DER
HOCHBAU -KONSTRUI(TIONEN.
ERSTER THEIL.
LEHRBUCH
DER
HOCHB-L~U - KONSTRUKTIONEN
VON
RUDOLPH GOTTGETREU
ARCHITEKT
ORDENTL. Pl:WFESSOR AN DER TECHNISCHEN HOCHSCHULE IN l\ItNCHEX
ERSTER THEIL.
BERLIN.
VERLAG VON ERNST & KORN
(GROPIUS'SCHE BUCH- UND KUNSTHANDLUNG)
90 .WILHEUISTRASSE
(NAcHST DEM ARCHITEKTENHAUSE).
1880.
Vor W 0 r t.
*) Observations 8Ur les objets les plus importanta c1e l'Architecture. Paris 1769.
VII
*) Nicht mit Unrecht ist das Zeichnen von einem unserer älteren Philosophen
als Pasigraphie, d. h. als die gemeinsame Schriftsprache bezeichnetworden, die
allein von allen gebildeten Nationen verstanden wird.
x
olme Zweifel die Form in einem gewissen Zusammenhange mit der Kon-
struktion, so erfordern sie doch, mit fast einziger Ausnahme der Haupt-
gesimse , keiner e i gen t 1ich e n k 0 n s t r u k t i v e n Lösung, und mit
demselben Recht., mit welchem man einen ugTOSSen Theil der Formenlehre
in die Bücher über Baukonstruktion aufgenommen hat, könnte man den-
selben den Büchern der Baumaterialienlehre einverleiben: weil - wie all-
bekannt - das zur Disposition stehende Baumaterial in hohem Grade den
Charakter aller Bauformen beeinflusst t Die Baukonstruktion in bezug
auf Bauform hat sich vorherrschend nur mit elen weit ausladenden Haupt-
gesimsen zu befassen. Wollte man die Bauformenlehre mit der Bau-
konstruktion verquicken, so möchte bei dem Massenmaterial der ersteren
letztere verschwindend klein ausfallen. - Der Verfasser war daher be-
müht, sich streng an sein Programm zu halten.
4. Ebenso hat der Verfasser sorgsam zu vermeiden gesucht, seiner
Arbeit den Charakter einer Kompilation wirklich ausgeführter Bau-
konstruktionen zu geben, da es nur zu häufig geschieht, dass solche unver-
mittelt ohne Zusammenhang aneinander gereiht werden. Solche lVIittheilungen
sind freilich dem Pr akt i k e r stets ein sehr erwünschtes Material für
die' unmittelbare Nachbildung ; nichts desto weniger aber möchten sie
als ein Ruin alles selbstständigen Denkens und daher als bedenklich zu
bezeichnen sein - ganz besonders in einem Lehrbuche. J eele Bau-
konstruktion geht aus einer Summe von gegebenen Bedingungen hervor,
welche , wenn sie nicht alle bekannt sind, ihre richtige Beurtheilung
unmöglich macht; daher soll eine Baukonstruktions 1ehr e nur darauf
hinzielen, das innere Wesen sämmtlicher Konstruktionen dem Studirenden
soweit klar zu machen, dass sie dann weiter als Gegenstand graphischer
U ebungsaufgaben verwendet werden können. Zu solchenpassenclen
Uebungsbeispielen bietet der beigegebene Atlas das geeignete Material,
vor dessen gedankenlosem Copiren jedoch nicht genug gewarnt werden
kann! Es befinden sich in ihm Aufgaben von der leichtesten bis zur
schwierigsten Art, so dass die Studirenclen für die schwerer zu lösenden
Aufgaben sich Schritt für Schritt vorbereiten können.
5. Alles, was vorherrschend Sache des Ha n d w er Je s der Maurer
und Steinmetzen ist, gehört weniger in die Lehre der Baukonstruktion ;
hieraus mag sich die vielleicht Manchem auffällige Kürze erklären, mit
welcher z. B. die Steinverbäncle, die Pisetnauern etc. behandelt sind.
Dagegen wurde ganz entschiedenes Gewicht (besonders bei den Gewölben)
darauf gelegt, dass das in der' beschreibenden Geometrie Erlernte ebenso
gewissenhaft zur Anwendung gebracht werde, als die graphische Statik bei
den Untersuchungen über die Stabilität der Gewölbe. Hierbei war die
Ansicht massgebend, dass die Bau me c h a ni k für Architekten, wie für
Ingenieure immer noch neben cler Bau k 0 n s t r u k t ion bestehen solle,
XI
3. Die m a s s i v e n T I' e P P e n.
und
B. Die Lehre vom Ausbau,
in welchem Abschnitt der Verputz mit dessen ästhetischer Ausstattung
und die Pflasterungen und Estriche eingehende Behandlung finden *).
'<) Die Dacheindeclnmgen, ~L1s ein integrirender 'I'heil der Dächer , \verc1en im
11. Bande, nähere Besprechung finden.
XIII
nun versucht, die Begriffe genauer festzustellen, als dies in vielen Ab-
handlungen über elieGevvölbetechnik geschehen ist. Der Unterschied
beider Linien wurde oftmals nicht scharf genug betont, ja zuweilen ganz
übersehen.
Zur Unterscheidung beider Begriffe· wurde jene Gleichgewichtslinie,
welche die Druckmittelpunkte in den aufeinander folgenden Lamellen-
grenzen enthält, der Definition entsprechend S t t z I i nie genannt, wobei
ü
M ii n c h e n, im N ovember 1879.
Der Verfasser.
Illhaltsverzeichniss.
Seite
Einleitung . . . 1
Die Lehre vom Baugrunde:
seine Beschaffenheit . 5
" Untersuchung. 11
das Grundgraben . 14
Die Fundation oder der Grundbau:
durch Verdichten des Erdreichs 15
" Steinschüttungeri.. 16
"Betonirung . . . . . 17
" plattenförmige Gesteine und Sandschüttung 19
" Holzkonstruktionen 20
" liegenden oder Schwellrost 21
" stehenden oder Pfahlrost 23
" Schraubenpfähle 26
Konstruktion der Spundwände 27
Mauerbrul1nen und Senkkästen 30
Gewölbe.
Ge s chich tli ehe Notiz e n 121
Gewölbe bei den Assyriern 122
" "Aegyptern 124
.• ' 'i n Rölnern 12(j
" der Sophienkirche . 131
" des Doms zu Speyer . 132
" " " Köln 133
" " " "Florenz 134
" der Peterskirche in Rom 136
Allgemeines und Eintheilung der Gewölbe 138
Das Tonnengewölbe (Kufengewölbe) 139
Widerlagsstärke nach Rondelet 141
Backsteingewölbe mit Stichkappen . 144
Kassebtirbes Tonnengewölbe nach Möller 150
Das Kappen- oder Gurtgewölbe 151
Konstruktion nach Moller 154
Das Klostergewölbe ohne und mit Stichkappen 155
Das Kreuzgewölb e ohne Stich und mit Stich , 156
Die Entwickelung der Gratform . 163
Das normännische Kreuzgewölbe . 166
Das gothische oder Sterngewölbe (Grundrissformen) 169
Die Rippenformen . . 172
über quadratischem Raum (ohne Stelze) 173
" " " (mit Stelze) . 175
" oblongem Raum. 177
Stelzmethode . 179
N etzgewöl b e . . 181
Pfeiler und Dienste, Gewölbeanfänger, Schlussstein 185
Das normännische oder angelsächsische Gewölbe (Fächer-
gewölbe) . 187
Das Kuppelgewölbe 190
mit Pendentifs 192
" Stichkappen. 194
" mit Kassetten 195
Das Kugelgewölbe 19G
nach Moller's Konstruktion 198
über achtseitigem Raum . 200
Das böhmische Gewölbe 201
Kugelkappen, böhmische Kappen 207
Das scheitrechte, Spiegel- und lYIuldengewölbe 208
Die Topf- und Gussgewölbe . 211
Inhaltsverzeichniss. XIX
Seite
Ueber die Stabilität der Gewölbe und deren Stützen 212
Das Tonnen z e w öl b e 213
Bestimmunzen der Gewölbestärke 222
c~ ,,'iViderlagsstärke 225
Stabilitätsuntersuchungen für spezielle Fälle.
Das Kappen- und Kreuzgewölbe . 230
" Kuppelge-wölbe (einfaches) 235
S t a.b i 1i t ä t s u n tel' su ch u n gen der D 0 P p e1k u pp el n.
Kuppel des Tempels der Minerva medica 239
Pendentifs von S. Vitale und S. Michele zu Pavia 241
Die Sporen bei S. Maria Maggiere zu Nocera . 242
Das Widerlager der Kuppel S. Vitale zu Ravenna 243
, " " . der Sophienkirche in Konstantinopel 245
" "" des Baptisteriums S. Giovanni in Florenz 246
Die Doppelkuppel von S. Maria deI Fiore in Florenz 250
" " " S Peter in Rom . 252
" Kuppel der Befreiungshalle in Kelheim . 253
Stabilitätsuntersuchung der Peterskuppel in Rom 254
Die an der Petcrskuppel vorhandenen Armirungen 258
Schlussbetrachtung über die Stabilität der Gewölbe 260
Massive Treppen.
Allgemeines 262
Eintheilung der massiven Treppen 266
Unterstützte Treppen
durch Untermauerung . 268
" Unterwölbung 270
" Wangen 273
Freitragende Treppen 274
Spindeltreppen 279
Heinzerling, Dr. F., Die angreifenden und widerstehenden Kräfte der Brücken-
und Hochbaukonstruktionen. 1867.
Navier, L., Die Mechanik der Baukunst. 1851,
Scheffler, Dr. H., Theorie der Gewölbe, Futtermauern etc. 1857.
Ott, K. v., Vorträge über Baumechanik. 1877.
Holzhey, E., Vorträge über Baumechanik. 1879.
Wittmann, Dr. W., Die Statik der Hochbaukonstruktionen. 1879.
Leroy , C. T. A., Dei.' Steinschnitt, übersetzt von Kaufmann. 184'7.
Ringleb, Dr, A., Lehrbuch des Steinschnitts.
Vorlegeblätter für Maurer, herausgegeben von der k. technischen Bau-
deputation.
für Ziegel- und Steinarbeiten von Ungewitter. 1855.
" der Baugewerkschule in Holzrainden. 1857.
" für Maurer und Zimmerleute von G. Stier.
"" der Baugewerkschule zu Höxter.
Taschenbuch des Ingenieurs vom Verein die Hütte. 1877.
L'architecture et la construction par D. Ram m e e. 1871.
Ei 111 ei tun g~.
Mit der Lehre von sä m m tl ich e n Ban wer k endes Staates beschäftigt
flieh der Ka m e r a l b a u").
Der Begriff Ba 11 wer k umfasst nicht nur die verschiedenen Arten von
Ge b u den, sondern auch alle von. Menschenhand errichteten Werke, welche
ä
dem Fr i e den sowohl als auch dem Kr i e g e zu dienen haben, die sich er-
strecken übe r das L a n d und das M e e 1'; so gehören zu den Bauwerken
im weitem Sinne des Wortes die S tr a s s e n und Eis e n b ahn e n mit ihren
D n r c h I ä s sen, Tun n e l s und Via d u k t e 11, ferner die B r ü c k e n - und
VV a s.s erb a u t e n, die Ha fe TI a n lag end es ]V[ e er e. s , die F 0 r ti fi -
k a t i 0 TI e n; im weitesten Sinne aber gehört hierher auch die S chi f f s b an -
k uns t , der ]V[ a s e h i ne n - und der Bel' g bau.
Ein so umfangreiches Feld der technischen Thätigkeit kann von dem ein-
zelnen Individuum unmöglich überwältigt werden und daher erscheint es nothwendig,
das übergrosse Material zu zergliedern. Demgernäss bilden sich an unsern tech-
nischen Hochschulen Are h i t e k t e n einerseits, In gen i e u r e (Bau- und
Maschineningenieure) andererseits, denen gemeinsam die Aufgabe obliegt, sich
dem Studium der Bauwerke des Staates zu unterziehen; während sich die
Architekten vorherrschend mit der Lehre jener Bau werke befassen, die man
unter der Bezeichnung "G e b u d e" zusammenfasst, beschäftigen sich die
ä
Die Aufgabe, für die Sicherheit des Staates im Kriegsfalle zu sorgen, fällt
in der Regel den Mi I i t a i r - I n gen i e u r e n zu, die ein eignes Geniecorps
untermilitairischer Formation bilden.
Die Lehre von den Gebäuden fasst man wohl unter dem Titel: Hoc h -
bau k und e oder b I' ger 1ich e Bau k uns t zusammen und zergliedert diese
ü
sein von der eines mon u m e n t a l e n Bau wer k es, das stets darauf be-
rechnet sein muss, der spätesten Nachwelt erhalten zu bleiben.
Mit der Dauer entsprechenden Festigkeit befasst sich nunc1ie L ehr e
von der K 0 n s t l' U k t i o n des Hoc h b n u o s im innigen Verein mit der
L ehr e von cl e n B a um a tel' i a l i e n; obwohl beide nur eine rein praktische
Bedeutung zu haben scheinen, so übten sie doch bei der Entwickelung der
Architekturgeschichte eine intensive Wirkung mit aus; in allen Zeitperioden
beeinflussten neue Konstruktionssysteme und die Anwendung verschiedener Bau-
materialien den formalen Charakter der Architektur und wirkten denmach mit
bei der Ausbildung aller Baustile. So steht - um nur einige Beispiele anzu-
führen der in Griechenland in Fülle vorhandene prachtvolle Marmor
im innigen Zusammenhange mit der Architrav - Architektur der Tempelbauten.
während die Römer durch das ihnen zur Disposition stehende Baumaterial zur
Bogen- und Gewälbekonstruktion hingeleitet wurden; im weitem Verlaufe der
Architekturgesehiehte spielte die erweiterte Gewölbetechnik eine hervorragende
Rolle in der byzantinischen, romanisehen und gothisehen Stilbildung und selbst
hat das vielfach vorkommende, erst in der Renaissancezeit näher erkannte
Material -- der Gyps - auf den formal dekorativen Theil der sogenannten
Rococcozeit einen nicht zu unterschätzenden Einfluss ausgeübt; eine ähnliche
Wirkung möchte für unsere Zeit der immer mehr sich geltend machenden Ver-
wendung. des Eisens und der andern Metalle zuzugestehen sein I
Mit der z w eck m ä s s i gen B e q u e m I ich k e i t und der äst h e t i -
sc h enD ure h b i I du n g eines Gebäudes beschäftigt sich der Unterricht im
E nt wer fe n von Ge b 11 u den (Komposition). Dieser hat darauf hinzu-
arbeiten, dass jedes Gebäude so eingerichtet wird, dass die Benützung seiner
Räumlichkeiten nach allen Seiten hin zweckentsprechend und bequem ist; dem-
gemäss muss der Anordnung und der Aufeinanderfolge der einzelnen Ränmlich-
keiten, der Wahl ihrer Grössenycrhältnisse, der Beleuchtung und der zw eck-
Einleitung. 3
als ein fremdartiges erscheinen; so dass sich sofort Eisen als Eisen; Holz als
Holz, Stein als Stein charakterisirt *).
Bei Anwendung mustergiltiger Konstruktionen ist stets ein gesundes, fehler-
loses Banmaterial in Anwendung :7,11 bringen, aber man hat auch die BeschRffen-
heit des Bau g r und e s zu beachten ; ein solcher muss nicht allein 11 n -
w an d el bar, sondern auch möglichst t r 0 c k e n sein.
V orhandenes Wasser kann, besonders wenn es viel Kohlensäure enthält,
zur Auflösung des Steinmaterials - je nach dessen Zusammensetzung
Veranlassune b
aeben " sehr schädlich aber wirken auf Mauerwerk Chlornatrium
u
und faulende Stoffe, sobald solche im Baugrunde sich befinden; was nur allzu
häufig der Fall ist.
Chlornatrium (Kochsalz) ist ein häufiger Begleiter der Gartenerde und
giebt zur Bildung von Mauertrass Veranlassung " sobald es mit kohlensaurem
Kalk in Verbindung tritt. Kohlensaurer Kalk kann als Baustein die Mauer
zusammensetzen oder als regenerirter Mörtel die Verbindung der Bausteine
vermitteln; durch chemische Wahlverwandtschaft bildet sich dann kohlensaures
Natron und Chlorcalcium. Ersteres zeigt bei seiner Auswitterung halbkugel-
förmig angehäufte Nadeln, während das Chlorcalcium als schleimige Flüssigkeit
die Mauer überzieht und durch seine hygroskopische Eigenschaft die Mauer
durchnässt LInd allenfalls das Steinwerk , besonders schlecht gebrannte Back-
steine, erweicht. Tritt dann der Frost ein, so werden die vom 'Wasser durch-
setzten' Schichten "abfrieren"; durch diesen Prozess wird eine Zerstörung des
Mauerwerks eingeleitet; die so lange fortwirkt, als das hygroskopische Chlor-
calcium im Mauerwerk vorhanden bleibt.
Durch' Anwesenheit stickstoffbaltiger faulender, organischer Stoffe bildet
sich durch den Sauerstoff der Luft Ammoniak, das durch höhere Oxydation zu
Salpeterbildungen (salpetersaures Kali) Veranlassung geben kann und dann im
Mauerwerk KaI k s a l p e t e r bildet, der, ebenfalls Wasser an sich ziehend, zum
sogenannten S alp e t e r fr a s s Veranlassung giebt; eine gleicbe Zerstörung;
kann sich im Mauerwerk geltend machen, wenn auf dem Bauplatze Flüssig-
keiten vorhanden sind, die gelöste Salze in sich führen, wie Schwefel- und
Salpetersäure, schwefelsaure Magnesia, Chlormagnesium etc.; auch Gewässer,
welche Ammoniak und Schwefelwasserstoff in sich aufgenommen haben, können
zerstörend auf das Mauerwerk wirken (Kloaken wasser),
Nicht immer ist ein fehlerfreier Baugrund aufzufinden, auf dem man un-
mittelbar ein Gebäude errichten könnte, .und muss man zu verschiedenen Mitteln
greifen, um den vorhandenen Baugrund zu verbessern. Um aber entscheiden
zu können, zu welchen Mitteln der Verbesserung man zu greifen hat, erscheint
es nothwendig, den Baugrund nach allen Seiten hin gründlich kennen zu lernen,
und diese Erkenntniss giebt: die L ehr e v 0111 Ba 11 g r und e.
Die gewälllte oder gegebene Stelle, welche zur Ausführung eines Gebändes
dient, heisst dessen GI' und und B 0 den; die Dauer eines auf demselben er-
richteten Bauwerks hängt wesentlich von der tragfähigen, unwandelbaren Be-
schaffenheit des Baugrunc1es ab. Die Ennittclung dieser Tragfähigkeit ist für
jeden Baumeister höchst wichtig.
. Wie ein jeder Körper nach dem Verhältniss seiner Schwere auf seine
U nterlage drückend. wirkt, ebenso drückt ein Gebäude nach dem Verhältniss
seiner Massen auf seinen Baugrund, welcher so widerstandsfähig sein muss, dass
er nicht allein in folge dieses Druckes keine Einsenkung erleidet, sondern auch
noch einen bedeutenden U eberschuss an Widerstand zu leisten vermag.
Besteht der Baugrund nicht gerac1e aus Fels, sondern aus den bekannten
Erdarten , so wird der Untergrund durch das darauf lastende Bauwerk mehr
oder weniger eine Zusammenpressung erfahren, wodurch im Bauwerke selbst
eine Höhenveränderung sich geltend machen wird, welche das" Sie h set z e n "
genannt wird. Ein ungleiches Sichsetzen der Baumassen verursacht aber unter
Umständen gewaltsame Trennungen in denselben, ja kann sognr zum Einsturz
Veranlassung geben.
Jedes Gebäude bedarf zu seiner Sicherstellung eine tragfähige Sub-
s t r u k t i o n , welche keiner Veränderung durch Frost unterworfen sein darf;
solche Substruktionen nennt man Fun d a m e n t e oder G run d m aue r n und
werden dieselben überall da angeordnet, wo das Mauerwerk eines Gebäudes
auf den Baugrund pressend wirkt.
Der Frost bewirkt , indem er in den feuchten Boden eindringt, eine Aus-
dehnung des Grund nndBodens, besonders ein Heben, das sich bei eintreten-
dem Thauwetter im Frühjahr oft in hohem Grade bemerkbar macht; bei uns
in Deutschland nimmt man an, dass der Frost auf die Tiefe von 0,80 bis
1,00 m, allerhöchstens bis 1,50 m nicht mehr schädlich auf den Untergrund
einwirken kann, und deshalb sind die Fundamente unserer Bauwerke bei an
und für sich gut e m Baugrunde im allgemeinen nicht tiefer als 1,00 m zu
legen. Fundamente, die im Innern eines Gebändes liegen und gegen Frost
geschützt erscheinen, können weniger tief angelegt werden, wenn dies die G (He
des Baugrundes gestattet.
Tiefer wie 1,00, höchstens 1,50 m in einen festen Baugrund mit der
Substruktion hinabzugehen , ist durchaus nicht nothwendig, und die vielver-
breitete Anschauung, dass Gebäude, je höher und schwerer sie sind, auch um
so tiefer fundirt werden müssen, beruht durchaus auf irrigen Anschauungen;
es kommt einzig und allein darauf an, dass der Baugrund das Gewicht des
Gebäudes sicher zu tragen im Stande ist, gleichviel in welcher Tiefe über 1 bis
1,50 m er zum Fundiren benützt wird.
Aeltere Baumeister wollen die eben ausgesprochene Ansicht nicht in allen
Fällen gelten lassen und behaupten, besonders hohe Bauobjekte , wie Fabrik-
schornsteine , Thürme müssten schon deshalb auf grosse Tiefen hinab fundirt
werden, um hierdurch für sie einen möglichst tiefliegenclen Schwerpunkt zu
gewinnen. In bezug auf die Fundation der Thürme weisen sie auf den Um-
stand hin, dass alle Kirchenbaumeister der früheren Zeit ihre Thurmbauten
ungemein tief func1irt haben; aus diesen nicht stichhaltigen Gründen besteht noch
die veraltete Hegel: Bei hohen Schornsteinen und Thürmen wähle man. zur
6 Einleitung.
1/
Tiefe der Fundamente 1/';2,5 bis 3 0 der gesammten Mauerhöhe +
1 bis 1,50111 "'");
nach einer andern , älteren Regel gab man Kirchthürrnen eine Fundamenttiefe
von 1/7 bis 1/6 ihrer ganzen Höhe **) 1,5 m. +
Gut nennt man einen Baugrund, welcher geeignet ist, bei gewöhnlicher
Fundamentanlage , die Last eines Gebäudes sicher zu tragen, ohne sich dabei
stellenweise verschieden zu setzen. Die Tragfähigkeit eines zum Bauen geeig-
neten Baugrundes hängt aber nicht allein von seiner Dichtigkeit, sondern auch
VOll der :l\fächtigkeit oder Dicke der Erdschichten ab. Häufig wechseln trag-
fähige Schichten mit nicht tragfähigen, sowohl über - als nebeneinander, und
müssen diese Verhältnisse besonders bei Anlage von Fundamenten ins Auge
gefasst werden.
Einen sicheren Massstab für die Tragfähigkeit eines j eden Baugrundes
ziffernmässig zu gewinnen, ist bei der oft sehr wechselnden Beschaffenheit des
Bodens äusserst problematisch, und liesso sich nur durch eine Probebelastung,
die selbstverständlich mit vielen Umständen verbunden sein kann, ermitteln;
für sogenannten ge w a ch sen e n Boden schwanken die Angaben für die zu-
lässige Belastung eines Quadratmeters Grundfläche von 80000 bis 100 000 kg
oder 80 bis 100 t,
Nach anderen Angaben beträgt die Druckfestigkeit des natürlichen Bau-
grundes:
Nach der neuen Berliner Bauordnung ist der Quadratmeter guten Bau-
grundes mit höchstens 35 000 kg zu belasten, während W e i s hall p t die zu-
lässige Belastung des Sandbodens zu 15 000 bis 18 00 Okg nnnirnmt.
Nach Aridern kann man unbedenklich die Fundamentsohle eines aus
grobkörnigem scharfen Sande bestehenden Baugrundes mit 40 000 kg belasten.
Schreitet man der Sicherheit wegen wirklich zu einer Probebelastung eines
Baugrundes, so legt man nach Aushebung der Baugrube, aber mindestens 1 m
tief, rechteckig bearbeitete Steinplatten oder auch wohl Bohlenstücke mit ebenen
Flächen auf den Grund und belastet "diese mit schweren Steinen, Eisen-
barren etc, so lange, bis der Boden nachzugeben beginnt, und lässt die Last
einige Zeit auf den Boden wirken. Tritt kein weiteres Einsinken ein, so lässt
sich die Tragfähigkeit des Bodens für die Flächeneinheit aus der Grösse der
gedrückten Fläche und dem Gewichte der Belastung leicht ermitteln. Der
Sicherheit wegen wird man den Baugrund niemals mit seiner ganzen Trag-
fähigkeit in Anspruch nehmen: man begnügt sich in den meisten Fällen mit
dem halben Gewicht.
Um einen Moorgrund auf seine Tragfähigkeit zu prüfen, Iiess die österr-
rcichische Südbahn einen stumpf abgeschnittenen Pfahl ~-on 1 0' Grundfläche
so auf den Boden stellen, dass er durch eine Führung loth recht hinab sinken
musste. Die Einsenkung des Pfahls hörte auf, wie er nach und nach mit
25 Ztr. belastet war ; wurden aber plötzlich noch 10 Ztr. aufgebracht, so. ver-
sank der Pfahl vollständig im Moore. Der Boden war also im Stande, die
erstere Last zu tragen, doch war seine Widerstandskraft nicht gross genug,
um auch noch die zweite Last aufnehmen zu können. In dem obigen Falle
betrug die Tragfähigkeit des Moorbodens 14000 kg per Quadratmeter.
Für einen weniger tragfähigen Baugrund wird man sich dadurch zu helfen
suchen, dass man die Grässe der Fundationsgrundfiäche verhältnissmässig ver-
mehrt; hierdurch wird der Druck auf eine grässere Fläche vertheilt und erscheint
vermindert. Dies Verfahren kann selbst auf ziemlich nachgebenden Baugrund
ausgedehnt werden, indem man den Druck einer Gebäudelast auf eine so grosse
Fläche vertheilt , dass der auf einer Quadrateinheit des Baugrundes lastende
Druck mit dessen Trafähigkeit im Gleichgewicht steht, oder besser von letzterer
noch übertroffen wird.
Genügte beispielsweise bei vorhandenem gewachsenen Baugrunde der bei-
gefügte Mauerquerschnitt , Fig. 1, wobei sich das Fundamentmauerwerk gegen
die getragene Mauer nur wenig verbreitert, so würde bei weniger tragfähigem
Baugrunde diese Basis verhältnissmassig breiter zu machen sein, wie dies in
Fig. 2 angedeutet ist; die hier sich ergebende Vertheilung des Druckes erstreckt
Fig. 1. Fig. 2.
sich alsdann auf eine weit grössere Oberfläche, wodurch die Pressung auf
die Quadrateinheit des Baugrundes selbstverständlich bedeutend geringer wird.
Um einem ungleichmässigen Setzen eines Gebäudes von vorn herein ent-
gegenzuwirken, ist es räthlich , die Gebäudemassen womöglich gleichmässig
über den Baugrund zu vortheilen ; ist jedoch eine solche Vertheilung der
Massen nach der Bestimmung des Bauwerkes nicht möglich, so muss ganz
besonders darauf geachtet werden, dass den schwereren Massen eine im Ver-
hältniss breitere Fundamentgrundfläche gegeben wird; ferner ist darauf zu
achten, dass die Mittellinie des Drucks mit der Mittellinie des Fundaments ZU~
sammcnfällt,
8 Einleitung.
l~ig-. 3 u. 4. Fig, 5.
Eine Anlage nach Fig. 5 wird nur in dem Falle gerechtfertigt sein,
wenn das zur Fundation verwendete und von oben belastete Material vollständig
gegen Bruch gesichert erscheint.
Fig. 6.
Einleitung. 9
bögen; diese werden nach den nebenstehenden Skizzen Fig. 6 und Fig. 7
, :I
I
\
\
I
;
r
:
I I
I
I I I I
1 I I I
• I I 1
:
:
1
I
\
\
iI
: I \ J
I
l1 1//
r I
>
_ ....- - - - ...... -
---,
\
............ \
\
I
1
I
t /~/ ,~\ I
_ _ _ 1( ----- . ~~I - - - -------------
._-------------~~--~---_._---------------_._.~~--- -----------
Fig.7.
Lehm und Thon mit Sand vermischt, grobkörniger Sand und unter Umständen
auch feinkörniger band;
2. mit t I e I' erB a u g I' und, bei dem, um ihn zum Bauen verwenden
zu können, ein grösserer Aufwand von technischen Mitteln geboten erscheint,
hierher gehärt: Triebsand, Thon, Mergelerde und unter Umständen Torf- und
Wiesenerde (wenn diese beiden letzteren kompakte Beschaffenheit besitzen),
dann Acker- und Dammerde ;
3. s c h 1 e c h tel' Bau g l' U n d ist solcher, der sehr kostspielige Mittel in
Anspruch nimmt, um ihn bautüchtig zu machen, und hierher gehört: Schlamm,
Moor und jeder aufgefüllte Baugrund *).
F e l s i ger Bau g r und, aus hinlänglich starken und zusammenhängen-
den Massen bestehend, muss der Verwitterung zu widerstehen im Stande sein;
besteht der Felsen aber aus dünn gelagerten Schichten, zwischen welchen sich
wohl Lettenlagen befinden, die vom Wasser erweicht werden können, haben
ferner die Lagen eine geneigte Richtung, so kann auch er nicht unmittelbar
zum Bauen Verwendung finden und verlangt eine umsichtige Vorbereitung, die
wohl in stellenweisem Entfernen der unsichern Schichten zu bestehen hat, um
überall für die aufzubringende Last ein vollständig sicheres Unterlager zu
gew111nen.
A n g e s c h wem m t es D i 1 u via 1ger ö 11 e ist meistens mit Sand und
lehmigen Theilen durchsetzt und besitzt vorzügliche Tragfähigkeit; eine Stärke
von 1,50 m ist genügend, um ein drei Stock hohes massives Gebäude zu
tragen.
Gleich geschätzt als guter Baugrund ist der durchaus tr 0 c k e n 1i e gen d e
L eh m g l' und, besonders der von gelber Farbe, mit Geröll und Sand unter-
mischt; eine 2 m hohe Schicht genügt, um darauf mit Sicherheit unsere grössern
städtischen Gebäude zu errichten.
G r 0 b k r n i ger San d ist nur dann als Baugrund unbrauchbar, wenn
ö
*) Die neueren Bauordnungen fordern auch von jedem Bauplatz, dass "e r den
Anforderungen der öffentlich en Ge s u n d h e i t.s p flege en t s P r e ehen 111 ÜSS e
o d er en ts pre ch e n d ge111 a.ch t w e r d e"; demgeinäss ist hauptsächlich darauf zu
sehen, dass Gebäude vollständig gegen alle Ueberschwemmungen gesichert sind; aber
auch das Grundwasser darf ein Gebäude in seinem Bestande nicht bedrohen. und dem ent-
sprech81.1 d i~t es nothwendig , dass sowohl das 'I'agswasser sowie aucll das Grund-
wasser 111 seinem .höchsten Stande berüc1~sichtigt werde. Ausserdem ist dafür Sorge
zu tragen, dass ehe Abführung aller flüssigen Abfälle, das Haus- und Gebrauchswasser,
das von der Küche und Waschküche , der Reinigung des Hauses etc. kommt, durch
Abzugskanäle aus dem Bereich der menschlichen Wohnunsren abgeleitet werden kann.
Einleitung. 11
Der eben besprochene Apparat lässt sich übrigens auch mit grossem Vor-
theil für beschränktere Baugrunduntersuchungen benützen *); steht jedoch ein
solcher Apparat nicht zur Verfügung, so wird man wohl genöthigt sein, sich
mit den bisher herkömmlichen Bangrunduntersuchungen zu begnügen. Auch
hierbei wird man gut thun, so tief wie möglich in den Baugrund einzudringen,
und dies geschieht wohl am einfachsten durch "G r ab e n "; eine solche
Untersuchung des Baugrundes ist jedoch bei verschiedenen, besonders lockeren
Erdarten ohne kostspielige Absteifungen gar nicht möglich; ist andererseits
das Erdreich von 'Nasser erfüllt, so werden auch in solchem Falle der Unter-
suchung sehr enge Grenzen gesteckt.
Ein sehr übliches Verfahren aber besteht in der Anwendung des Vi s i t i r -
oder So n dir eis e n s, einer schweren und mit einer Stahlspitze versehenen
eisernen Stange, am besten in der Länge von 2 m, und einem Durchmesser von
30 mm. Mit aller Kraft wird diese Stange in den Boden hinabgestossen,
wobei man nach dem mehr oder weniger leichten Eindringen des wuchtigen
Eisens auf die grössere oder geringere Widerstandsfähig''reit des Erdreiches
schliesst; dabei ist bei festem Baugrunde der Stoss "h a r t bei nicht festem
v ,
*) In München ist das stäcltif~che B8,U::1Illt stets bereit, gegen Ersatz seiner Aus-
lagen die Gnmduntersuclmng von Bauplätzen mit dem ihm geh ören den Apparat VOl'-
lwl1l11All 7,11 lassen.
14 Einleitung.
G run d g r ab e n.
Bei trockenen,, ziemlich festen Bodenarten bietet das Ausaraben
'--'
des Ban-
grundes keine besondern Schwierigkeiten; bei lockerem, sogenanntem fliessen-
den Boden werden aber Böschungen nothwendig, die um so flacher angelegt
werden müssen I je lockerer der auszugrahende Sandboden ist. Bei grossen
Tiefen werden stufenförmig zurückgesetzte Böschungen - sogenannte Bänke -
nothwendig, die dann zugleich dazu dienen, den Grund und Boden ohne An-
wendung von Gerüsten aus der Baugrube heraus zu befördern. Können des
fehlenden Raumes wegen - was nur zu häufig der Fall' ist - solche
Böschungen oder Bänke nicht nngelegt werden, so sind Holzabsteifungen noth-
wendig, so dass dann die losen Erdschichten durch Bretter oder Bohlen mit
Zuhülfenahme von Pfahl- und Riegelholz am Abrutschen verhindert werden.
Sehr erschwert wird jedoch das Ausheben und Fortschaffen des Baugrundes
aus der Baugrube, wenn das Grund- oder Quellwasser in grossen Massen sich
geltend macht. Das Quellwasser lässt sich unter sehr günstigen Umständen
verstopfen und zwar durch Einschlagen eines Pfahles, durch Dichten mittelst
Thon oder Beton, in den meisten Fällen aber muss es, wie auch das Grund-
wasser, entweder abgeleitet oder ausgeschöpft werden.
Das Ableiten ist selbstverständlich nur dann ausführbar, wenn ein tiefer
gelegener Ort vorhanden ist, wohin das 'Wasser geleitet werden kann. Wird
ein Ausschöpfen nothwendig, so geschieht dies entweder mit Handsimern,
Wurfschaufel , Schwungschaufel , Pumpen, Paternosterwerken, Schanfelwerken,
Kastenwerken oder N orien und endlich archimedischen Wasserschnecken, wobei
theils Menschenkraft, theils Dampfkraft in Anwendung kommt.
Ist ein Gebäude in nächster Nähe von stehendem oder fliessendem Wasser
zu bauen, so erscheint es oft geboten, die Baugrube durch eine künstliche vVand
gegen das andringende Wasser abzuschliessen ; solche künstlichen Wände be-
stehen entweder aus einem b l o s s e n Erd da m moder aus D ä m m e n aus
Hol z w ä n den.
Erd d m m e werden in der Regel aus dem stehen gebliebenen gewachsenen
ä
Boden gebildet; ihre Breite an der Basis beträgt dann das Vierfache der
Wasserhöhe.
D ä m m e ans Hol z w ä n d e n werden Fan g e d 11, m m e genannt und
unterscheidet man dabei Sei t e n fa 11 g e d ä m me mit einer Holzwand und
vorgeschüttetem Erdreich, oder K ast e 11 f a n g e d ä m m o mit zwei Holzwänden,
deren Zwischenraum am besten mit einem gemischten thonhaltizen Erdreich aus-
gestampft wird; die Konstruktion solcher Fang'ecHimme wird bei der Rost-
fundation weitere Besprechung finden. .-
Einleitung. 15
In 'weit höherem Gr::tde als beim Gebtiudebau machen sich bei den Fun-
dationen des Wasser- und Brückenbaues sehr bedeutende Schwierigkeiten geltend;
auf diese hier einzu 1:>srehen ,. würde zu weit führen, und haben wir es hier mit
einer Spezialität zu thun , die mehr der Baukonstruktion für Ingenieure und
namentlich dem "\Yasser - und Brückenbaue zugezählt werden muss. Um sich
über diesen Theil der Bautechnik eingehend zu unterrichten, wird 11:i8r auf das
H a n d b u c 11 der W as s erb a u ku n s t von G. H::t g e 11 hingewiesen, das
in seinem zweiten Bande die Brunnen , Wasserleitungen und Fundimngen be-
handelt. (Berlin bei Ernst & Korn. IH. Auflage. 1870.)*)
Unter Fun d a t ion oder GI' und bau versteht man im allgemeinen die
Herstellnng derjenigen meist in der Erde liegenden Mauermassen, welche einem
Bauwerke zur unmittelbaren sicheren Unterstützung dienen, inbegriffen sind
hierbei alle Anlagen, welche zur Verbesserung des Baugrundes oder zur gleich-
,mässigen Vertheilung der ungleichen Belastung nothwendig sind. Nur wenn
ein Gebäude auf zu Tage tretendem Felsengrund errichtet wird, dessen vr etter-
beständigkeit unzweifelhaft ist, kann ein Gebäude olme ein eigentliches Funda-
ment belassen werden.
Bei einem Gebäude mit unter der Erde liegenden Kellerräumen dienen
deren Mauern dem darüber sich erhebenden Mauerwerke zwar auch als Fun-
darnent , werden aber Kellermauern genannt, und nur ihre unter der Keller-
sohle liegenden 'I'heile erhalten den Namen Fundnmentmauern und bilden
Fundamente für die Kellermauem und im weitem Sinne für die höher
liegenden Etagenmauern. Giebt man den Fundamenten, wie dies häufig der
Fall ist, einen oder mehrere nach unten hin sich verstärkende Absätze, so nennt
man diese Ban q u e t t e oder Erd b ä n k e.
Da der Grund und Boden, auf dem ein Bauwerk errichtet werden soll,
nicht immer der Art ist, dass man ihn ohne weiteres' zum Daraufbauen ver-
wenden kann, so muss auf Mittel Bedacht genommen werden, denselben in
entsprechenJer 'IV eise zu verbessern, solche Mittel bestehen nun:
I. im Verdichten des Erdreichs vor dem Legen der Fundamente;
H. durch Bildung fester zusammenhängender Zwischenlagen zwischen
dem pressbaren Boden und dem Fundamentmauerwerke des Bauwerks ;
dies geschieht:
a) durch Stein-, Beton- oder Konkretschüttung,
b) durch natürliche Gesteine mit möglichst grossen Lagerflächeu,
c) durch Sandschüttung ;
In. dnrch Holzkonstruktionen, und diese sind:
a) der liegende Bohlen- oder Schwellrost,
b) der stehende Pfahlrost (Pilotage);
IV. durch Herstellung einzelner, bis auf den festen Grund abgetiefter
Pfeiler.
Das Ver die h t endes Erdreiches kann nur bei gleichmässiger Beschaffen-
heit des Untergrundes ausgeführt werden, und geschieht wohl' durch Au f-
bringen von Lasten, oder auch durch Schlagen mit gewöhnlichen Handrammen.
Eine solche Verbesserung des Baugrundes hat seiner Unvollkommenheit wegen
ein sehr beschränktes Feld, und möchte höchstens bei Gebänden Anwendung
finden, die mehr untergeordneter N atur sind.
Die Tragfähigkeit eines verdichteten Baugrundes durch eine auf die Fläche
f vertheilte Belastung P ergiebt sich aus der Formel
P
w=y.
Die "Wirkung eines solchen Stampfens mit der Ramme wird selbstverständ-
lich um so grijsser sein, je schwerer der Klotz und je grösser die End-
geschwindigkeit bei seinem Aufschlagen ist; hiernach ergiebt sich als Mass
des Effekts der Ramme das Produkt aus Schwere und Endgeschwindigkeit des
Rammklotzes, was durch die Formel
P= 9,5 G. c
ausgedrückt wird; wobei P den Druck in Kilogramman bedeutet, den ein
Quadratmeter verdichtetes Erdreich auszuhalten vermag, G bedeutet das Ge-
wicht des Rammklotzes in Kilogrammen, c einen der Fallhöhe h (in Metern)
entsprechenden Koefficienten.
Die folgende Tabelle giebt nach Rondelet die Werthe von c für ver-
schiedene Fallhöhen (h):
1
bei h in Werthe 11
bei h in Werthe 1
bei h in Werthe
:Meter für c Meter für c Meter für c
11 I1
--
I
Ii 2,60 I
0,32 11,47 32,37 4,87 44,30
0,65 I 16,20 I 2,92 34,34 5,20 45,76
36,19 11I
1
1,62 25,95 I
3,90 39,63 I 6,17 49,86
1,95 28,02 4,22 41,25 I, 6,50 51,15
2,27 30,28 4,55 42,80 i 7,80 56,03
i I
I I I
° Ein Beispiel möge hier Platz finden: Es lastet eme Mauermasse mit
~ 000 kg auf 1 qm Grundfläche; der vorhandene Rammbär wiege 150 kg,
wie hoch muss dieser Rammbär gehoben werden, um eine Pressung des Erd-
bodens zu bewirken, welche die betreffende Last zu tragen vermag?
20 000 .
Antwort:
9,5.150
= 14 = C; dieser Werth von centspricht emer
Fallhöhe von ca. 0,60 m,
Eine bedeutendere Stellung in der Verbesserung eines pressbaren Bodens
gestatten die sogenannten S t ein s c h t tun gen (Rammbeton); hierbei werden
ü
Falls; unter Umständen trägt selbst eine nur 0,50 m starke Schicht von
Rammbeton ein zwei Etagen hohes Gebäude.
Eine feste Unterlage für die Fundamente mit Zuhülfenahme einer Schlag-
ramme zu gewinnen, hat viele Schattenseiten, und so möchte auch in neuer
Zeit der Rammbeton mehr und mehr ausser Gebrauch kommen.
Die vorzüglichen und auch in so sehr grossen Massen produzirten Roman-
und Portlandcemente geben uns ein Mittel, schnell erhärtende und dann fest
zusammenhängende Massen auch olme die umständliche Rammarbeit herzu-
stellen, und wählen wir dazu Gemenge von Steinbrocken , Sand und vVasser~
mörtel, die dann B e ton - , K 0 n k r e t - oder GI' 0 b m ö r tel *) genannt werden.
Die Anwendung von Beton wird sich ohne Zweifel mehr und mehr verallge-
meinern, immerhin' bleibt es aber auffällig, dass gerade zur Fundation von Ge-
bäuden diese Gründungsmethode verhältnissmässig seltene Annahme findet,
während es vielen Orts vollständig gelungen ist, ganze Gebäude, und zwar
mehrstöckige, aus Beton herzustellen.
Dass Beton, richtig bereitet, in bezug auf seine Festigkeit mit den bessern
Bausteinen die Konkurrenz besteht, ist allgemein bekannt , ebenso auch die
Thatsache, dass der betreffende Erhärtungsprozess sich schnell und energisch
vollzieht und dass das erhärtete Produkt dem Wasser vollständigen Widerstand
entgegensetzt. Betonirungen erscheinen stets als vollständige Monolithen und
besitzen einen Zusammenhang, der bei keinem andern Mauerwerk in so hohem
Grade erreicht werden kann. Während jedes Mauerwerk, besonders das mit
Luftmörtel hergestellte, sehr lange braucht, bis seine Erhärtung sich vollzogen
hat - und dies ist in erhöhtem Grade von dem in der Erde sich befindenden
Mauerwerke der Fall - , so wird ein starkes "S ich set zen" der Gebäude-
massen schon in der Substruktion gar nie zu vermeiden sein, und dieses beun-
ruhigende Sichsetzen wird unter Umständen jahrelang fortdauern. Beim Beton,
der in kurzer Zeit Steinhärte besitzt, wird ein Sichsetzen, veranlasst durch das
Fundamentmauerwerk in sich, nie stattfinden können.
Bei der Herstellung von Betonfundationen ist auch darauf hinzuweisen,
dass dieselbe eine ungemein einfache Behandlung gestattet, und dass bei hohen
Steinpreisen -. wie sie gegenwärtig überall sich geltend machen - Beton-
fundationen billiger sind, wie solche- aus reinem Mauerwerk, besonders wenn
die Baustelle selbst beim Ausheben des Erdreichs Sand, Kies oder Gerölle
liefert. Den schätzenswerthesten Dienst leisten aber Betonirungen dann, wenn
Wasserzudrang bei den Fundationen sich geltend macht, weil in diesem Falle
das sonst so kostspielige Fortschaffen des Wassers gar nicht geboten erscheint.
Die Engländer, die den Beton Konkret nennen, setzen ihn zusammen aus
Mischungen von Portlandcement und Steinbrocken oder Kies, Schlacke, Kohlen-
asche und Sand, jenachdem von diesen Materialien einzelne leichter zu beschaffen
sind. Beim Betoniren selbst geht man so zu Werke, dass die Massen z, B.
1 Theil Portlandcement, 6 Theile Meeressand ,6Theile Abfälle von Bruch-
steinen abgemessen auf eine Bretterunterlage nur durch dreimaliges "U m -
s c h l a gen" mit der Schaufel, unter Zubringen des nöthigen Wassers gemengt
werden; die fertig hergestellte Betonmasse wird dann in die Fundamentgräben
hinabgeworfen, wodurch die Masse sich vollständig dichtet; die Erhärtung tritt
meistens nach 24 Stunden ein, und kann: oft schon nach Verlauf von einigen
Tagen mit dem Aufmauern begonnen werden .
. Dur eh a 11 s i r r i g ist die vielfach noch bestehende Ansieh! j dass rmn
*) Ueber die Geschichte des B:.~tons und über c1f:2Sen Anfe:c,tigm1[' und Verwen-
dung siehe: Phys. c:, Cl. zm. Beschafienheit der Baumaterialien VOl1 R. Gottgetreu.
H. Bam1. S. 268-271.
Einleitung. 19
acht Tagen eme Zusammenpressung von 0)259 111; dieselbe Last auf den
morastigen Boden der ändern Grube g'ebracht, verursachte innerhalb acht Tage
~ u
Fig. 8. Fig. 9.
eine möglichst groBse 'werde; auch ure Breite der Rostbcbohlung c lässt
man über das Banqnett um ;) bis 6 cm vorstehen.
Ist es nothwendig, die Langschwellen zusammenzusetzen, so darf dies nur
auf einer Grunclschwelle geschehen; sie erhalten dann entweder einen arm i l' t e n
Stoss , wie dies in Tafel II des Nähern dargestellt ist, oder sie werden mit
dem s c h r ii gen B 1a t t verbunden. Die Bebohlung, welche schliesslich auf
die Langschwellen aufgebracht wird, erhält ihren Halt durch Nagelung.
Auch beim Schwellrost, der selbstverständlich durchaus horizontal gestreckt
werden muss, greifen die einzelnen Hölzer bei sich abzweigenden Mauern und
an den Ecken der Bauwerke übe I' einander fort, wodurch in der Oberfläche
des Boblenbelags sich Höhendifferenzen ergeben, die, wie beim Bohlenroste,
durch Mauerwerk ausgeglichen werden.
Sind sämrntliche Schwellen verlegt, so füllt man die "R 0 s tf e l d er"
mit Sand, Kies oder Lehm aus, und stampft diese möglichst fest ein; besser
ist es, hier eine Mauerschüttung oder eine Ausmauerung mitte1st Bruchsteine
und Cementmörtel zu verwenden, am allerbesten aber ist es, zum Ausfüllen
Beton zu wählen.
Der in Tafel II zu lösenden Aufgabe liegt die Idee zu Grunde, das
Mauerwerk eines sehr ansehnlichen Gebändes durch einen liegenden Rost zu
fundiren, Von diesem Grundmauerwel'k, das auf einern Bruchsteinsockel sich
erhebt, ist eine Ecke der vier Stein starken Umfassungsmauern im Grundrisse
Fig. 1 sowohl, wie auch in der Ansicht Fig. 2 dargestellt, desgleichen eine
drei Stein starke Scheidemauer, welche unter rechtem 'Winkel sich an die Front-
mauer anschliesst und im Aufrisse selbstverständlich nicht sichtbar sein kann.
Um sich über eine solche Aufgabe klar zu werden, ist es nothwendig,
vor allem die verschiedenen Mauerprofile aufzutragen: Fig. 3 stellt das Profil
der Vorderfrontmauer, Fig. 4 das der Seitenfront und Fig. 5 das der Scheide-
mauer dar. Ordnet man nun für das Profil Fig. 3 den Bohlenbelag so an,
dass derselbe je 5 bis 6 cm über den Bruchsteinsockel vortritt, so wird sich
die beste Lage der diesen Rostbelag unterstützenden Langschwellen b b dadurch
ergeben, dass man sie bündig mit den Sockelkanten legt. Unter die Lang-
schwellen b b werden dann die Quer- oder Grundschwellen gestreckt, von beiden
Seiten die Langschwellen um 30 bis 50 cm überragend.
Von dieser Darstellung des Profils der Frontmauer lassen sich dann unter
Berücksichtigung der vorher entwickelten Konstruktionsregeln der Bohlenbelag
a a, die Langschwellen b b, die Grundschwellen C C leicht in den Aufriss Fig. 2
übertragen.
In gleicher Weise werden dann die Mauerprofile Fig. 4 und Fig. 5 be-
handelt, nur mit dem einzigen Unterschiede, dass hier der Rostbelag um die
Langschwellendicke von b b niedriger zu liegen kommt, denn nur hierdurch
wird es möglich, dass die Langschwellen eines liegenden Rostes in den
Eck- und Kreuzungspunkten der zu fundirenden Mauern sich gegenseitig über-
kämmen, was zur soliden Konstruktion absolut nothwendig erscheint.
Zur leichtern Orientirung sind die Bohlenbeläge , die Lang - und Quel'-
schwellen für die Profile Fig. 4 und Fig. 5 mit a' a' beziehungsweise mit b' b'
und c' Cl bezeichnet, und finden ausserd em auch bei ihrer Darstellung im
Grund- und Aufrisse dieselbe Bezeichnung.
Fig. 9 und 10 geben eine Detaildarstellung davon, wie eventuell die
Langschwellen entweder" ge s tos sen und arm i r t" oder durch ein schräges
Blatt mit einander verbunden werden; die Verbindung zwischen Lang - und
Grunc1schwellen findet durch die Verkämrnung statt.
23
In der Tafel II ist weiters noch eine Bohlenspundwand mit den n(ithigen
Details in den :Figg. 8 und 11 dargestellt, und bringt darüber Seite 27 das Nähere.
Als zulässige Belastung eines durch Schwallrost künstlich verstärkten Bau-
grundes wird per Quadratmeter 20000 bis 30 000 kg angenommen.
Beim s t ehe 11 den R 0 s t ~ P f a h 1 r 0 s t ( P i lot a g e) werden eine
Menge Pfähle ( GI' 11 n d P f ä h 1 e) mittelst der L ä u fe r - oder Ku n s t r a m m e
in den Grund getrieben; man schlägt diese Grundpfähle so lange, bis ihr
Stand so fest ist, dass sie bei der zu tragenden Last nicht nur nicht sinken,
sondern noch einen bedeutenden U eberschuss an Widerstand haben.
Die Last, welche jeder Pfahl zu tragen hat, lässt sich aus dem Plane des
Bauwerkes ziemlich genan ermitteln. Den festen Stand eines Pfahles aber be-
dingt die Grösse der Reibung der um den Pfahl gelagerten Erde, und daher
wird ein solcher um so fester stehen, je länger und dicker er ist, weil alsdann
die Reibung auf die Umfangsfläche , wenn sie gross ist, jedenfalls vermehrt
wird; auch je mehr Pfähle in den Baugrund eingetrieben werden, um so mehr
wir d sich das Erdreich verdichten und desto widerstandsfähiger wird es werden.
Um nicht einen unüberwindlichen Widerstand beim Einrammen der letzten
Pfähle zu finden, schlägt man dieselben von der Mitte des Rostes ausgehend ein.
In der Praxis bei unsern gewöhnlichen Gebäudeausführungen hält man es
für nothweridig, die Pfähle so lange zu scblagen, bis sie nicht mehr z i ehe n ,
man kann jedoch diejenigen Pfähle unter allen Umständen als fest betrachten,
die nach 10 bis 20 Schlägen mit einem 400 kg schweren Klotze nicht mehr
als 5 bis 8 cm in den Boden eindringen; jeder der Pfähle ist dann im Stande
17 500 kg zu tragen.
Nach S g an z i n ist ein Pfahl als feststehend zu betrachten und kann auf
die Dauer eine Last von 26000 kg tragen, wenn er bei Anwendung einer
Kunstramme auf 10 Schläge eines 650 kg schweren Klotzes bei 3,5 m Fallhöhe
nur noch 12 cm tief in den Boden eindringt, oder bei Anwendung einer Zug-
ramme ebenso tief bei 30 Schlägen und einer 1,2 m messenden Fallhöhe *).
Für die Druckfestigkeit eines durch Pfahlrost verstärkten Baugrundes wird
per Qua d r a t m e t e l' Grundfläche eine zulässige Belastung angenommen:
a) bei tiefstehendem Moorboden , der auf 0,6 qm
Grundfläche einen Pfahl von 5000 bis 7500 kg Kilogramm
Tragfähigkeit aufnimmt . 8000 bis 12 000
b) bei besserm Baugrunde, wobei auf 0,8 qm mit
vierfacher Sicherheit ein Pfahl von 25 000 kg
Tragfähigkeit **) zu rechnen ist . nahezu 30000
c) bei besserem Untergrunde und genügendem Ein-
treiben der Pfähle in die feste Bodenschicht 40000, bis 50000
d) bei festerem, durch Pfähle gedichteten Lehm,
Thon oder Sandboden bis ***) 70 000
*) Die Rammen können Zug-, Kunst-, D'a.m p f-, ja sogar auch Pulver-
ra111.111 en sein. Zugrammen haben 300 bis 1000 kg schwere Rammklötze von Eichen-
holz oder Gusseisen; ihre Tauscheibe von Holz oder Eisen hat 0,5 bis 0,6 111 im
Durchmesser ; die Hubhöhe beträgt 1,21Jis 1,5m. Kunstl'ammenmit500bis800kg
schweren Hammbären von Gusseisen besitzen eine Hubhöhe von 3,8 bis 7,5 m.
Die Na sm y t.h ls ch e Iram pfr a.mm e arbeitet mit Fallhöhen von 0,8 bis 1 mund
1000 bis 2500 kg schweren Hammbären , wobei auf die Minute 75 bis 100 Schläge
treffen. Bei den Zugrammen rechnet man per 50 kg Gewicht des Rammldotzes 3 Arbeiter.
*'*) entspricht dem Eindringen desselben um 25 111m durch den Schlag eines 700 kg
schweren Rammbären ·bei 6 m .F'allhöhe.
i<i<'frj DiA anzreifenden und widerstrebenden Kräfte von Dr. F. Heinzerfing. 1876.
24 Einleitung.
Soll die Tragfähigkeit der Pfühle durch Rechnung bestimmt werden, so bedient
man sich wohl der nachstehenden Formel:
Bezeichnet allgemein
J? das Gewicht des Rammklotzes,
11 die Fallhöhe" "
» das Gewicht des Pfahls,
s die Tiefe des Eindringens beim letzten Schlage,
N einen Sicherheitskoefficienten,
so beträgt (n. Brix) die zulässige Belastung pro Quadrateinheit der Rostfläche :
1 h p2 p
W= N . s(P+JJ)2'
Nach Eytelwein ist der Sicherheitskoefficient N = 4 zu setzen.
Die Tragfähigkeit pro P f a h 1 ergiebt sich aus den Gesetzen des un-
elastischen Stosses, indem man den 'Widerstand, den der Baugrund dem ein-
dringenden Pfahle entgegensetzt, berechnet. Dieser 'Widerstand findet sich unter
Beibehaltung der obigen Bezeichnung zu
p2 h I
TY=--·· --r-P+P,
P+p s
oder wenn man J? +p gegen den ersten Summanden vernachlässigt, annähernd
J?2 h
TV - --.--.- . -.
P+p s
Von diesem 'Widerstande nimmt man, je 118.ch der gewünschten Sicherheit,
einen Bruchtheil (l/10) als zulässige pro Pfahl treffende Baulast.
Beispiel. Es sei P = 400 kg ,p = 150 kg, h = 1,5 m, S = 0,001 m,
dann ist TV = 436 364 kg = 8727 Crr., also die pro Pfahl zulässige Belastung
= 872,7 C t r.
Die Pfähle eines stehenden Rostes, auch Grundpfähle genannt, werden
nach dem Ausheben des Grundes bis 60 cm unter dem niedrigsten vVasser-
spiegel in einzelnen Reihen in den Boden eingetrieben, wobei die Pfähle in
Entfernungen von 1 bis 1,5 m von einander zu stehen kommen; die einzelnen
Pfahlreihen werden 0,80 bis 1 m, höchstens 1,25 m weit aus einander gerückt.
Was die Stärke der Grundpfähle anbetrifft, so erhalten sie bei 4 m Länge
21 bis 24 cm Durchmesser; auf je 2 111 weiterer Länge hat ihr Durchmesser
um 3 cm zuzunehmen. In England und Frankreich werden meistens
Pfähle von 22 bis 25 cm Durchmesser angewendet; nach Perronet
sollen 4,5 bis 5,4 m lange Pfähle eine mittlere Stärke VOll
27 cm erhalten und auf jede Zunahme der Länge um 2 meine
Stärkenzulage von 6 cm; bei langen Pfählen möchte jedoch bei
2 m grässerer Länge eine Stärkenzunahme von 3 cm vollständig
genügen. Die Pfähle werden rund belassen und mit ihrem Wipfel-
ende nach unten eingerammt; der Rand des Stammendes wird
etwas abgekantet oder mit einem Pfahlringe versehen; sind die
Pfähle tiefer zu schlagen, als der Rammbär .fällt, so muss eine so-
genannte "J u n g fe r " oder ein "K n e c h t" mit Dorn und gemein-
samem Ring auf den Pfahl gesetzt werden) Fig. 11; am untern
Ende erhalten die Pfähle eine Spitze. deren Länae wohl das
Fig. 11. I ~ I Cl
1 1 2 - bis 2 fache des Durchmessers ist und entweder vier - oder
clreiseitig gear::'eitet in eine kleine stumpfe Pyramide ausläuft. 1st der Grund
Einleitung. 25
und Boden, den die Pfähle zu durchdringen haben, ein tl el 11' stennger , oder
stark mit verwachsenen ,Yurzeln durchzogen, so erhält jeder Pfahl einen eisernen
Schuh mit zwei bis vier Lappen und einem Gewichte von 2 bis 7 kg. Solche
Pfahlschuhe werden entweder aus Schmiedeeisen hergestellt und erhalten ihren
Halt durch starke Nägel, oder aus Gusseisen mit hohlem Kegel und innerm
Dorn, oder endlich aus beiden Materialien; in letzterm Falle 'wird eine guss-
eiserne Spitze von zwei Vförmig gebogenen, die vier Lappen bildenden Schienen
zusammengehalteil.
Dringen die Pfähle tiefer in den Grund, als zu vermuthen war , so wird
es nothwenc1ig, sie durch andere Pfähle zu verlängern, und dies geschieht
durch "aufpfropfen" mit oder ohne eiserne Bänder; wie dies in Tafel III
in Details dargestellt ist.
vVenn auch im allgemeinen die Entfernung der Grundpfähle zwischen
0,80 und 1,25 m als Maximum gewählt wird, so kann unter Umständen dieses
Mass auch wohl bis auf 1,80 m angenommen werden; dann aber müssen die
über die Pfähle gestreckten Langhölzer, welche dazu bestimmt sind, die Last
des Mauerwerks aufzunehmen, um so stärker gemacht werden. Was auf diese
vVeise durch Anwendung einer ,geringem Anzahl von Grundpfählen an Holz
und Rammarbeit erspart wird, gleicht sich durch die noth wendig grössere Stärke
der Traghölzer wieder aus.
Die einzelnen Pfahlreihen werden horizontal unter dem niedrigsten Wasser-
stande mitte1st einer Grundsäge abgeschnitten und erhält jeder Pfahl einen
starken Zapfen von nahezu 15 C111 Länge und 9 cm Breite; darüber werden
dann die La n g sc h w e l l e n oder Hohne mindestens 26 cm *) im Quadrat
stark mit den entsprechenden Zapfenlöchern gestreckt, ihr Stoss erfolgt allemal
auf der Mitte eines Grundpfahls, und muss derselbe durch Eisen armirt werden,
wie dies Fig. 12 zeigt.
Als Verbindung zwischen Grundpfahl und Holm wendet man wohl auch
den Grundzapfen an, der durch die ganze Höhe des Holms hindurch greift und
durch Anwendung von Keilen die schwalbenschwanzförmige Form annimmt. Fig. 13.
Die auf die Grundpfähle gezapften Langschwellen erhalten oft zur Siche-
rung ihrer parallelen -Lage rechtwinklig sich kreuzende Q u e r s eh w e l l e n
oder Z an gen; zur gegenseitigen Verbindung dieser Hölzer wird die Ver-
kämmung gewählt; die Zangen liegen 1,50 bis 2 m entfernt und greifen wohl
beiderseits 30 cm über die Holme hinweg; die Bohlen) mit welchen die Holme
schliesslich belegt werden, erhalten die Zangenlänge und werden 5 bis 7 cm
stark gewählt; im· Bohlenbelag stehen dann die Zangen gegen 9 cm über die
Bohlen vor.
Gleich dem Bohlen- und dem Schwellroste greifen auch beim stehenden Rost
bei den sich alJz\veigellc1ell Mauern oder an den Ecken eines Gebüudes die
Schwellhölzer übe r ein a n der fort und 'werden die Unebenheiten, die dem-
gemäss in der Rostoberfläche entstehen, durch Mauerwerk ausgeglichen.
Bevor die Bebo hlun o0" auf die Holme I?:ebraeht wird, hebt man
~ . die Erde
zwischen den Pfahlköpfen etwa 0,60 111 tief aus, und wird hier eine Stein-
schüttung und auch wohl eine vollständige Ausmauerung mit Bruch - oder
Ziegelsteinen hergestellt; einen grössel'l1 Zusammenhang gewinnt jedoch die
ganze Konstruktion durch die Betonirung, so dass sämmtliche Pfähle sowohl,
als auch die Schwellen förmlich im Beton eingebettet sind.
Statt der hölzernen Pfähle lIat man sich wohl auch der eisernen bedient,
und wurden dieselben mitteist
Rammen in den Boden getrieben,
was vielfach das Brechen der Pfähle
zur folge hatte; aus diesen Gründen
wurden die durch Mitchell erfundenen
Schraubenpfähle eingeführt; die
Schrauben. in verschiedener Form und
Grösse verwendet, dienen al~ Pfahl-
schuhe für hölzerne Pfähle und leisten
da, wie dies Fig. 14 darstellt, vor-
zügliche Dienste, wo dem Einrammen
von Pfählen unübersteigbare Hinder-
nisse entgegentreten; die Schrauben-
schuhe verlaufen in konische Spitzen
und besitzen vVindllngen von gleichen
Ganghöhen ; solche Schrauben werden
aber auch vielfach unmittelbar mit
Fig', 14. schmiedeeisernen oder gusseisernen
Pfählen verbunden. Eine Flachschraub e
mit gusseisernem Pfahl
s. Fig. 15. Umfassendere
Anwendung aber haben
die S chra u b en cy l i n d e r
aus Gusseisen (selten aus
Blech) gefunden; diesel-
ben bestehen aus Röhren
mit 0,30 bis 1 m Durch-
messer bei 25 bis 50 mm
vVandstärke und werden
Fig. 16:
aus einzelnen 2 bis 3 m
Fig-. 15.
langen Stücken mit innern
Flanschen zusammenge-
setzt, am untersten Theil ist eine Schraube mit 1 bis 1 1/ 2 cm allmälig an-
steigender Windung aussen angegossen, wie dies die Fig. 16 deutlich macht *) ;
übrigens richten sich Radius; Steigung und Anzahl der Sc:hrauLenumgällge nach
der Bodenbeschaffenheit des Baugrundes; bei 'weichem Boden verwendet man
Schrauben mit 1 m Radius und 0;25 bis 0,3 m Steigung; während man für
festen Boden der Schraube 0,6 m Radius und 0,2 bis 0,3 m Steigung giebt.
Werden in der Nähe des ,Yassers oder unmittelbar an demselben Rostbauten
ausgeführt, so muss man, um das Unterspülen des Rostes zu verhindern, sowohl
beim liegenden als beim stehenden eine S p und w a n d anordnen. U eberhaupt
ist eine solche stets ein sehr bewa.hrtes Sichernngsmittel auch da, wo es sieh
darum handelt, das komprimirte Erdreich eines Bauplatzes zusammen zu halten.
Dergleichen Spundwände sind entweder B 0 h 1 e n s p und w n deoder
ä
L-
I
II 11
<,
'I
111'1
:1,
111
11
I,
I~
Fig. 18.
Fig. 17.
nach Fig. 19 innig mit. einander verbunden werden: da ja beim stehenden Rost
ein nachträgliches Setzen ausgeschlossen erscheint.
Müssen Spundwände sehr tief
o'oschlae:en werden und haben die-
~elben Weinen grossen vViderstand zu
leisten, oder treten sie tragend auf,
so schlägt man wohl Hn die Ecken
Spundpfähle von besonderer Stärke,
lässt andere l2:leichstarke in Ent-
<.
sowohl, wie auch in den Aufriss übertragen, und ist dies unter Zuziehung der
gleichen Buchstabenbezeichnung geschehen.
Hierauf schreitet man zur Anordnung des Rostbelages für die Proflle
FicrO'. 4 und 5 in derselben \Veise, wie bei Fi2.'. 3. nur mit dem Unterschiede,
~o ~ I
dass hier der Rosthohlenbelaz eine etwas höhere Lage erhält. denn nur hier-
0 0 1
Fig. 21.
Statt der Mauer - oder Senkbrunnen werden auch wohl Sen k k ast e n ,
aus Holz gezimmert, besonders da, wo man es mit fliessendem Wasser zu
thun hat, verwendet; man senkt sie entweder auf den vorher abgeebneten
Boden, wenn derselbe aus Kies, Sand oder festem Thon besteht, hinab, oder
sie finden ihr festes Auflager auf einem vorher geschlagenen und unter dem
Wasser abgeschnittenen Pfahlrost. Die Höhe der Kästen macht man nicht
über 5,5 bis 7 m, wobei durch U ebereinandersetzen eine Tiefe von 12,5 bis
14 m erreicht werden kann ; wie die Senkbrunnen , werden sie entweder mit
Beton oder Bruchsteinmauerwerk ausgefüllt, und zuletzt mit Mauerbögen
überspannt.
.. ~) Ueber Fundirungen mit Senkbrunnen, nebst Beschreibung einiger Fälle a1,S der
Pl',X1S siehe Zeitschrift für Bauwesen, J ahrg-ang 1875. S. 297.
Einleitung. 31
Geschichtliche Notizen.
Zü den Mauern aus künstlichen Steinen sind in erster Reihe die aus
Ziegeln hergestellten zu erwähnen; die Technik des Ziegelbaues ist eine uralte
und möchte deren Heimath in Asien zu. suchen sein und speziell in jenen
Ländern ,die vielfach als .die ältesten Kulturstätten der Erde sich ergeben
haben, wie China, Japan, Hinterindien. . Die ältesten unserer Zeit überlieferten
Ziegelbauten entstammen dem alten Pharaonenlande Aegypten; dort wurde erst
in neuerer Zeit in einer Tiefe von 20 bis 24 m (unter der mittlern Durch-
schnittsebene des Ni1s) eine 8 Meilen lange Ringmauer entdeckt, die nach
den vorhandenen Terrainverhältnissen in einer Zeit errichtet sein muss, die
weit zurück in die Mythenzeit fällt, sodass sich für dieselbe ein Alter von
über 10 000 Jahre vermuthen lässt.
Bei den Aegyptern wurde das Bauen 'mit Nil z i e ge In (Lehmsteinen)
in grossem Mass stabe betrieben, und erfahren wir aus Herodot *), dass der
Kern der meisten Pyrnmiden ans solchem Material hergestellt war, während
König Asychis selbst eine der grössten Pyramiden erbaute, die nur aus Lehm-
steinen bestand; Nilziegel wurden auch in Keilform zum Einwölben der
durch Steinbalken gebildeten Deckenfelder und anderer Bogenöfiimngen ver-
wendet und reichen solche Konstruktionen zwei bis drei Tausend Jahre v. Chr.
zurück.
Die Technik, mit g e b r a n n t e n Ziegeln zu bauen, scheint zuerst von
den Babyioniern in grossartigem Mussstabe betrieben zu sein, und giebt auch
hierüber Herodot *) ausführliche Mittheilungen , wobei unter anderm der Ring-
mauer gedacht wird, die Babyion umgab, und die 50 Ellen Breite und
200 Ellen Höhe hatte. Dass in Babyion die Technik des Ziegelbaues auf hoher
Stufe stand, erfahren wir auch aus Diodor, welcher der Bauten der Semiramis
und des Nebukadnezar gedenkt, die aus gebrannten Steinen mit Basreliefs ge-
ziert waren und Thiere von allen Gattungen mit ihren natürlichen Farben dar-
stellten.
Auch die Griechen bedienten sich des Ziegelbaues in sehr vielen Fällen,
nach Pli n i u s **) zogen sie, "ausser wo man mit natürlichen Steinen bauen
konnte, für Mauern die Ziegelsteine vor, weil sie von ewiger Dauer sind, wenn
sie senkrecht stehen; daher haben sie ihre öffentlichen Gebäude und ihre
Königsburgen auf diese Art erbaut, so auch die Mauer bei Athen, welche die
Richtung nach dem Berge Hymettus hat".
Nach Pausanlas ***) bestanden die Festungsmauern Mantineas im Jahre
362 v. Chr, aus Lehmsteinen , und nach Böttcher und Poppe hatte auch das
alte Erechteum Backsteindetails und wurde erst nach der Zeit der Perserkriege
in Marmor umgebaut.
Die Römer unterschieden Lateres und Testae, erstere waren Lehmsteine,
die an der Sonne getrocknet waren, während letztere aus einer gebrannten
Lehmerde bestanden. Von den La te r e s hatte man (nach Plinius) drei
Arten: "die lydische (Lydion) , deren wir uns bedienen, ist anderthalb Fuss
lang und einen Fuss breit; die andere heisst Tetradoron, die dritte Pentadoron ;
sie haben ihre N amen nach den vier oder fünf Handbreiten ihrer verschiedenen
Grösse; die Breite ist dieselbe. In Griechenland nimmt man zu Privatgebäuden
die kleineren, zu öffentlichen die grösseren; für Gebäude hält man nur die
zweijährigen für gut". Da weder Plinius noch Vitruv t) die Dicke der Steine
angiebt, so wird von Vielen angenommen, dass die Lehmsteine in bezug auf
ihre Dicke den gebrannten Steinen ähnlich waren. Dies wird namentlich von
Rondelet widerlegt, der nachzuweisen sucht, dass die Lehmsteine die kubische
Form hatten, in folge dessen sie auch eine so sehr lange Zeit zum Trocknen
bedurften. Aber, auch Vitruv sagt: "was n a c h j e d e r Sei te fünf Hand-
breiten misst, wurde Pentadoron, was vier misst Tetradoron tt) genannt."
Zum Verbande verwendete man H'a 1b z.i e g e l , also halbir te Würfel.
Die geringste Dicke, welche die Griechen ihren Mauern gaben, war die
eines Lehmsteines , den gemeinschaftlichen Mauern gaben sie anderthalb und
den dicksten zwei Steine zur Mauerdicke.
Von gebrannten Ziegeln geht eine umfassende Anwen-
dung jedoch keineswegs über das Zeitalter der Kaiser-
r e gi e run g hin a 11 S und scheint das Pantheon (die Thermen des Agrippa)
das älteste mit diesem Material erbaute Denkmal zu sein. Dasselbe war jedoch
mit sehr dickem; quaderartigen Putz bekleidet. Das Mausoleum des Augustus,
die heutige Engelsburg, dann die Pyramide des Cestius sind ebenfalls Back-
steinbauten mit Marmor bekleidet.
Unter den wirklichen Ziegelrohbauten nimmt der von Nero erbaute Aqua-
dukt die erste Stelle ein; hier bestehen die kühn geschwungenen Rundbögen
aus zwei übereinander gewölbten Ringschichten , deren hellfleischrothe Ziegel
ein vorzügliches Material bekunden.
Die römischen Ziegel waren vorherrschend quadratisch geformt und zwar
in drei verschiedenen Grössen:
die grössten Ziegel hatten eine Seitenlänge von 596 mm und waren 50 mm dick,
die mittelgrossen " " " "447"",, 45" "
die kleinen "" " "199"",, 40" "
Zur Herstellung des Verbandes bediente man sich der halben (oblongen)
Ziegel (semilateres), oder man theilte sie in der Richtung der Diagonale, wo-
durch die Dreieckform sich ergab; oder auch in der Richtung der beiden
Diagonalen,
Die massiven Ziegelmauern wurden 1, 1 1/ 2 und auch wohl 2 Steine
stark gemacht; solche Verbände zeigen die Figg. 22, 23 und 24, zu
deren Verband halbe Steine in rechteckiger Form verwendet sind; häufig
erhielt die Mauer auch die Stärke, welche sich aus der Diagonallänge des
Quadrates ergiebt, und ist ein derartiger Verband in Fig. 25 dargestellt.
~~ :J
--"===:Je
!
11
I
i
::::::==Jt
=, ][
31
=, IL
11
*) Nach Diodor (Liber I, c. 57) liess Sethos in Theben etwr um das Jahr 1400 v, ChI'.
einen Obelisken VOll 120 Ellen Höhe err.chten , von dessen Existenz jedoch unsere
gegenwärtige Zeit nichts weiss.
.,*
o
36 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.
Fig. 26.
Fig. 27.
einzelnen Steine eine gleiche Höhe von nahezu 50 cm, während die Länge
variirt und auf einen richtigen Fugenwechsel noch gar keine Rücksicht ge-
nommen ist. Die spätere Zeit
bringt erst, bei den Griechen
/ /
sowohl als bei den Römern,
den ausgebildeten kunstgerechten
Quaderbau ; seinen Höhenpunkt
findet derselbe im Tempelbau,
auf den hier spezieller einzu-
gehen nicht möglich ist.
Der einfachste Quaderver-
band ist der t(JOoOfWr;; der Fig.28.
Griechen oder das opus isodo-
num der Römer; hier besteht
die Mauer aus durchaus gleich /----/
/
hohen Schichten bei gleichen
Steinlängen ; solche Mauern
wurden je nach ihrer Dicke
aus einer, zwei oder wohl aus
drei Quadern konstruirt; und
in den letzteren Fällen wurden
dann Quaderstücke nothwen-
dig, die durch die ganze Dicke Fig. 29.
der Mauer als durchgehende
Binder hindurchgriffen, welche
die Griechen OWTOVOVr;; nannten.
Dieser Verband für Mauern
von ein, zwei und drei Quadern
Dicke stellen die Figg. 28, 29,
30 dar.
Die Figg. 31 u. 32 (S. 38)
zeigen denVerbandaus Schichten
I
von zwei verschiedenen Höhen
abwechselnd aufeinander ge- [I' .~I~_~..!..--.:!'
setzt; die kleinem Steine hatten F\g.30.
38 1. 11 aurer- und Steinmetzarb eiten.
meistens zwei Drittel der Dimensionen der grossen , sodass abwechselnd drei
Steine der kleinen und zwei Steine der grossen zur Dicke der Mauer erforderlich
sind, was eine doppelte Verbindung im Innern und Aeussern bewirkt; dieser
Verband wurde von den Alten Pseudoisodonum genannt.
In alten Bauwerken;
z. B. in der pästanischen
Mauer (Fig. 33), erschei-
nen zwar alle Quader-
steine regelmässig ge~
schichtet, aber es greift
oft eine Schicht in die
andere über, indem die
sich begegnenden Steine
alsdann durch Einschnitte
eingehakt wurden; solche
Fig. 33. Anordnung finden wir
bei den Tempelsub-
struktionen von Sicilien fast durchgängig.
Fig. 34 giebt die gleiche Anordnung bei der Mauer der alten griechischen
Stadt Argos an der Küste des adriatischen Meeres im Golf von Larta gelegen **).
Fig. 34.
*) Abeken.
**) Rondelet, Tom. II, eh. 1.
Arbeiten des Holibaues. 39
Fig-. 35.
das bereits erwähnte Mauerwerk von Bovianum (Fig. 36) als solches betrachten j
an andern Orten und in spätem Zeiten verwendete man zu diesem Mauerwerke
kleine Tuffsteine von unregelmässiger Form, bei" denen von vornherein die
Unmöglichkeit einer horizontalen Schichtung gegeben war. Das Opus incertum
wurde stets an den Ecken und am Schlusse" mit anderm, horizontal geschichteten
Mauerwerk eingefasst, wie dies in den Figg. 37 und 38 dargestellt ist.
Mit grosser Vorliebe verwendeten die alten Griechen und Römer das
gemischte Mauerwerk fpnAcXT01J, das aus Elementen von verschiedener Form
und Beschaffenheit zusammengesetzt war und deren Verbindung hauptsächlich
durch Mörtel bewirkt wurde.
So wurde~ durch Mischmauerwerk alle jene Fundamente hergestellt, welche
zu dick waren, als dass die Steine der entgegengesetzten Mauerhäupter sich
hätten aneinanderfügen oder überbinden können jes wurde die Mitte der Mauer
dann mit rohen Mauersteinen ausgefüllt j um dieser Konstruktionsart mehr
Solidität zu geben, verband man die gegenüberstehenden, das Füllmaterial ein-
fassenden Mauern mitteIst durchgreifender einzelner Anker - oder Bindersteine
(diatonus),
Vitruv tadelt diejenigen, welche, nachdem sie die äussern Mauertheile
Arbeiten des Roh1)rlues. 41
mitteist Quadern, Bruch - oder gebrannter Steine aufgeführt hatten, die Füll-
masse aus Mörtel und umegelmässig grossen und kleinen Steinen olme weitere
Sorgfalt zum Ausfüllen einbrachten; ein solches Mauerwerk kann unter Um-
ständen als total unbrauchbar sich erweisen.
Das Füllwerk soll stets aus kleinen Steinen, kleiner als eine Faust, be-
stehen und sind diese womöglich recht gleichmässig in die Mörtelmasse einzu-
betten, so dass die Märtelquantität mit dem Volumen der kleinen Steine ver-
glichen etwas weniger als die Hälfte beträgt.
So scheint das Füllwerk, das wir in römischen Ruinen vielfach vorfinden,
und sich bis heute vorzüglich erhalten hat, schichtenweise ausgeführt zu sein,
indem in die flach ausgebreitete Mörtelmasse die einzelnen Steine von ziemlich
gleichmässiger Grösse "a 1s Pa c k un g" eingelegt wurden.
Solches Mischmauerwerk , Emplekton , erhielt entweder Einfassungen von
Haustein , von Bruch-
steinen oder auch von
gebrannten Ziegeln, die
Figuren 36, 37, 38 geben
hierüber Aufschluss. Bei
Anwendung von gebrann-
ten Steinen wurden in =-----'1
*) Siehe diese.
42 1. Maurer- und Steinmetzcubeiten.
bedeutender Zeit- und Kostenaufwand; über alle diese Schwierigkeiten half das
Emplekton den praktischen Römern hinweg! Dabei hat es sich vorzüglich
bewährt; die kleinen Tuffsteinehen sind von der Mörtelmasse , die steinhart
geworden ist, nur mit grösster Gewalt zu trennen; wir haben es hier förmlich
mit Monolithen zu thun , die oft ihrer Bekleidung beraubt der Zerstörung der
Athmosp härilien Jahrhunderte lang vollständig widerstanden haben, abgesehen
VOll dem guten Zustande jener Bauwerke, die seiner Zeit restaurirt , aus der
römischen Kaiserzeit stammend, noch heut zu Tage bestehen !Bei der Aus-
führung des Emplektons wurde übrigens auch das Füllwerk oft ein ge s ta m p f t ,
und dies geschah fast durchweg bei Fundationen, indem die vertikal ausgehobenen
Fundamentgräben dann selbst die widerstandsfähige Form bildeten, in welche sich
ohne weiteres das Füllwerk einstampfen liess, Hierbei wurden nahezu 15 cm
hohe Mörtelschichten gegeben, auf diese eine gleich hohe Schicht kleiner
Steine ausgebreitet und dann das Ganze scharf ), a b ger a m m t ". Hatte der
Fundamentgraben nicht Widerstandskraft genug, dem Seitendrucke, den das
Rammen veranlasste, zu widerstehen, so wurde er mit einer Bretterwand unter
Zuhülfenahme hölzerner Pfosten vorher ausgefüttert. An vielen alten römischen
Fundamenten lässt sich noch heutzutage diese S t am p ft e eh ni k aufs Eviden-
teste nachweisen *).
Bei Mau ern übe l' der Erd e w u r d e das Füll wer k n 11 r dan n
ein ge s ta m p ft, wenn die Mauereinfassungen aus grossen widerstandsfähigen
Steinquadern bestanden; hatte die Mauereinfassung die genügende Widerstands-
fähigkeit nicht, so begnügte man sich damit, 3 bis 4 cm starke Steinlagen in
den erforderlichen Mörtel schichtenweise übereinander auszuführen, wobei alle
Steine in ganz regelmässigen Lagen flach in den Mörtel eingebettet wurden.
Die oft ausgesprochene Ansicht, dass das Emplekton identisch sei mit einer
ans Mörtel und Steinen hergestellten _Gussmasse , ist von Choisy eingehend
widerlegt.
Mau ern aus g e s ta m p f tel' Erd e (P i s e) sind bei den alten Grie-
chen und Römern nicht gang und gäbe gewesen; Plinius **) spricht davon als
etwas Aussergewähnlichem: "vVerden nicht in Afrika sogenannte Formwände
aus Erde ausgeführt, die man so nennt, weil man die Erde zwischen zwei
umgebende Bretter mehr stampft als wirft, und welche mit der Zeit so hart
werden, dass sie von Regen, 'Wind und Feuer nicht leiden und fester als
aller Mörtel sind? Noch jetzt sieht man die Warten Hannibals in Hispanion
und Thürme von Erde, die auf den Höhen der Berge aufgeführt sind."
*) Spezielles über diesen Gegenstand giebt August Ohoisy's: L'art de batir chez
les ROl11ains. Paris 1873.
**) Plinius, Liber 35, calJ. 14.
Arbeiten des Rohbaues. 43
können, gieht man denselben eine parallelepipedischo Form und zwar in der
Art, dass zwei ihrer Breitseiten mit der dazwischen liegenden Fuge genau mit
der Länge übereinstimmen; diese Massverhältnisse müssen aufs strengste ein-
gehalten werden, während die 'Vahl der Stärke der künstlichen Steine und
deren anderweitige Grössenverhältnisse vielfachen Schwankungen unter-
worfen sind.
Obwohl man sich in Deutschland in den meisten Staaten im allgemeinen
über ein Backsteintnass geeinigt hat, nämlich 250 mm Länge, 120 mm Breite
und 65 mm Dicke, so werden doch vielfach auch Backsteine mit andern Dimen-
sionen verbaut; in München hält man noch immer fest an den Steinen, die
nahezu dem frühem Fussmasse entsprechen, und diese sind 300 mm lang,
144 mm breit, während ihre dazwischen liegende Fuge 12 mm
in Anspruch nimmt; andern Orts in Bayern werden wohl noch
Backsteine von 340 mm Länge, 164 mm Breite und 66 mm
Dicke vermauert, während in Norddeutschland, besonders aber in
Holland, Backsteine verwendet werden, die 200 mm Länge,
95 mm Breite und 55 mm Dicke haben; demnach ist man
wohl berechtigt, von Backsteinen g r 0 S se r, mit tl e r er und
k lei n er Form zu sprechen.
Betrachtet man einen der in nebenstehender Fig. 40 dar-
gestellten Backsteine, so nennt man seine Seite a: die Läufer-
seite, seine Seite h : die Bieder- oder Streckerseite.
Eine Mauerschicht, in deren Aussenfläche lauter Läuferseiten
sich sichtbar machen, wie in c c Fig. 41, nennt man L ä u f er- Fig. 40.
s chi c h t und jeden' einzelnen Stein einen L ä u fe r; diese
wechseln in der Regel mit den S t re C k e r - oder B i e der sc h i c ht e n regelmässig
ab, und jeder hier liegende Stein wird S t re c k er oder B in d er genannt;
werden Backsteine in einer
Mauer auf die hohe Kante ge-
stellt, wie dies in e e darge-
stellt ist, so entsteht eine
Roll s chi c h t und j edel' der
c
einzelnen Steine ist dann ein
Roller. c
Bei den F u gen unter-
scheidet man in jedem Back-
steinmauerwerk die Lag er - Fig. 41.
f'u gen, d. h. diejenigen Mörtel-
bänder, auf welchen der Stein auf'lagert, und die S tos s fu gen, welche eme
vertikale Stellung haben und die einzelnen Steine seitlich mit einander ver-
binden; während man den Stossfugen bei normalem Mörtel eine Stärke von
10 mm giebt, erhält die Lagerfuge wohl solche von 15 mm.
Bei allen B a c k s t ein mau ern ist nun vor allen Dingen darauf zu
sehen, dass in den unmittelbar aufeinander liegenden Steinschichten ein regel-
mässiger Ver ban d streng eingehalten wird; hierbei dürfen Stossfugen nie
unmittelbar aufeinander treffen . . Um einen regelmässigen Verband durchführen
zu können, ist es nothwendig, Drciviertelsteine, sogenannte D r e i qua r t i e r e ,
zu besitzen, die meistens vom Maurer mit dem Hammer zugehauen werden,
weit besser und äusserst empfehlenswerth ist es jedoch, solche Dreiquartiere von
den Ziegeleien zu beziehen.
Die Stärke der Backsteinmauern bezeichnet man fast allgemein nach der
44 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.
Anzahl der Backsteine, aus welcher sie sich zusammensetzt, man sagt dem-
nach: eine 1 Stein, 1 1/ 2 Stein, 2 Stein etc. starke Mauer.
Die Regeln bei Anordnunz eines richtigen Backsteinverbandes mögen hier
sofort an einem bestimmten Beispiele erläutert werden: eine 1 1/ 2 Stein starke
Mauer stösst mit einer 2 Stein starken im rechten Winkel zusammen und stellt
Fig. 42 zwei übereinander liegende Sciiichten dar.
I~
r-II
~~
I~
~I
(l'
~ I
:~ }W
d'
~
~
~ I a:
.1~1~1~I%Jff@$
.~IIII~lljllll~
·I~~~~~ %~~
c .~I~I~I~
b
Fig.42·
Die hier zu beobachtenden Regeln machen sich in Folgendem geltend (Fig. 42):
1. Die innere Kante der Mauer bildet abwechselnd eine durchlaufende Fuge
x x und Xl x';
2. die von diesen Fugen begrenzten Mauern werden jede mit so viel
Dreiquartieren angelegt, als sie halbe Steinstärken besitzt, deshalb sind
bei a drei, bei a' vier Dreiquartiere anzuordnen;
3. wo das an der Ecke liegende Dreiquartier seine Läuferseite b zeigt, folgen
die weitem Läuferschichten nach; da, wo das an der Ecke Hegende
Dreiquartier seine Streckerseite zeigt, wird mit einer durchgehenden
Streckerschicht fortgefahren;
4. an einen Läufer wird bei Mauern, die mehr als ein Stein stark sind,
ein Strecker angereiht, wie dies in d d d der ersten, und in d' d' dl der
zweiten Schichte sichtbar ist. Hierbei lässt man die Stossfngen, insoweit
es der Fugenwechsel gestattet, durch die ganze Stärke der Mauer hin-
durchgreifen;
5. in der Regel wechselt im Aeussern der Mauer eine Läuferschicht je
mit einer Streckerschicht ab.
Lässt man die beiden eben in ihrem
Verbande dargestellten Schichten abwechselnd
aufeinander folgen, so bildet sich ein Mauer-
körper, dessen äussere Ansicht in der Fig. 43
dargestellt ist, und giebt diese ein Bild von
jenem Verbande, der unter dem Namen
BI 0 c k v erb a n dbekannt ist. Wird die
Mauer nach der einen Seite a a hin als
unvollendet gedacht, so ergiebt sich hier
eine sogenannte Ver z ahn u n g (Schmatzen)
Fig. 43. von regelmassig gleichen, vor - und rück-
Arbeiten des Rohb,-mes. 45
11 Schi cht
Fig. 45.
46 1. ,Maurer· und Steinmetzarbeiten.
Fig.46.
ein Viertel des Steins vortritt; hier ergiebt sich der U ebelstand , dass ein
Viertelstein -- ein sogenanntes Quartierstück durch den Hammer zugehauen -
den betreffenden Anschlag mit zu bilden hat; da die Anwendung so kleiner,
noch dazu mit dem Hammer hergestellter Steinstücke sicher nicht zur Solidität
des Mauerwerks beitragen kann, so ist
auch hier sehr erwünscht, für die Her-
stellung von Anschlägen eigens geformte Steine
von den Ziegeleien zu beziehen, und würde sich
dann der Verband von Fenster und Thür-
anschlägen nach Fig. 47 gestalten ;'die erforder-
lichen Anschlagsteine sind mit a bezeichnet.
. An sehr vielen Orten verwendet man,
um einen richtigen Backsteinverband
herstellen zu können, der Länge nach
getheilte Backsteine, die man dann wohl
Kopfstücke (Riemchen) nennt. Um diese
a ct zu beschaffen, ist es nothwendig , einen
Fig. 47, Backstein seiner ganzen Länge nach zu
spalten, wie dies die Fig. 48 andeutet; würde
ein solches Spalten auch allemal gelingen, was keineswegs der Fall ist, so
wird solches mit dem Hammer erschüttertes kleines Steinstück nur einen äusserst
geringen Grad von Festigkeit besitzen, und eignet sich demgernäss
P
I
"1
" n Ij
in keiner Weise zur Ausführung eines durchaus soliden Mauerwerks;
" I
"
"
" ,I
I
ganz zu verwerfen ist es für den so wichtigen Eckverband, der mit
I: : I
}i--}--
. " Kopfstücken ausgeführt in umstehender Fig. 49 dargestellt ist: Die
Fig. 48. schraffirten Stellen geben den Raum an, in welchem die sogenannten
Arbeiten des Rohbaues. 47
Fig. 49.
um je einen halben Stein zu verstärken) sondern nur um je einen Viertel Stein) wie
dies bei der Besprechung der Mauerstärken spezieller nachgewiesen werden wird.
--I' I - I J I I
ITI 1
1
I
I
I
I
I
I
I
, I
I
I I
I ' I I I I I I I I I I I
I I I I I I I I I I I
\ I I I I I I I I I l- I
I I I I I I I I I I I I ,I
I I I I I I I I I I I
Fig. 55.
:L\ oc]: ist hier die Bemerkung anzuknüpfen. dass die porösen Baumaterialil'll
eine grosse Wärmekapazität besitzen; das Material. einmal angeheizt, behält die
Wärme geraume Zeit und lässt sie nur langsam ins Freie gelangen, während
die von aussen eintretende Luft in den Poren des Materials vorgewärmt in den
Innenraum tritt.
Am Schlusse der Besprechung übel' Mauern ans Backsteinen ist noch der
Einfluss hervorzuheben , der sich geltend macht, wenn eine. Mauer aus gut
gebrannten neuen Steinen und gutem Kalkmörtel ausgeführt wird; bei der Er-
härtung des letztem wird sich nämlich die auf der Oberfläche der Backsteine vor-
handene aufgeschlossene kieselsaure Thonerde mit dem Aetzkalk des Mörtels chemisch
verbinden und eine dünne Schicht von kieselsaurem Kalk bilden, die ungemein
fest sich nur durch Aetzung vom Stein entfernen lässt. Je vollständiger sich
diese... wenn auch nur sehr dünne Schicht von kieselsaurem Kalk bilden kann...
desto fester, tragfähiger und dauerhafter wird sich das Mauerwerk erweisen,
und beim Abbrechen von Mauern ist es diese Schicht, welche meistentheils
eher ein Zerbrechen der Steine als ein Siehtrennen in der Fugongrenze be-
wirkt. Bei alten, schon einmal gebrauchte1} Steinen wird sich die erwähnte
Schicht nicht zum zweiten Mal bilden können, und ist dem entsprechend von
Mauern aus schon gebrauchtem Backsteinmaterial kein günstiges no r mal e s
Festigkeitsresultat mehr zu erwarten.
D eberhaupt hat die chemische Beschaffenheit der Bausteinoberflächen auf
die Festigkeit der betreffenden Mauern einen nicht zu unterschätzenden Einfluss,
besonders bei Anwendung von gewöhnlichem Kalkmörtel. vYährend aus der
Lehre der Verbindungsmaterialien bekannt ist) dass gewöhnlicher Kalkmörtel
auf reinen Quarz nicht chemisch umgestaltend wirkt, wohl aber auf den Feld-
spath (kieselsaure Thonerde und kieselsaure Alkalien), indem sich hier auch
kieselsaurer Kalk bildet, so wird eine Mauer aus Quarzsandstein keineswegs
eine so innige Verbindung mit dem Kalkmörtel eingehen, wie eine Mauer aus
solchen Gesteinen, in denen Feldspath einen hervorragenden Bestandtheil bildet;
der beste Erfolg würde in dieser Beziehung von den traohytisehen Gesteinen
zu erwarten sein, weil diese vorherrschend aus Feldspath bestehen. Bei An-
wendung von Cementen hat man freilich auf eine so in ni geBindeschicht
zwischen Mörtel und Stein zu verzichten, da in den seltensten Fällen in diesen
Verbindungsmaterialien so viel freier Aetzk alk vorhanden ist und vorhanden
sein darf, tun mit der lösbaren Gesteinsoberiiäche sich wirksam und energisch
verbinden zu können.
Insofern wird bei llerstellung von Mauern ein guter
Lu f t m ö r tel v o I' a l l e u an d ern 1\1 ö r tel a r t e n d e n Vor zug ver -
d i e n e 11.
gesetzten Falle werden die Steine sich auf bl ä t tel' n und leicht verwittern.
D ebrigens lassen sich die meisten Bruchsteine, wenn auch nur in roher "Y\T eise, mit
dem Mauerhammer so zurichten, dass die Stossfugen nahezu eine vertikale Richtung
erbalten können. Erfordert das Bruchsteinmauerwerk auch weniger Kunst, so
gehören doch immerhin gellbte Arbeiter dazu, die es verstehen, die einzelnen
Steine geschickt zu vertheilen und sie so mit einander in Verband zu bringen,
dass sie sich nicht ungleichmässig setzen.
Viel schwieriger wird es, ein Mauerwerk herzustellen aus grösseren Find-
lingen (Geröllen und G eschieben), wie dies wo hl hin und wieder auf dem
Lande gefordert wird, wo weit und breit kein besseres Steinmaterial zur Hand
ist. Bei der abgerundeten Form dieser Steine ist es nicht möglich, einen auch
nur annäherungsweise regelmassigen V erband in die Mauer zu bringen und es
erhält das Ganze mehr oder weniger seinen Halt durch den Märtel, der dann
nahezu den dritten bis vierten Theil der Mauer einnimmt. Bei diesem höchst
primitiven Mauerwerke hat man sich darauf zu beschränken, soviel wie irgend
thunlich ist, eine horizontale Schichtung mit gl'össtmöglichem Wechsel der Stoss-
fugen herzustellen, wobei eingelegte Bin cl e r - oder A n k e r s te i 11 e so tief
wie möglich in die Mauer einzugreifen haben; alle Hohlräume müssen
mit Z w i c k e 1 s t ein e 11 verkeilt werden und kann man sieh hier mit
Erfolg der Ziegelbruchstücke be-
dienen. Hauen die abgerundeten
Findlinge grosse Dimensionen, so
zerschlägt oder zersprengt man sie,
wodurch lagerhaftere Flächen ge-
wonnen werden. Einigermassen
scharfkantige Ecken mit solchem
Material zu erzielen ist durchaus
unmöglich, und daher bildet man
solche Ecken wohl aus gebrannten
Steinen, Iässt die einzelnen
Backsteinschichten mit den Roll-
steinschichten einen Verband bil-
den und stösst sie stumpf dagegen
(Fig. 61). Auch hat man vor-
geschlagen, diesem Mauerwerke
dadurch eine solidere Konstruktion Fig. 61.
56 L :'.Llurer- und StejnllletzarlJi3iti3~1.
zu geben, dass man in Entfernungen von 0,60 bis 0,90 III horizontal gelegte
Backsteinschichten durch die ganze Stärke der Mauer durchlegt. Fig. 62 giebt
solche Anordnung.
Fig. G2.
Ftg. 63.
möchte Bronze unter nlll'll T'mstiindcn die lJ(~,shm Dienste leisten und wurden
Bronzeklammern und die Bronzedübel beim griechischen Tempelban vielfach
vorwendet. Gegenwtütig wtihlt man zu solchen mechanischen Verbindungen
meistens das Eisen; damit dass elbe den Stein beim Rosten nicht zersprenge,
und selbst endlich zerstört werde. verzinnt. v erbleit oder v erz inkt man dasselbe,
oder verwendet Anstriche von P~ch, oder 'Pech mit Kohle, oder Kohlt' in V er-
bindung mit Asphalt.
Um den eisernen Dübeln und Klammern einen sichern Halt zn geben,
v ergiesst man sie wohl mit Blei, oder Schwefel in Verbindung mit Kolophonium,
oder auch - besonders in neuerer Zeit -- mit gutem Portlandcement. Die
beiden ersten Methoden müssen mit besonderer Vorsicht und Sachkenntniss
vorgenommen werden; vergiesst man mit Blei, so muss das Dübelloch voll-
ständig ausgetrocknet sein, damit nicht beim Eingiessen sich plötzlich bildende
VYasserdämpfe das flüssige Blei herauswerfen ; da ferner das Blei beim Erkalten
ein kleineres V olumen einnimmt, so ist es nothwendig, das zum Vergiessen
benutzte Blei mit Hammel' und Keil vollständig fest in das Vergussloc-h ein-
zutreiben. Verwendet man Schwefel, so muss derselbe weit über seinen
Schmelzpunkt erhitzt werden, sodass er eine tief braune Farbe annimmt; thut
man dies nicht, so bildet sich nur zu leicht Se1nyefeleisen, welches, ein grösseres
Volumen annehmend, die Steine auseinander treibt, und dieselben (nebenbei
gesagt) braunroth färbt. Ganz besonders gute Dienste leisten die freilich auch
theureren Kitte; ein solcher Kitt wird erhalten durch Mischung von 500 g
Schwefel und 500 g Pech, die dann geschmolzen mit feinem Quarzsand bis
zur gehörigen Konsistenz versetzt werden, ein anderer empfehlenswerther Kitt
besteht aus 1 kg über Kohlenfeuer erhitztem Leinöl, dem gleiche Theile Quarz-
sand und Bleiglätte, beide vorher gut gemengt, zugesetzt werden; dieser Kitt
kommt heiss zur Verwendung und muss sofort verarbeitet werden.
N ur bei ganz grossen Werkstücken werden die sogenannten Doll e n
verwendet, die aus andern harten Steinen, wohl 15 cm im Quadrat gehauen,
dazu dienen, die vorherbesprochenen Dübel aus Hol? oder Eisen zu ersetzen.
Alle diese Hülfsmittel könnten entbehrt werden, wenn man den einzelnen
Quadern eine s eh w a I ben s c h w an z f r m i g e oder hakenartige Form geben
ö
würde, mit der sie gegenseitig ineinander eingreifen; aber dieses Verfahren
kostet viel Material, wie auch viel Arbeit.
Ein interessantes Beispiel für haken-
/ artig ineinander greifende Quadern giebt
die nebenstehende Fig. 66; sie stellt ein
Stück der Substruktion dar, die beim
Tempel von Agrigent angewendet wurde.
Solch sorgsames Ineinandergreifen der Werk-
stücke lässt auf die Absicht schliessen,
allenfallsigen Verschiebungen durch Erd-
beben entgegenzuwirken.
Fig. 66. Ein ähnliches Ineinandergreifen von
Hakenquadern findet man auch bei dem
weit auskragenden Hauptgesimse des Palazzo Strozei in Florenz. Fig. 67 (S. 59)
giebt hiervon eine Skizze.
Von schwalbenschwanzförmigom Eingreifen der Werkstücke untereinander
gicbt Fig. 68 (S. 59) ein Beispiel; hierbei sind alle spitzen Winkel aU3~U
schliessen, und jedes tiefe Ineinandergreifen zu vermeiden.
Arbeiten eIl''' Rohbaues (Mauern). 59
Bin d er unterschieden. Die Läufer erhalten in der Regel eine Länge gleich
der zwei - bis dreifachen Höhe: und eine Breite gleich der einfachen oder
doppelten Höhe; während die Binder zur Breite die Hälfte bis ein Drittel der
Länge des Läufers erhalten., '-'!2,'iebt man denselben illre zwei- bis dreifache Breite
~
Fig. 68.
[1
~~=1_.,
Fig. 69.
Eine Mauer, deren Werkstücke so breit sind, als die Mauer stark ist,
wird aus lauter Läufern gebildet; die Stossfugen der je zweiten Schicht treffen
dann jedesmal die Mitte der Läufer. Dies setzt aber voraus, dass sämmtliche
Läufer gleich lang sind, was immerhin als kostspielig sich herausstellt; aus
diesem Grunele verwendet man auch ungleich lange Läufer und sucht nur
zwischen den Fugen einen Wechsel zwischen 27 bis 36 cm zu erhalten.
Die einzelnen Schichten, aus denen Quadermauern bestehen, müssen in
einer Ebene und in gleicher Höhe durchgeführt werden; kann man sämmt-
liehen Schichten elie gleiche Höhe geben ohne zu bedeutenden Material verlust
in den Steinbrüchen, so ist dies immerhin erwünscht, andrerseits wird man
auch wohl den verschiedenen Schichten - unbeschadet der Solidität und des
Ansehens - ungleiche Höhe geben dürfen, und lässt dann-wohl die höheren
mit den niedrigeren Quaelerschichten regelmässig wechseln.
Was die Formbestimmung der Quadern anbetriflt , so sollen sich nach
Semper die Höhen der Werkstücke zweier verschieden hoher Schichten ver-
halten wie die Quadratwurzeln aus den Längen derselben eh :
h' = VT: V·lI),
wobei 11, und l die Höhe und Länge der niedrigeren) 11,' und l' die Höhe und
Länge der höheren (~uac1er bedeutet.
Bei stark,n Quadermnuern mussten je nach Erforderniss ZW81 oder elre:
60 1. ?Iuuer- und Steinmctzarbeiten.
Läufer nebeneinander gelegt werden und darüber Binder, deren Länge gleieü
der Mauerdicke ist; solche Anordnungen gehören aber - wie schon gesagt -
zu den überwundenen Standpunkten, denn jedes Quadermauerwerk erfordert
eine durchaus korrekte Bearbeitung aller seiner Lager- und Fugenflächen, erfordert
ein äusserst vorsichtiges Versetzen, und selbst der geringste Fehler, der hier
oder dort sich einschleicht, rächt sich oft in hohem Grade! So würde ein
vollständig durchgebildeter Quaderbau ungeheure Summen beanspruchen , und
dennoch für die meisten unsrer Gebäude Inkonvenienzen im Gefolge haben,
die vermieden werden, wenn man sich damit begnügt, das A e u s s e r B unsrer
Gebände im monumentalen Quaderbau durchzubilden; wir haben es dann mit
einem Mauerwerk zu thun, das wir als ein ge m i sc h t e s bezeichnen müssen,
und besteht dies dann meistens entweder aus QUa der n und B l' U c h s t ein e n,
oder aus Qua d ern und B a c k s t ein e n.
Um bei dem gemischten Mauerwerke einen gesichprten Verband
zwischen den äusseren Quadern und der Hintermauerung hervorzubringen, ist
das Einlegen von zahlreichen Bindern besonders geboten; ein sehr fester und
für die meisten Fälle auch ausreichender Verband besteht darin, dass in jeder
Schicht zwischen zwei Läufern immer
ein Binder zu liegen kommt, wie dies
die nebenstehende Fig. 71 darstellt.
Um Kosten zu ersparen, ordnet
man den Verband auch wohl so an,
dass in jeder Schicht zwischen je zwei
Bindern zwei oder drei, ja selbst auch
vier Läufer liegen, wie dies Fig. 71
und Fig. 72 verdeutlichen.
Fig. 71. ' Die Quaderverblendung kann auch,
wie dies in Tafel VI dargestellt .ist, aus
verschieden starken Schichten ausgeführt werden; in dem vorgeführten Beispiele
ist vor allen Dingen darauf Rüeksieht genommen, dass bei einem Qua der bau
Fig. 72.
*) . D"lese . bt'1ge
B eCclJignng
WlC~.l' . 1 nur zu 1läufig unb cachtet geütSSell;
wirc -r von aussen
erscheinen solche Mauem sehr solid, während die Hintormauerun > Flickwerk ist!
Arbeiten des Rohbaues (l'iIauern). 61
Fig. 73.
Fig. H.
Fig. 75.
Fig. 77.
möglichst aufzuheben, ist es angezeigt, mit sehr engen Fugen und gutem,
womöglich schnell erhärtendem Mörtel zu arbeiten. Immerhin sind hierdurch
noch nicht alle Schwierigkeiten gelöst, die durch ein ungleichmassiges Sich-
setzen der Mittel - und Scheidemauern eintreten, gegenüber der mit Haustein-
quadern ausgeführten Hauptmauer , denn jene werden wohl stets entweder 'nur
ans Backsteinen oder nur ans Bruchsteinen ausgeführt werden. Da durch ein
Arbeiten des Rohbaues (Mauern). 6 "o
ullQ'leichmässig;es Setzen von Haupt- und Mittehnauer in erster Linie die Balken-
'--' c.,
lagen alterirt werden ~ so ist dafür zu sorgen, dass nachträglich leicht eine
Korrektur in bezug auf die Lage der Balken vorgenommen werden kann.
Kann man das Lostrennen des Backsteinmauerwerks bei vorgeblendeten
Q, l1adel'l1 wie erwiihnt recht wohl verhüten., so wird bei einer Hintermaueruuz ~
Ausbrüche, Quetschungen und die Ablösung der Strebepfeiler von der Um-
fangsmauer. wie auch der Theile des Unterbaues, worauf jene ruhen.
"Diejenigen, welche diese Beschädigungen dem Seitendrucke der Gewölbe
zuschreiben, haben nicht bedacht, dass, wenn derselbe mächtig genug wäre, um
die Umfassungsmauer zu zerbrechen nnd überall zu zertheilen, diese nicht einen
Augenblick, bei dem schwachen Zustande, in welchem sie sich befand, dem
nunmehr durch die Trennune I::>
des Gewölbes stärker '-'Q:ewordenen Drucke hätte
widerstehen können. Ich (Rondelet) habe mir durch genane Untersuchung
aller beschädigten Theile die U eberzeugung verschafft, dass diese Beschädigungen
eine nothwendige Folge des ungleichen Sichsetzens der verschiedenen Kon-
struktionsarten gewesen sind, die auch hätten eintreten müssen , wenn bei der
Ausführung noch so sorgsam verfahren worden "wäre. Ein solches Verfahren
darf man niemals auf Mauern und Unterstützungspnnkte anwenden, welche
eine sehr grosse Last zu tragen haben *). "
Nur in seltenen Fällen hat man es im Hochbau mit geböschten Mauern
zu thun, sind aber solche auszuführen, so vermeidet man auch bei diesen die
Anwendung von Quadern mit spitzen "Winkeln und richtet die Fugen so ein,
dass sie 90 0 zu der Aussenseite bilden. Fig. 80 giebt übel' den betreffenden
Fugenschnitt Aufklärung. Ein ähnliches Verfahren wendet man an, wenn
eine Mauer in einer geneigten Ebene aufgeführt wird, wie dies bei Rampen oft
vorkommt; über den dann zu wählenden Fugenschnitt giebt die Fig. 81 Auskunft.
Fig. 81.
Bei der Bearbeitung der Quadern hat man wohl, um Arbeit zu ersparen, den-
selben die Form einer abgestumpften Pyramide gegeben, deren Grundfläche die
Stirn oder das Haupt der Quader bildet (Fig. 82). Eine solche
Anordnung ist aber durchaus verwerflich, denn es ist augen-
fällig, dass solche Quadern nur mit ihren äussersten Kanten dem
auf sie lastenden Drucke zu widerstehen vermögen. Bei An-
wendung von Quadern lässt es sich umgehen, alle U 11 t e r-
lag er durchweg, die Stossfugen aber doch wenigstens 9 cm
voll im Winkel I' ein zu bearbeiten. Hat man es jedoch mit
sehr tragfähigen Steinen und verhältnissmässig geringen Lasten
zu thun, so giebt man den horizontalen Quaderschichten nicht
durchgehends rein bearbeitete Unterlager, sondern begnügt sich
rnit Fugen, die auf 20 cm in die Mauer hineinreichen, von
Fig. 82. da ab aber gegen das Innere keilförmig sich erweitern und
dann nach demVersetzen mit Portlandeemerit ausgegossen werden.
Häufige Verwendung finden auch unsere in der Natur vorkommenden
Plattengesteine zur Verkleidung von Bruch- uud Backsteinmauerwerk ; man braucht
sie, um den ordinären Mauern ein besseres Ansehen zu geben, oder um sie gegen
eiserne Keile ausgeglichen werden; bei solchem Verfahren erleiden nur diej enigen
Stellen, unter welche die Keile getrieben wurden, den Hauptdruck. und können
dadurch zermalmend auf die darunter liegenden Quadern wirken.
Sehr leicht leiden
auch wohl beim Versetzen
der Quadern ihre scharf
bearbeiteten Kanten; um
dies zu verhindern, ist es
empfehlenswerth , die- _
selben von vornherein
etwas abzustumpfen, so
dassjeder Quadervon einer
scharfkantigen Fugen-
fläche begrenzt erscheint;
ein ähnliches Verfahren
haben die Griechen in
vielen nachweisbaren
Fällen befolgt. Anderer-
seits schont man die schar-
fen Kanten der Werk-
stücke beim Versetzen
durch Unterlegen von
~
dünnen, 1 mm starken- Fig. 88.
Bleiblättchen. die nahezu
in der Grösse des bearbeiteten Lagers zwischen die Quadern gebracht werden, um den
Druck derselben gleichmässig auf das untere Lager zu vertheilen; statt der Bleiplatten
verwendet man wohl auch dünne Pappdeckel, oder ersetzt solche durch Kalkbrei.
Bei -den Stossfugen ist eine durchaus ebene Fugenfläche .durch die ganze
Tiefe des Steines gerade nicht nothwendig, und es genügt hier, dass die Fugen
etwa 10 .mm unterm 'Winkel sauber bearbeitet sind; nach dem Zusammenpassen
werden diese Fugen mit Cement ausgegossen.
Nur bei untergeordneten Arbeiten kann es zulässig sein, - dass beim
Versetzen der Quadern mit schief unterhanenenFugen diese mit Steingruss und
Cement förmlich aus g o k eil t werden, wobei ein pro vi s 0 I' i s c h e s Unter-
legen von Holzkeilen gestattet werden kann; diese Fugensehicht, aus erhärtetem
Beton bestehend, hat dann den betreffenden Druck aufzunehmen und muss
selbstverständlich solche Erhärtungsfähigkeit besitzen, dass sie letzterem auch
widerstehen kann.
Von grosser 'Wichtigkeit ist es endlich, dass jedes Werkstück aufs Bruch-
lager versetzt wird, andernfalls wird es leicht durch die VV itterung zerstört,
auch würde ein mit seinen Schichtungsflächen senkrecht gestellter Quader durch
eine darauf gebrachte Last vollständig zerklüftet werden; ebenso müssen D e ck -
s t ein e , Belagsplatten, Fenster- und Thürbänke auf ihr Bruchlager verlegt werden.
Auch bei allen vorspringenden Gesimsen, die im - Aeussern einer Facade
sich befinden, dürfen keine ge s tell t en Steine verwendet werden, nur unbe-
lastete Verkleidungsplatten stellt man, um Kosten zu ersparen, auf s Hau p t.
Bei den Thür - und Fenstereinfassungen muss das Lager nach Aussen in die
Flucht der Mauerfläche gebracht werden ; dann bildet das Haupt die Leibung
und erscheint mehr gesen den Angriff der Atmosphärilien geschützt. Sockel-
platten , gestellte Friess:ii.cke etc. sollten allemal, um gegen den Einfluss der
Witterung geschützt zu S8111, Lager- und Deckplatten erhalten.
68 1. .l\Iaur6l'- und Steinll1etzarbeiten.
gestellt. Zur Anlage der Fenster- und 'I'hürbffnungen im Aeussern des Ge-
bäudes dienten Brottformen, die später entfernt worden sind.
Zur Vermeidung von Rissen u. dergl. liegen im Innern dieser Oeffnungen,
als Sturze, Hölzer von 15 cm im Quadrat, welche gleichzeitig zur Befestigung
der Gardinenstangen benutzt werden können. Die innern Thiiren haben Zargen.
Für die Gesimse an den Fronten wurden bei der Herstellung der Mauern kurze
Hölzer eingelegt, welche, später entfernt, Hohlräume von angemessener Höhe und Tiefe
bildeten, die mit Ziegelsteinen, nach der Gesimsform ausladend, ausgemauert wurden.
Die massiven Dächer sind ähnlich wie die Decken auf Brettschalung in
Bogenform hergestellt, bezw. gestampft. •
Die Treppen erhielten Tritte von 5 cm starken Schieferbelägen.
Nach Angaben der äusserst geringen Baukosten fährt der Bericht fort:
Die Decken wurden kurze Zeit nach ihrer Herstellung, bevor die Auffüllung
eingebracht war, auf Anordnung der Baupolizei pro Quadratmeter mit 300 kg
probeweise belastet. Die aufgebrachte d 0 P pe I t h o heB el ast u n g zeigte
aber keinerlei Wirkung in den Gewölben. Eine ähnlich gewölbte Decke aus
Grobmörtel von 3,70 m Breite und 4,15 m Länge, welche in ihrer Längen-
richtung durch einen nach auswärts gerichteten Eisenbogen als mittleres Wider-
lager in zwei gleiche Theile getheilt ist, wurde 16 Tage lang in der Mitte
auf 2,91 qm Fläche mit 4500 kg belastet (also mit 1550 kg pro Quadratmeter)
und zeigte sich weder eine nachtheilige Einwirkung an den nur 3 0 c m
s t a I' k e n Um f' a s s u n g s mau e r n , noch an den Gewölben selbst ''').
R a TI ehr h r e n,
ö
dass der Verband oft ein sehr gezwungener wird. Treten solche steigbare
Schornsteinröhren mit andern innern Scheide - oder Tragmauern von verschie-
dener Stärke in unmittelbare Verbindung, so möchten über die Anordnung des
Verbandes die Figg. 90 und 91 den näheren Aufschluss geben. Tritt die Schorn-
Fig, 91.
steinröhre selbstständig auf, so zeigt Fig. 92 (S. 72) den üblichen Verband,
welcher unter dem Namen Schornsteinverband bei der Besprechung der Backstein-
verbände Erwähnung fand.
Fig. 93 (8.72) zeigt zwei unmittelbar nebeneinander liegende steigbare Röhren
in ihrem Verbande und ist hier zu bemerken, dass die, die beiden Röhren scheidende
Wandung Zu n g e genannt wird und mindestens die Stärke von 1/2 Stein
haben muss; ein sogenannter aufgestellter Stein ist hier durchaus unzulässig.
Werden, wie dies vielfach in N orddeutschlanc1 der Fall war, den Küchen
steigbare Schornsteinröhren gegeben, so legt man in mehrstöckigen Gebäuden
die Rauchabzüge stets an derselben Stelle an, und kann dies nur bewirkt wer-
den durch "Schleifen der Raucliröhren " ; die Figg.94 (S. 72) geben hierüber Auf-
schluss, indem A, B, Cf sich auf die Anlage der Rauchabzüge zu ebener Erde,
des ersten, zweiten und dritten Stockwerkes beziehen. Um eine solche Anlage
vollständig klar zu machen, ist dieselbe auf Tafel VII Fig. 1 in den nothwendigen
Durchschnitten dargestellt, und man ersieht .daselbst, wie die einzelnen Röhren
gezogen werden müssen, um die vorliegende Aufgabe genügend zu lösen. Jede
steigbare Rauchröhre muss eine gut schliessbare Einsteigethür besitzen; die
Raucheinleitung wird meistens vermittelt durch ein Eisenblechrohr , dem man
wohl eine I~egulin1llgsldappe gicbt, die eventuell auch vollkommen schliessbar
1. Maurer- und Steinmetzzrbeiten.
ist; weitaus besser ist es, bei der betreffenden Feuerung die Feuerungsthür
hermetisch schlussfest einzurichten.
Fig. 92.
V ortheilhaft wird es stets sein, für die russischen Röhren solche Stellen im
Mauerwerk zu wählen, die durch Versetzen der Mauern die entsprechenden Stärken
erhalten können, ohne dass vorspringende Mauerkörper nötbig werden. (.Fig. 98.)
Treten die russischen Röhren frei aus der Mauer hervor, so giebt man
denselben den schon vorher erwähnten Schornsteinverband ; das neue deutsche
Ziegelmass macht besonders die nachfolgenden Querschnittformen mit 18 bis
19 cm im Quadrat empfehlenswerth. Die .Figg. 99, 100, 101, 102 (S. 74)
geben die betreffenden Verbände.
Auch das lichte Mass von 25 cm im Quadrat lässt sich vortheilhaft für
russische Röhren mit dem neuen Steinformat zur Ausführung bringen und dienen
.die Figg. 103, 104 und 105 (8. 74) dazu, dies nachzuweisen..
Oblonge russische Röhren verbandrecht auszuführen. zeigt die Fig. 95,
74 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.
~~~ ~
~~ ~~
,~
/ , ,~
. ...
~ ~~~
/
./
/'
Fig. lJ9. Fig. 100.
~A~~~I~~~
Fig. 101. I~~~I~~~~
'>-,,"C
~ ~ ~
~ ~ ~
~ ~
Fig. 102.
Fig. 105.
VY:e bei den steigbaren Schornsteinröhren legt man auch gern die russi-
schen Röhren gruppenweise zusammen; -in den meisten Fällen erfordert- es die
Arbeiten des Rohbaues (Bögen). 75
Anlage der Oefen, dass auch diese Röhren bald nach dieser, bald nach jener
Seite hin gezogen oder geschleift werden müssen. Ein Beispiel solcher Anlage
giebt die Tafel VII in den Figuren 2 und 3.
In den russischen Rauchröhren bildet sich in den meisten Fällen nur
Staubruss, der mit einer eigens konstruirten Bürstenvorrichtung beseitigt wird;
die Bildung von Glanzruss ist jedoch unter gewissen Umstünden nicht aus-
geschlossen, und dann müssen die Röhren mit Vorsicht und unter Aufsicht der
Schornsteinfeger ausgebrannt werden. Die russischen Röhren erhalten an ihrem
tiefsten Punkte und nahezu an ihrer Ausmündung Putzthürchen, welche soviel
wie möglich luftdicht schliessen müssen.
Da sich in russischen Schornsteinröhren, welche Küchenherden angehören,
häufig Glanzruss bildet, so ist es angezeigt, hier Dampfableitungsröhren anzuordnen.
Das Spezielle über Schornsteinröhren findet weitere Erläuterung bei dem
Kapitel Heizung und Ventilation.
Bö g e n,
Werdon in den massiven Mauern Oeffnungen nothwendig - was sehr
vielfach der Fall ist - , so muss deren obere Begrenzung, welche S tu I' z oder
B og e n genannt wird, eine eigene Konstruktion erhalten;' haben solche
Bögen clie Funktion, mehrere sonst durch Mauern getrennte Räume mit
einander in unmittelbare Verbindung zu bringen, so nennt man sie
- allerdings nur im weitem Sinne - W an d b ö gen; sie sind, bei sehr
bedeutenden Spannweiten, oft sehr stark belastet und müssen daher besonders
sorgfältig ausgeführt werden; andere Bögen dienen dazu, den Fenstern und
Thüren, welche in massiven Wänden angelegt sind, ihre obere Begrenzung zu
geben, und vncnnt man diese Bögen wohl Fenster- und Thürstürze. Sieht man
sich veranlasst, Bögen in Mauern anzuordnen, die einzig und allein tragende
resp. entlastende Funktion haben, so nennt man solche Bögen E n t 1a s t u n g s-
b ö gen. Durchbrechen Bögen nicht die ganze Tiefe der Mauer, so entstehen
die Ni s ehe n - oder BI end b ö gen, die hauptsächlich den dekorativen
Zwecken dienen; andererseits ordnet man sie auch wohl, z. B. in Kellern, an, um
Material zu ersparen und Raum zu gewinnen. Auch zur Vertheilung des
Drucks, welchen das Mauerwerk auf seinen Untergrund äussert , ordnet man
häufig Bögen an,'· welche als umgekehrte GI' un d - oder Erd bö gen bei
Fundationen in gros sem Masse Verwendung finden.
Kleine Ooffnungcn in Mauern von Stein können wohl mit einem einzigen
Steinstück überdeckt werden, bei grösseren Bögen muss man aber, besonders
wenn sie belastet sind, zu einer regelrechten Bogenkonstruktion schreiten, wobei
prinzipiell k eil f ö I' m i geSteine so aneinander gereiht werden , dass sie sich
gegenseitig vollkommen im Gleichgewichte erhalten. Eine solche B 0 ge n-
k 0 n s tr u k t i o n , die sehr verschieden in ihrer Form sowohl, als in ihren
Abmessungen sein kann, nennt man W öl b u n g. Eine solche Wölbung in
Halbkreisform ist in Fig. 108 (S. 76) dargestellt.
Die Fläche, mit der eine Bogenwölbung in gleicher Ebene mit der Front
der Mauer liegt, und die von der Bogenlinie a cf e cl b begrenzt ist, heisst die
Stil' n oder das Hau P t des Bogens; die innere Fläche, von welcher in der
Figur das Stück b cl he g sichtbar ist , nennt man die in n e I' e Lei b u n g ,
die äussere Fläche, von der das Stück c kif sichtbar ist, die ä 11 S se I' e
Lei b u 11 g. Die Entfernung von b nach e ist die S pa 11 n w e i t e oder die
S p r e n g U Tl g des Bogens) die Entfernung von l nach cl die P fe i 1- oder
76 1. Maurer" und Steinl1letzZLrbeiten.
Fig. 108.
Der Mauertheil, welcher den ganzen Druck des Bogens in sich aufnimmt, heisst
das 'V i der 1a ger, und eine Linie von C~ nach f gezogen die K ä m p fe I' 1i nie.
Der verschiedenen Bogenform nach unterscheidet man im allgemeinen:
s c h e i t l' e c h t e B gen oder g e r a d e S tür z e, S e gm e n t - oder F I ach -
ö
Masse von Mörtel wohl nie zu vermeiden sein, und daraus geht hervor, dass
prinzipiell' mit Bruchsteinen sc he j t r echt e Bö gen auszuführen nicht räth-
lieh erscheint; überhaupt lassen sich b e s tim m t e Regeln, Bögen aus Bruch-
steinen zu konstruiren, nicht geben, und bleibt deshalb das Bruchsteinmaterial
hier ausser weiterer Beachtung.
Um s c h e i t r e c h t e B ö gen mit Backsteinen herzustellen, wird man
deren Spannweite, wenn nicht zu künstlichen Mitteln gegriffen werden soll,
sehr beschränken müssen; um kein zu starkes Verhauen der
Steine zu bedürfen , stellt man von vorn herein das 'Wider- \.-5l
lager sehr steil, unc1 zwar so, dass dem ersten Wölbsteine \
in seiner Läuferseite eine solche Stellung gegeben wird, dass
die Kanten Cl und b in Fig. 109 sich" i m Lot h" befinden;
\
~:L
i\
0
hierbei wird das "Widerlager um eine Wölbschicht in die
Mauer hinein gerückt. In der Fig. 110 ist gezeigt, wie
nach gegebener Neigung des 'Widerlagers der Centralpunkt
für alle andern Gewölbefugen gefunden werden kann. Die
Stärke der vYölbung wird wohl nach der empirischen Regel Fig. 109.
gefunden, nach der für Cl ([' ein gleichseitiges Dreieck
gehildet wird, dessen Spitze der Centralpunkt eines
Segmentbogens ist; der Scheitelpunkt dieses Segment-
bogens bestimmt dann die Stärke der scheitrechten
Bogenkonstruktion, während nach c seine Ccntralfugen
gerichtet sind.
S ehe i t l' e c h t e B ö gen sind, streng genommen,
flache Segmentbögen mit horizontal abgeglichener unterer
und oberer Leibung; da es aber nur darauf ankommen
kann, dass die untere Leibung eine gerade horizontale
Linie bildet, 'so erscheint, es zwecklos, auch die obere
Leibung nach dieser Linie zu "y er hau e n ", und
man belässt sie besser, in der Form des sich von selbst
ergebenden Segmentbogens, wie dies Fig. 111 zeigt.
Den Centralfugenpunkt für einen scheitrechten Bogen Fig. 110.
•
\ ,
I
\
\. !
'
I
\, f
!
\\ .I
:
, "
\\ '
.
\ j
./
..
I I
Fig. 112. Fig. 113.
I ,
\
I '
,!'
~
Fig. 111.
78 1. 1L',111'er- und Steillllletzarbeitell.
stark gegen den Horizont geneigt. Die einzelnen Fugen laufen nicht in einen
gemeinsamen Centralpunkt , sondern halten dieselbe Neigung des 'Widerlagers;
den Schluss bilden keilförmig zugearbeitete Schichten.
Eine solche Konstruktion beruht auf der Bindekraft eines guten Mörtels;
ein normalmässigesS ich set zen ~ wodurch ein jeder Bogen erst seine wahre
\ ,,
\ \) I 7/ /
,
----- j/
\
"\\ ,
,,/
,, ,
\
\ -'
",\~\, /,l/
.
,.
Fig. 115. Fig. 114.
-\\ ';J17TF
~,
\\
4
/.{f'
1/ ~----
giebt, so wird. dieser Stich in
der Regel so hoch gewählt, dass
die bleibende flache Segmentlinie
erst durch den Verputz ausge-
- - - - I \\ glichen wird. Der eben erörterte
\\\ \ I /
// Umstand macht es räthlich, den
\ \\ /" / scheitrechten Bogen beim Ziegel-
\ \ , I
\
\
\
\..
,/
;,
f rohbau ganz auszuschliessen,
\ \ / / Verwendet man zur Her-
!-----
\ \ / / stellung scheitrechter Bögen Werk-
\ \
\ \ // /
I steine, so können die Fugen nach
Figg. 115 und 116 angeordnet
\ v /
werden.
\\ ,/ . I
Hakensteine , Sattel- oder
Tragbänke anzuwenden, wie dies
in Fig. 117 geschehen ist, möchte
als durchaus nicht nachahmens-
\
.
'.,/ werth bezeichnet werden .
l'ig. 117. Bei S e g m e TI t b ö gen eine
Arbeiten des Rohbaues (Bögen). 79
richtige Fugenanordnung zu treffen, ist höchst einfach, indem hierzu der Central-
punkt des betreffenden Kreissegmentes gewählt wird; je nachdem der Halb-
messer dieses Kreises gross oder klein ist, erhält man Segmentbögen, die einer-
seits dem scheitrechten Bogen, andererseits dem halbkreisförmigen Bogen sich
nähern. Einen Segmentbogen, dessen Radius gleich der Spannweite der Bogen-
öffnung ist, nennt man wohl einen Kr e u z bog e n, und stellt Fig. 118 einen
solchen dar.
Fig. 118.
__.L.
dass, wenn man - wie dies die Fig.119
zeigt - die horizontalen Quader-
schichten gleich hoch macht, die ein- Fig". 120.
Die Fig. 122 stellt eine Fugenanordnung dar, wie solche nur zu häufig
gewählt wird; abgesehen von sehr grossem Materialverbrauch , möchte eine
Bogenkonstruktion , die mit Haken-
steinen ausgeführt ist und sich nicht
setzen kann, als konstruktionswidrig
zu bezeichnen sein.
Um Bögen aus Haustein richtig
ausfü hren zu können, müssen für die
einzelnen Gewölbesteine sämmtliche
B I' e t tun gen in natürlicher Grösse
angefert.igt werden; diese Brettungen
(Schablonen) werden am häufigsten aus
starker Pappe, oder auch aus dünnen
Brettchen oder aus Blech hergestellt;
Fig. 122. hat man es mit einem einfachen Halb-
kreisbogen zu thun , der aus lauter
gleich grossen Wölbsteinen besteht, so hat die Bestimmung eines dieser Steine
in allen seinen begrenzenden Flächen keine Schwierigkeit, und haben wir es
hier mit einem der einfachsten Fälle aus der Lehre des Steinschnittes zu thun;
der Steinschnitt ist als eine praktische Anwendung der descriptiven Geometrie
zu betrachten.
. Wie das Verhältniss zwischen Spannweite und Pfeilhöhe bei Segmentbögen
ein äusserst verschiedenes sein kann, so ist dies auch der Fall bei den Spitz-
bögen; je nachdem für diese Bögen die Mittelpunkte auf der Kämpferlinie vom
Mittelpunkte weg in Fig. 123 nach 22, 3 3, 4 4, 5 5, 6 6, 7 7 vorrücken,
ergeben sich eine Reihe von Bögen mit stets zunehmender Pfeilhöhe , die sich
bis zum lanzettförmigen Bogen steigern lässt; für die mittelalterlichen Kon-
struktionen war der Bogen, bei welchem die Spannweite gleich dessen Halb-
messer ist, der beliebteste, und stellt Fig. 124 solchen Bogen dar. Die
-:=1
~~
_·=--=-=-=,1_1
7 6 5~-2-~-:l~-4.--1--'-1I--
G '7
bei gleichem Centralpunkt , wie das die beigegebene Fig. 123 darstellt, der
Schluss des Bogens mit Hülfe von keilförmigen Steinen hergestellt werden;
da es jedoch stets misslich bleibt, ge-
brannte Steine mit scharfem spitzen
i
Winkel zuzuhauen, so verwendet man
~~.~
lieber für den Schluss von Spitzbögen
die Methoden, welche in Fig. 125 an-
gegeben sind; hiernach erhalten die den
Bogen senliessenden Steine nicht gleiche,
sondern von einander abweichende
Centralfugen. Auch ein eigens geformter
Stein könnte den sonst aus Ziegeln ge-
wölbten Bogen schliessen ; die einzelnen
Centralfugen bei Anwendung von Werk-
stücken richtig zu bestimmen, bat, wie
Fig. 124 angiebt, gar keine Schwierig-
keiten.
G e d r ü c k t e B ö gen sind solche,
Fig'. 125.
bei welchen die Pfeilhöhe geringer ist
als ihre halbe Spannweite; bei übe r -
h ö h te n Bö gen aber ist die Pfeilhöhe grösser als die halbe Spannweite.
In beiden Fällen haben wir es mit elliptischen Bögen zu thun , bei welchen
im ersteren Falle die grosse Axe, im letztern die kleine Axe die Spannweite
repräsentirt,
Diese elliptischen Bögen werden nun entweder durch Ermittelung der
Brennpunkte, oder durch Vergatterung, oder mit Hülfe einer Reihe stetig in
einander übergehender Kreisbögen von verschiedenen Halbmessern und aus
verschiedenen Mittelpunkten dargestellt, und nennt man im letztem Falle
die Bögen: Kor b b ö gen.
Gedrückte Bögen.
Die gedrückten oder elliptischen Bögen entstehen dann, wenn die zur
Verfügung stehende Stichhöhe kleiner als die halbe Spannweite wird. Die
Kurve, welche in diesem Falle die Bogenlinie bildet, ist im allgemeinen eine
Ellipse, deren Axen durch die Spann weite (grosse Axe) und die Pfeilhöhe
(halbe kleine Axe) des Bogens ge-
geben sind. Das Verhältniss der kleinen
zur grossen Axe heisst dann das Ver-
d r c k u n g s ver h ä I t n iss und dürfte
ü
Die Brennpunkte finden sich, wenn man aus dem Endpunkte cl der kleinen
Axe mit dem Radius ac gleich der halben grossen Axe diese in den Punkten
rund t
durchschneidet. Zertheilt man nun nacheinander die grosse Axe in
den Punkten e el eil ... , in je 2 Theile CI; e und e b, Cl el und Cl bete. und be-
schreibt mit diesen Stücken aus den Brennpunkten Kreisbögen, so liegen in
deren entsprechenden Schnitten die Punkte 9 gl g" etc. der Ellipse, welche
man dann aus freier Hand zeichnen kann. Man findet ferner in einem be-
liebigen Punkte g" die Richtung der Normalen, indem man den Winkel f g" t'
der Radienvektoren halbirt.
Eine andere sehr einfache Methode, die Ellipse zu zeichnen, ist die soge-
nannte Ver g a t tel' u n g.
: .
Man theilt (Fig. 127) die
._..i ._._ •• • ~
I••4b. . . i , , -__ .,
schen Bogens in eine be-
. .( .• •f·•.L
/t f 2- J If ,/-'J' 2 f
..•
er
liebige Anzahl gleicher Theile
und macht die zugehörigen
l Ordinaten denen eines Kreises
Fig. 127. gleich, der um die kleine
Axe geschlagen und dessen
halber Durchmesser in derselben Weise wie die halbe Spannweite getheilt ist.
(Um in der Nähe des stärker gekrümmten Theils die Punkte enger zu be-
kommen, schaltet man zwischen dem dieser Stelle zunächst liegenden Theil-
punkt und dem Scheitel b noch einen Theilpunkt (4), z, B. in der Hälfte etc,
ein.) Die Verbindungslinie der Endpunkte der Ordinaten giebt dann ebenfalls
eine Ellipse.
Der Wunsch, die Fugenrichtung in derselben einfachen vVeise wie beim
vollen Kreisbogen angeben zu können, veranlasst oft, dass die genaue Ellipse
aufgegeben und die Bogenlinie aus einzelnen Kreisbögen zusammengesetzt, d. h. als
Korbbogen
konstruirt wird. Es entsteht dann die Aufgabe, eine Reihe stetig in einander
übergehender Kreissegmente so zu konstruiren, dass die resultirende Bogenlinie
in den Kämpferpunkten je eine vertikale und im Scheitel eine horizontale
Tangente hat. Es folgt ·d.araus, dass bei ho I' i z 0 nt ale I' Lag e der
K ä m p fe I' P unk t e die Mittelpunkte für elie an das 'Widerlager anschliessen-
den Segmente auf der horizontalen, der Mittelpunkt für die den Scheitel bildende
Kreislinie aber in der vertikalen durch den Mittelpunkt des gedrückten Bogens
. gehenden Linie liegen müssen, so dass also die Anzahl der den Bogen bildenden
Segmente immer eine ungerade, 3, 5, 7 .. ist.
!f --. -------~---------,--.::.::--.:::!::::et
f~t~::~j;~>~1
tC/---------r----...f-------
: / ... :-(' :
/ Korblinien aus 3 Mittelpunkten.
Es sei in Fig. 128 Cl b die Spann-
~ ,/ .... ~;' \, : weite, 9 e die Pfeilhöhe , also c e d die
··-li i>'"'\X""\ !
----'-----Ji;\~.-.-.--.--:91---.---.---.:,:/
;.
. ------.-.----.'lJ'" Tangente im Scheitel eines Korkbogens,
der aus 3 Mittelpunkten konstruirt wer-
\... i //
\
~\,."·1
, ./.'
" den soll. Zieht man dann im Rechteck
'\c\i /'
~ I /
a 9 e c die Diagonale und die Halhirungs-
\j/-(~
:1
Iinien der Winkel c a e und c e a , und
Fig-, 128. füllt von dereIi3chnitt h eine Senkrechte
Arbeiten des Rohbaues (Bögen). 83
auf Cl e , so giebt der Durchschnitt k dieser Linie mit ag und f mit e g die
Mittelpunkte der Kreisbögen e hund h Ci, welche sich in h berühren.
Es entstehen nämlich dabei zwei gleichschenklige Dreiecke, h e fund h a k
a
denn es ist Lehf= /"hef=90 o - - und
2
ß somit ist
./' li Cl k = ./' k li Cl = 90 0 -> '2;
fe=fh,
kh= ka,
und da die Mittelpunkte der Kreisbögen auf der Geraden hf liegen, die durch
den Punkt h geht, so müssen sich die Kreisstücke e hund hain h noth-
wendig berühren.
Aus dieser Konstruktion lässt sich ein andrer Korbbogen herleiten, wenn
man für das Verhältniss der Dreiecksseiten k g : g f, von welchem die Grässe
der Radien fe und Je h abhängig ist, ein einfaches Verhältniss , z. B. 3 : 4,
setzt und dann die Längen Je g und f g durch die halbe Spannweite (a g = s)
und die Pfeilhöhe ge =-: p ausdrückt. Man erhält dann
3
kg = 2 (s -p)
4
fg= 2 (s-p) =2(s-P)'
Lv
Fig. 129.
g nach f, und ziehe f Je, so liegen in f und Je die bezüglichen Mittelpun kte
der Bögen e c und c a.
Ueberhöhte Bögen.
Bei denselben ist die PfeiD-öhe grösser als die halbe Spannweite; . die
Kurve, welche den überhöhten Be'gen bildet, ist eine Ellipse, deren kleine Axe
86 I. Maurer- und Steinmetzi:lxbeiten.
die Spann weite und deren halbe grosse Axe die Pfeilhöhe ist. Die Kon-
struktion der Linie erfolgt im wesentlichen genau so, wie bei den Korbbögen.
Fig. 135 stellt eine Konstruktion der Ellipse für diesen Fall nach der
in Fig. 132 für den Korbbogen angewendeten Methode und Fig. 136 die
Konstruktion des überhöhten Bogens durch die Vergatterung dar.
~ •• ' .~::.._- IJ ,
-~.Jf
i' , i..~--: ....
,''\'--, I
~./ ", : 1
--~)_t
- .. -- - -- .-- ---- .- ...... ;.--.-.; --- ::::.:,::,1 ;:
.s-:.~·iP
.1; .>:
:: <, \
\i J; j i 1 J
l_._ .1.. i j .. t
'---->f:-:--------+---~ L .~L .__.Li. ._ ~j_.L
: : '<, ',\!, v\
....1. 0_ • • • _1..1._..__
L- f t ~ " z.' iJ' 'J!..C l) t ß 0
i
Fig. 135. Fig. 136.
Steigende Bögen.
Die steigenden oder einhüftigen Bögen entstehen, wenn bei einem ge-
drückten (oder überhöhten) Bogen die Kämpferpunkte in verschiedener Höhe
liegen. Meistens ist dabei ausser der Verbindungslinie der Kämpferpunkte noch
die Lage und Richtung der Tangente im Scheitel des Bogens gegeben.
Es werde vorerst angenommen, die Tangente im Scheitel sei parallel der
Verbindungslinie der Kämpferpunkte und die Ordinate im Scheitelpunkte gleich
der halben Entfernung der
--"tt Kämpferpunkte. In diesem
. / .> Fall erhält man die steigende
./ i Linie am einfachsten durch
In Fig. 139 ist die Verbindungslinie ab der Kämpferpunkte und die Parallele
zur Tangente im Scheitel Ce cl) gegeben. Man beschreibe aus e und cl mit den
/d
/{t J \
-'~ -
..-
/,'/'
(J~;;;~;~::=<......_~v
I '
Fig. 138. Fig·. 139.
Durchmesser a c trägt und e.rJ und e g' zieht. Halbirr man dann. de~ ./ g e g',
so gicbt diese Halbirungslinie die Richtung der grossen Axe, die Senkrechte
hierzu die Richtung der kleinen Axe an. Macht man nun noch eh = eh' = e g',
so ist in 9 h' auch die Grösse der grossen Axe und in 9 h die Grässe der
kleinen Axe gefunden. Die mit beiden Axen konstruirte Ellipse muss in a, f
und b die gegebenen Tangenten berühren.
Komplizirter wird die Aufgabe, die Axen der Ellipse zu bestimmen, wenn
(Fig. 142) die Tangente c cl nicht mehr parallel zu Cf; b ist. Der Mittelpunkt e
der Linie ab ist dann der Mittelpunkt der Ellipse; um den Berührungspunkt
in c d zu finden, ziehe man geh 11 c d, halbire c cl in f, ziehe 9 fund hf, und
mit diesen parallel Cl kund b k; so giebt deren Schnitt den Berührungspunkt k:
Nun ziehe man k l .L c cl, beschreibe aus f mit f cl einen Kreis ,der k l in 1Jl,
schneidet; ziehe e m und damit parallel in beliebiger Entfernung no; hierauf
ziehe man ke bis p und bestimme q auf 0 n so, dass e q 11 k l.. Halbirt man
nun p q in r und beschreibt aus '}" mit einen Halbkreis über
r e 0, so ist n n e
die Richtung der grossen , die Senkrechte e 0 dazu die Richtung der kleinen
Axe. Die Grösse der Axen findet sich, wenn man 1nm'II e o, und mm"l\ n e
zieht; 1'Jl' und m" liegen dann mit k auf einer Geraden und man hat in m" k
und m' k die Grösse der grossen resp. kleinen Axe erhalten.
Bogenverb and,
Der Verband, in dem die einzelnen Gewälbesteine zu einem Bogen zu-
sammengefügt sind, hat denselben Regeln zu folgen, wie solche bereits beim
Verbande des Mauerwerks besprochen wurden.
Bei Verwendung von Backsteinen wechseln in der äussern Ansicht oder
der Stirn des Bogens Strecker - und Läuferschichten (unter Verwendung von
Dreiquartieren) regelmässig mit einander ab; empfehlenswerth ist es, sich bei
allen Bogenkonstruktionen eigens geformter keilförmiger Gewölbesteine , be-
ziehungsweise auch geformter Dreiquartiere zu bedienen, um das sonst so viel-
fach nothwendig werdende Behauen der einzelnen Steine zu vermeiden; durch
die Anwendung von Keilsteinen lassen sich ziemlich gleich starke Centralfug8n
geben, die ein gleichmässiges Sichsetzen des Mauerwerks ermöglichen.
Arbeiten des Rohbaues (Bögen). 89
Die folgenden Figg. 143, 144, 145, 146 zeigen den Verband von Bögen
III Mauern von 1, 1 1/ , 2 und 2 1/ 2 Stein Stärke, deren Gewölbehöhe be-
2
ziehungsweise 1, 1 1/ 2 ' 2 und 2 1/ 2 Stein beträgt.
\Jlmn:fiiJj
EJ IT]
a.
[±ja (~
I
[-
u [m[t~
-1
DJJ t±J-
I
e[" a"
r-+-} Jn!-II\II 11 §
Fig. 143. Fig. 144.
von einander ausgeführten Bögen bestehen. Solche Bögen setzen streng genommen,
um vollständig tragfcihig zu sein, ein durchaus gleichmässiges Sichsetzen voraus;
tritt dieses nicht ein, und das möchte die Regel sein, so wird die Trag-
fähigkeit der Bögen in ihrer Gesammtheit sehr illusorisch.
Diejenigen Bögen, welche zugleich als T h ü r - oder Fe n s t e r s tür z e
fungiren, sind mit sogenannten Anschlägen zu konstruiren (vergl. S. 46).
Bei Ausführung mit Backsteinen veranlasst solche Konstruktion keine
Schwierigkeiten, wenn der betreffende Anschlag vollständig mit der äussern
Form des Bogens parallel läuft, und in diesem Sinne erhalten scheitrechte
Bögen am geeignetsten auch scheitrechte Anschläge.
Sehr häufig zieht man es
vor, den innern Bogen ,wie
~\\\,~\,H·-HkH,H-#.ll!'/
11I1'lIliXllill!iiIXHlill:iI,lllInI:I11Iililll!:ll!ll l iii
dies die Fig. 148 andeutet, in
der Form eines flachen Segment-
III!
I 1I
bogens auszuführen, und glaubt
filill dadurch dem scheitrechten Bo-
11111
11II gen mehr Tragfähigkeit geben
---mi
-_. 1I1!1 zu können; eine solche An-
I1111
C::I=====---
.-
-~~. -_.~~.-~
11
11111
11111 =1-- -_.
schauung aber beruht auf Irr-
thum und es möchte wohl nicht
leicht zu begreifen sein, wes-
Fig. 148. halb der innere Bogen mehr
Tragfähigkeit erhält, wenn das
durch die punktirte Linie begrenzte Stück a beaus ihm herausgeschnitten wird.
Von einigen Baumeistern wird der innere geradlinig abschliessende Fenster-
sturz wohl durch Anbringung von 12 cm starken eichenen Riegeln hergestellt.
Solche Anordnung von Deckhölzern (Fig. 149 giebt davon ein Bild) gewährt
Fig'. 149.
zwar eine leichte Befestigung von Gardinen und Rouleaux, möchte aber dessen
ungeachtet nicht zu empfehlen sein.
Erweitert man im Innern die Fensternische durch Anlage sehr divergirender
Leibungsfiächen, giebt dabei aber dem Sturze selbst eine durchaus scheitrechte
'Wölbung, so. veranlasst dies schon beim Aufmauern der Fensterpfeiler ein
vielfaches Verhauen der Backsteine; die Ausführung eines solchen Fenster-
bogens aber erfordert eine ganz besondere Umsioht , weil eben die Spannweite
Arbeiten des Rohbaues (Bögen). 91
des äussern Bogens eine geringere ist, wie die des innern Bogens. Die sich
hieraus ergebende Schwierigkeit kann nur dadurch überwunden werden, dass
der Fenstersturz nach Innen sich erweiternd und zwar absatzweise eingewölbt
wird) wie dies die isometrische Fig. 150 darstellt und erklärt.
I I I
I
I \ \ I I
\ , I
\
\ 1 . I --,-
I I
I
I
I I I
I I
I II \
I I
V, I I _1_1 1 I
\
I I
,I
\
---r--,.-----.--.--,·-r~------
\ I I \ ',,;i--
-rn-'\\ ~;\\\i
~. .
-,
.L. _ _
:!I
I ; : l ~
\ : :•• __
~.:'.J&.~_~_!_!
FiF:.150.
ergiebt sich dabei zwischen der schrägen Leibung und d,:r. hOl'iz~~tal geführ~en
Bogen,völbun iJo- eine
..
Durchdrinzunz
. iJ iJ'
die einem Kee-eischllltt entspricht und sich
U ••
dann so beschaffen sein ~ dass sie der um ihre Drehpunkte sich bewegenden
Thür kein Hinderniss bereitet. Die aus dieser Bedingung sich ergebende
Leibungsfläche wird im allgemeinen eine w i n d s chi e f e sein, deren spezielle
Konstruktion auf verschiedene Art durchgeführt werden kann ~ und die in der
Kunst des Steinschnitts eine nicht unbedeutende Rolle spielt."}.
Für den K e r n bog e n in Fig. 5 ist als äussere Bogenlinie der Halbkreis
angenommen, ferner die Tiefe des Anschlags und die divergirende Leibung
im Grundrisse Fig. G und im Querschnitte Fig. 7, durch a b c beziehungsweise
durch aß y bezeichnet.
Soll nun der eine von den beiden , nach oben hin rundbogig begrenzten
Thorflügel geöffnet werden, so dreht sich derselbe im Grundrisse aus seiner
geschlossenen Lage b x um die Axe b und nimmt ganz geöffnet die Lage b Cl a'
an, wobei der Thorflügel sich nur zum Theil, und zwar in der Länge von ba
an den Maueranschlag anschmiegt.
Dieser Theil aber, in dem Grundriss über Cl b in wirklicher Form dar-
gestellt (umgeklappt), ist mit b F 2" 3" c" bezeichnet, und erhält im Aufrisse
Fig. 5 seine entsprechende Darstellung in der Projektion b' l' 2' 3' c'.
Die Punkte Cl a' cl' (Fig.5) bestimmen dann die den Kernbogen nach oben
bi~ begrenzende Kreislinie, deren Mittelpunkt leicht zu ermitteln und mit m"
bezeichnet ist.
Die zwischen dem Rundbogen b' ß' und dem Segmentbogen c' a' liegende
w in d s chi e fe Leibungsfläche lässt sich dann weiter durch mehrfach parallel
zur Stirnfläche angenommene Vertikalschnitte leicht bestimmen, denn alle diese
Schnitte sind Kreislinien, deren Mittelpunkte, mit m' m" m'" bezeichnet, ohne
Schwierigkeit aufzufinden sind. Im Querschnitte (Fig. 7) liegen diese Mittel-
punkte auf einer Kurve, l1~omlom"om"'om""o, die in eine Gerade übergeht,
wenn die Kernbogenfläche aus einer Kegelfläche bestehen würde.
Theilt man endlich den Kernbogen durch Centralfugen in einzelne Bogen-
steine ein, wie dies in Fig. 5 geschehen ist, so ergiebt sich, dass die Lager-
fugen keineswegs gerade Linien, sondern Kurven bilden, deren Gestalt sich nur
in der Ansicht als gerade Linien (Spur der Schnittebenen) zeigen. Die Pro-
jektionen dieser Fugen Jassen sich sowohl im Grundrisse, als auch im Auf-
risse leicht ermitteln, und ist das Verfahren dazu an der Fuge e f deutlich
durch übereinstimmende Bezeichnung dargestellt.. .
Zur weiteren Klarstellung dieses Kernbogens ist auch der zur Fuge e f
gehörende Gewölbestein in isometrischer Darstellung gebracht.
Bei Ausführung von Bögen aus lag er h a f t e n B ru c h s te i n e n kommt
es hauptsächlich auf die Anwendung eines schnell bindenden und gut erhärtenden
Mörtels an , denn in den meisten Fällen kann die Keilform der einzelnen
.Schichten nur durch die verschiedene Dicke der Mörtelfuge bewirkt werden.
Bei Bögen mit verhältnissmässig kleinen Radien muss man zum Verhauen der
Schichtensteine schreiten, oder man muss die grossen Fugen, die an der äussern
Leibung entstehen, mit Zwickelsteinen auskeilen. Aus diesen Gründen ist es
räthlicI;, für Bögen aus Bruchsteinen vorherrschend die Flachbögen zu wählen.
Die zum Wölben verwendeten Bruchsteine müssen womöglich durch die ganze
Gewölbec1icke reichen, und ist darauf zu sehen, dass in den einzelnen Schichten
den Steinen ein möglichst annehmbarer Verband gegeben werde.
*) Wir varweisen hier auf die besseren SteinscL'.itbrerke: Leroy, C. F. A., deutsch
von E. P. Kr.uffmann, 1877; Ringleb, Dr. A., Lehrbuch des Steinsehniits, 1874.
94 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.
~I
-_.---- I ,
Fig. 155.
/---\~\\\\\\\\\I\
:.__ ="\,~\\\\0 iil lll/ff!1l!I/I'; -_.~
- '.~.,='-~~"~~ I // i/---==-=-
=-\\~\\\_~~, ~I
=·==\W~77T1LS\\ \1\1001!fi]1 --',
-====\
--I
!
,/
- 1---=
~-
I --
,,
---~ \
\
\
\ I
\ I
,,
'. I
\
\
\ I
\ I
\.\ /
I ,
r
,,
\ I I
\ I
,"
\\ \ I \ ,r
\ I
Fi/i. 151. \
11
I
\\
, I
'
r
V V
Fig. 156.
dar, welche die Aufgabe zu lösen' hat, eine verhältnissmässig sehr grosse
Spannweite scheitrecht zu überwölben; diese Aufgabe hat ihre Lösung darin
gefunden, dass zur U eberwölbung der Bogenöffnung zwei scheitrechte Bögen
verwendet wurden, die sich in der Mitte an einen gemeinsamen Widerlagsstein
anlegen; dieser Widerlagsstein ist an den Schlussstein des Entlastungsbogens
mittelst nachziehbarer Schraubenbolzen angehängt. Die in Fig. 156 angeordnete
Ausmauerung des Zwischenfeldes zwischen Fenstersturz und Entlastungsbogen
ist durch Anwendung von halben Steinen ausgeführt gedacht, und darf nur
dann erst erfolgen, nachdem der Entlastungsbogen sich vollständig gesetzt hat.
Die Figg. 157 und 158 (S. 95) zeigen, wie Doppelfenster mit sehr schwach
gehaltenem Mittelpfeiler bei Backstein- und Mischmauerwerk durch Entlastungs-
bögen vollständig in ihrem Bestande gesichert werden können. Traafähis-ar WiA
Arbeiten des Rohbaues (Bögen). 95
Segmentbögen wirken zur Entlastung Rund- und Spitzbögen, obwohl nur selten
hierfür die entsprechenden Höhen vorhanden sind. Ein Beispiel für die An-
wendung eines Spitzbogens als Entlastungsbogen giebt die Fig. 159.
~
~
I _
Fig. 158.
Fig. 157.
96 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.
zu konstruiren sind.
Arbeiten des Rohbaues (Bögen). 97
Fig. 161.
Fig. 160.
Fis:. 163.
98 I. Maurer- und Steinmetzarbeiten.
gewählt, das dann seine weitere Stützung durch zwei od~r drei ~ertik~le Ständer
aus Riegelholz erhält; eine doppelte Spannlatte b verbindet ehe. belden Fu,ss-
enden des Lehrbogens mit einander, der dann mit 2,5 bis 4 cm breiten Latt-
stücken oder schmalen Brettern mit Zwischenräumen von 1,5 bis 2 cm ein-
geschalt wird.
Auch bei dieser Gewölberiistnng dürfen die zwischen Rahmstück und
vertikalem Ständer einO'eschobenen
c Keile nie fehlen. .
Haben wir es endlich mit Bogenkonstrnktionen zu thun , die über G m
Spannweite besitzen, in sehr starken Mauern liegen und eine sehr bedeutende
Ge,völbedicke erfordern, so wird man dazu schreiten, die Bogenrüstungdurch
den Zimmermann anfertigen zu lassen, und es entstehen dann die sogenannten
Lehrgerüste, die speziell den Arbeiten des Zimmermanns zuzurechnen sind und
oft mitteist Häng - und Sprengwerke konstruirt werden müssen; ein Beispiel
eines solchen Lehrgerüstes giebt die Fig. 164.
Fig, 16i,
Ist der Bogen über dem Geriiste ausgeführt, so bleibt letzteres so lange
darunter stehen, und wartet man mit dem "A u s s c h a l e n " .so lange, bis
der Mörtel einigermassen das Steinmaterial zu .einer Masse verbunden hat; so
lange aber zu warten, bis der Mörtel wirklich erhärtet ist, erscheint als durchaus
unstatthaft, da das vVegnehmen der Bogenriistung mit dem gleichmässigen Sich-
setzen des Bogens aufs innigste verknüpft ist. Nur wenn ein solches Sich-
setzen eingetreten ist, kann ein Bogen als normal tragfähig- betrachtet werden.
Damit das Sichsetzen des Bogens allmälig und nicht ruckweise erfolge,
ist es nothwendig, in jeder Bogenrüstung Keile anzuordnen, durch deren
Lockerung die Hüstung eine geringe Abwärtsbewegung machen kann, welcher
dann das Gewölbe selbst sich setzend folgt.
Wie lange eine Bogenrüstung unter der ausgeführten Wölbung zu be-
lassen 'sei, lässt sich nicht genau bestimmen und hängt streng genommen von
der grössern oder geringem Trocknungsfähigkeit der Luft ab ; im allgemeinen
rüstet man kleine Bögen nach 1 bis 2 Tagen aus, grössere Bögen von 2 bis
3 m Spannweite in 4 bis 6 Tagen, während man bei noch grösseren Bögen
bis zu 10 m Spannweite wohl 8 bis 10 Tage wartet.
N ach anderer Ansicht werden Bögen, in Kalkmörtel ausgeführt, häufig erst
nach 2 bis 3 'Vocben ansgerüstet, während bei Anwendung von Cementmörtel
dies v i e I früher (i. 2 bis 3 TagEn) geschehen muss. 1')a8 Mass des Sich-
' ',
Arnerten 1
(2S HO
D lruaues
' (Gesimse)
TeSll11Se. 99
setzens oder der erfolgenden Senkung lässt sich im Voraus nicht mit Sicherheit
bestimmen ; Mittelwertue aber liefern folgende Formeln:
Bei Lehrgerüsten mit Hängewerken ist S = 0,01 bis 0,02 (7- a),
bei Lehrbögen und Lehrgerüsten, mit
stehenden Ständern unterstützt, ist S = 0,005 (l - a);
beide Form- ln beziehen sich auf Backsteinkonstruktionen ; S bedeutet das Mass
der Senkung, l die Spannweite und a die Pfeilhöhe des Bogens.
Das Sichsetzen der Bögen wird auch wohl ohne Rücksicht auf das Lehr-
gerüst bei halbkreisförmigen Bögen auf (1/144) 0,007, bei gedrückten auf 0,01
der Spannweite angenommen.
Beim Einwölben von Wandbögen mit Backsteinen ist besonders darauf zu
achten, dass den einzelnen Schichten gleichmässige und zwar möglichst schwache
Fugen gegeben werden; um dies möglich zu machen, ist es zu erstreben, dass
auf den Ba~ eigens geformte keilförmige Gewölbesteine geliefert werden, denn
Bögen aus stark verhaueneu Steinen hergestellt vermögen nur einen sehr ge-
ringen Widerstand gegen Zerdrücken zu leisten.
J edel' Bogen muss von wenigstens zwei Arbeitern in Angriff genommen
und womöglich ohne Unterbrechung fertig eingewölbt werden, wobei von beiden
Kämpfern aus die Arbeit gleichmässig gegen den Schluss hin zu fördern ist;
der Schlussstein selbst muss in die zuletzt gebliebene Oeffnung, wenn auch
streng, doch vollständig passen und darf unter keiner Bedingung mit grcsser
Gewalt eingetrieben werden, da hierdurch der ganze Bogen in seinen Schichten
auseinander getrieben'wird; während der ganzen Arbeit ist auch darauf zu
sehen, dass der Mörtel in den Fugen gleichmässig nass erhalten bleibe, damit
der Bogen beim Ausrüsten sich gleichmässig setzen kann.
K 0 TI S t r u k t ion der Ge s i m s e.
Die zum Zwecke unerlässlich resultirende Kernform eines jeden Gebäudes
zergliedert sich in das Untenliegende (Unterbau), das Raum - Umschliessende
(Aufrechtstehende) und das Deckende (Schwebende); diese d I' e i an. keinem
Gebäude fehlenden Hauptpartieen sind als die a b sol u te Hau pt g li e d e -
r u n g eines Baues zu bezeichnen, und werden weiter zergliedert in die so-
genannten U n tel' g 1i e der, die zwar vorherrschend konstruktiv ~ zweckliehet
Natur sind, aber' dennoch kein unerlässlich nothwendiges Dasein und Ge-
staltungsprinzip ansprechen, wie jene Hauptbestandtheile; sie verdanken ihr
Dasein mehr einer sekundären Zwecklichkeit.
Diese sekundär - zweckliehen Zwischenglieder bilden vorherrschend die
feineren Abstufungen der Konstruktion, sind den Gelenken des thierischen
Körpers zu vergleichen und können je nach ihrem Dienste und ihrer Stellung
als D eck gl i e der, F u ss g 1i e der oder Z w i s c h eng I i e der bezeichnet
werden.
, Viele dieser Zwischenglieder, wie z, B. die Gurt- und Brüstungsgesimse,
die Kapitäle und Basen, die Fenster- und ThUreinfassungen etc., leisten einen
ziemlich unentbehrlich konstruktiven Dienst, während andern nur eine geringe
statische Bedeutung zuerkannt werden kann.
So sind manche Zwischenglieder ~nehl' und mehr willkürlicher Natur --
wie zur Auswahl vorhanden und werden deshalb .wohl a r bit I' ä re
G I i e der u n gen genannt.
Diese arbiträren Gliederungen dienen dann häufig d: zu , die Sorgfalt der
Konstruktion , die Vollständigkeit des Organismus und die fe.rieren Nuancen
7*
100 1. }\1'"1"1·
_ aurer- • und St .
der archite1-to ' I einmetsarbeiten
, msc '
~,mal:
ver:llerkt
fg 11' e der
in die blos
, ,üb
ien ~?rmenanordn
' er, und bild für das A ngc nng und augenfälliger
d
ästhetische S;" en einen zanz en optischen Schein
' b I zu betone
,~"gehen so un-
~ a~schliessen,
eIgentlIchen
' 0 rl' n a m Pe rare
n t i der Ab.rchitektur
I ," ausgesprochene n U eberO'an' ar eitenden Z'r e r. -
Ie Y 11' U ,mde' b' U m ]'
blinden v \.0Bnstruktiou solch g m SIe sieh un';"itt ICbie rein
F;'II D ou ackstein er Gliederun e ar der
,1 en mit k '
nur]' einerlei w en, Wer"st" I gen oder G '
, uie verhältni <
"ecenthcben S I oder
, . ucxen ' , se lb st Gussw .esimse'1 ,ca n : iassiven G
~
die einzi ältnissmässia
Solch. Ausnahme
olche H a '
.. b W Cl" tau c rwierizkeit
slad en verknüpft
end e n Ha
Cl <, ,st i
und n d en meisten
machen 111' ,
e-
~ ,~n
und abzuleit as ganze Gebä
Te In solcher Funkti gewahren, das Hege::' durch häftiae
mpelbau char k treten nn ' asser zu sam b
a~,gebüdet
repräsentiren teristiseh und f rs die Hauptgesims b meIn
~n,
c1e n vollendetst
' WIe Qdiesc, uüberhauptormal U üb
bei ,nu b e esond,ers im
ertreff'lich ' grieeh' J
, F'ig, 16" en uaderbau. ei d,eseu Perlen d entgeg ISC ien
1 n R h a b stellt das Ha t . CI Baukunst d . und
s: mnus d ,up geSlm" er Fall ' t·
rorrnen denen des ar , eines R auwerks' vom
P r i Cn e "t dem'
entnommen
r
.
dd'0S
. Fig. 166 ' arthenons an A' as in bezua
r . ehe nT
f
nmuth sehr , b an seme schö
I J 0 n 1 s ehe n T ' nahe steht
der N e ' e~pel
IS,
me s 1 s
onen Detail-
, uas , auf klei nasiatischem
. , empel Bode:
deren A.entstanden
t 'he n a Pol'"
, .nur1 a wenig
S zu
Fig. 165.
und
vom durch
D orismus
' b eeinflusst w d Fig. 166.
~
elSOU zu Hülf ureh Ihre oll . es jonisel c eu verschi m
d
Bauweise e kommen d wert vorsprir b 18 Hauptgesi iedenen
aunge ' em Do . rzend D b ms si d
schnitte' (D entlculi),
' nommen, ersel1emen ' rismus die G aber " fre m d sllld'
.1-' orm der A
vo d us Iadung
n stets
des
lO' 167 e'sIpod ' n Cl' k . '
S tat 0 ' , (S, 101) - en stets als ormthischen
o I' In R ,steUt das F sogenannte Z
F
kor in t h ' Gm v o r ' ,.uuptzes' alm-
, 1 "ll cm
, 1 sei I e 11 0 r' ClllUng r'"olTII:,chen
,,' I zwe" lllliJ vom 'T emp eI des Jup't
..v S··aulenba
, "Cl ue, der de
"_ anschHesst , a b er 11 1Mustern Cl.lb I er
..,
C ach vielfa0.h
Arbeiten des Rohbaues (Gesimse). 101
während Sie selbst auf einer weit vortretenden Auskragung ruhen, die aus den
Zahnschnitten mit den dazu gehörenden Ober- und Untergliedern besteht.
Die 1 111 starke Frontmauer , welche das
krönende Gesims auf sich aufzunehmen hatte,
erwies sich bei weitem nicht dazu befähigt, und
so musste man einerseits zu einem höchst
künstlichen System von in einander eingreifen-
den Hakensteinen schreiten, andererseits musste
durch Aufrnauerung an der Rückseite des Ge-
simses den überhängonden Gesteinen ein sicheres
Gegengewicht gegen Ueberkippen verschafft wer-
den, wie dies aus dem beigegebenen Holzschnitte
weiter erkennbar sein möchte *).
Welches Aufsehen diese eizenartize
o 0
KOll-
struktion seiner Zeit schon machte, äusserte sich
unter Anderrn dadurch, dass dem scharfsinnigen
Baumeister des unübertroffen wirkenden Haupt-
gesimses von seinen Zeitgenossen der Beiname
"Cronaca" gegeben wurde.
Wenn auch die Hauptgesimsbildung arn
Palazzo Strozzi ihres kolossalen Aufwandes an
Material und Arbeit für unsere Zeit keine Nach-
ahmer finden möchte. so bleibt doch immer die
I
nur als Blasphemie im wahrsten Sinne des 1Vortes bezeichnet werden, und
ist zu bekämpfen!
Bei freistehenden Gebäuden, bei welchen aus Holz konstruirte Gesimse
nicht mit feuersicherem Material verkleidet werden müssen, werden oft die
Hauptgesimse in der reichsten Ausbildung der korinthischen Ordnung ganz aus
Holz ausgeführt; die Hängeplatte erhält dann wohl vertiefte Kassettenfelder.
in welchen Rosetten von Gyps ihren Platz finden, oder es wird wohl auch
das ganze durch Holzvertäfelung gewonnene Gesims polyehremisch dekorirr.
Ein solches, die Steinkonstruktion freilich
nur imitirendes Hauptgesims giebt die Fig.l 72.
Stehen beim Baue von VV ohngebäuden
dem Baumeister keine grässern Hausteinquadern
zur Verfügung, und ist er nur auf die Ver-
wendung von Backsteinen und auf den Back-
steinrohbau angewiesen, so wäre wohl prin-
zipiell die eigentliche traditionell-antike Form
bei Bildung der Hauptgesimse auszuschliessen,
da bei Verwendung von Ziegeln von vorn
herein weit ausladende Hängeplatten unzu-
träglich sind, auch dann noch, wenn eigene
grässere Gesimssteine dem Konstrukteur zur
Verfügung stehen; konstruktive Sch wierigkeiten
möchten bei Herstellung sämmtlicher Gesimse
Fig. 172. im Ziegelrohbau sich niemals ergeben, dagegen
liegt das Schwergewicht für diese Gesimse
in dem Erstreben schöner dekorativer Effekte durch U eberkragnng, Vor- und
Rücksprünge, Gruppirungen, Verwendung von verschiedenfarbigen Steinen etc. etc.
und ist ja in dieser Beziehung sowohl in der Zeit des Mittelalters, als auch
in der unseren Vieles geschehen, was darauf hinweist, dass das Formal-Schöne
des Ziegelrohbaues sich recht wohl kultiviren lässt *).
Sollen weit ausladende aus Backsteinen gemauerte Gesimse aber verputzt
werden, wie dies in äusserst vielen Fällen gefordert wird, so ist man genäthigt,
zu Eisenkonstruktionen seine Zuflucht zu nehmen; bisher bediente man sich eines
aus Bandeisen konstruirten Rostes, der, in der Unterfläche der Hängeplatte
liegend, den Backsteinen ein sicheres Auflager gewährte; den Haupthalt erhielt
dieser Eisenrost wohl an den Balkenköpfen oder andern Holztheileu, an die er
durch Nagelung befestigt wurde! Solche Konstruktionen oft sehr komplizirter
Art sind vielfach ausgeführt und empfohlen worden und machen sich auch
heute noch in vielen Handbüchern breit; wir halten sie für durchaus verwerflich,
und gehen deshalb nicht spezieller darauf ein. .
Jedenfalls möchte der Zweck, eine weit ausladende Hängeplatte durch Ziegel-
mauerwerk herzustellen, sich weit leichter und einfacher erreichen lassen durch An-
wendung gezogener eiserner .L Träger, wie dies Fig. 173 (S. 105) näher darstellt.
Hierbei leisten die im Profil mit ab, in der Ansicht mit ce c bezeichneten
ganz leichten, durch die ganze Mauerstärke hindurch greifenden .L Schienen
einen vorzüglichen Dienst ,indem man sie wohl auf die Läuferlänge der zur
Disposition stehenden Steine von einander entfernt legt; das übrige Gesims
wird dann mit Hülfe von Streckerschichten , Dachplatten - und Rollschichten,
. *) In dieser Beziehung wird auf das vorzügliche Werk: Der Backsteinrohbau in
semem ganzen Umfange, von A. F. Fleischirger und A. VV. Becker, Berlin, bei Ernst
&, Korn, verwiesen. '
Arbeiten des Rohbaues (Gesimse). 105
wenn nöthig mit dem Mauerhammer in die entsprechende Form gebracht, III
Cementmörtel hergestellt und später mit dem gleichen Material verputzt.
Fig. 173.
Fig. 175.
Die Sima besteht aus hohlen Rollsteinen und kann der unmittelbar dahinter
verbleibende Raum ganz hohl bleiben. .
Die in dieser Figur gewählte Dachkonstruktion
gestattet die Abdeckurig des J.Iaupt?esimses mit
Metallblech ohne Anwendung einer eJgenen Holz-
verschalung und genügt hier ein an den Stich-
balken befe~tigter starker Haftblechstreifen , wie
dies die nebenstehende Fig. 176 näher darstellt.
Ein solches Hauptgesims, in gutem Portland-
cement verputzt, lässt sich selbstverständlich
mitte1st Konsolen, Füllungen, Friesen etc. d~n
ästhetischen Anforderungen entsprechend dekorativ
Fig. 176. behandeln und möchte jedem nur aus Holz kon-
struirten Hauptgesimse weit vorzuziehen sein ..
Stehen dem Baumeister jedoch Hausteine zur Verfügung, so empfi~hlt SlCf~
bei geforderter Sparsamkeit für Hauptgesimse die Anordnung nach F ig. 17,
Fig. 177.
Bei 8,11en Hauptgesimsen , ob aus Stein, oder Holz gebildet, hat man
eine besondere Aufmerksamkeit der Ableitung des Regen- und Schneewassers
zuzuwenden. Werden die so-
genannten Dachrinnen aus Blech
hergestellt, was ja meistentheils
der Fall ist, .so müssen die
selben allenfallsiger Reparaturen
wegen leicht herausgehoben und
wieder an ihre Stelle gebracht
werden können. Die Dachrinnen
aber mit andern Bautheilen so
zu verbinden, dass sie nicht
für sich ablösbar sind, hat stets
etwas Bedenkliches und ist
durchaus zu vermeiden.
Eine sehr geeignete Lage
für die Dachrinnen ist die ober-
halb der Hauptgesimse, wo sie
vielfach dem Auge des Be-
schauers durch ihr Zurückliegen
. sich entziehen oder auch durch
verschiedene Mittel maskirt wer-
. den können. Hierdurch geräth
man aber möglicher Weise in
Konflikt mit den meisten bau-
polizeilichen Vorschriften, nach
welchen auf die Strasse hin
kein Traufwasser abfallen darf;
und bleibt in solchen Fällen
nichts Anderes, übrig, als zu
einer ähnlichen Konstruktion
zu schreiten, wie solche in Fü,. 178.
Fig. 178 dargestellt ist.
Diese Anordnung giebt zugleich Anlass zu einer empfehlenswerthen Ver-
werthung des Regenwassers; andererseits wird durch die hier gegebene Kon-
struktion auch vermieden, dass das reich dekorirte Hauptgesims in störender
"Weise durch die sogenannte Stell- oder Abfallrinne verunstaltet wird. Die auf
dem Dachboden sich befindende Sammelrinne für das Rcgen-
oder Schneewasser lässt sich nämlich ohne irgend welche
Schwierigkeit mit einer Stellrinne in Verbindung bringen, die
unterhalb des" mit dem Hauptgesimse verbundenen Gebälks
in einen vertieften Falz eingelegt ist, .wie dies die Fig. 179
im Grundriss und Querschnitt andeutet.
J
S t ä, r k e der Mau e r n.
Die im Hochbau verwendeten Mauern sind entweder:
1. freistehende Mauern,
2. Stützmauern (Futtermauern),
3. raumumschliessende Mauern,
4. vV i d e r lag s mau e r n.
Bei fr e i B t ehe n d e n Mauern, meist zur Einfriedignngoder Scheidung
von Höfen, Kirchhöfen, Gärten und Vorgtirten etc, verwendet, hat man es in
allen Fällen nur mit einer verhältnissmässig sehr geringen, lothrecht abwärts
wirkenden Kraft zu thun , die nur in dem Eigengewichte des Mauerkörpers
besteht, wobei die ganze Beanspruchung durch Druck auf die Sohle des Bau-
grundes übergeführt wird, die selbstverständlich dann fest genug sein muss,
um diesem Drucke hinreichend widerstehen zu können.
Die Stärke solcher Mauern wird in der Regel dem zur Disposition stehen-
den Baumateriale entsprechend unter Berücksichtigung des Widerstandes gegen
muthwilliges Durchbrechen gewählt.
Die Druckfestigkeit aber hier in Rechnung 'zu bringen, möchte schon aus
dem Grunde nicht statthaft sein, weil selbst das denkbar am wenigsten tragende
Steinmaterial immer noch tragfähig genug sich erweisen würde, solcher Ein-
friedigungsmauer eine Höhenabmessung zu geuen, die all und jedes Bedürfniss
weit übersteigt.
, So würde Ziegelmauerwerk in Kalkmörtel, dessen Druckfestigkeit bei ge-
nügender Sicherheit 7 kg pro Dcm beträgt, es gestatten, dass eine Mauer
in einer -Höhe von 44 m aufgefiihrt werden könnte, ohne dass sie durch ihr
Eigengewicht zerdrückt werden würde.
Verwendete man Bruchsteine zur Herstellung solcher Mauern, so möchte
von vornherein weder die Festigkeit des Steinmaterials , noch die des Binde-
mittels den geringsten Anhaltspunkt für eine Be r e c h nun g darbieten, weil
bei der unregelmäsigen Gestalt solcher Gesteine die gewöbnliche Annahme einer
Beanspruchung auf Druck nicht mehr statthaft ist.
Haben jedoch freistehende Mauern einer Kraft zu widerstehen, welche sie
zu ver s chi e ben oder umzukanten sucht, wie dies bei Einwirkung durch
Stürme der Fall sein kann, so' lassen sich aus der Grösse des Angriffs das
Gewicht und .sornit alle Abmessungen des Mauerkörpers bestimmen; man wird
aber auch hier zu einem Resultate gelangen, dass an den bisher der Erfahrung
entnommenen Abmessungen solcher freistehenden Mauern Nichts zu ändern
sein möchte,
Der durch den Windstoss auf eine Mauerflucht übertragene Druck wächst
bekanntlich proportional . der Angriffsfläche -und mit dem Quadrat der Wind-
geschwindigkeit. Bezeichnet F die dem Windsrosse ausgesetzte Mauerfläche
n?rmalzur vVindrichtung gemessen in Quadratmetern, v die Geschwindigkeit
des 'Windes oder Sturmes in Metern pro Sekunde, so ist der Druck
P 0,12248 F v 2 kg,
dabei 'kann man, um den MaxiI~aldl'uk zu erhalten, die Geschwindigkeit eines
Sturmes v = 30 bis 35 mannehmen.
Im Mittel sind hierbei als Druck 110 bis 130 kg pro qm in Rechnung
zu bringen, eine Druckbeanspruchung , die -rechnerisch zu annähernd gfeicher
Mauerstärke, wie die unten folgenden praktischen Regeln führt.
Das Mass der Stabilität einer Mauer gegen Umkanten ist nämlich gleich dem
Produkte aus <ihrem Gewichte und dem Abstande der Se;hw811inie von der
Arbeiten des Rohbaues (Stärke der Mauern). 109
Drehaxe, und dieser Werth muss dem Angriffsmoment gleich sein. Es ergiebt
sich sonach auf einfache Weise , dass die S t a b i I i t ä t ein e s Mau e r -
körpers im quadratischen Verhältniss der unteren Breite
der Mau e I' w ä c h s r,, und das s Mau ern von g lei c h e m G e wie h t
~
I
II I.,
Fig', 180.
I
Fig. 181..
a.
Fig. 182.
I
a, -
Inhalte, wie bei einer lothreehten Mauer (a) breiter und somit die Widerstands-
fähigkeit der Maue!' im quadratischen Verhältniss hierzu grösser.
Das beste Mittel aber, die Standfähigkeit, namentlich bei langen Mauern,
zu erhöhen, bleibt die Anlage von S t r e b e p f ei 1 e r n , welche sich in geeig-
neten Entfernungen wiederholen. Diese Entfernungen müssen so gewählt
werden, dass der Steinverband und die Bindekraft des Mörtels ausreichen , um
eine selbstständige Bewegung der zwischen den Verstärkungen liegenden Mauer-
stücke zu verhüten. Es können dann die dem Angriffe der Kraft entgegen-
gesetzt liegenden Kanten (aa' Fig. 183 S. 110) als Drehungsaxe angesehen
werden.
Untersucht man die vortheilhafteste Anordnung von den in der Fig. 183
dargestellten Strebepfeilern, und bestimmt für die drei -verschiedenen Anordnungs-
weisen die Schwerpunkte S 8 8 in den Grundrissfiguren , so erhält man die
verschiedenen Hebelarme Xl S X 2 '8 Xs "8 für das Widerstandsmomentder Mauern.
Nach dieser Ermittelung ergiebt sich, dass die Stabilität einer Mauer mit Strebe-
pfeilern, an der rückwärtigen Seite, in bezug auf den Angriff, am grössten, die
für eine 'Mau'er mit Strebepfeilern an der vordem Seite am 1:::' c~nsten ist; d«-
zwischen Iiezt ien Anordnung'. die' zu beiden Seite11 (h~' Mauer Strebepfeiler
110 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.
zeigt. In den der Fig. 183 zu Grunde liegenden Fällen verhalten sich die
Stabilitätsmomente der Mauern A, Bund 0 wie
Xl S : x 2 's : x 3 "s, oder annäherungsweise
WIe 9 : 6 4 *).
Ir~~I
~fI
--<ti--
I
,~~
~~
~I~
~ II ....,--
~
I t y
,I A
+
,--
'I ~ L--,
al~.fr "-r.--
I . '
ar--
I
i I 111 I
-~r--I----~[I--------~·I-----
a---- a~__ "Lr4Jl!_
Fig. 183.
Erfahrungsgemäss nimmt man für die Stärke einer fr eis t ehe n den
Mau e r 1/ S' 1/1 0 oder 1/ 1 2 ihrer Höhe an; im erstem Falle ist dann die
Standfestigkeit eine sehr grosse, im zweiten Falle eine mittl re , im dritten
eine schwache.
Die Standfähigkeit freistehender Mauern ist aber nicht allein von ihrer
verhältnissmassigen Stärke zur Höhe abhängig, sondern auch von ihrer Länge
in gerader Linie gemessen; bezüglich dieses Umstandes wird z, ·B. an-
genommen, dass eine Mauer von 3 m Höhe bei einer Länge von 6 mund
einer Stärke von 0,25 m hinreichend stabil sei, während bei doppelter Länge
einer solchen Mauer ein e Verstärkung durch einen Strebepfeiler zn geben sei;
ebenso müsste eine freistehende Mauer von 6 m Höhe und 0,50 bis 0,60 m
Stärke von 12, zu 12 meinen Verstärkungspfeiler oder einen anderweitigen
Stützpunkt durch eine anstossende Mauer erhalten.
Allgemein gefasst ergiebt sich hieraus die Regel, dass j e deM aue I' ,
deren Stärke nach der Höhe "bestimmt ist, ohne weitere
S t t z P unk te nur z w e im a 1 s.o 1an g wer den k a n n, als sie
ü
hoc his t.
s
U n bel a s t e t e ger a d 1i n i g e U m fa s u n g s mau e r n , die an ihren
Enden unterstützt sind, werden nach Rondelet in ihrer Stärke dadurch ermittelt,
dass man auf der freien Länge ab (Fig. 184 S. 111) der Mauer in bein
Loth bc gleich 'der Höhe der Mauer errichtet und bein 8, 10 oder 12 Theile
theilt , je nachdem die Mauer eine sehr grosse, mittlere oder geringe Festig-
keit erhalten soll. Trägt man dann einen dieser Theile (hier 1/10) von C
Fig-. 184.
nach cl ab und zieht von cl eine Parallele mit c b; so ergiebt sich hieraus die
verlangte Mauerstärke. dieselbe ist:
lh
s - ----";"====
-11, yl2+h 2 '
wobei s die Stärke der Mauer, l die freie Mauerlänge , h die Manerhöhe be-
Rondelet hat durch seine Beobachtungen den Satz aufgestellt, dass Mauern
aus Werkstücken , Backsteinen, lagerhaften Bruchsteinen und unregelmässigen
Geröllen bei gleichen Stabilitätsverhältnissen sich verhalten wie die Zahlen-
werthe von 5 bis 6 :' 8 : 10 : 15, woraus sich ergiebt, dass eine Mauer bei
gleicher Widerstandsfähigkeit aus Werkstücken um das Dreifache schwächer
gemacht werden" kann, als eine Mauer aus unregelmässigen Rollsteinen. "
'V.as ~ie Fundamentstärke von freistehenden Mauern anbetrifft, so macht
man sie) -4'" hier meistens nur' das Eigengewicht in bettacht kommt, und die
Fundationssohle nur einen Vertikaldruck zu erleiden hat, bei gutem Baugrund
um die· Hälfte breiter wie die zu tragende Mauer; für eine 2 Stein stav'te
Mauer würde dies eine untere Sohle des Fundaments von 3 Stein Stärke
voraussetzen. ~Fig. 185 (S. 112) stellt diesen Fall dar; um Steinmaterial zu
ersparen, wird .aber nur dem untersten Banquett in. einer Höhe von 0,30 bis
0,45 m diese Stärke von 3 Steinen gegeben, während die eigentliche Stützmauer,
die theilweise in der Ente liegt, 2 1/ 2 Stein stark gemacht wird, so dass zugleich
für die freistehende Mauer ein beiderseits vorspringender Sockel gewonnen wird.
Freistehende Mauern, die ausser ihrer Eigenlast noch eine' andere zu tragen
haben) möchten im Hochbau nicht vorkommen; wohl aber ist dies der Fall
bei solchen Pfeilermauerwerk -' welches stark belastete Decken, oft in mehr-
112 1. 1Lwrer- und Steinmetzarbeiten.
1~
3,1 1,26 0,78 11,0 2,82 1,41
4,7 1,57 0,94 12,6 3,14 1,57
6,3 1,88 1,02 15,7 3,77 1,88
7,9 2,20 1,18 18,8 4,40 2,00
9,4 2,51 1,31
Bei Ausführung von Futter- und Stützmauern ist besonders der Umstand
zu berücksichtigen,ob das von der Mauer gestützte Terrain zeitweise durch
Wasser durchtränkt werden .kann , wodurch der Bestand der Mauer in hohem
Grade gefährdet wird; aus diesem Grunde ist beim Anlegen von Futtermauern
dafür Sorge zu tragen, dass an ihrer Basis eine grössere Anzahl Durchlass-
kanäle , die dem "VVasser ungehinderten Abfluss gewähren, angebracht werden.
Bei umfassenden und hohen Terrassirungen kann es durch die Terrainverhält-
nisse geboten erscheinen , den vorhandenen Bauplatz bergmännisch mittelst
durchlassender Abzugskanäle so zu durchsetzen, dass die allenfalls vorhandenen
Gewässer gesammelt und abgeleitet werden können; solche Vorsicht ist be-
sonders da geboten, wo man an den Abhängen hoher Flussufer oder Berge
zu bauen hat *).
Handelt es sich darum, die~St'ärken jen er Mau e r.n zu b e ~ ti m m e n ,
d i eR a Um ums c h l i e s sen d die wesentlichsten Bestandtheile unserer Gebäude
bilden, so machen sich dabei eine so grosse Menge von verschiedenen Ver-
hältnissen geltend, dass es unmöglich erscheint, hier eine allgemein giltige
Regel aufzustellen. Nicht allein die so sehr verschiedenen Höhen der Ge-
bäude, wie die der einzelnen Stockwerke, bedingen die Stärke der Mauern,
sondern auch die Grösse und Lage der, einzelnen Zimmer, ferner die Anzahl
und Anordnung von Fenster- und Thüröffhungen.
Ein Theil der in einem Gebäude nothwendig werdenden Mauern erscheint
.oft bedeutend belastet oder einem Seitenschubeausgesetzt, während bei andern
Mauern dies nicht der Fall ist.
Liesse sich nun auch in allen möglicher Weise vorkommenden Fällen die
Belastung oder die anderweitige Inangriffnahme einer Mauer ermitteln, so bleibt
doch wieder die Berechnung des Widerstandes der verschiedenen Stein - und
Mörtelmaterialien , der Einfluss eines guten Verbandes, die Wirkung der an-
si n d.
Es würde zu weit führen, hier auf die grosse Verschiedenheit aufmerksam
zu machen, die sich in den verschiedenen Bauordnungen in bezug auf die Mauer-
stärken geltend macht; es möge das Brauchbarste hier übersichtlich geordnet Platz
finden:
Die Mauern, welche ein massives Gebäude bilden, lassen sich zergliedern:
1. in U m fa s s u n g s mau ern und
2. in Mit te 1- und Sc he i dem aue r n.
Die Um fa s s u n g s mau ern sind entweder tr a gen deoder nur Raum
umschliessende; die ersteren nehmen die Gebälke in sich auf, die letzteren
repräsentiren sich oft als Kommunmauern ; auch die Giebelmauern sind in den
meisten Fällen durch kein Gebälk belastet.
Für die Um fa s s u n g s mau ern uns e r erG e b ä u d e gelten allgemein
folgende Annahmen: Bei ein e r Stockwerkshöhe von 3,3 bis 4,5 m, einer
Zimmertiefe von 7 m und einer freien Frontlänge der Zimmer von 9,5 bis
10m ist die äussere belastete Umfassungsmauer 1 1/ 2 Stein stark auszuführen;
ist jedoch die Stockwerkshöhe bei sonst gleich bleibenden Verhältnissen geringer
als 3,3 m, so kann den statischen Verhältnissen vollkommen durch eine 1 Stein
starke Mauer genügt werden, wobei jedoch ein d u r c hau ss 0 I i d e s Mau e r-
werk, unter Anordnung einer aus r eie he n den Ver a n k e run g der
gegenüber stehenden Mauern vorausgesetzt wird. Da eine 1 Stein starke U m-
fassungsmauer aus Vollsteinen unseren klimatischen Verhältnissen nicht wohl
entspricht, so wählt man aus hygeischen Rücksichten diese letztere Mauerstärke
nur für solche Gebäude (Werkstätten , Magazine, Fabriken), die nicht VVohn-
zwecken dienen *).
Dienen Bruchsteine als Material, so können Umfassungsmauern unter den
erst angegebenen Verhältnissen 0,45 m , in letzterem Falle 0,35 m stark ge-
macht werden.
Die belasteten Umfassungsmauern sind jedoch im obersten Stockwerke
2 Stein stark zu machen bei Stockwerkshöhen über 4,5 m , bei Zimmertiefen
über 7 mundbei freien Frontlä.ngen der Zimmer über 10m.
Bei den oben angegebenen geringem Zimmerhöhen giebt man den be-
lasteten Umfassungsmauern zweier Stockwerke gleiche Mauerstärke und ver-
*) Auf dem Lande erhalten einstöckige Gebäude unter Zustimmung der meisten
Bauordnungen meistens nur eine 1 Stein starke Umfassungsmauer; werden dieselben
aus Hohlsteinen hergestellt, und Verkleiclungen mitte1st schlechter Wärmeleiter zum
Schutz gegen die äussere Winterkälte zu Hülfe genommen, so genügt dies auch voll-
kommen.
116 1. Maurer- und Steinmetz arbeiten.
stärkt sie nach unten in je zwei Stockwerken um 1/2 Stein; bei den grössern Zimmer-
höhen erfolgt die Verstärkung von 1/2 Stein bei j e dem tiefer liegenden Stockwerke.
Umfassungsmauern ~ welche nicht als Auflager für die Gebälke dienen,
können bei entsprechender Verankerung (bei freistehenden Bauten) durch alle
Stockwerke 1 1/ 2 Stein stark gemfLcht werden; in gleicher "Yeise ist diese Stärke
ausreichend, wenn die freie Frontlänge der Urnfassungsmaner 2,5 m nicht
überschreitet, wie dies wohl bei Aborten, Holzgelassen etc., der Fall sein kann.
Bei Anwendung von Bruchsteinen wählt man zur Verstärkung der Mauern
nach unten das Mass von 15 cm,
Die Fundament- resp. Kellermauern sind bei Anwendung von Backsteinen
um 1/2 Stein, bei Anwendung von Bruchsteinen um 0,15 cm zu verstärken.
Zu den Umfassungsmauern möchten auch jene Mauern zu zählen sein, die
zur Bildung von k lei n er e n H ö fe n (Lichthöfen) dienen; je nachdem solche
Lichthofmauern als Auflager für die Gebälke dienen, oder VY olmräume nach
Aussen hin begrenzen, hat man denselben in allen Etagen eine Stärke von
11/~ Stein zu geben, im andern Falle genügt wohl in den meisten Fällen eine
Stärke von 1 Stein.
Die Mittel- und Scheidemauern werden oft sehr stark durch die Gebälke
belastet und starken Erschütterungen ausgesetzt; ist nur ein e Mittelmauer
bei zwar tiefen Zimmern aber mässigen Höhen vorhanden, so wird man ihr
unter allen Umständen mindestens eine Stärke von 1 1/ 2 Stein zu geben haben;
bei sehr hohen Räumen) bei verhältnissmässig lang freistehenden Mittelmauern,
mit .vielen oder grossen Unterbrechungen darin, durch Anlage von offenen
Bögen oder Thüren, Rauch -, Heiz - und Ventilationsröhren wird den Mittel-
mauern eine Stärke von mindestens 2 Stein zu geben sein, während anderer-
seits unter günstigen Verhältnissen und dem Vorhandensein einer zweiten
Mittelmauer eine 1 Stein starke Mauer genügen kann.
1 Stein stark wird man auch solche Mauern machen, die in einem grössern
Miethhause die einzelnen Quartiere von einander trennen; auch Mauern, die
einerseits ungeheizten Vestibülen oder Treppenhäusern, andererseits geheizten
Räumen angehören, müssen 1 Stein Stärke erhalten, weil SOllst die geheizten
Räume nicht gegen die Kälte des ungeheizten Vestibüls geschützt erscheinen.
Auch Mittelmauern , welche Treppenhäuser umgrenzen, müssen - der
Feuersicherheit wegen - mindestens eine Stärke von 1 Stein erhalten. .
Handelt es sich endlich um Seheidemauern , die von Balkenlagen gar
11 ich t bel a s t e t , zwischen zwei Streichbalken liegen, so können solche
Mauern bei guter Verankerung der Gebälke in den Hauptmauern , selbst beim
Vorhandensein vieler Stockwerke, 1/2 Stein stark gemacht werden.
Mauern, welche die schnelle Ausbreitung des Feuers bei eingetretenen
Bränden zu verhindern haben, nennt man' wohl B r a n d mau ern; solche Mauern
müssen . mindestens eine Stärke von 1 Stein erhalten und werden im Dache
°
liegend, 0,3 m über die Dachfläche hinausgeführt; nehmen dieselben einen
bei aneinander gebauten Häusern gemeinsamen Charakter an, so entstehen die
sogenannten Kom 111 U nm a u e r n, die mindestens 1 1/ 2 Stein Stärke erhalten,
und in denen prinzipiell : die Anlage von nicht feuersicher schliessbaren
Oeffnungen verboten ist.
Nach Red t e n ba c her berechnet sich die Umfassungsmauer von Fabrik-
gebäuden nach der empirisch aufgestellten. Formel:
h' + h" h' + k"
ef = -
40
+--;
iM
25
e" = --
t
40
+ 25
.<:'> e"
.
= -
t
40
-+- ,-_.~ 25
kill
. _.---~_._.
_I
-- 8:8.'
'
Arbeiten des Hohbaues (Stärke der Mauern], 117
hierbei bedeutet e' die Stärke der 0 b e r s te n Umfassungsmauer, eil und eil'
beziehen sich auf die Höhe der mittleren, beziehungsweise des untersten Ge-
schosses; in derselben Weise sind h' h" hili die Geschosshöhen , t drückt die
Tiefe aus; demnach würde ein 12 m tiefes Fabrikgebäude, dessen Tl.I. Geschoss
3,50 m hoch und dessen H. und 1. Geschoss 4 m hoch wären, die folgenden
Mauerstärken zu erhalten haben:
1 ') 'l
e'=~+~~; e - 40
"'0 o" _ 12 + 3,50 + 4,00.
25' e
0'" = 12
40
+ 3,50 1- 4,00
25·'
+ 4,00
40 20
was den Massen VOll:
t+~
2
24
hiernach würde ein 8 m tiefes und 4 In hohes Gebäude, das serner Tiefe nach
nur einen Raum besitzt, eine Umfassungsmauer von
2 . 8,00 + 4,00 _
- - - - - ' - - - -- ,
0 41 6. m Stärke
48
zu erhalten haben, was für Ziegelbau einer Stärke von 1 1/ 2 bis 2 Stein ent-
spricht.
Hat ein Gebäude der Tiefe nach zwei Reihen Zimmer, so nehme man
von der halben Summe der Tiefe und Höhe den 24. Theil als Stärke der
Umfassungsmauer; oder in einer Formel ausgedrückt
h -1- t
x=----
2 h+t
24 48
Die Stärken der Scheide - oder Mittelmauern macht Rondelet abhängig
von der Tiefe der zu theilenden Räume und von der Höhe derselben; beide
Masse sind zu addiren und durch 36 zu' theilen; es ist also
x=h+t.
36
Eine Mittelmauer in einem 15 m tiefen Gebäude, bei einer Stockwerkshöhe
von 3,5 m würde dementsprechend
15 + 3,5 = 0,51 m
36
stark zu mach en S8m, was für Ziegelbau 2 Steinen entsprich i:,
118 1. Maurer- und Steinl11etzal'beiten.
Die hier sich ergebende Banquettsohle ist = 0,77 qm, so dass der Druck
18334.100
für 1 qm . 77 = 23810,30 kg betr:igt.
Arbeiten des Rohbaues (Stärke der Mauem). 119
. .- - - , . ~ ~
:'"'"-~~=:
_r-_:--__ '.\\ -" 10//~'--:;>/=-
120 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.
Für Fig. 191 berechnet sich die Last des Mauerwerks auf 23824 kg
ab für Fensteröffnungen 7 941 "
~--------
bleibt: 15883 kg.
Für die Decken ergiebt sich eine Last von . 7 500 "
für das Dach eine solche von . 1 500 "
Gesammtlast 24883 kg.
Die Bauquettsohle hat einen Querschnitt von 0,90 qm, so dass der Druck
24 883 . 100
für 1 qm 90 = 2 7 6 4"1,77 kg beträgt.
Nach Seite 6 beträgt die zulässige Belastung fiir den sogenannten ge-
wachsenen Boden oder für guten Baugrund 30 bis 100 tadel' 30000 bis
100000 kg, woraus sich ergiebt, dass in den vier vor-
stehenden Profilen (ganz besonders in den beiden ersten), eine
übergrosse Sicherheit. gegeben ist.
Nur bei einem Baugrunde von geringerer Tragfähigkeit
wäre es geboten, den .Fundamentsohlen eine grössere pressende
....-
~
aber auch der Fall in hygienischer Beziehung ist, möchte bezweifelt werden,
indem eine Mauer von so geringer Stärke wohl kaum im Stande sein
dürfte, bei starkem Frost die Bewohner gegen jene Nachtheile zu schützen,
welche durch eine starke und plötzliche Abkühlurig der inneren Zimmerluft ent-
stehen müssen. Kann man sich nun durch Anwendung schlechter Wärmeleiter,
namentlich durch innere Holzvertäfelungen gegen solche Nachtheil~ wohl voll-
ständig schützen, so möchte doch immer auch darauf Bedacht zu nehmen sein,
dem Bewohner nicht das be ä n g s ti gen d e Ge fü h 1 aufzudrängen, dass er
in einem Kartenhause wohne, welches ihm möglicher Weise übel' den Kopf
zusammenfallen kann.
Die VV i der 1 ag s mau e r n finden nähere Besprechung in den Kapiteln:
..U eber die Stabilität der Gewölbe und deren Stützen".
/,
2. Ge w öl b e.
Geschichtliche Notizen.
Bis vor kurzer Zeit wurde allgemein angenommen, dass die Technik des
Wölbans unter Anwendung von Keilsteinen und Centralfugen den ältesten
Kulturvölkern, wie den Chaldäern, Babyloniorn, Assyriern, dann den Aegyptern
und Phöniziern unbekannt gewesen sei; nach neuern Forschungen, besonders
durch Layard , Taylor und Loftus, Botta, Flandrin , Victor Place einerseits,
andererseits durch den Berliner Gelehrten Lepsius , lässt sich jedoch mit aller
Bestimmtheit die Konstruktion der ältesten, unserer Zeit erhaltenen Gewölbe auf
ein Alter von nahezu 3000 Jahren zurückführen.
Dass diese Gewölbe mit dem Uranfange der Gewölbetechnik in unmittel-
barem Zusammenhang stehen, d. h. dass sie die zu er s tel' fun den e n sind,
möchte wohl zu bezweifeln sein, um so mehr, da wir Mittheilungen von alten
Schriftstellern besitzen," die das Vorhandensein von Gewölben" bis in die Sagen-
zeit 'hinein versetzen.
Diodor, der die Gründung Babylons, freilich im Gegensatz zu andern
Schriftstellern, der mythenhaften Königin Semiramis zuschreibt, theilt uns im
II. Buche, dem 9. Kapitel mit, dass diese Herrseherin auch einen unterirdischen
Gang" zur Verbindung von zweien ihrer Paläste bauen liess, der unter dem
Euphrat durchgeführt werden musste.
Das Kanalgewölbe - heisst es an betreffender Stelle - war aus ge-
brannten Ziegeln ausgeführt und auf beiden Seiten so oftmals mit gekochtem
Erdpech überstrichen, bis es die Dicke von 6 Ellen erhielt. Die "Wände des
Kanals waren 20 Ziegel, dick, und, den eigentlichen Gewölbebogen nicht mit
eingyrechnet (also bis zum Widerlager), 12 Fuss hoch, während die" Spann-
weite 15 Fuss betrug. Weiter erzählt Diodor , dass dieser Kanal, der ein
zeitweises Verlegen des mächtigen Stromes nothwendig machte, in 7 Tagen
fix und fertig hergestellt worden war *). '
Steht Diodor's Mittheilung in geschichtlicher Beziehung in Widerspruch
mit den Zeugnissen der meisten Alten, nach welchen die Gründung" Babyloris
*) Nach Dioc1or, H. Buch, 7. Kap., liess Semiramis zum Bau von Babyleu überall
Baumeister und Künsbler anw erben ; nachdem alle"! sonst Nothwendige herbeigeschafft
war, unternahm sie mit 2 Millionen Mä.n n er n die Ausführung. '
122 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.
lange vor Semiramis zu setzen ist, so geht daraus noch nicht herv or , dass
unser durch seine Gelehrsamkeit und Gewissenhaftigkeit so berühmte Historio-
graph auch in seinen technischen Mittheilungen anzuzweifeln sei. Macht er
um; doch auch anderweitige technische Mittheilungen, die als durchaus un-
zweifelhaft sich erwiesen haben. 80 wird von Diodor im H. Buche, dem
8. Kapitel,. erzählt, wie 8e11111'amis die Stadt mit z w e i Ringmauern umgeben
liess etc., und dann sazt
b
er wörtlich: ..sie erbaute aber auch noch eine dritte
U
innere Mauer, welche die eigentliche Burg umschloss. Diese hatte einen Um-
fang von 20 Stadien (40 km), an Höhe aber überragte dieser Bau die mittlere
Mauer und so auch deren Breite. An den Thürmen und Mauern waren allerlei
Thiere zu sehen, an Farbe und Gestalt der Natur mit grosser Kunst nach-
gebildet. Das Ganze stellte eine Jagd vor mit zahlreichen Thieren und Figuren,
die mehr als 4 Ellen hoch waren; darunter war auch Semiramis als Reiterin
abgebildet, wie sie mit dem ,V urfspiesse einen Panther erlegt, und nahe dabei
ihr Gemahl Ninos, wie er mit der Lanze einen Löwen niederstreckt."
Dieser interessante Bericht über das musivische Backsteinmauerwerk der
alten Stadt Babyion stimmt vollständig überein mit der spätem Technik, die
sich an den Palästen Ninive's traditionell erhalten hatte; nachweisbar sind
aber in den ältesten Ruinen, z. B. in denen von Mugeir , aus der Zeit von
2230 v. Chr. stammend, das Vorhandensein von glasirten farbigen Ziegeln,
während in den Ruinen des Königspalastes von .Kisir - Sargon aus der Zeit
720 v, Chr, herrührend, sich musivisches Backsteinmauerwerk mit allerhand
Figuren vollständig erhalten hat, ähnlich wie es von Diodor beschrieben wurde.
Fig. 1 *) auf Tafel IX giebt ein Beispiel dieses polychromen Ziegel-
mauerwerks ; es stellt ein Bogenstück, entnommen einem Portalbogen, der selbst
später besprochen werden wird, dar. J edel' einzelne Ziegel, der zu' den figür-
lichen Darstellungen benutzt werden sollte, musste mit Rücksicht auf die ganze
Darstellung gezeichnet und farbig, ja oft mehrfarbig glasirt werden. Der
Hauptton der hier mitgetheilten Verkleidung von emaillitten Ziegeln ist ein
lichtes Blau; die Einfassung besteht aus einem gleich blauen Streifen mit weiss
und gelben Rosettchen geziert, dem ein gleichmässig gelber Streifen folgt. Die
doppeltgeflügelte Gestalt eines Brod (?) und Salz (?) darbietenden Cherubim
zeigt in allen Fleischtheilen die Fleischfarbe, Bart und Haare sind schwarz
und ebenso die Iris des Auges und die Augenbrauen, während der Augapfel
sonst weiss erscheint; die Stirnbinde ist grün, die Sandalen und die Kopf-
bedeckung sind gelb, das Gewand und die Flügel gelb und blau. Die ganze
Darstellung ist eine äusserst lebendige, die Farben sind gut gewählt, und hat
sich die ziemlich stark aufgetragene Glasur vortrefflich erhalten.
Aehnliches polychromes .Ziegelmauerwerk hat sich vielfach in den Städte-
ruinen des mesopotamischen Tieflandes erhalten, und man hat es hier mit
einer Technik zu thun, welche als eine äusserst charakteristische für die Bauten
von Alt- und N eu-Babylon anzusehen ist; die vorzügliche Ausbildung, welche
diese Technik in der frühesten historischen Zeit schon erfahren hatte, weist
ohne Zweifel auf eine sehr lang vorhergehende Ausübung hin, und möchte
dem entsprechend kein Grund vorhanden sein, die Mittheilung Diodor's , dass
das Alter dieser Technik in die Mythenzeit zu verlegen sei, anzuzweifeln.
Unserer -Zeit sind aber auch mehrere Gewölbe erhalten, die Diodor's
technischen Mittheilungen die grösste Wahrscheinlichkeit gehen; zwei dieser
~ .. *) Ninive et I'Assyrie, par Victor Place, Paris, PI. 11-16. Dann: Monuments de
Ninive decouvert et decl"te, par M. P. E. Botta, mesure et dessine par M. E. Flandrin.
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 123
Gewölbe gehören Kanälen an; der eine im Rundbogen mit regelrechten Keil-
steinen und Centralfugen gewölbte Kanal zog sich unter der Terrasse des
Nordwestpalastes von Nimrod fort, eines Baues, der wahrscheinlich aus der
Zeit 900 v, ChI'. herrührt und als dessen Erbauer nach den gefundenen In-
schriften der König .Asohurakbal (Sardanapal 1.) gilt *).
Aber nicht nur rundbogige Tonnengewölbe sind unserer Zeit erhalten,
sondern auch solche mit dem Spitzbogen ausgeführte; ein solcher Kanal Wurde
in dem Terrassenbau des etwas jüngern Südostpalastes von Nimrod entdeckt.
Dieses Kanalgewölbe zeigt die Fig. 2 **) im Querschnitt und in der Oberansicht.
Die Spannweite beträgt nahezu 1 m; das Spitzbogengewölbe ist aus keilförmigen,
sehr gut gebrannten, 30 cm hohen und 10 cm dicken Backsteinplatten in bestem
Verbande ausgeführt. ,Yährend der einen Schicht der Schlussstein, welcher
eine scharfe Kante hätte erhalten müssen, fehlt, zeigt die zweite Schicht einen
solchen und greift derselbe etwas in das spitzbogige Gewölbe ein; die Gewölbe-
schichten selbst stehen nicht lothrecht und macht dies die Oberansicht kenntlich,
sondern weichen um nahezu 10 0 von der Vertikalen ab, wie dies zu weiterer
Deutlichkeit die Profillinie a b c angiebt; diese Neigung ist dem Kanalgewölbe
wohl deshalb gegeben, um dem Erddrucke besser widerstehen zu können.
In den Kanal münden auch mehrere vertikal stehende Schächte, die zur
Aufnahme von Wasser bestimmt ge\vesen zu sein scheinen; das aufgenommene
Wasser wird durch niedrige, 0,50 m hohe Kanäle in den Hauptkanal , der
ein sehr starkes Gefälle hat, eingeleitet.
Dr, Reber hat die Ansicht, es sei nicht unwahrscheinlich, dass diese
Bogenform des eben erwähnten Kanals von Mesopotamien aus in ununter-
brochener Tradition an die Araber gelangte, und von diesen nach Europa ge-
bracht wurde, wo sie, den romanischen Rundbogen umformend, nach nahezu
2000 Jahren den Anstoss zur Gothik gab.
So vollendet die Technik der in den Palast-Ruinen von Nimrod aufgefun-
denen Kanalgewölbe auch war, so beschränkte man sich in Assyrien doch
meistens nur darauf, / die T h 0 r e in der Form vom Rundbogen einzuwölben.
Ein solches Beispiel stellt die Fig. 3 dar.
Wir haben es hier mit dem bereits erwähnten Portale des Palastes von
Kisir-Sargon (Korsabad) zu thun ; als Erbauer gilt König Sargon (720 v. Chr.),
Der drei Stein starke Schalenbogen ist von flach gelegten Steinen eingefasst,
und setzt sich überhöht auf den Rücken von geflügelten Stieren mit Menschen-
köpfen auf,' die als heilige Thürhüter alle grösseren Eingangsportale zu flankiren
pflegten und die zu den äusserst charakteristischen Erscheinungen der nini-
vitischen Skulptur zu rechnen sind.
Die äussere Stirnseite des Bogens ist mit emaillirten Ziegeln verkleidet
und zeigt einen äusserst reichen musivischen Schmuck von abwechselnden
Rosetten, zwischen welchen ähnliche Cherubim-Gestalten sich angebracht finden,
wie solche bereits besprochen und in Fig. 1 im Detail dargestellt sind.
Dieser Bogen macht in technischer wie in künstlerischer Hinsicht einen
so überaus befriedigenden Eindruck, dass man wohl geneigt sein dürfte, besonders
wenn man Diodor's Mittheilungen dabei berücksichtigt, die Erfindung des
Wölbens endgiltig den Altbabyloniern zuzuschreiben; faktische .Beweise für
eine solche Behauptung beizubringen, ist freilich nicht möglich, jeden-
falls lässt aber die Sage vom Thurmbau zu Babel vermuthen , dass überhaupt
in der Euphratebene der älteste Kulturmittelpunkt zu suchen sei, und dass von
Babel aus die Völker sich schieden und von dort aus sich über die ganze Erde
ergossen.
Ein anderes musterhaft auszefülirtes
e- Backsteingewölbe
. hat sich in einer
~
Zeit Italiens sind Bauten auf unsere Zeit gekommen, die eine bedingte V 01'-
stufe zum eigentlichen Bogen- oder Gewölbebau bilden, und unter dem Namen
Tl~esauren oder Schatzhäuser bekannt sind. Sie bestehen aus einzelnen sich
vollständig verspannenden Steinkreisschichten in horizontalen Lagen, eine Dis-
position, welche das Prinzip des Wölbans mit Keilsteinen zweifellos vordeutet.
Wenn auch nicht dazu bestimmt, eine frei schwebende Decke abzugeben, hatten
doch jene Steinkreisschichten in sich diejenige Struktur, die sie geeignet machte,
dem seitwärts andrängenden Drucke des Erdreichs mit allem Erfolge zu wider-
stehen , wie dies beispielsweise sehr deutlich bei dem Solratshause des Atreus
zn Mykenae nachzuweisen ist.
Im griechischen Alterthum konnte die Gewölbekonstruktion noch weniger,
als wie dies in Aegypten der Fall gewesen war, sich Geltung verschaffen;
das vorzügliche Marmormaterial Griechenlands gestattete es, weite Räume mit
Steinbalken zu überdecken, und machte in allen monumentalen Bauten die An-
wendung von Gewölben durchaus unnöthig; überdem war der Tempelbau einer
streng hierarchischen Tradition unterstellt, so dass eine konstruktive Neuerung
nicht wohl Platz greifen konnte.
Anders verhielten sich die Verhältnisse bei den Etruskern; wenn auch in
ihren erhaltenen Mauerresten eine grosse Aehnlichkeit mit den aus der pelasgi-
sehen Zeit stammenden sich kund giebt, so zeigt sich doch bei ihren Bauten
schon frühzeitig das so wichtige Element der "Wölbung mit durchaus regel-
gerechtem Steinschnitt.
Zu den ersten" auf unsere Zeit gekommenen Gewölbebauten gehört die
Cloaca maxima, welche unter der Herrschaft der Tarquinier im alten Rom von
etruskischen Baumeistern ausgeführt wurde (Tafel X Fig. 1). Das aus vulka-
nischem Tuffstein bestehende Gewölbe hat einen geregelten Fugenschnitt und
ist als Schalenbogen 3 Schichten stark konstruirt. Die Sicherheit und Kühn-
heit, mit welcher der G e w I beb a u hier bei ziemlich beträchtlicher, nahezu
ö
in der "Art (ähnlich dem glatten Mauerwerke) ausgeführt, dass nur die Stirn-
bögen von aussen massiv, entweder aus Hausteinen oder gebrannten Ziegeln
ausgeführt erscheinen; zwischen den Stirnbögen, förmlich von diesen eingefasst:
befindet sich dann das El:nplekton : eine Art Beton. Bei den grossen Mass -
verhältnissen , die vielfach den römischen Bauten eigen sind, tritt sowohl in
den Mauern , als auch in den Gewölben eine auffällige Masscnhaftigkeit auf',
und würde vman eine solche, namentlich bei der' Ausführung der Gewölbe, um
mit Hülfe einer sehr starken und aufmerksam konstruirten Gewölberiistnng
bewältigen können.
Solche VOll starkem Bauholz gezimmerte Gerüste wurden aber d u r c h weg
von den praktischen römischen Baumeistern, schon der grossen Unkosten wegen,
vermieden, und so bildete sich bei denselben eine Gewölbetechnik aus, wie eine
solche sonst nirgends wieder gefunden wird: dabei aber äusserst beachtenswerth
erscheint.
Zur näheren Erläuterung dient die Tafel IX.
Bei der praktischen Ausführung der Ton n eng e w ö 1 be benutzten die
römischen Baumeister entweder eine S t ein s c h ale, oder sie verwendeten
dazu Zell e n b ö gen.
Bei der K 0 n S t I' U k t ion der Ton n eng e IV Ö 1 b e mit tel s t S t ein -
sc h a l e (siehe Fig. 10) stellte man ein leichtes, bewegliches Bretter - oder
Lattengerüst in dem zu wölbenden Raume auf, und wurde auf diese ganz leichte
Schalung eine Art von Pflasterung aufgebracht. Die beigegebene Zeichnung*)
stellt ein Gewölbe aus den Thermen des Caracalla dar, bei welchem die unterste
Lage der Steinschale aus 0,6 Om im Quadrat messenden gebrannten Stein-
platten bestand; die in Gyps oder auch in guten Puzzolanmörtel gelegten
Platten waren 0,12 bis 0,15 m dick; bei grossen Spannweiten wurde die
Schale, wie solches das hier gewählte Beispiel zeigt, durch eine zweite Lage
von kleineren Plättchen mit 0,20 m Seite im Quadrat verstärkt"; in dieser
zweiten Schalenlage wurden, im ganzen Gewölbe vertheilt ,einzelne Plättchen
aufrecht gestellt, um einen bessern Halt für den später auf die schnell erhärtete
Doppelschale aufzubringenden Beton zu gewinnen. Dieser Beton ist aber
keineswegs -- wie das bisher angenommen wurde - auf die Steinschale auf-
gegossen, sondern in einzelnen horizontalen Schichten sorgfältig als "Packung"
vom 'Widerlager anfangend, bis in den Schluss hinein aufgebracht, wobei das
ganze Gewölbe nach oben hin vollständig horizontal abgeglichen wurde. Bei
Gewölben von geringen Spannweiten genügte eine einfache Schale. War ein
Theil des Tonnengewölbes ausgeführt, so. wurde das Gerüst verschoben und
der neue Gewölbetheil, stumpf, also ohne Verband, gegen den bereits aus-
geführten gestessen.
Es versteht sich wohl von selbst, dass das Aufbringen der einzelnen
Betonmörtelschichten und das Einbetten der vorbereiteten Steinfragmente von
heiden Widerlagern aus gleichmässig erfolgte. Bis zur Brechungsfuge konnte
das schnell erhärtende Füllmaterial die Steinschale nur in geringem Grade
belasten, während die Schale selbst hierdurch in ihrer Tragfähigkeit so verstärkt
wurde, dass ein vollkommenes Schliessen des Gewölbes ohne alle Gefahr eines
Dnrchbrechens vorgenommen werden konnte.
Der "eigentliche Begriff "G e w Ö 1 b e" wird freilich durch eine solche
Konstruktion vollständig illusorisch gemacht und beruht die ganze Festigkeit
der so hergestellten massiven Steindecke nur auf der Güte des angewendeten
Verbindungsmaterials.
Die Met h 0 d e, die Ton n e n g e w öl be mit tel s t Zell e n bö gen
herzustellen, wurde meistens dann gewählt, wenn sehr bedeutende Spannweiten
zu überwinden waren. Fig. 2 stellt ein Gewölbe, das im Palatinischen Palaste
vorhanden war, dar; hier sind die leichten Zellenbögen theils aus quadratischen
Ziegeln, deren Seiten 0,60 m messen, und theils aus oblongen, von 0,15 m
Breite und 0,6U m Höhe hergestellt. Die letztem oblongen Ziegel dienen zur
Konstruktion von Gurtbögen, die von Mitte zu Mitte 0,60 m voneinander ent-
fernt sind, und in gleichen Abständen mitte1st der oben erwähnten quadrati-
schen Platten verbunden werden.
Auf diese Weise besteht das von unten sichtbare Gewölbe aus lauter gut
untereinander verbundenen leeren Zellen, deren Gewicht von einer verhältniss-
massig sehr leichten Bretterschalung getragen werden kann. War das Binde-
mittel der Zellenbögen cgehörig erhärtet, so wurden sie auf die bereits geschilderte
Weise mit Beton ausgefüllt. Dem Bedürfniss entsprechend erhielt die Gewölbe-
schale nach oben eine Vers,tärkung und wurde im Scheitel horizontal abgeglichen.
Ohne ein solch' leichtes Steinskelett würde die der Wölbung dienende
Schalung einem ungemein starken Drucke ausgesetzt gewesen sein, so aber ward
die Last zum grossen Theil auf das vorher konstruirte Steingerippe übertragen,
welches nun das eigentliche und zwar bleibende Gerüst bildete, und sich mit
dem später aufgebrachten Beton zu einer monolithischen durchaus festen Masse
verband.
Bei solcher Art Gewölbe auszuführen, lässt sich eine nicht geringe Er-
sparniss nachweisen; namentlich konnte das massige Gewölbe vorherrschend
aus dem billigen Beton hergestellt werden, dessen Bereitung und Verarbeitung
untergeordneten Arbeitern (Sklaven, Soldaten) übertragen wurde; dann liess
sich die Verwendung von gut gebrannten Ziegelsteinen auf ein Minimum be-
schränken und was die Hauptsache war, man konnte die nothwendig werdenden,
komplizirten und kostspieligen Holzrüstungen gänzlich entbehren, die bei Wahl
der gewöhnlich bei uns üblichen Gewölbeausführung nothwendig geworden wäre.
Das leichte Holzgerüst, das die Römer beim Wölben verwendeten, diente
mehr als Modell, nur in geringem Grade als Stütze. Statt der Zell e n-
b ö gen beschränkten sich die römischen Baumeister auch wohl darauf, mit
isolirt nebeneinander liegenden Gurtbögen, etwa in der Entfernung von 0,60 m
von Mitte zu Mitte, das ganze Tonnengewölbe zu durchziehen; solche Gurt-
bögen wurden dann aus oblongen Steinen von 0,15 m Breite und 0,60 ).~1
Höhe konstruirt; um dem Beton jedoch einen besseren Halt zu verschaffen,
wurden solche Gurtbögen auch wohl in der Art angeordnet, wie dies die
Fig. .6 darstellt; immerhin gehören solche Konstruktionen für Tonnen-
gewölbe zu den seltenen, denn es konnten hierbei leicht Seitwärtsverschiebungen
vorkommen.
Fig. 3 ogiebt die Anordnung an, welche bei einem kassettirten Tonnen-
gewölbe in der Constantinischen Basilika in Rom getroffen worden war; hier
hatte 'man es mit einer Spannweite von 23 rn zu thun und erforderte das hier
nothwendig werdende Steingerüst eine aussergewähnliche Verstärkung. Dem
entsprechend wurde sammtliehen Rippen eine Stärke von 2 Steinen (1,20 m)
gegeben, wobei je zwei solcher Rippen als Zellenbogen die mit achteckig ver-
tieften Kassetten versehenen Gewölbefelc1er von einander trennen; der das Ge-
wölbe nach aussen begrenzende Stimbogen besteht aber ans vier miteinander
vPl,hJinclpllPn Zellenbözen, während d eren äussere und innere Stirn als massive
130 I. Maurer- und Steinmetz arbeiten.
untern Theil der Kuppel; auf diese setzen sich die nach dem Scheitel der
Kuppel aufstrebenden 16 Theilungsbögen auf und laufen, mit flachen Bögen ver-
spannt, wie dies Fig. 8 zeigt, gegen den das Gewölbe im Scheitel schliessen-
den Kranz an, welcher den Rahmen und das Futter der Laterne bildet.
vVährend die Zellenbögen und die frei gebliebenen Räume mit Beton ausgefüllt
wurden, machte sich, nach (Ln Berichten A. Ghoisy's, ein sehr bedenklicher
Druck gegen den Laternenkranz geltend, so dass man sich genöthigt sah, den
ursprünglichen Konstruktionsplan, der in Fig. 8 gegeben ist, zu verlassen, und
wurde dann der obere Theil des Gewölbes nach Fig. 9 ausgefiihrt; hiernach
erhielten die zuerst angelegten flachen Bogenverspannungen noch Gegenbögen,
und auch diese wurden weiters mit vollen Halbkreisbögen gestützt, welche zu-
gleich die Funktion zu übernehmen hatten, die nach dem Scheitel aufstrebenden
Haupttheilbögen ebenfalls gegen ein Verschieben zu schützen; die Ausführung
dieser Bögen konnte selbstverständlich dann erst erfolgen, nachdem die Widertags-
höhe derselben
r
durch die Betonirnng erreicht und die vollständige Erhärtung
des Betons erfolgt war. 19 Jahrhunderte haben den Beweis gegeben, dass
die Römer mit ä u s s e r S t ger i n gen Mit tel n die grössten Aufgaben zu
lösen im Stande waren, und möchte es wohl hier am Platze sein, ihre eigen-
thümliehe Bauart den heutigen Baumeistern zum näheren Studium aufs Wärmste
zu empfehlen *).
"Während die römischen Bauten überall eine auffällige Massenhaftigkeit an
den Tag legten - das Emplekton brachte dies schon mit sich - , so gelang
es erst der altchristlichen Zeit ,sich von dieser Massenheftigkeit zu befreien,
und besonders machte sich von jetzt ab im Gewölbebaue ein schwungvoller
. Fortschritt geltend.
Hier tritt zunächst die byzantinische Baukunst beachtenswerth auf und
entwickelt eine reiche und äusserst kombinirte Kuppelarchitektur von hoher
ästhetischer Wirkung, Die dieser Zeit entstammenden Centralbauten weisen
fast durchgängig, einen hochemporragenden mittleren Kuppelbau auf, der ent-
weder von niedrigem Halbkuppeln oder ganzen Nebenkuppeln umgeben ist;
der sehr bedeutende Gewölbeschub der Hauptkuppel wird hierbei auf wenige
Pfeiler - auf 4 oder 8 - abgeleitet; weiters angelegte Neben - oder Halb-
kuppeln (Apsiden) geben dem byzantinischen Gewölbesystem das umsichtig
erwogene Gleichgewicht.
Der hervorragendste Repräsentant dieser altchristlichen Bauepoche ist ohne
Zweifel die So phi e n kir c hein Konstantinopel; sie ist in Fig. 5 dargestellt
und wurde unter der Regierung des Kaisers J ustinian um das Jahr 530 durch
die Baumeister Anthemios v. Tralles und Isidor v. Milet erbaut. Die Haupt-
kuppel besitzt einen Durchmesser von 33 m, während ihre Höhe vom Boden
bis zum Scheitel der Kuppel gemessen 57,5 m nachweist, so dass das Verhält-
niss dieses innern Kuppelraumes von Breite zur Höhe sich nahezu wie 1 : 1 3/ 4
verhält, Die Hauptkuppel wird von zwei mächtigen Halbkuppeln gestützt, die
wiederum durch zwei, beziehungsweise drei kleinere Halbkuppeln mit getragen
werden; der ganze Schub dieses mächtigen Kuppelgewölbesystems wird von. vier
kräftigen Pfeilern aufgenommen und haben wir es hier mit einem nicht mehr über-
troffenem grossartigen Beispiel einer äusserst komplizirten Gewölbeanlage zu thun,
Die Kuppeln haben k ein e besondere Bedachung, sondern zeigen im Aeussern
ihre konstruktive Form. Die zuerst gewölbte Kuppel stürzte nach wenigen Jahren
in folge eines Erdbebens zusammen. Man verwendete bei der Wiederherstellung
eine verdoppelte Aufmerksamkeit; so wurden nach Berichten die Gewälbesteine
auf der Insel Rhodos gefertigt und waren nach den Nachrichten fünf mal, wie
Andere behaupten zwölf mal leichter als gewöhnliche Ziegel. Ein äusserst
beachtenswertlies Beispiel für den byzantinischen Kuppelbau bietet St. Vitale
in Ravenna*). Diese Kirche wurde im -Iahre 526, in welchem Kaiser Theoderich
starb, zn bauen begonnen und im Jahre 547 vollendet; die Hauptkuppel,
15,70 m im Durchmesser, wird mit Ausnahme der Seite, wo sich die Apsis
befindet, von sieben Halbkuppeln gestützt; die Umfassungsmauern bilden ein
regelmässiges Achteck, von 36,70 m Durchmesser.
In der altchristlichen Basilika findet sich meistens nur die Absis mit einer
Halbkuppel, die Krypten mit Kreuzgewölben versehen; aber auch ihre Bau-
anlage ist, wie die der byzantinischen Kirchen, durch und durch neu gedacht
und von jener der griechiscllen und römischen Gebäude sehr verschieden. Bei
den Römern finden wir zwar ausserordentlich grosse Räume mit augenfällig sicher
konstruirten Decken überspannt, überall aber zeigen dieselben, den späteren
Bauten gegenüber, ein mehr gedrücktes Hauptverhältniss ; die altchristliche Zeit
dagegen schaffte Räume mit sichtlich emporstrebendem Charakter, und wurden
hier die Decken durch hohe Mauern getragen, welche kühn aufluftigen Säulen-
stellungen aufgesetzt sind.
Die altchristliche Basilika bildete im Verein mit dem byzantinischen Central-
bau die V orläuferin für den romanischen Kirchenbaustil, der sich in der zweiten
Hälfte des 11. Jahrhunderts auszubilden begann, und in der vollständigen
U eherwölburig des dreischifflgen Kirchenraumes gipfelte.
Der romanische Stil, der mit Vorliebe den römischen Rundbogen acceptirte,
wählte auch für seine Gewölbeform das halbkreisförmige Kreuzgewölbe. Das
Mittelschiff theilt sich dabei regelmässig nach Quadraten ab, sodass immer zwei
Abtheilungen des Seitenschiffs einer Abtheilung des doppelt so breiten Mittel-
schiffs entsprechen; die Hauptgewölbefelder, wurden durch kräftige Gurtbögen
gebildet und fügen sich zwischen diese und, von ihnen gehalten und getragen,
die Kreuzgewölbe oft 'von 0,60 m Dicke ein.
Als die Repräsentanten des romanischen Kirchenbaustils lassen sich in
Deutschland wohl die Dome von Speyer, Mainz und VVorms bezeichnen, alle
drei stimmen in ihrem konstruktiven Charakter und in ihren räumlichen V er-
hältniesen so ziemlich überein.
Fig. 6 stellt ein Stück des Mittelschiffs vom Dom zu Speyer dar, der, von
Kaiser Konrad H. 1030 erbaut, nach dem Brande von 1137 seine Vollendung
erhielt; das 12 m weite Mittelschiff erreichte im Verhältniss seiner Breite zur
Höhe das Mass von 1 : 2 1/ 3 , während beim Mainzer Dom ,1<*) die Verhältnisse
noch geräumiger und schlanker sich erweisen, denn hier finden wir eine lichte
vVeite des Mittelschiffs von 14,4 m, ein Mass, das vom Mittelschiff des Kölner
Domes nicht erreicht wurde; das Verhältniss von Breite zur 35,5 m betragen-
den Höhe ist 1 : 2 1/ 2 , Auf die Seitenschiffe des romanischen Doms wird der
Schub des Mittelschiftgewölbes übergeleitet und findet hier äusserst mässige
Widerlagspfeiler , die sich im Aeussern und Innern nur durch beiderseits sehr
man sich von der Fessel, den Grundriss der Kirche aus lauter Quadraten zu
gestalten und wurden diese dann meistentheils nur zur Bildung der N eben-
schiffe verwendet ,während das Mittelschiff' entschieden ausgesprochene hing-
liehe Vierecke erhielt.
Dieses neue Grundrisssystem wurde dann auch besonders charakteristisch
für den gothischen Kirchenbau, als dessen Repräsentant hier der Köhler Dorn
in Fig. 7 vorgeführt wird.
Findet sich auch selbst am .Kölner Dome, der im .Iahre 1248 begründet
wurde, ein nicht so bedeutend weit gespanntes Mittelschiffgewölbe, wie an dem
von Mainz, so beträgt dessen Breite doch immerhin 13,2 m, bei einer Scheitel-
höhe von 48 111, was nahezu das Verhältniss von 1. : 3 1/ 2 ergiebt und in bezug
auf den Eindruck überwältigender Kühnheit das Höchste erreicht, was irgend
wie durch die Gewölbetechnik geschaffen worden ist.
Die gothischen Rippen -, die Stern - oder N etzgewälbe unterscheiden sich
wesentlich von den bisher üblichen romanischen Massengewölben ; während
diese als Hauptkonstruktiouslinie dcn Rundbogen zeigen, tritt bei jenen vor-
herrschend der Spitzbogen auf und verwandelt sich das frühere oft 0,60 m
dicke Gewölbe in ein System von selbstständig auftretenden, unter sich ver-
spannten schwachen Rippen mit äusserst dünnen Gewölbefeldern.
Die den einzuwölbenden Raum vielfach zertheilenden Rippen bilden häufig
im Grundriss einen mehr oder weniger reichen Stern, und aus diesem Grunde
werden diese Gewölbe auch wohl Sterngewölbe genannt.
Das c: vielfach aus dem Widerlager bis in den Scheitel des Gewölbes
emporschiessende Rippenwerk setzt sich auf die vielzertheilten , einen Bündel
von Dünnsäulen bildenden Pfeiler auf, und wird das Auge durch ihr reiches
Formenspiel förmlich wie durch ein statisches Wunder überrascht!
Sehr komplizirt aber und in die ä u s s e r e Architektur formal ungemein
reich eintretend, erweist sich der Apparat, durch den das statische Moment
für die Gewölbe gewonnen wurde; breite und kräftig nach aussen vorspringende,
reich gegliederte Strebepfeiler nehmen einerseits die konzentrirte Last der viel-
fach getheilten Gewölbefelder der Seitenschiffe in sich auf, andererseits schwingen
sich von diesen Stützpfeilern, bei fünfschiffigen Kirchen, doppelt über einander
angeordnete und in der Mitte nochmals getheilte Schwibbögen über die Seiten-
schiffe hinweg gegen das Mittelschiff, um auch hier stützend und strebend zu
wirken. Das so entstehende massenhafte, mehr dekorative als konstruktiv noth-
134 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.
*) Leider mussten wir es uns versagen, näher hier auf diesen interessanten
Kuppelbau einzugehen, wir verweisen auf: Isabelle, les edifices circulaires et Ies
dörnes. Paris 1843.
*") Hübsch: Die altchristlichen Kirchen.
136 1. Muurer- und Steil1l11etZtlrbciten.
sich nicht allein in Form von Zwickeln, um den U ebergang von den senk-
rechten Wänden zu der Decke zu vermitteln, sondern es sind auch ganze
Kuppeleinwölbungenin dieser Weise ausgeführt. Da jedoch die Stalaktiten-
gewölbe sich weder ihrer Konstruktion noch ihres Materials "wegen als eigentlich
konstruirbare Gewölbe betrachten lassen, so können sie höchstens als eine phan-
tastische Spielerei) keineswegs aber als zuverlässige Konstruktion betrachtet werden .
.1) Das Nähere über den konstruktiven Theil der Kuppelbauten bringt (1<1,S Kapitel:
Dübel' die Stabilität der Gewölbe und deren Stützen.
138 1. Maurer- und Steinmetzmbeiten.
steigender Axe , wie dies die Fig. 193 darstellt, so entsteht das ger a d e
s te i gen d e Tonneügewölbe; eine weitere Variation ergiebt sich im s c h l' a u ben-
f Ö •r mi b steio'enden
O'
<::>
und endlich im r i n g f ö r m i ge 11 Tonnengewölbe.
Fig. 193.
auf die Stirn oder das Haupt des Gewölbes gerichtet ist. Die sogenannten
schiefen Brücken, die in solcher Weise ausgeführt werden, gehören jedoch
durchaus in das Gebiet der Ingenieur - Baukonstruktionen , auf die hier ver-
wiesen wird.
Jedes Tonnengewölbe besitzt zwei Widerlags - und zwei Schildmauern ;
erstere bedingen in hervorragendem Grade die Stabilität des Gewölbes, letztere
dagegen sind nur Raum schliessend , können selbst fehlen oder sie werden
durch offene Bögen ersetzt.
Lässt man die Axe eines Tonnengewölbes gegen die Mitte des Raumes
etwas steigen, oder giebt man dem "Gewölbe einen Stich, wie dies in
Fig. 194 (S. 140) geschehen ist, so entsteht ein Gewölbe mit zwei geneigt
stehenden halben Cylindern; dann werden die Schildmauern in dem Grade zu
Widerlagsmauern , je grösser der Stich angenommen wird, wobei zu gleicher
Zeit die Widerlagsmauern in gleichem Grade entlastet werden.
Die empirischen Formeln, die Rondelet für die Ge w 1be s t ä r k e (s) der
ö
Gewölbe bis zur halben Höhe hintermauert und von hier bis zum Scheitel
1
VC1jÜllgt (F'ig. 107)" so ist s = -. l am Schlussstcin , iderlager ; ,y
48
.:
/
/
/
I
I
I
I
I
. I
--------·1--1'--
I I
I ,
I I
I I
I I
I I I
I I I
I ! I
I
I
I I
/ I I
I I
I I
Fig. 194.
l
für die Widerlugsstärken giebt Rondelet im ersten Fall nn zweiten
11'
l l
Fall 1111 an. In diesen' Formeln bedeutet s die Gewölbe-
dritten Fall
9 ' 10
stärke am Schlusssteine, und l die Spannweite des Gewölbes.
Diese Dimensionen gelten für alle Widerlager , deren Höhe nicht grösser
als der Durchmesser des Gewölbes ist.
Aus der für das halbkreisförmige Gewölbe gemachten Angabe finden sich
dann auch die Stärken der Widerlager für überhöhte unl,gedri.ickte Gewölbe.
Zieht man nämlich im Querschnitt
des halbkreisförmigen Gewölbes die
Sehne A 0 (Fig. 198) und durch
deren Schnitt T mit der Begrenzungs-
linie 1? l' des für diesen Bogen ge-
fundenen 'Widerlagers aus A einen
Kreisbogen, so schneiden die der
Linie A 0 korrespondirenden Sejmen
0' A und O" A den letzteren in den
Punkten TI und r", durch welche
dann die äussere Begrenzungsebene
des Widerlagers für die in Frage
stehenden Gewölbe geht.
Bei Anwendung von Quader- ~ I _ // I "'"
" " ,
, . . , _·,],J,=--=;!JL-·-·-·--·-···-·-:,-,-·---·'GO·-·-·-~QO··-
oder Schmttstemen giebt derselbe \ 1~2z~fg
Autor für kreisförmige sowohl wie J~iF """", I
auch für elliptisc~le Gewiilbe, wenn /'!;f~~.'.·.--- '1P(] "
dieselbe~ am vYIderlag~r do~pelt ~o ~I~~~ i
stark WIe am Schlusssteine sind, fur ===-==1 i
unbelastete Gewölbe: Fig. 198.
S = 0,01 l+
0,08 m,
für mittelstarke Gewölbe: s = 0,02 l +
0,16 111; für stark belastete:
s 0,04 l +
0,32 m an, während Perronet für Brückengewölbe
s - 0,035 l +
0,32 m angiebt , wenn l kleiner als 24m ist; für grössere
normal aus F zur innern Wölblinie gezogen und in Fig. 202 Angleich dem
doppelten Betrage der mittleren Gewölbec1icke I{ L gemacht.
Die in den Figg. 200 und 202 angenommene Hintermauerung kann ent-
weder nach Fig. 198 bestimmt werden, indem man von den Schnittpunkten
F, FI, F" der Vertikalen am Kämpfer und 'der Scheiteltangenten die Normalen
F L, FI LI, F" L" zieht und die Aufmauerung bis zu den hierdurch erhaltenen
Punkten L, LI, L" führt, oder indem man
für letztere jene Punkte gelten lässt, die
im Schnitte der innern Widerlagsfläche mit
der äussern Gewölbefläche liegen.
Die Resultate der freilich als veraltet
zu bezeichnenden Rondelet'schen Gewölbe-
theorie ~urden hier aufgenommen, weil das
hier mitgetheilte graphische Verfahren in
Fällen, wo es sich um eine approximative
'Bestimmung der Widerlagerbreiten handelt,
namentlich dem praktischen Architekten
gute Dienste leisten kann, und auch sonst
vielfach in die Handbücher für Baukon-
struktion übergegangen ist.
Einen Anspruch auf wissenschaftliche
Begründung erhebt diese Konstruktion nicht. Fig·. 202.
Nach dem heutigen Standpunkt der
Gewölbetheorie wird die Grösse der erforderlichen Widerlagstnassen durch
Zeichnung der sogenannten S t ü t z - oder Mit tel d I' U c k s 1i nie für Gewölbe
und Widerlager ermittelt und wird hierüber das Kapitel über die S tab i 1i t ä t
der Ge w ö I be und der e n S t ü t zen das Nähere mietheilen.
Als M a tel' i a 1 für die Ausführung der Tonnengewölbe dienen Backsteine,
Quadern oder auch Bruchsteine.
bei weitem Spannweiten legt man wohl in das Gewölbe von 2,4 bis 2, [) 111
Entfernung Verstärkungsgurte von 1 Stein Breite und Höhe, welche bündig mit
derinnern Leibung sind und nur gegen die äussere Leibung um 1/2 Stein
vorspringen. Bei Gewölben übel' 6 rn Spannweite giebt man denselben eine
Stärke von 1 Stein und verstärkt sie mitteist Gurtbögen von 1 1/ 2 Stein Stärke.
In der Tafel XI ist ein halbkreisförmiges Tonnengewölbe 1/2 Stein stark
mit 1 Stein starken Verstärkungsgurten im Grundriss, Längen- und Querschnitt
dargestellt.
Die hier vorgeführte Konstruktion stellt ein Kellergewölbe dar, dessen
Widerlagsmauern einerseits durch einen offenen Bogen durchbrochen sind,
anderseits durch Kellerfenster ; um durch die letztem den Raum gehörig be-
leuchten zu können, erscheint es nothwendig, das Tonnengewölbe entsprechend
zu durchbrechen, und in die betreffenden Durchbrüche "S ti c h k a p p e n "
einzusetzen.
Zu solchen S ti c h kap p e n kann man sich entweder der C y 1in Cl e I' - ,
el er K e g e 1- 0 der der K u gel f 1ä c h e n bedienen; erstem giebt man ent-
weder h 0 I' i z 0 n t all i e gen deoder auch s t e i gen d e A x e n.
Um solche Stichkappen richtig zeichnend darzustellen, ist 'es nothwendig,
die Durchdringungskurven der verschiedenen Rotationsflächen zu ermitteln.
Fig. 203 stellt eine einfache Stichkappe, Cylinderfläche mit horizontal
• •
--------------------..----------==;'7:'
Fig. 204 giebt eine Stichkappe mit steigender Cylinderfläche und der
Axe a a'; auch hier ist die Durchdringungskurve dieser Stichkappe mit dem'
horizontalen halbkreisförmigen Tomiengewölbe durch Mantellinien ermittelt, die
mit den Zahlen 123, beziehungsweise mit l' 2' 3' und 1" 2" 3/l bezeichnet sind.
r
-f-~-
i '-
Fig. 204.
Fig'. 205.
146 1. Maurer- und Steillmetzarbeiten.
r6 1b1~_[
,
i "11 I
i
,:
i
!~'J
~,
w_ ,
, ,
.. : :
1= 50.
~x.. ---J-------- -- ~ - -l 2:'--- --- ----\- --- - -~~t~l
Ir I . \ \j
--7------·-/-~_. . ---------·;~1!..----------\~
li· I • \
. . 4-----~~--
( !\
__tj~----Ll_--_-~----
.. .!I
. .j_~,~---
.
~\_ L---M-..
\1 ,
" . . . t/ 1 v~t \i . . ~/
X~"::'~:_~~~~~~~~I~=~~-_~~~~:=::7Y
ia !
Fig, 206.
a a' stellt die Axe in ihren verschiedenen Lagen dar; die vertikalen Kegel-
schnitte sind als Kreise angenommen, mit den Mittelpunkten 1 2 3 4 5, deren
weitere Projektionen mit l' 2' 3' 4' 5' beziehungsweise mit 1" 2/1 W' 4/1 5/1 be-
zeichnet sind; wir haben es hier mit einem elliptischen Kegel zu thun. Die
Schnittkurve zwischen dem Tonnengewölbe und dem Kegel ergiebt sich durch
die Mantellinien des Tonnengewölbes 1 10, 2 2 0, 3 30, 40 4 0, 5 ° 5°, und die ° ° °
vertikal gedachten Kegelschnitte; ·in der entwickelten Projektion ist der voll-
ständige Halbkegel im Grundriss, im Quer- und Längenschnitt einpunktirt, die
Stichkappe selbst ist begrenzt gedacht durch zwei Vertikalschnitte nach den
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 147
./
~jI
/
/ I
I
i
i
i
i
i
i
i
i
i
---------.--- "- i
~ ~
I
!
~j
_.-. __ .-._._.-._-----_._--._.. --_._._---~
Fig. 207.
===-
- iI
. ~~~ __._ a
J! '
!
i
I
i
L-...._-',i _
!
I
i
i
!
!
!
I
,~ -_.-- .- -- -. -.- ..--- --.-
.'- --:;1"---
~., ~ ~- ~
I ,
I '
I :
.:
I ,
l/
• I'
I .,1
.-1----
I "
: / J
I
-x-·
/' I
: ..." I
'/1 -'X'--
!I"/.=-=-....::.:-.:.·l
linie des Cylinders zuletzt eine gut passende Schlusssteinschichte das Gewölbe
sohliesst. Der Fuss des Gewölbes lässt sich am zweckmässigsten durch Ueber-
kragung gewinnen, wie dies die Fig: 209 (S. 148) angiebt; für eine
solide Hintermauerung ist dadurch vorzusorgen, dass man dieselbe nachträglich
in die Mauer ein bin den kann; zu diesem Zweck wird an der betreffen-
den Stelle eine Verzahnung angelegt. Ist das Gewölbe aus Backsteinen
fix und fertig hergestellt, so übergiesst man es wohl mit einem dünnfliessenden
Mörtel, um alle Fugen möglichst vollständig zu füllen.
Bei den eylinderförmigen Stichkappen wählt man zum "Wölben derselben
entweder Schichten, die parallel zur Axe liegen, oder man wölbt dieselben auf
den Schwalbenschwanz; im ersten Falle lassen sich die Gewölbeschichten der
Stichkappe mit denen des Tonnengewölbes abwechselnd in guten Verband
bringen, und hat man nur .. darauf zu sehen, dass in der sich bildenden Grat-
linie keine Fuge entsteht;. w~hlt man den sehr beliebten Schwalbenschwanz-
verband , so wird das Tonnengewölbe da, wo die Stichkappe sich in dasselbe
einsetzt, vorher mit einem sogenannten Kranz begrenzt; dieser Kranz, 1 Stein
dick und in der Regel 1/2 Stein breit, hat sowohl die Funktion, das aus-
geschnittene Tonnengewölbe sicher zu verspannen, als auch die Stichkappe in
sich aufzunehmen. Die cylinderförmigen Stichkappen sind die am meisten ver-
wendeten, die kegelförmigen sind feil' solche Räume empfehlenswerth, in welchen
eine gute Lichtvertheilung erwünscht ist (Archive, Kassenlokale), und würden
solche Stichkappen auf den Schwalbenschwanz einzuwölben sein; die meisten
Schwierigkeiten möchten insofern die Kugelkappen im Gefolge haben, da für
sie einestheils eine Schalung nur schwer herzustellen ist, anderntheils die volle
Rundung, besonders im Scheitel, nur mit Quartierstücken ermöglicht wer-
den kann.
Schon bei den Römernstattete man die Tonnengewölbe mitte1st Kassetten
aus, eine solche Ausstattung ging. weiter über in die Renaissance-Zeit und selbst
auf unsere Gegemvart; für solche Gewölbe ist eine sorgfältige Einschalung er-
forderlich, auf welcher die Eintheilung der Gewölbefelder genau aufzutragen ist,
um dann die Kassetten selbst als kastenförmige Körper aus Holz darauf vorzu-
bilden; die Einwölbung erfolgt unter Einhaltung centraler Fugenschichten. Von
dieser sonst üblichen Einwölbung ist Moller in seinem Kanzleigebäude in Darm-
stadt bei Ausführung eines kassettirten Tonnengewölbes insofern abgewichen, dass
er nurdie,se11;lz1'echtenfIauptgurtbögen mit normal auf die Einschalung ge-
richteten~?g~rfqgen ausführen liess, während die Quergurten sammt der Decke
der Kass#tt~n mit senkrecht gegen di-e ·W iderlager gerichteten Schichten ge-
mauert wurden und sich so zwischen die I-Iauptgurtbögen nach dem Fugen-
schnitte scheitreqJ1terBögen einspannten.
Die Fig. 210 (S. 15 O)giebt über diese Konstruktion Aufschluss *); bemerkens-
werth daran ist hier noch die äusserst geringe Widerlagsstärke, welche diesem
nahezu 8,75 m weiten Tonnengewölbe gegeben wurde; dieselbe beträgt nur 1/1 2 der
Spannweite; die Widerlagsmauerti sind aus Bruchsteinen hergestellt, und erhielten
. von der Gewölbesohle bis zUlllzweiten Kassettenfelde eine U eberkragung, die
zu gleic.;he1'Zeit die Hintermauerung des Gev,ölbes bilclet; weiters sind die
\Viderlagsmauerndurch eine etwas schwächer gehaltene Aufmauerurig so be-
lastet, dass dadurch dem Horizontalschube des Gewölbes wesentlich entgegen-
*) Näheres: Beiträge zu der Lehre von d'en Konstruktionen VOll Dr.Georg Moller,
Ge"leüncn 0 ber- Betudirektor,
150 1. Maur er- und Steinmetzarbeiten.
gewirkt ist; nach Vollendung des Gewölbes wurden die Gewölbewinkel bis 3/4
der Höhe des Gewölbes mit Bruchsteinabfällen und Gussmörtel ausgeglichen.
Fig. 210.
spannt sich jede einzelne Schicht in sich selbst und drückt nicht so stark auf die
Einschalung , wie dies bei der erst erwähnten Wölbmethode der Fall ist, - es
muss aber der Stirnmauer ein etwa 5 cm tiefer Falz gegeben werden, in dem
sich die einzelnen Schichten einfügen lassen. Eine erhöhte Sicherheit ge\vinnt
auch das Kappengewölbe , wenn man demselben einen Stich, wenn auch nur
von wenigen Contimetern Höhe giebt.
Sämmtliche Kappengewölbe sollen eine Hintermauerung erhalten, und
werden nach dem Einsetzen des Schlusssteines mit einem dünnflüssigen Mörtel-
guss überzogen.
Nur in seltenen Fällen werden bei den Kappengewölben Stichkappen noth-
wendig; ist dies jedoch der Fall, so werden dieselben wie bei den Tonnen-
gewölben behandelt.
Eine detaillirte Konstruktion für ein preussisches Kappengewölbe ist auf
Tafel -XII dargestellt. Für diese Konstruktion sind im Souterrain eines Ge-
bäudes mehrere sich aneinander reihende Räumlichkeiten angenommen; der
Hauptraum hat eine Abmessung von 5,38 m Länge und 5 m Tiefe, an welchen
sich nach rechts ein Raum VOll 3 m Frontlänge und [) m Tiefe anschliesst,
während sich gegen die Tiefe an beide Räume ein anderer von 2 m Breite
anlegt. Nur der Hauptraum ist in seiner ganzen Ausdehnung dargestellt, die
beiden Nebenräume aber nur zur Hälfte. Sämmtliche Räume wiederholen sich
im Erdgeschosse. Im Grundrisse Fig. 1 sind die äussern Mauern des Sou-
terrains 2 Stein stark, die andern Scheidemauern 2 beziehungsweise 1 1/ 2 Stein
stark gewählt.
Der 5,38 m grosse Hauptraum wurde mm, um ihn mittelst flacher Kappen
einwölben zu können, durch einen 1 1/ 2 Stein starken, mit Widerlagsverstärkungon
versehenen Gurtbogen in zwei kleinere Räume zerlegt, die je 2,50 m Spann-
weite zulassen. Um ferner sämmtliche Räume im Souterrain so viel wie mög-
lich mit einander zu einem Raume zu verbinden, sind alle andern Scheide-
mauern durch Bögen raumöffnend durchbrechen, und ebenfalls mit den nöthigen
Widerlagsverstärkungen versehen.
Für die Deckeneinwölbung ergeben sich hierdurch Räume von :3 m, 2,50 m
und 2 m Spannweite; wählt man für erstere 1/ 1 0 ihrer Spannweite zur Stich-
höhe , so ergiebt dies eine flache Kappe von 3/ 1 0 = 30 cm Stichhöhe , welche
dann für alle ändern Räume mit den Spannweiten von 2,50 und 2 m bei-
behalten werden 111USS.
Fig. 4 giebt den Fall an, wie bei allenfallsigem hochgelegenen Terrain
die Beleuchtung durch einen Lichtkasten beschafft werden kann; dem Boden
des Lichtschachtes ist für die Ableitung von Regen - und Schneewasser ein
passendes Gefälle zu geben. Alles Weitere möchte hinreichend durch die vor-
liegende Darstellung erklärt erscheinen.
In neuester Zeit ersetzt man die Gurtbögen wohl durch eiserne I Träger,
zwischen welche die Kappengewölbe mit einem Minimum von Spannweite ein-
gefügt werden; solche Deckenkonstruktionen machen sich für Fabrikräume,
Stallungen etc. immer mehr geltend, und werden ihre spezielle Behandlung bei
den "E i sen k 0 n s t r U k t ion e n " finden.
Eine eigenthümliche Konstruktion, die jedoch der Beachtung unserer Bau-
meister ganz besonders zu empfehlen ist, hat seiner Zeit der Oberbaudirektor
Moller ausgeführt und in seinen Beiträgen zur Backsteinkonstruktion ver-
öffentlicht *).
*) Beiträge zu der Lehre von den Konstruktionen von Dr. G. Moller etc.
154 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.
L7: 7 ; ; ;- // /
/ / / / / / / / / / /// / / / / / / / / /
/ / /
/
/f
/ / /
( f f / / f f
/ /
/
/
/ /
(
/ / / f f _/ / /
/ / /
/ / / / / / /
/ /
/
/ /f / /' / / / ;'-i/; / /( / //
tl / ~\ /1/ 11 '
I------'-----,-J.-~_~I \ \_~
\
Fig. 212.
unterstützt und werden die nach dem Centrum gerichteten Steine der Schicht
cl e f g h, um einen Seitendruck auf die 'Widerlager ausüben zu können, sich
zwischen diesen horizontalen Schichten hinabsenken müssen. Dies kann aber
nur stattfinden, wenn der Widerstand überwunden wird, welchen die Adhäsion
der sich berührenden Backsteinschichten hervorbringt.
Da diese mit der breiten Fläche aneinander liegen und aussecdem durch
Mörtel verbunden sind, so ist dieser durch die Adhäsion bewirkte' 'V'fiderstand
viel grösser als das Gewicht der Steine. Die Schichten e cl f g h können dem-
gemäss nicht durch die Schichten e cl ab c durchgleiten , und ist das Gewölbe
somit als eine Masse zu betrachten, indem es nur senkrecht auf seine Unter-
lagen b c und hg wirkt.
Die nach dieser Art ausgeführten Gewölbe, sagt Moller, welche sich voll-
kommen bewährt haben, beweisen die praktische Brauchbarkeit dieser Kon-
struktion, die sich ebenso gut auf allen Gängen und Vorplatzen , welche Um-
fassungswände von der Stärke eines Backsteins haben, ausführen lässt!
Die Vorläufer dieser Moller'schen Konstruktion sind wohl in jenen Ge-
wölben zu suchen, die Rondelet in der Kriegskanzlei zu V ersailles nach gleichem
System ausführen liess; als Bindemittel wurde hier aber Gyps verwendet,
dabei hatten die Zimmer eine Breite von 5,5 mund 7,5 m Frontlänge , den
Gewölben gab er 1/14 ihrer Spannweite zur Höhe, und betrug die Gewölbe-
stärke im Scheitel 1/2 Stein *).
Für Kappengewölbe, welche im Rohbau, ohne Verputz bleiben sollen, ist
vorgeschlagen worden, dieselben von der Mitte aus einzuwölben; hiernach ist
die Mitte des Gewölbes zu ermitteln und sind, wie die Fig.213 (S. 155) zeigt,
daselbst 4 Steine so aufzustellen, dass sie ein regelmässiges Kreuz bilden mit
diagonal laufenden Fugen; die zuletzt eingesetzten Steine, die sich unmittelbar
gegen das Widerlager anspannen, müssen dann aber mit besonderer Sorgfalt ver-
hauen und eingepasst werden; rathsam ist, diesen nur
sehr flach ausführbaren Kappengewölben einen Stich zu
geben, damit' eine Verspannung gegen alle vier Um-
fassungsmauern statthaben kann.
Das Kappengewölbe wird sehr häufig auch als
steigendes Gewölbe besonders beim massiven Treppenbau
zur Ausführung gebracht und wird in dieser Beziehung auf
das betreffende Kapitel verwiesen.
Zur Ausführung der Kappengewölbe verwendet man Fig. 213.
mit Vorliebe Backsteine von sehr geringem Gewicht, wie
Hohlsteine, Loch- oder Tuffziegel; auch werden da, wo man sie haben kann,
poröse Eisenschlacken genommen; 'Kappengewölbe aus Bruchsteinen zu kon-
struiren , möchte niemals vorkommen, während die Verwendung von Quadern
zu den seltensten Ausnahmsfällen zu zählen ist.
3. Klo s t 6 r g 6 W Ö 1b 6,
Dieses Gewölbe ist insofern dem Tonnengewölbe sehr verwandt, als es
aus der Durchdringung zweier gleicher Halbcylinder entsteht, und zwar in der
Weise, dass sämmtliche Umfassungswände Wiclerlagsmauern bilden; in Fig. 214
gehören die Gewölbefelder a a
dem Halbcylinder a' an, die Ge-
wölbefelder b b dem Halb-
cylinder b'; in 'Fig. 215 ist die
Durchdringung beider Halbcylinder
in isometrischer Proj ektion dar-
gestellt, und ergiebt zwei diagonal
sich schneidende Ellipsen, welche
im Grundrisse (der Horizontal-
proj ektion) gerade Linien bilden;
Schildmauern fehlen diesem Ge-
wölbe ganz. '.
Das Klostergewölbe lässt sich, \
wie über dem quadratischen Raum, ,, 6
über jedes andere regelmässige
Vieleck ohmlweitere SChwierigkeit
ausführen; denken wir uns das FLg 214.
Klostergewölbe nur dann bellandein , wenn sie nach allen Seiten hin durch
Stichkappen durchdrungen werden, und treten hier alle jene Fälle auf, die
bereits beim Tonnengewölbe Erwähnung fanden. Fig. 216 stellt eine Kloster-
,-,--;--,--1'--- ,
\~ I : I l ~ Y/
,~ I : ~ ~' /
",t., i /~ ,/ i /
,I
/
I
Fig. 216.
Gewölbe erfolgt auf einer Brettereinschalung , die nach und nach, je nachdem
die Gewölbearbeit vorrückt, hergestellt wird ; hat man nämlich die erste Reihe
Bretter angenagelt, so legt man rings herum eine oder zwei Reihen flach gelegter,
mit Gyps verbundener Backsteine, die man dann durch eine Lage mit
wechselnden Fugen verdoppelt; weitere Schichten werden diesen erst dann an-
gereiht, wenn die vorhergehenden ganz vollendet sind. Die Arbeiter stehen auf
leichten Gerüsten, die unmittelbar unter der Gewölberüstung angebracht sind,
und erhält die Gewölbeeinschalung erst dann ihre Vollendung, wenn der Raum
nicht mehr gross genug ist, um darin stehen zu können. Der Schluss des
Gewölbes wird von oben bewirkt; eine Hauptsache bleibt, die einzelnen Back-
steine gut in ihren Fugen und Lagern mit Gypsmörtel zu verbinden, denn
hiervon hängt die Festigkeit und Dauer des Gwölbes besonders ab. Ist das
Gewölbe gänzlich vollendet, so wird es entweder mit kleinen Backsteinen bis
in den Scheitelpunkt der oberen Leibung abgeglichen, oder man bringt solche
Hintermauerung nur in Entfernungen von nahezu 1 m)n der Form kleiner
Spornmauern von auf die breite Seite gelegten Backsteinen an .
. Die Tragfähigkeit so wohl als auch Widerstandsfähigkeit solcher Gewölbe
ist nach Rondelets Ausspruch eine ausserordentlich 'grosse und wird von ihm auf
eine Abhandlung des Grafen d'Espie verwiesen, welche derselbe 1759 über
diese Art von Gewölben herausgegeben hat. Unter den Erfahrungen, welche
der Graf s e l b s t an einem Gewölbe a imperiale gemacht hat, führen wir nur
ein Beispiel vor:
Ein eben fertig gewordenes Gewölbe über einen Raum von 7 m im
Quadrat wurde in der Mitte mit 1750 grossen Backsteinen, von denen jeder
12,5 kg wog, also mit einem Gewichte von 21 875 kg, belastet; als das
Gewölbe nach zweitägiger Belastung wieder entlastet wurde, zeigte sich nicht
die geringste Veränderung ,obwohl das Gewölbe eine Hintermauerung noch
nicht erhalten hatte. '
Die vorzüglichen Erfahrungen, die man namentlich im südlichen Frank-
reich mit dem dort vorhandenen Gyps als Mörtel machte, führte auch dazu,
ganze Dachungen aus übereinander gelegten und verdoppelten gebrannten Fliesen,
meistens in der Grösse von 0,24 m im Quadrat und 0,03 m dick auszuführen.
Auch diese Dachungen bewährten sich so vollständig, dass man sie bei der
bekannten Halle im ble in Paris in grossartigem Mass stabe zur Anwendung
brachte *).
4. D a s K r e u z g e w Ö1b e.
Das Kreuzgewölbe bildet sich wie das Klostergewölbe, indem zwei gleich
hohe Cylinder sich so durchdringen, dass sämmtliche Umfassungsmauern zu Schild-
mauern werden; in der Fig. 217 (S. 158) ist ein quadratischer Raum dargestellt,
dessen Gewölbefelder a a und b b beziehungsweise durch die umgelegt gedachten
Cylinder a l und bl gebildet sind; die Durchdringungskurven, die hierdurch sich
ergeben, bilden in der Horizontalprojektion gerade Linien, stellen jedoch in
Wirklichkeit Ellipsen dar, welche die sogenannten Gräte bilden. Fig. 218 (S. 158)
giebt hievon eine isometrische Zeichnung. Die 'Widerlager liegen in den
vier Ecken entweder in der Richtung der Diagonalen bei c oder in der
Richtung der zerlegten Kräfte nach Cl Cl. Zur Darstellung der Kreuzgewölbe
*) Weitere Erstaunen erregende Resultate über diese Art der Gewölbe finc1en sich
in Puondelet. Band H. S. 32'10-327 mit Tn,1el LXVII u. LXVIII.
158 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.
werden auch wohl elliptische oder auch Spitzbögen gewählt; bei Anwendung
von flachen (Segment-)Bögen entstehen die Kr e u z kap p eng e w ö 1b e.
Den Kreuzgewölben giebt man, wenn sie nur geringe Spannweite besitzen,
eine gleiche Gewölbestärke von 1/2 Stein, ohne weitere Gratverstärkung ; eine
solche tritt in der Regel erst bei Gewölben ein, die über 4 m weite Räume
gespannt sind;
bis zu 6 m Spannweite giebt man den Gewölbefeldern durchgängig 1/2 Stein
Stärke,
bis zu 9,5 m Spannweite erhalten die Gewölbefelder im Scheitel 1/2 Stein,
werden aber nach den Kämpfern zu um 1/2 Stein verstärkt,
bei Spannweiten bis zu 18 m wird eine solche Verstärkung nach den
Kämpfern zu bis auf 1 1/ 2 Stein gewählt.
Den 1 1/ 2 Stein breiten Gräten
giebt man 1 Stein Stärke und
verstärkt sie nach den Kämpfern
zu bei grössern Spannweiten um
1/2 beziehungsweise um 1 Stein.
Für die 'Widerlager wählt
man bei gedrückten elliptischen
und halbkreisförmigen Kreuzge-
wölben zur Stärke 1/4 bis 1/6 der
Diagonallänge; bei überhöhten
und spitzbogigen 1/5 bis 1/7;' bei
'Widerlagern, die höher als 2,5
i " bis 3 m sind, ist die Stärke um
\ / 1/8 bis 1/1 0 der Widerlagshöhe zu
\
\, '
/ vermehren.
/
'."....... ,--' Die graphische Darstellung
".,........ __ ..._--------_./// eines einfachen Kreuzgewölbes ohne
Fig. 217. Stich und ohne verstärkten Grat
hat keine Schwierigkeiten; in den
Grundriss (Fig. 219 S. 15D) wer-
den die Gratlinien einpunktirt;
die Durchschnitte nach der Linie
a bund d c sind in sofern leicht
zu zeichnen, als wir es hier nur
mit der einfachen horizontalliegen-
den Cylinderform zu thun haben;
dennoch möchte hier noch bemerkt
werden, dass in diesen Schnitten
der Wandbogen e f g durch die
beiden halben Gratbögen e bund
bg vollständig gedeckt erscheint;
Fig. 218. auch der Diagonalschnitt, welcher
die eine der Gratlinien in ihrer
wirklichen Gestalt, die andere als gerade Linie giebt und ausserdem die
Hintermauerung erkennen lässt, verursacht in seiner Darstellung keine Schwierig-
keiten, wie dies die beigegebenen Schnitte erkennen lassen.
In den meisten Fällen giebt man den Kreuzgewölben aber " ein e n
S ti eh", d. h. man bildet das Kreuzgewölbe aus vier gegen die Mitte hin
aufsteigenden Cylinc1erstücken, und wählt als Mass dieses Aufsteigens wohl den
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 159
zwanzigsten bis dreissigsten Theil der diagonalen Spannweite. In Fig. 220 ist
im Vergleich zu Fig. 219 ein einfaches Kreuzgewölbe mit Stich dargestellt,
und bilden die Gräte hier Linien, die als vier aufsteigende Viertels-Ellipsen zu
betrachten sind.
II
I
I
:
:
i
:
I
I
I.
I
:,
-- ----~-_._---~---------------jj-----, -
Fig. 220.
160 I. Maurer- und Steinmetzal'beiten.
Stich ist die Höhe von X angenommen, und ergeben sich hieraus die auf-
steigenden Cylinderaxen ab, c b, d bund e b mit den Punkten 1, 2, 3, 4 als
Mittelpunkte der diese Cylinder bildenden und eingezeichneten Halbkreise mit
ihren Halbmessern 11', 22', 33', 44'; wo diese Kreisbögen sich gegen-
seitig schneiden, bilden sich die entsprechenden Punkte für die Gräte; dieselben
Punkte lassen sich auch ermitteln aus den gleich hoch liegenden Mantellinien,
welche selbstverständlich parallel der Cylinderaxe laufen; solche Mantellinien
sind f 9 und hg, i kund l k , m11, und 0 n, endlich p q und r q und ergeben
in g, k ,n, q Punkte der Gratlinie ; diese Punkte entsprechen auch wieder
der Lage von g', k", n', q' der in die Figur eingetragenen Horizontal-
projektion.
Die Mantellinien im Scheitel des Gewölbes p qp und r q r bestimmen zu
gleicher Zeit den Scheitelpunkt des steigenden Kreuzgewölbes in q und
bilden eine gegen den Scheitelpunkt aufsteigende Schnittlinie; ein Schnitt nach
der Linie 0 n n 0 bildet im mittleren Gewölbefeld eine Kreisbogenlinie n n,
während 0 n und no parallel r q und q r sind.
Nach dieser Darstellung möchte der wirkliche Schnitt in Fig. 220 hin-
reichend erklärt sein, und ergiebt sich für die richtige und leichte Darstellung
der Gratlinie , dass die Stichhöhe bei x angetragen wird und die betreffenden
Ordinaten 1', 2', 3', 4' um die sich ergebende Stichhöhe verlängert werden.
)"Vas die praktische Ausführung der einfachen Kreuzgewölbe ohne Stich
anbetrifft, so lässt sich dieselbe sehr leicht mit einer vollständigen Gewölbe-
einschalung bewerkstelligen; hierzu sind für die vier -VVandbögen VV ö 1b -
s c h e i b e n , wie solche auf Seite 97 beschrieben wurden, aufzustellen, und
bilden zwei derselben das Auflager für eine vollständige Schalung nach Art
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 161
der Tonnengewölbe; auf diese Schalung lassen sich die Gratlinien durch mit
Röthel gefärbte Schnüre anfreissen ; diese Schnüre, in Cl a/ der Fig. 222 an-
gedeutet, werden vorsichtig nach
b, beziehungsweise nachb' herab-
geleitet, so dass sie auf dem ~I
<l
Sehr vortheilhaft lässt sich das Kreuzgewölbe über Räumen verwenden, die
reguläre Vielecke bilden, und namentlich das reguläre Sechs- und Achteck etc.
geben ein Gewölbe von ungemein freiem Schwung und schönem Ansehen ; ganz
irreguläre Räume mit Kreuzgewölben zu versehen, hat keine weitere Schwierig-
keit, da nur darauf zu achten ist, dass sämmtliche Wandbögen bei ihren ver-
schiedenen Spannweiten gleiche Pfeilhöhe erhalten; für den Scheitelpunkt eines
solchen irregulären Kreuzgewölbes ist der Schwerpunkt der betreffenden Grund-
rissfigur zu nehmen.
Kreuzgewölben von grössern Spannweiten giebt man verstärkte Gräte,
welche dann das Widerlager für die einzelnen Gewölbefelder bilden; hierbei
ist prinzipiell eine Fuge im Grat selbst zu vermeiden, woraus sich für die
Breite des 1 Stein hohen Grats am zweckmässigsten das Mass von 1 1/2 Stein
ergiebt. Soll nun der Regel genügt werden, dass sich alle Gewölbeschichten
I
I
,
I
,
I
I
I
,
I
I
___ _1 f1;:.
Fig. 225.
normal gegen ihr 'Widerlager anlegen, so erglebt sich daraus die N othwendig-
keit, dass die Form des Grats sich in derselben Weise ändert, wie dies bei den
Normalschnitten durch das Gewölbe der Fall ist.
Die Tafel XIII giebt den Weg an, wie in streng konstruktiver vVeise
die Form der Gräte sich entwickeln lässt; ohne diese Entwickelung ist ein e
d u r o hau s r ich ti g e Dar s tell u n g des Kreuzgewölbes nicht wohl mög-
lich. Fig. 1 stellt den Grundriss eines Kreuzgewölbes über einem quadratischen
Raum dar; dem 1/2 Stein starken Gewölbe ist ein gerader Stich und ein um
1/2 Stein verstärkter Grat gegeben.
. Durch diese Annahme setzt sich dieses Gewölbe zusammen aus vier gegen
den Scheitel hin aufsteigenden halbkreisförmigen Tonnengewölben, und es ent-
stehen demzufolge innere Diagonalgräte , welche nicht aus ein e I' elliptischen
Linie auf horizontallaufender Axe bestehen, sondern zusammengesetzt sind aus
je zwei Viertelsel1ipsen, deren Axen , dem Stich entsprechend, gegen den
Scheitel des Gewölbes aufsteigen; bei grosser Stichhöhe nehmen die Diagonal-
gräte im Scheitel des Gewölbes spitzbogenartigen Charakter an.
Bei der Wichtigkeit , welche der Diagonalgrat in der Konstruktion des
Kreuzgewölbes besitzt, ist es nothwenc1ig. denselben besonders darzustellen, und
164 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.
dies ist III der Fig. 2 geschehen, woselbst der Diagonalgrat in der Horizontal-
und Vertikalprojektion genau in seiner Form entwickelt wurde.
Die innere Gratlinie ABC in der Horizontalprojektion ist in der Vertikal-
projektion in der zusammengesetzten Kurve AI BIO' ersichtlich, und gehört
der halbe Gratbogen A' BI einer Ellipse an, welche die Linie aß y, mit den
Brennpunkten Y Va zur grossen Axe und die Linie ß 0 zur kleinen Axe hat;
der andere halbe Gratbogen BI 0' hat dagegen a' ßy', mit den Brennpunkten
yl Vlo zur grossen Axe, ß 01 zur kleinen Axe; die Stichhöhe des Gewölbes
ist 0 ß.
Bei Anwendung von Backsteinen wird nun der Grat in der Regel
1 1/ 2 Stein breit und 1 Stein hoch gemacht, und sind diese Masse auch in der
in Rede stehenden Konstruktion gewählt; an diesen Grat als Widerlager
müssen sich nun die einzelnen Gewölbschichten normal anlegen. Um die
Fugenrichtungen für den gewölbten elliptischen Grat bestimmen zu können,
sind die Brennpunkte V Va respektive yl Ya I von wesentlichem Nutzen, denn durch
sie und mit Hülfe der einpunktirtcn Linien werden die Fugenrichtungen D AI,
ab, cd, e f, g h, i k, i' k', gl h', el [', Cl d', a l b' und D' 0 1 leicht gewonnen.
Denkt man sich in allen diesen Fugenrichtungen nicht nur den Grat, sondern
auch das Gewölbe geschnitten, so ergiebt sich eine Reihe von Norrnalschnitten,
durch welche es klar wird, dass die Form des Grates eine stets variable sein
muss, da in jeder anderen Gratschicht die Gewölbeschicht sich in verändertem
Winkel anlegt.
Betrachtet man beispielsweise den Normalschnitt des Grates in d' d in der
Vertikalproj ektion, so wird diese Schnittlinie auf der inneren Leibung des Ge-
wölbes die Kurve n n l n" in der Horizontalproj ektion geben; diese Kurve lässt
sich .ermitteln mit Hülfe der angenommenen Mantellinien rnm, mi m', m" m",
welche alle durch dl Cl geschnitten werden; hier sinc1in beiden Projektionen
für die betreffenden Hülfslinien gleiche Buchstaben gewählt. Diese Mantel-
linien laufen in der Vertikalprojektion parallel der Cylinderaxe, hier m m,
m' 111/, m't m" parallel mit ß0°. Wird endlich der Grat-Normalschnitt in dl c'
umgeklappt gedacht, wobei die Hülfslinien n n, n' n', n" n" in der Vertikal-
projektion eine zu dl Cl normale Lage annehmen, so lässt sich an diese um-
geklappte Schnittlinie die wirkliche 1/2 Stein starke Gewölbeschicht antragen
und auch die Gratform . kann leicht ermittelt werden, da diese sich der Grösse
von, 1 1/ 2 Stein Breite und 1 Stein Höhe anpasst, und zwar in der Art, ßass
sich, wie bereits erwähnt, die Gewölbschicht normal an den Grat anlegt.
Hierbei ist zu bemerken, dass in den umgeklappten Normalschichten des Grates
inder Vertikalprojektion jedesmal die ganze Grösse von 1 1/ 2 Stein Breite und
1 Stein Höhe einpunktirr ist.
Wie nun der Normalschnitt dl Cl . in seiner wirklichen Form durch Um-
klappung mittelst angenommener Mantellinien gefunden wurde, so werden auch
die andern Normalschnitte des Grates in 0 1 DI, b' o', f' e', hl gl, i l k' in gleicher
Weise ermittelt, wie dies mit Hinweglassung der Hülfslinien an den betreffen-
den Stellen in der Vertikalprojektion geschehen ist. Das U ebertragen dieser
Normalschnitte in die Horizontalprojektion ist mit besonderen Schwierigkeiten
nicht verknüpft, und sind auch hier bei Schnitt cl l c' übereinstimmende Buch-
staben für die noth wendigen Hülfslinien gewählt (n n, n' n', n" n'I).
Betrachtet man nun den Grat-Normalsohnitt cl' Cl in seiner wirklichen Form
in der Umklappung, wie auch in seiner Horizontalprojektion, so tritt der Grat,
sich nach oben stark verjür gend, um nahezu 1/3 seiner Höhe über das 1/2 Stein
starke Gewölbe hervor; im Normalschnitt cc b' dr.gegen versenkt sich der sonst
l
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe), 165
aus dem Gewölbe heraustretende Grat in dasselbe und nimmt gegen die äussere
Leibung an Verjüngung zu, während iin den Normalschnitten e'(', g' 71,' und
i' k' der Grat immer höher, bis zur Hälfte aus der äusseren Leibung des Ge-
wölbes sich emporhebt und eine stets steilere Widerlagsfläche annimmt, und
diese wird bei der Annahme eines sehr hohen Stiches endlich eine Neigung
annehmen, wie dies beim Schlusssteine eines Spitzbogens der Fall ist; der
Normalschnitt ini' k' macht dies klar.
Nur durch eine Reibe von richtig entwickelten Grat-Normalschnitten lässt
sich ein Kreuzgewölbe absolut richtig darstellen. Während in der Fig. 2 auf
der linken Seite eine Reihe von Normalschnitten entwickelt wurde, ist auf der
. rechten Seite der Diagonalgrat so gezeichnet, als ob die sich an ihn an-
schmiegenden Gewölbschichten fortgeschnitten gedacht sind, so dass die Form
des Grates allein übrig bleibt, und wobei die sehraffirte Fläche den Schnitt
darstellt zwischen Grat' und Gewölbe, In dieser Darstellung ist nun deutlich
. zu erkennen, wie sich der Diagonalgrat in jeder Schicht verändern muss, um
stets die im veränderten Winkel sich an ihn anlehnenden Gewölbschichten
normal als Widerlager aufnehmen zu können. Aus dieser Entwickelung geht
hervor, wie schwierig es ist, ein Kreuzgewölbe im Rundbogen streng richtig
zu konstruiren , da die einzelnen Steine des Diagonalgratbogens alle in ihrer
Form von einander abweichen. Bei Annahme des Spitzbogens für die'se Kon-
-struktion fielen aber die beim rundbogigen Kreuzgewölbe entwickelten Schwierig-
keiten fort, weil hierdurch der Diagonalgratbogen zu einem Spitzbogen wurde,
der, aus einem Centrum konstruirt , es ermöglichte, ihn aus lauter gleichen
Bogensteinen auszuführen.
Nach der Entwickelung der richtigen Form der Diagonalgräte lassen sich
dieselben nun auch genau in die Horizontalprojektion übertragen, wie dies
in Fig. 1 geschehen ist; weiter lassen sich dann die Durchschnitte nach
CD, E F und nach GH Fig. 1 ermitteln, und diese sind in Fig. 3, 4 und 5
in genauer Zeichnung dargestellt.
Im Durchschnitte nach E Fist l ni die steigende Axe des Gewölbetheiles
E, und moder spitzbogenartig aufsteigende elliptische Grat, und dieser lässt
sich am einfachsten bestimmen, indem man die Längen von p, q, r, sund t von
der Kämpferlinie n n» aufwärts abträgt. Im Durchschnitt nach CD ergiebt
sich der Punkt u des Diagonalgrates durch eine vertikal gezogene Hülfslinie u',
währe~d sich die Höhen von v und w in v' und io' (Fig. 2) finden lassen;
der Schnitt u x des Gewölbetheils G durchdringt den Gewölbemantel in gerader
Linie, und entspricht hier in seiner Gewölbeschnittstärke der Höhe von Xl x",
wie dies die Hülfsfigur Fig. 5 am besten erklärt. Der Schnitt von u nach-ts
gehört dem steigenden Tonnengewölbe E an, dessen steigende Axe mit ln
zusammenfällt; die Schnittlinie, ein Halbkreisstück bildend, hat ihren Mittel-
punkt in ;;1, gleich hoch liegend niitz". Der vom Scheitelpunkte des Ge-
wölbes abwärts laufende Grat wird nach Fig. 2 (rechte Seite) richtig gestellt.
Die horizontal ausgeführte Hintermauerung in den vier Ecken des Ge-
wölbes (siehe Fig. 1) bildet -die Kurve 'JT Q, da hier aufsteigende Cylinder-
flächen mit einer horizontalen Ebene geschnitten werden.
In Fig. 1 rechts und Fig. 4 endlich sind noch die Gewölbeschichten
(ohne Stossfugen) eingetragen, welche ebenso wie die Schnittfiguren der
Horizontalprojektion mittelst Mantellinien konstruirt sind.
Noch möge hier erwähnt werden, dass bei Kreuzgewölben über nicht-
quadratischen Räumen die Normalschnitte G:'atformen bedingen, die ungleiche
N@igungsflächen besitzen.
166 1. Maurer- und Steinmetearbeiten.
dem Anfange des XII. Jahrhunderts, und gehören dem normännischen oder
angelsächsischen Stile an.
Die Kreuzgewölbe des Mittelschiffs von St. Trinite sind ohne vor-
springende Diagonalrippe und ohne Stich ausgeführt und nur die Wand- und
Quergurten besitzen in ihrer untern Leibung breite und ziemlich kräftig vor-
springende Profile. Fig. 226 (S. 167) stellt ein Stück eines solchen Kreuzgewölbes
im Grundrisse und Durchschnitte dar. Das ziemlich weit gespannte Gewölbe wird
in seinem Scheitel, in a a , . mitte1st einer rundbogigen Quergurtrippe , die eine
vertikale Aufmauerung bb erhalten hat, unterstützt. Fig.227 (S. 167) möge
durch ihre isometrische Darstellung diese eigenartige Konstruktion weiter
erklären.
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 167
/(
/·.. . 'r:-,·
I -,
i I I
/I
. I
I
I
1
1
!I I I
I
------------------------
-~------------- -~------
Fig. 227.
In der spätromanischen Zeit hat man den Gräten der Kreuzgewölbe oft-
mals statt der elliptischen Form die des Halbkreises gegeben; für die Wand-
Fig. 22D.
bögen wählte man dann ziemlich gedrückte Spitzbögen; ein solches Gewölbe
nennt man dann wohl am schicklichsten g 0 t h i s c h e s K r eu z g e w öl b e.
Die Tafel XV stellt ein solches über einem oblongen Raum konstruirtes Ge-
wölbe in allen seinen Schnitten dar. Fig. 1, der halbe Grundriss, zeigt ver-
tiefte Wand- unddurchbrochene Gurtbögen; Fig. 2 stellt einen Durchschnitt
nach der Linie AB dar ; Fig. 3 giebt einen Schnitt nach 0 D und Fig. 4
einen solchen durch einen der Diagonalgräte. bie ,Vandbögen besitzen gleiche
Höhe; im Schnitte AB sind die Wandbögen der Schmalseite von den Mittel-
punkten a a aus mit dem Radius a c geschlagen, während die Wandbögen der
Langseiten "g e s tel z t s in d", wie dies im Schnitte 0 D deutlich dargestellt
ist. Der untere' Theil des Wandbogens (die Stelze) hat den gleichen Radius,
wie der Wandbogen der Schmalseite, nämlich a' c, während der obere Theil
des Bogens aus b mit dem Radius bb' gezogen ist; dem Gewölbe wurde ein
/Bogenstich gegeben, der in beiden Schnitten die entsprechende Darstellung
durch Vergatterung gefunden hat. Weiters ist ein Normalschnitt einer Gewölbe-
schichte bei cl cl ermittelt, und diese Normalschicht bei cl' cl' mit ihrem Stein-
verbande dargestellt.
Der Einfachheit wegen wurde dem Gewölbe ein verstärkter Grat nicht
gegeben.
Im Mittelalter hat dieses Gewölbe -insofern eine weitere Variation erfahren,
als vor die sich bildenden Kreuzrippen Gräte mit Profilen versehen gelegt
wurden; diese Bogenrippen, meistens aus Hau-
stein bestehend, standen dann wohl, wie das die
Fig. 230 zeigt, in .keinem weitem Verbal~de mit
dem Gewölbe selbst, bildeten aber nichts desto
weniger eine sehr energische Unterstützung der
ganzen Gewölbedecke.
Fig. 230. Da diese Kreuz- oder Diagonalrippen, nach
ein e r Bogenlinie gebildet, aus lauter!gleichen
BogensWcken. bearbeitet werden konnten, so fiel die sonst sich ergebende
Schwierigkeit bei cl er Gratbildung der halbkreisförmigsn Kreuzgewölben fort,
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 169
und machte überhaupt eine weitere Verstärkung der Gräte nicht mehr noth-
wendig. Dabei versteht es sich von selbst, dass die Stärke der Rippen als
tragendes Moment sich nach den Spannweiten der Gewölbe zu richten hat.
Die Tragrippen erhielten stets eine geringe Breite bei grösserer Höl1E~; für
Gewölbe von mittlerer Spannweite, wie 5 bis 5,50 m, gen'Ögen Rippen von
12 bis 15 cm Breite und 24 bis 27 cm Höhe.
Um dem Gewölbe ein schönes Aussehen zu geben, wurden diese Rippen
verschieden, bald einfach, bald sehr reich profilirt, fanden auch wohl eine
Wiederholung an den Stirnseiten der Gewölbe, und wurden dann als "W an d -
r i P P e n " bezeichnet; auf diese Weise bildete das gothische Kreuzgewölbe
einen U ebergang zum:
G 0 t h i s 0 h e TI 0 der S t ern g e w Ö 1b e,
Bei diesen Gewölben tritt allemal die "R i p pe" als konstruktives und
dabei tragendes Gerüst für die einzelnen aber vielfach vermehrten Gewölbefelder
auf ; diese Gewölbefelder bilden in der Horizontalprojektion mehr oder weniger
reiche Sternformen, deren Hauptkonstruktionslinien aus den Ecken hervorgehen.
Die Formen, die hier gewählt wurden, zeigen in ihrer Anordnung eine unend-
liche Verschiedenheit und weisen darauf hin, dass dem ausführenden Baumeister
des Mittelalters ein nie dagewesener Spielraum für seine Phantasie geboten war,
und er sich darin auch frei zu bewegen wusste. Eine einfache Grundrissform
für ein Sterngewölbe stellt Fig. 231 dar; hier haben wir es mit Sternrippen
zu thun, die, aus den vier Ecken sich heraus entwickelnd , . den ganzen Raum
in acht ziemlich gleich grosse Gewölbefelder zerlegen; Fig. 232 sucht durch
Anordnung einer reicheren Stemforrn die Mitte resp. den Scheitel des Gewölbes
170 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.
in höherem Grade zu betonen, während Fig. 233 (S. 169) wohl nur dann
Anwendung finden dürfte, wenn die Grösse des zu überwölbenden Raumes die
Vieltheilung motivirt,
Eine eigenthümliche Anordnung der Sternrippen giebt Fig. 234 (S. 16'9);
dieselbe ist dem Seitenschiffe der Frauenkirche in München entnommen; trotz der
scheinbaren Willkürlichkeit tritt uns hier doch eine Form entgegen, die einer
strengen Konstruktion ihr Dasein verdankt. Fig. 235 ist aus der Durchdringung
zweier Dreiecke entstanden, während bei Fig. 236, 237 und 238 die acht-
zackige Sternform sich geltend macht.
Fig. 239 und 240 giebt das Rippenwerk , das in den Seitenschiffen des
Ülmer Münsters eine so überraschend reiche Wirkung hervorruft; hier finden wir
den ganzen Raum in sehr viele, aber ziemlich gleichgrosse Felder zerlegt, so
dass deren Rippen das ,Ansehen eines den Raum überspinnenden Netz 3S &8/-
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 171
Domkirche von Kaschan aus der Mitte des 14. Jahrhunderts zur Ausführung
gebracht wurden.
Die hier vorgeführten Beispiele geben den 'Beweis, wie unendlich mannig-
fach die Stern- und Netzgewölbe sich gestalten lassen, und nimmt diese Mannig-
faltigkeit einen noch erhbateren Grad an, wenn man bedenkt, dass bei diesen
172 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.
,,
,,
,-,
-,
,-,
,,
-,
,,
-,
cJ;J -, "
-,
,
-,
"
''''''-,
-,
------------------------,--------~:!'_~_ ..
auch wohl Li ern e n genannt werden. Bei Anordnung sehr reicher N etz-
gewölbeformen fällt eine spezielle Bezeichnung des oft ziemlich gleicl1\verthigen
Rippenwerkes fort, und bezeichnet man dann sämmtliche Rippen und Gräte
mit Re ihn n gen 0. erG e w ö I b e. Sind da, wo sich mehrere Rippen kreuzen,
eigene Formsteine in Anwendung gebracht, so werden diese wohl K n ä u fe
oder Sc h I u s s s t ein e genannt; im' Scheitel der Gewölbe werden statt der
Schlusssteine auch Steinkränze mit mehr oder weniger grossem Durchmesser
eingesetzt, die entweder offen bleiben oder auch geschlossen werden können:
Die zwischen die Rippen sich selbstständig einspannenden Gewölbefelder
werden Kap p e n genannt, sie erhalten- in der Regel nur einen äusserst ge-
ringen Stich, oder einen Bus e n.
Im allgemeinen unterliegt die Ausführung dieser Gewölbe keiner besondern
Schwierigkeit, wie dies vielfach von Laien angenommen wird, denn nur das
Rippenwerk erhält durch aufgestellte Lehrbögen seine Unterstützung, und kann
dementsprechend ohne Schwierigkeit zur Ausführung gelangen; hat dasselbe
sich vollständig gesetzt, und ist der Mörtel im Rippenwerk gehörig fest gß-
worden, so erfolgt die Einwölbung der Gewälbefelder aU2 freier Hand ; unter
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 173
._---...:;:e;....--
~_--;r:L
'I
, --?tl'
CZ:>~1-
6 k~~-' i/~
l?l~---'
J/--~;+3
(/
" I! I ~---- t i
,
·i, I:
,!.
i
.,' : I •
Zf~;' i I
, •I II I•
"f'; :: i
j
i' :
•
1 i
I ,I ••
~
1~ j j
:J': :
:: iI ::
:! :
...
:
, ! 1
.
:.
..! ~
.
:
;
.i
f
.:
:
;: :
a" ------- }{p----'-.._ ----_.---.._.--------_ i ----_.-.1_
~
i
--..--•..-------_..
-_._._~- _. -~.-
Fig·. 2·HJ.
174 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.
a c , a cl, a' cl, a' c' und die Nebenrippen oder Liernen cf, cl fund f c' ein-
spannen.
Sämmtliche Rippen müssen nun in der Art angeordnet werden, dass sie
ein vollständig sicher sich verspannendes Netz bilden, dessen Zwischenfelder.
nachträglich aus freier Hand eingewölbt , keine gebrochenen Flächen zeigen
dürfen; eine solche Anordnung lässt aber die verschiedensten Variationen zu,
und ist auch sehr häufig abhängig von der gewählten Form der Wandrippen.
Bei einem streng gesetzlich konstruirten Sterngewölbe möchte folgendes Ver-
fahren zu empfehlen sein: Um möglichst gleiche Felder bei der Annahme von
acht Hauptrippen zu erhalten, sind im Grundrisse die -Winkel von a, ß und r gleich
zu machen (nur ein Quadrant wird hier berücksichtigt); hiernach bestimmt man
die Hauptrippen ; die Rippenpunkte 1 2 3 4 werden beziehungsweise gleiche
Höhenlagen zu erhalten haben, und gilt dasselbe von den Punkten c und cl.
Eine angenommene Diagollalrippe würde in den Punkten 1'2' 3'4' 5'
mit den Rippenpunkten 1 2 3 4 c und beziehungsweise cl gleiche Höhen nach-
weisen müssen, und dürfte ·von 5' bis f kein Bruch entstehen; solche Be-
dingungen erfüllt die im Durchschnitt durch Umklappung dargestellte a n ~
gen 0 m me ne Diagonalrippe a 1 2 3 4 cl' f', die aus dem Mittelpunkte 1/0 als
stetige Spitzbogenlinie konstruirt ist. Da die korrespondirenden Punkte
sämmtlicher Rippen (d i e Dia gon a I I' i P P e nicht ausgeschlossen) gleiche
Höhenlagen erhalten sollen, so ergiebt sich die Form einer der Haupt-
rippen , z. B. Ci cl (im Grundriss) durch Verlegen dieser Linie nach a cl', im
Durchschnitte in der umgelegten Hauptrippe von a 1 2 3 4 d', während die
Gurt- beziehungsweise Wandrippe unter der Voraussetzung, gleiche Höhen-
punkte mit den Hauptrippen zu haben, den Bogen a 1 2 3 4 e bildet. Dem-
entsprechend sind in dem gegebenen Beispiele die Gurt - und Wandrippen
sowohl wie auch die andern Hauptrippen aus ein und demselben Mittelpunkt tu
wie die an gen 0 m m e n e (aber in VV irklichkeit nicht existirende) Diagonal-
rippe konstruirt; -hieraus ergiebt sich für die Punkte (im Grundriss und
Durchschnitt) c und f, beziehungsweise für d und f ein Höhenunterschied, der
von selbst auf die in diesem Falle zu wählende Stichhöhe des G-ewölbes hin-
weist. Da in dem umgelegten Bogen a 1 2 3 4 e cl' f' (im Durchschnitt) die
wir k I ich e n Masse für sämmtliche Rippen gegeben sind, so lassen sich diese
leicht in die betreffende Projektion bringen; bei der Bedingung, dass sämmt-
liehe Rippen sich vollständig verspannen, bleibt ein gerader Stich bei allen
Sterngewölben ausgeschlossen; in dem hier gegebenen Beispiele sind die Liernen
cf und f c' mit der Stichhöhe aus dem Punkte X bestimmt und bildet die
Lierne d f (im Grundriss) die verkürzte Linie d f (im Durchschnitte).
.In vielen Fällen ist im Scheitel des Gewölbes ein ringförmiger Schluss'-
. kranz eingesetzt, der hier absichtlich d81; grössern U ebersi.chtlichkeit wegen fort-
gelassen wurde.
Da sämmtliche Rippen unseres quadratischen Sterngewölbes ein und dem-
selben -Bogen angehören, so ist es nicht umständlich, di.e einzelnen Lehrgerüste
für die Unterstützung der Gewölberippen herzustellen und die betreffenden
Rippen selbst zur Ausführung zu bringen, Ist dies geschehen und hat sich
das Rippenwerk vollständig und sicher nach dem Lüften der Keile in der Ge-
wölberüstung verspannt, so werden die einzelnen Gewölbefelder aus freier Hand
zwischen die Rippen eingesetzt, und zwar so, dass jede Schicht sich selbst-
ständig in flacher Bogenform trägt; der Stich 7 hier Busen genannt 7 den man
den Gewölbefeldern giebt, muss für die grösste Spannweite des betreffenden
Feldes zuerst festgesetzt werden; dies ist annäherungsweise in der BogBnlinie
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 175
tl ~"------_.
Fig. 250.
,I
I
: f
I
I
;/
/ l
c
I
Fig. 251.
ihrem "Widerlager heraustreten sollen, 'so müssen dieselben in den meisten Fällen
eine S tel z e erhalten; ·für die fingirte Rippe ist diese Stelze durch das Bogen-
stück a y mit x als Mittelpunkt gewonnen, sie selbst aber wurde durch y f"
mit dem Mittelpunkte v in der Weise ermittelt, dass durch sie gleichzeitig die
konformen Hauptrippen gegeben erscheinen. Dreht man die Hauptrippen um
a so, dass (im Grundriss) der Punkt c nach c' fällt, so ergiebt sich durch
eine Normale Cl c' die Bogenlinie a y" Cl als wirkliche Form für die Hauptrippen,
während die Höhendifferenzen von b, Cl, f" die entsprechenden Stiche für die
Gewälbefelder, beziehungsweise für die Liemen abgeben. Der Mittelpunkt für
den Bogenstich, den die Liernen erhalten, befindet sich in unserer Figur in «'.
N achdem die wirklichen Bogenformen für d.ie Hauptrippen ermittelt sind,
lassen sie sich leicht in ihren Verkürzungen graphisch richtig darstellen, wie
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 177
Fig-. 252.
178 1. Maurer- und Steinmetz arbeiten.
selben die Lehrbögen angefertigt werden müssen, die bei der praktischen Aus-
führung des Gewölbes zur Unterstützung d~r Rippen und Liernen absolut
•
nothwendig sind. Sind auf einem so sicher unterstützten und gut verspannten
Lehrgerüst sämmtliche Rippen und Liernen und der diese letzteren verspannende
Kranz durch die betreffenden meist profilirten Rippensteine ausgeführt und ist
ein vollständiges Sichsetzen und Erhärten des Rippennetzes eingetreten, so
wird zum Einwölben der einzelnen Gewölbefelder geschritten; hierzu wählt
man möglichst leichtes Steinmaterial und giebt den flachen, mit einem Busen
versehenen Gewölben höchstens die Dicke von 1/2 Stein, wobei die Ausführung
aus freier Hand erfolgt; der einmal gewählte Busen steht stets in gleichem
Verhältniss zu der Weite der Gewölbeschichten.
Die Ausführung muss selbstverständlich so geleitet werden, dass die Ein-
wölbung der Gewölbefelder niemals das Gleichgewicht in den verspannten
Rippen zu stören im Stande ist. Der im Scheitel der Sterngewölbe oft an-
geordnete Kranz kann entweder offen bleiben, oder er wird als flache Kugel-
kappe geschlossen.
Zur gründlichen Orientirung über die eben vorgeführte Konstruktion ist
auch hier eine isometrische Zeichnung in Fig. 253 beigegeben; die versenie-
Fig. 253.
Neben dieser Stelzmethode kommt auch wohl eine andere in Fig. 254
dargestellte zur Anwendung, die u n gl eie h ho h e S tel z e n , ab erg l e i c h
z r o s s e Radien für s m m t l i c h e Rippen ergiebt.
t>
ä
c < -----
Fig. 254.
Bei dieser Methode wählt man am vortheilhaftesten für die Stelze den
Radius Cl' Y = 1/2 Cl b, zugleich als Halbmesser einer Kreislinie, auf welche
sämmtliche Mittelpunkte, hier c+ cl+ e+ t: g+, für die Rippenbögen zu liegen
kommen. Die Form d81~ Rippen wird aus dem Grundrisse herausgetragen unter
Rücksichtnahme der ihnen zufallenden Stichhöhen , ohne welche ein Stern-
gewölbe, wie schon erwähnt wurde, gar nicht konstruirt werden kann.
Am sichersten geht man stets zu Werke, wenn man denjenigen Bogen, der
die geringste Spannweite nachweist, zuerst in seiner Form feststellt jim gegebenen
Falle ist dies die Wandrippe Cl c (im Grundrisse). Dreht man Cl C um aso,
dass C nach CO verlegt wird, so liegt der Scheitelpunkt der Rippe in der Linie
CO c'; für diese Rippe ist y der Mittelpunkt für die Stelze, c+ für den oberen
Theil des Rippenbogens, welcher selbst aus a" Cl besteht. Soll die Gmcrippe
Cl ti (im Grund ss) l~'it der 1/Yand:c .ppe a c gleiche Höhe erhclteu , so wird
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 181
deren Scheitelpunkt in der Linie cl cl' und zwar in der Höhe von c' liegen, und
ist dieser Punkt mit cl' bezeichnet. Der obere Theil der ,Yanclrippe Cl eist
mitte1st des Radius a' b = c+ C' dargestellt; dieser einmal gewählte Radius wird nun
für sämmtliche andere Rippen in der Art beibehalten, dass seine Länge beispiels-
weise für den Bogen Ci cl von cl' auf die Kreislinie nach d+ aufgetragen wird;
d+ ist dann der Mittelpunkt für den Bogen 0 cl', dem die Stelze a' 0 angehört.
In gleicher Weise werden die Hauptrippenbögen a c und Cl f in wirklichen
Grössen gefunden, wobei die betreffenden Stichhöhen zu berücksichtigen sind.
Im gegebenen Falle ist e nach eO und f nach (0 (im Grundriss) gedreht, in
elen Senkrechten eO e' Leziehungsweise in t" f' liegen dann die Scheitelpunkte
dieser Rippenbögen und zwar mit einem Höhenunterschiede von c' e', beziehungs-
weise cl' f'; wird von e' beziehungsweise f' mit dem ursprünglich angenommenen
Radius a' b die Kreislinie in e+ und t: geschnitten, so ergiebt sich für
die Hauptrippe a e der Bogen a' e e', und für die Hauptrippe Cl f 'der Bogen a,' Cf f';
ersterer mit der Stelze a' e, letzterer mit der von Cl' p.
Soll endlich die Diagonalrippe a' g in ihrer wirklichen Grösse ermittelt
werden, so dreht man g nach gO und bestimmt auf der Senkrechten gO g' deren
Scheitelpunkt unter Rücksichtnahme der diesem Punkte zu gebenden Stichhöhe
in g'; von g' der gleiche Radius c' c+ auf die Kreislinie übergetragen, ergiebt
dann mit den Mittelpunkten g+ und y die gestelzte Hauptdiagonalrippe a' y g'.
Sind sämmtliche Rippen in ihrer wirklichen Grösse und Form ermittelt, so
lassen sie sich leicht für die Darstellung verschieden angenommener Schnitte
verwerthen.
Die hier vorgeführten Beispiele, das Rippensystem bei Sterngewölben
richtig anzuordnen, lassen leicht erkennen, dass es vor Allem darauf ankommt)
sämmtlichen Rippen eine durchaus sichere Verspannung
zug e b e n , und aus diesen Gründen sind die sogenannten geraden Stiche
fast ausnahmslos unverwendbar , und müssen durch Bogenstiche ersetzt wer-
den; immerhin gehört eine grosse Umsicht und eine durch viele Konstruktions-
übungen gewonnene Klarheit dazu, in allen Fällen, besonders bei sehr kom-
pIizirten N e t z g e w ö I b e n , sofort das Richtige zu treffen.
Beschränken sich jedoch die N e t z g e w ö I b e, wie das sehr häufig der
Fall ist, in ihrer Hauptform auf das 'I'onnengewölbe, so treten alle Schwierig-
keiten in bezug auf ihre Anordnung sowohl, als auch in bezug auf ihre leichte
und praktische Ausführung zurück. In vielen Fällen erhalten die Netzgewölbe die
spitzbogige Tonnengewölbeform, mit grössern oder kleinem spitzbogigen Schil-
dern, mit oder ohne Stich.
Fig. 255 (S. 182) stellt das Liniensystem eines solchen Netzgewölbes
im Grundriss, Quer- und Längenschnitt dar. Die im Grundriss angeordneten
Re i h u n gen, dann die Schild- und Wandrippen. wie ab, b Cl', Cl c, ca', c bete.
sind bei der gegebenen Querschnittform leicht im Längenschnitt zu ermitteln
und wenn nöthig, in ihrer wirklichen Grösse und Form herauszutragen. Solche
Reihungen werden dann, wie dies die Fig. 256 (S. 183) weiters darstellt,
mitteist Rippenformsteine ausgeführt, und die zwischen den Rippen frei-
gebliebenen Felder später mit flachem Busen eingewölbt. Zur leichteren Orien-
tirung sind in den verschiedenen Projektionen sämmtliche Kreuzungspunkte der
sich gegenseitig verspannenden Rippen mit gleichen Buchstaben bezeichnet,
während der Bogen Cl" c" d' eil f" die Schablone für die nothwendigen Lehr-
bögen abgiebt. .
Eine weitere Erörterung möchte unnöthig erscheinen!
Nach diesen E'.l'l1terungsn wird es wohl statthaf] sein j auf die spezielle
182 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten,
Darstellung von Sterngewölben überzugehen; auf Tafel XVI ist ein Stern-
gewölbe über quadratischem Raum ausgeführt gedacht. Das dieser Aufgabe
zu Grunde liegende Programm ist im Mass stabe wie 1 : 50 dargestellt, und
der zu überwölbende Raum 7,5 m im Lichten weit angenommen.
Die ideal gedachte Diagonalrippe ab (im Grundriss) ist mit ihrem Punkte
b nach b' gedreht; eine Lothrechte, von b' nach b" (im Querschnitt) gezogen,
ergiebt mit dem Centrum in X die ideale Diagonalrippe in Ct' b"; alle andern
Rippen sind dieser Rippe insofern konform, als die Punkte c' in gleicher
Höhe von c und c, cl' in gleicher Höhe von cl cl d , e' in gleicher Höhe von
e e e etc, liegen, und lassen sich dem entsprechend aus der wirklichen Grösse
.,
r
I
I
I
I
I
I
I
I
I
I
I
I
,: 1Ir
,
I
-- -a------------:------------------.l . ---- _~
~ {~~ _
I
I
\ <.
\ . . . . .f/' / t \
, 1\ I \
\ i, ,/ ~\
\ i \ 1
\ I \ /
\ / \ /
\,'
\ I
s : \ I
\ / \ :'
---_.-.. . --'* ----.. ---.---~?- :;....._. _.. -~~ -_......-..
\., \ I
t/\ o; :'
"
l \ I \ I
/
I '
/ \\ :I
Fig. 255.
der Diagonalrippe a' c' (im Durchschnitt), diese beiden gleichen mit a c be-
zeichneten Rippen des Grundrisses in der richtigen Projektion mit sammt ihren
Profilirungen darstellen, da auch für diese ganz bestimmte Schnittlinien sich
förmlich von selbst ergeben. .
Die Stichhöhe ergiebt sich für die die Diagonalrippen verbindenden Liernen
durch den Höhenunterschied zwischen Cl b"; ihr Mittelpunkt ist mit y be-
zeichnet,
Bei der praktischen Ausführung empfiehlt es sich, die An fä n ger der
Sterngowölbe in Hausteinherzustellen , und zwar in einer solchen Höhe,dass
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 183
die einzelnen Rippensteine, olme verhauen zu werden, auf sie aufgelagert wer-
den können. In der Tafel XVIII Fig. 1 ist der Ge w ö 1 b e a n f n ger des ä
• __ - -- - - - - - _0 ~
184 1. Maurer- und Steinl1let~arbeiten.
die normalen Linien sich leicht in y" p" 0" im Durchschnitte und in r"' p'" o"'
in ihrer Form ermitteln lassen.
Bei elen gothischen Sterngewölben setzen sich die einzelnen Rippen in den
meisten Fällen auf Viertel-, Halbsäulen oder auch freistehenden Säulen 'oder
Pfeilern auf; auch Kragsteine finden hierzu Verwendung, und hauptsächlich
wohl dann, wenn der Innenraum durch vortretende Mauennassen nicht beengt
werden soll. War hierauf jedoch keine Rücksicht zu nehmen, so entfaltete
sich der tragende Pfeiler in den meisten Fällen als eine mit Rundsäulen und
Hohlkehlen reich gegliederte schlank aufschiessende Stütze, deren Kern vor-
herrschend die runde Form hatte; an diese legte sich sehr häufig eine grössere
Anzahl von Dreiviertelsäulen. die dazu bestimmt waren, die Gewölberippen aut
sich aufzunehmen, und deshalb auch "D i e n s t e " genannt wurden. Fig. 257
Fig. 257.
stellt einen Bündelpfeiler (zur Hälfte gezeichnet) vom Kölner Dom dar; der-
selbe hat zur Aufnahme der Gurtrippen vier stärkere Säulenansätze - so-
genannte alte Dienste - , und zur Aufnahme der Kreuzrippen vier schwächere
Säulenansätze - sogenannte junge Dienste - ; diese Dienste entwickeln sich
nach unten zu einer reich gegliederten Basis, und bilden nach oben oft reich
ornamentirte Kapitäle, welche dann auf ihrer scharf unterschnittenen Deckplatte
die reich gegliederten Gewölberippen auf sich aufnehmen.
Wie überhaupt in der gothischen Architektur eine ungemein individuelle
Freiheit des Schaffens sich geltend macht, so möchte man vergeblich nach
starren R~geln in bezug auf die gothischen Konstruktionen sich umsehen; das
uns aus dem Mittelalter überlieferte Material ist ein ebenso umfassendes wie
interessantes, aber an diesem Platze es erschöpfend zu besprechen, liegt ausser
der Aufgabe dieses Buches, und müssen wir uns darauf beschränken, nur das
zu geben, was zum Verstandniss dieser Konstruktionen unumgänglich noth-
wendig erscheint.
Der unterste Theil der Gewölbe oder der Gewölbeanfänger besteht in der
Regel aus Hausteinen , in welchen die Gewölberippen zum theil sich mehr
oder weniger verschneiden, oder förmlich miteinander verwachsen, so dass die
Rippen erst in grösserer Höhe sich klar von einander abtrennen, um dann die
flachgewölbten Zwischenfelder aufzunehmen.
In Fig. 1 'I'afel XVIII ist der Gewölheanfänger des Sterngewölbes auf
Tafel XVI im Detail dargestellt und besteht derselbe aus einer Gurtrippe,
186 I. Maurer- und Steinmctzarbeiten.
einer 'N aridrippe und zwei Diagonalrippen. Der Gewölbeanfänger setzt sich
in Cf; b mit horizontal liegender Fuge auf die aus Rundstäben bestehende Eck-
säule mit einfacher Kapitälgliederung auf, und schliesst normal nach dem
Centralpunkte e geschnitten ab; der hierdurch sich ergebende Normalschnitt c cl
ist im Grundriss in c' cl' eingetragen, und lässt erkennen, dass der Gewölbe-
anfänger hier das normale Auflager für die Formsteine sämmtlicher Rippen zu
bilden hat; die in diesem Schnitte angeordneten Hohlkehlen verschwinden, gegen
das Kapitäl zu verfolgt, nach und nach, und gehen 80 in den Wandpfeiler
über, der nunmehr nur aus aneinander gereihten Rundstäben besteht, die jedoch
nahezu vom Sockel, also nahe vom Fussboden des Raumes beginnend, sich
bis in den Scheitel des Gewölbes verfolgen lassen. In Fig. 2 ist ein frei-
stehender achtseitiger Mittelpfeiler dargestellt, aus welchem die einzelnen Ge-
wölberippen sich erst nach und nach und zwar soweit heraus entwickeln müssen,
bis sie die Aufnahme der einfachen, mit Hohlkehlen versehenen Rippensteine
aufnehmen können, was bei e f der Fall ist; da, wo die Rippen sich selbst-
ständig entwickeln, ist der Gewölbeanfänger nach allen Seiten hin normal zu
den verschiedenen Gewölbeflächen abzugleichen; ein höher angenommener
Schnitt eil l", wie ihn unsere Figur darstellt, zeigt, wie die Gewölbefelder
9 9 9 . .. sich zwischen die geformten Rippensteine einspannen.
Fig. 3 stellt einen im Grundriss kreisrunden Gewölbeanfänger vor, der
einerseits von einem Kragsteine getragen wird, andererseits aus sich Gewölbe-
rippen der einfachsten Form hervorwachsen lässt, die, nach fünf Seiten hin sich
entfaltend, die Diagonal- und Gurtrippen eines Sterngewölbes bilden; die in
den Aufriss punktirte Linie ba b' giebt die obere Grenze des Gewölbeanfängers
an, aus welcher sich dann alle andern' Gewölberippen selbstständig entwickeln.
Sämmtliche Rippen haben, wie dies auch in der vorhergehenden Figur an-
genommen wurde, gleiche Radien.
In Fig. 4. setzen sich auf ein e n Kragstein: eine Gurtrippe und zwei
Diagonalrippen auf; in der Höhe von a nehmen die Rippensteine ihre volle
Form an. Bei solider Konstruktion ist dieser untere Theil des Gewölbeanfängers
aus Haustein herzustellen. Ein weiterer Normalschnitt bei b zeigt, wie sich
die Gewölbefelder zwischen die Rippen. verspannen.
Fig. 5 stellt einen freistehenden', mit acht Hohlkehlen versehenen Pfeiler
vor, aus welchem sich durchaus regelmässig vier Gurtrippen und vier Kreuz-
rippen mit gleichen Profilen herausheben; solche Pfeiler werden je nach ihren
grössern Dimensionen aus einem oder aus mehreren Werkstücken vzusammen-
gesetzt.
Ein sehr komplizirtes gegenseitiges Durchdringen von Pfeilerdiensten und
Gewölberippen ist in Fig. 6 dargestellt; hier haben wir es mit zwei viel ge-
gliederten breiten Scheidebögen CA A) zu thun , mit den schmalen Gurtrippen
(B B) und den etwas breiteren Kreuzrippen (C C); sämmtliche Gewölbe-
rippen sind in zweifacher Grundrissstellung schraffirt dargestellt, während der
diese Rippen aufnehmende Pfeiler unschraffirt , bis auf jene Gliederungen dar-
gestellt wurde, die dem Pfeiler - und dem Rippenwerk gemeinsam sind, wie
dies bei den Rundstäben, mit a a, b b bezeichnet, der Fall ist. Um solche
Durchdringungen richtig darstellen zu können, ist es freilich nothwendig, ein
sehr gewandter Zeichner zu sein, auch darf man es nicht scheuen, für die
richtige Darstellung der Kreuzrippen CO eine weitere Hülfsfigur zu Rathe zu
ziehen, die hier w~gen Mangel an Raum fortgelassen wurde ; überhaupt möchte
das hier mitgetheilte Beispiel mehr als originelles Kunststück anzusehen sein,
das wohl für unsere Zeit keine Nachahmung finden dürfte.
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 187
2--
in drei Theile getheilt , sodass
a b' c = a cc' = Cl c' b' ist, so lassen
sich die gleichen Bogenlinien ab',
a c , a c' , ab' leicht in den Schnitt
eintragen und werden die Punkte
1 1 1 1, 2 2 ... , 3 3 ... etc. je auf
gleicher Höhe und in gleicher Ent-
fernung von der Drehungsaxe a liegen.
Sind in einem quadratischen
Raum die vier Ecken auf die ebe"u Fig. 258.
beschriebene Vireise mit den trichter-
vielfach mit einander verspannt, am Gewölbe eine Formenfülle zeigte, wie sie
bei keiner andern Art der Gewölbe wieder anzutreffen ist. Geradezu staunans-
werth ist aber die Art und Weise,
in der wir einzelne dieser Gewölbe
ganz in Hausteinen mit dem routi-
nirtesten Steinschnitt ausgeführt fin-
den, während das dekorirende reiche
Masswerk erst später in die Gewölbe-
decke eingemeisselt zu sein scheint;
solche Anordnungen treten freilich
aus dem Rahmen der eigentlichen
Rippengewölbe heraus, da bei ihnen
der konstruktive Charakter der ein
selbstständiges Netzwerk bildenden
Rippen vollständig illusorisch wird.
Auf Tafel XIX Fig. 4 ist eine
Skizze gegeben, in welcher Weise in
englischen Kathedralen, KlÖstern und
Colleges die Fächergewölbe häufig
zu gleicher Zeit h n gen d e G e -
ä
Fig. 6 u. 7 ist ein Stück dieser Decke im Grundrisse und einer isometrischen An-
sicht dargestellt; die herabhängenden Knäufe sind frei durchbrochen, das andere
Rippenwerk ist weiss, mit hellblauen Füllungen *).
Fig. 260.
Das Ku p p e1 g e w Ö1b 8.
Die ältesten K u p p el g e w I b e wurden über Räumen konstruirt, welche
ö
im Grundrisse die Kreisform besassen, und wählte man dazu die einfache Form
der Halbkugel; die den kreisrunden Raum umschliessende Ringmauer ist dem-
gemäss ihrem ganzen Umfange nach Widerlagsmauer, und lässt sich das ganze
Gewölbe von seinem Mittelpunkte aus leicht in eine beliebige Anzahl Ring-
schichten zerlegen, wobei jeder sich bildende Kranz seine vollständige Verspannung
erhält; die Fig. 261 (S. 191) giebt hiervon ein erklärendes Bild.
Sämmtliche Lagerfugen sind gegen den Mittelpunkt .der Halbkugel ge-
richtet, während die Stossfugen in senkrechten Ebenen liegen, die gleichfalls
durch den Kugelmittelpunkt gehen.
Statt der Halbkugel verwendet man für das Kuppelgewölbe auch wohl
ein halbes Ellipsoid, in der Regel mit vertikal gerichteter grosser Axe, wie dies
in Fig. 262 angedeutet ist; auch der Spitzbogen findet hier Anwendung.
Grösseren Kuppeln giebt man wohl, statt eines Schlusssteines im Scheitel,
oder Nabels, eine Lichtöffnung und sichert dieselbe durch die Anordnung eines
*) Das Schloss Babelsberg bei Potsdam , von Strack und M. Gottgetreu heraus-
NONOhOYl 'R1"Yl<lt.,Rr. T( (nn.
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 191
eigens konstruirten Kranzes, der am besten aus Haustein herzustellen ist; auf
diesen Kranz setzt sich dann wohl die sogenannte Laterne auf.
Konstruirt man die Kuppelgewölbe aus Backsteinen, so giebt man den-
selben
bei Spannweiten bis 4 m 1/2 Stein am Schlussstein und 1/2 Stein am Kämpfer,
" " u 6" 1 u" " "1 1
",, "
" " "8,, 1 "" " " 1 /2 " ,, "
" " " 10" 1 "" " "2",, "
Für die Widerlagsstärken giebt Rondelet an, dass sie halb so stark, wie
die eines Tonnengewölbes von gleicher Spannweite zu machen seien, oder auch
gleich 1/8 des Durchmessers.
Die in neuerer Zeit ,ausgeführte grosse
Kuppel über der Befreiungshalle von Kel- ---
",'"
'-.
-,." ..........
.
••
I :
_._-----------------------_._--
a ~ ---------;.::~o~~---.~:::_.:_:-------.
/' .1',,/
'-__ ';l~ '......
-
I ~
Fig. 263.
I I ~ -, : I
, I / ' ' " I I
~,'
:"
! \ I :
~
: U
: : \
\; I
I 11 \I ~
, U 11 •
i I U I
a..l·--L--------c-·-·-·-·-·L.-.-l;
Fig. 262.
Pig. 264.
wesentlich zur Stabiliüit der Konstruktion beiträgt,' so wird dies auch bei den
Kuppelgewölben der Fall sein; um jedoch an Mauerwerk zu ersparen, werden
mit bestem Erfolg sogenannte Sporen angeordnet, wie dies weiters bei der Er-
läuterung der Kuppel über der Befreiungshalle auseinander gesetzt werden soll.
Ist eine Kuppel über einem regulären achtseitigen Raum zu konstruiren,
so erhalten, wie in Fig. 265 (S. 193) ersichtlich ist, die Gewölbezwickel eine
verhältnissmässig geringe Ausladung, wobei man 'wohl mit Rücksichtnahme auf
den Rundbogen den Wanc1bogen der Pendentifs die gleiche Form giebt; ruht
die Kuppel nicht unmittelbar auf den Gewä 1bezwickeln auf, wie dies bei sehr
vielen Kirchenbauten der Fall ist, so schiebt sich zwischen beide ein sogenannter
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 193
Tambour, in unserer Figur in der Höhe von a h, ((I bl ein , dessen Höhe sehr
verschieden gewählt werden kann.
Soll ein mit einem Kuppelgewölbe überdeckter Raum durch eine Fenster-
.reihe beleuchtet werden, die höher als der Anfang der Kuppel liegt, so er-
fordert dies die Anlage von S ti c h k a p P e n, ähnlich wie wir sie früher beim
Tonnengewölbe kennen gelernt haben. Als Form dieser Stichkappen wird
man bei dem centralen Charakter dergleichen räumlicher Anordnungen wohl
immer die Kegelform wählen und zwar häufig so, dass die Axen der den
Lichteinfall vermittelnden Stichkappen nach dem Kuppelmittelpunkt geh en.
Fig. 265.
Auf Tafel XXII sind zwei derartige Konstruktionen dargestellt,. und zwar
ist in Fig. 1 und 2 der Fall behandelt, wo ein Kuppelgewölbe über einem
kreisrunden Raume durch Fenster beleuchtet werden soll, die auf dem zwischen
Kuppel und Tambour gelegten Gesimse stehen. Die Fenster erscheinen in der
äussern Flucht halbkreisförmig geschlossen und sind mit der Kuppel durch
Kegelkappen vermittelt , welche die Fortsetzung der innern Fensterleibung
bilden; die Axen derselben liegen horizontal und gehen selbstverständlich durch
die Mittelpunkte der halbkreisförmigen Fensterstürze.
Es entsteht sonach die Aufgabe, den Schnitt eines senkrechten Kreis-
kegels mit horizontaler Axe und zweier denselben tangirender Vertikalebenen
mit der Kuppel zu suchen. Zur Bestimmung der betreffenden Durchdringungs-
kurve bedient man sich wieder am besten vertikaler Schnittebenen, welche die
gegebenen Raumfiguren nach Kreisen schneiden; im Schnitt der so zu er-
haltenden beiden Schnittkurven erhält man dann jedesmal einen Punkt der
gesuchten Durchdringungslinie. Zur vollständigen Bestimmung dieser Schnitt-
Go t t g e t r e u, Hochbaukonst-uktioucn. 13
194 1. Maurer- und. Steinmetzarheitell.
kurve ist aUSSeI' dem Grundriss und dem Querschnitte auch eine Ansicht senk-
recht zur Axe des Kegels nothwendig, welch letztere im Durchschnitt Fig. 2 mit
eingezeichIl;et ist. Die angenommenen Schnittebenen sind Vertikalebenen senkrecht
zur Kegelaxe und ihre Spuren in den betreffenden Projektionen mit 1, 2 ... 5
bezeichnet; sie sind zwischen den Punkten 0" 0" an der 'I'ambour wand, welche
sich durch Eintragen der inneren Fensterleibungen in den Grundriss von selbst
ergeben: undc1en Scheitelpunkten der Stichkappen (6") beliebig eingeschaltet.
Die Schnittkurven dieser Ebenen mit der Kuppel (welche eine vollständige
Halbkugel ist) sind Parallelkreise der letzteren: deren Mittelpunkte in 1, 2 ... 5
liezen
b
und deren Radien die Höhen 1 1+, 2 2+ ... 5 5+ (Fig. 2) sind;• die
Schnittlinien mit dem Kegel werden Kreise, mit den auf der Kegelaxe hegen-
den Mittelpunkten 1 0, 2 °... ° ° °
5 und den Halbmessern 1 1', 2 2' ... 5 05';
für den unterhalb der Kegelaxe liegenden Theil;ler Durchdringungskurve
erhält man hier als Schnitt der Vertikalebenen und der Fensterleibung gerade
Linien, welche die Parallelkreise des Kegels tangiren. In der auf der Axe ce
sitzenden Stichkappe sind die einzelnen Schnittfiguren an den sich durch-
dringenden Gewölben verzeichnet, und hierdurch die Durchdringungskurve
1", 2", 3" .... 6" erhalten worden. Der den vertikalen Leibungsfiächeri der
Stichkappen angehörende Theil der Schnittfigur projicirt sich im Grundriss
gerade (Spur der Leibungsebene) und geht tangential in den elliptischen Theil
über. Ist die Kurve für die über c c stehende Stichkappe gefunden, so erhält
man die andern im Schnitt Fia. v
2 am einfachsten dadurch. dass man durch
I
die Punkte 1", 2" .... 6" Parallelkreise legt und auf diese die betreffenden
Kurvenpunkte aus dem Grundriss projicirt,
Die Figg. 3 und 4 Tafel XXII stellen ein Pendentifgewölbe über qua-
dratischem Raum dar, dessen oberes Kuppelgewölbe ebenfalls wieder als Halb-
kugel angenommen ist. Die Beleuchtung soll durch aussen vollkommen kreis-
förmige Fenster erfolgen, die ganz in der oberen Tambourwand liegen. Es
ergeben sich hierdurch Durchdringungen von elliptischen Kegeln mit kreis-
förmigem Vertikalschnitt mit dem Kuppelgewälbe. Die Methode zur Auffindung
der Schnittlinien ist genau dieselbe wie im vorigen Fall. Es sei hier nur
bemerkt, dass die Schnitte der Hülfeebenen mit der Kuppel wieder Parallel-
kreise mit den Mittelpunkten 1, 2 ... 5 und den Radien 1 1', 2 2' ... 5 5',
diejenigen mit dem Kegel ebenfalls Kreise mit den Mittelpunkten x o, Xl • . . x 4
und den Halbmessern x 0 xo, X 1 Xl • • • X 4 x 4 bilden, die in einer zweiten
Projektion in Fig. 4 in ihrer wirklichen Lage dargestellt sind und in ihren
Durchdringungen Anhaltspunkte für die Zeichnung der wirklichen Schnittkurve
ergeben.
Der linksseitige Theil der Fig. 4 giebt einige Anhaltspunkte für die
praktische Konstruktion dieses Gewölbes, elie einer weiteren Erläuterung wohl
nicht bedürfen.
Was nun die Anordnung der Kassetten anbetrifft, so ist diese bei der
Wichtigkeit einer solchen Konstruktion sowohl auf Tafel XXIII, wie auch auf
Tafel XXIV spezieller dargestellt.
Die Figg. 1 und 2 Tafel XXIII stellen ein Stück des Grundrisses und
des Querschnitts eines Kuppelgewälbes dar, dessen innere Gewölbefiäche mit
24 Kassetten in 4 übereinanderliegenden Reihen dekorirt ist; da in der Regel
jedes Kassettenfeld eine kreisförmige Rosette so in sich aufzunehmen hat,
dass sie vollkommen harmonisch das betreffende Feld ausfüllt, die einzelnen
Felder aber gegen den Scheitel des Gewölbes immer kleiner werden, so
haben sämmtliche Kassetten eine annäherungsweise quadratische Form zu erhalten.
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 195
Für die Anordnung der Kassetten wurden von den französischen Archi-
tekten Brunet und Rondelet einige mehr oder weniger komplizirte Verfahren
angegeben, auf die hier verwiesen wird *); einfacher und schneller zum Ziele
führend ist die Methode, die der französische Oberst A. R. Emy zuerst auf-
gestellt hat, und auf die hier näher eingegangen werden soll **).
In Fig. 1 (dem Grundrisse) ist die Linie ab ein Theil des grossen
horizontalen Kreises, welcher die Kämpferlinie des Kuppelgewölbes bildet und
die der Kassettenanzahl entsprechend, unter Berüchsichtignng der Kassetten-
stege , eingetheilt werden muss. Diese Theilung ist im Grundrisse auf einer
angenommenen Htilfslinie e f in der Weise vorgenommen, dass die grässeren
Kreise mit den Mittelpunkten h, die kleineren Kreise mit den Mittelpunkten iden
Kassetten - beziehungsweise den Steggrössen entsprechen. Sämmtliche Breiten
der aufsteigenden Kassettenfelder sind dann durch gleiche Linien, wie g x gl
begrenzt, und gilt dasselbe von den Stegbreiten, die sich durch Linien ergeben,
wie solche die Figur in gl X gil ergiebt.
Sind die Kassetten mit ihren Stegen im Grundrisse festgestellt, so lassen
sich dieselben auch im Durchschnitte auf der Kreislinie al bl unter Zuhülfe-
nahme derselben Kreise ermitteln.
Zu diesem Zweck dienen die Axenlinien ee' (im Grundriss) und deren
Verlängerung e" e'" (im Durchschnitt); auf der Linie e" e'" werden dann die
im Grundrisse angenommenen Kreise aus hund i geschlagen, in der Weise
verzeichnet, dass die Linien y Xl yl, yl Xl y", y" Xl yl" . . . . . zu denselben
Tangenten bilden. Diese Tangenten ergeben dann auf der Linie Cli bl in den
Punkten z e' Z" :/'1 . . . . . die Höhen sämmtlicher Kassetten und Stege, lassen
sich von hier ab in den Grundriss herab projiciren , wo sie ebenfalls mit
z e' e" z'" .... bezeichnet sind, und gestatten es, das gesammte Kassettennetz
ohne weitere Schwierigkeit in dem Grundriss und Durchschnitt zu vollenden.
Um allen Kassetten eine verhältnissmässig übereinstimmende Vertiefung zu
geben, lässt sich mit Vortheil die Pyramidenform benützen, indem man sich über
die annäherungsweise quadratischen Kassettenfelder Pyramiden von gleichen
Höhenverhältnissen verzeichnet denkt. Sämmtliche Spitzen der unter sich
ähnlichen vier übereinander liegenden Kassettenfelder liegen dann auf einer
leicht zu ermittelnden Kreislinie a" b" (im Durchschnitt) und lassen sich von
dort auch in den Grundriss für sämmtliche andere Kassetten übertragen. So
lassen sich alle Kassetten als ein Stück einer abgestumpften Pyramide betrachten,
deren Tiefe' genau nach dem Verhältnisse ihrer Höhe regulirt werden kann;
im vorliegenden Beispiele verhalten sich die Kassettentiefen zur Höhe der be-
treffenden Pyramide wie 1 : 5.
Da die angenommenen Hülfspyramiden sich sowohl in dem Grundriss als
wie auch in dem Durchschnitt verzeichnen lassen, so ergeben sich hieraus fast
von selbst die sonst schwierig zu ermittelnden "G ehr u n gen" für sämmt-
liche Kassettenfelcler.
Wird aber von der strengen antiken Kassettenform abgewichen, so ist es
vorzuziehen, ein zwischen zwei Meridianen der Halbkugel oder des Ellipsoides
liegendes Kassettenfeld in seiner wirklichen Grösse herauszutragen (abzuwickeln),
um dann zur Austheilung der einzelnen Gewölbefelder zu schreiten. U eber
solche Anordnung giebt die Tafel XXIV (Kelheim) nähere Auskunft. Ist ein
ganzes Kassettenfeld , abc des Grundrisses, in Fig. 3 in seiner wirklichen
Grösse al b' Cl dargestellt, so lässt sich für die entwickelte Fläche leicht eine
Dekoration entwerfen, wie dies in der betreffenden Figur geschehen ist; es
bleibt dann nur die freilich ziemlich mühsame Arbeit übrig, diesen geometrisch
dargestellten Entwurf in den Grundriss Fig. 1 und in den Durchschnitt Fig. 2
überzutragen.
Eine musterhafte Anordnung der Kassetten findet sich am Pantheon zu
Rom, und möge diese hier eine nähere Erörterung finden t die Figg. 3 und 4
Tafel XXIII stellen die Hälfte dieses interessanten Gewölbes dar.
Bei den kolossalen Dimensionen dieses gewaltigen Bauwerks können die
das Gewölbe schmückenden Kassetten nur von einem sehr entfernten und tief-
liegenden Standpunkte aus vom Beschauer gesehen werden; hei einer gl e i c h -
m ä s s i gen Umrahmung der sehr vertieften Kassetten würde, besonders bei
den unteren Reihen, die untere Umrahmung dem Auge nicht sichtbar werden
und somit würde die Kassettirung den beabsichtigten Effekt nicht erzielen.
Diesem Umstande entsprechend sind sämmtliche Kassetten so angeordnet,
dass sie von unten gesehen gleichmässig umrahmt erscheinen, und wurde dies
erreicht durch die Anordnung, welche die Fig. 6 im Detail ersichtlich macht;
die durchschnittene Kassette ist in ihrer Umrahmung nach drei Seiten hin
scharf unterschnitten, um schattenreich zu wirken, während die vierte untere
Seite aus überhöhten Abstufungen besteht, um auch diese dem Beschauer
sichtbar zu machen.
In Fig. 5 ist ein ganzes Kassettenfeld abgewickelt dargestellt; in Fig. 4
sind dieselben Kassetten im Durchschnitt ersichtlich, und erkennt man in beiden
Darstellungen das Streben, dem Beschauer den beabsichtigten perspektivischen
Effekt der Kassettirung zu sichern; dies ist auch vollständig gelungen und sind
ähnliche Anordnungen bei den meisten späteren Kuppelgewölben, die kassettirt
wurden, zu konstatiren.
Das auf Tafel XXIII mitgetheilte Gewölbe des Pantheons ist in seiner
ganzen Anordnung, . in seiner Stärke, in seinen Widerlagern etc, nach den
besten Quellen dargestellt und steht in bezug auf seine Gewölbekonstruktion
mit der auf Tafel X gegebenen Darstellung in Uebereinstimmung.
Das Kugelgewölbe
entsteht, wenn man sich über einem quadratischen Raum, wie ein solcher bei-
spielsweise in Fig. 266 (S. 197) zur Hälfte dargestellt ist, eine Halbkugel in der
Art aufgestellt denkt, dass deren grösster Kreis durch die Eckpunkte bund c
hindurchgezogen ist; unter dieser Bedingung liegt der Mittelpunkt der Halb-
kugel in e. Wird nun alles, was ausserhalb des quadratischen Raumes der
Halbkugel liegt, weggeschnitten, so bleibt eine Fläche zurück, die, massiv aus-
geführt, ein Kugelgewölbe ergiebt; ein solches Gewölbe hat vier durchaus
gleiche Wandbögen ; in der beigegebenen Durchschnittsfigur zeigt sich der eine
t
der Wandbögen in der Linie b' Cl und hat dieser die gleiche Scheitelhöhe
wie die durchschnittenen Bögen über ab und d c , nämlich b' a' und Cl d l •
Wird durch die Scheitelpunkte Ctl fl d' ein horizontaler Schnitt gedacht, so er-
giebt dieser die in den Grundriss eingezeichnete Kreislinie a f d, die in den
Bauplänen als punktirre Linie eingezeichnet wird, um anzudeuten, dass diebe,
treffenden Räume mit Kugelgewölben versehen werden sollen. Durch diese
Schnittlinie theilt sich das Gewölbe in die Kalotte und in die vier Lünetten
und wird diese Theilnnzslinie
u wohl durch ein leichtes Gesimseliedehen
. b deut-
Iiche- markirt , besonders dar.n , wenn, wie das häufig der Fan ist, diese
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 197
Gewölbe mit Malereien versehen werden. Das Kugelgewölbe spannt sich entweder
zwischen geschlossene, oder mit Gurtbögen durchbrochene Mauern ein; letzteres
ist in der beigegebenen Figur der Fall. Ohne Zweifel ist das Kugelgewölbe ein
äusserst verwendbares, indem es ähnlich dem Kreuzgewölbe ziemlich freie
Wandflächen darbietet.
Bei der Ausführung erleichtert man den Maurern die Arbeit wohl dadurch,
dass ausser den vier ,Vandbögen noch zwei Diagonalbögen in dem Raum als
Lehrbögen aufgestellt werden 1 um für die Wölbung ganz bestimmte Fixpunkte
zu erhalten j nothwendig sind diese Hülfsmittel aber keinen Falls 1 und dient
sehr häufig für die praktische Ausführung ein in der Mitte des Raumes 11n-
,
/
I
J
J
I
I
I
I
J
I
I
I
I
I
I
I
..-- ... -
,,
(
/ \
I
J
I
I
I '.
,,
I
I
;,
__ L
I
--- ---r----------------- A -- -_. - --- ---- --" -.-. -al--- --T--
I '
Fig, 266.
sonders dann, wenn - wie das mit Vorliebe geschieht - zur Ausführung
der Gewölbe ein ganz leichtes Material gewählt werden kann.
Eine interessante Anwendung von diesen Gewölben hat der Oberbaudirektor
Moller ") bei seinem Theaterbau in Mainz gemacht; Fig. 267 giebt im Grund-
Fig. 267.
*) Beiträge zu der Lehre von den Konstruktionen von Dr. G. Moller, Blatt XVII,
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 199
des Kugelgewölbes jede als feste Masse, so wird der Schwerpunkt der über-
hängenden Lünetten sich mehr nach der innern Seite des Treppenraumes be-
finden und werden dieselben, wenn eine Bewegung stattfinden sollte, eine
Neigung haben, nach innen zu fallen. Diese Neigung der Lünetten nach innen
wird aber durch das Bestreben der mittleren Kugelkalotte , sie nach aussen zu
schieben, kompensirt , und man darf daher annehmen, dass das ganze Kugel-
gewölbe nur senkrecht wirkt; die Kalotte kann nämlich auf die Umfassungs-
mauern keinen Druck ausüben, bevor die sie umgebenden Lünetten nicht zer-
rissen sind. Da nun der 'Widerstand, den diese leisten, weit grösser ist als
der Druck, den die Kalotte ausübt, so bleibt das Gewölbe im Gleichgewicht.
Die Erfahrung hat dies bestätigt, indem diese Widerlager, welche eine Höhe
von 15,50 m über der Oberfläche des Theaterplatzes und oben nur 0,85 m
Stärke haben und durch keine eisernen Anker zusammengehalten werden, seit
der Ausführung im Jahre 1831 durchaus fest und unverändert geblieben sind."
Ein verhältnissmässig noch kühneres Kugelgewölbe führte Moller über
der Haupttreppe des Hauses des Prinzen Üarl v. Hessen in Darmstadt aus,
welches die Fig. 268 im Grundrisse und Durchschnitte mittheilt; es ist
Fig. 268.
gleichfalls nach den eben entwickelten Grundsätzen ausgeführt, die nur 0,25 111
starken Umfassungsmauern aber bestehen hier aus Backsteinen ohne alle
weitere Verankerung. Ein Schnitt Cl b durch das Gewölbe gemacht und in der
Horizontalprojektion dargestellt, giebt die einzelnen Schichten an, mit welchen
die vier Lünetten aus dem ursprünglich quadratischen Raum heraus gehagt
wurden und wie diese Schichten in einen innigen Verband mit den Um-
fassungsmauern treten; auch diese Konstruktion hat sich durchaus bewährt, und
hat niemals zu irgend einem Anstande Veranlassung gegeben.
200 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.
-, "\
-, \
, '\
"
\.
\ \
\
\
\
\
\
\
\,
-------.1
~~-------------~---
/
//
/
I
/
I
I
,,
, I
I
I
,.,.".~ ... -------- ...........
I
, I //",- ''''',
I
, I I
I \
\
I I \
,, I
I
I ,
\
, 1
\
,, I
I
b I
it -ü-----------
I
r;--------4....c.------------
Halbkugel, welche die Ecken des oblongen Raumes durchdringt, im Grundriss und
Querschnitt einpunktirt, wodurch sich sämmtliche Schnitt- und Wandbögen
sofort bestimmen lassen: der kleinere Wandbogen hat Cl b', der grössere b" Cl zum
Halbmesser, während ein Schnitt durch die Mitte des Gewölbes stets dem
grössten Kugeldurchmesser angehört. Ein Horizontalschnitt 'in den höchsten
Punkten der beiden grössern Wandbögen genommen, ergiebt eine Kreislinie, die,
in den Grundriss eingetragen, den Halbmesser b" b besitzt aber k ein es w e'g s
die Eigenschaft hat, das Gewölbe in Kalotte und vier gleiche Lünetten zu
theilen; eine solche Anordnung ergiebt ungleich hohe Wandbögen , die um so
grössere Differenzen in ihren Scheitelhöhen erhalten, je grösser ihre Mass-
verschiedenheit ist.
Die Bedingung aber, auch für oblonge Räume Gewölbe mit s te ti g
sphärischer Gewölbefläche und gleich h o h e n vVandbögen
zu konstruiren, führt uns in das Gebiet der sogenannten
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 201
B ö h ID i s ehe n G e w ö 1b e.
Solche Gewölbe lassen mehrere Lösungen zu,' von welchen die interessan-
testen hier näher erläutert werden sollen:
a) Das e l l i ps 0 i d i s c h e Gewölbe, in der Fig. 271 zur Hälfte dar-
gestellt, entsteht, wenn über dem einzuwölbenden Raum ein Ellipsoid so auf-
gestellt gedacht wird, dass dessen grösste Ellipse die vier Eckpunkte des
Grundrisses enthält.
Fig, 271.
grossen Axe in die gleichen vier Theile zerlegt, wie dies unter Beibehaltung
der Bezeichnungen von 1 2 3 4 Cl geschehen ist, so ergeben diese Schnitte die
den Rundbögen in ihren Höhen entsprechenden Linien, wie solche im Längen.
schnitte der Fig. 271 eingezeichnet sind.
Dementsprechend lässt sich jeder Punkt im Gewölbe sofort in seiner Lage
bestimmen; ein Horizontalschnitt durch die Scheitel der Wandbögen gelegt,
ergiebt die in dem Grundriss einpunktirte, die innern Kanten des Raums tan-
genti-rende kleine Ellipse, und wird hierdurch ähnlich wie beim Kugelgewölbe
das ellipsoidische Gewölbe in Kalotte und vier Lünetten zerlegt; diese
Treimung wird wohl auch durch eine leichte Gliederung deutlich zum Aus-
'druck gebracht. Sollte das Gewölbe nach den Diagonalen geschnitten werden,
so hat dies keine Schwierigkeit, unel sind die betreffenden Diagonallinien im
Grundriss sowohl als wie auch in beiden Schnitten in den Punkten l' 2' 3' 4'
leicht zu ermitteln.
Das ellipsoidischeGewölbe ist noch lange nicht genug gewürdigt worden,
und kann häufig in Wechselfolge .mit dem Kugelgewölbe kaum entbehrt werden,
besonders wenn es sich darum handelt, beide Gewölbe harmonisch mittelst
Malerei oder Skulptur, unter Anordnung von Kalotten und Lünetten, zu deko-
riren ; kein Gewölbe über oblongen Räumen möchte eine so gesetzmässige und
regelmässige Gestalt besitzen, und so vorzügliche Benutzung der Seiten-
wandungen gewähren, wie gerade das ellipsoidische Gewölbe. Deshalb geben
wir auf Tafel XX dies Gewölbe in ausführlicher Darstellung.
Fig. 1 stellt einen Theil eines Vestibüls dar, dessen Langseite 6 m,
dessen Breitseite 4 m misst; nach den Langseiten hin ist der Raum durch
Blendbögen erweitert, an den Breitseiten sind die Wände durch offene Mauer-
bögen durchbrechen. Diese offenen Mauerbögen haben gleich den sich hier
befindenden Wandbögen die, Halbkreisform ) woraus für die Blendbögen der
Langseiten und der sich daselbst befindenden Wandbögen des Gewölbes
elliptisch gestaltete Bögen sich ergeben.
In Fig. 4 ist der im Grundriss mit 6 6 bezeichnete Wandbogen umgelegt,
und ergiebt hier einen Halbkreisbogen , dessen Scheitel dieselbe Höhe besitzt,
als wie der Scheitel des Wandbogens, der gerade im Durchschnitte der Lang-
seite liegt; aus dieser Bedingung ergiebt sich für den Schnitt 1 l' 1 (im Grund-
riss) ein Halbkreisbogen , welcher den Scheitelpunkt des Wandbogens in seine
Peripherie aufnimmt, und in Fig. 4 mit 1 l' bezeichnet ist; zugleich giebt dieser
Bogen den grössten der das Ellipsoid nach dieser Richtung hin mit bildenden
Kreise, dessen Durchmesser zu gleicher Zeit. elas Mass für die kleine .Axe re-
präsentirt. Mit Hülfe der Diagonallinie l' 6 und der aus 1 1 parallel dem
Schnitte A B (im Grundrisse) gezogenen Linien ergiebt sich dann das Recht-
eck, in welches mitteist der grossen Axe AB und der kleinen Axe 0 D
die grösste aller dem Ellipsoid angehörenden elliptischen Linien so eingetragen
werden kann, dass die Eckpunkte des zu überwölbenden Raumes in ihrer
Peripherie Platz finden. 'Wird dann das ermittelte Ellipsoid parallel OD von
1 nach 6 in beziehungsweise gleiche Theile getheilt , die mit 2 3 4 5 6 be-
zeichnet sind, so ergeben diese Schnitte Halbkreisbögen , wie sie mit g'leicher
Bezeichnung in die Umklappung Fig. 4 eingetragen sind.
Sämmtliche Schnitte parallel der grossen Axe ergeben dann Ellipsen, die
den Schnitten parallel der kleinen Axe, den bereits in Fig. 4 dargestellten
Halbkreisbögen , in allen ihren Höhen vollständig entsprechen und daher ohne
Schwierigkeit in Fig. 2 übergetragen werden können..
Ebenso leicht wird es sein, nach dem bish er übel' dies Ci ewölhe Gesagten
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 203
eines geringen Busens aus' freier Hand hergestellt werden. Da nun die einzelnen
Punkte 1 und 1, 2 und 2, 3 und 3, 4 und 4, C6 und c, 5 und 5, 6 und 6,
7 und 7 je auf gleicher Höhe liegen, und ihre Stützpunkte auf dem Lehr-
g er üste haben so handelt es sich nur mehr darum',, welche Stichhöhen diesen
"
dingung, gleich hohe Wandbögen zu erhalten, gegeben ist; diese beiden Wand-
bögen sind in der Fig. 1 (dem Grundrisse) in der Umklappung dargestellt,
und in die betreffenden Durchschnitte übergetragen.
Der im Grundrisse umgeklappte Segmentbogen ab, dessen Stichhöhe X
beliebig gewählt werden kann, ergiebt im Schnitt AB der Fig. 3 die gleiche
Segmentbogenform, und zwar so, dass die Punkte a' c b' mit den Scheitelpunkten
der Wandbögen zusammenfallen J und die drei Punkte a' c' b' mussgebend für
die Konstruktion der Bogenlinie sind.
Ganz konform mit dem Bogen ab ist durch Vergatterung der im Grund-
riss umgeklappte Bogen d e zu konstruiren, und erhält er dementsprechend auch
die gleiche Stichhöhe von x; auch dieser Bogen ist im Schnitte CD der Fig. 2
so darzustellen, dass die Punkte cl l f e' konform den Punkten a' c b' beziehungs-
weise al c' b' zu liegen kommen.
Bei der Ausführung werden nun sowohl die Wandbögen als auch die
Bögen ab und c cl als Lehrbögen in dem einzuwölbenden Raum aufgestellt,
und die dazwischenliegenden vier Gewölbefelder aus freier Hand eingewölbt.
Soll diese Wölbung aber die bestmöglichste Form erhalten, so hat man sich
einen Diagonalschnitt E F Fig. 4 aufzutragen. Denken wir uns aber zu-
vörderst die Punkte der umgeklappt gedachten Wandbögen 1 2 3 4 5 (Fig. 1)
in die entsprechenden Punkte des Grundrisses 1/ 2' 3' 4/ 5' zurückgetragen,
so werden alle diese Punkte, wenn je zwei mit einer geraden Linie ver-
bunden werden, auf der Diagonale oder im Schnitte E F Punkte ergeben
mit den gleichen Höhen; dem entsprechend liegen die Punkte l' 1 0 l' in der
Höhe von l' 1; 2 12° 2' in der Höhe von 2' 2; 3' 3 ° 3' in der Höhe von
3' 3 etc.; trägt man nun die Punkte 1 ° 20 30 40 50 in den betreffenden Höhen
in den Diagonalschnitt ein, so ergeben sich dortselbst die gleich bezeichneten
Punkte mit 1 ° 20 30 40 50.
Werden dann auch die entsprechenden Punkte 6 7 8 9 der umgeklappt
gedachten Scheitelbögen in die entsprechenden Punkte des Grundrisses 6 1 7' 8 1 9'
zurückgetragen, so ergeben die geraden Verbindungslinien von 6' 6', 7' 7' . . . .
auf der Diagonale beziehungsweise die gleichen Höhenpunkte 60, 7 0, 8 ° und 9°,
die sich ohne alle SChwierigkeit gleichfalls in den Diagonalschnitt Fig. 4 über-
tragen lassen. Ist dies geschehen und hat sich durch diese Manipulation die
gebrochene Diagonalbogenlinie (Fig. 4) 0 1 0 2 0 3 0 4 ° 5 ° 6 ° 7 0 8 ° 9 ° ergeben,
so handelt es sich darum, diese gebrochene Linie in eine stetige umzuwandeln,
und dies lässt die verschiedensten Varianten zu; von der richtigen Wahl
dieser Ausgleichskurven aber hängt wesentlich das Gelingen in bezug auf tadel-
losen Gewölbeschwung ab, wie dies durch die Textfigur 272 und die an
diese geknüpften Erörterungen bereits erläutert wurde.
In Fig. 4, dem Diagonalschnitte , ist. die Ausgleichskurve mit
0+ 1 + 2+ 3+ 4+ 5+ 6+ 7+ 8+ 9+ bezeichnet, und geben die Höhendifferenzen
zwischen 1 ° und 1 +, 2° und 2+, 30 und 3+, 40 und 4+ 7° und
°
7 +, 8 und 8 + die Stichhöhen an, welche den einzelnen Gewölbeschichten
gegeben werden müssen ,um die sonst .entstehenden unschönen Bruchflächen
zu vermeiden.
Von der richtigen Wahl der Ansgleichskurve ist auch die horizontal ge-
dachte Schnittlinie abhängig, die durch eine Schnittebene durch die höchsten
Punkte sämmtlicher Wandbögen sich ergiebt; hierdurch entsteht in· Fig. 2 die
punktirte Linie cl' f e' , in Fig. 3 die punktirte Linie a' c b' als Kalottenlinie,
die in den Grundriss übergetragen annäherungsweise sich als ziemlich regel-
mässige Kurve ergeben wird, die keineswegs eine streng elliptische Form ergiebtJ
206 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.
immerhin aber, wie dies die ~rundrissfigur nachweist, einen ziemlich regelmässigen
Verlauf besitzt, sodass bei beabsichtigter Dekoration der Gewölbefläche durch
eine Kalotten- und Lünettentheilung, ähnlich wie dies bei Kugelgewölben sehr
beliebt ist, sich kein weiterer Anstand ergeben möchte, was freilich stets der
:Fall sein würde, wollte man bei der : Herstellung der böhmischen Gewölbe
stets die bisher übliche ganz empirische Methode der Ausführung beibehalten.
Schliesslich sei hier noch darauf aufmerksam gemacht) dass, um die
Kalottenlinie richtig in den Grundriss einzutragen, es nothwendig erscheint,
einige Punkte zwischen den bekannten Punkten a e b d (Fig. 1), z. B. die
Punkte 9 und g' näher in ihrer Lage zu fixiren ; diese beiden Punkte gehören
einer Bogenlinie an, die durch die Punkte 4' 9 4 0 g' 4' (Fig. 1) näher bezeichnet
und deren Stichhöhe gleich 4 04+ (Fig. 4) ist. Diese Bogenlinie nach Fig. 2
übertragen, hat den Punkten des Grundrisses entsprechend die gleiche Bezeich-
nung mit 4' 9 g"4' erhalten, wobei g, g' zugleich die betreffenden Zwischenpunkte
sind. In gleicher Weise lassen sich sämmtliche Gewölbelinien des Grundrisses
(1'1 ° 1', 2' 2° 2', 3' 3° 3' ....) in den Schnitt OD (Fig. 2) übertragen.
Bei der vorgeführten Gewälbekonstruktion auf Tafel XXI ist dies mit den
°
Bögen 5' 5 05', 4' 4 4', 3' 3 03' geschehen.
Eine dritte Methode, böh-
mische Gewölbe zu konstruiren,
giebt die Fig. 273, auch hier
sind gleich 'hohe Wandbögen,
.:, 1,'
I
I
I für die kleinere Seite ein Halb-
I
,,I kreisbogen , für die grössere
1
, ein gedrUckt elliptischer Bogen
!(J
- - -- - - --------.J- -- -- - - --
I
, ~ ~ ~--
gewählt'. Wird nun für den
-,:5 Schnitt in ab ein flacher Bogen
: mit dem Mittelpunkte 1 ge-
~,0!~Jif8
.-cl
I.:?
wählt, so lässt sich das Ge-
-----,----:----~-T~~~---.\-------- wölbe als eine Fläche denken,
: '2
I
:
_~.~ - --
! . die aus unendlich vielen Bägen
gewölbt werden soll, so bestimme man, wie dies in Fig. 274 geschehen ist,
die dem Gewölbe im Schnitte a cl zu gebende Stichhöhe , hier zu 1/8 der
Spannweite angenommen;
für diesen Bogen ergiebt
'sich der Centralpunkt x
mit dem Radius x d, wel-
cher auch als Halbkugel-
durchmesser gedacht wer-
den kann, sodass der Bogen
a d dem grössten Kreise
der Halbku bzel angehört
b
;
wird dieselbe Halbkugel
in den Grundriss vom
Punkte x aus eingetragen,
so erhält man die Dar-
stellung der ganzen Halb-
kugel in zwei Projektionen.
vVird nun Alles, was
von der Halbkugel ausser-
halb des einzuwölbenden
Raumes liegt, fortgeschnit-
ten gedacht, so erglebt
das U ebrigbleibende die Fig. 274.
gewünschte Form der
Kugelkappe, die im Durch-
____ 2I
schnitt nur noch durch
Eintragung des Wand-
bogens von b c ergänzt zu
werden. braucht. Dieser
Wandbogen gehärt dem
Kugelschnitte an, dessen
Halbmesser = Xl C ist und
sich sofort aus dem Grund-
riss entnehmen lässt, um
in den Durchschnitt als
Linie b c übertragen zu
werden. . Nehmen wir
auch hier einen Horizontal-
schnitt in den höchsten
Punkten der Wandbögen
an, so ergiebt ein solcher
eine Kreislinie, welche die
inneren Seiten des qua-
dratischen Raumes tangirt
und welche die Kugelkappe
in die bereits bekannten
Lünetten und Kalotte zer- Fig. 275.
theilt.
Ist statt eines quadratischen Raumes ein oblonger gegeben, wie dies in
der Fig. 275 angenommen wurde, so kann die über demselben zu konstruirende
Kugelkappe gleichfalls als eine Fläche betrachtet werden , welche einer Halb-
208 1. Maurer- und Steinmetz arbeiten.
kugel angehört; ist für die weiteste Diagonalspannweite eine mehr oder weniger
grosse Stichhöhe angenonmien, so erglebt sich durch diese die Grösse der
Halbkugel, die im Grundrisse und im Querschnitt aufgetragen, leicht sämmtliche
Schnitt- und Wandbögen vermitteln lässt. So erhält man für den Schnitt durch
C cl (im Grundriss) einen Bogen, dessen Halbmesser 1 1 J ist, und dessen Wand-
ß-Oge~ ab, 1 3' zum Halbmesser hat; die Form des Wandbogens über der
länge:ren Seite des oblongen Raumes ist in a' b' punktirt dargestellt, und ergiebt,
sich als Kreisbogen mit dem Radius 1 2', während ein Schnitt durch desr
Mittelpunkt der gedachten Kugel stets einen Bogen giebt, der dem grössten
Durchmesser der Halbkugel entspricht, ganz gleich, ob dies ein Diagonalschnitt
ist oder ein Schnitt durch C cl oder Cl cl'.
Denkt man sich in einer solchen
Kugelkappe einen Horizontaldurchschnitt
durch die Punkte c, cl (im Durchschnitt)
gelegt, so ergiebt dies eine Kreislinie, die,
in den Grundriss einpunktirt, die Linien
a c und cl b in den Punkten c und cl tangirt.
Eine eigenthümliche aber äusserst
;;- -oID
ver wen d bar e G e w I b e f 0 r m möge
ö
verbleibende Raum dann in der "V eise überwölbt, dass eine wenig sich aus-
sprech~nde Mulde entsteht, die nachträglich durch Mörtelverputz vollständig
eben ausgeglichen wird. Da diese ebene Fläche oft von einem reichen Rahmen,
ähnlich einem Spiegel, eingefasst wird, so ist der Name S pie gel g e w öl be
entstanden; bleibt der mittlere Theil in seiner ursprünglich muldenförmigen
Gestalt, so nennt man das Gewölbe M u 1 den ge w ö I b e.
Bei der praktischen Ausführung erhält das gam;;e Gewölbe eine voll-
ständige Einschulung, und ist es am zweckmässigsten, die Gewölbefüsse durch
U eberkragung herzustellen, andernfalls muss ein rings um die Mauer aus-
gesparter Raum zur Aufnahme des Gewölbeanfängers vorhanden sein. In der
Regel ,!ird der vollständig hintermauerten Gewölbeeinfassung eine Stärke von
einem halben Stein gegeben, während der Spiegel durch übereinander gelegte
verdoppelte F'liesen und zwar in gut
bindendem GYPslnc'irtel mit geringem
Stich ausgeführt wird. Von Belastungen
durch Gebälk suclrt. man diese Gewölbe
frei zu halten, denn ihre Tragfähigkeit be-
ruht hauptsächlich in dem Vorhandensein
eines vorzüglichen Bindemittels *).
Für die Decken grosseI' und hoher
Räume, wie bei Sälen, Treppenhäusern,
Vestibülen, wählt man häufig nur die
Form der Spiegel- und Muldengewölbe mit 1.!!!!!!!!!II
b1
sich wiederholenden Stichkappen
Schildern, und führt sie in Holz und
oder
IIII~~~
dekorativen Verkleidungen aus. Solche 1
1
konstruktionen sei noch erwähnt. dass auf Tafel XIX Fig. 4 und 5 ein
h ä n gen des Ge w öl b e dargestellt wurde; in anderer ",Yeise hat man wohl
das Eisen dazu verwenrlet , um flache Gewölbe mittelst förmlicher Armaturen
in Schwebe zu halten. u~d können auch diese ziemlich ausser Gebrauch ge-
kommenen Konstrnktio;10n als hängende Ge,v(ilbe beze'icImet werden *).
Das Bestreben, Gewölbe mit leichtem Material zu konstruiren , hat wohl
dazu geführt, einzelne Steine zu einer Art hohlem Kasten zusammenzustellen,
so dass das Gewölbe aus lauter Zellen besteht; so wurden in der neuen
Pinakothek in München aus gut gebrannten Ziegelplatten in einer Art von
Schornsteinverband mit eingelegtem quadratischen Plättchen, wie dies die
Fig. 280 andeutet, die leichten Gewölbe ausgeführt, welche das Oberlicht in
Fi;;-. 279.
,
r
[--1---1-71"--
1
I
_I _-,---,,,-----,-_
\-
Fig. 278. Fig. 280.
die Bildersäle einlassen. Hierbei verhindern die vier Nasen der Dacbplattedas
Durchfallen der eingelegten Plättchen; immerhin ist das eine mühsame Arbeit,
und deshalb war man schon sehr frühzeitig darauf bedacht, hohle gebrannte
Steine zum Wölben zu wählen, denen dann sehr verschiedene Formen und
Dimensionen gegeben wurden. Quadratische, runde, sechseckige hohle Prismen
mit Furchen, Vertiefungen und Löchern an den Seiten, damit der Mörtel
besser daran hafte, mit 0,09 bis 0,20 m Durchmesser und 0,11 bis 0,25 m
Höhe fanden bei verschiedenen Bauten Anwendung, hatten aber den Nach-
theil, dass sie gewöhnlichen Steinen gegenüber, da sie besonders angefertigt
werden mussten, sehr theuer im Preise zu stehen kamen, und überdem sich
nicht bebauen liessen, was bei Wölbungen, wo Gräte vorkommen, absolut noth-
wendig ist.
decken Anwendung, wie man denn ja auch vielfach das ganze Mauerwerk
unter Verwendunzo b
von vorzüalichen Portlandcementen .aus Beton herstellt, und
hierdurch, wie das bereits auf S. 69 des Näheren ausgeführt wurde, staunens-
werthe Resultate erzielt hat.
a) Das Tonnengewölbe.
Allgemeine Bedingungen des Gleichgewichts für sym-
met r i s ehe und s y m met I' i s c h bel a s t e t e G e w Ö 1 beb ö gen.
Der einfachste Fall einer Gewölbekonstruktion liegt vor , wenn ein Ge-
wölbe gegeben ist, dessen Mantel aus einem senkrechten Kreiscylinder mit
horizontaler Axe und gleich hohen Kämpferlinien besteht. Die Gesammt-
belastung des Gewölhe-s,' welche sich aus dem Eigengewicht der Konstruktion,
dem Gewichte der Hinterfüllung und den zufälligen Belastungen summirt , sei
symmetrisch zum Gewölbescheitel vertheilt. Bei der Untersuchung wird der
Einfluss des Bindemittels der Einfachheit wegen vernachlässigt und eine gegen-
seitige Einwirkung der Steine nur durch Reibung angenommen; ferner wird
das Gewölbematerial als absolut fest und unpressbar vorausgesetzt. Wegen der
Kongruenz der beiden Gewölbeschenkel kann sich dann die Betrachtung auf
die eine Hälfte beschränken und zwar auf einen Querschnitt senkrecht zur Axe
des Gewölbes.
Es sei (in Fig. 285) ABCD die zu untersuchende Bogenhälfte , die
durch Ebenen senkrecht zur Wölblinie in eine Anzahl Steine getheilt ist. Die
n H-----"--;~~.
Fig. 285a.
Fig. 285.
gesammte Belastung denke man sich durch eine auf den Gewölberücken auf-
gelagerte Masse ersetzt, welche gleiches spezifisches Gewicht mit dem Bogen-
material hat. Die Tiefe des Gewölbes, d, h. die Dimension desselben in der
Richtung der Gewölbeaxe, werde gleich der Einheit gesetzt. Es entspricht
dann der Belastung des Gewölbeschenkels ein Steinprisma, 'dessen Länge = 1
und dessen Profil so zu bestimmen ist, dass das Gewicht des Prismas gleich
der auf den Bogen wirkenden Belastung ist. Die obere Begrenzung E}i' des-
selben heisst dann die auf das Gewölbematerial reduzirte Bel ast u n g s l in i e.
Um für den. Gewölbeschenkel ABC D die Bedingungen des Gleich-
gewichts zu erhalten , setzt man denselben ins freie Gleichgewicht , d. h, man
214 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.
bringt die Einwirkungen der abgetrennten Theile (des Widerlagers und des
symmetrischen Schenkels A B CI DI) als äussere Kräfte Rn und H an und
bringt diese mit den vorhandenen äusseren Belastnngskräften ins Gleichgewicht.
Die Einwirkung der durch den Vertikalschnitt F FI abgetrennten rechten Ge-
wölbehälfte auf die zu betrachtende ist eine horizontale Kraft H im Scheitel,
deren Angriffspunkt ao vorläufig noch beliebig ist. Die Reaktion Rn des
vV-iderlagers greife im Punkte an an und sei nach der horizontalen und verti-
kalen Richtung in die Komponenten HI und pi zerlegt. Dieäusseren Kräfte
repräsentirt die Kraft P, welche durch den Schwerpunkt der ganzen Gewölbe-
hälfte geht und das Gewicht derselbenincl. Belastung bedeutet. Sollen nun
die drei Kräfte: P, H und Rn im Gleichgewicht sein, so müssen sich ihre
Richtungen in einem und demselben Punkte (nt) schneiden. Die Gleich-
gewichtsgleichungen beschränken sich in diesem Falle, da alle Kräfte in einer
Ebene liegen, bekanntlich auf zwei Projektionsgleichungen :
P - PI=Ü,
H-HI=O
und auf die Momentengleichung (für elen Punkt an der Kämpferfuge)
P.p-H.h=O
und ergeben, dass zur Erhaltung des Gleichgewichts die vertikale Auflager-
reaktion des Widerlagers gleich dem Gewichte der Bogenhälfte zu sein hat,
sowie dass die horizontale Kraft im Scheitel gleich sein muss der horizontalen
Komponente der Kraft RIl' Diese Kraft H heisst der H 0 I' i z 0 n tal s c hub
des Gewölbes und ist, wie man sich durch wiederholtes Abtrennen von Bogen-
theilen überzeugen kann, fü I' den ga n zen Bog e n k 0 n s ta n t, Die
Grösse derselben ergiebt sich aus der Momentengleichung zu
p
1-1 = P. -y;;'
In dieser Gleichung ist nur die Grösse P (das Gewicht· des halben Bogens)
in einem bestimmten Falle gegeben; d e I' Ho I' i z 0 TI tal s c h ub des G e -
w 1 b e s 1 ä s s t s i eh s 0 mit a u s den G 1 ei c h g e wie h t s g lei e h u n gen
ö
aus nach Grösse und Richtung aufträgt und an den Endpunkt 0 desselben die
Gewichte Pi bis ~1 anfügt, so dass also 0 1 dem Gewichte der ersten La-
melle, 1 2 dem der zweiten etc. entspricht. Das auf diese vVeise erhaltene
Kräftepolygon ~t 0 1 2 ... n giebt in der Verbindungslinie tb n die Richtung
und Grösse der Resultirenclen aus allen Kräften.
Für die Zeichnung des Seilpolygons legt man den Pol desselben am VOl'-
theilhaftesten in den Anfangspunkt tu der Horizontalkraft , weil dann die von
diesem Pol aus gezogenen Strahlen u 1, UJ 2 ... u n , zu welchen die Seiten
des Polygons parallel sind, mit den Mittelkräften der jeweiligen durch den
Strahl unterspannten Einzelkräfte zusammenfallen. Um das Seilpolygon selbst
zu erhalten, zieht man durch den angenommenen Angriffspunkt Clo des Hori-
zontalschubs die Horizontale ao bi parallel mit 'u 0, die Seite bi b2 parallel zum
Strahl ~(1, b2 b3 1\ tb 2 ete. und die letzte durch (tn gehende Seite parallel zur
Schlussseite ttn des Kräftepolygons. Die Angriffspunkte der Mittelkräfte
Ru R 2 • • • • Rn auf den Gewölbefugen : a l l a2 • • • an geben dann verbunden
im allgemeinen ein Polygon, für unendlich dünne Wölbschichten aber eine
stetige Kurve, welche man die S t ü t z 1 i nie des G e w öl b es nennt.
Aus vorstehender Konstruktion ist ersichtlich, dass die Stützlinie für
einen gegebenen Bogen gezeichnet werden kann, sobald von ihr drei Punkte
a m ao, an' gegeben sind. .
Der Werth der Stützlinie für die statische Untersuchung der Bögen und
Gewölbe ergiebt sich nun aus der Erwägung, dass ein Körper, der mit seiner
Unterlage nur durch Reibung verbunden. ist und
von einer Kraft R (Fig. 286) in schräger Richtung
angegriffen wird, nur so lange gegen U mkanten
um eine Kante a gesichert ist, als die Richtung
der Kraft R seine Unterlagsfläche noch durch-
schneidet, und ein Verschieben auf der Unterlage
nur' dann eintreten kann, wenn der Winkel («)
der Kraft R mit der Normalen zur Stützfläche
grässer als der Reibungswinkel ist.
Wendet man dies auf die Aufeinanderfolge
der Kräfte R im Bogen an, so ist klar, dass das Fig. 286.
Gewölbe gegen Umkanten und Gleiten seiner ein-
zelnen Steine gesichert ist, wenn die Angriffspunkte ao, al' a~ .. an der Mittel-
kräfte R i , R 2 • • • • Rn auf den jeweiligen Lagerfugen des Gewölbes innerhalb der
Gewölbedicke liegen und die Richtungen b, b2 , b2 bg • • • bn - 1 b« dieser Angriffe
mit den Normalen zu den Fugen keine grösseren Winkel als den zulässigen
Reibungswinkel einschliessen. Da die Stützlinie der geometrische Ort für die
Angriffspunkte auf den Gewölbefugen ist, so lässt sich die erste Bedingung
auch so aussprechen, das s die S t ü tz 1 i nie in n e r h a l b der G e w Ö 1 b e -
r ä n der ZU ver 1 a uf e n hab e.
Wie. man aus Fig. 285 ersehen kann, wird in den meisten Fällen die
durch obige Definition erhaltene Stützlinie ao ' ai • • • an mit dem Seilpolygon
ao bi b2 • • • bn sehr nahe zusammenfallen, namentlich bei flachen Gewölben und
in jenen Fällen , wo die beiden Polygone der Bogenmittellinie ziemlich nahe
kominen. Man beschränkt sich deshalb häufig darauf, nur das Seilpolygon zu
zeichnen und der statischen Untersuchung zu Grunde zu legen (Fig. 287 S. -216).
Diese an Stelle der Stützlinie eingeführte Gleichgewichtskurve heisst die
Mit tel d r uc k s 1i TI i e des G e w Ö 1b es, weil die Mittelkräfte BI' B2 • • Rn
des Kräfteplans in den zu diesen Strahlen parallelen Polygonsseiten liegen.
216 L Maurer- und Steinl1letzaY~Jeiten.
Da aber der Verlauf dieser Kurve lediglich durch die Aufeinanderfolge der
Gewichte P, wellIger durch die Richtung der Gewölbefugen bedingt ist und
Fig. 287.
für die Gewinnung der letzten Mittelkraft Rn (Einwirkung auf das Wider-
lager) die Art der Zertheilung des Gesal1lmtgewichts P in die einzelnen La-
mellengewichte gleichgiltig ist, so kann man der Einfachheit halber statt der
radialen Lamellen (Gewölbesteine) ver t i k a l e S t r e i fe n annehmen und aus
den Gewichten derselben und einem angenommenen Horizontalschub die
Mit tel d r u c k sI i nie konstruiren.
Diese Konstruktion ist in Fig. 288 dargestellt. ABCD ist die Hälfte
eines gegebenen Bogens oder 'Tonnengewölbes, für welche eine durch die
Fig', 288a.
1[,
und untere Begrenzung der Vertikalkstreifen als gerade Linien, die Lamellen
mithin als Trapeze ansehen kann, olme einen grossen Fehler zu begehen. Die
Gewichte Pl bis Po dieser Lamellen sind dann den Mittellinien dieser Trapeze
proportional. Man darf also nur diese Stücke oder aliquote Theile derselben (wozu
man sich geeignet eines Reduktionsdreieckes nach Fig. 288b (S. 216) bedienen
kann) in den Kräfteplan eintragen, um in diesen Stücken 0 1, 1 2 ... 5 6 die
graphische Darstellung der einzelnen Lamellengewichte zu erhalten. Durch
eine einfache Rechnung lässt sich dann, wenn nöthig, der dem Kräfteplan zu
Grunde liegende Mass stab leicht finden. Um ferner die Grösse des Horizontal-
schubs , welcher in a die Scheitelfuge angreift, auf graphischem vVege zu er-
halten, ist es nöthig, vorerst das in der Schwerlinie der ganzen Gewälbehälfte
liegende Gesammtgewicht P, also die Mittelkraft aus den Gewichten .P1 bis
P6 der Lage nach zu bestimmen. Dies geschieht durch Zeichnung eines Seil-
polygons aus dem beliebigen Pol u' über den Kräften P 1 • • • • • • Po' Verlängert
man dann die erste und letzte Seite dieses Polygons bis zum Schnittpunkt n, so
ist damit ein Punkt der Schwerlinie der ganzen Bogenhälfte einschliesslich deren
Belastung und damit die Lage der Kraft P gefunden. Da nun von dem gesuchten
Seilpolygone (Mitteldruckslinie) die Lage der ersten Seite '(durch den Angriffs-
punkt Cl des Horizontalschubs) und damit der Schnittpunkt m gegeben ist, .so darf
man nur m mit b verbinden, um auch die Richtung und Lage der letzten Polygons-
seite der gesuchten Mitteldruckslinie zu erhalten. Zieht man nun durch den
Endpunkt 6 des Kräfteplans zu bm die Parallele 6 1;l , so schneidet diese auf
der Horizontalen 01;l die Grösse der Horizontalkraft H ab. Die aus dem
Pol u mit u 0 als Horizontalschub konstruirte Mitteldruckslinie geht durch die
Punkte Cl und b und ist somit die gesuchte Gleichgewichtskurve.
Mit Rücksicht auf das Gleichgewicht des Bogens hat nun die Mitteldrucks-
linie dieselben Bedingungen zu erfüllen, welche oben für die Stützlinie auf-
gestellt worden sind i es m)lss nämlich:
1. Die Mitteldruqkslinie ganz innerhalb der Gewölbe-
I' ä n der I i e g e ri c i " .
2. darf an keiner Stelle des Bogens die Ab w ei c h u n g der I' e s u 1-
t i r e n d e n Einwirkung von der Normalen zur Fugenfläche
gr ö s s e r als der R ei b u n g s w i n k e 1 sei n.
Ist es für ein Gewölbe nicht möglich, die letzte Bedingung zu erfüllen,
so ist dessen Stabilität anzuzweifeln, weil bei dem möglichen Abgleiten und
Herausfallen einzelner Steine ein Zusammenbruch der ganzen Konstruktion zu
befürchten wäre. Da aber die Reibung zwischen den einzelnen Steinschichten
in allen Fällen eine sehr beträchtliche ist
und die zulässige Grösse des Abweichungs-
oder Reibungswinkels bei doppelter Sicher-
heit noch zu 17 0 angenommen werden
kann, so ist ersichtlich, dass in den
meisten Fällen das G 1 e ich g e w ich t
ge gen G 1e i t e n der Steine vorhanden
sein wird; weshalb in der Regel nur die
Untersuchung des Gewölbes
ge g e n K an te n der Steine übrig bleiben Fig. 289.
wird.
Das Gleichgewicht gegen Drehen der Gewölbestücke ist aber nach Obigem
erhalten, wenn die Linie des Druckes an keiner Stelle die Gewölberänder ver-
lässt. An den Stellen , wo die Mitteldruckslinie die Gewölbe-Mantelfläeh« be-
218 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.
rührt oder durchschneidet, liegen die BI' e c h u n g s fu gen des Gewölbes, und
tritt das Oeffnen der Fugen natürlich immer an der dem Berührungspunkte
entgegengesetzten Seite ein (Fig. 289 S. 217).
Tritt die Mitteldruckslinie an irgend einer Stelle aus dem Gewölbemantel
heraus, so sucht man durch Aenderung des Angriffs der Horizontalkraft oder
des Drehpunktes an der Kämpferfuge, oder beider Punkte zugleich eine andere
Kurve zu erhalten, welche den gestellten Anforderungen genügt. Je nach der
Lage der beiden Punkte ergeben sich verschiedene mögliche Werthe des Hori-
zcntalschubs, deren Grenzwerthe sich leicht bestimmen lassen. Nach der früher
erhaltenen Gleichung für den Horizontalscliub:
H=p.L
h
erhält man, nämlich ein M a x i !TI U m des S c hub es, wenn bei gegebener
Anordnung des Gewölbes p seinen grössten und h seinen kleinsten Werth t
hat (siehe Fig. 290); also wenn H im Scheitel (B) der inneren Gewölbe-
fläche angreift und der Drehpunkt C an dem äussern Punkt C der Wider-
lagerfnge liegt. Der hierbei erhaltene Horizontalschub ist durch tlO im Kräfte-
plan, Fig. 290a, bestimmt; die zugehörige Drucklinie ist das Polygon B C.
Fig. 290a.
Fig. 290.
Sind für einen Bogen mehrere Stützlinien möglich, die alle ganz im Ge-
wölbe-Irmern verlaufen, so entsteht die für die statische Beurtheilung der Kon-
struktion höchst wichtige Frage, welche von allen möglichen Drucklinien
die wirklich thätige sei. Diese Frage lässt sich aber, da die Lage des
Horizontalschubs aus den Gleiche:ewichtsbedinO'uno'en
U Cl b
nicht bestimmt werden
kann, auf bloss theoretischem vVege nicht beantworten. Der jeweilige Verlauf
der wirklich stattfindenden Gleichgewichtslinie ist vielmehr von einer Menge
rein "praktischer und zufälliger Umstände (Bearbeitung der Wölbsteine, Qualität
des Mörtels, Ausrüsten etc.] bedingt, also in jedem speziellen Fall verschieden.
Direkte Beobachtungen an ausgeführten (Brücken-)Gewölben, wie sie neuer-
dings von französischen Ingenieuren angestellt wurden *) , leiten zu einer
D ru c k 1i nie hin, w e l o h e i m S c h e i tel s 0 W 0 h 1 als 1 n den
ist. Vergleicht man mit dem soeben gefundenen Resultat eine andere Be-
merkung Rondelet's: 9. Buch, S. 255, NI'. 14: "Sind die Widerlager zu
schwach, als dass sie den Wirkungen der Gewölbesteine widerstehen könnten,
so vereinigen sich .gleiohsam mehrere Steine und bilden nur eine Masse, welche
sich um ßen Punkt zu drehen strebt, der demjenigen entgegengesetzt ist, wo
sich die Fuge öffnet" " so ist . leicht einzusehen./ dass der hieraenannte ' 0
Drehungspunkt kein anderer als der Punkt aij der inn '.'n Wölblinie )ist. Eine
ähnliche Bewegung, wie bei einem Zurückweichen der vVic1erlager, tritt im
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 221
Gewölbe aber immer auch nach dem Losschlagen des Lehrgerüstes, bei dem
Sichsetzen des Gewölbes ein. Die S t ü tz I in i e des G e w ö 1b e s wir d
als 0 in al l e n Fäll e n ei ne n Pu n k t mi t der in n er n Ge w öl be-
fl ä eh e ge m ein hab e n. Erstreckt sich der Bogen nur auf den oberhalb
dieses Brechungspunktes .liegenden Theil (B (tB Fig. 1 Tafel XXVII), so geht
die Stützlinie offenbar immer durch ßen innern Punkt der Kämpferfuge. Diese
Gesichtspunkte sind auch im Folgenden den Konstruktionen der Stützlinie zu
Grunde gelegt.
Die Lag e der BI' u c h fu ge (aB Fig. 1 Tafel XXVII) kann Inan ausser
in der vorhin angegebenen vVeise mit Hülfe eines provisorischen Seilpolygons
auch direkt bestimmen, sobald man über die Lage der Horizontalkraft eine
Annahme gemacht hat. Es muss offenbar im Brechungspunkte die Resultante
aus dieser Kraft und dem Gewichte des oberhalb der Brechungsfuge liegenden
Gewölbestückes die innere Gewölbelinie tangiren. Man erhält also die Lage
des Brechungspunktes, wenn man sich aus dem Seilpolygon (0, 1, 11. . . VIII,
Fig. 292), das über den Einzelkräften konstruirt ist, die Lage der Gewichte
m
I
Fig. 292.
PI-2, PI-3 ••• PI-7 auf die bekannte vVeise verschafft und dann nachsieht,
bei welcher Fuge die Tangente zur innern Gewölbelinie durch den Schnitt der
Horizontalkraft und der jener. Fuge entsprechenden Gewichtsresultante geht.
In Fig. 292 ist dies ungefähr bei der Fuge e fder Fall. Die durch m ge-
zogene Tangente zur innern Wölblinie berührt genauer im Punkte g. Es ist
also hier mg die Richtung der Seite V VI des definitiven Seilpolygons , zu
welcher der Strahl 5 '/;{ parallel ist. °
Die mit dem Horizontalschub 'U ge-
zeidmete Stützlinie geht dann bei hinreichend genauer Zeichnung durch den
Bl'echungspunkt f. .
222 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.
Mitte des Schlusssteins, für Spannweiten von 1 bis 40 m (3' bis 120' par.)
und zwar
für stark belastete Gewölbe (Brücken),
für "mittlere~' Gewölbe (welche Fussböden bilden),
und für "leichte" Gewölbe (welche nichts zu tragen haben).
Man erhält die in dieser Tabelle niedergelegten Dimensionen, wenn man
für die Scheitelstärke der Brückengewölbe I.' plus so viel halben Zollen, als die
Spannweite Fusse enthält, ansetzt, und für mittlere Gewölbe die Hälfte, für
die leichten ein Viertel dieser Dimensionen annimmt. Hierbei sind (Hau-)
Steine von mittlerer Härte angenommen "und es ist vorausgesetzt, dass die Dicke
vom Schlussstein an bis in die Gegend, wo das Gewölbe von den Wider-
lagern abweicht, dergestalt zunimmt, dass sie hier das Doppelte ist".
. Für Ba c k s t ein ge w I be giebt Rondelet an anderer Stelle (9. Buch)
ö
Fig. 293.
gothische Gewölbe und alle Arten von Tonnengewölben anwendbar. Das auf
diese Weise erhaltene Resultat vermehrt man bei Gewölben,' die mit Gyps ge-
mauert sind, noch um 1 Linie auf den Längenfuss oder um I/I H. der Sehne
]( G des abgeglichenen Theils.
Für Gewölbe mit Mörtel gel~auert, fügt man 1/9 6 zu jenem Resultat, und
1/ 7 2 für Gewölbe in weichen Hansteinen, die keine Last zu tragen haben.
Diese Dicke nimmt von der Mitte des Schlusssteins bis zu dem Punkt N zu,
wo sich das Gewölbe von. den Gewölbewinkeln trennt, und hier ist sie ein-
und einhalbmal so gross, als sie für die Mitte des Schlusssteins gefunden wurde.
Auf diese vVeise wurde die Dicke aller in Stein ausgeführten Tonnengewölbe
der Genovevenkirche geregelt.
Die Kreuz - und Klostergewölbe , sowie die sphärischen von gleichem
Durchmesser mit Tonnengewölben können eine geringere Dicke erhalten; man
braucht also das Resultat, das ihrem Profil entspricht, nicht, wie soeben ge-
schehen ist, zu vermehren."
Ferner giebt Rondelet eine Tab e l l e, w e l c h e d i e Die k e d e r a m
meisten gebräuchlichen Tonnengewölbe im vollen Zirkel,
sowie ihrer ·Widerlager von 4 m bis 42,5 m (12' bis 130' p a r.)
e nt h ä 1 t und sich, wie er sagt, zur unmittelbaren Anwendung für die Praxis
eignet. Es ist dabei zugleich auf drei verschiedene Anordnungen Rücksicht
genommen, unter denen diese Gewölbegew1ihnlich vorkommen, nämlich:
1. mit horizontal abgeglichenem Rücken, um Fussböden zu bilden;
2. mit zur Hälfte horizontalem Rücken und die andere Hälfte von gleicher
Dicke;
3. zur Hälfte abgeglichen und die andere Hälfte von ungleicher Dicke; für
Gewölbe, die keine Fussböden über sich haben, wie die der Kirchen
und andrer grosser Gebäude.
Die Dimensionen, welche die Tabelle für diese Fälle giebt, erhält man In
Spannweiten ausgedrückt, wenn man für die Gewölbestärke im Scheitel
bei 1. 1/4 8 der Spannweite (Fig. 294),
" 2. ]/36" " (Fig. 295),
" 3. 1/4 8 " " und 1/4 8 , 3/2 - 1/3 2 für die Stärke an der Hinter-
mauerung (Fig. 296) setzt.
Bei Gewölben des Hochbaues hat man es sehen mit sehr grossen Spann-
Yis~t;en und eben so selten mir einem anderen M[it8~ial als Backstein zu thun ;
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 225
Fig. 297.
die in den Fugenflächen thätige Reibung und die Adhäsion des Bindemittels,
welche in allen Fällen ausreichend erscheinen. Die Bedingung der S ta -
b i 1i t ä t des VV i d e r l a ger s g e gen Um k a n t en ist die, dass die stati-
schen Momente des Angriffs und der Stütze einander gleich sind. Graphisch
drückt sich dies S0 aus" dass die Resultante aus allen Kräften die Sohle des
Widerlagers noch durchschneiden muss. Da in den Gewölben des Hochbaues
die Festigkeit des Mörtels gegeIlliber der des Materials (Backsteines) eine so
hervorragende Rolle spielt, so lf::,st sich immer das Widerlager als eine einzige
226 I. Maurer- und' Steinmetzarbeiten.
Kilogramm
per 1 qcm
Basalt 75
Granit 45
Marmor. 24
Sandstein 16-32
Gewöhnliches Ziegelmauerwerk in Kalkmörtel. 7
Gutes " " Cementmörtel 11
Bestes """ 14
Poröse Wölbziegel, leicht g,ebraimt
desgl. hart " 6
Steine aus Cement, Schlacken und scharfem Sand 12
Gute! Baugrund pro 1 qm 25000
*) Mit denl Vorbemerk, dass die Druckfestigkeit der G'-auw8;cke auf 2000 kg
für 1 qcm steigt und dass sie für Molasse-Sandsteine und F'indlins a von Buntsand-
stein bis zu 1500 kg per 1 qcm zu setzen ist.
*i")Beig~"be zum deutschen Baukalender.
15*
228 I, Maurer und Steinmetzarbeiten.
I Titt-.(:(--B
I
I
i
i
i
I
i
I
--'-'- ii
• '-'-'---,-, I'
I
--.:=== ---------------~------------------~::::-,~
- -i' _ _
e '"
I.
! !a-- !
:I !
I
I•
:--!
I I
I
; j
: ;
I ;
I .
1"/
: i
Fig. 299.
Es ist in manchen Fällen sehr bequem, anstatt das ganze Widerlager als
eine einzige Masse in Betracht zu ziehen, dasselbe durch vertikale oder hori-
zontale Ebenen in Lamellen (ähnlich wie das Gewölbe) zu theilen und die
Mitteldrucks - oder Stützlinie des Bogens .durch das "Widerlager fortzusetzen
(Fig. 300 S. 229); man trägt die Gewichte der Lamellen des Widerlagers und
den 1 1/ 2fachen Betrag des für den Bogen ab erhaltenen Horizontalschubs in den
Kräfteplan des Bogens ein und zieht parallel zu den Strahlen pO, 1 OJ 2 0 die
Seilpolygonsseiten bI, I II, II c. Die Seite II C schneidet dann auf der
Fundamentfläche die Breite c cl des Widerlagers ab, welches eine 1 1/ 2fache
Sicherheit gegen Umkanten gewährt.
Diese so erhaltenen Grundflächen der Widerlagsmauern werden in den
meisten Fällen auch hinreichend sein, den auf sie übertragenen Druck aufzu-
nehmen, r ohne dass eine Zerdrückung des Materials zu befürchten sein wird.
"Was die VT i d e r s t a n d s f ä h i g k ei t d e :r VV i der lag e r g e gen
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 229
Ver s chi e ben der Mauerschichten auf ihren Lagerflächen betrifft, so wurde
schon oben erwähnt, dass diesem Bestreben die Reibung und Adhäsion zwischen
Stein und Mörtel entgegenwirkt, welche zusammen den Betrag des horizontalen
Schubes erreichen müssen. Die Untersuchung kann sich auf die unmittelbar
unter dem Angriffspunkt der Horizontalkraft liegende Schichte D E, Fig. 297,
'beschränken, da in allen tiefer liegenden Schichten der "Widerstand gegen Ver-
schieben grösser als in DEist.
..-- .. --- i~
~-~I
i
i
I
i
i
p i
i
i
i
i
i
"'-, i
I'
"'I
i
i
Fig. 300.
Die Einwirkung gegen die Schichte D E erhält man, wenn die Resul-
tante R der Kräfte im Bogen mit dem Gewichte G' = p t des Widerlager-
stückes D E F C zusammengesetzt wird. Diese Kraft wirkt im Punkte e der
Fuge Und zerfällt in zwei Komponenten 1~ h = H, und h g' = P G', von +-
denen H das Verschieben des oberhalb D E liegenden Mauerstücks bewirken
will, während der Vertikaldruck P + G' = Q' in der Schichte D E die diesem
Verschieben widerstehende Reibung erzeugt. Der Druck Q' vertheilt sich auf
die ganze Fuge D E, so lange der Druckmittelpunkt e im innern Drittel liegt,
ausserdem auf eine kleinere Fläche f = DEI, wobei E' e = 2 Deist. Be-
zeichnet nun k den Adhäsionskoefficienten zwischen Stein und Bindemittel,
und fi den Reibungskoefflcienten , so ist zum Gleichgewicht erforderlich, dass
k·f+fi·Q'=H
ist,oder
. f=H-!l. Q'
k .
Der Sicherheit halber bringt man gewöhnlich nur die Hälfte des Betrags
der Reibung in Rechnung; es wäre also dann
= H- 1/2 [l . Q'
f k .
230 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.
Ist die so erhaltene Grösse f grösser als die Fugenfläche D EI, so ist es
nothwendig, das Verschieben der Schichten dadurch zu verhindern, dass man
auch im vViderlager die Lagerfugen der Steine annähernd. normal zur Mittel-
linie des Druckes macht.
Der Adhäsionskoefficient für Schub beträgt für Backsteine verbunden mit
Cement nach nahezu 30tägiger Erhärtung 0,4 bis 0,5 kg; für Backsteine mit
Luftmörtel verbunden 0,05 kg per qcm. (Siehe Baukonstruktionslehre f. In-
genieure v. VY. Frauenholz, 1. Thl., S. 241.)
Die gewöhnlich in der Praxis bei den Gewölbekonstruktionen angewen-
deten, aus der Erfahrung bestimmten Abmessungen der Widerlager sind in den
Kapiteln über die konstruktive Anordnung der einzelnen Gewölbearten ent-
halten.
plans Fig. 4 b gezeichnet und so die Richtung und Lage des auf die Fnndament-
fläche einwirkenden Gesammtdruckes erhalten, der sich auf die Fläche e' f in
bekannter ,Yeise vertheilt.
Das sogenannte pr e u s s i s e he Kap p eng e w I b e, welches haupt-
ö
b) Das Kr e u z g e w ö I b G,
Von den komplizirteren Gewölben sollen hier nur noch (las Kr e u z-
u TI d das Ku P P el g e w I b e bezüglich ihrer Stabilität untersucht werden
ö
und zwar deswegen, weil diese Gewölbe sich noch ziemlich einfach behandeln
und in kleinere Theile zerlegen lassen, deren Gleichgewichtsbedingungen leicht
zu übersehen sind.
Es ist schon früher erwähnt worden, dass sich die heutige Theorie der
Gewölbe auf eine Reihe von Hypothesen und 4nnahmen gründet, die vielfach
der Wirklichkeit nicht entsprechen. War es schon bei dem einfachen Cylinder-
gewölbe nicht möglich, die sämmtlichen in einem solchen wirkenden Kräfte
theoretisch vollkommen zu bestimmen, und mussten vielfach die Erfahrungs-
resultate zu Hülfe gezogen werden, so wird dies Letztere in erhöhtem Masse
bei den zusammengesetzten Gewölben der Fall sein. Die Modalitäten ihres
Gleichgewichtszustandes sind mannichfaltiger und es wird ein be fr i e d i gen-
des Resultat mehr noch, wie beim Tonnengewölbe, nur
durch engsten Anschluss der theoretischen Betrachtungen
an d i e Pr a x i s zu erwarten sein.
Von den mannichfachen Anordnungen der Kreuzgewölbe soll hier nur
der einfachste Fall derselben, in welchem die Kappen "auf den Kuf'" eingewölbt
werden, betrachtet werden. Dieser Fall liegt der Untersuchung auf Tafel XXVII
zu Grunde. ~ Das Kreuzgewölbe überspannt einen quadratischen Raum von
4 m Seite, hat halbkreieförmige Schilc1bögen und einen 0,30 m hohen geraden
Arbeiten des Rohbaues (GewöllJe). 233
Stich; ferner ist angenommen, dass die Wände durch Gurtbögen geöffnet sind,
so dass die Unterstützung des Gewölbes nur durch die Pfeiler erfolgt, die in
den Ecken der Grundfigur angebracht sind. Die Gesammtanlage ist aus den
Figg. 1 und 6 ersichtlich. Denkt man sich nun die Gewölbfelder zwischen
den Gräten so eingewölbt, dass die Lagerflächen durch Ebenen, die durch die
Axe des Cylinders gehen, also denselben nach Mantellinien schneiden, ge-
bildet werden, so kann manjedes Feld durch Vertikalebenen a 1 {'31 ' Cl2 ß'2 •••• a 6 ß5
in eine Anzahl gleich breiter Streifen theilen , und das Gleichgewicht eines
jeden derselben untersuchen. Hierbei kann sich bei der Symmetrie der Anlage
die Untersuchung auf 1/ 8 der Grundrissfigur , z, B. auf die halbe Kappe
CD F beschränken. Die Streifen zweier aneinanderliegender Gewölbefelder
CD Fund CD A treffen dann im Gratbogen zusammen und übertragen auf
denselben Einwirkungen ,welche bei regulärem Grundriss einander gleich sind
und symmetrisch zur Gratebene wirken. Diese Einwirkungen' liegen in den
Mittelebenen 'al bl , a 2 b2 • • • • • jedes Streifens und werden erhalten, indem man
jeden Streifen als Tonnengewölbe betrachtet und für denselben eine mögliche
Drucklinie zeichnet. In den Punkten b1 , b2 , bs . . . treffen somit immer zwei
Kräfte zusammen, die sich in eine einzige in der Richtung der Diagonalebene
wirkende Resultante vereinigen lassen. Unter der Einwirkung aller dieser in
den einzelnen Punkten des Grates wirkenden Mittelkräfte muss dann der Grat-
bogen im Gleichgewicht -sein. Die ~tütz - oder Mitteldruckslinie für diesen
Bogen giebt dann schliesslich die Lage, Grösse und Richtung der von der
Gratlinie CD auf den Widerlagepfeiler übertragenen Einwirkung an.
Die statische Untersuchung der einzelnen Streifen stellen die Figg. 2 bis 5
dar, und es ergiebt sich hierbei, dass für alle diese Streifen eine mögliche
Linie des Druckes gezeichnet werden kann, dass dieselben also die nöthige
Stabilität besitzen. Für den am Schildbogen liegenden grössten Streifen CtG bG
ist in Fig. 2 in bekannter Weise das Kräfte - und Seilpolygon unter der An-
nahme gezeichnet, dass der Horizontalschub im oberen Drittel der Scheitelfuge
angreife. Die Gewichte der vertikalen Lamellen 1 bis 6 sind im Kräfteplan
Fig. 2a durch die mittleren Höhen der letzteren dargestellt. Die Bruchfuge
cl cl' liegt unmittelbar vor der Grenze der 5. Lamelle; es kann deshalb die
Mitteldruckslinie CtB cl auch für den nächsten Streifen a5 b5 beibehalten werden.
Da sich die folgenden Bögen Ct4 b4 , (ts bs . . . . nicht bis zur Bruchfuge er-
strecken, so kann für dieselben bei gleicher Lage der Horizontalkraft im Scheitel
der Drehpunkt am Grat in die bezüglichen inneren Kämpferpunkte b4 , bs ' b2
gelegt werden, so dass sich hierfür die Drucklinien nach den :Figg. 3 und 4
ergehen. Für den letzten Streifen a 1 b1 am Scheitel des Kreuzgewölbes ergiebt
sich der zulässige Horizontalschub aus der Rücksicht, dass die Resultante aus
dieser Kraft und dem Gewichte des Streifens mit der Normalen zur Fugen-
fläche b, bl ' keinen grässeren Winkel als den Reibungswinkel einschliessen darf.
Der Horizontalschub nimmt also in den Streifen vom Schilc1bogen gegen
den Scheitel des Kreuzgewölbes hin allmählich ab. .
Die von den einzelnen Gewölbestreifen auf die Gratlinie übertragenen
Einwirkungen sind nun im Kräfteplan Fig. 2a durch die Strahlen u G 6,
u5 5 ..••. U'l 1 nach Grösse und Richtung dargestellt. Dieselben Einwirkungen
empfängt die Gratebene auch von den Streifen der Kappe A CD; es lassen
sich daher in irgend einem Punkte b des Grats die Horizontalkomponenten
bh' = bh" dieser Kräfte zu einer einzigen Kraft bh = Y2. bh/ 2
vereinigen,
während die vertikalen Komponenten jener KrEfte sich summiren. In der
234 1. Maurer- und SteimllehcGrb eiten.
Gratebene wirken also eine Reihe horizontoJer und vertikaler Kräfte, die sich
zu den Resultirenc1en R 1 , R 2 • • • Ra vereinigen lassen, welche in Fig. 7a in
einem gegen die Fig. 2a um die Hälfte reduzirten MfLSS stab dargestellt sind,
Da in der Zeichnung angenommen ist, es sei ein eigentlicher verstärkter
Grat nicht vorhanden, derselbe bestehe vielmehr nur als Durchdringungskurve
der Cylinderflächen, so können wir uns den Grat als schwerlose Linie denken,
an der in den Punkten b1 , b2 • • • b6 die oben erhaltenen Resultanten (hr ll
r 1 1'2 • • • rf> 1'6 Fig 7a) wirken. Da eine Belastung des Kreuzgewölbes nicht-
vorhanden ist, so muss lediglich eine über diesen Kräften konstruirte Mittel-·
kraftslinie für den Fall des Gleichgewichts ganz im Gratdurchschnitt (Fig. 7)
verlaufen. Zunächst sind wieder zur Ermittelung der Bruchfuge 00' die Re-
sultanten R l - -2 , R l - 3 • • • R l - 6 durch Zeichnung eines provisorischen Seil-
polygons aus dem Pol u' erhalten worden. Der Brechungspunkt 0 in der
innern Gewölbefläche entspricht dann dem Berührungspunkt einer von 11~-! an
die Gratlinie gezogenen Tangente 1n 4 0; die durch 'r 4 hiezu gezogene Parallele
1n4 u (Fig. 7a) aber schneidet auf der durch h gehenden Horizontalen die zum
Gleichgewicht erforderliche Grösse des Horizontalschubs ab, der im Scheitel
von der abgeschnittenen Hälfte des Gratbogens auf die betrachtete. übertragen
wird. Die resultirende Mitteldruckslinie liegt zwar noch innerhalb der Grenzen
des Gratbogens , zeigt aber am Gewölb~fuss ein ziemlich starkes Bestreben,
dieselben zu verlassen. Wir schliessen daraus, dass unter den angenommenen
Verhältnissen der Grat und damit das ganze Kreuzgewölbe zwar noch im
Gleichgewichte sind, dass aber eine Vergrösserung der Spannweite des Ge-
wölbes nicht ohne eine Verstärkung der Gratbögen erfolgen könnte.
Ausser den Gräten üben auch der Gurtbogen A D und die an den Wider-
lagspfeiler anstossenden Schildbögen einen Druck auf letzteren aus. Die Hori-
zontaldrücke der in der Aussenwand liegenden Schildbögen F D und E' D'
heben sich aber, da sie von gleicher Grösse und entgegengesetzter Richtung
sind, auf, so dass nur eine Vertikalkraft, welche dem Gewicht eines ganzen
Schildbogens (D E) und dessen Belastung entspricht, inder Axe des Pfeilers
wirkend, übrig bleibt. _
Zur Ermittelung der von dem Gurtbogen A D auf das Widerlager über-
tragenen Kraft ist in Fig. 6 ein Querschnitt nach CF durch das Kreuzgewölbe
und die Mitteldruckslinie für den Bogen A D in bekannter Weise gezeichnet;
der Strahl u 7 (Fig. 6a) giebt dann nach Grösse und Richtung die Resultante
aller in diesem Bogen thätigen Kräfte.
_ Somit sind alle auf das Widerlager D G wirkenden Kräfte bestimmt, und
es erübrigt nur noch, dieselben unter sich und mit dem Gewichte der Wider-
lagerkonstruktion zu einer einzigen Kraft- zu vereinigen. Es ist hierzu wieder nöthig,
die sämmtlichen Kräftepläne auf einen _einheitlichen Mass stab zu bringen. Dies
ist in Fig. 8 geschehen, und zwar sind die Gewichte der einzelnen Kon-
struktionstheile ihrem kubischen Inhalte proportional aufgetragen, so zwar, dass
1 kbm Mauerwerk durch 0,02 m dargestellt ist. Es ist dann 'in dieser Figur
u h' der im Punkte 8 1 der Pfeileraxe wirkende Schub H' des Gurtbogens A D ;
h' h" der in 8 2 wirkende Schub H" des Gratbogens ; h" 1, 1 2, (4 3 die in
den Schwerlinien 1, II, III wirkenden Gewichte des Mauertheils K L MN,
der Dachlast und des Pfeilers, deren Resultante S ihrer Grösse und Richtung
nach dann durch ~~ 3 im Kräfteplan (Fig. 8) dargestellt ist. Die 'Lage dieser
Kraft ergiebt sich wieder durch Zeichnung eines Seilpolygons (Polo) über den
Einzelkräften. Zur Aufnahme der Kraft S sind die Pfeiler des Kreuzgewölbes
durch Strebepfeiler verstärkt, w elche nach aussen vortreten und deren Y 01'-
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 235
Fig. 301.
de: Gewölbes sind nach zwei Seiten keilförrnig , also als abgestumpfte Pyra-
mi.Ien zu betrachten. Jede Schichte des (' ewölbes trägt sich von selbst, sobald
236 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.
sie geschlossen ist; es kann daher die Kuppel in beliebiger Höhe offen
belassen werden.
Das Kuppelgewölbe lässt sich deshalb in Elementarstreifen auf einfache
Art nur durch Meridianebenen 0 a , 0 b zerlegen. Da ein solcher Kugelaus-
schnitt Cf; b 0 im Scheitel auf eine Kante zusammenläuft, so kann von einem
Horizontalschub im Gewölbescheitel , wie er beim Tonnengewölbe vorhanden
ist, nicht die Rede sein; das Gleiche gilt von den oben offenen Gewölben. C
Fig. 303 zeigt die Konstruktion der Stützlinie für den Streifen 0 A B
einer F 1ach k u p P el , deren Meridian der Segmentbogen ab c d von der
konstanten Dicke Cl b = c d ist. Derselbe ist durch eine Anzahl normaler
Ebenen in 7 Lamellen (Gewölbesteine) getheilt, deren Einzelgewichte in der
Fig. 303a.
Fig. 303.
zusammenfallend gedacht werden, mit Ausnahme der ersten .Lamelle, die als
Keil zu betrachten ist, so dass der Schwerpunkt Si im Drittel des mittleren
Abstandes der ersten Lamellengrenze von der Kante abliegt. Die Gewichte
.der Lamellen können dann den Querschnitten in Fig. 303 und ihren mittleren
Dicken proportional gesetzt werden. Ist nun die Eintheilung der.cLamellen
auf dem mittleren, die Gewölbedicke halbirenden Meridianbogen eine gleichheit-
liehe, so können diese mittleren Dicken 11', 22', 33' ..• 7 7' oder aliquote
Theil dieser Stücke als Repräsentanten der Lamellengewichte in den Kräfte-
plan Fig. 303 a eingetragen werden. Die in den oberen Schichten zur Erhaltung
des Gleichgewichts nothwendig werdenden Horizontalkräfte hv h2 ••• b« sollen
immer in den oberen Endpunkten der zugehörigen Fugen liegen, so dass sie
also ihre kleinste zulässige Grösse erhalten.
Die Horizontalkraft für die erste Lamelle bestimmt sich nun aus der
Forderung, dass die in C cl liegende Resultante B 1 aus dem Gewichte I und h
mit der Normalen zur Fuge 0 b1 keinen grösseren Winkel als den Reibungs-
winkel (Cf = 17°) einschliesse. Man darf also nur zu dieser Richtung durch
den Endpunkt 1 (Fig. 303a) des Gewichts I eine Parallele 1 u1 ziehen, so ist
in u1 h1 die Grösse der ersten horizontalen Kraft bestimmt. In cl setzt sich
mit R das Gewicht 11 zusammen, die Resultante 2 u1 = 81 schneidet zwar
noch die Fuge 0 b2 innerhalb der Gewölberänder , weicht aber um den zu-
lässigen Betrag vom Loth zu dieser Fuge ab; es ist deshalb eine horizontale
Kraft i; nothwendig, die, in Cl mit 8 1 zusammengesetzt, eine Resultante B 2
giebt, welche die gestellte Bedingung erfüllt. Hieraus ergiebt sich der Schub
=
u2 h h2 • Aehnlich erhält man B s und damit U s h = hs und die folgenden
horizontalen Kräfte.
In den unteren Fugen kommt es vor, dass die Mittelkräfte S die zulässige
Abweichung von den Normalen zu den Fugen zwar nicht überschreiten, wohl
aber die Fugenflächen nicht mehr durchschneiden. Dies ist hier bei der durch :
c4 gehenden Resultante B o' = 'u4 ' 5 der Fall; der Horizontalschub ho bestimmt
sich daher aus der Bedingung '. dass Bö = U ö 5 die Fuge 0 b" noch innerhalb
der Gewölberänder schneide. Verfolgt man in dieser Weise den Kräftezug
weiter, so kommt schliesslich eine Fuge 0 6, von welcher ab eine Vergrösse-
rung des Horizontalschubs nicht mehr nothwendig erscheint y so dass das
Maximum der horizontalen Kräfte u 6 h für die noch folgenden Schichten kon-
stant beibehalten wird. Diese Fuge kann als die BI' e c h u n g s J u g e des
Ku p p e I g e w I b e s bezeichnet werden.
ö
Bleibt die Stützlinie von der Bruchfuge abwärts ganz in Gewölbe, wie in
Fig. 303, so kann dasselbe als stabil bezeichnet werden. Durchschneidet in
einem Gewölbe die Stützlinie in dem unterhalb des Brechungspunkts liegenden
Theil die innere Gewölbelinie , so kann das Gewölbe durch blosse Vergrösse-
rung der Horizontalkräfte stabil gemacht und die Drncklinie ins Innere des
Gewölbes verlegt werden; durchschneidet dagegen die Stützlinie in den unteren
Schichten die äussere Begrenzungsfläche , so muss, wenn, wie oben geschehen,
die Minimalwerthe der Horizontalkräfte der Untersuchung zu Grunde gelegt
wurden, und die Stützlinie in der Brechungsfuge die innere Gewölbelinie be-
rührt, das Kuppelgewölbe als uns tab i I bezeichnet werden.
In Fig. 303 ist die Stützlinie a cl des Gewölbes noch durch das niedrige
Widerlager fortgesetzt, und hierdurch dessen Breite 111/ n erhalten worden, so
zwar, dass m' v = 1/2v n, also eine Verbreitung des Druckes über die ganze
Fnndamentfläche m' n stattfindet.
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 239
*) Eine eingehende Darstellung dieses Bauwerks findet sich in: "Isabelle, les
edifices circulaires et les dörnes," PI. 14--18.
240 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.
überecht. Das Kuppelgewälbe hat bei einer Spannweite von 24,8. In. eme
/:) .
Scheitelhähe von 27 In und eine Dicke im Scheitel von 0, Ö6 m; SIe Ist m
der römischen Art als Gussgewölbe konstruirt. Die 1,6 m dicke TImfangs-
wand ist in den Ecken mit 2,7 ö m starken Strebepfeilern versehen, die zwi-
schen den erwähnten halbkreisförrnigen Ansbauten bis zum Anfang des Kuppel-
ge'wölbes aufsteigen. Die Fig. 304 giebt inder linken Hälfte des Durchschnitts
Schnitt a c
,/ //
,/"
/
/;::."r- ---
--.---
/'~ ,//
-: ,//
" </
"/
,,/'/
//
/
/ I I
I 1/
, f/
,I liI'
p
" /1
/: I »->: \
:....1:._~----_._-----_.-._._.~_._._,_.- 0'0::':;::::.- ._. .__ .__ .__ . 1'
1
1<:,<:,+' 'lL
I \\ 21ft fJ,2
\ ü \
11 2 :r !I! scr 7I 8, 9 10f
rm)'f , r ~ ,_ " I I ,~1Jf I ,
Fig. 304.
den Schnitt b c durch einen solchen Pfeiler, während die rechte Hälfte den
Schnitt nach ac darstellt. 'ViI' sehen also den Strebepfeiler, wenn auch nicht
als Sporen behandelt, schon in konstantinischor Zeit ange,venclet.
Wie die oben angegebenen Ziffern nachweisen, so hat auch dieser Kuppel-
bau noch ein ziemlich gedrücktes Höhenverhältniss, dem des Pantheon ähnlich;
erst als man sich in der Folge mit wachsender Grösse der zu überdeckenden
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 241
Soll ein Gewölbe ans dem Quadrat oder Achteck in die I{reisform über:"
geführt werden, so können hiezu entweder die dreieckigen Zwickelgewölbe*),
sogenannte Pendentifs (wie Fig. 5 Tafel X an· der Sophienkirche zu Kon-
stantinopel), oder kleine Nischengewölbe (Fig. 305 S. 241 von St. Vitale)
verwendet werden. Aehnlich lässt sich der viereckige Horizontalschnitt ins
Achteck dadurch überführen, dass aus den Ecken Diagonalbögen vorgeschoben
werden, bis die reguläre achteckige Form hergestellt ist (Fig. 306 S. 241 von
St. Michael zu Pavia).
Es soll nun hier in Kürze die statische Anordnung einiger interessanter
Kuppelbauten , soweit sie einen Fortschritt in der Konstruktion bekunden, an-
gegeben werden.
Die Kirche Sa. Maria maggiore zu Nocera (Fig. 307). Dieses
Gebäude zeigt, obwohl seine Erbauung in den Anfang des 6. Jahrhunderts zu
10 0 1 .2. ;\ A 5 6 7
Ilud 1 "'l'~.! f
Fig. 307.
setzen sein dürfte, eine Anordnung des Grundrisses, wie sie in der frühesten
Zeit der altchristlichen Baukunst (z. B. am Grabmal der Konstantia zu Rom,
erbaut 360) üblich und später vielfach bei Taufkapellen (Baptisterien) beliebt
war. Die Kuppel steht auf. einem Kranze von 15 Paar gekuppelten Säulen
aus Marmor, welche durch Archivolten mit einander verbunden sind, und er-
reicht im Scheitel eine Höhe von 14,5 m , während die Spannweite derselben
11,80 m beträgt. Der Schub dieser, wenn auch nicht sehr beträchtlichen Kuppel,
deren Stärke im Scheitel 0,50 m beträgt und sich gegen den Tambour hin nur
wenig vermehrt, konnte keinesfalls durch den darunter stehenden Säulenkranz
aufgenommen werden; er wird vielmehr durch 15, den Säulenpaaren entsprechenden
Strebebögen oder Sporen a , welche von der 1,.20 rn dicken Umfassungswand
nach dem Tambour der Kuppel gesprengt sind, unc1 bis unter das Dach des
niedrigeren Umgangs reichen, a~\f9as.yundament der Umfangswanc1 übergeleitet.
Diese Sporen treten an der .li,is~eritWand als Pfeilerverstärkungen , an dem
ringförmigen Tonnengewölbe des Nebenraums aber als Gurtbögen auf, so das
Ringgewölbe in einzelne Felder zertheilend; sie sind in Fig. 307 im Grundriss
und Horizontalschnitt c cl eingezeichnet. Das Tonnengewölbe des Seitenraumes
ist einhüftig, indem die Kämpferlinie am Tambour 1,6 m höher' als an der
Umfangswand liegt. Diese Konstruktion vermehrt die gegen den Schub der
Kuppel des Mittelraums anstrebende 'Wirkung des Ringgewölbes , 'während sie
für, die Stabilität der Umfangswand insofern günstig ist, als dadurch der
Horizontalschub des Ringgewölbes tiefer gegen den Fuss der Wand zu liegen
kommt.
Die Kuppel des Mittelraumes selbst ist mit Bruchsteinen aus Kalktuff
gewölbt undJbeginnt unmittelbar über den Archivolten des Säulenkranzes. Das
Profil derselben ist jedoch keine kontinuirliche Linie, sondern eine gebrochene,
indem die untersten Gewölbeschichten sehr stark ausgekragt sind; für den
oberen freischwebenden Theil des Gewölbes ergiebt sich hierdurch eine be-
deutend verminderte Spannweite. Der Sc hub der Ku pp el wir d nun
in dem 1,75 m starken Tambour d u r eh das Hin zu t r e t end e s von
den Sporen ausgeübten, jenem entgegengesetzten, Hori-
zontaldruckes aufgehoben und so der Säulenkranz nur mit
dem ver ,t i k a l vi i r k end enG e w ich t des K u P p e 1 g e w Ö 1 b e s b e .;.
1 ast e t, U eber dem Tambour der Kuppel erhebt sich die 0,80 m dicke
obere Umfangswand , welche das Dach trägt und mit Fenstern durchbrechen
ist. Zwischen dieser Mauer und dem Gewölbe des Mittelraums liegen wieder
Sporen b, welche jedoch gegen die Sporen a nur in halber Anzahl vorhanden
sind und auf der äussern Leibung der Kuppel flach aufliegen, ohne in deren
Verband einzugreifen. Dr. Hübsch *) -vermuthet, dass diese Sporen, ebenso
wie die in a a -. . liegenden, ursprünglich flache Kappengewölbe zwischen sich
hatten, welche zugleich das Dach bildeten, ähnlich wie dies am sogenannten
Baptisterium zu Florenz der Fall ist.
San Vi t a l e zuR ave n na (Fig. 308 S. 244). Die Kirche des heil. Vitalis
zu Ravenna, erbaut in den Jahren 526--547, durch Julianus Argentarius, bildet
im Grundriss ein regelmässiges Achteck von 33,72 m Weite mit dreischiffigem
Aufbau. Der mittlere bis zu einer Höhe von 28,75 m aufsteigende, ebenfalls
regulär achteckige Raum ist mit einem Kuppelgewölbe von 15,70 m Spann:'
weite überdeckt, während die niedrigeren Seitenräume zweigeschossig und mit
Kreuzgewölben überdeckt sind. Die konstruktive Anordnung dieses Bauwerks
zeigt in dem Bestreben, das statische Gleichgewicht der Kuppel mit den ge-
ringsten Massen herzustellen, den altchristlichen Gewölbebau in seiner ent-
wickelten Gestalt. Statt der sonst angewendeten Säulenreihe , welche den
Druck der Kuppel des Mittelraums aufzunehmen bestimmt war, ruht dieses
Gewölbe auf acht in den Ecken des Polygons sich hefiudliclien ziemlich un-
regelmässigen Grundriss besitzenden Pfeilern von 2~9 m Dicke, zwischen welche
sich nach den Abseiten einspringende, 4 m tiefe Exedren in Halbkreisform legen.
Diese Nischen sind in den beiden EtazenI:>
durch Säulenarkaden durchbrachen und
haben den Druck der äusserst kornplizirten Kreuzgewölbe des Seitenraums auf-
zunehmen. Die Aufstellung der Säulen in Halbkreisform macht sie hiezu besser
befähigt, als bei geradliniger Anlage.
Schnitt b c Schnitt a C
10 9
I
s
Ir,
1 G 5 <t.3 2 1 0
I J) 1 ~ I 1 I
10
I
20
I
Fig. 308.
mittels begründet. Ans der Herstellungsweise ergiebt sich neben dem geringen
Gewicht auch die nrhältnissmässig sehr geringe Scheitelstärke dieser Kuppel
von 0:30 m "), welche sich bis zur Hintermauerung nur um wenige Contimeter
vermehrt. Das 'Widerlager der Kuppel, deren Schub auf das geringste Mass
reduzirt erscheint, wird wieder von Sporen s s gebildet: welche in den
Ecken der Grundrissfigur liegen und bis zum Anfang des Gewölbes hinauf-
reichen. Diese Strebebögen, deren statisches Profil die linke Hälfte der Fig. 308
zeigt, sichern nicht nur den Bestand der Kuppelpfeiler in vollkommen aus-
reichender Weise, sondern sie dienen auch den Kreuzgewölben der Seitenräume
als tragende Gurtbögen nicht minder, wie der nur 1 m starken Umfangswand
als verstärkende Pfeiler. In sekundärer Weise wird die Kuppel auch durch
die zwischen den Hauptpfeilern liegenden Nischengewölbe unterstützt; doch ist
die Wirkung dieser Halbkuppelgewölbe hier nicht sehr hoch anzuschlagen, weil
deren Fähigkeit, Horizontalkräfte aufzunehmen, durch die Durchbrechung der-
selben mit Arkaden in den beiden Geschossen auf ein Minimum reduzirt ist.
Nur bei einem so kühn und mit so wenig U eberschuss . an statischen Mitteln
konstruirten Gewölbe, wie es die frühere Laurenrinskirche zu Mailand war
(Hübsch nennt sie das non plus ultra von Kühnheit), konnte es 'geschehen, dass
der Einsturz ein e I' solchen Nische die Zerstörung des ganzen Bauwerks nach
sich zog.
Die Kuppel von S. Vitale sitzt nicht unmittelbar auf den die Pfeiler ver-
bindenden Archivolten, sondern es schiebt sich zwischen den Kuppelanfang
und die Scheitel dieser Bögen ein niedriger achteckiger Tambour, der mit
kleinen Nischengewölben , welche in Fig, 308 angedeutet und in Fig. 305
(S. 241) grösser dargestellt sind, allmählich zur Runclform des Kuppelgewölbes
übergeführt wird.
Sahen wir an dem eben betrachteten Bauwerke die Aufgabe, das Wider-
lager einer Kuppel herzustellen, deren Kämpfer in der ziemlich bedeutenden
Höhe von 21 m liegt, in statisch vollkommen korrekter vVeise, wenn auch für
eine nicht sehr bedeutende Spannweite gelöst, so finden wir in der
So p h i e n k i r c h e zu K 0 n s t an t i 11 0 P el ein Beispiel, wie es der
Technik früherer Jahrhunderte möglich war, derselben Aufgabe bei den grc)ssten
Mussverhältnissen und einer denkbar geringsten Zahl von Unterstützungspunkten
gerecht zu werden, VVährenc1 die Kuppel von Sa. Maria maggiore zu N ocera
auf 15 gekuppelten Säulenpaaren , die von San Vitale auf 8 Pfeilern sich
erhob, wird hier noch ein Schritt weiter gethan und das dominirende Gewölbe
des Mittelraums auf 4 durch mächtige Gurtbögen verbundene Pfeiler gestellt.
An das centrale Gewölbe schliessen sich in der Richtung der Hauptaxe
zwei halbkreisförmige Nebenkuppeln an, die. mit ihrem Scheitel bis zum An-
fang jenes Gewölbes reichen, während die in der Richtung der Queraxe sich
anschliessenden Seitenräume in zwei Geschosse getheilt und mit Kreuzgewölben
eingewölbt sind. Es entsteht so im Ganzen ein überwölbtes Oblongum von
70,3 zu 75,5 m Seite, welches den eigentlichen Raum der Kirche bildet;
Fig. 5 Tafel X giebt hiervon den halben Grundriss.
Die Hauptkuppel hängt über einem quadratischen Raum von 31,5 m
Seite, der durch die erwähnten Gurtbögen gebildet wird. Auf der Scheitel-
höhe dieser Bögen, 42 m über dem Fussboden der Kirche, beginnt das Ge-
wölbe; es hat einen Durchmesser von 33 m und ist keine vollständige Halb-
kugel, sondern eine dieser Form nahekommende Kalotte von 15 m Höhe. Die
Gewölbedicke beträgt im Scheitel ungefähr 0,70 m und ist für den grössten Theil
der Kalotte beibehalten; nur am Fuss der Kuppel, ""IVO dieselbe mit 40 Fenster-
öffnuuzen durchbrechen ist, tritt rasch eine Vergrösserung der Gewölbedicke
/:)
und eine V erstärkung derselben durch aufgesetzte Pfeiler ein, so dass sich das
Gewölbe mit einer Dicke von 2,3 m auf die Gurtbögen aufsetzt. Das runde
Auflager der Kuppel, oder die Vermittlung des quadratischen Grundrisses der
Archivolten zur Kreisform wird durch Pendentifs hergestellt, die von den
Kämpfern der Gurtbögen bis zum Gesimskranz über den Scheiteln der letzteren
aufsteigen. Die in das Lichte des Kuppelraums geneigte Masse der Gewölbe-
zwickel bildet ein wirksames Gegengewicht gegen den Schub der Kuppel,
welche in dem Streben nach möglichster Leichtigkeit mit Backsteinen von sehr
g erin orrem spezifischen Ge,vicht
. einzewölbt
0
worden sein soll,' nachdem das erste
von den Erbauern der Kirche, von Anthemios Y. Tralles und Isidor v, Milet
ausgeführte Gewölbe 21 Jahre nach der Vollendung eingestürzt war.
Die statische Unterstützung der jetzigen Kuppel bilden ausser den 4 m
dicken Gurtbögen noch vier kolossale, 7,5 m dicke, 20 m breite Sporen, die,
im Innern der Kirche mit Bogenöffnungen durchbrcchen , über das Dach der
Emporen vortreten und bis dicht an den Anfang der grossen Kuppel reichen.
Die Masse dieser Strebepfeiler ist jedenfalls mehr als hinreichend, um den
Schub der Kuppel gegen die Seitenräume, also .nach der Queraxe aufzunehmen.
In der Richtung der Längsaxe werden die Gurtbögen durch Halbkuppeln
von gleichem Durchmesser wie der des mittleren Gewölbes unterstützt
und in ihrer Lage erhalten. Diese Halbkuppeln sind (ähnlich wie in Ravenna
die Hauptkuppel) auf zwei kräftige Pfeiler gestellt, zwischen welche sich wieder
halbkreisförmige mit Arkaden durchbrochene Exedren einstellen. Der östlichste
dieser Ausbauten bildet zugleich die Altarapsis , während an der entgegen-
gesetzten Seite die Nische ganz fehlt und durch einen breiten Gurtbogen ersetzt
wird, der den Eingang zwischen sich aufnimmt.
Ein Vergleich dieses Bauwerks mit dem von Ravenna ergiebt, dass hier
eine Grossräumigkeit und eine Kühnheit der "Wölbung herrscht, die vordem
nicht versucht worden war, dass aber der Widerlagerapparat weder in der
einfachen und korrekten Art, noch in derselben Oekonomie in der Masse, wie
zu Ravenna, angewendet worden ist. Die Kühnheit der Konstruktion ist bei
der Sophienkirche mehr in der Herstellung der U eberwölbung selbst, als in
der statischen Anordnung der Stützen zu suchen.
Das Ba pt ist e r i umS an Gi 0 v an ni zu F lo r e n z. Figg. 309 (S. 247)
u.309a (S. 248), Fig. 9 Tafel X. Das jetzige Baptisterium zu Florenz, vermuth-
lieh im 4. oder 5. Jahrhundert als Hauptkirche für Florenz gebaut"), ist ein ein-
sclliffiger achteckiger Bau von 25,6 m Weite, der mit einer achtseitigen Kuppel
(achteckiges Klostergewölbe) geschlossen ist. Dieses Kuppelgewölbe beansprucht
ein besonderes Interesse, weil seine Stabilität in sehr genialer Weise mit
ungemein geringen Massen hergestellt ist, und ferner das hier angewendete
Konstruktionssystem den Fingerzeig für die später in der Renaissancezeit ent-
standenen Doppelkuppeln giebt, deren hauptsächlichste Vertreter die Kuppeln
der Kirchen Sa. Mariadel flore zu Florenz und St. Peter zu Rom sind.
Das Konstruktionssystem der byzantinischen Kuppelbautcn, den Schub des
Hauptgewölbes durch Sporen oder Strebebögen auf das äussere Widerlager
überzuführen , eine Anordnung, die für die mit Kreuz - oder Tonnengewölben
überdeckten Basiliken durch das ganze Mittelalter beibehalten worden ist, wird
hier noch weiter vervollkommnet, indem bei der Einschiffigkeit des Raumes
diese Sporen, die sonst nur bis zum Anfange der Kuppel, wo der Schub sich
vorzugsweise bemerklich macht , binaufgeführt waren , nun in die eigentliche
Cl-----
\ ---_tl!
(, -- -'
-
~
10'
r
Fig. 309.
*) Eine ähnliche Verwendung der Sporen zeigt, wie oben mitgebheilt , schon die
Kirche S. Marin maggiore zu Nocera , allein elie Sporen b b daselbst liegen nur auf
der äussern Kuppelleibung flach auf und bilden eine sehr untergeordnete statische
Basis, da sie selbst wieder auf dem, Tambour der Kuppel sitzen,
248 1, Maurer- und Steinmetzarbeiten.
Ecken der Grundrissfigur. sondern noch je zwei in jeder Fläche des Oktogons:
so dass das Kuppelgewölbe mit der Umfangs- oder ,Viderlagsmauer durch
24 solcher Zungen verbunden ist. Da sich zwischen diesen Sporen das Ge-
wölbe einsetzt, also sich nur auf geringe Länge frei zu tragen hat: kann es
verhältnissmässig dünn sein (1 m) und erfordert zu seiner senkrechten Unter-
stützung nur geringer Mittel. Der Vortheil , der in statischer Beziehung aus
dieser Anordnung erwächst: leuchtet durch die Bemerkung ein, dass man es
hier eigentlich mit einem Gewölbe von verhältnissmassig grossem Querschnitt
(Querschnitt des Sporens) zu thun hat, das aber in Folge der zwischen den
Sporen bleibenden leeren Räume ein sehr geringes Gewicht besitzt, also zu
seiner Stabilität keiner grossen
Horizontalkraft bedarf. Es
wird deshalb möglich sein,
Schnitt c d
den Schub des Gewölbes
I
I
durch Zusammensetzen mit
I
I dem Gewicht einer verhält-
I
I nissmässig dünnen Wider-
I
lagsmauer unschädlich zu
I ~~ [ machen.
~c-::J
.... Die Kuppel des Bap-
... I tisteriums S. Giovanni in
i fonte ist nach einem Spitz-
i bogen gewölbt und im Scheitel
I .
i mit einer Lichtöffnung ver-
I I
sehen, welche nachträglich
i i
---).<---' . - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - mit einer Laterne überbaut
~ !
~
~9.. . I wurde. Im oberen Theil
=~~- ~~ ~_~=c~- des Gewölbes kommt der
I
I
Sporen wegen des dicht
I
I
I aufliegenden Daches nicht
~<::l selbstständig zur Geltung,
l>:>'
h
sondern es bilden Dach und
Gewölbe eine einzige Masse;
in der unteren Gewälbehälfte
dagegen trennen sich die
Gewölbfläche und die äussere
Wand : indem sie einen
Zwischenraum zwischen sich
Fig. 30%. lassen, der sich bis in das
Widerlager fortsetzt. Hier-
durch bot sich Gelegenheit, durch eingefügte Zwischendecken zwei obere
Gallerien anzuordnen, die unter sich, sowie mit dem Dache, durch Treppen
verbunden sind. Die obere Gallerie öffnet sich mit quadratischen Fenstern,
die mittlere mit grossen Bogenöffnungen gegen den Innenraum, während im
untersten Geschoss der Umgang in eine Säulenstellung aufgelöst ist, die sich
an jeder Achtecksseite zwischen die Ecksporen einfügt. In Fig. 309 stellt der
Sektor A im Grundriss ein Stück des Horizontalschnitts der Kuppel nach Cl Cl
dar und zeigt, wie sich die zwischen den Zungen eingespannten steigenden
flachen Gewölbekappen nach einer elliptischen Linie mit dem innern Gewölbe
zusammenschneiden ; der Sektor B zeigt den Schnitt durch die obere Gallerie
nach bb, Sektor C den Grundriss des untersten Ge:3chosses; der ganze Aufbau
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe), 249
weit von der inneren Mauerflucht entfernt haben dürfte, dass eine Inanspruch-
nahme der Säulen durch diese Kraft kaum vorhanden ist. Im wesentlichen
werden wohl die acht in den Ecken liegenden, 3,70 m starken Sporen, deren
Profil der Diagonalschnitt Fig. 309a giebt, sowie die in der äusseren, im unteren
Geschoss auf 1,85 m verstärkten Mauer liegenden Zwischenzungen den Druck
der Kuppel auf das Fundament des Bauwerks übertragen.
D 0 p p e 1k u P p e l n,
Den Schluss der konstruktiven Entwickelung des Kuppelbaues bilden die
zu Ausgang des Mittelalters und in der Renaissancezeit entstandenen Doppel-
kuppeln der Dome von Florenz und Rom. Als Vorläufer dieser grossartigen
Bauwerke wurde das oben beschriebene Gewölbe über dem Baptisterium zu
Florenz bezeichnet. In der TImt ist von dieser Vorstufe zur vollständigen Doppel-
kuppel nur mehr ein Schritt. Bei letzterer tritt das steinerne Dach, welches
im Baptisterium noch die geradlinige Form des Zeltes beibehielt, als eine zweite
Kuppelschale (sogenannte Schutzkuppel) auf, welche mit der Hauptkuppel an-
nähernd parallel und durch eine Anzahl Zungen oder Sporen verbunden ist.
Diese Sporen, welche häufig an der innern und äussern Kuppelfläche als pro-
filirte Rippen vortreten, liegen in Meridianebenen der Kuppel und sind die
eigentlichen tragenden Elemente der Gewölbekonstruktion. Zwischen .dieselben
fügen sich die beiden Gewölbemäntel ein, von denen meistens der innere von
beträchtlicherer Stärke als der äussere ist. Der Vortheil , den eine solche
Konstruktion in statischer Beziehung mit sich bringt, ist der, dass hier das
Gewicht der einzelnen Elementarstreifen im Verhältniss zur Dicke ihres Quer-
schnitts ein sehr kleines ist, und dass bei den bedeutenden Höhen der arn
Scheitel liegenden Fugen eine relativ günstigere Lage der Mitteldruckslinie als
bei den einschaligen Gewölben möglich ist; im engsten Zusammenhange damit
stehen aber die Grössen der Horizontalkräfte, welche zum Gleichgewicht des
Gewölbes nothwendig sind. Wie sich aus der früher mitgetheilten Theorie
der Kuppelgewölbe leicht ergiebt, erhält man nämlich um so kleinere Werthe
der Horizontalkräfte , je grösser der Querschnitt des Gewölbes und je kleiner
das Gewicht der Lamellen ist.
Die Dom k u P pe I von S a, MaI' i ade I fi 0 I' e erhebt sich über der
Vierung der Kathedralkirche zu F 1 0 r e n z, deren Grundriss ein lateinisches Kreuz
bildet und in einem kleinen '1'11eil in Fig. 8 Tafel X dargestellt ist. Der
Bau der Kirche wurde 1296 von Amolfo di Cambio (Arnolfo cli Lapo) be-
gonnen und nach dessen Tod durch Giotto weitergeführt; die Kur pel wurde
250 1. Maurer- und Steinmetzarbeiten.
untern Theile der Kuppel, zwischen den beiden Gewölben, liess Bnmeleschi
eine Verankerung, bestehend aus einem Kranze von starken Hölzern, anbringen,
I~
Fig. 310a.
Fig. 310.
252 I. Maurer- und Steinmetzarbeiten.
blick in die zweite und bei der Genovevenkirche sogar in die dritte Kuppel-
fläche gestatten soll.
~-----d
~i -
\~-~-
11°
I
I
Fig. 311.
erbaut) von grösserem Interesse. Es ist auf Tafel XXIV im Grundriss und
Durchschnitt dargestellt und besteht aus einer einmanteligen halbkreisförmigen
Schale von 30 m Spannweite ; der Scheitel ist mit einem Oberlicht versehen,
dessen Unterkante 41,5 m über dem Fussboden liegt. Das -Widerlager ist nur
wenig über den Anfang der Kuppelfläche massiv aufgeführt, sonclern zum
grössern Theil aus Sporen s gebildet, die bis zu 1/s der äussern Gewölbe-
leibung aufgeführt sind; sie übertragen den Schub der Kuppel auf die äussere
"\Vand und das vertikale Gesvicht derselben zunächst auf einen Säulenk.ranz
von 36 gekuppelten Säulenpaaren , die vollständig frei stehen und deren quer
zur äussern Wand reichende Architrave durch ein Spitzbogengewölbe entlastet
sind. Im untern Geschoss nehmen kräftige, durch Segmentbögen verbundene
Pfeiler den Druck auf. Die Einzelheiten der interessanten Anlage werden aus
der auf Tafel XXIV gegebenen Darstellung ,wohl ohne weitere Beschreibung
zu entnehmen sein. '
Um die statische Wirksamkeit und Bedeutung der Sporen näher kennen
zu lernen, soll hier noch die Untersuchung eines Doppelkuppelgewölbes folgen.
Als Beispiel ist das oben beschriebene Kuppelgewölbe der Peterskirche in Rom
gewählt, dessen Stabilität aus früher erwähnten Gründen lange angezweifelt
und als von der eisernen Armatur abhängig betrachtet wurde, eine Meinung,
welcher Dr. Scheffler in folge einer statischen Untersuchung dieses Gewölbes
beigetreten ist. Wenn nun in der folgenden Stabilitätsuntersuchung ein hiervon
etwas abweichendes Resultat erhalten wird, so ist dies auf Rechnung der ge-
naueren Pläne zu setzen, welche uns in Letarouilly's Vatikan zur Verfügung
gestanden haben.
Aufbaues des Bauwerks, Leider lassen aber jene sonst vorzüglichen Dar-
stellungen die Zusammensetzung des Mauerwerks hinsichtlich der verschiedenen
Materialien nicht erkennen. Es ist deshalb im folgenden durchgehends ein
gleichartiges Material vorausgesetzt) was für die Genauigkeit des zu erreichenden
Resultats indess von keinem grossen Belang sein dürfte. Einen ungleich
grösseren Einfluss auf das Schlussresultat. hier auf den Verlauf der Stützlinie,
üben elle Annahmen und Hypothesen) welche) wie bekannt, allgemein und auch
bei der Stabilitätsuntersuchung der einfachsten Gewölbe gemacht werden müssen,
und die sich natürlich bei so komplizirten Gewölben, wie es die Doppelkuppeln
sind, noch in weit höherem Grade bemerkbar machen. Wenn nun auch bei
Abfassung der folgenden statischen Untersuchung der Werth einer lediglich
theoretischen Spekulation für die Erkenntniss der thatsächlichen Lage der
Dinge nicht zu hoch geschätzt wurde, so darf doch andrerseits behauptet
werden, dass, wen n e s u n t e r i r g'end ein e T m Ö g 1ich e n A n nah m e
gelingt, eine Drucklinie für das Gewölbe der Kuppel so zu
zeichnen, dass sie nirgends a u s den Gewölberändern tritt,
von ein er Uns t a b i 1i t ä t der Ku pp e I des wohl bedeutendsten Bauwerks
der neuen Zeit k ein e Red e m ehr sei n k an n. Dies letztere ist aber bei der
Petcrskuppel thatsächlich der Fall.
Bevor mit der Untersuchung der Hauptkuppel begonnen werden kann, ist
es nothwendig, die von der Laterne auf die Anfänge des grossen Gewölbes
iibertragene Kraft nach Grösse und Richtung zu bestimmen; es ist dies eine
besondere Untersuchung für sich, deren Resultat in Fig. 4 dargestellt ist. Der
Massstab des Kräfteplans ist so gewählt, dass 0,5 cm dem Gewicht eines
Kubikmeters Mauerwerk entspricht. Es ist dann 0 1 der Horizontalschub des
Kuppelgewölbes in der Laterne für einen Meridianstreifen JYIo 0'; 1 2, die von
dem Laternenhelm in cl. Knopf und Kreuz übertragene schräge Kraft; 2 3 das
Gewicht einer Lamelle der Laterne (1/16 des ganzen Gewichts) von der
Horizontalebene A A' abwärts bis zum Plateau am Scheitel der Hauptkuppel.
Der ungefähre Verlauf der Gleichgewichtskurve für den Querschnitt der Laterne
ist in Fig. 3 eingezeichnet. Der Punkt a, in welchem diese Kurve die obere
Begrenzung der grossen Kuppel schneidet, ist der Angriffspunkt der von der
Laterne auf die Hauptkuppel übertragenen Einwirkung, welche durch 0 3 (Fig. 4)
nach Grösse und Richtung dargestellt wird. -
Um die Stützlinie für das Hauptgewölbe zu bekommen, ist es nöthig, die
Doppelkuppel wieder erst in einzelne Meridianstreifen und diese in einzelne
Lamellen zu zerlegen. Die Art der Zerlegung der Doppelkuppel in einzelne
Streifen ergiebt sich aus ihrer konstruktiven Anordnung von selbst. Es bilden
offenbar die 16 aus dem Tambour aufsteigenden Zungen die Hauptträger der Kon- .
struktion, zwischen welche sich die beiden Gewölbeschalen, um Halt und Wider-
lager zu gewinnen, einspannen. Man kann deshalb am vortheilhattesten einen
Sporen, z, B. MN, herausgreifen und mit dem Gewichte desselben die der anstossen-
den Gewölbefelderhälften M NI 0 und M N 2 0' vereinigen, so dass sich also
das Gewicht eines Streifens auf 1/16 des Gesammtgewichts der Kuppel beziffert.
Die Gewichte der halben Gewölbefelder M N 1 0 und M N 2 0 lassen sich zu
einem einzigen in der Meridianebene des Sporens MN wirkenden Gewicht
vereinigen, so dass also wieder alle Gewichte in einer und derselben Vertikal-
ebene liegen. Die weitere Eintheilung des von den Meridianebenen JYIO und
]If 0' begrenzten Streifens in einzelne Lamellen lässt sich am besten mit Rück-
sicht auf die Konstruktion der Gewölbmäntel und Sporen bewerkstelligen.
Fig. 2 zeigt den Meridianschnitt MN durch den Sporen und in der,
256 1. Maurer- und Steinme:zarbeiten.
dunkler schraffirten Theilen den Schnitt JJ10 durch die Zwischenfelder, wobei
die Ebene JJ10 bis in die Lage JJ1 N gedreht gedacht wurde, so dass Fig. 2
nicht die Vertikalprojektion des Schnitts JJ10, sondern die wirkliche Schnitt-
figur zeigt. Die Ebenen, welche die einzelnen Lamellen begrenzen, wurden
nun senkrecht zur Mittellinie des Querschnitts durch den Sporen gestellt. Da
sich der Sporen zwischen den Gewölbeschalen nach oben in drei Absätzen
verjüngt, so ergab sich hieraus die Stellung der Ebenen IV, VII, X von
selbst; zwischen diese wurde noch eine passende Anzahl von Lamellengrenzen
eingeschaltet. Die Lamellengrenze I geht durch den äussem Fusspunkt der
Gallerie, 11 durch den Parallelkreis, in dem sich die innen vortretenden Rippen
von der Gewölbef1äche frei machen.
Das Gesammtgewicht jeder einzelnen Lamelle setzt sich nun aus drei
Summanden zusammen: aus dem Gewicht der Sporenlamelle , und aus dem
Lamellengewicht des innern und des äussern Gewölbes. Diese Einzelgewichte
kann man ihren in Fig. 2 gegebenen Querschnittsflächen und ihren mittleren
Dicken (aus Fig. 1) proportional setzen. Da eine Unterscheidung des Mauer-
werks nach dem Material für den Querschnitt der Kuppel, ,wie schon oben
bemerkt, nicht möglich war , so wurde (wie schon bei der Laterne) blos der
kubische Inhalt der einzelnen Lamellen bestimmt, also das Gewicht jeder
Lamelle ihrem Volumen proportional gesetzt.
Die der graphischen Bestimmung der Drucklinie zu Grunde gelegten Ge-
wichte resp. V olumina der einzelnen Lamellen sind in folgender Tabelle
enthalten.
Inhalt in Kubikmetern
Lamelle 1------;---------,------------
Sporen Innerer äusserer
zusammen
Mantel Mantel
Es sind also in den Kräfteplänen Fig. 5 bis 8 nicht die Gewichte der
Lamellen, sondern nur ihre kubischen Inhalte eingetrag'3n, aus denen man
at,?'., die bezüglichen Gewichte durch einfache Multiplikation mit dem Gewichte
der Kubikeinheit Mauerwsr]; (2400 kg per 1 kbm) leicht erhalten kann.
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 257
Vereinigt man nun die in den Schwerlinien der einzelnen Stücke liegenden
Gewichte des äussern und innern Mantels, sowie des Sporens , zu einem ein-
zigen Gewicht (am einfachsten durch Zeichnung eines Seilpolygons über den
drei Einzelgewichten). so erhält man hierdurch die Lage des Gcsannntgewichts
jeder einzelnen Lamelle. So stellt Fig. 9 den Kräfteplan für die Bestand-
theile der ersten Lamelle vor; das über den Schwerlinien derselben gezeichnete
Seilpolygon giebt im Schnitt der ersten und letzten Seite die Lage des Ge-
sammtgewichts 1. Aeimlich ist mitte1st Fig. 10 die Schwerlinie 2 erhalten
worden und ähnlich alle folgenden: 3, 4 ... 10. Die Gewichte der Lamellen
X bis XV erhält man dann aus je zwei Kräften: dem Gewichte des Sporen und
des zwischen je zwei Rippen liegenclen Leibes des Gewölbes. Sind so die ein-
zelnen Lamellengewichte auch nach ihrer Lage festgestellt, so erübrigt es nur
noch, über die Lage der auftretenden Horizontalkräfte eine Annahme zu
machen. Die grosse ;Dicke .des Gewölbes am Scheitel lässt hier die verschie-
densten Annahmen dieser Kräfte zu, je nachdem man sich die Verspannung
der Rippen mehr durch den innern oder äussern Gewölbemantel erfolgt denkt.
Um hier eine ziemlich in der Mitte liegende Annahme z,u bekommen, betrachte
man vorerst die zwischen den Rippen liegenden Gewölbefelder bezüglich ihres
Gleichgewichtszustandes für sich, ohne Rücksicht auf die Laterne und die
Sporen des Gewölbes. Es muss dann für jeden Mantel eine Stützlinie möglich
sein, die ganz im Gewölbe liegt und aus der man die durch jeden Mantel
ausgeübte Horizontalverspannung bestimmen kann. Beide Horizontalkräfte ver-
einigt, geben dann eine Mittelkraft , die das Mi n i m u m der auf den Sporen
ausgeübten Horizontalverspannung vorstellt. Für die einzelnen Mäntel sind
die Angriffspunkte der zum Gleichgewichte erforderlichen Horizontalkräfte
h1 ' , h1 "', h2 ' , h2 ,,, etc.... in den oberen Grenzpunkten der bezüglichen Lamellen
angenommen. Der Kräfteplan für den innern Mantel ist in Fig. 5, der für
den äussern Mantel in Fig. 6 nach dem beigeschriebenen Mass stab aufgetragen.
Die Stützlinien wurden in früher angegebener Art unter der Annahme erhalten,
dass die grösste Abweichung der Resultanten von den Lothrechten zu den
zugehörigen Fugen 17 0 nicht übersteigen darf. Die bei den Drucklinien liegen
nach Fig. 2 grösstentheils dicht an den innern Wölblinien. Die Punkte b'
und b"', in denen sie die Ebene der Aufmauerung zwischen den beiden Kuppel-
schalen treffen, liegen so günstig, dass sie auch für einen vermehrten Hori-
zontalschub noch innerhalb der Gewölbedicke bleiben. Jeder der beiden Ge-
wölbemäntel hat also für sich den wünschenswerthesten Grad von Stabilität.
Je. zwei in einer Lamelle liegende Horizontalkräfte, deren resp. Grössen durch
die für die Stützlinie beider Gewölbeschalen gezeichneten Kräftepläne bestimmt
sind, lassen sich nun mit Hülfe der Flg. 11 zu einer Resultante vereinigen,
wodurch man die Lage der auf den Sporen wirkenden seitlichen Verspannungen
1-11 , H'J' Ha .... H s erhält. Aus diesen Horizontalkräften und den Total-
gewichten der einzelnen Lamellen, die in dem Kräfteplan Fig. 7 für die
Lamellen I bis X und in Fig. 8 für die Lamellen X bis XIV eingetragen
sind, lässt sich nun eine Stützlinie für den ganzen Kuppelsektor MO 0' ziehen.
Durch das Hinzutreten des Gewichts der Laterne, der Gallerie und des Sporens
in dem Kräfteplan Fig. 7 wird natürlich eine Vergrösserung der gefundenen
Horizontalkräfte H nothwendig werden müssen; allein dieselbe sei derart, dass
dabei der Mittelpunkt dieser Kräfte in den einzelnen Lamellen beibehalten
bleibt, so dass nach wie vor die Gesammthorizontaldrücke der einzelnen La-
mellen mit den Linien 1]1 bis Hf: zusammenfallen. Die Grösse dieser Hori-
zontalwirkungen ergiebt sich dann durch die Zeichnung der definitiven Mittel-
Go t t g e t r e 11, Hochbaukonstruktion. 1'7
258 I. Maurer- und Steimnetzarbeiten.
c1ruckslinie von selbst. Die grösste Abweichung der Resultanten von den
N orrnalen zu den angenommenen Fugenflächen wurde wieder auf 17 0 (wie
früher) festgesetzt. Unter dieser Annahme ist die gesuchte Stützlinie c cl für
den ganzen Ausschnitt JJ10 0' erhalten worden. ,Vie der Kräfteplan Fig. 7,
verglichen mit den Kräfteplänen der Figg. 5 und 6 zeigt, erfordern namentlich
die obern Lamellen eine sehr bedeutende Vermehrung der horizontalen Kräfte,
so dass von der Lamelle VII ab der Horizontalschub konstant bleibt. Die
G I' e n z e VII ist deshalb als die B l' e c h u n g s f u g e der Ku p P e 1 anzu-
sehen. Die Strecke e f, um welche in dieser Fuge die Stützlinie vom innern .
Gewölberand absteht, ist ungefähr zu 1/5
der Gewölbedicke eg angenommen;
es zeigt sich dann, dass auch in der Widerlagerfuge cl ni ungefähr gleich 1/5
lm
wird, so dass also die beiden Bruchfugene g und lm gleiche Widerstands-
fähigkeit gegen Urekanten der Gevvölbestücke besitzen.
Betrachtet man das Resultat der Untersuchung, so kann jedenfalls aus
dem Verlauf der Stützlinie c cl eine Instabilität der Kuppel nicht gefolgert
werden. Die für diese Stützlinie gemachten Annahmen sind noch lange nicht
die glinstigsten, und trotzdem war es möglich, eine Stützlinie zu finden, die in
den Brechungsfugen eine Verbreitung des Drucks über 3/5 der Länge derselben
ermöglicht, ohne alle Rücksicht auf die Zugfestigkeit des Bindemittels. Liegt
aber, wie wahrscheinlich, in Wirklichkeit der Punkt f noch näher, als hier
angenommen, arn innern Gewölberand , so rückt der Punkt cl der Stützlinie
in der vViderlagerfläche noch mehr in das Innere des Tambours hinein, erhöht
sich also die Stabilität des Gewölbes. Wir halten deshalb die Kuppel von
St. Peter in Rom nicht nur an und für sich für vollkommen stabil, sondern
auch hinsichtlich ihrer konstruktiven Anordnung für ein geradezu muster-
haftes Werl;:.
Was nun schliesslich die an der Kuppel zu Tage getretenen Risse und
Sprünge und die in folge dessen vorgenommene Armatur des 'Gewölbes an-
belangt, so mäge hier Folgendes bemerkt werden: Es ist selbstverständlich,
dass wie bei jeder grässern Gcwälbekonstrnktion, so auch an de~l in Rede
stehenden Kuppelgewölbe in den Brechungsfugen ein Oe ffn end e r F u gen,
hervorgebracht durch ungleiche Druckvel'theilung, ent-
s t ehe n k a n n. °
Die s e Abt l' e n nun gen e r f 1gen a b e r s t e t s
hauptsächlich nach der Richtung der Lagerfugen, also in
°
ho r i z nt ale r R i c 11 tun g. Die an der Petcrskuppel vorhandenen Sprünge
sind aber vorzugsweise vertikal gericbtet*), weil sie lediglich durch ein un-
gleiches Setzen des Mauerwerks und der Pfeilerfundamente , sowie durch Er-
schiitterungen des Gewölbes in folge von Stürmen, Erdbeben etc. entstanden
sind. Ein ungleiches Setzen grosser Mauerwerkskörper ist unvermeidlich,
namentlich aber an der Unterstützung der Petcrskuppel in grossem Massatabe
unabwendbar gewesen, weil hier die kolossalen Mauermassen in der unsolidesten
Art hergestellt wurden.
Der Kern der Mauermassen ist nämlich ein Füllmauerwerk aus Bruchsteinen,
welches aussen mit Vorsetzmauerwerk aus dem Travertinstein, innen mit Tuff:"
stein (Peperino) oder Ziegeln verkleidet ist. Fig. 312 (S. 259) giebt einen Quer-
schnitt durch den Tambour der Kuppel, mit Angabe der Mauerung, welcher
das Gesagte deutlich macht. Die im Laufe der Zeit an der Kuppel entstandenen
Risse und Sprünge sind bekanntlich Anlass zu einer nachträglichen Armirung
des Kuppelgewälbes geworden. - Diese Armatur konnte jedoch nur den Zweck
----1------
H------J----
_1 -1
111-~!~~I-I-I1~I1"~"J-,P
- -f::--I -c-j (m.
Fig. 312.
*) Die Kuppel wurde unter Leitung Domenico Fontana's , wie es scheint nach
dem Projekte Giacomo della Porta's , und zwar in einem Zeitraum von 22 Monaten
im Jahre ] 590 eingewälbt. C. A. Jovanovits: Der Bau der Peterskirche zu Rom,
pag. 114.
**) Bündelet: "Kunst zu bauen," 7. Buch, S. 313.
1'7 *
2GO 1. Maurer- und Steimnetzarbeiten.
Der unterste Ring liegt über dem Tambour, auf welchem die das 'Widerlager
der Kuppel verstärkende Säulenordnung steht; der zweite Ring liegt über
dem Kranzgesims dieser Strebepfeiler) vor dem Sockel der Attika (Fig. 2
Tafel XXIX); der dritte Ring wurde über der Attika, arn Anfang der
äussern Kuppel eingelegt, der vierte liegt auf der äussern Kuppel ungefähr
30 cm unter der Stelle, wo die A ufmauerung zwischen den Gewölbeschalen
aufhört; der fünfte in der halben Höhe der äussern Kuppel, der sechste
über dem Podium der Laterne. Diese Ringe liegen dicht an der Leibung
des Gewölbes, gehen also unter den Vorsprüngen der Rippen durch und sind
mit ihrer ganzen Dicke in die Gewölbefläche eingelassen. Die. Ringe wurden
in den Jahren 1743 bis 1748 gelegt, und bei dieser Gelegenheit (1747)
entdeckte man, dass der ursprüngliche bei der Erbauung der Kuppel über das
innere Gewölbe gelegte Ring an zwei Stellen gerissen war. Es ist mit
Sicherheit anzunehmen, dass auch der in der Aufmauerung gelegene Ring,
welcher nicht blossgelegt werden konnte, gerissen ist, sowie dass die Zer-
störung dieser Ringe bald nach der Vollendung der Kuppel erfolgte und wohl
erfolgen musste, als eine Mauermasse von ca. 14000 kbm mit einem Gewichte
von ca, 28 000 000 kg anfing, sich zu setzen. Seit jener Zeit 'bis zur Mitte
des 18 . Jahrhunderts, also durch 15 5 Jahre, ist daher die Kuppel ohne Armirung
gewesen und ihr Bestand lediglich durch den von vorneherein vorhanden ge7
wesenen Stützapparat erhalten worden.
Es ist in hohem Grade interessant, Vergleiche zwischen der von Domenico
Fontana ausgeführten Kuppel und dem Michel Angelo'schen Projekte anzustellen.
Dies ermöglicht die Fig. 311 (S. 253), in welcher beide Gewölbe in demselben
Mass stabe dargestellt sind; rechts die heutige Peterskuppel, links die Form nach
dem Modell Michel Angelo's. Es ist hierbei der gewaltige Fortschritt bei der
jetzigen Gestalt nicht blas in ästhetischer Hinsicht, sondern noch vielmehr in
statischer Beziehung unverkennbar. Zeigt uns der Verlauf der für die jetzige
Kuppel gezeichneten Stützlinie , dass die Kuppel Fontana's zwar stabil ist, zu
gleicher Zeit aber die Erhebung des Kuppelscheitels über den Widerlagerapparat
durch das stumpfe spitzbogige Kuppelprofil in ungemein kühner1Veise erfolgt
ist, so dürften wohl für das Projekt Michel Angelo's, welche für die Form
der inneren Gewölblinie den weniger stabilen Halbkreis setzt) Bedenken bezüg-
lich seiner Ausführbarkeit rege werden; namentlich da auch der Vorsprung
der Rippen ein bedeutend geringerer und die Last der Laterne verhalmiss-
mässig noch viel grösser als bei dem heutigen Bestande ist. VV ürde man indessen
heutzutage eine Petcrskuppel bauen, so dürfte es gerathen sein, den Spitzbogen
des Kuppelprofils etwas steiler und die Last der Laterne etwas geringer an-
zunehmen.
S e h l u s s b e t r a c h tun g.
Aus den vorstehenden über die Stabilität der Gewölbe angestellten Be-
trachtungen dürfte sich zur Genüge ergeben, dass die Baumechanik nach
ihrem heutigen Stande noch weit entfernt ist, dem ausführenden Bautechniker
in allen Fällen als sichere Richtschnur für die Stärkebestimmung der Stein-
konstruktionen des Hochbaues dienen zu können. Der unmittelbare praktische
Werth der theoretischen Untersuchungen müsste aber noch mehr schwinden
und die Mängel der Theorie würden noch bemerkbarer werden, wenn man
darauf ausgehen wollte, aus dieser 'Wissenschaft die zukünftigen Fortschritte
der Baukonstruktion abzuleiten. Für die Hochbaukonstruktionen besitzen die
Arbeiten des Rohbaues (Gewölbe). 261
statischen U ntersuchunzen
u der Gewölbe desweaen u keinen hohen 'Yerth., weil
dabei ein wesentlicher Faktor des gewöhnlich hier angewendeten Backstein-
mauerwerks , der M I' tel, bis jetzt nicht in Rechnung gezogen werden
ö
konnte. Denkt man sich aber den Märtel ganz hinweg , oder an Stelle des-
selben ein Bindemittel, dessen Bindekraft, d. h. Widerstand gegen Trennen
der verbundenen Steine gleich Null ist, so wird damit der Begriff des Mauer-
werks, wie es bei jenen Konstruktionen angewandt ist, vollständig aufgehoben.
Thatsächlich äussert sich die Vernachlässigung des Bindemittels in den
zu grossen Resultaten, welche man nach blasser Anleitung der Theorie erhält.
Dies tritt namentlich ein, wenn man nach der Na v i er' s c h e n T h e 0 r i e
annehmen wollte, dass alle Druckmittelpunkte innerhalb der Kernränder (mittlere
Drittel) der widerstehenden Flächen liegen müssen.
Die grosse Differenz der den jeweils bezüglich des Bindemittels gemachten
Annahmen entsprechenden Resultate zeigt sich am besten in den Angaben über
die Gewälbestärken von Rondelet. Während er die Minimalstärke eines Halb-
kreisbogens aus glatt bearbeiteten Hausteinen , ohne Bindemittel, auf 1/ 1 8 der
Spannweite setzt (pag. 218), giebt er andrerseits die geringste Dicke eines
halbkreisförmigen Backsteingewälbes zu 1/100 und die ge b r ä u c h I'i ehe Stärke
zu I/5 4 bis 1/9 0, also im Mittel zu 1/ 72 der Spannweite (pag. 221) an. Da
in ein solches Gewölbe durch kein Mittel eine Stützlinie gelegt werden kann,
so ergiebt sich, dass bei fest bindendem Märtel die Drucklinie selbst eines
stabilen Gewölbes die Gewälberänder wohl verlassen kann. Im Backstein-
gewälbe müssten also die vor dem Bruche auftretenden Zugkräfte der Mörtel-
bänder berücksichtigt und in Rechnung gezogen werden. Theoretisch bleibt
dies immer sehr prekär, da die Festigkeit des Mörtels gegen Zug namentlich
von der grässeren oder geringeren Sorgfalt bei der Bereitung desselben und
bei der Mauerung abhängen, also den grössten Schwankungen unterliegen
würde. Das Einfachste, wenn auch nicht das Richtigste, bleibt es daher unter
allen Umständen, die Zugfestigkeit des Märtels ganz zu vernachlässigen und
die Drucklinie so zu legen, dass sie selbst bei einem etwa eintretenden Bruche
des Gewölbes noch innerhalb der Gewälbedicke liegt, wozu genügt, wenn diese
Linie in den Brechungspunkten der Gewölbe tangirt.
Sind wir also auch weit entfernt, der Mit tel d r U c k s - 0 der S t t z ü «
Allgemeines.
Alle Treppen bestehen aus einer Anzahl. von Stufen, deren Material em
sehr verschiedenes sein kann, wie z, B. Stein) Holz, Eisen, entweder jedes für
sich oder auch mit einander in verschiedener "V'l eise zur Verwendung gebracht.
Bei den Treppen aus Steinmaterial betheiligen sich in vielen Fällen auch andere
Baumaterialien.
Je nachdem die Treppen ausser- oder innerhalb unserer Gebäude liegen,
unterscheidet man Fr e i t r e P P e n und Hau s t r e P P e n; letztere sind ent-
weder Hau P t t l' e P p e n oder N e ben t r e P p e n, Selbst in grösseren Ge-
bäuden befindet sich meistens nur eine Haupttreppe, die freilich durch mehrere
Etagen hindurchgeführt sein kann, alle andern Treppen sind dann Nebentreppen
und können je nach ihrem Zweck Die n s t t r e p p e n , K elle I' t r e P pe n ,
D a c h b 0 den t r e P P e n, Ver bin dun g s - oder auch Geh e i m tr e P P e n
sein.
Jede Treppe besteht aus einzelnen S tu f e n mit S t e i gun g und Auf ~
tri t t; die erste Stufe einer Treppe wird als An tri t t, die' letzte als Aus ~
tri t t bezeichnet; eine Anzahl ununterbrochen auf einander folgender Stufen
wird Tl' e P p e na r moder Tl' e p P e n lau f genannt, der in vielen Fällen
von beiden Seiten durch Treppenwangen begrenzt ist. Treppenläufe mit einer
sehr grossen Anzahl von Stufen erhalten wohl sogenannte Ruh e p l ätz e oder
Po des te, indem man eine der Stufen bedeutend breiter macht. Ist der Treppen-
raum von Mauern vollständig umgeben, wobei er wohl auch ganz oder theil-
Wahl der Masse zu achten, die. man den Treppenstufen giebt, und müssen
besonders deren Steigung und Auftritt in einem durchaus richtigen Verhältniss
stehen.
Ein solches Verhältniss erglebt sich aber durch den allbekannten Um-
stand, dass der beim gewöhnlichen Fortschreiten auf ebener Fläche vom nor-
malen Menschen gemachte Schritt auf 0,60 m geschätzt wird; wird nun an-
genommen, dass beim S t e i gen die doppelte Kraft, als dies beim Fortschreiten
auf der Ebene der Fall ist, erforderlich sei, so würde einer Steigung von 0,15 m
ein Fortschreiten auf der Ebene um den doppelten Betrag entsprechen, und es
blieben dabei noch 0,30 m übrig, die weiters zurückgelegt werden können,
ohne dass dabei ein grösserer Kraftverbrauch als beim gewöhnlichen Fort-
schreiten anzuwenden ist; aus dieser Betrachtung hat man dann folgende
allgemeine Regel abgeleitet:
2s+a= 0,60 m,
wobei s die Steigung und a den Auftritt einer Treppenstufe bedeutet.
N ach dieser Betrachtung ist es leicht, für jede gegebene Steigung den
Auftritt der Stufe zu bestimmen, oder auch umgekehrt für ein gewünschtes
Mass des Auftrittes das entsprechende Mass für die Steigung zu ermitteln. Die
bei der Treppenkonstruktion sich ergebenden 7 erhältnissmr.sse von Steigung
und Auftritt sind nun folgende:
264 I. Maurer- und Steinmotzal'beiten.
Begehen einer Treppe zu ermöglichen) ist eine Breite von 2. 0, G0. = 1,20. m
benöthigt , die man "wohl bei anständigen ,Y ohngcbäuden bis auf 1,50. m ver-
mehrt. Bei Prachttreppen in öffentlichen monumentalen Gebäuden wählt man
die Breite der Treppenarme doppelt und dreifach so breit. Für K ebentreppen
(Keller- und Dachbodentreppen) g-eni.igt in den Ineisten Fällen das Mass von
1 m Breite.