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Ortsübliche Vergleichsmiete als Spanne, nicht als Punktwert

Leitsatz

Der Vermieter darf die Miete bis zum oberen Wert der Bandbreite der konkreten
ortsüblichen Vergleichsmiete (Einzelvergleichsmiete) anheben. Dies gilt auch
dann, wenn die Einzelvergleichsmiete unter Heranziehung eines
Sachverständigengutachtens ermittelt worden ist (Bestätigung des Senatsurteils
vom 06.07.2005 - VIII ZR 322/04 - NZM 2005, 660).

Orientierungssätze zur Anmerkung

1. Bei der ortsüblichen Vergleichsmiete handelt es sich regelmäßig nicht um einen


punktgenauen Wert; die Vergleichsmiete bewegt sich vielmehr innerhalb einer
Spanne.
2. Ein Sachverständigengutachten zur Ermittlung der ortsüblichen
Vergleichsmiete, das auf einer reinen Vermieterbefragung beruht, ist verwertbar.

A. Problemstellung
Die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete im Zustimmungsprozess macht immer
wieder große Probleme. Dies ist zum einen ein Problem der Tatsachenermittlung, aber auch
ein Verständnisproblem hinsichtlich des Begriffs der ortsüblichen Vergleichsmiete.

Der Begriff der ortsüblichen Vergleichsmiete ist anerkanntermaßen ein unbestimmter


Rechtsbegriff. Diese Miete kommt so am Markt nicht vor. Bei Neuvermietungen wird die
Marktmiete vereinbart. Die ortsübliche Vergleichsmiete wird bekanntlich gebildet aus den
Mieten für nach den fünf Wohnwertmerkmalen vergleichbare Wohnungen, die zum Stichtag
zu zahlen sind, wenn sie in den letzten vier Jahren neu vereinbart oder verändert wurden.
Bei in der Regel steigenden Mieten liegt die ortsübliche Vergleichsmiete deshalb unterhalb
der Marktmiete, bei fallenden Mieten oberhalb der Marktmiete. Der Gesetzgeber hat dieses
Konstrukt als Ausgleich für das Verbot der Änderungskündigung in § 573 BGB geschaffen.

Die Frage, die seither diskutiert wird, ist, ob die ortsübliche Vergleichsmiete ein Punktwert
ist oder eine Spanne. Dieser auf den ersten Blick akademische Streit spielt in die Praxis eine
entscheidende Rolle.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung


So auch im vorliegenden Fall. Der Vermieter verlangte unter Benennung von drei
Vergleichswohnungen vom Mieter die Zustimmung zu einer Mieterhöhung auf umgerechnet
3,83 €/qm. Das Amtsgericht hatte ein Sachverständigengutachten eingeholt. Der Gutachter
hatte 19 Vergleichswohnungen, die ihm von Vermietern benannt worden waren, in
Augenschein genommen und war dann zu dem Ergebnis gekommen, dass die ortsübliche
Vergleichsmiete die Spanne von 3,35 €/qm bis 3,59 €/qm umfasse. Das LG Görlitz meinte
nun, dass das Gutachten in Görlitz einen Mietspiegel ersetze, und bei diesem müsse das
Gericht ja nach § 287 ZPO die richtige Einzelvergleichsmiete ermitteln, also schätzen. Das
hat es dann auch bei dem gerichtlichen Sachverständigengutachten gemacht und den
Mittelwert geschätzt und zugesprochen.

Der BGH hat das Urteil insofern aufgehoben und den Oberwert der vom Sachverständigen
ermittelten Bandbreite zugesprochen.

C. Kontext der Entscheidung


Die Entscheidung ist richtig. Weder ist die ortsübliche Vergleichsmiete ein punktgenauer
Centwert noch hat das gerichtliche Sachverständigengutachten etwas mit einem Mietspiegel
zu tun. Man stelle sich vor, zu einem bestimmten Stichtag werden in einer Gemeinde für
zehn vergleichbare Wohnungen 6,00 €/qm und für weitere zehn Wohnungen 7,00 €/qm
gezahlt. Die Mieten sind bei allen 20 Wohnungen in den letzten vier Jahren neu vereinbart
oder verändert worden. Weitere vergleichbare Wohnungen gibt es nicht. Dann ist die
Bandbreite der ortsüblichen Vergleichsmiete eben 6,00 bis 7,00 €/qm und nicht ein
irgendwie ermittelter Mittelwert. Dafür spricht auch der Wortlaut des § 558 Abs. 2 BGB, der
im Plural von den „üblichen Entgelten“ spricht. Auch aus Gründen der empirischen
Sozialforschung kann die ortsübliche Vergleichsmiete nur eine Spanne darstellen, da
Mietvereinbarungen auf Grund des unterschiedlichen Verhandlungsgeschicks der
Marktteilnehmer an sich schon unterschiedlich ausfallen, aber unter Berücksichtigung der
Tatsache, dass hier Mietvereinbarungen aus einem Zeitraum von vier Jahren heranzuziehen
sind, erst recht unterschiedlich hohe Mieten auszuwerten sind. Da der Vermieter eine Miete
verlangen darf, die die ortsübliche Vergleichsmiete nicht übersteigt, darf er bis zum
Oberwert der Spanne die Miete erhöhen. Das gilt selbst dann, wenn die geschuldete Miete
bereits innerhalb der Spanne liegt (BGH, Urt. v. 06.07.2005 - VIII ZR 322/04 - NZM 2005,
660).

Was ein gerichtliches Sachverständigengutachten mit einem Mietspiegel zu tun haben soll,
ist nicht nachvollziehbar. Es gibt eine ortsübliche Vergleichsmiete in der Gemeinde. Der
Vermieter hat einen Anspruch, dass das Gericht im Streitfall den Oberwert ermittelt. Das
geschieht durch ein Sachverständigengutachten. Vorgeschaltet ist dem Prozess ein
Mieterhöhungsverlangen. Hier muss der Vermieter seinen Anspruch begründen. Da er auch
nur begrenzte Erkenntnismöglichkeiten hat, hat der Gesetzgeber ihm fünf
Begründungsmittel in § 558a Abs. 2 BGB beispielhaft an die Hand gegeben. Diese sind
qualitativ unterschiedlich gut, um die richtige ortsübliche Vergleichsmiete zu ermitteln. Sie
sind aber keine Beweismittel im Prozess. Allenfalls der qualifizierte Mietspiegel hat im
Prozess gemäß § 558d BGB eine widerlegbare Vermutungswirkung.

Richtigerweise hat der Senat auch – erstmals – die Frage entschieden, ob reine
Vermieterbefragungen zulässig sind. Letztendlich muss er die Daten wie Miethöhe,
Ausstattung der Wohnung usw. ermitteln. Ob er das auf Mieter- oder Vermieterseite tut, ist
eigentlich egal, da die Antworten objektiv auf beiden Seiten gleich sein müssten. Ohne
konkrete Anhaltspunkte, dass hier eine Seite bewusst falsche Angaben gemacht hat, spricht
also nichts dagegen, die Daten nur auf seiner Seite zu erfragen.

Dies gilt theoretisch auch für die Mietspiegelerstellung. Auch hier taucht immer wieder die
Frage auf, ob eine Vermieter- oder Mieterbefragung durchgeführt werden soll. Aus
psychologischen Gründen wird häufig eine Mischung aus beiden vorgenommen. Wenn, was
im Sinne der Repräsentativität der Daten allein richtig ist, der Fragesteller vorgibt, für
welche Wohnung Daten mitzuteilen sind, und es nicht dem Befragten überlassen bleibt
auszuwählen, für welche Wohnungen er die Daten übermittelt, ist es erhebungstechnisch
egal, wer gefragt wird. Vermieterbefragungen sind häufig preiswerter, da insbesondere bei
großen Wohnungsunternehmen viele Daten kostengünstig abgefragt werden können. Im
Zuge der verstärkten Verbreitung von sog. ökologischen Mietspiegeln wird es für Mieter
auch immer schwieriger, die erforderlichen Informationen zu liefern. Hier kommt es auf die
genauen Daten der durchgeführten energetischen Sanierung an (Datum, Dicke der
verbauten Dämmstoffe, Wärmedurchleitungsfaktoren usw.). Diese Informationen hat in der
Regel nur der Vermieter.

D. Auswirkungen für die Praxis


Die Argumentation des LG Görlitz zielt eigentlich auf ein anderes Problem, nämlich die
Frage, ob der Vermieter immer den Oberwert der Mietspiegelspanne verlangen darf. Das ist
nicht so. Diese Spanne ist nämlich etwas anderes. Deshalb ist es gut, dass der BGH auch
von der Bandbreite der ortsüblichen Vergleichsmiete spricht. Damit ist die konkrete
ortsübliche Vergleichsmiete für die Vertragswohnung gemeint. Die Spanne in einem
Mietspiegelfeld beinhaltet zwar auch diese Spanne, aber eben nicht nur für die
Vertragswohnung, sondern auch für ca. 100 andere Wohnungen. Das ergibt sich aus
folgender Überlegung: Das Gesetz verlangt die Ermittlung der Vergleichbarkeit nach fünf
Wohnwertmerkmalen. Diese Wohnwertmerkmale sind dann selbst wieder zu differenzieren,
also in verschiedene Baualters- oder Ausstattungs- oder Größenklassen. Nun kann man
darüber streiten, wie viele Gruppen man jeweils machen muss, um dem örtlichen
Wohnungsmarkt gerecht zu werden. Wenn man einheitlich von fünf Unterteilungen ausgeht
– was bei einigen Wohnwertmerkmalen wohl zu viel ist, z.B. Art des Wohnraums, bei
anderen ggf. aber zu wenig (Größe oder Beschaffenheit = Baualter und
Modernisierungsgrad) –, dann kommt man auf 55 (= 3.125) Mietspiegelfelder. Es wird nicht
erstaunen, wenn man eine solche Differenzierung natürlich in keinem Mietspiegel findet.
Üblich sind 24 oder vielleicht auch 48 Felder. Einige wenige Mietspiegel haben auch 96
Felder. Das bedeutet dann aber, dass die 3.125 Felder auf diese geringere Zahl an Felder
verteilt werden müssen, so dass in einem Mietspiegelfeld ungefähr 100 der ursprünglichen
Felder enthalten sind. Daraus ergibt sich dann die weite Spanne. Diese hat mit der
Bandbreite der ortsüblichen Vergleichsmiete für die konkrete Vertragswohnung nur insoweit
noch etwas zu tun, als diese Bandbreite sich in der Spanne irgendwo wieder findet. Und hier
kommt dann wirklich § 287 ZPO ins Spiel. Das Gericht muss, wenn es mit Hilfe des
Mietspiegels im Prozess die ortsübliche Vergleichsmiete ermitteln will, die Wohnung in die
Mietspiegelspanne einordnen. Dazu hat es den konkreten Sachvortrag der Parteien über die
Qualität der Wohnung zu berücksichtigen und dann eine Einordnung im Einzelfall
vorzunehmen.

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