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2) Vergleich zwischen „Der Verlorene“ und dem vorliegenden


Romanauszug

Sowohl der Roman „Der Verlorene“ von Hans-Ulrich Treichel aus dem Jahre 1999, als auch
der Romanauszug aus „Wie der Soldat das Grammofon repariert“ von Saša Stanišić basiert
auf wahren Begebenheiten und handelt von Kriegsereignissen und Familiengeschichten und
der Verarbeitung dieser innerhalb der Familien. Auf Grund dieser Situationen entstehen
kommunikative Merkmale in diesen literarischen Familien. Treichel versucht, seinen in der
Realität vermissten Bruder literarisch anders zu beleuchten, während Stanisic seine
Vergangenheit einer aufgespaltenen Familie in einem Jugendlichen in Kriegszeiten
widerzuspiegeln.
Verglichen werden diese beiden Texte unter dem Aspekt des Umgangs der Familien mit
Kriegs- und Fluchterfahrungen.

Die Erzählung von „Der Verlorene“ beginnt mit der Einführung des männlichen Ich-
Erzählers, welcher gleichzeitig die Hauptperson des Romans ist. Dieser altert während des
Romans von einem Kind zu einem Jugendlichen, erfährt jedoch bereits im Kindesalter von
einem angeblich verhungerten Bruder. Nachfolgend wird jedoch klar, dass der Bruder nicht
verhungert, sondern verloren wurde und die Eltern dementsprechend weiterhin nach diesem
Suchen. Um eine potenzielle Spur zu verfolgen, werden mehrere Tests an dem Ich-Erzähler
durchgeführt, welche sich jedoch als negativ herausstellen. Der Roman endet mit dem Tod
des Vaters, welcher auf Grund von finanziellen Verlusten zwei Herzinfarkte erleidet, und dem
Ablehnen der Mutter gegenüber dem vermeintlichen Sohn.
Der Auszug aus dem Roman „Wie der Soldat das Grammofon repariert“, welcher 2006
veröffentlicht wurde, handelt von einem 14-jährigen, männlichen Ich-Erzähler, welcher
zusammen mit seiner Familie aus Visegrad, und damit auch aus dem jugoslawischen
Bürgerkrieg nach Belgrad flieht. Die Herkunft der Eltern ist in diesem Gegensätzlich, wobei
die Landsmänner des Vaters, welcher serbischer Abstammung ist, die Bosnier beschießt und
dessen Stadt besetzt. Die Familie sucht Schutz bei Verwandten des Vaters, von welchen aus
der Ich-Erzähler den Brief am 26.04.1992 verfasst. Der Brief handelt von den einzelnen,
gegensätzlichen Meinungen und Verhaltensweisen der Familienmitglieder und der Reise zu
diesen.
In „Der Verlorene“ beschreibt der Ich-Erzähler sein Haus meist warm und freundlich, und
erwähnt eine zauberhafte und spirituelle Ausstrahlung in diesem. Da der Ich-Erzähler sein
eigenes Zimmer nicht mit seinem vermeintlichen Bruder teilen möchte, wird erneut deutlich,
dass ihm dieses Haus sehr wichtig ist. Als die Eltern des homodiegetischen Erzählers
benachbarte Gebäude abreißt um Platz für ein Kühlhaus, für den Beruf des Vaters, zu
schaffen, beschreibt der Ich-Erzähler auch hier den vorherigen Zustand mit Hilfe der
Zeitdehnung allgemein sehr detailliert und ausführlich aber auch mit warmen und positiven
Adjektiven wie z.B. dem „Wasserkessel, der direkt befeuert werden konnte“. Es wird
deutlich, dass der Ich-Erzähler eine feste Bindung zu diesen Dingen aufgebaut hat und diese
nun durch den Abriss des Gebäudes zerstört werden. Das auf dem Gelände entstandene
Kühlhaus beschreibt er nämlich in wenigen Sätzen und nur mit kalten Farben und Adjektiven,
wie z.B. der zum Wasserkessel gegensätzlichen „Isoliertür, durch die kalter Dampf entwich“.
Der Brief von Saša Stanišić, welcher auf Grund der vorhandenen Zeitraffung in einem
unbekannten Zeitraum geschrieben wurde, besitzt nur wenig Attribute zur Raumdarstellung.
Nur die Oma Katarina schwärmt von der hellen und farbenfrohen Vergangenheit, und
kritisiert die dunkle und graue Gegenwart. Dieser Kontrast zwischen der „Zeit, als alles gut
war, und [...][der] Zeit, in der nichts gut ist“ (Z. 26) wird von ihr weiter ausgeführt, da sie
somit dem jungen, personellen Ich-Erzähler versucht zu überzeugen, dass man die
Vergangenheit keinesfalls vergessen sollte.
Hier legte Saša Stanišić jedoch viel Arbeit in die Kommunikationsweisen der Figuren
zueinander und der allgemeinen Familiensituation. Das gegensätzliche Denken der Eltern,
zwischen der schreienden und gestressten Mutter (Z. ) und dem schweigenden und
entspannten Vater (Z. ) zeigt dies bereits. Der Ich-Erzähler findet in diesem
kontrastreichen Raum mit wenig Kommunikation seine Bezugsperson nicht unter seinen
Eltern, sondern in seinem verstorbenen Großvater (Z. 3), wodurch erneut die Zersplitterte
Familiensituation zum Vorschein kommt. Hinzu kommt, dass die Eltern dem Sohn und Ich-
Erzähler Aleksander eine Art Schweigepflicht erteilten, und es diesem somit nicht gestattet
war, Fragen zu stellen. Dies nutzte auch die Oma Nena Fatima aus, da sie ihm somit nicht
seine Fragen nach ihren Wünschen beantworten muss. Die einen versuchen also durch
abergläubische Zukunftsvorhersagen (Z. 36f.) der grauenvollen Gegenwart zu entkommen,
während die anderen dieser nicht gegenüberstehen und diese vollständig akzeptieren und den
Wunsch besitzen, trotz kriegerischer Zustände, zurück in ihre Heimat zu reisen (Z.42).
In Treichels „Der Verlorene“ erteilt auch hier der Vater dem Sohn meist nur Befehle, welche
dieser dann auszuführen hat. Die Mutter gibt sich dem Sohn zwar begrenzt hin, jedoch findet
dies meist nur statt, um schlussendlich auf Arnold als Gesprächsthema zu enden, damit diese
erneut erzählen kann, wie stark sie diesen vermisst und auf eine erfolgreiche Suche nach ihm
hofft. Schwierigen Situation entkommt die Familie auch hier, langfristig gesehen, meist in
Schweigen, da der Vater der Arbeit nachgeht und die Mutter sich häufig um den Haushalt
kümmert, oder dem Vater bei dessen Aufgaben hilft. Eine Beziehung zum Erzähler ist zwar
vorhanden, jedoch rein auf verwandtschaftlicher Beziehung und nur stark begrenzt auf
persönlicher Ebene.
Sowohl in Saša Stanišić’s Romanauszug als auch im Roman von Treichel werden besonders
viele Wiederholungen von Sinnesinhalten oder kompletten Situation genutzt, wodurch die
Thematik des Erinnerns und Reflektieren der Ereignisse in den Vordergrund gehoben wird.
In Treichels Werk nutzt dieser mehrmals metaphorische Ausdrücke, wie z.B. den sich nicht
legenden Staub nach dem Abriss der benachbarten Gebäude, welcher zusätzlich noch den
Geschmack der vorher vorhandenen Umgebung behalten hat. Hiermit werden nämlich sowohl
die frohen Gedanken und schönen Erinnerungen des Erzählers an die Umgebung, als auch die
an bleibende Erinnerung der Eltern an ihren verlorenen Sohn verdeutlicht. Auch die vom
Vater angeführte metaphorische „Polenwirtschaft“ zeigt die eigentliche Verbindung zu den
Gebäuden, wodurch der zuvor genannte Effekt erneut verstärkt wird.
Saša Stanišić hingegen setzt vermehrt auf Wiederholungen und Zusammenfassungen,
besonders von Gegensätzen, wie z.B. „Oma Katarina will zurück nach Visegrad. Vater
versuchte nicht, es ihr auszureden, Mutter schrie, als sie hörte, dass Vater schwieg. Vater will
schweigen. Mutter will schreiben.“ (Z.42ff.). Hierdurch wird die Varietät der Meinungen der
Familienmitglieder erneut hervorgehoben.
Während beide Romane Zeitraffend verfasst wurden, enthält Treichels „Der Verlorene“
deutlich mehr Zeitdehnungen, und damit auch mehr Sprünge in der erzählten Zeit im
Verhältnis zu Erzählzeit.
Abschließend kann man also sagen, dass beide Texte Romane sind, welche in Kriegszeiten
mit einem Ich-Erzähler handeln. In beiden Romanen werden Familiengeschichten und die
Kommunikation in diesen thematisiert. Auch sind die Eltern des Ich-Erzählers in beiden
Fällen vollständig gegensätzlicher Meinung, was sich auch in beiden Erzählungen

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