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01966

HEXENJAGD
(The Crucible)
von

Arthur Miller

Deutsch von Hannelene Limpach


und Dietrich Hilsdorf
Mitarbeit: Alexander F. Hoffmann
© S. Fischer Verlag 1986

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Aufführung durch


Berufs- und Laienbühnen, des öffentlichen Vortrags, der Verfilmung und
Übertragung durch Rundfunk, Fernsehen und andere audiovisuelle
Medien, auch einzelner Abschnitte. Das Recht der Aufführung ist nur
von der

S. Fischer Verlag GmbH


THEATER & MEDIEN
Leitung: Uwe B. Carstensen
Hedderichstraße 114
60596 Frankfurt am Main
Tel. 069/6062-273
Fax 069/6062-355

zu erwerben. Den Bühnen und Vereinen gegenüber als Manuskript gedruckt.


Dieses Exemplar kann, wenn es nicht als Aufführungsmaterial erworben wird,
nur kurzzeitig zur Ansicht entliehen werden.

Dieser Text / diese Übersetzung gilt bis zum Tage der Uraufführung /
Deutschsprachigen Uraufführung nicht als veröffentlicht im Sinne des
Urhebergesetzes. Es ist nicht gestattet, vor diesem Zeitpunkt das Werk oder
einzelne Teile daraus zu beschreiben oder seinen Inhalt in sonstiger Weise
öffentlich mitzuteilen oder sich mit ihm öffentlich auseinanderzusetzen.
Der Verlag behält sich vor, gegen ungenehmigte Veröffentlichungen
gerichtliche Maßnahmen einleiten zu lassen.

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DIE PERSONEN

REVEREND PARRIS
BETTY PARRIS
TITUBA
ABIGAIL WILLIAMS
SUSANNA WALLCOTT
MRS. ANN PUTNAM
THOMAS PUTNAM
MERCY LEWIS
MARY WARREN
JOHN PROCTOR
REBECCA NURSE
GILES COREY
REVEREND JOHN HALE
ELIZABETH PROCTOR
FRANCIS NURSE
EZEKIEL CHEEVER
MARSHAL HERRICK
RICHTER HATHORNE
DANFORTH, STELLVERTRETER DES GOUVERNEURS
SARAH GOOD
HOPKINS

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Eine Bemerkung zu der historischen Genauigkeit dieses Stückes

Dieses Stück ist keine Geschichte in dem Sinn, wie Historiker diesen Begriff
gebrauchen. Der dramaturgische Zweck erforderte es manchmal, aus mehreren
Charakteren einen zu machen. Die Anzahl der Mädchen, die an dem Ausschreien
beteiligt waren, wurde reduziert. Das Alter von Abigail angehoben. Es gab mehrere
Richter des gleichen Ranges, sie habe ich in den Figuren Hathorne und Danforth
symbolisiert. Wie auch immer, ich glaube, dass der Leser den essentiellen Gehalt
einer der seltsamsten und schrecklichsten Vorkommnisse in der menschlichen
Geschichte entdecken wird. Das Schicksal einiger Charaktere ist exakt das der
historischen Personen, und es gibt in dem Drama keine Figur, die nicht eine ähnliche
Rolle – und in manchen Fällen exakt die gleiche – in der Geschichte gespielt hat.
Über den Charakter der meisten Personen ist wenig bekannt, lediglich das, was
sich aus einigen hinterlassenen Briefen schließen lässt, aus Gerichtsprotokollen,
gewissen Pamphleten, die zu der Zeit verfasst wurden, und der Erwähnung ihres
Verhaltens aus diversen Quellen unterschiedlicher Zuverlässigkeit. Man darf sie
daher durchaus als meine Erfindung betrachten, bemüht sie in Übereinstimmung mit
dem, was bekannt ist, zu bringen. Ausgenommen der Kommentar, den ich für diesen
Text geschrieben habe.

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1. Akt

1. Szene

Ein Schlafzimmer im Hause von Pastor Samuel Parris. Salem, Massachusetts, im


Frühling 1692.
Links ein schmales Fenster, durch dessen bleigefassten Scheiben die Morgensonne
herein fällt. Neben dem Bett, das auf der rechten Seite steht, brennt eine Kerze. Eine
Kommode, ein Stuhl und ein kleiner Tisch sind das übrige Mobiliar. Im Hintergrund
eine Tür zu einem Flur, der zur Treppe ins Untergeschoss führt. Der Raum macht
den Eindruck einer klaren Kargheit. Die Dachsparren liegen frei und sind roh und
unbehandelt.
Wenn sich der Vorhang öffnet, sieht man Reverend Parris, der neben dem Bett kniet,
offensichtlich ins Gebet vertieft. Seine Tochter, Betty Parris, zehn Jahre alt, liegt starr
im Bett.

Zur Zeit dieser Ereignisse war Parris Mitte vierzig. Die Geschichte bescheinigt ihm,
einen üblen Part gespielt zu haben und es gibt wenig Gutes über ihn zu berichten.
Wo immer er ging, fühlte er sich verfolgt, trotz seiner enormen Anstrengungen, Gott
und die Menschen für sich zu gewinnen. Auf Versammlungen war er schon beleidigt,
wenn jemand aufstand, um die Tür zu schließen, ohne ihn um Erlaubnis gefragt zu
haben. Er war Witwer. Für Kinder hatte er weder Neigung noch Interesse. Er
betrachtete sie als junge Erwachsene und konnte sich, wie alle in Salem bis zu
dieser seltsamen Krise, nicht vorstellen, dass Kinder etwas anderes als dankbar sein
könnten, dafür, dass es ihnen erlaubt war, aufrecht zu gehen, mit gesenktem Blick,
die Arme an der Seite, und nicht sprachen, bis man sie dazu aufforderte.
Sein Haus stand mitten in der „Stadt“, die wir heute kaum als ein Dorf bezeichnen
würden. Das Gemeindehaus lag ganz in der Nähe und von diesem Punkt
stadtauswärts gesehen – in Richtung Bucht oder gegen das Landesinnere – standen
ein paar dunkle Häuser, mit kleinen Fenstern, die sich gegen den rauen Winter von
Massachusetts eng aneinander schmiegten. Salem war kaum vierzig Jahre zuvor
gegründet worden. Für die Europäische Welt war die ganze Provinz ein barbarisches
Grenzland, von fanatischen Sektierern besiedelt, die nichtsdestoweniger Waren
exportierten, die langsam sowohl an Umfang als auch an Wert zunahmen.
Niemand weiß, wie ihr Leben wirklich aussah. Sie hatten keine Schriftsteller – und
sie hätten keinem erlaubt, einen Roman zu lesen, wenn einer vorhanden gewesen
wäre. Ihr Glaubensbekenntnis verbot alles, was auch nur dem Theater ähnlich war
und auch sonst jedes „eitle Vergnügen.“ Sie feierten Weihnachten nicht und
arbeitsfreie Tage bedeuteten nur, dass sie sich mehr auf ihr Gebet konzentrieren
mussten.
Das heißt aber nicht, dass nichts dieses strenge und düstere Leben unterbrach.
Wenn ein neues Bauernhaus errichtet wurde, versammelten sich die Freunde zum
Richtfest, und dann wurden besondere Speisen zubereitet und wahrscheinlich
machte auch ein starker Apfelwein die Runde. Es gab eine Reihe Tunichtgute, die
die Zeit beim „shovelboard“ ( ein Spiel, bei dem auf einem Brett Scheiben oder
Münzen zu einer gewissen Markierung geschoben werden.) in Bridget Bishop´s
Kneipe vertrödelten. Wahrscheinlich bewahrte die schwere Arbeit mehr als der
Glaube die Moral an diesem Ort. Die Leute waren gezwungen, heldenhaft um dieses
Land zu kämpfen, um jeden einzelnen Getreidehalm, und niemand hatte sehr viel
Zeit, herumzulungern.

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Dass es trotzdem ein paar Aufmüpfige gab, beweist die Existenz einer zwei Mann
starken Streife, deren Pflicht es war, „während des Gottesdienstes die Runde zu
machen und die zu notieren, die sich um das Gemeindehaus herumtrieben, ohne an
der heiligen Handlung teilzunehmen oder die zu Hause blieben, oder auf dem Feld
waren, ohne einen triftigen Grund dafür angeben zu können und die Namen dieser
Personen dem Friedensrichter zu melden, damit dieser entsprechend gegen sie
vorgehe.“ Diese Vorliebe, sich um anderer Leute Angelegenheiten zu kümmern, galt
in Salem als sehr ehrenwert und erzeugte viele der Verdächtigungen, die dem
kommenden Wahnsinn Nahrung gaben. Meiner Meinung nach war einer der Gründe,
dass ein John Proctor gegen das Alles rebellierte, weil die Zeit der bewaffneten
Verteidigung vorüber und das Land verhältnismäßig sicher war, wenn auch nicht
vollständig, und die alte Ordnung lästig wurde. Aber, wie bei all diesen Dingen, die
Lage war nicht eindeutig. Gefahr war weiterhin denkbar und die Einigkeit bot immer
noch die größtmögliche Sicherheit.
Die Wildnis war nahe. Der amerikanische Kontinent erstreckte sich endlos nach
Westen, und war für sie voller Geheimnisse. Sie fühlten sie dunkel und bedrohlich im
Nacken Tag und Nacht. Von Zeit zu Zeit brachen Indianerstämme plündernd und
mordend aus ihr hervor. Reverend Parris hatte Gemeindemitglieder, die durch diese
Heiden Anverwandte verloren hatten.
Die engstirnige Überheblichkeit dieser Leute war teilweise mit verantwortlich dafür,
dass es ihnen nicht gelang, die Indianer zu bekehren. Wahrscheinlich nahmen sie
auch lieber Heiden Land weg als Christen. Auf jeden Fall wurden nur wenige
Indianer bekehrt und die Leute von Salem glaubten, dass der unberührte Wald das
letzte Refugium des Teufels sei, seine Heimstätte, die Festung seines letzten
Gefechts. Nach ihrem Dafürhalten war der Wald der letzte Ort auf der Erde, der Gott
keinen Tribut zollte.
Mit aus diesem Grund besaßen sie eine Art angeborenen Widerstand, bis hin zum
Verfolgungswahn. Ihre Vorfahren waren selbstverständlich in England verfolgt
worden, deshalb hielten sie und ihre Kirche es für notwendig, jeglicher anderen
Religionsgemeinschaft keinerlei Freiheiten zuzugestehen, damit ihr Neues Jerusalem
nicht durch falsche Lehren und Irrwege beschmutzt und korrumpiert würde.
Kurz gesagt, sie glaubten in ihren festen Händen die Kerze zu halten, deren Licht
die Welt erleuchten werde. Wir haben diesen Glauben geerbt und er hat uns
geholfen und hat uns geschadet. Die Disziplin, die sie dadurch erwarben, hat ihnen
geholfen. Sie waren im Großen und Ganzen fromme Leute und sie mussten ums
Überleben kämpfen, ein Leben, das sie sich selbst gewählt hatten oder in das sie
hinein geboren worden waren.
Der Beweis für den Wert dieses Glaubens kann durch den gegensätzlichen
Charakter der ersten Jamestown Siedler geführt werden, weiter südlich, in Virginia.
Die Engländer, die dort landeten, waren hauptsächlich durch die Jagd nach Profit
motiviert. Sie gedachten, die Schätze der neuen Welt zu sammeln, um dann reich
nach England zurückzukehren. Es war eine Gruppe von Individualisten, die viel
umgänglicher waren, als die Bewohner von Massachusetts. Doch Virginia zerstörte
sie. Massachusetts versuchte die Puritaner zu vernichten, doch sie schlossen sich
zusammen, gründeten eine soziale Gemeinschaft, die am Anfang nicht mehr war, als
ein bewaffnetes Lager mit einer strengen und aufopferungsvollen Führerschaft.
Es war jedoch eine Führung, die durch Zustimmung entstanden war, da alle von
oben bis unten durch eine gemeinsam vertretene Ideologie verbunden waren, deren
Aufrechterhaltung der Grund und die Rechtfertigung für alle ihre Leiden waren.

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Alles zusammengenommen waren ihre Selbstverleugnung, ihre Entschlossenheit, ihr
Misstrauen gegen alles eitle Streben und ihre streng geführte Gerichtsbarkeit genau
das richtige Mittel, diesen Lebensraum zu erobern, der den Menschen so feindlich
gegenüber stand.
Aber die Menschen in Salem des Jahres 1692 waren nicht mehr dieselben, wie die,
die mit der Mayflower gekommen waren. Eine Aufsplitterung der gemeinsamen
Interessen hatte statt gefunden, und noch zu ihrer Zeit hatte eine Revolution die
monarchistische Regierung entmachtet und eine Versammlung eingesetzt, die
augenblicklich an der Macht war. In ihren Augen war die Zeit aus den Fugen geraten
und dem einfachen Mann erschienen die Probleme genauso kompliziert und
unlösbar wie heute. Es ist nicht schwer zu begreifen, wie leicht viele von ihnen zu
dem Glauben verführt werden konnten, dass die Zeit der Verwirrung durch
unheimliche und finstere Mächte verursacht worden war. In den Gerichtsakten taucht
kein Hinweis auf solche Vermutungen auf, aber soziale Unruhen führten zu jeder Zeit
zu solchen mystischen Verdächtigungen, und wenn sich – wie in Salem – seltsame
Dinge ereignen, ist es zu viel verlangt, zu erwarten, dass die Menschen sehr lange
davor zurückschrecken, sich mit der ganzen Kraft ihrer Frustration auf die Opfer zu
stürzen.
Die Tragödie von Salem, die auf diesen Seiten beschrieben wird, entwickelte sich
aus einem Widerspruch. Ein Widerspruch mit dem wir immer noch leben, für den es
bis jetzt noch keine Aussicht auf eine Lösung gibt. Einfach gesagt war es so: mit
allerbester Absicht entwickelten die Menschen von Salem eine Theokratie, eine
Verbindung von staatlicher und religiöser Macht, deren Aufgabe es war, die
Gemeinschaft zusammenzuhalten und jegliche Uneinigkeit zu verhindern, die durch
wirkliche oder ideologische Feinde der Zerstörung den Weg ebnen könnte. Sie wurde
für einen notwendigen Zweck geschaffen und erfüllte diesen Zweck. Aber jegliche
Organisation ist auf Ausschluss und Verbot gegründet, ja, muss es sein, so wie zwei
Dinge nicht den gleichen Platz einnehmen können. Offensichtlich kam eine Zeit in
Neu-England, da das Gewicht der Ordnung schwerer wog, als es durch die Gefahr,
gegen die diese Ordnung gegründet war, gerechtfertigt erschien. Die Hexenjagd war
ein perverser Ausdruck, die quer durch alle Klassen ging, als sich das Gleichgewicht
hin zu größerer, individueller Freiheit zu verschieben begann.
Wer sich über die dargestellte individuelle Niedertracht erhaben fühlt, sollte eher
mit Allen Mitleid haben, so wie man es auch mit uns eines Tages haben soll. Den
Menschen ist es immer noch unmöglich, ein soziales Miteinander ohne
Unterdrückung aufzubauen und das Gleichgewicht zwischen Ordnung und Freiheit
muss immer noch erst erstellt werden.
Die Hexenjagd war jedoch nicht nur reine Unterdrückung, sondern sie war auch,
und das ist genauso wichtig, eine längst fällige Gelegenheit für jeden, der die
Neigung dazu verspürte, seine Verfehlungen und Sünden öffentlich zu bekennen,
unter dem Deckmantel der Anklage gegen die Opfer. Es wurde für einen Mann
plötzlich möglich zu sagen – und das war patriotisch und heilig dazu - , dass Martha
Corey nachts in sein Schlafzimmer gekommen sei und sich, während seine Frau an
seiner Seite schlief, auf seinen Brustkorb niedergehockt und ihn „fast erstickt habe.“
Natürlich war es nur ihr Geist, aber die Befriedigung bei seinem Geständnis war nicht
geringer, als wenn es Martha selbst gewesen wäre. Gewöhnlich konnte man solche
Dinge nicht in der Öffentlichkeit sagen.
Lang unterdrückter Hass zwischen Nachbarn konnte nun offen ausgedrückt und
Rache genommen werden, trotz der biblischen Forderung nach Nächstenliebe.
Besitzansprüche, die sich bisher in ständigen Streitereien um Übertragungsurkunden
und Grenzen geäußert hatten, wurden jetzt in der Arena der Moral ausgefochten.

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Man konnte seinen Nachbarn der Hexerei bezichtigen und sich noch obendrein im
Recht fühlen. Alte Rechnung konnten auf der Ebene eines himmlischen Kampfes
zwischen Gott und Luzifer beglichen werden. Verdächtigungen und der Neid der
Glücklosen auf die Glücklichen konnten in einer allgemeinen Rache münden. Was
dann auch geschah.

Reverend Parris betet, und obwohl man seine Worte nicht verstehen kann, spürt man
seine Verwirrung. Er murmelt, scheint den Tränen nahe, dann weint er, betet wieder,
aber seine Tochter im Bett rührt sich nicht.
Die Tür öffnet sich und eine Negersklavin tritt ein. Tituba ist ungefähr vierzig Jahre
alt. Parris hat sie von Barbados mitgebracht, wo er einige Jahre als Kaufmann lebte,
bevor er dem geistlichen Stand beitrat. Sie nähert sich wie jemand, der es nicht
länger erträgt, von einem geliebten Menschen fern gehalten zu werden. Obwohl sie
befürchtet, weil ihr Sklavengespür sie warnt, dass die Schwierigkeiten in diesem
Haus, wie immer, möglicherweise auf ihrem Rücken landen werden.

TITUBA geht einen Schritt zurück Meine Betty bald wieder gesund?

PARRIS Verschwinde!

TITUBA rückwärts zur Tür Meine Betty nicht sterben...

PARRIS springt auf. Aus meinen Augen! Tituba geht eilig ab Aus meinenT
Schluchzen überwältigt ihn. Er presst die Zähne zusammen, schließt die Tür
und lehnt sich dagegen. Erschöpft. Oh, mein Gott! Gott hilf mir! Zitternd vor
Furcht stößt er unverständliche Laute aus. Er geht zum Bett, nimmt zärtlich
Bettys Hand. Betty! Kind. Liebes Kind. Wach doch auf. Mach deine Augen auf!
Betty, Kleines...

Er will sich wieder hinknien, als seine Nichte, Abigail Williams, siebzehn
Jahre alt, auftritt. Sie ist ausgesprochen hübsch, eine Waise, mit einer
großen Gabe zur Verstellung. Doch jetzt ist sie voller Unruhe und Sorge.

ABIGAIL Onkel? Er sieht sie an. Susanna Walcott ist hier, von Dr. Griggs.

PARRIS Oh? Der Doktor. Er erhebt sich. Sie soll reinkommen. Lass sie
reinkommen.

ABIGAIL ruft durch die Tür nach Susanna, die sich ein paar Stufen weiter unten in
der Halle befindet. Susanna, komm rein.

Susanna tritt auf. Sie ist etwas jünger als Abigail, ein nervöses, gehetztes
Mädchen

PARRIS ungeduldig Was sagt der Doktor, Kind?

SUSANNA verrenkt den Hals, um an Parris vorbei einen Blick auf Betty werfen zu
können. Er schickt mich, um Ihnen zu sagen, Herr Pfarrer, dass er kein Mittel in
seinen Büchern finden kann.

PARRIS Dann soll er weiter suchen.

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SUSANNA Jawohl, Herr Pfarrer. Er hat die ganze Zeit danach gesucht, seit er Sie
verlassen hat. Doch er hat mich gebeten, Ihnen zu sagen, dass vielleicht
unnatürliche Dinge der Grund für Bettys Krankheit sein könnten.

PARRIS mit aufgerissenen Augen Nein! Nein! Da gibt es nichts Unnatürliches. Sag
ihm, ich habe nach Pastor Hale aus Beverly geschickt, und Herr Hale wird das
sicher bestätigen. Der Doktor soll nach einem Mittel suchen und unnatürliche
Dinge aus dem Spiel lassen. Es gibt keine.

SUSANNA Jawohl, Herr Pfarrer. Aber ich sollte es Ihnen sagen. Sie will gehen.

ABIGAIL Susanna. Sag nichts davon im Dorf.

PARRIS Geh sofort nach Hause und kein Wort über unnatürliche Dinge.

SUSANNA Jawohl, Herr Pfarrer. Ich werde für Betty beten. Ab

ABIGAIL Onkel. Überall ist das Gerücht von Hexerei herum; ich denke, es ist am
besten, du gehst hinunter und redest selbst mit ihnen. Der Gemeinderaum ist
voll von Leuten. Ich bleib bei Betty.

PARRIS bedrückt, wendet sich ihr zu. Und was soll ich ihnen sagen? Dass ich dich
und Betty im Wald ertappt habe? Dass ihr wie die Heiden getanzt habt?

ABIGAIL Ja. Wir haben getanzt, Onkel. Sag ihnen, ich hätt’s zugegeben. Man soll
mich peitschen, wenn es sein muss. Aber alle reden von Hexerei; Betty ist nicht
verhext.

PARRIS Abigail, ich kann doch nicht vor die Gemeinde treten, wenn ich weiß, dass
du mir nicht die Wahrheit gesagt hast. Was hast du mit ihr im Wald gemacht?

ABIGAIL Wir haben getanzt, Onkel. Und als du so plötzlich aus dem Gebüsch
gekommen bist, ist Betty sehr erschrocken und ohnmächtig geworden. Mehr
war nicht.

PARRIS Kind, setz dich!

ABIGAIL setzt sich zitternd Ich würde Betty nie was antun. Ich habe sie sehr gern.
Ich...

PARRIS Hör zu, Kind. Ich will dich nicht bestrafen. Das wird sich zu gegebener Zeit
klären. Aber wenn ihr im Wald mit Geistern Verkehr hattet, muss ich es jetzt
wissen. Denn sicher erfahren es meine Feinde, und sie werden mich damit
verderben.

ABIGAIL Aber wir haben nie Geister beschworen.

PARRIS Und warum kann sie sich seit Mitternacht nicht mehr bewegen? Mit ihr
stimmt etwas nicht. Abigail senkt ihren Blick Das lässt sich nicht verheimlichen.

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Meine Feinde werden es aufdecken. Sag mir, was ihr dort gemacht habt.
Abigail, begreifst du? Ich habe viele Feinde.

ABIGAIL Ich hab davon reden hören, Onkel.

PARRIS Es gibt da eine Partei, die sich geschworen hat, mich von meiner Kanzel zu
vertreiben. Verstehst du das?

ABIGAIL Ich glaube schon.

PARRIS Nun – und in dieser ohnehin schon schwierigen Situation wird mein
eigenes Haus als Mittelpunkt anstößigen Treibens entdeckt. Abscheuliche
Dinge wurden im Wald getrieben...

ABIGAIL Es war nur Spaß, Onkel.

PARRIS deutet auf Betty. Das nennst du Spaß? Abigail schlägt die Augen nieder.
Er bittet. Abigail, wenn du irgendetwas weißt, was dem Doktor helfen könnte,
um des Himmels willen, dann sage es. Sie schweigt. Ich habe gesehen, wie
Tituba beschwörend ihre Arme über das Feuer hielt, als ich euch überraschte.
Warum hat sie das getan? Und ich habe ihre gellenden Schreie gehört, und aus
ihrem Mund kam ein unverständliches Kauderwelsch...

ABIGAIL Sie singt immer ihre Barbados-Lieder, und wir haben getanzt.

PARRIS Ich kann nicht so tun, als ob ich das nicht gesehen hätte, Abigail – weil
meine Feinde davor ihre Augen auch nicht verschließen werden. Ich habe ein
Kleid im Grase liegen sehen.

ABIGAIL unschuldig Ein Kleid?

PARRIS es fällt ihm schwer, es zu sagen Ja. Ein Kleid. Und mir war, als hätte ich...
jemanden nackt durch den Wald laufen gesehen.

ABIGAIL Niemand war nackt. Du hast dich geirrt, Onkel.

PARRIS voller Zorn Ich habe es gesehen. Er entfernt sich von ihr, dann
entschlossen Jetzt sag mir die Wahrheit, Abigail. Und ich bete darum, dass du
spürst, wie wichtig die Wahrheit ist. Mein Amt steht auf dem Spiel, mein Amt
und vielleicht das Leben meines Kindes... ...Was immer für abscheuliche Dinge
ihr getrieben habt, sag es mir jetzt. Ich möchte, wenn ich zu den Leuten
hinuntergehe, keine Überraschungen erleben.

ABIGAIL Mehr ist nicht. Ich schwöre es, Onkel.

PARRIS betrachtet sie prüfend, nickt, halb überzeugt. Abigail. Drei Jahre lang habe
ich gekämpft, um mir diese starrköpfigen Menschen hier zu beugen, und jetzt,
eben jetzt, da mir in der Gemeinde einige Achtung entgegengebracht wird,
gefährdest du meinen Ruf. Ich hab dir ein Heim gegeben, Kind, ich habe dich
aufgenommen – jetzt antworte mir ehrlich: Ist dein Name in der Stadt ganz rein?
Ist er es?

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ABIGAIL verärgert Wieso? Natürlich ist er es. Ich brauche mich meines Namens
nicht zu schämen.

PARRIS kommt auf den Punkt: Abigail, gibt es da irgendeinen anderen Grund, als
den, den du mir genannt hast, warum dich Frau Proctor entlassen hat? Ich habe
sagen hören und ich sage es genauso, wie ich es gehört habe, sie kommt in
diesem Jahr so selten in die Kirche, weil sie nicht so nah bei jemandem sitzen
will, der befleckt ist. Was bedeutet diese Bemerkung?

ABIGAIL Sie hasst mich, Onkel, sie muss, weil ich nicht ihre Sklavin sein will. Sie ist
eine bittere Frau, verlogen, kalt und wehleidig.

PARRIS Das mag sein. Aber es beunruhigt mich, dass du seit sieben Monaten aus
ihrem Haus bist und in all der Zeit keine andere Familie je nach deinem Dienst
verlangt hat.

ABIGAIL Sie wollen Sklaven, nicht eine wie mich. Dafür sollen sie sich jemand aus
Barbados holen. Ich mache mir für keine mein Gesicht schwarz. Mit kaum
verborgenem Groll Missgönnst du mir mein Bett, Onkel?

PARRIS Nein – Nein.

ABIGAIL Mein Name ist rein in der Stadt. Keiner soll sagen, dass mein Name
befleckt ist. Frau Proctor ist eine verlogene Schwätzerin.

MRS. PUTNAM tritt auf. Sie ist eine verschrobene Person von Mitte
Vierzig, von Todesgedanken gequält und von Träumen gejagt.

PARRIS Sofort, als die Tür sich öffnet. Nein, nein. Ich kann jetzt niemanden sehen.
Als er sie sieht, spürt man seinen Respekt, auch wenn seine Besorgnis anhält.
Oh. Frau Putnam. Kommen Sie herein.

MRS. PUTNAM atemlos, mit glänzenden Augen Hier geschehen seltsame Dinge.
Ich bin sicher, die Hölle hat sich gegen Sie verschworen...

PARRIS Nein, Frau Putnam, es ist...

MRS. PUTNAM Mit einem Blick auf Betty Wie hoch ist sie geflogen, wie hoch?

PARRIS Nein, nein. Sie ist nicht geflogen...

MRS. PUTNAM sehr zufrieden Aber sicher ist sie das. Herr Collins hat sie gesehen,
über Ingersolls Scheune, und sie ist sanft wie ein Vogel gelandet, sagt er.

PARRIS Jetzt hören Sie mir einmal zu, Frau Putnam. Sie ist nie...
Thomas Putnam tritt auf, ein wohlsituierter, hartgesottener Grundbesitzer,
nahe fünfzig. Oh, guten Morgen, Herr Putnam.

PUTNAM Es ist eine Vorsehung, dass die Sache nun heraus ist, eine Vorsehung.
Er geht direkt zum Bett.

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PARRIS Was ist heraus, was?...

MRS. PUTNAM geht zum Bett

PUTNAM schaut auf Betty herunter Aha. Ihre Augen sind geschlossen. Siehst du
das, Ann?

MRS. PUTNAM Sonderbar. Zu Parris Die von unserer Tochter sind offen.

PARRIS erschrocken Ihre kleine Ruth ist krank?

MRS. PUTNAM mit boshafter Gewissheit Krank würde ich das nicht nennen. Die
Berührung des Teufels macht kränker als krank. Das ist der Tod. Der Tod,
wissen Sie, der gehörnt und gehuft in sie hineingefahren ist.

PARRIS Oh. Bitte! Das nicht. Was fehlt Ihrem Kind?

MRS. PUTNAM Sie muss sehr leiden – sie ist heute Morgen nicht aufgewacht, aber
ihre Augen sind offen. Sie geht umher und hört nichts, sieht nichts und kann
nicht essen. Ihre Seele ist verloren, da bin ich sicher.

Parris ist betroffen

PUTNAM begierig nach weiteren Einzelheiten Man sagt, Sie haben nach Pastor
Hole geschickt?

PARRIS mit nachlassender Überzeugung Nur eine Vorsichtsmaßnahme. Er hat


viel Erfahrung mit dämonischen Künsten, und ich...

MRS. PUTNAM Die hat er in der Tat. Er hat vergangenes Jahr in Beverly eine Hexe
entdeckt. Denkt daran.

PARRIS Nun, man glaubte nur, es sei eine Hexe. Und ich bin sicher, dass hier kein
Fünkchen von Hexerei im Spiel ist.

PUTNAM Keine Hexerei. Nun hören Sie mal, Herr Parris.

PARRIS Thomas, Thomas, ich bitte Sie. Seien Sie nicht so voreilig mit Hexerei. Ich
weiß, Sie sind der letzte, Thomas, der sich wünschen würde, dass man mich
unter eine so schwerwiegende Anklage stellt. Wir dürfen nicht zu voreilig mit
Hexerei sein. Man wird mich noch aus Salem hinausschreien, aufgrund solcher
Verderbnis in meinem Haus.

Ein Wort zu Thomas Putnam. Er war ein Mann voller Klagen. Zumindest eine
schien berechtigt. Einige Zeit zuvor war der Schwager seiner Frau, James Bayley,
als Pfarrer für Salem abgelehnt worden. Bayley hatte alle Qualifikationen und
verfügte außerdem über zwei Drittel der Stimmen, aber eine Partei verhinderte seine
Annahme, aus Gründen, die nicht klar sind.

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Thomas Putnam war der älteste Sohn des reichsten Mannes im Ort. Er hatte
gegen die Indianer in Narrangansett gekämpft und interessierte sich intensiv für die
Angelegenheiten der Pfarrgemeinde. Unzweifelhaft hielt er es für eine schlechte
Entlohnung, dass die Stadt für eines der wichtigsten Ämter so offensichtlich seinen
Kandidaten missachtete, besonders da er sich den meisten Menschen um sich
herum intellektuell überlegen fühlte. Sein rachsüchtiger Charakter zeigte sich lange
bevor die Hexenjagd begann. Ein früherer Pfarrer aus Salem, George Burroughs,
hatte sich Geld leihen müssen, um die Beerdigung seiner Frau bezahlen zu können,
und da die Gemeinde mit seiner Gehalt im Rückstand war, war er bald bankrott.
Thomas und sein Bruder John ließen Burroughs einsperren für Schulden, die er nicht
zu verantworten hatte. Der Vorfall ist nur in so fern von Bedeutung, dass Burroughs
bei der Bewerbung für das Pastorenamt erfolgreich war, während Bayley, Thomas
Schwager, abgelehnt wurde. Das Motiv seines Grolls wird hier deutlich. Thomas
Putnam war der Meinung, dass sein Name und die Ehre seiner Familie durch die
Stadt befleckt worden war und er glaubte, die Dinge richtig stellen zu müssen.
Ein weiterer Grund anzunehmen, dass er ein äußerst verbitterter Mann war, war
der Versuch, das Testament seines Vaters anzufechten, das seinem Stiefbruder
einen unverhältnismäßig hohen Erbanteil zusprach. Dieser Versuch misslang,
genauso wie bei anderen Rechtsstreitigkeiten, mit denen er seine Interessen durch
zu setzen versuchte.
Es überrascht daher nicht, dass viele Beschuldigungen die Handschrift Thomas
Putnams tragen oder dass sein Name so oft als Zeuge auftaucht, wenn es um die
Bestätigung übernatürlicher Vorgänge ging und dass seine Tochter während der
Gerichtsverhandlungen an passender Stelle das Ausschreien anführte.

PUTNAM im Moment nur dran interessiert, Parris, für den er nur Verachtung übrig
hat, zu Fall zu bringen Sehen Sie, Herr Parris. Ich habe in jedem Streit hier Ihre
Partei ergriffen und würde es auch weiter tun, aber ich kann es nicht, wenn Sie
das hier verschweigen. Es sind schädliche, rachsüchtige Geister, die Hand an
diese Kinder legen.

PARRIS Aber Thomas, Sie können doch nicht...

PUTNAM Ann! Sage Herrn Parris, was geschehen ist.

MRS. PUTNAM Herr Pastor. Ich legte sieben Kinder ungetauft ins Grab. Glauben
Sie mir, nie sah man gesünder geborene Kinder. Und trotzdem starb noch jedes
in der gleichen Nacht, in der es geboren wurde. Ich sagte nichts, doch mein
Herz schrie laut nach einem Zeichen. Und jetzt, meine Ruth, meine einzige. Ich
sehe, wie sie mir fremd wird. Ein sonderbares Kind ist sie geworden, dieses
Jahr. Sie verfällt, als ob eine geheimnisvolle Macht ihr das Leben aussaugt.
Und deshalb habe ich mich entschlossen, sie zu Tituba zu schicken.

PARRIS Tituba. Was kann Tituba?

MRS. PUTNAM Tituba weiß, wie man zu den Toten spricht, Herr Parris.

PARRIS Frau Putnam. Es ist eine furchtbare Sünde, die Toten zu beschwören.

MRS. PUTNAM Diese Sünde nehme ich auf meine Seele. Sie steht auf. Wer sonst
kann mir sicher sagen, wer meine Kinder ermordet hat.

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PARRIS entsetzt Frau!

MRS. PUTNAM Gemordet, Herr Parris! Und seht dieses Zeichen, den Beweis!
Letzte Nacht war meine Ruth den Geistern ihrer kleinen Geschwister so nah.
Ich weiß es. Warum sonst wäre sie jetzt mit Stummheit geschlagen, wenn nicht
dunkle Mächte ihr den Mund verschlossen hätten. Das ist das Zeichen, Herr
Parris.

PUTNAM Verstehen Sie jetzt? Eine mordgierige Hexe ist unter uns, die sich
selbstverständlich verborgen halten muss. Parris wendet sich Betty zu, eine
panische Angst erwacht in ihm. Lassen Sie Ihre Feinde daraus machen, was
sie wollen. Sie können sich nicht länger der Wahrheit verschließen.

PARRIS zu Abigail Also habt ihr gestern Nacht doch Geister beschworen?

ABIGAIL flüsternd Ich nicht. Tituba und Ruth.

PARRIS dreht sich um, voll neuer Furcht geht er zu Bettys Bett, sieht auf sie
herunter, hebt dann den Blick O Abigail so lohnst du mir meine Barmherzigkeit.
Jetzt bin ich erledigt.

PUTNAM Nein. Sie sind nicht erledigt. Seien Sie stark. Warten Sie nicht, bis Sie
einer beschuldigt. Gehen Sie selbst damit an die Öffentlichkeit. Sie haben
Hexerei aufgedeckt.

PARRIS In meinem Haus! In meinem Haus, Thomas? Damit werden sie mich
stürzen. Sie...

Mercy Lewis tritt auf, ein listiges, verschlagenes Mädchen von achtzehn
Jahren.

MERCY Entschuldigung. Ich dachte nur, ich seh mal, wie’s Betty geht.

PUTNAM Warum bist du nicht zu Hause? Wer ist bei Ruth?

MERCY Ihre Großmutter ist gekommen. Außerdem glaube ich, es geht ihr etwas
besser. Sie hat vorhin kräftig geniest. Sie geht zum Bett, um nachzusehen.

MRS. PUTNAM Ein gutes Zeichen.

MERCY Ich würde mir keine Sorgen mehr machen, Herr Putnam. Das war ein
gewaltiger Nieser. Noch so einer und sie hat ihre Sinne alle wieder beisammen.

PARRIS Bitte, gehen Sie jetzt, Thomas. Ich möchte allein sein, um zu beten.

ABIGAIL Onkel, du hast seit Mitternacht gebetet. Warum gehst du nicht runter und...

PARRIS Nein, nein. zu Putnam Ich weiß nicht, was ich den Leuten sagen soll. Ich
werde warten, bis Pastor Hale kommt. Möchte, dass Mrs. Putnam geht. Frau
Putnam, wenn Sie dennT

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PUTNAM zu Parris Hören Sie, Herr Pastor. Kämpfen Sie wider den Teufel, und die
Stadt wird Sie dafür segnen. Gehen Sie hinunter, sprechen Sie zu den Leuten.
Beten Sie mit ihnen. Sie warten begierig auf ein Wort, Mann. Beten werden Sie
doch mit ihnen.

PARRIS eindringlich Ich werde einen Psalm lesen. Aber sagen Sie nichts von
Hexerei, noch nicht. Ich werde nicht darüber reden. Die ganze Sache ist noch
zu unklar. Ich hatte genug Streit, seit ich hergekommen bin. Ich will keinen
mehr.

MRS. PUTNAM Mercy. Du gehst nach Hause zu Ruth. Hast du gehört?

MERCY Jawohl.

Mrs. Putnam geht ab.

PARRIS zu Abigail Wenn sie ans Fenster will, rufst du mich sofort.

ABIGAIL Ja, Onkel.

PARRIS zu Putnam Sie hat heute eine unheimliche Kraft in den Armen.

Parris geht mit Putnam ab.

ABIGAIL mit unterdrückter Ängstlichkeit Wie krank ist Ruth wirklich?

MERCY Es ist verrückt. Ich weiß es nicht. – Sie läuft herum wie eine Tote, seit
gestern Nacht.

ABIGAIL dreht sich um, geht zu Betty, und nun, mit deutlicher Furcht in der Stimme.
Betty! Betty bewegt sich nicht. Abigail schüttelt sie. Lass das jetzt Betty! Wach
auf!

Betty rührt sich nicht. Mercy kommt herüber.

MERCY Hast du’s schon mit Schlägen versucht? Ich habe Ruth eine gehörige
Tracht verabreicht. Das hat sie für eine Weile aufgeweckt. Geh weg, lass mich
mal...

ABIGAIL hält Mercy zurück Nein. Er kommt gleich zurück. Hör zu. Wenn sie uns
fragen, sag ihnen, dass wir getanzt haben. So viel habe ich ihm auch schon
gesagt.

MERCY Und was noch?

ABIGAIL Er weiß, dass Tituba Ruths Geschwister beschworen hat, aus dem Grab
zu steigen.

MERCY Und was noch?

ABIGAIL Er hat dich nackt gesehen.

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MERCY schlägt ihre Hände zusammen, mit einem ängstlichen Lachen. Ach du
lieber Gott.

Mary Warren tritt auf. Sie ist siebzehn, ein einsames, naives Mädchen,
leicht unterwürfig.

MARY WARREN Was sollen wir tun? Die ganze Stadt ist auf den Beinen. Ich
komme gerade vom Hof. Das ganze Land redet von Hexerei. Man wird sagen,
dass wir Hexen sind, Abby.

MERCY zeigt auf Mary und deutet auf sie. Sie will’s zugeben. Ich weiß es.

MARY WARREN Wir müssen es zugeben. Wegen Hexerei wird man aufgehängt,
so wie sie es vor zwei Jahren in Boston gemacht haben. Wir müssen die
Wahrheit sagen, Abby! Du wirst nur gepeitscht wegen dem Tanzen und dem
andern.

ABIGAIL W i r werden ausgepeitscht.

MARY WARREN Ich habe überhaupt nichts gemacht. Ich habe bloß zugesehen.

MERCY geht drohend auf Mary zu. Oh, du bist groß im Zusehen. Wie, Mary
Warren? Was für einen tollen, mickrigen Mut du doch hast,!

Betty wimmert. Abigail dreht sich zu ihr um.

ABIGAIL Betty? Geht zu ihr hin Betty, Liebe. Wach auf. Hier ist Abigail.
Sie richtet Betty auf, schüttelt sie wütend. Ich schlag dich, Betty! Betty
wimmert Na also, es scheint dir besser zu gehen. Ich habe mit deinem Vater
geredet und ihm alles gesagt. Es gibt keinen Grund zu...

BETTY springt mit einem Satz aus dem Bett, fürchtet sich vor Abigail, drückt sich
flach an die Wand. Ich will meine Mama.

ABIGAIL alarmiert, geht vorsichtig auf Betty zu. Was hast du, Betty? Deine Mama ist
tot und begrabenT

BETTY Ich will zu Mama fliegen. Lasst mich fliegen!

Sie hebt ihre Arme, als ob sie fliegen wolle, bewegt sich zum Fenster,
streckt ein Bein nach draußen.

ABIGAIL zieht sie vom Fenster weg.. Ich hab ihm alles gesagt. Er weiß es jetzt. Er
weiß alles, was wir...

BETTY Du hast Blut getrunken, Abby! Das hast du ihm nicht gesagt.

ABIGAIL Betty, das sagst du nicht noch einmal. Du wirst niemals...

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BETTY Du hast es getan! Du hast es getan! Du hast einen Zaubertrunk getrunken,
um die Frau von John Proctor zu töten. Du hast einen Zaubertrank getrunken,
um die Frau von John Proctor zu töten.

Abigail schlägt ihr ins Gesicht.

ABIGAIL Sei still! Sei endlich still!

Betty bricht auf dem Bett zusammen.

BETTY Mama, Mama... (Sie schluchzt.)

ABIGAIL Jetzt hört zu. Alle beide. Wir haben getanzt. Und Tituba hat Ruths tote
Schwester beschworen. Und sonst war nichts. Und merkt euch: Wenn eine von
euch nur ein Wort oder auch nur den Hauch von einem Wort über das andere
sagt, dann komme ich mitten in einer schrecklich finsteren Nacht und rechne
mit euch ab, dass es euch schaudert. Ihr wisst, ich kann das. Ich habe
gesehen, wie Indianer auf dem Kissen neben mir die Köpfe meiner lieben Eltern
zerschmettert haben, und ich hab so manches gesehen, was die Rothäute
nachts getrieben haben. Ich kann machen, dass ihr euch wünscht, ihr hättet die
Sonne nie untergehen sehen. Abigail geht zu Betty, setzt sich aufs Bett und
richtet sie grob auf. Setz dich und lass das!

Betty bricht in ihren Armen zusammen und liegt unbeweglich auf dem
Bett..

MARY WARREN hysterisch, ängstlich. Was hat sie? Abigail starrt ängstlich Betty
an Abby, sie stirbt. Geister beschwören ist eine Sünde, und wir...

ABIGAIL erschreckt zu Mary Ich sag dir, sei still, Mary Warren!

John Proctor tritt auf. Als Mary ihn sieht, zuckt sie ängstlich zusammen.

Proctor war ein Bauer, Mitte dreißig. Er muss nicht irgendeiner Gruppierung
in der Stadt angehört haben, aber es gibt Grund zu vermuten, dass er mit Heuchlern
kurzen Prozess machte. Er war die Art von Mann – von kräftigem Körperbau, mit
ausgeglichenem Wesen und nicht leicht zu führen – der die Bitte einer Partei nicht
zurückweisen konnte, ohne deren tiefsten Groll auf sich zu ziehen. In Proctors
Gegenwart spürte ein Dummkopf seine Dummheit sofort und deshalb ist ein
Proctor immer das Ziel von Verleumdungen.
Aber wie wir sehen werden, entspricht seine zur Schau gestellte ruhige Art nicht
einem inneren Frieden. Er war ein Sünder, nicht nur in Bezug auf die damalige
Moralvorstellung sondern auch im Sinne seiner eigenen Vorstellung von einem
anständigen Leben. Diese Menschen kannten kein Zeremoniell, das sie von Sünden
rein wusch. Das ist ein weiterer Wesenszug, den wir von ihnen geerbt haben,
der uns einerseits geholfen hat, uns zu disziplinieren und andererseits die
Heuchelei unter uns gezüchtet hat. Proctor, in Salem geachtet und sogar gefürchtet,
war dahin gekommen, sich selbst als Betrüger zu betrachten. Aber nichts von
alledem war bisher an die Oberfläche gedrungen.

Und als er die Szene betritt, sehen wir einen Mann in seinen besten Jahren, mit

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einem ruhigen Selbstvertrauen und einer unausgesprochenen, verborgenen Kraft.
Mary Warren, sein Dienstmädchen, kann vor Verlegenheit und Furcht kaum
sprechen.

MARY WARREN Oh. Ich wollte gerade heimgehen, Herr Proctor.

PROCTOR Bist du blöde? Mary Warren? Bist du taub? Ich habe dir verboten, das
Haus zu verlassen. Oder? Wofür bezahle ich dich eigentlich? Ich suche dich
öfter als meine Kühe.

MARY WARREN Ich wollte sehen, was sich Großes in der Welt tut.

PROCTOR Eines schönen Tages gebe ich dir was Großes auf den Arsch. Jetzt
mach dich nach Hause. Meine Frau wartet mit Arbeit auf dich.

Bemüht einen Rest von Würde zu bewahren geht Mary langsam hinaus

MERCY in einer Mischung aus Angst und einer seltsamen Erregung


Ich geh dann wohl besser. Ich muss nach Ruth sehen. Guten Morgen, Herr
Proctor.

Mercy schleicht sich hinaus. Seit Proctors Eintritt hat Abigail ihn mit
großen Augen beobachtet, ihn mit Blicken verschlungen. Er wirft ihr einen
Blick zu, geht dann zu Bettys Bett.

ABIGAIL Oh. Ich hatte fast vergessen, wie stark du bist, John Proctor.

PROCTOR sieht jetzt Abigail an, mit der schwachen Andeutung eines wissenden
Lächelns im Gesicht. Was soll der Unsinn hier?

ABIGAIL mit einem nervösen Lachen Sie spinnt nur irgendwie.

PROCTOR Sie kann also fliegen, oder?

ABIGAIL Oh, John, du glaubst doch nicht im Ernst, dass sie fliegt.

PROCTOR Den ganzen Morgen schon strömen die Leute auf der Straße an meinem
Haus vorbei nach Salem, wie bei einer Wallfahrt. In der Stadt redet man von
Hexerei.

ABIGAIL Quatsch. Gewinnend kommt sie ihm ein bisschen näher, in einer
vertraulich frechen Weise. Wir haben gestern Abend im Wald getanzt, mein
Onkel hat uns überrascht. Und da ist sie zu Tode erschrocken. Das ist alles.

PROCTOR sein Lächeln wird breiter Bei Mondschein getanzt. Ein kurzes
erwartungsvolles Lachen entschlüpft ihr, sie wagt es, näher zu kommen,
schaut ihn mit glühenden Augen an. Pass auf, dass sie dich nicht einsperren,
bevor du zwanzig bist.
Er macht einen Schritt hin zur Tür. Abigail versperrt ihm den Weg.

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ABIGAIL Sag mir ein Wort, John. Ein liebes Wort. Ihre intensive Begierde lässt sein
Lächeln verschwinden

PROCTOR Nein, nein, Abby. Damit ist es vorbei.

ABIGAIL spöttisch Du fährst nicht fünf Meilen, nur um dieses alberne Ding fliegen
zu sehen? Ich kenne dich besser.

PROCTOR drängt sie aus dem Weg Ich bin hier, um zu sehen, was dein Onkel
wieder für ein neues Unheil anrichtet. Mit Entschiedenheit Schlag’s dir aus
dem Kopf, Abby.

ABIGAIL fasst seine Hand, bevor er es verhindern kann. John. Ich warte jede Nacht
auf dich.

PROCTOR Abby. Ich habe dir nie entsprechende Hoffnung gemacht.

ABIGAIL mit aufsteigendem Zorn – sie kann es nicht glauben. Ich denke, ich habe
etwas Besseres als Hoffnung.

PROCTOR Du musst das vergessen. Ich komme nicht mehr zu dir.

ABIGAIL Du machst Spaß.

PROCTOR Du kennst mich besser.

ABIGAIL Ich weiß, wie du mich hinter’m Haus gepackt hast und wie ein Hengst
geschwitzt hast, wenn ich dir zu nah kam. Oder habe ich das geträumt? Sie hat
mich rausgeworfen. Du kannst nicht so tun, als wärst du es gewesen. Ich hab
dein Gesicht gesehen, als sie mich hinauswarf, und da hast du mich geliebt,
und du liebst mich auch jetzt.

PROCTOR Es ist verrückt, was du da sagst...

ABIGAIL Kann sein. Aber nicht zu verrückt, denke ich. Ich habe dich gesehen, seit
sie mich aus dem Haus gejagt hat, ich habe dich nachts gesehen.

PROCTOR Ich bin die letzten sieben Monate kaum einen Schritt vom Hof gegangen.

ABIGAIL Ich spüre Leidenschaft, John, und deine hat mich an mein Fenster
gezogen. Willst du mir erzählen, dass du niemals zu meinem Fenster
hinaufgeschaut hast?

PROCTOR Vielleicht habe ich das.

ABIGAIL Ich kenne dich, John, ich kenne dich. Sie weint Ich kann vor Träumen
nachts nicht schlafen; ich kann nicht träumen, sondern wache auf und lauf im
Haus herum, und denke, du kommst zu irgendeiner Tür herein. Sie umklammert
ihn verzweifelt.

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PROCTOR schiebt sie sanft von sich weg, mit großer Sympathie aber entschieden.
Kind...

ABIGAIL mit plötzlichem Zorn Wieso nennst du mich Kind!

PROCTOR Abby, ich denke manchmal an dich. Aber eher will ich mir die Hand
abhacken, als dass ich je wieder nach dir greife. Vergiss alles. Wir haben uns
nie berührt, Abby.

ABIGAIL Doch. Haben wir.

PROCTOR Nein. Haben wir nicht.

ABIGAIL voll Bitterkeit Oh, es wundert mich, dass so ein starker Mann sich von so
einer kränklichen Frau...

PROCTOR verärgert – auch über sich selbst Kein Wort über Elizabeth.

ABIGAIL Sie schwärzt mich an in der Stadt. Sie erzählt Lügen über mich. Sie ist eine
gefühllose, wehleidige Frau, und du kuschst vor ihr, lässt dich an der Leine
führen, wie...

PROCTOR schüttelt sie Willst du die Peitsche?

Von unten hört man einen Psalm

ABIGAIL außer sich, bricht in Tränen aus Ich will John Proctor, der mein Herz
wissend gemacht hat. Ich wusste nicht, was für eine Heuchelei in Salem war;
ich wusste nicht, was für Lügen diese Christenfrauen und ihre angetrauten
Männer mich gelehrt haben. – Und jetzt willst du, dass ich das Licht aus meinen
Augen reiße. Ich tue es nicht. Ich kann es nicht. Sie löst sich von ihm. Du hast
mich geliebt, John Proctor, und wie sündig es auch ist, du liebst mich immer
noch. Er dreht sich abrupt um, um zu gehen John, hab Mitleid mit mir, hab
Mitleid.

Man erkennt die Worte »wir gehen zu Jesus« in dem Psalm. Betty hält
sich die Ohren zu und jammert laut. Abigail eilt zu ihr. Betty richtet sich
auf und schreit laut. Proctor kommt Abigail zu Hilfe, die versucht, Bettys
Hände herunterzuziehen.

Betty!

PROCTOR zunehmend ungehalten Was macht sie? Mädchen, was quält dich? Hör
auf mit diesem Gejammer!

Währenddessen hat der Gesang aufgehört, Parris kommt eilends herein.

PARRIS Was ist geschehen? Was habt ihr mit ihr gemacht? Betty! Er eilt zum Bett,
schreit Betty, Betty! Mrs. Putnam kommt herein, voller aufgeregter Neugier,
hinter ihr Thomas Putnam und Mercy Lewis. Parris, neben dem Bett, schlägt
Betty leicht ins Gesicht, während sie stöhnt und aufzustehen versucht..

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ABIGAIL Sie hat euch singen gehört, und plötzlich fährt sie hoch und schreit...

MRS. PUTNAM Der Psalm. Der Psalm. Sie erträgt es nicht, den Namen des Herrn
zu hören.

PARRIS Nein, um Gottes Willen. Mercy, lauf zum Doktor, erzähl ihm, was hier
passiert ist. Mercy geht rasch ab

MRS. PUTNAM Nehmt dies als Zeichen...

Rebecca Nurse tritt auf. Eine weißhaarige alte Frau von zweiundsiebzig
Jahren. Sie stützt sich auf einen Stock.

PUTNAM zeigt auf die wimmernde Betty Ein offenkundiges Zeichen, Mrs. Nurse,
dass Hexerei im Gange ist, ein ungeheures Zeichen.

MRS.PUTNAM Das hat mir meine Mutter gesagt! Wenn sie den Namen des Herrn
nicht ertragenT

PARRIS zitternd Rebecca, Rebecca, sieh sie dir an... wir sind verloren. Plötzlich
kann sie es nicht ertragen, den Namen des Herrn zu hören.

Rebecca geht zum Bett. Giles Corey tritt auf. Er ist dreiundachtzig Jahre
alt, voller Gichtknoten, voll Bauernschläue, neugierig und immer noch
kraftvoll.

REBECCA Hier ist jemand schwer krank, Giles Corey, also bitte seien Sie still.

COREY Ich habe kein Wort gesagt. Hier kann keiner behaupten, ich hätte ein Wort
gesagt. Fliegt sie wieder? Man sagt, sie fliegt.

PUTNAM Mann, sind Sie doch endlich still.

Alle sind ruhig. Rebecca geht durch den Raum zum Bett. Sie strahlt eine
gewisse Milde aus. Betty wimmert leise, die Augen geschlossen.
Rebecca steht einfach neben dem Kind, das sich langsam beruhigt.

Und während sie alle so versunken sind, können wir ein Wort zu Rebecca sagen.
Rebecca war die Frau von Francis Nurse, der, nach allem, was wir von ihm
wissen, einer jener Männer war, dem beide Seiten in diesem Konflikt großen Respekt
zollten. Man rief ihn, um Streitigkeiten zu schlichten, als ob er ein inoffizieller Richter
wäre. Und Rebecca genoss die gleiche Hochachtung, die man ihrem Mann entgegen
brachte. Zur Zeit des Hexenwahns besaßen sie dreihundert Morgen Land, auf dem
ihre Kinder in eigenen Hausständen lebten. Dieses Land hatte Francis jedoch
ursprünglich gepachtet, und eine Theorie besagt, dass, als er es nach und nach
abbezahlte und seinen sozialen Status verbesserte, es Einige gab, die ihm seinen
Aufstieg neideten.
Eine weitere Erklärung für diese systematische Kampagne gegen Rebecca und
letztendlich gegen Francis, ist der Krieg, den er mit seinen Nachbarn um Land
führte. Einer dieser Nachbarn war ein Putnam.

21
Dieser Konflikt führte zu einem Kampf zwischen Parteigängern beider Seiten in den
Wäldern, wie gesagt wird, und soll zwei Tage lang gedauert haben. Rebecca selbst
genoss ein so hohes Ansehen, dass man die damaligen Besitz- und Grenzverhält-
nisse betrachten muss, um zu verstehen, wie jemand es wagen konnte, sie als Hexe
auszuschreien - und mehr noch, wie erwachsene Menschen dazu kommen konnten,
Hand an sie zu legen. Wie wir wissen, war Bayley Thomas Putnams Kandidat für das
Pfarramt in Salem. Der Nurse Clan gehörte zu der Partei, die verhindert hatte, dass
Bayley das Amt übernahm. Dazu kam, das einige Familien, die mit den Nurse durch
Verwandtschaft oder Freundschaft verbunden waren und deren Land an das ihre
grenzte oder nahe dabei lag, sich zusammengeschlossen hatten, um sich von der
Stadt Salem zu trennen, um Topsfield zu gründen, ein neues, unabhängiges
Gemeinwesen, über dessen Existenz sich die alten Salemer ärgerten.
Dass Putnam die führende Rolle bei den Machenschaften inne hatte, geht aus der
Tatsache hervor, dass, so bald sie begannen, die Topsfield-Nurse-Partei der
Kirche aus Protest und Unglaube fernblieb. Es waren Edward und Jonathan
Putnam, die die erste Anklage gegen Rebecca unterzeichneten und Thomas
Putnams kleine Tochter war diejenige, die während des Verhörs einen Anfall bekam
und Rebecca als die Urheberin bezeichnete. Um das Maß vollzumachen,
beschuldigte Mrs. Putnam bald darauf Rebeccas Geist, er würde sie zu
Ungeheuerlichkeiten verführen, eine Anklage, die mehr Wahrheit in sich barg, als
Mrs. Putnam ahnen konnte.

MRS. PUTNAM verwundert Was haben Sie gemacht?

Rebecca, in Gedanken, verlässt das Bett und setzt sich hin

PARRIS verwundert und erleichtert Wie haben Sie das geschafft?

PUTNAM eifrig Liebe Frau Nurse, würden Sie bitte zu meiner Ruth gehen und
sehen, ob Sie sie aufwecken können?

REBECCA sitzend Ich denke, sie wird zur rechten Zeit aufwachen. Beruhigen Sie
sich, bitte. Ich habe elf Kinder und bin sechsundzwanzigfache Großmutter, und
allesamt habe ich sie ihre verrückten Zeiten durchmachen sehen. Wenn es über
sie kommt, sind sie in ihrem Übermut schlimmer als der Teufel. Ich denke, sie
wacht schon auf, wenn sie es erst leid ist. Ein kindlicher Geist ist wie ein Kind.
Man kann ihn nicht fangen, indem man ihm hinterherläuft. Man muss stillstehen,
und aus Liebe kommt er bald von selber zurück.

PROCTOR Das ist die Wahrheit, Rebecca.

MRS. PUTNAM »Verrückte Zeiten«, Rebecca? Meine Ruth ist wirr im Kopf,
Rebecca. Sie kann nicht essen.

REBECCA Vielleicht ist sie noch nicht hungrig. Zu Parris , ich hoffe, Sie haben
nicht die Absicht, auf die Suche nach bösen Geistern zu gehen, Herr Parris. Ich
hab draußen so was gehört.

PARRIS In der Gemeinde greift die Meinung um sich, der Teufel könnte unter uns
sein, und ich möchte sie beruhigen und ihnen sagen, dass sie sich irren.

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PROCTOR Dann gehen Sie und sagen es ihnen. Haben Sie den Kirchenvorstand
gefragt, bevor Sie nach diesem Pastor riefen, damit er hier nach Teufeln sucht?

PARRIS Er kommt nicht, um nach Teufeln zu suchen.

PROCTOR Weshalb kommt er dann?

PUTNAM Kinder sterben in der Stadt, Mann..!

PROCTOR Ich sehe niemanden sterben. Diese Gemeinde kann nicht dazu benutzt
werden, Ihre Interessen durchzusetzen. zu Parris Haben Sie eine
Versammlung einberufen, ehe SieT.

PUTNAM Ich hab die Schnauze voll von Versammlungen. Kann der Mann keinen
Schritt machen, ohne eine Versammlung abzuhalten.

PROCTOR Kann er schon, wenn es nicht immer zur Hölle führt.

REBECCA Bitte, John, bleib ruhig. Pause. Er verbeugt sich vor ihr. Herr Parris, ich
denke, Sie schicken diesen Pastor Hale am besten wieder zurück, sobald er
kommt. Es wird in der Gemeinde nur neuen Streit geben, und wir haben dieses
Jahr auf Frieden gehofft. Ich denke, wir sollten auf den Doktor vertrauen und
unser Gebet.

MRS. PUTNAM Rebecca, der Doktor ist ratlos.

REBECCA Wenn er das ist, dann wenden wir uns an Gott um Rat. Es ist sehr
gefährlich, nach bösen Geistern zu forschen. Das macht mir Angst. Suchen wir
lieber die Schuld bei uns selber und -

PUTNAM Warum sollen wir die Schuld bei uns selber suchen? Ich bin einer von
neun Söhnen, unser Samen hat die Provinz bevölkert. Und doch ist mir von
acht Kindern nur ein einziges geblieben – und auch das schwindet mir dahin.

REBECCA Ich kann das nicht glauben.

MRS. PUTNAM mit leichtem Sarkasmus. Aber ich soll das glauben! Sie denken, es
ist Gottes Werk, dass Sie nie ein Kind oder ein Enkelkind verloren haben,
während ich alle bis auf eins begraben musste. In diesem Dorf gehen seltsame
Dinge vor.

PUTNAM zu Parris Wenn Pastor Hale kommt, werden Sie hier weiter nach Zeichen
von Hexerei suchen.

PROCTOR Sie haben Herrn Parris nichts zu befehlen. In der Gemeinde zählt nicht
der Grundbesitz, sondern die Stimme jedes Einzelnen.

PUTNAM Ich habe nie gehört, dass Sie sich Sorgen um die Gemeinde machen. Ich
glaube, ich habe Sie seit der letzten Schneeschmelze nicht mehr in der Kirche
gesehen.

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PROCTOR Ich hab Sorgen genug. Ich fahre doch nicht fünf Meilen, nur um ihn von
nichts anderem als von Höllenfeuer und Verdammnis predigen zu hören. Es
gibt heutzutage viele, die nicht mehr zur Kirche kommen, weil er kaum mehr
von Gott spricht.

PARRIS erregt Das ist eine starke Beschuldigung.

REBECCA Doch es ist etwas Wahres dran. Viele zögern, ihre Kinder mitzubringen...

PARRIS Ich predige nicht für Kinder, Rebecca. Nicht die Kinder vergessen ihre
Pflicht gegen dieses Pastorenamt.

REBECCA Pflichtvergessen? Gibt es solche hier?

PARRIS Ich sollte sagen, die bessere Hälfte von SalemT

PUTNAM Und mehr als dasT

PARRIS Wo ist mein Holz? Mein Vertrag sieht vor, dass ich mit ausreichend
Brennholz versorgt werde. Seit November warte ich auf nur einen Scheit und
musste damals meine erfrorenen Hände herzeigen wie ein Londoner Bettler.

COREY Sie bekommen sechs Pfund im Jahr, um Holz zu kaufen, Herr Parris.

PARRIS Ich werde zu schlecht bezahlt, um davon auch noch sechs Pfund für
Brennholz auszugeben.

PROCTOR Sechzig, plus sechs für Brennholz.

PARRIS Mein Gehalt sind sechsundsechzig Pfund. Ich bin nicht irgendein
predigender Bauer mit einem Buch unter dem Arm. Ich habe mein Examen in
Harvard gemacht.

COREY Ja, und sind sehr gut im Rechnen.

PARRIS Herr Corey. Sie können lange suchen, bis Sie jemanden von meiner Art für
sechzig Pfund im Jahr finden. Ich bin diese Armut nicht gewöhnt. Ich habe ein
blühendes Geschäft in Barbados verlassen, um dem Herrn zu dienen. Ich
begreife nicht, warum man mich hier schikaniert. Ich kann nichts vorschlagen,
ohne dass lautstark dagegen argumentiert wird. Ich habe mich oft gefragt, ob
da nicht der Teufel irgendwie mit im Spiel ist, anders kann ich mir das nicht
erklären.

PROCTOR Herr Parris, Sie sind der erste Pfarrer, der die Besitzurkunde für dieses
Haus gefordert hat...

PARRIS Mann! Hat ein Pfarrer nicht ein Haus verdient, um darin zu leben.

PROCTORT Um darin zu leben, ja. Aber noch die Besitzurkunde zu fordern, ist, als
ob Ihnen der Gemeindesaal privat gehört. Bei unserer letzten Versammlung

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wurde so oft über Übertragungsurkunde und Hypotheken geredet, dass ich
dachte, wir sind bei einer Versteigerung.

PARRIS Ich wünsche mir ein Zeichen des Vertrauens. Ich bin euer dritter Pfarrer in
sieben Jahren. Ich will nicht wie eine Katze vor die Tür gesetzt werden, wenn
irgendeine Mehrheit die Laune dazu ankommt. Sie scheinen nicht zu begreifen,
dass ein Pfarrer der Vertreter Gottes in der Gemeinde ist. Einen Pfarrer darf
man nicht so einfach übergehen oder ihm widersprechen.

PUTNAM Jawohl.

PARRIS Entweder herrscht Gehorsam, oder die Kirche wird brennen wie die Hölle.

PROCTOR Können Sie nicht mal eine Minute reden, ohne dass wir wieder in der
Hölle landen? Die Hölle steht mir bis hier!

PARRIS Es ist nicht an Ihnen zu entscheiden, was gut für Sie zu hören ist oder
nicht.

PROCTOR Ich darf doch sagen, was ich denke, oder?

PARRIS sehr heftig Was, sind wir Quäker? Noch sind wir nicht soweit, Herr Proctor.
Das können Sie auch Ihrem Anhang sagen.

PROCTOR Meinem Anhang?

PARRIS jetzt lässt er es heraus In dieser Gemeinde gibt es eine Partei. Ich bin nicht
blind. Es gibt eine Spaltung und eine Partei.

PROCTOR Gegen Sie?

PUTNAM Gegen ihn und die ganze Obrigkeit.

PROCTOR Gut, dann muss ich sie finden und mich ihr anschließen.

Die anderen sind schockiert.

REBECCA Das meint er nicht so.

PUTNAM Er hat es gerade zugegeben.

PROCTOR Genauso meine ich es, Rebecca! Ich mag den Geruch dieser Obrigkeit
nicht.

REBECCA Nein, du kannst nicht so hart zu deinem Pfarrer sein. Das ist nicht deine
Art, John. Nimm seine Hand. Mach Frieden.

PROCTOR Ich habe einen Acker zu bestellen und Holz heim zu schaffen. Er geht
zornig zur Tür, wendet sich Corey mit einem Lächeln zu. Was meinst du, Giles?
Suchen wir diese Partei. Er sagt, es gibt eine Partei.

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COREY Ich habe meine Meinung über diesen Mann geändert. Herr Parris, ich bitte
um Verzeihung. Ich hätte Sie nie für so standhaft gehalten.

PARRIS überrascht Warum? Vielen Dank, Giles.

COREY Ich glaube, ich weiß jetzt, woher all diese Schwierigkeiten kommen
zwischen uns, in den letzten Jahren. An alle Denkt mal darüber nach. Warum
verklagt hier jeder jeden? Dieses Mal war ich sechsmal vor Gericht.

PROCTOR vertraut, herzlich, obwohl er weiß, dass er sich damit der Grenze von
Giles Duldsamkeit nähert Ist der Teufel daran schuld, dass keiner dir guten
Morgen sagen kann, ohne dass du ihn einen Verleumder nennst? Du bist alt,
Giles, und du hörst nicht mehr so gut wie früher.

COREY lässt sich nicht ärgern John Proctor, ich habe erst letzten Monat vier Pfund
als Schadensersatz dafür bekommen, dass du in der Öffentlichkeit behauptet
hast, ich hätte dir das Dach über dem Kopf angezündet und...

PROCTOR lachend Ich habe so etwas nie gesagt, aber ich habe dafür bezahlt,
und deshalb kann ich dich taub nennen, hoffe ich, ohne dafür bestraft zu
werden. Komm, Giles, und hilf mir mein Holz nach Hause zu schaffen.

PUTNAM Einen Augenblick, Herr Proctor. Was für ein Holz schaffen Sie heim, wenn
ich fragen darf?

PROCTOR Mein Holz. Aus meinem Wald am Flussufer.

PUTNAM Was? Sind wir hier unter Wilden? Das ist Anarchie. Dieses Stück Land
gehört mir. Es gehört in mein Gebiet, Herr Proctor.

PROCTOR In Ihr Gebiet? Zeigt auf Rebecca. Dieses Stück habe ich vor fünf
Monaten von Rebeccas Mann gekauft.

PUTNAM Er hatte kein Recht dazu, es zu verkaufen. Es steht klar im Testament


meines Großvaters, dass alles Land zwischen dem Fluss und...

PROCTOR Ihr Großvater hatte die Angewohnheit, Land zu vermachen, das ihm
nicht gehörte, wenn ich das mal so unverblümt sagen darf.

COREY Das weiß Gott! Er testierte mir beinahe meine Nordweide weg, bloß wusste
er, dass ich ihm die Finger breche, ehe er seinen Namen drunter setzt. – Gehen
wir dein Holz heimschaffen, John. Ich kriege plötzlich Lust zu arbeiten.

PUTNAM Wenn Sie eine von meinen Eichen aufladen, wird Ihnen das schlecht
bekommen.

COREY Das wollen wir doch sehn, Putnam. Was, John? Gehen wir. Er wendet sich
Proctor zu und will abgehen.

PUTNAM Ich schicke Ihnen meine Leute auf den Hals, Corey. Ich erwirke einen
Gerichtsbeschluss gegen Sie.

26
Pastor Hale aus Beverly tritt auf

Mr. Hale ist nahe vierzig, ein hagerer Intelektueller, mit wachem Blick. Dies ist ein
Auftrag, der ihn freut: gerufen zu sein, um in der Frage der Hexerei zu ermitteln und
es erfüllt ihn der Stolz eines Spezialisten, dessen einzigartiges Wissen endlich
öffentlich gefordert wird. Wie nahezu alle Gelehrte verbrachte er einen großen Teil
seiner Zeit damit, die unsichtbare Welt zu erforschen, besonders seitdem er vor nicht
allzu langer Zeit in seiner Gemeinde auf eine Hexe getroffen war. Allerdings stellte
sich durch seine bohrenden Fragen heraus, dass diese Frau bloß eine hysterische
Person war und dass das Kind, das sie angeblich verhext hatte, sein normales
Benehmen zurückgewann aufgrund der freundlichen Behandlung, die Hale ihm
angedeihen ließ, der es einige Tage in sein Haus aufgenommen hatte. Jedoch ließ
diese Erfahrung in ihm keinerlei Zweifel an der Realität der Unterwelt aufkommen
oder an der Existenz des Teufels und seiner vielfältigen Gehilfen. Und seinen
Glauben kann man ihm nicht anlasten. Größere Geister als Hale waren überzeugt, –
und sie sind es noch – dass es jenseits unserer Vorstellungskraft eine Gemeinschaft
von Geistern gibt. Man kann nicht umhin, festzustellen, dass einer seiner Sätze: „Wir
können uns nicht an Aberglauben halten. Der Teufel ist genau“ je bei irgendeinem
Publikum, das dieses Stück sah, Gelächter hervorgerufen hat. Offensichtlich sind wir
uns selbst heute noch nicht ganz sicher, ob der Glaube an den Teufel heilig oder
lächerlich ist. Und es ist kein Wunder, das uns das verwirrt.
Wie Pfarrer Hale und all die anderen auf der Bühne begreifen wir den Teufel als
Teil einer ernst zu nehmenden Weltsicht. Unsere Welt ist ein geteiltes Imperium, in
dem bestimmte Gedanken, Gefühle und Handlungen von Gott kommen und die
denen entgegengesetzt vom Teufel. Für die meisten Menschen ist es so unmöglich,
sich eine Moral ohne Sünde vorzustellen wie eine Erde ohne „Himmel“. Seit 1692 hat
ein großer, aber oberflächlicher Wandel den Bart des lieben Gottes und die Hörner
des Teufels abgeschafft, aber die Welt ist immer noch in der Gewalt von zwei
diametral entgegengesetzten Absoluten. Die Vorstellung einer Einheit, in der das
Positive und das Negative Bestandteil der gleichen Kraft sind, in der das Gute und
das Böse als relativ zu betrachten sind, im ständigen Wechsel begriffen und immer
wieder in gleichen Phänomenen zusammengeführt, eine solche Vorstellung ist immer
noch den Naturwissenschaften vorbehalten oder den wenigen, die die
Geisteswissenschaften verstanden haben. Wenn wir uns daran erinnern, dass bis
zum Beginn des christlichen Zeitalters die Unterwelt niemals als feindlich betrachtet
wurde, dass alle Götter nützlich und grundsätzlich den Menschen freundlich gesinnt
waren – von gelegentlichen Ausfällen einmal abgesehen – wenn wir an das stetige
und methodische Einimpfen der Idee vom Unwert des Menschen denken – bis er
erlöst wird - dann wird die Notwendigkeit des Teufels als Waffe offensichtlich. Eine
Waffe, bestimmt und benutzt, um immer wieder, in allen Zeitläuften, den Menschen
unter die Herrschaft einer bestimmten Kirche oder eines Kirchenstaates zu zwingen.
Unsere Schwierigkeit, - in Ermangelung eines besseren Wortes - an die politische
Inspiration des Teufels zu glauben, liegt zum großen Teil in der Tatsache begründet,
dass er nicht nur von unseren gesellschaftlichen Gegnern beschworen und verflucht
wird, sondern auch von einem Teil von uns – welcher das auch immer sein mag. Die
Katholische Kirche ist durch ihre Inquisition dafür berühmt, Luzifer als Erzfeind zu
erhalten, aber die Feinde der Kirche verließen sich nicht weniger auf den „alten
Knaben“, um den menschlichen Geist in Fesseln zu legen. Luther selbst war
angeklagt, im Bund mit der Hölle zu sein, er seinerseits beschuldigte seine Feinde
des gleichen Vergehens. Was die Sache noch komplizierter machte, war, dass er

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glaubte mit dem Teufel Kontakt gehabt und mit ihm theologische Streitgespräche
geführt zu haben. Das überrascht mich nicht, da an meiner eigenen Universität ein
Geschichtsprofessor – übrigens ein Lutheraner – seine höheren Semester um sich
zu versammeln pflegte, um mit ihnen im Hörsaal bei herunter gelassenen Jalousien
mit Erasmus Zwiesprache zu halten. Meines Wissens nach wurde er niemals dafür
verächtlich angesehen, wohl aus dem Grund, weil die Universitätsoberen Kinder
einer Geschichte sind, die, wie die meisten von uns, immer noch an den Brüsten des
Teufels saugen. Zur Zeit dieser Niederschrift hat lediglich England der Versuchung
des zeitgenössischen Teufelskults widerstanden. In den Ländern mit
kommunistischer Ideologie, wird jeglicher Widerstand dem Einfluss des unheilvollen,
kapitalistischen Geist des Teufels zugeschrieben. Und in Amerika muss jeder, sofern
er nicht rechtsorientiert denkt, mit der Anklage, ein Bündnis mit der Roten Hölle
geschlossen zu haben, rechnen. Dadurch bekommt jede politische Opposition einen
Anstrich von Unmenschlichkeit, die das Außerkraftsetzen aller üblicherweise
angewandten Rechtsnormen eines sozialen Miteinanders rechtfertigt. Ein politisches
Programm wird mit moralischem Recht gleichgesetzt, Opposition dagegen aber mit
teuflischer Böswilligkeit. Ist eine solche Gleichsetzung erst einmal wirksam, entsteht
eine Gesellschaft der Verschwörung und Gegenverschwörung und die Hauptrolle der
Regierung wechselt von der eines Vermittlers zu der einer Geißel Gottes.
Die Ergebnisse dieses Prozesses unterscheiden sich heute nicht von denen
früherer Zeiten, außer manchmal im Grad der zugefügten Brutalität und manchmal
noch nicht einmal darin. Normalerweise waren es einzig die Handlungen und Taten
eines Menschen, über die sich die Gesellschaft anmaßte zu richten. Man überließ es
den Geistlichen, Pfarrer und Rabbinern, sich mit den geheimen Absichten einer Tat
zu beschäftigen. Wenn jedoch der Teufelskult um sich greift, sind Taten das
Unwichtigste, um die Natur eines Menschen zu beurteilen. Wie Pfarrer Hale sagt, der
Teufel ist listenreich, und noch eine Stunde bevor Luzifer fiel, hielt Gott ihn für eine
Zierde des Himmels.
Man zögert jedoch diesen Vergleich zu ziehen, wenn man bedenkt, dass es
damals keine Hexen gab, während es heute Kommunisten und Kapitalisten gibt und
in jedem Lager finden sich gewisse Beweise, dass Spione am Werk sind, die jeweils
andere Seite zu schwächen. Aber dies ist ein snobistischer Einwand und durch
keinerlei Fakten belegt. Ich zweifle nicht daran, dass Menschen in Salem tatsächlich
mit dem Teufel Zwiesprache hielten und ihn sogar anbeteten. Und falls die volle
Wahrheit je ans Tageslicht kommen sollte, in diesem Fall und auch in anderen,
würden wir eine reguläre und traditionell gewordene Versöhnung mit den dunklen
Mächten feststellen. Ein sicherer Beweis dafür ist das Geständnis Titubas, der
Sklavin von Pastor Parris, ein anderer das Verhalten der Kinder, von denen bekannt
war, dass sie mit ihr die Hexerei betrieben hätten.

Es gibt Berichte von ähnlichen Vorfällen in Europa, wo sich die Töchter der Städte
nachts versammelt hätten, um sich mit Fetischen oder manchmal auch mit einem
ausgewählten jungen Mann der Liebe hinzugeben, was zu dem ein oder anderen
unehelichen Kind geführt hätte. Die Kirche, scharfäugig, wie sie nun einmal sein
muss, wenn bereits tote Götter wieder zum Leben erweckt werden, verdammte diese
Orgien als Hexerei und interpretierte sie – durchaus zu recht – als die
Wiederauferstehung der dionysischen Mächte, die sie lange schon zerstört wähnte.
Sex, Sünde und der Teufel wurde schon früh miteinander in Verbindung gebracht, so
war es in Salem und so ist es noch heute. Wie allen Berichten zu entnehmen ist, gibt

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es keinen puritanischeren Sittenkodex als den, den die Kommunisten in Russland
vorgegeben haben. Die Damenmode zum Beispiel ist so prüde und züchtig, wie es
sich ein amerikanischer Baptist nur wünschen könnte. Die Scheidungsgesetze legen
eine ungeheure Verantwortung für das Wohl ihrer Kinder auf die Schultern der Väter.
Selbst die freizügigen Scheidungsbestimmungen der frühen Jahre der Revolution
waren unzweifelhaft eine Reaktion auf die viktorianische Strenge der Ehegesetze
des 19. Jahrhunderts, und der sich daraus entwickelnden Heuchelei. Von allem
anderen einmal abgesehen, kann ein so machtvoller Staat, der eifersüchtig über die
Gleichförmigkeit seiner Bürger wacht, den Zerfall der Familie nicht lange hinnehmen.
Und dennoch bleibt, aus amerikanischer Sicht zumindest, die Meinung bestehen,
dass die russische Haltung Frauen gegenüber lüstern ist. Wieder ist es das
Werk des Teufels, wie es dem Slawen erscheint, den allein der Gedanke, dass eine
Frau sich in einer Varieté-Show entkleiden könnte, schockiert. Unsere Gegner sind
immer von sexueller Sündhaftigkeit umgeben, und aus dieser unbewussten
Überzeugung gewinnt das Dämonische sowohl einerseits seine attraktive Sinnlichkeit
als auch andererseits seine Fähigkeit Wut und Schrecken einzuflößen.
Um auf Salem zurückzukommen, Pfarrer Hale sieht sich selbst, als er nach Salem
kommt, wie ein junger Arzt bei seiner ersten Visite. Sein unter großen Mühen
erworbenes Arsenal an Symptomen, Schlagworten und diagnostischen Verfahren
sollten jetzt endlich angewendet werden. Die Straße in Beverley ist an diesem
Morgen ungewöhnlich belebt und hunderte von Gerüchten sind ihm zu Ohren
gekommen und ließen ihn lächeln über die Unwissenheit der Landbevölkerung
in dieser höchst präzisen Wissenschaft. Er fühlt sich Eins mit den klügsten Köpfen
Europas, mit Königen, Philosophen, Wissenschaftlern und Klerikern aller
Glaubensrichtungen. Sein Ziel liegt klar vor ihm, Güte und deren Bewahrung und er
erlebt das Hochgefühl der Begnadeten, deren Verstand durch genaueste Studien
immenser Schriften geschärft, endlich aufgerufen ist, sich dem möglicherweise
blutigen Kampf gegen den Teufel selbst zu stellen.

Er ist mit halb einem Dutzend schwerer Bücher beladen

HALE Bitte, kann mir das jemand abnehmen?

PARRIS erfreut Pastor Hale! Gut, Sie wiederzusehen. Nimmt ihm einige Bücher
ab. Oh, die sind aber schwer.

HALE legt die Bücher auf den Tisch Natürlich. Sie enthalten das Gewicht der
Autorität.

PARRIS leicht verängstigt. Sie haben sich wirklich gut vorbereitet,

HALE Wir werden hart arbeiten müssen, wenn es darum geht, dem Teufel auf die
Spur zu kommen. –sieht Rebecca Sind Sie nicht Rebecca Nurse?

REBECCA Die bin ich, Herr Pastor. Kennen Sie mich?

HALE Sonderbar, dass ich Sie erkannt habe. Aber Sie sehen genau so aus, wie ich
mir eine gute Seele vorstelle. Wir alle haben in Beverly von Ihren wohltätigen
Werken gehört.

PARRIS Kennen Sie diesen Herrn? – Thomas Putnam und seine liebe Frau Ann.

29
HALE Putnam! Ich hatte solch ehrenwerte Gesellschaft nicht erwartet.

PUTNAM erfreut Heute scheint uns das nicht zu helfen, Herr Hale. Wir bauen auf
Sie, dass Sie kommen und unser Kind retten.

HALE Ihr Kind ist auch leidend?

MRS. PUTNAM Ihre Seele – als ob ihre Seele davongeflogen wäre. Sie schläft und
geht trotzdem umher...

PUTNAM Sie kann nicht essen.

HALE Kann nicht essen. – denkt darüber nach, zu Proctor und Giles Corey Und
Sie, meine Herren, haben Sie auch Kinder, die von Leiden befallen sind?

PARRIS Nein, nein, das sind Bauern, John Proctor...

COREY Er glaubt nicht an Hexen.

PROCTOR zu Hale Ich habe nie über Hexen geredet, weder so noch so. Kommst
du, Giles?

COREY Nein – nein, John. Ich glaube nicht. Ich muss ein paar eigene verzwickte
Fragen an diesen Herrn stellen.

PROCTOR Ich habe gehört, dass Sie ein Mann mit Vernunft sind. Ich hoffe, Sie
lassen etwas davon in Salem.

Proctor geht hinaus. Hale ist im Moment etwas verlegen

PARRIS rasch Wollen Sie nach meiner Tochter sehen? Führt Hale zum Bett
Sie hat versucht, aus dem Fenster zu springen. Heute Morgen haben wir sie auf
der Hauptstraße gefunden. Sie schwang die Arme, als wollte sie fliegen.

HALE seine Augen werden schmal Versucht zu fliegen?

PUTNAM Sie erträgt es nicht, den Namen des Herrn zu hören, Herr Pastor, ein
sicheres Zeichen, dass Hexerei im Spiel ist.

HALE hebt seine Hände Nein – nein... Lassen Sie sich belehren. Wir können uns
hier nicht an Aberglauben halten. Der Teufel ist genau, die Zeichen seiner
Gegenwart sind eindeutig – und nur nach diesen Zeichen müssen wir schauen
und nicht voreilig urteilen. Und ich muss Ihnen allen sagen: Sollte ich keine
Spuren der Hölle finden, und Sie sind nicht bereit, mir das zu glauben, fange ich
gar nicht erst an.

PARRIS Zugestanden, zugestanden – wir werden uns Ihrem Urteil fügen.

HALE Gut. geht zum Bett, schaut auf Betty herunter. Zu Parris Nun, Herr Parris,
wann haben Sie die ersten beunruhigenden Anzeichen bemerkt?

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PARRIS Ja... ich überraschte sie... und meine Nichte Abigail und zehn oder zwölf
andere Mädchen, wie sie gestern Abend im Wald getanzt haben.

HALE überrascht Sie erlauben das Tanzen?

PARRIS Nein – nein, es geschah heimlich...

MRS. PUTNAM kann sich nicht länger zurückhalten Die schwarze Haushälterin von
Herrn Parris hat Erfahrung im Geister beschwören.

PARRIS zu Mrs. Putnam Das können wir nicht sicher sagen, Ann.

MRS. PUTNAM furchtsam, sehr leise Ich weiß es, Herr Pastor. Ich hab mein Kind
zu ihr geschickt... sie sollte von Tituba erfahren, wer ihre Schwestern ermordet
hat.

REBECCA erschrocken Sie haben ein Kind geschickt, um Tote zu beschwören...?

MRS. PUTNAM Gott soll mich tadeln, nicht Sie. Ich lasse mich nicht länger von
Ihnen maßregeln. Zu Hale Pastor Hale, geht es mit rechten Dingen zu, wenn
man sieben Kinder verliert, noch ehe sie einen Tag lang gelebt haben?

PARRIS Schtscht.

Rebecca schmerzhaft berührt, wendet ihr Gesicht ab. Pause

HALE Sieben Totgeburten?

MRS. PUTNAM leise Ja. Ihre Stimme bricht, sie schaut zu ihm auf. Stille. Hale ist
beeindruckt. Parris schaut ihn an. Hale geht zu seinen Büchern, öffnet eins,
wendet die Seiten um, liest. Alle warten gespannt.

PARRIS leise Was für ein Buch ist das?

MRS. PUTNAM Was steht da, Herr Pastor?

HALE mit der genüsslichen Liebe des Forschers zu seinem Metier Hier ist die
ganze unsichtbare Welt eingefangen, benannt und gedeutet. In diesen Büchern
ist der Teufel beschrieben, frei von all seinen groben Verkleidungen. Hier sind
alle eure Hausgeister, eure Incubi und Succubi, eure Hexen zu Lande, zu Luft
und zu Wasser, eure Magier des Tages und der Nacht. Habt keine Angst. Wir
werden ihn finden, wenn er unter uns ist. Und ich will ihn zerschmettern, wenn
er sein wahres Gesicht gezeigt hat. er geht zum Bett

REBECCA Wird es dem Kind weh tun, Herr Pastor?

HALE Das kann ich nicht sagen. Wenn sie wirklich in den Klauen des Teufels ist,
kann es sein, dass wir reißen und zerren müssen, um sie zu befreien.

REBECCA Ich glaube, dann gehe ich. Dazu bin ich zu alt. Sie steht auf

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PARRIS will sie überzeugen Aber Rebecca, vielleicht finden wir heute die Ursache
all unserer Not.

REBECCA Das wollen wir hoffen. Ich will für sie zu Gott beten.

PARRIS beklommen – und ärgerlich Sie wollen doch damit nicht sagen, dass wir
zum Teufel beten? Kleine Pause

REBECCA Ich wünschte, ich wüsste es. Sie geht hinaus. Die andern sind verärgert
über ihre anklingende moralische Überlegenheit.

PUTNAM abrupt Kommen Sie, Herr Hale. Lassen Sie uns weitermachen. Setzen
Sie sich hierher.

COREY Herr Hale. Ich wollte schon immer einen gelehrten Mannfragen – was
bedeutet es, wenn man seltsame Bücher liest?

HALE Was für Bücher?

COREY Ich weiß es nicht. Sie versteckt sie.

HALE Wer tut das?

COREY Martha, meine Frau. Ich bin nachts oft wach geworden und hab meine Frau
in einer Ecke beim Lesen entdeckt. Nun, was halten Sie davon?

HALE Das heißt nicht notwendigerweise, dass...

COREY Es stört mich. Gestern Nacht, - hören Sie – habe ich immer und immer
wieder versucht, mein Gebet zu sprechen, und ich konnte es nicht. Und dann
macht sie ihr Buch zu und geht aus dem Haus, und plötzlich – hören Sie –
konnte ich wieder beten.

Über den alten Giles muss auch noch etwas gesagt werden – schon weil sein
Schicksal so merkwürdig und verschieden von dem der anderen sein sollte. Er war
zu dieser Zeit Anfang achtzig und war der komischste Held in der Geschichte.
Kein anderer ist so oft beschuldigt worden wie er. Fehlte irgendwo eine Kuh, so war
der erste Gedanke, nach ihr bei Corey zu suchen. Wenn nachts ein Feuer
ausbrach, verdächtigte man ihn der Brandstiftung. Er scherte sich keinen Deut um
die öffentliche Meinung, und erst in den letzten Jahren, nachdem er Martha
geheiratet hatte, beschäftigte er sich mit der Kirche. Es ist sehr wahrscheinlich,
dass seine Frau ihn im Gebet stocken machte, aber er vergaß zu sagen, dass er
erst kürzlich zu beten gelernt hatte und dass es nicht Viel brauchte, um ihn zum
Stottern zu bringen. Er war ein Spinner und eine Nervensäge, aber alles in allem
ein zutiefst unschuldsvoller und unerschrockener Mann.
Vor Gericht wurde er einmal gefragt, ob es richtig sei, dass er sich vor dem
seltsamen Verhalten eines Schweines gefürchtet habe und er sagte, er wisse,
dass dies der Teufel in Tiergestalt gewesen sei. „Wovor haben Sie sich gefürchtet?“
wurde er gefragt. Er vergaß alles andere, hörte nur „gefürchtet“ und erwiderte: „Ich
wüsste nicht, dass ich dieses Wort je in meinem Leben benutzt hätte.“

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HALE Stocken im Gebet. – Sonderbar. - Ich möchte gerne weiter mit Ihnen darüber
sprechen

COREY Ich will damit nicht sagen, dass sie etwas mit dem Teufel zu tun hat, aber
ich wüsste schon gerne, was für Bücher sie liest und warum sie sie versteckt.
Sie will’s mir nicht sagen, verstehen Sie?

HALE Wir sprechen später darüber. – zu allen Und nun hören Sie zu, wenn der
Teufel in ihr ist, werden Sie hier Zeuge schrecklicher Wunder sein. Also bitte,
halten Sie Ihren Verstand beisammen. Herr Putnam, bleiben Sie in der Nähe,
falls sie fliegt. Nun Betty, liebes Kind, willst du dich hinsetzen. – Putnam kommt
hilfsbereit näher, Hale richtet Betty auf, aber sie hängt schlaff in seinen Armen.
Hm. – Er beobachtet sie sorgfältig. Die anderen warten atemlos. Kannst du
mich hören? Ich bin John Hale, der Pfarrer von Beverly. Ich bin hier, um dir zu
helfen, Kind. Erinnerst du dich an meine beiden kleinen Mädchen in Beverly?
Sie regt sich nicht.

PARRIS voller Furcht Wie ist das möglich? Warum sucht sich der Teufel mein
Haus, um zuzuschlagen? Hier im Ort gibt es so manche lasterhaften Menschen.

HALE Was für ein Sieg wäre es für den Teufel, eine Seele zu gewinnen, die er
bereits besitzt. Er nimmt sich nur das Beste, und wer ist besser als der Pastor?

COREY Das geht tief, Herr Pfarrer, tief, tief.

PARRIS jetzt resolut Betty! Antworte Mr. Hale! Betty!

HALE Quält dich jemand, Kind? Es muss keine Frau sein, weißt du, oder ein Mann.
Vielleicht kommt ein Vogel zu dir, unsichtbar für andere, vielleicht ein Schwein,
eine Maus oder sonst irgendein Tier. Erscheint dir jemand, der sagt, dass du
fliegen sollst? Das Kind bleibt starr in seinen Armen. Er legt Betty schweigend
auf ihr Kissen zurück. Dann, in dem er seine Hand zu ihr hin ausstreckt,
intoniert er: In Nomine Domini Sabaoth, sui filii que ite ad infernos. Sie bewegt
sich nicht. Er dreht sich zu Abigail um, mit schmal werdenden Augen. Abigail,
was für Tänze habt ihr mit ihr im Wald getanzt?

ABIGAIL Warum – Zusammen getanzt – ganz normal. Das war alles.

PARRIS Ich glaube, ich sollte es sagen, dass ich... ich hab einen Kessel im Gras
gesehen, dort wo sie getanzt haben.

ABIGAIL Das war nur Suppe.

HALE Suppe? Was für eine Suppe, Abigail?

ABIGAIL Was für eine – Bohnen - und Linsen, glaube ich, und...

HALE Herr Parris, Sie haben nicht etwa in dem Kessel etwas Lebendiges bemerkt?
Oder? Eine Maus vielleicht, eine Spinne, einen Frosch...?

33
PARRIS furchtsam Ich – glaube, in der Suppe - hat sich etwas bewegt.
ABIGAIL Der ist rein gesprungen. Wir haben ihn nicht reingeworfen.

HALE schnell Was ist rein gesprungen?

ABIGAIL Wieso, ein ganz kleiner Frosch sprangT.

PARRIS Ein Frosch, Abby?

HALE hält Abigail fest Abigail, es kann sein, deine Cousine stirbt. – Habt ihr
gestern Abend den Teufel gerufen?

ABIGAIL Ich habe ihn nicht gerufen! Tituba hat ihn gerufen!

PARRIS erbleichend Sie rief den Teufel!

HALE Ich muss mit Tituba sprechen.

PARRIS Ann, wollen Sie sie bitte holen?

Mrs. Putnam verlässt den Raum.

HALE Wie rief sie ihn?

ABIGAIL Ich weiß nicht. In ihrer Negersprache.

HALE Hast du irgendetwas Merkwürdiges gespürt, als sie ihn rief? Einen plötzlichen,
kalten Wind vielleicht? Ein Beben unter der Erde?

ABIGAIL Ich habe keinen Teufel gesehen. Sie schüttelt Betty Betty, wach auf. Betty!
Betty!

HALE So einfach entkommst du mir nicht, Abigail. – Hat deine Cousine etwas von
diesem Gebräu in dem Kessel getrunken?

ABIGAIL Sie hat nichts davon getrunken.

HALE Hast du davon getrunken?

ABIGAIL Nein.

HALE Hat Tituba verlangt, dass du davon trinkst?

ABIGAIL Sie hat es versucht, aber ich habe mich geweigert.

HALE Warum verheimlichst du mir etwas? Hast du dich dem Teufel verkauft?

ABIGAIL Ich habe mich nie verkauft! Ich bin ein gutes Mädchen. Ich bin ein
anständiges Mädchen... ich...

34
MRS. PUTNAM kommt mit Tituba, und sofort zeigt Abigail auf sie.

Ja. Ich hab aus dem Kessel getrunken! Sie hat mich gezwungen. Sie hat auch
Betty gezwungen.

TITUBA geschockt und zornig Abby!

ABIGAIL Sie bringt mich dazu, dass ich Blut trinke.

PARRIS Blut!

MRS. PUTNAM Das Blut meines Kindes?

TITUBA Nein. Nein, Hühnerblut – ich sie geben Hühnerblut.

HALE Frau. Hast du diese Kinder für den Teufel gewonnen?

TITUBA Nein – Nein, Herr, ich handle nicht mit Teufel!

HALE Warum wacht sie nicht auf? Machst du dieses Kind stumm?

TITUBA Ich lieben Betty!

HALE Hast du nicht deinen Geist über dieses Kind ausgesandt? Sprich! Gewinnst
du Seelen für den Teufel?

ABIGAIL Sie sendet ihren Geist in der Kirche über mich, sie bringt mich dazu, dass
ich beim Gebet lache.

PARRIS Sie hat oft beim Gebet gelacht.

ABIGAIL Sie kommt jede Nacht zu mir und zwingt mich, dass ich hingehe und Blut
trinke.

TITUBA Du mich beschwören, Abby. Sie mich bitten Zaubertrank machen...

ABIGAIL Lüg nicht. Zu Hale Sie kommt zu mir, wenn ich schlafe, und macht, dass
ich schreckliche Dinge träume.

TITUBA Warum du das sagen, Abby!

ABIGAIL Manchmal wache ich auf und stehe in der offenen Tür, ganz nackt. Immer
höre ich sie lachen im Schlaf, ich höre sie ihre Barbadoslieder singen, und sie
lockt mich...

TITUBA Herr Pastor, ich nie...

HALE entschlossen Tituba, ich befehle dir, dieses Kind aufzuwecken..

TITUBA Ich habe keine Macht für dieses Kind, Herr.

35
HALE Ganz bestimmt hast du sie, und du wirst sie jetzt aus diesem Bann erlösen.
Wann gingst du den Bund mit dem Teufel ein?
TITUBA Ich hab kein Bund mit kein Teufel.

PARRIS Entweder du gestehst, oder ich bringe dich raus und prügele dich zu Tode,
Tituba!

PUTNAM Diese Frau gehört gehängt, sie gehört gehängt!

TITUBA voller Furcht, fällt auf die Knie Nein, nein, hängt nicht Tituba. Ich sage ihm,
ich will nicht arbeiten für ihn, Herr.

PARRIS Den Teufel?

HALE Dann hast du ihn gesehen? Tituba weint Nun, Tituba, ich weiß, dass es
sehr schwer ist, wenn wir einmal den Bund mit der Hölle geschlossen haben,
damit zu brechen. Wir werden dir helfen, dich loszureißen und dich selbst zu
befreien. –

TITUBA voller Furcht vor dem Kommenden Herr Pfarrer, ich glauben,
irgendjemand ist in diesen Kindern.

HALE Wer?

TITUBA Ich weiß nicht, Herr, aber Teufel hat viele Hexen.

HALE Hat er das? Es ist eine Spur Tituba, sieh mich an. Komm, sieh mich an. Sie
hebt furchtsam den Blick Du möchtest eine gute Christin sein, nicht wahr?
Nicht wahr, Tituba?

TITUBA Ja, Herr. Gute Christin.

HALE Und du liebst diese Kinder?

TITUBA O ja, Herr, ich nicht wünschen, kleine Kinder wehtun!

HALE Und du liebst Gott, Tituba?

TITUBA Ich liebe Gott mit ganze Seele...

HALE Nun, in Gottes heiligem Namen...

TITUBA Er sei gelobt. Er sei gelobt. sie schaukelt auf den Knien, schluchzend, voller
Panik

HALE Und zu seinem Ruhme...

TITUBA Ewig Ruhm... Er sei gelobt... Gott sei gelobt...

HALE Öffne dein Herz, Tituba, und lass das heilige Licht Gottes dich erleuchten.

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TITUBA Oh, der Herr sei gelobt.

HALE Wenn der Teufel zu dir kommt, ist da jemand bei ihm... eine andere Person?
Sie starrt in sein Gesicht Vielleicht jemand aus der Stadt? Jemand, den du
kennst?

PARRIS Wer war bei ihm?

PUTNAM Sarah Good? Hast du Sarah Good bei ihm gesehen? Oder die Osburn?

PARRIS War es ein Mann oder eine Frau, die bei ihm waren?

TITUBA Mann oder Frau. War... war Frau.

PARRIS Welche Frau? Eine Frau, sagst du. Welche Frau?

TITUBA War pechschwarze Nacht, und ich...

PARRIS Du konntest ihn sehen, warum nicht auch sie?

TITUBA Ja, sie immer gesprochen und immer herumgerannt und immer gemacht.

PARRIS Du meinst, Leute aus Salem? Hexen aus Salem?

TITUBA Ich glaube ja, Herr.

HALE nimmt ruhig ihre Hand. Sie ist überrascht Tituba. Du hast nichts zu
befürchten, wenn du uns sagst, wer es war, verstehst du? Wir beschützen dich.
Der Teufel kann einen Priester nicht überwältigen. Das weißt du, nicht wahr?

TITUBA küsst seine Hand Ja, Herr. O ja.

HALE Du hast dich selbst der Hexerei angeklagt, und das zeigt, dass du wünschst,
auf der Seite des Himmels zu stehen. Und wir werden dich segnen, Tituba...

TITUBA zutiefst erleichtert Oh, Gott segnen Sie, Herr Hale.

HALE mit steigender Begeisterung Du bist Gottes Werkzeug und in unsere Hand
gegeben, um die Helfershelfer des Teufels unter uns zu entlarven.
Du bist auserwählt, Tituba, du bist dazu ausersehen, uns zu helfen, diese Stadt
zu reinigen. Also rede aufrichtig, Tituba, wende dich ab von ihm, und erkenne
Gott, erkenne Gott, Tituba. Und Gott wird dich schützen.

TITUBA schließt sich ihm an Oh, Gott schützen Tituba!

HALE freundlich Wer kam mit dem Teufel zu dir? Zwei? Drei? Vier? – Wie viele?

Tituba atmet gepresst, beginnt hin und her zu schaukeln, den Blick starr
geradeaus gerichtet.

TITUBA Waren vier. Da waren vier.

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PARRIS bedrängt sie Wer? Wer? Die Namen, die Namen!
TITUBA plötzlich bricht es aus ihr heraus Oh, wie oft er mich bitten, Sie töten, Herr
Parris!

PARRIS Mich töten!

TITUBA heftig Er sagt, Herrn Parris muss töten! Herr Parris kein guter Mann, Herr
Parris schlechter Mann und nicht freundlicher Mann, und er mir befehlen,
aufstehen aus meinem Bett und Ihre Kehle durchschneiden! Allen stockt der
Atem Ich ihm sagen, „nein. Ich hasse nicht diese Mann! Ich will diese Mann
nicht töten!“ Aber er sagt, „du für mich arbeiten, Tituba, und ich machen dich
frei! Ich gebe dir schönes Kleid zum Anziehen und nehme dich hoch in die Luft,
und du wirst fliegen zurück nach Barbados!“ Und ich sage, „du lügst, Teufel, du
lügst!“ Und dann er kommen zu mir eine stürmische Nacht, und er sagt, sieh!
Ich habe weiße Leute gehören mir. Und ich sehe... und da war Sarah Good.

PARRIS Sarah Good.

TITUBA schaukelnd und weinend Ja, Herr und die Osburn...

MRS. PUTNAM Ich wusste es. Die Osburn war dreimal bei mir Hebamme. Ich habe
dich so gebeten, Thomas, nicht wahr, ich habe ihn so gebeten, nicht die Osburn
zu holen, weil ich mich vor ihr fürchtete, meine Kinder verwelkten in ihren
Händen!

HALE Fasse Mut, du musst uns ihre Namen sagen. Wie kannst du es ertragen,
diese Kinder leiden zu sehen? Sie sie an, Tituba. Er zeigt auf Betty. Sieh ihre
von Gott gegebene Unschuld, ihre Seelen sind so zart; wir müssen sie
schützen, Tituba; der Teufel geht um und nagt an ihnen wie ein Raubtier am
Fleisch des unschuldigen Lammes. Gott wird dich für deine Hilfe segnen.

ABIGAIL erhebt sich, mit weit aufgerissenen Augen, schreit Ich will bekennen! Alle
wenden sich ihr zu, erschrocken. Sie ist verzückt, als stünde sie in einem
himmlischen Licht. Ich will das Licht Gottes, ich will die süße Liebe Jesu!
Ich tanzte für den Teufel; ich hab ihn gesehen, ich schrieb in sein Buch; ich
kehre zu Jesus zurück, ich küsse seine Hand – Ich sah Frau Osborne mit dem
Teufel! Ich sah Bridget Bishop mit dem Teufel!

Während sie spricht, erhebt sich Betty in ihrem Bett, mit fiebrigen Augen
und übernimmt ihre Worte wie in einen Singsang.

BETTY auch mit weit aufgerissenen Augen Ich sah George Jacobs mit dem Teufel!
Ich sah Frau Howe mit dem Teufel!

PARRIS Sie spricht! Er eilt zu Betty, um sie zu umarmen Sie spricht!

HALE Gott sei gepriesen – der Bann ist gebrochen, sie sind frei!

BETTY schreit es heraus, hysterisch und voller Erleichterung Ich sah Martha
Bellows mit dem Teufel!

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ABIGAIL Ich sah Frau Sibber mit dem Teufel! ihre Worte werden zu einem
Freudengesang

PUTNAM Der Marshal. Ich hole den Marshal!

Parris stimmt ein Dankgebet an.

BETTY Ich sah Alice Barrow mit dem Teufel!

Langsam fällt der Vorhang

HALE als Putnam abgeht Er soll Handschellen mitbringen.

ABIGAIL Ich sah Frau Hawkins mit dem Teufel.

BETTY Ich sah Frau Bibber mit dem Teufel.

ABIGAIL Ich sah Frau Booth mit dem Teufel!

Während ihres ekstatischen Geschreis fällt der Vorhang.

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2. Akt

Der Wohnraum in Proctors Haus, acht Tage später.


Auf der rechten Seite führt eine Tür nach außen auf die Felder, eine Feuerstelle
befindet sich auf der linken Seite, hinten eine Treppe, die nach oben führt. Es ist ein
niedriger, dunkler, ein schon lange bewohnter Raum, wie er zu dieser Zeit typisch
war. Als der Vorhang aufgeht ist die Bühne leer. Von oben hört man Elisabeth, die
ihre Kinder in den Schlaf singt. Die Tür öffnet sich und John Proctor tritt auf. Er trägt
ein Gewehr. Er sieht sich im Zimmer um, geht hinüber zur Feuerstelle, hält einen
Moment inne, als er Elisabeths Gesang hört, geht weiter. Er lehnt das Gewehr gegen
die Wand, zieht einen Topf von der Feuerstelle zu sich her und riecht daran. Dann
nimmt den Schöpflöffel heraus und probiert. Er ist nicht ganz zufrieden. Er greift zum
Schrank, nimmt eine Prise Salz und streut sie in den Topf. Als er erneut probiert, hört
man Elisabeths Schritte auf der Treppe. Er schiebt den Topf zurück und geht zu
einer Waschschüssel, wäscht sich Hände und Gesicht. Elisabeth tritt auf.

ELIZABETH Was hat dich so lange aufgehalten? Es ist fast dunkel.

PROCTOR Ich habe ziemlich weit draußen gearbeitet, am Waldrand.

EILZABETH Dann bist du also fertig geworden?

PROCTOR Ja. Alles eingesät. Schlafen die Jungen?

ELIZABETH Bald. Sie geht zur Feuerstelle, füllt die Speise in eine Schüssel

PROCTOR Bete für einen guten Sommer.

ELIZABETH Ja.

PROCTOR Geht es dir gut heute?

ELIZABETH Ja. – Sie bringt die Schüssel zum Tisch, zeigt darauf. Es ist
Kaninchen.

PROCTOR geht zum Tisch Hm. Ja? In Jonathans Falle?

EILZABETH Nein. Es kam einfach so ins Haus heute Nachmittag. Ich sah es in einer
Ecke sitzen. Es saß da, als ob es uns besuchen wollte.

PROCTOR Hm. Ein gutes Zeichen.

EILZABETH Hoffentlich. Mir hat’s in der Seele weh getan, ihm das Fell über die
Ohren zu ziehen. Armes Kaninchen. Sie setzt sich und sieht ihm beim Essen zu

PROCTOR Gut gewürzt.

EILZABETH errötet vor Freude Ich habe mir große Mühe gegeben. Ist es zart?

PROCTOR Ja. – Er isst. Sie beobachtet ihn Ich denke, wir sehen bald grüne
Felder. Unter der Scholle ist es warm wie Blut.

40
ELIZABETH Das ist gut.

Proctor isst, dann sieht er auf

PROCTOR Wenn die Ernte gut wird, kauf ich von George Jacobs ein Kalb. Würde
dich das freuen?

ELIZABETH Ja. Schon.

PROCTOR mit einem Lächeln Ich möchte dir eine Freude machen, Elizabeth.

ELIZABETH Es fällt ihr schwer zu sprechen. Ich weiß, John.

Er steht auf, geht zu ihr, küsst sie. Sie nimmt es hin. Mit einer gewissen
Enttäuschung geht er zu seinem Platz zurück.

PROCTOR so freundlich, wie er nur kann Apfelwein?

ELIZABETH sich selbst tadelnd, dass sie das vergessen hat. Ach ja. Sie steht auf,
geht und füllt ein Glas. Er krümmt seinen Rücken

PROCTOR Diese Farm ist ein Erdteil, wenn man Schritt für Schritt darüber geht, um
den Samen einzupflanzen.

ELIZABETH kommt mit dem Apfelwein So ist es.

PROCTOR nimmt einen langen Zug, dann, indem er das Glas abstellt. Du solltest
ein paar Blumen ins Haus stellen.

ELISABETH Oh, das habe ich vergessen. Ich machs gleich morgen.

PROCTOR Hier drin ist es noch Winter. Am Sonntag kommst du mit hinaus, und wir
gehen zusammen über die Felder. Ich habe noch nie so viele Blumen gesehen.
Mit einem Wohlgefühl steht er auf und schaut durch die offene Tür zum Himmel.
Flieder hat einen ganz besonderen Geruch. Flieder ist der Duft der Abend-
dämmerung, denke ich. Massachusetts ist wunderschön im Frühling.

ELIZABETH Ja. Ist es.

Stille. Sie beobachtet ihn vom Tisch aus, während er da steht und die Nacht in
sich aufnimmt. Es scheint, als wolle sie sprechen, kann es aber nicht.
Stattdessen steht sie jetzt auf, nimmt seinen Teller, das Glas und die Gabel und
geht damit zum Waschbecken. Sie wendet ihm den Rücken zu. Er dreht sich
um und beobachtet sie. Ein Gefühl der Distanz wächst zwischen beiden.

PROCTOR Ich glaube, du bist wieder bedrückt. Richtig?

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ELIZABETH sie will keine Auseinandersetzung, muss es aber doch sagen. Du bist
so spät nach Hause gekommen. Ich habe gedacht, du bist heute Nachmittag
wieder in Salem.

PROCTOR Wieso? Ich hab in Salem nichts zu tun?

ELIZABETH Anfang der Woche hast du doch gesagt, dass du hingehen willst.

PROCTOR er weiß, was sie meint Ich hab’s mir anders überlegt.

ELIZABETH Mary Warren ist heute dort.

PROCTOR Warum hast du sie gehen lassen? Du hast doch gehört, dass ich ihr
verboten habe, wieder nach Salem zu gehen.

ELIZABETH Ich konnte sie nicht zurückhalten.

PROCTOR hält eine harte Zurechtweisung zurück Das ist ein Fehler, Elizabeth, ein
Fehler. Du bist hier die Herrin, nicht Mary Warren.

EILZABETH Sie macht mir Angst.

PROCTOR Angst? Diese Maus? Elizabeth...

ELIZABETH Sie ist keine Maus mehr. Ich habe ihr verboten wegzugehen, da reckt
sie ihr Kinn in die Höhe wie eine Prinzessin und sagt: »Ich muss nach Salem,
Frau Proctor, ich bin jetzt eine Amtliche vor dem Gericht.«

PROCTOR Gericht? Was für ein Gericht?

ELIZABETH Ja. Sie haben da jetzt ein besonderes Gericht. Man hat vier Richter aus
Boston geschickt, sagt sie. Hohe Beamte vom Obersten Gericht, und der
Vorsitzende ist der Stellvertreter des Gouverneurs.

PROCTOR erstaunt Was? Sie ist verrückt.

ELIZABETH Ich wünschte bei Gott, es wäre so. Vierzehn Menschen sind jetzt im
Gefängnis, sagt sie. Proctor sieht sie an, kann es nicht fassen Sie werden
angeklagt, und das Gericht hat sogar die Macht sie aufzuhängen, sagt sie.

PROCTOR spöttisch aber ohne rechte Überzeugung Sie werden keinen hängen...

ELIZABETH Wenn sie nicht gestehen, John, werden sie gehängt, sagt der
Vorsitzende. Die ganze Stadt ist in Aufruhr. Weißt du... wenn man Mary Warren
hört, wie sie über Abigail spricht, denkt man, sie spricht von einer Heiligen. Sie
führt die anderen Mädchen in den Gerichtssaal, und wo sie geht, teilt sich die
Menge wie das Meer vor den Israeliten. Und die Menschen werden vor sie
geführt, und wenn Abigail schreit und tobt und auf den Boden fällt, werden die
Betreffenden ins Gefängnis geworfen. Weil sie sie verhext hätten.

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PROCTOR mit großen Augen Das ist doch absoluter Unsinn..

ELIZABETH Ich meine, du musst nach Salem gehen, John. Er wendet sich ihr zu
Ja, das meine ich. Du musst ihnen sagen, dass es Betrug ist.

PROCTOR bedenkt es Ja, das ist es, das ist es ganz bestimmt.

ELIZABETH Geh zu Ezekiel Cheever. - Er kennt dich gut, und sag ihm, was sie
letzte Woche im Haus ihres Onkels gesagt hat. Sie hat doch gesagt, dass es
überhaupt nichts mit Hexerei zu tun hat. Oder? Hat sie das nicht gesagt?

PROCTOR in Gedanken Ja, hat sie, hat sie. Pause

ELIZABETH ruhig. Sie fürchtet, ihn zu verärgern, wenn sie ihn noch weiterhin
drängt. Gott verhüte, dass du das vor dem Gericht verheimlichst, John. Man
muss es ihnen sagen.

PROCTOR ruhig, in Gedanken Ja. ja. Das muss man. Es wundert mich, dass man
ihr glaubt.

ELIZABETH Ich würde jetzt nach Salem gehen, John, noch heute Abend.

PROCTOR Ich muss noch drüber nachdenken.

ELIZABETH mutig jetzt Du kannst es nicht verschweigen, John.

PROCTOR zornig werdend Ich weiß, dass ich es nicht verschweigen kann. Ich
habe gesagt, ich muss noch drüber nachdenken.

ELIZABETH verletzt und sehr kalt Gut. Dann denke darüber nach. Sie will den
Raum verlassen.

PROCTOR Die Frage ist nur, wie kann ich beweisen was sie mir gesagt hat,
Elizabeth. Wenn das Mädchen jetzt eine Heilige ist, denke ich, ist es nicht so
einfach zu beweisen, dass sie lügt. Und die in der Stadt sind sowieso schon
völlig verrückt. Sie hat es mir gesagt, als wir allein im Zimmer waren. Ich hab
keinen Beweis dafür.

ELIZABETH Du warst mit ihr allein?

PROCTOR störrisch Einen Augenblick, ja.

ELIZABETH Das hast du mir aber anders erzählt.

PROCTOR sein Ärger wächst Einen Augenblick, hab ich gesagt. Dann sind die
anderen gekommen.

ELIZABETH ruhig, - plötzlich verliert sie alles Vertrauen in ihn Mach doch, was du
willst. Sie wendet sich ab.

PROCTOR Frau! Sie dreht sich zu ihm um Ich will dein Misstrauen nicht mehr.

43
ELIZABETH leicht hochmütig Ich bin nicht...

PROCTOR Ich will es nicht!

ELIZABETH Dann gib mir keinen Grund dafür.

PROCTOR mit einem heftigen Unterton Du traust mir immer noch nicht?

ELIZABETH mit einem Lächeln, um ihre Würde zu bewahren John, würdest du


zögern, wenn es nicht Abigail wäre, die du beschuldigen musst? Ich glaube
nicht.

PROCTOR Jetzt hör mal zu...

ELIZABETH Ich weiß, was ich weiß, John.

PROCTOR mit warnendem Ernst Hör endlich auf, dich als Richter aufzuspielen,
Elizabeth. Ich habe gute Gründe, genau zu überlegen, ob ich Abigail als
Betrügerin entlarven soll, und ich werde es mir sehr genau überlegen. Denk du
an deine eigenen Fehler, bevor du deinen Mann weiter verurteilst. Ich habe
Abigail vergessen und...

ELIZABETH Ich auch.

PROCTOR Verschon mich damit. Du vergisst nichts und vergibst nichts. Lern
Barmherzigkeit, Frau. Ich bin hier im Haus auf Zehenspitzen herumgeschlichen,
die ganzen sieben Monate lang, seit sie weg ist. Ich habe nicht einen Schritt
getan, ohne daran zu denken, wie ich dir eine Freude machen könnte, und
trotzdem kreisen deine Gedanken immer und immer wieder um eine Sache, die
längst vorbei ist. Ich kann nichts sagen, ohne dass an mir gezweifelt wird.
Immer der Verdacht, dass ich lüge. Ich habe das Gefühl, ich bin hier vor
Gericht, in meinem eigenen Haus.

ELIZABETH John, du bist nicht ehrlich zu mir. Du hast gesagt, du bist nicht mit ihr
allein gewesen. Und jetzt...

PROCTOR Ich verteidige mich nicht mehr, Elizabeth.

ELIZABETH sich selbst rechtfertigend John, ich will nur...

PROCTOR Hör auf! Ich hätte dich niederbrüllen sollen, als du mir zum ersten Mal
von deinem Verdacht erzählt hast. Verrückt von mir, es überhaupt zuzugeben,
auf Knien heran zu rutschen und wie ein Christ habe ich gebeichtet. Gebeichtet!
Ich muss wohl irrtümlich geglaubt haben, dass du der liebe Gott bist. Doch das
bist du nicht. Das bist du nicht. Denk dran. Sieh ab und zu doch mal das Gute in
mir, und verurteile mich nicht dauernd.

ELIZABETH Ich verurteile dich nicht. Du bist dein eigener Richter. Ich habe dich
immer für einen guten Menschen gehalten, John, mit einem Lächeln nur
manchmal etwas unbesonnen.

44
PROCTOR lacht bitter Oh, Elizabeth. Deine Gerechtigkeit bringt sogar Bier zum
Gefrieren. Er wendet sich plötzlich einem Geräusch von außen zu. Er geht zur
Tür, Mary Warren tritt auf. Sobald er sie sieht, geht er hin, packt sie bei ihrem
Umhang, zornig. Wie kannst du nach Salem gehen, wenn ich es dir verboten
habe? Du machst dich wohl lustig über mich. Schüttelt sie Ich peitsche dich
aus, wenn du noch einmal wagst, dieses Haus zu verlassen.

MARY WARREN Seltsam, sie wehrt sich nicht, sondern hängt schlaff in seinen
Händen Ich bin krank, ich bin krank, Herr Proctor. Beten Sie, beten Sie, aber
tun sie mir nicht weh. Ihr merkwürdiges Verhalten lässt ihn innehalten, und ihre
Blässe und offensichtliche Schwäche. Er lässt sie los. Alles in mir zittert. Ich
war den ganzen Tag in der Gerichtsverhandlung, Herr.

PROCTOR seine Neugier beschwichtigt seinen Ärger Und was ist mit deiner Arbeit
hier? Wann wirst du dich wieder hier um den Haushalt kümmern? Dafür
bezahle ich dir neun Pfund im Jahr. Und es noch dazu meiner Frau nicht gut
geht?

MARY WARREN so, als wolle sie es wieder gut machen geht hinüber zu Elizabeth,
reicht ihr eine kleine Stoffpuppe Ich habe ein Geschenk für Sie, Frau Proctor.
Ich musste heute viele Stunden ruhig auf einem Stuhl sitzen und habe mir die
Zeit mit Nähen vertrieben.

ELIZABETH verblüfft, sieht die Puppe an Oh, danke, eine hübsche Puppe.

MARY WARREN mit zittriger, schwacher Stimme Wir müssen uns jetzt alle sehr
lieb haben, Frau Proctor.

ELIZABETH erstaunt über Marys seltsames Benehmen Ja. Natürlich.

MARY WARREN sieht sich im Raum um Ich stehe morgen sehr früh auf und
mach das Haus sauber. Aber jetzt muss ich schlafen. Sie dreht sich um und
will gehen.

PROCTOR Mary! Sie bleibt stehen Ist das wahr? Dass man vierzehn Frauen
verhaftet hat?

MARY WARREN Nein. Jetzt sind es neununddreißig.

Sie bricht plötzlich ab, schluchzt, setzt sich, erschöpft

ELIZABETH Warum weint sie denn? Was hast du, Kind?

MARY WARREN Frau OsburnT wird gehängt.

Ein entsetztes Schweigen, während Mary schluchzt

PROCTOR Gehängt? Er schreit es ihr ins Gesicht Aufgehängt, sagst du?

MARY WARREN durch ihr Weinen hindurch Ja.

45
PROCTOR Und der stellvertretende Gouverneur lässt das zu?

MARY WARREN Er hat sie selbst verurteilt. Er musste das. um das Vorgesagte
abzuschwächen Aber Sarah Good nicht. Weil Sarah Good gestanden hat.
Verstehen Sie?

PROCTOR Gestanden? Was?

MARY WARREN Dass sie - voller Entsetzen bei der Erinnerung - einen Pakt mit
Luzifer geschlossen hat, und dass sie ihren Namen in sein schwarzes Buch
geschrieben hat, - mit ihrem Blut -, und geschworen hat, Christenmenschen so
lange zu quälen, bis Gott niedergeworfen ist – und wir alle der Hölle dienen
müssen, für immer und ewig.

Pause

PROCTOR Aber - Du weißt doch, was das für eine Schwätzerin ist. Hast du ihnen
das nicht gesagt.

MARY WARREN Herr Proctor. Sie hat uns beinahe zu Tode gewürgt vor Gericht.

PROCTOR Wie? Hat euch gewürgt?

MARY WARREN Sie hat ihren Geist über uns ausgesandt.

ELIZABETH O Mary, Mary, sicher wirst duT

MARY WARREN mit scharfer Entrüstung Sie hat schon oft versucht, mich zu
töten, Frau Proctor.

ELIZABETH So? Ich habe nie gehört, dass du so was gesagt hast.

MARY WARREN Ich hab’s bisher nicht gewusst. Ich habe bisher überhaupt nichts
gewusst. Wie sie in den Gerichtssaal gekommen ist, hab ich mir gesagt, diese
Frau darfst du nicht beschuldigen, weil sie doch im Straßengraben schläft und
so alt ist und so arm... Aber dann... dann sitzt sie da und leugnet und leugnet,
und ich fühle, wie es mir kalt den Rücken hinaufsteigt und meine Kopfhaut sich
zusammenzieht, und ich fühle eine Klammer um meinen Hals, und ich kann
nicht mehr atmen, und dann... Gebannt wie von einem Wunder ...höre ich eine
Stimme, eine Stimme, die schreit, und das ist meine Stimme, und plötzlich ist
mir wieder alles eingefallen, was sie mir angetan hat.

PROCTOR Was? Was hat sie dir angetan?

MARY WARREN als würde ihr ein wunderbares Geheimnis bewusst Sie kommt
oft an die Tür und bettelt um ein Stück Brot oder einen Becher Apfelwein, Herr
Proctor, und immer, - jetzt passen Sie auf, wenn ich sie mit leeren Händen
weggeschickt hab, hat sie gemurmelt.

ELIZABETH Gemurmelt! Lass sie doch murmeln, wenn sie Hunger hat.

46
MARY WARREN Aber was hat sie gemurmelt! Sie erinnern sich doch, Frau
Proctor, letzten Monat, - an einem Montag, glaube ich, - war sie da,
und zwei Tage später hab ich dann dieses fürchterliche Bauchweh bekommen.
Erinnern Sie sich?

ELIZABETH Wieso?- Ja. Ich glaube, aber -

MARY WARREN Und das hab ich Richter Hathorne gesagt, und er fragt sie dann:
»Frau Good«, sagt er, »was für einen Fluch haben Sie gemurmelt, dass dieses
Mädchen krank wurde, nachdem es sie weggeschickt hatte?« Und dann
antwortet sie Ein altes Weib imitierend »Aber, Exzellenz, überhaupt keinen
Fluch. Ich sagte nur meine Gebote her. Ich hoffe, meine Gebote darf ich noch
sagen«; sagt sie!

ELIZABETH Das ist doch eine gute Antwort.

MARY WARREN Ja. Doch dann sagte Richter Hathorne: »Dann lassen Sie uns
einmal ihre Gebote hören.« – lehnt sich eifrig zu ihnen hinüber Und von allen
zehn kannte sie kein einziges. Sie hat nie irgendein Gebot gekannt, und sie
haben sie bei einer glatten Lüge erwischt.

PROCTOR Und darauf hin hat man sie verurteilt?

MARY WARREN leicht ungeduldig aufgrund seiner störrischen Zweifel Mussten


sie doch, wo sie sich selbst verurteilt hat.

PROCTOR Aber der Beweis, der Beweis?

MARY WARREN mit noch größerer Ungeduld Ich habe es Ihnen doch gesagt.
Ein sicherer Beweis, todsicher, sagte der Richter.

PROCTOR hält einen Moment inne, dann Du gehst nicht mehr zum Gericht, Mary
Warren.

MARY WARREN Ich muss Ihnen sagen, ich gehe jetzt jeden Tag hin. Ich wundere
mich, dass Sie nicht begreifen, was für eine bedeutende Aufgabe wir haben.

PROCTOR Aufgabe? Eine merkwürdige Aufgabe für ein christliches Mädchen, alte
Frauen aufzuhängen.

MARY WARREN Aber, Herr Proctor, sie werden nicht gehängt, wenn sie gestehen.
Sarah Good muss nur einige Zeit im Gefängnis bleiben... erinnert sich und jetzt
kommt das Wunder, denkt darüber nach, Sarah Good ist schwanger.

ELIZABETH Schwanger! Sind die verrückt. Die Frau ist beinahe sechzig.

MARY WARREN Dr. Griggs hat sie untersucht, und sie ist voll bis zum Rand. Und
immer diese Pfeife im Mund und ohne Mann. Aber sie ist gerettet, Gott sei
Dank, denn dem unschuldigen Kind tun sie nichts. Ist das nicht ein Wunder?
Sie müssen das einsehen, Herr Proctor, was wir tun, ist Gottes Werk...

47
Und deshalb gehe ich jetzt jeden Tag hin. Ich bin - ich bin eine Amtliche vor
Gericht, heißt es, und ich...sie will hinaufgehen

PROCTOR Ich werde dich amtlichen... er geht zum Kaminsims, nimmt die Peitsche,
die darüber hängt

MARY WARREN furchtsam, aber aufrecht, um ihre Autorität bemüht Ich lasse
mich nicht mehr schlagen.

ELIZABETH schnell, als Proctor sich nähert Mary, versprich mir, dass du zu Hause
bleibst.

MARY WARREN weicht vor ihm zurück, aber immer noch aufrecht, kämpferisch,
verteidigt ihre Haltung Der Teufel geht in Salem um, Herr Proctor. Wir müssen
herausfinden, wo er sich versteckt.

PROCTOR Ich werde dir den Teufel schon austreiben. Er hebt die Peitsche, sie
weicht aus und schreit

MARY WARREN zeigt auf Elizabeth. Ich hab ihr heute das Leben gerettet.

Stille. Proctor senkt die Peitsche.

ELIZABETH sanft Man hat mich angeklagt?

MARY WARREN Man hat sie irgendwie erwähnt. Aber ich habe gesagt, dass ich
nie gesehen habe, wie Sie Ihren Geist ausgeschickt haben, um jemand was
Böses zu tun. Und als sie erfahren haben, dass ich bei Ihnen wohne und Sie
deshalb gut kenne, haben sie die Sache fallen gelassen.

ELIZABETH Wer hat mich angeklagt?

MARY WARREN Ich bin durch das Gesetz zum Schweigen verpflichtet. Ich kann
es nicht sagen. Zu Proctor Ich... Sie sollten über die Sache nicht spotten, Herr
Proctor. Noch vor einer Stunde haben wir beim Essen gesessen, mit vier
Richtern und dem Stellvertreter des Königs an einem Tisch. Ich rate Ihnen, in
Zukunft etwas höflicher zu mir zu sein...

PROCTOR entsetzt, murmelt von ihr angewidert Geh ins Bett.

MARY WARREN stampft mit dem Fuß auf: Ich lass mich nicht mehr ins Bett
schicken, Herr Proctor. Ich bin achtzehn und eine Frau, auch wenn ich noch
ledig bin.

PROCTOR Wenn du aufbleiben willst, dann bleib auf.

MARY WARREN Ich will ins Bett.

PROCTOR zornig Dann gute Nacht.

48
MARY WARREN Gute Nacht. Unzufrieden, uneins mit sich selbst, geht sie hinaus.
Proctor und Elisabeth sehen sich schreckerfüllt an.

ELIZABETH ruhig Sie hat die Schlinge gelegt. Sie hat die Schlinge gelegt.

PROCTOR Da ist keine Schlinge...

ELIZABETH Sie will meinen Tod. Ich hab es seit Wochen gewusst, dass es dazu
kommt.

PROCTOR ohne Überzeugung Sie haben die Anklage fallengelassen. Du hast es


gehört.

ELIZABETH Und was wird morgen? Sie wird mich so lange ausschreien, bis sie
mich holen.

PROCTOR Jetzt setz dich hin.

ELIZABETH Sie will meinen Tod, John, du weißt es.

PROCTOR Ich habe gesagt, du sollst dich hinsetzten. Sie setzt sich, zitternd. Er
spricht ruhig, versucht einen klaren Kopf zu behalten. Wir müssen jetzt klug
sein, Elizabeth.

ELIZABETH voller Sarkasmus und mit einer Spur von Verlorenheit Natürlich,
natürlich!

PROCTOR Hab keine Angst, Elizabeth. Ich geh zu Ezekiel Cheever und sage ihm,
dass sie gesagt hat, dass alles nur Spaß war.

ELIZABETH John, wenn schon so viele Leute im Gefängnis sind, muss man mehr
tun. Bitte, mir zuliebe – geh zu Abigail.

PROCTOR seine Seele verhärtet sich gegenüber seinen Gefühlen Was soll ich ihr
sagen?

ELIZABETH vorsichtig John, bitte, versprich es mir. – Du hast eine falsche


Vorstellung von jungen Mädchen. In jedem Bett wird ein Versprechen gegeben.

PROCTOR bemüht sich, seinen Zorn zu unterdrücken. Was für ein Versprechen?

ELIZABETH Ausgesprochen oder unausgesprochen, in jedem Fall ist es ein


Versprechen, und deshalb macht sie sich Hoffnungen. Ich bin ganz sicher. Sie
will mich töten und meinen Platz einnehmen. Proctors Zorn steigt, er kann nicht
sprechen. Das ist ihr größter Wunsch. Ich weiß es. Es gibt tausend Namen,
warum nennt sie meinen. Es ist nicht ungefährlich für sie, meinen Namen zu
nennen. Ich bin weder Sarah Good, die im Straßengraben schläft, noch die
halbschwachsinnige, besoffene Osburn. Sie würde es nicht wagen, wenn sie
sich nicht einen ungeheuren Vorteil versprechen würde. John, sie will an meine
Stelle treten.

49
PROCTOR Das kann sie nicht hoffen. Er weiß, dass das wahr ist

ELIZABETH „vernünftig“ John, hast du ihr je gezeigt, dass sie bei dir keine Chancen
mehr hat? Sie kann in der Kirche nicht an dir vorbeigehen, ohne dass du rot
wirst.

PROCTOR Vielleicht, weil sie mich an meine Sünde erinnert.

ELIZABETH Ich glaube, sie sieht das anders.

PROCTOR Und was ist mit dir? Wie siehst du es, Elizabeth?

ELIZABETH „nachgebend“ Ich denke, du schämst dich irgendwie, weil ich da bin
und sie so nahe.

PROCTOR Wann lernst du mich endlich kennen, Frau? Wär ich ein Stein, ich wäre
in den letzten sieben Monaten zersprungen vor Scham.

ELIZABETH Dann geh hin, und sag ihr, dass sie eine Hure ist. Auf welches
Versprechen sie sich auch beruft, - brich es, John. Brich es.

PROCTOR mit aufeinander gebissenen Zähnen Gut. Ich gehe. Er geht zu seinem
Gewehr

ELIZABETH zitternd, angsterfüllt Oh, wie widerwillig.

PROCTOR wendet sich ihr zu, das Gewehr in der Hand Ich werde sie verfluchen,
mehr als den größten Sünder in der Hölle. Aber verstehe, ich bin wütend.

ELIZABETH Wütend? Ich habe dich doch nur...

PROCTOR Frau, hältst du mich wirklich für so gemein? Tust du das wirklich?

ELIZABETH Das habe ich nie getan.

PROCTOR Warum wirfst du mir dann ein solches Versprechen vor, ein
Versprechen, das ein Hengst einer Stute gibt.

ELIZABETH Warum bist du dann wütend, wenn ich dich bitte, es zu brechen?

PROCTOR Du unterstellst mir damit Betrug, und ich bin ehrlich. Ich will mich nicht
mehr verteidigen. Ich sehe, wie alles bei dir um den einzigen Irrtum meines
Lebens kreist. Und ich schaffe es nicht, mich davon zu befreien.

ELIZABETH schreit es heraus Du kannst es, wenn du erkennst, dass ich allein
deine Frau sein will oder gar nicht. Ihr Pfeil steckt noch in dir, John. Du weißt es
genau.

Plötzlich, wie aus dem Nichts, steht eine Figur in der Tür. Proctor und
Elizabeth zucken kaum merklich zusammen. Es ist Hale.

50
Er hat sich verändert - wirkt leicht verhärmt, und in seinem Benehmen ist
eine Art Respekt zu spüren, sogar Schuldbewusstsein

HALE Guten Abend.

PROCTOR immer noch erschrocken Ach. Herr Hale. Einen schönen guten Abend.
Kommen Sie herein. Kommen Sie herein.

HALE zu Elisabeth Ich hoffe, ich habe Sie nicht erschreckt.

ELIZABETH Nein, nein. Es ist nur, weil ich kein Pferd gehört habe...

HALE Sie sind Frau Proctor.

PROCTOR Ja. Elizabeth.

HALE nickt, dann Ich hoffe, Sie wollten nicht gerade schlafen gehen?

PROCTOR legt sein Gewehr ab Nein, nein. Hale kommt weiter in den Raum.
Proctor, um seine Nervosität zu erklären: Wir sind so spät keinen Besuch
gewöhnt. Aber Sie sind willkommen bei uns. Wollen Sie sich nicht setzen?

HALE Doch. Er setzt sich Setzen Sie sich doch, Frau Proctor.

Sie setzt sich, lässt ihn nicht aus den Augen. Pause. Hale schaut sich im
Zimmer um.

PROCTOR unterbricht die Stille Möchten Sie ein Glas Apfelwein?

HALE Nein. Er macht mir Magenschmerzen, und außerdem muss ich noch weiter
heute Nacht. Setzen Sie sich doch, Herr Proctor. Proctor setzt sich Ich werde
Sie nicht lange aufhalten, aber ich muss mit Ihnen etwas besprechen.

PROCTOR Etwas, was das Gericht betrifft?

HALE Nein... nein. Ich komme aus eigenem Antrieb, nicht im Auftrag des Gerichts.
er benetzt seine Lippen Ich weiß nicht, ob Ihnen bekannt ist, dass der Name
Ihrer Frau... vor Gericht erwähnt wurde.

PROCTOR Wir wissen es, Herr. Unsere Mary Warren hat es uns gesagt. Wir sind
sehr bestürzt.

HALE Sie wissen, ich bin hier fremd. Und in meiner Unkenntnis fällt es mir schwer,
mir von den vor Gericht Angeklagten ein klares Bild zu machen. Schon seit
heute Nachmittag gehe ich von Haus zu Haus. Ich komme eben von Rebecca
Nurse und...

ELIZABETH entsetzt Man hat Rebecca angeklagt?

HALE Gott verhüte, dass man eine solche Frau anklagt: Ihr Name ist aber...
irgendwie erwähnt worden.

51
ELIZABETH mit einem Anflug von Gelächter Sie werden nicht glauben, hoffe ich,
dass Rebecca Nurse mit dem Teufel im Bund ist.

HALE Frau Proctor, möglich ist es schon.

PROCTOR betroffen Aber das meinen Sie doch nicht im Ernst?

HALE Das sind seltsame Zeiten, Herr Proctor. Kein Mensch kann länger daran
zweifeln, dass sich die Mächte der Dunkelheit zu einem ungeheuren Angriff auf
diese Stadt versammelt haben. Es gibt zu viele Beweise, um das zu bezweifeln.
Dem werden sie zustimmen.

PROCTOR ausweichend Ich... verstehe nichts davon. Aber es fällt mir schwer zu
glauben, dass so eine fromme Frau heimlich eine Hexe ist, nach siebzig Jahren
voller Frömmigkeit.

HALE Ja. Aber der Teufel ist listenreich, das können Sie nicht bestreiten. Allerdings
ist sie nicht im Geringsten beschuldigt, und ich bin sicher, es wird auch nicht
dahin kommen. Pause Ich wollte Ihnen nur einige Fragen stellen, die den
christlichen Charakter Ihres Hauses betreffen, wenn Sie erlauben.

PROCTOR kühl, ärgerlich Nun – wir... fürchten keine Fragen, Herr Hale.

HALE Gut. Gut. Er setzt sich bequemer hin In der Anwesenheitsliste, die Pastor
Parris führt, bemerke ich, dass Sie selten in der Kirche sind.

PROCTOR Nein, nein. Da irren Sie sich.

HALE Sechsundzwanzigmal in siebzehn Monaten. Das nenne ich selten. Können


Sie mir Ihre häufige Abwesenheit erklären?

PROCTOR Herr Hale. Eine kurze Pause, versucht sich zu beherrschen. Ich habe
nicht gewusst, dass ich diesem Herrn Rechenschaft schuldig bin, ob ich zur
Kirche gehe oder daheim bleibe. Meine Frau war in diesem Winter krank.

HALE Das hat man mir gesagt. Doch Sie, Herr Proctor, warum konnten Sie nicht
alleine kommen?

PROCTOR Ich bin sicher gekommen, wenn ich konnte, und wenn nicht, habe ich zu
Hause gebetet.

HALE Herr Proctor. Ihr Haus ist keine Kirche. Das sagt Ihnen Ihre Religionslehre.

PROCTOR Ja. Sicher. Aber sie sagt mir auch, dass ein Pastor ohne goldene
Kerzenleuchter auf dem Altar zu Gott beten kann.

HALE Was für goldene Kerzenleuchter...?

PROCTOR Seit wir die Kirche gebaut haben, hatten wir Zinnleuchter auf dem Altar.
Francis Nurse hat sie gemacht, wissen Sie, und eine tüchtigere Hand hat nie
Metall berührt.

52
Doch dann ist Parris gekommen, und er hat zwanzig Wochen lang nichts
anderes als goldene Kerzenhalter gepredigt, bis er sie hatte. Ich arbeite auf
dem Feld von früh bis spät abends, und ich sage es Ihnen offen, wenn ich zum
Herrn bete, und sehe mein Geld an den Ellbogen dieses Gottesdieners
schimmern, dann stört das mein Gebet. Es stört mein Gebet. Ich denke
manchmal, der Mann träumt von Kathedralen anstatt von hölzernen
Bethäusern.

HALE überlegt, dann Und trotzdem, Herr Proctor, muss ein Christ am Sonntag in
die Kirche gehen... Pause Sagen Sie... Sie haben drei Kinder?

PROCTOR Ja. Jungen.

HALE Wie kommt es, dass nur zwei getauft sind?

PROCTOR will sprechen, stoppt, dann, unfähig es zurück zuhalten. Ich mag nicht,
dass Herr Parris seine Hand auf meine Kinder legt. Ich sehe in diesem Mann
nicht das Licht Gottes. Das will ich nicht verheimlichen.

HALE Ich muss sagen Herr Proctor, das zu entscheiden, steht Ihnen nicht zu.
Dieser Mann ist Priester, und deshalb ist der Geist Gottes in ihm.

PROCTOR versucht trotz aufsteigendem Ärger zu lächeln Was für einen Verdacht
haben Sie, Herr Hale?

HALE Nein, nein. Ich habe...

PROCTOR Ich habe das Dach auf die Kirche genagelt, ich habe die Tür
eingehängt...

HALE Oh. Wirklich. Das ist ein gutes Zeichen.

PROCTOR Es kann sein, dass ich zu voreilig war mit meinem Urteil über diesen
Mann, aber Sie dürfen nicht denken, dass wir jemals den Wunsch gehabt
hätten, den christlichen Glauben zu untergraben. Das denken Sie doch, oder?

HALE alles in allem noch nicht bereit, diesen Gedanken aufzugeben Ich... habe...
In dem Bericht über Sie gibt es eine Schwachstelle, Herr. Ja, eine
Schwachstelle.

PROCTOR Vielleicht waren wir zu hart in unserem Urteil über Herrn Parris. Denke
ich. Aber sicher sind wir nicht mit dem Teufel im Bunde.

HALE nickt, denkt nach, dann im Ton eines, der eine geheime Untersuchung
durchführt Kennen Sie die zehn Gebote, Elizabeth?

ELIZABETH ohne zu zögern einfach und stolz Natürlich. Es gibt keinen Makel in
meinem Leben. Ich bin eine glaubens treue Christin, Herr Hale.

HALE Und Sie, Herr Proctor?

53
PROCTOR mit einem Anflug von Unsicherheit Ich... ich bin sicher. Ich kenne sie.

HALE blickt in Elisabeths offenes Gesicht, dann zu Proctor Würden Sie dann bitte
so freundlich sein, Sie mir aufzuzählen.

PROCTOR ...Die Gebote?

HALE Ja.

PROCTOR schaut weg, beginnt zu schwitzen Du sollst nicht töten.

HALE Ja.

PROCTOR zählt an seinen Fingern ab Du sollst nicht stehlen. Du sollst nicht


begehren Deines Nächsten Gut, noch Dir ein Götzenbild machen. Du sollst den
Namen des Herrn nicht vergeblich führen. Du sollst keine fremden Götter neben
mir haben... mit einem leichten Zögern Du sollst den Feiertag heiligen. Pause,
dann: Du sollst Vater und Mutter ehren. Du sollst kein falsches Zeugnis
ablegen. Er stockt, zählt an den Fingern rückwärts, weiß, eines fehlt. Du sollst
dir kein Götzenbild machen.

HALE Das haben Sie zweimal gesagt.

PROCTOR verloren Ja. Wehrt sich innerlich heftig dagegen

ELIZABETH leise Ehebruch, John.

PROCTOR als ob ein Pfeil sein Herz getroffen hätte Ja. Darum bemüht, gute
Miene zum bösen Spiel zu machen. Sie sehen, Herr Hale, zu zweit wissen wir
sie alle. Hale sieht Proctor an, versucht, sich über diesen Mann klar zu werden.
Proctor wird immer unruhiger. Ich meine, das ist ein kleines Vergehen.

HALE Die Religion, Herr Proctor, ist eine Festung, kein Riss in dieser Festung kann
als klein bezeichnet werden. Er steht auf, scheint besorgt, macht einen Schritt,
Gedanken schwer.

PROCTOR Unter diesem Dach hat der Teufel keinen Platz.

HALE Ich bete darum, ich bete von ganzem Herzen darum. Er schaut beide an, ein
Lächeln erscheint auf seinem Gesicht, aber seine Bedenken sind deutlich zu
spüren. Gut denn. Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht.

ELIZABETH unfähig, ihre Angst zurückzuhalten Herr Hale. Er wendet sich um Ich
habe das Gefühl, Sie verdächtigen mich irgendwie. Stimmt das?

HALE offensichtlich verstört – und ausweichend Frau Proctor. Ich bin kein Richter.
Ich habe die Pflicht, mit all meinen Kräften zu einer gottgefälligen Entscheidung
des Gerichts beizutragen. Ich wünsche Ihnen beiden gute Gesundheit und viel
Glück. Zu John Gute Nacht. Er will gehen.

54
ELIZABETH mit Anzeichen der Verzweiflung Ich glaube, du musst es ihm sagen,
John,

HALE Was?

ELIZABETH unterdrückt einen Schrei. Willst du es ihm sagen?

Kleine Pause. Hale sieht Proctor fragend an.

PROCTOR es fällt ihm schwer Ich... ich habe keine Zeugen und kann es nicht
beweisen, außer man glaubt meinem Wort. Aber ich weiß, dass die Krankheit
der Kinder nichts mit Hexerei zu tun hat.

HALE erstarrt Hat nichts mit Hexerei zu tun?

PROCTOR Herr Parris hat sie sie beim Tanzen im Wald entdeckt. Sie sind
fürchterlich erschrocken und wurden krank.

Pause

HALE Wer hat Ihnen das gesagt?

PROCTOR zögert, dann Abigail Williams.

HALE Abigail!

PROCTOR Ja.

HALE mit großen Augen Abigail Williams hat Ihnen gesagt, es hat nichts mit
Hexerei zu tun?

PROCTOR Ja. Am selben Tag, als Sie nach Salem gekommen sind.

HALE misstrauisch Warum... warum haben Sie das verschwiegen?

PROCTOR Ich habe bis heute Abend nie daran gedacht, dass dieser Unsinn alle
Welt zum Narren macht.

HALE Unsinn! Herr Proctor, ich selbst habe Tituba, Sarah Good und viele andere
ins Verhör genommen, und sie haben gestanden, im Bund mit dem Teufel zu
sein. Sie haben es gestanden.

PROCTOR Warum auch nicht, wenn sie fürs Leugnen gehängt werden? Manche
Leute gestehen alles, bevor man sie hängt. Haben Sie nie daran gedacht?

HALE Doch, das habe ich... in der Tat. es ist sein eigener Verdacht, aber er
verdrängt ihn. Er schaut zu Elisabeth, dann zu John. Und Sie... würden Sie das
vor Gericht bezeugen?

PROCTOR Ich - habe nicht damit gerechnet, das vor Gericht zu bezeugen. Aber
wenn es sein muss, tue ich es.

55
HALE Sie zögern?

PROCTOR Ich zögere nicht. Ich frage mich nur... ob meine Geschichte vor dem
Gericht glaubhaft wird, wenn schon ein vernünftiger Pfarrer wie Sie eine Frau
verdächtigt, die nie gelogen hat, die nicht lügen kann. Das weiß alle Welt –
wieso sollte ich deshalb nicht zögern? Ich bin kein Narr.

HALE ruhig, Proctors Worte haben ihn beeindruckt Lassen Sie uns offen
miteinander reden. Mir ist da etwas zu Ohren gekommen, das mich beunruhigt.
Man sagt, Sie glauben nicht an Hexen. Sie glauben nicht, dass es in dieser
Welt überhaupt Hexen geben könnte. Ist das wahr?

PROCTOR er weiß, es ist kritisch, und er kämpft gegen seinen Ärger auf Hale an
und gegen sich selbst, dass er doch antwortet. Ich weiß nicht, was ich gesagt
habe. Vielleicht habe ich es gesagt. Ich habe mich gefragt, ob es Hexen gibt. –
trotzdem, ich kann nicht glauben, dass sie jetzt plötzlich unter uns sind.

HALE Dann glauben Sie also nicht...

PROCTOR Ich verstehe doch gar nichts davon. Die Bibel spricht von Hexen, und ich
will sie nicht ableugnen.

HALE Und Sie Frau Proctor?

ELIZABETH Ich, ich kann nicht daran glauben.

HAEL entsetzt Sie können nicht!

PROCTOR Elizabeth. Du erschreckst ihn.

ELIZABETH zu Hale Ich kann nicht glauben, dass der Teufel die Seele einer Frau
besitzt, wenn sie so rechtschaffen ist, wie ich es bin. Ich bin eine gute Frau, ich
weiß das. Aber wenn Sie glauben, dass ich, obwohl ich nur Gutes tue, trotzdem
mit dem Teufel im Bunde bin, dann, das muss ich sagen, dann glaube ich nicht
daran.

HALE Aber Frau Proctor, Sie glauben doch daran, dass es Hexen gibt, die...

ELIZABETH Wenn Sie glauben, dass ich eine bin, dann sage ich, es gibt keine.

HALE Frau Proctor! Sie wenden sich doch nicht gegen das Evangelium. Das
Evangelium...

PROCTOR Sie glaubt an das Evangelium, Wort für Wort!

ELIZABETH Fragen Sie Abigail Williams nach dem Evangelium, nicht mich!

Hale starrt sie an.

56
PROCTOR Sie meint damit nicht, dass sie das Evangelium anzweifelt. Das dürfen
Sie nicht denken. Das ist ein christliches Haus, Herr, es ist ein christliches
Haus.

HALE Gott schütze Sie beide. Bringen Sie ihr drittes Kind rasch zur Taufe, und
gehen Sie regelmäßig jeden Sonntag in die Kirche. Und seien Sie
verantwortungsbewusst und ehrlich zueinander. Ich denke...

Giles Corey erscheint in der Tür.

GILES John!

PROCTOR Giles! Was ist los?

GILES Sie haben meine Frau geholt. Francis Nurse kommt herein. Und seine
Rebecca.

PROCTOR zu Nurse Rebecca ist im Gefängnis!

FRANCIS Ja, Cheever ist gekommen und hat sie in seinem Wagen mitgenommen.
Wir kommen direkt vom Gefängnis. Wir durften nicht einmal mit ihnen reden.

ELIZABETH Jetzt sind sie wirklich wahnsinnig geworden, Herr Hale.

FRANCIS Pastor Hale. Können Sie nicht mit dem Vorsitzenden reden? – Ich bin
sicher, er kann diesen Irrtum aufklären.

HALE Bitte beruhigen Sie sich, Herr Nurse.

FRANCIS Meine Frau ist Stein und Mörtel in der Kirche, und es gibt keine Frau, die
Gott näher ist, als Martha Corey.

HALE Wie lautet die Anklage gegen Rebecca, Herr Nurse?

FRANCIS mit einem spöttischen, halbherzigen Lachen Mord! Zitiert spöttisch den
Text des Haftbefehls »Wundersamer und übernatürlicher Mord an den
neugeborenen Kindern von Thomas und Ann Putnam«. Was soll ich tun, Herr
Hale?

HALE wendet sich von Francis ab, beunruhigt, dann: Glauben Sie mir, wenn selbst
Rebecca Nurse vom Teufel gewonnen wurde, dann kann nichts mehr
verhindern, dass die gesamte lebendige Welt in Flammen aufgeht. Vertrauen
Sie auf die Gerechtigkeit des Gerichts. Das Gericht wird sie nach Hause
schicken. Das weiß ich.

FRANCIS Sie können doch nicht glauben dass man sie vor Gericht stellt?

HALE plädierend Nurse, auch wenn es Ihnen das Herz bricht, wir dürfen nicht
zurückweichen. Das sind neue Zeiten. Eine geheimnisvolle Verschwörung ist im
Gange, so fein gesponnen, dass es kriminell wäre, sich an altem Respekt und
langjährigen Freundschaften festzuhalten.

57
Ich habe zu viele erschreckende Beweise vor Gericht gesehen – der Teufel ist
in Salem, und wir dürfen uns nicht scheuen, jedem Fingerzeig zu folgen.

PROCTOR zornig Wie sollte so eine Frau Kinder umbringen?

HALE in großer Not Erinnern Sie sich, Mann, noch eine Stunde bevor Luzifer fiel,
hielt Gott ihn für eine Zierde des Himmels.

GILES Herr Pastor. Ich habe nie gesagt, dass meine Frau eine Hexe ist. Ich habe
nur gesagt, sie liest Bücher.

HALE Herr Corey. Was für Anschuldigungen werden gegen ihre Frau erhoben?

GILES Dieser verdammte Bastard von Walcott klagt sie an. Vor vier oder fünf
Jahren kauft er von meiner Frau ein Schwein, und bald danach stirbt dieses
Schwein. Da kommt der Kerl angetanzt und will sein Geld zurück. Sagt meine
Martha zu ihm: »Walcott, wenn du nicht genug Verstand hast, ein Schwein zu
mästen, wie es sich gehört, wirst du’s nie zu was bringen.«, sagt sie. Jetzt geht
er vor’s Gericht und klagt, er kann seit dem Tag kein Schwein länger als vier
Wochen am Leben halten, weil ihn mein Martha mit ihren Büchern verhext
hätte.

Ezekiel Cheever tritt auf. Erschrockene Stille

CHEEVER Guten Abend. Guten Abend, John Proctor.

PROCTOR Herr Cheever? Guten Abend.

CHEEVER Guten Abend miteinander. Guten Abend, Herr Hale.

PROCTOR Hoffentlich kommen Sie nicht auch im Auftrag des Gerichts.

CHEEVER Doch. Ich bin jetzt Gerichtsschreiber, wissen Sie?

Marshall Herrick tritt auf, er ist Anfang dreißig, er fühlt sich im Moment sichtlich
unwohl

GILES Es ist jammerschade, Ezekiel, dass ein ehrlicher Schneider, der in den
Himmel hätte kommen können, nun in der Hölle schmoren muss. Du wirst dafür
brennen, weißt du das?

CHEEVER Du weißt ganz genau, ich muss tun, was man mir sagt. Sicher weißt du
das, Giles. Und mir wäre es lieber, du schicktest mich nicht zur Hölle. Ich höre
es nicht gern, sage ich dir, ich hör’s nicht gern. Er fürchtet sich vor Proctor aber
greift in seine Manteltasche. Glauben Sie mir, Proctor. So schwer das Gesetz
auch sein mag, sein ganzes Gewicht liegt heute auf meinen Schultern. Zieht
einen Haftbefehl heraus Ich habe eine Haftbefehl für Ihre Frau.

PROCTOR Zu Hale Aber Sie haben doch gesagt, sie ist nicht angeklagt?

HALE Ich weiß davon nichts. Zu Cheever Wann ist sie angeklagt worden?

58
CHEEVER Man hat mir heute Abend sechzehn Haftbefehle ausgehändigt, und einer
davon ist für sie.

PROCTOR Wer hat sie angeklagt?

CHEEVER Abigail Williams.

PROCTOR Mit welcher Beschuldigung?

CHEEVER sieht sich im Raum um Herr Proctor, ich habe wenig Zeit... Das Gericht
hat angeordnet, Ihr Haus zu durchsuchen. Würden Sie mir bitte die Puppen
aushändigen, die ihre Frau möglicherweise hat.

PROCTOR Puppen?

ELIZABETH Ich habe keine Puppen, seit meiner Mädchenzeit nicht mehr.

CHEEVER verärgert, wirft einen Blick zum Kaminsims, wo Mary Warrens Puppe
sitzt. Ist das kein Puppe, Frau Proctor?

ELIZABETH Oh, die. Geht zum Kamin Die gehört Mary.

CHEEVER schüchtern Würden Sie mir bitte die Puppe geben?

ELIZABETH gibt Cheever die Puppe, zu Hale Hat das Gericht jetzt einen Bibeltext
gegen Puppen entdeckt?

CHEEVER hält die Puppe vorsichtig zwischen seinen Händen Haben Sie noch
andere?

PROCTOR Nein. Und diese auch erst seit heute Abend. Was bedeutet eine Puppe?

CHEEVER Eine Puppe... dreht die Puppe vorsichtig um eine Puppe kann
bedeuten... Nun, Frau Proctor, wollen Sie bitte mitkommen?

PROCTOR Nein. Das tut sie nicht. Zu Elizabeth Hol Mary her.

CHEEVER greift ungeschickt nach Elisabeth Nein. Nein. Ich darf sie keinen
Moment aus den Augen lassen.

PROCTOR stößt seinen Arm beiseite Vergessen Sie’s, Mann. Hol Mary her,
Elizabeth.

Elizabeth geht hinaus.

HALE Was bedeutet denn nun eine Puppe, Herr Cheever?

CHEEVER Weil dreht die Puppe in seinen Händen Nun, man sagt, es könnte
bedeuten, dass sie... Oh!

59
Er hat den Rock der Puppe hochgehoben, und seine Augen weiten sich vor
Entsetzen. Eine Nadel. Herrick, Herrick, da ist eine Nadel.

Herrick kommt zu ihm

PROCTOR zornig, verwirrt Und was bedeutet eine Nadel?

CHEEVER seine Hände zittern Das ist schlimm für Sie, Proctor, das - Ich hatte
meine Zweifel, ich hatte meine Zweifel, aber das hier ist böse. Zeigt Hale die
Nadel Sehen Sie, Herr Hale, eine Nadel.

HALE Ja? Und was soll das bedeuten?

CHEEVER mit aufgerissenen Augen, zitternd Das Mädchen, Abigail Williams. Sie
saß beim Abendessen im Haus von Pastor Harris und fällt plötzlich, ohne ein
Wort oder irgendein Vorzeichen, auf den Boden. Wie ein erschlagenes Tier,
sagt Parris. Und dann schreit sie fürchterlich, schreit wie am Spieß. Parris will
ihr helfen und zieht eine Nadel aus ihrem Leib, die so tief in ihr steckte. Und
als man sie fragt, wie diese Nadel da hingekommen ist, behauptete sie, zu
Proctor dass ein Geist, der genau so aussah wie Ihre Frau, sie hineingestoßen
hat.

PROCTOR Das hat sie selbst getan. Zu Hale Das ist doch offensichtlich kein
Beweis für Sie, Herr Hale.

Hale, von dem Fund geschockt, schweigt.

CHEEVER Das ist ein schwerwiegender Beweis. Zu Hale Ich finde hier eine Puppe,
die offensichtlich Frau Proctor gehört. Ich habe sie hier gefunden. Und in dem
Leib der Puppe steckt eine Nadel. Um die Wahrheit zu sagen, Herr Proctor, ich
könnte schwören, dass ich nie einen überzeugenderen Beweis der Hölle
gesehen habe, und ich bitte Sie ernstlich, halten Sie mich nicht auf, denn ich...

Elizabeth tritt auf mit Mary Warren. Proctor greift Marys Arm und zieht sie
zu Hale.

PROCTOR Einen Moment. Mary, wie kommt diese Puppe in mein Haus?

MARY WARREN für sich selbst fürchtend, mit leiser Stimme Was für eine Puppe,
Herr?

PROCTOR ungeduldig, zeigt auf die Puppe in Cheevers Hand Diese Puppe, diese
Puppe.

MARY WARREN sieht die Puppe an, ausweichend Ich glaube, ...die gehört mir.

PROCTOR Es ist deine Puppe, stimmt’s?

MARY WARREN versteht nicht, wohin das führen soll Ja... ja, Herr.

PROCTOR Und wie kommt sie in dieses Haus?

60
MARY WARREN schaut kurz in die neugierigen Gesichter Ich hab sie im Gericht
gemacht, und heute Abend habe ich sie Frau Proctor geschenkt.

PROCTOR zu Hale Bitte! Sie haben es gehört.

HALE Mary Warren... in dieser Puppe ist eine Nadel gefunden worden.

MARY WARREN verwirrt Ich wollte keinem was Böses tun, Herr.

PROCTOR schnell Du selbst hast diese Nadel hineingesteckt?

MARY WARREN Ich... ich glaube, ja, ich...

PROCTOR zu Hale Was sagen Sie jetzt?

HALE beobachtet Mary Warren sehr streng Kind... bist du sicher, dass dich deine
Erinnerung nicht trügt? Könnte es sein, dass dich jemand behext, das zu sagen,
jetzt in diesem Moment?

MARY WARREN Mich jemand behext? – Hm. Nein, mein Herr. Ich bin ganz in
Ordnung, denk ich. Fragen Sie doch Susanna Walcott. Sie hat gesehen, wie ich
die Puppe genäht habe. Fragen Sie Abby, sie hat neben mir gesessen, als ich
sie gemacht habe.

PROCTOR zeigt auf Cheever, zu Hale Sagen Sie ihm, er soll gehen. Sind Sie jetzt
zufrieden? Werfen Sie ihn raus.

ELIZABETH Was bedeutet eine Nadel?

HALE Mary... Du beschuldigst Abigail Williams eines kaltblütigen und brutalen


Mordanschlags.

MARY WARREN Mord?... Ich... ich beschuldige doch nicht...

HALE Abigail wurde heute Abend durchbohrt, und eine Nadel wurde gefunden, die
tief in ihrem Leib steckte...

ELIZABETH Und sie beschuldigt mich?

HALE Ja.

ELIZABETH ihr Atem stockt Dieses Mädchen ist eine Mörderin. Sie muss
verschwinden aus dieser Welt!

CHEEVER zeigt auf Elisabeth Sie haben es gehört! Verschwinden aus dieser Welt!
Herrrick, du hast es gehört!...

PROCTOR reißt Cheever den Haftbefehl aus der Hand Raus hier.

CHEEVER Herr Proctor, wagen Sie nicht, den Haftbefehl...

61
PROCTOR zerreißt ihn Raus!

CHEEVER Sie haben den Haftbefehl des Obersten Gerichts zerrissen, Mann.

PROCTOR Ich scheiße auf das Oberste Gericht. Raus aus meinem Haus.

HALE Proctor, Proctor...

PROCTOR zu Hale Und Sie gehen gleich mit. Sie bankrotter Diener Gottes.

HALE Herr Proctor. Wenn sie unschuldig ist, wird sie das Gericht...

PROCTOR Wenn sie unschuldig ist? Warum fragen Sie sich nicht, ob Parris
unschuldig ist oder Abigail? Ist jetzt der Ankläger immer heilig? Wurden sie erst
heute Morgen in paradiesischer Unschuld geboren? Ich sage Ihnen, was in
Salem los ist. Rache geht in Salem um. Wir sind, wie wir immer waren, doch ein
paar hysterisch kreischende Kinder bestimmen jetzt den Lauf der Dinge, und
niedere Rache wird zum Gesetz. Dieser Haftbefehl ist ein Racheakt. Ich liefere
meine Frau nicht der Rache aus.

ELIZABETH Ich gehe, John.

PROCTOR Du gehst nicht.

HERRICK John, ich habe neun Leute draußen. Sie muss mit. Das Gesetz. Ich
kann nicht anders.

PROCTOR zu Hale, will ihn kleinkriegen Und Sie schauen zu.

HALE Proctor, das Gericht ist gerecht...

PROCTOR Pontius Pilatus! Gott lässt es nicht zu, dass Sie Ihre Hände in Unschuld
waschen.

ELIZABETH John. Ich glaube, ich muss mit ihnen gehen. Er erträgt es nicht, sie
anzusehen. Mary... Für morgen früh ist noch genug Brot da. Nachmittags wirst
du backen. Hilf Herrn Proctor, als ob du seine Tochter wärst. Das bist du mir
schuldig und noch vieles mehr. Sie kämpft gegen ihre Tränen an. Wenn die
Kinder aufwachen, sage nichts von Hexerei. Sie würden sich fürchten. Sie kann
nicht weiter reden ..

PROCTOR Ich hole dich bald wieder nach Hause. Sehr bald.

ELIZABETH Ja, John, hol mich bald.

PROCTOR Wie eine Sündflut will ich über das Gericht hereinbrechen. Hab keine
Angst, Elizabeth.

62
ELIZABETH voller Angst Ich hab keine Angst. Sie schaut sich im Raum um, als
wolle sie sich ihn genau einprägen Sag den Kindern, dass ich weggegangen
bin, eine Kranke besuchen...

Sie geht hinaus, Cheever und Herrick folgen ihr. Proctor schaut ihnen von
der Tür aus nach. Man hört das Geräusch von Ketten.

PROCTOR Herrick! Herrick!, leg sie nicht in Ketten. Proctor rennt raus. Von
draußen: Verdammt Mann, du wirst sie nicht in Ketten legen. Weg damit. Ich
lass das nicht zu. Ich lass es nicht zu, dass sie in Ketten gelegt wird.

Mehrere Männerstimme, die ihn niederschreien. Hale, in einer Mischung


aus Schuld und Unsicherheit, nicht fähig, dem weiter zuzusehen, wendet
sich von der Tür ab. Mary Warren bricht in Tränen aus und sitzt weinend
da. Corey schreit zu Hale hinüber:

COREY Und Sie schweigen, Herr Pfarrer? Es ist Betrug. Und Sie wissen das. Was
hält Sie zurück?

Proctor wird von zwei Wachen in den Raum gestoßen, gefolgt von Herrick.
Die Wachen gehen hinaus, nachdem sich Proctor losgerissen hat.

PROCTOR Das zahle ich dir heim, Herrick. Verlass dich drauf, das zahle ich dir
heim.

HERRICK keuchend In Gottes Namen, John, ich kann nicht anders. Ich muss sie
alle in Ketten legen. Jetzt bleib hier drin, bis ich weg bin. Er geht mit den beiden
Wachen ab.

Proctor steht im Raum, schnappt nach Luft. Man hört das Geräusch von
Pferden und das Quietschen eines Wagens.

HALE mit größter Unsicherheit Herr Proctor...

PROCTOR Verschwinden Sie!

HALE Erbarmen, Proctor, Erbarmen. – Was ich Gutes von ihr gehört habe, will ich
zu ihrer Entlastung vor Gericht vorbringen. Gott helfe mir – ich weiß nicht, ob
sie schuldig oder unschuldig ist, ich weiß es nicht. Aber bedenken Sie eines.
Die Welt ist wahnsinnig geworden, und es hilft nichts, wenn Sie die Schuld in
der Rache eines kleinen Mädchens suchen.

PROCTOR Sie sind ein Feigling. Auch wenn Sie mit Gottes eigenen Tränen geweiht
wurden, jetzt sind Sie ein Feigling.

HALE Herr Proctor. Ich kann nicht glauben, dass Gott sich von einem so geringen
Anlass so gewaltig herausfordern lässt. Die Gefängnisse sind bis zum Bersten
voll, unsere bedeutendsten Richter sitzen in Salem zu Gericht. Der Galgen
droht. Wir müssen nach angemessener Ursache suchen. Wurde vielleicht ein
Mord begangen und nie aufgedeckt? Oder ein anderes Verbrechen? Eine
geheime Blasphemie, die zum Himmel stinkt.

63
Suchen Sie nach solchen Ursachen, und lassen Sie mich Ihnen dabei helfen, es
herauszufinden. Das ist Ihre einzige Möglichkeit, jetzt, da eine solche
Verwirrung in der Welt herrscht. Geht zu Giles Beraten Sie sich miteinander,
und überlegen Sie, warum Ihre Stadt den wütenden Zorn des Himmels auf sich
herab gezogen hat. Ich bete, dass Gott Ihre Augen öffnet. Geht hinaus

FRANCIS betroffen durch Hales Stimmung Ich habe nie was von einem Mord in
Salem gehört.

PROCTOR - den Hales Worte erreicht haben Geh jetzt, Francis, geh jetzt.

Francis geht ab.

GILES erschüttert Sag mir, John, sind wir verloren?

PROCTOR Geh jetzt heim, Giles. Wir sprechen morgen drüber.

GILES Wirst du darüber nachdenken? Wir kommen morgen sehr früh, ja?

PROCTOR Ja. Geh jetzt, Giles.

GILES Dann gute Nacht.

Giles geht hinaus. Lange Pause

MARY WARREN mit hoher ängstlicher Stimme Herr Proctor, sie lassen sie sicher
heimgehen, wenn ihnen die richtigen Beweise vorgelegt werden.

PROCTOR Du gehst mit mir zum Gericht, Mary. Du wirst es vor Gericht sagen.

MARY WARREN Ich kann doch Abigail nicht beschuldigen, dass sie einen Mord
geplant hat.

PROCTOR geht drohend auf sie zu Du wirst dem Gericht sagen, wie die Puppe
hierher gekommen ist, und wer die Nadel hineingestochen hat.

MARY WARREN Sie bringt mich um, wenn ich’s sage. Proctor kommt näher
Abigail wird sagen, dass Sie ein Ehebrecher sind, Herr Proctor.

PROCTOR bleibt stehen Sie hat es dir gesagt!

MARY WARREN Ich hab es gewusst. Sie wird Sie damit vernichten. Ich weiß es.
Sie wird es tun.

PROCTOR zögernd und mit großem Selbsthass Gut! Dann ist es mit ihrer
Heiligkeit vorbei. Mary weicht vor ihm zurück Dann stürzen wir gemeinsam in
unser Verderben. Du sagst dem Gericht, was du weißt.

MARY WARREN voller Panik Ich kann nicht. Sie werden mich anklagen.

64
PROCTOR geht auf sie zu, fasst sie, während sie wiederholt: Ich kann nicht!“ Ich
kann nicht! Meine Frau wird nicht meinetwegen sterben. Ich werde dich
zwingen, alles zu sagen, aber sie wird nicht meinetwegen sterben.

MARY WARREN versucht, sich zu befreien Ich kann es nicht. Ich kann es nicht.

PROCTOR fasst sie an der Kehle, als wolle er sie würgen. Du musst. Sieh das ein.
Himmel und Hölle tragen ihren Kampf auf unserem Rücken aus, und alle
unsere Verstellungskünste bringen nichts mehr. Sieh das endlich ein. Er wirft
sie auf den Boden, während sie weiterschluchzt, Ich kann nicht, Ich kann nicht
Jetzt wendet Proctor sich zur offenen Tür, halb zu sich selbst. Es ist eine
Fügung Gottes. Als ob er sich angesichts des offenen Himmels einem großen
Schrecken gegenüber sieht Wir sind, wie wir immer waren, nur nackt. Ja,
nackt und der Wind, Gottes eisiger Wind, weht.

Während Mary weiter vor sich hin schluchzt: »Ich kann nicht«, fällt der

Vorhang.

65
3. Akt
Die Sakristei des Gemeindehauses, die jetzt als Vorzimmer des Gerichts dient.
Wenn der Vorhang aufgeht, ist die Bühne leer. Sonnenlicht fällt durch die hohen
Fenster in der hinteren Wand herein. Der Raum ist ehrwürdig, sogar Furcht
einflößend. Schwere Balken ragen heraus, die Wände sind aus Brettern
unterschiedlicher Breite gebaut. Auf der rechten Seite sind zwei Türen, die direkt
zum Gemeindesaal führen, in dem jetzt das Gericht tagt, links eine weitere Tür, die
nach draußen führt.
Links steht eine schlichte Bank, eine andere auf der rechten Seite. In der Mitte steht
ein ziemlich langer Tisch, mit Stühlen ringsum und einem bequemen Sessel mit
Armlehnen.
Durch die rechte Trennwand hört man die anklagende Stimme von Richter Hathorne.
Er stellt Fragen und eine Frauenstimme, Martha Coreys Stimme, antwortet ihm.

HATHORNE´S STIMME Nun, Martha Corey, uns liegen genügend Beweise vor, die
Sie überführen, dass Sie die Wahrsagerei betrieben haben. Leugnen Sie das?

MARTHA COREY´S STIMME Ich bin keine Hexe. Ich bin unschuldig. Ich weiß gar
nicht, was eine Hexe ist.

HATHORNE´S STIMME Wie wollen Sie das wissen, wenn Sie keine Hexe sind?

MARTHA COREY´S STIMME Wenn ich eine wäre, wüsste ich es.

HATHORNE´S STIMME Warum quälen Sie diese Kinder?

MARTHA COREY´S STIMME Ich quäle sie nicht. So etwas tue ich nicht.

GILES´STIMME Ich habe Beweise für das Gericht.

Aufgeregte Stimmen aus dem Volk.

DANFORTH´S STIMME Bleiben Sie auf Ihren Plätzen.

GILES´STIMME Thomas Putnam will sich an Land bereichern.

Die Menge wird lauter.

DANFORTH´S STIMME Schaffen Sie diesen Mann hinaus, Marshal.

GILES´ STIMME Man erzählt Ihnen Lügen! Nichts als Lügen!

Ein dumpfer Aufschrei geht durch die Menge.

HATHORNE´S STIMME Lassen Sie Ihn festnehmen, Exzellenz!

GILES´ STIMME Ich habe Beweise. Warum wollen Sie meine Beweise nicht
anhören?

66
Die Tür geht auf und Corey wird von dem Gerichtsdiener Herrick nahezu
in die Sakristei getragen.

GILES Loslassen, verdammt, lass mich los

HERRICK Giles! Giles!

GILES Aus dem Weg, Herrick!. Ich bringe Beweise....

HERRICK Du kannst da nicht wieder rein gehen, Giles. Es ist eine


Gerichtsverhandlung.

HALE kommt aus dem Gerichtssaal Bitte, beruhigen Sie sich einen Augenblick.

GILES Herr Hale, gehen Sie hinein, und verlangen Sie, dass man mich reden lässt.

HALE Moment. Moment.

GILES Meine Frau soll aufgehängt werdenT

Hathorne tritt auf, er ist in den Sechzigern, ein bitterer, unbarmherziger


Richter aus Salem. Ihm folgt Francis Nurse

HATHORNE Wie können Sie es wagen, vor Gericht so herumzuschreien. Sind Sie
verrückt, Corey?

GILES Sie sind noch nicht Richter in Boston, Hathorne. Sie nennen mich nicht
verrückt.

Der Stellvertreter des Gouverneurs, Danforth, tritt auf, gefolgt von Ezekiel
Cheever und Parris. Bei seinem Erscheinen wird es still. Danforth ist ein
gesetzter Mann um die Sechzig, kultiviert und mit einigem Humor, was
sich jedoch in keinster Weise der peniblen Loyalität gegenüber seiner
Position und seinem Amt entgegenstellt. Er geht hinüber zu Giles, der
seinen Zorn erwartet.

DANFORTH sieht Giles an Wer ist dieser Mann?

PARRIS Giles Corey, Herr, ein streitsüchtiger, T

GILES (zu Parris) Ich bin gefragt, und ich bin alt genug selbst zu antworten. Zu
Danforth; der ihn beeindruckt und den er trotz seiner Anspannung anlächelt.
Mein Name ist Corey, Herr, Giles Corey. Ich besitze sechshundert Morgen Land
und Wald dazu. Es ist meine Frau, die Sie hier verurteilen wollen. Zeigt zum
Gerichtsraum

DANFORTH Wie können Sie glauben, der Sache Ihrer Frau mit solch einem
unangebrachten Aufruhr zu dienen? Jetzt gehen Sie. Allein Ihr Alter schützt Sie
in diesem Fall vor dem Gefängnis.

GILES Bittend Sie erzählen Lügen über meine Frau, Herr, ich...

67
DANFORTH Wollen Sie entscheiden, was dieses Gericht glauben soll und was
nicht?

GILES Exzellenz. Keiner denkt an Missachtung des...

DANFORTH Missachtung. In der Tat. Es ist Auflehnung, Mann. Das ist das höchste
Gericht dieser Provinz. Wissen Sie das?

GILES beginnt zu weinen Euer Exzellenz. Ich habe nur gesagt, sie liest Bücher,
und dann kommen sie und holen sie aus meinem Haus, um sie...

DANFORTH verblüfft Bücher? Was für Bücher?

GILES zwischen hilflosen Schluchzern Es ist meine dritte Frau, Herr, und die
anderen waren nicht so verrückt auf Bücher, verstehen Sie, Herr, und ich wollte
den Grund dafür wissen, verstehen Sie? Aber ich habe nicht gesagt, dass sie
eine Hexe ist... Er weint lauter Ich habe ihre Güte missbraucht, ich habe ihre
Güte missbraucht. er bedeckt sein Gesicht schamvoll mit den Händen,
Danforth schweigt taktvoll.

HALE Exzellenz, er beruft sich auf starke Beweise zur Verteidigung seiner Frau. Ich
denke, Sie sollten von Rechts wegen...

DANFORTH Dann soll er seine Beweise in Form einer eidesstattlichen Aussage


vorlegen. Unser Verfahren ist Ihnen doch sicher bekannt, Herr Hale. Zu Herrick
Räumen Sie den Saal.

HERRICK Komm jetzt, Giles.

Freundlich schiebt er Giles zur Tür hinaus.

FRANCIS Wir sind verzweifelt, Herr. Seit drei Tagen kommen wir hierher, und
keiner hört uns an.

DANFORTH Wer ist dieser Mann?

FRANCIS Francis Nurse, Euer Exzellenz.

HALE Seine Frau Rebecca ist heute Morgen verurteilt worden.

DANFORTH Tatsächlich! Ich bin erstaunt, dass Sie bei solch einem Aufruhr
mitmachen. Ich habe nur Gutes von Ihnen gehört, Herr Nurse.

HATHORNE Ich denke, man sollte sie beide wegen Missachtung festnehmen.

DANFORTH zu Francis Schreiben Sie ein Gesuch, und in angemessener Zeit


werde ich...

FRANCIS Exzellenz. Wir haben Beweise. Sie können sich nicht davor verschließen.
Die Mädchen, mein Herr, betrügen Sie.

68
Danforth ist geschockt, sieht Francis forschend an

HATHORNE Das ist Missachtung, Herr, Missachtung!

DANFORTH Ruhe, Richter Hathorne. Wissen Sie, wer ich bin, Herr Nurse?

FRANCIS Sicher weiß ich das, Herr, und ich denke, dass Sie ein sehr kluger
Richter sein müssen, um das zu sein, was Sie sind.

DANFORTH Dann wissen Sie auch, dass annähernd vierhundert Menschen im


Gefängnis sind, und das aufgrund meiner Unterschrift?

FRANCIS Ich...

DANFORTH Und zweiundsiebzig zum Strang verurteilt, eben kraft dieser


Unterschrift?

FRANCIS Exzellenz, ich hätte ja nie gedacht, es einem so mächtigen Richter


einmal sagen zu müssen. Aber Sie werden getäuscht.

Giles Corey kommt von links herein. Alle drehen sich um, als er Mary
Warren und Proctor herein winkt. Mary hält den Blick gesenkt. Proctor hält
sie am Ellbogen, so als ob sie jederzeit zusammenbrechen könnte.

PARRIS bestürzt, als er sie sieht Mary Warren! Er geht nahe an sie heran, dicht
an ihr Gesicht Was machst du denn hier?

PROCTOR schiebt Parris weg von ihr, mit freundlicher aber bestimmter
beschützender Geste Sie möchte den stellvertretenden Gouverneur sprechen.

DANFORTH empört, wendet sich Herrick zu Haben Sie mir nicht gesagt, dass
Mary Warren krank im Bett liegt?

HERRICK Sie lag, Euer Ehren. Als ich sie letzte Woche holen wollte, hat sie gesagt,
dass sie krank ist.

GILES Sie hat die ganze Woche mit sich gerungen, Euer Ehren, jetzt ist sie
gekommen, um die Wahrheit zu sagen.

DANFORTH Und wer ist das?

PROCTOR John Proctor, Herr. Elizabeth Proctor ist meine Frau.

PARRIS Hüten Sie sich vor diesem Mann, Exzellenz. Dieser Mann ist ein
Störenfried.

HALE mit großer Dringlichkeit Ich denke, Sie müssen das Mädchen anhören, sie...

DANFORTH der mit großem Interesse Mary Warren betrachtet, hebt die Hand
gebieterisch gegen Hale Ruhe. Was möchtest du uns sagen, Mary Warren?
Proctor sieht sie an, aber sie kann nicht sprechen

69
PROCTOR Sie sah nie irgendwelche Geister, Herr.

DANFORTH mit großer Bestürzung und überrascht zu Mary Sah nie irgendwelche
Geister?

GILES eifrig Nie.

PROCTOR greift in seine Jacke Sie hat eine eidesstattliche Aussage


unterschrieben, Herr...

DANFORTH schnell Nein, nein. Ich akzeptiere keine eidesstattlichen Aussagen.


Rasch überdenkt er die Situation, wendet sich Proctor zu Sagen Sie, Herr
Proctor, haben Sie diese Geschichte auch im Ort erzählt?

PROCTOR Nein.

PARRIS Sie sind gekommen, um das Gericht zu stürzen. Dieser Mann ist ein...

DANFORTH Bitte, Herr Parris. Wissen Sie, Herr Proctor, dass die gesamte
Auseinandersetzung in diesen Verhandlungen auf dem Glauben beruht, die
Stimme des Himmels spreche aus diesen Kindern?

PROCTOR Das weiß ich, Herr.

DANFORTH Und du, Mary Warren... wie kamst du dazu, Menschen auszuschreien,
dass sie ihren Geist über dich senden?

MARY Es war Vortäuschung, Herr.

DANFORTH Ich kann dich nicht verstehen.

PROCTOR Sie sagt, es war Vortäuschung.

DANFORTH Ah! Und die anderen Mädchen? Susanna Walcott und... all die
anderen. Sie täuschten auch nur vor?

MARY Ja, Herr.

DANFORTH mit großen Augen Tatsächlich. Er ist verblüfft. Wendet sich Proctor zu,
betrachtet sein Gesicht

PARRIS schwitzend Exzellenz, sie können doch nicht denken, dass so eine
abscheuliche Lüge im Gericht verbreitet wird.

DANFORTH Natürlich nicht. Aber es beeindruckt mich sehr, dass sie es wagt,
hierher zu kommen, und uns diese Geschichte zu erzählen. Nun, Herr Proctor,
bevor ich entscheide, ob ich Sie anhöre, ist es meine Pflicht, Ihnen folgendes zu
sagen. Wir brennen hier ein heißes Feuer, das jedes Geheimnis zum
Schmelzen bringt.

PROCTOR Das weiß ich, Herr,

70
DANFORTH Lassen Sie mich fortfahren. Ich verstehe sehr gut, dass die Zuneigung
einen Ehmann zu besonderen Mitteln greifen lässt, um seine Frau zu
verteidigen. Sind Sie bei bestem Wissen und Gewissen davon überzeugt, dass
Ihre Aussage die Wahrheit ist?

PROCTOR Ja. Und Sie werden das auch erkennen.

DANFORTH Ich gehe davon aus, dass Sie hierher kamen, um diese Enthüllungen
vor dem Gericht und vor aller Öffentlichkeit zu beweisen.

PROCTOR Ich hatte gedacht, ich sollte – ja. Mit Ihrer Erlaubnis.

DANFORTH mit schmalen Augen Nun, und was beabsichtigen Sie damit?

PROCTOR Ich... ich möchte meine Frau retten, Herr...

DANFORTH Und nirgendwo in Ihrem Herzen oder verborgen in Ihrem Kopf lauert
der Wunsch, dieses Gericht zu untergraben?

PROCTOR mit leisem Zögern Nein, Herr.

CHEEVER räuspert sich, erwachend Ich - Euer Exzellenz.

DANFORTH Mr. Cheever.

CHEEVER Ich denke, es ist meine Pflicht, Herr, freundlich zu Proctor Du kannst
es nicht abstreiten, John. Zu Danforth Als ich zu ihm kam, um seine Frau
abzuholen, hat er das Gericht verflucht und Ihren Haftbefehl zerrissen.

PARRIS Na bitte, da haben Sie es.

DANFORTH Hat er das getan, Mr. Hale?

HALE holt tief Luft. Ja, das hat er.

PROCTOR Ich war wütend, Herr. Ich wusste nicht, was ich tat.

DANFORTH beobachtet ihn Herr Proctor.

PROCTOR Ja, Herr.

DANFORTH sieht ihm direkt in die Augen Haben Sie jemals den Teufel gesehen?

PROCTOR Nein, Herr.

DANFORTH Sie sind in jeder Beziehung ein glaubenstreuer Christ?

PROCTOR Das bin ich, Herr.

PARRIS Ein so glaubenstreuer Christ, dass er nicht mehr als einmal im Monat in
die Kirche kommt.

71
DANFORTH beherrscht – er ist neugierig Kommt nicht zur Kirche?

PROCTOR Ich schätze Herrn Parris nicht besonders. Das ist kein Geheimnis. Aber
Gott liebe ich aufrichtig.

CHEEVER Er hat am Sonntag gepflügt.

DANFORTH Am Sonntag gepflügt!

CHEEVER entschuldigend Ich denke, das ist eine Tatsache. Ich bin ein offizieller
Beamter des Gerichts. Ich kann es nicht für mich behalten.

PROCTOR Ich hab das ein oder andere Mal am Sonntag gepflügt. Ich habe drei
Kinder, Herr. Und im letzten Jahr hat mein Land wenig erbracht.

GILES Sie werden noch andere Christen finden, die am Sonntag pflügen, wenn Sie
die Wahrheit wissen wollen.

HALE Euer Ehren, ich glauben nicht, dass Sie diesen Mann aufgrund solcher
Beweise verurteilen wollen.

DANFORTH Ich verurteile niemanden. Pause. Er beobachtet Proctor weiterhin,


der seinen Blick sucht Ich sage es geradeaus, Herr... Ich sah in diesem
Gericht sehr merkwürdige Dinge. Ich sah, wie Menschen vor meinen Augen von
Geistern gewürgt wurden, ich habe sie gesehen, von Nadeln zerstochen, von
Messern geschlitzt. Ich habe bis zu diesem Moment nicht den geringsten Grund
zu der Annahme, dass die Mädchen mich betrügen. Verstehen Sie, was ich
meine?

PROCTOR Exzellenz, aber finden Sie es nicht merkwürdig, dass diese Frauen so
lange mit einem rechtschaffenen Ruf gelebt haben, und jetzt...

PARRIS Lesen Sie die Bibel, Herr Proctor?

PROCTOR Ja. Ich lese sie.

PARRIS Ich glaube nicht. Sonst wüssten Sie sicher, dass Kain ein rechtschaffener
Mann war und trotzdem Abel getötet hat.

PROCTOR Ja. Das sagt Gott uns. Zu Danforth Doch wer sagt uns, dass Rebecca
Nurse sieben Neugeborene getötet hat, indem sie ihren Geist über sie
aussandte. Nur diese Mädchen, und diese eine hier wird schwören, dass sie
das Gericht belogen hat.

Danforth überlegt, beugt sich über den Tisch und flüstert mit Hathorne.
Dieser nickt.

HATHORNE Ja. Sie ist die eine.

DANFORTH Herr Proctor... heute Morgen teilte mir Ihre Frau schriftlich mit, dass sie
schwanger ist.

72
PROCTOR Meine Frau schwanger!

DANFORTH Da ist noch kein Anzeichen – wir haben sie untersucht.

PROCTOR Aber wenn sie sagt, dass sie schwanger ist, muss es so sein. Meine
Frau lügt nicht, Herr Danforth.

DANFORTH Nie?

PROCTOR Nie, Herr. Niemals.

DANFORTH Wir dachten, es kommt zu günstig, um glaubhaft zu sein. Wie auch


immer. Wenn ich Ihnen jetzt sage, dass ich ihr einen weiteren Monat geben
werde, und sobald die natürlichen Anzeichen sichtbar sind, wird sie noch ein
weiteres Jahr leben, bis sie geboren hat. Was meinen Sie dazu? Proctor
schweigt betroffen. Kommen Sie. Sie sagen, Ihre Absicht sei einzig und allein,
Ihre Frau zu retten. Gut denn, sie ist gerettet, zumindest für dieses Jahr. Und
ein Jahr ist lang. Was sagen Sie? Im Konflikt, sieht Francis und Giles an.
Lassen Sie die Sache fallen?

PROCTOR Ich... ich glaube, ich kann nicht.

DANFORTH mit nicht mehr zu überhörender Strenge in der Stimme So geht Ihre
Absicht doch um einiges weiter.

PARRIS Er kam, um dieses Gericht zu stürzen, Euer Ehren.

PROCTOR sehr ernst Das sind meine Freunde. Ihre Frauen sind genauso...

DANFORTH ändert plötzlich sein Verhalten Ich richte Sie nicht. Setzen Sie sich. Ich
bin bereit Ihre Beweise anzuhören.

PROCTOR Ich komme nicht, dem Gericht zu schaden, nur...

DANFORTH unterbricht ihn Marshall, gehen Sie in den Gerichtssaal, und bitten
Sie Richter Stoughton und Richter Sewall, die Verhandlung für eine Stunde zu
unterbrechen. Und wenn sie wollen, sollen sie ins Gasthaus gehen. Alle Zeugen
und alle Gefangenen aber bleiben im Gebäude.

HERRICK Ja, Herr. sehr ehrerbietig Wenn Sie erlauben Exzellenz, ich kenne ihn,
schon ein Leben lang. Er ist ein guter Mensch, Herr.

DANFORTH nicht zuletzt ärgerlich über sich selbst Dessen bin ich sicher, Marshall.
Herrick nickt, dann geht er hinaus. Nun, welche Erklärungen haben Sie uns
abzugeben, Herr Proctor? Und ich bitte Sie, reden Sie klar, offen und ehrlich.

PROCTOR als er verschiedene Papiere herausnimmt Ich bin kein Rechtsanwalt,


deshalb...

DANFORTH Das reine Herz braucht keinen Anwalt. Sprechen Sie frei von der Leber
weg.

73
PROCTOR übergibt Danforth die Papiere Ich bitte Sie, Herr, das zu lesen. Es ist
eine Art Bescheinigung. Die hier unterschrieben haben, erklären ihre gute
Meinung über Rebecca Nurse, Martha Corey und meine Frau. Danforth schaut
in die Papiere.

PARRIS um Danforths Sarkasmus hervorzulocken Ihre gute Meinung.

Danforth studiert weiterhin die Papiere, Proctor ist ermutigt.

PROCTOR Es sind ehrliche Leute, Bauern mit eigenem Grund und Boden,
Mitglieder der Kirche. Versucht behutsam auf einen Punkt hinzuweisen Falls
Sie das beachten möchten, Herr. Sie alle kennen die Frauen seit vielen Jahren
und haben nie das Geringste davon bemerkt, dass sie mit dem Teufel im Bunde
wären.

Parris ist nervös, geht zu Danforth und liest über seine Schulter.

DANFORTH überfliegt die lange Liste Wie viele Namen sind das hier?

FRANCIS Einundneunzig, Euer Exzellenz.

PARRIS schwitzend Diese Leute sollten alle vorgeladen werden. Danforth schaut
fragend zu ihm auf. Zum Verhör.

FRANCIS bebend vor Zorn Ich habe allen mein Wort gegeben, dass sie keinen
Schaden leiden, wenn sie das hier unterschreiben.

PARRIS Das ist ein klarer Angriff auf das Gericht!

HALE zu Parris, versucht sich zurückzuhalten Ist jede Verteidigung ein Angriff auf
das Gericht? Kann niemand...

PARRIS Alle unschuldigen und gläubigen Menschen sind glücklich über dieses
Gericht in Salem. zu Danforth. Und ich denke, es wird Sie interessieren, warum
jeder einzelne von denen darüber nicht glücklich ist.

HATHORNE Ich denke, sie sollten verhört werden, Herr.

DANFORTH Dies ist nicht unbedingt ein Angriff, denke ich, aber...

FRANCIS Es sind alle Glaubens treue Christen.

DANFORTH Dann bin ich überzeugt, dass sie nichts zu befürchten haben. Gibt
Cheever die Papiere. Herr Cheever, fertigen Sie für alle Haftbefehle aus – Haft
zum Zwecke des Verhörs. wendet sich an Proctor. Nun, Herr Proctor, was
haben Sie uns sonst noch Neues mitzuteilen? Francis steht immer noch
schreckerfüllt da. Sie können sich setzen, Herr Nurse.

FRANCIS Ich habe Unglück über diese Menschen gebracht, ich habe...

74
DANFORTH Nein, Alter, das haben Sie nicht, wenn diese Leute ein reines
Gewissen haben. Doch Sie müssen einsehen, dass man entweder für dieses
Gericht ist oder dagegen. Es gibt keinen Mittelweg. Dies ist eine strenge Zeit,
eine genaue Zeit – wir leben nicht mehr in der Dämmerstunde, wo sich das
Böse mit dem Guten mischte. Dank Gottes Gnade strahlt jetzt hell die Sonne,
und die, die das Licht nicht fürchten, werden ihn sicherlich preisen. Ich hoffe,
Sie sind einer von ihnen. Mary Warren fängt plötzlich an zu schluchzen. Es
geht ihr nicht gut, sehe ich.

PROCTOR Doch, doch. Er beugt sich zu Mary hinüber, umfasst ruhig und freundlich
ihre Schultern. Nun erinnere dich, was der Engel Raffael zu Tobias sagte.
Erinnere dich.

MARY kaum hörbar Ja.

PROCTOR »Tue, was Recht ist, und kein Leid wird dir widerfahren.«

MARY Ja.

DANFORTH Kommen Sie, Mann. Wir warten auf Sie.

Marshall Herrick kommt zurück und übernimmt seinen Posten an der Tür.

GILES John, meine Aussage, gib sie ihm.

PROCTOR Ja. Proctor übergibt Danforth ein weiteres Papier. Hier ist Herrn Coreys
Aussage.

DANFORTH Oh. Er schaut auf das Schriftstück. Hathorne tritt hinter ihn und liest
mit.

HATHORNE misstrauisch Welcher Anwalt hat das aufgesetzt? Corey?

GILES Sie wissen genau, ich habe noch nie in meinem Leben einen Anwalt
gebraucht, Hathorne.

DANFORTH beendet das Studium des Schriftstücks Es ist sehr gut formuliert. Mein
Kompliment. Herr Parris, holen Sie Herrn Putnam, wenn er im Gericht ist.
Hathorne nimmt die Aussage und geht damit zum Fenster. Parris geht in den
Gerichtsraum. Sie haben in der Rechtspflege keine Übung, Herr Corery?

GILES sehr erfreut Doch. Die allerbeste. Ich war in meinem Leben dreiunddreißig
Mal vor Gericht und immer als Kläger.

DANFORTH Oh. Dann sind Sie also sehr streitsüchtig.

COREY Ich bin nicht streitsüchtig. Ich kenne meine Rechte, Herr. Und auf denen
bestehe ich. Wissen Sie, Ihr Vater hat einen Fall von mir vor Gericht verhandelt,
das müsste so vor fünfunddreißig Jahren gewesen sein, denke ich.

DANFORTH Tatsächlich?

75
COREY Hat er Ihnen nie davon erzählt?

DANFORTH Nein. Ich kann mich nicht daran erinnern.

COREY Das ist merkwürdig. Er gestand mir neun Pfund Schadenersatz zu, er war
ein gerechter Richter, Ihr Vater. Sehen Sie, ich hatte da eine weiße Stute, und
dieser Bursche kommt und leiht sich diese Stute. Parris tritt mit Thomas Putnam
auf. Als Giles ihn sieht, verschwindet sein Wohlbehagen Ah. Da ist er ja.

DANFORTH Herr Putnam. Herr Corey beschuldigt Sie, dass Sie Ihre Tochter Ruth
kaltblütig dazu angestiftet hätten, Herrn George Jacobs, der sich jetzt im
Gefängnis befindet, der Hexerei zu bezichtigen.

PUTNAM Das ist eine Lüge.

DANFORTH Herr Putnam erklärt, Ihre Beschuldigung sei eine Lüge. Was sagen Sie
dazu?

GILES wütend, mit geballten Fäusten Einen Furz auf Herrn Putnam, das sage ich
dazu.

DANFORTH Welchen Beweis haben Sie für Ihre Anschuldigung, Herr Corey?

GILES Da ist mein Beweis. Zeigt auf das Schriftstück Wenn Jacobs wegen
Hexerei gehängt wird, verliert er sein Eigentum – das ist Gesetz. Und niemand
hier, außer Putnam, hat das Geld, einen so großen Besitz zu kaufen. Dieser
Mann tötet seinen Nachbarn aus Besitzgier.

DANFORTH Doch der Beweis, der Beweis...

GILES Der Beweis ist das hier. zeigt auf die Aussage. Ich habe es von einem
ehrlichen Mann, der gehört hat, wie Putnam sagte: »An dem Tag, da meine
Tochter Jacobs ausschrie, hat sie mir ein schönes Stück Land geschenkt«, hat
er gesagt.

HATHORNE Und der Name dieses Mannes?

GILES zuckt zurück Welcher Name?

HATHORNE Des Mannes, der Ihnen diese Mitteilung gemacht hat.

GILES zögert, dann: Ja, ich... ich kann Ihnen seinen Namen nicht nennen.

HATHORNE Und warum nicht?

GILES zögert, dann bricht es aus ihm heraus Das wissen Sie ganz genau. Man
wird ihn ins Gefängnis werfen, wenn ich seinen Namen verrate.

HATHORNE Das ist Missachtung des Gerichts, Herr Danforth.

DANFORTH um das zu vermeiden Sie werden uns doch sicher den Namen sagen.

76
GILES Ich werde Ihnen überhaupt keine Namen sagen. Ich habe einmal den Namen
meiner Frau genannt und werde dafür lange genug in der Hölle schmoren. Ich
bleibe stumm.

DANFORTH In diesem Fall bleibt mir keine andere Wahl, als Sie wegen
Missachtung des Gerichts festzunehmen. Ist Ihnen das klar?

GILES Das ist ein Verhör. Sie können mich wegen Missachtung eines Verhörs nicht
einsperren.

DANFORTH Oho, ein wahrer Rechtsgelehrter. Wollen Sie, dass ich dies hier zu
einer Gerichtsverhandlung erkläre? Oder wollen Sie mir nicht doch lieber
antworten?

GILES stockend Ich kann Ihnen keine Namen nennen. Ich kann nicht.

DANFORTH Sie sind ein alter Narr. Herr Cheever! Führen Sie Protokoll. Die
Gerichtsverhandlung ist eröffnet. Herr Corey, ich frage Sie...

PROCTOR schaltet sich ein Euer Exzellenz, er bekam es vertraulich mitgeteilt, und
er...

PARRIS Der Teufel lebt von solchen Vertraulichkeiten. (Zu Danforth) Ohne
Vertraulichkeiten gäbe es keine Verschwörung, Euer Ehren!

HATHORNE Die muss zerstört werden, Herr.

DANFORTH zu Giles Alter, wenn Ihr Informant die Wahrheit sagt, soll er freiwillig
herkommen, wie ein anständiger Mann. Doch wenn er sich hinter seiner
Anonymität versteckt, muss ich wissen, warum. Nun, Herr Corey, Staat und
Kirche fordern von Ihnen den Namen dessen, der Herrn Thomas Putnam als
gemeinen Mörder bezichtigt.

HALE Exzellenz...

DANFORTH Herr Hale.

HALE Wir können nicht mehr darüber hinwegsehen. Es ist eine ungeheure Furcht
vor diesem Gericht im Land...

DANFORTH Dann ist eine ungeheure Schuld in diesem Land. Fürchten Sie, hier
verhört zu werden?

HALE Ich fürchte nur Gott, aber trotzdem gibt es eine große Furcht im Land.

DANFORTH jetzt sehr ärgerlich Machen Sie diese Furcht nicht mir zum Vorwurf; es
ist Furcht im Lande, weil eine Verschwörung im Gange ist, Christus zu stürzen!

HALE Aber daraus folgt nicht, dass jeder Angeklagte daran beteiligt ist.

77
DANFORTH Kein rechtschaffener Mensch braucht dieses Gericht zu fürchten, Herr
Hale. Keiner! Zu Giles Herr Corey, Sie sind verhaftet wegen Missachtung des
Gerichts. Jetzt setzen Sie sich, und denken darüber nach – oder Sie werden
solange im Gefängnis bleiben, bis Sie bereit sind, auszusagen.

Corey geht auf Putnam los, Proctor hält ihn zurück.

PROCTOR Nicht, Giles!

GILES über Proctors Schulter Ich schneide dir die Kehle durch, Putnam. Ich bring
dich um.

PROCTOR zwingt Corey auf einen Stuhl Sei friedlich, Giles, sei friedlich. Lässt ihn
los Wir werden es beweisen, wir werden es jetzt beweisen. Er wendet sich
Danforth zu.

GILES Sag nichts mehr, John. Zeigt auf Danforth Er spielt nur mir dir. Er will uns
alle aufhängen.

Mary Warren fängt an zu schluchzen

DANFORTH Dieses Gericht richtet nach Recht und Gesetz. Ich dulde keine
Beschimpfung.

PROCTOR Sind Sie nachsichtig, Herr. Er ist ein alter Mann. Bleib ruhig, Giles. Wir
werden alles beweisen. Er hebt Marys Kinn Du musst nicht weinen, Mary.
Denk daran, was der Engel zu Tobias gesagt hat. Denk daran, das wird dir Kraft
geben. Mary hört auf zu weinen. Proctor nimmt ein Schriftstück heraus und
übergibt es Danforth. Das ist Mary Warrens Aussage. Ich... ich bitte Sie, denken
Sie daran, Herr, während Sie das lesen, dass sie bis vor zwei Wochen nicht
anders war als die übrigen Mädchen. Er spricht sehr gefasst, all seine Furcht,
seinen Zorn, seine Angst unterdrückend. Sie sahen sie schreien, heulen; sie
hat geschworen, dass Geister sie würgten, hat sogar bezeugt, dass der Teufel
in Gestalt der Frauen, die jetzt im Gefängnis sitzen, versuchte, ihre Seele zu
gewinnen.

DANFORTH Das wissen wir doch alles.

PROCTOR Ja. Herr. Doch nun schwört sie, dass sie niemals den Teufel gesehen
hat, noch irgendeinen anderen Geist, den der Teufel geschickt haben könnte,
sie zu verletzen, weder verborgen noch deutlich sichtbar. Und sie erklärt, dass
ihre Freundinnen jetzt lügen.

Proctor will Danforth die Aussage geben, Hale geht auf Danforth zu, er ist
erschüttert

HALE Exzellenz. Einen Augenblick. Ich denke, das trifft den Kern der ganzen Sache.

DANFORTH mit großem Bedenken Das tut es.

78
HALE Ich kann nicht sagen, dass er ein ehrlicher Mann ist. Ich kenne ihn kaum.
Aber im Namen der Gerechtigkeit kann eine so schwerwiegende Behauptung
nicht von einem Bauern vertreten werden. Im Namen Gottes, unterbrechen Sie
hier. Schicken Sie ihn nach Hause, und lassen Sie ihn mit einem Anwalt
wiederkommen...

DANFORTH geduldig Nun, sehen Sie mal, Herr Hale...

HALE Exzellenz. Ich habe zweiundsiebzig Todesurteile unterzeichnet. Ich bin ein
Diener Gottes, und ich wage es nicht, ein Leben zu opfern, ohne dass es einen
klaren Schuldbeweis gibt, so klar, dass selbst der leiseste Gewissensskrupel
daran nicht zweifeln könnte.

DANFORTH Herr Hale, Sie zweifeln doch nicht an meiner Gerechtigkeit?

HALE Ich habe heute Morgen mit meiner Unterschrift Rebecca Nurse zum Tode
verurteilt. Euer Ehren, ich will es nicht verbergen – ich gebe es zu, meine Hand
zittert wie von einer Wunde. Ich bitte Sie, Herr, lassen Sie diesen Beweis von
einem Rechtsgelehrten führen.

DANFORTH Herr Hale, glauben Sie mir, für einen Mann von solch außerordentlicher
Gelehrsamkeit wirken Sie äußerst konfus. Ich hoffe, Sie verzeihen. Seit
zweiunddreißig Jahren übe ich das Richteramt aus, und selbst ich käme in
größte Verlegenheit, würde man mich aufrufen, diese Leute zu verurteilen.
Überlegen Sie bitte – zu Proctor und den anderen - und Sie alle hier – wie
verteidigt man einen Angeklagten in einem regulären Gerichtsverfahren? Man
ruft Zeugen auf, seine Unschuld zu beweisen. Aber Hexerei ist ipso facto in
ihrer äußeren Erscheinung wie ihrem inneren Wesen nach ein unsichtbares
Verbrechen. Also, wer kann hier möglicherweise Zeuge sein? Die Hexe und das
Opfer. Niemand sonst. Nun können wir nicht hoffen, dass sich die Hexe selbst
anklagt. Zugegeben? – Deshalb müssen wir uns auf ihre Opfer verlassen – und
sie bezeugen es, diese Kinder beweisen es, ohne jeden Zweifel. Was nun die
Hexen betrifft, so wird niemand leugnen, dass wir auf ihre Geständnisse
äußerst erpicht sind. Was bleibt also einem Rechtsgelehrten zu tun? Ich denke,
ich habe mich klar genug ausgedrückt. Oder?

HALE Aber dieses Kind behauptet, dass sie nicht die Wahrheit sagen. Und wenn sie
das nicht tun...

DANFORTH Das ist genau der Punkt, über den ich nachdenke, Herr Hale. Was
können Sie mehr von mir verlangen? Es sei denn, Sie zweifeln an meiner
Aufrichtigkeit.

HALE geschlagen Bestimmt nicht, Herr. Denken Sie also darüber nach.

DANFORTH Beruhigen Sie sich. Ihre Aussage, Herr Proctor.

Proctor übergibt ihm das Schriftstück. Hathorne tritt an Darnforths Seite und
liest mit. Parris kommt von der anderen Seite. Hale sucht sich einen Platz in
der Nähe des Richters, liest auch. Proctor wirft Giles einen Blick zu, Francis
betet stumm, die Hände aneinander gepresst.

79
Mary Warren schluchzt einmal auf. John Proctor legt beruhigend die Hand auf
ihren Kopf. Danforth hebt den Blick, steht auf, nimmt ein Taschentuch heraus
und putzt sich die Nase. Die anderen stehen beiseite, als er in Gedanken zum
Fenster geht.

PARRIS kaum fähig seinen Zorn und seine Furcht zurückzuhalten Ich möchte gern
fragen...

DANFORTH sein erster wirklicher Ausbruch, in dem seine Verachtung gegenüber


Parris klar zum Ausdruck kommt Herr Parris. Er steht stumm, schaut aus dem
Fenster. Dann hat er einen Entschluss gefasst. Herr Cheever, gehen Sie in den
Gerichtsaal und bringen Sie die Kinder her. Cheever geht nach rechts ab,
Danforth wieder zu Mary gewendet. Mary Warren, wie kamst du zu diesem
Sinneswandel? Hat dich Herr Proctor zu dieser Aussage gezwungen?

MARY WARREN Nein, Herr.

DANFORTH Hat er dich jemals bedroht?

MARY WARREN schwächer Nein, Herr.

DANFORTH spürt ihr Schwachwerden Hat er dich bedroht?

MARY WARREN Nein, Herr.

DANFORTH Das heißt also, du hast vor meinem Gericht dreist gelogen, obwohl du
wusstest, dass Menschen auf deine Aussage hin gehängt würden? Sie
schweigt Antworte mir.

MARY WARREN fast unhörbar Ja, Herr.

DANFORTH Was hat man dir in deinem Leben beigebracht? Weißt du nicht, dass
Gott alle Lügner verdammt? Sie kann nicht sprechen Oder lügst du jetzt?

MARY WARREN Nein, Herr. Jetzt bin ich Gott nahe.

DANFORTH Du bist Gott nahe.

MARY WARREN Ja, Herr.

DANFORTH beherrscht sich Ich will dir was sagen. – Entweder lügst du jetzt, oder
du hast vor Gericht gelogen. Das heißt, in jedem Fall hast du einen Meineid
geschworen. Dafür wirst du ins Gefängnis gesperrt. Du kannst nicht so einfach
sagen, dass du gelogen hast. Weißt du das?

MARY WARREN Ich kann nicht mehr lügen. Gott ist mein Zeuge. Gott ist mein
Zeuge.

Sie bricht in Tränen aus. Die rechte Tür öffnet sich Cheever tritt mit
Susanna Walcott, Mercy Lewis und zuletzt Abigail auf. Cheever geht zu
Danforth..

80
CHEEVER Ruth Putnam ist nicht im Gerichtssaal, die anderen Mädchen auch nicht.

DANFORTH Diese sind genug. Setzt euch, Kinder. Sie setzen sich schweigend,
Es liegt dem Gericht eine Aussage eurer Freundin Mary Warren vor. Sie
schwört, dass sie nie so etwas wie Geister sah, weder Erscheinungen noch
irgendwelche Anzeichen des Teufels. Sie behauptet darüber hinaus, dass auch
niemand von euch je Dinge solcher Art gesehen hat. Kleine Pause Nun,
Kinder, dieses Gericht richtet nach Recht und Gesetz. Das Gesetz, gegründet
auf die Bibel, geschrieben vom allmächtigen Gott, verbietet die Ausführung der
Hexerei und bestraft sie mit dem Tode. Gleichermaßen jedoch, Kinder,
verdammen das Gesetz und die Bibel alle, die lügen und falsch schwören.
Kleine Pause Nun denn... dabei übersehe ich nicht, dass diese Aussage
erdacht sein könnte, um uns blind zu machen. Es kann gut sein, dass Mary
Warren vom Teufel bezwungen wurde, von ihm hergeschickt, um uns von
unserer geheiligten Aufgabe abzulenken. Ist das so, dann wird es ihr das
Genick brechen. Aber falls sie die Wahrheit sagt, bitte ich euch jetzt, gebt eure
Verstellung auf, und gesteht euren Betrug, denn ein schnelles Geständnis wird
eure Situation erleichtern. Pause Abigail Williams. Steh auf. Abigail erhebt
sich zögernd. Ist etwas Wahres daran?

ABIGAIL Nein, Herr.

DANFORTH denkt nach, ein kurzer Blick zu Mary, dann wieder zurück zu Abigail
Kinder, wie mit einem spitzen Stahl werden wir eure Seelen durchbohren, bis
eure Aufrichtigkeit bewiesen ist. Möchte irgendjemand von euch seine Aussage
widerrufen, oder zwingt ihr mich zu strengeren Maßnahmen?

ABIGAIL Ich habe nichts zu widerrufen, Herr. Sie lügt.

DANFORTH zu Mary Du bleibst trotzdem dabei?

MARY WARREN kraftlos Ja, Herr.

DANFORTH zu Abigail In Herrn Proctors Haus wurde eine Puppe entdeckt, von
einer Nadel durchbohrt. Mary Warren sagt aus, dass du neben ihr im Gericht
gesessen hast, als sie die Puppe gemacht hat und dass du gesehen hast, dass
sie sie gemacht hat und dass du bezeugen kannst, dass Mary Warren selbst
die Nadel zur Sicherheit hineingesteckt hat. Was sagst du dazu?

ABIGAIL mit leichter Entrüstung Es ist eine Lüge, Herr.

DANFORTH nach einer kleinen Pause Während du für Herrn Proctor gearbeitet
hast, hast du da Puppen in diesem Haus gesehen?

ABIGAIL Frau Proctor hatte immer Puppen.

PROCTOR Euer Ehren, meine Frau hatte keine Puppe, niemals. Mary Warren gibt
zu, dass es ihre Puppe ist.

CHEEVER Euer Exzellenz.

81
DANFORTH Herr Cheever.

CHEEVER Als ich mit Frau Proctor in diesem Haus sprach, sagte sie, dass sie nie
Puppen gehabt hätte. Aber als Mädchen, sagte sie, hätte sie welche gehabt.

PROCTOR Sie ist seit fünfzehn Jahren kein Mädchen mehr, Euer Ehren.

HATHORNE Aber eine Puppe hält sich fünfzehn Jahre, oder etwa nicht?

PROCTOR Sie hält sich, wenn man sie behält, aber Mary Warren schwört, dass sie
nie Puppen in meinem Haus gesehen hat, noch irgendjemand sonst.

PARRIS Warum könnten nicht irgendwo Puppen versteckt gewesen sein, wo sie nie
jemand gesehen hat?

PROCTOR wütend Es könnte genauso gut ein Drache mit fünf Beinen in meinem
Haus versteckt gewesen sein, den nie jemand gesehen hat.

PARRIS Genau, Euer Ehren, wir sind hier, um herauszufinden, was niemals jemand
gesehen hat.

PROCTOR Herr Danforth, was hätte Mary Warren davon, wenn sie ihre
ursprüngliche Aussage ändert? Was könnte sie gewinnen außer strengem
Verhör oder Schlimmerem?

DANFORTH Sie beschuldigen Abigail Williams eines ungeheuren, kaltblütigen


Mordanschlags. Ist Ihnen das klar?

PROCTOR Ja. Ich glaube, sie denkt an Mord.

DANFORTH zeigt auf Abigail, ungläubig Dieses Kind will Ihre Frau ermorden?

PROCTOR Sie ist kein Kind, Herr. Sie sollten wissen, dass sie dieses Jahr zweimal
vor der ganzen Gemeinde aus dem Gemeindesaal geschickt wurde, weil sie
während des Gebetes gelacht hat.

DANFORTH empört, wendet sich an Abigail Was? Lachen während...

PARRIS Exzellenz, zu der Zeit stand sie unter dem Einfluss Titubas. Jetzt ist sie
ernst.

GILES Ja, jetzt ist sie ernst und bringt Leute an den Galgen.

DANFORTH Ruhe, Mann...

HATHORNE Das steht hier nicht zur Debatte. Er beschuldigt sie eines vorbedachten
Mordes.

DANFORTH Ja. Sieht Abigail aufmerksam an. Fahren Sie fort, Herr Proctor.

82
PROCTOR Mary – erzähle dem Gericht, wie ihr im Wald getanzt habt.

PARRIS schnell Exzellenz. Seit ich nach Salem kam, verunglimpft dieser Mann
meinen Namen. Er...

DANFORTH Gleich. Zu Mary, empört und überrascht Was hat es mit diesem
Tanzen auf sich?

MARY Ich... Sie sieht Abigail an, die unbarmherzig auf sie herab sieht, dann flehend
zu Proctor Herr Proctor -

PROCTOR Abigail führte die Mädchen in den Wald, Euer Ehren, und da haben sie
nackt getanzt...

PARRIS Euer Ehren, das...

PROCTOR schnell Herr Parris selbst hat sie mitten in der Nacht überrascht. – So ist
sie, dieses »Kind«!

DANFORTH dem alles mehr und mehr zu einem Alptraum wird, wendet sich
erstaunt zu Parris Herr Parris...

PARRIS Ich kann nur sagen, dass ich keine von ihnen nackt sah, und dieser Mann
ist...

DANFORTH Aber Sie haben sie im Wald beim Tanzen überrascht? Mit dem Blick
auf Parris zeigt er auf Abigail. Abigail?

HALE Exzellenz. Das hat mir Herr Parris berichtet, gleich nachdem ich aus Beverly
hier ankam...

DANFORTH Leugnen Sie das, Herr Parris?

PARRIS Nein, nein, aber ich hab niemanden von ihnen nackt gesehen.

DANFORTH Aber sie haben getanzt?

PARRIS widerstrebend Ja, Herr.

Danforth schaut Abigail jetzt mit anderen Augen an.

HATHORNE Erlauben Sie, Exzellenz. Zeigt auf Mary

DANFORTH in großer Sorge Bitte, fahren Sie fort.

HATHORNE Mary, du sagst, dass du nie Geister gesehen hast, dass du nie vom
Teufel oder dessen Helfershelfern bedroht oder gepeinigt wurdest?

MARY WARREN kraftlos Ja. Herr.

83
HATHORNE mit einem Anflug von Siegesgewissheit Aber trotzdem wurdest du
ohnmächtig, als du vor Gericht der Hexerei Beschuldigten gegenübergestellt
wurdest – und du sagtest, dass ihre Geister dich gewürgt hätten.

MARY WARREN Das war Vortäuschung.

DANFORTH Ich kann dich nicht verstehen.

MARY WARREN Vortäuschung, Herr.

PARRIS Aber du warst doch eiskalt, oder? Ich selbst habe dich aufgehoben, und
deine Haut war eiskalt. Herr Danforth, Sie...

DANFORTH Ich habe das oft gesehen.

PROCTOR Sie täuscht die Ohnmacht nur vor, Euer Exzellenz – sie sind alle wahre
Meister der Verstellung.

HATHORNE Dann kann sie jetzt eine Ohnmacht vortäuschen?

PROCTOR Jetzt?

PARRIS Warum nicht? Jetzt greifen sie keine Geister an, denn niemand hier im
Raum ist der Hexerei beschuldigt. – So soll sie jetzt eiskalt werden. So soll sie
jetzt vorgeben, angegriffen zu werden. So soll sie jetzt in Ohnmacht fallen. Er
wendet sich an Mary. Werde ohnmächtig.

MARY WARREN Ohnmächtig?

PARRIS Ja. Ohnmächtig. Zeige uns, wie du es vor Gericht so oft getan hast.

MARY WARREN sieht Proctor an IchT kann jetzt nicht ohnmächtig werden, Herr.

PROCTOR erschrocken, leise Du kannst es jetzt nicht?

MARY WARREN Ich - sie sieht sich um, als suche sie einen Anlass, ohnmächtig
zu werden - ich spür’s jetzt nicht, ich...

DANFORTH Wieso? Was fehlt jetzt?

MARY WARREN Ich – ich kann es nicht sagen, Herr, ich-

DANFORTH Kann es sein, dass jetzt hier keine bösen Geister sind, aber vor Gericht
welche da waren?

MARY WARREN Ich sah nie irgendwelche Geister.

PARRIS Hier sind auch keine. Beweise uns, dass du ohnmächtig werden kannst,
wann immer du willst, wie du es gesagt hast.

84
Mary holt tief Luft, versucht sich an dieses Gefühl zu erinnern, schüttelt
dann den Kopf.

MARY WARREN Ich... kann es nicht.

PARRIS Dann gestehst du also, dass du ohnmächtig wurdest, weil dich Geister
angegriffen haben, oder?

MARY WARREN Nein, Herr, ich...

PARRIS Exzellenz, das ist doch ein ganz fadenscheiniges Manöver, um das Gericht
in die Irre zu führen.

MARY WARREN Nein. Ich... ich bin immer ohnmächtig geworden... ich... weil ich
gedacht habe, ich sähe sie.

DANFORTH Gedacht, du sähest sie!

MARY WARREN Aber ich hab sie nicht gesehen, Euer Ehren.

HATHORNE Wie konntest du denken, dass du sie sähest, außer du hast sie wirklich
gesehen?

MARY WARREN Ich... ich kann nicht sagen, wie. Aber ich habe sie gesehen. Ich...
ich hörte die anderen Mädchen schreien, und Sie, Herr Richter, schienen ihnen
zu glauben, und ich... am Anfang war es nur Spaß, aber dann rief alle Welt:
»Geister! Geister«, und ich... ich versichere Ihnen, Herr Danforth, ich habe nur
gedacht, dass ich sie sehe, aber ich sah sie nicht.

Danforth starrt sie an

PARRIS lächelnd, aber nervös, weil es scheint, als habe Mary Warrens Geschichte
Danforth beeindruckt Exzellenz, Sie lassen sich doch nicht von solch einer
dummen Lüge täuschen.

DANFORTH wendet sich besorgt an Abigail Abigail. Ich bitte dich inständig, prüfe
dein Herz und sage mir – und hüte dich, Kind, für Gott ist jede Seele kostbar,
und seine Rache ist fürchterlich für diejenigen, die ohne Grund töten. Ist es
möglich, Kind, dass die Geister, die du gesehen hast, nur ein Trugbild waren,
irgendeine Sinnestäuschung, die...

ABIGAIL Das... das... ist eine gemeine Frage, Herr.

DANFORTH Kind, ich möchte, dass du bedenkst...

ABIGAIL Ich wurde gequält, Herr Danforth. Ich habe mein Blut gesehen, wie es aus
mir herausströmte. Tag für Tag wurde ich beinahe zu Tode gewürgt, nur weil
ich meine Pflicht tat und die Helfershelfer des Teufels entlarvt habe – und das
ist mein Lohn? Man misstraut mir. Man glaubt mir nicht. Ich werde verhört wie
eine...

85
DANFORTH wird weich Kind, niemand misstraut dir...

ABIGAIL es bricht aus ihr heraus. Hüten Sie sich, Herr Danforth – glauben Sie, dass
Sie so mächtig sind, dass die Macht der Hölle nicht auch Ihren Sinn verwirren
könnte? – Hüten Sie sich! Plötzlich, weg von ihrer anklägerischen Haltung,
wendet sie ihr Gesicht nach oben, scheint voller Furcht
.
DANFORTH besorgt Was ist, Kind?

ABIGAIL sieht nach oben. Sie umfasst ihren Körper mit ihren Armen, als ob ihr kalt
wäre. Ich... ich weiß nicht. Ein Wind, ein kalter Wind hat mich berührt. Ihr
Blick fällt auf Mary.

MARY WARREN furchtsam, bittend Abby!

MERCY LEWIS bibbernd Euer Ehren, ich friere!

PROCTOR Sie tun nur so.

HATHORNE berührt Abigails Hand Sie ist kalt, Euer Ehren, fühlen Sie selbst!

MERCY LEWIS Mit Zähneklappern Mary, schickst du diesen Schatten über


mich?

MARY WARREN Gott hilf mir!

SUSANNA WALCOTT Ich friere, ich friere!

ABIGAIL die jetzt vor Kälte zittert Ein Wind.- Ein Wind.

MARY WARREN Abby, tu das nicht.

Danforth von Abigail gefesselt und in den Bann gezogen.

DANFORTH Mary Warren. Behext du sie? Ich frage dich, sendest du deinen Geist
über sie?

Mary Warren stößt einen hysterischen Schrei aus und versucht, wegzurennen.
Proctor hält sie fest.

MARY WARREN dem Zusammenbruch nahe Bitte, Herr Proctor. Lassen Sie
mich gehen. Ich kann nicht. Ich kann nicht...

ABIGAIL schreit Vater im Himmel, nimm diesen Schatten von mir.

Ohne Warnung und ohne Zögern packt Proctor Abigail bei den Haaren, zwingt
sie aufzustehen. Sie schreit auf vor Schmerz. Danfort, überrascht, ruft laut:
„Was tun Sie da.“ Hathorne und Parris: „Lassen Sie sie los!“ Und über allem
hört man Proctor schreien

PROCTOR Wie kannst du es wagen, den Himmel anzurufen! Hure! Hure!

86
Herrick zwingt Proctor, Abigail loszulassen.

HERRICK John!

DANFORTH Mann! Mann! Was sagen Sie...?

PROCTOR atemlos und voll Qual Sie ist eine Hure.

DANFORTH verblüfft Sie beschuldigen...

ABIGAIL Herr Danforth. Er lügtT

PROCTOR Passen Sie auf, jetzt gleich wird sie laut kreischen, um mich damit zu
vernichten, aberT

DANFORTH Das müssen Sie beweisen. So geht es nicht.

PROCTOR zitternd, alles bricht um ihn zusammen Ich habe mit ihr geschlafen,
Herr. Ich habe... mit ihr geschlafen.

DANFORTH Sie... sie sind ein Ehebrecher?

FRANCIS entsetzt John, du kannst nicht...

PROCTOR Doch, Francis. Ich wünschte, in dir wäre irgendetwas Schlechtes, damit
du mich besser kennen würdest. zu Danforth Herr, ein Mann... ein Mann wirft
seinen guten Namen nicht einfach so weg. Das wissen Sie genau...

DANFORTH verblüfft Wann... wann und wo?

PROCTOR seine Stimme droht zu brechen und seine Scham ist groß Am richtigen
Ort – wo meine Tiere liegen. Vor jetzt acht Monaten, Herr, vor acht Monaten.
Sie diente in meinem Haus. Er muss die Kiefer aufeinanderpressen, um zu
verhindern, dass er anfängt zu weinen Der Mensch mag denken, Gott schläft,
aber Gott sieht alles. Ich weiß es jetzt. Ich bitte Sie, Herr, ich bitte Sie, sehen
Sie, wie sie ist. Meine Frau, meine liebe, gute Frau, warf sie bald danach aus
dem Haus, setzte sie auf die Straße. Und wie sie ist, eitel und stolz, Herr - es
überwältigt ihn Exzellenz, verzeihen Sie. Wütend auf sich selbst, wendet er
sich einen Moment vom Gouverneur ab. Dann, als wäre es die einzige
Möglichkeit für ihn, es hinauszuschreien, klagt er an Sie will auf dem Grab
meiner Frau mit mir tanzen! Und das aus gutem Grund, denn ich war verrückt
nach ihr, Gott helfe mir, ich begehrte sie. Und es ist ein Versprechen in solch
einer Gier. Aber das ist die Rache einer Hure, das müssen Sie sehen. Ich habe
mich ganz in Ihre Hand gegeben, ich weiß, Sie werden das jetzt erkennen.

DANFORTH blass, entsetzt, wendet sich an Abigail Du leugnest das in jedem


einzelnen Punkt?

ABIGAIL Wenn ich darauf antworten muss, Herr, gehe ich und komme nicht wieder.

87
Danforth scheint unschlüssig

PROCTOR Ich habe meine Ehre verspielt. Meinen guten Namen zum Markt
getragen – sie müssen mit glauben, Herr Danforth. Meine Frau ist unschuldig,
nur dass sie eine Hure erkennt, wenn sie eine trifft.

ABIGAIL geht zu Danforth hinüber Wieso sehen Sie mich so an. Danforth kann
nicht antworten. Ich will nicht, dass Sie mich so ansehen. Sie wendet sich um
und will gehen.

DANFORTH Du bleibst, wo du bist. Herrick stellt sich ihr in den Weg. Sie bleibt
stehen, mit wütendem Blick Herr Parris, gehen Sie in den Gerichtssaal, und
holen Sie Frau Proctor.

PARRIS widerstrebend Euer Ehren, das alles istT.

DANFORTH zu Parris, sehr scharf Bringen Sie sie her. Und kein Wort von dem,
was hier gesprochen wurde. Und klopfen Sie, bevor Sie eintreten. Parris geht
hinaus. Jetzt werden wir auf den Grund dieses Sumpfes kommen. Zu Proctor
Sie sagen, Ihre Frau ist eine ehrliche Frau.

PROCTOR In ihrem ganzen Leben hat sie noch nie gelogen, Herr. Es gibt
Menschen, die können nicht singen, und andere, die können nicht weinen.
Meine Frau kann nicht lügen. Ich habe teuer dafür bezahlt, um das zu
begreifen, Herr.

DANFORTH Und als sie dieses Mädchen aus dem Haus schickte, jagte sie sie
wegen Hurerei davon?

PROCTOR Ja, Herr.

DANFORTH Und sie wusste, dass sie eine Hure war?

PROCTOR Sie wusste es.

DANFORTH Gut denn. Zu Abigail, drohend Und wenn sie mir erzählt, Kind, dass
es wegen Hurerei war, dann möge dir Gott gnädig sein. Es klopft an die Türe.
Er ruft hinaus. Warten Sie. Zu Abigail Dreh dich um. Dreh dich um. Zu Proctor
Sie auch. Beide drehen sich zur Wand, Abigail mit entrüsteter Langsamkeit
Keiner von Ihnen beiden darf Frau Proctor anschauen. Niemand in diesem
Raum spricht ein Wort oder gibt irgendein Zeichen. Er wendet sich zur Tür, ruft.
Kommen Sie herein. Elizabeth tritt auf, gefolgt von Parris. Sie steht alleine, ihre
Augen suchen Proctor. Herr Cheever. Schreiben Sie die Aussage in aller
Genauigkeit mit. Sind Sie bereit?

CHEEVER Ja, Herr.

DANFORTH Kommen Sie her, Frau Proctor. Elizabeth geht hinüber zu Danforth,
sieht zu Proctor. Sehen Sie nur mich an. Sehen Sie nicht zu Ihrem Mann. Nur in
meine Augen.

88
ELIZABETH schwach Ja, Herr.

DANFORTH Es wurde uns zu verstehen gegeben, dass Sie vor einiger Zeit Abigail
Williams aus Ihrem Dienst entlassen haben.

ELIZABETH Es ist wahr, Herr.

DANFORTH Aus welchem Grund haben Sie sie entlassen? Elizabeth versucht, mit
Proctor Blickkontakt aufzunehmen. Sehen Sie nur in meine Augen und nicht zu
Ihrem Mann. Sie wissen die Antwort und brauchen niemanden, der Ihnen hilft.
Warum haben Sie Abigail Williams entlassen?

ELIZABETH sie weiß nicht, was sie in dieser schwierigen Situation sagen soll, sie
befeuchtet ihre Lippen, versucht Zeit zu gewinnen. Sie... ich war mit ihr
nicht zufrieden. Pause Und mein Mann auch nicht.

DANFORTH Und warum waren Sie nicht mit ihr zufrieden?

ELIZABETH Sie war... sieht zu Proctor, um von ihm ein Zeichen zu bekommen.

DANFORTH Frau. Sehen Sie mich an. Elisabeth tut es War sie nachlässig? Faul?
Was störte sie?

ELIZABETH Euer Ehren, während dieser Zeit war ich krank. Und ich... mein Mann
ist ein guter und rechtschaffener Mann. Er ist niemals betrunken wie andere
und vergeudet seine Zeit nicht beim Spiel, sondern war immer bei seiner
Arbeit... aber während meiner Krankheit – wissen Sie, Herr, ich war längere Zeit
krank nach meinem letzten Kind, und ich hatte das Gefühl, dass mein Mann
sich irgendwie von mir abwandte. Und dieses Mädchen... Sie dreht sich zu
Abigail um.

DANFORTH Sie sollen mich ansehen.

ELIZABETH Ja, Herr. Abigail Williams - Sie bricht ab

DANFORTH Was war mit Abigail Williams?

ELIZABETH Ich habe geglaubt, sie gefalle ihm. Und da hab ich wohl eines Tages
den Kopf verloren und warf sie aus dem Haus.

DANFORTH Ihr Mann... wandte er sich tatsächlich von Ihnen ab?

ELIZABETH voller Qual Mein Mann... ist ein guter Mann, Herr.

DANFORTH Also wandte er sich nicht von Ihnen ab?

ELIZABETH versucht erneut, einen Blick von Proctor zu erhalten Er...

DANFORTH streckt seine Hand aus und umfasst ihr Gesicht, dann Sie sollen nur
mich ansehen.

89
Beging Ihres Wissens nach John Proctor jemals das Verbrechen des
Ehebruchs? Sie kann nicht sprechen, ist unentschlossen, was sie sagen soll.
Beantworten Sie meine Frage. Ist Ihr Mann ein Ehebrecher?

ELIZABETH schwach Nein, Herr!

DANFORTH Bring sie hinaus, Marshal!

Proctor und Abigail drehen sich um.

PROCTOR Elizabeth. Sag die Wahrheit!

DANFORTH Sie hat gesprochen, bringt sie hinaus.

PROCTOR schreit es heraus Elizabeth, ich habe es gestanden!

ELIZABETH O Gott! Die Tür schließt sich hinter ihr .

PROCTOR Sie wollte nur meinen Namen retten!

HALE Exzellenz, diese Lüge ist verständlich, ich bitte Sie, hören Sie auf, ehe noch
ein Mensch verurteilt wird. Ich bin ganz sicher... mit dieser Aussage wird
persönliche Rache geübt. Von Anfang an habe ich diesem Mann geglaubt, und
ich glaube ihm auch jetzt. Bei meinem priesterlichen Eid, ich glaube ihm und
bitte Sie, seine Frau zurückzuholen, bevor wir...

DANFORTH Sie sagte nichts von Ehebruch, und dieser Mann lügt.

HALE Ich glaube ihm. Ich kann mich nicht davor verschließen. Er zeigt auf Abigail.
Dieses Mädchen erschien mir immer als falsch! Sie...

Abigail stößt einen unheimlichen, grellen Schrei aus, sieht zur Decke.

ABIGAIL Du wirst doch nicht. Geh weg, sage ich.

DANFORTH Was ist, Kind? Abigail schaut mit schreckgeweiteten Augen zur Decke
– ebenso die Mädchen. Hathorne, Hale, Putnam, Cheever, Herrick und
Danforth sehen ebenfalls zur Decke. Was ist da? Danforth löst seinen Blick
von der Decke, Angst überfällt ihn, seine Stimme ist spannungsgeladen. Kind!
Sie steht vor Entsetzen starr, wimmert – ebenso die anderen Mädchen, - mit
offenem Mund starrt sie zur Decke. Kinder! Was istT

MERCY LEWIS zeigt hinauf Es ist auf dem Balken, da hinter dem Dachsparren!

DANFORTH sieht hinauf Wo?

ABIGAIL WarumT sie würgt Warum kommst du, gelber Vogel?

PROCTOR Wo ist ein Vogel? Ich sehe keinen Vogel.

ABIGAIL zur Decke Mein Gesicht? Mein Gesicht?

90
PROCTOR Herr HaleT

DANFORTH Seien Sie ruhig!

PROCTOR zu Hale Sehen Sie einen Vogel?

DANFORTH Ruhe!!!

ABIGAIL sieht weiterhin zur Decke, spricht mit dem „Vogel“, so, als wolle sie ihm
ausreden, sie anzugreifen. Aber Gott machte mein Gesicht, du kannst mir
doch nicht mein Gesicht zerhacken. Neid ist eine Todsünde, Mary.

MARY WARREN springt auf, erschreckt Abby!

ABIGAIL spricht unbeirrt weiter zu dem Vogel Oh, Mary, es ist Teufelswerk, andere
Gestalt anzunehmen. Nein, ich kann nicht schweigen; es ist Gottes Werk, was
ich tueT

MARY WARREN Abby, ich bin hier !

PROCTOR verzweifelt Sie tun nur so, Herr Danforth!

ABIGAIL geht einen Schritt zurück, als ob der Vogel jeden Moment auf sie
herabstürzen würde. O bitte, Mary! – Komm nicht herunter...

SUSANNA WALCOTT Ihre Krallen, sie streckt ihre Krallen aus!

PROCTOR Lügen – Lügen...

ABIGAIL weicht weiter zurück, immer noch den Blick starr nach oben gerichtet.
Mary, bitte tu mir nicht weh.

MARY WARREN zu Danforth Ich tue ihr doch gar nicht weh.

DANFORTH zu Mary Warren Warum hat sie diese Erscheinung?

MARY WARREN Sie sieht nichts!

ABIGAIL und die anderen Mädchen wirken wie hypnotisiert, ahmt die Stimme Marys
nach. Sie sieht nichts.

MARY WARREN Abby. Du darfst das nicht tun.

ABIGAIL mit ihr einstimmig alle anderen Mädchen, in gleicher Weise wie Abigail
starr vor Entsetzen Abby, das darfst du nicht tun.

MARY WARREN zu den Mädchen Ich bin hier, ich bin hier!

DANFORTH furchtsam Mary Warren! – Nimm deinen Geist aus ihnen zurück.

MARY WARREN Herr Danforth...!

91
DIE MÄDCHEN schneiden ihr das Wort ab Herr Danforth!

DANFORTH Stehst du mit dem Teufel im Bunde? Sprich.

MARY WARREN Niemals, niemals!

DIE MÄDCHEN Niemals, niemals!

DANFORTH immer hysterischer Warum können sie nur alles wiederholen?!

PROCTOR Geben Sie mir eine Peitsche, ich werde dem Spuk ein Ende machen!

MARY WARREN Sie machen sich lustig über...

DIE MÄDCHEN Sie machen sich lustig über...

MARY WARREN wendet sich allen zu, stampft hysterisch mit dem Fuß auf den
Boden. Abby. Hör auf.

DIE MÄDCHEN stampfen mit den Füßen auf Abby. Hör auf.

MARY WARREN Hört auf!

DIE MÄDCHEN Hört auf!

MARY WARREN mit aller Kraft schreiend hebt sie ihre Fäuste Hört auf!

DIE MÄDCHEN erheben ihre Fäuste Hört auf!

Mary Warren, völlig verwirrt und überwältigt von der äußerst


überzeugenden Darstellung von Abigail und den Mädchen, beginnt leise
zu wimmern, die Hände halb erhoben, kraftlos, und alle Mädchen
beginnen genau in der gleichen Weise zu wimmern.

DANFORTH Noch vor kurzem wurdest du gepeinigt. Nun scheint es, als quälst du
die anderen. Woher hast du diese Macht?

MARY WARREN starrt Abigail an Ich... ich habe keine Macht.

DIE MÄDCHEN Ich habe keine Macht.

PROCTOR Sie halten Sie zum Narren, Herr.

DANFORTH Was hat deinen Sinneswandel bewirkt, in diesen beiden letzten


Wochen? Du hast den Teufel gesehen, oder?

HALE zeigt auf Abigail und die Mädchen Sie können ihnen nicht glauben.

MARY WARREN Ich...

92
PROCTOR der Marys Schwachwerden erkennt Mary! Gott verdammt alle Lügner.

DANFORTH hämmert auf Mary ein Du hast den Teufel gesehen. Du hast einen
Pakt mit Luzifer geschlossen, nicht wahr?

PROCTOR Gott verdammt die Lügner, Mary!

Mary murmelt etwas Unverständliches, starrt auf Abigail, die ihrerseits


nach wie vor den »Vogel« beobachtet.

DANFORTH Ich kann dich nicht verstehen. Was hast du gesagt? Mary murmelt
immer noch kaum hörbar vor sich hin. Entweder du gestehst oder du wirst
aufgehängt! Er dreht sie grob um, so dass sie ihm ins Gesicht sehen muss.
Weißt du wer ich bin? Ich sage, du wirst hängen, wenn du jetzt nicht offen zu
mir bist!

PROCTOR Mary, erinnere dich an den Engel Raphael... Tue, was richtig ist und...

ABIGAIL zeigt hinauf Die Flügel! Sie breitet ihre Flügel aus! Mary, bitte, tu das
nicht, tu das nicht.

HALE Ich sehe nichts, Euer Ehren.

DANFORTH Bekennst du diese Kraft - dicht vor ihrem Gesicht Sprich!

ABIGAIL Sie kommt herunter. Sie läuft den Balken entlang.

DANFORTH Wirst du reden!

MARY WARREN voller Schrecken Ich kann nicht!

DIE MÄDCHEN Ich kann nicht!

DANFORTH Widersage dem Teufel! Schau ihm ins Gesicht. Vernichte ihn! Wir
retten dich, Mary, sei nur standhaft und -

ABIGAIL Seht. Sie kommt herunter.

Abigail und die anderen Mädchen rennen zu einer Wand, bedecken ihre
Augen. Als sich alle an einem Punkt versammelt haben, stoßen sie einen
ungeheuren Schrei aus, und Mary, von ihnen angesteckt, öffnet ihren
Mund und schreit ebenfalls. Nach und nach verstummen Abigail und die
anderen Mädchen, nur Mary Warren steht alleine auf der linken Seite da,
starrt hinauf zu dem “Vogel“ und schreit wie besessen. Alle beobachten
sie, betroffen, entsetzt über diesen Ausbruch. Proctor geht zu ihr .

PROCTOR Mary, sag dem Richter, was sie... kaum hat er ein Wort gesagt, und
sich Mary genähert, weicht sie vor ihm zurück und schreit vor Entsetzen.

MARY WARREN Fassen Sie mich nicht an. Fassen Sie mich nicht an. Die
Mädchen bleiben an der Tür stehen.

93
PROCTOR erstaunt Mary!

MARY zeigt auf Proctor Sie sind mit dem Teufel im Bunde!

Proctor bleibt stehen

PARRIS Gelobt sei Gott.

DIE MÄDCHEN Gelobt sei Gott!

PROCTOR wie betäubt Mary, wie...

MARY WARREN Ich will nicht mit Ihnen aufgehängt werden. Ich liebe Gott, ich liebe
Gott...

DANFORTH zu Mary Er hat dich gebeten, des Teufels Werk zu tun?

MARY WARREN hysterisch, zeigt auf Proctor Er kam nachts und jeden Tag, damit
ich unterschreibe, damit ich unterschreibe...

DANFORTH Unterschreibe? Was?

PARRIS Das Buch des Teufels? Er kam mit einem Buch?

MARY WARREN immer noch hysterisch auf Proctor zeigend; voller Angst vor ihm
Meinen Namen, er wollte meinen Namen; ich werde dich umbringen, wenn
meine Frau gehängt wird. Wir müssen hingehen und das Gericht stürzen, hat er
gesagt.

Danforth wendet seinen Kopf Proctor zu, Schock und Entsetzen im Blick

PROCTOR wendet sich flehend Hale zu Herr Hale...

MARY WARREN beginnt zu schluchzen Er hat mich jede Nacht geweckt, mit
Augen wie glühende Kohlen, und seine Finger krallten sich um meinen Hals,
und ich hab unterschrieben, ich hab unterschriebenT.

HALE Exzellenz. Dieses Mädchen ist verrückt geworden.

PROCTOR als er Danforths entsetzten Blick wahr nimmt Mary, Mary...!

MARY WARREN schreit ihn an Nein, ich liebe Gott. Ich mache da nicht mehr mit.
Sie sieht Abigail an. Ich liebe Gott, ich verehre Gott... Schluchzend eilt sie zu
Abigail Abby, Abby, ich werde dir nie mehr weh tun! Alle beobachten, wie
Abigail in ihrer unendlichen Güte die schluchzende Mary in ihre Arme nimmt,
dann schaut sie Danforth an.

94
DANFORTH zu Proctor Wer sind Sie? Proctor ist vor Zorn unfähig zu sprechen
Stehen Sie mit dem Antichrist im Bunde? Geben Sie es zu. Ich habe Ihre Macht
gesehen, Herr, Sie können es nicht leugnen.

HALE Exzellenz..

DANFORTH Ich möchte von Ihnen nichts hören, Herr Hale. Zu Proctor Geben Sie
zu, dass Sie von der Hölle besudelt sind, oder halten Sie immer noch an
diesem finsteren Bündnis fest? Sprechen Sie!

PROCTOR aufgewühlt, atemlos Ich sage – ich sage - Gott ist tot!

PARRIS Hören Sie es? Hören Sie es!

PROCTOR mit einem irren Lachen Ein Feuer, ein Feuer brennt. Ich höre den Schritt
Luzifers, ich sehe seine scheußliche Fratze. Und es ist meine Fratze und die
Ihre, Danforth. Denn alle, die zögern, den Menschen aus seiner Unwissenheit
herauszuführen, so wie ich gezögert habe, und wie Sie es jetzt tun, werden von
Gott besonders bestraft. Denn in der Tiefe Ihrer finsteren Seelen wissen Sie
alle, dass das hier Betrug ist. Und wir werden brennen, gemeinsam werden wir
brennen.

DANFORTH Marshal! Bringen Sie ihn und Corey ins Gefängnis.

HALE geht zur Tür Ich verurteile dieses Vorgehen.

PROCTOR Sie reißen den Himmel nieder und erheben eine Hure.

HALE Ich verurteile dieses Vorgehen. Ich verlasse dieses Gericht. Er geht und
schlägt die Tür hinter sich zu.

DANFORTH schreit ihm wütend hinterher Herr Hale! Herr Hale!

Vorhang

95
4. Akt

Eine Zelle im Gefängnis von Salem, es ist Herbst. Ein hochvergittertes Fenster im
Hintergrund, daneben eine große, schwere Tür. Zwei Bänke an den Wänden links
und rechts.
Die Bühne liegt im Dunkeln, aber durch das Fenster fällt das Mondlicht herein. Der
Raum scheint leer. Man hört wie sich im Flur draußen Schritte nähern, Schlüssel
klirren und die Tür schwingt auf. Marshal Herrick tritt auf mit einer Laterne. Er ist
angetrunken und geht schwerfällig. Er geht hinüber zu einer Bank, und gibt dem
darauf liegenden Bündel von Lumpen einen Stups.

HERRICK Sarah, wach auf. Sarah Good! Er geht hinüber zur anderen Bank

SARAH GOOD richtet sich auf Oh Majestät! Ich komme. Ich komme. Tituba, er ist
hier! Seine Majestät ist gekommen.

HERRICK Rüber mit euch in die Nordzelle. Der Platz hier wird gebraucht. Er hängt
die Laterne an die Wand. Tituba richtet sich auf.

TITUBA Der nicht aussieht wie seine Majestät. Der aussieht wie Marshal.

HERRICK nimmt einen »Flachmann« heraus. Macht schon. Beeilt euch, räumt die
Zelle. Er trinkt. Sarah Good nähert sich ihm und starrt in sein Gesicht.

SARAH GOOD Oh, du bist es, Marshal? Ich war mir sicher, der Teufel wär
gekommen... Könnt ich einen Schluck Apfelwein haben, dann geh ich.

HERRICK reicht ihr die Flasche Und wohin willst du, Sarah?

TITUBA während Sarah trinkt. Wir gehen nach Barbados. Sobald Teufel kommt mit
Federn und Flügeln.

HERRICK Aha. Glückliche Reise.

SARAH GOOD Wie zwei Rotkehlchen nach Süden, alle beide. Das wird eine tolle
Verwandlung, Marshal. Sie hebt die Flasche, trinkt. Herrick nimmt ihr die
Flasche weg.

HERRICK Es ist besser, du gibst mir das wieder, sonst kommst du nicht vom Boden
hoch. Jetzt kommt mit.

TITUBA Ich für dich gutes Wort einlegen, wenn du willst mitkommen.

HERRICK Das würde ich nicht ablehnen. Es ist genau der richtige Morgen, um zur
Hölle zu fliegen.

TITUBA Keine Hölle auf Barbados. Teufel guter Kerl auf Barbados, singt und tanzt
auf Barbados. Ihr Leute, - alle hier ärgert ihn, zu kalt hier für den alten
Jungen. Friert in seine Seele in Massachusetts, aber auf Barbados – er ist
lieb und... Man hört den Schrei einer Kuh, Tituba springt auf und ruft.

96
Ja, Herr. – Das ist er, Sarah.

SARAH GOOD Ich bin hier, Majestät. Sie raffen schnell ihre Lumpen zusammen
als Hopkins herein kommt.

HOPKINS Der Stellvertreter des Gouverneurs ist angekommen.

HERRICK greift nach Tituba Los, kommt. Kommt jetzt.

TITUBA wehrt sich Nein, er kommen für mich... ich gehe heim!

HERRICK zieht sie zur Tür Das ist nicht der Teufel. Nur eine alte, blöde Kuh mit
einem Euter voller Milch. Kommt jetzt endlich. Raus mit euch.

TIRUTA schreit in Richtung Fenster Hol mich heim, Teufel, hol mich heim!

SARAH GOOD folgt Tituba Sag ihm, dass ich mitkomme, Tituba! Sag ihm, dass
Sarah Good auch mit geht.

Draußen hört man noch weiter die Stimme von Tituba: »Hol mich heim,
Teufel; Teufel, hol mich heim.« Dazwischen die Stimme Hopkins’, der ihr
befiehlt weiterzugehen. Herrick kommt zurück, geht zur linken Bank und
fegt Lumpen und Stroh in eine Ecke . Man hört Schritte. Danforth und
Richter Hathorne treten auf. Beide tragen Überzieher und Hut gegen die
grimmige Kälte. Cheever folgt ihnen. Er trägt eine Aktenmappe und eine
flache hölzerne Schachtel, die seine Schreibutensilien enthält..

HERRICK Guten Morgen, Exzellenz.

DANFORTH Wo ist Herr Parris?

HERRICK Ich werde ihn holen. Geht in Richtung Tür

DANFORTH Marshal! Herrick bleibt stehen Wann ist Pfarrer Hale angekommen?

HERRICK Ich glaube, so um Mitternacht.

DANFORTH misstrauisch Was macht er hier?

HERRICK Er ist bei denen, die gehängt werden, Herr. Und er betet mit ihnen. Er ist
gerade bei Frau Nurse. Und Herr Parris ist bei ihm.

DANFORTH Tatsächlich. Dieser Mann ist nicht befugt hier einzutreten. Warum
haben Sie ihn hereingelassen?

HERRICK Warum? Weil Herr Parris es befohlen hat. Ich konnte ihm das doch nicht
verweigern.

DANFORTH Sind Sie betrunken, Mann?

97
HERRICK Nein, Herr. Es ist eine bitterkalte Nacht, und ich hab kein Feuer hier.

DANFORTH bezwingt seinen Ärger Holen Sie Herrn Parris.

HERRICK Ja, Herr.

DANFORTH Hier ist ein fürchterlicher Gestank.

HERRICK Ich habe gerade erst die Leute Ihretwegen raus geschafft.

DANFORTH Hüten Sie sich vor dem Alkohol, Marshal.

HERRICK Jawohl, Herr. Er wartet noch einen Moment, ob weitere Befehle


kommen. Aber Danforth wendet ihm unzufrieden den Rücken zu. Herrick geht
hinaus. Pause. Danforth steht in Gedanken.

HATHORNE Verhören Sie Hale, Exzellenz; es würde mich nicht wundern, wenn er
kürzlich in Andover gepredigt hätte.

DANFORTH Davon reden wir später. Sagen Sie nichts von Andover. Parris betet mit
ihm. Das ist merkwürdig. Haucht in seine Hände, geht zum Fenster und schaut
hinaus.

HATHORNE Exzellenz, ich weiß nicht, ob es klug ist, dass Mr. Parris ständig mit den
Gefangenen zusammen ist. Danforth wendet sich ihm zu, interessiert. Ich
denke manchmal, ob Parris nicht verrückt geworden ist.

DANFORTH Verrückt?

HATHORNE Ich habe ihn gestern getroffen, als er aus seinem Haus kam und
wünschte ihm einen guten Morgen. Und er weinte und ging weiter. Ich denke,
es ist nicht gut, wenn ihn die Stadt so schwach sieht.

DANFORTH Vielleicht har er Sorgen.

CHEEVER stampft wegen der Kälte mit den Füßen auf. Ich glaube, es ist wegen
der Kühe, Herr.

DANFORTH Wegen der Kühe?

HATHORNE Es laufen jetzt so viele Kühe herrenlos herum, weil ihre Besitzer im
Gefängnis sind. Und es gibt viele Unstimmigkeiten darüber, wem sie gehören
sollen. Ich weiß, dass Herr Parris gestern den ganzen Tag mit den Bauern
darüber gestritten hat. Es gibt großen Streit wegen der Kühe, Herr. Wenn es
Streit gibt, muss er weinen, Herr. Das war schon immer so.

Er dreht sich um, ebenso Danforth und Hathorne, als man jemanden den
Korridor heraufkommen hört. Danforth hebt den Kopf, und Parris kommt
herein. Er ist mager, eingeschüchtert, und schwitzt in seinem Überzieher..

98
PARRIS unmittelbar zu Danforth Guten Morgen, Exzellenz. Danke, dass Sie
gekommen sind. Ich bitte um Verzeihung, dass ich Sie so früh geweckt habe.
Guten Morgen, Richter Hathorne.

DANFORTH Pfarrer Hale hat nicht das Recht, hierher zu kommen.

PARRIS Exzellenz, einen Augenblick. Er geht schnell zurück und schließt die Tür.

HATHORNE Sie lassen ihn mit den Gefangenen allein?

DANFORTH Was tut er hier?

PARRIS hebt flehend seine Hände Exzellenz, hören Sie zu. Es ist eine göttliche
Fügung. Pfarrer Hale ist her gekommen, um Rebecca Nurse zu Gott
zurückzuführen.

DANFORTH überrascht Er bittet Sie, zu gestehen?

PARRIS setzt sich Hören Sie nur. Rebecca hat drei Monate nicht ein Wort mit mir
gesprochen, seit sie gekommen ist. Jetzt sitzt sie bei ihm, mit ihrer Schwester,
Martha Corey und zwei oder drei anderen, und er fleht sie an, ihre Verbrechen
zu gestehen und ihr Leben zu retten.

DANFORTH Das ist in der Tat eine göttliche Fügung. Und lassen sie sich
erweichen? Lassen sie sich erweichen?

PARRIS Noch nicht. Noch nicht. Aber ich dachte, Sie rufen lassen zu müssen, um
darüber nachzudenken, ob es nicht klug wäre,... er wagt es kaum zu sagen Ich
habe daran gedacht, eine Frage zu stellen, und ich hoffe, Sie werden nichtT.

DANFORTH Mr. Parris, gradeheraus. Was bekümmert Sie?

PARRIS Es gibt Neuigkeiten, Herr, die das Gericht – das Gericht muss sie
berücksichtigen. Meine Nichte... ich glaube, sie ist verschwunden.

DANFORTH Verschwunden?

PARRIS Ich hatte daran gedacht, Sie schon früher davon zu unterrichten, aber...

DANFORTH Wie lange ist sie schon weg?

PARRIS Es ist die dritte Nacht. Verstehen Sie, sie hat mir gesagt, dass sie bei
Marcy Lewis bleiben will. Und als sie am nächsten Tag nicht zurück kam, hab
ich jemanden zu Mr. Lewis geschickt, um nachzufragen. Mercy hatte ihm
gesagt, dass sie die Nacht in meinem Haus verbringen würde.

DANFORTH Sie sind beide weg?

PARRIS hat Angst vor ihm Das sind sie, Herr.

99
DANFORTH beunruhigt Ich werde nach ihnen suchen lassen. Wo könnten sie
sein?

PARRIS Exzellenz, ich denke, sie sind an Bord eines Schiffes. Danforth ist starr
vor Staunen Mein Tochter hat mir erzählt, sie hat sie letzte Woche von Schiffen
reden hören, und heute Abend entdecke ich, - dass mein Tresor aufgebrochen
ist. Er drückt die Finger gegen seine Augenlider, um die Tränen zurückzuhalten.

HATHORNE erstaunt. Sie hat Sie bestohlen?

PARRIS Ein und dreißig Pfund sind verschwunden. Ich habe keinen Pfennig mehr.
Er bedeckt sein Gesicht mit den Händen und schluchzt.

DANFORTH Herr Parris, Sie sind ein Schwachkopf! Er macht gedankenschwer ein
paar Schritte, zutiefst beunruhigt

PARRIS Exzellenz, es nützt nichts, wenn Sie mir die Schuld geben. Ich kann mir
nicht vorstellen, dass sie weggerannt wären, wenn sie nicht Angst gehabt
hätten, länger in Salem zu bleiben – Bedenken Sie, Herr, Abigail weiß über
Vieles Bescheid in dieser Stadt und seit diese Nachrichten aus Andover uns
erreicht haben...

DANFORTH In Andover herrscht wieder Frieden. Das Gericht kehrt am Freitag


zurück und wird seine Untersuchungen wieder aufnehmen.

PARRIS Sicher. Aber Gerüchte gehen um, dass in Andover Aufruhr ist, und dass...

DANFORTH Es gibt keinen Aufruhr in Andover.

PARRIS Ich sage Ihnen nur, was man hier erzählt. In Andover haben sie das Gericht
aus der Stadt gejagt. Sie wollen nichts mehr mit Hexerei zu tun haben. Es gibt
Leute hier, die sich diese Nachricht zunutze machen wollen, und ich sage es
offen, ich fürchte, dass es auch hier zu einem Aufstand kommen wird.

HATHORNE Aufstand! Wieso? Bei jeder Hinrichtung habe ich nichts als
Genugtuung in dieser Stadt bemerkt.

PARRIS Richter Hathorne – das waren andere, die bisher gehängt wurden.
Rebecca Nurse ist nicht Bridget, die drei Jahre lang mit Bishop
zusammengelebt hat, ehe sie ihn heiratete. John Proctor ist nicht Isaac Ward,
der seine Familie durch Saufen ruiniert hat. (Zu Danforth) Ich wünschte bei Gott,
es wäre nicht so, aber diese Leute haben immer noch großen Einfluss in der
Stadt. Lassen Sie nur Rebecca Nurse unter dem Galgen stehen und ein
flammendes Gebet sprechen, und ich fürchte, sie wird Rache auf Sie herab
beschwören.

HATHORNE Exzellenz, Sie ist als Hexe verurteilt. Das Gericht hat...

DANFORTH wirkt besorgt, bringt mit einer Handbewegung Hathorne zu schweigen


Ich bitte Sie. Zu Parris Was schlagen Sie vor?

100
PARRIS Exzellenz... ich würde diese Hinrichtungen für eine Weile hinausschieben.

DANFORTH Es gibt keinen Aufschub.

PARRIS Jetzt, da Herr Hale zurückgekommen ist, besteht Hoffnung. Ich denke,
wenn er auch nur einen von denen zu Gott zurückbringt, dann wird dieses
Geständnis sicher die übrigen in den Augen der Allgemeinheit verdammen, und
niemand wird mehr daran zweifeln, dass sie alle mit der Hölle im Bunde sind.
Doch wenn sie ohne Geständnisse und mit der Beteuerung ihrer Unschuld
sterben, werden die Zweifel wachsen und viele ehrliche Leute werden um sie
weinen, und unser guter Zweck geht in ihren Tränen unter...

DANFORTH überlegt einen Augenblick, geht dann zu Cheever hinüber Cheever,


geben Sie mir die Liste.

Cheever öffnet die Aktenmappe, sucht die Liste. Danforth steht auf, nimmt
die Liste, setzt seine Brille auf und liest sie.

PARRIS Man kann nicht außer acht lassen, dass zu der Versammlung, die ich
einberufen ließ, um John Proctor zu exkommunizieren, kaum dreißig Leute
gekommen sind. Das spricht in meinen Augen für Missbilligung und...

DANFORTH studiert die Liste Es gibt keinen Aufschub.

PARRIS Exzellenz...

DANFORTH Nun, wer von diesen könnte Ihrer Meinung nach zu Gott zurückgeführt
werden? Ich selbst werde mich um sie bis Tagesanbruch bemühen. Er gibt
Parris die Liste, der kaum einen Blick drauf wirft.

PARRIS Die Zeit bis Tagesanbruch reicht nicht...

DANFORTH Ich werde mein Äußerstes tun. Für welchen von diesen hier gibt es
Hoffnung?

PARRIS negiert die Liste jetzt völlig, mit zitternder Stimme, leise Exzellenz... ein
Messer... (Er bricht ab.)

DANFORTH Was sagen Sie?

PARRIS Als ich heute meine Tür öffnete, um mein Haus zu verlassen, klirrte ein
Messer zu Boden. Stille Danforth registriert das. Parris laut: Sie können diese
Leute nicht hängen. Das bedeutet Gefahr für mein Leben. Ich wage mich
abends nicht mehr aus meinem Haus.

Hale tritt auf. Alle sehen ihn einen Moment lang schweigend an. Er ist von
Sorge erfüllt, erschöpft und offener, als er jemals war.

DANFORTH Meinen Glückwunsch, Pastor Hale. Wir sind sehr erfreut, dass Sie zu
Ihrem guten Werk zurückgekehrt sind.

101
HALE geht zu Danforth Sie müssen sie begnadigen. Sie wollen nicht nachgeben.

Herrick tritt auf, wartet.

DANFORTH versöhnlich Sie irren, mein Herr. Wie kann ich diese begnadigen,
wenn zwölf andere wegen des gleichen Verbrechens bereits gehängt wurden.
Das ist nicht gerecht.

PARRIS mutlos Rebecca will nicht gestehen?

HALE In wenigen Minuten geht die Sonne auf. Excellenz, ich brauche mehr Zeit.

DANFORTH Jetzt hören Sie mal zu, und geben Sie sich nicht länger falschen
Hoffnungen hin. Ich nehme kein einziges Gesuch um Begnadigung oder
Aufschub an. Wer nicht gesteht, wird gehängt. Zwölf sind schon gerichtet. Die
Namen dieser sieben hier sind bekanntgegeben, und die Stadt erwartet, sie
heute bei Sonnenaufgang sterben zu sehen. Ein Aufschub jetzt würde
Unsicherheit von meiner Seite bedeuten. Frist oder Begnadigung müsste die
Schuld derer in Zweifel ziehen, die bereits gestorben sind. Da ich Gottes Recht
spreche, lasse ich seine Stimme nicht durch Gewinsel zum Schweigen bringen.
Wenn Sie Angst vor Rache haben, sollten Sie wissen, ich würde Zehntausende
hängen, die es gewagt haben, gegen das Gesetz zu verstoßen, und ein Meer
von Tränen könnte die Festigkeit des Gesetzes nicht zum Schmelzen bringen.
Nun nehmen Sie sich zusammen wie ein Mann, und helfen Sie mir
entsprechend Ihrem göttlichen Auftrag. Haben Sie mit allen gesprochen, Mr.
Hale?

HALE Mit allen außer Proctor. Er ist im Verlies.

DANFORTH zu Herrick Wie steht’s mit Proctor?

HERRICK Er hockt da, wie ein großer Vogel. Man wüsste nicht, dass er lebt, wenn
er nicht ab und zu etwas essen würde.

DANFORTH denkt einen Augenblick nach Seine Frau muss doch jetzt mit ihrer
Schwangerschaft schon recht weit sein.

HERRICK Ja, Herr.

DANFORTH Was meinen Sie, Herr Parris? Sie kennen diesen Mann besser. Könnte
ihre Anwesenheit ihn erweichen?

PARRIS Möglich. Er hat sie drei Monate nicht gesehen. Ich würde sie holen lassen.

DANFORTH zu Herrrick Gibt er immer noch nicht nach? Hat er Sie wieder
geschlagen?

HERRICK Er kann nicht, Herr. Er ist jetzt an die Wand gekettet.

DANFORTH nachdem er nachgedacht hat Dann holen Sie Frau Proctor, und
anschließend bringen Sie ihn herauf.

102
HERRICK Jawohl, Herr. Geht hinaus, Stille

HALE Exzellenz, wenn Sie eine Woche Aufschub gewähren und bekannt geben,
dass Sie sich selbst um ihre Geständnisse bemühen, dann wird das als Gnade
Ihrerseits ausgelegt und nicht als Unsicherheit.

DANFORTH Herr Hale! Da Gott mir nicht die Macht gegeben hat, wie Josuah den
Aufgang der Sonne anzuhalten, kann ich die Vollstreckung der Strafe nicht
aufhalten.

HALE bestimmter jetzt Wenn Sie denken, Gott will, dass Sie Aufruhr anstiften,
Herr Danforth, dann irren Sie sich.

DANFORTH schnell Sie haben von Aufruhr in Salem reden hören?

HALE Exzellenz. Elternlose Kinder gehen von Haus zu Haus, herrenloses Vieh brüllt
in den Straßen, der Gestank der verfaulenden Ernte verpestet die Luft, und
keiner weiß, wann das Ausschreien der Mädchen sein Leben beenden wird.
Und da wundern Sie sich, dass von Aufruhr gesprochen wird? Wundern Sie
sich lieber, dass sie Ihre Provinz nicht in Brand stecken!

DANFORTH Herr Hale, haben Sie diesen Monat in Andover gepredigt?

HALE Gott sei Dank brauchen sie mich in Andover nicht.

DANFORTH Sie verwirren mich. Warum sind Sie zurückgekommen?

HALE Warum? Sehr einfach. Ich bin zurückgekommen, um des Teufels Werk zu
tun. Ich bin zurückgekommen, um Christen zu raten, sich selbst zu verleumden.
Sein Sarkasmus bricht zusammen Auf meinem Haupt ist Blut. Sehen Sie nicht,
dass auf meinem Haupt Blut ist!!

PARRIS Psst. Er hat draußen Schritte gehört . Alle sehen zur Tür. Herrick tritt mit
Elizabeth auf, Ihre Handgelenke sind mit schweren Ketten gefesselt, die Herrick
ihr jetzt abnimmt. Ihre Kleider sind schmutzig, ihr Gesicht ist blass und
ausgemergelt. Herrick geht ab.

DANFORTH Sehr freundlich Frau Proctor. Sie schweigt Ich hoffe, es geht Ihnen
gut?

ELIZABETH erinnert ihn vorsichtig Es sind noch sechs Monate bis zur Geburt.

DANFORTH Ich bitte Sie, haben Sie keine Angst. Wir wollen nicht Ihr Leben. Wir...
Unsicher, weil er nicht gewohnt ist, zu bitten Herr Hale, sprechen Sie mit der
Frau.

HALE Frau Proctor. Ihr Mann soll heute Morgen hingerichtet werden.

Pause

ELIZABETH ruhig Ich habe es gehört.

103
HALE Sie wissen, nehme ich an, dass ich dem Gericht nicht mehr angehöre. Sie
scheint daran zu zweifeln Ich komme aus eigenem Antrieb, Frau Proctor.
Ich möchte das Leben Ihres Mannes retten, denn wenn er stirbt, muss ich mich
selbst einen Mörder nennen. Verstehen Sie mich?

ELIZABETH Was wollen Sie von mir?

HALE Frau Proctor... ich bin wie Jesus die letzten drei Monate in die Wüste
gegangen. Ich habe einen christlichen Weg gesucht, denn einem Pfarrer, der
jemanden zur Lüge anstiftet, wird doppelte Verdammnis zuteil.

HATHORNE Es ist keine Lüge!? Sie können nicht von Lüge sprechen.

HALE Es ist eine Lüge. Sie sind unschuldig!

DANFORTH Nicht weiter. Nicht weiter. Ich möchte davon nichts mehr hören.

HALE weiter zu Elizabeth Verstehen Sie Ihre Pflicht nicht genauso falsch, wie ich
meine missverstanden habe. Ich bin in diese Stadt gekommen wie ein
Bräutigam zu seiner Geliebten, mit Geschenken des Glaubens, den höchsten,
heiligen Gesetzen, doch was ich mit meiner klaren Zuversicht berührte, das
starb, und wohin ich den Blick meines festen Glaubens wandte, da floss Blut.
Hüten Sie sich, Frau Proctor – halten Sie an keinem Glauben fest, wenn dieser
Glaube Blut mit sich bringt. Sie verstehen Gottes Gesetz falsch, wenn Sie
Leben opfern. Das Leben, Frau Proctor, das Leben ist Gottes kostbarstes
Geschenk; kein Grundsatz, wie ehrenhaft er auch immer sei, kann sein Opfer
rechtfertigen. Ich bitte Sie, wirken Sie auf Ihren Mann ein, dass er gesteht.
Lassen Sie ihm seine Lüge. Fürchten Sie hier nicht Gottes Richterspruch, denn
es kann gut sein, dass Gott einen Lügner weniger verdammt, als den, der sein
Leben aus Stolz wegwirft. Reden Sie mit ihm. Ich glaube nicht, dass er jemand
anderem zuhört.

ELIZABETH ruhig Ich glaube, das ist die Beweisführung des Teufels.

HALE in höchster Verzweiflung Frau, vor Gottes Recht sind wir wie das Vieh. Wir
können seinen Willen nicht lesen.

ELIAZEBTH Ich kann mich mit Ihnen nicht streiten. Ich habe das nicht gelernt.

DANFORTH geht zu ihr Frau Proctor, wir haben Sie nicht zu uns gebeten, um mit
Ihnen zu streiten. – Ist denn kein weibliches Mitgefühl in Ihnen? Er wird bei
Sonnenaufgang sterben. Ihr Mann. Verstehen Sie? Sie sieht ihn nur an
Sprechen Sie. Kämpfen Sie um ihn. Elizabeth schweigt Sind Sie aus Stein?
Ich sage es offen, Frau, hätte ich keine anderen Beweise für Ihr
widernatürliches Leben, wären Ihre trockenen Augen Beweis genug, dass Sie
Ihre Seele der Hölle ausgeliefert haben. Selbst ein Tier würde über solch ein
Unglück weinen. Hat der Teufel jede Mitleidsträne in Ihnen ausgetrocknet? Sie
schweigt Bringen Sie sie weg. Es nützt nichts, wenn sie mit ihm spricht.

ELIZABETH ruhig Lassen Sie mich mit ihm reden, Exzellenz.

104
PARRIS hoffnungsvoll Werden Sie ihn überzeugen?

Elizabeth zögert.

DANFORTH Werden Sie sich um sein Geständnis bemühen? Ja oder nein?

ELIZABETH Ich verspreche nichts. Lassen Sie mich mit ihm reden.

Man hört ein Geräusch – das Geräusch von über Steinboden schlurfenden
Füßen. Alle drehen sich um. Pause. Herrick kommt mit Proctor herein.
Seine Handgelenke sind gefesselt. Proctor ist ein anderer Mann, bärtig,
dreckig, sein Blick ist trüb, als hätten sich Spinnweben darüber gelegt. Er
bleibt in der Tür stehen, als sein Blick auf Elizabeth fällt. Die Empfindung,
die zwischen beiden liegt, verhindert einen Augenblick lang jedes weitere
Gespräch. Hale offensichtlich sehr berührt, geht zu Danforth und spricht
ruhig

HALE Bitte, wir sollten sie allein lassen, Exzellenz.

Hale geht hinaus, Parris und Cheever stehen auf.

DANFORTH schiebt Hale ungeduldig auf die Seite Herr Proctor! Sie sind in
Kenntnis gesetzt, oder? Proctor schweigt, starrt Elizabeth an. Es wird bald
hell, Mann; beraten Sie sich mit Ihrer Frau, und Gott möge Ihnen helfen, der
Hölle den Rücken zu kehren. Proctor ist immer noch stumm, sieht Elizabeth an.

HALE ruhig Exzellenz, lassen Sie

Danforth stürmt an Hale vorbei und geht hinaus. Hale folgt ihm, dann Cheever
und Hathorne. Parris, aus sicherer Entfernung

PARRIS Wenn Sie ein Glas Apfelwein haben möchten, Herr Proctor? Ich bin sicher,
ich...Proctor dreht sich um und sieht ihn mit einem eisigen Blick an, Parris bricht
ab, hebt abwehrend die Hände. Gott möge Sie leiten. Parris geht ab.

Alleine. Proctor geht zu Elisabeth, bleibt stehen. Es ist, als ob beide inmitten
einer um sie kreisenden Welt stünden, jenseits jeglichen Schmerzes, über
allem. Er streckt seine Hand nach ihr aus, als wäre sie kein reales Wesen. Und
als er sie berührt, kommt ein seltsamer, leiser Ton, halb ein Lachen, halb
Erstaunen, aus seiner Kehle. Er nimmt ihre Hand, sie legt die ihre auf seine.
Schwach setzt er sich hin, sie setzt sich ebenfalls, sieht ihn an.

PROCTOR Das Kind?

ELIZABETH Es wächst.

PROCTOR Hast du ein Wort von den Jungen gehört?

ELIZABETH Es geht ihnen gut. Sie sind bei Rebeccas Samuel.

PROCTOR Du hast sie nicht gesehen?

105
ELIZABETH Nein... sie unterdrückt die in ihr aufsteigende Schwäche

PROCTOR Du bistT ein Wunder, Elizabeth.

ELIZABETH Haben Sie dich - gefoltert?

PROCTOR Ja. Pause. Sie will nicht in dem Meer von Tränen ertrinken, das sie zu
verschlingen droht. Jetzt wollen sie mein Leben.

ELISABETH Ich weiß.

Pause

PROCTOR Und – niemand hat bis jetzt gestanden?

ELIZABETH Viele haben gestanden.

PROCTOR Wer?

ELIZABETH Man sagt, dass es mehr als hundert sind. Frau Ballard ist eine von
ihnen...Isaiah Goodkind auch, es gibt viele.

PROCTOR Rebecca?

ELIZABETH Rebecca nicht. Sie ist schon mit einem Fuß im Himmel. Niemand kann
sie mehr treffen.

PROCTOR Und Giles?

ELIZABETH Du hast nichts davon gehört?

PROCTOR Dort, wo man mich hingesteckt hat, hört man nichts.

ELIZABETH Giles ist tot.

PROCTOR sieht sie ungläubig an Wann wurde er gehängt?

ELIZABETH ruhig, sachlich Er wurde nicht gehängt. Er wollte auf seine Anklage
weder mit >Ja< noch mit >Nein< antworten, denn hätte er geleugnet, hätte man
ihn sicher aufgehängt und seinen Besitz versteigert. Deshalb blieb er stumm
und starb als gläubiger Christ. Deshalb werden seine Söhne den Hof
bekommen. So steht es im Gesetz, weil sie ihn nicht wegen Hexerei verurteilen
konnten, wenn er nicht >Ja< oder >Nein< sagt.

PROCOR Wie starb er dann?

ELIZABETH freundlich Sie haben ihn erdrückt.

PROCTOR Erdrückt?

106
ELIZABETH Sie legten ihm schwere Steine auf die Brust, damit er >Ja< oder
>Nein< sagen sollte. Mit einem zärtlichen Lächeln für den alten Mann Es
heißt, er hat nur zwei Worte gesagt: »Mehr Gewicht«, sagte er und starb.

PROCTOR benommen - das Gehörte vermehrt noch seine Qual „Mehr Gewicht“.

ELIZABETH Ja. er war ein gottesfürchtiger Mann, dieser Giles Corey.

Pause.

PROCTOR mit großer Willensanstrengung, aber er sieht sie dabei nicht an. Ich
habe daran gedacht, zu gestehen. Elizabeth. Sie reagiert nicht. Was würdest
du sagen, wenn ich ihnen den Gefallen tun würde?

ELIZABETH Ich kann dich nicht richten, John.

PROCTOR einfach – eine reine Frage Was willst du, dass ich tue?

ELIZABETH Ich will das, was du willst. Kleine Pause Ich will, dass du lebst, John.
Das ist sicher.

PROCTOR stockt, dann hoffnungsvoll Giles’ Frau? Hat sie gestanden?

ELIZABETH Sie wird es nicht tun.

Pause

PROCTOR Es ist Vortäuschung, Elizabeth.

ELIZABETH Was?

PROCTOR Ich kann nicht wie ein Heiliger aufs Schafott steigen. Es ist Betrug. Ich
bin nicht der Mann Sie schweigt. Ich habe meine Ehre verloren, Elizabeth. Ich
bin kein guter Mensch. Nichts wird verdorben, wenn ich ihnen diese Lüge
erzähle, was nicht vorher schon schlecht war.

ELIZABETH Und trotzdem hast du bis jetzt noch nicht gestanden. Daraus spricht
doch Standhaftigkeit. Du bist ein guter Mensch.

PROCTOR Ich schweige nur aus Trotz. Es ist schwer, solchen Verbrechern mit
einer Lüge entgegenzukommen. Pause , er wendet sich zum ersten Mal ihr
direkt zu. Ich möchte, dass du mir vergibst, Elizabeth.

ELIZABETH Nicht ich kann dir vergeben, John, ich bin...

PROCTOR Ich möchte, dass du etwas Ehrenhaftes darin siehst. Lass die, die nie
gelogen haben, jetzt sterben, um ihre Seelen zu retten. Bei mir ist es
Täuschung, Eitelkeit, die Gott nicht täuschen und meine Kinder vor Gefahren
nicht schützen wird. Pause Was sagst du?

107
ELIZABETH nach einem heftigen Schluchzen, das sie zu überwältigen droht, John,
es nützt nichts, wenn ich dir vergebe. Wirst du es dir verzeihen? Er wendet sich
leicht ab, in großer Qual Es ist nicht meine Seele, John. Es ist deine. So, als
quälten ihn körperliche Schmerzen, steht er langsam auf. In ihm ist ein großes
unsterbliches Verlangen, auf ihre Frage eine Antwort zu finden. Es fällt ihm
schwer und sie ist den Tränen nahe. Nur eines möchte ich dir versichern: Was
immer du tust, ein guter Mensch tut es. Zweifelnd sucht er ihren Blick Ich
habe in diesen drei Monaten mein Herz geprüft, John. Pause Ich habe mir
eigene Sünden zuzuschreiben. Zur Untreue braucht es eine kalte Frau...

PROCTOR in großem Schmerz Genug, genug...

ELIZABETH es bricht aus ihr heraus Es wäre besser, du kenntest mich.

PROCTOR Ich will das nicht hören! Ich kenne dich.

ELIZABETH Du nimmst meine Sünden auf dich, John.

PROCTOR voller Pein Nein, es sind meine eigenen. Meine eigenen sind es.

ELIZABETH John, ich habe mich so einfach gefühlt, so unansehnlich, dass keine
ehrliche Liebe mich erreichen konnte. Wenn ich dich geküsst habe, war es
voller Misstrauen. Ich habe nie gewusst, wie ich meine Liebe zeigen sollte. Ich
war nur kalt...Sie erschrickt, schwankt, als Hathorne herein kommt.

HATHORNE Wie ist es, Proctor? Die Sonne geht bald auf.

Proctor, die Brust ist ihm schwer, starrt vor sich hin, wendet sich Elisabeth
zu. Sie kommt zu ihm, so als flehe sie ihn an, ihre Stimme bebt.

ELIZABETH Tu, was du willst. Lass niemand Richter über dich sein. Es gibt keinen
höheren Richter unter der Sonne, als du selbst. Vergib mir, John, vergib mir. Ich
habe nie geglaubt, dass so viel Güte auf der Welt ist. Sie bedeckt ihr Gesicht,
weint

PROCTOR wendet sich von ihr ab und Hathorne zu, er ist nicht mehr von dieser
Welt, seine Stimme klingt hohl Ich will mein Leben.

HATORNE elektrisiert, überrascht Sie gestehen?

PROCOR Ich will leben.

HATHORNE mit mystischer Stimme Gott sei gelobt! Es ist eine Vorsehung. Er
rennt hinaus, von draußen hört man ihn schreien. Er will gestehen. Proctor wird
gestehen.

PROCTOR eilt mit einem Schrei zur Tür Warum schreien Sie so? wendet sich in
großer Qual Elisabeth zu. Es ist schlecht, nicht wahr? Es ist schlecht.

ELIZABETH in Furcht, weint Ich kann dich nicht richten, John, ich kann es nicht!

108
PROCTOR Wer soll mich dann richten? Schlägt plötzlich seine Hände zusammen
Gott im Himmel. Was ist John Proctor? Was ist John Proctor! Er bewegt sich
wie ein Tier, voll quälender Unsicherheit, gepeinigt von Zorn. Ich denke, es ist
ehrenhaft. Ich denke so: Ich bin kein Heiliger. Als ob sie seinen Argumenten
widersprochen hätte, schreit er sie zornig an: Lass Rebecca als eine Heilige
sterben. Bei mir ist es Betrug.

Man hört aufgeregte Stimmen aus der Halle.

ELIZABETH Ich bin nicht dein Richter. Ich kann es nicht. Als gäbe sie ihm die
Absolution Tu, was du willst, tu, was du willst.

PROCTOR Würdest du ihnen diese Lügen erzählen? Sag? Würdest du es jemals


tun? Sie kann nicht antworten. Du würdest es nicht tun. Selbst wenn du mit
glühenden Zangen gefoltert würdest, du tätest es nicht! – Es ist schlecht. Nun
gut. Es ist schlecht, aber ich tue es!

Hathorne kommt mit Danforth zurück, mit ihnen Cheever, Parris und Hale.
Es ist ein geschäftiger, schneller Auftritt, als ob endlich das Eis gebrochen
wäre.

DANFORTH mit großer Erleichterung und Dankbarkeit Gelobt sei Gott, Mann,
Gelobt sei Gott. Man wird Sie dafür im Himmel lobpreisen. Cheever eilt zum
Ende der hinteren Bank, legt seine Schreibutensilien auf den Hocker und ist
bereit zu schreiben. Proctor beobachtet ihn. Jetzt also los. Sind Sie bereit, Herr
Cheever?

PROCTOR ein eiskalter Schrecken durchfährt ihn bei ihrer Geschäftigkeit Warum
muss es schriftlich sein?

DANFORTH Warum? Um es in der Stadt bekannt zu machen, Mann. Wir werden es


an der Kirchentüre anschlagen. Voll Eile zu Parris Wo ist der Marshal?

PARRIS rennt zum Eingang, ruft hinaus Marshal! Beeil dich!

DANFORTH Also, Mann, um Herrn Cheevers Willen sprechen Sie langsam und
ohne Umschweife. Er diktiert Cheever, dieser schreibt. Herr Proctor, haben
Sie je in Ihrem Leben den Teufel gesehen? Proctors Mund ist zusammen
gepresst. Los, Mann, es wird schon hell. Die Stadt wartet am Galgen. Ich
möchte diese gute Nachricht verkünden. Haben Sie den Teufel gesehen?

PROCTOR Ja.

PARRIS Gelobt sei Gott!

DANFORTH Und als er zu Ihnen kam, was war seine Forderung? Proctor schweigt.
Danforth suggestiv: Hat er sie gebeten, sein Werk auf Erden zu tun?

PROCTOR Ja.

109
DANFORTH Und Sie haben sich verpflichtet, ihm zu dienen? Er dreht sich um, als
Herrick mit Rebecca auftritt, der sie stützt. Sie ist kaum fähig, zu gehen.
Rebecca Nurse. Kommen Sie herein, kommen Sie herein, Frau.

REBECCA lächelt Proctor an, als sie ihn sieht. John! Es geht dir also gut, oder?

Proctor wendet sich zur Wand.

DANFORTH Mut, Mann, Mut – lassen Sie sie Zeuge Ihres guten Beispiels sein,
damit auch sie zu Gott findet. Hören Sie zu, Frau Nurse! Sagen Sie, Herr
Proctor, haben Sie sich verpflichtet, dem Teufel zu dienen?

REBECCA Warum, John.

PROCTOR zwischen zusammen gebissenen Zähnen, das Gesicht von Rebecca


abgewendet. Ja.

DANFORTH Jetzt sehen Sie es, es hat keinen Sinn, weiter auf dieser Verschwörung
zu beharren, Frau Nurse. Wollen Sie nicht auch gestehen?

REBECCA O John, möge Gott dir gnädig sein.

DANFORTH Ich fordere Sie auf, gestehen Sie, Frau Nurse.

REBECCA Wieso? Es ist eine Lüge, eine Lüge, wie kann ich mich selbst
verdammen? Ich kann es nicht, ich kann es nicht.

DANFORTH Herr Proctor. Als der Teufel zu Ihnen kam, haben Sie da Rebecca
Nurse mit ihm zusammen gesehen? Proctor schweigt Los Mann, Mut,
haben Sie Rebecca jemals mit dem Teufel gesehen?

PROCTOR fast unhörbar Nein.

Danforth, der spürt, dass es Probleme geben könnte, geht zum Tisch und
nimmt die Liste mit den Verurteilten in die Hand.

DANFORTH Haben Sie ihre Schwester, Mary Easty, je mit dem Teufel gesehen?

PROCTOR Nein, das habe ich nicht.

DANFORTH mit schmalem Blick Haben Sie jemals Martha Corey mit dem Teufel
gesehen?

PROCTOR Nein, auch nicht.

DANFORTH begreift, senkt das Blatt Haben Sie jemals irgendjemanden mit dem
Teufel gesehen?

PROCTOR Nein, niemanden. Setzt sich auf die rechte Bank

110
DANFORTH Proctor, Sie verstehen mich wohl nicht recht. Ich bin nicht ermächtigt,
Ihr Leben gegen eine Lüge einzuhandeln. Sie haben doch sicher irgendjemand
mit dem Teufel gesehen. Proctor schweigt. Herr Proctor, zwei Dutzend Leute
haben bezeugt, dass sie diese Frau mit dem Teufel gesehen haben...

PROCTOR Dann ist es doch bewiesen. Warum muss ich es sagen?

DANFORTH »Muss«? Sie sollten es voll Freude tun, wenn Ihre Seele frei von
jeglicher Liebe zur Hölle ist.

PROCTOR Sie denken, als Heilige zu sterben. Ich möchte ihre Namen nicht
schänden.

DANFORTH fragend, ungläubig Herr Proctor, denken Sie, dass sie als Heilige
sterben?

PROCTOR ausweichend Diese Frau hat niemals daran gedacht, das Werk des
Teufels zu tun.

DANFORTH Sehen Sie, ich glaube, Sie missverstehen Ihre Pflicht. – Es kommt
nicht darauf an, was Rebecca Nurse denkt – sie ist wegen widernatürlichen
Kindsmordes verurteilt, und dafür, dass sie ihren Geist über Mary Warren
ausgesandt hat. Es geht einzig und allein um ihre Seele, mein Herr! Und sie
werden hier ihre Reinheit bezeugen oder sie können nicht in einer christlichen
Welt leben. Werden Sie mir jetzt sagen, welche Personen sich zusammen mit
Ihnen mit dem Teufel verbündet haben? Proctor schweigt. Hat Ihres Wissens
nach Rebecca Nurse jeT.

PROCTOR Ich gestehe meine Sünden. Ich kann über andere nicht richten. Schreit
voll Hass Das ist nicht meine Art.

HALE schnell zu Danforth Exzellenz. Es reicht aus, dass er gestanden hat. Lassen
Sie ihn unterschreiben, lassen Sie ihn unterschreiben....

PARRIS fieberhaft Er tut uns einen großen Dienst. Es ist ein bedeutender Name.
Es wird die Stadt treffen, dass er gesteht. Ich bitte Sie, lassen Sie ihn
unterschreiben. Die Sonne ist aufgegangen, Exzellenz.

DANFORTH überlegt, er ist unzufrieden Also dann, unterschreiben Sie Ihr


Geständnis. Zu Cheever Herr Cheever, bringen Sie es ihm. Cheever geht zu
Proctor, das Geständnis und einen Federhalterin der Hand. Proctor schaut es
nicht an. Los, Mann, unterschreiben Sie.

PROCTOR nach einem kurzen Blick auf das Geständnis Sie können es alle
bezeugen. Das ist genug.

DANFORTH Sie wollen nicht unterschreiben?

PROCTOR Sie können es alle bezeugen. Was wollen Sie noch?

111
DANFORTH Wollen Sie sich über mich lustig machen? Sie werden Ihren Namen
darunter setzen, oder es ist kein Geständnis. Schweratmend vor Qual, legt
Proctor das Geständnis hin und unterschreibt.

PARRIS Gott sei gelobt!

Als Proctor unterschrieben hat, streckt Danforth die Hand nach dem
Papier aus. Aber Proctor schnappt es sich, ein unbändiger Schrecken
steigt in ihm auf, und eine grenzenlose Wut.

DANFORTH verblüfft, aber immer noch freundlich streckt seine Hand aus. Wenn Sie
mir denn bitteT

PROCTOR Nein.

DANFORTH als ob Proctor es nicht verstehe: Herr Proctor, ich brauche...

PROCTOR Nein, nein. Ich habe es unterschrieben. Sie haben es alle gesehen. Es
ist unterschrieben. Das hier brauchen Sie nicht.

PARRIS Proctor, die Stadt braucht den Beweis, dass...

PROCTOR Der Teufel hole die Stadt. Ich gestehe Gott, und Gott hat meinen Namen
darauf gesehen. Das ist genug.

DANFORTH Nein, mein Herr, es ist T

PROCTOR Sie sind hergekommen, um meine Seele zu retten, oder? Hier! Ich habe
gestanden. Das ist genug!

DANFORTH Sie haben nicht gest...

PROCTOR Ich habe gestanden. Gilt denn Reue nur, wenn man sie öffentlich
macht? Gott braucht meinen Namen nicht an die Kirchentür genagelt. Gott sieht
meinen Namen, Gott weiß, wie groß meine Sünden sind! – Es ist genug!

DANFORTH Herr Proctor...

PROCTOR Sie benutzen mich nicht. Ich bin nicht Sarah Good oder Tituba, ich bin
John Proctor! Sie werden mich nicht benutzen. Zu meinem Seelenheil gehört es
nicht, dass Sie mich benutzen!

DANFORTH Ich will Sie nicht...

PROCTOR Ich habe drei Kinder – wie soll ich sie lehren, als aufrechte Menschen
durchs Leben zu gehen, wenn ich meine Freunde verkauft habe.

DANFORTH Sie haben Ihre Freunde nicht verkauft...

112
PROCTOR Machen Sie mir nichts vor! – Wenn dies an die Kirchentür genagelt wird,
verleumde ich alle an dem Tag, an dem sie aufgehängt werden, weil sie
schweigen.

DANFORTH Herr Proctor, ich brauche einen rechtsgültigen Beweis...

PROCTOR Sie sind das höchste Gericht. Ihr Wort reicht aus. Sagen Sie ihnen, dass
John Proctor sein Knie gebeugt hat und geweint hat wie ein Weib. Sagen Sie,
was Sie wollen, aber mein Name wird nicht...

DANFORTH voller Misstrauen Es ist dasselbe, nicht wahr? Ob ich es berichte oder
ob Sie es unterschreiben?

PROCTOR weiß, dass es irrsinnig ist t Nein, es ist nicht dasselbe. Was andere
sagen, und was ich unterschreibe, ist nicht dasselbe.

DANFORTH Aha. Sie wollen das Geständnis ableugnen, wenn Sie frei sind?

PROCTOR Nichts will ich ableugnen.

DANFORTH Dann erklären Sie mir, Herr Proctor, warum Sie nicht...

PROCTOR schreit aus tiefster Seele Weil es mein Name ist. Weil ich mit diesem
Namen leben muss! Weil ich lüge und meinen Namen unter eine Lüge gesetzt
habe. Weil ich den Staub an den Füßen derer nicht wert bin, die man gehängt
hat. Wie kann ich ohne meinen Namen leben. Ich habe Ihnen meine Seele
gegeben. Lassen Sie mir meinen Namen!

DANFORTH zeigt auf das Geständnis in Proctors Hand Ist diese Aussage eine
Lüge? Wenn es eine Lüge ist, nehme ich sie nicht an. Ich handle nicht mit
Lügen, mein Herr. Proctor steht starr. Entweder Sie übergeben mir ein
ehrliches Geständnis, oder ich kann sie nicht vor dem Strick retten. Proctor
antwortet nicht Welchen Weg wollen Sie gehen, Mann?

Schweratmend, mit starrem Blickt zerreißt Proctor das Geständnis. Er


weint, aber steht aufrecht.

DANFORTH Marshal!

Herrick kommt von der Tür in den Raum.

PARRIS Hysterisch, so als ob dieses Papier sein Leben gewesen wäre Proctor!
Proctor!

HALE Mann, Sie werden hängen, Sie können das nicht tun!

PROCTOR die Augen voller Tränen Ich kann. Und das ist das erste Wunder, dass
ich es kann. Da haben Sie Ihre Magie. Im Augenblick kann ich eine Spur des
Guten in John Proctor erkennen. Nicht genug, um es als Banner zu schwenken,
aber hell genug, um es vor solchen Verbrechern zu schützen. Elizabeth, von
Angst überwältigt, eilt zu ihm und weint in seine Hand.

113
PROCTOR Schenk ihnen keine Tränen. Tränen erfreuen sie. Zeige Würde, zeig
ihnen ein Herz aus Stein, und besiege sie damit. Er hebt ihr Gesicht und küsst
sie mit großer Leidenschaft.

REBECCA Fürchte dich nicht. Ein anderes Gericht erwartet uns.

DANFORTH Hängt sie hoch über der Stadt. Wer um diese weint, weint um
Verbrecher. Er geht an ihnen vorbei und hinaus. Herrick geht zu Rebecca, die
fast zusammenbricht. Proctor fängt sie auf, sie schaut ihn entschuldigend an.

REBECCA Ich habe noch nicht gefrühstückt.

HERRICK Los, Mann.

Herrick führt sie hinaus, Hathorne und Cheever hinter ihnen. Elisabeth
steht und starrt in den leeren Flur.

PARRIS in Todesangst, zu Elisabeth Gehen Sie zu ihm! Noch ist Zeit! Von
draußen hört man einen Trommelwirbel. Parris erstarrt. Elizabeth wendet
der Kopf ruckartig zum Fenster. Gehen sie zu ihm! Er rennt hinaus, als
könne er sein Schicksal aufhalten. Proctor! Proctor!

Wieder ein kurzer Trommelwirbel.

HALE Frau Proctor, bitten Sie ihn, flehen Sie ihn an! Hale geht Richtung Tür,
kehrt aber um und kommt zu Elisabeth zurück . Es ist Stolz. Es ist
Eitelkeit! Sie weicht seinem Blick aus und geht zum Fenster. Er kniet hin.
Helfen Sie ihm – was nützt ihm sein Tod? Soll der Staub ihn lobpreisen?
Sollen die Würmer seine Wahrheit verkünden? Gehen Sie zu ihm,
nehmen Sie ihm sein falsches Ehrgefühl.

ELIZABETH wehrt sich gegen ihren Zusammenbruch, greift nach dem Fensterriegel
und mit einem Schrei. Jetzt hat er seine Würde. Verhüte Gott, daß ich ihm die
nehme.

Der letzte Trommelwirbel steigert sich, die Lautstärke schwillt an. Hale
weint in verzweifeltem Gebet. Die aufgehende Sonne trifft Elisabeths
Gesicht und die Trommeln rasseln wie Knochen in der morgendlichen
Frühe.

Vorhang

114
Was weiter noch berichtet wurde

Nicht lange, nachdem dieser Wahnsinn zu Ende ging, wurde Parris seines
Amtes enthoben. Er verließ die Stadt und man hat nie wieder etwas von
ihm gehört.
Die Legende erzählt, dass Abigail später als Prostituierte in Boston
auftauchte.
Zwanzig Jahre nach der letzten Hinrichtung bot die Regierung den noch
lebenden Opfern und den Hinterbliebenen eine Entschädigung an. Aber
es ist offensichtlich, dass einige Leute immer noch nicht bereit waren, ihre
Schuld zuzugeben, und dass auch die Parteilichkeit noch lebendig war,
und einige Nutznießer waren keinesfalls Opfer, sondern Denunzianten.
Elisabeth Proctor heiratete wieder, vier Jahre nach Proctors Tod.
In einer feierlichen Versammlung machte die Gemeinde im Jahr 1712 die
Exkommunikationen rückgängig, das allerdings auf Geheiß der Regierung.
Das Gericht jedoch verfasste ein Statement, in dem all diejenigen, die
gelitten hatten, um Vergebung gebeten wurden.
Einige Farmen, die den Opfern gehört hatten, wurden dem Verfall anheim
gegeben, und über hundert Jahre lang wollte keiner sie kaufen oder darin
wohnen.
Aber im Grunde war die Macht der Theokratie in Massachusetts
gebrochen.

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