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Ergänzungsskript zur Vorlesung

Relativistische Teilchen und Felder


Haye Hinrichsen
Theoretische Physik, Fachbereich 10, Gerhard-Mercator-Universität Duisburg,
47048 Duisburg, Germany
Version vom 14. Februar 2000

Dieses Skript ergänzt die Vorlesung von Herrn Prof. Wolf. Es handelt sich hier um einen ersten
Entwurf. Ich bitte darum, mir alle Fehler und Unklarheiten mitzuteilen. Meine email-Adresse ist
hinrichs@comphys.uni-duisburg.de. Die jeweils aktuelle Version liegt unter http://www.comphys.uni-duisburg.de/∼hinrichs/

Relativistische Quantenmechanik des Elektrons

Ziel dieses Kapitels ist die Herleitung

• des Spins
• der Teilchen-Antiteilchen Symmetrie
• des magnetischen Moments
• der Spin-Bahn Kopplung

1. Wellengleichug für skalare Felder (Spin 0)

1.1. Herleitung mit Hilfe der Korrespondenzregel. Die Korrespondenz-


regel lautet:

E → i~∂t
(1)
p → −i~∇ .

In der nichtrelativistischen Quantenmechanik erhält man die Schrödingergleichung


durch Anwendung der Korrespondenzregel auf die Dispersionsrelation:

p2 ~2 2
(2) E= → i~∂t ψ = ∇ ψ
2m 2m
Für ein relativistisches freies Teilchen gilt die Dispersionsrelation

(3) E 2 = m2 c4 + p 2 c2 ,
1
2

die sich kompakt schreiben läßt mit Hilfe des Viererimpulses:


 
E/c
 px 
(4) pµ pµ = (mc)2 , wobei pµ =  py  .

pz

Mit Hilfe der Korrespondenzregel pµ → ∂ µ erhält man −~2 ∂ µ ∂µ ψ = m2 c2 ψ. Dies


ist die Klein-Gordon-Gleichung für skalare Felder
¡ 2 ¢
(5) ~ ¤ + (mc)2 ψ = 0 ,

wobei ¤ = ∂ µ ∂µ . Die Klein-Gordon-Gleichung wurde zuerst verworfen, da die


Wahrscheinlichkeitsdichte nicht positiv definit ist. Um die Wahrscheinlichkeitsdich-
te zu erhalten, multiplizieren wir die Dirac-Gleichung von links mit ψ ∗ und die
adjungierte Gleichung von links mit ψ. Die Differenz muß verschwinden:

ψ ∗ (~2 ¤ + m2 c2 )ψ − ψ((~2 ¤ + m2 c2 )ψ ∗ = 0
(6) ⇒ ∂ µ (ψ ∗ ∂µ ψ − ψ∂µ ψ ∗ ) = 0 .
| {z }
Viererstromdichtejµ

Trennt man räumliche und zeitliche Komponenten, so erhält man


1
(7) ∂t (ψ ∗ ∂t ψ − ψ∂t ψ ∗ ) + ∇ · (ψ ∗ ∇ψ − ψ∇ψ ∗ ) = 0
c2 | {z } | {z }
Dichteρ Stromj

Wie man hier sofort erkennt, ist die Wahrscheinlichkeitsdichte ρ nicht positiv definit.
Aus diesem Grund hat man die Klein-Gordon-Gleichung zunächst verworfen.

1.2. Lösungen der Klein-Gordon-Gleichung. Für bewegte freie Teilchen


ist die Lösung durch ebene Wellen von der Form
µ ¶
i µ
(8) ψ(x) = exp pµ x
~

gegeben, wobei pµ pµ = (m0 c)2 ist. Für ein ruhendes Teilchen p = 0 lautet die
Lösung:
µ ¶
i
(9) ψ(x) = exp Et ,
~

wobei pµ pµ = E 2 /c2 = (m0 c)2 ist, d.h.

(10) E = ±m0 c2 .

Die Phase rotiert also in der komplexen Ebene entsprechend der Ruhemasse des
Teilchens. Dabei treten zwei verschiedene Lösungen auf: Teilchen (E > 0) und
Antiteilchen (E < 0). Die Symmetrie zwischen Teilchen und Antiteilchen kommt
dadurch zustande, daß alle zeitartigen Größen in der relativistischen Physik ebenso
wie die räumlichen quadratisch eingehen. Schon hier sieht man also die Notwendig-
keit, sich mit Lösungen negativer Energie zu befassen.
2. DIRAC-GLEICHUNG FÜR EIN FREIES ELEKTRON 3

1.3. Geladene skalare Teilchen. Die Klein-Gordon-Gleichung (5) beschreibt


ein ungeladenes skalares (Spin-0) Teilchen. Die Teilchen sind ungeladen, da die Wel-
lengleichung reell ist1. Um ein geladenes skalares Teilchen zu beschreiben, das mit
einem elektromagnetischen Feld wechselwirkt, benutzen wir das Prinzip der mini-
malen Ankopplung
q q
(11) pµ → pµ − Aµ = −i~∂ µ − Aµ
c c
Die Wellengleichung lautet dann:
· ¸
2 µ iq µ µ iq µ 2 2
(12) ~ (∂ + A )(∂ + A ) + m0 c ψ = 0
~c ~c
bzw.:
· ¸
2iq~ µ q2
(13) ~2 ¤ + ∂ Aµ − 2 Aµ Aµ + m20 c2 ψ = 0
c c

2. Dirac-Gleichung für ein freies Elektron

Die Klein-Gordon-Gleichung wirft nicht nur das Problem einer negativen Wahr-
scheinlichkeitsdichte auf, sondern sie erfordert auch eine andere Interpretation, da
der Zustand des Teilchens zum Zeitpunkt t nicht allein durch ψ(t), sondern durch
ψ(t) und ∂t ψ(t) bestimmt ist. Um zur üblichen Interpretation der Quantenmecha-
nik zurückzukehren, möchte man gerne die Differentialgleichung zweiter Ordnung
in ein System von Differentialgleichungen erster Ordnung überführen.

2.1. Vorübung: Die eindimensionale Dirac-Gleichung. Statt der vierdim-


ensionalen Raumzeit betrachten wir zunächst den Fall einer Dimension und setzen
c = ~ = 1. Die Klein-Gordon-Gleichung lautet dann
(14) (∂x2 + m2 )f (x) = 0 .
Diese DGL kann in zwei DGLen zweiter Ordnung überführt werden:
i∂x g(x) − mf (x) = 0
(15)
i∂x f (x) − mg(x) = 0
³ ´
f (x)
Mit Hilfe des Vektors ψ(x) = g(x) kann diese Gleichung auch in der Form
µ ¶ µ ¶ µ ¶
0 1 f (x) f (x)
(16) i ∂x −m =0
1 0 g(x) g(x)
| {z }
γ

geschrieben werden, oder in Kurzform


(17) (iγ∂x − m)ψ(x) = 0
Dies ist die eindimensionale Dirac-Gleichung. Man kann auch umgekehrt vorgehen
und Gl. (17) als Ansatz benutzen. Dabei wird zunächst die Anzahl der Gleichungen
k offengelassen. Durch zweifache Iteration erhält man:
(18) m2 ψ = (iγ∂x )2 ψ = −γ 2 ∂x2 ψ
1Die Lösung (8) ist nur aus Bequemlichkeit komplex gewählt. Ebenso könnte man auch mit
reellen Lösungen arbeiten, denn mit einer reellen Anfangsbedingung ψ(t = 0) ∈ R bleibt die
Wellenfunktion für alle Zeiten reell.
4

Daraus folgt die Bedingung (‘Algebra’):


(19) γ2 = 1
Diese Bedingung legt die Matrix γ nicht eindeutig fest. Vielmehr gibt es verschie-
dene Darstellungen. Die einfachste Darstellung ist die eindimensionale Darstellung
γ = ±1. Diese Darstellung führt allerdings zu unphysikalischen Lösungen, die im
Unendlichen divergieren. Darüber hinaus gibt es zweidimensionale Darstellungen
γ = σ j , wobei σ j eine der drei Paulimatrizen
µ ¶ µ ¶ µ ¶
x 0 1 y 0 i z 1 0
(20) σ = σ = σ = .
1 0 −i 0 0 −1
ist. Zu jeder Darstellung gehört eine andere Darstellung der Wellenfunktion ψ.

2.2. ‘Ableitung’ der Dirac-Gleichung. Im Gegensatz zum obigen Beispiel


hat der Gradient im vierdimensionalen Minkowski-Raum vier Komponenten ∂ =
( 1c ∂t , ∂x , ∂y , ∂z ). Der einfachste Ansatz wäre deshalb:
(21) (i~γ µ ∂µ − mc)ψ = 0
Dabei sind γ 0 , γ 1 , γ 2 , γ 3 vier k × k-Matrizen und ψ eine k-komponentige Wellen-
funktion. In der Literatur findet man oft auch die sogenannte Feynman dagger
∂/ = γ µ ∂µ = γµ ∂ µ
(22)
p/ = pµ ∂µ = pµ ∂ µ
Die Dirac-Gleichung lautet dann
(23) (/
p − mc)ψ = 0 .
Um die γ-Matrized zu bestimmen, iterieren wir die Gleichung wie im obigen Beispiel
zweimal:
(24) m2 c2 ψ = (i~γ µ ∂µ )(i~γ ν ∂ν )ψ = −~2 γ µ γ ν ∂µ ∂ν ψ .
Um die Dispersionsrelation zu erfüllen, muß die rechte Seite gleich −~2 ¤ψ sin. Das
geht nur, wenn
(25) γ µ γ ν ∂µ ∂µ ψ = g µν ∂µ ∂ν ψ
ist. Daraus folgt nicht etwa γ µ γ ν = g µν , sondern wegen der Kommutativität von
∂µ und ∂ν die schwächere Bedingung
(26) γ µ γ ν + γ ν γ µ = 2g µν 1k ,
wobei 1k die k × k Einheitsmatrix ist. Gl. (26) ist die Algebra (Vertauschungsrela-
tion) der γ-Matrizen.

2.3. Darstellung der γ-Matrizen. Wir suchen eine Darstellung für die Al-
gebra
(27) {γ µ , γ ν } = 2g µν 1k
Als Vorübung bietet es sich an, die Pauli-Matrizen zu betrachten. Diese sind durch
eine sehr ähnliche Algebra, nämlich
(28) {σ i , σ j } = 2δ ij 1k (i, j = x, y)
definiert.Die ’Buchstaben’ dieser Algebra sind die Operatoren σ x und σ y . Aus ihnen
können Monome, d.h. Produkte, gebildet werden. Diese Monome sind die ’Wörter’
2. DIRAC-GLEICHUNG FÜR EIN FREIES ELEKTRON 5

der Algebra. Nicht alle Wörter sind linear unabhängig, sondern können durch die
Vertauschungsrelation ineinander überführt werden. Bestimmt man nun maximale
Anzahl linear unabhängiger Wörter (inkl. Einheitsmatrix), so bekommt man eine
untere Schranke für die Dimension k, denn die Matrizen müssen mindestens so viele
Matrixelemente besitzen, wie es linear unabhänige Wörter gibt. Die Pauli-Algebra
besitzt vier Wörter:
Kategorie Wort Anzahl
Skalar S: 1 1
Vektor V: σ x , σ y 2
Pseudoskalar P: σ x σ y = iσ z 1
Bei vier Wörtern braucht man daher mindestens 2 × 2-Matrizen. Bekanntlich gibt
es solche Darstellungen, nämlich die Pauli-Matrizen.
Die γ-Matrizen besitzen 16 linear unabhängige Worte:
Kategorie Wort Anzahl
Skalar S: 1 1
Vektor V: γ 0 , γ 1 , γ 2 , γ 3 4
Tensor T: γ 0 γ 1 , γ 0 γ 2 , γ 0 γ 3 , γ 1 γ 2 , γ 1 γ 3 , γ 2 γ 3 6
Pseudovektor A: γ 0 γ 1 γ 2 , γ 0 γ 1 γ 3 , γ 0 γ 2 γ 3 , γ 1 γ 2 γ 3 4
Pseudoskalar P: γ 0 γ 1 γ 2 γ 3 1
Man braucht also mindestens 4 × 4 Matrizen. Tatsächlich existieren solche Darstel-
lung. Die sogenannte Darstellung ist gegeben durch
µ ¶ µ ¶
12 σj
(29) γ0 = , γj = ,
−12 −σ j
wobei σ j die gewöhnlichen Pauli-Matrizen bezeichnen:
µ ¶ µ ¶ µ ¶
0 1 0 −i 1 0
(30) σ 1 = σ x = ,, σ2 = σx = , σ1 = σ3 = .
1 0 i 0 0 −1
Explizit lauten die Matrizen:
 
1
 1 
γ 0 = γ0 =  
 −1 
−1
 
1
 1 
γ 1 = −γ1 =  
 −1 
−1
 
i
 i 
γ 2 = −γ2 =  
 i 
i
 
1
 −1
γ 3 = −γ3 = 
−1


1
6

Um die Standarddarstellung zu beweisen, könnte man diese Matrizen ein-


fach in die Vertauschungsrelationen (26) einsetzen und überprüfen. Man
kann aber auch darstellungsunabhängig mit Tensorprodukten arbeiten. Ein
Tensorprodukt zweier 2 × 2-Matrizen ist definiert durch
0 1
„ « „ « ae af be bf
a b e f B ag ah bg bh C
(31) ⊗ =B@ ce cf de df A .
C
c d g h
cg ch dg dh
Eine wichtige Eigenschaft ist die Vertauschbarkeit Matrixmultiplikation (Hin-
tereinanderausführung) und Tensorproduktbildung:
(32) (A ⊗ B)(C ⊗ D) = (AC) ⊗ (BD)
Die Standarddarstellung läßt sich mit Hilfe des Tensorprodukts auf die
Pauli-Matrizen zurückführen:
(33) γ 0 = σ z ⊗ 12 , γ j = iσ y ⊗ σ j
Der Beweis erfolgt nun unter Ausnutzung der Vertauschungsrelationen der
Paulimatrizen:
(34) 1. {γ 0 , γ 0 } = 2(γ 0 )2 = 2(σ z )2 ⊗ 1 = 2
j
(35) 2. 0
{γ , γ } = (σiz σ y ) ⊗ σ j + (iσ y σ z ) ⊗ σ j = i{σ z , σ y } ⊗ σ j = 0
j k
(36) 3. {γ , γ } = (iσ y )2 ⊗ {σ j , σ k } = 2δ jk
Dieser Beweis ist also unabhängig von der Darstellung der Pauli-Matrizen.

Bemerkung (ohne Beweis): Seien γ µ und γ 0µ zwei 4 × 4 Darstellungen der Algebra


(26). Dann existiert eine eindeutige Ähnlichkeitstransformation Λ im inneren Raum,
so dass
(37) γ 0µ = Λ−1 γ µ Λ
Die Wellenfunktion hat vier Komponenten:
 
ψ+ (r, t)
ψ− (r, t)
(38) Ψ(r, t) = 
ψ¯+ (r, t)

ψ¯− (r, t)
Wenn man die Standarddarstellung benutzt, haben die Komponenten im nichtre-
lativistischen Grenzfall die folgende Bedeutung:
¡ ¢
ψ = ψ+ ψ− Spin-1/2-Teilchen mit positiver Energie
¡ ¢
ψ̄ = ψ̄+ ψ̄− Spin-1/2-Teilchen mit negativer Energie
Bei der Dirac-Gleichung muß man stets den äußeren (Minkowski) und den inneren
(Spinor) Raum unterscheiden. Beide sind vierdimensional.

2.4. Der Dirac-Hamiltonoperator. Der Hamiltonoperator H = i~∂t ist


der Generator für die Zeitentwicklung, er ist also erster Ordnung in der Zeit. Da in
einer relativistischen Theorie räumliche und zeitliche Koordinaten gekoppelt sind,
ist zu erwarten, dass auch die räumlichen Ableitungen erster Ordnung sein sollten.
Ein möglicher Ansatz wäre:
(39) H/c = α · p + βm0 c
2. DIRAC-GLEICHUNG FÜR EIN FREIES ELEKTRON 7

Dabei sind α und β dimensionslose nichtkommutative Objekte. Der so definierte


Hamiltonoperator muß die Dispersionsrelation H 2 = p2 c2 + m20 c4 erfüllen, d.h.
(40) (H/c)2 = αi αj pi pj + (αi β + βαi )pi m0 c + β 2 m20 c2 = p2 + m20 c2
Diese Bedingung führt auf die Vertauschungsrelationen
{αi , αj } = δi,j
(41) β2 = 1
{αi , β} = 0 .
Ein mögliche Darstellung ist gegeben durch
µ ¶ µ ¶
σi 1
(42) αi = , β=
σi −1
wobei σi die Pauli-Matrizen sind. Die Dirac-Gleichung lautet damit
~
(43) i~∂t Ψ = c(α ·
∇ + βm0 c)Ψ
i
Die γ-Matrizen können durch α und β ausgedrückt werden:
(44) (γ 0 , γ 1 , γ 2 , γ 3 ) = (β, βα)

2.5. Lorentz-Invarianz der Dirac-Gleichung. Wir betrachten jetzt eine


Lorentz-Transformation L:
(45) xµ → Lµν xν , ∂µ → Lµν ∂ν .
Man kann leicht überprüfen, daß die Dirac-Gleichung für eine gegebene Darstellung
der γ-Matrizen nicht forminvariant ist. Um Forminvarianz herzustellen, muß der
innere Raum mittransformiert werden. Dies geschieht mit Hilfe einer 4 × 4-Matrix
Λ:
(46) Ψ(x) → ΛΨ(Lx)
Physikalisch heißt das, dass die inneren Freiheitsgrade (Spin) nicht unabhängig von
den äußeren Freiheitsgraden (Raumzeit) sind. Vielmehr ist jede Transformation im
Minkowski-Raum von einer bestimmten Transformation im inneren Raum begleitet.
Dreht man beispielsweise ein physikalisches System, so ändert sich demnach auch
die Orientierung der Spins. Einsetzen in die Dirac-Gleichung liefert:
(i~γ µ Lµν ∂ν − m0 c)ΛΨ = 0
(47) ⇒(i~ Λ−1 γ µ ΛLµν ∂ν − m0 c)Ψ = 0 .
| {z }
=γ ν ?

Die Bedingung für Forminvarianz der Dirac-Gleichung unter Lorentztransformatio-


nen lautet demnach
(48) Λ−1 γ µ Λ Lµν = γ ν .
Multipliziert man diese Gleichung von rechts mit Lρν und benutzt die Orthobo-
nalitätsrelation der Lorentz-Transformation Lρν Lµν = δ r hoµ , so erhält man die
äquivalente Bedingung
(49) Λ−1 γ µ Λ = Lµν γ ν
8

Anstatt die Wellenfunktion im inneren Raum (Spinraum) zu transformieren, könn-


te man aber auch eine andere Darstellung der γ-Matrizen wählen und dafür die
Wellenfunktion ψ unverändert lassen:
xµ → Lµν xν
(50) ∂µ → Lµν ∂ν
γ µ → Lµν γ ν := γ µ 0
Dann ist die Dirac-Gleichung automatisch forminvariant, weil γ µ ∂µ ein Lorentz-
Skalar ist. Man kann zeigen, dass die γ µ 0 wieder eine Darstellung der Algebra der
γ-Matrizen sind:
{γ µ , γν} = Lµρ Lντ {γ ρ , γ τ }
= 2 Lµρ Lντ g ρτ 1
(51)
= 2 Lµρ Lνρ 1
= 2 g µν 1 .
Die Transformation der γ-Matrizen bedutet aber, dass man gewissermaßen die
räumliche Orientierung des Meßgeräts ändert. Im Normalfall geht man aber da-
von aus, dass die Meßapparatur nicht gedreht wird. Beispielsweise möchte man
wissen, wie sich der Spin eines Elektrons dreht, wenn man das System dreht, in
dem es sich befindet. Oder man möchte wissen, wie sich der Spin verändert, wenn
der Beobachter das Bezugssystem wechselt. Man möchte deshalb gerne bei gegebe-
nem Lνν die entsprechende Transformationsmatrix im inneren Raum Λ bestimmen.
Dazu muß die Gleichung (49) lösen.

2.6. Bestimmung von Λ. Die Auflösung der Gleichung Λ−1 γ µ Λ = Lµν γ ν


nach Λ ist schwierig, da Λ auf nichtlineare Weise eingeht. Um das Problem zu
linearisieren, betrachten wir infinitesimal Lorentz-Transformationen
(52) Lµν = δ µν + Ωµν .
Den infinitesimalen Anteil kann man als Linearkombination der sechs Generatoren
der eigentlichen Lorentz-Gruppe zerlegen:
   
1 1
 1   
ω(01) = 


 ω(02) = 
 1

   
1
   1 
(53) ω(03) =   ω(12) =  
   −1 
1
   
 1   
ω(13) =   ω(23) =  
   1 
−1 −1
Formal läßt sich diese Definition in einer Zeile zusammenfassen durch
(54) ω(αβ) µν = δ µβ gαν − δ µα gβν .
2. DIRAC-GLEICHUNG FÜR EIN FREIES ELEKTRON 9

Wir können also schreiben


(55) Lµν = δ µν + ²(αβ) ω(αβ) µν + 0(²2 ) ,
wobei ²(αβ) ¿ 1 die infinitesimalen Drehwinkel sind. Dementsprechend muß sich
auch Λ schreiben lassen als
(56) Λ = 1 + i ²(αβ) λ(αβ) + 0(²2 ) ,
wobei λ(αβ) noch zu bestimmende Generatoren im inneren Raum sind, die den
Generatoren im äußeren Raum ω(αβ) entsprechen. Das Inverse von Λ ist in diesem
Fall leicht zu bestimmen:
(57) Λ−1 = 1 − i ²(αβ) λ(αβ) + 0(²2 ) ,
Einsetzen in Gl. (49) und Vergleich in erster Ordnung liefert die Beziehung
(58) ω(αβ) µν γ ν = i [γ µ , λ(αβ) ] .
Mit der formalen Definition der Lorentz-Generatoren (54) erhält man
(59) [λ(αβ) , γ µ ] = i (δβµ γα − δαµ γβ )
Dies ist ein lineares Gleichungssystem. Die Lösung lautet

i  iγ γ wenn α 6= β
α β
(60) λ(αβ) = [γα , γβ ] = 2
4  0 sonst
Mit dieser Lösung ist es nun möglich, endliche Drehungen um eine gegebene Achse
um den Winkel φ zu betrachten:
L(αβ) (φ) = exp(φ ω(αβ) )
(61)
Λ(αβ) (φ) = exp(iφ λ(αβ) ) .
Dabei ist der Faktor i in der zweiten Zeile definitionsbedingt. Als Beispiel betrachten
wir jetzt eine Rotation in der xy-Ebene:
   
0 +1
+1  ⇒ λ(12) = 1  −1
   
(62) ω(12) = 
 −1

 2  +1 
0 −1
Daraus ergeben sich die endlichen Transformationen
 
1
 cos φ sin φ 
L(12) (φ) = 
 
− sin φ cos φ 
1
(63)  iφ/2 
e
 e−iφ/2 
Λ(12) (φ) =  iφ/2

 e 
e−iφ/2
Betrachten wir nun eine Drehung um 2π, so erhält man
(64) L(2π) = 1 , Λ(2π) = −1 .
Das Teilchen kehrt also nach eine Drehung um 360 Grad nicht, wie man denken
könnte, in seinen ursprünglichen Zustand zurück, sondern die Wellenfunktion be-
kommt ein negatives Vorzeichen. Hier erkennt man, dass Dirac-Fermionen einen
10

halbzahligen Spin besitzen. Erst nach einer Drehung um 4π kommen sie in ihren
ursprünglichen Zustand zurück.
Bemerkung
Der em innere Raum der durch die Dirac-Gleichung beschriebenen Teilchen trägt
die Eigenschaft des Spins, hat aber nichts mit elektrischer Ladung zu tun. Die
elektrische Ladung kommt erst hinzu, wenn man die Wellenfunktion komplex wählt.
Zwar ist die Dirac-Gleichung in der Standarddarstellung komplex, doch läßt sich
auch eine Darstellung finden, in der alle γ-Matrizen rein imaginär sind. Dies ist die
sogenannte Majorana-Darstellung. Mit dieser Darstellung bleibt eine anfangs reell
gewählte Wellenfunktion während der gesamten Zeitentwicklung reell.

2.7. Was bedeutet Spin-1/2 ? Wie wir gesehen haben, äußert sich der halb-
zahlige Spin dadurch, dass die Wellenfunktion bei einer Drehung des Gesamtsy-
stems um 360 Grad ein negatives Vorzeichen erhält. Um zur ursprünglichen Wel-
lenfunktion zurückzukehren, sind zwei volle Drehungen notwendig. Grob vereinfacht
ausgedrückt könnte man sagen, dass sich der innere Raum (Spin) halb so schnell
transformiert wie der äußere Raum (Minkowski-Raum).
Wir wollen nun diese Eigenschaft systematischer untersuchen. Dabei betrachten
wir folgenden fundamentalen Zusammenhang zwischen messbaren physikalischen
Größen und Symmetrien: Zu einer gegebenen (kontinuierlichen) Symmetrietrans-
formation gibt es einen sogenannten Generator, der infinitesimale Symmetrietrans-
formationen erzeugt. Die Eigenwerte dieses Generators definieren die beobachtbare
physikalische Größe. Endliche Transformationen erhält man durch Exponenzierung
des Generators.
Beispiel: Die meisten physikalischen Systeme sind symmetrisch bezüglich
Translationen, d.h. die Bewegungsgleichungen sind forminvariant unter Ver-
schiebunben im Minkowskiraum x → x + a, wobei a der Vierervektor der
Verschiebung (in Raum oder Zeit) ist. Die Wellenfunktion ändert sich dann
entsprechend:
“ ”
(65) Ψ(x) → T Ψ (x) = ψ(x − a) .

Dabei ist T der Translationsoperator. Dieser unitäre Operator läßt sich dar-
stellen mit Hilfe der Matrixexponentialfunktion

(66) T = exp(−aµ ∂µ )

Die Matrixexponentialfunktion ist entweder durch die Taylorreihe exp(A) =


P∞ k n
k=0 A /k! oder durch den Grenzwert exp(A) = limn→∞ (1+A/n) , wobei
A ein beliebiger Operator ist. Im letzteren Fall kann die Matrixexponenti-
alfunktion interpretiert werden als eine n-fache Hintereinanderausführung
der infitesimalen Operation 1 + A/n. Dementsprechend erzeugt −aµ ∂µ /n
eine infinitesimale Verschiebung. Mit der Notation
“i ”
(67) T = exp aµ i~∂µ
~ | {z }

identifizieren wir pµ = i~∂m u als Generator der Translationen, dessen Ei-


genwerte als Viererimpuls bezeichnet werden. Da {pµ } = (E/c, px , py , pz )
ist, impliziert die Translationssymmetrie im Minkowski-Raum sowohl die
Energie- als auch die Impulserhaltung.
2. DIRAC-GLEICHUNG FÜR EIN FREIES ELEKTRON 11

Betrachten wir beispielsweise das Transformationsverhalten einer skalaren Wel-


lenfunktion ψ(x) (ohne Spin) bei einer Rotation um die z-Achse x ³→ Rx ´ um
den Winkel ϕ. Die Wellenfunktion transformiert sich gemäß ψ(x) → Rψ (x) =
ψ(R−1 x), wobei
³ ´ ³i ´
(68) R = exp −ϕ ω(12)µν xµ ∂ν = exp ϕ i~(x∂y − y∂x )
~ | {z }
Rotationsgenerator

mit der in Gl. (53) angegebenen Matrix ω(12) . Die Eigenwerte der z-Komponente
Rotationsgenerators i~(x∂y − y∂x ) werden als Gesamtdrehimpuls in z-Richtung J z
bezeichnet.
Betrachtet man nun die Dirac-Gleichung, so ist diese unter der Rotation (68)
nicht forminvariant, denn R transformiert nur den Minkowski-Raum, läßt den inne-
ren Spinraum jedoch unverändert. Die Dirac-Gleichung ist vielmehr forminvariant
unter einer Kombination einer räumlichen Drehung mit einer geeigneten Transfor-
mation Λ der inneren Freiheitsgrade, die sich mit Hilfe von Gl. (49) bestimmen
läßt:
³i ´
(69) R = exp ϕ [i~(x∂y − y∂x ) + ~λ(12) ]
~ | {z } | {z }
Bahn Spin

Der gesamte Rotationsgenerator i~(x∂y − y∂x ) + ~λ(12) besitzt die Eigenwerte


J z , die den Gesamtdrehimpuls des Systems beschreiben. Dieser Generator besteht
aus zwei kommutierenden Summanden für Bahn und Spin, die gleichzeitig dia-
gonalisiert werden können. Der erste Term i~(x∂y − y∂x ) besitzt die Eigenwerte
Lz = 0, ±~, ±2~, . . . und beschreibt den Bahndrehimpuls. Der zweite Term ~λ(12)
besitzt die beiden Eigenwerte S z = ±~/2. Daraus ergibt sich, daß der Spin ein
halbzahliger Drehimpuls ist.

2.8. Lösungen der freien Dirac-Gleichung. Wir setzen als Lösung der
Dirac-Gleichung eine ebene Welle an:
i
(70) Ψn (x) = un exp(− τn pµ xµ ) .
~
Dabei ist n ein Index, der verschiedene Lösungen numeriert. Die Größe un ist ein
vierkomponentiger Vektor, der als Dirac-Spinor bezeichnet wird. τn ist eine Kon-
stante, die später bestimmt werden soll. Wie man leicht überprüfen kann, beschreibt
diese Lösung ein Teilchen mit der Energie τn E und dem Impuls τn p.
Man kann diese Lösung auch schreiben als
µ ¶ µ ¶
un i
(71) Ψn (r, t) = exp − τn (Et − k · r) .
u¯n ~

Einsetzen in die dirac-Gleichung (i~γ µ ∂µ −m0 c)Ψ = 0 liefert die Eigenwertgleichung

(72) (γ µ pµ − τn m0 c)un = 0 ,
12

wobei un der zu bestimmende Eigenvektor zum Eigenwert τn ist. Mit {pµ } =


(E/c, −px , −py , −pz ) und p± = px ± ipy ist die zu diagonalisierende Matrix ge-
geben durch
 
E/c 0 −pz −p−
 0 E/c −p+ pz 
(73) γ µ pµ = 
 pz
.
p− −E/c 0 
p+ −pz 0 −E/c
Diese Matrix besitzt die Eigenwerte
p
(74) ± E 2 /c2 + p− p+ − p2z = ±m0 c je 2× .
Daraus folgt
²1 = ²2 = +1 (Lösungen positiver Energie)
(75)
²3 = ²4 = −1 (Lösungen negativer Energie)
Die entsprechenden (nicht normierten) Eigenvektoren für die Teilchen mit postiver
Energie +E und Impuls +p lauten
   
E/c + m0 c 0
 0  E/c + m0 c
(76) u1 =  , u2 =  ,
 pz   p− 
p+ −pz
während die Eigenvektoren für Teilchen mit negativer Energie −E und Impuls −p
durch
   
pz p−
 p+   −pz 
(77) u3 = 
E/c + m0 c ,
 u4 =  ,
 0 
0 E/c + m0 c
gegeben sind. Wenn sich das Teilchen entlang der z-Achse bewegt, d.h. wenn p x =
py = 0 ist, dann vereinfachen sich diese Lösungen entsprechend.

2.9. Dirac’sche Löchertheorie. Wie wir gesehen haben, ist die Existenz von
Lösungen negativer Energie in der relativistischen Quantentheorie natürlich, da die
Dispersionsrelation quadratisch in der Energie ist und dementsprechen Lösungen
mit positiver als auch negativer Energie zuäßt. Auf der anderen Seite führen diese
Lösungen negativer Energie aber zu zwei paradoxen Problemen.

(1) Zum einen kann man sich die Frage stellen, wie der Impuls in Bezug
auf die Ausbreitungsrichtung des Elektrons gerichtet ist. Um die Aus-
breitungsrichtung (Gruppengeschwindigkeit) des Elektrons zu bestimmen,
betrachten wir hier der Einfachheit halber den ”Scheitelpunkt” der Welle
Ψn = un , d.h., wir suchen x als Lösung von pµ xµ = 0. Ferner nehmen wir
an, dass px = py = 0 ist. Dann gilt Et − p · r = 0, d.h.
Et e
(78) z= ⇒ v= .
pz pz
Beide Teilchensorten mit positiver und negativer Energie bewegen sich
demzufolge in die gleiche Richtung. Folglich ist der Impuls −p einer Teil-
chens negativer Energie entgegengesetzt zur Ausbreitungsrichtung. Würde
2. DIRAC-GLEICHUNG FÜR EIN FREIES ELEKTRON 13

ein solches Teilchen von einem Target absorbiert werden, so würde die-
ses Target entgegengesetzt zur Flugrichtung des Teilchens beschleunigt
werden, was unserer Alltagserfahrung widerspricht.
(2) Zum anderen ergibt sich ein Problem durch Strahlungsübergänge. Ein
Atom kann beispielsweise nur so lange Licht emittieren, bis sich alle Hülle-
nelektronen in ihren Grundzuständen niedrigster Energie befinden. Doch
für Teilchen negativer Energie gibt es einen solchen Grundzustand nicht.
Sie könnten demnach durch Emission von Licht unbegrenzt viel Energie
verlieren.

Zustände positiver Energie


2
+m0 c

−m0 c2

Zustände negativer Energie

Einen Ausweg aus diesen beiden Widersprüchen bietet die Dirac’sche Löchertheo-
rie. Es wird davon ausgegangen, dass sich das gesamte System im Vakuum selbst
den Zustand niedrister Energie auswählt. In diesem Zustand sind alle Energieni-
veaus zu Lösungen negativer Energie besetzt. Die zentrale Idee der Dirach’schen
Löchertheorie ist also die Existenz eines sogenannten Dirac Sees, in dem alle Ein-
teilchenzustände negativer Energie besetzt sind. Dies führt zu einer neuen Inter-
pretation:

• Der Dirac-See ist physikalisch unbeobachtbar und charakterisiert das Va-


kuum.
• Die Energie des Sees setzen wir gleich Null.
• Die Abwesenheit eines Teilchens negativer Energie (−E, −pvec) wird als
Anwesenheit eines Antiteilchens positiver Energie (+E, +pvec) interpre-
tiert. Wegen der Impulserhaltung weisen Impuls und Geschwindigkeit des
Antiteilchens in die gleiche Richtung.
• Tragen die Teilchen zusätzlich eine elektrische Ladung, so tragen die An-
titeilchen die entgegengesetzte Ladung. Beispielsweise bezeichnet man die
Antiteilchen von Elektronen (e− ) als Positronen(e+ ), da sie eine positive
Ladung tragen.
• Die Dirac-Gleichung beschreibt lediglich eine Zweiteilchentheorie. Die Di-
rac’sche Löchertheorie benutzt aber implizit das Bild einer Vielteilchen-
theorie mit Pauliprinzip. Das Löcherbild läßt sich also nur konsistent in
einer quantenmechanischen Vielteilchentheorie formulieren.
• Teilchen und Antiteilchen rekombinieren zu Strahlung, z.B. durch die Re-
aktion e+ e− → 2γ.
• Die Umkehrreaktion γ → e+ e− ist aber nur mit Hilfe eines Atomkerns,
z.B. eines Kristallgitters, möglich.
14

3. Besetzungszahldarstellung für Fermionen

Die Dirac-Gleichung beschreibt nur zwei Teilchen, eines mit positiver und ei-
nes mit negativer Energie (dessen Abwesenheit als Anwesenheit eines Antiteilchens
gedeutet wird). Tatsächlich hat man aber viele Teilchen, die im Rahmen einer Viel-
teilchentheorie beschrieben werden müssen.
Exkurs: Die Anzahl der möglichen Einteilchenzustände hängt vom betrach-
teten System ab:
(1) In einem unendlichen Kontinuum gibt es unendlich viele Einteilchen-
zustände, wobei k beliebig sein kann und nicht abzählbar ist.
(2) Auf einem unendlichen Gitter gibt es ebenfalls unendlich viele Zustände,
wobei jedoch k auf dem Bereich |k| ≤ π/a eingeschränkt ist, wobei a
die Gitterkonstante ist.
(3) Ein endliches Kontinuum mit periodischen Randbedingungen besitzt
ebenfalls unendlich viele Zustände, die jedoch abzählbar sind. Bei-
spielsweise ist kx = 2πnx /Lx mit nx = 0, ±1, ±2, . . ..
(4) Ein endliches Gitter mit periodischen Randbedingungen besitzt end-
lich viele Einteilchenzustände. Zum Beispiel ist kx = 2πnx /Nx mit
nx = 0, ±1, ±2, . . . , ±(Nx /2 − 1), wenn die Anzahl der Gitterplätze
in x-Richtung Nx gerade ist, bzw. nx = 0, ±1, ±2, . . . , ±(Nx − 1)/1,
wenn Nx ungerade ist.
Im allgemeinen gilt also die Regel, dass die Anzahl der möglichen Einteil-
chenzustände der Anzahl der Freiheitsgrade des Systems entspricht. Obwohl
die Annahme eines Gitters für Elektronen zunächst unrealistisch erscheint,
gibt es dennoch Hinweise, dass die Anzahl der Einteilchenzustände endlich
sein muss. Die untere Längenskala ist dabei von der sogenannten Planck-
Länge vorgegeben. Sie beträgt etwa 10−35 Meter und sollte die Rolle ei-
ner kleinsten Länge analog zu einer Gitterkonstanten spielen. Die größte
Länge wiederum ist durch den Horizont des Universums vorgegeben, der et-
wa 10+25 Meter beträgt. Obwohl die Physik nahe der kleinsten und größten
Länge noch unbekannt ist, weist die Existenz dieser Längenmaßstäbe dar-
auf hin, daß die Annahme von abzählbar oder gar endlich vielen Zuständen
durchaus realistisch ist.

Jede Mode mit dem Impuls k wird durch eine eigene vierkomponentige Dirac-
Gleichung beschrieben. Der entsprechende Hilbertraum Hk ist demnach vierdimen-
sional und wird aufgespannt duch die Basisvektoren
(79) Hk = {| + Ek , ↑i, | + Ek , ↓i, | − Ek , ↑i, | − Ek , ↓i}
Zunächst lassen wir die Dirac’sche Löchertheorie noch außer Acht und bezeichnen
die Einteilchenzustände als
(80) |kτ σi ,
wobei k der Wellenvektor, τ = ±1 das Vorzeichen der Energie und σ = 2Sz = ±1
die Spinquantenzahl ist. Diese Einteilchenzustände leben in dem Vektorraum
M
(81) HEinteilchen = Hk .
k
Auf einem endlichen Gitter ist die Anzahl dieser Einteilchenzustände gegeben durch
Nx Nx Nx 4V
(82) N =4 = 3 .
a a a a
3. BESETZUNGSZAHLDARSTELLUNG FÜR FERMIONEN 15

Vielteilchenzustände mit n Teilchen lassen sich als Kombination von n Einteilchen-


zuständen schreiben:
¯ ®
(83) ¯ k1 τ 1 σ 1 , k2 τ 2 σ 2 , k 3 τ 3 σ 3 , . . . k n τ n σ n .

Diese Zustände leben in dem Vektorraum


n M
O
(84) HnTeilchen = A Hk ,
j
j=1 kj

wobei A der Antisymmetrisierungsoperator für Fermionen ist.

Bemerkung: Es ist wichtig, sich den Unterschied zwischen einer direkten


Summe ⊕ und einem äußeren Produkt ⊗ von Vektorräumen zu verge-
genwärtigen. Seien V1 und V2 zwei Vektorräume mit den Basen {e1 , e2 , e3 }
und {f1 , f2 , f3 }. Dann besitzt
V1 ⊕ V 2 die Basis {e1 , e2 , e3 , f1 , f2 , f3 } und
V1 ⊗ V 2 die Basis {e1 f1 , e1 f2 , e1 f3 , e2 f1 , e2 f2 , e2 f3 , e3 f1 , e3 f2 , e3 f3 }

Die direkte Summe tritt immer dann auf, wenn man den Zustandsraum
eines Objektes erweitert. Als Beispiel betrachten wir ein Teilchen in auf
einem Gitter, das in N verschiedenen Zuständen sein kann. Wenn man bei-
spielsweise das Gittervolumen verdoppelt, so verdoppelt sich die Anzahl der
Zustände gemäß einer direkten Summe. Das äußere Produkt hingegen tritt
auf, wenn man die Anzahl der Objekte vergrößert. Hier müssen dann alle
möglichen Einteilchenzustände miteinander kombiniert werden. Betrachtet
man beispielsweise zwei Bosonen auf dem vorgegebenen Gitter, so kann das
Gesamtsystem in N 2 Zuständen sein. Bei Fermionen ist wegen des Pauli-
Prinzips die Anzahl mit N (N − 1) geringer.

Im Fall von Bosonen könnte man auf den Antisymmetrisierungsoperator verzichten.


Die Anzahl der möglichen Zustände wäre hier N n . Für Fermionen ist die Anzahl
der möglichen Zustände jedoch geringer, denn das Pauli-Prinzip besagt, daß jeder
Einteilchenzustand nur einfach besetzt sein darf, d.h., keine zwei Teilchen dürfen in
allen Quantenzahlen (k, τ, σ) übereinstimmen. Die Anzahl der möglichen Zustände
von n Teilchen ist daher gegeben durch

n N!
(85) CN = .
n!(N − n)!
PN n
Insbesondere muß n ≤ N sein. Die Gesamtzahl aller Zustände ist n=0 CN = 2N .
Um diesen antisymmetrisierten Hilbertraum effizienter beschreiben zu können,
führen wir Erzeugungsoperatoren ein. Sei c† der Erzeuger eines Einteilchenzu-
k,τ,σ
stands mit energie τ E, Wellenvektor k und Spin Sz = ~2 σ. Um die Notation zu
straffen, führen wir die Abkürzungs des Zustands s (’state’) ein:
(86) s := {k, τ, σ}
Außerdem führen wir einen Zustand niedrigsten Gewichts |leeri ein, in dem weder
Zustände positiver noch negativer Energie besetzt sind. Wir erhalten dann:
16

Einteilchenzustände: |si = c†s |leeri


Zweiteilchenzustände: |s1 , s2 i = c†s1 c†s2 |leeri
...
n-Teilchenzustände: c†s1 c†s2 · . . . · c†sn |leeri

Wegen des Pauliprinzips soll es unmöglich sein, den gleichen Einteilchenzustand


zweimal zu erzeugen:
(87) c†s c†s = 0
Wenn man die Erzeugungsreihenfolge umdreht, soll sich wegen der Antisymmetri-
sierung des Zustandsraumes ein negatives Vorzeichen ergeben:
(88) c†s2 c†s1 = −c†s1 c†s2 .
Ebenso führen wir Vernichtungsoperatoren cs ein. Sie haben die Eigenschaften
cs |leeri = 0
(89) cs cs = 0
cs2 cs1 = −cs1 cs2
Zusammen mit den Erzeugern gilt:
(90) c†s cs + cs c†s = 1 .
Faßt man diese Relationen zusammen, so erfüllen cs und c†s die fermionische Algebra
{c†s1 , cs2 } = δs1 ,s2
(91) {c†s1 , c†s2 } = 0
{cs1 , cs2 } = 0
wobei die geschweifte Klammer den Antikommutator zweier Operatoren {A, B} =:
AB + BA bezeichnet.
Eine besondere Rolle spielt der Besetzungszahloperator c†s cs . Seine Eigenwerte
sind 1 (besetzt) und 0 (unbesetzt):
à n ! ½ ¾ ÃY
n
!
Y 1 wenn s ∈ {s 1 , s 2 , . . . , s n }
(92) c†s cs c†si |leeri = c†si |leeri
0 sonst
i=1 i=1

Wir kehren nun zur Dirac’schen Löchertheorie zurück. Das physikalische Vakuum
ist demnach gegeben durch
Y †
(93) |0i = |vaci = c |leeri ,
k,−1,σ
k,σ
d.h., alle Einteilchenzustände negativer Energie sind im Vakuum besetzt. Man führt
nun folgende Notation ein:
(94) c† := c†
k,σ k,−1,σ
ist der Erzeuger eines Teilchens (Elektrons), während

(95) d† := ck,−1,σ
k,σ
3. BESETZUNGSZAHLDARSTELLUNG FÜR FERMIONEN 17

der Vernichter eines Zustands negativer Energie, d.h. der Erzeuger eines Antiteil-
chens (Positrons) ist. Analog daze werden die Vernichtungsoperatoren c k,σ , dk,σ
definiert. Die Vertauschungsregeln dieser Objekte lauten
{c† , ck0 ,σ0 } = δk,k0 {d† , dk0 ,σ0 } = δk,k0
k,σ k,σ
(96) {c† , c† 0 0 } = 0 {d† , d† 0 0 } = 0
k,σ k ,σ k,σ k ,σ
{ck,σ , ck0 ,σ0 } = 0 {dk,σ , dk0 ,σ0 } = 0
sowie
(97) {c† , d† 0 0 } = {c† , dk0 ,σ0 } = {ck,σ , d† 0 0 } = {ck,σ , dk0 ,σ0 } = 0 .
k,σ k ,σ k,σ k ,σ
Der bis auf eine additive Konstante bestimmte Hamiltonoperator ist durch
X
(98) H= τ Ek,σ c† c + cosnt
k,τ,σ k,τ,σ
k,τ,σ
gegeben. Um die Konstante zu bestimmen, fordern wir, dass H|vaci = 0 ist:
X X
H|vaci = Ek,σ c† c |vaci = − Ek,σ |vaci
k,τ,σ k,τ,σ
k,τ,σ k,σ
(99) X
⇒ const = + Ek,σ
k,σ
Drückt man diesen Hamiltonoperator in den Erzeugern und Vernichtern c, d aus,
so erhält man
X X
H= τ Ek,σ c† c + Ek,σ
k,τ,σ k,τ,σ
k,τ,σ k,σ
X X
= Ek,σ c† ck,σ + Ek,σ (dk,σ d† − 1)
(100) k,σ k,σ
k,σ k,σ
X
= Ek,σ (c† ck,σ + d† dk,σ ) .
k,σ k,σ
k,σ

3.1. Darstellung der fermionischen Operatoren. Wir suchen eine Dar-


stellung der Erzeuger c†s und Vernichter cs , welche die fermionische Algebra
{c†s , cs0 } = δs,s0
(101)
{cs , cs0 } = {c†s , c†s0 } = 0
Für nur einen möglichen Zustand N = 1, d.h. ohne den Index s, gibt es die Dar-
stellung
µ ¶ µ ¶
† + 0 1 − 0 0
(102) c =σ = , c=σ = ,
0 0 1 0
wobei σ ± = 21 (σ x ± iσ y ) die Auf- und Absteigeoperatoren der Pauli-Algebra sind.
Der Zustandsraum ist zweidimensional und besitzt die Basis
µ ¶ µ ¶
1 0
(103) |leeri = , |1i = .
0 1
18

 
µ ¶ µ ¶ 1
0 1 1 0  1 
c†1 = σ + ⊗ 1 = ⊗ = 
0 0 0 1  

 
µ ¶ µ ¶
0 0 1 0  
c1 = σ − ⊗ 1 = ⊗ = 
1 0 0 1  1 
1
(104)  
µ ¶ µ ¶ 1
1 0 0 1  
c†2 = σ z ⊗ σ + = ⊗ = 
0 −1 0 0  −1 

 
µ ¶ µ ¶
1 0 0 0  1 
c2 = σ z ⊗ σ − = ⊗ = 
0 −1 1 0  
−1
+ −
Man beachte, dass die Operatoren σ und σ , welche die eigentliche Erzeugungs-
und Vernichtungsoperation bewerkstelligen, für c1 , c†1 von rechts und für c2 , c†2 von
links mit diagonalen Matrizen tensoriert werden. Im letzteren Fall verwendet man
jedoch keine Einheitsmatrix, sondern den Operator σ z . Wie man leicht nachrechnen
kann, stellt dieser Trick sicher, dass Operatoren mit verschiedenen Indices antikom-
mutieren.
Das obige Schema läßt sich leicht auf N Einteilchenzustände s = 1, . . . , N
verallgemeinern:
c†s = (σ z )⊗(s−1) ⊗ σ + ⊗ 1⊗(N −s)
(105)
cs = (σ z )⊗(s−1) ⊗ σ − ⊗ 1⊗(N −s) .
Das Tensorprodukt (σ z )⊗(s−1) zur linken Seite der Operatoren σ ± bezeichnet man
auch als Jordan-Wigner Faktor. Dieser Faktor stellt sicher, dass Operatoren mit
verschiedenen Indices antikommutieren.

4. Dirac-Gleichung im elektromagnetischen Feld

Da die Dirac-Gleichung (iγ µ ∂µ − m0 c)Ψ = 0 ein imaginäres i enthält, könnte


man der Meinung sein, daß die Dirac-Gleichung stets mit komplexwertigen Wel-
lenfunktionen einhergeht. Es ist jedoch möglich, eine Darstellung der γ-Matrizen
zu finden, die rein imaginär ist (→ Übung). Mit dieser Darstellung wird die Dirac-
Gleichung reell. Darüber hinaus bleiben Wellenfunktionen mit reellen Anfangswer-
ten während der gesamten Zeitentwicklung reell. Dies bedeutet, daß die Dirac-
Gleichung a priori keine elektrische Ladung trägt.
Komplexe Feldamplituden werden erst dann notwendig, wenn die elektrische
Ladung hinzukommt. Um die elektrische Ladung zu implementieren, werden zusätz-
liche innere Freiheitsgerade eingeführt. Diese haben die Gestalt einer komplexen
Ebene, in der sich jede Komponente des Feldes Ψ bewegen kann. Damit verknüpft
4. DIRAC-GLEICHUNG IM ELEKTROMAGNETISCHEN FELD 19

ist eine neue Symmetrie unter globalen Drehungen der Phaselage eiφ . Diese Sym-
metriegruppe bezeichnet man als U (1), die sogenannten unitären Transformationen
in einer Dimension. Diese Gruppe besitzt nur einen Generator, nämlich 1. Der Ei-
genwert dieses Generators ist eine Zahl, die proportional zur elektrischen Ladung
ist.
Wie gezeigt wurde, können elektrische Felder durch eine eichinvariante Ankopp-
lung des Viererpotentials eingeführt werden:
q
pµ → pµ − A µ
à ! c
³ q ´
(106)
γ µ pµ − Aµ −m0 c Ψ = 0
| {zc }
Πµ

Dabei wird Πµ als Bewegungsgröße bezeichnet.

...wird fortgesetzt.

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