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eDossier 01.13 Ideen und Know-how für Design, Werbung, Medien


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eDossier
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eDossier0113

GELD ODER LEBEN


SELBSTBESTIMMT ARBEITEN
UND DEN SPASS
AM JOB BEHALTEN
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Foto: gravity GmbH, München


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Geliebte
Stressfabrik
n Kreativ kann nur sein, wer sich voll Selbstbestimmt arbeiten – in kaum einem Entscheidende Voraussetzung, um
und ganz auf ein Projekt einlässt, und die Fäden in der Hand zu behalten:
das kostet Nerven und Nachtschich-
Bereich ist dies so gut möglich und gleich- Wisse, was du willst. „Der erste Schritt
ten – sorgt aber auch für Adrenalin zeitig so schwer wie in der Kommunikations- besteht darin, sich klarzumachen, was
und Erfüllung. „Ich liebe meinen Job branche. Wir geben Tipps, wie sich einem eigentlich wichtig ist. Betreiben
und will die Party nicht gerade dann Sie Ihr eigenes Erwartungsmanage-
verlassen, wenn’s am schönsten ist“, Berufs- und Privatleben, kreative Entfaltung ment!“, rät der Psychologe Thorsten
sagt Ralf Heuel, Kreativgeschäftsführer und ökonomische Notwendigkeit ins Gleich- Rexer (siehe Seite 6). Wer sich daran
bei Garbarz & Partner in Hamburg. Weil hält, besitzt gute Chancen, selbstbe-
die Arbeitszeiten in Agenturen den 9-
gewicht bringen lassen stimmt zu bleiben. Ob man als freier
to-5-Alltag aus anderen Branchen weit Kreativer arbeitet, Chef oder Mitarbei-
überschreiten, spielt gerade für Kreative die Identifikation ter einer Agentur ist, spielt dabei keine Rolle. Im Folgenden
mit dem Job eine zentrale Rolle. Ideen sprudeln eben nicht stellen wir unterschiedliche Modelle für selbstbestimmtes
auf Knopfdruck. Und dennoch: So groß die Liebe zum Beruf Arbeiten vor, lassen uns von Experten erklären, wie gute
auch ist – auch in der Design- und Werbebranche wächst Teamarbeit gelingt und wie man Gehälter und Honorare
das Bewusstsein für die Ausgeglichenheit zwischen Priva- richtig verhandelt. Und da Geld nicht alles ist, zeigen wir
tem und Beruflichem. Karriere ja, aber nicht zu jedem Preis auch, wie man als Kreativer den Spaß an der Arbeit behält
und auf keinen Fall ferngesteuert. und Beruf und Familie möglichst stressfrei vereinbart.  jf
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Wir und ich


Gute Arbeit leisten nur Teams, in denen die Chemie stimmt – wer ein Standing
im Job erreichen will, muss aber auch klare Ansagen machen können

n Wo Ideen entwickelt, Innovationen vorangetrieben und back der Kunden abhängig. „Wenn ich weiß, dass ein Auf-
Menschen mit Kampagnen begeistert werden sollen, muss traggeber Vertrauen in uns hat, wenn unsere Meinung
es Reibungspunkte geben. Kuschelkurs in der Kreativbran- zählt, obwohl sie provoziert, und wenn der Kunde uns als
che funktioniert nicht. Und trotzdem: Kreativ arbeiten be- Berater sieht, dann weiß ich, dass wir einen guten Job ma-
deutet in den meisten Fällen auch im Team arbeiten, und chen – auch wenn nicht jeder Teilauftrag reine Selbsterfül-
zwar nicht selten bis in die Nacht hinein. Einzelkämpfer kom­ lung ist, sondern oft vor allem der Kundenbindung dient.“
men über die ersten Stufen der Karriereleiter meist nicht hi­ Ihre Agentur gravity haben die vier vor zweieinhalb Jah-
naus, das bestätigt auch der Unternehmenscoach Thorsten ren gegründet – mitten in die Krise hinein. „Damals ging es
Rexer (siehe Seite 6). Wer sich selbst verwirklichen und zu- ums blanke Überleben“, erzählt Vicky Arndt. Heute weiß sie,
gleich mit den Kollegen klarkommen will, braucht in der dass ihre Erwartungen sich in ihrem Arbeitsmodell erfüllen
Agenturwelt zweierlei: fachliches Know-how und soziale lassen. „In einer kleinen Agentur geht es weniger politisch
Kompetenz „Unsere Branche ist immer noch ein People’s zu, Hierarchien spielen eine untergeordnete Rolle.“ Für ein
Business“, sagt der Werberegisseur Florian Meimberg. „Und starkes Miteinander gibt es bei gravity regelmäßige Feed-
nur wenn es zwischenmenschlich passt, kann sich die Krea- backrunden. Vor allem jungen Mitarbeitern gegenüber müs­se
tivität eines Projekts auch frei entfalten.“ man dabei reflektiert auftreten und dürfe auf keinen Fall den
Als sich Florian Meimberg vor zwei Jahren als Regisseur Chef raushängen lassen, meint Arndt – und gesteht selbst-
selbstständig machte, war das für ihn wie ein Befreiungs- kritisch, dass sie die nötige Gelassenheit noch lernen muss.
schlag. Nicht dass ihm die gestalterische und konzeptionel­
le Arbeit in Agenturen keinen Spaß gemacht hätte – immer­ Austausch auf Augenhöhe muss sein, so viel steht fest.
hin hielt er es 12 Jahre lang in den großen Networks aus. „Die Doch sind Design- und Werbeagenturen keine Waldorf-Kin-
Entscheidung war inhaltlicher Art“, er- dergärten, und nicht jede Entscheidung
klärt der heute 35-Jährige. „Ich bin in kann demokratisch getroffen werden.
die Werbung gegangen, weil ich Filme Wer im Job selbstbestimmt bleiben
machen wollte“ – bis er selbst als Re- möch­te, muss lernen, Nein zu sagen.
gisseur arbeiten würde, war es also ei- „Am besten schafft man das, indem
gentlich nur eine Frage der Zeit. Trotz man es macht“, sagt Marc Wirbeleit,
der inhaltlichen Erfüllung gibt Meim- langjähriger ADC-Vorstand. „Manchmal
berg aber zu: Selbstständig heißt nicht ist man nicht der Richtige für einen Job,
zwangsläufig selbstbestimmt. manchmal hat man auch einfach keine
Mit dem Austritt aus einem festen Lust. In beiden Fällen muss man absa-
Angestelltenverhältnis kommen neue gen können, ohne sein Gegenüber zu
Einschränkungen auf jeden Kreativen enttäuschen“, erklärt er. Denn ein Nein
zu. Zum einen sind da die Probleme mit an der richtigen Stelle sei immer bes-
dem lieben Geld (siehe Seite 8 f.), zum ser als ein Ja an der falschen.
anderen muss man sich sein Standing Für Marc Wirbeleit findet selbstbe-
als freier Kreativer erst einmal erarbei- stimmtes Arbeiten als freier Texter in
ten. Der ein oder andere Job für einen Hamburg statt und bedeutet vor al­lem,
Kunden, der vielleicht nicht gerade auf dass er sein Unternehmertum beliebig
der Wunschliste steht, gehört dazu. „So ausweiten kann. Zwar dürfe man sich
weit, dass ich mir die Aufträge kompro­ nicht unter Wert verkaufen – Honora­re
misslos aussuchen kann, bin ich noch seien das, was beim Auftraggeber hän­
nicht“, so Meimberg. Seinen Erfolg im gen bleibt. „Trotzdem gibt es Jobs, die
Job misst er daran, wie zufrieden er ich mir gönne, auch wenn sie ökono-
mit dem Ergebnis einer Arbeit ist, und misch nicht so sinnvoll sind.“ Und wenn
das hängt wiederum zum großen Teil das keinen Ausgleich schafft, kann man
vom Feedback des Auftraggebers ab. sich die Aufgaben selbst suchen. Vor
„Was wir in der Kommunikationsbran- zwei Jahren hat er mit seiner Frau zu-
che machen, ist ja kein Selbstzweck.“ „Wenn sich das goldene sammen begonnen, eigene Artikel zu

Ähnlich sieht das Vicky Arndt. „Als Hamsterrad immer entwerfen und zu vertreiben. Erstes
Produkt von lil’ things sind Reflektor-
ich noch in Agenturen gearbeitet ha-
be, konnte ich meinen Ruf in der Bran-
schneller dreht, sollte man sticker für Kinder (www.lilthings.de).

che teilweise anhand von Awards mes­


sen“, sagt die Designerin. Heute ist die
sich Gedanken machen“ Frei arbeiten, sein eigener Chef sein –
das klingt verlockend. Andererseits be­
36-Jährige mit drei Partnern Inhaberin Helge Knieß, Artdirektor bei deutet es auch, dass man sich nicht
einer eigenen Agentur und vom Feed- Leo Burnett in Frankfurt am Main nur um Businesspläne und Auftrags-
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„Selbstständig heißt nicht Nachgefragt


zwangsläufig selbstbestimmt“ Bei Matias Jahn, der kürzlich Kreativchef
der Heye-Group geworden ist
Florian Meimberg, freier Regisseur,
Düsseldorf (www.florian-meimberg.com) Was bedeutet selbstbestimmt arbeiten für Sie?
Matias Jahn: Aufträge ablehnen können. Allzu
akquise alleine kümmern muss, sondern auch um Themen häufig darf man das allerdings auch nicht ma-
wie Fort- und Weiterbildung. Fachkongresse und Konfe- chen, sonst fragt einen keiner mehr. Für Freelan-
renzen sind teuer und oftmals nicht mit dem vollen Stun- cer ist das natürlich einfacher als für Festange-
denplan eines erfolgreichen Kreativen zu vereinbaren. Als stellte in einer Agentur.
Alternative zwingen sich die Partner von gravity beispiels- Wie kann man den Spaß an der Arbeit behalten?
weise, wenn sie selbst Vorträge halten, jedes Mal neue In- Indem man tut, was einem richtig erscheint. Zum
halte zu erarbeiten – auch eine Form der Weiterbildung. Beispiel bei Jung von Matt gehen, wenn man das
Ohnehin kommt in der Kreativbranche nur voran, wer es Gefühl hat, nichts Neues mehr zu lernen. Nicht
sich mit dem Status Quo seines Wissens nicht gemütlich klammern, sondern ins kalte Wasser springen.
macht. „Jeder hat einen individuellen Weg, zu guten Leis- Nicht über Networks lästern, sondern selbst in ei­
tungen zu kommen“, sagt Helge Knieß, Artdirektor bei Leo nem arbeiten – schon um die Unterschiede wirk-
Burnett in Frankfurt. Er weiß: Auch in großen Netzwerkagen­ lich kennenzulernen. Alles ernst nehmen, aber
turen können Kreative sich verwirklichen. „Auf Dauer sollte nichts persönlich. Und: möglichst selten aufregen.
das Verhältnis zwischen Kollegen und Vorgesetzten einfach Gehen Job und Freizeit bei Ihnen ineinander über?
passen“, meint Knieß. Der Erfolg einzelner Mitarbeiter soll- Schon. Ich höre ja nicht plötzlich auf zu denken.
te von der Agentur honoriert werden, etwa in Form von Se- Also kann ich auch nicht verhindern, dass mir ei-
minaren und Fortbildungen. „Wenn aber das einzige Ergeb- ne Idee unter der Dusche einfällt. Ja, ich checke
nis ist, dass sich das goldene Hamsterrad nur noch schnel- auch am Wochenende Mails, aber ich beantworte
ler dreht, sollte man sich Gedanken machen“, warnt Knieß. nicht jede. Und natürlich ist das Telefon auch mal
Wenn die Kommunikationsbranche ein People’s Busi- aus, dafür gibt’s ja die Mailbox.
ness ist, dann lebt sie von den Menschen und ihren Kontak- Würden Sie für Kunden arbeiten, von deren Ideen,
ten. In kaum einem anderen Wirtschaftszweig dürfte es so Produkten oder Firmenphilosophie Sie nicht
wichtig sein, dass sich die Akteure kennen, untereinander restlos überzeugt sind?
austauschen und Netzwerke bilden. Um fest in der Branche Ich war noch nie restlos von irgendetwas über-
verankert zu bleiben, kümmert sich Florian Meimberg mit zeugt; wer keine Zweifel mehr hat, ist nicht mehr
Nachdruck um sein Netzwerk – offline und vor allem online. neugierig. Das gilt für Kunden und Produkte ge-
Er hat mehr als 1000 Facebook-Freunde, seinen beiden nauso wie für Kollegen und Ideen. Berührungs-
Twitter-Accounts folgen insgesamt über 13 000 Personen. ängste habe ich keine, solange ein Kunde ernst-
„Früher haben mich viele deshalb belächelt“, schmunzelt haft gute Kommunikation machen will. Mit einer
der Social-Media-Bekenner. „Doch diese Plattformen ver- Ausnahme: Ganz am Anfang meiner Karriere, als
netzen uns, halten uns inhaltlich auf dem neusten Stand und Juniortexter, fragte mich Jean-Remy von Matt ein-
erlauben direkte Reaktionen auf Projekte, Fragen und Dis- mal, ob es etwas gebe, wofür ich nicht arbeiten
kussionen.“ Wer als Freelancer nicht den Großteil seiner würde. „Waffen“, habe ich gesagt, und dann
Zeit in Agenturen verbringt, ist allein. „Das klingt banal, wird musste halt jemand anders die Kampagne für die
aber von vielen unterschätzt“, weiß Marc Wirbeleit. Für ihn ist Deutsche Aerospace machen.  ant
Face­book auch Ersatz fürs tägliche Treffen in der Teeküche.jf
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„Einzelkämpfer werden von


Chefs nicht bevorzugt!“
Der Diplom-Psychologe, Berater und Unternehmenscoach Thorsten Rexer gibt
Tipps fürs berufliche Beziehungsmanagement

n Vor allem in der Kreativbranche ist Überstunden und Wochenendarbeit


Teamwork das A und O. Mit seiner Fir- sind in der Kreativbranche normal. Wie
ma Rexer und Roth begleitet Thorsten kann ich Grenzen ziehen und diese vor
Rexer Veränderungen in Organisatio­ dem Chef und den Kollegen verteidigen?
nen, unterstützt beim Umgang mit Kon­ Das Problem ist, dass die meisten ihre
flikten und gibt Teamentwicklungsse- Grenzen nicht kennen. Der erste Schritt
minare (http://rexerundroth.de). besteht darin, sich selbst klar zu ma-
chen, was einem wichtig ist. Betreiben
Wenn Sie von einem Unternehmen Sie Ihr eigenes Erwartungsmanage-
eingeladen werden, drückt ment. Das heißt: Machen Sie sich Ihre
dort offenbar der Schuh. Was sind Erwartungen bewusst und legen Sie
die häufigsten Probleme? fest, wie Sie mit denen von Chefs und
Thorsten Rexer: Meistens geht es da­ Kollegen umgehen. Denn glaubwürdig
rum, Prozesse, die auf dem Papier exis­ argumentieren können Sie nur, wenn
tieren, auch in der Praxis zu verankern. sie sich selbst sicher sind.
Dabei spielen wir aber nicht Feuer- Gut. Aber wie setze ich meine
wehr – die meisten Verantwortlichen Vorhaben im Arbeitsalltag um?
sind sich darüber bewusst, dass sie „Es geht nicht darum, den Soziale Kompetenz kann man lernen
bereits zu Beginn von Organisations- und trainieren. Ein Beispiel dafür ist ei­
veränderungen professionelle Unter- Gutmenschen zu spielen, ne vierstufige Strategie für gewaltfreie
stützung brauchen. Kommunikation, die Sie nutzen kön-
Liegt es denn eher an den Chefs oder sondern darum, Verbindlich- nen, wenn sich die Erwartungshaltung
an den Mitarbeitern, wenn Strukturen eines Kollegen nicht mit Ihrer deckt.
nicht funktionieren? keiten zu schaffen“ Wie sieht das konkret aus?
Das bedingt sich gegenseitig. Wenn es Erstens: Wiederholen Sie die Forde-
etwa um Veränderungen geht, rücken Führungskräfte nicht ger­ rung des Kollegen und schildern Sie, wie diese bei Ihnen
ne mit Informationen heraus. Das führt dazu, dass Mitarbeiter angekommen ist. Zweitens: Beschreiben Sie, wie Sie sich
sich eigene Gedanken machen und es zu Unmut kommen kann. damit fühlen. Drittens: Formulieren Sie Ihre eigenen Bedürf­
Apropos Unmut: Häufig stehen sich die Harmonie im Team und nisse. Viertens: Schlagen Sie sinnvolle Lösungen vor. Denn
der Hunger nach Erfolg Einzelner im Wege. Wie erarbeite mit Ausreden kommen Sie auf keinen Fall weiter.
ich mir eine Position, ohne dass dies auf Kosten anderer geht? Das klingt ein bisschen nach Therapie. Im stressigen Agentur-
Wer auf die Karriereleiter klettern will, sollte wissen, dass man alltag fehlt dafür wohl die Zeit.
als Einzelkämpfer nicht weit kommt. Darüber ist man sich heu- Das höre ich oft bei dieser Methode. Sie ist aber keineswegs
te auch in den Führungsetagen einig. Einzelkämpfer werden ein therapeutisches Gespräch. Wir reden hier über zwei, drei
von Chefs nicht bevorzugt! Sätze, die, wenn man sie richtig anbringt, die Schärfe und
Auch nicht, wenn sie in ihrem Job sehr gut sind? das Tempo aus einer potenziellen Konfliktsituation nehmen.
Große Fachexpertise ist natürlich ein dicker Bonus im Job. Was raten Sie Arbeitnehmern, denen es trotzdem noch
Aber man sollte sich nicht auf seinem Wissen und seinen be- besonders schwer fällt, Nein zu sagen?
ruflichen Fähigkeiten ausruhen. Meiner Erfahrung nach haben Mitarbeiter, die im Job keine
Sondern? Bitte ausschlagen können, im Privatleben oft dasselbe Pro-
Gute Beziehungen sind heute von entscheidender Bedeu- blem. Üben Sie, Nein zu sagen, und zwar nicht erst im Ernst-
tung, und man muss an ihnen arbeiten. Suchen Sie Kontakt zu fall. Probieren Sie es gegenüber Ihrem Partner oder anderen
Kollegen, helfen und unterstützen Sie sich gegenseitig. Dabei vertrauten Personen aus und beobachten Sie, was passiert.
geht es nicht darum, den Gutmenschen zu spielen, sondern Im Strudel der Arbeitswelt geben Rituale Halt. Können Sie
darum, Verbindlichkeiten zu schaffen. Frei nach dem Motto eines empfehlen?
„Wie du mir, so ich dir.“ Gerade wenn in Teams gearbeitet wird, halte ich eine regel-
Sich ein gutes Standing zu erarbeiten, ist eine Sache. Es zu mäßige Morgenrunde zu einem festen Zeitpunkt für sinn-
behalten eine andere. voll. Diese soll nicht die Konferenz oder das Meeting erset-
Richtig. Deswegen sollte man sein Beziehungsmanagement zen, sondern ist ein Fixpunkt im Arbeitsalltag. Fünf Minu-
auch ständig fortführen und sich weiterentwickeln. Wenn Sie ten täglich reichen aus, um sich über anstehende Aufgaben
das Gefühl haben, etabliert zu sein, übernehmen Sie ruhig mal auszutauschen oder um etwa neue Kollegen vorzustellen.
die Sprecherrolle für Ihr Team, ergreifen Sie im Meeting das Besonders in der Kommunikationsbranche wechseln die
Wort für die Belange der Kollegen. So stechen Sie aus der Masse Konstellationen häufig, da kann eine solche Morgenrunde
heraus und arbeiten an Ihrem Erfolg. das Arbeitsklima extrem verbessern.  jf
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Gutes Geld
Genug verdienen und trotzdem den Spaß am Job nicht verlieren – wer diesen
Balanceakt bewältigt, hat gute Chancen auf einen erfüllten Arbeitsalltag

n Ohne Geld gibt’s auch kein selbst- Aus eigenen leidvollen Erfahrun­
bestimmtes (Arbeits-)Leben. Wer enga­ gen aus den Anfängen der Agentur
giert und kreativ schuftet, ohne sich entstand bei Artivista ein digitales Zei-
da­bei gut oder wenigstens gerecht ent­ terfassungssystem, das gut funktio-
lohnt zu fühlen, bekommt schnell ein niert. So gut, dass Marco Wilhelm Linke
Gefühl von Fremdbestimmtheit. Aber beschloss, ein Buch zum Thema zu
wie viel ist gerecht entlohnt? Festan- schreiben. „Design kalkulieren“ ist die-
gestellte haben es da etwas einfacher sen Sommer im Verlag Books on De-
als Freiberufler. Gespräche mit Kolle- mand erschienen und jedem Krea-
gen oder Bekannten in vergleichbarer tiven zu empfehlen (19,50 Euro, isbn
Position geben ebenso einen Überblick 978-3839166468).
wie Gehaltsanalysen von Unternehmen
wie Personalmarkt.de oder Statistiken Kaum ein Kreativer sucht sich seinen
von Berufsverbänden. Beruf des Geldes wegen aus. Trotz-
Erst kürzlich online gegangen ist die dem kann man keine Agentur führen,
Site www.companize.com, die nicht nur ohne auf das Finanzielle zu achten. Es
konkrete Gehaltsvergleiche liefern, son­ ist eine Gratwanderung zwischen kre-
dern als Netzwerk für Arbeitnehmer ativer Freiheit und verantwortungs-
fungieren will. „Der Gehaltsvergleich vollem Wirtschaften. „Die Projekte, die
steht zunächst im Vordergrund. Die wir betreuen, müssen uns gefallen,
Chance, den eigenen Verdienst mit dem wir versuchen, ein gutes Gleichgewicht
von Kollegen aus derselben Stadt oder, zwischen persönlicher Zufriedenheit,
noch besser, beim eigenen Arbeitge- hoher Arbeitsqualität und ordentli­cher
ber zu vergleichen, ist in Deutschland Bezahlung hinzubekommen“, erklärt
bislang einzigartig“, erklärt Geschäfts- Tom Ising, der Herburg Weiland 2000
führer Jens Sander, der Companize in zusammen mit Martin Fengel und Ju-
Kooperation mit fünf anderen Ber­liner
Internetexperten entwickelt hat. Das „Gerade kleinere Dinge dith Grubinger gegründet hat. Was
sich für manchen nach einer Wunsch-
An­gebot ist für Mitglieder kostenfrei,
finanziert wird das Start-up durch die
schätzt man oft falsch ein, weil vorstellung anhört, klappt bei den
Münchnern heute gut. Als die drei Kre-
Gründer selbst. In Zukunft sollen Zu-
satzdienste und Werbung für Einnah-
man gar nicht darüber nach- ativen die Agentur an den Start brach-
ten, nahmen sie auch Jobs an, die sie
men sorgen.
Freiberufler haben es etwas schwe­
denkt, wie viel Zeit sie wirklich inzwischen nicht mehr machen wür-
den. „Das war damals völlig okay, wir
rer. Zwar gibt es den Vergütungstarif-
vertrag für Designleistungen der AGD
in Anspruch nehmen“ mussten ja erst mal Erfahrung sam-
meln und Geld verdienen. Heute kön-
(isbn 3-925812-01-6) oder den Honorar­ Marco Wilhelm Linke, Mitbegründer des Werbeateliers nen wir wählerisch sein und sind es
rechner des BDG (www.bdg-designer. artivista in Potsdam (www.artivista.de) auch.“ Das mag für manchen arrogant
de/pages/widget.htm), aber natürlich klingen, für Tom Ising ist es lediglich ei-
können diese nur Richtwerte liefern (siehe PAGE 04.10, Sei- ne Strategie, um den Spaß an der Arbeit zu behalten. „Was
te 28 ff.). Vielen selbstständigen Designern gelingt es nicht, nützen einem die höchsten Honorare, wenn man sich mit
den Aufwand, den sie in ein Projekt stecken müssen, richtig Dingen beschäftigen muss, die einem nicht gefallen?“
einzuschätzen. Marco Wilhelm Linke, Mitbegründer des Wer­
beateliers artivista in Potsdam, empfiehlt, einen Stunden- Dass die Umsätze saisonal schwanken, kann Herburg Wei-
zettel zu führen und eine Weile jeden Tag alle Tätigkeiten land gut verkraften. „Die letzten beiden Jahre waren groß-
dort einzutragen. So bekommt man einen Überblick darüber, artig, was die Qualität unserer Projekte anging. Wir haben
wo die Zeit geblieben ist. „Gerade kleinere Dinge schätzt zum Beispiel viele schöne und erfolgreiche Bücher gestal-
man oft falsch ein, weil man gar nicht darüber nachdenkt, tet. Ein Vermögen ist mit solchen Aufträgen nicht zu verdie-
wie viel Zeit sie wirklich in Anspruch nehmen. Da bittet ein nen, denn Zeitaufwand und Honorar stehen leider in kei­
Kunde darum, noch mal schnell ein Bild auszutauschen, und nem realen Verhältnis.“ Aber wenn man Arbeiten für große
man geht davon aus, das ist in zwei Minuten erledigt, dabei Unternehmen wie den Münchner Rückversicherer Swiss Re
dauert es dann doch mindestens eine Viertelstunde.“ und kleinere Low-Budget-Projekte, etwa Kataloge für be-
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freundete Künstler, mischt, entsteht


eine gesunde finanzielle Balance.
Die Kreativen vermeiden jedoch
Jobs, bei denen der Kunde sein eigenes
Produkt nicht richtig versteht oder ver­
sucht etwas durchzuboxen, was keinen
Sinn macht. „Gerade haben wir ein gro­
ßes Projekt mittendrin abgesagt, weil
es einfach nicht funktionierte. Trotz-
dem weiterzumachen wäre Unsinn ge­
wesen, weil so keine guten Ergebnisse
entstehen können. Manchmal merkt
man das eben erst, wenn man schon
angefangen hat“, so Tom Ising.

Obwohl er sich rundum selbstbe-


stimmt fühlt, ist Thomas Ising der Be-
griff Burn-out nicht fremd. Allerdings
nicht im Sinne von „Mir fällt nichts mehr
ein“. Damit hat er kein Problem und
entsprechend auch nicht das Bedürf-

Foto: Julian Baumann


nis, ab und zu komplett offline zu sein.
„Mit dem iPhone bekommt man ja eh
immer alles mit. Ich finde es ganz gut
zu wissen, was passiert, reagiere aber
am Wochenende oder im Urlaub nur in
den dringendsten Fällen auf E-Mails
oder Anrufe. Meine Handynummer ist „Was nützen einem die höchs- es hinsichtlich der Kreativität keinen
großen Unterschied. Arbeitet man mit
auch nicht vielen Kunden bekannt.
Wenn es etwas ganz Wichtiges gibt,
ten Honorare, wenn man sich Kunden, ist man an dessen Bedürfnis­
se und Wünsche gebunden und daher
ruft mich jemand aus dem Büro an.“
An die Grenzen der Belastbarkeit
mit Dingen beschäftigen muss, kreativ eingeschränkt.“ Da bei Eden-
spiekermann die Hierarchien möglichst
kam Tom Ising vor anderthalb Jahren.
Er hatte gerade begonnen, dem Eltern­
die einem nicht gefallen?“ flach gehalten werden, fallen viele Ent­
scheidungen in der Gruppe, besonders
magazin „Nido“ ein grafisches Gesicht Tom Ising, Mitbegründer der Agentur Herburg Weiland in bei großen Projekten. Kleinere Projek­te
zu geben, und arbeitet parallel am Re- München (www.herburg-weiland.de) und Teilprojekte werden dagegen völ-
design des „Musikexpress“. Gleichzeitig lig eigenverantwortlich durchgeführt.
fragte Axel Springer an, ob er Lust hätte, einen Relaunch Und so gibt es von allem etwas: Selbstbestimmung und Kom­
des „Rolling Stone“ zu übernehmen, und Dennis Buchmann promisse, Spaß, stilles Nachdenken und kreatives Chaos –
wollte ihn für die Artdirektion des Magazins „Human Glo- dieser Mix ist es, der den Job interessant macht.
baler Zufall“ gewinnen. Dazu die Arbeit in der Agentur und Auch die Agentur kümmert sich darum, dass ihre Ange-
zwei Kleinkinder, da war die Grenze erreicht. Tom Ising zog stellten die Freude am Job behalten: indem sie versucht,
schweren Herzens die Notbremse und sagte Springer und die Arbeitsbereiche und Projekte, an denen die Designer
Dennis Buchmann ab. Und so hat der 39-Jähri­ge, der an- arbeiten, möglicht oft zu variieren. Julia Sysmäläinen ist es
sonsten ziemlich wunschlos glücklich zu sein scheint, doch außerdem wichtig, dass sie Raum für freie Projekte hat und
einen Wunsch: ein Sabbatical, um einfach mal ein Jahr mit Gestaltungsarbeit und Lehre koppeln kann – seit einigen
der Familie zu reisen, solange die Kinder noch klein sind. Jahren unterrichtet sie Typografie, Informations- und Cor-
porate Design am finnischen Institute of Design in Lahti.
Auch als Festangestellte muss man sich nicht zwangsläu- Daraus resultiert auch ihr größter Wunsch, der sich – anders
fig fremdbestimmt fühlen, weiß Julia Sysmäläinen, die als als der von Tom Ising – wohl eher nicht realisieren lässt: „Die
Designerin bei Edenspiekermann in Berlin arbeitet und frü- Geografie könnte besser sein. Lägen Finnland und Berlin
her als Freelancerin tätig war. „Zwischen fest und frei gibt nicht so weit auseinander, wäre einiges einfacher.“  ant
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„Einfach mal die Klappe halten“


Cordula Nussbaum arbeitet als freie Journalistin und Trainerin. Seit fast zehn Jahren
coacht sie Freiberufler, Unternehmer und Angestellte in Marketing- und Karrierefragen sowie in
Zeitmanagement. Wir fragten sie nach Tipps für die Honorarverhandlung

Sind Kreative in puncto Honorar­ daran liegt, dass sie nur ungefähr über­
verhandlung eine besonders untalen- schlagen haben, wie hoch das Honorar
tierte Spezies? für den Auftrag sein muss.
Cordula Nussbaum: Nicht untalen- Die Vorbereitung ist nicht optimal?
tiert, aber es hat für die wenigsten ei- Viele Kreative gehen blauäugig in Ho­no­­
nen Spaßfaktor. Viele Kreative verste- rarverhandlungen. Dabei ist erwiesen,
hen sich mehr als Künstler denn als dass eine gute Vorbereitung 50 Pro­
Dienstleister. Sie brennen für ihren Job zent des Erfolgs ausmacht. Alles, was
und finden Geld zweitrangig. Aber: Wer ich bereits im Vorfeld weiß über das
freiberuflich arbeitet, kommt ums The­ Projekt und über den Kunden, hilft mir
ma Honorarverhandlung nicht herum. bei der Kalkulation.
Was sollte der erste Schritt sein? Also erst mal gründlich recherchieren?

Foto: Jan Roeder


Sich klar machen, dass eine gute Leis- Ich rate jedem Freiberufler, erst mal
tung auch gutes Geld wert ist. Wenn auszurechnen, was er verdienen muss,
ich diesen Schalter im Hirn nicht umle- um so zu leben wie er möchte. Auf mei­
ge, werde ich immer für ’n Appel und ner Website gibt es einen kos­ten­­losen
’n Ei arbeiten, von meiner kreativen Ar- Honorarkalkulator (www.erfolg-reich-
beit nicht leben können und mir irgend- „Alles, was ich im Vorfeld frei.de/toolbox/selbst-checks/honorar-
wann noch einen Brotjob suchen müs- kalkulator.html). Dort gebe ich ein, wie
sen. Und das wäre doch schade. weiß über das Projekt und viel Geld ich ausgeben will für Miete,
Aber gibt es nicht immer viele andere Urlaub, Kino, Geschenke, den Sport-
Designer, die die gleiche Leistung viel über den Kunden, hilft mir bei verein der Kinder et cetera. Er berück-
billiger anbieten? Geht der Kunde nicht sichtigt nicht nur die arbeitsbezoge­
automatisch dahin? der Kalkulation“ nen Kosten, sondern auch die Spaßfak­
Das kann passieren. Es gibt immer Kun­ toren. Am Ende komme ich auf einen
den, die ausschließlich auf den Preis schauen. Aber oft ist Honorarsatz, der mir diesen Lebensstandard ermöglicht.
dann auch die Qualität bestenfalls mittelmäßig, und viel- Zum Beispiel 120 Euro die Stunde.
leicht merkt der Kunde, dass er für gute Leistung entspre- Und den muss ich dann in der Verhandlung durchsetzen.
chend zahlen muss. Manche verstehen es allerdings nie, und Diesen Betrag im Hinterkopf zu haben ist wirklich ein Rü-
dann darf ich auch selbstbewusst sagen: Ich will von meiner ckenstärker. Wenn jetzt der Kunde mein Honorar drücken
kreativen Leistung leben, und das sind nicht meine Kunden. will, weiß ich, wo meine Schmerzgrenze liegt. Wenn ich
Das setzt natürlich voraus, dass meine Arbeit exzellent ist. 1000 Euro verlange und der Kunde will 500 zahlen, kann ich
Das ist die Voraussetzung. Mindestens ebenso wichtig ist, mir ganz schnell ausrechnen, dass ich, bei einem angepeil-
dass mein Image stimmt. Es kann helfen, auf einem Gebiet ten Stundensatz von 120 Euro, etwa vier Stunden für die
besonders qualifiziert zu sein oder meine Dienstleistung Aufgabe hätte. Vielleicht ist das Briefing schon sehr präzi-
auf eine bestimmte Branche zu konzentrieren und mir da se, der Kunde unkompliziert und ich habe schon eine erste
einen Top-Ruf zu erarbeiten. Idee, dann kann das vielleicht gehen.
Aber so ein Image fällt ja nicht vom Himmel. Aber wirkt es nicht merkwürdig, wenn ich erst 1000 Euro
Natürlich säe ich erst und baue über die Zeit ein solches fordere und dann bei 500 sage: Ist auch okay?
Image auf. Je besser mein Name ist und je mehr Erfahrung Natürlich muss man an die Wirkung denken. Aber wenn ich
ich habe, desto mehr steigt mein Honorarsatz. Perfekt ist für mich beschlossen habe, das rechnet sich, muss ich es
auch, wenn ich mich in Netzwerken engagiere. Denn Auf- dem Kunden gegenüber eben entsprechend begründen.
träge darüber oder über Empfehlungen bedeuten häufig Wenn er von den 500 Euro nicht abweicht, kann ich zum
einen anderen Preis. Völlig abträglich sind hingegen Anzei- Beispiel sagen: Bei diesem Honorar müssen wir überlegen,
gen wie „Arbeitsloser Designer sucht dringend Projekte“. wie wir die Leistung schlanker machen können. So kommu-
Solche Annoncen gibt es doch nicht wirklich? niziere ich, wenn ich schon preislich runtergehe, muss ich
Doch, immer mal wieder sehe ich in Fachzeitschriften solche auch Arbeit einsparen. Vielleicht kann man die Nutzungs-
Anzeigen. Und denke: Mensch, überleg doch mal, wie attrak­ rechte von fünf auf zwei Jahre reduzieren. So kann ich mit
tiv du gerade klingst. Wer will schon mit einem Loser zusam­ dem Preis runtergehen, ohne mein Gesicht zu verlieren.
menarbeiten. Nur die Leute, die kein Geld ausgeben wollen. Was macht man denn eigentlich mit Kunden, die am Telefon
Und schon hat man wieder einen Kunden an der Backe, den fragen: Sagen Sie mal schnell, was das etwa kosten wird?
man eigentlich gar nicht will. Zunächst mal genau nachfragen, was er sich vorstellt. Dann
Was halten Sie von den Honorarrichtlinien der sagt man am besten: „Einen kleinen Moment, bitte! Ich
Berufsverbände? rechne das kurz durch und rufe gleich zurück.“ Das ist viel
Ich finde sie gut und nützlich, denn sie zeigen, dass viele besser, als sich überrumpeln zu lassen und eine Zahl in den
Designer zu niedrig in Verhandlungen einsteigen. Was auch Raum zu werfen, über die man sich dann hinterher viel-
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Karriere, Kind
leicht ärgert. Denn wenn eine Zahl erst mal im Raum steht,
kommt man von ihr nach oben hin nicht mehr weg.
Nun hat man sich sehr gut vorbereitet, lässt sich dann in der
Verhandlung aber doch vom Kunden überfahren und knickt
ein. Was kann man dagegen tun?
Sich im Vorfeld überlegen, welche Einwände kommen könn­
ten und wie ich darauf antworten kann. Sich vielleicht schon
das ein oder andere Hintertürchen zurechtlegen: Wo könn­
und Kitagebühren
te ich mit dem Honorar runtergehen, sodass es von der Leis­
tung her für den Kunden nachvollziehbar ist. Und wenn Gerade für Eltern, die in der Kreativbranche arbeiten, ist der
dann so Sprüche kommen, wie „Andere Designer machen Spagat zwischen Firma und Familie nicht einfach. Doch mit
es aber wesentlich günstiger“, kann man auch mal höflich
antworten: „Ja, da haben Sie recht. Meine Kunden zahlen etwas Improvisation und viel Organisation kann er gelingen
für meine Leistung jedoch gerne etwas mehr.“ Auch hier
gilt wieder: Je bekannter ich bin, desto weniger wird ein
Kunde versuchen mein Honorar zu drücken. n Bekannt ist sie als das Gesicht von Jung von Matt: Dörte
Haben Sie noch einen Tipp? Spengler-Ahrens. Die heute 44-Jährige arbeitet als Kreativ­
Gut ist es, schon beim ersten Telefonat, mit dem Kunden ins ge­schäftsführerin der Hamburger Niederlassung, ein Job, der
Gespräch zu kommen. Er ruft ja vielleicht fünf Designer an. Zeit und Energie frisst. Dabei ist sie auch Mutter eines 7-jäh-
Wenn ich ihm von Anfang an zu verstehen gebe, dass ich mich rigen Sohnes – sowohl für die Familie als auch für die Agen-
für ihn interessiere, und ihm vermitteln kann, dass ich kapiert tur eine Herausforderung. „Obwohl ich versuche, meine Fa-
habe, was er möchte, habe ich eine bessere Chance, einen an- milie wie ein Biotop zu schützen, ertappe ich mich ab und
deren Preis durchzusetzen, als wenn ich sage: „Ich schicke Ih- zu dabei, dass ich beim Vorlesen der Gutenachtgeschich-
nen ein Angebot“ – und dann gleich wieder auflege. Es ist
schon ziemlich viel Zwischenmenschliches im Spiel. Und die
Preisfrage beschäftigt die Leute umso mehr, je vergleichbarer
die Angebote sind.
Das heißt, der Kunde hat mehr Scheu, den Preis zu drücken,
wenn der Kontakt stimmt?
Wenn ich den Kunden bereits von meiner Leistung über-
zeugt habe, dann fallen Sätze wie „Das ist mir noch zu teuer“
relativ selten. Schon eher hört man dann: „Hm, da muss ich
ja ganz schön tief in die Tasche greifen“. Und hier kann ich
nur den Tipp geben, einfach mal die Klappe zu halten und
nicht darauf zu antworten. Häufig sagt der Kunde dann:
„Na ja, das werden wir schon irgendwo herkriegen.“ Diese
Coolness, ein Schweigen einfach mal auszuhalten, muss
man natürlich trainieren. Besonders gut geht das bei Auf-
trägen, die wir eigentlich gar nicht haben wollen. Also: Auch
wenn ich kein großes Interesse an einem Job habe, einfach
ein Angebot machen, den Preis hoch setzen und dann die
innere Coolness üben.
Den Job kriegt man dann garantiert, oder?
Schon möglich, denn diese Ausstrahlung hilft enorm: cool
bleiben und den Kunden – ohne dabei arrogant zu sein –
merken zu lassen, dass ich seinen Job nicht unbedingt brau-
che. Übrigens kann man derartige Gespräche auch mit
einem Sparringspartner üben. Das kann ein professioneller
Coach sein, aber auch ein Freund, der die Rolle des ge-
wieften Kunden spielt.
Und was mache ich, wenn ich fürs Üben gar keine Zeit habe?
„Väter sollten stärker unterstützt
(Lacht) Dann empfehle ich Ihnen mein Buch „Organisieren
Sie noch oder leben Sie schon?“. Darin geht es um Zeitma-
werden, wenn sie sich für die
nagement für kreative Chaoten (www.kreative-chaoten.
com), und es hat mit herkömmlichen Zeitmanagement-
Elternzeit entscheiden“
tools nichts zu tun – die finde ich nämlich grauenvoll.  ant Torsten Rech, Artbuyer bei Scholz & Volkmer in Wiesbaden
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sich morgens um Marie, nach­mittags ist


Vaterzeit. De facto heißt das, dass Rech
um 14 Uhr seinen Arbeitsplatz verlässt.
„Klar ist das für die Agen­tur nicht opti-
mal“, gibt Rech zu. „Aber wir als Team
haben uns darauf eingespielt und un-
sere Abteilung ist trotz Teil­zeitkräften
immer besetzt.“ Dazu kommt, dass er
notfalls für die Firma jederzeit erreich-
bar ist. „Das ist ab und zu ein Spagat
und erfordert viel Organisation, hat
aber bisher gut geklappt.“ Nicht um­
sonst landete Scholz & Volkmer 2008
auf dem ersten Platz als Deutschlands
te an den Rückruf eines Kunden den­ familienfreundlichstes Unterneh­men
ke“, gibt sie zu. Andererseits mussten „Man darf als Vater nicht in der Kommunikationsbranche.
sich auch die Kollegen in den ersten
Jahren daran gewöhnen, dass ihre Ge- zur Sensation Mutterschutz, Elternzeit und die Be­
treuung des Kindes in den ersten Jah-
schäftsführerin um 18 Uhr nicht mehr
an Meetings teilnehmen konnte.
für sein Kind werden“ ren sind die eine Herausforderung für
Eltern in einem so fordernden Berufs-
Wer Kind und Karriere wolle, sollte Ralf Heuel, Kreativgeschäftsführer und Partner feld. Aber auch wenn die Kinder grö-
sich das gut überlegen, meint Dörte von Grabarz & Partner in Hamburg ßer sind, wollen Väter und Mütter für
Spengler-Ahrens. Ihr selbst habe es sie da sein. „Vor allem als getrennt le-
enorm geholfen, dass sie sich schon vor der Schwanger- bender Vater darf man keine Sensation für sein Kind wer-
schaft ein Standing in der Agentur erarbeitet habe. Daher den, sondern muss regelmäßig und verlässlich da sein“, ist
rät sie jungen Frauen: „Macht euch erst einen Namen und Ralf Heuel überzeugt. Der Kreativgeschäftsführer von Gra-
bleibt nach der Geburt nicht zu lange weg.“ Bei Jung von barz & Partner ist Vater einer 10-jährigen Tochter, deren
Matt gibt es keine einheitlichen Regelungen für Eltern, man Mutter ebenfalls Vollzeit in der Agentur arbeitet. „Bei der
bemüht sich um individuelle Lösungen. Glücklich kann sich Zeit, die ich mit Greta habe, geht es weniger um Betreuung –
dabei derjenige schätzen, der gut im Beruf steht und genug bei einer 10-Jährigen gleicht dies tagsüber sowieso eher ei­
Geld für die Betreuung des Kindes verdient. Die Kinderfrau nem Shuttle-Ser­vice vom Reiten zum Klavier zum Sport –,
für Dörte Spengler-Ahrens’ Sohn bekommt 9 Euro pro Stun­ sondern darum, Teil ihres normalen Lebens zu sein“, so Heuel.
de. Sie holt Bela vom Hort ab und wird teilweise weiterbe- Neben Telefonaten, Urlauben und Wochenenden haben
zahlt, wenn die Familie beispielsweise im Urlaub ist. die beiden einen gemeinsamen Nachmittag pro Woche.
„Wenn der Staat wirklich will, dass Eltern im Job bleiben, Anfangs sei es schwierig gewesen, die Agentur zu diesen
müsste der Kindergarten für alle kostenfrei sein“, fordert Zeiten konsequent hinter sich zu lassen, gibt Heuel, 43, zu.
Marc Wirbeleit. Er selbst bezahlt als freier Kreativer in Ham- Nicht wegen der Kollegen, sondern vor allem wegen der eige­
burg gut 140 Euro im Monat für den Hortplatz seines älte­ren nen Ansprüche. „Ich liebe meinen Job und will die Party nicht
Sohnes und gut 300 Euro Kindergartengebühren für den jün­ gerade dann verlassen, wenn’s am schönsten ist.“ Mit der Zeit
geren. Dazu kommt, dass die Kapazitäten der Einrichtun­gen sei das aber leichter geworden. Bei Grabarz & Partner wer-
beschränkt sind, für manche gleicht die Unterbringung des den Eltern laut Heuel bei der Elternzeit sehr unterstützt, für
Nachwuchses während der Arbeitszeit einem Hexenwerk. den Wiedereinstieg gibt es individuelle Lösungen wie Teil­zeit­­
Und das gilt nicht nur für Kindergartenkinder, sondern auch vereinbarungen und Home Office. Der Plan, einen eigenen
schon für die ganz Kleinen. Jana Liebig hat ihren gerade Kindergarten aufzumachen, blieb eine schöne Idee. Trotz al­
mal drei Monate alten Sohn prophylaktisch in 15 Kitas ange- ler Schwierigkeiten: Auch als Mutter oder Vater kann man in
meldet. „Die Bedingungen hier in Deutschland sind so was der Kreativbranche einen spannenden Job ausüben, dessen
von Old School, es ist zum Heulen“, findet die Freelancerin. sind sich unsere Gesprächspartner einig. Das Wichtigste da­
bei ist schlicht die Organisation. Zudem gilt auch hier: Wenn
Zum Glück bringen auch Kreative nach wie vor Kinder zur die Chemie stimmt, ist ein Team nicht nur kreativer, son-
Welt, und zum Glück gibt es auch in der Kommunikations- dern geht auch verständnisvoller mit Kompromissen um.jf
branche die Möglichkeit, Beruf und Familie zu vereinbaren.
Torsten Rech, Artbuyer bei Scholz & Volkmer, ging nach der ≥ PAGE ONLINE
Geburt seiner Tochter Marie sieben Monate in Elternzeit und Die wichtigsten Fakten rund um Elternzeit, Mutterschafts-
reduzierte danach seine Arbeitszeit auf 30 Stunden. Seine geld et cetera haben wir unter www-page-online.de/
Frau Daniela Krug, eine selbstständige Designerin, kümmert finanz_facts_fuer_familien zusammengestellt
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Kommentar

„Unsere Branche, die sich so gern als modern


ansieht, ist leider die altmodischste, die es gibt“
Jana Liebig, freie Kreative und Mutter, schaut den Tatsachen ins Auge:
Die Kreativbranche macht es Frauen mit Nachwuchs nicht gerade leicht

Jana Liebig arbeitet seit mehr als 15 Jah­ Wie es nach der Elternzeit weiter-
ren in der Werbebranche – als freie gehen soll? Tja, gute Frage. Momentan
Kreati­ve ebenso wie in kleinen und ist Bert bei 15 Kitas vorangemeldet
großen Agenturen. Die 38-Jährige ist und blockiert 14 anderen Kindern den
ADC-Mitglied und saß bereits in der Ju- Platz, wobei ich noch keine einzige Zu-
ry der Cannes Lions. Seit diesem Som- sage habe. Um ehrlich zu sein: Ich weiß
mer ist Jana Liebigs Hauptaufgabe ihr noch nicht genau, wie es danach wei-
Sohn Bert. Baby und Beruf – ein Kom- tergehen soll. Aber wenn ich keinen
mentar aus Sicht einer frischgebacke- Kitaplatz kriege, dann eben nicht. Die
nen Mutter. meisten bieten ja eh keine Acht-Stun-
den-Betreuung an.
n Nix da, selbstbestimmt arbeiten Mein Modell sieht so aus: Drei Tage
klingt überhaupt nicht wie so ein ab- Kind betreuen lassen, damit ich arbei-
gelutschter Ratgeber, sondern eher ten kann. Zur Not nehme ich eine Kin-
nach einem sehr modernen Leben. Ich derfrau, die dann zwar alles, was ich an
kann aufstehen, wann ich will, arbei- Kohle einnehme, bekommt, aber für
ten, wann ich möchte, und so lange mich ist es ja nur wichtig, im Gespräch
Pause machen, wie es geht. Ich kann zu bleiben. Genau, ich überbrücke ein
mehrere Jobs gleichzeitig machen oder paar Jährchen mit weniger Geld, aber
auch gar keinen. Ich kann im ausgelei- bleibe dafür dabei und kann dann,
erten Schnuffel-T-Shirt und mit verlaufener Wimperntusche wenn Bert 17 ist und ich endlich einen Kitaplatz habe, wie-
mit Marketingleitern telefonieren. Oder mit einem Hambur- der voll einsteigen, weil man mich noch kennt. Insofern
ger in der Hand Headlines diskutieren. Ich habe auch schon schon mal danke, dass ihr mich interviewt habt.
im Supermarkt Korrekturwünsche auf Fischstäbchenpa-
ckungen gekrakelt, weil der Kunde ausgerechnet während Insgesamt glaube ich, dass es in der Kreativbranche schwie­
des Einkaufens anrief. riger ist, wieder einzusteigen, als in anderen Berufen. In unse­
Alles zu können und nichts zu müssen klingt zwar sehr rer Branche ist alles so jung und so billig, das meine ich nicht
nach Swinger-Club, ist allerdings großartig, wenn man so negativ. Aber was ich beobachtet habe, sowohl in meinem
seine Kohle verdient. Wirklich. Es ist toll. Und es funktio- Jahr als Geschäftsführerin bei Philipp und Keuntje und als
niert. Überhaupt ist es sehr interessant, dass die echten Freie in anderen Agenturen: „Ältere“ Frauen, gerade die, die
Kunden, also die Marketingleute der Industrie, viel offener Mütter geworden sind, sind sehr gute Kreative. Sie müssen in
sind für ein „Oh hallo Herr Mika, nee, klar können wir die kürzerer Zeit dasselbe hinbekommen wie die jüngeren Fest­
Texte schnell durchgehen, wenn Sie das Geräusch im Hin- angestellten. Sie wissen, wie man schnell auf den Punkt
tergrund nicht stört. Das ist der Fön. Ich bin grad beim Fri- kommt. Sie haben mehr Erfahrung. Und sie sind auf eine po­
seur.“ Unter den Agenturen dagegen haben bisher nur sehr sitive Art anspruchsloser. Nicht weniger hungrig nach guter
wenige Verständnis für ein Arbeiten, das außerhalb der Qualität, aber zufriedener damit, dass sie arbeiten können.
Agenturmauern und nicht in den sogenannten Kernar- Wenn ich in einer leitenden Position fest angestellt wäre, wür­
beitszeiten stattfindet. de ich auf jeden Fall viele Mütter einstellen. Die Ladies haben
Als mein Sohn Bert geboren wurde, beglückwünschte ihre Sporen verdient und ihre Medaillen im Schrank. Sie
mich eine Freundin mit dem Satz: „Viel Spaß beim gegen- meckern nicht mehr ganz so laut, wenn die Aufgabe lautet,
seitigen Kennenlernen!“ Ich konnte erst nichts damit an- Eckfeldanzeigen für einen Margarinehersteller zu machen,
fangen; jetzt, zwölf Wochen später, weiß ich genau, was sie sie machen sie einfach. Und sie machen es verdammt gut.
meinte. Ich kenne den kleinen Kerl nun schon ein bisschen. Auch hier ist die Industrieseite weiter. Große Unterneh-
Seit ein paar Wochen kann ich ihn einschätzen und weiß, men haben betriebseigene Kindergärten oder Ähnliches.
dass es sich nicht lohnt, tagsüber zu arbeiten, weil er da Agenturen sind leider noch nicht so weit. Wie auch, wenn da
einfach zu wenig pennt. Aber ich weiß auch, dass er ab halb nur 24-jährige Singles arbeiten und das auch noch rund um
sieben im Koma liegt. Und dann kann ich loslegen. Obwohl: die Uhr. Alle tun so, als hätte sich bei den Arbeitszeiten in
Ich darf ja gar nicht, wegen Elterngeld. Aber ich könnte. Al- Agenturen was geändert. Hat es aber nicht. Hinter dem Rü-
lerdings muss ich wirklich sagen, dass die eigenen Reser- cken jedes freelancenden Vaters, der erst um halb zehn kom­
ven doch ein wenig ausgelutscht sind. Insofern ist das men kann, weil er das Kind zur Kita bringen möchte, damit
durch den Elterngeldantrag auferlegte Arbeitsverbot ei- er es überhaupt noch sieht, wird getuschelt. Dass er dann
gentlich ganz geil, denn ich kann jedem sagen: Ach, ich wür- bis halb zehn irgendwelche Pixel schiebt, ist aber selbstver-
de ja gern, aber ich darf ja nicht arbeiten – zumindest, wenn ständlich. Insofern ist unsere Branche, die sich so gern als
ich weiterhin den vollen Satz bekommen möchte. modern ansieht, leider die altmodischste, die es gibt.
Inspiration pur!

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