
Anzahl der Steigungen (n) multiplizirt, oder auch durch die Formel
a = b (n-l).
Die Podestbreite ist im allgemeinen so anzuordnen, dass sie mit der
Schrittweite in Einklang steht und dabei das sogenannte Schrittwechseln ver-
mieden wird; bei gewöhnlichen Treppen genügt eine, . bei grössern Treppen
zwei, bei ganz grossen Prachttreppen drei Schritt-
weiten ; in den meisten Fällen jedoch giebt man den C'_-,---r---r--.--
Podesten, wenn dies möglich ist, eine quadratische,
oder wenn dies nicht möglich ist, eine annäherungs-
weise quadratische Form.
Bei gewundenen Treppen muss das Mass des
normalen Auftritts in der Mitte der Stufenbreite sich
befinden; so dass, wie dies die Fig. 313 verdeutlicht,
die Schrittlinie (I b in gleiche Theile zu theilen ist,
wobei die Breite bei c nicht zu grass und die bei cl
nicht zu gering ausfallen darf; überhaupt sind solche Fig-. 313.
,y i n k e I s t u f e n , wenn möglich, zu vermeiden. Die
Breite eines Treppenlaufes sollte nicht wohl geringer als 0,G0 m gewählt werden,
denn diese genügt wohl für eine Person; um zwei Personen neben einander das
266 J. "\Lull'er- und Steil1metzarbeiten.

Begehen einer Treppe zu ermöglichen) ist eine Breite von 2. 0, G0. = 1,20. m
benöthigt , die man "wohl bei anständigen ,Y ohngcbäuden bis auf 1,50. m ver-
mehrt. Bei Prachttreppen in öffentlichen monumentalen Gebäuden wählt man
die Breite der Treppenarme doppelt und dreifach so breit. Für K ebentreppen
(Keller- und Dachbodentreppen) g-eni.igt in den Ineisten Fällen das Mass von
1 m Breite.

Eintheilung der massiven Treppen.


Treppen aus Steinmaterial dienen bei Anwendung sehr verschiedener
Materialien den verschiedensten Zwecken, und werden ihrer Konstruktion nach
unterschieden:
1. unterstützte Treppen, bei welchen die Stufen entweder
a) durch U n t e r mau er u n g, entweder so, dass die Stufen ihrer
ganzen Länge nach unterstützt sind, oder nur an ihren Enden;
b) durch U n tel' IV Ö I b u n godel'
c) durch w 3: n gen getragen werden; auch können die Stufen
d ) von vollen oder offenen Mauerbögen unterstützt sein;
2. freitragende Treppen, bei welchen die Stufen
a) nur mit einem Ende ihr Auflager in der Mauer
e r h a l t e nadel'
b) si c h u m ein e S p in d e l w in den. In beiden Fällen unter-
stützen sich die einzelnen Stufen gegenseitig und leiten den Ge-
sammtdruok auf die Antrittsstufe über, die durch ein festes Funda-
ment eine durchaus gesicherte Lage erhalten haben muss.
Sind die S t u fe n e i 11 e r Hau s t ein t l' e P p e u n t e r mau e r t, so
wählt man wohl für _ sie den einfachen r echteckizen b
Ouerschnitt
""
, wie er in
I

Fig. 314 dargestellt ist, und greifen dann ,die Stufen 3 bis 4 cm übereinander
fort; eine Verbindung jedoch, die nicht so leicht eine Verschiebung der Stufen
gestattet, geben Figg. 315 und 316, wobei im ersten Fall ein einfaches Profil
die Stufe an ihrer Auftrittskante begrenzt, im zweiten Falle die sichtbare Stirn

Fig. 314.

Fig. 316. Fig. 317.

der Stufe mit einem Profile eingefasst erscheint. Soll verhindert werden, dass
das hin und wieder auf die Stufen gebrachte Wasser nicht in die Fugen ein-
dringe) SO" wählt man wohl eine Verbindung wie in F'ig. 317.
Arbeiten des Rohbaues (Treppen). 267

Die Fig. 318 deutet an, wie bei kostspieligem Material aus einem recht-
eckigen Querschnitt (bei a) 2 Stufen durch Sägen und Spalten gewonnen werden
können.
Bei unterwölbten Treppen benützt man ausser den eben gegebenen Stufen-
formen auch wohl die in Fig. 319 dargestellte, 'wobei selbstverständlich die
Rückseite rauh bleibt, wie dies überhaupt bei den nicht isichtbaren Flächen
aller Steinstufen der Fall ist.

Fig-. 318. Fig-. 319.

Bei Verwendung VOll Backsteinen bestehen wohl die einzelnen Stufen aus
Rollschichten, die dann mit Portlandcement oder irgend einem andern wider-
standsfähigen Kitt.") überzogen werden; besser ist es jedenfalls, solche aus Back-
steinen konstruirten Stufen mit einem Material zu belegen, das widerstandsfähig
genug ist, dem "A u s tr e te n " zu widerstehen. Hierzu wählt man dann
wohl dünn geschnittene Steinplatten oder Belege von hartem Holz.
Geschieht das letztere; so sind Mittel und Wege zu ergreifen, die hölzerne
Trittstufe aufs innigste mit dem Stein zu verbinden.
Verwendet man Holzbelege , und zwar solche von 6 bis 7,5 cm Stärke,
so lässt man dieselben wohl nach drei Seiten hin um 3 bis 4 cm in die
Mauer eingreifen; dabei erscheint es zweckmässig, diese Holzbelege je nach
ihrer Längenabmessung ein - oder zweimal so mit ihrer Untermauerung zu
verbinden, dass ein aHenfallsiges Werfen ausgeschlossen erscheint. Vor
dem Verlegen ist es räthlich , die untere Seite der hölzernen Trittstufe satt
mit Leinöl zu tränken) damit sie der Feuchtigkeit und dem Werfen nicht
unterworfen sei. Zur energischen Befestigung verwendet man wohl auch seit-
lich Bankeisen und an der Stirnseite der Stufen Winkeleisen oder anderweitige
Verbolzungen, wie dies die Figg. 320 und 321 andeuten. Das Einlassen von

Fig. 320. Fig. 321.

Dübeln auf den Trittstufen selbst ist unter allen Umständen zu vermeiden.
Eine sehr sorgsame Konstruktion, die es ermöglicht, die Holzstufe zum Reinigen
herauszunehmen, geben die Figg. 322 und 323 (S. 268), die erste Einrichtung
besteht darin, dass an der untern Seite der Stufe 2 bis 3 eiserne Haken befestigt
werden, und schieben sich diese Haken in die gleiche Anzahl von Ringschrauben

*) Kreye'scher Cement.
268 I, Maurer- und Steinmetzal'beiten.

ein. welche in den untern Theil der massiven Stufe eingegossen wurden. Bei
der' zweiten Einrichtung sind auf die massiven Stufen je 2 bis 3 Einschubleisten
befestigt; auf welche dann die hölzernen Trittstufen aufgeschoben werden.
Die Trittstufen einer Treppe mittelst gewalzter Flachschiene oder Asphalt-
belag zu schützen) möchte als allerletztes Refugium zu betrachten sein; und
lässt sich wohl in' allen Fällen vermeiden.
Treppenstufen aus Beton oder gut gebrannten Steinen und Portlanc1cement
geformt und dann untermauert oder unterwölbt, erhalten ihrer Hauptsache nach
die Form, welche den Treppenstufen in Fig. 314 bis 317 gegeben wurde;
um solche Stufen recht leicht zu machen, verwendet man dazu gut gebrannte
Hohlsteine.
Bei Treppenkonstruktionen, bei denen die untere oder hintere Ansicht der
Stufen sichtbar ist, gieht man den Hausteinstufen die Formen, welche die Figg. 324

Fig'. 322.

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Fig. 323. •
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Fig. ;324.

Fig. 324a.

und 324a näher erläutert; in diesen Fällen sind die Stufen nach allen Seiten hin
rein zu arbeiten; bei gewundenen und bei Wendeltreppen ist es beim Ermitteln der-
Stufenform nothwendig auf die Lehre des Steinschnitts Rücksicht zu nehmen,
und wird hierüber in dem betreffenden Abschnitte das Nähere gegeben werden.

Spezielle Treppenkonstruktioll.
1. U n t e r s t t z t e T r e P p e n.
ü

Pu) Durch Unte.rmauernng.


Eine vollstiindigs Untermauerung) wird vorherrschend bei Freitreppen
oder auch dann eintreten, wenn man es im Innern eines Gebändes nur mit
Arbeiten des -Eohbaues (Treppen). 269

wenigen Stufen zu thun hat; ein Fall, der eintritt, sobald die Stufen einer
Freitreppe in den Vorplatz oder in das Vestibül verlegt werden. Bei solchen
Untermauerungen, die in bezug auf ihre Ausführung gar keine Schwierigkeiten
darbieten, hat man nur darauf zu sehen, dass ein " Sie li set z e n " der
Stufen absolut zu verhindem ist; dem entsprechend sind die Fundamente der
Untermauerung rechtzeitig und womöglich in inniger Verbindung mit den
Hauptmauern auszuführen; zur Untermauerung selbst empfiehlt sich die An-
wendung von gutem Cementmörtel.
Hat man es mit sehr breiten Freitreppen zu thun , bei denen die Stufen
der Länge nach nicht aus einem Steinstück gewonnen werden können, so ver-
bindet man die gestossenen Stufen mit Dübeln oder versenkten Klammern; viel
besser aber ist es, in solchem Falle
die zusammengesetzte Stufe mitte1st

~~"l1I
schwalbenschwanzförmiger Ankersteine
zu verbinden, wie dies die Fig. 325
'andeutet. ,
,
_____1_, ~----_-_-- __ - __- ------ .. ~, r L---.
Bei sehr hohen Freitreppen, bei
'denen das Untermauern verhältnissmässig
sehr viel Mauerwerk beanspruchen würde,
-;-\ ;-\
lässt man die steinernen Treppen- Fig. 325.
stufen wohl durch eine Unterwölbung
tragen, oder man stützt sie durch einzelne Tragmauern , wobei dann Stein
stufen aus gutem Material wohl 2 bis 2,5 m frei gelegt werden; die Stirn-
seiten der Stufen sind entweder sichtbar und finden ihre Stütze gleichfalls
auf Mauern oder Bögen, oder auch sind sie in sogenannte Treppenwangen
von Haustein eingelassen; in letzterm Falle jedoch kann bei vollständig ge-
sicherter Stabilität der Wangenstücke und bei
nicht zu langen Freitreppenstufen eine weitere
Unterstützung der letztem entbehrt werden.
Freitreppen, die so angelegt sind, dass man
ihre Stufen und Podeste von unten sieht,
erhalten dann wohl auch jene Profile, die in
Fig. 324 dargestellt sind.
Sollen Haustreppen als unterstützte Trep-
pen konstruirt werden, so geschieht dies wohl
in der allereinfachsten Art durch eine so-
genannte Zu n gen mau er, welche in der
Mitte des von Mauern umgebenen Treppen-
hauses angelegt wird.
Die Stufen sowohl als die Podeste
finden dann theil weise ihre Unterstützung in
der Mauer a a a (Fig. 326), theilweise in der
Zungenmauer b, welche letztere bei unsern
/':,
gewöhnlichen Treppenanlagendie Stärke von ,
/
I
,/ :,
einem Stein zu erhalten hat; wird der Podest
:,,
aus 2 Stücken zusammengesetzt, so lässt ,
sich derselbe durch einen flachen Bogen oder Fig. 326.
durch eine eiserne Tragschiene leicht in
seiner Mitte unterstützen, wie dies die punktirten Linien c c andeuten. Die
Stufen einer solchen höchst einfachen Treppe sind von unten sichtbar und
sollten dem entsprechend auch allseitig sauber bearbeitet werden; eine solche
270 1. Maurer- und Steinl11etzarbeiten.

Arbeit aber fällt fort, wenn zur U n tel' w öl b u n g der Treppenarme geschritten
wird, hierbei haben die Stufen, dem aufsteigenden Gewölbe entsprechend, an
der Rückseite nur rauhe Bearbeitung zu erfahren, und zeigt Fig. 319 die ent-
sprechende Profilform.

b) Durch Ilnterwölbung unterstützte Treppen.


Bei den vollständig unterwölbten Treppen lassen sich aber auch die Stufen
mitte1st Backstein - Rollschichten und Holzbelag , oder durch einen Belag von
Marmor, Schieferplatten , hartem Sandstein konstruiren ; weniger empfehlens-
werth ist hier der Cementverputz auf die nur vorgemauerte Backsteinstufe.
Eine solche Mitbetheiligung des Holzes an einer sonst massiven Treppe
wird aber auch von sämrntlichen Bauordnungen als "f e u e I' sie her" an-
erkannt.
Bei der unanzuzweifelnden Solidität aller unterwölbten Treppen ist auf
Tafel XXV eine solche, für sehr bescheidene Verhältnisse eingerichtete Treppen-
konstruktion mitgetheilt.
Fig. 1 stellt im Grundriss zwei gerade Treppenarme mit je 13 Stufen
bei einer Breite von 1,70 m dar; in den halben Etagenhöhen befinden sich
Doppelpodeste je mit 2 Fenstern, während, um möglichst viel Raum zu er-
sparen und mit den einfachsten Mitteln zum Zweck zu gelangen, eine 1 1/ 2 Stein
starke Wangenmauer mit Blendbögen die beiden Treppenläufe von einander
trennt. Die Wangenmauer ist mit sämmtlichen das Treppenhaus umschliessen-
den, ebenfalls mit Blendbögen versehenen Wänden mitte1st Rundbögen verspannt.
Die Treppenarme sind mit flachen aufsteigenden Kappengewölben , die
Podeste mit Bogenstich besitzenden Kreuzkappen , die Treppenvorplätze mit
Kugelkappen überwölbt gedacht, und ist hierzu ein möglichst leichtes·Wölb-
material zu wählen; bei Anwendung von gutem Cementmörtel und gut ge-
branntem Ziegelmaterial genügt es, den aufsteigenden Kappengewölben die
Stärke eines flach gelegten Steines zu geben, während in den meisten Fällen
dafür 1/2 Stein Anwendung findet, eine Stärke, die man auch wohl den
Podest- und Vorplatzgewölben giebt.
Auf die eventuell mit Hohlsteinen vorgemauerten Stufen sind 6 em starke
Eichenbolzbeläge aufgebracht. Die Podeste und Vorplätze können eichene
Parkettböden erhalten. In Fig. 2 ist ein Durchschnitt nach AB, in Fig. 3
ein solcher nach CD dargestellt.
An und für sich bietet die hier angeführte Treppenanlage in ihrer Kon-
struktion auch nicht die geringsten Schwierigkeiten dar, und ist dies besonders
dann der Fall, wenn man davon absieht, die stützenden Stirnpfeiler mit Kapitäl
und Basis zu versehen. Geschieht dies aber und stellt man sich die Aufgabe,
sämmtlichen Stirnpfeilern einen gleich hohenPfeilerschaft zu geben, so wird
man in den meisten Fällen die hierbei nothwendigen steigenden Bögen nach
.Eig. 140 (S. 87) konstruiren müssen.
Solche Treppenkonstruktionen sind keineswegs neu, sie gehören aber ohne
allen Zweifel mit zu den solidesten und dabei billigsten Ausführungen, und
lassen auch in bezug auf architektonische stilgerechte Ausbildung die weit-
gehendsten Variationen zu; das Beengende der hier näthigen Wangenmauer
lässt sich bei geringem Opfer an Raum durch offene, aufsteigende Bögen er-
setzen, wobei dann auch die schweren Steinpfeiler leichteren Säulen Platz
machen können; die hier angedeutete Anordnung zeigt im Grundrisse Fig. 327
(S. 271).
Arbeiteri des Rohbaues (Treppen). 271

Vor allen Dinzen


o aber bo'e'ivährt der Stufenbelag
"-'
von Eichenholz eine grosse
Annehmlichkeit in bezug auf das Begehen der Treppe sowohl. wie auch auf
ein angenehmeres Aussehen. Kein Stein
hat unpolirt eine klare Farbe, während
eingelassenes Eichenholz einen äusserst
warmen Ton besitzt und überdem durch
andere eingelegte Hölzer in seiner
Wirkung erhöht und stets rein erhalten
werden kann; so schätzenswerth wegen
des soliden Materials unsere in letzterer
Zeit vielfach angewendeten Granit-
treppen sein mögen, so dürfen WIr uns
darüber doch nicht täuschen, dass sie
anderntheils in ästhetischer Beziehung
einen höchst ungünstigen Eindruck her-
vorbringen. Sucht man diesen aber
durch theures Poliren des Steinmaterials
zu beseitigen, so hat dies wiederum
wegen der dadurch entstehenden Glätte
das Belegen der Treppenläufe mittelst
kostspieliger Teppiche zur folge und
drängt zu Ausgaben, die mit der häufig
so dringend gebotenen Sparsamkeit nicht
111 Einklang zu bringen sind. Fig. :327.
Das Streben, mitteist vorherrschen-
der Anwendung von Cement Treppen zu konstruiren , die den Holztreppen 111
bezug auf elegante Anlage nahe stehen, hat zu Ausführungen geführt, die
theilweise den Beweis geliefert haben, welche ungemein grosse Bindekraft ein-
zelne Cemente unter Umständen besitzen; solche Bestrebungen, so anerkennens-
werth . sie immer sind, haben aber doch etwas äusserst Bedenkliches und
erscheint es ganz gerechtfertigt, in fast allen unsern neueren Bauordnungen
den Satz aufgenommen zu wissen, das s all e K 0 n s t r u k t ion e n, der e n
Sicherheit lediglich auf derBindekraft des Mörtels beruht,
für ge mau er t e T r e P P e nunstatthaft s in d.
Treppen haben ausser der Funktion des vermittelnden Verkehrs in einem
mehrstöckigen Gebäude durch die Bewohner hin und wieder und besonders
beim Transport sehr schwerer Einrichtungsgegenstände , z. B. bei feuerfesten
Geldschränken, sehr harte Proben zu bestehen, denen unter Umständen nur
ganz solide Konstruktionen gewachsen sind l Auch ist nicht aus den Augen
zu lassen, welche gesteigerte Funktion Treppen in stark bewohnten Gebäuden
bei ausgebrochenen Feuersbrünsten möglicherweise zu übernehmen haben!
Solchen Verhältnissen gegenüber ist beim Treppenbau doppelt geboten, durchaus
solide Konstruktionen zu wählen. Handelt es sich darum, der Treppenanlage
einen grössern Raum zuzuweisen, so werden wohl dreifach gebrochene Treppen-
arme angelegt, die in ihrer Ausführung sich der Konstruktion auf Tafel XXV
durchaus anschmiegen lassen; die betreffende Grundrissanlage zeigt die Fig. 328
(S. 272).
Um unterwölbte Treppen herzustellen, sind flache Kappengewölbe besonders
geeignet, obwohl steigende Kreuzgewölbe und steigende einhüftige Tonnen-
gewölbe nicht ausgeschlossen sind; alle lassen sich durchaus sicher zwischen
die vorher angeordneten G'1l'tbögen einspannen; will man diese letztern jedoch
272 I. Maurer- und Steinmetzarbeiten,

beseitigen: so lässt sich das flache Ge-wölbe auch nach der aufsteigenden Rich-
tung des Treppenarmes anordnen: wie dies die Fig. 329 darstellt. Der auf-

Fig. 328.

Fig. 329.

steigenden Kappe giebt man wohl 1/1 0 der Sl)annweite zur Pfeilhöhe, so dass
die Sehne des Stichbogens parallel der Steignngslinie zu liegen kommt; diese
Arbeiten des Roll1)cLues (Treppen). 273

Anordnung hat aber den Nachtheil , dass die Podeste eine ungemein hohe
Auffüllung erfordern und die betreffenden Höhenverhältnisse unvortheilhaft
beeinträchtigen.
Sind solche Treppen nicht über 2 m breit, so ist 1/2 Stein als Gewölbe-
stärke ausreichend, erreicht dagegen die Breite das Mass von 3 bis 4 m, so
ist eine Gurtverstärkung an beiden Seiten und auch in der Mitte von 1/2 Stein
zweckmässig.
Bei diesen Konstruktionen lassen sich die Gurtbögen an den Podesten
nicht wohl entbehren, da sie dem aufsteigenden Gewölbe als 'Widerlager zu
dienen haben. 'Will man auch diese beseitigen, um der Treppe ein luftigeres
Ansehen zu geben, so hat man vorgeschlagen, nach der Längenrichtung der
Podeste 1111d unter dieselben ein 1 bis 1 1/2 Stein starkes, sehr flach gehaltenes
Kappengewölbe einzuspannen, welches dann der aufsteigenden Kappe zum
"Widerlager zu dienen hat. Selbstverständlich ist hierbei das Vor h an den -
sein der n o t h w e n d i g e n vViderlagsstärken für das Podest-
ge w I be; fehlen aber bei Treppenanlagen die für Gewölbe nothwendigen
ö

Widerlagsstärken, so ist man genäthigt, sich der Eis e n k 0 n s tr u k t ion zu-


zuwenden, und wird hier auf diese verwiesen.
Das Unterwölben von Treppen mit geraden Treppenarmen verursacht in
keiner Weise irgend eine Schwierigkeit, was aber der Fall ist, wenn es sich
um gewundene oder theilweis gewundene Treppen handelt; solchen Schwierig-
keiten gegenüber ist es leicht, sich durch Anwendung anderer Konstruktionen
zu entziehen. Bei S p in d e I t re pp e n mit massiven Spindeln, wie solche in
Thürmen sehr häufig Anwendung finden, werden die von Backsteinen her-
gestellten Stufen in der Regel durch ein einfaches, schraubenförmig aufsteigendes
Kappengewölbe unterstützt.

c. Durch Wangen unterstützte Treppen.


Das U n tel' s t t z e n von Treppenstufen mitte1st sogenannter vV an gen
ü

oder Zar gen ist offenbar der Holzkonstruktion entnommen, und möchte
durchaus entbehrt werden können, da 'e i n e sol ehe K 0 n s t r u k t ion ein e n
übe r g r 0 s sen Au f'w an d von M 8. tel' i alu n d Ar bei t er f 0 r der t,
Die Zargen sind sehr häufig nach
Fig. 330 gebildet und dienen sowohl den
massiven Stufen zur Unterstützung, als auch
zur Begrenzung; zu ihrer Herstellung sind
prismatische Quaderstücken von grosser
Länge nothwendig; vorherrschend hat die
Anwendung von Steinwangen eine etwaige
Drehung der Stufen zu verhindern, und
dem entsprechend greifen diese mit ihren
Stirnflächen in eine 3 bis 4,5 cm tiefe Nuthe
des Zargensteins ein, Zum besseren Auf- Fig, 330.
lagern der Stufen" sind die Wangen an
ihren untern Theilen breiter gehalten, so dass sich hier ein Auflager der
Stufc. i von 6 bis 7,5 cm ergiebt.
Die Herstellung von Wangen bei geraden Treppenläufen erheischt keine
besondere Geschicklichkeit, was aber in hohem Grade dann der Fall ist, wenn
man es mit gewund-enen Treppen zu thun hat. Die Wangenstücke müssen
in solchen Fällen aus ungemein starken YVerkstücl:n heraus gearbeitet werden,
G ottg e t r e u, Hochbankonstruktion. 18
274 1. Maurer- und Steinmetzaroeiten.

und hat man es dann mit ziemlich komplizirten Steinschnittkonstruktionen zu


thun , bei welchen die erforderlichen cylindrischen Flächen mitteist besonders
an öQ'efertiO'ter
0
Schablonen nur von 0O'eschickten Arbeitern hergestellt werden
können. Die einzelnen Wangenstücke werden dann meistens mittelst ge-
bI'O ehe n e r S tos s fl ä ehe n , bei denen jeder zu spitze Winkel zu ver-
meiden ist, und mitte1st eingelassener Steinklammern zu einem Ganzen ver-
bunden.
Die aus Stein herzestellten
o Treppenwangen
J. 0
werden entweder an beiden Stirn-
seiten des Stiegenarmes ganz frei oder auch beiderseits oder nur einerseits zur
Hälfte oder zu Zweidrittel in die die Treppe umgrenzende Mauer eingelassen.
Sie stehen ferner in schiefer Richtung mit ihrem einen Stirnende auf der untersten
Stufe oder auf dem festen Boden u n ver r Ü c k t auf, und stützen sich mit dem
andern Ende auf den Podest oder auf die massive Austrittsstufe, welchen beiden
eine unverrückbare Lage zu geben ist. Das Material, aus welchem die
Wangenstücke bearbeitet werden, muss ein besonders festes sein; der Zargenstein
selbst erhält bei besonders eleganten Treppen sowohl vielfache seitliche als auch
untere Profilirungen.
Ein besonders in früherer Zeit vielfach beliebtes Steinmetzenkunststück
bestand sogar darin, den sonst freitragenden Treppen den Anschein von Wangen-
treppen zu geben, wobei das betreffende Wangenstück als Appendix an jede
Stufe angearbeitet wurde; solches Vorgehen erhöht die Kosten einer Treppe in
g an z u n n ö t h i ger vV eis e, ohne dass dabei irgend etwas erreicht wird;
im Gegentheil, die benutzbare Breite der Treppe wird durch die beiderseits
angeordneten Steinwangen b e d e u te n d be ein t r ä c h ti g t und dabei ein
schöneres Ansehn sicher nicht erzielt und dem e n t s P I' e c he n d m ö eh tel' 0 n
den sogenannten Wangentreppen wohl nur in den seltensten
Fällen Gebrauch gemacht werden, da es überhaupt im
Prinzip unstatthaft erscheint, eine Konstruktion, die in
Holz ganz gerechtfertigt erscheint, ohne weiteres in Stein
z u übe r set zen.
Weitaus die grösste Ausbreitung haben

2. die freitragenden Treppen,


bei welchen die Stufen
a) nur mit einem Ende ihr Auflager In der Mauer erhalten.
Bei diesen Treppen wird nur eine Stirnseite der Stufe fest in die Mauer
eingefügt, während. die andere ganz frei liegt, jede Stufe aber findet auf der
nächst untern ihrer ganzen Länge nach in der Vorderkante ein durchaus sicheres
Auflager, und ist besonders der Antritts- sowohl wie der Austrittsstufe beziehungs-
weise dem Podeste eine ganz besondere Aufmerksamkeit in bezug auf ihre
durchaus sichere Lage zu schenken. Diese Stufen sind sogenannte BIo c k-
s tu fe n, erhalten im allgemeinen einen rechteckigen Querschnitt, .die andern
Stufen dagegen, wohl HaI b b l o c k s tu fe n genannt, sind in ihrer untern Fläche
schräg abgearbeitet, so dass die Unterfläche des Treppenarmes eine schräg auf-
steigende Ebene bildet. Jede Stufe wird an ihrer der Stirn entgegengesetzten
Seite eben und lothrecht zur Tlnterfläche abgearbeitet und greift an der vordern
untern Stufenkante in einen 2 bis 3 cm vertieften und 6 cm breiten Falz genau
ein j wodurch jede Stufe ihrer ganzen Länge nach ein gutes Auflager erhält.
Diese' Falz ist bei freitraganden Treppenstufen mit aller Sorgfalt auszuführen,
Arbeiten des Roh1xlues Cfreppen). 275

indem die ganze Konstruktion hiervon abhängig ist; bei nachlässiger Arbeit
erfolgt unvermeidlich ein Absprengen der sich nicht vollständig deckenden
Kanten.
Das den Stufen an der vordem Kante gegebene Profil wird in der Regel
an der sichtbaren Stirnseite der Stufe fortgeführt, und bezeichnet man diese
Anordnung, welche die Fig. 324 ersehen lässt, mit "\Viderkehr p r o f i l i r t.
Werden die Stufen aus Granit oder Marmor hergestellt) rein geschliffen und
polirt , so bleibt doch in allen Fällen die Auftrittsfläche zwischen den ab-
geschliffenen Schlägen blos gekrönelt, gestockt oder charirt, um das gefährliche
Abgleiten des Fusses zu vermeiden.
Für freitragende Treppen ist es auch nothwendig, die unteren schrägen,
stets sichtbaren Flächen der Stufen rein zu arbeiten und die Fugen zwischen
den einzelnen Stufen möglichst klein zu machen.
Als Beispiel für die Ausführung einer v'freitrageuden , aus Granit her-
gestellten Treppe mit geraden Armen wurde auf Tafel XXVI eine der Neben-
treppen gewählt, wie solche in dem Gebäude der technischen Hochschule zu
München ausgeführt wurde. Die aus 36 Stufen bestehende Treppe besitzt einen
grossen und zwei kleinere Podeste und hat die Höhe von 5,40 m zu ersteigen.
Die Steigung der einzelnen Stufen ist 15· cm hoch, der Auftritt 32 cm breit
gewählt; die Antrittsstufe im Detail, im Mass stabe wie 1 : 20 in Fig. 3 dar-
gestellt, ist durchaus sicher fundirt und nimmt den Hauptgeländerstiel in sich
auf. Den U ebergang von einem Treppenarm zum andern vermitteln kleine
Viertelskreise , welche die Form der Podeste beeinflussen, wie dies aus dem
Grundrisse Fig. 1 sowohl, als auch aus der Detailzeichnung Fig. 3 näher
sichtbar ist. Die Stärke der Podestplatte beträgt 22,5 cm, so dass das Profil
der sich an die Podeste anlehnenden Stufen an denselben fortgeführt werden
konnte, sämmtliche Stufen und P oeleste sind 18 cm tief in die Treppenhaus-
mauer eingelassen.
Bei der in den zweiten Stock führenden Treppe ist der grosse Podest
durch zwei kleine Podeste ersetzt, die zwischen sich die Anordnung 3 weiterer
Treppenstufen ermöglichen, da durch diese Treppe eine grössere Etagenhöhe
erstiegen werden musste. Alles weitere erklärt die Zeichnung mit dem bei-
gegebenen Durchschnitte nach AB in Fig. 2.
Statt mit geraden Armen werden sehr häufig auch Treppen mit gewun-
denem Treppenlauf konstruirt , wobei man sich als Grundrissform sowohl der
Kreislininie als auch der der Ellipse bedient. In diesen Fällen entstehen Stufen,
die in ihrer Auftritts fläche verschiedene Dimensionen erhalten, deren Bestimmung
besondere Aufmerksamkeit erheischt.
Hat man es z. B. mit einer nur theilweiso gewundenen Treppe zu thun, wie
dies in den Figg. 331 und 832 (S. 276) angegeben ist, so ist stets das normale Mass
des Auftritts in der Mittellinie e f g aufzutragen und die Treppenwindung in der
~. Form eines möglichst grossen Quadranten mit dem Mittelpunkte x zu bestimmen.
Lässt man nun, wie das gewöhnlich der Fall ist, s ä m m t 1ich e S tu fe n
der T re p P e n w i n dun g in den Mittelpunkt x verlaufen, so entstehen hier
unter Umständen Stufen, die an deräussern "Windung einen viel zu grossen,
an der innern einen viel zu kleinen und nur in der Mitte einen normalen Auf-
tritt erhalten, abgesehen davon, dass die Treppe in ihrem ungleichmässigen
Aufsteigen nach der Linie Cl b c d ein unschönes Ansehen um so mehr gewinnt,
als sich dieser U ebelstand auch auf die Form des Geländers überträgt. Um
hier abzuhclfen , trägt man die Steigungslinie der innern Wangenseite ab c d
rr'it ihren Stufen so auf, dass sie als ab g e wie k e 1 t erscheint, und stimmen
18*
276 1. Maurer- und SteinmetzHl'beiten.

dabei die Masse von 1 2 ~ 2.3, .3 4 . . . . . 8 9, 9 10 (Fig. .3 32a) mit denen


des Grundrisses (Fig. 332) von 1 2, 2 3, 3 4 . . . . . 89, 9 10 überein ; er..
richtet man dann in 1/2 bc eine Normale und macht b a' und c cl' = 1/2b c,
errichtet ferner in a' beziehunzsweise
o
in cl' N ormallinien , welche die erstere

Fig. 332a.

iod

Fig. 331.
!
e
····l {(ri1

Fig. 332.

in k beziehungsweise in l schneiden, so lässt sich von diesen Punkten aus eine


neue g 1 8 ich m ä s s i g g e bog e n e S t e i gun g s I i nie a' i cl' für die Treppe
ermitteln; diese dient dann dazu, die Missstände der gewundenen Treppe mit
Winkelstufen dadurch zu beseitigen, dass man die Punkte 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9
(Fig. 332a) nacheinander nach 2', 3/, 4/, 5', 6', 7', 8', 9 1 verlegt.
'Wird im Grundrisse diese Korrektur ausgeführt, so behalten die einzelnen
Stufen ihre normalen Breiten auf der Mittellinie e f g bei, während die sonst"
in der innern Wangen seite eingreifenden Winkelstufen eine grässere Auftritts-
breite erhalten und sich in schönerer Linie aufwärts winden, was, wie oben
schon angedeutet ist, auch eine sehr vortheilhafte Einwirkung auf das gleich-
mässige Aufsteigen des Geländergriffs in sich begreift.
Aehnliche Stufenanordnungen werden nothwendig werden bei 'I'r eppen,
deren gerade Arme durch eine Halbkreisnische abgsschlossen sind; die' sich
277

hier, in Fig. 333, darbietenden SChwierigkeiten, ein gleicl1l11iissigcs Aufsteigen


der Treppe bei richtig angeordneten vVinkelstnfen zu ermözlichen,
<:0 ,
sind durchaus
analog dem eben angeführten Falle, und sollen hier nicht weiter angezogen
werden.
Schwieriger wird es, sämmtlichen Stufen eine normale Gestalt zu geben,
wenn der Treppe eine sehr komplizirte Grundrissform , z. B. die eines Huf-
eis e n s zu Grunde liegt. Eine solche Treppe ist auf Tafel XXVI speziell
dargestellt, und ist in der Fig. 334 so zu sagen nur das Programm dazu ge-

\_I~
I
I i n_ !
--·ö-i- -
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': -~:C---
I I

) J I :
Fig. 333.

Fig. 334.

geben. Die Hufeisenform ist durch die Mittelpunkte Cl, bund c fixirt, und
würden wohl auch bei der gewöhnlichen Konstruktionsweise die Punkte a und c
dazr verwendet werden, den einzelnen Treppenstufen ihre Grundrissanordnung
278 1. ~.IaUl'el'- und Steim.lletzal'beiten.

zu geben; die in den Grundriss einpuuktirten Stufen sind unter diesen Gesidüs-
punkten gezeichnet.
Eine so ausgeführte Treppe würde der Bedingung eines gleichmässigen
Aufsreigens nicht entsprechen; sie bedarf hierzu einer Korrektur, die am
leichtesten ermittelt wird, sobald man die innere Windung der Treppe zur
Abwickelung bringt.
In dieser hier dargestellten Abwickelung entsprechen die Zahlen 1, 2, 3
bis 13 des Grundrisses den Zahlen 1, 2, 3 bis 13 der ermittelten Steigung
an der innern Treppenwange, die sich, in geraden Linien ausgedrückt in c cl e
ausspricht; macht man nun C cl = cl e und errichtet in c und e normale Linien,
so schneiden sich diese verlängert in einem Punkt, aus welchem die, die erste
Steigung korrigirende Kurve c cl' e gezogen wird; durch das Verrücken der
Punkte 2 nach 2', 3 nach 3', 4: nach. 4' etc. entwickelt sich dann ein Stiegen-
lauf mit gleichmässig aufsteigender Steigung und gleichmässig aufsteigendem
Geländergriff', die sich ohne weitere Schwierigkeit für die veränderte Anord-
nung der Stufen im Grundriss verwerthen lässt.
Ein entschiedener Missstand aber macht sich oft bei Anwendung der eben
entwickelten Konstruktion dadurch geltend, dass die freien Enden der Stufen
auf einer Seite spitzwinklig, auf der ändern stumpfwinklig bearbeitet werden
müssen, was bei den profHirten Widerkehren als ganz besonders Bedenken erregend
sich erweist. Um diesen Missstand zu beseitigen, lassen
sich diese spitzen und stumpfen Winkel , wie dies die
Fig. 335 näher angiebt, vermeiden; nach der mehr
oder weniger beliebig gewählten Länge von ab wird
diese nach ac abgetragen und ergiebt so sich in cl der
Centralpunkt , um die an ihren Enden frei liegenden
Stufen normal zu begrenzen.
Die auf Tafel XXVI beigegebene Treppen-
konstruktion mit den Figg. 4, 5 und 6 möchte nach
diesen Erläuterungen vollständig klar gelegt sein und
ist nur noch zu bemerken, dass die praktische Aus-
führung der freitragenden Spitzstufen in so fern dem
Steinmetzen Schwierigkeiten bereitet, weil deren untere
Fig', 335. Begrenzung eine spiralförmig gekrümmte Fläche bildet,
deren Krümmung, wenn sie gelingen soll, eine ganz
besondere Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt; die monotone Unterfläche eines
freitragenden Treppenlaufes liesse sich wohl dadurch mehr beleben, dass man
den unteren engen Fugen, die sich doch immer sichtbar machen, eine Furche
durch Abfasung der Kanten giebt.
Während Fig. 4 den
Grundriss, Fig. 5 die Ansicht
der hufeisenförmigen freitragen-
den Treppe darstellt, giebt
Fig. 6 ein Detail der Antritt-
stufe mit ihrem Hauptgeländer-
stiel, und das Detail eine Spitz-
stufe (Fig. 336) in isometrischer
Fig-. 336. Projektion.
Nach der Entwickelung
einer freitrag:nden Treppe in Hufeisenform möchte ein weiteres Eingehen auf
kreisrunde oder elliptische freitragende Treppen nicht mehr nothwendig.8rscheinen,
Arbeiten des Hohbaues (Treppen). 279

da bei diesen keine weiteren Schwierigkeiten sich geltend machen können;


dasselbe ist auch der Fall bei den sogenannten \Y e n d e 1 t I' e P P e n mit
ho h 1 e n S pi n d e l n , die ihrer Grundrissform nach in der Regel geschlossene
Kreise bilden, 'wobei jedoch die Ellipsen nicht ausgeschlossen sind; in den
meisten Fällen setzen solche Treppen einen nicht unbedeutenden Durch-
messer voraus. Ist ein solcher nicht vorhanden, so tritt an die Stelle der hohlen
Spindel sehr häufig die m ass i v 0 S P i 11 d e l oder der "M ö n c h " und es ent-
stehen dann

b) Treppen, bei welchen die Stufen sich um eine Spindel winden,


oder die sogenannten Sc h n eck e 11 s ti e gen, deren Stufen so gestaltet sind,
dass an jeder Stufe die Spindelform angearbeitet wird. Zur Erleichterung der
Ausführung trägt es viel dazu bei, wenn für sämmtliche Stufen ein und
dieselbe Schablone verwendet werden kann. Zur Verbindung der Stufen geht
wohl durch die ganze Spindel eine eiserne Stange hindurch, oder es erfolgt in
den einzelnen Spindelstücken eine sich bei jeder Stufe wiederholende Verdübelung.
Die Konstruktion solcher in ihrer Anwendung ziemlich beschränkten Schnecken-
treppen ist höchst einfach; die Figg. 337 und 338 geben die zweifache Art
an, in der die Stufen geformt werden.

--Tl

Fig.337. Fig.338.

Zum Schluss der Abhandlung über den Bau der massiven Treppen ist
noch binzuweisen auf die vielfachen Eonstruktionen, die mittelst der Ceraente
280 1. ::\Lmrcr- und Steinmetzarbeiten.

ins Leben gerufen wurden) und die so eingehende und gründliche Besprechung
von "\Y. A. Becker gefunden haben *); diese Konstruktionen sind vielfach in
andere, selbst in die allerneuesten Lehrbücher übergegangen und zur Aus-
führung warm empfohlen. Auf Seite 271 wurde bereits darauf hingewiesen.
welchen Zufälligkeiten Treppen ausgesetzt sein können, und 'wie geboten es
erscheint: solchen Eventualitäten mit aller Sicherheit entgegen sehen zu können;
aus diesen Gründen kann sich der Verfasser nicht entschliessen, den mehrfach
äusserst wenig 'Widerstand darbietenden Treppenkonstruktionen auf sc hab I o n-
artigen Zurüstungen oder unmittelbar auf Rüstung und
S c h a l u n g, d u r c h U n t e l' IV Ö I b u n g mit tel s t fl ach e r S t ein e etc.,
das Wort zu reden: auch warnt 81', W e i t fr ei t r a gen d e Treppen mitteIst
aus Cement hergestellter Stufen auszuführen. Werden jedoch Treppenstufen
aus künstlichen Steinen (Beton oder Cement und Ziegel) hinreichend unter-
stützt, sei es durch Stein- oder Eisenkonstruktionen , so können sie unbedenk-
lich Verwendung finden, und schmiegen sich dann aber den vorn besprochenen
Konstruktionsbedingungen an.
Die baupolizeiliche Bedingung: die Haupttreppe so viel wie möglich gegen
Feuer zu schützen und zwar durch ein massives Treppenhaus und vollständigen
Abschluss gegen das Dach mitte1st feuersicherer massiver Decke ist mit so
wenigen konstruktiven Schwierigkeiten verknüpft, dass hier darauf nicht weiter
eingegangen wird.

*) Der feuerfeste 'l\eppenban nach den nenesten Erfindungen und Ausführungen,


von ,V. A. Becker, Berlin, Ernst & Korn.
u Die Arbeiten des Ausbaues
erstrecken sich der Hauptsache nach:
1. auf die Arbeiten des Putzes und dessen weitere
ästhetische Behandlung,
2. auf die Herstellung derFussböden aus Steinmaterial.

1. Die Arbeiten des Putzes.


Die an unsern Gebäuden vorkorr;menden Pu t z a r bei t e n haben die
Aufgabe, alles nicht witterungsbeständige und zugleich für das Auge unschön
wirkende Rohmauerwerk mit einer Mörtelschichte zu umhüllen, und unter-
scheidet man hierbei den ä u 13 13 ern und den in ne r n Ver P u t z. .Bevor zur
speziellen Besprechung dieser wichtigen Arbeiten geschritten wird, mägen hier
vorerst einige geschichtliche Notizen Platz finden.

Geschichtliche Notizen.
Den Putzarbeiten wurde von den Alten eine grosse Aufmerksamkeit zu-
gewendet; Vitruv*) giebt darüber einen ausführlichen Bericht, und wir entnehmen
demselben, dass die rohen Wände zuerst sehr grob berappt wurden und dann
nach dem Trocknen einen weiteren Putz von feinem Kalkmörtel, nach Schnur
und Richtscheit abgeglichen, erhielten. Fing dieser Abputz zu trocknen an,
so wurde, um die Bekleidung recht fest und dauerhaft zu machen, noch ein
zweiter und dritter Bewurf aufgetragen.
Nach dieser Vorarbeit überzog man den so erhaltenen Untergrund mit
einem Teige aus grob gestossenem Marmor, der so durchgearbeitet und gemischt
war, dass an der Kelle nichts hängen blieb; bevor dieser U eberzug völlig
trocken geworden war, machte man einen zweiten etwas feineren, den man mit
Stöcken schlug und mit dem Reibbrette gut verrieb; schliesslich wurde eine
dritte noch feinere Mörtellage darüber gebracht, so dass die Wände mit drei
Aufträgen von feinem Kalkmörtel und mit eben so vielen von Marmorstuck
versehen waren.
Ein so behandelter Verputz - behauptet Vitruv - ist vor Rissen und
andern Gebrechen gesichert, besonders wenn er mit Stöcken dicht geschlagen,
mit hartem Marmorstaub geschliffen, und beim Poliren mit Farben über-

*) Vitruv, VII. Buch, 2. 3. und 4. Kapitel.


282 1. Maurer- und SteinnwtzarlJeitl'll.

zerren
o wurde. Werden die Farben mit Fleiss übel' die n a s s e. Bekleidung auf-
~

getragen, so gehen sie nicht ab und bleiben durchaus beständig.


Eine nach allen Reaeln
b
verfertiate
b
Verkleidung' wird weder mit der Zeit
u

rauh, noch lässt sie, wenn sie abgewischt wird, die Farbe fahren, und besitzt
dabei einen schimmernden Glanz.
Giebt man ihr aber nur ein e n Auftrag von feinem Kalkmörtel, und nur
ein e n von gestossenem Marmor, so hat sie ihrer Dünne wegen zu wenig
Festigkeit, zerspringt deshalb nur zu leicht, und wird gar bald "b I in d ".
Zum V erputzen verwenden übrigens die griechischen Stuckarbeiter nur
einen Mörtel, welchen sie in der Mörtelpfanne mit hölzernen Handrammen
gestampft und "u m die IV e t ted u r c h k n e te t hab e n ".
An vielen Ruinen antiker Gebäude zu Rom, z. B. in den Bädern des
Caracalla , des Diocletian, der Villa des Hadrian sieht man U eberreste von
Mörtelanwürfen , in welchen die verschiedenen Lagen deutlich unterscheidbar
sind, ganz so, wie sie von Vitruv beschrieben wurden. Die Dicke solcher
Bewürfe beträgt oft über 12 bis 15 cm, und nehmen die verschiedenen Lagen
von innen nach aussen allmälig an Dicke ab.
Die erste auf der Mauerfläche von Bruch - oder Backsteinen aufgebrachte
Schicht besteht aus einer groben Mörtelschicht von 9 cm Dicke, in welche
Backsteinstücke und Marmorbrocken eingedrückt sind; die zweite Schicht hat
gewöhnlich nur die halbe Dicke der erstem und besteht aus feinem Kalkmörtel;
so vermindert sich die Dicke immer um die Hälfte bis auf die äussere Lage
vom Stuck, die oft nur 1 mm dick ist.
Andere Anwürfe sind jedoch nur 4,5 cm stark und bestehen dann aber
meistentheils aus feinem Kalkmörtel.
Die ausserordentliche Festigkeit und Wetterbeständigkeit römischer Mörtel-
bewürfe gestattet das Poliren solcher den Ruinen entnommenen Rudera's und
bestätigt Vitruv's Mittheilung, nach welcher die Griechen aus abgelöstem alten
Verputz Tafeln anfertigten, die sie dann zum Dekoriren anderer Wandflächen
benützten.
Soll ein Fachwerk mit Putz überzogen werden, so wird, nach Vitruv,
die ganze Wand beklebt, und dann über und über mitteist breitköpfiger Nägel
doppelt mit Rohr benagelt; auf eine solche vorhergegangene doppelte und
kreuzweise Berohrung wird dann der bereits besprochene Kalkmörtel und
Marmorstuck fLufgetragen.
Für den Deckenputz verwendete man bei den alten Griechen und Römern
Latten aus Cypressenholz und eine Berohrung aus starkem griechischen Rohr,
oder, war solches nicht zu haben, aus Sumpfrohr ; aus letzterem wurden Stränge
gebildet, die mit Bindfaden an die Latten gebunden und mit hölzernen Pflöcken
festgeheftet wurden ; war die Decke belartet und berohrt, so berappte man die-
selbe, putzte sie mit feinem Kalkmörtel eben und polirte sie dann mit Kreide
oder Marmor.
Ferner giebt Vitruv Vorschriften über den Putz an feuchten Stellen und
schreibt vor, im Untergeschosse die 'Wände über dem Fassboden 1 m hoch
statt mit Kalkmörtel mit einem Cement von Ziegelmehl (Caementum Signium)
zu berappen und dann abzuputzen, damit dieser Theil des Anwurfs nicht von
der Feuchtigkeit leide.
Ist aber eine Mauer durchaus feucht, so sind Isolirwänc1e aufzuführen,
i edoch so, dass die Luft zwischen der Isolirwand und der feuchten Mauerfläche
cirkuliren kann.
FÜ1' Wasserbehälter , Cisternen , Aquäc1,ide wählten die Römer eine Art
Arbeiten des Ausbaues, 283

Beton, der sehr dick in drei Lagen autgetragen wurde; die erste Lage bestand
aus einem Mörtel von Steinschutt., 9 bis 12 cm dick., die zweite aus zel'stossenen
Ziegeln und Puzzolanerde, und zuweilen aus beiden gemengt, von 3 cm Dicke,
die dritte endlich wurde aus feinem und durchgesiebtem Ziegelmehl hergestellt.
Diese Lagen wurden jede für sich olme Unterbrechung aufgetragen, um An-
sätze oder Streifen zu vermeiden ; sie wurden ferner gut abgeglichen, geschlagen
und geglättet; nicht eher brachte man eine neue Lage auf, bevor nicht die
erste vollständig trocken war. Durch ein sorgfältiges Glätten wurde die Ober-
fläche des Putzes ausserordentlich hart und gegen Wasser undurchdringlich.
Auch hatte man die Vorsicht, alle einwärts gehenden "Winkel durch Abrundung
von nahezu 18 cm Halbmesser wegzuschaffen, und alle Böden konkav zu ge-
stalten. J edel' Verputz wurde aber mit Ruthen ge s c h l a gen, hierdurch
wurde dessen Fe u eh ti g k ei t an d i e 0 b e r f 1 ehe g e b r a c h t , w e 1c h e
ä

dann später als das Innere trocknete, und dadurch w e s e n t ;


lich da z u beitrug, dass beim Trocknen sich keine Risse
bildeten.
Das ga n z e Geh ei m n iss der alten Römer aber, schöne, dauerhafte,
feste, vom Wasser undurchdringliche Anwürfe zu machen, liegt einzig und
allein i n der SOl' g fa I t , mit der sie ihr e n Ver P u t z her s tell t e n.
Plinius *) erwähnt in bezug auf den Putz, dass ein Bewurf mit Kalk, der
nicht d I' e im a 1 mit Sand und z w ei mal mit gepulvertem Marmor gemischt
sei, nie einen hinreichenden Glanz besitze. "In Griechenland stösst man
sogar den mit Sand gemischten Kalk, mit welchem man bewerfen will, in
Mörsern mit hölzernen Stampfern. Der angeriebene Kalk aber ist um so besser,
je älter er ist, und findet man in den alten Gesetzen über das Bauen die
V orschrift , dass der Unternehmer keinen unter d r ei Ja h r e alten Kalk dazu
nehmen darf; daher entstellen denn auch keine Risse die alten Gebäude."
Betrachtet man die Pu tz a r bei t end erg e gen w ä r ti gen Z ei t, so
hat der ä u s s er e Ver P u t z dem ersten Anprall der Witterung zu wider-
stehen, und muss deshalb besonders aufmerksam behandelt werden. Je nach
der Behandlung des Verputzens unterscheidet man wohl, abgesehen von den
verschiedenen Putzmaterialien :
a) Rap P pu t z , B es e n p u t z , S P r i t z - und R i e s e l b e w u r f,
b) 0 r d in ä r e n gl at te n Pu t z.
Der ä u s s e r e Ver p u t z.
Ehe überhaupt zu den Pu tz ar bei t engeschritten werden kann, muss
sich das zu verputzende Mauerwerk vollständig gesetzt haben; ein Umstand,
der es auch verhindert, dass der Anwurf nicht unmittelbar auf eine Mauer
gebracht wird, die noch ganz frischen und unerhärteten Mörtel an ihrer Ober-
fläche zeigt.
Die zu verputzende Mauerfläche ) ob aus Bruch- oder Backsteinen, muss
vorher aufs sorgfältigste, in der Regel mit stumpfen Besen, gereinigt werden,
wobei zugleich die locker gewordenen Mörteltheile in den Fugen zu beseitigen
sind, auch darf eine Mauer nicht verputzt werden, bevor die zu verputzende
Fläche nicht vollständig mit Wasser angenässt wurde.
Der Rap p P u t z besteht aus einem Mörtel, der dem. zum Mauern an Kon-
sistenz und Mischung ähnlich ist, er hat nur den Zweck, die Unebenheiten des
Mauerwerks , besonders aber die Fugen auszufüllen und das Mauerwerk gegen

*) Phnius, XXXVI. Eue'., 55. KaI),


284 1. }\LHll't'r- 1111(1 Steinmetzurbciien.

die Einwirkung der Atmosphärilien zu schützen. Der einmalige Bewurf wird


dabei so dünn aufgetragen, dass die Mauerflächen nur nothdürftig bedeckt sind;
ein Glätten dieses Verputzes findet nicht statt. Der Rappputz findet häufig
Platz an den Mauern, die später hinterfüllt werden, an Kommunmauern. Giebeln,
Kniewänden, aber auch in Keller- und Speicherräumen ete.
Wird der rauhe Putz etwas stärker auf die Mauer aufgetragen und dann
mit einem stumpfen Reisigbesen gestupft, so entsteht der sogenannte Be s e n -
p u t z oder g e s t e P P t e P u t z.
"Wird nach dem Füllen der Fugen mit gewöhnlichem Mörtel die Ober-
fläche einer Mauer mit ganz dünnflüssigem Mörtel mitteIst der Mauerkelle über-
spritzt, wodurch eine mit lauter kleinen Erhabenheiten versehene rauhe Fläche
hergestellt wird, so entsteht der S P l' i t z w ur f, der mit glatten Putzflächen
abwechselnd auch ein äusserst einfaches Mittel gewährt, grässere geputzte
Flächen in einzelne kleinere Felder zu theilen , und dadurch die allzu grosse
Monotonie zu heben.
Vermischt man den Mörtel mit gesiebten Rieseln von der Grösse einer
kleinen Haselnuss, und trägt denselben auf einen vorher gemachten Rappputz
auf, 'so erhält man den R i e s e l b e w u r f , der sich als ganz besonders wider-
standsfähig gegen die Witterung bewährt, da er, wie dies auch beim Rapp-,
Besenputz und Spritzwurf der Fall ist, nach dem Auftragen in keiner Weise
in seiner Erhärtung durch Abreiben mit dem sogenannten Reibebrette ge-
stört wird.
Der 0 r d i n ä I' e gl a t t e Pu tz wird meistens aus zwei oder auch aus
drei Lagen gebildet. Die erste kommt unmittelbar auf die Fläche der Bruch-
stein- oder Backsteinmauer, nachdem die Fugen gereinigt und die Flächen an-
genetzt wurden. Diese erste Lage bleibt rauh, und nimmt man dazu - wie
zu allen Putzarbeiten - einen Mörtel von gelöschtem Kalk, der längere Zeit
eingesumpft war, und der mit dem beigemischten Sande eine gründliche Durch-
arbeitung erfahren hat; ist der rauhe Bewurf gehörig getrocknet, so trägt man
die zweite Lage auf und nimmt dazu einen etwas magerem Mörtel, der mit
der Kelle möglichst eben aufgetragen, dann aber mit einem Reibebrette unter
fleissigem Annetzen mit vVasser vollständig geebnet wird. Ist der Verputz
nahezu trocken, so weisst man ihn mit Kalkmilch ab, die sich mit dem Mörtel
vollständig verbindet und sich nicht verwischen lässt.
Soll dem Verputze eine noch grössere Aufmerksamkeit zugewendet werden,
so wird die zweite Lage noch mit einem Mörtel aus ganz feinem reinen Sande
dünn überzogen und mit dem Reibbrette geglättet; wird für diese dritte Lage
ein Mörtel verwendet, dem Kreide, ungebrannter, aber gemahlener Kalk oder
Gyps beigemengt wird, so erhält man einen Putz von Marmorstuck ähnlichem
Ansehn.
Zum Facadenputz wählt man Mörtelmischungen , die weder zu fett noch
zu mager sind; im erstem Falle bekommt der Mörtel beim Erhärten Sprünge,
wie dies, freilich in viel grösserem Mass stabe , beim gelöschten Kalk in der
Kalkgrube der Fall ist, sobald derselbe mit der atmosphärischen in Verbindung
tritt. Solche Sprünge aber geben Veranlassung, dass sie, mit Wasser erfüllt,
bei eintretendem Frost erweitert werden und endlich die vollständige Zer-
störung des Anwurfs zur folge haben. Wird jedoch ein zu magerer Mörtel
gewählt, so reicht das beigemischte Kalkhydrat nicht aus, den vorhandenen
Sand fest zu verbinden; cler Mörtel bleibt dann locker und bröckelt leicht ab.
Als Die k e des ordinären glatten Aussenputzes wählt man wohl 13 bis
15 mm ; dickere Mörtellagen haben die N eigung, bei der mit ihrer Erhärtung
Arbeiten des Ausbaues. 285

in Zusammenhang stehenden Kontraktion sich vom Mauerwerk abzutrennen,


und dann später abzufallen.
Um beim Verputzen eine durchaus ebene Fläche herstellen zu können,
werden der Höhe nach in Entfernungen von nahezu 1 m sogenannte Lehren,
d. h. Streifen von 15 bis 18 cm Breite mit Hülfe von Richtscheid und Loth
hergestellt; diese Lehren dienen dann dazu, den Putz der dazwischen liegen-
den Felder in die gleiche Ebene zu bringen.
. Der hergestellte Facaden- oder Aussenputz wird nur dann die gewünschte
normale Beschaffenheit annehmen, wenn er mit aller Sorgfalt ausgeführt wird;
hierzu gehören normale Mörtelmaterialien und ein normalmassig hergestelltes
Mauerwerk, bei dem vor allen Dingen darauf zu achten ist, dass es nicht zum
Leiter von' Erdfeuchtigkeit oder gar von Kloakenwasser werde. Um dies zu
verhüten, . dienen Isolatoren der verschiedensten Art, wie es denn auch em-
pfehlenswerth ist, den Sockel unserer Gebäude von witterungsbeständigen Hau-
steinen herzustellen.
Damit der Putzmörtel in seiner Erhärtung keinerlei Störung erfahre, wäre
es äusserst wünschenswerth , zum Verputzen äusserer Wände womöglich die
"Frühlingszcit zu wählen; der Kalkmörtel braucht, wie dies beim Ausführen des
Mauerwerks auf Seite 52 näher besprochen wurde, längere Zeit, um normal
erhärten zu können, und darf dem Mörtel während dieser Zeit sein mechanisch
gebundenes Wasser nicht entzogen werden; geschieht dies aber, so lässt sich
eine normale Erhärtung des Mörtels nicht erwarten. Wie häufig aber trocknet
der Mörtel in heissen Sommertagen unmittelbar nach seinem Auftragen auf die
spärlich genässte Wand ; in solchen Fällen wäre es wenigstens angezeigt, die
frisch geputzten Stellen gegen die direkten Strahlen der Sonne durch Anlehnen
von ordinären und stets nassgehaltenen Gewebstoffen (Putzhadern) zu schützen,
und dadurch das zu schnelle Trocknen zu verhindern.
Ein ebenso grosseI' Nachtheil , wie solcher den Putzarbeiten aus einer zu
i~e,nsiven VVärme erwächst, trifl't· dieselben in gleichem Grade durch den
Wiiiterfrost, und verweisen wir auch hier auf das bereits früher über den Ein-
fluss des Frostes auf die Erhärtung des Mörtels Gesagte.
Sind beim Verputzen auch die normalsten Luftmörtelmaterialien zur An-
wendung gebracht, hat man auch für ihre normale Erhärtung zu sorgen ge-
sucht, so kann dennoch der Fall eintreten, dass ein gewählter Kalkmörtel in
einzelnen Fällen sich als unzureichend erweist.
Dies wird beispielsweise der Fall sein bei solchem Mauerwerk, das auf
der Wetterseite vielfach von starken Regengüssen getroffen wird, ohne dass
vorher der Mörtel normalmässig erhärten konnte, tritt dabei auch noch die
Erdfeuchtigkeit ins Spiel, so wird sich j e d e I' L u f t m ö I' tel unzureichend als
Aussenputz erweisen und muss durch einen h y d I' au li s c h e n M Ö I' tel er-
setzt werden.
Schnell erhärtende Mörtel hierbei zur Anwendung zu bringen, ist aus
vielfachen, rein praktischen Gründen bedenklich, besonders wird ein schnell
erhärtender Mörtel dem Arbeiter nicht die Zeit gewähren, den aufgetragenen
Putz gehörig zu glätten, ohne ihn durch zu vieles Reiben in seiner Erhärtung
zu stören, und ihn dadurch unhaltbar zu machen; daher möchte der beim
Mauerwerke bereits erwähnte Kompositionsmörtel (Kalkmörtel und Portlandcement-
mörtel) .auch als Putzmörtel zu empfehlen sein. Am Rhein, wo der Trass
leicht zu haben ist, verwendet man denselben als Zuschlag zum Luftmörtel in
gl'össern oder geringem Zusätzen; ein solcher Putzmörtel hat die gute Eigen-
schaft, nicht sofort zu binden und zu erhärten, und hat der Arbeiter genugsam
286 1. Maurer- und Steinmetzal'beiten.

Zeit, den aufgetragenen Putzmörtel gehijrig verarbeiten zu können, ohne dessen


Bindekraft zu zerstören.
Neuere Versuche haben aber den äusserst wichtigen Beweis geliefert, dass
ein Gemisch von 1 Theil Portlandcement, 7 Th eilen Sand und 1/2 Theil Kalk-
hydrat einen Mörtel geben, der in bezug auf seine Adhäsion zum Stein einem
Cementmörtel nahezu gleichsteht, welcher aus 1 Theil Cement und 3 Theilen
Sand besteht! Es liegt hier die interessante Thatsache vor , dass mag e r e
Cementmörtel, die sich nur schwer verarbeiten lassen, durch einen Zusatz von
gelöschtem Kalk sehr gute Eigenschaften annehmen, und sind solche Mörtel
zum Verputzen äusserer 'Wände vorzüglich geeignet *).
Sind Gesimse oder Gliederungen im Aeussern von Gebäuden aus Putz
herzustellen, so werden diese in der Regel mitte1st eisenbeschlagener Brett-
schablone "gezogen", wobei man sich häufig eines gut erhärtenden und wetter-
beständigen Cementmörtels bedient; solche Arbeiten bieten besondere Schwierig-
keiten in keiner IVeise dar.
Handelt es sich darum, einer verputzten Facade ein besseres Ansehn
durch Farbentöne und Ans tri c h e zu geben, so erscheint es stets rathsam,
dass der Verputz vorher vollständig ausgetrocknet ist, was bei starken Mauern
2 bis 3 Jahre in Anspruch nimmt. Kommt der Anstrich auf eine noch nasse
Wand , so wird er durch deren Feuchtigkeit nur zu oft verdorben, während
ein wasserdichter Anstrich die Nässe in der Mauer zurückhalten würde, ein
Umstand, der nach verschiedenen Seiten hin vielfache Schäden zu verursachen
im Stande wäre; namentlich würde die Permeabilität der Mauer dadurch sehr
beeinträchtigt.
Das einfachste Mittel. Aussenmauern anzustreichen. besteht in der An-
I ,

wendung der gewöhnlichen KaI k fa I' b e. Die Wände werden dabei in der
Regel dreimal mit Kalkmilch geweisst , dann kommen zwei weitere Anstriche,
die ebenfalls aus Kalkmilch bestehen, der -irgend eine Erdfarbe beigemischt
ist; solche Farbenanstriche sollen der betreffenden Wand eine vollständige Stein-
farbe geben.
Als Kalkfarben sind verwendbar: Antimongelb , Barytgelb, Barytweiss,
Kadmiumgelb, Chromgriin, Chromorange, Eisenorange, Englischroth, grüne Erde,
Kobaltblau, Kobaltgrün , Bronners Freskokrapplack , Marsbraun , Neapelgelb,
Ocker, Frankfurter Schwarz, Russ, Sienaerde, Ultramarin, Umbra, Vandyckbraun,
Zinkgrau, Zinkweiss. .
Bei allen Wänden , die sich durch besondere Trockenheit auszeichnen,
nimmt man zur Herstellung der Kalkmilch vYassel', in welchem etwas Alaun
aufgelöst sich befindet.
Um solche oberflächliche, leicht zu beschädigende Anstriche durch bessere
zu ersetzen, hat man wohl den zum Putzen verwendeten Mörtel in seiner
ganzen Masse gefärbt und wählte hierzu einen von der Natur schön grün,
roth oder gelb gefärbten Sand; eine Färbung durch anderweitige Farbe aber
zu geben, ist immerhin mit nicht unerheblichen Kosten verbunden; andererseits
gelingt es selten, der ganzen Faeade auf diese Weise eine durchaus gleich-
mässige Farbe zu ertheilen , da die Mörtelmischungen nie ganz gleiche Zu-
sammensetzung besitzen.

*) Rud. Dyckechof-Amöneburg hat auch nachgewiesen, dass Mörtel aus 1 Theil


Cement, 5 Theilen Sand, 1/2 bis 3/-1 Theilen Kalkhydrat in bezug auf Dichtigkeit und
Druckfestigkeit eine höhere Stellung einnehmen, wie Mörtel aus 1 Theil Cement und
5 Theilen Sand , und sich besonders zur Herstellung von Mauerwerk eignen. (Ver-
handlung der Ceneralversammlung des Vereins deutscher Cementfabrikanten , 1879.)
Arbeiten des Ausbaues, 287

Einen besseren Halt giebt man elen Farben; wenn man dieselben a l f'r e sc 0
oder auch mit Hülfe von ""\Yasserglas s t e re 0 C 11 r o m i s c 11 behandelt ~ Mal-
methoden, die weiter unten ausführlichere Besprechung finden werden.
Sehr beliebte Anstriche für Facaden
, sind auch die mittelst 0 elf a r b e
angefertigten, selbstverständlich muss die Mauer vorher vollständig ausgetrocknet
sein ; schützen solche Anstriche die Aussenseite der Mauer gegen atmosphärile
Ang~'iffe in hohem Grade; so sind sie dennoch wenig empfehlenswerth.
Abgesehen davon, dass das Sonnenlicht nach und nach alle flüchtigen
Bestandtheile aus dem Oelanstrich herauszieht und derselbe von Zeit zu Zeit
erneuert werden muss , wird durch solche Anstriche die Permeabilität der
Mauer und damit auch die natürliche Ventilation fast vollständig in Frage gestellt.
Die Oelanstriche gehören aber auch zu den theuersten, da die ganze Wand
vorher mit heissem Leinöl getränkt werden muss; äusserst unangenehm für das
Auge ~wirken aber bei neu e n Anstrichen die vielen blendenden Reflexe, die
dem Ganzen eine flimmernde Umuhe verleihen.
Der einzige Vortheil, den ein Oelanstrich bietet, ist die stete Möglichkeit,
die von Staub besudelte Facade durch Abwaschen zu reinigen, ja selbst ein
starker Regen übernimmt wobloft dieses Geschäft.
Will man einen Oelanstrich auf Cementputz anbringen, so muss derselbe
vollständig seinen Erhärtungsprozess durchgemacht haben und muss auch trocken
sein; vor dem Anstrich wäscht man den Verputz mit Wasser ab, in welchem
1 Prozent Eisenvitriol aufgelöst "'Ivurde.
Um 0 el ans tri c h e h a l t bar erz u m a c h e n , löst man Pech oder
Kolophonium im Oel auf und giebt auch wohl Bleiglätte der Anstrichfarbe bei;
so wird vielfach ein Anstrich empfohlen, der aus 1 kg klarem Leinöl besteht,
dem, zum Sieden gebracht, 0,50 kg Kolophonium und 0,25 kg Bleiglätte bei-
gemischt wird; die betreffende Wand wird hiermit 3 bis 4 mal heiss über-
strichen.
.Auch wird vorgeschlagen, 8 Gewichtstheile an der Luft zerfallenen, frisch
gebraur~ten Kalk mit 2 Theilen burgundischem Pech in 6 Theilen Mohn- oder Leinöl
bei gelinder vVärme zu lösen; der warmen Masse wird dann 1/2 1 abgerahmte
Milch unter beständigem Umrühren beigegeben und zuletzt noch 6 Theile
pulverisirte Kreide zugesetzt.
Statt der Oelanstriche hat man auch wohl Kompositionsanstriche gewählt,
deren wesentlicher Theil Sei feist; ein solcher Anstrich wird hergestellt:
In 9 bis 10 Gewichtstheilen Wasser wird 0,75 kg Seife zerlassen und
kochend langsam und ruhig auf die Mauer verstrichen, so dass sich kein
Schaum bildet. Nach 24 Stunden wird ein zweiter Anstrich aufgetragen, der
aus 4 1 'VVasser besteht, in welchem 0,25 kg Alaun gelöst sich .befinden. Ein
solcher Anstrich ist gummiartig, zähe und durchsichtig.
Hat man es mit Facaden zu thun , die ganz aus Cementputz bestehen,
so hat sich als sehr dauerhafter Anstrich ein solcher aus fein gepulvertem
Chalcedon oder Feuerstein bewährt, der mit dünner Kalkmilch und den ent-
sprechenden Farben hergestellt ist, und auf den frischen Cementputz aufgetragen
wird; noch besser haftet eine solche Anstrichfarbe. wenn ihr etwas Wasserglas
beigemengt wird.
Alle Anstriche von Facaden lassen sich in gewissem Grade pol y c h r 0 m
ausführen, und ist hierbei eine hohe Steigerung in ästhetischer Beziehung
keineswegs ausgeschlossen. Gebäude, die Anspruch auf künstlerischen Werth
machen wollen, müssen sowohl durch Mal e r ei wie durch S ku 1pt u reine
höhere vYeihe erhalten.
288 1. Maurer- und Steinmetzal'beiten.

Soll dies durch Malerei geschehen; so hat man die Wahl zwischen
a) derF I' e s k o m ale I' 8 i ,
b) der S t e I' 8 0 ehr 0 m i e ,
c) dem Sgraffito,
d) der 8 n kau s t i sc he n oder der Te m per a 111 a I e I' e i.
Die al fresco - Malerei bedarf einer frischen (fresco) Kalkmörtelunterlage,
die aus feinem Sand und altem gut abgelagerten Kalkbrei besteht; sie muss
so lange feucht sein, dass die darauf aufgetragenen Farben ohne Anwendung
von Leim oder eines andern Bindemittels mit der Wandfläche sich vollständig
zu emem Ganzen verbinden. Die 'Wand selbst aber muss aus gutem und
besonders trockenem Steinmaterial , z. B. aus gut gebrannten Ziegelsteinen,
bestehen.
Nach den in Deutschland gegenwärtig aus sehr kostspieligen Erfahrungen
geschöpften Regeln verfährt man wie folgt: Der Kalk wird wenigstens 1 Jahr
vorher gelöscht, und in einer Grube, gegen Regen und Schnee geschützt, auf-
bewahrt.
Beim ersten groben, womöglich mit kleinen Kieselsteinen untermischten
Bewurf der Mauer müssen alle Fugen vorsichtig ausgefüllt werden, damit
nirgends Luftblasen zurückbleiben. N ach gänzlicher Trocknung kratzt man die
Mauer auf, um die obere bereits Kohlensäure in sich aufgenommen habende und
fest gewordene Rinde zu zerstören; nach erfolgtem Anfeuchten wird ein zweiter
Bewurf aufgetragen. Ist auch diese Schichte gehörig ausgetrocknet, so wird der
letzte Bewurf, der eigentliche Malgrund hergestellt. Zu diesem Malgrund
nimmt man eine hinlängliche Quantität von altem Kalk, mit dem - wenn
kein Quarz vorhanden ist - ein feingesiebter , rein gewaschener und ge-
schlämmter, dann wieder getrockneter Sand vermischt wird. Von der Mauer-
fläche muss dann allemal so viel, als an einem Tage bemalt werden soll, mit
einem hölzernen Handhobel recht trocken abgearbeitet werden; hierauf befeuchtet
man die Stelle, und zwar um so ausgiebiger, je dicker der Malgrund auf-
getragen wird. Es versteht sich von selbst, dass das Auftragen dieser letzten
Mörtelschichte mit aller Sorgfalt ausgeführt werden muss; ein gleichmässiges
Aufziehen und ein Beseitigen auch der geringsten Unebenheit ist durchaus
geboten.
Hat der Malgrund sein wässeriges Ansehn verloren, so kann er zu
Malereien, die nur von grösserer Entfernung sichtbar sind, unmittelbar ver-
wendet werden; im anderen Falle, bei naher Betrachtung, muss der Malgrund
mit einer Polirkelle nach allen Seiten hin geglättet werden j um die obere
Fläche aber nicht durch das unmittelbare Abreiben zu alteriren , wird dabei
glattes Papier auf den Malgrund gelegt.
Gemälde auf so geglättetem Grunde sind aber viel weniger dauerhaft als
auf nicht geglättetem, weil die aufgetragenen Farben nicht energisch genug
in den geglätteten Malgrund eindringen.
Der am Schluss einer Tagesarbeit nicht bemalte Malgrund wird mit einem
Messer eben abgeschnitten, wobei man gerade, mit dem Lineal gemachte
Schnitte den bewegten vorzieht, weil im erstem Falle der frische Verputz leichter
zu bewerkstelligen, ist.
Den ersten Mörtelanwürfen hat man auch wohl lange Schweinsborsten
beigemengt, die man vorher mit siedendem Leinöl übergoss, trocknete und
wieder auseinander zupfte; hierdurch wird der betreffenden Mörtelschichte ein
besonderer Zusammenhang gesichert.
Arbeiten des Ausbaues. 289

Als Freskofarben kann man nur solche brauchen. welche von kaustischem
I

Kalk nicht alterirr werden; ausgeschlossen sind demgernäss nicht nur sämmt-
liehe vegetabilischen und animalischen Pigmente, sondern auch diej enigen aus
dem Mineralreiche. von welchen einzelne Bestandtheile aus überwiegender Ver-
wandtschaft mit dem Kalk chemische Verbindungen eingehen würden, woraus
Farbenveränderungen resultiren.
Zur Freskomalerei tauglich sind dementsprechend: Kalkweiss, Neapelgelb,
Spiessglanzocker, Nürnberger gelber Ultramarin, Kadmiurngelb, Amberger Erde,
die Ockerfarben, Terra de Siena, Eisenoxyd, N eapelroth, Englischroth, Morellen-
roth , Kupferbraun , Umbra, kölnische Erde, Ultramarin, Vitriolblau , Smalte,
Veroneser Grün, Chromgrün, Graphit, Beinschwarz, Reben- und Pfirsichschwarz.
Freskogemälde stellt man in neuerer Zeit auch wohl im Atelier her und
verwendet dazu einen eisernen Rahmen, dessen vier Ecken durch Eisenschienen
kreuzweise verbunden sind; die Rückwand dieses Rahmens bildet ein ziemlich
enges Gitter von Messingdraht , welches dem Mörtel aus Cement und grobem
Sande zum Anhaltpunkte dient, und nach dem vollständigen Trocknen eine
zweite Schicht von Kalk und feinem Sande in sich aufnimmt. Heide Lagen
müssen den Rahmen soweit ausfüllen, dass nur noch der nöthige Raum für
den Malgrund übrig bleibt, der zuletzt mit dem Rahmen eine ebene Fläche
bildet.
V 01' dem Einsetzen solcher transportablen Freskobilder bestreicht man wohl
die Rückseite der aus Mörtel bestehenden Bildtafel mit heissem Pech, eine
Operation, die ~as Gemälde gegen allenfallsige Nässe in der Mauer vollkommen
zu schützen imStande ist.
Diese Freskomalerei verdient auch deshalb schon die vollste Beachtung,
weil durch sie das Mittel an die Hand gegeben ist, von Künstlern Gemälde
zu erhalten, ohne dieselbe zu kostspieligen Reisen und langer Abwesenheit von
ihrer Heimath zu veranlassen.
Um bestehende Freskogemälde von der Mauer abzunehmen und dieselben
anderswo zu placiren, wird das abzunehmende Gemälde mit starker Leinwand
überklebt, und bedient man sich hierzu eines stark eingesottenen Leims; das
Bild wird dann von der Wand mitteist einer eigens konstruirten Säge abgelöst
und in einen eisernen Rahmen gebracht. Nach erfolgtem Erweichen des Leims
löst man dann die Leinwand ab, und nimmt die nothwendigen Retouchen des
Bildes vor, bei denen man sich aber der Wasserfarben zu bedienen pflegt, da
Freskofarben in der Mischung äusserst schwer den alten Farben vollkommen
entsprechend herzustellen sind.
Wandgemälde von der Mauer zu trennen und anders wohin zu versetzen,
scheint ein sehr hohes Alter zu haben; so berichtet schon Plinius , "dass in
Lacedämon Murena und Varro während ihrer Aedilität das Tünchwerk von
den Ziegelwänden ablösen liessen. Seiner vortrefflichen Malerei wegen wurde
es in Rahmen gefasst und nach Rom, gebracht." *)
Die Freskomalerei hat den an sie gestellten Erwartungen nicht überall
entsprochen; während beispielsweise in München die von Kaulbach ausgeführten
Gemälde an der neuen Pinakothek an der Nord - und Ostseite sich sehr gut
erhalten haben, sind diejenigen der Süd-,, namentlich aber die der vVestseite
nahezu vollständig zerstört.
Sehr gute Dienste leistet auch für das Aeussere unserer Gebäude ein
Ans tri c haI fr es c o , der selbstverständlich nur, auf die frisch geputzte

'*) Plinius, liber 35. cap. 49.


Go t t g e t re u , Hochbuukoustruktton. 19
290 1. l\Iaurel'- und Steinmetzal'beiten.

Faeademvand aufzebracht werden kann . und zwar stets unmittelbar nach dem
Auftrage der letzten feinen Pntzmiirtels~hichte; 'wählt man dabei irgend eine
Q u a der ein t h e i l u n b,
0'. so lassen sich auch verschiedene Farbennüancen in
den einzelnen Quadern durchführen, wodurch die J\Ionotonie der samt gleich
angestrichenen Flächen sich olme viele Mühe vermeiden lässt; es ergiebt sich
hieraus der Vortheil, dass bei äussern Beschädigungen des Putzes nur einzelne
Q uadern einer Renovirunab unterzozen
- b •
zu werden brauchen. Solche Fresko-
anstriche haben sich den gewöhnlichen Kalkanstrichen gegenüber als ungemein
dauerhaft bewährt, und sind deshalb sehr zu empfehlen; immerhin aber ist es
rathsam, dabei eine Quader- oder eine anderweitige Feldereintheilung, Füllungen,
Medaillons etc. zu wählen.
Um den U ebelständen entgegen zu wirken, die sich bei den meisten
Fresken geltend gemacht haben, machte schon der Entdecker des Wnsserglases,
Oberbergrath Dr. v. Fuchs, den Vorschlag, das lVassel'glas bei der Malerei
als Bindemittel der Farben auf den Mauergrund zu verwenden, und nannte
diese Art der Malerei Stereachromie ((J7;E:~86!; fest, XQcupCt die Farbe).
Die ersten grossen stereochromisehen Gemälde wurden bekanntlich zuerst von
Kaulbach, im Verein mit Echter und Muhr im Treppenhause des
neuen Museums in Berlin ausgeführt; auch in München und an andern Orten
sind solche Bilder vielfach zur Ausführung gekommen, und erkannte man den
grossen Werth und die Vorzüge dieser Malerei, die auch ganz dazu angethan
ist, als monumentale Malart der Freskomalerei bedeutende Konkurrenz zu
machen.
Der Mörtelgrund besteht bei der Stereochromie aus einem Bewurf von.
gewöhnlichem Kalkmörtel, welchen man gut trocknen lässt und ihn wohl mit
einer Lösung von Ammoniak tränkt, um dem im Mörtel vorhandenen Aetzkalke
seine ätzende Eigenschaft zu nehmen. Dieser getrocknete Untergrund wird
dann mehrmals fast bis zur Sättigung mit verdünntem Wasserglas (1 Vol.
'Wasser, 1 Vol. vVasserglas) getränkt, und zwar verwendet man hierzu das
Natron- oder das Doppelwasserglas, versetzt mit soviel Natronkieselfeuchtigkeit,
dass es nicht opalisirend, sondern ganz klar ist.
Der Ober - oder Malgrund, auf welchem das Gemälde ausgeführt werden
soll, wird ebenfalls aus Kalkmörtel hergestellt; nur verwendet man dazu am
besten destillirtes oder Regenwasser und statt des gewöhnlichen Sandes einen
gleichförmig gesiebten Sand aus gemahlenem Marmor oder Dolomit, frei von
staubigen Theilen und von gleichmässigem, nicht zu grossem , aber auch nicht
zu kleinem Korn.
Dieser Mörtel wird nur 2 mm dick auf den Untergrund aufgetragen;
wenn er trocken geworden ist, reibt man ihn mit einem scharfen Sandstein
ab und entfernt hierdurch die dünne Schichte von kohlensaurem Kalk, die sich
allenfalls im Mörtel schon gebildet hatte, und welche das Einsaugen des
Wasserglases hemmen würde; durch das Schleifen erhält übrigens der Malgrund
zugleich eine gleichmässig gekörnte Oberfläche, und verliert seine ungleich-
massige Rauheit.
Der ausgetrocknete Malgrund wird dann, wie dies mit dem Untergrunde
geschah, gleichfalls mit Wasserglas, jedoch nur zweimal imprägnirt, später durch
Abreiben zum Malen vorbereitet und mit Doppelwasserglas , dem man etwas
Natronkieselfeuchtigkeit zugesetzt hat, überzogen.
Hierbei ist es rathsam , den Grund recht langsam austrocknen zu lassen,
denn er erlangt dadurch die Fähigkeit, recht einsaugend zu wirken, was zum
Malen unumgänglich nothwendig erscheint.
Arbeiten des Ausbaues. 201

Die Farben zum Malen, ähnlich den Freskofarben. 'werden nur mit ,\Yassel'
angemacht und ohne weitere Schwierjgkeit auf den Malgrund aufgetragen; und
zwar unter öfterem Anspritzen der Mauer' mit reinem\Y asser.
Ist das Gemälde hergestellt, so wird es fix ir t , und hierzu verwendet
man das Fixirungswasserglas, das mit 1/2 Theil 1)T asser verdünnt wird. Zum
Fixiren selbst dient eine von Professor Schlottauer erfundene und von Geheim-
rath v. Pettenkofer verbesserte Staubspritze ; die das Wasserglas nebelartig auf
das Gemälde wirft, und wird diese Operation unter abwechselndem Anspritzen
und Austrocknen so lange fortgesetzt, bis die Farben derart festhalten, dass sie
.sich mit dem Finger nicht fortwischen lassen. '
Als stereochromische Farben verwendet man: Zinkweiss, Chromgrün
(Chrornoxyd), Kobaltgrün (Reinmannsgrün), Chromroth (basisches Bleichromat),
Zinkgelb. Eisenoxyd (hellroth, dunkelroth, violett und braun), Sch wefelkadmium,
Ultramarin, Ocker (Hell-, Fleisch-, Goldocker) , Terra de Siena, Umbra etc.
Zinnober aber ist zu verwerfen, weil es im Lichte braun und zuletzt ganz
schwarz wird; Kobaltultramarin zeigt sich nach dem Fixiren merklich heller
und ist daher in der Stereochromie nicht zu empfehlen.
Die S tel' e 0 c h r 0 m i e mit ihrer vollständig
v
verkieselten Bildfläche wider-
steht allen schädlichen Einflüssen, wie dem Rauch, sauren Dämpfen, dem
grellsten Wechsel der Temperatur, Regen, Schnee und Hagel, welche alle den
Fresken so verderblich sind.
Bei diesen in die Augen springenden Vorzügen der stereochromischen
Malerei liegt es nahe, die verkieselnde Wirkung des \IVasserglases auch bei
Anstrichen sowohl im Aeussern, wie auch im Innern unserer Wohnhäuser in
Anwendung zu bringen.
Man hat in dieser Beziehung zu wiederholten Malen stereochromische
Anstriche 'warm empfohlen i*), aber es wurde hiervon noch wenig Gebrauch
gemacht, sei es, weil man nicht gern vom Althergebrachten ablässt, oder weil
man bei dahin abzielenden Versuchen dieselben nicht mit der nöthigen Saeh-
kenntniss ausführte, wobei selbstverständlich dann nur ungünstige Resultate
erzielt werden konnten. Vielfach war aber auch der Umstand von Einfluss,
dass man sich einbildete, die Anstriche mit viV asserglas seien schwierig herzu-
stellen, indem sie einer ganz eigenthümlichen Behandlung, oder eines eigens zu-
sammengesetzten Mörtels als Malgrund, oder der nachherigen Anwendung einer
Spritze zum Fixiren der Farben bedürfen.
Nachdem im Kaiserhofe der Residenz Münchens stereochromische Anstriche
in umfassender Weise hergestellt wurden und dieselben sich vollkommen be-
währt haben, möge hier das beobachtete Verfahren mitgetheilt werden.
Der Grund, auf dem gemalt wurde, war gewöhnlicher Kalkmörtel. Die
Farben kamen bereits im Wasserglas angerührt zur Verwendung, wurden aber
vor dem Auftragen auf die Wand noch mit Wasserglaslösung so verdünnt,
dass sie mitteist eines Pinsels sich gut auftragen lassen.
Die mit Wasaorglaslösung angeriebenen Farben hatten die Konsistenz,
ungefähr wie die mit Oel angeriebenen Farben für die Oelmalerei im Handel

*) Das 'Wasserglas und seine Verwendung in der Bautechnik von Wagner, Ge-
werbeblabt für (Ls Grossherzcgthum Hessen, 1872, NT. 18.
19*
292 1. Manrer- und. Steimnetzarbeiten.

yorkommen; das darin vorhandene 'Vasserglas ergab nach ,


der Analvse
01
des
Dr. Feichtinger*) eme Zusammensetzung von
Kieselerde 51,79,
Kali 39,05,
Natron 9,16.
Ein Wasserglas von dieser Zusammensetzung kann erhalten werden durch
Zusammenschmelzen von
4: Gewichtstheilen Quarzsand,
4: " Pottasche,
1 " Soda,
oder auch durch Auflösen von Infusorienerde in natronhaltiger Kalilauge von
entsprechendem Gehalte.
Die 'V asserglaslösung, welche zum Verdünnen der Wasserglasfarben ver-
wendet wurde, hatte ein spezifisches Gewicht von 1,20, war weisslich trübe
und setzte bei ruhigem Stehen einen Bodensatz von kohlensaurem Kalk ab;
diese 'Yasserglaslösung war zusammengesetzt aus:
Kieselsäure 66,14,
Kali 25,64,
Natron 8,22,
und kann gewonnen werden aus dem Zusammenschmelzen von
5 Gewichtstheilen Kieselsäure (Quarzsand),
3 " Pottasche,
1 " Soda;
der Gehalt an kohlensaurem Kalk in der untersuchten Wasserglaslösung scheint
darauf hinzudeuten, dass dieselbe auf nassem 'Yege durch Kochen einer natron-
haltigen Kalilauge mit Infusorienerde bereitet wurde.
Wenn nun die Zusammensetzung beider Wasserglassorten verglichen wer-
den, so ist hervorzuheben, dass das Wasserglas, womit die Farben bereits an-
gerührt sind, weniger Kieselsäure und mehr Alkali enthält als dasjenige, welches
zum Verdünnen der Farben verwendet wird; hierdurch wird offenbar das den
Farben zugesetzte Wasserglas nicht so schnell durch die Kohlensäure der Luft
zersetzt, und die Kieselsäure gallertartig abgeschieden.
Ganz kann übrigens auch bei den in Rede stehenden Farben durch das
alkalireiche Wasserglas das Ausscheiden von gallertartiger Kieselerde bei
längerem Stehenlassen an der Luft nicht verhütet werden, und erscheint es
daher nothwendig, die Luft von den mit Wasserglaslösung angemachten Farben
soviel wie möglich, besonders wenn man sie aufbewahren will, abzuhalten.
Die Farben, die beim Bemalen des Kaiserhofes Anwendung fanden, waren
weiss, hellgelb, rothbraun, dunkelbraun und schwarz, und ergaben sich aus dem
Vermischen derselben die weiteren verschiedenen Nüancirungen.
Die weissen Farben bestanden aus einem Gemisch von Zinkoxyd und
Schwerspath, die gelben, rothen und braunen Farben bestehen aus Eisenoxyd,
kohlensaurem Kalk, kohlensaurer Magnesia, Thon, Sand und Wasser in ver-
schiedenen quantitativen Verhältnissen gemengt; man hatte es dem entsprechend
mit kalkhaltigen Ockerfarben zu thun, Die schwarze Farbe bestand aus einem
Gemenge von Braunstein und Kienruss.
In bezug auf die praktische Ausführung von stereochromischen Anstrichen
sei noch erwähnt: der Verputz muss gut und sorgfältig hergestellt werden, muss

'k) Ueber Verwendung des Wasserglases in der Bautechnik von Dr. G. Feicht,jngel')
Bayer. Industrie- und GewerbeblaH 1873, S. 222,
293

fest auf dE':' Mauer haften: r e eh t ein sau gen d und vor Allem gut aus-
getrocknet sein. Der Bewurf darf auch nicht zu frisch: sondern soll längere
Zeit der Luft ausgesetzt gewesen sein: weil Aetzkalk das "Wasserglas sehr
schnell zersetzt; es eignen sich daher zu solchen Anstrichen besonders die
älteren Kalkwände. V 01' dem Malen ist es aber nothwendig, die zu bemalen-
den Flächen mit einer Wasserglaslösung zu tränken; immerhin sollte r e i n es,
oder mit sehr wenig Katron versetztes Kaliwasserglas an-
gewendet werden, indem das Natronwasserglas zu starken
Auswitterungen Veranlassung giebt.
Stereochromische Anstriche lassen sich übrigens nicht nur auf gewöhn-
lichem Kalkverputz , sondern auch auf Ziegel- und Sandsteinmauerwerk ohne
Verputz ausführen; ein solcher Anstrich schützt auch in hohem Grade die
dadurch bedeckten Flächen gegen Verwitterung.
Die verkieselnde VV irkung des Wasserglases ist dementsprechend ein aus-
gezeichnetes Mittel, nicht allein Neubauten, sondern auch alte historische Bau-
werke gegen Verwitterung durch k n s tl ich e Si I i k a t isa ti 0 n zu schützen;
ü

eine grosse Anzahl berühmter Architekten Frankreichs, darunter Viollet-Ie-Duc,


haben sich für die Behandlung älterer Bauwerke mitte1st Wasserglas nach der
Methode von Leon Dalemagne sehr interessirt, Ein Bericht des Regierungs-
architekten A. Lance, in welchem unter Anderm besonders hervorgehoben wird,
dass Quadern, mit Wasserglas vorschriftsmässig behandelt, nach dem Regen schneller
als sonst trocken werden, dass sie an Härte und Dauer zunehmen, ihre schöne
Farbe behalten, keinen Staub ansetzen und, was die Hauptsache ist, zu Flechten-
und Moosbildungen keine Veranlassung bieten, schliesst mit folgendem Satz:
"Die Silikatisation ist jetzt zu bekannt, um ihren Gebrauch den Architekten
weiter zu empfehlen; die an den Domkirchen von Paris, Amiens und Chartres,
am Louvre, an der Schule der schönen Künste, an den Palästen von Luxem-
burg, von Versailles , von Fontainebleau etc. ausgeführten Arbeiten sind so
unwiderleglich, dass kein Wort darüber zu verlieren ist!" *)
Ein vorzügliches Mittel, die sonst so nüchterne Putzarchitektur künst-
lerisch zu beleben, giebt uns

das Sgraffito
an die Hand. Diese aus Italien stammende Maltechnik, deren Ursprung in das
Jahr 1500 verlegt wird, übernahm der Freskomalerei gegenüber eine zwar weit
bescheidnere Rolle, war aber in hohem Grade dazu angethan, trotz seiner an-
spruchslosen Einfachheit auf die architektonische Ausstattung des Aeussern
unserer Gebäude epochemachend einzuwirken. Der ästhetische Werth des
Sgraffito wurde nicht nur in der Renaissancezeit in hohem G~ade anerkannt,
sondern auch in unserer neuern Zeit, und verweisen wir in dieser Beziehung
auf die vorhandene sehr schätzenswertbe Literatur.
Ausser Vasari **) haben Cherubino Albortino, Bonasone, Galestouzzi u. A.
in Schrift und Zeichnung über das Sgraffito berichtet, und verdanken wir

. *) La, Stereochromie peintute monumentale P~H' le Dr. J. N. Fuchs, c1e Munich;


truduite en Francais et preccdee de quelques N o t e s sur la Silicatisation appliquees
a la conservation c1e Monuments par 180n Dalemagne ä Paris.
**) Vasari: Vite de' piu ec zellenti pittori , scultori et architetti (15.50), übersetzt
von Schorn und Förster.
294 I. Maurer- und Steiumetzarbeiteu.

weitere Mitthailungen nenern Forschern, von denen hier Gnmer*), E. Lange


und Bühlmann **) sowie 11. Lohde**'*) zu nennen sind.
U eber das t e c h n i s e h e Verfahren der Sgraffitodekoration macht Vasari
folgende Mittheilung:
..Man nimmt auf beewöhnliche Art mit Sand versetzten Kalk./ mischt damit
Ji

gebranntes Stroh, welches diesem Mörtel thons eh warze Färbung giebt. Ist dies
geschehen, so bringt man ihn auf die Mauerfläche auf. Nachdem derselbe voll-
ständig geebnet ist, wird ein Anstrich von Kalkmilch über ihn gedeckt. Auf
diese geweisste Fläche trägt man die Umrisse der darzustellenden Gegenstände
auf, und fixirt dieselben mittelst einer Eisenspitze , die durch Aufritzen der
weissen Oberfläche das Schwarz des Mörtelgrundes zur Erscheinung bringt.
Schliesslich vollendet man das Ganze im Reliefeindruck durch Schraffirung."
Nach einer Mittheilung des Professors an der Akademie zu Florenz,
de Fabris , verfährt man in Italien bei Herstellung des Sgraffito's wie folgt:
Auf die zur Aufnahme einer Sgraffitodekoration bestimmten Mauer wird ein
gewöhnlicher roher Mörtelputz aus Sand und Kalk aufgetragen und glatt ge-
strichen; in diesem Zustande verbleibt der Verputz nahezu 6 Monate der
'Witterung ausgesetzt. Dann wird der für den dunklen Untergrund des Sgraffito
bestimmte und gefärbte Putz (intonaco colorito) in der Dicke von 3 bis 4 mm
aufgesetzt, durch ein Streichbrettehen mit entsprechender 1Yasserbefeuchtung
eben gestrichen.
Die Bestandtheile dieses Verputzes sind: fr i s c h gel ö s c h t e r Kalk,
gut ausgewaschener, von allen Schlamm- und Staubtheilen befreiter Fluss sand
und eine dunkle Farbe, z; B. grüne Erde, Umbra, Terra de Siena etc.
Von der gut e n Qua I i t ä t des K i es s a n des hängt die Dauer und
die Vollkommenheit der Arbeit ab.
Vor allen Dingen ist darauf zu achten, dass jedesmal nur das Flächen-
stück verputzt werden darf, das der Zeichner in einem Tage, bevor der Ver-
putz trocknet, ausführen (schrafflren) kann; bei Ausführung der Arbeit verfährt
man in dieser Beziehung wie beim al fresco.
Auf die frisch verputzte farbige Fläche werden dann z w e i Anstriche von
Kalkmilch möglichst gleichmässig aufgetragen.
Nach Semper setzt man der auf die rohe Mauer aufgebrachten Berappurig
1/1 0 grob gestossene Steinkohlenschlacke bei, um dieser ersten Unterlage mehr
Festigkeit und schärfere Rauheit zu geben; nachdem dieser Untergrund trocken
geworden ist, giebt man als ersten Mörtelbelag eine Mischung von 5 'I'heilen
gepulvertem Wetterkalk , langsam unter Sand abgelöscht, 6 Theilen schwarzem
scharfen Flusssand, 2 Theilen gesiebten grob gekörnten Steinkohlenschlacken,
3 Theilen schwarzem Sand, 4 Theilen gemahlenen Schlacken, fein wie Sand,
1 Theil Holzkohlenstaub und endlich Frankfurter Schwarz nach Belieben; ist
die festangedrückte und wohlgeebnete Mörtelschichte noch nicht ganz getrocknet,
so erhält sie einen weitem dünnen Auftrag) der zusammengesetzt ist aus:
3 1 / 4 Theilen Kalk (wie oben), 2 Theilen Sand, 4 Theilen Schlacken; 1 Theil
Holzkohlenstaub , 1/8 Theil Frankfurter Schwarz; Alles wird vorher mitte1st
eines Haarsiebes durchgesiebt, Zum Abglätten dieses Auftrages verwendet
man eine Mörtelmischung von 1 Theil Sand statt 2.
Die aufs sorgfältigste abgeglättete Fläche wird schliesslich , noch nicht

*) The terracotta architecture of North Italie.


**) Die Anwendung des Sgraffito für Facadendekoration.
***)
' B elun1,ge
'.(. ,. uüber Sgraffit orna Ie1'e18n:
' Zelitsc1rnrt
ift T
J.tL· riauwesen
p 18 6/ unc1 1863.
M
Arbeiten des Ausbaues. 295

trocken geworden, mit einem dreimaligen Kalkmilchanstrich versehen, der dazu


dient, den geschwärzten Untergruncl vollständig zu decken.
Um das grelle ,Yeiss etwas zu brechen, hat Semper bei der eidgenössischen
Sternwarte nach der Erhärtung des Sgraffitoputzes denselben mit einer Lauge
bestrichen, in welcher etwas Asphalt aufgelöst war; ein solcher Anstrich giebt
dem Ganzen einen klaren durchsichtigen Ton, der sich nach Belieben stimmen lässt.
Die für das Sgraffito bestimmte, auf Papier aufgetragene Zeichnung wird
dann nach allen Konturen mit einer starken Nadel durchstochen, und mitteIst
Staubballen auf den frischen Grund übergetragen.
Zur Ausführunz der Zeiclmunaen dient das in
u u

Fig. 339 dargestellte Gravir-Instrument, mit dessen


Spitze die Konturen 2 bis 3 mm tief eingegraben
werden, während mit dessen Schneide sich das Weiss
des Hintergrundes leicht abheben lässt. Fig. 340 ,"

stellt ein Instrument dar, mit welchem der vom Weiss "
1
,I
befreiten dunklen Hintergrnnc1sfläche vertiefte Strich-
lagen gegeben werden, die der ganzen Arbeit eine !
lebendige Wirkung gewähren.
Das Sgraffito hat sich namentlich im Anfange
seines Auftretens hauptsächlich beschränkt auf die
rein ornamentale Ausschmückung von Friesen,
I'I
11
r
Medaillons, Wappenschildern, Fruchtschnüren , Tro-
phäen, Masken etc.; neben Tritonen, Nereiden, Fig. 339. Fig. 340.
Sphinxen, Delphinen erblicken wir auch 'besonders
in der spätem Zeit Szenen aus dem Jagdleben, Kriegspiele etc.; tapetenartige
Muster beleben die zwischen den architektonischen Formen frei gebliebenen
Flächen; es tritt aber auch hier statt der einfachen Formengebilde oft die
nur denkbar reichste Komposition an ihre Stelle.
Die italienischen Paläste lassen auch 'vielfach erkennen, dass man sie mit
me h I' fa r bi gen S g r a ffi te n schmückte; so zeigten die an der Aussen-
seite eines Ganges in dem Ga~·ten des Palazzo Pitti zwischen Fenster und
Pfeiler befindlichen stets wechselnden Medaillons hellgelbe Figuren (Hirt,
Jäger etc.) auf rothem Grunde, während andere Räume mit gleichmässig sich
wiederholenden Arabesken lichtgelb auf dunkelgrün sich abheben.
An einem Portikus auf dem Hofe des Monasterio de Monaei degli Angeli
tritt sogar das Sgraffito in reichster Farbenpracht auf; die Zwickel der Bögen
zeigen weisse Figurenarubesken auf abwechselnd grünem, rothem und gelbem
ßrunde; die Brüstung des darauf liegenden Ganzen zeigt ein blaues Medaillon
mit weissem Kopf darin, und zur Seite wieder weisse Arabesken auf grünem,
rothem und gelbem. Grunde. Die Farbenvertheilung ist, wie Lohde berichtet,
so, dass nie dieselben Farben zusammenstehen, so dass dadurch ein scheinbar
grässerer Reichthum erzielt wird.
Dieses Beispiel für farbiges Sgraffito ist das reichste, was bisher bekannt
geworden ist, und lässt erkennen, wie durch einfache Mittel hohe ästhetische
Zwecke sich erreichen lassen.
In neuerer Zeit hat man denn auch angefangen, die Sgraffitomanier wieder
zu Ehren zu bringen, und wurde diese Technik besonders von Sempermit
Glück in die Praxis wieder eingeführt; das eidgenössische Polytechnikum, das
Dresdner Theater und eine grclssere Anzahl von Privatgebäuden geben hierüber
in gelungenster vVeise Bescheid; in Berl: und München hat man dem Sgraffito
neue Bahnen eröffnet, und wäre es wohl äusscrst wünschenswerth , dass diese
296 r. Maurer- und Steinmetzar1)eiten.

Technik überall die ihr gebührende Anerkennung finden möchte; denn durch
sie wird dem Architekten die Möglichkeit geboten, die Einförmigkeit sonst
kahler Flächen durch feine künstlerische Dekorationen und monumentale Malerei
in billirrer
1:>
und dauerhafter Weise zu durchbrechen!
Als den sichersten Schutz für den äussern Wandverputz gegen "Vind und
"Vetter betrachteten die alten Griechen und Römer
die e n kau s t i s ehe n Ans tri ehe,
, vVer es erfunden hat mit Wachs zu malen und die Farben einzubrennen,
"
ist nach Plinius nicht bekannt."). Einige halten Aristides für den Erfinder,
'

und soll Paxiteles diese Erfindung vervollkommnet haben. Aber - fährt


Plinius fort - es hat noch viel ältere eingebrannte Gemälde gegeben, z. B. die
von Polygnotes und den beiden Pariern Nikanor und Arkesilaos. Auch Elasippos
schrieb auf seine Gemälde in Aegina "e i n g e b ra n n t ", was er sicher nicht
gethan haben würde, wenn die Enkaustik nicht schon erfunden gewesen wäre."
"V eiter wird uns mitgetheilt, dass es in alten Zeiten zwei Arten von
enkaustischer Malerei gab, bis man anfing, die Schiffe dadurch zu bemalen,
dass man' Wachs in Feuer auflöste und den Pinsel dazu nahm; so wurde
eine dritte Art erfunden, durch welche die Schiffe weder durch Sonnenschein,
noch durch Salzwasser, noch durch Stürme Schaden litten.
U eher das Verfahren bei der enkaustischen Malerei der alten Griechen
und Römer ist nur wenig bekannt; wo es auf glänzenden Farbenreiz ankam,
wie bei Thier- und Blumenstücken, wandte man sie mit Vorliebe an; entweder
wurden die mit Wachs vermischten Farbstoffe mitte1st heisser Stifte, oder in
kalter Auflösung mit dem Pinsel auf die Malfläche aufgetragen und dann ein-
geschmolzen. Später pflegte man, wenn nicht Wachs , doch aufgelöste Ihrze
theils als Bindemittel der Farben selbst, theils als Bestandtheile der Firnisse
anzuwenden; aber die ganze Technik der \IV ach s mal er e.i ging mit dem
6 . Jahrhundert vollständig verloren> Vielfache Anstrengungen, die Enkaustik
der Alten wieder neu zu beleben, sind gescheitert; bei den Malereien im
Königsbau zu München verwendete man (1833) ein aus Dammarharz, Terpentinöl
und Wachs bestehendes Bindemittel, mit welchem dann das Gemälde, statt mit
Firniss , überzogen wurde; das Einbrennen der _Farben, das man anfangs an-
wendete, unterliess man später.
Vielfach wurde auch als Bindemittel ein flüssiges Harz, ähnlich dem
Kopaivabalsam, verwendet, das man mit 1/3 0 "Vachs verband; der Maler Fernbach
in München Ct 1851) bediente sich eines Bindemittels aus aufgelösten festen
Harzen mit einer Verdünnung durch Terpentinöl, das sich sofort nach dem
Auftragen verflüchtigte; dieses Verfahren, das sich in bezug auf Technik kaum
von der Oelmalerei unterscheidet, wurde praktisch bei den Wandgemälden des
Hohenstaufensaales der N euen Residenz in Mönchen verwerthet. Die neuere
Zeit scheint sich jedoch von der Wachsmalerei wieder abzuwenden; ob es ge-
lingen wird; eine andere; ebenfalls in Vergessenheit gerathene Malerei,
die Temperamalerei,
neu zu beleben, muss die Zeit lehren. Diese Malerei soll bereits von den
Assyrern und Persern geübt worden sein, fand vielfache Anwendung in
Byzanz, von wo sie nach Rom kam und, dort bis zum Aufblühen der Oel-
malerei in Geltung blieb. Einige halten die Temperamalerei für eine Art
Aquarellmalerei, bei der man Firniss und Feigenmilch als Bindemittel ver-

*)
. PI"
111m3, l'b·"~
1 er ;:;0 cap.,'39 une'.
1 41
Arbeiten des Ausbaues. 297

wendete, Andere nehmen an, die Farben seien nur mit Leimwasser oder
Branntwein gemischt worden.
Nach genaueren Untersuchungen aber stellte sich heraus, dass wirklich
ölige, mit Harztheilehen verbundene Substanzen in antiken Temperamalereien
enthalten sind.
Der Grund dieser Gemälde ist der Hauptsache nach Gyps oder Kreide
mit Milch, thierischer Gallerte oder Firniss versetzt; die Farben zeigen sich
dünn aufgetragen, lösen sich durch Waschen mit Wasser nicht ab und haben
ihr Kolorit aber durchaus beibehalten; vom al fresco unterscheidet sich die
a ternpera-Malerei dadurch, dass bei ersterer ein frisch hergestellter Malgrund
nothwendig ist, während bei letzterer jede trockne Wand benützt werden kann.
Die Haltbarkeit und die Frische der auf unsere Zeit übergegangenen Malereien
möchten ihre Neubelebunz v
für dekorative Zwecke sehr erwünscht machen.
Bei der Temperamalerei lässt sich übrigens auch Leinwand, Papier etc. in
Anwendung bringen; diese werden dann grunc1irt mitte1st folgender Mischung:
Zu gleichen Theilen werden reine Eidotter und gebleichtes Mohnöl mit
einem starken Borstpinsel so lange geschlagen (etwa 10 Minuten), bis sie sich
vollständig mit einander vermischt haben, dann werden in die schaumige Masse
nach und nach 6 Theile Wasser unter beständigem Umrühren zugebracht. Vor
dem Grundiren setzt man der Masse irgend eine gut abgeriebene Wasserfarbe
bei; ausser Wasserfarben haften auf dem so erhaltenen Grunde auch o elfarben,

Ein anderes sehr wirksames Mittel, dem Aeusseren


unserer Gebäude einen monumentalen Charakter zu ver-
1 ei he n , besteht in der Anwendung von In k r U s tat ion e n , und lassen
sich hierbei folgende Unterscheidungen machen:
a) Inkrustationen durch Marmor oder andere n a t r ü »

1 ich e G e s t ein ein P I a t t e n f 0 r m.


b) Inkrustationen durch Terrakotten oder Cement-
pI a t t e n.
c) Inkrustationen durch musivische Arbeit (Marmor-,
GI a s -, T h 0 n m 0 s a i k ),
Solche Mal' m o r i n kr u s tat i o n e n waren beispielsweise eine Eigen-
thümlichkeit der mittelalterlichen Architektur Italiens, und erfuhr anfänglich
besonders das Aeussere der Kirchen solche Dekorationen.
Streifen von schwarzem, grünem oder rothern Marmor, wohl geschliffen,
gliederten und zertheilten alle grössern Flächen in einzelne Felder, die dann
mit hellen Marmorplatten ausgefüllt wurden. Horizontale Friese und Fenster-
einfassungen wurden mit mussivischem geometrischen Ornament ausgestattet
und so ein Schmuck gewonnen, der die einzelnen Bauglieder charakteristisch
schön hervorhob, die sonst todten und leeren Flächen belebte und durch die
Anwendung eines so noblen Steinmaterials förmlich adelte!
Als erstes Beispiel für die Marmorbekleidung möchte der Dom von Pisa
(1063) zu nennen sein, dem später (1153) das berühmte Baptisterium folgte;
die neue Technik hatte sich hier bereits zu hoher Vollkommenheit, durchdrungen
von einem feinen künstlerischen Gefühle, aufgeschwungen ~ und Gleiches gilt
vom Dome in Lucca.
Grossar6ger und schöner entfaltete sich die Marmorinkrustation an den
Florentiner Bauten; so am Baptisterium, wo die Archivolten aus dunkel-
grünem Serpentin Eich frei und leicht zwischen die schmalen Pilaster aus
298 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.

ehemals weissem Marmor einspannen; im Laufe der J ahrhunderre ist der


letztere zart gelblich geworden, so dass er sich jetzt harmonisch mit dem
dunklen Grün verbindet; eine gleich feine ~Wirkung tritt uns in der Faeade
St. Miniato al Monte entgegen.
Als Meisterwerk italienischer Marmorinkrustationen ist jedoch Giotto's
Kampanila (1334)*) zu nennen und Maitanis Dom von Orvieto (1290))
beid e aus der gothischen Banperiode stammend. Man beschränkte sich in jener
Zeit aber nicht darauf, die Facaden zu inkrustiren , sondern behandelte in
gleicher Weise das Innere, die Kanzeln, Bischofsstühle, Schranken und sonstiges
Kirchenzeräthe und zwar mit einer Meisterschaft ohne Gleichen. Die Renaissance
verliess ~nit wenigen Ausnahmen diese Technik, und wurde die monochrome
Behandlung der Fayaden Regel.
Am längsten erhielten sich in Italien die Marmorinkrustationen in der
farbenbeglückten Lagunenstadt - in Venedig - , wenn man sich auch' oft
nur darauf beschränkte, eine Marmortafel in die Palastwand , ein Medaillon
zwischen die Bogenzwickel, einen Fries unter die Gesimse einzusetzen, wie dies an
den Bauten am Kanal grancle so häufig wahrzunehmen ist; sehr reich ist übrigens
auch die Kirchenfacade , von St. Maria de Miraculi mittelst Marmor bekleidet.
So unschätzbar die besonders in Italien heimischen polychromen Marmor-
inkrustationen ihrer Schönheit und ihrer langen Dauer wegen auch sind, so
verbietet doch sehr häufig der Kostenpunkt ihre ausschliessliche Anwendung
zur Ausstattung unserer Gebäude.
Fällt es uns auch nicht schwer , bei unsern vielfachen und leicht zu er-
reichenden Bezugsquellen Steinmaterialien edlerer Gattung zu beziehen, und
dieselben allenfalls dadurch zu vervielfältigen, dass man sie nahezu in Furniere
zerschneidet, so verursacht doch das Poliren solcher harten Gesteine, wie
Porphyr, Marmor, Serpentin ete. immerhin so bedeutende Kosten, dass man
sieh in den meisten Fällen darauf beschränkt, sie nur zu vereinzelten Streifen-
einlagen , Füllungen und Medaillons zu verwenden, allerdings ein schätzens-
werthes Mittel, die Farbenmonotonie einer Facade zu beseitigen.
Ein sehr erwünschter Ersatz für Marmorinkrustationen wird uns ern
Baumeistern aber in den Mosaikfliesen geboten, die wohl mit Recht auch
e n kau s t i s c h e F I i e s e n genannt werden.
Solche vielfarbige Thonfliesen wurden zuerst von Singer (1839) aus
verschieden gefärbten gebrannten Thonstücken zusammengesetzt; 1840 presste
Prosper mittelst einer Maschine aus trockenem, aber verschieden sich brennen-
dem Thonmaterial Fliesen, die bis zur Halbverglasung gebrannt oder noch be-
sonders glasirt wurden.
Gegenwärtig lassen sich im allgemeinen vier Arten solcher Mosaikplatten
unterscheiden:
1. Die ein ge b ra n n te n Z i e gel fl i e sen (Encaustic tiles) , welche
aus ein oder mehreren durch die ganze Masse gefärbten, sehr fein
bearbeiteten Thonen auf trockenem oder nassem vVege erzeugt sind.
2. Die Reliefmosaikplatten (embossed tiles) , welche auf ihrer
Oberfläche durch Reliefvertiefungen gemustert erscheinen; sie sind nur
dann geeignet, einen entsprechenden Effekt zu erzeugen, wenn die
vertieften Stellen mit einer flüssigen Glasur überzogen werden.
3. Die Fayencemosaikplatten (majoliea Wes), welche aus mög-
lichst weissem Thon, auf trocknem oder nassem VVege geformt wer-

*) L. Runge, Der Glockenthnrm des Domes von Florenz.


Arbeiten des Ansbaues. 299

den und deren Färbung entweder unter- oder oberhalb der sie über-
deckenden Bleiglasur liegt. Diese Plättchen lassen die grässte
Mannigfaltigkeit und Schönheit von farbigen Mustern zu.
4. M 0 s a i k P 1 a t t e 11, deren Farben nicht blas dünn auf der Ober-
fläche angebracht sind, sondern 2 bis 3 mm die Masse durchdringen
und förmlich plattirt erscheinen; hierher gehören hauptsächlich die
weltbekannten Met tl a c h e r M 0 s a i k P 1 a t t e n, welche aus hart-
gebrannter Steinmasse gefertigt sind, am Stahle Feuer geben, und
allen erdenklichen Einflüssen der Witterung , sowohl als auch sehr
bedeutenden mechanischen Angriffen Trotz bieten. Dabei sind sie
schön in der Zeichnung und harmonisch in der oft farbenreichsten
Ausstattung.
Wie diese Platten in umfangreichster Weise zu Fussbodenmosaiken Ver-
wendung finden, so werden sie auch in gleicher Weise zur ästhetischen Aus-
stattung unserer Faoaden ver wendet ; zum letzteren Zweck aber genügt es,
Verkleidungsplättchen herzustellen, die aus einer gleichmässig gebrannten Thon-
masse bestehen, auf welche eine verschieden sich brennende Engobe in irgend
einem Muster mit dem Pinsel aufgetragen und aufgebrannt ist; solche Platten
sind dann mit allem Recht e n kau s ti s ehe F 1 i e sen zu nennen, können
aber ihrer dünn aufgetragenen Farbenschichtewegen nicht gut als Fussboden-
platten dienen. Einen vorzüglich schönen, nahezu 1 m hohen enkaustischen
Fries, reich an Zeichnung und Farbe, mit Fruchtfestons ausgestattet, hat die
Mettlacher Fabrik nach München geliefert und befindet sich derselbe unterhalb
des krönenden Hauptgesimses am Gebäude des Polytechnikums.
Auch anderweitige Terrakotten lassen sich vielfach zur Ausstattung unserer
Facaden verwenden, entweder in ihrer natürlichen Ziegelfarbe , oder, was bei
der heutigen, ungemein vorgeschrittenen Technik leicht zu erreichen ist, in
täuschender Imitation aller möglichen Naturgesteine.
Für solche Zwecke liefern besonders die Fabriken von Villeroy & Bloch
in Mettlach , March in Berlin, die Nymphenburger Porzellanfabrik etc. ein
ganz vorzügliches Material, das nicht blos in seiner äussern Erscheinung den
Granit, den Kalk- und Sandstein nachbildet, sondern auch durch seine erhöhte
Widerstandsfähigkeit gegen Verwitterung unbedenklich mit in den Kreis der-
jenigen Mittel zu ziehen ist, durch welche unsere Bauwerke im Aeussern zu
würdigster architektonischer Erscheinung emporgehoben werden.
Zu diesem Zwecke liefern diese Fabriken die formal reichst ausgestatteten
Konsolen, Zahnschnitte , Kymatien mit Reliefverzierungen , Kapitäle, Friese,
ornamentirte Füllungen mit Reliefköpfen , ja selbst Statuen. Auch gothisches
Masswerk, Kreuzblumen, Krabben etc, in der Imitation des schönen rothen,
grünen oder gelben Sandsteins geben dem Baumeister Gelegenheit, den theuer
herzustellenden Bildhauerarbeiten gegenüber für eine reiche Ausstattung seiner
Bauwerke mit verhältnissmässig geringen Geldmitteln Sorge zu tragen.
Endlich muss hier noch hervorgehoben werden, dass unter gewissen Um-
ständen bei Ausstattung unserer Facaden auch Hausteinimitationen aus Portland-
cement nicht ausgeschlossen bleiben, besonders wenn sie in so vorzüglicher
1Veise hergestellt sind, wie dies von der bekannten Fabrik von Dyckerhoff &
Söhne in Amöneberg zu konstatiren ist. Dieses Etablissement liefert alle mög-
lichen ornamentirten Bautheile in stilgemässen Formen, und lassen sich die-
selben nicht wohl von den besten Sandsteinarbeiten in rothen , gelben, grünen
Tönen unterscheiden. Durch jahrelange Erfahrungen haben auch diese Stein-
imitationen aus Cement sich als durchaus witterungsbeständig erwiesen.
300 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.

"Yerden zur Dekoration von "\Yanc1flächen kleinere Marmorstücke zu farbig


wirkenden Mustern. zusammengefügt, dann geschliffen und auch wohl polirt,
so haben wir es mit
der Ma r mor m0 sa i k
zu thun , einer Technik, die sich bis in die Sagenzeit Assyriens hinein ver-
liert, im alten Griechenland und Rom aber mit Vorliebe geübt wurde, um
Fussböden darin herzustellen; aber auch vielfache Gewölbe, innere ,Vandfiächen
haben, besonders in der byzantinischen Bauperiode , ihre höchste ästhetische
Ausstattung durch solche Mosaikarbeiten erhalten.
An dem Facadenschmuck hat die Mosaiktechnik nur wenig Antheil ge-
nommen, n~d erst' in neuester Zeit hat man davon Gebrauch ge7nacht.
So werden in der von Salviati gegründeten grossartigen Glasfabrik auf
der Insel Murano bei Venedig auch Glasprismen zu musivischen Arbeiten in
umfangreichem Grade angefertigt. Zu diesem Zweck werden die verschieden
gefärbten Glasmassen in fingerdicke Tafeln gegossen und dann nach dem Er-
kalten in 15 mm breite Stäbe zertbeilt; hierbei ist deren obere und untere
Gussfläche eben, deren seitliche Bruchflächen aber rauh,
Die einzelnen Glasprismen werden dann musterartig auf Kartonpapier mit
Leim aufgeklebt, und bildet die Klebseite der Prismen die später nach aussen
gewendete Fläche, während die nach oben gekehrte Seite in die Mauer ein-
gesenkt wird. Die von der Fabrik gelieferten GI a s m 0 s a i k e n lassen sich
sofort als Facadenschmuck oder auch im Irmern der Gebände in Mörtel
versetzen.
Beim Versetzen ist darauf zu sehen; dass der zur An wendung kommende
Mörtel in die sämmtlichen Zwischenräume der Prismen eindringe und dieselben
vollständig ausfülle.
Der an der Mosaikfläche haftende Karton ist schliesslich durch "Wasser
leicht abzulösen.
Die Salviati'schen Glasmosaiken haben sich überall, wo sie zur Anwen-
dung kamen, grosser Anerkennung zu erfreuen gehabt; und es kann nur er-
wünscht sein, dass hauptsächlich das Kunstgewerbe diese für ein künstlerisches
Beleben unserer Architektur höchst geeignete Technik acceptire und einbürgere!
Die Ausstattung unserer Facaden nimmt freilich einen ziemlich andern
Charakter an; sobald es sich darum handelt; das zur Disposition stehende Bau-
material ohne allen Putz, ohne Malerei, ohne Verkleidung zu belassen. Dann
liegt die Aufgabe vor, den formalen Theil der Architektur durch plastisch
wirkende Mittel, durch Gesimse, ornamentale und figürliche Plastik zu erreichen,
und treten dann wohl Architektur und Plastik mehr in den Vordergrund als
die Malerei. Bei Anwendung von Hausteinen wird der architektonische Effekt
selbstverständlich mit von der schönen Naturfarbe des anzuwendenden Steines
abhängen, und beweisen die Dome in Strassburg. Freiburg etc. zur Genüge, wie
wirksam der rothe Sandstein sich für das Auge bewährt, und wie dieses Gestein
durch die Patina, die es im Laufe der Zeit anzunehmen im Stande ist, in
seiner malerischen ·Wirkung bedeutend erhöht werden kann; das Gleiche gilt
vom Travertin, der, ursprünglich lichtgelb, nach und nach einen schönen gold-
gelben Ton annimmt lind dadurch gleichfalls in bezug auf seinen malerischen
Effekt einen erhöhten Reiz für den Beschauer ausübt; viele uns aus dem alten
Römerreiche erhaltene Ruinen sind dafür schlagende Beispiele.
Immerhin gehören diese Fälle zu den Ausnahmen , denn unsere meisten
um: zur Disposition stehenden Band - und Kalksteine no 111118n bald von Staub
Arbeiten des Ausbaues'. 301

und Rauch eine schmutzige: unter Einwirkung der darauf wachsenden Algen
ins Dunkelgraue spielende Färbung an: so dass die ursprüngliche N aturfarbe
so bzut wie verloren taeht·, mözen 0
solche altehrwürdize
. C
. verräucherte und
/

bemoste Gebäude den stets frisch übertünchten Hä usern auch bei weitem vor-
zuziehen sein. so ist damit vQ'ewiss nicht ausaeschlossen
I (.,.;
, darnach zu streben,
I

auch unsern Hausteinfacadon eine bleibendere Farbenwirkung zu geben.


Dies liesse sich freilich selbst bei den Graniten, dem "Marmor etc, nur
durch Schleifen und Poliren der Steinhäupter erreichen; aber welche Mittel
wären hierzu erforderlich 1
Um die Farbenmonotonie solcher Faeaden zu beseitigen: empfehlen sich
stellenweise Inkrustationen von geschnittenen und polirten Gesteinen, nament-
lich Serpentin, der sich von allen witterungsbeständigen Steinen am leichtesten
poliren lässt; in gleicher Weise können Terrakotten: enkaustische Fliesen etc,
dazu dienen 7 eine sonst eintönig aussehende Facade anmuthig durch wohl-
gewählten Farbenwechsel zu beleben.
In gleicher vVeise liegen uns ähnliche Mittel zur Hand, den Ziegelrohbau
auszustatten, und verweisen wir in dieser Beziehung auf die hervorragenden
Leistungen des Mittelalters in Italien sowohl, als im Norden Deutschlands, ver-
weisen weiters auf die Bestrebungen unserer Gegenwart*).
Das Kapitel über den äussern Schmuck von Facaden lässt sich nicht wohl
schliessen , ohne der plastischen, aus sogenanntem S tue k ausgeführten Aus-
stattung zu gedenken , "welche sich hauptsächlich im Anfange des 18. Jahr-
hunderts in der Zeit des Zopfstils geltend machte, und die vorherrschend durch
italienische Arbeiter ausgeführt ward.
Die unmittelbar auf den halbgetrockneten Unterputz aufgebrachten, oft sehr
reichen Reliefdekorationen wurden mit einem stumpfen Stift in den Untergrund
vorgezeichnet und dann mittelst einer lange plastisch bleibenden Masse mit dem
Bossirholze oder dem Bossireisen unmittelbar darauf heraus modeUirt; hierbei
war es freilich nicht ausgeschlossen, Verzierungen, Rosetten, Reliefköpfe etc.
einzeln in der vVerkstätte herzustellen und sie im Gypsabguss an den betreffen-
den Ort einzusetzen.
Als S tu c km a s s e wurde meistentheils ein gut abgelagerter Kalkbrei mit
Ziegelmehl , Kreide oder mit feinem reinen Sande am besten mit Marmorstaub
vermischt gewählt. Unter solchen Stuck gebrannten Gyps zu mischen, ist un-
thunlich, weil er dann im Freien nicht hält.
Einige Stuckarbeiter wählen als Unterlage für den Stuck ein Gemenge
von 6 Theilen Kalk: 3 Theilen Sand, 2 Theilen Hammerschlag, 1 Theil Ziegel-
mehl und 1 Theil Weinstein ; das Ganze wird mehrfach tiichtig verrührt ; dies
Gemenge widersteht der Feuchtigkeit und dem Wechsel jeder Witterung.
Der auf die unterlegte Schichte gebrachte Stuck muss äusserst fleissig
abgeglättet werden) so dass keine Löcher oder Unebenheiten verbleiben, in
welche Regen oder Schnee eindringen kann; durch fleissiges Glätten wird die
Oberfläche des Stucks auch an Härte gewinnen.
Viele solcher Arbeiten aus der Mitte und dem Ende des vorigen J ahr-
hunderts haben sich bis heute gut erhalten und erscheinen meistens durch eine
mehr oder weniger starke Schichte von kohlensaurem Kalk, der sich über diesen
barocken Stukkaturarbeiten gebildet hat, gegen die Zerstörung durch die
Atmosphärilien geschützt; da jedoch solche mit Stuckdekorationen ausgestatteten
'J ver p u t z t e n " "Facaden im Laufe der Zeit oftmals erneute Anstriche er-

*) DeI' Backstein, eine Stuc1ie von R. Neumann (Emst & Korn in Berlin).
302 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.

fuhren, so sind ihre ursprünglich scharfen Formen oft bis .zur Stumpfheit, Ja
bis zur Verschwommenheit entstellt.

D e r i n n e r e V e r P u t z.
Bei diesem haben wir zuvorderst zn unterscheiden:
a) den ,Yandputz,
b) den Deckenputz (die Weissdecken).

Der innere ,Yandputz zerfällt in:


1 den gewöhnlichen mnern Wandputz.
2 den vYeiss stuck,
3 den Stuckmarmor,
4 den Stuekolustro,'
Zum ge w ö h n 1ich e n in n ern Ver P u t z verwendet man fast aus-
nahmslos nur Luftmörtel - nur ,in gftllZ besondern Fällen Cementmörtel -
und trägt denselben ebenfalls in drei Schichten auf; zur obersten, dünnsten
Schichte verwendet man einen Mörtel von sehr feinem reinen Sande, und be-
handelt denselben wohl mit Reibebrettern, die mit Filz überzogen sind.
Sollen Holzwände eine Verkleidung von Mörtel erhalten, so schlägt man
dieselben wohl mit einem Spitzhammer vielfach so an, dass sie mit Löchern
ganz übersäet erscheinen, oder man s c hup p t sie mit einem Beile auf; an
den so entstehenden Unebenheiten hat der Mörtelbewurf dann einen bessern
Halt. Ist der erste sehr rauh aufgetragene Bewurf vollständig getrocknet, folgt
ein dünner Anwurf, der, wenn er gut angezogen hat, mit dem Reibebrette ge-
glättet wird. Bei solchen, in primitivster Art hergestellten Bewürfen werden
Risse nie ausbleiben, da das Holz stets schwindet und wieder quillt, und den
dadurch entstehenden Deformationen der Putz nicht folgen kann.
Aus diesen Gründen ist es zweckmässig, die zu verputzende Holzfläche
vorher zu berohren.
Dieselbe Behandlung erfahren sehr häufig auch die VV ei s s d eck e n.
Der sogenannte Roh r P u t z besteht darin, dass man mit abgeschälten
trockenen Rohrstengeln, 7 mm von einander entfernt, die an die Balken be-
festigte Bretterschalung mitteIst Eisendraht und Rohrnägel überzieht. Zur
Bretterschalung wähle man möglichst schmale und gut ausgetrocknete Bretter
und lasse dieselben in ihren Stössen gehörig wechseln; die Rohrstengel erhalten
selbstverständlich zu der Brettschalung eine entgegengesetzte Lage. Räthlich
ist es, den Eisendraht sowohl wie die Rohrnägel durch irgend eine Fettsubstanz
gegen Rosten zu schützen.
Dem ersten Bewurf setzt man des schnellen Anziehans wegen Gyps zu;
ist derselbe getrocknet, wird er genässt und ein zweiter rauher Bewurf gemacht,
wobei einige Fixpunkte (Lehren) dazu dienen, eine durchaus ebene und hori-
zontale Fläche zu gewinnen. Ist aus diesem zweiten U eberzuge das Wasser
zum theil verdunstet, so erfolgt ein dritter Bewurf aus feinerem Mörtel, der,
sehr dünn aufgetragen, mit dem Reibebrette sauber und vorsichtig abgerieben
wird. Soll der Verputz sehr fein ausfallen, so wird derselbe noch mit einem
mit Filz überzogenen Reibebrette nachgearbeitet.
Da Rohrstengel nicht die Eigenschaft besitzen, wie Holz ihr Volumen zu
verändern) so wird das aHenfallsige Werfen der Bretterschalung nur in seltenen
Arbeiten des Ausbaues, 303

Fällen die Putzschichte der Art alteriren , dass sich an der ",Yeissdecke Risse
zeigen. ",Yill man sich noch mehr gegen solche Risse schützen, wie das bei
Anbringung von reichen Deckenmalereien wohl räthlich ist, so bedient man
sich der doppelten Berohrung, indem man über der ersten, ehe sie mit Mörtel
beworfen ist, eine zweite Berohnmg herstellt, deren Rohrstengel mit denen der
unteren Lage sich rechtwinklig kreuzen.
Da, wo langes Schilfrohr schwer zu haben ist, wie z. B. in München,
verwendet man zur Herstellung der Weissdecken die sogenannten 1Y 11 r f -
1a t t e n , oder andern Orts Spalierlatten genannt; dieselben sind meistens
24 111111 breit, 12 mm dick, und besitzen eine konische, nach oben hin
schmälere Form. Beim Annageln an die Balken bringt man zwischen die
Wurflatten und von diesen gehalten dünne Strohhalmbüschel , die von beiden
Seiten von der Decke herabhängen, und sich mit den von der Nachbarlatte
gehaltenen Strohhalmen vielfach kreuzen.
Beim ersten Bewurf mit dünn wässrigem Mörtel (Spritzwurf') werden die
von der Decke hingenden Strohhalme gegen die Wurflatten gedrückt und
verrieben, so dass eine Art Strohfilz entsteht, der, vollständig getrocknet, eine
vorzügliche Zwischenlage zwischen den 1Vurflatten und dem dann später aus-
geführten Deckenpntz gewährt; hierbei kommt Brettschalung, Rohr, Nägel und
Draht in vVegfall.
Werden Hohlkehlen unter der Decke angebracht, so nagelt man in den
Ecken schräge Bretter oder VV urflatten ein, die dann berohrt, beziehungsweise
mit einem Strohfilz versehen und mit der dazu gehörenden Decke verputzt
werden.
Anderweitige weit ausladende Gesimse werden mit Hülfe von Holzkohlen,
Draht, Nägeln etc. hergestellt und mit gewöhnlichen Gesimslehren gezogen,
oder auch wohl nachträglich, fertig aus Gyps hergestellt, an die betreffende
Stelle versetzt.
Zum innern Verputz verwendeten schon die Alten einen lange zuvor ab-
gelöschten Kalk, dem sie Kreide oder den Staub von weissem Marmor beimengten;
Vitruv nennt solchen Putz "opera albaria et marmoratav , wir bezeichnen ihn
mit VV eis s s tue k.
Der Bereitung des lang abgelagerten gelöschten Kalkes wurde die grösste
Aufmerksamkeit gewidmet und verwendete man dazu die Abfälle des edlen
weissen Marmors. Solchem Kalkbrei setzte man dann wohl wieder im Mörser
zerstossenen weissen Marmor bei, der vorher gesiebt wurde. So erhielt man nach
Vitruv*) drei Sorten; das gröbste Korn diente dazu, um mit Kalk die erste Lage
auf dem Anwurf von Kalk und Sand zu bilden, das mittlere Korn wurde zur
zweiten Lage genommen, und endlich war es der Staub, womit die Oberfläche
vollendet ward. Aus solchem Stuck verfertigten die Römer auch Gesimse an
Wänden, Verzierungen auf Plafonds und Gewölben und verwendeten ihn auch
zum Verputzen von Holzdecken.
Bei den modernen innern Stuckarbeiten verwendet man auch vielfach statt
des Weisskalks den Gyps, und besonders bildet dieses Material bei weit vor-
springenden Gesimsen, Trophäen, Kapitälen die Unterlage, der wohl durch
grosse und kleinere Nägel, durch Eisenstücke nach Verhältniss ihrer Vorsprünge
ein besserer Halt gegeben wird.
Ist diese erste grobe Arbeit gemacht, so werden 1 Theil Gyps und
3 Theile Kalkmörtel gut untereinander gemischt und damit die Hauptformen

'I,) Vibruv, VII. Buch, 6. Kai:',


304 I. Maurer- und Steinmetzarbeiten.

mehr im Detail heraus bossirt ; bei der Geschwindigkeit, mit welcher


hier zu IVerke gegangen 'werden muss, ist es nicht zu vermeiden, dass hie und
da zu viel aufgetragen wurde; dies zu Viel muss wieder entfernt werden und
man bedient sich dazu eines gekrümmten und gezähnten Spatels.
In diesem Stadium lässt man die gefertigten Massen so lange trocknen,
bis keine Feuchtigkeit im Innern zurückgeblieben ist, und überzieht sie dann
zum Schlusse noch mit einer Stuckmasse, die man auf folgende IVeise zubereitet:
Man verwendet nur den besten weissen , gut durchgebrannten Kalkstein,
löst denselben, indem man den Bedarf an Wasser nur nach und nach in dem
Verhältniss. wie er sich auflöst, zugiesst und ihn dabei aufs sorfältigste durch-
arbeitet. Hierauf findet eine Reinigung dadurch statt, dass der gelöschte Kalk
auf einer Marmorplatte förmlich verrieben wird, um alle unlöslichen Theile
daraus zu entfernen. Den so gereinigten Kalk lässt man dann meistens fünf
und zuweilen noch mehr Monate lang ruhen.
Das beste Material, welches dann dem so zubereiteten Kalke beigesetzt
wird, um einen festen, dauerhaften und schönen Stuck zu erhalten, bleibt stets
der gepulverte carrarische Marmor; ist ein solcher nicht zu haben, so nimmt
man wohl Champagner-Kreide oder auch ungebrannten gepulverten Alabaster-
gyps, Fraueneis oder Fasergyps; in letzterm Falle soll jedoch der Stuck der
Feuchtigkeit weniger Widerstand entgegensetzen.
Zum Fertigmachen der aus Stuck herzustellenden Ornamente wird nur
stets so viel Stuckmasse zubereitet, wie der Stuckateur in kürzester Zeit ver-
arbeiten kann und nimmt man dazu gleiche Theile von Marmorpulver und
Kalk, die so lange miteinander vermengt werden, bis die Masse rein von 'der
Kelle abrutscht.
Um den Stuck zu verarbeiten, benetzt man zuvor die gemachte Anlage
so lange, bis kein Wasser mehr eingesogen wird, und bestreicht die fertig zu
machende Stelle mit einem Pinsel, indem etwas Stuckmasse unter Zusatz von
Wasser streichfähig gemacht ist.
Hierauf wird schnell mit einem Spatel eine Lage Stuck aufgetragen, und
giebt man demselben, fängt er an zu trocknen, mit einem verstählten Bossireisen
und etwas rauher und um den Finger gewickelter Leinwand die letzte Facen,
ähnlich als wie man in Thon modellirt,
Während des Modellirens muss die Vorsicht gebraucht werden, den Stuck
vou Zeit zu Zeit zu benetzen, um sein zu schnelles Erhärten zu verhindern.
Um innern Wandflächen eine erhöhte Eleganz zu geben, belegt man sie
wohl ganz oder theilweise mit

S tue k m arm 0 r,
Die Wände, auf die Stuckmarmor gelegt werden soll, müssen, wenn sie
massiv sind, einen rauhen Grundputz erhalten, der zur Hälfte aus gewöhn-
liehem Gyps, zur Hälfte aus scharfem Sand mit schwachem Leimwasser be-
steht. Statt des gewöhnlichen Gypses verwendet man in neuerer Zeit den
mit Alaun oder Borax präparirten Gyps, ersterer unter dem Namen Keene'scher
Cement, letzterer unter dem Namen Parian-Cement in den Handel kommend.
Den Stuckmarmor selbst stellt man auf folgende IV eise dar: Man durcharbeitet
den rein gesiebten Gyps, mit Leimwasser angemacht, mittelst einer flachen
Kelle zu einem Teig. Dies geschieht am leichtesten, indem man auf einem
Arbeitstisch den Gyps aufhäuft, in der Mitte eine Höhlung macht und in dieselbe
das Leimwasser g3sst, alsdann mit der Kelle den Gyps ins Leimwasser ein-
Arbeiten des Ausbaues. 305

rührt und ihn tüchtig durcharbeitet. Zu diesem Gyps bringt man eine mit
Wasser gut geriebene Farbe hinzu, die den Grundton des nachzuahmenden
Marmors bildet; um dem Stuckmarmor die gehörige Farbennüancirung zu geben,
werden mehrere Abstufungen des Grundtons, heller und dunkler von Gyps-
masse, wie· eben beschrieben, angefertigt. Aus diesen verschiedenartig nach
Abstufungen gemischten Massen macht man von jeder einen besonderen Kloss.
Will man dem Grundton helle weisse Fleckchen geben, so bestreut man die
Klösse mit Gyps und drückt ihn trocken ein. Ist diese Vorbereitung getroffen,
werden die eben erwähnten Klösse zerrissen und in bunter Unordnung neben
einander ausgebreitet, die Zwischenräume mit kleinem verschieden gefärbten
Gypsteigkugeln ausgestreut; ist dies geschehen, so übergiesst oder bespritzt man
die Klösse mit der sogenannten Sauce, welche die Adern bildet und aus Leim-
wasser , Gyps und Farbe bereitet ist. Sollen mehrfach gefärbte Adern im
Stuckmarmor vorkommen, rührt man die entsprechend gefärbten Saucen an und
übergiesst die vorbereiteten Gypsmassen auch mit diesen; eine neue Lage von
Klössen, Kügelchen und Saucen kommt auf die erste zu liegen, und wird dann
die Masse zu einem grossen Ballen geformt. Dieser Ballen wird mit einem
breiten Messer in Scheiben geschnitten, die Scheiben taucht man, sie mit der
Hand fassend, in Wasser ein, legt sie auf den vorher gut genässten Unter-
grund auf und streicht sie mit der Kelle fest; indem man so mit dem Belegen
der Mauer fortfährt, sucht man stets durch Streichen eine möglichst ebene und
dichte Fläche zu gewinnen. Sollen die Adern eine bestimmte Richtung er-
halten, so zeichnet man sie auf der Mauer vor und lässt hier beim Belegen
entsprechende Zwischenräume, die später mit der gefärbten Adermasse aus-
gedrückt werden.
Beim Anfertigen von künstlichem Granit oder Porphyr werden verschieden
gefärbte Gypsmassen in Scheiben geschnitten und getrocknet, dann in Stücke
geklopft und so' mit in die Masse eingesetzt. Auch Alabasterstücke verwendet
man wohl in gleicher Weise.
Sobald die belegte Fläche vollkommen erhärtet ist, wird sie mit einem
Hobel von den stärksten Unebenheiten befreit, und dies geschieht arn bequemsten,
indem man zuerst einzelne Richtungsstreifen hobelt und nach diesen die ein-
zelnen Flächen abarbeitet.
Hierauf beginnt das Rauhschleifen mit einem ziemlich groben Sandsteine von
markigem Korn, und reibt man damit die Oberfläche, welche mitteist eines
Schwammes stets nass gehalten wird, vollkommen eben ab. Hierauf lässt man
den Marmor einige Tage austrocknen und beginnt dann die weitere Schleif-
arbeit mit einem Grünstein (Schweizersandstein) , indem man die Flächen mit
einem Schwamm nässt und die Risse, die der Sandstein gelassen, fortbringt;
dann wird die Fläche von allem Schliff gereinigt, sämmtliche Poren und
Löcher werden ausgestrichen, unreine Stellen ausgestochen und wieder ergänzt,
wozu ein Theil der zurückbehaltenen Grundmasse, zu dünnem Teig angemacht,
dient; um auch die geringsten Unebenheiten zu beseitigen, trägt man eine
dünne Gypsmasse mit dem Pinsel auf die vorbereitete' Stuckmasse auf und
spachtelt sie mit einem breiten und dünnen Holzspachtel, am besten aus Weiss-
buchenholz, ab und wiederholt dies Verfahren wohl zwei bis drei mal, bis der
Zweck vollständig erreicht ist. Ist die Masse durch und durch getrocknet, wird mit
dem Schleifen unter fortwährendem Annässen und U eberspachtein fortgefahren,
wobei der Schliff selbst stets sorgfältig entfernt wird : dabei wählt man mit
dem Fortscheiten des Schleifons stets feinere Schleifsteine, so dass auf den
grünen ein schwarzer folgt (eine Art Thonschiefer), dann zwei rothe, ein rother
306 I. Maurer- und Steinmetzarbeiten.

.Iaspis und ein Rotheisenstein, sogenannter Blutstein) nach dessen Gebrauch ein
vollständiger Spiegel glanz eintritt. Um die Politur noch schöner zu erhalten)
tränkt man den Stuckmarmor mit Leinöl; ist dies eingetrocknet) was in einigen
Stunden geschieht) so wischt man den Marmor mit leinenen Lappen rein ab
und überzieht ihn mit Terpentinöl) in dem etw-as weisses Wachs aufgelöst ist;
durch Reiben mit weichen wollenen Lappen tritt die Politur in erhöhtem Grade
hervor. Sollen Mosaikarbeiten in Stuckmarmor hergestellt werden, so wird
der Grund bis zum Poliren des Marmors hergestellt; aus diesem werden die
Figuren, die als eingelegte Arbeit erscheinen sollen, ausgeschnitten und mit
anderer gefärbter Stuckmasse ausgefüllt; die so verschieden in Zeichnung und
Farbe erscheinenden Flächen werden dann gemeinschaftlich fertig polirt,
Beschreibung einiger Stuckmarmorarten :
Hell g r Ü n 0 r M arm 0 1'. Der Grundton, bergblau und chromgelb, die
Adern chromgelb und Wiener Lack.
Dun k e 1 gr ü n er M arm 0 r. Der Grundton aus grüner Erde, gelbem
Ocker, Indigo und Frankfurter Schwarz bestehend, erhält Adern aus Frank-
furter Schwarz und Indigo, und werden in die Grundrnasse Alabasterstücke
eingedrückt.
GI' ü n e I' P 0 r p h y r. Die Grundrnasse besteht aus dem vorherrschenden
Dunkelgrün uncf werden in sie kleingeschlagene schwarze Gypsbrocken und
Alabasterstü cke eingedrückt.
Sc h war z e r M a l' m 0 r. Der Grundton aus Frankfurter Schwarz und
etwas Indigo; die Adern aus gelbem Ocker mit etwas chromgelb versetzt, die
weissen Adern aus Gyps.
G rau er lVI arm 0 r. Aus Frankfurter Schwarz in verschiedenen Nüancen.
GI' a u e r GI' a n i t. Aus Frankfurter Schwarz. die eine Tonart mit etwas
Kupferroth versetzt; in die Grundrnasse werden AI~basterstücke eingemengt.
BI a u e r lVI a l' mo r. Bergblau mit etwas Indigo vermischt, die Goldadern
aus reinen Messing- oder Kupferfeilspänen.
Rot her M arm 0 r, Aus Wiener Lack oder englisch Roth in ver-
schiedenen Nüancen.
BI' a u n er P 0 I' P h y r. Der Grundton aus Kupferroth mit etwas Indigo
vermischt, und werden in die Grundmasse klein geklopfte und gesiebte Alabaster-
stückchen eingemengt.
B r au n erG r a n i t, Der Grundton besteht aus der Hälfte Kupferroth
und englisch Roth; in die Grundmasse werden geklopfte schwarze Gypsstückchen
und Glimmer eingemengt.
G- el b e r Mal' m 0 r. Die Grundmasse stellt man aus gelbem Ocker her,
die Adern aus englisch Roth und Dunkelgrün, oder den Grundton aus gelbem
Ocker, die Adern aus Kupferroth.
Gel b e r GI' an i t. Die Grundmasse besteht aus gelbem Ocker, die Adern
matt gehalten; in die Masse werden eingemengt klein geschlagene gesiebte
Alabasterstückehen und Glimmer.
Jeder Stuckmarmor lässt sich auch in der Weise behandeln, dass er ein-
gelegte Arbeiten (Intarsien) in sich aufnimmt; die betreffenden Zeichnungen
werden dabei aus der noch nicht vollständig erhärteten Wandfläche heraus-
geschnitten und mit einer andern gefärbten Stuckmarmormasse ausgefüllt.
Eine \yniger mÜl128Jne Art, bei innern Räumen c1PIl Marmor zu imitiren,
besteht in der Verwendung
Arbeiten des Ausbaues. 307

cl e r S tue k 0 1u s t r 0' s,
Die S tue k 0 I u s t r o m a s s e besteht aus einer Mischung von gutem fetten
Weisekalk und Marmor-, oder Alabaster- oder feinem ungebrannten Gypsstaub in
dem Verhältniss wie 1 : 2, sie wird mit irgend einer Farbe, die den Grundton des
zu imitirenden Marmors haben soll, gleichmässig gefärbt und auf einen Unter-
putz von ranhem Luftmörtel einige Linien stark aufgetragen, geebnet und mit
einem Reibbrette, das mit weissem Filz überzogen ist, abgerieben (ebenso wie
man den gewöhnlichen Kalkputz anfertigt). Hierauf wird mit einer flachen
Polirkelle die Oberfläche des Stuckes glatt gestrichen, was grosse Vorsicht
erheischt.
Aderungen und Flecken werden mit dem Pinsel auf den noch nassen
Untergrund aufgemalt , die Farben werden mit Kalkwasser und verdünnter
Stuckrnasse, wozu wohl noch Ochsengalle beigemischt wird, zugerichtet. Werden
verschiedene Farben zum Malen verwendet, vermeidet man es, sie doppelt
übereinander aufzutragen, so dass sie unmittelbar auf der reinen nassen Wand
stehen.
Sind die aufgemalten Farben eingesogen, und lassen sie sich mit dem
Finger nicht sofort verwischen, so streicht man sie mit der Polirkelle behutsam
ein und überzieht dann die ganze ·Wand mit der weiter unten angegebenen
Politur. Nun erfolgt das Streichen mit der Polirkelle in gleichmässigen neben
einander sich anreihenden Strichen, und dies wird so lange fortgesetzt, bis der
genügende Politurglanz hervortritt; zu dieser Manipulation ist grosse Uebung
erforderlich, und je sorgfältiger die Arbeit des Streichens geschieht, desto
schöner wird die Politur.
Die Pol i tu r zum Stuckolustro wird so hergestellt: 0,50 I Flusswasser
werden zum scharfen Sieden gebracht und dazu 90 bis 100 g klein geschnittenes
Wachs und 30 g gepulvertes weinsteinsaures Ammoniak (Sal tartari) e111-
gemischt; ist beides im siedenden Wasser zergangen, bringt man 90 g ge-
schnittene Seife dazu und bildet so eine rahmartige Flüssigkeit.
Ist der Stuckolustro stumpf geworden, rührt man 60 g 'Wachs und
15,5 g Sal tartari tüchtig zusammen, indem man ein wenig kochendes Wasser
dazu giesst und die ganze Masse so lange schlägt, bis sie schmalzartig wird,
überstreicht ihn damit, um ihm durch Reiben mit wollenen Lappen den Politur-
glanz wieder zu geben; auf dieselbe 'IV eise lassen sich auch Stuckmarmor und
selbst wirklicher Marmor behandeln.
Handelt es sich endlich darum, den innern Wandflächen eine fa r b i g e
D e kor a ti 0 n d u r c h Ans tri c h zu geben, so verwendet man hierzu vor-
herrschend die Leimfarben, ohwohl auch hier die Freskomalerei sowohl, als wie
auch die Stereochromie und Temperamalerei nicht ausgeschlossen sind.

P f 1ast erar bei t en.


Zur Herstellung von Fussböden aus Steinmaterial verwendet man:
1. die natürlichen Steine, entweder als Pflastersteine oder als Platten;
2. die künstlichen Steine in verschiedenster Form und Qualität;
3. die Estriche, die aus einer künstlichen, in sich zusammenhängenden
Steinmasse bestehen.

Bei unsern Hochbauten finden ge w ö h n 1ich e S t ein P fl a s t er meistens


nur Anwendung bei Ein ~ oder in Durchfahrten, dann allenfalls in Remisen,
308 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.

Stallunzen
ö und Kellerräumen. endlich findet es Y erwendunsv-um die Fundament-
I ~(

mauern unserer Gebäude gegen das Eindringen von Regen- und Schneewasser
zu schützen; daher sind freistehende Gebäude ringsherum mit einem 'womöglich
undurchdringlichen Steinpflaster zu umgeben.
Solche Pflasterungen müssen die erforderliche Härte besitzen und selbst-
verständlich der Witterung zu widerstehen im Stande sein; in vielen Fällen,
besonders wenn das Pflaster sich im Freien befindet, hat es für den Ablauf
des Regemvassers das nöthige Gefälle zu erhalten.
Sehr wünsclienswerth ist es, das Pflaster auf d ur c hau s t r 0 c k e ne
Erd s c h i c h t e n zu bringen und das Eindringen von Regen - und Schnee-
wasser möglichst zu verhindern, damit nicht durch Frost- und Thauwetter ein
Heben und Senken der Steindecke wiederholt sich zum Nachtheil des Pflasters
geltend machen kann.
Ein solches Pflaster aus Geröllen herzustellen, möchte wohl in der
gegenwärtigen Zeit zu vermeiden sein, nachdem so vielfache Steinbrüche vor-
handen sind, die sich auf fabrikmässiges Zurichten von Pflastersteinen in
Würfelform eingerichtet haben.
Bessere Dienste leisten unzweifelhaft grössere S t ein P 1a t t e n , und finden
solche auch dadurch eine erweiterte Verwendung, dass man sie wohl zur Fuss-
bodenbildung in Korridoren, Vestibülen, Küchen, Abtritten, Kellern etc., dann
in Kapellen und Kirchen benutzt.
Bei der grossen Auswahl, welche dem Baumeister vom ordinären Sand-
und Kalkstein bis zum feinsten Thonschiefer , Marmor, Granit und Porphyr
zu Gebote steht, lässt sich ein mehr oder weniger grosser Effekt erzielen, be-
sonders dann, wenn man die Ausgaben nicht scheut, solche Gesteine in Be-
rücksichtigung ihrer Farbe schleifen zu lassen und sie zu verschieden geformten
Mustern zu gruppiren ; eine höchste Wirkung durch Poliren des Gesteins her-
vorzurufen, möchte durch die zu grosse Glätte, die der Fussboden dadurch
erhält, unräthlich erscheinen, und würde der Sicherheit wegen das Anbringen
von Laufteppichen erfordern, das jedoch ebenfalls seine Schattenseiten hat.
Kommen Steinplatten zur Fussbodenbildung zur Anwendung, so muss
selbstverständlich für eine unwandelbare Unterlage gesorgt werden, und möchten
dieselben am sichersten in guten Cementmörtel einzubetten sein.
Zu den Fussbodenbelägen die edelsten Gesteine in vielfacher Form
und Farbe zu benutzen, ist eine Technik von hohem Alter und lässt sich
deren Spur bis nach Mesopotamien sowohl als auch nach Aegypten verfolgen.
Die Griechen nannten solche Fussböden Li t ho s tr a t a und brachten sie vor-
herrschend in den Säulengängen, Vorhöfen etc. an. Als das älteste bekannte
Beispiel in Griechenland wird der ausgegrabene Fussboden im Pronaos des
Zenstempels zu Olympia genannt. Aus verschiedenen Steintafeln bestand auch
der Fussboden des Pantheons und der der Basilika beim Forum Trajanum
in Rom.
Vitruv *) erwähnt: dass die oberste Lage der Estriche aus verschieden-
f6rmig geschnittenen oder rechteckigen Platten bestand, die, nachdem sie
gelegt waren, aufs sorgfältigste nachgeschliffen wurden, dass, wennsie aus ver-
schiedenförmigen Platten bestehen, von den Rauten, oder Dreiecken, oder Qua-
draten, oder Sechsecken nicht einzelne vorstehen, sondern dass das ganze Feld
der zusammengefügten Platten eine ganz ebene Fläche bilde; ein solcher
Boden wurde p a v i m e n turn sec' t i 1e genannt; wurden würfelförrnige Steine

*) VII. Buch, 4. KaD,


Arbeiten des Ausbaues, 309

gewählt, so entstand das 0 P u s te s s e l a turn und qua d I' a t a r i um: 'wobei


je nach den angewendeten Gesteinen, dem Serpentin: Palornbino , Pavonazetto
oder Porphyr, grün, weiss und roth gemusterte Flächen entstanden. Kamen
nur rothe und grüne Steine, Porphyr und Iacedämonischer Marmor zur Ver-
wenduuz 0'
, so benannte man die Arbeit: 0 P usa 1 e x an d I' i n u m. Wählte
man endlich vielfach gekrümmte, in einander verschlungene wurmförmige Zeich-
nungen, so entstand das P a v i me nt u m ver m i c u 1 a turn, das wesentlich
unterschieden war vom 0 P u s m u s eu mund m u s i v um - der ei gen t -
1 ich e n M 0 s a i k.
Die Technik, mit verschiedenfarbigen Marmorplatten Fussböden , oft auch
in der Manier von Intarsien, zu belegen, entwickelte sich mit der Gründung
des byzantinischen Kaiserreiches zur höchsten Blüthe; das älteste Beispiel dieser
Gattung ist ein Mosaikpflaster von Porphyr, Giallo antico und Serpentin in
der Kirche St. Jolanna des Klosters von Studios aus der Zeit von 47 Q. Zu
den hervorragendsten Werken dieser Art gehören auch die reichen Wand-
bskleidurrgen der Sophienkirche in Konstantinopel. In hervorragender V\leise
ist das 0 p u s sec t i 1 e auch bei den altchristlichen Basiliken sowohl, als auch in
dl~n Centralbauten, wie z. B. in St. Vitale zu Ravenna und in San Marco zu
Venedig zur Anwendung gebracht, überall sehen wir die kostbaren Marmore,
an denen das alte Rom so reich war, zur Bodenpflasterung verarbeitet. Blöcke
von Porphyr, Giallo antico, grüner numidischer Marmor etc. wurden zu Platten
zerschnitten, um zu geometrisch einfach linearen Mustern zusammengesetzt' zu
werden. Die Kunst der Marmor-Intarsien stand im 12. und 13. Jahrhundert
in Italien auf ganz besonderer Höhe und erstreckte sich nicht blos auf Fuss-
boden und Wandfläche, sondern auch auf die Ausstattung von Altären, Kanzeln,
Ambonen, Bischofsstühlen, Lesepulten etc. etc.
N eben den eingelegten Marmorarbeiten , die sich im Laufe der Zeit zu
einer virtuosen Technik herausgebildet hatten, entwickelte sich im Mittelalter ein'
M arm 0 I' - Nie 11 0; hier wird eine Zeichnung mit Stahl und Meissel in einen
hellfarbigen, meist weissen Stein eingegraben, und diese entstandenen Ver-
tiefungen mit einer schwarzen oder grauen harzigen Masse ausgefüllt; diese
Masse bestand aus Pech, dem etwas Wachs und Farbstoffe (meistentheils Bolus)
zugesetzt waren.
Solche Nie 11 0 - Ar bei t e n waren sehr billig, und die daraus hergestellten
Platten viel dauerhafter als die mit blos skulpirtem Ornament versehenen;
letztere sind meistens bis zur Unkenntlichkeit abgetreten, während die niellirten
Platten sich unversehrt erhalten haben. Die Vorzüge dieser Technik trugen
dazu bei, sie bis in unsere Zeit zu erhalten und ist als eines der letzten Bei-
spiele dieser Art von monumentaler Dekoration an St. Maria novellain Florenz
zu erinnern, wo das Niello noch in den Jahren 1764 und 1821 Anwendung
gefunden hat.
Schöne niellirte Arbeiten findet man besonders noch in Venedig, unüber-
troffen aber im Dome von Siena, wo Matteo di Giovanni von Beccafumi
historische Gemälde auf dem Fussboden darstellte und denselben durch Gra-
virung einen durchaus plastischen Effekt gab. Bedeutende Künstler haben diese
Technik Beccafumi's zum Staunen ihrer Zeitgenossen zur höchsten Ausbildung
gebracht, und gehören die besten Arbeiten dem Zeitraum von 1450 bis
1530 an *).

*) Näheres: Milanesi , Docornenti ];,er Ia storia arte senese; dann: Viollet-le -Duc
nil'+.irmn::l,irp t)::J,no ;), R. G,:
310 1. Maurer- und Steinmetzc1rbeiten.

'Yeniger reich als Mittelitalien sind an schönen Nielloarbeiten der Dom zu


Spoleto, die Certosa bei Pavia, die Kirchen in Padua etc.
Mit dem 16. Jahrhundert hat sich die Vorliebe für eingelegte Marmor-
platten nach Art des Niello nach und nach verloren, und beschränkte man
sich in der Hochrenaissance bei Verzierung des Fussbodens nur noch auf lineare
Eintheilungen. indem man vom Teppichmuster absah.
Von jetzt ab verwendete man in Italien Mal' mo r m 0 S ai k e n im eigent-
lichen Sinne des Worts nur mehr zur Ausstattung von Wandfiächen und er-
wählte dazu die kostbarsten und prächtigsten Steinarten.
Auch diese Technik - 0 p u s m u s e um - ist eine sehr alte, und berichtet
Plinius darüber, indem er sagt: "Die künstlich wie Gemälde bearbeiteten
Bodenbekleidungen verdanken ihren Ursprung den Griechen, sind aber von dem
Steingetäfel verdrängt worden. Am berühmtesten hat sich durch solche Art
Sos 0 s gemacht, der zu Pergamum das sogenannte ungefegte Haus täfelte,
indem er allen Abraum von der Mahlzeit und was man sonst wegzukehren
pflegt, aus kleinen buntfarbigen Scherben so künstlich nachgebildet hatte, als
sei es hier liegen geblieben. Bewundernswerth ist dort namentlich eine saufende
Taube, welche durch den Schatten ihres Kopfes das Wasser dunkel macht;
andere dagegen sonnen und federn sich auf dem Rande einer Trinkschale. "
Reizende Marmormosaiken bat man auch in Pompeji vorgefunden; graziöse
Vögel, umgeben von Ornamenten , Nereiden und sonstigen Figuren findet man
dort dargestellt und wechseln dieselben mit rein ornamental gehaltenen
Feldern ab.
Im 3 . Jahrhundert, zur Kaiserzeit, nimmt die f i gur ale Darstellung im
Mal' m 0 r mo s a i k b 0 den immer mehr zu und blieben die römischen Pro-
vinzen in Gallien und in Deutschland in dieser Technik nicht zurück. Die
vielen dort aufgedeckten Reste römischer Villen geben hiervon beredte Beispiele.
Als das grösste und berühmteste Mosaikgemälde gilt die Alexanderschlacht,
bei der es nur auffällt, dass dies Kunstwerk nicht eine Wandfläche schmückt,
sondern einen Fussboden; ein Umstand, der offenbar als eine Verirrung des
ästhetischen Geschmacks zu bezeichnen sein möchte!
Das Material, aus welchem die Mosaiken, die selbstverständlich auch zu
Wanddekorationen vielfache Verwendung fanden, angefertigt wurden, bestand
anfangs aus gewöhnlichen Steinarten (während der Zeit des Augustus auch
aus Glasmasse), in der spätern Zeit aber wurde hierin der grösste Luxus
getrieben.
Mit besonderer Aufmerksamkeit wurde auch in der altchristlichen Zeit der
Fussboden (besonders in Kirchen und Kapellen) behandelt; man verwendete
dazu dünn geschnittene vielfarbige Steinplatten, und setzte sie entweder zu ein-
fachen oder komplizirten, vorherrschend geometrischen Dessins zusammen.
Mit den weitesten Spielraum gewährt die in Florenz neubelebte Mosaik-
technik , die in der Kapelle von St, Lorenzo (16 04 begonnen) eine grosse
Anzahl von vortrefflichen Ausführungen schuf, und welche unserer Zeit erhalten
sind. Bei diesen Mosaikarbeiten werden dünne Steinplatten aus Achaten,
J aspisen , Varioliten oder Marmoren mitteIst vier in einen Bogen gespannter
Stahlseiten unter Zuhülfenahme von Smirgel zerschnitten; die Mo s a i k s ti ft e
erhielten oft nur die Grösse eines Stecknadelkopfes , und keilförmige Gestalt.
Sie bilden das Rohmaterial für die Zusammensetzung des Mosaiks; nach
einer auf Papier gezeichneten Schablone werden aus jenen Plättchen scharf
begrenzte Stüc~':8 g:;3chnitten und in kleinen Partbien nach dem beabsichtigten
Dessin mittelst eir.es aus Gyps und l',ü,stixkitt hergestellten Bindemittels auf
Arbeiten des Ausbaues. 311

einer dünnen Schiefertafel befestigt. Sind solcherweise die einzelnen Sektionen


fertig und auch deren einzelne Theile untereinander durch Ausfüllen der kleinen
Fugen mit demselben Kitt fest verbunden , so entfernt man die provisorische
Schieferunterlage durch Abschleifen und vereinigt nun das Ganze auf einer, der
Grösse des herzustellenden Mosaiks entsprechenden starkem Schieferplatte. Den
Schluss bildet das Schleifen und Poliren der Oberfläche des Mosaiks, was je
nach der Härte der verwendeten Steine mehr oder weniger Schwierigkeiten
verursacht.
Seit dem 18. J ahrhundert wurden in Italien für die Mosaikarbeiten eigene
Schulen gegründet, und so bildete sich speziell in V e n e d i g die GI a s -
m o s a i k , in Rom die Ma r m o r.m o s a i k , in Florenz dieP i e t r e-
dur e - M 0 s ai k aus.
Die Glasmosaiken V cnedigs beruhen auf der hoch ausgebildeten Glas-
fabrikation auf der Insel. Murano , während Rom seine so reichen Schätze an
antikem und modernem Marmor verwerthet; Florenz dagegen verarbeitet in
seiner Musterschule des "Reale Stabilimento de Firenze dei Iavori di Commesso
in pietre dure! zu seinen Mosaiken vorherrschend Achate, Onyx und Sardonix,
Chalcedon, Amethyste, Jaspise, Quarze, Opale, Lapis lazuli, Malachit, sowie
auch Labrador, Basalt, Porphyr, ja selbst Granit und Syenit.
Die römischen und florentiner Mosaikarbeiter beschäftigen sich ausser mit
Nachbildung von älteren berühmten Gemälden nur noch mit Anfertigung
kleinerer Arbeiten, und zwar die römischen mit musivischen Verzierungen von
Schmuckgegenständen, wie Broschen, Halsbänder etc., die florentinischen mit
Herstellung von musivischen Tischplatten , Thürpfosten , Kaminen, Vasen etc.,
welche mit Vögeln, Architekturansichten , Blumen und zierlichen Ornamenten
verziert werden.
Zu den Mosaikböden , die unter Zuhülfenahme kleiner Steine angefertigt
werden, gehört auch der Tel' r a z z 0, auch Bat t u 1 a oder v e n e t i an i s ehe r
Es tri c h genannt.
Er besteht aus einer 10 cm dicken Unterlagsschicht aus 1 Theil gelöschtem
Kalk und 3 1/ 2 Theilen grobgestossenen Ziegeln. Ist die erste Schichte gehörig
ausgebreitet und geebnet, so lässt man sie, je nach der Jahreszeit, einen oder
zwei Tage ruhig liegen; dann wird die Schichte mit einem lmieförmig gebogenen
Schlägel Schlag neben Schlag gedichtet; dieses Dichten erfolgt so lange und
in abwechselnden, mit den vorhergehenden sich kreuzenden Schlägen, bis man
durch die Reaktion des SChlägels fühlt, dass die Schichte hinreichende Kon-
sistenz und Festigkeit erlangt hat. Man lässt diese Schichte einen Tag lang
trocknen und überzieht sie dann mit einer zweiten Schichte, die 4 cm stark
aus Ziegelmehl und einer fast gleichen Quantität gelöschtem Kalk besteht. Auf
diese Schichte bringt man, so lange sie noch frisch ist, kleine Marmorstücke
von verschiedenen Farben und walzt diese mit einer eigens dazu hergerichteten
Steinwalze ein; um dann ein vollständiges Eindringen der Marmorstückehen in
die ~weite Mörtelschichte zu erzielen, wird mit dem eben erwähnten Schlägel
nachgeholfen.
Nach 10 bis 12 Tagen erfolgt dann das Schleifen und Poliren des
Terrazzobodens , zuerst mittelst eines Sandsteins, der, klotzförmig von einem
Holzrahmen umfasst, durch einen Stiel, oder durch Seile dirigirt werden kann;
später werden - wenn die Oberfläche des Bodens glatt zu werden beginnt -
andere Steine von feinerem Korn und zuletzt Bimsstein zum Schleifen und
Poliren verwendet. Während des Schleifens wird vom Boden von Zeit zu
Z eit der Schliff abgewaschen.
312

Nach diesem Schleifen schreitet man zum Färben des. Bodens, und wird
hierzu eine beliebige flüssige Farbe mit Kalk oder besser weisser Thonerde
gewählt, die mit einer Art Farbenreiber über die Oberfläche ausgebreitet wird;
den Glanz erhält dieser Cement durch eine Art von Polirkelle. Endlich voll-
endet man den Fussbodcn mit einem oder zwei Anstriehen von ganz heissem
Leinöl, welches, indem es bis zu einer gewissen Tiefe in den Fussboden
ein drin ogt, diesem eine Konsistenz uziebt,, die das Poliren erleichtert und ihn sehr
glänzend macht.
Die von den Terrazzeri oder Terrazzaji angewendeten Methoden sind sehr
verschiedenen Modifikationen unterworfen, und wird mehrfach behauptet, dass
diese oder jene im Besitze von Geheimnissen seien, durch welche sie schönere
und dauerhaftere Arbeit herzustellen vermögen. Sollen die Terrazzoböden
teppichartige Zeichnungen erhalten, bei welchen selbst ein reiches Ornament
nicht ausgeschlossen ist, so sortirt man die Marmorstückohen nach ein und
derselben Farbe und nach ein und derselben Grösse; um dann die Marmor-
stücken in die halbabgetrocknete Cementschichte zn setzen, bedient man sich
ausgeschnittener Pappendeckel, welche man so auf die aufgepauste Zeichnung
legt, dass nur dasjenige sichtbar ist, was ein und dieselbe Farbe erhalten soll.
Die betreffenden Stellen werden dann mit der nöthigen Anzahl von Marmor-
stücken überstreut, und dann mit einem hölzernen flachen Schlägel in die halb
getrocknete Cementschichte eingetrieben. Sind alle Felder mit Marmorstückchen
besetzt, so walzt man das Ganze, um es zu ebnen, ein, und schlägt die Masse
wohl noch, bis sie die nöthige Festigkeit erhalten hat. Schleifen und Poliren
erfolgen dann später, wie dies bereits beschrieben wurde.
Um die Konturen der Zeichnung schärfer hervorzuheben, zieht man die-
selben mit einer scharfen Stahlspitze nach und füllt die vertiefte Linie mit
Kienruss und Nussöl aus .
.
Soll sich ein Terrazzoboden gut erhalten, so ist bei der Auswahl der
Marmorarten darauf zu sehen, dass sie möglichst gleiche Härte besitzen; die
weicheren Arten nutzen sich häufig sehr schnell ab und bilden dann höchst
unschöne Unebenheiten!
Ist der venetianische Estrich "s tu m P f" geworden, lässt er sich durch
Tränken mit Leinöl immer wieder auffrischen, und sollte dieses Verfahren
jährlich mehrere Male. wiederholt werden.
In Oberitalien verwendet man das Terrazzo zu inneren Fussböden und
zu Trottoirs; vielfache Anwendung wurde in Wien davon gemacht, während
im übrigen Deutschland diese äusserst sauberen und eleganten Böden noch
lange nicht die ihnen gebührende Verbreitung gefunden haben. Nicht unerwähnt
kann bleiben, dass die Terrazzoböden nicht sehr kälten, verhältnissmässig billig
sind und selbst bei grösster Hitze und Trockenheit niemals Risse bekommen.

M 0 s a i k b öde n mit GI a s - und POl' zell an ein 1 a gen sind auch


unter Anwendung von Asphalt hergestellt worden, und haben solche lVI 0 s a i k -
a s p h a I t p f 1a s t er mit farbigen Einlagen in Mailand bei dem Museum
Emanuele Anwendung gefunden; auch in Passau wurde dem F. Blümlein ein
Verfahren, solche Platten anzufertigen, patentirt.
Solche Böden werden hergestellt aus:
1 ächtem französischen Asphalt-Mastix;
2 konisch geformten Glassteinen in verschiedenen satten lichtert FarCe~.;
Arbeiten des Ausbaues. 313

3 Porzellansteinen " besonders hergestellt , weiss und III 27 verschiedene


Farbennüancen, 4 1, 2 mm dick, konisch geformt;
4 Porzellanscberben;
5 künstlich farbigen Harzen.
Die Glas - und Thonpasten dienen als Einlagen; die künstlichen Harze
werden nach Art der Schellacke erzeugt und müssen, um eine kompakte Masse
zu bilden ~ einen Beisatz von Unschlitt und starke Versetzung mit feiner
Champagnerkreide erhalten. Siegellacke werden von dem heissen Asphalt ver-
zehrt und verschwinden.
Die farbigen Harze werden zur Herstellung marmorirrer Flächen, zu leichten
Arabesken etc. benutzt.
Die Anfertigung der Asphaltmosaikplatten erfolgt in derselben VV eise, wie
dies bei der Thonsteinmosaik ausführlicher geschildert werden wird, nur dass
hier den einzelnen Pasten ein Halt durch den geschmolzenen Asphalt und eine
Deckplatte aus Asphaltpappe gegeben wird; die kalt gewordenen Platten werden
dann auf einer gut getrockneten festen Unterlage mitte1st Biturnen befestigt;
die einzelnen Platten können entweder durch Erwärmen ihrer Berührungsflächen
mittelst heisser Eisen verbunden werden oder auch mittelst Fugen, welche dann
mit Asphalt auszugiessen sind.
Von den k n s tl ich e n S t ein e n, die .zur Her s tell u n g von
ü

F u s sb öde n dienen, ist in erster Reihe der gewöhnlich gebrannte Ziegelstein


zu nennen; derselbe wird entweder auf die flache Seite oder auf die hohe
Kante gelegt und ergiebt im ersten Falle eine Pflasterdicke von 6,5 cm, im
zweiten Falle eine solche von 12 cm.
Solche ordinäre Ziegel pflaster erhalten in der Regel eine geebnete Sand-
schichte zur Unterlage, wobei die offen gelassenen Fugen dann schliesslich mit
einem dünnflüssigen Mörtel ausgegossen werden. Soll einem Ziegelsteinpfiaster
eine grässere Widerstandsfähigkeit gegeben werden, so giebt man jedem Stein
schon beim Versetzen das nothwendige Mörtellager.
Pflaster in Brauereien und Brennereien etc., die durch Stossoder Druck
leicht Schaden leiden, werden sehr häufig aus Steinen auf hoher Kante hergestellt;
es möchte sich jedoch in solchen Fällen aus vielfachen und nahe liegenden
Gründen empfehlen, lieber ein doppeltes Pflaster aus flach übereinander gelegten
Backsteinen zu wählen, selbstverständlich muss hierbei ein vollständiger Fugen-
wechsel innegehalten werden.
Hat man bei Bildung des Fussbodens besonders auf Trockenheit und
Wärme zu sehen, so verwendet man Hohlsteine; dieselben geben vielfach Ge-
legenheit, theils zur Leitung von künstlich erzeugter Wärme, z, B. in Gewächs-
häusern theils zur Ventilation; da kein Hinderniss vorhanden ist, Hohlsteine
in allen möglichen Formen, quadratisch, sechs- und achteckig etc. herzustellen,
so lässt sich in vielen Fällen von solchen Bodenplatten ein sehr erspriesslicher
Gebrauch machen.
Fussböden aus ordinären Ziegelsteinen wird man immer nur in ganz
untergeordneten Räumen zur Ausführung bringen und ist dabei auf jede Eleganz
zu verzichten; dennoch können durch ein umsichtiges Arrangement, wie die
einzelnen Ziegel in diesem oder jenem Verbande neben einander gelegt werden,
verschieden gemusterte Dessins entstehen, die wohl wieder durch sich kreuzende
Streifen getheilt und von andern Streifen umrahmt werden; hat man hierzu
besser geformte Steine zur Disposition, die angenehme Farbennüancen besitzen,
so lässt sich ein Fussbcdenbelsg herstellen, der sich an dasFavimenurn
314 1. Maurer- und Steinllletzclorbeiten.

tesselatum anscliliesst , und eine weitere ästhetisch höhere Ausbildung erreicht


in der Verwendung von e n kau s t i s ehe n F 1i e s e n , und in der Herstellung
von :M 0 s a i k bö den aus ge b r an 11 te m T h o n.
Wird zur Anfertizuns
ö ö
von Fliesen., Estrichplatten •
oder Flurziegeln überall
eine feinere und steifer bearbeitete Masse nothwendig , auf deren Formen und
Brennen eine erhöhte Aufmerksamkeit gerichtet werden muss; so ist dies in
noch erhöhterem Grade der Fall bei den sogenannten enkaustischen Ziegeln.
Bei sol ehe n e n kau s ti s ehe n Z i e gel n möchte zu unterscheiden
sein zwischen eng 0 b i r t e n und p l a t ti r t e n F 1i e s e n.
Die engobirten Fliesen erhalten auf ihrer oberen Fläche einen Anstrich
von dünnem Thonschlamm , der sich je nach seiner natürlichen Beschaffenheit
in den Nüancen von hellgelb bis tiefroth brennt; oder auch durch Mengung
verschiedener Metalloxyde nach dem Brennen alle anderen Farben an-
nehmen kann.
Durch das Auftragen verschiedener Farben nach bestimmten Dessins lassen
sich Thonplättchen herstellen, die in bezug auf Zeichnung und Farbe eine
geradezu brillante Farbenwirkung ermöglichen, und zusammengesetzt im Stande
sind, selbst die reichsten Gemälde von unverwüstlicher Dauer zu liefern.
Erfüllen solche engobirten Fliesen auch vollständig den Zweck, Wand-
flächen, besonders solche von Faoaden , mit farbenreichen Friesen, Füllungen
dekorativ zu schmücken, wie dies bereits erwähnt wurde, so möchten sie wegen
der nur dünnen Farbschicht weniger dazu geeignet sein, zu Fussbodenbelägen
verwendet zu werden.
Für diese Zwecke werden p l a t t ir te Fussbodenplättchen hergestellt, bei
welchen die eingelegt farbig sich brennende Thonmasse mehrere Millimeter
Stärke erhält, und sich nicht so leicht abtreten lässt.
Die vorzüglichen Fabriken von Villeroy und Boch in Mettlach , Minton
und Hollins & Comp. in Stoke-upon-Trente , March in Charlottenburg liefern
in dieser Beziehung ein Material, das selbst den höchsten Anforderungen ent-
spricht, und so recht dazu geeignet wäre, auf die Ausbildung der Ziegelrohbau-
Architektur einen segensreichen Einfluss zu üben.
Die Mettlacher Platten sind härter als Stahl, und werden von demselben
nicht angegriffen, so dass sie der Abnutzung durch noch so häufige Berührung
mit harten Körpern, wie Schuhnägel etc., nicht unterworfen sind; nicht minder
trotzen sie dem Ein fl u s s e j e der W i t ] e r u n g , so dass sie ebensogut
im Freien als in bedeckten Räumen verwendbar sind *).
Wie die ältesten Kulturvölker Fussböden aus kleinen farbigen Marmor-
stücken zusammen setzten, so bedient man sieh gegenwärtig dazu wohl kleiner
farbiger Thonstücke ; die Thonmosaik wird sich bei der fortschreitenden Ver-
vollkornmnung in der Bearbeitung : der Thone immer mehr geltend machen,
denn sie gestattet die Anwendung schöner, lebhafter Farben; ist nahezu un-
verwüstlich und jedenfalls gegenüber von Marmor bei weitem billiger. .
In Ermangelung schöner natürlicher Gesteine bedienten sich bereits die
Künstler des 12. Jahrhunderts zur Herstellung der Mosaik des gebrannten

*) Die Mettlacher Fabrik besitzt ein in Farbendruck hergestelltes Musterbuch


überclie von ihr bereits ausgeführten Bodenbeläge; viel über hundert Muster treten
uns darin entgegen, und zeichnen sich alle durch geschmackvolle Zeichnung und
harmonische Farbengebung aus; alle Stilarten sind in ihm vertreten. Bereitwillig
arbeitet die Fabrik auch nach gelieferten Zeichnungen, insofern diese sich in die
feststehende Form und die Masse der Platten einfügen lassen, nämlich in Quadrate
von 116 mm Seite, d, h. 36 Stück auf einen Quadradmeter.
Arbeiten des Ausbaues. 315

Thones, dem durch Metalloxyde die mannigfaltigsten Farben gegeben wurden,


und deren Etfekt wohl durch einen emailleartigen U eberzug erhöht wurde.
Als die ältesten Fragmente von Thonmosaiken entdeckte man vor mehreren
Jahren solche in der Kapelle der Kirche von St. Denis; Streifen VOll ver-
schiedenen Mustern sind hier durch schmale Bänder von einander getrennt und
bestehen grösstentheils aus sehr kleinen gebrannten 'I'Iionstücken, welche schwarz,
gelb, dunkelgrün, roth gefärbt und emaillirt sind. Der Form nach sind sie
im Querschnitte dreieckig, viereckig, rautenförmig, rund oder polygonal; die
kleinsten Stücke in Dreiecksform haben nicht mehr als 3 mm Seitenlänge.
Wie die antike Marmormosaik zeichnet sich diese Thon mosaik nicht allein
durch die vortreffliche Zeichnung, sondern auch durch die Anordnung und
Zusammenstellung der Farben aus, die - wie berichtet wird - bestimmter
und schöner als Marmor die Zeichnung der Muster beleben.
In England 1vird die Fabrikation der Thonmosaiken im Grossen durch
Wyat, Parker u. Cornp., dann durch Minton betrieben; nach Prosser's Patent
wird eine Mischung von feinem Thon und Kieselerde in trocknem und ge-
pulvertem Zustande durch starke Pressung in Würfelform gebracht; dieselbe
liefert nach dem Brennen eine Masse, die sich härter als das gewöhnliche
Porzellan erwiesen hat. Man giebt der Masse auch wohl die verschiedensten
Formen und Farben und hat durch die neuesten Fabrikationsmethoden es dahin
gebracht, dass man selbst das Vollkommenste um ziemlich billigen Preis zu
liefern im Stande ist.
Bei Herstellung von Thonmosaiken, die selbstverständlich auch zu Facaden-
dekorationen verwendet werden können, verfährt man wie folgt:
Auf einem in der unteren Fläche mit eingeschobenen Leisten versehenen
Reissbrette werden zur Begrenzung der anzufertigenden Platten Leisten von
etwa 40 mm Breite und 32 bis 40 mm Höhe mit Holzschrauben befestigt.
In diesen so umgrenzten Rahmen wird die Zeichnung, nach welcher die Mosaik
ausgeführt werden soll, gelegt und darüber eine Glasplatte. Letztere dient
insbesondere zur Schonung der Zeichnung, jedoch auch um eine durchaus ebene
Unterlage für die Mosaiksteine zu gewinnen.
Auf diese Glasplatte werden nun die kleinen, verschiedenartig gefärbten
Mosaikthonsteine von quadratischer oder rautenfönniger Gestalt von 18 bis
20 mm Seitenlänge und 10 mm Stärke nach Massgabe der Zeichnung gelegt.
Ist so die Glasplatte mit Steinen, die glatte Oberfläche derselben nach unten
belegt, so wird der innere Raum über diesen bis zum oberen Rande der Ein-
rahmungsleisten, also 22 bis 28 mm hoch, zuerst mit dünnflüssigem Portland-
cementmörtel, ohne Beimischung von Sand, und dann mit steiferem Mörtel aus-
gefüllt, in welchen eine oder auch zwei Lagen Dachziegel oder besser Dach-
schiefer im Verbande eingedrückt werden. Die obere Lage wird dann mit
Cement abgeglichen und mit einem Lineal über die Einrahmungsleisten glatt
abgestrichen.
Die so erhaltenen Platten haben eine Stärke von 32 bis 40 mm, jedoch
können auch Platten von geringerer Stärke verwendet werden.
Zum besseren Anhaften des Mörtels beim Verlegen pflegt man auch wohl
in den Cement einige rinnenartige Streifen zu machen. Ist die Cementfüllmasse
erhärtet, so werden die vorher eingefetteten Umfassungsleisten beseitigt und die
Mosaikplatte dann von der Glasplatte abgehoben.
Diese Methode bietet zugleich die Annehmlichkeit, dass Kunstliebhaber
beliebige Muster mit leichter Mühe selbst zusammensetzen können und nur
das Verlegen der fertigen Platte dem Arbeiter verbleibt.
316 I. MaUT er- und Steinmetzarbeiten.

S O anaefertizte
C 0
Thonmosaiken o zestatten '
selbst die . komplizirtesten Dar-
stellungen, sowohl ornamentalen als figürlichen; in tadellosester Ausführung,
scharf und klar treten alle Muster aus der vollkommen ebenen Fläche hervor
und sind nicht durch unschöne Fugen, welche in römischen Vertäfelungen oft
störend wirken; durchzogen.
Auch die Thonwaarenfabrik von March in Charlottenburg liefert sowohl
fertige Thonmosaikplatten in verschiedenen Grössen, als auch die Mosaiksteine
in verschiedenen Formen und Farben *).
N eben den gebrannten Steinen finden auch Cementplättchen vielfache Ver-
wendung zu Fussbodenbelägen; sie erscheinen dabei entweder in ihrer natür-
lichen Farbe oder verschieden gefärbt, wobei sehr häufig die Farbe der gelben,
grünen und rothen Sandsteine glücklich imitirt wird; auch schwarz lassen sich
die Cemente ziemlich intensiv färben.
Nachdem uns durch die Normen bei Lieferung von Cementen eine nahezu
unangezweifelte Garantie für deren Güte geboten ist, möchten Fussböden aus
Cementplatten (sowohl aus Mörtel, als auch aus Beton) sich mehr und mehr
geltend machen, denn sie sind nicht nur dauerhaft, sondern gewähren auch ein
äusserst gefälliges Ansehen, welches durch die gewählte Form der Plättchen,
durch mancherlei Zeichnung und Färbung zu hoher Eleganz sich steigern lässt.
Wo Magnesiacemente zur Disposition stehen, werden auch diese zu Fuss-
bodenbelägen verwendet; dasselbe gilt von den englischen Viktoria - Steinen
Ransome's, den Marmormosaik-Bodenbelagplatten des Freiherrn v, Löwenstein
in Oberalm , dem Kajalith etc., auf welche hier nicht näher eingegangen wer-
den kann **).

Die zur Bildung von Fussböden verwendeten E s tri c h e bestehen aus


einer ursprünglich weichen Mörtelmasse , welche über eine horizontal liegende
Unterlage ausgebreitet wird und nach dem Erhärten eine zusammenhängende,
von keiner Fuge unterbrochene Fläche bildet. Je nach der Verschiedenheit
des Materials unterscheidet man: L e h m e s tri c h e , K a l k m Ö r tel e s tri ehe,
G y p ses tri c h e, Asp h a l t e s tri ehe.
Bei Herstellung von nahezu sämmtliehen Estrichen ist vor allen Dingen
darauf zu sehen, dass ihnen eine a b sol u tun ver ä n der t e U n te r 1 a ge
gegeben wird. Bei den unteren Geschossen und über gewölbten Kellerräumen
ist dies leicht erreichbar, indem hier die Estriche meistentheils auf eine hori-
zontal abgeebnete trockene Sandschichte , mit der die Gewölbe hinterfüllt be-
ziehungsweise aufgefüllt sind, zu liegen kommen.
Sollen aber in den oberen ungewölbten Stockwerken oder auf dem Dach-
boden Estriche hergestellt werden, so ist die Balkendecke mit einem dichten
Bretterbelag zu versehen; hierüber wird dann eine 3 bis 4 cm dicke Lage
Lehm ausgebreitet, um die Brettfugen vollständig zu dichten; auf die voll-
ständig getrocknete Lehmlage kommt eine dünne, vollständig wagrecht abgeebnete
Lage Sand zu liegen, die zuletzt die unmittelbare Unterlage für die auf-
zubringenden Estriche bildet. Um die Bretter gegen Verstocken und Faulen zu
schützen, wäre es angezeigt, einen Luftzutritt zu denselben zu ermöglichen.

*) Sehr ausführlieh sind die steinernen F'u s s b d e n behandelt in Fleischinger


ö

u. Becker's: Systematische Darstellung der Baukonstruktion , Lieferune 6 mit 5 poly..


chromischen Tafeln und 49 Holzschnitten. 0

**) Näheres siehe: Ungebrannte künstliche: Steine in R. Gottgetreu, Baumaterialien,


III. Auflage, 1. Band, S. 400 u. m.
Arbeiten des Ausbaues. 317

Die L eh m e s tri ehe finden hauptsächlich Anwendung bei landwirth-


schaftliehen Bauten.
Der Lehmestrich für Tennen muss besonders widerstandsfähig sein, und
stellt man denselben aus nicht zu magerem reinen Lehm her, der möglicher-
weise gut "a u s g e w i n te r t" ist; gehörig durchgearbeitet, wird er 50 cm
hoch aufgeschüttet, geebnet und dann mehrere Stunden lang getreten.
Ein weiteres Komprimiren und Ebenen der Lehmmasse geschieht durch
Schlagen mit hölzernen SChlägeln (Pritschbläueln) ; hierauf lässt man die Tenne
48 Stunden ruhig stehen, um sie dann zum zweiten Male mit dichten gleich-
mässigen Schlägen mit dem Dreschflegel zu bearbeiten. Nach weiterem Ver-
lauf von 24 Stunden werden allenfallsige Risse zugestampft und dann das
Ganze mit Rindsblut oder Theergalle dick überstrichen und zuletzt mit Hammer-
schlag überstreut; ein weiteres Komprimiren durch Schlagen der Masse erhöht
den -Widerstand des Estrichs in hohem Grade.
N ach anderer Vorschrift werden als Unterlage für den Lehmestrich zu-
sammengestampfte Geröllsteine gewählt; auf diese Steinschichte kommt eine
12 cm hohe Lage von fettem trocknen Lehm in klein zertheilten Stücken;
diese Lage wird dann fest eingestampft und mit einem in Wasser gelösten
dünnflüssigen Lehm übergossen. Die beim Trocknen entstehenden Risse werden
durch Schlägel geschlossen, wie überhaupt ein Komprimiren der Lehmlage
durch gleichmässig geführte Schläge immer die Hauptsache bleibt. Ist der
Estrich mit möglichster Sorgfalt bereitet, so dass keine Risse mehr entstehen,
so wird er mit einer Mischung bepinselt, die aus 1 Theil Rindsblut, . 2 Theilen
Wasser, 2 Theilen fettem Lehm besteht; oder man wählt auch wohl: 2 Theile
Rindsblut, 1 Theil feingesiebten Hammerschlag und 2 Theile Pferdeurin ; auch
soll - wie man annimmt - ein Anstrich von Zuckerwasser und Syrup hier
gute Dienste leisten!
Ein sehr fest werdender Lehmestrich wird auch wohl aus noch nicht
völlig trockenen, hochkantig gestellten Lehmsteinen gebildet. Die einzelnen
Fugen werden mitte1st einer Mischung von verdünntem Lehm und frischem
Kuhmist eingeschlämmt ; nach Verlauf von einigen Tagen streut man über die
Oberfläche Portlandcemeut, aber nicht dicker, als dass eine gleichmässige U eber-
deckung erzielt wird. Diese U eberstreuung schlägt man mit Holzschlägeln
tüchtig ein und bringt nach eingetretenem Trocknen einen Anstrich von Theer
auf, ähnlich wie man dies bei Steinpappdächern zu thun pflegt.
Es tri ehe fü I' -K e gel b a h n e n erhalten eine gut zusammengeschlagene
Lehmlage von nahezu 30 cm Dicke und werden übersiebt mit Hammerschlag,
der mit feinem weissen Sand oder Steinkohlenasche vermischt ist.

Zu den KaI k m r tel e s tri ehe n gehören vor allen die alt e n I' Ö m i -
ö

sc h e n Es tri ehe, wie sie Vitruv und Plinius beschreibt").


Der vitruvianische bestand der Hauptsache nach aus 3 Theilen neuen
Ziegelbrocken und 1 Theil Kalk, oder aus 5 Theilen Brocken von gebrauchten
Ziegeln und 2 Theilen Kalk; die Masse wurde gerammt, bis sie nur 3/4 ihrer
ursprünglichen Dicke erhalten hatte. Hierauf wurde eine Mischung von
3 Theilen Ziegelmehl und 2 Theilen Kalk aufgebracht; die Stärke eines solchen
Estrichs wird auf 18 cm angegeben, häufig wurde derselbe noch mit Stein
platten belegt.
Der gr ä c a n i sehe Es tri c h wurde nach Plinius in der Art hergestellt,

*) Vitruv, VII. Buch, 1. Eap. Plinius XXXVI. Euel1, 61., 62., 63., 64. Kap.
318 1. Maurer- und Steinll1etzarbeiten.

dass man den Boden zuvor feststampfte und ihn dann mit Kalk- oder Muschel-
estrich überzog; hierauf bedeckte man die Unterschichte mit dichtgetretenen
Kohlen, welche mit grobem Sand, Kalk und Asche gemischt waren. Diese
Masse wurde 15 cm hoch aufgeschichtet, gestampft und ge,ebnet und hatte das
Ansehen von Erde; wird sie alsdann noch mit einem Schleifsteine geglättet,
so ähnelt sie ganz dem schwarzen Estrich.
Der ru S S i s ehe M ö r tel es tri eh hat eine ans Steinen festgestampfte
Unterschichte und besteht aus 1 Theil an der Luft zerfallenem Kalk, vermischt
mit 2 Theilen Kies und angefeuchtet mit möglichst wenigem Rindsblut ; durch
fortgesetztes Stampfen erhält dieser Estrich Steinhärte. Soll die Masse sehr
fein ausfallen, so nimmt man zur nächsten Lage 10Theile fein gesiebten Kalk,
1 Theil Roggenmehl und etwas Rindsblut, stampft dies zu zähem Märtel, ebnet
.
mit der Kelle.. wiederholt dies nach 24 Stunden und fährt so fort. , bis Alles
trocken ist, worauf man den fertigen Estrich wohl nochmals mit Rindsblut oder
mit Oelfarbe (?) anstreicht.

Die C e m e nt es tri ehe müssen vor all e n Dingen eine gesichert feste
Unterlage besitzen, und möchte hier der Beton eine bevorzugte Verwendung
zu finden haben. Der beste Cementestrich ist jedenfalls ein solcher aus gutem
Portlandcement, dem man 3 Theile rein gewaschenen Sand von mittlerem Korn
zusetzt. Ist die Unterlagsschichte bereits getrocknet, so ist sie vor dem Auf-
bringen der oberen Schichte satt zu nässen, wie überhaupt jeder Cementestrich
auf einen nassen Untergrund aufgebracht werden darf. Der Cementmörtel
wird, nachdem er mit der Kelle aufgebracht und geebnet ist, mit einem Reibe-
brette gut und gleichmässig verrieben; den Cementüberzug macht man nahezu
2 cm stark.
Man unterscheidet u n g e gl ä t t e t e n und g e gl t t e te n Cementestrich.
ä

Das Glätten wird dadurch bewirkt, dass, sobald der aufgetragene und geriebene
Märtel zu binden beginnt, man die Fläche mitteist eines Glätteisens so lange
durch Hin- und Herbewegen überfährt, bis sich ein vollständiger Glanz zeigt.
Bei diesem Glätten, wobei die Sandkörner niedergedrückt werden, wird reiner
Cement, in Wasser aufgelöst, zum Anfeuchten auf die zu glättende Fläche
aufgetragen *).
Die Glätteisen sind von verschiedener Form und Grösse und bestehen aus
. einer Eisen- oder Stahlplatte, welche mit einem Griff versehen ist; auch benutzt
man Platten aus Glas, Schiefer, feinem Sandstein etc. zu diesen Zwecken.
Der ungeglättete Estrich möchte dem geglätteten vorzuziehen sein, beson-
ders wenn der erstere mit verdünnter Wasserglaslösung einige Male be-
handelt wird.
Der Tl' ass e s tri c h , welcher am Rhein in der Nähe von Andernach
vielfach Anwendung findet, besteht in der Regel aus 3 Theilen Kalk, 8 Theilen
Trass und 6 Theilen Kohlenasche, mit Wasser zu einem dicken Brei angemacht;
diese Masse wird nahezu 25 cm hoch aufgetragen und bis auf 15 cm zu-
sammengestampft ; kurz vor dem Fertigstampfen bestreut man die Oberfläche
wohl mit Eisenfeilspälmen und Kalkstaub.

Der Gy ps es tri c h ist überall da zu Hause, wo der Gyps 111 Massen


·/orkommt, so in Frankreich, in Italien, am Harz etc.

*) Das Verfahren ist speziell geschildert in der Systerüatlschen Darstellung der


Baukonstruktionen von Fleischinger u. Becker,
Arbeiten des Ausbaues. 319

Bei Herstellung von Fussböden aus Gypsestrich wird derselbe durch genau
wagrecht gelegte Latten in Streifen von ungefähr 1 m Breite zertheilt; die Sand-
unterlage dazwischen, 3 bis iS cm tiefer als die Oberkante der Latten, sorg-
fältig geebnet. In dies so entstandene seichte Becken wird dann der mit
Wasser dünn angemachte Gyps vorsichtig eingegossen und mit einer Lehrlatte
glatt gestrichen.
Nach kurzer Zeit, wenn der Cyps angezogen hat, lässt sich die das Guss-
feld begrenzende Latte fortnehmen, um damit das nächste wieder zu bilden etc.
Hat der fertige Guss eine solche Festigkeit gewonnen, dass man ihn mit
Brettern belegen und diese Bretter begehen kann, ohne den Guss zu schädigen,
so beginnt die Arbeit, den Estrich mitteist hölzerner Schlägel (Gypshölzer)
sorgfältig und wiederholt durch Schlagen zu dichten; nach viermaligem, alle
4 bis 5 Stunden erfolgenden Klopfen wird der Estrich zuletzt mittelst kleiner
eiserner Kellen vollständig geglättet. '
Um dem nicht sehr widerstandsfähigen Gypsestrich eine grössere Festig-
keit zu geben, tränkt man denselben, nachdem er vollständig ausgetrocknet ist,
dreimal mit heissem Leinöl.
In neuerer Zeit werden Gypsestriche vielfach in Berlin vom Gypswerke
zu Lütheen hergestellt; bei Anfertigung dieser Estriche genügt eine nahezu
30 mm starke Sandschichte, welche direkt entweder auf die Gewölbe, oder auf
die Erdsghichte selbst gebracht wurde; vorherige Pflasterung oder Betonirung
ist dabei vollkommen entbehrlich. Der d i c k fl s si g e Gypsbrei wird nach
ü

den durch die Erfahrung bewährten Handgriffen auf der Sandschichte aus-
gebreitet, dann geebnet, geschlagen und geglättet; als Stärke für die Gyps-
schichte genügt eine solche von 3 cm,
In Paris verfertigt man in Gyps die Estriche, welche man anderwärts in
Mörtel ausführt, wie die zu ebener Erde und über Gewölben, und belegt die-
selben wohl mit Steinplatten oder gut gebrannten Backsteinen.
Soll der Gypsestrich durch farbige Streifen in Felder getheilt werden, so
stellt man diese durch Brett- oder Leistenschablonen her. Nach erfolgtem Guss
werden dieselben wieder herausgenommen und durch irgend einen ändern ge-
färbten Gyps ersetzt.

Asp h a l t e s t r i ehe leisten oft zu Trottoirs, Pferdeställen , Terrassen,


Malztennen etc. sehr gute Dienste.
Auf den geebneten und gestampften Boden legt man am vottheilhaftesten
eine 9 bis 12 cm dicke Betonschichte , die jedem Pflaster aus Ziegelsteinen
vorzuziehen ist. Nachdem die Betonschichte vollständig trocken geworden,
werden dünne eiserne Schienen oder Richtscheite von der Höhe der aufzu-
bringenden Asphaltschichte in Entfernungen von höchstens 1 m aus einander
aufgelegt. Zwischen diese Schienen wird dann die in einem Kessel geschmolzene,
gut gemischte Estrichmasse mit eisernen Kellen aufgegossen und dann der
Raum zwischen je zwei Richtscheiten geebnet. Die Estrichmasse besteht aus
geschmolzenem Asphaltmastix, dem man etwas Bitumen und rein gewaschenen
Sand, oder sehr kleinkörnigen Kies unter stetem Umrühren zusetzt.
Die ungefähr 10 bis 15 111m starke Estrichschichte wird auch wohl, um
sie körnig zu machen, mit gesiebtem Sande gleichmässig überstreut. Um
farbige Muster zu bilden, verwendet man zerstossene Porzellankapselscherben,.
Sn1altepulvel' etc., welche. wie der eben erwähnte Sand. mit hölzernen Schläseln
I / I e
in die Masse eingeldopft werden.
320 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.

Bei P fe r d e s t ä 11 e n wählt man als obere Estrichschichte eine etwa


2 cm starke Asphaltmärtelschichte aus 40 Theilen Asphaltmastix 60 Theilen
Riesel von der Grässe einer kleinen Haselnuss und 4 Theilen Steinkohlentheer ;
ist diese durch Schlagen gehörig kornprimirt, so überzieht man sie mit einer dünnen
Schicht von Asphaltmastix.
Pflasterungen mittelst Asphalt comprime , dann mittelst Macadam gehören
zu speziell in das Gebiet der Ingenieurkunde, als dass hier näher auf sie ein-
gegangen werden kann.

Druck VOll Oskar Bonde in Altenburg.

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