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VORWORT

Martin Kähler (6. Jan. 1835 — 7. Sept. 1912) gilt als der Bibcltheologe, und er wollte dies auch sein, aber nicht im Sinn eines
— wie er selbst gelegentlich sagt — „unmittelbaren, unmethodischen Biblizismus“, wie er in Pietismus und
Erweckungsbewegung sich weithin geltend machen konnte, sondern im Sinn seines besonderen Verständnisses der Selbstän-
digkeit der Theologie als Wissenschaft. Diese Selbständigkeit zu sichern ist das Bestreben des Dogmatikers Kähler, wie denn
auch sein Hauptwerk, „Die Wissenschaft der christlichen Lehre von dem evangelischen Grundartikel aus“ (1883, 3. Aufl.
1905), durch ihren selbst im ersten, apologetischen Teil auffallenden „innertheologischcn“ Charakter gekennzeichnet ist. Die
Selbständigkeit der Theologie ruht wesentlich auf der „Sonderstellung“, in der die Theologie „die Schriftkunde bewahrt“ —
daß diese nämlich nicht in „Christentumsgcschichte“ oder in „allgemeine Menschheits- und Litcrärgcschichte“ aufgehe,
sondern die „kirchliche Erfahrung“ festhalte, „daß diese Schriftsammlungcn eben nicht nur zeitgeschichtliche Erzeugnisse und
Urkunden einer Vergangenheit enthalten, sondern eine in ihrer Verschlungcnhcit mit der Kirche auf unvergleichliche Weise
gegenwärtig fortwirkende Größe ausmachen, eben die Bibel, welche in wissenschaftlicher Sachlichkeit ohne die Berück-
sichtigung dieser Tatsache und ohne Erforschung und Erkenntnis ihrer Gründe gar nicht behandelt werden kann“ (Chr. Lehre,
39). Von da aus und auf dem Grund des Rcchtferti- gungsartikcls, den Kähler biblisch-reformatorisch im Sinn des
„zueignenden Vollzugs der Versöhnung mit Gott an den einzelnen Sünder“ begreift, sind die theologischen Voraussetzungen
seines Denkens zu erkennen in dem Bemühen um eine Zusammenschau des Geschichtlichen mit den erfahrbaren

VORWORT ZUR 2. AUFLAGE

Die 2. Auflage unseres Neudrucks wird durch Anfügung des 1896 dem Vortrag von M. Kähler bei seinem 2. Abdruck auf Seite
1 — 42 vorangestelltcn Abhandlung „Besteht der Wen der Bibel für den Christen hauptsächlich darin, daß sie geschichtliche
Urkunden enthält?“ erweitert. Im Inhaltsverzeichnis hat Kähler noch hinzugefügt: „Beitrag zur Geschichte der Theologie
während des letzten Halbjahrhunderts“. Es macht also diese Abhandlung die Voraussetzungen deutlich, aus denen heraus der
Vortrag selbst entstanden ist, und erläutert ihn dadurch. Ihre Aufnahme in unseren Neudruck geht auf eine Anregung zurück,
die der Herausgeber Herrn Prof. D. Fr. Gogarten verdankt. Die Orthographie ist im Neudruck wieder leicht modernisiert, bei
den Fußnoten sind einige wenige ausgelassen oder verkürzt worden, soweit ihnen heute kaum mehr Bedeutung zukommt.
Ebenso ist der Seite XI/XII der 2. Auflage Kählers abgedrucktc „Nachtrag zu Seite 14, 15“ bciscitcgclassen. Zum Aufbau der 2.
Auflage Kählers vgl. im übrigen oben S. 10.

Göttingen, April 1956 E. W.

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