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MARTIN DIBELIUS

Aufsätze zur
Apostelgeschichte
8^! fb/v
Dibelius • fluffä^e ?ut Hpoffelgefd?icf?te

——
tHanin ©ibeliue

2luffä$e sur 2lpoftelgefd)id)te

^ercuogegcben von t$einrid) ©reeven

2. unveränbectf 2tuflage

(Böttingen • Vanbenl)oetf & Jiuprecbt • 1953


^orfcfyungen 311t Xeltgion unb Literatur
bee ?llten unb fleuen Teftamento

tScrauegegcben von

D. Hub. 23u(tmann
0. Prof. Ser C^rot. in lllgrburg a. b. £ßbn

Heue Solge 42. tSeft


Cer ganzen Keilte 60. 6eft

2. Ituflnqr 1953
Koppelet 1951 bp 33anbcnboc<t 4 Kuvrctbt, Sbttingen
Sijenj-Jlr. 352 ■ 250 58 50 • Siefetgen. Jir. 2-191827
-pilatteiibriKf: Jililpclni rtoppe, ®or»berf,Cclpiig, 111/13/12

bsl
Sim inneren Slanbe finb bie Seitenjablcn ter erften Veröffentlichung angegeben
Dorwort bes Herausgebers
IHartin Dibelius bat im lebten 3al}r3el}nt feines £ebens bie literar» unb
ftilfritifdje Srforfd/ung ber Hpoftelgefd?id?te immer metjr in ben IKittelpunft
feiner Arbeit gefteilt. Dabei bestätigten fid) ihm im wefentfidjen bie 1923 in
ber 6>unfel'$eji[cbrift oorgelegten drgebniffe, fobafe feine Auffä^e jur Apofteb
gefd)id)te jufammengenommen ein abgerunbetes unb in allen (Einjel^eiten
ausgefüfyrtes Bilb feines Beitrags jur Acta'Sorfdjung barftellen. Ceiber finb
Don biefen Auffätjen bie meiften Dergriffen, einige nur im Ausland erfdjienen;
anbere blieben bisher unDeröffentlidjt. Diefe Umftänbe liefen eine Sammlurg ber
„Aufjä^e jur Apoftelgefdiidjte" geboten erfdjeinen, bie hiermit norgelegt mirb.
Die einjelnen Auffätje finb in ber $olge iljres Grfdjeinens angeorbnet,
bie unoeröffentlid/ten am Sdjlufj. Ha^fte^enb einige nähere Angaben:
Ur. 1: aus „dudjarifterion für H-©unlel" 1127—49. ©öttingen, Danbentjoed &Rupred;t
1923.
Rr. 2: = Sihungsberidjte ber Heidelberger Atabemie ber EDiffenfdjaften. Pbilofopbifd?^
Hiftorifdje Klaffe. Jahrgang 1938/39, 2. Abhandlung. Heidelberg, d. IDinter 1939.
Rr. 3: aus „Sorfdjungen unb $ortfd}ritte" 15. Jahrgang 210—11. Berlin 1939. Der gleidje
Auffah erfd/ien in ber englifdjen Ausgabe „Research and Progress“ VI 3—7, Berlin
1940 in einer am dnbe (rootjl Dom Derfaffer felbft) erweiterten Saffung.
Rr. 4: beutfd/e Dorlage eines für bas „Journal of Religion“ (University of Chicago Press)
gefd/riebenen Auffatjes, bort erfdjienen 21. 3ahrgang 421—31, dlpcago 1941, in
Überfettung Don Paul Sdjubert unter bem ditel „The Text of Acts. An Urgent
Critical Task.“ Der beutfdje ditel „Die nüdjfte Aufgabe" würbe in biejer Sammlung
erfe^t burd;: „Der dejt ber Apoftelgefd/id)te."
Rr. 5: aus „dheologifdje Diteraturjeitung" 72.3ahrgang 193—98. Berlin, dDangelifdje Der»
lagsanftalt 1947. „Walter Bauer jum 70. ©eburtstag gewibmet."
Rr. 6: aus „gorfdjungen unb gortfdjritte" 21./23. 3abrgang 67—69. Berlin, Atabemie»
Derlag 1947.
Rr. 7: aus „Coniectanea Neotestamentica“ XI 50—65. £unb, ffileetup 1947. 3um
60. ©eburtstag non A. gtibridjfen.
Rr. 8: aus „Schriften bet Unioerfität Heidelberg" 3. ^eft: „Aus ber Arbeit bet Unioerfität
1946—47" 112—25. Heidelberg, Springet 1948. din „UniDerfitätsDortrag" in Heibeb
berg oom 14.2.1947.
Rt. 9: = Si^ungsberid/te bet Heibeiberger Atabemie ber Wiffenfdjaften. PHilofopH’Tdj*
Hiftorifdje Klaffe. 3al?rgang 1949, 1. Abhandlung. Heidelberg, d. IDinter 1949. Dor»
gelegt im 3al)te 1944.
Dorwott bes Herausgebers 7

Rt. 10: einjiges ausgeführtes Kapitel bet für bie „Heuen Iljeologifdjen Erurtöriffe" (IjTsg.
oon R. Bultmann) oorgefehenen „Utdjrijtlidjen £iteraturgefd?id?te". Die Überfdnift
„Die flpoftelgefdjidjte" mürbe entfptedjenö ergänjt. ®ffen[idjtlid) ift bet oolle plan
nod; nidjt ausgeführt: bie im Eejt felbft angetünbigte Behanblung ber Reben
feljlt ebenfo wie bie in Aus[id>t geftellte Erörterung, ob ein Paulus*Schüler bie
Apoftelgefdjtcbte jo habe fdjr eiben tönnen. Dagegen gibt ber Auffah eine umfaffenöe
Darftellung oon Jnljalt unb Stil bes Buddes. Er bürfte in biefer Sammlung aud; bann
nidjt fehlen, wenn bie unausgeführten Eh®m®n nid^t in anberen Auffätjen binrei»
djenbe Erörterung gefunben Hätten.
Hr. 11: einziger ausgeführter Seit eines geplanten größeren Paulus-Budjes (nidjt ju »er»
wedjfeln mit bem 1951 erfdjienenen Eöfchenbänbchen), bas ben Eitel führen follte
„Paulus ber rabitale Ehrift". Ein erfter flüchtiger Entwurf fie^t folgenbe Kapitel
oot: I. Hellenismus unb 3ubentum. II. Die Quellen. III. Das Ehriftentum not
Paulus. IV. Die Belehrung. V. Die Sbe°äi3ee bes rabitalen Ehriftentums. VI. Ebru
ftus=Srömmigteit. VII. Hliffion. VIII. Die Bibel. IX. Die Befreiung bes Rlenfdjeu
X. Eott unb Welt. XI. Kirche unb Synagoge. XII. Rom. Daju waren „Sclebrte
Beigaben" geplant: 1. Paulus in ber Apoftelgefdjicbte. 2. Das Alte Eeftament unb
feine Ejegefe. 5. tjelleniftifdje IRyftit. 4. Die Wertung ber grau. — Die erfte biefer
„(belehrten Beigaben" wirb hier alfo oorgelegt. Eewiffe Anjeidjen (Derweifungen
im Eejt u. ä.) beuten barauf hin, baß aud) fie noch nidjt ganj abgefdjloffen war. Eine
Stijje fah nod) Ausführungen über bie Reben, über bie Reife nad; 3erufalem, bie
Romfahrt unb übet bie angeblichen Detjeidjnungen bes Paulusbilbes oot. Aber
aud; ohne biefe Erörterungen ftellt ber Auffaß ein abgefdjloffenes Eames bar, bas
um fo eher in bie Sammlung aufgenommen werben tonnte, als bie übrigen Auf»
faße bas nod; Sehlenbe in aller Breite behandeln.
Die Arbeit am dejt ber Auffäße befdiränfte fid? im tnefentlidren darauf, bie
3itierungsweife ?u nereinbeitlidien unb in Anmertungen Hinweife 3U geben, bie
eine rafd;e Orientierung über Dibelius’Äußerungen )u ben einjelnen fragen er*
möglichen fallen. Dem gleichen 3rt>ed bienen bie Regifter. di^elne Derfeßen finb
berichtigt, auch fonftige Hachträge in ben fjanbejemplaren beigebrudt. Die 3itate
finb — mit geringen burd? bie Ungunft ber Bibliotßefs=DerßäItniffe bebingten
Ausnahmen — nochmals geprüft. Alle 3ufäße bes tjerausgebers fteßen in edigen
Klammern [ ]. (Ein Pfeil (->) oerweift immer auf Seiten biefer Sammlung.
Der Heidelberger Afabemie ber IDiffenfdjaften (unb bem Unioerfitätsnerlag
d. IDinter) fei an biefer Stelle bafür gebantt, baß fie burd? bie bereitwilligft er*
teilte 3uftimmung jum Abbrud ihrer Sißungsberidite mitgeholfen ßat, ber gelebt*
ten IDelt einen wefentlicßen Heil bes Sehenswertes ihres ehemaligen Secretars in
gefdiloffener Sorm bar3ubieten. Den gleichen Dant fd-ulben £efer unb Heraus*
gebet bem SpringerDcrlag, ber jum Abbrud non Hr. 8 feine freunblidje 3u;
[timmung gab.
fj. dreeuen.
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1. Stilfritifd/es 311t flpoftelgefd]id?te
1923

I.
27 Wer ein Schrifttum wie bas ifraelitifdie unb urdiriftlicbe unterfudjen will,
l?at 3U allererft nach ben literarifdien Sattungen ju fragen. Diefen Srunbfat?
^at uns fjermann (5 u n f e i immer wieber eingefcbärft. Unb wie bie Sattungs*
forfdjung im Alten Ceftament non ben Sammlungen unb ben größeren Cr*
jäfylungsfompleyen alsbalb norjubringen lernte ju ben Heinen dinbeiten, bem
Sieb, ber Cin3elfage, fo fyaben fidi audj bie entfpred;enben Arbeiten über bie
Cuangelienliteratur bemüljt, nad? „formgefdndjtlidjen" Sefiditspunften Heine
diuljeiten als bie Clemente ber Überlieferung na^uweifen1). Diefe $orfd?ung
ftel?t nod? in ben Anfängen; aber fdion beute barf man bie Hoffnung aus*
fpredjen, bafe bie nad; Sattungen fdieibenbe Stilfritif leisten wirb, was bie
nad) (Quellen fcbeibenbe Citerartritif nicht nermodde — fo oerbienftlidi fie ift
unb [0 unentbe^rlid? fie bleibt: bas IPerben ber nor ben Büchern liegenben
Crabition oerftänblid? ju madjen. Cs liegt natje, biefelbe §rageftellung aud)
auf bie Acta apostolorum bes Heuen Ceftaments an3uwenben unb junädjft
einmal grunbfäijlid? ju erwägen, ob fid? auf bem Wege ber Stilfritif etwas
über bie bem Budie jugrunbe liegende Überlieferung ausmadien läfet. Die
befonbere Sdjwierigfeit ber Unterfudnmg liegt in ber Art ber Apoftelgefdiidjte
begrünbet, bereit literarifdie Sattung nidit oljne weiteres beutlid; ift.
§reilidi fönnte man geneigt fein, ein Bud;, bas ein Stüd 3eitgefdiid]te
in pragmatifdier Dertnüpfung unb offenbar nach einem plane bar3uftellen
unternimmt, bas mit einem „literarifdien" Prolog beginnt unb feinen fjelben
Reben in ben ITiunb legt, nad) feiner Sattung ben Werfen jeitgenöjfifdjer
fjiftorifer an bie Seite ju ftellen. Aber biefe Cinreifjung würbe bod) bem
feineswegs einfyeitlidjen Cbaratter bes Budies nidit rollig geredjt werben.
Der DerfaHer, ben id? £ufas nenne, oljne bamit einer Cntfdjeibung ber Autor*
frage norjugreifen, mü^t fidi jwar, feinen Segenftanb ins Weltgefdiiditlidje
28 ju ergeben; aber bas Wort „es ift bies ja nid)t im Wintel gefdjefyen" Act. 26, 26
ift in Wirflidjteit mel)r für i^n, als für bie Dinge, bie er erjätjlf, bejeidmenb.
Denn bies finb — tro§ ityrer tünftigen weltgefdiidjtlidjen Auswirtung unb tro^
]) Dgl aufeer meiner „gormgeld)id;te öes (Enangeliums" 1919 p 1933] Karl £ulm>ig
Sd)mibt, Der Raljmen ber Sefcbidjte 3efu 1919; Bultmann, Die ®efd;id)te ber lynopti*
fd;en Srabition 1921 p 1931]; fllber^, Die fynoptifdjen Streitgefprädje 1921; Bertram,
Die £eibensgefd)id;te Jefu unb ber dijriftuslult 1922
1. Stilhitijches jur Apoftelgefdjichte

ber tre!tgefdiid?tlid?en Beziehungen, in bie jie £ufas hmeinftellt — eben bod?


Wintel Greignifte, bie jid? unter fleinen £euten unb ?unäch[t relativ im Der=
borgenen abjpielen, unb bem entspricht aud? bie (Erjählmtgsweife in manchen
Heilen bes Bud?es; man benfe an (Tabithas (Erwedung ober an bie Befreiung
bes Petrus aus bem Kerfer.
AnbrerSeits ift bie literarifdje (Battung bes Budjes im Heuen deftament
einjigartig. Das Urteil gilt, obwohl bie Schrift bie Sortfehung bes £u(as=
(Evangeliums bilbet. Diefe von (Ebuarb Hl e y e r 9 neuerbings fo ftart betonte
3ufammengehörigfeit mit bem (Evangelium barf in ihrer Bebeutung nicht über*
fdjäht werben. 3war ift Sptadje unb Stoffauswahl bes einen Buddes mit Beb
Spielen aus bem anberen gut ju erläutern, unb vor allem erflärt fid? bas merf*
würbige fanonsgefdiichtliche Sdndfal ber ApoJtelgeSdjidjte, ihr Scheinbar un­
vorbereitetes, aber red?t Jidieres Auftreten im Kreije ber neuteftamentlidjen
Schriften, wohl nicht nur aus ihrer (Eignung jum antihäretifeben Kampf, Jon*
bern junädift aus ihrer Derbinbung mit bem £utasdvangelium: bei ber Bil­
dung bes Dierdvangelientanons bem verfärwifterten IDerf entfrembet, ift fie
bod? alsbalb von ihm über bie Sd?welle bes Kanons nadjgejogen worben. Aber
ihrer (Battung nad? gehören bie beiben IDerfe besfelben Derfaffers nidjt in eine
Reihe.
Dor allem hat fid? £ufas in ber Apoftelgefdjidjte in viel höherem (Brabe
fdiriftftellerifd? betätigt als im (Evangelium. Dort galt es ÜberlieferungsStüde
311 rahmen unb ju verbinben; ber Derf. tonnte unb wollte fid? babei auf Heine
(Einfdialtungen meift rebattioneller Art befebränfen. IDenn man aber in ber
Apoftelgefchidjte bie Sjenen bes Apoftelfonjils ober ber Derhöre Act. 24—26
lieft, fo überzeugt man Jid? leicht, bafe £utas hier nidit nur Überlieferungsftüde
mofaitartig jufammengefügt, verbunben unb gerahmt hat; hier greift feine
felbftänbige Arbeit tiefer. Den Anteil biefer fd?riftftellerifd?en Bemühungen am
(Banjen gilt es fefijuftellen; folange bies aber nidjt gefchehen ift, hat jebet Der-
fud? als ausfid?tslos 3U gelten, ber ben üejt ber Acta im Srofjen unb (Sanjen,
abgefeheit von rebaftionellen 3miSd?enbemerfungen, auf verjdjiebene (Quellen*
fdjriften reftlos verteilt. Die eigene Arbeit bes Autors tommt babei nicht ju
ihrem Red?t23*). Am ftcherften wirb man auf fie bie Reben ber Apo|telgefd?id?te
jurüdführen bürfen, bie aus überlieferungsgefdjidjtlichen (Brünben fdjwerlid? 29
trabiert jein formen, literarifd; ihre parallelen bei ben ljiftoritern haben unb
in ihrem 3nhalt oft genug einen Späteren Stanbpuntt jum Ausbrud bringen
(15, 10. 11. 19—20; 20, 25. 29f.). 3t»ar ift mir nidjt jweifelhaft, bafe in ihnen
gelegentlid? ältere $ormulierungen ferygmatifdjer ober liturgifdjer Art benutjt
werben8); bie eigentlid?e Konjeption aber ift bes Autors IDerf. And) bort, wo
0 (Ebuatb Hleij er, Utfprung unb Anfänge bes Christentums I, 1921, 2ff.
2) Das gilt fdjlie^lid? aud; non ber fejfelnben Arbeit von Rolanb Sdjüh, Apoffel unb
jünger 1921. Denn bie »an iljm gefchiebenen Srabitionsmaffen haben ihre (Einheit unb ihre
Kennjeidjen 311m Seil von ber Arbeit bes Autors empfangen,
3) 3<h habe bas für Art. 4, 24—28 in ber 31UD 16, 1915, 123 ff., für bie Reben in
Act. 2; 3; 10; 13 in meiner gormgefchichte bes (Eoangeliums 7f. [2. Aufl. 15 f.] ju beweisen
1. Stilfritif^es jur flpoftelgefd?id?te 11

inan aus angeblidien Wiberfprüdien berReben untereinanber meinte, auf ver*


fd}iebene Quellen fdiliefjen ju muffen — wie bei ber Darftellung ber Paulus*
Belehrung in Act. 22 unb 26 —, hanbelt es fidi nur um fdjriftftellerifd;e Daria*
tion, beren Hbfidit fid? aus ber jeweiligen Situation ertlärt. Die Reben geben
uns alfo eine Dorfteliung bavon, wie £ufas fdjrieb, wenn er an leine Quelle
gebunben war.
Dafj ber Autor aber bei ber Abfaffung ber ApoftelgejdjiQte anbers arbeitete
als er es früher am (Evangelium getan, bas hing mit ber Art ber Aufgabe ju*
fammen, bie er fid? hier geftellt hatte. Damals hatte er Dorgänger gehabt,
beren IDerfe er benutzte unb beren dedjnif, bie ürabition jufammenjufügen,'
audi für feine überlegtere unb pragmatifQere Weife uorbilbliQ würbe; ja einer
von ihnen, Rlarfus, Ijatte fogar bie Reihenfolge ber lufanifdjen (Erjählung jum
guten Seil mafegebenb beftimmt. Don Dorgängern ber Apoftelgefdjidite wiffen
wir nidjts. And? verfteht fid} ihr Plan im einjelnen nid}t von felbft, unb ihr
fjauptthema — etwa im Sinn von 1,8 — fönnte man fich ganj anbers be*
hanbelt benten. Dies alles läfet barauf fcbliefjen, bafj £ufas als erfter fidi an bie
Aufgabe gemadit hat, ben Weg bes (Evangeliums non 3erufalem nadi Rom ju
befdjreiben, bafj wir alfo in ben Acta ein Werf mit inbivibuellerer Prägung
vor uns haben als es bas £utas=(Evange!ium ift. Wir bürfen hier feineswegs
ben Sadjverhalt vorausfetjen, beffen Aufhellung bie formgefdjdjtlidie Betrach*
tung ber (Evangelien veranlagte: bafj bie Derfafjer ber Büd;er bie von ber Über*
lieferung gefdjaffenen $ormen im ©anjen unb Srofjen bewahren. Qb unb wo
ber Autor ber Acta über eine in biefer Weife geformte Überlieferung verfügte,
ift erft noch ju fragen, (Es tann fich alfo junädift gar nicht um eine formgefdjicht*
lidje, jonbern nur um eine ftilfritifdie Betradjtung hanbeln.
3d} habe in ber „$ormgefd}idite bes (Evangeliums" ju jeigen verfudit, bafj
30 für bie jormung ber älteften Überlieferung von 3efus praftifdje Jntereffen maj}*
gebenb waren: bie Prebigt — bas Wort im weiteften Sinne genommen unb
auf propaganbiftijdie wie erbauenbe üätigfeit bezogen — unb bie paränefe,
bie fittlid;e Belehrung werbenber wie reifer dhriften. Soldie 3ntereffen tom*
men für bie Dorgejd}id}te ber Acta nid}t in Betrad}t. Paränefe finbet fich in
ber Apoftelgefcbidite überhaupt nidjt, unb miffionarifd}e ober erbauliche 3n*
tereffen werben unmittelbar nur in ben Reben befriebigt, alfo in Abjd;nitten,
bie als Sorm überhaupt feine Dorgefdiichte in bem hier in $rage fommenben
Sinn haben. Die Bilbung eines fpäteren, breiteren drjählungstypus in ber
evangelifdien Überlieferung — id? nenne fie „Rovellen" — habe id} auf ben
drjähltrieb in Derbinbung mit d;riftologifd}*tultifd?en 3»tereffen jurüdgeführt,
ber Ausführlidies non bem wunberbaren £eben bes ©ottesfohns beridjten unb
fo bem ©hriftusglauben bienen wollte. So gewife vieles in ben ApofteI*Anef*
oerfud}t. — Die niöglidjteit, baß aud) Hadnichten übet roirtlid) gehaltene Reben einzelner
feinet gelben an £utas gelommen fein fönnen, ift natütlid} nicht ju beftteiten. Hut oerrät fid;
in ben Reben bet flpoftelgefdpdjte bas Beftreben ju typiperen, Beifpiete unb Dotbilber ber
djtijtiichen prebigt ju geben niel mehr als bie Erinnerung an beftimmte perfonen unb
bas bei beftimmten ©elegenheiten non ihnen ©efagte.
12 1- Stiltritijdjes jur Apoftelgefdjicßte

boten ber Acta vom (Er3äßitrieb geformt ift — jene fu1tifdj*djriftologifdje 3u=
fpißung feßlt jumeift; es l?errfd?t vielmehr in ber Regel bas fromme 3ntereffe
an ben (Ei^elerlebniffen ßeiliger IRänner vor, bie 3war unter bem „evange*
lifcßen" öefidjtspunft Rebenfiguren finb, für biefe ©efcßidjten aber im Dorber*
grunb fteßen. (Es ift bie Welt ber £egenbe, bie unr ßier betreten1); es fragt fidj
nur, too uns nodi bie alte £egenben=drabiiion in ißrer urfprünglidien Sorin
erhalten ift unb wieviel ber Autor aus eigenem baju beigefteuert t?at.

II.
(Es toirb nach allebem flar fein, baß £utas bei ber Arbeit an ber Apoftel*
gefeßießte anbers verfaßren mußte als bei ber Abfaffung bes (Evangeliums.
Sdion ber Stoff war von viel fomp^ierterer Art: umfangreicher, ungleich*
artiger, weniger abgegren]!, fdiwerer 3U orbnen. Das ©rbnungspri^ip bes
Derfaffers tonnte demgemäß fein einheitliches fein.
Wie £ufas bie verfebiebenen drabitionsftüde aneinanbergereiht unb mit
eigenen Kompofitionen verbunben hat, bas ift am beutlicßften an bem Wittel*
punft ber Acta, ben Paulus=Reifen, 3U fehen. Die Unterfudjung biefes Abfdjnitts
13,1—14,28; 15,35—21,16 ift lange 3eit bureß bas Bemühen beftimmt
worben, bie fog. Wir*<öuelle ausjufdjeiben. Diefe Derfudje fdjeinen mir im
gan3en genommen bie (Erfenntnis 3U 3eitigen, baß bas Dortommen bes „wir"
allein 311t Abgren3ung einer Quelle ober CIrabition nidjt ausreidif. Denn es ift
cbenfo möglich, baß man ben Seltungsbereid) bes „wir" vergrößert wie baß 31
inan ißn vertleinert hat2). Unb Spradigebraud;3) wie literarifeße Art4) ber Wir*
Stüde unterfcheiben fidi nidjt wefentlid; von anderen Abfcßnitten, bie äßnlidje
Vorgänge behanbeln. Dielmehr fdieint bem Reifeberidjt überall ein Stationen*
ver3eicbnis ber Reifen, vermutlich mit turjen Angaben über ©emeinbegrünbung
unb ITliffionserfolg verfeßen, 3ugrunbe 3U liegen. Wo biefes De^eidmis aus*
3ufeßcn fdjeint, b. ß. in 16, 6—8; 18, 22f.; 20, 1—3, waren bie Stationsangaben
entweber nidjt vorßanben — fo ift vielleidjt bie Reife burdj ©riedjenlanb
20, 1—3 überßaupt nidjt aufgejeidjnet gewefen — ober £ufas ßat aus ©rün*
ben ber Kompofition gefügt; bas letztere würbe idj 16, 6—8 vor allem in Be*
tradjt 3ießen, weil es bem Derf. bort barauf anfommt, bie pneumatifeße Be*
einfluffung unter Ausfdjeibung aller menfeßließen Sattoren 3U fdjilbern5). (Ein
folcbes 3ti”erar fdjeint bas ©erippe für bas lllittelfiüd ber Acta gebildet 3U
0 Jn öen fynoptifdjen (Eoangelien fpielen — von öer Ceiöensgefdjidjte abgelegen —
legendäre^ntereßen nur eine geringe Holle; »gl. meine $ormgefdjid?te2b f. [2.Aufl. 41 f. 102].
-) Das Auftreten öes „lüit" Act. 11,2s im weftlidjen Hert läfjt fid? auf beiöe Arten
erflären. Dgl. übrigens audj Horden, Agnojtos 3beos 1913, 327ff.
s) fjarnad, tufas öer Arjt 1906, uff.
4) itlan »ergleidje 16, 11—15 (1. Perfon) mit 17, 1—9 (3. Perfon) auf Stil, §arbigfcit
unö ffienauigfeit öer drjäßlung.
6) Daöurd? rnirö nicht ausgefdjloffen, öafe öem Derf. Hadjridjten über öiefe Sattoren
jur Derfügung ftanöen. Aelius Ariftiöes läßt in öer (Befdjidjte [einer Kranfljeitserlebniffe
mand;cs nur öurdj göttlid]e (Eingebung gelenlt fein, ot;ne öeren Dermittlung irgenötvie ju
befdjreiben.
1- Stilfritifdies jur Apoftelgefdiidjte 13

haben1). Das ergibt fid) aus ber (Sleidimähigteit, mit ber bie Stationen ein=
geführt unb burd) furje Rotijen erläutert werben. Wenn ber Derf. ohne eine
foldie Quelle gearbeitet unb etwa nur totale Grabitionen ber Gemeinben be*
nu^t hätte, fo würbe er gewiße Stationen watjrfdieinlid) reidjlidjer bebenfen,
anbere aber auslaffen. Unb wenn er IDert barauf gelegt hätte, im 3ntereffe
ber Grbauung ober Unterhaltung feiner Sefer etwas ju erbiditen, fo würben
wir bie webet fromm nod] feffelnb wirtenben Radjridjten aus Derbe 14, 21,
Gheffalonife 17, Iff., Beroea 17, lOff. fidjer nidjt in feinem Budje lefen. 3hm
war alfo für biefen mittleren Geil feines Wertes ein (Srunbftod non Angaben
überliefert. Jn biefes 3tinerar hat er nun eigene Sutaten fowie anbere Über*
lieferungen eingefügt. 3u ben erften jählen nor allem bie Reben, aber and]
mandje rebigietenbe Bemerfungen wie 14, 22f.; 19, 20 unb anberes, was wir
32 nid)t fidjer ausfdjeiben tonnen, ba uns bie genaue Abgrenjung bes 3tinerars
unmöglid) ift. ju ben Stüden aus anberer Überlieferung gehören bie wenigen
in fid? abgefdjloffenen, alfo wohl urfprünglid) ifoliert überlieferten Grjählungen.
IRan muh bebenfen, bah es bem Derf. um Derarbeitung ju tun war; er muhte
barauf bebadjt fein, bie Stüde oerfdiiebener fjertunft miteinanber ju uerweben;
trohbem läht fid? bei ben Grjählungen ebenfo wie bei ben Dom Autor fompo*
nierten Reben gelegentlid? jeigen, bah öei ihrer (Einfügung ein Gegebenes,
b. h- bas 3tinerar, gefprengt worben ift. Die tyftrasGrjählung wirb 14, 8—18
gebracht, obwohl oorber bereits — nad) bem 3tinerar — ber Aufenthalt ber
ZTliffionare in £yftra unb aud) in Derbe, ber folgenben Station, bcrid)tet ift
(14, 6. 7); jo muffen am (Enbe ber £yftra*Gpifobe 14, 20 Paulus unb Barnabas
nod) einmal nad) Derbe überfiebeln. Gine ähnlid)e Dublette läht fid) am (Enbe
ber antiod;enifd)en Rebe nadiweifen2), unb aud) bie Umgebung ber Areopag*
Rebe läht barauf fd]liehen, bah burd) ihre Ginfügung 3ufammengehöriges ge*
trennt worben ift3). Überall erweift fid) bas 3tinerar als Grundlage ber Kompo*
fition4).
’) Die Derfaffer^gcage bleibt bei einer [oldjen Unterfudiung am beften ganj aus bem
Spiel, weil i^re Grroägung geeignet ift, bie Reinheit ber ftiltritifdjen Rlafjftäbe ju trüben.
Gs fall alfo bie Rlöglidifeit toeber behauptet nod) beftritten werben, bafe ber Derf. bes Jtine»
rars mit bem etwa ein Hlenfd)enaltcr fpäter fd)teibenben Derf. ber Apoftelgefd]id)te ibentifd;
ift. find) über ben Stab ber Augenjeugenfdjaft jenes Jtinerar=Autors foll nid)ts behauptet
werben. Alles bies ift erlt bann ju erwägen, wenn bie drabitions* unb Kompofitionsprobleme
gelöft finb.
2) 13, 42 ift Sd)Iufcbemertung jur Rebe. ITlit 13, 43 läuft augenf^einlid) bas Jtinerar
weiter, beffen gaben oielleidit in 13, 14 abgeriffen war; äxd&taav ift reidilid) pointenlos
unb würbe wol)( jweds Überleitung jur Rebe eingefügt. Das Jtinerar tonnte man alfo etwa
fo retonftruieren: fie gingen am Sabbat in bie Synagoge unb prebigten. Als bie Synagoge
ju Gube war, folgten ufw.
’) Die IDorte 17, 34 tcvij 84 ävbpeg finb bie parallele ju bem Sah 17, 18 xit xivss
SXrpov. Spott unb ©taube ftanben nebeneinanbet, bie Rebe l)at fie getrennt.
’) Der Abfdfnitt oom Apofteltonjd 15; 1—34 ift ausjufdjalten unb bilbet ein Problem
für fid). jum erften Rial mad;t fid) bas Jtinerar 13, 4 bemertbar; benn bie Ramenlifte
13, 1 unb bie bem fpäteren Amtsbegriff entfpred)enbe ©rbination 13,2.5 gehören felbft*
oerjtänblid) nidjt baju. Die erfte namentliche (Erwähnung bes Paulus innerhalb bes Stations»
oerjeid)niffes aber ftebt erft 13, 13 ol nspl n«5Xov; bas Jtinerar bejeidmet ben Apoftel
14 1, Stilfritifdjes jur Apoftelgefchichte

Don einem entfpred)enöen (Srunöftocf ift im leisten Heil bes Buches nidjt
oiel ju fpüren. Reben unb Rebefjenen Jinb es, bie biefe Kapitel be^errfdjen:
bie grofee Rebe an bas Dolf oor ber Burg Antonia, bie Streitfjene im Syne=
brium, bas Rebebuell jwifdien Hertullus unb Paulus unb bie hödjft ausführ-
lid) eingeleitete Rebe nor Agrippa. Das alles läfet vermuten, bafe ljiet ber
Sdjriftfteller gegenüber ber Hrabition bie (Dberhanb Ijat. Diefe Dermutung
wirb bestätigt burd) bie Beobad)tung, bafe einige biefer Reben ganj offenbar
auf ben Jortgang ber ^anblung feinen (Einfluß ausüben, fonbem lebtglich
epibeiftifdjen Gfyarafter haben. Die tobenbe IRenge verftummt jofort, als Paulus
reben will, fällt aber in bem Augenblid mit erneutem ®efd?rei ein, in bem es 33
bie Regie bes Sdjriftfte Ilers jur Unterftreidjung bes pointierten Sdjluffes
braudjen fann (21, 40; 22, 22). Dor bem profurator $elif bemühen fid? Her=
tullus unb Paulus fdjeinbar ganj vergeblid? um bie Darlegung itjres Stanb=
punfts (24, 1—23); bie Sjene geht aus wie bei 3ofephus bas ähnliche Rebebuell
jwifdjen Antipater unb Rifolaos oor bem Kaifer (Bellum Jud. II 25ff. §26—38,
Antiquit. XVI1 95ff. §230—249): bie Sache wirb vertagt. Die Reben finb alfo in
Wirflidjfeit für ben Sefer beftimmt. IDas £ufas in biefem Heil feines Budies
für Radjridjten gehabt unb »erwenbet hat, fönnen wir nidjt erfennen; benn
fo wie fie uns vorliegen, finb bie fraglichen Kapitel feine literarifdje Ceiftung.
Diefes Urteil gilt aud) für ben Seereifeberidjt Act. 27; 28. Hro^bem tjier wieber
bie 1. perfon piuralis bie gührung l?at, ftedt in ber Sdjilberung bes Sd)iff=
brudjs mit ihren tedjnifdjen (Einjelheiten weit mehr Siteratur als Beobadjtung.
(Ebuarb Korben’) hat gejeigt, bafe biefe Säuberungen jur literarifdien Kon=
Petition gehören; es ift alfo aud? hier anjunehmen, ba^ bie (Erinnerung an
bie ftürmifd?e Sahrt bes paulus nach Italien — traft eigener Augenjeugew
fdjaft ober frember Überlieferung im Befitj bes Detfaffers2) — von ihm nad?
literarifdien Dorbilbern ju ber großen Kompofition ausgeftaltet würbe, bie wir
auch im folgenden immer mit feinem Weltnamen Paulus, den der Diafporajube wahr»
fcfjemlid} non Geburt an neben bem jübifd;en Hamen Saul führte. Da £utas aber bisljer nur
biefen genannt hatte, mufete er in ber jwifchen 13, 4f. unb 13, 13 eingefchobenen Glymas*
dptfobe Gelegenheit nehmen, ben jtinerar=Hamen einjuführen. Daft er bas gerabe 13, 9
mit ber uns aus nieten Beifpielen betannten Sotmel 5 tut, ift alfo in ber Quelle, nicfjt
in ber Sache begrünbet.
’) Agnoftos dheos 313ff.
2) An biefem Beifpiel fann man befonbers beutlid? feben, wie bie Disfuffion übet bie
Autor» unb bie „wir"»§rage bie ftiltritifdje Analyfe ju nertnirren oermag. Übet ben Autor
läfjt (ich aus biefen Kapiteln £iteratur gar nichts entnehmen, ds ift möglich, Mi er ben
Apoftel begleitete (unb bies im „wir" anbeutete) — bann hat et bie eigene Erinnerung
litetarifd? eingetleibet unb bas 3nbinibueHe jugunften bes Konnentionellen jurüdgebrängt;
es ift aber auch benfbar, ba^ er eine turje Üad)rid;t über bie Begebenheiten anderswoher
bejog (unb ben Seugenanted bes Gewährsmannes im „wir" jur Geltung brachte) unb fie
nun jur literarifdien Kompofition erweiterte. — [„Der puntt, auf ben es antommt, . . .
oorerft ju fragen, warum ber Detfaffer ber Acta biet fo ausführlich bei biefen ted)»
nifdjen Dingen oerweilt unb an anbeten Stellen feines Buches überhaupt nidjt, unb
weiter, ob nicht hinter biefer liebevollen Schilderung non IKotiven, bie bereits ber
literarifchen Konvention angehören, bewußte literarifdje Abfidjt ftedt . . ." (Befprechung
non üb. Bleyer, Urfprung unb Anfänge bes Shriftentums 3. Bb. Deutfdje £tt. 3eitg.
1924, 1636f.)|.
1. Stiltritifdjes jur flpoftelgef<hid?te 15

icht Ie|en. Die Analyfe bei einjelnen Rbfdjnitte bestätigt biefe flnna^me: nidjt
nur die gülle non nautifd?en Angaben, fondern aud? bie „weltlid?"=fü^le fjaltung
bei auf ITtalta unter ben „Barbaren" fpielenben (Erjäljlung 28, Iff. uerraten
ben rDiUen jur Sdjriftftenerei, wäljrenb bie oorljergetienben paulus*(Epifobeu
als innerlid? unwal?rfd?einlid?e Unterbred?ungen her foiwentionellen Reife*
Sdnlberung willen unb bie bas Bud? abfdjiiefjenbe gubenfjene met?r ber anti*
jübifcben (Srunbt^efe bes Bud?es als ber inneren IDaljrfdjeinliditeit unb ber
Sefinnung bes Paulus gegenüber feinem Dolf entfpridjt1). Übrigens erflärt
31 fid? aud? ber problematische Sd?lufj bes ganjen Bud?es am beften, wenn bem
Autor ein fortlaufender Beridjt über bie Sdjidfale bes gefangenen Paulus, ben
er wie bas uorl?er benutze gtinerar hätte uerwenben tonnen, nid?t jur Der*
fügung ftanb, wenn er alfo oon 21, 17 an feinen „gaben" met?r f?atte.
Dafe ein foldjer gaben aud? in Act. 1—5 nid}t vorhanden war, läfet fid?
unfd?wer jeigen. Denn eine fortlaufende (Erjählung uon ben Sdjidfalen ber
jerufalemifd?en Gemeinde gibt es überhaupt nid?t; uielmeljr wed?feln (Erjäh*
jungen, Reben unb Derljörsfjenen miteinanber ab, ohne bafj erjid?tlid? ift, ob
unb wie etwa ber Konffit15,17 mit bem in Kap. 3 unb 4 berid?teten jufammen*
hängt. inwieweit bie uerfd?iebenen Stüde burd? Hrabition ober Kompofition
juftanbe getommen find, bleibe vorläufig unerörtert; jedenfalls ift eine fort*
laufende Darftellung, die fie miteinander verbände, bem Derfaffer weher über*
liefert nod? oon ihm gestaltet worben. Wer bebenft, wie wenig bie Oebanfen
biefer älteften 2t?riften auf bie Bewahrung bes ®efd?id?tsverlaufs eingestellt
waren, wirb fid? über ben ITiangel einer Hrabition nidit wunbern. Der Autor
felbft aber überfal? ben £auf biefer überhaupt fd?wer wal?rnel?mbaren inneren
(Entwidlung denn bod? ju wenig, um eine freie Sd?ilberung ju wagen. Sein
pragmatifdjes Beftreben gibt fid? nur in ben verfdjiebenen Sammeiberidjten
funb, bie, jwifdjen bie einjelnen Sjenen unb (Erjählungen geftellt, Über*
leitungen unb Derbreiterungen fdjaffen unb fo bas in jenen <5efd?id?ten be*
richtete (Einzelne als Spejialfall bes fjier gefdjilberten guftänblidjen etfdjeinen
laffen. Die 3ed?nit foldjer Sammelberichte fennen wir fdjon aus bem ITlartus*
(Evangelium, bas j. B. 3, 10—12 bie Haten gefu burd? Derallgemeinetung ins
*) Die (Eqäblung 28, Iff. ift burdjaus auf eine perfönlidje Derherrlidjung bes Paulus
jugefdinitten. (Eine religiöfe Pointe, bie irgenbwie bem frommen (Jnteteffe ber Cegenbe
entfprädje, fefjlt nöllig. Der (Bebaute, baf; ber fdieinbar uon ber Derfolgte fdjliejjlid;
oon ben Barbaren für einen Sott gehalten wirb, bel)err[d?t alles. Diefer Sebanfe aber ift
aufeerdjriftlid) (unb au^erjübifd?), weil er eine Dergötterung als Ruhmestitel bes bett.
Hlenfdjen erfdjeinen läfet; bie djriftiidje Pointierung oon flct. 14, 15 ift hier mit teinem Wort
angebeutet. — Dafe bie Paulus=(Epifoben in flct. 27 wahtfdjemfid? in eine Seefaljrtserjählung
eingefdjoben [inb, haben Wellhaufen, ®ött. Rächt. 1907, 17 unb Krihfdje Analyfe
ber Apg. (<5ött. flbhblg. 1914, 2) 53f. fotoie Wenblanb, Ur^riftl. Siteraturformen2 1912,
324 fl. 4 erlannt; fie (teilen bie Dom Autor in bas tonoentionelle Sdiema eingetragenen
pauIus*motiDe bat. Bejeidmenb für ben lodeten Sih biefer Paulus=IRotioe fdjeint mir
u. a. bies ju fein, bafe wir 27, 43. 44 gar nidit erfahren, auf weldje Weife Paulus gerettet
warb. Unb bodj füllen wir glauben, ba^ bie ganje Utabregel ihm julieb ergriffen würbe. —
Die lehteSjene enblidj ift bieParallele ju 13, 46f., 18, 6f.; bie abfd;liefeenbeu Worte bes patt*
lus aber entfpredjen teineswegs ber jwar geteilten, jebod? bem (Eoangelium burdjaus nidjt
ungünftigen Stimmung ber Juben.
16 1- Stilfritifcfjes jur flpoftelgefd^idjte

Iypifd?e ergebt. 3n ben Acta fcbeint biefe Hedjnif nod? bewufjter jur (Einfüh­
rung ber (Erjäblungsftüde oerwenbet ju fein, ©leid) bei erfte Sammelberidit
1, 13—14 gebt jwar am Anfang fetjr unfdjön non ber (Erjäljlung jum 3us
jtänblidjen über, bietet aber bod? mit ber Apoftellifte bie befte (Einführung jur
folgenben (E>efd?id?te von bet 3uwahl bes lUatti?ias; ebenfo leitet 2, 43—47 mit
ber (Erwähnung ber 3eid?en jum folgenben IDunber über, 4, 32—35 (Dertauf 35
bes Befitjes) ju ber (Erjählung von Ananias; aud? in bem lebten Sammel-
beridd 5, 12—16 ertlärt fid? bas harte nebcneinanber ber Sätje 5, 13. 14 wobl
aus bem Bestreben, bie folgenbe Derhaftung ju motivieren1). Bie 2ed?nif ber
verallgemeinernben 3i>itanbsfd?ilberung ift übrigens aud? an ben Sähen
2,42; 4,4; 5,42 wat?rjunehmen; aud? fie finb als pragmatifcbe 3tmfd?em
bemertungen bes Sdjriftftellers ju verfielen, ber auf biefe IDeife ben Projefj
ber (Semcinbe Xlntwidlnnq anbeutet, von bem er eine jufammenhängenbe
Sdjilberung aus ber Srabition nidjt befi^t unb nad? Cage ber Sadje nidit tvobl
bejitjen tann.
3ule^t im Caufe biefes analytifdjen Überblids rvenbe idi mid? ju bem Ab
fdjnitt ber Acta, ber fad?lid? von 6, 1—12, 25, nad? feinet literarifdjen Art aber
bis jum Beginn bes 3tinerars reicht, alfo 13, 1—3 nod? mit einfdjliefjt. Der
ganje Heil wirb beherrfd?t von großen jufammenhängenben drjäl?lungen, bie
bürd? bie Aarnen Stephanus, Saul unb Cornelius djaratterifiert finb. 3weifellos
ift in biefen Beridjien 6, 8—8, 3; 9, 1 — 30; 10, 1 — 11, 18 geformte Srabition
enthalten, über bie fpäter nod? ju reben fein wirb. (Ebenfo jweifellos ift es aber,
bafj biefe Abfd?nitte nidjt ju bem ftattlid?en Umfang gebieten fein würben, in
bem fie uns vorliegen, wenn ber Autor nid?t bas Seine baju getan hätte. Da bie
jwci umfangreid?ften Beridjte mit Reben ausgeftattet finb, fo ift ein gewiffer
Anteil bes Sdjriftftellers mit aller Sidjerheit ju tonftatieren. Diefen erjählenben
Abfd?nitten, bcnen nod? eine Anjal?I tieinerer (Erjäl?lungen anjureil?en wäre
(f. unten), ftehen, nad? Art unb Umfang ihnen entgegengefeijt, Keine felb=
ftänbige Sätje gegenüber, bie in ber bereits gefd?ilbertcn verallgemeinernben
IDeife ben 3uftanb ber jungen (Ihriftenheit fd?ilbern, alfo wie bieentfpredjenben
Sätje in 1—5 bem Autor jujufebreiben finb; es l?anbelt fid? um 6, 7; 9, 31;
12, 24. (Ebenfo merft man bie t?anb bes Sdjriftftellers bort, wo er bie Stoff-
fompleje oerbinbet; in bie Stepl?anuserjäl?lung führt er ben Saul ein 7, 58;
8, 1; 8, 3, unb an biefelbe Begebenheit weif? er in gefd?idten Übergängen
8, 1. 4. 25; 11, 19 fowohl bie Belehrung ber Samaritaner wie bie ber Antio3
d?ener anjufnüpfen. Der redaktionelle (Ibaratter ber betreffenben Derfe ift

’) IDie ber Dorf, in biefer Rbfidjt hier recht abrupte Had?rid)ten nebcneinanber [teilt,
fo oerallgctncincrt er 4, 34 f. bas opferwillige Derljaltcn einzelner, ol?ne [id? baran ju ftofjen,
baß baburd; biefer befonbere Ijeroismus feine Sinjigartigteit unb feinen örjäblungswcrt
einbüfet. 3n äbnlidier IDeife fdjeniatifd? wirft bie DarftcIIung Illarf. 3, 11 f. [Seit 1938 —
laut einer fdjriftlidjen Illitteilung an ben Fjrsg. — fudjte Dibelius bie Grllärung ber
ju 5, 13. 14 fefigcftellten barten in anberer Ridjtung. Seine Cöfung — eine Konjettur —
legte er 1941 nor: — 82].
1- Stilfritifdjes jur Apoftelgefdjidjte 17

längft ertannt1); übrigens gleichen fie in ihrer Art, Brüden aud; 3wifd|en
3^ räumltQ getrennten Stoffen 311 fd/lagen, völlig bem, was mir an öntfprechenbem
aus öem £ufas»SoangeIium tennen2).
IDenn (ich fo in einigen Partien biefes Seils Srabition und literarifdje
Kompofition öeutlid? fdreiben laffen, fo bereiten anbere Abfdinitte ber ftib
tritifdien Analyfe gewiffe Sdiwierigteiten. 4s ^anbelt fid? babei um Sejte fleh
neren Umfangs; fie enthalten 3u wenig geformte Srjäblung, um Srabitionen
barjuftellen, wie wir fie ben erbaulid) ober perfönlid] intereffierten dl?riften=
gemeinben einjig 3utrauen tönnen; anbrerfeits ift, was fie beridjten, wefentlid?
an Jnhalt unb fügt fidj bem Jufammenbang nidjt ohne weiteres ein, fo baß
aud) an rebattionelle Bewertungen ober fdiriftftellerifdie Kompofitionen nicht
gebadet werben fann. So fteßt es mit ben beiben Hamenliften 6, 5; 13, l34 ),
mit ber Angabe über bie antiodienifche fjeibenmiffion 11, 201) fowie mit ber
üielumftrittenen Kollettennotij 11, 28. 29s). 3u fühl unb fur3 für Cegenben,
Uooellen unb Anetboten, 3U felbftänbig unb su tatfadienbelaftet für bloße 4e=
bilbe bes Autors, laffen fid? biefe Heinen Stüde wohl nur als lufanifche Der»
arbeitungen gewiffer Uadiridjten erflären, bie er aus ben (hemeinben gefammelt
hatte. Da fie ihm nidjt in ©eftalt geformter Srabitionen Vorlagen, muhte er
fie beutenb bem Jufammenhang einreihen; ba er aber feine weiteren Aad?»
richten hatte unb bie Dorgänge im Sdioß ber erften Gemeinden fich nach Ana=
logie ausgebilbeterer firdjlicber Juftanbe retonfiruierte, fo fonnte er leidjt 3U
Biißbeutungen gelangen. So 3eigt gerabe biejer Abfchnitt ber Apoftelgefdpchte
in feiner Komp^iertheit, baß es nicht angeht, bas gan3e Bud) reftlos aus ein
paar Quellen ab3uleiten ober auch Öen Anteil bes Autors in allen Seilen bes
liiertes gleichmäßig nadi einem einheitlidjen Rejept herausjuarbeiten. Die
Srage, was Srabition, was Kompofition fei, muß bei ben oerfchiebenen Ab»
fchnitten, ja oft aud) bei ben ein3elnen Berichten gefonbert geftellt werben.
37 III.
Diefe ffijjenhafte Analyfe erhebt nidit ben Anfprud?, bie Srage nach Srabh
tion unb Kompofition in ben Acta für jeben Ders bes Buches gelöft 3U hoben.
’) Dgl. jur Krift ben Kommentar oon preufdjen im hantb. j. Hü., bieAnalyfe oon
Wellhauf en (®ött. Abhblg. 1914 fit. 2) unb 3oh- Weiß, Das llrchriftentum 1917,123,135.
2) Dgl. Cut. 3, 15; 3,19. 20; 8, 1—3; 9, 9; 21, 37. 38.
’) Beibe Ciften jinb im Jufammenhang überfüffig, ba oon ber erften nur Stcpljanus,
oon ber jweiten nur Barnabas unb Saulus gebraucht werben; alfo finb fie irgenbwie trabi=
tionell. Aber bie erfte Cifte will offenbar Dextreter bes helleni[tifd?en ®emeinbeteils nennen, unb
Cidas macht barous Reifer bei ben IN Njeiten; alfo ftammt bie Derwertung ber Cifte oon ihm.
4) Das tpodjemacbenbe Datum für biejrage ber heibenbetehrung foll in ber Apg. bie
dotnelius’Stjäljiung fein, f. 11,18 [unö —> 102f.]; Cutas läfjt alfo in 11, 20 eine nadjricbt ju
Wort fommen, bie feinem plan nid;t entfpridrt.
5) 3n bem Beftreben, ben Agabus— auf 21, 10 oorbereitenb — einjuführen, bringt
ber Derf. 11, 28 bie Hadjridjt oon feinem ©rcfei; bamit »erbinbet er bie (htoähnung ber
Paulus-Kolle tte, läfjt aber irrtümlicher Weife bie Unterftütjung [d;on jc^t überbracht werben
f. 11, 30; 12, 25 [beibe Stellen bijeidmet Dibelius neben 16, 5 im 4bC3 1934, 247 als
„p.agmatifdje Bewertungen bes Ai tors" ju unterfdjeiben oon „ntaterialoenoenbung"] unb
ogl. meine Ausfüllungen Wod;enfd;r. f. tlaff. philol. 36, 1919, Sp.5f.
2
18 1. Sti1tritifd?cs jur Apoftelgefdjidjte

Aber fie verfudit, ohne fid? Don fadjtritifdjen Bebenten leiten 3U taffen, burdi
Stilfritit ben Anteil bes Autors an einigen Stellen ju erfdjltefeen, unb mödite
weiterhin oerfudjen, wenigftens ben Weg freisumachen jum Derfiänönis ber
Heinen (Einheiten, bie als geformte, urfprünglid) felbftänbige Überlieferungs’
ftüde einen wefentlidjen Seil ber vom Autor benutzten drabition bilbeten. Denn
neben bem 3tinerar, bas nur jene Reifefapitel trägt, finb fie bie Ijauptftüde
ber Überlieferung, unb jebe weiter ins di^elne bringenbe Analyfe wirb von
ihnen aus3ugehen haben.
3d? beginne mit ber Unterfudjung einiger IDunbergefdjidjten, weil fie
wegen ber ftofflidjen Derwanbtfdjaft am elften mit evangelifdjen örjäljlungen
verglichen werben tonnen. Die drwedung ber dabitba 9, 36—42 ift eine
felbftänbige, in fid; abgefdjloffene (5efd]id;te unb barum anbers 3U beurteilen
als bie vorhergehende Teilung bes Aneas in £ybba, bie fituationslos unb ohne
wirflidien Abfdjlufj er3äf)lt nur als Radball einer IDunbergefcbidüe, nidjt als
iljre getreue Reprobuttion erfdjeint. Gine foldje ift aber bie (Stählung von
Clabitha, fie hat ihren felbftänbigen Anfang unb ihren burdjaus auf erbaulidies
3ntereffe berechneten Sdjlufe in 9, 421). Sie gehört audi nicht etwa 3U einem
Reifeberidjt, benn bie gatge „Reife" bes petrus wirb ja nur erjählt, um ihn
an bie Stationen Cybba unb 3oppe ju bringen; von Rliffion ift hier feine Rebe;
Petrus finbet an beiben Orten dhriftengemeinben vor. Die Iabitha-®efchid?te
ift in erbaulidjem Stil vorgetragen wie bie evangelifchen (Stählungen, bie id?
Parabigmen nenne; auf bet dedjnif bes Wunders liegt fein Hachbrud; bie
dopit ber Wunderetählungen tritt nur barin hervor, ba^ bie Anwefenben
hinausgewiefen werben unb bafj bas wunberwirtenbe lüort ausdrüdlid) mit’
geteilt wirb2). Aber fd?on bas geht über bie £inie ber evangelifdien „paradig*
men" hinaus; unb vollenbs weidjt ber Reichtum ber perfonalangaben von ihr 38
ab; Ramensnennung, dharatterfchilderung, Beweis ihrer dugenb burd) bie für
bie Witwen angefertigten Kleibungsftüde3), vielleidjt auch ihres Anfehens burd?
bie ausbrüdlidje drwähnung bet Pflege bes £eid]nams — bas alles ergibt eine
Art Porträt, wie es ben Parabigmen gerabe fehlt. Wir haben es mit einer an
Petrus unb dabitha perfönlid? intereffierten „£egenbe" 3U tun; was an ®e=
fchid)tlichern 3ugrunbe liegt, läßt fidi vom ijolierten dinselfall aus fd)wer er*
mitteln unb foll auch nicht (Segenftanb bicfer Unterfudiung fein.
’) 9, 43 ift natürlich eine pragmatische Bemetlung bes Autors, bie 10, 5. 6 oorbeteitet.
l) 3ur Hopit f. meine 8ormgej<hid;te 45ff. [2. Aufl. 78ff.] Die oft betonte Derwanbt»
fd;aft mit ber 3airusgefd;id?te Wart. 5, 40 beruht nur auf bet Semeinfamteit ber dopit,
nid;t auf dntlehnung; benn fie erjtredt fid) gerabe auf bas IHotin ber Hidjtöffentlidjteit,
bas £utas bei feiner IDiebergabe bet 3aitus=®efd>id;te tut. 8, 53 tueggeiaffen I;at. Das ®t=
faffen ber fjanb aber gehört in ben (toangelien jut CLedrnif bes IDunbetooiljugs, h>«r bient
es nur jum Auftichten nach gefd;el;enem IDunbet. — Au^etft bejeidjnenb ift, bafj Seugen
bes fog. meftlicben Wertes bie fehlende dopit ergänjt haben, inbem fie in bas IDunbertoort
ben Hainen Jefü bineinbradjten. Audi bie urfprünglidje AneaS’CJtjählung hat dopit enthalten,
f. bie drtoäijnung ber 8 3abte 9, 33.
3) Der Dulgärtejt ift bod? u>ohl 3« »erjtehen roie bie alten Sateiner Ijaben (Jahn,
Jorfdjungen IX 68): et ostendentes pallia et vestimenta quae faciebat illis Dorcas.
1. Stilfritifdjes jur flpoftelgefdiidjte 19

Cegenbe im Sinn einer an frommen perfonen intereffierten erbaulidjett


Crjäljlung ift and? öie ©efdjidjte r>on Cornelius 10, 1 —11, 18; nur tjat fie
Cutas ju einer großen Kompofition ausgeweitet, öie öas Recht öer tjeiöem
beteljrung öartun foll, alfo einem aufjerlegenöaren 3wed öient. Die Befeurung
eines „©ottfürdjtenöen", alfo eines für Öen Juöen relati» unanftöfjig gewor
öenen Beiöen, ift jur (Erörterung öes Problems in feinem ganjen (Ernft nidjt
befonöers geeignet. Daju fommt, bafe biefe Befefjrungsgefdjidjte gar nidjts »on
öer Cifdjgemeinfdjaft jwifdjen öem juöendjriftlidjen Apoftel unö öem nun Cbrift
geworbenen „©ottfürdjtenöen" fagt. Die Cifdjgemeinfdjaft aber ift es, auf öie
öas ©efidjt in 10, 9 —16 Öen Petrus »orbereiten will. HIfo ift öiefe Difion fein
Beftanöteil öer urfprünglidjen Crjäljlung, öann aber audj nidjt öielDieöergabe
öes Crlebniffes in 10, 27—29, öie audj fonft empfinölid? ftört1). Die (Erjätjlung
beginnt einörudsooll mit öer im edjten breiten Cegenöenftil »orgetragenen
Difion öes Cornelius, unö it?r entfpridjt öie IDeifung öes ©eiftes an Petrus
(10, 17b—28 oljne Öen Anfang oon 10, 19), öie erft, wenn öas ©efidjt öes
Petrus entfernt ift, ju itjrer »ollen Beöeutung gelangt. Der lufanifdjen Be=
arbeitung entfpridjt unö entfpringt auch öie 3eugenfd?aft anöerer Cljriften unö
iljr Cntfe^en über öie ©eiftesbegabung öer tjeiöen (10, 23. 45). Da enölid; auch
öie Reöe 10, 34—43 auf literarifdjer Crweiterung beruljt, fo war öer Dorgang
ursprünglich woljl fo öargejtellt, wie es 11, 15 »orausgefe^t wirb: taum Ijatte
Petrus ju reben angefangen, fo tarn öer ©eift über öie tjörer, unö fie fpradjen
in 3ungen — ein Beweis, nidjt für öas Redjt öer tjeiöenmiffion, fonöern für
3? öie Kraft öes Apoftelworts, öas faumertlungen Öen ©eift über öie fjörer Ijerab
jwingt. Diefem edjten fegenöenmoti» entfpridjt öas petruswort „tann man öas
IDaffer öaju »erweigern, öafj öiefe Seute getauft weröen?" (öa ja Öen ©eift
niemanö ljinöern tonnte, über fie ju fommen) — aud? öies urfprünglidj woljl
ein fjinweis auf öie felbfttätig wirfenöe ©ottesfraft, aber nidjt auf öas Redjt
öer ^eiöenbetetjrung. Run follte öie Saufe folgen. Aber öem Derf. liegt meljr
an öem Derweilen öes Petrus bei Cornelius (Cifdjgemeinfdjaft!) unö an öer
Redjtfertigung öes Dorgangs in 3erufalem. So ift uns öer Scbluf} öer Cornelius^
tegenöe »erloren gegangen.
An öer Crjäljlung »on öem Catjmen am Cempeltor 3, 1—10 fällt öie
Breite öer Sdjilöerung auf — öer ©ang jum Cempel wirb öurdj öie ©ebets=
ftunöe motioiert, öas Cor, woljl öas Hitanortor, wirö mit einem uns fonft nidjt
erljaltenen populären Ramen genannt, öie Copit öes IDunbers wirö ausfüljr=
lid? gegeben: lange Krantljeit, Blid, $ormel (mit öem „Ramen") unö ©efte,
') Hadjöem öer Centurio öem flpoftel feine Dereljrung ermiefen unö Petrus öiefe
abgelehnt hat, ift es an Cornelius, ju fagcn, wie er jur Botfdjaft unö ju öiefer Begrünung
fommt: 10,30 fdjliefjt fid; alfo an 10, 26 an ipräjifet ->99f.]. Der oorliegenöe Cejt tonftatiert
erft öas auvoniXetv öes Petrus mit Cornelius, täfjt ihn öann eintreten (man follte nadj
10, 25 meinen, fie wären fid; in öer Cür begegnet) unö fidj alsbalö redjtfertigen. Be=
jeidjnenö ift wieöer, wie D u. a. öie Habt uetöerfen: Cornelius läuft, oon einem Stlaoen
übet öes Apoftels Annäherung an öie Staöt oerftänöigt, öem Petrus entgegen, ö. h- fie treffen
fid? auf öer Strafe.

20 1 • Stillritifdjes jur flpoftel gefdjidjte

bie jufammen bas IDunber beroirfen, Beitreibung ber ©enefung, (Erfolg —


ber ©eheilte geht unb tann fogar fprtngen — unb Konftatieruug besfelben, iw
bem bas Dolt ben ©ereilten ertennt (ogL 3oh- 9, 8. 9). (Erbaulidje IHomente
treten nicht fyeroor1), aber aud) 3ntereffe an ben pcrfonen fefjlt; ber Cahme
wirb nidjt mit Hamen genannt, Petrus tritt jurüd, unb 3ohannes ift fo fefjr
Statift, baft er fdjon aus ©rünben ber IDunbertopif aus ber ©efdjidjte entfernt
werben muft2). EOir haben nidjt eine Apoftellegenbe im engeren Sinn, aud] fein
„Parabigma", fonbern ben (Erjählungstypus nor uns, ben idj in ben (E»angelien
als „Hooelle" bejeidjnet I?abe. 3u iftm paftt aud) ber nidjt irgenbein religiöfes
IHoti», fonbern lebiglid] bie <5röfee bes Wunbers betonenbe Abfdjluft 3, 10.
3u ber literarijcben Kompofition ber Kebe= unb Derljörsfjenen, bie fein TOert
finb, leitet ber Autor bann mit bem Ders 3, 11 über, unb bringt bamit in Un=
tenntnis ber Örtlidjfeit einen IDiberfprudj in feinen Berid)t: nad) D. 8 finb bie
gelben ber ©cfchidjte im dempel, b. Ij. im inneren Dorftof, nad? D. 11 aber bei
ber fjalle Salomos, b. I). an ber öftlidjen Seite bes dufteren Dorftofs3).
Aus ber unmittelbar »orhergehenben Pfingftgefcbidjte läftt fidj übrigens, 40
fo»iel id] [ehe, nidjt ohne weiteres eine geformte Srabition herausarbeiten;
benn ber Anteil bes Autors ift beträdjtlidj unb tritt nid)t nur in ber prebigt,
fonbern wohl aud; in bem berühmten Dölferfatalog 2, 9—11 jutage. Anbrerfeits
ift bie (Befahr, baft fadjfritifdje Bebenten bie Stilfritit »erführen, hier befonbers
groft4s), fo baft fidj bie ©rjählung junädjft nidjt jur 3Huftration bes ftiltritifdjen
Verfahrens eignet.
Dagegen ift bie Belehrung bes ©unudjen 8, 26—39 wieber im edjten
Segenbenton erjdl; 11 unb im ganjen aud; ohne literarifdje Derbrämung erhalten.
Der (Engel bes fjerrn weift Philippus auf bie einfame Strafte6); ber (Seift leitet
ihn jum IDagen bes ©unudjen, ber (Seift entrüdt ihn wieber. (Etwas ©eljeimnis=
»olles liegt über ber ganjen Begebenheit; ber Derf. ber Acta freilidj hat biefen
(Eftaratter geftört, inbem er um ber Derbinbung mit 21, 8 willen bem £efer in
einem pragmatifdjen Hadjtrag 8, 40 ben Aufenthalt bes Philippus enthüllt6).
Der (Eunudj ift wohl als „gottfürdjtenber fjeibe" gebadjt unb wirb nidjt burd]
eine Vifion, fonbern burd] Bibellettüre auf bie prebigt »orbereitet. ©hne litera=
') Wenn Schüfe, Apoftel unb Jünger 40, eine erbaulidje Pointe herauslieft — bie
(bottestraft foll als (Erbe Jefu an bie Apoftel ettoiefen tuerben —, fo ift bas nur möglich, meil
er bie Rebe bes Petrus 3, 12 ff. in bie Sefdjidjte mit einbejieht, alfo bie Arbeit bes Autors
nidjt oon ber drabition trennt. Jm übrigen bat feine dharatteriftit ber drjäljlung als einer
üblidjen IDunbergefdjidjte jweifellos bas Richtige getroffen.
2) Die wunbenutrtenbe gegen)eilige $iyierung mit ben Augen D. 4. 5 ift natürlidj nur
jwifdjen jwei, nidjt jwifdjen brei Perfonen benfbar.
“) IDieber haben D unb Altlateiner bie Raht befeitigt, inbem fie bie Apoftel mit bem
Sebeilten aus bem dempel gehen laffen.
4) Dgl. bapi Kati Cubwig Sdjmibt, Die Pfingftetjählung unb bas PfingHereignis
1919, 23 f.
s) So ift bas oielumftrittene Spupo« 8, 26 wohl 3U beuten; ob bie Strafte in IDirflidjteit
„wüjte" ift, barf man nidjt fragen; als Sdjauplaft bet Cegenbe foll fie menfcbenleer unb’öbe
fein, unb Philippus tommt nur burd? befonberen göttlichen Befeljl baljin.
*) [So aud; dheol. Runbfdjau R§ 3, 1931, 235].
1. Stiltritifdjes jur flpoftelgefdjidj te 21

rifdje Ausführung wirö oon ber predigt nur bas Shema genannt; ohne firdjen»
rechtliche ober bogmatifdje Weiterungen, tote fie erft ber fpäter eingebrungene
Ders 8, 37 enthält, roirb bie Saufe uolljogen. Srbaulidjem 3ntereffe bient bie
Anführung ber Bibelftelle, perfönlid)em bie Angabe ber Stellung bes Gunudjen.
Aus ber Rlifd)ung oon (Erbaulichem, perfönlidjem unb Wunberbarem er»
wädjft ber echte Segenbenftil.
(Ein „frommes” 3ntereffe an Rebenperfonen fpridjt aud) aus ber Srjählung
oon Ananias unb Sapphira 5, 1—11. £utas hat fie als Beleg feines
Sammelberichts 4, 32—35 oerwenbet unb fie mit ihm burch bie Hoti? über
Barnabas uerbunben; in Wahrheit hebt fie ganj felbftänbig an unb fd)liefct
mit bem Bericht über ben (Erfolg bes göttlidien Strafgerichts. IRan mertt, wie
ber Sob ber beiben aufgefafet werben foll: hütet eud) nor gleidier Sünbe;
(hott fieht alles unb mad)t feinen Apoftel hellfid)tig I Dem brohenben Sdilufj
entfprid)t bie brohenbe tjaltung bes jeherifdjen Apoftels; unb aud) bie biblifd)
flingenbe Wenbung uon ben $üfjen ber Begrabenben (ogl. 3ef. 52, 7) foll ben
frommen Sdjauber mehren, fromme Wißbegier aber erfährt bie Rainen ber
Sünber unb einige (Einzelheiten nom Begräbnis. Don ber Sopit ber Wunber»
41 gefdjid)te n, etwa nom (gebrauch einer ber üblidjen Derflud)uiigs--$ormeln, fpüren
wir nichts. Aud; hier wirb man oon £egenbe fpredien bürfen.
Die anberen Bannungs-©efd]id)ten finb problematifcher. Jn ber (Erjählung
non (Elymas 13, 8—12 ift ber Sd)luf? im Stil ber Srabition erhalten. Die
Sechnif bes Wunbers ift betont; Blid bes Dom (Seift erfüllten Apoftels, Schelt­
wort unb Bannfluch bewirten bie plöt}lid)e Blenbung, bie mit bem herum»
tappen bes Beftraften anfd)aulid) befdjrieben wirb. Aud) bie Wirtung bes
Wunbers fommt jur Geltung: ber protonful befennt fid? jum Shriftentum1).
Aber ber Anfang ber (Erjählung ift nicht fo erhalten, wie wir ihn in einer geform»
tenSrabition oorausfetjen müßten. 3ebe deutliche Situationsangabe fehlt; bas
blaffe „er leiftete ihnen Wiberftanb" ift bod) nid)t ber Anfang einer fo aus»
führlichen Wunbergefd)idite. Sobann gehört Barnabas in bie ®efd)id)te offenbar
nid)t hinein, ba feiner nachher nicht mehr gebad)t wirb. Serner tonnen bie
Derfe 13, 6 unb 13, 8 nur mit Blühe einen Ausgleich 3t»ifd?en ben »erjd)iebenen
Ramen bes IRagiers herbeiführen; hier treujen fid) offenbar mehrere Über»
lieferungen. Unb basfelbe gilt enblid) aud) uom Anfang ber Darftellung: bie
eine (Erjählung „fie trafen auf einen IRagier” fteht mit ber anberen „ber pro»
fonful lief} fie rufen" in Konturrenj. Ejier hQt ber Autor eingegriffen — unb
barum läfjt fid) aud) nicht fagen, in welchem IRajj bas religiöfe, in welchem bas
perfönlid)e unb bas nooelliftifdje (Element bie urfprünglidje (Erjählung be»
herrfcht haben.

') Die Sparfamfeit bes Ausbruds — nioxeieiv ohne Jufat; unb oljne (Erwähnung
ber Saufe — beftimmt 3ahn 'm Kommentar baju, ben ganjen Dorgang nid)t auf einen
Betefjrungs», fonbern nur auf einen Achtungserfolg ju beuten. Aber wenn bie (hjäl)lung
nid?t fo oon ber Beteurung fpridjt wie £ufas fonft, fo jeigt fid; barin eben bie Art ber ur»
fprünglidj ifolierten Srabition.
I
I

22 1. Stilfritifdjes jur Apoftelgefdjichte



Uod? fdiwerer ift öie Art öer Srabition in ber drjä^Iung-oonSimon bem
IRagier 8,9—24 ju erfdilie^en. Der 3auberer wirb in unserem ttejt mit einer
nadj^olenben Bemerfung in bie pbilippus=(Et3äf?lung eingefügt, bie sweifellos
Dom Autor flammt *). Da alfo Philippus norausgefeht wirb, fo wiffen wir nid?t,
wie er urfprünglid? in bie <Ei3ählung hineinfain; fein erftes Auftreten in ihr ift
heute wohl burd? bie Derfe 8, 11. 12 nerbedt, bie bem £efer auffallen, weil fie
fdjon (Befaßtes wieberholen. Da^ weiter bie ITlitte ber (Er3ählung burd? ben
Autor 3erfprengt ift, ber bas apoftolifdje Beftätiguugsredjt 3ur (Beltung bringen
wollte unb bestjalb Petrus unb 3ofyannes einfügte, ift längft ertannt2). Ur­
fprünglid? t?at Simon wol?l oon Philippus felbft bie (Eabe bes Wunbertuns um 42
(Selb erbeten unb ift oon biefem abgewiefen worben. Aber auch biefe Abweifung
entbehrt in unferem Sejt ber Pointe, ba fie in falber Bannung unb halber
Heue ergebnislos »erläuft3). (Es ift möglid?, bafe ber Autor bereits anbere Sagen
oon Simon fannte unb i^nen 3ulieb ein Strafgerid?t an Simon — etwa wie
bas »on (Elymas er3äblte — 3U einer bloßen Drohung abfd?wäd?te.
(Eine Sonberftellung unter ben U)unbergefd?id?ten ber Acta nimmt bie
(E^ählung t>cn ber (Erwedung bes (Eutydius 20,7—12 ein, bie man nur
unter oölliger Hidjtadjtung ftiliftifdier (Befidjtspuntte mit ber Habitba=£egenbe
parallelifieren fann. £ufas hat fie mit bem 3tinerar oerwoben; bas meifte in
D. 7 unb oielleidjt ber gan3e D. 11 gel?en wol?I auf feine Bearbeitung 3urüd4).
3m übrigen ift bie fjaltung ber <Er3ät?Iung fo profan wie möglid?. Das 3eigt
fid? »or allem an ber rationalifierten IDunberbefdireibuug. TRan follte erwarten,
bafj (Eutyd;us nad? feinem $enfterftur3 tot wäre, bann würbe alles $olgenbe
ein großes IDunber fein. Aber bie IDunberfrage läfjt ber (Er3äl?ler offen: „er
warb als tot aufgehoben", Paulus wirft fid? auf ihn unb umfängt ihn — ob es
gefdjieht, um bie Seele 3U bannen ober um ben Bewufetlofen 3U unterfudjen,
bleibt ebenfo in ber Schwebe, wie bas anbere, ob Paulus als Ulunbertäter
oerfidjert ober als Ar3t biagnofti3iert: „fein £eben ift ncd? in ihm". Wenn 3efus
oon ber Hodjter bes 3airus Jagt: „basKinb ift nicht geftorben, fonbern fd?Iäft",
fo liegt bewußter Doppelfinn in feinem IDort, unb ber gläubige fjörer oerfteht

0 8, 5—8 ift eine Art Sammel bericht, ohne Situation unb ohne inbioibuellen Jnhalt,
1x1311 mit bem lutanifcben Rlotio ber greube (13, 52; 15,3) am Schluß. IRitnpoün'hpxsv wirb
Simons dätigteit nad?holenb eingeführt.
2) Dgl. (Eb. Schroarh, ®ött. Rad?r. 1907, 279 A. 3, Preufdjen 3. St., IDeHhaufen,
Krit. Analyfe b. Apg. 15.
3) Aach D. 24 mürbe man annehmen, bafe eine Derflud?ung nad?brüdlid?jter Art ooram
gegangen wäre. Statt beffen lefen wir eine Strafprebigt mit einer nerhältnismäfeig milben
Verwunfd?ung am Anfang. D weiß aud? hier Rat; er [djließt „er liefe nid?t ab 3U weinen".
•) jn D. 7 wie in D. 9 wirb bie Länge bet Rebe betont; oon ben beiben Stellen erweift
ficb D. 7 als bet Störenfrieb, weil er 3U D. 8 in gar feinem Verhältnis ftefet. D. 11 bringt
mit oörwj e’ne ejegetifd? red?t fdjwierige Vorwegnabme ber Abreife; offenbar
gebö.t D. 12 unmittelbar an D. 10 heran. Dann wirb man aber aud? mifetrauifdi gegen bie
cottesbienftlidjen Angaben in D. 7; and? fie gehören wähl 3ur djriftlidien Verbrämung.
iDenn man annimmt, bafe bereits dhriften oor Lutas biefe Anetbote auf Paulus übertragen
hatten, fo ift natürlid) bie IRögIid?teit nicht aus3ufd?liefeen, bafe ein (Teil biefer Verbrämung
auf fie unb nidjt erft auf ben Autor bet Acta jurüdgeht.
1. Stittritifdje s jur Hpoftelgejdpichfe 23

ahnenb, was bie ungläubigen 3eugen oerladpen (TRarf. 5, 39. 40). Ipier bagegen
ift es bie drjählung, nidpt bie Rebe, bie boppelfinnig fein will, unb her ffeptifdpe
£efer foll fidp gerabe baburd; angejogen fühlen, bafe ihm bie datfadpe unauf*
getlärt berichtet wirb: „fie führten ben Knaben lebenb herbei". Der Grjähler
tonnte fdpliefjen, wie pipiloftratus ben Beridpt über bie drwedung bes römifdpen
Uläbdpens burdp Apollonius non dyana (Vita Apollonii IV 45): „ob er einen
Cebensfunten in i^r fanb, ber ben Arjten unbemerft geblieben war, ... ober
43 ob er bas erlojdpene £eben wieber anfadpte unb jurüdrief, bies ju ermitteln
ift nicht nur mir, fonbern audp ben Augenjeugen unmöglich". Dem profanen
Sdplufj entfpridpt ber profane Apparat ber drjählung, ju bem in irgenbeinem
Sinn audp bie £ampen im Gemadp gehören1): nur bas 3uftanbefommen bes
Unfalls unb bie fpöhe bes Sturjes wirb gefdpilbert, fein irgenbwie erbaulidpes
IRotiD fpielt hinein, weber wirb Gebet nor ber Belebung, nodp £ob Gottes nadp
Iper erwähnt. „Sie würben nidpt wenig getröftet" fdpliefet bas Ganje; ber Be=
ftürjung folgt nun bie Beruhigung. Diefer unerbauliche Stil geht feinesfalls auf
ben Autor jurüd; er hat ja gerabe mit ber Rahmung ber Gefdpicbte ein wenig
Christentum an fie herangebradpt, unb er hat ja wolpl audp bie Begebenheit als
ein IDunber (unb nidpt als eine gute Diagnofc) bes Paulus aufgefaht. ds hanbelt
fidp alfo urfprünglid? um eine profane Anefbote, wabrfdpeinlidp mit einem
Unterton non Komif. Obwohl bas Gemadp hell erleudptet war, fdplief ber 3üng*
ling ein; bie £änge ber Rebe war baran fdpulb! Der Rebner aber madpte gut,
was er angeridptet; wie’s ihm gelang, fleht bahin. Da^ literarifd? gebildete
Cbriften in biefem Stil non einer dat bes paulus erjählt haben, ift nidpt gerabe
wahrfdpeinlidp. Gher möchte ich annehmen, bafe man eine geläufige Anefbote
auf paulus übertragen hatte, £utas fie fo ocrfanb unb in feinen 3ufammen*
hang einfügte.
Sie ift nicht bas einjige „profane" Stüd in ber Apoftelgefdiidpte. Denn bie
Anefbote oon ben Söhnen bes Sfeuas 19, 14—16 ift eine Gefdpidpte, bie
ber Unterhaltung unb feinerlei religiöfem ober perfönlidpem 3ntereffe bient.
Don unberedptigten (Ejorjiften, bie ben edpten blofe eine Sortnel abgelaufdpt
haben, läfet fidp ber böfe Geift nidpt austreiben — bies ift ber Sinn ber nidpt
ohne Komif norgetragenen Grjählung. Ob bie mifjbraudpte gormel oon jeher
eine dpriftlidpe war, läfet fidp nidpt entfdpeiben, benn bie Anefbote ift in einen
Sammelberidpt 19, 11—13.17—19 eingebettet, unb fo ift uns ihr Anfang oer*
loren gegangen, ds fehlt alfo bie Situationsfdpilberung, unb wir hören erft am
Gäbe unb jiemlidp überrafdpenb con bem tpaus, in bem bie Gefdndpte fpielt.
Selbft wenn bie Befdpwörungsformel oon Anfang an dpriftlidp gewefen fein
Sollte, fo find es bodp nicht dpriftlidpe 3ntereffen, weldpe bie drjälplung geformt
haben.
’) Düs Tltotia berührt nad? D. 7 eigentümlich unb ftebt oöllig ifoliert, mufe alfo wol?l
aus ber urfprünglidpen $orm ber Urabition flammen. Dann ift apologetifches Derjtänbnis —
als Beweis, bag bie dhriften bei ber duchariftie nidpt Unjucht treiben — ausgefcbloffen,
es mufe oiehnehr eine Bejiehung jum fjauptmotio oorliegen: trohbem bie Campen brannten,
fdptief er ein (fdpwertidp; weil fie rauchten, fetzte er fidp ans §enfter — fo Jahn).
24 1. Stitfritifdjes jur Apoftelgefchidite

HicbldiriftlidTcr fjerfunft ijt and} öic (trjählurg Dom lobe bes Aerobes
12, 20—23. 3mar ijt ihre Pointe doii einem Sebanfen getragen, ber dnijtlid;
fein fönnte: wer fid? jelbjt jum (Sott mad?t, ben trifft ©ottes (Seridit; aber wir 44
wifjen aus 3ofephus Antiquil. X1X 82 § 343 ff., bafe eine Auetöote mit gleicher
Pointe and) in jübifdjen Kreifen umlief. Der Dergleid} jwijdien beiben formen
— A(cta) unb J(osephus) —ijt leljrreid). J hat eine noüelliftijdjere unb relü
gionsgejdjicbtlid} redit intereffante ITlotioierung ber Dergötterung: bie Strahlen
ber aufgehenöeu Sonne lajfen bas Silbergewanb bes Königs erglänjen, unb
biejer Dorgang wirb oon Ijöfifdjen Sdpneidjlern offenbar als ber Eiditglan)
einer (Epiphanie gebeutet. A hat bafür bie lllotioierung in einer hiftorijdien
(Epijobe, bem Konflitt jwijdjen fieroöes unb ben Bewohnern oon dyrus unb
Sibon. Allein biefe IRotioierung ijt non £utas abgefürjt unb baburd} unbeutlid?
gemadjt. Das (Einjetjen ber Grabition merft man beutlid; aus bem nid?t nöllig
geglüdten unb bem £efer auffälligen Übergang oom 3uftänblid]en jur inöi=
üibuellen (Erjählung in 12, 20‘) — es ijt biejelbe Beobadjtung, bie wir fdjon
an ber (EIymas=ö>efd]id?te unb ber oon ben Söhnen bes Sfeuas gernadjt haben.
Urfprünglid? ift natürlid) ber ©runb bes Streites erjählt worben unb weiter,
wie Aerobes ihn in einer Rebe ju fd?Iid;ten wufete, bie bann jenen Dergötternben
3uruf oeranlajjte. Das Strafgerid?t wirö in A — ganj naio — als unmittelbare
$olgc erjätjlt unb in bibltfdj=frommem don: „alsbalb fdjhig ihn ein (Engel bes
f?errn, weil er (Sott nid)t bie (Ehre gegeben hatte". Bei J ift bie augenblidlidje
IDirtung ein probigium: fjerobes fielet einen Uhu über fid? fi^en unb jugleid?
beginnen bie Sdjmerjen ber dobestrantljeit. J ift fabelhafter, aber aud? pro­
faner, A hat einen hiftorifdjen Antnüpfungspuntt, ijt aber auch naioer unb
wunbergläubiger erjagt. Da bas (Sanje mit bem (Ethos bes Dergeltungs=
glaubens unb einem frommen Abjdjeu oor nienfchenoergötterung jufammem
hängt, fo wirb man A, b. h- bie burd) bie Acta bejeugte Sonn, für urfprünglid/er
als J holten2) unb bas (Sauje für eine jübijdje £egenbe anfehen bürfen.
*) D. 20 fdjilbert junädjft etwas Allgemeines: rv 3-i)popax<B?, mit irapsjaav finb mit fd?on
bei einem bestimmten Dortommnis, bas urfprünglid) fidjet mit ber Angabe bes Streitobfetts
motioiert war; bie (Erwähnung bes Blaftus geht oollenbs ins (Jinjelne. IDenn wir ben Streit»
gtunb nicht wiffen, tönnen wir natürlich aud; eärjprjyopsi D. 21 nicht oerftehen; bie Rebe
bat ben Streit beigelegt, ds ijt äufjerft bejeidjnenb für D unb anbere zeugen bes weftlidjen
Wertes, baß fie biefem Uiangel abljelfen. Aber fie ergänzen nadjträglidj in D. 22 xa-aUa-js;»
■tos 8$ a’jro’j rot; Tuplocg (D, anbere ähnlid;), ftatt in D. 21 oom Streit unb feinet Sd)Iicf>
tung ju erjagen — ein Beweis, baß h*er Kortettur bes unoerftänblidjen Dulgärtejtes not»
liegt, nicht urfprünglidjere Überlieferung!
2) IDenn J oon A abhängig wäre (pahn, gotfcbungen IX 236ff.), fo würbe es fid;
nur um bie Anefboten, nidjt um bie Büdjer banbeln. Aber aud? jene ftehen wohl in feinem
biretten Verhältnis jueinanber. Denn bie Annahme, bafe man aus bem äyreXoc xuptou,
bet bie Strafe oolljieht, ben Uhu gemacht habe, ber fie anfünbigt, unb baß beshalb Jofephus
(ob aud? feine Quelle?) ben Uhu <£773X0; xaxfiv genannt hätte, ift bod; taum glaublid), IDenn
anbrerfeits Sdfüß, Apoftel unb Jünger 63 als bezeichnenden Unterfdhieb jwifQen J unb A 45
anführt, ba& ber dhüü öen dngel bes herrn bort walten läßt, wo nad? bem jübifdjen hifto*
riter bie ITlänner mit IDeibern unb Kindern in Klagen ausbrechen, fo wäre bod) wieber ju
fragen, ob biefet Jug bei J nicht überhaupt erft oom Sdjriftfteller aus pragmatifdjen ffirünben
eingefügt würbe; in biefem $all täme er für bie llnterjd)eibung bet beiben drabitionen gat
nicht in Betradjt.
1. Stilfritifdies jur Apoftelg efcbichte 27

unseres Heftes, bafe bei bei $reilaffung ber Apostel 16, 35—40, bie bod) ous-
füljrlid] genug erjäljlt ift, bes furchtbaren (Erbbebens mit feinem Wort gebadjt
wirb. flnfdjeinenb bat bas ^tinerar nur bie Verhaftung unb bie (Entladung
(ohne weitere Begrünbung) fowie bas Verlangen bes paulus nach Doller Reha­
bilitierung geineibet. Vie (Erzählung vorn (Erbbeben ift bemnad? in bas 3tinerar
eingefcboben, aber ohne mit ihm fad/lidi oerbunben 31t werben1). Ver $aben
ber Wunbergefdiidite beginnt mit ber Schilberung bes mitternächtigen £ob=
preifes V. 25. (Eine (Einleitung baju läfet fid? nidjt refonftruieren, benn im dop
hergehenben Verfe tonnte bie Befchreibung ber Ejaftart ebenfo wie in 12, 4 oom
Sdjriftjteller flammen, unb an V. 23 hat bas^tinerar fidjer feinen Anteil. Am
(Enbe ber Grjählung aber hat offenbar ber Autor eingegriffen, inbem er D. 32
bie prebigt unb V. 33 bie Saufe einfdiob unb baburd] bie jeitlidje unb fadjlidje
§olge ber fjanblungen oollftänbig in Verwirrung brachte8). Bian wirb burd?
biefe Beobadjtung mifetrauifdj gegen bie ganse Betehrungspointe überhaupt.
Aber wohl mit Unrecht; ber Dialog 16, 30.31 haftet ju feft in bem Ganjen,
um herausgelöft ju werben. Unb wenn bie Grjählung etwa bamit fdjlofe, bafe
48 bet Gefängniswärter famt feinem tjaufe gläubig würbe, fo tonnte gerabe bies
für Cufas ber Anlafj werben, prebigt unb Saufe als Stappen bes Betebrungs*
projeffes einjufügen3). Was wir nun als Srabition erfennen, weift bie 3üge
ber tegenöe auf: ein naiü oorgetragenes Wunber, lebiglid? mit Rüdfidjt auf
bie Bauptperfonen erjäblt; fein Grübeln barüber, bah bie anbern Gefangenen
entfliehen tonnen, ober über bie Stagen, woher Paulus im Dunflen weife, was
ber Wärter tun will, unb woher biefer erfahren hat, bafe bas (Etbbeben bie
Apoftel angeht. Die frommen fjelben ber Gefdjidfte ftehen felbftoerftänblich im
lUittelpunft bes Gefchehens, barum wenbet fid? ber Gefängniswärter audj gleich
an fie, bie er jefet „ihr tjerren" anrebet. Aud) bas fromme ^ntereffe wirb ge*
wahrt: bie Sbriften loben aud? im Gefängnis Gott, unb bas Wunber fprengt
x) Wieber befeitigt ber abenblänbifche Gert alle IKängel: rtad? ihm fommen D. 35 bie
Strategen „im ©ebanten an bas (Erbbeben1' ja bem CEntlaffungsbefdjIu^ unb in D. 39 bes
tennen fie „wir wufeten nidit, bafe ihr (Beredete feib" — aud) bas ift eine Anfpielung auf bas
(Befdiehene, wie es (Ephraim nad; ber armenifdjen datene aud; verftanben hat (3abn,
gorfchungen IX 303 Apparat).
2) D. 32 prebigen bie Apoftel bereits bem ©efängniswcirter unb ben Seinen; bann erft
nimmt er fie D. 33 mit fid? unb wäfcbt fie! Hun folgt bie (laufe bes IDärters unb feiner
gamilie, aber erft banad? D. 34 führt er bie (Befangenen hinauf in fein fjaus 1 Ailes roirb
verftänblidj, wenn man prebigt unb Haufe auslöft.
’) Dafe ber Autor bas Beftreben hatte, bie Haufe — wo fie etwa in bet alten Übet=
lieferung nicht ermähnt war — hmeinjubringen, bas fdjeint fid? aud? an einem anberen
Stüd biefer Srabition ju erweifen, an ber Betehrungsgefdjidjte Sauls 9, Iff. Die Saufe wirb
hier D. 18 genannt; vorher helfet es „er warb wieber fehenö", nachher „er nahm Speife ju
fid? unb fam 311 Kräften". Diefe Stabien ber phyfijcben (Erholung gehörten bod? wohl ur=
fptünglid? jufammen, unb Cutas fügte bie Saufe an biefer Stelle ein," um fie als innere „(Er=
leuchtung" mit ber äufeeten ?u parallelifieten unb um fie an ben Abfcblufc bes gaftens ju
(teilen. Aber mit ber törperhdjen ®enefunq fann anbrerfeits bie alte Srjäljlung laum ge=
fdjloffen haben. (Es sorgt fid? vielmehr deutlich, ba& ber Derfaffer bemüht ift, bie ffiefdjichte
in feine Kompofition ju verfledjten. Die Aiialyfe bietet barum größere Schwierigteiten unb
fcheint mir aufeerbem bie Berüdfiditigung von Act. 22 unb 26 ju etheifchen. Sie mag barum
vorläufig jv.rüdgeftellt werben.
28 1- Stilfritifdjes jur flpoftelge[d)id;te

nid;t nur bie geffeln ber flpoftel, fonbern wanbelt aud? ben Sinn bes Reiben.
Ausfüljrlid? wirb fein frommer (Eifer gefdjilbert: er nimmt Jie mit fid], wöfdjt
iljre Striemen, füfyrt fie in fein t^aus unb läbt fie 3U Gifd]. Der £efer foll mit
Genugtuung empfinben, bafe alles Unredit burd? bie Deretyrung eines Belehrten
triebet gut gemadjt wirb.
Damit ift, foriel id? fetje, bie Reifte ber Heineren (Einheiten erfdjöpft, bie
fid} mit ftiltritifdjen Argumenten unb ofyne umftänblidjere Unterfudjung aus
bem Gejt bet Apoftelgefdndjte auslöfen taffen. Denn bas Martyrium bes
Stephanus, an bas man nod] benfen tonnte, erforbert eine befonbere U)ürbi=
gung, bie biet 3U weit führen würbe. Diefes ältefte djriftlidje IRartyrium läfet
fid] nidjt unferjudjen, otjne bafe bas II. unb IV. TRaffabäerbuch, bie altdjrift«
lidjen Ulartyrien 3atobus bes Geredeten unb Polytarps fowie rot allem bie
£eibensgefd?id]te 3efu in Betradjt gejogen werben. Dann erft wirb ber litera=
tifd/en Art biefes Beridjtes i^r »olles Redjt.
l)ier füllte nur an ben einfachen Beifpielen ber Derfud] gemacht werben,
ber Überlieferung nä^er 3U tommen, bie ber Autor ber Acta benutze. (Es galt
3»erft bie fdiriftftellerifdje £eijtung bes Derfaffers im großen abjugre^en unb
einjufdjätjen, fobann aber bie wicbtigften unb geeignetsten ber Gefd?id;ten, bie 49
er mitteilt, ftiltritifd] 3U analyjieren, b. I). aus ifirem inneren Rfyytljmus, intern
Patljos unb iljrem Gtljos ityre (Eigenart unb i^t Wefensgefefs ju erfdjliefjen.
Daft ron foldjer Arbeit nid?t nur bie £iteraturgefdydjte, fonbern audj bie 3ntet=
pretation biefer ältejten ApoftebGefdydjten Gewinn fyat, f?offe id? gejeigt 3U
fyaben.
Rad? ber Gefd?id?tlid?feit ober Ungefd?id]tlid?feit all biefer (Erjäfylungen
fjabe idi babei abfidjtlid? nicht gefragt; benn mit ber3uteilung ju ben Gattungen
„£egenbe", „Honelle" ober „Anefbote" ift nur über ben Dortrag bes (E^äfylers,
nicht über bie Wirflidjteit bes Grjäblten bas Urteil gefprodjen. Aber wenigftens
foaiel barf als (Ergebnis biefes analytifdjen Derfudjs gebudjt werben: baf} in
ber Apoftelgefd?id?te bie grage ber fyiftorifdjen Suoerläffigfeit je nad? ben ein«
jelnen Geilen uerfdjieben 3U beurteilen ift, anbers bort, wo ber Autor bas
3tinerar benu^te, als bort, wo er nur burcb Sammelberidite nerfd)tebene Gra«
bitionen uerbanb, anbers bei ben £egenben als bei ben literarifdjen Reben,
aber aud? wieber oerfdjiebenartig bei ben ein3elnen£egenben im Dergleid] mit«
einanber. Alle biefe gragen tonnen erft entfd/ieben werben, nadjbem bie Stil*
tritif iljr Werf getan l?at; wer jene Probleme »orjeitig löfen will, gefäfyrbct
nod] metjr als bie Reinheit ber ftilfritifdjen IRetfjobe, er trübt fid? bas Der«
ftänbnis ber Gefd?id?ten, bie innerlid? ben Problemen ber Gefd?id?tswij[enfdjaft
fo weltenfern finb. Unb nur wenn man erft einmal abfietjt uon bem, was wir
als gragen an biefe Gr3äI]Iungen fyeranbringen, lernt man laufdjen auf bas,
was bie (E^äfyler 311 jagen fjaben.
2. Paulus auf öem Areopag
1939
5 Die Sjene ber Apoftelgefdjidjte, in ber Paulus ben Athenern predigt
(17, 19—34), bejeid^net unb will bejeidjnen einen tjöfjepunft bes Budjes. Das
bejeugt fdjon beffen gefamte Anlage: die Rebe auf bem Areopag ift bie einige
(jeibenprebigt bes tjeibenapoftels, bie ber Derfaffer fdjilbert. Subern geben Be=
fonbertjeiten bes Stiles unb bie Sülle ber IRotiue, bie fyier in wenig Derfe 311=
fammengebrängt erfdjeinen, bem Bericht eine befonbere Bebeutung.
Die Interpretation biefer Rebe in ben lebten ^aljrseljnten Ijat freilid?, fo
fdjeint mir, barunter etwas gelitten, bafe bie Grtlärer entweber eine Ijiftorifdje
ober eine literarifdje H^efe im Auge Ratten. Sie wollten entweber beweifen,
bafe Paulus biefe Rebe wirflidj gehalten Ijabe ober bod? gehalten haben fönne;
bie erflärenben Belege werben bann mit Dorliebe ben Briefen ober ber Umwelt
bes biftorifdjen paulus entnommen; bas gilt oonGrnft Gurtius, Ijarnad,
Alfreb Witenljaufer, Gbuarb IHeyer1). ©ber man ertlärt bie Areopagrebe
als Ginlage, als Wert eines Rebaftors ber Apoftelgefdjidjte unb mufe bann
begreiflidjerweife Spannungen unb Wiberfprüdje 3U anberen Heilen bes Budjes
Ijeroorljeben; bas ift 3.'B. bas Derfaljren non Gbuarb Horben unb Alfreb
Soify2). TReine Unterfudjung entnimmt iljr Redjt ber Anwenbung einer um=
geteerten IRetljobe; fie fragt juerft nadj bem Sinn ber Rebe unb erjt bann
nad? itjrer Gefdjidjtlidjteit unb iljrer Bebeutung im Budj ber Apoftelgefdjidjte.
IRan fann bie Rebe in foldjer Weife ifolieren, benn fie fpridjt burdj fidj
4 felbft. Sine feljt Hare Dispofition 3eigt otjne weiteres, wotjin fie fteuert. Den
3ntjalt ber Rebe bilben IRotivgruppen, jeweils in ein ober 3wei Sätje 3ufam=
mengebrängt; aber Wortwafjl unb Ausbrud finb fo bejeidjnenb, bafe man —
mit alleiniger Ausnahme oon P. 26 — nidjt 3weifeln fann, weldje ©ebanten
3u affojiieren unb 3ur Grflärung t?eran3U3iefjen finb.
I.
Die Ginleitung (D. 22. 23) bringt bie Anertennung ber Atljener als reli=
giöfer Seute, zarä ndvra <05 SstaiSatiiaviaTspot. Als Beweis für itjren reli=
(Ernft Curtius, Paulus in Atfjen. Sitzungsberichte bet Berliner flfabemie 1893,
935—938. —Adolf fjarnad, 3ft bie Rebe bes Paulus in'Athen ein urfprüngl. Beftanöteil
ber Apg.? Hefte unb Unterfudjungen 39, 1913. — Alfreb Witenljaufer, Die Apoftel=
gefdjidjte unb i^r Äefdjidjtswert 1921, 390—394. — Gbuarb Uley er, llrfprung unö An=
fange bes Cffdftentums III 1923, 89—108.
*) Gbuarb Horben, Agnoftos Gfjeos, 1913, 3—83. — Alfreb £oify, Les Actes des
Apötres, 1920, 660—684. Cs beöarf taum ber GrtDäljttung, tute Diel bas Derjtänbnis ber
Areopagrebe Öem juerft genannten Butije bantt
30 2- Paulus auf bem Areopag

giöjen (Eifer wirb ber Altar mit her befannten 3nfd;rift äyvwaw angeführt.
Den unbefannten (Bott ihnen befannt 311 mad;en, ift ber eigentliche Dorfah ber
Rebe. 3hm bient bie Ausführung mit ben brei fjauptmotingruppen:
I. (Bott, Sdjöpfer unb $err ber Welt, braucht feine Tempel, benn er ift
bebürfnislos (D. 24.25);
II. (Bott hat bie ITlenfd?en mit ber Beftimmung erraffen, bafe fie ihn
fudjen füllten (D. 26. 27);
III. bie (Bottverwanbtfdjaft bes Rlenfdien—fie „finb feines (Befehlens''—
fällte jebe Bilberoerehrung ausfdjliefeen (D. 28. 29).
Unb nun folgt ber Schluß (Bott läfct ben IRenfchen jefet Bufee prebigen,
weil ber (Beridjtstag becorfteht. Da wirb (Bott bie IDelt richten burd? einen
Wann, ben er oon ben (loten hat auferftehen laffen (D. 30. 31).
(Es ift eine monotheiftifche predigt, bas fielet man, unb erft ihr Sdjlufj
madjt fie 3U einer djriftlidjen. Denn erft ba ift bie Rebe non (Bottes (Bnabe —
ber Sache nad?, wiewohl bas Wort nidjt norfommt; es helfet nur wig XpBvoug
xi^ ayvolag OnepcBtov. (Erft ba wirb nom (Bericht gefprodien, erft ba non 3efus
unb feiner Auferftehung. Unb ber Raine „3«fus" wirb — nad; bem beft=
be3eugten Hejt — nidit einmal genannt! Unb in jebem Sali fommt ber im
befonberen Sinne djriftlidje (Behalt ber Rebe nur in ben beiben Sdjlufenerfen
3ur Darftellung. Das ift gewife befremblid; unb bebarf ber (Erflärung.
Die 3nterpretation ber Areopagrebe hat »on ber 3weiten Wotiogruppe,
D. 26. 27, aus3ugehen. (Es finb bie einigen Worte ber Rebe, beten Bebeutung
unb Be3iehung fid? nidjt ohne weiteres bem Derftänbnis erfdjliefet. (Es finb
aber aud? biefe Worte, non beten 3nterpretation bie (Erflärung bet gan3en
Rebe in gewiffer Weife abhängig ift. (Es heifet D. 26. 27 re svag 5
nSv (Alvog avb’pwnuiv xarocxscv irrt navrög npoatoTOU rfjg <5ptaag Trpoars-
raypEVOug xatpoüg xal Tag dpo&Ealag xaTocxtag aütöv, ^teIv töv {teöv,
Et dpa ye cjngiacpigaEcav aürbv xal eGpotev, xal ys ob paxpeev cwrb £vög exa-
amu Tjpwv özap^ovra. Der dejt ift nidft ganj 3weifelsfrei überliefert. 3u>ei
Stellen bütfen trofe fadjlid) widriger Darianten in bem hier gegebenen üejrt als
gefiebert gelten1). An }wei anbern Stellen 1^6; unb xal rd; öpollealag) fann
bas llejtproblem nur in Jufammenhang mit bet (Erflärung gelöft werben.
(Es ift bie Rebe oon bet einheitlichen Abftammung bes Wenfchen=
gefd]led)ts; aus einem finb alle entftanben. Aber wer finb biefe „alle"? tedv
dv&ptoTttüv wirb man junädjft auf „jebes Dolf ber Wenfdjen" bejiehen.
’) Statt TtpoaTSTayitsvous ift fn D (aber nicht in d!) unb anberen, nidjt bebeutfamen
3eugen irpotETaYpävou; überliefert, lüatjrfrbeinlid? ift bies eine Anbetung, bie ben Sinn
bes Saties einbeutig „gefdjidjtlidj" feftlegen foll; bentt nur wenn xacpoi bie Dölterepodjcn
bebeuten, hat bie „Dorausbejtinnnung" einen Sinn. — Statt tdv 3-eöv baben bie Hbenb’
länöer tö a-etov unb bie enlfpredjenbert Korrefturen D. 27. Aber bie abenblänbifcben
jeugen finb in ber Umrahmung bes Wortes nidjt einig, unb bie fog. Koine bietet tdv xüpcov:
aifo I;at mahl betov mie xüpiov ein urfptüncjlidies fteov jur Dotausfe^ung, unb bas Heutrum
OsCov ftammt aus D. 29. Dort gehört es hm; biet, wo doch wahren, perföntidjen ©ott bie
Rebe ift, pafjt bas ITlasfuiinuni beffer.
2 paulus auf bem Areopag 31

Aber aud; öie Überlegung „bas ganje menfdjli^e ®e|d;led?t" ift mögli^; benn
bafe ber Artifel bei nä; „ganj" fehlen tann, ift in biefer ©racität burdjaus
erhört1), und gleid; bie Sortierung liefert einen Beleg, benn bas altüberlieferte
ent navtög rtpoatbrrou yv); (fpciter 311 xäv tö xp. forrigiert) fjeifet natürlid?
„auf ber gan3en drboberflädje". Aber Don weffen ©jiftenj auf ber ©rbober *
fläche toill ber Berfaffer fpredjen, meint er bie Bölter ober bas IKenfdjem
gefcbledjt, rebet er von ber Welt ber Rationen ober oon ber uniaerfalen Rlenfdv
heit? Bentt er gefdjidjtlid? im Sinne bes Alien ©eftaments, bas eine Samilie
— erft Abams, bann, nach ber großen $lut, Roahs Samilie — als bas Stamnv
Ijaus ber Dielen Derfchiebenartigen Bölter betrad;tet, ober benft er helleniftifd;
im Sinn ber Aufflärungsphilofophie, bie tosmopolitifd? bie Tlienfdjheit als
6 Summe ber Urbbewohner oor Augen f?at? hinter bem e?egetifd;en Problem
fteht, wie man jieht, bie Untfdjeibungsfrage nad; ber grunbfä^lichen Ausrichtung
ber Rebe.
Titan hat nidjt immer gefehen, ba^ auch bie nädjfte ejegetifdje Schmierig'
feit mit biefer Untfcheibungsfrage jufammenhängt. Sott hat rrpoaTeTaYjdvoug
xatpoüg beftimmt unb TÄg öpo&ealag Thg xarocxcag a'juö. Wer DOther an bie
BÖlferwelt gebadjt hat, wirb es auch h’er tun; er mirb ohne weiteres „bie
©renjen ihrer Sieblung" auf bie Staatsgebiete ber oerfchiebenen Rationen be *
jiehen (f. Beut. 32, 8). Schwieriger finb in biefem Sufammenhang bie xatpol
3U cerftehen. Bie einen fehen bamit „bas Auftreten, Blühen unb Berfd;winben
ber Bölter“2) umfehrieben „les saisons de leur prosperitA"
*), bie anbern er­
innern an bie xacpal Ühüv £uf. 2i, 244). Aber biefer Ausbrud ift ein esd;ato *
logifdjer {Terminus, ber bie Seit jwifd;en Serufalems Serftörung unb bem Am
brud? bes Sottesreidjs bejeid;net. Bon allebem ift hier feine Rebe; man fann
bann nur auf Ban. 8 nerweifen unb an bie Perioden benfen, bie ben einjelnen
einanber ablöfenben Rationen non Sott 3ugebiIIigt finb. Aber es fragt fid?
bod?, ob ber Berfaffer — bes Buches ober ber Rebe — ben £efern ober fjörern
ein Berftänbnis für biefe Se|dfidjtsphilofophie ber Biabochen3eit jutrauen fann.
$ier liegt eine erheblidie Sd;wierigfeit für bie gefdridjtlidi-politifdie Auffaffung
bes Ausbrudes xatpol, bann aber aud; — unb biefer Saigerung ift man bisher
Dielfad; ausgewidjen — ber gan3en 3weiten Wotingruppe ber Rebe (B. 26. 27).
Benn bei biefer Konzentration ber IRotiDe in wenigen Berfen ift es unmöglid',
bie einzelnen Ausbrüde etleftijch, b. 6- balb hiftorifd; balb philofophifd;, 3U
deuten. Bie ganje Wotiogruppe mufe einheitlich oerftanben werben, ober fie
wirb überhaupt nicht oerftanben.

*) Dgl. Act. 2, 36 naj oTxog ’lapa^X, Röm. II, 26 tcS's ’lapaijk, unb, wenn biefe Bei*
fpieie roegen Ijebraistnus abgelebt »erben, <Epl?- 2. 21 rtäaa oixobop.^ unb bie Jn[d;rift
bes Rntiodfus von ffommagene, Dittenbetger, Orientis inscr. I 383s, al-twsj . . . ßaai-
Xstai näani xowßv ayabesv ahtat xocTiaz^aav. Weiteres in meinem Kommentar ju
<Epl?- 2, 21.
a) (Dsfar ljolijmann, Das Reue Jeftament überfeijt unb erflärt 1926 I, 410.
3) d. Jacquier, Les Actes des Apötres, 1926, 533.
*) So nad; artbeten Kitfopp Cate in The Beginningsof Christianity I, Bb. IV 1933,216.
32 2 pautus auf bem Areopag

Die anbere (Erfläruug, bie foeben als bie pl?ilofopf?tfd?e bejeidinet würbe,
bietet bei ber Interpretation ton xaipot überhaupt feine Sdjwierigteit. Denft
man einmal an bas gefamte ITlenfdjengefdjIedp unb fein Wohnen auf ber Srb=
oberflädie, fo finb bie feftgefe^ten xatpol natürlid) bie Ja^resjeiten. Das wirb
burdi bie Worte bes Paulus in £yjtra, bie, wie fid? jeigen wirb, einen ber
flreopagrebe oerwanbten Sebanfengang enthalten, unmittelbar nahegelegt: ~
(Bott hat fid? burd) feine Wohltaten funbgetan, oupavöO-ev up.cv berobg 3i8ouc
xal xatpoüi xapzocpopoug. Die 3ahresjeiten fpielen überhaupt im pbilo»
fopl?ifd?en (Bottesbeweis ber Seit eine Rolle1); il?re (Erwähnung in biefem
3ufammenl)ang mad)t alfo feine Sd)wierigfeiten. Wohl aber fdjeinen fid? fold?e
für biefe (pl?ilofopl?ifd?e) Deutung ju ergeben bei ber (Erflärung ber ipo&eaixi
rifi xatotxlag aöwv. (Es hanbelt fid? nid?t um bie Seltenheit bes Wortes äpc»
fteala, benn befjen Bebeutung ift wohl oerftänblid?2). (Es hanbelt fid? um bie
Srage, ob mit „(Brenjen ihrer Sieblung" etwas anberes gemeint fein fann als 8
bie f?errfd;aftsgebiete ber einjelnen Rationen.
Das aber ift ber Sali. 3m Rahmen ber oon alten Seiten her ber gried?b
fd?en Wiffenfdraft geläufigen 3onenlehre wirb immer wieber heroorgehoben,
l) Dgl. Aelius Ariftibes In Jovem 24 im preis bes 3eus Spai rs xab-’ixaatov bto?
ix rrspcrportlj; yip xrp ndlaav Inlp^ovtat. Jn bem Beweis qualis deorum natura sit wirb
bei dicero De nat. deor. 1119 §49 gejeigt, wie bie Sonne bie ijahresseiten bewirft: Ha ex
qiiattuor temporum mutationibus omnium quae terra marique gignunlur initia causa que
ducuntur. Don ber Sonne rebet and; Arius Dibymus bei dufebius Praep. evang. XV
I57 (Diels, Doxographi Graeci 465): fie werbe Don Kleanth für bas hY*povcxdv to5
xiopoo gehalten 8ca td psycaTOv äarpcav breäp/ecv xal -Asiata aupßdXksab-a’. xpc? nfp
■rffiv äXwv 8iolxr(aiv, hpepav xai sviaurov rtoioövra xal ra? äÄÄa; Spa?. Bei Pf.sAriftoteles
De mundo 6 p. 399a fjeijjt es uon bem rtagcpah? f(Xco? (unb feiner hoppelten Bal?n)
t' 81 ri? Tsasapa? Spa? 4ywv tob Itou?. Bei ber Betrachtung ber <Befe^mä^igfeit ber
tDelt heifet es in berfelben Schrift 5 p. 397 a ti; 81 ylvotr’ Sv ä'^eWeia totdSs, f,v rcva
tpnXocTTODatv ai xaÄal xal yovcpoc tcßv 6Xa>v wpac, te xai xsipcövaj eitdyouaac
TsraYpivco?. Jn ber groben pathetifd?en Aufjählung alles beffen, was auf einen effector ober
moderater ber Welt fdjltefjen labt, nennt dicero Tusculanae disputationes 28 § 68 aud;
commulalionesqu temporum quadrupertitas ad maturitatem frugum el ad temperaliomm
corporum aptas. natürlid? fehlen bie Jahresseiten aud) nidjt in bem Beweis nib-ev ewoiav
ea/ov b-sSv avbpwxc., bet pppiutard) De placitis philosophorum 1 6l0 (aus Aetius;
Diels, Doxographi Gr. 295) geführt wirb: xal zetayplvu)? rjpepav re xal vöxta xsm®vd
te xai blpo? ävaroXd? -te xal Suapdj (seil, ipeuvtsp). Dgl. nod) piato Leges X 886a
(xa rcSv wpßv 8caxexoapv]päva xaXcö? oOw? im Beweis ber ®Ötter), Symposium 188a (bie
obaraac? bet &pai ift ooll oon beiben Arten bes dros), Philebus26b. Daß ber Beweis uom
Ijetlenijtifchen 3ubentum uerwenbet würbe, seigt Sap. Sal. 7,18 (slbivac) -pornüv aXZayd;
xal petaßoXig xaeptöv; bab er ins dhriftentum überging, I. Klem. 20, 9 (in bem preis ber
oon ®ott georbneten tosmifchen tjarmonie) xacpol laptvol xal bspixol xal pstoittapivoi xai
Xeipeptvol sv slp^vv) iiezanapaStWaatv äXX7;Xo'.;.
“) ds wirb BGrü III 889,17 »on ber Aeufeftlegung ber drenjen nad) bet Überfdjwem-
mung, unb Jnfdjr. uon Priene (eb. Ijillet o. diärtringen) 42, II 8 non ber ffieredjtigfeit
einer (Brenjiiehung gebraucht ttabbury, Journal of Bibl. Literature 1925, 219ff. Der*
weift nod; auf ®alen Definitiones medicae II (XIX 349 Kühn) bpeapo? 81 Xlfsrat änö
psta-popä? t<5v Iv toi; xcopioc? bpoHsalwv unb erwägt bie Cesatt ipobsocüjv. Aber dabbury
will bie Spobeolac seitlich faffen unb ebenfo wie xaipol auf bie Döltergefdji^te bejiehen, 8
unb jwar im gleichen Sinn, fo bab Don ben Abgrenjungen ber Sieblungsseiten bie Rebe
wäre. Das fdjeitert, foniel td? fel?e, batan, bab xatocxla hier entfprechenb bem Darauf»
gehenben xarocxstv oerftanben werben mub, alfo Don piätjen, nicht oon Petioben.
2. Paulus auf dem Areopag 33

öah oon ben fünf Jonen nur jwei für bie Blenfd;eii bewohnbar feien. Das tann
in ffeptifdjer Betrachtung betont werben: wie flein ift ber Raum, auf bem fid;
alles menfd;Iid;e Treiben abfpielt1)! Aber es wirb aud; bantbar unb 311m preis
ber (Sattheit nermerft, baf; bie beiben Jonen, bie non Rlenfdjen befiebelt werben,
bie unfere unb bie entfpredjenbe füblid?e, fid; non ber tropifdjen unb ben beiben
arttifdjen Jonen oorteilhaft unterfdjeiben2). Jn biefem Sinne Ijflt dicero ben
®ebauten oon ben menfd;Iid;en Sieblungs3onen im (Sottesbeweis bes erften
Bud;s ber duftulanen Dorgetragen unb ift wohl aud; barin, wie in biefem
Bud; überhaupt, feinen gried;ifd;en Dorbilbern gefolgt, dr fpridft non ber drbe,
bie nur auf jwei orae bewohnbar unb bebaut fei: Ilic autem, ubi habitamus,
non intermiltü suo tempore 'caelum nitescere, arbores frondescere.., segetes
largiri fruges, florere omnia' (Tusc. disput. 1 28 §68 f.; bie lebten Worte finb
ein Jitat aus (Junius). (Is lä^t fid; nad; aHebent bie TRöglidjfeit nid;t bejtreiten,
aud; bie öp-ihaiat xarotxfag au-öv nid;t gefdjichtlid;, fonbern philofophifd;
311 beuten: es wären bann, wie namentlich Cicero jeigt, bie (Srensen ber tulti=
oierbaren Jonen gemeint, unb nid?t bie Staatsgren3en3).
* Aber welche (Jrflärung ift nun bie richtige? Bon ber (Jntfd;eibung biefer
grage hängt bas Derftänbnis ber gawit jweiten IKotiogruppe ab, bamit aber
in gewiffem Sinn ber Areopagrebe überhaupt. Denn hier mufe fid; jetgen, ob
bie ®efd;id;tsbetrad)tung bes Alten Seftaments ober bie IDeltbetrad;tung ber
Philofophie, üornehmlid) ber ftoifd;en, in ber Areopagrebe porherrfd;t. Die
IHeinungsDerfdjiebenheit, bie unter ben Kommentatoren befteht, fd;eint taum
Hoffnung auf eine fixere Söfung 3U geben. Unb bod; ift eine Beantwortung
ber Srage möglich. Sie hat aus3ugehen non bem Siel ber Darftellung. (Sott hat
bie xacpor unb bie öpo&eaiat xarotxlag feftgefeht bamit bie Rlenfdjen ihn
fud;en Jollen (D. 27).
Der Ausbrud erinnert mit feiner unmittelbaren Be3iehung auf (Sott an
1) Dgl. Cicero De republ. VI 19 § 20 tides habitari in terra raris el anguslia in locis ,. .
20 §21 omnia enim terra quaa colitur a vobis . . . patva guaedam insula esl . . Seneca
Naturales quaest. I Praelatio 8 et terrarum orbem superne despiciens (es folgt eine An®
fpielung auf bie Jonen) sibi ipse dixit: hoc est illud punctum, quod inler tot gentes ferro
el igne dividitur? 0 quam ridiculi sunt mortalium lermini! piinius Nat. hist. II 174 bare
esl materia gloriae nostra°, haec sedes. hic honores gerimus, hie exercemus imperia etc.
*) Vergil Georgien I 237 f. bas inler mediamgue duae mortalibus aegris munere
eoncetsae divom.
3) Die abenblanbifdje Cesart (D, 3renaeus) xatä ipo^eatav rfj; xaxo'.xla; abTöv Der»
ffebt man am beften oon biefer Alternatioe aus. Die Dariante legt bie gefdjidjtlidje Deu­
tung feft unb macht bie philofopljifcbe unmöglich, benn bie Jeiten, bie (Sott „gemäfe ber
$ ©renje ihrer Anfteblung" feftgefeht hat, finb natürlidj bie gefd;id)tlid;en 4pod?en ber Dölfer. —
3d; glaube, bajj bie abenblänbtjaje dejtbearbeitung, bie nicht einheitlich ift, mit bem befow
beten Büd)erfdndfal ber Apoftelgefdncbte jufamtnenbängt (f. meine ©efd;. b. urdpiftl. £it.,
Sammlung (Böfdjen, I S. 46f. [und ->811). Dafe fie eine Bearbeitung ift, ergibt fid? mit uot
allem baraus, ba§ fie Hälfte (jmifdjen Hrabition unb Bearbeitung burd? ben Derf.) unfidjtbar
macht (12, 22; 14, 7; 16, 35), Siagen beantwortet, Blotioe ergänjt. Dgl. meine Abhandlung
„Stiitritifches jur Apoftelgefdjidjte" im dudjarifterfon für ®untel II, S. 38. 39. 42. 44
f_^19f. 22. 24] bie bett. Anmerfungen. — üro^ allebem tonnen natürlich bie „abenb=
länbifchen" dejte Altes aufbemahtt hoben. Darum ift bei jeder wichtigen Dariante eine
erneute unb oorurteilslofe Prüfung unerläfelid).
3
34 2. Paulus auf bem Areopag

bas Alte Seftament. Aber bei näherem Sufeljen ergibt fid?, bafe Bedingungen
unb Umftänbe bes Suchens ljier unb bort oöllig oerjdjieben finb. Der alttefta*
mentlid?e Sromme fud?t Sott auf, um ihm ju bienen, 3. B. auf feinem Berg an
^eiliger Stätte Pf. 24 (LXX: 23), 3; man fud?t Sottes Angefidjt (ebenba D. 6
unb Pf. 27 (26), 8). WeraufIHenfdjen fein Dertrauen fe^t, ber fudjt überfragt
nid?t nad? Sott (3ef. 31, 1). Wer fid? aber 3U i^m lehrt unb ihn oon gansem
fjerjen fud?t, oon bem läfet er fid? finben (3er. 29, 13; 3ef. 55, 6). Denn bas
Sudjen Sottes ift eine Sad?e bes Willens. Das Sudjen Sottes in ber Areopag3
rebe aber ift eine Sadje bes Deutens. Sott hat fid? ben IHenfdjen — nid?t etwa
nur ben Seinen ober feinem Dolf — in allgemein befannten unb 3ugänglid?en
Srjdjeinungen bes Sehens foweit funbgetan, bafe fie auf feine Sjiftenj aufmerfc
fant werben unb bie entsprechenden Schlüffe jiehen. ^ier geht es nidjt barum,
fein Dertrauen auf Sott 3U fetjen ober fid? ihm im Sehorfam unterjuorbnen;
was hier erftrebt wirb, ift bie Srfenntnis feines Wefens aus ber Grtenntnis ber JO
Welt. Das am meiften helleniftifdje Bud? bes gried?ifd?en Alten Keftaments,
bie Sapientia Salomonis,rebet 13, 6 oon biefem Suchen Sottes, unb begreif3
lid^erweife rebet aud? Philo baoon (f. bie übernädyfte Anmerfung). Beide
brauchen übrigens, wohl durch bas Alte Seftament veranlagt, bie birefte per3
fönlid?e Konftruftion: ^relv rbv ^eov. Aber beibe Derwenben bas Wort in
einem oöllig anberen, in einem gried?ifd?en Sinn. Denn ^retv ift bas Wort
ber Sriedjen für bas Auffudjen unb Unterfud?en bes Wahren1) unb fomit auch
bes Söttlidjen: oOw xal ol rä D-eta ^toOvtes vopl^ouacv heifct es bei Xeno
phon Memorabilia I 1, 15; el latt td (tetov unb n xarä Thv oüatav
fragt man nad? Philo (De spcc. leg. 1 32) bei ben ^rigaet; xepl tkoO. Unb 3U
biefem Suchen gehört bas $inben nid?t unbedingt; das hat Philo ridjtig emp=
funden2). Wenn man bei ihm lieft, dafj bas Sueben, um feiner felbft willen
unb aud? ohne bas Sinben, aufs innigfte 3U erftreben fei, fühlt man fid? an
teffings befanntes Wort erinnert, gemäfj bem ber Srieb nad? Wahrheit, nid?t
bie Wahrheit felbft von Sott 3U erbitten fei3). Aud? ber Areopagrebner hat
offenbar biefer Unfid?erheit Rechnung getragen, inbem er bas 3iel bes Suchens
Dorfid?tig im ©ptatio einführte: el Spa ye ^Xa^iQaEiavabtdv xal eöpotev. Ss tann
alfo nidjt sroeifelhqft fein, weldje ArtbesSudjens in ber Areopagrebe gemeint ift.
*) OitsCv als Serminus für bas llnterfud)en unb Srforfd)en bei Plato 3. B. Apol. 19b
Snjwv zi re bno xal oüpoivia, 23b zaöz' oJv psv etc xal vöv nepuebv xal
^psu^tö, Gorgias 457 «1 cpcZovcxoövzac äXÄ' ob ^r,zoövza{ zb itpoxölpevov äv z<J> Xöytp, Res-
publ. 499a, Theaetet 201 a; Hlarc Aurel II 13, Sia zexpipaswj ^ijzcuvroj; piutarcf? De
E apud Delphos 385c. d (ijrjzsCv unb Siizr;aic).
2) Philo De spec. leg. I 36 Ijutvov yäp obäiv zoü £r)z«tv zöv 3-eov, xäv r,
tSpsaij abzoö Siacpgüyg büvajr.v ävb-pömtvyjv. (troijbem fall man nad) I 40 mit ber
nid)t aufhören Sia zb z^v axe-fnv xal äveo z^j ebpäaso; xa^’a5zf|v zpiaöb-rjTov tTvat. Dgl.
auherbem Do Abrahamo 87 ol yap ^zobvzej xal ^ninoS-oüvzej 8-eöv äveupgtv unb bas
Suchen bes iv De post. Caini 15 unb De spec. leg. 1 345.
3) tH)eoIogifd)e Streitfdjriften. Sine Duplif, 1778, I am (Snöe: „txtenn Sott in feiner
Rechten alle IDahrheit unb in feiner Cinfen ben einigen immer regen irieb nad) IDahrheit, ob=
fd)on mit bem 3ufahe, mid? immer unb ewig ju irren, oerfdjloffen Ijielte...., id) fiele ihm mit
Demut in feine Einte unb fagte: „Dater, gib! Die reine IDahrheit ift ja bo<h nur für bid) allein 1"
2 Paulus auf beut Areopag 35

3u foldjem Suchen werden die Ulenfdjen aeranlafjt burd? die von (Sott
feftgefehten xatpot und bie äpo&eaEat vrjg xarotxlag. Diefes Derjtänbnis aber
II ergibt fid? nur bei ber philofopljifd?en, nicht bei ber gefd)iditlidien 3nter
pretation bes ITlotws. Denn bie politischen Staatsgrenjen, auf bie es ber ge=
fd?id?tHd)en Grtlärung antommen würbe, finb fein Gottesbeweis. IDohl aber
ift bie finnaolie Gruppierung ber Rlenfdren auf ber bewohnbaren BobenfläGe
ein Beweis für bie Gjiften? einer Dorfeijung. Der Ablauf ber Dölferepodjen
wirb jwar non bet Apotalyptit als Offenbarung ber göttlichen ITCadjt angefehen;
ein rationaler Gottesbeweis aber ift bie $olge non Actionen feineswegs, benn
fie bleibt rätfelnoll unb bunte!. ITIan fann ihr 3iel unb Gnbe wohl prophetifd?
ahnen, aber nicht fd?on jeht vor ber Gnbjeit, mit bem Derftanbe erfennen.
Dagegen finb bie 3al?*es3eften ein oft angeführter Beweis für Gottes IDelt-
regierung. Unb fie werben in bem bereits erwähnten Gottesbeweis bei Sicero,
Tusculanae disp. 1 28 §68 unter anderem aud? mit ber Heilung ber Grbe in un=
bewohnbare unb bewohnbare 3onen jufammen genannt1) — bas ift gerabe ber
Beweis, ber oon ber finnnollen (Einrichtung non Seiten unb 3onen auf
ben Urheber fdjlie^t, unb ben aud? ber Areopagrebner anbeuten will!
Übrigens pa^t aud? bie Bejeichnung irpoaTeTaYpävoc erheblich beffer ju
ben Sahresjeiten als ju ben Dölferepochen. Denn feftgefe^t, nad? immer güb
tiger allgemein ertennbarer ©rbnung, finb bie Sohresjeiten2); was hier npoa-
■reTacypivot hei^t, hat piato (Leges X 886 a) fo ausgebrüdt: -rä töv wpwv
c:axexoa|HQpeva xakög ourcog, ivtauTOlg re xal pjalv oted^ppeva, unb biefe
Derteilung gilt ihm neben bem Kosmos als oornehmfter Beweis für bie Gjiftenj
ber Götter. Die Dölterepodjen bagegen fönnten taum in biefem Sinn mit ähn=
lidjer Selbjtoerftänblidjteit perwenbet werben, weil bie ©rbnung ihres Ablaufs
nicht erfid)tlid] ift, fonbern nur non Gott norher beftimmt, unb fo erflärt fid;
bie Sesart TipoteraYpevou? in ber Areopagrebe (j. oben S. 30 A. 1). IDas hier
burd? bas partijipium ausgebrüdt wirb, ift bei ben Sieblungsjonen mit
12 öpo&eala gefagt: Gott hat feftgefehte 3ahresjeiten unb abgegrenjte IDohn=
gegenben beftimmt, unb beides foll die TRenfdjen jum Suchen Gottes antreiben.
3um Sudjen — benn bas wirtliche unb völlige §inden Gottes bleibt, wie
wir fahen, fraglid?. Unb biefe Unfidjerheit wirb nid)t als befdiämenb, fonbern
als notwendig empfunden3); daran fann aud? ber im folgenden neben ebpEaxetv
ftehende ftarte Ausbrud „betaften" nid]ts ändern. Dafe gerabe im
Gottesbeweis fo geredet wird, als fönne man Gott in ber ober jener Hatur
'} Auch fonft werben im öottesbeweis bie ^ahresjeiten unb ber Boben fand [einen
(Erträgniffen jufammen erwähnt, [o bei Arat, in bemfelben ®eöid)t, beffen D. 5 in ber Areo--
pagrebe 17, 28 jitiert wirb, D. 7—9; Jeus fagt, wann ber Boben gurn pflügen geeignet fei
unb äre Sagcal wpac xal cpura yuptSaai xa! ciräpiiara niv-a ßaXeab'a'.. Dgl, 1. Klem, 20, 4
■ff) xuoipopoüaa xaua rd S-eXTjpa aörou TOtf ISlocj xacpolj tt,v «avKiTgö-S__ Äv«TäXXei rpocpvjv.
2) 1. Kiew, 40, 4 wirb mit rot; 7tpoaraT«Y|iävoia xacpofs ber norijer in 40, 2 gebrauchte
Ausbrud wpcapsw.; xacpoi; xal fipacj aufgenommen. (Bemeint finb beibemal bie regel-
mähigen ©pferjeiten.
3) Philo fdjilbert De posteritatc Caini 15, wie aus ber nad; bem üv bas größte
®ut entsteht: xoc-caXa^stv Ütt äxÄräXr^ro; 4 xari ra stvac b-sö? navrl xal aird toüto
lieiv St; eotIv äöparoj.
3*
36 2. pau(us auf bem Areopag

erfdjeinung „mit ^änben greifen", tommt aud? fonft cor, unb 3war gerabe in
bem (Bottesbeweis aus ber Natur1).
So beftätigt ftdj bas Ergebnis, baß bie Areopagrebe non einem Sudjen
(Bottes rebet, ju bem ber Rlenfdj burd? bie seitlidje unb täumlid?e Regelung
feines febens gebradjt wirb, (Es fragt fid?, ob man bie fo gewonnene (Ent-
fdjeibung aud? auf ben Anfang ber Darftellung D. 26 übertragen barf. Dann
wären bie Worte inolrjaiv re ivig iräv cevD-pümwv xarocxslv
navrbg rtpoawTOu auf bie Rlenfdjßeit unb nidjt auf bie Rationen ju
be3ießen. Das fdjeint mir in ber Hat ber Sali ju fein. Die ganje Stelle mufe
einßeitlidj oerjtanben werben; man fann ben Rebner nidjt gut ljier oon ben
Dölfern reben laffen unb Ijernad? oon ben 3aßre3eiten. Rian würbe bei ber
gefdjid?tlidj-politifd?en Deutung aud? fdjwer nerfteßen, warum ber (Benitip
äv&pwitwv ju k«v gefegt wirb. Wenn aber bas Rlenfdjengefdjledjt ge=
meint ift, fo erflärt fid? ber (Benetio aus ber (Bewoßnßeit, aud? non ben
ber Bienen ober Dögel2) 3U fpredjen. Aud? bie bei Klemens unb 3renaeus be=
3eugte £esart yeveg für weift ebenfo wie bie Sefung bei D dv^ptoTrou
auf bas pßilofopßifdje Derftänbnis be Ausbruds: näv 4v9-pdmtov be=
3eidjnet bas gan3e menfdjlidje (Sefdjlecßt.
Dollenbs entfdjeibenb aber fdjeint mir eine anbere (Erwägung 3U fein.
Die Worte &ronjaev re evdc ~äv ib-vog av8-pd»7twv xarotxelv xtÄ. wollen
(Bott, ber norßer als Sd?öpfer Rimmels unb ber (Erben pertünbet ift, nun aud?
als Sdjöpfer ber Wenfdjen f?inftellen. Das ift altteftamentlid?e unb djriftlidje 15
Prebigt. Das Wort mteiv be3eid?net in biefem 3ufammenßang bas Scßaffen;
in ber LXX ift es bei ber Sdjöpfung bes Rlenfcßen (Ben. 1, 27 nidjt weniger
als breimal für bas ßebr. bara' gebraud?t, wäl?renb xrl£etv in ber LXX in
biefer Bebeutung unb als Aquioalent für bara nur fpärlidj perwenbet wirb3).
Ulan ßat alfo 3U überfeinen „unb er fdjuf aus einem einigen bas gan^e (Be=
fdjledjt ber IRenfdjen". Daoon ßängt bann ein finaler 3nfinitio ab, genau wie
^retv im näd?ften Ders. (Bott l?at bas Rlenfdjengefdjledjt gefdjaffen, baß fie
auf ber (Erbe wof?nen; bie Abfidjt (Bottes war bie Befieblung ber (Eib: burd?
bie pielen. Angefidjts ber Bebeutung non noteiv im Sdjöpfungsatt erßeben
fid? beträdjtlicße Sweifel gegen bie ßäufig oerlretene Überfeßung: (Bott ßat es
fo eingerichtet, baß alle Rationen auf ber (Erbe wol?nen feilten. Dagegen fpridjt
ber (Bebraud? bes Wortes irocetv; bagegen fpridjt aber audj bas oorangeftellle
Ig Mq, bas bei biefer Raffung einigermaßen in ber £uft ßängt: „baß alle
Rationen ber Rlenfdjen oon einem ßer auf ber (Erbe woljnen feilten" flingt
') Dgl. (lorp. Ijerm. 5a v<5r,aiv laßetv, itecv wat aötatg rate /epai
zal elxöva toö &=oü fredaaoO-at [fo Horben; nad; bet Ausgabe ber fjermetica oon
ID. Scott 1924 bieten bie Seugen hinter virjaiv enttveber (?eh ober XaßeCv, nidjt beides] unb
boju Horben, Agnojtos Stjeos, 16f. [Dio o, Prufa Or. XU 60 eyyu&sv tgidv xal cupaneu iv
td fretov npoaidvtac zai &nTO|iävcup psti neib-ous ... — Hotij im Banbeyernpljr].
a) Bereits (Hjeobor 3aljn tjat in feinem Kommentar aufeer auf proo. 30, 26 auf Ratner
B 87. 459 oerroiefen.
3) tjäufiger ftetjt xtüjeiv „fdjaffen" in ben Büdjern bes Siraciben unb ber Sapientia
Safomonis. Unb qerabe bas ift bejeidjnenb, bort Ijerrfdjt griedjifdjere Ausbrudsweife!
2 Paulus auf bem Areopag 37

nidjt überjeugenb; man würbe bei Bogern Parti3ipium erwarten. Dagegen


gibt öie anbere $affung einen guten Sinn: „Sott tyat aus einem einjigen bas
ganje Sefdjledjt ber ITlenfdjen gefdjaffen". Bei biefer Raffung mu^te dl; evdg
ooranfteben, um mit iräv fonfrontiert }u werben; bei biefer Saffung ift feine
Srgänjung nötig1), benn jeber ergänzt ävÖ'pwtou; bei biefer Saffung ift ber
Sinn eirtbeutig, benn was betont wirb, ift bie Abftammung ber ganjen ITlenfdj-
beit oon einem. Der Sebanfe beruht felbftoerftänblidj auf ben (Erjä^Iungen bes
14 flften Heftaments oon Abam unb oon Boal? unb ift nidjt erft im Segenfaty ju
irgenbeinem Autodjttyonen=SIauben gewonnen. Aber bas Alte deftament bat
biefen Sebanten nidjt befonbers tyerausgearbeitet2). Unb tyier ift bie gan3e Dor­
fteilung nidjt nadj altteftamentlidjen Sebanten ausgeridjtet; tyier ftetyt nichts
oon Sünbenfall unb Sintflut, nidjts oon Turmbau 311 Babel unb 3erftreuung
ber ITlenfdjtyeit, audj nidjts oon einem auserwätylten Dolf unb feinem Sonber-
fdjidfal3). Die Derteilung ber ITlenfdjen auf ber (Erbe wirb burdjaus opti=
miftifdj1) betradjtet: inbemSott einen fdjuf, fdjuf er alle, baty fie bie (Erbe be=
wotynen.
Der Sebante fafet alfo ben ITlenfdjen als Weltbürger; bie Heilung nadj
Kationen fpielt feine Rolle. Unb bas ift fein IDunber. Serabe fo tyat oor bem
Paulus ber Areopagrebe fdjon Ptyilo oom ITlenfdjen gerebet. (Er tyat feine
Stellung 3wifdjen Sott unb bem übrigen Hlenfdjengefdjledjt tyeroorgetyoben:
wir flammen oom erjten ITlenfdjen ab, ityn tyat Sott gebilbet (De opificio
mundi 140), er tyeifet 6 jtavrb; roö ysyou; dp^TeTigg (§ 136), er ift nidjt
nur ber erfte ITlenfdj, fonbern audj ber einige Weltbürger; er lebt nadj ber
Derfaffung, bie bie zoktrela ber gan3en Welt ift, bem Katurgefety (6
(paew; dp&b; Aiyog —De op. mundi 142. 143). Soldje Sebanfen, wenn audj

x) Ridjt nur D unb 3renaeus, fonbern bie grotye IRaffe ber üejte, bie fog. Koine’Rejen*
fion, lieft befanntHdj s? a’patos. Daburcty wirb bie „fdjlagenbe" Kraft^ber Segenüber=
ftellung äj — nSv ävbpünrwv oerborben, unb fdjon barum bürfte a’jiatog als Jufa^
ju betradjten fein. §raglid; ift nur, ob lebiglidj eine tyarmlofe (Ergänjung oon ivoj oorliegt,
ober ob ein beftimmtes Derftänbnis ber Stelle batyinter ftetyt. Da jwei anbere Darianten biefes
Derfes, npotsTarpivouj unb xaxä ipo&eotav, bas gefdjidjtlidj’politifdje Derftänbnis ju ver­
treten fdjeinen, fo tonnte man oermuten, bafj aud) biefe Cesart auf bas gleidje Derftänbnis
weife: aus einem Seblüt — alle Dölter ber (Erbe. Aber fidjer ausjumadjen ift bas nidjt. (Es
ift übrigens feine altteftamentlidje Ausbrudsweife; wotyl aber im Sriedjifdjen üblicty unb
aud? oon 3ofepljus gebraudjt f. Betym in Kittels dtyeol. IDörterbudj 1172.
*) Der Sebanfe oon Röm. 5, 12ff-, ber bie Unioerfalität ber Sünbe (Abam) unb bie
Unioerfalität bes Ijeils (Styriftus) nebeneinanber (teilt, liegt tyier völlig fern. Denn oon Sünbe
ift, wie oben gejcigt, feine Rebe.
3) Altteftamentlidj dagegen ift offenbar ber Ausbrud äret navro; npocturrou trj
fietye LXX Sen. 8, 9 Wtop äni navrl rcpoatfwp ndarj; rij; Ttyg, aber audj Cut. 21, 35
skI navta; soug za zjpävo’jg änl npoatonov ntions rtjj yilG- Dem Derfaffer ftetyen alttefta»
mentlidje Ausbrüde burdjaus ju Sebote; bas jeigt noistv fctyaffen in 17, 24. 26, oöpavobzal
17, 24, CiQTetv tov Osdv 17, 26, zpivstv ztjv oixo'jgävv]v £v 8i*aioa'lvig 17, 31. Aber baty
er fo wenig unb (mit Ausnatyme oon 17, 31) nur nebentyer Sebraudj oon LXX’IDenbungen
madjt, jeigt eben, wie wenig alttejtamentlicty ber 3ntyalt feiner prebigt ift.
■•) [parallele ju biefem Optimismus: 3ofeptyus Ant. IV 64 § 116: Bileam an bas
fjeer 3sraels: toivuv, tu [xaxoipto; azparö;, btt toawoj e; ivd; rtatpoj
Ys-rdvaTE. — Rotg im fjanbefemplar].
38 2. Paulus auf bem Areopag

oielleid]! nidjt fo ftoifd? Ausgeprägt, mögen hinter öem Sah ber flreopagrebe
liegen Don bem einen Hlenfchen, aus bem bas ganje bie (Erbe bewohnenbe
Rlenfdjengefdjledjt entftanb. Damit ift bann aud? bie dntfdjeibung gefallen
jwifdjen ben beiben 3nterpretationen biefes Rebeftüds, ber gefd]id;tlid?en
unb ber pljilofoptjifdjen. Red)t bat burdjweg bie pljilofopfjifdje: es hanbett
jid) nidjt um Rationen, Dölterepodjen unb Staatsgrenjen, fonbern um bas
weltbürgerlidje Rlenfdjengefdjledjt, bie ©rbnung feines Sehens nad? 3abres=
Seiten unb geeigneten Sieblungsplätjen unb bas burd? biefe ©rbnung erwedte
menfdjlidje Sudjen nad? ®ott.’)
II. 15
Radjbem fo Sinn unb Bebeutung bes fdjwierigften Hbfdjnitts ber Rebe
feftgeftellt finb, folge eine beutfdje Übertragung.
(Einleitung 22 THänner non Athen! 3d? fehe, ihr feib bei allem bebadjt, bie
®ötter ju ehren.
23 Denn als id? burd? bie Strafen ging unb eure heiligen Stätten
befdjaute, fanb id? aud? einen Altar mit ber 3nfd?rift: einem
unbefannten (Sott. Run, was il?r fo oerehrt, bod? ohne es ju
tennen, gerabe bas tue id? eud? tunb.
I 24 Der ®ott, ber bie Wett gefdjaf fen l?at unb alles, was barinnen
ift, er, ber Ejerr ift über fjimmel unb (Eibe, wohnt nidjt in
(Tempeln non Wenfd?en erridjtet,
25 nod? nimmt er Dienfte in Anfprud? non menfdjlidjen fjänben,
als ob er etwas braudie. (Er ift es ja felber, ber allen Sehen
unb ©bem unb alles oerleiljt.
II 26 Unb er fdjuf aus einem ©injigen bas ganje ®efd?Ied?t bet
Rienfdjen, bafe fie woljnen füllten auf ber ganjen $lädje ber
(Erbe. (Er beftellte iljnen georbnete jetten bes 3ahtes unb
begrenjte 3onen jum Siebeln,
27 bafe fie ®ott fud?en füllten, ob fie ihn greifbar faffen unb
finben tonnten; nidjt ferne ift er ja non jebem unter uns.
111 28 Denn in ihm haben wir Sehen unb Weben unb Sein, wie ja
aud? bei eud? bie Dichter gejagt haben: „benn wir finb feines
®efd?led?ts".
29 Als göttliches ©efdjledjt nun füllten wir nidjt wähnen, bie
®ottheit fetje einem Bilb gleidj aus ®olb ober Silber ober
Stein, bem Wert menfdjlidjer Kunft unb ßfyantafie.
Sdjlufc 30 Die Seiten ber Unwiffenheit fieljt ®ott nun nidjt mel?r an;
er tut oielmehr jeht ben Hlenfdjen tunb, fie füllten Bu^e tun,
alle unb allenthalben.
') [Illit öen dinwänben, bie IH. Pollen} gegen bie ^ier »orgetragene Auffaffung
oon Act. 17, 26f. ergebt, fetjt fid» Dibelius —>132 Anm. 3 äuseinanbet.j.
1

2. Paulus auf öem Areopag 39

31 Denn angefefet feat Sott einen üagr an bem er in ©eredjtigleit


bie (Erbe ridjten will burdj einen TRann feiner Wafel. 3fen
I?at er nor aller Welt beglaubigt, als er ifen oon ben loten
auferftefeen liefe.
16 Die Bejiefeungen bes einleitenben IRotios, ber Anfnüpfung an bie 3nfdjrift
eines Sitars, finb oon (Ebuarb Korben1) nacfe perfdjiebenen Ridjtungen unter
fudjt worben. 3« ber fritifdien Distuffion mit ifem2) würben bie gragen, wen
biefe Altarinfdjrift meine unb weldje Bebeutung ifer feier jutomme, weiter
geflärt. Das (Ergebnis ber Debatte fann in wenigen Säfeen jufammengefafet
werben.
1. Sine Altarinfdjrift „(Einem unbefannten ©ott" ober audj „Dem
unbefannten Gott“ ift uns nidjt überliefert. Dagegen ift literarifd? ’) unb wafep
fdjeinlidj audj infdjriftlid?*) bejeugt, bafe es auf ber Strafee oon Pfealeron nadj
Atfeen, in Olympia unb oielleidjt audj in Pergamon Altäre gegeben feat, bie
„unbefannten ©Öttern" geweifet waren.
fjeroorjufeeben ift, bafe aucfe djriftlidje Sdjriftfteller, bie bie Apoftelgefdjidjte
leimen5), bie jnfdjrift in ber pluralifdjen $orm jitieren, alfo nidjt nur aus ber
Areopagrebe oon ifer wiffen6).
j; 2. Die Weifeung an unbefannte ©ötter mag oeranlafet fein burd) bieSorge,
einem ©oft aus Untenntnis nidjt ben ifem gebüferenben Dienft erwiefen ju
feaben, eine Sorge, bie gerabe an Orten mit Srembenoerfefer wie Atfeen,
Olympia unb Pergamon nidjt unberedjtigt erfdjien7) unb bie oiclleicfet audj
x) Horben, Agnoftos üfeeos 1913, 31—56.
-) Reifeenftein, Reue Jaferb. f. ö. tlaff. Altertum 1915, 147. 394ff.; ID. ID. Jaeger,
©btt. gel. Am. 1913, 606 ff.; ID ei nreicb, Dt. £it.=3tg. 1913, 2953f.; fearnacf, Jft bie Rebe
öes Paulus in fltfeen ein urfprüngl. Öeftanbteü ber Apg.? (Uejte u. Unterf. 39) 1913;
dorffen,3tfdjr. f. neutejtamentl. IDiff. 14, 1913,309ff.; Birt, Rfeein. Riufeumf.pfeilol. 1914,
342ff.; Plüfe, Seftgabe f. feuqo Blümner, 1914, 36ff. (baju meine Anjeige, IDodjenfdjr. f.
tlaff. Pfeilol. 32,1915,108f.); IDeinreidj, Ard?, f. Relig. IDiff. 1915,1 ff.; <£b. Pleyer, feermes
1917, 371 ff.; jafem Die Apoftelgefdj. bes Cufas (Kommentar) 1919/21, 870—882; IDiten3
feaufer, Die Apoftelgefdj. unb ifer Sefdjidjtsroert, 1921, 369—390; Cafe, The Beginnings
of Christianity I, vol. V, 1933, 240—246.
3) Paufanias I 1, 4 (auf bem IDeg von Pfealeton nadj Atfeen) ßwpol 84 ^eÄv ts övopato»
Hsvtvv äpiäatcov xai -feprfnov xal xaütov löv öifaeo); xxi 4>aXifpou; paufanias V 14, 8
(Olympia).
’) 3-eoij äyfvcöatot;?] Kanlrftov] 8xbobx°[s) Altarinfdjrift in pergamon (feepbing,
Atfeen. Illitteilungen 35, 1910, 454ff.; Deifemann, Paulus2, 1925 , 226ff.).
°) Hertullian Ad nationes II 9 nam el Athenis ara est inscripta: ignolis deis unb
Adv. Marcionem I 9 invenio plane ignolis dein aras proslilutae, sed Allica idololalria
esl . . .; feieronymus Comment. in Titum 1, 12, VII 707 (Dallarfi) nadj bem pitat Act.
17, 23: inscriplio autem arae non Ha trat, ul Paulus asseruit, ’ignoto dro’, sed Hat ‘hüe
Asiae et Europa? el Africae diis ignolis el peregrinis’; Dibymuss§ragment bei ITlai Nova
Bibliotheca Patrum IV 2, 139 ju II. Kor. 10, 5: oüvto yap tö ’A^TjviQaiv ävaxefjisvov
ßtöytp 45tlYpap;ia ägcpatvov rcoZ.?.t6v b-söv vor(|ia äXxtjaaj 6 vauva Ypdtptov [xeT^vsYxev eis
vdv pövov äXvjb'ivöv tteiv . . .
6) Bornfeäufer, Stubien jur Apoftelgefdjidjte 1934, 145 ift ber ITleinung, es banbele
fidj um einen jafeve-Altar. Das IDort eiaeßeiv verrate, bafe allein ber (im Sinn bes Paulus)
redjtmäfeige Sott gemeint fein lönne !
’) Jeffe«, Art.'Ayvoiotoi »eal in pauIy=Wiffoma, Realenjytlopäbie, Suppl. I, 28ff.
40 2. Paulus auf bem Areopag

burd? Grjäfelutigen oon ju Unrcdjt übergangenen ©ottfeeiten lebenbig et3


galten würbe1). And) tönnte ein bestimmtes (Ereignis, bas man als Wirtung
eines bisher nidjt verehrten ©ottes oerftanb, ju einer IDeifeung biefer ober
ähnlicher Art geführt feaben. So erjäfelt Diogenes Saertius I 10, 110 über bie
Gntfüfenung Athens oon ber „Kylonifdjen Blutfcfeulb"2) burdj (Epimenibes
aus Kreta: er liefe fdjworje unb weifee Scfeafe Boni Areopag in bie Stabt
laufen unb an bett Stellen, wo eines biefer Giere fid? feinlegte, jeweils
■nö npoaigxovTt opfern3). IKinber waferfdjeinlidj ift, bafe mit ben un3
befannten ©Öttern beftimmte, etwa d?tfeonifd?e ©ottfeeiten gemeint feien, beren
Kamen man nidjt nennen tonnte ober wollte.
3. Pfeiloftratus erjäfelt in ber Biograpfeie bes Apollonius non Gyana, bafe
biefer in Ägypten einem Jüngling Gimafion begegnete, ber, wie einft tjippo3
lytus oon Pfeaebra, oon feiner Stiefmutter mit Siebe oerfolgt worben fei;
biefer aber feabe nidjt wie fjippolytus beswegen bie Apferobite beleibigt,
fonbern efere fie unb feabe fidj beswegen oon feiner fjeimat entfernt (Vila j$
Apollonii VI 3). Diefes Derfealten lobte Apollonius, benn es fei fein 3eidjen oon
3udjt (aw<ppo<jüv7)), eine ©ottfeeit 3u beleibigen, Diel efeer gefeöre es jur 3ud;t,
oon allen ©Öttern ©utes ju reben, unb jumal in Atfeen, wo ja audj unbefannten
©ottfeeiten Altäre erridjtet würben (aouppcv^oTspov yäp zd repl navrcov tteöv
eü leyecv xat zaüta ob xai dcyvwarwv öacpavwv ßu>|ioi tSpuvrai).
(Es fragt fidj, wie bie unoermittelte Grwäfenung ber atfeenifdjen unbefann=
ten ©ötter ju ertlären ift. Die etwas tünftlidje Konftruttion einer literarifdjen
Abfeängigfeit bei Korben4) feat fidj im allgemeinen nidjt burdjgefefet. Die Ken=
’) (Sine foldje (Erjäfelung finöet fid? bet ^erobot VI 105; banacfe tjabe fidj Pan übet
ju wenig Beadjtung »an fetten öer Athener betlagt. Unter ben djriftlidjen Sdjriftftellern be=
ridjtet Jfibot oon Pelufium epist. IV 69 (an tjero, Migne graec. 78, 112b) biefelbe ©efdjidjte
unb eine anbere oon einer Peft in Attjen, bei bet fein (Bott fjilfe gewährte.
cdb ott dativ tcw? Uso; tif, Sv airol xardXwtov aydpaaTov, 6 td* Xotpd? xortartep'l»;,
hätten bie Atljener Gentpel unb Altar für einen unbefannten (Sott erridjtet. Bei 3fdjoöaö
(Ilorae Seniiticae X, S. 28; f. unten S. 47 Annt. 1) finbet fid; bie Angabe, bafe bie Athener
öfter fo getan Ijätten, unb bie ®efd)id;te oon pan (f. oben), aber als (Befdjidjte »on einem
unbefannten Dämon erjäfelt; ber Altar fei bent „unbefannten unb verborgenen ®ott" ge»
weifet worben.
8) (Es feanbelt fid; um bie (Tötung ber Anhänger Kylons, bie fidj jur Athena geflüdjtet
hatten, unb bie barauffein über bie Stabt tommenbe Peft. Die (Befdjidjte ift offenbar fefer oiel
älter als Diogenes; f. bie (Erwähnung bet Reinigung in ber’AOrivaiwv noXtreia bes Ariftoteles
I 1 (dfealheim).
3) 4s heißt weitet: o>s? sei xxl v5v sbpsi/ xara toü; b^pouj tun 'Abijvaimv
ßopou; ivwvöpoo; — was auf ben Altären ftanb, erfährt man nidjt. Birt, Rhein. ITluf.
1914, 355 meint: 3-sy; aber für bie oon paufanias erwähnten Altäre fann bas taum gelten;
ju regelmäßig ift in ben Belegen Jrvwatos erwäljnt.
*) Horben feat 1. bie <Eimafion»4rjäfelung auf bie Quelle bes Pfeiloftratus, bas Bud?
eines gewiffen Damis, jurüdgefüfert (auf (Srunb oon Pfeiloftratus Vita Apoll. VI3 Anfang) —
2. behauptet, bafe bie Äußerung bes Apollonius aus einer in Atfeen gefealtenen Rebeftamme
unb in ber oerlorenen Sdjrift fees Apollonius Ilspi buaißv ju lefen gewefen fei — 3. ange3
nommen, bafe ber „Rebattor“ ber Apg. biefe Sdjrift ober jenen Beriefet bes Damis gelefen
habe. —Aber es läßt fid; nidjt beweifen, bafe bie angehängte Bewertung über öie unbefannten
Dämonen aus „Damis" ftammt. Die Kennung Athens wirb burdi bie (Erwähnung tjippolyts
nahegelegt. [Dibelius urteilte urfprünglidj jurüdljaltenber: IDodjenftfer. f. tlaff. pijilol.
2 Paulus auf bem Areopag 41

nung bes Hfeefeus=Sofenes fjippolytus bedingt bie (Erwäfenung non Atfeen (trotj=
bem bie Sefdjidjte in Hroejen fpielt); unb bie Scfelufefäfee beweifen nur, dafe
manfpottend oder lobend bie Altäre unbefannter Sötterals Beweis für Athens
$römmigfeit anjufüferen pflegte. Das tonnte fid? auf ben Altar in Pfealeron
bejiefeen ober aud? auf jene namenlofen Altäre, bie nad? Diogenes £aertius uon
bem Reinigungsaft bes (Epimenibes feerrüferten; jedenfalls war bie fromme Stabt
Atfeen weithin burd? bie Derel?rung unbetannter Sottfeeiten gefennjeidjnet.
4. Die Areopagrebe fprid?t non ber 3nfd?rift, als wenn fie fingularifd?
lautete: einem unbetannten Sott. Das tann ebenfowofel auf bewußter Um=
geftaltung bes Plurals berufen wie auf biofeem lUifeoerftänbnis. Die lefete
Annafeme fefet allerdings ooraus, dafe der Derfaffer feine ©rtsfenntnis befafe.
3n diefem $all tonnte er bie Sefdjidjte oon ben Sdjafen (wenn er fie etwa in
ber §orm fannte, bie wir bei Diogenes £aertius lefen, f. oben S. 40) auf eine
IDeifeung im Singular bejiefeen: benn man las bort, bie Atfeener feätten am
Rufeeplafe eines jeden Sdjafes „dem betreffenden Sott" geopfert und deswegen
j« gebe es „Altäre ofene Ramen" in Atfeen. (Erft red?t tonnte er, falls er gehört
ijatte, in Atfeen errichte man unbetannten Söttern Altäre (alfo bie uns bei
Pfeiloftratus aufbewaferte IDenbung, f. oben S. 40) meinen, ber ein3elne Altar
gefeöre aud? einem einjelnen unbetannten Sott.
$ür ben Areopagrebner aber ift einjig ber fingularifdje Heft ber 3nfdjrift
braud?bar, benn ifem gilt fie als Seugnis für bas unbewufete Afenen bes waferen
Sottes bei ben Atfeenern. Unb nun fann er fofort bei ber Dertünbigung diefes
Sottes einfefeen. Sie gefdjiefet in altteftamentlid?em Stil unb proflamiert
junädjft bie im Dolt 3frael feit ben propfeeten unb bem Deuteronomium oer=
fünbete (Einfidjt, bafe ber Sdjöpfer ber IDelt, ber $err bes Rimmels unb ber
(Erbe nid?t in Hempeln wofene. Altteftamentlidj ift babei bie präbifation
Sottes als bes Sdjöpfers; nicht altteftamentlid?, fonbern feelleniftifd? ift es,
wenn im erften Slied xoajiog gefagt wirb, wo bas Alte Heftament oon f?immel
unb (Erbe reden würbe1). Altteftamentlid?, wenn aud? erft fpät altteftamentlid?
ift ber Sebanfe, bafe Sott nicht in Hempeln wofent; nidjt altteftamentlid? ift es,
wenn bas U)ort feier auf Hempel angewanbt wirb, wäferenb bie
griedjifdje Bibel es oon ben Söfeen braucfet. IDofel aber entfpridjt bie barin
liegende Kritif an jebem (Eempel, aud? bem in 3erufalem, bem feelleniftifdjen
Denfen über Sott — unb fo ift bas IDort aud? bei Pfeilo unb in ber Apofteb
gefdjidjte felbft (7, 48) oon Hempeln gebraudit2).
32,1915,108f.—>39, Anni. 2.] Dann ift aber aud? bie Ableitung bes Dlotivs‘unbefannte Dänto=
nen' von ber Rebe in Athen unb ber daraus entftanbenen Sdjrift respi 3-uaißv unwahrfcfeeinlid?.
i) Das Alte ©eftament rebet — mit Ausnahme ber Stelle Pf. 49, 2 — nidjt von „IDelt".
Jnfolgebeffen ftef?t xöano; ‘IDelt’ in ber LXX nur in ben eigentlid? griedjfedjen Büdjern
(Sapientia unb iflattabäer).
“) Aud? Philo braucht bas IDort jur Bezeichnung bet Sähen (Vita Mosis I 303; II 165.
168). Aber bei ber einzigen Anwendung auf bas tjeiligtum, bie Stifts^ütte (Vita Mos. 1188),
empfindet man bie Kritif im Sinn bes Dualismus — alles Dien[d?lid?e relativ, bas (Eigentliche
allein bei ©ott: Ispöv xsipono(n)To'j zataaxeud^tmaj xft naxpl xal d,Yep6vi roü itxvrd;.
Aud? Oracula Sibyll. XIV 62 werben vao! xe’.ptmotrjtot erwähnt.
42 2. Paulus auf bem Areopag

Das erjte TRotin ber Rebe beruht alfo auf altteftameutlidjen (bebauten,
bie in mobernifierter i?eneniftifd?er Sprache ausgebrüdt werben. (Ein fjeraus=
treten aus bem altteftamentlidjen Sebantenfreife jeigt nun bie Sortierung:
Sott läfet fid? nid?t non IReiifdienhänben bebienen, als ob er etwas brauche.
Bei bem Dienft (bottes ift hier sweifellos nid)t an bas (bebet gebadet, fonbern
an bie fultifdje pflege unb Aufwartung, an jegliche Art Hempelbienft. Diefer
(Sebraud) bes Wortes d-EpareEuw aber ift ber griechifchen Bibelüberfehung faft ’C
ftemb1), originalgried;ifd?en Heften aber burdjaus oertraut2). Unb jwar gerabe
in bem uns betannten 3ufammenhang. Das Daimonion fteht ju hod), als bafj
es meiner Ö-Epaneta bebürfte, Reifet es in bem berühmten Kapitel oon Xeno=
Phons IRemorabilien, bas ben teleologifchen (bottesbeweis enthält3). Die
grömmigteit, fo lehrt piato4), ift freilid? eine Hepa^Eta {tsöv; bies barf aber
ja nicht fo aufgefafet werben, als ob fie ben (böttern Ruhen bringe ober fie
beffer madje. Unb Philo hat ben (bebauten in deutlichem Anfdjluh an piato
aetwenbet unb ausbrüdlich wie Xenophon auf bie Bebürfnislofigteit (Bottes
gegründet5). Auch in ber Areopagrebe münbet bie Beweisführung biefer Hlotio=
gruppe ed?t griedjifd? in bie Seftftellung ber Bebürfnislofigteit (Bottes.
ju ben bejeidjnenbften 3ügen bes (bottesbegriffs, ben bie griedjifdje
Philofophie ausgebilbet hüt unb ber bann oom helleniftifdjen jubentum wie
oon ber alttircblidjen <£t?eologie übernommen worben ift, gehört bie $orberung
bes ihoTTpe-Ec6): es barf nidjts non (bott ausgefagt werben, was feiner nicht
würbig ift. Daher rührt bie Sd)eu uor jeber Dermenfcblidning (bottes unb bie
Ueigung ju negatwen Beftimmungen feines IDefens. Seit eine förmliche Auf- 21
jählung göttlicher (Eigenfd?aften ausgebilbet würbe, uielleidjt, auf (brunb älteren
IRaterials, oon ber Stoa7), ift biefe via negalionis ber (bottesertenntnis in ber

0 Aud) biet ift eigentlich nur ein originabgriechifdjer üeft 311 nennen: Ep. Jeretniae
25. 38 (Pflege non ®ö$enbilöern); 3uöitb 11,17 (h Soüätj aou «-eoaeß^s iattv xai b-spa*
iteöouaa vuxxöp zal ^päpaj xov bsöv xoö oüpavoü) unb »olletlbs Jef. 54, 17(äax:v xkrjpo»
popta vAz 8-epaiteüouaiv xüpcov) ift bas (Dort nidjt tultifd) (int engeren Sinn) gebraucht.
2) Dgl. Beyer int dheol- IDörterbuch III, 128ff. Über ben gleichen ©ebanten bei
Seneca »gl. unten S. 51 f.
3) lenopljon, Memorabilia I, 4,a oSxoc . . . üuspopdj xd Baipdvwv, äXZ’ exetvo peya»
XonpetteaxEpov ^Youpa'. h <b; xr,j ÄspanEtaj trpoaästabai.
4) Eutyphro 13 a—d.
6) Quod deterius pot. insid. soleat55 84 eöosßeiav S-soD b-epa^siav bjtdpxouaav ob
nopiaTtxrjv Elnetv tSv dxpeXiqaövTcov xö S-Eiov1 cö^Ekecxai yäp oSBsvdj, äxs pv-xe
ev8e4{ Ev pTjTE xtvö? xd 4v änaaiv aöiou xpstxxov ttscpuxdxog dv'aac, xobvavxiov 8e xa
aipnavT» ouvexäs xal änaüawj wieXei. Don ber Bebürfnislofigteit (Bottes ift aud? fcbon
»orher, § 54, bie Rebe.
*) Das hellenijtifdje Jubentum hat fid? biefe Sorbetung »öllig 311 eigen gemadjt. jahh
teidje Stellen bei Philo 3eigen, wie gegenwärtig fie ihm ift; er beruft fid? babei gelegentlich
auf Rum. 23, 19 oöx ävb-pcuttoj 6 9-eöj (Desacrif. Abelis et Caini 94 mit bem Jujah Iva
ttdvra xa ävä-pcozoioYoüpeva brespxücf'toiiEv; Quod Deus sit immut. 53) unb mahnt äyeXst;
ouv, <1) «box^, Ysvujxov Ov^xov psxaß).ii;xöv ßißv)Xov äxö ävvoiaj xijg ttspl I>eo5 xoi»
äYEvmou xal äcpb-ccpxou xal äTpinrou xal iylo» xai pövou jiaxaptou (De sacr. 101). Aber
aud) Jofepl)us Ant. VH I 4S § 107 fagt, bah Salomo bei ber dempelweihe ixaciiaaxo Xöyoos
ttpos xiv b-edv, ouj xr, IIeCz <p6aec npsnovzai bxEÄdpßave.
’) Seffden, Jwei griedjifche Apologeten, 36f.
2. Paulus auf bem Areopag 43

philofoph'fchen Sl?eologie herrfdjenb geworben. Dian beoorjugt bei der Sdjib


derung non ©ottes Wefen bie flöjettiDa mit bem a privativum, man liebt es
aud?, il?re Bebeutung in $orm oon ©egenfatjpaaren heroorjuljeben: unfidjtbar,
bod) alles fehenb (Orac. Sibyll. III 12), alles umfaffenb, aber oon feinem
umfaßt (Philo Leg. alleg. 1 44 unb öfter). Unter biefen negatioen ©igen=
fdjaften (Bottes ift bie Bedürf nislofigfeit eine ber bejeidjnenbften; aud? fie
wirb gelegentlich mit einem foldien©egenfa^paar dargefteIlt 9. Als oornehmffes
Seugnis aus ber flaffifdjen Dichtung pflegt man bie ©uripides=Derfe anju=
führen (Here, furiosus 1345 f.)
5str«i yäp 6 frei?, emep Sax’ äp^wg Deog,
ouSevog. äo:8©v ot8e Bücrajvoi kiyoi.
Don ben (Eleaten an wirb ber ©edanfe, bafe ©ott feines Dinges bebarf, in
allen Richtungen ber griedjifdjen Sdjulpbilofophie bis 3U Reuphythagoreern
unb Reuplatonifern wiederholt2).
Döllig fremb aber ift feine Betonung ber altteftamentlidjen §römmig=
22 feit. Unb biefer Unterfchieb hat feine grunbfätjlidje Bebeutung, bie man
nidjt oerfleinern barf. Das fllte Geftament legt feinen Wert barauf, Aus=
fagen über ©ottes ruljenbes Sein ju machen. 3n ben Dorbergrunb ftellt
es ©ottes tjanbeln unb ©ottes Sorberung. fluch wo oon ©ottes fjerrfein
bie Rebe ift, getjt es nidjt junädjft um einen Juftanb, fonbern um bie
Ausübung feiner ITiadjt. Darum hat bie £ehre oon ben göttlichen ©igen=
fdjaften unb 3umal jene £ehre, bie auf bem Weg ber via negationis ge=
wonnen wirb, feinen piatj im Alten deftament. So fehlt benn audj bie
Betonung ber Bebürfnislofigfeit ©ottes in ben fanonifdjen Büdiern bes Alten
©eftaments oollftänbig. $reilidj Ijat man mit Redjt barauf oerwiefen, bafe bie
flnfdjauung oon einem ©ott, ber feine fjilfe nötig hat, unausgefprodjen hinter
dem wiederholten Spott des Deuterojefaia über bie ©ö^en ftehe’): man mu§
bas ©ötterbilb an feinen piatj tragen, benn es fann nidjt gehen; man mufe es
3) Apuleius De Platone I 5 nihil indigens, ipse conferens cunda. (Jin Beispiel aus
pijilo bietet bie oben (S. 42 Anm. 5) jitierte Stelle aus Quod det. pot. insid. sol. 55, ein
djriftlidjes bie Praebicatio Petri bei ©lernens Alej. Stromata VI 39a dvembsi)? o5 röt
ndvra ämBsstai.
!) Xenopljanes nad? Gufeb. Pracp. ev. I 8, (Diels Doxogr. 580) oon ben ©Öttern:
re pr,Bsvaj aörüv pujB’ 5X<o{. parmenibes (Diels Dorfotratiter 18 B 833)
übet bas idv: gart yip oiht ^raBeui«. Parapljtafe biefer Stelle bei Antiphon bem Sopljiften
(aus Suibas; Diels Dorfott. 80 B 10): Bia touto aübsvöj Betrat o,Jrs npoaB^xerai obBsvö;
tl, äXV aneipoj xal äB^ro?. Aad? piato Timaeus 34 b ift es bejeidjnenb für einen söBaipwv
bah et oöBevös iripou xpoaBeöpsvc; ift. Dgl. meiter piutardj, Comp. Arist. et
Catonis 4 (Cato Maior 31, p. 354F) änpooBe’ijj pev yäp 6 9-sdj inXÄ; unb De Stoicor.
repugnantiis 1034 B. 1052 E (3enon unb (Iljrijfipp); Pf.=Arifioteles De mundo 6p.
398 b oüBiv yip äx.rsxvl^aetoj aurtj» Bet xal btrrjpeaiaj tt;j näp' äräpiov, üaxep rot; nap’
Tjptv äp/ouai xaXuxat.pta; Btä rr,v äatHvsiav; Cucian, Cynieus 12 oon ben ©Öttern
oöa-evöj ydp Biovrai. Dgl. nodj Diog. Caert.VI 91M oon ben Kynitern, £utrej Derer, nat. 11650
(epilureijdj), ©ufeb. Praep. ev. VI 13 t>on ben Aeupytfjagoreern unb aus ben fjermetica:
Corp. Herm. 6, outs yäip evbsrjj äarl t'.vQf,*va ämbuprpa; aürb xttjaaoS-ai xaxi{ yävTjtaL,
PpApulejus Asclepius 41 nihil enim deesl ei gui ipse est omnia aut in eo sunt omnia,
3) Ijeinrid? ©reeoen im S^eol. IDörterbudj II, 41.
44 2. Paulus auf bem Areopag

annageln ober feftftellen, fonft würbe es worfeln. Aber hier ift bad; bie Der=
Innung ber Biiber bas Wefentlidje, unb nidjt eine Beftimmung Bon Sottes
Wefen. Das gleiche gilt non einem Pfalmwort (50, 9f.), nad? bem Sott feine
dieropfer haben will, benn — aber nun lautet bie Begrünbung nicht, wie
eine griechifdje ©pferfritif lauten tonnte: er bebarf feiner Sättigung, fonbern
ed?t altteftamentlich: Sott ift ber fjerr aller liiere.
ITur jweimai wirb in ber LXX betont, dafe Sott feines Dinges bebarf, unb
gerabe biefe jwei Stellen beweifen bie griednfdje fjerfunft bes Sebanfens:
fie fteljen im II. unb III. XRaffabäerbud?, alfo in fpätenrein griedpfdjendeften,
bie fpradjlid) unb gedanflid; aus bem Alten deftament heraustreten. Beibe
Riale handelt es fid? um dempelgebete, beibe Riale wirb in bem betreffenben
Sah bie djiftenj eines dempels gerechtfertigt angeficbts ber datfache, bafe Sott
nidjts nötig hat: °b xöpte rwv öÄtov äzpoaoEh? u-apyjov vaöv rij;
off; az^vtbaew; dv ^|itv (11. Rlatf. 14, 35) unb ^ylaaag rbv rozov
toötov el;ivofidaot tw wv änävTwv Änpoaöeet (III. Blaff. 2, 9).
IDenn fo IDort unb Begriff „bedürfnislos" in Anwenbung auf Sott am
Raube ber griedjifdjen Bibel auftauchen, fo barf man erwarten, fie aud; bei
Philo unb Jofephus ju finben. Das ift in ber dat ber $all. ds würbe bereits
erwähnt, dafe Philo wie ber Areopagrebner bie Bebürfnislofigfeit Sottes im
3ufammenhang mit falfdjer unb wahrer O-epanEta Sottes einführt1). 3ofephus 23
aber läfjt Salomo in bem ganj Ijelleniftifd? empfunbenen jweiten dempelweih=
gebet fagen, bafe bie Rlenfdien Sott nidjt mit Werfen feine Wohltaten oergelten
tonnen, ba er nidjts nötig habe2).
Sin Sebanfe, ber in helleniftifcher Sehre fo Derbreitet unb 00m helleni=
ftifchen 3udentum bereitwillig^ aufgenommen war, mufjte fid? bem dhriften=
tum Don felbft anbieten. Aber hier 3eigt fid] aufs deutlid;fte, wie wenig bie erften
chriftlidjen Senerationen in ber helleniftifdjen Welt eingewurjelt waren, wie
eigenftänbig ihr Denfen, wie bibelgebunden ihre Srömmigfeit war. Denn eben
biefes dem tjellenismus fo oertraute Rlotio oon ber Bebürfnislofigfeit Sottes
ift bem gefamten Reuen deftament fremb, mit alleiniger Aus=
nähme ber Areopagrebe! Aber fd?on diejenigen urd;riftlid]en Sdjriften,
’) Quod det. pot. insid. sol. 54—56; f. oben S. 42, Anm. 5. Aud; ber Unterfdjieb
jtuifdjen biefer Stelle unb ber Areopagrebe ift bebeutungsooll. Philo rebet im Anfdjluh an
piato banon, bah bie grömmigfeit eine Bebienung Sottes [ei, wenn man Bebienung richtig
öerftetje: nid]t fo, bah Sott itgenbein Kutjen gebraut werbe (et bringe »ielmehr allen’Dingen
Ruhen — es ift basfelbe Segenfahpaar, bas S. 45 ju Anm. 1 erwähnt ift!), fonbern fo, bafe
bie lHenfd;en fid) wie SHaoen bem Ijerrn gegenüber uerhalten (obwohl aud] ba noch ein
Unterfdjieb bleibe, f. a. a. ©. § 56, weil bie Seanötai bittjpsalaj ävbseCj finb, Sott aber
ob xpsfo?)- ®*e Apoftelgefdjidjte aber fpri^t non ber tuttifdjen Bebienung Sottes unb uer=
neint fie mit bem fjmweis auf bie Bebürfnislofigfeit Sottes. (Es jeigt fid? babei, baß bie oben
gegebene Interpretation oon bspanetiecv richtig ift. — Dgl. über bie Bebürfnislofigfeit
Sottes fonft bei Philo: Leg. all. I 44; De Cherubim 44. 119. 123; Quod Deus sie irnmu=
tabilis 56. 57.
2) Jofephus, Antiqu. VIII 4a § 111 üpYacj pt? ob Suvaeöv äv&pcanoi; daoSoSval &ecj>
Xdptv brcäp ö>v eu reenö,&aaiv' äapoaisi; yip zi beio'; iind,-ta>v xal xpettxo? TOiaOzv;;
äpocßij;. Dgl. über biefe Sempelweihgebete S. 42 Anm. 6.
2. Paulus auf bem Areopag 45

die mit ben Späteren neuteftarnentlidjen Schriften gleichzeitig ober faft gleich'
Zeitig find, fid) aber burd? größere Weltförmigfeit unb literarifdjen SHI oon
ifynen unterfdjeiben, fennen unb braudten bas ITlotiD: 1. Klemensbrief, bie
praebicatio Petri unb ber Apologet Ariftides1). Wie biefe beiben jule^t ge=
nannten Sdiriften, fo oerwenbet aud? ber ben Apologeten naljejtefyenbe „Brief"
an Diognet ben öebanfen in ber $orm bes öegenfa^paares (f. oben S. 43):
24 ©ott fdjentt uns alles, beffen roir bebürfen, bebarf aber felbft ber Dinge nicht,
bie er uns gibt2). Midjts anberes als ein ©egenfa^paar biefer Art bildet nun
aber aud? bie Sortierung bes ©ebantens in ber Areopagrebe: aurö; 8c8ou{
näat xal nvoijv xal tä r.mxx.
Die Kommentatoren ijaben bas abfdjliefeenbe xal xä xavra meift etwas
ftiefmütterlich befyanbelt; ein Heil ber Abfehreiber aber h«t mit ben Worten
offenbar aud? nichts anjufangen gewußt unb hat entweber ju xarä it&vxa.
geänbert (Koine) ober burd? Derbinbung ber Worte mit bem Solö^nben —
xal T<i ravta e; äveg — Abhilfe ju fdjaffen oerfudjt. Alan tann
ben Sinn ber junäd?ft feljr allgemein wirfenben Worte aud? nur oerfteljen, wenn
man fie als Refponfion fafet: ©ott bebarf nichts unb gibt uns alles. Dorier
ftehen bie 3um Wortfpiel einanber gefeilten Ausbrücfe xal morp Die pare=
chefe ift fonft nidjt belegt; aber bas hin3utreten oon xvovj tonnte fdjon burd)
ben ©leid]Hang oeranlafjt fein. 3ubem aber ift hier an ben altteftamentlidjen
Sdjöpfungsbericbt 3U erinnern: aud) er braucht ®en. 2, 7 für ben oon ©ott
bem ITlenfdjen eingeblafenen ©bem bas Wort Aber biefe altteftament=
lidje (Erinnerung änbert nichts am Stil bes ®an3en3): aud) bie erfte IRoHd=
gruppe D. 24. 25 will wie die 3weite D. 26.27 eine hellenijtifche Sotteslehre
Dortragen. Die beiben ®ruppen gehören 3ufammen: bas Hnbe bes erften
®ebanfens — ®ott braud)t nidits unb gibt uns alles — leitet über 3U bem 3wei=
ten: ©ott hat bie IRenfdten geschaffen, bafe fie bie (Erbe bewohnen, unb hat
il)nen bie lllöglidjteit bes Wohnens, 3al;res3eiten unb Sieblungs3onen, gegeben,
bamit fie ihn fudjen.
UI.
Die 3weite TRotiogruppe fdjlie^t mit ben Worten xal ye ou paxpav äxd
exaaTou önapyovra. Was hier als Begrünbung angeführt wirb4)(
*) I. Klem. 52, 1 oüiv oWevöj XP^V81 ei pi) xo sgopoXoYsta&ai a&xlp; die praebicatio
Petri mürbe oben S. 43 Anm. 1 als Beispiel für ein ©egenfarpaat zitiert; berartiges finbet
fid; aud) bei Ariftibes 1, 4 (©oobfpeeb) ei nihil opus esse, sed ontnia eo egere; 1, 5 oft
XpiX** *xX. . . . itdvxBj ti aöxoS xpJCouaiv.
2) Ep. ad Diognetum 3, 4 ft Y“S xoir,aas töv oipavov xal tip y^' xal "xvxa xä sv
auxoi; zai itäau tjpt/ X°P’iY®v> &'1 ixpoaftsbpsb«, aüftevij 2tv abtö; xpoaftsoiro xouxio/ aiv
xoej oiopS-ot; ftiftivai "ap^ysi auxd;.
3) Plan tönnte aud; an ben orpfyi[d;en 3eustyymnus benten gragnit. 21a (Kern) D. 5:
Zeu; n oir; navtwv’ Zeft; äxapdtou irupftj ftpp^. Bei ber üblidjen Ableitung bes Hamens
Zeus oon £i;v (Plato CratyIns 396a; Aelius Arijtibes In Jovem 23) tonnte fid? aus Zeb;
motj gut bie paredjefe fwi] xal entwideln; nur feljlt ber Beleg bafür.
4) Denn eine Begrünbung bietet bie am beften bezeugte Cesart xal y$, für bie aud) D
mit ber Derfcfyreibung xaixe (r roarb ju T) eintritt, ©egenüber fteht xalxot AE, xalxoiY» «
46 2. Paulus auf bem Areopag

ift eigentlid} bereits öasltfema ber dritten motingruppe: bie ® ottoerwanbt’ 25


fdjaft bes IRenfcben. Unb hierfür ift bas lÜaterial in ber Disfuffion ber
lebten 25 3ahre bereits foweit gefammelt, bafj ber rein tjelleniftifdje dbarafter
biefer (bruppe Har jutage liegt. Sott ift nidit fern oon uns — bie £itotes be;
beutet natürlich: er ift fehr nah, jebem oon uns, traft feiner Ratur, offne Rüd=
fid)t auf bas fjanbeln bes ITlenfdfen1). Denn in ihm haben mir £eben, Reifet es
weiter, unb es tann feine Rebe baoon fein, bafe £v aünp für ben Areopagrebner
etwa „burd? ihn" bebeuten tonnte. Denn bie §olgerung, bie aus biefem unb
bem nädfften Satj gesogen mirb, lautet bahin, bafe wir Rtenfdjen Sottes
Sefdjledft b. h- gottoerwanbt finb. Alfo ift £v aürip 311m minbeften im Sinn
eines gemiffen Panentheismus 3U faffen2).
Der Sebanfe oon ber Sottoermanbtfdjaft bes Rlenfdfen ift feit ber Der
breitung unb popularifierung bes ftoifdjen Bilbes oom Weifen in ber Philo-
fophie tjeimifd?. Am nädjften tommen unferer Stelle, wie fdjon oft bemerft
worben ift, gewiffe Ausführungen bes Dio oon Ptufa, nad? benen bie Dor
ftellung oom IDefen ber Sötter jebem oernünftigen IDefen oon natur einge=
pflanjt ift 8tä t^v ^Yyevetav rfjv <rpd; aorooj8). 3n biefem Sufammenhang
aberheifet es: S.-z yap 06 jiaxpav oöS’ S^co roO tbelou Simxtaptevoi zatF abroig,
aÄXi Sv auT« |da<p ire<p'jx6re;, [täÄÄov SS exelvco4). Dafj foldje
Sebanten ohne weiteres norausgefeht werben tonnen, jeigt aud? bas erfte
Hempelweihgebet, bas 3ofephus bem König Salomo in ben IRunb legt unb
bas, wie fdjon erwähnt, gans l?eneniftifd? empfunben ift (f. S. 42 A. 6 u. S. 44
A. 2): banadi ift es ber 3wed bes üempelfults, in ben IRenfdjen bie Überseugung
3U feftigen, 8t: zapei xal paxpäv oöx äySaryjxai;5). Die Derwanbtfdjaft 26
erftredt fid) alfo bis auf bie Ausbrudsform ber £itotes. Die Rahe oon (Sott 3U
Utenfd) wirb weiter in ber Areopagrebe begrünbet mit £fjv, xtveTa&at unb
elvat in ®ott; babei beutet bas auffallenbfte Derbum, xcvelaS-ai, wieberum
auf ftoifdie Sebanfengänge oon bem öott, ber alles bewegt0). Der Reiditum
u. a.—yuamtis g vg Irenaeus. Aber aud) biefe Cesart beruht woljl auf einem Derfeljen,
benn wie feilte man ben Konjeffiofah beuten?
*) Bian mertt ben Unterfcbieb »on ben geläufigen biblifcben Sebanten fel)r beutlid),
wenn man Act. 10, 55 baneben galt: äXX’ sv aavtl SS-vsi 6 abrov xal dpfaro«
gsvoj 8cxaioaüvr,v Sextd; ai>x$ eariv. tjier poftet bas pnterejfe an bet Übernationalität
bes Beils, unb baoon fagt bie Areopagrebe md)ts. tjiet ift bet Sinn aber aud) nur: „jeher
Seredjte ift Sott wohlgefällig" unb nid)t, wie in Act. 17, „jeher ülenfd) ift gottoerwanbt".
*) Jüan mag jum Unterfd)ieb bie Deutung bet namensformen 7.^0. unb Ata bei piato
Cratylus 396a b oetgleidjen; aupjialvei o5v cpitös ivcpd^eafra: o'Jros 6 eTvat, 8C
ov del xdai rots jsoiv bitocp/ec. tjier fehlt bas entfdjeibenbe ev ber Areopagrebe. Dgl.
übrigens Deifjmann, Die neuteftamentlidje §ormel „in CUjrifto 3efu" 1892, 93ff.
3) Dio o. Prufa Or. XII 27 (I 162 o. Arnim).
(tbenba XII 28 [f. Uadjtrag S. 32 A. 1 aus betfelben Or. XII. — Ranbnotij im
tjanbejemplar],
6) 3ofephus Ant. VIII 4, § 108.
c) Ilorben, Agnofios Ubeos 19ff. bat Stellen gefammelt, bie beweifen, bag bie Stoa
alles (Beworbene als bewegt, Sott aber als ben unbewegten Beweger betrachtet. Befonbers
bejeidjnenb: dljryfipp bei Stobaeus Ecl. 1 8, 42 p. 106s (IDadjsmutb — p. 260 Beeten) xara
rAv XP®707 xivslabal re txaara xal «Tvai. piiilo Legum all, 1 6: was Don uns gefdjaffen ift,
2. Paulus auf bem Areopag 47

bes flusöruds aber, bas nebeneinander ber brei Derben, barf jefet mit einet
gewiffen Wafjrfdjeinlidifeit auf ein oerfdileiertes Diditerjitat jurüdgefüljrt
tue r ben.
Die Beurteilung ber IDorte feat fid) gewandelt, feitbem im 3al?re 1913
ber Acta=Kommentar bes Heftorianers 3f<bodad von lüerw (um 850) oer-
öffentlidit worden ift1). 3fd?obab trägt ?u unferer Stelle eine feltfame THifdjung
oon Überliefertem unb THifeoerftandenem oor unb behauptet babei, bafe Paulus
beibe Säfee in 17, 28 von einigen Dichtern unter den Heiden genommen feabe.
Das würbe bann nidjt nur oon bem Ders tou yäp xal yevog gelten,
ber (ängft als ein 3itat aus Arat erfannt ift, fonbern aud) non bem erften Safe,
27 Don „ini^m leben, weben unb find wir"2). In bezug auf dieses Wort, fo fagt
3fd?obab3), haben die Kreter als wahr ausgesagt von Zeus, der ein Tyrann
war, 'daß er von einem wilden Eber zerrissen und begraben worden ist,
und siehe, sein Grab ist bei uns bekannt“1). Daher hat Minos, der Sohn
des Zeus, ein Loblied auf seinen Vater gemacht und darin gesagt: 'ein
Grab haben sie dir erbaut, o du Heiliger und Erhabener, die Kreter, die
Lügner, die bösen Tiere, die faulen Bäuche! Denn du bist nicht tot für
immer, lebendig bist du und bleibend5). Denn durch dich leben und be-

cataw xal pivet, coa 8e irciar^pp 8-eaS, itdXtv xcvsttat — xcvstaOac ift alfo ein
3eid;en oon (Bottes Urheberfd)aft! Dgl. aud) Pfeilo De Cherub 128, Cucanus IX 580 Juppiler
est, quodcumque vides, quodcumque nioveris unb für bie Derbinbung oon xwataS-at unb Jijv
Piato Timaeus 37c oon ber Weltfeele d>; 8s xcvr(94v aürö xal febv ävör,oev rcüv äc8£cov bsöv
ysYovig ÄyaÄpa 6 -fevviqaaj narigp, fjxäa-h] . . ., für bie Derbinbung oon Unb sTvat
Aelius Ariftibes In Jovem 23 re xal ouaiaj äxdatocp äatlv aiTiop.
i) ITlargaret Dunlop (Bibfon, The Commentaries of Isho'dad of Merv, Bishop of
Hadatha Vol. IV: Acts of the Apostles etc., with an Introduction by 3. Renbel Ijartis
(Horae Semiticae X 1913). Das oben gotgenbe ftebt S. 39 bes fyrifdjen, S. 29 bes englifd;en
Heftes.
ä) f)ier fei eine Cesart erwähnt, bie fid; nur in D (unb d) finbet unb in ben Kommern
taten meift übergangen wirb: fie lieft so xab’ f,p£pav (d; in diumum) nad) äagiv. 3d) weife
feine beffete (Ertfärung als bie, bafe bie Worte in einer meljrfpattigen ^anbfdjrift am Ranbe
(tanben, baju beftimmt, in ben Heft oon 17, 11 (-cd xaV ävaxpbovree), wo fie Der»
geffen worben waren, eingefügt ju werben. Die (Einfügung würbe bann oom näd)ften Ab»
fdgeibet oorgenommen, aber fälfd)lid) in 17, 28, weil biefe Stelle in einer anberen Spalte
berfelben Seite am entfpredjenben ©rt ftanb. (Erft ein nod) fpäterer hätte bann bie Aus«
27 laffung in 17, 11 berichtigt, ohne auf bas Derfefeen in 17, 28 aufmerffam ju werben. Rad) ben
Rlafeeii einet oierfpaltigen fjänbfd)rift gemeffen, tonnte 17, 28 in bet Hat am gleidjen ©rt
in ber oierten Spalte ftel)en, wo 17, 11 in ber erften Spalte gelefen wirb (in bem febt eng
gefd)tiebenen oierfpaltigen Sinaiticus ift ber 3wifd)enraum jwifdjen beiben Stellen nod)
etwas türmet, nämlid) nur 22/3 Spalten grofe). — Wenn man biefe tjypotljefe ablehnt, tarne
nod) eine Kotrettur bet Worte xab' (iconqtfiv) ju töv xafh’ (wie in B)
in Stage, bie falfd) gelefen unb infolgebeffen falfd) eingetragen worben wäre (fo Renbel
Ijarris im Bulletin of the Bezan Club VIII, gebt. 1930, S. 6f.).
3) Überfettung nad) Hheobor Sah», Kommentar jur Apoftelgefd)id)te, 621. Dgl.
jum Sanjen nod? Cate in 3adfon unb Cate, The Beginnings of Christianity V 246—51.
‘) Über biefes ®rab bes 3«us unb bie bamit begrünbete Cügenhaftigteit ber Kreter
f. meinen Kommentar ju Hit. 1, 12 (Ijanbbud) jum Reuen Heftament, Abt. 13).
5) Diefe Überfefeung ftammt oon Ijugo (Brefemann (3ahn überfefet „bu bift lebenbig
unb ftebeft feft") unb wirb burd) bas von (Ehryfoftomus aufbewahrte Scoc ^ap aiei (f. oben
im Heft) gerechtfertigt.
48 2. Paulus auf bem Areopag

wegen wir uns und sind wir"). Dafe bies nicht blofee Phantafterei ift2), er=
gibt fid? aud) aus ber tjomilie bes dtjryfoftornus 311 Sit. 1,12, ber Stelle, an ber
im Reuen Heftament bas Wort non ben lügnerifdjen Kretern Dermenbet ift3).
dhryfoftomus erwähnt 3ur Begrünbung biefes Spottroorts bas angebliche ®rab
bes 3eus auf Kreta, bas ben Spott „bes Didjters“ heruorgerufen habe unb 28
3itiert bann oon biefem ungenannten Didtter bie Worte: xal yäp xdipov, w
dva, aelo ] Kp^reg ittwvfyxw ab 8’oö 0-aveg, Saat yäp alet4). Diefe Worte (unb
bie Beseidjnung ber Kreter als Sügner) finben fich auch bei Kallimacbos0).
Wenn aber 3fd?obab recht hat, folgte ben 3itierten Derfen unmittelbar ber
Spruch „in ihm leben, weben unb finb wir1'®), unb bas öanje flammt nidjt
oon Kaliimadjos, fonbern Dort bemfelben Didjter, auf ben ber Spottoers oon
ben Kretern 3urüdgeht. Deffen Derfaffer aber foll, nach Klemens Alejanörtnus
unb Hieronymus, ber Dichter dpimenibes non Kreta fein7). Da nun unter
beffen Werten auch eme Dichtung Hept Mivto xal TaSafidv&uog aufgeführt
wirb8), erflärt fid? bie Angabe bes 3fdiobab über ben angeblidjen Didjter
TKinos als ein IHifeoerftänbnis bes 3fd?obab ober feiner Quelle.
Der Areopagrebner fcheint alfo bas ITiotio oon ber natürlidjen ®ott=
oerwanbtfdjaft bes IHenfdien mit 3tr>ei Dichter3itaten belegt 3U haben“). Kur
bas 3toeite hat er ausbrüdlich als foldies eingeführt. Die 3itationsformel mit
ihrem Plural wi; töv xalF 6p.äg TtotrjT&v1“) braucht fid] nicht auf mehrere 2?
’) (Eine wichtige Parallele baju batte 3- Renbel Harris bereits im dypofitor (©höbet
1906 unb April 1907) oeröffentlidjt; ogl. [eine dinleitung ju Pits, ©ibfons 3fd;obab»Aus=
gäbe, Xllf, Sie finbet fid? in bem fyrifdjen ©annat Bujarne (Kortus Deliciarum) genann­
ten neftorianifd?en Wert unb enthält bie oben tuiebergegebene Stelle, aber nicht ben Sah
übet bie „Dieter unter ben Reiben".
s) tPieoiel Jfdiobab ober [eine ©ueile toei&, ergibt [id? aud? aus ber gottfetjung bes
oben gegebenen dertes: so hat also der selige Apostel Paulus diesen Spruch aus Alinos
entlehnt; er entlehnte nun weiter „wir sind seines Geschlechts“ aus Aratus, einem Dichter,
der über Gott schrieb . . . bann folgt eine torrette IDiebergabe, teils Überfettung, teils
3nbaltsangabe, bes Atat=Prooemiums.
3) Hit. 1, 12 eutiv v.j abrffiv 'Jcoj aörfiv nparftytw Kpfjze; Sei ^süstoct, xaxi
brjpla, YaarepsS äpval.
4) 2l;ryfoftomus XI, p. 744 (ITlontf.)
6) Kallimad?us In Jovem 8f. „Kp-Sjtsg äs! ^eöotac'" xai yip -dyov, <b Sv«, aeia
uftu. wie oben.
6) Allerbings muß man eine Abfdjleifung bes urfprünglichen Hejameters in Act. 17, 28
annehmen. Aber eine folche entfprach bem „guten Hon" (Horben, Agnoftos CIheos 19, A. 2).
Cate führt Beginnings of Christianity V250 bie Derfudje an, ben Ders mieberherjuftellen:
iv Yap aol täpev, xal xtvöpsb’ xai iopev (Renbel Ejarris a. a. CD.) ober iv aoi yap
Jöusv xai xcvtdpeoSa xal sTgev (A. B. doot, jeus I 664). greilid? [affen fid? bie angeb=
lid?en Rlinos’IDorte bei 3fcf?obaö überhaupt nidit in eine lüdenlofe Reihe oon r?ejametern
oettuanbeln; es bleibt alfo immerhin ungewiß, ob 3[<hobab ganj richtig jitiert hot.
’) Dgl. bie Stellen in meinem Kommentar ju 2it. 1, 12.
8) Diogenes Eaertius I 10, 112 ouveypa^s Je xal xataXordbiQv Hept buaiffiv xai
dv Kp^Tig rcoXirelaf xal IIspl Mlvco xal 'PaJap.dvDoo; eij emq teTpaxcaxlXca. Danad)
fdjeint „Hlinos unb Rabamanthys" ein felbftänbiges poetifdjes IDert ju fein, »gl. Jahn,
Kommentar j. Apg. 624, Anm. 94 (gegen Diels, Dorfotratifer II 1“ 493, Anm.).
") |Die ahefe coni dpimenibesoitat hat Dibelius fpäter toieber aufgegeben ->156].
10) Der D’Uert &ansp xai xffiv xab” bgäg aivss elp^xactv (d: sirut gui secundum vos
sunt guidam) fcheint bas urfptünglid]c gehlen oon normal ootausjufetjen. Aber »ielleicht
2. Paulus auf bem Areopag 49

Didjter 311 bejiel^en, fonöern nur auf Öen einen Arat, als beffen geistiges (Eigen­
tum es fdjon Klemens Sief. Strom. 1915 ertannt Ijat. Diefe Art unbeftimmt unb
pluralifdj 3U silieren, beweift gebildete Haltung1) ebenfo rote bie fjäufung ber
3itate. (Es ift ein tleines An}eidjen einer großen Sadje: bie Rebe Act. 17
fteilt formal roie fadjlidj bie Anfdjauung eines Bilburtgsdjriftentums bar, wie
wir es fonft nur aus bem 3weiten Jatjrtjunbert tennen. 3m Reuen üeftament
aber ift biefe Art d^riftentum nur l?ier — unb, wenn man will, Act. 14, 15
bis 17 — be3eugt.
Der t?ier oerwenbete Ders aus ben pijatnomena bes Arat, beffen ftiliftifdjer
geinfteit Kallimadws ein (Epigramm gewibmet ^at2), fteljt in ber (Einleitung
bes (Sebidjts: mit 3eus foll man beginnen, fo fagt ber Didjter, »oll non iljm
finb Straften unb Rlärfte, IReer unb fjäfen; feiner bebürfen wir alle, finb wir
bodj feines Sefdjledjts. (Et aber jeigt ben Rlenfdjen in feiner Rlilbe günftige
3eid;en, er erinnert bie Dölter an bes Sehens Rotwenbigteiten unb erwedt
fie fo 3ur üätigfeit; er fagt, wann 3U pflügen unb wann 3U pflogen fei.
Dann wirb Don ben Seftirnen gefprodjen, bie ben Rlenfdjen jeigen, baft für
fie bie 3aftres3eiten georbnet feien; unb am (Enbe ber (Einleitung wirb 3eus
gegrüftt: xa-P£> ttarsp, b-aOpa unb als Aljnfterr bes Rlenfdjengefdjledjts
gefeiert. Die Areopagrebe fdjeint alfo in metjr als einer fjinfidjt biefen prälw
bierenben Derfen bes Arat nafte 3U fein. Der Urfprung ber Rlenfdjen in (Bott
unb bie barauf beruftenbe Derwanbtfdjaft, bie (Erwähnung bes Bobens unb
30 ber 3al?res3eitert im ßottesbeweis (»gl. S. 35 Anm. 1) — alles bies ift beiben
Heften geläufig. Unb ba ber Rebner gerabe biefes 3itat mit einer literarifdjen
IDenbung einfüljrt, liegt bie Annahme nalje genug, baft er wirtlidj bas (Sebidjt
bes Arat unb nidjt nur biefen einen tjerausgeljobenen tjalboers getannt Ijat.
Audj in bem 3eusljymnus bes Stoiters Kleantljes, eines 3eitgenoffen bes
Arat, begegnet ein äljnlidjer Ders. Aber Kleantlj will nidjt wie Arat ben Wir
hingen bes dottes auf (Erben nadjfpüren, fonbern er will bas Redjt bes Riem
fdjen begrünben, bem (Bott feinen preis bar3ubringen: ai yäp Kdvreaat
ift bet gtiedjijdje Heft eine Rüdüberfefeung aus bem lateinifdjen; biefet aber ergab fidj,
weil -tüv xab-’6|i«s rtotvcffiv nidjt wörtlich wieberjugeben war.
R Cate, Beginnings of Christ. IV 218 meint, Ttvi; bejiehe fidj auf mehrere Didjter,
alfo etwa auf (Epimenibes unb Arat, benn revi« fei nicht gebräuchlich, um im Sinne lite»
rarifdjer Konoention oerhüllenb einen einzigen ju bejeichnen. Aber pijilo fdjreibt De spec.
leg. I 48 ävopd'iouat 8’aÖTÖcj oöx ärto axonoö tevej töv xap’ bplv ISsaj — unb meint
bodj nur piato (ebenfo fdjreibt er De spec. leg. I 74 <i>s ol epaoe unb meint einen
homerijefjen Ausbrud). [PfArsftoteles De mundo 16 p. 397b zfiv nakaiäJv . . tivs?; aber
ber Derfaffet weife wohl, baft es fidj um CETjales hanbelt. Siehe Pohlenj 3RID. —
Roti} im tjanbejemplar ->132 (Anm. 3). 160]. (Es barf alfo audj aus Act. 17, 28 bie
Beziehung auf nur einen Didjter [jerausgelefen werben; ber Plural beruht auf nterarifdjer
Konoention, oerftärtt alfo ben (Einbrud, bafe bet Derf. fidj feinet Bilbung bewufet ift. Ulan
halte bagegen bie unliterarifdje Art, wie oer wirtliche paulus I. Kor. 15, 33 einen Ders
bes ITlenanber oerwenbet, woljl ohne ben Urfprungsort ju tennen, unb ihn nur mit pr;
nXaväo.e einführt.
*) Kallimadjus (Epigr. 27, S. 54 in ber tleinen Ausgabe oon tDilamowife4; ’HccöSou
tö -c’ ecapa xal 6 tpöiw; ift ber Anfang; bet Sdjlufe lautet: /atpexe Xsrttal | Maiee, 'Apijcou
aöpfioXov «Ypunviijs.
4
52 2. Paulus auf bem Areopag

Dereferung beftefet darin, bafe man ifen fennt (deuni colit, qui novit ep. 95, 47).
Kod) andere bringen bem Jupiter £afen unb Striegel fürs Bab, ber 3uno ben
Spiegel —ein fdiönes Beispiel für bas ö-epaneueafl-at ünö x£tPöv dv&pcoTtlvtov
Act. 17, 25 —, aber ©ott brauet feine Diener, fonbern bient felbft bem Biern
fdjengefdj'edit, er ift überall unb allen jufeanben (non quaerit ministros deus,
quidni? Ipse humano generi minislrat, ubique et omnibus praesto est
ep. 95, 47). Unb ber ©ebante oon ber ©ottoerwanötfdjaft Hingt feier wenige
ftens in ber Sdjlufemafenung biefes tfeeologifdjen Abfcfenitts an: bu fucfeft bie 33
©nabe ber ©öfter? Dann fei gut! Wer ifenen nadjeifert, feat fie genug oerefert
(satis illos coluit, quisquis imitatus est ep. 95, 50). So feferen in Senecas
Werf bie IKotioe non Act. 17 immer wieber: Ablefenung bes Kultus unb jeber
Bebienung ber ©öfter, Käfee ©ottes jum Ulenfdjen, menfcfelicfee ©ottoerwanbb
fd?aft.
Wir feferen jur Areopagrebe jurüd. Sie läfet in ber Darftellung ber ©ott=
oerwanbtfdjaft beutlid] eine Steigerung ertennen. Urft feiefe es — mit rfeetori-
fcfeer Derfleinerung — ©ott ift nicfet fern oon uns. Dann mit ben Worten bes
erften Sitats (wenn wir oon 3fdjobab redjt beridjtet werben): wir feaben in ifem
unfere djiftenj — bas ift ber Ausbrud bes Kofeärenjgebanfens —, unb nun
folgt bas jweite, bem Aratus entnommene 3itat: „wir finb feines ©efdjledjts".
©nblid? fafet ber Autor bas ©rgebnis jufammen, um bann bie Solgerung ju
jiefeen: ba wir nun feines ©efdjledites finb, b. fe. nad) allem Dorfeergefeenben:
feines Wefens unb mit ifem oerbunben1).
Kun fefert bie ©ebanfenfüferung ju iferem Anfang jurüd. War bort bie Dop
ftellung abgewiefen, bafe ©ott in ©empeln wofene, fo feier bie Darftellung ber
©ottfeeit in Bilbern: ©ottoerwanbte bürfen fo nid?t benfen! Die Bilber finb
ja Werfe oon Wenfdjen, mit ifenen feat bie ©ottfeeit nicfets ju fdjaffen. (Es ift
eine gelinbe Polemif; ber jweite 3efaias feat (40, 19f.; 46, 6 unb namentlid)
44, 9—20) bitterer unb fpöttifdjer gerebet. Selbft ber jübifdje Hellenismus ber
Sapientia Salomonis (13, 10—14, 2; 15, 7—17) fritifiert fdjärfer; aber was
bort über bas Dlaterial ber Bilber gefagt wirb, Hingt in ber Areopagrebe wieber
an2). Der Autor will —bas fiefet man unb bas beftätigt bie Sortfefeung — 34
0 Ulan tarnt fogar fragen, ob ntdpi bem U)ort bnapxetv in biefem 3ufammenbang
yävoc obv undpxovtEg beoö befonbere Bebeutung zutommt. önolpxetv ift mefet als eTvai
unb bejeidjnef, wie mid; drnft Hoffmann belehrt, bei Stoifern unb Pyffeagoräern bas
fubftantielle Sein: Diogenes Bab. (bei Pfeilobem Depiet. 15,4, Stoic. vet. frgm. III S.217, 33
Arnim) töv xöap.t>v Tpoi^ Ad -rdv auziv ünäpxeiv. (js würbe bann ber ®ebanfe bet
3nhären;, für ben ävundpretv bejeicfenenb ift, antlingen: „ba wir nun als ©ottes Sefcfeledjt
unfer IDefen feaben". Anbrerfeits feat Cutas im ©oangelium fid;er an 5 Stellen önapxecv
für einfadjes „fein" in ben ©ejt ferner Dorlage eingefügt (tut. 7, 25; 8, 41; 9, 48; li, 13;
23, 5<); man wirb alfo bodt bei ber einfachen Austunft bleiben bürfen, bafe es feinem Stil
entfpridjt, örrdpxovTss ftatt Svtse ju fdjretben.
“) Sap. Sal. 13, 10 octii/s; äxölZeaav . saus spya xstpffiv dvb'pcbtctöv, xpuabv xal Spyupov
ippeXirilpa xal dnsixdapata Jcpcov 7) Älbov i^p-nazov x^pb; Spyov äpxala;. Aud)
bie polemif bei pijilo De decalogo 66—75, De spec. leg. 1 21. 22 ift fdjärfer als bie Areopag* 34
rebe. Bejeidjnenb für biefe ift aud) bas gefelen bes potemifcfeen ©ebantens, bafe ber Bilbner
feöfeer ftefee als bas ©ebilbe Sap. Sal. 15, 17; Pfeilo Do decal, 69. — natürlich getjt ber Kampf
2. Paulus auf bem Areopag 53

nidjt im Gon bes Anklägers non ber Sd?ulö bes tjeibentums reben, fonbern im
Gon bes Auftlärers oon feiner Unwiffen^eit.
Soldjer Stellung 3um fjeibentum entfprad? bie Ginleitung ber Rebe; im
[eiben Geift ift nun oud? ber Sdihifc gehalten. Diefer Sdjlu^ fpridjt con ber Der®
gangenljeit als ben Seiten ber Unwiffenljeit. Diefes IKotiD, burd? bas ben fjeiben
möglidjft wenig Sdmlb 3ugefd?oben wirb, ift bereits in ber Ginleitung 17, 23
uerwenbet. 3n ben Reben ber Hpoftelgefd^idjte fommt es nod? an brei Stellen
uor (3, 17; 13, 27; 14, 16; ugl. übrigens aud? bie Apologie bes Ariftibes 17, 4),
unb 3war gegenüber 3uben wie fjeiben. Rian ^at alfo einen uom Autor be®
fonbers betonten Gebauten uor fid?. Unb ebenfo be3eidjnenb für ben Autor
ift ber weitere Gebaute, bafe Gott jene Seiten ber Unwiffenljeit überfielt')
unb jefet bie Bufeprebigt an alle unb allerorten ergeben läfet. Denn bas ift ja
bas Uiifjionsmotiü ber Gl?riften, oon ber IRiffion fyanbelt bas Bud? ber Apoftel®
gefdjidite, unb bie Attualität ber Bufeforberung fommt babei oon 2, 38 an oft
3ur Spradje. Unb nun richtet fid? wie in 10, 42 ber Blid auf bie Sutunft unb
auf bas Gerid?t burd? 3efus, fo bafe in biefen 3wei Derfen 17, 30. 31 Dergangen®
f?eit, Gegenwart unb Sutuuft 3ufammengebrängt erfd?einen.
Diefes Sdflufewort heftest aus einem Safe, bem einigen d?riftlid?en
Safe ber Areopagrebe. Gnblid? wirb 3efus einmal erwähnt, wenngleid? ol?ne
35 bafe fein Rame genannt wirb2); bie Be3iel?ung auf feine Auferftet?ung unb bie
Derfüubigung bes Geridjtes burd? il?n — bas finb bie einigen entjdiieben
djriftlidjen Gebauten, bie ben tjörern mitgeteilt werben. Unb bie fjörer werben
mit päbagogifd?er Dorfid?t an biefe anbere Welt I?erangefüf?rt. Doran ftel?t bie
Antünbigung bes göttlidjen Gerichts, alfo ein Stüd Gsdyatologie, bas mandje
Religion unb mandjer prebiger ber Seit äfenlid? leferen modjte. f?ier werben,
gewife nidjt 3ufällig, altteftamentlidje Worte oerwanbt: xptvet r?jv oIxoujjievtjv
dv Sixawaüvig ift eine Wenbung ber Pfalmen (9, 9; 96 (95), 13; 98 (97), 9).
Dann folgt bie oorfid?tige Ginfüljrung bes Diannes, ben er erwählte3), ol?ne
gegen bie ffiötterbilber bei Öen Apologeten weiter: Ariftibes 13, 1; 3uftin Ap. I 9, 1;
Atljenagoras Suppl. 23, 1; tUjeopf?ilus Ad Auto!. II 2. Aber bie bei ben Apologeten wichtige
grage, ob bie Bilbet bie ©öfter feien ober blofe obbilben, ift in ben Worten bet Areopag®
rebe rö &stov elvat opotov eljer umgangen als bebanbelt.
J) Jn bwsptbibv liegt mefet als innapiScbv (fo D); ©oft will bie Dergangene pettobe aus®
ftreidjen (d unb 3renaeus: despiciens). (Es mag fein, bafe bie Cesari napi8d>v auf ein biofees
Aufeeradjtlaffen jielt unb fomit näfeer an bie ndpeaic ber Sünben aus ber Dergangenfeeit
Röm. 3, 25 feerantommt. Aber es wirb fid? jeigen, bafe jwifdjen unferer Stelle unb Röm. 3
in Wirtlidjfeit leine Derwanbtfdjaft befielt.
!) D lieft ävbpl ’l^aoik Aber D l?at bie (Erwähnung bes 3efus=Ramens in 17, 18 über®
feaupt nid?t. Unb wieberum legte 17, 18 bie Auffüllung in 17, 31 nabe. (Es batf bod? wofel
als eine geinfeeit bes Sejtes gelten, bafe in bet Rebe felbft bet Rame 3efu in päbagogifdjer
Abfidjt nicht genannt wirb — es wirb ja aud? oieles anbere nid?t genannt, was man non
35 einer d?tifflid?en prebigt erwarten follte. Oie Angabe 17, 18 aber gibt im ooraus ben Kommen®
tar baju. Der D=©ejt (teilt bann eine Dulgärd?nftltd?e Rebaftion bar, bie ben Ramen bortfein
ftellt, wo ber ©ferift ifen erwartet, unb ifen bafür in ber ©rjäfelung 17, 18 ftreidjt.
s) glaube nid?t, bafe man Iper mit £a!e, Beg. of Ohr. IV 219 eine Anfpielung auf
ben ©itel ,lilenfd?enfofen' finben barf. Denn für ben Ulenfd?enfol?nglauben ift bie Patufie
auf ben Wolfen bes fjimmels unb bie oorfeetige Derbotgenfeeif bejeidjnenb; oon betbem ift
54 2. Paulus auf öetn Areopag

bafe fein Harne unb fein Sdjidfal überhaupt erwähnt werben, unb enblid? bas
Anftöfjigfte non allen: bie Auferffehung biefes Rlannes oon ben Goten. Hidjt
ift bie Rebe uon Art unb Sinn feines Gobes, aud] nid]t uon ber Bebeutung ber
Auferftel]ung für ben (Blauten ber Triften. Hur als Beweis für jenes unge=
nannten Rlannes (Erwählung wirb bie Auferftehung angeführt. Dabei wirb
bas in ber dniftlidjen Spradje fo einbeutig beftimmte Wort mart? in ber Be=
beutung „Beweis, Beglaubigung" uerwenbet, bie bem Reuen Geftament ganj
fremb, ber literarifdjen Spradie aber wohl vertraut ift; fo erhält man jum Sdjlujj
nod) einmal einen (Einbrud oon ber Art ber Rebe, bie nad) Ausbrudsweife wie
Gebanfenführung ein $rembling im Heuen Geftament ift.
Das Wort uon ber Auferftehung ift bas letzte ber Rebe. (Es fdjeint, als wenn
ber Spott einiger tjörer unb bie bebingte Suftimmung anberer ihr ein
(Enbe bereiteten. Aber uon gewaltfamer Unterbrechung ift feine Rebe, unb
in Wirflidjfeit ift biefer fdieinbare Abbrud] ein gern oerwenbetes Rüttel bes
Autors, ber bas Widjtigfte am (Enbe bringt unb burd] ben Wiberfprud) ber
Suhörer unterjtreidjt (10, 44; 22, 22; 26, 24; vielleidjt finb aud] 5, 33 unb 7,
54 fo ju oerftehen). Keinesfalls ift es bie Rleinung bes Derfaffers, ber Rebner
fei nur burd] einen 3ufall ju vorzeitigem Abbrud] getrieben worben. Die Kom=
pofition ber Rebe jeigt jur (Benüge, ba^ fie ein finnvolles Ganje barftellt, bas 36
hier fimwoll ju (Enbe geht- Wer alfo etwas vermiet, mufj fid] bamit befdjeiben,
bafe bas Dermifete nad] bes Autors Willen hier nid]t jur Spradje tommen
follte. Unb barin liegt wieber ein Problem ber Rebe.

IV.
Was wir nor uns haben, ift eine helleniftifd]e Rebe von ber wahren
(Botteserfenntnis. (Es ift natürlich feine Rebe, bie fo münblid] norgetragen
werben tönnte.Sie umfaßt nur 10Derfe,unb ihr Dortrag nimmt nur wenige
Ulinuten in Anfprud). Aber fie ift aud) nid?t eine blofjeInhaltsangabe. Sie jeigt
burdjaus ben Stil einer ju haltenben Rebe. Sinnvoll berühren fid) Anfang unb
(Enbe, lebenbig ift Anrebe unb Beweisführung, jum Spredjen geeignet bie
(Blieberung ber Sä^e, rhetorifd) gefdjmüdt mandje Gruppierung ber Worte1).
Hur enthält bie Rebe ftatt ausgeführter Gebauten lebiglid) Hlotivgrupper,
unb jebes Rlotia vertrüge unb oerbiente es, einige Riinuten lang im Dortrag
ausgefponnen ju werben. Die Ülotive finb uns nad] Analogien aus ber helle*
niftifdjen Philofophie verftänblidi geworben. Wenn bie Interpretation nur
ben Anbeutungen folgt, bie in ben Hlotiven felbft liegen, wenn fie es verfdjmäht,
beftänbig neuteftamentlid?e Parallelen heranjujiehen, bie im Grunbe einem
anberen Gebanfenfreis angehören, fo fann ihr (Ergebnis nur biefes fein: bie
Areopagrebe ift eine helleniftifdje Rebe mit djriftlidjem Sdjlufj; ihr Hher”a ift
hier nidjt bte Hebe. Aud) wäre wohl öer beitimmte Artitel ju erwarten, wenn <Mp Öen
ilitel rtlenfcbenfohn erfehen follte.
R paronomafie: nav-taj navTaxou 17,30; Parecfjefe: xal 17, 25; FUIite®
ration xIotiv xapaox“»* rrÄaiv 17, 31.
2. paulus auf bem Areopag 55

die (Bottesertenntnis, 311 ber jeber Rlenfd? gelangen tann, benn bie Stellung
bes Btenfd?en in ber Welt unb bie ®ottperwanbtfd?aft feiner Ratur muß ißn
ba3U führen. Don bem Anfprud? ber djriftlidjen Botfcbaft, bie wahre Sottes*
ertenntnis erft burd? Offenbarung 3U befißen unb mitteilen 311 tonnen, wirb
nidfts gefagt. Die Buße, 3U ber bie t?örer am Sdiluß aufgerufen werben, foll
natürlid? d?riftlich oerftanben werben. Bad? ben Anbeutungen ber Bebe aber
befielt bie Buße leßtlid? in ber Befinnung auf jene Sotteserfenntnis, bie bem
Rlenfd?en pou Ratur eigen ift1). Unb lebiglid? als Bloti» biefer Buße wirb
gan3 3uleßt bas beuorftehenbe Seridjt burd? ben Aufcrftanbenen genannt.
So erweift fid? bie Areopagrebe in ihrem — auf bas (Ban3e gefeßen — rationalen
37 Sbarafter als ein Srembling im Beuen Seftament. Aus biefer (Ertenntnis gilt es
Solgerungen gefd?id?tlid?er wie li terarifd?er Art 3U 3ie^en — unb ißnen
wenben wir uns nunmehr 311.
Das gefdiid?tlid?e Problem befielt in ber Stage, ob ber Apoftel Paulus
biefe Rebe ßat galten tonnen. Denn biefe Srage fteßt im Dorbergrunb — unb
nid?t bie anbere, ob er in Athen überhaupt eine Rebe gehalten habeunb ob —um
mit ben Worten einer betannten Afabemie*AbhanbIung pon Grnft Curtius
3u reben — ßier „ein woßl unterrichteter 3euge wahrheitsgetreu ben
Dorgang fdjilbere"2). Denn biefe leßte $rage muß oon ben Quellen, ber
Sedjnit unb ben literarifdjen Btöglidfteiten ber Apoftelgefdjidjte aus ange*
fehen werben; bas foll nachher gefdjehen. $ürs erfte aber ift Paulus, ber
Paulus ber echten Briefe, barüber 3U befragen, wie er bas Sßema ber Areopag*
rebe angefehen ßat.
Aud) Crnft Curtius bat bie paulusbriefe befragt, aber unter einem be*
fonberen Sefidjtspuntt. Cr fagt pon ber Areopagrebe, unb mit Recht, fie fuebe
bas religiöfe Seben ber tjeibenwelt gefdjidjtlid? 3U begreifen. Unb er fügt
hinsu: „Das finb (Befid?tspuntte, weldje nur einem mit Ijellenifdier Bilbung
oertrauten Seifte porjdiweben tonnten". Don biefer Crtenntnis aus oerfud?t
Curtius aus ben Paulusbriefen ben Radiweis 3U führen, baß ber Apoftel non
biefer Bilbung beeinflußt worben fei.
Aber bie Stage, ob Paulus mit pßilofophifdjen Sebanten in foldjem Blaß
befannt gewefen fei, wie es bie Areopagrebe porausfeße, ift nicht bie ent*
fdieibenbe.3ener pou Curtius perfueßte Radjweis erftredt fid? aud? gar nicht
auf bie eigentlid?e Witte ber paulinifchen Botfdiaft, bie Dertünbigung bes neuen
in Cßriftuserfd?ienenen fjeils, unb auf ihre Dorausfeßungen. Sonbern Curtius
ift genötigt, bei ben ermaßnenben Seilen ber Paulusbriefe einsufeßen, bei ber
Paränefe, pon ber wir heute bie woßlbegrünbete Weinung haben, baß fie gar
nid?t felbftänbig non Paulus gefchaffen, fonbem 3um guten Seil aus ber Sra*
bition ber Cßriften, ber 3uben unb ber griedjifdjen Pßilofopßen übernommen
fei. Da finbet fid? felbftoerftänblid? manches gried?ifd?e, beffer gefagt: manches

') Dgl. Birt, Rßein. IKufeum 1914, 372 flnm.


j Crnft Curtius, Paulus in fltßen. Sitzungsberichte ber Berliner Atabemie 1893, 925.
56 2. Paulus auf bem Areopag

fjelleniftifdje debanfengut1). Und bas gleiche gilt non ber Bilberfpradje bes 38
Apoftels, bie (Eurtius im weiteren Derlauf feiner Abfjanblung tjeranjieljt, 311=
mal oon bem Bilbe Dom £eib unb bem gan3en Kreis Don Bilbern aus bem
Stabion.
Unfere Unterfudjung mufe an einem jentralen Punft einfe^en unb fragen,
wie ber Paulus ber Briefe über dotteserfenntnis unb dottoerwanbtfdjaft bes
natürlidjen Ille nfdien gebadjt l?at. Denn barum geljt es in ber Areopagrebe.
Paulus f;at bas Htjema dotteserfenntnis befanntlid) im erften Kapitel bes
Römerbriefs berührt; aber es gefdjiefyt in einem gan3 einbeutigen 3ufammen=
^ang: ber Apoftel will 3eigen, bafe bie Bereiter ber dotier unb befonbers ber
Biiber nietet 3U entfdjulbigen finb (Röm. 1, 20 elg tö elvat auroug dvairoXoy^-
roug). Dies aber ift ihre Sdjulb: bafe fie ben wahren dott 3war erfannten,
aber nidjt nereljrten, bafe fie bas defdjöpf anbeteten ftatt bes Sdjöpfers. Unb
nur um bie dröfee biefer Sdjulb redjt beutlid] 3U mad?en, f?at Paulus jenen
Sa^ Röm. 1, 20 gefdjrieben, ben man fo oft als Beleg für eine angeblidje
Theologia naturaiis bei Paulus ifoliert, überbetont unb infolgebeffen ner=
tannt I;at: ri yap aöpara abroO änd xrlaetog xaapou rolg Tronqpaatv vooüpeva
xaö'oparat, rj re atäcog auToO Buvapttg xal -H-giott;?.. Illit voou[isva xaftopäw
„es wirb erfannt gefel;en“ ift auf ben Don ber Stoa fo oft Dertretenen dottes=
beweis aus ber (Erfenntnis ber IDelt angefpielt2): „fein unfd?aubares IDefen
wirb feit ber Weltfdjöpfung bem benfenben Derftanbe in feinen Werfen fidjtbar,
unb 3war als ewige Rladjt unb dottßeit". Aber ber ftoifdie Beweis wirb nur
erwähnt; er befi^t für Paulus feinen Wert; benn in Wirflidjfeit f?at jene dr=
fenntnis dottes nidjt Dereljrung, fonbern Dertennung bes Weltfdjöpfers 3ur
§olge gehabt. Das (Erfennen, bas ben IRenfdjen als Wirflidjfeit, nidjt blofe als
IHöglidjf eit gegeben war, 3wang bie lllenfdjen nidjt auf bie Knie. Deum novisse
unb deum colere fielen nidjt, wie Seneca meint (ogl. S. 52), 3ufammen!
Die Areopagrebe bentt anbers oon bem ftoifdjen dottesbeweis, nur fteljt
bei il?r weniger ber fosmologifdje als ber teleologifcbe Beweis im Dorbergrunb.
Durd) bie fimwolle §ürforge für bie Rlenfdjen bat dott fie gewiffermafjen 39
felbft 3UI11 Sud?en ber dotttjeit aufgeforbert. So fommt es, bafe fie ifyn, oljne
non ihm aus ber Offenbarung 3U wiffen, oeretjren (3 oöv äyvooOvreg ebae-
ßetre 17, 23) — unb bas beweift jener Altar mit ber 3nfd?rift „bem unbefannten
dott". Der Wiberfprud? 3wifd?en Römerbrief unb Areopagrebe ift beutlid?.
Beibe erwähnen 3war bie (Erfenntnis dottes aus Sdjöpfung ober Orbnung ber
IDelt; aber nad? ber Rebe füljrt biefe (Erfenntnis 3um abnenben „Begreifen"
x) ©leid? bie erfte Stelle, auf bie durtius (a. a. ©. S. 928) oerweift, p^il. 4, 8, ent»
hält in ber dat eineAufjäfylung »on Begriffen belleniftifdjerIRoralphilofopljie: bas bei Paulus
einzige Dorfomnien bes Wortes äpsr^, bes „natürlidjen teitmotios ber griedit[dien Bilbungs» 38
ge[d)id;te" (ID. ID. 3äger, Paibeia 25), ift bafür ebenfo bejeidjnenb wie bäs Auftreten oon
Werten nidjtdjriftlidjer Art wie unb ngl. baju meinen Kommentar im
fjanbbud? 3. H. d. jur Stelle.
s) Den Beweis bat Anton Sribridjfen in ber 3eitfd?r. f. neuteftamentl. Wiffenfdjaft
17, 1916, 159—168 geführt.
2. paulus auf bem Areopag 57

unb Dereljren (Bottes, nad? bem Brief füljrt fie jwar jur Kenntnis (Bottes,
aber jugleidj jur Dertennung feiner t?errfdjaft, jur Derweigerung bes erbten
(Bottesbienftes unb jur Derftridung in falfdjen Bilberbienft. Dom Irrtum bes
Bilberbienftes ift im Röm. 1, 23. 25 in empörtem don bie Rebe, Act. 17, 29
forrigiert iljn in mafjnenöem unb juredjtweifenöem don.
Den jweiten Beweis für bie (Botteserfenntnis bes natürlichen IRenfdjen
liefert berflreopagrebe bie Derwanötfdjaft bes Rlenfdjen mit (Bott.
Danon ift nun bei Paulus überhaupt nidjt bie Rebe. $reilidj l?at er in immer
neuen IDenbungen, bie teils an bie Sprache ber Rlyftif, teils an bie ber lRy=
fterien anflingen, bie Rälje bes Rlenfdjen ju (Djriftus betont. Aber liier finb
Subjett unb ©bjett ber Bejieljung anbere als in ber flreopagrebe: es handelt
fidj nidjt um (Bottes=®emeinfdjaft, fonbern in erfter Cinie immer um dbriftus=
(Bemeinfdjaft; bie nalje Bejieljung ju (Bott wirb nur burdj dfjriftus Ijergeftellt.
Dor allem aber ift ber ITienfdj, ber in biefe nalje Bejieljung jur göttlidjen Welt
tritt, nidjt ber Rlenfdj fdjledjtljin, fonbern ber erlöfte IRenfdj, ber (träger bes
heiligen (Beiftes, ber <Ihriftr bet nidjt nur jur (Bemeinbe gehört, fonbern wirf»
lidj dljriftus angeljört. Der flreopagrebner aber wenbet fidj gerabe an Ridjb
djriften, unb nennt gerabe fie (Bottes (Befdjledjt. (Es ift fehr bejeidjnenb, wie
tuther biefe Worte ber flreopagrebe poetifdj oerwenbet ^at. 3n bem H)eih=
nadjtsliebe „Dom himmel tarn ber (Engel Sdjar'1 beginnt er bie Sdjlufjftropfje:
$u le^t müfjt i^r bod? Ijaben redjt,
3hr feib nu worben (Botts (Befdjledjt.
Diejenigen, bie „nun" ju (Bottes (Befdjledjt erft geworben finb, fönnen nur bie
(Djriften fein; bas „nun" ift weiljnadjtlidj beftimmt. Die IRenfdjen aber, bie
ber flreopagrebner (Bottes (Befdjledjt Reifet, finb feine heibnifdjen Ijörer.
Paulus hätte fo niemals gefdjrieben. (Er ift ju tief burdjbrungen oon ber
40 Überjeugung, bafe ber IRenfdj (Sott entfremdet ift (Röm. 1—3), unb jwar
wefenljaft, unb nidjt erft, nadjbem jeber einjelne einmal gegen (Bottes gor
berung »erftofeen tjat. Diefe (Entfrembung heifet 'Aiiaprla im Singular; unb
oon biefer Sünbenmadjt wirb Röm. 7, 17. 20 gefagt, bafe fie im IRenfdjen häufe
unb mit itjm fdjalte nadj iljrem Willen. Der IRenfdj ift (Bott nidjt nalje, fonbern
feinblidj (Röm. 5, 10); er bebarf ber Derföljnung mit (Bott, unb bie wirb ifjm
burd? (Etjrijtus juteil unb nidjt burdj feine eigene Art (II. Kor. 5, 20.21 ’)■
Audi ben (Efjriften würbe paulus übrigens nie fo unmittelbar ju (Sott in Be=
jiefjung fetten wie ber Areopagrebner ben IRenfdjen (ober wie jenes Suttjerlieö
ober wie ber I. 3oljannesbrief bes Reuen deftaments 2, 5 unb wahrfdjeinlid?
5, 182) ben dhriften). 3u fehr ift er erfüllt non ber Sdjeu nor (Sott bem fjerrn
') Die berühmte Ausführung bes Römerbriefs 2, 14—16 über bie Reiben, bie bas ©efe^
befolgen, otjne es ju tennen, gehört aus jwei ©rünben nidjt hierher. ©inmal ift bas (tun
ber fjeiben nur relatio gut, roie 2,15 3eigt, unb toirb herausgehoben, um bie 3uben ju be*
fchämen; fobann hanbelt es fidj nidjt um natürliche üheologie, fonbern um natürliche ©thit.
Dee fjeiben toiffen (baut ben Weifungen ihres ^erjens) nicht oon Sott, fonbern oom ©uten.
2) Dort ift non bem TeYewrjidvoc äx UeoO bie Rebe, ber nidjt fünbigt. 3n ber Sott*
fe^ung ift mit ber lateinijdjen Dulgata unb jmei griedjifdjen IRinustelhanbfchriften wahr»
58 2. Paulus auf bem Areopag

aller Dinge, ju fe^r ift er öurdjörungen oon ben altteftamentlidjen Gebauten


über feine Unnahbarfett, ju unmöglich erfdjeint ihm bas präbifat Mo; für
irgenbeinen Hlenfdjen. (fr lebt „in dfjriftus", aber nidjt „in ©oft", er fann oon
Derwanölung jum Bilde dbrifti reben (II. Kor. 3, 18), aber nidjt oon Apo=
theofe.
IDas ben paulus ber Apoftelgefchidjte non bem wirflidjen Paulus trennt,

60 2. Paulus auf bem Areopag

über (Sott ridjtig ju benfen1). E?ier liegt bie tieffte Urfadje nidjt nur bes morn 43
ardjianifdjen, fonbern aud? bes arianifdjen Streits, ber Don ber Behauptung
bes dyiwigTov elvai für Sott feinen Ausgang nahm. All biefe tljeologifdjen
Kämpfe finb nidjt deutbar ohne bie ptjiIofopI)ifd?=()eHeniftifdje Umbildung bes
©ottesgebanfens. (Erftes Anjeidjen biefer Umbilbung aber — mitten im Heuen
Heftament — ift bie Areopagrebe.
V.
Klitten im Reuen Heftament — barin liegt ein weiteres Problem, ein
Problem literarifdjer Art. Wenn bie Areopagrebe ein grembling iftim Heuen
Heftament, ift fie bann etwa aud? ein Srembtörper in bem Budj ber Apoftel-
gejdjidjte, gefdjaffen non einem Bearbeiter, beffen Spuren man an allen mögs
lidjen Stellen bes IDertes 3U ertennen l?at?
Die Rebe fteht innerhalb eines Berichts noni Auftreten bes Paulus in
Athen, ber ebenfalls als einjigartig bejeidjnet werben barf, nor allem wegen
feiner Sdjilberung ber Athener; bei feiner Hliffionsftation bes paulus hat ber
Derfaffer ein fo farbenreidjes Bilb ber ju Hliffionierenben gegeben. Agora unb
Areopag, ©pifureer unb Stoiter werben erwähnt. Die Athener werben in atti=
jiftifdjen IDenbungen befdjrieben als £eute, bie „für nidjts anderes 3eit haben
als immer Heues ju reben ober ju hören"2); ben Apoftel paulus nennen fie
— unb bies fdjeint bejeidjnenb für bie ’AttixoI ju fein — einen Klugfdjwäijer3),
unb in bem Dorwurf, er bringe frembe ©öfter, Hingt wahrfdjeinlidj bie Be=
fdjulbigung wieber, bie einft gegen Sotrates erhoben worben war4), fürwahr,
eine Sülle non Anfpielungen in wenig Derfen! Hlit Redjt hat man biefe ©ha- 44
rafteriftif ber Athener bas ,©ebilbetfte' genannt, was überhaupt im Heuen
Heftament fteht6).
Der Beridjt über Paulus in Athen ift jebenfalls uon jemanbem gefdjrieben,
ber feinen Stil frei ju wählen »erftanb. Unb wenn man biefen Beridjt bem
£ufas — um ben Autor ber Apoftelgefdjidjte fo ju nennen6) — abfpridjt, weil
x) Dgl. jum ganjen ®hema feht lüalt^er Köhler, Dogmengefd)id?te, 1938, §§ 5.13. 14. 43
CErnft ^offmann weift mid? barauf hin, bafe bejeidjnenberweife Hitolaus oon Sues feine
Sdjrift De quaerendo Deum mit bem tjinroeis auf bas ber Areopagrebe beginnt.
2) Xtystv re ff axoöecv xatvdtepov. Horben, Agnoftos Ubeos, 334f. hat ei,,c menge
uon Belegen für ben Komparatiogebraud) bei „etwas Heues" gegeben unb ben entfpred?enben
Had?weis aud; für XbyEiv fj ixotJsiv erbracht.
3) So uerfudje id? bie hier wahrfdjeinlid? ma^gebenbe Bedeutung uon caepiioXÖYo« ju
uerbeutfdjen: gemeint ift einer, ber bie gängigen Sd?Iagworte auf bem IRartt aufpidt wie
eine Saatträhe, unb bann in fdjeinbar tlugem ®efd?wäh uerwenbet; ngl. ©ufthatius ju ljomer
®b. V 490 (154753ff.) unb wohl aud? Atbenaeus Deipnosoph. VIII 344c. Das Wort tann
aber aud? einfad) „Sd?roät?er" bedeuten (Demofthenes XVIII127 neben xsplrpmu’ äYopäp).
Dgl. baju Horben, Agnoftos CEljeos 333 unb nor allem (Eb. Bleyer, Urfprung unb Anfänge
bes dljriftentums III 91 Anm. 1.
4) Dgl. Act. 17, 18 Jevtov Saipovtaiv 8oxe£ xaraYYSÄsu; eTvac mit Xenophon, Memo-
rabilia I 1, äSixst SaixpdT)]; o8j ptv tj nöXt; vopCJsi beau; ob voptjtov, Et=pa 8e xaiva 44
Saipovca eictftptiw. Übet bie Derwanölung oon xraa in gäva f. Horben, a. a. ®. 53, Anm. 3.
6) Horben, a. a. ®. 333.
G) Wenn man, wie fiel? jeigen wirb, jur Annahme einer Überarbeitung ber Acta apost.
nidjt genötigt ift, hat bie Annahme, baf? ber wirflidje Autorenname in ber erften, nod; iüd?t
2. Paulus auf bem Areopag 61

er angeblid) foldie ftiliftifdie Kauft fonft nicht bewäljrc1), fo mufj öod) bie ®egen=
frage geftellt werben, ob benn ber angeblidre Bearbeiter ber Acta an einer
anberen Stelle foldie Sätjigfeit 311 ftilifieren erwiefen habe. Don öaher fann,
fo fdjemt mir, bie Überarbeitungshypothefe nicht begrünbet werben.
IDofyl aber fann man, wenn bie §rage ber ®efd)id)tlid)feit norläufig 3U*
rüdgeftellt wirb, wahrfdieinlid) machen, bafe biefer Beridjt unb bie Areopagrebe
oon bem gleidjen Derfaffer flammen. Denn bie Sd/ilberung Athens unb ber
Athener ift offenbar im Dorblid auf bie Rebe abgefafet.
Das erjte, was oon Paulus berichtet wirb, ift feine (Erregung über bie
Dielen (Bötterbilber in Athen. Das ift eine Dorbereitung auf bie (Einleitung unb
bie britte Rlotiogruppe ber Rebe: auf bie Anerfennung ber 8ewt8ai|iovla ber
Athener unb bie Abmabnung oom Bilberbienft. $reilid) fd)eint hier ein Unter*
45 fdjieb ber Beurteilung fidjtbar 311 werben: ber Bericht rebet nid?t mit ber An*
erfennung oon ben Athenern, wie es bie (Einleitung ber Rebe tut. Der Unter*
fd^ieb barf nicht übertrieben werben; bie (Erregung fann fid) auf bie Aufgabe
bejieljen unb braucht nid)t unbebingt 3mm 31t bebeuten; 3ubem gilt fie ben
Silbern, unb bie werben aud? in ber Rebe fritifiert. Der Unterfd)ieb bes JEones
3wifd)en 17, 16 unb 17, 22 mufj bem £efer ber Apoftelgefd)id?te tro^bem auf*
fallen. Aber eine ä^nlid?e Spannung 3wifd)en Berichten unb Reben ift aud;
fonft in bem Bud? ber Acta fefouftellen2). Rian erinnere fid?, bafe bie Befeurung
bes Paulus in ben beiben Reben 22, 6—16 unb 26, 12—18 in etwas anberer
IDeife berid?tet wirb als in ber Sr3äl?Iung 9, 1—19. Ober man lefe in ber Rebe
bes Paulus oor bem profurator Selij 24, 17 bie (Erwähnung ber KoIIefte bes
Paulus als bes eigentlichen 3weds feiner Reife nad? 3erufalem, währenb ber
Bericht über biefe Reife erjtaunlidjerweife baoon fdjweigt. Aud) bie bei ber
3ufammenfunft ber Apoftel gehaltenen Reben Act. 15, 7—21 entfpred) en
feineswegs ber gefpannten £age, wie fie Dörfer gefdjilbert ift3). Der (brunb für
biefe offenbar bewußten Dariationen liegt wot)l barin, bafe bie Reben beftimmte
fadjlid) widjtige (üebanfenfompleje 3um Ausbrud bringen unb fid? babei non
ber ftrengen Berüdfichtigung ber jeweiligen gefd)id?tlid)en Umftänbe bispen*

für einen „Kanon" beftimmten Ausgabe bes Wertes genannt war, alle Wahrfcf)einfichteit
für fid?. Denn es ift nabeju unbentbar, baß bie beiben Seite bes Wertes jwar ben Abreffaten
ber Wibmung ausbrüdlid) nannten, ihren Urheber aber forgfältig oerfchwiegen. Dann aber
ift nicht einjufehen, warum ber tirdjlid) approbierte Autorenname in biefem Salt nid)t bet
richtige, wett auf Crabition berutjenbe, fein follte.
t) Aud) bies ift übrigens nid?t oöllig ridjtig. Denn im Soangelium bes Cutas hat ber
Autor oft fttlifiert, unb wenn er tut. 1, 5 ff. ben Stil ber alten (Erzählungen übernahm, tat
er es fidjerlid) nidjt, weil erntet anbers tonnte, fonbern weil er btefen Stil für angemeffen
hielt. So entftanb ber beträd)tlid)e Stilunterfdjieb jwifdjen Cut. 1, 1—4 unb bet Sortierung.
Dgl. harnad, Hliffion unb Ausbreitung bes (Ebriftentums4 1924, 104.
2) [Der gleiche Uatbeftanb wirb ausführlicher behandelt -> 151 f.].
3) IUan tann Ähnliches aud; an ben Briefen in ber Apoftelgefdjicbte beobadjten: im
Brief bet Apoftel unb Alteften 15, 26 ift eine (Eljarafteriftit oon Paulus unb Barnabas ge=
geben, bie feineswegs bet fonft in jerufalem hetrfdjenben Stimmung entfpricht; im Schreiben
bes Cgfias 23, 30 wirb eine Weifung an bie Kläger bes Paulus erwähnt, oon bet wir bisher
nod) rtidjts gehört haben.
62 2. Paulus auf bem Areopag

fieren; in mand?en $ällen mag es fid? aud? um ein literarifcbes Streben nad?
Dariation Ijanbeln. 3n jebem $all gebt ber Unterfd?ieb in ber Beurteilung bes
Jjeibentums Bet. 17 nidjt auf eine Q tellenbifferenj 3urüd, fonbetn auf be­
wußte Bemühung bes Derfaffers.
Der Bericht erjäljlt weiter oon bem Auftreten bes Paulus in ber Synagoge
unb auf ber Agora. Die Synagoge unb bie Juben freilid? fommen in ber Rebe
auf bem Areopag überhaupt nidjt oor, unb bas entfpridjt ber Selegenheit.
IDotjl aber werben bie (Epitureer unb Stoifer als fjörer bes Apoftels genannt
— unb mit biefer (Erwähnung ber pijilofoptjen ift ber wefentlidjfte 3nt?alt ber
Rebe, wie il?n bie Analyfe erhoben hat, in ber Seit aufs glüdlidjfte oorbereitet
unb djaratterifiert. $aft tonnte man geneigt fein, in biefen Sufammenhang aud?
ben Ausbrud mreppLOÄ6Y°G einjubejieijen. Diefe abfdjähige Beurteilung bes
Apoftels als eines IRannes bet Sdjlagworte würbe bann, nur mit anberem
Dorjeid?en, bie Didjterjitate oorbereiten. 3mmerl?in ift biefe Bejie^ung nidjt 46
gefidjert, ba nidjt ausjumadjen ift, ob arappÄkÖYo; I?ier gerabe bie fpe3ielle
Bebeutung bes Sdjlagwortjägers haben foll. Deutlid? aber ift unb ausbrüdlid?
17, 18 ge agt, ba^ bie (Erwähnung frember (Söttet bie Rebe oorbereiten foll.
Paulus pfrebigt, fo ift bie TÜeinung ber Athener, oon ’lrpoöc unb oon bet
’Aväotaat;; babei wirb biefe offenbar als (Söttin oerftanben, unb fo ertlärt
fid? bie Behauptung, er oertünbige 6at|t6vw. (Es ift fein Sufall, bafe bie
Areopagrebe bann in ber (Erwähnung 3efu unb feiner Auferftehung gipfelt,
alfo bas XRotio oon 17, 18 wieber aufnimmt1).
Die Derfe 17, 20 unb 21 bereiten bie Rebe unmittelbar oor; fie jeigen, bafe
bie Athener burd? Stembes, alfo aud? burd? bie Dertünbigung frember (Both
heiten, nidjt abgeftofjen, fonbern angelodt werben. Darum oeranlaffen fie ben
Apoftel, nadjbem fie ihn auf ber Agora gehört haben, nun nod; einmal feine
frembartige £ehre oor3utragen, unb wählen ba3u eine erlaudjte ÖEribüne, ben
Areopag; dmXaßöjtsvot autoü äm töv “Apecov niyay f^Y07 (17, 19) —
aratteL; Öe IlaOÄos dv peaw toO ’Apelou TtaYoo (17, 22).
Sreilid? ift bie hier oorausgefehte Auffaffung biefer IDorte nidjt unbe=
ftritten. Durd? (Ernft (Eurtius2) unb Sir IDilliant Ramfay3) ift bie Anfidjt
3U weiter (Seltung gelangt, ber Derfaffer ber Apoftelgefdjidjte meine gar nidjt
„bie heilige Rlalftätte auf bem $els[?üger, fonbern er be3eidjne mit Areopag
bie Behörbe, bie ihr ©efdjäftslotal in ber Stoa Bafileios hatte4), alfo auf bet
Agora; man Ijabe fid? ihre Seffel im Ijalbfreis aufgeftellt 3U benten, fo baf)
Paulus 3war iv ;isa<p roö ’Apelou ni-fw ftel?en, aber „bod? übet ben TRarft-
') Aud? h'er ift wieber eine Heine Spannung jmifefjen Bericht unb Rebe (f. oben S. 61)
feftjufteKen; nad; bem Berid;t Qat man ben (Einbrud, bafe 3efus unb bie Auferftehung ber
toten bie hauptthemen bet Dertünbigung feien; bie Rebe erwähnt 3efus nur am Cnbe,
unb ohne Ramen, unb ftatt ber dotenauferjtehung hören wir nur non ber Auferitel;ung3efu.
s) Stabfge[d?id?te oonAthen 1891,2b2;Sit3ungsbetid)teöerBerIinerAlabemtel893,926f.
3) Ramfay, Paulus in ber Apoftelgefdjidjte (beutfdje Ausgabe oon St. Paul, The
Traveller and Roman Citizen 1896) 1898, 199ff.; The Bearing of Recent Discovery on
the Trustworthiness of the New Testament 1U1-—105.
4) Dgl. (Ernft durtius, Stabtgefdjidjte oon Athen 167. 94.
2. Paulus auf bem Areopag 63

raum hin öer IReuge mnehmbar fein" tonnte. 3n öer dat fdjeint bie Behöröe
bes Areopag in späterer 3eit anbere als richterliche Befugniffe gehabt ju haben,
unb Aufficht über bie religiöfen Angelegenheiten gehörte wahrfd?einlid) ju
47 biefen Befugniffen1). Sine Seriditsrebe, eine Derteibigung oor Richtern, ift bie
Areopagrebe fidjer nicht8). Sie rebet rueber oon einer Antlage nod; oon einem
beuorftehenben Urteil. Auch enthält fie wefentlid; Dertünbigung, rebet aber
nidit von bem Red}t bes Rebners, bies ju oertünbigen, unb erft red?t nidit oon
ber fittlidjen Unbebentlid/teit ober ber politifchen U ngefährlidjfeit biefer Prebigt.
(Enölidi wirb weber am Anfang eine Derhaftung berichtet3) nod; am Sdjlufj
eine Sntfdjeibung; ja ber fehr unbeftimmte Pers 17, 33 beridjtet nidit einmal
eine (Entlaffung.
Um fo eher tonnte man meinen, Paulus habe, im Kreis ber Areopagiten,
auf ber Agora cor ber Stoa Bafileios ftehenb, jum Dolf ber Athener gefprochen,
alfo etwa in ber Stellung, in ber ihn Raffaels deppidftarton im Kenfington-
IRujeum in Sonbon 3eigt. 3ur Begrünbung pflegt man barauf hinjuweifen,
bafe ber Areopaghügel felbft gar feinen Raum für bie IRenge ber 3uhörer
biete, ba^ alfo bie Sjene an einem geeigneteren ®rt ju lotalifieren fei. Aber ber
Beridit ber Apoftelgefdiidjte erjählt gar nicht non einer großen IRenge. Unb
felbft wenn es fid? um mehr als jwanjig IRenfdjen hanbeln follte, fo fänben
fie jwar nicht oben auf bem Ijügel piah, wohl aber auf bem hodigelegenen
breiten Sattel im Süboften bes Areopags. Dort fällt ber fjügel nicht fo [teil ab
wie nach Horben unb ©ften; bort, alfo 3wifdien Areopag unb Afropolis, fänbe
48 eine beträdjtlidje An}ahl TRenfchen einen and? jum fjören geeigneten piatp).
Aus Srünben ber Sopographie braucht man alfo bie Sjene nid^t auf bie Agora
311 »erlegen.
Die Sntfdjeibung hat, wie mir fdjeint, aber nidit eine topographifche ober
hiftorifdje, fonbern eine literarifdie (Erwägung 3U geben. Wir haben ja 3unäd/ft
fejt3uftellen, was Sutas fdjilbern will — gan3 abgesehen baoon, ob es uns
1) Dgl. dtcero De natura Deorum II 29 §74 si guis dicat Atheniensium rem publicam
consilio rgi, desit illud 'Arii pagi’ unb bie neuefte Darftellung bei £ate, Beginnings of
Christianity IV 212f. Dort ift weitere £iteratur angegeben.
2) <£s fdjeint mir nrd?t übetflüffig ju [ein, bies nod? einmal turj ausjuführen (f. oben),
nad]bem Kari Bornhäufer, Stubien jur Apoftelgefd]id)te 1934, 139f. bie Rebe als eine
Derteibigungsrebe oor Seridbt erflärt hat. dr beutet 4iuÄaß<5|wvai 17, 19 auf Derljaftung,
bie gragen 17, 19. 20 als Verhör (bann wäre aber bie Anmerfung 17, 21 [ehr unangebradit!).
— drnft durtius, Stabtgefd)i*te non Athen 262f. bejeidjnet bie ganje Sjene als Dor»
oethanblung, auf Stunb bereu oer Rat bet Areopagiten bie Klage md)t annimmt, anbetn’
falls wäre es jur Dethanblung auf bem Ijügel getommen.
3) Ilatiirlid) iann 4ncXaßögevoi eine Sewaltfamfeit bejeidjnen, aber notwenbig ift
bas nicht Unb wenn eine amtliche geftnahme gemeint wäre, würben bie oetbaftenben
Amtspetfonen genannt fein. Statt beffen lefen wir oon einet nicht weitet benannten 3. Perfon
plur. ämXaßö|ievoc «4 .... ^yayov. Wer bas ift, wirb nicht gefagt — aber fidjer ift es fein
Beauftragter bet Behörbe. ■
‘) 3d; baute es einem hinweis oon Arnolb oon Salis, bafj id] biefe IRöglichfeit erwägen
unb auf biefe Weife oielleid]t einem bereits üblich geworbenen Dorurteil ein dnbe bereiten
tann. — Dgl. Jubeid), dopographie oon Athen 21931, 299 unb bie Abbilbung dafei 13
(hanbbud) bet Altertumswiffenfdiaften III 2, 2).
64 2. Paulus auf bem Areopag

wahrfdjeinlid? oorfommt ober nicht —; erft bann traben wir ju fragen, ob er


Überlieferungen benutjt ober frei gestaltet, unb erft jule^t, ob bas fo gewonnene
Bilb unferem Urteil hiftorifd? möglich crfd?eint. (Es barf alfo nid?t überfein
werben, wie £ufas, mit gefd?id?tlid?em Redjt ober ohne ein foldjes, bie Sjene
gestaltet hat. Die erften ©efpräd?e jwifdjen Paulus unb ben Wortführern ber
Athener jpielen fid? in ber Stabt ab: er rebet in ber Synagoge ju ben Juben
unb „gottfürdjtenben" Ejeiöen unb auf ber Agora ju ben Paffanten. Wenn ber
Apoftel nun uon feinen Partnern nad? 17, 19 bei ber f?anb genommen unb auf
ben Areopag geführt wirb, fo fann bie IReinung nicht bie fein, bafe bie näd?fte
Sjene wieber auf bem Warft fpielt, cor ber Königshalle; oorausgefeht ift
3weifellos ein Qrtswedjfel1): alfo meint £ufas ben Areshügel.
Run aber erhebt fid? bie li t e rar i f cf? e $rage, aus welchem Redjt £ufas
biefe Sjene geftaltet, b. h- weldjes Ulaterial er babei benu^t habe. 3d? habe an
anberer Stelle ju seigen oerfudjt2), bafe ber Darftellung ber pau!us=Reifen in
ber Apoftelgefd?id?te (13, 1 bis 14, 28; 15, 35 bis 21, 16) offenbar eine Auf=
jeid?nung, bie man als 3tinerar be3eid?nen fann, 3ugrunbe liegt: Rad?rid?ten
über bie Reifeftationen, ©ajtfreunbe, Prebigttätigfeit unb prebigterfolg, ©e=
meinbegrünbung, Konflifte unb freiwillige ober e^wungene Abreife tehren
— ber jeweiligen £age entfpredjenb — immer wieber unb bürfen barum als 4?
Beftanbteile biefes 3tinerars gelten. Diefe Rad?rid?ten finb, mit ihrer Kür3e
unb ihrer neutralen Ijaltung, über ben Derbadjt erhaben, erbaulid?e ober
unterhaltenbe Dichtung 3U fein. Anbrerfeits finb fie nid?t farbig genug, als
bafe fie etwa für totale Grabitionen einjelner Gemeinben angefehen werben
tonnten.
$eftftellen läfjt fid? bas Jtinerar in ungefährer Abgretgung nur auf bem
Wege ber Stilfritit. IRan tann bie Wieberfehr oon Angaben ber genannten Art
bei ben ein3elnen Reifeftationen oerfolgen. IRan fann aud? beobad?ten, wie
biefe 3tinerarnoti3en 3U ben andern Elementen ber Darftellung, ben Reben
wie ben Gin3elgefd?id?ten, in Spannung ftehen. Kein ausreidjenbes tjilfsmittel
aber 3ur Seftftellung bes 3tinerars liefert bas Auftreten bes „wir" in ber Gr=
3ählung; es ift alfo nid?t für bie fog. WirStürfe (16,10—17; 20,5—15;
21, 1—18 — bie Seereife nad? Rom gehört nid?t ju bem uns hefdjäftigenben
TRiffionsreifeberidjt) eine bejonbere Quelle an3unehmen unb für bie Berid?te
oon anberen Stationen eine anbere (ober feine), ©egen bie Auslöfung einer
befonberen Wir Quelle, mie fie bie fritifdje $orfd?ung aud? heute nod? oielfad?
Dornimmt, fpred?en oerfd?iebene gewid?tige ©rünbe. Ginmal finb bie Wir
Stüde unb bie anberen Abfd?nitte lejifalifd? nid?tuerfdjieben—bas hat l?arnad
x) einige 3eugen bes „abenblänbifd?en" Sejtes, darunter D, laffen öiefen ®ang jum
Areopag erft „nad? einigen Sagen" ftattfinben. Diefe Srmeiterung reiht fid? anderen der glei=
d?en Sertgruppe an, bte offenbar auf Überlegung ber Umftänbe beruhen unb alfo fommem
tierenbe Öerbefferungen harffeHen. Keiner hätte biefe Zeitangabe geftridjen; wol?l aber
erHart fid? ihre (Anfügung aus ber fragenden Grtoägung, ob bies alles’fid? wirflid? an einem
Sage abgefpielt habe.
2) „ Stiffritifd?es 3ur Apoftelgefd>id?te"in®ud?arifterion für ®untel (1923) 11,30—32[->l 2f.].
2 Paulus auf öem Areopag 65

überjeugenö bargetan1). Sie finb aber aud) ftiliftifd? nidjt »erfdjieöen; man
fann bas 3. B. an ben Stationen Philippi (16, 11—15, 1. perfon) unb 3i?effalo=
nife (17, 1—9, 3. Perfon) gut beobadjten: es ift biefelbe Art ber Angaben, »or*
getragen in bem gleichen furjen unb unpathetifdjen Stil. Die !Dir=Stüde unb
bie anberen Abfdjnitte finb aber audj fadjlidj nidjt oerfdjieben. IDir lefen über
Philippi (1. perfon) wie über Korinth biefelbe Art Angaben: wo Paulus ge*
wohnt unb wo er gepredigt bat, wie lange er gewirtt unb weldjen (Erfolg er
geerntet Ijat. Audj finb dinjelgefdjidjten wie Reben in gleidjer IDeife auf bie
Wir Stationen unb bie Sie Stationen »erteilt.
Ratürlidj fann non »öllig genauer Abgren3ung bes 3tinerars auf ftit
fritifdjem IDege nidjt bie Rebe fein. Jmmerfjin fann man Jagen, was offenbar
nidjt 3um 3tinerar gehört. Das gilt »or allem oon ben in fidj abgefdjloffenen (Er
3äljlungen, bereu $orm 3um Seil nodj Ijeute »errät, bafe fie gefonbert in ben
©emeinöen weitergegeben worben finb. (Es finb fobann bie Reben, bie nadj
50 ber IDeife antifer ©efdjidjtsfdjreibung »om Autor eingefdjaltet finb. ©b er fidj
babei gelegentlich auf eigene ober frembe (Erinnerung ftüfeen tonnte, mag uw
erörtert bleiben, ba wir barüber fdjledjterbings nidjts wiffen. Als ©anjes finb bie
Reben »om Derfaffer gefdjaffen, unb es fam ihm babei 3uerft auf bie Belehrung
ber £efer unb nidjt auf bie Bereicherung ihrer gefdjidjtlidjen Kenntniffe an.
. Die Reben antworten auf bie $rage: IDie foll man reben? unb nidjt auf bie
anbere: IDie hat jener IRann bamals gerebet?
So mufe alfo bie Areopagrebe fdjon aus literarifdjen ©rünben für ein
IDer! bes Derfajfers ber Apoftelgefdjidjte gelten, nidjtaber eines Über--
arbeiters bes gan3en Budjes. Daju fommen nun, biefes Urteil neu begrünbenb,
bie (Ergebniffe ber geiftesgefdjidjtlidjen Analyfe. (Es feat fidj gejeigt, bafe bie
Sljeotogie ber Areopagrebe ber bes Paulus fdjledjterbings fremb, ja im ganjen
Reuen Heftament ein $rembtörper ift’). Sie feat ihr Seitenftüd nur in ben paar
Säfeen, bie Paulus Act. 14, 15—17 in £yftra fpridjt, um bas Dolt baoon ab*
juhalten, ihn unb Barnabas als ©ötter 3U »erehren3). Beibe Rebejtüde finb
J) fjatnad, £utas ber Arjt 1906, 19—60; Heue Unterfudjungen jur Apoftelgefdjidjte
1911, 1—15.
2) Diefe Sruppe non (Brünben ift in ber neueren £iteratur oor allem oon Albert
Sdjweiger turj aber fdjtagenb oorgetragen worben (Die Hlyftif bes Apoftels Paulus
1930, 6—10).
3) Da im £aufe biefet Unterfudjung immer wieher auf jenes Rebeftüd 14, 15—17 als
bie einjige parallele ber Areopagrebe im Heuen deftament nerwiefen würbe, ift ljier ein
Dergleid; jwifdjen beiben am plage. Audj in £yftra rebet Paulus ju Reiben, audj biefe „Hebe"
Ijebt fidj trog ihrer Kürje burd? einen gewählteren Stil aus bet (Erjäblung Ijetaus: ogl.
Tat; nap<|>pip.4vats yeveotie, bie £itötes oöx äjxdpTupov atnov äyljxsv, bas tjonioioteleuton
ftstouc 8iöo6g unb bie Alliteration xxipou; xapnotpäpou;. Audj in Act. 14 begegnet eine
feietlidje Präbitation (Bottes, audj hier finbet (ich ber (Bottesbeweis aus ber Haturotbnung,
insbefonbete ben Jaljresjeiten. Aber im ganjeri fteht biefe „Rebe" in £uftra bet Septuä»
ginta*Bibel etwas näher als bie Areopagrebe. Die (Bottespräbifation entgalt nidjt wie bie
17, 24 bas IDort xdo|xo;, fonbetn ift ganj altteftamentlid? gehalten, f. dr. 20, 11; bie (Söttet
werben burd; ol ndtatoi. (ober ti [idtaia) bejeidjnet wie III. Reg. 16, 2. 13. 26; IV. Reg.
17, 15; äftb. 4, 17 p; 3er. 2, 5; 8, 19; III. Hiatt. 6, 11. — Auf bas Hlotio ber Unwiffenhett
(17, 30) wirb jwar in 14, 16 angefpielt, es fehlt aber bet hinweis auf bie h«’lsoffenbarung,
5
66 2 Paulus auf bem Areopag

oom Derfaffer ausgearbeitet, beibe fallen proben beffen geben, was £ufas, 51
etwa um 90 fdjreibenb, als ITlufter d?riftlid?er Dertünbigung an heibnifdje 3u'
hörer anfieljt, beibe Rebeftüde erweifen fidj als Werf bes Derfaffers ber Apojteh
gefdjidjte aud; baburdj, bafe ber Rüdweg non ber Rebe jur (Erjäljlung nidjt ohne
Schwierigkeit gewonnen wirb. Die Anfpradje in Cyftra erfolgt in bem brama=
tifdjften Augenblid einer Begebenheit, bie in §orm einer felbftänbigen (Er*
jählung bargeftellt wirb. Diefe (Erzählung beginnt *14, 81) unb beridjtet, wie
infolge einer geglüdten fjeihingstat Paulus unb Barnabas in £yftra als ©öfter
oereljrt werben follen. Diefe fo bejeidjnenbe unb lebenbige (Erjätjlung f?at einen
anberen Schluß oerbient unb urfprünglidj audj gehabt als bie Worte, bie jeijt
in 14, 18 ju lefen finb: „unb mit foldjen Worten brachten fie bie £eute kaum
baoon ab, ihnen ju opfern". f?ier hat bie (Einfdjaltung bes Rebefiüds offenbar
ben urfprünglidjen Sdjlufj oerbrängt. 3« ähnlidj farblofer Weife aber helfet es
am Sdjlufe ber Areopagrebe 17, 33: oOrwg 6 naOkog ix pLsaou aOröv
„fo »erlief? Paulus ihren Kreis". „So" — bas fann fid; auf bie Dortjer ange=
beuteten IReinungsDerfdjiebenheiten ber 3uhörer bejiehen2); es fann aber audj 52
nur befagen, bafj man ben Apoftel weber beleibigte nodj aufhielt. Aber biefer
wenig umriffene Abfdjlufe ber Sjene gibt bem Derfaffer bie IHöglidjfeit, eine
kurje Radjridjt über ben (Erfolg ber Rebe anjufügen: einige fdjliefeen fidj bem
öie öet Unwiffenheit ein Snöe gemadjt haße; unö öas bat wieher feinen ®runö in öer Situa-
tion; (ie »erlangte, öa^ öas Heue öer djriftlidjen ©ottespreöigt (ljiet eingefübrt mit öem Wort
sbaYYeXLso.ai) gleid? am Anfang im (Segenfah ju öet heiönifdjen lilenfdjenoergötterung
»orgctragen würöe. — Am originellften ift öie Ausführung in 14,17. tjier weröen im 3uge
öes Sottesbeweifes wie audj Jonft (f. oben S. 32) öie 3aljre$jeiten erwähnt. 3bnen ftnö Ijiec
öie Regenfälle gefeilt oöer »ielleidjt beffer öie Regenjetten, öie mehr jum ©eöanten öer
fegenbringenöen 3ahresorönung paffen — öies fdjlägt Saöbuty, Journal of Biblical Lite* 51
raturc 1925, 211 ff. nor; er »erweift jur Begtünöung auf öie Dorliebe öes £ufas für Doppel--
ausörüde gleicher Beöeutung. (Ein foldjer Doppelausörud ift »ielleidjt audj xal eöcppo*
aüvr). Unö aud; öies mag wieöer öutdj öie LXX beöingt fein, öie an mehreren Stellen
»'jtppoaövig mit (Effen unö Srinfen in Bejiehung fe^t (3uöith 12, 13; Ged. 9, 7; Sir. 9, 10;
31, 28), ja in Pf. 4, 8 Rahrungsaufnahme unö (Empfang »on eöq>pooüvir] geraöeju paralleli*
fiert (eötoxa; E’j^poaävrjv el; xapölav pou' dito xacpoS aho» xal o'vou xal ^Xalou
aünöv ärtXinMv; naav, »gl. nodj jef. 25, 6 xlcvzai sü^poaüvijv) £eöiglidj aus öiefem Spradj*
gebrauch fdjeint fid? öie fonft fei;r auffällige Derbinöung ju erklären, nadj öer (Sott öie tjerjen
öer ITlenfdjen „mit Bohrung unö grohfinn erfüllt hat", ö. h- — öurdjaus im Sinne altte*
ftamentlidjer ©eöanten — öurd) Sffen unö Stinten iljr tjerj ftählid? gemacht hat. Bur finb
öiefe (Beöanten anöerer Ijerfunft eingeorönet in öen ftoifdjen ©ottesberoeis: ®ott bat
fich bejeugt öurd; finn»olle ©rönung öes menfdjlichen £ebens; alfo tonnten öie TTlenfdien
ihn ertennen.
') Diefer Anfang öer urfprünglidj felbftänöigen ©efdjidjte ift in öer Hat nodj öeutlid?
ju ertennen. Das Jtinetar, öas öer Reife*Srjä[;lüng jugrunöe liegt (f. oben S. 64), hat in
14, 6 öie Reife öutdj lylaonifdje Stäöte beridjtet unö öabei nadj öer Station £y[tra bereits öie
nädjfte Station Derbe genannt. Run fdjaltet £utas »on 14, 8 an öie Sefdjidjte »on öem £ahs
men in £yftra ein, mufe öen £efer alfo nodj einmal an öie »Oriente Station öet Reife jurücf*
führen. Der »on D »ertretene Seit, immer öarauf beöadjt, Bähte unfichtbar ju machen,
hai ganj fotgeridjtig in 14, 8 öie Worte äv Auorpa; ausgelaffen.
2) Diefer Ders 17, 32, öer öie Worte öes Spottes nid)t einmal nennt, ift megen feiner
garbloftgfeit mögliAft wenig mit Srtlärungs»erfudjen ju belüften. Ss ift alfo nidjt angejeigt,
hier öie Stoiter unö Spifureer aus 17, 18 wieöerjufinöen. Aud? öie Jufage einiger tjörer,
öen Apoftel wieöer Ijören ju wollen, ift als Derlegenheitsausfunft unö nidjt als ernjtes Der*
fpredjen geöadjt, öenn Paulus geljt ja gar nidjt öatauf ein.
2. Paulus auf bem Areopag 67

Paulus an unö belehren fid?, öarunter „Dionyfius öer Areopagite unö eine
Stau mit Hamen Damaris, unö anöere mit iljnen" (17, 34).
Diefe Hadiridjt t?at befonöere Bedeutung. Sie roill offenbar befagen, öa^
ber (Erfolg öes paulus in Athen gering gewefeu fei. Da fid? in öer Hat feine
(Bemeinöegtünöung an öie Hätigfeit öes Apoftels augefdjloffen ju haben fdjeint,
t?at man öiefe flnöeutung ernft ju nehmen. Hs ift fogar »erfudjt worben, non
da aus Schlüffe auf öie Areopagreöe ju jietjen1). Der Hlifjerfolg in Attjen, fo
fagt man, tjabe Paulus ju einer Änderung feiner iniffionsmetljoöe neranlafjt,
tjabe it?n öaju geführt, in Sutunft einfad; öas Kreuj dfjrifti ju predigen in öem
Sinn, wie er es I. Kor. 1, 18ff. gefdjilöert Ijat. (Er tjabe eingefetjen, öafe öie An=
pafjung an pljilofoptjifdje (Sedanten öer ©riedjen, überhaupt an Dorftetlungen
ber ju Betetjrenben feinen (Erfolg »erfprädje. Dabei meinen öie einen, biefe
Anbetung ber Hletljoöe beöeute eigentlid; nur eine Rüdfeljr öes Paulus ju
öer fdjon längft geübten Weife; es tjabe fidj bei öer Areopagreöe um eine Aus=
natjme, um einen Derfudj geljanöett. Anöere glauben, Paulus tjabe erft infolge
öes ITIi^lingens in Attjen feinen eigenen Stil gefunden. Hun ift öiefe Annahme
einer Wandlung öes paulus, öie man fdjon faft eine jweite Befeurung nennen
mü^te, rollig aus öer £uft gegriffen; fein einjiges 3eugnis öeutet einen foldjen
Umfdjroung an. Dor allem aber fdjieben beide formen biefer fjypottjefe öem
53 Sufas ein ganj unmögliches Derfahren ju. Die Areopagreöe ift (neben öem
Keinen Rebeftüd Ad. 14, 15—17) bie einjige Ejeiöenprebigt öes Paulus, öie in
öem Budj öer Apoftelgefdjidjte mitgeteilt wirö: fo wäre alfo ber größte tjeibem
apoftel in biefer Darftellung feines Wirtens nur burdj eine Rede an die fjeiben
vertreten, die einen TRifjerfoIg gehabt hätte unö bie, wie bem Apoftel felbft
bewußt gewefen wäre, als mißraten anjufetjen fei. IRir fdjeint, tjier wirb für
öie ©efdjiditlidjteit öer Areopagreöe ein ju tjotjer preis gejafjlt! Rein, Sutas
Ijat biefe Rede als Beifpiel einer oorbilblidjen fjeidenpreöigt gefdjaffen und fie
nadj Attjen »erlegt, otjne fidj burdj ben tatfädjlidj geringen (Erfolg öes Paulus
in Athen öaran Ijinbern ju (affen.
(Er hat aber audj, wie wir fahen, bie erjählenöe (Einleitung biefer Rebe
wenigftens jum größten Seil gefdjaffen, öenn fie ift auf öie Rebe hin entworfen
unb barf mit iljrem (Eingehen auf öie Befonöerljeiten öes ©des ebenfalls als
einjigartiges Stüd beurteilt werben. (Es erbjebt fidj nun öie $rage, ob in öem
ganjen Attjen behandelnden Abfdjnitt Spuren öes Jtinerars23 ) — oöer wie
l) Dgl. ITlunjinger, paulus in Korintl; 1908, 79f.: „Diefen IPifcerfoTg aber in Atijen
hatte er nadj feinem ttmpfinöen felbft perfdjulöet.... 4t wufete feist... wie er nidjt pre=
fügen dürfe. 4r hatte aber nidjt nötig, fid? auf eine neue Art. . , ju befinnen; uietmeijr
lehrte er unmittelbar ju feiner alten unb bewährten prebigtweife jurüct." — h°l3ner>
paulus 1937, 198, iäfjt Paulus nadj ber Areopagreöe fagen; „3n 3ufunft werbe ich nidjt
mehr oon griedjifdjet Weisljeit teben, fonöern nur non (Iljriftus allein unb oon öer (Torheit
öes Kreujes."
3) Die Befjanölung öer fragen, ob öas 3tinerar oon öemfeiben Derfaffer ftammte
unö ob öas „mit" fdjon immer im dejt biefer Quelle ftanö oöer erft bei öer Abfaffung öer
Apoftelgefdjidjte eingefügt würbe, oerfage ich m'rr weil ihre Beantwortung für meine Unter3
fudjung belanglos ift.
5*
68 2. Paulus auf bem Areopag

man die bem Derfajjer oorliegeude flufjeidptung nennen will — 31t finden
finb. 3n ber einleitenben S3ene fällt ein Saß auf, ber uidjt bie literarifdje Kunft
ber übrigen Darstellung 3eigt, fonbern fdjlidd unb 3ujammenfafjend bie üätig=
feit bes Paulus in Atßen befdjreibt, 17, 17: SieÄrfSTo pev oüv iv auvaYcoy^
tcT; ’IouSatotG xal toIg asßopevctG xal £v öiYopä xarä rtäaav ^pepav npc;
toüg 7tapaTUYX“vovraG. Das ift bie Art, wie bie Apojtelgejcßidjte, 3weifellos
jener Kiederjcßrift folgenb, aud? fonft bie predigttätigfeit bes Paulus bejcßreibt:
bas Derbum 8'aÄEY^a: wirb in Sßejfalonife, Korintß, ©pßejus unb ©roas
gebraud]t (17, 2; 18, 4. 19; 19, 8.9; 20, 7. 9)1). Aud? bie Synagoge wirb in
biejen 3ujammenßängen regelmäßig, außer in droas, genannt; bie (Erwähnung
ber Agora ift eine Bejonberßeit bes Beridjts über Atßen, aber nidjt auffallender 54
als die Kennung der "EM^veg in Korintß 18, 4. 3ener eine Saß 17, 17 fdjeint
alfo dem 3tinerar anjugeßören. 3weifellos ift bas aud] ber $all bei bem Sd?Iußs
fat3 17, 34, ber bie ©eringfügigfeit bes (Erfolges jcßilbert unb bie Ramen ber
3wei Befeßrten nennt. (Eine Segenbe uon ber Befeßrung bes oorneßmen Areo-
pagiten Dionyfius würbe völlig anbers ausfeßen. (Ein 3weifel ift natürlid) er=
laubt, ob ßinter bem xoXXp&evte; aörw inlaTsuaav eine wirflidje Befeßrung
3um ©ßrijtentum jteßt unb nidjt etwa nur ein williges (Eingeßen auf bie predigt;
oon bet Begrünbung einer djriftlicßen ©emeinbe ift ja nid)ts gejagt2). Die gleidje
$rage fann übrigens aud; bei Act. 13,12 erßoben werben, wo Sufas mit dem=
jelben Wort imaTEuasv bett (Erfolg ber cßrijtlidjen prebigt bei bem Profonful
Sergius Paulus in papßos bejeidjnet. Ulan mag 3weifeln, ob biefe oorneßmen
Seute, ber ßoße Beamte in Papßos, ber Areopagite in Atßen, für bie Dauer
(Eßriften geworben finb, ba wir webet oon ißnen nocß oon ber ©ründung cßrift=
lidjer ©emeinden im Anfdjluß an ißre Befeßrung etwas ßören. Aber bamit ift
nidßts gegen bie (Erwähnung bes Areopagiten Dionyfius im 3tinerar bes
Paulus gejagt. (Er wie Damaris jinb offenbar in biejen Reifenoti3en als willige
fjörer aufge3eicßnet gewefen; daraus entnaßm Sutas das Red]t, fie ßier 3U
erwäßnen.
Befanntlid] ßat die Kennung des Areopagiten an diejer Stelle einen fpät-
antifen myjtifdpneuplatonijdjen üßeologen oeranlaßt, feine Werfe unter die-
fem Ramen ausgeßen 3U laffen. Diejer Pfeudodionys ßat einen richtigen 3n=
jtinft geßabt: er wäßlte fid? 3um Sdjußpatron {einer Syntßeje oon myjtijdjem
fjellenismus und ©ßrijtentum den Klann, ber narb ber Apoftelgefcßicßte burcß
0 Jn ber Darftellung ber erften lllifjionstätigfeit bes Apoftels Act. 13; 14 fteßen anbere
Worte jur Bezeichnung bet Prebigt: üyo; roö bsoö auf 3ypem 13, 7, ÄaXetv in Jtonium
14, l, söayyeM eobac in Cyftra unb Derbe 14, 7. 21. Aber bas erfte Wort fteßt im Raßmen
einer felbfiänbigen (Erzählung (oon bem Rlagier), unb eüayyeXt ea&ai ift ein £ieblingswort
bes £utas, alfo oielleicßt oon ißm eingefeßt; {ebenfalls finb für bas jtinerar biefe Aus=
brüde nidit mit Sidjerßeit in Anfprud? 311 nehmen.
2) Die erfte gefid/erte (Ettoäßnung einer cßriftlicßen (Bemeinbe in Atßen ftellt ber Brief
bes Dionyfius oon Korintß (um 170) an fie bar, ben (Eufebius Kirdjengefcßicßte IV 23, 2
erwäßnt. Die Ilennung ber Bifcßöfe Publius unb Quabratus IV 23, 3 ift nid?t geficßert,
ba in bemfelben 3ufammenßang gegen alle Waßrfcßeinlidpeit, foroeit fie fid) aus Act. 17 ergibt,
als erfter Bifdjof oon Atßen unfet Dionyfius Areopagita genannt wirb.
2. Paulus auf bem Areopag 69

bie Syntfyefe oon rationalem Hellenismus unb d?riftlid?er ITliffionsbotfdjaft


— bie Areopagrebe — befet?rt fein follte.
Was aufjer biefen jwei Bemcrtungen (Act. 17, 17 unb 34) fonft nod? an
Radjridjten über AtHen in bem 3tinerar geftanben l?ahen mag, fönnen wir
taum uermuten. Mian fönnte anne^men, bafe cor ben rtvk 84 ävSpeg in
17, 34 anbere genannt waren, bie eine weniger freunblid?e Haltung jur Prebigt
bes Paulus einna^men, unb fönnte fid? entfpredienbe Sä^e aus ber Dar
55 ftellung bes £ufa$ jufammenfudjen1). Aber fold?e Dermutungen fönnen faum
auf metl?obifd?em Wege in ben Bereid? ber Waf?rfd?einlid?feit erf?oben werben.
Dielleid?t I?at übrigens bie Kennung bes Areopagiten in bem 3tinerar
fd?on auf ben Derfaffer ber Apoftelgefdjidjte eine beftimmte Wirfung aus»
geübt. Dielleid?t t?at fie »eranlafjt, bie Rebe auf ben Areopag ju uerlegen
unb fo ber Haffifdjen Heiöenprebigt — benn fo wollte er bie Rebe angefel?en
wiffen — aud? eine flaffifd?e Kanjel ju geben. All bie gefd?id?tlid?en fragen
nad? ber (Eignung bes Ortes, wie wir fie aufrollen, hätten il?n bann ebenfo»
wenig gefümmert wie bie Hatfadje, bafe Paulus bamals in Atl?en faft feinen
(Erfolg gehabt Hatte. Die Sjene, bie er fd?ilberte, follte ja nid?t im 3ufammen»
- l?ang jener HliffionsfaHrt oerftanben werben; er wollte nid?t etwa At^en, bas
fid? ber Prebigt natjeju uerfdiloffen Hatte, über Korintl?, bie Station bes (Er«
folges, erHöHen. (Er wollte ein übergefd?id?tlid?es Bilb jeigen. $ür iHn war Athen
offenbar immer nod? bas Symbol gried?ifd?er Bilbung.
(Er wufjte aus jenen Reifeaufjeidjnungen, was uns burd? 1. CEHCH- 3- 1
bejeugt ift, bafj Paulus auf feiner erften Reife nad? ®ried?enlanb tatfädjlid? in
Att?en gewefen war. Diefe Reife nad? (Sriedienlanb aber war für £ufas ein
weltbewegenbes (Ereignis. Seine ganje Beridjterftattung Act. 16, 6—10 jielt
barauf ab, bie göttliche $ügung beim 3uftanbefommen biefer Reife ju betonen;
fie ift nid?t geplant, fie wirb Paulus gerabeju burd? (beifteswirfung unb nädjt»
lid?es (Befielt aufgenötigt. 3meifeIIos I?at £ufas, ber felber an ber gried}ifd?en
Bilbungswelt in gewiffem IHafje Anteil Halte, bie ©röfje ber Begegnung ge=
fpürt, bie fid? uolljog, als ber d?riftlid?e Apoftel benBoben (briedienlanbs betrat.
(Ein Ausbrud biefes miffions* unb geiftesgefdiid?tlid?en Dorgangs ift bem Autor
bas Auftreten bes Paulus in At^en. Darum l?at £ufas bie ganje (Eigenart bes
bamaligen At^en in wenigen Säijen f?eraufbefd?woren, um ber apoftolifdjen
Prebigt ben red?ten Hintergrund ju geben, barum bringt er ben Apoftel an
einen erlaud?ten, oon großer Überlieferung gewebten pia^, barum läfet er iH«
56 aud? meljr non ber I?eibnifd?en Weife, (Bott ju erfennen, als r>on ber d?riftlid?en

') Ulan fönnte etwa baran benten, ba^ in ben Derfen 17, 19. 20 ein Sa$ aus bem
3tinerar oerwenbet wäre. Dann würbe [id? ertlären, warum auf rvtbvai zi;
xaivr; aötv) t; (mo coü XaXou|iivT] 8i8ax^ nod] einmal folgt ßouXöfis&a ouv yvaivat z(va
Wei -tama eivat. ©ber man fönnte in ben Sä^en, bie unmittelbar auf bie Rebe folgen,
Stüde bes 3tinerars ocrmuten ot pev ol 84 e'zaM . . ., wi? 84 SvSpej xoXXnj-
V4vrs; xtX. Aber bas alles finb nur ITlöglidjteiten. IDir müffen uns barauf befdjränten,
bie oben erwähnten jwei Säije für bas Jtinerar in Anfprud? ju nehmen, weil il?re 3ugel?örig«
feit mit fprad?Iid?en unb fadjlidjen ffitünben wal?rfd)ein[id? gemadjt werben tann.
70 2. Paulus auf bem Areopag

reben. Allerdings ift biefer (Bott eben Datei 3efu dßrifti, ben ber Apoftel wir!»
lieb tennt, wäßrenb feine fjörer ißn nur afynen. Allerbings foll biefe Botfdiaft
wirtlid) eine fjinfüßrung jum djriftlidien Ejeil bebeuten, wäßrenb bie E)örer nad?
i^r nur als nad? etwas Heuern verlangen. Aber bas Wort bes Apoffels bebeutet
weniger ein (Beridjt über bie Derlorenßeit ber Ejeiben als eine Erfüllung ißrer
unbewußten Seßnfud)t.
Paulus ßätte aud; anbers auftreten tonnen. Ur Ijätte ben (Begenfaß geigen
tonnen. (Er wäre bann an ber Stätte wunberbarfter Hempel unb ßerrlidjer
Bilber mit ber troffen drjäßlung uom gebentten Ejeilanb1) aufgetreten, (fr ßätte
bann bem gottcerwanbten Hlenfdjen ben an bie Sünbe rerfauften, bem freien
Weifen mit all feinem Stol? ben non dbriftus jum Dienft ber Siebe Befreiten
gegenübergeftellt. Der Derfaffer wäre bem wirtlidien Paulus bamit geredeter
geworben als mit ber Areopagrebe. Aber er ßätte aud? ber (Begenwart unb
3utunft bes d^riftentums nidjt ben Dienft geleiftet, ben ißr fein Bud? leiften
follte: ju jeigen, wie bas doangelium in bie Welt hinaus gelangte unb wie es
biefer Welt oertünbigt werben müffe. So ließ er feinen Paulus prebigen, ließ
ißn an einer ber Dornefymften Stätten (Briedjenlanbs fo prebigen, wie er meinte,
baß ju feiner Seit ben (Briedjen geprebigt werben folle: mit pßilofopßifdjen -
Beweifen, unter relativer Anertennung bes griedjifdjen Hlonotßeismus, mit
Berufung auf bie uon gried?ifd?en Dichtern ausgejprocßene Weisheit.
Eutas entfernte fid; babei nur ?u feßr oon bem Paulus, ber ber (Ideologe
ber paraboja (Bnabe unb (Slaube gewefen war. (Er gab aber für bie 3uhmft
bie Eofung aus, baß bie djriftlidje Botfdiaft mit ben Hlitteln ßellenijtifdier Bil=
bung 311 Derbreiten fei. Unb wenn man mit Redd gefagt ßat, baß bie folgenben
djriftlidjen (Benerationen ben wirtlidjen Paulus mißoerftanben ßaben —, biefen
oon Eulas gefdjaffenen Areopagrebner ßaben fie nerftanben! Paulus auf bem
Areopag — bas bebeutet nid?t eine ßiftorifdje, fonbern eine fymbolifeße Be=
gegnung. Die Areopagrebe warb jum Watp^eidjen djriftlidjer dßeologie auf
bem Boben griedpfdjer (Beiftesbilbung.
’) Ulan muß einen fo anftö&igen Ausbrtuf wallen, um fid? bie wirtlichen Affojiationen
ber Fröret bes Paulus beutlid? ju machen. Unfer IPort „Kreuj" ift bafür ju febr mit Fjeiligteit
belastet. (Erft wenn man fid) bas IDort Dom Kreuj (I. Kor. 1,18) als bas IDort oom Salgen
oergegenwärtigt, begreift man, warum es ben 3uben als ein Ärgernis, ben Reiben als eine
Sattheit gilt.
3. Paulus in
1939

210 Der Derfaffer ber Hpo|telge|d?id?te bes Heuen Seftaments wollte bie erfte
dbriftlidje IRiffion fdjilbern unb tjat bod? im wefentlichen nur bie gabrten bes
Paulus bargeftellt. Diefe fdjienen i^m mafegebenb für bie 3ufunft, ba fie bie
Ausbreitung bes d?riftlid?en Staubens in bie Richtung 3erufalem—Rom roiefen.
$ür biefe Safjrten befafj er aud; offenfidjtlid? eine Quelle. Diele $orfd?er mein«
ten, biefe Quelle wieberfjerftellen ju tönnen, inbem fie fid? an bie Seile bes
Wertes hielten, in benen im Wir«StiI erjäblt wirb (16, 10—17; 20, 5—15;
21, 1—18; 27, 1—28, 16). Dafj biefe Wir« Quellen« tjypotfjefe nidjt gefidjert ift,
t?at in neueret Seit cor allem A. o. fjarnad erwiefen: (Er jeigte, bafe ber leji«
talifdje Befunb in ben Wir-Stüden unb in ben anberen Seilen bes Reifeberidjts
ber gleidje ift.
Wan tönnte barauf erwibern, bafe ber Wortfdja^ bem Autor bes ©anjen
jujufdjreiben fei unb gewiffermafjen feinen alles ausgleidjenben S’inis bar«
ftelle. Aber jenes leyifalifdje Argument wirb burd? anbere Überlegungen ge=
ftü^t unb gefid?ert. Alle bie fnappen Bcridjte bes Budjes übet bie TRiffions«
ftationen — fie feien „Wir=Stüde" ober nidjt — beridjten nad; bem gleidjen
Schema. Ss lianbelt fidj immer um Anfunft unb Untertunft ber IRiffionare,
um bie Antnüpfung, bie fie fudjen unb (gewöljnlid? innerhalb ber jübifdjen ©e«
meinbe) finben, um il?re prebigt, um bie Störung iljrer Sätigfeit (meiftens
burd? 3ubcn) unb um ben (Erfolg, bei beffen DarfteDung mitunter Ramen bet
Srftbefeljrten genannt werben. Diefe Mitteilungen finb 311 troden, um Segenbe,
ju gefüllt, um ©rfinbungju fein. Aud; verbietet if?re §arblofigfeit bie Annahme,
ber Derfaffer bes Budies Ijabe fie auf ©runb non Rad?rid?ten felbft gefdjaffen;
er fdjreibt anbers, wenigftens bort, wo er fid? frei entfalten tann. Wir f?aben
alfo Stüde einer Quelle, eines 3tinerars cor uns, bas letjtlid? aus ber Reife«
gefellfd?aft felbft flammen mufj. Dabei ift es junädjft nidjt weiter wid?tig, ob
bas „wir" wirflid? in bem 3 tinerar ftanb ober erft oon bem Derfaffer ber Apoftel«
gefd?id?te eingefe^t würbe, um feinen Anteil an ber Reife anjubeuten. öenug,
biefer Derfaffer l?atte eine fold?e Quelle oor fid? unb oerwenbete fie nad? feinen
3weden: Sr oerfürjte fie, wo er an ben Stationen nid?t intereffiert war (wie
16, 6—8 unb 20,2. 3); er erweiterte fie, wo er oon ben Stationen entweber
mel?r wufjte ober mel?r fagen wollte. Das erfte ift bort ber Sali, wo ber Derfaffer
in fid? abgefd?Ioffene, alfo wol?l fdjon oorljet befannte ©rjä^lungen in feinen
Beridjt einfdjaltet. Das jweite fommt in $rage, wo er Reben feines fjelben
72 3- Paulus in Htl?en
Paulus einlegt, b. I?. in Kap. 13, 17 unb 20, in ber Synagoge bes pifibifd?en
Antiod?ia, auf bem Areopag ju Atfeen, am Stranb r»on IHilet ju ben Ältesten
ber Gemeinbe oon Gpl?efus.
Diefe Reben finb immer wieber barauffein geprüft worben, ob fie ge=
d?id?tlid?, b. fe. wirflid? fo gehalten feien. IRan ^ätte aus Gfeufybibes wie aus
3ofepfeus wiffen tonnen, bafe bas minbeftens nidjt bie erfte Srage fein barf, mit
ber man an folcfee Reben feerantritt. Sunäcbft ift ju fragen, was ber Derfaffer
bes Ganjen mit ben Reben fagen will. Paulus hält in Antiodjia eine Rebe,
bie in Aufbau unb 3nfyalt an bie petrusreben Act. 2, 3 unb 10 erinnert, unb
in feiner biefer Dier Reben finbet fid? irgenb etwas, bas für einen ber beiben
Apoftel bejeid?nenb wäre. Die Abfidjt bes Derfaffers ift beutlid?: Gr will jeigen,
wie man bie d?riftlid?e Botfd?aft prebigen foll, in feiner Gegenwart, b. fe. in
ben leisten 3aferjefenten bes erften 3aferfeunberts. Unb wenn er doh bem grofeen
t?eibenapoftel nur eine einjige prebigt an fjeiben mitteilt, eben bie Areopag'
rebe in Atfeen, bann will er bamit in erfter Sinie ein Beifpiel bafür geben, wie
Plan als d?riftlid?er Wiffionar gebilbeten heiben nafeetommen foll.
Diefe Abfid?t jeigt fid? aud? in ber Wafel bes ©rtes. Gin großes gtiedjifdjes
JHiffionsjentrum feat Paulus erjt in Korintl? gegrünbet; acfetjefen Hlonate
weilte er bort unb gewann eine beträdjtlidje Gemeinbe. Jn Atl?en fd?eint
Paulus nad? Act. 17, 32—34 feinen befonberen Grfolg gef?abt ju l?aben. Gs
werben nur wenige genannt, bie oon il?m gewonnen feien, unb oon einer Gf?ri=
jtengemeinbe ju Atfeen ift erft nad? Dielen 3aferjefenten bie Rebe. Grofebem ift
für ben Derfaffer ber Apoftelgefd?id?te Atfeen mel?r als Korintl?. Dort ift bas
Gor jur Welt, feiet bas Gor jur Weisfeeit. Dort lanben Don beiben Seiten bes
mittelmeeres bie Rationen unb geben ber Stabt einen internationalen Gfea=
ratter — in ber gefd?id?tlid?en Wirtlidjteit ift gerabe biefer Suftrom ber Bilbung
einer Gferiftengemeinbe günftig gewejen. 3n Atfeen aber ift nod? Griedjenlanb,
für ben Derfaffer alfo: Ahnung bes Unerfannten unb Begier, Heues ju erfennen
— in Wirflidjfeit war es waferfd?einlid? biefer 3ntelleftualismus, ber fid? gegen
bie fdjlidjte Botfdjaft Dom d?riftlid?en Jjeil fträubte. Aber ber Sujammenftofe
biefer Welten, ber Hadjfaferen atfeenifdier Pfeilofopfeen mit bem Prebiger
bes Güangeliums — bas eben reijt ben Derfaffer jur Darftellung, bas gibt
bem turjen Aufenthalt bes paulus in Athen in einem höheren Sinn gefd?id?t=
lid?e Bebeutung, bas ergebt bie Sjene auf bem Areopag ju fy mbolifdjer
Geltung.
Wie et felbft über Atfeen bacfete, bas hat ber Derfaffer in einer turjen
Gharafteriftit ber Stabt unb ihrer Bewot?ner gejeigt, bie ihresgleichen im Heuen
Geftament nicht hat, weber ftiliftifd? nod? inhaltlich- Dotfeer ift, in ber Weife
bes 3tinerars, bemerft, bafe Paulus in ber Synagoge unb auf ber Agora rebete.
Hun feeifet es: „Da liefeen fid? aud? einige Pfeilofopfeen doh ben Sdjulen ber
Stoa unb bes Gpitur mit ifem ein; unb bie einen fragten: ‘Was feat biefer KIug=
fdjwäfeer eigentlich ju Jagen?’, anbere erwiberten: ‘Gs fd?eint, bafe er frembe
Götter oertünbigen will’ (bas Jagten fie, weil er oon 3efus unb ber Auferftefeung
3. Paulus in fltfjen 73

prebigte). Da faxten fie ißn bet ber Ejanb, führten ißn auf ben Areopag unb
fragten if?n: ‘Können wir erfahren, was es um bie neue £ehre ift, oon ber
bu rebeft? $rembartig Hingt es, was bu uns hören läßt! Wir möchten nun
gern wiffen, was bas tjeifeen foll’. Denn alle Athener unb bie Sremben,
bie hort woßnen, nulten jede Gelegenheit, Reuigfeiten ju bereben ober
3U hören."
3u biefer farbigen Sdnlberung ber S3ene in Attjen gehört nun auch bie
£ofalifterung ber prebigt bes Paulus auf bem Areopag. Denn es ift in ber Hat
bie alte ^eilige Rlalftätte im Rorbweften ber Afropolis gemeint. $reilid? ßaben
Crnft Curtius unb Sir William Ramfay geurteilt — unb oiele ßaben es
ihnen nad?gefprod?en —, baß Paulus unmöglich biefe Rebe habe auf bem Areo=
pag halten tonnen. Der Areshügel fei ju tlein für eine Dolfsmenge; aud?
gehöre eine fold?e Anfpradje, ohne juriftifdje Begrünbung, nicht auf bie alte
©eridjtsftätte, fonbern auf bie Agora. Dort, auf bem Ularftplaß oor ber Königs5
halle, hätten waßrfdjeinlid? Sejfel geftanben, um ben IRitgliebern bes Areopag
bei Unterfud?ungs= ober Derwaltungsgefd?äften 3U bienen. Dort habe Paulus
211 fpredjen fönnen, 3wifd?en ben Areopagiten fteßenb unb bod? bas gan3e Dolf
anrebenb. Aber jenes topograpßifcbe Argument ift nicht gültig; ber Raum,
jwar nicht auf bem fdjmalen fjügel, wohl aber auf bem füböftlid? baoon
nad? ber Afropolis 3U gelegenen Sattel, wäre ausreichenb für bie 3aßl non
fjörern, bie ber Berid?t uorausfeßt. Unb überhaupt haben wir nid?t 3uerft 3U
fragen, wo paulus am heften fprecßen tonnte, fonbern wo ber Derfajfer ber
Apoftelgefdjidjte ihn fid? oorftellt. Unb ba fann nun gar fein 3weifel fein:
bas oben wiebergegebene Stüd läßt beutlid? erfennen, baß bie Wißbegierigen
il?n nid?t auf ber Agora 3U jenem piaß oor ber Königshalle führen, fonbern
baß fie fid? mit ihm ron ber Agora entfernen, baß alfo bod? ber Areshügel bie
Stätte ber Prebigt fein foll.
3ur Ausftattung ber S3ene mit £ofalfarbe gehört aud? ber (Eingang
biefer Rebe mit ber berühmten (Erwähnung ber Altarinfd?rift „(Einem unbetanm
ten Gott". Denn bas ift aus uerfcbiebenen Sd?riftfteller3eugniffen 3U fcfjlie*
ßen, baß man ben Athenern nadjgefagt hat — bewunbernb ober fpottenb —,
fie feien fo fromm, baß fie aud? unbefannten Göttern Altäre errid?teten.
Dermutlid? hanbelt es fid? babei um Weißungen an unbetannte ©öfter, mit
bem 3roed, feinen 3U übergehen. Aber was fid? an Angft ober Sorge in biefen
3nfd?riften botumentiert, bas wirb bem Areopagrebner 3um 3eugnis ber
Ahnung oon bem großen Unbefannten, ben 3U oerfünben er in bie Stabt
gefommen ift.
Die Rebe felbft (bie hier nicht analyfiert werben fann) ift barum fo merf=
würbig, weil fie fo wenig d?rif#id? ift. Don 3efus unb ber fommenben Welt=
nerwanblung wirb nur am Cnbe gefprod?en, unb babei wirb fogar ber Rame
3efu oermieben. Cs ift eine ßelleniftifcße Rebe oon ber Crfenntnis öottes1).
') Den HadpDeis ßabe id? in einem Sitzungsbericht ber I?eibelberger flfabemie ber
IDillenlcßaften geführt, ber je^t jur Deröffentlidiung fommt. |->29ff. — Die englifdje gap
74 3. Paulus in Atßen

Unb jwar von einer philofopßifdjen (Erkenntnis; benn ben Beweis für ©ottes
Dafein bilbet junädjft bie menfdjlid^e (Erkenntnis non ber finnrollen (Ein3
Achtung bes IDelilaufs unb fobann bas Bewufetfein oon ber natürlichen ®ott=
uertranbtfdjaft bes Hlenfdfen (nidjt etwa bes Cbriften!). So [teilte fidj alfo
ber Derfaffer am (Enbe bes erften djriftlidjen 3aE?rfyunberts eine muftergültige
djriftlidje prebigt unter gebilbeten Reiben nor! Das alles Ijat mit Paulus, bem
Paulus ber Briefe, fe^r wenig, bagegen feljr Diel mit ben Anwälten eines
pljilofophifd? gebilbeten dbriftentums im 3weiten 3al?rl?unöert, ben Apolo-
geten, 311 tun. Unb was fidj Ijier, feljr früh, aber fdjon feljr einfeitig seigt, ift
bie Art, wie eine djriftlidje <Itjeologie nidjt mit biblifcben, fonbern mit ptjilo=
foptjifdjen, 3umal ftoifdjen ©ebanten aufgebaut wirb. Ulan tut bem Derfaffer
unrecht, wenn man feine Rebe fo lange djriftlidj umbeutet, bis man erklären

fung (-+ 6) fährt oben nadj „Grtenntnis Gottes" folgendermaßen fort: „Der Derfaffer 6
ber Apoftelgefdjidjte, ber fie tamponiert ßat, hat fie in ber Grsäßlung oorbereftet: in bem Ijim
weis auf bie ©ätterbilber in ber Ginfüßrung ber Gpitureer unb Stoiter unb Diclteidjt audj
in ber Grwäßnung ber oerädjtlidjen Bejeidjnung „Klugfdjroä^er", mit bem bie Athener ben
Apoftel titulierten. Die pßilofopßifdjen fragen erhielten eine pßilofopßifdje Antwort, ba bas
Wiffen um Gott nidjt burdj bas Ad ober bie djriftlidje (Offenbarung begründet wirb. Die
Beweife für bas Dafein ©ottes, weldje hier wiederum aufmarfdjieren, finb uielmeljr foldje,
welche ber Pßilofopßie feit langem befannt waren. Die menfdjlidje Grtenntnis oon bet'
finnnollen Ginridjtung bes IDeltlaufs unb bas Bewußtfein oon ber natürlidjen ©ottuerwanbt*
fdjaft bes IRenfdjen (nidjt etwa nur ber Cbriften!) follten ihn überjeugen oom Dafein ®ottes
unb oon ber engen Derwanbtfdjaft jwifdjen ©ott unb IRenfcß. Unb biefe ©ottuerwanbtfdjaft
wirb belegt burdj 3itate »on einem, ober wie wir nun annehmen bürfen, oon juwi Autoren:
Gpimenibes unb Aratus.
So (teilte fidj alfo ber Derfaffer am (Enbe bes erften djriftlidjen Jahrhunderts eine mufter*
gültige djriftlidje predigt unter gebildeten beiden oor! Das alles hat mit Paulus, dem Paulus
ber Briefe, (eßt wenig ju tun. Gr predigt das Paraboj oon ©nade unb ©tauben; bie Areopag* 7
rede dagegen fpridjt oom gefunden nienfdjenoerftand Paulus bat es ju tun mit der (Offen*
barung in Gßrifto, bie Rebe mit bem Hadjweis ©ottes in ber Weltorbnung unb im menfdj*
lidjen Bewußtfein. Was nadj ber Apoftelgefdjidjte auf bem Areopag oertünbet würbe,
wirb im swetten Jabrhunbert burdj bie Dertreter eines pßilofopßifdj gebilbeten Cßriften*
tums, bie Apologeten, auf eine feht viel wortreichere unb (ehr viel gelehrtere Weife wiebet*
holt werben. Diefe djriftlidje Sljeologie ift bamit inbeffen mehr ftoifdj als biblifdj geworben.
Auf (eben Soll barf man bie Areopagrebe bes Paulus nidjt fo lange djriftlidj umbeuten,
bis man ertlären tann, bergleidjen tönne ja Jdjließlidi audj Paulus einmal gefügt haben.
Die wahren parallelen 311 biefet Rebe flehen nidjt bei Paulus, fonbern bei Cicero unb Seneca
unb ihren griedjifdjen Dorläufetn. Gs fteljt gewiß außer Jweifel, baß Paulus gelegentlich
audj einem ftoifdjen ©ebantenganej gefolgt ift. Jn biefem $alle haben wir es jebodj mit
Gebauten 311 tun, bie in ber paulinifdjen Gßeologie am Raube liegen. Aber ber Derfaffer
bet Apoftelgefdjidjte beabfidjtigte mit ber Areopagrebe nidjt, Unwefentlidjes unb bloß
Situatwnsbebingtes oorsufüßren.Sie ift bie einzige fjeibenprebigt bes großen Ijeibenapoftels,
5te er mitteüt. Diefe Ssene [oll typifdj [ein für bie ^eibenmiffion.
Unb bie Ssene ift typifdj; nur baß fie nidjt typifdj ift für ben ßiftorifdjen Paulus, fonbern
für bie IRiffionsprebigt ber Generation nach feinem Gobe. Ulan fießt, in weldj unausgebil*
beter Sorm bas djriftlidje Goangelium in ben Weften^gebraut würbe; man fpürt audj, in
weldjem IRaße bie Cbeologie ber alten Kirdje mehr auf ftoifdje als auf djriftlidje Daraus*
feßungen gegründet war. Diefer Projeß bet Umbildung war notwendig, wenn bie Gebilbeten
des Römifdjen Reiches es anneljmen follten. Gs mußte in ihrer eigenen Sptadje unb in Aus*
brüden gefagt werben, bie [ie oerfteßen tonnten. Am Anfang biefes Umbilbungsproseffes
jebodj [teßt bie Areopagrebe bet Apoftelgefdjidjte — unb barm liegt ißte gefcßidjtlidje Be*
beutung." — Rüdübertragung aus bem Guglifdjen].
3, Paulus in Otljen 75

tann, dergleichen tonne ja fdjliehlid? aud? Paulus einmal gefagt haben. Die
t»af?ren parallelen 3U biefer Hebe flehen nidjt bei paulus, fonbern bei Cicero
unb Seneca unb ihren gried?ifd?en Vorläufern.
Ulan tut bem Derfaffer aber ebenfo unrecht, wenn man ihn nur als
Jeugen eines Abfalls uom (Euangelium jum Hellenismus wertet. (Jr fpürte
früher als anbere, was ber d?riftlid?en prebigt not tat, wenn fie »on ben 6e=
bildeten gehört werben follte. Unb fchliefelid? hat er bod? gefchidjtlid? recht gehabt:
benn fo, wie er es anbeutet, ift bie diriftlidje Ch^alogie ber Alten Kirdje ge­
worben.
4. Der Sept ber flpoftelgefd)irf)te 421
(„Die nädjfte Aufgabe")
1941

Unter Öen nieten Problemen öes Heuen Seftaments, öie man Ijeute als
„Pie nädjfte Aufgabe" unferer Wiffenfdiaft bejeidjnen fönnte, ftefet mir eines
vor Augen, öas öen dejt öet Apoftelgefd]id?te betrifft. Auf öiefes tjinjuweifen,
wenn aud? nur in vorläufiger unö anöeutenöer Behandlung, fdjeint mir
widjtig.
Hun wird man freilid] fragen: 3ft das Sejtproblem der Apoftelgefdncbfe nidit
genug und übergenug behandelt in den Disfuffionen über bie fjanbfdjrift D?
Aber bie $rage, auf bie id] bie Aufmerffamfeit lenten will, ift burd? bie Debatten
über ben fogenannten weftlidjen Sejt elfer jurücfgebrängt als Ijervorgeljoben
worben. (Es ift bie $tage, ob ber Sejt ber Apoftelgefd]id?te bas gleiche 3utrauen
verbient wie ber Sejt ber (Evangelien unb ber Paulusbriefe. Unb es heftest
bie Dermutung, bafe im $all ber Apoftelgefdjidjte ein befonberes literarifdjes
Scbidfal gewaltet fjabe, bas eine befonbere Art bes Heftes fd]uf unb uns swingt,
bei ber Sejtfritit ber Apoftelgefdjidjte anbers vorjugetjen als bei anderen
Büchern des Heuen tEeftanients.

1.

Aber bevor id] biefe Dermutung begrünbe, mu^ id] meinerfeits fürs auf
bas Problem bes „weftlidjen" Sejtes eingel)en. 3Q tue bas, trofebem fdjon fo
viel über bie tjanbfdjrift D unb i^re parallelen gefagt ift, weil id] glaube, bafe
bie formgefd)id]tlid;e Hletljobe nod? einiges sur Beurteilung biefer Seftform
beitragen tann.
Die formgefd]id]tlid;e IHethobe (teilt bei Sdjriften wie ber Apoftelgefd]id]te
nid?t nur bie §rage nad] ben Quellen, fonbern aud] bie $rage nad] ben „Heinen
(Einheiten" aus ber populären Srabition, bie etwa in ben Heft aufgenommen 422
fein tonnten. 3n ber Hat finben fid] in allen Seilen ber Apoftelgefd;id?te furje
(Erjäblungen verfd]iebener Art, bie jweifellos fdjon vor ber Abfaffung bes
Budjes in ben Semeinben in Umlauf waren1). IHait fiefjt bas an iljrer ge=
fdjloffenen $orm. Ulan fiel]t es aber aud] baran, bafe biefe fleinen (Einheiten
(id] nid]t ganj otjne Sd]wierigfeit in ben Sang ber Darftellung einfügen laffen.
:) Dgl. meine Abhandlung „Stilfritifdjes jut Apoftelgefdjidjte" in „(Eudjarifterion für
©untel1' 11 27—49 [->9—28].
4 Der dejt der flpoftelgef<hid)te 77

Wenn biefe alten ©efd?id]ten ihre urfprünglidje ®efd?Iof)enheit unb Ab=


runbung bewahren, fo heben fie fid] merklid] non bem fie umgebenben Hept
ab. (Es muffen alfo hie unb ba Räf]te entfielen jwifdjen bet Darftellung bes
Cufas1) unb bem Hept ber oon ihm aufgenommenen (Erjätjlungs-Stüde. $alls
nun in ber einen Heptform biefe Rähte nod] jidjtbar, in ber anbern aber ner=
bedt finb, fo ift jweifellos bie letztere bie jüngere; benn fie jeigt bie Spuren
einer ausgleidjenben Bearbeitung, bie ber anbern Heptform nod] fremb ift.
Hun fd)eint mir jur Beurteilung bes Heptes non D bie Beobadjtung
bebeutungsaoU ju fein, bafj ber D-Hept an mandjen Stellen barauf jielt, jene
Iläljte ju befeitigen ober wenigftens ju uerbeden. 3d) gebe einige Beifpiele.
1. (Eine oft behanbelte Stelle: Act. 3, 11. (Es ift eben erjählt worben,
baß ber oon Petrus unb 3ohannes geheilte £ahme mit ihnen in ben Hempel,
b. b. in ben inneren Dortjof, geht. „Als er aber Petrus unb 3ohannes feftljielt,
lief bas ganje Dolf »oll Staunen ju ihnen bei ber fogenannten $alle Salomos".
Diefe Ejalle liegt am (lempelpla^, aber nidit im Dorhof. (Es müfjte alfo erjählt
werben, bafe bie Apoftel mit bem Oeljeilten ben Hempel nerlaffen. Die Aus=
laffung ift aber ju begreifen, benn mit D. 10 fdjlofj offenbar bie alte (Erjäblung;
was D. 10 fteht, ift ber typifdie Sdjlufj ber Wunbergefdjichte mit ber $eft=
ftellung bes (Erfolges. Die Rebe bes Petrus wie bie bajugehörige (Einleitung
423 hat £utas in einem Stil hinjugefügt, ber Diel weniger auf Hinjelheiten bebad]t
ift. Der weftlidje Hept wieberum bat biefen Anftofe befeitigt unb bas ljinausgehen
aus bem Hempel erjählt. IHan lieft bei D: „Als Petrus unb 3ol)annes hinaus^
gingen, hielt er fie feft unb ging mit ihnen".
2. 10, 25. 3» ber (Erjäl]Iung Dom Hauptmann (Eornelius, ber wid]tigften
®efd]id]te einer fjeibenbefebrung in ber Apoftelgefdjidjte, lefen wir heute
aud? bas ®efid]t bes Petrus Act. 10, 9—16. Diefe Difion will i^n jur Hifd)-
gemeinfd?aft mit ben Ejeiben ermuntern, l]at aber mit (Eornelius unb feiner
Beteurung nichts ju tun. Wenn wir biefe Derje als 3utat bes Autors ju einem
älteren Stoff betrad]ten, mufj basfelbe oon D. 27—29 gelten, bem turjen
Berid]t über bie Difion2). TRan fiebt aud] nod? beutlid), bah D. 30 bie $ort=
fe^ung non D. 26 barftellte, benn nad) ber Begrünung bes Petrus mufe Hör
nelius fagen, weswegen er ben Apoftel holen liefe. So finb burd; bie (Einfügung
ber Derje 27—29 Schwierigkeiten entjtanben, bie ber Derfaffer nicht DÖlIig
ausgeglid]en hat. Aber ber Hept ber Ejanbfd?rift D unb ber Syra Barclenfis
Ijaben fie ausgeglichen. Sie erjählen, bah ein Sflaoe bes Hornelius ausgefdjidt
wirb, ber biefem bie Ankunft bes Apoftels melbet. (Eornelius fpringt auf,
begegnet bem Apoftel unb fällt oor ihm nieber.
3. 14, 7. Der Grjählung non ben paulusreifen liegt offenbar aud) fdjon in
Kapitel 13 unb 14 ein 3tiuerar jugrunbe, ein Derjeidmis ber Reifeftationen,
Unterkünfte unb IRiffionserfolge. Diefes 3tinerar nennt in 14, 6 bie Stationen
x) 3d? bejeidjne ben Derfaffer bes Budjes mit £ufas; mit weldjem Red?t, wirb weiter
unten gejeigt werben.
*) [Präjifet ->99f.].
78 4. Der Seit ber flpoftelgefchidde

£yftra unb Derbe jufammen unb fügt h’uju „unb bort prebigten fie". £utas
will aber nod? eine ®efd?id?te aus £yftra beridpten (unb er tut bies 14, 8—18).
Der £efer muh fid? alfo, ba ber Bericht fdjon in Derbe angelangt war, für bie
folgenbe (5efd?icf?te wieber nad? £yftra 3iirüdoerjehen. IDas ber gewöbnlidpe
Sejt vorausfetjt, l?at D ausgefprodjen: „Paulus aber unb Barnabas verweilten
in £y ftra" Reifet es ba 14, 7. Aber bas ift eine nadpträglidje (trgänjung. Wenn
es ber ©riginaltejt wäre, fo würbe biefe Bewertung in 14, 6 fielen, unb bie
(Erwähnung ber Station Derbe würbe erft in D. 20, nad? Abfdjlufs ber £yftra=
(Epifobe, il?ren piatj haben.
4. 14, 18. 19. Aud? am (Enbe ber (Erjählung aus £yftra entftef?t eine Un­
ebenheit. Kaum ift bie Bevölterung oon £yftra beruhigt, finb auch fdjon bie
3uben aus ben anberen Stäbten ba unb fteinigen Paulus unb Barnabas.
Der weftlidje Se^t, hier vertreten burd? h unb bie tjardenfis, läßt bie Dolfs-
menge erft nad? fjaufe gehen, bann ift von einem Aufenthalt ber ITliffionare
in £yftra bie Rebe (bies aud? bei D), unb erft bann fommen bie 3uben aus ben
Radjbarftäbten. Aud? bies ift eine Derbefferung, aber 3weifellos eine fetun-
barer Art.
5. 16, 35. Bei bem Aufenthalt bes Paulus in Philippi ereignen fid? jwei
Dorfälle, bie im gewöhnlichen Seit nichts miteinanber ju tun haben: bie
<33efd?id?te von ben befdiämten Strategen unb bie anbere oon bem <5efängnis=
Wärter. (Es fällt auf, baß bie Strategen am IHorgen nad) ber Radjt bes (Erb­
bebens gar nid?ts oon bet Kataftrophe Jagen. Rad? bem D Sejt aber gebenten
fie bes (Erbbebens in $urd?t, unb bies wirb ber Anlafj jur (Enthaftung bes
Paulus. Wieber ift eine Raht, in biefem Sali jwifdjen jwei (Erjählungsftüden,
nadpträglidp verbedt worben.
6. Auch in 20, 12 bietet ber gewöhnlidje 3eft eine £üde, bie ber weftliche
3ed gefdjloffen hat. Sie beruht wohl barauf, bafe ber (Erjähler mit ben Worten
„fo 30g er fort" in ben Reifeberidit einlentt, währenb ber folgenbe Sah „fie
führten ben jungen Rlenfdjen Icbenb bavon unb würben nicht wenig getröftet"
nod; 3Ut ®'’fd;id;te von (Eutydjus gehört. Um ben Übergang 3U erleid^ern,
hat D einen Abfdpiebsgrufj ber um (Eutydpus bemühten £eute an ben abreifenben
Paulus eingefügt.
Diefe Beifpiele 3eigen 3ur Genüge, bafe ber weftliche Sejt bie Genbenj hat,
Unebenheiten ausjugleicben, bie fid? aus bem Kowpofitions=(Iharatter ber
Apoftelgefchichte ergeben. (Es finb Derhefferungen bes Sejtes, nidpts anberes,
unb fie ctweijen aufs beutlidjffe ihre fefunbärc Art; benn es ift unbentbar,
bafe ein Bearbeiter ben umgetehrten Weg eingefcblagen unb ben weftlid?en
in ben gewöhnlichen Sejt umgefdjaltet hätte.
Rod? beutlidjer wirb biefer fetunbäre (Iharatter an gewiffen nadpträglidjen
Korrefturen, bie ber weftlidje Heft anbringt, um facblidje Sdiwierigteiten bes
gewöhnlidjen Sejtes ju befeitigen. (Eine folche Schwierigkeit befteht im ägyp=
tifdpen Heft 3. B. 15, 33 infolge ber Angabe, bafs 3ubas unb Silas beibe von
Antiodjia nad? 3erufalem jurüdreifen. Das ift nidpt gut niöglid?, benn 15, 40
4. Der Seit öer flpoftelgefdjicbte 79

ift Silas in Antiod;ia. Hun bietet öer weftlidje Hept öie Hadjricbt 15, 34, öafj
Silas jurüdgeblieben unö nur 3uöas abgereift fei (unö öiefe Befferung ift
3. S. aud) in Öen antiodienifdien Sept übergegangen). Wenn öas feine nach=
träglidje Korrettur, fonöern öas Original wäre, warum würöe öann öerDers
15, 33 erft öie Abreife beiöer beriditen? Alfo ift 15, 34 ein Ifadjtrag.
(Ebenfo l;at öer weftlidie Sept in öem Ders 12, 22 nod) nachträglich einen
Orunö öafür genannt, öafj öas Dolf öen fjeroöes in öer gefdiilöerten Weife
uerehrt: öer ®runö ift öie Derföbnung mit öen Bewohnern oon Syrus. Wenn
öas ein Beftanöteil öer urfprünglidjen Grjählung wäre, fo würöe in D. 20
öer Oegenftanö öes Streits genannt fein unö in D. 21 öie Art öer Derföbnung.
So wie öer weftlidje Sept je^t bei öen nerfdjieöenen Dertretern lautet, mad)t er
öurdjaus öen Sinörud eines unuollftänöigen, notöürftigen Nachtrags.
So fönnen wir alfo »on öem fogenannten weftlidjen Sept bödiftens einige
Cesarten aufnebmen, öie fid) aus facblidjen Orünöen als öie befferen erweifen
unö ein3eln öisfutiert weröen müffen; als Sanjes aber bat öie weftlidje Sept»
form feinen Anfprud) öarauf, als urfprünglid) 3U gelten.1)

II.
Wie ftebt es nun aber mit Öem Sept öer ägyptifdjen 3eugen, öer Septform,
öie in öen üblidjen fritifdjen Ausgaben ju finöen ift? Ss fragt fid?, ob öiefer
Sept in öer Apoftelgefd?id?te öasfelbe Dertrauen neröient, öas er mit Redd
in öen Soangelien unö öen Paulusbriefen geniefet.
3d) habe öen Sinörud, öafj fid) öie Spegeten öes Reuen Seftaments beute
alhu leidjt mit öiefem Sept abfinöen unö Sdjwierigfeiten in Kauf nehmen,
öie fie in einem anöeren Sept als Deröerbnis beanftanöen würöen. Ss fragt
fid), ob öie Überlieferung in öer Apoftelgefd)id)te wirflid) fo gefiebert ift, öafc fie
jeöen Seöanfen an Septfebler ausfdjliefet.
426 £ufas bat jwei Büd)er gefd)rieben. (Er bat fie uerfafet für einen Cefertreis,
öer nid)t öer Cefertreis öes TRarfus unö IRatthäus ift. Wenn ein Sdjriftfteller
eine Wiömung fdjreibt wie öie Cut. 1, 1—4, alfo eine Wiömung, öie nad) Stil
unö Wortwahl öem Anfang nieler literarifd?er profaner Sdjriften nah uerwanöt
ift, fo rechnet er mit Cefern, öie einen foldien Prolog verftehen unö {djä^en.
Unter öen öurd)fd)nittlid)en IRitglieöern öer Shriftengemeinöen waren öiefe
Art Cefer gar nicht oöer nur fpärlid) oertreten. (Einige gebilöete Steiften (wie
Sheophilus, wenn er wirflid) Shrift war) tarnen in Betracht, nor allem aber
fympathifierenöe, jeöod) nodj nicht getaufte Ijeiöen unö enölid) reine fjeiöen,
öie man mit fo literarifdjer Werbung ju gewinnen hoffte. Die Büd)er öes Cutas
finö öie einzigen Bücher öes Heuen Seftaments, öie mit Rüdfidjt auf foldre
Cefer gefchrieben woröen finö.
») [(Einiges Weitere jum „weftlidjen" Sept in der Besprechung oon Ja^ns flcta=
Kommentar, dfjeot. £it. Jeitg. 47, 1922, 3f. (Ebenöa S. 450 (Befptedping öes 2. Seils)
weröen als oerbefferte flahtfiellen nod; 17, 19; 28, 16 genannt, jpäter (Sljeol. £it. 3eitg.
52, 1927,561 —Befpredjung oon JacffowCate, BeginningsofChristianity 13) aud; 13,6J.
80 4. Der Sep ber Apoftelgefd?id?te

Hun befielt aber ein großer Unterfdiieö jwifdjen beiben Büd?ern. Der
Apoftelgefdjidjte merft man es burd?gef?enbs an, bafe fie ein publitum voraus^
fe^t, bas an £iteratur gewohnt ift. Klan merft es an Wortwahl unb Sa^bau,
man merft es an ben eingelegten Reben, man merft es an ber Darstellung,
bie bie Sympathie ber Bebörben wie ber vornehmen Kreide gern betont.
Das £ufas^vangelium läfrt alles biefes nicht mit gleidjer Deutlidjfeit
erfennen. Der Stil ift längft nidjt fo literarifdi wie ber ber Apoftelgefd?id?te,
Reben von ber bort gebotenen Art fehlen ganj (benn bie predigten 3efu
hefteten aus überlieferten Sprudjgruppen). Das tufas^vangelium beruht
ja aud) längft nid?t in bem TRafe wie bie Apoftelgefdikbte auf felbftänbiger
iiterarifdjer Arbeit, fonbern fdUiefot fid? bem in ben <5emeinben bereits ge=
prägten (Eypus ber doangelienfdjrift an unb bringt ben überlieferten Stoff
bes Sehens 3efu, allerbings in neuer unb eigenartiger Rebafticn.
EDeil es aber als ©anjes nidjt von bem üblidjen (Eypus abweid?t, barum
ift bas £utas=<Evangelium von ben d?riftlid?en (Semeinben begierig aufgenom=
men worben. (Es gab alfo halb Semeinben, bie ben erften „Banb" bes lutanh
fdjen Wertes als „Das (Evangelium von3efus dl?riftus'' befaßen unb benutzen.
Richt bas gleidje gilt von ber Apoftelgefd?id?te. (Es beftanb woljl bas Be=
bürfnis, jeber diriftlid?en ßemeinbe bie bisher burd? prebiger unb £et?rer
weitergegebene (Erabition von 3efus aufgefdirieben jur Derfügung ju ftelien.
Aber es beftanb nid?t bas gleidje Bedürfnis für eine Darftellung, wie fie bie
Apoflelgefd?id?te bot. Wir müffen alfo anneljmen, bafe in ben erften jwei
Dritteln bes jweiten 3at?rl?unberts bie Apoftelgefdjidite nid?t ju ben firddidjen
£efefd?riften gehört. Sie wirb in jener Seit im tirdjlidjen Schrifttum, foweit
wir feljen, nid?t jitiert; aud? I?at fie IRarcion nid?t in feinem Kanon. Dielleidjt 427
I?at er fie als einzelne Sd?rift gefannt — bas wäre fein Wunber, ba er felbft
ja ber Bilbungswelt näf?er ftet?t —, in biefem §all aber bat er fie abgelehnt1).
Den djriftlidjen (Jemeinben ift bas Bud? nod? nidjt vertraut.
Das £utas=<Evangelium aber fütjrt in jener 3eit vermutlid? eine hoppelte
(Ejiftenj. (Einmal gehört es mit bem jweiten „Banb", ber Apoftelgefd?id?te,
jufammen jenem literarifd?en £efepublifum, bas fd?on djaratterifiert würbe.
Auf bem „Büdjermartt" trug es wat?rfd?einlid? ben (Eitel, ber bem bes jweiten
Banbes entfprad?, alfo Ilpä^e:; ’lrjaoO. Dor biefem (Eitel mag im ©enitia
ber Karne bes Derfaffers geftanben haben. Denn es ift fd?wer benfbar, ba^
jwar ber Abreffat ber Wibmung mit Ramen genannt, ber Derfaffer aber
verfd?wiegen würbe. Diefe Überlegung mad?t es glaublid?, ba^ ber fird?Iid?en
(Erabition über ben Derfaffer im Sali bes £ufas fehr viel mef?r Wahrfd?einlicb-
feit jujumeffen ift als fonft. Denn beibe Sdjriften, (Evangelium wie Apofteh
gefd?id?te, finb bem literarifdjen Publitum von Anfang an mit bem Derfaffer
namen bargeboten worben.
Die in ffioobfpeebsflusgabe ber Apologeten genannten Stellen ber flpoltelgefdjidjte
[inb md?t wirtlich jitiert; es l?anbelt fid? um Derwanbtfd?aft ber Stoffe. Über lllarcion fie^e
fjarnad, lüarcion 1921, 152*f.
6. Die Hpoftelgefchidüe als (5ef djidjtsquelle
1947

67 Pie eiferte djriftlidje Schrift, bie fid; um eine gefdjidjtlidje Darftellung be=
müht, ift bie flpoftelgefd^idjte. Die (Evangelien geben aneinanbergereifete Über=
lieferungen non gefd?id?tlid]en Dingen wieber; erft bie Apoftelgefdjidjte ver=
fudjt, aus überliefertem ®ut bie 3Ufammenfefingenbe Darstellung eines gefdjidjP
iidjen Ablaufs ju hüben. Dafe bies nidjt ber lefete 3wed bes Budjes ift, bafe es
barüber hinaus auch prebigen will unb geigen, was ber dferiftenglaube ift unb
weldje Wirfungen er feat, wirb bem £efer an mannen dinjelbeiten, nor allem
aber an ben Reben flar. ©erabe biefer Doppeldjaratter feat non jeljer, feit es
eine tritifdje Bibelwiffenjdjaft gibt, bem (Erforfdjer ber Apoftclgefdjidjte bie
§rage aufgenötigt, weldjen Wert bie Schrift als Sefdjidjtsquelle befifee. Dabei
ift man nielfadj in fubjeftiven (Erwägungen fteden geblieben; man feat etwa auf
bie Unwabrfdjeinlidjfeit gewißer Sjenen nerwiefen, 3. B. barauf, bafe fowofjl
Stepljanus wie Paulus nor tobenben Dolfsmengen noefe lange Reben halten,
ober barauf, bafe Paulus gegenüber ben 3ubend;riften in Jerufalem eine nadj=
giebige Jjaltung einnehme, bie man ihm unter feinen Umftänben 3utrauen
fönne1). Bei biefem Derfabren madjt aber imSrunbe feber Krititer feine per=
fönlidjen Dorftellungen non 3eiten unb (Efearatteren 311m Rlafe ber Dinge —
unb bas ift ein gefährltdjes Unterfangen. Die „formgefcbicbtlidje'' Betrachtung,
bie aus $orm unb Stil ber Überlieferung auf ihre fjerfunft unb iljre (Eniftebungss
bebingungen fdjliefet2), verfudjt, auf ihre Weife mittels Beobachtungen von
einer gewiffen Allgemeingültigfeit ju minber fubjeftiven unb jeberjeit nadj=
prüfbaren Wafeftäben ber ©efdjidjtlidjfeit ju gelangen.
Dabei müffen nod? vor feber fpejiellen Analyfe ein paar allgemeine Dor
ausfefeungen über bie Arbeitsweife bes Derfaffers gewonnen werben. Ridjts
in feinem Buche beutet barauf l?in, bafe ber Autor bei ber Abfaffung bereits
Dorgänger gehabt hätte. 3” feinem (Evangelium fpridjt er von „vielen", bie
basfelbe unternommen hätten (£uf. 1, 1), feier fdjweigt er bavon. (Es ift audj
aus inneren ©rünben waferfdjeinlidj, bafe er als erfter biefen Weg betrat. Denn
bie Überlieferungen von 3efu Worten unb laten in einer Schrift 3ufammen=
$0 ') Bejeidjnenb für bas fein unb lüieber biefer Erwägungen finb bie Darfteliungen
non Eb. Hieyer, Ursprung unb Anfänge bes Eljriffentums III 1923 unb Alfred £oify,
Les Actes des Apötres 1920 fowie ber leiste beutjdje Kommentar non Otto Bauernfeind
1939.
2) Jd> feabe biefe Betradjtungsweife auf bie Rpoftelgefdjidjte juerft in bem Eudjattfie*
rion für ©unfel II 1923, 27—49 (Siilirittfdjes jur Apoftelgefdjidjte) (->9ff.) unb in meiner
Eefdjidjte ber urdjtifdidjen Citeratur (Sammlung Söfdjen) II 1926 angewandt.
92 6. Die flpo(telgefd?id?te als ®e[c!ji$ts<]uelle

3ufaffen, war eine Aufgabe, bie ber urdjrifllidjen ©emeinbe nahelag. Aber bie
©ejd?id)te ber älteften ©emeinbe ju fdjreiben, von ihren Koten unb »an ihren
Konfliften ju berichten, ihre Ausbreitung bis nad? Hont bin barjuftellen unb
bie Aufnahmebereitfchaft ber tjeiben ebenfo wie bie verftodte Ablehnung feilens
ber 3uben 3U er3ählen, bas alles tonnte jenen (Lfyriften unmöglid; naheliegen,
bie bas Weltenbe erwarteten unb webet Reigung nod? Säljigfeit 311 litera*
rifcher Arbeit hatten. Wer bas tat, mufjte fd?on fähig fein, umlaufende ®efdnd?=
ten über bie Apoftel mit ertunbeten Rachridrten 3U verbinden unb biefen ver*
fd?iebenartigen Stoffen burd? eigene Arbeit einheitliche Ausrichtung, Würbe
unb Weihe 3U verleihen.
So ift an ber Apoftelgefdiidjte in weit höherem ©rabe als am Cutas*
(Evangelium bes Derfaffers literarifdje $ähigteit beteiligt. Damit ift eine weitere
(Erfenntnis gewonnen. Diefes Werf ift nicht nur für bie Shriftengemeinben ge=
jdjrieben, bie 3um großen Heil nod? aus Armen unb Ungebilbeten beftanben,
jonbern aud? für ©ebilbete, fie feien f?eiben ober dliriften: nur fie tonnten bas
gan3e Unternehmen wirtlich würdigen. Diefe Beftimmung bes Budjes für einen
„höheren" tefertreis jeigt fid? aud? in (Edelheiten. Die Wort für Wort über*
legte unb ftilifierte Sdjilberung Athens, bie bie Areopagrebe bes Paulus ein*
leitet, bie von einheitlichen apologetifdien ©ebanfen burd?3ogenen Rebe* unb
Derhörsfjenen Act. 22 bis 26, ber in einem „Dölfertatalog“ angebeutete weit*
miffionarifdje tjintergrunb ber pfingftgefd?id?te — wer anbers tonnte bas alles
in feiner vollen Bebeutung verftehen aufjer bem gefaulten £efer? (Endlich war
bie literarifd? ftilifierte Wibmung an tCbeoptjilus (Act. 1, 1.2) für bie ©haften*
gemeinbe relativ unwefentlid? — bie (Evangelien bes ITlartus unb Diatthäus
haben ja aud? teine fold?e (Einleitung —; fie war offenbar für bie beftimmt,
bie aud? fonft Bücher mit fold?en Widmungen 3U lefen gewohnt waren. Wenn
man fidj biefen Unterfdjieb 3wifd?en ben (Evangelien bes ITlartus unb ITlatthäus
einerseits unb ben beiden £ufasfd?riften, (Evangelium unb Apoftelgefd?id?te,
anbererfeits vergegenwärtigt, wirb es äu^erft wahrfcheinlid?, ba^ biefe beiden
Schriften von Anfang an mit bem Derfaffernamen ausgeftattet waren; man
tann nidjt gut 3wei Büd?er bem üljeopljilus wibmen unb felbft als Autor im
Dunteln bleiben. Auf bem Büdtermarft, auf ben biefe Schriften im ©egenfah
3U anbern urchriftlidjen offenbar norgedrungen finb, ^ie^en fie wahrfdjeinlid?
„Des £utas Säten 3efu" unb „Des £ufas Säten ber Apoftel". Wir müffen alfo
damit red?nen, bafe £utas, ber nadjKoI. 4,14, philem. 24(11. Sim.4, 11) eine
3eitlang Begleiter bes Paulus war, wirtlid} ber Derfaffer ber Apoftelgefd?id?te ift.
Damit ift für bie $rage ber ©efchid?tlid?teit nod) nid?t fo viel gewonnen,
wie ber IHenfd? von heute ju glauben gewohnt ift. Der antife Sdiriftfteller
tann aud) ©reigniffe, bie er erlebt hat, anbers barftellen, als er fie erlebt hat
wenn er baburd? bie Ausrid?tung unb Bebeutung bes ©efdjehens anfchaulid?
madjen tann. 3unäd?ft ift 311 fragen, welches ITlaterial ber Autor verwendet hat.
3m §alle ber Apoftelgejd?id?te meint ein Seil ber $orfd?er bie Satfadje voran*
ftellen 3U müffen, bafe bie Reifen bes paulus ftredenweife im Wir=StiI er3äl?lt
6. Die HpoftelgeTdjidjte als Sefdjidjtsquelle 93

werben1). Aber bei einem Derfaffer, ber fein IRaterial fo gut »erarbeitet, ift es
nicht al^u watjrfdjeinlidj, bafe man eine Quelle — wörtlidj ahgegrenjt wie im
Alten deftament — aus bem dort follte IjerausIÖfen fönnen, aufjerbem gleichen
bie Wir*Stüde ben Sie*Stüden fowoljl im Wortfdja^2) wie im Stil. Woljl aber
mufe angenommen werben, ba^ bem Eufas als Quelle für bie Paulusreifen
ein Derseidjnis ber Reifeftationen »orgelegen ^at, benn er notiert aud? belang*
lofe Stationen. 3n biefem Jtinerar waren anfdjeinenb audj Bewertungen über
Aufnahme, (Saftfreunbe, dätigfeit unb (Erfolg enthalten, bie fidj jebodj gegen*
über ber Bearbeitung burdj Eufas nidjt immer genau abgren^en taffen. 3n
biefem ©erippe »on Act. 13; 14; 15, 36 bis 21, 18 tjaben wir alfo eine Quelle
elften Ranges oor uns, gleidjviel ob in ber erften ober britten Perfon erjäljlt
ift. Denn bas»ietberebete „wir", in bem man früher unter bem (Einfluß mobern*
tjiftoriftifdjer ©ebanfen bas urfprünglidjfte (Element bes ganjen Reifeberid?ts falj,
ift bodj »ielleidjt erft bei ber Derarbeitung »on Eufas eingefügt worben, um
feinen eigenen Anteil an ben Reifen bes Paulus ju fennjeidjnen.
Wie tjat Eufas nun biefes 3tinerar »erarbeitet? (Er fjat es erftlid? burdj
(Sefdjidjten aufgefüllt, (Sefdjidjten fefjr »erfdjiebenen Stiles unb, wie baraus
ju fdjlie^en, aud? »erfdjiebenen gefdjidjtlidjen Wertes. Da^ fie Jutaten bes
Derfaffers finb, läfet fidj gelegentlich an ber Art iljrer (Einfügung mit ljoher
Waljrfdjeinlidjfeit beweifen3). Olaubwürbigfeit ift foldjer »olfstümlidjen Über*
lieferung natürlich nidjt für jebe (Einjelljeit jujufpredjen, ift iljr aber im ganjen
auch nidjt »on »ornljerein ju »erweigern. Sobann fjat Eufas Reben eingefügt —
unb bamit rühren wir an ein großes dljema, bas nur im Sufammentjang mit
ber antifen ®efdjidjtsfdjreibung beljanbelt werben fann4). ^ier mag es genügen
ju jagen, bafe fowofjl inljaltlidje Kritif wie ber Dergleid? mit ben Reben antiter
ljiftorifer jeigt, bafe biefe Reben feine (Befdjidjtlidjfeit beanfprudjen — bas
jdiliefct nidjt aus, bafe einmal eine wirflidje 3ntention bes Rebners »erarbeitet
worben ift. Diefe Kritif gilt bann aber audj ben Derteibigungsreben bes Paulus
Kap. 22 bis 26, bie jufammen eine feljr wirfungsuolle Apologie ber jungen
Religion ergeben, nur — wie bie Paulus-Briefe beweifen — nidjt in ber Art
bes wirflidjen Paulus. (Ebenfo fallen aud? bie peftus=Reben bes erften deils
unter biefes fritifdje Urteil, bie eine Art urfprünglidjer (Semeinbetljeologie in
meljrfadjer Dariation enthalten. Die datfadje, bafe Apg. 13 bem Paulus eine

69 *) Wenn öer Seefaljrtsberidjt, wie fid? jeigen wirb, eine nöllig anbete Beurteilung
oerlangt, finb es nur bie Derfe 16,10—17; 20, 5—15; 21, 1—18, bie für eine „IDwQuelle"
in Stage fommen, alfo ein ganj Heiner Seil bes Beridjtes über bie Rliffionsteifen bes Paulus
(13—21).
s) Diefer Radjweis aus bem Eepton ift guerft »on flbolf »an fjarnad, Eufas bet flrjt
1906, geführt worben.
3) Das jtinerar füljrt Upg. 14, 6 nadj Eyftra unb gleich weiter nach Derbe. Um eine
Sefdjidjte aus Ey[tra einfr^ieben ju fönnen, mu^ Eufas auf biefe Station ausörürflid? jutüd*
greifen.
4) 3dj habe am 19. Jebruar 1944 in ber ^eibelberger fUabemte ber Wiffenfdjaften
eine flbljanbiung „Die Reben ber flpoftelgefdjidjte unb bie antite ©efdjidjtsfdjreibung"
corgetragen (->120 ff.).
94 6. Die flpoftelgejdjidjte als ®efd;id?tsquelle

äßnlidje prebigt in ben Munb gelegt wirb, beweist, baß £utas es bei biefen
Reben nid;t etwa auf perfönlidje dljaraflerifti? abgefeßen bat. (Endlich bat £ufas
bas Jtinerar nod) mit turjen Rad?rid;ten verfeßen, bie feinen (Erfunbungen,
bisweilen aud; woßl einfad; feinen Überlegungen 3U verbauten finb. Das finb
feine alten Überlieferungen, roobl aber Mitteilungen eines funbigen Mannes
über bas, was et in (Erfahrung bringen tonnte.
Dajg foldje gefämmelten Racßricbten ben Mangel guter Überlieferung nidji
erfeßen fönnen, merft man am erften Heil bet Apoffelgefdjidjte Kap. 1 bis 12,
bem eine quellenmäßige ©runblage, ein „gaben", wie ibn für Kap. 13 bis 21
bas 3tinerar liefert, vollftänbig fehlt. Cs gibt minbeftens fein pßilologifdjes
Kriterium, bas uns erlaubte, in biefem (Teil eine einheitliche Quelle nadjJU’
weifen. Wir finb alfo auf überlieferte Cin3elgefd;id)fen uon feßr ungleid;em
Wert angewiesen, bie gewiffe Begebenheiten aus ber ©emeinbe 3U 3erufalem
unb ber prebigttätigfeit bes Petrus wiebergeben, jumeift im Stile ber £egenbe,
b. h. mit Betonung bes IDunberßaften unb bes frommen Cßaratters ber ßan=
belnben perfonen. Drei non biejeu Zahlungen hat £ufas bura; bie öinfdjab
tung oon Reben unb burd) Sdjaffung von Detbinbungslinien nad; rüdwärts
unb vorwärts 3U großen Kompofttionen ausgerveitet. Die Pfingftgefdjidjte
2, 1 bis 41, bie eigentlid; bas erfte Auftreten bes efftatifdien „3ungenrebens"
in ber ©emeinbe berichtet, wirb burd? bie Auf3äßlung ber Dölter, benen bie
5ußörenben entflammen, 3um llrbilb ber IDeltmiffion, vorbereitet burd; eine
IDeisjagung bes Auferftanbenen, ausgehend in eine erfte Sdjilberung bes ©e=
meinbelebens. Die Belehrung bes (Cornelius 10, 1 bis 48, wirb bem Autor quin
grunbfaßlidjen Sali einer ^eibenbetebrung, burd; eine Difion von Sott iegi=
timiert unb barum aud; fpäter (15, 7) als maßgebendes Beifpiel betraditet.
Das Stepßanus=Martyrium 6, 8—8, 2 ift burd; eine große Rebe —ein Beifpiel
ber Rebefunft bes erften Märtyrers — ausgeweitet worben; nad; rüdwärts ift
es mit einem Konflitt in ber ©emembe, nad; vorwärts mit ber Derfolgung,
bie bas (Evangelium ins £anb trägt, verbunben; außetbem ift hier ©elegenßeit,
ben Paulus ein3uführen, beffen Befel;rungsgefd;id;te alsbalb e^äljlt wirb. Mit
großer Kunft ßat £utas alfo einen Reichtum oon Be3iehungen gefd;affen unb
damit aus einem ileinen Stüd ©emeinbeüberlieferung, bem urfprünglidjen
Martyrium, wirflid; ©efdjicßte erfteßen laffen.
Allerdings fann er bod; ben Mangel eines „gabens" in biefem Heil nießt
erfeßen. 3nfolgeöeffen feßlt für biefen Seitraum bie Chronologie, unb ber Ab=
ftanb ber Betehrung bes Paulus von 3eju Krei^igung fann von ber ApofteK
gefd;id;te aus aud; nießt annähernd beftimmt werben. Aud; eine 3ufammen=
hängenbe quellenmäßige Darftellung ber ©emeinbeentwidlung fann £ufas nießt
geben. Statt beffen ßat er überlieferte Cin3elgefd;id;ten unb (Einjelnadiridjten
— wie bie von jenem Konflitt ober von ben erften Jjeibenbeteßrungen 3U
Antiocßia — miteinander verbunben unb burd) eingefdjobene jwifdjenbemet'
fungen daran erinnert, baß alles Berid;tete im gluß einer Sntwidlung fteßt.
Dabei fönnen ißm widjtige Cntwidlungsfaftoren entgehen. So ßat er 3. B. nid;t
6 Die flpoffelgefcßidite als ©efdjidjtsguelle 95

gefdjilbert, rote es ju ber Autoritätsftenung ber „Presbyter" unb bes Jatobus,


bes Brubers Jefu, in Jerufalem gefommen ift. (Es ift aud? ntöglid?, öaß er
richtige Racßriditen am falfdjen ©rt einftellt; bas bürfte von ber Kollettenreife
11, 30 unb bem fogenamiten Apoftelbetret 15, 23—29 gelten, bie beibe nad) bem
Jeugnis bes ©alaterbriefes nidd an bie Stelle gehören, bie £utas ißnen anweift
Wäßrenb wir bie IRöglidjfeiten unb bie Arbeitsweife bes Autors bis
Kap. 26 einigermaßen ju überbliden glauben, werben wir bei ber Beurteilung
bes Beridjtes non ber Seereife nad? Rom am (Enbe bes Budies feßr jurüd-
ßaltenö fein müjfen. (Er erjäßlt im WirStil $aßrt unb Sd/iffbrud? mit einer
gülle von nautifdjen (Einjelßeiten — unb aus biefem ©runbe ßat bie ältere
Kritif, bie nur an ben Dorgang benit unb nidjt an ben Beridjt, biefer Dar=
Stellung befonbere ©laubwürbigfeit jugefprodien1). Aber non Paulus ift nur
in Heinen (Epifoben bie Rebe, unb biefe fdjeinen bem Saßrtberid)t nadjträglid)
eingefügt 311 fein2). (Eine wirtlid) literarifdje Kritif) wirb vermuten müffen,
baß bie nautifdje Darftelhmg aus ber titeratur unb ißren 3aßIreid;enSeefaßrtss
berieten entnommen ift unb nidjt aus ber (Erfahrung.
So jeigt fid; ßier nod) einmal ber Unterfdiieö ber älteren unb ber neueren
Betradjtungsweife. (Es tommt aud? bei ber Quellenfritif ber Apoftelgefdjidjte
barauf an, baß man nidjt von vornherein mit Sadjtritif, mit fragen nad} lHög=
[idifeit ober Unmöglicßteit bes Dorgangs, an ben Gejt ßerangeßt, fonbern 3m
nädjft fragt, was ber Autor beabfidjtigt unb mit welchen IRitteln er arbeiten
tann. £ufas will wie im (Evangelium fo aud) in ber Apoftelgefdjidite (Evangelift
fein, will Sottes $üßrung ber diriftlidjen Semeinbe im Raßmen ißrer Sefdjidjte
barftellen. Als einheitliche fcßriftlicße (Quelle bat er woßl nur bas Jtinerar bes
Paulus 3Ut Verfügung gehabt; fonft ßat er fid) mit umlaufenben ©efdjidjten
unb ertunbeten Rad}rid)ten behelfen müffen. Jßre Sruppierung, Derbinbung
unb Durdjleudjtung — biefe vor allem mittels ber Reben — ift feine fd)rift=
ftellerifdje £eiftung. Auf ißr berußt aud) ber tßeologifdje (Ertrag bes Budjes:
bie (Erfenntnis, baß biefer Weg bes (Evangeliums Sottes Weg war. Die ge=
fdjiditlidje Juverläffigfeit ber Apoftelgefd)id)te aber ift von Sali 311 Sali 3U er=
meffen, jeweils nad) bem IRaterial, bas £ufas verarbeitet ßat unb bas bie neuere
literarifdje Betracßtungsweife vielleicht beffer ertennen unb bewerten leßrt als
bie alte, bie nur nad) bem (Erjäßlten fragte unb nid)t nad; ber Art her (Erjäßlung4).
0 So Jülid) tr•§afd?er, (Einleitung in bas Reue dejtament 1931, 437.
2) Dgl. Set. 27, 43.44: Der (Eenturio will bas leben bes Paulus erhalten, oerhinbert
baruni bie beim Sdjiffbrudj geplante (Ermordung aller (befangenen unb ßetßt bie Schwimmer
an £anb feßwintrnen, bie anberen fid? auf Sdnffstrümmern retten. IDas aber Paulus
tut, wirb nid?t gejagt. Die IDorte „ber ben Paulus retten wollte" finb alfo offenbar in einen
fertigen Bericht emgefügt.
3) Sie würbe fdjon non Paul Wenblanb, Urdjriftl. Siteraturformen 1912,324 unb ID eil»
fjaufen, Krit. flnalyje bet Hpoftelgefdpdjte (®ött. Rbßanblungen 1914, 2) 53f. begründet.
*) |Der lüert ber Apoftelgefdpdjte als ©efcßidjtsquelle wirb oon Dibelius nochmals
turj beßanbelt in bem pofthum erfdyenenen, oon ID. ©.Kümmel ju (Enbe geführten
unb herausgegebenen Bänbd?en „Paulus" (Sammlg. ffiöfcßen Bb. 1 Ibü) 1951, 12—15.
5. 61 ff. gibt Dibelius unter tombinierenber Derwenbung oon pauIus^Briefen unb flpofteD
gefeßießte eine Darstellung ber lUiffionswirtfamleit bes flpoftels].
7. Die Beteurung bes Cornelius 50
1947

Die ®efd)id)te oom Centurio Cornelius Act. 10, 1—11, 18 hat offenbar für
bie Apoftelgefd?id;te befonbere Bebeutung. Das jeigt bie ausfüljrlidje Apologie,
mit ber Petrus fein Derbalten vor ben Jubendjriften in 3erufalem redjtfertigt,
bas jeigt aud} ber Had}brud, mit bem fid) bie beiben Rebner bes „Apoftel*
tonjils", petrus unb 3aiobus, auf bie Befeurung bes Cornelius berufen als
auf bie entfdjeibenbe Kunbmadiung ber fjeiben=Annahme burd) Cott. IDarum
ber Derfaffer ber Apoftelgefd?id)te — id) nenne ihn £ufas, f. meine Cefd?. b.
Urdjr. £it. I 46f. — biefe ©efdjidjte fo begünstigt, ift ein Problem; es fann nur
beurteilt werben im Sufammenfjang mit ber grage, über weld)en Stoff £utas
verfügte unb mit welchen Hütteln er ibn bearbeitete.

I.
Die ®efd)id)te vom Centurio Cornelius ift 3weifellos nidjt oon £ufas er*
funben. Denn er hat fie burd) Jutaten bereichert, bie als foldje fenntlid) finb,
ba fie 3um Ceil von ber eigentlidjen ©efdjidjte abftedjen. Die ©efdjidjte felbft
mufe aus ber Überlieferung — vermutlid? ber nad? ©rt unb 3nbalt befonbers
intereffierten bclleniftifdieu ©emeinben — ftammen. Wir fragen junädjft, in
weld)er IPeife £utas fie bearbeitet hat.
1. 3ur Bearbeitung gehört fidjer bie redjtfertigenbe Rebe, bie Petrus vor
ben Autoritäten in 3erufalem hält, weil bie 3ubend?riften il)U wegen Umgangs
unb Cifd)gemeinfd?aft mit fjeiben befd)ulbigen. 3n ber Crjählung felbft fpielt
bie Cifdjgemeinfdiaft gar feine wefentlid)e Rolle. Cornelius ift in bet alten
Überlieferung ein fjeiöe, aber ein frommer unb gottesfürd)tiger, ber um biefer
Dorjüge willen oon Gott einer befonberen, burd) einen Cngel überbradjten 51
Botfdjaft gcwürbigt wirb. Die Überlieferung rebet mit aller Sympathie oon
ihm unb bürfte es faum auf eine Selbftoerteibigung bes Petrus wegen feines
Umgangs mit biefem Hlanne abgefehen hoben. Diefe Red)tfertigung hat je*
manb hinsugefügt, ber ber ©efd)id)te prinjipielle Bebeutung geben wollte.
Das tnufj nad? 11, 1—18 für £ufas angenommen werben.
Der Bericht bes Petrus unterfdjeibet fid) von ber Crjählung in Kapitel 10
in verfdjiebenen Cin3eIheitenI), vor allem aber in einem Puntt: ber heilige
(Seift manifeftiert fid) — in $orm ber Cloffolalie — an allen heibnifdjen 3u*
hörern, nad) 10, 44 am Cnbe ber prebigt bes Petrus, nad) 11, 15 „als id? eben
*) Bauerfeinb bat fie in 3t?eol. tjanötomm. V 142 [otgfäitig befprodjen.
7. Die Befeurung bes Cornelius 97

ju reben begonnen hatte". Rad? bem jweiten Bericht wäre alfo für bie Hebe bes
Petrus fein piatj. Piefer „Wiberfprudf muf) aber nicht jur Aufteilung in jwei
oerfd]iebene Quellen benü^t werben1), fonbern ift bem Sdjriftfteller 311311=
trauen. (Eine Rebe fann oon bem Autor offenbar als (Einlage ober Beigabe be=
tradjtet werben, auf bie bie $ortfe^ung ber drjäl^Iung feine unbebingte Rüd*
jid?t ju nehmen braudjt. Paf; £ufas imftanbe ift, fo ju benfen, ergibt fid? oor
allem aus ber Serreifjung bes augenfälligen 3ufammenhangs oon 6, 15 mit
7, 55 burd] bie Stephanusrebe. £utas tjanbelt babei als fdjriftftellernber ßifto*
rifer, nur eben nidjt als fjijtorifer in unferem Sinn, ber jeigen will, wie es
wirtlid? gewefen ift, fonbern als antifer Schriftfteller, ber bas Bebeutfame
heraushebt unb eoentuell burd? Reben unterftreicht. Pafe anbererfeits bie dngels*
botfdiaft an Cornelius in bem Referat 11, 14 gleid? auf bie Rettung bes dorne*
lius burd? bie Prebigt bes Petrus hinweift, wäljrenb es 10, 5. 32 nur Reifet,
er Jolle Simon holen laffen, hängt mit bem Stil jufammen: bie £egenbe felbft
oerrät nod? nicht, worauf alles hinauslaufen wirb, unb erwedt baburd? Span*
nung; bas Referat fafd Botfdjaft unb 3iel ber dngelserf<heinung jufammen.
dbenfo oertünbet 26, 16—18 bie fjimmelsftimme, bie ben Paulus belehrt,
52 aud} fdjon feinen RUffionsauftrag; in ber eigentlichen Betehrungslegenbe wirb
er 9, 15. 16 00m tjerrn bem Ananias, bei ber erften Wieberholung 22, 14. 15
burd? Ananias bem paulus mitgeteilt2).
2. 3ur Bearbeitung gehört fidier bie Rebe bes Petrus 10, 34—43. 3n einer
unter ben dhriften crjählten £egenbe oon ber Befeurung eines denturio fann
eine foldje oerhältnismäfeig lange Rebe nidit ihren piah gehabt hoben. Aud?
geigt bie Analogie ber anberen Reben in ben Acta, Safe bie Reben literarifd/e
Kompofitionen bes Autors finb, geridjtet an bie £efer, baju beftimmt, itinen
bie Bebeutfamfeit eines dreigniffes bar3uftellen ober ihnen gewiffe (Glaubens*
gebanfen einjuprägen. Qb £utas gewußt Ejat, bafe bei biefer (Belegenheit eine
Rebe gehalten würbe unb in welcher Art, wirb fich nie mit Sidjerhcit ausmadjen
laffen. ds ift aud; unwidjtig, bergleidien $ragen nad^ugehen, benn gebunben
an biefe Kenntnis wäre £ufas keinesfalls gewefen. Wir haben ja aud? bereits
feftgeftellt, bafe er fid? 11, 15 burdjaus nicht an bie datfadje binbet, bafe er
felbft eine längere Rebe mitgeteilt hat.
dnblich läfet biefe Rebe im ^aufe bes dornelius mit Ausnahme bes din*
gangs jebe Be3iehung auf bie befonbere Srage ber fjeibenbetehrung oermiffen.
Sie ift oielmehr gebaut wie bie anberen petrusreben aud? unb wie bie Rebe
bes Paulus in Antiochia 13, 16—41s): alle laffen auf bie Anknüpfung an bie
jeweilige Situation bie Ausführung eines Sdjemas folgen, bas aus Kerygma
Bauerfeinb a. a. (D. 142 übet 11, 15: ein Heft uorlufartifrfjer Irabition, bie ftatt
bet Rebe 10,34ff. nur ein furjes Kernwort enthielt.
2) IDenn fid) Petrus 11,16 auf ein 3efuswort beruft, bas nur in ben Acta, bort aber
in programmatifd}er Bebeutung, genannt wirb, fo weift aud; bies auf einen erft uom Autor
bergeftellten Sufammenhang. Das hat RIfreb £oify 3. St. ridytig gefeljen, wäljrenb für lüeII =
Raufen, Krit. Analyfe 20, bie Bebeutung oon 11,16 „unflat" ift. '
h Dgl. meine Sotmgefdjidjte bes (foang.2 15 f.
7
98 7. Die Befeurung bes Cornelius

(in unferem Sali 10, 37—41), Sdiriftbeweis (10, 43a) unb Bufemafertung (10,
42.43b) beitest. Durd] meferfadje Bearbeitung bes gleidjen Sdjemas will £utas
ben Cefern jeigen, was d?riftlid;e prebigt ift unb fein fall. Gs ift eine literarifdv
tfeeologifd?c, feine gefdjtdjtlidje Aufgabe, bie er feier wie an ben anberen Stellen
erfüllen will. Das jeigt fid? audjbarin, bafe 10, 37 beginnt: „Jfer wifet oon ber
©efd?id]te"—eine literarijdie Wenbung, bie gerabe auf Cornelius faum paffen
bürfte, ba er jwar oom Alten Geftament etwas weife, aber offenbar — wie bie 53
Derfe 10, 1—4 jeigen — nichts uon 3ejus Gferiftus1).
3. Waferfcfeetnlicfe gehört aber aud? Act. 10, 9—16 ju ber Bearbeitung bes
£utas, jene Difion, bie bem Apoftel reine unb unreine Giere jeigt unb feine
Weigerung, banon ju effen, mit bem Safe beantwortet: „Was ©oft gereinigt
feat, bas adjte bu nidjt für unrein“. (Offenbar foll bas ©eficfet bem Petrus Blut
macfeen — es fragt fid; nur, ob jum GfJen reiner Unb unreiner Giere, ober wenn
man bie Sjene bilblid? nimmt, jum Umgang unb jur Gifcfegemeinfdjaft mit ben
Epeiben. Jn unferem Gejt wirb nun 0, 28b als (Ergebnis ber Difion bie Gr=
tenntnis angeführt, bafe es feine Sdjeibung jwifcfeen (tultifd?) reinen unb un=
reinen Wenfdjen gäbe; es wirb bas ©efidjt alfo in übertragenem Sinn oev
ftanben. So feaben benn aud], mit Berufung auf 10, 28 b, bie meiften neueren
Interpreten geurteilt. Anbere, mit befonberer Gntfdjiebenfeeit Bauernfeinb,
feaben einen anberen Sinn, neben ober feintet bem bilblidjen, uermutet, nacfe
bem bie Difion bem Petrus jagen wolle: „Du barfft, bu mufet bid? gegebenen
Sails über alle Speifegebote feinwegfefeen"2).
3n ber Gat laffen fid] für biefe Deutung oerfdjiebene ©efidjtspunfte geh 54
tenb mad]en. Dor allem wirb 10, 10 erjäfelt, bafe Petrus junger befam unb
effen wollte. Das läfet erraten, bafe bie Weifung „jdiladjte unb ife" ganj fontret
gemeint ift unb bafe bie »om fjimmel tommenbe Speife, bie abficfetlid] mit un=
reinen Gieren untermifdjt ift, jum (Erfafe ber irbifdjen bienen foll. Sobann
fdjeint in ber Selbftnerteibigung bes Petrus ber Difionsbericfet 11, 5—10 bie

‘) Um oorlufanifdje Sormulietungen, bie nidjts mit ber Situation ju tun feaben, feanbelt
es fid) beftimmt. Darauf weift fd?on bas nicfet mel)r beflinierte, alfo im Uominatio „erfrorene"
apgapsva;, bas aud? Act. 1, 22 im fclben Sinn gebraucht wirb unb aud? fonft in formelhaften
IDenbungen begegnet (£ut. 23,5; 24,47). 3ubem lefen fid? biebeiben Derfe 10,3b unb 10,37,
als feien fie eigentlid? Parallelen: „Das Wort, (bas) er ben Kinbern Jftael fanbte, inbem
et ifenen £?eil oertünbete burd? 3ejus dferiftus ..." unb „il?r wifet oon ber ®efd?idite, bie fid?
jutrug in ganj 3ubaea...". Aud? bies tonnte man burd) bie fjypotfeefe ertiären, fonturrierenbe
Bearbeitungen besfelben Sd?emas feien oerfefeentlid) feintereinanber geraten, ^ebenfalls
aber ift üpscq oTbat« auffällig. Hidjts beredjtigt ju bet Annahme, bafe ilotnelius etwas
„weife".
2) Illit biefer gormulierung erlebigt fid) aud? bas etwas rationaliftifd?e Bebenfen oon
3acquiet: »II sembls que Pierre n’aurait pu parier ainsi s'il y avait eu, dans le re-
cipienl des animaux pars et des impurs. II pouvail tuer un animal pur«. Dabei ift *
bas dntfefeen bes Difionäts über bie unfeeilige IHifdjung oon rein unb unrein nidjt betüd=
fid)tigt. Dielleid)t will aud) bie lateinifdje uberfefeung oon Act. 10, 13—15, bie Auguftin,
Contra Fau-tum 31, 3 p. 758 (3yd)a) erhalten l?at, biefer rationalijtifdjen Überlegung ®e=
nüge tun. Sie läfet bie r?immelsftimme fagen: „Petrus, fd)Iad)te alles, was bu in bem Be»
kälter fiefeft unb ife es" (f. Blafe, Acta apont. secunduin formam quae videtur Komanam
1SO6, XXII unb 32).
7. Die Belehrung bes Cornelius 99

unmitfeIbare Antwort auf ben Dorwurf 11,3 311 geben, Petrus feabe mit Um
befcfenittenen 3ufammen gegeben, alfo offenbar and? Unreines. Da £ufas felbft
nadj 10, 28 b bas Eefidit anders, auf bie Trennung unter ben ITIenfdien, nidjt
unter ben Speifen, beutet, wofent anfd?einenb ber Difion oon iferem Urfprung
an eine Besiefeung auf bie grage ber Speifen inne. Kun erinnern wir uns, bafe
Petrus nadj ©al. 2, 11—14 felbft fpäter in eine 3weifell?afte Situation fein=
fidjtlid? bes Cffens geraten ift: er bat fid? in Antiodjia ba3u bewegen laffen, bie
erft oon ifem geübte Cifd?gemeinfd?aft mit ben Ejciben wieder aufjugeben.
3m Sufammenfeang mit ber Disfuffion über biefe grage mag Petrus — ober
mögen andere, bie darum wufeten — fidj auf bie Difion oon ben reinen unb
unreinen Mieten berufen feaben. Sie wäre bann ein wirflidjes (Erlebnis bes
Petrus — nefemen wir an, aus ber fpäteren 3eit, ba ber Konflitt über bie
Speifenfrage brennenb war. £ufas fdjmürfte — in weldjem 3ntereffe, wirb
fid? nod? 3eigen — bie Cornelius^Crjäfelung mit ber Difion aus unb liefe burd?
fie ben Apoftel ermutigt unb geredjtfenigt werben. Diefe ^ypotfeefe wirb burd?
eine weitere Bcobadjtung beftätigt.
4. IDenn bie Difion als Bearbeitung bes £utas ausgefdjieben wirb, müffen
bie Derfe 10, 27—29 ebenfo beurteilt werben, benn fie bejiefeen fid? auf bie
Difion, Unb nun jeigt fid?, bafe ber 3ufammenfeang wefentlid? ilarer wirb,
wenn man lefen barf: „Stefe auf! Aud? id? bin nur ein IHenfd? (10,26). 3d?
mödjtc nun wiffen, warum ifer mid? feabt feolen taffen" (10, 29b). Kad? ber
Begrüfeung bes petrus mufe Cornelius jagen, warum er nad? ifem gefdjidt bat.
Die Derfe 10, 27—29a bebeuten alfo eine ftörenbe Derjögerung. IDenn fie auf
©runb anderer Erwägungen ausgefd?iebcn werben, wirb bie Crjäfelung wefent=
tid? gefd?loffener.
Das gilt aber aud? in anberer Be3iefeung. Kad? 10, 24. 25 bat man ben
55 Cinbrud, bafe Cornelius mit Derwanbten unb greunben in feinem f?aus t?er
weilt unb, „als Petrus am Eintreten war", ifem (burd? ben Kaum, allenfalls
burd? einen ljof) entgegengefet, fo bafe ber Kniefall etwa an ber Cür fiatt=
findet. Die gortfefeung 10, 27 xal auvopaXaiv aör$ eiofjXöev Hingt barum oer=
wunberlid?, weil für ein 3wiegefpräd? gar fein Kaum ju fein fdjeint. Das ift
nidjt erft ein modernes Bebenfen; fdjon die Ausarbeitung in D unb einem Ceti
feiner Trabanten feat bie Situation erfeeblid? ueränbert: „Unb nacfebem er feine
Derwanbten unb näcfeften greunbe sufammengerufen featte, wartete er. Als
Petrus aber in bie Käfee oon Caefarea tarn, meldete einer ber Sflaoen (ber Boten
bes Cornelius aus bem 3uge bes Petrus), ber oorausgelaufen war, bafe er
(Petrus) angelangt fei. Da fprang Cornelius auf unb als er ifem begegnete ..
Kun finbet ber Kniefall irgendwo braufeen ftatt 0afen meint fogar: aufeerfealb
ber Stabt); bann gefet Petrus feinein, finbet bie Derfammelten »or unb rebet
fie an. Don bem ift in biefer Cejiform feine Kebe mefer. Cs jeigt
fid? alfo beutlid?, bafe biefes oovoptXeiv bem Autor bes „weftlidjen" Sonber
tejtes unmöglid? erfd?ien. Diefe Unmöglidjfeit ift es wofel oor allem gewefen,
bie bem Utfeeber biefer Cejtform ben Aniafe ju feiner Umarbeitung gab. So
7*
100 7. Die Belehrung bes Cornelius

jeigt fid) and) hierin wieber bie Künftlid)teit ber Situation, wie fie ber ägyp=
tifdje Sert oon 10, 27—29 barftellt; unb es beftätigt fid) abermals bie Ejypo=
itjefe, ba^ bie urfprünglidje Srjäf)lung biefe Darftellung nid)t enthielt, ba^ biefe
üielmeljr jufammen mit ber petrus-=Difion ber Sornelius'SrjäljIung oon £ufas
eingefügt ift.
B)al)rfd)einlid? ift mit biefenoier $eftftellungen bie Bearbeitet'Sätigteit bes
Cufas nicht oollftänbig umfd)rieben. Bian tönnte 3. B. fragen, ob bie juben=
d)riftlid)en Begleiter bes Petrus, bie als Seugen ber Ejeiben=flnnat)me burd)
(Sott mit nad) Saefarea wanbern, nidjt erft oon Sutas in bie Derfe 10, 23 b;
10, 45; 11, 12b l)ineingebrad)t worben finb, benn fie bejeugen 10, 45 bas, was
£ulas unterftreidjen will: baf} aud) über bie Ejeiben bie ®abe bes ©eiftes aus1
gegoffen worben ift. Sie werben aud) in bem flbfd/nitt, ber £ufas gan} }ugeljört,
11,1—18, befonbers erwähnt; babei erfährt man, baf} es fedjs finb unb bafe
fie mit nad? Jerufalem getommen finb, basSeugnis bes petrus 3a befräftigen,
IHan tönnte aud) auf ben Sd?Iuf} bes Ejauptberidjts Ipnweifen mit bem merf=
würbigen Bers 10, 48: „er orbnete aber an, bafe fie im Kamen Jefu Sljriftt 56
getauft würben1'. Bian follte meinen, ber Berid)t müffe mit bem Dol^ug ber
Saufe burd) ben flpoftel fdjliefeen. Dielleidjt ift bies erwartete Snbe aud) nur
oerbrängt worben burd) ben Sdjlufefa^: „ba baten fie il)n, er möge nod) einige
Sage bei iljnen oerweilen". Denn es ift möglid), bafe biefe Radjridjt im $alle
bes Sornelius nid)t fo belanglos ift, wie fie fonjt erfdjeinen tönnte, fonbern für
£utas me^r ausjufagen fjat, als es eine Sd)ilberung bes Saufoolljugs getan
Ijäfte. Sie 3eigt nämlid?, baf} petrus ju bem t)eiönifd)en Senturio in ein wirf®
lidjes Derfjältnis ber Sifdjgemeinfdjaft getreten ift. Die alte Sr3äl)Iung tjat »er
mutlid) mit ber Saufe gefdjloffen, bie Bearbeitung burd) £ufas aber mit bem
iKipetvac. Das füljrt auf bie $rage nad) bem Sinn biefer Bearbeitung.

11.
IDir »ergegenwärtigen uns nod) einmal bas (Ergebnis ber flnalyfe1): eine
Srjäl)lung uom Senturio Sornelius, bie in ber Semeinbe umlief, berid)tete,
baf} Sornelius burd) einen Sngel oeranlafet würbe, ben petrus aus Joppe Ijolen
3U laffen. Petrus, burd? eine Ejimmelsftimme belehrt, folgt ber Sinlabung; er
finbet Sornelius unb bie Seinen oerfammelt unb erlebt, bafe fie unter feinen
IDorten in etftatifdjes Jungenteben ausbredjen. Das nimmt er als göttliche
Betätigung i^res (Glaubens unb jögert nidjt, ben Sornelius unb feine fjaus-
gemeinfd)aft 311 taufen. £utas I?at bie Difion bes Petrus, if?re Srwäljnung oor
Sornelius, bie Rebe unb bie Reditfertigung bes petrus binsugetan, aufcerbem
0 Das (Ergebnis ftimmt im großen mit bem Bauernf einbs, ber aber auf eine »öUig
anbete IDeife baju gelangt. (Et Ijält ben Anfang ber Petrusprebigt 10, 35 für ein uotlula«
nifdjes „geprägtes Dojungsmort", finbet es im Wiberfprud? fteßenb }u 10,28, entfernt
biefen Ders jamt Radjbarn unb fdjeibet b es w egen aud; ben Difionsberidjt aus. ljier ift bas
aöllig Unfid;ere, jenes „geprägte Dofungsmort" jum flusgangspunft gemadjt — unb bamit
werben aud; bie Folgerungen unfidjet. Die Rechtfertigung bes Petrus fdjliefet Bauernfeinb
nur jum (teil aus.
7. Die Belehrung bes Cornelius 101

waferfd)einlid) ben Snfealt non 10, 48 b unb bie Crwäfenung jubendjriftlicfeer Be=
gleitet bes petrus1).
Was Ijat ben Autor ju biefer Bearbeitung bewogen? Um öiefe Srage be­
antworten 311 fönnen, rid)ten wir unfer Augenmerf 3iinäd)ft auf bie lefete Be=
5-7 feanblung ber CorneIius=Beteferung in ber Apoftelgefcfeidjte: bie Crwäfenung
beim fogenannten Hpofteltonjil. Wie ift es nur möglid), bafe in ber aus­
gebreiteten Siteratur über Act. 15 bie auffallende Befonöerfeeit biefer Dar-
ftellung faft gar nidjt 3ur Spracfee fommt? Die Cjegeten, bie immer nur an
ben Dergleid] mit Gal. 2 benten, nefemen faft feine Uoti3 oon ber befremblidjen
Ausarbeitung biefer S3ene bes „Hpoftelfonjils"! Sie gefet aus oon einer juöen=
cferiftlicfeen Befcfewerbe gegen bas Coangelium, wie es Paulus oerfünbet. Don
biefer Befdiwerbe wirb aber in bem Abfdjnitt 15, 6—18 überhaupt nid)ts mehr
gejagt; bei ber Derbanblung finb bie einigen Beben, bie mitgeteilt werben,
bie bes petrus unb bes fjerrnbrubers Satobus. petrus beruft fid] auf feine Cr=
faferung „feit alten Seiten", bafe er nad] Gottes Willen bie fjeiben 311m Coange=
lium betefert feabe. Damit feat ber Rebner an bie Cornelius=Gefd)id)te ange-
fnüpft unb ifer — als normierenber Crabition „feit alten Seiten“ — tlaffifdje
Bebeutung oerliefeen. Jafobus beruft fid) nun gleidjfalls auf bie (Erfahrung
bes petrus — alfo auf bie Befeferung bes Cornelius — unb interpretiert fie
mit altteftamentlicfeen Worten fo, bafe Gott fid) aus ben fjeiben ein Dolf ge;
Wonnen feabe. Swif^en biefen beiben Reben ftefet ber Safe 15, 12: „Run fdjwieg
bie gan3e Gemeinbe8) unb feörte 3U, wie Barnabas unb Paulus oon all ben
Seidjen unb Wunbern er3äfelten, bie Gott unter ben fjeiben burd] fie oollbrad)t
featte." Das ift ein bifecfeen wenig für ben Kernpunft ber gan3en Derfeanblung.
(Es foll entfd]ieben werben über bie Sulaffung ber fjeiben 3ur Gemeinbe, wie
fie Paulus in feiner IRiffionstätigteit feit Safeten prafti3iert. Die einigen Reben,
bie mitgeteilt werben, feanbeln aber oon ber burd] Gott beftätigten Befeferung
bes Cornelius, bie eine gute Spanne oon Saferen 3urüdliegt; 15, 7 acp’
apxalwv ift wofel mit befonberer Abjicfet in leidster Übertreibung gefagt, um 3U
58 betonen, bafe bie Cntfdjeibung oon Gott aus längft gefallen unb aucfe bem
erften ber Apoftel funbgetan worben fei. IRan fragt fid), warum biefe Cnt=
fdjeibung nidjt auf bie Streitfrage ber paulusmiffion angewenbet würbe,
wenn ber Konflift baburd) aus ber Welt 3U fcfeaffen war. Ulan fragt fid) aber
auf ber anberen Seite, warum ber eigentlid)e Streitfall, nacfebem er fo aus=
füferlid; eingeleitet ift (15, 1—5), nun aus ber Darjtellung pafee3u oerfcfewinbet,
bis auf jenen Safe 15, 12, ber aber bie wefentlidie $rage unbeantwortet läfet.
Die „Wunber unb Seicfeen", oon benen ba bie Rebe ift, tonnen als göttlidje
’) [pur Bedeutung ber Reben in ber dornelius’Ctjäfelung ugl. aucfe 139ff.]
2) 4s ift bad? bejeidjnenb, bafe biefer ganj neutrale flusbrud, ber einfad) ben Übergang
ber IDortfüferung- an jemand anberen bebeutet (ugl. 15,13 peti rd aütouj), oon
den Kommentaren mit bef anderen Deutungen belaftet wirb: „itaque antea non tacuerant"
(Blafe); „bieDorfeer in ©ppofition gegen Paulus unb bie flntiocfeener erhobene dinrede würbe
nad) biefer Rebe bes Petrus nidjt mefer taut" (U) e n b t8); „das feeifet ja nid)t nur, bafe ber U)iber=
fprudj »erftummte, fonbern aud), bafe bie 3uftimmung .... ausblieb" (Bauernfeind).
102 7. Die Belehrung bes Cornelius

Betätigungen öiejer Art fjeibenmiffion angefehen werben, aber gerabe bas


wirb nicht gejagt — unb was fjter gejagt wirb, ijt aud; jdjon in ber (Einleitung
15, 4 angebeutet. IDie relatia bebeufungslos bas Auftreten oon Barnabas unb
Saulus, bas eigentlidj bie tjauptjache fein ntüfete, ben Späteren erjditenen ift,
läfet jid) aus ber Seftfritit1), ber liferarifdien Reprobuftion ber Sjene2) unb ber
mobernen Siterartritit3) erweijen.
Die Seltfamfeit biejes Berichts ijt aber nidjt aus einer Dermtjd]ung oon
jwei Quellen nod) aus gefd]id?tlid]en Umftänben 311 beuten. Denn weber Iiterar= 59
fritiidje4) nad] Ijiftorifdie5) hlipothejen oermögen bie datfadje 3U erflären,
bafe in Ada 15 erjt non einem gefäbrltd] ausjefeenben Konflitt ersäht wirb,
ber Bericht aber bann »on bem Streitgegenjtanb oöllig*) abweicht, um jid} auf
bie (Cornelius Belehrung 3U berufen unb biefe Berufung in 3wei Reben 3U
nerbeutlichen. Jjier tann nur eine literarijdie (Erklärung aus ben ©ebanfen unb
Abjidjten bes Autors helfen. (Er — unb nicht ein Rebattor, aber aud] nidjt ber
gefd?id)tlid]e Ablauf ber Dinge felbft — will ben Streitfall ber Panlus’IHiffion
mit ber (Erinnerung an bie Sornelius-Befebrung löjen. (Er bebarf 3U öiejer (Ent3
fcheibung nidjt ber Berebfamteit bes Paulus, ber feine Rlifjionswirfjamfeit als
eine Art (Gottesurteil in bie Debatte einführen tonnte. Cutas will gerabe nidjt
barjtellen, bafe ein THenjdj — unb fei es auch ein grofeer Apo jtel — für jid] unb
fein IDerf bie (Entjdjeiöung erfämpft bat. Aud] Petrus, beffen (Erfahrung hier
als eine „tlaffifdje" herange3ogen wirb, ijt nidjt ber eigentliche 3euge. Aud] oon
ihm joll es nicht heifjcn, bafe er bie tjeibenbefehrung ohne Gjefetjesoerpflichtung
in ber Kirche eingeführt habe. Richt oon ihm, jonbern an ihmift bas gefd?ehen—
*) Der „weftlidje" dejt hat belanntlidj als (Einleitung eine nie! fdjärfere Darftellung
als bet übliche 2ed; et bejeidjnet bie (Einbringlinge als pijarifäer, läßt Paulus jid] ihnen
ausbrüdlid] wiberfeßen unb fie fdjließlich bem Paulus unb Barnabas befehlen, nad; jerufalent
ju ben Apojteln unb Presbytern 311 reifen, um fid] bort rid]ten ju laffen. Diefe „fdjärfere"
Auffaffung müßte fid) nun in ber Sdjilbetung bes Disputs 3ur Weitung bringen. Darum ift
aber überhaupt leine Rebe. Der einzige Sonbetbeitrag oon D unb (Trabanten 311t Darftellung
bes Disputs ift bies, baß Petrus „im (heiligen) Seift" gerebet habe, unb bas anbere, baß bie
Presbyter bem Petrus beigeftimmt hätten. Illit ber leßten Bemertung wollen ihre Dertreter
offenbar bie etwas abrupte gorm bes Detfes 15,12 auffüllen.
2) Ridjt nur 3tenaeus C. omn. haar. III 12, 14 reprobU3iert flet. 15, 12 nießt; ißm
fommt es ja nur auf bie Reben ber Apoftelgefdjidjte an. Sonbern aud; bie Wiebergabe
in bet Didasc. syr. 24 (Adjelis (EU Kg 10,2 5. 124, 32) unb Con-t. apostol. VI 12 »er»
Sichten auf Act. 15,12 b.
3) „Ders 12 fannin öiejer gaffung nicht »on £ufas herrühren, Was an fid] nidjt auffallen
würbe, bas gehlen ausfüßrlidjer Reben bes Paulus unb Batnabas, wirb'überhaupt erft
bemertt, ba bem Petrus unb 3atobus längere (Erörterungen in ben Rlunb gelegt werben"
(Sotof, Die dntjtehung bet Apojtelgefdjicbte 1890, 9b). Die Überflüffigteit »on 15, 12 nad]
15,4 „beweift, baß bie beiben" (Barnabas unb Paulus) „im (Brunbe nur Detoration finb
unb Ders 12 bem urfprünglidjen Bericht fremb wat" (Preufdjen, 3. St.).
4) IRan müßte fdjon annehmen, baß 15, 1—5 ber Anfang eines im übrigen »etlorenen
Beridjtes wäre, 15, 0 ff. aber eine gefonberte Darftellung. Aber bie Ejauptfrage „warum
dornelius, warum nidjt Paulus?" wäre bamit nidjt beantwortet.
s) IRan müßte annehmen, es wäre in ber CEat ber Streitfall bes Paulus burd? bie Gr»
innerung an dornelius ausgeglichen worben. Aber bagegen fprid]t entjdjeibenb bet ®alater=
btief, in bem Paulus fein Wort übet einen gall dornelius fagt.
e) ©b et ihn mit bem Apoftelbeftet wieber erreidjt, ift burdjaus bie grage; es tonnte ja
fein, baß bas Detret gat nidjt an biefen gefdjidjtlidjen fflrt gehört.
7. Die Beteurung bes Cornelius 103

burd? (Sott. „3hr reifet: Gott feot feit alten weiten unter eud? bie Gntfdjeibung
getroffen, bafe bie fieiben burd? meinen IHnnö bas Wort bes Goangeliums IjÖren
unb glauben feilten“, fagt petrus, unb „Symeon feat bargelegt, reie juerft Gott
Dorforge getroffen bat, aus ben Reiben ein Dolf 311 gereinnen feinem Hamen",
Reifet es in ber Safobusrebe. Das alfo ift ber Sinn ber Berufung auf bie Gor=
nelius^Befeferung. Sie ift nid't eine Befebrungsgefdjidjte roie eine anbere aud?,
fie feat aber aud? nidit bie Bebeutung, bie burd? eine Difion beroorgerufene
60 Grtenntnis bes Apoftels Petrus 311 beffen Derberrlicbung in ihren Konfequen3en
3U 3eigen, fonbern fie ftellt bie Offenbarung oon Gottes Willen bar, bie fjeiben
ofene gefe^Iidje Derpflid?tung in bie Kirche auf3unefemen. Diefe Bebeutung feat
bie GorneIius'Gefd?id?te, reenigftens für £ufas.

III.
Don biefem Punft ber Unterfudjung aus läfet fid? beibes überbliden: ber
Sinn ber £utas--Bearbeitung unb ber Gbaratter ber urprünglidien Gablung.
£ufas reollte 3eigen, reie fid? bei ber Gornelius^Befebntng ber Wille Gottes
bem Petrus funbgab, berfelbe auf bie Berufung ber Reiben gerichtete Wille,
beffen Derreirflidmng in mehreren (anonymen) Beifpielen 3U Antiodjia er um
mittelbar barauf (11, 20f.) 311 e^äblen beabfiditigte. f?ier aber follte bas tlaffb
fd?e Beifpiel gefdjilbert reerben, bie mafegebenbe GrfhOffcnbarung biefes
Willens. So fielet £ufas bie Gefdiidite bes Cornelius an, unb als foldje läfet er
fie burd? Petrus (dtep’ f^ep&v 15, 7) unb Satobus (zaöüg Kpwrov 6 öeög
izeaxetpato 15, 14) jitieren. Darum mufe gleid? am Anfang ber Gornelius=
Gefdjidjte non Gott ein Dlad?treort 311 Petrus gefprod?en reerben, bas ifen ben
Weg 3U ben tjeiben geben Reifet. Die blofee prebigt nor ben ©feren eines „gott=
fürditenben fjeiben" batte an fid? nod? feine epochale Bebeutung gehabt.
Philippus bat feinerlei Bebenten, 3U bem Äthiopier in ben Wagen 311 fteigen
unb ifem bie Sdjrift aus3idegen (8, Slff.). $ür Petrus bebeutet es anfd?einenb
niel mehr, in bas beibnifche fiaus hinei^ugeljen. Die Offenbarung, bie if?m
bas befiehlt, entnimmt £ufas ber Difion, bie man fid? non bem Grften ber
Apoftel e^äfelte unb bie reabrfd?einlid? überall bort berichtet reurbe, reo man
in ber diriftlidien Gemeinde über reine unb unreine Speifen bisfutierte. £ufas
aber beutete fie nidjt im Sinne ber Aufhebung bes SpeifemUnterfdiiebes.
3fem rear fie (laut 10, 28) ein Seichen, bafe Gott nid?t mefer groifchen reinen
unb unreinen lTlenfd?en unterfebieben wiffen reollte. Diefe Grfenntnis läfet
£utas benn aud? ben Apoftel ber Derfammlung im f?aufe bes Cornelius alsbalb
oortragen (10, 28f.), obgleich bie fjörer faunt bie Bebeutung unb erft redjt
nidit bie Begrünbung biefer Gebauten ahnen tonnen; um fo mehr foll ber
61 £efer barum reifjen — unb jene jubencbriftlidjen Seugen aus fjoppe, bie roahr=
fd?einlid? aud? erft £ufas bem Apoftel als Begleiter gegeben bat.
3m Sufanunenbang mit ber epod?alen Bebeutung, bie £utas ber Gefd?id?te
g'bt, ftefeen aud? bie fynroeife auf bie Gemeinfcbaft, bie Petrus mit bem heib'
104 7. Die Befeurung bes Cornelius

nifcfeen denturio eingefyt, bas auvo|itÄ<v 10, 27, bas nad? bem Jufammenfeang
fdiwer Dorjujtellen ift, unb bie non ben neuen dferiften ausgefprodjene unb non
Petrus offenbar erfüllte Bitte um bas längere Derweilen bes Apoftels, bie ben
DoIIsug ber Saufe in ben tjintergrunb gebrängt bat. Petrus foll bie neu ge=
wonnene drfenntnis oertreten, wo immer fid? bie Selegenfeeit bietet, — im
Umgang mit bem denturio wie mit feiner werbenben fjausgemeinbe. Uidit
dornelius ift für £ufas bie fjauptperfon, unb nicht fein dferijtwerben ift ber
wefentlidje 3nf?alt ber Sefdjidjte; im IHittelpunft ber Darftellung Act. 10, 1
bis 11,18 ftefet pielmefer Petrus, feine neu gewonnene drfenntnis — unb bereu
Derteibigung. Denn natürlidj ift bie dinfügung bes Abfdjnitts 11, 1—18 unter
biefem Sefidjtspunft allein oerftänölidj. Hidjt ber Slaube bes denturio wirb
geprüft, fonbern bas Redjt bes Apoftels, 3U unbefdjmttenen Wannern ins tjaus
3U geljen unb — nidjt etwa: fie 3U dfjriftus 311 befeljren, fonbern: — mit ifenen
3u effen. Unb bie neue drfenntnis wirb am dnbe bes fraglidjen Abfdjnitts aus3
brüdlidj protlamiert: „Alfo feat Sott audj ben fjeiben Bufee 3um £eben oer*
liefen" (11, 18). Das wirb in ber Apoftelgefdjidjte oertünbet, nodj benot oon
ben fjeibenbefeferungen in Antiodjia unb ben IRiffionstaten bes Paulus bie
Rebe ift! Don ber dorneIius=Bcfebrung foll bie neue drfenntnis ausgeben.
Da3u feat £ufas bie Sefdjidjte bearbeitet.
Don ben oier größeren Zutaten bes Bearbeiters £ufas (Difion, dinfüfe=
rungsworte, prebigt bes Petrus, Redjtfertigung) fdjeint nur eine mit bem feier
feeroorgefeobenen Sefidjtspunft nidjts 311 tun 3U tjaben: es ift bie prebigt
10, 34—43. Sie ift im wefentlidjen, wie bereits Seite 97f. gejeigt würbe, nadj
bem Sdjema gebildet, bas audj bie anberen Petrusprebigten fowie bie bes
Paulus in Act. 13 befeerrfcfet. Aber 3U biefem Sdjema gehört es audj, bafe am
Anfang jeher Prebigt bie jeweilige Situation berürffidjtigt wirb. Als „Situation"
begreift £ufas nun aber nicht ben Augenblid, ba dornelius unb bie Seinen auf
bie Derfünbigung bes Apoftels warten, fonbern bie drfenntnis bes petrus;
obgleidj er fie 10, 28f. fdjon ausgefprodjen fiat, mufe fie feier in Derallgemeinep 62
ter $orm wieberfeolt werben: „3n IDaferfeeit begreife idj nun, bafe Sott nidjt
mefer auf bie Perfon fiefet, fonbern ifem wofelgefällig ift, wer ifen fürdjtet unb
Seredjtigfeit übt — in jebem Dolf." Die Steigerung oon ber negativen Ausfage
(10, 28 b: es gibt feinen unreinen IRenfdjen) 3Ut pofitwen (10, 35: in jebem
Dolf gibt es Sott IDofelgefällige) ift beabfidjtigt unb barf nidjt als Segenfafe
nerftanben werben1). Wan fiefet wieber, worauf bie Bearbeitung bes £ufas
feinaus will.
l) So tut es Bauernfeind ->100, Anm. 1. Aus feinet beredjtigten tjodjfdjäfeung bes
„geprägten £ofungswortes" 10, 35 leitet er unberedjtigterweife bie Efeefe ab, biefes „Kamp*
feswort" habe fdjon nor £utas im 3entrum bet d6rnelius*<5efd]id;te geftanben, ja fei niet*
leidjt oon Petrus felbft formuliert, „ds ift nun aber fefer auffällig, bafe bies entfdjeibenbe
unb befreiende IDort bei £utas burdj einen oiel weniger wudjtigen Safe non gleichem Sinn
uorbereitet ober tidjtiget norweggenommen toirb" (10,28b). Datum foll biefer „weniger
wudjtige" Safe rebaftionellen Urfprungs fein, gübrt man aber beibe Derfe auf bie Bearbeitung
burdj £utas jurüd, läfet fidj 10, 28 b als bie aus ber Difion abgeleitete, 10, 35 als bie all*
gemein formulierte cJrfenntnis woljl oerjteljen.
7. Die Befeurung bes dornelius 105

Unb wenn and) fonft bie prebigt bes petrus feine weiteren in biefe Rid?=
tung weifenben 3üge enthält, fo uerbient bod? bie Gaifad?e unfere Aufmerffam=
feit, bafe £utas überhaupt an biefer Stelle eine Rebe einfd?ieht. (Er tut bas nur
bei (Ereigniffen, benen befonbere Betonung jutommt (Pfingften, Ejeilung bes
£ahmen, Auseinanberfchung bes Paulus mit ben 3uben in Antiochia) ober
benen er eine foldje Betonung geben möd?te. Das ift in Htfjen ber $all, wo ber
ITtiffionserfolg bes Paulus gering ift; bas Auftreten bes djriftlidjen Apoftels an
erlaudjter Stelle aber erfcheinf bem £ufas fo fymbolhaftig, bafe er es mit einer
Rebe bebenft. So ift aud? fjier bei Anlafj gefd?id?tlid? nidjt von hoher Bebeutung,
bie Prebigt nor einer tjausgemeinfdjaft, bie Befeurung eines „goitfürdftenben"
Reiben. IDir wiffen aber nun jur öenüge, wie £ufas biefe Begebenheit am
gefefjen wiffen will: als ein epochales (Ereignis, burd? bas (Sott — längft oor
Paulus unb überhaupt über alles menfd?lid?e Denfen hinaus — feinen IDillen
jur Annahme ber Ejeiben offenbar macht. Darum läfjt er ben Petrus im Ejaufe
bes dornelius eine Rebe halten.
63 Run fehren wir nod? einmal ju ber Seite 100 oermutungsweife her gefte Uten
Urform ber Befehrungsgefdjicbte bes Cornelius jurüd. IDas fid? ergibt, wenn
man bie Sutaten bes £ufas fireidjt, ift eine fd?Iid?te Befehrungslegenbe, an
einfacher Sd?önheit ber £egenbe nom äthiopifdjen (Eunudjen vergleichbar,
(öffenbar haben bie ©emeinben bie Belehrungen von IRännern befonberer
Stellung in ber Hielt in biefer So™ ber „frommen" (Erjählung aufbewahrt.
Bejeidjnenb ift in ber dat bie Betonung ber $römmigfeit bes Cornelius.
Wäbrenb von ber Eutas^Bearbeitung bie Kluft jwifdjen Petrus unb bem (lern
turio möglid?ft gtofj gemad?t wirb, bamit bie Überfchreitung biefer Kluft jum
bebeutfamen (Ereignis werbe, hebt bie £egenbe in biblifd?em Stil bie öebete
unb IDohltaten bes (Cornelius heroor, bie dot (Sott befannt geworben finb,
fdjilbert ihn als „öottfürdjtenben", alfo ber biblifdjen Religion immerhin
Raheftehenben, unb läfet ihm bie (Engelsbotfd?aft, er folle ben Petrus holen
laffen, als eine Belohnung feines frommen £ebens juteil werben1). Unb nun
oolljieht fid? alles nad? bes (Engels IDeifung. Die Boten bes (Eornelius, forg-
fältig ausgewählt, gelangen nad? 3oppe unb fragen nad? petrus. Diejer wirb
burd? ben ©eift Sottes angewiefen, fid? ben Boten nidjt ju entjiehen, fonbern
unbebenflid? mit ihnen ju reifen; „benn id? habe fie gefanbt". Durd? bie Be=
arbeitung, b. h- burd? bie (Einfügung ber Difion ift bie urfprünglidje Darftellung
ber Antunft ber Boten in 3oppe offenbar jugebedt2); aber id? möchte nicht
mit Bauernfeinb (S. 143) annehmen, „bafj in ber oorlutanifdjen ürabitiou

’) Das hat jd?on jo^. IDeih, Über bie RbfiAt unb ben literarifcben <U?aratter bet flpofteb
gefdjidjte 1897, 18 geleben; „Gotnelius ift nad? bem Detail bet (Erjählung 10, 2 Profelyt,
aber im Sufammenijang bes Ganzen rairb biefer 3ug nidjt berüdjidjtigt1' — nur ift ber Aus»
brud „profelyt" übertrieben.
2) Dietleicht ertlärt fid? aus biefer (Einfdjiebung unb Überarbeitung ber Umftanb, bafj
Petrus jtneiinal beim üad?ftnnen über bas ®efid?t oorgefüi?rt toirb: 10,17 84 ev iauw
jiTjnbpei 4 lUrpog, tC eit; tö opapa 6 eTScv Uttb 10, 19tou 84 Dixpcu SLevflujioupevou nepi
toO äpd|iaT0j. . .
106 7. Die Belehrung bes Cornelius

bie fteiftesmahnung Ders 20 etwas ftärter hetuorgetreten fei". Rid?t Petrus


war in ber alten £egenbe bie f?uuptpetfon, fonbern Cornelius1). (Es war alfo
nidjt ein uollwertiges degenftüd 314 ber dugelserfd?einung bei Cornelius ju
Raffen; für Petrus genügte bie einfache Weifung bes deiftes. Sd?were grunb=
fä^iidje Bebenten finb nad? ber £egenbe bei Petrus offenbar nicht 311 über= 64
wiitben; bas geht aud] baraus beraor, bafe bet 3ubenchrift Petrus bie heibnifd?en
Boten in fein ^aus aufnimmt, ohne bafe bies Derbalten als bebeutungsuoli
ober anfed?tbar gelennjeidmet würbe. Unb ebenfo fdjlidjt unb unbelaftei non
grunbfäfelidjen Problemen fd?eint ber Hert der £egenbe nun weitergegangen
311 fein — benn alles ®runbfäijlid?e gehört ber Bearbeitung an —; alfo berid?tete
bie alte drjcihlung in rafcher §olge: Anfunft bes Petrus in däfarea, Beginn
feiner Derfünbigung, Begabung ber tjörer mit bem (Seift (3ungenteben),
Haufe (->100). 3’1 ber £egenbe tommt alles non ®ott: er will ben frommen
denturio annebmen, er oeranlafet il?n 311 ber Botfd?aft an Petrus, er befiehlt
bem Apoftel, mit ben Boten 3U gehen, er Iüt3t ben Werbegang bes iünftigen
dbriften ab, indem er bem nod) faum Belehrten ben Seift jenbet.
Der Cegenbe in ber urfprünglidjen ©eftalt eignet Schlichtheit unb eine
gewiffe f?armlofigfeit. Sie fügt fid] wol?l 3U ber Cegenbe oom Äthiopier,
Act. 8, 26—39, in ber bie Keijetamerabfdiaft bes d]riftlid?en prebigers mit bem
fjeiben, fowie beffen Haufe aud] nid?t grunbfät}lid] ausgewertet iverben. Aud]
biefer Athiope 3ählt wol]l 3U ben „®ottfürd?tenben"; Hempelbefud? unb Ceftüre
be<3efaiasBud?es laffen barauf fdiliefeen. Bearbeitung burd]£utas ift fidjer ber
Dets 40, ber über ben eben edjt legenbar entfdjwunbenen pbilippus geo=
graphifdje Angaben nad]bringt. Ders 37 mit bem Haufbefenntnis aber ift
nad?lutanifd?e (Einfügung burd] einen („weftlidjen“?) Bearbeiter, ber ein
fold?es Belenntnis uermifete.
Die parallele ift widitig für bie gefd?id)tlid?e $rage. Diefe beiben „härm-
lofen", nid?t grunbfäfelichen Befel]rungsgefd]id]ten mit ihren fonfreten Aw
gaben liefen in ber Setneinbe um; fie gaben offenbar gefdjidjtlidje Dorgänge
wieder, natürlich in „legenbarem" Stil gefafet. Wann finb biefe Dinge gefd]el?en?
ds ift fdjwer bentbar, bafe eine fo hannlofe Berührung führender Ulänner bet
llrgemeinbe mit gottfürd?tenben Reiben ftattfanb unb jebesmal bis 3m Haufe
führte 3U einer Seit, als bie Stage bet unbefd?niftenen dbriften bereits in Antio=
d]ia als ernjtes Problem aufgeworfen unb in 3erufalem beim fogenannten
Apoftelfon3il uerfeanbelt worben war. Alfo mufe man mit einer Jeitfpanne
uorher rechnen, in ber joldje di^elfcille möglich waren, gelegentlid? unb uw
prinsipiell, wie es aud? bie Act. 11, 20f. berichteten $älle wol]l urfprünglid? 65
waren. £utas hat alfo bie Äthiopien unb dornelius^Eoählutig, foweit wir
fehen tonnen, richtig ejngeorbnet: 3Wijd]en ben Hob bes Stephanus unb ben
Anfang ber pauIussITliffion — ba gehören fie hin. Aber nun hat £ufas bie dor=
rtelius=®efd)id)te — wie aud? bie Belehrungen in Antiochia — wie wir gefeiten

*) Umgelehrt ift es in ber Bearbeitung bes £utas; ->104.


7. Die Belehrung öes dorneltus 107

Ijaben, ins ®runbfätjlid?e erhoben. Unb bamit l?at er eine „gefdjidjtlidie“


Sdjwierigfeit gefdjaffen; benn roie ift es möglid?, bafe ber alfo burd) eine Difion
belehrte Petrus über bie $rage ber unbefdjnittenen Ctyriften überhaupt nod]
bisfutiert (®al. 2, 1 ff.) unb in ber Stage ber üifdjgemeinfdjaft swifdien Jubem
djriften unb fjeibend?riften auf bie ®al. 2, 1 Iff. gefdjilberte Weife fidj oerbält?
Das „gefdjidjtlidje" Dilemma ift feines mebr, roenn man bie Bearbeitung
bes £ufas nidjt für (Sefdjidjte, minbeftens nidjt für in biefem Jufammen^ang
oorgefallene ®efd?id?te ^ält. £ufas bat ^ier, roie aud? fonft, auf bie ejatte
Wiebergabe ber ürabition oerjidjtet um einer böseren gefdjidjtlidjen Waf/rtjeit
willen. Wir haben gefeben, weidie es ift: bie Jbee, bie Reiben ofjne gefetjlidie
Derpfliditung in bie Kirdje einjugliebern, ftammt nidit uon Paulus unb nidjt
oon Petrus, fonbern non (Bott!
8. Der erfte djriftlidje fjiftoriter 112
1948

I.
Unter ben Schriften bes Heuen deftaments nimmt ein Bud) eine Sonber*
ftellung ein, bie oft nidjt genügenb beamtet wirb: (Es ift bie A p o f te l g e f d? i d? t e,
bie non ber drabition auf £ufas, ben Derfafjer bes 3. (Evangeliums, jurüd=
geführt wirb; biefe ärabition hot einiges gegen fid?, aber weit mehr für ftdj —
fo baß wir ben Autor mit biefem Hamen £ufas benennen bürfen. Beibe Schrift
ten, (Evangelium wie Apoftelgefd?id?te, beginnt £ufas mit einer literarifdjen
IDibmung an einen gewiffen, offenbar vornehmen Ubeopbilus; beibe IHaie
ift nid?t nur bie ®atfad?e ber IDibmung als Anjeidjen bewußten fd?riftftelle=
rifdjen Willens ju buchen, fonbern aud? ber Stil biefer Debifationen; Wort'
wähl unb Sa^bau bes <EvangeIiums=Anfangs verrät ben gebilbeten Autor; ber
Wortlaut biefer IDibmung verrät aber feineswegs ben (Efjriften, fonbern tlingt
wie bie Dorrebe ju einem profanen Bud?. Illit ber Apoftelgejdjidyte fleht es
infofern etwas anbers, als ihre Dorrebe wenigftens ben Hamen Jefus nennt.
(Es Ijei^t ba: „Den erften Bericht, lieber ü^eoptjilus, tjabe id? über alles
bas erftattet, was Jefus ju tun unb ju lehren begann bis ju bem Sag,
ba er aufgenommen würbe . . aber biefer tjinweis auf bas vorange*
gangene Bud?, bas (Evangelium, entfpridjt burcbaus literarifdjen (bepflogem
t?eiten. Unb wenn aud? ber Sortgang bes Hejtes uns infofern enttäufd?t,
als £ufas aus biefer Anrebe an übeopbilus gleidj in bie (Erjäblung übers
gebt, fo erweift fid? bod? ber Berietet biefes erften Kapitels als bewußt ge=
ftaltet, jufammengefügt aus einer Dielleid?t fd?on älteren (Erjählung von
Jefu Himmelfahrt, einer £ifte ber 12 Jünger unb einem Bericht über eine jjj
©emeinbeverfammlung, ber mit einer Rebe bes Petrus ausgeftattet ift. Unb
fd?on bei biefem Stüd gewinnt man ben (Einbrud, ber fid? nun bas ganje
Bud? binburd? immer wieber betätigt: Daft es in ber Apoftelgefdjidjte Dar=
ftellungen gibt, bie in feinem (Evangelium möglich wären. (Es beftebt alfo ein
wefentlidjer Unterfdjieb in ber literarifd?en Art ber (Evangelien
einerfeits unb ber ApofteIgefd?id?te anbererfeits — er beftebt.
obwoljl ber (Evangelift £ufas aud? ber Derfaffer ber Apoftelgefd?id?te ift.
Wie ift bas ju erflären? Als £ufas fein (Evangelium fdjrieb, wollte er —
fo fagt es fein Dorwort — einem vornehmen IRanne burd? (Erjäblung ber „unter
uns gefdjehenen Dinge" bie Überjeugung geben, ba^ bie d?riftlid?en £ebren,
bie jener bereits tannte, gefiebert feien. Aber er erreichte biefen Jwed, inbem
8 Der erfte dtriftlidje fjiftoriter 109

er grunbfätjlid? ben Weg ber anberen (Toangeliften ging, alfo überlieferte


®efcf?id?ten, ©leicbniffe unb Sprüche ju einem ©anjen aneinanberreihte.
Hur oerbanb Lulas biefe Stüde etwas beffer, jtilifierte fie etwas reidjer,
bearbeitete fie etwas tritifd?er. Dies letjte Woment läfet am meiften ben Autor
agilen, ber ®efd?id?te, nidjt ®e[d?id)ten erjäfelen will. 3mmerhin fdjlägt er
trot} biefer Heinen hiftorifierenben Korrefturen im Goangelium nod? feine Brüde
jur „grofeen" Literatur.
U>ol?I aber tut er bas mit ber Apoftelgefd?id?te. Seine $äl)igfeiten unb feine
Reigung fönnen fid} biesmal ganj anbers betätigen, weil er hier ohne Dor-
gänger, ftredenweife wofel aud? ohne fd?riftlid?e Quellen, fdjreibt unb jufefeen
mufe, wie er aus bem, was er weife, unb bem, was er in Erfahrung bringen
fann, eine jufammenljängenbe Darftellung bilbet. Der neue Stil ift bebingt
burd? bie neue Aufgabe.
Unb was war bas für eine Aufgabe! Sine Sd?ar Wenfd?en hatte fid? im
(Stauben an 3efus dferiftus unb in ber Erwartung feiner Wieberfunft jufammem
gefunben unb führte in 3erufalem ein ftilles, aud? im jübifd?en Sinn „frommes"
Leben, ®s war eine befd’eibene Gjiftenj, unb nid?ts aufeer ber fiegfeaften Über=
jeugung ber Gläubigen oerriet, bafe oon biefer Sd?ar eine bie Welf umwanbelnbe
Bewegung ausgetjen, bafe biefe ©emeinbe bas Sentrum ber Kircfee werben
follte. Wan wufete oon ein paar $ällen, bie Auffefeen erregt hatten, Belehrungen,
bedungen, oom erften Wartyrium — es ift wahrfdjeinlid?, bafe bie ©emeinbe
folcbe Dinge, bie ihre Gjiftenj oor ihr felbft immer wieber betätigten, in $orm
oon turjen Grjählungen aufbewahrte; and) oom Leben ihres l?errn unb Weifters
hatte fie ja auf biefe Weife etwa ein Wenfdjenalter hinburd? getreue Kunbe
bewalirt. Aut beftanb ein Unterfdjieb in ber Hienge bes Waterials: Dom
Leben 3efu hatte fid? weit mehr Stoff erhalten als oon ben (Erfahrungen ber
Urgemeinbe. öerabe bie erften 7-8 Kapitel ber Apoftelgefd?id?te jeigcn, bafe
oerhältnismäfeig wenig baoon erhalten unb weitergegeben war; etwa bie
ffiefd?id?ten oon ber fjimmelfahrt unb bem Pfingftwunber, oon ber Teilung
JI4 bes Lahmen an ber dempelpforte, oon ber (Tötung bes Ananias unb feiner
$rau burd? eine Art Bannfprud? bes Petrus, enblid? bas Wartyrium bes Ste=
pfeanus — bas finb fünf Grjählungen. Unb weiter: Das Bud? h6’^ jwar mit
feinem gried?ifd?en (Titel „(Taten ber Apoftel", aber wie wenig folcber (Taten —
abgefehen oon Petrus — tann es beridjten! 3n ben folgenben Kapiteln 8—12
finb wieber nur fünf Grjählungen enthalten: Die Belehrung eines oornehmen
Äthiopiers burd? Philippus, bes Genturio Cornelius burd? Petrus, jwei E?ei=
hingen, bie Petrus bewirlt, unb feine wunberbare Grrettung aus bem öefäng=
nis. Was aber in ber jweiten fjälfte bes Bud?es, oon Kap. 13 an, erjählt
wirb, betrifft faft ausfd?liefelid? bie (Taten unb Grlebniffe bes paulus, ber jwar
ber erfolgreidjfte Apoftel, aber fein unmittelbarer Sd?üler 3efu mar. Don ben
(Taten ber 3ünger 3efu erfahren wir weiterhin nichts, fo bafe fid? eine Wenge
fdiwer ju löfenber Probleme ergeben: tjaben biefe 3ünget and? Wiffion ge=
trieben unb wo? 3fe Petrus in Rom geftorben, unb wie lange Seit ift er bort
110 8- Der elfte djrifllicbe tjijtorifer

gewefen? l?at 3obannes, ber galiläijdie gijdier, in paläftina ben Plärtyrertob


erlitten ober ift er mit bem gegen (Ende bes Jahrhunderts in (Ephefus auf3
taudjenben Johannes ibentifd?? Das alles finb Stagen, bie man nad? ber
gefaulten altfirdjlichen Überlieferung fefer oerfdjieben beantworten tann,
nad? ber flpoftelgefdjidjte aber überhaupt nid?t. Offenbar bat £ufas non einigem
feine Radjridjten gehabt, oon anberem nicht erjagen wollen, Unb mit biefer
Dermutung nähern wir uns bem eigentlid?en Segenftanb unferer Betrachtung,
ber literarifd/en (Eigenart bes Buches, bie uns erft bas Redd gibt, feinen Der3
affer ben erften djriftlidjen ljifiotifer ju beifeen.

II.
Die Kunft bes tjiftoriters. begnügt fid? nidjt mit ber Sammlung unb
Rahmung oon Überlieferungen, mögen fie ihm aud? nod? fo reidjlid? jur Der
fügung ftel?en. (Er mufe vielmehr bejtrebt fein, ben Sinn ber (Ereigniffe ju er
hellen unb mit irgenbweldjen Hütteln barjuftellen. £uft ju wiffen unb Drang
ju ertennen muffen fid? in feiner Seele verbinben. Wenn £ufas mel?r Über
iieferungen befeffen, fie aber nur fo, wie er es im (Evangelium tat, miteinander
verbunden hätte, wäre er nid?t ^iftoriter ju nennen. Wir billigen ihm biefen
(Eitel 311, weil er met?r getan hal, als CEraditionsgut 311 fammeln. (Er hat auf
feine Weife verfud?t, bas in ber (Gemeinde Überlieferte unb bas oon if?m felbft
nod? in (Erfahrung (5ebrad?te in einem bedeutungsvollen 3ufammenhang
ju verfnüpfen. Unb er hat 3weitens verjud?t, ben Richtungsfinn ber (Ereig=
niffe fidjtbar ju madjen. Beides, Jufammenhang unb Rid?tungsfinn, haben
wir jeht ju betrachten.
Die herftelhmg bes 3ufammenhangs ift am einfachsten im jweiten CEeil ber
Apoftelgefd?id?te, Kap. 13—21, ber oon ben Wiffionarsreifen bes Paulus 115
hanbclt. Denn hier hat £utas offenbar ein Derjeid?nis ber Stationen nor fid?
gehabt, wie man es bei folchen Sahrten wohl fd?on aus prattifdjen (Brünben
anlegte, um bei einer Wieberholung ber Reife bie Wege unb bie alten ®afh
freunbe wieber ju finben. Dafe £utas eine folche (Quelle benutze, geht daraus
hervor, bafe er aud? belanglofe Reifeftationen nennt, von benen eigenflid? nidjts
weiter ju erjählen ift. Beweifenb bafür ift ein Safe wie biefer: „Wir aber gingen
voraus auf bas Sdjiff unb fuhren nad? flffos in ber flbfidd, bort ben Paulus
nütsunehmen. Denn fo hatte er es angeorbnet, ba er felbft 3U gufe gehen
wollte. Als er aber in flffos mit uns 3ufammentraf, nahmen wir ihn an Borb
unb fuhren nad? Witylene weiter" (flct. 20,13. 14). Der Inhalt biefes Safees
ift weber legenbar erfunben nod? anetbotifd? überliefert, er verftebt fid? nur
als Angabe, bie aus einem Stationsverjeidinis, einem 3tinerar übernoim
men ift.
(Es fd?eint mir aber verfehlt, von biefer Beobachtung einer (Quelle für bie
Paulusreifen aus auf eine ebenfold?e Quellenbemiijung im erften CEeil ber
flpcftflgefd?id?te, Kap. 1—12,311 fdjliefeen. Wenn es bafür eine (Quelle gegeben
8 Der erfte djriftlidje Ejiftorifer 111

fjötte, bie fortlaufenb bie Sntwidlung ber Utgemeinbe unb bie erfte IRiffions=
tätigteit ber Jünger gefdjilbert hätte, würben wir audj in biefem erften Seil
ber Apoftelgefdjidjte wie im jweiten eine ungefähre Dorfteilung con Ablauf
unb Dauer ber Sreigniffe betommen. Das ift aber feineswegs ber $all. Wäbrenb
roir im 3weiten Seil immerhin einiges oon ber ©tjronologie ber Paulusmiffion
erfahren, hören wir non ber Jeitbauer ber im erften Seil gefdjilberten Sreig*
niffe fo wenig, bafe man fragen fann, ob jwifdjen Jefu Sob unb ber Befeurung
bes Paulus IRouate ober Jafjre, 2, 3, 5 Jahre liegen — ber Sert ber Apofteb
gefdjidjte gibt uns feine Anbeutung. Was an Jufammenljang uorbanben
ift, flammt nidjt aus einer Quelle, fonbern ift offenbar £eiftung bes £utas;
wenn man bebenft, wie wenig iljm überliefert war, eine beträdjtlidje £eiftung!
Sin Beifpiel. Jn bas IHartijrium bes Stephanus, bas £utas übernommen
unb bearbeitet Ijat, finb voni^m 3wei Sä^e eingefügt, bie beridjten, bafe ber junge
Wann Saulus — bas ift ber jübifdjeÜame bes Paulus — bei berSteinigung
bes Stephanus 3ugegen war unb bafe bie ginridjtung feinen Beifall fanb.
Unb 3wifdjen bie Srjäljlungen oon ber IRiffionarstätigteit ber Jünger, bes
ptjilippus unb bes Petrus, ftellt ber Derfaffer — eine IRifjionsbeteljrung
meljr — bie ©efdjidjte »on ber Belehrung biefes Saulus bei Damastus. Durdj
bas, was in biefet Oefdjidjte bem Saulus=paulus oerljeifjen wirb, ift ber £efer,
ber ifjn fdjon feit bem Sob bes Stepljanus fennt, barauf porbereitet, bafe biefer
Diann, wie es bei^t, „ein auserwäljltes Rüftjeug" fein wirb, ben Hamen bes
fjerrn „pot bie Dölfer unb bie Könige unb bie Kinber Jfrael ju tragen'1 (9, 15).
So wirb ber 3weite Seil bes Buches, ber bie Paulus^Reifen behanbelt, in ben
S^äfjlungen bes erften Seiles neranfert.
JU Sin anberes TRittel, Jufammenljänge tjerjuftellen, bieten bie fog. Sam=
melberidjte, bie fid? burdj ben ganjen erften Seil ber Apoftelgefdjidjte ljin=
3iehen. IRan mufe fidj, um fie 3U uerfteljen, tlarmadjen, bafe £ufas für eine
©efdjidjte ber Urgemeinbe feinerlei „fjiftorifdj" 3U nennenbes IRaterial befa^.
Da waren jene bereits genannten ©efdjidjten polfstümlidjer Art, wie man fie
oon „ungebilbeten unb ungeletjrten £euien" (4, 3) nidjt anbers erwarten
tonnte; aber biefe ©efdjidjten betrafen Sin3elfälle unb 3eigten in ber IRelj^aljI,
wie ©ott ein3elnen Sbriften bjilft, fie in ©efatjr befdjü^t, itjrer prebigt (Erfolg,
iljren Worten wunberbare Kraftwirtung oerleiljt. Das war feine Ejiftorie;
bas Wachstum ber ©emeinbe, ifjre innere Sntwidlung, ifjre Spannungen,
bie ganse Breite bes öemeinbelebens blieb unberüdfidjtigt. Diefer IRangel
wirb burdj jene Sammelbcridjte erfetjt, Heine querfdjnittariige Sdjilberungen
allgemeiner Art, bie eben barum oon £ufas ftammen müffen. Denn bie polfs-
tüinlidje Überlieferung fjält fidj an bas Sinjelne; bas Allgemeine befdjreibt
in biefer Weife nur, wer ben Blid auf bas ©01136 richtet, ber ^iftorifierenbe ober
ftjftematifierenbe Sdjriftfteller. TRan muß in biefem jufammentjang immer wie-
ber an ben ©runöfafs erinnern, non bem bie neuere Srforfdjung ber urdjrifH
lidjen Überlieferung, bie fog. formgefdjidjtlidje Betradjtung, iljren Ausgang
nimmt; es ift ber ©runbfa^: Da bie urdjriftlidje Überlieferung webet geleljrt
112 8. Der erfte djriftlidje tjijtorifer

nod? literarisch ift, l?at man fid? als il?ren Anfang nid?t eine Biographie 3efu
ober eine dhronit ber ©emeinbe vor3uftellen, fonbern Heine Einheiten, ben
(Einjelfprud? ober bie in fid? abgefdjloffene ©in3elgefd?id?te. IDer foldjes 311 einem
©an3en 3ufammenfügte, wie es £ufas tat, bilbete ein IHofaif unb mufete
barauf bebad?t fein, etwa nod? verbliebene Süden 3wifd?en ben Hlofaiffteinen
aus3ufüllen. Diefem 3wed bienen in ber Apoftelgefdjidjte jene Sammel’
beridjte. Da Reifet es etwa, bevor £utas bas ITlartyrium bes Stephanus be=
richtet: „unb bas IDort ©ottes nahm 3U, bie 3ahl ber 3ünger in jcrufalem
mehrte fid? fchr, unb eine grofee IHenge oon prieftern belehrte fid? 3um
©tauben" (6, 7) ober nad? ber Betehrung bes Paulus (9, 31): „Die Kird?e
hatte nun $rieben in 3ubaea, ©alilaea unb Samaria, fie baute fid? auf unb
führte ihr Seben in ber $urd?t bes fjerrn unb würbe erfüllt vom 3ufprud?
bes fjeiligen ©eiftes". So werben bie überlieferten ©^elgefdjidjten burd? ben
Derfaffer 3U 3ujtanbsfd?ilberungen verbreitert.
Diefe Unterfd?eibung 3wifd?en ber ©in3elüberlieferung unb ben Sammel’
beridjten ift widjtig für bie £öfung eines umftrittenen gefd?id?tlid?en Problems,
ber $rage nad? bem urd?riftlid?en Kommunismus, (Es helfet Act. 2, 44:
„alle ©läubigen aber hielten 3ufammen unb hatten alles miteinanber gemein’
fam; unb fie »erfauften ihre Babe unb ihrDermögen unb »erteilten es an alle,
je nadjbem einer bebürftig war". Unb gan3 ähnlid? lautet es Act. 4, 34 f.: „(Es H7
gab aber feinen Bebürftigen bei ihnen. Denn alle, bie ©runbftüde ober Ejäufer
befaßen, »ertauften fie unb brad?ten ben (Erlös bes Derfauften unb legten ihn
3U ber Apoftel $üfjen; unb nun würbe es jebem 3ugeteilt, je nad?bem er be=
bürftig war."
Das Hingt nad? organifiertem Kommunismus, ber von jebem Befitjenben
bie Aufgabe feines (Eigentums verlangt. Aber bie beiben Stellen flehen in einem
Sammelberid?t, unb Aufgabe ber Sammelberid?te ift, wir fahen es, bie Der*
allgemeinerung. 3» ber 3ugehörigen ©in3elgefd?id?te aber wirb ergäljlt, bafe
Ananias von bem (Erlös etwas unterfd?Iagen hat unb bafe ihm vorgehalten wirb,
er hätte bas ©elb ja gar nidjt barbringen müffen. (Es Ijanbelt fid? alfo um eine
freiwillige £eiftung. Unb wenn tur3 vorher im ©ejt Barnabas gerühmt wirb,
weil er ben (Erlös für feinen Ader ben Apofteln 311t Derfügung geftellt habe,
fo fieht man aud? baran, bafe er freiwillig unb nidjt nad? einer für alle »er*
binblid?en Safeung gefeanbelt hat.
3n ber Urgemeinbe hat es alfo offenbar freien unb freiwilligen Siebes*
fominunismus — nad? bem IDort von (Ernft üroeltfd? — gegeben. £utas
aber Ijat bie (Ein3elfälle, von benen er wufete, benufet, um ein 3bealbilb 3U
3eid?nen, ein 3beal, wie es in ber gried?ifd?en £iteratur feit piaton fd?on
immer auftaud?t — fjans von Schubert hat in feinen Stubien über ben Kom--
munismus ber IDiebertäufer bie ©efd?id?te biefes 3beals fti33iert. Bei ber Be*
urteilung ber urd?riftlid?en Derhältniffe aber müffen wir uns an ben örunbfafe
halten, bafe bie ©inselüberlieferung — bie ©efd?id?te von Ananias, bie Uotij
über Barnabas — ältere ©rabition, alfo 3uverläffiger ift als bas, was ber Autor
8. Der erfte djriftlidje fjiftorifer 113

hin3ugetan hat, ber nerangcmeinertiöe Sammelberidjt. Unb wir gelangen 311


einer faft paraöof erfdjeinenöen Srfenntnis, bie fid] aber immer wieöer
in ber Apoftelgefdjidjte bestätigen wirb: Seraöe bort, wo £ufas als tjiftorifei
arbeiten will unb wo wir feine £eiftung auf oöllig unbebautem Selbe be=
wunbern, gerabe bort gerät er häufig in Spannung 3U ber älteren Überlieferung,
hat alfo, wenn ficb Wiöerfprüdje tjerausftellen, nad) bem Rlafeftab biftorifd?er
Kritif als fetunbärer Beridjterftatter 3U gelten. Audj in biefer $unftion hat er
als tunbiger Beurteiler feinen £efern manches 311 Jagen; aber unfere Bcwun*
berung gilt weniger feinem Wiffen als feinem Können, ber Art, mit ber er
ein anfdjaulidjes unb typifdjes Bilb ber erften Semeinöen unö ber Paulus*
Rliffion fo3ufagen in einen leeren Raum hinein fomponierte, ber Art, wie er
Derbinbungslinien 30g unb Derbinöungsftüde einfdjob, fürs: aus Sefdjidjten
Sefdjidjte mad]te.
III.
Reben ber fjerftellung biefes sufammenbängenöen Sefüges mufe bie
Bemühung bes £ufas auf bie Deutung ber Begebenheiten geridjtet fein,
wenn anbers er fjiftorifer fein will. Sr mufj ben Ridjtungsfinn bes Se =
fd]el?ens herausarbeiten. Unb er hat bas getan.
118 ®in Beifpiel möge es reröeutlidjen. Als paulus fid] 3um 3weiten Riale oon
bem fyrifdjen Antiodjia aus auf eine Uliffionsfahrt begibt, befudjt er 3uerft bie
bereits miffionierten Stäbte im Süben Kleinafiens. Dann wirb er3äljlt, es fei
ihm r»om heiligen Seift gewehrt worben, nad? ber IDeftfüfte Kleinafiens 311
gehen (b. h. auf ber großen Strafe burd] bas £yfustal in bie fleinafiatifdjen
Sriedjenftäbte Spbefus, Smyrna, Pergamon). 3nfolgebeffen 3ieht er mit
feinen Sefäbrten burd; Phrygien unb bas galatifdje £anö unb will nad] ber
Rorbfüfte Kleinafiens, Bitbynien, gelangen. Wieöer hei^t es: „Der Seift 3«fu
liefe es nidjt 3U". So bleibt ihnen nur ber Ausweg, in RoröwefbRidjtung über
Rlyfien nadj Sroas 311 gehen. Unö hier erfolgt ein öritter göttlidjer Singriff:
Paulus fiebt in nädjtlidjem Sefidjt einen Ulann aus Rla3eöonien, öer ihn
bittet: „Komm herüber nad] Hla3eÖonien unö hilf uns!" (16,9).
Was ift öas für eine feltfame Sefdjidjtsfdjreibung ! Wir erfahren nidjt,
in welcher Weife fid] öie Singriffe öesSeiftes manifeftierten, ob Paulus unter*
wegs in Salatien miffionierte; wir lefen feine Stations* unö feine perfonen*
namen; alles, was £ufas fonft öem 3tinerar entnommen hat, fehlt — hat öie
(Quelle hier oerfagt? fjat £ufas für biefe Reifeftrede überhaupt feine Angaben
gehabt?
Ss ift fefjr unwaljrfdjeinlidj, bafe bie Sdjweigfamfeit bes Autors auf
ein Derfagen ber Quelle 3iirüdgeht. Denn eigentlid] fdjweigfam ift £ufas ja
gar nidjt. Sr beridjtet öod? »an öem feltfamen Jjin unö f?er ber Uliffionare
in öen £anöfdjaften Kleinafiens; wenn er aber öie £anbfdjaftsnamen mitteilen
fonnte, fo hat er wohl audj öie Ortsnamen gewußt. Sr befdjreibt eben öie Kreu3*
unö Quer3Üge öer Rliffionare nidjt, um öen wedjfelnöen Stanö öer Rliffio*
8
114 8. Der erfte djriftli^e fjift orifer

nierung in ben tleinafiatifchen Stäbten 311 fdjilbern. Seine (Er3ählung hat in


biejeni Hbfd?nitt, 16, 6—10, nur ein 3iel, 311 seigen, wie dreimaliges göttliches
(Eingreifen bie große Wendung ber Wiffion nad? Rla3ebomen unb (Sriedjen*
lanb ueranlaßt hat- ®b es fid? bei biefen Kundgebungen um ®efid?te ober
um Perfolgungen, um Überfdjroemmungen, Straßen3erfiörung ober andere
Reifehinberniffe handelt, ift gleidjgültig; roidjtig ift nur, baß göttlidje IRadjt
bie Sdjritte bes Apoftels lentt. Wenn man bies als ben Ridjtungsfinn ertennt,
ben Sufas hier 3um Ausbrud bringen will, wirb man nidjt zweifeln, baß er
bie Ramen unb Rotisen bes Stationsoerseidjniffes an biefer Stelle abfidjtlidj
ausgelaffen hat.
Denn er legt hohen Wert barauf, baß paulus nad? Sriedjenlanb gelangt.
(Erft bie (Seroinnung Gmedjenlanbs, ni^t fdjon bie Rliffionsfahrt in Klein*
afien, ift ber Beginn ber Weltmiffion. Die roidjtigfte Station ift für ibn Athen;
unb Paulus auf bem Areopag3U griedjifdjen Philofophen fpredjenb — bas
ift bas Bilb, auf bem jein Auge mit befonberer Siebe uerroeilt. (Er hat ein
ftartes ®efüßl für bie Bedeutung bes Augenblids, ba ber im griedjifdjen Sinn 119
ungebilbete Orientale ben Ijerrn 3efus dhriftus unb bas kommende Welt*
gerid;t oor (Epikureern unbStoitern oerlünbet unb bie beiden IRächte bes djrift*
lidjen Glaubens unb ber tlaffijdjen Bilbung ihre erfte fdjidfaHjafte Begeg­
nung haben.
Aber bie Kritik hat aud; 3U biefer großartigen Kompofition einige Be*
mertungen 3U machen. 3unäd?ft hat bie Predigt in Athen nur fymbolifdjen
Wert; (Erfolg roar biefer predigt nach ben Angaben bes Sutas (17, 34, offen*
bar aus bem ^tinerar) nur in geringem Blaß befdjieben; roahrfdjeinlid; tarn
es nidjt einmal 3U einer Semeinbegrünbung. Das eigentlidje 3entrum ber
PaulusdWffion in ®ried?enlanb war oielmehr Korinth- — Sobann ift bie Rebe
felbft, bie berühmte Areopagrebe, feinesroegs ber Sljeologie bes Paulus
gans fonform. Sie billigt, im Anfdjluß an ben Altar bes unbekannten dottes,
bem fjeibentum fehr uiel mehr (Sotteserfenntnis 3U, als es Paulus fid? erlaubt
hat; fie fpridjt aud) non ber (Bottoerwanbtfdjaft bes natürlichen Wenfdjen —
im Anfdjluß an ein 3itat aus Aratus — fo pofitro, wie paulus mit feiner
illufionslofen, antßropologifdjen Anfdjauung es nie gebilligt hatte. (Es ift
gan3 offenfidjtlid?, baß £ufas biefe Areopagrebe felbft gejdjaffen hat — ein
Urteil, bas ben nidjt erftaunt, ber bie (Gepflogenheit griedjifdjer Epiftorifer
Eennt, bas (Gefdjehen burdj Reben 3U erhellen. Aber tufas hat auch an ber ein*
leitenden S3ene bas Befte getan; minbeftens werben bie beseidjnenben Jurufe
aus bem ^örerfreis: „Was will biefer Sdjlagroortjäger eigentlich fagen?"
ober „(Er fdjeint fremde (Götter ei^uführen" (17, 18) nidjt einem 3tinerar
»ntnommen fein. Unb aud? bie tulturhiftorifdje Bewertung über bie Athener,
baß fie beftänbig Reuigfeiten fammeln, flammt Dom Derfaffer, ber hier —
nad? (Ebuarb Rorbens Urteil —bas am meiften attifdje Stüd bes Reuen Hefia*
menies gefdjaffen hat. Unb wieber machen wir jene paraboje (Erfahrung
an ber Arbeit bes Sufas als fjiftoriter: 3e meßr bie Kritif bie 3uoerläjfigfeit
8. Der erfte d?rift!id?e tjiftorifer 115

ber Rebe beanftanben mufe, um fo mehr mufe fie anertennen, mit weld?er Sid?er=
hett £utas in eben biefer Rebe bie Sinngelabenheit bes Augenblids jur Dar=
ftellung gebracht hat.
(Eine anbere Konjeption, bie ben fdmftftellerifdjen Willen bes Derfaffers
jeigt, bie Bebeutung eines ©injeloorgangs für bas £eben ber ©cmünbe
herausjuarbeiten, gruppiert fid? um ben (Zenturio (Kornelius in ©aefarea.
reffen Befeurung burd? ben Apoftel Petrus unb ihre Betätigung burd? eine
Illanifeftation bes Seiftes war bem £ufas wohl fd?on aus ber ®emeinbe4lber=
lieferung befannt. ©r hat fie bei ber Wiebergabe in auffälligfter Weife uer;
breitert, hat in ihren Anfang ein ©efidit bes Petrus, in ihre IRitte eine Prebigt
bes Apoftels, in i^r ©nbe einen Red?enfd?aftsberid?t bes Petrus an bie Autorin
täten in ^erufalem eingefügt. Unb bamit nod? nid?t genug: Als fpäter bie Apo--
ftel fid? in Jerufalem ju jener Befpredjung treffen, ber man ben Ramen
120 „Apojteltonjil" gegeben hat, fpred?en bie beiben Rcbner, Petrus wie 3atobus,
nidit oon bem eigentlidjen Distuffionsgegenftanb, ber Beibehaltung ber
jübifdjen Befdineibung, fonbern berufen fid? auf bie Belehrung bes (Zornelius
unb ben in ihr funbgegebenen Willen (Bottes, bie Ejeiben anjunehmen.
Warum gibt £utas biefer (Zahlung eine fo grofee Bebeutung? Sie ift
in ber Überlieferung unb wol?I aud? tatfäcblid? nidjts anberes gewejen als bie
Befehrungsgefdjidjte eines fog. „gottfürdjtenben Ejeiben", eines Safthörers
ber Synagoge alfo, ber ber biblifdjen Religion gar nid?t fo fern fteht. (Zs gibt
viel auffälligere Belehrungen in ber Sefd?id?te bes ©hriftentums. Was aber
biefe ©orneIius=Betehrung für ben Derfaffer ber Apoftelgefd?id?te fo widjtig
mad?t, ift bies, bafe burd? fie ber erfte ber Apoftel, Petrus, für bie Rliffionierung
ber Ejeiben gewonnen wirb. Unb bie ?Iatfad?e, baf? and? Petrus auf bem fog.
Apofteltonjil jum Dertreter ber Ejeibenmiffion wirb, ift oon größter Bebeutung
für ben ©efamtaufrifj bes ganjen Budjes. ©s foll nid?t fo ausfehen, wie es bei
oberfIäd?lid?er Betrad?tung ber ©reignifje fdjeinen tonnte, als wäre bie Ejeiben=
miffion eine (Zrfinbung bes Apoftels Paulus. Petrus ift auf feine Weife ju
benfelben (Bebauten gefommen; bas will £ufas an ber ©orneliusgefdjidjte
jeigen. Unb es ift überhaupt nid?t fo, bah bie Rliffionierung ber Dölterwelt ein
großer menfd?lid?er Sebante gewefen ift; ber £efer fielet an ben feltfamen
Kreuj= unb (Querfahrten bes Paulus, bafe ©ott felbft — ober, wie £utas fagt,
ber ©eift — bie TRiffionare nad? Rlajebonien unb ®ried?enlanb fenbet.
Aud? hiet wirb Kd? bie nwberne ^iftorifd?e Kritit nid?t bei ber ©leid?=
ftellung bes Petrus unb bes paulus befdjeiben. Rian bead?te, was Paulus
felbft im ©alaterbrief gefd?rieben oon ber ängftlid?en 3urüdhaltung bes
petrus gegenüber feinen Rlitd?riften aus bem Ejeibentum, ober oon ber
©ebietsoerteilung unter ben Apofteln, bei ber bem Petrus nur bie Rliffion unter
ben 3uben übertragen wirb, bem Paulus bie unter ben Ejeiben. Dies alles
fpridjt für einen erheblidjen Abftanb jwifd?en ben beiben Apofteln. Aber £ufas
will jeigen, bafe bas Sdjidfal bes ©hriftentums in lebtet £inie nid?t oon bem
einen Apoftel paulus, überhaupt nid?t oon Rlenfdjen beftimmt war, fonbern
8*
116 8. Der erfte d?ti[tlid?e fyiftorifer

von übcrmenfdjlidjer UTad)t. Unb er tann bas um fo et?er, als bie antiten Ejifto*
rifer ja burdjaus nidjt immer barauf ausge^en, bas Befonbere in Art unb Sätig*
feit i^res Ejeiben 3U jeigen; bas Sypijd)e unb Allgemeine unb Dorbilb*
lidje ift es, worauf fie häufiger bebadjt finb. Darum foll man an beiben Apofteln,
Paulus unb Petrus, ben Sypus bes djriftlidjen IHiffionars ertennen.
Seit ber fog. üübinger Sdjule $erb. Sljrift. Baurs, bie aud] auf meinem
£et)rftut)I burd? Gari golften 1876—97 ru^nwoll vertreten war, t?at man
fid] baran gewöhnt, in biefer relativen Al?nlid?feit bes Petrus- unb bes Paulus*
bilbes ber Apoftelgefd?id]te einen Ausgleid] 3wifd]en fonturrierenben Parteien
ju fel]en; jeber ber beiben Apoftel werbe 3.B. burd] eine Sotenerwedung, burd) 12J
bie Überwinbung eines falfdjen propfjeten unb burd) eine wunberbare Be­
freiung aus bem Gefängnis oerljerrlidjt. 3n Wirflid]feit ergibt bie Analyfe,
bafe bie fraglidjen ®efd?id?ten völlig verfdjiebene Pointen tjaben: 3« ber ®e=
fängnis=®efd]id)te bes Petrus ift bas Befreiungswunber bie Ejauptfadje, in
ber bes Paulus bie Gewinnung bes ®efängniswärters. Die falfdjen Propheten,
Simon IRagus unb Slymas, laffen fid] überhaupt nidjt in eine engere Derbin*
bung miteinanber bringen. Unb bie Äljnliddeit 3wifd]en Petrus unb Paulus
tritt ebenfo fjervor, wenn Paulus in einer tleinafiatifdjen Synagoge eine Rebe
l?ält, bie im Aufbau völlig ben prebigten bes Petrus im erften Seil ber Apoftel*
gefd?id?te gleid]t. Ejier tann nidit von ausgeglidjener Konfurren3 bie Rebe
fein — bann müfjte Paulus mehrere fold?e Reben galten, um bem petrus gleid?*
3ufommen. Ejier tjanbelt es fid? nur um bie ©ewinnung bes Sypus, um bie
fjerausarbeitung ber Art, wie man in ber d)tiftlid?en ©emeinbe prebigte ober,
nad] bes £ufas IReinung, prebigen follte.
IV.
Dabei wirb uns eine $unttion biefes Autors anfdjaulid?, bie wefentlid]
I?inausreid)t über bie bes fdjriftftellernben Ejiftoriters. Wir ^aben bereits
beobadjtet, bafe i^m bie Sedjnif bes Ejiftorifers gerabe ba3U bient, fid; von ben
(Ei^elljeiten bes Ablaufs 3U bispenfieren, bafe er bie Stationen ausläfet, um
®ott als ben wahren £enfer ber IRiffionsfal?rt i?in3uftellen, bafe er bie Sammel*
berid?te einfügt, um bas Werben ber ®emeinbe ober vielmehr einer ibealen
©emeinbe 3U 3eidmen, bafe er bie Belehrung bes Sornelius 3U fokber Bebeut*
famfeit ergebt, weil er an il?r ben göttlid?en, nid)t menfdjlidjen Urfprung ber
Ejeibenmiffion erweifen tann. Unb fo ift nun aud? ber ®leid]tlang in ben Reben
bes Petrus Kap. 2; 3; 10 unb in ber bes Paulus Kap. 13 3U verfielen. Wie
fid; bie IRe^al?! ber Reben in ber Apoftelgefdjidjte, vom Autor auf ®runb
oon Rad)rid)ten ober oljne fold?e felbftänbig fonjipiert, nid)t an bie gefdjidjtlidje
3ut)örerfd]aft, fonbern an bie £efer ridjtet, fo aud) l?ier. Die £efer follen ver*
nefjmen, wie in ber Kirdje geprebigt unb was geglaubt wirb, unb fo ift es fein
Wunber, bafe £ufas babei nadjweisbar alte d;riftologifd?e gormeln wie „Kned?t
®ottes", gewiffermafseii eine flaffifdje Sljriftologie, verwenbet. Die £efer
follen von ber gefamten Darjtellung getroffen werben, nid?t um 3U wijjen,
8. Det erfte djriftlidje feiftorifer 117

wie es wirflidj gewesen ift, efeer fdjon, um 3U verftefeen, was bies alles ju
bedeuten feat, biefer (Einbrud? ber djrijtlidjen Kirdie in bie Welt ber feelleniftifdjen
Kultur, vor allem aber, um anbetenb ju erfennen, weldjer Art bas Gvangelium
ift unb wie es bie IRenfdjen überwinbet. Gs läfet fid; jeigen, bafe aud} bei Aus-
wafel unb Stilijierung ber (Einjelgefdjidjten biefer ©ejidjtspuntt eine Rolle
p2 gefpielt feat. fjeiben galten bie Apoftel in £yftra für ©öfter, jene weifen bas
mit ©efäbrbung iferes £ebens jurüd; als fid; bie Güten bes ©efängniffes in
Pfeilippi infolge eines (Erbbebens öffnen, glaubt ber feeibnifdje Auffefeer bie
©efangenen entflogen, unb wirb burd) bie Gntdedungbefdjämt, bafe bie Apoftel
©ott preifenb in iferer baft geblieben finb.
Wäferenb feier jeber £efer fpürt, bafe bie befonberen Kräfte bes Gferiftus=
glaubens in biefen Gr3äfelungen 3U bewegendem Ausbrud fommen, fdjeint
es ben Sd)Iufetapiteln ber Apoftelgefdjidjte, 22—28, an foldjer befonberen
Ausridjtung ju fefelen. fjier werben eine ganje Anjafel non Dernefemungen
unb Derteibigungen bes Apoftels unb fcfeliefelidj bie Abenteuer feines Grans=
ports nad) Rom beridjtet. £ufas ift aber offenbar nidjt barauf bebadjt, ben £efer
in bie Rechtslage unb ben projefe bes Paulus ein3ufüferen; er feat ja biefen
Pro3efe im weiteren Derlauf nidjt bargejtellt unb vor allem feinen Ausgang
nidjt beridjtet. (Es finb vielmefer ©ebanfen ber cferiftlidjen Derfünbigung, bie
beutlidj unb in meferfadjer Wieberfeolung ausgefprodjen werben. Die tjeibem
miffion ift ©ottes, nidjt irgendeines Wenfdjen Sadje; und bie djriftlidje Bots
fdjaft ift bie (Erfüllung jübifdjer Hoffnungen, wie es in biefen Reben unb Der=
feören befonbers am Auferftefeungsglauben bargetan wirb. Das finb ©ebanfen,
bie in ber 3eit bes £ufas befonberes ©efeöt beanfprudjen, in ben 3afer3efenten,
ba bie Kirdje fidj fidjtbarlidj vorn 3ubentum fdjeibet. £ufas will alfo in biefen
Kapiteln 3unädjft nidjt bas ©ewefene barftellen, fonbern bas Seienbe.
Unb man barf biefe Betradjtungsweife nun audj auf einen Abfdjnitt
ber Apoftelgefdjidjte anwenben, ber auf ben erften Blid als völlig weltlidj
unb rein literarifd; erfdjeint: Die grofee Darftellung ber Seereife nad? Rom
in Kap. 27, bie ben Paulus 3War in faft romanfeafter Weife als ben redjt3eitig
warnenben, tapfer tröftenben, befonnen feelfenben $afertgenoffen 3eidjnet,
beren wefentlidjer üeil aber ber ausfüferlidjen Sdjilberung ber $afert unb bes
Sdjiffbrudjs gefeört; unb in biefem Heil finb bie Paulus-Uott3en nidjt ofene
tjärten unb Sdjwierigteiten eingefügt. Die nautifdje Korrettfeeit biefes Ab=
fdjnitts 3eigt offenbar, bafe £ufas — niemals mefer £iterat als feier — nidjt
ofene Dorbilber gearbeitet feat. Aber warum biefe feemännifdjen Gin3elfeeiten,
bie ben Apoftel faum berüferen, warum bie burd) fie veranlafete Breite ber
Seefaferts=©r3äfelimg? £ufas ftattete biefes Kapitel bod? nidjt fo reidj aus,
um literarifdj 3U glühen! Befinnen wir uns, wo er bem £efer fdjon einmal fo
fdjriftftellerifdj tarn: es war bie Kenn3eidjnung ber Atfeener fur3 vor ber Areo=
pagrebe, unb fie biente ber tjervorfeebung biefer fymbolifdj bebeutfamen
$3ene, ber Begegnung bes (Evangeliums mit bem griedjifdjen ©eift. Auf jener
Seefafert nun foll Paulus, ber eigentlidje Dölferapoftel, in bie ITletropole bes
118 8. Der erfte djriftlidje tjiftoriter

Reiches gelangen. £ufastann iljn nidjt, entfpredjenbberSjene auf bem Areopag,


nun etwa auf Sem $orum als Rebner auftreten laffen, bennPaulus madjt bieReifc 123
als Gefangener. Aber £ufas unterftreicbt bie Bebeutung bet Seereife=GrjähIung,
inbem er fie mit nautifdjen 3utaten ausftattet unb auf biefe Weife ber Keife als
fold?er ein befonberes Gewid]t aerleiljt. So jeigt er am Sdjlufe feines Budjes, bafe
fidj bie Derfeeifeung 3efu aus bem erften Kapitel erfüllt hat: „3f]r werbet meine
3eugen fein in 3erufalem unb in ganj 3ubaea unb Samaria unb bis an bas
Gnbe ber Grbe". So jeigt fid] £ufasnod] einmal als fjiftoriter, ber mit feffelm
ber Sdjilberung ben Ridjtungsfinn einer Begebenheit herausftellt,er jeigt fid] abei
aud] in ber $unftion, bie er in feinem erften Bud] burd]geljenbs erfüllt unb in ber
Apoftelgefdjidjte im lebten Grunbe aud? erfüllen will unb ju ber ihm bas E?ifto=
riter=Sein immer wieber bie IHittel barbietet: als D e rtünb er, als G o a n ge I i f t.
Wer war nun biefer Derfaffer? Die fird?Iid?e Überlieferung weife, bafe ber
Autor bes Goangeliums unb ber Apoftelgefd?id)te £ufas t?iefj unb mit jenem
in ben Paulusbriefen mel]rfad] genannten „geliebten Arjt" ibentifd? war;
feit ben alten Goangelienprologen bes jweiten 3alRl?unberts finbet fid] aud]
bie Angabe, bafe er aus Antiochia in Syrien flammte. Aber biefe firdjlidje
Grabition über bie Goangelien ift wohl erft in ber 3eit entftanben, als bie grofeen
Gemeinben anfingen, mehrere Goangelienbüdjer nebeneinanber ju hoben. Ür=
fprünglid? befafe jebeGemeinbe nur eines, unb bas war bas „Goangelium3efu
Ghrifti" — ohne bafe irgenbein Derfaffername babei genannt würbe. Als man bie
r»erfd]iebenen Goangelienbüdjer bann, um fie ju unterfdjeiben, benennen mufete,
mag man Derfaffernamen aus ber tirdjlidjen tjeimatstrabition ber betreffend
ben Büdjer gewonnen haben, ohne immer fritifdj ju prüfen, ob ber, ben man
tannte unb nannte, nun aud; wirtlid] gefdjrieben habe. So hat ein fritifdjer
3 weifel gegenüber ber Auto rf d) af t bes IRatthäus unb IRarfus ein ge wiffes Redjt.
Wenn id] — im Wiberfprud] ju Dielen — biefem 3weifel im $all bes
£utas feinen Raum gebe, fo glaube id? baju berechtigt ju jein burd] bie Gr-
fenntnis ber ganj anberen literarifdjen Bebingungen, unter benen bie beiben
fraglichen Büdjer, Guangelium wie Apoftelgefdjidjte, entftanben finb. Beibe
finb bem Gheophilus gewibmet, unb jwar in einer ganj üblidjen, namentlid?
beim Goangelium faft profan ju nennenben Weife. Dann ift aber mit grofeer
Sicherheit ju erfdjliefeen, bafe biefe beiben Sd?riften nidjt nur für bie djriftlidjen
Gemeinben bejtimmt waren, fonbern aud? für ben Büd?ermarft. Denn Gat-
fadje unb Art ber Wibmungen bebeuteten ben Ghriftengemeinben um 90 n.
Gljr. taum etwas; fie waren für £eute beftimmt, bie literarifdje Gepflogem
heilen fannten unb ju würbigen wufeten. Wenn ber Derfaffer bie Wibmungen
für Gljriften gefdjrieben hätte, würbe er oon ber Ijeilsbebeutung ber „unter uns
gefdjehenen Dinge“ (£ut. 1, 1) ober beffen, „was 3efus oon Anfang an getan
unb gelehrt hat“, etwas gejagt haben. Das ift nidjt ber $all; alfo haben bie
Büdjer aud] nod] anbere £ejer gehabt; oielleidjt gehörte ber angerebete Gf]eo= J24
philus felbft ju ihnen unb hatte als Abreffat ber Wibmung für bie Derbreitung
ber beiben Sdjriften 311 forgen. Wahrfdjeinlidj hatten fie bann aud] parallele
8 Der erfte djriftlidje fjiftotiler 119

Eitel — benn bie Benennung „Eoangelium" befugte auf bem Büd?ermarft


nidjts —, etwa „Eaten 3efu" unb „Eaten ber Apoftel“. Es ift faft felbftcer*
ftänblid?, bafe babei berHarne bes Autors nidjt fe^It; es märe feltfam, wenn 3war
ber Abreffat ber JDtbmung mit Hamen genannt, ber UHbmenbe aber oer=
fchwiegen wäre. So b?ieB ber Eitel oielleidjt: „£ufas bes Antiodjeners Eaten
ber flpoftel." Als nun bie Kird?e il?re Sdiriften mit ben Hamen ber Derfaffer
3U bejeid?nen anfing, braudjte fie bei ben Büdjern, bie uns tjier befdiäftigen,
nidrt lange ju fud?en, benn ber Haine haftete bereits an ber anbern — wir
würben fagen: ber Ausgabe für ben Bud?l?anbel. Es war ber Harne bes £ufas,
bes antiod?enifd?en Arjtes, ber ben flpoftel paulus gelegentlid? begleitet l?af.
Daju ftimmt es nun burdjaus, bafe in ben Reifeberid?ten ber flpofteP
gefd?id?te auf ber Heinen Strede Eroas — Philippi unb 3al?re fpäter, wieber oon
Philippi bis 3erufalem bie britte perfon p.uralis, bas „fie" ber Erjä^Iung,
in ein „wir" oerwanbelt wirb, ber Er3äl?lenbe alfo anbeutet, bafe er felbft ein
Hliteriebenber war. Denn bie alte Hleinung, bafe an biefen Stellen eine be;
fonbere (Quelle rebe, ber fog. U)ir=Berid?t, bas IDerf eines flugenjeugen,
fd?eitert fd?on an bem Umftanb, bafe aud? bie Seefaf?rts=Er3äbIung Kap. 27,
alfo jenes Stüd, bas mefjr als anbere „£iteratur" unb nid?t Auf}eid?nung ift,
oon Anfang bis 3U Enbe im H)ir=StiI gehalten ift. Anwerbern läfjt fid? an ben
Beridjten über bie Hliffionsfaljrten bes paulus fef?r wol?l geigen, bafe bie
„Sie=Stüde" unb bie „X0ir=5tüde" in lüortwa^I unb Stil einanber fefjr äljnlid?
fetjen, — fo äljnlid?, bafe wir fein Hecht fyaben, fie auf oerfdjiebene Derfaffer
311 oerteilen. Es ift oielmef?r an3unel?men, was bei ber Seefahrt oon cornherein
bas U)at?rfd?einlid)fte ift, bafe ber Derfaffer in einen oorl?anbenen Berid?t fein
„wir" l?ineinbrad?te, um an3ubeuten, wo er babei war. Das „wir" wäre bann
nid?t, wie man meinte, ein Urelement, fonbern eine 3utat; bie baburd? eni®
ftanbene Ungleid?l?eit in ben Beridjten — halb „fie", halb „wir" — fommt in
antiten Darftellungen aud? fonft oor.
Diefe gan3e Betradjtungsweife ift berjenigen, bie in ber Eeneration
unferer £el?rer, mit Ausnahme oon tjarnads, als bie „tritifd?e" galt, burdjaus
entgegengefe^t. Sie würben nid?t mübe, uns oor^utjalten, baf? bie flpoftel'
gefd?id?te barum nid?t oon £ufas, bem PauIus^Begleiter, ftammen tönne,
weil fie mel?r Irrtümer enthalte, als in foldier Häl?e 3U Paulus möglid? feien.
Dabei ift fowol?! bie Häl?e }U Paulus wie bie 3al?I ber jrrtümer etwas über=
trieben. Aber oor allem: ber antite fjiftonfer will gar nid?t bas £eben mit pl?oto=
grapl?ifd?er Ereue wiebergeben, fonbern er will bas Eypifdje barftellen unb
125 erteilen. Unb bie Hidjtung auf bas Eypifd?e unb auf bas Bebeutfame läfjt
aud? ben Derfaffer ber Apoftelgefd?id?te bas wirflid? Eewefene 3U einem Eeil
auslaffen, oeränbern ober oerallgemeinern. So fommt er uns heutigen bis=
weilen bort als ibealifierenb unb typifierenb oor, wo er wirflid? ber Dcrpflid?*
tung als fjiftorifer 3U genügen tradjtete. Unb fo würbe es möglid?, bafe er gerabe
mit ben literarifdjen Hiitteln bes tjiftorifers feiner anbern Pflidit genügen
fonnte, ein prebiger bes Ef?rijtusglaubens 3U fein.
9. 5
Die Reöen ber flpoftelgef djidjte unb bie antife ®ef d) id} tsf d?r ei bu ng
1949 (1944)

I.
Die Kunft bes Ijiftorifers beginnt hort, wo er fid? nidjt meljr mit ber Samin’
lung unb Raljmung ber überlieferten Sefdjebniffe begnügt, fonbern fid? bemüht,
ben Sinn ber Greigniffe 311 erhellen unb mit irgenbweldjen IRitteln 31a Dar*
ftellung 3U bringen. Suft 311 wiffen unb Drang 3U oerftetjen müffen fidj in feiner
Seele »erbinben — fonft bleibt Sefdiidjte ein Ijaufen oon datfadjen ober löft fidj
auf in ungegrünbete Pfeubopropfjetie. Die Srage nadj Sufammenfjang, <Ent=
toidlung unb Ridjtungsfinn bes Sefdjeljens braucht babet nidjt einbeutig
gelöft, muf) aber mit ben IRöglidjteiten iljrer Beantwortung bem Derftänbnis
bes Sefers nafjegebradjt werben. Das fann baburdj gefdjefjen, bafe bie Dar=
ftellung felbft immanent bie tiefere Bebeutung ber Dinge erfennen läfjt, ober
baburdj, bafe ber ljiftorifer mit unb neben ber (Ersäljlung feinem eigenen
Urteil über bie Sufammen^änge Worte uerlei^t. 2s fann fdjliefjlidj audj ba*
burdj gefdjeljen, bafe er bie fjanbelnben Perfonen 3U Wort fommen unb in
Rebe ober in Rebe unb Segenrebe ben Ridjtungsfinn bes Sefdjeljens anbeuten
läfet*).
Diefe jule^t genannte THet^obe ift uns fremb geworben. Wir legen bei
gefdjidjtlidjen perfonen nidjt nur an ben datberidjt, fonbern audj an bas Rebe*
referat ben IRafjftab 3uoerläffiger Überlieferung an unb wünfdjen in fjiftorifdjer
Darftellung Worte ber fjanbelnben nur 311 nerneljmen, wenn fie als edjt
beglaubigt finb. Da nun bie oerbürgten Worte gewöljnlidj ber 3ufäIIigfeit
bes flugenblids entflammen unb nidjt all3uoft bis 3ur tieferen Bebeutung bes
IRoments oorbringen, trifft es fidj oertjältnismäfjig feiten, bafe eine auttjen*
tifdje Rebe bem ljiftorifer ben Dienft grunbfä^lidjer drfjellung ber Sage
leiftet.
Die antife Sefdjidjtsfdjreibung benft anbers. 3ljr ift bie Rebe „bas natur*
gegebene Komplement ber Hat"2); bem griedjifdjen unb römifdjen ljiftorifer
bient bie Rebe als Rlittcl3ufeinem3we<f, wie oerfdjieben ber audj aufgefajjtwirb. 6
Sine Derpflidjtung, nur ober uor3ugsweife ben Wortlaut ber wirflidj gefjalte*
'*) Dgl. IDoIfgang Sd;aöcwalöt, Die Anfänge öer ®efd)id)tfd?reibung bei öen ®rie*
djert. Die Antife 10, 1934, 146.
£) ©fto Regenbogen, Hbufyöiöesals politi[d)er Denier, Das fyumaniftifdjeßymnafium
44, 1933, 3. — 3d; Deröante ©tto Regenbogen reidje Belehrung bei öer Dorbereitung
öiefer Arbeit; öanlbar oerpflidjtet bin id) aud; fjans Schaefer, mit öem id) öen Stoff nad)
Dollenöung öer Arbeit öurcbfpredjen tonnte.
9. Die Reöen öer (Ipoftelgefdjidjte unö öie antite ®efd?id?tsfdjreibung 121

nen Hebe wieber3ugeben, empfinbet er gar nidjt. Dielleidjt weife er nidjt einmal,
ob bamals eine Rebe gehalten würbe; 3uweilen weife er es, fennt aber ben Heft
nidjt, tann ifjn Dielleidjt gar nidjt fennen, wenn bie Rebe etwa auf ber §einb=
feite in gefdjloffenem Kreife gehalten würbe. Unb felbft wenn ber IDortlaut
befannt war, fo übernahm ber ljiftorifer itjn nidjt in fein Wert. Das oft ge=
nannte Beifpiel bafür liefert bie Rebe bes dlaubius über bie Derleibung bes
ius honorum an bie Sallier; fie ift infdjriftlid? im CIL XIII 1668 erljalten,
aber dacitus ijat in ben Ann. XI 24 nidjt biefen Heft aufgenommen, fonbern
einen im Jntereffe ber Stileintjeit überarbeiteten; er ijat babei bie „perfön-
lidje Rote ber originalen Rebe mit... Abfidjt völlig oerwifdjt"1). IRan tann ben
Uadjweis tjinjufügen, bafe 3ofepijus im erften unb 3weiten Budj ber Ardjäo=
logie bei ber Wiebergabe bes 3ntjalts ber altteftamentlidjen Senefis fid?
feineswegs nadj bem IDortlaut ber biblifdjen Reben ridjtet, ben er bodj woljl
für juoerläffig Ijält, fonbern nadj ganj anbern Sefidjtspuntten Reben erfinbet2).
©ber man tann besfelben 3ofepljus Sleidjgültigfeit gegenüber bem edjten
Sejt ber Reben burd? bie Satfadje belegen, bafe er bie gleidje Rebe — bes
Aerobes im Krieg gegen bie Araber—3weimal wiebergibt (Bellum Jud. 119, 4,
§ 373ff., Ant. XV 5, 3, § 127ff.), aber feineswegs übereinftimmenb: fo wenig
füljlt er fid; burdj Rüdfidjt auf ben IDortlaut gebunben!
(Es finb jumeift ganj anbere 3iele, bie fidj ber antife ljiftorifer ftedt, wenn
et Reben mitteilt. Aber biefe Siele finb oerfdjieben. (Es fragt fidj, was bie Rebe
bem £efer oermitteln foll:
1. entweber eine (Einfidjt in bie Sefamtlage — ba3u bebarf es Ijäufig
mehrerer Reben, bie Situation non oerfdjiebenen Seiten 3U beleuchten, —
2. ober eine (Einfidjt in bie übergefdjidjtlidje Bebeutung bes betreffenben
7 gefdjidjtlidjen Augenblids — mochte biefe (Einfidjt audj bem gefdjidjtlidjen
Ülenfdjen im IRoment ber Rebe nodj uerfdjloffen fein, ber Sdjriftfteller läfet
fie iljn bodj ausfpredjen —
3. ober eine (Einfidjt in ben dfjaratter bes Rebners —
4. ober enblidj eine (Einfidjt in allgemeine Sebanfen, bie 3ur (Erflärung
ber Situation ober audj nur im lofen Anfdjlufe an fie angeführt werben.
(Es gibt natürlidj aud? Reben, bie lebiglidj bem gortgang ber fjanblung
bienen: fie geben wieber, was an biefer Stelle ber Sntwidlung ooneiner perfon
einer Sdjar oon ITlenfdjen mit3uteilen war. (Eine foldje Rebe ift bann fein
befonberes tedjnifdjes Kunftmittel; gerabe bem naiven (Et3äljler liegt es ja nalje,
in foldjem $all nidjt nur ben Beridjt über bie gefprodjenen IDorte ober biefe
felbft, aber in inbirefter Rebe, mit3uteilen, fonbern bie gefdjidjtlidjen perfonen
unmittelbar fpredjen 3U laffen. Aber audj ber naive <Er3ätjIer weife fidj in
J) Jofepf? Dogt, Gacitus unö öie Unparteili^teit öes fjiftorifers in „Stuöien ju Gacitus“
für Gari ^ofius 1936, 10 flnm. 23.
2) Dgl. Hlartin Braun, Sriedj. Roman unö ^ellenift. Sefdjidjtsfcbreibung (granff.
Stuöien 3. Rei. unö Kultur öer Hntife VI 1934; tjans Sprööowjfy, Die fjellemfierung
öer <Befcf?icbte oon Jofepl? in Ägypten bei Slaoius Jofepljus (öreifsroalöer Beiträge jur
£it. u. Stllforfdjung 18) 1937.
122 9. Die Reben bet Apoftelgefd?id?te unb bie antite Gefd)id?tsfd?teibung

foldjem $all nid?t burd? öie Rüdfid?t auf eine Überlieferung ber Wortegebunben *);
bie Stilisierung ber bireften Rebe mag oft genug auf feine Red.nung tommen.
^ebenfalls, ob bie Rebe nun Kunftmittel ift ober nid?t, ber antite t?iftoriter benft
anbers als wir über bas Dertjältnis ber Reben 3ur gefd? d?tlid?en IDirflidjteit.
Der fjiftoriter, ber bas gan3e Problem am energifd?ften beljanbelt t?at,
ift berfelbe, ber bie Rebe aud? 3um Kunftmittel f?öd?ften Ranges erhoben bat:
es ift dtjufy bibes. (Er f?at fid? in bem berühmten unb oiel beljanbelten2)
„Rietl?obenfa^" feines Wertes I 22 über bie (brunbfätje ausgefprod?en, nad? 8
benen er bie Reben geftaltet $at: bie äxplßeta3) fefeufyalten [ei freilid? fdjwierig
gewefen; fo f?abe er bie Rebner fpredjen (affen, wie il?m fdjien, bafe bie ein3elnen
über bas jebesmal Dorliegenbe bas Rotroenbige gejagt I?aben würben. Wenn
nad? biefen Worten bie Reben frei erfunben 3U fein fd?einen, fo wirb bod? burd?
folgenbe Bewertung offenbar eine gewijfe objettioe Bafis für fie in Rn prud?
genommen; tlljufybibes fügt bie Worte t?insu: „wobei id? mid? möglidjft nalj
an bie 5u[iKaaa Yvü|ir) bes wirtlid? ®e agten l?ielt" (I 22, 1). Die lRel?rbeutig=
teit biefer Bewertung bilbet bas eigentlidje Problem. 3nfolgebeffen ift über
bas Derljältnis oon fubjettioem (Ermeffen unb objettioer Wiebergabe bei ben
Reben unter ben 3nterpreten bes Ul?utybibes bisher nod? feine (Einigfeit et’
3ielt. Be3ieQtman bie ^jptaaa yvöjjxt? auf ben allgemeinen 3nt?alt ber autt?en=
tifd?en Reben, fo fragt es fid? in einer gan3en fln3af?I oon Süllen, wo^er ?It?ufy=
bibes biefen Inhalt tennen tonnte. IRan f?at barum frül?er nerfudjt, ben galten
Rtetljobenfat} nur auf bie 3uerft gefdjriebenen (Teile bes Oefdjidjtswertes 3U
be3iel?en; (Eljufybibes ^abe fid? fpäter 3U einer fubjettioiftifd?en fluffaffung
befebrt, bie iljm erlaubt l?abe, bie Reben gan3 frei 3U fon3ipieren4). Da bies
l) EDie frei aud? ein Autor, bet {einerlei Iiterarijd?e Ge^nit nerwenbet, ber §rage bes
aut^entifdjen Wortlauts gegenüberftel?t, jeigt ber (Eoangelift ITtatttjäus, ber ben Abenb’
mal?lsberid?t bes Utarfus (14, 23) „fie tränten alle baraus" in ein Wort Jefu umwanbeli
„trintet alle baraus" (IHattQ. 26, 27). Gr l?at aud? ben Derrat bes 3ubas, ber IRart. 14,10 nur
berichtet war, bramatifiert, inbem er Jubas in birelter Rebe bie f?ol?epriefter anreben läfjt:
zl bc&vat, xäY<l> 6ptv napaSdiato aöröv; (ITlattf?. 26, 15); unb et l?at bie Sabbat’
Teilung ebenfalls mit biretter Rebe eingeleitet: xal enr)pd>rr;aav aötiv Xiyovteg- el ägeaw
toi; actßßaotv b-epaneboac; (IRatt^. 12, 10 gegen Warf. 3, 2 xal ttapet^pouv aütbv el toi(
odßßaatv öepaiteöaet aöröv).
s) 3d? nenne aus ben Derljanblungen ber lebten Jaf?r}el?nte: Po^lenj, Gbufybibes=
ftubien 1 Radjridjten bet Gott. Gef. b. ID. 1919, U<ff.; 4b. Schwart^ Gnomon II 1926,
7‘ff.; W. Sdiaberoalbt, Die Gefd?id?t[d?reibung bes Gljufybtbes 1929, 22ff.; Kapp,
Gnomon VI 1930, 91ff.; Deffner, Die Rebe bei tjerobot unb iljre Weiterbilbung be
Gljuli'bibes, Diff. Wündjen 1933; Regenbogen -> 120 Anm. 2; Grofetinfty, Das Pro*
gtamm bes Gl?utybibes 1936; Postens, GGA 198, 1936, 281ff.; Pa^er, Das Probien
ber Gefd?id?tsfd?reibung bes GI?ufybibes unb bie tl?ufybibeifd?e grage 1937; (Egermann, 8
D£J 1937, 1474; Berne, Gljuiybibes (Auf b. Wege j. nationalpolit. Gymn. t?eft 5) 1938,
2iff.; £ufd?nat, Die gelb^errnteben im Gefd)id?tswert bes Gbut. (Pljilologus, Suppl
Banb 34, 2) 1942.
3) Gs ift umftritten, ob mit äxplßeta bie Urfunblidjteit ber Reben gemeint ift (Gtofe=
tinffy, Pa^et) ober bas 3iel berljiftoriograptjifdjen IRetljobe übert?aupt(Ggermann)
bas fid? jtoat nid?t bei ben Reben, wofjl aber bei bem Beridjt übet Gatfad?en oerwir!lid?er
laffe.
4) So juerft Pol?lenj, G!?utybibesftubien I, Rad?rid)ten ber Gott. G. b. ID. 1919
H7ff.
9 Die Reben bet Apoftelgefdjidjte unb bie antite ®efd)id)tsfd?reibung 123

ober unwaferfdieinlid? ift, öa es oielmefer nafee liegt, Öen IHetljobenfa^ auf


bas ganje Werf ju bejiefeen, fo mufe ber Ausörud ^ü[t;raaa yvaipj anbers oer«
jtanben roerben: es feanbelt fid? babei nidjt um ben 3nfealt, fonbern um bie
Abfidjt ber Rebe (<5rofefinffy) ober gar nur bes Rebners ((Egermann)
3um Beweife beffen feat (Srofetinffy fefer mit Recht auf bie lEatfadje oerwiefen,
bafe jene Racfebemertung bie Berüdficfetigung ber (Sefamttenbenj nidit als
Prin3ip überhaupt einfüfert, fonbern als örunbfafe bei ber fubjeftioen Über«
(egung: was tonnten bie Rebner wofel gejagt feaben? Bei ber Beantwortung
biefer $rage feilft bem Autor in ber Hat bie Dergegenwärtigung ber Rleinung,
bie bie Rebe in biefem Augenblid gehabt feat. Diefe aber war ifem entweber
<> aus eigener (Erinnerung ober bem Beriefet feiner Sewäfersmänner betannt
ober würbe aus ber Situation ber Rebe oon ifem erfcfeloffen. Das ift bie objeftioe
Bafis ber Reben, bie yvw|ivj töv Xex^vrtov. Sie unterfdjeibet bie
Reben bes JEfeutybibes oon benen bes Ejerobot, ber willtürlicfe erfinben mufe,
fefeon weil er längft Dergangenes beridjtet. äfeufybibes aber fefereibt Seit«
gefd?id?te, ift alfo in ber Sage, bie denbenjen ber Rebner 3U tennen ober einiger«
mafeen 3utreffenb 311 refonftruieren. Unb auf biefer Bafis tann er nun bie Reben
nad? feinem ©utbünten aufbauen unb ausgeftalten. 3ene Bafis aber ift feine
in unferm Sinne „feiftorifefee", benn wer we.fe, ob bie tatfädilid? gefealtenen
Reben bie $enben3 fo tlar, fo tnapp, fo wefentlid? 3um flusbrud braditen wie
Sfeufybibes? 3fem liegt bei ben Reben alles an ber dfearatteriftif bes Rloments,
nidjt ebenfooiel an ber (Efearatteriftit ber perfonen. (Eine 3uoerläffige IDieber«
gäbe bes gefcfeicfetlicfeen Wortlauts würbe ja 3weifellos gewi,fe Unterfcfeiebe
ber Diftion unter ben Rebnern ertennen laffen; Sfeufybibes feat eine dbaratte«
riftif ber Rebner überfeaupt nicfet oerfuefet. Dafe er infolgebeffen 3U fyoetSvj;
fei, feat ifem Dionys oon ^alitarnafe fpäter oorgeworfen1).
Überfeaupt läfet bie Kritif, bie Dionys um bie Wenbe unferer 3eitrecfenung
. an Sfeufybibes übt, trofe iferet Übertreibungen bod? ertennen, was einen EEeil
ber Späteren oon (Efeufybibes entfernt feat unb was fie gerabe bei ber Der«
wenbung oon Reben in (Befdjiditswerfen anbere Wege als er feat gefeen laffen2).
(Es ift oor allem bie Sdjrofffeeit unb Dunfelfeeit bes Stiles, bie bie Dertreter
einer neuen bramatifd?en Darftellungsart unb rfeetorifdjer Künfte an Sfeuty«
bibes abfdiredt3); bie Rebner aber finben, bafe ber grofee Klaffiter ber <5e«
fd?icfetsfd?reibung in feinen Reben fein brauefebares Dorbilb für bie Seridjtsrebe
') Dionyfius oon fealitarnafe Pomp. 3, 20 (II 240 UfenevRabermadjer).
2) Dgl. f). ®. Strebel, Wertung unb IDirtung bes ü^ufybibeifd^en ®efd)id[tswer!es
in ber griecb.«röm. Siteratut, Dijf. IRiindjen 1935.
3) Rad? Duris (br. Gr. Hist. (3acoby) II A 76, Fl) werben (bramatifdje
Anfd?aulid?teit) unb fjbovif (Unterhaltung) verlangt. Dgl. audj dicero fam. V 12, §4 habet
enim p aeteiiti do’oris secura vrordalio debetalionem. $ür bie bejeidjnenb iji
bet Aufbau ber beiben feauptwerte bes Salluft: fowoljl im Bell. Jugurth. wie bei ber Coniur,
Catilinae uerfolgen wir fteigenbe unb fallenbe feanblung mit einem ^öljepuntt in ber IRitte
unb einer Katajttoplje am Sdylufe. Die flnalyfen bei Reitjenftein, fjell. iDunbererjäl?«
lunqen, 1906,87 f., finb allerbinqs übertrieben, fiebe Satte, Salluft (Reue IDege jur Antite 114),
1935, 30.
124 9. Die Reben ber Apoftelgefd?id?te unb bie antife ®efd?id?tsfd?reibung

geliefert bat'). Selbft Salluft weid?t in ber dijarafteriftif oon ihm ab: er pflegt io
nid?t bie unperjönlidje Art ber Darftellung, bie ben Autor oöllig hinter ber Sadie
jurüdtreten läfet unb bie (Ereigniffe nur burd} bie drjä^Iung unb bie eingelegten
Reben beleuchtet, fonbern folgt bem Dorbilb bes Polybios in ber (Einfügung
oon unmittelbaren Cbarafteriftiten unb Überlegungen. Audi finb bie Reben
bei Salluft unterfdiieblid) ftilifiert; balb ausgebreitet, halb furj, nerfdyeben and)
in bem IRaß rhetorifdjer Künfte, bie ber Rebner aufwenbet — unb bies alles
unter Berüdfid?tigung ber Perfon bes Rebners2).
Der Ejiftorifer, ber in ber Kaiferseit n jteigenbem IRafee an Rang unb Dov
bilblidjfeit junimmt, ift Xenophon. Der Attijismus uerfteigt fid? in feiner
Schälung foweit, bafe er ihn neben bie ©rösten ftellt, als Philosophen neben
Plato, als G>efd?id?tsfd?reiber neben fjerobot unb Uhufybibes3). Was hinter
biefer Deret?rung an ?[atfächlid?em fteht, hat Dio oon Prufa fo ausgebrüdt4):
Xenophon fei ein IRufter für ben Politiker — alfo gerabe bas, was Uhutybibes
in feinen Reben angeblid? nid?t war —; ber Stil fei beutlidi unb einfad?, fowohl
überzeugend wie lieblid?. Als IRufter ber d<p£Äsia, ber (Einfad)heit, werben
Xenophons Reben für bie fogenannte zweite Sophiftif flaffifdies Dorbilb6).
3n ber (Tat findet fid? in ben ^ellenica in befonbers großer A^al?! ber Hypus jj
einer furzen Rebe, bie nid?t Referat fein will, fonbern wirtlidje Rebe, ein­
geleitet burd? eine Anrebe, zwar ohne Prooemium unb Sdjluh, aber alles Rot=
wenbige in einfachem, bod? überzeugenbem Rebeftil enthaltenb, nur gewiffer=
mafcen in tleinftem Sormat. IRan tonnte etwa eine Kleinbilbaufnahme zum
Dergleid? heranziehen. Diefer Rebetypus wirb uns nod? beschäftigen6).
’) So findet fid? bei dicero neben bet Berounberung bes großen t?iftorifers aud? bie be= jo
jeidjnenbe Kritit (Brutus 287) ‘Thucydidem’ inquit, ‘imitamur’. Optime, si historiam scri-
bere, non si causas dicere cogitatis. ©bet De opt. geriere orat. 5, 15 mit Beziehung auf
(Il)utybibes: aliud esl enim explicare res geslas narrando, aliud argumentando criminari
crimenve dissolvere.
2) 3n De Coniuratione Catilinae Heben zmei grofee Reben datilinas am Anfang unb
am dnbe (20, 2—17; 58,1—21); bie fatlenbe fjanblung ift burd? bie beiben Reben daefats
unb datos (bet oon ber Rebe daefars lagt: bene et composih disseruit} bezeichnet (51,
1—43; 52, 2—36), auf bie bann in 54 ein Dergleid? ber beiben Rebner burd? beh Sd?rift=
ftelter folgt, eingeleitet burd? bie d?atatteriftifd?en IDorte: guos quoniam res Mulerat,
silentio prael rire non fuit Consilium, quin utriusque naluram el mores, quanlum inge-
nio possem, aperirem. 3m Bellum Jugurth. ift auffallend, bafe bie tömifd?en unb afri=
fanifd?en ©egner 3uguttl?as fid? in langen Reben ergeben, et felbft aber nur tut? unb in
oratio obliqua fprid?t. Dabei helfet es oon bem turjen Öefd?eib an die ©efanbten 22, 2—4:
accepla oratione. ds ift alfo »on einer tnirflid?en oratio bie Rebe, unb es liegt am Sd?rift=
ftelter, wenn fie bem Sefer nur tut? referiert'mirb.
3) Dgl, Blünfd?er, Xenophon in ber gried?.=töm. Citeratur (Philologus, Suppl. Bb.
XIII 2) 1920, 181.
J) Hspl Xöyoo äax^asuip, Or. XVII1 14 (II 255 D. Arnim).
6) Dgl. IRünfdjer, a. a. ©. 116. Aud? Xenophons Reben finb übrigens ber Kritit
nicht entgangen: er laffe, fagt Dionys uon halifarnaj? De imitatione 3, 2 (II 208 Ufenet»
Rabermadjer), uon ävJpes ibeötat. xal ßdpßapoc pl?ilofopbifd?e Reben holten unb oerfeljle
fo bas rtpinav.
6) Ruf bie Reben in ben Ijellenica l?at mid? ©tto Regenbogen bingewiefen. — 3d?
Zähle m ben Ijellenica übet ein Du^enb Reben bet gefdjilberten Art, toährenb bie 3ahl bet
großen Reben ungefähr zehn beträgt.
9. Die Reden der flpoftelgefdjidjte und die antife ®e[chid?tsfdjreibung 125

Heben bem (Iijpus ber großen unb gewichtigen Hebe unb diefem JEypus
bes Äöyog gibt es bei ben antiten piftorifern natürlich nod? andere
Spielarten. Dor allem ift hier bie epibeittifcbe Rebe 3U nennen, bie rhetorische
Künfte jeigen will, ohne im öanjen bes IDerfes tiefere Bebeutung 311 haben1).
3n biefen Sufammenhang gehören aud} bie Reben, bie Sentenjen enthalten
unb barüber hinaus philofophifdje Sebren entwideln, bie gar nidjt auf bie ge-
jd?id?tlid?e Sage, fonbern ganj auf bie Orientierung ober Belehrung bes Sefers
3ugefdmitten finb2).
Diefe Überfdjau follte lediglich erroeifen, bafj bie antife ®efd;id]tsfd)rer
bung, wenn fie Reben barbietet, gewiffen Überlieferungen folgt. Die widjtigfie
pflidjt, oor bie fid; ber Autor geftellt fieht, ift nid;t bie für uns im Dorbergrunbe
Stehende $eftftellung ber tatfäd?(id? gehaltenen Rebe, fonbern bie finnoolle (Ein­
fügung ber Reben in ben Organismus bes galten Wertes. Aud? wenn er ben
Wortlaut ber gehaltenen Rebe erinnern, erfunden ober irgendwo lefen tann,
wirb ber Autor fid? nidjt verpflichtet fühlen, ihn auf3unehmen. (Er wirb ihn
hödjftens benutzen bei ber Kompofition bes großen ober Heinen Rebegebilbes,
I2 mit bem er Seine Darstellung ausftattet. Diefes Gebilde aber wirb entweder
bas ®an3e beleben —wenn birette Rebe ben nüchternen Beridit erfeht — ober
es wirb als Kunftmittel beftimmten 3weden bes Autors bienen. 3n jedem $all
lehrt bie SErabition antiter Oefdjidjtsfdjreibung, bafe aud? ber 3nterpret eines
foldjen hiftorifdjen Wertes 3uerft nad? ber $unftion ber Reben im öanjen 311
fragen hat.
II.
3n ben 3ufammenhang biefer hiftoriographifdjen Ürabition Stelle id? nun
bie Apofte!gejd?ichte bes Reuen tEeftaments. Die Srfläter bes Budjes haben
fdjon gelegentlich auf bie Reben bei ben antiten tjijtoritern uerwiefen3); aber
fie haben bisher bie Aufgabe nid?t gefehen, bie ihnen bamit geftellt war: unter
den gan3 oerfchiebenartigen Redetijpen ber ^iftorifer ben plag 31t finben, auf
ben bie Reben ber Acta apostolorum gehören, unb bamit 3ugleid? bie Bebeu=
tung 3U beftimmen, bie ben Reben im öa^eti bes Wertes 3ufommt.
’) Don folger Art find, nad? der Kritit des polybios (XII 25 i, 5) 311 fdjließen, die Reden
bei dimaios gewefen. polybios bemertt baju, her fjiftorifer foUe eben nicht nur Reben ein»
fleddert, um fein Können ju jeigen. Rud? die Reben bei Dionys non fjalifarnafj gehören
großenteils in biefe ®r tippe, ogl. glierle, Übet Radjahniungert bes Demofthenes, dhuty®
bibes unbXenopljon in benReben ber röm. Archäologie bes Dionyflus u.I?aliiatnaß, Programm
bes £udurigs®®ynmafiums IRündjen 1890.
2) fjier wäre 3. B. 3ofephus ju nennen, ber nad? feiner eigenen Darftellung Bell. Jud.
III 8,5 § 361 ff. m Ifödift pretärer Cage noch 3eit findet, bie Rebe gegen ben Selbftmorb
ju halten. (Er umgeht auch die Dramatit ber (Ertennungsßene in oer altteftamentlicben
3ofeph’®efd;i<hte jugunften oon ausführlichen Reben Ant. II 6, 8. 9 § 140ff., bte mandjerlei
„Wahrheiten" enthalten, ogl. Spröbomffy a, a. ©.
3) ®b. Bleyer, Urfprung unb Anfänge bes ©hriftentums III11 (hlnroeis auf herobot);
3üIid>er»§afdier, (Einleitung i. b. Reue deftament’ 1931, 437 (dhufybibes unb Ctoius);
dabbury in „The Besinnings of Christianity" V 1933, 405 f. (Jofephus, Ühatybiöes,
Polybius, Dio daffius, daeitus).
126 9. Die Reben ber Apoftelgefdjidjte unb bie antife ®efdjid?tsfd?reibung

3unäd?ft ift aber eine Dorfroge ju (teilen: gehört ber Derfaffer, ben id?
mit gutem wiffenjdjafilidjen (Bewiffen £utas nenne1), wirflid? unter bie Sd;rift=
[feiler, denen man bie Derwenbung ber Rebe als Kunftmittel juirauen fann?
Was dagegen ju fpredjen fdjeint, ift nor allem bas neuteftamentlidje Schrifttum
als (Banjes. Diefe urdjriftlidjen Autoren finb nod? feine Sdjriftfteller; fie ge=
winnen ganj fe ten einmal ber Spradje ein Wortfpiel ober eine Klangfigur
ab —aber bann hanbe t es fid? meift um volfstümlid?e Wendungen. Die Reben
Jefu bei ben Synoptifern finb Jufammenftellungen von Sprüdjen unb feine
„Reben" im Sinne ber Rhetorif; bie Reben bei Johannes aber gehören in eine
orientalifdje Umwelt unb haben mit denen ber Apoftelgefd)id?fe weber im Stil
nod? im Aufbau etwas gemein. Unb wenn ber fjebräerbrief in gewifjem Sinne
jur Kunftprofa gerechnet werben fann2), fo liegen bod? bie Kunftmittel bes
tyftorifers auf einer anderen (Ebene; bie Rhetor f bes Paulus aber3) ift bie 13
Rhetorif ber gefprod?enen Rebe, nid?t ber hohen Citeratur, Die Apo(telgefd?id?te
würbe alfo, wenn ihre Reben Kunftmittel im Sinne biefes Schrifttums fein
füllten, eine einjigartige Stellung im Reuen deftament einnehmen.
Dagegen aber fdjeint wieder bas frühere IDerf besfelben Autors, bas £ufas*
(Evangelium, ju jeugen. Denn tro^ feines Iiierarifd?en Prologs ift biefes erfte
Wert bod? feiner Art nad? nid?ts anderes als ein (Evangelium wie IRarfus und
IRatthäus aud?. £ufas hat bie JEejte feiner Quellen fpradjlid? überarbeitet; er
hat ihre Darftellung nad? ben ®efid?tspuntten ber Wal?rfd?einlid?feit unb An-
fd?aulid?feit umgeftaltet; er hat Bewertungen unb (Ergänjungsftüde eingefügt,
bie Beziehungen unb 3ufammenhänge herftellen. Aber burd? bies alles ift ber
(Eharatter bes (Evangeliums nidjt wefentlid? geänbert worben: es bleibt ein
Bud?, bas Sammelgut enthält, ©efdjichten unb Sprüdje, baju bie £eibens=
gefdjidjte — Überlieferungen ber (Bemeinbe, überarbeitet wohl, aber nicht neu
geformt; ein Bud?, wie es im (Broten unb (Banjen ben IKenfd?en entfprad?,
bei denen die Überlieferung gefammelt worden war und in deren ^änbe fie
jeht in Bud?form wieder gelegt wurde. 3ft es benfbar, bafe ber jweite Banb
bes lufanifd?en Wertes von ganj anderer Art war, dafe ber Derfaffer bes Guam
geliums fid? in biefer gortfefeung feines Wertes literarifdjer Kunftmittel be=
biente, wie man fie im Bereich öer „grofeen" £iteratur verwenbet? 3ft bies
benfbar, jumal es fid? aud? in biefem jweiten Geil nid?t um Staats= unb Kriegs*
gefdjidjte, nid?t um bas £eben von Polititern, geibherren ober Philofoph'en
handelt, fonbern um bie Sdjidfale ber armen diriftlidjen (Bemeinben unb ihrer
IRiffion?
Die Antwort auf biefe grage mufe lauten: bies alles ift in ber <Iat benfbar.
Denn von ben eben als (Begeninftanj angeführten Dorausfefeungen trifft mim
heftens eine nidjt ju — unb bas ift bisher oft überleben worben —: bas Werf
’) Dgl. meine ©efdj. ber urdjriftl. Citeratur (Sammlung ®Ö[d?en) 1926: 1 47, II101.
*) Blafe’Debrunner, Srammatit bes neuteft. Sriedfifd)7 )j>43 §485.
*) J. IDeife, Beiträge jur paultnifdjen Rljetorit (übeol. Stubien für B. Weife 1897);
IDilamowife in „Die griedi. £iteratur unb Spradje" (Kultur ber ©egentuart I, VIII 1912)
232f.; Bultmann, Der Stil ber paulinifdjen Prebigt unb bie tyni[d?=ftoifd?e Diatribe 1910.
9. Die Heften fter flpoftelgefdjidjte unö ftie antife Sefdjidjtsfdjreibung 127

bes £ufas ift nidjt nur für bie Gemeinben geringer £eute beftimmt, fonbern
aud; für einen anbern, fosial Ijöljer ftehenben Kreis. Unb swar gilt bies nidjt
nur oon ber Apoftelgefdjidjte, fonbern audj oom £ufas=Goangelium — froh
allem, was bagegen ju fpredjen fdjeint. Den Beweis für bie weiter reidjenbe
14 Abfidjt bes Derfaffers liefert ber Prolog bes Goangeliums. Diefer burdj
unb burdj literarifdje Gejt, ber in Wortfdjatj unb Aufbau ben prooemien oon
Werten bes gepflegten Sdjrifttums gleidjt, hat ben djriftlidjen Gemeinben
feiner 3eit nur wenig 3U fagen. Die IDibmung an eine Stanbesperfon, hier ben
xpdrcaro; 0e6<ptko; ehrt ben Abreffaten, oerpflidjtet hn aber audj jur Der=
bre.tung bes Budjes, mag er nun gläubiger dtjrift fein ober intereffierter tjeibe.
Die Gemeinben Ijaben mit biefen literarifdjen (Gepflogenheiten nidjts ju fdjaf=
fen. Die Erwähnung „ber (Ereigniffe, bie fidj unter uns Dol^ogen Ijaben" fagt
nidjts non ber fjeilsbebeutung; unb ber Wunfdj, ber £efer möge „fidj oon ber
3uoerläffigfeit ber Kunbe" überjeugen, bie er »ernommen habe, ft gerabeju
mit einer gewiffen Üeutralität ber Sadje gegenüber formuliert1); es tonnte mit
benfelben Worten audj ein Wert eingeleitet (ein, bas ein oiel besprochenes
(Ereignis profaner 3eitgefdjid;te }um Gegenftanb hätte.
Diefer Prolog 3eigt, bah ber Derfaffer nidjt nur bie fdjlidjten Christen als
£efer 3U Ijaben wünfdjt, fonbern audj literarifdj Gebilbete djriftlidjen ober
anberen Glaubens, bie an foldje Dorreben in ben Büdjern ihrer Waljl gewötjnt
finb. Der übrige SEeyt bes £utas=Goangeliums entfpridjt feineswegs biefem
Prälubium; bie Sadje swingt ben Autor 3U einem anbern Stil; bie Sadje, b. fj.
bie reidjlid; oorhanbene Überlieferung, bie £ufas nur umarbeiten unb rebi=
gieren, aber feineswegs in ben Stil eines literarifdjen IDertes übertragen will.
Ulan muh alfo bamit redjnen, bafe bas £ufas=Goangelium oon Anfang
an — mobern gefprodjen — 3wei Abfatsgebiete gehabt Ijat: es war £efebudj
ber djriftlidjen Gemeinben wie IHarfus, lÜatthäus unb anbere uns oerlorene
Büdjer (bie rroXW bes £utas--prologs), jugleid? aber war es 3ur prinatlettüre
literarifdj Gebilbeter beftimmt. Die erfte Gruppe tonnte bem Prolog nur bie
Derfidjerung ber Suoerläffigteit entnehmen; bie aber ftanb ihr ohnebies feft.
Sie hatte es mit bem 3nhalt bes Budjes 311 tun, mit ber Überlieferung oom
fjerrn. 3hr h’efe bas Bueb wohl non allem Anfang an eöaYyiXtov ’Ir(aoO
XptaroO — unb erjt wo mehrere Büdjer biefer Art oorlagen, würbe ber Der=
15 faffername hinjugefügt: xard Aouxäv, b. h< „in ber $orm, bie £ufas bem
,Goangelium‘ gegeben hat". Die anbere £eferfdjaft bes Budjes aber follte gerabe
burd; ben ptolog 3um redjten Derftänbnis bes ihr ungewohnten Inhalts am
geleitet werben: audj bies ift fjiftorie, auf forgfältig gefammelten Überliefe=
rungen ber Augenieugen beruhenb, unb alfo 3uoerläffig, wie man es oon einer
gefdjidjtlidjen Darftellung oerlangt. Diefer £ejerfd;aft ift bas Budj gewife nidjt
i) Ulan oergleicfje ein prooemium nerwanöten Stils, aber entfcfjieften cfyriftlidjer §ormu«
[ierung, wie ftas öes papias 311 feinen Zoyttov xupiaxßv (bei (lufeb, H. e. III 39, 3):
söftä zots taj äXXozpiaj evtoXa; fmjiioveuouaiv ( eil. sxalPov), Täte *06
xuptou T itim SeBopxvaj xal än' aörfjj Ttapavivopeva; zfjj dXT)9sta{.
128 9. Die Reben bet Apoftelgefchidjte unb bie antite (Befdjidjtsfchreibung

unter öem ®tel eöafY&tov angeboten woröen, — bann wäre ber Prolog
nicht jo neutral gehalten, fo oerfd)wiegen hinfidftlid] ber fjeilsbebeutung bes
Stoffes. Wenn biefer Prolog ben Ramen bes Aöreffaten ber Widmung nannte,
fo tonnte ber Käme bes Detfaffers im üitel taum fehlen, unb wenn ein Rüd*
fdflufs Dom Eitel bes 3weiten Budjes erlaubt ift, fo war bas erfte Aoux«
(’Avrtox^wg) ’lrjaoO überfdjrieben.
Was uom Prolog bes £ufas=Eoange!ium gejagt würbe, gilt aud} »on bem
ber Acta apostolorum: er 3ielt auf eine £eferfd?aft, bie dergleichen gewohnt
ift. Rur bringt bie $ortfe^ung biesmal feinen grunblegenben Wedjfel bes Stiles.
Denn biefes Bud] ift nidjt »on Dornherein ein Cefebud} ber ©emeinbe1); es
l?at ja aud] offenbar feine Dorgänger, orbnet fid? alfo nid]t wie bas £utas=
©oangelium einem bereits corhanbenen Eijpus oon djriftlidjen Schriften ein.
3nfolgede[fen fann ber Derfaffer ljier geftalten, foweit bas ber oon ihm ge*
fammelte Stoff juläfct; er fann auswählen, er fann ebenfo fürjen wie erweb
tern; er beftimmt bie Reihenfolge, er fdjafft Übergangs* unb felbftänbige
3wifd)enftüde. Das alles finb £eiftungen einer fyiftorifdjen Hed?nif, bie ber
würbigen fann, ber Ijiftorijdje Büdjer ju lefen gewohnt ift, nid]t aber ber
fdjlicbte (Hjrift. Rian braud]t biefe Eedjnit nidjt 3U überfchätjen: bie jaljlreidjen
E^ählungen — £egenben, Rooellen, Anefboten2) —, bie ber Derfaffer auf* U
nimmt, finb oielleidjt fpradjlid? überarbeitet, feinesfalls aber ftiliftifd] umge*
arbeitet, hoben vielmehr ihre alte Art bewahrt. Erotjbem ift bes Autors ge*
ftaltenbe ^anb aud] an ihnen ju fpüren, wenn 3. B. bie breite Ausführung ber
dornelius*®efd)id]te beutlid] oerrät, ba^ £ufas mit ihr bie grunbfählidje Wen*
bung 3ur fjeibenmiffion auf (Bottes Befehl ans £id)t (teilen will. Was hier bie
Breite anbeutet, befagt anberswo bie Kü^ung: £ufas hat Act. 16, 6—10 bie
Stationen ber fleinafiatifdjen Reife bes Paulus alle mit Ausnahme oon Eroas
weggelaffen; es wäre feltfam, wenn fie ihm nidjt überliefert gewefen wären
im Sufammenhang bes oon ihm 3weifellos benutzten 3tinerars, bes Stations*
oer3eid]niffes ber Paulusreifen. Der innere Sinn biefer Kürjung ift offenbar-
£ufas will 3eigen, bafe es göttlid?e Sügung, nidjt menfd?Iid]er Wille war, ber
Paulus nad] IRajebonien unb ©riedjenlanb brachte. Darum erwähnt er brei*
mal bas Eingreifen einer höheren IRad)t; ber heilige ©eift, ber „Seift 3efu"
unb ein näd]tlid)es Sefidjt beftimmen bie Richtung ber Reife (16,6.7.9);

0 Dafür gibt es — äuget ber mit bem 3nbalt gegebenen IDaht[d)einlid)feit — jwei
Beweife: 1. Die flpoftelgefdjicbte ift oon ben Semeinben nicht mit bem £ufas*Eoangelium
jufammen in ben Kanon aufgenommen worben, fonbern taud)t erft gegen 180 als tanonifdjes
Buch auf. — 2. Der CEeyt bet Acta ift oiel Härter überarbeitet worben als ber eines anbetn
neuteftamentl. Budjes (fiebe ben fog. IDeftlichen dejt); baran ertennt man, bafe biefer üejt
nod? lange „frei" war, b. h- nidjt ber 3ud;t unterftanb, wie fie für bas Srofje unb ©an^e
eines Budjes bet bauetnbe (Bebraud) im öffentlichen Sottesbienft ausübt, ber jwar mancherlei
Heine Dartanten heruorbtingen mag, fchwerete (Singtiffe in ben dejt aber ausfdjlieht. — 3d]
Babe bas hier nur berührte Problem in einem Auffah „Die nädjfte Aufgabe" behandelt, bet
im „Journal of Religion" 1941, 421—431, erfdjienen ift f->7ö—83].
“) Dgl. meine Abljanblung „Stiltritifd]es 3ur Apoftelge[d)id)te", (Jutharifierion f
fjerm. Sunt el II, 1923, 27—49 [->9—28].
9. Die Reben öer Apoftelgef©i©te unö bie antife <Md)id)tsfrf}teibung ] 29

Uroas unb IHajebonien finb bie 3iele. 3roif©enjtationen werben ni©t erwähnt,
©s foll ni©t fo aussen, als ob Paulus burd? jene fleinafiatif©en ©ebiete eine
Illiffionsreife rote fonft unternehme; f?ier gibt es weber 3ie( nod? bauernben
Aufenthalt: erft in Hlajebonien ift feines Bleibens.
©egen ©nbe ber Äpoftelgef©i©te ertennt man bie geftaltenbe tjanb bes
Derfaffers in bet Art, wie bie Derteibigung bes paulus bargeffellt wirb; ni©t
weniger als fedjsmal hat ber Apoftel Rebe unb Antwort ju ftehen: oor bem
Dolf, oor bem Synebrium, 3weimal oor bem profurator $elij, jweimal vor
geftus, ©s fann nicht ber Sinn biefer Abfdjnitte fein, ben projefe bes Paulus
weiter 3U treiben. Abgesehen oon ber Appellation an ben Kaifer 25, 11. 12
führen biefe Dernehmungen ja niemals ju einer auch nur oorläufigen ©nt=
fdjeibung. Anwerbern fann bas 3ntereffe bes £ufas an bem proje^ bes Paulus
ni©t befonbers grof; fein; benn es gehört ja 311 ben Rätfeln, bie fein Bu© uns
aufgibt, bafe es feine Darftellung bes fdiliefjli©en ©nbergebnijfes in Rom bringt,
fonbern oorher abbri©t. Der Sinn biefer oielen Detnehmungen muf? alfo nicht
in ihrem Siel, fonbern in ©rem Derlauf liegen, tjier fommen in ber Hat Argw
mente 3ur Sprache, bie nidjt nur für unb wiber Paulus, fonbern für unb wiber
bas ©hriftentum 3eugen, unb 3war wohl pornehmlid? 3ur Seit bes Derfaffers; oon
ihnen, nidjt nur oon ihrer Wirfung in biefem einen Pro3eb, foll ber £efer Kennt«
nis nehmen, um babur© im Wiberftanb gegen fol©e Auflagen geftärft 3U werben.
17 ©in letztes Anseidjen non ber ©ätigfeit bes Autors: breimal im Derlauf
ber IRiffionsfahrten bes paulus hören wir förm!i©e Abfagen an bie 3uben,
im pifibif©en Antio©ia 13, 46, in Korinth 18, 6 unb in Rom 28, 25. Wie fi©
bie 3uben 3ur ©riftlidjen IKiffion (teilen, wirb in Antio©ia unb Korinth nur
angebeutet; in Rom ift oollenbs nur oon geteilten IReinungen innerhalb ber
3ubenf©aft bie Rebe. Der Derfaffer legt alfo offenbar feinen Wert barauf, bas
Ijarte Urteil bes Apoftels über bie 3uben 3U begrünben. Was er 3um Ausbrud
bringen will unb barum breimal —jule^t fogar 3iemli© unoermittelt — heroot
hebt, ift bies, bafj Paulus non ben 3uben felbft Deranlafgt würbe, fi© an bie
tjeiben 3U wenben. Paulus mag Ahnli©^ oft erlebt haben; bie Auflage I. ©heff-
2, 15.16 läfjt fol©e ©rfahrungen wiebertlingen. Aber bie unfonfrete ©in«
führung1) ber Abfagen an bie Juben, ihre wohl abgemeffene Derteilung auf bie
Kapitel 13, 18 unb 28 unb bamit auf alle £änber, bie in Betra©t fommen —
Kleinafien, ©riedienlanb, 3talien — fann bo© nur als Wert eines bewußt
{©affenben, auf Kunftmittel nidit oet3idjtenben Autors gewertet werben.
III.
Diefer Derfaffer legt Wert barauf, fein Werf mit Reben 3U bur©fehen.
Wenn man bie großen unb fleinen ©ebilbe 3ufammen3ählt, bie wirflid? Reben
fein wollen — bur© Anrebe ober fonft tenntlid? gemadite Anfpra©en an eine
’) 3n flntiodna he'Bt es ävTsXeyov ßXaafprjpoDvre? ohne jede nähere Angabe; aud)
in Korintt) fehlt bei ävtiTaaaonSvwv 54 aÜTöv xal jäJ.aaq>7jpcuvwv jede inhaltiidje Beftim«
mung (D hat aufgefüllt); unb in Rone ift ci 54 T.ittatow bas einzige, was jur Belaftung
ber Juben unb jur Redjtfertigung ber folgenben Paulus«IDorte angeführt wirb.
9
f

130 9. Oie Reben ber Hpoftelgefdjidjte unb bie antite ®efdjidjtsftfereibung

Dieljafel —, jo dürfte fid) ifjre 3aI?I auf etwa 24 belaufen1). Sie oerteilen fid?
auf alle Abfd?nitte bes Budies; 8 gehören bein Petrus2) unb 9 bem Paulus’);
je eine bem Stephanus (7, 2—53) unb bem fjerrnbruber Hafobus (15, 13—21), 18
unb nur 5 werben non Hidjtdjriften gehalten4). So tonn es aud) nur äufeerft
feiten ju einem (Begeneinanber non Reben, einer <2|i:ÄÄa Xd-pw fommen; ein
joldjes ©efed?t findet nur einmal, cor bem Profurator $elij, ftatt (24, 2—21);
babei fprid?t ber Rhetor dertullus als Anwalt ber 3uben unb Paulus als fein
eigner Derteibiger. Bei ber Apoftelberatung (15, 7—21) reben Petrus unb
3atobus übereinftimmenb mit ber gleichen denöenj — bas ift alfo fein Wort*
gefedjt. fjöd?ftens lönnte nod? bie Derjammlung im Synebrium Act. 5 genannt
werben, in ber Petrus juerft bie d?riftlid?e prebigt in wenigen IDorten ju-
fammenfafet unb bann Samaliel in Abwefenfeeit ber Apoftel jenen berüfemt
geworbenen Rat gibt, ©ott bie dntftfeeibung ju überlaffen. Aber bies ift fein
wirflid?es ©egeneinanber, fonbern mefjr ein Rad?einanber.
Sd?on biefe Überfidjt uermittelt uns eine negatioe drfenntnis. ds ijt offen*
bar nid?t bie Abfidjt bes Cufas, burd) Beleucfetung einer Sad?e oon jwei Seiten
bie enblidje dntftfeeibung norjubereiten ober ben Cejer jur jelbftänbigen Be­
urteilung bes $alles anjuregen. Beibes f?at Sallujt erreid?t, als er nad?einanber
daefar für bie milbere, aber gefeijlicbe unb dato für bie jtrengere Bejtrafung
oon datilinas Derfdjwörung fpred?en liefe (De coniur. Cat. 51. 52); ober Xeno*
pfeon, als er profles unb Kepfeifobotos ifere IReinung über Bunbesgenoffen*
fefeaft unb ©berbefefel jagen liefe (Hellenica VII 1, 2—14). Aud? Appiau feat
in ber Libyca eine milbe unb eine jtrenge Beurteilung Karthagos neben*
einanber geftellt (57—61.62—64). Dergleidjen fann aber aud? in bem einjigen
Rebegefedjt ber Acta jwifd?en dertullus unb Paulus nidjt bie Abfid?t bes Der*
fajjers fein; benn feier trägt ber ©egner bes Paulus nur bie Anflagepunfte oor
unb oerweift, ofene Überrebungstünfte anjuwenben, auf bie Dernefemung bes
Angeflagten Paulus ober bes dribunen fyfias’). Unb fo feat bie wefentlid? j?

') Rian fann barübet [freiten, was man ben „Reben" jujureefenen feat. tjier finb 3. B.
bie Worte bes fluferjtanbenen 1, 4. 5. 7. 8 nidjt mitge}äfelt, obtoofel fie, wie fid? jeigen wirb,
iferer guntfion nad? den Reben gleitfeen. RudjIRitteilungen wie 6, 2—4 unb 18, 14.15 finb
nidjt mitgeredjuet. Die flnfpradje bes Paulus an bie Sdjiffsbefa^ung 27, 21—26, bie einen
wirtlidjen Rebeftil feat, i[t mitgejäfelt, bie flufforberung jum äffen 27, 35f. aber nidjt.
2) 1,16—22; 2, 14—36. 38f.; 3,12—26; 4,8—12.19.20; 5,29—32; 10,34—43;
11, 5—17; 15, 7—11.
’) 13, 16—41; 14, 15—17; 17, 22—31; 20, 18—35; 22, 1—21; 24, 10—21; 26, 2—23.
25—27; 27, 21—26; 28, 17—20.
•) ©amaliel 5, 35—39; Demetrius an [eine Sunftgenoffen 19, 25—27; ber Stabt*
fdjreiber in dp(?efus 19, 35—40; dertullus 24, 2—8; geftus 25, 24—27.
5) Wenn bie Worte 24, 6 b. 7. 8a, bie ber weftlidie dert feiet bietet unb bie in ben antio*
d;enifdj=by3antini[d?en dejt übergegangen finb, als etfet ju gelten feaben, beliefet fidj dertullus
auf bas 3eugnis bes £y[ias, nidjt auf Paulus. Wäferenb id? fonft bie fog. weftlidjen feesatten
meiftens für bie drweiterungen ober Derbefferungen bes Urfpünglidjen anfefee, mödjte id?
in biefem Salt bod? für iljte Urfprünglidjteit mit Dorjidjt eintreten (f. aud? Hopes in „The
Begiunings of Christianity" 111 3. St). Denn am ägyptifeben dejt ift unwaferfcfeeinlicfe:
1. bie fjäufung bet Relation 5g, öv, ^ap’ o3 24, 6. 8.—2. bie Bejiefeung bes dertullus auf bas
jeugnis bes Paulus. Dagegen wirb 3. burd? bie im weft1id?en dejt notwendige Be3iel?ung i«
9 Die Reben ber flpojtelgefcfeidjte unb bie antife ©efcfeiditsfdireibung 131

gefülltere Rebe bes paulus non vorufeereiu bas Übergewicht. Der Autor will
gar nici?t parteilos fein, er will ja für feine Sadie werben; es wirb fid? jeigen,
bafe barin ein gans wefentlidjer Unterfdiieb non ber antifen ©efdiid?tsfd?reibung
liegt; Sutas erjäljlt, aber inbem er beriditet, prebigt er aud?.
Die Bebeutung ber Acta^Reben ift alfo nid?t aus jenem einigen Wort=
gefedit 3U erfdiliefeen. Wir werben ifer am efeeften nabefommen, wenn wir bie
Stellung ber t^auptreben im Organismus bes ganjen Buches betrachten. Wir
werben babei vor allein biejenigen Reben unterjudjen müffen, beren Dor=
hanbenfein nid?t ohne weiteres burd? bie Situation gegeben ift. Am Pfingftfeft
mufe petrus reben, um bas Pfingftwunber 311 erklären; wenn paulus in bie
Synagoge oon Antiodjia gefet, fo erwarten wir, bafe er bort rebenb auftreten
wirb. Aber warum mufe gerabe oon ber Reifeftation Athen eine Rebe be=
richtet werben unb non Philippi unb non Korinth feine? Serebet bürfte ber
IHiffionar Paulus an jebem ber brei Orte haben; ber Autor tonnte alfo frei
wählen, aus welcher Stabt er eine Rebe beridjten wolle. <Jr wählte Athen fidjer
nidjt aus gefdjidjtlich^biographifdjen ©rünben; benn er mufe ja felbft berichten,
bafe ber (Erfolg bes Apoftels in Athen gan3 gering gewefen fei. Die Stabt bes
(Erfolges war Korinth, unb aud? in Philippi ift — nad? bem 3eugnis bes
Philipperbriefes — bie ©rünbung einer lebenbigen unb bem Apoftel befonbers
nahe ftehenben ©emeinbe gelungen. Wenn Cutas trotjbem bie einige £jeiben=
prebigt, bie er von bem fjeibenmiffionar Paulus mitteilt, nad? Athen verlegt,
jo gefd?ieht es, weil er ber Stabt Atfeen eine befonbere Bebeutung 3uertennt‘).
(Er hat bie Rebe vorbereitet burd? eine Sd?ilberung ber geistigen Sage Athens,
bie jid? burd? Stil unb garbigteit vor allen ähnlichen Scfeilberungen im Heuen
20 deftament aus3eid?net2). Die Athener mit ihrer Begier nad? Heuern, ihre$röm=
migteit, bie Sd?ulen ber (Epifureer unb Stoifer — alle biefe (Eitelkeiten follen
beim Sefer ben (Einbrud heroorrufen, bafe Paulus feier im Brennpunft bes
geiftigen Sehens non ©ried?enlanb ftefet. Der d?riftlid?e Apoftel ift in bas 3en=
trum ber Welt vorgebrungen, bas ben (Seift repräjentiert; er wirb — am (Enbe
bes Bud?es — in bas 3entrum Vorbringen, bas bie Rlad?t repräfentiert. (Es
entfpridit ber beften Überlieferung griedjifdjer ®efd?id?tsfd?reibung, wie fie von
dfeufybibes begrünbet würbe, bafe Cutas ben Apoftel feier, an berüfemter Stätte,
bes nap' auf ben üribunen £yfias bet Sd?lufebefd?eib bes protonfuls 24, 22 gut vorbereitet.
Der IDibetfptud), ber bis ju einem gewißen ©rabe jwifdjen ben fraglichen Derfen unb bet
Darfteilung 21, 27—22, 24 beftefet, ift fein Srunb gegen bie ©djtfeeit jener Derfe, benn ber=
artige Unftimmigteiten jwifdien Rebe unb ©rjäfelung finben fid? meferfadj in bet flpofteb
gefdjidjte IDofel aber tönnte bie Streichung jener Derfe burd? bie Beobachtung
biefes IDiberfprudis veranlagt fein.
1) Dgl. 3U allem golgenben meine Hbfeanblung „Paulus auf bem flteopag". Sifeungs=
beridjte ber Heidelberger Stabende 1939, 45ff. [60 ff.j.
9 (Emanuel feirfd) 3RID 28, 1929, 305ff. bentt an fdjriftlidje Dorlagen für ben Beridji
20 über Rtfeen. Dagegen fpridjt, bafe biefer Beriefet fd?on gan? auf bie flreopagrebe fein angelegt
ift, ogl. bie xonsCSaiXoe icdiij mit bem Sitar bes Unbetannten ©ottes, bie (Erwähnung bet
Pfeilofopfeen mit ber Beweisführung in ber Rebe D. 24—27, vielleicht aud? ben aneppoXivoj
mit bem Didjterjitat D. 28, bie herüorfeebung von 3efus unb ber „flnaftafis" mit bem Scfelufe
ber Rebe.
9*
132 9- Die Heben ber flpojtelgefd?id?tc unb bie antite ©efdjidjtsfdjreibung

eine Rebe galten läfet, bie jidj aufs engfte mit ben ©ebanfen helleniftifdjer
Philofophie unb nur in geringem (5rab mit ber Clbeologie bes paulus berührt’).
(Es ift eine großartige Konzeption: ooran ftetyt — im ©egenfaß ju ßeib=
nifdjer Verehrung — bie geftjtellung, baß bie Sottßeit bebürfnislos ift; es folgt
ber (bebaute, baß Sott bie ITlenfdjen gefdjaffen ßat, bamit fie bie drbe be=
wohnen2); baß er ihnen 3ahresjeiten unb Wohngebiete jugeorbnet hüt, bamit
fie ihn fudjen fallen3), dnölid? nerweift ber Rebner auf bie öottoerwanötjdjaft
bes natürlidjen ITlenfdjen; bie 311m (Sefdiledjt Öottes gehören, bürfen ihn nidjt
in Bilöergeftalt uerehren. Den Befdjluß madjt ber fjinweis auf bas fommenbe ’T
(beridjt4). Diefe IRotioe mürben eine weitere Ausführung lohnen; jeber fjaupt;
gebante würbe fid? in fünf bis adjt weiteren Säßen auseinanberfalten laffen.
Das ift aber nidjt bes Autors Wille; er begnügt fid? mit ber einmaligen Aus=
fpradje jebes IHotios. So ift bie Rebe auffällig tur3 geworben; fie ift aber Weber
ein Ausjug aus einem größeren Wert nodj eine Inhaltsangabe. Sie ift nadj
l) Dgl. meine in ber notierten Anm. genannte Abßanölung, S. 38ff. f—>56 ff.]. Wilßelm
S djm i b ßat im pbilologus 1942,S. 79—120, meiner Deutung faft IDort für Wort wiberfprodjen.
Aber er bat fidj für fein Derftänbnis ber Rebe eine ©runblage gefdjaffen, bie idj nidjt anju=
ertennen oermag. ©r (teilt junädjft feft, was Paulus in biefer tjeibenpreöigt [agen mußte.
Dabei faßt er Paulus als Syftematiter, ber fidj „eine jufammenßängenöe Dorftellung übet
bas Deißältnis ber djriftlidjen jur ßeiönifdjen ©ßeologie gebildet... haben muß" (S. 110). Don
biefer Dorftellung aus interpretiert er öie Rebe, nimmt Süden an, wo fie feinen Doraus=
feßungen nidjt genügt, unb ergänzt fogar ben ©ejt bur© ein betont djrijtlidjes Ijauptftüd
(S. 113). Das Derfaßren als ©anjes richtet fid? felbft; auf ©injelnes geße id? im folgenben ein.
’) Sdjmib a. a. ©. S. lOOff. trägt ben ©eöanten ber 3erftreuung ber Rlenfdjen als
goige bes Sünbenfalls aus ber biblifdjen Überlieferung ein. ©t oertennt, baß Act. 17,26
burdjaus optimiftifdj geßalten ift unb bas IDoßnen ber Rlenfdjen auf ber ©rboberflädje als
ffiabc ©ottes wertet, nicht als „golge ber 3er[törung bes göttlidjen plans" (S. 100).
3) Rtaf Poßle03 (teilt in einem Auffaß „Paulus unb bie Stoa", ber öemnäcßft in ber 3RW
erfdjeint | injwifdjen erfdjienen 3RW 42, 1949, 69—104] unb3ubemidj mit bes Derfaffers
gütiger (Erlaubnis fdjon hier Stellung neßme, ben paulus ber Briefe bem Paulus ber Apoftelge’
fdjidjte gegenüber, jn ebenfo feffelnber wie iibet3eugenber Weife jeigt er, baß ber Paulus bes 21
Römerbtiefes „fidj in ber ißm burdj ©eburt unb ©t3ießung oorgejeidjneten Denfform bewegt",
bie ßellenifdjen Begriffe aber „nur in (tatter Umfeßung unb am Ranbe bei ißm auftaudjen".
„Der Areopagrebner bagegen oerfeßt fidj abfidjtlid? in bie Dentform ber Reiben ßinein."
Poßlenj erßebtnunimDerlauf feiner Darlegung oer(djiebene ©inwänöe gegen meine 3nter»
pretation oon Act. 17, 26. 27, bie miet; aber nidjt überjeu^t ßaben (ogl. jebod; unten S. 160 u.
Anm. 2). ©r mödjte ärmtrjasv D, 26 mit xaxocxetv oerbmöen: ffiotf ßat alle Dölter woßnen
laffen — wobei bann Svö? „in pßilofopßifdjem Sinne neutral" gefaßt werben (oll. jd?
glaube, baß bei einem biblifdjen Autor änoöjaev xe 4g redtv e^vo; äv8-pd>muv nidjt
anbers als auf bie Abftammung bes ganjen IRenfdjengefdjledjtes oon Abam (ä£ fvö;)
bezogen werben tann, unö baß änotyasv bann (elbftoerftänblidj „er ßat gefdjaffen" ßeißt.
3© tann midj audj nidjt baoon überjeugen, baß fidj bie npoaxsxaYiisvat xacpot unb bie
JpoOeaiai auf bie jeitlidje (?) unö räumlidje ©ntwidlung öet IRenjdjenoölter beließen,
fonbern mödjte öie Deutung auf 3aßresjeiten unb Sieblungssonen aus ben in meinet flbßanö-
Jung oorgetragenen örünben feftßalten — unö öas um fo meßt, als Poßlenj’ Derftänbnis
öer xatpol äußerft unbe(timn;t bleibt. Diefer Wiber(prud) minöert nidjt meine 3uftimmung
ju öem ffianjen öes Auffaßes unö meinen Dant an (einen Derfaffer.
•) Sdjmib bemertt ridjtig: „Was feilten derartige völlig unoermittette Anbeutungen
öen fjörern bes Paulus (agen, bie über Perfon unb £eßre ©ßrifti aufgellärt werben wollten?"
(S. 113). Aber man öarf bas geßlenöe nidjt ergänjen, fonbern muß fidj mit ber geftftellung
begnügen, baß öie Ateopagreöe nur öie(en einen djriftlidjen Saß entßält. Audj öas ift ein
3erdjen, baß Reben wie öiefe junädjft für einen gebubeten £efertteis geöadjt find, ©r allein
tonnte bie Derwanöffdjaft mit ßelleniftifcßer Pßilofopßie wütöigen.
9. Die Reben ber Apoftelgefd?id)te unb bie antife Sefdtidjisfd/rcibung 133

Stil unö Hon eine wirHidje Reöe, mir eben auf fleinftem Raum; öie Analogie
öer Kleinbilöaufnahme pafet aud? h^r. So ift eine gefd?loffene Größe ent
ftanöen1); öie öid?te Sülle ihrer Geöanfen bewährt fid? in öent llmftanö, öafj
öer Sefer öen Ginörud einer wirflid?en Reöe empfängt, währenö öer münö=
iid?e Dortrag biefer „Hebe" faum örei miauten in Anfprud? nehmen würbe.
22 (Es ift — oon ben wenigen in £yftra gefprodjenen Sätjen (14, 15—17) ab=
gefehen — bie einjige Prebigt an Reiben, bie bie Apoftelgefd?id?te oon öent
großen tjeiöenapoftel Paulus mitteilt. Sie Hingt aus feiner öer Stäöte, bie in
ber ITliffionsarbeit bes Apoftels eine Rolle fpielen, fonöern aus Httjen, unb ber
Derfaffer ber Acta legt IDert barauf: bie Rebe beginnt mit einem für Athen
typifdjen motio2) unb wirb eingeleitet mit einer bejeid?nenöen Sdjilöerung
atljemfdjen Sebens. Atf?en, nid?t eben beöeutenö in ber Gefd?id?te ber Paulus-
miffion, wirb als Dorort t?eHenifd?er $römmigfeit unb als Ejauptftabt grie=
djifdjer Weisheit oon £ufas 3um Sdjauplatj biefer Auseinanöerfehung bes
Ghriftus=Apoftels mit gried?ifd?en Gebauten erwäljlt. Alle $ragen, ob Paulus
wirflid? eine fold?e Reöe gehalten unö ob er fie in Atf?en gehalten habe, muffen
jurüdtreten, wenn man £ufas begreifen will. liegt nid?t an ber Dar­
ftellung eines einmaligen gefd?id?tlid?en Dorgangs, öer feinerlei befonöeren
(Erfolg gehabt hat; ihm liegt an öer Gypif biefer Auseinanöerfe^ung, bie im
l?öl?eren Sinn gefd?id?tlid? ift unb in feiner eigenen Seit i>ielleid?t nod? mel?r
Aftualität l?at als }ur Seit bes Apoftels. (fr folgt öer großen Graöition antiter
Gefd?id?tsfd)reibung, inöem er bie Gelegenheit ber Rebe frei beftimmt unö
if?ren Snhalt felbftänöig geftaltet — unb aud? bie Sufammenbrängung ber
Gebauten auf engem Raum ift, fo fehr fie von ben berühmten Beifpielen öer
großen fjiftorie abftidjt, öod? in bet ^iftoriograpbie nid?t ganj ohne Beifpiel3).
Umfangreid?er ift bie Reöe, öie Paulus in milet an öie Älteften ber
Gemeinbe non Gphefus hält (20, 18—35). Sie hat für ben Ablauf bes Ge=
fdjehens feine Bebeutung, wohl aber für öie (Stählung öer Apoftelgefdjidite.
Denn es ift nidjt nur öie einjige Anfpradje Paulus öes Gemeinöegrünöers an
eine d?riftlid?e Gemeinbe, fonbern es ift aud? bas le^te Wort, bas Paulus nor
feiner Derhaftung in ber ©ffentlidjteit fpridjt. Snfolgeöeffen hat ein Geil ber
Rebe ben Gharafter eines Geftaments, er gilt öer Sorge für öie Sutunft;
anöere Ausführungen öer Reöe enthalten einen Rüdblid auf bie Arbeit öes

’) Sd?mib a. a. ©. S. 115f- bagegen: „lltag matt aber oon ber fd?riftftenerifd?en unb
geiftigen Befähigung bes Cufas nod; fo befdjeiben benfen, bie Beleibigung follte man ihm
bod? nicht jufügen, bafe man ihm bie Abfidjt jufdjrcibt, mit bem uns ooriiegenben Srümmer»
bauten edjter Stüde ein ‘ITlufter djrijflidter Derfünbigung' an Ijeibmfcbe Suhörer geben ju
wollen".
2) Über ben Altar bes Unbefannten ©ottes f. meine Abhanblung (->29 ff.). Über
bie Bebanblung bes Hlotios tann ich mid? auf Sd?mib berufen, ber a. a. ©. S. 97
fdjreibt: „Diefer ganje Seil ift oon jeher ben gried?ifd?en btaXdJeij eigenen halbironifd?en
Anmut umfpiclt, bie man freilid; non bem fonft fo leiben[d?aftlicb eifernben Apoftel nidjt
ermatten follte". Um fo eher wirb man fie bem Derfaffer ber Apoffelgefdtidjte jutrauen
bürfen.
3) ->124.
134 9. Die Reben ber flpoftelgefd)id)te unb bie antite ®e[d)id)tsfd)reibung

Paulus: „3hr wifet, wie id) mid? feit bem erften Sage, ba id) nad) Afien tarn, 23
bie ganje Seit hindurd) bei eud) gehalten habe, wie id) bem ijerrn biente in
aller Demut unter Gränen unb Anfedjtungen, bie mir aus ben Derfolgungen
burd) die 3uden erwudjfen, wie id) nid)ts oerfäumte uon allem, was end) för
bert, es eud) ju uertünbigen unb eud; ju lehren, öffentlid) unb tjaus bei ^aus,
unb l)abe babei 3uden unb treiben 3eugnis abgelegt uon ber Umfehr 311 (Sott
unb bem (Stauben an unfern fjerrn Jefus dfjriftus“. Das ift bas Bild, bas £ufas
uon Paulus entworfen hat; fo will er iljn angefetjen wiffen. Unb wir erfahren
bei biefem Rüdblid gleid) nod) manches, was in ber (Stählung felbft nod) nid)t
gejagt war: bafe Paulus gerade aud) in Gphefus fid; felbft unb feine Begleiter
mit feiner tjänbe Arbeit ernährt feat (20, 34), bafe ibrn ber (Seift in jeber Stabt
feine bevorftefeenbe (Sefangenfdjaft antünbigt (20, 23), bafe ber Aufenthalt in
Gphefus brei 3al)re gewährt hat (20, 31). Unb wenn Paulus feinen ^örern
felbft cerfünben mufe, bafe alle feine (Semeinben im (Dften il)ii nid)t wieberfehen
werben, fo fpürt man, bafe £utas feinem Apoftel ungefähr bas leiften möd?te,
was bie Biographen ihren gelben mit ihren Gnfomicn ju tun gewohnt finb1).
Der Stil biefes Rüdblids erfefeeint uns auf ben erften Blirf als fünftlid?;
namentlich gilt bas non ber apologetifdjen Wenbung, bafe ,,id) nidjts oerfäumte
oon allem, was eud) fördert" (20, 20 oüSev unearecXap^v). Aber bie Abwehr
eines Dorwurfs, ben wir in biefem Kreife für gar nid)t erwähnenswert halten,
gehört offenbar 311m Stil biefer Rebe; and) 20, 26f. unb 20, 33f. bieten foldje
Selbftoerteibigung: „3d) bin rein »an aller Blut", b. h- nad) bem §olgenben:
,,3d) habe feine Derantwortung, wenn ihr am Ejeil oorbeigeht" —unb: „Silber
ober (Solb ober ein (Sewanb habe id) oon niemandem begehrt", fonbern — bies
ift ber Sinn ber $ortfefeung — id? habe mid) unb meine Ülitarbeiter mit meiner
Ejänbe Arbeit ernährt. Wir wiffen, bafe biefer juletjt genannte Sebanfe bei bem
gefd)id)tlid)en Paulus eine grofee Rolle fpielt (I.Kor. 9; II. Kor. 11,7—11)
unb bafe er ihn aud) 3U ihm naheftehenben (Semeinben äufeert, wenn er an fein 24
erftes Auftreten bentt (I. Gbeff. 2, 5—12). Ulan mufe fid) babei flarmad)en,
bafe bie miffion bes Apoftels oom Publitum Ieid)t mit bem Gteiben gewinn^
füd)tiger Wanberrebner, Bettelpfeilofophen, pfeubopropheten unb (Booten in
Jufammenhang gebrad)t werben tonnte. Don ihnen ab3urüden — burd? Bes
tonung ber Uiieigennüfcigfeit — mufete barum bes Uliffionars erftes Beftreben
|ein2). Aber im Kreife ber Alteften oon Gphefus würbe biefe immer wieher
') flufeer an bie biograpl)ifd)en (Infamien fönnte man aud; baran erinnern, bafe bet
jweifelbafte Pfyilofoph Peregrinos nad) Cutian furj cor feinem (tob eine Rebe feält, in ber
er fein Ceben famt ben non il?m beftanbenen®efabren fdjilbert: £ufian, De Peregrini morte
32 Xöyoug ä'.sgfjXS-s (seil. 6 Ilpmsuf) nspi abrob töv ß(ov ts cbg äßieu xal toü;
xlvSüvou? obj äxivBüveuae 8t7)Yot5gEvo{, xal 6aa rcpaYpata <piXoao<p£as enexa bnijieive. Diel=
Ieid)t ift baraus ju fdjliefeen, bafe foldje tebnetifdien Rüdblide ber (Tradition entfpredjen
(wenn aud) ber Bericht bei £ufian fatirifd) gefärbt ift).
2) Dgl. meinen Kommentar jum I. ®i)e[falonid)erbrief3 1937, 8—11. — Die DerwanbD
fdjaft ätoifefeen ber Rebe Art. 20 unb I. Jlbeff. feat 6. Sd;ulje, Die Unterlagen für bie
Rbfd)iebsrebe 311 IKilet in Rpojtelgefd). 20,' 18—38, dljeol. Stub. u. Krit. 1900, 119ff.
feeroorgefeoben, fteilid) mit ftarten Übertreibungen (er parallelifiert I. Gljeff. 2, 10 u. 4,
9. Die Reben bet Apoftelgefdjicbte unb bie anfite Sefcßicßtsfdjreibimg 135

feßrenbe Apologie bod? Dermunberlid? fein — wenn roirtlid? bei allebem nur
an biefen ^örerfreis gebadjt wäre. Das ift offenbar nidjt ber $all, vielmehr
läfjt fid) gerabe an biefen junädjft befremblicßen Säßen ber Stil ber Rebe auf*
jeigen. Die Selbftapologie bilbet bas IRotiv, bas jwifdjen ben fortfdjreitenben
©ebanlen ber Rebe immer wieberfeßrt, etwa wie beim mufitalifdjen Ronbo
im §luß ber anbern dßemen immer wieber bas erfte dßema erfdjeint. TRan muß
blofe beaditen, baß ju biefen rüdfdjauenben Selbftverteibigungs'öebanten aud?
20, 31 gehört: „(Erinnert eudj, baß id? brei 3«ßre lang nidjt abgelaffen ßabe,
einen jeben oon eucß mit dränen (!) ju ermähnen". So ergibt fid), baß biefe
Rebe, bie auf ben erften Blid nidjt befonbers georbnet erfdjeint1), bodj einen
planmäßigen Aufbau ßat: jeber Abfdjnitt enbet mit bem fjinweis auf bes
Apoftels Beifpiel.
1. D. 18—21 Rüdblid, fd?ließenb mit ber Selbftverteibigung.
2. D. 22—27 Dorblid auf ben dob, fdjließenb mit ber Selbftoerteibigung
(D. 20 unb 27 berfelbe apologetifdje Ausbrud ou(5^v) inaaretXdinjv,
wenn aud? mit aerfdjiebener Konftruftion).
3. D. 28—31 deftament bes Apoftels (Dorblid auf bie nad) feinem dob
fommenbe Keßerei), fcßließenb mit bem Hinweis auf fein Beifpiel.
4. D. 32—34 Segenswunfdj, fdjließenb mit ber Selbftoerteibigung unb
bem fjinweis auf fein Beifpiel.
25 Der fjinweis auf bie eigene Arbeit füßrt in D. 35 jur Pflidjt ber $ürforge
für bie Bebürftigen, bie mit bemIDort 3efu beträftigt wirb: „(jeben ift feliger
benn nehmen."
Aud? ber Abfd?nitt, ben id? als deftament bes Apoftels bejeid?net ßabe, ift
nidjt nur unb nidjt wefentlid? auf bie Alteften oon dpljefus beredjnet. Sie
werben jur Wadjfamteit ermahnt unb werben gewarnt vor wilben Wölfen,
bie in ißre fjerbe einbredjen werben, (gemeint finb junädjft offenbar Agita=
toren, bie von auswärts tornmen, fobann aber aud? aus ber ©emeinbe felbft
IRänner, bie Derteßrtes reben, „um bie 3ünger jum Abfall unb in bie ©efolg*
fdjaft ber Derfüljrer ju bringen". IDenn Paulus ßier eine befonbere Ceßre,
etwa bie im Kolofferbrief betämpfte ©nofis, im Auge ßätte, bereu Auftreten
in (Epßefus in Bälbe ju erwarten wäre, würbe er beftimmter reben. 3n Wirf*
lidjfeit geßen bie IDorte an bie ganje Kirdje unb fdjilbern bie ©efaßr ßäre*
tifcßer Rebefunft, wie fie juerft bei ben ©noftitern in (Erfdjeinung trat — aber
oßne baß beftimmte TRertmale gnoftifd?er £eßre ßervorgeßoben werben. Woßl
aber wiffen wir aus ben paftoralbriefen, baß bie ©nofis oft mit ben gleichen
Waffen betämpft wurbe, mit benen bie pßilofopßie wiber bie Sopßiftit ftritt2).
Rur biefe formale Seite bes Kampfes berüdfidjtigt bas deftament bes Paulus.
13 a mit flct. 20, 20, I. 01?eff. 2, 8 mit flct. 20, 24!). Diefe Derroanbtfcßaft berußt aber
nidjt barauf, baß tutas ben I. üßeff.'Brief tennt, fonbern barauf, baß Paulus bort unb Cutas
ßier bie gleiche Hiiffionars=Situation beßanbeln.
*) EDenbt nennt in feinem Kommentar D. 26f. unb 33—55 „ungefüge (Elemente".
s) Dgl. meinen Kommentar ju ben paftoralbriefen2 1931, 42.
i 136 9. Die Reben ber Apofielgefthidjte unb bie antife ©efdjidjtsfdjreibung

Ijat man aber einmal »erlernt, bie Rebe auf if?re Authentie hin ju prüfen,
bann wirb oudj ber Dorblid bes Rebners auf feinen Hob 20, 23—25 in feiner
literarifdien Bebeutung oerftänblid). (Er {teilt, abgefefyen »on bem ©rate! bes
Agabus 21, 10—14, ben einzigen tjinweis bes £ufas auf ben Hob bes Paulus
bar. Da bie Apoftelgefdjidjte bas Cebensenbe bes Apoftels nidjt e^ätjlt, ift
biefe Propfyejeiung oon um fo größerer Bebeutung. Dem ©ften entfdjwinbet
Paulus nun; bie Alteften »on (Ephefus Ijaben if?n nidjt wiebergefehen*) —
gleidjniel ob er in Rom nodj einmal freigefommen ift unb bie Reife nadj
Spanien tatfädjlid? unternommen Ijat. Das (Enbe feines öffentlidjen Wirtens
auf ben fjauptfdjauplätjen ift erreidjt, unb ba ber Autor nidjt bie Abfidjt Ijat,
fein Hlartyrium ju erjätjlen, fo brüdt er ihm ljier gewiffermafeen bie IRärtyrer»
frone aufs fjaupt, bringt einen Rüdblid auf fein £eben unb läfjt ihn eine War=
nung an bie gefamte Kirdje ridjten. IRan fielet, biefe Rebe tonnte taum an einer 26
anbern Stelle fteljen; fie erreidjt in allen iljren Seilen ein beftimmtes geijtiges
3iel, bas gerabe ljier ju erreichen war, ba Paulus oon feinem IRiffionswert im
©ften fdjeibet. Diefes Urteil ift »öllig unabhängig oon ber (Entfdjeibung ber
bodj niemals ganj fidjer 311 beantwortenben $rage, ob paulus überhaupt in
IRilet gerebet habe unb mit weldjen Worten. Wir hören in biefer Rebe jeben-
falls ben Derfaffer unb begreifen an ifjr einen Seil feiner Abfidjten. Sie geljen
wie bie ber tlaffifdjen tjiftoriograpljifdjen Srabition auf (Erhellung ber ge*
fdjidjtlidjen Jufammenhänge burdj Reben unb auf bie fjerporhebung beftimm»
ter ffirte unb (Gelegenheiten burdj iljre Ausftattung mit einer Rebe.
Don ben Reben bes gefangenen Paulus ift bie, bie er auf ber Sreppe
3ur Burg Antonia 22, 1—21 an bas Dolf hält, bie umfangreidjfte unb be=
beutfamfte. Sie enthält bie (Gefdjidjte feiner Belehrung unb »erbinbet bamit
bie Sr3ählung oon einem (Gefidjt, bas Paulus im Sempel 3U 3erufalem gefehen
haben will. Beibe Abfdjnitte finb für unfere Srage widjtig; ber erfte, weil wir
in ber Apoftelgefdjidjte aufeer biefer Darftellung nodj 3wei Beridjte über bie
. Belehrung bes Paulus lefen unb fo (Gelegenheit erhalten, aus ben Abweidjungen
biefer Beridjte bie Bebeutung ber in $rage fommenben Rebeabfdjnitte 3U er=
fdjliefeen2). Der letjte, tü^ere Abfdjnitt biefer Rebe enthält jenes Sempeb
') Das alles fann man fidj in einer Sdjrift veröffentlicht nur bann benlen, wenn eine
Widerlegung burdj bie dreignijfe ausgefdjloffen, b, lj. wenn bet Apoftel fdjon getötet wat.
(Eine flnfe^ung ber Acta in ben leisten Cebensjahren bes Paulus fdjeint mir fdjon aus biefem
©runbe unmöglich ju fein.
2) f?ier muh bie Sra9« berührt werben, ob nidjt aus bem Rebeneinanbet ber btei nidjt
völlig übereinftimmenben Beridjte ein Sdjluh auf uetfdjiebene Quellen bet Apoftelgefdjidjte
ju jieljen fei — eine $rage, bie innerhalb ber gorfdjung häufig bejaht worben ift, juletjt mit
ausführlicher Begrünbung non (Emanuel tjirfd? 3RU) 28, 1929, 305ff. Kapitel 26 ift iljm ber
Beridjt bes Paulus, beim et enthält bas Derftänbnis bet Belehrung, bas aus ©al. ], 15f.
fptidji. Kap. 9 ift für tjirfdj ber Bericht, ber in ber ©emeinbe non Damastus umlief, benn
bie füohnung bes Apoftels in Damastus unb fein fjauswirt finb namentlich angegeben.
Kap. 22 will nadj ^irfdj jwifdjcn ben beiben Berichten 9 unb 26 einen Ausgleid; herbei*
führen. Die Dorausfehung biefes Urteils, bie fjitfd; audj offen ausfpridjt, ift biefe: bie beiben
Beridjte 9 unb 26 ...fdjließen einanber aus". Das aber ift eben bie Srage. Den wefentlidjften
Unterfdjieb fieht fjirfdj mit Recht in bem Umftanb, bah bi« Berufung jum fjeiöcnmiffiönar
9. Die Heben ber Apoftelgefdjidjte unb bie antitc föefdjidjtsfdjrcibung 137

27 gcfidjt, bas in bem ganjen Bud? fonft nidjt ermähnt wirb, Audj ljier wirö man
3unädjft nidjt nach ber (Befdjidjtlidjfeit bes Dorgangs, fonbern nad) bem Wert
3U fragen Ijaben, ben £ufas biefer E^äfjlung beimi^t.
Paulus fteljt Dor ber erregten jüöifdjen Dolfsmenge, bie itjn bes tobes»
würbigen Derbredjens anflagt, einen fjeiben in ben Eempelfjof gebracht unb
baburdj bie Ijeilige Stätte entweiljt ju Ijabeti. IRan follte erwarten, bafe er jum
3cugnis feiner Unfdjulb nadjweift, bafe er bergleidjen nidjt getan tjabe. Paulus
erwähnt aber bie gefäljrlidje Situation, aus ber itjn bie römifdje Sdju^Ijaft be=
freit fjat, überhaupt nidjt. Gr erinnert bie tjörer in ber Einleitung feiner Rebe
lebiglid? an fein früheres £eben nadj bem ©efe^, an ben Unterridjt bes Rabbi
©amaliel, an feine, bes Rebners, Beteiligung an ber Eljriftenoerfolgung in
3erufalem unb an ben Auftrag bes tjofjepriefters, in Damasfus eine ätjnlidje
Derfolgung 3U organifieren. Damit geljt bie Rebe oljne weiteres in eine Dar
ftellung ber Beteljrung auf ber Reife nadj Damasfus über. Es liegt bem Der»
faffer offenbar baran, ben Apoftel oor biefem $orum feinen Ausgang Dom
ortfjobojen ^ubentum be3eugen 3U laffen. Rad? ber Situation fragt er nidjt —
unb audj bas ift in bet antifen Eefdjidjtsfdjreibung nidjt ohne Analogie1);
er fagt roeber, wie bie Juben ba3U fommen, biefen Diann, ben fie eben nodj
lyndjen wollten, rufjig an3ufjören, nodj gibt er einen Erunb bafüt an, baf}
Paulus fo DÖllig an ber Situation oorbei rebet. 3n IDirflidjfeit fütjrt £utas
feine £efer aus ber Situation tjeraus unb läfjt fie erfahren, was fie oon ber
Biographie bes Paulus nodj nidjt wiffen. Denn er tjatte bisher nur eine Roti3
über bie Beteiligung bes Paulus an ber Steinigung bes Stepljanus gebradjt2)
unb bann bie Eefdjidjte feiner Beteljrung, aber in gefd;Ioffener$orm (9,1—19),
oljne jebe Überleitung unb Einleitung; er gibt bamit offenbar bie fdjon ejü
ftierenbe Befetjrungsgefdjidjte wieber, oljne fie einer ausweitenben Umar»
beitung 31» untersietjen. XDas bort fefjlt, wirb ljier, in ber Einleitung ber Rebe
(22, 2—5), nadjgebradjt.
28 Die Beteljrung felbft wirb in ber Rebe Dedüt3t er3äl?lf, ba ber £efer fie
fdjon tennt; es feljlt bie Beauftragung bes Ananias. Alfo wirb bie befonbere
Senbung bes Paulus 3unädjft nidjt erwähnt, ifjrer wirb oielmetjr in bem Be»
bem Paulus nur in 26 burd? bie fjimmelsfttmme funbgetan wirb; in 9 tommt [ie nur in ber
IDeifung bes fjerrn an Ananias nor, in 22 wirb fie in ben IDorten bes Ananias angebeutet,
ausgefprodjen aber erft im dempelgefidjt. Aber es ift eben bie Stage, ob biefe Dariationen
nidjt alle bem £utas jujutrauen finb; btefe Stage ift 311 bejahen, fobalb man einmal einge»
feljen Ijat, ba^ es fidj juerft um ben Sinn bes Beridjts Ijanbelt, nidjt um feine ljiftorifdje
Suoerläffigteit.
J) Die Rebe daefars an feine Solbaten bei daffius Dio 38, 36—46 ift angeregt burd)
daefar, Bellum Gali. I,40. Aber es finb bei daffius Dio nidjt etwa bie bei daefar angebeuteten
unb fadjlid) notwenbigen (Jebanten ausgefüljrt, fonbern es werben allgemeine Sefidjts»
punfte Borgetragen. Dgl. Ij. peter, Die gefdjidjtl. Citeratur ber römifdjen Kaiferjeit bis
dljeobofius I. unb ihre Quellen 1897, 11 301.
s) Act. 7,58b; 8, 1. namentlich bie erfte Bewertung unterbricht bie Darftellung bes
ZS lllartyriums fo, bafe eXcS-ogoXouv wieberljoft werben mufe. Der Derfaffer fdjeint alfo bie
drwäbnung bes Paulus oon ficfj aus in eine bereits oorliegenbe IRärtyrerbarftellung ein»
getragen 311 Ijaben.
138 9- Die Reben ber Apoftelgefchidjte unb bie antife ®efd)id)tsfchreibung

rid;t oon ber tEempcloifion gebadjt; Jo fteht iljre Bejeugung hödjft roirtuiigsooll
als eigentliche Pointe am (Enbe bes Sanjen. mit welchem gefdjichtlidjen Redjt,
ift immerhin fraglid). Paulus (teilt ben Sufatnmenhang feiner Befeurung mit
feiner Senbung (Bal. 1, 16 enger bar; aber bas wäre fein ©runb gegen bie
®efd?id;tlid)feit ber Pifion, hödjftens gegen it?re Deutung burd; Sutas. $ür ihn
ift aber bas literarifd}e, nid?t bas fyiftorifdje 3ntereffc mahgebenb: benn was
Paulus auf ben Befehl (Bottes, Jerufalem ju nerlajfen, erwibert, ift nidd ein
(Einwanb, fonbern lebiglidj eine (Erinnerung an bie früheren Säten bes Paulus,
au feine IRitwirfung bei ber SJjriftenoerfolgung wie bei ber Sötung bes Ste­
phanus — alfo an Sreigniffe, bie gerabe ber Autor unferes Buches befonbers
hernorgehoben hat. Darauf antwortet dbriftus mit bem Befehl: „Sehe, benn
ich will bid? fernhin ju ben Reiben fenben". (Es ift alfo eine Iiterarifd?e Bejiefmng
innerhalb bes Buthes felbft, bie ju bem IRiHionsbefehl überleitet. Darauf aber
hatte es ber Derfaffer oon oornherein abgefehen. Die Rebe follte nidjt eine
Red}tfertigung bes Paulus in bem einen §all ber dempelentweihung fein,
fonbern eine Redjtfertigung ber heibenmijfion überhaupt. Unb um bie Rebe
gerabe an biefer widrigen Stelle 311 (Enbe tommen 3U laffen unb baburch bie
Bebeutung ber lebten Worte 3U unterftreidjen, bebient fid) ber Derfaffer wie-
berum eines literarifdjen Wittels, ber fimwollen Unterbredjung bes Rebners
burd} bie fjörer. Daf? bies wirflid) ein literarisches Wittel ift, ergibt fid? einmal
aus ber Ejäufigteit, mit ber Sutas es gebraudjt: aud} bie Stephanus= unb bie
Demetrius-Rebe fowie bie Reben bes Paulus auf bem Areopag unb oor Agrippa
werben in ähnlidjer Weife befdiloffen. Auf literarifdje Hed}nif weift fobann ber
Umftanb, bah biefe Unterbrechungen burd}aus fimwoll ftattfinben; fie laffen
bie Rebe immer gerabe bis 3U bem (Bebauten gelangen, auf ben es bem Autor
anfommt. (Es wäre fid}er nid?t in feinem Sinn, wollte man bei jeber ber ge=
nannten Reben einen feljlenben Sdilufjteil poftulieren. Soll man etwa bei ber
Areopagrebe bas (Erftaunen über bie (Beringfügigteit bes eigentlich d?riftlid}en
Seljalts mit bem hinweis beruhigen, bie oermihten d;riftlid?en (Bebauten hätten
nun erft »orgetragen werben follen? IRan wirb bas um fo weniger tun, als *9
£utas aud} fonft jimwolle Abfd}lüffe oon Reben burd? ben (Eintritt oon aufeen
tommenber (Ereigniffe bestellt1). (Es ift biefes Kunftnrittel übrigens bei ben
antiten Ejiftoritern fonft taum 311 beobachten2); wir haben es fomit wal}rfd}ein=
lid} mit einer üedjmt unferes Autors 3U tun.
Paulus verteidigt alfo am (Enbe feines Wirtens nod? einmal gruiibfätjlid]
fein Wert, bie Ejeibenmiffion. (Er hat fiel? nidjt ba3U gebrängt, fie ift (Bottes
') Die Rebe nad? ber tjeilung bes Eahmen wirb burd} bie Priefter unb ben Rempel’
bcuptmann unterbrochen 4, 1; bas (Bebet ber ®emeinbe nimmt mit einem (Erbbeben fein
(Enbe 4, 31; bie Petrusrebe bei Cornelius münbet in bie pneumatifdie (Erregung ber Juborci
10, 44; bie Ausfage bes pauius nor bem Synebrium wirb burd) ben Streit ber pbarifäer unb
Sabbujäer beenbet 23, 7.
2) Als eine Art parallele tann man Xenophon Hellcuica VI 5, 37 betrachten: ^vtauö-a
psvtoc oi ’AH-qvaCoi iTteOopüßnaav — gemeint finb 3urufe ber 3uftimmung. Aus Jojephus
Ant. XVI 11,5 §384ff. tann man ben (Einbrud gewinnen, öaß tjerobes ben 3iron nidji
ju (Enbe reben läfet
9. Die Reben ber Apoftelgefdiicßte unb bie antife ®efd?icßtsfdireibung 139

IDille; besfelben Sottes, bem paulus als 3ube gebient hat, besfelben, ber fid?
im Hempel offenbart. Denn bas ift ber befonbere Sinn ber Hempelnifion: ju
jeigen, bafe fein IDiberfprud? jwifdjen bem Sott bes Hempels unb bem Sott
ber fjeiben befte^t. Serabe am fjeiligen ©rt ber 3uben l?at Sott bie fjeibem
miffion befohlen! Hs ift begreiflich, bafe biefe Behauptung bes großen Renegaten
oon ben }uben als ftärtfte fjerausforberung empfunben wirb.
Dies alles gilt non ber planmäßigen IRiffionierung ber Jjeiben; fie ift bas
IDert bes Paulus. Die urfprünglid? maßgebenbe fjeibenbetehrung aber hat
nad? ber Apoftelgefdjidjte gar nidjt Paulus ju oerantworten, fonbern Petrus,
ber ben Centurio Cornelius betehrt. Über bie ßiftorifdje Bebeutung biefer
Belehrung fann man oetfdjiebener IReinung fein1); £ufas läßt oorßer (Kap. 8)
ben ätßiopifd?en Cunudjen betehrt werben unb bringt nadjher (Act. 11,19—26)
widjtige Racbricßten barüber, wie audj im fyrifdjen Antiodjia bie IRiffion über
bie Srenjen bes 3ubentums hinüber gegriffen hat. Aber in literarijdjer Be=
jießung, für bas Budj ber Apoftelgefdjidjte, ift bie Hat bes Petrus bie ent=
fdjeibenbe, unb £utas ßat mancherlei getan, bas ?u uerbeutlidjen. 3unädjft ßat
er bie Betehrung bes Cornelius in einer großen Kompofition bargeftellt, bie
an Ausbehnung im ganjen Bud? nidjt iljresgleidjen hat. Cornelius betommt
von einem Cngel bie IDeifung, Boten ju petrus ju fenben. Dem Petrus wirb
30 in einem Sefidjt offenbart, er folle tein Bebenten tragen, in bas fjaus bes
fjeiben2) einjutreten unb bort an ber Hlaßljeit teiljuneßmen. Run tommt
Petrus nadj Caefarea in bas fjaus bes Centurio unb ßält ihm eine prebigt
(10, 34—43); fie läßt bas gleidje Schema erfennen, bas audj fonft ben prebigten
bes Petrus in ben Acta jugrunbe liegt. Die fjeiben empfangen ben Seift unb
barauf bie Haufe. Aber bie Sefcßidjte ift bamit nod? nidjt 3U Cnbe. Die jerufa>
lemifdjen Autoritäten verlangen Redjenfdjaft oon Petrus über fein Derljalten.
Cr gibt fie Act. 11, 5—17 in einer Rebe, bie eine getürmte IDieberholung bes
Inhalts oon Kap. 10 ift, unb befriebigt feine Antläger feßr fdjnell, fo baß ber
Abfdjhiß ber ganjen Kompofition mit ben IDorten gegeben werben fann:
„Alfo ßat Sott auch ben fjeiben Buße jum £eben oerließen".
Die IDieberholung eines fdjon betannten Dorgangs in ber $orm eines
Berichts ift ein altes IRittel epijdjer Sechnit. Cs ift babei burdjaus ftilgemäß,
baß tieine Deränberungen an ber Crjäßlung angebradjt unb babei audj Cr
gänjungen mitgeteilt werben. Aber für unfere Unterfudjung bemertenswert ift
bod? bie Art, wie bie prebigt bes Petrus 10,34—43 bei ber IDieberholung 11,15
übergangen, ja ausgefdjloffen wirb. Denn währenb nad? 10, 44 ber Seift —
woßl in Sonn einer Sfftafe — erft am Cnbe ber Petrusprebigt über bie fjören-
ben tommt, gefcßiebt es nad? 11, 15 iv cs rw ÄaXelv. Ulan fießt:
D [Radjöetn biefe Ataöemie=Dor(efunq gehalten (1944) unö beoor fie gebrucft war
(1949), I?at Dibelius eine ausführlichere Analyfe öet Gornelius’Kompofition oeröffenb
licht (1947); ->96ff.].
2) (lotnelius Ijerfjt 10, 2 cpoßoüpsvoj tov Oeöv; er geßört alfo 311 öen ober
asßd|ievoc, öen ©aftßörern öet Synagoge. Da er aber ein Unbefcßnittener ift (Act. 11, 5),
gilt cr öeni Dcrfalfer als fjeiöe.
140 9. Die Reöen ber flpoftelgcfdjid?tc unb bie antife ®cfd>id?tsfd?teibung

bie Rebe nor Cornelius foll einfad) ein typifdies Beispiel ber Ijeibenprebigl
fein; mit bem Ablauf ber Dinge im Ijaufe bes Cornelius fyat fie nicfets ju tun;
barum fann fie bei ber Wieberfeoluug bes Beridjts einfad] übergangen werben.
Sie ift aud? wofel Don Sufas in eine bereits ejiftierenbe Cornelius
*£egenbe ein­
gefügt worben.
Unb nod? ein weiterer Abfd?nitt ift feier ju nennen: ber lukanifcfee Berid?t
über bie Apoftelbefpredjung Act. 15. Deranlafet ift biefes fogenannte Apoftel
*
tonjil burd? bie Befdjwerbe ber 3ubend]ri|ten über Paulus. Barnabas unb
Paulus erjäfelen aud?, fid? ju red]tfertigen, oon iferen Crfolgen — aber anftatt
bafe biefer Beriefet in ber lukanifdjen Crjäfelung ben IRittelpunft bilbet, werben
uns nur bie Reben bes Petrus unb 3afobus mitgeteilt, bie bes paulus unb
Barnabas aber überfeaupt nidjt. Petrus unb 3atobus aber befeanbeln nid?t,
wie man erwarten follte, bie TTliffion bes Paulus, fonbern — bie Befeferung bes
Cornelius. „3fer wifet", jagt Petrus, „bafe Sott fdjon längft unter eud? bie Wafel JI
getroffen feat, bafe burd? meinen IRunb bie Reiben bas Wort bes Cnangeliums
ijören unb jum Slauben kommen follten". Racfebem bie Derfammlung ben
Berid.t bes Paulus unb Barnabas angefeört feat, nimmt 3afobus bas Wort,
als ob biefe gar nidjt gefprodjen feätten: „Symeon feat erjäblt, wie Sott guerft
barauf bebad)t war, aus ben tjeiben ein Dolt für feinen Ramen ju gewinnen" —
bas alles bejiefet fidj wieber auf bes Cornelius Befeferung. Die Anerkennung ber
Ijeibenmiffion burd? bie 3erufalemer Autoritäten wirb oon ber Apoftelgefdjidjte
benmacfe nid/t auf bie Crfolge bes Paulus unb Barnabas gegrünbet, wie man
nadj ber Dorgefd?id?te annefemen follte unb wie es Paulus felbft Sal. 2 audj
bargeftellt feat, fonbern auf bie Beteljrung bes Centurio Cornelius, alfo auf bas
Creignis, bem £ukas bie entfdjeibenbe Bebeutung beimifet: bamals feat Sott
felbft feinen tDiHen, bie Reiben in bie Semeinbe aufjunefemen, in einbeutiger
Weife funbgetan.
Cs fragt fidj, ob £ufas feier nidjt bie Bebeutung eines einjelnen Creigniffes
überfeöfet feat. Denn bie jweibeutige fjaltung, bie Petrus felbft fpäter nodj jur
Srage ber Cifdjgemeinfdjaft jwifdjen fjeibendjriften unb 3ubend?riften ein *
genommen feat (Sal. 2, 11—21), wäre kaum begreiflidj, wenn er bie Cornelius
*
Befeferung als grunbfäfelidje Willenstunbgebung Sottes — im Sinne ber Difion
(10, 9—16) —erlebt feätte. Cs mag fein, bafe bie Befeferung bes Centurio fid?
ungefäfer fo abgefpielt feat, wie es in ber Apoftelgefdjidjte bericfetet wirb; aber
£ufas feat ifer auf breierlei Weife befonbere fjeroorfeebung juteil werben laffen:
1. burdj bie oorbereitenbe Difion bes Petrus, in ber er oon einer Rimmels *
Stimme aufgeforbert wirb, unreine Ciere ju effen1) (10, 9—16). — 2. burd? bie
nad)träglid?e Reditfertigung nor ben 3ubend?riften in 3erufalem (11, Iff.) —
3. burd? bie Bejiefeung ber Apoftelberatung auf bie Cornelius=Sefd?icbte
(15, 7. 14).
*) Da& öie Difion 10, 9—16 in eine fertige Srjäljlung eingefd?oben ift, fiebt man nod?
l?eute öaran, öafj öie Rüdficfet auf öie Difion öie flnfangsworte oon 10,19 bedingt feat,
öie erfeeblid? ftören. Ruf 10, 8 muß etwa 10, 17b. 18. 19b. 20 folgen.
9. Die Reben ber Apoftelgefd?id)te unb bie antite (Gefdjidjtsfdjreibung 141

Wenn irgendwo, fo wird an biefer Bearbeitung einer bereits überlieferten


Oefdjicfjte deutlich, dafe ber Derfaffer ber Apoftelgefdjidjte fid? nicht mit Repro*
duftion begnügt, fonbern ben „Richtungsfinn" bes Gefdjefjens mit feinen
IHitteln jum Ausbrud bringen will, fo wie biefer Sinn fid? il?m barftellt. Paulus
ift ihm ber Wann, in beffen Rliffionswerf fid? ber Übergang bes (Evangeliums
32 von ben 3nben 3U ben fjeiben tatfädjlid; »olijogen hat. Diefe Gntwidlung, bie
fid? geographifd; in bem Weg oon 3erufalem nad? Rom barftellt, t?at £ufas im
groeiten Geil feines Budjes, Kap. 13—28, gefdjilbert. Das ©runbfäijlidje biefes
Übergangs aber behandelt er im Rahmen ber Gornelius=®efd?idjte, bod? wohl
weil Petrus, bas tjaupt ber Apoftel, hier 3euge unb Anwalt ber großen Wand*
lung wirb. (Eine einjeln überlieferte (Erjätflung tonnte gar nidjt ben Sinn bes
Giefdjeljens fo erhellen, wie £ufas es hier burd; feine Bearbeitung tut.
Dafe es fd?riftftellerifd?er Wille ift, ber biefe ganje Kompofition bewußt
geftaitet, ergibt fid? aud? aus einer fleinen Beobadjtung. Petrus wirb in ber
Äpoftelgefd?id?te durchweg ü^rpoj genannt, aud? in biefer CorneIius=Kompo=
fition, fobalb einfad; oon ihm erjätjlt wirb. Wo aber ber Rame auf feiten bes
Cornelius gebraudjt wirb, b. h- wo ber (Engel bem Reiben juerft den Ramen
nennt (10,5), wo bie Boten nad? petrus fragen (10,18), wo Cornelius bem Petrus
oon feinem Gnge(s=Befud; erjäljlt (10, 32), unb felbft, wo Petrus in 3erufalem
über biefe Grjählung bes Cornelius berichtet (11, 13), ba t}eigt er Sipwv 4
dmxaXoöpevo; IJ^rpo; ober 3; äraxaZelrat IKrpog. Unb wenn ber aramäifd?
rebenbe 3nfobus in 3erufalem ben Ramen braudjt, fteljt gar bie griedjifche
Gransffription bes arantäifdjenRamens: Zupewv 15, 14. Gin geringes 3eid;en,
bafj bewußter Wille über ber ganjen Grjäblung gewaltet l?at.
Cs hat fid? gezeigt, bafe £ufas an vier widitigen Wenbepuntten bes non
ihm bargeftellten ®efd?etjens Reben in feinen Beridjt einfügt, bie bie Bebeutung
bes Augenblids erhellen: bei ber erjten grundjätjlid? wichtigen fjeibenbefehrung,
bei bem Dorbringen bes Apoftels ins Zentrum gried?ifchen (Seifteslebens, bei
feinem Abjdjieb vom Rliffionsfelb unb bei bein Konflift mit ben 3uben in
näd?fter Rahe bes Cempels. 3mmer wieber madjt man babei bie Beobadjtung,
bafj bie Reben ber gefd?id;tlid?en Situation nicht eigentlich angepafjt finb, fon*
bern darüber f?inausgreifen: man wundert fid;, warum bei der Apoftelberatung
die Grfolge des Paulus und Barnabas nidjt 3ur Sprad;e fommen, warum
Paulus in Athen fo wenig djriftlidjes fagt, warum er oor ben ihm vertrauten
Alteften von Gphefus fid; felbft verteidigt und vor den 3uben in 3erufalem den
eigentlid?en Streitpunft, von dem ber Konflift ben Ausgang nahm, überhaupt
nidjt erwähnt. Alles bas erflärt fid), wenn wir bie gefd?id?tlid?e Stage ganj im
33 Dunteln laffen1) unb hier bie Ijanb bes geftaltenben Sdjriftftellers ertennen,
33 0 3d; würbe jagen: „wenn wir bie ®efd)id)tlid?feit biefer Reben oerneinen" — aber fo
weit dürfen wir nidjt gelien. £utas tonn von einzelnen (Gelegenheiten gewußt I?oben, baß
Paulus ba gerebet hat; er fann aud) über bie pjgiraaa -prajyr] bes Hebenden ober ber Rebe
in Ginjelfällen unb oielleidjt fogar dis ©ijrenjeuge Befdjeib wiffen; aber wo unb wann bas
ber Sali wat, tonnen wir nicht beftimmen. Rud) ber tjinweis auf bas Jtinerar, bas flct. 13
bis 21 jwcifellos benußt wirb, ljilft nidjt weiter, benn wenn biefe Quelle gehaltene Reben
142 9. Die Reben der Apoftelgefdjidjte unb bie antife 4>efd?id;tsfdjteibung

öer — troß mancher Befonberheit fachlich bodj im Sinne öer großen, oon
Gßufyöiöes begrünöeten Graöition — mit biefen Reben öem Augenblid erhöhte
Bebeutung nerleihen unb öie Kräfte fidjtbar machen will, bie hinter Öen Gr»
eigniffen wirffam finb.
IV.
(Jin non biefer Gedjnif wefentlidj uerfdjiebenes IRittel hat öer Derfaffer
in anberen Reben angewenbet, um bie Bebeutung bes öort mitgeteilten
Gebanfengutes tjernorjufjeben: es ift bas IRittel bet Wieberljolung. 3d? Ijabe
bereits früher bei bet Hnalyfe ber IRiffionsreöen öer Apoftel Act. 2; 3;
(5); 10; 13 auf bie ftereotype IDieöerljolung öes gleidjen Hufriffes bingewiefen1):
Ruf eine mit ber jeweiligen Situation gegebenen Ginleitung2) folgt regelmäßig
bas Kerygma oon Jefu £eben, Ceiben unb Auferftehen (2, 22—24; 3, 13—15;
5,30.31; 10,36—42; 13,23—25), meift unter Betonung öer Jeugenfdjaft
öer Jünger (2,32; 3, 15; 5,32; 10,39.41; 13,31); baran fdjließt fid? ein
Schriftbeweis (2, 25—31; 3, 22—26; 10, 43; 13, 32—37) unb eine Bußmah»
nung (2, 38f.; 3, 17—20; 5, 31; 10, 42f.; 13, 38—41). Die Übereinftimmung
nidjt nur im Aufriß, fonbern aud? im 3nhalt ift fo auffällig, baß fie ber Grflärung
bebarf. (Sewiß ift junädjft, baß öem Derfaffer biefer Gypus djriftlidjer Prebigt
als ber ju feiner 3eit (um 90 n. Gljr•) üblidje erfdjeint. So prebigt man —
unö fo foll man ptebigen! Unb wenn in öer Apoftelgefdjidjte jwifdjen jübifdjen
unö heibnifdjen t?örern, jwifdjen Petrus unö Paulus als Reönern fein Unter»
fdjieb gemacht wirb, fo läßt bas barauf fdjließen, baß öas aufgejeigte prebigt»
Sdiema nidjt etwa bloß für beftimmte Kreife berechnet ift. £ufas würbe biefe
Art prebigt nidjt fowohl bem Petrus wie bem paulus jufdjreiben, würbe 34
fie nidjt im Ejaufe bes Genturio wie in ber Synagoge holten [affen, wenn er fie
nidjt für gemeindjriftlidj hielte. Gnblidj aber ift öie Übereinftimmung, audj
in Keinen Dingen wie öer Grwät?nung oon Jeugen, fo groß, öaß fidj öie Srage
nahe legt, ob nidjt etwas an biejem immer wieberfeljrenöen Aufriß bem Der»
faffer fd?riftlich torgelegen hot- Der Gebraudj altertümlidjer Wenbungen im
Kerygma (wie irdij 3, 13; diroSeSeiYfievog ömö roO D-eoö elg upä?
2, 22) fpridjt eher für als gegen eine Abhängigfeit oon älteren Gelten. Aber
bie Srage läßt fid?, fooiel idj fehe, nur aufwerfen, nid?t beantworten.
Ejier befinben wir uns (ebenfalls auf öem Boöen einer Graöition, bie mit
ber antifen ®efd?id?tsfd?reibung nidjts ju tun hat. Denn hier fteht im Doröer»
grunö nidjt öas, was ber ljiftorifer über ben gefdjidjtlidjen Augenblid hinaus
feinen £efern oermadjen will, ein xrhpa del nad? bes Gbufyöibes berühmtem
Wort (I 22, 4), politifdje Weisheit für tünftige §älle — h’e^ B^ht es um bas
oerjeidjnete, fo mürben derartige Angaben öfter barin geftanben haben. Die Auswaljl ber
©elegenljeit unb öie Ausarbeitung öer Rebe ift in jeöem galt ein IDert öes Autors.
J) Die Sorrngefdjidjte öes Goangeliums2 1933, 15.
s) 2, 14—21 Deutung öes Jungenreöens; 3,12 öas tüunber an bem taßmen; 10, 34. 35
©ott madjt feine Unterfdjiebe; 13, 17—22 Überblid über bie ©efdjidjte äfraels ([. öapt oben
im Gest S. 143).
9 Die Reben ber Rpoftclgefd?id?te unb bie antite ®efd?id?tsfd?reibiirtg 143

(Eüangelünn, bejfen 3nßalt biefe Reben in gebrängter $orm barbieten, mit


altteftamentlidien Beweifen ftüßen unb in ber Bußmaßnung feelforgerlid?
aus werten; biefes Goangelium foll ben £efern uertünbet werben, wie es bie
flpoftel einft ißren Ijörern geprebigt ßaben. Die IDieberßolung foll in immer
neuer Dariation ben gleidjen Stoff barbieten, foll bas IDefentlidje ber Botfcbaft
jufammenfaffen unb ben Ginbrud ßerootrufen, ben Paulus l.Kor. 15,11,
aud? oom Kerygma rebenb, fo formuliert ßat: „Gleidioiel ob id? es bin ober
jene, fo prebigen wir unb fo feib ißr jum ©lauben gelangt". Der politifdje
3wed ber antiten l?iftorie ift ßier burd? ben 3med ber prebigt unb ber £eßre
erfeßt.
Daß bie Grabitionen ßijtorijd?er unb leßrßafter Art fid? aud? begegnen
tonnen, jeigt übrigens bie Rebe, bie Petrus im tjaufe bes Cornelius ßält
(10, 34—43); baß ßier eine Rebe mitgeteilt wirb, bebeutet eine Grßößung bes
Augenblids im Sinn ber fjiftoriograpßie; ber 3nßalt biefer Rebe aber weift fie
ju ben Rlifjionsprebigten, bie ben £ejer belehren unb ißm bie t?eilsbotfd?aft
aufs neue oertünbigen wollen. (Eine befonbere Dariation biefes Gypus ber
IRiffionsprebigt ftellt bie Rebe bes Paulus in ber Synagoge ju Antiod?ia
bar (13, 16—41), bie in ißrem Aufriß rollig ben anbern Beifpielen berfelben
Gattung gleid?t. Aber es fällt fd?on beim erften £efen auf, baß ber erfte Abfdjnitt
ber Rebe 13, 16—22 jebe Bejießung auf ben TRifficnar unb oollenbs auf ben
35 3nßalt ber IRiffionsprebigt oermiffen läfjt. IDas ba geboten wirb, ift ein öber=
bild über bie Gefd?id?te 3fraels; jeber jübifdje Rebner tönnte ißn in einer An=
fpradje ebenfo bringen. Run jeigt ber Dergleid? mit ben anbern Beifpielen
biefes Rebetypus, bafs bie erften Derfe regelmäßig eine flntnüpfung an bie
Situation enthalten. Unb fo läßt fid? in ber Gat aud? ber fraglid?e Abfdjnitt
oerfteßen: er bietet ben Anfang einer Synagogenprebigt. Paulus ift burd? ben
Synagogenoorfteßer aufgeforbert worben, ber ©emeinbe einen koyo? 7capa=
xX-ßaew; ju bieten; bas tut er nun, unb jwar junäd?ft genau fo, wie ein anberer
Jube es an ber gleidjen Stelle tun würbe. Gerabe biefer feßeinbar ßarmlofe
Anfang ift nicht ol?ne gewiffen Reij, beim um fo ftärter muß nad? fo rußigem
(Eingang jeßt bie neue Kunbe wirten, bie Paulus unmittelbar an bie Grwäß'
nung bes Königs Daoib anfdiließt: „Aus beffen Rad?tommenfd?aft ßat Gott
nad? ber Derßeißung 3efus als einen Retter für 3frael tommen laffen" (13, 23).
So ßat ber fd?einbar bejießungslofe Anfang bod? feine Bejießung jur Situation,
unb bie bloße Darbietung ber Gefd?id?te 3fraels foll bie (Erinnerung an leßr=
ßafte Synagogenoorträge weden.
Damit ift nun aber aud? bas Derftänbnis einer anberen Rebe ber Apofteb
gefd?id?te angebaßnt, ber längften oon allen, ber Rebe bes Stepßanus
(7, 2—53) unmittelbar oor feiner Steinigung, hier ift bie Bejießungslofigfeit
bes allergrößten Geils ber Rebe oon jeßer bas eigentlidje ejegetifdje Problem
gewefen. Gs ift in ber Gat unmöglid?, ber Darftellung ber Gefdjidjte 3fraels
bis auf IRofe (7, 2—19) eine Bejießung auf bie Auflage gegen Stepßanus
abjufpüren; aud? eine Befdjulbigung ber 3uben, bie für ben Angriff am Scßluß
144 9. Oie Reben ber £lpoftelgefd?i<f}te unb öie antite ©efdjidjtsfdjreibung

öer Reöe öie gefd?td?tlid?e Unterlage liefern würöe, finöet fid? in öiefem Keil
feineswegs. Audj öer Abfdjnitt öer Reöe, öer oon IRofe Ijanöelt, enthält
weöer eine Derteiöiguug öes Reöuers nodj eine öeutlidje Polemit gegen feine
$etnöe; öenn öie Worte ol oe oö auvrjxav 7, 25 beöeuten ebeufowenig einen
Angriff wie öer Beridjt ooin Wiöerfprudj eines 3uöen gegen IRofe 7, 27;
erft 7, 35 weröen öaraus aggreffioe $olgerungen gejogen. Don 7, 2—34 ift
überhaupt feine Ausrichtung öer Reöe ju erfennen, fie enthält lebiglidj eine
Darjtellung öer (Befdjidjte 3fraels. (Erft mit 7, 35 wirö eine Senbenj wabrneljnu
bar: öiefer IRofe, Öen öie 3fraeliten oon fidj gefloßen Ijaben (7, 35), öem fie
nidjt geljordjt Ijaben (7, 39), öer mar iljnen oon (Sott als Süfjrer, als Befreier
aus Ägypten, als propljet, als Überbringer öer Xdyta gefanöt (7, 35—43).
Unö öiefer Übergang aus öem Bericht jum Seugnis ift oon 7, 35 an gan3 beut-- 36
lidj gemadjt (3weimal toOtov, öreimal oöro?). (Eine weitere Henöenj läfet
fidj in öem Abfdjnitt 7, 44—50 erfennen: öie Wotjnung (Bottes war bei ben
3fraeliten in ber (Bejtalt öes Saftes unö öann öes Salomonifdjen Hempels,
aber (Sott woljnt nidjt in öem, was IRenfdjen gemadjt Ijaben. Unö nadj foldjer
Dorbereitung erfolgt erft in Öen Sdjlufeworten 7, 51—53 öer eigentlidje An=
griff gegen bas Dolf: 3l?r feabt eudj Sottes Offenbarung immer wiberfefet,
fowoljl Öen Propheten wie öem (Befefe! ITlan fönnte biefen Angriff oorbereitet
finben in ben beiben bereits djarafterifierten Abfdjnitten 7, 35—43.44—50;
man müfete biefe öann oon öem Wiöerftreben gegen öen (Befefegeber IRofe
unö oon einem nidjt ridjtigen Derfjalten in bejug auf öie Wotjnung (Bottes
nerftefjen, obwohl öiefer lefete (Befidjtspuntt nur geraöe angeöeutet ift. IRan
fönnte öann mit biefen beiöen Heilen öie jweifadje Auflage gegen Stepljanus
(betr. öes tjciligen Ottes unö öer oon IRofe gegebenen Bräudje) jufammem
bringen, aber geraöe in bejug auf Öen Hempel ift öie Reöe öodj äufeerft jurücb
feaitenö, unö jene Derbinbung mit ber Auflage erfdjeiut feljr loder, ja, fie ift
woljl nur oon unferen Wünfdjen nadj einer waljrnetjmbaren Henbenj ein*
getragen1)- Alles bies fann nidjts baran änbern, bafe ber (Srofeteil ber Reöe
7, 2—34 eine Henöenj überhaupt nidjt aufweift. (Er enthält oielmetjr eine
eigenartig jufammengebrängte Reprobuftion ber (Er3üäter= unb IRofe *(5e*
fdjidjte. Was fie an öiefer Stelle beöeuten foll, fönnen 3wei <Erwägungen3eigen:
') Die neueren (Erflärer beben entwcöer ben ©ebanfen heraus, bafj ©ottes öegcnwart
nidjt an ben Tempel gebunben fei (IDifenbaufer), ober fie finben bie Unbantbarfeit unb
IDiberfpenftigteit bes Dolfes bejeugt (Pre'ufdjen, nicht mit Bejietjung auf bie Auflage,
fonbern aus bem Plan bes Budjes Ijeraus; es wirb ber Übergang ju ben fjeiben oorbereitet,
ährdid; (Doerbed). Die meisten finben beibe niotioe, tDiberfpenftigfeit ber Juben unb Heia’
tioität öes Hempeltults, angebeutet (5-3. fjolhmann, IDenbt unter Betonung bessmeiten
Biotins, Bauernfeinb). IRunöle, Die Stepljanusrebe Apg. 7: eine ITlärtyrerapologie,
31110 20, 1921, 133ff. läfet ben Rebner bie altteftamentlidjen Beifpiele anführen als Hupen
für bas, was öefus unb ben Hhr’f*en wiberfahren ift. — Dgl. bagegen fj. ID. Beyer:
Stephanus rebet, „fo wie man woljt an $efttagen öer Synagogengemeinbe bie ©efdjidjte
©oites mit bem auserwäblten Dolte ju beuten pflegte"; Otto Dibelius: „So, wie er
hier erzählt, fo erzählten öie jübifdjen Sehrer unö Prediget"; nur am Sdjluü werbe ber
Rebner jum Propljet, ber »erfünbe, baß öer Hempel nidjt ©Ottes le^tes IDort on öen
Blenfdjen fei.
9. Die Reben bet flpoftelgefd}id)te unb bie antite «Jöefdjidjtsfdjreibung 145

1. Die Rebe ift offenbar oon £ufas in bas ifem bereits norliegenbe Rlarty=
37 rium bes Stephanus eingefdjoben. Diefes Rlartyrium läfet fidj oon 6, 8 an
»erfolgen: bas Seugennerhör finbet ftatt; ben Rlitgliebern bes Synebriums
aber erfdjeint bas Gefidjt bes Angetlagten wie eines (Engels flntlife (6, 15).
Die gortfe^ung biefes Derfes bilbet bie himmlifdje Difion 7, 55—56: ber fdjon
nom himmlifdjen £idjt oerflärte TRärtyrer fdjaut nun in ben offenen fjimmel
unb fieljt bort ben Rienfdjenfohn jur Rechten (Sottes ftetjen. 3n unferm CTejt
folgt aber auf bie Sdjilberung bes nertlärten öejidjts bes Stephanus bie Srage
bes fjohepriefters, bie bie lange Rebe auslöft (7, Iff.). Die Rebe unterbridjt
ben jufammenbang jwifdjen Derflärung unb Sdjau; £ufas bat fie offenbar,
als er bas Rlartyrium aufnahm, »on fid? aus beigefteuert*).
2. Das auffallenbfte Rlerfmal biefer Rebe ift bie Bejiebungslofigfeit
ihres fjauptteils. Wenn fie auf weite Streden bin nur Reprobuttion ber <5e
fdjidjte 3ftaels ift, fo ertlärt fidj bas jwar nidjt aus bem Hnlafe ber Rebe, wohl
aber aus ber perfon bes Rebners. Stephanus, wie er im (Eingang bes Rlarty=
riums gefdjilbert wirb, ift ein Rlann aus bem Kreis bes helleniftifdjen 3ubew
tums; als djriftlidjer Prebiger wirb er baher in eine Auseinanberfetjung mit ben
©liebem biefes Kreijes »erwidelt. Begnabung, Kraft, Weisheit unb Sähigteit
ju Wunbertaten werben ihm nadjgerühmt. IDenn »on biefem Rlann eine
Rebe rnitgeteilt wirb, fo foll baran tlar werben, was ber Übergang einer foldjen
Perfönlicbfeit jur djrifflidjen Sache bebeutet. Bier fann ein (Thrift im Stil ber
Synagoge, Stoff reprobujierenb, reben; unb barum fann er wie fein anberer
fonft ben ©eift ber Synagoge Ijerausforbern.
(Es ift natürlich ber ©eift ber helleniftifdjen Synagoge, wie aud) bie ©egner
bes Stephanus Ijelleniftifdje 3uben finb (6, 9). Dem entfpridit es, bafe bie
Bibeljitate ber griedjifdjen Bibel entflammen; »on einem aramäifchen Original
ber Anfpradje tann unb braudjt aud? nidjt bie Rebe ju fein. IDohl aber legt
fid? bie jrage nahe, ob biefe Reprobuttion »on ©atfadjen non £ufas gefdjaffen
worben ift. Wie fdjon bei ben Rliffionsreben möchte man audi feier bie Ab=
feängigteit non einem älteren Heft wenigftens für ben reprobujierenben ©eil
38 nidjt ausfdjliefeen; bann würbe fidj beffen Reutralität am beften erflären. Die
polemifdjen Stellen würben bem £utas gehören, ber natürlich bas ©anje
bearbeitet hätte2).
3n ber Stepfeanus=Rebe feerrfdjt alfo wie in ben Rliffionsreben bie £efer=
trabition nor. Aber in gewiffer Weife ift audj hier bie anbere ©rabition, bie ber
©efdjidjtsfdjreibung, mafegebenb. Denn bie Rebe bereitet infealtlid? bie ©ren-

0 3um Hlartyrium bes Stephanus D9h 6- W- Sur tau, Hlartyrien in jübifefeer unb frütj*
cbriftlidjer 3eit 1938, 105—119. 3m®egenfah ju Su r t a u würbe id? in 7, 54—8, 2 nur eine
Entfernung ber auf Saulus unb bie Detfolyung bezüglichen Sätze für nötig galten, um ben
Heft bes Hlartyriums ju gewinnen. Damit fällt bann oie Derboppelung bes äXcO-oßoXouv
7, 58. 59 uon feibjt. Die beiben lebten Worte bes Stephanus aber 7, 59. 60 finb nebeneim
anber möglich- [5. auch Gljeol. Runbfchau 3, 1931, 232—34].
2) Über bie fptadjlicbe Derwanbtfdjaft ber Stephanus=Rebe mit ben lutanifdjen Schriften
ugl. Hlunble, 3HW 1921, 135.
10
146 9- Die Reöen ber flpojtelgejdjicfyte unö bie antife Sefdjidjtsfdjreibung

nung ber d?riftlid?en non ber jüöifdjen (Semeinbe nor. Sie ift feine typifd?e
Rlärtyrerrebe, benn Sefafer wie Gewinn bes Martyriums tommt nid?t jur
Sprache. Sie will im Rafemen nid?t bes Martyriums, fonbern bes ganjen
Budjes gewürbigt werben. Sie eröffnet ben Abfd?nitt ber Acta (6—12), ber ben
Übergang bes Evangeliums an bie feeibnijdje Welt fdjilbert. Sie jeigt bie
innere Entfernung bes Rebners vom 3ubenhim, fie jeigt fie aber mit Mitteln,
bie felbft wieber bem 3ubentum entlehnt finb. Aud? bas ift typifdj für bie Aus*
einanberfefeung jwifdjen Eferiftentum unb 3ubentum, bie burd? biefe Rebe
eingeleitet wirb. Uid?t allein Paulus feat bie Waffen, bie er gegen bas 3ubentum
ridjtet, bem Arfenal bes fjelleniftifdjen 3ubentums entnommen. Rudi ber Der
fafjer ber Acta tut bas gleiche unb leitet jo ben Konflikt jwifd?en Eferiftentum
unb 3ubentum burd; bie Sfepfeanusrebe in d?aratteriftifd?er Weife ein.
Unter bem <5efid}tspunft ber Wieberfeolung verwanbter Stoffe verffet?t
fidj aud? bie Gatfad?e, bafe bie Areopagrebe bes Apoftels Paulus bereits in
feinen Worten an bie Bewohner non £y f tra (Act. 14,15—17) ein eigenartiges
Prälubium erhält. Dafe (Sott fid? bejeugt feat, inbem er ben Hlenfdien Regem
fälle unb 3a^esjeiten juteilte, fie ernährte unb frofe madjte, wirb in bem
3entralfafc biefer tleinen „Prebigt" als (Bottesbeweis angefüfert. Die Areopag*
rebe gefet in äfenlicfeen ©ebanfenbafenen unb leitet fie aud? ebenfo wie bie Rebe
von £yftra mit einer an bas Alte Geftament erinnernben ©ottespräbifation ein.
Enblid? gehört ju bem, was £utas feinen £efern burd? Wieberljolung
einprägen will, aud? ber jüöifd?=d?riftlid?e Auferftefeungsgebante. Er wirb
breimal an entfdjeibenber Stelle als QJuinteffenj ber d?riftlid?en prebigt feervot*
gehoben: 23, 6; 24, 15. 21; 26, 6—8. 3unäd?ft gipfelt bieSjene imSynebrium
23, 6 in ber Behauptung bes Paulus, er ftefee wegen ber Auferftefeungs*
feoffnung nor ©erid?t. Der Beridjt leibet unter einigen Unwaferfdjeinlidjteiten:
bafe ber Gfeiliard? ben Sd?ufebäftling Paulus nod? einmal ben 3uben überlädt, 39
bafe Paulus — ftatt non ber Antlage gegen feine Perfon ju reben — ben Auf*
erjtefeungsglauben in ben Mittelpuntt ber Disfuffion ffellt, bafe bie Pfearijäer
auf biefes Gfeema eingetjen unb ju einer Unfd?ulbserflärung für Paulus
gelangen, ift Dielfad? bejweifelt worben. Aber £utas feat bie Sjene aud? gar
nidjt weiter motioiert; er will offenbar nur bies feervorfeeben, bafe bie pt?ari=
fäer bas auferftefeungsgläubigeGferiftentum eigentlid? relativ anertennen müfeten.
Unb bies ift aud? bas letjte 3id ber Rebe, bie paulus nor bem profurator
$elif gegen ben Anwalt Gertullus Ijält (Act. 24, 10—21; ogl. bef. D. 15 unb
D. 21) — einer Rebe, bie wefentlid? mefer auf bie Situation ausgerid?tet ift
als bie in Kap. 22. Sie ift ja in biefe Situation bereits eingefpannt burd? bie
S. 130f. fdjonerwähnte unb l?iernod? furj ju djarafterifierenbe Rebe bes Ger*
tullus (24, 2—8). Die Sadje, um bie es fid? feanbelt, bie angeblid?e Gempel*
entweifeung burd? Paulus, wirb feier wenigftens uorgetragen, freilid? ohne
juriftifd?, moralifd? ober religiös ausgewertet ju werben (24,6—8; jum Gejt cgi.
S. 130 Anm.5). Ein etwas ftärferer Gon liegt auf ber allgemeinen Sd?ilberung
bes Angetlagten: er gilt als „Scfeäbling" (Xocp.6«), ber bei ben 3uben ber ganjen
9. Die Reben ber Apoftelgefd?id?te unb bie antite ©efdiidjtsfcfereibung 147

Welt Unrufecn erregt, unb ift ein bauptanfüferer ber Sette ber „Itajoräer".
Aber weitaus bas weifte (Sewidit nad? Umfang unb Stil feat in ber garten Rebe
bie einleitenbe captatio benevolentiae, bie Don bem Stieben unb ben Der«
befferungen fpridit, bie bie 3uben ber Dorforge (irpövota) bes Statthalters
oerbanten. (Es foll aber bamit nicfet etwa bie Sd?meid?e(ei ber 3uben') non ber
nüchternen Art bes flpoftels abgehoben werben; aud? Paulus beginnt ja 24, 10
mit einer — wenn aud? minber pathetifd?en — captatio benevolentiae; es
foll mit ben Worten bes Rhetors nur bie Dernehmung bes Paulus in ben
ihr gebührenben Rahmen geftellt werben. Denn biefer Rahmen wirb mit
auffallender Stilfid?erheit gefcbilbert: in ben fad?Iid? belanglofen Derfen 2 unb
3 läfet fid? jebe ber I?öfifd?en Rebensarten bes Rhetors mit griedjifdjen ober
lateinifdien parallelen aus ber offijiellen Sprache belegen8). Wenn es Sufas
40 barauf angefommen wäre, bie Kunft unb fomit bie ®efäl?rlid?feit bes Anwalts
ber ©egenpartei ju jeigen, ober wenn feier eine gefd?id?tlid?e (Erinnerung an ‘
ben Rfeetor unb fein Können ju Wort tarne, würbe biefe Kunft wofel nor allem
an ber Darlegung bes Streitfalls erwiefen werben. Aus ber Eatfadje, bafe nicfet
ber Streitgegenftanö, fonbern bie an fid? belanglofe (Einleitung mit befonberer
ftilijtifdjer Hedjnit ausgearbeitet worben ift, barf man fdiliefeen, bafe feier mefer
bas literarifdje Bemüfeen bes Autors beteiligt war als fein (in unferm Sinn)
biftorifd?es Wollen. (Er will ben Rafemen ber Derfeanblung fo ftilfidjer unb
einbrudsDoll jeid?nen, wie er bereits bie Umwelt ber Areopagrebe gefd?ilbert
feat. So ift in ber (Eat ein „TReifterftüd oon ... ausgefudjter rfeetorifdjer Klein«
tunft" entftanben3). Um fo nad?brüdlid?er wirft in biefem Rafemen bie in ber
Rebe bes EertuIIus folgenbe (Efearafterifierung bes paulus, um fo nad?brüd=
lidjer aber aud? bas, was Paulus nun felbft 311 fagen feat. Denn feine Rebe füfert
oon ber turjen captatio benevolentiae ju einer Unfdjulbsbeteuerung unb
Selbftoorftellung. An biefer aber fällt wieberum eines auf: nicfet bie angebliche
dempelentweifeung ftefet babei im ITtittelpunft — fie wirb D. 13 nur für?
erwähnt —, fonbern bie gefamte Sätigfeit bes Apoftels (24, 12.14—17). (Es
ift genau biefelbe Art allgemeiner Unfd?ulbsoerfid?erung gemeint, wie fie
Paulus cor bem procurator $eftus 25, 8 nod? einmal jufammenfafet: „Weber
gegen bas jübifdje ®efetj nod? gegen ben (Tempel nod? gegen ben Kaifer höbe
id? mid? irgendwie Dergangen." Die Wieberfeolung jeigt aud? feier, worauf
Cufas Wert legt. Unb nad? bemfelben ©efefe ber Wieberl?olung wirb nun
’) Die Kommentatoren ftreiten fid? barüber, ob gelij biefes tob burd? fein Dorgefeen
gegen bie Sicarier oerbient fjabe ober ob es fid? um eine lügnerifdje Sd?meid?elei feanbie
(fiefee bie oerfd?iebenen 5itate in Eöfdjs in ber nädjften Anmetfung jitiertem Auffafe). Wenn
feier nid?t bet Anwalt lertullus, fonbern ber Sdjriftfteller tufas rebet, ift bie Stage oon
geringem Belang.
’) Das nacfegewiefen ju feaben, ift bas unjweifelfeafte Derbienft oon Stepfean £öfd?,
40 Die Dantesrebe bes dertullus, ttfeeol. Quartalfcferift 112,1931, 295—319. Aber ber engfte An*
fcbiufe an bie Amtsfprad?e ber juriftifdjen Papyri bered?tigt nod? nidjt ju bem Sdjlufc, ben
£öfd? beutiid? empfiefelt: bafe biefe Rebe nicfet rom Autor gearbeitet, fonbern oon jenem
üertullus roitflicfe fo gehalten fei. Das fann aus bem Stil nidjt erwiefen werben, unb bie
Scpflogenfeeit bes Sdjriftftellers fpridit bageaen.
“) Dgl. £öfd?, a. a. ©. S. 317.
10*
r

148 9. Die Reben ber flpoftelge[d)id)te unb bie antife (Sefdjidjtsfdjteibung

in biefem 3ufammenl)ang jweimal bie Auferftehung erwähnt: Paulus teilt


ben ©tauben an bie Auferftehung mit feinen Antlägern (24, 15), unb er hat
biefen ©tauben bereits nor ihnen im Synebrium befannt (24, 21).
Dafe aud? biefe Rebe troij ihrer Rätje jur Situation mehr ben £efern ber
Apoftelgefd)id)te als ben Hörern in daefarea gilt, jeigt fid; vielleidjt an einer
Kleinigteit: bie ©elbfammlung, bie Paulus jugunften ber armen (Ujriften in
3erufalem ueranftaltet hat unb von ber wir aus feinen Briefen wiffen, wirb hier
— unb nur I?ier in ber Apoftelgefd?id)te! — erwähnt. Der £efer fotl oon ihr 41
bod? einmal Kunbe erhalten. §ür bie 3«ben würbe biefe (Erwähnung wirtungs=
polier fein, wenn fie in ber Dolfsrebe Kap. 22 gefd)ehen wäre, aber bergleidjen
„gefd)id)tlid?e" (Erwägungen fdjeinen bei £utas feine Dorbringlidje Rotte ju
fpieten. Aud) bie jweimalige Betonung ber Auferftehung will ja nid)t ben
Sweden gefdjidjtltdjer ©rjählung bienen, fonbern ift gewiffermahen ein Stüd
apologetischer prebigt. Der £efer fotl wiffen, weidje Übereinjtimmung an
biefem einen punft befiehl unb welche $olgerungen für bie Auseinanbep
fetjung jwifd)en dhriften unb 3uben man baraus ju jiehen hat.
Dasfelbe gilt nun and) non ber lebten ber Reben, bie Paulus als ©efangener
in (Eaefarea hält; es ift bie Rebe vor Seftus unb fjerobes Agrippa.
Sie enthält als ^auptftüd bie Darftellung ber jübifd)en 3ugenb bes Paulus
unb feiner Belehrung jum d)rifflid)en ©tauben. Die ganje Rebe ift aber barauf
abgeftellt, bas dhr>ftentum als bie legitime Sortfeßung bes 3ubentums ju
erweifen. Diefem 3wed gilt bie — gegenüber Kapitel 22 viel ausführlicher
gehaltene1) — Sd)ilberung ber dbriftenDerfoIgung burd) Paulus: er fotl als
©lieb ber „ftrengften Sette unferer Religion" gefdjilbert werben; in biefelbe
£inie gehört bie Betonung feiner jübifd)en Korrettheit unb bes Auferftehungs=
glaubens: „IDegen biefer Hoffnung, o König, werbe id? von 3uben oertlagt".
Die Betehrungsfjene ift jufammengebrängt, fo ba^ ber Auftrag jur tjeiben=
miffion hier oon ber himmlifd)en (Erfdjeinung felbft gegeben wirb; feine Aus­
führung ift alfo eine 2at bes ©ehorfams, bie auch ber 3ube anertennen müßte.
3m felben Sinn ift enblid) ber Sdilufj ber Sjene ju verfielen: ber jübifdje
König betennt, wenn aud) vielleidjt mehr in anerfeimenber Phrafe als in
vollem (Ernft, bafe Paulus ihn felber nädjftens belehren werbe. Unb bas jagt
Agrippa, als Paulus fid) eben im Sd)lufjappell auf bie Sdjriftgemäfjheit feiner
£ehre berufen hat: bie prebigt Dom leibenben IReffias, oon feiner Auferftehung
unb oom fjeil für 3uben wie für fjeiben fei nid)t im Wiberfprud) mit Ülofe
unb ben Propheten.
Aud? biefe Rebe will, red]t betrad)tet, weniger ben jübifdien König als
bie £e|er treffen. ITlan mertt bas fd)on aus Kleinigteiten: wenn bie ©haften
26, 10 Ejeilige genannt werben, fo barf biefer d)riftlid)e Sprachgebrauch wohl 42
*) Beim Dergleid) mit 22, 3—5 mertt man, wie hort Wert auf öie 3ufammengebötig’
feit mit 3erufatem gefegt wirö; »gl. öie (Erwähnung öer (Erhebung „in biefer Stabt , öes
Samaliel, öes f^ohepriefters unö öer dempe(»ifion. Das alles pa^t in eine Rebe, öie öid)t
oberhalb öes dempeiplahes gehalten wirb.
9. Die Reben ber Apoftelgefd)id)te unb bie antife <5eld)id)tsfd)reibung 149

bei ben £efern, nicht aber bei Agrippa vorausgefeht werben. U)enn bie Himmels
*
ftimme nad) biefer Rebe nicht mir lautet: „Saul, Saul, was oerfolgft bu mid??'1,
fonbern bas aus ©uripibes befannte Sprichwort hiniufügt: „Hart tommt’s bid?
an, wiber ben Stachel ausjufchlagen", fo ift bas ein Kommentar, eine Bilbungs
jutat1), nidit unpaffenb in biefer Rebe vor einem vornehmen Publitum unb
bodj im ©runbe aud) mehr auf ben gebilbeten £efer jielenb als auf König
unb procurator. ©nblid? wäre 311 betonen bie erneute, britte unb befonbers
auffallenbe H^vorhebung ber Auferftehung, ber ©laubigen in 26, 6ff., bes
©hriftus in 26, 23. 3h« Betonung foll bie £efer bavon ©bezeugen, baj) fie
gegenüber bem Jubentum ein gutes ©ewiffen haben fönnen. Unb barauf
hat ber Derfaffer theologifd? offenbar ein befonberes ©ewidjt gelegt.
Die Apoftelgefd)ichte ift in einer 3eit gefchrieben, ba bas dfjriftenturn fid}
aud} vor ben Augen ber ©ffentlichfeit fidjtbarlid} vom 3 üben tum fcheibet.
Das gan3e Bud; ber Acta bient bem feljr 3eitgemähen Rad?weis, ba^ ber Über'
gang bes (Evangeliums 3U ben Ejeiben nidjt auf einem ©ebanten bes Paulus
ober fonft eines IRenfchen beruht, fonbern auf ©ottes Sügung. ©r bat ben
Philippus an ben IDagen bes äthiopifdjen ©unudjen geführt, er hat Petrus
unb ©ornelius 3ufammengebrad?t, er hat fid? Paulus, ben Qeibenapoftel,
erwählt. Die 3uben tragen felbft bie Sdjulb baran, bah fie bas Ejeil verfehlen.
Darum werben fie breimal, in Antiodjia, Korinth unb Rom, auf biefe ihre Sdjulb
hingewiefen (f. Seite 129). Sie ift um fo größer, als bie d?riftlid}e Botfd?aft bie
(Erfüllung jübifcher Hoffnungen barftellt — wie es in ben lebten Kapiteln bes
Bud?es (23; 24; 26) mit Radjbrud bervorgehoben unb am Auferfteljungs*
glauben bargetan wirb. Ejinter biefem Radjweis fteht nichts ©eringeres als
bie Über3eugung, bafe es berfelbe ©ott ift, bem bie 3uben bienen möchten unb
müßten unb ben nun bie ©hriften vertünben. ©s ift bie Über3eugung, bie
Kird?e unb häretifdje ©nofis fdjeibet, bah ber ®°tt bes Alten ©eftamentes
fid? in 3efus ©hriftus geoffenbart hat.
©s ift immer wieber aufgefallen, bafe bie paulus=ffiefta1t ber Apofteh
gefdjidjte von bem Brud? mit bem Tubentum, ben feine Briefe be3eugen,
von ber £eibenfd?aft feines IDefens unb ber Rabitalität feines ©rtcnnens
wenig verrät. Daraus haben in ber Rlitte bes 19. 3ahrl)unberts $erbinanb
43 ©briftian Baur unb feine ©übinger Schule eine verföhnlidje Ridjtung ber
Apoftelgefchicbte erfdjloffen, einen Unionspaulinismus, ber 3wifd?en bem
3ubaismus unb bem ed}ten Paulinismus bie Hütte einer tjegelfchen Synthefis
innehält; burd} biefe Derföhnungstenben3 wären bann bie wirflidjen hifto *
rifdjen Kämpfe ber apoftolifdjen Seit in ben Ejintergrunb gebrängt worben.
Aber £ufas hat wohl mehr theologifdje als fird?enpolitifd}e 3ntereffen. 3hni
liegt baran, ben IDeg von 3erufalem nad) Rom als ben von ©ott gewiefenen
barjuftellen, bas ©hriftentum als bie Dollenbung bes 3ubentums, ben Paulus
als ben von 3ugenb auf unter ©ottes befonberer £eitung heranreifenben

*) Dgl. barüber ben Anfang S. 159ff.


150 9- Die Heben bet Apoftelgefdjidjte unb bie antite Sefdjidjtsfchreibung

(Etjriftusboten. So wirb paulus in ber Apoftelgefdjidjte ;um Präger unb Spre*


djer einer <Et}eoIogie, bie ohne Brudj aus bem 3»öentum ber Diafpora heraus*
wädjft. Aus biefer Geologie — unb nidjt aus einer bewußten Unionspolitit —
erflärt fidj bie nerfähnliche fjaltung ber Apoftelgefdjidjte, bie bie großen (»egen*
Jähe ber apoftolifdjen Seit teils »erfdjweigt, teils überbrüdt. Das lehte öffent*
iidje Wort bes Paulus ift wie eine protlamation: wer ben Propheten glaubt,
muff audj an (Ibriftus glauben. Der gefdjiditlidje Paulus hatte bie Hragit
feines Dolfes barin gefehen, bafe es in bem Bemühen, (Sott ju bienen, am Beil
»orbeiging; ber Paulus ber Apoftelgefdjidjte jeigt, bafe wahrer Dienft (Sottes
gerabenwegs ju dljriftus hinführt.

V.
(Es ift in biefen Ausführungen gejeigt worben, bah bie meiften ber größeren
Heben ber Apoftelgefdjichte weniger aus ber tjiftorifdjen Sage als aus bem
3u[ammenhang bes Budjes ju »erftehen finb. Sie Ijaben iljre Aufgabe im ©anjen
bes Budjes, benn biefes Budj hat ein dbema, unb an beffen Durdjführung
finb bie Beben mit beteiligt. 3n biefen 3ufammenhang gehören audj bie Worte
bes Auferftanbenen ju ben 3üngern Act. 1, 4f. 7f. — eigentlich nur jwei
burdj eine grage getrennte Sä^e1) (unb eben barum S. 130 Anm. 1 nidjt
mitgeredjnet). Diefe Anfpradje fdjlieht mit bem Wort: „3h^ follt meine 3eugen
fein in gerufalem, in ganj3ubaea unbSamaria unb bis ans (Enbe ber (Erbe".
Die Betrachtung ber anberen Reben madjt es uns jur ©ewihheit, bah audj
biefer Sah — wiewohl er bem Auferftanbenen in ben IRunb gelegt wirb — 44
eine literarifche Besiehung hat2); es ift bie (Einteilung bes Budjes, bie bem £efer
hier »orgeführt wirb: gerufalem Kap. 1—5; 3ubaea unb Samaria Kap.6—12;
Ausbehnung ber IRiffion auf bie ganje ©itumene, hier abgebilbet burdj bie
gahrten bes Paulus bis Rom Kap. 13—28.
3dj fehe bauon ab, bie wenigen nod? nidjt analyfierten Reben hier 311
behanbeln. (Eine befonbere literarifdje Abfidjt läfet fidj ihrem üejt, fooiel id;
(ehe, nidjt entnehmen. (Es hanbelt fidj babei um Worte, bie 3ur (Einleitung
eines Dorgangs notwenbigerweife gefprodjen werben müffen. So eröffnet
Petrus bie Radjwahl jum Apofteltreis (1, 16—22), geftus bie Dernehmung bes
Paulus (25, 24—27) mit einer Anfpradje. ©ber es hanbelt fidj um Worte, bie
im Derlauf eines Dorgangs notwenbig werben: Petrus fpridjt im Synebrium
nadj ber Ejeilung bes £ahmen (4, 8—12.19—20), Paulus auf bem Sdjiff (27,
21—26), Demetrius unb ber ephefinijcbe Kanjler bei Beginn unb am SdUufe ber
Unruhen (19, 25—27. 35—40).
’) Ulan tann freilid? biefe Sätje nur bann als jufammengehörig befrachten, wenn man
bie Derfe 1, 4—11 als eine Sjene fa^t. Das aber fdjeint mir richtig ju fein, ba weöer 1,6
nod; 1, 9 ein ©ttsroechfel angebeutet ift, alfo aud; bie oorhergeljenben Derfe auf bem ©Iberg
fpielen muffen, fiebe 1, 12.
2) Das ift oft ausgefprodjen toorben; fcbon Sdjnedenburger, Über ben 3med bet
flpoftelgefdjichte 1841, 191 f. fdjreibt: „Diefer Ders ... ift, tuie oiele 4rttärer längft be*
mertt haben, bas ühema für bie gefamte Ausführung ber flpoftelgefdjicfjte".
9. Die Heben ber HpoJteTgefcfjidjte unb bie antite ©efdjidjtsfdjreibung 15]

IDofel aber mufe tjier bas Derfeältnis ber Acta=Reben 311 ben Reben ber
antiken f)iftoriograpl?ie nod? einmal 3ufammenfaffenb betrad?tet werben.
Die auffällige Derwanbtfd?aft 3wifd?en beiben seigt fid? nor allein in
einer Gatfadje: aud? £ukas feat an großen IDcnbepunkten ber ©cmeinbe-
gefd?id?te Reben eingefcfealtet, bie ber augenblidlid?en Situation nidjt immer
angepafet finb, im (Janien bes Budjes aber eine beutlid? erkennbare Aufgabe
erfüllen. Sie feelfen an iferem Geil mit, bie Abkefer bes Gferiftentums »om 3uben-
tum »erftänblid? 3U machen (Stepfeanus) unb »erteibigen bas Red?t ber Ejeiben-
miffion (Rebe bes paulus »or bem Dolf), fie jeigen, wie (Sott felbft bie f)eiben=
betel?rung feerbeifüfert (Cornelius), wie bie d?riftlid?e prebigt Sebanfen bes
gried?ifd?en (Seiftes aufgreift (Areopagrebe), unb beuten bie Dergangenen wie
bie künftigen Sd?idfale ber Semeinben an (IRilet). Alle biefe Reben ftefeen an
bebeutfamer Stelle unb erweifen fid? als Rezeptionen bes Autors, bie er in
feine Darftellung bsw. in bie Darftellung feiner Quellen1) eingefcfealtet feat.
Damit ift er ber Grabition ber antifen ®efd?id?tsfd?reibung gefolgt.
45 IDenn man jid? einmal »on ber relati»en 5ituations-$rembbeit
biefer Reben über3eugt feat, gewinnt man Derftänbnis für eine längft an ifenen
beobad?tete Gigenlümlid?keit: bafe fie mit bem er3äl?lenben Gert nid?t in allen
punften übereinftimmen, fonbern ifen ergäben, bisweilen nidjt oljne eine
gewiffe Rorrektur. Befannt ift eine foldje Unftimmigkeit aus ber Areopagrebe2):
Paulus ift nad? ber tErjäblung empört über bie an Qöfeenbilbern reidje Stabt;
aber als er bann 3U ben ob iferer $römmigfeit befannten Atfeenern fpricfet,
lobt er fie in ber einleitenben captatio benevolentiae wegen iferer frommen
Haltung gegen bie (Sötter. Das fann weber auf einem plöfelidjen (5efinnungs=
wecfefel berufeen nod? auf fjeudjelei — bies fdton gar nidjt, weil £ukas feinem
Apoftel nie bergleidjen jufdjreiben würbe 1 Dielmefer ift es bie relatine Selb'
ftänbigfeit ber Rebe, bie biefes £ob trofe ber »orangefeenben Gntrüftung er=
wünfdjt erfdjeinen läfet. Dergleidjen Unftimmigkeiten kommen in ber Apoftel'
gefdjicfete öfter »or. So erfäfert ber £ejer aus ber Rebe in IRilet, bafe
paulus fdjon in anbern Stäbten bie propfee3eiung künftiger Bebrängnis
erfealten feat, bafe er brei 3afere in Gpfeefus war unb fid? bort mit fjanbarbeit fein
Brot »erbient bat — alles Dinge, »on benen »orfeer nod? nid?t bie Rebe war.
(Eine ber mertwürbigften (Ergötzungen bes Berid?ts burd? eine Rebe betrifft
bie Angelegenfeeit ber Kollekte bes Paulus. Sie wirb nie an iferem Qrt erwäfent,
aud? nidjt 20, 4, wo bie ben Paulus begleitenben ©efanbten ber (Semeinben
genannt werben, bie ifere gunktion waferfdjeinlid? überfeaupt nur ber Kollekte
3U banken feaben — aber in ber Rebe »or Selif fprid?t Paulus »on ©oben für
fein Dolk (24, 17); bort feat bie (Erwäfenung iferen Sinn als Be3eugung ber
1) Die Reben 3U fltljen unb ju IRilet [teljen inmitten bes Berichts aus bem 3tinerar
(bas, taie id? überjeugt bin, teinesroegs auf bie UtipStüde befdjräntt mar). Das IRartyrium
45 bes Stepfeanus unb bie Cegenbe non'dornelius finb offenbar als felbftänbige Stüde in ben
©emeinben umgelaufen, (tinjig bei Kap. 21; 22 ift bie tjerfunft bes Berichts — Quelle?
flugenjeugenjdjaft? — nidjt fefouftellen.
-) [Dgl. ->61 unb 62 flnm. 1].
152 9. Die Reben ber Apoftelgefd?id?te unb bie antite <5efdjid?tsfd?reibung

Coyalität bes Hpoftels. fluch oon ber üempeloifion bes Paulus war in feiner
Befehrungsgefd?id)te Kap, 9 nod? nidjt bie Rebe, r»ol?l aber berichtet er bem
Dolf oon ihr. Rad? allebem bürfen aud? bie oft beijanbelten tDiberfprüd?e
jwifdjen ben brei Darstellungen ber Belehrung flcta 9; 22; 26 teinesroegs
iioliert unb etwa jum flusgangspuntt einer (Quellenfdjeibung gemad?t werben.
Sie Rängen, wie gejeigt, mit ber befonberen Ausrichtung ber beiben Reben,
flcta 22 unb 26, jufammen1). 3« foldien Unftimmigteiten gibt es aud? in ber
hiftorifd?en Siteratur Parallelen2); fie bejeugen bie große Selbftänbigfeit ber
Reben; biefe finb in ber lat nidjt an ben gefcf?id?tlid?en Dorgang gebunben, 46
innerhalb beffen fie fteßen, fie hoben ihr eigenes Sebert unb tönnen barum
oon ben Dingen etwas anbers reben, als ber begleitende Berid?t es tut. So
oerlangt es in bet flreopagrebe offenbar ber Stil bes Rebe=flnfangs, baß bas
befliffene t?eibentum ber Athener als Srömmigteit beurteilt wirb, obwohl
Paulus baoon eigentlid? entfett ift. So wirb 26, 17f. ber Rliffionsauftrag in
bie tjimmelsftimme hinein oerwoben; fo wirb bie oielleidjt fcfjon überlieferte
üempeloifion 22, 17ff. jur miffionarifcben Beauftragung ausgearbeitet; beibes
ift burd? Rebejiel unb Rebefituation bebingt unb oerfteht fid? als bewußte
Abweichung non bem urfprünglidien Bericht in Acta 9. Dementfpred?enb tritt
flnanias in ber einen Rebe auf, in ber anbern nid?t. Die Rad?rid?ten über bes
Paulus 3ugenb aber unb über feine Beteiligung an ber dl?riftenoerfolgung finb
22,4.5 unb 26,9—11 oom Autor als Srgänjung feines in biefen punften
fpärlicben Berichts im neunten Kapitel in bie Reben Derflod?ten. Das ®Ieid?e
gilt non ben Anbeutungen über Unheilspropbejeiungen „Stabt für Stabt"
in ber Abfd?iebsrebe 20, 23 fowie oon ber nachgebradjten Rotij über bie KoIIette
24, 17. So füllt ber Derfaffer mit Bewußtfein Süden aus, bie er früher aus
ftiliftifdjen ober quellenmäßigen ©rünben gelaffen hat.
Reben jenen Reben, beten Art man aus ber antiten ®efd?id?tsfd?reibung
»erftehen tann, ftehen anbere, beten Sinn in ber IDieberholung unb (Einprägung
beftimmter Stoffe liegt: es finb bie MTiffionsreben bes Petrus unb Paulus
(bem Inhalt nad? aud? bie Stephanusrebe, beten Bebeutung im ®anjen bes
Buches fie allerdings in bie erfte ®ruppe »erweift). Ejier rerfagt bie Analogie
ber ©efd?id?tsfd}reibung; hier tritt bet Sehrjwed bes Budjes beutlid? heroot,
bas ja nur jum einen üeil erjählen, jum anbern aber oerfünbigen will.
p [Übet bas Derhältnis öer brei Beridjte ngl. aud? tn?eol- Runbfdjau RJ 3,
1931, 235],
*) Bei Jofepfyus Ant. II 3, 1 § 22 will Ruben feine Btüber non öer Götung bes 3ofeph 46
abhalten unb gebraust öabei bas Argument: bie geplante dat mürbe aud? bem Dater
Sd?merj jufügen unb bie IRutter bes 3ofepb in eine drauriqteit über ben Derluft ihres Sohnes
ftürjen, bie menfd?lid?es IRafe überfteige. Dabei ift aber bie Itlutter bereits geftorben, wie
Ant. I 21, 3 § 343 erjählt wirb! —Jn ber Libycabes flppian 64 § 283 finbet fid? eine Rüd«
bejiehung bes Rebners Publius dornelius auf bie Rebe, bie Scipio turj oorhet im Dager au
bie (Befanbten ber Karthager gerichtet hat. Der Rebner in Rom tann aber biefe Rebe nod?
gar nid?t tennen! — dbenba hält übrigens (Eenforinus eine Rebe, bie 86 § 4U4ff. gütig an«
fängt, aber 90 § 423 nad? ber IPieberaufnahme ber drjählung eine Drohung jur golge bat. —
Sud? bei daffius Dio finben fid? Unftimmigteiten jwifdjen Rebe unb drjäljlung, fiehe db.
Sd?wartj, Pauly «IDiffowa III 1719.
9. Oie Reben ber flpo[telge[d?id?te unb bie antite ®efd?id?tsfd?reibung 153

4” lErofebem finb gewiffe Kunftmittel in beiden Gruppen ju beobachten,


fo oor allem bie Hedjnit ber gewaltfamen Unterbrechung. (Ein anderes ted?=
nifdjes IRittel, das aud? in ber „groben" £iteratur uerbreitet ift, findet fid?
gerade nur bei einer IRiffionsrebe, alfo einem Rebejtüd ber ^weiten Gruppe,
Act. 2, 401): es ift bie Anbeuturg, bafe ber Redner nod? mel?r gejagt l?at, als
foeben mitgeteilt würbe. (Es ift ein Kunftmittel; es gibt bem Sdjriftfteller
bie Rlöglidfteit, frei ju fd?alten unb ben Rebner bas fagen ju laffen, was in bes
Autors plan liegt, jugleid? aber bem £efer anjubeuten, bafe bet Rebner mef?r
unb anberes gejagt Ijabe.
Beweifenb für bie $reil?eit bes £ufas gegenüber gefd?id?tlid?en Grwä=
gungen, eine Freiheit, bie aber burdiaus ben antifen Gepflogenheiten ent’
fprid?t, ift bie Dernad?Iäffigung ber Spradjenfrage3). Dafe fie nid?t als ein
foldjes Problem empfunben würbe, bas unbedingt (Erwähnung gefordert hätte,
hängt offenbar mit ber junehmenben fulturellen Dereinheitlid?ung jufammen,
bie bie Derbreitung bes Koine=Gried?ifd? mit fid? brad?te. Sud? in ber Apoftel’
gefdjidjte jollte man eigentlich erwarten, bafe bet Autor, ber ben Jafobus
Act. 15, 14 atamaifierenb oon Suyewv ftatt oon Slptov teben läfet, ber Rebe
aramäifd? fpred?enber perfonen — alfo etwa bes Petrus unb bes 3atobus
bei ber Apoftelberatung — aud? fonft eine entfprecbenbe Särbung gegeben
hätte. Aber bas ift fo wenig bet $all, bafe 3afobus in biefer Rebe ein
Bibelwort in bet Septuagintaform zitiert, bie fadjlid? oom Original ab=
weid?t. 3m hebräifd?en Gejt oon Amos 9, 12 war oom Reft (Eboms bie Rebe,
in ber LXX (infolge Derlefung: ’adam für ’edom) oom Reft ber IRenfcben;
3atobus fagt Act. 15, 17 ol xataXoiTcoc röv ivü-pwnwv, als wäre er ein Dia’
48 fpora’3ube, bet nur bie gried?ifd?e Bibel tennt. (Ein bejeidjnenbes Beifpiel
für bie Rid?tad?tung bes Sprad?enunterfd?iebes bieten aud? bie IRiffionsreben
in Kap. 3 unb 13; fie jeigen benfelben Stil, obwohl Petrus in 3erufalem
aramäifd?, Paulus in ber fleinafiatifdjen Synagoge griedjifd) teben müfete.
Aud? bie Rebe oor bem Dolf, Acta 22, bie Paulus nad? ausbtüdlidjer Angabe
bes Derfaffers in aramäifd?er Sprache hält, jeigt feine Spur einet aramäifd?en
Särbung. Dort aber, wo bie fjimmelsftimme bei ber Belehrung als aramäifd?
bejeidjnet wirb (26, 14), bort, unb nur bort ift ju ber $tage — was oerfolgft bu

x) flct. 2, 40 ätipat; zs Wycij jcXeioaiv Sie^apzijpazo. Dgl. baju Xenophon Hellenica


11 4, 42 sUtdw 84 zabza xal äXXa rocaöta — ßolybius III 111, 11 zaika 8e xal zobzois
itapaitX^ota JtaXexb-elj; XXI 14, 4 noXXa 84 xai ezspa . . . SisXdx®'’! — flppian, Sam.
10, 6 äXXa ze noXla 5p.oia zoüzo'.j 4 'Aimo; elmbv; Bell. civ. III 63 § 257 zoidäz noXXa
elntb'v 6 ’Avztimo;.
2) So fpielt j. B. bie Stage, tote [id? Karthager unb Römer oerftänbigt t?aben, bei
aius Dio feine Rolle. Bei Salluft mirb De bello Jug. 109, 4 bei bet geheimen Detbanblung
dien Sulla unb Bocd?us wenigftens bie fln»efenf?eit eines Dolmetfdjers erwähnt. —
fln etne berühmte Ausnahme, bie Berüdfidjtigung ber Sprad?enfrage in einem §all, [ei
tuenigftens erinnert, obwohl es [ich um feine Rebe, fonbern um einen Brief hanbelt: ber
[partanifdje Offizier tjippofrates fdjreibt ifyn in latoni[d?em Dialett an [eine Ejeimatftabt;
jfenophon Hellenica I 1, 23: eppst zi xdtXa. MCvBapo; äiteaaüa. netvatvzi zuvSpej. äncr
pCop.ec zl xpi) 8p£v.
154 9- Die Reben bet flpoftelgefdjidjte unb bie antite (befdjidjtsfdjreibung

mich? — jenes Spridjwcrt aus ber griedjifdien £iteratur hitBugefügt: oxÄvjpäv


aot rcpb; xevrpa laxu^etv (f. Anfang S. 159ff.).
(Ein ®runb für bie Üid)tbead}tung ber Sprachenfrage bei ben antifen
Ijiftoritern ift üielleid)t in bem Streben nach (Ein 1?eitlid?teit bes Stiles
3U fudjen, bas ja aud] für bie (Seftaltung ber Reben burd) ben Sdnriftfteller
mafegebenb ift. Aus foidjem ®runb l?ätte man bann aud} auf fpradilidte
Sdjattierungen oerjiditet. $ür bie Apoftelgefd)id?te aber tonnen bergleidjen
(Erwägungen unmöglid; mafegebenb fein, benn £utas ift ein befonberes Streben
nad? (Einheit bes Stiles fremb. 3war hoben bie Reben, aufs (San3e gefeiten,
lutanifdie $ärbung in Wortfdjafe unb pbrafeologie. Serabe biefe Beobachtung
mufete ja immer wieber 3ur Bejweifhtng ihrer Authentie führen. Aber bie
Reben an 3uben enthalten wefentlid) mehr LXX=3itate unb LXX=Stil als
bie anbern; bei ber (Erjätjlung oon Athen ijt aud; bem Beridjt fdwn eine be=
fonbere ftiliftifdje Tönung an3umerten; unb warum fowohl bie Rebe gegen
(Eertullus wie bie cor Agrippa etwas „höheres" ®ried}ifd? aufweifen, bebarf
nid?t erft ber (Erflärung.
Wit ber Rüdfidit auf bie <Einbeitlid}teit bes Stiles fann man aud) bie Dor-
liebe mancher fjiftoriter für bie inbirette Rebe begrünben; fie fd?eint alb
mählid} gegenüber ber biretten Rebe als bie höhere (Gattung gewertet worben
3u fein. Pompeius Hrogus Ijat bie birette Rebe überhaupt abgelehnt unb £inius
unb Salluft wegen ihrer Derwenbung getabelt1). (Eaefar bat bie birette Rebe
im Bellum Civile auf gut ein Diertel, im Bellum Gallicum auf tnapp ein
Siebentel aller Reben befdwäntt2). Bei Appian ift bie IHifdtung uon oratio
obliqua unb oratio recta befonbers beliebt3). Unter biefenUmftänbenift es für
bie Art ber Apoftelgefd)icbte aufeerorbentlid) bejeidjnenb, bafe fie in ben wirt= 4?
lidjen „Reben" nur bie oratio recta tennt unb jenen „gemifdjten" Stil nur an
ein paar Stellen anwenbet, bie eigentlid? nid?t 3U ben „Reben" 3U redjnen
*).
finb (Es ift be3eidmenb, weil fid? baraus ergibt, bafe £ufas offenbar jenes
Diftansgefühl 3wifd;en Röhler unb Dorgang nidjt tennt, aus bem bie inbirette
Rebe entfteht. (Es oeranlafet ben Sdjriftfteller, bie Worte ber banbelnben per=
fonen nid)t unmittelbar an ben £efer gelangen 3U laffen, als wären fie heute
3U ihm gefprodjen, fonbern fie in feinen Beridjt auf3unehmen unb fo gewiffer-
mafeen nur als (Er3ählungsgut an ben £efer weiter3ugeben.
Don allebem ift in ben Acta nid?t bie Rebe. Die Urfadje liegt aber nid?t
etwa an bem Wohlgefallen bes Autors an unmittelbarer Darftellung, fonbern
in ber prebigtaufgabe, bie er fid) gefegt hat. Was bie inbirette Rebe r>er=

*) Dgl. 3uftin 38, 3, II.


2) Dgl. Oppermann, däfar (Heue IDege jur flntite II 2) 1933, 73.
3) Dgl. flppian, Hist. Rom., Hisp. 40 § 162; 87 § 377 ff.; 95 § 412f.: Syr. 3 § 12f. 49
unb in ben Bürgertriegsbüchern: II 37 § 146f.; 55 § 227 f.; HI 28 § 109f.; 44 § 180f.;
72 § 296 f.; 86 f. § 356 ff.
4) ben IDorten bes fluferftanbenen flct. 1, 4 oolljiebt fid) ber Übergang oon ber
inbiretten tut bircften Rebe; basfelbe finbet fid? flct. 25, 4f., ber Übergang in umgeteljrter
Ridjtung flct. 23, 23f.
9. Die Reben ber Apoftelgefcbidjte unb öie antife Sefcbidjtsfdjreibung 155

meiden will, gerade bas will £ufas erreichen: bie IDorte ber Redner follen fo
unmittelbar, als mären fie heute gefprodien, an den £efet hcranfommen. Denn
ber Inhalt ber Reben ift ja bie diriftlide Botfchaft felber, bie Derteibigung ber
Semeinbe gegen Judentum unb fünftige gnoftifdje Sefahr, bie Darftellung
ein3elner cbriftlidjer Sebanfen — Don Sott ober oon ber Auferftehung ber
doten —, endlich bie Rechtfertigung ber fjeibenbcfehrung als einer oon Sott
geftellten Aufgabe. IDenn id) bes öfteren heroorgehoben habe, bafe bie Reben
in oielen $ällen an ber jeweiligen Situation Dorbeigeljen, fo ift biefe greibeit
bem Autor 3war burd) bas Beispiel ber großen tjiftorifer nahegelegt; aber
oon feiner predigenden fjaltung aus oerftehen wir erft, warum unb wie er
fid) biefer Freiheit bebiente. IDas bedeuten in der Hat die Auflage gegen Ste­
phanus unb bie Befdjulbigung gegen Paulus für bie £efer ber Acta, ein bis
3wei TRenfdjenalter nad) biefen (Eteigniffen? Sie finb unwidjtig im Dergleid)
3U ben oon ben Rebnern immer wieber betonten Sebanfen. Diefe follen nun
aber aud) nid)t als d^äblungsgut, fonbern als lebenbige Derfünbigung unb
IRahnung bem £efer übermittelt werben.
Damit wirb ein Abftanb biefer Reben ron ber antifen Sefd?id)tsfd)reibung
fidjtbar, ber für bas San3e bes Bud)es be3eid)nenb ift. IDohl nerfteht ber Der-
50 faffer bie Kunft, burd) (Einfcbaltung einer Rebe bem Augenblid Bebeutung
3U Darleihen. Aber fo gewife er biefe Kunft oon ben antifen fjiftorifetn übet=
nommen hat, fo gewifs er aud) Don beten greiheit gegenüber ber hiftorifdjen
Wirtlid)teit Sebraud) madjt, fo gewife ift bod) feine Srunbauffaffung Dom Sinn
biefer Reben eine anbere. (Er fd)ieibt eine Sefd)id)te, Don ber er glaubt, baß fie
nad) Sottes IDillen fo gefd)ehen fei. Aber er jagt bas nie unmittelbar, fonbern
jeigt es, inbem er aus ber Stephanus=Derfolgung bie Rliffionierung Syriens
ableitet, inbem er Paulus auf göttlichen Befehl nad) Stied)enlanb reifen läfjt
unb inbem er fdjliefjlid? 3eigt, wie bie Sefangenfcbaft bem Apoftel 3U ber ge *
planten Romreife oerl)ilft. Hlit einem perfönlidjen Urteil wagt £ufas fid) nidit
heraus; er fd)ilbert Sottes IDirfen unb übt infolgebeffen feine Kritif an ben Dor-
gängen, ftellt aud) nidit Derfd)iebene Meinungen 3urIDahI, wie fid) bas bei ben
fjiftoritern finbet1); all bas liegt ihm fern, weil es nidjt aus ber richtigen
fjaltung gegenüber biefer Sefd)idite heroorgehen würbe. Sein £ob bes Paulus
ift in ber Rebe 3U ITlilet enthalten; feine Billigung bet tjeibenmiffion in ber Korm
pofition ber dornelius=Sefd)id)te. Konflifte in ber Semeinbe braucht et nicht breit
3U behanbeln, benn ihre Sd)ilberung würbe bem £efer feine Derfünbigung fein.
Darum führt er bei ber Apoftelbcratung in Kap. 15 aud) nur bie beiden, letjt-
lid) übereinftimmenden Reben bes Petrus unb 3afobus, nidjt aber bie gegneri-
fdjen Stimmen an. Den Konflilt wegen ber IPitwenDerforgung Kap. 6 hat et er­
wähnt,um mit ber IDabl ber Sieben bas Stephanus^IRartyrium ein3uleiten, nicht
aber, um eine Spannung berSemeinbe 3U jerufalem auf bie Rad)weit 3U bringen.
*) Dgl. Appian, Bell. civ. II 58 § 238, wo bet Autor Bewunderung wie Sabel gegen»
über üaefar notiert, ober Sam. 10, 15, wo es nacf) IDiebergabe oon jwei Relationen übet
bie Antwort bes gabticius fjeifet: bnor^pto; 8‘dSv änexplvazo.
15G 9. Die Reben ber flpoftdgefctjidjte unb bie antife ©eftfndjtsjdjreibung

fjier muß nod} einmal eine Bejonberheit öer Acta^Reöen jur Sprache
fommen, öie fie oon öer lTlenge öer ^iftoriter=Reöen wefentlid? unterfdjeiöet:
öie d?riftlid?en Reben finö viel fürjer. Staar l?at fid? uns ergeben, baß öie nur
aus wenig Säßen beftehenben Reöen nidjt ohne Analogie bei öen Ejiftorifern
finö. Aber geraöe öie größeren Reöen öer Acta bleiben an £änge weit hinter
ihren weltlidyen Gegenbilbcrn jurüd. Denn ihnen fehlen minöeftens jwei
(Elemente, öie öie Reöen öer fjiftoriker füllen: öas beliberatiue (Element, öie
(Erörterung öes §ür unö Wiöer, unö öas epibeittifdje (Element, öie rhetorifdje
Ausfpinnung öer behanbelten Jbeen. Jn ein Bud?, öas leßtlid? jeigen will, 51
wie öie gefdjilöerte (Entwidlung auf Gottes unö nidjt öer IRenfdjen Rat jurüd’
gehe, gehören jene (Erwägungen für ober wiber nidjt hinein. Die rhetorifd?e
Ausfpinnung aber meibet öer Derfaffer, weil öurd? fie fein Können, nidjt fein
Bejeugen unö Derfünöen ins £idjt geftellt werben würbe. So ljilft uns audj
öer auf öas Aufjere gerichtete Dergleidj ber Acta=Reben mit benen öer fjifto*
rifer bei öer (Erkenntnis iljres tiefften Wefensunterfdjicbes.
Diefe (Erfenntnis öarf öen Betradjter nur nidjt öarüber täufdjen, baß öie
Reöen öer Apoftelgefdjidjte in gewiffer Bejietjung mit benen ber fjijtorifer
jufammengehören. (Erft biefe Seftftellung befreit öie (Erklärung öer Acta=
Reöen oon jenen tjemmungen, weldje il?r immer wieöer öurd? Öie Dorrang=
ftellung öer Autt?entie=$rage auferlegt woröen finö. Demgegenüber hat als
leitenbe (Erkenntnis ju gelten, baß öer Derfaffer ebenfo wie öie fjiftoriter gar
nidjt öie Abfidjt l?at, öen Wortlaut öer wirflid? gehaltenen Reöen genau wieber-
jugeben, felbft wenn er über öiefen Wortlaut einigermaßen unterrichtet wäre.
Soöann glaubten wir feftftellen ju können, baß £utas ebenfo wie öie
fjiftoriter Reben für entfdjeibenbe Situationen unb jur (Erhellung beöeutfamer
Augenblide fdjafft, im Jug öer Reöe bann aber oft bie £age unö ihre Augen’
blids=probleme nidjt weiter berüdfidjtigt. Wer bas „literarifdje" Arbeiten öes
£ufas bejweifelt, wirb fdjon burdj öie Darftellung bes fog. „Apofteltonjils"
in Acta 15 wiberlegt: bie mitgeteilten Reben fdjweigen »on bem gefdjidjtlidj
entfdjeibenben Bericht bes Paulus unb Barnabas; fie bejiehen fid? nur auf bie
(Iornelius=Gefd?id?te, bie £ufas fo ausfüßrlid? behanbelt unb jur kEijpik er
hoben hat.
(Enblid? hat fid? gejeigt, baß £ufas keinem 3beal ber Stileinheit nadjtradjtet,
fonbern in feinen Reben eine bunte Dielfalt jur Darftellung fommen läßt.
Diefe jtiliftifdje Buntheit, bie oon ben Stilgefeßen ber Ejiftorie weit abliegt,
hängt meift mit ber Anpajfung an bie Gelegenheit, bisweilen aud? mit ber
Übernahme oon ärabitionen jufammen, keinesfalls aber mit bem Wunfd?,
einjelnc perfonen ju djaratterifieren. Diefe uns heute als felbftnerftänblid?
erfdjeinenbe Aufgabe öer Rlenfdjenfchilöerung burdj Reben ift öem Derfaffer
gegenüber öem Dertünöigungs=3wed feines Buches wohl als ju weltlid?
erfdjienen. Die Apoftel fallen lebenöig weröen öurd? öie Sad?e, öie fie uertreten,
aber nid?t öurd? ihre (Ef?arattereigenfd?aften.
Wenn man bie Sülle ber Bejiebungen, aber aud? ber Unterfdjiebe jwifdjen 52
9. Die Reben ber Apoftelgefdjidjte unb bie antite <5efcf?id?tsfd?reibung 157

Apoftelgefd?id]te unb antifer Ejiftoriographie überblidt, ift man einigermaßen


in Derlegenheit, wie man ben feftge(teilten (Eatbeftanb ßiftorijd) ertlären foll.
(Einerfeits fteht £ufas fo fefyr in ber (Irabition ber (5efd)id?tsfdircibung, baß man
annehmen muß, er habe Ejiftorifer gelefen. Aber anbererfeits finb bie Reben
ber Apoftelgefd?id]te »on ben uns befannten antifen Jjiftorifern, wie fidi gezeigt
hat, im ein3elnen wie im ganjen fo oerfdiieben, baß wir feinen fjiftoriter
nennen fönnen, beffen Dorbilölidifeit für ben Derfaffer ber Acta 311 behaupten
wäre'). <Er ift »on ben ®efd]id]tsfd?reibern offenbar abhängig in ber (Einfügung
»on Reben überhaupt, in ber Bewertung biefer Reben für bas ®an3e ber Dar
ftellung fowie in ißrer relatioen Ablöfung oon bem tatfäd]lid?en Dorgang.
®ewiß bantt er ihnen aud? manche Kunftmittel, barunter »ielleid]t audi foldje,
bie wir bei ben ljiftorifern nid?t nad] weifen fönnen — wie basS. 138 erwähnte
ber finnoollen Unterbrechung bes Rebners burd] bie fjörer. Aber aud] wenn
man mit ber Dorbilblicbteit uns befannter ßiftorifcber Schriften für £utas
rechnet, bleibt in ben S. 151—156 diaratterifierten (Elementen ber Reben nod]
genug Originales übrig, bas uns erlaubt, oon einer beträd?tlid?en eigenen
£eiftung bes £ufas 3U reben. (Er hat für einen literarifd] nod] nidit be=
handelten Stoff eine neue Darftellungsmethobe gefunben; er hat babei bie
traditionelle, aber [ehr oerfdjiebenartig gebrauchte Kunft ber Rebetompofition
in einer neuen IDeifc verwenbet. (Er wollte bamit nid]t nur bie Situation er
hellen, fonbern aud] bie Wege (Bottes; er wollte nid?t bie $ähigteiten ber
Redner ober bes Autors beseugen, fonbern bas (E»angelium.
So ergibt fid? aus bem Dergleid] ber Acta=Reben mit benen ber tjiftorifer
ein bejeidjnenber mehrdeutiger (latbeftanb. £ufas gebraucht ßiftorifdje üechnif
unb ftellt fid] gewiffe f)iftorifd]e Siele; bas wirb tlar, fobalb man es aufgibt,
ihn an unferem Begriff »on Ejiftorie unb E^iftoriter 3U meffen. 3m leßten aber
ift er bann bod] nicht Ejiftorifer, fonbern prediget; man muß fid? nur nid]t
burd] ein hiftoriftifches Bemühen um bie Autbentie ber Reben ben Blid für ihren
Prebigtdjarafter »erfteilen laffen.
Alle Reben aber — gleichviel ob fie „ßiftorifdjen" ober prebigt3weden
bienen — haben £ufas 311m De rf aff er. Aud] diejenigen Reben des Paulus,
53 bie £ufas felbft gehört hat, finb »on ihm nid]t nad? 111 öglidjfeit erinnerungstreu
wiebergegeben worben; bas 3U tun, lag, wie wir gefefjen haben, gar nidjt
im Beruf bes Ejiftorifers. Sollte er ein3elne „edite" (jedanfen »erwenbet
haben5), fo wäre bas nur beswegen gefdjehen, weil er fie für bie Aufgabe,
bie er ber betreffenben Rebe im ®an3en feines Budjes gestellt hatte, gebraud?en
tonnte. (Eine Derpflidjtung 3ur (Treue gegenüber bem »ernommenen ober bem
x) Über bie ITlöglicfefeit beftimmter Hnflärtge ber Reben an Werte ber „großen" £itera=
tut wirb im Anfang gefeanbelt. [->159ff.l
2) (fine fold?e Derwenbitng ift natürlich nid?t ausjufdiliefeen. Die oft gitterte dlaubius»
Rebe über bie (Ballier (ogl. S. 121) jeigt ja gerade, bafe üäcitus in biefem gall nidit freier»
funben, fonbern frei überarbeitet feat. Aber es feljlt auf feiten bes SdjriftfteUers jeglid?es
3ntereffe an ber (Erhaltung bes urfprünglidjen Wortlauts; barum ^at feine Bearbeitung
feinen (ßuellenmert. Dgl. im übrigen 5. 141, A. 1.
158 9. Die Reöen bet Apo[telgefdjidjte uni) bie antite ®e|djidjtsfdjteibung

Autor berichteten Wortlaut beftanb nidjt. Don einer däufcbung ber £efer
fann barum nidjt bie Rebe fein, weil fein £efer, ber überhaupt „ljiftorijdje"
fragen {teilte, eine autfeentifdje Wiebergabe ber Reben erwartete, (herabe
wer bem Autor jubilligt, bafe er feiftorifd; gearbeitet habe, barf bie Reben ber
. Apoftelgefdjidjte nidjt als Quellen für (bebauten unb IPorte ber
Rebner »erwenbeu.
Quellen, unb jwar gute Quellen, finb bie Derteibigungsreben bes Paulus
für bas, was ber Autor oom £eben bes Apoftels, feiner 3ugenb unb feiner Be­
tehrung, weife; hinter bem Selbftjeugnis ber Briefe haben fie freilid; jurüd-
juftehen. Quellenwert Ijaben fobann bie Rliffionsrebcn mit ihren Wieber
ijohingen, weil fie jweifellos Prebigtgut ber (bemeinbe aus alter 3eit enthalten.
Über bie befonbere prebigtweife bes Petrus, Paulus unb Stepljanus aber läfet
fidj ifjnen nichts entnehmen.
IRan barf fidj aud? ljier burdj bie Analogie bes futas-duangeliums
nidjt irre madjen laffen. £utas Ijat 3efus feine einzige „Rebe" in ben IRunb
gelegt. Das türjere Seitenftüd jur Bergprebigt bes IRatthäus, bas er 6, 20—49
bietet, ift eine Kompofition »on überlieferten Sprüdjen, wie es bie Bergprebigt
felbft audj ift. Hub basfelbe gilt »on allen anbern Rebeflüden bes doangeliums,
audj ben »on £ufas allein überlieferten; es Ijaubelt fidj immer um Sprudjgut,
niemals um eine Rebe nadj Art ber Apoftelgefdjidjte. dinjig bei ber prebigt in
ber Synagoge »on Hajareth (4, 17—27) tonnte man au eine Sdjöpfung bes
£ufas benten; aber auch ljier jeigt eine cingebenbe Analyfe, bafe im IRittel
puutt ber prebigt bas aud; fonft überlieferte IPort »om »eradjteten Propheten
fteljt; ihr (Enbe bilbet ein Doppelfprudj »on ber göttlidjen Auswahl, ber in fidj 54
gefdjloffen unb ohne 3ufammenhang ift, alfo offenbar aud; ein Stüd ber dra
bition barftcllt. So bleibt als eiujigftes, was £ufas beigefteuert haben tonnte,
bas IPort aus 3efaias, bas ber Prebigt »orangefteilt ift. Dann würbe es fidj
alfo nicht um eine Rebefdjöpfuug bes (Eoangeliften, fonbern nur um eine $af-
fung überlieferter Stüde burdj ein Bibeljitat hanbeln, b. h- £ufas wäre aud;
hier nur Bearbeiter.
Der Untcrfdjieb »on ber in ben Acta befolgten IRetbobe ift beutlidj. Als er
bas Soangelium fchrieb, trat £utas in eine fdjon geprägte Überlieferung ein;
jo befafe er nidjt bie fchriftftellerifdje Sreiheit, über bie er bei ber Abfaffung ber
Apoftelgefdjidjte »erfügte. Die Acta bagegen, beren Stoffe er, wenn nidjt alles
trügt, als erfter »erwenbete, tonnte er nadj ben Qefidjtspuntten bes literarifd;
[djreibenben ^iftorifers ausarbeiten. Wie er bas tat, jeigt ber Dergleid? mit ber
antiten (hefdjiditsfdjreibung; er erweift aber audj, bafe £ufas nidjt ganj jum
ljiftorifer würbe. Denn fo gewife ber Acta-Derfafjer anbere IRethoben befolgte
als ber Autor bes ffoangeliums, fo blieb £ufas bod? in einem höheren Sinne
aud; beim jweiten Wert, was er beim erften gewefen war: doangelift.
9. Die Reöen ber flpojtelgefd?id?te unö öie antite <5e{d?id?tsfd?teibung 159

Anfang
Citerarifdje Anspielungen in Reöen öer Apoftelgefdjidjte?
IDenn öie $rage nad) öer Bilöung öes £ufas aufgeworfen wirö, mufe aud?
erwogen weröen, ob nidjt gewiffe Stellen in öen Acta öen ©ebanfen nahe legen,
öer Autor wolle öurdj Anfpielungen auf IDerfe öes „großen" Sdjrifttums öas
literarifdje Sefidjt feines Bud?es in eigentümlidjer Weife verftärfen. (Es finb
örei Stellen, öie ljier in §rage fommen.
1. Die berühmte Reöe ©amaliels (5, 35—39) enthält jwei ljiftorifdje Bei=
fpiele — unö fdjliefet fidj öarnit einem Braud? öer fjiftoriferreben an1), fjier
hanbelt es fidj um öie Erwähnung jweier revolutionärer Bewegungen, öer
Aufftänöe öes dheuöas unö öes ©alilaeers 3ubas. 3ljr Beifpiel foll beweisen,
öafj unter Umftänben, wenn öer Sührer tot ift, aud? öie Anl?ängerfd?aft un=
gefä!?rlidj wirö. Samaliel fann fo nid?t gefprodjen l?aben, öenn Sljeuöas ift jur
55 Seit biefer Reöe nod? gar nidjt aufgetreten. 3uöem ift hier öie gefd?idjtlid?e
Reihenfolge geraöe umgetehrt; nidjt 3f?euöas trat juerft auf unö öann (pezä
tqötov) 3uöas, fonöern erft 3uöas „jur Seit öes Senfus" unö öann (Hjeubas
unter öem profurator dufpius $aöus, öer 44 n. (H?r. fein Amt übernahm. So
beridjtet 3ofepFjus Ant. XX 5, If. § 97f. 3» einem öer folgenöen Paragraphen
(§ 102) wirö aud? öer Haine öes (Salilaeers 3uöas erwähnt; unö öiefer Umftanö
tjat nad? einer verbreiteten IHeinung öaju geführt, öafj £ufas in öer (Bamalieb
Reöe öen3uöas hinter dheubas geftellt bat. (Er habe, fo fagt man, öen 3ofe-
pl?us=dejt flüd?tig angefeljen unö fei fo ju öem d?ronologifd?en 3ntum ver
führt woröen. Diefe Dermutung ift äufcerft unwahrjd?einlid?, öa es fid? 1. gar
nid?t um 3uöas felbft, fonöern um feine Söhne hanbelt, öie von öem Hadjfolger
öes Saöus, diberius Alejanber, getötet wuröen. Die Seftüre bes 3ofephus,
öie bei Sufas vorausgefeht wirö, müfete alfo fd?on fehr ftüdjtig gewefen fein. —
2. Der Harne 3uöas wirö gar nidjt im Anfdjlufj an öie dheuöas^dpifoöe er­
wähnt, fo bafe etwa eine (Quelle bes 3ofephus als Urheber bes d?ronologifd?en
3rrtums in Srage fommen fönnte. (Es folgt vielmehr auf ben dl?eubas=Abfd?mtf
§ 97. 98 junädjft in § 99 ein Sah, ber bie Regierung bes $abus abjdjliefjt,
§ 100 bie (Einführung öes neuen proturators diberius Alejanöer unö eine
Rad?rid?t über feinen Dater; § 101 wirö als erftes (Ereignis unter diberius
Alejanöer öie Hungersnot in 3uöaea unö öie fjilfe öer Königin fjelena von
Aöiabene erwähnt — unö erft § 102 als jweites (Ereignis unter bem neuen
Statthalter öie Kreujigung öer Söhne öes ©alilaeers 3uöas, 3uöas unö Simon2).
Wie es aud? fonft mit öem Derhältnis bes £ufas ju 3ofephus ftehen mag —,
0 Dgl. etwa Salluft De coni. Catilinae 51, 5. 6; 3o[epl,us Bell. Jud. V 9, 4
§376—99; Sacitus Ann. XI 24.
2) 3d? l/abe bies ausführlich angeführt, um jur Beseitigung eines alten 3rrtums beb
jutragen, ber (ich fogar nod? in ber gotmulierung bes grofeen ameritanifcben Wettes über bie
flcta finbet, ngl. The Beginnings ot Christianity II 1922, 356: „In ihis passage Josephus
describes the insurreclion of Theudas in the procuratorship of Fadus and goes oh Io
teil how the sons of Judas of Galilei .. . were executed .., Die oon mit gefperrten Worte
ettneden einen falfdjen dinbrud über bie Didjte bes 3ufammenhangs.
160 9. Die Reben ber Apoftelgefdjidjte unb bie antife <5efd?id?tsfdjreibung

aus Acta 5, 36f. läfet fid? eine Abhängigteit ber Apoftelgefd?id?te oon ben jübi
*
fdjen Antiquitates nidjt erfdjliefeen. Dielmehr hat £utas biefe Beispiele wie bie
ganje Rebe offenbar frei tamponiert; ber Wunfd? bes Sebilbeten, bergleidjen
ju »erwenben, wie ber 3rrtum bes Ridjtorientierten über ben Aufftanb bes
üfyeubas unb feine 3eit — beibes ift bem Autor sujufdjreiben.
2. ber Areopagrebe finbet fid? Act. 17, 28 bas betannte 3itat aus Arats
ptjaenomena toO yap xal ysvog iap£v. 3d? fann mid? barüber lurj faffen, 56
ba id? oor wertig Jahren an biefer Stelle über bie Rebe gefjanbelt habe1), unb
begnüge mid? mit folgcnben $eftftellungen: 1. bas IDort wirb als Didjtetytat
eingefübrt; ber Plural ber 3itationsformel xal weg twv xa&’ bpä? towjtöv
elpigxaatv entfpridjt einet literarifdjen Konoention. — 2. £utas fdjeint bas
ganje ©ebidjt bes Arat unb nidjt nur biefen Ders 3U tennen; bie ©emeinfanv
teit ber Sebanten legt es nalje, unb bie Art ber (Einführung ift geeignet, es 311
betätigen. — 3.Daf) aud) inben oortjergebenbenIPorten: „3n iljmleben, weben
unb finb wir" ein Didjterjitat oorliege, mödjte id? nadj ben Darlegungen oon
Pohlenj 3RID 42 nidjt mehr behaupten®); aber {ebenfalls finb aud? biefe
IDorte, ju beten Beweis Arat jitiert wirb, Sebantengut aus ber Bilbungswelt.
Der gefdjidjtlidje Paulus hat l.Kor. 15, 33 einen Ders aus IHenanber oer-
wenbet, aber wie ein Sprid?wort, ohne ju bejeugen, bafe er bie ßertunft tenne3).
ßier aber, in ber Areopagrebe, ift an (Einführung unb Derwenbung ju merfen,
bafe ein (Bebilbeter non fiteratur rebet.
3. Die britte Stelle, bie ben Bilbungsanfprudi bes Dcrfafjers bartut, ift
Act. 26, 14 mit ber (Erwähnung bes Spridjworts axbjpöv ao: repd? x^v-pa
ÄaxrE^eiv. Das ift burdjaus ein Bilbungselement, benn nur bie Reigung ju
bergleidjen IDenbungcn tann ben Sprud? an bie Stelle gebradjt haben, an bie
er eigentlich nicht pa^t. Der erhöhte himmlifdje dtjriftus ruft ben SauhPaulus,
wie hier ausbrüdlid? bemerft wirb, in aramäifdjcr Spradje. (Eine fjimmels®
ftimme rebet nidjt in Spridjwörlern unb erft redjt nidjt, wenn fie aramäifd?
fpridjt, in griedjifeben Spridjwörtern. Unb im Semitifdjen ift bas IDort nidjt 57
belegt. Aud? begegnet es in ben anbern IDiebergaben ber gleidjen fjimmels-
ftimme 9, 4 unb 22, 7 teineswegs4). (Es ift alfo in biefer am meiften literarifd?
*) Dgl. meine Abljanblung „Paulus auf bem Areopag" in biefen Sifeungsberiditen
1938/59, 2. S. 28ff. [-*49 ff.].
2) Hl. poljlenj, Paulus unb bie Stoa, 3HW 42, 1949, 69—104. (Es Ijanbelt
fid? um eine Angabe bes 1915 oeröffentliditen Acta=Kommentars bes im 9. 3atjrl?unbert
lebenben Uejtorianers 3fd?obab oon ITlerw. (Ergibt an, ba& aud? ber oben genannte Sal?
aus ber Citeratur, nämlid? aus bem Wert eines „filinos" flamme; auf Umwegen tonnte man
erfdjliefeen, baß bamit eine Dichtung Ilepl M£vo> xa! 'Paia|idv3-uos bes (Epimenibes oon
Kreta gemeint fei. Pohlen} bat wabrfdjeinlid? gemadjt, bafe I?ier ein uiel weitergreifenber
3ntum ootliege, als idj a. a. ©. 26ff. [-*47ff.| (nad? paljnunb Cafe) angenommen hatte.
3) qjS-etpouotv f,lhi ypv'd SpiXiac xaxa(. Die Worte uh bienen bei paulus
ber (Einführung einet fd?on befannten Wahrheit (I. Kor. 6, 9; ®al. 6, 7), ebenfo bei 3gnatius
[(Eph- 16, 1; Philab. 3, 3); bei 3atobus wirb 1, 16f. offenbar ein IJerameter fo eingeleitet;
aber bas alles finb feine literarifd?en jitate, fonbern oolfstümlidje Derwenbungen alter
Weisheit. Der Unterfthieb ber Areopagrebe oon biefen fierten ift offenfid?tlidj,
‘) Alle beften 3eugen haben bas Wort nur 26,14. Daß einige es an ben anbetn Stellen
9. Die Heben öer Apoftelgefcfeicfete unb bie antife <5efd?id?tsfd}teibung 161

gepflegten Darftcllung öer Befeurung im Sinne öiefes Stils oorn Autor binju»
gefügt. Gs foll öen Paulus in öie Reibe öerer {teilen, öie nergeblidj gegen Gott
angetämpft feaben; es foll öem £efer aber auch öie greuöe bereiten, öie ein
foldjer literarifdjer Sdjmud öem Belesenen gewäfert.
Gs feanbelt fid) um ein Spridjwort, üielleidjt um ein Didjterjitat. Die Had^
weife finb längft erbradjt1). Die Belege lauten entweöerfingularifdj, wie in öen
Pytfeifcfeen Gpinitien pinöars II 94ff. (173ff.) totI xfvxpov 6e toi kaxtt^jiev
tsä^si öÄta&yjpd; olpog — oöer pluraüjdj, ugl. Aefcfeylus, Agamemnon 1624
npdc x£vrpa pv; ÄdxT<e, pi) -Talaag poyf); unö nor allem Guripiöes Batdjen 794f.
■ünotp’ Sv auxcp päzzov ?; ■frupobpevog
rrpdg xevTpa XaxT^oyu B'VTjTbg öv B’eö.
Audj Guripiöes, 3pljigenie auf Gauris 1396 rtpö; xevrpa Xaxx^ovTe; unö
Guripiöes frgmt. 604 (Raud) rrpög z^vxpa pfe XdxTt^e toi; xpaxoöoi aou
finb ljier ju erwähnen. Dafe £utas ein griedjifdjes Spridjwort in öie fjimmels»
ftimme eingefüfert feat, ift alfo fidjer. Gr feat öamit anöeuten wollen, bafe öie
Gferiftenoerfolgung öes Paulus nur ein Ausfdüagen wiöer öen Stachel öes
Treibers, alfo ocrgeblidjes Bemühen war; er mufe fid) julefet öod) fügen. £utas
feat aber nid)t fagen wollen, öafe Paulus, fdjon oorn Stadjel oerwunöet, öurd)
Ausfdjlagen öie IDunöe nur nodj gröfeer mache, ofene Bilö gefprodjen: bafe feine
58 Gferiftenoerfolgung nur eine Reaftion auf öen fdjon empfangenen Ginörud
oom djtifilidjen Glauben fei. Diefe Deutung tonnte man allenfalls oertreten,
wenn tufas öas Bilö neu geprägt feätte. Da es aber ein offenbar viel gebraudjtes
Spridjwort jur Bejeidjnung oergeblicfeen Bemüfeens (oft geraöe Gott oöer öem
Sdjidfal gegenüber) ift, fann fein Gebtaud) in öer Apoftelgefdjidjte unmöglicfe
eine tiefere Bebeutung feaben, als fie fonft üblidj ift. IDofel aber (teilt fidj öie
grage, ob £utas öas Wort gar nidjt öem Gagesgebraudj, fonöern unmittelbar
öen Batdjen bes Guripiöes entnommen feat. G$ finö öafür jwei Grünöe am
gefüfert woröen. Junädjft feat man auf öen piural xevrpa verwiefen, öer an fidj
unnatürlidj fei unö öeffen Dortommen in öer Apoftelgefdjidjte fidj nur ertläre,
wenn öas 3itat aus einem poetifcfeen IDert wie öen Batdjen flamme; öort fei
öer piural öes Derfes wegen unerläfelidj. Allein ber Plural ftefet nidjt nur in öen
Batdjen, fonöern audj fonft inDerfen2); unö er ftebt nidjt nur in öetlöenöung
nadjtragen, E fogar an beiöen Stellen, ift beinalj felbftoerftänölid]. Daft es in 9 halb nad]
D. 4, balb nad) D. 5 erfdjeint, betätigt bie Annahme, bafe es ein Ilad]trag ift.
*) Dgl. au^er ben neueren Kommentaren W. Heft le, Anllänge an tturipiöes in ber
Apoftelgefdjidjte, ptjilologus 59, 1900, 46ff.; g. Smenb, Unterfudjungen ju ben Acta»
Darftellungen oon ber Belehrung bes Paulus, Angelos 1, 1925 34ff.; ID. Kümmel,
Römer 7 unb bie Belehrung bes Paulus, 1929,155—57; 0). Weinreicfe, Sebet unb IDunbet,
1929, 168—70; tj. Winbtfd?, Die üljriftusepipbanie oon Damasfus unb ifere reltgions»
gefdjidjtlidjen parallelen, 3HU) 51, 1932, 1 ff.; A. CDepte, Probleme ber oordjtiftl. 3At bes
Paulus, üb. Stubien u. Krititen 105, 1933, 387ff.; Cotfyar Sdjmiö, IDörterb. III
1938, 662ff. — Dafe öas Wort öem ausgel?enöen Altertum als Sprichwort galt, geigt Julian
Or. 8, 246 b pr;8e, ö cpigacv napocpfa, Ttpög xivrpa XaxTiüsi-,.
2) Aefdjylus, Agamemnon 1624 ift fdjon erwähnt Dgl. aufeeröem aus einer Hein»
afiatifdjen 3nfdjrift Journal of Hell. Studies 8, 1887, 261 Xaxzijecg xpog xävtpa,
npöfg äjvtla xtlpaza poxft-stg.
11
1G2 9. Di« Reben ber Apoftelgefd)id]te unb bie antite ©efdjidjtsfdjreibung

rrpö? xevrpa XaxrlCeiv, fonbern aud) in anberen Sufammenhängen1). (Es bleibt bie
ITlöglidjfeit, bafe burd) bie Anwenöung in Derfen ber Plural, jumal in Dcrbiw
bung mit Xaxrl^etv, feft geworben ift. (Es bleibt aud) eine anbere ITlöglidjfeit; bie
datfadje, bajj es Stapeln mit jweiSpihen gab, fann jur fjäufigteit bes Plurals
beigetragen tjaben2). Jebenfalls läfet ber öebraud) bes Plurals xevcpa in ben
Acta feinen unbebingt fidjeren Sdjluf} auf bie (Entlehnung aus benBafdjen ju.
Bian hat aber Sputen einer BafdjewCeftüre aud) fonft in ber Apofteb
gefd)id;te finben wollen. Dabei ift oor allem ber 3ufammenhang bes fraglidjen
Wortes Dom Stadjel in ben Batdjen betont worben: es ift ein (Bott, ber neue
(Bott Dionyfos, ber feinen Derfolger warnt, wiber ben Stad)el ausjufdjlagen;
es ift ber neu geprebigte (Bottesfohn Jefus (Ihriftus, ber feinen Derfolger mit
bemfelben Bilb im gleichen Sinne warnt. Jn ben Bafdjen wirb überbies jene
Derfolgung bes neuen (Bottes immer wieber als Kampf gegen (Bott, als
&Eopaxefv djaraftcrifiert3); unb S-eopaxot uom gleichen, nid)t eben häufigen 5?
Stamm4) verwenbet (Bamaliel in feiner Rebe Act. 5, 39. ljier ift alfo nidji nur
bas Wort, fonbern aud; bas (Ethos in gewiffem (Brabe verwanbt. Don hier aus
läfet fid) bie Hhefe- £ufas bie Bafdjen felbft benutzt habe, in ben Bereid) bes
möglichen rüden, erweifen läfet fie fid) natürlidj nid)f. Was fonft nod) über
unmittelbare Bejiehungen jwifdjen flcta unb (Euripides vermutet worben ift6),
hat jebenfalls feine größere Beweistraft.
Aber gleidjviel, ob £ufas bas Wort vom Stadjel als Did)terjitat ober als
Spridjwort fennt, — ber (Bebraudj, ben er oon ihm madjt, jeigt nodj einmal aufs
beutlidjfte fein Derhältnis jurBilbung. (Es ift ein pofitives Derhältnis;er will in
ber flpoftelgefdjidjte—in ganj anberemSinn als im £ufas=(Evangelium—Sdjrifb
fteller fein, ber fid? frei bewegt, mit allen flnredjten auf Sreiheit ber (Erfindung
(bei ben Reben), Derteilung bes Stoffes, fluslaffung unb (Ergänjung, wie fie bie
literarifdje Konvention einem foldjen Autor jufpradj. Sein Anteil an ber Bilbung
ift in ber gorfdjung immer einmal wieber betont worben, aber ohne bafe bie Kon=
fequenjen energifdj genug gejogen würben. 3umal bie Reben bet Apoftelge=
fdjidjte fönnen in bem, was fie wollen, unb in bem, was fie bringen, gar nid)t
verftanben werben, wenn man fie nidjt als Werfe bes Sdjriftftellers würbigt.
*) Sopbocles, frgint. 622 (Raud) xmCXog S’ävijpÄaßtbv/navoSpYaxepai xdvrpa xn)8e6et
nöXiv. — Auf biefe tRöglidjleiten ijat »or allem Kümmel a. a. ©. energifcb bingeroiefen.
2) Kümmel jitiert Sopbocles ©ebipus Rej 807ff. xal p.’ö itpiaßug, öps/^ov
napaatelxovta tTjp^aaf; päaov/xdpa ämXotj x^xpotal pou zaB-lxezo,
3) Baldjai 45 fagt Dionyfos oon Pentheus cj 9-eopaxsE xar’ äp4, deitejias belennt
325 aon Jid? zoü Oeopax^aw, aäv Mycdv zetab-elj Sito, unb jum Schluß fagt Agaue »on
ihrem Sobn 1255f. äXXa O-sapa/siv pövov/oTö; t’ 4xstvog. 59
‘) Aber es muß bod) betont tverben, baß €piftet 111 24, 24 S-eopax^ato unb b-eopaxl“
oon ber unftoifdjen Auflehnung gegen bas Sdjidfal anftanbslos in lebhafter Diftion braudjt,
bie IDörter alfo bod? wohl oerbreiteter finb, als unfere Belege glauben laffen.
•) <£s banbelt fid] babei um bie ©ppofition gegen ben „neuen" (Sott (Baldjai 216. 219.
256. 272) unb ben Jivwv äatpovlaiv xarayyeZsiJG Ad. 17,18; fobann um bie oon R)ein =
teid], (bebet unb IDunbet, bebanbelten A^nlidjteiten in ben Hlotioen ber Befreiungs»
gefd)id>ten Act. 4; 5; 12; 16 unb ber Befreiungsfjene Bald?. 576ff. Das aber finb nur IRoti»=
oerwahbtfdjaften, bie — fo widjtig fie finb — bod] nidjt ausreicben, bie unmittelbare Be»
jiebung junfdjen Acta unb Batdjen ju betoeifen.
10. Die Hpoftelgefdjidjte
im Räumen öer urdiriftlid?en £iteraturgefd?i(fyte
UnDeröffentlidjt

Die Apoftelgefd?id?te bat nidjt nur im Heuen Geitament fein ftiliftifdjes


Seitenftüd, fonbern aud? in ber großen Citeratur. Don ben neuteftamentlid?en
unb Dielen anberen urd?riftlid?en Sdjriften unterbleibet fie fid? burd? eine
literarifd?e fjaltung, oon ben fjifforifern aber burd? eine H?eologifd? ju nennenbe
Jielje^ung. Die (Einjigartigfeit bes Bud?es beruht aber erft redit auf feinem
3nt?alt: tor, neben ober nad? ber fanonifdjen Apoftelgefd?id?te l?at, foniel wir
wiffen, feiner es unternommen, bie (Befd?id?te ber erften üljriftengemeinbe
unb ber mafjgeblidjen Ausbreitung bes djriftlidjen Glaubens nad? IDeften im
3ufammenl?ang ju erjäf?len. Denn bas wollen aud? bie apofrypljen Apofteb
gefdjidjten nidjt.
Don ber Derfafferfrage ift bereits1) bargetan worben, bafe bei ben Iufa=
nifd?en Sdjriften bie tirdjlidje Überlieferung feit Irenäus unb bem (Eanon
Rluratori fefjr viel ernfter 3U nehmen ift als in anberen $ällen. ljier bei ber
Apoftelgefd?id?te wirb bie $rage 3U erwägen fein, ob ein IRann, ber 3um Kreife
bes Paulus gehörte, biefes Bud?, bas bisweilen ben Paulusbriefen wiber*
jpridjt, Ijabe fdjreiben fönnen2). Aber cor allen foldjen Überlegungen ift ber
3nl?alt unb ber Stil bes Budjes 3U betrad?ten.
1. Das Bud? fd?ilbert (Ereigniffe non 3efu fjimmelfafjrt bis 3ur Anfunft
bes paulus in Rom. (Ein beutlid?er Abfdjnitt liegt nor 13, 1: oon ljier ab et*
jä^It ber Derfaffer nur nod? ton Paulus unb nid?t meljr ton ben Blutter*
gemeinben in 3erufalem unb Antiodjia — mit alleiniger Ausnaf?me bes fog.
Apoftelfon3ils, 15, 1—35, ton bem aber aud? in Rüdfidjt auf bie Paulus*
ITliffion beridjtet wirb. Die erfte fjälfte bes Bud?es 1—12 enthält bie Dar*
ftellung bes Sehens ber Urgemeinbe 1—5; baran fdjliefet fid? bas Stephanus*
Martyrium, mit bem ber Derfaffer auf feine Weife fowoljl bie Befeurung bes
Paulus wie bie (Erjäljlungen ton Philippus unb Petrus unb il?ren ITliffions*
*) [ljier ift urfprünglidj auf entfpredjenbe Ausführungen jum £utas=2oangelium
oerwiefen, öie in öer geplanten „urd)tift!id)en £iteraturge[d)id)te" — f. Dorwort —
ju finöen gewefen mären. Dibelius ift in feiner „<5efd;id;te bet urdjriftlidjen £iteratur"
192b I 45—47; II 98f. 101 ber Derfafferfrage nadjgegangen, aber aud) in uielen Auf*
fätjen biefer Sammlung; -► Regifter „(Einleitungsfragen".]
2) [Diefe (frwägung wie aud) bie weiter unten -> 167 in Ausfidjt geftellte Beljanölung
ber Reben fud)t man in biefem Auffah oergeblidj. Sie waren augenfdjeinlid) abfdjlie*
feenben Ausführungen oorbebalten, öie im ulanuffript nod) fehlen. Auf bie oben an»
gefdjnittene $rage geht Dibelius aber nod) an anberer Stelle ein: ->65—70. 133. 157 f.]
11*
164 10. Die Apoffelgefdjidjte im Rahmen ber urd}riftHd?en Citeraturgefdjidjte

erfolgen (unb fdjließlid? non Derßaftung unb Befreiung bes Petrus) oerbunben
hat, 6—12. Jn ber 3weiten fjälfte bes Budjes roirb bie Rliffionierung oon Klein*
afien unb ©riedjenlanb burd? Paulus unb bann bie ®efd?id?te feiner langen
(Sefangenfd?aft (ober uielmehr ber 3ahlreid?en Dernehmungen) einfd?ließlid?
ber Überführung unb Unterbringung in Roni er3ählt. So tlar bie Jweiteilung
ift, fo fd?wierig ift es, einen (Einfdjnitt im Sinne bes Derfaffers 311 finben. (Er
liegt formell wohl am elften nad? bem Aufenthalt in (Eaefarea21,14, nor bem
Aufbrud? nad? jerufalem. Sad?lid] mödjte man bie 3äfur fonft gern nad? bem
(Empfang bort, alfo nad? 21, 26 feßen, aber baoon hat ber Derfaffer nid^ts am
gebeutet.
Auswahl unb Begren3ung bes Stoffes ift nidit ohne weiteres 3U begreifen.
Der Sdjluß ber Apoftelgefd]id?te bleibt oon ber Stage belaftet, warum £ufas nid?t
weiter er3ählt habe, unb, wenn er fid} fdjon in ber 3weiten tjälfte feines Bud?es
gan3 auf Paulus befdjränfte, nidjt bas (Enbe ber Illiffion unb bes Sehens bes Apo*
ftels berichtet habe. Am Anfang bat bas Verhältnis 3um £ufas-(E»angelium 3U
Bebenfen Anlaß gegeben, fofern bort bie fjimmelfahrt 3efu gan3 furj e^äljlt, bie
Apoftelgefd?id?te aber mit einer ausführlichen f?immelfahrts'®efd?id?te eröffnet
wirb. Dod] ßier erflärt fid] bie IDieberholung, ba in ihrem Derlauf ber Auf*
erftanbene nicht nur nochmals wie £uf. 24, 49 bie tommenbe Ausgießung bes
Oeiftes oerheißt, fonbern aud? bie Worte fprid?t: „3hr werbet meine Seugen
fein in 3erufalem unb in gan3 Jubaea unbSamaria unb bis an bas (Enbe ber
(Erbe". Diefer Saß ift wohl mit Rüdfid]t auf bie literarifdje Abfid?t bes Derfaffers
ftilifiert; er enthält bas Programm bes Budjes: Kap. 1—5 jerufalem, Kap.
6—12 3ubaea unbSamaria, Kap. 13—28 bis ans (Enbe ber (Erbe. (Es fei gleidr
hier bemerft, baß fold?e Be3iehungen, bie einer Begebenheit literarifcße Bc
beutung im Rahmen bes Bud?es uerleihen, fid? mehrfad? in ber Apoftelgefd?id?te
finben unb ein beutlid?es Scidjen für ben literarifd?en Willen bes Autors finb.
Weitere Befonberheiten aber jeigen fid? bei ber Auswahl bes Stoffes.
3n Kap. 6—12 ift oon Stephanus, bem (Enangeliften Philippus, Paulus unb
Petrus bie Rebe, non Kap. 13 ab nur oon Paulus (Petrus unb jatobus). Das
Bud? heißt aber fd?on in früher Seit „Hafen ber Apoftel". Wo bleiben nun bie
Apoftel? Don Säten unb (Erlebniffen ber 3ünger 3efu erfahren wir, oon
Petrus unb bem neben ihm wie ein Statift wirfenben Sobannes1) abge*
feßen, nid?ts. Unb wäl?renb bie PauIus=Reifen fortlaufenb ersäßlt werben,
[0 baß eine Abfd?ät3ung ber Chronologie wenigftens möglid? ift, erfahren wir
über Dauer unb Seitfolge ber in Act. 1—12 beridjteten (Ereigniffe gar nid?ts.
3nfolgcbeffen wirb 3. B. ber 3eitlid?e Abftanb ber Belehrung bes Paulus oon
3efu Hob aud? heute nod? gan3 uerfeßieben, auf IRonate, wenige ober meßt
3ahre gefdjäßt. Don oielen Begebenheiten hat £ufas offenbar feine Rad?*
rid?ten gehabt; man muß aber aud? bamit red?nen, baß er oon manchen
(Ereigniffen nießt hat berid?ten wollen. Beibes, bie Überlieferungsoerhältniffe

’) flet. 3, 1. 3f. 11; 4, 13. 19; 8, 14.


10. Die flpoftelgefdjidjte im Rafymen ber urdjriftlidjen £iteraturgefdiid?te 165

wie bet literarifdje Wille bes Autors, haben bie Apoftelgefdjidjte ju bem
gemadjt, wes fie ift.
2. Bier wirb aud? ber wefentlidje Unterfdjieb bes Budjes oon bem
(Eoangelium bes £ufas fidjtbar. Semeinfam haben beibe bie Wibmung
an ben üljeopbilus; ber (latfadje wie bem Stil nadj ein 3eidjen bewußten
literarifdjen Willens. Aber wäbrenb an ber Wibmung im (Eoangelium eine
objettioierenbe neutrale tjaltung feftjuftellen ift, wirb in Act. 1, 1 f. im
Rüdblid oon bem gefprodjen, „was 3efus 3U tun unb 311 lehren begann bis 3U
bem Sage, ba er aufgenommen würbe". Diefer fjinweis auf bas erfte Bueb ent*
fpridjt burdjaus literarifdjen Gepflogenheiten1), unb nidjt ohne Bcifpiel ift audj
ber fdjeinbare IRangel, bafe £ufas nadj jenem Rüdblid nidjt ben plan bes
gegenwärtigen Wertes oorträgt, fonbern mit 1, 3 in bie d^ätjlung übergefjt8).
Aber gleidj bies erfte Kapitel 3eigt ben Unterfdjieb oom (Eoangelium. (Es ent­
hält eine oielleidjt ältere (Er^äljlung oon ber Himmelfahrt 3efu3), eine £ifte
ber Apoftel unb ben Beridjt über bie 3uwafjl bes IRattljias, ber mit einer Rebe
bes Petrus ausgeftattet ift. Was audj immer an biefen brei Stüden Srabition
fein mag, (ebenfalls finb alle brei oom Derfaffer bearbeitet worben, unb offen*
bar ftärfer, als es im (Eoangelium fpürbar ift. llnb ben Ijier gewonnenen (Ein*
brud beftätigt bas ganse Budj. (Es ift in gan3 anberem Sinne „gearbeitet" als
bas £utas*(Eoangelium. Der (Eoangelift £utas reihte Überlieferungs=(EIemente
aneinanber wie IRarfus unb IRattbäus; nur oerbanb er fie beffer, ftilifierte fie
reidjer, bearbeitete fie tritifdjer. Groh biefer Ijiftorifierenben Befferungen war
aber im £ufas (Eoangelium nodj feine entfdjeibenbe Annäherung an bie „grofee"
£iteratur erfolgt.
Das aber ift in ber Apoftelgefdjidjte gefdjehen. Die (Einfügung oon Reben,
bas felbftänbige Sdjalten mit ben (Quellen, bie tünftlerifdje Derbinbung oon
tjanblung mit ^anblung beweift es. Die Apoftelgefdjidjte bebeutet alfo im ur*
djriftlidjen Sdjrifttum eine (Epodje; hier ift ein Bud? entftanben, bas als lite*
rarifd? gelten fann — gleidjoiel wie biefer „gortfdjritt" beurteilt werben
mag. Unb biefes Bud? hat einer gefdjrieben, ber eben nodj — ober 3al?re oor*
ber — ein anberes, troh gewiffer Befonberfjeiten im ®an3en bod? eben
nidjtliterarifdjes Bud? oerfafet hatte- Der Unterfdjieb ift 3U begreifen. Dort,
im £utas*<Eoangelium, hanbelte es fid? barum, ben (Semeinben ben wefent*
lidjften Seil ber Überlieferung oon ihrem ^errn in überlegter Raffung
unb guter $orm 3ugänglid? 311 madjen; hauptfädjlidj follte biefes Budj ein
(Eoangelium fein wie bie anbern. fjier aber, in ber Apoftelgefdjidjte, batte ber*
') 3ofepbus, Contra Apionem II 1 § if. 8ii o5v roö npot^pou ßißXlou,
hol ’Eitacppdiire,aept rs tVjg äpx“totr,TO4 iiriSeißa . . . ipgopiat 84 vüv . . .
s) 3ofepbus, Antiquitates VIII 1, 1 § If. zepljUv oliv AaulSou xal äpsrijC aötoö ...
äv npb taÖTTjj ß(ßXq> bsBrjXräxapsv. loXopmvc; 84 to5 mtiidi aötoö . . .
’3) güt eine in altteftamentlidjer Weife beridjtenbe dtjäljlung fommen eigentlich nur
öie Derfe 1, 9—11 in Betracht; alles anöere ift Raijmung öureb Cutas. (Es mag mit biefer
Rebattion jufammenljängen, baß man nidjt recht fieQt, ob bie (Erjäijlung 1, 4 ober 1, 6 be*
ginnt; 1, 5 ift in biefer gönn woi/I audj lutanifdj; jum minbeften wirb 11, 16 auf bas fonft
nidjt fo bejeugte IDort jutüdgegriffen.
166 10. Die flpoJieigefdjidjte im Hannen öer urdjriftlidjen £iteraturgefd)td)ie

felbe Autor etwas Ilenes gewagt. Qfene Dorgänger unb ftredenweis, wie fid?
jeigen wirb, wofel aud) ofene fd;riftlid)e Quellen betreibt er ein Stüd ur-
djriftlidjer ©cfdjicfete unb mufe fefeen, wie er aus bem, was er weife, unb bem,
was er in ©rfaferung bringen fann, eine gufammenfeängenbe unb fadjlid) über-
3eugenbe Darftenung bilbe. Dabei fann er feine $äfeigteiten unb feine Reigung
ganj anbers betätigen als bei ber Abfaffung bes ©»angeliums, beffen Iiterari=
fd?e Art im wefentlidjen burd) bie Binbung an bie ©rabition oon 3efus gegeben
war. Die neue fdjriftftellerijd?e $reibeit unb ber fid) baraus ergebenbe Stil war
bebingt burd) bie neue Aufgabe.
Unb was war bas für eine Aufgabe! ©ine Sd/ar Illenfcben featte fid) im
(Stauben an 3efus ©feriftus unb in ber (Erwartung feiner Wiebertunft 3ufam=
mengefunben unb führte in 3erufalem ein ftilles, aud) im jübifdien Sinne
„frommes" leben. (Es war eine befdjeibene ©jiftens, unb nid)ts aufeer ber
fiegfeaften Überjeugung ber ©laubigen »erriet, bafe »on biefer Sd?ar eine bie
IDelt umwanbelnbe Bewegung ausgefeen, bafe biefe ©emeinbe bas Sentrum
ber Kirtfee werben füllte. Allmäfelitfe bildeten fid) ©egenfäfee feeraus, 3ur jübi=
jd)en Bewürbe wie unter ben ©laubigen felbft. Der ©laube an ©feriftus aber
breitete fid) über »erfdjiebene Stäbte Syriens aus, ergriff aud) bie nidjtjübifdje
Beoölterung unb warb burd) ben Apoftel Paulus in Kleinafien, Ula3ebonien
unb ©riedjenlanb »erlünbigt. Das ift ein gefd)id?tlidjes IDerben, bas nidjt ofene
weiteres anfdjaulid) gemacfet werben fann. Dom £eben 3efu featten bie An=
feänger IDorte unb ©Täfelungen etwa ein Ulenfcfeenalter feinburd) bewafert;
wenn man fie 3ufammenfügte, ergab fid) ein Bilb »om IDirten bes Rleifters.
©ntftefeung unb ©ntwidlung ber ©emeinben aber tonnten nidjt in berfelben
IDeife »oltstümlicfeer ©rabition »ermadjt werben; ba3u waren bie Dorgänge 3U
fomplijiert; fie betrafen aud; ein 311 weit gefpanntes ©ebiet unb liefeen fid)
nicfet 3U einer einfeeitlidjen tjanblung 3ufammenfügen. ©s ift fefer waferfdjeim
liefe, bafe bie ©emeinben ©Täfelungen »on ein3elnen, bei ifencn gefcfeefeenen
©reigniffen bewaferten, »on fjeilungen, Belieferungen unb lilartyricn, 3umal
wenn aufeerorbentlid)e Dorgänge ©ottes Sdmfe unb Uladjt befonbers fidjtbar
maditen. Aber wer ©efdjidjte, nicht blofe ©efdjicbten eTäfelen wollte, ber burfte
fid) nidjt mit bem Sammeln, Sidjten unb Jufammenfügen foldjer ©Täfelungs*
elemente begnügen, ©r mufete »erjud)en, fie in einen bebeutungsoollen 3u=
fammenfeang 3U bringen unb — als bie widjtigfte Aufgabe — einen gewiffen
„Ridjtungsfinn"1) ber ©reigniffe fidjtbar 3U matfeen. Aud? feierbei war er aber
»on bem Stoff abfeängig, ber ifem gur Derfügung ftanb.
3. Damit ftefeen wir »or ber »ielüerfeanbelten Srage nad) ben Quellen ber
Ap0f teIgef d;id; te. Unter allen fjypotfeefen ift bie greifbarfte diejenige, bie fid)
auf bie Darftellung ber pau!us=Reifen be3iefet. Dor allem ift immer wieber barauf
»erwiefen worben, bafe in einigen Abfdmitten biefes Beridjts in ber 1. Perf. piur.
eTäfelt wirb. Diefer „Wir-Beridjt" umfafet aber nur bie Reife bes Paulus »on

') [Dgl. -^141.]


10. Die flpoftelgefdiicfete im Rahmen ber urcferiftndjen Diteraturgefefeicfete 167

Croas bis Pfeilippi 16, 10—17, feine 3afere fpäter fallende Keife von Pfeilippi
bis ITtilet 20, 5—15 unb oon bort nad? 3erufalem 21, 1—18, fowie enblid? bie
$afert bes gefangenen Paulus uon daefarea nad? Rom 27, 1—28,16. Wenn man
ben „weftlicfeen" dejt1) ber Apoftelgefcfeicfete für urfprünglid? l?ält, tarne bann
nod? eine vereitelte Rotij aus Antiodjia 11, 28 ljinju. Will man fid? für bie
(Quelle ber ITCiffionsreifen auf bie WirStüde befcferänfen, fo ergibt fid? bie
fümmerlidje Ausbeute von 37 Derfen. Sol! aber anbererfeits bas feintet bem
„Wir" ftel?enbe „3d?" ber Derfaffer aud? nod? anberer ober überhaupt aller
Reifenad?rid?ten ober bes ganjen Bud?es fein, fo feat bas „Wit" feinen Wett
für bie drfcfeliefeung ber (Quelle verlöten2). 3d? fefee barum, im Wiberfprud? ju
einem großen Seil ber $orfd?ung, von bem „Wir" junädjft ab unb gefee ftait
beffen von folgenben Beobachtungen über ben Keifebcridjt Act. 13,4—21,18 aus.
a) ds ift unbentbar, bafe Cufas in feiner Reifebarftellung gleidigültige unb
unwichtige Stationen aufnafem, wenn er nidjt über eine Aufjeidjnung ber
Reiferoute verfügte. Als beweifenb ift ju nennen; bie drwäfenung von Attalia
14, 25, wo ber weftlicfee dert bejeidjncnbertveife eine IRiffionierung ergänjt,
Samotferafe unb Reapolis 16, 11, Ampfeipolis unb Apollonia 17, 1, daefarea
unb — waferfcfeeinlicfe — 3erufalem 18, 22; bierfeer gebärt aud? ber für bie
Rlifjionsgefd?id?te wie für bie Biograpfeie bes Paulus völlig unrvid?tige Safe
20, 13. 14 „Wit aber gingen voraus auf bas Schiff unb fuferen nad? Affos, in
ber Abfid?t, bort ben paulus mitjunefemen. Denn fo featte er es angeorbnet,
ba er felbft ju $ufe gefeen tvollte. Als er aber in Affos mit uns jufammentraf,
nafemen tvir ifen an Borb unb fuferen nad? TRitylene rveiter". Aud? ber „alte
3ünget" IRnafon 21, 16, von bem gar nicfets weiter gejagt wirb, wäre ju er
wäfenen. Don ben eben als Beifpiel genannten fecfes Stellen gefeört bie fSälfte
bem „Wir"'Berid?t an; es beftefet alfo fein Unterfd?ieb jwifdjen ifem unb ber
übrigen Darjtellung feinfidjtlid? bet drwäfenung von „neutralen" Orten ober
Perfonen. Alfo feat Cutas vermutlicfe für 13, 4—21, 18 (ausgenommen 15,
1—35) eine fd?riftlicfee Aufjeicfenung gefeabt.
b) Riefet 311 biefer Aufjeicfenung gefeöten bie Reben, non benen insgefamt
nod? bie Rebe fein wirb8). Sie finb, wie fie im dejt ftefeen, Kompofitionen bes
£ufas — gleid?viel ob er ältere $ormulierungen babei benufet feat ober nicfet.
3n ber Reifeaufjeicfenung feanbelt es fid? um vier Paulus-Reben: 311 Antiocfeia
in pifibien 13, 16—41, ju Sijftra 14, 15—17, 3U Atfeen 17, 22—31 unb 3U
Rlilet an bie älteften von dpfeefus 20, 18—35. Dreimal mertt man, bafe bie
Reben eingefügt finb, baran, bafe bas Auffeören ober Wiebereinfefeen ber (Quelle
Dubletten ober llnebenfeeiten feervorbringt1).
g [-> Re giftet „Ginleitungsfragen".]
2) [3n einet Befptedjung von 3adfon unb Dafe, The Beginnings of Christianity,
Part I Prolcgomena beifet es: „.. mit oollfter 3uftimmung tann idj berichten, bafe ^ier
((IS. 158ff.) enblicfe einmal bas „wir" nidjtals IDegweifer bes Quellenfuefeens, fonbern als
ein bie flnalyfe etfdjmetenbes Problem empfunben wirb" (Efeeol. Dit. 3eitg. 48,1923,150).]
3) [Riefet ausgefüfert; ->163 flnm. 2.]
») 13, 42 ift bie Sdjlufebemertung jur Rebe; mit 13, 43 fefet bie Quelle wiebet ein;
fo wirb jweimal ber Scfelufe bes Synagogen=®ottesbienftes befdjrieben. IDenn 14, 15—17
168 10 Die Rpoftelgefdjidjte im Halmen ber urdjriftlid^en EiteraturgefdjiQte

c) Hid)t ju ber Quelle geboren aud; bie Ginjelgefdjidjten, fofern itjre Ab-
runbung nad? rüdwärts unb oorwärts barauf beutet, bafe fie erft ifoliert in ber
Qemeinbe umgelaufen finb. Gs finb ihrer fünf: Die ©efdjidjte »on Glytnas
13, 8—12, bereu eindeutiger Anfang freilid? nidjt erhalten ift1); bie Teilung
in £yftra 14, 8—18, beren Anfang unjroeibeutig bie Ginfügung jeigt: bie
(Quelle 14, 6. 7 feat bie Apoftel fdjon bis „Cyftra unb Derbe unb Unigegenb"
gebradjt unb läfet fie bort prebigen; nun aber mufe £ufas ben £ejer roieber
nadj £yftra jurüdfüferen, um bie bort fpielenbe (Sefdjidjte ju erjäblen.2) Die
britte (Sefdjidjte feanbelt oon ber Beteferung bes (Sefängniswärters in Pfeilippi
16, 25—34; feier beroeift ber Umftanb, bafe bie $ortfeljung 16, 35 bes injroifdjen
eingetretenen Grbbebens gar nidjt gebenft, bafe bie Grjäfelung eingefügt ift;
nur ber weftlidje Gejt feat bie £üde überbrüdt3). Weiter folgt bie Heine (Sefdjidjte
oon ben Söfenen bes Sfeuas 19, 14—16; ifer Anfang ift oerloren, wie bie Gr-
roäfenung bes Baufes 19, 16 jeigt, oon bem nod? gar nidjt bie Rebe toar4).
Die mandjetlei unter b) unb c) aufgewiefenen Unftimmigfeiten ertveifen
jur (Benüge, bafe man Reben unb (Sefdjidjten nidjt ber allem jugrunbe liegenden
Reifeaufjeidjnung juweifen fann. Was ifer aielmefer angefeört, ift das Derjeidj-
nis ber Stationen, ber undjtigen unb ber unwidjtigen, mit Angabe ber ®aft-
freunbe, bes Rliffionserfolges unb mit anderen turjen Radjridjten. (Senau
läfet fidj bie Abgrenjung freilidj nidjt burdjfüferen5). Aber gerabe eine foldje,
relatio trodene, nur TRaterial entfealtenbe Aufjeidjnung, ruie wir fie fefet
— nadjb) unbc) — oorausfefeen müffen, ift bas in ber Gat in biefer unliterari-

nidjt bie Rebe eingefügt märe, würbe bet Sdjlufe ber Gtjäfelung faum fo matt lauten:
xardnauoav rou; t“5 aüroi;. Rad? ber Areopagrebe — unb nacfebem Paulus
fdjon in päjoo auwv gegangen ift, wirb 17, 34 oon einigen Betenden gefprodjen: bie Quelle
je^t wiebet ein.
') Gs übetlteujen fid? bie Überlieferungen oom Ramen bes Rlagiers Barjefus unb
Glymas; audj ftofeen bie tTliffionare 13, 6 auf ben Rlagier, 13, 7 läfet bet Protonful fie rufen.
2) Übet bas Gube ber Sefdjidjte unb feine Gtweiterung burdj bie Rebe f. S. 167 Anm. 4.
3) Wie fidj bie »orausgefeenbe Grjäfelung aon bet fjeilung bes Rläbdjens ju biefer
Befreiungs’®efQid;te einerferts, jur Quelle anbrerfeits »erljätt, bürfte fdjwer'ju entfdjeiben
fein.
4) Die Anetbote flat! weltlidjen Gfearatters ftefet in einem fogenannten Sammelberidjt
19,11—13.17—19 mitten inne als Spejialfall bes eben im allgemeinen Beridjteten. Dte
Gntwidlung ber Grabition gefet ben umgeteferten Weg: am Anfang erjäfelt man aom Ginjel=
fall; bie Bücbet finb es, bie bie Begebenfeeiten bann Derallgemeinern. So ift es fein IDunber,
bafe bie Sefdjidjte bei iferet Ginbettung in ben Sammelberidjt ben Anfang einbüfete. [Die
fünfte ber Ginjelgefdndjten blieb im Rlanuftript bes Dfs. uerfefeentlid) unerwähnt. Gs fteljt
aber aufeer 3weifel, bafe er bie Grwerfung bes Gutycfeus 20, 7—12 im Auge fjatte; —>22 f.J
s) 13,1—3 gefeört nidjt jur Quelle, ba Paulus feier nod? Saulus Reifet; bie Quelle nennt
ibn Paulus, wie er audj Don ®ebutt an feiefe; unb barum mufe Eufas tnnerfealb ber Glymas=
(Sefdjidjte ben Übergang oon einem Ramen jum anbern mit bet üblidjen $ormel »olljtefeen.
Rebattionsarbeit finb bie brei formellen Abfagen an bie 3uben 13, 46. 47; 18, 6; 28, 25—28,
bie fidj fdjön auf Kleinafien, ®riedjenlanb unb Italien nerteilen. 3n bet Sdjilberung Atfeens
bereitet 17, 18—21 fo beutlidj bie Areopagrebe oor, bafe biefer berüfemte Abfdjnitt auf beren
Derfaff er, alfo Eulas, jurüdjufüferen ift. Die meijten Angaben aus Korintfe bagegen mit iferem
fadjlidjen Gljaratter ftammen aus bet Quelle. Aber wie ift es mit bem Appöllos^Abfdjnitt
18, 24-—28 ober bem Beridjt über Demetrios 19,23—-40, in benen Paulus gar nidjt oor-
tommt? Gs fefelen uns bie Rtittel jur Gntfdjeibung folQet Stagen (f. audj Anm. 3).
10. Die Apoftelgefd)id)te im Rahmen bet utchrijilichen Citeroturgefdjidjte 1G9

fd?en Generation Wahrfd?einlid?e. Gs hätte fid? alfo bann im wcfentlid?en um


ein 3tinerar getjanöelt, um ein Derjeidjnis öer Stationen, wie man es bei Job
eben $ahrtcn wol?l fdjon aus prattifdjen Gründen anlegte, um bei einer Wieöet5
bolung ber Reife bie Wege unb bie alten Gaftfreunbe mieberjufinben. Dah in
biefer flufjeidmung ju praftifdjen 3weden oon jenen fünf Gefd)td)ten and? nur
eine enthalten war, ift nidjt u>al?rfd?einlid?; bafe etwa bie funftvoll tamponierte
Hbfdiieösrebe in IRilet 20,18—35 in biefer Reifeaufjeidmung geftanben hätte,
blof? weil oorber unb nad?l?er im „Wir"-Stil er3äl?It wirb, fdjeint mir ganj um
möglid?.
Diejes 3tinerar ift aber non £ufas nidjt ol?ne Bearbeitung übernommen
worben. Gewiffe IDenbungen „erbaulidjer" Art, bie bas Derljältnis ber Gläu­
bigen 3m Gnabe Gottes, bie (Ermahnungen unb bas freimütige Bejeugen be=
treffen, laffen fid? innerhalb wie außerhalb bes 3tinerars belegen1) unb werben
hier wie bort am beften auf £ufas jurüdgeführt. Aber berfelbe Derfaffer hat
feine Quelle aud? »erfürjt. 3n ben Derfen turj nor bem Auftreten bes „Wir"
(16, 1—10) wirb bie Reife bes paulus burd? Kleinafien nur in gan3 großen
3ügen et3ählt. paulus befudjt juerft bie bereits oon ihm miffionierten Gemein-
ben £ytaoniens unb jieht bann burd? 3mier=KIeinafien, Phrygien unb bas
galatifdje £anb, ba ihm bie prebigt in ber Afia „oom heiligen Geift gewehrt"
wirb. Die Stäbte ber Wefttüfte, ber „Afia", waren alfo fein eigentliches 3<d ge=
wefen. Run will er auf bem Wege über Phrygien unb „bas galatifdje £anb"2)
nad? bem Horben, nad? Bithynien, gelangen. Unb wieber lä^t es ber Geift
nidjt ju, fo bafe Paulus fdjliefjlid? nad? Groas — man mödite fagen: — ab=
gebrängt wirb. Unb bort erfolgt ein britter göttlicher Gingriff: Paulus fieht im
näd?tlid?en Gefidjt einen ITlann aus !Ra3ebonien, ber ihn bittet: „Komm her=
über nad? IRa3ebonien unb hilf uns 1" Aud? biefer Weifung folgt er unb gelangt
fo nad? Rla3ebonien unb Griedienlanb. Was ift bas für eine feltfame Gefd?id?ts=
fdireibung! Wir erfahren weber, in weld?er Weife fid? bie Gingriffe bes Geiftes
manifeftierten, nod? ob paulus unterwegs miffionierte (f. aber bie oorige Anm.);
wir lefen feine Stations= unb feine Perfonennamen; alles, was £ufas fonft bem
3tinerar entnommen hat, fehlt, tjat bie Quelle hier oerfagt? fjat nid?t bod? bie
Wir=QueIIen=f?ypothefe in alter $orm red?t, bie oom Ginfet3en bes „Wir" an
genauefte Kenntnis, in ben Derfen oorher Unwiffenheit bes Derfaffers feft=

0 Die bejeid)nenbften Begriffe finb: xdpes innerhalb bes 3tinerars 15,43; 14, 3;
14, 26; 15, 40, aber aud; jtoeimal in ber Rebe 20, 24. 32 unb 11, 23; lautet (Eigentum bes
Derfaffers. — TcapprptdJeaS’ai 13, 46; 14, 3; 19, 8, aber aud; 9, 27. 28; minbeftens einer
ber beiben Derje ift Bewertung bes Derfaffers. — napaxaXeiv 14, 22; 16, 40 (?); 20, 1. 2,
aber auch 11, 23.
*) Gine nidjt unwaI)rfd)einUdie tjypothefe fielet ben (Eingriff bes (beides in bet Krant»
heit, bie ben Apoftel nad) ®al. 4,13. 14 in (balatien betraf unb aufhielt. Rur muß man bei
„galati[d)em Canb" nidjt unbebingt an bie eigentliche ianbfdjaft Galatien mit Ancyra unb
Peffinus benfen; wie fällte Paulus auf bem IDeg nad) Bithynien fo weit nad) ©ften ge=
tommen fein? Auf feinem IDege lagen aber Amorion,' (Drfiftos unb Itatoleia — unb jur
raXatixi) x«>pa tonnten biefe infofern geböten, als aud; bort oermutlid) teltifd) gefprod)en
rourbe; ogl. Cafe, Beginnings of Christianity V 236f.
172 10. Die flpoftelgefdjidjte im Räumen bet ur^riftlidjen titeraturgefdjidjfe

Don ben d?riftlid?en Hejten, bie ljier ju nennen wären, fügt fid? am beffen
bas fog. protenangefium bes 3«fobus an. Dort er3äf?lt 18, 2 3ofef felbft, wie er
ben Stillftanb ber Welt in ber Stunbe ber (Geburt 3efu wahrgenommen habe.
Wan bot daraufhin biefe märchenhafte Sd?ilberung als (Einfügung verftehen
wollen. Allein bie Reidjweite ber 3d?;(Er3ählung ift unflar; fie reid?t über jene
Sd?ilberung ber Welt hinaus, aber fdjliefet bod? nid?t bie gan3e ®eburfsgefdjid?te
ein1). Ulan wirb alfo bas Auftreten ber 1. Perfon fd?werlid? als Wittel ber
Quellenfdjeibung oerwenben bürfen. (Es fdjeint, bafe fid? ljier eher ein naioes
Bebürfnis bes Sd?riftftellers nad? Belebung als ein frember JEert bemerkbar
mad?t.
Problematifdjer ift bas Auftreten bes 3d? im Petrus=(EDangeIium, oon betn
wir ja nur ein gragment befifeen. 3» biefem dejt, ber non ber Derurteilung
3efu bis 3ur Anferfteljung reid?t unb alfo 311m felbftänbigen Auftreten bes
Petrus wenig (Gelegenheit bietet, tommt 3d?= bjw. Wir*(Er3ät?lung an 3wei
Stellen oor: in § 26. 27, als bie 3ünger fid? nad? ber Krei^igung 3efu Der*
borgen palten, unb § 59. 60, als bie 3ünger („wir aber, bie 3ünger bes
fferrn") nad? paus ge3ogen finb unb „id?, Simon Petrus, unb Anbreas, mein
Bruber", fifd/en getjen. IHan weife nid?t, oon weldjem punft bes Wirtens
3efu an bas (Eoangelium er3äplt I?at; es entfällt alfo aud? jebe Vermutung
barüber, ob etwa bie Derleugnung bes Petrus ober bie Sgene in (Gethfemane
im 3d?=StiI erjäplt war. Keinesfalls ift bem 3d?=3eugnis biefes (Evangeliums
ein befonberer Wert 3U3uertennen. Wenn man oollenbs bebentt, wie im (Ebio*
näer-(EoangeIium bie 3ünger Jagen „ber erwählte uns"2), unb wie in einem
gnoftifdjen Sammelwerf oon 3ohannes 3War in ber 3. Perfon gefprodjen wirb,
ber Berid?t aber bann fortfäprt: „als id? biefes gepört batte, wanbte id? mid?
weg 3um Hempel"3), fo läfet fid? bie $rage nidit unterbrüden, ob bas Reben
in ber 1. Perjon wirtlid? immer Reft eines urfprünglidjen dejtes ift. (Es
fd?eint angefidits ber uerwidelten Sadjlage bod? immerhin möglid? 3U fein,
bafe bas 3d? Dielmehr ein Kenn3eid?en literarifdjer Bearbeitung ift. Unb
wenn oon ben apofryphen ApoftebAften bie 3oh<mnes* unb bie Philippus*
alten gelegentlid? ein „Wir" enthalten4), fo mufe bas nid?t ein Reft bes
alten Sejtes fein, fonbern Jann auf einen Sdjriftfteller 3urüdgeführt werben,
ber feiner (E^äblung Anfd?aulid?teit, ^arbe unb ben Sd?ein ber (Ed?tl?eit
oerleihen wollte. (Ein „3d?" ober „Wir" — bas ift bas (Ergebnis biefer Über*
fid?t — fann ebenfogut auf eine alte Quelle wie auf eine neue
literarifd?e Arbeit beuten. Rid?t bas Wartus*, fonbern bas Petrus*
(Evangelium enthält einen (Eigenberid)t!
5. 3n unferer Apoftelgcfd?id?te finb bie bisher gewonnenen Wafeftäbe nun
*) 18, 2 Weltftillftanb — 3d?’Stil; 19,1. 2 bie pebamme—19,1: 1. Perf. Sing., 19,2:
3. perf. Sing, unb piur., aber in ber IHitte bes § 2: 1. piur. Jn 25, 1 rebet bann bas 3d?
bes (angeblichen) Derfaffers, bes 3afobus.
s) Frgmt. 2 (Ktoftermann) = Spipp Haer. 30, 13.
8) 2. tjennede, Reute ft. flpoftypl?en 1904, 43.
9 flcta 3oh. 18f. 60. 61 („3d?" 1). 62; dcta ppil. 33. 63.
10. Die flpoftelgefdilebte im Raljmen der urd?ri[tlidien £iteraturgefd?id?te 173

aud] anjuwenben auf ben pielleicbt feltfamften deil bes Bud?es, ber fortlaufenb
ein „Wir" enthält: benBerid?t oon ber Seefahrt nad? Rom. 3mmer im Wir*
Stil erjählenb geigt er bod] nid?t ben dl?araftcr ber anberen Wir*Stüde ober
bes ganjen 3tinerars. Dort werben bie Reifen bes Paulus gefdiilbert, bod? fteht
feine Uliffionstätigteit im ITlittelpuntt ber (Jrjäijlung. fjier bagegen erjäblt bas
hinter bem „wir" ftehenbe „id?" eine Seercife mit Sd?iffbrud?; bie nautifd?en
dinjelheiten haben immer bie Bewunbcrung ber Kenner gefunben. Aber uon
Paulus, ber in ben TRiffionsreifetapiteln bie Ejanblung füt?rtr erfahren wir t]ier
ganj wenig. 3n 54 Derfen wirb bie Saljrt oon daefarea nad] IRalta (27,1—44; 28,
1. 2)unboonIRaltanad) Rom(28, 7—14) bargeftellt1); baoon behandelnnur 18
Derfe bie dätigfeit bes Paulus. Diefe fünf paulus Stellen aber finb jum Seil
fidjer, jum Seil wahrfdjeinlid? in einen bereits oorljanbenen Beridjt eingefe^t.
Am deutlidjften geigt fid? bas 27, 43: Die Solbaten wollen bie (Befangenen beim
Sdjiffbrud) töten, bamit feiner enttomme. Der denturio aber will ben Paulus
retten unb orbnet an, bafs erft bie bes Sd;wimmens Kunbigen über Borb
fpringen, bann bie Riditfdjwimmer auf Sdjiffstrümmern ans £anb gelangen
feilten. Kur erfahren wir nid?t, was Paulus tut, um beswillen angeblid? bie
Ttlaferegel unternommen ift. Die drjählung uon bem Hügen Befdjlufe bes dem
turio tjat alfo offenbar mit paulus nidjts ju tun; fie gehört in bie Befdjreibung
ber Seereife unb ift burd] bie dinfügung uon uier Worten ju einer paulus*
Hadjridjt gemadjt worben.
Auch bie erfte ber paulus*SteIlen erweift fid] als $rembtörper. Die Rei*
jenben tommen ju bem ©rt „Sdiöne träfen" auf Kreta (27, 8) und wollen an*
jdjeinenb ba überwintern; minbeftens wirb gunädjft nid?ts oon Weiterfahrt
gefagt. Da aber ber t?afen fid? als ungeeignet erweift, fahren fie weiter (27, 12).
Was bajwifdien fteht, ift ein Rat bes Paulus, nid?t abgufahren, unb beffen
Ablehnung burd? ben denturio (27, 9—11). ©bne biefe Derfe ift ber Jufammem
bang einbeutig unb ftraff. Dann muf) aber aud) ber Heine Abfd?nitt 27, 21—26
als dinfebub in ben Reifeberidjt betrachtet werben, in bem Paulus ben §ahrt=
geneffen guten Blut gufpriebt unb fie auf ©runb eines nächtlichen (Befid)ts ihres
Sehens uerfidjert. Denn er begiebt fid? babei auf ben Rat, ben er 27, 9—11
gegeben habe. 3« der dritten Paulus-Stelle 27, 31 geigt Paulus bei bem den*
turio bie ITlatrofen an, bie bas geftranbete Sd?iff heimlid) uerlaffen wollen;
aud? hier ift ein Anfdjlufg ton D. 32 an D. 30 möglid? unb uielleidjt porgugiehen.
Da uon 27, 43 fd?on bie Rebe war, bleibt nur nod? ber Abfd?nitt 27, 33—36
übrig: Paulus nimmt inmitten ber ermatteten IRannfdiaft Nahrung gu fid?
unb bewegt aud? bie anbern gu effen. Dafe aud? hier eine Unebenheit uorliegt,
merft man fehr beutlid? an D. 37, wo mitten hinein gwifdien dffen unb Satt*
9 Die ganj weltlid? erjäljlte Hnefbote von Paulus unb bet Solange 28, 5—6 Ijabe id?
nidit mitgejäfylt. (Es gibt feinen Srunb, fie für eine frembe, auf paulus übertragene ®efd?id?te
ju galten, Anbrerfeits Hingt fie aud? nid?t nad? d?tiftlid?er paulus=Übetlieferüng. Denn bie
Stjaljlung, bafj Paulus erft für einen'Derbred?er, bem bie Dite nadjftellt, bann für einen Sott
gegolten wirb, verlangt unter Sljrijten einen d?riftlid?en Sd?Iufe, entfpred?enb 14,14ff., bet
bas Sntfe^en über bie Rlenfd?envergötterung ausbrüdt.
174 10. Die £lpoftelgefd?id?te im Haljmen ber urdjriftlidjen Citeraturgefdjidjfe

weröen öie 3atjl öer galjrtgenoffen auf 276 angegeben wirö — öas ift offenbar
ein Heft öes alten literarifdjen Beridjts, öer mit Paulus nidjts 311 tun Ijat,
Diefe flnalyfe jeigt alfo, öa^ öem Sa^rtberidjt eine „profane" Darftellung
oon $aljrt unö Sdjiffbrud; als Dorbilö, IRoöell oöer Quelle geöient bat, in öie
öer Derfaffer ein paar Heine Hadjridjten über Paulus (auf Qrunö oon befonöerer
Kenntnis?) eingefügt. Der dljaratter öer Darftellung wirö öaöurdj nidjt be-
rüljrt: es bleibt ein öurdjaus literarifdjer JEejt, unö wenn man öie Reitje öer
Dorgänger öurdjmuftert, an öie Korben1) erinnert Ijat, fo »erftärft fid; öer
dinörud, öa^ öie Sdjilöerung öer Seereife ju öen am meiften literarifdjen Hb«
fdjnitten öer Apoftelgefdjidjte gehört. (Es ift eine weltlidje Kompofition mit
PauIus=(EinIagen. Das „IDir", öas in foldjen Reifefdjilöerungen feineswegs
auffällt, ift alfo alles anöere als öas flnjeidjen einer unliterarifdjen Reifeauf-
jeidjnung aus öem PauIus=Kreife. (Es ift in eine literarifdje Sdjilöerung ein«
gefegt, um ju jeigen, öafe öer Derfaffer bei öer Reife öabei war. (Es madjt
jeöenfalls öie Darftellung oon Seefahrt unö Sdjiffbrudj nidjt ?u einem per«
fönlidjen Dofument; fie bleibt eine literarifdje Kompofition profaner Art.
*) Horben, Agnoftos 2^eos 313f. 323f.
11. paulus in ber ElpofteIgefdjidjte
Uno eröff entliefet

Die liferori}cbe unb gefdjicfetlidje Beurteilung ber Apoftelgefdjidjte ift


in ber heutigen §orfdjung fo wenig einheitlich, bafe feber, ber bie Acta apo-
stolorum wiffenfdjaftlidj benufeen will, fein eigenes gunbament ju legen ge­
nötigt ijt. Daju gehört juerft bie Gewinnung eines literarifdjen Urteils: erft
wer fidj tlar gemacht feat, warum ber Derfafjer ber Apoftelgefdjidjte über Paulus
fo oiel unb bod} nidjt mefer als biefes fagt, welche Quellen unb Uadjridjten
i^m jur Derfügung ftefeen, welches feine literarifefee Hbfidjt ift — erft ber fann
bemeffen, weldje Seile bes Budjes er als gefdjidjtlid? junerläffig anfefeen barf.
Das Bud), genannt „Die daten ber Apoftel", enthält nidjt fo Diel oon ben
Apofteln, wie man erwarten follte. (Es beridjtet oon Petrus unb ganj fcfeatten=
feaft von 3ofeannes, oon ben prebigern Stepfeanus unb Pfeilippus; über bie
$älfte bes Budjes ift bem Apoftel Paulus gewibmet. Aber bas Bucfe ift barüber
bodj nidjt jur Biograpfeie bes Paulus geworben. (Es ift eine mertwürbige Aus­
wahl non Cebensabfdjnitten bes Apoftels, bie in ben Acta bargeftellt werben. (Er
taudjt 7, 58; 8, 1. 3 auf als Augenjeuge ber Steinigung bes Stepfeanus, bei
bem bie „Jeugen" ifere Kleiber ablegen. (Es läfet fidj jeigen, bafe Sutas feier einen
älteren Beridjt nerwenbet, ein „IKartyrium" bes erften djriftlidjen IKärtyrers1),
wie es in ber ©emeinbe nor ber Abfaffung ber Acta umlief; auefe ofene literarP
fdjen Hadjweis wäre bie (Ejiftenj eines foldjen IHartyriums anjunefemen2). Jn
foldj einem IKartyrium würben uielleidjt bie an ber Steinigung befonbers betei=
ligten Jeugen3) erwähnt; aber fidjer nidjt ein junger Blann, ju befjen $üfeen bie
Jeugen ifere Kleiber ablegten. Diefe Annatjme wirb burdj bie literartritifdjen Be=
obadjtungen beffätigt (ogl. Anm.l); alfo feat Sutas bie brei Kotijen über bie An=
wefenfeeit bes Saulus, über feine Juftimmung jur dötung bes Stepfeanus unb
über bes Saulus Derfolgungstätigteit eingefügt. Die britte bebeutei bie Über=
leiturig jur Beteferungsgefdjidjte 9,1—19; fo pflegt £ufas fdjonim (Evangelium
unb erft redjt in ber Apoftelgefdjidjte feine Derbinbungslinien ju jieljen1).
s) Der Anfang ift ungefähr 6, 12 ju fudjen; feer Beweis für bie Grift ertj eines älteren
ücjtes liegt nor allem in ber Beobachtung, bafe bie Derfe 6, 15 unfe 7, 55 — mit Ausfcfelufe
ber ba;wifdjen ftefeenben grofeen Rebe — jufammenfeängen. Aud) 7, 58 b ift offenbar eine
Unterbrechung, wie bie Wieberaufnafeme oon 7, 59 jeigt, ebenfo 8, 1, unb
8, 2 bildet mit Begräbnis unb Klage ben Scfelufe bes Sanken.
*) Dgl. Surf au, IRartyrien in fübifefeer unb frübdjriftltdjer Seit 109f. (Ob bie Doppelt
feeit ber „lefeten Worte" auf hoppeltet Überlieferung berufet, bleibe unentfdjieben.
’) Uber bie Üätigleit ber Jeugen nacfe ber Ulifdjna, f. Sanfe. b, 4. Bei Stepfeanus feanöelt
es ficfe um £ynefejuftij, unb ber Dotgang oolljiefet fid) barunt nidjt fo, wie ifen bie lllijdjna
oorausfefet.
“) So oerbinben fid) 8,1. 4 mit 11,19; 8, 40 mit 21, 8.
176 11 ■ Paulus in öer Apojtelgefdjidjte

Damit ift aber nicht etwa bie Ungefchiditlicbteit ber Rad?rid)t erwiefen.
find) fonft fdjeint ja £ufas oieles einjelne 311 wiffen, weil er nad} bem ®Dan=
geliumsprolog 1, 3 „altem non Anfang an nadjgegangen" ift. IRan tonnte
im Sdjülertreis bes Paulus foldjes aud} wiffen, beim Paulus felbft fprad? ohne
Sd}eu oon feinem Dorgehen gegen bie (Ehriften (I. Kor. 15, 9; ®al. 1, 13f.),
warum nidjt audj von biefer (Jinjelljeit! (Enblid? aber verbietet bie Knappheit
ber (Erwähnung bie Annahme, bafe bie brei Bewertungen eine erbauliche
£egenbe barftellen feilten; bann mären fie reidjer ftilifiert, unb ftatt ber farb=
lofen Bewertung „er hatte Wohlgefallen an feinem Hobe" würbe etwa ein 3m
ruf ober fonft ein Wort bes leibenfdjaftlidjen (Ihriftenfeinbes beridjtet werben.
(Es ift alfo an3une^men, bafj £utas bie brei Bewertungen einfügte, weil er
oon ber Anwefenheit bes Paulus bei bet £ynd]juftij an Stephanus wufete.
Was £utas nad] biefer (Einführung bes Apoftels aus beffen £eben unb
Wirten mitteilt, fdieint beim erften Überblid im wefentlid]en aus niet Kom=
plejen non (Sefdndjten, Rad]rid]ten unb Reben 311 befteben; unb oor jeber
(IJuellenanalyfe unb vollenbs nor (Erwägungen übet (5efd}id?tlid)feit unb Um
gefd}id]tlid;teit ift es notwenbig, biefes merfroürbige Rebeneinanbet oon reid;=
haltigen unb fpärlidjen Mitteilungen 3U unterfud?en — eine Pflidjt, bie um
fo bringlicber ift, als fie oon ben Krititern feiten geübt wirb.
£ufas erjählt 3unäd?ft bie Betehrungsgefdjidjte unb fdjilbert in allgemeinen
Sägen, was bem neuen (Ehriften Paulus in Damasfus unb in Jerufalem wiber=
fuhr. Sdfliefjlid] reift er nad] (Earfus unb entfdiwinbet nun unferen Bilden.
(Eine turge Hotij 11, 25 f. 30; 12, 25 beriditet, baf} er von (Earfus nad] Antiod?ia
geholt unb aud] einmal in 3erufalem gewefen fei. Der 3weite Radbriditenfomplef
beginnt erft 13,1 mit ber Ausreife bes Barnabas unb paulus von Antiodjia 3ur
Miffion. Diefes Sd;weigen ift auffallenb. (Es mag an bie 10 3ahre umfaffen'), —
unb biefe 3ahre werben nid?t ohne bebeutfamen3nhalt gewefen fein2) —aber
£utas berichtet nichts bavon. (Es ift nidjt angunehmen, baf} er leine Kenntnis ba=
von befaf} ober bafe er fie fid] nid;t hätte verfdjaffen tonnen. Was Paulus bamals
an Prebigt unb Miffion geleiftet hat, tommt offenbar für £utas nid]t in Betradjt.
3hm liegt, fo fdjeint es, nur an ber IRiffionstätigteit etwas, bie gen Weften
unb Iet}tlid] nad] Rom führt; er will nidit bie 3unahme djriftlidjer Semeinben
fd]ilbetn, fonbern ben Weg bes (Evangeliums ins E?et3 bes römifdjen Reiches.
Die Wiffion auf biefem Wege ift bas Hhema bes 3weiten Komplexes
von Radjridjten. Die Sätigteit, von ber 13, 1—14, 28; 15, 36—18, 23; 19, 1
— 22; 20, 1—21, 14 berichtet wirb, bilbet bie Mitte ber Apoftelgefd]id}te3).

‘) Die Befebruncj fällt nad) ©al, 1,18; 2, 1 15 bis 17 3abte vor bie Befprecf)ung mit
ben Urapofteln, alfo in bie Ja^re 32 bis 35; Act. 12 ftehen mir fdjon im 3af]te 44 (Hob
Aerobes Agrippa I.).
s) IDas (Sal. 1, 23 von Paulus gejagt mirb — vuv eSaYpeXiJetai rfjv nicriv nots
endpfrst — mu& jum (Teil in biefe Seit fallen.
3) 15, 1—35, bie Darftellung ber flpoftelbefpredjung, gehört nidjt ju ben eigentlidjen
paulusnad]tid)ten. Aufeer ber tjin* unb Rüdreife mirb oon Paulus nur ein Sa^, 15,12, unb
bie (Erwähnung im Detret, 15, 25f., beridjtet.
11. Paulus in ber flpoftelgcfdjidjte 177

(Ein gewiffes Schema ber Bcrid?terftattung läfet fid? beobachten: auf bie Ren=
nung ber Station folgt ein turjer Bericht über bie Art ber Anknüpfung unb über
ben (Erfolg. 3n einigen Salten wirb bann nod; eine ©efdjidjte, gelegentlich aud?
eine Hebe, tjinjugefügt. Die Regelmähigteit biefes ©yps ift beuttidj unb darf
audj foi Beurteilung ber Quellenfrage nidjt überfetjen werben. Um [o
mehr fällt es auf, bah bie Darftellung jweimal non ber Regel ab3uweid?en
fdjeint, 16, 6—10 unb 20, 1—3. Das erfte ITTal will Paulus fid; non Sytaonien
unb pifibien aus nad? ber tleinafiatifdjen Hüfte wenben; er wirb aber „nom
heiligen (Seift gehindert" unb jie^t nun burd? bie ianbf^aften Phrygien unb
©alatien. Stabte werben nidjt erwähnt, obwohl es gut möglich, ia wahr
fdjemlid? ift, bah Paulus hier miffioniert hat1). An her ©renje non IRyfien
angelangt, will er Bithynien erreidjen; wieberuni „lieh es ber (Seift 3efu
nidjt ju", unb er jieht nun „an IRyfien norbei" nad? ©roas; ber Ausbrud will
wofjl befagen, bah er fid; in IRyfien nidjt mit IRiffion aufhielt, fonbern fid?
möglidjft fdjnell nad? ©roas wanbte. IRit foldjen fummarifdjen Angaben wirb
bet £efer aud? 15, 41 bebadjt, aber ba hanbelt es fid? um einen gweiten Be=
fud? bei ben bereits gegrünbeten ©emeinben. Das Sdjweigen über ©alatien
dagegen ift auffallend unb „hat bis jeht nod? feine ganj befriedigende ©rtlärung
gefunden"8). Sie läht fidj nielleidjt aus ber mehrfachen (Erwähnung ber gött^
lidjen Ceitung gewinnen, bie fid? ja aud? in ©roas nod? fortfeht, ba ein ©rautm
gefidjt ihn non bort alsbalb nad? IRajebonien ruft. Die beiden erften IRale hat
£ufas nidjt angebeutet, worin bas ©ingreifen bes ©eiftes beftanb, Hidjts fptidji
bafür, bah es fid) aud? damals um ©efidjte handelte. 3rgenbweld?e Dorgänge
mögen oon Öen Reifenden ober bem ©rjäljler als IDinfe ber göttlichen §ührung
uerftanben worben fein. Daran fehen wir aber deutlich, worauf allein es bem Der
faffer hier anfommt: er will jeigen, bah Paulus nad? IRajebonien unb ©rie=
djenlanb, alfo nad; ben für bie ©ewinnung bes IDeges nad? Rom entfdjeibenben
©tappen, nidjt aus eigenem ©ntfdjluh, fonbern burdj göttlidje £eitung gelangt ift.
Unwidjtig ift — bis auf bas britte göttlidje ©ingreifen in ©roass) —, wie ber gött=
lidje Befehl an ihn gelangte; unwidjtig audj, an weldjen Orten Kleinafiens Pam
lus auf biefer $abrt IRiffionsarbeit trieb; widjtig ift allein bie göttlidje £enhmg.
Die jweite Stelle, an ber ber ©rjähler ber Apoftelgefdjidjte fid? non feiner
üblichen Art unb Weife ju entfernen fdjeint, ift 20, 1—3. E?ier wirb berichtet,

0 IDenn ber ©ataterbrief an (gemeinden in biefer Eanbfdjaft gerichtet ift unb Paulus
jur Seit bes Briefes fdjon jweimal bort war (®al. 4, 15), fo muffen bie ©emeinben damals
oon ihm gegrünbet fein.
2) fllfreb lüitentjaufer, Die apoftelgefdjidjte 1938, 114.
5) 3n ©roas fetjt bas „wir" bes Beridjtes' ein, bas bis pljilippf führt; bet (Erjagende
ift alfo in lllajebonien beheimatet. Dielleidjt ift bodj bie junädjft etwas rationaliftifd? an»
mutenöe Dermutung nidjt unrichtig, nach ber bas ilraumgefidjt entweder bie tatfädjlidje
flnfunft eines ütajeboniers reflettiert ober burdj beffen nadjträglidjes Eintreffen eine Be=
[tätigung erfährt. IDenn biefe Dermutung ridjtig'ift, fo würbe es begreiflich erfdjeinen, bafe
ber Detfaffer ijter Wert auf bie Sdjilberung ber göttlichen Offenbarung legt unb darum bie
äußeren Umftänbe in ben Sdratten rüdt. [Dgl. tjier^u nod; Dibe lius-Kümmel, paulus
1951, 70].
12
178 11. Paulus in ber flpoftelgefdjidjte

bafe Paulus von (Epljefus nad; Blajebonien reift — aber nid;t, in weldje
Stabte —, bafe et fid? bann brei TRonate in ©tied;enlanb auf^ält — aber nidjt,
an weldjen Orten —; bann wirb non einem Anfdjlag ber 3uben gegen Paulus
erjä^lt, um besmillen er feinen Reifeplan änbert, aber wo bas gefdiieljt, wirb
aud) tyier nidjt gefaqt. Sollen wir wirflid) glauben, bafe bie gewohnte Kenntnis
ber Stationsnamen bei bein Perfaffer plöfelid? ausgefefet hübe? (Es ift viel
wahrfdjeinlidjer, bafe er auf bie Kennung jener Hamen bewufet verjid)tet Ijat.
Paulus ift eben damals offenbar nur in Stäbten gewefen, wo er 3al?re juvor
geprebigt unb ©emeinben gegründet Ijatte; bei foldjer (Gelegenheit hütte
£ufas fidj fdjon in einem früheren Abfdjnitt ber Apoftelgefdjid)te, 15, 41—16, 5,
auf eine furje Sufammenfaffung befdjräntt. Aud) an unferer Stelle erflärt
fidj bie Kürse bes Beridjtes 3unäd)ft baraus, bafe bie Reife im wefentlidjen
ben dharatter einer 3nfpettion Ijat unb 311 ben bereits gegrünbeten (Gemeinden
füljrt. tjin3U fommt in biefem §all nod) bas fidjtlidje Beftreben bes Autors,
alles auf ©efangenfdjaft unb Romfahrt aus3urid)ten. Aus biefer Heigung
ertlärt fidj aud) bas fonft Unerflärbare, bafe in 20, 4 3war bie Abgefanbten
ber (Gemeinden genannt werben, ohne bafe bodj non bem 3wed biefer Senbung
— ben wir nad) ben Briefen bes paulus als jidjer vorausfefeen müffen — bie
Rebe ift: von ber Kollette. Sie wirb erft 24, 17 erwähnt, weil fie bart 3ur Pep
teibigung bes Paulus gegen ben Porwurf ber (Eempelfd)änbung bienen fann.
fjier bagegen jinb anbere Sefidjtspunfte mafegebenb: 3erufalem, (Gefangen»
fdjaft, Ronifahrt1). 3hnen suliebe wirb ber Beridjt h’®T fo fpärlid), ihnen
jultebe tann er gelegentlid) audj befonbers ausführlich werben: 20, 16.22.
25.38; 21, 4f. 10—13. 3n ben lefeten Kapiteln weift biefer 3weite Komplex
über fidj hinaus auf bas, was nun tommen foll2).
Per britte Komplex von paulus-Hadjriditen besteht aus einer lüdenlofen
Solge von paulusStüden: 21, 15—26, 32 wirb bie Aufnahme bes Apoftels in
3erufalem, feine Perljaftung unb bie Reihe von Pethören gefdjilbert, benen
er fid) unter3iehen mufe; ber Abfdjnitt jdjliefet mit bem tjinweis auf bie 3uvor
fdjon von Paulus ausgefprodjene Appellation an bas Kaifergeridjt in Rom
(26, 32). 3n ben Kapiteln 27 unb 28 wirb bann bie Reife nad; Rom unb bie Auf»
nähme bei ben bortigen dhriften unb 3uben befdjrieben.
(Es ift feltfam, bafe bas grofee Problem, bas ber erfte biefer beiben Ab»
fdjnitte, 21, 15—26, 32, ftellt, in ben Kommentaren unb Unterfudiungen eine
fo geringe Rolle fpielt. ©ber ift es fein Problem, bafe £utas feine £efer hier
nid)t weniger als fünf Pernehmungen bes paulus miterleben läfet, bie bod)
alle in bem pro3efe bes Paulus nur ein grofees Ritatbanbo bedeuten? Unb
i) natürlich fann bas Derfd)weigen bet Kollette burd; eine Quelle oeranlafet fein, bie
jivar bie Reifebegleiter nannte, aber ben Jwed ihres Illitreifens üerfdjtüieg. Pber Eufas be»
arbeitet ja (eine Quellen aud) fonft; alfo mufe bie Sdjweigfamteit bes Beridjtes lefetlid)
bod] auf ifen jurüdgeijen.
' l) Hadjträglidj fei biet bemerft, bafe ber Beridjt über ben Aufflanb ber Silberfdjmiebe
19,25—40 jroar bie TRiffion bes Paulus als Ausgangspunft nennt, ben Apoftel felbft aber
nie jum Raubein tommen läfet (f. 19, 3G). (ir gcljört alfo nidjt ju ben Paulusnadjridjten.
11. Paulus in ber flpo jtelgefdjicbte 179

mufj nid?t aud? bas immer als problematifd? empfundene (Enbe ber Apoftel»
gefügte in Derbinbung mit biefen Detnehmungen erft recht rätfell?aft er»
fd?einen? Warum hört ber Derfaffer plöhltd] ju erjagen auf, nachdem er eben
nod? in breiter Darftellung bie Derhanblungen gemildert hat? Warum prä»
lubiert er in ben Derhörfjenen fo ausführlid? bem proje^, wenn er biefen
(unb feinen Ausgang) bann bod? nidjt barftellt?
Weldjes 3ntereffe ben Derfaffer leitet, fann ein Überblid über bie fünf
Derhöre jeigen.
1.22, 30—23, 10: Der SI?iliard? entläßt paulus aus ber f?aft, er befiehlt (!),
bas Synebrium jufammenjurufen, unb {teilt (!) ihn oor bie oerfammdten
Synebriften. paulus fagt nur ben einen Sa^: er fei Pharifäer unb Sol?n (=
Schüler?) oon pi?arifäern; abgeurteilt werbe er wegen ber Hoffnung auf bie
Hotenauferftehung. Das fdjeint alfo bie Summa feiner Derteibigung ju fein.
Darauf Humult in ber Derfammlung unb erneute Sdju^aff.
2. 24,1—23: Dor $elij oerteibigt fid? paulus gegen bie Aborbnung bes
Synebriums: er habe weber im Hempel nod? in ben Synagogen nod? fonft
in ber Stabt einen Aufftanb angejettelt; er fei frommer Jube unb oertrete
bie Seifte non ber hoppelten Auferftehung (ber ®ered?ten wie ber Ungeredeten).
(Er fei bei einer Weilje im Hempel betroffen worben unb l?abe fid? oor bem
Synebrium jur Auferftehung befannt.
3. 24,24.25: Dor §elij unb Dtufilla rebet Paulus über ©eredjtigfeit,
(Enthaltfamteit unb bas fommenbe (Bericht.
4. 25, 6—12: Dor $eftus oerteibigt fid? paulus abermals gegen eine
Abordnung aus 3erufalem: er I?abe weber gegen bas (Befeh nod? gegen ben
Hempel nod? gegen ben Kaifer gefreoelt; er appeliere an ben Kaifer.
5. 26, 1—32: Dor Seftus unb Aerobes Agrippa II. oerteibigt fid? Paulus
wieber mit bem Befenntnis jur Derljeifeung, bie ben Dätern juteii warb. Aus
ber hier jum dritten ITlal erjählten Befehrung$gefd?id?te geht heroor, bafe ber
Ruf an Paulus oon bemfelben (Bott fommt, ben and? bie Suben oerefren,
bafj bie Botfd?aft bes paulus oon Seiben unb Auferftehung bes Hleffias rebet,
wie es IRofe unb bie propf?eten aud? getan haben, unb bafj ber (Begenftanb bes
Streites, bie Auferftehung, ber Derheifjung entfpridjt, bie „ben Dätern" gegeben
warb.
Selbft wenn Paulus bei feber biefer (Belegenheiten fo gerebet I?aben follte,
würbe bie Breite ber Darftellung bei fo ähnlichem Stoff auffallen. Die Kapitel
24 unb 25 ber Apoftelgefdjidjte gehören ju ben „profanften" Kapiteln bes
Heuen Heftaments; gegen ihre Dertürjung würben weber (Brünbe bes (Blau»
bens nod? 3ntereffen gefd?id)tlid?er Art angeführt werben tonnen.
3n ber Hat finb es anbere (Erwägungen, bie ju biefer Darftellung geführt
haben. Wenn berfelbe Derfaffer in ben Kapiteln 2; 3; 10; 13 Prebigten faft
gleid?er Struttur wiebergibt, bie oerfdjiebenen Apofteln, Petrus unb Paulus,
in ben TRunb gelegt werben, fo tut er bas, um ju beweifen, bafe djriftlidje
Prediger unter folgen Umftänben fo reben follen. Wenn Paulus in ben fünf
12*
180 11- Paulus in öer Apojtelgejdjidjte

f?ier unterfucfeten Derfeörfjenen immer wieder öas gleidje ju feiner Derteiöü


gung fagt, fo will öer Derfaffer öamit den Triften feiner Seit den Rat geben,
Siefeiben öebanten ju iferer Derteidigung ju gebrauchen. Sie fallen betonen,
bafe fie fid? webet gegen ben Kaifer nod? gegen ben Hempel nod? gegen bas
©efefe erhoben feaben, unb bafe ber wefentlicfee Sireitpunft jwifdjen ifenen
unb ben 3nöen bie $rage ber Auferftefeung ift. Die ©feriften feaben bie befte
jüöifdje Überlieferung auf iferer Seite, wenn fie glauben, bafe bie fjoffnung
ber Däter, öie fluferftefeung öer Hnbjeit, in öem einen Sali öes Itteffias bereits
nerwirflidjt woröen unö öamit öie Seit öer Dollenbung angebrodjen fei.
3m Rafemen öes Paulus'Projeffes gibt £utas alfo eine Darftellung öes
cferiftlidjen (glaubens ju apologetifdjem Sroed, unö nur öaöurdj ift feine
Sdjilöerung öes projeffes fo ausfüferlicfe geworöen.
©anj anöers ftefet es mit öen beiöen Sdjlufefapiteln, öie öie Reife nad]
Rom befeanöeln. Reifenacferidjten im üblidjen Stil, Stationen wie Perfonen
befeanöelnö, finöen fid] nur 27, 1—3 (Sacfarea bis Siöon) unö 28, 7—16
(Hlalta bis Rom). Die Ijauptmaffe bilöet öie Sdjilöerung öer Seefafert unö öes
Sdjiffbrudjs 27, 4—44. Don öiefen 41 Derfen befaffen fid] nur 19 mit Paulus;
öie Wenge öer übrigen Derfe bilöen eine öerliterarifdjenSeefafertsfdjilöerungen,
wie fie in öer griedjifdjen £iteratur fdjon Konvention geworöen finö1). 3n
öiefe finö ein paar PauIus=Hpifoöen feineingeftellt: ein Safe 27, 10, öer nad;
27, 21 als IDarnung oor Weiterfafert gelten foll, obwofel öas nidjt eigentlich
ausgefprodjen ift; ein Hroftwort unter Berufung auf eine Hngelserfdjeinung
27, 22—26; ein guter Rat an öen Henturio unö eine (Ermunterung an öie
erfdjöpfte IRannfdjaft ju effen 27, 30—35 unö eine turje ©rwäfenung öes
Apoftels 27, 432). Die Seefafertsfdjilöerung, öie öas ©anje befeerrfcfet, öient
jum Rufern öes IRenfdjen Paulus, feiner Umfidjt, feiner Derbinöung mit
IRädjten öer feimmlifcfeen Welt, in öiefem Sali mit einem (Engel, unö feiner
Unerfdjrodenfeeit. Das finö profane ©efidjtspuntte, wie fie fonft in ber Apoftel*
gefdjidjte nidjt oft begegnen. Diefe Betradjtungsweife feerrjdjt aber audj in
ber Walta*Anetbote 28, 1—6. Dafe Paulus oon einer Diper gebiffen wirb,
gilt ben Ijeiben bort als Befunbung ber Dife, bie einen Straffälligen nidjt
enttommen läfet; bafe er bas Abenteuer überftefet, fdjeint ifenen bie (Epipfeanie
eines ©ottes in öer ©eftalt bes Apoftels ju vertünben. Alan tonnte an £yftra
Acta 14 erinnern, wo öie Apostel für ©ötter gefealten weröen. Aber öer Unter*
fdjieö ift unüberfefebar: öort wirö öie Derwed]flung mit ©Öttern vom erften
©rjäfeler für ftrafbar gefealten unö öementfpredjenö abgewiefen; feier öient
öer Safe „fie fagten, er fei ein ©ott" als ein Rufemestitel, mit öem öie (Er*
jäfelung triumpfeierenö fdjliefet. Das ift feeiönifdj empfunöen, nidjt djrijtlicfe.
’) Das feat Sbuarb Horben, flgnoftos CETjeos 313ff., gezeigt.
Dafe öiefe PaulusWotfeen etwas tünftlid? in öie literarifdje Seefafertsfdjilöerung ein«
gefügt ftnö, jeigt fidj feier darin, bafe bie Sortfefeung ben flpoftel gar nicfet trtefer berüdfidjtigt:
es wirb 27, 43. 44 gefügt, bafe ein Seil bet Sdjiffbrüdjigert an Eanb [djwitnmt, ein anoerer
üeil fid? auf planten, ein dritter auf anoeten Sdjiffstrüntmern rettet. Auf weldjetn Wege
aber pdulus an bas £anb gelangt, erfaßten wir nidjt
Regifter
(43,2 = S. 43, flnm. 2)

A. Bibelf teilen
Altes ©eftament
©en. ©cd.
1,27 36. 50 9,7 65,3
2,7 45 3ef.
8,9 37,3 25,6 65,3
9,6 50 31,1 34
«E- 40,19f. 52
20,11 65,3 44,9-20 52
40,6 52
Deut.
52,7 21
32,8 31
54,17 42,1
I.Kön. (HI. Reg) 55,6 34
18,2. 13. 26 65,3
3er.
II. Kön. (IV. Reg.) 2,5 65,3
17,15 65,3 8,19 65,3
©sra 29,13 34
7,11-9,5 171 Dan.
8 31
Relf.
171 flmos
1,1-7,5
9,11t 83. 87. 153
10-13 171
3ubitt?
11,17 42,1
4,17p 65,3
12,13 65,3
Pi- Sap. Sal.
4,8 65,3 7,18 32,1
9,9 53 13,6 34
24,3. 6 34 13,10-14,2 52
27,8 34 13,10 52,2
49,2 41,1 15,7-17 52
50,9f. 44 15,17 52,2
90,13 53 Hob.
98,9 53 171
1,2-3,6
Prou. Sit.
30,26 36,2 9,10 65,3
182 Regijter

17,3 50 24,47 98,1


31,28 65,3 24,49-51 164
Gp. 3er. 3ob.
25,38 42,1 9,8f. 20
II. IRaft. flct.
14,35 44 1-12 94. HOf. 163. 164
in. matr. 1-5 15f. 16. 150. 163,
2,9 44 164
6,11 65,3 1 108
Ut 92. 108. 118. 165
Heues Gejtament 1,2 81 f.
rnt 1,3 165
1,4-11 150,1. 164. 165
5-7 158
l,4f. 130,1. 150. 154,4
12,10 122,1
Vf. 130,1. 150
26,15 122,1
26,27 1,8 11. 118. 164
122,1
1,9-11 109
mt. 1,12 150,1
3,2 122,1 l,13f. 16
3,10-12 15f. 16,1 1,13 165
5,39f. 22 f. 1,15-26 165
5,40 18,2 1,16-22 130,2. 150
14,10 122,1 1,22 98,1
14,23 122,1 2,1-41 20. 94
£1. 2,1-12 109
1,1-4 61,1. 79. 108f. 118 2,5-11 92
127 f. 2,9 82
1,1 91 2,14-36. 38 f. 10,3. 72. 93. 104f.
1,3 176 116. 142f. 152f. 179
l,5ff. 61,1 2,36 31,1
3,15 17,2 2,38 53
3,19f. 17,2 2,40 153
4,17-27 158 2 42 16
6,20-49 158 2,43-47 16
7,25 52,1 2,44 112
8,1-3 17,2 3,1-10 19f. 25,3. 77. 109
8,41 52,1 3,1. 3f. 164,1
8,53 18,2 3,11 20. 77. 164,1
9,9 17,2 3,12-26 10,3. 20,1. 72. 77. 93.
9,48 52,1 104 f. 116. 130,2.
11,13 52,1 138,1. 142 f. 152 f.
21,24 31 179
21,35 37,3 3,17 53
21,37f. 17,2 4,1-22 162,5
23,5 98,1 4,1 138,1
23,50 52,1 4.4 16
Begijter 183

4,8-12. 19f. 130,2. 150 8,25 16


4,13 111. 164,1 8,26-39 20f. 106. 109. 139
4,19 164,1 8,31-35 103
4,24—31 138,1 8,31 85
4,24-28 10,3 8,40 20. 106. 175,4
4,25 82 9,1-30 16. 176
4,32-35 16. 16,1. 21 9,1-19 27,3. 61. 94. 111.
4,34f. 112 136,2. 137. 152. 175
4,36 f. 21. 112 9,4 160
4,36 26 9,15f. 97
5,1-11 21. 109. 112 »,27f. 169,1
5,12-16 16. 16,1 9,31 16. 112
5,13 82 9,32-35 18. 109
5,17-42 162,5 9,36-42 10. 18. 109. 116
5,17 15. 82 9,43 18,1
5,27-40 130 10,1-11,18 16. 19. 85. 87. 88.
5,29-32 130,2. 142f. 152 96-107. 115. 116.
5,33 54 128. 139-141. 151.
5,35-39 130,4. 159f. 155. 156
5,39 162 10,1-48 77. 94. 109
5,42 16 10,1-4 98
12 16f. 146. 150. 164 10,2 105,1
6,1-6 155 10,5f. 18,1
6,2-4 130,1 10,5 97
6,5 17 10,9-16 77. 98f. 104
6,7 16. 112 10,17. 19 105,2
6,8-8,3 16. 28. 94. 109 10,20 105 f.
6,8-15 145 10,23 100
6,9 82 10,24-26 99
6,12 175,1 10,25 77
6,15 97. 175,1 10,27-29 77. 99f. 104
7,2-53 91. 130. 138. 10,27 104
143-146. 151. 152 10,28f. 103
7,48 41 10,28 98. 99. 100,1. 104
7,54-8,2 145,1 10,32 97
7,54 54 10,34-43 10,3. 72. 93. 97,1.
7,55f. 145 97f. 100,1.104 f. 116.
7,55 97. 175,1 130,2. 138,1. 142f.
7,58 16. 111. 175f. 152. 179
7,59 175,1 10,35 46,1, 100,1
8,1 16. 111. 175f. 10,36f. 82 f.
8,2 175,1 10,42 53
8,3 16. 94. 175f. 10,44 54. 96. 138,1
8,4 16. 175,4 10,45 100
8,5-8 22,1 10,48 100. 101. 104
8,9-24 22. 116 11,1-18 96 f. 100. 104
8,14 164,1 11,3 99
184 Regijter

11,5-17 130,2 13,42f. 13,2. 167,4


11,5-10 98f. 13,43 169,1
11,12 100 13,45 129,1
11,15 97 13,46f. 15,1. 168,5
11,16 97,2 13,46 129. 169,1
11,18 17,4 13,52 22,1
11,19-26 139 14,1 68,1
11,19 16. 175,4 14,3 169,1
ll,20f. 103. 106 14,6f. 13. 77f. 168
11,20 17 14,6 66,1. 93,3
11,23 169,1 14,7 25,1. 33,3. 68,1
ll,25f. 176 14,8-18 13. 25. 66. 78. 93,3.
11,28-30 17 117. 168. 180
11,28 12,2.167 14,14-18 173,1
ll,29f. 84 14,15-17 49.59.65,3.67.130,3.
11,30 95. 176 133. 146, 167
12,4 26. 27 14,15 15,1
12,5-17 10. 25f. 109. 116. 14,16 53
162,5 14,17 32
12,17 87 14,18f. 78
12,18f. 26 14,20 13. 78
12,20-23 24. 79 14,21 13. 68,1
12,22 33,3 14,22f. 13
12,23 176,1 14,22 169,1
r 12,24 16 14,25 167
12,25 17,5. 176 14,26 169,1
13-28 141. 150. 163f. 15,1-35(34) (10. 13,4) 163. 167
13,1-21,18 93. 93,1. 94. 110. 176,3
141,1. 167 15,1-29 84 90.140f. 155.156
13-14 12f. 64. 77. 176 15,1-21 101-103
13,1-5 13,4 15,3 22,1
13,1-3 16. 168,5 15,7-21 61. 115. 130
13,1 17. 163 15,7-11 130,2. 153
13,6-12 116 15,7 94
13,6f. 21. 168,1 15,10f. 10
13,6 79,1 15,13-21 130. 153
13,7 68,1 15,16-18 83
13,8-12 21. 168. 168,5 15,19f. 10
13,9 13,4 15,21 83
13,12 68 15,23-29 95.102,6
13,13 13,4 15,26 61,3
13,14 13,2 15,33f. 78f.
13,15 143 15,35 -21,16 12f. 64
13,16-41 13. 72. 93f. 97. 104 f. 15,36-18,23 176
116. 142f. 152. 153. 15,40 78 f. 169,1
167. 179 15,41-16.5 178
13,27 53. 83 15,41 177
Hegijter 185

16,1-10 169f. 17,30 54,1. 65,3


16,4 89 17,31 37,3. 54,1. 58, 59,1
16,5 17,5 62
16,6-10 69. 113. 128f. 177 17,32-34 72
16,6-8 12. 71 17,32 66,2. 69,1
16,6 169,2. 170,1 17,33 63. 66
16,8 83 17,34 13,3. 66 f. 68. 69.
16,10-17 64. 71. 93,1, 119. 167 167,4
16,11-15 12,4, 65 18,1-17 168,5
16,11 167 18,1-4 65
16,16-24 168,3 18,4 68
16,23 27 18,6f. 15,1
16,25-34 26-28. 78. 116. 117- 18,6 129. 168,5
162,5. 168 18,14f. 130,1
16,35-40 27. 78 18,19 68
16,35 33,3. 168 18,22f. 12
16,40 169,1 18,22 167
17,1-9 12,4. 13. 65 18,24-28 168,5
17,1 167 19,1-22 176
17,2 68 19,8f 68
17,10-15 13 19,8 169,1
17,11 47,2 19,11-19 23. 168
17,16-34 114f. 19,20 13
17,16 21 60-64. 92. 118. 131. 19,23-40 168,5. 178,2
133. 151. 154 19,25-27 130,4. 138. 150
17,17 68 19,35-40 130,4. 150
17,18-21 72f. 168,5 20,1-21,14 176
17,18 13,3. 53,2. 66,2.162,5 20,1-3 12. 170. 177 f.
17,19-34 29 20, lf. 169,1
17,19f. 69,1 20,2 f. 71
17,19 79,1 20,4 151. 170. 178
17,22-31 13. 72 f. 105. 130,3. 20,5-15 64. 71. 93,1. 119. 167
131-133. 138. 141. 20,5 170
146. 151. 152. 167. 20,7-12 22f. 78. 116. 168,4
168,5 20,7. 9 ' 68
17,22f. 29f. 38-41 20,13f. 110. 167
17,22 61. 62 20,16 178
17,23 53. 56 20,18-35 72. 130,3. 133-136.
17,24f. 30. 38. 41-45 141. 151. 155. 167.
17,24 37,3. 65,3 169
17,25 51f. 54,1 20,22 178
17,26f. 30-38. 45 20,23 152
17,26 29. 59,1 20,24 169,1
17,28f. 30. 38. 45-53 20,25 10. 178
17,28 35,1. 160 20,29f. 10
17,29 30,1. 57 20,32 169,1
17,30f. 30. 38f. 53f. 20,38 178
186 Regijter

21-22 151,1 25,4t 154,4


21,1-18 64. 71. 93,1. 119. 167 25,6-12 10. 129. 179
21,4f. 178 25,8 147
21,8 20. 175,4 25,23-27 14
21,10-14 136 25,24-27 . 130,4. 150
21,10-13 178 26,1-32 10. 14. 179
21,10 17,5 26,2-23. 25-27 129.130,3.138.148f.
21,14 164 152. 154
21,15-26,32 178-180 26,3 83
21,16 167 26,6-8 146.149
21,17-28,31 14f. 26,9-11 152
21,17 15 26,12-18 11. 27,3. 61. 136,2.
21,25 89 152
21,26 164 26,14 153f. 160-162
21,27-22,24 130,6 26,16-18 97
21,40 14 26,16 83
22-28 117 26,20 83
22-26 92. 93 26,24 54
22,1-21 129. 130,3. 136-139. 26,26 9
141. 146. 148, 151. 26,32 178
152. 153 27-28 14. 178. 180
22,6-21 11. 27,3. 152 27,1-28,16 71. 167. 173f.
22,6-16 61 27,1-44 117f.
22,7 160 27,9-11 173
22,14f. 97 27,10 180
22,17-21 152 27,21-26 130,1 u. 3. 150. 173.
22,22 14. 54 180
22,30-23,10 14. 179 27,30-35 180
23,1-6 129 27,31 173
23,6 146. 149 27,33-36 173
23,7 138,1 27,33f. 130,1
23,23f. 154,4 27,43f. 15,1. 95,2. 173. 180
23,26-30 89 28,1-6 15. 15,1. 25. 180
23,30 61,3 28,3-6 173,1
24-25 179 28,16 79,1
24,1-23 10. 14. 179 28,17-20 130,3
24,2-21 130 28,23-28 15,1
24,2-8 130,4. 146f. 28,24 f. 129
24,6-8 130,5 28,25-28 168,5
24,10-21 129. 130,3. 146-148. Röm.
154 1-3 57
24,15 146. 149 1,20 56
24,17 61. 151 f. 178 1,23. 25 57
24,19 83 2,14-16 57,1
24,21 146. 149 3,26f. 58
24,22 130,5 3,25 53,1
24.24f. 129. 179 5,10 57
Hegifter 187

5,12ft 37,2 4,13 177,1


7,17. 20 57 6,7 160,3
11,26 31,1
1. Kor. 2,21 31,1
67
Pbil.
1,18 70,1
4,8 56,1
6,9 160,3
Kol.
9 134
176 4,14 92. 118
15,9
15,11 143 1. Shell.
15,33 49,1. 160 2,5-12 134
11. Kor. 2,8 134,2
3,18 58 2,15f. 129
5,20f. 57 2,16 134,2
11,7-11 134 3,1 69
4,13 134,2
©al.
l,13f. 17b 11, ©im.
l,15f. 136,2 4,11 92. 118
1,16 138 ©it.
1,18 176,1 1,12 48
1,20-24 84
Pbm.
1,23 176,2
24 92. 118
2,1-10 84-90. 101. 102,5
107. 140 3at.
176,1 l,16f. 160,3
2,1
2,11-21 140 1. 3oh-
2,11-14 86. 89. 99. 107 2,5 57
4,13f. 169,2 5,18 57

B. HItfird]lidies Sd^rifttuin
Acta Joh. 181. 60 62 172 Athenagoras
Acta Phil. 33. 63 172 suppl. 23,1 52,2
Constit. apost. VI 12 102,2 Augustinus
c. Faustum 31,3 98,2
Didasc. syr. 24 102,2
Chrysostomus
Ep. ad Diogn. 3,4 45
liom. in Tit. (1,12) 48,4
Ev. Ebion. 172
Clemens Al.
Ev. Petri 261. 591. 172 ström. I 91,5 49
Praedic. Petri 43,1. 45 VI 39,3 43,1
Protev. Jac. 1811. 172 Clemens Rom.
ad. Cor. I 20,4 35,1
Aristides 20,9 32,1
apol. 1,41. 45,1 40,2.4 35,2
13,1 52,2 52,1 45,1
17,4 53 Didymus 39,5
188 Regijter

Dionysius Cor. 68,2 Irenaeus


Epiphanius c. omn. haer. III 12,14 102,2
haer. 30,13 172,2 Ischodad
Eusebius comm. in act. ap. (17) ,71. 50,3
hist. eccl. III 39,3 127,1 Isidorus Peius.
IV 23,2f. 68,2 ep. IV 69 40,1
praep. ev. 1 8,4 43,2 lustinus Mart.
VI 13 43,2 apol- I 9,1 52,2
XV 15,7 32,1 Lactantius
Eusthatius Thess. 60,3 div. inst. VI 25,3 51
Hieronymus Tertullianus
comm. in Tit VII 707 39,5 ad nat. II 9 39,5
Ignatius adv. Marc. I 9 39,5
ad Eph. 16,1 160,3 Theophilus
ad Philad. 3,3 160,3 ad Autol. II 2 52,2

C. ®ried)ifd)e Sd) ri ftf teile r


Aelius Aristides 12,5 Athenaeus
in Jovem 23 45,3. 46,6 deipnosoph. VIII 60,3
24 32,1 Callimachus
Aeschylus in Jovem 8f. 48,5
Ag 1624 161 epigr. 27 49,2
Aetius 32,1 Cleanthes 32,1
Antipho Soph. 43,2 in Jovem 3-5 491.
Appianus Chrysippus 46,6
bella civ. 11 37. 55 154,3 Demosthenes
58 155,1 or. XVIII 127 60,3
III 28. 44 154,3 Dio Cassius
63 153,1 38,36-46 137,1
72. 861. 154,3 Dio Chrysostomus (Prus.)
Hisp. 40. 87. 95 154,3 or. XII 27f. 46,3f.
Pun. 57-64 130 60 36,1
64. 86. 90 152,2 XVIII 14 124
Sam. 10,6 153,1 XXX 26 51,1
10,15 155,1 Diogenes Bab. 52,1
Syr. 3 154,3 Diogenes Laertius
Aratus I 10, 110 40
phaen. 5. 7-9 35,1. 49 112 48,8
Aristoteles VI 9, 105 43,2
Athen, pol. I 1 40,2 Dionysius Halic. 125,1
de mundo 5 32,1 de imit. 3,2 124,5
6 32,1. 43,2 ad Pomp. 3,20 123
16 49,1 Duris
Arius Didymus 32,1 frgm. 1 123,3
Arrianus Epictetus
peripl. 171 diss. 111 24,24 162.4
Regifter 189

Euripides Menander
Bacch. 45 162,3 Thais 49,1
21G. 219. 256. 272 162.5 Orphica
325 162,3 frgm. 21a 45,3
432-654 26,3 Parmenides 43,2
576ff. 162,5 Pausanias
794f. 161 I 1,4; V 14,8 39,3
1255f. 162,3 Philo Alex.
Here. für. 1345f. 43 Abr. 87 34,2
Iph. Taur. 1396 161 Cher. 44. 119. 123 44,1
frgm. 604 161 128 46,6
Galenus decal. 66-75 52,2
32,2 det. pot. ins. 54-56 42,5. 43,1. 44,1
def. med. 11
Deus immut. 53 42,6
Corpus Hermeticum
56 f. 44,1
5,2 36,1
leg. all. I 6 46,6
6,1 43,2
44 43. 44,1
llcrodotus 123. 124. 125,3 opif. mundi 136-43 37
VI 105 40,1 post. Caini 15 34.2. 35,3
Homcrus sacr. C. et Ab. 94- 101 42,6
I!. 2, 87. 459 36,2 spec. leg. I 21f. 52,2
Josephus 32 34
antiqu. I 21,3 152,2 36. 40 34.2
11 3,1 152,2 48. 74 49,1
6,8f. 125,2 345 34,2
IV 6,4 37,4 vit. Mos. I 303 41,2
VIII 1,1 165,2 II 88. 165. 168 41,2
4,2 42,6. 46,5 Philodemus
4,3 44,3 de piet. 15,14 52,1
XV 5,3 121 Philostratus
XVI 11,5 138,2 vit. Apoll. IV 45 23
XVII 9,5ff. 14 VI 3 40. 40,4
XIX 8,2 24 Pindarus
XX 5,lf. 159f. Pyth. II 94ff. 161
Plato 44,1. 124
c. Ap. 11 1 165,1
apol. 19b. 23b 34.1
bell. Jud. I 19,4 121
t< n r rt Crat. 396 a. b 45,3. 46,2
11 2,51f. 14
Euthyphro 13a-d 42,4
III 8,5 125,2
Gorg. 457 d 34,1
V 9,4 159,1
leg. X 886a 32,1. 35
lulianus
Phileb. 26b 32,1
or. VIII 246 161,1
res publ. 499 a 34,1
Lucianus symp. 188a 32,1
Cyn. 12 43,2 Theaet. 201a 34,1
Peregr. 32 134,1 Tim. 34b 43,2
Marcus Aurel. Ant 37c 46,6
11 13,1 34,1 40 d 50,3
190 Re giftet

Plutarchus Suidas 43,2


Cat. ma. 354 F 43,2 Thucydides 124. 125,3
de E ap. Delph. 385 C. D 34,1 I 22 1221. 142
de plac. philos. 1 6,10 32,1 Tiniaeus 125,1
de Stoic. rep. 1034 B. 1052 E 43,2
Timagenes 50,1
Polibius 124
Xenophanes 43,2
III 111,11 153,2
XII 261,5 125,1 Xenophon 124
XXI 14,4 153,1 Ueli. 1 1,23 153.2
Orac. Sibyliina 11 4,42 153.1
III 12 43,1 VI 5,37 138,2
XIV 62 VII 1,2-14 130
Sophocles mem. I 1,1 60,4
Oed. rex 807ff. 162,2 L15 34
frgm. 622 162,1 4,10 42,3
Stobaeus
ecl. I 8,42 46,6 Inschriften und Papyri 31,1. 32,2. 161,2

D. £ateinijd?e Sdjriftfteller
Apuleius Plinius
Asclep. 41 43,2 nat. hist. 11 174 33,1
Plat. I 5 43,1 Sallustius 124. 154
Cato Catil. 20,2-17 124,2
or. 1 171 51. 52 ' 130
Caesar 154 51,1- 43 124 2
137,1 61,5-6 159,1
bell. Gall. I 40
52,2-36 124 2
Cicero 54 124 2
Brut. 287 124,1 58,1-21 124,2
fam. V 12 § 4 123 3
lug. 22,2-4 124,2
de nat. deor. II 19 32,1
109,4 153,2
29 63,1
de opt. gen. or. 5,15 124,1 Seneca
de rep. VI 19f. 33,1 ep. 41,1 f. 51,2
Tusc. disp. I 28 32,1. 33. 35 95.47. 50 42.2. 51f.
120,14 51,3
Ennius 33
nat. quaest. I praef. 8. 33,1
lustinus 12 51,4
38,3, 11 154,1
Tacitus
Livius 125,3. 154
ann. XI 24 121. 157,2. 159,1
XXXIV 8,41. 171
Trogus Pompeius 154
Lucanus
Vergilius
IX 580 46,6
georg. I 2371. 33,2
Lueretius
II 650 43,2 Inschrift 121
*1

Regijter 191

E. Autoren öer Hei^eit


Albert} 9,1 Ijolkmann, (D. 31,2
Bauernfeinö 86, If. 88,4. 91,1. 96,1. fjoljner 67,1
97,1. 98. 100,1. 101,2. 3adfon 47,3. 79,1. 159,2. 167,2
104,1. 105f. 144,1. 3acquier 31,3. 98,2
Baur, S. Gl?r. 116. 149 3aeger 39,2. 56,1
Beljm 37,1 Jeffen 39,7
Bertram 9,1 3ubeid) 63,4
Berne 122,2 Jülidjer 95,1. 125,3
Beyer, tj. U). 42,2. 144,1 Kapp 122,2
Birt 39,2. 40,3. 51,5. 55,1 Köhler, ID. 60,1
Blab 98,2. 101,2. 126,2 Kümmel 95,4. 161,1. 162,1 f. 177,3
Borntyäufer 39,6. 63,2 £afe, Kirfopp 31,4. 39,2. 47,3. 48,6.
Braun 121,2 49,1. 53,3. 63,1. 79,1.
Bultmann 9,1. 126,3 82. 88,2. 159,2. 160,2.
dabbuty 32,2. 65,3. 82. 88,2 167,2. 169,2
125,3 £atte 123,3
Goot 48,6 £e(fing 34
Corden 39,2 £ö[d; 147,1-8
duttius, d. 29. 55f. 62. 63,2. 73 £oisy 29. 85. 86. 91,1. 97,2
Debrunner 126,2 Cufdjnat 122,2
Deffner 122,2 £ut(?er 57
Deifemonn 39,4. 46,2 Bleyer, db. 10. 14,2. 29. 39,2. 60,3.
Dibelius, (D. 144,1 91,1. 125,3
Diels 48.8 Rlünfdjet 124,3 u. 5
dgermann 122,2f. 123
IRunble 144,1. 145,2
diijfelbt 171,3
TRunjinger 67,1
Saftet 95,1. 125,3
Heftle, ID. 161,1
glietle 125,1
56,2 Korben 12,2. 14. 29. 36,1. 39. 40
gribtid)fen
42,7 46,6. 48,6. 60,2-5. 114.
®ef(den
180,1
®ibfon 47,1. 48,1
®oobspeeb 80,1 ©epte 161,1
®reeuen 43,3 Oppermann 154,2
®refemann 47,5 ©oerbect 86. 144,1
SroBtinfty 122,2f. 123 Patjer 122,2f.
®untel 9 Peter 137,1
Ijarnad, £1. ». 12,3. 29. 39,2. 50,2. 57,2. plüfe 39,2
61,1. 65,1. 71. 80,1. 93,2. Pollen} 38,1. 49,1. 122,2 u. 4.
119. 170 132,3, 160
tjarris, RenM 47,If. 48,1 u. 6 preufcben 17,1. 22,2. 102,3. 144,1
Qepbing 39,4 Ramfay 62,3. 73
l?ir[d? 131,2. 136,2 Regenbogen 120,2. 122,2. 124,6
tjoffmann, 2. 50,4. 52,1. 60,1 Rei^enftein 39,2. 123,3
Rollten 116 Ropes 83. 88,2. 130,5
tjol^mann, f?. 3. 144,1 Salis, fl. o. 63,4
192 Regifter

Sdjabewalbt 120,1.122,2 3abn 18,3. 21,1. 23,1. 24,2


Sdjaefer, fj. 120,2 25.4. 27,1. 36,2. 39,2.
Sdpnib, £. 161,1 47,3 U. 5. 48,8. 50,1.
Sdjmib, ID. 59,1. 132, If. u. 4.133,1 f. 79,1. 99. 160,2
Sdjinibt, K. £. 9,1. 20,4
Silierte Schriften oon Bl. Dibelius.
Sdjnedenbutger 150,2
Sdjubert, tj. u. 112 Die gormgefdjidjte bes Goangeliums
Sdjü^, R. 10,2. 20,1. 24,2. 25,3. 9,1. 10,3. 11. 12,1, 18,2.
26,3 97,3. 142,1
Sdjulje, Ij. 134,2 Sefdjidjte ber urdjrijtl. £iteratur
Sdjwar^, <£b. 22,2. 122,2. 152,2 33,3.85,2.91,2.96.126,1
Seb meiner, fl. 65,2 163,1
Smenb, g. 161,1 Paulus (Dibelius'Kümmel)
Sorof 102,3 95,4. 177,3
Spröborofty 121,2. 125,2 Aerobes unb pilatus (3RID) 10,3
Strebel 123,2 3ur gormgefdjidjte bes Rd (aufecrljalb bet
Surtau 145,1. 175,2 duangelien) (Sfjeol. Rbfdjau)
droeltfd? 112 20,6. 25,4. 145,1. 152,1
Dogt 121,1
Kommentare im fjanbbud) ?um HS.
IDeinreid; 39,2. 161,1. 162,5
Gpfjeferbrief 31,1
IDeifc, 3. 17,1. 105,1. 126,3
ptjiüpperbrief 56,1
IDellfjaufen 15,1. 17,1. 22,2. 85,1.
dbeffalonietbriefe 134,2
95,3. 97,2
Paftoralbriefe 47,4. 48,7. 135,2
IDenblanb, p. 15,1. 95,3 Jjermastjirte 26,1
IDenöt 86. 86,1. 101,2. 135,1. Budjbefpredjungen in
144,1 db. £it. 3tg. 17,5. 25,4. 79,1. 84,1
Ulifen^aufet 29. 39,2. 144,1. 177,2 167,2
UJilamotDitpIHöllenborf, U. d. Dtfdj. £it. 3tg. 14,2
49,2. 126,3 IDodjenfdjr. f. Haff. Pfyilolog e
IDinbifdj 161,1 17,5. 39,2. 40,4. 84,1

F. (Einleitungsfragen ber Apoftelgefdjidjte


Derfaffer unb Dertjältnis jum £utas-2oan» Das ^tinerat
gelium 12f. 15. 18. 22. 25. 27. 28. 64f. 66,1. 67-69.
9.10-12. 13,1. 14,2. 60,6. 65f. 77,1. 79-81. 71. 72. 77f. 93f. 95. 110. 113f. 128. 141,1.
85,2. 88,3. 91f. 95. 96. 108f. 110. U8f. 151,1. 167-170. 173
126-128. 157f. 163. 164. 165f. 175f. Det „weftlidje" Sert
Das dnbe bes Budjes 18,2. 19,1. 20,3. 22,3. 24,1. 25,1 f. 26,2. 27,1.
15. 117f. 129. 136. 164. 179 30,1. 33,3. 35. 36. 37,1. (47,2) 48,10. 53,2.
Die IDir,,Quelle" 58f. 64,1. 66,1. 76 79. 81. 83. 84. 86,1.
12. 14,2. 64f. 67,2. 71. 92f. 95. 119. 151,1. 88,4. (90,1). 98,2. 99. 102,1 106. 128,1.
166 f. 169-174. 177,3 130,5. 167. 168

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