Chronologiekritik: Otto Muck (1892-1956) Der geniale Katastrophist, auf den tischen Gedanken in schlüssiger Form. heraus, „Geburt der Kontinente“, das er selbst die neuesten Forschungen und Leider zitieren neuere Autoren meist nur selbst nicht mehr fertig gestellt hatte, Entwürfe nicht verzichten können, die 1976 erschienene, leicht entstellte ergänzt durch F. Wackers bis 1977, her- Otto Muck, hat seit 1935 eigene Wege Neuauflage des Buches (betitelt „Alles ausgegeben von Mario Muck und Ferdi- beschritten und ab 1943 in der Zeit- über Atlantis“, deren finanzieller Erfolg nand Wackers 1978 im Econ Verlag). schrift „Forschung und Technik“ vier – soviel sei am Rande verraten – dem Wie sehr das Ehepaar Alexander und bedeutende Artikel veröffentlicht, da- Verlag die Erstauflage von Uwe Toppers Edith Tollmann („Und die Sintflut gab nach in „Natur und Kultur“ (1948- „Erbe der Giganten“ 1977 zum selben es doch“, 1993) auf Muck fußen, hat 1950) seine Forschungen vorgestellt. In Thema ermöglichte.) schon Heribert Illig deutlich gemacht seinem populären Buch: „Atlantis - die Muck starb im Erscheinungsjahr (VFG 1994), der zu Recht von Plagiat Welt vor der Sintflut“ (1956) bringt er seines grundlegenden Werkes. Zwei gesprochen hat, zumal die beiden Au- dann seine umwälzenden katastrophis- Jahrzehnte später kam ein zweites Buch toren ihren berühmten Vorgänger auch
EFODON-SYNESIS Nr. 6/2005 7
Otto Muck ten gebracht worden sein können, sagt auf „wahrscheinlich kaum mehr als 6 bis Muck, ohne dass er diese Behauptung 20 Millionen Jahre, die man als tertiär aufstellen wolle. „Man sieht“, sagt Muck bezeichnen kann,“ zu verringern. zum Schluss, „dass hier eine vorgefasste Entsprechend sieht er auch die Eis- Meinung besteht, der die Deutung aller zeiten unmäßig überdehnt, etwa durch Fundergebnisse untergeordnet wird; diese Prof. Penck „um mehr als das Zweifache Meinung des Ex Oriente Lux - die für des wirklichen Zeitablaufes verschätzt. die physische Natur unbestritten bleibe - Genau auf dieser Fehleinschätzung be- lehnen wir mit derselben Entschiedenheit ruhen aber noch heute die gleichfalls und, wie wir glauben, mit besseren Grün- geschätzten Daten für die vier Hauptver- den ab als denen, die uns zur Glaubhaft- eisungsepochen des Quartärs. Sie ergeben machung solcher ägyptischer Importperlen einfach viel zu lange Zeiten.“ (S. 266) vorgesetzt werden.“ Auch wenn uns heute Mucks vor- Und nun zu Mucks Nachlasswerk sichtige Angriffe und Zeitverkürzungen „Geburt der Kontinente“, das im reiße- nur als Vorläufer von Interesse sein mö- rischen Untertitel des Taschenbuches gen, ist doch das völlige Verschweigen die falschen Leser anspricht: „Ein Pro- seiner Argumente – selbst Blöss kennt tokoll zum 8. Schöpfungstag“, wobei ihn nicht – ungerechtfertigt. Hinsicht- man ferner beachten sollte, dass Kap. lich der Kohleentstehung könnte er XII völlig und Kap. XXI weitgehend noch immer jeden Schullehrer zum durch die Herausgeber verfasst wur- Schweigen bringen (S. 160 ff ): „Die Kalenderstein im erzbischöflichen Museum in Ravenna, Marmor. den und inzwischen überholt sind. Im aktualistische Kohlenbildungshypothese (Ulrich Voigt, Das Jahr im Kopf, Likanas, Ham- Anhang gibt es ein „Wissenschaftliches beruht auf der Annahme gewaltiger Ab- burg 2003) Colloquium: Über absolute Zeitbe- senkungen der die Kohlenwälder tragen- stimmungen“, das sich mit der Radio- den Landschollen um mehrere tausend karbonmethode und entsprechenden Meter und immer wiederholter Aufschüt- physikalischen Versuchen zur Festle- tungen durch Sedimente ... Doch gerade noch verächtlich machen. Was ihnen diese Annahme ist geophysikalisch un- gut getan hätte und manchen anderen gung des absoluten Alters beschäftigt. Zwar greift Muck Libbys Technik der haltbar.“ Er führt dann das Amazonas- auch (eingeschlossen dem Rezensenten), becken als Musterbeispiel an, wo man wäre die Lektüre des zweiten Buches Karbonbestimmung nicht an, sondern glaubt an ihre Verlässlichkeit innerhalb nach der Lehrmeinung den Vorgang der von Muck: „Geburt der Kontinente“. Kohlebildung heute noch beobachten Obgleich es in sehr großer Auf lage kürzerer Zeiträume, baut aber ein ganz anderes, verjüngtes Schema der geo- müsste, was offensichtlich nicht zutrifft. erschien (1980 als Goldmann-Taschen- „Die Schwierigkeiten (der Hypothesen) buch), hat es doch nicht die notwendige logischen Phasen auf, das aufhorchen lässt. Leitfossilien besagen nichts über werden indessen beseitigt, wenn man Beachtung gefunden und ist heute fast die Möglichkeit einer weltumspannen- vergessen. Es enthält jedoch nicht nur das Alter der Sedimentschicht, in der sie gefunden werden (S. 261): „Alle den Katastrophe mit allen dramatischen geophysikalisch höchst erstaunliche Schichten, vom Präkambrium bis zum Begleitumständen als diskussionsfähig Durchblicke und Entwürfe, besonders Erdtertiär, sind hinsichtlich ihrer Umla- erklärt.“ Und dafür hat er ja in seinem zur früheren Achsenstellung der Erde gerung auf den jetzigen Fundort praktisch ersten Buch wahrlich genügend „Fakten, und zum Mondeinfang, sondern auch gleich alt, denn sie verdanken ihr Dortsein Dokumente, Argumente und quantitative eine starke Zeitverkürzung, die für den derselben eozänen Katastrophe. Schon da- Resultate herbeigeschafft“. damaligen Erkenntnisstand revolutio- rum könnten die radiologisch ermittelten Auch Muck begeht den Fehler, seine när gewirkt haben muss. Altersbestimmungen, die zwischen 10 Vorgänger nicht zu würdigen, und stellt Das chronologische Problem hatte und 2000 Millionen Jahren schwanken, eine neue Kohleentstehungserklärung Muck schon sehr früh erkannt, wie die nicht richtig sein. Sie sind es auch nicht. auf, die m. E. nicht entfernt an die ge- scharfe Kontroverse zeigt, die er mit Die ‚Uranium-Thorium-Uhr‘ hat zwar niale Erklärung Hörbigers heranreicht. dem deutschen Felsbilderpapst Herbert ein richtig gehendes Laufwerk – aber ein Auf S. 82 schiebt er Hörbigers Welteis- Kühn ausfocht: In der Monatszeitschrift loses Ziffernblatt, dessen Fixierung bisher lehre mit einem knappen Satz beiseite, „Germanien“ (März 1939, S. 134) unter aussichtslos ist.“ bringt dann aber das Phänomen des der Überschrift „Hieb und Stich“ stellt Abschätzungen auf Grund der Iso- Mondsturzes mit denselben Fachaus- Muck fest, dass das „Problem der Chro- tope ergeben Daten, die vom Standort drücken, die Hörbiger geprägt hat, in nologie in der Vorgeschichte“ ganz ent- abhängig sind, nicht vom tatsächlichen Kap. XIV, als wären es seine eigenen gegen der eifrigen Behauptung von Prof. Alter. Und weiter (S. 265): Da die Ver- Gedanken. Da dieses Phänomen, dem Dr. Herbert Kühn keineswegs gelöst änderungen der Erdachsenneigung kei- der Rezensent mit einem Vortrag zur ist. Kühn hatte eine Entdeckung vorge- ner geradlinigen sondern eher einer Ex- Gründung des Berliner Geschichts- stellt, „die erstmals exakte Datierungen ponentialkurve entsprechen, sind Rück- salons 1994 abhelfen wollte, bis heute erlaubt“ (in: Forschungen und Fort- wärtsberechnungen nahezu unmöglich, fortbesteht, nämlich der Ausschaltung schritte, Nr. 28, S. 310). Kühn verlässt zumindest käme man zu „geringeren als von Hörbigers Gedankenwelt (die mehr sich auf die ägyptische Chronologie, in- den offiziellen Werten“, wobei auch „die zur Wiederbelebung des Katastrophis- dem er die in Mitteleuropa gefundenen flach elliptische Bahn des Mondes um die mus beigetragen hat als alle späteren ägyptischen Perlen als Zeitmarkierung Erde und das nur langsame Einnehmen Versuche), kann man auch Muck nur in anwendet, und erkennt so auch gleich, seiner heutigen Position zu berücksichti- der Reihe der kleineren Vorstöße sehen, dass die europäische Metallurgie zwei gen wären.“ Muck erlaubt sich deshalb, die trotz erstaunlicher Popularität ohne Jahrtausende später als die orientali- schätzungsweise die K/T-Grenze, also Folgen für die Wissenschaft geblieben sind. sche einsetzte. Genauso gut hätten die Perlen durch die Seevölker nach Ägyp- das Alter des Eozän, das immer noch bei 63 Millionen Jahren gesehen wird,