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Andachtsbild

Andachtsbilder sind zumeist gemalte oder geschnitzte


Darstellungen aus der christlichen Ikonographie mit Geschehnissen
und Inhalten, die der Andacht der Gläubigen dienen sollen.
Typisch sind Themen aus dem Leben und Leiden Jesu Christi,
Mariens und der Heiligen.[1] Unterschieden werden Andachtsbilder
im Allgemeinen, bei denen es sich auch um Skulpturen handeln
kann, und kleinformatige Andachtsbildchen.

Inhaltsverzeichnis
Begriff
Das mittelalterliche Andachtsbild
Das kleine Andachtsbild (Andachtsbildchen)
Sammlung Lutterotti in Breslau
Literatur
Siehe auch
Weblinks
Kreuzigungsikone aus dem 13. Jhd.
Einzelnachweise im Katharinenkloster auf dem Sinai

Begriff
Der Begriff des Andachtsbildes wurde in der deutschen Kunstwissenschaft nach 1900 geprägt, vor allem
von Georg Dehio und Erwin Panofsky. In Abgrenzung zum kunstgeschichtlichen Begriff des
Andachtsbildes bezeichnet die religiöse Volkskunde kleinformatige, meist ohne besonderen künstlerischen
Anspruch geschaffene Werke, die der Förderung der Volksfrömmigkeit und privaten Erbauung dienen, als
„kleines Andachtsbild“ (im Volksmund Andachtsbildchen, Jesusbildchen). Den Begriff prägte Adolf
Spamer,[2] dessen Arbeit das Standardwerk zu Geschichte und Formen des kleinen Andachtsbildes ist.
Diese Bezeichnung ist jedoch nicht allgemein gebräuchlich; oft wird das Wort Andachtsbild synonym auch
für das kleine Andachtsbildchen verwendet.

Das mittelalterliche Andachtsbild


Meist handelt es sich bei den seit dem frühen 13. Jahrhundert gebräuchlichen Andachtsbildern um kleine
Holzplastiken, die durch Herauslösung bestimmter Motive aus den herkömmlichen Szenen entstanden.
Hans Belting geht davon aus, dass wichtige Anstöße für das Andachtsbild von den – insbesondere nach
der Besetzung Konstantinopels (1204) – in den Westen gelangten Ikonen ausgingen.
Häufige Motive von Andachtsbildern sind Themen der Passion, namentlich der stehende Christus mit der
Dornenkrone (Ecce homo), der sitzende Christus mit der Dornenkrone (Christus in der Rast), die Christus-
Johannes-Gruppe („Johannesminne“), Christus als Schmerzensmann (Erbärmdebild, imago pietatis), Maria
oder Engel mit Jesu Leichnam (Pietà) bzw. (Engelspietà) und einzelne Mariendarstellungen wie die Mater
Dolorosa und die Mondsichelmadonna.

Die Entstehung der Andachtsbilder geht zurück auf Veränderungen in Mystik und Volksfrömmigkeit, die
Christus nicht mehr vorrangig als strahlenden Sieger und König, sondern als Leidenden betrachteten und
eine innerliche Beziehung zu erreichen suchten. Diese Entwicklung steht im weiteren Kontext einer
Subjektivierung der Religiosität im 13.  Jahrhundert und wurde verstärkt durch Erfahrungen mit Schmerz
und Tod in den Jahren der Pest (vgl. Grablegung Christi (Bildtypus)). Kunstgeschichtlich bedeutsam sind
sie vor allem deshalb, weil sie eine Abwendung vom hoheitlichen Charakter der Kultbilder des 12. und 13.
Jahrhunderts hin zu einer eher gefühlsbetonten, affektiven Darstellung bezeugen. Der Bildtypus des
Andachtsbildes setzt sich auch in der neuzeitlichen Kunst fort.

Ecce homo Schmerzensmann, Pietà Christus-Johannes-


Erbärmdebild Gruppe

Das kleine Andachtsbild (Andachtsbildchen)


Das kleine Andachtsbild entstand ebenfalls in der ersten Hälfte des
14.  Jahrhunderts in Frauenklöstern aus dem Bedürfnis, solche
Bilder persönlich, etwa als Schmuckeinlage des Gebetbuches, zu
besitzen und mit sich zu tragen. Die Bilder wurden auch außerhalb
des Klosters von Wanderpredigern zur Unterstützung ihrer
Verkündigung verteilt.[3] Die Nachfrage war bald so groß, dass
sich ein reger Handel entwickelte, der den Klöstern willkommene
Einnahmen verschaffte. Die Bilder wurden zunächst von Hand
kleinformatig auf Pergament, Papier oder Stoff gemalt. Typische
Motive sind das Jesuskind, die Passion Christi, die Gottesmutter
Maria und die Heiligen. Dem Bedürfnis der persönlichen
Volksfrömmigkeit genügend wurden auch einfache Motive wie
Kreuzzeichen, Christus- und Marienmonogramme sowie
Gnadenbild-Kopien als Amulettzettel und kleinste Formate als
Schluckbildchen verwendet – Voraussetzung dabei war, dass sie
geweiht und damit geheiligt waren.[4] Weite Verbreitung fanden
Andachtsbilder im 14. und 15.  Jahrhundert als einfache Stempel- Prägebild mit eingeklebter
und Reiberdrucke, Brotteigdrucke und in Papiermaschee, die auch Chromolithographie 1896, Format 5,5
eine leichte Reliefierung ermöglichten. Mit der Erfindung des × 8 cm
Holzschnitts und des Kupferstichs konnte die steigende Nachfrage
nach Heiligenbildchen befriedigt werden. Sie dokumentieren zudem den Fortschritt der Drucktechnik. Vor
allem während der Dürerzeit erlangten die Bildnisse auch künstlerisch eine hohe Qualität.

Kleine, meistens gerahmte Kostbarkeiten waren die zu Beginn des 17.  Jahrhunderts aufgekommenen
Papierschnittbilder (Spitzenbilder[5]), deren aufwändige Herstellung auch damals schon mit dreistelligen
Summen bezahlt wurde. Im 18. und 19. Jahrhundert wurden sie durch die billigere Stanz- und Prägetechnik
ersetzt und ähnlich anderer Devotionalien zum Massenartikel ohne formalen Anspruch. Um eine höhere
künstlerische Qualität dieser Artikel bemühte sich der 1841 gegründete Verein zur Verbreitung religiöser
Bilder, der viele Millionen Andachtsbildchen als Stahlstiche vertrieb. Ebenfalls von hoher künstlerischer
Qualität waren die Andachtsbildchen aus dem Pariser Verlag Verlag für religiöse Druckkunst Bouasse-
Lebel. Mit der Erfindung der Fotografie[3] bzw. Chromolithographie im 19. und des
Mehrfarbenrasterdrucks im 20.  Jahrhundert konnten auch Gemälde der Hochkunst und Porträts im
Miniformat des kleinen Andachtsbildes reproduziert werden und erfreuen sich großer Beliebtheit.

Zu hohen Festen des Kirchenjahres, vor allem Ostern, werden Bildchen als Erinnerung an die
Osterkommunion an die Gläubigen verteilt oder sie dienen als Andenken an bestimmte Anlässe, wie
Wallfahrten, Heiligsprechungen, Erstkommunion, Ordensprofess, Priesterweihe, Primiz, oder zu
Weihetagen und -jubiliäen, etwa des Diözesanbischofs. Die Bildchen sind einfach oder gefaltet und von der
Größe her als Einlage im Gesang- oder Gebetbuch geeignet. Auf der Rückseite finden sich Gebete und
Anlass.

Andachtsbildchen dienen oft auch als Sterbebildchen, Gedächtnis- oder Totenzettel, die bei Beerdigungen
zur Erinnerung an den Verstorbenen ausgegeben werden. Sie haben ein ähnliches Format und werden
ebenfalls als Einlage in Gebetbüchern verwendet. Auf der Rückseite sind die Lebensdaten und das
Sterbedatum abgedruckt.[3]

Heute werden Andachtsbildchen aus historischem oder künstlerischem Interesse auch von Personen
gesammelt, für die sie ohne religiöse Bedeutung sind.

Sammlung Lutterotti in Breslau


Eine umfangreiche Andachtsbildchensammlung befindet sich im Ethnographischen Museum in Breslau
(Muzeum Etnograficzne we Wrocławiu), einer Zweigstelle des Nationalmuseums Breslau. Sie wurde von
dem Grüssauer Benediktiner Nikolaus von Lutterotti zusammengetragen, der nach der Priesterweihe 1920
als Seelsorger, Archivar und Bibliothekar des Stifts Grüssau wirkte. Daneben verfasste er zahlreice
kunsthistorische Schriften; 1931 wurde er als Denkmalpfleger der Provinz Niederschlesien berufen. Als
italienischer Staatsangehöriger durfte er auch nach dem Übergang Schlesiens 1945 an Polen weiterhin als
Seelsorger in Grüssau/Krzeszów bleiben. Als er 1954 Polen schwer krank verließ, durfte er die Sammlung
nicht mitnehmen. Es ist nicht bekannt, wann sie an das Breslauer Museum gelangte.

Die Sammlung umfasste bereits 1940 über 16.000 Bildchen. Mehrere der Kupferstiche wurden von dem
Grüssauer Benediktiner Jacob Arlet gestochen, der ein Willmann-Schüler war. Neben Klosterarbeiten
befinden sich in der Sammlung u. a. Pergamentminiaturen, Spitzen- und Nadelstichbilder. An
Drucktechniken wurden angewandt: Prägedrucke, Stahlstiche, Chromolithographien und Farbdrucke. Zu
den erlessenen Stücken gehört u. a. die Klosterfrauenarbeit Der gute Hirte aus dem Magdalenerinnenkloster
Lauban.[6]


Schmerzensmann, Hl. Franziska von Madonna, Hl. Arnold Janssen,


Holzschnitt 1746, Rom, Chromolithographie Rasterdruck 1938
Format 8,5 × Chromolithographie mit Golddruck 1895, mit
14,5 cm 1861, Format 8 × Format 5,5 × 9 cm Berührungsreliquie,
12 cm Format 7 × 11 cm

Literatur
Adolf Spamer: Das kleine Andachtsbild vom 14. bis 20. Jahrhundert, Bruckmann 1930.
Artikel "Andachtsbild" im ABC zur Volkskunde Österreichs (http://www.austria-lexikon.at/af/
Wissenssammlungen/ABC_zur_Volkskunde_%C3%96sterreichs/Andachtsbild?version=16)
Manuela Beer, Ulrich Rehm: Das kleine Andachtsbild, Graphik vom 16. zum 20.
Jahrhundert, Auswahlkatalog, Museum Schnütgen, Olms, Hildesheim 2004.
Horst Appuhn: Das private Andachtsbild, ein Vorschlag zur kunstgeschichtlichen und
volkskundlichen Terminologie, in: Museum und Kulturgeschichte; Festschrift für Wilhelm
Hansen; hrsg. von Martha Bringemeier (Schriften der volkskundlichen Kommission für
Westfalen 25), Aschendorff, Münster 1978, S. 289–292.
Hans Gärtner: Andachtsbildchen. Kleinode privater Frömmigkeitskultur. Verlag Sankt
Michaelsbund, München 2004, ISBN 3-920821-45-9.
Wolfgang Brückner: Andachtsbildchen In: Christa Pieske: ABC des Luxuspapiers,
Herstellung, Verbreitung und Gebrauch 1860-1930. Museum für deutsche Volkskunde,
Berlin 1983, ISBN 3-88609-123-6, S. 79–81
Karl Schade: Andachtsbild – Die Geschichte eines kunsthistorischen Begriffs. Weimar 1996.
Thomas Noll: Zu Begriff, Gestalt und Funktion des Andachtsbildes im späten Mittelalter. In:
Zeitschrift für Kunstgeschichte, 67. Bd., Heft 3, 2004, S. 297–328

Siehe auch
Heiligenbild
Ikone

Weblinks
Commons: Andachtsbild (https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Holy_cards?uselang=d
e) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise
1. Karl Schade: Andachtsbild: die Geschichte eines kunsthistorischen Begriffs Verlag und
Datenbank für Geisteswissenschaften, Weimar 1996.
2. Adolf Spamer: Das kleine Andachtsbild vom 14. bis 20. Jahrhundert, Bruckmann 1930.
3. Vera Romeu (vr): Andachtsbilder ziehen Blicke an. In: Schwäbische Zeitung vom 1. August
2011
4. Manfred Brauneck: Religiöse Volkskunst, Dumont-Verlag, Köln 1979
5. Sammlung Heinrich Fülbeck. Volkstümliche Graphik - Andachts- und Freundschaftsbilder
(Katalog zur Ausstellung Kurhaus Meran Oktober 1973), Ferrari-Auer Meran 1973
6. Sigrid Nagy in: Arbeitskreis Bild Druck Papier - Tagungsband Breslau 2016: Wrocław -
Europäische Kulturhauptstadt 2016, Waxmann-Verlag 2017, ISBN 978-3-8309-8616-4, S.
45–57.

Abgerufen von „https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Andachtsbild&oldid=221140830“

Diese Seite wurde zuletzt am 15. März 2022 um 15:35 Uhr bearbeitet.

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