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Das Angeborene im Verhalten des Menschen

Die Untersuchungen an taub und blind Geborenen, an Säuglingen sowie einige Kulturenvergleiche haben
gezeigt, dass auch der Mensch mit einer großen Anzahl funktionsfähiger Bewegungen ausgestattet ist, die
er nicht erst lernen muss. Säuglinge reagieren bereits auf bestimmte Reizsituationen von sich aus in Art
erhaltend sinnvoller Weise.
Säuglinge brauchen nicht zu lernen, wie man saugt, lächelt, schreit oder sich anklammert. Auch blind und
taub geborene Kinder verhalten sich in vielen entscheidenden Punkten genau wie sehende. Sie stampfen
mit dem Fuß auf, ballen die Fäuste und bekommen Zornesfalten, wenn sie sich ärgern. Dieses typische
menschliche Zornverhalten entwickelt sich mit großer Sicherheit gegen den erzieherischen Druck der
Umwelt und eignet sich daher besonders zur Entkräftung der milieutheoretischen Ansicht, dass der Mensch,
von einigen Reflexen abgesehen, sämtliche Verhaltensprogramme im Laufe seiner Jugendentwicklung
erlernt.
Selbst schwer hirngeschädigte Kinder, die nur mit größter Mühe lernen, einen Löffel zum Mund zu führen,
lächeln, lachen, weinen und stampfen mit den Füßen.
Kinder aller Kulturen haben ab einem gewissen Alter Angst vor Fremden. Dieses „Fremdeln“ zeigen auch
taubblinde Kinder, wobei sie den Fremden mit Hilfe des Geruches erkennen.
Da aber viele der komplizierteren Verhaltensweisen des Menschen über das Auge und das Ohr ausgelöst
werden, sind die Informationen, die durch Beobachtungen an taubblinden Kindern gemacht werden können,
begrenzt.
Um in komplizierten Verhaltensweisen angeborene Grundlagen zu finden, erweist sich der Kulturenvergleich
als besonders geeignet. Die Tendenz des Menschen, sich brauchtumsmäßig in Kleingruppen zu isolieren,
manifestiert sich u. a. in der Bildung zahlreicher Dialekte, die es in jeder Sprache gibt. Das Bestreben des
Menschen, alles Veränderbare kulturell abzuwandeln, lässt sich eindeutig beobachten. Wenn nun Kultur
vergleichende Untersuchungen zeigen, dass in bestimmten Situationen bei den verschiedensten Völkern bis
ins Detail gleiche Verhaltensweisen auftreten, dann kann angenommen werden, dass es sich dabei um
angeborene Verhaltensmuster handelt.
Irenäus Eibl-Eibesfeldt und Hans Hass (geboren 1919) filmten mit Spiegelobjektiven Menschen in den
verschiedensten Erdteilen ohne deren Wissen.
Vor allem bei der menschlichen Mimik handelt es sich um weitgehend vorprogrammierte Handlungsabläufe.
Die Übereinstimmung im Flirtverhalten bei den verschiedensten Völkern zeigt dies in eindrucksvoller Weise.
Das Flirten ist ein typisches Beispiel für eine durch Ritualisierung entstandene Verhaltensweise. Flucht und
Ausweichbewegungen werden häufig zu Ausdrucksbewegungen ritualisiert. Im Flirtverhalten sind Zu- und
Abwendung wesentliche Elemente, die vor allem mit der Augensprache ausgedrückt werden.
Als ritualisierte Versteck- bzw. Fluchtbewegung kann das Verdecken des Gesichtes bei leichter Verlegenheit
angesehen werden. Ein Verhalten, das wiederum bei allen Menschen auf der Welt u. a. auch im Zuge eines
Flirts beobachtbar ist.
Der Vorgang der Ritualisierung kann entweder im Zuge der Stammes- oder aber im Laufe der
Individualentwicklung (ontogenetische Ritualisierung) vor sich gehen. Vor allem beim Menschen kommt zur
stammesgeschichtlichen und ontogenetischen aber noch die Möglichkeit der traditionellen Ritualisierung, die
sich über Generationen hinweg vollzieht. Die Ausdrucksbewegungen werden durch Lernprozesse erworben.
Sie stehen auch hier im Dienste der Signalgebung und werden mimisch meist übertrieben.
Sehr viele menschliche Gesten haben eine angeborene Basis, sind aber traditionell gestaltet. Ein Beispiel ist
der Gruß Waffen Tragender. Sie werden überall zum Zeichen der freundlichen Gesinnung die Waffen
ablegen oder sie zumindest so präsentieren, dass sie nicht bedrohlich auf den Partner zeigen. Im formalen
Ablauf des Grußverhaltens sind allerdings Unterschiede zu erkennen. Ein Massai z. B., der einen anderen
begrüßt, stößt seinen Speer vor sich in den Boden. In Europa präsentiert man beim militärischen Salut das
Gewehr und der Soldat legt die Waffen ab, wenn er als Gast ein Haus betritt.

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