gekehrt neigt Intoleranz dazu, Personen endgültig auf ihre
jeweiligen Handlungen und Haltungen festzulegen: »Die
Überwindung, die in jedem toleranten Akt steckt, wirft als Belohnung ein Freiheitserlebnis ab; es ist eine beglückende Erfahrung, frei vom Zwang der Unduldsamkeit, der Unerträg lichkeit, Feindseligkeit zu sein.« 5 Um sich den Toleranzbegriff gedanklich anzueignen, darf die Ablehnungskomponente nicht aus dem Auge verloren wer den: Toleranz muss schwerfallen. Toleranz, die leichtfällt, ist keine; denn nur Abgelehntes kann der Toleranz unterlieg�n. Sonst wird schnell die zustimmende Anerkennung erreicht, oder es bleibt bei Gleichgültigkeit und Beziehungslosigkeit, die den Ehrentitel der Toleranz schon gar nicht verdienen. Thomas M. Scanlon (* 1940) formuliert einen ähnlichen Ge danken, wenn er Toleranz zwischen einer vollgültigen Zu stimmung und einer völligen· Ablehnung einordnet.6 Tole ranz ähnelt so einem Balanceakt zwischen dem (halben) Zu lassen und der (fortbestehenden) Ablehnung; sie ist etwas Drittes zwischen reiner Ablehnung und echter Zustimmung. Wie jedes Balancieren erfordert sie Anstrengung; denn der Ausgleich der beiden Komponenten der Ablehnung und der Selbstüberwindung erfordernden Teilakzeptanz ist nicht leicht zu erreichen. Vielmehr ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die beiden Komponenten sich schnell auflösen - in Indifferenz oder auch Gewöhnung, bloßer Akzeptanz (vielleicht nach einer Passage des Ringens) oder einen Kom promiss. Auch eine klare Ablehnung ohne Toleranz kann die Balance auflösen; daher spricht George P. Fletcher (* 1939) von der Instabilität der Toleranz, die er an Beispielen der Re ligion, der freien Reäe und der sexuellen Orientierung er örtert. Er kommt zu dem Ergebnis, dass sich die Komplexität der Toleranz oft auflöst und sie sich als bloßes Durchgangs stadium erweist. Am Ende stehen dann für ihn der Tendenz nach in der Religionsfrage die Indifferenz, bei der Hassrede die staatliche Intervention und bei der sexuellen Orientie rung letztlich Respekt und Akzeptanz. Toleranz im engeren
Die Erotik: Der sexuelle Vorgang + Das erotische Wahngebilde + Erotik und Kunst + Idealisation + Erotik und Religion + Erotisch und Sozial + Mutterschaft + Das Weib + Lebensbund