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SCHMIDT
allgemeinen Eiteraturgef^i^te
Don
Sonberbrud
aus ber
5e[t[^rift für ^ermann (Bunte!
EYXAPIZTHPION
Stubien jur Religion unb Eiteratur
bes Riten und Heuen tleftaments
Gönn
GERMAN
11 B R A R Y
SOUTHERN CALIFORNIA SCHOOL
OF THEOLOGY
CLAREMONT/ CALIF.
Soeben erfd]eint:
o
EYXAPISTHP1ON
Stühlen 3. Religion u. titeratur bes Riten 11. Reuen Geftaments
Q ermann ®un!el jutn 60. ©eburfstag bargebradjt non feinen Schülern
o unb Sreunben, ^erausgegeben non ^ans Sdjmibt.
(5otfd)ungen 3. Religion u. £iterafur b. R. u. R.S. Reue Folge 19,1. u. 2.®eiL)
®eb- 24, geb. 27 S^meij. fr. Siir nadjtoeislid) inlänbifdje (belehrte unb Bibliothefen:
©3.*) 16 geh., 19 geb. 1. Geil allein ©3. 12, 2. Seil allein ©3. 8 (geh-).__
Das Bud), bas in bem ITebeneinanber alt» unb neuteftamentHdjer Unter»
fudjungen ben breiten Umfang bes (bebietes ertennen läßt, auf bem Ej. (bunfel
führenb unb anregenb ift, unterfdjeibet fid) non ben fonft üblidjen Feftfdjriften nor
§ allem burd) ben Umfang ber meiften feiner Beiträge.
Sonberbrud
aus ber
für ^ermann (Bunfel
EYXAPIXTHPION
Stubien jur Religion unb £iteratur
bes Riten unb Reuen Geftaments
SCMÖÖL OPTHm.ÖGY . ‘
ATCLARGMONT
G^iG-rnia ' - <
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JnQalt Seite
A Dar|tellung unö Kritif ber bisherigen Derfudje, öie Stellung
der Guangelien in ber allgemeinen £itcraturgefd)id)te ju ueftimmen . 51
1. Grced|ifd)e Biographte=£iteratur- philofonhensDiten, Diogenes £aer=
tius, jcitgenöffifdje Gef©id)tsfd)reibung; Xenophons TRemorabilien
(Jefus unb Sofrates, 3uftin unb bie Jnangelien, papias unb bie
(Evangelien, 3uftin unb Papias): peapatetifdje unb ale?anbrinifd)e
Biographie. ... . . ... . 51
2. 3ubentum unb Griechentum. flramäi|d)e Dolfsbücber; Antite und
moderne Grientalia; Raobtnica; Elltteftamentlid)es................................. 62
3. Kleinlitcratur aus verfdjiebenen Seiten unb Dölfern . . . .68
4. Analogie, nicE)t Genealogie. (Evangelien unö fübi)d)e Aootalpptit? . 75
R Die Stellung ber (Evangelien in ber allgemeinen £iteratur=
gefd)id)te..................................................... . . ... 76
1 Die literarifdje (Entroidlur.g ber mdjtfanonifchen Apoftclgef<hid)ten,
(literarildjen) Heiligenleben unb RTärtnreraften; öie £eibensgeidjid)fe
3eiu; (Evangelien unb Xanonbtlbung...................................................... 76
2. Evangelien unb Biographie: Stoffanorbnung, Porträt; öie $rage nach
öem Wah^he^s9e^ntt . . . ..... 79
3. Die ©renje gwifdjen Ejod)Iiteratur unö Kleinliteratur: Die Evangelien
unb bie Rpollonius=Dita bes Philoftratus . . .81
4. (Einfad)« Ställe ber Doltsbiographte Littörature orale . . . . 83
5. Klethobologifdjes: £iterarfritif unö Stilfrii.it (5ormgef©id)te) 86
6. Die Dielgeftaltigfeit bes Rahmens ber Gejd)ichte 3eju. Rnetboten=
Überlieferung . ... 90
7. Deutsch« Doltsbüdjer: Dottor $auit....................................................... 91
8. Heiligenlegenöen ..................... . 99
9. flltd)i iltlidje IHönd)sgefd)id)ten: Historia Monächorum unb Historia
Lausiaca; Apophtheguiata Patniro......................................... . 102
10. Die Sranßistuslegenbe................................................................................ 106
11. Goethe unb bie Rodjuslegenbe; IRartin Buber unb bie d)afitbifd)e
£egenbc oom großen Rlaggiö . . 111
12. Der fultifche ©hara{tet »on Heill9enlegenben, Apophthegmata Patrum.
(Euangelien . . . . 114
Sd)luf): 3um Problem bes literarif^en (Thaiöfters ber (Eoangelien. Die
religionsgefd)id|tHd)e unb theologifd)e $rage................................................124
K £. Sdjtmot Die Stellung bei (toangelien in ber allyent. £iteraturgefd}id)te 5]
A.
(Es fe^It nidjt an Derfucben, bie (Eoangelien oom Stanbpuntt bet
allgemeinen £iteraturgefd)ichte im Sufammenhang öer Weltliteratur ju
betrachten. 3d) führe im folgenden hierher gehörende Urteile, foweit
fie wichtig find oder für wichtig gehalten werden, an und nehme fo*
gleich fritifch Stellung.
1. Begreiflicherweife erfreut fid) der Pergleid) der (Euangelien mit der
ungefähr gleichseitigen griedjifchen Biographie*£iteratur einer
befonderen Beliebtheit. Pie ausführliche Behandlung hat hicr öer
Ameritaner Clnde IPeber üotaw1) gegeben. Pie fehr breite Dar*
Heilung, b e bur^ tune Ausecnanberfehung mit ber gelehrten £iteratur
belaftet ift unb beshalb am beften oon mir oorweggenommen wirb,
hat einen richtigen Ausgangspunft, bietet eine ganje An3ahl guter
Beobachtungen, hält aber fdjlieftlid) nid)t bas, was fie oerfpricht, ba
oteles 3U allgemein, manches aud) irreführenb ift. Selbftoerftänbltch
ift ber Sah richtig, bah bie (Euangelien fid? als Brief, special and
populär writings ftarf abbeben non ber uns gemeinhin betannien
gleichseitigen Ejocbliteratur. Als writings of the people, bv the
people and for the people gehören fie weder jur ©efchichts* nod)
jur Philofophie=£iteratur. Pa fie aber in irgend einem Sinne Bio*
graphie bieten, gilt es, hd) bas IPefen ber damaligen Biographien tlar
3U machen. Uad) der IKeinung des Derfafjers gibt es jwe: Biographie*
tppen: bie eratt ohne perfönli^en ©infchlag arbeitende biftorifche Bio*
graphie unb bie pratlifd), insbeionbere päbagogffd) emgeftellte ooltstüm*
Iid)e Biographie. Per letzteren ift bie Derherrlid)ung des gefchilderten
gelben eigentümlich. Piefe Parftellungsart lag überhaupt bem Alter*
tum (im ©egenfah 3ur neueren Seit), unb fo fommf es, bah in ben
oor* unb nachcbriftlichen 3ahrhunberten bie oolfstümlnhen Biographien
befonbers häufig waren. 3u ihnen gehören Xenophons ITlemora*
bilien, Arrians (Epittet unb p l)i Io ft r atu s’ Apollonius non
©r/ana. Piefe brei Schriften finb bie neuhften parallelen 3U ben
(Eoangelien ufw. Pas Un3ulänglid)e biefer gan3en Betrad)tungsweije
IPeber Dotaws liegt auf ber Ejanb. Per Unterfchieb jwijchen ben
beiden Biographietgpen ift nicht tlar burchdacht. Xenophon, Arrian
unb philoftratus finb untereinanber fdjärfer absugrenjen. Sufammen*
genommen heben fie fich non ben (Enangeliften ftarf ab, weil fie im
©egenfah ju biefen beftimmt faßbare SchriftfteUerperfönlichtenen finb.
Auf biefe Weife erhalten wir troh richtiger Anfähe feine Iiterargejd)Td)t=
liehe tDürdigung ber (Eoangelien; das ©anse läuft oielmehr auf die oiel
geübte üergleichung Jefu mit Sotrates. (Epittet unb Apollonius hinaus.
nicht frei non foldjer $rageftellung, bie auf ben 3nhalt fieht
’) The Gospels and Contemporary biographies. 3n The American Journal
of Theology 19 (1915), S. 45-73 unb 217- 249.
4*
52 K. £. Sdjmibt; Die Stellung öer (Eoangelien in öer allgem Citeraturgeldjidjte
unb 3unä<hft mit ber £iteraturgefd)id)te md)ts 311 tun l?at, ift aud)
a. 5. ®. Ejeinrici4), öer febr ftart bie tDiditigteit untres Oemas
betont („burd) Dergleichen mit verwanbten (Bröfeen lä^t jid) IDert,
(behalt unb (Eigenart bes Überlieferten am fi^erften ertennen"), aber
bann m. (E. bie Bahnen bes literaturgefd)id)tlichen Derglrdjs verlädt,
wenn er meint: „$ür fold)en Dergleid) fommen in erfter £inie nicht
Fabeleien, wie fie ber Alejanber^Roman bes Kallijthenes ober bie
apotrpphen Sänften bes Urajciftentums enthalten, in Befracht, jonbern
bie ernft gemeinten Biographien ber IRänner, bie non bem Drange
erfüllt waren, ber XDelt ewige (Büter 3U erarbeiten ober ju vermitteln. ‘
Ejeinrici finbet, öaf) biefe Biographien — er öenft nor allem an
bie ber Philojophen — non Rlännern hanöeln, bie ihren Anhängern,
ja ber HlenRhhcit eine fie bejeligenbe £ebenslehre vertünbigen wollen,
woher fid) bie Abficbt ihres EDirtens mit bem, was bie (Enangelien
erjtreben, berühre. Jn gewiffem Sinne hanble es fid) in beiben fällen
um religiöje {Eenbenjbudjer. So richtig bas ift, io wenig tann bod)
von hier aus EDerben unb LDefen ber (Enangelien verbeutlid)! werben.
Bei Ejeinrici fpi^t lieh bas gan3e Dergletcbsverfahren 3U ber $rage 3U,
wie fich bas euaYYe^ov 3U ben bö^ai tüv 4>iAoaö<pwv, bie 3efusbotfd)aft
3u ber Philofophenlehre, bie 3efusgefd)id)te 3U ber Philofophengefd)id)te
inhaltlid) verhält. Unb fo fehr er nun geneigt ift, beibes mit emanber
3ufammen3ubrinqen, fo wenig vergibt er aud) öie Unterfdpebe, bie
felbftverftänblid) oorliegen. Auf btefe Weife verläuft ber Dergle'd) jo
3iemhch im Sanoe. Das tann nid)t anbers jein, wenn man über bem
3nhalt bie §orm außer Acpt lä^t. Unb bie $orm ber (Evangelien ift
eine anbere als bie ber bamaligen Philosophen=B ographien. (hegen
Ejeinrici mu^ baher basfelbe gejagt werben wie oben gegen IDeber Dotaw.
Ober liegt’s anbers? Ejeinrici macht bebeutfam auf einen
formalen Dergleid)spuntt aufmerffam2). (Er fühlt fid) burd) bie
(Evangelien beshalb an bie Ulemorabilien JEenophons, an bie
Philofophenbiogravhien Oes Diogenes £aertius u. a. erinnert,
weil l)ier wie bort Sammelgut oorliege. Diefe Beobachtung ift richtig
unb wid)tig unb ift auch oon anberen gemacht worben. Auffällig ift
vor allem, ba^ unverbunbene Apophthegmata eingelegt werben unb
mancherlei An et boten einftrömen. Die bamit gegebene datfad)e, baß
viele antite PhUojophen=Diten in ihrem Aufbau fehr loder finb, eine
Kompilation verfd)iebener drabmonen öarftelien, bie oft nid)t$ anberes
ift als eine ,;3ujammenftoppelung von bebeutfamen IDorten unb (taten
öer Ejeiben" (jo richtig Ejeinrici), tann nid)t geleugnet werben unb
fdjeint an öie (Evangelien 3U erinnern. Dod) gibt man fid) hier einem
’) Die Boöen)tänötgleit öer jt)noptifd)en Überlieferung 3n: Biblifdje Seit»
unb Streitfragen, 8 Serie, 11. Ijeft, 1913, S. 5ff.
2) Der Iiterarifd)e dbaratter öer neuteftamentlidjen Sibriften 1908. S. 36.
K. £ Scpmibt Die Stellung ber (Eoangelien in bet aUgem. £iteraturgcf<pid|te 53
©rugfd)luft hm: was bei einem Diogenes £aertius, öer feine grofte
3ahl non B'ographien mdjt jonöerlid) Sorgfältig ausgearbeitet bat
(fcbnell bittierte, unausgeglid}ene Settelarbeit!), oom wiffenf^aftlidjen
Stanbpuntt aus Stümperei ift1), bas ift in ber eoangelifchen Über*
lieterung ein natürlicher projeft, nichts fehlest (bemachtes, fenbern in
oerfefnebener IDeife ©ewaebfenes. Hn Diogenes £aertius muft biefer
anöere IHaftftab angelegt werben, weil er ftd? als Scbriftfteller gibt,
ein langes Dorroort fchreibt, feine ©ewäl)rsmänner nennt, aber tein
in fid) gejdjloffenes IDert fertig bringt, ©ine Solche literarifdje Perfön*
lichteit fann mit feinem ©oangeliften, auch nidjt mit £ufas oerglidjen
werben, ©ine anbere $rage, auf bie nod) jurüefäufommen fein wirb,
ift die, ob nicht in foldje Biographien ©injelftüde unb Heine Samm*
langen bmeinoerwoben finb, bie in ihrer Hrt ben ©oangelien, b^w.
ihren Dorftufen entfpredjen. ©roh ihrer fritifd)en ©rfenntnis haben bie
aleja nörimfd)en Biographien bie Doltstümlid)en Überlieferungen
in ihrer Unausgeglichenheit nicht gefidjiet, fonbern nur gefammelt2).
Aber fie wollten bei alle bem gelehrt fein unb waren es and}, wenn
man ihren 51eih unb Stoffreid?tum bebentt, unb finb oaher anbers
ju beurteilen als bie ©oangeliften.
©benjowenig fann ein anberes „IRanto" ber ©oangelien aus
öer antifen Biographie*£iteratur erflärt oöer auch nur in Sufammen*
hang mit ihr gebracht werben. IDir wiffen, bah in ben ©oangelien
jum Ülangel an «ZFjronologie, an dufterem Sufammenhang ber ÜTangel
an pfpehoiogie, an innerem Sufammenhang fommt: wir finben in ben
©Dangelien nichts oon einer ©ntwidlung öes gelben. Das fehlt nun
in ber antifen Biographie überhaupt3). Diefe ©atfadje bringt einen
neueren Bearbeiter bes £ufas=©oangeliums4) auf öen ©ebanfen, oas
brüte ©oangelium, bas er für eine „£ebensgefd)uhte im Sinne ber
äeitgenöffifdjen ©efd)id)tsfd)reibung5&
)" hält, in bie antife ©cfdjidjts*
’) Dgl. öle flnaltjfe, bie ©Ovarb Sdjwarh (sub voce Diogenes £aertius)
in öer Uealenjqtlopäöic ber flajfifdjen fllrertumsroiffenfchaft oon paulr)*IDtffou)o=
Kroll gegeben bat. ITiir fqeint, bafj (E. Schtoarp >n feiner Hnalqfe bes Johann es«
©nangeliums (flporten im oterten (Eoangel’um. Jn: Haiftrtchten 0011 ber ®efeBs
idjaft ber tViffenfdjaften 311 ®öttmgen, phil.’hift. Kl. 1907. 1908) gerabesu unter
bem «5wang ber Dlethobe fteht, bie er Diogenes Caertius gegenüber rid^tiq an*
gewenbet bat Hidjt genug fann er fid) rounbern über bie IDiberfprüdje innerhalb
bes 3ohannes*(EoangeIiums, er fann hier nur urteilen: „ungereimt, ungeheuerlich,
unerhört, infipibe"; er oermag nid}t btefes „d^aos", biefe „oabplonifd)e Der*
roirrung" „aufjubröieln"
2) Dgl fi ©erde u <t Horben, (Einleitung in bie flltertumstDiffenfcpaft,
I2 1912, S. 266f.
3) „Daran pflegt bie antife Biographie faft nie auch nur 3U benfen" (o IDila*
momiVIKölIenoorf in Die Kultur ber ©egenroart, I, 82 1907, S. 118)
4) D ©. 3ansfen, Der literarijehe ©harafter bes £ufas*€oangeliums,
Differtation oon 3ena> S. 7ff.
&) £ür (Ebuarb IHeper, Ursprung unb Rnfänge bes (Ehriftentums, 11921,
54 K. £. Sdjmibt. Die Stellung ber (Evangelien in ber allgem. £iteraturgefd|id)te
£üeratur bas fjeroortreten bes Derfaffers mit feiner Perfon, ber bas
Bebürfnis hat, feinen Stoff 311 beglaubigen, feine Quellen 3U fdjilbern,
feine ©ewährsmänner ansugeben, feinen plan 3U entwideln. Das
fehlt bei IRartus oöllig unb im wefentlid)en bei ben ©Dangeliften
überhaupt. RUerbings tritt bas literarifdje 3ch in ben fpätereti ©oan*
gelien immer ftärter fyeruor. Diefe nähern fid) alfo ber IRemoiren*
£iteratur bis 3U einem gewiffen ©rabe. $ür bie älteren (Enangelien
aber finbet 3ofyannes IQeifj mit Red)t einen Unterfdjieb. ©benfo ur*
teilen anbere, bie fid) 3U biefer $rage geäußert haben. p. IDenblanb1)
finbet, baff fowohl in Xenophons IRemorabilien als in Rrrians (Epiftet
ber IDert non ber fd)riftftellerifd)en perfönlid)teit abhängt. ©.Bauern*
feinb2) fielet in ben IRemorabilien nur eine Rbart ber biograp^ifc^en
£iteratur, über bie nod} 3U fpre^en fein wirb. IR. Dibelius3) beruft
fid) auf p. IDenblanb. fjans.non Soben4) meint: „Sinb bie ©oan*
gelienbüdjer für uns hiftorifdjen ©haratters, fo finb fie bas ihrer ur*
fprünglid)en Rbficht na^ teineswegs unb haben weber mit ber antifen
Biographie nod) mit ber antifen IRemoiren Literatur formelle Der*
wanbtfd)aft." R. Bultmann5) weift barauf hin, ba§ bem (Enangelium
im Cegenfa^ 3U ber IRemoiren *£iteratur unb ber tjelleniftifcfjen Bio*
graphie bas eigentlich biographifdje 3ntereffe unb bie ©edjnit feiner
Durchführung fehle6). Der neuefte Bearbeiter ber literarifdjen $orm
ber ©uangelien, ber fjollänber ©.Bouma7), fchliefjt fich 3- IDei^ an
unb macht mit Recht nod) auf folgenbes aufmertfam: in ben ©oan*
gelien ftel)en nid)t ohne weiteres wie in ben IRemorabilien bie Reben
gegenüber ben ©aten im Dorbergrunb. Serner: in Xenophons IDert
finb bie perfonen, mit benen Sotrates fpridjt, meiftens mit Hamen
genannte perfönlid)teiten, in ben ©Dangelien bagegen treten Diele un*
genannte IRenfd)en aus bem Dolfe auf; fo fällt alles £id)t auf 3^fus,
ber hier ftärter im IRittelpuntt fteht als bort Sotrates.
©s ift fdjon oben barauf hiugewiefen worben, bafj ber Der*
gleid) ber ©Dangelien mit Xenophons IRemorabilien im, ©runbe
nichts anberes ift als ber Dergleich 3efu mit Sotrates. Diefer
’) Die urd)riftlid)en £iteraturformen, 2. u. 3. Sufi. 1912, S. 266.
2) Die literarische $orm bes (Enangeliums, ^eol. Differtation non ©reifs»
walb, 1915, S. 7.
3) Die $ormgefd)id)te bes (Enangeliums 1919, S. 17.
4) Die (Entfteljung ber djriftlidjen Kirdje (Hus Hatur unb ®eifteswelt Ur.
690) 1919, S. 72.
5) Die ®efd)id)te ber fpnoptifdjen ©rabition 1921, S. 228. *
6) Bultmann nennt in biefem Sujammenbang aud) „eine Rnefbotenjammlung
wie bas £eben bes Ä|op" unb f$eint hier bie (Eetfinii ber Biographie, bie er bei
ben (Enangelien nid)t finbet, finben 3U wollen. Darüber unb über bie non Bult*
mann betonte Derbinbung ber (Enangelien mit IKpthus unb Kult wirb nod) unten
3u reben fein.
7) De literarische vorm der Evangelien, CUjeol. Differtation non Hmfteroamf
1921, S. 149 ff.
56 K. £. S^mibt: Die Stellung der (Enangelien in ber allgem. £iteraturgef<hid)te
$rage gilt es, fo wie bie "Dinge liegen, natf^ubenfen, ba bis auf
biefen dag bie literarifdje Beurteilung ber ©vangelien von ber ge=
nannten inhaltlichen ©egenüberftellung beeinflußt ift. „3efus ©h^ftus
unb Sofrates: bie beiben Kamen bejeichnen bie hörten (Erinnerungen,
welche bie IHenfchh^ü befi%t" - biefes Wort H. v. harnacfs1) vßr=
beutlicht am beften, warum man immer wieber geneigt ift, bie Über=
lieferungen non beiben perfönlidjteiten, bie felbft nichts Schriftliches
hinteriaffen, aber burch £ehre unb leben unb ©ob gewirft hoben,
gegen einanber unb mit einanber 3U überbenfen2). (Ein 3ahrhunöert
lang hören wir in <hriftli<hen Kreifen nichts non Sofrates; nachbem
er aber um bie IKitte bes 2. ^ahrhunberts jum erften IRal genannt
ift, verfchwinbet er nicht mehr unb bamit auch nicht ber hinweis auf
Xenophons IKemorabilien 3ur Derftänblichmachung ber ©vangelien.
Unb gerabe 3uftin, ber als echter <hriftli<her Hpologet 3efus unb
Sofrates einanber am nächften gerücft hat» nennt mehr als ein Dußenb
mal bie (Evangelien äKopvnpoveupaTa tüv äKoaTöXwv3), fo wie Xenophon
feine Sofrates=Schrift äTropvqpoveupaTa genannt hot- ®b 3nftin babei
Xenophons Werf wirflich im Suge gehabt hat ergibt fich allerbings
aus feiner feiner Husfagen mit 3wingenber Deutlichfeit. Wenn man
jeboch bebenft, wie 3uftin im Hachtrag feiner Apologie (II, 10. 11)
(Ihriftus bem Sofrates gegenüberftellt unb unmittelbar barnach ein
ausführliches Sitat aus Xenophons Blemorabilien mitteilt, fo ift es
faum 3U Zweifeln, baß er eben an biefen Urtqpus ber ©attung ber
äTropvnpoveupaTa hat erinnern wollen. Wie ftarf biefe (Einteilung
3uftins nicht nur auf anbere dltchriftliche Schriftsteller, fonbern auch auf
moberne (Evangelienforfcher gewirft hat, verbeutlicht uns am fchärfften
©h- Sahn, ber bie altchriftlichen ©ebanfen in be3ug auf biefe Der=
gleichung befchreibt unb fich ihnen mit großem Uachbrucf anfchließt.
©erabe in biefem Sufammenhang werben Sahn unb biejenigen, bie
ihm folgen, in einer Huffaffung ber ©vangelien beftärft, bie fchon
vertriebene Ulale non mir oben abgelehnt worben ift. 3ei 3uftin
ift bie apologetifche Abficht ausfchlaggebenb, bas ©hriftentum in bie
Bilbungsfphäre 3U erheben; non hier aus will er bie (Evangelien burch
bie Be3eichnung „Blemoiren" in bie ho^h^^fatur einreihen, ©hne
baß fich Sahn über biefe $rage weiter ausläßt, macht er offenbar
biefe (Einreihung mit, wenn er meint: „Der ttame war trefflich ge=
wählt unb fehr geeignet, bem literarifch gebilbeten heiben eine richtige
T) Sofrates unb bie alte Kirdje, Berliner Reftoratsrebe 1900; roieber ab=
gebrudt in „Reben u. Ruffähe" 1903, 2. Rufi. 1906.
2) Dgl. aufjer ber hatnad’fdjen Rebe nor allem $. CElfr. Baur, Sofrates
unb (Ehriftus (Rbhanbl. hrsg. non Cbuarb Seiler 1876).
3) (Eine genaue Befpredjung biefer Stellen gibt (Eh- Sahn, (befdjidjte öes
neuteftamentl. Kanons, 1 1889, S. 466 ff. Die Stellen felbft finb bei (E. preufdjen,
Rntilegomena, 2. Rufi. 1905, S. 33ff. abgebrudt.
K. £. Sdjmibt: Die Stellung ber (Eoangelien in ber allgem. Citeraturgefdjidjte 57
’) Dgl neben anderen meine Kritif bes ITCeqer’fd)en Buddes in ber „diriftl.
IDelt" 1921, Sp. 114ff. Huf bas, was uns f)ier befonbers angelt, madjt nod)
Werfer aufmerffam ITC. Dibelius in ber „Deutzen Citeraturßeitung" 1921,
S. 225 ff., ber gerabe in ber Wertung ber Papiasnotij burd) ITCeper einen Rüdfall
in überlebte ITCetljoben finbet.
K. £. Sdjmtbt: Die Stellung der CDangelten in ber allgem. Citeraturgejdjidjte 59
geübt würbe1)." (Es tann fein Sweifel befielen, baß Ejier 3. IDeiß
eine wichtige (Eigenart bes IKarfus=(Eüangeliums unb ber (Enangelien
überhaupt fein beobachtet, aber falfd) gewertet hat. Die $rage, ob
ITlarius in ber £inie ber peripatetifdjen Biographie fteht, barf nicht
geftellt werben; fie ift für bie (Erfenntnis ber (Eoangelien fdjledjterbings
unfruchtbar. 3e^es £egenbenbud), jedes Dolfsbudj, manch anderes
(Erseugnis ber Kleinliteratur, bas nid)t ben fjelben betreibt, fonbern
nur feine EDorte unb Caten heroorhebt, fönnte unb müßte bann mit
ber peripatetifchen ITlethobe in Derbinbung gebraut werben. EDas bei
ben Peripatetitern fiel) als bewußtes Kunftmittel gibt, ift in ben (Enan=
gelien, £egenbenoüchern unb Dolfsbüchern ein unbewußter Dorgang,
etwas non felbft (Bewadjfenes2).
’) s. 150.
2) Auf einem anberen Blatt fteht, baß allerbings manche altdjriftlidjen
Heiligenleben, bie non philofopHif^ gebilbeten £iteraten getrieben finb, mit ben
TTtitteln ber peripatetifchen IRethobe arbeiten. Dgl. H- Dtertel, Die biographifefie
$orm ber griedjifefien Heiligenlegenben, PHü- Difiertatton non ITlünchen, 1909.
Rad) bieder Darstellung ift bie Antonius=Dita bes Athanafius nad) bem plane
ber plutard)ifd)=peripatetifd)en Biographie aufgebaut unb bietet bie tppifd}e $orm
bes plutardjifchen Bios, befien ©efchlofienheit Athanafius allerbings wegen feiner
erbaulichen ©enbens nidjt erreicht habe. Ridjtig ift erfannt, baß bie Derfdiiebenen
Blot, bie bem AthanafiusADerf folgen, ber Kunftprofa angehören. (Eine Ausnahme
btlbet bie populäre 3ohannes=£egenbe bes £eontius im 7. 3ahrhunbert, bie irr-
©egenfaß 3ur hagiographifefien Kunftprofa ftarf nonelliftifdpanefbotenhaft ift,
„nid}t ein £eben, fonbern 3üge aus bem £eben bes ^eiligen öarfteHt, gerabe ba=
buref) aber bie Aufgabe erfüllt, bie bie Dolfsfchriftftellerei erfennen muß, eitifad)
unb flar 3U er3ählen" (IRertel, S. 90). Hadjbem IRertels Beurteilung ber Antonius»
Dita mannigfache Suftimmung gefunben hatte, hat K. H 0 ll in einem Auffaß über
„Die fchriftfteHerifcfie Sorm bes griechifefien Heiligenlebens" (Heue 3ahrbücfier für
bas flaffifche Altertum . . . 1912, S. 406ff.) wichtige (Einwänbe erhoben; er finbet
in ber Antonius=Dita eine gefchloffene innere $orm unb meint: „Klan muß im
Altertum weit laufen, bis man eine Schrift finbet, bie fich an Strenge bes Stils
unb an fünftlerifcfier ©efcfiloffenheit mit ber Vita Antonii Dergleichen ließe."
©egen biefe Beurteilung hat u. a. R. Reißenftein in feiner Abhanblung „Des
Athanafius Werf über bas £eben bes Antonius. (Ein philologischer Beitrag 3ur
®ef djichte bes IRönchtums" (Sißungsberichte ber Heidelberger Afabemie ber TDiffen=
fchaften, phil.’hift. Kl. 1914) (Einfpruch erhoben. (Er finbet nicht in bemfeiben
IRaße wie Hoß in ber Vita Antonii eine innere (Entwidlung, fonbern etwas mehr
äußerliches, einen SortJdjritt in geographif<her Hinmt: „Kein Sortfcfiritt ber
Hanblung. Diefe ftagniert unb muß ftagnieren. Illit einem gewiffen äußeren
©efdjid ift baher bie $ülle ber IDunbergefchichten unb Difionen eingelegt (bis
Kap. 66). (Es finb bie üblichen IRöndjsersählungen, wie wir fie aus ber Historia
Lansiaca unb Rufins Historia monachorum ober bem Hilarion=£eben bes H^ro»
npmus 3ur ©enüge fennen" (S. 20). So bringt Reißenftein bas Athanafius=IDert
mehr mit ber religiöfen Kleinliteratur 3ufammen, um allerbings boefi baran feft=
3uhalten, baß Athanafius bie Kunftform bes antifen Blos fennt. IR. (E. hat
Reißenftein im wesentlichen richtig gefehen. Sein ffiegenfaß 3U HoH fiat fpmpto»
matifefie Bebeutung für ben (Enangelienforfdjer, ber auf feinem ©ebiet biefelben
{triftigen fragen (Kunftliteratur, Kleinliteratur; Kompofition, ©rabition; Durd)=
füfirung eines literarifd)en planes burefi eine Sd)riftfteüerperfönlidjteit) in Angriff
3U nehmen hat.
52 K. £. Sd)miöt: Die Stellung öer (Eoangelien in öer allgem. £iteraturgefd)i<^te
als bei Öen (Evangelien, anbererfeits aber aud? Heiner. Das erftere
hängt mit bem über viele Ja^r^unberte ftd? erftredenben Überliefe*
rungsgang ber Üd)ifar=(5ef^i(f}te 3ufammen, ber bie verhältnismäßig
fdfnell fich voll3iehenbe ©ntwicflung weniger (Evangelien 311 einem Kanon
gegenüberfteht. Das 3weite fommt baher, baß bie Ad}iJar=©efchid)te
in fid) felbft viel einfacher, viel weniger vielseitig als bie (Evangelien
ift. Unb von ßier aus erfdjeint fdjließlich ber von ©reßmann em=
pfoßlene Dergleid? ber ©vangeIien=DoItsbücher mit bem Hd)ifar=DoItsbud?
etwas Schwierig, ©ewiß, bie Beobachtung ift richtig, baß in beiben
fällen eine IRifchung von Sprüchen unb (Er3ählung vorliegt. Über im
Hchifarbud? liegt’s fo, baß in ben jüngeren Raffungen nur an 3wei Stellen
— am Anfang unb am (Enbe — eine lange Spruchreihe, 3uerft als (Er*
mahnungs*, bann als Strafrebe fteht. (Db biefe (Einteilung auch in ber
altaramäif^en Raffung gewefen ift, erscheint fraglich1); wahrscheinlich
Stauben alle Sprüche ergäbt burd? mancherlei Sabeln an einem (Drte
vereint. 3m übrigen läuft bie ©efamtersählung folgerichtig unb glatt
ab. Diefer (Einfachheit ber ©efamtanlage entspricht bie ©inbeutigfeit
bes ©runbmotivs, bas am Schluffe mitgeteilt ift: ber, ber feinem
Häuften eine ©rube gräbt, fällt felbft in fie hinein. (Es liegt auf ber
fjanb, baß Rnlage unb Sinn ber (Evangelien nicht fo einfach finb,
nicht fo fdjneU umfehrieben werben tönnen. Daher hot ber Dergleid}
ber (Evangelien mit ber üchifar=(5efchichte nur etwas halb Richtiges,
jebenfalls eine nicht 3U überfehenbe ©ren3e. Die (Evangelien finb eine
Sammlung von IDorten unb (Taten. Der S<h werpunft bes Rchifar*
Romans liegt in ben Sprüchen unb gehört troß feiner Rahmenersäh*
lung in ben Bereich &er IDeisheitsliteratur2).
Um bie ,,(Evangelien*DoIfsbücher" 3U verftehen, ift es gerabe
wichtig, auf Parallelen 3U achten, bie eine Überlieferung unliterarifcher
Rrt in folgenber IDeife verbeutlichen: Kurse ©efd}id}ten unb leicht ein*
Cod. Sachau Ar. 336, Phil. Differtation von ©ießen, ergängt von p. Kal)le. —
(Eine ftrittige (Eingelfrage, bie bie Derwideltljeit ber Ad)ifar=Überlieferung nod)
befonbers beleuchtet, ift iEjr Verhältnis gur Afop=®efd)id)te. Dgl. guletjt Auguft
^ausrath in ben Sitjungsberidjten ber Ejeibelberger Afabemie ber Wiffenfdjaften,
Phtl-'hüt Kl., 1918.
’) Auf ®runb ber oben genannten Sa<hau’fd;en Ausgabe ift eine aud) nur
einigermaßen fidjere Beantrvortung biefer $rage nicht möglid).
2) Dgl. (Ebuarb Kieper, Der Papprusfunb von (Elephantine 1912, S. 116:
„Der gefd)id)tlid)e ®eil gibt nur bie (Einfleibung, ben Anlaß, bei bem Adjiqar
feine Weisheit vorbringt.. (Es ift eine Rahmenergählung, wie in fo vielen orien*
talifd)en lRärd)enfammlungen, bie ja gleichfalls vor allem Belehrung geben wollen,
ober wie gu ben äfopifdjen fabeln urfprünglid} bas ,£eben Äfops1 gehört, bas
bie Aniäffe gibt, bei benen er bie eingelnen Sabeln ergählt hv£" Anmerfungs*
weife heißt es nod): „Aud) bie ägqptifdje ®efd)i(hte von ben Sprüchen bes Bauern
gehört hierher, unb ebenfo bas £eben Ejomers mit ben eingelegten ®ebid)ten unb
ben Sprüchen unb Dejier*Derfen im Wettftreit mit Ejefiob."
K. £. Schmidt: Die Stellung der Cnangelien in der aUgem. Citeraturgefdjihte 55
') 3n: Die Religion in ®ejd)id]te u. ©egenwart, Bö. 3, 1912, Sp. 354.
X. £. Sdjmibt: Die Stellung ber (Eoangelien in der allgem. £iteraturgefd}idjte 75
ber $all ift." Seh möchte biefem (Einwanb einen weiteren hinsufügen:
ü. Soben Jagt richtig, unfere (Evangelien feien fehr verwictelte, aus
Dielen unb ungleichartigen Elementen 3ufammengefügte Schöpfungen,
auf bereu (Entfaltung mancherlei jübifche unb heUeniftifche Dorbilber
gewirtt hätten. 3<h glaube, baft biefe Dielheit unb Ungleichartigfeit
ber ein3elnen Beftanbteile ben Cvangelien dou Anfang an eignet unb
feine IRöglichfeit befteht, ein Urevangelium mit einem apofalpptifchcm
(Brunbfchema heraus3uarbeiten.
B.
Wenn wir dou biefem einen Derfuch, bie literarifdje Keilwelle
ber (Evangelien 3U beftimmen — feilte fie gefunben werben tönnen,
fo fommt tatfächlich bie fpätjübifche Apotalpptit in erfter £inie in Be»
tracht1) —, abfehen, fo haben wir grunbfäftlich nur über Analogien 3U
ben Cvangelien nad^ubenfen. Daft nur ein Analogie=Derfahren finn=
unb 3wecfDoll ift, leitet fich aus Catfachen ab, auf bie wir bei bem
tritifchen Überblick über bie bisherigen Derfuche immer wieber ge*
ftoften worben finb. Diefe Catfachen gilt es fefauhalten unb aus3u=
werten. Das (Evangelium ift von ^aus aus nicht fjochliteratur,
fonbern Kleinliteratur, nicht inbivibuelle Schriftfte11er =
leiftung, fonbern Dolfsbuch, nicht Biographie, fonbern Kulh
legenbe. Die leifen Anfä^e in anberer Richtung änbern an biefem
Cefamtbilb nichts. £ufas hat troft feiner wohl vorhanbenen fdjrifh
ftellerifchen Sähigfeiten eine Biographie nicht fdjaffen fönnen ober
wollen, unb bas vierte (Evangelium, bas in gewiffem Sinne eine
perfönliche Befennerfchrift ift, hat mehr übernommene Überlieferung
hinter fich, als wir feftftellen tönnen, unb ift über bas Perfönliche
hinaus von einer Betennergemeinfchaft getragen. Auf einem be=
ftimmten Strang ber £iteraturgefchichte finb bie Cvangelien nicht 3U
finben. Die nichtfanonifchen Ausläufer finb troft einiger Anleihen bei
ber „Welt" im wefentlichen nichts anberes als bie früheren Cvange=
lien, bie eben boch bie Bluffer bleiben.
l.Beftimmten literarifdjen (Beferen folgen aber bie apotrpphen
Apo ft el geeichten, bie in bie (befchichte bes h^üeniftifdjen Romans
einsureihen finb2). Daft manche Ejeiligenleben aus ber griedjifchen
') Die Dorftellung 00m märttjrer unö bie märhjreratten in itjrer gefd)id)t=
lidjen (Entroidlung. 3n: Heue 3al}rbüd)er für bas flaffifdje flltertum ... 1914,
S. 521 ff.
78 K. £. Sdjmibt: Die Stellung ber (Evangelien in ber allgem. £iteraturgefd)id)te
biefe Urfunben hat es gar ni(ht gegeben; jedenfalls hat fie Ruffin
niemals gefehen. IRan f?at glüdIi<herweife bie Soangelien gelaffen
wie fie waren, unb feine ©efdjiihte Jefu mit Quellenangaben gefdjrieben.
Hur 3uftin l>at fich bamit begnügt, bie (Enangelien äTropvqpoveupaTa
tüv äirooTöXwv 3U nennen, b. h» ihnen wenigftens einen bas Urfunblich^
betonenben XZitel 3U geben.
Hbgefehen baoon, bafj bie Kanonisität foldje literarifdje <Ent=
widlung oerhinbert f?at; f(heint mir $olgenbes non Bebeutung ju fein:
Die (Eigenart ber (Enangelien, wie fie fid) uns immer wieber bar*
gefteUt hat, ift non nornherein gegenüber einer literaturgef^idjtli^en
(Entwicklung unb (Entfaltung fpröbe gewefen. Don manchen fjeiligen*
leben gilt flljnlidjes1), unb aud) bie DTärtpreraften finb nidjt f^Iedjtljin
in bie £iteraturgefd)i<hte einbesogen worben. Bei ben (Enangelien ift
bas aber in nie! ftärferem lila^e ber SaU. So fchwierig aud; bie
$rage 3U beantworten ift, was gefdiehen wäre, wenn bie Kanonbilbung
nic^t eingetreten wäre, fo nie! barf bod) wohl gejagt werben: bie
(Enangelien wären auf jeben $aU wegen ihres eigentümlichen Schwer*
gewidjts geblieben, was fie waren; unb bie Kanonbilbung ^at in be3ug
auf bie (Enangelien etwas äußerlich abgefdjloffen, was innerlid}
fertig war.
2. HU biefe lebten (Erörterungen haben uerbeutlidjt, bafe bie (Euan*
gelien nid^t in eine literarif^e (Entwidlung gesogen worben finb, wie
wir fie im Bereif ber apofrqphen Rpoftelgefdji^ten, Heiligenleben
unb IRärtpreraften haben beobachten fönnen. Diefe unfre inbirefte
Beweisführung gilt es nunmehr bireft nach &er Seite aus3ubauen,
ba^ bie (Enangelien grunbfätjlich mit ber Siteraturgattung 3ufammen*
gefteUt werben, bie bafür als eh^ige in Betracht tommt, mit ber
Biographie. Was bisher in Huseinanberfehung mit ber Betrachtung,
ba§ bie (Enangelien mit ber griedjifdjen Biographie* unb Btemoirem
literatur nerglidjen werben müßten, ausgeführt ift, hat beten Kn*
ergiebigfeit geseigt Die $rage, ob bie (Enangelien überhaupt non
ber Biographie absurüden finb, fann ein Wortftreit fein, je nach bem
ber Begriff ber letzteren gefaxt wirb. Wie fd)wierig hier bie Begriffs*
beftimmung ift, 3eigt ein Blid in bie nerfdpebenen Ejanbbücher unb
Spesialunterfudjungen2). (Eine ausgereifte Biographie3) ift bie mit
gefdjichtlicher Kunft ausgeführte DarfteUung bes lebens einer Perfon.
Sie umfaßt fowohl bie äußere als bie innere (Entwidlung ber bar*
gefteUten perfönlichfeit. Wenn bas erreicht werben JoU, finb bie
’) Dgl. oben S. 61, flnm. 2, u. unten.
2) Dgl. (E. Bernheim, £et)rbud) öer t)iftorifd|en IRetljoöe unö öer ®e=
fd)icf|tspt|ilofopt}ie, 5. unö 6. Huf!., 1908, passim. .
3) (Es fei an öie Befinnung ©oettjes in öer (Einleitung 3U „Bus meinem
£eben, Didjtung unö XDaljrfjeit" erinnert.
80 K. £. Sdjmibt: Die Stellung ber ©oangelien in der allgem. £iteraturgejd)id}te
Stoff sum Dergleid) 311 nerwenben. Uber auf biefe Seite fommt es
im (brunbe eigentlich gar ni<$t an. Denn biefe Rrt non biograp^if^er
Überlieferung, auf bie wir geführt worben finb, folgt benfelben Über*
lieferungsgefe^en in allen Seiten, in allen Sprachen, in allen Kulturen,
Raffen unb Befenntniffen. Sie ift ihrem Wefen nad) seitlos unb
ortslos unb nidjt in erfter £inie burd) bie Sad)e bebingt, bie fid)
eine befonbere literarifche $orm gefdjaffen -hätte. Die Srage, woher
wir ben Dergleidjsftoff 3U ben (Enangelien 3U nehmen haben,
ift alfo fehr fdjnell unb fehr einfach 3u beantworten. Unb biefe Rnt=
wort liegt gan3 in ber £inie beffen, was fdjon oben über bas Der*
hältnis ber ifraelitifdpiübifchen 3U ben henenifd)=heneniftifd)en parallelen
ausgefagt ift. Darüber hinaus fann unb mu§ ber Bereich, in bem
wir auffchluffreidje parallelen Judeen unb finben, bentbar weit gesogen
werben. Die Ruswahl, bie im folgenben getroffen ift, Jucht bie bereits
gewonnenen Richtlinien weiter aussubauen. Rufs (banse gefehen, hat
Jie in bem, was fie an neuem Stoff bietet, etwas Sufälliges. Das
fann unb mu^ fo fein, weil bei bem hier oorgeführten Dergleid)ungs*
uerfahren ber Jnhalt unb ber inbioibuelle Urfprung ber betreffenben
Parallelen unwefentlidj finb. Wefentlid) bagegen ift bie Rrt ber in
Derfd)iebenen Seiten unb an uerfdjiebenen (Drten fid) finbenben Stüde:
es hanbelt fid) um uolfstümlid)e Sammlungen non Worten unb (Taten,
Reben unb (befdjichten; „foldje Doltsbüd)er, bie nicht £iteratur im
ftrengen Sinn bes Wortes finb, haben fich immer etwas non ber freien
Beweglidjteit ber münblid)en Überlieferung bewahrt1)"- Unb bie ur=
fprünglidje (Einheit ber münblidjen Überlieferung ift ber furse (Einsei*
bericht. ,
(Es empfiehlt fid), biefe Sache an möglidjft einfachen Sailen
3u nerbeutlichen. (Eine reiche $unbgrube ift hier bie grofee, in Paris
erfchienene Sammlung non etwa 50 Bänben: Les litteratures popu-
laires de toutes les nations. 3m erften Banb, ber ben beseichnenben
(Eitel: Litterature orale de la Haute-Bretagne (1881) trägt, hat
Paul Sebillot auf bie Rrt ber (Ein3elgef<hid)ten unb ber aus biefen
entftanbenen Sammlungen geartet. Richtig hei^t es non biefer Litte
rature orale: „On pourrait presque dire qu’elle est partout et
nulle part.“ (Ein erftes (Eharafteriftifum für bie münblid)e Über*
lieferung ift, ba^ fie in $orm oon Darianten befteht. Daft biefe
Dielfad) innerhalb berfelben (Ersählung neben einanber flehen bleiben,
3eigt, wie ber „Sufammenhang" 3U werten ift.\ Diefer ift, aufs (banse
gefehen, fetunbär. Die Dertnüpfung ber (Einselftüde ift lofe unb nicht
betont, baher djronologifd) unb pfqd)ologifch ni^t ergiebig. Wie un*
Betont ber Rahmen, in ben bie Gefchichten hineingeftellt finb, ift, er=
gibt fic^ nor allem baraus, ba§ halb eine Derfnüpfung gegeben ift,
halb nid}t. 3m erfteren $all ift fie jiemlich allgemein gehalten.
3mmer rnieber lieft man: le lendemain; apres cela; un peu plus
loin; quelques jours apres; au bout de quelque temps; une autre
fois ufro. (Es ift felbftnerftänblidj, ba^ mit folgen „Seit"Angaben
für bie wirfliche Seitbeftimmung gar ni^ts gewonnen ift. Uten wirb
in nielen SäUen bie (5e|d|id|ten in ihrer Reihenfolge mit einanber
uertaufchen fönnen. Rb unb ju gehören allerbings bie (Einselftücfe
3ufammen. "Dann ift aber ber „Sufammenhang" auf Grunb einer
inneren Sufammengehörigfeit entftanben, bie erft recht fefunbär ift.
3u folchem Hlangel an Chronologie tommt ber an Pfpdjologie. (Eine
eigentliche Perfonalfchilberung wirb nidjt gegeben. "Durch Ijanblung
ober Wort fon3emriert fi<h alles auf bie fjauptperfon, währenb bie
Hebenperfonen jurüdtreten. Diefer erjählenbe Stil ift reich in feiner
Kargheit. Soweit biefe letztere Deriaffen ift, bebeutet bas in ber
Regel feinen Gewinn. 3n jüngeren 5affungen ober auch erft in ber
Schlufjrebattion tauchen öfters neue (Drtlichfeiten unb Perfonen auf.
Die urfprüngliche Raffung hat ba gar nichts ober etwas anberes ge=
habt. Diefe Dinge fommen unb gehen. Unb bas buntfeheefige Bilb
hat für ben, ber bie Unbetontheit folcher Rngaben erfennt, nichts Be=
langreiches. Die Herausgeber unb Crflärer ber Doltserjählungen aus
neuer unb alter Seit haben bies richtig gefehen; 5- ITC« £ujel, ber in
ber oben genannten Sammlung „Legendes chretiennes de la Basse-
Bretagne“ (1881) herausgebracht hat, meint: „Les conteurs popu-
laires ont la fächeuse habitude d’introduire dans leurs recits des
noms de localites et de personnes dans leurs recits qu’ils con-
naissent, les substituant ä d’autres noms plus anciens et qu’il
eüt ete interessant de connaitre.“ Unb bejüglich ber Chronologie
in folchen Grjöhlungsgruppen fagt C. Rmelineau in ben „Monuments
pour servir ä l’histoire de l’Egypte chretienne au IVe et Ve
siecles“ (1888): „Je dois aussi prevenir le lecteur de quelques
phenomenes propres ä la maniere egyptienne de composer. A
chaque instant on trouve dans les textes coptes, comme dans
les anciens textes hieroglyphiques et hieratiques, des locutions
comme celles-ci: Beaucoup de jours apres cela, longtemps apres,
etc.; ces sortes de locutions ne signifient absolument rien ou
signifient simplement quelquefois le lendemain. En general les
conteurs egyptiens n’attachaient aucune importance ä la notion
precise du temps : ces formules leur remplissaient bien la bouche,
c’est tout ce qu’ils demandaient; ils s’en servaient comme de
phrases vagues, comme nous disons vulgairement: et puis, ou
apres cela. II ne faudrait donc pas bätir de Systeme chronologi-
86 K. £. Sdjmibt: Die Stellung ber (Eoangelien in ber allgem. £iteraturgefd)id)te
gewiefen ju haben. (Es tann fein Sweifel beftehen, bafe Diele alt=
teftamentli^en (Er3ählungen, wie fie (Bunfel erläutert, in ben Bereif
ber Doltsliteratur gehören. Die (Benefis ift bie „ttieberf<hrift münb»
li^er Dolfstümli^er tirabition". Was (Buntei im einjelnen, nor allem
in ben (Einleitungsparagraphen ausführt, entfpri^t gans bem, was
oben im Rnfdjlufe an ältere unb neuere Dolfsersählungen feftgeftellt
ift. Rueff fjier ift bie (Entfache ber Darianten heroorgehoben. „üolfs=
tümlidje Sage befteht ihrer Hatur nach in ber Jorm ber einjelnen
Sage." „Der ,Sufammenhang“ aber, ber 3wif<hen ben einjelnen
Sagen befteht, ift in Dielen 5äUen fpäterer fjerfunft." „Der Sagen»
erjälfler hat ferner feinen Hörern nicht 3ugemutet, fo wie es etwa ber
moberne Romanbichter tun fann, fid) für fehr Diele perfonen 3uglei<h
3u intereffieren." „Dabei fällt 3unächft bie Kurse auf, mit ber bie
Rebenperfonen behanbelt werben. Wir finb aus mobernen Schöpfungen
gewohnt, bafe womöglich jebe auftretenbe Perfon, wenn auch nur mit
einigen Sügen als ein auf fich ftehenbes Snbioibuum bargeftellt wirb.
(Bans anbers oerfährt ber alte Sagenersähler." „Rber auch bie
Scffilberung ber Hauptperfonen ift nach unfern Begriffen mertwürbig
targ." Diefe im Wortlaut mitgeteilten Äußerungen ®unfels oerbeut»
liehen, bafe er bas Wefen Don Dolfsersählungen befchrieben hat, wie
wir fie fchon in anberem Sufammenhang tennen gelernt haben. 3ns=
befonbere erinnert bas über bie Perfonenfcfeilberung (Befagte an unfre
früheren Rusführungen 0 über bas literarifche „Porträt". Ruf eine
methobologifche (Einselfeeit, bie nidp: ohne Tragweite ift, mufe babei
noch aufmertfam gemacht werben: (Buntei ftellt jeweils ben antiten
Doltsersählei unb ben mobernen Siteraten einanber gegenüber. Diefer
(Begenfafe ift tatfächlich einleuchtenb unb lehrreich- Doch mufe hinju»
gefügt werben, was (Buntei felbft weife unb auch burchbliden läfet:
Die „befonbere Dolfstümliche Betrachtung ber Wenfchen, bie fich in ber
(Benefis ausfpricht", finbet fi<h nicht nur in ber Rntite, fonbern auch
in anberen Seiten, foweit es fich nW um etwas fpesiell Rntifes,
fonbern um etwas allgemein Primitioes hanbelt. Das Hauptergebnis,
auf bas es antommt, wirb baburch nicht erfchüttert. (Buntei forbert,
bafe in erfter finie bie „<Ein3eIheiten" ber (Benefis 3U betrachten finb.
„Rber bie erfte $rage ift, auf welche biefer (Einseiheiten bie Haupt»
rüeffiebt 3U nehmen, b. h- welche biefer oerfchiebenen (Einheiten in ber
münblichen Erabition bie urfprüngliihe ift? (Es ift bies eine $rage,
bie fich in Dielen ähnlichen gälten wieberholt: welches ift bie mafe»
gebenbe (Einheit: bas £ieberbu<h, bie einselne Sammlung barin ober
bas einselne £ieb ? bas (Eoangelium, bie Rebe ober ber ein3elne Spruch,
ber non 3efus überliefert wirb? bie ganse Rpotalppfe ober bie ein=
3elne apofalpptifche Quellenfchrift ober bas einselne (Beficht?"
’) Dgl. oben S. 79f.
88 K. £. Sdjmibt: Die Stellung ber Cnangelien in ber allgem. £iteraturgefchid)te
Liefer (Einwanb änbert aber nichts baran, bah (Bunfel ber erfte unb
ftärffte (Exponent einer allerbings fiel) burdjfehen müffenben Biethobe ift.
Wichtiger ift bie Beantwortung ber $rage, warum man non
einem 3n=ber=£uft=liegen fprechen fann. Lie fogenannte formgefd)id)t=
lic^e Betradjtungsweife fragt ni^t fo fefjr wie bie £iterartriti! nach
Perfönlidjteiten, bie biefe ober jene Quellenfchrift verfaht haben, fonbern
rebet non ber (Bemeinbe, aus bereu ©efamtleben heraus bie urd)rift*
li^e unb vor allem bie Coangelien=£iteratur geformt ift. Lie frühere
mehr inbiüibualiftifc^e Betrachtung wirb non einer mehr f 03i0 Iogif cf)en
abgelöft. Huch ber WiHenfdjaftler ift ein (Exponent feiner Seit; bas ift
Schidfal unb (Blüd. (Eine neue gefd)id)tsphilofophifd)e (Einftellung ift
fpürbar für ben, ber beobachtet, wie fich auch im IDiffenfcEjaftsbetrieb
(Benerationen ablöfen. Cs ift begreiflich, bah ein folcher Sah, ber wie
ein Betenntnis ausfieht, befämpft ober gar ba3u benutzt wirb, eine
neue Blethobe als gefährlich ober als nicht belangreich hin3uhcnen.
Um fo beutlid)er muh aber bann gejagt werben, bah ber (Bang ber
Sorfdjung hier mit beftimmten (Ergebniffen ber religionsgefd)id)tlidjen
Arbeit 3ufammentrifft: in ber (Bef^id)te ber Religionen unb bamit ber
religiöfen £iteraturen hat bie Blaffe, bie (Bemeinbe eine gröbere
Bebeutung, als bas früher ertannt worben ift. Labei f^ult fiel) bie
ITTethobe am Stoff. Lie fcharf umrittenen perfönlid??eiten ber Kirchen=
näter, wie fie H. d. harn ad, unb ber antiten E)iftoriter, wie Jie
(Ebuarb Rieper uns verlebenbigt hat, nerlangen eine anbere Be=
hanblung als manche Hnonpmi bes Urchriftentums, bie fich f^wülen
Lunfel einer reifen Schöpfest, ohne bah beftimmte Schöpfer ober
(Brünber immer 3U Bezeichnen Jinb, nerlieren. (Es ift fpmptomatif^,
bah bie beiben jule^t genannten ^orfcher ihr Stubium ber (Eüangelien=
£iteratur in ausgefprochenem Blähe in ber Behanblung ber lulanifdjen
Schriften oeranfert haben. £utas ift für fie ein Blann nom Silage
bes (Eufebius ober bes Polpbius. Selbft wenn bas richtig fein
follte — 3um minbeften liegt eine Überfpihung vor -, fo ift bamit
nicht bas Wefentlidje ber (Eoangelien=£iteratur getroffen. (Entfcheibenb
ift bas Stubium bes älteften (Enangeliften Blartus unb ber Borftufen
ber (Enangelien. Labei ergibt fich eine Kluft 3wifd)en biefen unb
£ufas, über bie noch 3U reben fein wirb.
(Berabe berjenige, ber auf bie befonbere Stellung bes britten (Eoan=
geliften achtet, gewinnt bas rechte Rugenmah für bie (Eoangelien über*
haupt unb vor allem für ihre Borftufen. Was oben über bie (Eigen*
art non Bolfsersählungen, wie fie non ber hebräifchen (Benefis an
in allen Seiten gefammelt worben jinb, ausgeführt ift, gilt aud) für
bie (Evangelien. h^r bort 9^1 es weithin um biefelben fragen:
bie Barianten; bie (Ergiebigleit bes djronologifchen unb pfpd)ologifd)en
Sufammenhangs; bie Hrt ber Bertnüpfung ber urfprünglidjen tleinen
90 K £. Schmidt: Die' Stellung ber (Eoangelien in ber allgem. £iteraturgefd)id}te
nad) £rabition unb Kompofition anlangt, fo ift fie nid)t in allen $ällen
beutlid? 3U löfen. Bei ein3elnen Sägen Jann man im Zweifel fein, ob ber
Rutor biefe bereits in ber Überlieferung vorgefunben ober felbft er=
funben hat. Wie wenig er bas letztere getan hat, ergibt fid) aus
ben Ieid)t feftftellbaren Wiberfprüdjen unb Doppeler3äl)lungen. 3. B.
ift in Kap. 35 unb in Kap. 56 offenbar berfelbe Borgang ergäbet, fei
es ba^ ber Berfaffer beibe Barianten in ber Überlieferung oorgefunben
unb aufgenommen, fei es ba^ er felbft bie 3weite ®efd)id)te aus ber
einen urfprünglidjeren (Einbrucf madjenben erften (befc^i^te entwidelt
hat. Das Seelen einer burd)greifenben Rebaftion 3eigt fid) bann aber
vor allem in ben Überleitungen non einer (Erjäljlung 3ur anbern.
Wir tönnen hier alle $ugen eines Rohbaus feftftellen. Diefer Suftanb
roirb von ben neueren Sorfdjern ber germaniftifd)en Sunft fehr ge
fabelt. (5. (Ellinger1) fprid)t von einer „tläglid)en Rrt unb Weife"
bes Berfaffers. W. Sdjerer2) nennt if)n einen „red)ten Stümper, bem
fo 3iemlid) alle bie (Eigenfdjaften fehlten, bie man vom befdjeibenften
Sd)riftfteUer verlangen barf. Wie fd}Ied)t er3ählt er! Wie fd)led)t
f)at er feinen Stoff bisponiert!" (Erid) S^mibt3) finbet in ber 3u=
fammenfaffung ber loder aufgefäbelten Abenteuer bes britten Teiles
„taum mehr als eine rebaftionelle Budfbinberarbeit". Rian fühlt fid)
hier an bas Urteil non (Ebuarb Sd)warh über bas 3ohannes=
(Evangelium erinnert4) ober baran, bafj bie UTarfus=£)t)pothefe burd)
ben fdjarffinnigen Si]noptifer=Umftur3 5. Spittas5) ins Wanten ge=
raten ift, ber bavon ausgefyt, bafs in bem loder gefügten Rtartus=
(Evangelium ber urfprünglidje Rufrifs ber (5efd)id)te Jefu nid)t gefunben
werben tönne. (Srunbfä^Iid) nid)t anbers liegt bie Sad)e bei ben Ber=
tretern einer überfpi^ten IRartus=fji)pothefe, bie gewifferma^en aus ber
Rot eine Cugenb machen unb ben IRartus=Rufri^ ernft nehmen unb babei
geswungen finb, bieRähte „burd) eingewiffespfi)d)oIogifd)esSuppIementär=
wiffen" 6) 3U verwifd)en. IR. (E. finb ebenfowenig wie bie Urteile über
ben mangelhaft verbinbenben unb barftellenben Ularfus aud) bie fo=
eben mitgeteilten Urteile über ben „Stümper", ber bas Spiefffdje
SaufhBud) herausgegeben hat am piatje. £s fehlt hier bas rechte
Rugenma^ bafür, ba§ fold) ein Boltsbud)fd)reiber nicht fo fehr eine
Sd)riftftellerperfönlid)feit wie ein bloßer Sammler unb bamit (Exponent
*) 3n: Seitfdjrift für oergleidjenbe £iteraturgefd}id)te u. Renaiffance*£iteratur.
R. $. 1887/88, S. 156.
2) R. a. ©., S. XHIf.
3) 3n: Si^ungsberid)te ber Berliner Rtabemie ber Wifienfdjaften pfjiUtjift
Kl. 1896, S. 569.
4) Sielje oben S. 53, flnm. 1.
s) Sielje fein Bud): Die fpnoptifdje ®runbjd)rift in iljrer Überlieferung burd)
bas £ufas=(Eoangelium 1912.
6) So gut RlbertSd)toeitjer, ®efd)id)te ber £eben-3efu=Sorfdjung,2. H.,1913.
96 K. £. Sd)mibt: Die Stellung ber (Evangelien in ber allgem. £iteraturgefd}id}te
6) 3n: Der Dolfsmunb. Atte u. neue Beiträge aur Dolfsforfcbung brsg. von
$r. S. Krauß, Bb. 11, 1907.
7) ü9l- 5.aligan, Histoire de la legende de Faust 1888, S. 234ff.
K. £ Sdjmibt: Die Stellung ber (Enangelien in ber allgem. £iteraturgefd}id]te 97
unb Dor allem bie berühmte Legenda aurea bes Jacobus a Voragine1).
Das geleßrtefte, babei fnappe Werf über bie Heiligenleben Derbanten
mir bem Bollanbiften Ej. Deleßape2), ber über ben (Bemalt ber „ßagio=
grap^ifdjen £egenbe", ben Werbegang biefer £egenbe unb bie rebaf»
tioneUe Arbeit bes Ejagiograpßen mit einer metßobologifchen Sidjerljeit
urteilt, oon ber ber (Eoangelienforfcßer Diel lernen fann. Titan möchte
es faft bebauern, baß es biedern Scharfsinnigen fatßolifcßen (Belehrten
DerSagt ift, Seine Kritit einmal in ebenfo freier Weife gegenüber ben
(Eoangelien anwenben ju tonnen. Wefentlid) für ben Begriff ber
^eiligenlegenbe ift ihr religiöfer Charatter, ihr erbaulicher Sweet. Wir
haben es mit Denfmälern ju tun, bie einerfeits burd) ben Kult ber
Heiligen infpiriert finb unb anbererfeits ben befteßenben Kult förbern.
Die (Eoangelien finb in bemfelben Sinne Kultlegenben. Hier wie bort
beobachten wir einmal bas Dolf als ben Schöpfer unb Präger ber
Überlieferung unb bann ben tjagiographen ober Ijeiligenbiograpßen
unb £egenbenfcßreiber, ber erft fpäter fein Wert beginnt. Das Dolf
als ber namenlofe Urheber ift ein geheimnisoolles unb foIleftiDes
Agens, bas oieles formt, oieles umformt, oieles weiterbilbet, babei
nid)t fähig ift, bas Geformte in einem beftimmfen Sufammenßang
burd) bie Scßrift feft3ußalten. Der E)agiograpß, ber bie membra
disiecta oorfinbet unb fie 3U einem (bansen fügen will, hat 3eitweilig
nießt mehr 3U tun als bas Überlieferte 3U fammeln unb 3U ftilifieren.
3n biefer Weife haben Dolfsfeele unb (belehrtenarbeit an ber Heiligen*
legenbe sufammengewirtt. $ür bas Werben ber £egenbe in ihren
erften Anfängen ift wichtig, baß fid) ein unbewußter ober unüberlegter
Dorgang am gefd)id)tlid)en Stoff ooll3ieht: ein fubjeftioes (Element wirb
in bie Wirflidjteit eingeführt. (Es bilbet fid) eine Darftellungsweife
heraus, bie weber gänslid) mit ber Wirflicßfeit übereinftimmt nod)
burd)aus falfd) ift: jeber IRenfd), jeber (Bemeinfd)aftstreis er3äßlt feine
£egenbe. Wir finb im täglichen £eben immersu Seugen folcßer un=
bewußten Arbeit, wie fie fid) in ber £egenbe 3eigt. ÜTit ber Saßl
ber TTlittelsp er Jonen oermeßren fid) bie Quellen ber Srrtümer. Der
eine hat ben Bericht fo, ber anbere fo erfaßt. Aus Sorglofigfeit ober
aud) aus (Bebäcßtnismangel ift eine (Einselßeit oergeffen worben. Der
nädjfte (Er3ähler, ber .ben Don ißm bemertten, aber nid)t immer feßarf
erfaßten Seßler berichtigen will, bringt eine neue (Ein3elßeit ßerbei
ober erfinbet fie. Diefe alltäglich? ^Eatfache wirb folgenfcßwerer, wenn
fie inmitten ber IRenge oor fid) geßt, wenn an bie Stelle ber einiger»
’) Die lateinifdje Ausgabe oon Slj. ©raffe (3. Aufl. 1890) ift leibet oer=
griffen. 3wei ftattlidfe Bänbe in Überfe^ung Ijat Ridjarb Ben3 bei Dieberidjs*
3ena oorgelegt.
2) Les legendes hagiographiques 1905, 2. Aufl. 1906, oon €. A. Stüdelberg
unter bem «Eitel „Die Ijagiograptjifßen £egenben" 1907 ins Deutf<ße überfe^t.
K. £. Sdjmibt: Die Stellung öer (Eoangelien in ber allgem. £iteraturgefd)id]te 101
ber aber, aufs ®an3e gefeiert, wefentlid) Präger ber non il?m weiter*
gegebenen Überlieferung ift. Klehr nebenbei fei barauf Ijingewiefen,
ba§ bie erften Worte ber Historia Lausiaca (lloXXwv ttoXXci Kai ttoi-
Ki'Xa Kara 5ia<|)öpous Kaipobs avYYPäppaTa KaraXeXonrÖTwv ufw., nachher
eöo^e Käpoi) an ben erften Sa^ bes £ufasenangeliums erinnern. Hb
unb ßu nerrät fid) bie $eber bes Derfaffers fefyr beutlid). 3nsbefonbere
finb längere Reflexionen auf fein Konto 3U feigen. Sehr oft begegnet
uns fein 3d) Dod) hat er an nieten Stellen biefe perfönlid)en, wirf*
lidjen ober angeblichen (Erinnerungen in bereits uorliegenbe Über*
lieferungen eingefügt, fo ba^ ber Hnfdjein eines burd)gel)enb perfön*
lid)en Berichtes entftanb. 3n Wirflid)feit finb gerabe bie allerperfön*
lidjften Stüde nid)t burdjweg non bem Derfaffer felbft gefd)rieben.
Hatje nerwanbt — in $orm unb 3nt)alt — mit ber Historia
Lausiaca finb bie fogenannten Apophthegmata Patrum, eine Samm*
lung non Sprüchen unb Caten, mit benen bas ffetifdje Hlöndjtum fid)
felbft ein Denfmal gefegt I)at. Hus ben Kreifen ber Hlöndje felbft ift
biefe Überlieferung Ijeruorgegangen, bie lange Seit non IHunb 3U Hlunb
weitergegeben worben ift. Da bie meiften biefer IHönd)e ungebilbete,
ber gried)ifd)en Spradje nid)t mäd)tige $ellad)en waren unb nid)ts
Sd)riftlid)es ljinrerlaffen haben, finb biefe einer unliterarifd)en Sdjidjt
entftammenben Apophthegmata ein befonbers gutes Beifpiel für bas
Werben unb Wefen ber münblidjen Überlieferung. Die erften Hnfänge
biefer Sammlung reifen in bas le^te Drittel bes nierten ^ahrhunberts
3urüd. Hm (Enbe ber (Entwidlung fteht bas pcya Xeipwvapiov, bas
„Parabies ber Däter" um bie Wenbe bes fünften unb fed)ften 3ahr=
hunberts. 3n biefem Zeitraum hat bie $orm biefes Wertes ben
Rnlajj 3U immer neuen Raffungen gegeben. (Eine weitne^weigte Über*
lieferung non etwa 1500 bis 2000 Hnetboten unb Sprüd)en hat eine
Sülle non Seugen gefunben, bie bas non ihnen (befummelte halb in
biefer, balb in jener Hnorbnung erfd)einen laffen. (Es ift nun nidjt
fo, baff bie ein3elnen Rebattoren immer unmittelbar aus ber münb*
lidjen Überlieferung gefdjöpft hätten. (Dft haben fie mühfame literarifdje
Sammelarbeit tun müffen. Deutlidj ift, ba^ Heinere Sammlungen
fd)on mit ber Wenbe bes nierten unb fünften Jnhrbnnberts literarifd)
fixiert waren. Hber bie lebenbige münblid)e Überlieferung hat nodj
lange Seit weitergelebt. Das ®an3e ift in ftänbigem Slufj geblieben.
Heue Stüde treten fortwäljrenb hin3u unb taudjen balb h’^L balb
bort auf. 3eber Seuge hat fein Sonbergut. 3m eigentlichen Sinne
literarifd) ift biefe Sammlung nie geworben. Die Sammlerperfönlid)*
feiten non ben erften bis 3U ben lebten finb fo unliterarifd) wie bie
non ihnen erhaltene Überlieferung. Darin finb fie gan3 anbers wie
Rufinus ober pallabius, bie mancherlei Subjettiues in ihre Sammel*
werfe haben einfliefjen laffen. 3n ben Apophthegmata Patrum haben
104 K-£- ©ie Stellung ber (Evangelien in ber aügem. £iteraturgefd)id}te
wir ben Stoff in einer erften Prägung erhalten, rote fie ben Dorftufen
ber (Eoangelien, aber bod) nidjt mefyr biefen felbft eignet. Illit ben
(Eoangelien fjaben fie aber bann eine ungemein oerwidelte
gefdjidjte gemeinsam. 3n beiben $ällen Ijaben roir es mit Dorlefe*
bUdjern 3U tun. Die Apophthegmata Patrum waren nod} im IRittel*
alter ein beliebtes Sefebud) in ben Klöftern. (Ein foldjer (Bebraud)
^at 3ur Solge, baff ein Wert, bas fdjon feiner ganzen Sorm nad) 3U
immer neuen Saffungen lodt, nod) meljr abgeroanbelt wirb. Hur
berjenige, ber fo wie W. Bou ff et bie (Eejtgefdji^te ftubiert, gewinnt
ben redeten (Einbtid in bie Hrt einer foldjen Sammlung. Wenn nun
gar fpätere Raffungen nod) in anberen Sprachen als in ber urfprüng*
lidjen oorliegen, fo erhalten wir eine Cejtüberlieferung, wie fie uns
fdjon etwa in bem Deutfdjen Doltsbud) oon Doftor Sauft begegnet ift,
wie fie oor allem aber in be3ug auf ifjre Derwideltfyeit ber (Eoangelien*
tejtüberlieferung entfpridjt 3e genauer bie Unterfudjungen fein follen,
befto mefjr muff bie lEejtfrage beadjtet werben1). Die tjauptfadje
bleibt babei unoerwifd|t: Kleine (Einheiten, tur3e (Ein3elanetboten unb
einselne Worte, bie mefjr ober weniger gerahmt finb, bilben bie fid)
immer wieber 3eigenbe (brunblage. (Es ift nid}t umgeteljrt gegangen,
wie man fidj’s Ejat oorftellen wollen: bas pey“ Xeipwväpiov fei eine
Sammlung oon wirflidfen ßioi gewefen unb bie Hpopljtljegmen*
fammlung ftelle einen Hussug aus biefen bar2). (Es ift befannt, baff
’) mit Redjt ift bei R. Knopf, <Einfüf)rung in bas Reue ®eftament, 2. Rufi,
unter mitwirfung von E}. Liebmann bearbeitet von Ej. Weinei, 1923, S. 111,
barauf Ejingewiefen, ba^ roir „nod; feinen für bie feinften Unterfudjungen aus*
reidjenben Wejt ber (Evangelien befitjen".
2) 3n feinem oben genannten Ruffa^ „Die TEertüberlieferung ber Rpo-
pEjtEjegmata Patrum“ Ejat ID. Boujjet einen in biefer Ridjtung fidj bewegenben
Derfud} wiberlegt. Der fleine Rupa^ gibt einen Begriff bavon, bag foldje Rrbeit
in ein „faft uferlofes Weer" EjineinfüEjrt. Ruf ®runb von großen Regiftern unb
Tabellen trägt Bouffet eine Eöfung ber Ejauptprobleme vor: „Rber nun liegt ein
müE}fames Werf vor mir, von bem id} nidjt wei^, ob es unter gegenwärtigen
Derl}ältniffen je gebrudt werben fann.“ —
Snjwifdjen Ejat glüdlidjerweife mit ber Drudlegung biefes müEjfamen Werfes
begonnen werben fönnen. Die ^reunblidifeit von ®uftav Krüger Ejat es mir,
nadjbem id} bie vorliegenbe Rrbeit abgefdpoffen Ejatte, ermöglidjt, bie erften
Revifionsbogen einjufeE}en. Das erfte Bud} eines 23 Bogen ftarfen Werfes
„Stubien jur ®efd}idjte bes älteften möndjtums" bietet „Unterfudjungen über
(Eejtüberlieferung unb (EEjarafter ber RpopEjtEjegmata Patrum'' unb geEjt auf S. 77
in folgenber Weife auf bie (Evangelienfrage ein: „(Ein Dergleid} mit unferer
fqnoptifdjen (Evangelienliteratur fann bas (sc. ben (EEjarafter ber RpopE}tE}egmata
patrum als RoEjftoff münblidjer Überlieferung) befonbers flar madjen. Wir
finb im allgemeinen überjeugt, in iEjr ben jiemlid} unmittelbaren Hieberfd}lag
münblidjer Überlieferung vor uns ju ^aben. Aber wie viel geformter ift bod)
fd>on biefe (Erabition. Wir befitjen im marfus=(Evangelium bodj bereits eine
redjt funftvoll geformte Dita. Wir Ejaben in ben Eogien Reben, beren fon*
glomeratartige Sufammenfe^ung aus einjelnen Eogien jwar beutlid} ift, aber
K. £. Sdjmiöt: Die Stellung öer (Evangelien in öer allgem. £iteraturgefd}id)te 105
eben öod) 3umeift Heben, nidjt einjelne £ogien. (Es liegt bereits ein 3iemlid)
umfangreicher literarifd)er projefe 3wifd)en öer urfprünglid)en Überlieferung unö
unfern (Eoangelien. 3n Öen Apophthegmata aber tritt uns öer Rohftoff münö»
lidjer Überlieferung in nod) ganj anöers greifbarer ©eftalt entgegen. Was wir
als öen ©runöftod unferer evangelifd)en Überlieferung erft fudjen müffen, öie
ein3elne Aneföote, öas einselne £ogion, öas ein3elne Heine Swiegefpräd;, öie
ein3elne Parabel, öas tritt uns hier alles in greifbarer Wirtlid)teit entgegen.
Unverbunöen miteinanöer, in beliebiger Anorönung öurd)einanöergewürfelt, fpäter
erft aUmählid) in Heineren unö größeren Sadjgruppen 3ufammengeftellt, aber faft
immer fo, öa§ öie ein3elnen Heinen (Einheiten unserftört bleiben, ftehen öie
hunöerte unö aberhunöerte Fragmente öer münölid)en ©raöition.J
Hadjöem öann Bouffet öie (Ei03elftüde öer Überlieferung ftilfritifd)
unterfud)t hat, fa^t er öas ©a^e fo sujammen (S. 88): „Bon allen Seiten Ejat
unfere Betrachtung wieöer unö roieöer öen gan3 eigentümlichen Wert öer Apo»
phthegmataüberlieferung ergeben. Wir haben in ihr wirflid) auf weiten Streden
öen faft oft unmittelbaren Hieöerfdjlag münölidjer Überlieferung. Das einselne
£ogion (öen pneumatifdjen Spruch), bas ein3elne Heine ffiefpräd), öen nidjt 3U
umfangreichen Dialog, öie einselne Parabel, öie ein3elne (Iharafteraneföote, öen
fursen Wunöerberidjt, in öer überwiegenöen Blaffe Stüde, öeren Bewahrung öurdj
öas öeöädjtnis im Bereich ber Überlieferung liegt. (Es fehlen fo gut wie gans
oöer nehmen wenigftens nur einen geringen Raum ein öie ausführliche £egenöe,
öer literarifd) aufgeputjte Difionsberidji, öie Reöe unö preöigt." Rian halte
neben öiefe Sä$e öas in öen neueren Unterfudjungen 3ur $ormgefd)id)te öes
(Evangeliums (Erarbeitete unö man wirö öie wefentlidje Parallelität beiöer
Überlieferungsfompleje erfennen.
Unö öiefe Parallelität besieht fid) fdjliefjlid) aud) auf öie rein fpradjlidje
Seite öer (Evangelienüberlieferung. Bouffet arbeitet fehr forgfam heraus, öa^
öas erfte Sprad)gewanö öer Apophthegmata Patrum foptifd) war unö öafj erft
öie ©riechen öie erften größeren fd)riftlid)en Sammlungen öiefer münölidjen Über»
lieferung entnommen haben. „Unö wieöer örängt fid) uns öer Dergleid) mit
unfern fpnoptifd]en (Evangelien auf. Sie entftammen öer aramäifdjen münölid)en
©raöition. Die £iteratur, öie uns erhalten ift, ift eben öod) griedjifd). Das
Hlarfus»©vangelium ift unö bleibt ein gried)ifd)es (Evangelium, ein aramäifcher
Urmarfus ift ©raum unö Phantafie. Hur ein ©riedje, refp. ein von gried)ifd)er
Kultur erfaßter 3uöe hatte öas ^ormtalent unö öie ©eftaltungsfraft, eine Dita
3efu 3U fdjreiben. Selbft öie £ogien, wie wir fie fennen, wie fie uns in Rlatfhäus
unö £utas vorliegen, finb eine gried)ifd)e Schrift unö nid)t eine reine Überfettung.
Unö öarüber hinaus fommen wir mit unfern Ulitteln nidjt ... (Es ift immer
öiefelbe (Erfdjeinung: Der ©rieche erft fdjafft öie £iteratur, öie einfachen orien»
talifd)en Kreife, aus öenen öie Überlieferung ftammt, waren öa3U nidjt imftanöe.
Unö fo hat aud) im einselnen öer ©rieche öiefer £iteratur öen lebten Stempel
aufgeörüdt. Denn man wirö bei öem Übergang öiefer Überlieferung von einer
Sprache in öie anöere nid)t eigentlich von Überfettung reöen öürfen, fonöern von
einer freien Behanölung unö Weitergabe eines nod) flüffigen Stoffes. Unö von
vornherein wirö man öeshalb vermuten öürfen, öafe man wirtlichen Überfehungs»
fehlern nur höd)ft feiten begegnen wirö. (Das hat fid) m. (E. bei öen Spnop»
tifern öurd) eine minutiöfe Unterfud;ung herausgeftellt. Was man hier an Über»
tragungsfehlern beigebrad)t hat, bleibt in öen allermeiften fällen fraglicher Hatur.
3<h vermute, öaf) öasfelbe Refultat fid) bei öen Apophthegmata ergeben würöe.)
Aber freilich, öiefer Stempel berührt nur öie ©berflädje. Darunter bleibt öer
106 K. £. Schmibt: Die Stellung der ©»angelien in der allgem. £iteraturgefchi<hte
Katholiken van (Drtrop nahe3u völlig begrabiert wirb. Unb bie Sorg*
lefigkeit, mit ber man babei bem von Thomas a ©elano Überlieferten
gegenübergeftanben hat, kann in ben äußerften Skeptizismus umfd)Iagen,
wenn ber italienifche Sorfdjer ©amaffia ben älteften ©ewährsmann
einen kecken Plagiator nennt, ber aus allerlei Schriften feine Dar*
ftellung sufammengefchrieben habe, um auf Befehl bes Papftes ben
^eiligen literarifd} 3U kanonifieren. Währenb all biefe l)ppothefen
kühn unb 3ugleid) einbeutig finb, tragen anbere ben Stempel ber Dor*
fidjt unb bes Kompromißes. Dogmatifche, ethifdje, ja fogar mirtfdjaft=
iidje fragen fpielen mit hinein. Begreiflidjerweife fdjeiben fi^ bann
fatl?olifd?e unb proteftantifd)e $orfd)er. Die Sraqe, ob am Anfang
ber fran3iskanif<hen Bewegung bie Hrbeit ober bie mit bem Bettel
verbunbene Hrmut geftanben habe, fidjtet bie Quellen, ähnlich roie
bie $rage nad) bem ©bionitismus ber erften (E^riften i^re Über*
lieferung in verfchiebenem Sidjte erfdjeinen läßt. Proteftanten be*
3weifeln bie Vita prima wegen ihres Wunbergehaltes unb jucken
einen folger Dinge entbehrenben ^eiligen h^aus3ufchälen, währenb
Katholiken gerabe biefe Dinge für urfprünglid) halten. Jn biefer
Weife ift genau fo wie bei ben (Evangelien bie Quellenfrage burd)
ein vorgefaßtes ©harakterbilb getrübt worben. Die beteiligten 5orfd)er
felbft würben unfi^er, was fidj im Werfel ber Hnfdjauung bes ein3elnen
3eigt Hoch mehr mußte ber unbeteiligte Sufcßauer fkeptifd} werben.
Was follte er bamit anfangen, baß bas „parfum franciscain“ als
maßgebenb hiaöAtellt würbe? Diefe Art erinnert an fo manchen
impreffioniftifdjen (Einfall ber (Evangelienforfcher, bie halb biefe, halb
jene ©efdpchte für „unerfinbbar" erklärten, ©roßbem aber befteßt
hier wie bort kein ünlaß, an einer Söfung ber literarifchen $rage 3U
ver3weifeln. Schließlich haben alle ernften, wenn aud) nod) fo irrigen .
literartritifchen Derfudje ihr ©utes. Die allgemein abgelehnte ©ßefe
©amaffias über bie Ülinberwertigkeit bes ©elanefen müßte noch viel
mehr, als es bis jeßt gefd)ehen ift, ba3u swingen, ben Hufbau einer
mittelalterlichen Segenbe 3U ftubieren. 3n ähnlicher Weife hoben bie
mißlungenen Urmarkus* unb Urlukas=ljppothefen, insbefonbere ber
Spnoptikerumfturz Spittas ihre Dorteile für bie Sorfcßung. Weiter
muß gejagt werben: Das ©eftrüpp ber $ran3iskus*Sorf^ung ift nicht
unburchbringlich, fonbern hat feine Pfabe unb Sichtungen. 3n ber
Quellenfrage ift ein gewiffer Hbfcßluß erreicht. Wan lefe neben ein*
anber bas Buch bes proteftanten Ij. ©ilemann1) unb bas bes Katho
liken 5. van ben Borne2). Der 3weite ift vom erften in wichtigen
Urteilen abhängig, ^ebenfalls ift eine weitgehenbe ©inhelligkeit feft*
3uftellen. 3n ber ©vangeliemHrbeit ift’s nicht anbers. Die Ularkus*
’) Studien jur 3ndividualität des Sranjisfus von Rffifi 1914.
2) Die $ran3istus=$orjdjung in ifjrer CEntividlung dargeftellt 1917.
K. £. Sdjmibt: Die Stellung ber (Eoangelien in ber allgem. £iteraturgefd}id)te 109
mie £ufas müljt fi^ ber ©elanefe mit ber Aufgabe ab, eine vita
seriatim (vgl. £ut. 1,3: Ka&e^s) 3U fdjreiben, beruft fich auf feine
Gewährsmänner unb tann nid)t verf^weigen, bafe fein Bericht lüden=
haft ift. Pie mitgeteilte (Einleitung ift ein Gemifch non fd)riftfteUe»
rifd)em Bewuhtfein unb surüdhaltenber Sdjeu bem Stoff gegenüber.
(Dffen ift sugegeben, bafe bie fadjlidje Sufammengehörigfeit ber 3eit=
lidjen Reihenfolge übergeorbnet ift. Aber aud) ba, wo bie letztere
norliegen Joli, ift fie nicht 3U finben. Abgefefjen non einer Seitfolge
in gans großen Sügen, wie fie gar nicht vermieben roerben tann, ift
ber Grunbfah bes seriatim nirgenbs erreicht. Be3eid)nenb finb $lid=
Wortüberleitungen wie quodam tempore unb quadam die. Beseidjnenb
ift vor allem, bah bie (Einseibiiber halb gerahmt, halb nid)t gerahmt
finb. Genau wie bei ben (Eoangelien ift bie Ginselgefd)id)te wefentlid),
ber Rahmen bagegen unmefentlid), fetunbär, jebenfaUs unbetont. Bei
ber Vita secunda ift’s nid)t anbers: aud) ba reiht fich ohne Rüdfid)t
auf bie 3eitfolge S3ene an Ssene. Pie (Einleitung läfjt 3ubem feinen
Zweifel an biefer Sachlage auffommen. Pie 3wifd)en ben beiben
GelanoWiten liegenbe Legenda trium sociorum gibt fid) oon vorn=
herein als eine Kompilation. 3n Perbinbung mit Pertretern ber älteren
(Generation ftellten bie brei Genoffen £eo, Rufinus unb Angelus (Einseh
Süge sufammen. (Es ift nid)t beutlid), ob fie frühere Arbeiten ignoriert
ober torrigiert haben. Starter nod) als bei bem (Eelanefen ift barauf
hingewiefen, bah eine sufammenhängenbe Gefd)id)te nid)t erreicht, ja
nicht gewollt ift: „Sed velut de amoeno prato quosdam flores qui
arbitrio nostro sunt pulchriores, excerpimus, continuantem histo-
riam non sequentes1)-“ (Es Hingt hier an, was bann in bem
Floretum, ben Fioretti burdjgeführt ift. Gerabe bie Legenda trium
sociorum hat bann nod) Diele Wanbiungen burd) Auslaffungen unb
(Erweiterungen burd)gemad)t. Pie Anfid)t, bah eine fo gedrtete Über=
lieferung nicht von fonberlidjer gefd)id)tlid)er Güte fei, ift nicht swim
genb2). Pie Sd)Iuhrebattion ber genannten Aufseichnungen {teilt bie
£egenbe bes Bonaventura bar. Heuer Stoff ift im wefentlid)en nid)t
geboten. Per Perfaffer verarbeitet vielmehr harmonifierenb bie vor=
hanbenen Seugnijfe. Unb aud) feine gefeftigt ausfehenbe Arbeit tann
unb muh in ein Hlofait aufgelöft werben. Unter ben fpäteren
Raffungen, bie nicht nur von fd)riftlid)er, fonbern aud) nod) von
münblidjer Überlieferung gefpeift finb, ift bie wichtigste bas viel um=
ftrittene Speculum perfectionis. Wie man biefes aud) beurteilen,
vor allem seitlich anfehen mag, bie Annahme, bah ein großer ©eil
wertvolles, altes Gut ift, hat einen hohen Grab von Wahrfcheinlid)feit
für fid). Wie ift bei biefer Sachlage ber jeweilige Autor su werten?
’) Sielte Acta Sanctorum II, ©ft, 723.
2) ©egen W. ®oe$, a. a. ©., S. 96.
K. £. Sd)mibt: Die Stellung ber (Enangelien in ber allgem. £iteraturge|d)id]te 111
alter aussubilben begonnen. Was fid) bie (Zljaffibim 3um preis ihrer
llteifter, ber Sabbitim, ersählten, tonnte fid) an feine $orm fdjliefeen;
als legenbe tonnte es fid) aud) nid)t aus fid) felbft - wie bie X)olis=
bidjtung tut — formen. (Es ift ro^es (Er3 geblieben: (Ebeterj. So ift
es - in ein paar hunbert Dolfsbüdjern, in perfönlidjen Mitteilungen -
in meine fjanb getommen. — Die Derfaffer ber Dolfsbüdjer würben
nicht höbe~ gefdjä^t als etwa Bänfelfänger. Sie 3ogen 3umeift non
Stäbtd)en 3U Stäbtdjen unb buten ihre Büdjer aus, bie bas Bolt, im
©egenfafe 3U ben fyeiliggefyaltenen Schriften ber d)affibifd)en £ehrer, als
leidste Ware behanbelte. (Die djaffibif^en £egenbenbüdjer finb aber
ebenfalls faft alle in Ijebräifdjer Spraye üerfafet; bie jibbifdjen Drude
finb 3umeift ftarf gefügte unb uerwäjferte Überfettungen.) Hur ein3elne
ber älteften Sammlungen finb mit (Ebrfurdjt behanbelt worben. Den
älteften wirb eben am meiften 'geglaubt’. Die fpäteren fu^en fid)
burd) bie Hnfüfyrung ber urfprünglicfeen (Ersähler, womöglich ber Hugen=
3eugen ber Begebenheit, gegen bas Mifetrauen 3U fcfeüfeen. ((Eine öruppe
für fiel) bilben einige moberne Sammelwerfe, bereu fpftematifdye Rn=
läge 3uweilen nahesu wiffenfdjaftlid) anmutet.) Bubers bie münblidje
Überlieferung, tjier ift bie Suuerläffigteit perfonhafter uerbürgt, jeber
er3ählt dou 'feinem’ Rabbi, unb bas (Erschien hat bie Weihe einer
heiligen Ejanblung. Der 'Seher’ non Sublin foll einmal aus einer
'Klaus’1) einen £id)tglan3 haben auffteigen fehen; als er eintrat, fafeen
©haffibim brin unb er3ählten fich Don ihren Sabbitim." 3d) wüfete
feine Äußerung 3U nennen, bie beffer als bie hier mitgeteilte Bubers
gan3 3wingenb uerbeutlidjte, worauf es bei fohfeen oon einer ®emein=
fdjaft getragenen Doltsbüd)ern antommt. 3n ber (Tat: nidjt red)t ge=
formtes ©ut, aber bod) eben (Ebeler3, bargeboten in münblidjer Über=
lieferung, in perfönlid)en Mitteilungen, in Doltsbüd)ern; bas alles nidjt
recht beachtet unb bod) in fid) wertuoU, im uorliegenben Sali 3ubem
burd)aus fultifd) beftimmt, burd) bie perfönliche (Teilnahme ber erften
(Er3ähler uielgeftaltig unb bennod) einbeutig als (Banses. Der Sd)rift=
fteller, ber weife, was hier fjauptfacfee unb was Rebenfadje ift, [teilt
ficfe unter bie urfprünglidje Überlieferung: ,,3d) feabe meine Rufgabe
bafein betrachten gelernt, bafe mir obliege, ben (Befd)id)ten, bie id) aus
ber faum überfehbaren $ülle bes Materials auslefe, bie ihuen 3U=
fommenbe $orm 3U geben, nid)t mehr unb nicfet weniger. 3d) bid)te
nicht weiter’, id) füge ben oorgefunbenen Motinen fein neues hWb
id) fd)mel3e fie nur in bie reine (Beftalt ber (Er3ählung ein. (Es hanbelt
fid) babei in ber Maggib=ÜberIieferung um „legenbäre RooeUen" unb
„legenbäre Rnefboten", weldje lefeteren überwiegen. Sehr wefentlid)
ift bann bie (Erfenntnis: „Beibe finb (Battungen ber üerbidjteten’, b. fe.
’) Rad) bem Abfd)lu& ber oorliegenben Arbeit finbe id), bag in W. Bouffets
oben genanntem opus postumum auf bieje Sadje fürs eingegangen ift (S. 92):
„Sdjon Joannes IRosdjos erwähnt hier unb ba, bafj bie Pater in ben Klöftern
in ben 'Vitae et sententiae Patrum’ lefen (c. 55, 212). Wenn fpäter oon Kappa*
boßien her überall bie Sitten auffamen, bei iifd)e 'sacra lectiones’ oor3ulefen
(Kaffian, Snftit. IV, 17), fo roirb bei biefen Porlefungen aud) bas Bud) ber Väter
feine Rolle gefpielt Ijaben." Anmerfungsweife ift barauf I)ingeroiefen, bafe bie
Sitte ber Vorlefung bei Sifd) aud) fdjon für bas jfetifd)e lllönd)tum oorausjufe^en
fei unb bie „Satzungen ber Väter" bafür in Betracht gefommen feien.
2) Vgl. meinen „Rahmen ber ®efd)id)te 3efu", S. 9ff.
3) Sielje bie ebenba mitgeteilten $äUe; ogl. im Regifter: 3efusperifopen
((Einfd)iebung oon ö ts 0. ä. in ben Codices); perifopenprayis.
K. £. Sdjmibt: Die Stellung der ©vangelien in ber allgem. £iteraturgefd}id)te
Jnsbefonbere ift nid)t geflärt, feit wann fie in ben ©emeinben für
bie ©vangelien üblid) geworben ift. Richt haltbar ift aber jebenfalls
bie übliche IReinung, baß bie (Evangelien erft, nadfbem fie abgefchloffen
waren, ©emeinbebücher geworben finb. Die ©re^en finb hier fließender.
Unb fdjon bie Dorftufen ber (Evangelien müffen von ber Perifopen«
prajis aus beleuchtet werben. Ruf ber einen Seite haben bie fertigen
(Evangelien bas gottesbienftliche feben geförbert, auf ber anberen Seite
aber hat bas gottesbienftliche Seben fdjon ber älteften ffiemeinbe bie
(Evangelien werben unb warfen taffen, b. h- maßgebenb ihren Werbe=
gang beftimmt. Sehr lehrreich ift in biefer tjinficht ein Dergleich
unfrer älteften (Evangelien, bie aus bem ©emeinbeleben heraus geworben
finb, mit ben fpäteren apofrpphen (Evangelien, benen weithin biefe
Deranferung fehlt unb bie beshalb in bie helleniftifche Romanliteratur
hinüberfpielen. Über bas gottesbienftliche leben ber älteften (Ehriftem
gemeinbe wiffen wir allerbings nichts Beftimmtes. Wir tönnen uns
aber all biefe Dinge innerhalb eines (Erjählertreifes, innerhalb ber
Kultgemeinbe nicht lebenbig genug vorftellen. Unb wer ben not=
wenbigen Derfuch madjt, fich bie erfte Periobe ber evangelifchen Über=
lieferung 3U verbeutlidjen, tann hier nicht auf bie ^ppothefe verfehlen,
von ber er weiß, baß fie nicht 3U untrüglichem Beweis verbietet werben
tann, baß fie uns aber hilft, bie Dinge 3U begreifen unb wenigftens
im gan3en einigermaßen richtig 3U feßen1). Beftärft werben wir in
foldjem Derfuch ber Deutlidjmadjung burdj bie genannten Rnalogien
ber tjeiligenlegenben unb Apophthegmata Patrum mit ihrem fultifdjen
©ebraud) unb ihrer fultifchen Urfprungsmarfe.
Wir müffen aber tiefer graben, ©s gilt nicht nur, von bem
gottesbienftlichen, fultifchen ©ebraudj ber befprodjenen Überlieferungen
rüdwärts 3U fdjließen auf ihre gottesbienftliche, fultifdje ©nt=
ftehung; es gilt vielmehr, 3U erfennen, baß biefe (Eigenart, gan3 ab=
gefehen von bem fpäteren ©ebraudj, ber eben feinen Ulißbrauch bar=
ftellt, berartigen Überlieferungen immanent ift. Schon bie ©atfadje,
baß biefe nicht von einem ©inselmenfdjen, fonbern von einer Rlenge
’) ©h- 3ahn, (Einleitung in bas Heue ©eftament, 3. Aufl., 2. Bb. 1907,
S. 167 mad)t fehr bead}tlid}e Ausführungen über bie altdjriftlidje Anagnofe ber
©oangelien, ohne ben m. ©. nötigen Derfud), weiter rüdwärts 3U gehen, 3U mad)en.
Ähnlid} J. fjaufjleiter in ben ©öttingifdien ©eiehrten Anseigen 1898, S. 340:
„(Es ift ein djarafteriftifd)es Illerfmal ber urdjriftlidjen Sdjriften, bafj fie nicht bem
IDiffen ober ber Spefulation, fonbern bireft ber $örberung bes djriftlidjen ©laubens
unb £ebens bienen wollen. Diefer 3wed würbe gefdjidjtlidj erreicht burch bie
fird)lid}e Anagnofe. Alle urd}riftlid}en Schriften, non benen wir Kunbe h^e«,
haben längere ober fü^ere Seit, in weiteren ober engeren Kreifen irgenb weldje
Besiehung 3ur Anagnofe ober 3um ©ebraud) im ffiemeinbegottesbienft gehabt."
3dj möchte meinen, baff man hier non ber Wirfung auf bie Urfache fdjliefjen
barf, b. h- M öie fird)Iid>e Anagnofe ber fertigen (Eoangelien bie urdjriftliche
Anagnofe ber werbenben (Evangelien vorausfe^t.
118 K- £- Sd)mibt: Die Stellung öer (Eoangelien in öer allgem. £iteraturgefd)id|te
’) Dgl. aufjer bem genannten Werf ITtartin Bubers über ben großen
IKaggib fein früheres: Die Cegenbe bes BaaDS^em 1918, ferner Paul teuer =
toff, Die religiöfe Denftoeife ber (Eljaffibim 1918.
2) Rbgebrudt bei p. tenertoff, S. 101.
K. £. Sdjmibt: Die Stellung ber (Eoangelien in ber allgem. £iteraturgefd)id)te 121
verlangt, man folle „oon allen ©Hebern bes Zabbifs lernen". Klan
achte auf ben (Einbrucf, ben ber Zabbif auf feinen Kreis mad)t. (Er
ift eine tultifd)e perfönlid)feit fd)on 3U feinen febjeiten. Wir
bilden auf 3efus unb feine jünger. Kluft es ljier oon oornl)erein
anbers fein? KTüffen ljier foldje Borgänge ausgefdjaltet werben?
Weite Kreife ber Iritifdjen (Theologie galten es für nid)t begrünbet,
was Rubolf ©11o in feinem Bud) „Das ^eilige"1) über ben
„numinofen (Einbrud 3efu auf feine 3ünger" ausgefüfyrt hat. Kl.©,
bietet bie befprodjene d)affibifd)e Überlieferung einen guten Beleg, ber
wegen ber Klöglidjteit feiner Nachprüfung befonbers inftruftio ift, ba=
für, baft ber Bereid) ber Kläglichkeiten gröfter gefpannt werben muft,
als ber Kritifer oft annimmt, ^ier wie bort ift, um mit (Dtto 3U
reben, ,,bas Zentrum immer ber Klann felber, ein ^eiliger « bei £eb=
3eit." Die Hrt ber ©f)affibim=überlieferung entfpridjt babei ber ©oan=
gelien=Über!ieferung. Wie ber Zabbif feiner ©emeinbe, feinen 3üngern,
fo ift aud) 3efus 3U feinen Webseiten, aber aud) als ber ©rhöhte, ber
pneumatifdfe, bas nveupa feiner ©emeinbe, feinen 3üngern gegenwärtig
gewefen. Unb was ift ber 3nhalt ber Kultlegenbe ? £ogia unb Wunber=
beriete in beiben $äUen! Der ©haffibismus, bsw. Zabbitismus ift
fehr reid) an Wunbergefdjidjten. Bei einem Zabbit wie bem Baah
Sd)em ift wie bei allen primären religiöfen ©eftalten bie $äl)igfeit
ber ©leidjnisrebe fehr ausgebilbet gewefen. Klartin Buber, ber biefe
gan3e Überlieferung uns oerlebenbigt ^at, fieht in ihr bie leftte ©eftalt
bes jübifdjen Kli)tl)us, bie wir kennen, unb finbet eine Kette, in ber
aud) bie 3efusgefd)id)te iE)re Stelle hat: ein „Klenfdjenkreis" ift ba
„geboren, ber ben groften Ka3arener trägt unb feine £egenbe fdjafft:
ben gröftten aller (Triumphe bes Klqthos"2). Hud) anbere l)aben bie
Ähnlichkeit mit ben (Eoangelien fyeroorgefyoben3). Der 3ubenmiffionar
£enertoff4) hat bebeutfamerweife in biefer Sachlage einen widrigen
Hnknüpfungspunkt für feine Kliffionstätigfeit entbedt: „Klan könnte uon
einem djaffibifdjen 3uben erwarten, baft er, bewöge man iE)n nur, bie
(Eoangelien 3U lefen, einen gewaltigen (Einbrud oon ihnen bekäme."
Unb fowohl für bie d)affibifd)e £egenbe als für bie (Eoangelien fällt
er bas Urteil: „Der ©riffel fdjeint beim Derfud), ben fü^nften Zug
3u führen, abgebrochen; ber KTangel ber Darftellung wirb burd) bie
Unerreidjbarkeit bes Dar3ufteIIenben ebenfo herüorgehoben, wie bie
Unerreichbarkeit burd) ben Klangel."
©s ift eine Streitfrage, in welchem Klafte ber Beftanb ber 3^fus^
Überlieferungen mi)tf)ifd)en ©harakter hat. Zweifellos hat ber ©hriftus*
Klijthus, wie er in ben ©oangelien fdjlieftlid) fid) barbietet, bie ©igen=
') 8. aufl., S. 193f. 2) ITC. Buber, Der BaabSdjem, S. IXf.
3) Kgl. 3- £etp olöt in bem ©eleitwort ju £eoertoffs Bud).
*) a.a.®., S. 103 f.
122 K. £. Schmidt: Die Stellung ber (Enangelien in ber allgem. £iteraturgefchid)te
art, bafe bie ®efd)id)te »u nic^t mpthifchen Ursprungs ift ’)• 3n ber
^afeibifdjen £egenbe finb bie Derhaltnifee, auf (Einselftüde ber Über«
lieferung gefehen, ähnlid) gelagert. (Greifbarer ift ber gottesbienftlicfee,
ber tultifdje Cfearafter ber beiberfeitigen Überlieferungen, ber beftefeen
bleibt, aud) wenn bei einer rationalen Betrachtung bie (Einjelftüde bes
fultifdjen (bemaltes bar 3U fein fdjeinen unb aud? finb. 3n feiner Der«
binbung mit beftimmten gefdpdftlidjen Daten, bie ihr eigenes (5ewid)t
Ijatten, aber erft im urdjriftlidjen (bemeinbeleben oon Belang würben,
hat ja ber (Ehriftus=nit)thus un& Kultus feine befonbere Prägung er«
fahren, 3U ber bie djaffibifdje £egenbe bo<h feine reftlos reine parallele
liefert. Wir haben hier, fo wenig wir ben (EhaH^ismus unterfdjäfeen
bürfen, bie $rage nad) ber befonberen, nidjt überbietbaren buvapis bes
Urdjriftentums 3U fteUen unb 3U ihrer Beantwortung auf bie ur<hrift=
lidje (Esdjatologie hiu3uweifen2). üTit alle bem aber hat fid) IHhthus
unb Kultus uerbunben unb bie (Enangelien geformt3).
Wie eine Kultlegenbe 311 lefen unb 3U werten ift, dürfte aus bem
©efagten beutlid) geworben fein. (Es ift ^ier, mödjte i<h Jagen, ein
gewißer ©att nötig, beffen $eh^en bie gan3e Rrbeit unergiebig macht
unb ben betreffenben 5orfd)er in bie 3rre führt. Wer von ber Un=
erbittlichfeit, alle nur bentbaren Konfequensen 3U sieben, erfüllt ift,
gelangt folgerichtig 3U gans negatioen (Ergebniffen. Ejier mu^ aber im
Rnfd)Iujj an fdjon Rusgeführtes auf verjchiebene nict|t absuleugnenbe
£atfachen hingewiefen werben. Der (Bang ber £eben=Jefu=5orfchung
hat immer wieber bie 3üge bes ^efusbilbes getilgt, bie vorher als bie
wefentlichen ober als bie allein vorhanbenen betrautet waren. Hoch
heute wirb 3. B. barum geftritten, ob unb inwieweit 3efus es<hato=
logifd) eingestellt war. Beftreiter ber ®ejchi<htli<h^eit 3efu haben all
bie negativen (Ergebniffe ber (Evangelientritit abbiert unb ein großes
Hegativum erhalten. Dabei hat jeber Jefusforfcher, b3W. =barfteller
ein 3efusbilb aus ber Kultlegenbe gewonnen. (Es follte nicht geleugnet
werben, ba^ hier 3mponberabilien mitfdjwingen unb bafe biefe 3m=
ponberabilien wichtiger finb 3ur (Erfaffung ber (Befeuchte als manche
fogenannte ejafte IRethobe. Heuere rabifale 3^fusforfcher, bie form=
gefchichtlich, bsw. auch tultgefchid)tlid} arbeiten unb beftrebt finb, bas
„Ursprüngliche" heraus3ulöfen, müffen, wenn fie ehrlich finb, fehr ftart
mit ben Wörtern „vielleicht", „wahrscheinlich", „wohl", „Schwerlich",
„offenbar" u. f. w.1) arbeiten. (Es liegt in ber efoterifchen Rrt ber
(Evangelien, in ihrer fultifchen Beftimmtheit, ba^ vieles in ber Schwebe
bleiben muff. Daft bei biefer Sachlage fich bennoch feineswegs alles
auflöft, 3eigen bie Kultlegenben, mit benen wir bie (Evangelien ver=
glichen haben. Ruch bort lä^t fich eine Kritif in Rnwenbung bringen,
bei ber nichts übrig bleibt — bennoch fu^t bas (Befdjichtsbilb auf ber
betreffenben £egenbe. (Es fei nur an bie (Erfaffung bes Ejeiligen von
Rffifi erinnert. Bei ber chaffibifchen £egenbe, bie wir 3ule^t betrachtet
haben, ift’s nicht anbers. 3m ©egenfah 3U ber älteren rabbinifchen
Überlieferung, mit ber man ja auch bie (Evangelien sufammengebracht
$römmigfeit (= Kult) ber ©emeinbe, wenn fie überhaupt etwas Befonberes fein
füllte, pflanjt fid} in ber Überlieferung bod) immer nur burd} bas Seugnis ®in=
jelner fort, unb (Einseine haben fie immer maßgebenb beeinflußt"), um Bertrams
Aufteilungen ganj geregt werben 3U fönnen. Spmptomatifd} ift, baß IKartin
Werner, Bern, in feiner feßr temperamentoollen Befpredjung (Kirdjenblatt für
bie reformierte Scßweij 1923, S. 33ff.) im ©egenfaß 3U 3ülid|er gerabe auf ben
großen Abftanb ber neuen Betrachtung non ber bisherigen „tritifchen" hinweift
unb fie für einen Sdjrittmadjer bes Katholiäismus hält. fiubet in ber „ganjen
Kläglichfeit unb 5raglid)feit foldjer »leßten Cöfungen«" eine „inteUeftualiftifd}e
Befangenheit". (?!) Der Hinweis auf bas Katholifierenbe ift m. (E. gar nidjt ganj
abwegig. Aber warum müffen ©efpenfter an bie IDanb gemalt werben?
’) Auf S. 5 bes Bultmann’fchen Buches finben fid} all biefe Wörter, baju
nod| einige Säße mit potentialer Derbtonftruftion.
?4 K. £. Sdjmibt: Die Stellung ber ©oangelien in ber allgem. £iteraturgefd)id)te
hat 9, ruljt bas Staffen, Sammeln unb Sidjten ber Überlieferung nid)t
bei ©elehrtenperfönlid)feiten, fonbern beim Doli, bas fid) als ©emeinbe
um feinen Sabbit fd)art. ITT. Buber hat recht, wenn er fid) in ber
(Einführung feines BaaI=Sd)em=Bud)s h^r fo ausbrüdt: ,,3d) 3^
nicht bie Paten unb ©atfadjen auf, beren Sufammenfaffung bie Bio
graphie bes Baalfdjem 3U nennen roäre. 3d) baue fein £eben auf
feiner £egenbe auf, in ber ber ©raum unb bie Sehnfud)t eines Boltes
finb." Bertieren bie ©oangelien, wenn fie ebenfo betrachtet werben,
an gefd)id)tlid)er ©reifbarfeit ? IH. ©. nid)t. Pa^ bas Bolf als
©emeinbe ©räger unb Schöpfer ber Überlieferung geroefen ift, fidjert
biefer ihren ©ehalt, während eine inbioibuell entftanbene Überliefe
rung in ©in3el3ügen bas beinahe protofollarifd) Richtige, aber nid)t
bas ©anse erfaßt hätte. Pie (Eoangelien finb tultifctje Bolfsbüdjer
ober aud) oolfstümlid)e Kultbüd)er.
1 Schluß.
Pie Hnaloga, bie wir 3U ben (Eoangelien aus bem Bereich ber
Bolts- unb £egenbenbüd)er mitgeteilt haben, tönnen oermehrt werben,
in gewiffem Sinne fogar beliebig oermehrt werben. Sid)erlid) wäre
es bei ber inhaltlichen 3ntereffiertheit, bie bei alle bem ber 3efus-
geftalt gilt, befonbers rei3ooll, bie £egenbe anberer fogenannter Reli-
gionsftifter2) heran3U3iehen. (Es fann fein Zweifel beftehen, ba§ in
be3ug auf bie Bubbha-©efd)id)te unb bie IRohammebs©e-
fd)id)te, oor allem bie tjabith, bie oon uns geübte Betrachtungs
weife frud)tbar ift. Heues allerbings fd)eint mir über bas bei ben be=
hanbelten Überlieferungen (Ertannte h’aaus nid)t gewonnen werben
3U fönnen. RUenthalben war es uns, um mit fj. ©untel 3U reben,
um ben „Si^ im £eben" 3U tun3). Pabei hat fid) geseigt, ba^ bie
3eitgenöffifd)en parallelen 3U ben (Eoangelien nid)t bie widjtigften finb.
Pie Bebeutung ber Rabbinica für bie ©rflärung ber (Eoangelien unb
bes Heuen ©eftaments überhaupt foll nid)t unterfd)ät$t werben. Pod)
wir haben gerabe 3ule^t nod) feftfteUen müffen, ba^ aus gans be=
ftimmten ©rünben bie neuen Chassidica für bie (Erflärung ber ©oan-
9 Siefje oben S. 65. Wenn ba ITC. Dibelius mit Redjt feftffeHt, ba^ bie
rabbinifdje Überlieferung fd)on roegen iljres Beftimmtfeins burd) bas ©efetjlidje
fid; non ben (Eoangelien abfjebt, fo liegt’s eben barin bei ber djaffibifd]en Cegenbe
anbers. Der ©Ijajfibismus ift ja ber ©egenpol 3um Rabbinismus.
2) 3«fus foüte allerbings niemals Religionsftifter genannt werben. 3m
©egenfatj ju Rloljammeb E)at 3ejus leine Kirdje organifiert, feinen Kult gegrünbet.
3l]m ju unterteilen, baf; er bies „gemad)t“ fjabe, ift eine abwegige pelagianifdje
Ruffaffung.
3) Dgl. tj. ©unfel, Reben unb Ruffä^e 1913, S. 33. Der Rusbrud „Si$
im £eben" finbet fid) in ber Hfjeolog. Runbfdjau 1917, S. 269, in Rnwenbung
«uf bie „antife literarifdje ©attung". $ur „antif“ würbe beffer „primitio" gefagt
fein. Dgl. oben S. 87.
K. £. Sdjmiöt: Die Stellung öer (Eoangelien in öer allgem. Citeraturgejd)id)te 125
ein neues ßebilbe geftalten. Der perlenftoff ift nidjt oerloren gegangen.
Aber mit ber Schönheit ber perlen iffs bahin. Iftan feiert oon ber
£eftüre jebes 3efusromans 3urüd 3ur £eftüre ber (Eoangelien.
Unfre oergleidjenben (Erörterungen haben oerbeutlid}t, bafe es bei
biefer Sachlage nidjt bamit getan ift, auf ben Begriff „(Eoangelium"
unb ben ooltstümlidjen unb fultifdjen (Eharafter ber (Eoangelien blofe
hin3uweifen. Illit bem Wort euaweXtov ift ja für bie uns befdjäftigenbe
$rage überhaupt nod} nichts gewonnen. Dafe wir es mit einem Begriff
3U tun haben, ber aud) im fafralen ©ebraud} bes römifdfen Kaiferfults
feine Stelle hat, bafe bas Derbum in ber ApolIonius=Dita bes Philo*
ftratus (I, 28) oom (Erfdjeinen bes Apollonius gebraucht wirb, ift nur
ein leifer Hinweis barauf, bafe wir bie (Eoangelien=£ogien, *®efd)id)ten,
=Büd)er, um bie es uns hier 3U tun ift, in ber religiöfen, nid)t in ber
literarifdjen Sphäre 3U fudjen haben. Aber nun bie Derinhaltlidjung
bes Dolfstümlid)en unb bes in il)m gegebenen Kultifdjen! Auf fie tarn
es uns in all unfern Ausführungen an. Dafe bie ^Eoangelien erbaulich,
praftifd), fd)lid)t, oolfstümlid) finb, bebarf feiner befonberen (Einfidjt in
bas Wefen ber Sadje. Durd) all3U häufigen (bebraud) fann 3ubem ber
Ausbrud „oolfstümlid)" feine Kraft gerabe3u oerlieren. Wir fdjeint,
bafe bas Wort in einem hoppelten Sinn gebraucht wirb: oolfstümlid}
fann leid}! oerftänblid), populär bebeuten. Auf bie (Eoangelien treffen
biefe Ausfagen gar nid}t ohne weiteres 3U. Ulandje inbioibualiftifdje
Biographie, oon ber wir bie (Eoangelien abgerüdt haben, ift benfbar
populär. Anbers liegt’s, wenn bas Wort oolfstümlid} im Sinne oon
urtümlich, urwüdjfig (oolfsliebmäfeig) gebraucht wirb. (Erft bann wirb
beutlid), warum bie (Eoangelien undjronologifd}, unpfpd)ologifd), un=
pragmatifd} finb wie anbere urtümliche £iteratur aud}. Unb bennod}
ift gerabe fo ber paläftinenfifche (Erbgerud) ber älteften Raffungen nidjt
oerweht. Hid)t oorhanben ift er in ben Rahmenftüden; es gibt feine
{Topographie im eigentlichen Sinne. §ür bie Auseinanberfeijung mit
ben Beftreitern ber ®efd)id)tlid)feit 3efu — Bruno Bauer, Albert
Kalthoff u. a. —, bie unter fjinweis auf bie Unergiebigfeit ber (Drts*
angaben jegliches £ofalfolorit überhaupt beftritten haben, ift bas wefent*
lid}. Die fo eingekeilten $orfd)er haben ben Singer auf eine wunbe
Stelle gelegt. Wie fteht’s aber mit fo greifbaren Angaben wie Kapernaum
unb 3erufalem? Selbfi hier ift Dorfidjt geboten: biefe beiben (Drte
finb nid)t nur IRittelpunfte ber Wätigfeit 3efu, fonbern aud) Sammel*
punfte oon allerlei Überlieferungen1). 3d} red)ne bamit, bafe Kaper*
naum mehr Überlieferungen auf fich oereinigt hat, als ihm eigentlich
3ugehören. (Es ift hödjft be3eid)nenb, bafe bie (5efd}id)te oom 3üngling
') Was in biefer $rage gejagt werben muf), ift in treffli^er Weife oon
IE. Brüdner, Das fünfte (Eoangelium (Das Ijeilige £anb) 1910 in mettjobologifd}
gefidjerter polemit gegen fl. Kalthoff begründet worben.
K. £. Schmidt: Die Stellung ber ©oangelien in ber allgem. £iteraturgefd)id)te 129
H)ir fyaben bisher nur non ben (Enangelien als folgen gefprodjen
unb nur ab unb 3U einmal bie Srage nad) bem Derfjältnis ber brei
erften (Enangelien 311m uierten (Enangelium geftreift unb ben brüten
(Enangeliften befonbers Ijerausgeljoben. Wir tjaben ferner bie fertigen
(Enangelien als (Befamtljeiten mit anberen (E^eugniHen ber Weltliteratur
uerglidjen unb nur beiläufig bie (Einselftüde als foldje in unfer Rna=
logienerfa^ren einbe3ogen, Hun fyaben natürlid) aud) bie uerfdjiebenen
Gattungen innerhalb ber (Enangelien itjre Rnaloga je nad) ber Hopif,
bie in ifynen uorliegt. Wie nielfeitig finb fdjon bie Jejus=£ogien, bie
richtige unb widjtige Kennung $ran3 ©verbeds) {teilt, aber bann nad) ber
(Erörterung ber Brief=(EpifteI=^rage ben „literarijdjen Werbegang bes Urd)riften=
tums" ju betreiben fudjt unb babei felbft (vgl. S. 182) bie (Empfinbung tjat,
bah bie sur Debatte ftehenben fragen aud) ohne Kenntnis ber 3njd)riften „unb
Pappri unb ©ftrafa" gelöft werben fönnen. $ür bie (Evangelien {ebenfalls ift
bie Ejeransiehung ber Kleinliteratur wefentlid). Dettmann trägt bem aud] infofern
Redjnung, als er auf bie bamals nod) nid)t erfd)ienene Arbeit paulWenblanbs
über „Die urdjriftlidjen £iteraturformen" f|inweift, von ber „viel 3U erwarten"
fei. ©atfädjlid) ift non p. Wenblanb ber literarijd)e Werbegang bes llrd)riften=
tums ilar unb ridjtig erfaßt worben. Wir haben ja oben feine Auffaffung aus=
brüdlid) hervorgehoben unb oon iljr bie Cinien 3ur formgefd)id)tlid]en Betrad)tungs=
weife ber (Evangelien gesogen, bie im (Erfdjeinungsjahr ber 2. u. 3, Aufl. bes „£id)ts
vom ©ften" nod) nidjt vorlag. -
Käd[ bem Abfdjlujj ber vorliegenben Arbeit ift mir nun bie 4. Aufl. von
Deifjmanns „£id)t vom ©ften" 1923 gugegangen. Der genannte britte Ejaupt=
abfdjnitt (S. 116-213) ift fo gut wie unveränbert geblieben. Der Stoff ift be=
reidjert burd] bie ^in3ufügung von fünf weiteren antifen ©riginalbriefen. Dafj
feit 1909 über bie von Deiftmann fo ftarf betonten „urdjriftlidjen Dolfsbüdjer"
mancherlei Wichtiges gefagt worben ift, wirb nidjt beutlid). Wertvoll ift Deif}=
manns Betenntnis 3ur fog. ®attungsforjd)ung. IRit Red)t verwahrt er fid) gegen
E). Winbifdjs fdjeinbar vorliegenbe Annahme, bah feine 1895 erfdjienene „©attungs»
ftubie" über Brief unb (Epiftel ben „Anftoh" burd) ©unfel erhalten habe. 3d)
habe meinerfeits ja fd)on oben S. 88, Anmerfung 5 betont, bah Winbifd) bie
$rage bes prioritätsverhältniffes nid]t gan3 ridjtig erfaßt habe. 3n ben „Kad)=
trägen unb Berichtigungen" (S. 447) gibt Deifjmann als Beitrag „3ur formen»
gefd)id)tlidjen Sorfd)ung" einen Auffat) von RI. Albert; im (Ev. Kird)enblatt für
Sdjlefien 24 (1921), S. 326ff., an. £eiber ift biefer Aufjah, in bem ber Derfaffer
feinerfeits feine Priorität gegenüber R. Bultmann betont (Warum ift aber bie
fdjon 1919 erfdjienene Arbeit von W. Dibelius nid)t genannt?), nur fdjwer 3U=
gänglid), fdjwerer jebenfalls als mand)e anbere formgefd)id)tlid)e Arbeit. Was uns
hier befdjäftigt, ift bie Stage nad) Analogien 3U ben (Evangelien. Die auffd)luh=
reidje Unterfudjung von p. Wenblanb, von ber Deihmann in ber 2. u. 3. Aufl.
gefagt hatte, von ihr fei „viel 3U erwarten", ift in ber 4. Aufl. nur fürs genannt.
3mmerhin ift nun aber bod) ber Sah, bah „bas gan3e Problem einer fd)arf literar»
gefd)id)tlidjen Betrachtung bes Urdjrijtentums nur von wenigen Sorfd)ern empfunben
worben" fei, in ber 4. Aufl. burd) bie (Einfügung bes Wortes „vorbem" auf ben
Stanb bes 3ahtes 1923 gebracht worben. Allerbings eins muh 3um Schluffe betont
werben: folange immer nod) auf bem ©ebiet ber (Erforfd)ung ber (Evangelien alles
möglich ift, fo lange Urteile wie bie von (EbuarblReper, bie wir mitgeteilt
haben, nod) möglich finb, hat Deifjmanns {tarier Appell, auf bie Dolfstümlidjfeit
ber (Evangelien 3U adjten, wenn biefe aud) bei ihm nid)t red)t verinhaltlidjt ift,
feinen großen Wert.
K. £. Sdjmiöt: Die Stellung ber (Eoangelien in öer allgem. £iteraturgejd)i^te 131
') Radjträglid) habe id) I). IDinbifd)s Auffah über ben „johanneifchen (Er=
3ählungsftil" in bieder ®unfel=$eftf<drift tennen gelernt unb freue mid), ba^ bie
»on mir gejtellten fragen bort eine fehr wejentlidje Beleuchtung erfahren. Die
widjtige Frage nad) bem literarijd)en dharafter bes 3ohannese»angeliums ijt hier
aufs glüdlidpte in Angriff genommen, wenn fehr fdjarf „bie grofee Parabojie
biefes (Eoangeliums", bie id) oben fur3 angebeutet habe, herausgearbeitet ift.
Dgl. ba3U A. Dei^mann, £id)t uom ©ften, 2. u. 3. Aufl. 1909, S. 180f.: „®an3
Bolfstümlid), troh bes £ogos ber erften Seilen ift bas 3ohanneseoangelium." 3n
ber 4. AufL 1923, S. 211 finbet fid] ba3U eine neue Anmerfung: „Diefer Sa§
enthält in fnappefter Formulierung felbftuerftänblid) ein gan3es Arbeitsprogramm,
bas mid) aber feit brei 3ahr3ehnten befd)äftigt. Gegenüber ber weituerbreiteten
unb weithin herrfdjenben Ariftofratifierung ünb Doftrinarifierung ber 3ohannes=
tejte muf) Grnft gemacht werben mit ber (Ertenntnis ihres ebenfo ftart doHs=
mäßigen wie fultifdjen dharafters."
2) Siehe meinen „Rahmen ber ®efd)id)te 3efu" passim unb cor allem S.316.
3) Siehe Chriftentum unb Kultur, (bebauten unb Anmerfungen 3ur mobernen
Rheologie oon Fran3 ©»erbed, hrsg. non d. A.Bernoulli 1919, S. 80-82.
K. £. Sdjmibf: Die Stellung ber (Evangelien in ber allgem. £iteraturgefd)i<f)te 133
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THEOLOGY LIBRWY
CLAREMQNT,
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Verlag von Vanden^oecf & Kupre^f in «Döttingen.
*) 3nlanb§prei3 = ©runbsa^l (®.3.) mal ®^lüffeljal)I b. SBud>l).*®örfenüereinS, 311 erfraßen in jeber »ud)§anblun0.
Sluaianbäpreife in Sdjmeiä. Sranten.
Verlag von Vanden^oetf 51 Ruprecht in € Gingen.
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o 1. peft: Wofe u. feine Jeit. Sin Kommentar j.b.J)?ofe=»®agen. JI?, e. ©oppel* oo
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farte. »on»rof.D.Dr. p.Pregmann. VIII, 485®. [13fr.] (G-3-14 oo
o 2. peft: Pie PeiftesPuftur van Marfos im augufteif^en 3eitalter mit »e* o o
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8 rüdfi^tigung ber paulinifdjen ®djriften, bon Oberlehrer ßic. o
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o ^.PöbliG* JJ?it ’8 2lbbilbungen. VI, 178®. 1913. »ergriffen. o
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o 3. $eft: Rber die pajtsralbriefe (I- u. II. Ximotheus^ u.^itusbrief). »on o o
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o Dr. 0ansBelrnutWayer.lv, 89®. 1913. [1,50 fr.] (G.3.1,50 oo
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o 4. $eft: RyribS Cb^iftOS. (Gefcbidhte b.ShriftuSglaubenS bon ben 2lnfängen oo
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beSShriftentumSbiS^renäuS. J)?it auSführl. Jiegifiern. »on »rof. oO
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8
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D. W. PouHet. 2. itmgearb. 2lufl. XXII, 394 ®. 1921. oo
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o [14, geb. 17 fr.] (35.3- 14, geb. 05.3.17 oo
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o 5. ^eft: Pie €ntftebung der Weisheit Palomas. Sin Beitrag jur ®e[^. oo
o
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o ~ b. füb. £eHeniSm. b.Dr. Jorfe. VIII, 132 S. [3,75fr.] 05.3.3 ooo
o
o 6. £eft: ^üdiRb-^riftl. P^ulbetrieb inRlexandria und Rom. ßiterar. o o
8
o Unterfucfjungen ju unb Siemens bon 2llejanbria, Ruffin unb ooo
SrenäuS. »on »rof-D. W. Vou0et. VIII,319®. [10fr.] 05.3.11 oo
o
o 7. ^eft: Historia Monachorum unb Historia Lausiaca. (fine Studie 3Ur o
□ PeRbidjte des Woncbtums und der frübdjrlftlld^n begriffe
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o
PnoftiFer und Pneumatiler. »on (Gel). Jteg.^Jtat ^rof. Dr. oo
o Ricard ReibenRein. vi, 266 S. 1916. [9 fr.] 05.3.8 o
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o 8. £eft: Jefus der 0err. Jlachträge unb SCuSeinanberfefeungen ju ßyrios
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o Cbriftoo. »on»rof.D.W.Pouget. H, 96®. [1,50 fr.] (G.3.2 oo
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o 9. peft: „Per Pobn (Pottes/ Sine llnterfuchung über ben Sljaratter unb o
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o bie Senbenj bes ,$oIjanneS*SbangeIium3. 3wgleic^ ein ^Beitrag oo
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jur Kenntnis ber peilanbSgeftalten ber Sintife. 23on Sßrof. D. ooo
o Pillis p:fon Wetter. v, 201 ®. 1916. [4,so fr.] 05.3.4 o
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o 10. $eft: Plc alt^riftli^ePilderfrage nach den literarifcbenQuellen.
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o »on^rof.Dr.pugoßocb. IV,108®. 1917. [3,20fr.] 05.3.3 oo
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11» ^eft: Per parallele Bau der®a^glieder Im ReuenSeftament und o o
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feine Verwertung für die lext?ritif und (fxegefe. »on Lic. oo
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th. Dr. ph.il. Roland 6$Ü$. 27®. 1920. [1fr.] 05.3.—,75 oo
o 12- £eft: Pie $ef<bicbte der fynoptiföen Tradition. »on »rof. D. o
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o Rud. Pultmann, x, 232 ®. 1921. [8 fr.] 05.3.6 poo
o 13- Peft: Rlt^riftl.Liturgien I: Pas ^riftl.Wyfterium. ®tub. j.(Gefdj. o
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o ‘ b.Oenbm.b.PillisP:fonWetter. Vin,196®. [6 fr.] 05,3. 5 ooo
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o 14. $eft: PerlfextdesPu^esP^ra. »eiträge jufeiner JBieberberftettung. o o
' »on »rof. Dr. Julius R.Pewer. iv, 94 ®. [3 fr.] 05.3.3 ooo
o 15. peft: Pie £eidensgefd)id)te ^efu und der Cbriftusfult. 23on oo
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o »ribatboj.ßic.pg. Pertram. IV, 108®. [3,50 fr.] 05.3.2,50 o
o 16. Peft: ßritiRbe Unterfiubungen su den Pudern Camuelis. »on oo
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o " ^rof. Dr. fciFtfn. 71®. 1922. [3 fr.] 05.3.2,50 oo
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o 17^peft: Rltdjrfftl. Liturgien II: Pas ^riftli^e (Ppfer. Jteue ®tub. j. oo
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o - (Gef$.b.2Ibeubm. »onp.p.Wetter. IV, 122®. [5 fr.] 05.3.5
o
o 18. Pie göttliche Vorberbeftimmung bei Paulus u. in der Poji- oo
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o ‘ “ donianiRben Pbilof. »onßic.R.Mie^tenban. [3,50fr.] 05.3.2 oo
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o 19 .'£eft: Eöxapiorripiov. Stubien jur Religion u. ßit. b. 21. u. JI. X, oo
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o $erm. 05unfeI j. 60. (Geburtstag bargebr. bon feinen ®cfjülern ooo
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unb greunben, I)r3g. b. £an3 ®d)mibt. 1. »b. 3ur Jielig. oo
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8 unb ßit. b. 21. %. $nli 1923. o
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20 . ^eft: ©asfelbe. 2. «8b. 3ur Jtelig. u. ßit. b. JI. £. $uli 1923. o
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*) SnlanbSpreiB — ©runbja^l (0.3.) mal b. S8ucbfy-s23örfen Vereins, au erfragen in feber ©ucöfianbluna a
SluSlanbSpreife in S^tveij. granten. ** *
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Verlag von Vanden^oed & Ruprecht in Böttingen» o
Juli 1923 erfdjien: o
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©Gerhard Hcftlc'e Einführung o
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Sn ber von ^prof. D.cS.Sfannmülkr herausgegebenen Sammlung Öie Jieiigion ber ^laffifer
finb aß 8. unb 9. 93anb erfchienen:
£55 5
THEOLOGY LIBRARY
SCHOOL OF THEOLOGY AT CLAREMONT
CLAREMONT, CALIFORNIA
88 23 262-002