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CORRADO AUGIAS

DIE GEHEIMNISSE
DES VATIKAN
EINE ANDERE GESCHICHTE
DER PAPSTSTADT

Aus dem Italienisen


von Sabine Heymann

Verlag C.H.Be
 

Zum Bu

Die Skandalgesite des Vatikan

Mit Corrado Augias betri der Leser den Vatikan dur die Hintertür: Der
Autor führt ihn in die Privatgemäer der Päpste, findet in dunklen Winkeln
Spuren vergangener Skandale, durleutet ungeklärte Vorfälle bei der
Sweizergarde und der Vatikanbank, besut die Zentrale des Opus Dei,
fragt na der Rolle des Papstes während des Zweiten Weltkriegs und
entdet die geheime Botsa großer Kunstwerke.
Corrado Augias versteht es meisterha, ungewöhnlie und überrasende
Gesiten aus dem Vatikan lebendig zu erzählen und mit seinbar
nebensälien Entdeungen zu einem faszinierenden Panorama der
zweitausendjährigen Gesite des päpstlien Rom zu verweben. Dabei
geht er mit einem einzigartigen Gespür für ungewöhnlie Zusammenhänge
und ohne Seu vor historisen Hintertreppen der Frage na, wie eine
religiöse Organisation in der Antike von einer verfolgten Sekte zum Staat
werden, in Renaiance und Baro eine atemberaubende Prat entfalten
und si bis heute als politise Mat behaupten konnte. Ein Lesevergnügen
auf höstem Niveau!
 

Über den Autor

Corrado Augias, geb. 1935 in Rom, ist einer der bedeutendsten politisen
und Kulturjournalisten in Italien, wo er außerdem als Fernsehmoderator,
Kriminalsristeller und eaterautor bekannt ist. Sein Bu Die
Geheimnisse Roms wurde im August  2009 zum «Sabu des Monats»
(NDR, SZ) gewählt.
INHALT

VORWORT
Die andere Seite Roms

I. EIN HAUS GANZ AUS GOLD


Nero und die Geburt des Christentums

II. DIE HELLEBARDIERE DES PAPSTES


Die Sweizergarde – die kleinste und älteste Armee der Welt

III. KREUZ UND SCHWERT


Die Konstantinise Senkung – eine Fälsung

IV. DER PREIS DES RUHMS


Wahnsinn als Projekt: der Petersdom

V. KIRCHE OHNE STIMME


Von Franz von Aisi zu den Basisgemeinden

VI. GENIES UND RIVALEN


Bernini und Borromini: Zwei Künstler prägen Rom

VII. DER QUIRINAL


Die abenteuerlie Gesite eines Palastes

VIII. GRÄBER DER POLITIK


Zu Ehren zweier Sünder im Petersdom
IX. RÄTSELHAFTE KRIEGERMÄNCHE
Aufstieg und Untergang des Templerordens

X. DAS UNRUHIGE HEER DES PAPSTES


Die Jesuiten zwisen Gehorsam und Verstoß

XI. GOTTES BANKIERS


Der üble Geru des Geldes

XII. DIE GÄTTLICHE KAPELLE


Mielangelo fordert die Ewigkeit heraus

XIII. 16. OKTOBER 1943
Die römisen Juden zwisen Hitler und Pius XII.

XIV. EMANUELA
Ein Mäden verswindet

XV. DAS TRIBUNAL DES GLAUBENS


Die Heilige Inquisition und der Kampf gegen die Ketzer

XVI. DAS WERK GOTTES


Opus Dei – Vita und Miracolo der «katholisen Freimaurer»

NACHWORT
Wenn eine Kire zum Staat wird

ANHANG
DANKSAGUNG DES AUTORS
DANKSAGUNG DER ÜBERSETZERIN
VERZEICHNIS DER IM BUCH GENANNTEN PÄPSTE
ERLÄUTERUNGEN
LITERATURHINWEISE
PERSONENREGISTER
Es gab eine Zeit, da habe i von einer Kire der
Armut und der Demut geträumt, die unabhängig ist
von den Mäten dieser Welt. Einer Kire, die den
Leuten Raum gibt, die weiter denkt. Einer Kire,
die Mut mat, vor allem denjenigen, die si klein
oder als Sünder fühlen. Einer jungen Kire. Heute
habe i sole Träume nit mehr. Seit i 75 bin,
habe i besloen, für die Kire zu beten.

Carlo Maria Martini,


Conversazioni notturne a Gerusalemme
(Nätlie Gespräe in Jerusalem)

VORWORT
DIE ANDERE SEITE ROMS

B
EI DEN HIER ERZÄHLTEN EREIGNISSEN geht es nit um den
Vatikan als höste Institution der katholisen Kire oder als Symbol
des Glaubens. In diesem Bu sind einige bemerkenswerte Gesiten
versammelt, in denen es um den Heiligen Stuhl – den Vatikan – geht, einen
autonomen Staat, der über Staatsorgane, ein – wenn au kaum mehr als
symbolises – Hoheitsgebiet, eine Flagge, eine Hymne, eine Währung und
eine – ebenso symbolise – Armee verfügt, außerdem über diplomatise
Vertretungen in aller Welt mit ordnungsgemäß akkreditierten Botsaern,
den Apostolisen Nuntien. Bemerkenswert sind diese Gesiten in
zweierlei Hinsit. Zum einen, weil sie natürli die jeweiligen politisen
und historisen Umstände widerspiegeln, denen sie ihren Ursprung
verdanken. Zum zweiten offenbart die Grausamkeit und nit selten au
Blutrünstigkeit dieser Gesiten, wel furtbaren Preis die katholise
Kire zu zahlen hae, um ihre geistlie Aufgabe mit der politisen Natur
eines Staates in Balance zu halten. Man könnte es als den Versu einer
Versöhnung von Himmel und Erde bezeinen oder, mit den Worten des
Evangeliums, von Go und Mammon.
Diese Vermisung ist von großen Persönlikeiten und aufgeklärten
Geistern, au aus dem Innern der Kire, immer wieder angeprangert
worden. Seit das Christentum mit Kaiser eodosius in der Mie des
4. Jahrhunderts Staatsreligion wurde, gab es keine Epoe, in der si nit
Stimmen erhoben häen zur inständigen Mahnung, die Kire möge auf
Gold und Purpur verziten und zur heiligen Beseidenheit der Ursprünge
zurükehren. Do die Fänge der Politik sind eisern, und die einzige Art
und Weise, si aus ihrem Griff zu befreien, wäre der mutige Sri zu einer
endgültigen Trennung gewesen, der aber nie vollzogen wurde. Die Stimmen
der Andersdenkenden sind eine kleine Minderheit geblieben. Als
Bereierung des Dialogs hat man sie bezeinet, bis heute allerdings ist es
ein Dialog unter Gehörlosen geblieben.
Diese grundlegende Ambiguität zeigt son die Figur des Summus
Pontifex.[1] Wenn der Papst das Wort ergrei, ist es fast nie ganz eindeutig,
ob er dies als Oberhaupt einer großen Religion, als Führer und Hirte seiner
Herde tut oder als Oberhaupt eines souveränen Staates, als Monar, der in
seiner Person alle Gewalten vereint: Legislative, Exekutive, Judikative. Son
im Titel signalisiert er seine doppelte Natur in einer der wenigen, wenn nit
der einzigen no existierenden absoluten Monarie, in der der Summus
Pontifex regierender Herrser auf Lebenszeit ist.
Denjenigen Lesern, die mehr über dieses mätige irdise Staatsgefüge
wien wollen, widme i am Ende des Bues ein Nawort, in dem unter
anderem au die notwendigen Unterseidungen zwisen «Vatikan»,
«Heiliger Stuhl» und «Katholise Kire» präzisiert werden.
Es ist eine weitverbreitete Annahme, da der Einflu, den die Kire
immer wieder auf weltlie Belange auszuüben vermag, ja vielleit sogar
ihr Überleben als Institution auf eben diese doppelte Identität
zurüzuführen sei. Mit Sierheit aber ist in den letzten zwanzig
Jahrhunderten Weltgesite die katholise Kire das einzige Beispiel
einer religiösen Konfeion, die in so strikter Form als Staat durstrukturiert
war und ist. In der klaisen Antike kam es vor, da die politise Mat
dur religiöse Funktionen kasiert wurde; nie zuvor aber war das
Gegenteil der Fall gewesen, da also eine religiöse Autorität au eine
präzise politise Physiognomie annahm, zumindest nit in diesem Ausmaß
und für eine sole Dauer. Ebenso unzweifelha ist, da, abgesehen von den
offensitlien materiellen Vorteilen, diese Konstellation ein großes
Gewit au für das eigentlie spirituelle Wirken der Kire hae, denn
ungeatet aller Anpaungsversue sind Go und Mammon nur swer in
Einklang zu bringen.
Der Leser wird sehen, da in den einzelnen Kapiteln des Bues emen
und Persönlikeiten von den Anfängen des Christentums bis in die jüngste
Zeit behandelt werden. Das erste Kapitel ist sogar einem Kaiser gewidmet,
der regierte, lange bevor der Vatikan die uns bekannte Gestalt annahm.
Streng genommen könnte man dies für einen Exkurs halten, der vom ema
wegführt. In einem umfaenderen Sinne jedo habe i gelegentlie
Absweifungen für notwendig eratet, um gewie Koordinaten zu ziehen,
die den Ablauf der Ereignie, die Gesamtheit der Fakten, das Profil oder den
Kontext der besriebenen Persönlikeiten beer verständli maen.
Über den Vatikan zu spreen bedeutet aber genau genommen au, über
Rom zu spreen. Vom 4. bis fast zum Ende des 19.  Jahrhunderts ist die
Gesite des Vatikans mit der Gesite der Stadt zusammengefallen.
Einige der hier vorgestellten Gesiten stellen im wahrsten Sinne des
Wortes das dar, was der Titel dieses Vorworts versprit, «die andere Seite»
Roms. Das Bu erhebt jedo keinen Anspru auf inhaltlie oder
ronologise Vollständigkeit. Es erzählt neben Gesiten von
anerkannter historiser oder zeitgesitlier Relevanz sole, die i
persönli für witig halte, aber au Gesehnie, von denen i dur
Zufall erfahren habe, zum Beispiel dur den Besu bestimmter Orte, die
Sauplatz der hier erzählten Ereignie waren – eben die andere Seite Roms.

Corrado Augias
I. EIN HAUS GANZ AUS GOLD
NERO UND DIE GEBURT DES CHRISTENTUMS

D
IE CHRISTEN IN ROM erlebten die ersten Verfolgungen lange bevor
das Gebiet des Vaticano und sein Name die für uns heute
gebräulie Bedeutung annahmen. In den Annalen besreibt Tacitus,
einer der größten Historiker der Antike, wie Nero mit den Todgeweihten
au no seinen Spo trieb:

Man hüllte sie in Tierhäute und ließ sie von Hunden zerfleisen, oder sie wurden, ans Kreuz
geslagen und für den Flammentod bestimmt, na Tagelu als Beleutung für die
Nat verbrannt. Für dieses Sauspiel hae Nero seinen Park zur Verfügung gestellt.
Zuglei veranstaltete er ein Circupiel, wobei er im Aufzug eines Wagenlenkers si unter
den Pöbel miste oder si au wirkli auf einen Wagen stellte. Dies führte dazu, da si
Mitleid regte, wenn au gegenüber Suldigen, die die swersten Strafen verdient haen:
Man nahm an, da sie nit dem allgemeinen Wohl, sondern der Grausamkeit eines
Einzelnen zum Opfer fielen.[1]

Das Leben der Christen in Rom, der Stadt, die zur Hauptstadt des
Katholizismus werden sollte, beginnt also auf die slimmste Art. Eine
Verfolgungswelle folgt auf die andere, einige, darunter die dur Diokletian
angeordneten, zeinen si dur unerhörte Grausamkeit aus. Die
Anhänger der neuen Religion haen einen sehr sleten Ruf. Der
Historiker Sueton sreibt im Leben des Claudius, da der Kaiser im Jahre
41 die Judäer aus Rom auswies, weil sie, dur Christus aufgewiegelt,
ständig revoltierten. Als Paulus kurz na dem Jahre 60 in der Kapitale des
Römisen Reies ankommt, erzählen ihm die Häupter der jüdisen
Gemeinde von den Anfeindungen, denen diese «Sekte» überall ausgesetzt
war. Sueton wiederum sreibt im Leben des Nero, da die Christen mit
dem Tode bestra wurden, weil man sie obskurer Praktiken verdätigte und
für gemeingefährli hielt.
In der zweiten Häle des 1. Jahrhunderts ist das Christentum nur eine der
vielen Strömungen des Judaismus, aber mit eigenen, swer deiffrierbaren
Charakteristika. Tacitus erzählt, wiederum in den Annalen, wie leit es
war, na dem Brand von Rom, der vermutli auf Neros Konto ging,
aufgrund ihres üblen Rufes die Suld auf die Christen abzuwälzen. Im
Versu, dem Volkszorn zu begegnen, den er gegen si aufsteigen spürte
(dabei braut man nur an die riesige Zahl der Obdalosen zu denken),
mute Nero einen Sündenbo finden, und er fand ihn in den Angehörigen
der neuen, «ristli» genannten Sekte. Tacitus sprit in den Annalen
au darüber, und zwar in einer bemerkenswerten Weise, vor allem wegen
der reportagenhaen Lebhaigkeit der Besreibung:

Nit menslie Hilfe, nit freigebige Spenden des Princeps oder Sühnemiel für die
Göer konnten das slimme Gerüt aus der Welt saffen, der Brand sei auf Befehl gelegt
worden. Und so sob Nero, um dieses Gerüt zu erstien, die Suld auf andere und
verhängte über die, die dur ihr sändlies Gebaren verhat waren und im Volksmund
«Christianer» hießen, die ausgesutesten Strafen. Dieser Name leitet si von Christus ab,
der unter der Regierung des Tiberius dur den Prokurator Pontius Pilatus hingeritet
worden war. Der für den Augenbli unterdrüte verhängnisvolle Aberglaube griff von
neuem um si, nit nur in Judäa, wo dieses Übel entstanden war, sondern au in Rom, wo
alle Seußlikeiten und Abseulikeiten aus aller Welt zusammenströmen und freudigen
Anklang finden. Und so wurden zuerst die Personen verhaet, die si als Christen
bekannten, dann aufgrund von deren Auagen ein weiterer großer Personenkreis, und sie
wurden nit nur des Verbreens der Brandstiung, sondern au des Haes gegen das
Mensengeslet für suldig befunden.[2]

Überrasend ist nit nur die Kälte, mit der Tacitus glei darauf die (oben
zitierten) unmenslien Qualen besreibt, denen die Christen ausgesetzt
waren. Befremdli ist au der fast beiläufige Nebensatz, der unterstellt, die
Anhänger dieser Religion seien «dur ihr sändlies Gebaren verhat».
[3] Ein im Übrigen von Sueton bestätigter Umstand, der sie in einem Satz
knallhart erledigt: «Christen, eine Sekte mit einem neuartigen und
gemeingefährlien Aberglauben.»[4]
Woher rührt diese «Antipathie» gegenüber den Christen? Juden und
Christen wurden des Haes auf die Mensheit bezitigt, weil sie in
abgesoeten Gemeinsaen lebten, nit am öffentlien Leben
teilnahmen, si vom Kaiserkult fernhielten, erst ret von den religiösen
Zeremonien, die in Rom eine starke politise und gesellsalie
Bedeutung haen. Sie ließen es nit zu, da ihr Go neben die anderen
Göer ins Pantheon gestellt wurde, weil sie den Anspru vertraten, der ihre
sei der einzig wahre Go. Auf die Koexistenz der Religionen dagegen war
die Pax Romana gegründet, die unzählige Kulte und Völker vereinigte. Der
Anspru der Christen und der Juden unterminierte also das gesamte
Staatsgefüge, umso mehr als der Kaiser eine doppelte Autorität verkörperte,
die religiöse und die staatlie. Bis zum Jahr 63 waren die Christen niemals
offen verfolgt worden, na dem großen Brand aber wurden sie zum idealen
Sündenbo.
Um den Hintergrund dieses sleten Leumunds zu verstehen, mu man
si vor Augen halten, da die Religion in Rom im Wesentlien öffentli
war, also politis. Wie son das araise «Zwölafelgesetz»[5] besagte,
dure niemand «auf eigene Faust neue, no fremde Göer haben, die nit
vom Staat anerkannt waren». Solange diese Vorauetzung respektiert
wurde, griffen die Römer nur in solen Fällen hart dur, in denen eine
Religion in den Verdat geriet, den politisen Umsturz zu betreiben. Nun
predigten die Christen zwar nit in aller Öffentlikeit und praktizierten
au keine gefährlien Riten, sie legten aber demonstrativ unverständlie
Verhaltensweisen an den Tag. Wenn sie etwa aufgefordert wurden, ihre
«Personalien» anzugeben (um einen heutigen Ausdru zu gebrauen),
weigerten si viele von ihnen, si auszuweisen, und besränkten si auf
den Hinweis, da ihre Herkun aus Jesus Christus sei, was für die Obrigkeit
natürli einen nit tolerierbaren Akt des Ungehorsams darstellte. Sie
verweigerten im Übrigen au den Militärdienst.
Es liegt auf der Hand, warum Nero sie zum Sündenbo für den
verheerenden Brand von 64 gemat hat. In jeder Kultur gibt es eine
ethnise, politise oder religiöse Minderheit, der man mit Leitigkeit jede
Suld zusieben kann, indem man si einfa den üblen Leumund
zunutze mat, der ihr anhängt.
Nero hat aber nit nur in der Gesite des frühen Christentums tiefe
Spuren hinterlaen. Es gibt einen Ort in Rom, der eine ganz besondere
Faszination autrahlt, und das ist seltsam, denn im Grunde genommen
besteht er heute nur no aus natem Mauerwerk, stillen Wandelgängen,
skeleierten Basteinkonstruktionen, belebt nur an wenigen Stellen von
Fresken- oder Mosaikresten. Es sind die Ruinen der Domus aurea (Goldenes
Haus), der wahnwitzigen Residenz, die si Nero hat erbauen laen.
Woher rührt der Zauber, der jeden Besuer gefangen nimmt in diesem
prunkvollsten Kaiserpalast, der jemals erbaut wurde? Vielleit von der Aura
der Persönlikeit seines Bauherrn, der zum Aretypen der ungebremsten
Ausübung von Mat und Willkür wurde? Weit mehr jedo, zumindest was
mi betri, von den bewegenden Spuren, die von seinen Entdeern
zurügelaen wurden, die si zwisen dem 16. und 17. Jahrhundert zwei
Jahrhunderte lang dur ein in die Dee geslagenes Lo in diese unter
irdis gewordenen und damals no mit Erde angefüllten Säle abseilten und
dort unten zusammengekauert im flaernden Lit der Faeln (die
swarzen Rußstreifen sind no zu erkennen) die Fresken betrateten und
ihre ornamentalen Motive kopierten: vegetabile, mit menslien oder
tierisen Wesen gemiste Formen, nur selten realistis, fast immer
seltsam-imaginär, die aus jedem natürlien Kanon herausfielen, eine
phantastise Welt, in der Menslies, Pflanzlies und Animalises in
äußerst lebhaen, bizarren Darstellungen zwisen Serz und Halluzination
miteinander versmolzen. Es sind die berühmten «Grotesken» – das Wort
kommt natürli von grotta («Groe» oder «Höhle») –, und unterirdise
Höhlen waren diese Räume tatsäli geworden, die fast bis oben mit
Su und Müll gefüllt waren. Ihre Wiederentdeung hat eine
bahnbreende Mode lanciert, in deren Zentrum die Antike und die
römisen Ruinen standen, vergleibar nur mit der Ägyptomanie, die
Napoleons Feldzüge zu Beginn des 19. Jahrhunderts auslösten.
Na Neros Willen sollte seine neue Residenz auf den Ruinen der im Jahre
64 von dem verheerenden Brand verwüsteten Stadt erritet werden. Er
enteignete ein Areal von 80  Hektar, weil si sein Palast, so beritet es
Sueton, vom Palatin bis zum Esquilin ausdehnen sollte; der römise Diter
Martial (40–ca. 102 n.Chr.) wird in seinen Epigrammen beklagen, da «ein
einziges Haus inzwisen die ganze Stadt besetzt hat». Um annähernd zu
begreifen, über wele Prat und Ausdehnung dieses Bauwerk verfügte,
braut man si nur vorzustellen, da in der Eingangshalle eine 35 Meter
hohe Koloalstatue Platz fand – was etwa der Höhe eines zwölfstöigen
Hauses entsprit. Als (unter Hadrian) diese Statue versetzt werden sollte,
muten wegen ihres enormen Gewits vierundzwanzig Elefanten ins Jo
gespannt werden. Von dieser ungeheuren Skulptur, dem Colossus Neronis,
leitete si aller Wahrseinlikeit na im Mielalter der Name des
Koloeums her. Der grieise Bildhauer Zenodorus hae den Kaiser nat
dargestellt, mit Aributen des Sonnengoes, den reten Arm erhoben, den
linken angewinkelt, um eine Weltkugel zu halten. Von einer Krone auf der
Stirn gingen sieben Strahlen ab, jeder ses Meter lang, eine Darstellung
absoluter Mat und jener Sonne, mit der Nero identifiziert werden wollte.
Bemerkenswert, wenn man bedenkt, da si dieses Bild der Strahlen über
die Jahrhunderte gehalten hat, vom Kolo von Rhodos bis zur Freiheittatue
von New York.
Der Palast umfate, wieder Sueton zufolge, drei Portiken von einer Meile
Länge, «au ein künstlier Tei befand si innerhalb dieser Anlagen, der
wie ein Meer ringsum von Bauten umgeben war, die Städte vorstellen
sollten. Obendrein gab es no Ländereien mit Kornfeldern, Weinbergen,
Wiesen und Wäldern in buntem Wesel, mit einer Fülle von zahmem und
wildem Getier aller Arten.»[6] Das gesamte Tal, in deen Zentrum heute
das Flavise Amphitheater (Koloeum) steht, war von dem See bedet, der
na Sueton «fast ein Meer» war. Wo der Besuer heute in das Dunkel und
das Sweigen eintaut, war früher strahlendes Lit, denn das gesamte
Gebäude war vergoldet und der Putz mit smüenden Gemmen und
Museln versetzt. Dazu weiter Sueton: «Die Speisesäle haen mit
Elfenbeinsnitzerei verzierte Kaeendeen, deren Täfelung versiebbar
war, damit man Blüten auf die Gäste herabregnen laen konnte. Au
besaßen sie ein Röhrenwerk, dur das man duende Eenzen
herabsprühte.»[7] Hinzu kamen die versiedenen Marmorsorten, die
miteinander kombiniert wurden, um jene Polyromie zu erzeugen, für die
die Römer berühmt waren. Gesteine, die aus Spanien, Numidien,
Tripolitanien, Ägypten, Asien, Grieenland, Gallien, Kappadokien kamen.
Untersiedli in Farbe und Konsistenz, einzigartig in ihrer Härte und der
Sönheit ihrer Zeinung, blieben sie im Gebrau und sollten viele
Jahrhunderte später von den römisen Marmorsteinmetzen mit Namen
bedat werden, die allein son eine ganze Epoe heraueswören:
portasanta, lumaella orientale, pavonazzetto, serpentino, granito degli
obelisi, africano.[8]
Die Farbenprat war nit das einzige Charakteristikum, das diese
Residenz so phantastis mate. Au die Tenologie hae ihren Anteil. Es
wurde das Beste aufgeboten, was die Zeit an Meanik zu bieten hae: «Der
Bankesaal hae die Form einer Rotunde, deren Kuppel si wie das Weltall
Tag und Nat ständig drehte. In den Bädern gab es Waer aus dem Meer
und aus der Albulaquelle.»[9] Die beiden mit der Planung beauragten
Aritekten, Severus und Celerus, wuten, da sie mit diesem Bauwerk
entweder Ruhm und Unsterblikeit erlangen oder alles verlieren würden,
möglierweise au ihr Leben. Dur den extremen Einsatz herausgefordert
und den erlesenen Gesma ihres Auraggebers wohl kennend, erfanden
sie aritektonise Lösungen von einer solen Bizarrerie, da si Tacitus
zu dem Aupru hinreißen ließ, sie verfügten über die Erfindungskra und
die Kühnheit, «au was die Natur versagt hae, dur Kunst zu
versuen».[10]
Nero konnte si seiner maßlosen Residenz nur sehr wenige Jahre
erfreuen und wahrseinli sah er sie gar nit mehr in vollendetem
Zustand. Seine Nafolger sorgten dafür, da sie zum Großteil zerstört
wurde. Son Domitian veranlate den Abri der Gebäude auf dem Palatin,
andere ließen den See mit Su auffüllen, um den Baugrund für das
Amphitheater zu saffen, Hadrian ließ auf dem Velia-Hügel über das
Vestibulum der Domus den Tempel der Venus und der Roma erriten. Der
Pavillon auf dem Oppio-Hügel (von wo aus man heute die Domus besuen
kann) überlebte, bis er im Jahr 104 dur einen Brand teilweise zerstört
wurde. Und als Trajan befahl, dort seine großen ermen zu erriten, ließ
der Aritekt Appollodorus von Damaskus die darüberliegenden Gebäude
niederreißen und die darunterliegenden mit Erde anfüllen, wodur diese
innerhalb der tragenden Mauern zu einem maiven Kubus wurden, der als
Fundament für die neu zu erritenden Gebäude diente. Das Lit versank in
Dunkelheit, und alles Gold, die Edelsteine, der vielfarbige Marmor
verswanden unter Tonnen von Erde und Müll. Die extremste
Pratentfaltung verfiel zu Ruinen und fiel einige Jahrhunderte lang dem
Vergeen anheim, dem wir nit unerhebli die teilweise Konservierung
dieses herausragenden historisen Zeugnies zu verdanken haben.
Dem heutigen Besuer wird einiges an Vorstellungsvermögen abverlangt:
Weder Malereien no Mosaike gibt es zu sehen, es ist die Baustruktur
selbst, die Aufmerksamkeit verdient, die hohe Kunst des Mauerwerks, der
Kuppeln, der Raumaueilung, das Spiel des dur die boce di lupo[11] von
der Höhe der Portiken hereinfallenden Lits. Einige der Räume sind genau
so belaen worden, wie sie Jahrhunderte na Trajans Auffüllaktion
vorgefunden wurden. Dem Bli des Betraters bieten si Kubikmeter über
Kubikmeter Erde, und in dieser gewaltigen Mae aus toter Materie kann er
Ziegelsteine, Geröll, Marmorstüe, Fragmente von Säulen, Brustüe von
Stukkaturen, Konsolen, Ornamenten identifizieren. Mit der Zusüung
seiner Gegenwart hat Trajan, ohne es zu wollen, für uns, für die Nawelt
gearbeitet.
Was den tragisen Besitzer dieser Trümmer betri, Lucius Domitius
Claudius, genannt Nero, so verdanken wir, was wir über ihn wien, vor
allem Tacitus und Sueton; außerdem Plinius dem Älteren, insbesondere dem,
was von Plinius in die Storia Romana (Römise Gesite) des Grieen
Caius Dio Eingang gefunden hat; sließli einer Reihe von
fragmentarisen Notizen, Bezügen und verstreuten Zitaten hier und da, bis
zu den ristlien Autoren späterer Jahrhunderte. Den größten Teil der
Fakten jedo, auf deren Basis si im Laufe der Jahrhunderte das Bild des
umstriensten Kaisers der römisen Gesite geformt hat, finden wir in
diesen beiden Quellen; keine der beiden gewinnt ihm positive Seiten ab.
Die Verkeung von Umständen, denen Nero seine Ankun auf dem
Kaiserthron verdankt, häe das Leben eines jeden Mensen gezeinet,
zumal der künige Kaiser, als alles seinen Anfang nahm, kaum mehr als ein
Jüngling war. Seine Muer Agrippina minor (die Jüngere) war 23 Jahre alt,
als sie ihn am 15.  Dezember  37 zur Welt brate, geswängert von einem
dreißig Jahre älteren Mann, den sie nit liebte, einem arroganten,
auweifenden Patrizier, den zu heiraten sie von Kaiser Tiberius
gezwungen worden war. Sein Name war Domitius Ahenobarbus (wegen
seines rotblonden Bartes). Au ihr Sohn erhält zunäst den Namen Lucius
Domitius Ahenobarbus. In ihren Memoiren sreibt Agrippina (na dem
Zeugnis Plinius’ des Älteren), das Kind sei mit den Füßen zuerst geboren
worden, ein Phänomen, das im Allgemeinen als sletes Vorzeien
gewertet wurde. Sueton dagegen sreibt: «Nero wurde in Antium geboren,
und zwar neun Monate na dem Tode des Tiberius. Es war der
15. Dezember [wörtli: «am 18. Tag vor den Kalenden des Januar», Erg. d.
Ü.], und die Sonne ging gerade auf. So kam er eher mit ihren Strahlen als mit
der Erde in Berührung.»[12]
Den Beinamen Nero bekam er erst später. In der Sprae der Sabiner
bedeutete das dem hogelehrten Aulus Gellius (dem Autor der Noctes
Atticae)[13] zufolge «stark, mutig». Später sollte der Rufname dazu
beitragen, die Persönlikeit des Kaisers in ganz anderem Lite erseinen
zu laen und Dunkelheit und Undursitigkeit, die düsteren Farben der
Unterwelt zu aoziieren.
In Neros Leben hae, wie so o, die Muer eine sehr viel größere
Bedeutung als der Vater, der im Übrigen vorzeitig starb. Agrippina,
Swester Caligulas und Toter des großen Generals Germanicus, ist sön,
verführeris, berenend, ehrgeizig, imstande, si eiskalt jeder Art von
Verführung wirksam zu bedienen, der Worte ebenso wie der nit minder
wirkungsvollen ihres sinnlien Körpers. Agrippina, genauer: Agrippina
minor oder Giulia Agrippina, Toter der anderen Agrippina, maior (die
Ältere) genannt, der Frau des Germanicus, seut vor keinem Miel zurü,
nit einmal vor einer inzestuösen Beziehung mit ihrem Bruder Caligula,
wobei sie si übrigens in Gesellsa mit ihren Swestern befand.
Ihr Sohn Lucius Domitius ist gerade drei Jahre alt und ihr Mann
gestorben, als si Agrippina in eine Verswörung gegen Caligula
hineinziehen lät. Dieser überlebt und besränkt si großzügig darauf, sie
ins Exil zu sien, sta sie zu töten. Das Kind wird einer Tante anvertraut,
die es ihrerseits zwei fragwürdigen Meistern überlät: einem Barbier und
einem Tänzer. Im Jahr 41 wird Caligula ermordet und Claudius auf den
ron gesetzt, Bruder des Germanicus und daher Onkel der Agrippina, der
innerhalb der Familie, aber au außerhalb als kaum mehr als eine
Marionee betratet wird. Als Fünfzigjährigem ist ihm ein knapp
fünfzehnjähriges Mäden zur Gain gegeben worden, das es zu einer
gewien Berühmtheit bringen wird: Mealina, mit Sierheit eine psyis
gestörte Persönlikeit, bekannt für ihre Exzee und erotisen
Auweifungen, einem tragisen vorzeitigen Tod geweiht. Mit Anfang
zwanzig wird sie hingeritet. Dazu Tacitus in den Annalen:

Während sie [den Dol] ziernd und vergebli bald an den Hals, bald an die Brust setzte,
wurde sie von dem Tribunen erstoen. Der Leinam wurde der Muer überlaen.
Claudius wurde beim Een benaritigt, Mealina sei gestorben, ohne bestimmte Angabe,
ob von eigener oder von fremder Hand. Claudius fragte au nit dana; er verlangte einen
Beer und gab si den üblien Tafelgenüen hin.[14]

Wir sind im September  48. Es werden nit einmal fünf Monate vergehen,
und Agrippina ist (im Januar 49) die neue Frau des Kaisers, wobei es keine
Rolle spielt, da er der Bruder ihres Vaters ist, no ein Inzest also. Ihre
Hauptsorge gilt Lucius Domitius, nit so sehr, weil sie diesen inzwisen
fast in der Pubertät befindlien Sohn besonders liebt, sondern weil sie
vorauauend an das denkt, was sie dur ihn erreien kann. Agrippina
weiß, da sie in einer von Männern beherrsten Gesellsa lebt, do
dur den ritigen Einsatz von Lucius kann sie Ziele anstreben, die ihr als
Frau direkt versperrt sind.
Eine ihrer ersten, weitreienden Maßnahmen ist der Rüruf des
Philosophen Lucius Annaeus Seneca, eines der brillantesten Denker seiner
Zeit, aus dem langen, zermürbenden Exil.[15] Gleizeitig lät sie am
25.  Februar  50 Lucius Domitius von ihrem Mann und Onkel, dem Kaiser
Claudius, adoptieren. Der neue Name des Jungen wird: Tiberius Claudius
Nero Drusus Germanicus. Der näste Sri besteht darin, Nero eine
angemeene Ehefrau zu besorgen. Kaum ist er sezehn geworden, wird
ihm die zwölährige Octavia zur Frau gegeben, die Toter der nit
betrauerten Mealina, die na allem, was wir wien, nit die geringste
Neigung hae, ihrer Muer in Saen sexueller Auweifungen
nazueifern.
Agrippina ist etwas über dreißig, ihre Sönheit ist in voller Blüte, ihre
Mat über den Kaiser bemerkenswert. Für ihren Sohn sind die
vorbereitenden Weien gestellt: eine, wenn au fingierte, kaiserlie
Herkun, eine Ehefrau von adäquatem Rang, der beste «Hauslehrer», der in
Rom zu finden ist. Auf dem Weg zum ron sind aber no einige nit
unbedeutende Hindernie zu überwinden. Das erste besteht darin, da auf
dem ron bereits Claudius sitzt, der zwar über fünfzig, aber no bei guter
Gesundheit ist. Zum zweiten kommt in der Erbfolge vor Nero no Claudius’
Sohn Britannicus, ein süterner, introvertierter Junge, den Neros Ankun
in der «Familie» brutal in den Saen gedrängt hat. Au darum mu si
Agrippina kümmern. Sie beginnt mit Claudius, deen möglien
Swapunkt sie bereits identifiziert hat: seine große Vorliebe für Pilze. I
überlae Tacitus die Erzählung dieses Mordes:

Später … wuten die Sristeller jener Zeit zu überliefern, das Gi sei in ein smahaes
Pilzgerit gegoen worden. Man habe die Wirkung des Miels nit sofort wahrgenommen,
sei es, da man nit darauf atete, oder da Claudius betrunken war. Zuglei sien ihm
ein Durfall geholfen zu haben. Daher bekam es Agrippina mit der Angst zu tun, und da das
Äußerste zu befürten war, zog sie ohne Rüsit auf den üblen Eindru, den dies bei den
Anwesenden maen mute, den son vorsorgli eingeweihten Arzt Xenophon bei. Dieser
habe dem Claudius, als wolle er ihm beim Erbreen nahelfen, wie man glaubt, eine mit
ras wirkendem Gi bestriene Feder in den Hals gestet, wohl wiend, da es mit
Gefahr verbunden ist, größte Verbreen zu beginnen, und Lohn einbringt, sie
durzuführen.[16]
Am Tag darauf, dem 13.  Oktober  54, wird Nero siebzehnjährig von der
begeisterten Menge und von den Prätorianern, die an dem Komplo beteiligt
waren, zum Kaiser ausgerufen. Viele waren, wie Agrippina, an seiner
ronfolge intereiert, au Seneca, do darauf kommen wir no zu
spreen. Tacitus beritet, da si am Abend dieses ersten Tages ein
Tribun zu dem neuen Kaiser begab, um, dem militärisen Brau
entspreend, das nätlie Losungswort für die Palastwaen zu erfragen.
Nero antwortete: «Optima mater» – «Die beste aller Müer»! Im
kaiserlien Palast ist der unglülie Britannicus inzwisen allein; es wird
nit mehr lange dauern, und er wird daelbe Sisal erleiden wie sein
Vater. Das Mordinstrument wird au diesmal Gi sein.
Neros Problem ist nun seinerseits, da er si, kaum dem Jünglingsalter
entwasen, zweier swerer Lasten entledigen mu: seiner Muer und
seines Erziehers Seneca. Zunäst aber ist sein Aureten geradezu
vorbildli moderat. Berühmt geworden ist die Anekdote, wie Nero, der ein
Todesurteil zu untersreiben hae, verbiert ausrief: «A, häe i do
niemals sreiben gelernt!» Nero hält die Beziehungen zum Senat, die von
jeher mit äußerster Sensibilität zu handhaben waren, auf einem Niveau
exemplariser Korrektheit. Das zeigt si an der meisterhaen (von Seneca
verfaten) Antrisrede, in der er versiert, er habe das Amt angenommen,
weil es vom Heer so gewollt und darüber hinaus dur die Autorität des
Senats bestätigt worden sei. Da seine Jugend nit vom Blut der
Bürgerkriege oder von familiären Auseinandersetzungen getränkt gewesen
sei, bringe er au keinen Ha und keinen Groll mit in sein Amt. Nero
skizziert sein Regierungsprogramm und verdammt den Mibrau, der so o
die Ursae von Gewalt und Ha geworden sei. Sein Haus, so fügt er mit
Nadru hinzu, solle Korruption und Intrigen versloen bleiben, der Hof
und der Staat würden als getrennte Einheiten weiter bestehen. Alles in allem
ein hervorragendes Debüt, dem entspreende Maßnahmen folgen. Als
einige befliene Senatoren vorslagen, zu seinen Ehren goldene und
silberne Statuen aufzustellen, verweigert dies der junge Kaiser entsieden,
ebenso wie er den Vorslag zurüweist, das Kalenderjahr nit im Januar,
sondern im Dezember, dem Monat seiner Geburt, beginnen zu laen. Zu
Beginn also ist seine Herrsa eine der besten, die Rom je hae. Die Völker
der Halbinsel erleben eine Zeit des Friedens und relativen Wohlstands. Der
Frieden befördert den Handel, lät die Preise für Grund und Boden und
Immobilien steigen, versa den Unternehmern dur große öffentlie
Auräge stalie Gewinne, reduziert die Arbeitslosigkeit auf ein Minimum.
Der eine oder andere erinnerte si no, da die Anfangszeit unter
Caligula ebenfalls vielverspreend war, bevor si der Kaiser mit dem
Fortsreiten seiner Geisteskrankheit zur Goheit erheben ließ und den
samlosesten Auweifungen hingab. Die anfänglie Besonnenheit des
neuen Kaisers wurde allerdings kompensiert dur die Exzee seiner Muer,
die eine Art Terrorregime erritete, um ihre Raegelüste auszuleben. Ein
Vorfall mag eine Vorstellung von der Maßlosigkeit von Agrippinas
Anmaßungen geben: Sie bat ihren Sohn um die Erlaubnis, an den
witigsten Senatitzungen teilnehmen zu dürfen. So etwas war no nie
vorgekommen, und die Antwort war dementspreend: Es sei nit mögli,
diesem Wuns nazukommen. Darauin überredete sie Nero, die
Versammlung in der Bibliothek des Kaiserpalastes einzuberufen, damit sie
aus einem benabarten Raum hinter einem im Rüen der Versammlung
angebraten Vorhang die Debae verfolgen und die versiedenen
Positionen zur Kenntnis nehmen konnte.
Eine der ernsthaesten Krisen bra na der Ermordung des armen
Britannicus aus. Weil der Leinam des Jungen bläuli angelaufen war, also
eindeutige Symptome einer Vergiung aufwies, ließ Nero das Gerüt
verbreiten, die Todesursae sei einer seiner üblien epileptisen Anfälle
gewesen, und verfügte, der Tote solle umgehend auf dem Campus Martius
verbrannt werden. Seneca, der die Wahrheit kannte, wurde beauragt, diese
überstürzte Bestaungszeremonie dem Senat plausibel zu maen. Wieder
einmal zeigte si der berühmte Gelehrte der swierigen Aufgabe
gewasen: «Es [sei] ein Brau der Vorfahren, jugendlie Leien den
Blien zu entziehen und deren Beisetzung nit dur Lobreden oder einen
Leienzug zu verzögern …»[17] etc.
Agrippina ist bestürzt über diesen brutalen Mord. Sie weiß nun, da ihr
Sohn fähig ist, aus eigener Initiative, ohne ihren Rat und ihre Unterstützung
swerwiegende Entseidungen zu treffen. Der Tod des Britannicus, der
si unter ihren Augen in demselben Hause ereignete, in dem sie Claudius
hae vergien laen, löst bei ihr im Hinbli darauf, was si daraus
slufolgern lät, Entsetzen aus. Zu allem Überflu hae Nero begonnen,
seine Ehefrau Octavia zu versmähen, und si in eine Freigelaene
namens Akte vernarrt, die seine Leidensa entfat hae:
Sie hae si bei üppigen Gelagen und dur zweideutige Heimlikeiten tief in sein
Vertrauen eingeslien, und au die älteren Freunde des Princeps wehrten si nit
dagegen, da nun eine Frauensperson [als muliercula nulla – dt. etwa: nitsnutzige Dirne –
bezeinet sie Tacitus, Erg. d. A.] die Sinnlikeit des Princeps befriedigte.[18]

Dann war da no die slete Gesellsa, nitsnutzige und gewalätige


Bursen, mit denen der junge Kaiser na Einbru der Nat inkognito
loszog, um die Senken zu besuen oder unter allerlei Mutwillen in den
Gaen umherzusweifen. Im Laufe weniger Monate war die Situation
unhaltbar geworden, für den einen wie für die andere. Der Winter 54–55, der
erste seiner Herrsa, war so streng und regneris, da si in Rom dur
Engpäe bei den Lebensmieln eine Hungersnot abzuzeinen begann.
Umgehend ließ Nero den Höstpreis der Siffsmieten für den
Gütertransport einfrieren und gewährte dur den Beslu, die Siffe
nit mehr zum Vermögen der Händler zu zählen, gleizeitig
Steuererleiterungen.
Alle diese Demonstrationen inzwisen erworbener Unabhängigkeit
laen Agrippina keine Ruhe. Sie hae den Aufstieg des Sohnes zum ron
perfekt organisiert, war zu deen Besleunigung sogar vor Gaenmord
nit zurügesret, und nun stellt der Undankbare sie praktis kalt,
sließt sie jedenfalls von seinen Entseidungen aus. Eine sole Sma
kann eine Frau ihres Temperaments nit tatenlos hinnehmen, au weil für
sie die Situation langsam gefährli wird. Sie versut, Komploe zu
smieden, um Nero aus dem Weg zu räumen, gut sogar einen möglien
Nafolger aus und wendet, als alle diese Versue erfolglos bleiben, die
entgegengesetzte Taktik an: Sie ist si ihrer Anziehungskra sier und
wird versuen, ihren eigenen Sohn zu verführen. Gerade vierzig Jahre ist
sie alt und immer no sön und begehrenswert, vor allem aber ist sie sehr
erfahren in allen Liebesdingen und, wie Tacitus sreibt, zu jeder Sandtat
bereit («exercita ad omne flagitium»):

Agrippina sei in ihrer unbeherrsten Gier, ihre Matstellung zu behaupten, so weit


gegangen, da sie mien im Tage, zu einer Zeit, da Nero dur een und trinken erhitzt war,
si wiederholt dem Betrunkenen, aufgeputzt und zur Blutsande bereit, dargeboten habe.
Und da die näste Umgebung bereits Küe und Liebkosungen als Vorboten der Sandtat
feststellte, habe Seneca gegen die weiblien Verführungskünste Hilfe bei einer anderen Frau
gesut.[19]
Besorgt beauragt Seneca die amtierende Geliebte Akte, dem Kaiser
sonend beizubringen, wele Gerüte über ihn kursieren und da die
Soldaten si die Herrsa eines frevelhaen Imperators nit gefallen
laen würden. Nero nimmt si die Botsa zu Herzen, was zu einer
weiteren Versleterung der Beziehung zu seiner Muer führt. Ihre bloße
Anwesenheit wird ihm unerträgli. Sließli dreht si sein ganzes
Bestreben nur no um die Frage, wie er sie töten soll: ob dur Gi oder
den Dol oder irgendein anderes Gewaltmiel («veneno an ferro vel qua
alia vi»).[20] Die Dinge liegen aber nit so einfa. In kaum einem anderen
Fall ist das Binom Ha–Liebe so zutreffend wie hier. Von dem Moment an,
als Nero si von ihr zurüzieht und si weigert, sie zu sehen,
überkommen ihn libidinöse Phantasien, die alle um Agrippina kreisen.
Caius Dio erzählt, der Kaiser habe si na dem Abbru ihrer
Beziehungen immer wieder eine Kurtisane kommen laen, die Agrippina
zum Verweseln ähnli sah, und na dem Gesletsverkehr vor seinen
Freunden damit geprahlt, da er mit seiner Muer ins Be gegangen sei.
Der Wuns oder beer: die Notwendigkeit, sie zu töten, entsprang au
dieser obskuren Obseion, die dur eine Bemerkung Suetons belegt wird:
«Man behauptet au, er habe son früher bei gemeinsamen Ausflügen in
der Säne jedes Mal blutsänderise Gefühle verspürt, und die Fleen an
seiner Kleidung häen ihn verraten.»[21]

Offenbar hat Anicetus, der Befehlshaber der Floe bei Misenum und ein
Freund Neros, die entseidende Idee zur Durführung des Mordes. Im Jahr
59 slägt er dem Kaiser vor, Agrippina zum Minervafest einzuladen, das
vom 19. bis zum 23.  März in Baia stafindet. Die Einladung mu
ausgesproen herzli gewesen sein, denn Agrippina nimmt sie an, reist
na Baia, wo sie von ihrem Sohn liebevoll begrüßt wird, die beiden een in
heiterster Stimmung gemeinsam zu Abend, wobei Agrippina der Ehrenplatz
an der Tafel links neben dem Kaiser zugewiesen wird. Na dem Een
unterhalten sie si no ein wenig mit leiter Konversation, bevor
Agrippina darum biet, na Bauli zurükehren zu dürfen. Nero begleitet
sie zum Siff, «wobei er no inniger seine Blie auf sie heete und si an
ihre Brust smiegte, sei es, um seiner Heuelei die Krone aufzusetzen, oder
weil der letzte Bli auf seine in den Tod gehende Muer seinen sonst so
unmenslien Sinn zügelte.»[22] Bei Sueton klingt das so: «Mit heiterer
Miene gab er ihr das Geleit … und küte ihr beim Absied no den
Busen.»[23]
Die Göer beseren «eine sternhelle Nat und eine ruhige, friedlie
See» («Noctem sideribus inlustrem et placido mari quietam»).[24] Mit
leisem Geplätser entfernt si das von den angekeeten Ruderern kravoll
angetriebene Siff auf dem swarzen, unbeweglien Gewäer. Agrippina,
die von der vertrauten Dienerin Acerronia begleitet wird, hat si am He
des Siffes auf ihrem luxuriösen, von einem Baldain überdaten
Natlager niedergelaen. Sie weiß nit, da auf dem sützenden,
seinbar so anmutigen Da über ihr einige Tonnen Blei liegen. Auf ein
vereinbartes Zeien wird das Blei gelöst und stürzt auf das Lager. Das hohe
Begestell behindert jedo den Fall, die heige Bewegung des Siffes
kommt den beiden Opfern zu Hilfe, die ins Meer gesleudert werden.
Hier begeht Acerronia einen verhängnisvollen Fehler. Sie hat nit
verstanden, in wel gefährlies Spiel sie da hineingeraten ist, und beginnt
laut um Hilfe zu rufen, wobei sie behauptet, sie sei die Muer des Kaisers.
Sofort wird sie mit Stangen und Rudern erslagen. Agrippina, die slauer
ist, gleitet leise swimmend davon: «Zuerst swimmend und dann, von
den entgegenfahrenden Kähnen aufgenommen, gelangte sie in den Lucriner
See und wurde in ihr Landhaus gebrat.»[25]
Bei dem Aentat erleidet Agrippina nur leite Verletzungen, sie trägt
ledigli eine Wunde an der Sulter davon. Slimmer als ihre körperlie
Verfaung stellt si jedo ihre persönlie Lage dar. Als ausgefuste
Sauspielerin und Taktikerin tut sie zunäst so, als habe sie nits
verstanden, und lät Nero dur einen Freigelaenen eine Narit
sien, in der sie ihm mieilt, dur die Gnade der Göer einem sweren
Unfall entgangen zu sein, der Kaiser braue si keine Sorgen um die
Gesundheit seiner Muer zu maen.
Nero, der natürli einen ganz anderen Ausgang erwartet hat, liest
zwisen den Zeilen und beginnt, die Rae seiner Muer zu fürten. Sie
könnte die Legionen in Aufruhr versetzen oder beim Senat vorspreen.
Verunsiert lät er Seneca und Burrus, den Präfekten der Prätorianer,
rufen. Der Philosoph will von Burrus wien, ob man nit den Soldaten
direkt ihre Ermordung befehlen sollte. Dieser zögert und gibt zu bedenken,
da die Prätorianer im Gedenken an Germanicus dem Caesarenhaus eng
verpflitet seien und es nit wagen würden, deen Toter zu ermorden.
Er befürtet, die Soldaten könnten den Gehorsam verweigern, was
katastrophale politise Folgen haben würde. Er zieht si aus der Affäre,
indem er eine andere Lösung vorslägt. Da es sließli der Kommandant
der Floe, Anicetus sei, der den Slamael zu verantworten habe, solle er
die Sae au zu Ende bringen. Nero nimmt diesen Rat an. Seneca ist
vermutli heilfroh, aus dem Sneider und nur am Rande in das neue
Verbreen verwielt zu sein, das er aber in jedem Fall für «notwendig»
hält. Die Erzählung dieses berühmten Muermordes findet si in der
Chronik des Tacitus:

Anicetus umstellte das Landhaus mit Posten, slug die Tür ein und ließ die Sklaven, die si
ihm entgegenstellten, abführen. Er drang bis an die Tür des Slafzimmers vor, vor der nur
wenige Leute standen. Alle anderen waren aus Angst vor den Eindringlingen davongelaufen.
Das Slafzimmer war nur swa beleutet. Drinnen befand si eine einzige Dienerin,
während Agrippina in immer größere Angst geraten war, weil niemand von ihrem Sohn
kam, nit einmal Agermus: ganz anders würde es auehen, wenn eine erfreulie Narit
zu erwarten wäre! Jetzt sei kein Mens da. Nur plötzlies Lärmen und Anzeien hösten
Unheils! Als dann die Dienerin wegging, rief sie ihr na: «Verlät au du mi?» Da fiel
ihr Bli auf Anicetus, der von dem Trieraren Herculeius und dem Centurio der
Floenmannsa Obaritus begleitet war, und sie sagte: «Wenn du gekommen bist, um mi
zu besuen, dann melde, da i mi erholt habe; wenn aber, um ein Verbreen
auszuführen, dann glaube i nit, da mein Sohn di gesit hat. Er hat keinen
Muermord befohlen.» Die Mörder umstellten das Be. Zuerst slug ihr der Trierar mit
einem Knüppel auf den Kopf. Als der Centurio zum Todetoß das Swert züte, strete
sie ihm ihren Soß entgegen und rief: «Stoße in den Bau!» Unter vielen Wunden bra sie
tot zusammen.[26]

Angesits soler Tode, denen bei aller Niederträtigkeit ihrer Opfer und
der Motive der Mörder eine gewie Grandezza nit abzuspreen ist, habe
i mi immer gefragt, inwiefern das Verhalten ihrer Protagonisten vom
Geist der Zeit beeinflut war oder vom Hang zu einer theatralisen Tragik
oder ob vielleit das Eo der Vorbilder episen Heldentums aus
araiser Vorzeit eine Rolle spielte. Es ist, als diktiere der Wille, auf
irgendeine Weise ein Zeien in der Gesite hinterlaen zu müen, die
Worte, die nit selten würdig sind, in Bronze festgehalten zu werden. In
Tacitus’ Original hört si Agrippinas großartige Aufforderung im Moment
des Sterbens so an: «protendens uterum ‹Ventrem feri› exclamavit» – und
angesits der Tatsae, da der Auraggeber des Mordes ihr eigener Sohn
ist, strotzt sie vor Symbolik. Na vollendeter Tat ließ Anicetus no in
derselben Nat den Leinam Agrippinas verbrennen, genauso, wie es
bereits im Fall des unglülien jungen Britannicus gesehen war.
Als er vom Tod seiner Muer erfuhr, soll Nero ausgerufen haben: «Am
heutigen Tag erst wird mir die Regierung übergeben!» Wahr oder fals, der
Satz bringt sehr klar zum Ausdru, wele Last ihm Agrippinas Präsenz in
den ersten fünf Jahren seiner Herrsa gewesen sein mu. Blieb nur no
Seneca, der Erzieher, der Mens, der Intellektuelle, der Philosoph, der die
Gratwanderung versut hae: auf der einen Seite den Anwandlungen des
jungen Fürsten, einsließli der kriminellen, nit zu widerspreen; auf
der anderen der Versu, ihn insgesamt auf nit allzu sändlie Ziele
einzuswören. I habe o gedat, beretigt oder nit, da Seneca zu
Nero ein ähnlies Verhältnis hae wie Maiavelli zu Cesare Borgia, dem
Valentinois.[27] Seneca kennt die Grundsätze der hohen Moral, in De
Clementia (Über die Güte), in den Dialogi, vor allem aber in den
hundertvierundzwanzig Briefen an Lucilius entfaltet er die stoise Ethik
auf höstem Niveau, skizziert ein philosophises Konzept der Sue na
Tugend, praktiziert die höste Form der Freiheit, beginnend mit der inneren.
Weit über die Positionen seiner eigenen Zeit hinausgehend, proklamiert er
den Respekt für jede Kreatur, fordert Mitleid gegenüber den Benateiligten
und Unglülien, sogar gegenüber den Sklaven.
Seine Weltsit ist so großzügig und breit angelegt, da es vereinzelt
Spekulationen gab, ob er nit heimli zum Christentum übergetreten sei,
wofür man als Beweis den Briefwesel mit dem heiligen Paulus ins Feld
führte, der im Übrigen zu den Apokryphen gehört. Legenden, gewi,
begründet allerdings dur eine humanitas, wie sie uns auf gleiem Niveau
und von gleier Bedeutung au die neuplatonise Welt nur in ganz
wenigen Beispielen bietet.
Wie soll man si erklären, da ein Mann von solen Gaben und sol
edler Gesinnung si mit so etwas wie Wuerzinsen abgegeben hat, selbst
wenn es si ledigli um gewöhnlie Bank-Darlehen gehandelt haben
sollte, wie wir es heute nennen würden? Da er mit seiner Apokolokyntosis,
was wir mit «Apotheose eines Kürbis» (oder einfa: «Veräppelung»)
übersetzen könnten, den gerade erst ermordeten Kaiser Claudius verspoete?
Claudius galt als Dummkopf, als psyis labil, das ist wohl wahr. Zudem
hae er Seneca zu sieben smerzlien Jahren des Exils auf Korsika
verdammt; aber einen gerade erst verstorbenen Mann so zu verspoen, bleibt
eine unwürdige Aktion, umso mehr in einer Kultur, in der das Gebot «de
mortuis nil nisi bene» herrste – «Über Tote soll man nits als Gutes
sagen». Seneca au verdankt si die brillante Retfertigung der
überstürzten Einäserung des unglülien Britannicus. Dahinter kann
man natürli eine politise Motivation vermuten. Solange Britannicus, der
legitime Sohn des Claudius, am Leben war, war Neros Herrsa bedroht.
Der Tod des jungen Mannes konnte also als Garantie für den Materhalt
betratet werden. Und die Beihilfe zum Mord an Agrippina? Die Motive
können au in diesem Falle als langfristig politis angesehen werden.
Agrippina hae versut, ein regelretes Terrorregime aufzubauen;
außerdem war, solange sie lebte, die «Konstruktion» jenes «gereten
Herrsers», der Seneca vorswebte, swierig. Im Gegenteil: Ihre Präsenz
hae ernsthae Probleme für die mentale Gesundheit Neros verursat. Die
Annahme, ihr Tod häe beim Kaiser ein gewies psyises Gleigewit
wiederherstellen können, war also duraus begründet.
Na dem Muermord ließ Nero verbreiten, Agrippina habe versut, ihn
ermorden zu laen, und si na Aufdeung der Verswörung das Leben
genommen. Zum Dank dafür, da der Kaiser der Gefahr und dem Anslag
seiner Muer entronnen war, wurden Goesdienste abgehalten, an die
Offiziere verteilte man ein bien Geld, um ihre Loyalität wieder zu
festigen. Seneca srieb die Rede, mit der dem Senat die Vorgänge plausibel
gemat wurden, ein Meisterwerk an Heimtüe. Die üblen Taten der
Agrippina wurden herausgestrien, der maßlose Ehrgeiz dieser Frau und
ihrer Familie, selbst der Siru wurde rekonstruiert und als Unfall
dargestellt. Tacitus kann si allerdings die Frage nit verkneifen: «Do
wo häe man einen so einfältigen Mensen finden mögen, der dies
glaubte?» Au wurde gestreut, es habe einen Mordversu an Nero dur
einen Freigelaenen gegeben. Do wer konnte glauben, so fragt wieder
Tacitus, «eine sirüige Frau habe einen Mann ganz allein mit einer
Mordwaffe gesit, der dur die Kohorten und Floen des Imperators si
durslagen sollte?» Seneca, von dem bekannt war, da er die Reden des
Kaisers verfate, wurde zum bedauernswerten Objekt feindseligen Geredes,
«weil er dur eine sole Darlegung ein Geständnis srili abgelegt
habe».[28]
Wie laen si diese Widersprüe erklären? In gewier Weise lät si
Senecas Rolle mit Platons altem Traum vom Philosophen bzw. dem von
einem Philosophen inspirierten Mann an der Spitze des Staates vergleien,
der eine kluge Führung und das ritige Gleigewit zwisen den Kräen
gewährleisten sollte. Eine Herausforderung, die so groß ist, da in ihrem
Namen Verbreen toleriert werden, die sonst unentsuldbar sind. Es ging
also um die Realisierung dieses Traums: einer Art demokratisen
Fürstentums, in dem ein Kaiser unter weiser Anleitung im Einklang mit den
Intereen des Volkes regiert, ein «gereter» Princeps als väterlier Hüter
des Senats.
Auf der anderen Seite war da Neros Interee, auf einen Mann dieses
Kalibers zählen zu können, um, flankiert von den unleugbaren dialektisen
und rhetorisen Fähigkeiten dieses Philosophen und seinem großen
intellektuellen Prestige, die male bestie (wilden Bestien) von Senatoren in
Sa zu halten. Er konnte si vorstellen, da das ausreien würde, um
das Gleigewit und den Erfolg seiner Herrsa zu gewährleisten. Neros
Regierungszeit hat positiv begonnen, und selbst Tacitus würdigt den
positiven Einflu des Philosophen, als er in den Annalen der Darstellung
von Agrippinas Verbreen hinzufügt:

Und man wäre den Weg des Mordens weitergegangen, wenn nit Afranius Burrus und
Annaeus Seneca entgegengetreten wären. Diese Lenker des jungen Imperators waren – eine
Seltenheit bei gemeinsamer Matausübung – unter si einig und übten den gleien
Einflu auf ihn aus, nur mit versiedenen Mieln, Burrus dur seine militärise Tätigkeit
und seine Sienstrenge, Seneca als Lehrer der Beredsamkeit und dur sein leutseliges,
anständiges Wesen, wobei sie einander in die Hände arbeiteten, um so den Princeps in
seinem no nit gefestigten Alter, falls er den Weg der Tugend versmähen würde, dur
Zugeständnie bei sinnlien Genüen leiter zu zügeln.[29]

Wäre also Seneca nit gewesen, wären die Dinge wahrseinli no
sleter gelaufen. Was die übrigen Vorwürfe gegen ihn betri, so waren
einige vom Neid diktiert, gegen andere verteidigte er si selbst, indem er
darüber srieb. In De vita beata (Vom glülien Leben) seint er den
Kritikern, die ihm die Diskrepanz zwisen seinem Leben und seinem Werk
zum Vorwurf maten, direkt eine Antwort zu geben. Er srieb: «Nit
leisten die Philosophen, was sie sagen»[30] und fügte dann hinzu, andere
Philosophen zitierend, aber in Bezug auf si selbst:

… denn sie alle spraen nit davon, wie sie selbst lebten, sondern wie au sie selbst leben
müten. Über die Tugend, nit über mi spree i, und wenn i gegen die Laster
Seltreden führe, dann führe i sie besonders gegen meine eigenen.[31]
Und im selben Text, mit Bezug auf den zweiten Vorwurf, er lebe im
Wohlstand und spekuliere mit Geld:

Es wird der Philosoph großen Reitum besitzen, aber solen, der niemandem entrien und
nit von fremdem Blut beflet ist, der ohne Unret gegen irgendjemanden und ohne
smutzige Gesäe erworben ist, deen Ausgang so ehrenha sein wird wie sein Eingang,
über den niemand seufzen wird – außer den Böswilligen.[32]

Denno fällt viel Saen auf die Figur Senecas. Was die möglie Parallele
zu Maiavellis Vision Cesare Borgias betri, so laen si ohne weiteres
gewie Übereinstimmungen finden, jedo in einem vollkommen anderen
Kontext. Seneca versute, seinen Prinzen zu formen, zu bilden. Maiavelli
besränkte si darauf, das politise Projekt des jungen Borgia zu
studieren, dieses Sprölings einer furterregenden Familie, über die
Guicciardini gesrieben hae: «Ihre Verstellung und Heuelei war am
römisen Hofe so bekannt, da si darüber ein allgemeines Spriwort
gebildet hae, der Papst tue niemals, was er sage, und der Valentinois sage
niemals, was er tue.»[33] Der Valentinois benutzte seine außergewöhnlie,
mit ungeheurem Zynismus gepaarte Energie, um Stadtstaaten und lokale
Mathaber, Feudalautonomien und kleine Höfe in Zentralitalien zu
unterwerfen, einem Landstri, der infolge ununterbroener Matkämpfe
dauerha von Blut getränkt war. Sein Plan war es, einen großen,
einheitlien, von allgemeingültigen Gesetzen regulierten Staat zu bilden.
Das Ziel war es, das Maiavelli beeindrut hae, nit der Mann, und es
besteht kein Zweifel, da die Zukun Italiens als Nation eine andere, das
Gewit des Landes in Europa ein ganz anderes geworden wäre, wenn es die
politise Einheit bereits im 16.  Jahrhundert und nit erst im swaen
19. Jahrhundert erlangt häe.
Die swierige Gemeinsa, zu der si der Philosoph Annaeus Seneca
und der Kaiser Nero zusammenfanden, war jedenfalls zum Seitern
verurteilt. Neros Beziehungen zum Senat sind snell gestört. Mal smieden
die Senatoren im Dunkeln ihre Ränke, mal werfen sie si Nero unterwürfig
zu Füßen. Jede Möglikeit eines eten Dialogs zwisen den beiden
Institutionen ist abhanden gekommen. Seneca begrei na und na, da
seine Arbeit vergebens ist, und besließt im Jahre 62, si ins Privatleben
zurüzuziehen. Seinem Fürsten sagt er: «Aber nun haben wir beide das
Maß erfüllt: du, indem du gespendet hast, soviel der Princeps einem Freund
spenden kann, i, indem i soviel empfing, wie ein Freund von dem
Princeps empfangen konnte.»[34] Er slägt also gewiermaßen ein
freundsalies Arrangement vor. Es wird ihm nit helfen zu überleben.
Drei Jahre später wird er in eine der berühmtesten und komplexesten
politisen Verswörungen der Antike verwielt, in die «Pisonise
Verswörung», mit der eine Gruppe von Angehörigen der römisen
Senatsaristrokratie und von Militärs aus dem Umfeld des Konsuls Gaius
Calpurnius Piso ein Aentat vorbereitete, um si von Nero zu befreien.
Wieder einmal ist Senecas Verhalten von genialer (oder heimtüiser)
Ambivalenz. Zwar nimmt er nit direkt an dem Komplo teil, weist aber
Pisos Gesandten nit zurü und denunziert ihn au nit. Beim Absied
besränkt er si darauf, Piso alles Glü zu wünsen, «im Übrigen hänge
seine eigene Existenz von der Pisos ab».[35] Waren diese wenigen Worte
aulaggebend für sein Verderben? Wahrseinli hat Tacitus ret: Nero
griff die Gelegenheit beim Sopf, um si eines Erziehers zu entledigen, der
ihm inzwisen unerträgli geworden war. Er sit einen Offizier der
Prätorianer zu Senecas Landsitz auf der Via Appia, wo si der Philosoph zu
dieser Zeit auält, mit dem Befehl an Seneca, si das Leben zu nehmen.
Über Senecas Tod hat Tacitus eine seiner denkwürdigsten Seiten gesrieben:

Als er dies und ähnlies, gleisam für die Allgemeinheit berenet, gesproen hae,
umarmte er seine Gemahlin, und weil er jetzt um sie fürtete, etwas weier gestimmt, bat
er sie inständig, ihren Smerz zu mäßigen und si ihm nit ewig hinzugeben, sondern in
der Betratung seines der Tugend gewidmeten Lebens die Sehnsut na dem Gaen dur
tröstende edle Gedanken zu mildern. Seine Frau dagegen beharrte darauf, da au ihr der
Tod bestimmt sei, und forderte die Hand des Mörders. Da sagte Seneca, der ihrem
rühmlien Entslu nits in den Weg legen wollte, zuglei in der Furt, er müe die
von ihm einzig Geliebte Mihandlungen überlaen: «I habe dir die Miel gezeigt, die das
Leben erträglier maen, du ziehst es vor, rühmli zu sterben. I werde diesem deinem
löblien Entslu nits in den Weg legen. Mögen wir beide die gleie feste Haltung bei
diesem tapferen Sterben zeigen und dein Ende rühmlier sein!» Darauf öffneten sie si
beide gleizeitig die Pulsadern. Weil bei Senecas dur Alter und spärlie Nahrung
geswätem Körper das Blut nur langsam abflo, öffnete er au die Adern an den
Senkeln und Kniekehlen. Von sweren Smerzen ersöp, riet er seiner Gain, um nit
ihre mutige Haltung dur seine Smerzen zu ersüern und seinerseits dur den Anbli
ihrer Qualen in einen Zustand des Swawerdens zu verfallen, in ein anderes Gema zu
gehen. Und da ihn au im letzten Augenbli seine Beredsamkeit nit im Sti ließ, rief er
seine Sreiber herbei und diktierte ihnen längere Ausführungen, die im Wortlaut
veröffentlit worden sind, weshalb i mir es erspare, sie umgeformt wiederzugeben.[36]

Paolina, die über alles geliebte Gain, wird später in letzter Sekunde gereet.
Weil aber nie etwas ohne einen Saen oder einen winzigen
Sönheitsfle gesieht, behaupten böse Zungen, da sie nur so getan
habe, als wolle sie sterben, also zum Wohle ihres sterbenden Gaen nur
eater gespielt habe. Üble Narede wahrseinli. Der Philosoph
jedenfalls lät si angesits der Tatsae, da der Tod dur Ausbluten zu
langsam eintri, na dem Vorbild des Sokrates Gi bringen und begibt si
sließli in ein Dampad, wo er erstit. Er wurde 69 Jahre alt.
Nero war Verswörungen gewöhnt. Es verging kein Jahr, in dem ihm
nit von irgendjemandem hinterbrat wurde – sei es, um ihn zu
besützen, sei es, um ihn hereinzulegen –, da da etwas gegen ihn
angezeelt werde. Hauptgarant für seine Sierheit und gleizeitig sehr
wahrseinli selbst Urheber vieler vorgetäuster Komploe war Gaius
Ofonius Tigellinus, ein Sizilianer von einfaer Herkun, der, angeklagt
wegen eines ehebreerisen Verhältnies mit Agrippina, der Swester des
Kaisers, von Caligula ins Exil gesit worden war. Tigellinus war Rom ein
paar Jahre ferngeblieben und hae Renn- und Circuspferde gezütet. Von
Claudius zurügerufen, brate er es bis zum Präfekten der Prätorianer (im
Jahr 62) und wurde dann Neros Günstling. Die Aufdeung und fürterlie
Ahndung der Pisonisen Verswörung war der Höhepunkt seiner
Polizeiarbeit, Aretyp jeder Art von «Staatutz»-Aktionen, der si
spätere Tyrannen so häufig bedienten. Es gab eine ganze Reihe von
Aspekten, die es Nero ratsam erseinen ließen, si einen so gefürteten
Mann an seine Seite zu holen: Jeder Matmens, au wenn er no so
edel ist, braut sließli Handlanger zur Ausführung der Smutzarbeit;
au die Vasallentreue, die Tigellinus seinem Kaiser gegenüber bewiesen
hae, gepaart mit seinem skrupel- und gnadenlosen inquisitorisen
Gesi, spra für ihn. Außerdem teilte er mit seinem Princeps gewie
Laster, darunter an erster Stelle die sexuellen. Mit den Jahren und dem
Fortsreiten seiner Geisteskrankheit praktizierte Nero eine immer
exzeivere, immer krankhaere Sexualität. Sueton erzählt:

Seine verbreerisen Neigungen gewannen jedo immer mehr die Oberhand, und so ging
er allmähli von heimlien Bubenstreien ganz offen zu slimmen Sandtaten über ….
Soo er den Tiber hinab na Ostia fuhr oder am Golf von Baiae vorübersegelte, waren am
Ufer an bestimmten Stellen Pavillons aufgebaut, die zum Verweilen einluden und mit allem
Tafelluxus ausgestaet waren. Vornehme Damen spielten die Wirtinnen und luden ihn bald
hier, bald da zum Landen ein …. Nit genug, da er Verkehr mit freigeborenen Knaben und
mit verheirateten Frauen hae, er tat sogar einer Vestalin mit Namen Rubria Gewalt an ….
Den jungen Sporus ließ er entmannen und versute sogar eine Gesletsumwandlung
vorzunehmen. Er staete ihn mit einer Mitgi aus, ließ ihm den roten Brautsleier umlegen
und vollzog mit ihm feierli die Hozeitszeremonien. Dann ließ er ihn in prätigem Zug
in seinen Palast geleiten und hielt ihn dort wie seine Gemahlin …. Diesen Sporus kleidete er
in den Ornat der Kaiserinnen und ließ ihn in einer Säne herumtragen. Auf den
Festversammlungen und Meen in Grieenland und bald au in Rom auf dem Kunstmarkt
hae er ihn bei si und tauste immer wieder zärtlie Küe mit ihm.[37]

Der arme Sporus wurde mit dem weiblien Spitznamen Sabina bedat.
Und weil er (von der Fortpflanzung abgesehen) in beinahe jeder Hinsit die
weiblie Sexualität abdete, stellten boshae Zeitgenoen fest, wel ein
Segen es für die Mensheit gewesen wäre, wenn son Neros Vater
Domitius si sol eine «Frau» genommen häe. Verhaltenoziologis
betratet würde man heute sagen, da Nero bisexuell war, denn er konnte
mit Männern genauso gut Sex haben wie mit Frauen, und zwar in jeder
Rolle. Wenn man Kriterien der Psyiatrie anlegt, ist jedo klar, da er
unter einer ernsthaen mentalen Störung li, versär dur die
vollkommene Verantwortungslosigkeit und Willkür, die ihm seine Position
erlaubte. Dazu wieder Sueton:

Er prostituierte si selbst in einem solen Ausmaß, da sozusagen keine Körperstelle an
ihm mehr ohne Makel war. Und endli date er si ein besonderes Spiel aus. Er slüpe
in ein Tierfell und stürzte si aus einem Käfig heraus auf die Samteile von Männern und
Frauen, die man an Pfählen festgebunden hae. Wenn er genug gewütet hae, ließ er si
von seinem Freigelaenen Doryphoros «fertigmaen». Ähnli wie er den Sporus zur Frau
genommen hae, hae er si diesem vermählt, wobei er die Rolle der Frau spielte und sogar
das Sreien und Wehklagen vergewaltigter Jungfrauen naahmte.[38]

Sueton tendiert generell zu Klats und Trats, do nit einmal er häe
si Szenen wie diese ausdenken können, wenn es nit irgendeinen
Ansatzpunkt in der Wirklikeit gegeben häe. Glei na dem Sex kam bei
Nero die Lust an exzeiven Tafelfreuden, wobei er die berühmte (oder
berütigte) römise Kokunst ins Extrem trieb. Marcus Gavius Apicius,
im 1. Jahrhundert n.Chr. ein berühmter römiser Feinsmeer und Ko,
hat uns die zehn Büer De re coquinaria (Über die Kokunst) hinterlaen;
Petronius, der elegante Arbiter, seinen hinreißenden Roman Satyricon.
Die Hauptmahlzeit der Römer war die cena, das Abendeen, das in den
ersten Stunden unseres pomeriggio (namiags, zur neunten Stunde:
zwisen 14.30 und 15.45 Uhr im Sommer) stafand und bis zum
Sonnenuntergang dauern konnte, bis Miernat oder (bei Petronius) sogar
bis zur Morgendämmerung. Der gesamte Tagesablauf ritete si na dem
Sonnenlit – was am Mangel an künstlien Beleutungsmieln lag –,
zumindest für die gemeinen Bürger. Der Römer stand im Sommer gegen vier
Uhr morgens auf, im Winter gegen sieben Uhr. Der Tag war (na unseren
Maßeinheiten) in die zwölf Stunden zwisen dem Sonnenaufgang und
Sonnenuntergang aufgeteilt. Wer es si erlauben konnte (gewi nit die
Armen und die Sklaven), verzehrte die Mahlzeit halb liegend auf dem
triclinium, einer leit gewölbten Liege, auf der si der Tisgast
autrete und mit dem linken Arm abstützte, die Füße (die ihm ein Sklave
vorher vom Staub der Straße gereinigt hae) nat, die Frau (Ehefrau oder
Geliebte) an der Seite des Mannes. Auf der Vorderseite der Toga wurde eine
Serviee befestigt, um diese vor Fleen zu sützen. Gabeln waren
unbekannt, man benutzte die Finger, um die Speisen aus den Süeln zu
nehmen, die auf der Tafel standen oder na mediterranem, von
Grieenland bis zu den arabisen Ländern verbreitetem Brau von den
Sklaven herumgereit wurden. Es gab aber Löffel und Zahnstoer aus
Elfenbein, Silber und Gold. Na jedem Gang braten die Diener den
Tisgästen Krüge, aus denen sie ihnen leit parfümiertes Waer über die
Finger goen. Aufgrund der außergewöhnlien Dauer der Mahlzeit
konnten die Tisgäste, wenn nötig, ihre Notdur au bei Tis verriten.
Auf Kommando näherte si ein Sklave mit einem Urinal aus Silber oder
Bronze. Für die größeren Gesäe war direkt vor dem Speisesaal Vorsorge
getroffen. Petronius erzählt in einer Szene seines Romans, wie der Hausherr
Trimalion, ein neureies Großmaul, na Verritung seines Gesäs
wieder in den Saal kommt und sagt, während er si die Hände abspült:

Verzeiht mir, liebe Freunde, son seit vielen Tagen will mein Bau nit mehr, und die
Ärzte sind ratlos. Aber Granatapfelsale hat mir sließli geholfen, dazu ein Absud von
Kienspan in Eig; so hoffe i, da mein Bau wieder wie früher gehorsam wird. … Wenn
also einer von eu sein Gesä verriten will, braut er si nit genieren: keiner von
uns ist ohne Öffnungen geboren. I glaube, es gibt keine größere Qual, als es einzuhalten.
Das ist das einzige, was selbst Jupiter nit verbieten kann. … Selbst bei Tis verbiete i
keinem, zu tun, was ihn erleitert; die Ärzte sagen ja, man soll’s nit einhalten. Und wenn
ihr ein größeres Gesä habt, steht draußen alles bereit: Waer, Naöpfe und sonstige
Kleinigkeiten. Glaubt mir: wenn der Dunst ins Gehirn steigt, leidet der ganze Leib am Flu.
Viele, das weiß i, sind umgekommen, weil sie etwas Natürlies nit wahrhaben wollten.
[39]

Während der endlosen Bankee wurde viel gegeen und getrunken; der
Wein hae einen sehr viel niedrigeren Alkoholgehalt als heutzutage,
Trunkenheit bei Tis war selten. Häufiger waren Symptome von
Verdauungtörungen, denen man, ohne si von der Tafel zu entfernen,
dur diskretes Erbreen in extra dafür vorgesehene Behälter begegnete, die
von den Sklaven flink angereit wurden. Die Dauer des Bankes hae au
mit der Langsamkeit der Bedienung und des ganzen Ablaufs zu tun.
Zwisen den Gängen ließ der Gastgeber die Tisgäste dur versiedene
Darbietungen unterhalten: Musiker, Feuersluer, Zauberer, Tänzerinnen,
die au aufreizende Bewegungen zu maen wuten. Ein weites Feld, das
eigentli größere Beatung verdient, dies aber ist ein Kapitel über Nero.
Also zurü zu ihm, wobei i mi auf zwei oder drei Hinweise oder
Anekdoten besränke, die so intereant oder so amüsant sind, da i sie
einfa nit unterslagen kann.
Eines der Glanzliter der römisen Küe war eine garum genannte
Sauce, die man ohne Übertreibung als ekelha bezeinen kann. Sie wurde
hergestellt, indem man in eine Dreißig-Liter-Amphore abweselnd je eine
Sit aus feem rohem Fis (Las, Aal, Sardinen) und eine aus
aromatisen Kräutern (Anis, Koriander, Fenel, Minze, Oregano etc.) legte.
Die Sauce bestand aus der Flüigkeit, die si na einigen Woen auf dem
Boden des Gefäßes absetzte. Apicius höstpersönli, der ganz wild dana
war, hae ein Rezept gefunden, wie man die Penetranz des garum-Gerues
ein wenig abswäen konnte, denn im Endeffekt handelte es si um
flüige Verwesungsrüstände, eine Jaue. Do laen wir garum beiseite
und sauen uns lieber an, wele Höhen raffinierter Verarbeitung eine
Speise erreien konnte, wie es im Satyricon erzählt wird:

Soglei trug man eine Plae herein; auf der lag ein enormes Wildswein, das no dazu
eine phrygise Freiheitskappe trug. An seinen Hauern hingen zwei aus Palmbläern
geflotene Körben, wovon das eine mit nuförmigen Daeln, das andere mit Daeln aus
eben gefüllt war. Herumgelegt waren kleine Sweinen aus Kuenteig, so angeordnet,
als ob sie an den Eutern lägen, womit angedeutet war, daß es si um eine Bae handelte.
Diese Sweinen waren Gesenke zum Mitnehmen. Zum Tranieren der Wildsau kam
nit jener Campus herein, der das Geflügel zerhat hae, sondern ein Riesenkerl mit Bart,
die Beine mit Binden umwunden; er trug einen kurzen Jagdmantel aus buntgewebtem
ägyptisen Damast. Er zog einen Hirsfänger und stieß ihn mit aller Gewalt dem
Wildswein in die Flanke: da flogen Droeln aus der Wunde heraus. Vogelfänger standen
son mit Leimruten bereit und fingen die dur den Saal flaernden Vögel soglei ein.
Trimalio ließ jedem Gast seinen Anteil davon servieren und fügte hinzu: «Nun könnt ihr
sehen, was für prima Eielmast diese Wildsau gefreen hat.» Glei gingen au Bursen
an die von den Hauern herabhängenden Körben heran und verteilten zum Takt der Musik
die beiden Daelarten unter die Gäste.[40]
Die zweite Szene – als reines freizügiges divertimento – besreibt eine
Situation von ungebremster, des 18. Jahrhunderts würdiger Libertinage. Um
den Vorgang beer zu verstehen, mu man die Vorgesite kennen: Eine
Dame namens Philomela, die in ihrer Jugend eine ausgefuste
Erbsleierin gewesen war, ist in die Jahre gekommen und entwielt ihr
altes Gewerbe weiter. Sie prostituiert ihre beiden Kinder, eine Toter und
einen Sohn. Sie bringt also diese Kinder in das Haus eines gewien
Eumolpus, der aus naheliegenden Gründen so tut, als sei er von der Git ins
Be gefeelt, und überlät sie ihm. Dann entfernt sie si.

Eumolpus, der so keus war, da sogar i ihm wie ein Lustknabe auah, lud ohne
Aufsub das Mäden zum gymnastisen Spiel besonderer Art ein. … Da er aber aller Welt
gesagt hae, er habe die Git und sei nierenleidend, so häe er unser ganzes Spiel in Gefahr
gebrat, wenn er den Betrug nit aufreterhalten häe. Um daher seine Täusung au
weiterhin beizubehalten, bat er das Mäden, si rilings auf seine ihr unlängst empfohlene
Güte zu setzen, dem Diener Corax gebot er jedo, unter das Be, in dem er lag, zu krieen
und, auf Hände und Füße gestützt, seinen Herrn in Bewegung zu bringen. Der Diener
gehorte dem Befehl, anfangs langsam, und hielt mit den Bewegungen des Mädens in
gleiem Rhythmus Sri. Als es nun zum Höhepunkt kam, rief Eumolpus dem Corax mit
lauter Stimme zu: «Ma sneller!» So amüsierte si der alte Herr zwisen seinem Diener
und seiner kleinen Freundin gleisam wie auf einer Saukel. Das hae Eumolpus bereits
zweimal getan, wobei alles vor Laen brüllte, au er nit ausgenommen. Da i nun nit
dur Untätigkeit ganz aus der Übung kommen wollte, mate i mi an den jungen
Bruder heran, der dur das Slüello die Balancekünste seiner Swester bewunderte,
und wollte herausfinden, ob er si etwas gefallen ließe. Es entzog si au der erfahrene
Knabe keineswegs …[41]

Au wenn es Sueton nit ausdrüli gesrieben hat, ist es klar, da
Nero immer wieder sole Szenen, sole Gastmähler gesehen oder an ihnen
teilgenommen haben mu.

Unter den Frauen des Kaisers gebührt Poppaea Sabina eine herausragende
Position, son aufgrund der abenteuerlien Anfänge ihrer Beziehung zu
Nero: verheiratet mit einem anderen, Ehebreerin zuerst mit Neros Protegé,
dem sönen Otho, dann mit Nero selbst. Eine ebenso anrüige wie
komplizierte Affäre, an deren Ende si Poppaea matvoll in den
kaiserlien Palästen niederlät. Nero ist von ihr derart abhängig, da er
seine Ehefrau Octavia zunäst verstößt und naträgli eine abseulie
Verswörung anzeelt. Tacitus:

Poppaea …, die son lange die Geliebte Neros gewesen war und ihn als Ehebreer und
dann als Gaen beherrste, veranlate einen von Octavias Dienern, diese eines
Liebesverhältnies zu einem Sklaven zu bezitigen. … Peinlie Befragungen der Mägde
Octavias darüber fanden sta, wobei einige si unter den sweren Folterungen dazu
bewegen ließen, die falsen Besuldigungen anzuerkennen. Die Mehrzahl beharrte dabei,
die Unbesoltenheit ihrer Herrin zu beteuern. Eine von ihnen antwortete dem Tigellinus auf
sein Drängen: «Octavias Sam ist keuser als dein Mund.»[42]

Octavia nimmt das elende Ende vieler Feinde Neros: An einen entlegenen
Ort ins Exil verbannt, wird sie von den Prätorianern erstit, nadem ihr an
Armen und Beinen die Adern geöffnet wurden. Ihr abgesnienes Haupt
wird na Rom gesandt, damit der Souverän persönli den Vollzug der von
ihm befohlenen Exekution zur Kenntnis nehmen kann. Poppaea ist nun die
wahre Herrserin, Söpferin und Animateurin eines Luxus-Ambientes
ohnegleien. Augustus und Tiberius haen Pratentfaltung vermieden;
Caligula war gestorben, bevor er au nur einen Bruteil seiner
größenwahnsinnigen Träume hae verwirklien können; mit Claudius
hae das Palastleben einen eher «bürgerlien» Stil angenommen. Und die
arme Octavia, in die zweite Reihe gestellt, ungeliebt von ihrem Gaen, hae
nit einmal im Ansatz die Möglikeit gehabt, dem Hofleben ein eigenes
Gepräge zu verleihen.
Mit Poppaea halten erstmals Pomp und Raffinee Einzug in Neros Leben.
Der Kaiser ist ihr dankbar dafür, er fängt an, Verse zu diten: auf ihre
langen, goldblonden Haare, ihre hell leutende Haut. Die römisen Frauen
spreen von nits anderem mehr: diese Haare, der Glanz dieser Haut. Man
versut, ihr Geheimnis zu ergründen, man klatst und tratst, was das
Zeug hält, lustvoll wird auf jedes Detail ihrer Exzee eingegangen. Plinius
der Ältere sreibt in seiner Storia naturale, die söne und kapriziöse
Kaiserin habe bei jeder Reise 500 Eselinnen im Gefolge gehabt, in deren
Mil sie badete, um ihrer Haut die unvergleilie Helligkeit und Frise
zu verleihen. Juvenal versiert, sie habe, um ihr Gesit vor dem Kontakt
mit den Unreinheiten der Lu zu sützen, eine Maske benutzt.
Wahrseinli handelte es si dabei um eine feige und regenerierende
Paste, die Poppaea abends auf Gesit und Körper applizierte und morgens
weder entfernte, womit sie eine Prozedur der modernen Kosmetik
vorwegnahm.[43]
Trotz dieser offenkundigen Selbstverliebtheit und der damit verbundenen
Zeitverswendung war Poppaea eine intelligente und bewut lebende Frau.
Flavius Josephus versiert in seinen Antiquitates Judaicae (Jüdise
Altertümer, au unter dem Titel Jüdise Aräologie ersienen), sie sei
eine «goesfürtige Frau» gewesen, und er besreibt sie als eine
Sympathisantin der jüdisen Kultur. Kaum mehr als Andeutungen, Gerede.
Im Laufe der Zeit wandelte si ihr positives Image allerdings ins genaue
Gegenteil. Zum Beispiel wurde behauptet, sie sei es gewesen, die na dem
berühmten Brand Roms den Volkszorn auf die Christen gelenkt habe.
Anderen Zeugnien zufolge soll si Poppaea jedo, neugierig und
sarfsinnig, wie sie war, ganz besonders intereiert am Christentum
gezeigt haben, angezogen offenbar von der Exzentrik einer Religion, die
einen obskuren gekreuzigten Verbreer zu ihrem Go erkoren hae.
Wir wien nit, wie viel Wahrheit in diesen Beriten stet, aus
welen Motiven oder Intereen heraus sie verbreitet worden sein mögen.
Übereinstimmend aber sind die Auagen der Chronisten darüber, da das
Christentum son im Geburttadium lebhae Neugier und eine
beträtlie Unruhe erzeugt hat. Wie viele andere ist die neue Religion aus
dem Orient gekommen. In den Jahren, über die wir spreen, hat sie no
keine ausgeprägte Physiognomie, besitzt aber Charakteristika, die ihre
Ausbreitung bei den unteren Siten, bei den Sklaven und den Soldaten
erleiterte, wie es im Übrigen aus ähnlien Gründen au der Religion des
Goes Mithras ergangen war. Das Christentum aber erreit gleizeitig
au die hohen Siten der römisen Gesellsa und kann na und
na sogar auf Anhänger in Kreisen renen, die dem Kaiserthron
nahestehen.
Zurü zu Poppaea. Seit ihrer Heirat mit Nero blieb diese Frau von
unbeständiger und abenteuerlier Vergangenheit dem Kaiser treu, was aber
au sie vor einem tragisen Ende mit kaum 35  Jahren nit bewahren
konnte. Sie starb ganz plötzli. Es wurde gemunkelt, sie sei von ihrem
Gaen vergiet worden. Es wurde au gesagt, Nero habe sie bei einem
Zornausbru mit Fußtrien aaiert, und die damals Swangere sei daran
gestorben. Man vermutete au eine fatale Frühgeburt aufgrund der
Ersöpfung dur die ununterbroenen Festivitäten, an denen sie
gezwungenermaßen teilnahm. Was au immer die Ursae ihres Todes war,
der Kaiser befahl grandiose Begräbniszeremonien. Ihr Leinam wurde in
feierlier Prozeion zum Forum gebrat, der Kaiser persönli hielt, auf
derselben Rednertribüne, von der aus Antonius die Grabrede für Caesar
gehalten hae, die laudatio. Ihr Leinam wurde nit auf dem
Seiterhaufen verbrannt, sondern einbalsamiert. Plinius zufolge soll Nero
bei dem Begräbnis mehr Weihrau geopfert haben, als ganz Arabien in
einem Jahr liefern konnte, um dur ihre Einbalsamierung seinen Traum zu
erfüllen: ihre Sönheit zu erhalten.

Mit dem berühmten und in vieler Hinsit rätselhaen Brand von Rom im
Jahre 64, einem kapitalen Ereignis in der Gesite der Stadt und im Leben
Neros, werden die Christen zum ersten Mal Protagonisten und Opfer der
kriminellen Szene Roms. Es ist mien im Sommer und es herrst eine große
Hitze. Nero, der sehr di geworden ist, leidet darunter ganz besonders.
Zwisen ein und zwei Uhr morgens am 19.  Juli kommt atemlos ein
Amtsdiener na Antium geprest, wo der Kaiser seine Sommerfrise
verbringt, und teilt mit, da der Circus Maximus brenne und die Flammen
sogar die Kaiserpaläste bedrohten. In der Tat war das Feuer in der
Ansammlung übereinandergebauter, ineinander versatelter, meist von
grieisen und asiatisen Händlern zuglei als Wohnung und Laden
genutzter Häusen, Buden und kleiner Kaufläden direkt am Circus
Maximus ausgebroen. Nero eilt im Galopp herbei und erreit Rom gerade
no retzeitig, um das gesamte Stadtgebiet als Flammenmeer zu erleben
und seine eigene Domus transitoria (von Sueton als «Durgangshaus»
bezeinet, weil Nero seinen Palast auf dem Palatin dur einen Portikus mit
den Parkanlagen des Maecenas verbunden hae) in Ase versinken zu
sehen.
Ses Tage braute man, um dem Feuer Einhalt zu gebieten, wobei man,
um den Flammen die Nahrung zu entziehen, so weit ging, präventiv weitere
Gebäude einzureißen. Wohnungen und Läden, Tempel und heilige Stäen
brannten nieder, au das Heiligtum der Vesta, in dem die Penaten des
römisen Volkes auewahrt wurden. Zahllose Meisterwerke der
grieisen Kunst und «antike Werke»[44] wurden zerstört. Wenige Tage
später wütete, als Folge des ersten, ein zweiter Brand in einem Stadeil, den
man im heutigen Rom in dem Dreie zwisen Piazza del Popolo, dem
Montecitorio und der Villa Medici ansiedeln kann. Mehr als ein Zehntel des
gesamten Stadtgebietes ging in Rau und Flammen auf, einsließli des
Forums südli der Via Sacra.
Wie ein Lauffeuer verbreitet si das Gerüt, es sei Nero gewesen, der
den Brand in Aurag gegeben habe, und mit soler Wut, da die
Behauptung von vielen ernstzunehmenden Zeugen aufgenommen und
weitergegeben wird. Plinius der Ältere notiert in seiner Storia naturale
flütig, aber so, als sei es eine gesierte Information: «Nero hat Rom in
Brand gesetzt.» Auf der gleien Linie liegt Caius Dio: «Er wollte einen
Gedanken verwirklien, den er son immer gehegt hae: no zu
Lebzeiten ganz Rom und das Imperium zu zerstören.» Tacitus sprit ein
knappes halbes Jahrhundert na den Ereignien zwar von einem «…
Unglü, bei dem es ungewi ist, ob es auf Zufall oder auf die Heimtüe
des Princeps zurüzuführen war»,[45] fügt aber hinzu, da diejenigen, die
versut häen, den Brand zu lösen, mit Drohungen immer wieder von
Leuten daran gehindert wurden, die ganz offen Feuerbrände warfen und
dabei ausriefen, sie führten nur Befehle aus. Sueton ist sehr viel expliziter.
Ihm zufolge setzte Nero Rom so unverhohlen in Brand, da viele Männer
von konsularisem Rang, die seine Kammerdiener mit Pekränzen und
Faeln auf ihren Grundstüen ertappt haen, nit wagten, ihnen
entgegenzutreten.
Wozu aber sollte si der Kaiser, selbst wenn man annehmen mu, da er
geistesgestört war, mit einem so «unpolitisen» Verbreen dieses
Ausmaßes belasten? Der Beweggrund war Tacitus zufolge sein Wahn,
Gründer einer neuen, sehr viel söneren Stadt als der bereits existierenden
zu werden, deren Name für immer an ihn erinnern sollte: Neropolis. Tatsae
ist, da der Kaiser beim Wiederauau einige urbane Verbeerungen
vorslug, etwa die Verbreiterung der Straßen, die Regelmäßigkeit der
Häuserreihen, die Begrenzung der Gebäudehöhe als Sutz gegen künige
Brände. Caius Dio und Sueton teilen die Vermutung des Tacitus: In seinem
Wahn neidete der Kaiser dem Priamus das sublime Vergnügen, dem
Untergang und der Zerstörung seiner Stadt und seines Reies beigewohnt
zu haben. Diese Chronisten, die alle keine direkten Zeitzeugen waren,
überliefern, da der Kaiser, während das Feuer wütete, entweder von der
«Bühne seines Palastes» (Tacitus) oder «vom Turm des Maecenaspalastes»
(Sueton) oder «von der Anhöhe des Palatins» (Caius Dio), in sein üblies
eaterkostüm gekleidet, das Haupt von Lorbeer bekränzt, eine
Gesangzene über den Untergang Trojas vortrug und dabei das si vor
seinen Augen abspielende Unglü mit der längst vergangenen Katastrophe
vergli. Weit verbreitet und von einer gewien Plausibilität war die
Vermutung, der Brand habe dem Kaiser dazu gedient, das Gebiet
freizumaen, auf dem er seinen pratvollen «goldenen» Palast bauen
wollte. Ein intereantes, wenn au der Phantasie entsprungenes Porträt ist
das des polnisen Sristellers Henryk Sienkiewicz (Nobelpreis für
Literatur 1905) in seinem berühmten Werk Quo vadis?, mit dem Untertitel
«Roman aus dem Zeitalter Neros». Der Nero des Autors Sienkiewicz ist ein
von den Trivialitäten der Welt terrorisierter Ästhet, ein Mann, der im Guten
wie im Bösen nur Exzee kennt. Der über si selbst sagt:

«I weiß, man hält mi für wahnsinnig. Aber i bin nit wahnsinnig, i sue nur! I
sue! … und deswegen will i mehr sein als ein Mens, denn nur auf diese Weise kann i
als Künstler der größte sein … oh, wie vulgär wird die Welt sein, wenn i nit mehr bin.
[46]

Unabhängig davon, ob der Brand Roms nun Neros Werk war oder nit,
sier ist, da profeionelle «Brandstier» auf friser Tat ertappt wurden,
finstere, im alten Rom wohlvertraute Figuren, wie man aus den strengen
Strafen für dieses Delikt sließen kann. Die grausamste sah vor, da der
Brandstier, umhüllt von einer mit leitentflammbarer Flüigkeit
getränkten Tunika, lebendig verbrannt wurde. In seiner XIII. Satire
beswört Juvenal die zwielitige Figur des «gedungenen
Meuelmörders», der «vorsätzli mit Swefel» Brände legt.[47] Ein
weiteres Beispiel ist die Verswörung des Catilina, bei der das Signal zum
Beginn des Staattreis dur das Entzünden von Bränden gegeben wurde.
Es ist aber gerade die Verbreitung und Gewöhnlikeit dieses Vergehens und
die Leitigkeit, mit der man es in einer Stadt mit engen Straßen und
überwiegend Holzhäusern begehen konnte, die au die Gegenthese
plausibel erseinen lät: Irgendjemand organisierte einen breit angelegten
Brand, um ihn dann dem Kaiser in die Suhe zu sieben. Mit anderen
Worten: Au der Brand könnte eine der vielen gegen Nero angezeelten
Verswörungen sein.
Politis überlebt Nero die Katastrophe, obwohl ihn der Nahall des
Ereignies verfolgt, selbst im Abstand von Jahrhunderten. In den ersten
Jahren des Christentums ist die Populärliteratur voll von seinen Mietaten,
und no im 6.  Jahrhundert sreibt ein Moralist wie Henning Boëthius in
seiner Consolatio philosophiae (Der Trost der Philosophie): «Jeder kennt das
srelie Wüten Neros, der die Hauptstadt verbrannte …»[48]

Zunehmend versinkt der Kaiser im Wahnsinn. Er sreibt Verse, komponiert


Musik, rezitiert und spielt eater, tut alles, um als Deklamator und Poet in
die Gesite einzugehen und nit als politiser Führer. Er heiratet in
drier Ehe Mealina Statilia, deren Mann er na der Pisonisen
Verswörung hae umbringen laen – was für ihn aber kein Grund ist,
seine «Beziehung» mit dem Kastraten Sporus aufzugeben. Im Gegenteil, als
er im September 66 Rom verlät – die Stadt ist ihm unerträgli geworden –,
lät er si von Sporus begleiten, nit von seiner Gain. Er besließt, an
den Olympisen Spielen in Grieenland teilzunehmen. Mit einem enormen
Gefolge brit er auf und überlät die Führung der Hauptstadt dem Helius,
einem seiner Freigelaenen. In Grieenland nimmt er an allen möglien
Poesie-Webewerben teil und natürli gewinnt er sie alle. Zum Dank lät
er den Grieen drastis die Steuern senken bzw. erlaen, ohne si darum
zu seren, wie dieses «Bilanzlo» in Rom wieder gestop werden soll. Er
hat die Eingebung, den Isthmus von Korinth zu dursteen, beauragt
Ingenieure und Geologen mit der Ausführung, wobei er verkennt, da dieses
Unterfangen, gemeen an den tenisen Möglikeiten der Zeit,
vollkommen irreal ist. Bei seiner Rükehr im März  68 bringt er 1808 in
versiedenen Webewerben gewonnene Siegerkränze mit und stellt sie im
Triumphzug jubelnd zur Sau.
Er nimmt die neue, soeben großteils fertiggebaute Domus aurea in Besitz.
Er wirkt glüli. Die Narit, da die Legionen in Gallien (mit Vindex)
und in Spanien (mit Galba) in Aufruhr sind, nimmt er mit Gelaenheit auf.
Na der Vereitelung so vieler eter und falser Verswörungen und
Rebellionen glaubt er, da au diese ihm nits anhaben können.
Ein verhängnisvoller Irrtum. Wegen des Mangels an Nasub sind die
Getreiderationen fast bei Null angekommen.[49] Der Kaiser hat den Kontakt
zur Realität verloren, für Regierende immer ein fataler Verlust. Er
untersätzt die Unzufriedenheit des Volkes. Ende Mai brit eine offene
Rebellion aus. Aus Spanien marsiert Galba auf Rom. Tigellinus flieht, ein
Jahr später wird er si auf Befehl des neuen Kaisers das Leben nehmen
müen. Als Neros Prätorianer, die ihn immer begleitet haen, si weigern,
die Floe no einmal für eine Reise na Ägypten zu rüsten, ist das als
Zeien des Untergangs nit mehr zu übersehen.
Es ist Anfang Juni. Nero ist knapp über dreißig, er hat dreizehn Jahre und
at Monate regiert. Zum ersten Mal ist er fast allein. Er geht zu Be, do
seine Nat ist voller Alpträume. Er ru, do niemand eilt herbei. Er plant,
das Volk ein letztes Mal zu erweien und tränenrei um Verzeihung zu
bien. Er will abdanken, si na Ägypten zurüziehen, wo er glaubt, sein
Leben mit eateraurien fristen zu können. Um Miernat steht er auf
und entdet, da au die Leibwäter das Weite gesut haben, «nadem
sie zuvor no die Bedeen an si gera und sogar das Dösen mit dem
Gi mitgenommen haben».[50] Er lät na jemandem suen, von deen
Hand er si fageret den Tod geben laen kann, do selbst dafür ist
niemand zu finden. Dazu Sueton:

Sein Freigelaener Phaon bot ihm sein Landgut an, das in der Nähe der Stadt zwisen der
Salarisen und der Nomentanisen Straße etwa am vierten Meilenstein gelegen war. So
wie er war, barfuß und nur mit einer Tunika bekleidet, warf er einen alten, verblienen
Mantel über und zog die Kapuze über den Kopf, band si ein Tu vors Gesit und sprang
aufs Pferd, nur vier Leute begleiteten ihn, darunter Sporus.[51]

Auf abenteuerlien Wegen kommt das armselige Grüppen klammheimli


am Landhaus an. Der einstige Herrser der Welt mu si, um seinen Durst
zu lösen, mit der Hand Waer aus einer Pfütze söpfen. Um den
Haupteingang zu umgehen, wird ein Pfad dur das Gebüs geslagen.
Nero kriet mit seinem von Dornen zerrienen Mantel dur Gestrüpp und
Röhrit, zwängt si auf allen vieren in ein enges Lo, das für ihn
gegraben wurde, damit er si solange es geht versteen kann, wir si auf
ein säbiges Matratzenlager. Na kurzer Erholung befiehlt er, ein seinen
Körpermaßen angepates Grab zu saufeln, und während seine Helfer den
Befehl ausführen, ru er mit gebroener Stimme mehrfa aus: «Wel ein
Künstler geht mit mir zugrunde!» («Qualis artifex pereo»). Er ist verstört,
weint, fleht die wenigen Anwesenden an, si umzubringen, um ihm ein
Beispiel zu geben und damit die Ermutigung, es ihnen gleizutun. Niemand
gehort ihm. Die Ereignie überslagen si:

Und son sprengten die Reiter heran, die den Befehl haen, ihn lebend zu fangen. Als er sie
kommen hörte …, stieß er si den Dol in die Kehle, wobei ihm sein Kabineekretär
Epaphroditus Hilfestellung leisten mute. Er war son fast tot, als der Centurio
herbeistürzte und seinen Mantel auf die Wunde prete, um ihn glauben zu maen, er sei
ihm zu Hilfe gekommen. Da konnte er no die Worte hervorbringen: «Zu spät!» und: «Das
ist Treue!» Mit diesen Worten starb er, während ihm zum saudernden Entsetzen der
Umstehenden die Augen weitgeöffnet aus den Höhlen traten.[52]
II. DIE HELLEBARDIERE DES PAPSTES
DIE SCHWEIZERGARDE –
DIE KLEINSTE UND ÄLTESTE ARMEE DER WELT

A
M ABEND DES 4.  MAI  1998 werden im Inneren der vatikanisen
Mauern, in einem Appartement direkt unter den Privatgemäern des
Papstes, drei Leien entdet: zwei Männer und eine Frau, getötet dur
Pistolensüe.
Drei morti eccellenti – «exzellente», prominente Tote also, keine
Normalsterblien: Oberstleutnant Alois Estermann, 44 Jahre alt,
Kommandant des päpstlien Armeekorps, Chef der berühmten
Sweizergarde. Ein sehr stalier Mann, dem seine Ernennung erst wenige
Stunden zuvor mitgeteilt worden war. Auf den Boden gerutst, mit dem
Oberkörper an eine Wand gelehnt seine Frau Gladys Meza Romero, 49 Jahre
alt, aus Venezuela stammend und Diplomatin an der Botsa der
Bolivarisen Republik Venezuela am Heiligen Stuhl. Auf dem Boden
ausgestret, wie der Oberstleutnant, Vizekorporal Cédric Tornay, der
jüngste der drei, geboren am 24.  Juli  1974 in Monthey (Sweiz), also 24
Jahre alt.
Der Mord an diesen drei Personen stürzt den Vatikan ins Chaos, allerdings
nur für kurze Zeit. No in derselben Nat wird der Fall abgesloen,
au wenn die Ermilungen no neun Monate weitergehen werden. Die
Gerüteküe aber brodelt weiter, vor allem außerhalb Italiens. Es gibt zu
viele Lüen, zu viele Einzelheiten des Verbreens stehen im Widerspru
zur offiziellen Version, und folgli bleiben eine Menge Zweifel und Fragen,
auf die es keine Antwort gibt.
Über diesen Dreifamord werden Ströme von Tinte vergoen. Der
Sauplatz des Verbreens und die Identität der Opfer regen die Phantasie
von Journalisten und Autoren an. Sließli gehörten die beiden Soldaten
aus der Sweiz zum ältesten und angesehensten päpstlien Wakorps:
hundert handverlesene Soldaten, die seit Jahrhunderten die Sierheit des
Heiligen Stuhls, die Unversehrtheit des Pontifex und die
Zugangsbesränkungen an den vatikanisen Mauern garantieren. Son
Tacitus äußerte si anerkennend: «Die Helvetier sind ein Volk von
Kriegsleuten, deen Soldaten für ihre Kriegstütigkeit weithin bekannt
sind.»
Dieser vatikanise Kriminalfall hat nie eine befriedigende Aulärung
gefunden. Nur zwei Gewiheiten gibt es zu diesem Dreifamord: da
erstens die offizielle Version mit Sierheit nit mit der realen Dynamik des
Tathergangs übereinstimmt; da zweitens Cédric Tornays Muer trotz ihrer
wiederholten Bisrien an den Papst nit der geringste Trost zuteil
wurde, den au jedes elementare Gefühl des Mitleids häe geboten
erseinen laen; ganz zu Sweigen driens von einer glaubhaen
Antwort auf ihre beretigten Fragen. Muguee Baudat, so ihr Name, hat
si mit der offiziellen Version des Tathergangs begnügen müen, der
zufolge ihr Sohn Cédric das Ehepaar Estermann umgebrat und
ansließend Selbstmord begangen habe.
Diese Version war den Medien vom vatikanisen Preespreer Joaquín
Navarro-Valls geliefert worden, einem ehemaligen spanisen Journalisten,
Mitglied des Opus Dei, und zwar bereits wenige Stunden na der Tat. Na
seiner Rekonstruktion des Verbreens hat si Vizekorporal Tornay für die
Verweigerung einer von ihm erwarteten Auszeinung (der
Verdienstmedaille Benemerenti) am Kommandanten gerät und ihn in
einem außer Kontrolle geratenen Wutanfall gemeinsam mit seiner Ehefrau
ersoen. Aufgewühlt habe er si ansließend selbst getötet. Der
Preespreer fügte hinzu, der junge Mann habe an psyisen Störungen
gelien und Drogen (Cannabis) genommen. Die später vorgenommene
Autopsie wird in seinem Hirn einen Tumor feststellen, der seinen ohnehin
angeslagenen psyisen Zustand no verslimmert haben soll. Am
Ende seiner Rekonstruktion der Fakten wird Navarro-Valls wörtli sagen:
«I glaube nit, da die Autopsie andere Ergebnie zutage fördern wird
als die Ihnen heute unterbreiteten.»
Am 5.  Februar  1999 stellte Retsanwalt Gianluigi Marrone, der im
Vatikan als Einzelriter fungierte, in einem Dekret fest: «In der
Überzeugung, da die auf der Grundlage der in der Untersuung
gesammelten Fakten gezogenen Slufolgerungen des Staatsanwaltes zu
teilen sind, wird … als Folge des Ablebens von Oberst Alois Estermann, Frau
Gladys Meza Romero (verh. Estermann) und Vizekorporal Cédric Tornay
kein Strafverfahren eröffnet. Die Akten sind zu arivieren.»[1] Was die
wiederholten Bigesue Madame Baudats angeht, wird der Preespreer
sagen: «I verstehe und respektiere den Smerz der Muer, die Teilhabe an
ihrem Smerz mu si aber mit der skrupulösen Respektierung der
Wirklikeit, wie sie dur einen langen und sorgfältigen
Untersuungsberit belegt wird, vereinbaren laen.»

Im vorhergehenden, Nero gewidmeten Kapitel begannen die ersten Christen


gerade auf der Bühne der Welt zu erseinen: inbrünstige Anhänger eines
Glaubens, der als Bewegung innerhalb des Judentums auf dem Boden Israels
entstanden war und si nun im Okzident auszubreiten begann. Mit einem
Abstand von nur wenigen Seiten, in Wahrheit aber einem Sprung über
zwanzig Jahrhunderte, befinden wir uns nun inmien eines
Staatsverbreens, sind konfrontiert mit aalglaen, widersprülien,
offensitli weit von der Wahrheit entfernten Tatversionen, wie es die von
versiedenen Zeitungen und Fernsehsendern durgeführten
Parallelermilungen nagewiesen haben. Die «Geheimnie des Vatikan»
zu rekonstruieren bedeutet au, einen Erklärungsversu zu leisten für den
himmelweiten Abstand zwisen den Gläubigen, die das Lob des Herrn
singend dem Martyrium entgegengingen, und den obskuren Meanismen,
die das Leben politiser und staatlier Organismen regulieren.
Die Karte der Vatikanstadt im Anhang der zwisen Benito Muolini und
Kardinalstaatekretär Pietro Gasparri unterzeineten Lateranverträge zeigt,
da die Città del Vaticano im Wesentlien das Gebiet innerhalb der
Leoninisen Mauer umfat. Ein erster Mauergürtel wurde zwisen 848
und 852 von Papst Leo  IV. (847–855)[2] zum Sutz des Vatikanhügels und
der alten Petrusbasilika erritet, als Bollwerk gegen die Angriffe der
Sarazenen, die Rom 846 während des Pontifikats von Sergius  II. (844–847)
geplündert haen. Leo IV. ließ diese Verteidigungsbarriere na den Skizzen
seines Vorgängers Leo III. (795–816) umsetzen.
Die Arbeiten srien ras voran. Die Domus cultae[3] lieferten die für
das große Bauvorhaben notwendigen Arbeitskräe. Besonderen Einsatz
zeigten die Bauern von Capracorum und Calisianum. Do nit nur sie. Für
die Bauarbeiten wurden au die 849 bei der Seeslat von Ostia als
Sklaven gefangengenommenen Sarazenen eingesetzt. Dank des finanziellen
Beitrags Kaiser Lothars I. (795–855) und des Langobarden-Königs Liutprand
(gest. 744) sowie der aus römisen Bauwerken geplünderten Baumaterialien
konnte die Mauer innerhalb von vier Jahren hogezogen werden. Papst Leo
erwies si als unermüdli. Persönli überwate er die Arbeiten, gab den
Arbeitern Anweisungen, segnete und betete. In den darauffolgenden
Jahrhunderten wurde dieser erste Mauergürtel immer weiter ausgebaut und
erweitert.
Heute ist vom ursprünglien Mauerring nur no der Passetto sitbar, in
Romanesco er Corridore (hoitalienis: il corridore – der Korridor)
genannt. Leo  IV. ließ ihn anstelle einer kürzeren Mauer erriten, die im
6. Jahrhundert von dem Ostgotenkönig Totila erbaut worden war. Ungefähr
10  Meter ho, hat er von außen das typise Auehen einer Stadtmauer
zum Sutz der Bürger. Kaum jemand kann si vorstellen, da si darin
ein Gang befindet, dur den man zu Fuß vom Vatikan zum Castel
Sant’Angelo, der Engelsburg, gelangen kann. Kurioserweise war der Passetto
na den Erweiterungsarbeiten nit mehr Teil der Grenzmauer, sondern ein
Laufgraben, der mien dur den Borgo verlief und dadur eine ganz neue
Funktion erhielt. Der Passetto wurde nämli zu einem Flutweg, der die
päpstlien Paläste mit der Festung Engelsburg verband.
Dieser (no heute vorhandene und im Jubiläumsjahr 2000 restaurierte)
«Notausgang» hat etwas Romanhaes, um ihn ranken si Mythen und
volkstümlie Legenden. Der Amerikaner Dan Brown, kein herausragender
Sristeller, aber ein phantasievoller Plot-Erfinder, mat ihn zum
Sauplatz einer bewegten Szene seiner Illuminati. Gioaino Belli[4] hat
ihn in einem Sone verewigt (Er Passetto de Castel Sant’Angiolo vom
17. Dezember 1845):

Du fragst, was dieser Korridor bezwet?


Der – da und dort mit Dälein überdet –
Si von San Pietro zum Kastell erstret,
Wo manesmal das Lüen reiner smet?
Das sei dir in zwei Sätzen zugestet:
Den hat si il Signore vorbehalten,
Falls einmal Lust und Laune in ihm walten,
Da er uns mit Versteenspielen net.

Denn im Kastell – wel leites Spiel hat do


Der Heilge Vater innerhalb des Baus,
Flankiert vom Kellermeister und vom Ko!

Unterm weiß-gelben Banner auf dem Haus


Teilt er von dort behagli no und no
den Segen und Kanonenkugeln aus.[5]

Man mu Bellis originales Romanesco ein wenig abmildern, um die biige
Ironie seiner Komposition verständli zu maen. Der Diter hae
jedenfalls ins Swarze getroffen. Im Notfall garantierte der etwa 800 Meter
lange Laufgraben dem Papst und seinem Gefolge dur einen gesützten,
erhöhten Gang den Umzug vom Vatikan in die Festung. Es war Papst
Nikolaus  III. (1277–1280), der si 1277 diese Verwendung der von seinem
fernen Vorgänger Leo  IV. erbauten Mauer ausdate. Einen der
dramatissten Notfälle gab es, wie wir glei sehen werden, im Mai 1527.
Die Trae der Leoninisen Mauer bildete vor und na den
versiedenen Erweiterungen die Form eines Hufeisens: Ausgehend vom
Hadrian-Mausoleum (später: Castel Sant’Angelo), das son im
9. Jahrhundert als Kastell genutzt wurde, zog sie si den Vatikanhügel ho
und führte vom Gianicolo wieder hinunter zum Tiber. An der Basis war
diese Mauer vier Meter di, zwölf Meter ho und na römisem Muster
von vierundvierzig Türmen und einigen Toren dursetzt, die zum Großteil
no heute vorhanden sind: Das dem Castel Sant’Angelo am nästen
liegende Tor, das zunäst den Namen Posterula Sancti Angeli erhielt, wurde
später zur Porta Castello; bei der Chiesa di San Pellegrino befand si die
Porta Sancti Peregrini, später au Porta Viridaria oder Porta Sancti Petri
genannt (no heute sitbar hinter dem reten Flügel der Bernini-
Kolonnaden, in der Neufaung von Papst Alexander VI. von zwei Türmen
bewat). Sließli öffnete si na Trastevere, bei der Kire Santo
Spirito in Saia, die Posterula Saxonum, die später zur heutigen Porta Santo
Spirito wurde. Die alten Quellen nennen au ein na Cornelia oder Aurelia
benanntes Tor, das wahrseinli mit der Porta Sancti Petri identis ist.
Im päpstlien Rom bildete die Città Leonina (die Leoninise Stadt, au
Leostadt) eine Bastion zur Verteidigung der päpstlien Monarie. Na der
Rükehr aus der avignonesisen Gefangensa, die von 1309 bis 1377
gedauert hae, wurde den Päpsten nämli klar, da der Vatikan beer zu
verteidigen war als der Lateran, ihre ursprünglie Residenz, nit zuletzt
dank der außerordentlien Festung, die Castel Sant’Angelo darstellte. So
mate man si also daran, innerhalb des Leoninisen Mauergürtels neue
Gebäude zu erriten und zu befestigen. Die Mauern wurden instandgesetzt,
verbreitert, verstärkt, und um den neuen militärisen und bautenisen
Anforderungen zu entspreen, wurden weitere Tore geöffnet. Die Mauern,
von denen das Staatsgebiet der Città del Vaticano (mit den Kolonnaden)
heute umfat wird, sind von Papst Paul III. (1534–1549) – mit Mielangelo
als dem Aritekten der erste Bastion – und von Papst Urban  VIII. (1623–
1644) in Aurag gegeben worden.
Auf einem Plan von Mariano Vasi aus dem 18. Jahrhundert (Vetus Planum
Urbis Romae) sind die Haupore zu sehen: Porta San Petri, die später dur
Porta Castello ersetzt wurde; Porta San Pellegrini: zwisen diesem Tor und
Castel Sant’Angelo verläu der Passetto; Porta Pertusa, das nördliste, vom
Bastione di San Giovanni gesützte Tor: fast immer zugemauert, hier hielt
Christina von Sweden ihren Einzug; Porta Fabrica (au Porta Fornacum
genannt), die, wie der Name son sagt, der Anlieferung von Baumaterial
diente; Porta Turrionis, später wegen der nahegelegenen Kaserne Porta
Cavalleggeri genannt, ist heute abgerien, do hat die Stelle, wo sie einst
stand (und wo man no die Reste des Turrione sehen kann), bis heute
diesen Namen behalten. Hier braen 1527 die Landsknete Karls  V. ein;
Porta Santo Spirito, die in der heute existierenden Form von Antonio da
Sangallo dem Jüngeren gestaltet wurde.
Am äußersten Ende des Passetto, gegenüber der Piazza San Pietro, beginnt
die Via di Porta Angelica. In vergangenen Zeiten führte diese Straße, wie ihr
Name andeutet, zur Porta Angelica. Als eine Folge des Konkordats, das au
unter der Bezeinung Conciliazione (Versöhnung) bekannt ist, wurde an
der linken Straßenseite entlang eine moderne Mauer gebaut, wie eine
regelrete Grenze zwisen zwei Staaten. Hier befindet si heute Porta
Sant’Anna, der einzige Eingang zum Vatikan für Besuer, aber au für
viele Vatikanbürger. Wer kein Eingangsvisum hat, sollte allerdings gar nit
erst versuen, diese Swelle zu übersreiten. Als Kontrollposten an dem
Tor dienen seit mehr als einem halben Jahrhundert die päpstlien Soldaten,
die Hellebardiere des Papstes. Oder beer: die Sweizergarde.
Und damit sind wir wieder bei unserem ema, den außergewöhnlien
Abenteuern der ältesten Armee der Welt, außerdem der einzigen auf der
Grundlage eines religiösen Glaubens gebildeten. Abgesehen von den beiden
im 19. Jahrhundert gegründeten und später wieder aufgelösten pontifisen
Korps (der Guardia nobile von Pius VII. und der Guardia palatina zu Ehren
von Pius  IX.) gab es no die Korsise Garde. 1528 nämli nahm
Clemens  VII. (1523–1534) zu seiner eigenen Sierheit seshundert
korsise Soldaten in Sold. 1637 wurde das Kontingent halbiert und 1662
infolge der Zusammenstöße zwisen den Korsen und den Männern des Duc
de Créqui, seinerzeit französiser Botsaer in Rom, aufgelöst.
Die Päpstlie Sweizergarde dagegen hat ihren Ursprung offiziell 1506,
im Rom der Renaiance, als der 1503 gewählte Julius II. della Rovere (1503–
1513) die Tagsatzung, die Versammlung der Abgesandten der Sweizer
Eidgenoensa, darum ersute, ihm die Rekrutierung einiger Dutzend
junger Männer als Leibgarde zu gestaen. Am 21. Juni 1505 unterbreitete der
Luzerner Prälat Peter von Hertenstein den päpstlien Antrag, Ende Oktober
deelben Jahres begann die Rekrutierung, zumeist in der Gegend von
Luzern und Züri. Innerhalb weniger Monate wurden es 150 Söldner, die
si im tiefsten Winter zu Fuß von Luzern entlang der Via Francigena, der
alten Frankenstraße, auf den Weg na Rom begaben.
Angeführt wurde der Mars vom Prälaten Hertenstein und dem
Kommandanten der Garde, Hauptmann Kaspar von Silenen. Die 150
Gwardiknete maten eine erste Station in Mailand, wo Hertenstein bei
der Filiale der Fugger Bank 500 Dukaten abhob.[6] Einen nästen Halt
maten die «Sweizer» in Acquapendente, einer kleinen Stadt in der
Südtoskana, um weitere 200 Dukaten von den Fuggern zu kaieren Am 22.
Januar 1506 erreiten sie die Tore Roms, am folgenden Tag legten sie ihre
Uniform an, in den Farben der Rovere: Rot und Gelb. Von der Porta del
Popolo marsierten sie dur den Campo de’ Fiori zum Vatikanhügel,
präsentierten si dem Pontifex und bezogen Quartier.
Der Elsäer Prälat Johannes Burard, päpstlier Zeremonienmeister
und gewienhaer Chronist, registriert das historise Ereignis in seinem
Tagebu: «Am 22. Januar 1506, gegen Abend, übersri eine Gruppe von
150 Sweizer Soldaten, geführt von Hauptmann Kaspar von Silenen, die
Porta del Popolo und zog in Rom ein.» Vor Julius  II. hae bereits Papst
Sixtus IV. (1471–1484) eine Allianz mit den Konföderierten gesmiedet und
den Vertrag gesloen, der die Möglikeit der Rekrutierung von Söldnern
vorsah. 1479 hae er für sie in der Nähe der Chiesa di San Pellegrino
Unterküne bauen laen. Und Innozenz  VIII. (1484–1492) hae vor, si
ihrer gegen den Herzog von Mailand zu bedienen. Au Alexander  VI.
(1492–1503) wird während der Allianz der Borgia mit dem König von
Frankrei die Slagkra der konföderierten Soldaten nutzen. Es war aber
Julius, der Papst Mielangelos, der die offizielle Geburttunde des Korps
der Sweizergarde einläutete.
Julius II. war ein kriegeriser Papst, der si zum Ziel gesetzt hae, den
Kirenstaat zu stärken und die in Rebellion befindlien Territorien
zurüzuerobern. Für seine Leibgarde hae er si den französisen König
zum Vorbild genommen, der seit 1497 seine persönlie Sierheit einer
eidgenöisen Sweizer Einheit von hundert Mann anvertraute.[7]
Julius II. wollte die doppelte Anzahl, mute si am Ende aber mit 150 Mann
begnügen. 1521 haen die Sweizer Orte, darunter das bereits reformierte
Züri, Leo X. ein höheres Kontingent gestellt.
Zur tragisen «Bluaufe» des kleinen Korps, zur ersten eten
Bewährungsprobe der im Eid formulierten Pfliterfüllung, die au das
Opfer des eigenen Lebens einslo, kam es am 6. Mai 1527. Anla war der
Sacco di Roma, eine der verheerendsten Invasionen, die die Stadt jemals
erlebte.[8] 147 Sweizer fielen bei dem Versu, Papst Clemens  VII. zu
verteidigen. Am Morgen des 6.  Mai  1527 gab Generalhauptmann Bourbon,
der im Dienste Karls  V. stand und sein Hauptquartier im Kloster
Sant’Onofrio auf dem Gianicolo bezogen hae, von dort aus das Zeien
zum Angriff an drei Fronten: der Mauer des Campo Santo Teutonico, der
Porta Santo Spirito und der Porta del Torrione. Hier waren die Gefete am
heigsten, beim Sturm auf die Stadtmauer wurde Bourbon tödli getroffen.
Dur ein Haus an der Mauer, das überrasend eine von den Verteidigern
übersehene Öffnung bot, gelang es den spanisen Söldnern, in die Stadt
einzudringen.[9] Na einigen Stunden blutigster Kämpfe fielen au die
übrigen Truppen in den Borgo Santo Spirito und den Borgo San Pietro ein,
eine Horde von ca.  14.000 Landskneten stürmte die Stadt. Die
Sweizergarde, die si zu Füßen des Obelisken zusammengefunden hae,
der no heute beim Campo Santo Teutonico steht, und die wenigen no
übriggebliebenen römisen Truppen leisteten ebenso erbierten wie
auitslosen Widerstand. Die Swert- und Hellebardengefete sollten bis
in die Stanzen Raffaels und ins Innere der Sixtinisen Kapelle vordringen.
Kommandant Kaspar Röist wurde vor den Augen seiner Frau Elisabeth
Klingler von den Spaniern maakriert. Von den 189 Sweizer Soldaten
konnten si nur zweiundvierzig reen: diejenigen, die Papst Clemens  VII.
unter dem Kommando von Herkules Göldli zu seinem Zuflutsort, dem
Castel Sant’Angelo, begleitet haen. Die übrigen wurden, gemeinsam mit
200 Flütlingen, vor den Stufen des Hauptaltars von Sankt Peter
niedergemetzelt. Da Clemens  VII. und seine Männer si reen konnten,
war einzig und allein dur den Passetto mögli.
Die « frommen Landknete», eine kampferprobte profeionelle
Infanterie aus bayerisen und Tiroler Söldnern und einigen spanisen
Abteilungen, die im 16.  Jahrhundert den Kern der deutsen Militärkra
bildete und in ganz Europa gefürtet war, waren die Protagonisten des
Sacco di Roma. Plünderung war damals ein Ret, das den Söldnerheeren bei
ausgebliebenen Soldzahlungen zugestanden wurde. Zu diesem Wüten, dem
keine Grenzen gesetzt waren, gehörten Vergewaltigungen, die au in Rom
an der Tagesordnung waren. Die Lanzi (von ital. lanzieneci) maten
selbst vor Klosterpforten nit Halt, die sie durbraen, um sogar die
Klausurswestern zu vergewaltigen. Die Gewalt und Brutalität, mit der sie
vorgingen, erklärt si daraus, da die deutsen Truppen aus überzeugten
Anhängern der «neuen Lehre» Luthers bestanden (zehn Jahre zuvor hae
die Reformation begonnen), in deren Augen der Papst der Antirist und
Rom die große Hure war. In ihnen brodelte also nit nur der bei Söldnern
üblie Drang na gewaltsamer Unterwerfung, sondern darüber hinaus
unbändiger Ha und mörderise Rasut. Das kaiserlie Heer und
Frundsbergs Landsknete waren vom Geist eines antipäpstlien Kreuzzugs
beseelt. Die Folgen für die Bevölkerung und die Denkmäler der Stadt waren
fürterli.
At Tage lang tobten sie ihre Wut in Plünderungen und Übergriffen aus.
Sogar die Gräber der Päpste wurden aufgebroen, um sie zu plündern, der
Leinam Julius’  II. ausgegraben, die Gebeine der Apostel in alle
Himmelsritungen verstreut. Am Ende fielen etwa viertausend Personen
Plünderung und Pest zum Opfer; der Wert der Beute entzieht si jedo
einer seriösen Berenung. Zum Raub und zur Gewalt gesellte si
antipäpstlier Hohn und Spo. Unter den Augen des Papstes wurde vor
dem Castel Sant’Angelo die Parodie einer kirlien Prozeion aufgeführt,
mit der Clemens aufgefordert wurde, die Segel und die Ruder der Navicella,
des Petruiffens, an Luther herauszugeben. Die Landsknete johlten:
«Vivat Lutherus pontifex!» («Es lebe Papst Luther!»). Do damit nit
genug. In Raffaels Fresko La Disputa del Santissimo Sacramento (Die
Disputation um das Allerheiligste Sakrament) in den Stanzen wurde Luthers
Name mit dem Swert eingeritzt.
Nit nur Reliquien und Kunstwerke wurden zerstört, beim Sacco di Roma
ging außerdem ein weiterer, unermelier Satz verloren: der größte Teil
der Goldsmiedearbeiten der Kiren.
Zur Erinnerung an diesen Tag steht unter Bernardino Paeris Büste in der
Via dei Penitenziari:

Il 6 maggio 1527
ravvolto nella bandiera
di sua mano strappata
alle irrompenti orde borbonie
qui presso cadde a difesa della patria
nel proprio e nel nemico sangue
Bernardino Passeri romano
orefice, padre di famiglia.
Peré tanto esempio frutti insegnamento
ed emulazione ai posteri.
La società degli orafi di Roma
al loro fratello d’arte e di cuore
nuovo ricordo consacrano
23 ottobre 1885

Am 6. Mai 1527
fiel hier in Verteidigung des Vaterlandes
umhüllt von der Bourbons Horden
eigenhändig entrienen Fahne
im eigenen und im Blut des Feindes
Bernardino Paeri, römiser
Goldsmied und Familienvater.
Auf da sein großartiges Beispiel den Nakommen
ein nazueiferndes Vorbild sei.
Von der Gesellsa der Goldsmiede Roms
ihrem Bruder in der Kunst und des Herzens
zur ewigen Erinnerung gewidmet
23. Oktober 1885

Am 5.  Juni  1527 mute Clemens  VII. kapitulieren und harte Bedingungen
akzeptieren: die Übergabe der Festungen Ostia, Civitavecia und Cività
Castellana, den Verzit auf die Städte Modena, Parma und Piacenza sowie
die Zahlung von 400.000 Dukaten, ein stalies Lösegeld zur Befreiung der
zahlreien Gefangenen. Außerdem wurde, und dies intereiert uns im
Kontext unserer Gesite besonders, die Sweizergarde aufgelöst. An ihre
Stelle traten zweihundert Landsknete, vier Kompanien deutser und
spaniser Soldaten. Der Papst konnte dursetzen, da den überlebenden
Sweizern das Ret zuerkannt wurde, in die neue Garde einzutreten. Do
nur zwölf von ihnen nahmen das Angebot an. Die anderen wollten mit den
verhaten Landskneten nits zu tun haben. Es vergingen zwanzig Jahre,
bis Paul III. im Jahre 1548 beslo, das Korps der päpstlien Hellebardiere
neu zu bilden.
Zur Erinnerung an den 6. Mai 1527 werden die «Sweizer» Rekruten bis
heute an diesem symbolträtigen Tag vereidigt. Die neuen Rekruten
kommen in großer Gala-Uniform auf dem Damasushof zusammen, um aus
dem Munde des Kaplans den Text der Eidesformel zu hören:

I swöre, treu, redli und ehrenha zu dienen dem regierenden Papst und seinen
retmäßigen Nafolgern und mi mit ganzer Kra für sie einzusetzen, bereit, wenn es
erheist sein sollte, selbst mein Leben für sie hinzugeben. I übernehme dieselbe
Verpflitung gegenüber dem Heiligen Kollegium der Kardinäle während der Sedis-Vakanz
des Apostolisen Stuhls. I verspree überdies dem Herrn Kommandanten und meinen
übrigen Vorgesetzten Atung, Treue und Gehorsam. I swöre, alles das zu beaten, was
die Ehre meines Standes von mir verlangt.

Die Rekruten treten, einer na dem anderen, einen Sri vor und
swören, die linke Hand an die Gardefahne gelegt und die rete mit
gespreizten Fingern (als Symbol der Dreifaltigkeit) zum Swur erhoben:
«I, [Name, Erg. d. Ü.], swöre, alles das, was mir soeben vorgelesen
wurde, gewienha und treu zu halten, so wahr mir Go und seine Heiligen
helfen.» Und bei den Heiligen wird besonders an die Sutzheiligen der
Sweizergarde gedat, an St. Martin (11.  November), St. Sebastian
(20.  Januar) und St. Niklaus von Flüe, Defensor pacis et pater patriae
(Verteidiger des Friedens und Vater des Vaterlandes, 25. September).
Na der Bluaufe vom Mai  1527 hae das Heer des Papstes andere
Herausforderungen zu bestehen, alle aber erhebli weniger swer,
abgesehen von einer Episode im Jahre 1859, die als «Blutbad von Perugia» in
die Gesite eingegangen ist. Während des zweiten
Unabhängigkeitskrieges haen si etwa 800 junge Männer aus Perugia
freiwillig dem savoyisen Heer angesloen. Gleizeitig hae si in der
Stadt ein Komitee von Aufständisen gebildet, das na dem Seitern der
Verhandlungen mit dem päpstlien Gesandten eine provisorise Regierung
ausrief und die Stadt Viorio Emanuele II. anbot. Von Anfang an war aber
klar, da Pius  IX. nit bereit sein würde, diesen Teil seines territorialen
Hoheitsgebietes aufzugeben, da er vielmehr die Aufruhrstimmung zum
Vorwand nehmen würde, um die Revolte exemplaris niederzuslagen. An
diesem Punkt befahl die provisorise Regierung der Bevölkerung, si auf
die Verteidigung der Stadt einzustellen.
Am 20. Juni erreiten die päpstlien Truppen, ungefähr 2000 Mann, zum
Großteil Sweizergarden unter dem Befehl von Oberst Anton Smidt, die
Stadore Perugias. Die Freiwilligen-Truppen, slet ausgebildet und no
sleter bewaffnet, versuten si in der Verteidigung, die aber sehr
snell niedergezwungen wurde. Dabei fielen zehn der Papstgetreuen und
dreißig Männer aus Perugia. Die Sweizer strömten in die Stadt und
maten si derselben Gewalaten suldig, die drei Jahrhunderte zuvor
von den Lanzi verübt worden waren.
Bemerkenswert ist das Verhalten von Placido Acquacoa, dem Abt des
Klosters San Pietro, der in den Labyrinthen und Kellern des Konvents
Dutzende von Zivilisten in Todesangst verstete und ihnen damit das Leben
reete. Ein Beispiel dafür – und wir werden in diesem Bu no einige
davon sehen –, wie si einfae Ordensbrüder abweiend und wesentli
«ristlier» verhielten als die Hierarien, denen sie formell unterstellt
waren. Der Gelehrte Pasquale Villari (1827–1917) srieb in seiner Storia
generale d’Italia (Allgemeine Gesite Italiens, 1881):

Es wurden dreißig Häuser geplündert, in denen – na dem Bekenntnis Smidts persönli
– ein Maaker an den Frauen begangen wurde; es wurden ein Kloster, zwei Kiren, ein
Krankenhaus und ein Waisenhaus besetzt, in dem es unter den Augen der Lehrerinnen und
der Kameradinnen zur Vergewaltigung zweier junger Mäden kam. Den
Ungeheuerlikeiten der Plünderer folgten, als legitime Dreingabe, die von Smidt
ausgeübte Standgeritsbarkeit, die ihm und seinen Sergen vom Papst verliehenen Orden
und die von Kardinal Pecci [dem späteren Papst Leo  XIII., Erg. d. A.] abgehaltenen
feierlien und pompösen Begräbniszeremonien mit der teuflis provozierenden Insri auf
dem Katafalk: Beati mortui qui in Domino moriuntur.

Das Maaker konnte dem Furor Giosuè Carduccis[10] natürli nit


entgehen, der in seiner Geditsammlung Juvenilia (XCII) wenige Tage
später mit heißer Feder ein donnerndes Sone srieb, in dem er die
Sweizer als «Katholikenwölfe» und «Mördergezüt» bezeinet:

Nit länger nährt des Frevels feige Wut


Die Hure Rom auf ihrem Sündenfest;
Mit dien Lippen dürstet sie na Blut,
Lät ein die Katholikenwölfe, lät
Sie los aufs Volk, bis allen Sand die Flut
Von Vergewaltigung und Gräuel nät;
Und da uns no mehr graut vor soler Brut,
Hebt sie zum Häuptling Christus aufs Podest –
Christus, den Meister, der die Freiheit lehrt,
Der in die Seide site Petri Swert,
Und der nit tötet, nein, verzeiht und stirbt.
Gib, Go, da Blitz das Mordgezüt verdirbt
Und da der Soß, aus dem die Sande swärt,
Dahin, woher er stammt: zur Hölle fährt.[11]

Das «Blutbad von Perugia» ist ein heute fast vergeenes Ereignis, hae
seinerzeit jedo ein enormes, au internationales Eo, zumal von den
Gewalaten die amerikanise Familie Perkins betroffen war, die si rein
zufällig zu Gast in Perugia befand. Am 25. Juni des Jahres beritete die New
York Times unter dem Titel e massacre at Perugia: «Die Soldaten waren
völlig hemmungslos, sie sienen jedem Gesetz abgesworen zu haben und
drangen na Gutdünken in alle Häuser ein, begingen grauenhae Morde
und andere Barbareien an wehrlosen Bewohnern, Männern, Frauen und
Kindern.»
Umstrien ist die Frage na der persönlien Verantwortung Pius’ IX. an
dem Blutbad, ob die Sweizer also ledigli den Befehl erhalten haen, die
Revolte zu erstien, oder darüber hinaus die Lizenz zu jeder Art von
Gewalaten gegenüber der Peruginer Bevölkerung na gewonnener
Slat. Unleugbar jedenfalls ist seine Verantwortung für die
ansließenden Enthauptungen, wie aus einem Befehl Cavalier Luigi
Mazios, des stellvertretenden päpstlien Ministers, an Oberst Smidt
hervorgeht:

Hiermit beauragt der unterzeinende Commiario Sostituto Ministro Eure Exzellenz, der
Santità di N.S. die Provinzen aus der Hand einiger Aufständiser zurüzuerobern, und
dabei empfehle i Ihnen Strenge, denn dies soll Anderen zum Beispiel dienen und sie von
der Revolution fernhalten. I erteile Ihnen darüber hinaus die Beretigung, die in den
Häusern angetroffenen Aufständisen enthaupten zu laen und, um der Regierung die
Kosten zu ersparen, sowohl die Verpflegung als au die Ausgaben für die bevorstehende
Miion der Provinz in Renung zu stellen.[12]

In den darauffolgenden Jahren hae das Heer des Papstes ein ruhigeres
Leben. Jahrhundertelang haben die «Sweizer» die weltlie Mat (il
potere temporale) des Vatikans siergestellt – bis zum Juli  1870, als der
Französis-Preußise Krieg der «Herrsa» des Pontifex ein Ende setzte.
Aus dem englisen Exil nämli reklamierte Napoleon  III., der regierende
Kaiser der Franzosen, seinen Herrsasanspru über Frankrei und zog
deshalb zwisen dem 4. und 6.  August seine Truppen aus der päpstlien
Hauptstadt ab. Die italienise Regierung verlor keine Zeit: Kaum wurde
Napoleon vom Kriegsglü verlaen, ließ sie das päpstlie Territorium von
der Armee des Regno d’Italia umzingeln. Na der Niederlage von Sedan
und der Ausrufung der Französisen Republik wurde die militärise
Belagerung verstärkt, und am 20.  September  1870 slugen die bersaglieri
des Generals La Marmora etwa auf der Höhe der Porta Pia eine Brese in
die Stadtmauer, marsierten in Rom ein und vereinigten die Stadt mit dem
neun Jahre zuvor proklamierten Königrei. Pius IX., der jedes Blutvergießen
vermeiden wollte, gab dem Kommandanten der päpstlien Streitkräe,
General Kanzler, den Befehl, die Verteidigung auf das zu besränken, was
notwendig ersien, um zu demonstrieren, da man nur der Gewalt weien
würde. Am Tag darauf wurden die päpstlien Truppen entlaen, nur die
Sweizergarde blieb erhalten.
So endet eine jahrhundertelange Ära, in der es für die Päpste unerläli
war, zur Verteidigung ihrer Territorien, also ihrer weltlien Mat, eine
Armee im Sold zu haben. Von nun an sollte die Sweizergarde nur no die
Aufgabe haben, die Unversehrtheit des Papstes und die Sierheit der
vatikanisen Paläste sowie der päpstlien Sommerresidenz Castel
Gandolfo zu garantieren. Die einmal von Stalin gestellte Frage, über wie
viele Divisionen denn der Vatikan verfüge, hae also wenig Sinn.
Eine witige Station in der Gesite der Sweizergarde waren die
Lateranverträge, die am 11.  Februar  1929 zwisen dem italienisen Staat
und der Kire gesloen wurden. Der Vertrag besteht aus einem
Vertragstext und einem Anhang. Mit ersterem wurde dem Heiligen Stuhl die
absolute souveräne Gewalt über den Vatikan eingeräumt. Der Vertrag legt
die vatikanisen Zuständigkeiten aufs Genaueste fest. In Artikel 3 heißt es:

Italien anerkennt das volle Eigentum sowie die auließlie, unumsränkte souveräne
Gewalt und Jurisdiktion des Heiligen Stuhles über den Vatikan, wie er gegenwärtig besteht,
mit all seinem Zubehör und seinen Dotationen. Hierdur wird zu den besonderen Zween
und unter den im vorliegenden Vertrag genannten Bedingungen die Vatikanstadt gesaffen.
Die Grenzen der genannten Stadt sind auf dem Plan angegeben, der als Anlage I zu dem
vorliegenden Vertrag einen integrierenden Bestandteil deelben bildet.[13]

Ein weiterer Absatz klärt und präzisiert die Frage der Zugänge und Grenzen:

Im Übrigen herrst Einverständnis darüber, da der Petersplatz, obwohl er zur Vatikanstadt
gehört, au in Zukun in der Regel der Öffentlikeit zugängli bleibt und der
Polizeigewalt der italienisen Behörden untersteht. Ihre Organe haben am Fuße der Treppe
zur Peterskire haltzumaen, obwohl diese na wie vor für den öffentlien Goesdienst
bestimmt bleibt, und si des Besteigens der Treppe sowie des Betretens der Basilika zu
enthalten, es sei denn, da die zuständige Behörde um ihr Eingreifen ersut. Hält der
Heilige Stuhl es für angebrat, den Petersplatz für besondere Feierlikeiten vorübergehend
für den öffentlien Verkehr zu sperren, so werden die italienisen Behörden si hinter die
äußeren Linien der Berninisen Kolonnaden und ihrer Verlängerung zurüziehen, falls sie
nit von der zuständigen Behörde zum Bleiben aufgefordert werden.[14]

In Wahrheit ist die Fläe des Staates der Vatikanstadt nit auf die
44 Hektar innerhalb der Mauern besränkt. Das Patrimonium des Heiligen
Stuhls erstret si auf zahlreie Basiliken, Seminare, Abteien, Klöster und
viele Immobilien, denen die Lateranverträge zum Teil das «Privileg der
Extraterritorialität» und allen die «Befreiung von Expropriationen und
Steuern» zuerkennen.
Die Saffung des neuen Staates der Vatikanstadt stellte au die
Eidgenoensa vor eine heikle Frage, da es si von dem Zeitpunkt an um
die Einberufung ihrer Bürger in ein ausländises «Heer» handelte. Das
Problem wurde vier Tage na Unterzeinung der Verträge dur einen
Beslu des Sweizer Gesamtbundesrats gelöst, der feststellte:

Die päpstlie Garde kann nit als ausländise, bewaffnete Einheit gemäß Artikel 94 des
militärisen Strafrets betratet werden; da diese Truppe eine einfae Wapolizei ist,
kann jeder, wie bisher, in ihren Dienst treten, ohne die Zustimmung des Gesamtbundesrates
einzuholen.

Dur die Gründung des neuen Staates der Vatikanstadt wurde die
Installierung neuer Kontrollposten am Arco delle Campane (Gloentor) und
an der Porta Sant’Anna (Annator) notwendig. Der Portone Borgia dagegen
wurde gesloen. Ebenfalls im Jahr 1929 begann man mit den Bauarbeiten
für die offiziellen Unterküne der Offiziere und Unteroffiziere der Garde, und
in dieser Zeit wurde au die Restaurierung der kleinen Chiesa di San
Martino e Santo Sebastiano abgesloen, die 1568 von Papst Pius V. (1566–
1572) im Quartier der Sweizer erbaut worden war. Die Chiesa San
Pellegrino dagegen, die jahrhundertelang zur Gesite der Sweizer
gehörte, wurde der Vigilanza (Wae) des Vatikans zugewiesen.
Auf der Homepage der Römisen Kurie werden die für einen päpstlien
Soldaten notwendigen Eigensaen in aller Klarheit aufgeführt:

I bin Sweizer Bürger. I bin römis-katholis. I habe einen einwandfreien


Leumund. I habe die Sweizer Rekrutensule absolviert. I bin zwisen 19 und 30
Jahre alt. I bin mindestens 174 cm groß. I bin ledig. I habe eine Berufslehre oder eine
Mielsule abgesloen.

Männli also, Sweizer Staatsbürger, milere Größe, unverheiratet,


katholis, mit einem Sulabslu – das ist der Sweizergardist. Die
Mindestdauer des Dienstes beträgt zwei Jahre. Das monatlie Gehalt beläu
si auf circa 1 350 Euro. Heiraten darf man frühestens mit 25. Jahren, na
drei Jahren Dienst, der Erreiung des Dienstgrades Korporal und der
Verpflitung, der römisen Kire mindestens drei weitere Jahre zu dienen.
Was sind in der alltäglien Praxis die Aufgaben eines «Sweizers»?
Zwei Driel des Personals werden zur Bewaung der Eingänge des
Apostolisen Palastes eingeteilt: im Cortile di San Damaso, im Cortile del
Belvedere, in den Loggien, in der Sala Regia, vor den Büros des
Staatekretariats und vor den Privatgemäern des Papstes. Die Garde
kontrolliert außerdem die Außeneingänge: am Cancello Petriano, am Arco
delle Campane, am Portone di Bronzo und an der Porta Sant’Anna. Bei allen
offiziellen Anläen in Anwesenheit des Papstes leisten die Sweizer Dienst
als Ehrengarde sowie Kontroll- und Ordnungsdienste: bei den Liturgiefeiern
im Petersdom, bei den Generalaudienzen, bei Besuen ausländiser
Staatsoberhäupter. Dann sind da no die Inspektionen, die Mars- und
Sießübungen, die Proben der Kapelle, der Trommler, des Chores.
Die Sweizergarde hat einen Bestand von 110 Soldaten, aufgeteilt in drei
Geswader, die si alle drei Stunden ablösen. Ein Geswader ist im
Dienst, ein zweites dient der Verstärkung, das drie hat frei. Unter der
Führung des Kommandanten operieren drei Offiziere und eine Gruppe von
Unteroffizieren. Die Offiziere und Feldwebel leisten ihren Dienst
normalerweise in Zivil. Die Uniform wird nur bei repräsentativen Anläen
oder beim Exerzieren getragen. Der Kaplan ist einem Oberstleutnant
gleigestellt. Der Kommandant hat die Gesamtleitung der Garde inne und
ist für die Rekrutierung und die Aufreterhaltung der Disziplin zuständig.
Die Sweizer een in der internen, von den Albertiner Swestern
verwalteten Mensa.

Die Fahne der Sweizergarde wird dur ein weißes Kreuz in vier Felder unterteilt, von
welen das erste das Wappen des regierenden Papstes trägt und das vierte jenes von Papst
Julius II., beide auf rotem Grund; das zweite und das drie Feld tragen die Farben des Korps,
wele blau, rot und gelb sind. Auf den Snipunkt der Kreuzbalken ist das Wappen des
Kommandierenden Hauptmanns gesetzt.
(Reglement der Sweizergarde, Artikel 3)

Das Wappen des Kommandanten wird traditionellerweise mit den Farben


seines Herkunskantons hinterlegt. Apropos Farben: Die farbenfrohe
Uniform der Sweizer ist ein Markenzeien des Vatikans. Wie alte Filme
beweisen, erhielt sie ihre heutige Gestalt erst im 20.  Jahrhundert. Der
Entwurf für eine Uniform soll si bis zu Mielangelo zurüverfolgen
laen, es seint aber, als habe si der Meister persönli nie wirkli damit
befat. Gesiert ist dagegen der Einflu Raffaels und seiner Bilder. In
seinem Fresko Cacciata di Eliodoro dal tempio (Die Vertreibung des Heliodor
aus dem Tempel), das im Vatikan in der Stanza di Eliodoro zu bewundern ist,
stellt Raffael um Julius  II. herumgruppiert einige Soldaten der
Sweizergarde dar, die mit weiten, kniekurzen Hosen und dem auf der
Hüe endenden Wams bekleidet sind. Der Stoff, aus dem diese Uniformen
gefertigt sind, ist aus Wolle. Papst Clemens  IX. (1667–1669) hae dem
Conservatorio delle ragazze mendicanti (Armenhaus der Beelmäden) das
Exklusivret auf die Stofflieferung für die Bekleidung der Garde gewährt.
Die Renaiance gestaltete ihre Kleidung nit nur raffinierter, sie reierte
sie au dur leutende Farben an: Papst Leo  X. (1475–1521) fügte dem
Blau-Gelb der «della Rovere» das Rot hinzu, soda nun au die Farben der
Medici vertreten waren.
Die Französise Revolution hae ebenfalls Einflu auf die
Sweizergarde: es kam der Zweispitz mit seiner Kokarde und dem
französisen Kragen. Au der extrem breite Sultergurt aus Leder, der
von der reten Sulter bis zum linken Obersenkel reite und an deen
Ende die Seide für den Säbel befestigt war, wurde übernommen. Dem
Kommandanten Jules Repond (1910–1921) verdankt si der aktuelle Sni
der Uniform der Sweizergarde. Von Raffaels Fresken inspiriert, sae er
die Hüte ab und ersetzte sie dur die no heute üblien Baskenmützen, an
denen die Rangabzeien befestigt sind. Er führte den weißen Kragen
anstelle der mehr oder weniger gefältelten Halskrause ein. Nur no zur
Galauniform gehören die auffallende Halskrause, weiße Handsuhe, ein
heller Metallhelm mit weißer Straußenfeder für den Kommandanten und den
Feldwebel, mit dunkelvioleer Feder für die Offiziere, mit roter für die
Unteroffiziere und die Hellebardiere und mit gelb-swarzer auf swarzem
Helm für die Trommler und Pfeifer. Auf den beiden Seitenteilen des
Galahelms ist im Relief die Eie der della Rovere abgebildet. Die
Alltagsuniform für die normalen Woentage ist ganz in Blau gehalten.
Heute gehört die Uniform der Sweizergarde zur vatikanisen Folklore.
Es hat übrigens nit an prominenten Kritikern gefehlt. Stendhal zum
Beispiel zeigte si alles andere als begeistert von ihrem Kostüm. Mit
folgenden Worten erzählt er na seinem Besu am 7.  März  1828 im
Vatikan, wie er «unter der Kolonnade des Petersplatzes» na dem
Eingangstor zum Vatikan sut: «Der Fremde erblit am Ende des reten
Halbrunds merkwürdige Gestalten, die Kleider aus roten, gelben und blauen
Tustreifen tragen: es sind die guten Sweizer, mit Hellebarden bewaffnet,
in der Trat des 15. Jahrhunderts.»[15] Einige Jahrzehnte später, 1864, sieht
Hippolyte Taine die Sweizergarden in der Sixtinisen Kapelle und
stempelt sie als «kunterbunt» wie «mit einem Opernkostüm bekleidet» ab.
Als die Sweizergarde am 6.  Mai  2006 ihr 500. Jubiläum feierte, sagte
Papst Benedikt XVI. in seiner Predigt:

Unter den vielfältigen Ausdrusformen der Gegenwart der Laien in der katholisen Kire
findet si au jene ganz einzigartige der Päpstlien Sweizergarde: Es handelt si um
junge Männer, die von der Liebe zu Christus und zur Kire motiviert sind und si so in den
Dienst des Nafolgers Petri stellen. Für einige von ihnen ist die Zugehörigkeit zum Korps
der Garde zeitli begrenzt, für andere verlängert sie si so, da sie zu einer Entseidung
für das ganze Leben wird. Für einige, und das sage i mit großer innerer Freude, hat der
Dienst im Vatikan die Antwort auf die Berufung zum Priester- oder Ordensleben reifen
laen. Ein Sweizergardist zu sein, bedeutet aber für alle, Christus und seiner Kire
vorbehaltlos zu folgen – in der Bereitsa, für sie das eigene Leben hinzugeben.

Die Bereitsa, das eigene Leben hinzugeben oder es auf mysteriöse Weise
zu verlieren, wie im Falle von Alois Estermann, seiner Frau Gladys Meza
Romero und Cédric Tornay.
Um 20.46 Uhr am Abend des 4. Mai 1998 klingelt im Hause Estermann das
Telefon. Es ist eine kleine, elegante Dienstwohnung, glei neben der Porta
Sant’Anna. Wir befinden uns hier mien im neuralgisen Zentrum der
Vatikanstadt, im «Quartier der Sweizer», ganz in der Nähe des
Nikolausturms, in dem die berütigte Vatikanbank IOR (Istituto per le opere
di religione del Vaticano – Institut für die Werke der Religion) ihren Sitz hat.
Am Telefon ist ein alter Freund aus Orvieto, er möte Oberst Alois
Estermann gratulieren, der nur at Stunden zuvor zum Kommandanten der
Sweizergarde ernannt worden ist. Alois nimmt den Hörer ab und
antwortet.
«Wir haben über die Vereidigungszeremonie und über das Weer
gesproen», wird der «Freund aus Orvieto» in seiner Auage vom
7.  Mai  1998 beriten, und: «An einem bestimmten Punkt gab es eine
Unterbreung, als sei der Hörer auf die Brust gelegt worden oder auf
irgendetwas Weies. Kurze Zeit darauf habe i in einiger Entfernung
Stimmen gehört, eine davon sehr wahrseinli die seiner Frau, dann no
ein Geräus und einen sarfen Knall, dem in sehr kurzer Folge ein weiterer
sarfer Knall folgte und weitere Släge in größerer Entfernung.»
Zur gleien Zeit hört au eine im selben Stowerk wohnende Nonne
das Geräus einiger dumpfer Släge. Sie läu auf den Treppenabsatz und
sieht, da die Tür der Estermann-Wohnung weit offen steht. Es ist 21.04
Uhr. Vorsitig blit sie hinein, sreit. Die Szene, die si ihren Augen
bietet, ist grauenha: auf dem Fußboden und an den Wänden überall Blut.
Auf dem Boden drei Leien: zwei Männer, ausgestret und mit dem
Gesit na unten, und eine Frau, mit dem Rüen an eine Wand gelehnt.
Alle drei dur Suwaffen getötet. Die Toten sind keine gewöhnlien
Opfer, und sie werden die heiligen Mauern des Vatikans gehörig ins Wanken
bringen.
Alois Estermann ist nie ein x-beliebiger Offizier gewesen. Er hat eine
atemberaubende Karriere hinter si, vor allem na dem Aentat auf Papst
Karol Wojtyła. An jenem Tag nämli, dem 13.  Mai  1981, mate der
damalige Hauptmann Estermann seinem Swur alle Ehre und reete dem
Pontifex das Leben, indem er ihn mit seinem eigenen Körper absirmte und
si als Sutzsild vor den Papst warf. In den Augen vieler eine Heldentat,
in den Augen anderer eine opportunistise, verspätete und daher
überflüige Geste – denn einer der auf den Papst geriteten Süe hae
bereits sein Ziel erreit.
Um 21.30 Uhr, wenige Minuten na der soierenden Entdeung, ist
in dem kleinen Appartement des Ehepaars Estermann ein unauörlies
Kommen und Gehen von hohen Prälaten, vatikanisen Beamten und
Männern des Corpo di Vigilanza (der Polizeitruppe des Vatikanstaats)[16] zu
beobaten. Um 22 Uhr kommt Gianluigi Marrone, Einzelriter der Città
del Vaticano. No immer liegen die drei leblosen Körper auf dem Boden.
Keine Anfrage auf Unterstützung oder Zusammenarbeit erreit die
italienisen Behörden aus dem Heiligen Stuhl. Im Apostolisen Palast
versenkt si der Papst ins Gebet. Vor den Mauern des Vatikans, gegenüber
der Porta di Sant’Anna, bildet si ein Maenauflauf von Journalisten,
Fotografen, TV-Kameraleuten und Saulustigen.
Im Chaos dieser ersten Stunden gibt es außer über die Identität der Opfer
keinerlei gesierte Erkenntnie. Denno verbreitet kurz na Miernat
(um 00.10 Uhr) das Preebüro des Heiligen Stuhles ein Bulletin, n° 184 vom
5.  Mai  1998: «Der Korpskommandant der päpstlien Sweizergarde,
Oberstleutnant Alois Estermann», liest man in dem Text, «wurde
gemeinsam mit seiner Gain Gladys Meza und dem Vizekorporal Cédric
Tornay in seiner Wohnung tot aufgefunden. … alle drei [wurden] dur
Suwaffen getötet … Unter dem Leinam des Vizekorporals wurde deen
Dienstwaffe entdet … Die bislang festgestellten Einzelheiten deuten darauf
hin, da der Vizekorporal Tornay in einem plötzlien Anfall von Wahnsinn
gehandelt hat.»[17]
Wenig später erläutert der vatikanise Preeef, Joaquín Navarro-Valls,
den Journalisten den Tathergang. Der Vizekorporal habe mit seiner Pistole
zunäst das Ehepaar Estermann getötet und ansließend Selbstmord
begangen. Zur Erhärtung dieser Version erklärt der Preespreer, Tornay
habe knapp anderthalb Stunden vor dem Doppelmord einem Kameraden
einen Absiedsbrief an seine Familie übergeben. «Der Vatikan hat die
moralise Gewiheit, da die Ereignie si so zugetragen haben»,
sließt Navarro-Valls mit großer Entsiedenheit.
No vor der Autopsie, vor den Ermilungen, den Verhören, der
Auswertung der Spuren am Tatort, den ballistisen Untersuungen
verbreitet der Heilige Stuhl seine offizielle Version des Tathergangs,
basierend auf einer «moralisen Gewiheit», die jeden Zweifel im Keim
erstien soll – gerade einmal drei Stunden na der Tat. Diese drei Leien
sind aufgrund ihrer Identität und des Ortes, an dem sie aufgefunden wurden,
«explosiv».
Am 5. Februar 1999 unterzeinet Riter Marrone, wie gesagt, das Dekret
zur Einstellung des Verfahrens: kein Strafverfahren zum Tode des
Oberstleutnants Alois Estermann, seiner Frau Gladys Meza Romero und des
Vizekorporals Cédric Tornay. Der Fall ist nun zwar abgesloen, was aber
fehlt, ist ein geritlier Urteilpru, der Tornays Suld explizit bestätigt.
Au hier sa der Heilige Stuhl Abhilfe, und mit dem
Untersuungsberit im Bulletin des Preeamts am Heiligen Stuhl n°  55
vom 8. Februar 1999 wird die Lüe gesloen, die na der Verfügung zur
Arivierung des Verfahrens no geblieben war. Auf neun Seiten – einer
Collage aus Textauszügen des Berits, der bei Riter Marrone von Nicola
Picardi, dem zuständigen Staatsanwalt des Vatikans, eingereit wurde –
wird der junge Vizekorporal festgenagelt: ein durgeknallter,
swerkranker, drogenabhängiger Mörder und Selbstmörder. In dem Bulletin
ist nämli Folgendes zu lesen: «Die Autopsie hat in Tornays Sädel eine
taubeneigroße subaranoidale Zyste zutage gefördert …, wele den
vorderen Teil des linken Stirnlappens eingeengt und sließli deformiert
hat.»[18] Das ist aber no nit alles: «Die emis-toxikologisen
Analysen … haben im Urin … Spuren eines Stoffweselprodukts von
Cannabis-Metaboliten nagewiesen.» Und weiter: «Einen drien Faktor …
stellt eine zum Ausbru kommende Lungenentzündung dar.» Also
geistesgestört, auf Droge und krank.
Fehlt nur no ein Motiv, das selbst ein so heruntergekommenes Subjekt
wohl oder übel zur Tat getrieben haben mu. Hier ist es: «Die Narit,
da ihm [von Oberst Estermann, Erg. d. A.] eine Auszeinung in Form der
Benemerenti-Medaille verweigert worden war.» Tornay, verrüt und
natragend, sei also «von einer akuten mentalen Kurzslureaktion
übermannt [worden], die ihm vollständig oder zumindest in beatliem
Maße jeglie Fähigkeit zur Selbstbeherrsung nahm».
Die Dynamik des Verbreens wird hypothetis so rekonstruiert: Tornay
klingelt an der Tür, tri in die Wohnung ein, «gibt zwei Süe auf Oberst
Estermann ab, der zu Boden stürzt, ein drier Su geht ins Leere und
bleibt in der Metallummantelung des linken Fahrstuhlpfostens steen, der
vierte tri Frau Estermann, die mit dem Rüen gegen die Wand kippt und
abwärts rutst, sließli ritet der Vizekorporal die Waffe gegen si
selbst».
Fünf Süe im Ganzen, abgefeuert aus der Dienstwaffe des jungen
Tornay: «Unter Tornays Leie», liest man weiter im Bulletin n° 55, «wurde
eine Pistole der Marke  SIG Mod. 1975 gefunden. Sie ist Sweizer Bauart,
Kaliber 9  mm, versehen mit der Matrikelnummer A-1-101-415; im
dazugehörigen Magazin befinden si normalerweise ses Patronen, in
diesem Fall war nur no eine vorhanden …, die Waffe erwies si in der
Folge als die Dienstwaffe des Vizekorporals.»[19] Die fünf am Tatort
gefundenen Patronenhülsen sollen also aus dieser Pistole stammen. Und die
Süe soll Tornay abgegeben haben. Kein Zweifel mögli, denn die
Gutater haben an seiner reten Hand «Partikel gefunden, die eindeutig zu
Smauspuren gehören.»[20]
Für den Heiligen Stuhl ist der Fall gelöst, jenseits aller beretigter
Zweifel. Denno, gewie Zweifel bleiben. Selbst Einzelriter Marrone
mat in einem Interview mit der Tageszeitung La Nazione vom 9. Juni 2002
das Zugeständnis: «Wenn si sol swerwiegende Vorfälle ereignen, über
deren Hergang Zweifel bleiben, mu man versuen, si der Wahrheit
approximativ so weit wie mögli zu nähern.» Nit nur das. In einem Brief
an Tornays Muer vom 1. März 2000 sreibt Marrone, bezugnehmend auf
das vatikanise Bulletin n°  55: «Die vom Vatikan erstellten Dokumente
können von der Justizbehörde keine formale Bestätigung beanspruen.»
Genug, um Muguee Baudat davon zu überzeugen, da die Dinge anders
gelaufen sein müen, als die Spitzen des Vatikans behaupten, und da ihr
Sohn, der arme Vizekorporal, das unsuldige Opfer einer grausamen
Inszenierung geworden ist, zur Versleierung der wahren Gründe des
Blutbads, und zu Unret des Mordes besuldigt. «Mir wurden nits als
Lügen aufgetist, i bin verzweifelt», erklärt sie am 18.  Juni  1998
gegenüber dem italienisen Woenmagazin Panorama, «es gibt da zu viele
Geheimnie, zu viele Lügen des Vatikans.» Madame Baudat lät si das
nit bieten, die offizielle Version der Vorgänge überzeugt sie nit. Am
6.  Juli  2000 lät sie dur die beiden Pariser Retsanwälte Jacques Vergès
und Luc Broollet die Wiederaufnahme der Ermilungen beantragen.
Wiederholt, aber vergebli versuen die beiden Anwälte, Zugang zu den
vatikanisen Justizbehörden zu erhalten. Die Antwort ist immer dieselbe:
Es ist nit mögli.
Am 11.  April  2002 sien sie sogar ein «Gesu an Seine Heiligkeit,
Papst Johannes Paul  II., zur Wiederaufnahme der Ermilungen» und
verweisen auf einige ihrer Ansit na no ungeklärte Punkte: vor allem
die weit geöffnet vorgefundene Wohnungstür der Estermanns, so als sei
jemand in großer Eile geflohen und habe sie dabei offengelaen; dann das
Rätsel der vier benutzten Gläser, die in der Wohnung gefunden worden sein
sollen – ein Umstand, der die Anwesenheit einer vierten Person nahelegt;
sließli die Ergebnie einer zweiten, in der Sweiz durgeführten
Autopsie, bei der im Kopf des Vizekorporals keine Spur von einem
Hirntumor gefunden worden war. Hinzu kommt: «Die Dienstpistole, mit der
si Tornay umgebrat haben soll», sreiben die Retsanwälte, «sießt
mit Munition eines Kalibers von exakt 9,41  mm …, das Einsulo an
Cédric Tornays Hinterkopf hat dagegen einen Durmeer von nur 7 mm.»
Hat es also eine zweite Pistole gegeben? Und hat si Tornay mit dieser
umgebrat?
Das ist no nit alles. Der reale Suwinkel der Patrone im Sädel des
Vizekorporals, die Fraktur der vorderen Sneidezähne und die Position der
Waffe unter der Leie des jungen Mannes legen für die französisen
Retsanwälte die Vermutung nahe, da «die Waffe dem Opfer gewaltsam
in den Mund gestet worden sein mu». Wenn nämli Cédric si selbst
getötet häe, häe die Pistole dur die Wirkung des Rüstoßes in einem
Abstand von einem, anderthalb Metern vom Körper liegen müen. Kurz und
gut, Tornay ist «selbstermordet» worden, sein Selbstmord vorgetäust.
Au er ist also ein Opfer, genau wie Alois und seine Frau, kein Mörder.
Was den Brief betri, der dem Hellebardier Claude Gugelmann wenige
Stunden vor seinem Tod vom Vizekorporal übergeben worden sein soll, so
haben die französisen Retsanwälte nit den geringsten Zweifel, da es
si um eine eklatante Fälsung handelt. In dem Sreiben hae si
Tornay an seine Muer gewandt, sie um Verzeihung gebeten «für das, was
i getan habe» (ohne weitere Präzisierung) und beklagt, da er vielen
Ungeretigkeiten ausgesetzt gewesen sei. Na einer formalen und
graphologisen Analyse des Textes dur Experten erklären die beiden
Retsanwälte: «Diese Fälsung ist in großer Eile … von einer Person
hergestellt worden, die dem Vatikan zumindest nahestehen mu, deren
Muersprae Italienis ist und die nur einige wenige Informationen zu
Cédric Tornays Karriere in der Sweizergarde, über seine Familie und seine
Pläne hae.»
Nit nur das: Der Brief ist an die Muer geritet, der Autor sreibt auf
den Briefumslag aber einen falsen Nanamen, Chamorel, den von
Madame Baudats zweitem, seit langem gesiedenen Ehemann. Ein Name,
wohlgemerkt, den der Sohn in der Korrespondenz mit seiner Muer niemals
benutzte. Verdätigerweise ist genau dieser Name aber auf einem Formular
vermerkt, das Cédric einmal ausgefüllt hae und das in den Ariven der
Sweizergarde auewahrt wurde. In einem gewöhnlien Kriminalfall
würde dieses Detail die gesamte bisherige Konstruktion zum Einsturz
bringen und den Weg zur endgültigen Aulärung ebnen. Im Fall des
Vatikans dagegen müen wir uns damit begnügen, den vielen anderen eine
weitere Ungereimtheit hinzuzufügen.
Verkompliziert wird der Fall dur das Auauen einer mysteriösen
Figur, eines Mannes, der Tornay sehr nahestand: Diakon Jean-Yves
Bertorello, «Padre Yvan» genannt. Wie in dem Gesu an den Heiligen Vater
zu lesen ist, hat Bertorello «am 6. Mai 1998 Frau Baudat getroffen und vor
Zeugen wiederholt beteuert, da Cédric ermordet worden sei, da er dafür
srilie Beweise habe und da er si deshalb in Lebensgefahr befinde …,
und nadem der Heilige Stuhl seine Existenz zunäst einfa geleugnet
hae, hat er si nun zum Naweis verpflitet, da [Bertorello] nit die
geringste Verbindung zum Vatikan hae».
Um Klarheit zu erhalten, fordern die französisen Juristen die
Wiederaufnahme der Ermilungen. Am 17. April 2002 wird ihr Gesu vom
Präsidenten des vatikanisen Appellationsgerits, Monsignor Francesco
Bruno, abgelehnt. Die, wie die französisen Anwälte sie arakterisieren,
«Obstruktionspolitik des Vatikans» bringt den Fall juristis endgültig zum
Abslu; Frau Baudat nimmt von einem Proze gegen den Vatikan
Abstand. Zu den bedauerlien Aspekten dieser zwielitigen Gesite
gehört die absolute Gleigültigkeit der Autoritäten des Vatikans gegenüber
dem Smerz von Cédrics Muer, der sogar die Einsit in den
Autopsieberit ihres Sohnes verweigert wird. Die dazu vorgebrate
Retfertigung lautet: Der Vatikan hat die einslägigen internationalen
Normen niemals ratifiziert.
Die Unmöglikeit, der Wahrheit auf irgendeine Weise auf die Spur zu
kommen, hat es natürli nit verhindert, sondern im Gegenteil no
zusätzli dazu beigetragen, da die Gerüte, Hypothesen und
Rekonstruktionen, die eine ganz andere Version der Fakten ergeben als die
des Heiligen Stuhls, nit verstummt sind. Son am 7. Mai 1998 sreibt die
Tageszeitung Berliner Kurier, Alois Estermann habe seit 1980 als Spion für
die Stasi gearbeitet – ein Umstand, der vom Vatikan kategoris abgestrien
wird.
Zwei Büer wirbeln eine Menge Staub auf. Im ersten, Verbum dei et
verbum gay (Edizioni Libreria Croce, 1999) von Maimo Lacei, wird die
Hypothese eines Verbreens aus Leidensa aufgestellt. In Form einer
kaum verhüllten Slüel-Erzählung werden (nie bewiesene) Gerüte einer
morbiden homosexuellen Beziehung zwisen Tornay und Estermann
aufgegriffen. Lacei wird darauin von Madame Baudat wegen übler
Narede verklagt, dann aber wegen eines Formfehlers freigesproen.
Das zweite, Bugie di sangue in Vaticano (wörtli: Blutlügen im Vatikan,
Titel der deutsen Ausgabe: Ihr habt getötet), verfat von einer Gruppe aus
Geistlien und Laienbrüdern aus dem Vatikan, die si Discepoli di verità,
also «Jünger der Wahrheit», nennen, erzählt von einem mörderisen
Konflikt im Innern der Heiligen Mauern. Oberst Estermann, seine Frau und
Vizekorporal Tornay sollen Opfer eines seit langem swelenden internen
Matkampfes geworden sein, der zwisen Anhängern von Opus Dei und
der Geheimlogen im Herzen der Kurie ausgebroen war. Dieser
Rekonstruktion zufolge soll Alois Estermann (der seit Jahren aufs Engste mit
der Obra[21] verbunden war, wie vom italienisen Woenmagazin Epoca
im Mai 1996 unwidersproen gesrieben wurde) der starke Mann gewesen
sein, der von Opus Dei an die Spitze des päpstlien Heeres gesetzt wurde,
um die Apostolisen Paläste und die Bewegungen des Heiligen Vaters
kontrollieren zu können. Aber nit nur. Der «Opus-Plan» habe darauf
abgezielt, die Sweizergarde in eine super-effiziente militärise
Spezialeinheit zu verwandeln, imstande, die enorme Mat des Corpo di
Vigilanza zu neutralisieren, der seit eh und je «ein Instrument der Logen-
Seilsa» gewesen sei. Der Estermann-Mord häe demzufolge dazu
gedient, die hegemonialen Bestrebungen von Opus Dei auf diesem Gebiet
von Anfang an im Keim zu erstien, und Tornay sei ledigli das zufällige
Opfer, die notwendige Tarnung gewesen, um den Fall in der gebotenen Eile
zu einem Abslu zu bringen.
Der Rekonstruktion der Discepoli di verità zufolge soll si der
Dreifamord folgendermaßen zugetragen haben: «Vizekorporal Tornay sei
gegen Ende seiner Sit, kurz vor 19 Uhr, überwältigt und – no in
Uniform und mit der Dienstpistole bewaffnet – in den Keller geslei
worden. … Dana habe man in den Kellerräumen Tornays ‹Suizid›
begangen, indem man ihn mit einer sallgedämpen Pistole vom Kaliber
7 mm erso. Mit Tornays Dienstwaffe habe man dana die Estermanns in
ihrer Wohnung im zweiten Sto eliminiert. Ansließend habe man Tornays
Leie in das Appartement gebrat, um den Amoklauf zu inszenieren.»[22]
Hypothesen, Verdatsmomente, Mutmaßungen in einem Fall, der trotz
weiterer retsmediziniser Gutaten no immer viele dunkle Seiten und
ungelöste Rätsel aufweist. Ein Dreifa-Mord in den Mauern des Vatikans,
mysteriöse Intereen, das Gesetz des Sweigens, ein komplexer Plot mit
vielen Nebenhandlungen, ein Krimi der Extra-Klae. Vielleit kommt die
Wahrheit niemals ganz ans Lit, zumindest nit in den nästen Jahren,
au wenn wir bereits heute mit einer gewien Beretigung behaupten
können, da sie jedenfalls mit der offiziell verkündeten nit übereinstimmt.
III. KREUZ UND SCHWERT
DIE KONSTANTINISCHE SCHENKUNG –
EINE FÄLSCHUNG

D
ER ARCO DI COSTANTINO (KONSTANTINSBOGEN) neben dem
Koloeum ist eines der bekanntesten und zuglei unbekanntesten
Monumente Roms. Hinter ihm beginnt die söne Straße, die an den
Ausläufern des Palatin entlang zur Piazza di Porta Capena führt, zu dem
Durgang an der alten Servianisen Mauer, an dem ursprüngli die Via
Appia begann. Ganz in der Nähe befand si der Fons Camenorum (der
Ortsname Capena ist eine Verzerrung dieses Namens), eine sehr klare Quelle,
wo die vestalisen Jungfrauen das Waer für ihre Riten söpen. Do
über den Bogen müen wir spreen und über den Mann, deen Namen er
trägt: Kaiser Konstantin (ca. 280–337), der das Gesit und die Gesie des
Römisen Reies so grundlegend veränderte, den Mann, der das
Christentum legitimierte, den Gründer Konstantinopels, der neuen
Hauptstadt des Reies. Mensli eine beklagenswerte Figur – do wele
Persönlikeit der Gesite kann man son allein aufgrund ihrer
menslien Qualitäten beurteilen? Und als Politiker war Konstantin
herausragend, im Urteil einiger Historiker sogar einer der größten überhaupt.
Der Konstantinsbogen, der seine Erfolge feiert, befindet si in einer
exponierten Lage. Er ist sehr groß, sehr sitbar, denno gehört er, i
wiederhole es, zu den «weniger bekannten» Denkmälern. Ebenso wie die
beiden Spiralsäulen (die Antoninise und die Trajanäule) mu au dieser
Triumphbogen, wenn man seiner Bedeutung geret werden will, ritig
«gelesen» werden.
Der Platz, an dem der er erritet wurde, war dem Kult der Roma Aeterna
geweiht; hier stand der große, von Hadrian erbaute und von Maxentius
restaurierte Doppeltempel der Venus und der Roma.[1] Heute ist von diesem
Gebirge aus Marmor, den man extra aus Grieenland hae kommen laen,
nur no der Ziegelsteinkern mit der der römisen Stadtgöin Roma
geweihten Apsis erhalten und dahinter die der Venus geweihte. Armselige
Reste eines der koloalsten Bauwerke der antiken Welt. Daneben stand die
riesige Bronzestatue, die Nero dargestellt hae, bevor man sie in die des
Apollon umwandelte, des Sonnengoes, das Haupt umrahmt von einer
Strahlenkrone als Symbol für die Unsterblikeit der Urbe. Im Mielalter, in
den Jahren des Kampfes der Fürstenhäuser um die städtise und päpstlie
Vorherrsa, wurde das Gebiet in eine Festung verwandelt, die Monumente
der Antike wurden dem Erdboden gleigemat, ihr Baumaterial zu Kalk
gebrannt und ihre Metallteile zur Herstellung von Waffen oder Münzen
gesmolzen.
Die Interpretation des Konstantinsbogens ist komplex, denn es handelt
si um ein Spolienwerk, das also aus Elementen älterer Denkmäler und
Gebäude zusammengesetzt ist. Der Kunsthistoriker Federico Zeri hat es
intensiv erforst, und überwiegend auf seinen Ergebnien basieren diese
wenigen, hier zusammengetragenen Hinweise. Die beiden Frontalseiten sind
von jeweils vier hohen Säulen geprägt. Das Monument ist aus weißem
Marmor, die Säulen dagegen (au wenn man das heute aufgrund der
Luversmutzung kaum no unterseiden kann) sind aus gelbem
numidisem Marmor. Oberhalb der Seitenpfeiler sind in einer reteigen
Rahmung insgesamt at paarweise positionierte Medaillons angebrat. Die
Retee waren ursprüngli aus Porphyr, einem sehr harten roten Gestein
von besonderem Charakter. Es hae nämli die Anmutung von Purpur,
einer Farbe, die auließli dem Kaiser und seiner Gain vorbehalten war.
Und das Rot des Porphyrs repräsentierte mit dem Gelb der Säulen (Purpur
und Gold) die Farben Roms – bis heute, einsließli der Fußballmannsa
AS Rom: den Giallorossi, den Gelb-Roten. Die antiken Monumente und
Skulpturen waren ursprüngli alle farbig, au die Statuen waren nit
weiß, wie wir sie heute sehen, sondern naturalistis eingefärbt bzw. bemalt.
Die Säulen des Bogens sind von Statuen gekrönt: at Barbaren,
gefangene Daker. Die at Medaillons (Clips) stammen von Kaiser Hadrian,
genauer: Konstantin hat sie von einem Hadrianmonument abreißen laen,
um mit ihnen sein eigenes zu smüen. Im Inneren des Hauptbogens sind
zwei Szenen zu sehen: Der Kaiser nimmt zu Pferde die Huldigung eines
knienden Barbaren entgegen; der Kaiser zieht dur die oben zitierte Porta
Capena siegrei in die Stadt ein. Nur ist dieser Kaiser nit Konstantin,
sondern Trajan. Au in diesem Falle handelt es si um die Plünderung und
Wiederverwertung von Teilen eines älteren Bauwerks.
Wenn man die erste Tafel links oben an der Faade in Ritung Palatin
genau betratet, sieht man den Kaiser, auf einen Soel gestellt, dem das
Haupt eines Barbaren präsentiert wird. Ursprüngli stellte die Skulptur
Mark Aurel dar, deen Kopf einfa dur den Konstantins ersetzt wurde.
No ein Diebstahl. Eine der wenigen Szenen, die tatsäli aus
Konstantins Epoe stammen, ist die jenige unter den Medaillons, wieder auf
der dem Palatin zugewandten Seite, die den «Sieg bei der Milvisen
Brüe» feiert, neben einer weiteren mit der «Belagerung Veronas». Die
Historiker weisen auf die derbe, grobslätige Maart dieser
Darstellungen hin, im Gegensatz zur Feinheit der Reliefs aus den
vorhergehenden Epoen.
Warum ließ Konstantin die Denkmäler anderer plündern, um sie zu seinen
eigenen zu maen? Die Gelehrten stellen dazu versiedene eorien auf:
Man sei im 4. Jahrhundert nit mehr fähig gewesen, Skulpturen wie früher
zu fertigen – eine Ansit, die allerdings dur bemerkenswerte Werke aus
dem gleien Jahrhundert dementiert wird, zum Beispiel dur den
sogenannten Janus quadrifrons (Janusbogen). Eine andere eorie sreibt
die Plünderungen der Eile zu, mit der dieser Bogen erritet werden mute,
um einen Kaiser zu feiern, der beträtlie Verwirrung und Unruhe stiete
mit der neuen Religion, zu deren Besützer er si aufgeswungen hae.
Einer drien, von Zeri vertretenen eorie zufolge war Konstantins
Spolienverwendung ideologiser Natur: Er habe Reliefs aus Monumenten
Trajans, Hadrians und Mark Aurels herausbreen laen und die Bildnie
dieser Kaiser dur sein eigenes ersetzt, weil er es war, Konstantin, der den
neuen kaiserlien Geist verkörperte.
Ein Quänten Wahrheit ist möglierweise in jeder dieser drei eorien.
Tatsäli ist es denkbar, da der Kaiser es eilig hae, seinen
Triumphbogen zu sehen, und da die smeielhae Insri (oben im
Zentrum, auf der dem Koloeum zugewandten Seite) sein ramponiertes
Image aufpolieren sollte, denn die Römer waren irritiert von seinen
religiösen Innovationen. Die Insri, deren Bustaben im Original in
Bronze glänzten (die Löer der Bolzen, an denen sie befestigt waren, kann
man no sehen), erinnert daran, da der Senat und das Volk von Rom das
Monument dem Kaiser Caesar Flavius Constantinus Maximus, dem
frommen und glülien Augustus, gewidmet haben, der seine Feinde dur
Geistesgröße und gölie Eingebung (instinctu divinitatis) besiegt hae.
Klugerweise gibt die Insri nit zu erkennen, wele Goheit es war, der
er diese Eingebung zu verdanken hae.
In Rom kann man no weitere Reliquien Kostantins finden. Die
auffälligsten, die harmlosesten sind seine beiden Köpfe. Der erste, koloale,
befindet si seit langem im Kapitol, im Hof des Palazzo dei Conservatori
(Konservatorenpalast). Er gehörte zu einer 12  m hohen Statue, die in der
Apsis der Maxentius-Basilika stand. Der Kaiser war sitzend dargestellt und
symbolisierte das Ideal einer politisen Mat im Einklang mit der Goheit,
und umgekehrt au die himmlise Herrsa, die dank Seiner auf die Erde
herabgestiegen war.
Ein zweiter, diesem sehr ähnlier Kopf ist 2005 auf verslungenen
Wegen bei den Ausgrabungen im Trajansforum wiedergefunden worden.
Das ungefähr 60 cm hohe Marmorporträt befand si eingeklemmt in einem
Abwaerkanal, wer weiß, wie lange son, entweder weil man si eines
verhat gewordenen Kaisers entledigen wollte oder, naheliegender, weil die
abgerundete Form des Sädels sehr geeignet sien, das von Geröll
verstope Rohr freizustoßen.

Ahi Costantin di quanto mal fu matre


non la tua conversion / ma quella dote
e da te prese il primo ricco patre!

O Konstantin, wie vielen Unheils Muer


War nit dein Glaube, aber jene Senkung,
Die du dem ersten reien Vater matest![2]

So stempelt Dante im 19. Gesang der Hölle die «Senkung», mit der
Konstantin, der erste Kaiser, den man als Christen bezeinen kann, Papst
Silvester  I. (314–335) «rei» mate. Der Kaiser errang den militärisen
Sieg, dem er seinen ron verdankte, 312 in der berühmten Slat an der
Milvisen Brüe gegen den Rivalen Maxentius. Der Legende na soll
Konstantin am Vorabend des entseidenden Gefets, vielleit sogar
wenige Augenblie vor der Slat, am Himmel die wundersame
Erseinung eines leutenden Kreuzes (oder einer Wolke in Form eines
Kreuzes) mit dem Srizug «In hoc signo vinces» («In diesem Zeien wirst
du siegen») beziehungsweise «Hoc signo victor eris» («Unter diesem
Zeien wirst du Sieger sein») ersienen sein. Do selbst die Legende ist
konfus. Das Kreuz hae nit die später üblie Form, es war eher ein im 90-
Grad-Winkel gedrehtes «X» mit einer auf si selbst zurügebogenen
Spitze, ein von einem kleinen «O» gekröntes «T». Konstantin ließ dieses
Signum auf den Silden anbringen, seine so beseelten Soldaten stellten si
dem Feind und besiegten ihn. Maxentius starb im Kampf oder fand den Tod
in den Fluten des Tibers, in den er si bei einem Flutversu
hineingestürzt hae – ganz genau weiß man das nit. Das Kreuz also, das
in der Antike no ein Symbol der Sande gewesen war, hae den Sieg
herbeigeführt. Der Sieg an der Milvisen Brüe ist der Beginn einer
Gesite, die die gesamte antike Welt umwälzen sollte und die ihre
Wirkung bis in unsere Tage zeitigt. Konstantin gestaete den Christen, die
das Symbol des Kreuzes übernehmen werden, mit seinem Toleranzedikt[3]
von 313 die freie Ausübung ihres Glaubens.
Einer anderen Legende zufolge haben die Dinge si jedo anders
zugetragen. Geraume Zeit vor der Slat soll der an Auatz erkrankte
Kaiser na wiederholtem Eintauen in ein Bad, das ihm vom künigen
Papst Silvester I. versrieben worden war, geheilt worden sein. Ob nun aus
dem einen oder dem anderen Grund, Tatsae ist, da Konstantin der erste
Kaiser war, der das Christentum zur religio licita (lat. erlaubte Religion)
erklärte, ihm also die Zulaung zu den Kulten des Kaiserreies gewährte
und auf diese Weise seine Verbreitung beförderte. Zutiefst dankbar für den
Sieg über den Rivalen oder für die Heilung von einer abstoßenden Krankheit
soll er dem Papst und seinen Nafolgern einen kaiserlien Status verliehen
haben, der seinem eigenen ebenbürtig oder sogar überlegen war: dur eine
Urkunde, die unter dem Namen Donatio oder Constitutum Constantini (lat.
Konstantinise Senkung) bekannt wurde; dazu später mehr.
Nadem er seinen Mit-Herrser Licinius[4] ausgesaltet hat, regiert
Konstantin allein. Er versut, den ristlien Geist in die Gesetzgebung
einfließen zu laen, indem er beispielsweise die qualvollen Hinritungen
dur Kreuzigung und die Gladiatorenkämpfe absaffen lät. Sein
Privatleben und die Methoden seiner Herrsaierung sind aber na
wie vor voller Grausamkeiten und ausgesproen «unristli». Seinen
Swiegervater Maximian lät er hinriten und später au seinen Sohn
Flavius Crispus, der von seiner Stiefmuer Fausta zu Unret bezitigt
worden war, ihr nazustellen. Fausta wird diese Verleumdung ihrerseits mit
dem Leben bezahlen. Konstantin verbreitet zwar das Christentum, lät si
aber erst kurz vor seinem Tod taufen. Für unsere Gesite von Bedeutung
ist, da er si mit dem Konzil von Nicäa (325) zum glühenden Sutzherren
der neuen Religion wandelt. Im Widerspru zu der in seinem Edikt
proklamierten Toleranz lät er die Anhänger des Arius verfolgen. Es ist die
erste Verfolgung mit umgekehrten Vorzeien: nit mehr gegen die Christen
geritet, sondern gegen die Gläubigen der alten Religionen oder, wie im
Falle der Arianer, gegen sole, die als «Häretiker» betratet werden. Do
das ist erst der Anfang. 392 wird Kaiser eodosius ein Edikt erlaen, mit
dem heidnise Opfer und sogar der einfae Besu eines nit-ristlien
Tempels mit strengen Strafen belegt werden, nit ausgesloen au die
Todetrafe. Im Laufe weniger Jahrzehnte also vollzieht si ein radikaler
Umbru, der wieder einmal die Frage aufwir, wie viel von der Toleranz
des Glaubens übrigbleibt, wenn si zur geistlien die politise Mat
hinzugesellt.

Von den Legenden abgesehen stellt si zunäst die Frage, aus welen
Gründen si Konstantin auf die Seite des Christentums slug. Es handelte
si dabei im Grunde um eine neue Religion, die der römisen Tradition
klar zuwiderlief und die mit Argwohn und Feindseligkeit betratet wurde,
weil sie die Einheit von religiösem und staatliem Geist bedrohte, mit
anderen Worten den «Patriotismus», der einer der Grundpfeiler für Roms
Stärke gewesen war. Möglierweise war dem Kaiser als gewieem Politiker
klargeworden, wele vitale Kra in dem neuen Glauben stete, und er
beabsitigte, ihn zur Stärkung des kulturellen und politisen
Zusammenhalts seines Reies zu nutzen. Vielleit hielt er Christus sogar
für eine Offenbarung des Sol Invictus.[5] Dafür sprit, da er einige
witige Fesage des Christentums mit denen der Sonnenreligion
zusammenlegen ließ: z.B. den Sonntag (im Deutsen wie im Englisen
sun-day), der im Italienisen zu Domenica (Tag des Herrn) geworden ist.
Der 25. Dezember, der Geburtstag des Sonnengoes und des Goes Mithras
wurde au der Geburtstag Jesu. In der neuen Hauptstadt des Ostens,
Konstantinopel, wurden ristlie Kiren erritet, do beließ der Kaiser
au die heidnisen Tempel in Funktion. Er selbst behielt sein ganzes Leben
lang das Amt des Pontifex maximus bei und bekehrte si erst auf dem
Totenbe zum Christentum.
In Rom gibt es ein kleines, sehr verstetes Oratorium, in dem der
kaiserlie Senkungsakt ausführli illustriert ist und das deshalb neben
dem Konstantinsbogen und der Milvisen Brüe ebenfalls zu den Orten
der Erinnerung an Konstantins Amtszeit gehört. Es ist von außerordentlier
Faszination, dem hl. Silvester geweiht, im Innern des Gebäudekomplexes der
Santi Quaro Coronati (Basilika der Heiligen Vier Gekrönten). Ein Fresken-
Zyklus stellt dort die berühmte «Senkung» dar. Über das Oratorium habe
i in meinem vorhergehenden Bu Die Geheimnisse Roms (Kapitel «Die
Türme der Angst») ausführli gesrieben. Für unsere Zwee reit es zu
wien, da Papst Innozenz  IV. (1243–1254) den Freskenfries im Zuge des
Kampfes gegen Friedri  II. aus Gründen malen ließ, die wir heute als
«Propaganda» bezeinen würden.[6]
Der Legende na ist der Kaiser, wie gesagt, dur das Werk des frommen
Bisofs Silvester auf wundersame Weise vom Auatz geheilt worden. Der
Heilige ließ Konstantin dreimal in das Waer der Lateraner Tauire
tauen, und am Ende dieses reinigenden Rituals waren die Symptome der
unreinen Krankheit verswunden. Wie man si gut vorstellen kann, war
der Kaiser überaus dankbar und überließ in dem als Constitutum
Constantini in die Gesite eingegangenen Dokument dem römisen
Papst im Gegenzug die Suprematie über alle Herrser der Erde. Darauf
bezieht si Dante, wenn er von der «Senkung» und vom Reitum
sprit.
Was Dante nit wute, als er seine Göttlie Komödie srieb, ist, da es
in Wahrheit eine dote an Silvester niemals gegeben hae. Die sogenannte
Senkung war dur ein gefälstes Dokument zertifiziert worden, das
neben den (wahrseinli vom zaristisen Geheimdienst Orana zum
Beleg einer jüdisen Weltverswörung fabrizierten) «Protokollen der
Weisen von Zion» eine der eklatantesten Fälsungen der Gesite ist. In
dem kurzen lateinisen Text erklärt der Kaiser seinen Willen, dem Papst
und allen seinen Nafolgern «bis zum Weltenende» – unter Androhung der
ewigen Verdammnis bei Zuwiderhandlung – Rom, Italien und die gesamte
Westhäle des römisen Reies zu senken. Dem römisen Papst
wurden also kaiserlie Insignien und Vorrete über alle Territorien
verliehen, in deren Besitz er gelangt war, was aus dem Mann, der als
Stellvertreter Christi auf Erden son über den potere spirituale, also die
geistlie Mat verfügte, unter dem Stri den mätigsten Mann des
Planeten mate, den Kaiser der Kaiser, den Souverän gar, von dem alle
anderen zu ihrer Legitimation erst geweiht werden muten.
So entstand der potere temporale, die weltlie Mat der Päpste, ihr
kaiserlier Status. Ganz nebenbei entstand aus dieser falsen Urkunde aber
au die «italienise Frage», die über Jahrhunderte hinweg die politise
Situation Italiens und Roms nahaltig beeinfluen sollte und die von den
brillantesten Intellektuellen Italiens immer wieder als Ursae aller
möglien Mistände angeprangert worden ist, von Dante bis Maiavelli,
von Guicciardini bis Ariost, von Aleandro Manzoni bis zum Grafen
Cavour.
Die genaue Entstehungszeit des Dokumentes ist unbekannt, au wenn
der Text traditionell mit 324 datiert wurde, also dem Jahr vor dem von
Konstantin höstpersönli einberufenen Konzil von Nicäa (heute İznik in
der Türkei). Heute wird sie von den meisten Wiensalern zwisen der
Mie des 8. und der Mie des 9.  Jahrhunderts angesetzt. Historis würde
die Redaktion eines Dokuments zur Festigung der päpstlien Mat in eine
Epoe paen, in der diese vor allem von langobardisen Herrsern heig
bekämp wurde, die der Kire von Rom meist unversöhnli
gegenüberstanden. In diesen stürmisen Zeiten haen die Päpste begonnen,
si auf die Monarie der Franken zu stützen, deren Könige zum
Katholizismus konvertiert waren. Knapp vierhundert Jahre dauerte diese
Phase der allmählien Konstruktion eines Glaubens und einer politisen
Mat, deren Merkmale immer klarer zum Vorsein traten. Mie des
8. Jahrhunderts sließli ist die Zeit reif für einen witigen Wesel, von
dem wir heute wien, da er epoal gewesen ist.
Papst Stephan  II. (752–757) benötigt Hilfe, um seine Besitztümer zu
verteidigen, nadem der Langobardenkönig Aistulf ihm Ravenna entrien
hat. Er biet den Kaiser von Byzanz um Beistand, den dieser ihm aber
verweigert. Er wendet si daher an den König der Franken, Pippin den
Kleinen. Nadem das Terrain sondiert ist, überquert der Papst die Alpen
und begibt si persönli zur Abtei Saint-Denis (bei Paris), in der die
Reliquien des heiligen Dionysius auewahrt wurden – der Legende na der
erste Bisof von Paris.[7] Dort weiht er am 28.  Juli  754 den Frankenkönig
Pippin und seine Familie, verleiht ihm und seinen Nakommen den Titel
Patricius Romanorum und mat sie damit zu Verteidigern des
Patrimoniums von St. Peter.[8] Im Gegenzug überlät Pippin dem Papst
weite Territorien auf der Apenninhalbinsel, die na heutiger Geografie
mehr oder weniger der Emilia, der Romagna und einem Teil der Marken
entspraen.
Mitgebrat hat der Papst das Constitutum Constantini, jenes Dokument
also, das den Beslu Kaiser Konstantins aestiert, den Heiligen
Petrutuhl über jeden anderen irdisen ron zu stellen und ihm
kaiserlie Würde zuzuerkennen. Unter anderem ist darin zu lesen:

Und weil die Mat der Kaiserherrsa irdis ist, so haben wir besloen, die
unantastbar-heilige römise Kire ehrfürtig hozuhalten und in no höherem Maße als
unsere eigene Kaiserherrsa und unseren irdisen ron den heiligsten ron des seligen
Petrus ehrenvoll zu erhöhen, indem wir ihm Mat und Ruhmesglanz und Kra und Ehre
der kaiserlien Herrsa zuerteilen. Und indem wir es so entseiden, legen wir
unantastbar fest, da er den Erstrang auf sole Weise innehaben soll über die vier hösten
Patriarensitze in Antioia, Alexandria, Konstantinopel und Jerusalem, wie au über alle
Kiren Goes auf dem gesamten Erdenrund, und der Priester, der in dieser Situation der
unantastbar-heiligen römisen Kire selbst aufgetreten ist, soll als der Höhere und als
Erster vor allen Priestern der ganzen Welt aureten und dur sein Urteil soll alles, was für
den Goesdienst und au für die Festigkeit des Glaubens der Christen zu besorgen ist,
geordnet werden … Dafür übergeben wir dem seligen Silvester, unserem Vater, dem hösten
Priester und allgültigen Papst der Stadt Rom und all seinen priesterlien Nafolgern, die bis
zum Weltende auf dem ron des seligen Petrus sitzen werden, von jetzt an den Palast
unseres Reies … wie au die Provinzen der Stadt Rom und Gesamtitaliens und au die
Gebiete des Westens, Länder und Städte ….

Die Kire wird zur Eigentümerin eines Großteils Italiens erklärt und als
religiöser Staat betratet, deen Souverän Christus höstpersönli ist, der
dur den Papst als Stellvertreter Christi auf Erden regiert.
Das Dokument ist eine Fälsung. Das aber weiß Pippin nit und will es
au nit wien. Er ist höst zufrieden, gemeinsam mit all seinen
Nakommen zum legitimen Herrser geweiht worden zu sein, und bereit,
diese unermelie Gefälligkeit zu erwidern. Er besiegt den
Langobardenkönig Aistulf in der Slat und erklärt mit dem Frieden von
Pavia (756), da Ravenna und die Pentapolis[9] für alle Zeiten dem Heiligen
Stuhl abgetreten werden. Es ist die Geburttunde des Kirenstaates. Als
Aistulf zu Tode kommt, brit aus Stephan  II. der ganze angestaute Groll
gegen ihn heraus; in einem Brief an Pippin bezeinet er ihn sonungslos
als «Anhänger des Teufels, Sauger des Blutes der Christen, Zerstörer der
Kiren, vom Streie Goes getroffen und hinabgestoßen in den Slund
der Hölle».
Eine Folge dieser Allianz war die Krönung Karls (später der Große
genannt), des Sohnes von Pippin (der Kurze oder Kleine genannt) zum
Römisen Kaiser, die in der Weihnatsnat (25. Dezember) des Jahres 800
na einer feierlien Mee in der Petersbasilika von Papst Leo  III.
vollzogen wurde. Seit der Absetzung von Romulus Augustulus 476 hae es
im Westen keinen Herrser mehr gegeben, der zu solen Würden
aufgestiegen war. In jener Nat gab Leo III. urbi et orbi (der Stadt und dem
Erdkreis) nit nur zu verstehen, da der Titel wieder vergeben wurde,
sondern au, da der Papst von Rom jetzt sein legitimer Verwalter war. Das
in der Basilika anwesende, entspreend instruierte Volk bra in den
dreifaen Jubelruf aus: «Karl, dem Erhabenen, dem von Go gekrönten,
großen und Frieden bringenden Kaiser der Römer, Leben und Sieg!»
Na den Karolingern gelangten die Oonen an die Spitze des Sacrum
Romanum Imperium, es bleibt jedo bei der päpstlien suprematia über
die auließli politise und militärise Mat der Kaiser. Ein
swieriges Gleigewit, das mehr oder weniger bis zum
Investiturstreit[10] hielt, der zwisen dem energisen Papst Gregor  VII.
(Hildebrand von Soana, 1073–1085) und Kaiser Heinri IV. ausbra, wobei
es unter anderem um die witige Entseidung ging, ob au der Kaiser
oder auließli der Papst Bisöfe einsetzen dürfe. Jeder der beiden
Protagonisten – ausgesproen starke Persönlikeiten – hae dabei
natürli die Aufwertung der eigenen Matposition im Auge. Am
22. Februar 1076 exkommunizierte der Papst den Kaiser und erklärte ihn für
abgesetzt. Zuvor jedo hae Heinri seinerseits bereits Gregor seines
Amtes enthoben und dabei geltend gemat, da ihm der Titel Rex
Romanorum das Ret verleihe, die Papstwahl zu bestätigen.
Der Konflikt wurde (provisoris) dur den spriwörtli gewordenen
«Gang na Canoa» beigelegt, bei dem der Kaiser gezwungen war, im
Büßergewand vor die Burg Canoa zu ziehen und dort vom 25. bis zum
27.  Januar  1077 drei Tage lang in eisiger Kälte zu warten, bis der Papst
geneigt war, ihn zu empfangen. Über die Bedeutung dieser berühmten
Episode sind si die Historiker uneins: ob der Kaiser dort tatsäli
gedemütigt wurde oder ob es si nit vielmehr um ein diplomatises
Manöver handelte, das den Kaiser zwar einiges an Prestige kostete,
gleizeitig aber so slau eingefädelt war, da er dadur später seine
Handlungsfreiheit zurüerlangte. Do das ist eine andere Gesite,
kehren wir zum Constitutum zurü.
Die vom Papst in Canoa demonstrierte Standhaigkeit war in gewier
Weise dur ein sehr strenges Dokument (vielleit) aus der Feder
Gregors  VII. persönli aus dem Jahre 1075 vorbereitet worden, das als
Dictatus papae in die Gesite eingegangen ist. Die Authentizität des
Sristüs aus dem Briefregister Papst Gregors  VII. ist in Frage gestellt
worden, do, ob nun authentis oder nit, reflektiert es mit Sierheit die
Prinzipien der sogenannten Gregorianisen Reformen,[11] mit denen der
Führungsanspru des Papstes in Kire und Welt bestätigt wird. In 27
Punkte unterteilt, wird etwa in den Punkten 9 und 12 festgelegt, da alle
Fürsten nur des Papstes Füße küen dürfen und da es ihm erlaubt sei,
Kaiser abzusetzen. Neben den Absnien zur Kirenordnung und den
Zuständigkeiten sind die drei folgenden Konzepte gleiermaßen
beeindruend: «Da er von niemandem geritet werden darf.» (19); «Da
die römise Kire niemals in Irrtum verfallen ist und na dem Zeugnis
der Sri niemals irren wird.» (22); «Da er Untergebene vom Treueid
gegenüber Sündern lösen kann.» (27). Es handelt si um Leitsätze, die ihre
juristise Grundlage offenkundig ausgerenet in dem (na einer
verbreiteten Hypothese der Historiker) drei Jahrhunderte zuvor in der
vatikanisen Kanzlei hergestellten Constitutum haben. Unter Punkt 23 wird
ein weiteres Gebot dekretiert, das den Päpsten eine gewiermaßen
automatise Heiligkeit zusprit: «Da der römise Bisof, falls er
kanonis eingesetzt ist, dur die Verdienste des heiligen Petrus
unzweifelha heilig wird …»
Etwa drei Jahrhunderte lang blieb das Dokument zur Absierung der
weltlien Mat der Päpste im «Winterslaf»,[12] denn es ergab si nit
die geringste Notwendigkeit, per tabulas, also dur die Vorlage srilier
Dokumente, die von niemandem in Frage gestellte Vorherrsa des Papstes
nazuweisen.
In sehr viel swieriger gewordenen Zeiten erwies es si jedo als
unabdingbar, den Naweis für die juristisen Grundlagen zu erbringen, auf
der die Herrsa basierte. Innozenz IV. verstieg si zu der Auage, nit
Konstantin, sondern Christus persönli habe Petrus und seinen Nafolgern
alle Mat einsließli der weltlien verliehen. Zu denjenen, die son
frühzeitig mit Klarheit und Nadru die «Senkung» kritisierten, gehörte
neben Dante no ein weiterer großer Geist dieser Epoe, Iacopone da Todi
(1230/36–1306), ein Franziskaner der strengsten Ausritung, ein «Armer
Goes» und wie Dante ein Feind von Bonifaz  VIII. (Benedeo Caetani,
1294–1303), mit dem er unter anderem wegen des «Armutstreits» in Konflikt
geriet.
Bonifaz  VIII. war ein äußerst matbewuter Papst und deswegen bei
seinen Zeitgenoen umstrien. Na der erzwungenen Abdankung seines
Vorgängers Cölestin  V. (Juli bis Dezember  1294), der si als weltfremder
Eremit ohne Lateinkenntnie den Aufgaben des Papsums nit gewasen
gezeigt hae, forderte er von den europäisen Herrsern mit aller
Sroeit die Rete des weltlien Primats ein – bis hin zum Ret, diese
abzusetzen. Als Bonifaz  VIII. Papst wird, ist Sizilien in der Hand der
Aragoneser, der englise König weist seine Ansprüe auf Soland
zurü, vor allem aber maßt si der König von Frankrei, Philipp IV. (der
«Söne»), an, den französisen Klerus zu besteuern und diese Steuern
einzubehalten. Bonifaz protestiert, der König verweist die päpstlien
Steuereintreiber des Landes und beslagnahmt die Gelder.
Die Auseinandersetzung ist heig und setzt in kleinerem Maßstab, aber
nit minder gewaltsam, den Investiturstreit zwisen Papst Gregor VII. und
Kaiser Heinri IV. fort. Der Legende na sollen die Gesandten Philipps des
Sönen so weit gegangen sein, den Papst in Anagni öffentli zu ohrfeigen,
ein Eklat mit sehr dramatisen Folgen. Wäre hier nit ein «Petrus-Erbe»
involviert, häe es si einfa um den Kampf zweier Herrser gehandelt,
die si gegenseitig außer dem Geld au no Teile der Mat streitig
maen. Einer der beiden Herrser jedo ist gleizeitig das Oberhaupt
einer Religion und will nit weien, denn er beansprut, von Go
persönli in sein Amt eingesetzt zu sein. Ein lebhaes Porträt des Bonifaz
gibt im 19. Jahrhundert Ferdinand Gregorovius in seiner Gesite der Stadt
Rom im Mittelalter vom V. bis XVI. Jahrhundert. Hier die Besreibung des
Krönungszugs:

Bonifatius saß auf einem sneeweißen, mit Deen aus cyprisen Federn behängten Zelter,
die Krone Silvesters auf dem Haupt, gehüllt in die feierlien Papstgewänder; zu seinen
Seiten srien, in Sarla gekleidet, zwei Vasallkönige, Karl und Karl Martell, die Zügel
des Pferdes haltend.[13]

Der Prunk dieses Umzugs stand in einem ungewöhnlien Kontrast zur


Einzugsprozeion seines Vorgängers nur wenige Monate zuvor. Der arme
Cölestin V., Pietro da Morrone aus Molise (Abruzzen), hae si, auf einem
Esel reitend, in der Kue des Eremiten auf den Weg zu seiner
Amtseinführung begeben. Er kann si nur kurz auf dem Petrusthron halten,
so wie es all den Päpsten ergangen ist, die si demütig und beseiden
gaben, um dem Geiste des Evangeliums näher zu sein. Cölestin wird
abdanken (Dante sprit im 3. Gesang der Hölle von seinem «gran rifiuto» –
seiner «großen Verweigerung»).[14] Kurze Zeit später ließ ihn Bonifaz, wie
son gesagt, in Gewahrsam nehmen, Gerüten zufolge ordnete er darüber
hinaus au seine Ermordung an.[15] Bonifaz ist ganz das Gegenteil
Cölestins, selbstsier, anmaßend, skrupellos und, wenn notwendig, zu jeder
Sandtat bereit, au der, das Jahr 1300 als «Heiliges Jahr» neu zu erfinden,
was si im Übrigen als sein größter Erfolg erweisen wird. No einmal
Gregorovius:

Der Zudrang war beispiellos. Rom bot Tag und Nat das Sauspiel von heerglei
hereinströmenden oder herausziehenden Pilgern dar … Es kamen Italiener, Provençalen,
Franzosen, Ungarn, Slawen, Deutse, Spanier, selbst Engländer … Sie zogen einher im
Pilgermantel oder in den Nationaltraten ihrer Länder, zu Fuß, zu Pferde, auf Karren, Müde
und Kranke führend, beladen mit ihrem Gepä … Wenn sie in der sonnigen Ferne den
finstern Wald der Türme der heiligen Stadt erseinen sahen, so erhoben sie den Jubelruf
«Roma! Roma!», wie Siffer, die na langer Fahrt auauendes Land entdeen.[16]

Die Jubelfeier stärkte die persönlie Position des Papstes, vor allem aber
vermehrte sie sein Vermögen. Die Chronisten der Zeit erreneten einen
Zustrom von zwei Millionen Pilgern. So groß ist der Andrang, da einer von
ihnen notiert: «O sah i Männer wie Weiber unter die Füße getreten, und
mit Mühe entkam i selbst einige Male dieser Gefahr.» Au Dante war in
jenen Tagen in Rom, und nit zufällig beginnt seine Göttlie Komödie mit
der Zeile «Nel mezzo del cammin di nostra vita» in der Osterwoe des
Jahres 1300.[17] Gregorovius notiert:

[Bonifatius] konnte in jenen Tagen in der Fülle eines fast gölien Matgefühles
swelgen wie kaum ein Papst vor ihm. Er saß auf dem hösten rone des Abendlandes,
welen die Spolien des Reies smüten, als der «Vikar Goes» auf Erden, als das
dogmatise Oberhaupt der Welt, die Slüel des Segens und des Verderbens in der Hand;
er sah Tausende aus allen Fernen vor seinen ron kommen und si vor ihm wie vor einem
höheren Wesen in den Staub werfen. Nur Könige sah er nit. Außer Karl Martell kam kein
Monar na Rom, als Bekenner von Sünden den Abla zu nehmen.[18]

Diese prominenten Abwesenden häen Bonifaz Sorge bereiten müen,


vielleit taten sie das au. Wir können nit wien, ob si der
homütige Papst drei Jahre vor dem Ende seines Lebens darüber im Klaren
war, da das von ihm gewollte Jubiläum den Höhepunkt seines Pontifikates,
aber au den Beginn seines Niederganges markierte. Und damit nit nur
das Ende seiner persönlien Existenz, sondern einer ganzen Epoe der
Gesite des Papsums. Na der öffentlien Ohrfeige nahm Bonifaz, in
seinen Palast eingesloen, ein elendes Ende:

Die Tage, wele der unglülie Greis im Vatikan hinlebte, waren über alles Maß furtbar.
Wilder Smerz um seine Mihandlung, das Gefühl der Ohnmat, Mitrauen, Furt,
Rae, freundlose Einsamkeit bestürmten sein leidensalies Gemüt …. Man erzählte,
da er si in sein Gema verslo, die Nahrung verweigerte, in Tobsut fiel, sein Haupt
gegen die Mauer stieß und endli auf seinem Bee tot gefunden ward. Die Feinde
Bonifatius‘ VIII. gefielen si darin, sein Ende in den grellsten Farben auszumalen, und
gemäßigte Gegner sahen in seinem Fall das Goesurteil über den Homut der Mätigen.
Ein päpstlier Gesitreiber, weler wohl in Rom war, als Bonifatius starb, sagt dies:
«Am 35. Tage na seiner Gefangennahme starb er; sein Geist war außer si; er glaubte,
da jeder, der zu ihm kam, ihn gefangen nähme.» Diese einfaen Worte enthalten ein
ritigeres Maß von Wahrheit als die dramatisen Silderungen anderer Erzähler.
Bonifatius  VIII. starb, 86 Jahre alt, am 11.  Oktober  1303 und wurde in einer vatikanisen
Grukapelle beigesetzt, die er si selbst erbaut hae. … er war der letzte Papst, weler den
Gedanken der weltbeherrsenden Hierarie so kühn aufgefat hat wie Gregor  VII. und
Innocenz  III. Aber von diesen Päpsten war Bonifatius  VIII. nur eine verunglüte
Naerinnerung.[19]

Kehren wir na diesem (notwendigen) Exkurs über Bonifaz zum


Constitutum zurü. Trotz hartnäiger Opposition aus der Kurie und dem
zuweilen skrupellosen Gebrau, der von dem Dokument gemat wird,
werden die Stimmen, die auf der Möglikeit einer Fälsung insistieren,
immer lauter und hartnäiger. Die Kritik intensiviert si, au von Seiten
derer, die zwar nit die Authentizität des Constitutum in Frage stellen, aber
der Ansit sind, der Papst solle den Ertrag seines Herrsasbereis
jedenfalls nit si und seiner Kire, sondern, dem Beispiel der Apostel
folgend, den Armen zukommen laen.
Immer wieder kommt au Dante auf den Skandal einer reien Kire in
einer Welt voller Armut zurü. Im 16. Gesang des Fegefeuers sreibt er:

Dì oggimai e la Chiesa di Roma,


per confondere in sé due reggimenti,
cade nel fango, e sé brutta e la soma.

Sag, da in unserer Zeit die römise Kire


Weil sie in si vereinigt zwei Gewalten,
Tief in den Smutz mit ihren Lasten falle.[20]

Im 27. Gesang des Paradieses erteilt er Petrus das Wort, der sagt:

Non fu la sposa di Cristo allevata


del sangue mio, di Lin, di quel di Cleto,
per essere ad acquisto d’oro usata

Die Braut des Herren ward nit auferzogen


Mit meinem, Linus’ und des Cletus Blute,
Um später feil mit Gold gekau zu werden[21]

Zu denjenigen, die mit größter Leidensa die Korruption in der Kire


angreifen, gehört der Philosoph Marsilius von Padua (1280–1443), der den
Papst gar mit der Slange im Garten Eden vergleit, unter deren Haut si
der Teufel verbarg: «Ille magnus, serpens antiquus, qui digne vocari debet
diabolus et sathanas» («Jene große, alte Slange, die zu Ret Teufel und
Satan genannt werden mu»). Marsilius ist au einer der Ersten, die in der
weltlien Mat des Papstes den Ursprung vieler Mistände Italiens
erkannten, während ein großer Humanist deutsen Ursprungs, Nikolaus
von Kues (1401–1464), der Erste sein wird, der die historise Unmöglikeit
der Authentizität des Constitutum naweist. Zu dieser Slufolgerung
kommt Kues auließli dur historis-philologise Forsung, also auf
der Basis einer akkuraten wiensalien Prüfung, mit der er feststellt,
da es vom Constitutum in den antiken Quellen nit die geringste Spur
gibt.
Seine brillante Beweisführung ordnet der hohe Prälat in eine globale
Vision der Kire ein. Dana soll die Kire die Einheit aller ristlien
Glaubensritungen repräsentieren, und genau diese ese vertri er beim
Konzil von Basel (1433) mit seiner Sri De concordantia catholica (Über
die allumfassende Eintrat). Die Fälsung des Dokuments ist inzwisen,
wie wir heute sagen würden, ein «hoaktuelles» ema geworden. Es
werden nur no wenige Jahre vergehen, bis 1440 ein weiterer brillanter
Humanist, der Römer Lorenzo Valla, ein ebenso kurzes (wenig mehr als
hundert Seiten) wie überzeugendes Dokument verfat. Es heißt: De falso
credita et ementita Constantini donatione (Über die fälsli für wahr
geglaubte und erlogene Senkung Konstantins des Großen).
Do Valla begnügt si nit mit dem wiensalien und damit
unanfetbaren Naweis, da die Urkunde aus historisen und
linguistisen Gründen nit authentis sein kann. Er setzt mit dialektiser
Durslagskra und solider Argumentation die Anklage obendrauf, die
katholise Hierarie sei eine der Ursaen für den Ruin Italiens, sie spiele
aus Matgier mit «falsen Karten», sie habe die Fälsung des
Constitutum aus hegemonialen Gründen in Aurag gegeben, was einer
Religion unwürdig sei, die man vorgebe zu verteidigen. Auf diese Weise
habe man das Andenken der alten Päpste und der ersten Christen aufs
Slimmste unter anderem dadur beleidigt, da man das päpstlie Amt
mit einem der Lehre Christi zuwiderlaufenden Prunk ausgestaet habe.
Eines der sitbarsten Zeien dieses Prunkes und des Herrsaswillens ist
das Triregnum, eine Tiara in Form einer hohen Kuppel mit drei Kronen, die
außerliturgise Kopedeung, die alle Päpste bei ihrer Krönung trugen.
Die Kronen symbolisierten den Papst jeweils als Vater der Könige, Rektor der
Welt, Stellvertreter Christi auf Erden.
Vallas Text ist in jenen Jahren weitverbreitet, wird aber erst im April 1506
in Straßburg publiziert und ru ein insgesamt mäßiges Eo hervor. Die
Würfel waren aber nun einmal gefallen. Die Daten zeigen dies. Im Jahre 1506
wird der Grundstein zum neuen Petersdom gelegt. Am 31.  Oktober  1517
werden Martin Luthers historise 95 esen eine Protestbewegung gegen
die Korruption in Rom auslösen, mit der die Christenheit und Europa
gespalten wird. Eine harte Ermahnung, das Slimmste, was der Kire als
Glaubensgemeinsa paieren konnte. Denno trug sie nur in geringem
Maße dazu bei, die korrupten Sien der Hierarie zu ändern.
Wenige Jahre zuvor, im Mai  1493, hae Papst Alexander  VI. (Rodrigo
Borgia, 1492–1503) auf Bien des Königs von Spanien in eine
Auseinandersetzung mit Portugal eingegriffen, die bei der Aueilung der
«atlantisen Inseln» im Mai 1493 entstanden war. Um diese Parteinahme zu
retfertigen, hae si der Papst beim Erla der Bulle Inter Caetera[22] ein
weiteres Mal auf das Constitutum berufen, obwohl inzwisen allgemein
bekannt war, da es si um eine Fälsung handelte. Das Dokument stellte
den europäisen Kolonialismus auf eine retlie Grundlage und läutete
die ideologise und kulturelle Kolonialexpansion des römisen
Katholizismus ein. Au in diesem Falle ist das Datum von Bedeutung. Das
Streitobjekt der beiden katholisen Nationen waren die neuen, auf dem
amerikanisen Kontinent gerade erst entdeten Länder. Der Borgia-Papst,
so fragwürdig sein Handeln auf geistliem Terrain gewesen sein mag,
bewies hier eine beispielhae geopolitise Intuition: Als erstes
Staatsoberhaupt begriff er auf Anhieb, da diese «Inseln» mit ihren no
ungewien Grenzen ein Zukunspotential bergen konnten. Häe es si
nit um einen Seelenhirten gehandelt, wäre er zu bewundern. In seine
Entseidung floen höst verwerflie Erwägungen ein. Wie der Jesuit
Giovanni Botero in seinem Hauptwerk La Ragion di Stato (Die Staatsraison,
1589) mit entwaffnender Naivität einräumen wird, fühlte si die katholise
Kire vor allem in der Pflit, die kolonialen Besitztümer der beiden
europäisen Nationen anzuerkennen, die am heigsten gegen die Muslime
gekämp haen.
Die inzwisen immer weitere Kreise ziehende Anerkennung der
Tatsae, da das Constitutum eine Fälsung war, gefährdete jedenfalls die
weltlie Herrsa der Päpste nit. Matfragen werden weder dur den
Glauben no dur Urkunden entsieden, sondern einzig und allein dur
Stärke und Blutvergießen. Eine erste Begrenzung der irdisen Mat der
Kire kam nit dur Lorenzo Vallas Philologie zustande, sondern dur
den Augsburger Reis- und Religionsfrieden (September  1555), der dem
Kampf zwisen Katholiken und Lutheranern ein Ende setzte. Von dem
Augenbli an haen die deutsen Fürsten die Freiheit, entweder der einen
oder der anderen Religion anzugehören, eine Freiheit der Wahl, die ihre
Untertanen jedo nit besaßen («Cuius regio, eius religio» – «Ween
Land, deen Religion»).[23]
Eine der Klauseln dieses Reisgesetzes – das Reservatum ecclesiasticum
(lat. der geistlie Vorbehalt) – legte fest, da ein katholiser Fürstbisof
oder geistlier Reisfürst Rete und Einküne, Land und Herrsa
verlor, wenn er zum Protestantismus übertrat. Er konnte die Güter also au
seiner eigenen Familie nit vererben. Nur für die vor 1552 vollzogenen
Konfeionswesel blieb das Erbret für die kirlien Güter und
Besitzungen erhalten. Die protestantisen Fürsten hielten dies zwar für
inakzeptabel und verweigerten die Zustimmung, der Kaiser fügte aber
aufgrund seiner Matvollkommenheit den «geistlien Vorbehalt» als
Klausel in den Augsburger Vertrag ein – wodur sie automatis zu einer
swäeren Anordnung wurde. Diese Uneindeutigkeit in einer
Grundsatzfrage war eine der Ursaen des Dreißigjährigen Krieges.
Der näste Sri auf diesem langsamen und blutigen Weg zur
Dursetzung der Säkularität war fast ein Jahrhundert später der
Westfälise Friede (1648), der dem Dreißigjährigen Krieg ein Ende setzte
und in Europa eine Ordnung festlegte, die in der Substanz bis ins Zeitalter
Napoleons in Kra blieb. Für das ema unseres Kapitels ist vor allem die
Tatsae von Interee, da die neue internationale Ordnung ein System
herstellte, in dem si die Staaten unter einander auließli als Staaten
anerkannten, jenseits der Glaubenszugehörigkeit ihrer jeweiligen Herrser.
Es entstand also eine internationale Gemeinsa, die den gegenwärtigen
laizistisen und konfeionslosen Staatskonzeptionen son ret nahekam.
Das Konzept der staatlien Souveränität begann das Lit der Welt zu
erblien.
Die hohen katholisen Würdenträger begriffen auf Anhieb, wele
Konsequenzen dieses Prinzip möglierweise haben konnte, und in der Tat
wurde der Westfälise Friede als Niederlage betratet. Dem Papsum
gingen viele Diözesen und sehr viele Klöster verloren, vor allem aber sah es
seine politise Bedeutung ernstha eingesränkt. Mit aller Kra versute
Fabio Chigi, der päpstlie Repräsentant bei den Friedensverhandlungen,
si dem Vertrag entgegenzustellen. Am Ende geslagen, verweigerte er
ihm die Untersri und bezeinete ihn als «L’infame pace e tanto cede
agli heretici» («Der infame Friede, der den Ketzern so viel zugesteht»).
Sieben Jahre später wird derselbe Chigi unter dem Namen Alexander  VII.
(1655–1667) Papst. Er wird der Papst Berninis sein, der ihm im Petersdom ein
kostbares Mausoleum erritet, ein Papst, der sehr viel für die Versönerung
Roms und für die Bereierung seiner eigenen Verwandtsa getan hat.
Unter den großen Veränderungen, die im Laufe des 16.  Jahrhunderts
Gestalt annehmen, ist diese für Italien vor allem deshalb von herausragender
Bedeutung, weil die weltlie Mat der Päpste no hauptsäli auf die
Apenninhalbinsel konzentriert war. Vielen großen Geistern war damals
bewut, wele Gefahr in der Expansion einer Mat lag, die nur eine
geistlie häe sein dürfen. In den 1520 von Kardinal Giulio de’ Medici (von
1523 bis 1534 Papst unter dem Namen Clemens  VII.) in Aurag gegebenen
Istorie fiorentine (Gesite von Florenz) sreibt Niccolò Maiavelli bei
aller Vorsit Folgendes:

Alle Kriege, die [von einem bestimmten Moment an – Anm. d. A.] von Barbaren in Italien
geführt wurden, waren zum größten Teil von den Päpsten selbst verursat, und alle
Barbaren, die das Land überswemmten, sind fast immer von ihnen selbst gerufen worden.
Dieses Vorgehen setzt si fort bis in unsere Zeit; und es hat Italien uneinig und krank
gemat.
Au Francesco Guicciardini bringt in seiner Gesite Italiens von 1539
mit mehr als deutlien Worten zum Ausdru, wele Verdorbenheit und
Korruption das vom politisen Matdenken geleitete Handeln der Kire
verursat hat:

Von jetzt an waren die Gegenstände ihrer Sorgen und ihrer Gesäe nit mehr die
Heiligkeit des Lebenswandels, nit mehr die Beförderung der Religion, nit mehr der
Glaubenseifer und die Nästenliebe, sondern Heeresmat, Kriege gegen Christen, so da
sie mit blutigen Gedanken und mit blutbefleten Händen das heilige Opfer vollzogen, ferner
Anhäufung von Sätzen, neue Satzungen, neue Kunstgriffe, neue Ränke, um von allen
Seiten her Geld zusammenzusarren; und zu diesem Zwee gebrauten sie ohne Seu die
geistlien Waffen; zu diesem Zwee verkauen sie ohne Sam Heiliges und Profanes.[24]

Klare und ersreende Worte, eine Anklagesri, die Guicciardini in den


Ricordi («Erinnerungen») no expliziter formulieren wird, in denen er so
weit geht, die kirlien Hierarien «einen rulosen Haufen» zu nennen,
und si wünst, sie «entweder ohne Laster oder ohne Mat» zu sehen.
Do natürli denken nit alle so. Der Philosoph Tommaso Campanella
(1568–1639) etwa sätzte «die größte Herrlikeit Italiens im Papsum»,
wünste si gar die Vorherrsa der Päpste über die Herrser der Erde
herbei. Und der italienise Philosoph Giovanni Botero (1544–1617), Autor
eines immens ausführlien Werkes über die Staatsraison (Della Ragion di
Stato) in zehn Bänden, wird sreiben:

Unter allen Gesetzen gibt es nit ein einziges, das den Fürsten gewogener ist als das
ristlie: denn es unterwir ihnen nit nur die Körper und, wenn nötig, die Vermögen der
Untertanen, sondern au die Seelen; und es feelt nit nur die Hände, sondern au die
Gefühle und sogar die Gedanken.

Andere aber, selbst innerhalb der Kire, haen verstanden, da die Slat
um das Constitutum der Vergangenheit angehörte. Zum Beispiel erkannte
Kardinal Robert Bellarmin (Roberto Francesco Romolo Bellarmino, 1542–
1621), ein Jesuit, äußerst sarfsinniger Geist und unerbilier Inquisitor,
da es für die angebli von Konstantin gewährte weltlie Mat der
Päpste kein Saden wäre, zu dem Dokument auf Abstand zu gehen. Denn
die Päpste verfügten über eine Investitur von ganz anderer Tragweite, die
si auf weit mehr als ein wertloses Stü Papier berief. Zuvor son hae
nämli der Kardinal und Kirenhistoriker Cesare Baronio (1538–1607)
vertreten, da die Tatsae der Fälsung des Dokuments nit nur kein
Saden, sondern sogar ein Vorteil sein konnte: Da Petrus und seine
Nafolger alle Mat von Christus persönli erhalten haen, war ein
kaiserlies Dokument, letztendli also das Dokument eines sterblien
Mensen, das diese Mat anerkannte, geringerwertig und infolgedeen
unerhebli.

Dieses Kapitel kann nit die ganze Gesite des Constitutum erzählen,
über das es ausgezeinete Studien gibt. Es will nur eine kleine Perspektive
zur Einordnung dieses gefälsten Dokuments in den Kontext der
Nationalgesite Italiens eröffnen, auf die diese angeblie
Hinterlaensa Konstantins erheblie Auswirkungen gehabt hat und bis
heute hat.
Vom 17. Jahrhundert an begann es mit der weltlien Mat des Heiligen
Stuhls bergab zu gehen, nit aufgrund dieses grob manipulierten Stü
Papiers, sondern aufgrund vielfältiger Ursaen, die die römisen
Würdenträger zunehmend in Kontrast zu den neuen Zeiten braten. Die
Philosophie der Aulärung besleunigte das Phänomen, die beiden großen
Revolutionen des 18. Jahrhunderts (die Amerikanise und die Französise)
haen in einem mit Waffen und Ideologien ausgefotenen Krieg au die
römise Kire unter ihren Gegnern. Die Geheimgesellsaen, allen voran
die Freimaurer, sahen im Vatikan einen Feind. Die Antwort der hohen
katholisen Würdenträger war die Denunziation der Anhänger jeglier
egalitärer Philosophien, vor allem der Sozialisten, als Feinde Goes. Zwei
Jahrhunderte lang haben si die größten Intellektuellen, Philosophen,
Historiker, Naturwiensaler alle Mühe gegeben, die organisierten
Religionen als eines der größten Hindernie für die Erneuerung, für die
Gleiheit der Mensen, für die Anerkennung der Bürgerrete
darzustellen.
So tiefgehend war der in diesen Jahren vollzogene Bru mit der
Vergangenheit, da nit einmal der Restaurationswille des Wiener
Kongrees (1815) na den napoleonisen Ersüerungen imstande war,
den vorher bestehenden Zustand wiederherzustellen. Die weltlie
Herrsa der Päpste war in dieser Periode bereits mehrfa für hinfällig
erklärt worden. Das erste Mal im Februar  1798, als die französisen
Besatzungstruppen die Römise Republik ausriefen und Papst Pius  VI.
(1775–1799) verhaeten, der im Jahr darauf swerkrank als Gefangener in
Valence sterben sollte. Das Experiment war nur von kurzer Dauer, es war
aber immerhin na einem Jahrtausend das erste Mal, da so etwas
paierte. Ein matvolles Signal, das aber keine weiteren Folgen hae. Das
zweite Mal war 1809, als Napoleon na der Versleterung der
Beziehungen zwisen dem Kaiser der Franzosen und dem Vatikan das Ende
der weltlien Mat des Papstes und die Annexion der päpstlien
Territorien erklärte. Das drie Mal war 1849, als eine neue Römise
Republik, diesmal dur mutige Patrioten erritet, während ihres ebenso
glorreien wie kurzlebigen Bestehens (von Februar bis Juni) unter anderem
eine der fortsrilisten Verfaungen Europas erließ. Das vierte Mal, und
diesmal endgültig, war im September 1870, als Rom mit dem neugeborenen
Regno d’Italia (Königrei Italien) vereinigt und zu seiner Hauptstadt wurde.
Wie diese Ereignie zeigen, war die Konstantinise Senkung und die
weltlie Mat des Papstes im Kontext der Entwilung Gesamteuropas zu
einem vornehmli italienisen Problem geworden, also zu einem Kampf
um die Vorherrsa über die Apenninhalbinsel. Eine pure Matfrage,
gewi, verkompliziert aber dur eine jahrhundertealte Tradition und die
Furt vor den neuen Zeiten sowie die Angst der katholisen Hierarie,
da mit dem Glauben au die spirituelle Freiheit der Kire wanken
könnte.
Vergebli hae si der Graf Camillo di Cavour, der Urheber der
italienisen Einheit, bis wenige Monate vor seinem Tod darum bemüht, den
Papst zu beruhigen. Gerade das geistlie Interee, hae er dem Papst
empfohlen, lae die Aufgabe des anaronistisen Ansprus auf weltlie
Herrsa geraten erseinen. Als Ministerpräsident war er mehrfa auf
das ema zurügekommen und hae dem Papst weitgehende Garantien
angeboten: «Heiliger Vater, wir werden Eu die Freiheit geben, die Ihr seit
drei Jahrhunderten von allen großen katholisen Mäten vergebli
fordert … wir sind bereit, in Italien dieses große Prinzip zu proklamieren:
freie Kire in einem freien Staat.»
Nits half, um das eher psyologis als politis begründete Mitrauen
von Papst Pius  IX. und seinen hohen Würdenträgern auszuräumen. Das
Moo «freie Kire in einem freien Staat» klang in den Ohren des Papstes
alles andere als beruhigend, eher wie eine Drohung. Ganz zu sweigen vom
glühenden Antiklerikalismus eines Teils der Risorgimento-Bewegung, der
dieses Mitrauen no beförderte. Giuseppe Garibaldi beispielsweise
verbarg seine Aversion gegen die Kire nit; Guicciardinis Argument
verkürzend, srieb er an eine englise Freundin: «Die päpstlie eokratie
ist die sreliste Plage, von der mein armes Land befallen ist; atzehn
Jahrhunderte Lügen, Verfolgungen, Seiterhaufen und Komplizensa mit
allen Tyrannen Italiens haben diese Plage unheilbar gemat.»
Es gab allerdings au innerhalb des Katholizismus selbst eine starke
Strömung, die Cavours Einstellung teilte, die Gefahr der weltlien
Herrsa des Papstes für die Kire und die Wirksamkeit ihrer Lehre ganz
klar erkannte und si der swierigen Kompromie bewut war, die das
politise Gesä der Spiritualität aufzwingt. Das sreibt der Priester und
Philosoph Antonio Rosmini, das sreibt au der größte katholise
Sristeller Italiens, Aleandro Manzoni: «I glaube, als die Religion in
Frankrei ihres äußeren Gepränges beraubt wurde, als sie keine andere
Kra mehr hae als die Jesu Christi, konnte sie lauter spreen und wurde
mehr gehört.»
Das Problem wird no lange ungelöst mitgesleppt. Wie son erwähnt,
wird erst am 11.  Februar  1929 Benito Muolini als Regierungsef im
Lateranpalast das Konkordat mit der Kire unterzeinen. Im Gegenzug
erkannte der Vatikanstaat die Legitimität des Königreis Italien an. Ein
Vertragswerk, das von vielen Seiten in zahlreien Klauseln als nateilig für
Italien eratet wurde, insbesondere in der für den italienisen Staat sehr
teuren Finanzkonvention. Pius  XI. (1922–1939), der damalige Papst,
kommentierte den Abslu dagegen mit offenkundigem Wohlgefallen:
«Wir glauben, Go damit Italien zurügegeben zu haben und Italien Go.»
Sehr viel nüterner notierte der kommunistise Denker Antonio Gramsci
in seinen Gefängnisheen:

Die Kapitulation des modernen Staates, die dur die Konkordate zustande kommt, wird
maskiert, indem Konkordate und internationale Verträge verbal gleigesetzt werden. Aber
ein Konkordat ist kein gewöhnlier internationaler Vertrag: im Konkordat kommt es de
facto zu einer Souveränitätsübersneidung auf einem einzigen Staatsgebiet; alle Artikel
eines Konkordats beziehen si auf die Bürger nur eines der verhandelnden Staaten, über
wele die Hoheitsgewalt eines fremden Staates bestimmte Rete und Befugnie der
Retspreung retfertigt und fordert … Das Konkordat ist folgli die Anerkennung einer
doppelten Souveränität auf ein und demselben Staatsgebiet. [Was bedeutet in der modernen
Welt die von den Konkordatsverträgen in einem Staat gesaffene Situation in der Praxis? Sie
bedeutet die öffentlie Zuerkennung bestimmter politiser Privilegien an eine Kaste von
Bürgern eben dieses Staates.] Sie ist zwar nit mehr dieselbe übernationale Form von
Souveränität, die dem Papst im Mielalter formell zuerkannt war, aber sie ist ein daraus
abgeleiteter Kompromi.[25]

Von dem 1929 unterzeineten Vertrag hat die oben erwähnte Via della
Conciliazione zwisen Petersplatz und Tiberufer ihren Namen. Na dem
Ende des Zweiten Weltkriegs wurden die Lateranverträge in die Verfaung
der Italienisen Republik (in Kra seit dem 1. Januar 1948) aufgenommen,
wo es in Artikel 7 heißt: «Der Staat und die katholise Kire sind, jedes im
eigenen Ordnungsberei, unabhängig und souverän. Ihre Beziehungen sind
dur die Lateranverträge geregelt.»[26] Ja-Stimmen: 350; Nein-Stimmen:
149. Unter den Ja-Stimmen waren au die der von Palmiro Togliai
geführten Kommunisten, und es fehlte nit an Polemiken. Der Artikel 7
widerspra generell dem Geist der Verfaung, besonders aber Artikel 3, der
festlegt: «Alle Staatsbürger haben die gleie gesellsalie Würde und
sind vor dem Gesetz ohne Untersied des Gesletes, der Rae, der
Sprae, des Glaubens, der politisen Ansauungen, der persönlien und
sozialen Verhältnie glei.» Na dem Krieg war die Kommunistise
Partei (Partito Comunista Italiano, PCI) mit an der Regierung, Togliai war
bis 1948 Justizminister und an der Aushandlung der Verfaung beteiligt.
Jahrelang wurde Togliai nagesagt, er habe die Säkularität des Staates
verkau, um seinem PCI die Regierungsbeteiligung zu erleitern. Wenn das
der Grund gewesen sein sollte, so war es ein politiser Fehler, und er hat
nit viel gebrat. Na der Wahlniederlage 1948 wurden die Kommunisten
in die Opposition getrieben, wo sie dreißig Jahre lang geblieben sind.
In den atzehn Jahrhunderten seit dem Beginn dieser Gesite ist viel
Waer unter den Brüen des Tibers hindurgefloen. Die Fälsung der
Konstantinisen Senkung ist im Grunde eine läerlie Angelegenheit,
die aber tragise Folgen hae, und zwar so nahaltige wie kaum eine
andere. Die weltlie Vorherrsa der Päpste hat elf Jahrhunderte gedauert
und endete erst am 20. September 1870, als au Rom und seine unmielbare
Umgebung vom neugeborenen Königrei Italien annektiert wurden. Von
der «Souveränitätsübersneidung», wie Antonio Gramsci es nennt, ist die
Gesite Italiens gravierend beeinflut worden. Hier haben si Arroganz,
Besitzgier, ernsthae Besorgnis um die Gesie der Institution Kire, aber
au Seinheiligkeit, sräge politise Manöver, Halbwahrheiten und
Tris vermist und überlagert, die das politise Leben seit jeher begleiten.
Die Gesite der Konstantinisen Senkung stellt aber ein seltenes
Erkenntnisinstrument dar, vor allem seit die Fälsung des Dokumentes
nagewiesen war. Der Erkenntnis, da es nit einmal einer Organisation,
die für si in Anspru nimmt, göli inspiriert zu sein, gelingt, si den
Swäen, Ängsten, Lügen zu entziehen, von denen jede gewöhnlie
Institution befallen ist. Das mat den Heiligen Stuhl mensli, sehr
mensli. Vielleit allzu mensli.
IV. DER PREIS DES RUHMS
WAHNSINN ALS PROJEKT: DER PETERSDOM

D
IE VATIKANISCHE BASILIKA SAN PIETRO, der Petersdom, die
Kire der Päpste, ist einer der größten jemals zu Ehren einer Goheit
erbauten Tempel. In seiner Baugesite kondensiert si ein menslies
und spirituelles Abenteuer, das in der Welt kaum seinesgleien hat. Die
komplexe Entstehungsgesite des ehrwürdigen Gebäudes, zunäst in der
von Kaiser Konstantin gewünsten Version, dann in seiner endgültigen
Renaiance-Aritektur, markiert, au dank der Symbolkra, die von ihr
ausging, einige der fundamentalen Momente der Gesite der katholisen
Religion.
Eine Basilika von gewaltigen Ausmaßen, die bis zu 20.000 Personen faen
kann, 194 Meter lang und oben an der Kuppel mehr als 130 Meter ho. Auf
einer Grundfläe von mehr als zwei Hektar. Die 13 Statuen der Faade sind
beinahe 6 Meter ho. In den Kirensiffen erheben si 148 Säulen, die in
einer Höhe von 44 Metern die Dee berühren. Die von Bernini in die vier
Zentralpfeiler eingefügten Statuen sind jeweils 5 Meter ho, 2 Meter ho
die drallen Puen, die die Weihwaerbeen tragen; 30 Altäre gibt es, 147
Papstgräber. Grandios in den Dimensionen und in der Struktur wird die
Basilika unvergleili, wenn man si die Menge der Kunstsätze
klarmat, die sie enthält, und die Meistersa der Künstler, die an ihrer
Ausgestaltung beteiligt waren.
Das Bild des Petersdoms ist so geläufig, da es angesits der visuellen
Abnutzung, der es unauörli ausgesetzt ist, geradezu verbraut wirkt.
Das führt dazu, da der größte Teil der Mensen, die ihn betraten, ihn
nit wirkli «sehen», si nit immer wieder aufs Neue von ihm
überwältigen und faszinieren laen, was eigentli zu erwarten wäre. Selbst
wenn die Verbreitung seiner Silhouee über alle erdenklien Medien eine
bemerkenswerte Propagandawirkung für die Kire entfaltet, so ist mit
Sierheit die Wahrnehmung seiner aritektonisen und künstlerisen
Einzigartigkeit abgestump. Mit der Zeit ist die Basilika des hl. Petrus zum
Petersdom geworden, nits weiter, als habe sie immer dort gestanden,
unwandelbar, die Zeit überdauernd, ewiger Aretyp, das Emblem der
katholisen Religion par excellence, Sitz ihres Summus Pontifex, ihres
«Obersten Priesters».
Zur Abswäung der Wirkung hat im Übrigen au die Öffnung der Via
della Conciliazione beigetragen, wodur der Petersdom son vom Ufer des
Tibers aus zu sehen ist, und das mat ihn zum simplen Hintergrund einer
sönen Straßenansit. Wie grundlegend anders mu die Seherfahrung
do früher gewesen sein, das Erstaunen und die Überrasung, wenn si
demjenigen, der aus dem Dunkel der engen Gaen der alten Spina di Borgo
herauskam, unversehens die ungeheuerlie Wut und Größe der Basilika
in ihrer ganzen Prat darbot.[1]
Die Basilika hat eine bewegte, zuweilen dramatise Gesite. Jeder
Gebäudeteil ist lange diskutiert, bis ins Detail studiert, verworfen, neu
entworfen und sließli so realisiert worden, wie wir ihn heute kennen,
um konzeptionell und symbolis den größtmöglien Bedeutungsgehalt in
si zu vereinigen – eine geballte Ladung an Mahnung, aber au
Faszination, sitbares Zeien einer unermelien Mat.
Dieses Kapitel erzählt aber nit die Gesite der Basilika, zumindest
nit die ganze. Es gibt hervorragende Büer darüber, die Gesite ist
lang und kompliziert, rei an Episoden, die fast alle eine Erwähnung wert
wären. An dieser Stelle sollen nur einige dieser Ereignie
zusammengetragen werden; die Hintergründe zum Beispiel, die dazu
führten, da gewie Kunstwerke, die die Basilika aumüen oder sogar
zu ihren Charakteristika gehören, si dort befinden, wo sie si befinden, zu
welem Zwe sie in Aurag gegeben wurden, zu welem Nutzen und zu
welen Kosten. Und wenn i Kosten sage, meine i nit nur die
finanziellen. Im Übrigen werde i auf Sankt Peter und einige der Künstler,
die dort gearbeitet haben, in den folgenden Kapiteln immer wieder
zurükommen müen, weil die Basilika natürli au ein Repertoire
darstellt, ein Gesitskonzentrat, das auf der einen Seite die himmlisen
Glüseligkeiten heraueswört, auf der anderen aber au Monumente
und Gräber enthält, die sehr irdise menslie Sisale in Erinnerung
rufen. Heiligengesiten natürli, aber au die Eskapaden von Königen
und Königinnen, illustren Damen und Herren, die alles andere waren als
Heilige, weshalb die Frage zuläig ist, was sie getan oder nit getan haben,
um ein Begräbnis im hösten Tempel der Christenheit zu verdienen.

In weit zurüliegenden Zeiten war der Vatikan ein unwirtlies, fast


unbewohntes, in einem beseidenen Hügel gipfelndes Gebiet jenseits des
reten Tiberufers. In den ersten Jahrzehnten der ristlien Zeitrenung
haen Caligula und später Nero, wie wir gesehen haben, am südlien
Abhang des vatikanisen Hügels, zur Linken der heutigen Basilika, einen
Circus erbauen laen. Einen von vielen, die damals in der Stadt zu finden
waren und die man in der modernen Bedeutung des Begriffs «Stadien»
nennen könnte, also Orte der Unterhaltung und der Emotionen, der Maen
und des Gesreis, wo si die sportlie Herausforderung häufig zu einem
öffentlien, erklärtermaßen politisen Event entwielte. Aufgrund ihrer
aritektonisen Kühnheit und ihres Faungsvermögens waren es fast
immer großartige Bauwerke. Auf den Rängen des Circus Maximus konnten
bis zu zweihundertfünfzigtausend Zusauer sitzen, den Circus Caligulas
und Neros smüte in der Mie der Spina[2], ein ägyptiser Obelisk aus
rotem Granit – derselbe, der heute im Zentrum des Petersplatzes steht. Um
diesen Obelisken im Jahre 37 unserer Zeitrenung na Rom zu
transportieren, mute eigens ein Siff gebaut werden.
Wenige Jahrzehnte später, im Jahre 67, ein Jahr vor Neros Tod, wurde der
Legende na in diesem Circus der Apostel Petrus hingeritet: Kephas
(«Stein/Fels», Gräzisierung des aramäisen kefa), der Fiser, das
Oberhaupt der ristlien Gemeinsa von Rom, zum Tode verurteilt
dur Kreuzigung, aber, wie er selbst es verlangt haben soll, kopfüber, denn
er sah si nit als würdig an, auf die gleie Art und Weise zu sterben wie
sein Meister. Sein Leinam soll in einem armseligen Erdlo am
Straßenrand neben dem Circus versarrt worden sein. Einige Jahrhunderte
später nahm Kaiser Konstantin – der erste, der die neue Religion voll
anerkannte – den Vorslag der ristlien Gemeinsa von Rom gern auf,
zur Erinnerung an dieses Opfer an demselben Ort eine Basilika zu erbauen.
Und so begannen die kaiserlien Aritekten um 320 mit der Planung des
Baus. Die Basilika sollte so ausgeritet werden, da der Mielpunkt – ihr
eigentlier Existenzgrund – mit dem Stü Erde übereinstimmte, von dem
man glaubte, da dort der Apostel begraben worden war. Um dieses
Ergebnis zu erzielen, mute si die Hauptase des Baus an der Ost-West-
Ritung orientieren. Da das Gelände aber von Nord na Süd ein großes
Gefälle aufwies, waren, no bevor ein einziger Stein gesetzt werden konnte,
gewaltige Erdarbeiten nötig. Von Anfang an wurde das Werk deshalb als
«Wahnsinn» bezeinet.
Es ging dabei praktis um nits Geringeres als die Abtragung großer
Teile des Vatikanhügels, die angemeene Drainage des Gebietes, auf dem
si zahlreie Sumprater befanden, die Erritung sehr robuster
Substrukturen und Fundamente, die imstande waren, dem enormen Gewit
des künigen Gebäudes standzuhalten. Außerdem war der Abri bzw. die
Stilllegung der alten Nekropole notwendig, die si teilweise auf diesem
Gelände befand und in der Heiden und Christen lange Zeit Seite an Seite
begraben worden waren. Konstantin soll 326, ein Jahr na dem
grundlegenden Konzil von Nicäa, eigenhändig zum Spaten gegriffen haben,
um beim Graben der Fundamente den ersten Sti zu tun, wie so viele
andere Staatsoberhäupter na ihm.
Die Bauarbeiten srien ras voran, was die in jüngster Zeit bei
Ausgrabungen zutage geförderten Reste zu beweisen seinen. Au diese
erste Basilika hat, genau wie die spätere, die an ihre Stelle treten wird,
bemerkenswerte Dimensionen: eine Faade von 64 Metern, die fünf Siffe,
in die sie unterteilt war, von 90  Metern Länge, das Quersiff mit einer
Breite von 24 und einer Höhe von über 30  Metern (18 und 15  Meter die
jeweiligen Höhen der Seitensiffe). Die Ädikula, unter der si das Grab mit
den sterblien Überresten des Petrus befand, liegt (entweder weil man si
verrenet hae oder weil es so gewollt war) fast einen halben Meter tiefer
als der Boden: Das Ganze ist jedenfalls von einem ca.  3  Meter hohen, mit
Marmor verkleideten Saukasten umsloen, während das Grab mit
zyprisen Bronzeplaen versalt ist.
Vor dem Eingang der Konstantinisen Basilika befand si ein großes,
innen von Säulenhallen umgebenes, «Paradies» genanntes Atrium, in seinem
Zentrum (zumindest seit dem Jahr 1000) ein Brunnen, deen Waer aus der
Pigna sprudelte, dem koloalen Pinienzapfen aus Bronze, der heute in dem
gleinamigen Hof (Cortile della Pigna) des Vatikans steht. Dieses Waer
diente den Gläubigen vor dem Betreten der Basilika zur rituellen Reinigung,
damit wusen sie si zumindest Gesit und Hände. Das Zeien des
Kreuzes mit den im Weihwaer angefeuteten Fingern ist no heute ein
symbolises Überbleibsel dieser antiken Wasungen. Das armselige Grab
des Petrus, der in nater Erde bestaet worden war, hae si so in ein
kostbares Mausoleum verwandelt.
Fast gleizeitig begannen leider au son die ersten von
Gesäsintereen geleiteten Fehlentwilungen: Wer auf der Mauer neben
dem Grab seinen Namen eingravieren laen wollte – und das wollten viele
–, mute den diensthabenden Diakonen eine Spende geben. Eine Praxis, die
si beträtli ausweiten und in den folgenden Jahrhunderten zur Ursae
tiefgreifender Konflikte und Kämpfe werden sollte.
Die Ausgaben für das Bauwerk waren gewaltig, zumal der Kaiser vor der
Kire eine Anlaufstelle und einen Ort der Einkehr für die Gläubigen
vorgesehen hae, um ihnen Gelegenheit zu geben, an dem Ort zu beten, an
dem der Apostel und erste Pontifex sein Martyrium erlien hae, auf da
sein Beispiel den Glauben eines jeden festige. Was Konstantin selbst betri,
seinen Glauben (und deen Anerkennung), so hob die Widmungsinsri
auf dem Bogen zwisen Kirensiff und Quersiff hervor: Quod duce te
mundus surrexit / in astra triumphans / hanc Costantinus Victor tibi
condidit aulam (Unter deiner Führung erstand triumphierend die Welt zu
den Sternen; diese Halle erritete dir Sieger Konstantin). Womit auf
Konstantins Sieg gegen Maxentius bei der Slat an der Milvisen Brüe,
die Geburttunde des ristlien Kreuzes, angespielt wird (vgl. Kapitel III).

Zugunsten der neuen Religion wendet Konstantin jedenfalls die größte


Energie auf. Neben der Peterskire lät er in jenen Jahren ein ganzes
Netzwerk von Basiliken von wahrha kaiserlien Dimensionen erbauen:
San Giovanni in Laterano (St. Johann im Lateran), mit deren Bau no vor
der Petersbasilika begonnen worden war, knapp über 100 Meter lang; Santa
Croce in Gerusalemme (Heilig Kreuz in Jerusalem), auf Wuns von
Konstantins Muer Helena gebaut, die von einer Reise na Palästina ein
Fragment des wahren Kreuzes Christi mit na Hause gebrat haben soll;
Santo Sebastiano auf der Via Appia, 75  Meter lang; das Mausoleum von
Konstantins Toter Constantia auf der Nomentana, heute unter dem Namen
Santa Costanza bekannt (eine der sönsten und beeindruendsten
frühristlien Kiren). Imposante Bauwerke, die alle – einsließli St.
Peter – strahlenförmig angeordnet am Rande des damaligen Stadtgebietes
angesiedelt waren.
Im Zeitalter der klaisen Antike war Rom eine Stadt der Monumente,
übersät von Standbildern und Statuen: mit Togen bekleidete Figuren in den
Foren, Kaiser zu Pferde, grandiose, rei mit menslien Abbildern
verzierte ermen und Nymphäen, die Tempel der heidnisen Goheiten
mit Säulen und Mosaiken gesmüt. Vom 4. Jahrhundert an, mit dem Bau
der großen Basiliken, und vor allem in den beiden folgenden Jahrhunderten
wandelt si das Bild der Stadt. Das Rom der antiken Monumente
verswindet. Viele Skulpturen werden zerstört, mitunter nur aus
Unatsamkeit, manmal ganz gezielt aus ideologisen Gründen. Das
Christentum tendiert zur Sublimierung seiner Symbole, es zieht eine weniger
stofflie Darstellungsweise als die der Römer vor, ihren Go
veransaulit sie eher in der Malerei und im Mosaik als in der Skulptur.
Vom 5.  Jahrhundert an werden au im Zentrum Roms an die Stelle der
antiken römisen Säulenhallen ristlie Kiren gesetzt. Damals
entstehen die Kire der Santi Giovanni e Paolo auf dem Caelius-Hügel, San
Marco unter dem Kapitol, San Lorenzo in Lucina, Santa Maria in Trastevere,
Santa Sabina auf dem Aventin, San Clemente nahe beim Koloeum, Santa
Maria Maggiore auf dem Esquilin.
Das ristlie Rom, das auf die klaise Antike folgte und sie ablöste,
annulliert nit nur ihr Dasein, sondern sogar ihr Andenken. Wo die Statuen
und Altäre der heidnisen Goheiten standen, stellt es seine eigenen hin,
die Sutzgoheiten für die menslien Lebensbereie und Tätigkeiten
ersetzt es dur seine Heiligen, die alten Riten dur seine Orthodoxie.
Innerhalb weniger Jahrzehnte ist kaum no eine sitbare Spur der alten
Religionen übrig. Gewi, da sind die Texte der Philosophie, der Literatur,
des eaters, der Naturwiensaen, die geduldige Möne, erfinderise
Sreiber, nit selten große Künstler und Bumaler akribis für die
Wenigen zu kopieren versuen, die des Lesens mätig sind. Aber von den
volkstümlien Kulten, der breiten, von Rom garantierten religiösen
Toleranz bleibt nits mehr übrig.
Der glühendste Verfeter des Christentums, Paulus von Tarsus (hl.
Paulus), überhäu die Erinnerung an die alten Bräue und die mit ihnen
verbunden Kulte in seinem Brief an die Römer (1, 26–31) mit Smähungen:

Ihre Frauen vertausten den natürlien Verkehr mit dem widernatürlien; ebenso gaben
die Männer den natürlien Verkehr mit der Frau auf und entbrannten in Begierde
zueinander; Männer trieben mit Männern Unzut … Und da sie si weigerten, Go
anzuerkennen, lieferte Go sie einem verworfenen Denken aus, soda sie tun, was si nit
gehört: Sie sind voll Ungeretigkeit, Sletigkeit, Habgier und Bosheit, voll Neid, Mord,
Streit, List und Tüe, sie verleumden und treiben üble Narede, sie haen Go, sind
überhebli, homütig und prahleris, erfinderis im Bösen, ungehorsam gegen die Eltern,
sie sind unverständig und haltlos, ohne Liebe und Erbarmen.»[3]

Ein Sauergemälde, in dem si die grenzenlose, ohnmätige Wut eines


Neo-Konvertiten von überragender Intelligenz und maßloser
Leidensalikeit offenbart.
Und do ist es gerade das Modell des kaiserlien (heidnisen) Rom, das
Konstantin im Sinn hat, als er den Bau der neuen Basiliken befiehlt und mit
der klaren Absit vorantreibt, die ristlie Mat zu proklamieren und zu
manifestieren. Das Mausoleum, das si der große Kaiser Hadrian am Ufer
des Tibers hae bauen laen (heute bekannter unter dem Namen Castel
Sant’Angelo – Engelsburg), ist in seiner ganzen Würde eines der Vorbilder.
Hadrian hae auf die Stalikeit des Bauwerks gesetzt, Konstantin wird es
ihm natun. In den Matsymbolen der neuen Pontifices wird im Laufe der
Zeit das kaiserlie Vorbild (au als Übertrumpfung) immer deutlier
wiederzuerkennen sein: in den Dimensionen der Gebäude, der Feierlikeit
der Riten, dem penetranten Geru des Weihraus, der Suggestivkra der
Gesänge, der si im Gold der Mosaiken spiegelnden Liter. Alles wird auf
eine Vorstellung von Mat verweisen, die si selbst höher einstu als die
der antiken Kaiser, denn die ristlien Päpste haben über diese hinaus au
no die höste Gewalt, Sünden zu erlaen und ewiges Leben zu
gewähren. Die Kire mat si also zum Erben des Reies, sieht si mit
einer Miion von universaler Zivilisation beauragt, die gleizusetzen oder
sogar höher einzustufen ist als die, die Rom in der antiken Welt erfüllt hae.
Frühristlie Mosaiken stellen Jesus Christus häufig als einen auf dem
ron sitzenden Kaiser dar, umhüllt von der vergoldeten Toga, Dominus
Dominantium (Herr der Herren), umgeben von den Aposteln, die wie
römise Senatoren dargestellt sind. Die neue Kire mat si das
universalistise Ideal des alten, im Untergang befindlien Imperiums zu
eigen und unterstreit die dur sie repräsentierte Kontinuität. Was die
Päpste betri, so soll der erste, der si des Titels Pontifex maximus
bemätigte, Damasus gewesen sein, der von 366 bis 384 Papst war, au
wenn die Bezeinung (abgekürzt: Pont. Max.) an Giebeln von Kiren und
anderen Gebäuden offiziell erst sehr viel später gebräuli wird.
Damasus’ Wahl zum Papst war besonders dramatis, weil der römise
Klerus aufgrund von Auseinandersetzungen über die Doktrin und
Matfragen in zwei Fraktionen gespalten war. So kam es, da zunäst
zwei in erbierter Konkurrenz zueinander stehende Päpste gewählt worden
waren, Ursinus und Damasus. Der Historiker Ammianus Marcellinus (um
330 – um 395), der zu den größten spätantiken Autoren gehörte, die in
lateiniser Sprae srieben, und ein außerordentlier Zeitzeuge der
kaiserlien Dekadenz war, sreibt dazu in den Rerum Gestarum
(Bu XXXI):

Damasus und Ursinus, von unmenslier Begierde, si des Bisofitzes zu bemätigen,
entbrannt, standen bei den widerstreitenden Bestrebungen in heigstem Kampf
gegeneinander, und es kam bei den Gefeten zwisen ihrem beiderseitigen Anhang zu
Wunden und Totslag … Im Kampfe selbst blieb Damasus Sieger, dur den lebhaen Eifer
seiner Partei unterstützt. Übrigens ist bekannt, da in der Basilika des Sicinius, wo si die
ristlie Gemeinde zum Goesdienst zu versammeln pflegt, an einem Tage 137 Erslagene
gefunden wurden und der wütende Pöbel erst lange naher si zur Ruhe bringen ließ.
Betrate i nun überall die Großtuerei der Stadt, so leugne i nit, da Leute, die na so
etwas Verlangen tragen, um zu ihrem Zwe zu gelangen, die ganze Kra ihrer Lungen im
Zanke auieten mögen: denn wer es einmal erlangt hat, ist für immer aller Sorgen
überhoben, sammelt si Sätze von den Spenden alter Frauen, erseint vor dem Volke nur
im Wagen sitzend, mit einem Gewande, das aller Augen auf si zieht, und hält auf
swelgerise Gastmahle, die selbst die Tafel der Könige überbieten.[4]

Am Ende gelang es Damasus, si durzusetzen, au wenn die Art und
Weise, wie er seinen Sieg errang, seinen Ruf als Mann der Religion sädigte.
Auf operativer Ebene jedenfalls war er ein Bisof von großer
Dursetzungskra, der die katholise Orthodoxie gegen versiedene
Häresien verteidigte. Unter seinem Pontifikat wurde das berühmte Edikt des
Kaisers eodosius I. (347–395) De fide Catholica (Februar 380) erlaen, mit
dem diese Doktrin zur offiziellen Religion des römisen Staates proklamiert
und Damasus zu ihrem Oberhaupt gemat wurde.[5] Do die Bedeutung
dieses Papstes für unsere Gesite besteht vor allem darin, da er der erste
Bisof von Rom war, der seine Vormatstellung nit auf
Konzilsbeslüe oder sonstige Erlae gründete, sondern direkt auf das
Evangelium, auf das berühmte Petrus-Zitat: «Du bist Petrus und auf diesen
Felsen werde i meine Kire bauen und die Mäte der Unterwelt werden
sie nit überwältigen.» (Mahäus 16,18) Eine Proklamation, die als
fundamentaler Sri zur Gründung einer regelreten Papst-Dynastie
gewertet wurde, was si später bewahrheiten sollte.
Kehren wir zu den ristlien Basiliken zurü, die in Naahmung der
öffentlien Gebäude im antiken Rom erritet wurden. Diese waren heilige
und staatlie Orte zuglei, denn die römise Religiosität tendierte zur
Vereinigung dieser beiden Sphären. So wie Romulus und Remus die alte
Stadt gegründet haen, wurden die Heiligen Petrus und Paulus zu den
beiden Gründerfiguren des neuen Rom unter dem Zeien des Kreuzes. In
dem Maße, wie sie si vom rigorosen jüdisen Monotheismus ihres
Ursprungs entfernt, erritet si die neue Religion na und na ihr
Pantheon. Nit mehr der einsame Jehova aus der Bibel, sondern eine ganze
vergölite Familie, Eltern und Sohn. Und um sie herum ungezählte
gölie und halbgölie Figuren, die im Laufe der Jahrhunderte zu
Tausenden anwasen. Jeder Ort, jede Handlung, jedes Körperorgan wird
seinen Sutzpatron bekommen, an den man si wenden kann, genau wie
im antiken heidnisen Pantheon.
In einer immer baufälliger werdenden Stadt, in der die antiken Paläste, die
Aquädukte und Tempel geplündert wurden oder zu Ruinen verfielen,
vermielten der Glanz und die Weite der neuen Basiliken und vor allem der
Hauptbasilika dem Besuer und dem Pilger unmielbar und lebha den
Eindru, da die alte Mat von einer neuen abgelöst worden war und da
es nun an der Zeit sei, si in allen Belangen dieses und des anderen Lebens
an sie zu wenden.
Es war also notwendig, die Petersbasilika entspreend diesem
ungeheuren Zuwas an Mat- und Glaubensaufgaben zu erhöhen, damit
alle, von den ganz gewöhnlien Gläubigen bis zu den regierenden
Monaren, son unmielbar beim Eintreten einen Eindru von der Mat
erhielten, von der ihre Legitimität und nit selten sogar ihre Existenz
abhing. Keine Religion hae jemals so viel gewagt.
Mit den Jahrhunderten war die von Konstantin dereinst mit großer Prat
und Großzügigkeit erbaute Basilika ziemli heruntergekommen. Papst
Nikolaus V. (1447–1455) wird etwa in der Mie des 15. Jahrhunderts von dem
bedeutenden Aritekten und Humanisten Leon Baista Alberti (1404–1472)
darauf hingewiesen, da die Mauern im Zentralsiff inzwisen über einen
halben Meter aus dem Lot geraten sind. Florenz dagegen hat seit kurzem den
neuen, von Brunellesis großartiger Kuppel gekrönten Dom Santa Maria del
Fiore, ein harmonises Monument, das si gebieteris über die Stadt
erhebt und sie bis in die von Hügeln begrenzte Ebene beherrst. Nikolaus V.
(mit bürgerliem Namen Tommaso Parentucelli), der aus Sarzana bei La
Spezia stammte, empfindet dies in besonderem Maße als Herausforderung.
Er hat den Vatikan als Papstresidenz gewählt und denkt darüber na, wie
man ihn befestigen kann. Er lät die vier Watürme an den Flankenmauern
des Castel Sant’Angelo bauen, die Mauern Leos  IV. zur Verstärkung mit
höheren Bastionen versehen, befiehlt die Troenlegung und Befestigung der
Straßen und Gaen des gesamten Borgo,[6] die zum Slupfwinkel für Diebe
und Halsabsneider geworden waren. (1450 besreibt der Florentiner Pater
Rosello Roselli in einem Brief an Cosimo de’ Medici die herrsenden
Zustände mit den folgenden Worten: «Diese Gegend ist eine Räuberhöhle:
jeden Tag wird hier geraubt und gemordet, als ob die Mensen Hammel
wären; es reit ihnen aber nit einmal, da sie tot sind, sogar die Leien
sneiden sie in Stüe wie Rüben.»)
Der Papst ist als ein dem exzeiven Nepotismus abgeneigter Humanist
und als Urheber des gesamtitalienisen Friedens von Lodi in die Gesite
eingegangen. Verhat war er dagegen der kommunalen Opposition in Rom,
deren Vertreter ihn als Tyrannen ablehnten. Und snell waren respektlose
Witze über ihn im Umlauf, von denen einige no lange zur Volkstradition
gehören sollten. Seinem Ruf als großer Trinker, der au bei der
Eliminierung von Feinden nit lange faelte, ist dieses anonyme Distion
gewidmet: «Da quando è Niccolò papa e assassino / abbonda a Roma il
sangue e scarso è il vino» («Seit Papst und Mörder Niccolò regiert, / swelgt
Rom in Blut, und Wein ist abserviert.»)[7] Au Ferdinand Gregorovius fällt
über die päpstlie Hoaltung ein vernitendes Urteil:

Das päpstlie Rom dieser Zeit war bereits üppig genug, der Klerus verderbt und verhat.
Die Kardinäle lebten wie weltlie Fürsten, so verswenderis, da sie den Sinn au
anderer als der Republikaner beleidigten. Die Kurialen, zahllose Swärme von Prälaten,
wele Pfründen suten und genoen, boten der Stadt das hälie Sauspiel von
Übermut, Goldgier und Lasterhaigkeit dar.[8]

Vieles konnte Papst Nikolaus vollenden, do nit alles, was er si
gewünst häe. Auf jeden Fall gebührt ihm das Verdienst, deutli gemat
zu haben, da das Problem der Baufälligkeit der ehrwürdigen
Konstantinisen Basilika nit länger unter den Teppi gekehrt werden
konnte.[9] Ein anderer Papst von großer Tatkra wird sein Projekt wieder
aufnehmen, Sixtus IV. (Francesco della Rovere), der von 1471 bis 1484 rund
ein Dutzend Jahre regierte. Sein größtes Werk war der Bau der Capella
magna der heiligen Paläste, die von ihm dann au ihren Namen Cappella
Sistina (Sixtinise Kapelle) erhielt. Um ihrer nit nur künstlerisen
Bedeutung geret zu werden, wird ihr in einem der folgenden Kapitel eine
ausführliere Behandlung zuteil.
Sixtus ließ au neue Straßen bauen, eine neue Brüe (Ponte Sisto) in der
Nähe der fluaufwärts gelegenen alten Engelsbrüe, auf der es in Zeiten
großen Pilgerandrangs immer wieder zu furtbaren Staus gekommen war.
Während des Heiligen Jahres 1450 hae es dort am Eingang und am
Ausgang ein soles Mensengewühl gegeben, da zweihundert Mensen
erstiten, in den Flu gesleudert oder unter Pferdehufen zertrampelt
wurden. In der Betriebsamkeit der diversen Baustellen immer an seiner Seite
ist ein junger Kardinal, der (wie so o) gleizeitig sein Neffe war, Giuliano
della Rovere.[10]
Au Giuliano wird Papst werden, sogar einer jener Päpste, die mit der
Kra ihres Temperaments und mit ausgeprägtem Ehrgeiz imstande sind,
ihrer Zeit ein Zeien zu setzen. Nits Religiöses haben Männer dieses
Slages an si, es sind Condottieri, die mit derselben Bravour fähig sind,
ein heiliges Amt auszufüllen, wie sie die Rüstung des Kämpfers tragen
würden, die mit der gleien Effizienz den Weihwaerwedel swingen wie
das Swert. Giuliano wird 1503 gewählt, im Alter von sezig Jahren, na
nur eintägigem Konklave. Er wird ein denkwürdiges Pontifikat hinlegen, wie
es si son in dem Namen ankündigt, den er si gab, Julius  II., unter
offenkundiger und direkter Berufung auf Julius Caesar. Ein politiser, ein
kriegeriser Papst, Initiator grandioser Projekte, Verfeter einer nationalen
Monarie, deren unbestrienes Oberhaupt und Kaiser der Papst, der wahre
Pontifex maximus sein sollte. Als Vorbild hae er dabei Octavius Augustus
vor Augen, er war von einer unbändigen Energie getrieben. Das betraf au
die Künste, die er aber weniger als ästhetisen Ausdru betratete,
sondern vielmehr als ein möglies Instrument seiner Politik.
Entsloen grei er die von Nikolaus V. nit zur Vollendung gebraten
Pläne wieder auf und ergänzt sie dur neue. 1506, kaum drei Jahre na
seiner Wahl, beauragt er Donato Bramante, einen der besten Aritekten
der Zeit, mit der Planung eines neuen Gebäudes, das an die Stelle der
baufälligen Konstantinisen Basilika treten soll. Das Abenteuer wird mehr
als ein Jahrhundert dauern, in dem si mehrere Päpste ablösen. Die äußeren
Baustrukturen werden 1626 vollendet, no wesentli länger mu man bis
zur Fertigstellung der Innenräume warten. Das Volk von Rom beginnt zu
munkeln, ein Unternehmen von einer solen Dimension werde wohl nie
wirkli zu einem Ende kommen.
Mit der Arbeit auf der Bramante anvertrauten Baustelle Sankt Peter
wurde ras begonnen, der Grundstein für den Neubau wurde bereits im
April des Jahres 1506 gelegt. Die Leitidee war, die alte Kire nit glei zu
zerstören, sondern die neue mit den Teilen zu beginnen, die im Verhältnis zu
den bereits existierenden außen lagen. Der Abri begann im Jahr darauf,
und es fehlte nit an Kritik und Polemik zur Methode, mit der vorgegangen
wurde, nit zuletzt weil das alte Bauwerk na einigen Monaten den
unerquilien Anbli aller im Abri befindlien Gebäude bot:
verunstaltet in einigen Teilen, die Gebäudestrukturen besädigt, die Däer
fast in ihrer Gesamtheit abgetragen.

An diesem Punkt mu i die Erzählung kurz unterbreen, um einem


Ereignis Raum zu geben, das große Bedeutung nit nur für das Leben seiner
Protagonisten, sondern au für die Weltgesite der Kunst haben sollte.
Bei all seinen fieberhaen Aktivitäten plante Julius  II. beizeiten au sein
Grabmal. Für deen Ausführung hae er an einen dreißigjährigen
Florentiner Künstler mit Namen Mielangelo Buonarroti gedat, der
aufgrund einer wenige Monate zuvor vollendeten David-Statue sehr
gesätzt wurde. Der Papst hae einen guten Griff getan, denn
Mielangelos künstlerise Vision war in der Tat nit weniger grandios als
seine eigene auf politisem Gebiet. Nadem er den Aurag erhalten hae,
entwarf der Künstler nit etwa ein traditionelles Wandgrab, wie es die
Etikee (und das Demutsgebot der ristlien Lehre) vorgesrieben häe,
sondern einen imposanten Komplex zwisen Aritektur und Skulptur, ein
freistehendes Mausoleum von pharaonisen Dimensionen, 10 mal 7 Meter,
die Höhe entspreend, gesmüt von vierzig Statuen, jede in doppelter
Lebensgröße.
Glei im April 1505 brit Mielangelo na Carrara auf, um persönli
den für dieses gigantise Unternehmen geeigneten Marmor auszuwählen.
In den at Monaten, die er fern von Rom verbringt, ändert der Papst
allerdings seine Pläne. Während der Künstler in den apuanisen Alpen
umherläu, um jeden Blo, der herausgebroen werden soll, einzeln
auszusuen, verliert der Papst, vollkommen absorbiert vom Projekt der
neuen Basilika, na und na das Interee am eigenen Grabmal. Die
Gesite des Juliusgrabes habe i im Kapitel «Moses’ Abenteuer» meines
vorhergehenden Bues I segreti di Roma (Die Geheimnisse Roms) erzählt
und werde sie hier nit wiederholen. Nur so viel: Mielangelo wird den
Aurag als «die Tragödie meines Lebens» bezeinen, und die einzigen
Statuen, die er für ein nie realisiertes Grab tatsäli anfertigte, werden die
prigioni (Gefangenen) und der riesige Mosè sein, die später in der Chiesa di
San Pietro in Vincoli aufgestellt werden.
Ende 1505 kehrt der Künstler na Rom zurü. Einen Monat später, am
14. Januar 1506, wird praktis unbesädigt – ledigli der rete Arm der
männlien Figur fehlt – eine der sönsten Skulpturen, die uns aus der
Antike erhalten geblieben sind, wiedergefunden: die Laokoon-Gruppe. Auf
einem Weinberg in der Nähe der Titus-ermen beim Koloeum hae si
unter den Füßen einiger Bauern plötzli ein unterirdises Gela aufgetan.
Aus dem Boden ragte, halbbedet mit Erde, diese unvergleilie Gruppe
hervor. Im Zentrum ein kräiger Mann, der si gegen zwei Slangen
auäumt, die im Begriff sind, ihn zu Tode zu würgen und zu beißen, sein
Gesit zu einer fast theatralen Maske des Sreens und des Smerzes
erstarrt. Ihm zur Seite zwei Knaben, beim kleineren, zur Reten Laokoons,
fängt das Gi son an zu wirken, er liegt im Sterben. Der andere dagegen
erwet beinahe den Eindru, er könne dem Angriff no entfliehen.
Giuliano da Sangallo soll seinem Sohn Francesco zufolge die Etheit des
Fundes mit dem Ausruf bestätigt haben: «Das ist der Laokoon, von dem
Plinius sprit!» Laokoon war ein trojaniser Priester, der die Kriegslist des
Odyeus dursaut hae und die Trojaner vor dem hölzernen Pferd
warnen wollte. Seine Vorauage bezahlte er mit dem Leben, weil die Göer
den Untergang Trojas besloen haen: Aeneas sollte na seiner Flut
aus Troja der Stammvater Roms werden.[11]
Mielangelo war von dem Werk so beeindrut, da er Jahre später in
Florenz auf einer Mauer des unterirdisen Grabgewölbes der Medici
Laokoons Gesit skizzierte, das er mit erstaunlier Präzision im Gedätnis
behalten hae. Ebenso beeindrut, aus ganz anderen Gründen allerdings,
war Papst Julius. In der tragisen Figur des trojanisen Priesters sah der
Pontifex das Symbol für die Wiedergeburt, mit der er selbst, der neue Julius
na dem antiken Caesar, die Ewige Stadt prägen wollte. Nahaltigeren
Einflu hae die Laokoon-Gruppe aber auf Mielangelo. Viele
Kunsthistoriker sind der Auffaung, da die Entdeung der Marmorgruppe
neue Maßstäbe setzte und seinen Stil für immer veränderte.
Glei na Ostern des Jahres 1506 verlät der Künstler, verbiert über
die Wankelmütigkeit des Papstes im Hinbli auf seine künstlerisen
Projekte, Rom ein weiteres Mal. Diesmal ist sein Ziel Florenz. 1508 ru ihn
der Papst jedo zurü, um ihm wieder ein neues Projekt vorzuslagen.
Nit mehr das Grab, sondern einen, wenn das überhaupt mögli ist, no
grandioseren Aurag: die Deenbemalung der Sixtinisen Kapelle, die zu
dem Zeitpunkt no ganz traditionell mit dem üblien blauen
Sternenhimmel dekoriert war. Es ging um die Ausmalung einer Fläe von 1
200 Quadratmetern. Mielangelo wird daraus sein Lebenswerk maen.
Vier Jahre lang bleibt er mit dem Kopf im Naen allein auf den
Brüengerüsten[12] und konzipiert, entwielt und verwandelt eine
aritettura pittorica (malerise Aritektur) in Farbe, die einem titanisen
Programm aus Figuren, eologie, Politik Gestalt verleiht.

Bleiben wir aber zunäst in der Basilika, versieben wir die Fortsetzung
der Erzählung über die Kapelle no ein wenig. 1513 stirbt Julius  II., mit
siebzig Jahren; es sterben zwei seiner Nafolger. Na dem Tode Clemens’
VII. de’ Medici steigt unter dem Namen Paul  III. (1534–1549) Aleandro
Farnese auf den ron, der ein guter Papst sein wird, obwohl zur
historisen Erinnerung an ihn au sein ausgeprägter Nepotismus gehört,
einsließli der Ernennung zweier no halbwüsiger Söhne eines seiner
natürlien Söhne zu Kardinälen. Ausgerenet er ist es, der Farnese-Papst,
der Mielangelo gegen Ende 1546 vorslägt, die Leitung der fabbrica di
San Pietro (der «Bauhüe» des Petersdoms) zu übernehmen. Der Künstler
ist 72 Jahre alt, mit seiner Gesundheit steht es nit zum Besten, der Posten
ist anstrengend. Zunäst zögert er, versut, diesen Aurag abzulehnen,
den selbst er, der Söpfer-Gigant, als zu belastend empfindet. Der Papst aber
besteht darauf. Vasari sreibt, er habe diesen Beslu dur wahrha
«gölie Eingebung» gefat. Am Ende gibt der Künstler na, zu einer
Bedingung allerdings: Wenn er die Bauhüe leiten soll, sagt er, will er der
Alleinverantwortlie sein, duldet er von keiner Seite irgendeine
Einmisung in seine Entseidungen.
Eine unerhörte Forderung, die nit nur beruflie, sondern au
politise Auswirkungen hat. Es ist sogar vorstellbar, da Mielangelo sie
in der Hoffnung auf eine Ablehnung vorgebrat hat. Wir, die wir das
Ergebnis kennen, können leit sagen, da der Papst die beste Wahl
getroffen hat. Do wer konnte in jenem Moment son behaupten, des
Erfolges sier zu sein? Es ging um ein Bauwerk, das bereits Jahre an Arbeit
und «denari molti» («eine Menge Geld») gekostet hae und das dazu
ausersehen war, das Zentrum einer Religion zu werden, die, von Luthers
Reform und von der Abspaltung der anglikanisen Kire König
Heinris  VIII. ersüert, gerade eine epoale Krise durmate. Der
Künstler war hoberühmt, seine vorhergehenden Werke
bewundernswürdig, die Leitung der fabbrica aber war selbst für ihn etwas
vollkommen Neues, allein son aufgrund der titanisen Ausmaße des
Unternehmens. Unglaublierweise jedo akzeptierte der Papst die
Forderung. Am 1.  Januar  1547 übertrug er Buonarroti dur einen motu
proprio[13] die Aufgabe praktis mit uneingesränktem Mandat und gab
ihm srili «jede Vollmat, na eigenem Gutdünken zu saffen oder
einzureißen, hinzuzufügen und fortzunehmen und zu verändern, was er
wollte».
Die Veränderungen laen nit auf si warten. Mielangelo verwarf
Sangallos Entwurf, den er zu kompliziert, zu teuer, zu «todesca» (ital.
tedesca, also zu «deuts», gemeint ist zu «gotis») fand. Er ließ einige
gerade erst hogezogene Mauern des Quersiffs abreißen, kehrte zu
Bramantes vierzig Jahre zuvor projektiertem Kuppelgewölbe zurü, das er
leit modifizierte. Man kann si den Protest, den Neid, den Groll
vorstellen, den derart drastise Entseidungen provozierten. Mielangelo
wurde Eitelkeit nagesagt, Geldverswendung, unversämter Ehrgeiz.
Um den Bau des Goeshauses und die entspreenden Ausgaben zu
überwaen, war eigens ein Kontrollorgan gesaffen worden, die
Congregazione dei Deputati (wörtli: Kongregation der Abgeordneten, hier:
Baukommiion). Besonders aus der Congregazione wurde heige Kritik
laut, ihre Mitglieder sahen si ihrer ureigenen Zuständigkeit und
Verantwortung beraubt. Im März wurde im Castel Sant’Angelo eine vom
Farnese-Papst persönli geleitete Versammlung abgehalten. Einige
Abgeordnete erhoben si und gaben zu bedenken, da im Falle einer
Bewilligung der Forderungen des Florentiner Künstlers zwei Driel deen,
was bereits gebaut worden war, abgerien werden muten. War das eine
vernünige Operation? Wann hae es jemals eine sole Verswendung
von Arbeit und Geld gegeben? Umso mehr, als die Notwendigkeit, das Geld
für die Bauhüe von Sankt Peter aufzutreiben, zu einem regen Ablahandel
geführt hae, eine der Ursaen von Luthers Revolte. Und es war do der
Papst persönli gewesen, der die Bauvorhaben des Sangallo genehmigt
hae, die nun wieder abgerien werden sollten.
Paul III. aber blieb unnagiebig, mate Gebrau von seiner Mat als
Souverän und bestätigte, da von allen zur Prüfung vorgelegten Bauplänen
die des Buonarroti seines Eratens die besten seien und da man also von
jetzt an auf der Grundlage dieser Pläne weitermaen werde.
Mielangelo hae Bramantes Idee eines Grundries in Form eines
grieisen Kreuzes (mit vier glei langen Kreuzarmen)
wiederaufgenommen, das in ein Quadrat eingesrieben und am
Snipunkt der beiden Asen von einer großen Kuppel gekrönt war.
Folgeritig ließ er die tragenden Mauern verstärken und mate sie so
zyklopis, wie wir sie heute no sehen, wohingegen er das Innere der
Basilika von Bramantes Säulen und Sangallos umlaufenden Wandelhallen
«befreite». Er entwarf die Kuppel und begann mit ihrer Konstruktion. 1564,
in seinem Todesjahr, war das Werk bis fast zum Tambourberei vollendet:
mätige Säulenpaare, die si mit imposanten, giebelgekrönten Fenstern
abweseln.
Papst Sixtus  V. (Felice Perei, ein Franziskaner, 1585–1590) wird den
Bauarbeiten und vielen anderen Werken neue Impulse geben. Glei na
seiner Wahl 1585 ordnet er eine Reihe von neuen Baumaßnahmen an.
Julius II. hae die Via Giulia und die Via della Lungara an den beiden Ufern
des Flues angelegt; Leo  X. und Paul  III. haen den berühmten Tridente
(den «Dreiza» Via del Corso, Via del Babuino und Via di Ripea) ausbauen
laen, der von dem Tor, das heute del Popolo (des Volkes) heißt, in Ritung
Zentrum autrahlt; Gregor  XIII. hae die Via Merulana angelegt, um den
Lateran mit Santa Maria Maggiore zu verbinden.
Sixtus V. (von dem Belli sreibt: »un papa rugantino, un papa tosto / un
papa matto come papa Sisto» – «hat man nie / sol einen Stänkerer von
Papst, sol strengen, / sol irren Papst gesehen wie Papst Sixtus»[14]) wird
in den fünf Jahren seiner Herrsa alles Möglie veranlaen. Zum
Beispiel lät er die Statuen von Petrus und Paulus auf die Spitzen der
Trajans- und der Antoninasäule setzen; mehr als 20  Kilometer Aquädukte
restaurieren (Acqua Felice, später Acqua Pia oder au Marcia genannt);
einige geradlinige, für ihre Zeit grandiose Straßen traieren; eine
Hauptverkehrsader von fast 4 Kilometern Länge projektieren, die von Santa
Croce in Gerusalemme über Santa Maria Maggiore auf der Höhe der Quaro
fontane (Vier Brunnen) den Quirinal überquerend bei Trinità dei Monti
ankommt und folgeritig im letzten Absni Via Sistina getau wird. Für
unsere Gesite von Bedeutung ist die Tatsae, da dieser unbändige
Papst im Januar  1588 die Aritekten Giacomo della Porta und Domenico
Fontana zu si rufen lät und anordnet, die unvollendet gebliebene Kuppel
der Basilika in kürzester Zeit fertigzustellen.
Die Aritekten haen zehn Jahre veranslagt. Unter der päpstlien
Knute wird das Werk in zweiundzwanzig Monaten fertiggestellt. Della Porta
studiert versiedene Varianten, verpflitet si aber, den Wuns des
Papstes innerhalb der vorgegebenen Zeit zu erfüllen. Er stellt eine Heersar
von mehr als athundert Arbeitern ein, die Tag und Nat durarbeiten
und das komplexe Bauwerk sließli fertigstellen. Am 15. Juni 1590 wird
der letzte Stein gesetzt. Sixtus  V. ist atundsezig Jahre alt und zwei
Monate später wird er sterben, sa es aber gerade no retzeitig, au
dieses spektakuläre Unternehmen vollendet zu sehen. Es setzt dem
Petersdom seine Krone auf und wird der Stadt einen der arakteristissten
Züge seiner Silhouee verleihen.
No ein weiteres, fast ebenso spektakuläres Vorhaben hat dieser
dynamise Papst, dem nur fünf Jahre auf dem ron vergönnt waren,
durgeführt: die Versetzung des ägyptisen Obelisken. Im 1.  Jahrhundert
war der stalie Monolith auf Befehl des Kaisers Caligula von Alexandria
na Rom transportiert worden. Inzwisen lag er da, wo einmal Neros
Circus gewesen war, nutzlos und unbeatet auf der Erde herum. Die
Herausforderung bestand darin, ihn heil bis zu dem gestaltlosen, unebenen
Platz zwisen der ewigen Baustelle der Basilika und den feuten,
unsieren, engen Gaen der Borghi zu bringen, die zum Flu und zum
Castel Sant’Angelo führten.
Das Vorhaben erwies si als enorm swierig, weniger jedo wegen des
Transports in der Horizontalen, sondern vor allem, weil der Obelisk, um ihn
perfekt im Lot auf seinen Soel herunterzusenken, zunäst in die Höhe
gezogen werden mute. Die einzige verfügbare Energie war die der Muskeln
von Mens und Tier, potenziert so weit wie mögli dur Hebewinden und
Flasenzüge, die mit ihren Seilsystemen das Gewit verringerten. Um diese
Arbeit mit ausreiender Sierheit durführen zu können, waren sieben
Monate Vorbereitung, Hunderte von Mensen und Pferden, Dutzende von
riesigen Seilwinden nötig. Die Besaffung der erforderlien tenisen
Vorritungen dauerte vier Monate, von April bis September  1586. Für den
Transport des Obelisken in der Horizontale wurde eine Hängestraße (strada
pensile) konstruiert und zur Aufritung und Anhebung auf die notwendige
Höhe eine doppelte Stellage aus Holz (castellum). Unter Androhung der
Todetrafe untersagte ein Edikt das Betreten des Platzes und die
Gefährdung des horiskanten Unternehmens.
Ein Nafahre Domenico Fontanas, Carlo Maderno, au er Aritekt in
der fabbrica di San Pietro, hat uns ungefähr hundert Jahre na den
Ereignien eine detaillierte Silderung hinterlaen. Er sreibt:

Fontana stellte fest, wie viel Gewit eine mit ganzer Kra von vier kräigen Pferden und
sieren Fahrseilen mit Abhalterungen in Gang gesetzte, mit zuverläigen Hanfseilen
ausgestaete Seilwinde heben und bewegen konnte, ohne das die Seil zu zerreißen. Er
erkannte, da jede Seilwinde ca. 20.000 Libras heben konnte. Er sah also 40 Seilwinden für
die Aufritung von 800.000 Libras vor und zwei langwegige, von der Kra einer Seilwinde
gedrüte Hebel, um das verbleibende Gewit des angeseilten Obelisken von 1.400.537
Libras zu heben.[15]

Damit das Werk zu einem glülien Ende geführt werden konnte, war es
notwendig, da diese Dutzende von Winden synron und koordiniert
funktionierten. Infolgedeen mute der Regieur der Operation einen
Panoramabli, einen kompleen Überbli über die Kräe im Spiel haben
und die Möglikeit, Kommandos zu geben, die von allen gehört werden
konnten, zumal es damals natürli no keine Mikrophone oder
Lautspreer gab. Den Anwesenden wurde absolutes Sweigen auferlegt,
die im Übrigen ohnehin alle vor Erregung stumm waren, während dur
Trompetenstöße in den versiedenen Phasen die entspreenden Befehle
gegeben wurden.
Dank der äußerst sorgfältigen Vorbereitung und der beatlien Kräe
im Einsatz vollzog si die Sluphase beinahe ohne Zwisenfälle:

Ein jeder widmete si an seinem Platz und in seiner Funktion mit größter Sorgfalt seiner
Aufgabe für das Unternehmen. Zuvor aber, als alle niederknieten und erneut den Beistand
Goes erflehten, ließ der Aritekt, der als Leiter der Operation erhöht saß, das
Trompetensignal erklingen; worauin alle in einer gemeinsamen Aktion begannen, mit 800
Arbeitern die 140 Pferde und 44 Seilwinden in Gang zu setzen. Alle waren so konzentriert,
da die Vereinigung mit der Kra der Masinen in großer Geordnetheit vonstaen ging,
und man sah, wie der Obelisk si mit einer Geswindigkeit vom Boden in eine aufrete
Position erhob, die bei den Anwesenden Verblüffung und Verwunderung auslöste. So da er
senkret an seinen vorgesehenen Platz herabgelaen werden konnte um 23 Uhr des
besagten Tages [10.  September  1586], wo Freudentaumel über das glülie Ende des
erstaunlien Unternehmens kein Ende nehmen wollte.

Die einzige Gefahr soll darin bestanden haben, da am Kulminationspunkt


die Spannung der Seile so groß wurde, da sie zu rauen begannen.
Innerhalb kürzester Zeit häen sie Fehler gefangen, mit katastrophalen
Folgen. Dem Volksmund na war es ein liguriser Seemann, der den
berühmten Ausruf tat: «Acqua alle corde!» – «Waer auf die Seile!» So
gesah es, und die Aktion war gelungen.
Einige Jahrzehnte später hat Papst Paul V. (Camillo Borghese, 1605–1621)
den Grundri der Basilika no einmal überdat. Er wollte ihr nun do
lieber einen Grundri in Form eines lateinisen Kreuzes geben, das er dem
von Mielangelo entworfenen grieisen mit vier gleilangen
Kreuzarmen vorzog. Er beauragte den Aritekten Carlo Maderno, das
Kirensiff zu verlängern, also die Eingangsfaade na vorne zu
versieben, nit zuletzt au, um das Faungsvermögen der Basilika zu
erhöhen. Praktis handelte es si um eine Rükehr zu der von
Mielangelo korrigierten ursprünglien Longitudinal- oder
«langgezogenen» Konstruktion des Sangallo. Maderno setzte das Konzept
mit großem Sarfsinn um. Wer den Petersdom heute betratet, sieht, da
in der Faade die von der Kuppel vorgegebene Rhythmisierung dur große
Fenster, die si mit Säulen abweseln, wiederaufgegriffen wird. Ses der
Säulen konzentrieren si im Zentrum, als müten sie das Giebelfeld
abstützen, während sie gleizeitig emphatis die zentral hervorspringende
Loggia betonen, die den witigsten Feierlikeiten vorbehalten ist: der
Proklamation des neuen Papstes, den feierlien Segnungen.
Madernos erster Entwurf gefiel dem Papst nit sonderli. Er empfand
die Höhe des Gebäudes im Verhältnis zu seiner Länge als zu exzeiv und
empfahl dem Aritekten, die Faade auf beiden Seiten zu verbreitern, um
das Ganze longitudinal auszutarieren. Jenseits der Lisenen, die das Ganze
absloen, wurden deshalb über je einem vom Boden ausgehenden Bogen
zwei weitere Fenster hinzugefügt und gegen Ende des 18. Jahrhunderts ganz
oben mit den beiden von Giuseppe Valadier entworfenen Uhren gesmüt.
Dieses Gebäude sollte Bernini, der damals nit mehr ganz jung war, 1656
mit einem Vorplatz krönen, der dem Ganzen angemeen war. Das Resultat
haben wir alle vor Augen, und es ist nur swer vorstellbar, da
irgendjemand eine beere Lösung häe finden können als diese beiden
hinreißenden Kolonnadenarme, die den riesigen Platz, die Brunnen, den
Obelisken und die Menge der Gläubigen, die ihn immer wieder füllt,
gewiermaßen umarmen.

Wie viel hae die neue Basilika gekostet? Eine unermelie Summe. Was
im Übrigen sehr gut zu den enormen Ausmaßen dieses Riesenbaus pat und
zu den Ambitionen, deren symboliser Ausdru er sein sollte. Do die
titanisen Mauern und die Kuppel waren no gar nits im Verhältnis zur
Innenautaung und künstlerisen Ausgestaltung, die sie na und na
erhalten sollte. Wenn die Dimensionen dieses Bauwerks die außerordentlie
Mat vor Augen führen sollten, die zu einer solen Pratentfaltung in der
Lage war, so fügte ihr die endgültige Ausgestaltung der Siffe und der
Außenaritektur das Siegel der Herrlikeit hinzu.
Als Bernini, no einmal er, für die Hauptapsis des Petersdoms das
Freudenfest aus Gold und Lit der Cattedra di Pietro (Kathedra Petri oder
Petrus-ron) ersann, interpretierte er das königlie Image, das si die
Päpste im Laufe der Jahrhunderte dur die Anmaßung kaiserlier
Privilegien gegeben haen, aufs Treffendste. Der große Künstler erdate
si ein Spektakel aus Engeln, vergoldetem Strahlenkranz, Wolkendampf,
vier Koloalstatuen der Kirenväter des lateinisen Westens und des
grieisen Ostens, Slüel und Triregnum hohaltenden Puen – und
im Zentrum die Kathedra, der Legende na die des Petrus, wobei es si in
Wahrheit um einen ron handelt, der dem Papst 875 von Karl dem Kahlen
gesenkt wurde.
Die himmlise Herrlikeit also; proklamiert auf die strahlendste,
feierliste und expliziteste Weise. Im Übrigen gibt es keinen Organismus auf
der Welt, ob Dynastie oder Regierung, Institution oder Kathedra, der si im
spektakulären Pomp der Zeremonien mit der römisen Kire meen kann:
Trauerfeiern, Krönungen, Seligspreungen. Bei der Frage, wie viel eine
sole Pratentfaltung gekostet hat, geht es also nit allein um Geld.
Gewi, das Geld war nötig, und damit es ausreite, wurde vor keinem
Miel, nit einmal vor der unverfrorensten Simonie haltgemat, dem
skandalösen Ablahandel, einer der Ursaen von Luthers Revolte.
1507 wurde unter der Regierung Julius’  II. die Bulle Salvator Noster
erlaen, in der spezielle Abläe für diejenigen angekündigt wurden, die eine
Spende gegeben haen; das Einsammeln des Geldes wurde an die Bisöfe
delegiert. Sacro commercio (heiligen Handel) nannte man das, eine Art
überirdiser Straferla für die Sünden, mit dem die Gläubigen Jahre um
Jahre an Fegefeuer «abzahlen» konnten, einsließli der Beretigung,
diese Wohltat au an ihre lieben Verstorbenen weiterzugeben. Die
finanziellen Aufwendungen für die päpstlie Hoaltung rien Riesenlöer
in die Bilanzen, denn diese Gelder gingen nit nur direkt an die fabbrica di
San Pietro, sondern darüber hinaus waren au die Zinsen zu zahlen, die
von den europäisen Bankiers als Finanziers des Vatikans zu den
vereinbarten Fälligkeitsdaten eingefordert wurden.
Aller Wahrseinlikeit na wäre es ohnedies zur Spaltung der
Christenheit gekommen, gewi aber wurde sie dur diesen würdelosen
Handel besleunigt. Ende Oktober 1517 slug (der Überlieferung na) der
deutse Augustinermön Martin Luther, ein eologieprofeor von
bäuerlier Herkun, seine 95 esen an das Portal der Slokire in
Wienberg, mit denen er unter anderem gegen die Praxis des Ablahandels
zu Felde zog. Eine der dort aufgeworfenen Fragen bezog si direkt auf den
kostspieligen Bau des Petersdoms: «Warum baut der Papst, der heute reier
ist als der reiste Craus, nit wenigstens die eine Kire St. Peter lieber
von seinem eigenen Geld als dem der armen Gläubigen?»[16]
Zum ersten Mal seit ihrer Gründung setzte die Kire, die si
«katholis» nannte, also «universell»,[17] genau dieses Aribut aufs Spiel.
Es handelte si hier nit um eine der vielen kleinen oder großen
«Häresien», die, vor allem am Anfang, ihre Gesite begleitet haen. Dies
war eine ete, eine dramatise Spaltung, der wenige Jahre später der
ehrgeizige Heinri  VIII. no seine anglikanise Abspaltung hinzusetzte,
na der – neben vielem anderen – der englise Premierminister nit mehr
katholisen Glaubens sein dure. Erst 1829 erreite die Regierung des
Duke of Wellington (der Napoleon bei Waterloo besiegte) die
Verabsiedung des Catholic Emancipation Act dur König Georg IV., ein
Gesetz zur politisen Emanzipation der Katholiken. Es beseitigte dieses
Hindernis wieder und gestaete es den Katholiken, si wählen zu laen
oder eine Regierung Seiner oder Ihrer Majestät zu führen. Dieselben
Majestäten aber rühmen si weiter des Titels Fidei Defensor (Defender of
the faith), den si Heinri  VIII. mit seinem sehr harten Traktat gegen
Luther erworben hae.[18] Widersprüe, die immer dann aureten, wenn
si in einer Religion Glaube und Politik exzeiv vermisen.

Etwa anderthalb Jahrhunderte na dem Beginn der protestantisen


Bewegung (1656–57) srieb der Jesuit Kardinal Pietro Sforza Pallavicino,[19]
Kardinal und Historiker, seine Istoria del Concilio di Trento (Gesite des
tridentinisen Conciliums), deren Objektivität, obwohl direkt vom Papst in
Aurag gegeben, bemerkenswert ist. Der vollständige Titel des Werkes lautet
Istoria del Concilio di Trento, scritta dal P. Sforza Pallavicino, della Comp.
di Giesù ove insieme rifiutasi con autorevoli testimonianze un Istoria falsa
divolgata nello stesso argomento sotto nome di Petro Soave Polano
(Gesite des Tridentinisen Konzils, gesrieben von P. Sforza
Pallavicino, von der Gesellsa Jesu, wo man si mit glaubwürdigen
Zeugnien gemeinsam einer falsen Gesite verweigert, die unter dem
Namen Pietro Soave Polano zum gleien ema verbreitet worden ist).
Hinter diesem Pseudonym verbarg si der Servitenmön Paolo Sarpi in
Venedig, der bedeutendste italienise Gelehrte seiner Zeit, deen sehr
polemise, gegen die Matbestrebungen des Papsums geritete
Konzilsgesite vor allem im protestantisen Europa höstes Aufsehen
erregte. Pallavicinos Werk war also die katholise Antwort auf ein wenige
Jahre zuvor publiziertes, sehr polemises Traktat. Denno srieb dieser
Autor:

Das materielle Gebäude des hl. Peter ritete zum großen Teil sein geistlies Gebäude
zugrunde; weil es dem Nafolger des Julius angebrat sien, so viele Millionen Scudi
zusammenzutragen, wie sie der unermelie Bau dieser Kire verslang, und damit
genau das zu verursaen, was der Ursprung von Luthers Häresie war, und was die Kire
um viele Millionen Seelen ärmer gemat hat.

Ob der Jesuit Sforza Pallavicino Ret hae und was, alles in allem, die
Bilanz dieser Gesite ist, möge jeder für si entseiden.
V. KIRCHE OHNE STIMME
VON FRANZ VON ASSISI
ZU DEN BASISGEMEINDEN

E
IN SCHLECHTES VORZEICHEN hae es gegeben im Augenbli der
Wahl. Es war im August  1978, Paul  VI. war seit wenigen Tagen tot,
na fünfzehn Jahren Regierungszeit. Das Konklave, das den Nafolger auf
den ron bringen sollte, war sehr snell gewesen: vier Wahlgänge an
einem Tag, kaum mehr als 24 Stunden. Das Resultat: 101 Ja-Stimmen bei 111
Teilnehmern, wie von «gut unterriteten» Quellen beritet wurde.
Zwisen den beiden Flügeln, den Konservativen mit ihrem Kandidaten
Giuseppe Siri, dem Erzbisof von Genua, und den Progreiven, die für den
Erzbisof von Florenz, Giovanni Benelli, stimmten, hae am Ende er den
Sieg davongetragen: Albino Luciani, Venezianer, 66 Jahre alt, ein frommer
Mann, vielleit zu fromm für dieses Amt.
Wie gesagt, ein sletes Vorzeien hae es gegeben: Das traditionelle
weiße Rauzeien, das die erfolgreie Wahl verkündet, war in seinem Fall
trotz der Beinahe-Einstimmigkeit anfangs grau gewesen und hae si dann
plötzli swarz verfärbt. Wenige Augenblie später verbreitete Radio
Vatikan die Narit, und glei darauf zerstreute die Öffnung des zentralen
Fensters der Faade von San Pietro jeden Zweifel: Johannes Paul  I.
präsentierte si den begeisterten Gläubigen. Inzwisen hae si au der
swarze Rau in der römisen Lu verloren. Der neue Papst häe gern zu
den Gläubigen gesproen, häe sofort sein Herz öffnen wollen. Gebieteris
hae ihn der Zeremonienmeister an die protokollarisen Gepflogenheiten
erinnert und empfohlen, si programmgemäß auf den Segen zu
besränken.
Da dies ein besonderer Papst war, wurde denno verstanden. Seine
Sprae war eher die eines Priesters als die eines Herrsers, er läelte
häufig, hae liebenswürdige Umgangsformen, errötete leit und gab das
au zu. Er bekannte sogar, wele Furt ihn ergriffen hae, als er erfuhr,
da die Wahl zum Nafolger Petri auf ihn gefallen war («Tempestas magna
est super me» – «Ein großer Sturm ist über mir»). Wahrseinli au
deshalb wählte er zum ersten Mal in der über tausendjährigen Gesite
der päpstlien Dynastie einen Doppelnamen, Johannes Paul I., als wolle er
dadur ein wenig den Sutz von zwei großen Vorgängern herbeirufen.
Jeder weiß, da es eines der kürzesten Pontifikate überhaupt wurde,
gerade einmal dreiunddreißig Tage, und da der Tod von Johannes Paul
plötzli kam. Um aber wenigstens ansatzweise zu verstehen, weshalb über
die wirklien Ursaen seines Ablebens so viele Zweifel geblieben sind,
mu man zumindest kurz zusammenfaen, was für eine Unmenge von
Maßnahmen der sane Albino Luciani in diesem einen Monat, in dem es
ihm zu regieren vergönnt war, anzustoßen oder auf den Weg zu bringen
versut hae. Unverzügli und mit Vehemenz begann er, prozedurale und
zeremonielle Details zu revidieren, die, ganz abgesehen von ihrer medialen
Sitbarkeit, alles andere als unbedeutend sind: Er sae den Pluralis
majestatis in Anspraen und offiziellen Ansreiben ab, was ihm vom
Oervatore Romano vor der Veröffentliung seiner Texte korrigiert wurde;
er verzitete auf die Krönung mit der Tiara (au Triregnum genannt) und
bestätigte damit den Willen Papst Pauls  VI.; er sae den traditionellen
Papshron, die sedia gestatoria ab, auf dem die Päpste in einem ägyptis
anmutenden, an eine Opernautaung erinnernden Bühnenbild von zwölf
Knappen getragen und zwei Fäer-Trägern (sie trugen die flabelli – Fäer
aus wehenden weißen Federn) begleitet wurden; er sae au die
prunkvolle Krönungsmee ab und ersetzte sie dur eine solenne cerimonia
per l’inizio del ministero petrino (feierlie Zeremonie zur Einführung in das
Petrus-Amt); er weigerte si, während der feierlien Zeremonien auf dem
ron zu sitzen.
Seltsam, ja geradezu unerhört waren seine ersten Reden. Er sagte, Go sei
Vater, aber mehr no Muer: dabei bezog er si auf das Alte Testament,
verletzte aber eine konsolidierte Tradition. Und tatsäli hat Papst
Ratzinger, für den «Go nur Vater» ist, sie unverzügli wieder restauriert.
Er spra von si selbst häufig in menslien Kategorien, erzählte von
seinen Erfahrungen und seinem früheren Amt, gab Swäen zu. Man
verstand auf Anhieb, da er ein demütiger Papst war, und ebenso snell
(daran kann i mi als Chronist no sehr genau erinnern) wurde gesagt,
da er dem Amt vielleit nit gewasen, da seine Wahl ein Fehler
gewesen sei. Au wurde gemutmaßt, da seine Amtszeit aller
Wahrseinlikeit na nit lange dauern würde. Tatsäli dauerte sie
nit lange. In einem vergangenen Jahrhundert hae si Papst Cölestin V.
auf dem Rüen eines Maultiers, vielleit au eines Esels, auf den Weg
zum Papshron begeben. Wie wir gesehen haben, hae Bonifaz VIII. keine
allzu große Mühe, ihn vom ron zu stoßen. Johannes Paul  I. erklärte si
zum Diener Jesu und der Kire, und au in seinem Fall war die Amtszeit
nur von kurzer Dauer.
Eines der wenigen Dinge, die man na seinem unerwartet plötzlien
Tod erfuhr, war, da in seinem Zimmer ein Exemplar der Woenzeitung Il
Mondo auf dem Tis gelegen hae, aufgeslagen war die Enthüllungs-
Story: «Santità … è giusto?» («Heiligkeit … ist das ritig?»). Die Zeitung
stellte dem Papst persönli die Frage, ob es ritig sei, «da der Vatikan
weltweit auf den Märkten operiert wie ein ganz normaler Spekulant. Ist es
ritig, da er eine Bank betreibt, mit der er den Kapitalexport und die
Steuerflut italieniser Staatsbürger begünstigt?»
Wir werden glei sehen, inwiefern das Vorhandensein von Il Mondo im
Zimmer von Bedeutung sein könnte. Keinen Zweifel gibt es darüber, da
das Problem der Reitümer bzw. der bis zur Willkür gehenden
Hemmungslosigkeit im vatikanisen Finanzgebaren für Papst Luciani mehr
als nur ein «Kummer» war, eher ein wahrer Alptraum. In diesen
dreiunddreißig Tagen seines Pontifikats ging er mehrfa auf das ema ein:
Er hae sogar vor, eine Enzyklika über die Armut in der Welt zu sreiben.
Wenn er die Zeit dazu gehabt häe. Er wünste si eine Rükehr der
Kire zur Armut des Evangeliums herbei und da mindestens ein Prozent
der Einnahmen des Klerus als Zuwendung an die Armen ginge. Die Kire
dürfe weder Mat haben no Reitümer besitzen, sagte er.
Er hae au no andere Ideen. Zum Beispiel war er der Ansit, da
die so marginale Rolle der Frau, au in der Kire selbst, überdat werden
müte. Er war der Ansit, da man Verhütungsmiel nit sic et
simpliciter (slit und einfa) verbieten dürfe, ohne die spezifisen
Umstände mitzubedenken, die ihren Gebrau manmal ratsam erseinen
laen, ihn gelegentli sogar zwingend notwendig maen. Er war der
Ansit, da Banken, und hier insbesondere die Vatikanbank, ein ethises
Ziel haben sollten, das heißt au den weniger Wohlhabenden beistehen
müten. (Fast zwanzig Jahre na seinem Tod, im Jahre 2006, sollte der
bangladesise Wirtsaswiensaler Muhammad Yunus für eine Idee
den Friedensnobelpreis erhalten, die gar nit so weit davon entfernt war:
den Mikrokredit, also einem System von Kleinkrediten für Unternehmer, die
zu arm sind, um von einer normalen Bank Kredit zu erhalten.) Papst Luciani
war beinahe ein Revolutionär. Auf diesem Posten, umgeben von einer Kurie
mit einer solen Matfülle, mit einer solen Vorgesite, konnte er si
einfa nit halten. In der Tat, er hat si nit gehalten.
Ein weiteres beunruhigendes Signal, und diesmal ein sehr
ernstzunehmendes, gab es wenige Tage na seiner Wahl, als die Zeitsri
O. P., Oervatore politico, von Mino Pecorelli (der ein Jahr später ermordet
werden sollte) eine Liste mit den Namen von über hundert Geistlien
veröffentlite, die zur Freimaurerloge gehörten. Es war ein offenes
Geheimnis, da die Zeitsri von Teilen der italienisen Geheimdienste
benutzt wurde, um alle Arten von Botsaen zu lancieren, darunter au
Warnungen und Drohungen. Im Übrigen waren Pecorellis Beziehungen zu
Licio Gelli, dem Oberhaupt der zweentfremdeten Freimaurerloge P2[1]
bekannt. Welen Sinn hae in diesem Fall die Veröffentliung der Liste?
Auf ihr fanden si unter anderem die Namen des Staatekretärs des
Vatikanstaates (entsprit dem Staatspräsidenten) Jean Villot, des
vatikanisen «Außenministers» Agostino Casaroli, des Kardinalvikars von
Rom Ugo Polei, des mätigen Direktors der Vatikanbank Paul Marcinkus,
des Vize-Direktors des Oervatore Romano Don Virgilio Levi, des Direktors
von Radio Vatikan Roberto Tucci.
Albino Luciani mute daraus den Eindru gewinnen, da er umzingelt
war. Das Öffentlimaen des geheimen Netzwerks, zu dem diese Männer
offenbar gehörten, war eine deutlie Warnung, eine Aufforderung zur
Zurühaltung bei Entseidungen und dabei, bewährte Strukturen
dureinanderzubringen, die ein konsolidiertes, gewinnbringendes
Gleigewit garantiert haen. In die Alltagprae übersetzt sollte die
Liste sagen: Immer mit der Ruhe, Heiligkeit, laen Sie die Finger davon!
Bei solen Prämien war der Verdat naheliegend, da der plötzlie
Tod Albino Lucianis ein Mord gewesen sein könnte. Eine Hypothese, die von
den zahlreien Ungereimtheiten gestützt wurde, die den Fall begleiteten,
und vor allem (wieder einmal) von der Zurühaltung von Tatsaen bei
seiner Rekonstruktion. Die Todetunde wurde zunäst mit 23 Uhr
angegeben, später auf 4.45 Uhr des folgenden Morgens versoben. Der Fund
der Leie wurde seinem Sekretär John Magee zugesrieben, nadem es
am Tag zuvor no geheißen hae, die Entdeung sei von der treuen
Ordenwester Vincenza Taffarel gemat worden. Ein dries, si
hartnäig haltendes Gerüt behauptet als gesierte Tatsae, es sei
ausgerenet Jean Villot gewesen, der das Zimmer als Erster betrat. Es hieß,
der Papst habe im Augenbli seines Hinseidens – in dieser Reihenfolge –
das Bu L’imitazione di Cristo (dt. Die Nafolge Christi, von omas von
Kempen), einige Bläer mit Notizen, eine Liste mit Ernennungen, die am
folgenden Tag stafinden sollten, und den Entwurf einer Rede in Händen
gehalten. Gewi ist jedenfalls, da aus dem Zimmer umgehend einige
persönlie Gegenstände entfernt wurden: Brillen, Pantoffeln, Notizen, eine
Satel Medikamente gegen niedrigen Blutdru.
Sind das ausreiende Elemente, um daraus einen Mord zu konstruieren?
Oder zumindest eine Mord-Hypothese zu entwieln? Dies jedenfalls tat der
englise Investigations-Autor David Yallop, der si bereits mehrfa mit
dem Vatikan besäigt hae und über den Tod Papst Lucianis ein Bu
veröffentlite, in dem er harte Ansuldigungen erhebt: In God’s Name (Im
Namen Gottes. Der mysteriöse Tod des 33-Tage-Papstes Johannes Paul I. –
Tatsaen und Hintergründe). Ein erfolgreies Bu, mu man sagen, von
dem weltweit ses Millionen Exemplare verkau wurden. Was sind Yallops
Hauphesen? Da zumindest zwei der von Papst Luciani angestoßenen
emen hogefährli waren, das eine doktrinärer, das andere eher
praktiser Natur.
Das erste betraf die ablehnende Haltung der Kire gegenüber jeder Art
von Empfängnisverhütung, die Johannes Paul  I. offenbar wieder zur
Diskuion stellen wollte. Einigen horangigen Persönlikeiten der Kurie
zufolge, unter ihnen au Staatekretär Villot, häe jede Neupositionierung
auf diesem Gebiet einen Verrat an der von Paul  VI. in seiner Enzyklika
Humanae Vitae (Juli 1968) festgelegten Linie bedeutet.
No brisanter das zweite ema, die Finanzwirtsa des kleinen Staates,
insbesondere die Funktionsweise einer Bank wie dem IOR mit seinen
Geldflüen, seiner fragwürdigen Klientel, seinem wiederholten Verrat an
den eigenen Zielsetzungen: den «religiösen Werken». Wie wir im Kapitel XI
genauer sehen werden, ist nie ganz geklärt worden, ob die Nummer Eins der
Bank, Monsignor Marcinkus, von Leuten aus seiner Entourage benutzt
wurde oder ob nit eher das Gegenteil der Fall war, da also er es war, der
sein weitverzweigtes Netz von Kontakten in Italien, Europa, den Vereinigten
Staaten nutzte. In den Tagen unmielbar vor Johannes Pauls I. Tod war die
Narit durgesiert, der Papst trage si mit dem Gedanken, einen
Großteil der vatikanisen Reitümer zu veräußern, um sie für den Bau von
Häusern und Sulen in den Teilen der Welt aufzuwenden, deren Elend
angesits des o maßlosen Reitums im Westen besonders sreiend war.
Papst Luciani sien also entsloen, die Kire wieder zur Armut ihrer
Ursprünge zurüzubringen, in den Augen vieler ein inakzeptables
Vorhaben, zumal es die Entfernung einiger der einflureisten Männer der
Kurie mit si gebrat häe. Die Chroniken der Zeit beriten von
lautstarken Meinungsversiedenheiten mit dem Kardinal Staatekretär
Villot, die einmal sogar zu einem offenen Zusammenstoß ausgeartet sein
sollen.
Angesits eines so unerwarteten Todes wäre es angezeigt gewesen, dur
eine Autopsie des Leinams jeden Zweifel am offiziellen Bulletin
auszuräumen. Sie wurde aber versagt. Eine unerklärlie Weigerung, die die
slimmsten Mutmaßungen über die Ursaen des Ablebens zu bestätigen
sien, versär no dur ein weiteres Detail. Das offizielle Bulletin
srieb den Tod einem akuten Herzinfarkt zu. Eine plausible Erklärung, denn
ein Infarkt kann jeden treffen, au eine Person, die si seinbar bester
Gesundheit erfreut. Dies steht allerdings im Widerspru zu der Tatsae,
da auf dem Gesit des toten Papstes kein einziges jener typisen
Anzeien von Smerz erkennbar war, wie sie eine Herzaae
unweigerli zur Folge gehabt häe. Aus all diesen Umständen hat David
Yallop seine Hypothese abgeleitet: Zwar sei der plötzlie Tod tatsäli
dur einen Herzstillstand verursat worden, hervorgerufen allerdings
dur ein starkes Gi. Angesits eines Chors von Stimmen, die keine Ruhe
gaben und weltweit von allen witigen Medien aufgegriffen wurden, wäre
es für die Kire opportun gewesen, den Ursaen der Tragödie auf den
Grund zu gehen, sie aufzuklären und publik zu maen. Stadeen wurde
wie immer der Weg eines undurdringlien Sweigens gewählt.

Verlaen wir den Vatikan mit seinen Mysterien und begeben wir uns – aus
Analogie-Gründen, die wir glei erkennen werden – zu einem weiteren der
Wunderwerke Roms: der Basilika San Paolo fuori le Mura (Sankt Paul vor
den Mauern).
An Sommerabenden erstrahlt bei Sonnenuntergang das Goldmosaik über
der Faade im Lit der sräg vom Horizont einfallenden Sonnenstrahlen.
In diesen Momenten strahlt die Paulsbasilika ihre Prat am
wirkungsvollsten aus: Zwisen den Heiligen Petrus und Paulus erhebt si
auf goldenem Grund die Figur des segnenden Christus; darunter das Agnus
Dei (Lamm Goes) auf dem Weltenberg, im Hintergrund die ehrwürdigen
Mauern Roms; in der Fensterzone darunter besiegeln die vier Propheten des
Alten Testaments die Verbindung zwisen der Bibel der Juden und dem
Neuen Testament der Christen.
Allein die Erzählung der weltlien Gesie dieser Basilika würde ein
ganzes Bu füllen. Der Überlieferung na wurde sie an dem Ort erbaut, an
dem Paulus von Tarsus na seiner Enthauptung bestaet worden war.[2]
Sie wurde 324 von Papst Silvester  I. geweiht, umgestaltet, 390 erneut
geweiht, war im Homielalter Mielpunkt eines kleinen, dit um seine
Mauern gedrängten Lehensgutes, bis im Jahre 1348 ein Erdbeben den
Gloenturm und einen Teil der armseligen umstehenden Hüen zum
Einsturz brate. Dana wurde sie immer wieder restauriert und
umgestaltet, bis zu den dramatisen Tagen Mie Juli  1823, als ein
verheerender Brand sie zum großen Teil zerstörte. Wenige Tage zuvor, am
7.  Juli, hae si der regierende Papst Pius  VII. (1800–1823) das Bein
gebroen. Was zunäst na einem belanglosen Unfall auah, stellte si
aufgrund der unzureienden medizinisen Standards der Zeit als
lebensbedrohli heraus. Die Agonie des Papstes war lang und smerzha.
Um ihm nit no zusätzlies Leid zu bereiten, wurde ihm nit gesagt,
da die Basilika niedergebrannt war. Einen Monat später, im August, starb
er, mit dem posthumen Trost, im Petersdom in einem herrlien, von Bertel
orvaldsen entworfenen Mausoleum[3] bestaet zu werden.
Ein weiteres Mal eigenwillig rekonstruiert, hat St. Paul in der Autaung
nit die gleie überbordende Prat wie die anderen Patriaralbasiliken
Santa Maria Maggiore oder San Giovanni, dafür hat sie eine besondere Aura.
Ob Zufall oder Absit, die Rekonstruktion des 19.  Jahrhunderts stellt eine
doppelte Synthese her: zwisen der Slitheit des Frühristentums und
der Prat des Katholizismus der Epoe; zwisen Okzident und Orient,
dem Ursprungsland des Juden Saulus von Tarsus und dem europäisen
Kontinent; zwisen Rom als europäiser Stadt und Rom als äußerstem
Ausläufer des mileren Orients auf der Sonnenbahn. Unter diesem
Gesitspunkt ist der Quadriportikus, der den Besuer empfängt,
emblematis: das gleißende Mosaik an der Faade im Hintergrund, das
gewaltige Standbild des hl. Paulus im Zentrum (der seine Symbole, das Bu
und das Swert, in den Händen hält), die Palmen, die Granitsäulen, die si
in Dreifa-Reihen auf 10  Meter Höhe erheben, ein zuglei majestätises
und familiäres, römises und exotises Ensemble.
Weiter: im Inneren der Basilika über dem Papstaltar das herrlie
Ziborium aus dem 18.  Jahrhundert, der römise Osterleuter, das große
Apsismosaik, das mit seinen stilisierten Bildern an jene Übergangszeit
erinnert, als die neue, ristli genannte Religion allmähli Konturen
annahm.[4] Das Quersiff dagegen, mit seinem Pomp und seiner Größe, der
mit dem Papstwappen gesmüten Dee, dem Pfauenmarmor der Lisenen,
den beiden mit Malait und Lapislazuli versalten Altären (ein Gesenk
des Zaren Nikolaus  I.): ein Gepränge, das ganz und gar der Majestät eines
Papsums entspra, das als Erbe aus der kaiserlien Gloria Roms
hervorgegangen war.
Man mu si diese Basilika einmal in ihrer ursprünglien Form und
Lage vorstellen, als dieser Ort no goverlaenes Aerland war, zwei oder
drei Kilometer außerhalb des Stadtmauerrings, in der naten Ebene an einer
der trägen Kurven des Tibers. Der Flu, das Meer, das Rei, die Provinzen,
die unruhigen Landstrie Palästinas mit ihren visionären Propheten, ihrem
störrisen Glauben an einen einzigen Go. So hae alles begonnen. Und
man mu si den Mann vorstellen, dem diese Kire geweiht wurde. Sein
Bild empfängt den Besuer am Eingang, um dann im Innern immer wieder
aufgenommen zu werden, als Skulptur oder gemalt, während die Reste seines
Grabes und das, was von seinem enthaupteten Körper übrigblieb, unter dem
Altar bestaet sein sollen, in einer Krypta hinter einem diten
Meinggier.
Wer war Paulus von Tarsus wirkli, der hl. Paulus für die katholise
Kire, Sa’ul mit ursprüngliem hebräisen Namen? Wer war er jenseits
der Hagiographie, jenseits seiner unbestrienen Fähigkeiten, seiner in vieler
Hinsit revolutionären Taten, die ihn, den im engen Kreis des
Urristentums zuletzt Angekommenen, zum Ersten maten? Der Mann,
den man beretigterweise «Apostel der Heiden»[5] nannte, der es sae,
die Predigten der Jesusbewegung au über die hebräisen Gemeinden
hinaus auszudehnen? Der Mann, der sogar als der «wahre Gründer des
Christentums» betratet wird?
Beinahe alles, was wir über ihn wien, haben wir von ihm selbst. Die
Aufzeinungen der Apostelgesite – die vom Kapitel 13 bis zum Kapitel
28 auließli ihm gewidmet sind – werden von den Historikern nämli
nit unbedingt als zuverläig gewertet. Eher stützt man si auf die sieben
der ihm traditionell zugesriebenen insgesamt vierzehn Briefe, die als von
ihm eigenhändig gesrieben (Autographen) gelten.
Sa’ul wurde in Tarsus geboren, in Kilikien (zwisen 5 und 10 n.Chr.),
als Sohn einer jüdisen Familie von hellenisierten Pharisäern, sein Vater
hae das römise Bürgerret erworben. Er sreibt: «… au i bin ein
Israelit, ein Nakomme Abrahams, aus dem Stamm Benjamin» (Römerbrief
11,1).[6] Nadem er in Jerusalem an der Sule des Rabbiners Gamaliel
studiert hae, wurde er – so eine Version der Gesite – im Aurag des
Jerusalemer Hohepriesters na Damaskus gesit, um die Ordnung in
einer Gemeinde wiederherzustellen, in der es drunter und drüber ging, seit
einige der Mitglieder Jesus als Meias anerkannten und seinen Lehren
folgten. Einer anderen, vielleit glaubwürdigeren Version zufolge, soll die
Reise na Damaskus aus eigener Initiative unternommen worden sein.
Bleiben wir bei der ersten Version. Die Swierigkeit des Aurags lät
darauf sließen, da der Hohepriester in diesem jungen Mann besondere
Talente erkannt hae. Die Aufgabe war in der Tat heikel: ein Mielding –
würden wir heute sagen – zwisen repreiver Polizeiaktion und
Ermahnung zur Rükehr zu einer orthodoxeren Linie. Seit frühester Jugend
hae si Paulus höst motiviert gezeigt, er war von ungeheurer Energie
und beseelt von einer klaren Vision seiner Ziele. Hinzu kam die notwendige
Leidensalikeit, sie au durzusetzen. Er hae si als Verfolger der
Anhänger Jesus’ hervorgetan, hae die Steinigung des Märtyrers Stephanus,
bei der er persönli anwesend war, gebilligt. Vielleit wird er grausamer
dargestellt, als er in Wirklikeit war, ein Quänten Wahrheit aber mu
wohl dran sein, zumindest was seine Energie und Unbeirrbarkeit betri.
Sa’ul brit also auf und während dieser Reise hat er eine Erseinung,
die sein Leben traumatis in zwei Hälen aufspaltet – eines der
umwälzendsten Ereignie des Urristentums. «Unterwegs aber, als er si
bereits Damaskus näherte, gesah es, da ihn plötzli ein Lit vom
Himmel umstrahlte. Er stürzte zu Boden und hörte, wie eine Stimme zu ihm
sagte: Saul, Saul, was verfolgst du mi? Er antwortete: Wer bist du, Herr?
Dieser sagte: I bin Jesus, den du verfolgst. Steh auf und geh in die Stadt,
dort wird dir gesagt werden, was du tun sollst.» (Apostelgesite 9, 3–9)[7]
So heig war das gleißende Lit dieser Erseinung, da er blind wurde,
so lange, bis ihm ein Jünger Jesu mit Namen Ananias die Hände auflegte,
damit er wieder sehend würde. So erzählt Saulus oder Paulus später die
Ereignie, au wenn nit auszusließen ist, da die «Erseinung» und
die Blindheit die Folgen eines epileptisen Anfalls waren. Es ist jedenfalls
auffällig, da die Gesite von der Bekehrung des Paulus auf dem Weg
na Damaskus in der Apostelgesite dreimal erwähnt wird, während sie
in den Paulusbriefen kaum eine Erwähnung findet.
Da Paulus in Damaskus in der Rolle des möglien Verfolgers ankommt,
treten ihm die «Brüder» dort entspreend mitrauis entgegen und
sien ihn na Tarsus zurü, wo er no eine ganze Reihe von Jahren
bleibt, um zu studieren und zu meditieren. Die übrigen Apostel fahren
inzwisen erfolgrei mit ihren Predigten fort, allen voran Petrus. In dieser
Phase ist es ausgerenet Petrus, der eine kühne Tat vollbringt, indem er die
Einladung eines römisen Hauptmanns namens Cornelius zum Miageen
annimmt. Si an die Tafel eines Goy zu setzen, bedeutete für einen
strenggläubigen Hebräer, nit-kosere, also unreine Speisen zu si
nehmen zu müen. Do au Petrus hae eine Erseinung gehabt, bei der
ihn Go persönli autorisiert hae, notfalls das mosaise Speisegesetz zu
breen. Petrus interpretierte das Ereignis sehr großzügig und leitete daraus
die gölie Erlaubnis ab, au mit Heiden verkehren zu dürfen.
Diese Episode aus der Apostelgesite (10) weist Petrus also eine Art
Urheberret auf die urristlie Heidenmiion zu. Es könnte si
allerdings au um einen «Präzedenzfall» handeln, der ihm zugesrieben
wurde, um zu legitimieren, was in der Folge die von Paulus gewohnt
energis betriebene Linie werden sollte. Unter den Forsern herrsen zu
diesem Punkt lebhae Meinungsversiedenheiten, die nit leit
aufzulösen sind. Historis gesiert ist nur die Härte des Konflikts, der nun
zwisen den Hebräern, die dem Gesetz Moses’ treu bleiben wollen, und
denjenen ausbra, die dem Beitri zu dieser neuen Bewegung wohlwollend
gegenüberstanden. Paulus verspra ihnen eine Loerung nit nur der
Speisevorsrien, sondern au die Absaffung der Besneidung, die er
für die vom Heidentum Bekehrten für unnötig hielt.
Physis und intellektuell war Paulus ein großes Kaliber, er war aber au
oleris. Diese Kombination trug natürli dazu bei, den Disput no
erbierter werden zu laen, bei dem es au um das Dilemma ging, wele
Vorauetzungen für die Erlösung notwendig waren. Die Einhaltung von
Moses’ Gesetz oder der Glaube an Jesus Christus? Über den Primat des
Glaubens war si Petrus mit Paulus offenbar einig. Denno hae er,
vielleit unter dem Dru bestimmter hebräiser Christen, wieder
begonnen, si an die alten Regeln zu halten.
Im Brief an die Galater sehen wir Paulus mit größter Entsloenheit in
Aktion treten. Nadem er erkannt hae, da seine Predigten von vielen
verfälst wurden, und gedrängt von «einigen Leuten, die eu verwirren
und die das Evangelium Christi verfälsen wollen», sreibt er wütend:
«Wer eu aber ein anderes Evangelium verkündigt, als wir eu verkündigt
haben, der sei verflut, au wenn wir selbst es wären oder ein Engel vom
Himmel. Was i gesagt habe, das sage i no einmal: wer eu ein
anderes Evangelium verkündet als ihr angenommen habt, der sei verflut.»
(Galaterbrief 1,7–9) Woher er eine derartige Sierheit nahm, im Ret zu
sein, sagt er glei darauf: «Das Evangelium, das i verkündet habe,
stammt nit von Mensen; i habe es ja nit von einem Mensen
übernommen oder gelernt, sondern dur die Offenbarung Jesu Christi
empfangen.»[8] (Galaterbrief 1, 12)
Au wenn er es nit explizit sagt, gibt Paulus klar zu erkennen, da
Petrus das Jerusalemer Abkommen nit respektiert hae, das ihm das
Exklusivret der Bekehrung der nit besnienen Heiden überließ. Der
Apostel reklamiert seine Vormatstellung. Er sagt: Obat, denn i und
niemand anderes bin Jesu getreuester Interpret. Die Wiensaler weisen
darauf hin, da na der Versammlung von Jerusalem (dem sog.
Apostelkonzil) und dem heigen Streit, der darauf folgte, Petrus aus der
Apostelgesite verswindet. Von da an ist der Text fast auließli
Paulus gewidmet.
Die komplexe Paulus-Doktrin, zu der eine unendlie Exegese vorliegt,
kurz zusammenzufaen, ist nit mögli. Zur Orientierung möte i nur
wenige Punkte erwähnen. Von Paulus stammt die ese, na der Jesus
Christus, um sowohl den Juden als au den Heiden die Erlösung zu bringen,
sterben und wieder auferstehen mute. Paulus preist den Kult der
Wiederauferstehung und die Bedeutung der Kommemoration der Christus-
Paion. Im ersten Brief an die Korinther sreibt er: «Wenn es keine
Auferstehung der Toten gibt, ist au Christus nit auferwet worden. Ist
aber Christus nit auferwet worden, dann ist unsere Verkündigung leer
und euer Glaube sinnlos. Wir werden dann au als false Zeugen Goes
entlarvt, weil wir im Widerspru zu Go das Zeugnis abgelegt haben: Er
hat Christus auferwet.»[9] (1. Korinther 13–15) Um Worte wie diese, die
der geläufigen Erfahrung des Todes als einer Reise ohne Wiederkehr
widerspreen, für überzeugend zu halten, mute der Glaube son
grenzenlos sein.
Um sein Ziel zu erreien, mu Paulus no eine weitere doktrinäre
Operation vornehmen: Er mu die Figur des Jesus entpolitisieren und an die
Stelle des Propheten, der nur für «die verlorenen Safe des Hauses Israel»
(Mahäus 10,5) gepredigt hae, einen universellen Verkünder der Erlösung
setzen. Der «Befreier» Israels wird so zum «Heilsbringer» der Mensheit.
Dur die Ausdehnung seiner Botsa auf die Heiden und die Berufung auf
den Glauben an Ihn und nit auf die Einhaltung des Gesetzes (er sreibt ja
au: «Da dur das Gesetz niemand vor Go geret wird, ist
offenkundig», Galaterbrief 3,11) gibt er den Worten Jesu eine weltweite
Dimension, bringt er die Botsa des Wortes Goes zu allen Mensen auf
der Erde, mat er damit den neuen Glauben katholikè (grie.), also
universal.
Dies ist nit mehr die Religion eines einzelnen Volkes. Die Verpflitung,
die jedem Neugeborenen die Religion der Väter aufzwingt, ist abgesa,
die Wahl des Glaubens hängt nun vom Gewien eines jeden Einzelnen ab.
Und der Glaube genügt, um erlöst zu werden. Vielleit geht es zu weit,
wenn man Paulus als den eigentlien Gründer des Christentums betratet,
wie es von einer erklelien Zahl von Wiensalern behauptet wird.
Mit Sierheit aber verleiht er dem neuen Glauben eine vor ihm unbekannte
Dimension: Er sa die Vorauetzungen dafür, da er si in eine Religion
verwandeln kann.
Do wo liegt die Verbindung zwisen Albino Luciani, der na nur
dreiunddreißig Tagen Herrsa gestorben ist, und der Paulus von Tarsus
geweihten Basilika? Die Verbindung ist indirekt, darum aber nit weniger
bedeutsam. In dieser Basilika nämli sollte 1973 ein junger Abt bulgariser
Herku vom Vatikan zum Rütri gezwungen werden: wegen
«fortgesetzten Ungehorsams» und weil er die Kire als «eine
demokratise, ganz auf den sozialen Berei ausgeritete Gemeinsa»
verstand. Der Abt hieß Giovanni Franzoni und ist einer der vielen
Exponenten jener «Kire ohne Stimme», von der die Gesite des
Katholizismus seit jeher begleitet wird. Eine zeitweise tolerierte, meistens
aber von der hohen Geistlikeit bekämpe Minderheitenkire, der es nie
gelungen ist, eine Vormatstellung zu erringen, und die es nur mit Albino
Luciani für eine sehr kurze Periode auf den Petrusthron gesa hat.
«Die Kire», srieb Pier Paolo Pasolini 1975 in den Freibeutersrien,
«kann nur reaktionär sein: sie kann nur auf der Seite der Mat stehen. Sie
kann nur autoritäre und formale Regeln des Zusammenlebens akzeptieren.»
Und do gibt es, wie der katholise Historiker Pietro Scoppola (in der
Tageszeitung La Repubblica am 9. Februar 2007) vertreten hat,

eine Religiosität des Volkes, deren Formen zwar gelegentli an Aberglauben grenzen, die
aber Reourcen tiefer Humanität und Solidarität bewahrt. Es gibt das beeindruende
Phänomen des ristlien «Volontariats»[10], dem in seiner Kultur und Praxis jede Art von
Hegemonialdenken fremd ist. Es gibt kulturelle Institutionen und Reservate, die zwar nit
lautstark agieren, aber denno fest verwurzelt sind im Sozialgefüge, und die si dem
Dialog und der Zusammenarbeit mehr und mehr öffnen … Es gibt inzwisen eine
sweigende Kire, die an ihrer offiziellen Ausgrenzung leidet, die aber die Reserve für eine
ete Alternative bildet.

Jeder weiß, wer der Vorreiter dieser Kire war, die wir als die «des
Sweigens» bezeinen: Franz(iskus) von Aisi (1181/82–1226), Paladin
eines mystisen Christentums, der si mit seiner «subversiven» Kra und
Autrahlung einer als Institution verstandenen Religion stets widersetzt hat.
Francesco rebellierte gegen seinen Vater, entledigte si all seiner
Reitümer, um si und sein Leben Go zu weihen, indem er si zum
Diener der Ärmsten dieser Erde mate. Ein «heiliger Revolutionär», so ist
er genannt worden, der in Rom mit Argwohn betratet wurde. Sein Orden
slo si jener breiten Armutsbewegung des 13. Jahrhunderts an, die die
Korruption unter den Geistlien verdammte, weil diese viel zu sehr von
materiellen Intereen geleitet und in den blutigen Kampf um die
Investituren verwielt waren.
Franziskus war die erste, aber nit die letzte Stimme dieses mystisen
Christentums. Wenige Jahre na seinem Tod sollte ein anderer Franziskaner
die sönste Hymne an Maria sreiben, die ihr jemals gewidmet worden ist:
das Stabat Mater. Er hieß Iacopone da Todi (1230/36–1306).[11] 1278 war er
als Laienbruder in den Orden eingetreten und hae die rigoristise
Gruppierung der Spiritualen oder fraticelli (von der ital. Bezeinung frate
für «Bruder/Mön») gewählt, die in Opposition zur vorherrsenden
Gruppe der Konventualen standen. Letztere, die von Papst Bonifaz  VIII.
unterstützt wurden, wollten die Strenge der franziskanisen Ordensregeln
aufweien. In seiner Herausforderung der konstitutionellen Mat und der
Verteidigung des ursprünglien Geistes des Franziskanertums ging
Iacopone so weit, die Gültigkeit der Wahl dieses Papstes in Zweifel zu
ziehen. Dafür wurde er zuerst exkommuniziert, später zu lebenslänglier
Ha verurteilt und in das Konventsgefängnis von San Fortunato in Todi
gesperrt. Erst na Bonifaz’ Tod (1303) wurde er wieder freigelaen.
Ein anderer Paladin des Armutsideals dagegen hat der Rae der Kire
nit entkommen können: ein Ketzer aus den Bergen Norditaliens, der
Gleiheit, Armut, die Befreiung der Frau, die Revolte gegen die Sikanen
von Feudalherren und kirlien Würdenträgern predigte. No heute lebt
sein Name in den lokalen Piemonteser Gruppen von Globalisierungsgegnern
fort (den sog. movimenti antagonisti piemontesi). Von Ivrea bis Valsesia
kann man bis heute auf den Mauern immer wieder den Srizug «Dolcino
vive!» («Dolcino lebt!») lesen.
1291 wurde Fra’ Dolcino Mitglied der von Gherardo Segarelli gegründeten
Apostelbrüder, eine der vielen in dieser Zeit weitverbreiteten
Armutsbewegungen. Der Ketzerei bezitigt, wurde die Bewegung von der
Kire unterdrüt und Segarelli am 18.  Juli  1300 auf dem Seiterhaufen
verbrannt. Darauin übernahm Fra’ Dolcino die Führung. In der Nähe von
Trient lernte er bei seinen Predigten die junge Margherita Boninsegna
kennen, na den Beriten der Chronisten eine bildsöne Frau, die seine
Gefährtin wurde und ihn bei seinen Wanderpredigten begleitete und
unterstützte.
1304 flüteten die Apostelbrüder ins Valsesiatal, wo gegen die
Unterdrüung dur die Großgrundbesitzer eine Rebellion im Gange war.
Die Dolcinianer verbündeten si mit den Revoltierenden, do unter der
Leitung der Bisöfe von Novara und Vercelli wurde ein mätiges Heer
gegen sie mobilisiert. Die Dolcinianer leisteten erbierten Widerstand, bis
sie, ersöp von Belagerung und Aushungerung, in der Osterwoe 1307
geslagen und gefangengenommen wurden. Fast alle Gefangenen wurden
ersoen. Na einem oberfläli geführten Proze wurde au Fra’
Dolcino zum Tode verurteilt. Auf einem Karren fuhr man ihn dur die
Straßen von Vercelli, er wurde gefoltert, mit glühenden Zangen wurden ihm
die Nase und der Penis abgerien. Diese Qualen ertrug er ohne Sreie und
Klagen. Man hob ihn auf den Seiterhaufen. Am Ufer des Sesia wurde er
lebendig verbrannt.
Sein Name wurde zur Legende. Im Jahre 1907 erritete man zum
seshundertsten Jahrestag seines Martyriums in Anwesenheit von
zehntausend Personen – die meisten Arbeiter – auf dem Gipfel des Monte
Maaro einen Obelisken von 12  Metern Höhe. 1927, zu Beginn der
fasistisen Ära, braten die Swarzen Brigaden ihn mit
Kanonensüen zum Einsturz. Es sollten fast no einmal fünfzig Jahre
vergehen, bis im Jahre 1974 an derselben Stelle ein kleineres Denkmal
erritet wurde.
Das Franziskanertum und die Armutsbewegung wurden also vom Vatikan
unterdrüt, ihre revolutionäre Sprengkra mit Gewalt eingedämmt. Und
do kam diese minoritäre oppositionelle Strömung nit zum Erliegen.
Jahrhundertelang verlief der katholise Diens unterirdis, parallel zur
Matzentrale in Rom. Do die «Katholiken der Katakomben»
verswanden niemals vollständig, au wenn sie in Erwartung weniger
feindseliger Zeiten lange Zeit nahezu unsitbar blieben. Erst im
20.  Jahrhundert konnte man diese Kire der Ultimi (der «Letzten», der
«Ärmsten») mit Mat wieder zum Vorsein kommen sehen, ein Verdienst,
das zum großen Teil dem  II. Vatikanisen Konzil gebührt. Zuvor jedo
hae es Don Milani[12] gegeben, mit seinen Srien (L’obbedienza non è
più una virtù – Der Gehorsam ist keine Tugend mehr) und seinen
Argumenten («I nehme für mi das Ret in Anspru zu sagen, da
au die Armen die Reien bekämpfen dürfen und müen!»). Er wurde
dem Kreis der sogenannten cattocomunisti (Kathokommunisten) zugerenet
und wegen des Tatbestandes der «Retfertigung einer Straat» vor Gerit
gestellt: weil er die Wehrdienstverweigerung aus Gewiensgründen
verteidigt hae. Bevor das Urteil gesproen werden konnte, starb er.
Das  II. Vatikanise Konzil (1962–1965) eröffnete eine neue Ära der
Kire. Es war die Revane der Progreiven, es bedeutete die Absage an
Jahrhunderte autoritärer Tradition. In Lateinamerika sloen si viele
Pfarrer, Anhänger der eologie der Befreiung, dem Kampf der Marxisten
an. In Europa entstand die Bewegung der «Arbeiterpriester». In Italien
florierten die Comunità cristiane di base (Christlie Basisgemeinden). Und
in diese breite Bewegung gehört au die Gemeinde von San Paolo, die in
Rom gegen Ende der seziger Jahre entstand und deren Leiter Dom
Giovanni Franzoni wird. Über ihn srieb Pier Paolo Pasolini 1974: «Es gibt
keine Predigt von Dom Franzoni, die nit, nadem sie si zunäst ganz
konventionell das Evangelium oder die Paulusbriefe zum Ausgangspunkt
genommen hat, unerbili mit einem Angriff auf die Mat endet.» Seine
Stellungnahmen gegen das Konkordat und gegen den Vietnamkrieg ebenso
wie die Solidarisierung mit den Arbeiterkämpfen von 1969 bringen ihm die
offene Feindsa des Vatikans ein. Im Juni 1973 legt Dom Franzoni mit dem
Hirtenbrief La terra è di Dio (Die Erde gehört Go) die geheimen
Maensaen des Vatikans im Zusammenhang mit der Bauspekulation in
Rom offen. Kurz darauf tri er vom Amt des Abtes zurü. Viele Gläubige
bleiben ihm verbunden, und gemeinsam mit ihnen beginnt er einen neuen
geistlien Weg. Das ist der Beginn der Gemeinde.
1974 befürwortet Franzoni beim Referendum über die Seidung die
Wahlfreiheit der Katholiken. Mit einer Mehrheit von 60 Prozent entseiden
si die Italiener für das Ret auf Seidung. Am 27.  April teilt ihm Don
Ambrogio Porcu, der Staatsanwalt der Caineser, offiziell die Suspendierung
a divinis «latae sententiae»[13] mit. Franzoni hält die Bestrafung für illegal,
200 Priester untersreiben einen Appell zu seinen Gunsten, die
Generalvikare einiger Diözesen senden Solidaritätsbekundungen. Am Tag
darauf jedo erklärt Kardinalvikar Polei sein «volles Einverständnis» mit
der Entseidung. Dom Franzoni ist suspendiert.
Vor den Parlamentswahlen 1976 kündigt der Ex-Abt an, da er PCI
(Partito Comunista Italiano – Kommunistise Partei Italiens) wählen wird.
Am 2.  August deelben Jahres wird er laisiert.[14] Das Dekret erlät
Kardinal Polei und begründet es mit «der tiefgreifenden Verstörung, die das
Verhalten von Dom Giovanni Baista Franzoni beim Volke Goes verursat
hat und weiter verursat»; seinem «wiederholten Ungehorsam»; seiner
Weigerung, zwei Jahre na der Suspendierung a divinis «Zeien effektiver
Einsit» zu zeigen. Franzonis Antwort fällt troen aus:

Wir sind zwar in der Kire, aber ausgegrenzt und unter Verdat; wir werden erst wieder
vollständig in Amt und Würden sein, wenn die Kire uns nit mehr die Amputation
unserer politisen Wahlmöglikeiten abverlangt … Wir betroffenen Priester werden aber
nit allein wieder zurükehren, sondern mit all unseren Gefährten und Gefährtinnen, die
wir in der Zwisenzeit bei den Kämpfen in den Fabriken oder auf den Feldern, in den
Stadtvierteln oder bei der Solidarisierung mit den Völkern der drien Welt versammelt
haben. Wenn wir alle in der Kire leben und laut und deutli unsere politisen
Präferenzen bekunden können, dann wird es Grund zum Feiern geben.

Im Februar  2007 bewegte «der hartnäige Interventionismus der


italienisen Episkopalkonferenz» unter der Führung von Kardinal Camillo
Ruini gegen das Gesetzesvorhaben zu den Dico (diritti per le coppie
conviventi fuori dal matrimonio – Rete für die in nitehelier
Gemeinsa zusammenlebenden Paare) die Gemeinde zum Eingreifen. «In
Opposition zur Linie der katholisen Hierarie …» erseint unter dem
Titel Possumus – Lettera aperta alla Chiesa cattolica italiana (Wir können –
Offener Brief an die katholise Kire Italiens)[15] ein offenener Brief:

Wir sind überzeugt, da es keiner Kire oder Religion zusteht, die Bürger und das
Parlament auf die korrekte Interpretation des Naturgesetzes hinzuweisen. Bei solen
Interpretationen hat si im Übrigen die römise Kire im Laufe der Gesite mehrfa
selbst widersproen und könnte au heute wieder irren. Ihre Miion ist, gemeinsam mit
den Swesterkiren, die Verkündigung des Evangeliums … Gerade als Katholiken, aus
theologisen Gründen, erklären wir unseren offenen Diens zur Parteinahme der
Italienisen Episkopalkonferenz, die uns vom Evangelium weit entfernt erseint.

In ihrer entsiedenen Opposition zur offiziellen Linie der Kire bleibt die
Gemeinde nit isoliert. Sämtlie ristlien Basisgemeinden beziehen
Stellung gegen das Diktat des Vatikans zum ema eheähnlie
Lebensgemeinsa. Am 30.  März  2007 gibt ihr nationales Sekretariat ein
Dokument heraus, das zu lesen si lohnt, wenigstens in Auszügen:

Seit Jahren bemühen wir uns – wie viele andere au –, uns in die von der «Stadt der
normalen Familien» produzierten menslien Müllkippen einzufühlen. Und wir haben dort
Kinder gefunden, die aus Gründen der Familienehre ausgesetzt wurden, verteufelte und der
swärzesten Einsamkeit überlaene ledige Müer, verstoßene Behinderte, ihrer Familie
entzogene Gefängnisinsaen, hoffnungslose Swule, Paare, die ihrer Würde beraubt
wurden, weil sie nit der Norm entspraen, von den Eltern mibraute Minderjährige,
unter dem Feigenbla der ehelien Pflit vergewaltigte Ehefrauen. Heute können ledige
Müer erhobenen Hauptes herumlaufen, ohne von Eltern und Pfarrern zur Abtreibung
gezwungen zu werden oder si an Engelmaerinnen wenden oder die Kinder zur Adoption
freigeben zu müen. Behinderte sind nit mehr die Sande der Familie, die man in einer
Anstalt versteen mu, weil sie als Zeien von Sünde gelten. Swule können ganz offen
ein ihnen gemäßes Leben leben. Jugendlie brauen ihre Beziehungen nit mehr
seinheilig zu versteen. Und die Gewalt in der Familie ist kein Tabu mehr. Man sollte aus
den Erfahrungen der jungen Generationen und der neuen sozialen Subjekte lernen und bei
der Erneuerung der Familie weltweit neue Wege gehen, ohne die Grenzen und Gefahren zu
verhehlen, die in jeder Öffnung gegenüber dem Neuen enthalten sind, aber au ohne
Dämonisierung, denn wir sind der Ansit, da die Reung der menslien Familie und
au der Ehe nur dur eine sole Erneuerung mögli ist.

Die Basisgemeinden haben einen weiteren herausragenden Exponenten, Don


Enzo Mazzi, den Gründer der Basisgemeinde des Isolotto in Florenz. Ein
Viertel an der südwestlien Peripherie der Stadt, im November  1954
entstanden, als in einer der ersten Satellitenstädte der toskanisen
Hauptstadt die Slüelübergabe für eine Parzelle von tausend Wohnungen
stafand: sozialer Wohnungsbau, eine Kire, eine Pfarrei. Genau hier
entsteht gegen Ende der seziger Jahre Don Mazzis Basisgemeinde. «Der
katholisen Hierarie zu gehoren», so seine Überzeugung, «bedeutet fast
immer Ungehorsam gegenüber den tiefsten, etesten und am Evangelium
orientierten Bedürfnien des Volkes.»
No ein unbequemer Priester untersreibt den oben zitierten Appell,
Don Franco Barbero, Gründer der ristlien Basisgemeinde von Pinerolo.
Aufgrund eines vom damaligen Präfekten, Kardinal Joseph Ratzinger,
untersriebenen Erlaes der Kongregation für die Glaubenslehre verliert
«der Priester, der die swulen Paare segnet» am 25.  Januar  2003 seinen
klerikalen Status. Der Kire von Rom mifallen aber nit nur die von Don
Franco gesloenen Hozeiten zwisen Homosexuellen, sondern au
seine Srien (mehr als zwanzig Texte zur Christologie), in denen er u.a.
folgende esen vertri: da die Unfehlbarkeit des Papstes nur eine
Ideologie sei, für die es in der Bibel keine Anhaltspunkt gebe; da der
Aulu von Frauen aus dem Priesteramt eine Frut des männlien
Chauvinismus und der sexualphobisen Ausritung des Vatikans sei; da
die Jungfrauengeburt Jesu eine Legende sei, weil Jesus leiblie Swestern
und Brüder hae; da der Zölibat eine bewunderungswürdige Entseidung
sei, die aber nit aufgezwungen werden könne; da Heterosexuelle und
Homosexuelle die gleie Würde haben müten.
Heute sind etwa fünf Millionen Italiener (12  Prozent der erwasenen
Bevölkerung) in der weiten Welt des katholisen Vereinswesens engagiert.
Ein Heer von Gläubigen, die nit immer mit den offiziellen Positionen
übereinstimmen, bei denen nit selten das Zugehörigkeitsgefühl zum
Vatikan mit einer autonomen, wenn nit sogar kritisen Sensibilität
einhergeht. Pax Christi, Noi siamo Chiesa (Wir sind Kire), La Rosa Bianca
(Die weiße Rose) sind einige der progreiv eingestellten katholisen
Vereinigungen, die eine Erneuerung der Kire fordern. Bewegungen sehr
untersiedlier Natur, mit einer variablen Anhängerzahl, die alle aber
theologis und sozial stark motiviert sind. Ein weiteres bedeutendes
Beispiel ist die Cittadella, ein Gebäudekomplex im Herzen Aisis, der si
«in der Überzeugung, da jede Kultur und jede Religion Trägerin
authentiser Werte ist», als ein «Ort der Begegnung und der Geselligkeit,
beinahe ein Laboratorium der Andersartigkeit» versteht. Von den Geistlien
und Laien der Cittadella werden Reflexion und Gebet, Dialog und
Konfrontation mit den Zeugen unserer Zeit angeregt: mit Künstlern,
Regieuren, Wiensalern, eologen, Psyologen, Philosophen, die si
für die Würde des Mensen einsetzen.
Im September  1961 nahm Pasolini an einer dieser Tagungen teil und
wurde für ein paar Näte in die Cittadella aufgenommen. In seinem
Zimmer fand er, wie alle Besuer, einen Band mit den Evangelien. Zunäst
hielt er das für eine Provokation Don Rois und seiner Freiwilligen, zumal
er eigentli na Aisi gekommen war, um über ein Filmprojekt über Jesus
zu spreen. Der Titel seines späteren Werkes («Das 1. Evangelium –
Mahäus») entstand jedenfalls in diesen Stunden. In seinem Text Le regole
di un’illusione (Die Regeln einer Illusion) wird der Regieur notieren:

Instinktiv strete i die Hand na dem Nais aus, nahm das Bu der Evangelien, das
in allen Zimmern liegt, und begann es von Anfang an zu lesen, also beginnend mit dem
ersten der vier Evangelien, dem na Mahäus. Und von der ersten Seite kam i bis zur
letzten und mute mi dabei – daran erinnere i mi sehr gut, mit Freude allerdings – ein
wenig gegen den Lärm der Stadt draußen absoen, die in Feierlaune war. Am Ende, als i
das Bu niederlegte, entdete i, da i zwisen dem ersten Stimmengewirr und den
letzten Gloen, die zur Abreise des Pilgerpapstes geläutet wurden [Papst Roncalli weilte zu
Besu in Aisi, Erg. d. A.], diesen harten, aber au zarten, so jüdisen und jähzornigen
Text, der eben dieser na Mahäus ist, ganz gelesen hae. Die Idee zu einem Film über die
Evangelien war mir son früher gekommen, dieser Film aber wurde dort geboren, an diesem
Tag, in diesen Stunden.

Einen weiteren prominenten Repräsentanten hat diese den Ärmsten


nahestehende «Kire am Rande der Gesellsa», die offen ist für den
Dialog und weit entfernt von der Mat der römisen Kurie, in Don Luigi
Cioi. 1972 wurde er von Kardinal Miele Pellegrino ordnungsgemäß zum
Priester geweiht, der ihm als Kirengemeinde die Straße anbot. Sein
öffentlies Engagement hae bereits 1966 mit der Gründung der Gruppe
Abele (Abel) begonnen, die in Jugendgefängnien arbeitet und Hilfen für
Drogenopfer bietet. 1982 wirkte Don Cioi an der Gründung des CNCA mit:
Coordinamento nazionale delle comunità di accoglienza (Nationale
Koordina tiontelle der sozialen Wohngemeinsaen), 260 Organisationen,
die mit einem «laizistisen und pluralistisen Ansatz» in allen Arten von
Notlagen und gesellsalien Randgruppen operieren. 1995 gründet Cioi
Libera, ein Netzwerk von Vereinigungen, die si im Kampf gegen die Mafia
engagieren und die von Boen der Malavita konfiszierte Güter für soziale
Zwee nutzen. Au er hat immer wieder Probleme mit den Institutionen
und mit der Kire gehabt: «Solange du denen hilfst, die in Swierigkeiten
sind, bist du gut», hat er Marco Poiti in deen Bu Il ritorno di Dio (Die
Rükehr Goes) anvertraut, «sobald du aber beginnst, Fragen zu stellen,
Ungeretigkeiten zu kritisieren, wirst du unbequem.»
Es gibt in der katholisen Konfeion des Christentums eine große Zahl
und Vielfalt an Mensen und Projekten, die das Evangelium verwirklien,
die aber nur wenige kennen und die nur selten an die Öffentlikeit treten.
I habe mi auf einige wenige Beispiele und Namen besränkt, es sind
natürli weit mehr: vom großen (diidenten) eologen Hans Küng zum
Kardinal Carlo Maria Martini, von den Priestern der Favelas in
Lateinamerika bis zu ihren Kollegen in Süditalien, die gegen die Mafia
kämpfen.

Au wenn Papst Albino Luciani ein gehorsamer Diener der Kire war, so
offenbarten glei seine ersten Worte als Papst, auf weler Seite sein Herz
slug und wele Ritung sein Pontifikat eingeslagen häe, wenn es ihm
die Umstände oder die Mensen erlaubt häen, weiterzumaen. Vielleit
ist Albino Luciani ermordet worden, vielleit au nit. Gewi ist auf
jeden Fall, da die wenigen ihm verbliebenen Tage von der smerzlien
Entdeung übersaet waren, weler Abgrund zwisen dem
Evangelium und dem Amt lag, das über ihn mehr oder weniger
hereingebroen war. Na dem Ende der Inthronisierungsfeierlikeiten
hae er si in den unendlien Weiten des Vatikans plötzli allein
wiedergefunden, dem undurdringlien Geflet von Intereen und
Intrigen ausgesetzt, von einer Kurie umzingelt, die er seinen Plänen und
seinem Glauben gegenüber als weit entfernt, wenn nit sogar offen
feindselig empfand, die in diesen Palästen eingesloen war, abgesoet
von den Hoffnungen und den Kämpfen sehr vieler gewöhnlier Gläubiger,
sehr vieler einfaer Priester. Giuseppe Siri, Erzbisof von Genua, hat
einmal im Vertrauen mitgeteilt, da der Grund für den Tod Papst Lucianis
wahrseinli in seiner exzeiven Emotionalität zu suen war, in der
tiefen Verstörung, die ihn seit dem Tag seiner Wahl nie wieder losgelaen
hae.
Es gab au Vermutungen, da es ein unerträglier Smerz war, der ihn
getötet hat, ein Syndrom, das man umgangprali als «gebroenes
Herz» bezeinet. Da der Wirkung dieses Syndroms dur Gi ein wenig
nageholfen wurde, ist eine Hypothese, die wir weder bestätigen no
auließen können.
VI. GENIES UND RIVALEN
BERNINI UND BORROMINI:
ZWEI KÜNSTLER PRÄGEN ROM

E
S GIBT IN ROM eine hinreißende kleine Straßenkreuzung, die man
leider nur unter Lebensgefahr bewundern kann und die infolgedeen
meist übersehen wird. Wenn i sagen würde, es handelt si um die
Kreuzung zwisen Via Pia und Via Felice, würde kaum jemand verstehen,
worum es geht. Wenn man die aktuellen Straßennamen benutzt, ist sie
snell identifiziert: Es ist die Kreuzung der Via  XX Seembre mit der Via
delle Quaro Fontane. Früher wurde die Via XX Seembre von den Römern
Alta Semita genannt, weil sie auf dem Seitel eines Hügels entlangläu.[1]
Sie führt von der Porta Pia zum Quirinal, und ihren Abslu bildet heute
am einen Ende das wunderbare Tor des Mielangelo, am anderen ein
söner ägyptiser Obelisk zwisen der Dioskurengruppe.
Die zweite Straße, die retwinklig zur ersten verläu, wurde, wie oben
bereits erwähnt, von Papst Sixtus V. angelegt. Sie führt von der Kire Santa
Maria Maggiore bis zur Trinità dei Monti (Heilige Dreifaltigkeit vom Berge,
über der Spanisen Treppe) und hat ebenfalls je einen Obelisken als
Blifang an den beiden Endpunkten. Einem puren Zufall ist es zu
verdanken, da nit au no der Bli zur Porta Pia auf einen Obelisken
fällt. 1822 hae Papst Pius  VII. (1800–1823) nämli vor, am Pincio einen
kleinen, sehr anmutigen Obelisken von neun Metern Höhe aufzustellen, der
son lange im Cortile della Pigna im Vatikan herumgelegen hae. Abt
Cancellieri dagegen beswor ihn, diesen stadeen auf dem Turm der Porta
Pia zu platzieren, damit der Flaneur von besagter Kreuzung aus auf einen
Slag vier Obelisken bewundern könne. Am Ende setzte si der Papst
dur, und heute steht der Obelisk auf einem kleinen Platz im Pincio-Park,
neben der Casina Valadier. Er war von Kaiser Hadrian in Aurag gegeben
worden, der damit an seinen verstorbenen Geliebten Antinoos erinnern
wollte, den er mit diskreter Melanolie darstellt. Aelius Spartianus zufolge
soll Hadrian beim Tode des bildsönen Jünglings, der im Nil ertrank,
tagelang «wie eine Frau» um ihn geweint haben.[2]
Sade, da man nit mien auf der Kreuzung stehen bleiben kann, die
Tag und Nat von rasendem Verkehr durquert wird. Alle vier
perspektivisen Ausblie wären eine ausgiebige Betratung wert, und sei
es nur wegen der Ereignie, die ihre Gesite gesrieben haben. Nit
sonderli bemerkenswert dagegen sind die Brunnen, die (wiederum) Papst
Sixtus an der Absrägung der vier Egebäude hat anbringen laen, eine
slite Zierde im Verglei zu den zahllosen unvergleilien Brunnen,
die Rom sonst zu bieten hat. Vom Bürgersteig aus kann man immerhin einen
weniger riskanten, aber ebenso lohnenden Bli auf die Faade der Kire
San Carlo alle Quaro Fontane (Sankt Karl bei den vier Brunnen) riten,
die nit nur wegen ihrer gedrängten Dimensionen liebevoll San Carlino
genannt wird. Diese Kire ist eines der ganz großen Werke des
Meisteraritekten Francesco Borromini (1599–1667), der sie 1634 für den
spanisen Orden der barfüßigen Trinitarier (Trinitari Scalzi del Riscatto)
entwarf, einem armen, äußerst sliten Mönsorden, der si dem
Freikauf der ristlien Gefangenen von den «Türken› versrieben hae
und deen Hauptaufgabe darin bestand, für diesen Zwe in Europa Geld zu
sammeln.
Borromini ist ungemein witig für Rom, und seine Bedeutung wäre no
sehr viel beer zu erkennen, wenn er in einer anderen Epoe oder in einer
anderen Stadt gelebt häe, wenn er also nit von der matvollen,
expansiven Präsenz eines zweiten Genies erdrüt worden wäre: Gian
Lorenzo Bernini (1598–1680). Stadeen begab es si, da diese beiden
Ausnahmekünstler nebeneinander und nit selten gegeneinander arbeiten
muten. Uns Nageborenen ist damit die Möglikeit gegeben, zwei
grundversiedene Visionen von Religiosität einander gegenüberzustellen,
die in beiden Fällen während der dramatisen Jahre der Gegenreformation
im Saen des Vatikans entstanden sind. Bernini öffnete si der Welt und
umspannte sie mit der Weite seines Genies, Borromini dagegen war
versloen und zog si zunehmend in si selbst zurü, bis zu seinem
fürterlien Ende, auf das wir no kommen werden.
Bernini erprobte sein Talent auf allen Gebieten, einsließli derer, die
wir heute Public Relations nennen würden. Im Grunde tat er immer, was er
wollte, immer aber mit dem Ansein, vor allem seinen Auraggeber
glüli maen zu wollen. Au darin war Borromini das ganze Gegenteil:
Er zeigte si unduldsam und abweisend, häe im Leben niemals
irgendetwas aus Vergnügen getan, stellte in einer Epoe, in der vor allem
Gehorsam gefragt war, immer wieder demonstrativ seine Unabhängigkeit
zur Sau. Der Rom-Besuer hat das große Glü, im Abstand von nur
wenigen hundert Metern, also beinahe Seite an Seite, zwei Hauptwerke
dieser beiden Künstler bewundern zu können: San Carlino von Borromini
und Sant’Andrea al Quirinale von Bernini.
Beginnen wir mit der Kire San Carlino. Auf dem winzigen Grundstü,
das den Mönen zur Verfügung stand, gelang es dem damals
fünfunddreißigjährigen Borromini, ein Dormitorium für zwanzig
Ordensbrüder und ein Refektorium unterzubringen; außerdem die
Bibliothek, einen Kreuzgang und sließli die Kire selbst einsließli
ihrer unterirdisen Krypta. Die Bauarbeiten für das Kloster begannen im
Februar  1635, drei Jahre später wurde mit der Kire begonnen, deren Bau
aber mehrmals unterbroen wurde. Dies führte jedes Mal zu großen
Verzögerungen, vor allem bei der Faade, die lange Zeit kahl blieb und zu
der der Künstler erst in fortgesrienem Alter wieder zurükehren, deren
Vollendung er aber nit mehr erleben wird. Bei seinem Tod war ledigli
das Untergeso der zweigesoigen Faade beendet, sein Neffe
Bernardo Castelli wird das Werk zu Ende bringen.
Die Faade springt im mileren Teil wie in einer Wellenlinie konvex na
vorn, die beiden Flanken weien konkav zurü, sie kulminiert oben vor
einem winzigen Campanile in einem zugespitzten Dreiesgiebel. Die
Bewegung der Faade ist stürmis, es gibt keinen no so winzigen
Berei, der nit mit einem Ornament, einer Nise, einer Statue, einem
Fries, einem Symbol gezeinet, geplant, gefüllt wurde. Rets und links des
Eingangstors befinden si zwei ovale Fenster, unter beiden je ein
Hirskopf, deen Geweih einen Kreis bildet, in den das Trinitarierkreuz
eingesrieben ist, unter den Köpfen eine Girlande.
Über der Tür ein Stowerk mit drei Statuen, die aber ein Werk des Neffen
Bernardo sind. Die zentrale Figur, eine Darstellung San Carlo Borromeos,
steht in einer von zwei großen zusammengewasenen Flügeln gekrönten
Rundnise, darunter zwei Engel, an ihrer Seite jeweils zwei Säulen, die in
Kapitelle münden, deren Ornamentalkomplex eine Stilmisung ist. Das
Gesims im zentralen Teil öffnet si zu einer bewegten Balustrade; es folgen
weitere Nisen, Säulen, Paneele, Palmenzweige, Kreuze, ein großes Fenster
mit Baldain, ein von weiteren zwei Engeln gehaltenes Medaillon, das
ursprüngli ein später verlorengegangenes Affresco der Dreifaltigkeit
enthielt. Diese nit einmal vollständige Besreibung der Faade mag
ansatzweise eine Vorstellung der enormen Menge an Informationen und
Botsaen vermieln, die der Künstler in eine so begrenzte Oberfläe
hineinzupaen wute.
Wenn man die Swelle übersrien hat, steht man in einem elliptis
anmutenden Raum,[3] in dem eine helle, fast weiße Farbgebung dominiert,
einzig unterbroen vom Goldbelag einiger kleiner Fenster und der
Altarrahmen. Die Wände sind bewegt wie das Äußere. Elastise – konkave
und konvexe – Kurven, Säulen, Nisen, einige davon mit rhythmisen
Travéen, andere mit einer doppelten Musel versehen, wieder andere mit
spitz zulaufenden Bläern angereiert, weseln si ab. Außerdem Reliefs,
Gesimse, Vorsprünge, siefe Ebenen, Kurvenspiele. Die Dee (das Innere
des Kuppelgewölbes) ist ein Meisterwerk für si, mit einem Gewirr von tief
in die Fläe gearbeiteten Stukaeen, die eine dite Abfolge von
Seseen und Ateen mit dem dazwisengesobenen Trinitarierkreuz
bilden. In den Zwieln vier Stumedaillons.
In die Ausbutungen der Wände hat der Aritekt Treppen eingearbeitet,
die den Eingang zur Sakristei und zwei winzigen Kapellen bilden, eine zur
Reten des Eingangs, die andere zur Linken des Hauptaltars. Hier werden in
einer Urne die sterblien Überreste der «seligen» Elisabea Canori Mora
(1774–1825) auewahrt, die Tertiarierin des Trinitarierordens war, eine sehr
unglülie, sehr fromme Frau, die si, nadem sie ein bewegtes
Familienleben hinter si hae, hingebungsvoll den Armen und Kranken
widmete. In einem Flur des Konvents sind die beiden Geißeln ausgestellt
(eine aus Seilen und eine aus Eisen), mit denen si die «Selige» hart zu
zütigen pflegte.
Auf derselben Straßenseite in Ritung Piazza del Quirinale steht in ein
paar Dutzend Metern Entfernung die Kire Sant’Andrea, ein meisterhaes
Spätwerk Gian Lorenzo Berninis, erbaut nur wenige Jahre, nadem San
Carlino 1646 geweiht worden war. Der Bau von Sant’Andrea begann 1658.
Obwohl San Carlino dur ein ditgewirktes, bewegtes Dekor und eine
hohe erfinderise Intensität in Erstaunen setzt, ist der beherrsende
Eindru, den man von dieser Kire mitnimmt, ihre ergreifende Slitheit.
Au wenn man von einem fast hektisen Erfindungsreitum spreen
kann, ist ihre Grundkonstruktion streng und in der vorherrsenden
Farblosigkeit der Raumgestaltung einfa. Wer no mit diesem kalkweißen
Ambiente vor Augen Sant’Andrea betri, ist wie vom Slag getroffen, wenn
er plötzli auf die geballte Prat der untersiedlisten Farben tri:
polyromer Marmor, prunkvolle Malereien, das überladene Dekor der
Kapellen, die Engel mit wehenden Gewändern, als habe sie ein Wirbelwind
in Aufruhr versetzt, theatralis in ihrer Haltung, emphatis, swülstig,
herrli. Weder Borromini no Bernini verlangten Geld für ihre Arbeit,
beide aber beanspruten als einzige Kompensation, diese in völliger Freiheit
und Unabhängigkeit ausführen zu können. Au deshalb offenbaren diese
beiden Kiren das Wesen ihrer Söpfer und würden au ohne
Hinzuziehung anderer Werke zum Verständnis ihrer Persönlikeiten
vielleit son ausreien.
Zuallererst die Form: Beide Kiren haben einen ovalen Grundri,
denno ist der Untersied zwisen der von Borromini konzipierten
elliptisen Form und Berninis perfektem Oval bemerkenswert.
Untersiedli das Lit, von dem das Innere der beiden Gebäude
durflutet ist: weiß und kalt in San Carlino; golden, warm, beruhigend,
luxuriös in Sant’Andrea. Untersiedli die Aus smüung, au weil es
dort die armen Trinitarier waren und hier die mätigen Jesuiten, und in der
Tat ist die prunkvollste der Kapellen in Sant’Andrea dem Gründer der
Jesuiten, dem hl. Ignatius von Loyola geweiht. Die beiden Meisterwerke sind
von so radikaler Untersiedlikeit, da man, wenn da nit das
Verbindende gewier Symbole wäre, an zwei grundversiedene Religionen
denken könnte. Gerade die Untersiede sind es jedo, die uns begreifen
laen, was unter Baro zu verstehen ist, und vor allem, weles
«politise» Manifest die Kire diesem Stil übertrug, der lange Zeit ihr
Markenzeien war.
Do lät si mit dem Begriff des Baro (ital. barocco) überhaupt ein
bestimmter Stil faen? Ein definierter Berei von Raum und Zeit?
Bezeinet er nit eher ganz allgemein eine Kultur? Eigentli umfat der
Baro eine Strömung von so übersäumender Vitalität, die si
naheliegender über eine Negation definieren lät: Baro ist alles, was nit
klais ist. Au wenn der Philosoph Benedeo Croce (1866–1952) unret
hae, der ihn als «Nit-Stil» betratete, im Grunde sogar als
«gesmalos», so hat er ihn do ritig vor allem als Indikator für ein
identifizierbares kulturelles und spirituelles Klima gesehen.
Genau dies kann man an diesen beiden Kiren ablesen. Ihre eklatante
Untersiedlikeit verweist nit nur auf die grundversiedenen
Temperamente ihrer Urheber, sondern au auf zwei grundversiedene,
sehr weit auseinanderliegende geistlie Konzeptionen.
Jeder Künstler kennt die Besränkungen seines Berufs, die des
Aritekten sind aber vielleit am erdrüendsten, denn er hat mit
Elementen zu operieren, die fast nit modifizierfähig sind: dem Material
und dem Raum. Als der junge Borromini si dem Bau des San Carlino
widmete, wute er, da er alles, was die wae ren Möne von ihm
verlangten, an der Straßenfront der Via XX Seembre entlang auf einer sehr
begrenzten Länge von 24 Metern erbauen mute. Und es mute sowohl die
Kire als au das Kloster hineinpaen. Zu allem Überflu hae das
Grundstü mit einer dur den Brunnen abgesnienen Ee au no
eine unregelmäßige Form. Dur die Swierigkeit genötigt, vielleit aber
au angeregt, studierte er ausgiebig alle Details und reierte sie dur eine
Unmenge an Fineen und ausgeklügelten Lösungen an, vom Grundri bis
zu den Balustraden, von den Nisen bis zum Gloenturm und zur
einzigartigen Innengestaltung der Kuppel. Und der Faade natürli: mit
Ideen von einer Kühnheit, die einer aufs Äußerste reduzierten Fläe eine
Gliederung und einen Atem verliehen, die ohnegleien waren.
Ein Berei, den si kein Besuer entgehen laen sollte, ist das Kloster.
Zugang dorthin hat man dur eine kleine Tür neben dem Hoaltar. Der
Grundri ist eigentli reteig, do sind die Een konvex abgesrägt,
zweistöige Arkaden umgeben das Geviert mit Säulenpaaren. Die
Balustrade im Obergeso ruht auf eleganten kleinen Säulen, die Bauung
der Baluster ist einmal na oben und einmal na unten gewandt. Im
Zentrum ein söner ateiger Brunnen, für den Borromini sogar
persönli die krönende Smiedeeisen-Konstruktion entwarf. In dem
kleinen Kreuzgang spielt au das Lit seine Rolle, das die Saen der
Rundbögen, der Balustraden, der Säulen je na Tageszeit untersiedli
modelliert. Damals wurde gesagt, da diese kleine Kire in einen der
Vierungspfeiler der Kuppel des Petersdoms hinein paen würde. Das ist
zwar ritig, do wäre es angesits der Spannbreite und Kreativität dieses
Künstlers  – trotz seiner tiefen Religiosität  – ein Irrtum, Borromini in die
Sublade der Sakralkunst steen zu wollen.
Was zählt, ist der liebevolle und besinnlie Charakter des Ortes, das
Wunder, hier Räume zu erleben, deren Zauber wie kaum sonst irgendwo auf
der Welt eine Aura der Ruhe und die Heiterkeit des Sakralen autrahlt.
Biographis ist von Bedeutung, da San Carlino der erste Aurag war,
dur den Borromini si im kleinen Kreis seiner Bewunderer den Ruf eines
Aritekten erwarb, der fähig war, planerise Begabung mit
betriebswirtsalien Fähigkeiten zu kombinieren. An diesem Aurag
verdiente er, wie aus den Dokumenten hervorgeht, keinen Heller: «Wir
können bestätigen, da er von unserer Bauhüe nie einen einzigen Julius
erhalten wollte», sreibt Fra’ Juan de San Bonaventura, der Prior des
Ordens, der gewienha die Oberaufsit über die Bau arbeiten an der
Kire ausübte. Und der im Übrigen verwundert notiert, da diese Kire so
sön sei und «so einzigartig na Ansit aller, da es seint, als gäbe es
auf der ganzen Welt nits ähnli Kunstvolles und Ungewöhnlies».
Eine weitere sarfsinnige Beobatung fügt der Frate hinzu, wenn er
sreibt, da das Bauwerk «wohlfundiert» sei «auf den Antiken und auf den
Srien der besten Aritekten». Sließli beritet er, da bei den
Mönen immer wieder Anfragen von Ausländern eingingen, sogar aus dem
fernen Indien, die Einsit in die Entwürfe und Projektzeiungen haben
wollten. Die größten Elogen widmet er der herausragenden Profeionalität,
mit der der Aritekt die Bautruppe und die Arbeit leitete, beginnend mit der
Verteilung

… der Materialien an die Handwerker auf eine Weise, da er diese Arbeit, die viele Tage in
Anspru genommen häe, so einfa mat, obwohl sie swierig ist, als sei es eine
anspruslose, ganz normale Verritung: weil besagter Francesco dem Maurer eigenhändig
die Kelle führt, dem Stuateur den Spatel ausritet, dem Tisler die Säge, dem Steinmetz
den Meißel, dem Fliesenleger die Fliesen und dem Smied die Feile, soda zwar die Qualität
auf seinen Baustellen groß ist, nit aber die Kosten, womit er seinen Konkurrenten eine
Lehre erteilt.

In ganz Rom hae man nie einen Aritekten von Rang gesehen, der si
dazu herabließ.
Die Chronik des Frate zeigt uns also einen Mann von großem Talent,
begierig, si mit seinen Handwerkern zu unterhalten, fähig, einen jeden in
seiner Kunst anzuleiten, nit weniger als ein Oresterdirigent, der
imstande sein mu, den versiedenen Instrumentalisten die Dynamik oder
die Phrasierung eines Satzes vorzugeben. «Francesco» nennt ihn der Mön,
und in der Tat war dies der wahre Name dieses Mannes, der üblierweise
Borromini genannt wird: Francesco Castelli, geboren in der Sweiz, in
Bione (Tein), einem beseidenen Fiserdorf am Luganersee, am
27.  September  1599. Über Gian Lorenzo Bernini wien wir viel mehr, weil
ständig über ihn gesrieben wird und seine Werke seit Jahrhunderten an
den berühmtesten Plätzen Roms stehen, vor den Augen aller. Über Borromini
wien wir weniger, son zu seinen Lebzeiten haben ihn die Chronisten
vernaläigt, weil es nit viele Gesiten über ihn gab, die seiner
Existenz Farbe und Leben häen einhauen können. Bekanntli brauen
die Biographen Fleis und Blut, um ihre eigene und die Phantasie ihrer
Leser zu beflügeln.
Im Rom des 17.  Jahrhunderts besetzt Bernini mit seinem strahlenden
Genie jahrzehntelang so maiv das Zentrum der Szene, da sie ohne ihn
geradezu leer wirken würde. Im Übrigen hae er sehr früh begonnen,
entdet dur Kardinal Scipione Borghese, den Neffen Papst Pauls  V., der
ihn nit zu Unret für ein enfant prodige hielt. Bernini arbeitet ohne
Unterla und wird der Stadt eine in vieler Hinsit endgültige
Physiognomie aufprägen. Er ist der Favorit der Mätigen, er beherrst das
Leben am päpstlien Hof, er füllt die Weite und den Prunk der Säle mit
seiner Präsenz, er erhält fortgesetzt öffentlie und private Auräge, er ist
raffiniert, verführeris, betört seine Zuhörer, ist si dabei seines Talents
wohl bewut, vielseitig, gewandt, und er tut nits, um seine faceenreie
Kreativität zu verbergen. Er ist Maler, Bildhauer, Aritekt, Dekorateur,
Bühnen- und Kostümbildner für das eater, Meister der Pyrotenik. Man
sagt ihm na, er sei das letzte Universalgenie der Renaiance gewesen.
Man sagt ihm außerdem na, er habe, wie Wagner oder Beethoven, keinen
künstlerisen Erben hinterlaen, um damit diejenigen, die si als seine
Naahmer versuten, der Läerlikeit preiszugeben.
Aber nit er ist es, sondern sein Gegenpart, der melanolise
Borromini, der das Feld der Zukunsaritektur bestellt, au wenn man
dies erst Jahrzehnte später entdeen wird. Borromini, der Rivale und in
einigen Situationen sogar der Feind, der Mann, der es gewagt hat, Bernini
herauszufordern, und dem es bei einer Gelegenheit sogar gelungen ist, eines
seiner Werke niederreißen zu laen, um es dur ein eigenes zu ersetzen.[4]
Während Bernini von Natur aus eine theatralise Ader hat, ist der andere
ein Mann weniger Worte und no weniger Kleider, imstande, no nie
dagewesene Linien, Swünge, Ornamente und Meanismen zu erfinden.
Wie es der Mön von San Carlino sehr ritig beobatet hat, söp er aus
den klaisen Vorbildern, weiß aber, was er verändern mu, um diese zum
Vibrieren zu bringen, wie er sie seinem eigenen Gesma, den tenisen
Erfordernien, dem Geist der Zeit auf «einzigartige und außerordentlie»
Weise anverwandeln kann.

Francesco Castelli war ein Kind von neun Jahren, als er das nit immer
unbeswerte Leben am Ufer seines Sees verließ, um na Mailand zu
ziehen. Als Steinmetz-Lehrling arbeitete er in der Dombauhüe und lernte
die Geheimnie der Maurerkunst, die, wenn sie auf höstem Niveau
ausgeführt wird, feinstes Kunsthandwerk ist und bestimmt nit geringer zu
bewerten als die des Kunsislers oder Kunstsmieds. Als er Jahre später
die Faade des Oratoriums von S. Filippo Neri bauen ließ, direkt neben der
Chiesa Nuova am Corso Viorio, hae er vor, die gesamte Fläe so zu
modellieren, «als sei sie ein einziges Stü aus Terrakoa».
Da er seinen Wuns nit in die Tat umsetzen konnte, setzte er alles
daran, zumindest eine analoge Lösung zu finden. Wie man an den Bauten
der Antike sehen kann, sind die römisen Ziegel sehr fein und ebenmäßig.
Sie nimmt er si zum Vorbild, genau sole lät er herstellen, und er ordnet
an, die Zwisenräume des Mauerwerks nur mit einer ganz feinen Sit
Mörtel zu versehen, um den Durmeer der Fugen so gering wie mögli
zu halten. Damit kommt er der Idee von «Terrakoa» sehr nahe, mit der er
den Wünsen seiner Auraggeber entspreen wollte, die von ihm
«Positivität und Beseidenheit» verlangten, um die Faade des Oratoriums
«ärmli» auehen zu laen, das direkt neben der majestätisen Chiesa
Nuova von Santa Maria in Vallicella erritet werden sollte. Da ein
Meisterwerk dabei herausgekommen war, mute smallippig sogar Bernini
zugestehen. Der beanstandete ledigli, da der Charakter des Gebäudes
eher einem «Gartenpavillon» entspree als einem religiösen Bauwerk.
Kaum dem zarten Jünglingsalter entwasen, besließt Francesco, na
Rom zu gehen. Er verlät also den Mailänder Dom und begibt si zu Fuß in
die katholise Hauptstadt. Er slä in Klöstern, it, wo er etwas bekommt.
Er ist ein junger Mann, der zwei Feuer in si spürt: das der Religion und das
seines Handwerks. Bei einem Cousin müerlierseits, der im Vicolo
dell’Agnello (heute: Vicolo Orbitelli) nit weit von der Chiesa di San
Giovanni dei Fiorentini am Tiberufer wohnt, findet er eine Unterkun.
Dieser Cousin namens Leo (Leone) ist ebenfalls Steinmetz und aus derselben
Teiner Region na Rom gekommen, in der die Kunst des Skulptierens oder
Modellierens von Stein verbreitet ist. Diese Region hat der Aritektur außer
Borromini no weitere illustre Namen gesenkt, die größten darunter sind
Carlo Maderno und Domenico Fontana. Dieser Cousin arbeitet als
Maurerpolier in der fabbrica des Petersdoms und ist außerdem mit einer
gewien Cecilia verheiratet, einer Nite des großen Maderno.
Folgli findet Francesco, wie fast alle Immigranten, seine erste Stelle im
familiären Umfeld. Auf den Gehaltslisten von San Pietro wird er glei mit
seinem neuen Namen Francesco Bromino oder Borromino geführt. Der
Grund dafür soll in seiner Ergebenheit – und der seiner Familie – gegenüber
dem heiligen Erzbisof Carlo Borromeo gelegen haben; Bione gehört zur
Erzdiözese Mailand, die im 16. und 17.  Jahrhundert von zwei bedeutenden
Kirenfürsten aus der Familie Borromeo geleitet wurde; zu dieser gehörten
au die na ihr benannten Borromäisen Inseln im Lago Maggiore.
Mögli ist au – sehr viel banaler –, da der Name dazu diente, ihn von
den vielen Castellis zu unterseiden, die in der Bauhüe arbeiteten.
Der Erste, der ihm etwas zutraut, ist ausgerenet Maderno, der den
jungen Landsmann als Aistenten in sein «Büro» ru, ihm die Ausführung
von Zeinungen aurägt und ihn sogar son die eine oder andere
Detaillösung erfinden lät. Hin und wieder gestaet er ihm, beim
Reinzeinen der Pläne die eine oder andere Variante vorzunehmen.
Maderno hat die Sezig übersrien, im Umgang mit seinem Süler pflegt
er einen barsen Ton, au wenn hinter dieser Rauheit und Reizbarkeit zu
spüren ist, da er für seinen angeheirateten Verwandten eine Wertsätzung
hegt, die gelegentli an Zuneigung grenzt. Er wirkt älter als 65 (wir
befinden uns ungefähr im Jahr 1620), leidet an Nierensteinen und hat so
große Swierigkeiten beim Gehen, da er auf seinem Klosestuhl
herumgetragen werden mu. Obwohl er es si nit anmerken lät, ist ihm
dieser sweigsame und zuglei einfallsreie junge Mann, der in seinem
Studio ein- und ausgeht und imstande zu sein seint, seine Wünse im
Voraus zu erkennen, ein großer Trost.
Der zwanzigjährige Borromini ist sweigsam. Wenn er nit arbeitet,
studiert er, und in den Arbeitspausen, wenn die anderen Zerstreuung suen,
konsultiert er die Büer, zeinet er seine ungewöhnlien Linien, sut er
na unerwarteten Lösungen. Seine Bibliothek ist gut ausgestaet, er besitzt
Büer aus vielen Fagebieten: Mathematik, Hydraulik, Physik. Es finden
si aber au die Klaiker, ebenso wie Werke aus dem Berei, den wir
heute mehr oder weniger als Chemie bezeinen würden, der seinerzeit aber
Gegenstände einslo, die an der Grenze zum Übernatürlien und zur
Magie lagen: alemistise Transformationen, die Symbole und die
geheimen Eigensaen in der Natur der Dinge und der Worte.
Möglierweise gehörte Borromini zu einer Vorgängerorganisation der
(offiziell erst 1717 entstandenen) Freimaurerei, die si Corporazione dei
muratori (Korporation der Maurer) nannte.[5]
Sein Erseinungsbild ist, zumindest in jungem Alter, angenehm, sein
Biograph Filippo Baldinucci besreibt ihn mit den Worten «Ein Mann von
hohem und sönem Wus, mit kräigen und robusten Gliedern, von
starkem Geist und anderen edlen Vorstellungen.» Ein anonymer Sti
dagegen zeigt ihn uns – allerdings in bereits fortgesrienem Alter – mit
unruhigem, strengem Gesit, offenkundig gezeinet von einer Neurose,
einer «Melanolie», die ihn nie verlaen wird, gepaart mit tiefer
Religiosität, die si dur die Weselfälle des Lebens no verstärkt, bis zu
seinem verhängnisvollen Selbstmord. Ein heutiger Arzt würde bei Borromini
auf Anhieb ein manis-depreives Syndrom diagnostizieren, eine damals
unbekannte, rätselhae Gemütskrankheit, deren Symptome man zwar
erkannte, für die aber niemand eine erapie parat hae.
Diese Krankheit kommt au in Borrominis altmodis swarzer, im
spanisen Stil gehaltenen Kleidung zum Ausdru, die in seinen
Jugendjahren en vogue gewesen war. Einem weiteren seiner Biographen,
Giovanni Baista Paeri, zufolge trat Borromini «immer in derselben
Haltung und mit derselben altmodisen Kleidung auf, ohne der Mode zu
folgen, wie es heute übli ist».[6] Dabei darf man aber nit vergeen, da
Borromini sein Arbeitsleben in der Lombardei begann, die zwei Jahrhunderte
lang (bis 1714) unter spaniser Herrsa gestanden hae, derselben, von
der Manzoni in seinem Roman erzählt.[7]
Borrominis Melanolie erinnert natürli an die Melanolie eines
anderen berühmten italienisen Künstlers, die des Torquato Tao (1544–
1595). Beim Diter des «Befreiten Jerusalem» (La Gerusalemme liberata,
1575) zeigte si der Wahnsinn allerdings deutlier und slug si in so
eklatanten Verhaltensweisen nieder, da seine Gönner gezwungen waren,
ihn an bewaten Orten einzusließen. Borrominis Melanolie dagegen
blieb ganz na innen gekehrt, die äußeren Symptome besränkten si auf
eine gewie Sprödigkeit des Temperaments, auf Swierigkeiten in den
Beziehungen zu anderen Mensen und, wenn man so will, auf eine
unnatürlie Keusheit. Borromini wurde geboren, als Tao son vier
Jahre tot war, die beiden Künstler haben in sehr untersiedlien
Gesellsaen gelebt, und do kann man in ihrer Haltung dem Leben
gegenüber mehr als eine Ähnlikeit erkennen. Der Wahnsinn Taos war
swerer, die Neurose Borrominis kruder, zwar blieb ihm die Pein der
Einweisung erspart, aber im Untersied zu Tao hat er, soweit wir wien,
niemals die Zuneigung einer Frau oder eines Freundes erfahren.
Ein einziges weiblies Wesen gab es in seinem Leben, die ergebene Magd
Maea, die lange Jahre in seinen Diensten stand. Am Ende des Tages zog
si Francesco in seine Wohnung zurü, wo seine einzige Gesellsa die
Büer und die Projekte waren, an denen er im Lite der rauenden
Flamme einer Öllampe bis tief in die Nat weiterarbeitete. Eine seltene
Zerstreuung war der gelegentlie abendlie Besu des Oratoriums im
Ospedale di Santo Spirito (Krankenhaus zum Heiligen Geist), wo er Giacomo
Cariimi dabei zuhörte, wie er an der Orgel die von ihm selbst komponierte
Musik spielte. Mit diesen Kompositionen, die mit Palestrina[8] begonnen
haen, entstand die heute als «Oratorium» bezeinete Musikform, au sie
eines der Gesiter der Gegenreform.[9]

Gian Lorenzo oder beer Giovan Lorenzo Bernini ist dur Zufall in Neapel
zur Welt gekommen. Sein Vater Pietro, ein aus Sesto Fiorentino (bei Florenz)
stammender Bildhauer, hae dort auf der Baustelle des Klosters Certosa di
San Martino Arbeit gefunden. In Neapel blieb er aber nur kurze Zeit. Im
Jahre 1605, mit sieben Jahren, war er mit seiner Familie jedenfalls son in
Rom. All das, was dem nur ein knappes Jahr jüngeren Borromini fehlte, hae
Bernini im Überflu: Zuneigung, Anerkennung, Reputation, Geld, Ruhm.
Zu Beginn des 17.  Jahrhunderts war in Europa eine ganze Reihe von
Genies am Werk, die ihre Zeit geprägt haben, von Shakespeare bis
Rembrandt, von Galileo bis Descartes, von Leibniz bis Newton. Au in
Rom, wo gleizeitig Caravaggio, die Carracci-Brüder und Rubens tätig
waren, um nur einige zu nennen, war dies eine außergewöhnlie Phase für
die Künste. Mehr no als in den anderen Territorien des Kirenstaates
herrsten in Rom aber die eisernen Regeln, die na Luthers Reformation
von der Kire auf künstlerisem Gebiet festgelegt worden waren.
Der größte Teil der in dieser Periode entstandenen Werke spiegelt au
ganz klar den devotionalen und erbaulien Zwe wider, zu dem sie bestellt
und ausgeführt wurden. Weil es keine Bourgeoisie gab, wie in anderen
Ländern, etwa in den Niederlanden, waren die Auraggeber ohnehin fast
auließli die Kirenfürsten, reie, kultivierte Kardinäle, die begierig
waren, ihre Wohnsitze, ihre Landhäuser, ihre Parks pratvoll auszustaen
und zu versönern. Pietro Bernini wurde von Paul  V. (Camillo Borghese,
1605–1621) na Rom gerufen, der 1605 als Kompromipapst gewählt
worden war und si als ein troener, pflitbewuter Bürokrat erwies.
Unter anderem gab er bei Bernini den Bau der Familienkapelle in der Kire
Santa Maria Maggiore in Aurag, die na ihm Paolina genannt wurde. Dort
realisierte Pietro das, was als sein Meisterwerk betratet wird, eine «Mariä
Himmelfahrt», in der ineinander verslungene musizierende Engelsfiguren
Jesu Muer in den Himmel geleiten, während einige der Apostel dem
Wunder mit, man könnte sagen, ret besorgter Miene beiwohnen. Die
meisten Künstler der Zeit stammten entweder aus Künstlerfamilien oder sie
waren in irgendeiner Werksta ausgebildet worden. Gian Lorenzo war
beides: Er wus im Atelier des Vaters auf, atmete von Kindesbeinen an
diese Lu, erlernte spieleris die Geheimnie der Kunst. Vielleit wäre er
au ohne dies ein großer Künstler geworden, denn Bernini der Jüngere
hae es, wie Roini oder Mozart, Picao oder Stravinskij, nit nötig, seine
Kunst zu erlernen, er hae sie im Blut.
Papst Paul  V. hae seinen Lieblingsneffen Scipione Caffarelli Borghese,
wie damals übli, zum Kardinal und Oberaufseher des Kirenstaats
gemat. Scipione ist es, der Gian Lorenzo rufen lät, neugierig geworden
dur die Erzählungen, die über diesen Wunderknaben im Umlauf waren.
Domenico Bernini, Gian Lorenzos Sohn, besreibt in der Vita seines Vaters,
wie vorbildli si der Junge bei dieser so witigen Begegnung verhielt:
«Er legte eine sole Misung aus Lebhaigkeit und Beseidenheit, aus
Unterwürfigkeit und Geistesgegenwart an den Tag, da er das Herz des
Fürsten im Fluge eroberte und dieser ihn umgehend dem Papst vorstellte.»
Mit dieser zweiten, no entseidenderen Unterredung, siert si Gian
Lorenzo auf triumphale Weise seine Zukun.
Um ihn auf die Probe zu stellen, bat ihn Papst Paul V. nämli darum, ihm
aus dem Stehgreif und in seiner Anwesenheit einen Kopf zu zeinen. Kein
bien eingesütert fragte Gian Lorenzo den Papst mit betörender
Naivität, was für einen Kopf er denn wünse, den eines Mannes oder einer
Frau, welen Alters und welen Ausdrus. Das Haupt des hl. Paulus,
antwortete der Papst. Innerhalb einer halben Stunde vollendete der junge
Bernini den Kopf. Die Ausführung war so, da der Papst mit einiger
Verwunderung zu den umstehenden Kardinälen sagte: «Dieser Junge wird
der Mielangelo unserer Zeit.» Au dieser Satz ist von Domenico
überliefert, und natürli ist es denkbar, da er aus Sohnesliebe übertrieben
hat. Gewi aber ist die Bewunderung Pauls  V., der zwölf Goldmünzen in
Gian Lorenzos kleine Hand fallen lät. Das erste dank seines
außerordentlien Talents selbstverdiente Geld.

ema dieses Bues ist aber nit die Kunstgesite, sondern die
päpstlie Politik, einsließli der Kunstpolitik. I mu mi also auf die
Darstellung der einen oder anderen Episode besränken, die die Beziehung
der beiden großen Künstler zueinander und zu der Mat illustrieren, von
der alle beide abhingen. Mit einer slagkräigen Formel hat der Maler und
Historiker Filippo Baldinucci (1624–1696) Borrominis Existenz
zusammengefat: «Er war maßvoll in der Ernährung und lebte keus. Er
sätzte seine Kunst sehr ho und für die Liebe zu ihr seute er keine
Mühe.»
Ein derart zurügezogenes Leben konnte ihn natürli nit
voranbringen. Rom war, wie es son immer gewesen ist, eine Stadt, in der
eine plakative, vollkommen veräußerlite Religiosität mit einer
weitverbreiteten Korruption einherging, und wenn es nit direkt Korruption
war, so do zumindest ein eingefleister Opportunismus, bisweilen au
eine Verslagenheit, die nit selten an Zynismus grenzte. Selbst wenn sein
störriser Charakter nit gewesen wäre, häen son Borrominis mit
hoher Integrität und Moralität gepaarter Eigensinn und seine Rigorosität
ausgereit, um ihn in einem sleten Lit erseinen zu laen. Sein
Rivale Bernini dagegen wute, wie er si in Szene zu setzen hae, wie er
die Aufmerksamkeit und das Wohlwollen der Anwesenden auf si ziehen
konnte, egal, wen er vor si hae. Im Gegensatz dazu vermielte Borromini
den Eindru, ein herriser und, mit einem Wort, «unsympathiser» Mann
zu sein.
Au im Verhältnis zum Geld waren die beiden einander äußerst
unähnli. Dem Biographen Leone Pascoli zufolge war Borromini «auf
gesäliem Gebiet … ziemli eigen, nie forderte er von irgend jemandem
den Lohn seiner Mühen no war er willens, si mit den Capimastri
zusammenzusließen, um au nit den Saen des Verdats auf si zu
lenken, er handle mit Berenung oder mae mit den übrigen Beteiligten
gemeinsame Sae». Man kann si unswer vorstellen, wie exzentris ein
soles Verhalten in diesem Rom wirken mute.
Kaum hat Bernini die Bauleitung und zusätzli das Amt des Aritekten
der Bauhütte von Sankt Peter übernommen, beru er Borromini zu seinem
Aistenten, vor allem für den tenisen Berei, wo dieser weit
fakundiger ist. Die Zusammenarbeit nimmt einen sleten Anfang.
Offenbar hat Bernini seine Position als Vorgesetzter ausgenutzt, um die
Arbeit des Kollegen auszubeuten, wobei er si verbal zwar in
Lobpreisungen über ihn erging, ohne diesen Elogen allerdings die
gebührende Vergütung folgen zu laen. Dazu Baldinucci:

Trotz der Tiraden, dem Boromino sei es zu verdanken, wenn die päpstlien Bauarbeiten gut
vorangekommen waren, stri der Bernini die Gehälter und Saläre sowohl der Bauhüe als
au des Palazzo Barberini selbst ein und nie gab er für die Mühen von so vielen Jahren
irgendetwas dem Boromino, sondern nur söne Worte.

Im Februar  1631 ist Borromini 32 Jahre alt, er ist nit mehr der junge
Steinmetz, der er fünfzehn Jahre zuvor war, als er in Rom ankam. Und do
wird er für sämtlie von ihm als «Aistent des Aritekten» ausgeführten
Arbeiten auf der Baustelle des Palazzo Barberini ledigli mit 25 Scudi
entlohnt. Bernini hae für andere, ähnlie Arbeiten 250 Scudi erhalten. Als
Borromini dies erfuhr, soll er, einem Biographen zufolge, ausgerufen haben:
«Es mifällt mir nit, da er dieses Geld erhalten hat, es mifällt mir aber,
da ihm die Ehre meiner Mühen zufällt.» Denno fährt er fort, Bernini
zuzuarbeiten, au weil es, so mu man annehmen, anders nit mögli
war. Die Feindseligkeit aber bleibt bestehen, manmal serzha, andere
Male von Migunst durdrungen.
Drei Päpste haben Einflu auf Borrominis Berufsleben. Ihm am
gewogensten war zweifellos Innozenz X. (Giambaista Pamphili, 1644–1655),
der 1644 als Nafolger Urbans VIII. Barberini auf den ron gelangt war. Er
war ein typiser Karriereprälat, den seine jahrzehntelange Erfahrung an der
Kurie die Kunst der Verstellung gelehrt und gegenüber seinen Mitmensen
mitrauis gemat hae. Von einem Chronisten wird er mit diesen
Worten besrieben: «Kein Freund der sönen Literatur no der Oratorien
no der Poeten, weshalb si viele vergebens bemühen, ihm Srien
vorzulegen, denn sie sind von ihm weder erwünst no gesätzt.»
Papst Pamphili war nit nur derb, er geriet au sehr leit in Rage, ließ
si dabei zu Gewalätigkeiten hinreißen, und als ob das nit genug wäre,
war er außerdem sehr häli. Die einzige Person, die offenbar in der Lage
war, ihn zu besänigen, war Olimpia Pamphili, geborene Maidalini, eine
Matfrau und Intrigantin, in zweiter Ehe mit einem seiner Brüder
verheiratet (daher der Familienname), angebli au die Geliebte des
Papstes, deen Wahl sie befördert hae. Der arme Innozenz starb im
Januar 1655 na langer Agonie, während der seine Verwandten, und allen
voran Donna Olimpia, alles zur Seite saen, was mögli war. Drei Tage
lang ließ man seinen Leinam in einem Lagerraum hinter der Sakristei von
San Pietro liegen. Es waren die Arbeiter, die dort Natwae hielten, damit
der in Verwesung begriffene Körper nit von den Mäusen gefreen wurde.
Später ließ ihm sein Neffe Camillo in der Kire Sant’Agnese auf der Piazza
Navona ein Denkmal erriten.
Das gemeine Volk von Rom nannte Olimpia verätli La Pimpaccia.[10]
An allen Straßeneen wurde getuselt, wele Sande es sei, da «die
Regierung Roms einer Nue» überlaen sei. Ihr Ruf war so nahaltig
desaströs, da der Impreionist Edouard Manet 1863 das berühmte Porträt
der Naten auf dem Be, die ihr Gesit sehr ungeniert dem Betrater
zuwendet (entferntes Modell war Tizians «Venus»), «Olympia» nannte und
dabei wahrseinli an die große Kurtisane der römisen
Gegenreformation date.
Ausgerenet Papst Innozenz  X. also, ein Mann, dem jede
Liebenswürdigkeit abgeht, begegnet Borromini mit Wohlwollen. Begünstigt
wird das dur die Ernennung von Virgilio Spada zum geheimen
Almosenier.[11] Pater Spada war ein gebildeter Priester, der zuvor, in den
Jahren, als Borromini am Oratorium arbeitete, Prior der Filippiner gewesen
war. Dur das neue Amt aufgewertet und gestärkt, mat Spada den Papst
auf die Tütigkeit des Künstlers und seine beispielhae Korrektheit in der
Lebensführung aufmerksam.
Der Papst, der si der Favoriten seines Vorgängers zu entledigen
wünst, gibt Borromini den Aurag, den Palazzo della Sapienza (wörtli
«Palast der Weisheit», die päpstlie Universität) fertigzustellen und dort
eine Kapelle zu erbauen. Eine großzügige Geste, do wieder einmal
bedeutet das für Borromini, ein bereits in Teilen von Anderen realisiertes
Projekt modifizieren und fertigstellen zu müen. Und wieder einmal siegt er.
Wie ein Chronist der Zeit notiert, bereitete dem Cavaliere Borromini weder
«die bunte Misung aus Een und Kanten und geraden und krummen
Linien Sorge …, no das Fehlen von hellem Lit, weil er wute, da der
Triumph und die Bedeutung des Aritekten erst aus den Swierigkeiten
erwäst».
Au Bernini fürtete Swierigkeiten nit. Man sagt ihm na, er habe,
wenn ihn die Umstände gelegentli dazu nötigten, das Porträt einer Person
zu malen, ohne das Modell vor Augen zu haben, ausgerufen: «Wenn man
wien will, was ein Mann kann, mu man ihn auf die Probe stellen.» Gian
Lorenzo erfreute si sein Leben lang fast konstant der Gunst der
Herrsenden, obwohl er, wie man si leit vorstellen kann, auf Sri
und Tri von Eifersut und Migunst umgeben war. Ihm am günstigsten
gesinnt war jedenfalls Urban  VIII. (Barberini), ein ehrgeiziger Mann und
Papst, der die Kunst na dem Trauma der Reformation zum bevorzugten
Medium der demonstrativen Zursaustellung des Triumphes der Kire,
au ihrer weltlien und kriegerisen Mat nutzen wollte. Papst Barberini
war Berninis großer Gönner, in Rom kursierte das geflügelte Wort: «Wenn
ihn Gian Lorenzo nit zudet, kann der Papst nit slafen.» Bernini
wurde au als das «Soßhünden des Papstes» bezeinet. Man
munkelte, die Vertraulikeit zwisen den beiden Männern sei so groß
gewesen, da der Papst, um die bösen Zungen zum Sweigen zu bringen,
den Künstler dazu gedrängt haben solle, si eine Ehefrau zu nehmen.
1627 erhielt Bernini von Papst Urban den Aurag zur Gestaltung seines
Grabmals. Er arbeitete jahrelang daran. Majestätis thront die Statue des
Papstes, die zweimal so groß ist wie deen natürlie Größe, in 4  Metern
Höhe, den reten Arm zum Segen erhoben, feierli umhüllt von den
sweren rituellen Gewändern. Zu seinen Füßen zwei Frauen, die Carità
(Barmherzigkeit) und die Giustizia (Geretigkeit), im Zentrum aber vor
allem der Sarkophag, auf dem ein versleiertes Skele mit dem Sriband
URBANUS VIII BARBERINUS PONT. MAX. hot. In dem Denkmal
misen si versiedenfarbige Marmorsorten mit getönter und vergoldeter
Bronze, eine akzentuierte aritektonise Aueilung mit bewut
malerisen Effekten. Das Grabmal allein würde ausreien, um deutli zu
maen, was der Baro in Rom war und wele Merkmale ihm der genialste
seiner Söpfer zu geben wute.
Während für Bernini fast alles (fast immer) einfa war, hae Borromini
im Gegensatz dazu stets mit unzähligen Swierigkeiten zu kämpfen, dazu
gehörte au das Projekt der Sapienza. Wenn man den Hof des Gebäudes
dur den Eingang am Corso Rinascimento betri, wird einem auf Anhieb
klar, was si der Künstler hae einfallen laen müen, um an eine
Konstruktion anzusließen, die von anderen nur zur Häle fertiggestellt
worden war. Der Vorgänger-Aritekt Giacomo Della Porta hae die den
Hof besließende Mauer konkav angelegt, weil er vorhae, auf dem Rest
des Platzes eine in eine viereige Form eingelaene kreisförmige Kire zu
erbauen.
Borromini änderte alles und entwielte den Grundri aus einem auf der
Spitze stehenden gleiseitigen Dreie, das über den Seitenmielpunkten
halbkreisförmig erweitert, an den Een aber segmentbogenförmig
besnien ist: der seszaige Stern, Maghèn David, der Sild Davids, der
jüdise Davidstern, Symbol der Weisheit, was si für eine Kire der
Sapienza ja besonders anbot. Darüber hinaus entwir er die
Universitätskapelle, wie son bei San Carlino, als Zentralbau, hier aber vor
allem, um das Anhören der Predigt zu erleitern, ausgesproen witig in
einer Kire, die für Profeoren und Studenten des Studium Urbis, der
städtisen Universität, gedat war.
In dem Grundri verborgen ist jedo au eine komplexe Formsymbolik,
zumal die beiden gekreuzten Dreiee, die den «Davidstern» bilden, das
Siegel Salomons darstellen, in dem die Synthese des hermetisen und
freimaurerisen Gedankens enthalten ist. Kombination und Verfletung
der Linien repräsentieren die vier Grundelemente des Universums: Feuer,
Lu, Erde, Waer. Die Anzahl der Sterne in der Kuppel ist 111, eine Zahl,
die au als 1+1+1 gesrieben werden kann, was in der Summe 3 mat,
seinerseits Zahlensymbol des Himmels und der Perfektion («Omne trinum
est perfectu» – «Alles Dreifae ist vollkommen»), der Dreifaltigkeit und
weiterer, magiser Elemente einsließli des mystisen Dreisris:
Reinigung, Erleutung, Einigung mit Go.
Der Symbolismus ist ein integraler Bestandteil von Borrominis
aritektoniser Formensprae. Symbole aus der Magie, der Freimaurerei,
der Esoterik, der Mystik werden bei ihm häufig zitiert. Au das Oratorium
der Filippiner strotzt vor flammenden Herzen und Lilien, Symbolen also, die
dem Gründer der Kongregation des Oratoriums, Filippo Neri (1515–1595),
lieb und teuer waren. Kronen und Palmenzweige (zuweilen in stilisierter
Form) sind Zeien des ewigen Lebens, sie können aber, wenn sie mit
Cherubim-Köpfen und salomonisen Säulen verbunden sind, au auf das
Allerheiligste im Salomon-Tempel verweisen. Der atzaige Stern, den
Borromini in der Bibliothek verwendet hat, symbolisiert die Kirenväter
etc.
Das aufsehenerregendste Symbol an der Chiesa di Sant’Ivo ist die
spiralförmig si in den Himmel sraubende Laterne, die eine kuriose
Krönung bildet und no heute ho über den Däern Roms emporragt.
Was bedeutet diese seltsame faszinierende Zinne, was soll sie darstellen?
Den Turmbau zu Babel? Eine Weinrebe? Eine Musel? Eine flammende
Krone? Oder hat der Kunsthistoriker Maurizio Fagiolo ret, wenn er
sreibt: «Die Spirale, eorem und Emblem der unendlien gölien
Weisheit, wielt si um den Raum wie die Slange der Ewigkeit.» Unter
den zahlreien Interpretationen erseint mir die des Turmbaus zu Babel
am plausibelsten, der (seit dem Stufentempel Zikkuraten in Mesopotamien)
immer wieder als kegelartiger Sa mit spiralförmig aufsteigenden Stufen
dargestellt wird. Das bekannteste Beispiel heute no existierender
Zikkurate ist das 52  Meter hohe Minare von Malwiya in Samarra (Irak),
ganz aus Tonbausteinen, aus dem 13.  Jahrhundert, ein Meisterwerk der
islamisen Kunst (seine Spitze wurde im Irakkrieg besädigt).
Die Kuppel von Sant’Ivo bereitete ihrem Söpfer einige praktise und,
wie man sagen könnte, konzeptionelle Probleme. Die Auraggeber haen
nämli den Eindru, der Aritekt habe die Statik nit ritig berenet,
und befürteten, da «das große Gewit, das auf die Kuppel gesetzt
wurde» ernsthae Säden am Gebäude hervorrufen könnte. Der Rektor des
Studium Urbis ließ Borromini eine Warnung zukommen, mit der «besagter
Herr Rektor nämlien [Aritekten] im Hinbli auf einen jeglien
Saden, der si in einem Zeitraum von fünfzehn Jahren einstellen könnte,
habar mat, entspreend den städtisen Verordnungen». Mit großer
Gelaenheit, seiner Berenungen und seiner Erfahrung sier, srieb
Borromini zurü und gab eine srilie Garantie für die Stabilität der
Konstruktion:

Im Hinbli auf die Verpflitung der Aritekten na allgemeinem Ret, für die von ihnen
erbauten Gebäude fünfzehn Jahre lang die Haung zu übernehmen, der au i, der
Unterzeiner, mi nit zu entziehen beabsitige …, verpflite i mi, für alle Säden,
die auf der Baustelle der Kapelle und der Kuppel der Sapientia eintreten könnten, die
Haung zu übernehmen.

Die Kuppel steht, wie jeder sehen kann, au na dreieinhalb
Jahrhunderten no immer fest und unersüerli an ihrem Platz.
Au Bernini widerfuhren, trotz seines anhaltenden Glüs, im Laufe des
Lebens gewie Demütigungen. Zu einem Desaster entwielte si
beispielsweise die sehr slete Idee Papst Urbans, an den äußeren Enden
der Faade von San Pietro je einen Kampanile anzufügen. Der Künstler
wurde 1637 auf Anordnung des Papstes mit der Planung beauragt. Ein
Unterfangen, an dem man si au in der Vergangenheit son versut
hae, das aber aufgrund von Problemen mit der «sandigen» Konsistenz des
Baugrunds, den Grundwaerverhältnien und dem Zustand der
Fundamente unterbroen worden war. Son Maderno war kritisiert
worden, als er die Basilika in einer Weise «verlängert» hae, da die Kuppel
vom Platz aus nur no teilweise zu sehen war (wie es im Übrigen au
heute no der Fall ist). Allen Problemen zum Trotz verlangte Papst Urban,
da die Gloentürme auf jeden Fall gebaut werden sollten, um das
Majestätise des Ensembles zu steigern.
Bernini übernahm den Aurag, plante zwei große dreistöige Türme,
deren Kosten si auf 70.000 Scudi beliefen, eine enorme Summe, mehr als
das Doppelte im Verglei zu den von Maderno veranslagten 30.000 Scudi.
Vor der Ausführung beabsitigte er jedo, si dur einige hieb- und
stifeste Expertisen abzusiern, insbesondere die der Kongregation
(Baukommiion) der ehrwürdigen fabbrica und zweier horangiger
capomaestri (Baumeister). Diese stellten übereinstimmend fest, da die
Fundamente ausreiend seien, das Gewit der neuen Gebäude zu tragen.
Filippo Baldinucci sreibt: «Dadur wurde der kluge Künstler in Stand
gesetzt, si mit voller Sierheit und Auit auf Ehre und Erfolg an das
Unternehmen zu maen.»[12]
Do es kam anders. Bernini hae die von Maderno bereits gelegten
Fundamente beibehalten und wollte darauf seinen Bau erriten, der, wie bei
ihm übli, sehr ausgeklügelt und raffiniert war. 1641 wurde einer der beiden
Gloentürme erritet, do son fünf Jahre später unter dem neuen Papst
Innozenz X. aus statisen Gründen wieder abgetragen. Bernini soll das als
die Niederlage seines Lebens empfunden haben. Er wurde krank.
Zwisen 1646 und 1649 arbeitet Borromini an der Restauration der
ehrwürdigen Basilika San Giovanni in Laterano, der mater et caput
(Muerkire aller Kiren der Welt), die si in einem derart baufälligen
Zustand befand, da er anfangs versut war, alles abzureißen und neu zu
bauen. Hinzu kam, da die Bauarbeiten in aller Eile ausgeführt werden
muten, weil das Heilige Jahr 1650 bevorstand. Do im Dezember  1649,
wenige Tage vor der Einweihung, ereignete si ein Unglü. Die Leie
eines Seminaristen namens Marco Antonio Buoni wurde mit
offensitlien Spuren von Slägen tot aufgefunden.
Eine Ermilung wurde in die Wege geleitet, unter anderem weil bei den
Justizbehörden ein Sreiben einging, in dem behauptet wurde, es handle
si um einen Mordfall. Die Naforsungen lösten das Rätsel. Buoni war
dabei erwist worden, wie er einige für die Basilika vorgesehene
Marmorblöe mutwillig besädigte, indem er «Een und Kanten
abbra». Borromini, der darüber informiert worden war, hae angeordnet,
da die Arbeiter ihn bestrafen sollten. Eine höst fahrläige Anordnung?
Oder nur eine unklare? Haen es die Arbeiter mit der Bestrafung
übertrieben? Tatsae ist, da der arme Buoni dur die Prügel zu Tode
kam und da sein Bruder Giuseppe gegen Borromini ganz offiziell Anzeige
wegen Mordes erstaete, was für den der Tat Verdätigten automatis
Untersuungsha bedeutete. Diese Sma war für den Künstler
unerträgli. Um die Sande zu tilgen, ritete er eine Bisri an den
Papst und bat ihn, die Ermilung selbst zu übernehmen und dur diesen
Sri eventuelle andere für nitig zu erklären. Er rief seine Verdienste bei
der Restaurierung der Basilika in Erinnerung und gab zu bedenken, da
Buoni dabei ertappt worden war, einen Saden anzuriten, der einem
Sakrileg gleikam.
Das Urteil entspra den Erwartungen, wennglei die Begründung
widersprüli war: Zwar wurde Borromini ex speciali gratia (aus
besonderer Gnade) von der Anklage freigesproen, aber für drei Jahre na
Orvieto verbannt. Dank einer Intervention Virgilio Spadas wurde das Exil
dann leit verkürzt. Zwei Jahre später, 1652, verlieh ihm der Papst in einer
öffentlien Zeremonie im Petersdom das Kreuz des Christusordens (la croce
dell’Ordine di Cristo), verbunden mit dem Ret auf den Titel eines
cavaliere.

Bei mindestens zwei Gelegenheiten arbeiteten die beiden Rivalen zusammen


oder zumindest einander gegenüber. Die erste war die Konstruktion des
Baldains auf dem Altarziborium des Petersdoms, eines der Glanzstüe
Berninis, an dem Borromini lange Zeit mitarbeitete. Zum Zeitpunkt der
Auragsvergabe war Bernini 26 Jahre alt und si seines Marktwertes so
bewut, da er für die Arbeit eine Gesamtrenung über gut 200.000 Scudi
präsentierte. Für die Chronik: Borromini unterzeinete seinen ersten
Arbeitsvertrag im fortgesrienen Alter von 35.  Jahren. Die Bezeinung
«Baldain» umsreibt na dem Zingarelli «eine beweglie Überdaung
in Form eines von Pfosten gehaltenen Pavillons, unter dem in Prozeionen
das Heilige Sakrament getragen wird».[13] In der Praxis der katholisen
Kire segnete der Papst die Menge der Gläubigen im Sutze eines
Baldains von seiner sedia gestatoria (dem tragbaren Papshron) aus. In
einem erweiterten Sinne ist Baldain ein Zierda aus kostbarem Stoff
(meist Brokat) für rone, Altäre, herrsalie Slafstäen. Die
Bezeinung kommt von Balda, dem miellateinisen Namen von
Bagdad, der Stadt, aus der die kostbaren Stoffe kamen.
Bernini nahm den Ursprung des Namens wörtli und konstruierte aus
Stein, Bronze und Holz den pratvollsten Baldain, der je erdat worden
war. Eine wunderbare Aufgabe selbst für einen Künstler mit seinem
Erfahrungshorizont: Es ging darum, den sehr weiten Raum zu füllen, über
dem si Mielangelos Kuppel wölbte. Planung und Ausführung des
Werkes erforderten etwa zehn Jahre, und erst na aufwändigen Reeren
und Vorarbeiten gelang es, die endgültige Lösung zu konzipieren. Die vier
Säulen, von der die Überdaung getragen wird, sind spiralförmig
gewunden, ein orientaliser Einflu, der die Säulenform der
Konstantinisen Basilika aufnimmt, symbolis aber au auf die
Weinreben-Ornamentalik aus dem Tempel des Salomon in Jerusalem
anspielt. Der Künstler liebte es im Übrigen, den von ihm benutzten
Materialien «Bewegung» einzuhauen, ob es nun Stein war oder, wie in
unserem Falle, Bronze, die man – au dies wieder nur für die Chronik – im
Pantheon abmontiert hae. Bei dieser Gelegenheit prägte Giulio Mancini,
der Arzt des Papstes, das berühmte Epigramm «Quod non fecerunt Barbari,
fecerunt Barberini» («Was die Barbaren nit getan haben, haben die
Barberini erledigt»).
Auf den Kapitellen der vier Säulen befindet si jeweils eine Engeltatue,
dahinter türmen si ebenso viele große, wie Delphinrüen geformte
Voluten, die si im Zentrum vereinigen und von einem Globus mit
aufgesetztem Kreuz gekrönt sind. Das Resultat ist spektakulär wie ein
Bühnenbild und vollkommen überrasend. Und genau das wollte der
Künstler erreien.
Die Vorstellung von Bewegung und Leitigkeit wird von der
Überdaung ebenso aufgenommen wie von den Seitendekorationen, die das
Gewebe eines kostbaren, mit Stiereien und Quasten gesmüten Stoffes
imitieren. Bernini liebte sole hovirtuosen Vorspiegelungen, in denen er
seinen Sinn für eatralität auslebte; sie werden zu den Grundelementen der
Baroästhetik gehören. Nie jedo vergaß er das Wesentlie. Sein
Baldain steht in einem 44  Meter hohen Hauptsiff und konkurriert mit
einer über 100  Meter hohen Kuppel. Mit seinen 30  Metern vertikaler
Ausdehnung entsprit der Baldain ungefähr einem zehnstöigen
Gebäude, und denno erseint er dem menslien Auge in diesem
Kontext eher von anmutigen als von imposanten Proportionen. Borromini
wurde in der langen Planungsphase des Werkes mehrfa hinzugezogen, vor
allem wegen der Überdaung, die Bernini ursprüngli mit einer Statue von
übertriebenem Gewit smüen wollte. Am Ende wurde die vergoldete
Sphäre gewählt, mit der unter anderem das Krönungymbol der äußeren
Kuppel des Petersdoms wiederaufgenommen wird, getragen von Holzvoluten
in Delphin-Anmutung, eine harmonise, zum großen Teil von Borromini
konzipierte Lösung.
1653 beslo Papst Innozenz X., da Borromini die Baustelle der Kire
Sant’Agnese auf der Piazza Navona übernehmen sollte, und hier kreuzen
si die Wege der beiden Männer erneut, wenn au nur indirekt. Als Erstes
ordnet Borromini den Abri deen an, was seine Vorgänger bereits gebaut
haen, sowie deren Rauswurf. Die Folge war natürli heige Abneigung
derselben, umso mehr, nadem Papst Innozenz na zwei Jahren unter den
oben besriebenen widerwärtigen Umständen gestorben war. Nun
übernahm der Hausherr Camillo Pamphili wieder die Kontrolle über die
Baustelle, und von dem Moment an gestalteten si die Beziehungen zu
Borromini stürmis. Die Auraggeber sollen so weit gegangen sein, die
Arbeiter aufzuwiegeln, während Don Camillo, aufgrund seiner
wiedergewonnenen Mat arrogant geworden, Borromini mit Kritik
überhäue, indem er mal die Mauern als wenig solide bezeinete, mal die
Fundamente als unzureiend. Die Atmosphäre wurde snell unerträgli.
Borrominis Teiner Biograph, Piero Bianconi, besreibt das sehr drastis
so:

Die Maurer wuten nit, was und wie sie es tun sollten, tagelang standen sie mit den
Händen in den Hosentasen da, während der Aritekt unsier, unentsloen,
unbeständig wirkte … Die Sonne liebkoste die Rundung der Kuppel, streie den rosigen
Pfeiler, der si im Zentrum des Platzes erhob, die weißen Riesen, die über dem Getöse des
Waers gestikulierten und ihn an den verhaten Bernini erinnerten.

Die «weißen Riesen», auf die Bianconi anspielt, sind die von einem
Obelisken überragten hinreißenden Figuren der Fontana dei quattro Fiumi
(Vierströmebrunnen), die Bernini im Zentrum des Platzes aufgestellt hae
(1648–1651), eine seiner szenografis geglütesten Söpfungen, vielleit
der sönste Brunnen von Rom: bewegt, die Proportionen perfekt
abgestimmt auf den Ort, angereiert mit Details von herrlier eatralität
– die Meerelange, der zum Trinken aus der Höhle tretende Löwe, die
vom Wind bewegte Palme. Au Borromini hae si, Jahre zuvor, für das
Kanalisations-Projekt beworben, mit dem die acqua Vergine (die antike
Waerleitung «Aqua Virgo») zur Piazza Navona geleitet werden sollte. Es
wurde ihm zwar gestaet, für die tenise Seite, also die Zuleitung des
Waers zu sorgen, do wurde sein ikonographises Programm für den
Brunnen als «zu karg, zu mager, zu slit» abgelehnt. Es war, in wenigen
Worten, von der Prat und Herrlikeit des Bernini-Projektes erdrüt
worden. Die vier dargestellten Flüe Donau, Nil (mit verhülltem Haupt, weil
seine Quellen unbekannt waren), Ganges, Rio de la Plata repräsentierten die
vier Teile der damals bekannten Welt. Der Felsen wird überragt von einem
im Circus Maxentius auf der Via Appia in Brustüen wiedergefundenen
ägyptisen Obelisken, den Bernini wieder zusammensetzen und
restaurieren ließ.
Die Entstehungsdaten von Sant’Agnese und des Brunnens entkräen
jedenfalls die Legende, derzufolge die Figuren des Brunnens Gesten der
Entrüstung oder der Ablehnung in Ritung der Faade von Borrominis
Kire zeigen: da der Rio de la Plata besorgt den Arm hebe, als würde die
Faade jeden Augenbli zusammenbreen, und der Nil sein Haupt
verhüllt habe, um einen solen Horror nit ansehen zu müen. In
Wahrheit stand der Vierströmebrunnen son an seinem Platz, als Borromini
an Sant’Agnese arbeitete, die angeblie Verunglimpfung Berninis ist also
nur ein Ammenmären.
Die Ankun des neuen Papstes, Alexanders VII. (Fabio Chigi), brate ab
1655 Bernini wieder ins Zentrum der römisen Szene zurü, wozu au
seine Rolle als Hofaritekt beitrug. Von dem neuen Herrser erhielt er
einige Großauräge, darunter: die Kolonnaden auf dem Petersplatz, die Scala
Regia (Königstreppe) im Vatikan, die Kire Sant’Andrea al Quirinale, mit
der wir das Kapitel begonnen haben. Borromini dagegen wird es gerade
einmal gestaet, die von ihm begonnenen Auräge no zu Ende zu führen.
Es ist unmiverständli, da Papst Alexander ihn nit mag, und au mit
seinen Arbeiten geht es nur langsam und unter vielen Swierigkeiten
voran, vor allem wegen der fehlenden Miel. In vielen Fällen wird er sie
nit mehr zu Ende bringen können.

Borromini auf den ersten Bli zu mögen fällt nit leit, vor allem als Laie,
dem die vielen tenisen Vorzüge seiner Projekte entgehen. Bernini ist
sehr viel zugänglier, es gibt kein Werk, in dem si sein Genie nit
manifestiert, zuweilen sogar auf ziemli drastise Weise. Borromini aber
bleibt, wenn man ihn erst einmal entdet hat, unvergeli, au in seinen
kleineren Werken. Ein Beispiel dafür ist die Galerie des Palazzo Spada auf
der Piazza Capo di Ferro. Borromini nahm in diesem Gebäude, das heute Sitz
des Staatsrates ist, versiedene Baumaßnahmen vor. In einem Ausläufer des
Hofes hae er einen engen, kaum mehr als 8  Meter langen corridoio zur
Verfügung, der praktis unbenutzbar war. Er verwandelte ihn in einen
perspektivisen Kolonnadengang, der dank einer ausgeklügelten optisen
Manipulation wirkt, als sei er mehr als 20  Meter lang. Eines der geheimen
Juwele Roms, aber au ein kleines präzises Zeien dafür, da die auf die
Ratio gestützten Gewiheiten der Renaiance im Verswinden begriffen
waren und, wie in diesem Fall, dur ein illusionäres Spiel mit nit-
existenten Räumen ersetzt wurden.
Nits verbindet, alles trennt die beiden großen Rivalen, nit nur das
unglei verteilte Glü: das Temperament, die Vision des Lebens, der
Umgang mit dem Genu, der Sue na Liebe, und, allgemeiner, das
Verhältnis zur «Sinnlikeit» im weitesten Sinne des Wortes, verstanden als
Lebensfreude dur die Sinne. Alle Werke Berninis sind Ausdru dieser
Öffnung der Sinne. Alle Werke Borrominis negieren sie. Bernini ist
katholis und pagan, Borromini, wennglei formal Katholik, seint den
großen europäisen Reformern Luther, Calvin, Zwingli näherzustehen.
Bernini spielt, mat Anspielungen, serzt in seinen Arbeiten; Borromini
meditiert, zeigt, prophezeit. Bernini ist alles: Maler, Bildhauer, Aritekt,
Literat. Borromini ist auließli Aritekt, und dies mit aller Strenge;
menslie Figuren intereieren ihn nit, am allerwenigsten Frauen.
Bernini modelliert sie in Marmor, und unter seinem Meißel nimmt der Stein
die seidene Weiheit der Haut an.
In der Kunst der Gegenreformation gab es nur eine einzige zuläige Art
und Weise, die weiblie Sönheit darzustellen: in Gestalt von Heiligen
oder Heldinnen der Mythen. Die von Pluto, dem König der Hölle, geraubte
Proserpina (eine Bernini-Skulptur in der Galleria Borghese) ist eine
Momentaufnahme unmielbar vor der Vergewaltigung. Die Finger des
Entführers versinken im Fleis von Proserpinas Senkel und Rüen, ihr
verzweifelter Versu, si zu entziehen, mat die drohende Gewalt nur
no offensitlier. Die «Verzüung der Heiligen eresa» (in der Kire
Santa Maria della Vioria) ist son unzählige Male als Entdeung der
Sinnlikeit besrieben worden. Weniger bekannt, gleiermaßen beredt
eine weitere Skulptur: die selige Ludovica Albertoni (in der Kire San
Francesco a Ripa), au sie festgehalten im Moment des Si-Auäumens
und, man möte sagen, des Aufstöhnens vor nit zu beherrsender Lust.
Mit dem Pontifikat Alexanders  VII. beginnt für Borromini eine Zeit der
deutlien Einsränkung seiner beruflien Tätigkeit. Das Glü des
kreativen Chaos’ einer Baustelle wird ihm immer seltener zuteil, und diese
smerzhae Erfahrung trägt dazu bei, da in seinen letzten Jahren die bis
dahin nur latente Melanolie immer mehr die Oberhand gewinnt. Er lebt in
einer kleinen, armselig möblierten Wohnung im Vicolo dell’Angelo, neben
der Kire San Giovanni dei Fiorentini. Sein äußerer Zustand zeigt die
Unordnung seines Seelenzustandes. Die Freunde sind bestürzt über seine
«physise Auflösung, sein sreenerregendes Gesit». Baldinucci
erzählt:

Fast immer li er an ausgesproen melanoliser Stimmung, oder, wie einige aus seiner
Umgebung sagten, an Hypoondrie, und infolge seiner Krankheit, wozu no die dauernde
Ungewiheit über die Dinge seiner Kunst kam, vertiee und fixierte er si im Lauf der Zeit
so sehr auf sein ununterbroenes Grübeln, da er si so weit wie mögli der
menslien Konversation entzog, allein zu Hause blieb, mit nits anderem besäigt als
mit dem ständigen Kreisen um trübsinnige Gedanken.

Mehrfa zog sein Neffe Bernardo die Ärzte zu Rate, do die Psyiatrie, die
ja selbst heute in dieser Materie o no ret unzulängli ist, gab es
damals no nit. Der einzige sinnvolle Rat, den die Ärzte zu geben
vermoten, war, ihn um jeden Preis ruhig zu halten, damit er si nit
verletze. Im Übrigen solle man ihn am besten der Fürsorge der Priester
anvertrauen. Baldinucci sreibt:

Wenige Tage vor seinem Tod ließ er all seine Zeinungen, die er zur Gravur vorgesehen
hae und nit mehr verwirklien konnte, in Flammen aufgehen. Und dies tat er au aus
Furt, da dieselben, wenn sie in den Besitz seiner Gegner geraten wären, von diesen
entweder für ihre eigenen ausgegeben oder geändert worden wären.

In der Nat des 2.  August  1667, na Stunden besonders intensiver
Erregung und Unruhe, klemmt er sein Swert zwisen zwei Belaen,
ritet die Sneide auf si selbst und stürzt si mit dem ganzen Gewit
seines Körpers hinein. Die Klinge durbohrt ihn vollständig. Auf die Sreie
des armen, dement gewordenen Künstlers kommt Francesco Maari
herbeigeeilt, der leitende Steinmetz von San Carlino und San Giovanni dei
Fiorentini, der ihm zu Hause zu Diensten war. Es war ein srelier Stoß,
Borromini ist tödli verwundet, lebt aber no. Man ru na Hilfe, ein
Wundarzt zieht das Eisen heraus, au Männer der Justiz betreten den
Tatort. Seinem Beitvater, der kommt, um ihm die Sterbesakramente zu
erteilen, kann Borromini gerade no sagen, da er si die furtbare
Wunde selbst beigebrat hat, er erzählt von seiner Verwirrung, von seinem
Wahnsinn:
… nadem i mi endli erinnert habe, da i das Swert hier im Zimmer hae, das
am Kopfende meiner Besta über den geweihten Kerzen hing, nadem i au immer
ungeduldiger geworden war, weil i kein Lit hae, verzweifelt, habe i na besagtem
Swert gegriffen, es aus der Seide gezogen, seinen Knauf auf das Be gestützt und die
Spitze in meine Seite und dann habe i mi mit all meiner Kra in das Swert geworfen,
auf da es in meinen Körper eintrete und ihn durbohre von einer Seite zur anderen …

Die entsetzlie Wunde führt no am selben Tag unter großen Smerzen
zum Tode. Der ruhelose Borromini stirbt am 3.  August  1667 um 6 Uhr
morgens. Die Zeitungen bringen eine kurze Meldung: «Dur Selbstmord
gestorben ist der cav. Aritekt Francesco Borromini.» Au die Trauerfeier
ist beseiden, sie wird unter der Kuppel von San Giovanni dei Fiorentini
abgehalten, wo si au das Grab Carlo Madernos befindet, neben dem er
gebeten hae, bestaet zu werden.
Borromini stirbt mit 68. Jahren, Gian Lorenzo Bernini mit 82, überlebt ihn
um rund dreizehn Jahre und fast drei Päpste. In der Tat stirbt Borromini im
selben Jahr wie Alexander  VII. Chigi, und so konnte Bernini no
Clemens IX. und Clemens X. dienen und ein paar Jahre au Innozenz XI.
Borromini stirbt auf tragise Weise. Bernini stirbt, wie man eben sterben
kann, wenn man die 80 übersrien hat. Sein Sohn Domenico sreibt, er
sei 1680 «an einem leiten Fieber erkrankt …, zu dem am Ende no ein
Slaganfall hinzukam, der letztli den Tod verursate». Zunäst überlebt
er, bleibt reteitig gelähmt, einsließli des Arms. Er mat Witze
darüber, wie sein Sohn beritet, behauptet, zufrieden zu sein: «… damit si
wenigstens diese Hand ein wenig ausruhen kann, die so viel gearbeitet hat.»
Er lebt no zwei Woen, und während die Kräe allmähli nalaen,
verliert er do nie seinen klaren Verstand und au nit eine gewie
Wunderlikeit, die ihn Zeit seines Lebens arakterisiert hae. Er stirbt am
28. November 1680 zu Hause und wird bei seiner Beerdigung in Santa Maria
Maggiore von einer großen Volksmenge begleitet.
Unglei in allem, die beiden, bis zum Slu.
VII. DER QUIRINAL
DIE ABENTEUERLICHE GESCHICHTE
EINES PALASTES

D
IE PIAZZA DEL QUIRINALE ist einer der sönsten Plätze der Welt,
an drei Seiten gesloen, an der vierten aufgebroen zum Belvedere
auf den fernen, von der Silhouee der Hügel Roms und der mätigen
Kuppel des Petersdoms überragten Horizont. Von dieser «Terrae» aus
leutet der Sonnenuntergang an manen Sommerabenden in einem Wirbel
aus Himmelblau, Indigo, Dunkelblau und Rosa, wie es kein Maler je wagen
würde, auf die Leinwand zu bringen, aus Angst vor Übertreibung. Eine
ergreifende Sönheit, die aber nit nur von dem ausgeht, was der Bli
erfaen kann, sondern au aus dem Wien um die Ereignie, die si auf
dem Gipfel dieses Hügels zusammengebraut und zuweilen überslagen
haben: immaterielle Präsenzen, Erinnerungübe, Brustüe jüngerer
und entfernterer, o dramatis, manmal uneindeutig, in anderen Fällen
folgenswer verlaufener Gesite. Mit Fug und Ret kann man sagen,
da si in der Gesite des Quirinal, seines Platzes, seines Palastes (oder
beer: seiner Paläste), seiner Brunnen, seiner Gärten, die Gesite Roms
und des Papsums, von dem die Stadt jahrhundertelang regiert wurde, fast
vollständig abbildet.
Der Name Quirinale könnte von Cures herrühren, einer antiken Siedlung
der Sabiner, die den Hügel als erste bewohnten. Hier ließ Konstantin seine
ermen bauen, um die herum wegen der gesunden Lu auf der Anhöhe
Patrizier, Philosophen und Gelehrte ihre Villen bauten, und so entstand ras
ein gehobenes Wohnviertel. Im Mielalter verlaen und verwahrlost, wurde
der Bezirk erst im 16. Jahrhundert wiederentdet, als inmien der ermen
die Statuen der Dioskuren Kastor und Pollux ausgegraben wurden, die man
zunäst für Roebändiger hielt, daher der volkstümlie Name des Viertels
Monte Cavallo (Pferdeberg). Papst Sixtus  V. (Felice Perei aus Montalto,
1585–1590) ließ diese Statuen in der Mie der Piazza neben dem Brunnen
aufstellen. Bei den Dioskuren handelt es si um zwei söne Standbilder, in
feinstem Kunsthandwerk gefertigte Kopien der grieisen, Phidias und
Praxiteles zugesriebenen Originale, mit einem Fehler, den die Insri auf
dem Soel fortsreibt und der no heute diejenigen, die ritig
hinzusehen wien, an eine Reihe von Miverständnien zwisen Satire
und political correctness erinnert.
In der zweiten Häle des 18.  Jahrhunderts nämli beauragte Pius  VI.
den Aritekten Giovanni Antinori, die Standbilder oben auf den Brunnen
zu setzen und in der Mie den aus dem Augustus-Mausoleum stammenden
Obelisken aufzustellen, den Zwilling eines weiteren Obelisken, der seinen
Platz auf dem Esquilin gefunden hat. Nadem im Jahre 1783 ein erster
Versu milang, wandelte die Ironie des Volksmunds die ursprünglie
Insri OPUS FIDIAE (Werk des Phidias) in das spöise OPUS
PERFIDIAE PII SEXTI (Werk der Treulosigkeit Pius’ VI.) um. Drei Jahre
später jedenfalls war ein zweiter Versu erfolgrei, und angesits der
seinerzeit no ret unzureienden tenisen Instrumente führte die
Begeisterung über das Gelingen dieses kühnen Unterfangens zu einer
emphatisen Insri, in der der Obelisk persönli seine tausendjährige
Gesite erzählte, die so slo: INTER ALEXANDRI MEDIUM QUI
MAXIMA SIGNA / TESTABOR QUANTO SIT MINOR ILLE PIO (Zwisen
diese erhabenen Statuen Alexanders [gestellt] werde i bezeugen, wie sehr
dieser dem Pius unterlegen ist).
Na der Ausrufung der Republik dur die Franzosen 1798 wirkte diese
Herabsetzung Alexanders wie ein Seitenhieb auf Napoleon, weshalb die
zweite Zeile etwas abgemildert wurde: TESTABOR SEXTI GRANDIA
FACTA PII (Die großen Werke Pius’ VI. werde i bezeugen). Der mit der
Korrektur beauragte Steinmetz hae es offenbar so eilig, da ihm ein
Flütigkeitsfehler unterlief, weshalb hinter dem «s» von sexti no heute
der untere Teil des «q» von quanto zu erkennen ist. 1818 sließli wird
von Pius  VII. (Luigi Barnabà Niccolò Maria Chiaramonti, 1800–1823) die
Gesamtkomposition des herrlien Monuments vollendet. Raffaele Stern
entwir einen neuen Brunnen, für den er ein Been vom Forum Romanum
verwendet, das dort zuletzt als Viehtränke gedient hae. Bis heute prägt die
vom Obelisken überragte Dioskurengruppe die Physiognomie des Platzes.
Son allein die Dioskuren, der Obelisk und der Brunnen könnten uns
eine Idee von der Gesite vermieln, die von jeder Einzelheit dieses
Platzes fortgesrieben wird. Dabei ist au der Park an der Via del
Quirinale (von der Piazza aus auf dem Weg zu Berninis Kire Sant’Andrea
aus dem vorangegangenen Kapitel) dazuzurenen, der si dem Palast
direkt gegenüber befindet: Um ihn anzulegen, wurden zwei Kiren und
zwei Klöster abgerien. Die Absit war, dem deutsen Kaiser Wilhelm II.,
der 1888 Gast des italienisen Königs war, vom Fenster seiner Wohnung im
Quirinalspalast eine sönere Auit zu vergönnen. Man könnte au die
Cappella Paolina im Inneren des Palastes hinzufügen, die genauso groß ist
wie die Sixtinise Kapelle im Vatikan, oder die von Bernini gesaffene
Benediktionsloggia über dem Hauptportal, ebenso den robusten Waturm
zu seiner Reten, der mit Artillerie besetzt war und zur Verteidigung diente.
Au hierfür mute Bestehendes abgerien werden, in diesem Fall ein Teil
der angrenzenden Villa Colonna, um den Kanonen einen ausreienden
Suwinkel zu garantieren.
Die endgültige Gestaltung des Platzes auf Initiative von Papst Pius  IX.
(1846–1878) war ein Werk Virginio Vespignanis (1808–1882), eines in jener
Zeit vielbesäigten Aritekten und Stadtplaners. Die fortsreitende
Urbanisierung mit der Entstehung neuer Stadtviertel mate die Herstellung
eines Verkehrsknotenpunktes unerläli. Vespignani nivellierte die Fläe
des Platzes, suf die breite Treppe, die zur Via Dataria hinabführt, und das
söne Verbindungtü, das mit einer 90-Grad-Doppelkurve zur Westflanke
des Hügels führt. Um die Straße anzulegen, mute er die große Freitreppe zu
den Marställen niederreißen und eine hohe Mauer als Damm erriten
laen, die er mit sönen Nisen und Statuen smüte. Mit sehr großer
Wirkung, wie son ein Zeitgenoe srieb, der an der Mauer entlang zum
Platz hinaufgestiegen war: «Es ist sön, wenn man ganz plötzli, fast
unvorbereitet, den grandiosen Baukolo des apostolisen Palastes, die
Consulta, die herrlie Pferdegruppe, den Obelisken, den Brunnen erblit.»
Eine besondere Erwähnung verdienen die Gemäer des
Quirinalspalastes, die für die Ankun Napoleons in Rom vorbereitet wurden,
dem es zwar nie gelang, einen Fuß in die Stadt zu setzen, der aber vorhae,
aus dem Palazzo del Quirinale na dem Pariser Élysée-Palast in Paris seinen
zweiten Regierungitz zu maen. Unter anderem deswegen hae er seinem
Sohn den Titel Roi de Rome (König von Rom) verliehen. Rom und Paris
sollten die beiden Hauptstädte seines Reies werden. Es blieb ihm nit
mehr genug Zeit, das Projekt zu Ende zu führen, weil si innerhalb von
zehn Jahren oder wenig mehr sein Sisal erfüllte, mit dem bekannten
Ende aus Demütigung und Agonie auf Sankt Helena.
Im Sommer 1809 hae die französise Armee (na 1798/99) Rom zum
zweiten Mal besetzt und Papst Pius  VII., wie son seinen Vorgänger, in
Savona gefangengesetzt. Betratet man auließli die Effizienz und
sieht man von allen übrigen Aspekten ab, so setzte die napoleonise
Administration unter der Führung von Baron Camille de Tournon, der als
Präfekt der Stadt eingesetzt war, eine bemerkenswerte urbanistise
Modernisierung Roms in Gang, wobei dieser si unter anderem auf
Mitarbeiter wie Canova, Camuccini, Valadier, Raffaele Stern stützen konnte.
Dur die Anlage einer breiten geradlinigen Verbindungtraße parallel zur
Via Flaminia, dem heutigen Viale Tiziano, beispielsweise wurde das Gebiet
zwisen Milviser Brüe und Porta del Popolo neu strukturiert, außerdem
wurde im gesamten Stadtgebiet dur hohe Mauern auf beiden Uferseiten
die Eindämmung des Tibers vorgenommen. Au die bereits unter Papst
Sixtus V. begonnene (und erst während des Fasismus restlos fertiggestellte)
Troenlegung der Pontinisen Sümpfe nahm man in Angriff, es entstanden
Bars, Restaurants, Sporthallen, eater und Vergnügungsmöglikeiten an
der frisen Lu. Selbst die Toten wurden nit vergeen, für sie wurde der
Verano-Friedhof angelegt.
Was in unserem Zusammenhang am meisten intereiert, sind die
Maßnahmen zur Umwandlung des Quirinalspalastes in eine veritable
kaiserlie Residenz. Zum Aritekten der künigen Kaiserpaläste wurde am
28. Februar 1811 Raffaele Stern ernannt, dem ein Palast vorswebte, in dem
«der Charakter und die Prat der Cäsarenpaläste, deren imposante Reste
wir no heute bestaunen, ineinander aufgehen». Der Zustand, in dem Stern
das Bauwerk vorfindet, ist nit der beste. Mit betrübter Anteilnahme
sreibt er:

Was no existiert und von den Päpsten bewohnt wurde, ist zu ungleimäßig und zu klein,
um unseren erlauten Monaren aufzunehmen … in dem Gebäude fehlt es an allem, die
Fenster haben slete Glasrahmen, die Fußböden sind aus Terrakoa und in sletem
Zustand, das Mobiliar des Papstes bestand aus ein paar mit sletem Damast bespannten
Polstermöbeln, einigen wenigen Tisen und Holzbänken.

Der Abstimmungsbedarf mit Paris ist groß, ohne Unterla wird hin- und
herkorrespondiert. Zwei Anforderungen müen unter einen Hut gebrat
werden: die Gemäer mit dem größtmöglien Komfort und Luxus
auszustaen und die Restaurierung mit der größtmöglien Zügigkeit
voranzutreiben. Die Bauarbeiten beginnen im November  1811. Es entsteht
eine riesige Baustelle, auf der gut 3000 Arbeiter besäigt sind:
Restaurierungen an den Deengewölben, an den Friesen, den Türen,
Marmor-Dekorationen (deren Material in der Regel den Trommeln antiker
Säulen entnommen wurde), aber au die Installation sanitärer Anlagen, z.B.
Toileen. Wie Marina Natoli in ihrer wunderbaren Monographie über den
Palast anmerkt: «Die Toileen des Quirinalspalastes waren, na den für
Lucien Bonaparte im Palazzo Nuñez gebauten, die ersten in Rom
überhaupt.»[1] Martial Daru, Generalintendant der französisen Krone in
Rom, war offenbar mit dem Ergebnis der Arbeiten nit zufrieden, seiner
Ansit na gingen die römisen im Verglei zu den Pariser Bauarbeitern
trotz ihres unbestreitbaren Könnens mit sehr viel geringerer Sorgfalt vor.
Gerade deren Könnersa ist es dagegen, die den Präfekten Camille de
Tournon beeindrut, der in seinen «Erinnerungen» sreibt:

Die zahlreien in Rom ansäigen Bildhauer besäigen zur Vorbereitung und Ausritung
der von ihnen verwendeten Marmorblöe eine beatlie Zahl einfaer Arbeiter, die mit
einer bemerkenswerten Intelligenz und Gesilikeit ausgestaet sind … die Gravur und
au die Skulptierung der harten Steine und des Muselkalks, in die Tiefe oder erhaben,
bilden eine ritige Industrie, die ihre herrlien Produkte na ganz Europa exportiert.
Seinerzeit besäigte sie mehr als 80 Personen, ohne die fähigen Künstler mitzuzählen, die
sie anleiteten.

Napoleons militärise Niederlagen verhindern den Abslu dieser


Arbeiten. Die Österreier und die Preußen marsieren na ihrem Sieg in
der Völkerslat bei Leipzig Ende März 1814 in Paris ein, am 4. April dankt
der Kaiser ab, einen Monat später landet er auf der Insel Elba. Am 24. Mai
um 19 Uhr kehrt Papst Pius VII. dur die Porta del Popolo na Rom zurü,
in der Kutse begleitet wird er von den prominenten Kardinälen Maei und
Pacca.
Nie wieder wird am Quirinalspalast mit einer vergleibaren Leidensa
und Emsigkeit gebaut werden, nie wieder wird er ein ähnli grandioses
Renovierungsprojekt erleben. Raffaele Stern fährt no eine Weile fort mit
seiner Arbeit, do unter dem Papst sind die verfügbaren Miel nit mehr
die von einst. Na dem Tode Pius’ VII. 1823 versletert si die Situation
weiter, bis sie unter Pius  IX. ihren Tiefpunkt erreit. Giuliano Briganti
sreibt in einer Monographie des Quirinalspalastes: «… was getan wurde,
ist nits als unnützer Zusatz oder, no slimmer, respektlose und
unkultivierte Verfälsung.»
Viele der für Napoleon geplanten Baumaßnahmen wurden nit zu Ende
geführt oder gar nit erst realisiert, und daran änderte si au nits, als
der Palast na 1870 zur Residenz der Savoyer wurde. Mit sändlier
Entsloenheit wurde au in späterer Zeit dileantis Raubbau
getrieben, für Hitlers Besu in Rom zum Beispiel wurde der Flügel zerstört,
in dem die exquisiten Gemäer für Kaiserin Josephine untergebrat waren.
Na Ansit Marina Natolis wirken die wenigen Dinge, die aus jenen Tagen
no übrig sind, heute «beinahe wie aräologise Fragmente», Saen
deen, was einmal eine der höstrangigen Kunstkulturen der Welt gewesen
war.

 
Dieses Bu ist der politisen Gesite des Heiligen Stuhls gewidmet, und
zu ihr müen wir nun zurükehren. Gregor XIII. (Ugo Boncompagni, 1572–
1585) hae den Quirinalspalast wegen des angenehmen Klimas auf dem
Quirinalshügel im späten 16.  Jahrhundert zunäst als Sommerpalast
erriten laen. Sixtus  V. (Felice Perei aus Montalto, 1585–1590) ist der
erste Papst, der darin stirbt, von Clemens VIII. (Ippolito Aldobrandini, 1592–
1605) aber wird er seit 1592 erstmals auf Dauer bewohnt. Bis zu jener
dramatisen Nat des 5.  Juli  1808, die den Auakt der zu Anfang des
Kapitels kurz erwähnten Ereignie markiert, wird der Quirinalspalast als
Residenz der Päpste beibehalten. Die Gesehnie spielten si
folgendermaßen ab: Am 2.  Februar  1808 besetzt General Miollis im Namen
des Kaisers der Franzosen Rom. Ein unerhörter Akt, zumal si der
regierende Papst, Pius VII., am 2. Dezember 1804 na Paris begeben hae,
um der Kaiserkrönung in Notre Dame beizuwohnen. In Jacques-Louis
Davids hoberühmtem Gemälde kann man sehen, wie der bereits
lorbeerbekränzte Napoleon Kaiserin Josephine die Krone aufs Haupt setzt.
Mit melanolisem Gesitsausdru sitzt der Papst in einer Ee, an
einem Platz, der allein son Bände sprit darüber, wele Wertsätzung
Napoleon ihm angedeihen ließ.
Au in der Folge sollten si diese prekären Beziehungen nit
verbeern. Am 17. Mai 1809 erlät der Kaiser von Wien aus ein Dekret, mit
dem er den römisen Staat an das französise Kaiserrei ansließt, mit
dem daraus folgenden Verlust der weltlien Herrsa des Papstes. Als
juristise Begründung, wenn wir sie so nennen wollen, wird angegeben,
da der dur einen ausländisen Fürsten innerhalb des Reies ausgeübte
Einflu si als sierheitsgefährdend herautellen könnte, soda es ratsam
erseine, die dur Karl den Großen an den Bisof von Rom erfolgte
Senkung rügängig zu maen. In dem Dokument ist zu lesen:

Als Karl der Große, Kaiser der Franzosen und unser erhabener Vorgänger, den Bisöfen von
Rom zahlreie Grafsaen zum Gesenk mate, senkte er sie zum Wohle dieser
Staaten und damit dur diese Senkung Rom nit auörte, Teil seines Reies zu sein;
da in der Folge diese Einheit von geistlier und weltlier Mat eine Quelle von
Unstimmigkeiten war und no immer ist, die die Päpste immer wieder dazu gebrat hat,
den Einflu des einen zu nutzen, um die Ansprüe des anderen zu untermauern; da so die
geistlien Intereen und die himmlisen Dinge, die unwandelbar sind, mit irdisen
Angelegenheiten vermist worden sind, die si ihrem Wesen na mit den Umständen und
der Politik ihrer Zeit ändern.

Eine Begründung, an der etwas dran ist, aber natürli au ein Vorwand –
der Argumentation Cavours übrigens nit ganz unähnli, die dieser
wenige Jahrzehnte später bei dem Versu verwendet, um die höst dornige
«Römise Frage» auf friedlie Weise zu lösen.[2] Die «himmlisen
Dinge» und die politisen Angelegenheiten vertragen si jedenfalls in den
seltensten Fällen und zwingen zu riskanten Kompromien. Dieser Ansit
stimmten im Übrigen au die liberalen katholisen Denker bei.
Die Reaktion des Papstes ist eindeutig: Napoleon wird exkommuniziert,
und in seiner Bulle Quum memoranda vom 10. Juni 1809 lät er sreiben:

Die Herrser sollten wieder lernen, da sie dur das von Jesus Christus gewollte Gesetz
unserem ron und unserem Befehl unterworfen sind. Au wir sind Beauragte einer
Hoheit, und zwar einer sehr viel höheren.

Am 5.  Juli steigen kurz vor Sonnenaufgang hundert französise Soldaten,


unterstützt von einer Handvoll römiser «Jakobiner», an der Straßenfront
zur Via del Quirinale, gegenüber der Kire Sant’Andrea, dur die Fenster
des Palastes. Eine Aktion, die einer sweren Beleidigung gleikommt.
Napoleon wird später sagen, es habe si um eine persönlie Initiative von
General Miollis gehandelt, der einen Volksaufstand befürtete, oder um
einen Befehl von General Radet. Jedenfalls nit um seinen Aurag. Die
Soldaten dringen in den Palast ein, die wahabenden Sweizer gehoren
dem Befehl, nit zu reagieren, und laen si entwaffnen. Während
Napoleon in der Ebene von Wagram im Nordosten Wiens einer seiner
sönsten Slaten entgegengeht, wird in Rom General Radet bei Pius VII.
vorstellig und fordert ihn im Namen der kaiserlien Regierung zum Verzit
auf die weltlie Herrsa auf.
Der Papst lät si nit einsütern, entgegnet sogar mutig: «Wir
können weder abtreten no preisgeben, was uns nit gehört. Der Kaiser
kann uns in Stüe hauen, aber dies kann er nit von uns verlangen. Häen
wir, na allem, was wir für ihn getan haben, ein soles Benehmen
erwarten können?» Der General teilt ihm mit, da er ihn an einen anderen
Ort überführen mu, der Papst biet um zwei Stunden Zeit für seine
Vorbereitungen, sie werden ihm verweigert; er biet dann darum, Rom in
Begleitung einiger Personen seines Vertrauens verlaen zu dürfen, au dies
wird ihm nit gestaet. Mit einer nit untheatralisen Geste grei
Pius  VII. darauf ledigli zum Brevier und zu einem Kruzifix, steigt in die
Kutse und brit auf ins Exil.
Dieses unsöne Abenteuer fand, na viel Mühsal und Smerz, ein
positives Ende. Der Niedergang des napoleonisen Imperiums setzte dem
Konflikt ein Ende, Pius  VII. konnte aus dem Exil von Fontainebleau na
Rom zurükehren. Aistiert von seinem äußerst tütigen Staatekretär
Ercole Consalvi (der Kardinal wurde, ohne jemals Priester gewesen zu sein),
widmete er si der Restauration seines Kirenstaates, den ihm der Wiener
Kongre beinahe vollständig zurüerstaet hae. Wel feine Ironie, da
diese Gesite in einem so kurzen Zeitraum von nur ses Jahren ihren
Anfang und ihr Ende in derselben Stadt nimmt: Wien.
Wenige Jahrzehnte später, 1848, wird der Palast erneut angegriffen, unter
no weitaus dramatiseren Umständen. Au für Italien und den
Kirenstaat ist 1848 ein Jahr des Aufruhrs und der Umbrüe. In Rom ist die
Situation besonders verworren. Wie immer, wenn die Notwendigkeit des
Wandels kein politises Ventil findet, kommt es zu Tumulten, bei denen der
Dru der Mae, weil er si nit auf ein bestimmtes Ziel riten kann, in
alle Ritungen auseinanderdriet. Bei diesen Tumulten weseln si ganz
vernünige Forderungen mit den absurdesten Ansinnen ab. Die Extremisten
haben leites Spiel, die diffuse Unduldsamkeit zu süren. Im September
beauragt der Papst einen erstklaigen Mann mit der Regierung: Pellegrino
Roi, Pair von Frankrei, Profeor für politise Ökonomie, von den
Franzosen als Botsaer na Rom gesit, aufgrund seiner
diplomatisen Virtuosität in den Adeltand erhoben.
Roi soll versuen, dem päpstlien Souverän wieder Autorität und ein
Image zu geben, gleizeitig eine weniger rüständige Verwaltung auf die
Beine zu stellen und einige unumgänglie wirtsalie und soziale
Reformen auf den Weg zu bringen. Die Bewältigung dieses swierigen
Aurags wäre ihm wahrseinli sogar gelungen, ihm blieb aber nit
einmal Zeit genug, um au nur damit anzufangen. Zwei Monate na der
Ernennung zum Premierminister, am 15.  November, während er die
Freitreppe zum Palast der Apostolisen Kanzlei hinaufsteigt, um die
Parlamentitzung zu eröffnen, stürzen si zwei oder drei Aentäter auf ihn
und töten ihn mit Dolstößen in den Hals. Roi hae begonnen, das
päpstlie Rei zu säkularisieren, war Befürworter einer Lega italiana, also
einer Föderation, bei der jeder Staat seine Autonomie beibehalten häe.
Vorsitiger Reformismus, genau das, was die Umstände zuließen, und genau
deshalb höst unbeliebt bei den Fanatikern, ein leites Ziel für ihren
rebellisen Furor, die ewige Tragödie eines jeden politisen Prozees.
Cavour wird Roi in seiner ersten Rede vor dem italienisen Parlament als
eine der sönsten und größten Figuren des Risorgimento[3] bezeinen.
Na Rois Tod wird das bis dahin sporadis aufgetretene Rebellentum
zur offenen Revolte. Pius  IX. sließt si im Quirinalspalast ein, der von
einer Volksmenge belagert wird. Es ist eine konfuse Revolte, ohne
erkennbare politise Ritung. Die Demonstranten fordern den Papst auf,
Österrei den Krieg zu erklären, die Privilegien abzusaffen, einer
verfaunggebenden Versammlung zuzustimmen, soziale Reformen in
Angriff zu nehmen. Die Menge auf der Piazza raunt, sreit, gerät in
Aufruhr, wir si gegen das Portal. Die Sweizer, eher verängstigt als
bedrohli, eröffnen das Feuer. Na einem Moment des Sreens und der
Unslüigkeit organisieren si die Revoltierenden neu, in deren Reihen
si au Soldaten und Stadtpolizisten finden, an der Waffe ausgebildete
Leute. Die Sießerei wird heiger, immer wieder gibt es Versue, den
Palast zu stürmen. Tote und Verletzte auf beiden Seiten, au der Sekretär
des Papstes gehört zu den Opfern.
Unter dem Eindru dieser Tragödie besließt Pius IX., Rom zu verlaen.
Mit Hilfe des bayerisen Botsaers Karl von Spaur ist die Flut ras
organisiert: In der Nat des 24.  November flieht der Papst, der si als
Hauslehrer der Familie ausgibt, als einfaer Priester verkleidet na Gaeta
und begibt si in den Sutz des Königs der beiden Sizilien.
Pius  IX., Giovanni Maria Mastai Ferrei, hat ein großes Gewit in der
Gesite der katholisen Kire und Italiens, vor allem dank zweier
Begleitumstände: einer sehr langen Amtszeit von knapp 32. Jahren und der
außerordentlien politisen und gesellsalien Veränderungen, denen
er si zu stellen hae. Seine Kindheit fällt in die Jahre kurz na der
Französisen Revolution, als junger Mann erlebt er die napoleonise Ära
und die Restauration, in fortgesrienem Alter wohnt er den revolutionären
Bewegungen bei und mu mit ansehen, wie si die Ideale des Risorgimento
dursetzen und seine Herrsa in Frage stellen. Als alter Mann mu er es
hinnehmen, da si die piemontesisen Soldaten seiner Residenz
bemätigen und der Quirinalspalast zum Königshof der Savoyer
«Usurpatoren» wird. Ein außerordentlier Lebenslauf, ein langes Leben,
eine sehr swierige Epoe. Sie häe mit Flexibilität und einer
intellektuellen und politisen Vision von ganz anderem Kaliber bewältigt
werden müen. So war es nit.
Mit nur 35. Jahren wird Mastai Ferrei 1827 Erzbisof von Spoleto, 1840
Kardinal, ses Jahre später, beim vierten Wahlgang und mit einer Mehrheit
von 36 Stimmen von 50 wird er zum Papst gewählt (am 16. Juni 1846). Bei
der letzten Abstimmung hae er Kardinal Lambrusini geslagen, einen
selbstbewuten Reaktionär, was erwarten ließ, da seine Amtszeit von
einem gemäßigten Reformismus geprägt sein würde. Die italienisen
Patrioten begrüßten ihn mit entspreendem Wohlwollen, einige unter ihnen
sahen in ihm sogar die Inkarnation jenes Neoguelfismus,[4] über den der
Priester Vincenzo Gioberti in seinem Werk Del Primato morale e civile degli
italiani (Vom moralisen und zivilen Primat der Italiener) gesrieben hae.
Gioberti swebte ein vereinigtes Italien mit föderaler Struktur vor,
allerdings unter der zentralisierten Führung des Papstes. Sein politises
Programm basierte auf au in Frankrei verbreiteten Ideen, deren Ziel es
war, Religiosität und Nation, Katholizismus und Liberalismus zu versöhnen.
Im Falle Italiens häe ein dem Neoguelfismus positiv gesinnter Papst dem
Projekt eine unerhörte Zugkra verliehen. Intellektuelle und Künstler
katholiser Prägung wie Aleandro Manzoni, Antonio Rosmini, Silvio
Pellico, Niccolò Tommaseo haen die beruhigende Idee des friedlien
Übergangs zu einem föderalen Italien im Namen der Mäßigung und ohne
Blutvergießen sehr positiv aufgenommen. Als Gegner dieser Lösung haen
si dagegen einige katholise und jesuitise Persönlikeiten
ausgesproen, die nit ganz zu Unret die Gefahr der Konfusion zwisen
politiser und religiöser Ordnung fürteten.
Unter denjenigen, die si für diese Ideen begeistert haen, zumindest
ganz zu Anfang, befand si au Giuseppe Montanelli (der Großvater des
berühmten Journalisten Indro), Sristeller, Offizier, Abgeordneter, dabei
ein ziemli romantiser Geist. In seinen Memorie d’Italia (Erinnerungen
an Italien) wird er über seinen anfänglien Enthusiasmus sreiben:

Wir haben uns geirrt, und denno war dieser Irrtum ein Segen; denn wer weiß, wann si
die italienisen Maen ohne das «Viva Pius IX.» zum ersten Mal vor Begeisterung für das
nationale Leben erhoben häen, von dem sie, ob sie es nun wollen oder nit, heute tief ins
Gedätnis eingesrieben ein Bild bewahren, das früher oder später Tatsaen saffen
wird.

Ein sehr ernütertes, vermutli ritiges Urteil darüber, wele Anläe


und Vorwände son damals Volksbegeisterung auslösten.
Der neue Papst fängt gut an: Er gewährt eine Amnestie für alle politisen
Straaten, führt einige Maßnahmen zum Sutz der Bürgerrete ein,
gewährt ein besränktes Maß an Preefreiheit. Rom, wo bis 1815 nur ein
Diario bisettimanale (ein zweimal pro Woe erseinendes Journal)
publiziert worden war und wo es bis 1846 (!) keine einzige Tageszeitung
gegeben hae, sah plötzli eine Reihe journalistiser Initiativen von
gemäßigtem Liberalismus aueimen. Pius  IX. war es au, der die
Diskriminierungen und den Wohnzwang der Juden im Gheo absae. Er
genehmigte den Bau einer kurzen Eisenbahnstree und gewährte am
14. März 1849 eine Verfaung. Politis das meiste Gewit allerdings hae
die Tatsae, da er einige Einheiten seines Heeres in die
Auseinandersetzungen mit Österrei site, den berühmten ersten
Unabhängigkeitskrieg. Do diese Haltung war nur von kurzer Dauer,
bereits Ende April des gleien Jahres gab er klar zu verstehen, da er die
italienise Sae fallen laen wollte: «Wir haben auf Erden», sagte er, «die
Stellvertretung Deen inne, der Söpfer des Friedens ist … wir lieben mit
derselben väterlien Liebe alle Völker und alle Nationen.» Als unmielbare
praktise Konsequenz wurden alle seine Truppen, die si auf dem Mars
in Ritung nördlie Grenzen des Kirenstaates befanden, zurügerufen.
Was war gesehen? Über den abrupten Frontenwesel des Papstes hat es
eine lange Debae gegeben, die Meinungen dazu sind geteilt. Es wurde vom
«Verrat an der Sae des Risorgimento» gesproen, es wurde auf
nadrülie Preionen von Seiten der Jesuiten hingewiesen, die diesem
Engagement ablehnend gegenüberstanden, es wurde au behauptet, der
Papst habe si von den «Italienern» instrumentalisiert gefühlt und deshalb
den Rüzug angetreten. Möglierweise ist die Wahrheit eine Summe all
dieser Gründe. Dabei mag für einen politisen Mensen, wie es der Papst
sein sollte, aulaggebend gewesen sein, da er si plötzli darüber klar
wurde, in welem Maße seine Position als Oberhaupt einer Kire und
eines Staates, als Inhaber einer doppelten, geistlien und weltlien Mat,
seine Doppelrolle als Papst und als König ihm Besränkungen und
Rüsitnahmen auferlegte, die nit einmal sein politiser Wille außer
At laen konnte.
Sein Gesinnungswesel oder Verrat, seine Verweigerung,
Bewutwerdung oder wie immer man es definieren will, war eine der
Vorauetzungen, wahrseinli die einsneidendste, für die tragise
Entwilung, die si in den folgenden Monaten einstellen sollte. Ein
weiterbliender oder weniger von Tradition und Doktrin gebremster
Politiker häe aus diesen Hindernien ganz andere Konsequenzen ziehen
können. Er häe zum Beispiel die weltlie Mat des Papstes auf den
Prüfstein stellen können, die si zu einem Problem ausgewasen hae,
deen Lösung inzwisen unausweili geworden war. Im Nahinein ist
das natürli einfa zu sagen, auf jeden Fall war dies nit seine Reaktion.
Darüber, was in Rom na der Flut des Papstes na Gaeta paierte,
über das kurze ruhmreie Abenteuer der Römisen Republik habe i im
Kapitel «Fratelli d’Italia – Brüder Italiens» in meinem vorausgegangenen
Bu Die Geheimnisse Roms ausführli erzählt. Wer si dafür intereiert,
möge dort nalesen. Hier dagegen folgen wir Pius IX. in sein Exil, das aber
nit von allzu langer Dauer war: atzehn Monate, vom November 1848 bis
zum April  1850. Die päpstlie Politik der Rüeroberung des Reies
vollzieht si doppelgleisig. Auf der einen Seite wird die republikanise
Regierung diskriminiert, auf der anderen werden die katholisen Mäte
Europas zum Eingreifen angespornt. Im Februar wendet si der Papst an
das diplomatise Korps und sreibt:
An Eu wenden wir uns, damit Ihr unsere Gefühle und unseren Protest an Eure Höfe und
Eure Regierungen weitergebt. Nadem die Untertanen des Papstes, wieder dur das Werk
deelben dreisten, der menslien Gesellsa feindli und unheilvoll gesinnten
Klüngels, in den tiefsten Abgrund allen Elends gestürzt worden sind, führen Wir als
weltlier Herrser, und no viel mehr als Oberhaupt und Pontifex der Katholisen
Religion, Ihnen das Weinen und Wehklagen des größten Teils der genannten päpstlien
Untertanen vor Augen, die darum bien, von den Keen befreit zu werden, die sie
unterdrüen. Gleizeitig bien wir darum, da das heilige Ret des Heiligen Stuhls auf
die weltlie Vorherrsa beibehalten wird, als deen legitimer Inhaber er seit so vielen
Jahrhunderten universal anerkannt ist.

In einer im April vor dem Heiligen Kardinalskollegium gehaltenen


Ansprae mahnt er:

Wer weiß nit, da die Stadt Rom, Hauptsitz der katholisen Kire, oh weh! inzwisen
zu einem Dsungel voller gefährlier Tiere geworden ist, überladen mit Mensen aller
Nationen, die, ob Abtrünnige oder Häretiker oder Meister, wie sie si nennen, des
Kommunismus oder des Sozialismus, und beseelt von srelistem Ha gegen die
katholise Wahrheit, in Wort und Sri und allen übrigen Ausdrusformen mit aller Kra
daran arbeiten, pestartige Irrtümer zu lehren und zu verbreiten, und die Herzen und Seelen
aller zu verderben, und damit sogar in Rom selbst, wenn das mögli ist, die Heiligkeit der
katholisen Religion verdorben wird.

Gleizeitig sit Kardinal Antonelli, sein Staatekretär, den Kanzleien


Spaniens, Frankreis, Österreis und des Königreis der beiden Sizilien
eine Botsa, in der unter anderem zu lesen ist:

Die Angelegenheiten des päpstlien Staates sind zum Raub eines verwüstenden
Fläenbrandes geworden, dur das Werk jener Partei, die jede soziale Konstitution
umstürzt und die insbesondere unter dem Vorwand von Nationalität und Unabhängigkeit
keine Maßnahme ausgelaen hat, um den Gipfel der Bösartigkeit zu erreien. Das als
grundlegend bezeinete Dekret stellt einen Akt dar, der von swärzestem Verrat und
abseulister Golosigkeit nur so strotzt.

Und er sließt: «[Der Papst] wendet si erneut an dieselben Mäte,


insbesondere an die katholisen, die mit soler Großherzigkeit ihren
entsiedenen Willen kundgetan haben … in der Gewiheit, da sie au
diesmal alles tun werden, damit Ihm dur ihre moralise Intervention in
der gebotenen Eile sein Amt zurüerstaet wird.» Der Kardinal sprit von
«moraliser Intervention», was hier aber ganz klar gemeint ist, ist die
bewaffnete Intervention, und genau so wird die Botsa de facto au
verstanden.
Die politisen Aktivitäten des Papstes gehen ununterbroen weiter. Und
sie kennen keine Zwisentöne. Sie sind ein Frontalangriff, eine
kompromilose Kampfansage. Aus Gaeta erklärt er die republikanise
Regierung für ungültig und illegitim und verbietet unter Androhung der
Exkommunikation den «guten Christen» die Teilnahme an den Wahlen, die
er als «Sakrileg» bezeinet. Tatsäli bringt er viele Gemäßigte davon ab,
zur Wahl zu gehen, mit dem Ergebnis, da (bei einer ret hohen
Wahlbeteiligung von 50  Prozent, mit Aulägen bis zu 70  Prozent) als
Verfaunggebende Versammlung eine Assemblea gewählt wird, in der die
Extremisten überwiegen.
Wie soll man diese Aktion bewerten? Als politisen Fehler oder als
gesiten Sazug? Indem er die Gemäßigten von den Wahlurnen
fernhielt und dadur den Extremisten das Feld überließ, mute die
neugeborene Republik eine (wie wir heute sagen würden) linkslastige
Regierung erhalten, die also anfälliger für Exzee und daher eine leite
Zielseibe für Kritik sein würde. Das Gleie wird na der Porta-Pia-
Brese (am 20.  September  1870, s. unten) mit dem Non expedit wieder
paieren, eine weitere Bestätigung der politisen Linie kurzsitiger
Unnagiebigkeit.
Man kann si leit vorstellen, in welem Gemütszustand Pius  IX.,
sobald die Umstände es erlaubten, seine Rükehr na Rom antrat. Wenn
seine Haltung in der ersten Phase des Pontifikats vielen no uneindeutig
ersienen war, ist nun jeder Zweifel gewien. Er steht für authentise
und eingefleiste Restauration, einsließli der von der Römisen
Republik abgesaen Wiedereinführung der Todetrafe. Pius  IX.
konzentriert si auf die pastorale Arbeit (Seminare, Priester, Miionierung
der «Ungläubigen», Kongregationen) und auf einige soziale Werke, um
damit einer weitverbreiteten Erwartung des Volkes entgegenzukommen, die
nit ignoriert werden dure. Do au zu emen der Doktrin und der
eologie im engeren Sinne erweisen si seine Ansauungen als
entsieden reaktionär. Am 8. Dezember 1854 proklamiert er das Dogma der
Unbefleten Empfängnis und setzt mit der Bulle Ineffabilis Deus fest:

Wir erklären, verkünden und entseiden nun … die Lehre, da die allerseligste Jungfrau
Maria im ersten Augenbli ihrer Empfängnis auf Grund einer besonderen Gnade und
Auszeinung von Seiten des allmätigen Goes im Hinbli auf die Verdienste Jesu Christi,
des Erlösers der ganzen Mensheit, von jedem Makel der Erbsünde bewahrt blieb, [dies] ist
von Go geoffenbart und mu deshalb von allen Gläubigen fest und unabänderli geglaubt
werden.

Dieser Akt zeinet sein Pontifikat tiefgehend. Er wird zum Auslöser


empfindlier Reaktionen in der gesamten katholisen Welt, au wenn
viele Gläubige heute gar keine genaue Kenntnis seiner Bedeutung mehr
haben und das Dogma der Unbefleten Empfängnis mit dem der
Immerwährenden Jungfräulikeit Marias verweseln. Dem katholisen
Wiensaler Giovanni Vannoni zufolge beabsitigte der Papst, dem
«luziferisen Homut, dem geheimen Motor des demokratisen
Gleiheitsgrundsatzes, das Dogma der Unbefleten Empfängnis
entgegenzusetzen, um Maria dur gölie Gnade vom allgemeinen Gesetz
zu entbinden».
Zehn Jahre später verkündet Pius IX. die Enzyklika Quanta cura mit dem
berütigten Anhang Syllabus errorum, einer Art Katalog der Irrtümer der
Moderne.
Die Zeit rast, auf allen Gebieten überslagen si die Neuerungen; die
Innovationen und Umwälzungen in Industrie, Politik, in den sozialen
Konflikten, in den Maenmedien sind bahnbreend. Es ist, als stürze die
gewohnte Welt, in die der Papst und seine Generation hineingeboren war,
geradewegs ihrem Untergang entgegen. In diesem Untergang sieht Pius IX.
als geistlies Oberhaupt vor allem die Gefahr, da seine Kire nit mehr
der Dreh- und Angelpunkt sein könnte, die Bezugsase für die Moralität der
Mensheit. Diese Furt treibt ihn um und bewegt ihn dazu, Worte tief
bekümmerter Verurteilung zu formulieren:

Darum haben unsere Vorgänger mit apostolisem Starkmut den rulosen Umtrieben der
golosen Mensen stets Widerstand geleistet. Den Fluten der tobenden See glei,
säumen diese ihre eigene Verwirrung und Ordnungslosigkeit aus und verspreen die
Freiheit, während sie selbst Sklaven der Verderbnis sind. Mit ihren trügerisen Meinungen
und höst verderblien Srien waren sie bemüht, die Grundlagen der katholisen
Religion und der bürgerlien Gesellsa zu ersüern, jede Tugend und Geretigkeit aus
der menslien Gemeinsa auszuroen, die Seele und den Geist zu verderben, die
Unvorsitigen und die unerfahrene Jugend von den reten Grundsätzen der Sien
abzubringen, sie zugrundezuriten, in die Fallstrie des Irrtums zu führen und sie
sließli vom Soß der katholisen Kire gewaltsam zu entfernen.

Der Syllabus fat Pius’ Ängste zusammen. Es ist ein Dokument, in dem der
Fortsri und alles, was er mit si bringt, ohne Umsweife verdammt
wird: der Liberalismus, die moderne Zivilisation, die Freiheit einsließli
der Pree- und der Gedankenfreiheit. Pius  IX. zufolge sind als swere
Fehler zu betraten: die Seidung, die Absaffung der weltlien Mat
der Päpste, die Auffaung, der Katholizismus sei nit die einzige
Staatsreligion sowie son die bloße Vorstellung einer Trennung zwisen
Kire und Staat. Die Toleranz gegenüber der öffentlien Ausübung anderer
Kulte hält er für unannehmbar, ebenso die offene Kundgebung von
Meinungen, Ideen, Gedanken. Der Sozialismus wird als «Seue» bezeinet.
Die si im Westen allenthalben ausbreitenden liberalen Gesellsaen sieht
er als Verdammnis und befürtet, fast beseen von dieser Idee (und nit zu
Unret), da die Moderne mit religiöser Indifferenz einhergeht. In
derselben Enzyklika beklagt er sorgenvoll:

Wer sieht denn nit und begrei mit allen Konsequenzen, wie die menslie Gesellsa,
losgelöst von den Bindungen an die Religion und die wahre Geretigkeit, kein anderes Ziel
mehr anstreben kann als die Besaffung und Vermehrung von Reitümern und in ihren
Taten keinem andere Gesetz mehr folgen kann als der ungezähmten Gier des Herzens, um
dem eigenen Vorteil und Gefallen zu dienen.

Worte, die zweifellos einen Aspekt der Moderne zutreffend besreiben. Die
Maengesellsa ist natürli au dies. Gier und Werteverlust gehören
gewi zu den Charakteristika der zeitgenöisen, von Geld und
Konsumsut beherrsten westlien Gesellsaen. Die Risiken, die der in
die Petruszitadelle eingesloene Papst sieht, sind dieselben, auf die immer
wieder hingewiesen wurde, von den größten Denkern jener Zeit und bis
weit ins 20. Jahrhundert hi nein. Papst Mastai identifiziert also das möglie
Übel, vernaläigt aber alles Übrige, also die sozialen Errungensaen, die
Vorzüge der Freiheit, die Ausbreitung des Wiens, die Fortsrie einer
wiensalien Forsung, die si endli vom Gängelband des
doktrinären Gehorsams freigemat hat. Vor allem aber verordnet er als
Mann, der für si beansprut, ein Politiker zu sein, mit seiner Forderung
na totaler Rükehr zu einem milerweile anaronistis und unmögli
gewordenen Absolutismus die false erapie.
Am 6.  Dezember  1864, zwei Tage vor der Veröffentliung des Syllabus,
kündigt Pius IX. der Ritenkongregation seine Absit an, so bald wie mögli
ein Generalkonzil einzuberufen, also eine Versammlung aller Bisöfe der
Welt, um die von der jüngsten Entwilung aufgenötigten emen zum
Kirenleben zu diskutieren. Es wird das zwanzigste in der Gesite der
Kire sein, und weil es zum ersten Mal im Petersdom abgehalten wird,
erhält es den Namen «Erstes Vatikanises Konzil». Monate aufwändiger
Vorarbeiten werden notwendig sein, bevor es tatsäli eröffnet werden
kann. Im Jahr 1866 brit au no der Drie Unabhängigkeitskrieg
zwisen Italien und Österrei aus, wofür die in Rom zum Sutz des
Papstes stationierten französisen Truppen abgezogen werden. Erst am
29. Juni 1868 wird mit der Bulle Aeterni Patris die Versammlung einberufen.
Unter der Teilnahme von fast 800 aus allen Teilen der Welt herbeigereisten
kirlien Würdenträgern beginnt die erste Sitzung am 8.  Dezember  1869.
Wele Ziele hae si dieses feierlie Ereignis gesetzt? Von den
Historikern werden vor allem zwei identifiziert, die im Übrigen mit den
witigsten Entseidungen der Versammlung korrespondieren: Die vom
Papst in seinem Syllabus eingenommenen Positionen sollten dur das
Votum der Konzilsväter sanktioniert werden. Darin hae der Papst, wie
gesagt, die Moderne verdammt und ihr die negativsten Aspekte und
Auswirkungen zugesrieben. Es ging nun darum, die Stoßritung
umzudrehen und festzulegen, wele Doktrin die römise Kire dem
Rationalismus, dem Liberalismus, dem Materialismus und vor allem der
«unheilvollsten» aller politisen Doktrinen, dem Sozialismus
entgegensetzen wollte.
Am 24.  April  1870 wird (bei 667 Anwesenden) die Konstitution De fide
Catholica einstimmig angenommen, in der die dogmatise Natur dieser
Religion festgelegt und präzisiert wird, in welem Sinne die Bibel als von
Go inspiriert zu verstehen ist.
Die heigsten Auseinandersetzungen gab es aber über die andere,
gewitigere Entseidung zum Primat des Papstes und seiner Unfehlbarkeit,
wenn er ex cathedra sprit. Obwohl das ema bei Eröffnung des Konzils
nit offiziell auf der Tagesordnung stand, wuten alle, da darüber
diskutiert werden sollte, und die Debae hae die Teilnehmer son in der
Vorbereitungsphase erbiert und gespalten. Viele Bisöfe, vor allem aus
dem französisen, dem österreiis-deutsen Raum und teilweise au
den Vereinigten Staaten hielten eine dermaßen verbindlie und
weitreiende Behauptung für gefährli, sowohl na außen und den
anderen Religionen gegenüber als au angesits der enormen
Matkonzentration in der Person des Papstes, der damit in die Lage versetzt
wurde, jede kollegiale Diskuion zu erstien, na innen.
Die Verfügung legte nämli fest, da der Papst, da er vom Heiligen Geist
getragen oder sogar erleutet ist, wenn er ein neues Dogma proklamiert
oder eine grundlegende Lehrmeinung zur Doktrin entwielt, nit irren
kann. Nit zufällig wurde die Konstitution zur Unfehlbarkeit (18. Juli 1870)
Pastor Aeternus (Ewiger Hirte) genannt. Im vierten Kapitel heiß es in der
«Feierlien Dogmenerklärung»:

Wir erklären endgültig als von Go geoffenbartes Dogma …: Wenn der römise Papst ex
cathedra sprit, das heißt, wenn er in Ausübung seines Amtes als Hirte und Lehrer aller
Christen mit seiner hösten Apostolisen Autorität erklärt, da eine Lehre, die den
Glauben oder das silie Leben betri, von der ganzen Kire gläubig festzuhalten ist,
dann besitzt er kra des gölien Beistandes, der ihm im heiligen Petrus verheißen wurde,
eben jene Unfehlbarkeit, mit der der gölie Erlöser seine Kire bei Entseidungen in der
Glaubens- und Sienlehre ausgerüstet wien wollte. Deshalb laen sole
Lehrentseidungen des römisen Papstes keine Abänderung mehr zu, und zwar son von
si aus, nit erst infolge der Zustimmung der Kire. Wer si aber vermeen sollte, was
Go verhüte, dieser Unserer Glaubensentseidung zu widerspreen, der sei im Bann.

Es gibt aber mehr als einen Aspekt, der die beiden Entseidungen des
Konzils verbindet, die zum Glauben und die zur Unfehlbarkeit. Aktuell bis in
unsere Tage ist zum Beispiel das Verhältnis zwisen Glaube und Vernun.
Die Mysterien des Glaubens, so behauptet die Enzyklika, können von der
menslien Natur nit erfat werden, umgekehrt aber kann die
offenbarte Wahrheit niemals den Ergebnien der rationalen Forsung
widerspreen. Kehrt man die Perspektive no einmal um, so mu si jede
Behauptung, die den erleuteten Wahrheiten des Glaubens widersprit, als
fals erweisen. Der Glaube dagegen, so kann man der Konstitution
entnehmen, ist nit vergleibar mit einer philosophisen Lehrmeinung,
die mit der Zeit vervollkommnungsfähig ist; die Glaubenswahrheiten sind
ein für alle Mal festgelegt, dem Sutz und der unfehlbaren Auslegung der
Kire anvertraut und können nit unter dem Vorwand einer vertiefenden
Auslegung modifiziert werden. Im Absluteil sließli fließt die
doktrinäre Lehre mit der päpstlien Unfehlbarkeit zusammen.
Dieses Dogma war vom Papst mit Nadru gewollt und au von den
Jesuiten aktiv betrieben worden. Die laizistisen Kreise protestierten, aber
au die liberaleren Katholiken erklärten si entsieden dagegen. No
während der Diskuion kursierten im vatikanisen Milieu diverse
anonyme Smähsrien (Ce qui se passe au Concile – Was beim Konzil
paiert; La dernière heure du Concile – Die letzte Stunde des Konzils), in
denen die Unmöglikeit einer freien Diskuion angeprangert wurde, die
päpstlie Arroganz, si eine Mat anzumaßen, die, so hieß es, der Lehre
des Evangeliums widerspra.
Inzwisen zogen si, na dem italienis-österreiisen Krieg von
1866, mit dem deuts-französisen Konflikt no erhebli stürmisere
Wolken über Europa zusammen. Viele Bisöfe nutzten die Kriegserklärung
Preußens an Frankrei als willkommenen Vorwand, Rom zu verlaen.
Dabei handelte es si um fast sämtlie Exponenten der Minderheit, die das
Unfehlbarkeitsdogma ablehnte. Die Abreise war die einzige Möglikeit, si
der Abstimmung zu entziehen und damit einer Zustimmung, die sie nit
geben wollten und konnten. Es gab au eine kleine Gruppe von Bisöfen,
vor allem aus Mieleuropa, die si unter dem Namen «Altkatholise
Kire» zu einer Sekte zusammentaten und eine ete Abspaltung von der
römis-katholisen Kire vollzogen. Mit dem Ergebnis, da der Papst bei
der Sluabstimmung am Montag, dem 18.  Juli  1870, dem Vorabend des
Deuts-Französisen Krieges, den absoluten Primat und die Unfehlbarkeit
nur mit den Stimmen von 433 der ursprüngli 800 Bisöfe erhielt. Zwar
war das Ziel erreit, aber um den ret hohen Preis einer tiefen Spaltung
mien dur das Herz der Kire.
Von dem außerordentlien Privileg der Infallibilität mate
beispielsweise Papst Pius XII. Gebrau, als er 1950 das Dogma der leiblien
Aufnahme Mariens in den Himmel mit einer feierlien Formel verkündete,
die dazu angetan sein sollte, abweienden Interpretationen keinen Raum zu
laen: «Wir verkünden, erklären und definieren es als ein von Go
geoffenbartes Dogma, da die Unbeflete, allzeit jungfräulie
Goesmuer Maria na Ablauf ihres irdisen Lebens mit Leib und Seele in
die himmlise Herrlikeit aufgenommen wurde.»
Das änderte aber nits an der nahaltigen Kritik vieler eologen,
darunter zuletzt Hans Küngs und seines Sülers August Bernhard Hasler,
der seine sarfe Mibilligung des Unfehlbarkeitsdogmas vor allem auf die
Unmöglikeit fokuiert, die Grenzen der behaupteten Unfehlbarkeit zu
erkennen, au in Anbetrat der Elastizität des Begriffes ex cathedra:

Wo es opportun erseint, lät die Vagheit der Begriffe auf einmal au eine Auslegung der
Unfehlbarkeit zu, die weit über Kathedralenentseidung hinausgeht. Nun wird au das
ordentlie Lehramt der Päpste unfehlbar – eine Doktrin, die zwar nie zum Dogma erhoben
worden ist, die aber von vielen eologen vertreten und vom Prestige des unfehlbaren
außerordentlien Lehramts gedet wird. Für die Kurie und den kirlien Apparat sind
sole «unfehlbaren» Entseidungen auf tieferer Ebene viel witiger als die seltenen
Erklärungen «ex cathedra». Die Gloriole der Unfehlbarkeit ist entseidender als ihre
tatsälie Ausübung.[5]

Im Übrigen ist weder das Dogma der Unbefleten Empfängnis Mariens no
das der Unfehlbarkeit jemals von den anderen ristlien Konfeionen
anerkannt worden, aus Gründen der Doktrin und gleizeitig des
Gleigewits in den Beziehungen.
Die 89. und letzte Sitzung des Konzils wurde am 1. September abgehalten.
Eine Woe später marsierten die Piemonteser Truppen in den
Kirenstaat ein und am 20. September, wenige Minuten vor at Uhr, dur
eine Brese, die sie hundert Meter von der Porta Pia in die Aurelianise
Mauer gebroen haen, au in Rom und setzten damit der weltlien
Vorherrsa der Päpste ein Ende. Von Stund an betratete si Pius IX. als
Gefangener im Vatikan, der Intendant der Heiligen Paläste weigerte si, den
Slüel des Quirinalspalasts auszuhändigen, der in der Zwisenzeit
verriegelt worden war, soda es notwendig wurde, die Tore aufzubreen,
um hineinzugelangen. Der Papst wollte na außen hin deutli sitbar
maen, weler Gewalt er ausgesetzt war. Exakt einen Monat dana, am
20. Oktober, vertagte Pius IX. mit der Bulle Postquam Dei munere das Konzil
auf unbestimmte Zeit, und in der Tat wird es im Zuge der Vorbereitungen
zum Zweiten Vatikanisen Konzil von Papst Johannes  XXIII. erst 1960
offiziell beendet.
Inzwisen gingen in Europa die großen Umstürze weiter. Die Niederlage
von Sedan setzte dem waeligen Imperium Napoleons  III. ein Ende und
erlaubte es König Wilhelm von Preußen, si im Spiegelsaal des Sloes
von Versailles zum deutsen Kaiser proklamieren zu laen. Die Folgen der
Porta-Pia-Brese waren von großer Bedeutung au für das neugeborene
Königrei Italien, der Gegensatz zwisen dem Papst und dem König sollte
swerwiegende und nahaltige Konsequenzen für das Leben der Italiener
haben. Im September 1874 erließ die Sacra Penitenzieria die berühmte Bulle
Non expedit («Es ist nit angebrat»), die den gläubigen Katholiken
nadrüli davon abriet, am öffentlien Leben des Königreis
teilzuhaben.[6] Erst 1905 sollte ein anderer Papst, Pius  X. (Giuseppe
Meliorre Sarto, 1903–1914), das Verbot mildern, und erst 1919 ein weiterer,
Benedikt XV. (Giacomo della Chiesa, 1914–1922), es ganz aueben, indem er
einem Priester, Don Luigi Sturzo, gestaete, eine Partei zu gründen: den
Partito Popolare Italiano, die Christlie Volkspartei, aus der dann die
Democrazia Cristiana, die Christdemokratise Partei, werden sollte.
Warum war diese Reaktion der Kire so hart und unnagiebig? Das
naheliegendste Motiv ist natürli der Verlust der weltlien Mat. Na
Jahrhunderten der Vorherrsa sah si der römise Papst seiner
Herrserfunktionen beraubt, mit allen vorstellbaren Konsequenzen für den
Status, die Intereen, die politise Bedeutung in der Welt. Hinzu kam, da
die Porta-Pia-Brese zahlreie Enteignungen von Gütern und Klöstern zur
Folge hae, mit direkten Auswirkungen auf Finanzen und Privilegien, die
Bestandteil der weltlien Herrsa gewesen waren. Ebenso hellsitig wie
vergebli hae der (1861 früh verstorbene) Graf Cavour den Papst ermahnt,
darüber nazudenken, wie anaronistis im neuen Europa die
Aufreterhaltung einer gleizeitig weltlien und geistlien Mat war.
No im März  1861 hae er in einer Rede vor der Deputiertenkammer
betont:

All diese Waffen, mit denen si die zivilen Mäte in Italien und außerhalb auszurüsten
haben, werden überflüig, wenn der Papst erst einmal auf die geistlie Mat besränkt
sein wird. Und dadur wird au seine Autorität alles andere als beeinträtigt, sie wird in
der einzigen Sphäre, die ihr zusteht, einen erhebli größeren Wirkungskreis erreien.

Den Forderungen lät er Beruhigungen folgen:

Wie au immer Italien in der ewigen Stadt ankommen wird, einvernehmli oder nit,
kaum in Rom angekommen, wird es sofort na der Erklärung des Sturzes der weltlien
Herrsa [des Papstes] das Prinzip der Trennung [von Kire und Staat] proklamieren und
umgehend das Prinzip der Freiheit der Kire auf breitester Basis verwirklien.

Derartige Vorhaltungen beeindruten Papst Pius  IX. nit. Neben den


materiellen Verlusten sah er, wie si im Königrei Italien der slimmste
Zeitgeist behauptete, der Materialismus, den er im Syllabus so sarf
verurteilt hae. Im liberalen Rationalismus auläreriser Provenienz sah er
den Anspru, die Vorherrsa der Vernun über den Glauben zu
etablieren – letzte Nawehe der Französisen Revolution, die die alte
theokratise Gesellsa aus den Angeln gehoben hae. Na 1870 hae
Pius  IX. keine Hemmungen, die gesamte Führungit des vereinigten
Italien kollektiv zu exkommunizieren, und 1873 au König Viorio
Emanuele persönli. Von seinem Standpunkt aus betratet gab es nit den
geringsten Zweifel, da er einer der Päpste war, die der geistlien Miion,
von der sie si beseelt fühlten, zutiefst treu blieben.
Die Enteignung materieller Güter spielte eine gewie Rolle, do der
tiefere Grund der Auseinandersetzung war ideologis, also unerbili. Der
Papst slo si in den Mauern des Vatikans ein. Alle Welt sollte wien,
wel gewaltsamer Übergriff der Zwang zur Trennung von Kire und Staat
war. In Italien und ganz Europa stellten Gläubige die Ikone des Papstes als
Gefangenen zur Sau. Priester und Ordenwestern verkauen das Stroh
des Lagers, auf dem der Heilige Vater angebli von der italienisen
Regierung genötigt wurde, seine unglülien Näte zu verbringen, als
heilige Reliquie.
All dies nährte seinen Zorn, bestärkte seine Überzeugung, da die neuen
Lehrmeinungen Vorboten des Übels waren. Beim Sozialismus verdammte er
übrigens weniger die politise Vision oder die ökonomise, sondern das
Familienkonzept, den Rollenwesel der Frau, eine häuslie Moral, die er
als antithetis zur ristlien betratete, als ein Instrument «zur
Täusung und zum Verderben der unbedaten Jugend», die von der Lehre
der Kire entfremdet und ungesützt rein irdisen Idealen ausgesetzt
würde. Die Trennung zwisen Kire und Staat, die Anerkennung der
gegenseitigen souveränen Freiheit, auf der Cavour dem Papst gegenüber
beharrte, weil er sie für «beruhigend» hielt, war genau das, was der Papst als
slimmste Bedrohung empfand.
Auf der anderen Seite kann man verstehen, da für eine Institution wie
die katholise Kire, die si als Hüterin der einzig möglien Wahrheit
betratet, jede abweiende Hypothese wie eine Provokation oder sogar
Blasphemie klingen mu. Das Mitrauen gegenüber den Ende des
18.  Jahrhunderts eroberten Reten des Individuums bleibt au bei seinen
Nafolgern sehr lebendig. Pius  XI., Papst Rai, wird mien im
20. Jahrhundert erklären:

Wenn es ein totalitäres System gibt, totalitär de facto und de jure, dann ist es das Regime der
Kire, denn der Mens gehört der Kire total, er mu ihr gehören, weil der Mens eine
Kreatur des lieben Goes ist … Er ist Repräsentant der Ideen, der Gedanken und der Rete
Goes, er ist nits als die Kire.

Johannes Paul  II., Papst Wojtyła, hat in seiner Enzyklika Evangelium vitae
sogar geltend gemat – und in der Folge immer wieder bekräigt –, da
«die Demokratie …, ungeatet ihrer Regeln, den Weg eines substantiellen
Totalitarismus [besreitet]», wenn sie im Widerspru zur Kirenethik
abstimme. Zu ein- und derselben Ideologie, dem «Totalitarismus», wird si
mit Stolz bekannt, wenn sie von der Kire kommt – sie wird aber
verdammt, wenn sie von einer Demokratie praktiziert wird.
In liberalen Kreisen löste der sarfe Gegensatz zwisen dem Königrei
Italien und dem Papsum allerdings gegenteilige Reaktionen aus, was si in
zahllosen antiklerikalen Manifestationen niederslug. Das reite von ret
vulgären Sprüen (Garibaldi hae Pius  IX. als «einen Kubikmeter Mist»
bezeinet) bis zu der Obseion, in jeder katholisen Organisation ein
obskures Instrument gegen die Nation zu sehen. Es kam sogar die Frage auf,
ob es zuläig sei, die Katholiken als vollwertige, mit allen Reten
ausgestaete Bürger zu betraten. Die Katholiken reagierten ihrerseits mit
der Propaganda, das Risorgimento und die Einheit Italiens seien ein Ergebnis
von Intereen der europäisen Freimaurer, und Cavour selbst, der ein
Mitglied dieser Sekte war, nehme Befehle von der internationalen
Freimaurerei entgegen, die von London aus die Außenpolitik des kleinen
Königreies Sardinien-Piemont manövriere.
Für viele gläubige Katholiken war und blieb Pius  IX. eine Figur von
immenser Popularität und großem Ansehen. Mit Ret wird gesagt, mit ihm
habe der päpstlie «Personenkult» begonnen, au weil jenseits der Politik,
die er glaubte vertreten zu müen, und der Härte, mit der er sie vertrat,
seine menslien Eigensaen, seine Güte, seine Wärme bemerkenswert
waren.
Pius  IX. starb am 7.  Februar  1878 in Rom im Alter von 86.  Jahren und
wurde im Vatikan bestaet, allerdings nur provisoris. Drei Jahre später
nämli, als sein Grabmal in der Basilika San Lorenzo al Verano (St.
Laurentius vor den Mauern) fertiggestellt war, wurde sein Leinam
umgebeet. In Absprae mit dem Präfekten und dem Polizeipräsidenten von
Rom wurde festgelegt, da der Transport, um Zwisenfälle zu vermeiden,
bei Nat gesehen sollte. Bestimmte klerikale Kreise ließen die Narit
aber dursiern, in der Hoffnung, da si die Sympathiekundgebungen,
die es zu Lebzeiten des Papstes immer wieder gegeben hae, wiederholen
würden. Daelbe taten umgekehrt die Antiklerikalen, die aus den
entgegengesetzten Gründen mobilmaten.
Die Regierung (das vierte Kabine Agostino Depretis’) war nit gewillt,
einen allzu maiven Sierheits- und Ordnungsdienst aufzubieten, im
naiven Vertrauen auf eine gewie Diskretion. Tatsäli nämli wurde der
Weg des Leienwagens und seiner Eskorte von einer beträtlien fahnen-
und silderbewaffneten Menge begleitet. Von der einen Seite wurde der
Papst umjubelt, von der anderen mit Ausrufen wie «In den Flu mit dem
Swein von Papst» besimp. Tatsäli gab es Drohungen, den
Leinam Pius’ IX. in den Tiber zu werfen. Es flogen Steine, es wurden
Stöe geswungen, die Tumulte erreiten einen solen Pegel, da si
der Leienzug, gefolgt von einer johlenden Volksmae, mit sehr unheiliger
Eile zu seinem Ziel bewegte. Der amtierende Papst Leo  XIII. protestierte
lautstark, fast sien es, als komme die «Römise Frage» wieder auf die
Tagsordnung. Der Präfekt verlor seinen Posten, während der Außenminister
si bei den witigsten Regierungen Europas entsuldigen mute.
Papst Johannes Paul  II. hat Pius  IX. am 3.  September  2000 auf dem
Petersplatz seliggesproen. Der Quirinal ist heute der Amtitz des
italienisen Staatspräsidenten.
VIII. GRÄBER DER POLITIK
ZU EHREN ZWEIER SÜNDER IM PETERSDOM

Ü
BER DEM HAUPTBOGEN der Porta del Popolo, auf der Innenseite, zur
Piazza del Popolo hin, ist eine große Plae aus weißem Marmor
eingemauert, auf der zu lesen ist: FELICI FAUSTOQUE INGRESSUI –
ANNO DOM MDCLV (Zum glülien und gesegneten Einzug – im Jahr
des Herrn 1655). Auf welen glülien und gesegneten Einzug des Jahres
1655 wird hier Bezug genommen? Die Ankun weler Persönlikeit
verdiente eine so dauerhae Erinnerung?
Die Widmung bezieht si auf Christina von Sweden, eine der
bemerkenswertesten Frauen ihrer Zeit, große Förderin von «Akademien»,
von lebhaem Geist, gleizeitig aber oleris, srill, unbeständig.
Christina maß si mit einigen ihrer größten und au fragwürdigsten
Zeitgenoen, von Ludwig  XIV. bis Kardinal Mazarin, von Papst
Alexander  VII. bis zum Abt Vanini, der von den Zeitgenoen mit dem
Beinamen stupratore, Vergewaltiger, bedat wurde.[1] Mit ihnen versute
sie in punkto Slauheit oder Brillanz zu konkurrieren, ging aber meist als
Unterlegene hervor. Veronica Buley, eine ihrer besten Biographinnen, hat
zutreffend angemerkt, da Christina sier «begabten Verstandes» war, ihr
aber bei ihrer verzweifelten, hoffnungslosen Sue na Größe der nötige
Funke an Genie fehlte, soda man ihr Leben in der Bilanz als «eine
unregelmäßige Perle des Baro, glänzend und wertvoll, trotz ihrer
Unvollkommenheiten»[2] besreiben müe.
Na Christina von Sweden ist in Rom eine Straße benannt worden, die
an dem von ihr gegründeten Botanisen Garten des Palazzo Corsini
(damals: Riario) vorbeiführt. Am bemerkenswertesten aber ist die Tatsae,
da die Königin eine der wenigen Frauen mit einem pratvollen
Mausoleum im Petersdom ist (ein Werk Carlo Fontanas) und unten in den
Krypten mit einem Grab, das dur einen Zufall, der ihr nit mifallen
häe, direkt neben dem von Johannes Paul II. liegt. Auf dem Sarkophag steht
gesrieben: CORPUS CHRISTINAE ALEXANDRAE GOTHORUM
SUECORUM VANDALORUMQUE REGINAE – OBIIT DIE XIX APRILIS
MDCLXXXIX (Der Leinam Christina Alexandras Königin der Sweden
und der Vandalen – Gestorben am 19. April 1689).
Als sie im Frühjahr 1689 starb, war sie 63 Jahre alt. In Rom war sie dreißig
Jahre zuvor angekommen, nadem sie zugunsten ihres Cousins auf den
swedisen ron verzitet hae. Was hae sie zu dieser Abdankung
gedrängt? Und was hae sie angetrieben, ganz Europa zu durqueren, um
Katholikin zu werden und si in der Stadt der Päpste niederzulaen, der
Wiege der Gegenreformation? Es ist eine komplizierte Gesite, in der si
die geheimsten Beweggründe der Seele mit politisen Opportunitäten
vermisen, der Zufall und das Zusammenfallen ihres Lebens mit den
srelien Jahren, die der Kontinent gerade erlebte. Die Gesamtheit all
dieser Umstände hat Christina, die als Protestantin Geborene, die erklärte
Lesbierin, die Auraggeberin eines Mordes, bis in die Herrlikeit des
Petersdoms gebrat.
Son bei ihrer Geburt als Toter von Gustav II. Adolf dem Großen und
Maria Eleonora von Brandenburg gab es Miverständnie. Es war der
8.  Dezember  1626, und sie kam vom Kopf bis zu den Knien von einer
Glüshaube[3] bedet zur Welt. Ein seltsames Zusammentreffen (ein
Vorzeien?) wollte es, da sie in eben dem Jahr geboren wurde, als der
Petersdom geweiht wurde. Sie hae eine kräige Stimme, eine enorme
Vitalität und wahrseinli eine genitale Fehlbildung, eine vergrößerte
Klitoris, weshalb sie von den Hebammen zunäst für einen Jungen gehalten
wurde.
Erst am Tag darauf wurde na einer aufmerksameren Prüfung der
Gesletsorgane ihr wahres Geslet entdet. Dem König, so heißt es,
mifiel das nit besonders, laend soll er kommentiert haben: «Sie wird
gesit sein, denn sie hat uns alle betrogen.» Ihr Vater, ein tapferer und
oleriser König, starb während des Dreißigjährigen Krieges. Er war ein
waerer Verfeter von Luthers Reformation gewesen, ein entsiedener
Gegner der päpstlien Matstellung. Was den Skandal umso größer
mate, als Christina ihre Konversion verkündete.
Das anfänglie Miverständnis über ihr Geslet begleitete sie ihr
ganzes Leben lang und könnte die einfaste Erklärung für ihre
Homosexualität sein. Mehrmals im Laufe ihres Lebens kam sie auf dieses
ema zurü, das au der Hauptgrund für ihre Abdankung war. Als sie
son in reifem Alter war, fiel sie eines Tages von einem Einspänner, mit
dem sie in großer Geswindigkeit in die Gärten des Palazzo Corsini
hineingefahren war, und blieb mit hogeworfenen Röen auf dem Boden
liegen, soda es niemand wagte, ihr zu Hilfe zu eilen. Sie stand allein wieder
auf und sagte laend: «Jetzt wit ihr also, da i weder ein Mann no
ein Hermaphrodit bin, wie es mane glauben maen wollen.»
Mit ses Jahren auf den ron gestiegen, übernahm sie mit atzehn die
Regierung des Landes. Als sie zugunsten ihres Cousins Karl Gustav
abdankte, war sie atundzwanzig. Sie hae zehn Jahre lang regiert, nit
ganz unzufrieden mit ihrem Status, wenn wir ihren eigenen Worten glauben
dürfen:

Der ron ist meine Wiege gewesen, i war gerade erst geboren, als i ihn besteigen
mute … I war no so ein Kind, da i weder mein Unglü no mein Glü verstand.
I erinnere mi auf jeden Fall, da i glüli war, zu meinen Füßen alle diese Leute zu
sehen, die mir die Hand küten.

Zu den erinnerungswürdigen Ereignien ihrer Herrsa gehört der


Aufenthalt des französisen Philosophen René Descartes an ihrem Hof, von
dem sie als junge Frau, gebildet und neugierig, wie sie war, Philosophie und
Mathematik lernen wollte. Der arme Descartes, der gegen seinen Willen und
erst auf sehr nadrülie Einladung na Stoholm gereist war, mute
seinen Unterrit um 5 Uhr morgens geben, außerdem hae er in der
ungeheizten königlien Bibliothek vor der Herrserin ohne Kopedeung
zu erseinen. Mit vierzig Jahren hae Descartes seine Abhandlung über die
Methode[4] gesrieben, die für den Gebrau der menslien Vernun
und die Ablehnung jeder Art von Dogmatismus eine Wende bedeutet hae.
Mit über fünfzig Jahren hae er jetzt plötzli mit vor Kälte klappernden
Zähnen Lektionen zu geben. Er ertrug den eisigen skandinavisen Winter
nit, hae vermutli Heimweh na dem milden Weer seiner Touraine
und starb (im Februar 1650) an einer Lungenentzündung.
Über die Ursae seines Todes kursiert allerdings seit kurzem no eine
andere Version. Der deutse Philosophieprofeor eodor Ebert von der
Universität Erlangen hat 2009 das Bu Der rätselhae Tod des René
Descartes[5] veröffentlit, in dem er nazuweisen versut, da der
Philosoph nit dur Kälte, sondern dur Gi zu Tode kam. In den
Ariven stöbernd, hat Ebert einen Berit von Descartes’ Arzt Johann van
Wullen aufgespürt, der «anhaltenden Sluauf, swarzen Auswurf,
ungleimäßigen Atem, unstete Augen»[6] diagnostizierte. Symptome, die
si auf eine Arsenvergiung zurüführen laen, ein Gi, sreibt Ebert,
mit dem die Kire son immer eine große Vertrautheit gehabt habe.[7] Das
Motiv des Mordes soll der Unterrit gewesen sein, den der Philosoph
Christina erteilte, da er geeignet sien, die bevorstehende Konversion der
Königin zum Katholizismus zu behindern. Eine vergiete Hostie, verabreit
von dem Augustiner-Pater François Viogué, soll das Mordinstrument
gewesen sein. Der Geistlie hegte im Übrigen einen solen Ha gegen den
Philosophen, da er ihm sogar die Sterbesakramente verweigerte, denn «I
will ihn direkt in die Hölle sien!», soll er gesagt haben.
Aulaggebend für Christinas endgültigen Verzit auf den ron war
das ständige Drängen der staatlien Würdenträger, sie möge si endli
einen Gaen nehmen, um dem Königrei und der Dynastie einen Erben zu
senken. Bei einem dieser Versue verließ sie zornig den Parlamentaal,
später erläuterte sie ihre Verweigerung der Ehe mit größerer Ruhe: «Es ist
mir nit mögli zu heiraten. So verhält es si damit. Über meine Gründe
sweige i. Mir steht nit der Sinn na einer Ehe. I habe Go innig
gebeten, er möge meine Gesinnung ändern, es ist mir aber nit gelungen.»
In der Folge erklärte sie mehrfa, der Gesletsakt komme ihr wie eine
Unterwerfungsgeste der Frau gegenüber dem Mann vor, und dieser Gedanke
sei ihr unerträgli. Sie sagte au: «I könnte es nit ertragen, wenn ein
Mann mi so gebraute wie ein Bauer seine Felder.» Im Gegensatz dazu
steht allerdings eine Auage, zu der sie si gegenüber der französisen
Königinmuer hinreißen ließ (oder, anderen Quellen zufolge, Anna von
Österrei): «Vögeln ist das, wozu die sönen Mäden gemat sind.»
Die Frage, ob diese Ablehnung au Sex mit Frauen betri, ist umstrien,
es sind aber einige leidensalie Liebesgesiten Christinas mit Frauen
bekannt. Die berühmteste ist die mit der sehr sönen swedisen Gräfin
Ebba Sparre, einer Hofdame, die Christina liebevoll «Belle» nannte. Dem
britisen Botsaer stellte sie sie einmal sehr unverblümt mit den Worten
vor: «Meine Geliebte, meine Begefährtin [my bed-fellow]». No als sie
bereits viele Jahre in Rom lebte, site sie ihr smatende Briefe wie
diesen: «Wie glüli wäre i, wenn i Eu sehen könnte, Belle, aber
obwohl i Eu immer lieben werde, kann i Eu nit wiedersehen, also
werde i niemals glüli sein können. I bin die Eure, wie i es immer
gewesen bin, egal, in welem Teil der Welt i mi befinde. Bin i Eu
no immer so lieb wie einst?» Oder: «Du darfst nit an einer Freundsa
zweifeln, die son Jahre der Trennung überdauert hat. Wenn du darüber
nadenkst, wele Mat du über mi hast, solltest du di au daran
erinnern, da i deine Liebe zwölf Jahre lang gehabt habe. I gehöre dir,
du wirst mi nie verlieren können, erst bei meinem Tod werde i auören,
di zu lieben.»
Eine weitere leidensalie Korrespondenz führte sie mit der Marquise
de Ganges, die sie bei einem Spaziergang in Lyon zufällig getroffen hae,
und in die sie si sofort verliebte. Ebenfalls in Frankrei, aber in Paris,
versute sie, Mme de ianges dazu zu bringen, ihren Mann zu verlaen
und gemeinsam mit ihr na Italien zu fliehen. Die faszinierende Dame war
si offenbar ihrer Gefühle nit ganz sier, ein wenig wie Zerlina im «Don
Giovanni» («Vorrei e non vorrei …» – «I möte und i möte nit
…»). Ihr Gae aber, der über den Plan informiert wurde, wandte si
umgehend an den König, der die Flut verhinderte. Auf der Reise na Rom
war Christina in Hamburg Gast ihres Bankiers Diego Texeira de Sampais.
Deen Nite Rael Silva hae ebenfalls lesbise Neigungen. Die beiden
Frauen begannen, miteinander spazierenzugehen oder Kutsfahrten zu
unternehmen, wobei sie si leidensali geküt haben sollen.
Christina war nit sön, das laen ihre zahlreien Porträts deutli
erkennen, au wenn sie versuen, ihr Auehen zu verfeinern. Das belegen
au die Zeugnie der Zeitgenoen. Der englise Reisende Edward
Browne sreibt in einem Brief von 1665: «Sie ist klein, di und ein wenig
sief. Gewöhnli trägt sie einen violeen Samtro, eine breite Krawae
und eine Männerperüe. Sie ist immer fröhli, legt ein freizügiges
Verhalten an den Tag.» Viele Jahre später, da sind wir son im Jahre 1688,
sreibt ein Franzose, wiederum in einem Brief, mit sehr viel weniger
smeielhaen Worten: «Sie ist von niedrigem Wus, di und korpulent.
Ihre Farbe, die Stimme und die Gesitszüge sind die eines Mannes. Sie hat
eine starke Nase, große blaue Augen, blonde Augenbrauen und ein
Doppelkinn, aus dem Bartstoppeln hervorwasen.»
Das zentrale politise Ereignis ihrer Jugend war der Westfälise Friede,
der am 24.  Oktober  1648 unterzeinet wurde und dem Dreißigjährigen
Krieg ein Ende setzte. Ein Krieg, der mit seinen Maakern und
Plünderungen größtenteils auf dem Boden Deutslands stafand, das am
Ende in Su und Ase lag. Mit dem Vertrag wurde eine Neuordnung
Europas begründet, die bis fast in unsere Tage Gültigkeit behielt: Frankrei
begann seinen Aufstieg, als der künige Sonnenkönig erst zehn Jahre alt
war, während Spanien na dem Verlust der niederländisen Provinzen
seinen Niedergang erlebte. Zu den Verlierern gehörte au der Papst. In dem
Vertrag sah er das Ende der katholisen Hoffnung auf einen unter dem
Triregnum Roms vereinigten Kontinent.
Der Westfälise Friede von 1648 brate mit seinen Religionsartikeln
gegenüber dem bislang gültigen Augsburger Religionsfrieden von 1555
einsneidende Veränderungen mit si. So muten die Untertanen einen
Religionswesel ihres Herrsers nit mehr mitvollziehen. Und im Rei
waren jetzt alle drei Konfeionen, Katholizismus, Luthertum und
Calvinismus, offiziell zugelaen. Die Reaktionen aus Rom waren sarf.
Nadem Papst Innozenz  X. die Bedingungen des Vertrags gelesen hae,
protestierte er in seiner Bulle Zelus Domus Die aufs Heigste dagegen und
bezeinete ihn als «null, nitig, ungültig, ungeheuerli, ungeret,
verdammenswert, rulos, dumm und für alle Zeit bar jeglier Bedeutung».
Nit mehr als ein Wutausbru «bar jeder Bedeutung», denn der Papst
wollte damit historise Bedingungen vom Tis wisen, die in ganz
Europa herangerei und anerkannt waren.
Und Christina? Die Königin von Sweden, Toter des großen Gustav II.
Adolf, der in diesem Krieg gestorben war, war eine der Garantinnen des
Friedens geworden. Wenn es ihr aufgrund höst privater Gründe nit
gefiel, auf dem ron zu bleiben, häe sie si darauf besränken können,
ihn zu verlaen und weiter eine herausragende und mätige Persönlikeit
ihres Landes zu bleiben. Sie häe zur Paladinin der religiösen Toleranz
werden und auf diese Weise das Andenken an ihren verstorbenen Vater
ehren können. Sie wählte einen anderen Weg, und über die Motive dieser
Wahl sind die Biographen untersiedlier Auffaung, weil die Quellen
verswiegen sind und weil es beinahe unmögli ist, in die Seele eines
menslien Wesens hineinzuspähen. Eine einzige Gewiheit gibt es, da
nämli ihr Vater, ein unermüdlier Befürworter der Reformation, ihre
Handlungsweise aufs Särfste mibilligt häe.
Christina wählte Rom, die Sonne des Mielmeers, eine mildere Natur, ein
weniger kaltes Lit, das sogar den Smutz und das Elend, an dem es in
Rom, wie übrigens au in ihrem Sweden, nit fehlte, zu erwärmen
imstande war. Wie einer ihrer Biographen sreibt: «Sie hae auf die Krone
verzitet, wollte aber eine Königin bleiben, im Mielpunkt der Ereignie
stehen.» Und dies würde ihr in Rom mögli sein. Si aber als Lutheranerin
in der Stadt der Päpste niederzulaen, war nit mögli, und es war au
nit angezeigt. Als Königin war sie retli das Kirenoberhaupt ihres
Landes gewesen, genau wie es der König von England na der Reform
Heinris  VIII. für die anglikanise Kire war. Die notwendige
Vorauetzung dafür, si in Rom niederzulaen, war die Konversion zum
katholisen Glauben.
Das war aber gar nit so einfa. Die ehemalige Herrserin bra mit
einem Gefolge von ledigli vier Edelmännern aus Sweden auf und
mate in Brüel Station, wo sie im herrlien Egmont-Palast eine
königlie Residenz erhielt. In der Privatkapelle des Palastes, in direkter
Nabarsa zu ihren Gemäern, swor sie am Heiligabend des Jahres
1654 dem evangelis-lutherisen Glauben ab und spra das katholise
Glaubensbekenntnis. Dies war aber nur der erste Sri, denn die Brüeler
Zeremonie hae privaten Charakter und konnte die ruhelose Christina sier
nit zufriedenstellen. In der Tat, einige Monate später ist sie in Innsbru zu
Gast beim Erzherzog Ferdinand, und dort sließli wird die ehemalige
Königin von Sweden am 3.  November  1655 in der königlien Kapelle
offiziell in den Soß der neuen Kire aufgenommen, mit allem
gebührenden Pomp, in angemeenem Habit, im Rahmen einer feierlien
Mee mit Te Deum, Gloengeläut, Kanonendonner, Jubel des Volkes.
In Rom war inzwisen Alexander VII. (Fabio Chigi, 1655–1667)) auf den
Petrusthron gestiegen. In gewagtem Italienis site ihm Christina
soglei einen Brief totaler Unterwerfung: « Ho manifestato al mondo per
obbedire a Vostra Santità aver lasciato con somma allegrezza quel regno
dove il riverirla è posto tra i peccati inammissibili …» (etwa: «I habe der
Welt gezeigt, um Eurer Heiligkeit zu gehoren, mit größter Freude jenes
Königrei aufzugeben, wo Ihre Verehrung zu den unzuläigen Sünden
gehört.») Die Konversion einer Königin, so taktis sie au gewesen sein
mag, war na der tiefen Wunde der Reformation eine witige Eroberung
für die Kire von Rom. Und der Papst beabsitigte, das Ereignis, wie man
heute sagen würde, medial auszuslaten. Au aus diesem Grund, nit
nur wegen der in Rom wütenden Pest, war Christinas Reiseroute ein wenig
umständlier als nötig. Man braute die Zeit, um den Einzug der
Neukonvertitin adäquat vorzubereiten: Mantua, Ferrara, Bologna, Pesaro,
Ancona, Loreto, Aisi, Bracciano waren die Stationen.
Am Ende gab es einen doppelten Einzug. Der erste fand in der
Dämmerung des 10.  Dezembers beinahe unbemerkt sta. Na einigen
Tagen der Ruhe aber verließ Christina die Stadt no einmal und begab si
zur Milvisen Brüe, wo si ein prunkvoller Tro aus Adeligen, hohen
Prälaten, Militärs, Kutsen und Pferden formiert hae, der sie mit allen
Ehren bis zum Petersdom geleitete. Der Papst hae ein besonderes Fahrzeug
für sie herriten laen, do die junge Frau (sie war gerade 29 Jahre alt
geworden) zog es vor, auf ihr weißes Reitpferd zu steigen, und so betrat sie
die Ewige Stadt dur die Porta del Popolo, die Straßen waren überfüllt mit
einer Menge Neugieriger, die ihr zujubelten und applaudierten: in grünen
Samt gekleidet, mit dem Swert gegürtet, einen großen Federhut auf dem
Kopf, der Smu und Sutz war vor dem grauen Weer, mit dem sie von
Rom empfangen wurde. Übrigens ließ Regieur Rouben Mamoulian au
Greta Garbo einen solen Federhut tragen, als er 1933 den Film «Königin
Christina» drehte.
Alexander  VII. war zufrieden über ihre Ankun, au wenn er zunäst
eine abwartende Haltung an den Tag legte, denn er wollte diese ruhelose
Frau erst beer kennen und einsätzen lernen. Jedenfalls bedeutete ihre
Konversion einen spektakulären Punktsieg über den Protestantismus, der
Rom den halben Kontinent entrien hae. Fabio Chigi, ein strenger und
frommer Papst, hae lange in deutsen Landen gelebt und dort die
Slitheit der Religionsausübung sätzen gelernt, die Fähigkeit zur stillen
Sammlung, die so grundversieden war von dem lärmenden und in vielen
Zügen no fast heidnisen Glauben, wie er in Rom praktiziert wurde. In
sein Slafzimmer hae er als konstantes Memento mori einen Sarg stellen
laen. Was Frauen betri, so hae er die furterregende Olimpia
Maidalini aus dem Vatikan entfernt, von der si sein Vorgänger hae
unterjoen laen, deen Swägerin und vermutli au Geliebte sie
gewesen war. Als matbewute Intrigantin hae Olimpia den älteren
Bruder des Papstes geheiratet und wurde während seines Pontifikats
praktis zur witigsten Instanz für die Erteilung von Gefälligkeiten und
Gunsterweisen. Das Volk von Rom nannte sie verätli «la Pimpaccia»
(die Dreiste) oder «die Päpstin» (vgl. Kapitel VI).
Nadem Olimpia von der Bühne verswunden war – die übrigens kurz
darauf an der Pest starb –, hielt nun die Swedin Christina Einzug,
Intrigantin au sie, do mit jener Dosis Naivität, die aus ihr eher eine
Träumerin als ein etes Matinstrument oder gar eine Gefahr mate. Im
strengen Klima des Protestantismus und in der eisigen Kälte ihres Landes
aufgewasen, taute die ehemalige Königin nun ein in die römise
Baroprat, in eine Religiosität, bei der liturgiser Pomp nit selten die
Tiefe des Glaubens ersetzte. Eine Stadt der Feste, der Bälle, des Klatses, der
Hofmaerei und der Rennen, in der die Aristokraten-Paläste wie Edelsteine
in einem Meer von elenden Hüen verstreut waren und wo die Aristokratie,
ob sie nun «weiß» oder «swarz»[8] war, inmien einer Plebs erstrahlte,
die in der erbärmlisten Unwienheit belaen wurde. Eine Stadt, die im
Grunde heidnis geblieben war, in der seltsame, legendenumwobene
Objekte wie authentise Reliquien verehrt wurden: ein Arm Josephs von
Arimathäa,[9] einer der dreißig dem Judas bezahlten Dinare, ein Fragment
des eten Kreuzes, eines der Brote, die Jesus wundersam vermehrt hae,
und sogar seine bei der Besneidung entfernte Vorhaut.
Der erste Wohnsitz Christinas war einer der sönsten Paläste Roms:
Palazzo Farnese, mit der von Annibale Carracci ausgemalten Galerie, einem
Markstein der Renaiance-Malerei. Es gab die Feste, bei denen Masken dazu
dienten, verbotene Selmereien und Galanterien zu kasieren; die
Karnevalsrennen am Corso, bei denen Pferde und Esel gegeneinander
antraten und an denen die Juden (als deicidi – Goesmörder) zur
Volksbelustigung gezwungen wurden, teilzunehmen, au wenn sie son alt
waren: unter dem Spogeläter der Menge, die sie zur Zielseibe von
Wurfgesoen aller Art mate, von faulem Obst bis zu toten Katzen. Das
Ewige Rom also der Prat und der Niedertrat, immer zum Hohngeläter,
zur Grausamkeit und zur Freigiebigkeit bereit, immer ein wenig kindis,
immer extrem im Guten wie im Bösen. Im August des Jahres 1686, drei Jahre
vor ihrem Tod, sollte Christina «die Hebräer dieser Stadt Rom» unter ihren
besonderen Sutz stellen. Eine mutige Tat in einer Stadt, die ihre Juden seit
über einem Jahrhundert im Gheo einpferte.
Ihres Ranges als Souveränin duraus bewut, öffnete sie ihre Salons dem
Besten, was die Stadt an Talent, Geist, Mat zu bieten hae. Ein Großteil
der in Rom residierenden Kardinäle, an die dreißig, maten es si zur
Gewohnheit, an ihren Abenden teilzunehmen, hozufrieden über den
zuglei freudigen und festlien Empfang, der ihnen zuteil wurde.
Unter ihren häufigsten Gästen war ein gewier Decio Azzolino, der aus
Fermo stammte und si die Slauheit der heimatlien Marken bewahrt
hae. Ein Mann von beseidener Statur und sehr lebhaem Geist. Fünf
seiner neun Swestern waren Nonnen geworden, so wie einer seiner Brüder
(wie er) Priester geworden war. In weniger wohlhabenden Familien galt es
als paable Lösung, mitgilose Töter in den Dienst der Kire zu stellen.
Als Protegé der slimmen Donna Olimpia war Azzolino zu Zeiten
Innozenz’ X. als kaum Zwanzigjähriger zum segretario della Cifra ernannt
worden, also zum Verantwortlien für die Geheimcodes der päpstlien
Korrespondenz. Ein äußerst ansprusvolles Amt, wie man si vorstellen
kann, für das man tenises Können braute und gleizeitig über einen
ausgeprägten Realismus sowie eine gewie Begabung für Intrigantentum
verfügen mute. Von all diesen Talenten wird er reili Proben abliefern
und die kirlie Karriereleiter bis ganz na oben erklimmen. Abgesehen
davon hae er ein sehr intensives Sexualleben, jedenfalls bis er Christina
kennenlernte. Zwisen den beiden war es Liebe, lebenslang, zärtli und
vielleit au sexuell (worauf es aber keine sieren Hinweise gibt). Mit
gewien Swankungen natürli, Eifersut und kleinen Raeakten, wie
bei jeder eten Liebe eben.
No im Alter sah man die beiden Seite an Seite im Park des Palazzo
Corsini spazieren gehen und in aller Ruhe miteinander diskutieren, die
neuesten Büer kommentieren, si über ihre Krankheiten austausen, der
Sri langsamer geworden, das jugendlie Feuer vom Alter gebändigt. Von
allen Phantasmen, Utopien, Träumen, mit denen die Königin im Laufe der
Jahre geliebäugelt hae, war das Konkreteste, was ihr bleib, als sie einmal
die Sezig übersrien hae, der alte Kardinal, der einst imstande gewesen
war, die Papstwahl zu beeinfluen, und der jetzt begonnen hae, einen Teil
seines Vermögens wohltätigen Zween zuzuführen.
In Christinas Leben hat es allerdings au ein grausiges Ereignis gegeben,
das erzählt werden mu, weil es etwas über ihre Mentalität und gleizeitig
über die eigennützige politise Nasit auagt, mit dem sie vom Papst
und seinem Hofstaat behandelt wurde. Es geht um einen Mord, no dazu
einen so erbarmungslos verübten, da er selbst in einem bewegten Leben
wie dem ihren unauslösli bleibt.
Im November  1657 befindet si Christina als Gast Ludwigs  XIV., des
Königs von Frankrei, in Fontainebleau. Zwe ihres Besues war,
herauszufinden, ob der künige Sonnenkönig ihr bei der Eroberung der
Krone Neapels behilfli wäre. Mit bemerkenswerter Naivität oder
unbesonnenem Ehrgeiz hae Christina nämli geglaubt, si in die Kämpfe
zwisen Frankrei und Spanien einsalten zu können, um si wieder ein
eigenes Königrei zuretzusneidern. Ludwig war erst 19 Jahre alt, sein
Tutor aber, der äußerst fähige, geriene Kardinal Mazarin (geboren als
Giulio Mazzarino in einem abgelegenen Abruzzendorf und sließli am
französisen Königshof gelandet), hae ihr gegenüber zu verstehen
gegeben, da man es früher oder später vielleit versuen könnte.
In Wahrheit date Mazarin an si selbst und seinen König, die vagen
halben Verspreungen waren nur ein Miel, die rastlose Frau
ruhigzustellen, die in Rom no nützli sein konnte. Die Monate vergingen,
und das Königrei Neapel löste si immer mehr in Lu auf. No
slimmer: Hartnäig hielten si Stimmen, die versierten, Mazarin führe
insgeheim Friedensverhandlungen mit Spanien, was für Christina bedeutete,
da sie ihren Plan komple ad acta legen konnte. Die Ex-Königin hae
diesen Traum aber so lange gehegt, da sie son die Uniformen des Heeres
hae entwerfen laen, an deen Spitze sie si setzen wollte: Jaen in
Viole und Swarz mit Silberstierei. Nun sah es plötzli so aus, als
würde si alles auflösen wie Nebel in der Sonne. Ihr Ärger, vielleit waren
es aber au konkretere Gründe, trieb sie dazu, die Verantwortung für diese
Sma dem Stallmeister ihres Gefolges, dem Marese Gian Rinaldo
Monaldesi, zuzusreiben, einem möglierweise unzuverläigen
Bediensteten, der aber gewi nit das entsetzlie Ende verdiente, das
Christina anordnete, nadem sie ihn wegen Verrats angeklagt hae.
Die grauenhae Szene spielte si am 10. November in der Hirsgalerie
des Sloes von Fontainebleau ab. Dort war die Königin mit drei Männern,
einem Priester und dem unglülien Markgrafen zusammengekommen.
Christina präsentierte ein Päen Briefe von der Hand eines der Männer
seines Vertrauens (Francesco Maria Santinelli), in denen Diskreditierendes
über sie gesagt wurde. In Wahrheit waren die Episteln von Monaldesi
selbst gefälst worden, der dies beim Verhör au unverblümt eingestand
und angab, er habe keine böse Absit damit verfolgt; er brate einige
swae Ausflüte vor. Der Mann hae Todesangst, Christina blieb
unnagiebig, die drei Männer haen den Degen son gezogen. An einem
gewien Punkt fiel Monaldesi der Königin zu Füßen und flehte sie um
Vergebung an (auf einem Gemälde im Slo ist diese Szene zu sehen),
spra lange zu ihr, sluzend. Die Königin hörte ihm ungerührt zu, am
Ende dieses langen Plädoyers sagte sie eiskalt zu dem Priester: «Bereiten Sie
diesen Mensen auf den Tod vor.» Nadem sie dies gesagt hae, verließ
sie die Galerie und zog si in ihre Gemäer zurü.
Es gab versiedene Fürbie-Versue, au wurde Christina darauf
hingewiesen, da das Slo französises Territorium sei und sie in einem
fremden Land zu Gast weilte, da also die Tötung des Mannes nit nur das
Ret, sondern au die Gesetze der Gastfreundsa verletzen würde. Dem
entgegnete Christina, da ihr Ret, als Herrserin über ihre eigenen
Untertanen Gerit zu halten, au in Fontainebleau unvermindert
fortbestehe und der Priester also sleunigst tun solle, was seines Amtes sei.
Als klar war, da nits mehr versut werden konnte, versenkte einer der
drei Männer mit einem blitzartigen Stoß das Eisen in den Magen des weiter
um sein Leben beelnden Markgrafen. Der Stoß war nit tödli, denn
unter dem Gewand trug Monaldesi ein Panzerhemd – was ihm aber am
Ende nits nutzen sollte. Weitere Hiebe wurden gegen ihn geführt, do
au diesmal war kein Todetoß dabei. Blutend, verstümmelt – beim
Versu, die Klinge der Angreifer abzuwehren, wurden ihm einige Finger
abgehauen – sleppte si der Markgraf, aus klaffenden Wunden blutend,
stöhnend die Wandtäfelung entlang und empfahl in einem nit enden
wollenden Todeskampf seine Seele Go. Sließli gelang es einem der drei
Henker, ihn zu töten, indem er ihm mit einem langen Swert von einer Seite
zur anderen die Kehle durtrennte.
Was genau der Markgraf getan hae, um die Königin zu einer solen
Erbarmungslosigkeit zu treiben, ist nie vollständig geklärt worden. Gewi
konnte es nit die Fälsung der Briefe gewesen sein: ein stümperhaes
Komplo der Höflinge. Es war die Rede von einer Liebe, die in Ha
umgeslagen war, von vertraulien Informationen, die der Markgraf
benutzt hae, um ihr zu saden, von einer Verswörung, um ihr den ron
von Neapel zu entreißen, von überswenglien Smeieleien ihr
gegenüber, die dur sein Verhalten hinter ihrem Rüen brutal konterkariert
wurden. Um der grausamen Exekution einen Ansein von Legalität zu
verleihen, wurde bekanntgegeben, der Markgraf sei des politisen Verrats
überführt worden. Mazarins Zorn war jedenfalls groß und au der Papst
war so ersüert, da er Christina befahl, eine Zeitlang nit na Rom
zurüzukehren. Ein Befehl, den die stolze Königin ignorierte.
Im Gegenteil, ihr ganzes Leben lang beeilte sie si jedes Mal, wenn in
irgendeiner Weise die Rede darauf kam, ihre felsenfeste Überzeugung zu
unterstreien, im Ret gewesen zu sein. Mazarin hae sie gesrieben:
«Wir Nordländer sind ret hart und an si gar nit feige … Über mein
Vorgehen gegen Graf Monaldesi kann i nur sagen, da i an dem
betreffenden Tag nit zu Be gegangen wäre, ohne so zu handeln – wenn
i nit ohnehin son gehandelt häe. I habe keinen Anla zur Reue.»
Im Slo Fontainebleau kann man heute in einem Saukasten den
Keenpanzer und das Swert sehen, mit denen Monaldesi versut hae,
sein Leben zu reen. Bei genauem Hinsehen sieht es so aus, als seien
zwisen den Masen no Blutspuren zu erkennen.
Der Mord an dem Markgrafen hinterließ einen Saen in Christinas
Leben, den sie nie wieder loswurde, obwohl er für sie persönli keinerlei
Folgen hae. Die Königin kehrte na Rom zurü, nahm ihr Leben wieder
auf: die Akademien, die Begegnungen mit witigen Persönlikeiten und
Künstlern, die liebevolle Beziehung zu Kardinal Azzolino. An ihrem «Hof»
konnte man des Öeren Aleandro Scarlai treffen (der eine Zeitlang ihr
«Kapellmeister» war), Arcangelo Corelli, den Cembalisten Bernardo
Pasquini, nit selten sogar Bernini. Zu den bevorzugten Gästen gehörten
einige der besten Sängerinnen der Stadt (Angelina Quadrelli, Antonia Coresi,
Maria Landini) sowie der Kastrat Antonio Rivani, der Cicciolino
(«Snuelen»), ein Virtuose mit engelhaer Stimme, über den Christina
– künstleris – extrem eifersütig wate.
Auf dem Platz des alten Stadtgefängnies Tor di Nona ließ sie ein
öffentlies eater erriten, das erste in Rom, in dem ete Frauen als
Sauspielerinnen und Sängerinnen auraten, ihre «sönen Sützlinge».
Papst Clemens  X. (1670–1676) hae einen alten Erla zurünehmen
müen, na dem es Frauen verboten war, auf der Bühne zu stehen. An
ihrer Stelle haen Kastraten mit ihren Falsestimmen aufzutreten. Ein
Verbot, das im Zusammenhang mit der generellen Frauenfeindlikeit der
katholisen Kire zu sehen ist, die na dem Konzil von Trient
insbesondere von den Jesuiten no gesürt wurde.
Do der Aktivismus der Königin besränkte si nit auf das Zuhören
und Zusehen und die Konversation. Neben der botanisen Organisation
ihrer Gärten baute Christina eine riesige Bibliothek mit ungefähr 30.000
Bänden und fast 10.000 Manuskripten auf, ein bedeutendes
Medaillenkabine, ein wiensalies Labor, in dem sie Alemie-
Experimente durführte. Wie alle, die si forsend mit der Welt des
Okkulten besäigten, wollte sie Blei in Gold verwandeln. In ihrem Fall
jedo mit einem genau definierten Ziel, das son an Utopie oder eine
weitere Illusion grenzte: Mit dem gewonnenen Gold wollte sie eine Armee
ausrüsten, um gegen die Türken zu Felde zu ziehen.
Mit dem Gold wurde es natürli nits, die Armee blieb eines ihrer
verrüten, nie realisierten Projekte. In der Zwisenzeit wählte das
Konklave 1676 auf heigen Dru Ludwigs XIV., der sehr mätig geworden
war, unter dem Namen Innozenz  XI. Benedeo Odescali zum Papst. Mit
ihm kam ein neuer, restaurativer Wind auf: Sließung der eater,
einsließli des Tordinona, erneutes Bühnenauris-Verbot für Frauen,
denen es außerdem untersagt wurde, Musikunterrit zu nehmen – Musik
sei «der weiblien Beseidenheit nit zuträgli». Es gab Proteste,
allerdings vorsitige, denn der neue Papst führte selbst ein beispielha
slites und karges Leben und es ersien unklug, einen gerade erst
inthronisierten Souverän zu verärgern. Sein Vorgänger Clemens  X. hae
Christina eine Rente von jährli 12.000 Scudi gewährt, Innozenz sae sie
sehr snell ab. Es sieht aber so aus, als ob die Betroffene si nit weiter
darüber aufregte. Sie hae immer über ihre Verhältnie gelebt, Sulden
gemat, auf geheimnisvolle Reourcen zurügreifen können, mit der
Läigkeit, die nur Mensen kennen, die nie wirkli beengte Verhältnie
kennengelernt haben.
Sie lebte ihr Leben weiter, das inzwisen in sehr eingefahrenen Bahnen
verlief, und erlebte neben der langen liebevollen Gewohnheitsbeziehung mit
ihrem Kardinal no die eine oder andere Liebe. Eine ihrer letzten Geliebten
war die Tänzerin und Sängerin Angelica Voglia, bekannt au unter dem
Namen La Giorgina. Die Beziehungen Christinas zu Frauen sind immer
eigenartig und kompliziert gewesen, obwohl im Grunde erklärbar, im
Gegensatz zu anderen ihrer Kapricen. Bei einer Reise na Frankrei zum
Beispiel hae sie partout Ninon de Lenclos kennenlernen wollen, die
berühmte Kurtisane, die ins Kloster «gesit» worden war, weil sie es mit
ihren amourösen Gunsterweisungen ein wenig übertrieben hae.
Stundenlang unterhielt si Christina mit ihr, tauste Vertraulikeiten aus
und ließ si sogar Urteilen über die Religion hinreißen, die den Papst,
nadem sie ihm hinterbrat wurden, swer verärgerten. Die Ex-Königin
hae nämli erklärt, ihre wahre Religion sei die Lehre der alten
Philosophen und alles andere komme ihr läerli vor oder wie
Hostapelei.
Wahrseinli war sie aufritig in dieser lebhaen Wertsätzung eines
Lebens frei von festen Bindungen, offen für «Unordnung», im Endeffekt
heidnis. Aus demselben Grund wahrseinli hate sie den Anbli von
swangeren Frauen, sie, die den ron aufgegeben hae, um ihren
dynastisen Pfliten nit nakommen und Muer werden zu müen.
Als sie erfuhr, da eine ihrer Zofen in anderen Umständen war, befahl sie,
da sie ihr nit mehr vor die Augen treten solle.
So blieb sie bis zum Slu, umgeben vom buntesten und unerhörtesten
Hofstaat, den Rom je gesehen hat: erlesene Geister, große Künstler, aber
au Swindler, Sarlatane, Abenteurer, Zuhälter, Prostituierte. In den
letzten Jahren seint si ihre spirituelle Orientierung vertie zu haben, mit
der paradoxen Folge, da sie no wütender war über die Prat und
Verswendung am päpstlien Hofe, vielleit aber au nur enäuster.
Ihrem Azzolino srieb sie in einem Brief: «Es ist smerzli zu sehen, wie
viele Millionen des Kirensatzes für unsilien Luxus und
Gratifikationen für absolute Nitsnutze verswendet werden, die den
Armen das Blut und den Sweiß auaugen.»
Wahrseinli hae sie begriffen, da ihr aufgrund ihrer Konversion
sehr viel Freiheit eingeräumt und fast alles verziehen worden war. Sie
konnte es nit wien, aber sier häe es ihr gefallen, da man ihr im
Petersdom ein prunkvolles Mausoleum erriten würde. Sie war zwar eine
Art verhindertes Genie, aber sie war au lesbis, extravagant, gewalätig
und Auraggeberin eines Mordes. Ihre Präsenz in der Basilika, inmien von
Heiligen, Jungfrauen und Märtyrern (angefangen beim Mitbegründer Petrus)
war eindeutig unpaend. Do no als Tote behielt Christina die
Trumparte, die ihr au im Leben den immerwährenden Sieg garantiert
hae: eine der sönsten Eroberungen der Kire zu sein, eine Königin, die
der lutherisen Häresie entrien worden war.

Der Petersdom ist gedrängt voll mit Grabmonumenten. Die meisten davon
herausragend, entweder aufgrund ihrer künstlerisen Ausführung oder
wegen der Bedeutung der geehrten Persönlikeiten. Das Mausoleum
Christinas von Sweden und das zweite, von dem i jetzt erzählen werde,
finden ihre Begründung dagegen vorrangig in der politisen Strategie der
Päpste.
Im linken Seitensiff, glei hinter dem Eingang, steht ein herrlies
Kenotaph, das Antonio Canova in dem ihm eigenen reinen neoklaisen
Stil skulptiert und komponiert hat. Eine versatelte Widmungsinsri
lautet: IACOBO III IACOBI II MAGNAE BRIT REGIS FILIO KAROLO
EDUARDO ET HENRICO DECANO PATRUM CARDINALIUM IACOBI III
FILIIS REGIAE STIRPIS STUARDIAE POSTREMIS ANNO M.DCCC.XIX.
(Für Jakob  III., den Sohn Jakobs  II., des Königs Großbritanniens (und) für
Charles Edward und Henry, den Dekan der Kardinalsväter, die Söhne Jakobs
des Drien, die letzten des königlien Geslets der Stuarts, im Jahr
1819).
Der Künstler hat auf diese Weise im Jahre 1819 die Familie Stuart
unsterbli gemat, die drei Jahrhunderte lang über Soland und bis 1688
über ganz Großbritannien geherrst hae. Kurios ist der Ursprung des
Namens, weil Stewart oder Steward, später Stuart zunäst nits als das
Amt des Haushofmeisters bezeinete (eines Majordomus, ein hoher
Würdenträger), das König David  I., der im 12.  Jahrhundert König gewesen
war, einem Familienmitglied gewährt hae. Der Zeitraum, der uns
intereiert, kommt aber erst sehr viel später, im 17.  Jahrhundert, inmien
der grandiosen Ereignie, die später als Glorious Revolution (Glorreie
Revolution) in die Gesite eingingen und dur die Großbritannien zum
Primat einer konstitutionellen Monarie kam.
Es gesah, da der unglüselige Karl I. (1600–1649), König von England,
Soland und Irland, die katholise Henriee Marie de Bourbon heiratete,
Toter Heinris  IV. von Frankrei und Swester Ludwigs  XIII. Zu
Beginn des 16.  Jahrhunderts hae si einer seiner mätigen Vorgänger,
Heinri  VIII., darüber geärgert, da der Papst ihm die Seidung
verweigerte, und eine neue ristlie Konfeion initiiert, die Anglicana
Ecclesia (Anglikanise Kire). Si selbst hae er zu ihrem Oberhaupt
erklärt und damit au alle seine Nafolger zu Inhabern dieses Amtes
gemat. Infolgedeen mute Karls Heirat mit einer Papista (also einer
Anhängerin oder sogar Agentin des Papstes) als höst unklug betratet
werden, viele sahen darin in der Tat den Beginn einer Wiederannäherung an
Rom.
Infolge der erdrüenden Steuerpolitik, die Karl hae einslagen müen,
um seine Kriege zu finanzieren, explodierte der latente Argwohn. Der
kontinuierlie Konflikt zwisen Krone und Parlament, das Miverhältnis
zwisen dem Willen des Königs und seinen swaen Matbefugnien
provozierte, wie immer, wenn si Anmaßung mit Swäe verbindet, den
Bürgerkrieg. Kurz: Am 30. Januar 1649 endete der König unter dem Beil des
Henkers. Anderthalb Jahrhunderte bevor die Jakobiner 1793 in Paris das
Haupt Ludwigs  XVI. unter der Guillotine zu Fall braten, sind es die
Engländer, die ihren Herrser um einen Kopf kürzer maen. Übrigens
dreht si der Plot von Alexandre Dumas’ Roman Zwanzig Jahre später
(Folgeroman der Drei Musketiere) um den Versu von Athos und Aramis,
dem armen Karl das Leben zu reen. Im Aurag Henriee Maries, der
Gain von Karl  I., dem beim Volk verhaten König, und, wie gesagt, der
Swester Ludwigs  XIII., werden Athos und Aramis gemeinsam mit Lord
Winter na England gesit, um dem in Bedrängnis geratenen König zu
Hilfe eilen. Beim Liten der Anker entdeen sie Mordaunt, deen Identität
von Winter offenbart wird. Aramis versut, ihn zu töten, do Athos
hindert ihn daran, weil er fürtet, da ihn der Teufel gesit haben
könnte, und es beer sei, ihn am Leben zu laen, ebenso wie man mit seiner
Muer verfahren war … usw.
Als der König sließli tot ist, wird er auf dem ron nit von einem
anderen König ersetzt, sondern von einem Tyrannen: jenem Oliver
Cromwell, dem Führer der Puritaner, der dur die Annahme des Titels
«Lordprotektor des Commonwealth» zwar seine persönlie Mat bestätigt,
aber au das Phantasma einer Republik heraueswört. Die darauf
folgende Restauration dur die Stuarts sieht auf dem ron hintereinander
zwei Brüder, beide Söhne des verstorbenen Karls I.: von 1660 bis 1685 Karl II.
und dana, sehr viel kürzer, von 1685 bis 1688, Jakob II.
Wenn behauptet wird, die Glorious Revolution von 1688 sei ein snelles
und in der Substanz unblutiges Ereignis gewesen, ist das also keine ganz
exakte Besreibung. Man kann zwar sagen, da sie si innerhalb eines
kurzen Zeitraums abgespielt hat (ca. drei Monate) und da es relativ wenige
Opfer gab, do nur, wenn man nit mitbedenkt, da die Ereignie, deren
Protagonist, wie wir glei sehen werden, König Jakob II. werden sollte, den
Abslu eines Konfliktes bilden, der bereits vierzig Jahre zuvor mit der
traurigen und aotisen Herrsa seines Vaters, Karls I., begonnen hae.
Bevor er für eine kurze Zeit den ron bestieg, war der Herzog von York, so
sein Titel, Kommandant der Royal Navy gewesen (Lord High Admiral). Als
si die Engländer 1664 des holländisen Gebietes in Neuholland
bemätigten, wurde ihm zu Ehren die witigste Stadt, New Amsterdam, in
New York umgetau.
Seine erste Frau Anna Hyde stirbt 1671 und hinterlät ihm (neben ses
weiteren Kindern) zwei Töter, Maria und Anna. Wie in den römisen
Kaiserdynastien wiederholen si dieselben Namen von Generation zu
Generation immer wieder. Für seine neue Ehe erwählt Jakob die italienise
Prinzein Maria d’Este von Modena, eine Katholikin, was beim Parlament
sofort Verdat erregt; au über Maria wird natürli gemunkelt, sie sei
eine Spionin des Papstes. Um die Situation wieder ins Gleigewit zu
bringen, arrangiert der herrsende Monar Karl  II. eine Ehe zwisen
Maria, einer Toter aus der ersten Ehe seines Bruders, und dem
Protestanten Wilhelm III. von Oranien, Stahalter der Niederlande, der seine
Nakommensa na der reformierten Religion erzieht, was die Angst
vor der Gefahr einer Rükehr der katholisen Konfeion vertreiben soll.
Do der Tri mit der Heirat besänigt die allgemeine Unzufriedenheit
nit. Ein anglikaniser Geistlier, ehemaliger Jesuit, Titus Oates,
verbreitet das Gerüt einer angeblien Papisten-Verswörung (Papish
Plot), mit dem Karl  II. dur den katholisen Jakob ersetzt werden soll.
Karls Frau, die portugiesise Prinzein Katharina Henriea von Braganza,
hae si als unfrutbar erwiesen, und obwohl der König mit
versiedenen Geliebten ein Dutzend Kinder in die Welt gesetzt hae, fehlte
es an einem legitimen Erben. Und dies mate seinen Bruder Jakob zum
auitsreisten Kandidaten für die Nafolge.
Karl II. stirbt im Februar 1685, nadem au er auf dem Sterbebe no
zum Katholizismus konvertiert ist. Jakob, der Herzog von York, wird neuer
König. Er ist 52 Jahre alt und wird anfangs mit Wohlwollen aufgenommen.
Sehr snell aber ist au er mit Revolten und Verswörungen konfrontiert.
Seiner «Nasitserklärung» (Declaration of Indulgence) wird
vorgeworfen, sie stelle die Katholiken mit den Anglikanern nit glei,
sondern begünstige sie. Die Situation versär si weiter, als bekannt
wird, da seine Frau, Königin Maria, swanger ist. Wenn es ein Junge wird,
wird er die Oranier vom ersten Rang in der ronfolgereihe verdrängen.
Jakob  II. war ein guter Soldat gewesen, erwies si aber als swaer
König. Die tragise Erfahrung eines unter dem Henkersbeil gestorbenen
Vaters häe ihm eigentli eine Lehre sein müen, er aber wiederholt
teilweise die gleien Fehler. Seinen Katholizismus stellt er ostentativ zur
Sau, womit er sofort die einflureisten anglikanisen Kreise gegen si
auringt. Er besetzt alle Slüelpositionen in Regierung, Streitkräen,
Universität mit Katholiken, womit er die Protestanten provoziert. Er knüp
wieder diplomatise Beziehungen mit dem Vatikan an, zum ersten Mal seit
1558, und das erregt den Zorn vieler, umso mehr, als Jakob persönli
katholis, gleizeitig als König aber Oberhaupt der anglikanisen Kire
ist. Ganz offenkundig ein Intereenkonflikt, wie wir es heute nennen
würden.
Der Gipfel der Paradoxie besteht darin, da si trotz seiner erklärt pro-
katholisen Politik die Zahl der Konversionen nit erhöht und er selbst
von der katholisen Minderheit nur swa unterstützt wird. Die meisten
entseiden si dafür, si nit allzu sehr zu exponieren, um die guten
Beziehungen zur protestantisen Mehrheit nit zu gefährden. In vielen
anglikanisen Kiren werden die Gläubigen von den Geistlien gewarnt,
vor einer möglierweise bevorstehenden katholisen Repreion auf der
Hut zu sein. In London und anderen Städten werden feindselige Akte
gegenüber römis-katholisen Priestern aktenkundig.
Kurz, dem armen Jakob unterläu ein gravierender Fehler, der slimmste,
den ein Politiker maen kann: Ihm entgeht oder er vernaläigt die in
seinem Volk vorherrsende Stimmung. Während der Regierungszeit seines
Bruders Karl hat London zwei tragise Ereignie erlebt: 1665 eine
gewaltige Pestepidemie, im Jahr darauf einen verheerenden Brand (e
Great Fire), der die Stadt zu einem Großteil zerstörte. Die einfaen Bürger
sind sole Notlagen leid und au der Religionskriege überdrüig. Viele
seinen bereit, die Botsa John Loes und anderer Aulärer
aufzunehmen, die religiöse Toleranz empfehlen und die Anwendung des
Prinzips, niemandem eine Religion aufzuzwingen; da man die Mensen zu
einer Kire zwar hinführen könne, es aber unzuläig sei, sie dorthin zu
zwingen. Das Gegenteil von dem, was Papst Innozenz  XI. in Rom vertri,
und das ist einer der Gründe, weshalb die Katholiken in England als
«abergläubis» und «götzendieneris» angesehen sind.
Zu diesen zahlreien Unruheherden kommt no eine swerwiegende
Meinungsversiedenheit zwisen Jakob und seiner Frau Maria Beatrice
d’Este. Der König, ein Mann von sehr sinnenfroher Veranlagung, gilt als a
lusty and amorous man (etwa: ein kravoller und erotiser Mann) und
unterhält, wie es bei den Mätigen die Regel war, intime Beziehungen mit
zahlreien Damen. Eines der dauerhaeren Verhältnie ist eine gewie
Catherine Sedley, die als Geliebte en titre gilt. Diese Beleidigung toleriert
Maria Beatrice nit, und es gelingt ihr, Catherine vom Hof jagen zu laen.
Der Skandal nimmt derartige Dimensionen an, da Jakob no in hohem
Alter der festen Überzeugung ist, der wahre Grund für seine Entmatung
sei dieser Ehebru gewesen.
Im Mai  1688 begibt si eine englise Delegation na Holland, um
Wilhelm von Oranien ganz offiziell zum Eingreifen zu bewegen. Der
Statolder erklärt, da er als Vorauetzung für die von ihm erwartete
Truppenlandung oder bewaffnete Intervention zu seiner Legitimation eine
offizielle, von einer beträtlien Anzahl von Standespersonen
unterzeinete Anfrage benötige. Der Antrag erreit ihn am 30. Juni, er ist
von witigen Persönlikeiten unterzeinet, au wenn nit alle von dem
Rang sind, den si Jakob gewünst häe. Die Situation ist aber inzwisen
so unhaltbar geworden, da das ungenügende Prestige dieser Handvoll
Untersrien ras in den Hintergrund tri.
Do damit nit genug. Am 10. Juni hat Maria Beatrice einen gesunden
kräigen Knaben zur Welt gebrat, dem die Namen James Francis Edward
gegeben werden. Außerdem wird ihm der ungewöhnlie Titel eines Prinzen
von Wales verliehen. König Jakob hat nun einen Erben. In den Augen der
Anglikaner und Protestanten lät die Geburt dieses unsuldigen Kindes die
Befürtung des bevorstehenden Comebas einer Papisten-Dynastie auf den
englisen ron wasen. Damit versletert si Jakobs Position weiter.
Der Erzbisof von Canterbury und ein Großteil des anglikanisen Klerus
weigern si, die neue Faung der «Nasitserklärung» von der Kanzel zu
verlesen, wie vom König befohlen. Wütend will der Herrser die
rebellisen Bisöfe am liebsten vor Gerit zerren, wovon ihm aber
abgeraten wird. Man gibt ihm zu bedenken, da ein nit
unwahrseinlier Freispru der Bisöfe seine Swäe no
offenkundiger maen würde. Do der König besteht darauf, der Proze
endet mit dem Urteil «nit suldig» und wird, wie vorherzusehen war, zu
einer smavollen Niederlage. Hier sehen viele Historiker den Beginn des
letzten Aktes seines Ruins.
Ein weiterer, wohl den Ersüerungen des Augenblis gesuldeter
Lapsus ist die Drohung mit der Auebung des Habeas Corpus-Gesetzes,[10]
das seit 1679 in Kra war: eine Garantie für den Angeklagten in einem
Strafproze, ein sehr witiges Grundret, deen Prinzip auf die von König
Johann Ohneland bereits 1215 unterzeinete Magna Charta Libertatum[11]
zurügeht. Die bloße Androhung einer Besädigung dieser fundamentalen
Errungensa war natürli ein kaum wiedergutzumaender politiser
Fehler. Na ersten Warnungen über eine bevorstehende Invasion wähnt si
der König no sier, da sein Swiegersohn Wilhelm einen solen
Affront nit wagen wird; da seine Toter Maria den Angriff des
Ehemanns auf den Vater verhindern wird. Son wieder eine
Fehleinsätzung. Wir wien, da es anders kam, und unzählige Beispiele
au aus der italienisen oder der Gesite Roms zeigen uns, da es am
Ende immer nur Materwägungen sind, die den Aulag geben.
Tatsäli brit Wilhelm am 30.  Oktober  1688 auf und landet am
5. November in Torbay in Devon. Es ist seit 1066 das erste Mal, da an der
englisen Küste ein Heer mit feindlien Absiten landet. Wieder einmal
weiß König Jakob nit ret, was er tun soll: Soll er ihm mit seinen Truppen
entgegenreiten und die Hauptstadt ungesiert zurülaen? Soll er sein
Heer um London herum Aufstellung nehmen laen und si in der Stadt
versanzen, mit dem Risiko, eine gefährli unbestimmte Zeit auf die
Ankun Wilhelms warten zu müen? Die einzigen unter seinen Offizieren,
auf die er si stützen kann, sind die Katholiken, die aber, im Gegensatz zu
dem, was der Volksmund zu wien glaubt, ledigli zehn Prozent der
Kommandostellen innehaben. Mehrmals in diesen aufgewühlten Tagen
erinnert Jakob den französisen Botsaer und den päpstlien Nuntius an
das Sisal Edwards II., Heinris IV. und Riards II., die alle von ihren
eigenen Familienangehörigen ermordet worden waren. Eine einzige
Zusierung hat Wilhelm seiner Frau gemat: Ihrem Vater soll kein Haar
gekrümmt werden, aber bekanntli braut es wenig, um das Verspreen
eines Mätigen in Lu aufzulösen.
Jakobs größte Sorge ist, da ihm sein Neugeborener entzogen und als
Protestant aufgezogen werden könnte. Er befiehlt also einem der wenigen
Getreuen, die no bereit sind, für ihn Risiken auf si zu nehmen, seine
Frau und sein Kind heil zu seinem Cousin Ludwig XIV. na Frankrei zu
bringen. Jakob gibt ihnen 24 Stunden Vorsprung und flieht dann selbst bei
Nat und Nebel, nadem er den Befehl zur Auflösung des Heeres gegeben
hat. Für einen Priester gehalten, wird er auf der Straße kontrolliert und zur
Rükehr na London gezwungen. Wilhelm, der son in Verhandlungen
über seine Nafolge eingetreten ist, erhält die Narit mit Mivergnügen.
Um über die Zukun zu entseiden, braut er einen freien und leeren
ron. Jakob wird nun empfohlen oder eher befohlen hinzugehen, wo er
will, wenn es nur außerhalb Englands sei. Er wird si mit einem kleinen
Hofstaat wenige Kilometer vor Paris im Slo Saint Germain en Laye
niederlaen, einer der Residenzen der französisen Könige.
Dies ist, kurz zusammenfat, die Vorgesite der Glorious Revolution.
Eine sehr verwielte Gesite, die selbst in der extremen Vereinfaung,
mit der sie hier erzählt ist, eine Idee davon vermielt, wel starke Antriebe
die Protagonisten leiteten; wele politisen Ideale und religiösen Faktoren
ihre Handlungsweisen bestimmen, vor allem aber, von wel starken
Intereen fast immer die Affekte und sogar die Religion dominiert werden.
Und do führte die Summe dieser so untersiedlien Elemente und häufig
dur Egoismen motivierten Handlungen für die Gesite der westlien
Zivilisation zu einer bahnbreenden Reform. Das Endergebnis dieser
Kämpfe war die konstitionelle Monarie, dur die das englise Parlament
in die Lage versetzt wurde, der Krone erheblie Besränkungen
aufzuerlegen. In England und dana au außerhalb der Insel behauptete
si das politise Prinzip, da die Mat eines Königs von einer Reihe von
Gegengewiten ausbalanciert sein mu, um niemanden auf die Idee zu
bringen, das königlie Szepter mit der Keule des Tyrannen zu verweseln.
Auf dem englisen ron wird jedenfalls nie wieder ein Katholik sitzen.
Wilhelm landet am 5. Oktober 1689, Jakob flieht am 23. Dezember, in der
zweiten Januarhäle wird si das Parlament versammeln, am 13.  Februar
wird Wilhelm und seiner Frau gemeinsam die englise Krone angeboten.
Für unsere Gesite von besonderem Interee ist aber jenes damals
geborene Kind, der Sohn von Jakob und Maria Beatrice, der aus Furt, er
könnte zum Protestanten erzogen werden, in einer dramatisen Flut aus
England gebrat wurde. 1718 lät si dieses Kind, inzwisen ein junger
Mann Anfang dreißig, in Rom nieder, zu diesem Sri ermutigt und sehr
freundli aufgenommen von Papst Clemens  XI. (1700–1721) und seinen
Nafolgern. Der Papst wird ihm den Palazzo Muti Papazzurri zum
Gesenk maen, ein sönes Gebäude mit einem imposanten,
säulengerahmten Portal auf der Piazza della Piloa, gegenüber der heutigen
Università Gregoriana. Dem Palazzo fügten die Päpste no eine stalie
Rente von 12.000 Scudi hinzu, als der unglülie ronanwärter Maria
Clementina Sobieska heiratet, eine reie polnise Prinzein, au sie
katholis, 14 Jahre jünger als ihr Gae, Nite jenes Giovanni Sobieska, der
1683 entseidend dazu beigetragen hae, Wien von der osmanisen
Belagerung zu befreien.
Natürli war eine Heirat von so dursitiger politiser und religiöser
Symbolik nit ganz einfa zu bewerkstelligen. Als das Gerüt von der
Verlobung dieser beiden die Runde mate, kam es zwisen versiedenen
Herrsern, einsließli des Papstes, zu einer Reihe von halsbreerisen
Sazügen und Gegenzügen. Geheimkuriere durquerten in Windeseile
Europa, Diplomatie-Experten studierten angemeene Lösungen, Komploe
wurden gesmiedet, um diese Hozeit zu verhindern. Die junge Prinzein
fand si plötzli im Zentrum einer Intrige, die heute einer
leidensalien Fernseh-Soap würdig wäre.
Der entsiedenste Gegner des Vorhabens war Georg I. von Hannover, der
König von England und Irland geworden war und befürtete, da die
Katholise Frage wieder auf seine Insel zurüslagen könnte, nadem sie
so abenteuerli und, wie viele seiner Untertanen hoen, endgültig gelöst
worden war. Der Kaiser des Heiligen römisen Reies deutser Nation,
der Habsburger Karl VI., teilte die Besorgnie des englisen Souveräns. Als
er erfuhr, da Maria Clementina, um na Rom zu gelangen, dur sein
Staatsgebiet reiste, ließ er sie verhaen und in ein Slo in Innsbru
sperren. Ein ziemli sauriges Quartier, aus dem die tapfere Prinzein
flüten konnte, indem sie die Wärter an der Nase herumführte. Um weitere
Handstreie zu verhindern, wurde bei ihrer Ankun in Bologna per
Vollmat umgehend die Ehesließung mit James vollzogen. Die eigentlie
Hozeit wurde im September  1719 in Montefiascone gefeiert. Papst
Clemens  XI. proklamierte das Paar – und das war natürli der politise
Sinn der ganzen Angelegenheit – zu König und Königin von England und
gewährte ihnen außer dem Wohnsitz in der Stadt und einem weiteren auf
den Hügeln im Süden Roms au no eine bewaffnete Eskorte.
Der Ehe entstammten zwei Kinder, der Erstgeborene Charles Edward
Louis Philip Casimir kam glei im Jahr na der Hozeit zur Welt; der
zweite, Henry Benedict, im Jahre 1725. Trotz der dramatisen
Entsloenheit, mit der sie gewollt war, wurde es keine glülie Ehe.
Kurz na der Geburt des zweiten Sohnes wurde Maria Clementina von
einer religiösen Manie ergriffen, zog si zum Beten in ein Kloster zurü
und besuldigte ihren Gaen abweselnd des Ehebrus (was sehr
wahrseinli beretigt war) und des Vorsatzes, die Kinder einem
protestantisen Hauslehrer anvertrauen zu wollen, was in Rom nit ganz
einfa gewesen sein dure, nit einmal für einen, wennglei
entmateten, Souverän.
Die unglülie Prinzein starb 1735 mit nur 32.  Jahren. Papst
Benedikt XIV., der Bologneser Prospero Lambertini (1740–1758) beauragte
den Bildhauer Pietro Bracci (den Söpfer des Neptun der Fontana di Trevi)
mit einem prunkvollen Grabmonument, das man ebenfalls im Petersdom
bewundern kann: eine Komposition aus Marmor, Alabaster und Bronze, die
in ihrer Prat und ihrer bewegten Drapierung an Bernini erinnert, während
das Bild der Verstorbenen in einem von einem Engelen gehaltenen Oval
als Mosaik dargestellt ist.
Mit voller päpstlier Rüendeung kämpe der Erstgeborene Charles
Edward weiter um die Eroberung des rones. Mit 25.  Jahren versute er
eine Landung auf den Hebriden-Inseln (vor der Nordwestküste Solands),
wo es ihm gelang, die Standarte seines Vaters zu hien. Dies sogar mit
Unterstützung einiger soiser Clans, do das änderte nits an der
Haltung der Engländer, und so wurde er snell wieder aufs Meer
hinausgetrieben. Sein Vater hae den Spitznamen Old Pretender, ihm wurde
der Name Bonnie Prince Charlie verpat, gelegentli aber wurde er au
Young Pretender genannt, ein Titel, dem ein biiges Spiel mit der
Doppelbedeutung von Pretender zugrunde liegt, was sowohl den ron-
Prätendenten als au den «Heuler» bezeinen kann.
Weit mehr als er häe in Wahrheit sein Bruder Henry diesen Sponamen
verdient, der si wieder mit dem Titel seines Großvaters Herzog von York
smüte. Na dem Tod des Bruders reklamierte er weiter das Ret auf
den ron, au wenn in Europa inzwisen allen klar war, da eine
katholise Restauration in England nit zu verwirklien war. Mit nur
22.  Jahren hae Papst Benedikt  XIV. Henry 1747 zum Kardinal mit der
Titelkire Santa Maria in Campitelli ernannt. 1761 mate ihn ein anderer
Papst, Clemens  XIII., zum Bisof der suburbikarisen Diözese Tusculum.
Und in der Kathedrale von Frascati ließ Kardinal Henry Benedict Herzog
von York die feierlien Exequien für seinen Bruder zelebrieren, der im
Januar  1788 starb. Die Feier wurde mit einem Pomp abgehalten, der eines
Königs würdig gewesen wäre, auf dem Sarg waren Krone und königlies
Zepter aufgestellt.
Im Leben des Kardinals Herzog von York gibt es keine herausragenden
Ereignie, von dem immer wieder aueimenden Gerede abgesehen, da er
in Anbetrat seines Ranges und im Kontext einer Stadt wie Rom seine
homosexuelle Präferenz ein wenig zu ostentativ auslebte. Die englise
Sristellerin Hester Lyn rale (1741–1821), Freundin und Biographin
Samuel Johnsons, in ihrer Grabinsri als Witty, Vivacious and Charming
(geistrei, lebha und armant) bezeinet, sreibt in ihren berühmt
gewordenen Tagebüern, der Kardinal halte si «ganz öffentli einen
Buhlen», was von den Italienern als «Gesmasae» betratet werde.
Ein weiteres Zeugnis gleien Tenors stammt aus der Feder von Giuseppe
Gorani (1740–1819), einer großen Persönlikeit der lombardisen
Aulärung, Soldat, Sristeller, Abenteurer, der 1789, glei bei Ausbru
der Revolution, na Paris aura (eine Straße in Mailand trägt seinen
Namen). Gorani teilte die sexuellen Neigungen des Kardinals, die er na
eigenem Geständnis während seiner Jünglingszeit im Mailänder Kolleg des
Barnabiter-Ordens entdete. Aus seinen Erinnerungen, einer Quelle erster
Ordnung zur Siengesite des 18. Jahrhunderts:

I werde also einfa sreiben, was i gesehen habe, ohne daraus irgendwele
Slufolgerungen zu ziehen. In seinem [des Kardinals] Palazzo wimmelte es von
Jünglingen, alle von ret anziehendem Äußeren und wie Äbte gekleidet. Dies ließ mi
argwöhnen, da diese königlie Eminenz einen Gesma haben könnte, deen einer
seiner Mitbrüder angeklagt wurde.

Ein ähnlies Zeugnis ist uns von Gaetano Moroni (1802–1883) überliefert,
der ebenso umfangreie wie unzuverläige und parteiise Werke zur
Gesite des Papsums verfate. Er erzählt, kaum verhüllt, von der
langen Beziehung des Kardinals zu Monsignor Angelo Cesarini, der von ihm
in die Würde des Domkapitulars der Kathedrale von Frascati erhoben wurde.
Verdätigungen, denen jedenfalls so wenig Gewit beigemeen wurde,
da der Kardinal Herzog von York 1803 Dekan des Sacro Collegio (Heiligen
Kardinalskollegiums) wurde, was die Insri auf Canovas Kenotaph
erläutert: DECANO PATRUM CARDINALIUM. Er starb im Juli  1807, und
obwohl er so lange Anspru auf den ron erhoben hae, ersienen auf
seinem Sarg weder das Szepter no die Krone, wie es no bei seinem
Bruder der Fall gewesen war, sondern sehr viel einfaer die Mitra und das
pastorale Kreuz. Die sterblien Überreste der Brüder Stuart wurden na
Rom überführt und neben dem Grab des Vaters Jakob  III. in der Gru des
Petersdoms eingereiht. 1939 bestellte König Georg  VI. für die beiden einen
sönen Sarkophag aus rotem Granit, den man heute in den Krypten der
Basilika bewundern kann. Requiescant.
Die absließende Bewertung der Tatsae dieser beiden Gräber mit den
dazugehörigen Gesiten betri au hier wieder den Untersied
zwisen Kire und Vatikan, das Hauphema dieses Bues. Sowohl
Christina von Sweden als au der Kardinal Herzog von York waren
bekennende und praktizierende Homosexuelle. Was, das sei ganz klar gesagt,
ihren Persönlikeiten weder etwas nehmen no hinzufügen würde, wenn
nit die Kire bis ins 21.  Jahrhundert hinein die homosexuelle Liebe
offiziell, gelinde gesagt, als etwas Verabseuungswürdiges deklarieren
würde.
Der Vatikan teilt diese Meinung offenbar nit immer, er geht so weit,
zwei prominenten Homosexuellen in der größten Patriaralbasilika Roms
prunkvolle Gastfreundsa zu gewähren, und vermist dabei alles:
theologise Begründungen und politise Nützlikeitserwägungen.
Übrigens ruhen, wie wir sehen werden, in einer anderen römisen Basilika
die Gebeine eines Vielfamörders, Enrico de Pedis, eines führenden
Mitglieds der Magliana-Bande, dem als Belohnung für eine Reihe
undursitiger Dienstleistungen ein Begräbnis in der Kire
Sant’Apollinare gewährt wurde, eine offene Verletzung des Kanon 1242 des
Codex Iuris Canonici: «In Kiren dürfen Leiname nit begraben werden,
sofern es si nit um die Beerdigung des Papstes, der Kardinäle oder der
Diözesanbisöfe, au emeritierter, in ihrer eigenen Kire handelt.»
Wieder einmal zeigt es si, da si die Ideale des Glaubens und die
Staatsraison an Wertmaßstäben orientieren, die sehr weit auseinanderliegen.
Das ist aber nits Neues. Vor vielen Jahrhunderten son haben
Persönlikeiten von erhebli größerem Rang als der Autor dieses Bues
mehr oder weniger dieselben Dinge beklagt. Zum Beispiel Franziskus von
Aisi oder Martin Luther.
IX. RÄTSELHAFTE KRIEGERMÖNCHE
AUFSTIEG UND UNTERGANG
DES TEMPLERORDENS

U
NTER ALLEN GROßEN ODER GRAUSAMEN, denkwürdigen oder
kurzlebigen Werken, deren Protagonist der Vatikan über die
Jahrhunderte gewesen ist, unter allen Unternehmungen, die dur den
Glauben oder aus politisen Intereen angestoßen wurden, kommt keine
den Heldentaten und dem Andenken der sogenannten Templer-Rier glei.
No heute, siebenhundert Jahre na dem Ende ihrer Gesite, sürt die
Kra ihrer Legende Polemiken, erzeugt Verlegenheit, ist sogar imstande,
Sadenersatzforderungen zu provozieren. Wie erklärt si diese Maivität,
dieser Faceenreitum, diese Nahaltigkeit der mythisen Aura, die diese
Kriegermöne bis heute umgibt?
Es gibt nit viele Orte in Rom, die eine Erinnerung an die Saga der Rier
bewahren, eine Welt aus Glauben und Abenteuer, aus starken frommen
Männern, aber au Betrügern, heiligen Jungfrauen, erotisen
Abenteurerinnen, die ein paar Jahrhunderte lang einem der größten
Heldenepen, das Europa je erlebt hat, Leben eingehaut haben. Wie gesagt,
es sind nit viele Orte, dafür gehören sie für denjenigen, der sie ritig zu
sehen versteht, zu den faszinierendsten der Stadt. Einer der ältesten ist die
Casa dei Cavalieri di Rodi auf der Piazza del Grillo mit seinem spektakulären
Ausbli auf die Trajans- und Augustusforen.
Das Gebäude erbauten im 12.  Jahrhundert die «Rier von Rhodos», wie
der alte Name des Souveränen Malteserordens lautet. No heute sieht man
in Rom Autos mit dem Nummernsild S.M.O.M. (Sovrano Militare Ordine
di Malta) herumfahren, was darauf verweist, da dieser Orden ein winziger
Staat mit einigen wenigen Gebäuden und einer kleinen Lufloe ist. Eines
dieser Gebäude ist die genannte Casa, die im Laufe der Jahrhunderte
unzählige Bestimmungen gehabt hat, heilige und profane: Privatwohnung,
Sreinerwerksta, Kloster der Dominikanerinnen der Santiima
Annunziata, deren Aurag es war, junge Mäden zum Katholizismus zu
bekehren und si den gölien Mysterien zu widmen. Um die Casa dei
Cavalieri zu besitigen, benötigt man eine Genehmigung, die man beim
Priorat des Rierordens in der Via Condoi beantragen mu.
Ebenfalls mit einer Genehmigung kann man die Villa dei Cavalieri di
Malta auf dem Aventin besitigen, au sie von einzigartiger Faszination.
Die allererste Niederlaung geht sogar auf die Zeit vor 1000 zurü und
gehört zu jenen frühristlien Kiren und Klöstern, die no heute die
(davorliegende) Via di Santa Sabina zu den würdevollsten der Stadt maen,
still und mystis, dem Getöse des modernen Rom entrüt.
Die Straße endet in einer Piazzea, die sehr elegant von einer Mauer
eingefat ist, deren Rhythmus dur Obelisken, Nisen und Stelen mit
religiösen und Siffsemblemen definiert ist. Es ist eine den Neoklaizismus
vorwegnehmende Vision des Giovan Baista Piranesi, der sie 1764 im
Aurag von Kardinal Rezzonico, dem Großprior der Rier, entwarf. Auf dem
kleinen Platz befindet si au das Tor mit dem berühmten Slüello,
dur das man am Ende eines von üppigstem Grün überwasenen
Wandelgangs perfekt eingerahmt die Kuppel des Petersdoms erblien kann.
Kurz darauf hat man dur ein reteiges Portal Zutri zum
Gebäudekomplex des Malteser Priorats mit der ebenfalls von Piranesi
entworfen Kire Santa Maria del Priorato, in der si au sein Grab
befindet.
In dem alten Benediktinerkloster war Hildebrand von Soana (1020–1085)
Mön, der später unter dem Namen Gregor  VII. ein – im Guten wie im
Bösen – herausragender Papst (1073–1085) wurde. Im 12.  Jahrhundert ging
das Kloster in den Besitz der Templer über, der Kriegermöne, deren
tragises Sisal hier erzählt werden soll, und im 14. Jahrhundert an die
Rier von Rhodos, um dann zum Sitz des Großpriorats der Malteserrier zu
werden. Die Kire ist das einzige, was Piranesi, ein Meister der
Zeinungen und Radierungen, jemals «erbaut» hat. Sie ist nit sonderli
sön, do ist die Gesamtanlage der Gebäude mit dem das Priorat
umgebenden, sehr gepflegten Garten und dem Templerbrunnen aus dem
8. Jahrhundert beeindruend. Die Swingungen ihrer Zeit, ihre Aura sind
no heute zu spüren. Man kann si au sehr gut vorstellen, wie aus dieser
einst als swindelerregend empfundenen Höhe der Bli auf die Stadt in
dem weit darunterliegenden Tal ausgesehen haben mu: der Flulauf des
Tibers, die Gloentürme, die Kuppeln, die Hügelkee, die das Panorama im
Westen absließt.
Ein drier Ort der Erinnerung an die Templer ist die Kire und
Klosteranlage Sant’Onofrio an den Ausläufern des Gianicolo. In der Kire
aus dem 15.  Jahrhundert, die aber vielfa umgestaltet wurde, ist Torquato
Tao bestaet, der seine letzten Lebensjahre in einigen Zimmeren des
angrenzenden Klosters verbrate. Dort hat das dem Diter zugeeignete
Museum seinen Sitz, in dem neben Manuskripten und kleinen
Erinnerungtüen au der Lorbeerkranz auewahrt wird, mit dem er auf
dem Kapitol zum Poeta laureatus gekrönt wurde. Der gesamte Komplex steht
unter dem Sutz des Ordens der Rier vom Heiligen Grab zu Jerusalem
(Ordine Equestre del Santo Sepolcro di Gerusalemme). Au hier also: Rier.
Diese Anlage ist, wie die anderen, von einer bis heute intakt gebliebenen
Faszination, von der zu allen Zeiten selbst die erlautesten Besuer
ergriffen waren. Goethe srieb seinen Tasso, nadem er die Wohnräume
des Poeten besut hae, und Chateaubriand notierte na seinem Besu in
den Memoires d’outre-tombe hingerien:

Sollte i das Glü haben, meine Tage hier zu besließen, werde i mir in Sant’Onofrio
glei neben dem Zimmer, in dem Tao starb, eine Zufluttäe einriten. In den
Mußestunden meiner Gesandtsa werde i dann am Fenster meiner Zelle meine
Memoiren niedersreiben. An einer der sönsten Stäen der Erde zwisen
Orangenbäumen und grünen Eien, ganz Rom vor Augen, werde i jeden Morgen, wenn
i mi zwisen dem Totenbe und dem Grab des Poeten ans Werk mae, den Genius des
Ruhmes und des Unglüs beswören.[1]

Es gibt kostbare Kunstwerke in der Kire und in anderen Bereien des


Gebäudekomplexes, mehr als das einzelne Werk zählt aber die Lu, die man
hier atmet, der Kreuzgang, der Portikus der Wandelgänge, die Gräber,
darunter das des Marese Joseph Rondinin. Der «römise Patrizier» hat
si ein kurioses Grabmonument erriten laen: ein sehr realistis
gestaltetes Skele, das den Sarkophag umarmt, der bereitsteht, es bald
aufzunehmen.
Selbst im rauen Ungestüm der Slaten war die Aura dieser Orte dazu
angetan, erhitzte Gemüter zu besänigten. Als 1849 die ruhmreie
Repubblica Romana unter dem Artilleriefeuer der französisen Armee zu
fallen drohte, gab es Überlegungen, eine der drei Gloen, und zwar
ausgerenet die mit dem Namen «Tao», smelzen zu laen, um daraus
Kanonenkugeln zu gießen. Trotz der begründeten Sorge über den Fortgang
der Gefete befahl Garibaldi, sie aus Respekt vor dem Diter und der
Heiligkeit des Ortes zu versonen.

Was die Rierorden einmal gewesen sind, belegt weit mehr als die
Gesitreibung ihr grandioses und nahaltiges Eo in der Literatur,
beginnend mit den Gedit- und Romanzyklen um König Artus und sein
unbesiegbares Swert, seine Rier und Lancelots Liebesabenteuer. Taos
Grab erinnert uns daran, wel überragende Bedeutung sein Werk Das
befreite Jerusalem jahrhundertelang für die gesamte europäise Kultur
hae, und dies nit nur bei den gebildeten Siten, sondern au im Sinne
eines eten Volksepos.
In Taos Werk geht es um Magie und edle Taten, um Rier und edle
Kriegerdamen, um Abenteuer, Flut, Verfolgung, Liebe. Jerusalem ist in
viele Spraen übersetzt worden, es wurde von den Baropoeten geliebt,
von den Romantikern gepriesen, hat Maler, Grafiker, Filmregieure (Enrico
Guazzoni, Carlo Ludovico Bragaglia)[2] inspiriert. Der große italienise
Diter Giacomo Leopardi (1798–1837) war am Grab des Poeten zu Tränen
gerührt. Chateaubriand srieb neben der bereits zitierten Paage am
21.  März  1829 in einem Brief an Madame Récamier: «I bin gestern,
zwisen zwei Wahlgängen und in der Erwartung eines Papstes, na
Sant’Onofrio gegangen … Wel bezaubernde Einsamkeit, wel
wundervoller Bli, wel Glü, dort zu ruhen zwisen den Fresken des
Domenico Zampieri und denen des Leonardo da Vinci! I wünste, hier
bleiben zu können.»[3]
Nur wenige Jahrzehnte vor Tao hae Ludovico Ariost[4] das ema
aufgegriffen, als er in seinem Meisterwerk Orlando Furioso dieselben
Abenteuer besang. Ariost und Tao erzählen von den Kriegen zwisen
Christen und Sarazenen zur Zeit Karls des Großen (Ariost) oder des ersten,
von Gofried von Bouillon geführten Kreuzzugs (Tao). Das Rierwesen
gehörte au damals son längst der Vergangenheit an, sein Mythos aber
dauerte fort, wie man sehr gut au bei Cervantes sehen kann, in deen
unendliem Roman si ein von Rieridealen durdrungener ingenioso
hidalgo (sarfsinniger Junker) selbst als Don Quijote bezeinet.

Die sier unglaublie Gesite der Templer beginnt an einem kalten


Herbsag, dem 27.  November  1095, als Papst Odo de Lagery, ein Franzose,
der unter dem Namen Urban  II. (um 1088–1099) regiert – und von den
Historikern als wahrer Nafolger Gregors  VII. betratet wird –, das in
Clermont (Auvergne), im Herzen Frankreis abgehaltene Konzil beendet.
Die Kire versut verbien, aber vielleit sollte i beer sagen:
verzweifelt, si selbst zu reformieren, wobei vor allem die Phänomene
Nikolaitismus (die Priesterehe) und Simonie (der An- und Verkauf von
Ämtern, sakralen Objekten oder Privilegien) Anla zur Sorge geben. Urban
ermahnt Priester und Laien, einsließli der Herrser, tadelt sie, weist
einen Weg zur Reung: ein Kreuzzug zur Befreiung Jerusalems. Fuler von
Chartres (1059 – ca.  1127) hat in seiner Historia Hierosolymitana eine der
Versionen dieses Appells zitiert:

Mögen jene, die bislang private, nutzlose Fehden führten zum großen Saden der
Gläubigen, nunmehr in den Kampf gegen die Ungläubigen ziehen, den es nun zu führen gilt
und der den Sieg verdient! Mögen jene, die bislang nits als Räuber waren, nunmehr Rier
Christi sein! Mögen jene, die gegen Brüder und Verwandte kämpen, nunmehr mit gutem
Ret gegen Barbaren streiten … Hier waren sie traurig und arm; dort werden sie fröhli
und wohlhabend sein. Hier waren sie Feinde des Herrn, dort werden sie Seine Freunde sein.
[5]

Mit Bedat gewählte Worte voller Leidensa, geeignet, ein hehres und
genau umrienes Ziel vorzugeben: keine mit nitsnutzigen oder
niederträtigen Unternehmungen gefüllte Tatenlosigkeit mehr, sondern der
«Heilige Krieg». In Wahrheit hat der Aufruf no einen weiteren Zwe: die
Bestätigung der Mat der Kire, die Bewahrung ihres Vermögens und ihrer
materiellen Potenz, die Fortführung der Gregorianisen Reformen, mit
denen das Gesetz der Kire allen Mensen vorgesrieben werden sollte,
angefangen bei den Herrsern. Man denke nur an die strengen
Retsnormen der Kire zur Ehe, denen au Könige und Kaiser
unterworfen waren, weswegen si Dramen und Sismen ereignen werden.
Das Eo auf den Kreuzzugsaufruf von Clermont ist so groß, da es dem
Papst endgültig die Statur eines wahren Führers des ristlien Westens
einträgt. Innerhalb weniger Monate setzen si Tausende von Männern in
Ritung Jerusalem in Mars. Ihre Reise ist mit grauenhaen Taten
gepflastert. Im Rheinland kommt es zu Maenmorden an der jüdisen
Bevölkerung, in Ungarn werden die Bauern systematis beraubt, das
gesamte flae Land des Byzantinisen Reies wird geplündert. Es ist eine
bunt zusammengewürfelte Meute, wie jede Armee, besonders aber, wenn es
si um eine Freiwilligenarmee handelt. Seite an Seite marsieren Halunken
und Edelleute, Hasardeure und Männer auf der Sue na ihrem Ideal.
Der erste Kreuzzug ist vielleit der berühmteste. Er begründet einen
Mythos, ist jedenfalls der Auakt für eine Saga, die praktis zwei
Jahrhunderte lang dauern wird, die si allerdings aueilt in einen ersten,
dileantisen und grausamen Teil und in eine offizielle Expedition. Der
harte Kern der Armee besteht aus Franzosen, Flamen und Normannen.
Führer dieses «Kreuzzugs der Barone» ist unter anderen Gofried von
Bouillon, Herzog von Niederlothringen. Im Juli  1099 wird Jerusalem im
Sturm eingenommen und erobert, in einem grausamen Gemetzel wird die
Sma der langen muslimisen «Okkupation» blutig ausgelöst. In der
antiken Hauptstadt wird ein fränkises, na dem Tode Gofrieds von
seinem Bruder Balduin  II. geführtes Königrei erritet. Das «Heilige
Grab» ist befreit, das Ziel erreit. Do was wie ein Endpunkt seint, ist
erst der Anfang.
Hier nun kommen die Templer ins Spiel. Um 1120 nämli versammelt
Hugo von Payns (1080–1136) ein Fähnlein von at Riern aus der
Bourgogne und der Champagne um si (es gibt au Quellen, in denen von
30 Männern die Rede ist) und brit seinerseits in die alte Kapitale Judäas
auf. Die Rier nennen si Pauperes commilitones Christi (Arme Rier
Christi). In Jerusalem angekommen, beziehen sie Quartier in einem Flügel
von König Balduins Palast, der auf den Grundmauern des (von den Römern
zerstörten) Salomo-Tempels erritet worden war. Dort baut die kleine
Gruppe ein Kloster, das seinen Namen vom Tempel übernimmt: Sie sind die
«Templer-Möne». Im Zentrum des weitläufigen Gebietes (heute als
Esplanade der Moseen bekannt) erhebt si ein sakraler Komplex von zwei
Moseen – die Al-Aqsa-Mosee und in der Mie der Felsendom mit seiner
goldenen Kuppel, eines der Glanzstüe muslimiser Aritektur, deen
Silhouee no heute zu den Wahrzeien der Stadt gehört. In seinem
Inneren befindet si der Felsen, auf dem Abraham seinen Sohn Isaak zu
opfern bereit war, und die Stelle, wo Jakob im Traum die Himmelstreppe sah
und seinen Altar erritete. Der Felsen, der als Nabel der Welt und der drei
monotheistisen Religionen gilt, war und ist bis heute einer der
neuralgisen Punkte der globalen Religiosität und damit natürli au
einer endlosen Auseinandersetzung.
Der Templerorden ist geistli und kriegeris zuglei. Der Historiker
Jakob von Vitry, Bisof von Acri, besreibt sie in seiner Historia orientalis
seu Hierosolymitana so:

Einige von Go bewaffnete und zu seinem Dienst ergebene Rier entsagten der Welt und
weihten ihr Leben Christus. Dur feierlie, vor dem Patriaren von Jerusalem abgelegte
Gelübde verspraen sie, die Pilger gegen Räuber und Wegelagerer zu verteidigen, die Wege
zu sützen und dem König und Herrser als Rier zu dienen. Sie hielten die Gebote der
Armut, der Keusheit und des Gehorsams ein, na der Regel der Regularkanoniker.[6]

Die Templer bekennen si also zu den drei klaisen Gelübden des
katholisen Möntums, fügen aber no ein viertes hinzu und vereinbaren
damit das Unvereinbare: Jesus Christus in Waffen dienen. Damit dies
retmäßig gesehen kann, wird, wie wir sehen werden, eine komplexe und
verhängnisvolle Weiterentwilung des Kriegskonzepts notwendig sein. Die
Templer tragen einfae Kleidung, weiße Tuniken oder Mäntel, auf der
linken Sulter oder auf der Brust hebt si sarlafarben ein Tatzenkreuz
(Croix pattée)[7] ab. Die Aushändigung des Mantels ist ein feierlier Akt,
der aus dem Bewerber einen Templer ad vitam aeternam mat: «Die das
Leben in der Dunkelheit hinter si gelaen haben, mögen erkennen, da es
ihre Pflit ist, dem Söpfer ihre Seele dur reines und weißes Leben zu
empfehlen.»
Ihre Pflit ist es vor allem, die Pilger dur Patrouillen auf den Straßen
na Jerusalem zu besützen, denn dort paieren häufig Raubüberfälle und
Gewalaten. Wer si ins «Heilige Land» begab, um die Orte der Paion
Christi zu ehren, mute damit renen, von Räuberbanden gewalätig
angegriffen, vergewaltigt, getötet zu werden. Die Sekte der Aainen,[8]
häufige Akteure bei solen Überfällen, haen ihren Namen von dem
Hasis, das sie vor ihren Überfällen konsumierten. Beraust von der
Droge, töteten sie ihre Opfer systematis, nadem sie sie ausgeraubt
haen.
Der Templerorden entsteht um 1120 in Jerusalem, das offizielle Datum
seiner Gründung ist aber der Januar 1129, als ein Provinzialkonzil in Troyes
die Prälaten der Champagne und Burgunds versammelt und vor allem der
bedeutende Zisterziensermön Bernhard von Clairvaux anwesend ist, ein
sehr einflureier Mann, besonnener Politiker, Ratgeber der Mätigen,
Kenner der Doktrin. Zunäst war Bernhard nit gewillt gewesen, den
Templern übermäßige Anerkennung zu gewähren, später änderte si seine
Haltung, sie ändert si sogar so grundlegend, da er als Autor eines
berühmt gewordenen Dokumentes hervortrat: sein De Laude novae militiae
ist die rhetoris meisterha formulierte Apologie der Templer:

Überall in den Ländern und in jener Gegend, die Christus in Mensengestalt und als
aufstrahlendes Lit aus der Höhe besut hat, hört man seit kurzem, es sei eine neue Sar
von Riern aufgetreten … Es handelt si um eine neue, der Welt no unbekannte
Riersa, die einen zweifaen Kampf zuglei unermüdli kämp, nämli den gegen
Fleis und Blut und den gegen die bösen Geister des himmlisen Bereies … Ein soler
ist jedenfalls ein unersroener Rier, allenthalben gefeit; seinen Leib bewehrt er mit einer
Rüstung aus Eisen, seine Seele aber mit der des Glaubens. Da er nun dur beiderlei Waffen
gesützt ist, fürtet er weder Teufel no Mensen.

Ihr Moo ist aus Psalm 115 (113B) entnommen: «Non nobis Domine, non
nobis, sed Nomini Tuo da Gloriam» – «Nit uns, o Herr, nit uns, sondern
deinem Namen gib Ehre.» Das klingt wie ein Talisman, es sollte sie
besützen, zumindest auf dem Felde des Christentums. Wir werden sehen,
da das nit ausreien wird.
Wie kommt ein Mön wie Bernhard dazu, einen bewaffneten, also auf
Krieg ausgeriteten Orden so ausdrüli zu glorifizieren? Das
Urristentum hae jede Form von Gewalt abgelehnt. Später hae
Augustinus von Hippo die Lehre vom «Gereten Krieg» entwielt:

Gerete Kriege pflegt man also sole zu definieren, die Unret ahnden; sei es, da ein
Volk oder ein Staat, die mit Krieg zu überziehen sind, es versäumen, das Unret
wiedergutzumaen, das von den Ihrigen gesehen ist, oder zurüzugeben, was dur
Unret weggenommen ist.
(Quaestiones in Heptateuum V 10)
Folgeritig war der näste Sri die Entwilung eines weitergehenden
Konzeptes, dem des «Heiligen Krieges», des Kriegs also, der in Verteidigung
des ristlien Glaubens und der Kire gegen äußere Feinde (Heiden,
Ungläubige) oder innere geführt wird. Das Konzept des «Heiligen Krieges»
ist als Jihad au in der islamisen Welt weit verbreitet, bis in unsere Tage.
Bernhard hae im Verhältnis zu Augustinus den Sinn insofern erweitert,
als er argumentierte, beim Waffengebrau von Seiten der Templer sei Mord
a priori ausgesloen:

Denn der Tod, den man für Christus erleidet oder verursat, trägt keine Suld an si und
verdient größten Ruhm. Hier nämli wird für Christus, dort Christus (selbst) erworben. Er
nimmt wahrli den Tod des Feindes als Sühne gern an und bietet si no lieber seinem
Streiter als Tröster dar … «Denn nit ohne Grund trägt er das Swert. Er steht im Dienst
Goes und vollstret das Urteil an dem, der Böses tut, zum Ruhm aber für die Guten.»
[leit abgewandelt: Röm 13,4; 1Petr 2,14] Ja, wenn er einen Übeltäter umbringt, ist er nit
ein Mensenmörder, sondern sozusagen ein «Mörder der Bosheit», und mit Ret wird er
als Christi Räer gegen die Mietäter und als Verteidiger der Christenheit angesehen.

Mit anderen Worten: Der Heilige Krieg ist der gereteste aller Kriege. Das
Prinzip wird zur Retsgrundlage der Kreuzzüge, die darauf ausgeritet
waren, das Heilige Land zurüzugewinnen, deen si die Ungläubigen
widerretli bemätigt haen. Der Ruf «Deus lo vult!» – «Go will es!»,
mit dem die Kreuzrier zum Angriff srien, gibt in der Kürze eines Moos
diese ausgeklügelte Lehre wieder. Seither haben die Heere vieler Nationen
versut, ihre Soldaten mit einer gewiermaßen heiligen Rolle auszustaen.
Au die Soldaten der deutsen Wehrmat trugen auf ihrer Gürtelsnalle
den Spru «Go mit Uns». Der von Bernhard erarbeitete ideologise
Sild diente jedenfalls lange dazu, unter dem unangreiaren
Demäntelen des Glaubens die handfesten politisen und ökonomisen
Zwee dieser Expeditionen zu versleiern.
Mit einer so kravoll und gesit formulierten Bürgsa verbreitet si
das Image der Templer rasend snell. Ihre Unternehmungen und ihre
strenge, slite Lebensweise sind in ganz Europa in aller Munde. Au die
Legendenbildung ist von Anfang an in vollem Gange. Junge Adelige stehen
Slange, um si freiwillig zu melden, die Rier des Tempels werden immer
zahlreier und der Orden immer mätiger, nit zuletzt, weil die
Aufnahme in der Regel von großzügigen Senkungen begleitet ist:
Landbesitz, Immobilien, Geld, Gesmeide. Spenden kommen au von
Personen, die selbst nit dem Orden beitreten. Viele Mensen tragen zur
Finanzierung des Ordens bei, ging es do um die Befreiung der heiligen
Stäen aus den Händen der Ungläubigen, also um einen Krieg, der
aufwändig organisiert und gekämp werden mute, und der allein son in
Anbetrat der Entfernung sehr hohe Kosten verursate.
Die militärise Ausbildung der Templer ist exzellent, ihre Disziplin
außerordentli streng: Geätet sind die Jagd, Karten- und Würfelspiele,
verboten ist übermäßiges Laen, zu viel und zu lautes Reden, verboten ist
au, die Haare über eine gewie Länge hinaus wasen zu laen. Selbst
der Slaf ist strengstens geregelt, die Rier slafen «in Waffen», stehen vor
dem Morgengrauen auf, sind immer bereit. Wer gegen die Normen verstößt,
wird ausgestoßen oder eingesperrt. Einige Verfehlungen sind mit
erniedrigenden Strafen belegt: zum Beispiel alleine auf dem Boden een sta
am Tis gemeinsam mit den anderen, die allerdings, als ständiger Hinweis
auf die harten Sien, das Een nit zu zweit aus derselben Süel
nehmen dürfen, was eine im Mielalter nit unüblie Praxis war. Ein
immer wiederkehrendes Bild zeigt übrigens zwei Templer im Sael deelben
Pferdes, was allerdings zu boshaen Interpretationen führen sollte.
Elitekorps waren in allen Epoen strengen Regeln unterworfen und sind
es no. Von besonderer Strenge waren bei diesen kämpfenden Mönen die
Normen zum Aulu der Frauen, zu denen der Kontakt so sarf
untersagt ist, da nit einmal erlaubt ist, die eigene Muer zu küen
(mulier instrumentum diaboli – die Frau als Werkzeug des Teufels). Es ist
die üblie argwöhnise Haltung der Mönsorden gegenüber den Frauen,
den – wenn au unfreiwilligen – Agenten des Teufels: «Gefährli ist die
Gesellsa einer Frau, weil der Teufel in alter Zeit dur die Gesellsa
einer Frau viele vom reten Weg ins Paradies abgebrat hat.»
Die Templer sind keine einfaen Rier wie alle anderen, sondern
Soldaten, und zwar in erster Linie für die riskantesten Aufgaben ausgebildet,
und das ist das Neue. Es gab vor ihnen bereits einige Rierorden, die
Cavalieri di San Giovanni (Rier vom Hospital des Hl. Johannes, die
Johanniter) oder au die Cavalieri di Malta (Malteser). Dabei handelte es
si aber um beriene Korps, die für die Pflege und Behandlung von
invaliden oder kranken Pilgern in Spitälern sorgten und nur in
Ausnahmefällen an Militäraktionen teilnahmen.
Die Templer waren die ersten, bei denen der systematise
Waffengebrau vorgesehen war, und diese Kombination von einer inneren
Glaubensrüstung mit der äußerlien Eisenrüstung erhöhte ihre Araktivität
und potenzierte die Verbreitung ihres Ruhms. Wer einmal Zeuge des
sauerlien Spektakels eines ihrer Angriffe geworden war, mit den
wehenden weißen Mänteln, den komple vom Helm bedeten Gesitern,
den Reflexen des Sonnenlits auf den wirbelnden Klingen, wurde die Furt
vor ihnen nit wieder los. Mit der Zeit trug ihre Tapferkeit, ihre
Entsloenheit, nit zuletzt ihr Mysterium zur Mythenbildung bei.

Regierender Papst in diesen Jahren war Innozenz  II. (Gregorio Paparesi,


ein Römer, 1130–1143), und sein Pontifikat gehört zu den unruhigsten. Im
Jahre 1130 ist die Christenheit von einem gewaltigen Sisma gespalten, die
einander gegenüberstehenden Parteien bekämpfen si mit allen Mieln. Auf
der einen Seite sind da die Kardinäle, deren Stärke si auf die Unterstützung
des deutsen Kaisers Lothar III. (1075–1137) und zahlreie Potentaten des
italienisen Nordens stützt. Die gegnerise Partei besteht aus anderen
Kardinälen, die Pietro Pierleoni zum «Gegenpapst» Anaklet  II. gewählt
haben, unterstützt vom Normannen Roger (Ruggero) II., König von Sizilien,
Apulien und Kalabrien. Deen Verbündete konzentrieren si folgeritig in
den südlien Regionen Italiens, und dies ist wahrseinli das erste Mal,
da die Halbinsel eine so eindeutige Trennung in geographise Zonen
erlebt, was si in späteren Jahrhunderten des Öeren wiederholen sollte.
Zu den vielfältigen Anklagen, die Innozenz seinem Gegner
entgegensleudert, gehört unter anderem au deen jüdise Herkun.
Der Antijudaismus der Kire von Rom ist immer brutal gewesen, ein
Vorwurf wie dieser wiegt da swer. Tatsäli wird si Innozenz, au
dank seiner taktisen Fähigkeiten, dursetzen und der arme «Gheopapst»
ist gezwungen, si in der Engelsburg zu versanzen, wo er im Januar 1138
au sterben wird. Mit seinem Tode wird das atjährige Sisma
aufgehoben, do ist dies nur eine vorübergehende Lösung. Der Einsatz ist
zu groß, das päpstlie Wahlgesetz zu fehlerha, die Kämpfe werden au in
den folgenden Jahren erbiert weitergehen.
Bernhard von Clairvaux mu den Ausgang der Auseinandersetzung
geahnt haben, tatsäli slägt er si von Anfang an auf die Seite von
Innozenz, dem wahrseinlien Sieger, und tri gegenüber dem
französisen König Ludwig  VI., auf den er großen Einflu hat, als deen
Fürspreer auf. Na dem Ende des Matkampfes wird er den Templern
einen besonderen päpstlien Sutz einräumen. Mit der Bulle Omne datum
optimum unterstellt Innozenz  II. 1139 den Orden der Mönskrieger direkt
dem Papst und entzieht ihn damit jeder anderen kirlien Autorität,
einsließli des Patriaren von Jerusalem. Darüber hinaus befreit er ihn
von allen Steuern und Zollabgaben. Bedeutsam diese Worte: «Go selbst hat
eu zu Verteidigern der Kire und Gegnern der Feinde Christi gemat.»
Alle religiösen Orden genießen Privilegien, die sie gegenüber anderen
Orden, au säkularen, verbien verteidigen, sowie gegenüber weltlien
Mathabern. Die Templer werden die Favoriten, von nun an kann nur no
der Papst einen Tempelrier oder ein Mitglied seiner «Familie»
exkommunizieren.
Der Orden wird auf diese Weise nit nur sehr rei, sondern au sehr
mätig. Die Spenden und Zuwendungen sind so beträtli, da seine
Inventare trotz der immensen Ausgaben für die Militärkampagnen (Reisen,
Ausrüstung, Festungsbau und -unterhalt) einen starken Aktivposten an
beweglien Gütern und Immobilien aufweisen. Parallel zu den
Militäraktionen beginnt nun eine intensive Finanzaktivität. Von
versiedenen Seiten wird behauptet, die Templer seien die Erfinder des
Ses und des Weselbriefes gewesen. Ganz sier veranlaen sie die
Überweisung von Kapital an weit entfernte Niederlaungen, vereinnahmen
den Zehnten für den Papst, gewähren Persönlikeiten von Rang na
adäquater Antragsbegründung Kredite, bieten den Adeligen, die si nit
persönli damit befaen wollen, einen Kämmerei-Service. Der Geldhandel
hat allen, die fähig waren, ihn zu betreiben, immer genützt. Die Templer
bestätigen diese Regel und steigern in der folgenden Zeit ihren Reitum und
damit ihre Mat immer weiter, auf wele Weise, werden wir glei sehen,
und dies wird Ursae oder Vorwand für ihren Ruin sein.
Die Kämpfe gegen die Muslime führen auf beiden Seiten zu Exzeen von
unerhörter Grausamkeit. Eine der furtbarsten Episoden ereignet si 1153
(Zweiter Kreuzzug) während der langen Belagerung von Askalon. Ein
Belagerungsturm der Kreuzfahrer, der Feuer gefangen hat, wird gegen die
Stadtmauern gesleudert. Der Aufprall und die Flammen bringen die
Mauern an einer Stelle zum Einsturz. Seit Monaten versuen die Belagerer,
in die uneinnehmbar erseinende Stadt einzudringen. Bernard de Tromelai,
der eine Gruppe von Tempelriern befehligt, befiehlt den unverzüglien
Einfall in die Stadt.
Im Galopp stürzen si vierzig Rier dur die Brese in der Mauer. Zu
ihrem Unglü folgt ihnen keiner, denn das Gros der Truppen ist zu diesem
Zeitpunkt anderswo eingesetzt, die Aae bleibt eine isolierte Aktion. Als
den Muslimen die Swäe des eindringenen Trüppens klar wird,
gewinnen sie snell die Oberhand. Die Templer werden dur die Hiebe
sarf gewetzter Krummsäbel maakriert, kopfüber werden ihre
enthaupteten Körper an der Stadtmauer aufgehängt, während ihre Köpfe mit
Wurfmasinen ins ristlie Lager gesleudert werden. Der Horror dieses
Spektakels verleiht den Belagerern neue Kräe, denen es sließli gelingt,
in die Stadt einzudringen und den Feinden dieselbe gnadenlose Behandlung
angedeihen zu laen.
Im Verlauf dieser Kriege ist der tütigste muslimise General der
legendäre Saladin, Salâh-ad-Dîn, im Westen ungeretfertigterweise als «der
grausame Saladin» versrieen. Es gelingt ihm, ein Heer von über 200.000
Männern unter seinem Banner zu versammeln, und 1174 vollbringt er das
eher politise als militärise Wunder, si die Unterstützung der gesamten
muslimisen Welt zu siern. Im Februar 1179 dringt Saladin na Galiläa
vor und steuert auf Jerusalem zu. Aus dem Inneren der gut ausgerüsteten
Festung an der sogenannten Jakobsfurt versperren ihm die Templer den Weg
und zwingen ihn zum Rüzug. Im Juni aber geht der unnagiebige
Condoiere wieder zum Angriff über, und diesmal gewinnt er die Oberhand:
Die Festung wird eingenommen, die Templer lät man über die Klinge
springen. Au der Großmeister des Ordens, Odo von Saint-Amand, fällt in
die Hände des Feindes. Als man ihm mieilt, gegen Zahlung eines
Lösegeldes könne er die Freiheit wiedererlangen, lehnt er das empört ab. Er
wird in Damaskus eingekerkert, wo er infolge der Entbehrungen stirbt.
Der Weg na Jerusalem seint nun frei, do es werden no Jahre
vergehen, bevor es Saladin und seinem riesigen Heer gelingt, die Heilige
Stadt zu erobern: im Oktober  1187, na woenlanger Belagerung. Die
ristlien Symbole, allen voran die Kreuze, werden heruntergerien und
dur die Halbmonde des Islam ersetzt. Das «Hauptquartier» der Templer
wird na Acri verlegt, wo es bis 1291 bleibt.
Saladins Mausoleum befindet si in der großen Mosee von Damaskus,
der Stadt, wo der Gründer eines arabisen Staates, der von Ägypten bis
Syrien reite, das Rei der Ayyubiden erritet hae und in der er 1193
starb. Wenn man die Grausamkeit der Zeit in Renung stellt, war er ein
relativ großmütiger Kriegsherr, der die Christen na seinem Sieg beer
behandelte, als dies die Kreuzfahrer im Falle der Einnahme Jerusalems mit
den Muslimen und Juden getan häen. In Damaskus hat Saladin sogar zwei
Gräber. Das eine ist aus Holz und enthält seine sterblien Überreste. Das
andere ist aus Stein und eine Gabe des deutsen Kaisers Wilhelm  II.
während eines Besues im Jahre 1898 an Sultan Abdülhamid II. Der Kaiser
wollte dem Einflu der Briten entgegensteuern und dur die Knüpfung
guter Beziehungen zum Osmanisen Rei die deutse Islampolitik
einleiten. Ein Traum, der mit dem Ersten Weltkrieg 1918 ein abruptes Ende
nahm. Au der legendäre englise Feldherr Lawrence von Arabien
verspürte das (nit ganz uneigennützige) Bedürfnis, Saladin zu ehren. Als er
na dem Krieg na Damaskus kam, war eine seiner ersten Handlungen,
Saladins Grab die Ehre zu erweisen.[9]
No viele Jahre lang wird es weiter Wellen von Pilgern und Kämpfern
der Christenheit geben, die in Maen an den Küsten Palästinas oder au
Nordafrikas landen: vom Glauben, von militärisem oder kommerziellem
Kalkül, vom Bedürfnis na Buße geleitete Männer. In Anbetrat der
Bedingungen, unter denen man damals reiste, und der Risiken einer jeden
Art von Fortbewegung war der Auru zu einer Pilgerreise an si son
eine ete Strafe. Erst 1229 wurde Jerusalem den Christen zurügegeben,
ohne Blutvergießen diesmal, na einem auf diplomatisem Wege
ausgehandelten Friedensvertrag zwisen Friedri II. und dem ägyptisen
Sultan Malik al-Kamil, einem aufgeklärten Mann, Freund der Künste und der
Wiensaen, den sogar Franziskus von Aisi treffen wollte.
Kaiser Friedri nimmt Jerusalem in Besitz, wo er si in der Grabeskire
feierli die ebenso blutige wie kurzlebige Krone des Reies aufsetzt. Es
wird nur ein halbes Jahrhundert verstreien, bis am 28.  Mai  1291 die
Kapitulation von Akkon, der letzten Bastion, das Ende des Königreis
Jerusalem markiert. Die Templer slagen si waer in diesem gut
befestigten Städten, das 40.000 Einwohner zählte. Am 17. Mai aber gelingt
es den Muslimen, eine Brese in die Mauer zu slagen und in die Stadt
einzudringen. Der Widerstand der Rier ist hartnäig, und als die Lage
auitslos wird, könnten si viele von ihnen in Ritung Meer reen, tun
es aber nit. Im Gegenteil, nadem ihre Zahl auf wenig mehr als hundert
gesrump ist, versanzen sie si in der Zitadelle und bieten den
wiederholten Angriffen no eine Woe lang die Stirn. Am Ende weien
sie ersöp zurü. Na Europa werden nur sehr wenige zurükehren.
Man mu si fragen, ob es nit beer für sie gewesen wäre, in der
Slat zu sterben sta an den grausamen Qualen, denen sie von nun an
ausgesetzt waren.

I habe versut, diese lange, bewegte Gesite voller erbierter Kämpfe,


Heldentaten und Grausamkeiten, die 1095 (oder 1096) mit dem ersten
Kreuzzug beginnt und fast genau zwei Jahrhunderte später mit dem
Maaker von Akkon endet, in wenigen wesentlien Episoden
zusammenzufaen. Na Sätzungen verloren die Templer bei den
Kreuzzügen zwisen zwölf- und zwanzigtausend Rier. Was immer man
sonst über sie denkt, an ihrem Glauben und ihrer Treue zum Gelübde kann
es keinen Zweifel geben. Man kann darüber streiten, ob es zum Status von
Mönen pat, in vorderster Front zu kämpfen, die riskantesten und
infolgedeen au blutigsten Aufgaben zu übernehmen, eine
«Spezialeinheit» zu bilden, wie wir es heute nennen würden. Wenn man
zugesteht, da es genau das war, was die religiösen und politisen
Umstände der Zeit verlangten, so braut man über den Rest nit
diskutieren. Und aufgrund eines grausamen Paradoxes wird es genau dieser
«Rest» sein, der den Vorwand für ihre Vernitung liefert. Ihr Ende wird
snell und von besonderer Grausamkeit sein.
Am 14. September 1307 ordnet der König von Frankrei, Philipp IV. (der
Söne), in einer fast geheim abgehaltenen Sitzung in der Abtei von
Maubuion die maenhae Verhaung der Templer an. Was folgt, ist
Verrat, Denunziation, Grausamkeit und eine Niedertrat, die si als
Geretigkeit ausgibt. Aus welem Grunde wurde dieser Befehl gegeben?
Es waren komplexe Motive, die ein paar, wenn au kurze Worte der
Erklärung verdienen. Der Gegensatz zwisen dem französisen ron und
dem Papsum hae son zu Zeiten des erinnerungsunwürdigen Bonifaz’
VIII. (1294–1303) begonnen, der von Dante der Simonie bezitigt wurde,
von Iacopone da Todi, der «neue Antirist» zu sein, von anderen sogar des
Mordes an seinem Vorgänger Cölestin V. (siehe Kapitel III).
Der Konflikt hae si sehr zugespitzt, weil der König gewie Steuern
einbehalten hae, die na Meinung des Papstes der Kire gebührten, die
Philipp si aber nit entgehen laen wollte. Es ging also um Geld. Im
März beru Philipp im Louvre den Staatsrat ein, bei dem sein getreuer
Berater Guillaume de Nogaret eine regelrete Anklagesri gegen Bonifaz
vom Stapel lät, in der dieser als Simonist, Ketzer, Sodomit, Mörder
bezeinet wird. Als dem Papst, der si in Anagni befindet, diese
beunruhigende Narit zu Ohren kommt, bereitet er eine Bulle zur
Exkommunikation des Königs von Frankrei vor. Ihm bleibt aber keine Zeit,
diese zu erlaen, denn am Morgen des 7.  September breen die
Verswörer Nogarets, unterstützt von der ihm feindli gesinnten Familie
Colonna, mit dem Ruf «Es lebe der König von Frankrei!» bei ihm ein.
Stumm empfängt Bonifaz die Meute, in vollem Ornat auf dem ron sitzend,
die Papstkrone auf dem Haupt.
Hier nun ereignet si das berühmte (halblegendäre) Aentat, das später
als «Ohrfeige von Anagni» in die Gesite eingehen sollte: Nogaret, der
den Befehl hae, den Papst um jeden Preis na Paris zu sleppen, soll ihn
mit einem Eisenhandsuh ins Gesit geslagen haben. Eine unerhörte
Beleidigung. Eine der indirekten Vorrauetzungen für das, was dana
gesehen sollte. Na drei Tagen Ha wird Bonifaz befreit, von seinem
Trauma aber erholt er si nit mehr, soda er wenige Woen später stirbt.
Bonifaz’ Nafolger Benedikt  XI. (1303–1304) versut eine Vermilung
zwisen den streitenden Familien. Sie gelingt ihm nur zum Teil, ohnehin ist
seine Zeit auf dem ron kurz. Er stirbt bereits na wenigen Monaten an
Durfall, nadem er sehr smahae Feigen zu si genommen hae, die
aller Wahrseinlikeit na vergiet waren. Den Wendepunkt und die
Hauptfigur unserer Gesite finden wir in dem neuen Papst, Clemens V.,
mit bürgerliem Namen Bertrand de Got, Erzbisof von Bordeaux (1305–
1314), mit dem das Avignonesise Papsum seinen Anfang nimmt. Mane
Historiker behaupten, der slaue Bertrand habe si den Petrusthron dur
das Verspreen erkau, dem König im Falle seiner Wahl für die Dauer von
fünf Jahren alle Zehnten des Königreis zu überlaen. Au Dante ist
überzeugt, da Bertrand, «ein Hirte ohne Ordnung» (Hölle, 19. Gesang),[10]
das Amt gekau hat. Tatsae ist, da Clemens si in Lyon krönen lät
und von 1309 an Avignon zum Sitz der Päpste bestimmt, eine Ortswahl, mit
der er si de facto unter den Einflu der französisen Krone begibt.
König Philipp, von wütender Rasut ergriffen, will Bonifaz no als
Totem den Proze maen. Clemens widersetzt si dieser Absit nit und
beweist einen subtilen Sinn für Psyologie, indem er zum Sein auf dieses
absurde Ansinnen eingeht, sogar die Anhörung bestimmter Zeugen anordnet
und si vorbehält, diese diplomatise Nagiebigkeit später zu seinen
Gunsten zu nutzen. Als der unversöhnlie König Philipp ihm auferlegt, den
Templerorden aufzulösen, gibt Papst Clemens sehr zögerli na, während
er gleizeitig den Proze gegen seinen Vorgänger Bonifaz im Sande
verlaufen lät, der eine Smähung bedeutet häe, die nit einmal ein
bedenkenloser Papst wie er hinnehmen kann.
Für den König handelt es si um einen vorteilhaen Taus. Si auf die
Rae an dem toten Bonifaz zu verbeißen, war nits als eine jähzornige
Extravaganz gewesen, es ist also beer, Clemens zufriedenzustellen, der gute
Auiten auf Wohlverhalten zu gewährleisten seint. Umso mehr als die
Animosität des Königs gegen die Templer ihre Ursae in ret konkreten
Gründen hat. Bei einem Volksaufstand gegen die Steuerlast und die hohe
Inflation haen die Templer ihn vor den Tumulten gereet, indem sie ihm in
ihrer Pariser Burg Unterslupf gewährten. Während ihn das Volk und selbst
der Papst wegen seiner Verantwortung für die stark entwerteten Münzen[11]
mit dem beleidigenden Spitznamen roi fausseur (Falsmünzerkönig)
abstempelten, haen die Rier die Kühnheit (und Naivität) beseen, ihm in
den unterirdisen Gewölben des Tempels ihre überbordenden
Satzkammern zu zeigen. Der Tempel war ein mätiges Kastell (im
heutigen 4. Pariser Arrondiement) mit unzähligen Sälen, Kammern und
Zellen, perfekt au als Kerker geeignet. Eine Zeit lang wurde dort übrigens
während der Revolution König Ludwig  XVI. mit seiner Familie gefangen
gehalten.
Au bei den nästen Srien geht das riskante Spiel weiter. Clemens
glaubt, die königlie Inititative unter Kontrolle halten zu können, indem er
den Bisöfen volle Handlungsfreiheit einräumt. Der König sorgt dafür, da
in die Kommiionen, die über die swerwiegenden Anklagen gegen die
Rier zu befinden haben, Männer seines Vertrauens sitzen. Wie so o bei
solen Verswörungen bietet si die Sürzung des verworrenen Knotens
dur einen Denunzianten. Ein gewier Esquieu de Floryan, ehemaliger
Sträfling im Gefängnis von Béziers, beritet, dort einen ausgestoßenen
Rier des Ordens kennengelernt zu haben, der ihm Details über die
sändlien Praktiken der Templer anvertraut habe: da die Rier bei der
Aufnahme auf das Kreuz spuen müten; da sie wollüstige Küe
austausten und Sodomieakte begingen; da sie einen seltsamen Götzen
anbeteten; da si der Großmeister priesterlie Funktionen anmaße und
sogar die Absolution erteile. Son für sehr viel weniger kann man damals
auf dem Seiterhaufen landen.
Das Amt des Großmeisters bekleidet zu dieser Zeit Jacques de Molay, ein
Mann von 64.  Jahren von beseidener Herkun, geboren in der Nähe von
Belfort im Elsa. Als si die Anzeien verditen, da dem Orden großes
Unheil droht, versut er, dem zuvorzukommen, und mat selbst einen
Vorstoß beim Papst. Er biet um Eröffnung einer Untersuung zur
Entlastung der Rier von den absurden Vorwürfen, die allenthalben im
Umlauf sind. Ein verzweifelter Versu, der natürli zu keinem Ergebnis
führt.
König Philipp hat all seinen Baillis und Senesallen einen Geheimbefehl
erteilt: Zu einem vereinbarten Termin mu die ihnen zugegangene Botsa
geöffnet und müen die darin enthaltenen Instruktionen auf der Stelle
umgesetzt werden. Guillaume Imbert, Dominikaner, Beitvater des Königs
und Großinquisitor von Frankrei, soll die Durführung überwaen, falls
erforderli, au ohne Zustimmung des Papstes. Genau das gesieht. In der
königlien Botsa heißt es:

Da die Wahrheit nit anders voll und ganz aufgeklärt werden kann und ein heiger
Argwohn si auf alle erstret hat …, haben wir besloen, da ausnahmslos alle
Mitglieder des selbigen Ordens unseres Königreis festgenommen, gefangengehalten und
dem Urteil der Kire vorbehalten werden, und da all ihre Güter, beweglie und
unbeweglie, beslagnahmt, von uns eingezogen und getreu verwahrt werden.[12]

Der Aurag kann klarer nit sein, au in der Offenbarung der wahren
Absiten. König Philipp, der Enkel Ludwigs IX. des Heiligen, ein Frömmler,
der nie ein Staatsgesä in Angriff nahm, ohne zuvor zwei Meen besut
zu haben, glaubt, zwei Fliegen mit einer Klappe slagen zu können: die
Ketzerei und die in Rierkreisen überhand nehmenden obszönen Praktiken
zu bekämpfen und si eines Satzes zu bemätigen, mit dem er auf einen
Slag all seine, vor allem dur den Krieg gegen England entstandenen
finanziellen Probleme lösen kann.
Der königlie Befehl soll snell und simultan ausgeführt werden, und so
gesieht es au. Am 13.  Oktober  1307 nimmt Guillaume de Nogaret
persönli die Verhaung des Großmeisters vor und sut ihn im
Morgengrauen im Pariser Tempel auf. In den geheimen Gewölben deelben
Tempels finden au die grausamen, von den fürterlisten Foltern
begleiteten Verhöre sta. Als der Papst diese Narit erfährt, ist er
gekränkt. Er ist übergangen worden und damit werden seine Autorität und
seine Kompetenzen mit Füßen getreten. Denno entsließt er si zwei
Woen später, dem König zu sreiben:

Ihr habt, geliebtester Sohn, während unserer Abwesenheit den Templern Gewalt angetan und
Eu an ihren Gütern vergriffen. Ihr seid so weit gegangen, sie in den Kerker zu werfen. …
wir haen Eu informiert, da wir die gesamte Angelegenheit bereits selbst in die Hand
genommen haben, wir wollten selbst ermieln, was die Wahrheit sei … In Eurem
überstürzten Vorgehen werden alle nit ohne Grund eine beleidigende Miatung
gegenüber Uns und der Kire von Rom sehen.

Vergeblie Worte, au weil sie zu spät kommen. Der Papst wird si zwei
Monate in Geduld faen müen, bevor er eine Antwort erhält. In der
Zwisenzeit hat Nogaret, der äußerst gesit darin ist, si
zwedienlie Zeugenauagen zu versaffen, eine erklelie Anzahl von
Riern aufgespürt und verhört, die vom Orden ausgestoßen wurden oder
selbst desertiert waren. Er hat jetzt weit mehr in der Hand als nur das Wort
eines Ex-Sträflings, der Gefängnisgeswätz aus zweiter Hand kolportiert.
Die Verhaungswelle ist nun dur einen ordentlien Stapel an
unterzeineten und authentifizierten Verhörprotokollen begründet. Von der
Folter entkräet, unter Androhung von no slimmeren Torturen, gesteht
die Mehrzahl der Verhaeten unter Qualen den einen oder anderen
Anklagepunkt. Nogaret und der Großinquisitor wohnen den peinlien
Befragungen höstpersönli bei. Son ein einziges Eingeständnis genügt,
um den Angeklagten zum Ketzer zu erklären. Weitere möglie
Anklagepunkte sind dann nit mehr von Belang.
Der Historiker Georges Lizerand, der die Akten des Templerprozees
studiert hat, wagt in seinem Werk Le dossier de l’Affaire des Templiers
(Paris 1923) die ese, da das inhumane Vorgehen der Folterknete in der
Weise nit mögli gewesen wäre, wenn Papst Clemens mehr Nadru an
den Tag gelegt häe, sta die vom Großinquisitor angeordneten grausamen
Prozeduren mit resignierter Paivität einfa hinzunehmen. Es wird no
mehr Päpste im Laufe der Gesite geben, au der jüngeren, die ähnlie
Vorwürfe der Kralosigkeit und übertriebenen «Vorsit» auf si ziehen.
Politises Opportunitätsdenken ist in Angelegenheiten wie diesen die
sleteste Ratgeberin.
Von katholiser Seite ist au in jüngster Zeit versut worden, Papst
Clemens’ Verhalten mit den außerordentlien Widrigkeiten zu
retfertigen, mit denen er zu kämpfen hae. Es bleibt aber die Tatsae,
da gewie Maßnahmen, die in seiner Mat gestanden häen, nit
ergriffen wurden. Zum Beispiel häe er den Großinquisitor, der ihm als
Priester Gehorsam suldete, absetzen können. Er wird es au tun, do
wieder einmal, als es bereits zu spät ist. Die wohlwollendsten Historiker
zeinen Clemens als einen friedfertigen, gutherzigen Mensen, nur eben
der Regierungsverantwortung in so swierigen Zeiten nit gewasen.
No dazu mit einem Mann wie Philipp als Gegenpart, der kalt war und
gleizeitig oleris, von tiefem Ha beherrst, der wenige Jahre zuvor
die Dreistigkeit beseen hae, Bonifaz auf dem Papshron ohrfeigen zu
laen. Denkbar ist au, da der Papst befürtete, ein offener Widerstand
häe das slimmste Übel herauesworen, nämli ein Sisma von
Seiten des französisen Königs. Au diese Frage bleibt aber ohne
endgültige Antwort. Die Wahrheit ist, da der Papst zunäst versute,
dur Hinhaltetaktik einen gewien Widerstand zu leisten bzw. auf Zeit zu
spielen, dann aber aus Gründen, die uns nur teilweise bekannt sind, dem
König nagab und das Feld ihm überließ.
Nogaret will den Orden enthaupten, vor allem hat er es auf den
Großmeister abgesehen. Er weiß: Wenn dieser fällt, fällt au der Rest. In
einer der zahlreien Darstellungen des Prozees wird das vermutli dur
Folter erreite Geständnis eines gewien Giaco zitiert, eines Knappen des
Meisters, der behauptet, dieser habe ihn in einer einzigen Nat dreimal
mibraut. De Molay leugnet dies im Verhör. Bei einem erneuten Verhör
gesteht er andere Suld:

Der Templerorden, der zum Ruhme des Namens Christi und des ristlien Glaubens
gegründet worden ist sowie zur Eroberung und zum Sutz des Heiligen Landes, verleugnet
seit langem son dur Verführung des Satans Christus König, besput während der
Aufnahmezeremonie das Kruzifix und vollzieht alia enormia.

Später wird er dies zurünehmen, do da ist sein Sisal bereits


besiegelt. Es ist immer wieder gefragt worden, was den Meister dazu
bewogen haben mag, ein ganz offensitli nit auf Tatsaen beruhendes
Geständnis abzulegen. Eine der naheliegendsten Hypothesen geht davon aus,
da der slaue Nogaret de Molay in ein teuflises Dilemma gebrat hat:
selbst unterzugehen oder den Orden untergehen zu laen. Mit anderen
Worten, der Ankläger war bereit, über die Sande des Mibraus an
Molays jungem Untergebenen zu sweigen, wenn er im Gegenzug die
Suld des Ordens zugeben würde.
Während all dies gesieht, erklärt si König Philipp zum Treuhänder des
gesamten im Königrei vorhandenen Templervermögens. Er ordnet an, die
Güter zum Zwee eines neuen Kreuzzuges zu beslagnahmen. Natürli
wird dieser Kreuzzug niemals ausgerufen. Dagegen werden kurze Zeit später
die Bauarbeiten für die Kathedrale Notre Dame und die Conciergerie des
Königspalastes wiederaufgenommen, und au seine Münze, der bourgeois,
wird endli in einer höherwertigen Metalllegierung geprägt.
Am 22.  März  1312 verliest Papst Clemens in der Kathedrale von Vienne
die Bulle Vox in excelso, in der die sweren Anklagen gegen die Rier
aufgelistet sind: «Jene also waren gegen den Herrn Jesus Christus in eine
unauprelie Abtrünnigkeit gefallen, in die Frevelhaigkeit eines
sändlien Götzendienstes, in die verabseuungswürdige Sünde der
Sodomiten und versienene andere Häresien.» Am Ende der Anklagesri
dekretiert er:

Nit als endgültiges Urteil, sondern als apostolise Maßregel heben Wir mit Zustimmung
des Heiligen Konzils den Orden der Templer auf, seine Funktionen, die Nutzung seines
Habits und seines Namens mit absolutem, ewigem Dekret, verbieten ihn für immer und
verbieten strengstens, da irgendjemand von nun an in ihn eintrete, sein Gewand
übernehme, es trage oder beabsitige, si wie ein Templer zu verhalten.

Der Papst sa den Orden nit ab, er besränkt si darauf, ihn
aufzuheben, außerdem mit «nit endgültigem» Urteil, ein
Kompromiverfahren, das angesits so vieler unbewiesener Anklagen sein
Unbehagen zum Ausdru bringt. Er fügt hinzu, da kein Zugriff auf das
Vermögen der Templer toleriert werde, obwohl es von Philipp längst
geplündert worden war. Mit einer nafolgenden Bulle wird der Papst das,
was von diesen Gütern übrig ist, den Cavalieri dell’Ordine di San Giovanni,
den heutigen Maltesern übergeben.
Was de Molay betri, so mu er na sieben Jahren härtester Kerkerha
mit einer Ernährung, die ihn nur mühsam am Leben erhält, einen letzten
Proze erdulden, der am 18. März 1314 endet. In einer extremen Auietung
von Würde, vor einem Gerit, das dies bei einem Mann, der nur no ein
Saen seiner selbst war, nit vorausgesehen hae, beendet der
Großmeister seine kurze Selbstverteidigung, indem er ausru: «Obwohl i
weiß, weles Sisal mi erwartet, will i keine weiteren Lügen
hinzufügen: I erkläre, da der Orden immer retgläubig und frei von
jedem Makel war und verzite bereitwillig auf das Leben.» Widerruf
bedeutet den sieren Tod, de Molay weiß, was ihn diese Worte kosten
werden.
No am selben Abend wird er am Rande der Ile de la Cité vor einer
großen Mensenmenge verbrannt. Später erzählte man si, er habe, als die
Flammen son an ihm hozüngelten, gesrieen, er werde no im selben
Jahr König und Papst im Angesit des Allerhösten wiedertreffen. Der
königlie Notar Geoffroi erzählt in seiner fast idyllisen Versronik von
einem grausamen Tod:

Als der Meister sah, da der Seiterhaufen bereitet war,


Legte er ohne Anzeien von Furt seine Kleidung ab.
Und er ergab si, wie i selbst sah,
Nat bis aufs Hemd,
Ohne Zwang und ohne Widerwillen;
Zu keiner Zeit zierte er,
So sehr man ihn au zerrte und stieß.
Sie ergriffen ihn, um ihn an den Pfahl zu binden,
Und er ließ es furtlos gesehen.
(…)
«Go weiß, wer im Unret ist und gesündigt hat.
Bald wird ein Unglü über jene kommen,
die uns zu Unret verurteilt haben (…)»[13]

Na de Molay steigt sein Aistent und Freund Geoffroy de Charney auf
den Seiterhaufen und preist den Meister, der nun zum Märtyrer geworden
ist. In der Nat na dem Martyrium soll es Zusauer gegeben haben, die
zur Hinritungtäe kamen, um die sterblien Überreste der beiden als
Reliquien aufzusammeln, bevor sie in alle Winde verstreut wurden.
Ob der sterbende de Molay die Prophezeiung nun wirkli ausrief oder
nit, jedenfalls erfüllte sie si. Papst Clemens kam innerhalb eines Monats
und Philipp im November deelben Jahres zu Tode. Der Papst starb an
Darmkrebs, der König bei einer Jagd na einem Sturz vom Pferd. Wie bei
vielen anderen gewaltsamen Toden, die als besonders ungeret oder
grausam angesehen werden, erhoben si die ersten Legenden bereits aus
den Flammen des Seiterhaufens, und dies sollte no lange so weitergehen.

Tatsäli war das furtbare Ende der Templer nit dazu angetan, ihr
Andenken auszulösen, im Gegenteil: Gerade die Tragik ihres Untergangs
trug dazu bei, es bis in unsere Tage lebendig zu halten. Die Geheimhaltung
ihrer Prozeduren und Regeln, ihre geheimen Orte, ihr immenser Reitum,
die undursitigen Initiationsriten, der Saen des Verdats, der
seinerseits wieder Faszination erzeugte – zahlreie Faktoren trugen das Ihre
dazu bei, die Phantasie zu beflügeln. Gewien Mutmaßungen zufolge sollen
die Erben des alten Tempels die heutigen Freimaurerlogen sein, anderen
zufolge waren es versiedene mysteriöse oder okkulte Gesellsaen wie
die Rosenkreuzer des 16. Jahrhunderts.
Die Templer sollen sogar von den französisen Revolutionären von 1789
verehrt worden sein, die in ihnen die Opfer zweier Mäte sahen: des Königs
und der Kire. Wieder anderen Hypothesen zufolge sind die posthum
entstandenen Templer-Legenden vor allem auf die verwirrenden
Konnotationen ihrer Zeremonien zurüzuführen, in denen Sakrales und
Profanes, Askese und Sinnlikeit, Strenge und Tabubru so miteinander
versmolzen, da fromme ristlie Mären und satanise Anmutungen
kaum no voneinander zu unterseiden waren. In jüngerer Zeit hat das
Emblem der Templer (die son erwähnten beiden Rier auf einem Pferd)
au eine beatlie Anziehungskra auf gewie Gay-Bewegungen
ausgeübt.
Ein beeindruendes Beispiel für volkstümlie Glaubensvorstellungen ist
die hier zitierte Zeugenauage über eine Götzenzeremonie, die am
1.  März  1311 vor der päpstlien Kommiion von einem Notar namens
Antonio Sicci da Vercelli gemat wurde, der vierzig Jahre lang in den
Diensten der Templer Syriens gestanden hae, aber kein Mitglied des Ordens
war:
I habe mehr als einmal erzählen hören, was in der Stadt Sidon gesah. Ein Edelmann
dieser Stadt liebte eine armenise Edelfrau; zu ihren Lebzeiten hae er sie fleisli
niemals beseen, do na ihrem Tod, in der Nat na ihrer Bestaung, vergewaltigte er
sie heimli im Grab. Nadem er dies getan hae, hörte er eine Stimme, die zu ihm sagte:
«Komm wieder, wenn die Stunde der Entbindung gekommen sein wird, denn dann wirst du
ein Haupt vorfinden, Frut deines Tuns.» Als jener Tag gekommen war, kam der besagte
Rier zu dem Grab zurü und fand ein menslies Haupt zwisen den Beinen der
bestaeten Frau. Erneut ließ si die Stimme hören und sagte ihm: «Hüte dieses Haupt wohl,
denn es wird dir alles dienstbar maen.» Zu der Zeit, als i diese Erzählung hörte, war der
Kommandant dieses Ortes [Sidon] Mathieu Le Sarmage aus der Picardie. Er war der Bruder
des Sultans geworden, der damals in Babylon [Kairo] herrste, weil der eine das Blut des
anderen getrunken hae, was bewirkte, da sie als Brüder angesehen wurden.[14]

Eine andere, offenbar weit verbreitete Version derselben Gesite endet so:

Er trug das Haupt bei si, das sein Sutzgeist wurde, und er konnte seine Feinde einfa
dadur besiegen, da er es zeigte. Zu gegebener Zeit kam der Kopf in den Besitz des
Ordens.

Viele Rier haen bei der peinlien Befragung über einen Götzen namens
Baphomet gesproen, ein monströses Objekt, das etwas mit der
Beswörung einer Götzenfigur in Form eines Kopfes mit Bart während der
dämonisen Zeremonien zu tun hae. Die ethymologise Herkun des
Wortes Baphomet ist ungewi. Gewien Spekulationen zufolge soll es si
aus einer Verballhornung des Namens Mahomet (der mielalterlien
Sreibweise von Mohammed) herleiten, und in der Tat taut der Prophet
des Islam in den Prozeprotokollen immer wieder auf. Na anderen
Vermutungen könnte es aus dem arabisen Abufihamet entstanden sein,
von den Mauren in Spanien als Bufihimat ausgesproen, was «Vater des
Verstehens» bedeutet.
In seinem Eay Die Templer merkt Alain Demurger an, da es in all
diesen Erzählungen zwei Konstanten gab: die sexuelle Grenzübersreitung
und die Sändung der Toten; das magise Haupt, das den Tod in seinen
Augen hat, seinen Besitzer aber so lange unbesiegbar mat, wie er
vermeidet, es anzusehen. Der Rügriff auf das Medusenhaupt, das
furterregende Symbol weiblier Sexualität, liegt auf der Hand. Und so
kann man die Legende wie die Medusensage interpretieren als «eine
Repräsentation der mit der Furt vor der Frau verbundenen
Phantasievorstellungen, in die mit der größten Selbstverständlikeit au
die emen der Totensändung, des Inzests und der Sodomie integriert
sind.»[15]
Hinzu kommen weitere Elemente von subtiler Esoterik. Zum Beispiel
wurde gesagt, der Kopf, von dem in diesen Erzählungen die Rede ist, sei in
Wirklikeit La Sindone di Torino (das Turiner Grabtu), ein ebenfalls als
magis verehrtes Objekt, das zwisen 1204 und 1307, dem Jahr, in dem alle
Templer verhaet wurden, offenbar ein Jahrhundert lang im Besitz des
Ordens war. Dieser Möglikeit hat die italienise Historikerin Barbara
Frale ihre Untersuung I Templari e la Sindone di Cristo (Die Templer und
das Turiner Grabtu) gewidmet. Drei Templerrier haben nämli bei der
Befragung dur die Inquisitoren Antworten gegeben, die nahelegen, bei
dem angebeteten «Götzen» habe es si um das Grabtu gehandelt. Zur
Bekräigung führt die Wiensalerin an, da Geoffroy de Charney, der
treue Gefährte des letzten Großmeisters Jacques de Molay, ein Mitglied
derselben Familie de Charney war, bei der 1353 die Sindone entdet wurde.
Sole swarzen Legenden, in denen si auf sehr suggestive Weise
orientalise Elemente, Magie und Hexerei, Alemie und verbotene
Sexualität misten, waren allerdings son viel früher weit verbreitet. Der
Rier und Diter Wolfram von Esenba (ca. 1170–1220) mat in seinem
Parzifal aus den Templern die Besützer des Heiligen Grals, eines sakralen
Gegenstandes (aber au Wortes) voller symboliser Bedeutungen und
Mysterien, der von ihm in den Mielpunkt einer Reihe von Abenteuern
gestellt wird, in denen si, ein weiteres Mal, mystise und erotise
Ekstase misen. Au die französisen Troubadoure beginnen in ihrer
hinreißenden Sprae vom Gral zu spreen und tragen auf diese Weise dazu
bei, den Kreis eines Mythos zu erweitern, der si wiederum mit dem der
Templer vermist.
Do was ist der Gral? Zunäst einmal ist es eine der vielen
Jesuslegenden, do so umfaend und verästelt, da sie einen ganzen
Zyklus füllt. Der geheimnisvolle Gral taut im Mielalter in versiedenen
Bedeutungen auf: als Name des Keles, der beim letzten Abendmahl
benutzt wurde; als Sale, aus der Jesus mit seinen Jüngern das Osterlamm
aß; als Gefäß, in dem Joseph von Arimathäa na der Kreuzigung das Blut
des Heilands auffing und das er dann mit si in den Okzident nahm,
begleitet von Maria Magdalena, die Christi Ehefrau und Muer eines seiner
Kinder geworden war.
Andere Male wurde der Gral au als der Teller betratet, mit dem die
Gläubigen an Gemeinsasfesten teilnahmen, ebenso wie Kel und Lanze
nebeneinandergestellt zu sehr dursitigen Symbolen der weiblien und
männlien Energie als Lebensquelle wurden. Die ristlie Tradition wird
zumindest zwei heilige Gefäße hohalten: den Euaristie-Kel und die
Jungfrau Maria. In der Lauretanisen Litanei wird die Madonna als vas
spirituale, vas honorabile, vas insigne devotionis (geistlies Gefäß,
ehrwürdiges Gefäß, vortrefflies Gefäß) bezeinet: denn im Soß, im
Uterus (vas) der Madonna ist Go Fleis geworden.
In Wolfram von Esenbas Versroman ist der Gral kein Kel, sondern
ein Lapis exillis genannter Stein. Eine Bezeinung, die mal als «Stein des
Exils» interpretiert und als sole mit der jüdisen Diaspora in Verbindung
gebrat wird, mal als Lapis ex coelis, also «vom Himmel gefallener Stein».
Dem Autor zufolge soll es ein Smaragd sein, der dem Rebellen Luzifer aus
der Krone fiel, nadem dieser dur das Swert des Erzengels Miael
getroffen wurde. Er sei in den Ozean gefallen, dur Magie vom weisen
König Salomon gereet und in einen Kel verwandelt worden, der dann
von Jesus beim letzten Abendmahl benutzt wurde. Einer weiteren und
wieder anders lautenden Version der Legende zufolge soll der Stein, in ein
Salbengefäß verwandelt, von Joseph von Arimathäa na England gebrat
worden sein, wo er dann verswand. Es gibt au eine symbolise
Interpretation, na der der Gral, je na den Umständen, Symbol der
westlien Tradition, des Unbewuten, des Heiligen Herzens Christi, der
Sexualität wird.
Das Wort «Ende» wird hinter die Gesite dieses mysteriösen Objektes
mit an Sierheit grenzender Wahrseinlikeit niemals gesetzt werden.
Do ist genau dies die Kra der Legende: Solange si die Physiognomie
des «Grals», seine exakte Natur in den Nebeln zwisen Phantasie und
Realität verflütigt, wird seine inzwisen tausendjährige Faszination
weiterleben. Jedenfalls stark genug, um von den ersten Gralsromanen des
12. Jahrhunderts bis zu Filmen wie «Indiana Jones» in unseren Tagen immer
wieder neue «Erzählungen» hervorzubringen. Das älteste bekannte
literarise Werk zur Gralue ist Perceval ou le conte du Graal (Perceval
oder die Erzählung vom Gral, ca.  1180) von Chrétien de Troyes. Wenige
Jahre später wird das Motiv in Deutsland, wie gesagt, von Wolfram von
Esenba aufgegriffen, um si sließli dank Riard Wagner
(«Lohengrin», «Parsifal») bis in unsere Tage zu reen.
Jenseits der nebulösen Legende ist da aber zumindest eine Episode, die uns
no immer besäigt. An jenem sisalhaen Tag im Oktober, an dem
Philipp IV. seine Kommiare auandte, um die Festnahmen durzuführen,
gelang es einem Templerbezirk, den Maenverhaungen unversehrt zu
entkommen. Es waren die Rier, die in Bézu in der Provence, nit weit von
Rennes-le-Château Quartier bezogen haen. Wie es seint, konnten sie si
reen, weil der Kommandant dieser Garnison ein gewier Seigneur de Got
war, ein Mann also mit demselben Familiennamen wie Papst Clemens V.
Vor etwa einem halben Jahrhundert (1956) begann in Frankrei eine
Reihe von populärwiensalien Studien über das Rätsel von Rennes-le-
Château zu erseinen. In diesen Büern, die häufig den Tonfall von
Volkserzählungen haen, wurden Rier, Merowingerdynastie, Rosenkreuzer
und vor allem der verlorene Satz der Templer bzw. jener Teil ihres
Vermögens, den si der gierige König Philipp nit hae unter den Nagel
reißen können, bunt dureinandergemist. 1984 ersien au in Italien der
Weltbestseller dreier Autoren: Miael Baigent, Riard Leigh, Henry
Lincoln. Der Titel: Der Heilige Gral und seine Erben. Ursprung und
Gegenwart eines geheimen Ordens. Sein Wissen und seine Mat. Die
ese: Die katholise Kire soll si das Sweigen des Abbé Bérenger
Saunière erkau haben, der bei der Restaurierung seiner Kire in Rennes-
Le-Château ein explosives Geheimnis entdet hae: Jesus sei nit am
Kreuz gestorben, sondern habe gemeinsam mit seiner Frau Maria Magdalena
und ihrem Kind Zuflut in der Provence gefunden.
Wele Grundlage haben sole Gesiten? Es ist mögli, da Motive
wie Heiliger Gral, Templer, Merowingerdynastie, Bibelgesite,
Christuspaion, wie bei jeder Legende in einer abenteuerlien, reili
unwahrseinlien, also unkontrollierbaren Rekonstruktion versmolzen
sind. An ihrer Faszinationskra besteht kein Zweifel, wie es der Welterfolg
von Dan Browns Da Vinci Code demonstriert. Und zuvor son der Erfolg
eines anderen Romans: Der Malteser Falke von Dashiell Hamme (1930,
mehrfa verfilmt), der den Gralsmythos aktualisiert, indem er ihn
gewiermaßen «verweltlit» und das begehrte Objekt zu einem leblosen
Stü Blei reduziert. Auf der anderen Seite liegt das Faszinosum derartiger
Gesiten gerade in dem Saen, in den sie verwoben sind, den kein
Lit jemals ganz durdringen wird.
Was von den Tempelriern bleibt, ist der harte Kern der Gesite: die
verbreerisen Motive für die Vernitung des Ordens, ihr plötzlies
Verswinden, bei dem si die Gier eines Königs auf verhängnisvolle Weise
mit der mangelnden Courage eines Papstes verband.
X. DAS UNRUHIGE HEER DES PAPSTES
DIE JESUITEN ZWISCHEN GEHORSAM
UND VERSTOSS

D
IE BASILICA DEL GESÙ (JESUSKIRCHE) auf der Piazza del Gesù ist,
wie son der Name vermuten lät, die Muerkire der Jesuiten in
Rom. Auf beeindruendste Weise und mit großer Pratentfaltung
symbolisiert sie das rühaltlose Vertrauen in den Glauben, den Sieg der
Religion, den stolzen Willen zur Revane na dem dur Luther
verursaten Trauma, au die Bedeutung der weltweiten Miion, der si
diese Gesellsa seit ihrer Entstehung gewidmet hat. Die äußere Faade,
die stali ist, aber alles in allem nütern, lät nit erahnen, weler
Aufruhr aus Marmorwerken, Skulpturen, Bronzen, Stuaturen,
Vergoldungen, Rahmungen, Säulen, Gebälk, Fresken in ihrem Innern tobt.
Son die Dimension des Langhauses, die Kühnheit des Tonnengewölbes
allein würden ausreien, großartig Zeugnis davon abzulegen. Aber das ist
nit alles.
Im Zentrum des Gewölbes hat der Baromaler Baciccia (Giovanni
Baista Gaulli) 1679 ein bewegtes Deenfresko mit
dureinanderwirbelnden Figuren gestaltet, das ganz auf einen
verblüffenden perspektivisen Effekt setzt, dur den die Malerei die Dee
zu durbreen und, jenseits des von Engeln gehaltenen vergoldeten
Rahmens, einen Bli in den Himmel zu eröffnen seint. Es ist der
«Triumph des Namens Jesu», und in der Tat ist die beherrsende Figur in
dem gleißenden Lit, das die Mie des Freskos aufreißt und die
Heersaren der rundherum aufgestellten Heiligen und Gläubigen erleutet,
Jesus.
Unzählige Werke sind in dieser Kire versammelt, die eine nähere
Betratung wert wären, in jedem Kunstführer werden sie aufgezählt, do
vielleit ist das, was wirkli zählt, wieder einmal das Ganze, das «auf
einen Bli», die Zusammenballung der Farben und Ornamente, die eine
Absitserklärung, ein Programm, ein Manifest bilden. Das bestätigen zum
Beispiel die beiden Skulpturengruppen zu beiden Seiten des Grabaltars des
hl. Ignatius von Loyola (im linken Arm des Quersiffs). Auf der einen Seite
La Fede e si erge contro l’Idolatria (Der Glaube erhebt si gegen den
Götzendienst), auf der anderen La Religione e abbatte l’Eresia (Die
Religion vertreibt die Häresie). Der Heilige ist unter dem Altar begraben, in
der zentralen Nise über dem Altar steht aber zwisen vier riesigen,
lapislazuliverkleideten Säulen sein großes Standbild, das jeden Tag um 17.30
Uhr enthüllt wird. Dazu mu das Gemälde, das ihn die übrige Zeit verdet,
heruntergelaen werden. Früher war die Statue ganz aus Silber, jetzt besteht
sie großteils aus Stu. Das Original mute auf Befehl Papst Pius’ VI.
gesmolzen werden, nadem ihn Napoleon dur den Vertrag von
Tolentino zu beträtlien Reparationszahlungen verurteilt hae.
Im obersten Stowerk eines angrenzenden Palazzo, der Nummer 45 des
Platzes, sind no die Zimmer des hl. Ignatius zu besitigen bzw. was von
seiner Wohnung übrig ist, die zu Beginn au Sitz der Gesellsa war und
in der ihr Gründer bis zu seinem Tode (1556) lebte. Auf eine kleine
Besonderheit dieser Kire sei no hingewiesen: Direkt zur Linken des
Hoaltars steht ein Denkmal des hl. Robert Bellarmin, eine Büste Berninis.
Das Grab dieses Jesuiten, des führenden römisen eologen der
Reformzeit, der so rei an Geist und so arm an Mitgefühl war, des Mannes,
der Galileo ermahnte, das kopernikanise System nit als Tatsae zu
behaupten, sondern allenfalls hypothetis zu diskutieren, und der Giordano
Bruno auf den Seiterhaufen site, befindet si dagegen in der zweiten
großen Kire der Gesellsa, Sant’Ignazio di Loyola. Wir werden
Gelegenheit haben, auf ihn zurüzukommen.
In Sant’Ignazio finden wir die gleie Pratentfaltung, den gleien
Prunk wie in Gesù, die gleien stolzen Behauptungen, die gleien
hinreißenden Fresken, dieselbe Vision eines Glaubens, der dazu bestimmt ist,
in alle vier (damals bekannten) Weltgegenden verbreitet zu werden, in
stolzer Gewiheit der eigenen Wahrheit. Ungefähr im Zentrum des
Mielsiffs gibt eine runde Marmorplae im Fußboden den Standpunkt an,
von dem aus die perspektivise Anlage des 1685 von Andrea Pozzo
gemalten Deenfreskos am besten zu betraten ist: ein ungeheures
Aufgebot an Figuren, Engeln, Seligen, Heiligen in einem Himmel von
unermelier Tiefe, in dem Sant’Ignazio, angestrahlt vom Lite Christi,
sein Lit seinerseits in die vier bekannten Weltgegenden auendet. No
einmal dieselbe Botsa: die Weltmiion als Hauptziel des Ordens.
Es war Papst Gregor XV. (Aleandro Ludovisi, 1621–1623), ein ehemaliger
Student des Jesuitenkollegs, der seinen Neffen Ludovico Ludovisi 1622 zum
Bau des Tempels anregte. In der reten Nebenkapelle des Chores kann man
sein Grabmausoleum bewundern, vielleit das pathetisste, überladenste
von ganz Rom: ein baldaingekrönter ron, wallende Vorhänge,
Freudenspektakel triumphierender Engel, vielfarbiger Marmor. Auf einem
Podest die Statue des segnenden Papstes, zu seinen Füßen der «Glaube» und
der «Überflu», in einem ebenfalls von Engeln gehaltenen Oval eine
Profildarstellung des Neffen, Kardinal Ludovico. Rundherum in der Kapelle
die Statuen der Kardinaltugenden. In diesem Grabmonument gibt es keine
Ee, keinen Zipfel, der nit von einem Ornament, einer Bewegung, einer
Dekoration, einem Snörkel bedet wäre.
Bemerkenswert au der Altar und das Grab des hl. Aloisius, Luigi
Gonzaga,[1] im reten Arm des Querhauses, überrei an ornamentalen
Skulpturen, Reliefs, Säulen, Symbolen und au hier wieder unermeli
vielen Engeln. Die Kire ist an dem Ort erbaut worden, an dem zur
römisen Kaiserzeit inmien des ägyptisen Viertels der Isistempel stand.
An der Stelle der heutigen Faade stand die Mostra (au: Fontana) der
Aqua Virgo: ein monumentaler Brunnen, Teil des einzigen römisen
Aquäduktes, der zur Zeit des Konsuls Marcus Vipsanius Agrippa erbaut und
bis in unsere Tage in Gebrau geblieben ist. Das Endstü der
Waerleitung mündet in die Fontana di Trevi.

Mit all ihrem Gold, der Bronze, dem Stu und dem Marmor setzen diese
beiden Kiren, die Chiesa del Gesù und die Chiesa Sant’Ignazio, den Glanz
und die Breite der jesuitisen Ambitionen in Szene. Es ist kein Zufall, da
die Jesuiten der meistgehate und der meistgeatete katholise Orden
sind. Er besteht aus Männern von großer Gelehrsamkeit, die fähig sind, die
subtilsten emen zu beherrsen, gleizeitig stehen sie aber au in dem
über die Jahrhunderte erworbenen und gefestigten Ruf, äußerst ungeniert im
Umgang mit Heuelei und Doppelzüngigkeit zu sein.
Ähnli wie die Juden, die berühmt sind für die Witze und Anekdoten, die
sie über si selbst erzählen, maen si au die Jesuiten gerne über die
eigenen Swäen lustig. Auf ihrer italienisen Internet-Seite
www.gesuiti.it findet si das folgende Beispiel für ihren Humor:

Ein Kapuziner stirbt und kommt ins Paradies. An der Rezeption wird ihm seine Wolke
zugeteilt und der Weg dorthin gewiesen. Auf dem Weg sieht er eine von ses Simmeln
gezogene, prätige goldene Kutse kommen, ein Wunderwerk. Kurz darauf tri er den hl.
Petrus: «Heiligkeit», fragt er, «wer war denn das in dieser wunderbaren Kutse?» – «A,
in der …», sagt Petrus, «das war ein Jesuit.» – «Warum er in der Kutse und i zu Fuß?» –
Darauf Petrus: «A, wien Sie, Vater, man tri hier so selten einen Jesuiten …»[2]

Es ist sehr viel Selbstbewutsein nötig, um über den eigenen, nit


durweg positiven, im Laufe der Gesite zuweilen sogar extrem
sleten Ruf Witze zu maen und zu laen. Das Mailändis-Italienise
Wörterbu von Cherubini gab in seiner Ausgabe von 1814 für das Wort
«Jesuit» kurz und knapp die folgenden Bedeutungen an: Verro. Majale. Porco
– Eber. Swein. Sau. Au Wörterbüer folgen einer Ideologie, und von
weler Cherubini durdrungen war, ist offensitli. Es sei aber daran
erinnert, da das Zingarelli-Wörterbu in seiner Ausgabe von 1943
beispielsweise das Wort «Jude» so angab: Usuraio. Avaro. Avido di
guadagno – Wuerer. Habgieriger. Gewinnsütiger.[3]
Eine der berühmtesten historisen Jesuiten-Episoden mit ähnliem
Tenor geht übrigens auf das Ende des 16.  Jahrhunderts zurü. Am Abend
des 27. Dezembers 1594 begibt si Heinri IV., König von Frankrei, ein
zum Katholizismus konvertierter ehemaliger Hugenoe («Paris ist eine
Mee wert»), aufgrund seiner vielen amourösen Affären bekannt als Le Vert
Galant (Der grüne, also «gut im Sa stehende» Galan), zu einer seiner
Geliebten, Gabrielle d’Estrées, ins Hotel de Somberg, nahe den Palästen
des Louvre. Dort erwartet ihn aber nit nur die Frau, sondern au ein
junger Mann, Jean Châtel, der dort ist, um ihn zu töten. Dieser grei ihn mit
einem Meer an, verfehlt ihn, verletzt ihn an der Lippe, slägt ihm einen
Zahn aus.
Das Aentat slägt fehl, der Mörder wird gefat. Ein Geistesgestörter?
Exponent einer feindlien Partei? Man weiß wenig über ihn: Er ist erst 19
Jahre alt, Sohn eines Tuhändlers. Wer sind seine Hintermänner? Der
Verdat fällt auf eine Gruppe von Geistlien. Der junge Mann ist in einer
Jesuitensule aufgewasen, er soll in den Jahren seiner Ausbildung zu
dieser Wahnsinnstat gebrat worden sein. Obwohl er zu den Katholiken
übergelaufen ist, weiß man, da Heinri eine weitherzige Einstellung zur
Religion bewahrt hat. Nit von ungefähr wird er 1598, wenige Jahre später,
das Edikt von Nantes unterzeinen, mit dem er den Protestanten in seinem
Rei dort, wo sie Gemeinden bilden, freien Goesdienst gewährt – eines der
ersten Beispiele für religiöse Toleranz. Kurz: Auf der Anklagebank sitzen
gemeinsam mit dem jungen Châtel au die Jesuiten.
Bei Dursuungen des Jesuitenkollegs von Clermont und der Maison St.
Louis werden Beweise gefunden, die die Anklage bestätigen. Châtel soll ein
Auragsmörder gewesen sein, gedungen von der finsteren Gesellsa Jesu.
Ohne viel Federlesen wird er zum Tode verurteilt und bereits zwei Tage
später an Armen und Beinen mit vier Pferden verbunden, die ihn, zum
Galopp angespornt, lebend in vier Teile zerreißen. Do waren die
Auraggeber für den Mord wirkli die Jesuiten gewesen? Ein starker
Verdat, geringe Beweise. Das Resultat war jedenfalls eine zeitweilige
Ausweisung der Gesellsa aus Frankrei.
Das Aentat auf den König war ein willkommener Vorwand für eine von
vielen Seiten geforderte Maßnahme, denn der Orden wurde der
widerretlien Einmisung in die Politik und eines exzeiven Aktivismus
auf pädagogisem Gebiet verdätigt. Nit zuletzt weil viele Novizen
Spanier waren und Spanier au die Gründer der Gesellsa waren. Die
Jesuiten standen also ohnehin im Generalverdat, der spanisen
Monarie nahezustehen, die Frankrei erbiert den ron und die
Vorherrsa über Europa streitig mate.
Heinri  IV. wird 1610 einem anderen Aentat zum Opfer fallen. Den
tödlien Dolstoß führt der katholise Extremist François Ravaillac, 32
Jahre alt, der vergebli versut hae, in den Jesuitenorden einzutreten.
Au er wird lebendig gevierteilt, auf dem Pariser Platz, wo heute das
Pariser Rathaus (Hôtel de Ville) steht.
Innerhalb weniger Jahrzehnte also hae si die Gesellsa Jesu einen
denkbar sleten Ruf erworben, was dur Pamphlete, Prozee und
«Volkes Stimme» ausgiebig dokumentiert ist. Ein in England im Jahre des
Königsmordes veröffentlites Pamphlet trägt den Titel Discoverie of the
most secret and subtile practices of the Jesuits (Aufdeung der geheimsten
und subtilsten Praktiken der Jesuiten). Das Bülein strotzt nur so von
verleumderisen Unterstellungen, vermist mit melodramatisen
Einlagen, die später zum typisen Arsenal der Gothic Novels gehören
werden: «Vor den angehenden Mörder stellten sie ein Elfenbeinkästen, auf
dem mit sönen, duenden Bustaben der Srizug Agnus Dei
gesrieben stand, darinnen ein in ein Stü Stoff eingeslagenes Meer.
Dann zogen sie das Meer heraus, um es mit Weihwaer zu besprengen.»
Auf jeder Waffe waren fünf oder ses farbige Perlen angebrat, die eine
doppelte Bedeutung haen: die Anzahl der Dolstöße vorzugeben, die dem
Opfer versetzt werden sollten, und die Anzahl der Seelen anzuzeigen, die
na vollzogenem Mord aus dem Fegefeuer befreit würden. «Die gesamte
teuflise Gesellsa ging vor seinen Füßen [des Meuelmörders] auf die
Knie. Sie überzeugten ihn, da etwas Gölies in ihm war und da der
von ihm ausgehende Glanz so überwältigend war, da sie ihm zu Füßen
fielen. Der Rekrut war si ganz sier, unmielbar na der Tat direkt und
ohne den Umweg über das Fegefeuer ins Paradies einzugehen.» Ein
Verspreen, das von allen Fanatikern, nit nur den religiösen, immer
wieder aufgewärmt wurde und weiter aufgewärmt wird, zum Saden der
naivsten unter ihren Anhängern. Bis heute.
In einem anderen Pamphlet von 1759 wird die Fama der Jesuiten ins Visier
genommen, große Experten der Chemie und Pharmakologie zu sein. In e
Doctrines and Practices of the Jesuits (Die Doktrinen und Praktiken der
Jesuiten) ist zu lesen, da die Jesuiten den Mördern Gie liefern konnten,
«die imstande waren, Speisen, Teller, Salzfäer, Süeln, Keel und alle
Arten von Utensilien zu infizieren, au wenn sie zehnmal gespült und
geputzt wurden.»
Ein epoemaender Proze mit pikanten sexuellen Implikationen war
der, den Marie-Catherine Cadière (im November  1709 in Toulon geboren)
gegen ihren Beitvater, den Jesuiten Jean Baptiste Girard, anstrengte. Der
Fall wurde 1731 vor dem Parlament von Aix-en-Provence verhandelt. Die
junge Frau, eine Kaufmannstoter, bezitigte ihren geistlien Beistand der
Hexerei, der Verleitung zu unanständigen Handlungen und der
Swängerung. Der Jesuit entgegnete, die Frau sei hysteris, von Krämpfen
befallen, gebe si als Heilige aus, weil an ihrem Körper Wundmale
ersienen wie bei Jesus, und habe si sogar, um dies dramatis zu
unterstreien, die Hände mit Menstruationsblut besmutzt. Au dieser
Proze, der nit nur in Frankrei ein breites Eo hervorrief, weitete si
snell zu einer Generalanklage gegen die Jesuiten und ihre lasterhae
Lüsternheit aus, mit Marie-Catherine in der Rolle des Opfers. Ein erster
Riterspru verurteilte die junge Frau zum Tode, einen Monat später
wurde sie unter allgemeinem Jubel jedo für unsuldig erklärt und zu ihrer
Familie zurügesit, während man Pater Girard versetzte. Der Proze
wurde au als Metapher interpretiert, die Jesuiten als ein Fremdkörper
gesehen, der versute, die gallikanise Kire und die französise Krone
zu infiltrieren.
In London publizierte der Diter Jeremy Jingle 1731 unter dem Titel
Spiritual fornication (Geistlie Unzut) eine Smähsri, vom Autor
selbst als A burlesque poem (Ein burleskes Poem) definiert, in dem «der Fall
von Mi Cadière und Pater Girard fröhli rekonstruiert wird», zum
Beispiel dur eine Szene, in der der slüpfrige Priester tanzt und die Frau
mit Hilfe des Satans hypnotisiert, soda si die söne Catherine gern habe
ausziehen und zütigen laen: «drei Stosläge, die sie gerne annimmt.
Nadem er dies getan hat, reibt er ihren Rüen, küt ihr das Gesäß und
au das Dingelen …, steigt auf den Sael und reitet im Galopp, wobei er
die unteren Teile erregt …». Etc. Das Pamphlet sließt ab mit dem traurigen
Ende der armen Cadière, die, swanger geworden, zur Abtreibung
gezwungen und in ein Kloster gesperrt wird.
Die Hartnäigkeit, mit der si die englise Publizistik auf die Jesuiten
einsießt, darf nit verwundern. Na der anglikanisen Reform
Heinris  VIII. war die Antipathie der englisen Christen gegenüber der
Kire von Rom voll zutage getreten, in London hae es zahlreie, nit nur
literarise Initiativen gegen die Katholiken gegeben, die verätli
«Papisten» genannt wurden. Man war sogar so weit gegangen, sie als
Brandstier des Great Fire zu besuldigen, das im September  1666 einen
großen Teil der Stadt zerstört hae. Sogar im Datum, das in lateiniser
Sri in absteigender Folge alle Ziffern der römisen Numerologie aufwies
(MDCLXVI), hae man ein dunkles Zeien gesehen.
Der üble Ruf der Jesuiten wurde no verstärkt dur die Gerüte über
die Nähe dieser Priester zu okkulten Praktiken, zu Magie und Alemie.
Au die angeblie Spitzfindigkeit ihrer Gedanken, die als verfängli,
betrügeris, heuleris galten, mute als Indiz herhalten. Dieser ebenso
boshae wie einhellige Chor begleitet das Leben der Gesellsa Jesu und
vermist si mit romanhaen Elementen, die in ein skandalträtiges
Feuilleton paen würden. Nit zufällig lät ein Genie des
Abenteuerromans wie Alexandre Dumas einen der vier Musketiere, Aramis,
sagen, der Jesuitengeneral sei der Hüter einer geheimen Mat, die ihn bis
auf den Petrusthron bringen soll.
Die hartnäigste Kritik aber hat immer in dem Vorwurf bestanden, die
Jesuiten pflegten eine Kultur der Doppelmoral. Dabei kommt einem vor
allem die Polemik mit den Jansenisten in den Sinn und Blaise Pascals
Antwort in den Lettres provenciales, in denen zu lesen ist:

Befürten Sie denn nit, wenn Sie mir meinen Spo über Ihre Verkehrtheiten vorwerfen,
da Sie mir nur neuen Anla geben, mi über diesen Vorwurf lustig zu maen und ihn auf
Sie selber zurüfallen zu laen, da i ja beweisen kann, da i nur über das Läerlie
in Ihren Büern gelat habe und da i daher bei meinem Spo über Ihre Morallehre
ebenso weit davon entfernt war, über heilige Dinge zu spoen, wie die Lehre Ihrer Kasuisten
von der Lehre des heiligen Evangeliums entfernt ist? … Wie die ristlien Wahrheiten
unserer Liebe und Ehrfurt würdig sind, so verdienen die Irrlehren, die ihnen
widerspreen, Ha und Veratung. Denn in den Wahrheiten unserer Religion gibt es
zweierlei: eine gölie Sönheit, die sie liebenswert, und eine heilige Majestät, die sie
verehrungswürdig mat. Und au in den Irrlehren gibt es zwei Dinge: die Golosigkeit, die
sie verabseuungswürdig und die Unversämtheit, die sie läerli mat. (Eler Brief).
[4]

Harte Worte im eleganten Stil des 17. Jahrhunderts, die Francesco De Sanctis,


der große Literaturkritiker des 19.  Jahrhunderts, so zusammenfaen wird:
«Der jesuitisen Moral ist es gelungen, die Moral des Volkes zu senken, es
an die Heuelei zu gewöhnen, daran, si mit dem Ansein zu begnügen
und die Substanz zu vernaläigen.»

Alles hat am 15.  August  1534 in Paris seinen Anfang genommen, der in
mehrfaer Hinsit sisalhaen Stadt. Sieben Männer begeben si von
der Sorbonne ins Quartier Latin (das «lateinise» Viertel), durqueren die
Stadt von Süden bis Norden, steigen auf den Montmarte, betreten die sehr
alte, 1147 von Papst Eugen  III. geweihte Kire Saint-Pierre. Der Tag hae
mit Aufregungen begonnen, es hae Angriffe auf das Standbild der Jungfrau
Maria gegeben, Tote und Inhaierungen. Zwei Monate später, im Oktober,
werden die Protestanten überall Plakate anslagen, auf denen sie si über
eines der kirlien Dogmen lustig maen, das Hoc est corpus bzw. die
Verwandlung der Hostie na der euaristisen Weihe in den wahren
«Leib Christi», die Tranubstantiation. Der französise König Franz I. wird
persönli an einer Prozeion teilnehmen müen, mit der Fael in der
Hand und zur Sau gestellten Reliquien, um in der theologisen
Kontroverse seine Rolle als katholiser Monar zu behaupten.
1517 hae Luther mit seinen 95 esen die Reformation ausgelöst, 1532
hae Heinri  VIII. die Trennung der anglikanisen Kire von Rom
proklamiert – zum ersten Mal seit ihrer Gründung ist die Kire von einer
dramatisen Spaltung betroffen, die ganze Länder ihrer Einflusphäre
entreißt, ein Großteil Nordeuropas wendet si von ihr ab. Das Konzil von
Trient und die Gegenreformation stehen bevor, do der
Wiederbelebungsproze wird lange dauern, es werden also unmielbar neue
Kräe gebraut, um den «Häresien» zu begegnen.
Die sieben Freunde, die si am Montmartre versammeln, sind zwisen
19 und 43.  Jahren alt, studieren eologie, haben untersiedlie
Erfahrungen und kommen aus versiedenen Lebenswelten, gemeinsam
haben sie neben dem Glauben vor allem eines: eine enorme Zielstrebigkeit.
An diesem Tag im August, an dem die Katholiken Mariä Himmelfahrt feiern
(die 1950 Dogma wird), gehen diese sieben in einem feierlien Ritual eine
Verbindung ein und geloben Armut, Keusheit und eine Wallfahrt ins
Heilige Land. Später sollen daraus vier Gelübde werden: Armut, Keusheit,
Gehorsam und völlige Unterwerfung gegenüber dem Papst. An diesem
fernen 15. August entstand der Orden der Gesellsa Jesu. Ein einziger der
sieben war Priester, der Franzose Pierre Favre. An seiner Seite die Spanier
Ignatius von Loyola, Francisco de Xavier, Nicolás Bobadilla, Alfonso
Salmerón, Giacomo Laynez und der junge Portugiese Simon Rodriguez.
Drei Jahre später, 1537, kommen die sieben na Rom und bien den Papst
um Genehmigung ihres Ordens. Im selben Jahr werden sie in Venedig zu
Priestern geweiht. Das Heilige Land bleibt aber no in weiter Ferne, die
damals geführten Kriege maten die Reise dorthin praktis
undurführbar. 1540 wird die Gesellsa Jesu offiziell als Orden anerkannt.
Als erste Miion erteilt ihm Papst Paul III. den Aurag, allen Kindern der
Sulen Roms den Kateismus beizubringen, während Ignatius von Loyola
zum Ordensgeneral ernannt wird.
Wie alle Initiatoren großer Unternehmen ist au Ignatius eine
außergewöhnlie Persönlikeit, was umso bemerkenswerter ist, als er
physis von eher swaer Konstitution ist. Er wurde 1491 in Loyola
geboren, in der baskisen Provinz Guipúzcoa, wenige Kilometer von Santo
Sebastian enfernt, in einer Familie des Kleinadels, die ihm eine militärise
Lauahn vorgibt. Über seine Jugendjahre liest man versiedene
Gesiten, die alle den üblien Semata der Heiligenlegende folgen:
Loerleben, Verswendung, Praerei, Feste, Frauen, Waffen. Eines Tages
aber wird der junge Ignatius in Pamplona beim Kampf gegen die Franzosen
swer verletzt und bleibt für geraume Zeit ans Be gefeelt. In dieser Zeit
der Genesung fällt ihm, nadem er alle Rierromane ausgelesen hat – die
seinem Temperament und seinen Erfahrungen am ehesten entspreen –, ein
Bu über das Leben Christi in die Hände. Es ist wie ein Blitzslag.
Vor dem Bildnis der Swarzen Madonna im spätmielalterlien Kloster
Santa Maria de Montserrat (La Moreneta, die Sutzheilige Kataloniens) legt
am 25. März 1522 der knapp über dreißigjährige Ignatius seine Waffen, das
Swert, den Mantel ab. Mit einem Pilgerstab, einem groben Umhang,
Sandalen an den Füßen beginnt er umherzuwandern, zuerst in Europa, dann
bis na Jerusalem, dana wieder in Spanien, wo er mit seinen
theologisen Aktivitäten beginnt. Im Februar  1528 besut er in Paris die
Sorbonne, lernt er die Gefährten kennen, mit denen er den Orden gründen
wird.
Die ins Auge springende Stärke seiner Persönlikeit liegt in seinen
Fähigkeiten als Gelehrter und eologe. Er ist von swaer Gesundheit,
das Reisen wird ihm bald zu mühsam, im Übrigen weiß er, da er seine
Fähigkeiten am besten bei der Ausarbeitung einer Doktrin einsetzen kann.
Und in der Dursetzung von Disziplin. Für ihn ist die Praxis des Glaubens
der des Militärs sehr ähnli. Den militärisen Gehorsam, auf den ihn seine
Eltern getrimmt haen, überträgt er auf den Willen der Kire und ihren
obersten Hirten. Als er 1556 in Rom stirbt, besreibt der Anatom und
Pathologe der Universität von Padua, der die Autopsie durgeführt hat, in
seinem Befund einen von Krankheiten gepeinigten Körper: «Aus den Nieren,
den Lungen, der Leber und der Pfortader habe i eine endlose Zahl von
versiedenfarbigen Gallensteinen herausgeholt.»
Pionier der Miionsbewegung, der Evangelisierung bis in die
entferntesten Erdteile war aber nit Ignatius, sondern ein anderer der
Gründer: Francisco de Xavier, au er Spanier, 1506 in Navarra in einer
adeligen Familie geboren, deren Güter aber na dem Sieg über die pro-
französisen Autonomisten Navarras von Ferdinand dem Katholisen
konfisziert wurden. Um dem Elend zu entfliehen, verlät Francisco de
Xavier (dt.: Franz Xaver) das Elternhaus und flütet ebenfalls na Paris,
wo er eologie studiert und sehr snell Dozent wird. Sein abenteuerlies
Leben beginnt 1540, dem Jahr, in dem der Orden offiziell anerkannt wird.
Von Liabon aus si er si na Ostindien ein. Zehn Jahre lang wird er
den Orient miionieren, bis na Japan kommen und kurz vor der Einreise
na China auf der Insel Sancian vor der But von Kanton (heute:
Guangzhou), zermürbt von den Strapazen seiner Reisen, mit nur 46. Jahren
sterben. Das berühmte Gemälde Bartolomé Esteban Murillos zeigt ihn bla,
auf einen Sto gestützt, die Augen zu einem vom Lit aufgerienen
Himmel erhoben. Fünfzehn Monate später werden seine sterblien
Überreste na Goa (Indien) transportiert, und hier mist si in die
Erzählung ein weiteres, wundersames Element.
Es wird nämli erzählt, sein Leinam habe nit die geringsten
Anzeien von Verwesung aufgewiesen, sein Blut habe no aus den Venen
getrop – lautstark wird ein Wunder verkündet. In Goa also wird er
bestaet, do nit einmal im Tode sollte er Ruhe finden. Aufgrund der ihm
zugesriebenen Wunderkräe wird der Leinam zerteilt, werden Glieder
und Organe in alle Himmelsritungen versit. Sein reter Unterarm
tri 1614 in Rom ein, in der Chiesa del Gesù, wo er in einem
Reliquiensrein no heute auewahrt wird. Daelbe Sisal blüht in
den nafolgenden Jahrhunderten den inneren Organen, begleitet von
Auswüsen eines eten Fanatismus, genährt von der Leitgläubigkeit des
Volkes. Das Acqua di Saverio, ein einfaes Quellwaer, das angebli mit
Teilen seines Leinams in Berührung gekommen war, sollte Fieber heilen
können. Mit dem Waer von Loyola gemist soll es dagegen ein gutes
Miel gegen Wurmbefall sein. In Bayern glaubte man bis zum Ende des
18. Jahrhunderts, das Bildnis Franz Xavers an einer Fuerkrippe könne den
Teufel daran hindern, die Herde krankzumaen.

Die Untersiedlikeit dieser beiden Existenzen, die si aber für denselben
Glauben verzehrten, laen die beiden prinzipiellen Berufungen begreifen,
die die Gesellsa Jesu seit ihren Anfängen geleitet haben: der Kampf um
den wahren Glauben, die katholise Antwort auf die protestantise
«Ketzerei» und die bis an die äußersten Grenzen der Welt getriebene
Evangelisierung. Man sagt, diese weltumspannende Miion habe sogar
eines der berühmtesten Werke Berninis inspiriert, auf direkten Einflu des
deutsen Jesuiten Athanasius Kirer (1602–1680), eines Wiensalers,
Profeors für Mathematik am römisen Kolleg: den Vierströmebrunnen auf
der Piazza Navona, in dem der Künstler außer den vertrauten Flüen Nil
und Donau zum ersten Mal au die der weit entfernten Kontinente
dargestellt hae, den Ganges und den Rio de la Plata.
Von einem jungen Mann, der Jesuit werden wollte, wurden beatlie
Fähigkeiten erwartet: spirituelle Gefestigtheit, Treue zum Orden, gutes
Gedätnis, die Fähigkeit, einen korrekten Diskurs zu formulieren. Damals
wie heute wurde sein Leben von strengen Normen diszipliniert. Simon
Rodriguez, einer der sieben Ordensgründer, der vom König von Portugal
protegiert wurde, erzog die Jesuiten-Aspiranten mit unerbilier Strenge,
verpflitete sie zum Fasten und zur Selbstgeißelung und soll – einigen
zeitgenöisen Quellen zufolge, die aber vielleit nit gerade
wohlwollend waren – die Regel eingeführt haben, sie in ihre Zimmer
einzusließen oder sie vor einem Leinam beten zu laen. Das Wort
«Gehorsam» steht also, nit weniger als es in einer militärisen Einheit
der Fall wäre, im Zentrum der Jesuitendoktrin.
Das Instrument zur Modellierung und Läuterung der Seelen, ihrer
Annäherung an das Verständnis der gölien Botsa, sind die von
Ignatius von Loyola verfaten und vom Papst gebilligten Esercizi Spirituali
(Geistlie Exerzitien). Vier Woen lang, so sreibt der Gründer, solle man
si an einen geeigneten Ort zurüziehen (die später Case di esercizi
genannten «Exerzitienhäuser»), dort ganze Tage in Sweigen versunken
verbringen und über das Leben Christi meditieren. Ein geistlier Führer
wird dabei helfen, die vom Himmel gekommenen Botsaen beer zu
verstehen, um sließli das privilegierte Stadium der Contemplatio ad
amorem (Betratung zur Erlangung der Liebe) zu erreien. Diese Praxis
hat no heute große Bedeutung, wie es die Existenz der Federazione
Esercizi Spirituali (kurz: FIES, Föderation der geistlien Exerzitien) bezeugt,
die mit der Aufgabe betraut ist, die Regeln des hl. Ignatius zu verbreiten und
zu befördern.
Neben der spirituellen Erziehung des Einzelnen steht als Garantie der
kollektiven Effizienz die Disziplin des gesamten Organismus. Wieder drängt
si die Ähnlikeit mit einer Militärorganisation auf und hat man einen
dazu bewogen, die Jesuiten als «Heer des Papstes» zu bezeinen. Ignatius
ist es, der die Costituzioni diktiert, in denen die Regeln und Pfliten
formuliert sind: Der Orden ist auf eine straffe hierarise Ordnung
gegründet, in der jeder Grad dem jeweils übergeordneten absoluten
Gehorsam suldet. An der Spitze der Pyramide steht der Papst, dem man,
wie Ignatius sreibt, Gehorsam perinde ac cadaver (den sog.
Kadavergehorsam) sulde. Ein absoluter Gehorsam, zusammengefat in
dem berühmten Moo: «I werde glauben, da Weiß Swarz ist, wenn es
die Kire so definiert.»

In Rom gab es, neben den beiden herrlien Kiren, mit denen dieses
Kapitel begann, weitere bemerkenswerte Orte, die mit der Gesellsa Jesu
in Verbindung stehen. Einer davon war die Jesuitensule Collegio romano,
das römise Seminar zur Ausbildung neuer Studenten, also von besonderem
Gewit angesits der Rolle und der intellektuellen Kompetenzen, die von
den künigen Priestern gefordert wurden.
1584 gegründet, war das Collegio romano bis 1773, dem Jahr seiner
vorübergehenden Sließung, wie wir sehen werden, die witigste
Jesuitensule. 1814 kehrte die Gesellsa Jesu hierher zurü, eine Folge
der von Pius VII. na dem Zusammenbru der napoleonisen Herrsa
in Italien verfügten Neugründung des Ordens. Endgültig verlaen mute
sie es 1870, als na der Annexion Roms dur das Königrei Italien die
Regierung das römise Kolleg konfiszierte und teilweise zu einem
Gymnasium umwidmete. Ein Großteil des Lehrplans war – und ist heute
no – der kirlien Doktrin gewidmet, do mu man anerkennen, da
die Jesuiten inzwisen au Latein, Grieis, Poesie, Philosophie in ihr
Studium eingesloen haben. Vor allem in den «häretisen» Ländern
haen die Jesuiten-Sulen das nit allzu verdete Ziel, junge Mensen
an die römise Kire heranzuführen. Tatsäli siten sehr viele, au
nit-katholise Familien ihre Kinder aufgrund der Qualität des Unterrits
und des hervorragenden Rufes dieser Institute in die Kollegs.
Mit dem Anwasen der Mat der Gesellsa Jesu nahmen au die
Anfeindungen zu, denen sie ausgesetzt war, nit nur an vielen Höfen ganz
Europas, sondern au innerhalb der Kire selbst. Wobei natürli nit zu
leugnen ist, da die Jesuiten in viele ret fragwürdige irdise Affären
involviert waren. In dem Eay Ligne de foi: la Compagnie de Jésus et
l’esclavage dans le processus de formation de la société coloniale en
Amerique portugaise (Glaubenslinie: die Gesellsa Jesu und die Sklaverei
im Entstehungsproze der kolonialen Gesellsa im portugiesisen
Amerika) gibt der brasilianise Sozialwiensaler Carlos Alberto de
Moura Ribeiro Zeron ein Beispiel. Er weist na, da die Jesuiten bis zu
ihrer Ausweisung aus Brasilien 1759 die Arbeitskra von Eingeborenen und
Afrikanern benutzten und no dazu Sklavenhandel aus Angola betrieben.
Beim Tode Clemens’ XIII. im Februar  1769 bra die Jesuitenfrage mit
einer solen Virulenz auf, da si bei der Wahl eines Nafolgers die
Diskuionen zu einem erheblien Teil um sie drehten. Ganz offen
verlangten angesehene Exponenten des Hauses Bourbon, da die
Kandidaten für den Petrusthron eine srilie Verpflitung zur
Auebung des Ordens abgeben sollten. Drei Monate und 180 Wahlgänge
vergingen, bis mit Gian Vincenzo Antonio Ganganelli (Clemens XIV., 1769–
1774) endli ein Nafolger gewählt war. Ein Mann in den Sezigern aus
der Romagna, der von allen als akzeptabler Kompromikandidat betratet
wurde, obwohl er eine offizielle Festlegung auf ein Verbot des Ordens
verweigert hae.
Clemens hae eine komplizierte politise Situation geerbt, die er
zunäst dur die strategise Verleihung von einigem Kardinalspurpur zu
bewältigen sute. Der Papst wollte Zeit gewinnen. Die Polemik ging aber
weiter und zeigte nit die geringsten Anzeien einer Beruhigung. Na
vier problematisen Jahren sah er si gezwungen, im Juli  1773 die
Auflösung der Gesellsa Jesu zu verordnen, und befahl sogar, ihren
General Lorenzo Ricci zu verhaen, der darauf bis zu seinem Tode als
Gefangener im Castel Sant’Angelo saß.
Die Daten sind witig. Wir befinden uns im letzten Viertel des
18. Jahrhunderts, des Jahrhunderts der Aulärung mit all den nahaltigen
politisen und kulturellen Folgen, die diese Vision der gesellsalien
Existenz und Organisation, der Beziehungen der Mensen untereinander
und zu ihrem Staat in Europa und in der Welt haben wird. In Frankrei sind
die Enzyklopädisten dabei, die Fundamente der absolutistisen Monarie
zu zersetzen. In England hat einige Jahrzehnte zuvor jene Glorious
Revolution stagefunden, die mit der konstitutionellen Monarie die Rete
des Parlaments gegenüber der Krone gestärkt hat. Nit von ungefähr wird
gerade in jenen Jahren die Gesellsa Jesu zur Hauptzielseibe, die von
vielen, nit immer zu Ret, als Inbegriff der rüsrilisten Aspekte der
katholisen Kire angesehen wird.

Für einen idealen Jesuiten-«Spaziergang» dur Rom bietet si no ein
weiterer bemerkenswerter Ort an, die herrlie Bernini-Kire Sant’Andrea
al Quirinale, von der bereits im Kapitel «Genies und Rivalen» die Rede war,
die wir nun aber unter einem ganz anderen Gesitspunkt betraten wollen.
Die Kire und das danebenliegende Kloster waren für das Noviziat der
jungen Jesuitenanwärter bestimmt. In der ersten Kapelle rets ist auf einem
Gemälde Baciccias der Tod Francisco de Xaviers (Franz Xavers) dargestellt,
der das Kruzifix fest an die Brust gedrüt hält und umringt ist von Engeln
und Cherubim, die ihm im Todeskampf Trost zuspreen. Unter dem Altar
wird in einer kostbaren Urne der Leinam des hl. Stanislaus Kostka
verwahrt, eines jungen polnisen Jesuiten, der gerade einmal atzehn
Jahre alt wurde.
Kostka wurde im Oktober 1550 in Rostkow geboren, wenige Kilometer vor
Warsau, in einer adeligen Familie. Sein Vater, Prinz Jan, war Senator des
Königreies. Na Wien gesit, um sein Studium zu beenden, begann er,
die geistlien Exerzitien na den Ignatius-Regeln zu praktizieren. Im
Untersied zu seinem Bruder, einem jungen Libertin, war Stanislaus zutiefst
religiös. Mit fünfzehn Jahren wurde er swer krank, und zwar ausgerenet,
als er zu Gast im Hause eines Lutheraners war. Sein Erzieher Jan Bilinski,
der annahm, er liege im Sterben, wollte eigentli einen Priester rufen, um
ihm die Letzte Ölung zu erteilen, fürtete aber die Reaktion des Hausherrn,
der für katholise Geistlie nits übrighae.
Da gesah etwas Außerordentlies, wie die Hagiographie beritet:

Der Erzieher sah mit großem Erstaunen, wie Stanislao plötzli von einem himmlien
Glanz erleutet war und einen Ausdru von Sanmut und Ehrerbietung annahm. Do
wurde sein Erstaunen no größer, als dieser si zu ihm wandte und ihm mit klarer und
deutlier Stimme sagte: «Knie nieder und bete zum Heiligen Sakrament. Zwei Engel des
Herrn sind mit Ihm, und au die Jungfrau und Märtyrerin, die hl. Barbara.»

Der junge Mann hae eine Erseinung gehabt, bei der ihm, wie von ihm
selbst später bestätigt wurde, einer der Engel die heilige Kommunion erteilt
hae. Stark in seinem Glauben beslo Stanislaus, ohne jemandem etwas
zu sagen, sofort na Rom aufzubreen, um Jesuit zu werden. Er befürtete
nämli, da seine Familie dagegen sein würde. Na einem kurzen
Aufenthalt in Deutsland mate er si auf die Reise na Rom, zu Fuß.
Und hier wiederholte si das Phänomen der Erseinung. Eines Tages
betrat er eine Kire, die katholis gewesen, dann aber in ein
protestantises Goeshaus umgewandelt worden war. Als Stanislaus deen
gewahr wurde, ergriff ihn ein großes Unbehagen. Soglei aber ersienen
ihm einige Engel, die auf ihn zugingen, und einer davon reite ihm die
geweihte Hostie. Stanislaus fiel auf die Knie und empfing das Sakrament
direkt aus diesen himmlisen Händen. Na einer Reise von 1
500 Kilometern – und während die Familie wegen seines Verswindens am
Verzweifeln war, kam der junge Mann sließli in Rom im Hause der
Novizen an. Vielleit dur die Strapazen der Reise oder aufgrund seiner
swaen Konstitution starb er am 15.  August  1568, wie gesagt, im Alter
von 18. Jahren.
Die Kire bekundete ihm die hösten Ehren. 1605 wurde er
seliggesproen, als erstes Mitglied der Gesellsa Jesu überhaupt. 1671
wurde er Nationalpatron Polens, 1726 von Papst Benedikt XIII. (1724–1730),
gemeinsam mit Luigi Gonzaga heiliggesproen. Später wurde er zum
Sutzheiligen der religiösen Novizen, der Jugend und au der Todkranken.
In den neben der Kire Sant’Andrea gelegenen Räumlikeiten ist no die
Kapelle erhalten, in der der arme junge Mann im Sterben lag, dazu eine sehr
beeindruende Skulptur, die ihn in den letzten Augenblien vor seinem
Tod zeigt. Das Werk wurde 1702 von Pierre Legros ausgeführt, einem Pariser
Bildhauer, der si in Rom niedergelaen hae, wo er unter dem Namen
Monsù Legros bekannt war. Es ist vollständig aus versiedenfarbigen
Marmorsorten komponiert, die mit überwältigendem Realismus den
Sterbenden mitsamt seiner Kleidung und seinen persönlien Gegenständen
sowie das Totenbe verkörpern.
In derselben Kire Sant’Andrea wurde übrigens au der Eintri des
berühmten Jesuiten Maeo Ricci (1552–1610) in die Gesellsa gefeiert,
eines Mathematikers und Kartographen, dem es als erstem aus dem Westen
gekommenen Mensen gestaet war, si in Peking niederzulaen, der
Hauptstadt des Himmlisen Reies, wo ihm sogar Einla in die Verbotene
Stadt gewährt wurde.

Von einem zweiten illustren Grab mu an dieser Stelle beritet werden,
denn die Gesite der Jesuiten konstruiert si dur die Erinnerung und
den Totenkult nit weniger als dur die Taten der Lebenden. In der zu
Beginn des Kapitels genannten Kire Sant’Ignazio kann man in der drien
Kapelle rets, unter dem Altar, die in prätigen Kardinalspurpur
gekleideten sterblien Überreste Robert Bellarmins (1542–1621) sehen, au
er blutjung in die Gesellsa eingetreten, mit einem ganz anderen Sisal
allerdings als Stanislaus Kostka.
Bellarmins Knoen sind mit Silberfäden zusammengebunden, wie au
die Masken, die sein Gesit und seine Hände bedeen, aus Silber sind. Sein
Geist war kravoll, sein Verstand sarf wie eine Rasierklinge. Das stellte er
bereits als junger Mann unter Beweis, als er gut drei Tage lang seine
Doktorarbeit in eologie verteidigte, und er sollte eine erbarmungslose
Bestätigung dafür liefern, als er mit unversöhnlier Entsiedenheit den
Philosophen Giordano Bruno auf den Seiterhaufen site. Mit kaum
30. Jahren war er als Profeor in die Jesuitenuniversität Gregoriana berufen
worden und spezialisierte si dort vor allem auf die Instruktion von
Studenten aus Nordeuropa, die na der Rükehr in ihre Heimatländer
gegen den Protestantismus gewappnet sein muten.
Bellarmin hae klar erkannt, da na dem Dammbru der Orthodoxie
dur Luther ein Dominoeffekt drohte, der no sehr viel mehr mit si
reißen konnte. Deshalb mate er die Verteidigung der Doktrin und des
Kanons zu seinem Lebensinhalt, und deshalb mute Giordano Bruno
sterben. Der Proze gegen den Philosophen hae trotz aller Verhöre und
aller Folter in sieben Jahren keinen einzigen stihaltigen Beweis erbrat.
1599 nahm ihn der unerbilie Kardinal selbst in die Hand und brate ihn
innerhalb weniger Woen zum einzig möglien Urteilpru: der
Todetrafe für den Angeklagten, der als Ketzer lebend verbrannt wurde. Das
Jahr 1600 war zum Heiligen Jahr ausgerufen worden, das Bild des si in den
Flammen windenden Philosophen sollte allen zur Mahnung dienen, die von
Luthers Ketzerei in Versuung geführt waren, ob sie nun Pilger waren oder
Römer.
Intuitiv hae Bellarmin verstanden, da Bruno mit seiner Vision einer
unendlien Vielfalt von Welten eine neue Ära der Freiheit des Gedankens
eröffnet hae; da die gesamte Glaubenslehre einzustürzen drohte, wenn
man das auf die kanonise Auslegung der Sri gegründete Gebäude in
Frage stellte. In seinem Werk De l’infinito, universo et mondi (Über das
Unendlie, das Universum und die Welten) hae Bruno gesrieben:
«Unzählige Sonnen existieren und unzählige Erden umkreisen diese
Sonnen.» Später wird man erkennen, da dies den Tatsaen entsprit.
Bruno hae eine eorie aufgestellt, die den Entdeungen der
Astronomen um Jahrhunderte voraus war, die aber die Vorstellung von
einem Söpfergo, den Glauben an die Erlösung der Mensheit dur das
Werk Jesu swieriger mate. Der Philosoph hae also gewiermaßen den
Boden des Christentums verlaen, und das dure nit unbestra bleiben.
Die Ironie der menslien Irrtümer will es, da im Mai 2008 ein anderer
Jesuit, Pater José Gabriel Funes, der von Papst Benedikt  XVI. ernannte
Direktor der Specola Vaticana, des Vatikanisen Observatoriums, in aller
Ruhe und Gelaenheit erklärte, da man die Existenz anderer Welten und
anderer Leben, die vielleit sogar weiter entwielt sind als die unseren,
sehr wohl zugeben kann, ohne deswegen den Glauben an die Söpfung, an
die Menswerdung Christi und die Erlösung in Frage zu stellen. Der arme
Bruno hae dieselben Dinge gesagt, nur mit einem allzu exzeiven
zeitlien Vorsprung.
Das von den Jesuiten betriebene Verfahren der Selig- und Heiligspreung
Bellarmins hat si mehr als drei Jahrhunderte lang hingezogen, von 1627 bis
1930. Tenise Gründe und doktrinäre Motivationen standen dem
entgegen, Zweifel, ob ein soles Verfahren angebrat sei für einen Mann,
der im Falle Giordano Brunos in einer Art und Weise agiert hae, die selbst
von katholiser Seite als kriminell angesehen wurde. Von Papst Pius  XI.
seliggesproen im Jahre 1923, heiliggesproen 1930, ist Bellarmin im Jahr
darauf zum katholisen Kirenlehrer ernannt worden, zu verehren als
Patron der Kateeten und der kanonisen Advokaten. Seine Grabinsri
besagt: «Mein Swert hat die homütigen Geister bezwungen.» Als in
Rom 1889 das Standbild Giordano Brunos auf dem Campo de’ Fiori
eingeweiht wurde, versite Papst Leo  XIII. einen Mahnbrief, der allen
Gläubigen verlesen werden sollte. Darin wurde der Philosoph no einmal
gebrandmarkt. Au später hat der Vatikan Vorstöße zum Abri des
Monuments gemat. In diesem Falle gereit es dem damaligen Staatsef
Benito Muolini zur Ehre, si diesen Versuen widersetzt zu haben.

Die Welten dieser beiden Heiligen, des jungen Polen, der von Jesus und
Engelserseinungen heimgesut mit atzehn Jahren starb, und des
gnadenlosen Mannes der Doktrin, der fast atzig Jahre alt wurde, könnten
nit weiter voneinander entfernt sein. Beide sind Jesuiten, beide
hoverehrt, und angesits ihrer ins Auge springenden Ungleiheit drängt
si die Frage auf, ob es ein umfaendes Merkmal der Gesellsa Jesu gibt,
einen gemeinsamen Nenner. Wer sind eigentli die Leute, aus denen dieses
«Heer des Papstes» besteht? Gehoren ihre Aktionen nit allzu o den
tagesaktuellen Erfordernien der Politik? Wele Rolle hat die Gesellsa
im inneren Zwiespalt des katholisen Glaubens zwisen dem Heer der
Nästenliebe und der stolzen Verkündigung der Wahrheit vorherrsend
gespielt? Tatsäli hat das Verhalten der Jesuiten, ihre theoretise Arbeit
wie ihr Handeln, häufig zwisen diesen beiden Polen oszilliert.
1981, einem Jahr erhitzter interner Debaen der Gesellsa, hat Papst
Johannes Paul  II. anstelle von Vincent O’Keefe, der von den Jesuiten
designiert worden war, den erkrankten Pater General Pedro Arrupe
abzulösen, Paolo Dezza zum persönlien Delegaten des Ordens ernannt.
Der offiziellen Lesart zufolge versute der Vatikan auf diese Weise, «eine
gewie Orientierungslosigkeit» in der Gesellsa Jesu zu regulieren und
den Jesuiten «in ihrer Urteilsfähigkeit beizustehen». Die inoffizielle Version
dagegen besagt, da dieser Handstrei notwendig war, um die linken
Strömungen innerhalb der Gesellsa unter Kontrolle zu bringen, die in
Lateinamerika in die Bewegung eologie der Befreiung involviert waren.
Allgemeiner gesagt war es das Anliegen, der von Pedro Arrupe im Laufe
seines beinahe zwanzigjährigen Mandats herbeigeführten «liberalen» Wende
gegenzusteuern.
1968 nämli hae die Lateinamerikanise Bisofskonferenz in Medellin
(Kolumbien) gegen die diktatorisen Regimes Stellung bezogen: grausame,
repreive Militärdiktaturen, die häufig von der römisen Kire unterstützt
oder jedenfalls nit offen bekämp wurden. Gegen diese Politik der offenen
und nit selten blutigen Unterdrüung hae si ein Großteil des
südamerikanisen Klerus formiert und si an die Seite der entreteten
Bevölkerungsteile gestellt, ihren Kampf unterstützt und si für eine sozial
aktive Kire des Volkes ausgesproen. Die eologie der Befreiung ist vom
Vatikan nie anerkannt worden. Im Gegenteil wird er es für notwendig
halten, sie einzudämmen, au um den Preis des Autonomieverlustes der
Jesuiten, die zwar den hohen Würdenträgern der Kire nahestehen, aber
au den unterdrüten Völkern Lateinamerikas.

Ein weiteres ema hat im Jahre 2001 eine heige Debae ausgelöst, als die
Mailänder Tageszeitung Il Corriere della sera einer Diskuion zwisen dem
amerikanisen Historiker David Kertzer, Autor des Bues Die Päpste gegen
die Juden, und Pater Giovanni Sale, Historiker der Gesellsa Jesu, Raum
gab. Kertzer hae der Kire vorgeworfen, sie habe dur ihr
jahrhundertelanges Antijudentum dem Antisemitismus das Terrain bereitet.
Zum Beweis zitierte der Autor unter anderem eine Reihe von Artikeln, die in
dem 1850 gegründeten, zweimal im Monat erseinenden Jesuitenorgan La
civiltà cattolica (etwa: Die katholise Zivilisation) ersienen war. 1882
hae Civiltà caolica mit besonderer Genugtuung die ersten Kongree der
modernen antisemitisen Bewegungen angekündigt. 1890 hae es drei
Artikel über die «Judenfrage» publiziert, mit Behauptungen, die die
diffamierendsten Verleumdungen der Nazis vorwegnahmen. Später waren
diese Beiträge in einem in mehreren Spraen herausgegebenen Bu
versammelt worden.
Der Historiker der Jesuiten entgegnete, da das von Civiltà caolica
demonstrierte Antijudentum umgehend korrigiert worden sei; da si die
Zeitsri im Gegenteil 1938 als einziges Publikationsorgan Muolinis
Raengesetzen entgegengestellt habe. In der Tat gab es unter den
katholisen Priestern einsließli der Jesuiten zahlreie Fälle von
Opposition gegen das Regime und in der Zeit der Resistenza (des
Widerstandes gegen die deutsen Besatzer) sogar von Nähe zu den
Freiheitskämpfern. Zur Frage des Antisemitismus aber bleibt das Image der
Gesellsa substantiell uneindeutig, ähnli wie das des Vatikans.
Sogar Pater Sale hat, als er im November 2008 in Civiltà cattolica auf das
ema einging, die Haltung Eugenio Pacellis als Staatekretär, also bevor er
Papst Pius  XII. wurde, als «eccessivamente prudente» (übertrieben
vorsitig) bezeinet: «In dieser Frage nahm das Staatekretariat eine eher
vorsitige Haltung ein, in dem Glauben, man könne auf diese Weise etwas
Konkretes zum Vorteil der Juden erreien, insbesondere für diejenigen, die
zum Katholizismus konvertiert waren.» Mit diesem Verhalten erhoe man
von der fasistisen Regierung, da diese «als Diskriminierungskriterium
nit die biologis-raise Zugehörigkeit heranziehen würde, sondern die
religiöse», weshalb es, so ergänzt Pater Sale, «heute, vor allem na der
Öffnung des Zweiten Vatikanisen Konzils in der Materie, für den
katholisen Historiker peinli ist, diese Einstellung und diese Art des
Vorgehens mit moralisen oder religiösen Kategorien zu retfertigen».
Eine Haltung ähnlier Uneindeutigkeit war im Übrigen gegen Ende des
Zweiten Weltkriegs festzustellen. Na der Außerkrasetzung der
Raengesetze dur die Badoglio-Regierung vertrat der von
Kardinalstaatekretär Luigi Maglione zum Sondervermiler bei der
italienisen Regierung bestellte Jesuitenpater Luigi Taci Venturi, da
«[das Raengesetz] na den Prinzipien und der Tradition der katholisen
Kire zwar Vorsrien enthält, die abgesa gehören (diejenigen, die
si auf die Konvertiten und die Misehen beziehen), es aber au andere
enthält, die eine Bestätigung verdienen würden». Bei der Bestimmung
einiger dieser Normen, die «eine Bestätigung verdienen würden», versute
man wieder einmal, den religiösen Aspekt (die Konversion) zu isolieren, und
gab damit praktis die Empfehlung, die von raisen Vorurteilen
diktierten Einsränkungen aufretzuerhalten.
Seit der Regierung Pater Arrupes hae die Gesellsa Jesu dagegen dur
ihre breite Öffnung sowohl auf sozialem Gebiet als au in Fragen der
Doktrin immer wieder auf si aufmerksam gemat. Wenige Tage bevor im
Januar 2008 in der Person des spanisen eologen Adolfo Nicolas der neue
Pater General der Gesellsa gewählt wurde, hat Papst Benedikt XVI. von
den Jesuiten einen treuen Dienst «bei der unversehrten und sieren
Verkündigung des Evangeliums in unserer Zeit» gefordert, insbesondere,
was «gewie Aspekte der Befreiungstheologie sowie bestimmte Punkte der
Sexualmoral» betri. Die Botsa ist klar, die Beunruhigung des Papstes
über emen, die er zu den Marksteinen seines Pontifikats maen will,
offensitli.
Ein weiterer Jesuit, der dem Vatikan große Sorge bereitet hat, ist der
amerikanise eologe Roger Haight. Son 2004 hat die Kongregation für
die Glaubenslehre (das ehemalige Sant’Ufficio – das Heilige Offizium),
damals unter dem Vorsitz von Kardinal Ratzinger, seine esen verdammt
und ihm an der von Jesuiten geführten Weston Sool of eology in
Cambridge, Maauses, die Lehrerlaubnis entzogen. Im Sommer 2008
wurde der eologe erneut verurteilt. Der Entzug der Lehrerlaubnis wurde
diesmal auf alle, au nit-katholise Sultypen erweitert, hinzu kam
au ein Publikationsverbot, «solange seine Positionen nit ritiggestellt
werden».
Der Hauptvorwurf Haight gegenüber ist die Anwendung einer
theologisen Methode, bei der die Glaubensinhalte ihrer Akzeptanz in der
zeitgenöisen Gesellsa untergeordnet würden. Der Betroffene
entgegnet, die katholise eologie habe größere Überlebensancen, wenn
sie für die im Westen dominierende Kultur, vor allem die der Jugendlien,
verständlier würde. Im Grunde sagen die Hierarien und der
kämpferise Jesuitentheologe daelbe, betraten die Dinge aber von exakt
entgegengesetzten Standpunkten aus. Die Kire hat im Laufe der
Jahrhunderte vielfa demon striert, wie snell sie si an Erfordernie der
Politik oder der gesellsalien Sien und Gepflogenheiten anzupaen
weiß. Es geht also nit nur um die Frage, ob zuerst die Gesellsa oder
zuerst die Doktrin komme. Es geht wieder einmal um eine Frage der
Suprematia oder, wenn man will, des Gehorsams.
Im Übrigen ist Pater Haight au im Innern der Gesellsa Jesu auf
Opposition getroffen. Der Jesuitentheologe Pater Gerald O’Collins, der an
der angesehenen Gregoriana Universität lehrt, hat Haights Positionen mit
der Bemerkung kritisiert: «Für einen Jesus wie dem von Haight
konzipierten» würde es si «sier nit lohnen zu sterben». Sehr heikle
Fragen, in die si einzusalten nit einfa und vielleit nit einmal
zuläig ist. Aber au ein Zeien der Unruhe, von der die Gesellsa Jesu
in einem für die römise Kire so swierigen Augenbli ergriffen ist.
Na den Berenungen des Vatikanisten Sandro Magister sind von den
sieben eologen, gegen die zur Zeit von der Glaubenskongregation ermielt
wird, vier Jesuiten.
Jesuit ist übrigens au einer der größten lebenden eologen, Kardinal
Carlo Maria Martini, der nahe daran war, zum Papst gewählt zu werden,
wenn es sein theologiser und sozialer Standort nit verhindert häe. In
seinem bereits zitierten Bu Conversazioni notturne a Gerusalemme
(Nätlie Gespräe in Jerusalem, 2009) diskutiert Pater Martini mit dem
österreiisen Ordensbruder Georg Sporsill über prinzipielle Fragen der
katholisen Glaubenslehre. Aus seinen Worten sprit eine humanisierte
Konzeption der Kire, zum Beispiel zum swierigen ema des
Priesterzölibats («Vielleit haben nit alle die Gnade»), über die
Möglikeit des weiblien Priestertums, über die Homosexualität. Zur
Empfängnisverhütung brit Martini das von drei Päpsten (Paul  VI.,
Johannes Paul II., Benedikt XVI.) fortgesriebene Tabu. Zur berühmten, von
Paul  VI. 1968 herausgegebenen Enzyklika Humanae Vitae mit der Lehre
über den strikt an die Fortpflanzung gebundenen sexuellen Akt in der Ehe
erinnert Martini daran, da der Papst die Entseidungen zu diesem ema
den Berater-Patres entzogen und auließli si selbst vorbehalten hae:
«Leider hat die Enzyklika Humanae Vitae au negative Entwilungen zur
Folge gehabt … die Einsamkeit einer Entseidung mit so langfristiger
Wirkung ist keine positive Prämie für die Behandlung der emen
Sexualität und Familie gewesen.»
Vielleit aber zeigt si der fundamentale Punkt, die größere Öffnung zu
einem Christentum, das mehr auf die Liebe konzentriert ist als auf den Stolz,
im Besitz der alleinigen Wahrheit zu sein, wenn si Martini Muer eresas
berühmten Aupru «Go ist nit katholis» zu eigen mat und mit
den Worten paraphrasiert: «Du kannst Go nit zu einem Katholiken
maen.» Die Implikationen dieser ese sind enorm und sie müen in der
Vision des Kardinals in der Tat auf die Figur Jesu selbst angewandt werden,
die er viel milder sieht, also au weit entfernt von der des «wahren Goes
und wahren Mensen», wie er in Joseph Ratzingers Bu Jesus von
Nazareth erseint.
Die Gesite der Jesuiten ist eine bewegte Gesite, gezeinet von
Unruhe und Widersprüen, übersät von viel Bösem, an dem es gewi nit
gefehlt hat, und von viel Gutem, wie es aber eigentli für jedes große
Abenteuer der Mensheit die Regel ist. In ihrem konkreten Wirken seint
si die Gesellsa Jesu die Mahnung Martin Luthers an seinen witigsten
Süler und faktis ideologisen Erben Philipp Swartzerdt Melanthon
tatsäli zu eigen gemat zu haben: In einem Brief hae ihm der große
Reformator ein später viel zitiertes und o miverstandenes Gebot gesit:
«Esto peccator et pecca fortiter, sed fortius fide et gaude in Christo, qui
victor est peccati, mortis et mundi!» – «Sei ein Sünder und sündige kräig,
aber mit no größerer Kra vertraue und freue di in Christus, weler der
Sieger ist über die Sünde, den Tod und die Welt!». Das war keine
Aufforderung zur Sünde, wie man häufig glauben maen wollte. Es war im
Gegenteil eine Einladung, stets vollkommen aufritig mit Go zu sein,
dur die Kra des Glaubens.
Man kann die Jesuiten sehr negativ beurteilen, und in der Tat ist dies
häufig gesehen. In der intellektuellen und dialektisen Spannkra dieser
Gesellsa Jesu ist heute allerdings eines der wenigen Zeien doktrinärer
Vitalität gegenüber einer vatikanisen Politik zu erkennen, die si immer
mehr auf eine kurzsitige, von Konformismus und zuweilen leider au von
der Arroganz der Mat gezeinete Vision zurüzieht.
XI. GOTTES BANKIERS
DER ÜBLE GERUCH DES GELDES

I
N DEM WUCHTIGEN FESTUNGSTURM von Papst Nikolaus  V., direkt
am Apostolisen Palast, der Residenz des Papstes, hat der IOR seinen
Sitz, ein sehr bekanntes Akronym, das für Istituto per le Opere di Religione
steht, also die Bank des Vatikans. Das imposante Gebäude kann man au
von außen sehen, dur die Porta Angelica hindur, dem von
Sweizergardisten bewaten Eingangstor. Die Gründung der Bank geht
auf den Juni  1942 zurü, als Papst Pacelli, Pius  XII. (1939–1958), einige
vorher existierende Institute zu einer einzigen Bank mit eigener
Retspersönlikeit zusammenführte.
Ziel war es, wie bei jedem Institut dieses Typs, das Kapital
gewinnbringend anzulegen, mit der Besonderheit jedo, da ein großer Teil
der Gewinne satzungsgemäß und um dem Namen geret zu werden eben
für opere di religione (Werke der Religion) aufgewendet werden sollte. Es
gibt in der Politik (fast) nits Auagekräigeres als den Gebrau, der vom
vorhandenen Geld gemat wird. Deshalb mu die Frage gestellt werden, ob
und in welem Maße die vatikanise Politik, die au dur ihre Bank
gemat wird, der eines jeden beliebigen anderen Staates ähnelt, der si
nit des besonderen Beistands aus himmlisen Höhen erfreut.
Es gibt dazu eine bedeutsame Vorgesite. Um das gewaltige Vermögen
zu verwalten, das dem Vatikan dur das Konkordat von 1929 zufällt, beru
Pius  XI. Bernardino Nogara, einen Ingenieur und sehr fähigen Bankier.
Bevor er das Amt übernimmt, stellt Nogara eine Bedingung: Die
Investitionen müen überall in der Welt frei von jedweder religiösen
Erwägung oder Rüsitnahme getätigt werden dürfen. So wird es au
sein, jedenfalls wird nit einmal der Zweite Weltkrieg den vatikanisen
Finanzen etwas anhaben können, weil Nogara mit Hilfe mätiger
katholiser Vermiler einen Gueil dieser Gelder in die Vereinigten Staaten
transferiert hae, von wo er sie bei Kriegsende mit einem ordentlien
Wertzuwas zurüerhielt.
In der Tradition fähiger Finanziers und Investoren, die für den Vatikan
tätig waren, kann man historis no einen weiteren Sri zurügehen.
Als 1862 offenbar wurde, da si trotz des Widerstandes von Pius  IX. die
weltlie Herrsa der Päpste ihrem Ende zuneigte, ließ Erzbisof
Francesco Saverio de Merode, ein genialer, abenteuerlustiger Mann
belgiser Herkun, von der Società Immobiliare die Grundstüe rund um
den künigen Bahnhof Termini auaufen. Zu einem läerlien Preis, da
das Gebiet für die Urbanisierung als wertlos galt. De Merode hae aber
intuitiv erkannt, da die künige Hauptstadt des Königreis Italien si
gerade in diesem höhergelegenen Areal erhebli mehr entwieln würde als
in der Talsenke der mielalterlien und Renaiancestadt. Während der
Papst si na der Porta-Pia-Brese (siehe Kapitel VII) smollend in den
heiligen Palästen einslo, konsolidierten seine Finanziers auf dem Boden
des «Drien Rom» (Terza Roma – na dem der Cäsaren und dem der
Päpste nun das der Könige) das Immobilien-Dominium des Heiligen Stuhls.
Diese Präzedenzfälle werfen ein Problem von enormer Komplexität auf,
das in einem Gesprä zwisen dem Historiker Ernesto Galli della Loggia
und Kardinal Camillo Ruini zum ema «Cristianesimo e mondo
contemporaneo» («Christentum und heutige Welt», auf Italienis 2009
unter dem Titel Confini – «Grenzen» publiziert) aufgegriffen wird. An
einem bestimmten Punkt sagt der hohe Prälat: «Das Verhältnis … der
ristlien Präsenz … zu den Mäten der Gesite ist ein sehr
swieriges, aber unvermeidlies ema.» Und weiter: «Die Absolutheit
der Moral mu mit dem historisen Realismus verbunden werden, das ist
die Herausforderung.» In der Tat ist genau dies die Herausforderung
angesits der Finanzgesite des Heiligen Stuhls und der
bemerkenswerten Elastizität an der Grenze zwisen «ristlier Präsenz»
und «historisem Realismus».
Zu dieser Frage gibt es selbst innerhalb der Kire ebenso maßgeblie
wie untersiedlie Meinungen. Im Gesprä mit Eugenio Scalfari[1] im
Juni  2009 zu ähnlien emen hat Kardinal Carlo Maria Martini
unterstrien: «Aufgabe der Kire ist es, Zeugnis abzulegen vom Wort
Goes, dem Fleis gewordenen Wort, der Welt der Gereten, die da
kommen wird. Alles andere ist sekundär.» Und später: «Jedenfalls ist im
Verhältnis zur diplomatisen und theologisen immer die pastorale
Fähigkeit und Berufung vorrangig.»
Zwei Standpunkte, zwisen denen Welten liegen. Ruini ist der Ansit,
da man die Konzepte «verbinden» mu; Martini, da man sie gewiten
und für das Konzept Partei ergreifen mu, das in dieser «Verbindung»
vorherrsen soll.
Wenn es ein Gebiet gibt, auf dem der Ausgang einer solen
Herausforderung gemeen oder, genauer gesagt, sogar «gezählt» werden
kann, ist das eben der Umgang mit dem Geld. Am Verhältnis zum Geld, also
zum Finanzwesen und folgli zu Herkun und Verwendung großer
Summen ist klar abzulesen, wo Umstände, Wille, Gelegenheiten und Bedarf
die Grenze zwisen «ristlier Präsenz» und «Mäten der Gesite»,
zwisen «moraliser Absolutheit» und «historisem Realismus» ziehen.
Man kann au sehen, bis zu welem Punkt der Gedanke des Evangelisten
Mahäus no gültig ist, der sreibt: «Ihr könnt nit beiden dienen, Go
und dem Mammon» (6.24),[2] also nit Go und Geld bzw. Profit.
Und tatsäli seinen die Gesäe des IOR dieses Dilemma zu
bestätigen. Im Verglei zu jeder anderen italienisen Bank hat der IOR
einige Privilegien, die ihm einen Sonderstatus einräumen. Erstens zahlt er
auf die Dividenden keine Steuern, und au die Kontoinhaber zahlen keine
Steuern auf die erhaltenen Zinsen; zweitens – und damit ist er jeder
«Offshore»-Bank gleigestellt – mu ein jedes Auskunsersuen anderer
Staaten, angefangen bei Italien, von einer riterlien Anordnung gedet
und offiziell dur das Außenministerium übermielt sein (über ein
Retshilfeersuen). Bis heute aber hat der Heilige Stuhl einem seine Bank
betreffenden Retshilfeersuen no nie zugestimmt.
Ein dries Privileg mu allein son wegen der Bedeutung für die in
diesem Kapitel beriteten Ereignie genannt werden. Das Konkordat
zwisen dem Heiligen Stuhl und der damaligen italienisen Regierung
(Februar  1929) sowie einige spätere Urteilprüe der italienisen
Geritsbarkeit legen fest, da das Führungspersonal des IOR sowie ganz
allgemein alle Personen, die in zentralen Einritungen des Heiligen Stuhls
tätig sind, vollständige Immunität genießen, weshalb sie geritli nit
belangt und au nit verhaet werden können. Ein Sutz, der jedem
juristisen Versu, einen führenden vatikanisen Manager für ein in
Italien begangenes Verbreen zur Verantwortung zu ziehen, die Stirn bietet.
An der Spitze des IOR stand neunzehn Jahre lang (1971–1989) ein Mann,
der es aufgrund seiner außerordentlien Gesmeidigkeit und
Manövrierfähigkeit, seiner Zähigkeit, Energie und Erfindungsgabe (mane
sagen au: Naivität) verdient hat, zur Legende zu werden – und in der Tat,
das ist er son –, sowie natürli au aufgrund der vielen von ihm
begangenen Fehler: Monsignor Paul Marcinkus, der streng genommen au
Priester war, also Seelenhirte, ein Umstand, der in der Gesamtheit seiner
Aktivitäten jedo zweitrangig erseint. Marcinkus wurde 1922 in Cicero
geboren, einem Vorort von Chicago (Illinois), und starb 2006 in Sun City
(Arizona). Er stammte aus beseidenen Verhältnien, es zeigte si aber
snell, da der Junge Talent hae. Er ging auf katholise Sulen und zog
in den fünfziger Jahren na Rom, um an der Pontificia Università
Gregoriana zu studieren. Er arbeitete mit Bisof Giovan Baista Montini
zusammen, der im Jahre 1963 zum Papst gewählt wurde und den Namen
Paul VI. annahm.
Na OP (Oervatorio Politico), dem berütigten Investigations-Bla des
1979 ermordeten Journalisten Mino Pecorelli, erseint der Name Marcinkus
auf einer Liste von über hundert Freimaurer-Priestern, in Gesellsa
höster Funktionsträger der vatikanisen Hierarie. Sein Aufstieg
innerhalb der heiligen Mauern ist rasant, nit zuletzt weil er 1979 zum
Helden wird. In der philippinisen Hauptstadt Manila reet er Paul VI. das
Leben, indem er bei einem Meeraentat die Klinge des geistesgestörten
Täters abwehrt. Im Jahr darauf wird er Präsident des IOR. Wenn man viele
Jahre na diesen Ereignien darüber sreibt und liest, sieht man klarer,
von welen Turbulenzen und Hostapeleien, von wel anrüigen
Personen und gigantisen Betrugsmanövern, von wieviel Blut die letzten
Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts au in Italien gezeinet waren. Mit diesen
kriminellen Verfletungen, wenn nit sogar mit den Bluaten haen
Marcinkus und die Vatikanbank stets aufs Engste zu tun.
Die Gesite dieser Bank und von Monsignor Marcinkus zu erzählen
bedeutet au, die Slüelpersonen dieser dunklen Gesäe bloßzulegen
(soweit das mögli ist): Roberto Calvi, der 1982 erhängt unter einer
Londoner Brüe gefunden wurde; Miele Sindona, 1986 im Gefängnis
vergiet; der allgegenwärtige Licio Gelli, Chef der Geheimloge Propaganda
Due (abgekürzt: P2), Organisator diverser Umsturzkomploe. Aber au die
arme Graziella Corroer, Calvis Sekretärin, die am Tag, bevor ihr Chef
ermordet wurde, aus einem Fenster zu Tode stürzte.
Na Sätzungen des Mathematikers Piergiorgio Odifreddi kostet der
Heilige Stuhl die Italienise Republik jährli 9 Milliarden Euro an direkten
Subventionen, denen no mindestens 6  Milliarden für versiedene Arten
von Steuerbefreiungen hinzuzurenen sind. Genaue Berenungen sind
nit mögli, weil die Bilanzen des Vatikans sehr diskret gehandhabt
werden. Die veröffentliten Zahlen sind lüenha und gestaen daher
keine detaillierten Analysen, au wenn si die Situation seit Neuestem
leit verbeert hat. Seit 2008 wird den Kardinälen und Bisöfen na dem
Willen Papst Benedikts  XVI. ein finanzieller Reensasberit
ausgehändigt. Da er in einigen tausend Kopien erseint, entsprit das
praktis einer Veröffentliung.

In finanzieller Hinsit war der Tod Papst Johannes’ XXIII. im Juni 1963 für
die Kire eine Katastrophe. Die immense Popularität dieses Papstes hae
unter anderem das Spendenauommen der Gläubigen answellen laen.
Na seinem Tod sprudelte diese Finanzquelle plötzli erhebli spärlier.
Außerdem legte die italienise Regierung Ende der seziger Jahre fest, da
na Jahrzehnten kompleer Steuerbefreiung die Aktiendividenden des
Heiligen Stuhls zu besteuern seien. Ein doppelter Slag, dem Giovan
Baista Montini, Paul  VI., der Nafolger von Papst Johannes, glaubte
gegensteuern zu müen. Die heikle Aufgabe, die gewaltigen im
vatikanisen Besitz befindlien Aktienpakete ins Ausland zu überführen,
um dem Fiskus zu entgehen, wird Marcinkus übertragen und einem cleveren
sizilianisen Gesäsmann, der son in der Vergangenheit bewiesen
hae, da er über die ritigen Bekanntsaen und Fähigkeiten verfügte:
Miele Sindona.
Allerdings wurde innerhalb der Leoninisen Mauer die Tatsae
untersätzt, da Sindona, so fähig er au war, Mafiagelder versob, da
er mit einigen witigen italo-amerikanisen «Familien» verbandelt war,
außerdem Berater einiger der blutrünstigsten Boe der organisierten
Kriminalität. Auf der anderen Seite war es ein kritiser Moment, und da
man die Kire «nit allein mit Ave Maria führen kann», hae Marcinkus
immer wieder betont. Nadem er den Aurag erhalten hat, führt ihn
Miele Sindona (geboren in Pai, Meina) auf seine Weise aus. Er
organisiert einen der gewaltigsten Kapitalexporte der Gesite des
italienisen Finanzwesens. Bestimmungsort: die Sweiz. Weil au das
Leben der politisen Parteien sehr teuer ist, werden auf dem Weg zu den
helvetisen Banken einige Millionen Dollar in die Kaen der witigsten
Parteien abgezweigt. Insbesondere die der Christdemokraten, zumal gerade
die Anti-Seidungs-Kampagne finanziert werden mu, die von der Kire
nadrüli unterstützt wird.
Das von Sindona auf beiden Seiten des Atlantiks zum Teil aus etem,
zum Teil aus fiktivem Geld erritete Finanzimperium beginnt gegen Ende
1974 zusammenzubreen, aus einer komplexen Konstellation von Gründen,
nit zuletzt infolge der Spannungen im Mileren Osten, der swierigen
internationalen Lage, des Ölpreises. Als die bankroe Banca Privata Italiana
des sizilianisen Finanziers abgewielt wird, beauragt die Banca d’Italia
den Anwalt Giorgio Ambrosoli, einen der wenigen Mensen mit
Zivilcourage in diesem kranken Italien, die Operation zu leiten. Auf ihn wird
extremer Dru ausgeübt, Dokumente zu bestätigen, die beweisen sollen,
da Sindona in gutem Glauben gehandelt hat. Es geht um sehr viel Geld,
Sindona wird vom mätigen Regierungsmitglied Giulio Andreoi gesützt,
der ihn als «Reer der Lira» bezeinet. Häe Ambrosoli diesem Dru
nagegeben, wären Sindona alle strafretlien Folgen erspart geblieben
und es wäre an der Banca d’Italia gewesen, diese Sulden zu deen.
Obwohl er weiß, wel enormes Risiko er eingeht, geht Ambrosoli weder
den Smeieleien auf den Leim no gibt er den Drohungen na. In einem
Brief an seine Frau, seinem geistigen Testament, sreibt er unter anderem:

Zweifellos werde i in jedem Falle für diesen Aurag einen hohen Preis zahlen müen: das
wute i, bevor i ihn angenommen habe, und deshalb beklage i mi nit, denn für
mi ist es eine einzigartige Gelegenheit gewesen, etwas für mein Land zu tun.

Als Slufolgerung geht aus seinem Absluberit hervor, da die


Banca Privata aufzulösen sei und da Sindona für die Miwirtsa
verantwortli zu maen war. Der sizilianise Finanzier wird Ambrosoli
am 11. Juli 1979 von William Aricò ermorden laen, einem zu diesem Zwe
aus den USA angeworbenen Auragskiller, zum Preis von 115.000 Dollar, die
auf ein Sweizer Konto eingezahlt werden. An seiner Beerdigung nehmen
die Spitzen der Banca d’Italia teil, aber keine witigen Persönlikeiten des
Staates.
Als 1976 Sindonas Banken zusammenbraen, hae der Chef der P2, Licio
Gelli, nämli Andreoi, der damals Verteidigungsminister war, einen
Reungsplan für den sizilianisen Finanzier vorgelegt. Der Minister
stimmte ihm zu, und es wäre sehr wahrseinli au gelungen, den Plan
umzusetzen, wenn er nit auf den Widerstand eines weiteren eten
Staatsdieners gestoßen wäre, des damaligen Finanzministers Ugo La Malfa.
Die Dinge nahmen deshalb eine andere Wendung. Sindona wird im
März 1986 im Gefängnis von Voghera mit einem Zyankali-Kaffee vergiet.
Soweit der dramatise Hintergrund. Kehren wir zu den Gesäen des
Erzbisofs Marcinkus zurü, der 1971 Präsident des IOR wird. Wenige
Monate später stellt ihm Sindona Roberto Calvi vor, der ebenfalls Bankier
ist. Calvis Karriere hat früh begonnen. 1947, mit 27.  Jahren, wird er beim
Mailänder Banco Ambrosiano eingestellt, einer Bank mit engsten
Verbindungen zum IOR. 1971 wird er Generaldirektor, 1975 Präsident dieser
Bank. Er hat große Ambitionen, wie au die übrigen Persönlikeiten dieser
Gesite: Er will die Bank vergrößern, sie in den Kreislauf der großen
internationalen Finanzwelt hineinbringen. Er sreibt si in die Geheimloge
P2 ein, knüp riskante Beziehungen zur Mafia, hebt gemeinsam mit dem IOR
einige Unternehmen in Steuerparadiesen aus der Taufe. 1977 wird er von
Sindona, der in großen Swierigkeiten ist, um Hilfe gebeten. Calvi aber
mu (oder will) sie ihm verweigern: Sindonas Situation ist nit solide, im
Übrigen hält er es für klüger, si von diesem inzwisen sehr gefährli
gewordenen Gesäspartner fernzuhalten.
Sindonas Rae lät nit auf si warten. Am 13. November erseinen
in Mailand Plakate, auf denen der Banco Ambrosiano wegen
swerwiegender Unregelmäßigkeiten denunziert wird. Bei einer Inspektion
dur die Banca d’Italia im April  1978 wird festgestellt, da die
Unregelmäßigkeiten in der Tat maiv und zahlrei sind. Das entspreende
Doier wird Riter Emilio Aleandrini übergeben, der aber wenige Monate
später (Januar  1979) von Terroristen der Prima Linea ermordet wird, einer
kleinen Gruppierung innerhalb des linksextremen Terrorismus. Der gesamte
Ablauf der Ereignie zeigt uns in jedem Detail, wie beängstigend in Italien
in diesen Jahren die Situation ist. Pausenlos wird das Land von mafiösen
oder politisen Verbreen heimgesut, wie in den slimmsten Zeiten
seiner bewegten Gesite. Mehr als genug Gründe also dafür, si als ein
den «Werken der Religion» geweihtes Institut umgehend von gewien
Persönlikeiten abzusetzen. Es setzten si aber die Erfordernie der Politik
dur, die immer kostspielig und dringli sind und die es vor allem
notwendig maen, auf dem Boden der Tatsaen zu bleiben und den Bli
nit allzu sehr von dort zu erheben.
In den Seilsaen von Gesäemaern, Hostaplern und eten
Kriminellen hat die Figur Roberto Calvis eine besondere Physiognomie; hier
paart si große Ungeniertheit bei der Handhabung von Geldern mit
überwältigender Naivität. Im Oktober  2005, dreiundzwanzig Jahre na
seinem Tod, wird in Rom der Proze gegen seine mutmaßlien Mörder
eröffnet. Der Urteilpru von 2007 wird ein Freispru aus Mangel an
Beweisen sein. Was uns im Hinbli auf unsere Gesite aber am meisten
intereiert, sind die Dokumente, die vor und während des Prozees
auauten. Am 30.  Mai  1982, als Calvi no zwei Woen zum Leben
bleiben, hae er einen Brief an Kardinal Palazzini gesit, der als Opus-
Dei-Mann im Vatikan galt, darin heißt es:

Hoverehrte Eminenz … die moralise und ökonomise Glaubwürdigkeit des Vatikans ist
bereits zutiefst kompromiiert; warum will niemand eingreifen? … im Vatikan gibt es ein
Komplo, das es unter Mitwiersa der nationalen und internationalen laizistisen und
antiklerikalen Kräe auf die aktuellen Matverhältnie innerhalb der Kire abgesehen hat.
Da Kardinal Casaroli und Monsignor Silvestrini Komplizen und Gesäspartner sind, ist
bewiesen, unter anderem dur die zahlreien Besteungsgelder, die sie für Sindonas
Operationen unter si aufgeteilt haben. Und i werde, wenn Sie es wünsen, persönli
die Umstände dieser Zahlungen, die Höhe der Summen und die Kontonummern angeben!
Aber was bezween die damit? Im Übrigen laen si viele vom Banco Ambrosiano an
Parteien und Politiker gegangene Finanzierungsmiel und Smiergelder auf deren
Anordnungen zurüführen. Dabei wien die, da i weiß …

Die Absit ist erpreeris, die Sprae aber ist entlarvend. Da agiert
jemand aus einem panisen Angstzustand heraus. Erfolgreie Erpreung
setzt aber ein eiskaltes Aureten voraus. In der Tat gab es auf diesen Brief
nie eine Antwort. Deshalb spielt der Bankier, der inzwisen am Rande der
Verzweiflung ist, seine letzte Karte aus und wendet si direkt an den Papst.
Eine Kopie dieses Briefes vom 5. Juni hat Calvis Sohn im Privatariv seines
Vaters gefunden und dem Investigativ-Journalisten Pinoi übergeben. Darin
ist zu lesen:

Eure Heiligkeit,
 
i bin es gewesen, der si die swere Bürde der Suld und der
Fehler aufgeladen hat, die von den gegenwärtigen und ehemaligen
Vertretern des IOR begangen wurden, einsließli der Mietaten
Sindonas …; i bin es gewesen, der auf ausdrülie Anordnung
Ihrer maßgeblien Repräsentanten über beträtlie
Finanzierungsmiel zugunsten vieler Länder und politis-religiöser
Vereinigungen des Ostens und des Westens verfügt hat; i bin es
gewesen, der im Einverständnis mit vatikanisen Autoritäten in
ganz Zentral- und Südamerika die Gründung zahlreier Banken
koordiniert hat, vor allem zur Bekämpfung des Eindringens und der
Verbreitung philomarxistiser Ideologien; und i bin es sließli,
der heute von genau denselben Autoritäten verraten und im Sti
gelaen wird …

Und weiter über den Mann, den er als seinen Feind betratete, Kardinal
Casaroli:

… es intereiert mi nit, mi bei dem vielen Geswätz aufzuhalten, das über gewie
Prälaten und insbesondere über das Privatleben von Staatekretär Kardinal Casaroli im
Umlauf ist …, i halte es aber für außerordentli witig, Sie auf die guten Beziehungen
aufmerksam zu maen, die Letzterer mit notoris antiklerikalen Kreisen und
Persönlikeiten, Kommunisten und deren Sympathisanten unterhält, wie zum Beispiel mit
dem ristdemokratisen Minister Nino Andreaa, mit dem er eine Übereinkun zur
Zerstörung und Aueilung der Ambrosiano-Gruppe gefunden hat.

Calvi benutzt die einzigen Waffen, die ihm zur Verfügung stehen: Er biet
um Sutz, fordert Garantien, versut, die internen Zerwürfnie der Kurie
zu nutzen, droht damit, den Justizbehörden alles zu erzählen. Das riesige
Finanzlo der ausländisen Swestergesellsaen des Banco
Ambrosiano, 1,2 Milliarden Dollar zum damaligen Kurs, war in Wirklikeit
das der Vatikanbank und des Vatikans. Mit ungeheurer Naivität oder von
Verzweiflung getrieben biet Calvi darum, gereet zu werden. Dabei
vernaläigt er die Tatsae, da es geeignete Methoden gibt, um jedem
den Mund zu stopfen.
Der Brief an den Papst ist vom 5. Juni 1982, am 18. Juni wird Calvi unter
der Blafriars Bridge in London aufgehängt. Während des Prozees von
2005 wird die Anklage feststellen, da
… die Angeklagten si mafiöser Organisationen wie Cosa nostra und Camorra bedienten,
mit dem Ziel, den Tod Roberto Calvis herbeizuführen: um ihn dafür zu bestrafen, da er si
beatlier Geldmengen aus dem Besitz der besagten Organisationen bemätigt hae; um
Straffreiheit zu erlangen, den Profit aus den Verbreen zu erhalten und zu behalten, die zur
Anlage und zur Ausweslung von Geldern krimineller Herkun begangen wurden; um
Calvi daran zu hindern, erpreerise Gewalt auf die politis-institutionellen Referenten
der Freimaurer, der P2-Loge und des IOR auszuüben, mit denen sie Investitionen und
Finanzaktionen von beträtlien Geldsummen betrieben haen.

Ferruccio Pinoi (in seinem 2005 ersienenen Bu Poteri forti – Starke
Mäte) zufolge war es Calvi zwar gelungen, den Banco Ambrosiano zu
finanzieller Unabhängigkeit zu führen, seine Operationen haen ihn aber
persönli erprebar gemat, weshalb er si gezwungen sah, den mit dem
IOR verbundenen Gesellsaen erheblie Finanzmiel zukommen zu
laen. Als si die Swierigkeiten versärfen, versut er, die dem
vatikanisen Institut geliehenen Gelder zurüzubekommen. Es gelingt ihm
nit, weil das Geld nit mehr da ist. Es ist verwendet worden, um
vatikannahe religiöse Gruppen und politise Organisationen, insbesondere
in Polen, zu unterstützen. Calvi war das im Übrigen bekannt, und er hae
si mehrfa damit gebrüstet, dem Papst bei seinen Pro-Solidarność-
Operationen konkrete Hilfe geleistet zu haben.

Am 6. August 1978 stirbt Papst Montini, der Marcinkus, Sindona und Calvi


protegiert und gedet hae. Mit seinem Tod verlieren sie einen verlälien
Bezugspunkt. Paul VI. hat das qualvolle Martyrium Aldo Moros gerade no
miterlebt, deen Ende er vergebli versut hae abzuwenden. Er wird
au aus anderen Gründen in die Gesite eingehen, zum Beispiel
aufgrund seiner kontroversen Enzyklika Humanae Vitae (Juli 1968), mit der
er die Unzuläigkeit aller empfängnisverhütenden Praktiken und Miel in
sexuellen Beziehungen bekräigt hae (siehe Kapitel V und X).
Sein Nafolger Albino Luciani, der als Papst den Namen Johannes Paul I.
annimmt, wird eines der kürzesten Pontifikate der Kirengesite
innehaben: 33 Tage (vom 26.  August bis zum 28.  September  1978). Sein
plötzlier Tod wird offiziell auf einen Infarkt zurügeführt, hier und da in
der Welt sind aber andere, finstere Mutmaßungen dazu angestellt worden,
wie wir im Kapitel «Kire ohne Stimme» gesehen haben. Der englise
Autor John Cornwell besreibt, au wenn er si zur Mord-Hypothese
skeptis äußert, wie außerordentli beunruhigt man in der vatikanisen
Kurie über die Absiten dieses Papstes war, den man als einen naiven und
gefährlien Träumer betratete. Luciani wollte die Kirengüter neu
verteilen, er wollte vor allem, und hier kommen wir zu unserer Erzählung
zurü, die Struktur und die Rolle des IOR von Grund auf umkrempeln. Eine
Autopsie seiner Leie, wie von vielen Seiten gefordert, wurde wohlweisli
verweigert.
Im Übrigen haben, wie wir gesehen haben, dur eine außergewöhnlie
Verkeung von Umständen viele der Personen, die in die Gesite des IOR
involviert waren, einen gewaltsamen oder unerwarteten Tod gefunden. In
der Gesite dieser Bank gibt es eine Art kontinuierlier Tendenz zum
Risiko, zu gefährlien Freundsaen, zu finanziellen Transaktionen aus
obskuren Quellen einsließli sizilianiser Mafia-Vermögen. Dies
zumindest haben einige pentiti[3] erklärt, unter ihnen Francesco Saverio
Mannoia und Vincenzo Calcara. Der erste bezeugte in einer Videokonferenz
aus New York, da die berütigte Gruppe der «Corleoneser» einen Teil
ihrer Gelder bei der Vatikanbank investiert hae. Der zweite behauptete,
zwei Koffer voller Geld von Palermo na Rom gebrat zu haben, wo er an
Bord eines Autos von Monsignor Marcinkus persönli erwartet wurde. Die
Auagen der pentiti müen immer mit Vorsit behandelt werden, au
weil es für diese Behauptungen keine objektiven Beweise gibt. Riter
Giovanni Falcone[4] hielt Mannoia allerdings für einen der glaubwürdigsten
Kronzeugen der Justiz.
Als der Crash der IOR-nahen Banken offenkundig wurde, beeilte si
Marcinkus zu erklären, da der Vatikan bei diesen beklagenswerten
Vorfällen keinen Saden genommen habe. So war es aber nit. Der
italienise Satzminister Beniamino Andreaa, ein Christdemokrat,
bezifferte die Verluste des Heiligen Stuhls dur den Zusammenbru des
Banco Ambrosiano auf über eine Milliarde Dollar und erklärte: «Die
Regierung erwartet von Seiten des IOR eine klare Übernahme der
Verantwortung dafür, da er in einigen Operationen mit dem Banco
Ambrosiano de facto die Rolle eines Gesäspartners übernommen zu
haben seint.» Weltweit ersienen in allen Zeitungen große
Titelgesiten darüber, während si der Vatikan, wie immer in
Krisenzeiten, in undurdringlies Sweigen hüllte. Niemand wollte etwas
von Sindonas Gesäen mit der Mafia, vom Zusammenhang der Calvi-
Marcinkus-Katastrophen, vom riesigen Lo in den Konten, von der
mibräulien Verwendung der Gelder gewut haben, die satzungsgemäß
in «Werke der Religion» häen fließen müen.

Als er 1978 den ron besteigt, ist Johannes Paul II. 58 Jahre alt (geboren im
Mai  1920 in Wadowice, Südpolen). Er ist ein Mann von großer, au
physiser Energie, was nit zuletzt seine über hundert anstrengenden
Auslandsreisen demonstrieren. Vor allem aber ist er ein Mann, der es si zur
Miion gemat hat, sein Land vom Jo des sowjetisen Kommunismus zu
befreien. Ein gigantises Vorhaben, für das Entsloenheit, politises
Gesi, tragfähige Allianzen notwendig sind. Und viel Geld. Monsignor
Marcinkus ist zwar dur die Skandale kompromiiert, der Papst hält aber
an ihm fest, weil er ein unverzitbarer Handlanger für sein Projekt ist.
David Yallop zufolge gelingt es dem Vatikan, der polnisen Gewerksa
Solidarność, die mit ihrer Streikbewegung nit nur in Polen die sowjetise
Mat zum Wanken bringt, Finanzmiel in Höhe von 100 Millionen Dollar
zuzusießen.
Als die Banca d’Italia im Mai  1982 Suldnerrisiken des Banco
Ambrosiano in Höhe von einer Milliarde Dollar anzeigt, flieht Calvi na
London, weil er si dort in Sierheit wähnt und glaubt, si nit nur der
Anklage entziehen zu können, sondern au der Vendea, die jeder zu
gewärtigen hat, der mit mafiaverseuten Geldern hantiert. Vielleit hae
er Zusierungen erhalten, mit Sierheit ahnte er nits von der Falle, die
ihn dort erwartete. Wie son gesagt, wird er einen grausamen Tod finden.
Seine Kreditfähigkeit war übrigens bis ein Jahr vor dem Crash intakt
geblieben. Zum Teil, weil er zu jenen sillernden Figuren gehörte, die mit
illusionistisen Fähigkeiten in der Finanzgesite immer wieder ihr
Unwesen treiben: von John Law, der im 18.  Jahrhundert das «Papiergeld»
erfand, bis Bernard Madoff, der in unseren Tagen mit inexistentem Geld
jonglierte; zum Teil, weil Calvis Nähe zur Vatikanbank na wie vor ein
wirksamer Türöffner war.
Na seinem Tod vereinigen si an die hundert Kreditorengesellsaen
zu einem Komitee, um dem Versu, ihr Geld wiederzubekommen, größeren
Nadru zu verleihen. Im Vatikan folgt eine erregte Sitzung auf die andere.
Marcinkus, der seine Mat zum Großteil verloren hat, behauptet, nie davon
gewut zu haben, da Calvi zur Realisierung seiner Projekte mit seinen
guten Beziehungen zum IOR hausieren ging. Er versut, die Wogen zu
gläen, die ihn mitzureißen drohen, do jeder weiß, da er nit die
Wahrheit sagt.
Staatekretär ist damals Kardinal Agostino Casaroli, ein gewieer
Taktiker, der mit den Tatsaen von Grund auf vertraut ist, dem die realen
Dimensionen der Miwirtsa also bekannt sind, und der eine andere
Strategie verfolgt. Bei einer der Versammlungen slägt er die vernünigste
Lösung vor, was in einem Protokoll folgendermaßen beritet wird:

Seine Eminenz, der Kardinalstaatekretär bemerkte, es müe vorrangig darum gehen, das
Ansehen des Heiligen Stuhls zu reen, und äußerte seine Ansit, da der Streit unbedingt
einvernehmli beigelegt werden müe.[5]

Marcinkus ist dagegen. Im Versu, die Bank und seinen Kopf zu reen,
entgegnet er heig: «Wenn wir nit suldig sind, müen wir au nit
zahlen.» Dem englisen Wirtsasjournalisten Charles Raw zufolge, der
den Fall ausgiebig reeriert hat (La grande truffa, 1993 – dt. etwa: Der
große Swindel), hat das fahrläige Finanzgebaren des gesäigen
Erzbisofs den Heiligen Stuhl ungefähr eine halbe Milliarde Dollar gekostet:
«Damit will i nit sagen», sreibt Raw, «da Marcinkus si persönli
bereiert hat. Den größten Gewinn haben daraus die Spitzen der P2-Loge
gezogen, Licio Gelli und Umberto Ortolani.»
Ende Mai 1984 wird das Suldenkonto des IOR definitiv gesloen. Die
Vatikanbank steht beim Banco Ambrosiano mit über 400  Milliarden Lire[6]
in der Kreide. Das Komitee der Gläubigerbanken mat Dru, der Skandal
ist riesig, der Posten wird eilends liquidiert, dur einen Verglei zu den
bestmöglien Bedingungen. Offiziell bestreitet die Vatikanbank weiterhin
jede Mitverantwortung an der Miwirtsa, erklärt si aber zu einer
«freiwilligen Ausgleiszahlung» von 240 Millionen Dollar bereit. De facto
ist das ein Eingeständnis der Miätersa. Wäre sie tatsäli an den
Ursaen des Crash nit beteiligt gewesen, wäre es folgeritig gewesen,
si mit den anderen Banken des Komitees zusammenzusließen. Im
Vertragsprotokoll ist zu lesen, da die Summe «einzig aufgrund seiner [des
IOR – Anm. d. A.] besonderen Stellung» sowie «in einem Geiste
weselseitiger Versöhnung und Zusammenarbeit» ausgezahlt werde.
Am 4.  Juni betont die Tageszeitung des Heiligen Stuhls, der Oervatore
Romano, mit diesem Sri sei «die Erleiterung einer globalen Lösung zur
Konsolidierung au der internationalen Beziehungen» beabsitigt. Unter
rein finanziellem Aspekt sind 240 Millionen Dollar im Verhältnis zum realen
Umfang der Sulden ein großartiges Gesä. Marcinkus mu si damit
abfinden, zumal ihn drei Jahre später, im Februar  1987, ein Habefehl der
Mailänder Justiz ereilt. Wie wir gesehen haben, eine juristis überflüige
Maßnahme, weil es si bei Marcinkus um eine strafretli nit
verfolgbare Persönlikeit handelt. Der Vorstoß des Gerits mat aber sein
weiteres Verbleiben an der Spitze des IOR vollkommen intolerabel, au
wenn si der Vatikan mit traditioneller Langsamkeit und Bedätigkeit zwei
Jahre Zeit lät, um ihn seines Postens zu entheben. Johannes Paul  II.
persönli wird ihn von den Spalten des Oervatore Romano aus im
März 1989 verabsieden.
Knapp und bier der Kommentar des Erzbisofs: «Im Fall Calvi werde
i immer als derjenige in Erinnerung bleiben, der die Rolle des Surken
gespielt hat.» Marcinkus ist jedenfalls bis 1997 im Vatikan geblieben, na
Erreien des Pensionsalters von 75.  Jahren hat er alle seine Ämter
niedergelegt und ist in die Vereinigten Staaten zurügekehrt, wo er bis zu
seinem Tode 2006 in der Pfarrei St. Clemens in Sun City das beseidene
Amt eines Vikars bekleidete.
Zynis? Naiv? Chaotis? Die Verdätigungen und Ansuldigungen
gegen seine Person waren zahllos, keine davon führte zu einer
retskräigen Verurteilung.[7] Um eine angemeene Bilanz seines Wirkens
zu ziehen, müte man mehr über die vielen geheim gebliebenen
Maensaen und Winkelzüge wien, die vielleit erst in einigen
Jahrhunderten ans Lit kommen werden, falls sie jemals ans Tageslit
kommen. 1989 fällt die Berliner Mauer; 1991 wird auf dem Kreml in Moskau
die Fahne der Sowjetunion eingeholt. Damit ist die furtbare Gesite des
20.  Jahrhunderts mit seinen zwei Weltkriegen, den Gräueltaten und dem
Kalten Krieg abgesloen. Es ist nit allzu gewagt zu sagen, da der
clevere Marcinkus zu dieser Entwilung einen nit unerheblien Beitrag
geleistet hat, mit all dem smutzigen und sauberen Geld, das er
zusammengetragen hat und dort hat hinfließen laen, wo in dieselbe
Ritung gearbeitet wurde.

Na Marcinkus’ Abgang bleibt im Vatikan der Mann zurü, der sein treuer
Gefolgsmann war, der ihm nageeifert hat und der ihn im Endeffekt sogar
no übertreffen wird: Er heißt Donato De Bonis, ist ein Priester aus dem
Süden Italiens, 1930 in einfaen Verhältnien in Pietragalla (Basilikata)
geboren. Zwar ist Marcinkus sein Lehrmeister gewesen, De Bonis wird si
aber als sehr viel zyniser und no cleverer erweisen. Seine Erfindung ist
eine Art geheimer IOR, zu dem auließli er den Generalslüel besitzt,
ein etes Offshore-System mien im Herzen Roms, reine Manövriermae
von vielen Milliarden (Lire), die beliebig versoben werden können, und bei
dem man so viel Zinsen bekommt, wie sie keine europäise Bank sonst in
der Lage wäre auszuzahlen, vor allem dank der fiskalisen Privilegien, von
denen der Vatikan no immer profitiert.
Besonders florierend ist das auf den Namen von Kardinal Francis J.
Spellman (1889–1967) eingetragene Konto. Ein Name von großem Gewit
vor allem, seit der mätige Erzbisof von New York als Protagonist des
glühendsten Antikommunismus hervorgetreten ist und als unermüdlier
Verfeter der finanziellen Intereen der Kire. Sein Miionseifer war so
ausgeprägt, da er nit davor zurüsrete, jedesmal gegen Eleanor
Roosevelt und sogar John F. Kennedy zu polemisieren, wenn er die
Bundesmiel für die katholisen Sulen in Frage gestellt sah. Diese
Leidensa ging so weit, da er si im Wahlkampf 1960 nit für den
katholisen Kandidaten John F. Kennedy, sondern für deen Gegner
Riard Nixon aupra, der ihm größere Garantien für eine konkrete
Unterstützung der Kire zu bieten sien. Zu keiner Zeit hat der
kämpferise Kardinal ein Hehl aus seiner Unterstützung für die (eindeutig
verfaungswidrige) Kampagne des Senators Joseph McCarthy gegen
«unamerikanise Umtriebe» gemat, und au später nit aus seiner
Sympathie für übelste Diktatoren, zum Beispiel Nicaraguas Anastasio
Somoza.
Da ausgerenet er der Namensgeber für das geheime Bankkonto des
Vatikans war, kann also eher in einen psyologisen als politisen
Kontext eingeordnet werden, man könnte es als eine Frage gemeinsamer
«Ideale» bezeinen, wenn nit der Begriff «Affinität» do geeigneter
ersiene. Im Übrigen war es Spellmann, der in den unmielbaren
Nakriegsjahren die geheimen amerikanisen Fonds zur Finanzierung der
Democrazia Cristiana (Christdemokratisen Partei Italiens) koordinierte.
Na Gianluigi Nuzzis Rekonstruktion in Vatikan  AG wurden allein in
den Jahren 1987 bis 1992 auf das Konto mit der genauen Bezeinung
Fondazione cardinale Francis Spellman (Stiung Kardinal Francis
Spellmann) nit weniger als 26  Milliarden Lire in Form von Bargeld und
Wertpapieren eingezahlt. Ein kleiner Teil dieses Satzes geht als Almosen
und Senkungen an Mönsorden, Priester, Swestern, Klöster,
Kinderdörfer. Der bei weitem größte Teil dieser Gelder aber hat weitaus
irdisere und fast immer zwielitige oder zumindest undursitige
Empfänger. Es kommt so weit, da der neue Präsident des IOR, Angelo
Caloia, beunruhigt über diese Geldflüe, deren smutzige Zwee er ahnt,
na reiflier Überlegung im August  1992 Papst Johannes Paul  II.
informiert. Er hat den Verdat, da diese als wohltätige Werke getarnten
Hunderte von Milliarden in Wahrheit «retswidrige Operationen»
kasieren. Besonders zynis sind die Denamen sol illegaler, einzig und
allein auf Profit ausgeriteter Geldwäse-Operationen, die si der
«Armen Kinder» (Bimbi poveri), der «Dienerinnen der gölien
Vorsehung» (Ancelle della Divina Provvidenza), der «Heiligen
Totenmeen» (Sante Messe per i defunti) und versiedener Heiligenfiguren
bedienten.

Dies ist aber jedenfalls nur der Auakt deen, was kurz darauf paieren
wird, als ein Großteil der sogenannten « Maxitangente[8] Enimont » dur
den IOR gesleust wird, au bekannt als «die Muer aller Smiergelder»
– Paraphrase einer Floskel von Saddam Huein. Um annähernd zu
begreifen, worum es geht, mu man bis zum Mai  1989 zurügehen, zur
Geburttunde des italienisen Chemiegiganten Enimont, deen Aktien zu
80  Prozent je zur Häle zwisen der staatlien Gesellsa Eni und der
privaten Montedison aufgeteilt sind, dem Familienkonzern der Ferruzzis aus
Ravenna.
Aus dieser Fusion erwäst eine der weltgrößten Chemie-Gruppen. Chef
des privaten Teils der Gruppe ist Raul Gardini, genannt «der Korsar». Der
Swiegersohn des Gründers Serafino Ferruzzi ist die unheimlie
Verkörperung eines Unternehmer-Abenteurers, eines Visionärs, der
auließli von Großprojekten umgetrieben ist. Wie es Gardinis
Temperament entsprit, ist er nit mit der Häle zufrieden, er will den
ganzen Konzern und betreibt seinen Aufstieg in der Gruppe von innen. An
dem Punkt verlangt Eni-Präsident Gabriele Cagliari, das Bündnis mit dem
«Korsaren» zu beenden. Gerade einmal anderthalb Jahre na der Gründung
ist der Traum einer italienisen Chemie-Gruppe von Weltrang ausgeträumt.
Gardini wird vor die Wahl gestellt: entweder er kau alles oder er
verswindet von der Bühne. Er entseidet si für die zweite Option, und
für eine Summe von 2 800  Milliarden Lire (mehr als anderthalb Milliarden
Euro) verkau er seine Anteile wieder an Eni zurü.
Hier nimmt die Affäre eine sehr hälie Wende, denn diese Summe ist
unverhältnismäßig ho. Später erfährt man, da zur Einwilligung der
versiedenen an der Transaktion beteiligten Parteien (und das waren viele)
unter der Hand diesen Parteien, Strohmännern, Gesäemaern, Agenten
und Maklern beträtlie Summen gespendet werden muten. Es soll dabei
um eine Gesamtsumme zwisen 130 bis 170 Milliarden Lire gegangen sein,
die genaue Zahl konnte nie ermielt werden. Und ein großer Teil dieses
Geldes, etwa 100 Milliarden, nimmt seinen Weg dur den IOR, bevor es auf
versiedene Konten in aller Welt gelangt, vor allem in der Sweiz. Als die
Affäre auffliegt, setzen die beiden Hauptfiguren Raul Gardini und Gabriele
Cagliari ihrem Leben dur Selbstmord ein Ende und verlängern so die Liste
der gewaltsamen Tode, die der Flu all jener zu sein seint, deren Weg si
in irgendeiner Weise mit dem IOR kreuzt.
Der eigentlie Protagonist, der «Verteiler» der Maxitangente, bleibt
Monsignor De Bonis. In seinem Bu Patria (Vaterland, 2009) beritet der
Journalist Enrico Deaglio über die folgende Szene vom 27.  April  1993, die
eine Idee von dem Milieu und der Atmosphäre vermielt, in der si dieser
Monsignore äußerst ungeniert bewegte. Wir sind
… in der römisen Kire Santa Maria della Fiducia, in Anwesenheit von mehr als 1000
Personen, fünfzehn Kardinälen, vierzig Bisöfen, dem ehemaligen Minister Colombo, dem
ehemaligen Staatspräsidenten Coiga. Zum Bisof geweiht wird Monsignor Donato De
Bonis, ehemals rete Hand von Erzbisof Paul Marcinkus, ehemals Generalsekretär des
IOR, der Vatikanbank. Der neue Prälat begibt si zum Altar und verkündet: «I möte
Präsident Andreoi dafür danken, da er uns mit seinem Rat gereet hat. Mien in der
Nat hat er uns in unseren Büros mit seinen Ratslägen vor ernsten Gefahren bewahrt.» In
der Kire brandet ein viele Minuten lang anhaltender Beifall auf.

Ganz unverhohlen also dankt De Bonis Andreoi für die Hilfe, die dieser
ihm in den sweren Zeiten des Ambrosiano-Skandals zukommen ließ. Nit
unerwähnt bleiben sollte die Tatsae, da der Monsignore denselben
Andreoi im Falle seines Todes als Erben des Girokontos «Stiung
Spellman» eingesetzt hae.
In dieser Gesite, die si beinahe son wie ein Roman noir liest, hat
nun eine Nebenfigur ihren Auri, die nit weniger romanha ist: Luigi
Bisignani. Na beseidenen Anfängen als Journalist bei einer
Preeagentur mat Bisignani plötzli Karriere und wird zum Leiter
parastaatlier Unternehmen befördert. Er lernt snell, mit eigenem und
dem Geld anderer Handel zu treiben. Wie es für jeden erfolgreien
Gesäsmann dieser Jahre obligatoris gewesen zu sein seint, sreibt er
si bei der P2-Loge ein (Mitgliedsnummer 1689) und findet in der von De
Bonis verwalteten Vatikanbank ein Terminal für seine Transaktionen. Kurz:
Er wird einer der Hauptakteure deen, was später als Tangentopoli[9] in die
Zeitgesite eingeht, und er wird seine Fehler mit 3. Jahren und 4 Monaten
Gefängnis bezahlen, aber, wie wir sehen werden, nit nur seine eigenen.

Zu Beginn des Jahres 1993 eröffnen die Staatsanwaltsaen von Rom und
Mailand intensive Ermilungsverfahren zur sogenannten Maxitangente. Um
zu verstehen, was das hieß, mu man si kurz in Erinnerung rufen, was für
eine Atmosphäre in diesen Monaten in Italien herrste. Die Ermilungen
der Staatsanwälte waren von der Sympathie des ganzen Landes getragen, die
sole Ausmaße annahm, da sie gelegentli sogar in Fanatismus
umslug. Die Mailänder Staatsanwälte wurden als Räer aller
Ungeretigkeiten gefeiert, auf der Straße wurde ihnen von allen Seiten
Beifall geklatst. Sie wurden angespornt, nit loerzulaen und vor
allem, si von niemandem einsütern zu laen. Angesits dieser
matvollen und zuglei gefährlien Welle von Popularität wird De Bonis’
Position unhaltbar. Der Vatikan sieht si genötigt, ihn von seinem Posten in
der Bank zu entfernen und damit aus der Sulinie zu nehmen. Er wird
zum geistlien Aistenten beim Souveränen Malteserorden wegbefördert,
eines im 11.  Jahrhundert aus einem Pilgerspital im Heiligen Land
hervorgegangenen geistlien Rierordens, der heute vor allem Kranken-
und Sozialdienst leistet. Das neue Amt erseint erhebli weniger
einflurei als das vorhergehende, und do zieht der
unternehmungslustige Monsignore au von dort aus no lange
unvermindert die geheimen Strippen des IOR.
Dur die Auagen einiger redseliger Zeugen ist es den Staatsanwälten
inzwisen gelungen, die Geldflüe der Maxitangente nazuvollziehen.
Klar ist inzwisen au, da am Ende dieses Weges die Vatikanbank steht,
die si aber, als sie von der Staatsanwaltsa um Erklärungen gebeten
wird, wie übli auf die Antwort besränkt, die Anfrage müe offiziell über
ein internationales Amtshilfeersuen zugestellt werden. Bisignani ahnt, was
die Gloe geslagen hat, erkennt, da dies der Moment zum Verswinden
ist. Eilig sließt er die Konten, füllt einige Koffer mit allem Bargeld, deen
er habha werden kann, und mat si aus dem Staub. Inzwisen
bezitigt IOR-Präsident Caloia, ersüert von der unerhörten Menge der
von ihm festgestellten Geldtransaktionen, De Bonis ganz offen «bewut
krimineller Maensaen». Im Oktober sreibt er einen dramatisen
Brief an den vatikanisen Staatekretär Angelo Sodano. In dem ebenfalls in
Gianluigi Nuzzis Bu abgedruten Dokument ist unter anderem zu lesen,
da die dur den IOR transferierten Wertpapiere

… von Smiergeldzahlungen an Politiker [stammen] und die Beträge mit Sierheit als
sauberes Geld an sie zurügingen. Es sind exakt dieselben Meanismen wie in der
Vergangenheit … Man kann si des Gefühls nit erwehren, da wir es hier mit einem
hoexplosiven Sprengsatz zu tun haben, der den hösten Amtsträgern zur Kenntnis
gebrat werden mu.[10]

Tatsäli informiert Sodano Papst Johannes Paul II. Mit dem Ergebnis, da
die Haltung des Vatikans, als im November das offizielle Amthilfeersuen
eintri, wieder einmal gespalten ist. Die einen sind der Auffaung, da es
nun an der Zeit sei, etwas zuzugeben; die anderen dagegen halten es – selbst
wenn man diese Linie verfolgen wollte – für opportun, so wenig wie mögli
offenzulegen, nur die Geldgesäe zuzugeben, die absolut nit geleugnet
werden können, und den Rest zu versweigen. Vor allem mu weiterhin De
Bonis’ Gesit gewahrt werden, der bei Gefahr imstande wäre, einen
Großteil der Hierarie in einen Skandal ohnegleien hineinzuziehen.
Der venezolanise Kardinal José Rosalio Castillo Lara, Satzminister
und Präsident des Aufsitsrates des IOR, wird beauragt,
Verteidigungtrategien zu entwieln, damit die Reputation des Heiligen
Stuhls keinen Saden nimmt, worin er si als äußerst gesit erweist. In
Interviews bekräigt er mehrfa, da der Vatikan mit den Behörden der
Republik ohne Einsränkungen zusammenarbeite und da der IOR ein
Opfer von Manövern geworden sei, die ihren Ausgang anderswo genommen
häen: «Der Vatikan ist für eine Operation instrumentalisiert worden, deren
Sinn und Zwe wir nit kennen.»
Vor allem zeigt er si überzeugt, da De Bonis vom unzuläigen
Gebrau der dur seine Hände gegangenen Gelder keinerlei Kenntnis
hae. Au fehlt nit der Hinweis, da De Bonis als
Führungspersönlikeit des Vatikans na den Bestimmungen des
Konkordats vor der Strafverfolgung dur einen fremden Staat (gemeint ist
Italien) gesützt sei. Zum Sündenbo wird in diesem Fall Luigi Bisignani,
auf den der größte Teil der Verantwortlikeit abgewälzt wird. Als dieser
einige Monate später wieder auaut, wird er versuen, diesem Slag
auszuweien, indem au er behauptet, keine Kenntnis über die Natur
dieser für Smiergeldzahlungen vorgesehenen Geldflüe gehabt zu haben.

Wie ging es weiter mit der Affäre Enimont? Die Antwort auf den
Amtshilfeantrag der Ermilungsriter geht na zwei Monaten an die
Mailänder Staatsanwaltsa, also im Dezember. Sie ist sehr gesit
formuliert: Ein Minimum an Zugeständnien wird mit einer so
nadrülien Willensbekundung zur Zusammenarbeit verpat, da sie
wie das Maximum deen wirkt, was man unter den gegebenen Umständen
tun kann.
Na Auage Carlo Samas, eines weiteren Swiegersohns des
Montedison-Gründers Serafino Ferruzzi, soll der Preis für die «Wäse» der
Besteungsgelder 9 Milliarden Lire gewesen sein. Im Mai 2009 wurde Sama
von Gian Antonio Stella für den Corriere della Sera interviewt und unter
anderem gefragt, wozu denn alle diese Besteungsgelder an die Parteien
gezahlt wurden. Und als sei es das Selbstverständliste von der Welt, war
seine Antwort: «Wenn wir unseren Weg weitergehen wollten …, war es
unmögli, si den Besteungsgeldern zu entziehen.»
Der Proze um die Maxitangente Enimont begann im Juli 1994. Auf der
Anklagebank saßen die hösten politisen Repräsentanten des Landes:
darunter Arnaldo Forlani, Beino Craxi, Umberto Boi, Gianni De Mielis,
Giorgio La Malfa, Paolo Cirino Pomicino.[11] Im Oktober 1995 wurden fast
alle zu Strafen verurteilt, die in den folgenden Instanzen au bestätigt
wurden.
Der kriminelle Komplex Tangentopoli, besonders aber dieser Proze, hat
die Gesite der Ersten Republik besiegelt, deren letzte Stunde also nit in
einem Parlament, sondern in einem Geritaal slug. Bei den
Parlamentswahlen von 1994 präsentierte si eine neue Partei, für die man
einen genialen Namen fand: Forza Italia! – «Vorwärts, Italien!», der Ruf, mit
dem Fußballfans ihre Mannsa anfeuern. Die Partei wird von einem
ebenso umstrienen wie dynamisen Unternehmer geführt, der si zu
diesem Zeitpunkt in großen Swierigkeiten befindet: Silvio Berlusconi,
übrigens au er ein Mitglied der P2-Loge (Mitgliedsnummer 1816).
Innerhalb weniger Monate wird in einer wahren Blitzaktion die Struktur
seiner Werbeagentur Publitalia in eine politise Partei umgewandelt und in
einem Land politis durgesetzt, das in Saen Glaubwürdigkeit seiner
Institutionen gerade eine beispiellose Krise durgemat hat.
Was den IOR betri – ob es nun eine Umstrukturierung der Methoden
und der Verwaltung gegeben hat oder nit –, so ist das Institut jedenfalls
eine Zeitlang aus den Slagzeilen verswunden, die es mit der Affäre
Ambrosiano und der Affäre Montedison jahrelang beherrst hae. Von den
Milliardengebirgen hat si fast jede Spur verloren. Die Vatikanbank hat
jedenfalls nie etwas zurüerstaet.
Am Ende dieser Erzählung sei no einmal das Grundproblem aus dem
bereits zitierten Kolloquium mit Kardinal Ruini angeführt: «Es mu
gelingen, die moralise Absolutheit mit dem historisen Realismus zu
verbinden, das ist die Herausforderung.»
In unserem Fall hat der historise Realismus jedenfalls die Oberhand
behalten.
XII. DIE GÖTTLICHE KAPELLE
MICHELANGELO FORDERT DIE EWIGKEIT
HERAUS

B
EIM BETRETEN DER SIXTINISCHEN KAPELLE ist man wie
geblendet. I sage das ganz ohne Rhetorik, ohne Emphase, als einfae
Feststellung. Wer zu sehen weiß, ist überwältigt von der geballten Menge
der 150 Figuren, von der Rätselhaigkeit einzelner Szenen, von der Illusion
der inexistenten aritektonisen Reliefs und Ornamente, von der
Meistersa der Proportionen in gigantisem Maßstab, von der Aueilung
der riesigen Fläe, von der verdoppelten und verdreifaten, offenen und
verdeten gölien Majestät. Hunderte von Gesitern und Gliedmaßen,
bekleidet und nat, verteilt über das Gewölbe und die Stirnwand mit dem
Giudizio, dem Jüngsten Gerit: den Himmel und die Erde vor Augen. Zu
sagen, da es auf der Welt nits Vergleibares gibt, ist wohlfeil; aber zu
wien, wie diese Figuren entstanden sind, wele geradezu bösartigen
Gründe den Aurag an Mielangelo begünstigt haben, in weler Art und
Weise er die Arbeit konzipiert und in einem titanisen Unternehmen zu
Ende geführt hat, ist notwendig, wenn man begreifen will, was das für ein
Werk ist, mit dem man es hier zu tun hat.
Mit den Mauern mu man beginnen, denn die Kapelle wurde zwisen
1475 und 1481 na dem Willen von Papst Sixtus  IV. della Rovere (1471–
1484) in koloalen Dimensionen erbaut: 40 mal 13  Meter für die
Grundfläe, fast 21 Meter in der Höhe. Kaum war der Bau beendet, rief der
Papst einige der bekanntesten Künstler aus der Toskana und aus Umbrien
zusammen, also damals die besten der Welt, damit sie die Wände mit
Fresken bemalten. So maten si Boicelli und Ghirlandaio, Perugino und
Pinturicio, Luca Signorelli und Piero Di Cosimo an die Arbeit und
verliehen dem größten Gemäldezyklus des späten 15.  Jahrhunderts Gestalt.
Diese großen Meister führten an den Wandfläen unterhalb der Fenster
einen Fries mit großformatigen Freskenzyklen aus. Mit Bli aufs Jüngste
Gerit zur Linken sind Gesiten aus dem Leben Moses’ dargestellt, zur
Reten Gesiten aus dem Leben Jesu bis zum Letzten Abendmahl.
An der Stirnseite war na der Mode der Zeit ursprüngli ein mit
vergoldeten Sternen bestiter blauer Himmel nagebildet.
Und genau an diese Stirnseite date Papst Julius II. (1503–1513) zunäst,
der als Sixtus’ Neffe ebenfalls zur Familie della Rovere gehörte und mit
28.  Jahren zum Kardinal befördert worden war. Er wollte, da dieses
beeindruende Bauwerk erneuert und einzigartig würde. Für die
Ausführung des ehrgeizigen Projektes berief er Mielangelo Buonarroti. Die
Beziehung zwisen diesen beiden sehr starken Persönlikeiten hae
Höhen und Tiefen durlaufen, au Momente von eter Spannung und
Streit. Der Künstler hae dem Papst gegenüber Verhaltensweisen an den Tag
gelegt, die si auf der Welt nur wenige häen leisten dürfen, vor allem
gegenüber diesem Papst. Den Meister grämte zudem die Ungewiheit über
einen anderen Aurag, den der Papst ihm zuvor erteilt hae und über den er
nits mehr in Erfahrung bringen konnte. Dabei ging es darum, im Innern
des Petersdoms ein monumentales, mit mehr als vierzig Statuen
gesmütes Grabmal zu erriten, ein grandioses Projekt, absolut neuartig,
das Mielangelo sehr am Herzen lag und das auf eindrusvolle Weise
Aritektur und Skulptur vereinigen sollte.
In der Zwisenzeit hae Papst Julius aber seine Meinung geändert.
Vollkommen absorbiert vom Bau des neuen Petersdoms dur Donato
Bramante date er nit mehr an das Grab, wollte stadeen die Kapelle
von Papst Sixtus erneuern laen. Das war der erste Streit. 1508 war
Mielangelo etwas über 30 Jahre alt, berühmt zwar, aber mehr aufgrund
seiner Marmorwerke (die Pietà, der David) als für seine Malerei. Es war
Bramante selbst, der Aritekt und Maler, der Öl ins Feuer go. Er brate
den Papst auf Mielangelo, aus versiedenen Gründen, wobei au die
Rivalität, die er ihm gegenüber empfand, eine Rolle spielte. Bramante hae
den vielverspreenden Raffael zu protegieren, der aus den Marken stammte
wie er und fast ein Verwandter war, dazu mit seinen 25. Jahren no jung.
Verweigerte Mielangelo den Aurag, häe er den Papst erneut verärgert;
nahm er ihn an, war es unwahrseinli, da es ihm gelingen würde, in
diesen Dimensionen ein zufriedenstellendes Werk abzuliefern.
Die Anfangsidee für das Gewölbe war eigentli nit einmal allzu
kompliziert: Der Meister häe in die Gewölbezwiel zwisen den Lüneen
die zwölf Apostel malen sollen. Mielangelo übernahm den Aurag, aber
unter einer Bedingung: Er würde nur das malen, was er na seinen
Vorstellungen für ritig hielt. Es ist heute nur swierig zu ermeen, wie
kühn ein soles Ansinnen damals war. Dieser junge Mann von dreißig
Jahren verweigerte si allen Vorsrien und Regeln, verlangte von einem
Papst, der doppelt so alt war wie er selbst und einen eisernen Willen besaß,
an einem heiligen Ort mit absoluter Freiheit und na eigenem Gutdünken
malen zu dürfen. Nit nur die Gewölbezwiel, sondern die gesamte Dee,
die Lüneen, die Dreiesfläen darüber, eine Fläe von mehr als 1000
Quadratmetern. Und tatsäli, der unglaublien Forderung des Künstlers
wurde eine ebenso unglaublie Antwort dieses Papstes zuteil, der sonst in
allen Entseidungen so hart war wie das Holz der Eie auf seinem
Familienwappen: In Ordnung, i akzeptiere.
Nun ging es darum, die Arbeit zu organisieren. Um si auf Armlänge den
Mauern und Gewölben nähern zu können, entwielte und konstruierte der
Meister selbst ein spezielles Gerüst. Dieses Gerüst wurde zunäst an der
Eingangeite montiert, dann stüweise zum Altar vorgesoben, immer so,
da die Goesdienste und kirlien Funktionen au während der
Arbeiten weiter stafinden konnten. Der Künstler hae keine besondere
Erfahrung in der Freskenmalerei, die, wie der Name son sagt, sehr snell
auf den no feuten Putz aufgetragen wird, soda si die Farben mit der
Mae «verkieseln» – wie das Fawort für diesen emisen Proze heißt
– und sie ein integraler Bestandteil davon werden.[1] Zu diesem Mangel an
Erfahrung kam no die unausweilie Konfrontation seines Werkes mit
denen einiger der besten Künstler des vorangegangenen Jahrhunderts, direkt
darunter. Glei zu Anfang wandte si der Meister an ein paar Freunde,
damit sie in Florenz ein kleines Spezialistenteam versierter Maler
rekrutierten, die imstande wären, ihm beim praktisen Teil der Arbeit zu
helfen. Eine Gruppe von sieben eifrigen Helfern wurde zusammengestellt,
einige bekannt, andere weniger oder gar nit, alle jung, tütig und treu
ergeben.
Das ging aber nit gut. Aus Gründen, die wir erahnen können, in der
Substanz aber nit kennen, wurden die Helfer, so tütig sie au waren,
na Florenz zurügesit. Dazu Vasari:
Als er aber sah, da ihre Bemühungen weit von seinen Vorstellungen entfernt waren und
ihn nit zufriedenstellten, entsied er eines Morgens, alles abzuslagen, was sie gesaffen
haen. Dann slo er si in der Kapelle ein, verweigerte ihnen den Einla und ließ si
au nit sehen, wenn er zu Hause war. Als ihnen diese Farce zu lange dauerte, braen sie
auf und kehrten gedemütigt na Florenz zurü.[2]

Einige Helfer aber müen auf jeden Fall dageblieben sein, und sei es nur, um
ihm die einfasten Aufgaben abzunehmen: die Vorbereitung des Putzes, das
Zerstoßen der Farben, ihre Misung, der Transport, die Reinigung und
Wartung des Handwerkszeugs.
Die praktisen Arbeitsbedingungen waren unmensli. Stundenlang
mute er mit erhobenem Arm dastehen, die Nase wenige Zentimeter vom
Gewölbe entfernt, wobei ihm ständig die Farbe ins Gesit trope. Das
grenzte an Folter. Während er mit seinem Werk voransri, hae
Mielangelo die Kritiker im Zaum zu halten, si vor seinen Gegnern zu
hüten, den Papst dazu zu bringen, ihm das Zustehende zu bezahlen und
wurde außerdem von den penetranten Beeleien seiner eigenen
Familienangehörigen bedrängt. Dem ältesten seiner vier Brüder, Buonarroto,
sreibt er na der soundsovielten Geldforderung: «I mu Eu mieilen,
da i kein großes Vermögen habe und da i, wie man sagen könnte,
barfuß und nat bin und da i meinen Rest nit bekomme, bevor i das
Werk vollendet habe, und i mae sehr große Entbehrungen und
Mühsalen dur.» Und dem Vater: «I bin hier weiterhin unzufrieden, nit
allzu gesund und mühe mi unabläig ab, ohne Hilfe und ohne Geld.»[3]
An den rüsitslosesten seiner Brüder, Giovan Simone, ritet
Mielangelo eines Tages den äußerst heigen Vorwurf:

Seit zwölf Jahren durziehe i elend genug ganz Italien, ertrage jede Sande, erdulde jede
Strapaze, zerreiße mir den Körper in allen nur möglien Mühen, setze mein Leben tausend
Gefahren aus – und das alles nur für meine Familie. Und jetzt, da i begonnen habe, deren
Rang ein wenig zu erhöhen, willst du derjenige sein, der in einer Stunde alles verdirbt und
ruiniert, was i in so langen Jahren mit so unsäglien Anstrengungen erreit habe – beim
Leibe Christi, so wird es nit kommen! Wenn nötig, nehme i es mit zehntausend von
deinem Slag auf![4]

Während Mielangelo in der Sixtina arbeitete, hae der jüngere Raffael


begonnen, die vier «Stanzen» (Papstgemäer, von ital. stanza – Zimmer) im
zweiten Stowerk des Apostolisen Palastes auszumalen, die Julius  II. zu
seiner Residenz erwählt hae und die später «Stanzen des Raffael» genannt
werden sollten. Mielangelo hae seine Arbeit Anfang Mai begonnen,
Raffael in den letzten Monaten deelben Jahres (1508). Von
untersiedliem Temperament und, wie man weiß, untersiedli in der
Art zu malen, war die Beziehung der beiden Künstler miteinander
entspreend swierig.
Zwei Anekdoten (von vielen) illustrieren die angespannte Situation, die
si zwisen ihnen entwielt hae. Na einer lange überlieferten
Gesite soll Bramante einen Slüel zur Sixtinisen Kapelle beseen
haben. Eine Abwesenheit Mielangelos nutzend, ließ er heimli seinen
Protegé Raffael dort hinein, um ihm die Figuren zu zeigen, die der sehr viel
ältere Meister in Arbeit hae, damit er davon lernen konnte. Als Papst Julius
1511 so ungeduldig geworden war, da er die Gerüstbalken niederreißen
ließ, um wenigstens die bereits vollendeten Teile des Deenfreskos ansehen
zu können, hae Raffael die Stirn, den Papst zu fragen, ob er nit ihm den
Aurag erteilen wolle, das fertigzustellen, was no übrig geblieben war.
Dazu sreibt Mielangelos treuer Biograph Ascanio Condivi: «Dadur
wurde Mielangelo sehr aufgebrat, und vor Papst Julius gekommen,
beklagte er si nadrüli über das Unret, das ihm Bramante antue.
Und in deen Gegenwart beswerte er si darüber beim Papst, indem er
ihm alle Verfolgungen entdete, die er von ihm erlien.»[5] Der Papst
erwies si als sehr besonnen und als guter Riter, denn «als er diese
traurigen Dinge gehört hae, wünste er, Mielangelo solle weiterarbeiten,
und erwies ihm mehr Gunst als je zuvor.»[6]
Als Mens war Raffael bei weitem nit so engelha, wie man es
aufgrund der himmlisen Harmonie seiner Werke glauben möte. So
beritet beispielsweise der Maler und Chronist Giovan Paolo Lomazzo
(1538–92): «Als Raffael in Gesellsa seiner Süler eines Tages
Mielangelo traf, spra dieser ihn an: ‹Wo gehst du denn hin mit so einem
Hofstaat wie ein Propst?› – Und dieser entgegnete ihm: ‹Und Ihr, allein wie
ein Henker?›» Denno haben die beiden Künstler in denselben Jahren und
mit gleier Inbrunst, nur wenige Meter voneinander entfernt ihre
Meisterwerke gesaffen, die gleiermaßen zu den hösten Vermätnien
der westlien Kultur gehören.
Ganz vertie in sein anstrengendes Werk, allein, ohne Freunde (in einem
Brief: «I habe keine Freunde und i will au keine») kleert
Mielangelo bei Hitze wie Kälte jeden Morgen auf das Gerüst und nimmt
seine Arbeit auf. So lange dauert diese Qual, da der Künstler no lange
Zeit, nadem er das Werk beendet hae, sehbehindert war. Dazu Condivi:

Nadem dieses Werk fertig war, konnte Mielangelo, da er beim Malen so lange die Augen
das Gewölbe hinauf geritet hae, slet sehen, wenn er na abwärts blite, so da er,
wenn er einen Brief oder sonst etwas Kleines zu lesen hae, es mit den Armen über den Kopf
halten mute.[7]

Eine o gestellte Frage ist, ob si der Meister bei der Konzeption der
Erzählung – oder au: der eologie – der Gewölbefresken Rat und Hilfe
holte. Einige Historiker halten es für mögli, da hinter dem komplexen
ikonographisen Programm ein Fagelehrter, ein profunder Kenner der
Materie gestanden hat, deen Namen man sogar ausfindig maen könnte.
Auf jeden Fall wien wir, wie er methodis vorging. Die großen Künstler
des 15. Jahrhunderts haen mit ihren Freskenzyklen zum Leben Moses’ und
zum Leben Jesu die Chronologie der Erzählung vorgegeben und waren dabei
vom Altar ausgegangen.
Au Mielangelos Gesiten beginnen am Altar mit der Ersaffung
der Welt und kommen in neun Bildern bis zur rätselhaen Szene der
«Trunkenheit Noahs». Der Meister aber beginnt am Eingang zu malen, das
heißt im Sinne der Chronologie der Erzählung in entgegengesetzter
Ritung. Er mu also bereits zu Beginn seiner Arbeit genau gewut haben,
was er auf den darauf folgenden 40 Metern darstellen wollte. Bei genauem
Hinsehen springt au ins Auge, da die Figuren fortlaufend an Statur und
Ausdruskra gewinnen, als habe ihr Söpfer mit der Zeit an Sierheit
gewonnen, seine immensen Energien freizusetzen.
Von den Seitenwänden tri ein illusionistises Seingefüge, eine
gemalte Seinaritektur hervor, die Episoden und Figuren einrahmt,
organisiert und trennt. In den die Fensterbögen umgebenden Nisen, den
sog. Lüneen, sind die Vorfahren Christi dargestellt, na der Liste, die
Mahäus seinem Evangelium voranstellt, bis zu Maan, dem Vater Josefs,
also Jesu Großvater. Die Namen der größer dimensionierten Persönlikeiten
sind auf Sritafeln verzeinet. An die Stelle der ursprüngli für die
Zwielfläen vorgesehenen Apostel sind sieben Propheten und fünf
Sibyllen getreten, Männer und Frauen, Juden und Heiden. Sie repräsentieren
die Seher, die na der Vulgata die Geburt des Meias vorausgesagt haen.
Unter den Sibyllen ist die «Cumäise» am beeindruendsten: das
finstere Gesit einer Alten mit dem Körper eines Athleten, im Vordergrund
ein gewaltiger Arm. Eine widersprülie Figur, die das Dunkel des
Heidentums no einmal aulitzen lät. Die verführerisste dagegen ist
die Delphise Sibylle (Delphica auf der Insri), die mit apollinisem
Gesit als junge Frau dargestellt ist, erleutet von der Ausdruskra eines
intensiven, leit verstörten, fast no kindlien Blis. Gekrönt hat der
Künstler die Propheten und Sibyllen mit zehn Paaren nater junger Männer
in versiedenen Posen, die als Hommage an den Papst della Rovere Kränze
aus Eienbläern tragen: die berühmten Ignudi. Mielangelo hat no
viele weitere Figuren und Dekors eingefügt, auf die i in dieser
summarisen Besreibung nit eingehen kann. Die Literatur zum
Deenfresko der Sixtinisen Kapelle ist im Übrigen grenzenlos.
Der witigste Teil des Werks ist natürli das Mielfeld mit seinen neun
Freskengemälden, vier großen und fünf kleineren. Am dramatissten,
deshalb au am populärsten, sind zwei Szenen: Dio crea il sole, la luna e la
terra (Go ersa Sonne, Mond und Erde), in der Go zweimal dargestellt
ist; zur Reten ist er dabei, mit zuglei majestätiser wie mahnender
Gebärde die Sonne ins Firmament zu setzen; in der Szene, die als Folgeszene
betratet wird, dreht er dem Betrater den Rüen (und das nate Gesäß)
zu und sit si an, in der unergründlien Tiefe des Raums zu
verswinden.
Die zweite, no berühmtere Darstellung, ist die Creazione di Adamo (Die
Ersaffung Adams), wo ein halb liegender, verträumt auehender jungen
Mann zu sehen ist, deen Glieder si vom Grün-Blau eines Hügels
absetzen. Inmien eines Swarms von Engeln swebt in einem
windgeblähten violeen Tu Go auf ihn zu; den gölien Arm geret,
der ausgestrete Zeigefinger kurz davor, den Finger Adams zu berühren, um
ihm die Seele einzuhauen; die beiden Hände aber erreien einander nit,
die Geste erstarrt in dem unmielbar ihrer Vollendung vorausgehenden
Augenbli. Mit genialer Intuition hat es der Künstler dem Betrater
überlaen, ihn na seinem Gutdünken zu Ende zu bringen. Diese Bilder
sollten in ihrer Synthese des Menslien und des Gölien, der jüdisen
Bibel und der neuplatonisen Lehre zum Inbegriff, ja zum Symbol der
Renaiance-Kunst werden.
Die beiden kurzen Querseiten des Gewölbes sind von den Propheten
Saarja (über dem Eingang) und Jona (über dem Altar) besetzt. Viele
Kritiker sehen in der Gegenüberstellung dieser beiden Figuren die
exemplarise Veransauliung von Mielangelos Stilevolution. Saarja
sitzt in die Lektüre eines Bues versunken, in dem er bläert. Seine
Proportionen sind nit vollkommen, trotz des wallenden Bartes ist der Kopf
zu klein im Verhältnis zum Körper, der verzerrt wirkt, nit zuletzt aufgrund
des reihaltigen Faltenwurfs seines Gewandes. Jona ist von riesigen
Dimensionen, die größte Figur des gesamten Werkes, er sprengt sogar den
aritektonis vorgegebenen Rahmen, die Beine hängen irgendwie in der
Lu, während in der gewagten Drehung des Körpers seine Revolte zum
Ausdru kommt. Auf der reten Seite des Bildes glotzt dumäuseris der
(zoologis ein wenig approximativ gestaltete) «Wal» vor si hin, der ihn
eigentli verslingen müte. In einem Text von 1926 besreibt der
Kunstkritiker Adolfo Venturi die Szene so: «Eine vollkommene Statue, mit
Wut aus der Wand gerien, eine wunderbare gemalte Skulptur.»
Es ist o gefragt worden, aus welem Grund Jona so überdimensioniert
ist und weshalb er seinen Platz direkt über dem Altar hat, also genau da, wo
si na dem ersten Plan Petrus befinden sollte. Und weshalb er vom
Meister in dieser verdrehten und aufgewühlten Körperhaltung dargestellt
wurde, mit angstverzerrtem Mund und Bli.
Die Antwort liegt in der kuriosen Gesite dieser Persönlikeit, in der
si Glaube und Rebellion vermisen. Jona ist, obwohl die Bibel ihn zu den
zwölf «kleinen» Propheten zählt, eine einzigartige Figur: von Go gesandt,
um den Heiden zu predigen. Und er rebelliert, weil er seine Aufgabe für
undankbar hält. Um ihr zu entgehen, besteigt er sogar ein Siff, das in eine
ganz andere Ritung fährt. Do Go entfat einen Sturm, der das Siff
beinahe zum Kentern bringt. Beim Versu, die übrigen Insaen vor einer
Strafe bewahren, die nur ihm zugedat ist, biet er die Seeleute, ihn ins
Meer zu werfen, wo er allerdings soglei von einem großen Fis
verslungen wird. Aus dem Bau des Ungeheuers betet er zu Go, dem er
versiert, er werde den ihm anvertrauten Aurag ausführen. Na drei
Tagen sput es ihn aus und Jona landet unversehrt an einem Strand. Mit
einer Reihe von ähnlien Abenteuern geht die dramatise Gesite
weiter, um sließli damit zu enden, da es Jona gelingt, au in den
Heiden den Willen zur Reue zu erween.
Heute erinnern si nur no die Experten an ihn, do zu Zeiten
Mielangelos wurde diese Gesite vor allem aus zwei Gründen immer
wieder zitiert: zum einen wegen der Wiederauferstehung na drei Tagen
aus dem Grab in Gestalt des Walbaues. Wir sind da der Auferstehung Jesu
sehr nahe, wie sie au Mahäus (12, 38–40) besreibt:

Zu dieser Zeit sagten einige Srigelehrte und Pharisäer zu ihm: Meister, wir möten von
dir ein Zeien sehen. Er antwortete ihnen: Diese böse und treulose Generation fordert ein
Zeien, aber es wird ihr kein anderes gegeben werden als das Zeien des Propheten Jona.
Denn wie Jona drei Tage und drei Näte im Bau des Fises war, so wird au der
Mensensohn drei Tage und drei Näte im Innern der Erde sein.[8]

Der zweite und ebenso gewitige Grund ist na der anfänglien Rebellion
die Erleutung des Propheten über die gölie Barmherzigkeit. In der Tat
gibt es in seiner Legende ein Bewutsein von Sünde und Reue, die zum
Verständnis der Mat eines Goes führt, der das Herz der Mensen kennt
und zu vergeben weiß. Die Botsa des Jona in der Sixtina soll si auf die
potestas clavium (die Slüelgewalt) beziehen, dur die der Bisof von
Rom, wie Jona, die Welt zur Buße aufru. Diese Anmerkung bringt uns
zurü zu einer anderen Darstellung in der Kapelle, die nit von
Mielangelo ist, sondern aus dem vorangegangenen Zyklus aus dem
15.  Jahrhundert: Peruginos Consegna delle iavi (Übergabe der Slüel).
In dieser durkomponierten, sehr feierlien Szene sieht man Christus, der
dem vor ihm niederknienden Petrus die Slüel der beiden Reie übergibt.
Es ist der malerise Naweis für den gölien Ursprung der später von
Petrus auf seine Nafolger übergegangenen Mat. Im aktuellen
Kateismus der katholisen Kire ist zu lesen:

Das in der Heiligen Überlieferung und in der Heiligen Sri enthaltene «heilige Erbe» des
Glaubens ist von den Aposteln der Kire als ganzer anvertraut worden … Die Aufgabe aber,
das gesriebene oder überlieferte Wort Goes authentis auszulegen, ist allein dem
lebendigen Lehramt der Kire – das heißt den Bisöfen in Gemeinsa mit dem
Nafolger Petri, dem Bisof von Rom – anvertraut, deen Vollmat im Namen Jesu
Christi ausgeübt wird.[9]

Die Szene verweist also auf die Funktion, die die Sixtina inzwisen
dauerha übernommen hae: Die Kapelle ist, wenn man es so ausdrüen
darf, das Wahllokal des hösten Amtes der katholisen Welt.
In dieser Funktion wird die dur die Meistersa so vieler Künstler
göli gewordene Sixtinise Kapelle wieder mensli, sogar allzu
mensli, kann man sagen; denn um gewählt zu werden benötigt au ein
Papst, wie alle Mätigen der Erde, Kompromie und Verhandlungen, wie
sie jeder Sue na Konsens vorausgehen. In der Vergangenheit kam no
die Grausamkeit hinzu, die jene Zeiten zuließen, die die abgrundtiefe
Korruptheit zwemäßig erseinen ließ und die in Anbetrat der Höhe des
Einsatzes, der auf dem Spiel stand, unumgängli war.
Exemplaris dafür ist die Gesite der Marozia, die kurz vor dem Jahr
1000 einige Jahrzehnte lang die wahre Herrin des Papsums war, eine
Gesite von düsterer Faszination, die sehr eindrusvoll den «Geist»
jener Zeiten widerspiegelt. Maria, die Mariozza und später Marozia genannt
wurde, wird um 890 als Toter der eodora, einer ehemaligen
Prostituierten, und des eophylakt geboren, eines römisen Senators
germanisen Ursprungs. Der Überlieferung na war sie sehr sön,
jedenfalls wute sie ihre Sönheit offenbar sehr intelligent einzusetzen.
Ihre Muer eodora, Analphabetin zwar, aber ziemli slau, war die
Geliebte Johannes’ X. (914–928) gewesen. Marozia erreite weit mehr. Und
obwohl au sie Analphabetin war, gelang es ihr mindestens zwei Jahrzehnte
lang, dur Einflunahme auf die Wahl dreier Päpste das Leben Roms zu
beherrsen: Leos VI., Stephans VII. und Johannes’ XI. In seiner Gesite
der Stadt Rom im Mittelalter besreibt Ferdinand Gregorovius die beiden
Frauen mit diesen Worten: «Wir haben innerhalb des verkleinerten Kreises
der römisen Welt in eodora und Marozia keine neuen Mealinen zu
suen, sondern ehrgeizige Frauen von großem Verstande und Mut,
herrsbegierig und genusütig.»[10] Gierig waren sie gewi, au
slau, sehr gesite Taktikerinnen, die Toter no mehr als die Muer.
Bereits mit 15. Jahren war Marozia die Konkubine Papst Sergius’ III., ihres
Cousins. Eine Beziehung, die in Rom, wo die Korruptheit des Papsums der
Spiegel der allgemeinen gesellsalien Verhältnie war und jeder, der
über ausreiende Miel verfügte, si ihrer in diesem Sinne au bediente,
vor aller Augen ganz offen ausgelebt wurde. Im Jahre 910, als sie no nit
einmal 20 Jahre alt war, wurde der gemeinsame Sohn Giovanni geboren, der
seinerseits als Johannes XI. Papst werden sollte. Anseinend ließ Marozia,
weil sie von der Beziehung genug hae, Sergius  III. kurze Zeit darauf
umbringen, der si im Übrigen ledigli dur den katastrophalen
Niedergang einen Namen mate, in den er die Kire hineingerien hae.
Mit ihm beginnt jene Periode, die Liutprand (920–972), Bisof von Cremona
und Historiker, als «Pornokratie» oder die Herrsa der Prostituierten
bezeinen wird.
Marozia heiratet dreimal. Zuerst Alberi I., Herzog von Spoleto, mit dem
sie einen weiteren Sohn haben wird, Alberi II., auf den wir glei no zu
spreen kommen. Na dem Tode des Gaen (vielleit in einer Slat)
heiratet sie erneut, diesmal Guido, Markgraf von Tuszien, einen stolzen
Opponenten Johannes’ X., deen Absetzung Marozia dann au erreit;
kurze Zeit später wird der unglülie Papst erdroelt. 931 lät diese
furteinflößende Frau ihren erst 21 Jahre alten Sohn Johannes, der einen
fragilen Charakter und eine dramatise Unerfahrenheit für das swierige
Amt mitbringt, auf den Petrusthron steigen. In der Tat wird es die Muer
sein, die an seiner sta herrst, und möglierweise hat ihre aufdringlie
Präsenz dazu beigetragen, die Legende der sogenannten «Päpstin Johanna»
heraufzubeswören, der Frau also, die eine Zeitlang in Männerkleidern die
römise Kire regierte. Dazu no einmal Gregorovius: «Johannes XI. war
der Sohn dieser berütigten Römerin, wele si Senatrix, selbst Patricia
nennen ließ, weil sie in der Tat die weltlie Herrin der Stadt war und au
die Päpste ernannte. Man hielt für seinen Vater Sergius  III., was indes
ungewi ist.»[11]
Im Jahre 932 heiratete Marozia zum drien Mal. Der Auserwählte war
diesmal Ugo di Provenza (Hugo), König von Italien, den Gregorovius – und
wieder einmal greife i auf seine faszinierende Gesite der Stadt Rom im
Mittelalter zurü – so besreibt:

Ränkevoll und arglistig, wollüstig und habgierig, kühn und gewienlos, mit den treulosesten
Mieln dana strebend, sein italienises Königtum zu erweitern, war Hugo der wahre
Repräsentant seiner Zeit … Wäre es uns erlaubt, lange außerhalb Rom zu verweilen, so
würden wir dartun, wie jener Hugo die Bistümer und Abteien Italiens verkaue, mit freen
Günstlingen besetzte, jeder Begier den Zügel nahm und jedes Gefühl für das Ret erstite.
[12]

Da aber au Marozia zweifellos eine Persönlikeit ist, die ihre Epoe sehr
gut repräsentiert, waren die beiden sier ein Paar in perfektem Einklang mit
seiner Zeit.
Den Charakter dieses Hugo beleutet sehr sön ein Ereignis, das mit
eben dieser Heirat zu tun hat. Hugo war der Bruder von Marozias zweitem
Mann Guido. Also häe er sie gar nit heiraten dürfen, denn Ehen unter
Verswägerten galten als Inzest. Um das Hindernis zu umgehen, war er
skrupellos genug, seine eigene Muer zu verleumden und zu swören, er sei
der Spro einer ehebreerisen Beziehung, also nur Guidos Stieruder.
Befriedigt über die Eroberung der königlien Tiara, aber no immer
unersäli, bat Marozia den Papst, ihren Sohn Hugo zum Kaiser zu
proklamieren, und «sie sah si bereits im Purpur der Kaiserin glänzen, denn
ihr Sohn, Johannes XI., dure si nit weigern, seinem baldigen Stiefvater,
dem Könige Italiens, die Kaiserkrone aufs Haupt zu setzen.»[13] Es wäre ihr
ohne Weiteres au diesmal gelungen, denn Johannes war ein Spielzeug in
ihren Händen, wenn si nit ihr zweiter Sohn Alberi II. widersetzt häe,
der Hugo vertrieb, seine Muer gefangennehmen und Johannes  XI. im
päpstlien Palast unter Bewaung stellen ließ.
Die öffentlie Gesite Marozias endet hier, um aber der düsteren
Atmosphäre der Epoe einen weiteren Farbtupfer hinzuzufügen, führe i
no eine vielsagende Begebenheit dieser authentisen «Pornokratie» an.
Als Marozia beinahe sezig und ein ganzes Leben lang ihren Ambitionen
hinterhergelaufen war, site sie si an, ihre Tage als Gefangene in der
Festung des Castel Sant’Angelo zu besließen. Dort erfuhr sie, da
Oktavian von Spoleto, der Sohn Alberis II., also ihr Enkel, unter dem
Namen Johannes  XII. zum Papst gekürt worden war. Er war ein junger
Mann von knapp atzehn Jahren, völlig ungeeignet für das Amt, was er
au ausgiebig unter Beweis stellen sollte. Selbst Kardinal Bellarmin wute
das und sagte über ihn: «Fuerit fieri omnium deterrimus.» («Von allen
Päpsten wird er der sleteste gewesen sein»).
Die Liste seiner Verbreen ist endlos, man sagte über ihn, er habe sogar
Sünden erfunden, die es vorher gar nit gab; der Gipfel war jenes Roma
deplorabilis (Rom der Sande), gegen das si einige Jahrhunderte später
Luther heig wenden wird. Im Lateranpalast hielt der Papst einen Harem
junger Frauen und Knaben, die seinen Gelüsten jederzeit zur Verfügung
standen, er plünderte die Spenden der Pilger und versleuderte sie im Spiel,
füerte seine 2000 Pferde (was wahrseinli eine Übertreibung ist) mit
weingesäigten Mandeln und Feigen.
Kaiser Oo I. aus der säsisen Dynastie ritete ein sarfes Sreiben
an ihn:

… alle, sowohl Weltlie als au Geistlie, haben Eu angeklagt des Mordes, des Meineids,
der Tempelsändung, der Blutsande mit Eurer eigenen Verwandten und mit zweien
Swestern. Sie erklären no anderes, wovor das Ohr si sträubt, da Ihr dem Teufel
zugetrunken und beim Würfeln Zeus, Venus und andere Dämonen angerufen habt.[14]

Wie ein römiser Kaiser der Dekadenz starb er ganz jung, mit kaum
24.  Jahren, von einem eifersütigen Ehemann aus dem Fenster geworfen,
der ihn in flagrante delicto erwist hae, mit anderen Worten: im Be mit
seiner Ehefrau, einer gewien Stefanea, von der wir nits weiter wien.
Jedenfalls wurde er in San Giovanni in Laterano bestaet.
In den Jahren unmielbar zuvor hae es ein wenig bekanntes, aber sehr
bedeutsames Ereignis gegeben. Papst Formosus (891–896), der versut hae,
si zwisen zwei Potentaten durzulavieren, wurde na dem Willen
seines Nafolgers Stephan  VI. sogar exhumiert. Der mit den päpstlien
Gewändern angetanen, auf einem ron platzierten Leie wird in einer
sauerlien Geritsfarce der Proze gemat. Mit Spitzfindigkeiten
überführt und für suldig erklärt, wird Formosus für alle Ewigkeit
verurteilt, ansließend werden ihm die drei Finger der reten Hand
abgesnien, mit denen er den Segen erteilt hae, und seine Leie wird in
den Tiber geworfen. Vor allem aber, und das ist der eigentlie Grund für die
makabre Prozedur, werden alle seine Maßnahmen (also inklusive der
Ernennungen und Ordinationen) für null und nitig erklärt. Au
Stephan VI. nahm kein beeres Ende. Wenige Monate später wurde er na
einem Volksaufstand ins Gefängnis geworfen und dort umgehend erdroelt
(897).
Es hat zwar lange gedauert, denno ist es der Kire von Rom gelungen,
si eine klare Prozedur für die Wahl ihrer Spitze zu geben. Eine Reihe von
Regeln sind studiert und geprü worden, um wenigstens die offensitliste
Willkür zu vermeiden. Es hae Jahrhunderte gegeben, in denen der
Papshron an den Meistbietenden ging, Fälle erfolgreier Wahlen dank der
Ermordung des Konkurrenten, andere Fälle, in denenmätige römise
Familien (die Crescenzi, die Grafen von Tusculo) ret unverhohlen auf
Meuelmörder zurügegriffen haen, um zu besteen und zu töten.
Dabei ist zu berüsitigen, da der Petrusthron lange Zeit dem
Matkalkül, gelegentli au den Extravaganzen des Kaisers ausgesetzt
war, während das «Volk», das bei den Wahlen anfängli ein gewies
Gewit gehabt hae, wenn au nur wegen des Drus der Mae,
zunehmend beiseitegedrängt wurde. Eine der fundamentalen Reformen
verwirklite Papst Nikolaus II., der in seinem sehr kurzen Pontifikat (1058–
1061) das Wahlret auließli auf die römisen Kardinalbisöfe
besränkte. Erst später, wenn die Würfel son gefallen waren, sollten die
übrigen Kardinäle, der Klerus, das Volk ihrer Meinung Ausdru verleihen,
was dann aber nit mehr entseidend war. Heute würde man eine
derartige Reform äußerst negativ beurteilen. Damals war sie notwendig
geworden, um der Kire eine größere Freiheit vor säkularen Einmisungen
zu garantieren, die eines der größten Probleme darstellten; dabei ging es
nit so sehr darum, si dem Einflu des Volkes zu entziehen, das damals
wie heute leit zu manipulieren war, sondern dem der wahren Mathaber,
vor allem natürli des Kaisers.
Die Kämpfe zwisen Papsum und Kaisertum haben nit nur die
Chronisten der Zeit, sondern au die Historiker lange besäigt. Die
Auseinandersetzungen wurden besonders erbiert, wenn zwei große
Persönlikeiten aufeinandertrafen, wie im Falle des deutsen Kaisers
Heinri IV. und Papst Gregors VII., des berühmten Hildebrand von Soana,
der plötzli vom Status des Aridiakons zum Papst aufgestiegen war. Wir
sind im Jahr 1073, als Gregor auf eine sehr irreguläre Weise gewählt wird,
durgedrüt dur einen Teil der Hierarie, akklamiert vom Volk, das si
vor der Kire San Pietro in Vincoli versammelt hae.
Hildebrand hae eine sehr hohe Einsätzung von der Würde seines
Amtes und von si selbst, er war der Überzeugung, da jeder Papst, wenn
ihm einmal die Matbefugnie übertragen worden waren, persönli ein
Heiliger sei, während der Rang des Kaisers selbst potenziell gute Mensen
per se zu sleten Mensen mae. Er war ferner überzeugt, da der
Papst das Ret habe, über jedermann Urteile zu fällen, selbst dagegen von
niemandem verurteilt werden dürfe, da also auließli er die Mat
habe, Bisöfe einzusetzen und wieder abzusetzen, und au die Mat,
sogar den Kaiser abzusetzen. Das waren keine absoluten Neuheiten, neu war
aber die Entsiedenheit, mit der diese enorme Matfülle reklamiert wurde,
so als ob Gregor ganz Europa als eine Ansammlung von Lehen zu seinen
Diensten betratete.
Gleizeitig arbeitete er an einer Neuordnung der Kire von innen heraus
und weerte gegen den Verkauf der kirlien Pfründe, ein sehr verbreitetes
Übel, und gegen die Priesterehe. Zum Beispiel ließ er alle Bisöfe
suspendieren, die dem Klerus gegen Geld das Konkubinat gewährt haen.
Regelrete Blitze wurden gegen Heinri  IV. gesleudert, der es gewagt
hae, einige Bisöfe und Äbte zu ernennen. Dieser Akt war eine
konsequente Umsetzung seiner zuvor abgegebenen Erklärungen, gleizeitig
aber au der Auakt zu jenem «Investiturstreit», der zu einem gnadenlosen
Duell zwisen diesen beiden führen und si über Jahre hinziehen sollte.
Der Papst exkommunizierte Heinri, und Heinri erklärte den Papst für
abgesetzt, sute ihn dann aber aufgrund der negativen Reaktionen einiger
seiner Feudalherren bei der Markgräfin Mathilde in Canoa auf. Gregor ließ
ihn im eisigen Reggianer Winter (Januar  1077) drei Tage lang reumütig
warten, bevor er si dazu entslo, ihn einzulaen und wieder in die
Gemeinsa der Gläubigen aufzunehmen. Der Kaiser war in die Knie
gezwungen worden, der Papst hae ihm einen Vorgesma auf die
Bierkeit der Niederlage geboten, gerade so viel wie notwendig war, damit
si dies unauslösli in seinem Gedätnis einprägte. Do die Dinge
liefen dann nit wie vorgesehen (vgl. au Kapitel III).
Die erliene Sma verzeiht Heinri dem Papst nie. Na Deutsland
zurügekehrt und in seiner Mat bestätigt, bezwingt er die rebellisen
Feudalherren, verlangt vom Papst, da dieser einen seiner Rivalen absetzt.
Gregor VII. lehnt das ab, geht sogar no weiter und exkommuniziert ihn ein
zweites Mal. Heinri verweigert ihm den Gehorsam und designiert einen
Gegenkandidaten für den Petrusthron, Erzbisof Wibert von Ravenna, der,
zum Papst (oder Gegenpapst) geweiht, den Namen Clemens III. (1080–1100)
annehmen wird. Gregor versut zu reagieren, do seint si der Kaiser
erneut einer derartigen Gunst zu erfreuen, da der Papst zum Abdanken
gezwungen ist.
Im März  1084 gelingt es Heinri sließli, in Rom Einzug zu halten,
und am Ostersonntag krönt ihn «sein» Papst zum Kaiser, während si
Gregor in der Engelsburg versanzt. Inzwisen seint die Situation für
ihn auitslos, do mat er no einen verzweifelten Versu: Er ru ein
von Robert Guiskard befehligtes, im Süden Italiens operierendes Heer der
Normannen zu Hilfe. Die Normannen kommen, dringen in Rom ein,
Heinri flieht, der Papst wird befreit. Die Römer erleben eine der
grausamsten Plünderungen, der gewaltigsten Verwüstungen in der
Gesite der Stadt. Au fünf Jahrhunderte na diesen entsetzlien
Ereignien, als Luthers Reformation si auszubreiten beginnt, werden si
die Protestanten no immer an jene Tage erinnern und sie mit diesen
Worten zusammenfaen: «Gregor  I. reete Rom vor den Langobarden,
Gregor  VII. ließ es von den Normannen zerstören.» Hildebrand, ein
politiser Papst par excellence, ein Gigant der Politik, gab der eigenen
Reung und der seiner Residenz den Vorzug vor der Reung der Stadt. Die
Römer der Zeit verziehen ihm das nit, und der Papst sah si na den
Plünderungen gezwungen, gemeinsam mit Guiskard Rom zu verlaen. Ein
Jahr später starb er sezigjährig in Salerno, wo er mit den Psalmversen
seine Unsuld beteuerte, die zu seiner Grabinsri werden sollten: «Dilexi
Justitiam, odivi iniquitatem, propterea morior in exilio» («I liebte die
Geretigkeit, i hate das Böse, deswegen mute i in der Verbannung
sterben»). Die von ihm in Kra gesetzte Kirenreform überlebte ihn bis fast
in unsere Tage. Ein kurzer Paus aus der Gesite des Gregorovius gibt
mit bemerkenswerter Intensität die Bedeutung dieses Pontifikats und der
ganzen Tragödie wieder:

Die Verwüstung Roms bleibt ein dunklerer Fleen in der Gesite Gregors als in der
Guiscards; es war die Nemesis, wele diesen Papst zwang, ob saudernd und widerwillig,
denno in die Flammen Roms zu starren. War Gregor  VII. im brennenden Rom (und es
brannte um seinetwillen) nit ein so srelier Mann des Fatum wie Napoleon, wenn er
ruhig über blutige Slatfelder dahinri? Sein sönes Gegenbild ist Leo der Große, der die
Heilige Stadt vor Aila bewahrt und ihr Los vor dem Grimme Geiseris mildert. Nit einer
unter den Zeitgenoen hat bemerkt, da Gregor den Versu gemat hat, Rom vor der
Plünderung zu reen, oder über den Fall der Stadt eine mitleidige Träne geweint habe. Was
war diesem Mensen des Sisals das halb zerstörte Rom im Verhältnis zu der Idee,
weler er den Frieden der Welt zum Opfer brate?[15]

Na der Bulle Nikolaus’ II. war na einem Sisma, das fast zwanzig Jahre
gedauert hae, die darauffolgende Reform der Regeln diejenige von Papst
Alexander  III. (vermutl. Rolando Bandinelli, 1159–1181). Hauptzwe der
Maßnahme war es, die Wahl in eine strenge Prozedur zu zwingen und damit
individuelle oder «Flügel»-Intereen abzuwehren. Son der Titel, der
dieser Konstitution 1179 gegeben wurde (Licet de vitanda discordia – Zur
Vermeidung von Zwietrat ist es erlaubt), mate ihre Absit explizit. In
der Praxis handelte es si darum, allen Kardinälen, und nur ihnen, das
Ret zu verleihen, am Konklave teilzunehmen. Außerdem wurde
vorgesrieben, da zur Wahl des Papstes fortan eine Mehrheit von zwei
Drieln notwendig war:

Wenn bei der Wahl des Papstes unter den Kardinälen Einheit nit zu erreien ist, wenn
aber zwei Driel einig sind, der drie Teil aber mit ihnen nit übereinstimmen will, so soll
ohne jeglie Ausnahme derjenige von der allgemeinen Kire als Papst angesehen werden,
weler von zwei Drieln in Einmütigkeit gewählt ist. Maßt si jemand im Vertrauen nur
eines Driels den Namen des Papstes an, so sollen er und seine Anhänger der
Exkommunikation verfallen und mit Auließung aus dem geistlien Stande bestra
werden.

Diese Norm, die von besonderem Gewit war, weil sie von einem
ökumenisen Konzil verabsiedet wurde, kappte jeden möglien Einflu
der Bisöfe beim Kampf um die ronfolge. Das Kardinalskolleg und der
Papst an seiner Spitze waren als einzige autorisiert, die Leitlinien der Kire
festzulegen und anzuwenden, in geistlien wie in rein politsen
Angelegenheiten, eine Reform, die at Jahrhunderte lang Gültigkeit
besitzen sollte, bis zu Johannes Paul II. Mit Alexander III. besleunigt si
die «monarise» Organisation der Kire. Wie Giancarlo Zizola in seiner
Gesite der Konklaven ritig anmerkt, wird «die Berufung auf die
apostolisen und gemeinsalien Legitimationen der Mat in der
Kire immer fragmentariser und meistens rhetoris».[16]
Mit der Zeit wird si außerdem die Doktrin dursetzen, na der, wenn
der Papst (König) als Nafolger Petri betratet wird, die Kardinäle
(Kirenfürsten) die Erben der Apostel sind und damit die Gruppe der
Männer repräsentieren, die si in der Ursprungszeit des Christentums um
Jesus herum formiert hae.
Nit einmal die Regel der Zweidrielmehrheit konnte allerdings
verhindern, da einige Jahrzehnte lang immer weiter Päpste und
Gegenpäpste gewählt wurden, mit brutalen Auseinandersetzungen zwisen
den beiden Kontrahenten, und da das Volk von Rom, au wenn es
inzwisen keinerlei Legitimation mehr hae, weiter lautstark mal den
einen, mal den andere Kandidaten unterstützte, wobei es si mal von der
Sympathie, mal von dem Einflu leiten ließ, den die mätigsten Familien
auszuüben wuten.
Um die Mie des 13.  Jahrhunderts, mit Innozenz  IV. (Sinibaldo Fiesi,
1243–1254), präzisieren die Wahlbestimmungen darüber hinaus die
versiedenen Kompetenzen, stellen den Papst in den Mielpunkt der
Jurisdiktion, als Quelle jeder geistlien und weltlien Legitimität, umgeben
von einem mit Privilegien und ausgedehnten Matbefugnien
ausgestaeten Kardinalshof. Dies mat jeden anderen Herrser zum
Untergebenen der päpstlien Mat. Mit Papst Fiesi wird das Christentum
zu einem eten Regime, das mit geeigneten praktisen Instrumenten und
Drumieln ausgestaet ist, von der Exkommunikation bis zur Folter, die je
na «Gegner» entspreend dosiert werden können: Ketzer, Juden, dem
Gehorsamsgebot widerstrebende Herrser. Es war übrigens au
Innozenz  IV., der mit der Bulle Ad extirpanda der Inquisition «falls
notwendig» den Gebrau der Folter als Instrument der Wahrheitsfindung
gestaete.
Viel Zeit und viele mühsame Verhandlungen waren nötig, um eine
ausreiend stabile Wahlprozedur zu etablieren. In den Jahrhunderten des
Homielalters entsteht das «Konklave», etymologis cum clave – «mit
dem Slüel». Wie Zizola anmerkt, bildet si die temporäre
Eingesloenheit der Kirenfürsten zu Anfang «als gewaltsame, leit
erpreerise Revane für das verletzte Ret des Volkes [heraus]. Das Volk
ist von der Wahl ausgesloen worden, das Volk sließt die Kardinäle ein,
die ihm das Wahlret geraubt haben.»
Do aller Vorsorge und Zusierung zum Trotz ist die Wahl des Summus
Pontifex angesits der vielen widerstreitenden Intereen, die dabei im Spiel
waren, nie ganz einfa oder ganz und gar friedli abgelaufen. Ein
eklatantes Beispiel für sole Swierigkeiten, allerdings mit gravierenden
Folgen, ist die Situation na dem Tode Clemens’ IV. (Gui Foucois, 1265–
1268). Mehr als drei Jahre braute man, um einen Nafolger zu finden. Den
im päpstlien Palast von Viterbo versammelten atzehn Kardinälen,
aufgespalten in Fraktionen, die von versiedenen europäisen Herrsern
unterstützt wurden, gelang es nit, si auf einen Kandidaten zu einigen.
Angesits dieser Trödelei begannen die Einwohner von Viterbo zunäst
zu grollen, dann mauerten sie die Kardinäle in dem Palast ein, sließli
kleerten sie an dem Gebäude ho und deten das Da ab. Diese Öffnung
setzte die Wahlberetigten den Unbilden des Weers aus, dur sie wurde
au die Nahrung herabgelaen, die auließli aus Brot und Waer
bestand. Die strenge Diät war es sließli, die eine Einigung herbeiführte.
Im September 1271 wurde ein obskurer Aridiakon aus Piacenza zum Papst
gemat, Tedaldo Visconti, der den Namen Gregor  X. annahm. Diese drei
langen Jahre waren aber nit nur das Ergebnis der von den Kirenfürsten
gesmiedeten Ränke oder der gegensätzlien Intereen gewesen. Die
extrem lange Wartezeit hae au etwas mit den Vorteilen zu tun, die die
Kardinäle aus den Zeiten einer Sedisvakanz heraulagen konnten.
Gregor  X. war ein einfaer Aridiakon. Um ihn zum Papst zu küren,
mute er in Windeseile erst zum Priester geweiht und glei darauf zum
Kardinal ernannt werden. Es zeigte si jedo, da ihm die Legitimität des
hohen Amtes so sehr am Herzen lag, da er umgehend ein neues Dekret Ubi
(maius) periculum (1274) erließ, das no strengere Normen für das
Konklave festlegte, einsließli der Ernährungsvorsrien. In Viterbo
hae das Menü auf der Basis von Brot und Waer Wunder gewirkt; Gregor
übernahm dies und bestimmte, da im Falle des ergebnislosen Verstreiens
der ersten drei Tage «an den fünf darauffolgenden Tagen sowohl beim
Miag- wie au beim Abendeen die Kardinäle si mit jeweils nur einem
Gang zufriedengeben müen. Wenn au diese ohne Ergebnis verstrien
sind, soll ihnen nur Brot, Wein und Waer gegeben werden, bis die Wahl
vollzogen ist.»
Au die mit der Sedisvakanz verbundenen Privilegien wurden auf Diät
gesetzt: Für die gesamte Dauer des Konklaves wurden alle Gewinne und
Vorteile, die es vorher gegeben hae, abgesa. Die Wirkung war zwar
positiv, aber nit allzu dauerha. Trotz aller Regeln traten gegensätzlie
Intereen und Matgier sehr snell wieder zutage. Beim Tode Nikolaus’
IV. (Girolamo Masci, Papst ab 1288) im Jahre 1292 zog si die Sedisvakanz
mehr als zwei Jahre in die Länge, bis der fromme Eremit Pietro da Morrone
im Juli 1294 zum Papst gewählt wurde, ein heiliger Mann, atzig Jahre alt,
der auf dem Monte Maiello in einer Höhle gelebt und gebetet hae. Er nahm
den Namen Cölestin V. an, es sollte neben der 33-Tage-Regierung Johannes
Pauls  I. im 20.  Jahrhundert eines der kürzesten Pontifikate der Gesite
werden.
Wie Albino Luciani war au Pietro da Morrone ein einfaer Mann und
mehr von Frömmigkeit geleitet als von Intrigantentum, also ungeeignet für
die Leitung der komplexen Matmasinerie, zu der die Kire geworden
war. Während Johannes Paul I. Papst für nur 33 Tage war, war es Cölestin V.
fünf Monate lang, dann dankte er vor einem außerordentli
zusammengerufenen Konsistorium ab. Petrarca pries (in De Vita solitaria –
Vom einsamen Leben) seine Beseidenheit, Dante dagegen stellte ihn zu
den feigen Seelen und brandmarkte ihn im 3. Gesang der Hölle mit dem
harten Urteil, das in diesem berühmten Vers zusammengefat ist: «Und als
i manen dort erkennen konnte / Sah und erkannte i den Saen
deen,/ Der feig die große Weigerung begangen.»[17]
In Wahrheit hae der maßlos ehrgeizige Kardinal Benedeo Caetani alles
daran gesetzt, damit es zu dieser «großen Weigerung» kam, und si mit
diesem Sazug seine eigene Nafolge gesiert. Er wird der berütigte
Papst Bonifaz VIII. sein, deen erste Handlung es ist, den armen Pietro da
Morrone in einer Burg einzusperren. Der fromme Eremit häe in seine
Höhle und zu seinen Gebeten zurükehren wollen, do fürtete Bonifaz,
da ein so naiver Mann in den Händen der Opposition zu einer Waffe
werden, vielleit sogar ein Sisma auslösen konnte. Er zog es vor, ihn in
den Jahren, die ihm no blieben, unter Verslu zu halten.

Die Modalitäten der Wahl haben si also unter vielen Widerständen und
Verdätigungen und mit großer Kraanstrengung entwielt. Eigentli hat
fast jeder neue Papst sie na seinem Aufstieg zum ron modifiziert, und
zwar bis in unsere Tage, wie wir glei sehen werden. Tatsae ist aber, da
si die Kire in dem Maße, in dem sie ihre weltlien Ansprüe betonte
und si zum Königrei unter den Königreien Europas mate, vom
evangelikalen Geist des frühen Christentums entfernte, da si ihr
Finanzbedarf erhöhte und die Bürde ihrer ausgedehnten Mat swerer
wurde.
Bonifaz VIII. ist der «Erfinder», wenn man es so nennen darf, des Heiligen
Jahres. Das erste Mal wurde es unter seinem Pontifikat im Jahre 1300
gefeiert. Den Pilgern, die na Rom kommen würden, wurde die vollständige
Vergebung ihrer Sünden versproen, eine Art Amnestie für die Strafen nit
des Körpers, sondern der Seele. Das Eo war enorm.
Papst Bonifaz nahm diesen Zustrom als Zeien seines persönlien
Erfolges und holte genügend Gewinn dabei heraus, um die Kaen des
Vatikans aufzufüllen und vor allem sein maßloses Matbewutsein zu
befriedigen. Zwei Jahre später erließ er die Bulle Unam sanctam, der großer
Ruhm besieden war und mit der das theokratise Regime des Papsums
begründet wurde: Es gibt nur eine Kire, behauptet das Dokument, außer
ihr gibt es kein Heil und keine Vergebung der Sünden. Ihr Oberhaupt ist
Christus, der dur den Papst wirkt, seinen Stellvertreter auf Erden; die
Kire nutzt die geistlie Mat direkt, delegiert die politise an den
Fürsten, der gehalten ist, na den von der Kire erteilten Vorgaben
Gebrau von ihr zu maen. Die kirlie Mat darf die politise
verurteilen, während niemand, ausgenommen Go, si zum Riter der
Kire aufswingen darf. Jedermann, der sein ewiges Heil zu siern
beabsitigt, suldet dem Bisof von Rom Gehorsam.
Mit diesem niemals zuvor von irgendeinem anderen Souverän gewagten
Akt im Namen der gölien Mat stellte Papst Bonifaz die Weien für
zahllose Kämpfe und Tragödien. Tatsäli wurden von vielen au damals
son diese so weltlien Ansprüe, die jede ete Spiritualität
beiseitesoben, für übertrieben gehalten. Unter ihnen Dante, der Bonifaz
no zu Lebzeiten in die Reihen der Simonisten jagte (Hölle, 19. Gesang), das
heißt derjenigen, die ihr religiöses Amt mibrauen, um heilige Objekte
(z.B. Reliquien) oder Vorteile (z.B. Pfründen, Sakramente) zu verkaufen oder
zu kaufen.
Papst Caetani erwies weder seiner Religion no seiner Kire einen
Dienst. Na Bonifaz gingen die Matkämpfe unauörli weiter, Päpste
und Gegenpäpste führten weiter Krieg gegeneinander, von 1309 an war das
Papsum siebzig Jahre lang in Avignon im Exil, und die Situation wurde
au na der Rükehr na Rom nit beer. Im Gegenteil, die Jahre
Urbans  VI. (Bartolomeo Prignano, 1378–1389) waren gezeinet vom
«Großen Sisma», der dunkelsten Phase der mielalterlien Kire, mit
drei Päpsten, die si gegenseitig exkommunizierten. Na dem Urteil von
Ferdinand Gregorovius wäre jede andere Monarie unter diesen Prüfungen
zerbroen. Und in einem gewien Sinne widerfuhr das ja au der Kire
von Rom, die von 1517 an mit der Reformation ganze Provinzen und eine
erheblie Anzahl ihrer Gläubigen verlor.

Der erste Papst, der in der Sixtinisen Kapelle gewählt wurde, war am
11.  März  1513 Giovanni de’ Medici, der zweitgeborene Sohn Lorenzo de’
Medicis (au il Magnifico, der Prätige genannt), der den Namen Leo  X.
annahm. Gregorovius: «Erst am 6. März kam Giovanni Medici, von Florenz
her in einer Säne na Rom getragen. Er war krank; sein unheilbares Übel,
eine aureende Fistel, mate ihn fast unnahbar. No im Konklave
operierte ihn sein Wundarzt.»[18] Die Tatsae, da er Lorenzos Sohn war,
hae Giovanni sein Leben lang beatlie Privilegien besert. Mit sieben
Jahren hae Innozenz  VIII. ihn zum apostolisen Protonotar ernannt, mit
at Jahren zum Abt von Montecaino, mit sezehn Jahren zum Kardinal.
Den ron erlangte er, als er siebenunddreißig Jahre alt war. Er war ein
mielmäßiger Papst, zumal im Verglei zu seinem Vorgänger Julius  II.,
Urheber und Opfer beklagenswerter Taten, von Raffael mit psyologisem
Sarli porträtiert: mit weiem Gesit und abwesendem,
versleiertem Bli.
1517, in einem sisalhaen Jahr für die Gesite der Kire, wurde
Leo zum Opfer einer von Kardinal Alfonso Petrucci angezeelten
Verswörung, der den päpstlien Chirurgen angestiet hae, die Fistel
während einer Behandlung zu infizieren. Das Komplo wurde entdet, die
Verswörer auf grauenhae Weise getötet: «Der Chirurg und Petruccis
Sekretär wurden unter srelien Martern hingeritet. Der Kardinal
selbst empfing sein Todesurteil mit wilden Flüen auf den Papst; er wies
den Beitvater von si; der Mohr Roland erdroelte ihn in der
Engelsburg.»[19] Die Furt des Papstes war so groß, da er si beeilte, 31
neue Kardinäle gleizeitig zu ernennen, um das «Kolleg» mit seinen
Getreuen aufzufüllen. Nur Pius  XII. wird ihn übertreffen, als er 1946 auf
einen Slag 33 Kardinäle ernennt.
Leo X. war nit nur Nepotist und ein Liebhaber des Luxus, sondern au
Sodomist – falls wir Francesco Guicciardini Glauben senken, der 1525 über
ihn sreibt:

Von vielen wurde er in der ersten Zeit seines Pontifikats für sehr keus gehalten; es stellte
si dann aber heraus, da er in übertriebenem Maße, und zu allem Überflu au no
vollkommen samlos, jenen Gelüsten verfallen war, die man als anständiger Mens gar
nit beim Namen nennen darf.

Den fürstlien Prunk an seinem Hofe besreibt Gregorovius mit diesen


Worten:

Rom war ein einziges Fesheater, ein einziges Sauspielhaus. Wie der Tribunus voluptatum
der Römer ersien der Papst in seinem von Musikanten, Saupielern und Sarlatanen, von
Poeten und Künstlern, von Hofsranzen und Parasiten swärmenden Vatikan. Da ließ er
alte und neue Komödien, die samlosesten Zoten aufführen. Wir würden ein buntes
Gemälde vor uns haben, vermöten wir ein römises Jahr aus der Zeit Leos X. zu umfaen
und diese Kee von Festen zu sehen, grell gemist aus Heidentum und Christentum: die
Maskenzüge des Karneval, antike Göermythen, römise Historien in pratvollen
Sauszenen, wieder Prozeionen, glänzende Kirenfeste; das Paionpiel im Coloeum,
klaise Deklamation im Kapitol, Feste und Reden zum Geburtstage Roms; täglie
Kavalkaden der Kardinäle, zeremoniöse Aufzüge von Gesandten und Fürsten mit
heergleiem Gefolge.[20]

Während all dies gesah, site ein deutser Augustinermön von


bäuerlier Herkun, Martin Luther, eologieprofeor in Wienberg, 95
esen in lateiniser Sprae an die deutsen Bisöfe und löste damit im
ganzen Rei einen theologisen Disput aus. Es ist der Beginn der
Reformation, die die Christenheit erstmals in einem solen Ausmaß spalten
wird. In Rom hae Luther viele Dinge gesehen und gehört, die ihn mit
Abseu erfüllten:

Wel ein greuli Volk ist das gewesen! I hä’ nit geglaubt, da das Papshumb so ein
großer Greuel sei, wenn i den römisen Hof nit selbst gesehen hä. Ist eine Hölle, so ist
Rom drauf gebaut.[21]

Und in seinem Brief an Leo X.:

… son seit vielen Jahren ergießt si … von Rom aus in die Welt nits anderes als
Verheerung der Güter, der Körper und der Seelen und ersreende Fälle allerslimmsten
Übels … und aus der Römisen Kire, die einst die Heiligste von allen war, ist nun eine
Räuberhöhle ohne jedes Gesetz geworden, das allersamloseste Bordell, ein Rei der
Sünde, des Todes und der Hölle, so da nit einmal der Antirist, falls er käme, si no
etwas ausdenken könnte, was da an Sletigkeit no fehlte. … die Römise Kurie … ist ja
unvergleili viel goloser als die Türken, so da sie, während sie einstmals das Tor des
Himmels war, nun wahrhaig als Höllentor offen steht.[22]

Papst Leo untersätzte diesen Zorn, glaubte, er könne si mit einer
Exkommunikation aus der Affäre ziehen, die aber von Luther inmien einer
jubilierenden Menge vor dem Wienberger Alstertor öffentli verbrannt
wurde. Es ist ein trauriges Paradox, da die gölie Kapelle ausgerenet
mit der Wahl eines so unzulänglien, seinen Pfliten und dem Evangelium
unendli fernen Papstes eingeweiht wurde.

Die beiden letzten Reformen zur Wahlordung sind von Johannes Paul II. und
vom deutsen Papst Benedikt  XVI. vorgenommen worden. 1996
verabsiedete Papst Wojtyła die apostolise Konstitution Universi
dominici gregis, mit der die 1179 festgelegte Norm der Zweidrielmehrheit
abgesa wurde. Der Papst wollte das Risiko vermeiden, da eine
Sperrminorität (glei 34  Prozent der Stimmen) das Konklave für eine
unbestimmte Zeit bloieren konnte, mit allen negativen Folgen au für das
Image, die man si leit vorstellen kann.
Seine Reform legte fest, da na Ablauf von dreizehn Tagen, in denen
keine Wahl zustande gekommen war, die absolute Mehrheit der Kardinäle
(51 und nit mehr 66 Prozent) entsied, wie weiterverfahren werden sollte:
ob man also mit der Zweidrielmehrheit weitermaen, zur absoluten
Mehrheit übergehen oder eine Stiwahl einleiten wollte. Au diese Regel
hae, wie jedes Wahlgesetz, einen Swapunkt, nämli dur die
Möglikeit, da eine relative Mehrheit von 50  Prozent der Kardinäle
geduldig den Ablauf der ersten Wahlgänge abwartete und dabei ihren
Kandidaten in der Hinterhand behielt, um ihn in dem Moment aus dem Hut
zu ziehen, sobald man zur einfaen Mehrheit übergegangen war.
Im April  2005 war gut informierten Quellen zufolge Kardinal Ratzinger
Nutznießer dieser Regel. Die Zweidrielmehrheit, die vor der Reform
Johannes Pauls  II. in Kra war, häe er vermutli nur swierig erreit.
Wenn es stimmt, da die ihm geneigten wahlberetigten Kardinäle bereit
waren, bis zum Übergang zur einfaen Mehrheit abzuwarten, damit ihr
Kandidat Papst würde, dann trieb dies die Opposition so auseinander, da
damit Joseph Ratzinger der Weg geebnet wurde.
Nadem er Papst geworden war, beeilte si Benedikt  XVI., Wojtyłas
Regel zu ändern, und setzte die Zweidrielmehrheit wieder in Kra, mit der
Maßgabe, da na dreizehn ergebnislos verstrienen Tagen zur Stiwahl
unter den beiden Kandidaten mit den meisten Stimmen überzugehen sei,
wobei allerdings das Zweidriel-Quorum beibehalten wurde. Wie man sieht,
gehen die Swierigkeiten weiter. Und nit einmal der angerufene Beistand
des Heiligen Geistes bietet Sutz vor menslier, sehr menslier
Swäe.
XIII. 16. OKTOBER 1943
DIE RÖMISCHEN JUDEN ZWISCHEN HITLER
UND PIUS XII.

A
LLE ORTE BEWAHREN EIN ECHO der kapitalen Ereignie, deren
Sauplatz sie geworden sind. Man mu den ritigen Bli dafür
haben, die Zeien erkennen, die Erinnerung aktivieren, die ritigen Worte
lesen. Zum Beispiel diese hier, mit denen Giacomo Debenedeis söne und
tragise Erzählung über ein für Rom, für seine Juden, für den Vatikan
fatales Datum beginnt: den 16.  Oktober  1943, so au der Titel dieses
Kapitels. In memoriam.

Wer si stadeen an jenem Freitagabend, dem 15.  Oktober, im ehemaligen Gheo von
Rom einfand, war eine Frau in swarzen Kleidern, abgehetzt, zerzaust, vom Regen
durnät. Sie bringt kein Wort hervor, die Aufregung snürt ihr die Kehle zu, treibt ihr
den Saum vor den Mund. Sie ist von Trastevere hierher gelaufen. Kurz zuvor hat sie bei
einer Frau, der sie die Bedienung mat, die Frau eines Carabiniere getroffen, und die hat ihr
gesagt, da ihr Mann, der Carabiniere, einen Deutsen getroffen hat, und dieser Deutse
hae eine Liste in der Hand, von zweihundert jüdisen Familienvätern, die mit der ganzen
Familie fortgebrat werden sollten … So fiel es der abgehetzten Frau nit swer, eine
große Zahl von Juden um si zu saren, um sie vor der drohenden Gefahr zu warnen. Do
niemand wollte ihr glauben, alle laten nur …[1]

Der Frau, die Celeste hieß, wurde also nit geglaubt. Sie war arm, in
Lumpen gekleidet, in ihrer Familie, so wurde überall gesagt, seien alle leit
mesugge. Außerdem war sie zu erregt, sie srie, mit Tränen in den
Augen, die Hände in einer pathetis besützenden Geste auf den Köpfen
der Kinder. Do leider sollte si nur wenige Stunden später diese so
überspannt wirkende Prophezeiung bewahrheiten, auf die sreliste
Weise.
Der Ort ist eine seit Jahrhunderten unverändert gebliebene, ein wenig
unförmige Straßenverbreiterung, die si dort befindet, wo die Via di
Sant’Angelo in Peseria auf die Via Catalana tri. Hinter si hat man die
mätigen Arkaden des Teatro di Marcello, vor si den größten Tempel, die
große Synagoge der römisen Juden. An der Seite ein majestätiser
Rundbogen, einer der wenigen Überreste des antiken Portikus der Octavia,
eines grandiosen, von Augustus zur Erinnerung an seine Swester
erriteten Bauwerks, von dem heute nur no wenige verstreute Fragmente
übrig sind, ein paar verstümmelte Säulen von den über 300, die es
smüten.
Auf diesem Platz standen am Morgen des 16.  Oktober  1943, einem
Samstag, die Lastwagen, auf die unter Stößen und Gebrüll die Bewohner des
römisen Gheos verladen wurden. Eine Marmortafel erinnert daran: ein
ehrenwerter Versu, die Erinnerung an die Ungeheuerlikeit des
Ereignies zu bewahren, do reit eine Tafel allein nit aus. Auf den
Mauern von Rom wimmelt es von Tafeln. Man mu son etwas mehr
wien, um sie zu deiffrieren, um wirkli zu verstehen.
Der Prolog zu diesen Ereignien hae kurze Zeit zuvor stagefunden,
zwanzig Tage na dem zwisen Italien und den Alliierten unterzeineten
und am 8. September des Jahres verkündeten Waffenstillstand. Am Ende des
Monats rief SS-Oberstleutnant Herbert Kappler die Vorsteher der jüdisen
Gemeinden zu si in die Deutse Botsa und befahl ihnen, innerhalb
von 36 Stunden einen halben Zentner Gold abzuliefern. Im Falle der
Niteinhaltung wurde die Deportation einer großen Anzahl von Juden
angedroht. Die Sammelaktion begann am Morgen des 27.  September. Ein
Buhalter protokollierte die Übergaben, ein jüdiser Goldsmied prüe
die Qualität des Goldes.
In den ersten Stunden gingen die Spenden ret zögerli ein,
sierheitshalber wurde der Vatikan um Hilfe gebeten. Um 16 Uhr traf die
Antwort ein: Der Vatikan erklärte si zu einem langfristigen Darlehen
bereit. Es wurde nit benötigt, denn am Ende kamen innerhalb der
vorgegebenen Frist die 50 Kilo zusammen, sogar mit einem kleinen
Übersu. Dur die Goldübergabe mote der eine oder andere römise
Jude bei si gedat haben, eine Art Lebensversierung abgesloen zu
haben. Da der halbe Zentner nur ein Vorwand gewesen war, ein
Ablenkungsmanöver, vielleit au nur eine tragise Farce, verstand man
am Ende des Krieges, als das Gold der römisen Juden in Berlin no
originalverpat in den Kisten wiedergefunden wurde. Sie waren nit
einmal geöffnet worden.
An diesem Samstag, dem 16. Oktober, um 5.30 Uhr morgens – es regnete
in Strömen – umzingelten 370 SS-Männer, denen als Gehilfen für die
untergeordneten Aufgaben fasistise Soldaten zur Hand gingen, das
Gheo und begannen, es Haus für Haus zu durkämmen. Ob sie nun
sliefen, krank waren, ein Baby stillten oder si auf die Feier des Sabbats
vorbereiteten, alle wurden gewaltsam auf die Straße getrieben, mit
Gewehrkolben traktiert, und wer nit snell genug war, mit jenen
gebrüllten deutsen Worten in Sa gehalten, die damals jedes Kind in
Rom kannte: «Snell!», «Raus!», «Jude!», «Atung!», «Kapu!»[2]. Die
Lastwagen warteten, um die Abfahrt zu besleunigen, bereits in Ritung
Trastevere aufgereiht auf dem Platz. Die Gefangenen wurden im Collegio
Militare des Palazzo Salvati in der Via della Lungara (am Fuße des
Gianicolo) gesammelt. Immer wieder setzten si die Lastwagen vom Gheo
aus in Bewegung, bis dort nits mehr blieb als die Stille eines traurigen
Herbsages, das Plätsern des Regens, eine vom Wind zugeslagene Tür
und ein paar vom Waer vollgesogene Stofffetzen, die auf der Straße
liegengeblieben waren.
Für diese Aufgabe war eine Spezialeinheit der SS na Rom gesit
worden. Mit beklemmender Naivität baten die Neuankömmlinge ihre
Kollegen, do am Petersplatz vorbeizufahren, und weil es die Stree mit
einem geringen Umweg erlaubte, wurde ihnen dieser Wuns erfüllt. Die
Lastwagen mit ihrer tragisen Frat aus sreienden, weinenden, betenden
Mensen näherten si also der Grenze zwisen Italien und dem
Vatikanstaat (gekennzeinet dur unauffällig in den Boden eingelaene
Steinplaen). Ein Umstand, der den Botsaer des Deutsen Reies am
Heiligen Stuhl, Ernst von Weizsäer, dazu bewog, na Berlin zu sreiben,
da si «der Vorgang sozusagen unter den Fenstern des Papstes abgespielt
hat».[3] In Wahrheit gab es Versue, Kontakt aufzunehmen, Pius  XII.
beauragte seinen Staatekretär Luigi Maglione, den deutsen Botsaer
zu si zu rufen und den Diplomaten zur Intervention aufzufordern, um den
Deportationen Einhalt zu gebieten. Andernfalls würde der Vatikan
protestieren. Diese Begebenheit wird in den vatikanisen Dokumenten
referiert, nit aber in den deutsen.
Einige Dutzend Nit-Juden konnten ihre Freilaung erreien. Eine
swangere Frau, bei der die Wehen einsetzten, wurde zur Entbindung in
den Kasernenhof gezerrt. Umgehend wurde au der Säugling für verhaet
erklärt. In der Nat von Sonntag auf Montag, den 18. Oktober, wurden die
Gefangenen, in Kolonnen formiert, zum Tiburtina-Bahnhof geleitet, wo man
sie in Viehwaggons verstaute, die verplombt wurden, sobald sie voll waren.
Eine ganze Woe dauerte die Reise, unter mensenunwürdigen
Bedingungen von Erniedrigung und Entbehrung, bis man zum
Bestimmungsort, dem Konzentrationslager Auswitz, gelangte.
Am 25.  Oktober publizierte die vatikanise Tageszeitung Osservatore
Romano eine Eloge auf den Papst: «Mit dem Anwasen so viel Leids hat
si die universale väterlie Fürsorge des Heiligen Vaters beinahe no
vermehrt, die keinerlei Grenzen kennt, weder der Nationalität no der
Religion no der Rae.» Experten für diplomatise Formeln erkannten in
dem italienisen Terminus stirpe (Stamm/Rae) einen Bezug zur tragisen
jüdisen Frage. Deen war si au der deutse Botsaer von
Weizsäer bewut, der eine Übersetzung des Artikels na Berlin site,
begleitet von einem Brief, in dem er srieb:

Der Papst hat si, obwohl dem Vernehmen na von versiedenen Seiten bestürmt, zu
keiner demonstrativen Äußerung gegen den Abtransport der Juden aus Rom hinreißen laen
… Gegen diese Veröffentliung sind Einwendungen umso weniger zu erheben, als ihr
Wortlaut … von den wenigsten als spezieller Hinweis auf die Judenfrage verstanden werden
wird … Da hier in Rom weitere deutse Aktionen in der Judenfrage nit mehr
durzuführen sein düren, kann also damit gerenet werden, da diese für das deuts-
vatikanise Verhältnis unangenehme Frage liquidiert ist.[4]

Au die römisen Juden wurden snell liquidiert. Nit von ungefähr
notierte Monsignor Montini (der spätere Papst Paul VI.) in seinem Tagebu:
«Diese Juden werden nit mehr in ihre Häuser zurükehren.» Innerhalb
weniger Tage na ihrer Ankun in Auswitz kamen fast alle um. Einige
waren son während der Reise gestorben.

Im Jahre 1963 wurde in Berlin Rolf Hohuths eaterstü Der


Stellvertreter aufgeführt. In London und New York gab es ebenfalls eine
Inszenierung, in Rom dagegen wurde das Stü verboten, mit der
Begründung, es enthalte beleidigende Auagen über ein ausländises
Staatsoberhaupt. Die Sauspieler Gianmaria Volonté und Carlo Ceci
konnten heimli eine Aufführung organisieren. Hohuth besuldigte den
Papst der Indifferenz gegenüber den Meldungen, die ihm über das, was in
den Vernitungslagern gesah, gemat wurden. Papst Pacelli wurde
außerdem unterstellt, diese Haltung aus finanziellem Kalkül eingenommen
zu haben. Eine der kraesten Szenen führt vor, wie Kurt Gerstein,
historise Figur und Zeuge der Vergasungen, eine Bisri übergibt,
während im jüdisen Gheo Roms die Razzia stafindet.
Das Drama war anspruslos und in einigen Punkten historis nit
fundiert, hae aber das Verdienst, ein bis zu diesem Augenbli
totgeswiegenes ema an die Öffentlikeit zu bringen: das Verhalten
Pius’ XII. im Angesit des Holocaust. Eine komplexe Problematik, zu der es
eine ansehnlie Bibliographie gibt: Der Heilige Stuhl hat si bis heute
geweigert, den Wiensalern dazu alle Arive zu öffnen.
Wenn die Erzählung über das, was damals gesah, nit die Tragödie
eines Volkes und der Mensheit enthielte, könnte sie wie das Drehbu zu
einem Spionagefilm wirken.

Im Juli 1942 drangen die ersten ernstzunehmenden Meldungen über den Plan


einer «Endlösung», die Hitler im Übrigen in seinem Bu Mein Kampf
bereits 1925 vorweggenommen hae, bis in die Sweiz dur. Eduard
Sulte, ein deutser Industrieller (Generaldirektor des größten deutsen
Zinkproduzenten Giers’s Erben), der gute Kontakte zur Führung des
Drien Reies unterhielt, beritete seinem Freund Isidor Koppelmann
während eines gesälien Besues in Züri, da das Hauptquartier des
Führers plane, die europäisen Juden in Gebiete im Osten zu deportieren,
wo sie mithilfe des blausäurehaltigen Sädlingsbekämpfungsmiels Zyklon
B maenha vernitet werden sollten. Darüber setzte Koppelmann
umgehend Benjamin Sagalowitz in Kenntnis, einen jüdisen Journalisten,
der beim Preedienst des Sweizerisen Israelitisen Gemeindebundes
arbeitete. Sagalowitz erkannte den srelien Ernst dieser Narit und
gab sie telefonis an Gerhart Riegner weiter, damals Leiter des Genfer
Büros des Jüdisen Weltkongrees in der Sweiz (JWK).
Die beiden treffen si und versuen, das, was sie erfahren haben, mit
Brustüen anderer Nariten abzugleien, die von versiedenen
Seiten, mehr oder weniger direkten Augenzeugen der Ereignie,
eingegangen waren. Eine Provokation wurde sehr snell ausgesloen, die
Information als im Wesentlien der Wahrheit entspreend bewertet, umso
mehr als die Quelle diesmal ein Deutser war, ein überzeugter Antinazi,
und kein Jude. Zu den Belegen gehörte übrigens au Hitlers Bu, in dem
der künige Diktator sein Vernitungsprogramm bereits Jahre vorher
explizit angekündigt hae, deen Inhalt insgesamt aber ret unbeatet
geblieben war. No überzeugender war in jenem srelien Juli 1942 die
Welle von Verhaungen und Razzien in allen großen von den Nazis
besetzten Städten.
Nadem er si mit der Direktion des Kongrees in New York beraten
hae, traf Riegner am 8. August den amerikanisen Vizekonsul in Genf, um
ihn über das zu informieren, was er erfahren hae. Die Unterredung war
lang, ausführli, die Nariten wurden sorgsam abgewogen, die Folge
war eine telegrafise Depese an das State Department in Washington.
Einen ähnlien Besu mit gleiem Ausgang staete Riegner dem
britisen Konsulat ab. Das Ergebnis war enäusend: Weder in
Washington no in London nahm irgendjemand die Angelegenheit ernst. In
London notierte einer der Funktionäre, der den Berit las, am Rande:
«wildes, von Ängsten der Juden generiertes Gerüt».
Erst am 28. August erreite der Riegner-Berit Rabbiner Stephen Samuel
Wise, den Präsidenten des Jüdisen Weltkongrees in New York, der Felix
Frankfurter informierte, Riter am Supreme Court, ein einflureies
Mitglied der amerikanisen jüdisen Comunity. Der allerdings setzte alles
daran, da dieser Report ins Weiße Haus gelangte.
In der Zwisenzeit war dafür Sorge getragen worden, über diese
alarmierenden Nariten sowohl den Vatikan als au das Rote Kreuz zu
informieren. Beide reagierten ausweiend und maten geltend, da es
nit mögli sei, die Glaubwürdigkeit der Informationen zu überprüfen.
Erst am 17. Dezember 1942 veröffentliten, nadem inzwisen no mehr
Details ans Lit gekommen waren, zahlreie alliierte Regierungen,
darunter Washington, London und Moskau, eine Erklärung zur sogenannten
«Endlösung»:
Die Aufmerksamkeit der Regierungen … wurde auf die zahlreien Mieilungen aus Europa
darüber gelenkt, daß si die deutsen Behörden in allen Gebieten, auf die si ihr
barbarises Regime erstret, nit nur auf die Entziehung der elementarsten
Mensenrete von Personen jüdiser Abstammung begrenzen, sondern die von Hitler
mehrfa ausgedrüte Absit verwirklien, das jüdise Volk in Europa auszutilgen.[5]

Es folgten grauenhae Einzelheiten:

Aus allen besetzten Ländern werden Juden unter den grälisten und brutalsten
Bedingungen na Osteuropa transportiert … Die Kräigeren werden in Arbeitslagern
langsam dur Arbeit vernitet. Die Swaen lät man sterben, dur Hunger
umkommen oder sie werden in Maenhinritungen planmäßig niedergemetzelt. Die Zahl
der Opfer dieser blutigen Grausamkeiten geht in viele Hunderausende völlig unsuldiger
Männer, Frauen und Kinder.

In Wahrheit hae die Zahl der Opfer zu diesem Zeitpunkt bereits zwei
Millionen übersrien. Die «Interalliierte Erklärung» ist von großer
historiser Relevanz, weil seit Dezember 1942 keiner von denen, die si in
verantwortlien Positionen befanden, mehr behaupten konnte, von der
Maenvernitung der Juden nits gewut zu haben.

Wie reagierte der Vatikan? Der Heilige Stuhl unterzeinete die Erklärung
der elf Regierungen und des nationalen französisen Befreiungskomitees
nit. Eine Woe später, am Heiligen Abend, ließ Papst Pacelli eine
Radiobotsa verbreiten, in der au politise emen aufgegriffen
wurden. Zum Beispiel verdammte er den Kommunismus (nit aber den
Nationalsozialismus). Er gedate der Opfer des Krieges: der an den
versiedenen Fronten gefallenen Soldaten, der ins Exil Getriebenen, der
Opfer der Bombardierungen. Er spra si für eine größere Gemeinsa
der Mensen mit Go aus und slo:

Dieses Gelöbnis suldet die Mensheit den hunderausenden von Mensen, die, obzwar
persönli suldlos, bisweilen einzig und allein um ihrer Volkszugehörigkeit oder
Abstammung willen dem Tode geweiht oder einer allmählien Vernitung preisgegeben
sind.
Das «Gelöbnis» war seine Antwort auf die Erklärung der alliierten
Regierungen, in der der Völkermord beim Namen genannt und in der starke
Worte wie «Jude», «Horror», «Gemetzel», «Barbarei» verwendet wurden.
In ihrer kalten Sprae der Diplomatie klangen die Worte Pius’ XII. für die
Insider vielleit eindeutig, für die dursnilien Gläubigen aber
nebulös. Papst Pacelli wute da bereits alles. Andrea Tornielli zitiert in
seinem Bu Pio XII. Un uomo sul trono di Pietro (Pius XII. Ein Mann auf
dem ron Petri) einen Zeugen, der ihn «weinen sah wie ein Kind», so
überwältigt war er von den Meldungen. Aber er reagierte nit, und genau
dazu, zu den Motiven dieser Untätigkeit sind seit Jahren Ermilungen von
Spezialisten und natürli Polemiken im Gange.
Mit Sierheit war Pius’ Verhalten von Jahrhunderten antijudaistiser
Tradition belastet, na der die «perfiden Juden» in der Liturgie als Volk des
Deizids, als Christusmörder bezitigt werden. Die (von vielen Exegeten als
nit historis angesehenen) Worte des Mahäus «Da rief das ganze Volk:
Sein Blut komme über uns und unsere Kinder!»[6] wurden über
Jahrhunderte als Stigma eines ganzen Volkes betratet. Von Ereignien
besonderer Grausamkeit abgesehen, wurden die Juden in der ristlien
Gemeinsa generell als minderwertige oder heimtüise Wesen
angesehen, die zumindest eine Ausgrenzung verdienten. Papst Paul IV. (Gian
Pietro Carafa, 1555–1559) ließ sie 1555 in seinen Ländern in Gheos
einsließen und verpflitete die Männer dazu, als Erkennungszeien
einen gelben Hut zu tragen.[7] Hans Küng hat einmal gesagt: «Der rais
bedingte national-sozialistise Antisemitismus, der im Holocaust seine
terroristise Aufgipfelung erreite, wäre ja unmögli gewesen ohne den
jahrhundertelangen religiösen Antijudaismus der ristlien Kiren.»[8]
Es gibt jede Menge Dokumente, die für diese Mentalität bezeinend sind.
Einen entlarvenden Brief zum Beispiel site der Apostolise Gesandte
Angelo Giuseppe Roncalli (später Papst Johannes XXIII.) aus Istanbul an den
vatikanisen Staatekretär Kardinal Luigi Maglione:

Bezugnehmend auf meinen ergebenen Berit n. 4332 vom 20. August dieses Jahres gebe i
hiermit weitere Anfragen weiter, die mir zu Gunsten der Israeliten unterbreitet werden. Die
zweite von diesen versut, eine Intervention des Heiligen Stuhles zu erreien, um
zahlreien Juden die Ausreise aus italienisem Staatsgebiet zu erleitern … I gestehe,
da diese Überführung der Juden na Palästina, gewiermaßen zur Wiedererritung des
jüdisen Reies, ausgerenet dur den Heiligen Stuhl … in meinem Geiste einige
Ratlosigkeit auslöst. Da ihre Landsleute oder politisen Freunde dies tun, ist zu verstehen.
Es erseint mir aber nit sehr gesmavoll, da ausgerenet die einfae und erhabene
Ausübung von Barmherzigkeit dur den Heiligen Stuhl die Gelegenheit oder den Ansein
bieten könnte, damit au eine Art zumindest initialer und indirekter Kooperation zur
Realisierung des meianisen Traums zu identifizieren … Ohnehin ist ganz sier, da die
Wiederherstellung des Reies Juda und Israel nits als eine Utopie ist.

Monsignor Roncalli srieb diesen Brief am 4  September  1943. Vier Tage


später trat das Waffenstillstandsabkommen in Kra, die Deutsen besetzten
Italien und eröffneten au hier, wie im Rest des besetzten Europa, die Jagd
auf die Juden. Seiner großen menslien und religiösen Qualitäten zum
Trotz, die er später unter Beweis stellen sollte, kann si selbst Roncalli dem
Klima, in dem er erzogen worden ist, nit entziehen. Ein sehr beredtes
Beispiel für dieses geistige Ambiente war die Audienz, die Pius X. eodor
Herzl gewährte, dem Begründer des modernen politisen Zionismus. Vor
seiner Wahl war Papst Sarto (1903–1914), wie es Roncalli sein wird, Patriar
von Venedig gewesen. Er war ein guter, ein saner Mann, politis aber so
unnagiebig, da er die katholisen Liberalen als «Wölfe im Safspelz»
bezeinete.
Am 26. Januar 1904 empfing er Herzl, und son allein die Tatsae, da
der Papst es akzeptierte, den Mann zu treffen, der dafür kämpe, den Juden
in Palästina eine Heimat zu geben, wirkte wie ein Zeien ermutigenden
Entgegenkommens. Als Herzl aber für seine Miion den päpstlien
Beistand erbat, entgegnete Pius X. mit einer klaren Ablehnung, wie Herzl in
seinem Tagebu sreiben sollte: «Wir können die Juden nit daran
hindern, na Jerusalem zu gehen, wir können dies aber au niemals
gutheißen …. Die Juden haben Unseren Herrn nit anerkannt. Deshalb
können wir das jüdise Volk nit anerkennen.» Und weiter, mit einer
markanteren theologisen Motivation:

Wir beten ja au für sie: da ihr Sinn erleutet werde. Gerade heute begeht die Kire das
Fest eines Ungläubigen …, der auf dem Wege na Damaskus auf wunderbare Weise zum
«reten» Glauben bekehrt wurde. Und so, wenn Sie na Palästina kommen und Ihr Volk
ansiedeln werden, wollen wir Kiren und Priester bereit halten, um Sie alle zu taufen.[9]

Papst Sarto berührt hier den hosensiblen Punkt der Taufe –


Initiationsritus, Fundament der gesamten ristlien Existenz, Vorhof für
das Leben im Geiste. In dem von Papst Paul III. 1543 gegründeten Haus der
Kateumenen wurden die Konvertierungen von Juden gefeiert und mit der
Taufe geweiht. Es paierte nit selten, da jüdise Kinder dur Betrug
und ohne die Einwilligung ihrer Eltern getau wurden. Die Kire
betratete aber die Taufe, selbst wenn sie dur Täusung oder dur
einen Laien vollzogen worden war, denno als gültig, wenn sie nur unter
Verwendung von Waer und Aufsagung der rituellen Taufformel vollzogen
wurde. Von dem Moment an konnte das getaue Kind nit mehr bei den
Eltern bleiben, wenn diese nit ebenfalls konvertierten.
Die Unumkehrbarkeit der Konsekration führte in der Nakriegszeit in
Italien zu dramatisen Konsequenzen, als entdet wurde, da jüdise
Kinder, die der Vernitung entgangen waren, weil sie in irgendeinem
Kloster Unterslupf gefunden haen, dort getau worden waren, und si
also die heikle Frage stellte, was aus ihrer Religion geworden war. Am
20.  Oktober  1946 übermielte das Heilige Offizium dem Apostolisen
Nuntius Angelo Roncalli folgendes Dokument:

Was die jüdisen Kinder betri, die während der deutsen Besatzung katholisen
Institutionen und Familien anvertraut wurden und deren Rügabe jetzt von den jüdisen
Institutionen gefordert wird, hat die Kongregation des Heiligen Uffiziums eine Entseidung
getroffen, die so zusammengefat werden kann: 1.) so weit wie mögli vermeiden,
srili auf die jüdisen Behörden zu antworten, sondern mündli; 2.) jedesmal, wenn
si eine Antwort nit umgehen lät, mu gesagt werden, da die Kire erst
Naforsungen anstellen mu, um jeden Einzelfall zu prüfen; 3.) die Kinder, die getau
worden sind, können nit an Institutionen übergeben werden, die nit in der Lage sind,
eine ristlie Erziehung zu garantieren; 4.) bei Kindern, die keine Eltern mehr haben und
für die die Kire die Verantwortung übernommen hat, ist es nit angemeen, da sie von
der Kire abgegeben oder Personen anvertraut werden, die keinerlei Retsanspru auf sie
haben, es sei denn, diese sind in der Lage, si selbst zu versorgen. Dies gilt natürli nur für
Kinder, die nit getau sind; 5.) wenn die Kinder von ihren Eltern [der Kire] anvertraut
worden sind und die Eltern sie nun wiederhaben wollen, können sie zurügegeben werden,
wenn den Kindern nit die Taufe erteilt wurde. Es ist zu beaten, da diese Entseidung
der Kongregation des Heiligen Uffiziums vom Heiligen Vater gebilligt worden ist.

Mit den üblien bürokratisen Windungen verfügte die Instruktion des


Heiligen Offiziums im Kern, da jüdise Kinder, die getau worden waren,
ihren Eltern nit zurügegeben werden sollten. Vorausgesetzt, diese waren
überhaupt no am Leben. Das Dokument kam erst 2004 ans Lit, als in
einem französisen Kirenariv eine Absri entdet wurde, und es
löste eine heige Debae aus. Ein bemerkenswerter Aspekt ist der Adreat:
derselbe Angelo Roncalli, der vom mielrangigen Diplomaten in Istanbul
dur Ernennung Pius’ XII. in der Zwisenzeit zum Nuntius (also
Botsaer) in Paris aufgestiegen war.
Roncalli war aber nit nur im Rang aufgestiegen, er hae au einen
Mentalitätswandel vollzogen. Nadem er Kenntnis über die Shoah erlangt
hae, seint er die Last dieses Sreens auf si genommen zu haben. In
Paris tri der künige Papst 1946 den Hauptrabbiner Palästinas, Isaak
HaLevy Herzog, in sehr freundsalier Atmosphäre zu einer
Unterredung, deren zentrales ema die Rügabe der jüdisen Kinder ist,
die, in katholisen Klöstern und Einritungen verstet, dem Tod haen
entrien werden können. In einem Brief vom 19. Juli wird der Rabbiner von
Roncalli ermätigt, «bei den betroffenen Institutionen von seiner Autorität
Gebrau zu maen, damit jedesmal, wenn es ihm signalisiert würde, diese
Kinder in ihr Ursprungsmilieu zurükehren könnten.» Seine Haltung steht
also im Widerspru zu dem, was im selben Jahr von der Verfügung des
Heiligen Offiziums diktiert wird.
Es wird no einige Zeit vergehen müen, bevor diesem Problem eine
Lösung zuteil wird, die ihrer historisen Bedeutung entsprit. Wie der
Kirenhistoriker Giovanni Miccoli erzählt hat, waren no 1953 zwei
jüdise Kinder in Frankrei betroffen, die während der Nazi-Okkupation in
einem Kindergarten in Grenoble Zuflut gefunden haen – der berühmte
Fall Finaly.
Die Direktorin des Instituts, die sie eigenmätig getau hae, weigerte
si, die Kinder einer in Israel wohnenden Tante zurüzugeben. Während
der Fall si gut sieben Jahre lang dur versiedene Geritsinstanzen
sleppte, kam ein damit befater Kardinal auf die Idee, das Heilige Offizium
zu kontaktieren. Am 23. Januar 1953 erhielt er aus Rom eine Antwort, in der
«die unverjährbare Pflit der Kire» bekräigt wurde, «die freie Wahl
dieser Kinder zu verteidigen, die ihr dur die Taufe angehören». In dem
Sreiben wird dazu aufgefordert, «der Anordnung zur Übergabe der Kinder
im Rahmen des Möglien Widerstand zu leisten und dabei per modum facti
alle Miel anzuwenden, um die Vollstreung eines Urteilprus
hinauszuzögern, der die oben genannten Rete verletzt».
Die traurige Gesite fand jedenfalls einen glülien Abslu mit
der Übergabe der Kinder, vor allem dank der Intervention einiger
prominenter Exponenten des französisen Katholizismus. Im Übrigen
widerfuhr au dem französis-israelisen Historiker Saul Friedländer
etwas Ähnlies. Au er war während der Nazi-Okkupation in eine
katholise Institution geflütet. In seinem Fall aber war es sließli sogar
ein Jesuit, der ihn – seinen eigenen Zweifeln zum Trotz – überzeugte, zur
Religion seiner Väter zurüzukehren. In Fällen wie diesen stehen zweierlei
Rete miteinander im Widerstreit: das natürlie und das später kra eines
Sakraments hinzugekommene. Das Sakrament aber ist nur für den
retsverbindli, der es als soles betratet, während das natürlie Ret
eine unleugbare objektive Kra hat. Es überrast also, da es katholise
Sristeller von Format gibt, die au na den Entwilungen, zu denen
i glei kommen werde, weiter behaupten, die Kire sei «gefangen», weil
«die Taufe, wenn sie gültig erteilt wurde, ex potere operato [dur die
vollzogene Handlung] zum Christen mat, also unauslösli den Status
von Kindern der Kire verleiht, die es als Muer niemals gestaen wird,
diejenigen preiszugeben, die dur das Sakrament auf ewig in ihre Familie
eingetreten sind.» Diese Position vertri beispielsweise Viorio Meori.
In diesen Konflikten, die sehr zahlrei waren, treffen aber nit nur zwei
Rete aufeinander, sondern au zwei gewiermaßen funktionale
Konzeptionen. Auf der einen Seite die Kire, also Geistlie oder Männer
des Glaubens, die offen sind für Verständnis, Erbarmen, den Geist des
Evangeliums, auf der anderen der Heilige Stuhl, der Vatikan, der an
politise und diplomatise Gebote gebunden ist. Hier stet der Kern des
Zwiespalts, über den no heute, mehr als ein halbes Jahrhundert später,
weiter diskutiert wird; hier der Bru und hier (um zum ema dieses
Kapitels zurüzukehren) der anseinend unerklärlie Widerspru
zwisen dem von Klöstern und anderen katholisen Institutionen
gewährten selbstverständlien Beistand für die Flütlinge und dem eisigen
Sweigen oder zumindest der beharrlien Zurühaltung des Vatikans.

Am 13.  Juni  1960 empfing Roncalli, der inzwisen unter dem Namen
Johannes  XXIII. Papst geworden war, den Historiker Jules Isaac zu einer
Audienz, der gemeinsam mit anderen Intellektuellen die berühmten «Zehn
Seelisberger esen» verfat hae, mit denen na der Tragödie versut
wurde, den Dialog zwisen Christen und Juden wieder in Gang zu bringen.
Die vorausgegangenen Versue waren alle entsieden entmutigend
gewesen. Eine Begegnung zwisen Isaac und Pius XII. am 16. Oktober 1949
war sehr ungut verlaufen, der Tatsae zum Trotz, da sie aufgrund eines
kuriosen Zufalls auf den Tag genau ses Jahre na der Deportation der
Juden aus Rom stafand. Als der Historiker dem Pontifex die
Dokumentenmappe überreien wollte, hae Pius kühl gesagt: «Legen Sie
sie do auf den Tis dort.»
Mit Johannes  XXIII. liefen die Dinge erhebli anders. Bei dem auf
abenteuerlie Weise von Venezianer Freunden vermielten Treffen
präsentierte Isaac (deen Familie Auswitz nit überlebt hae) das
Dokument no einmal, und nit genug damit, da der Papst es sehr
herzli aufnahm, sagte er auf Jules Isaacs Frage, ob er denn eine gewie
Hoffnung nähren dürfe: «Vous avez droit à plus que de l’espoir» («Sie haben
das Ret» – und Roncalli benutzte ausdrüli das Wort «Ret» – «auf
mehr als nur Hoffnung.»). Denno ist die Spur, die der Besu in Papst
Roncallis Tagebu hinterließ, dürig, sie besränkt si auf fünf Worte:
«Interessante l’ebreo prof. Jules Isaac.» («Intereant, der Jude Prof. Jules
Isaac.»).
Papst Roncalli starb am 3. Juni 1963, Jules Isaac drei Monate später. Weder
der eine no der andere also konnte die Publikation der Enzyklika Nostra
Aetate no erleben, zu deren zahlreien Prämien mit Sierheit au die
Begegnung dieser beiden gehörte. Die 1965 verkündete Erklärung des
Zweiten Vatikanisen Konzils zu den nitristlien Religionen besagt in
Punkt 4:

Bei ihrer Besinnung auf das Geheimnis der Kire gedenkt die Heilige Synode des Bandes,
wodur das Volk des Neuen Bundes mit dem Stamme Abrahams geistli verbunden ist …
Deshalb kann die Kire au nit vergeen, da sie dur jenes Volk, mit dem Go aus
unsagbarem Erbarmen den Alten Bund gesloen hat, die Offenbarung des Alten
Testamentes empfing … Denn die Kire glaubt, da Christus, unser Friede, Juden und
Heiden dur das Kreuz versöhnt und beide in si vereinigt hat … Au hält sie si
gegenwärtig, da aus dem jüdisen Volk die Apostel stammen, die Grundfesten und Säulen
der Kire, sowie die meisten jener ersten Jünger, die das Evangelium Christi der Welt
verkündet haben … Obglei die jüdisen Obrigkeiten mit ihren Anhängern auf den Tod
Christi gedrungen haben, kann man denno die Ereignie seines Leidens weder allen
damals lebenden Juden ohne Untersied no den heutigen Juden zur Last legen … Im
Bewutsein des Erbes, das sie mit den Juden gemeinsam hat, beklagt die Kire, die alle
Verfolgungen gegen irgendwele Mensen verwir, nit aus politisen Gründen,
sondern auf Antrieb der religiösen Liebe des Evangeliums alle Haausbrüe, Verfolgungen
und Manifestationen des Antisemitismus, die si zu irgendeiner Zeit und von irgend
jemandem gegen die Juden geritet haben.

Diese Worte lösten eine unerhörte, bewegte Hoffnung aus und änderten
jedenfalls das Verhalten der Kire oder zumindest von Teilen der Kire. Es
swanden der alte Ha auf die Juden, das Konzept der Kollektivsuld des
«Volkes der Goesmörder», die Karfreitagsfürbie für die «perfiden Juden».
Feierli und zum ersten Mal wurde anerkannt, da das Christentum aus
dem Soß des Judaismus geboren war und da Jesus selbst ein Jude war
und dies bis zu seinem Tode blieb. Die Enzyklika Nostra Aetate sien
wahrli eine neue Ära der swierigen Beziehungen zwisen Katholiken
und Juden einzuläuten, den «älteren Brüdern», wie sie Johannes Paul II. bei
seinem Besu der Synagoge von Rom im April 1986 nennen wird.

An der Tatsae, da Papst Pacelli zu vorsitige, zu swae Worte


gebraut hat angesits des eisernen Willens der Nazis, ein ganzes Volk zu
verniten, ist kein Zweifel mögli. Er selbst war si seiner
Unzulänglikeit angesits der Ungeheuerlikeit der Ereignie offenbar
bewut. Im Oktober 1941, mien im Krieg, fragte er Nuntius Roncalli: «Was
wird die Gesite wohl zu meinem Sweigen sagen?»
Im Übrigen sieht jeder, mit wie viel Bestimmtheit und Nadru die
Kire (au heute) zu spreen fähig ist, wenn sie ein ema für ihre
geistlie Miion oder ihre weltlien Sonderrete für wirkli witig
hält. Weshalb blieb Pius  XII. so untätig? Ein erster Grund waren, wie wir
gesehen haben, die jahrhundertealten Vorurteile gegenüber den Juden, die
zum Indoktrinationsrepertoire eines jeden Priesterseminars gehörten.
Der Papst und ein Großteil der Kurie waren durdrungen von dieser
Kultur, haen eine sehr negative Vorstellung vom Judentum, das zwar die
Matrix war, von der aus das Christentum zum Leben erwet wurde, aber in
ihren Augen eine grausam entartete Matrix. Die alte Religion verweigerte
der neuen die Anerkennung ihrer höheren und einzigen Wahrheit; das
Judentum verwies Jesus Christus, der in katholiser Ansauung der
Erlöser der Mensheit war, in den Rang eines beliebigen Propheten. Der
Antisemitismus der Nazis sien in einer allerersten Phase den einen oder
anderen Berührungspunkt mit der katholisen Orthodoxie zu haben.
Natürli nit, was die Vernitungslager betri, aber in punkto
Feindseligkeit gegenüber dem jüdisen Volk.
Ein weiteres Element war viele Monate lang die Untersätzung des
Holocaust. Die Spärlikeit der Informationen und die Dimension und
absolute Neuartigkeit der verbreerisen Projekte der Nazis ließen die
Stimmen, die na und na au den Vatikan erreiten, unglaubwürdig
oder übertrieben erseinen. Außerdem wurden vom Vatikan, worauf
Renato Moro in seinem Bu La Chiesa e lo sterminio degli Ebrei (Die
Kire und die Judenvernitung) hingewiesen hat, die totalitären Ideologien
der Reten in Italien, in Spanien, in Deutsland, in Kroatien (wo die
Ustasa des Katholiken Ante Pavelic´ grauenhae Verbreen verübte) mit
Wohlwollen betratet, weil man glaubte (oder hoe), in ihrer Tendenz zum
Mystizismus, ihrem Rügriff auf eine parareligiöse Sakralität ein Vehikel
erkennen zu können, das sie potenziell früher oder später zum wahren
Glauben hinführen konnte.
Dann war da der ewige Konflikt mit der Moderne, der si 1830 mit Papst
Gregor  XVI. (Bartolomeo Alberto Cappellari, 1831–1846) geräusvoll
entzündet hae; er bekräigte den gölien Ursprung des Pontifikats und
verdammte gleizeitig die Demokratie, die Meinungs- und Preefreiheit,
die Gleiberetigung. In seinen Augen nits als vergiete Früte der
Aulärung, die die Gläubigen vom geduldigen Gehorsam gegenüber den
Kirendiktaten abgebrat hae. In diesem Krieg gegen den «Zeitgeist», in
dem si später auf dramatise Weise au Pius  IX. engagieren sollte,
blite die Kire sehr viel besorgter auf die Freizügigkeit der Sien, den
ungenierten «Modernismus» der Anglo-Amerikaner, die Aulärung des
säkularen Europa als auf die düstere Mystik des Drien Reies.
In der folgenden Zeit sah man, da in Deutsland au die Katholiken
unter der Härte des Regimes zu leiden haen, da Gläubige und selbst
Priester verfolgt, in Konzentrationslager gesit, getötet wurden.
Mindestens zehntausend Priester wurden von der Gestapo «verhört»,
Dutzende von ihnen ermordet. Zahlrei die Stimmen, die vom Papst
verlangten, er möge seinen Protest zum Ausdru bringen, da es si nit
mehr nur um Juden, sondern au um Glaubensbrüder handele. Nit einmal
in diesem Fall jedo hielt es Pius  XII. für seine Suldigkeit, mit dem
erforderlien Nadru einzugreifen. Na übereinstimmender Auffaung
der Kurienmitglieder fürtete er, eine ete Stellungnahme häe, sta zu
nützen, die Dinge eher kompliziert und die Risiken erhöht. Dazu war mit der
Möglikeit einer Abspaltung der deutsen Katholiken zu renen, unter
denen viele stark von patriotisem und antisemitisem Geist durdrungen
waren. Außerdem kämpe Nazi-Deutsland mit unbestreitbarer Festigkeit
gegen die Sowjetunion, die für die Verfolgung der Kire und für den
atheistisen Materialismus stand. Zwisen diesen beiden Übeln, immer
vorausgesetzt, da man in Rom beide Regime als Übel ansah, stellte
Deutsland sier das geringere dar.
Ein weiteres, nit zu untersätzendes Element ist das enorme
Auommen an Hilfeersuen, die aus vielen Teilen der Welt tägli beim
Vatikan eingingen. Diese beinahe immer verzweifelten Hilferufe waren das
Eo von Gewalt, Folter, Vergewaltigung, Elend und Kriegszerstörung. Jede
dieser Stimmen erforderte Aufmerksamkeit, reklamierte Vorrangigkeit für
si. In dieser ohrenbetäubenden Kakophonie war es swierig, eine
Prioritätenliste oder Dringlikeitshierarie festzulegen, und so landete die
Shoah, deren Tragweite man nit glei erkannte, erst einmal unter
Hunderten von anderen Tragödien, hervorgerufen dur einen Krieg, der die
Welt in Stüe ri.
Die Haltung Pius’ XII. änderte si nit einmal, als im Herbst 1942 klar
wurde, da si das «Kriegsglü» zugunsten der Alliierten wendete; sie
änderte si nit na dem Einmars der Amerikaner in Rom am
4.  Juni  1944 und sie änderte si au nit, als es mit der Regierung
Badoglio[10] darum ging, die 1938 vom Fasismus erlaenen Raengesetze
zu revidieren. Na der Ankun der Alliierten nämli waren die
Raengesetze Zug um Zug abgesa worden. Der einflureie
Jesuitenpater Pietro Taci Venturi, der si seinerzeit für die Conciliazione
(Versöhnung) zwisen Papsum und fasistisem Regime verwendet
hae und der von Kardinalstaatekretär Luigi Maglione zum
Sondervermiler bei der italienisen Regierung bestellt worden war, slug
ledigli vor, diejenigen Normen abzusaffen, die die zum Katholizismus
konvertierten Juden diskriminierten, den Rest aber zu belaen. Wer als Jude
geboren, dann aber konvertiert war, konnte somit als «Arier» betratet
werden.
Angesits der Untätigkeit Pius’ XII. gegenüber der NS-Vernitungspolitik
stellt si aber au die Frage, was denn die anderen taten, also die gegen
Hitler-Deutsland kämpfenden Mäte, und unter diesen in erster Linie die
Vereinigten Staaten von Amerika. Die Antwort ist bekannt. Sie taten wenig
oder nits, jedenfalls bis 1944. Eine Anordnung des State Department hae
den amerikanisen Konsuln vorgesrieben, niemandem ein Einreisevisum
zu erteilen, der der staatlien Fürsorge zur Last fallen könnte. Die
Vereinigten Staaten waren mit einem ungeheuren Kraakt im Krieg
involviert, do war es nit einmal der Rüstungsindustrie gelungen, die
hohe Arbeitslosigkeit ganz aufzufangen.
Als die Nariten über die Vernitung na und na verlälier
wurden, loerte man die Einreisebestimmungen etwas. Zum Beispiel
überließ man es den Konsuln, nit nur die profeionellen Fähigkeiten der
Anwärter zu bewerten, sondern au das Affidavit[11] amerikaniser
Verwandter, die für ihren Unterhalt garantierten  – Vorkehrungen, die in
Anbetrat des ungeheuren Ausmaßes der Tragödie absolut unzureiend
waren, wobei wahrseinli au gewie in den USA verbreitete
antisemitise Einstellungen ihre Wirkung zeitigten. Präsident Franklin D.
Roosevelt (von 1933 bis 1945 im Amt) war si dieser Tatsae so sehr
bewut, da er no im Januar  1944 bei der Einritung einer
interministeriellen Dienststelle zur Koordination der Hilfe für Opfer der NS-
Diktatur diese War Refugee Board, also Komitee für «politise Flütlinge»
bzw. «Kriegsflütlinge», nennen ließ, nur um die Bezeinung «jüdise
Flütlinge» zu vermeiden.
Der Kriegseintri der Amerikaner na dem Angriff der Japaner auf Pearl
Harbour am 7. Dezember 1941 versäre die Situation wieder. Die na und
na erweiterten Masen für die Visa-Erteilung wurden unverzügli
wieder enger gezogen, sowohl aus objektiven, mit dem Krieg
zusammenhängenden Gründen als au aus Furt vor möglien Spionage-
Infiltrationen. Was die Juden anging, so handelte es si um die Aufnahme
von Bürgern eines feindlien Staates, wobei eine Gefahr (unter vielen)
darin bestand, da Immigranten, deren Familienangehörige in Deutsland
zurügeblieben waren, Erpreungen von Seiten der Nationalsozialisten
ausgesetzt sein konnten. Ein soler Fall wird in dem großartigen
Briefroman Address Unknown von Kathrine Kremann Taylor (1938)
gesildert.[12]
Außerdem stellt si die immer wieder aufgeworfene Frage, warum die
Anglo-Amerikaner, nadem sie Kenntnis von der Existenz der
Maenvernitungslager erhalten haen, nit die für den Transport der
Deportierten benutzten Eisenbahnlinien bombardiert haben. In jenen
Monaten gab es zahlreie und wiederholte Forderungen na solen und
ähnlien Aktionen, die Antwort war aber jedesmal negativ. In erster Linie
wurden ballistise Probleme angeführt, die Zielsysteme der Flugzeuge
waren in den vierziger Jahren no ret unpräzise. Die Bombardierung
eines Konzentrationslagers häe daher mit an Sierheit grenzender
Wahrseinlikeit zu einem Blutbad geführt, das au von vielen
Lagerinsaen mit dem Leben bezahlt worden wäre. Zweitens wurde
vorgebrat, da die für die Aktion notwendigen Lustreitkräe, also
angemeen eskortierte Bomber, ausgerenet in dem Augenbli von den
Kriegauplätzen häen abgezogen werden müen, als die Alliierten die
größten Anstrengungen unternahmen, dem Krieg ein Ende zu setzen und
ihn zu gewinnen. Eine zusätzlie Retfertigung bestand darin, da dur
die Besleunigung des Kriegsendes ohnehin unzählige Mensenleben
allein dadur gereet würden, da man sie den Folterkneten der Nazis
entri.
Eine weitere nie offen zugegebene und do latent vorhandene Erwägung
hae ihr Gewit bei dieser Entseidung: Der amerikanisen Regierung,
oder beer: den Politikern, aus denen sie zusammengesetzt war, widerstrebte
es, das Leben ihrer Soldaten aufs Spiel zu setzen, um ausländisen
Staatsbürgern zu Hilfe zu eilen. Au in diesem Falle also gab die alte Regel
den Aulag, da wahltaktise Überlegungen immer und überall Vorrang
vor humanitären Idealen haben.
Im Jahre 2008 sind diese Fragen Elie Wiesel gestellt worden, dem
Überlebenden des Holocaust und Friedensnobelpreisträger, der darauf
antwortete:

I habe versiedenen Präsidenten immer wieder die Frage gestellt, warum die Vereinigten
Staaten, obwohl sie wuten, was in den Lagern gesah, nits taten, um die Vernitung
aufzuhalten. Die Befürtung, da au Gefangene in Mitleidensa gezogen würden, ist
eine alte Ausrede. Jedes Mal, wenn meine Freunde und i die alliierten Flugzeuge über
unsere Köpfe hinwegfliegen hörten, wünsten wir uns, da die Bomben fielen. Ein soler
Tod wäre der Gaskammer sier vorzuziehen gewesen. Ohnehin haen die Alliierten die
Alternative, die Gleise der Zugstree na Auswitz zu bombardieren. Das häe das Leben
Tausender und Abertausender von ungarisen Juden gereet, der letzten, die ins Lager
gesit wurden, nadem die ganze Welt son von den Gräueln wute. I werde nie die
Begegnung mit dem damaligen Präsidenten des Jüdisen Weltkongrees, Nahum Goldman,
vergeen, der mir na dem Krieg sagte: «Wir wuten es, aber wir haben geswiegen.» Die
Gewiensbie haben ihn sein ganzes Leben lang verfolgt.

Zu behaupten, Pacelli sei ein Nazifreund oder gar Hitler’s Pope gewesen, so
der provokatorise Titel eines Bues von John Cornwell (John Le Carrés
Bruder, 1999), ist historis fals und gewollt polemis. In Wahrheit begriff
Pius XII. sehr früh die geradezu «teuflise» Natur des Nazismus und li bis
zu Tränen an der Tragödie des jüdisen Volkes. Abgesehen von den
Umständen, der Erziehung, die er genoen hae, seinem ausgeprägten
Antikommunismus war seine Paivität slit Ausdru seines
Temperaments. Er dursaute vieles, denno sae er es nit, «über
seinen Saen zu springen»  – wie eine deutse Redewendung heißt. Er
zog es vor, seine Kire über den Parteien zu halten, si als «Vater aller»
nit auf eine Seite zu slagen.
Hinter der würdevollen Strenge seines Äußeren war er ein seuer
Mens, zur Diplomatie erzogen, mit der Neigung, seine Pfliten
bürokratis und gewienha, mit Bedat zu erfüllen. Er hae wilde Tiere
vor si und versute, sie dur Mediation und Vorsit zu besänigen,
nit zuletzt weil er in Hitler-Deutsland ein Bollwerk gegen den
Bolsewismus sah. Ernst von Weizsäer, seit Juli  1943 als Botsaer am
Heiligen Stuhl, sreibt na dem Antrisbesu beim Papst am 7. Juli:

Bemerken mu i aber do den großen und nüternen Realismus, der bei ihm zutage kam
in Bezug auf die Behandlung deutsvatikaniser Angelegenheiten und au hinsitli
der ungeheuren Swierigkeit, für Frieden und Auören der europäisen Zerstörungswut
etwas Wirksames zu tun … Man hat im ganzen genommen mehr das Gefühl, einem Mann
voll geistigen Eifers gegenüber zu sein als einem Politiker, der er do in Wirklikeit in
hohem Grade gleifalls ist.[13]

Und einen Tag später:

Für meine Aufgabe wäre es mir lieber, wenn derjenige Mann, auf den es hier für mi allein
ankommt, etwas weniger Asket und von minder zartem Gemüt wäre. Er seint do in
erster Linie unerbili gläubig-katholis zu sein und erst in zweiter Linie praktis
handelnd.[14]

Und im März  1944 heißt es in einem «Rundbrief»: «Der Papst hat


gegenwärtig mit Kritik zu kämpfen. Viele Römer erklären ihn für zu fein, zu
klug, zu vorsitig, zu diplomatis, etwa für einen Generalstäbler bester
Sorte, der aber nie an der Front gestanden und daher das Simpfen nit
ordentli gelernt hat.»[15] Versiedene erst in jüngster Zeit ans Lit
gekommene Berite bestätigen die sarfsitigen Einsätzungen und
Beobatungen des Diplomaten.
Die Historikerin Emma Faorini hat bei ihren Forsungen für das Bu
Pius  XI., Hitler, Mussolini. La solitudine di un papa (Turin 1997, Pius  XI.,
Hitler, Muolini. Die Einsamkeit eines Papstes) ein sehr beredtes Dokument
entdet, dem zu entnehmen ist, da Pacellis Vorgänger Pius  XI. wenige
Tage vor seinem Tode eine Rede vorbereitet hae, in der er das Klima der
Heuelei und der Spionage-Kontrolle, das vom fasistisen Regime im
eigenen Land und der Kire gegenüber erzeugt worden war, brandmarken
wollte. Mit prophetiser Gabe wir sie si gegen den «mörderisen und
selbstmörderisen Aufrüstungswahnsinn». Papst Rai hae vor, sie zum
zehnten Jahrestag der Conciliazione (der Lateranverträge zur «Versöhnung»)
am 19.  Februar  1939 zu halten, worüber die Fasisten und Muolini
höstpersönli, die davon Wind bekommen haen, äußerst besorgt waren.
Rais swere Krankheit führte am 10. Februar zum Tode, neun Tage, bevor
er spreen konnte.
Kaum war der Papst gestorben, ordnete Pacelli unverzügli die
Vernitung der Rede an, der handsrilie Entwurf verswand in den
Ariven. Eine alles andere als süterne Geste, eine hoheitlie sogar, von
der Gewiheit geleitet, im Ret zu sein, also in einem Augenbli heigster
Gegensätze zum Wohle der Kire zu handeln, vor allem angesits des, wie
man wute, unmielbar bevorstehenden Kriegsausbrus, der im September
tatsäli erfolgte. Do Pacelli besränkte si nit allein darauf. Er
unterband die Publikation der Enzyklika Humani generis Unitas (Einheit
des Mensengeslets), in der Pius  XI. die auf der Vergöliung des
Staates, der Rae, der sozialen Klae basierenden totalitären Systeme
verdammte (also den Bolsewismus und den Fasismus). Diese nie
veröffentlite Enzyklika war von Papst Rai beim amerikanisen Jesuiten
John LaFarge in Aurag gegeben worden und mute wie eine definitive
Verurteilung des Antisemitismus und des Raismus dur die Kire
klingen. «Einheit des Mensengeslets» eben. Au in diesem Fall
befahl Pacelli, den Text in den Ariven verswinden zu laen.
Eine wenig bekannte, in das Jahr 1938 zurügehende Episode illustriert
sehr sinnfällig den himmelweiten Temperamentsuntersied zwisen
Pius XI. und seinem Nafolger Pius XII. Am 15. November des Jahres, zwei
Tage, bevor Muolini das «Gesetz zum Sutz der italienisen Rae»
erließ, sit Papst Rai, Pius  XI., der vatikanisen Tageszeitung
Oervatore Romano eine Note, in der er diese Gesetze mibilligt,
insbesondere was die Misehen zwisen Juden und Christen angeht. Die
Note wird abgedrut, jedo in einer sehr abgemilderten Form. Einige Tage
später, nadem er einen Anfall der Krankheit überstanden hat, die binnen
kurzem zu seinem Tode führen sollte, fragt der Papst, wer denn sein
Sreiben so sehr abgeswät habe. Eugenio Pacelli, damals Staatekretär,
antwortet prompt: «Das war i.» Der Historiker Giovanni Sale, der in den
Ariven des Vatikans die Dokumentation dieses Vorfalls aufgestöbert hat,
kommentiert, da der sehr kampfeslustige Papst Rai «über die
Raemaßnahmen betrübt war und darüber bis ans Ende seiner Tage in
qualvoller Anspannung blieb». Das gleie tri für den «diplomatiseren»
und weniger energisen Eugenio Pacelli nit zu.
Die Untersiede zwisen den beiden Päpsten wurden übrigens von den
NS-Geheimdiensten auf Anhieb erkannt. Eugenio Pacelli wird am
2.  März  1939 zum Papst gewählt. Am folgenden Tag sit die Deutse
Botsa Rom ein Memorandum na Berlin:

Pacelli ist nit in die Gewaltpolitik Pius’ XI. involviert … im Gegenteil hat er si mehrfa
um die Sue na Kompromien bemüht und dieser Botsa gegenüber den Wuns na
freundsalien Beziehungen zum Ausdru gebrat.[16]

So also wurde von den Nazis die Enzyklika Humani generis Unitas gesehen,
die Pius XI. no verbreiten laen wollte: als Gewaltpolitik.

Was au immer seine Motivationen gewesen sein mögen, unleugbar bleibt
das «Sweigen» Pius’ XII. Eine Charakteristik, die auf der historisen
Bedeutung seiner Figur lastet, vielleit jenseits seiner unbestreitbaren
Versäumnie: Vorsit, Bedatsamkeit, Unslüigkeit. In einer absoluten
Monarie wie der katholisen Kire, in der die Figur des Souveräns als
«unfehlbar» gilt, werden Verdienste und Suld automatis, beinahe per
Trägheitsgesetz, tendenziell auf denjenigen projiziert, der sie offiziell
repräsentiert. Bei einer genauen Betratung der Fakten springt ins Auge,
da das Verhalten der versiedenen kirlien Strukturen in der Realität
eher offen war. Sehr viele Antifasisten und Juden wurden in Klöster und
Kiren aufgenommen und dort besützt, die Glülisten unter ihnen (im
Allgemeinen Katholiken von Rang, wie zum Beispiel Alcide De Gasperi)
sogar im Innern des Vatikans. Ähnlie Hilfe wird im Übrigen bei
Kriegsende zahlreien NS-Rädelsführern und Kriminellen zuteil, denen
Päe und über die sogenannte Rat line[17] Siffspaagen na Südamerika
versa werden.
Die Gesite Pius’ XII. ist sier tragis sowohl im Hinbli darauf,
was sie in jenem historisen Moment bedeutete, als au wegen der
Wirkung, die eine resolutere Haltung (vielleit) häe haben können. In
diesen Jahren häe die Kire einen Propheten als Papst gebraut, fähig, der
Welt die Werte des Evangeliums vor Augen zu führen und weniger die
Rüsiten der Diplomatie. Es war nit so. Beim drien Wahlgang wählte
das Konklave Pacelli, der alles andere war als ein Prophet. Es war eine
rase, aber keine einmütige Wahl. Monsignor Tardini, witiger Mitarbeiter
Pius’ XII., erklärte die während des Konklaves aufgetretenen Gegensätze so:
«Kardinal Pacelli ist ein Mann des Friedens, und die Welt braut jetzt einen
Papst des Krieges.» Vielleit konnte nit einmal er si in diesem Moment
vorstellen, wie ritig er mit dieser Einsätzung lag.
Im Laufe der Jahre ist die Figur Pius’ XII. immer wieder neu und anders
bewertet worden. Der sier extremen Position des deutsen Dramatikers
Hohuth steht eine ebenso extreme, bedingungslose Verteidigung dur die
Spitzen des Vatikan gegenüber; sie haben dur Fehleinsätzung oder
Zurühaltung objektiver Elemente und Dokumente, die eine korrekte
Beurteilung häen ermöglien können, gewi nit zum Dialog
beigetragen.
Am 12.  März  2000 hat Papst Johannes Paul  II. im Petersdom für die
Irrtümer und die Suld der Kinder der Kire gegenüber den Juden seit der
Geburt Jesu um Verzeihung gebeten. Offenbar konnte er nit sagen, da
au die Suld (zumindest dur Unterlaung) seines Amtsvorgängers
Eugenio Pacelli darin eingesloen war. Auf jeden Fall war es ein positiver
Sri, konterkariert leider dur seinen Nafolger Benedikt  XVI., der im
Dezember  2009 die «heldenmütigen Tugenden» (virtù eroie) Pius’ XII.
verkündete. Amos Luzzao, emeritierter Präsident der Italienisen Juden,
hat das so kommentiert: «I weiß nit, was man in der eologie unter
virtù eroie versteht. Im allgemeinen Verständnis ist ein ‹Held› jemand, der
sein eigenes Leben riskiert, um das anderer zu reen.» Das war bei Papst
Pacelli nit der Fall. Seine Gaben waren andere: diplomatises Gesi,
die Behutsamkeit des Hirten, die Besonnenheit des Mediators. Aber
Heldentum wahrli nit.
XIV. EMANUELA
EIN MÄDCHEN VERSCHWINDET

D
ER CORSO RINASCIMENTO endet in einem herrli aotisen
Gewirr aus Straßenerweiterungen und Plätzen, beredtes Zeugnis für
die Irrungen und Wirrungen der Stadtplaner: Piazza delle Cinque Lune,
Piazza Sant’Apollinare, Piazza Sant’Agostino, Piazza Tor Sanguigna. Lauter
bemerkenswerte Orte, von denen ausgerenet der topographis am
wenigsten gelungene der mit dem sönsten Namen ist: Piazza delle Cinque
Lune (Platz der fünf Monde). Er soll vom Firmensild einer Traoria mit
fünf Monden in versiedenen Stadien des Zunehmens herrühren. Piazza Tor
Sanguigna heißt so, weil dort der Sanguigni-Turm steht. Er ist als einziger
Rest von der Burg der einst so mätigen Familie Sanguigni aus dem
13.  Jahrhundert übrig geblieben und dient heute als Wohnhaus. Die kleine
Piazza Sant’Agostino hat ihren Namen von der Kire, in der si
Caravaggios berühmtes Altargemälde Madonna dei pellegrini (Madonna der
Pilger) befindet; zu ihrer Reten der Eingang zur Biblioteca Angelica aus
dem 17. Jahrhundert, einem der verblüffendsten «geheimen» Orte Roms.
Au Piazza Sant’Apollinare hat ihren Namen von einer gleinamigen
Kire, die sehr alt ist und in ariprespyteratu genannt wird, weil ihr ein
Erzpriester (au: Aripresbyter) vorsteht. Ihr Gründer war Papst
Hadrian  I., der sie 780 dem Sutzheiligen von Ravenna weihte. Auf
Anregung Benedikts  XIV. (Prospero Lambertini, 1740–1758)  – geboren in
Bologna und Held von Alfredo Testonis Komödie Il cardinal Lambertini
(1905)  – wurde sie von Grund auf neu gebaut. Berühmt-berütigt für die
Freiheiten, die er si herausnahm, bewies dieser Papst immer wieder seinen
etwas bizarren Sinn für Humor. Er liebte es zum Beispiel, seine Sätze mit
einem bekräigenden «Cazzo!» zu beenden (im Sinne von «Seiße!» oder
«Verdammt no mal!», wörtli aber «Swanz!»). Er tat dies als Kardinal
und sah au als Papst keine Veranlaung, davon abzulaen. Er sagte sogar:
«I werde dieses Wort heilig halten und demjenigen, der es zehnmal am
Tag auprit, die vollständige Vergebung der Sünden einräumen.»
Papst Lambertini war also ein handfester, sehr umgänglier Papst, er
pflegte wie ein x-beliebiger Priester herumzulaufen, unterhielt si mit den
Leuten aus dem Volk, wurde selbst zum Mann des Volkes. Es gibt mehr als
nur einen Historiker, der ihn deshalb mit Papst Roncalli, Johannes  XXIII.
verglien hat. Benedikt also beauragte den genialen Aritekten
Ferdinando Fuga (1699–1781) mit dem Wiederauau des Gebäudes. In der
Kire hat der Baromusiker Giacomo Cariimi sein Grab, der hier
Kapellmeister war. In einer Krypta ist aber au Enrico De Pedis beigesetzt,
«Renatino», einer der Boe der berütigten Magliana-Bande.[1] Seltsame
Grabstäe für einen Mann, deen Leben aus nits als Verbreen bestand,
aus Morden, Raubüberfällen, Drogenhandel, und der dann selbst von Killern
einer rivalisierenden Bande ermordet wurde. Das war am 2. Februar 1990 in
der Via del Pellegrino, da hae er die Absit, sein Leben zu ändern, do
blieb ihm keine Zeit mehr dafür.
Da einem Berufsverbreer die Ehre eines Grabmals zuteil wird, das
eigentli Päpsten vorbehalten ist, darf nit allzu sehr erstaunen. Die
offizielle Begründung für dieses ungeheure Privileg war seine besondere
Großzügigkeit gegenüber den Armen. Kardinal Ugo Polei, Vikar von Rom,
genehmigte es aufgrund eines Briefes von Don Vergari, dem früheren
Gefängnispfarrer der römisen Strafanstalt Regina Coeli, in dem unter
anderem beseinigt wurde, da «Signor Enrico De Pedis ein großer
Wohltäter der Armen gewesen ist, die zu den regelmäßigen Besuern der
Basilika gehörten, und da er sehr vielen religiösen und sozialen
Hilfsorganisationen ganz konkrete Hilfe geleistet hat … an seiner sta wird
seine Familie weiter wohltätige Werke tun ….» Plädoyer und Verspreen
zuglei, jedenfalls mu es überzeugend geklungen haben, zumindest
ausreiend.
Im Übrigen hat es, wenn man die Gesite betratet, in der
Vergangenheit ähnlie Fälle gegeben, und zwar immer aufgrund
großzügiger Spenden. Der berühmten Edelprostituierten Fiammea, der na
den damaligen Regeln eine Grube in ungeweihter Erde zugestanden häe,
war es gelungen, si in der Chiesa di Sant’Agostino bestaen zu laen;
außerdem wurde ein Platz na ihr benannt, Piazza Fiammea, der si no
heute ganz in der Nähe befindet. Das war zu Beginn des 16.  Jahrhunderts.
Fiammea Miaelis, gebürtige Florentinerin, war die Geliebte Cesare
Borgias gewesen, nadem dieser zum Kardinal gemat worden war. In
fortgesrienem Alter hae sie offenbar ihr Leben geändert und der Kire
großzügige Spenden gewährt. In dem Aretino zugesriebenen Dialogo dello
Zoppino (Dialog des Zoppino) liest man: «Die Fiammea nahm ein gutes
Ende, und in Sant’Agostino habe i ihre Kapelle gesehen.» Es seint also,
da sie, als sie im Februar 1512 starb, von ihren Sünden erlöst worden war.
Keine sole Erlösung hae es dagegen bei der Magliana-Bande gegeben,
die in den siebziger und aziger Jahren in die blutigsten Kriminalfälle, au
politise Verbreen verwielt war: von grausam ausgeführten Morden
und Raubüberfällen über den «Selbstmord» des Bankiers Roberto Calvi
(siehe Kapitel XI), die tragise Entführung und Ermordung des
Staatsmannes Aldo Moro bis zur Besteung von Parteifunktionären in
großem Stil. «Renatino» und weitere seiner Komplizen könnten au beim
Verswinden des fünfzehnjährigen Mädens Emanuela Orlandi eine Rolle
gespielt haben, der Titelfigur dieses Kapitels.
Eine Tragödie, die an einem hellen Juninamiag auf der Piazza delle
Cinque Lune begann, dem Platz mit dem so faszinierenden Namen. In der
Nähe befand si die von Emanuela besute Musiksule, in der Nähe
liegen au die päpstlie Universität und versiedene Kollegien. Lauter
exterritoriale Orte, das heißt außerhalb der italienisen Geritsbarkeit.
Dort wurde Emanuela Orlandi zum letzten Mal gesehen, bevor sie auf immer
verswand, in einem der mysteriösesten Kriminalfälle, die si in Rom je
ereignet haben – wegen der internationalen Implikationen, wegen der nit
zu entslüelnden Dynamik der Ereignie, wegen der Unklarheit über die
wirklien Motive.

Emanuela verswindet am Namiag des Miwo, 22.  Juni  1983, an


einem Tag, der begonnen hat wie jeder andere und deen dramatisen
Verlauf niemand vorhersehen konnte. Sie ist fünfzehn Jahre und ein paar
Monate alt, araktiv wie die meisten jungen Mäden, die gerade die
Kindheit hinter si gelaen haben. Sie besut die zweite Klae des
naturwiensalien Gymnasiums, mit mielmäßigen Noten,
einsließli einer 8 in Betragen,[2] was auf eine gewie Unruhe in ihrem
Verhalten sließen lät. Noten, die im Übrigen in harsem Kontrast zu den
erhebli beeren des Vorjahres stehen. Es ist ein swieriges Alter, in dem
Jugendlie nit selten eine gewie Verstörtheit an den Tag legen und
unter Stimmungwankungen leiden. Gleizeitig sind sie versloen,
laen ihre Probleme nur ungern heraus. Wele Ursaen mögen Emanuelas
Verhaltensänderungen gehabt haben?
Die eigentlie Besonderheit dieses Mädens, vielleit ein
entseidendes Element, ist ihre vatikanise Staatsangehörigkeit. Die
Familie Orlandi hat fast ein ganzes Jahrhundert lang im Dienste der Päpste
gestanden. Der Großvater Pietro war Stallknet bei Pius XI., bevor er 1932
Gehilfe und Postbote des Papstes wurde. Ihr Vater Ercole hat diese Funktion
in gewier Weise geerbt, sein Amt ist die Verteilung der päpstlien Post
einsließli der Einladungen, der Akten, des diplomatisen
Kurierdienstes. Aus diesem Grunde wohnt die Familie Orlandi (fünf Kinder:
vier Mäden, ein Junge) im Staat der Vatikanstadt in einem vierstöigen
Wohnhaus an der Piazzea Sant’Egidio. Dort wohnen mehrere Familien,
dort ist au der Sitz der Elemosineria vaticana (päpstlies Almosenamt).
An jenem Miwo waren Emanuelas Eltern Ercole und Maria na
Fiumicino gefahren, um si dort mit Verwandten zu treffen, mit denen sie
zu Miag een wollte, um dann gegen Abend wieder na Hause
zurüzukehren. Als treusorgende Muer hae Signora Maria jedenfalls für
alle daheimgebliebenen Kinder das Een warmgestellt.
Kurz na vier Uhr namiags verlät Emanuela dur die Porta
Sant’Anna den Vatikan, um zur Musiksule zu gehen. Wir kommen jetzt
wieder an die Orte zurü, die i zu Beginn des Kapitels genannt habe. Die
Sule, deren Namensgeber Tommaso Ludovico da Victoria war, ist eine
Einritung des Pontificio Istituto di Musica Sacra (Päpstlies Institut für
Kirenmusik, in dem i selbst, wenn i mir diesen autobiographisen
Hinweis gestaen darf, zu Beginn der seziger Jahre Harmonie und
Kontrapunkt studiert habe). Diese Sule, die damals von einer Swester
Dolores geleitet wurde, befindet si an der Rüseite des Palazzo di
Sant’Apollinare. Emanuela hae Querflötenunterrit und sang in einem
Chor der Vatikanstadt, zeigte also ein gewies Interee für Musik. Wir
wien nit, ob sie si na dem Durqueren des von den
Sweizergarden bewaten Tors zu Fuß oder mit dem Bus zur Sule begab.
Sie häe das eine wie das andere tun können, der Weg, den sie sehr gut
kannte, war nit länger als zwei Kilometer. Wir wien aber, da sie auf
dem Corso Rinascimento von den Polizisten Alfredo Sambuco und Bruno
Bosco gesehen wurde, die vor dem Palazzo Madama, dem Sitz des
italienisen Senats, Dienst taten.
Son diese ersten Zeugenauagen sind widersprüli, wie es in
solen Fällen nit selten der Fall ist. Sambuco sagte, er habe das Mäden
von der Piazza delle Cinque Lune herkommen sehen, was, vorausgesetzt, die
Erinnerung ist exakt, vermuten lät, da Emanuela zu Fuß unterwegs war
und an der Sule vorbei weiter den Corso Rinascimento entlanggegangen
ist. Nit nur das. Der Polizist sah, wie das Mäden stehen blieb und si
mit einem eleganten, slanken, aus einem grünen BMW gestiegenen
Dreißigjährigen unterhielt. Seiner Auage na soll dies gegen 17 Uhr
gewesen sein. In einer Folge der Fernsehsendung Telefono Giallo,[3] zu dem
i ihn einige Jahre dana einlud, sagte er dagegen, es sei um 19 Uhr
gewesen. In einem späteren Interview räumte er ein, da er si geirrt habe
und bestätigte als Uhrzeit seine erste Angabe: 17 Uhr. Eine Zeugenauage,
die darüber hinaus von weiteren Widersprüen entkräet wird. Do in
dieser Gesite ist ohnehin von Anfang an alles konfus und so wird es
au bleiben. Damit meine i, da von den allerersten Auagen an dur
eine Reihe von zufälligen oder (wenigstens zum Teil) gewollten Umständen
Prämien gesaffen werden, die von einer eten Aulärung des Falles
wegführen.
Der Polizist Bosco fügte dem von Sambuco genannten eleganten
Dreißigjährigen ein Detail hinzu. Wörtli erklärte er, da der unbekannte
BMW-Fahrer «mit einem Mäden spra, dem er gleizeitig einen Beutel
in Militärfarbe mit der Aufsri ‹Avon› zeigte, in dem si wahrseinli
kosmetise Produkte befanden». Pino Nicotri hat in seinem Bu Emanuela
Orlandi, la verità (Emanuela Orlandi, die Wahrheit, 2008) darauf
hingewiesen, da ein Musterkoffer mit Kosmetikprodukten und ein
militärfarbener Beutel nit sehr gut zusammenpaen.
Wir wien mit Sierheit, da Emanuela gegen 19 Uhr, nadem sie
vorzeitig die Musiksule verlaen hae, zu Hause anrief. Da die Muer
no nit da war, spra sie mit ihrer Swester Federica, der sie sagte, sie
habe von einem Unbekannten ein Jobangebot erhalten. Es ginge darum,
«während einer Modensau der sorelle Fontana [bekannter und
renommierter Stylist, Anm. d. A.] im Salone Borromini im Corso Viorio
Emanuele Sönheitsprodukte zu verteilen». Für eine Vergütung von 375.000
Lire (heute ca. 185,- Euro). Do selbst dieses Fragment der Gesite steht
auf waeligen Füßen. Eine sole Summe für ein Engagement von zwei
oder drei Stunden erseint unwahrseinli, es sei denn, es verbirgt si
etwas ganz anderes dahinter. In der Tat kam Federica die Sae verdätig
vor, und sie riet ihrer jüngeren Swester, nit auf das Angebot einzugehen
und na Hause zu kommen.
Ebenfalls gegen 19 Uhr gesellte si eine weitere Sülerin, Raffaella
Monzi, zu Emanuela und leistete ihr beim Warten auf den mysteriösen
Dreißgjährigen mit dem BMW Gesellsa. Na einer halben Stunde sagte
Raffaella, da sie jetzt na Hause müe, und bestieg einen Bus. Vom
Busfenster aus konnte sie no sehen, wie si Emanuela mit einer anderen
Frau unterhielt. Letztere ist nie identifiziert worden.
Am Morgen des Donnerstag, 23. Juni zeigt Natalina, die älteste Swester,
beim Amt für öffentlie Sierheit des Vatikans das Verswinden
Emanuelas an. In dieser Anzeige werden die Zeiten und Wege angegeben
wie oben besrieben. Am Abend deelben Tages kehrt Johannes Paul  II.
von seiner zweiten Polenreise na Rom zurü. Einige Mitglieder seines
Gefolges wollen eine gewie Nervosität bemerkt haben, die si unter den
Begleitpersonen ausgebreitet habe. Die Rede war von Befürtungen wegen
eines erneuten Aentats. Wahrseinlier ist aber, da dies mit der
Narit vom Verswinden der jungen Vatikanbürgerin zu tun hae.

Um diese Gesite in ihrer ganzen Dimension zu begreifen, jenseits der


Tragödie eines jungen Lebens und des Smerzes ihrer Familie, mu kurz
daran erinnert werden, in wel angespannter politiser Atmosphäre
versut wurde, das Verswinden Emanuelas als «Entführung»
auszugeben.
Der polnise Papst hae, wie gesagt, in diesen Tagen eine Reise in sein
Heimatland abgesloen, die zweite na der von 1979, die wegen ihres
offen provokanten Charakters in Moskau Alarm und Wut ausgelöst hae. In
Polen waren damals die Spitzen der katholisen Gewerksa Solidarność
auf Befehl von General Jaruzelski zeitweise inhaiert worden. Das war aber
au alles, wozu si der polnise Präsident na dem starken sowjetisen
Dru imstande sah  – man hae ihm von dort sogar nahegelegt, den
Papstbesu zu verhindern. Moskau fürtete genau das, was dann au
gesah: matvolle Demonstrationen des Volkes, deren
antikommunistiser und antisowjetiser politiser Charakter den
religiösen Aspekt bei weitem verdrängte.
Die päpstlie Kurie, also die vatikanise Regierung war zur Haltung
gegenüber der UdSSR und dem «Ostblo» gespalten. Staatekretär
Agostino Casaroli und «Außenminister» Aille Silvestrini häen eingedenk
der Lehren des Vorgänger-Papstes Paul  VI. eine weie Dialektik mit dem
kommunistisen Osten bevorzugt, eine Art «Ostpolitik»,[4] wie sie
seinerzeit in der Bundesrepublik Deutsland von Willy Brandt
eingeslagen worden war. Papst Johannes Paul II. dagegen war überzeugt,
den von Moskau gestützten Regimes den Todetoß versetzen zu können,
angefangen bei seinem Polen. Er war si bewut, da er über ausreiend
Energie, Charisma, Durbli, finanzielle Miel und mehr verfügte, um
einem Zeitgeist entgegenzukommen, der inzwisen reif für diese Wende
war. Ein langer Proze von mindestens zehn Jahren, deen Finale vor den
Augen der ganzen Welt stafinden wird, zunäst mit dem Fall der Berliner
Mauer im November 1989, dann 1992 mit dem Ende der Sowjetunion. Do
was haben diese umwälzenden Ereignie mit dem Verswinden eines
fünfzehnjährigen Mädens in Rom zu tun?
Ein zweiter Aspekt betri das Aentat auf Johannes Paul  II. am
13. Mai 1981, bei dem der Türke Mehmet Alì Ağca auf dem Petersplatz zwei
Revolversüe auf ihn abgab und ihn dabei swer verletzte. Nur wenige
Millimeter fehlten und einer der beiden Süe wäre tödli gewesen.
Mane Gläubige spraen von einem Wunder. Der Fotograf des Oervatore
Romano, Arturo Mari, hae drei Tage zuvor bei einem Besu des Papstes in
einer römisen Pfarrei Fotos gesoen. Als man diese Bilder später
aufmerksam prüe, war zu sehen, da si in der Menge au der türkise
Killer befand, und wenn es nit er war, sein Doppelgänger.
Ein drier Aspekt betri ein zweites junges Mäden aus Rom, Mirella
Gregori, im gleien Alter wie Emanuela, Toter von Besitzern einer Bar in
der Via Volturno, die wenige Woen zuvor, am 7. Mai 1983, ebenfalls von zu
Hause verswunden war. Die beiden Fälle wurden in der Beriterstaung
zueinander in Beziehung gesetzt, es wurde von einer Doppel-Entführung
gesproen, dur die die Freilaung des türkisen Killers erpret werden
sollte, von Mädenhandel, Prostitution, orientalisen Harems. Emanuelas
Fall liegt jedenfalls anders als der Mirellas, der zwar ebenso dramatis war,
aber aus anderen Gründen. Davon zeigte si au die
Untersuungsriterin Adele Rando überzeugt, die lange ermielt hae und
im Urteilpru der Voruntersuung die Hypothese vertrat, «da ein
instrumenteller Zusammenhang zwisen dem Verswinden Mirellas mit
dem Fall Emanuelas besteht, wahrseinli zu dem Zwe, die Komplexität
des Ermilungsrahmens im zweiten Fall zu erhöhen und diesen womögli
no unentwirrbarer zu maen».
Wir wien nit, ob es in den Gesiten der beiden jungen Mäden
wesentlie Übersneidungen gibt oder nit. Sier steht der Fall
Emanuela Orlandi länger im Zentrum des öffentlien Interees, au
aufgrund späterer und jüngster Entwilungen, wie wir sehen werden.
Unsere Erzählung wird si also auf Emanuela konzentrieren. Mit einer
Hypothese, die auf Logik basiert. Au wenn es keine objektive Bestätigung
dafür gibt, kann man sagen, da die Unmenge an Indizien und au an
Gerede zu ihrem Verswinden, in deen Folge sie aller Wahrseinlikeit
na zu Tode kam, ein abgekartetes Spiel gewesen ist, in dem sehr viele
Personen ihre Finger haen, mit dem Ziel, die Aulärung zu verhindern
oder irgendwele anderen Vorteile daraus zu slagen. Es gibt dazu
versiedene sehr gute Veröffentliungen, die versiedene plausible Motive
durleuten. Sta in dieses Wespennest einzudringen, werde i hier
versuen, einige Slüelsituationen und -personen aus einem Stoff zu
isolieren, der von Geheimdiensten und Experten für Kommunikation und
(gelegentli vom Zufall beförderter) Desinformation ersonnen seint, dazu
natürli au von profeionellen Kriminellen.

Einer der Protagonisten, wenn au ein fiktiver, ist lange Zeit der Türke
Mehmet Alì Ağca gewesen, der wegen des Aentats auf den Papst zu einer
lebenslangen Freiheittrafe verurteilt und am 18.  Januar  2010 na
«Strafende» aus einem Gefängnis in Ankara entlaen wurde. Die vielen
versiedenen von ihm gelieferten Versionen über die Motivation seiner Tat
und ihre Verknüpfung mit Emanuelas Sisal sind allein son Beweis
genug für eine aus obskuren Beweggründen oder irrationalem Kalkül
inszenierte Vieldeutigkeit.
Vor dem Riter Martella sagt Ağca, er habe mit seinen Komplizen bereits
vorab die Abmaung getroffen, im Falle seiner Verhaung die Ermilungen
dur die Vermisung von ein bien Wahrheit mit viel Lüge in die Irre zu
leiten. Im Laufe eines Verhörs im Geritaal erklärt er, Emanuela sei von
Licio Gellis P2-Loge entführt worden: «Diese Leute wuten, da i Jesus
Christus bin. Sie wollten mi in den Vatikan einsleusen und als
Instrument benutzen.» Wenige Tage später widerru er diese Auage: «I
habe die P2 ins Spiel gebrat, weil die Grauen Wölfe und die Bulgaren
Emanuela entführt haben. Sie wollten, da i den Proze störe, indem i
die westlie Pree wegen ihres Vorwurfs an die UdSSR und Bulgarien, den
internationalen Terrorismus zu begünstigen, in Mikredit bringe.»
Sieben Jahre na Emanuelas Verswinden behauptet Ağca, in einem
gewien Ates Bedri, einem im französisen Gefängnis von Poiy
einsitzenden Türken, seinen Freund Oral Çelik wiedererkannt zu haben, der,
wie er sagt, die Entführung Emanuelas organisiert haben soll. 1993 beteuert
er in einem Interview mit Antonio Fortiiari vom Woenmagazin Gente,
da die Entführung Emanuelas Teil eines internationalen Komplos gegen
den Vatikan gewesen sei, deen Köder das Mäden war, mit anderen
Worten die Gegenleistung für eine Erpreung der Kire aus nit
eingestehbaren Gründen. Diese Möglikeit, die si wiederum mit allen
möglien absurden Lügen vermist, erregte seinerzeit kein allzu großes
Aufsehen. Die jüngsten Entwilungen des Falles verleihen ihr aber eine
intereante Plausibilität.
1997 nimmt Ağca in einem Brief an die Riter Imposimato und Martella
eine frühere Version wieder auf. Er sreibt, in Wahrheit seien der
sowjetise KGB und der bulgarise Geheimdienst seine Auraggeber
gewesen und die Entführung habe dazu gedient, na der Verhaung Dru
auszuüben, um seine Freilaung zu erreien. Etwa gleizeitig sreibt er
Ercole Orlandi und versiert ihm, da es seiner Toter «gut geht, ihre
physise und moralise Integrität absolut garantiert ist». Bei einer
früheren Gelegenheit hae er gesagt, das Mäden sei tot; ein anderes Mal,
alle beiden Mäden, Mirella und Emanuela, seien am Leben und in
Lietenstein: «Die beiden jungen Frauen sind nie entführt worden, sie
befinden si in Lietenstein. Das ist nits als eine internationale Intrige.»
Der Ermilungsriter Rosario Priore wird die totale Unzuverläigkeit
des Mannes feststellen und hinzufügen: «Gegen eine derartige Persönlikeit
kann man keinen Proze führen.» Die einzige Gewiheit oder
Gesetzmäßigkeit in dieser wilden Misung aus Ammenmären und
Phantasien, die teilweise konstruiert sind, teilweise aber einem mentalen
Chaos entspringen, ist die Tendenz des türkisen Killers, die Öffentlikeit
dur die Kombination aus Wahrheitsfetzen und nageplapperten
Halbsätzen aus den Zeitungen, vagen Verspreungen ständig auf die Folter
zu spannen und an der Nase herumzuführen und si selbst dabei, solange es
geht, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu halten. Wahrseinli fürtet er,
da ihm, einmal in Vergeenheit geraten, eines Tages ein unerfreulier
Unfall zustoßen könnte. Ob er dem Papst bei dem vertraulien Gesprä im
Gefängnis von Rebibbia am 27.  Dezember  1983 die Wahrheit gesagt hat,
wien wir nit. Vorausgesetzt, er selbst kennt sie, die Wahrheit.

Ein zweiter Protagonist ist denn au Papst Johannes Paul II., der, wie wir
gesehen haben, am selben Tag aus Polen zurükehrte, an dem Emanuela
verswand. Wenige Tage später, am Sonntag, dem 3.  Juli, fügt er dem
Angelus-Gebet auf dem Petersplatz vom Fenster seiner Wohnung aus
folgende Worte hinzu:

I möte meine lebhae Anteilnahme zum Ausdru bringen, mit der i der Familie
Orlandi in ihrer tiefen Verzweiflung wegen der Toter Emanuela nahe bin, die seit
Miwo, 22.  Juni nit wieder na Hause gekommen ist, und i verliere nit die
Hoffnung in den Sinn für Menslikeit desjenigen, der die Verantwortung in diesem Fall
hat.

Unerwartete Worte, denen man entnehmen kann, da Emanuela offenbar


nit freiwillig von zu Hause weggegangen ist, sondern entführt wurde. Eine
Möglikeit, die bis zu diesem Moment niemand ausgesproen hae. Worte,
die nit wohlkalkuliert waren und die den aufmerksamen Ohren der
versiedenen Geheimdienste nit entgingen, insbesondere dem der DDR,
der vom berühmten Markus (Misa) Wolf geleitet wurde, einem Spion, der
es unter dem Namen «Karla» bis in die Romane John Le Carrés gesa hat.
Weshalb mate der Papst, weshalb mate die sonst immer so
zurühaltende vatikanise Diplomatie diesen Fehler? Und wenn es kein
Fehler war, sondern eine gewollte Indiskretion? Es hat die Vermutung
gegeben, da mit diesen Worten – ob der Papst si deen nun bewut war
oder nit  – der wahre Grund von Emanuelas Verswinden verdet
werden sollte. Die Aufmerksamkeit sollte von einem möglien Verbreen
oder einem Unfall in irgendeinem Appartement im Vatikan, einem Delikt,
das unter keinen Umständen eingestanden werden konnte, abgelenkt
werden.
Die Familie Orlandi wurde (ebenso wie die Familie Gregori) monatelang
von anonymen Telefonanrufern belästigt. Unbekannte Stimmen, die
behaupteten, für si oder im Namen irgendeiner Organisation zu spreen,
sie maten Vorsläge für einen Austaus, für Verhandlungen, nannten
Bedingungen für die Freilaung des Mädens. Die anonymen
Gespräspartner spraen manmal gutes Italienis, andere Male mit
ausländisem Akzent, der na Auage der Ermiler offensitli
nagemat war. Nie hat irgendjemand irgendeinen eten Beweis dafür
geliefert, Emanuelas Freilaung verfügen zu können, und au nit dafür,
da sie no am Leben war. Das höste, was man bekommen konnte, war
eine Fotokopie des Musiksulausweises, eine Quiung für die Zahlung
einer Prüfungsgebühr und der handgesriebene Satz «Mit großer
Zuneigung, Eure Emanuela». Dokumente, die man ihr geraubt haben
konnte, lebend oder tot, oder die man si irgendwie aus dem
Sulsekretariat besorgt hae. Bei einer solen Gelegenheit gab es zwisen
einem Familienmitglied und einer anonymen Stimme mit einem derart
dreisten amerikanisen Akzent, da er fast son läerli klang, den
folgenden Slagabtaus:
 
Amerikaner: «Also, hören Sie si diese Aufzeinung gut an.»
Familienmitglied: «Ja, aber sehen Sie zu, da i Sie au gut hören kann.»
A: «Hören Sie gut zu, wir haben nur wenig Zeit … Das sein von Ihrer Toter.»
F: «Ja, aber laen Sie mi das gut hören.»
A: «Okay, one moment … All right, okay, let’s go, let’s go.»
Stimme Mäden: «Nationales Internat Viorio Emanuele II.
Nästes Jahr besue i die drie Klae des Gymnasiums.
Nationales Internat Viorio Emanuele II. Nästes Jahr besue i
die drie Klae des Gymnasiums. Nationales Internat Viorio
Emanuele II. Nästes Jahr besue i die drie Klae des
Gymnasiums» (dieselbe Ansage immer wieder, insgesamt sieben Mal).
 
Einer tiefergehenden Analyse wurden dagegen gewie Kommuniqués
unterzogen, die in jenen Tagen bei Zeitungen und Preeagenturen
eingingen. Ein Report der italienisen Geheimdienste vom November 1983
skizzierte ein mutmaßlies Profil ihres Autors: ein «Ausländer,
wahrseinli aus dem angelsäsisen Kulturraum» von «sehr hohem
intellektuellem und kulturellem Niveau», der Italienis offenbar erst na
dem Studium des Lateinisen erlernt habe, ein guter Kenner Roms, der über
die italienisen Retsvorsrien und die logistise Struktur des Vatikans
Beseid wie und «der kirlien Welt zuzurenen» sei. Praktis ein
Stebrief.

Eines Tages wurde bei der Mailänder Niederlaung der italienisen


Naritenagentur Ansa ein Brief abgegeben, der von einem gewien
Dragan unterzeinet und in einem läerlien Italienis verfat war.
Dort heißt es u.a.:

Emanuela war braves Mäden, wir wollten sie reen, aber ihr seid böse gewesen, sie
verdiente nit. Ihre Leie vielleit findet ihr nit mehr, aber Aliz ist sreli gewesen,
er kann kein Turkesh sein, wir töten nit Turkesh, wir gut. Emanuela weinte immer, wollte
wieder in Leben zurü, ihre war Traurigkeit, wie o hat sie zu fliehen versut und Aliz hat
sie geslagen, man slägt nit so nee Seelen. I heiße Dragan und bin aus Slawien,
vielleit deshalb verstehe i nit Suigkeit von Aliz, warum Emanuela getötet, i
fliehe jetzt mit Mirella … usw. usw.

Dies ist ein so plump verfälstes Italienis, da es gewollt wirkt. Wer den
Gebrau des Präsens Indikativ eines Verbs nit kennt, kann nit sreiben
«comprendo» sta des geläufigeren «capisco» (beides: «i verstehe») oder
«bastardaggine» («Suigkeit», von bastardo), ein sehr wenig
gebräulier, umständlier Begriff.
Tribrefahrer also, Leute, die im Trüben fisen. Staatsanwalt Giovanni
Malerba wird in seiner Anklagesri sreiben:
In den Fall haben si Mythomanen, Seher, Rutengänger, Mensen mit übersinnlien
Fähigkeiten, Medien, Wahrsager, Bauernfänger, Sakale, Hälinge und untergetaute
Gangster eingeslien, alle auf der Sue na Prozevorteilen.

In Wahrheit lagen die Dinge aber no komplizierter. In die finstere Intrige
wurden au zwei ausländise Journalisten verwielt. Der erste, Riard
Roth, Rom-Korrespondent des amerikanisen Senders  CBS, erhielt einen
Brief aus Boston. Darin wurde im Gegenzug zur Freilaung Emanuelas
wieder einmal die Freilaung einiger Türken gefordert, darunter Ağcas. Eine
von einem weiteren Riter, Domenico Sica (zahllose Riter waren im Laufe
der Jahre mit diesem Fall befat), angeordnete forensise Untersuung
stellte fest, da die Botsa authentis war und vor allem, da dem Autor
offenkundig der Inhalt eines Briefes bekannt war, der von Staatspräsident
Pertini an Mirellas Familie gesit worden war. Hier handelte es si also
nit um obskure Mythomanen, sondern um Leute vom Fa, die fähig
waren, si au vertraulie Informationen zu versaffen.
Die zweite Ausländerin war Claire Sterling, eine amerikanise
Journalistin und Sristellerin, Italien-Expertin. In einem von ihr in der
New York Times veröffentliten Artikel breitete sie eine Hypothese aus,
über die vorher nur unter der Hand spekuliert worden war: Die ganze Sae
sei im Aurag der Sowjetunion vom bulgarisen Geheimdienst organisiert
worden. Die logise Basis dieser Hypothese sei das Interee Moskaus und
des Ostblos, die Mat Johannes Pauls  II. zu destabilisieren, bevor dieser
das kommunistise System in Europa destabilisiere. Claire Sterling, die ein
ausgebuer Profi ist, legte dabei einen so glühenden Antikommunismus an
den Tag, da der Verdat auam, sie sei eine verdete CIA-Agentin. Was
nie bewiesen wurde.
Bewiesen ist dagegen, da an einem bestimmten Punkt der Geheimdienst
der DDR auf den Plan trat, genauer gesagt die 10., für Desinformation
zuständige Abteilung der Stasi. Am 4.  August wird bei der Ansa von
Mailand ein Einsreiben mit Rüsein (sic!) zugestellt. Absender ist eine
sogenannte «Türkise antiristlie Freiheitsfront Turkesh». Dort ist zu
lesen: «Emanuela Orlandi unsere Gefangene wird zur umgehenden
Exekution überstellt am ristlien 30. Oktober ihr wit da dieses Datum
die Kapitulation unseres hoheiligen und unbesiegbaren Landes im Jahr
eurer Gnade 1918 ist …» usw. Wieder einmal ein bewut ungrammatises
Italienis und dazu der originelle Hinweis auf das weit zurüliegende Ende
des Ersten Weltkriegs.
Die türkise Botsa in Italien beeilt si, mitzuteilen, da eine
Turkesh-Front nit existiere. Denno gibt es einige Personen, darunter
au Verwandte Emanuelas und ein undursitiger Retsanwalt der
Familie Orlandi (ausgesut und bezahlt vom italienisen Geheimdienst),
die dem «Einsreiben» Glauben senken. Es werden weitere
Kommuniqués der mysteriösen antiristlien Front eingehen. Na dem
Ende der DDR wird Generaloberst Bohnsa, ein Mitarbeiter von Markus
Wolf, einem Journalisten der Tageszeitung Repubblica entdeen, da es
seine Stasi-Abteilung war, die mit der «Operation Papst» befat war, also
damit, eine false türkise Fährte zu legen, um die Aufmerksamkeit vom
Freundesland und Alliierten Bulgarien abzulenken.
Ein weiterer mysteriöser Mitspieler in dieser immer komplizierter
werdenden Gesite ist eine sog. Gruppe Phoenix. Wer au immer die
Mitglieder dieser Gruppe sind, sie sien jedenfalls eine Narit, in der
behauptet wird, Emanuela sei ermordet worden. Es folgen einige pseudo-
moralise Verurteilungen, zum Beispiel: «Swere Suld ist es, einem
jungen Leben ein sweres Unret angetan zu haben.» Einige Monate
später lät die Turkesh-Front wieder von si hören, um Bedingungen für
die Freilaung Emanuelas zu diktieren, hier wird also wieder zu verstehen
gegeben, das Mäden sei no am Leben. Weitere Woen vergehen, und
eine drie Organisation namens NOMLAC (Nuova Organizzazione
Musulmana per la Lotta Anticristiana – Neue muslimise Organisation für
den antiristlien Kampf) tri auf den Plan, die sreibt: «Das Mäden ist
keine Gefangene der Türkisen anti-ristlien Freiheitsfront Turkesh, es
befindet si in Europa …» Wenn das Ganze nit so tragis wäre – denn
Emanuela ist wirkli verswunden –, könnte man es für eine Farce halten.
Aber eine kunstvoll organisierte Farce, die Konfusion erzeugen soll.
Keine dieser Phantom-Organisationen wird jemals einen einzigen eten
Beweis vorlegen, da Emanuela am Leben und in ihren Händen ist, wie man
es normalerweise häe erwarten dürfen, wenn es si um eine ete
Entführung gehandelt häe, um so mehr bei einer Entführung mit
politisem Hintergrund. Riterin Adele Rando wird in ihrem Urteil
sreiben, das politise oder terroristise Motiv sei ledigli «ein
gesites Ablenkungsmanöver vom realen Motiv der Entführung von
Emanuela Orlandi» gewesen, und: «Na sieben Jahren Ermilungen
erweist si das politis-terroristise Motiv der Entführung als bar jeder
Grundlage.» Ein weiterer Ermilungsriter, Severino Santiapii,
erfahrener Geritspräsident, wird erklären: «Das Verswinden von
Emanuela Orlandi hat nits mit dem später daraus konstruierten Fall zu
tun.»

Weitere fundamentale Protagonisten des Falles sind, kollektiv gesproen,


die vatikanisen Mathaber. Die mit dem Fall befaten Riter haben
immer wieder hervorgehoben, da ihren Ermilungen von Seiten des
Heiligen Stuhls keinerlei Unterstützung zuteil wurde, sondern im Gegenteil
nits als Verweigerung und Störaktionen. Im Februar  1994 hört Riterin
Rando den Präfekten Vincenzo Parisi, den Stellvertretenden Direktor der
italienisen Geheimdienste, als Zeugen, der beritet, Monsignor Dino
Monduzzi getroffen zu haben, den Chef der päpstlien Behörde, bei der
Ercole Orlandi angestellt war. Die Begegnung hae im Juli  1983
stagefunden, also wenige Tage na dem Verswinden des Mädens, und
war zehn Jahre lang geheim geblieben.
Was hat Parisi ausgesagt? Er sagte, so sreibt die Riterin,

… da eine konstante Zurühaltung des Heiligen Stuhls spürbar war, der de facto jede Art
von Naforsung behindert habe … Er [Parisi] slo also von Seiten des Heiligen Stuhls
den Willen zu jeglier Zusammenarbeit aus, die die Ermilungen häe voranbringen
können …

I bin der Ansit, da die Naforsungen zu dem Fall dur die zwisen dem
italienisen Staat und dem Heiligen Stuhl aufgeritete Barriere regelret hintertrieben
wurden, der gesamte Verlauf des Falls war von zahlreien Desinformations-Initiativen
gekennzeinet, ganz offensitli zum Zwe der Irreführung und zur Verwirrung der
ermielnden Akteure.

Die Riterin merkt zu dieser Analyse in ihrem Urteilpru an, da si
diese Erklärungen «mit den Überzeugungen deten, zu denen na und
na ihr gesamtes Referat gekommen war».
Die italienise Staatsanwaltsa hat diverse Amtshilfeersuen «an die
zuständigen Justizbehörden» der Vatikanstadt geritet, die alle mit
untersiedlien Begründungen ohne ete Antwort geblieben sind. Was
Monduzzi betri, der ebenfalls um Amtshilfe gebeten wurde, so wird er si
auf die Auage besränken, das Treffen mit Parisi habe nie stagefunden.
Darauf konnte der Präfekt allerdings nit mehr reagieren, weil er in der
Zwisenzeit gestorben war.
Mit der fehlenden Bereitsa der vatikanisen Behörden zur
Zusammenarbeit haen si praktis alle Beamten der italienisen
Republik, die mit dem Fall befat waren – Staatsanwälte, Ermilungsriter,
Geheimdienstleiter –, herumzuslagen. Für die abslägige Antwort auf
eines der Amtshilfeersuen wurde beispielsweise die folgende Begründung
gegeben: «Von den vatikanisen Justizbehörden sind keine Ermilungen
eingeleitet worden, weil es si um Vorfälle handelt, die si außerhalb des
Staatsgebietes ereignet haben», also in Italien. Die vatikanisen Behörden
riteten nit einmal eine direkte Telefonnummer ein, die es den
«Entführern» gestaet häe, si snell mit den zuständigen Stellen in
Verbindung zu setzen, die gegebenenfalls ihre Forderungen häen umsetzen
müen.
In den Akten findet si au ein Dokument, das diesen Willen zur Nit-
Zusammenarbeit explizit enthüllt. Es ist die Aufzeinung eines
Telefongespräs vom 12. Oktober 1983 um 19.53 Uhr zwisen einer Person,
die als Capo (Chef) bezeinet wird, und Raoul Bonarelli, der Nummer Zwei
der vatikanisen Polizei, der am Tag darauf von den italienisen Ermilern
befragt werden sollte. Hier ein kurzer Auni:
 
Capo: «Hallo!»
Bonarelli: «Ja bie …»
Capo: «Was weißt du über Orlandi? Nits! … Wir wien nits! … Wir wien nur, was in den
Zeitungen steht, aus den Nariten, die allen zugängli sind! … Über den Fall. Das, was dur
die Zuständigkeit … der italienisen Behörden herausgekommen ist.»
Bonarelli: «A, das soll i sagen?»
Capo: «Na ja, also …Was wien wir son? Wenn du sagst: ‹I habe nie Ermilungen
angestellt … Die Behörde hat das ins Innere [des Vatikans] delegiert … die Sae ist weitergeleitet
worden …› Sag aber nit, da sie ans Staatekretariat gegangen ist.»
Bonarelli: «Nein, nein … Wir, i darf intern nits sagen. Gar nits.»
Capo: «Na außen aber … da es die vatikanise Justizbehörde gewesen ist … da si die
vatikanise Justizbehörde damit befat … unter ihnen der hier … Nits, sagst du, na allem,
was du weißt, nits!»
Bonarelli: «Die werden mir aber vorhalten, da i ein Angestellter des Vatikans bin, wele
Aufgaben i erfülle, was weiß i, die werden mi identifizieren müen, die werden wien,
wer i bin …»
Capo: «Ja, die werden wien, warum du das mast, du mast Sitdienst und Sierheit der
Vatikanstadt, das ist alles.»
Bonarelli: «Also, gut, dann mae i morgen früh diese Auage und dann komme i, ja?»
Capo: «Dann kommst du, ja, ja.»
 
In einer seiner öffentlien Reden hae Johannes Paul II. gesagt:

Den Eltern von Emanuela bringe i erneut meine Anteilnahme an ihrem Drama zum
Ausdru. Was mi betri, so kann i versiern, da das Mensenmöglie getan wird,
um zu einer glülien Lösung der smerzhaen Angelegenheit beizutragen. Möge Go es
gewähren, da na dem Bangen dieser Tage endli die Freude folgt, da das Mäden und
ihre Familie einander wieder in die Arme sließen können.

Wir wien nit, bis zu welem Punkt der Papst über die Strategie seiner
Mitarbeiter informiert war. Es ist jedenfalls sier, da sein Verspreen, das
«Mensenmöglie» zu tun, nit den Tatsaen entsprit.
Dieselbe unkooperative und irreführende Haltung haen die italienisen
Ermiler im Übrigen au son (ausgerenet) bei den Ermilungen über
das Aentat auf den Papst selbst feststellen müen. Am Ende seiner
mühsamen Untersuung beklagte si Ermilungsriter Rosario Priore: «…
die Amtshilfeersuen [bei den vatikanisen Justizbehörden, Anm. d. A.]
haben nit zu den gewünsten Resultaten geführt  … Anfragen, die nit
selten in einer knappen Folge negativer Antworten abgewiesen wurden  …,
haben si daher häufig als rein formal erwiesen, während sie substantieller
Natur häen sein können und müen.»

Eine merkwürdige Auage wird dagegen Kardinal Silvio Oddi maen. In


einem Interview mit der römisen Tageszeitung Il Tempo im Juli  1993
erzählte der Purpurträger die folgende Episode:

Emanuela ist an jenem Namiag [am Tag ihres Verswindens  – Anm. d. A.] na
Beendigung ihrer Musikstunde in die Vatikanstadt zurügekehrt. Man hat sie an Bord einer
Luxuslimousine ankommen sehen  … i glaube, der Fahrer ist nit mit [in den Vatikan]
gekommen, um von den Sweizergarden nit erkannt zu werden. Das Mäden dagegen
ging an den Sweizern vorbei und in Ritung ihrer Wohnung. Dort blieb sie eine gewie
Zeit. Dann kam sie wieder heraus, stieg in das Auto und fuhr davon.

Demna war der Mann am Steuer des Wagens eine im Vatikan bekannte
Person und fürtete, von den Sweizergarden erkannt zu werden. Bei
einem Interview wenige Woen später in der Fernsehsendung Mixer fügte
der Kardinal hinzu:

Meiner Meinung na  … gehört Emanuela zu diesen Fällen von Versleppung junger
Damen, junger Mäden oder zu den Fällen, in denen bei jungen Mäden nageholfen
wurde, die freiwillig in ein Milieu drängen, wo es ihnen beer geht, wo sie rei sind, einen
zahlungskräigen Mann heiraten und sehr viel Geld haben … Es kann au sein, da i
mi irre. Aber meiner Ansit na ist das die Basis.»[5]

In einer späteren Erklärung wurde der Kardinal no deutlier, wieder in


der Tageszeitung Il Tempo:

Emanuela Orlandi könnte na gewien Hinweisen, auf die i dur Zufall gestoßen bin, in
irgendeinem Seitum gelandet sein, wenn es stimmt, da diese unermeli reien
Muslime Entführungen söner europäiser Mäden in Aurag geben, um ihren Harems
frises Blut zuzuführen.

Ähnlie Ansiten hae der Kardinal au son der Familie gegenüber
zum Besten gegeben und bei seinen vertraulien Mieilungen einen Ton
angeslagen, als berite er über ein Ereignis, das wirkli stagefunden
hae und nit auließli seiner Phantasie entsprungen war. Leider hat
er si erst zehn Jahre na Emanuelas Verswinden dazu entsloen zu
spreen. Wenn der Kardinal diese Dinge glei enthüllt häe, häen sie
nützlie Hinweise sein können. Zumal es in den Ermilungsakten zum Fall
Orlando einen an die «Doorea Adele Rando, Procura della Repubblica,
Roma» geriteten anonymen Brief gab, der über einen ähnlie Vorfall
beritet bzw. einen ähnlien Verdat äußert. Abgesit aus der Cià del
Vaticano im Oktober 1993, trägt das Sreiben die Übersri Testimonianza
raccolta in confessione (Bei der Beite vernommene Zeugenauage). Hier
der Text:

Der Wagen, der Emanuela Orlandi in der Nat des 22.  Juni  1983 einlud, wurde von [Vor-
und Zuname eines bekannten Prälaten] gesteuert, der gegenwärtig das Amt [es folgt das Amt
des Prälaten] innehat. Sie fuhren na Civitavecia, wo sie die Nat gemeinsam
verbraten, am Morgen brate er sie na Rom zurü, in die Nähe der Pyramide [Cestia],
do aus Angst vor den Eltern kehrte sie nit na Hause zurü. Hier endet die Beite. I
kenne Monsignor [Name], er ist ein vielleit zu sehr von den fleislien Lüsten
angezogener Mann, um Priester zu sein, und hat son in der Vergangenheit mit nit
wirkli sauberen Leuten Gesäe gemat … Aus naheliegenden Gründen kann i als
Geistlier nit mit meinem Namen untersreiben.

Anonyme Briefe sind nur dann glaubwürdig, wenn sie Entspreungen in


der Wirklikeit haben, die in diesem Fall fehlen. Das Dokument wird hier
also nur zitiert, weil es in den Akten enthalten ist und weil es teilweise mit
den Erinnerungen des Kardinals Oddi übereinstimmt, und darüber hinaus
au mit Mutmaßungen, die in der Öffentlikeit über die Gründe des
Verswindens zirkulierten.
Was das für Gerüte waren, kann man si au aus den mehr oder
weniger direkten Andeutungen zusammenreimen, die fragmentaris in den
Dokumenten oder den bereits zitierten Zeugenauagen enthalten sind. Die
arme Emanuela, so das hartnäige Geswätz der Leute, sei während einer
«Unterredung» mit einem hohen Prälaten ganz plötzli gestorben. Von dem
Moment an war es zum Hauptproblem geworden, si ihres Leinams zu
entledigen, ohne einen Skandal auszulösen. Und hieraus erklärt si au die
Hinzuziehung profeioneller Gangster, die darauf trainiert waren, derartige
Situationen in den Griff zu bekommen.
Der ganze Rest  – die internationalen Komploe, die Erpreungen, die
Geheimdienste – all dies war demna nits als Tarnung, um die Spuren zu
verwisen und eine möglie Rekonstruktion der Fakten zu verhindern.
Dies wäre eine Version, die auf dem Klisee basiert, dem zufolge hohe
kirlie Würdenträger der Fleiseslust nit weniger abgeneigt sind als
dem politisen oder höfisen Intrigantentum. Von einem bestimmten Tag
an ist diese Hypothese aber no von einer weiteren Variante übertroffen
worden, die lange Zeit in den Hintergrund gerüt war. Eine vollkommen
andere Version der Fakten. Au in diesem Falle nits als eine Hypothese,
gestützt jedo dur eine Reihe von intereanten Indizien.
Im Juni  2008 hat Sabrina Minardi, die in den atziger Jahren die Geliebte
des Gangsters Renatino De Pedis gewesen war, inzwisen eine Frau um die
sezig, den Ermilungsritern ihre Wahrheit erzählt und damit einem
Szenario zur Entführung Emanuelas Gestalt gegeben, dem bis zu diesem
Moment nur geringe Wahrseinlikeit beigemeen wurde. Sabrina
Minardi stammt aus einer sehr armen Familie und hat ein aufregendes Leben
hinter si. In erster Ehe, gerade zwanzig, war sie mit Bruno Giordano
verheiratet, einem populären Fußballer von Lazio Rom, seinerzeit ein
berühmter Torjäger. Eine Liebe, die in den Gaen von Trastevere begann
und 1981, wie man zu sagen pflegt, von der Geburt einer Toter gekrönt
wurde, Valentina. Sabrina ist sehr sön, aber nit einfa sön, ihre
Sönheit ist von der Art, die den Männern gefällt, sie ist von großer
sexueller Anziehungskra. Denno ist sie eifersütig auf ihren Mann.
Au Bruno sieht gut aus, außerdem erseint er auf den Titelbläern der
Zeitsrien ständig an der Seite berühmter Sauspielerinnen. Es kommt zu
Spannungen, der die Ehe nit standhält. Sabrina aber, Toter einer
Gemüsehändlerin, hat ein Leben kennengelernt, von dem sie date, so
etwas gäbe es nur im Kino: söne Hotels, Restaurants und Luxusautos,
Juwelen, Champagner auf Eis im Silberkübel. Nadem sie ihren Mann
verlaen hat, versut sie, diesen Lebentandard aufretzuerhalten,
konsumiert Drogen, prostituiert si gelegentli, wird einem Polizisten
gestehen: «I wute, da i den Männern gefiel, i habe mit meinem
Körper gearbeitet, i habe viel Geld verdient.»
Im Frühjahr 1982 dann die Wende: Während sie mit ein paar Freundinnen
in der Pianobar «La Cabala» nahe bei der Piazza Navona sitzt, werden ein
Strauß roter Rosen und eine Flase Champagner an ihren Tis gebrat.
Eine Geste, wie sie nur ein alter Gentleman oder ein Gangster fertigbringt.
In ihrem Fall ist es ein Gangster. Enrico De Pedis, «Renatino» genannt, hat
sie gesehen, nun läelt er ihr zu, gibt zu erkennen, da das Präsent von ihm
kommt. Er ist gerade dabei, zum neuen Bo der Banda della Magliana
aufzusteigen, au wenn er auf der Hut ist und si ihr zunäst als Chef
einer Supermarktkee vorstellt. Sabrina wird in der Fernsehsendung Chi l’ha
visto? (Wer hat ihn gesehen? – ein Programm, in dem na Verswundenen
gesut wird) von RAI 3 sagen:

Er behandelte mi wie ein Kind, er brate mi in die Sauna des Grand Hotels, wir führten
ein Leben wie im Film «Der Pate». Er mate mir tausend Gesenke, Louis-Vuion-Koffer
voll mit 100.000 Lire-Banknoten, er sagte: «Gib sie alle aus! Wenn du na Hause kommst
und nit alles ausgegeben hast, mae i dir gar nit erst die Tür auf.» I ging zu
Bulgari, zu Cartier, und als i zwei goldene Uhren mit Bargeld bezahlen wollte, daten die
Verkäufer, es wäre die Beute eines Banküberfalls. I habe sie aber beruhigt, i habe gesagt:
«Die habe i von meinem Mann, wien Sie, das ist ein extravaganter Typ.»

Eine Menge Leidensa, eine Menge Kokain, eine Menge gefährlier, in


einigen Fällen undursitiger Beziehungen. Der Film geht weiter bis zum
November 1984, Renatinos Verhaung. Ende des Films. Sabrinas Niedergang
beginnt in diesem Augenbli, weil bei seiner Rükehr in die Freiheit die
berausende Misung aus Leidensa, Drogen, Komplizität, Risiko ihren
Reiz verloren hat, obwohl die Gesite zwisen den beiden rein äußerli
no eine Weile weitergeht. 1989, na sieben Jahren amour-passion,
entdet Sabrina eines Tages, da ihr Renatino, ohne ihr ein Wort zu sagen,
eine Frau geheiratet hat, die nit zum Milieu gehört. Sie flieht na
Brasilien, kehrt na Italien zurü, er ru sie an, seine Ehe ist son
geseitert, er slägt Sabrina vor, weiterzumaen, woanders hinzugehen,
zum Beispiel na Polinesien, sie ist zufrieden, es wird aber keine Zeit
bleiben, um den Plan zu realisieren. Am Morgen des 2.  Februar  1990 wird
Enrico De Pedis, während er in der Via del Pellegrino mit einem Antiquar
sprit, von zwei Killern auf einem großen Motorrad niedergesoen.
Sabrina wird später die Kra finden, in einem erapiezentrum einen
Entzug zu maen, do der maive Drogen- und Alkoholmibrau hat
swere Hirnsäden hinterlaen. In unserem Zusammenhang stellt si
also die Frage, weles Gewit man der Zeugenauage einer Frau
beimeen kann, die vom Leben so gebeutelt worden ist und die si erst
na mehr als zwanzig Jahren zum Reden entsloen hat. Die Journalistin
Rita Di Giovacino wagt in ihrem Bu Storia di alti prelati e gangster
romani (Gesite von hohen Prälaten und römisen Gangstern, 2008
gemeinsam mit anderen Journalisten gesrieben) die Hypothese, da die
Version dieser Frau, gerade weil sie si in Teilen bestätigte, in anderen
dagegen nit, glaubwürdig erseint. Nit zuletzt natürli au, weil
Sabrina kein Eigeninteree hat: Weder hat sie no irgendwele
Renungen offen no zieht sie irgendwele Vorteile aus ihrem
Geständnis.
Ihre Version ist kurz zusammengefat die folgende: Einige Tage na
ihrem Verswinden hat Sabrina Emanuela in ihrem Wagen mitgenommen.
De Pedis und ein gewier Sergio haben sie ins Auto gebrat (»Renato und
Sergio haben sie mir ins Auto gesetzt»). Na kurzer Fahrt wird Emanuela in
der Nähe einer Tankstelle und des Eingangs zum Tunnel an den Ausläufern
des Gianicolo an Bord eines Mercedes mit vatikanisem Nummernsild
verfratet, wo sie von einem als Priester gekleideten Mann in Empfang
genommen wird. Emanuela, so fährt Minardi fort, war bei Bewutsein, aber
nit klar: «Sie hae Swierigkeiten zu spreen, sie spra sleppend.»
Minardi sagt au, sie wie, da das arme Mäden in einem bestimmten
Haus in Monteverde gefangengehalten wurde, in das man dur einen
großen unterirdisen Zugang gelangen konnte. Einige Monate später bringt
ihr Geliebter sie zu einer Baustelle in Torvaianica. Ein Mann, der Sergio
genannt wird, kommt hinzu, holt Säe aus seinem Wagen heraus, zieht sie
bis zu einer bereits angelaenen Betonmismasine hinter si her und
wir sie hinein. Minardi sagt, sie habe zwar nit gesehen, was in den
Säen war, es aber geahnt und später von De Pedis eine indirekte
Bestätigung erhalten: Emanuelas Leinam.
Der Grund für die Entführung und Ermordung soll Sabrina zufolge
Erpreung gewesen sein, oder beer: eine Warnung an den Vatikan im
Mafia-Stil. Eine junge, unsuldige Bürgerin dieses Staates sollte entführt
werden, um zu verstehen zu geben, da Verträge einzuhalten waren und
Geld zurügegeben werden mute, insbesondere wenn es si um sehr viel
Geld handelte.
Hier erweitert si der Diskurs. Die Einnahmen der kriminellen Hydra,
der Magliana-Bande, waren unermeli geworden. Die Gangster haen
gemeinsali mit sizilianisen Mafia-Clans die gesamte illegale Palee
bedient, von einfaen Raubüberfällen bis zu Erpreungen, vom Kidnapping
bis zum internationalen Drogenhandel. Die enormen Mengen an
verfügbarem Geld konnten allein mit dem Ankauf von Appartements,
Gesäen, Smu für die Bräute nit mehr ausgegeben werden. Die
Dimension der Profite erforderte Investitionen großen Stils. Ein Gueil des
Geldes landete im internationalen Kreislauf von Roberto Calvis Banco
Ambrosiano, der (wie im Kapitel «Goes Bankiers» gesildert) in enger
Tufühlung mit dem IOR, der Vatikanbank, operierte. Sein Bankro zog
au das Geld der Mafia und der Magliana-Bande mit hinein in den Strudel
der Insolvenzen. Den Ermilern zufolge, die den Tod Roberto Calvis
untersuten, soll es si dabei um eine Gesamtsumme von rund
300 Milliarden Dollar gehandelt haben. Als der Bankier begriff, da er si
in eine Sagae katapultiert hae, versute er herauszukommen, indem er
dem Vatikan mit Erpreung drohte: da er verraten würde, wer die Kunden
des IOR und wohin die Milliarden verswunden waren. Wie son gesagt,
der arme Calvi endete erhängt unter einer Londoner Brüe.
Die Polizei hae nit allzu viel Mühe, die von Sabrina Minardi erwähnte
geheime Wohnung zu finden. Sie befindet si im Gianicolo-Viertel, und die
Innenaritektur entsprit exakt den Besreibungen Minardis,
einsließli des Souterrains mit einem kleinen Hohlraum, in dem si eine
verrostete Bestelle und ein paar rudimentäre Einritungsgegenstände
befanden. Ein anonymer Ex-Mitarbeiter von De Pedis hat in der Sendung
Chi l’ha visto? in einem Telefongesprä gesagt, da er über die Existenz
dieses Souterrains sehr genau Beseid wie: «Die Wohnung in Monteverde
wurde von untergetauten Gangstern als Verste genutzt, au Renatino
hat dort na einem Motorrad-Unfall eine Zeit lang Unterslupf gefunden.»
Gleizeitig hat dieser Zeuge jedo ausgesloen, De Pedis könne etwas
mit Emanuelas Entführung zu tun gehabt haben.
Andere Indizien besagen das Gegenteil. Einige Fotos von Renatino, au
das auf seinem prätigen Grab in der Kire Sant’Apollinare, sind dem
Phantombild, das na den Angaben zweier Augenzeugen kurz na der
Entführung angefertigt wurde, frappierend ähnli. Ein Oberst der
Carabinieri, der diese Zeinung damals sah, mate instinktiv dieselbe
Beobatung: «Aber das ist do De Pedis.»
Nicola Cavaliere, der heute ein hohes Amt beim Geheimdienst bekleidet
und damals in dem Entführungsfall ermielte, erklärt si ebenfalls
überzeugt, es müe si um eine Erpreung des Vatikans gehandelt haben.
Seiner Vermutung na begannen si die illegalen Gläubiger des
Ambrosiano, also alle diejenigen, die es nit riskieren konnten, si offen an
die Gerite zu wenden, zu fragen, wie sie an ihr Geld kommen konnten. Sie
waren sier gewesen, eine gute Investition getätigt zu haben, um am Ende
zu entdeen, da sie sogar ihr Kapital verloren haen. Ein weiteres kleines
Mosaiksteinen: Im April  1998, also einen Monat vor seiner Ermordung,
wurden aus dem Tresor von Oberst Alois Estermann (siehe Kapitel II) einige
Doiers entwendet, darunter au das über Emanuela Orlandis
Verswinden.
Reit das, um der von Sabrina Minardi gelieferten Version eine solide
Basis zu geben? Natürli nit. Es reit ledigli, um einer Reihe anders
nit erklärbarer Aktionen und Reaktionen eine gewie logise Kohärenz
zu geben.
Die widerstrebende (wenn nit ablehnende) Haltung der vatikanisen
Behörden bestätigt wieder einmal die zwisen Kire und Heiligem Stuhl
bestehende Trennung; letzterer gehort der «Staatsräson», mu ihr
gehoren, au wenn sie ganz eindeutig im Widerspru zur Nästenliebe
steht. Eine so hartnäige Verweigerung könnte aber au mit dem
sogenannten segreto pontificio, dem «Päpstlien Geheimnis», im
Zusammenhang stehen. 2001 ordnete Papst Wojtyła die Aktualisierung einer
seit geraumer Zeit bestehender Verfügung an, mit der dem geistlien
Personal «Auswärtigen» gegenüber eine besonders strenge
Geheimhaltungspflit auferlegt wurde. Das Rundsreiben ist vom
18. Mai 2001 und trägt die Untersrien von Joseph Ratzinger und Tarcisio
Bertone, seinerzeit Präsident und Sekretär der Glaubenskongregation
(ehemals Heiliges Offizium).
Aufgrund derselben Instruktion ist Ratzinger 2005 au von einem
Tribunal in Houston/Texas in einem Verfahren gegen pädophile Priester
wegen Konspiration gegen die Justiz vergeklagt worden. Im September
deelben Jahres forderte der vatikanise Staatekretär Angelo Sodano den
Präsidenten der Vereinigten Staaten auf, das Verfahren aufgrund der allen
Staatsoberhäuptern zugestandenen Ausdehnung der diplomatisen
Immunität auf den Summus Pontifex zu bloieren. Präsident George W.
Bush gewährte die Immunität. Zu den Fällen, für die das «Päpstlie
Geheimnis» zutri, zählen au sexuelle Übergriffe und der Mibrau von
Minderjährigen dur Geistlie. Zur Kategorie der «Auswärtigen» gehört
jeder, der nit der kirlien Hierarie angehört, einsließli der
Staatsanwälte und Riter, die über ein im Nits verswundenes
fünfzehnjähriges Mäden ermieln.
Do hier beginnt eine andere Gesite, auf die i im Nawort
zurükommen werde.
XV. DAS TRIBUNAL DES GLAUBENS
DIE HEILIGE INQUISITION UND
DER KAMPF GEGEN DIE KETZER

E
S GIBT EIN BAUMONUMENT, das die Majestät Roms im gleien
Maße repräsentiert wie das Koloeum oder das Pantheon: das Hadrian-
Mausoleum, beer bekannt unter dem Namen Castel Sant’Angelo
(Engelsburg), und die dazugehörige Brüe, die das Marsfeld mit dem
Mausoleum verbindet, der Ponte Elio (lat. pons Aelius, dt. Engelsbrüe).
Burg und Brüe sind dur viele Ereignie und eine lange Gesite
miteinander verbunden.
Seit dem Beginn des 2. Jahrhunderts, als es erbaut wurde, hat das Kastell
oder Hadrianeum immer wieder sein Auehen und seine Funktion
geändert, wobei es jedo in den dramatisen Weselfällen der
Stadtgesite immer eine witige Rolle gespielt hat. Nur no wenige
erinnern si daran, da dieses imposante Bauwerk ursprüngli als
Mausoleum der Antoniner gedat war, was es über ein Jahrhundert lang
au gewesen ist. Neben dem Grab Hadrians und seiner Frau Sabina
befinden si darin die Grabstäen von Antoninus Pius und Faustina,
vielleit Mark Aurels, sier Caracallas, der 217 vom Chef seiner Leibwae
ermordet wurde. Das witigste Grab ist natürli das Hadrians, des großen
Kaisers, der in seinem Namen das Prädikat Aelius trug, um den Bezug zu
Apollon und Helios herzustellen; der dem Krieg den Frieden vorzog und dem
es häufig gelang, ihn au zu bewahren; der die Wunder der Länder
kennenlernen wollte, über die er herrste, au die sehr weit entfernten; der
in Liebe zu dem sönen Jüngling Antinoos entbrannte.
Seinen Namen verdankt Castel Sant’Angelo einer Legende: Im Jahre 590,
just in dem Moment, in dem eine von Papst Gregorius Magnus (Gregor I. der
Große) angeführte Prozeion dur die Straßen der Stadt zog, um das Ende
einer srelien Pest-Epidemie zu beswören, soll über der Burg ein
Engel ersienen sein. Das himmlise Wesen sien ein Zeien zu sein,
da die Gebete erhört worden waren.
Zur Erinnerung an dieses Wunder wurde zunäst eine Votivkapelle
erritet, dann eine Engeltatue auf die Spitze des Gebäudes gesetzt, die
über die Jahrhunderte mehrfa ausgetaust wurde. Eine dieser Statuen, die
von 1544, ist heute no in einem Innenhof zu sehen. Sie ist mehr als 3 Meter
ho, wurde (Raffaello da Montelupo zufolge) aus der Trommel einer
römisen Säule herausgearbeitet, die Flügel sind aus Kupfer und
zwemäßigerweise mit Löern versehen, um dem Wind keinen allzu
großen Widerstand entgegenzusetzen. Zwei Jahrhunderte lang blieb dieser
Engel dort und betratete die Stadt von oben, dann wurde 1752 der
gigantise Bronzeengel des Flamen Peter Anton van Versaffelt gegoen.
Au er verkündet mit der altbekannten Geste das Ende der Pest und stet
das Swert des gölien Zorns in die Seide. Ein stalies Werk, das den
Umwälzungen der Zeiten und den Unbilden des Weers widerstanden hat.
Es lohnt si, auf die Spitze der Engelsburg zu steigen und es von Nahem zu
betraten.

Wir wien nit genau, wie das Mausoleum ursprüngli ausgesehen hat.
Wir wien, da es mit dem mehr als ein Jahrhundert zuvor erbauten
Mausoleum des Augustus konkurrierte, das in Lulinie nit sehr weit
entfernt liegt, allerdings auf der anderen Seite des Tibers. Weil die
Grundstruktur no vorhanden ist, wien wir zumindest, da der Bau auf
einfaen geometrisen Formen basierte: einem quadratisen Podium, das
den riesigen, zylindrisen Rundbau trug, der an der Spitze vielleit von
einem Erdhügel im Stile der Etrusker bedet war. Auf dem Zylinder erhob
si ein Turm, der wahrseinli von einer Quadriga gekrönt war. Der Kreis
und das Quadrat, die Göer und die Welt, die Seele und der Körper, das
Einfae und das Vielfae. Hadrian war ein Intellektueller, er wollte, da
das Bauwerk nit nur seine Ase und die seiner Angehörigen bewahrte,
sondern darüber hinaus seine Vision der Welt überlieferte.
Als Standort hae er den Grund des ager vaticanus[1] an der äußersten
städtisen Peripherie gewählt, eine Ebene, die vom Volk als entlegen und
verwildert angesehen wurde. Es ist die Gegend, in der unter Konstantin die
dem Petrus geweihte Kire erstehen wird. Eine Nabarsa, die das
Sisal der beiden Gebäude für immer miteinander verbindet: die Burg
und die Basilika. Als 404 Kaiser Honorius na Rom kam, srieb Augustinus
von Hippo, da er, vor die Wahl gestellt, seinen Kniefall im Tempel des
Kaisers Hadrian oder vor dem Altar (memoria) des Fisers zu maen, si
dort auf die Brust slug, wo si der Körper Petrus’, des Fisers, befand.[2]
Kurz vor seinem Tod srieb Hadrian, der die Literatur und die Künste liebte,
berühmt gewordene Absiedsverse, ein bewegendes Beispiel für das zarte,
vibrierende, melanolise Latein der Dekadenz, das so weit entfernt ist
von der episen Prosa des Marmors und des Eisens, des Feuers und der
unstillbaren Leidensaen:

Animula vagula, blandula


Hospes comesque corporis,
Quae nunc abibis in loca
Pallidula, rigida, nudula,
Nec, ut soles, dabis iocos…

Eine freie, aber, wie i glaube, ret treue Übersetzung wäre: Kleine Seele,
sweifende, zärtlie,/ Gast und Gefährtin des Leibs,/ Die du nun
entswinden wirst dahin,/ Wo es blei ist, starr und bloß,/ Und nit wie
gewohnt mehr serzen wirst  …» Und weiter: «Einen Augenbli no
sauen wir/ Die vertrauten Ufer, die Dinge,/ Die wir sier nie wieder sehen
werden …»
 
Grab, Festung, Kerker? Das Kastell ist in den 2000. Jahren seines Lebens all
dies gewesen, eins na dem anderen, nit selten aber au gleizeitig. Im
Jahre 403, zu Zeiten von Honorius, wurde es als vorgelagerte Zitadelle
jenseits des Flues in den Befestigungsring einbezogen und entwielte si
sehr snell zu einer eten Festung, verstärkt dur eine zinnenbewehrte
Mauer, mit Laufgräben und geheimen Verliesen (den berütigten segrete).
Die mätigsten römisen Familien maten si die Burg gegenseitig
streitig, ebenso wie ein zweites Zylindergrab, das der Caecilia Metella auf
der anderen Seite der Stadt, auf der Via Appia. In so ungewi und blutig
gewordenen Zeiten kamen diese Grabmonumente wie gerufen, um nun eher
den Lebenden Sutz zu gewähren als den Toten. In der Tat war eine der
Bedingungen, die Papst Urban  V. na dem Avignonesisen Exil für seine
Rükehr na Rom stellte, die Übergabe der Kastell-Slüel, unabdingbare
Garantie für die Kontrolle über die Stadt.
Die Jahre vergingen, und die milerweile verstümmelte, weitgehend ihrer
Verzierungen, Marmorversalungen, Statuen beraubte Ruine wurde zur
Notresidenz der römisen Päpste. Wer Castel Sant’Angelo heute besut,
kann am äußeren Gebäude-Korpus ganz klar die von einer Travertinzarge
gekennzeinete Grenze erkennen, wo der römise Teil an den jüngeren
Bauabsni stößt: im unteren Teil eine Basis aus einer großen
Tuffsteinmae, im oberen Teil eine ordentlie Ziegelsteinmauer. Auf dieser
oberen Ebene entstanden mit der Zeit die von versiedenen Päpsten
gestalteten, prätig ausgestaeten Wohnungen. Da dies Bu aber kein
Kunstführer im traditionellen Sinne ist, werde i hier nur auf zwei
Hauptfiguren dieser bewegten Gesite eingehen: Papst Alexander  VI.
Borgia und Papst Paul III. Farnese.

Ein nit allzu zerstreuter Besuer bemerkt die Anwesenheit von Papst
Borgia bereits am Eingang des Kastells, wo eine Insri über der Tür
besagt: ALEXANDER VI PONT MAX INSTAURAVIT AN. SAL.
MCCCCLXXXXV (Pontifex maximus Alexander VI. hat dies im Jahre 1495
wiederhergestellt). 1495 ist das Jahr, in dem die von Papst Alexander in
Aurag gegebenen Restaurierungsarbeiten vollendet wurden. Glei darüber
sein Wappen, das jedo besädigt ist. 1798 slugen die französisen
Soldaten die Verzierungen ab, bei denen es si sehr wahrseinli um das
Triregnum mit den Slüeln sowie das beredte heraldise Emblem seiner
Familie handelte: den Stier. Ein einziges dieser Wappen ist in dem
darüberliegenden Hof, auf der Seite der Brunnenbrüstung, vor Zerstörung
bewahrt geblieben.
Papst Borgia konzentrierte si vor allem auf den Ausbau der
Verteidigung, der Bastionen, der äußeren Befestigungsanlagen einsließli
eines Waturms, der die Brüe auf der vatikanisen Seite absierte, auf
die Restauration des Passetto di Borgo,[3] also dem oberirdisen, in die
Mauer integrierten Verbindungsgang zwisen den Apostolisen Palästen
und der Engelsburg. Diesen Gang benutzte Papst Clemens  VII., als die
kaiserlien Truppen Karls  V. die Stadt 1527 in Su und Ase legten.
Au in jenen blutigen Kriegstagen erwies si das Kastell als eine
uneinnehmbare Festung.
No bedeutsamer ist die Prägung, die Paul III. Farnese hinterlaen hat,
ein sehr bemerkenswerter Papst, ein großer Humanist und wahrer Erbe der
klaisen Antike, au wenn er auf fragwürdige Weise zum Purpur
gekommen ist. Papst Borgia hae den gerade Fünfundzwanzigjährigen auf
Empfehlung von deen Swester Giulia zum Kardinal gemat, die mit
fünfzehn Jahren die Geliebte des Papstes geworden war. Respektlos hae
ihm das römise Volk den slüpfrigen Beinamen «Kardinal Fregnese»[4]
verpat.
Paul III. steigt 1534 auf den ron, wenige Jahre na Luthers Bru mit
der katholisen Kire und dem dramatisen Sacco di Roma, kurze Zeit
vor einem weiteren swerwiegenden Sisma, der von Heinri  VIII.
vollzogenen Loagung der anglikanisen von der römis-katholisen
Kire. Er hat die feste Absit, die religiöse und imperiale Autorität der
Kire wiederherzustellen. Er genehmigt die Gründung des Jesuitenordens,
stellt die Römise Inquisition wieder her, vor allem aber befördert er das
Konzil von Trient, dur das die Kire der um si greifenden Reformation
eine moralise Regeneration entgegenzusetzen versut, um auf diese Weise
die Legitimität einer katholisen Universalordnung zu festigen.
Für das Kastell gibt Papst Farnese die prätigen Fresken in Aurag, in
denen er si als neuer Kaiser zu präsentieren beabsitigt, als Reinkarnation
des großen Hadrian, Erbe einer Zivilisation, die es verstanden hae, die Welt
mit Waffengewalt, aber au mit der Weisheit der Gesetze zu beherrsen. In
gewier Weise mat si Paul die bewegenden Verse der Aeneis (VI, 852–
53) zu eigen, in denen Anises die künige Rolle Roms umsreibt:

Tu regere imperio populos, Romane, memento


haec tibi erunt artes, pacique imponere morem
parcere subiectis et debellare superbos.
 
Du aber, Römer, gedenke den Völkern mit Mat zu gebieten.
Das sei dein Beruf, Gesiung und Frieden zu saffen,
Unterworfene zu sonen und niederzuringen die Stolzen.[5]
 
Die Fresken im Bibliothekaal, in denen Szenen der Gründung Roms
dargestellt sind, repräsentieren also ein kulturelles und politises
Programm, das seinen hösten Ausdru in der Sala Paolina erreit: In der
Prat der Fresken, der Stuaturen, des Marmors, der Seinaritekturen
wird der Papst zum Verbindungselement zwisen pagan Klaisem und
katholis Zeitgenöisem, zwisen römisem Rei und kirlier
Unterweisung. Eine Insri ganz oben an der Wand mat seine Absit
explizit: «Paul III. Pontifex maximus hat das Grab des gölien Hadrian in
eine hohe und heilige Residenz verwandelt.»
Die alten Mauern der Festung beherbergen no mehr bemerkenswerte
Räume: die entzüende stufetta, das Badezimmer Clemens’ VII., die
geheimnisvolle Sala del Tesoro mit ihrem riesigen Srein, die Grabkammer,
in der die sterblien Überreste Hadrians auewahrt werden, die raffinierte
Loggea Julius’ II. zur Brüe hin, die geniale gewölbte Spiralrampe, die den
bequemen Zugang von Reiieren bis ganz na oben ermöglite, und vieles
andere mehr. Do darf au die dunkle Seite nit verswiegen werden.
Der Luxus der Säle kann nit vergeen maen, da dies au ein
grausamer Ort von Gefangensa, Strafe und Tod gewesen ist, eines der
Gefängnie des Tribunals der Heiligen Inquisition.
In der Sala della Giustizia wurde das Todesurteil gefällt, mit dem die
blutjunge Beatrice Cenci aufs Safo gesit wurde. Im Cortile delle
fucilazioni, dem Ersießungshof, wurden no im 19.  Jahrhundert junge
Patrioten hingeritet, die von einem vereinten Italien und vom Ende der
weltlien Vorherrsa der Päpste geträumt haen. Nit zufällig hat
Giacomo Puccini das Finale seiner «Tosca» hierher verlegt.[6] Die Gloe,
die zur Linken des Engels am hösten Turm zu sehen ist, wurde «Gloe
der Verurteilten» genannt, weil si mit ihrem Läuten das Bevorstehen einer
Hinritung ankündigte. In bestimmten Zeiten ist Castel Sant’Angelo nur
dies gewesen: ein grauenhaes Gefängnis, von deen riesigen und düsteren
Verliesen si Piranesi für seinen Radierungszyklus Carceri d’invenzione
(«Erfundene Kerker») inspirieren ließ.
Ein Besu in den segrete offenbart, unter wel fürterlien
Bedingungen die Gefangenen ihr Sisal erwarteten: nate Zellen, ein
elendes, auf die Erde geworfenes Lager, nit einmal eine Latrine. Auf
engstem Raum, ohne Lu, im Gestank der Exkremente, im Smerz der
erlienen Folter, im ewigen Halbsaen der ganz oben angebraten,
unerreibaren boce di lupo (Litsäte, wörtli: Wolfsmäuler)
smateten die Unglülien in Erwartung eines unbestimmten Urteils,
während in dem Hof über dem Sreen dieser Zellen nit selten getanzt
wurde, das helle Laen söner Damen erklang, liebenswürdig
Konversation betrieben wurde.
Unter den Hunderten von Unglülien, die hier eingesperrt waren, gab
es illustre Mensen wie Benvenuto Cellini,[7] Protagonist eines
abenteuerlien, milungenen Flutversus. In seinen farbenfrohen
Memoiren sreibt er:

So lebte i, elend genug, auf der ganz verfaulten Matratze, denn in drei Tagen war alles na
geworden. Wegen meines zerbroenen Fußes konnte i mi nit regen, und wenn i um
einer Notdur willen aus dem Bee mute, so hae i mit großer Not auf allen vieren zu
krieen, um den Unrat nur nit nahe zu haben.[8]

Cellini hae als prominenter Gefangener das Glü, über ein rudimentäres
Klo zu verfügen (das man heute no besitigen kann), ein Luxus, der
gewöhnlien Hälingen vorenthalten blieb.
Das letzte illustre Opfer der Inquisition war Giuseppe Balsamo, Graf von
Cagliostro. Dem genialen Hostapler und Abenteurer aus Palermo gelang
es, mit seinem Talent als Medium, Alemist und Zauberer die Höfe halb
Europas hinters Lit zu führen. In Wahrheit war er nits als ein mit
außerordentliem Einfallsreitum begabter, zu Lügen, verblüffenden Tris
und Hostapeleien fähiger Exzentriker. 1789 ließ si Cagliostro, von der
Siphilis gezeinet, in Rom nieder, wo er eine Freimaurerloge des
ägyptisen Memphis-Misraïm-Ritus gründete. Er hae nur zwei Anhänger,
einen Marquis und einen Kapuzinermön, der der Geliebte seiner Frau
Lorenza wurde.
Von seiner eigenen Frau angezeigt, wurde ihm der Proze gemat, dem
er wegen Goeslästerung und häretiser Auagen über Go, Jesus
Christus, die Jungfrau, die Heiligen, die Sakramente, das Fegefeuer, die
kirlien Vorsrien, außerdem wegen falser Lehren über Sexualität
und samlose Handlungen zum Tode verurteilt wurde (April  1791). In der
tragikomis anmutenden Begründung wurde er definiert als «ein Mann, der
nits glaubt, ohne Religion, also ein Tier, verleumderis und ziemli böse,
Gauner, rasender und bestialiser Sarlatan, Swärmer und Surke,
dreist, äußerst verrufen.»
Der Kapuzinermön bekam zehn Jahre Gefängnis, die Gain Lorenza
kam mit der Verbannung in ein Kloster davon. Cagliostro gelang es, dem
Safo zu entgehen, weil der Papst seine Strafe in «lebenslängli»
umwandelte. Er wurde dann ins Festungsgefängnis von San Leo gesperrt, wo
er aufgrund seiner Krankheit und au der häufigen Stosläge, die er dort
erhielt, langsam verrüt wurde.
Die Römise Inquisition verfügte no über weitere Gefängnie: das
Gefängnis von Tor di Nona (wo Giordano Bruno gefangengehalten wurde),
später abgerien, um den Dammmauern des Tibers Platz zu maen, und
sließli das eigentlie Gefängnis des Sant’Uffizio, das im Herbst 1566 mit
großen Festivitäten und Artilleriesalven feierli eingeweiht wurde. Heute
dient es anderen, weniger grausamen Zween. Der Palazzo
dell’Inquisizione erhebt si auf dem gleinamigen Platz ganz in der Nähe
des Petersplatzes und ist der Sitz der Glaubenskongregation. 24 Jahre lang
hat Kardinal Ratzinger dieses maive Portal dursrien, ist in den ersten
Sto gestiegen und hat in seinem Büro Platz genommen. Die Einritung ist
karg: ein Sreibtis in swarzem Nubaum, ein altes Magdalena-
Gemälde an der Wand, ein Kruzifix. Der Name des Palazzo beswört
Folterqualen herauf, der Name ist aber au die einzige Spur, die no von
dem ehemaligen Justiz-Komplex übriggeblieben ist, der 1542 na dem
Willen Pauls  III. entstanden war. Die Santa Romana e Universale
Inquisizione (Heilige Römise und Universale Inquisition) entstand als
Bollwerk zum Sutz des Glaubens und gegen die Häresien.

Die grausamen Verhöre der Inquisition wurden im Gefängnis der Carceri


Nuove (Neue Kerker) in der Via Giulia durgeführt. Im Aurag von Papst
Innozenz  X. Pamphili na einem Entwurf von Antonio Del Grande 1647
gebaut, wurden die Kerker unter dem Pontifikat Alexanders  VII. Chigi
vollendet. Heute beherbergt der Palazzo die Direzione nazionale antimafia
(Nationale Antimafia-Direktion) – ein Kuriosum der Gesite. Bis 1968
sind die Carceri Nuove Sitz des Museo criminale italiano (Italienises
Kriminalmuseum) gewesen, das dann umgezogen ist. Im zweiten Sto, nit
weit vom Büro des Staatsanwalts, gibt es einen Raum, der no eine Spur der
alten Funktion bewahrt: ein in der Mauer verankerter Haken, der dazu
diente, die Angeklagten während der Folter festzubinden. Diese Zellen
waren eine obligatorise Durgangtation. Für jeden, der suldig
gesproen wurde, Lehren anzuhängen, die im Widerspru zur offfiziellen
Doktrin der Kire standen, konnten sie das Vorzimmer zum Safo
bedeuten.
Über die Inquisitionstribunale ist in Italien und darüber hinaus so reili
gesrieben worden, da zuweilen die Mythologie, eine finstere Mythologie,
die historise Wahrheit der Fakten übertroffen hat. Do abgesehen von
allen Übertreibungen hae das Phänomen zweifellos eine gewitige
Bedeutung für die Gesite der Kire, insbesondere die italienise.
Seit ihren Ursprüngen verspürte die Kire (wie jeder auf Ideologie
gegründete Organismus) im Zuge der allmählien Ausbildung eines Kanons
und einer Orthodoxie die Notwendigkeit, den doktrinären Abweiungen
(Häresien) entgegenzutreten und diejenigen zu bestrafen, die si soler
Taten suldig gemat haen. Dazu gehörte au die Lektüre oder der
Besitz von Werken, die als ketzeris eratet wurden. Die Synode von
Toulouse von 1229 ging so weit, Laien den Besitz der Bibel zu verbieten, und
1234 bestimmte die Synode von Tarragona sogar, da Bibelübersetzungen in
Vulgärlatein zur Verbrennung abgegeben werden muten. Typis für das
Verfahren war das  – im römisen Ret unbekannte  – Prinzip, da eine
Anklage wegen Ketzerei «von Amts wegen» (procedura d’ufficio) erhoben
werden konnte, das heißt, au wenn es keine glaubwürdigen Zeugen gab.
Nit nur das: Wer au immer Kenntnis von mögliem Ketzertum erlangt
hae, war verpflitet, die Tat unverzügli dem nästen
Inquisitionstribunal anzuzeigen. Bei Niteinhaltung dieser Vorsri wurde
er als Mitwier betratet. Eine Spur davon findet si in Galileos
Abswörungsformel, in der der große Wiensaler unter anderem
verspreen mute: «Und i swöre, da i  …, wenn i irgend einen
Ketzer oder der Ketzerei Verdätigen kennenlerne, denselben diesem
Heiligen Offizium oder dem Inquisitor und Ordinarius des Ortes, wo i
mi gerade befinde, anzeigen werde.»
In einer ersten Phase bestanden die Urteilprüe vor allem im
Kirenbann und in der Exkommunikation. Später wurden sie härter, au
wenn neuere Forsungen ergeben haben, da ihre Strenge na Ländern
und historisen Phasen variierte. Vor dem Inquisitionsgerit endete, wer
der Magie, der Hexerei, des Teufelspakts, der vorgetäusten Heiligkeit, der
Sodomie angeklagt war. Allgemeiner gesagt: Taten, die im Widerspru zur
Kirenlehre standen und daher eine möglie Abweiung vom offiziellen
Kanon erkennen ließen.
Über einen langen Zeitraum hae die Inquisition ein sehr großes Gewit
in der Kire. Von den sieben Päpsten der zweiten Häle des
17.  Jahrhunderts etwa haen nur zwei nit zuvor Inquisitionsämter
bekleidet. Mit Papst Ratzinger, Benedikt  XVI., ist diese Tradition wieder
aufgelebt.

Was also war genau die Inquisition, wele Rolle spielte sie in der
Gesamtstrategie des Heiligen Stuhls? Au die Congregazione della Sacra
Romana e Universale Inquisizione war eine Söpfung Papst Pauls  III.
Farnese. Ins Leben gerufen wurde sie dur die Apostolise Konstitution
Licet ab initio (1542): ein Kollegium aus Kardinälen und hohen Prälaten
unter der direkten Leitung des Papstes. Aufgabe dieses Organismus war die
Aufreterhaltung und Verteidigung der Unversehrtheit des Glaubens, die
Prüfung und Ätung von Irrtümern und Irrlehren. Unerlälier Appendix
war von 1571 an der Index librorum prohibitorum (Index der verbotenen
Büer), mit den Aufgaben, auf die wir glei kommen werden. Die
römisen Inquisitoren haen Geritszuständigkeit für das gesamte
katholise Universum, au wenn si ihre Aktivität in der Praxis fast
auließli auf Italien begrenzte. Die beiden berühmtesten Prozee waren
die gegen Giordano Bruno und Galileo Galilei.
Die dominikanisen Inquisitoren Jakob Sprenger und Heinri Kramer,
die von Papst Innozenz  VIII. na Deutsland gesit worden waren,
faten alle dienlien Methoden, wie man Hexen und Ketzer erkennen,
verhören und bestrafen konnte, in einem Handbu zusammen. Das Werk
wurde 1486 in Speyer publiziert und sollte unter dem Titel Malleus
Maleficarum (Der Hexenhammer) zu großer Berühmtheit gelangen. Das
Bu wurde immer wieder neu aufgelegt, no das gesamte 17. Jahrhundert
hindur, und erreite die damals unglaublie Auflage von 35.000
Exemplaren.
Die si bei den «Hexen» manifestierenden Verhaltensänderungen
wurden von den Beitvätern (die dem Tribunal die Verdatsfälle meldeten)
der Präsenz des Dämons zugesrieben, der si fast immer in den Genitalien
festsetzte. In der Tat betraf das Gros der Besuldigungen unzütige
Sexualpraktiken, ausgefallene Teniken des Gesletsverkehrs, obszöne
Küe, vor allem den osculum infame («Sandku»), also den im
Satanismus rituellen Akt, dem Teufel auf den Anus zu küen. Bei vielen
Maßnahmen sien die Vorstellung von der sexuellen Unersälikeit der
Frau dur, weshalb den Besuldigten, um dem Dämon eines seiner
bevorzugten Verstee zu rauben, häufig die Samhaare rasiert wurden.
Abhilfe erwartete man si von gewien, sehr speziellen Exorzismen, au
mit Hilfe eines Blasebalgs und bestimmten Manipulationen in loco, d.h. an
den Gesletsorganen.
Das vorgesehene Verfahren war dem aller übrigen Strafprozee ähnli:
Anklage, mündlie oder srilie Zeugenauagen, möglierweise
zusätzlie Beweismiel, Rede und Gegenrede von Anklage und
Verteidigung, Urteil. So weit die eorie. In der Praxis genügte als
geritlies Beweismiel bereits geringfügiges konfuses Geswätz. Son
die Leugnung der Existenz des Teufels war Häresie und somit ein
Eingeständnis der Suld. Die Verhöre konnten stricte sein, also unter
Gebrau der Folter, euphemistis als «peinlie Befragung» umsrieben.
Wenn der Angeklagte seinen Irrtümern nit abswor, drohte der Inquisitor
mit Folter, im Falle weiterer Verweigerung wurde er den Folterkneten
übergeben.
Im Falle, da der Angeklagte au unter Folter kein Geständnis ablegte,
erklärte das Tribunal seine Unfähigkeit, den Ketzer zum reten Glauben
zurüzuführen, und übergab ihn zur Vollstreung der Strafe dem
sogenannten braccio secolare (dem weltlien Arm), also dem zuständigen
Ziviltribunal. Diese Aueilung von Zuständigkeiten führte mehrmals zu
zweisneidigen Kompromien: Um ihre Urteile vollstreen zu laen,
stützte si die Kire auf die politise Mat, während sie den Demantel
der Doktrin benutzte, um ihre Unterdrüungskampagnien zu legitimieren.
Die Gefängnitrafe wurde im Allgemeinen dur eine rituelle Formel
verkündet:

Wir verurteilen di auf ewig zu förmliem Kerker dur dieses Heilige Offizium, ohne
Hoffnung auf Begnadigung, damit du gezwungen bist, dur ständiges Wehklagen und
Bußetun bei Go Barmherzigkeit und die Verzeihung deiner Sünden und Irrtümer in der
Vergangenheit zu erflehen.

In diesen Prozeen gab es keine Unterseidung zwisen Sünde und


Straat: Wahre Angeklagte war die Seele, und sie war es, die verurteilt
werden mute, beziehungsweise die Ideen, die Lehre, die Grundprinzipien,
auf deren Basis der Angeklagte agierte, srieb, date. Au deswegen
erwiesen si die kultivierten, gut ausgebildeten, strengen
Dominikanerbrüder häufig als die erfolgreisten Inquisitoren. Ihre
unerbilien Urteile haben au in der Literatur ihren Widerhall gefunden.
Unter den zahlreien Beispielen seien nur Walter Scos Ivanhoe und
Umberto Ecos Der Name der Rose genannt, vor allem aber Fjodor
Dostojewskis Roman Die Brüder Karamasow mit seiner gewaltigen
Binnenerzählung Legende vom Großinquisitor, die von Iwan, dem
skeptisen, na Glauben dürstenden Bruder und Goesleugner erzählt
wird.
Iwan stellt si vor, da Jesus na fünfzehn Jahrhunderten auf die Erde
zurükehrt und in Spanien angesits der brennenden Seiterhaufen und
der in seinem Namen vollzogenen Verfolgung dur die Heilige Inquisition
wieder anfängt, Wunder zu vollbringen. Der Großinquisitor, ein alter Mann
von neunzig Jahren, lät ihn gefangennehmen, in der Absit, ihn als Ketzer
auf dem Seiterhaufen verbrennen zu laen. Beunruhigt dur deen
Anwesenheit begibt er si jedo nats in die Zelle seines Hälings, wo er
ihn ausführli zum Wert der Freiheit des Mensen befragt:

Du willst in die Welt gehen und gehst mit leeren Händen, mit irgendsoeinem Verspreen
von Freiheit, das sie [die Mensen, Erg. d. Ü.] in ihrer Einfalt und angeborenen
Aufsäigkeit nit einmal begreifen können, vor dem sie si fürten und ängstigen; denn
niemals und nirgends gab es etwas, was für den Mensen und für die menslie
Gesellsa unerträglier gewesen wäre als die Freiheit! … I sage dir, der Mens kennt
keine quälendere Sorge als die, denjenigen zu finden, dem er möglist snell das Gesenk
der Freiheit übergeben könnte, mit dem er, dieses unglülie Wesen, geboren wird  …
Ansta ein für allemal feste Grundlagen für die endgültige Beruhigung des menslien
Gewiens zu geben, hast du all das gewählt, was es an Ungewöhnliem, Rätselhaem und
Unbestimmtem gibt, alles, was über die Kräe der Mensen geht; und darum hast du
gehandelt, als liebtest du sie überhaupt nit, obwohl du do derjenige warst, der
gekommen war, für sie Sein Leben hinzugeben![9]

Na seinem leidensalien Plädoyer zur Verteidigung der Autorität der


Kire verstummt der Inquisitor und wartet sweigend, was sein
Gefangener antworten wird. Jesus hat die ganze Zeit über still zugehört und
ihm dabei eindringli in die Augen gesehen. Er erwidert nits. Der greise
Inquisitor möte, da er etwas sagt, er aber nähert si ihm plötzli
wortlos und küt ihn auf die blutleeren Lippen. Das ist seine Antwort. Der
Alte reißt die Tür auf, sagt: «Geh und komm nit wieder  … niemals,
niemals!» Der Gefangene geht.[10] Eine grandiose Metapher des
Widersprus zwisen der Botsa des Evangeliums und einer politisen
Mat, die den Anspru erhebt, in seinem Namen zu handeln.
Es war zwar Papst Paul  III., der den Anfang mate mit diesen
Prozeduren, aber erst einer seiner Nafolger, Paul  IV. Carafa (1555–1559),
date si einen gekonnt politisen Gebrau des Tribunals aus. I habe
zu diesem ema Prof. Maimo Firpo[11] befragt, der die Kultur- und
Religionsgesite des 16.  Jahrhunderts ausgiebig studiert hat. Hier seine
Antwort:

Kardinal Carafa, der spätere Papst Paul  IV, hae Clemens  VII. 1532 eine außerordentlie
Denksri gesit, die in feurigen Worten das Überhandnehmen von Häresien und
Sienverfall, Korruption und Ignoranz des Klerus denunzierte, dazu die Paivität der
Bisöfe und des Heiligen Stuhls selbst, lauter Probleme, die eng miteinander in Verbindung
standen. Es war ein klares und kravolles Aktionsprogramm, das auf eine Reform der Kire
zielte, die vor allem dazu geeignet sein sollte, der protestantisen Reformation wirksam
Contra zu bieten. Innerhalb weniger Jahre setzte si seine hartnäige und unnagiebige
Initiative dur, die auf das Prinzip gegründet war: «Häretiker mu man wie Häretiker
behandeln», das in der zweiten Häle des 16.  Jahrhunderts offizielle Politik der Kire
wurde, also das, was wir als Controriforma [Gegenreformation] bezeinen. Die Einritung
des Sant’Ufficio bot eine vorzüglie Waffe zur Bekämpfung der in Italien verbreiteten
Ketzergruppen, einsließli derer innerhalb der Kire, die zu einer Einigung mit den
Protestanten tendierten, sogar zur Annahme einiger ihrer theologisen Prinzipien. Das
beweist der bedenkenlose Gebrau, den Carafa von der Inquisition mate: Er sammelte
Beweise (heute würde man sagen, er stellte ein «Doier»zusammen), die bei den Konklaven
genutzt wurden, um die Wahl seiner Gegner zu verhindern. Von einem römisen
Informanten wien wir beispielsweise, da Carafa im Konklave von 1555 die Prozeakten
aller Anwärter auf den Papshron mit si führte. Es ist nit weiter erstaunli, da er
dabei selbst als Papst hervorging und soglei daranging, «die Gefängnie im Aurag der
Inquisition mit Kardinälen und Bisöfen zu füllen», wie es eines seiner Opfer besrieb.

Und es verwundert au nit, da die Inquisition, nadem sie si erst einmal der
Meanismen der Papstwahl bemätigt hae, die Päpste auswählte und die Kire auf diese
Weise na ihrer eigenen religiösen und politisen Linie ausritete. Erst später, nadem es
si an der Spitze der Kurie etabliert hat, wird das Sant’Uffizio seine Aktivitäten au auf die
Peripherie ausdehnen: gegen die Häretikergruppen, die es in fast allen italienisen Städten
gab. In meinen Augen mu das als eine nit nur religiöse, sondern au politise
Handlungsweise definiert werden, also eine ganz bewut auf ein politises Ziel geritete
Aktion, die imstande war, si die für ihre Realisierung notwendigen Instrumente zu
versaffen, in Konkurrenz zu anderen, entgegengesetzten theologisen und pastoralen
Strömungen der Kire. So ist zu verstehen, wie die Kongregation des Heiligen Offiziums, die
höste römise Kongregation, die einzige, bei der der Papst persönli den Vorsitz hat,
sließli zu dem geworden ist, was si heute Glaubenskongregation nennt, die bis vor
kurzem no von Kardinal Joseph Ratzinger geleitet wurde, heute Papst Benedikt XVI. Son
im 16. Jahrhundert bildete die Inquisitionsbehörde der Kire einen privilegierten Kanal für
die Rekrutierung ihrer hohen Würdenträger und für erfolgreie Karrieren.

Ist es denkbar, da dieser mätige Apparat einen Einflu auf die
Entstehung des italienisen Nationalstaats gehabt hat? Und da er
sließli in gewiem Maße sogar seine Form und Besaffenheit bestimmt
hat? Maimo Firpo beantwortet das so:

Die Tatsae, da Rom oder Italien mit dem Zentrum der Christenheit zusammenfallen, hat
sehr viele Konsequenzen gehabt. Die Problematik ist aber beer zu verstehen, wenn man
si nit allein auf den Aspekt besränkt, da die Kire immer in Italien gewesen ist, als
Erbin au der staatlien Mat na der Auflösung des römisen Reies. Hinzu kommt
die Tatsae, da hier ein Staat gefehlt hat. Italien ist immer das Land seiner antiken Städte
gewesen, die später zu Kommunen geworden sind, regiert von ihren Familienoligarien und
ihrer unvergänglien Aristokratie, häufig zerrien von Parteienkämpfen, ununterbroen
aber beherrst vom korporativen Denken, alle vereint in einer gefährlien Vermisung des
Öffentlien mit dem Privaten. Der swierige Proze der Konstruktion eines modernen
Staates, der in England, Frankrei, Spanien seit dem 15. Jahrhundert in Gang gekommen ist,
läu in Italien erst spät und slet an. Zu lange sind die südlien Königreie in den
Händen der Barone geblieben, das heidnise Italien bei seinen kleinen dynastisen
Fürstentümern, Genua oder Venedig bei einigen dominierenden Oligarien, ebenso wie
Florenz, und zwar bis mien ins 16. Jahrhundert hinein. Es ist kein Zufall, da der nationale
Vereinigungsproze von Piemont ausgegangen ist, dem einzigen kleinen Staat, der si
zwisen dem 16. und dem 18. Jahrhundert an einem Modell absolutistisen Typs orientiert
und Stärke gewonnen hae: Heer, Steuerwesen, Bürokratie, Adel als Vorauetzung für die
Bekleidung von Ämtern etc. Was die päpstlie Monarie betri, so ist dur das
Wahlsystem, den Nepotismus, die Vermisung zwisen staatliem und spirituellem
Steuerwesen daraus ein beispielhaes Modell von Miwirtsa geworden.
Son im 16.  Jahrhundert srieb Francesco Guicciardini in den Ricordi: «I weiß nit,
wem mehr als mir der Ehrgeiz, der Geiz und die Wolllust der Priester mifallen: weil ja jede
dieser Untugenden son für si verabseuenswert ist, weil ja jede einzelne und alle
zusammen si für jemanden, der ein Leben in Abhängigkeit zu Go zum Beruf gemat hat,
wenig ziemen, und außerdem, weil es so gegensätzlie Untugenden sind, da sie nit
zusammenleben können, es sei denn, in einem sehr seltsamen Subjekt.» Und denno – so
fuhr er fort – hae ihn seine Arbeit im Dienste der Medici-Päpste gezwungen, «zu meinem
eigenen Vorteil ihre Größe zu lieben; und wenn nit dieser Respekt gewesen wäre, häe i
Martin Luther so geliebt wie mi selbst: nit um mi vom Gesetz der ristlien Religion
zu befreien, so wie es allgemein ausgelegt und verstanden wird, sondern um diesen Haufen
Ruloser in angemeener Weise verswinden zu sehen, also da sie entweder ohne
Untugenden oder ohne Autorität bleiben.» Die Kire der Gegenreformation hat nit
aufgehört, ihre Untugenden zu haben, sie hat es aber verstanden, sie in der jesuitisen
Praxis des «si non caste tamen caute»  –«wenn nit keus, so do vorsitig» zu
versteen, im pastoralen Paternalismus, in den Formalitäten einer dem Gewien
entzogenen, häufig auf rein devote Praxis reduzierten, jeden Diens unterdrüenden
Religion.

Im Zusammenhang mit dem Diens verdienen die den Juden zugedaten


Sikanen eine besondere Erwähnung. Unzählig sind die päpstlien Erlae,
die im Laufe der Jahrhunderte ihre Bewegungs- und Handelsfreiheit
einsränkten, die ihnen das Tragen dieses oder jenes Kennzeiens
auferlegten, damit sie auf den ersten Bli identifizierbar waren. Zum
Beispiel der gelbe Hut der römisen Juden, der in den dreißiger Jahren des
20. Jahrhunderts die Nationalsozialisten dazu inspirieren wird, den Kindern
Israels den ebenfalls gelben Davidstern vorzusreiben, den sie auf die
Kleidung zu nähen haen. Alles in allem mu man jedo sagen, da die
römise Inquisition die Juden relativ «nagiebig» behandelte, indem sie
den physisen Bestrafungen überzogene Geldstrafen und die Einziehung
der Güter vorzog. Sehr hartnäig dagegen waren die Versue, die Juden
zum «wahren Glauben» zu bekehren, wobei au zu extremen Mieln
gegriffen wurde. Es gab Fälle, die man nit anders bezeinen kann als
regelreten Mensenraub. Ein bezeinendes Beispiel beritet der
Historiker Andrea Del Col in seinem Bu L’Inquisizione in Italia dal XII al
XXI secolo (Die Inquisition in Italien, 2006):

Chiara, die Ehefrau Angelo del Borgos, wurde im Jahre 1712 von einer Neugetauen
fälsli als bekehrungswillig gemeldet. Die Frau wurde über alle Maßen festgehalten und
der Gae protestierte beim Sant’Uffizio, hae sogar die Absit, mit dem Beistand eines
gesiten und wohlpräparierten katholisen Retsanwalts geritli dagegen
vorzugehen … Do obwohl Chiara swanger war und entsieden gegen eine Konversion,
gab die Kongregation zweimal dem Rektor ret, der sie bis zur Entbindung festhielt. Das
kleine Mäden wurde umgehend getau, und Angelo bat das Sant’Uffizio, man möge ihm
wenigstens seine Frau zurügeben. Ganz plötzli aber gab sie dem auf sie ausgeübten
Dru na. Am 17.  März  1713 beslo sie zu konvertieren, wie es der Rektor dem
Referenten des Sant’Uffizio triumphierend mieilte: «Mit dem Beistand des Heiligen Geistes
hat sie si zur Christin erklärt, wurde sie überzeugt dur die Lieblikeit des heiligen
Evangeliums, aus einer rebellisen Tigerin hat sie si in ein sanmütiges Lamm
verwandelt, denn wie man sehr wohl weiß, Spiritus spirat, ubi vult [Der Geist atmet, wo er
will], und diese armen Seelen müen si ja irgendwie helfen, um si die Verdammnis des
jüdisen Volkes und die Heiligspreung begreifli zu maen, die den Gläubigen dur
unseren lieben Heiland zuteil wird.»

Dieser Ausgang, so kommentiert Del Col, zeigt die Wirksamkeit der illegalen
Methode des Freiheitsentzugs und die Zwelosigkeit jeder Beswerde bei
der Inquisition.
Die Verbreitung freiheitlier Ideale na der Französisen Revolution
reite nit aus, um die Lebensbedingungen der Juden in den päpstlien
Herrsasgebieten zu erleitern. No zu Beginn des 19.  Jahrhunderts
sürten antijüdise Smähsrien weiter die glühendsten Vorurteile.
Zum Beispiel besrieb 1825 der französise Dominikaner Fra’ Ferdinand
Jabalot die Gesinnung der Juden mit diesen Worten:

Goesmord, maßlose Gier na Bereierung, die auf den Ruin der Christen aus ist,
Matambitionen, die auf die Übernahme der Weltherrsa zielen und der Moral und den
Sien Saden zuzufügen, Ha auf die ristlie Religion, der au zu slimmsten
Barbareien fähig ist («si die Hände im Blut der Christen zu wasen, Kiren anzuzünden,
geweihte Hostien mit Füßen zu treten, aus Ha auf Jesus Christus die Gläubigen zu
kreuzigen, Kinder zu rauben und zu maakrieren, die Go heiligen Jungfrauen zu sänden
und die getauen zu mibrauen»).

Die Verweigerung der aulärerisen Prinzipien hae ganz offenkundig die


Unterdrüung der starken dur die Moderne aufgezwungenen
Veränderungsimpulse zum Ziel, wozu au die Freiheit gehörte, die den
Juden in versiedenen Staaten Europas zugestanden worden war. In ihrer
Studie Battesimi forzati. Storie di ebrei, cristiani e convertiti nella Roma dei
papi (Zwangstaufen. Gesiten von Juden, Christen und Konvertiten im
Rom der Päpste, 2004) weist die Historikerin Marina Caffiero na, da die
Zwangskonversionen von Ehefrauen, Kindern und Enkeln von Juden, die
zum katholisen Glauben übergetreten waren, sowie die heimlie Taufe
von Kleinkindern im 19.  Jahrhundert erhebli zunahmen. Wenn es im
Hinbli auf die elterlien Rete und Pfliten Proteste gab oder der
Betroffene si weigerte zu konvertieren, wurde der «Vorgang» an die
Kongregation des Heiligen Offiziums weitergegeben.
Zu den aufsehenerregendsten (und smerzlisten) Fällen gehört die
heimlie Taufe von Edgardo Mortara dur eine katholise Magd, als der
jüdise Knabe mit vier Jahren swer erkrankte und in Lebensgefahr zu
sweben sien. Der Vorfall ereignete si in Bologna. Zwei Jahre später,
1858, hae die Magd den kirlien Behörden die Taufe gemeldet, vielleit
aus Rae ihren Arbeitgebern gegenüber. Edgardo, der damals ses Jahre alt
war, wurde darauin der Familie entrien, und weil er getau war, ordnete
der Inquisitor an, da er in Rom in der Casa dei Catecumeni (Haus der
Kateumenen) ristli erzogen werden sollte. Trotz verzweifelter Gesue
der Eltern und internationalen Drus, au von Seiten Napoleons  III. und
des Grafen Cavour, wurde der kleine Edgardo seiner Familie nie
zurügegeben. Unter dem Sutz des Papstes, der beinahe einen Patensohn
aus ihm mate, trat er mit dem Namen Padre Pio der Kongregation der
Regularkanoniker vom Lateran bei, sute na dem Fall des Papst-Staates
Sutz in Österrei und wurde 1873 Priester.

Die Kultur der Aulärung und, allgemeiner ausgedrüt, die Ausbreitung


von «Vernun»-geleiteten Haltungen und Verhaltensweisen alarmierten die
römis-katholise Kire in hohem Maße. Der Konflikt wurde dadur
versär, da viele protestantise Konfeionen den notwendigen
Reformen positiv gegenüberstanden. Ein beredtes Beispiel für die extreme
Verweigerungshaltung der Kire war das überlange Pontifikat Pius’ IX.
(1846–1878).
Sein ideologises Manifest ist in der am 8.  Dezember  1864 erlaenen
Enzyklika Quanta cura und deren (getrenntem) Anhang, dem berütigten
Syllabus errorum, enthalten, von denen bereits im Kapitel «Der Quirinal»
die Rede war. Insgesamt spiegelt das Dokument die Haltung eines Papstes,
dem die Gefahren der freien Gesellsa und die Gewiheit, da die
Moderne die Indifferenz gegenüber der Religion gewaltig steigern werde, zur
Obseion geworden waren.
Einer seiner Nafolger, Pius  X. (1903–1914), setzte diese unversöhnlie
Linie fort, hielt es aber für opportun, in der Bezeinung des
Inquisitionstribunals das Wort Inquisizione zu entfernen, das mit der Zeit
einen allzu düsteren Beigesma angenommen hae. Bei der
Neuorganisation der Kurie legte er fest, da das mit der Aufreterhaltung
der Reinheit des Glaubens beauragte Amt von nun an Sacra Congregazione
del Sant’Uffizio (Heilige Kongregation des Heiligen Offiziums) heißen sollte.
Hierher wurden 1917 au die Zuständigkeiten der untergeordneten
Kongregation verlagert, die mit der Indizierung der verbotenen Büer
befat war.
1965 änderte Papst Paul VI. erneut den Namen des Amtes, das von nun an
Sacra Congregazione per la Dottrina della Fede (Heilige Kongregation für
die Glaubenslehre) hieß, weiterhin mit der Hauptfunktion der Verbreitung
und Verteidigung der Orthodoxie. 1988 hat Johannes Paul II. dann au das
gewitige Sacra weggenommen und es einfa Congregazione per la
dottrina della fede benannt. In seiner umfaenden Mea culpa-Rede hat er
die Welt im März des Heiligen Jahres 2000 für die vielen von der Kire
begangenen Sünden um Verzeihung gebeten, darunter au die Verfehlungen
der Inquisition.

Au der Index der verbotenen Büer hat eine kuriose Gesite. Mit der
Erfindung der beweglien Metall-Leern 1444 dur Gutenberg waren
Büer zum Hauptvehikel möglier Verstöße geworden. Büer wurden zu
Medien, mit denen man snell und in einem bis dahin nie gekannten
Ausmaß die «Seue» gefährlier Meinungen verbreiten konnte. Seit der
Gründung also wurde den Generalinquisitoren die Amtsgewalt erteilt,
häretise Büer auf den Index zu setzen und damit zu verbieten. Das erste
Verzeinis mit den Titeln von 230 Büern (in lateiniser und französiser
Sprae), die als verboten zu betraten waren, wurde 1544 von der
eologisen Fakultät der Pariser Sorbonne herausgeben.[12] Die erste
offizielle Ausgabe des Index librorum prohibitorum, also der für den
Glauben und die Moral der Katholiken für gefährli erateten Büer,
wurde von der Santa Congregazione dell’Inquisizione Romana 1557 erstellt.
Damals war mit dem Namen Paul IV. der sehr gestrenge Gian Pietro Carafa
auf den ron gestiegen, der vom Botsaer Venedigs in einer Depese so
besrieben wird: «Dieser Papst hat ein braiales und feuriges
Temperament …, er ist ungestüm in der Verritung seiner Gesäe und
duldet keinen Widerspru.» Der erste Index ist ausgesproen restriktiv. Er
zensiert sogar einen Teil der Bibel und einige Srien der Kirenväter.
Au Boccaccios Decamerone ist darin enthalten und Maiavellis Fürst,
aber au Il Novellino von Masuccio Salernitano (1420–1480) und die Werke
des Erasmus von Roerdam, des größten Humanisten der Epoe, der si
allerdings suldig gemat hae, von der Kire eine Reform zu fordern, die
sie wieder zur Reinheit ihres Ursprungs zurübringen sollte.
Die Veröffentliung des ersten römis-päpstlien Index erfolgt zu
Beginn des Jahres 1559. Vorangestellt war ihm ein Dekret der Inquisition, das
befahl,

… da niemand fortan es wage, zu sreiben, herauszugeben, zu druen oder druen zu


laen, zu verkaufen, zu kaufen, leihweise, gesenkweise, oder unter irgendeinem anderen
Vorwand öffentli oder heimli zu geben, anzunehmen, bei si zu behalten oder sonst
irgendwie aufzubewahren oder auewahren zu laen irgendeines der Büer oder Srien,
die in diesem Index des Heiligen Offiziums aufgelistetet sind.[13]

Es folgten die Namen der Werke, unterteilt in drei Kategorien: Die erste
umfate diejenigen von Autoren, die ex professo («berufsmäßig», also:
absitli) geirrt haen und deren Gesamtwerk infolgedeen abgelehnt
wurde; in der zweiten ersienen nur einzelne häretise Werke; in der
drien sließli die Werke häretisen Inhalts, die anonym publiziert
worden waren.
Eine Neuausgabe des Index von besonderer Bedeutung wird die von Papst
Pius IV. na Abslu des Konzils von Trient herausgegebene sein. Sie war
von zehn Regeln bzw. Normen begleitet, die bis 1896 in Kra blieben.
Darunter das Verbot für Laien, die Bibelübersetzungen in ihren jeweiligen
Volkpraen zu lesen. In Trient nämli wurde festgelegt, da die einzige
autorisierte Version der Heiligen Sri die lateinise Vulgata war, unter
Aulu jeder anderen: von den grieisen oder hebräisen
«Originalen» bis zu den modernen Übersetzungen.
Der beim Konzil von Trient aufgestellte Index ersien im Frühjahr 1564
mit dem ellenlangen Titel Index librorum prohibitorum cum regulis
confectis per Patres a Tridentina Synodo delectos, auctoritate Sanctiss. D. N.
Pii  IV, Pont. Max. comprobatus, was heißt: «Index der verbotenen Büer
mit den von den Vätern beim Konzil von Trient zusammengestellten Regeln,
genehmigt von unserem Santiimo Padre Pius IV.» Die Kongregation hae
si ein gigantises Zensurprogramm zu allen Autoren und Werken
vorgenommen, die aus irgendwelen Gründen nit im Einklang mit der
offiziellen Lehre standen. Darunter fielen, wie son gesagt, die Kirenväter
(von Ambrosius und Tertullian bis zu omas von Aquin); medizinise
Werke, in denen die menslie «Masine» bloßgelegt wurde:
Hippokrates, Galenos, Paracelsus; Philosophen wie Platon und Aristoteles;
Historiker wie Herodot, Tacitus, ukydides; die Klaiker praktis
vollständig: Ovid, Vergil, Horaz, Sallust, Livius, Plutar, Homer, Cato,
Plautus, Aesop.
Besondere Aufmerksamkeit war dem jüdisen Talmud vorbehalten,
zusammengesetzt aus der Misna, also dem Gesetzeskodex, und der
Gemara, den Rabbiner-Kommentaren. Diese fundamentalen Büer der
jüdisen Frömmigkeit und Gelehrsamkeit waren 1533 unter Papst Julius III.
in Rom verbrannt worden. In Trient wurde festgelegt, da die Juden sie
wieder lesen duren, aber in bereinigter Form. Gestrien wurden alle Teile,
die im Gegensatz zum Neuen Testament standen, «die Smähungen und
Blasphemien gegen die katholise Kire», die «Obszönitäten». Es ist
allerdings nit verbürgt, ob sole Vorsrien jemals effektiv angewendet
wurden.
Die Kongregation des Index blieb im Verhältnis zur gefürteten Suprema
Congregatio der Inquisition, die finanziell üppig ausgestaet war und si
regelmäßig zweimal in der Woe traf, davon einmal sogar in Anwesenheit
des Papstes, immer ein wenig untergeordnet. Die Index-Kommiion
verfügte über geringere Miel und hae eine geringe Personalautaung.
Selbst die Termine ihrer Treffen waren sporadiser. Au wenn den
offiziellen Vorsitz ein Kardinal hae, so war in der Praxis Fareferent der
Sekretär, der vom Dominikanerorden gewählt wurde. Außerdem war da der
Maestro del Sacro Palazzo, der (Haus-)eologe des Papstes, der sowohl zur
Inquisition als au zum Index gehörte und die Zuständigkeit für den
römisen Index hae. Sehr viel vorteilhaer war die Karriere eines
«Sekretärs» der Inquisition, der am Ende seiner Dienstzeit (zwisen einem
und neun Jahren) in den Rang eines Kardinals aufstieg.
Die Verantwortlien für die Büerzensur haen die Aufgabe, von Zeit
zu Zeit eine «öffentlie Bekanntmaung» zu erlaen, mit der die
Verdammung eines Werkes oder eines Autors dekretiert wurde. Ungefähr
alle zwanzig Jahre wurden die in den Bekanntmaungen ersienenen Titel
in alphabetiser Anordnung in die neue Generalausgabe des Index
integriert. Katholiken duren diese Texte weder lesen no besitzen,
andernfalls drohte die Exkommunikation, eine Strafe, die swerwiegende
Folgen au für das praktise Leben mit si brate.
Die «Philosophie», mit der Zensur und Verbot geretfertigt wurden, war
ganz offensitli, beginnend mit dem Umslag des Index, auf dem eine
lebhae Vignee figurierte: oben zwei Engel, die eine Srirolle mit dem
Titel Index librorum prohibitorum und dem Emblem des regierenden Papstes
halten. Im mileren Berei die Heiligen Petrus und Paulus, der eine mit
Slüeln, der andere mit Swert ausgestaet, die einen Seiterhaufen
betraten, auf dem gerade Büer verbrannt werden, während die Helfer
immer mehr Büer in die Flammen werfen. Unten fungieren zwei dem
Paulus zugesriebene Verse (Apostelgesite 19,19) als Bilduntersri
und Retfertigung für diese lodernden Seiten: «Multi eorum, qui fuerant
curiosa sectati, contulerunt libros, et combusserunt coram omnibus» –
«Viele von denen, die Zauberei getrieben haen, braten ihre Büer herbei
und verbrannten sie in aller Öffentlikeit».
Dur Höhen und Tiefen, Zeiten großer Betriebsamkeit und andere – das
mu au erwähnt werden – weniger erhitzte hat die Congregazione
dell’Indice weitergemat bis ins 20. Jahrhundert hinein, in dem sie aufgrund
des seit Pius IX. offenen Konfliktes zwisen der römisen Kire und der
modernen Welt ihre Aktivitäten wieder verstärkte. Ein ema
leidensalier Gegensätzlikeit war zum Beispiel die Praxis der
protestantisen Konfeionen, die heiligen Srien mit historis-kritisen
Methoden zu analysieren. Mit der Exegese der Srien beginnt die
Moderne in der Aulärung, mit Leing, der 1776 das Fragment eines
«anonymen» Werkes veröffentlit, deen Autor alle kannten: Samuel
Reimarus, Hamburger Gymnasialprofeor für orientalise Spraen.
In dem Fragment Vom Zwe Jesu und seiner Jünger wagt dieser erstmals
die Hypothese, da zwisen den Intentionen des Propheten Jesus und
denen seiner Jünger keine Übereinstimmung bestehe. Jesus stellt si seinem
historisen Seitern und überwindet es dank der apostolisen Initiative,
die aus ihm dur die «Erfindung» der Wiederauferstehung eine mythise
Figur mat. Es wird also zum ersten Mal ein Bru zwisen dem
historisen Jesus – der als einer von vielen Propheten in Israel betratet
wird – und dem Christus des Glaubens hergestellt.
Ein weiterer Konflikt besteht in der Haltung der Kire zu den totalitären
Ideologien des 20.  Jahrhunderts: Kommunismus, Fasismus,
Nationalsozialismus. Die römise Inquisition verfuhr eher streng mit
solen Werken, in denen die politise Doktrin Merkmale einer laizistisen
Religion anzunehmen sien. Zwar wurde das eine oder andere Werk über
Raismus indiziert, nit aber das brisanteste von allen, Adolf Hitlers Mein
Kampf, deen Programm sein Autor aber zu einem Großteil umsetzen wird.
Es gab die versiedensten Hypothesen, wodur diese gravierende
«Unatsamkeit» verursat worden sein mag. In seinem Bu Die Arive
des Vatikan und das Dritte Rei[14] führt der Kirenhistoriker Hubert
Wolf die Tatsae an, da es Eugenio Pacelli, zunäst als Staatekretär,
dann als Papst Pius  XII. für inopportun gehalten haben könnte, einen
Konflikt mit dem mätigen Deutsland des Drien Reies zu eröffnen.
Und er sließt: «Mein Kampf kam nit auf den Index der verbotenen
Büer … [aber] au Muolini, Lenin oder Stalin sut man hier
vergebli.»[15]
Allmähli verlor der Index jedo an Bedeutung, aufgrund des snellen
Wandels der Zeiten, des Auommens neuer Medien zur Verbreitung von
Ideen, au weil er von vielen Lesern einsließli der katholisen als ein
inzwisen überholtes Instrumentarium angesehen wurde. Die letzte
Ausgabe kam 1948 heraus. 1954 ordnete Pius  XII. den Dru eines
Zusatzblaes mit den letzten fünfzehn Verdammungen an. Dann begann die
Zeit für das Zweite Vatikanise Konzil zu reifen, bei dem der Kölner
Kardinal Frings deutlie Worte der Mibilligung für den Index fand:

«I weiß wohl, wie swer, wie swierig und dornenrei die Aufgabe derer ist, die über
viele Jahre hin im Heiligen Offizium arbeiten, um die offenbarte Wahrheit zu sützen, do
seint mir die Forderung angebrat zu sein, da au in diesem Dikasterium niemand
wegen seines reten oder nit reten Glaubens angeklagt, geritet oder verurteilt wird
[«damnetur»], ohne vorher gehört zu werden, ohne zuvor die Argumente zu kennen, die
gegen ihn oder gegen das von ihm gesriebene Bu streiten, bevor ihm die Gelegenheit
gegeben wurde, si oder das Bu, das ihm zum Verhängnis zu werden seint, zu
korrigieren.»[16]

Intereanterweise hae Frings diese Sätze (au darauf verweist Wolf in


seinem Bu über den Index) der Redevorlage hinzugefügt, die ihm von
seinem theologisen Konzilsberater vorbereitet worden war, und das war
kein geringerer als Joseph Ratzinger.
Das Ende des Index wird von Papst Paul VI. dekretiert. In seiner Reform
der Kurie von 1965 wird das Heilige Offizium in der Hierarie herabgestu
und einem Kardinal unterstellt. Die Kongregation sollte zwar weiterhin
Anzeigen gefährlier Büer entgegennehmen, ihre Aufgabe war es aber
nit mehr, diese zu verdammen, sondern ledigli zu «mibilligen». Da
aber die Kongregation nit mehr verbieten dure, war das praktis au
das Ende des Verzeinies der verbotenen Büer. Lautlos, in der Art und
Weise einer Diplomatie auf sehr leisen Sohlen, site Papst Montini den
Index in den Ruhestand. Dieser Papst, dem ein dramatises Pontifikat
besieden war, handelte in dem Bewutsein, da Büer inzwisen nur
no zu einem Teil, und nit einmal dem größten, das Zirkulieren von Ideen
beförderten. Das Bu, das zu Zeiten der Gegenreformation no das
witigste Medium gewesen war, war im Zeitalter der Maenmedien nur
no ein Baustein in einer umfaenden Konstellation aus Radio, Film,
Fernsehen; später sollte no die digitale Revolution des Internet
hinzukommen.
Seit 1998 sind die Arive des Index und der ehemaligen Inquisition für
Wiensaler zugängli. Die Liste der Autoren und der Werke, die im
Laufe der Zeit geätet wurden, ist eine beeindruende Galerie des Denkens
der Moderne: Balzac, Berkeley, Descartes, D’Alembert, Darwin, Defoe,
Diderot, Dumas (Vater und Sohn), Flaubert, Heine, Hobbes, Hugo, Hume,
Kant, Leing, Loe, Malebran e, Stuart Mill, Montaigne, Montesquieu,
Pascal, Proudhon, Roueau, George Sand, Spinoza, Stendhal, Sterne,
Voltaire, Zola. Von den Italienern: Aretino, Beccaria, Bruno, Croce,
D’Annunzio, Fogazzaro, Foscolo, Galileo, Gentile, Giannone, Gioberti,
Guicciardini, Leopardi, Maiavelli, Minghei, Monti, Ada Negri, Rosmini,
Sacei, Sarpi, Savonarola, Seembrini, Tommaseo, Verri. Zu den letzten in
ronologisem Sinne gehörten: Simone de Beauvoir, Andé Gide, Jean-Paul
Sartre, Alberto Moravia.

Auf das Trauma der Reformation reagierte der Heilige Stuhl also nit,
indem er si selbst in der Tiefe des Denkens oder in einem erneuerten
Streben na Nästenliebe reformierte, sondern dur die Organisation von
Herrsasinstrumenten, mit denen miliebige Ansiten abgewürgt,
kritise Stimmen verbannt oder eliminiert werden konnten, au physis.
Die Verweigerung einer frutbareren Spiritualität hae nits mit bösem
Willen zu tun, sondern mit der Tatsae, da das Akzeptieren einer Reform
den Verzit auf die Ausübung der politisen Mat bedeutet häe, mit
Folgen, die in Anbetrat der komplexen gesamteuropäisen Situation
unabsehbar waren.
Der einfaste Weg sien also die Repreion zu sein, was nit nur
Seiterhaufen bedeutete, auf denen Ketzer und Hexen verbrannt wurden,
sondern au die Auslösung, die Isolierung des freien Gedankens, der
philosophisen Forsung, der wiensalien Entdeungen, der
historis-kritisen Exegese der Srien. Mit anderen Worten, die Kire
der Inquisition verhielt si wie jedes andere absolutistise Regime, von der
Antike bis zu den Diktaturen des 20.  Jahrhunderts. Wenn die Prozee der
Stalin-Ära mit ihren erzwungenen Geständnien und den bereits vorher
feststehenden Urteilen ein Vorbild haben, dann ist es sier nit verkehrt, es
in den erbarmungslosen Prozeduren der Inquisition zu sehen.
Sole weit zurüliegenden Ritungsentseidungen haen natürli
großen Einflu auf die Gesite der Kire und auf die Italiens, nit
zuletzt auf die verspätete Bildung eines Nationalstaates und sogar auf die
Kultur- und Siengesite der Halbinsel. Man mu also Maiavellis
Weitbli bewundern, wenn er bereits zu Beginn des 16.  Jahrhunderts
sreibt, da die Kire in Italien die Einheit verhindert und die Italiener
«religionslos und slet» gemat habe.
XVI. DAS WERK GOTTES
OPUS DEI – VITA UND MIRACOLO
DER «KATHOLISCHEN FREIMAURER»

I
N EINER STADT WIE ROM, in der es von Geheimnien, ja von
Aritekturen des Geheimen nur so wimmelt, könnte man si den Sitz
einer geheimen Kongregation par excellence wie Opus Dei in einem jener
ständig feuten, verborgenen Gänge der Stadeile des 17.  Jahrhunderts
vorstellen, wo selbst im Sommer die Sonne nur mit Mühe hinkommt,
durdrungen von starken Gerüen und einer finsteren Vergangenheit.
Es ist nit so. Der Sitz dieser mätigen, geheimnisumwierten
Organisation befindet si stadeen im Viale Bruno Buozzi 73, einer
eleganten, breiten und kurvenreien Straße, die mien dur den Parioli
führt: seit den Zeiten des Fasismus ein Viertel des kapitolinisen
Großbürgertums. Es ist eine unauffällige weiße Palazzina aus den fünfziger
Jahren, genau wie viele andere. Fünf Stowerke, kein Sild an der
Eingangstür, keine Namen auf den Klingelsildern. Einziger Hinweis: drei
Videokameras mit Endlosaufzeiung zur Überwaung des Eingangs. An
der Straßenee ein Mosaik, von dem eine Madonna mit Kind einen milden
Bli auf die Paanten wir. Die Saltzentrale dieser reien und
umstrienen Organisation präsentiert si also mit allen Merkmalen der
Anonymität.
Hier in Rom, könnte man sagen, befindet si das «politise» Zentrum,
das «ökonomise» dagegen hat seinen Sitz jenseits des Atlantiks. Es besetzt
dort gut siebzehn Stowerke eines luxuriösen Hohauses in New York:
Murray Hill Place, Lexington Avenue Nr. 243, zwisen der 34. und der 35.
Straße. Konferenz- und Lesesäle, Bibliothek, Fitnecenter, eine Kapelle,
Unterküne für Studenten und Gäste, Ruhe, Bequemlikeit, alles sehr
amerikanis, keine Finsternis.
In Rom liegen die Dinge nit ganz so einfa. Hinter der anonymen
Faade des Viale Bruno Buozzi verbirgt si ein größerer Gebäudekomplex:
eine smulose, ziegelsteinrote Villa mit Türmen und Dafenstern. Es ist
die Frauen-Wohnanlage von Opus Dei, ein verzweigter, vielgestaltiger Bau,
eine unendlie Abfolge von Speisesälen, Kapellen, Zimmern, Fluren, Türen.
[1] Do nit einmal dieses kleine Labyrinth vermielt eine angemeene
Vorstellung vom Geist, der diese «Prälatur» prägt. Um einen genaueren
Begriff davon zu bekommen, mu man si zunäst auf die Ebene
unterhalb der Straße begeben. Eine Marmortreppe führt nämli zu einer
smalen unterirdisen Kapelle. In ihrem Inneren zur Reten und zur
Linken (längs des Siffes) drei Reihen Bänke und unter dem Altar ein
großer Saukasten aus vergoldetem Metall. In diesem versteten Winkel
liegt, vor den Blien Neugieriger und Fremder gesützt, der Leinam des
Gründers von Opus Dei, Josemaría Escrivá de Balaguer (1902–1975),
seliggesproen von Johannes Paul  II. im Mai  1992, heiliggesproen zehn
Jahre später.
An seinem Grab hae der polnise Kardinal übrigens am Vorabend des
Konklaves, das ihn zum Papst wählen sollte, lange zum Beten niedergekniet.
Wenige Srie entfernt in einer kleinen Seitenkapelle eine swarze
Marmorplae über einem weiteren Grab, dem von Don Álvaro del Portillo
(1914–1994), Escrivás Nafolger. Sweigsame unterirdise Gewölbe,
feierli, spiegelblank poliert, Wallfahrts- und Gebetsort für die zahlreien
Gläubigen dieser mätigen Organisation.
Wenn man den Viale Bruno Buozzi in Ritung Tiber hinuntergeht, bis zu
den Ausläufern des Parioli, tri man auf die Basilika Sant’Eugenio, die mit
ihrer wutigen Travertinfaade den Viale delle Belle Arti dominiert. Es ist
ein Bauwerk, das na dem Willen Eugenio Pacellis (Pius  XII.) in den
vierziger Jahren des 20.  Jahrhunderts auf einem von den Cavalieri di
Colombo, den Kolumbusriern gestieten Grundstü erbaut wurde. Der
Bau wurde dur die Spenden von Katholiken aus der ganzen Welt
finanziert, um damit des 25. Jahres der Bisofsweihe des Papstes zu
gedenken. Na einem Entwurf von Enrico Galeazzi und Mario Redini
wurde er zwisen Sommer 1943 und März  1951 erritet. Am 2.  Juni
deelben Jahres weihte der Papst die Basilika zu Ehren seines
Namensveers Sant’Eugenio.
Im September 1980 ist das Pfarramt den Priestern von Opus Dei übergeben
worden, die si dafür eingesetzt haen, den Karren in die vom örtlien
Bisof gewollte Ritung zu ziehen, im vollen Bewutsein, «wele Freude
[es ist], aus tiefster Seele sagen zu können: I liebe meine Muer, die heilige
Kire».[2] Zur Basilika gehören ein 33 Meter hoher Kampanile, ein Kloster
und ein großer Sportplatz. Die Kire hat einen Grundri in Form eines
lateinisen Kreuzes, drei Siffe, ses Seitenkapellen, elf Altäre, die
Apsismosaiken sind von Ferruccio Ferrazzi, einige der bronzenen Stationen
der Via Crucis von Giacomo Manzù.[3] Das Presbyterium wird beherrst
von einer imposanten Statue des hl. Eugenio. Zu seiner Linken eine kleine
Kapelle mit zwei Kniebänken. Auf einem Altar das Porträt des Gründers des
Opus.

Am 2. Oktober 1928 gefiel es dem Herrn beim Fest des Heiligen Sutzengels, da Opus Dei
geboren wurde, eine Mobilmaung von Christen, die bereit waren, si mit Freude für die
anderen zu opfern, um alle Wege des Mensen auf Erden göli zu maen, jede ehrlie
Arbeit zu heiligen, jedes retsaffene Werk, jede irdise Besäigung.

So wird vierzig Jahre später Josemaría Escrivá die jugendlie Erleutung


besreiben, bei der ihm Goes Ratslu der Gründung von Opus Dei
offenbart wurde. Eine Institution also, die auf direkte gölie Weisung
entstanden ist, mit dem Aurag, die Welt zu erlösen, ohne si aber aus ihr
zurüzuziehen, sie gewiermaßen von innen zu «ristianisieren». Na
der Formel des Gründers: «Die Arbeit heiligen – si in der Arbeit heiligen –
andere dur die Arbeit heiligen.»
Dementspreend sind die Mitglieder des Opus Ärzte, Journalisten,
Bankiers, Retsanwälte, Manager, Krankenpfleger, Fahrer, Verkäufer.
Berufstätige vor allem der oberen Mielsit, die in allen relevanten
Bereien des gesellsalien Lebens der Städte im Einsatz sind. Artikel
116 des Statuts von 1982 sagt ausdrüli, da neue Mitglieder vor allem
aus der Klae der «Intellektuellen» rekrutiert werden sollen: «Aufgrund
ihrer gölien Berufung bemühen si die Christgläubigen der Prälatur, den
Sinn des Dienstes an den Mensen und der Gesellsa, in dem jede
beliebige beruflie Arbeit ausgeübt werden soll, zur übernatürlien
Ordnung zu erheben. Sie werden beständig die Wirksamkeit des Apostolats
mit Personen des intellektuellen Standes vor Augen haben, die wegen der
Bildung, in der sie si auszeinen, wegen der Aufgaben, die sie erfüllen,
oder der Würde, die sie auszeinet, großes Gewit haben»,[4] um im Sinne
der von der Organisation verfolgten Ziele wirksam werden zu können.
Na Escrivá sollte das «Opus» wie eine «intravenöse Injektion im
Kreislauf jeder sozialen Sit wirksam werden». Sein Symbol, ein Kreuz
im Kreis, verweist auf die Miion der Heiligung der Welt von innen. Eine
Anekdote illustriert emblematis diesen totalisierenden Geist der
Institution. Bei der Weihe seiner ersten drei Priester – Álvaro del Portillo,
José María Hernández de Garnica und José Luis Múzquiz – stellte Escrivá
enäust fest, da keiner der drei raute. Im Spanien der vierziger Jahre
fast eine Anomalie, und niemand sollte glauben, da die Mitglieder des
«Opus» Mensen außerhalb der Welt waren, anders als die anderen. Der
Gründer verlangte also, da einer von ihnen si das Rauen angewöhnen
sollte. Der Zufall wollte es, da del Portillo der erste war, der eine Zigaree
in die Hand nahm. Er sollte sein getreuester Süler und au sein
Nafolger werden.
Zu Beginn hae Escrivá nit an einen bestimmten Namen für seine
«Söpfung» gedat. Erst na der beiläufigen Frage seines vertrauten
Beitvaters, der si erkundigt hae: «Na, wie läu es denn mit diesem
Werk Goes?», begann er, sie «Opus Dei» zu nennen. «Werk Goes»,
genauso.
Ganz sier ist dieses «Werk Goes» kein religiöser Orden wie etwa die
Dominikaner oder die Franziskaner; au keine Laienbewegung. Es nimmt
Männer und Frauen auf, Laien und Priester, und ist vom Vatikan im Lauf der
Zeit zunäst als «Fromme Vereinigung» (pia unione), später als «Kirlie
Gemeinsa» (comunità ecclesiastica), sließli als «säkulares Institut»
(istituto secolare) eingestu worden.
Mit seinen Regeln, seinem modus operandi, seinem Gehorsamswahn
erinnert das Opus an den ebenfalls in Spanien (allerdings im 16. Jahrhundert)
entstandenen Orden des Ignatius von Loyola (siehe Kapitel X). Die düstere
Religiosität der spanisen Art tri au beim Opus Dei zutage, zum Beispiel
in Bezug auf den Gehorsam. Die Herrsa der Organisation über ihre
Anhänger ist absolut; wenn nit Kadavergehorsam, so do «blinder»
Gehorsam wurde vom Gründer als Vorauetzung für den «Weg der
Heiligkeit» betratet.
Alle Mitglieder, au die «Supernumerarier», die meistens verheiratet sind
und mit ihrer Familie leben, müen swören, in allen beruflien und
sozialen Angelegenheiten immer die Vorgesetzten zu konsultieren und diesen
au die intimsten Dinge anzuvertrauen. Die «Numerarier», also die
internen Mitglieder der Organisation, müen im Augenbli ihres Eintris
sogar ein Testament maen und ihren gesamten aktuellen und eventuellen
künigen Besitz abgeben. Bis vor wenigen Jahren, aber wahrseinli ist
diese Norm no in Kra, muten die «Eingesriebenen» eine Blanko-
Beseinigung autellen, die es der Organisation gestaete, «dieses
Eigentum zu veräußern, weles, au wenn es nit auf das Institut
eingetragen ist, denno seiner Befugnis und Entseidungsgewalt
unterworfen ist» (Art.  372). Für alle gilt das Prinzip und die Verpflitung
zur Geheimhaltung. Ein Mitglied darf nie über seine Zugehörigkeit zum
«Werk» spreen no die Namen anderer Mitglieder offenbaren, eine
Diskretion, die si sogar auf die eigene Familie erstret. Es gibt nur wenige
Ausnahmen und es sind die Spitzen der Hierarie, die bestimmen, wer seine
Zugehörigkeit öffentli maen darf.
Für die Frauen gelten besondere Normen, die si, wie es in einer streng
männli-auvinistisen Organisation nit anders zu erwarten ist, auf
sexuelle Diskriminierung gründen. Zahlrei sind unter denjenigen, die in
den Niederlaungen des Opus Dei leben, die «Helferinnen»
(Auxiliarnumerarierinnen), die logistise Dienste leisten: koen, wasen,
putzen, aufräumen. Zum Ausglei sind sie von der Bußpflit freigestellt,
der ihre höhergradigen Swestern nazukommen haben, die auf einer
Holzpritse slafen müen.
Der Journalist Sandro Magister hat im Frühjahr 1986 mit einer Artikelserie
des Woenmagazins L’Espreo begonnen, einen Zipfel vom Sleier des
Geheimnies über dieser bis dahin praktis unbekannten Organisation ein
wenig zu lüen. Seither ist es mögli geworden, sehr viel mehr
Informationen über Opus Dei zu erhalten, au wenn das «Geheimnis» ein
so wesentlies Kennzeien bleibt, da man im Zusammenhag mit dem
«Werk» von «weißer» oder «katholiser Freimaurerei» gesproen hat.
Oder sogar absätzig vom «O(cto)pus Dei», dem Krake Goes.
Josemaría Escrivá stammt aus einer Familie des bürgerlien
Mielstandes, er wird am 9.  Januar  1902 in Barbastro, einer
landwirtsali geprägten Stadt der autonomen Region Aragonien in
Nordspanien geboren. Als er no sehr klein ist, erkrankt er an einer heigen
Meningitis und wird praktis son für tot erklärt. Die verzweifelte Muer
Dolores bringt ihn zum alten Friedhof Nuestra Señora de Torreciudad.
Wundersamerweise überlebt das Kind. 1915 geht das Gesä des Vaters,
eines Tuhändlers, in Konkurs und die Familie zieht na Logroño um. Der
offiziellen Biographie zufolge spürt Josemaría hier erstmals seine Berufung,
die si äußert, nadem er an einem kalten Wintertag im Snee die
Fußspuren eines unbesuhten Heiligen gesehen hat.
Im Alter zwisen 15 und 16. Jahren besließt er, Priester zu werden, und
beginnt mit einem Studium im Seminar des Ortes. Ab 1923 studiert er dann
an der Päpstlien Universität von Saragoa Retswiensaen. 1925
wird er zum Priester geweiht. Am 2.  Oktober  1928, mit knapp 26.  Jahren,
gründet er Opus Dei. Alles geht sehr snell, was allein son ein Hinweis
auf die fieberhae Dynamik ist, die ihn antreibt. Kurz na dem Krieg, 1946,
zieht er na Rom, wo er bis zu seinem Tode 1975 bleiben wird.
Bei seiner Kanonisierung 2002 sagt Johannes Paul II. unter anderem: «Der
heilige Josemaría wurde von Go dazu auserwählt, die allgemeine Berufung
zur Heiligkeit zu verkünden und aufzuzeigen, da das Alltagsleben, die
gewöhnlie Besäigung Weg der Heiligung ist. Man könnte sagen, daß er
der Heilige des Alltäglien war.» In der Realität ist «der Heilige des
Alltäglien» au eine sehr kontroverse, sehr kritis gesehene Figur
gewesen. An erster Stelle wegen seiner mutmaßlien Unterstützung für das
Franco-Regime. Die Entwilung und Expansion des Opus Dei fällt in die
Jahre von Francisco Francos Diktatur in Spanien. An denselben Franco
ritete der Geistlie am 23.  Mai  1958 einen sehr bedeutsamen Brief aus
Rom, in dem es unter anderem heißt:

Au wenn i jeglier politisen Aktivität fernstehe, kann i do, als Priester und als
Spanier, meine Freude darüber nit verhehlen, die bedeutende Stimme des
Staatsoberhauptes verkünden zu hören, da für die spanise Nation die Verbundenheit mit
Goes Gesetz ein Zeien der Ehre ist, gemäß der Lehre der Heiligen Katholisen
Apostolisen Römisen Kire, dem einzigen und wahren Glauben, untrennbar vom
nationalen Gewien, der die Gesetzgebung inspirieren wird.

Ein gewitiger Brief, in dem Glaubensbekenntnis, Bekenntnis zu einer


politisen Zugehörigkeit und die Rolle der Religion im Staat aufs Engste
miteinander verfloten sind.
2003 srieb die Chicago Tribune: «Als General Franco den Krieg gewann,
brate Escrivá seine Bewegung auf eine Linie mit deen autoritärem
Regime, und zahlreie Mitglieder von Opus Dei besetzten strategise
Positionen in der Regierung.» No 1975, im Jahr von Francos Tod, wurden
drei Mitglieder von Opus Dei Minister: der Wirtsaswiensaler
Alberto Ullastres Calvo Handelsminister; der Bankier Mariano Navarro
Rubio Satzminister; der Wiensaler Laureano López Rodó
Staatekretär des Außenministers, später Minister ohne Gesäsberei.
Zwisen 1939 und 1975 sind at Männer des Opus Minister in Regierungen
des spanisen Diktators gewesen.
Dazu ist zu sagen, da si während des Bürgerkrieges die katholise
Kire Spaniens fast in ihrer Gesamtheit auf die Seite der Franquisten
geslagen hae, au weil die Republikaner Tausende von Priestern und
Nonnen ermordeten. Auf der anderen Seite hat es während des Franquismus
Mitglieder von Opus Dei gegeben, die aufgrund ihrer kritisen Haltung dem
Regime gegenüber verfolgt und ins Gefängnis geworfen wurden. Dabei
handelte es si meist um Personen von geringerer oder marginaler
Bedeutung. Diese Tatsae mu aber denno zur Kenntnis genommen
werden.
No gravierender ist der Escrivá zur Last gelegte Vorwurf, er habe
Sympathien für Hitler gehegt, unter anderem von einem
tseoslowakisen Priester, später britisem Staatsbürger.[5] Vladimir
Felzmann, 1959 in das Opus Dei eingetreten und 1982 wieder ausgetreten.
Zwei Jahre na diesem Austri – am 11.  Mai  1984 – hat Felzmann dem
deutsen katholisen eologen Peter Hertel in London ein ausführlies
Interview gegeben, in dem er den Gründer des «Werkes» sarf kritisiert:

Wenn er in seinem Leben etwas hate, dann war es der Kommunismus. Das war das Böse
für ihn, weil er darunter gelien hae … Er sah Nazi-Deutsland als einen Kreuzzug gegen
den Kommunismus. Er sah Hitler als Führer in einem Kreuzzug gegen den Kommunismus.
[Und weiter:] Jedes einzelne Mitglied des Opus Dei meldete si freiwillig für die Blaue
Division [eine spanise Freiwilligentruppe, die auf deutser Seite im Zweiten Weltkrieg
gegen die Sowjetunion kämpe]. … Sie wurden nit genommen, aber sie meldeten si
freiwillig.[6]

Felzmann erzählt au, da ihm Escrivá einmal anvertraut habe: «… wenn
die Leute behaupten, Hitler habe ses Millionen Juden getötet, dann
übertreiben sie. So slet sei Hitler nit gewesen. Er könne nit mehr als
drei oder vier Millionen Juden getötet haben.»[7] Unerträglie Worte, die
vom Naritenmagazin Newsweek am 13.  Januar  1992 aufgegriffen
wurden. Wenige Woen später erfolgte das harse Dementi von Prälat
Álvaro de Portillo.
Allen Vorwürfen des Antisemitismus gegen ihren Gründer begegnet Opus
Dei am 14.  Februar  1975 mit einem Filmdokument. Bei einem Treffen in
Venezuela tri ein Mann auf, der das Wort ergrei:
«Pater, i bin Jude …».
Escrivá unterbrit ihn: «I liebe die Juden sehr, denn i liebe Jesus Christus bis zum
Wahnsinn, und er ist Jude. I sage nit war, sondern ist. Iesus Christus eri et hodie ipse et
in saecula. Jesus Christus lebt weiter und ist Jude wie du. Und die zweite Liebe meines
Lebens ist au Jüdin: die Heilige Jungfrau Maria, die Muer Jesu Christi. Deshalb betrate
i di mit Zuneigung …»
Und der Mann: «I glaube, Sie haben auf meine Frage geantwortet, Pater.»

Es hat au nie an Kritik gegen Opus Dei aus der katholisen Kire selbst
gefehlt, vor allem von Seiten der Jesuiten, deren Rivalität si nie ganz gelegt
hat. Der General der Societas Jesu, Włodzimierz Ledoówski (1866–1942),
äußerte in einem für die vatikanise Kurie verfaten Berit, Opus Dei sei
«für die Kire in Spanien sehr sädli», besrieb ihre arakteristise
Geheimhaltungspraxis, in der er «die Zeien einer verdeten Tendenz zur
Weltbeherrsung dur eine spezielle Form der ristlien Freimaurerei»
sah.
Don Giuani, der Gründer der Bewegung Comunione e Liberazione[8]
hat im Gesprä mit Viorio Meori (der dies in seinem 1995 au in
Deutsland ersienenen Bu Der «Fall» Opus Dei beritet) einmal
gesagt:

Sehen Sie, wir von CL sind die Pimpfe, die Irregulären, die Steine werfen. Sie aber, die vom
Opus, haben die Panzer: die sind gut gerüstet auf dem Vormars, mit Raupenkeen, au
wenn sie sie mit Gummi ummantelt haben. Man hört sie nit, sie sind aber da, und wie.
Und wir werden uns deen immer mehr bewut.

In einem vom Verlag Il Mulino (Bologna) 1984 veröffentliten Interview hat


si Giuseppe Doei, ein den Werten des Evangeliums sehr verpfliteter
Katholik, der 1959 zum Priester geweiht wurde, über das Opus so geäußert:

I kann Ihnen nur empfehlen, im Commentarium pro religiosis … den Auszug aus einem
Dokument der Religiosenkongregation[9] zu suen, der das Opus Dei ermätigte, in den
Diözesen zu operieren, nadem es den Bisöfen nur einen Extrakt der eigenen Statuten
zugängli gemat hae. Wir befinden uns hier in einem total demokratiefreien Raum … Es
ist klar, da die Bisöfe darauf heig reagiert haben. Außerdem sind da diese geheimen
Verfahren. Wo ist hier der Untersied zur Freimaurerei?

Die Einsätzung der Verlälikeit der einzelnen, o widersprülien


Bewertungen ist nit einfa. Eine grundlegende politise Linie ist aber
identifizierbar und sie ist au deshalb nit swer zu erkennen, weil sie in
der Substanz mit derjenigen übereinstimmt, die die Kire selbst in ihrer
überwiegenden Mehrheit verfolgt hat in den eisernen Jahren des
20. Jahrhunderts, als si die beiden großen Diktaturen NS-Fasismus und
Kommunismus in einem blutigen Krieg gegenseitig Europa streitig maten.
Dieselbe Linie ist im Übrigen au bei Papst Pius  XII. auszumaen, sie
begründet im Wesentlien sein uneindeutiges Verhalten gegenüber Hitler-
Deutsland, das ihm, wie wir gesehen haben, so viele Vorwürfe einbrate.
Geistlie wir er sahen in erster Linie eine große Gefahr, die alle anderen
übertraf: den atheistisen Kommunismus. Au der Nationalsozialismus
war atheistis, mit dem Hitler-Regime sien es aber denno mögli, zu
einer Einigung zu kommen, zumindest zu einer unblutigen Koexistenz. Dies
war mit dem Kommunismus unmögli, der von der Grundsule an von
jedem Kind verlangte, son die bloße Vorstellung von einem Go im Keim
zu erstien.

Am 28. November 1982, na einem Weg dur die Instanzen, der ein halbes
Jahrhundert gedauert hae, wurde das Opus Dei von Papst Johannes Paul II.
als Personalprälatur erritet, die erste (und bis 2009 einzige) der
katholisen Kire, und er ernannte Álvaro del Portillo zum Prälaten.
Dieser feierlie Akt markierte den Abslu eines zähen Kampfes innerhalb
der päpstlien Kurie. In den Jahren Pauls VI. war das Opus von der Spitze
des Vatikans mit Argwohn beäugt worden. Aus den Akten von Escrivás
Seligspreungsproze geht hervor, da si Paul VI. ses Jahre lang, von
1967 bis 1973, weigerte, den Gründer des Opus zu empfangen.
Erst sein Nafolger Del Portillo fand einen Weg, zum Papst persönli
vorgelaen zu werden, die Vorauetzung für jeden folgenden Sri. Mit
der Ankun Karol Wojtyłas auf dem ron und der augenseinlien
Gunst, die die Organisation bei ihm geno, wurden die Dinge dann sehr viel
einfaer und das führte sließli au zur Erhebung des Opus in den
Rang einer Prälatur. Nit zuletzt wollte der polnise Papst damit den
Beistand der Organisation in zwei sehr sweren Krisen würdigen: der des
IOR-Ambrosiano (siehe Kapitel XI – «Goes Bankiers») und der seiner
Heimat Polen, wo die katholis geprägte Gewerksa Solidarność
begonnen hae, mit ihren Streiks die Einheitspartei der Regierung von
sowjetisen Gnaden zu destabilisieren.
Die Bezeinung «Prälatur» deutet auf eine Art nit-territorialer Diözese
hin, die in direkter Abhängigkeit vom Summus Pontifex von einem
«Prälaten» geleitet wird, organisatoris und finanziell autonom ist, mit der
Befugnis, eigene Priester zu weihen. Dem Päpstlien Jahrbu 2004
entnehmen wir, da das Opus in der Welt 1850 Priester und 83.641 Laien
(davon 55 % Frauen) zählt. Der erste Italiener, der dazugehörte, war 1947 ein
junger römiser Anwalt. Heute beläu si die Zahl der Gläubigen der
Prälatur in Italien auf ca. 4000, die meisten atbare Beamte und Angestellte,
Freiberufler, es fehlt aber au nit an Politikern. Im April  2006 ist Paola
Binei[10] in den Senat gewählt worden, eine Supernumerarierin des Opus
Dei. Vor ihr war Alberto Mielini, au er Supernumerarier, Abgeordneter
von Berlusconis Partei Forza Italia. Zentren und Apostolise Werke der
Prälatur sind in mehr als 27 italienisen Städten tätig.
Der bürokratise Weg bis zur Aufnahme als Mitglied von Opus Dei ist
lang, er hat eine Reihe von Zwisenstationen, die strengen Prüfungen
gleizusetzen sind, und weist viele Ähnlikeiten mit den
Geheimgesellsaen auf. Der erste Sri ist in der Regel ein
eingesriebener Brief mit der Bie um Aufnahme in das «Werk». Das
Mindestalter für diesen Antrag ist sezehneinhalb, als «Aspirant» kann
man si aber bereits ab vierzehneinhalb Jahren registrieren laen. Na
ses Monaten erfolgt die «Zulaung» (Admissio): eine kurze Zeremonie in
Anwesenheit zweier interner Mitglieder, bei der der Novize einwilligt, «im
Geiste des Opus Dei zu leben». Anderthalb Jahre später erfolgt die
«Oblation»: ein formaler Vertrag, der die juristise Eingliederung des neuen
Mitglieds in Kra setzt.

I, [der Name], in voller Ausübung meiner Freiheit, erkläre hiermit, da i den festen
Vorsatz habe, all meine Kräe darauf zu verwenden, na dem Geist und der Praxis des Opus
Dei die Heiligkeit zu suen und apostolis tätig zu sein; und i verpflite mi, von
diesem Augenbli an bis zum nästen 19.  März (i verpflite mi für mein ganzes
Leben) … mi unter die Jurisdiktion des Prälaten und der übrigen zuständigen Leiter der
Prälatur zu stellen …»[11]

Der Vertrag mu am 19.  März eines jeden Jahres (Fest des hl. Joseph, des
Sutzpatrons der arbeitenden Mensen und Besützer des «Werkes»)
bestätigt und erneuert werden. Na fünf Jahren kommt die «Fidelitas»: die
permanente Mitgliedsa, ohne die Notwendigkeit einer jährlien
Erneuerung.
Es gibt versiedene Kategorien von Angehörigen. Den größten Teil
(ca.  70  %) bilden die Supernumerarier, meist verheiratete Personen, die zu
Hause leben, arbeiten, einen Numerarier als geistlien Führer haben und bei
den Priestern des «Werkes» ihre Beite ablegen.
Die Numerarier (ca. 20 %) dagegen wohnen in den Zentren des Opus Dei,
verpfliten si zum Zölibat, stehen für Initiativen des Apostolats und das
Bildungsprogramm der Prälatur zur Verfügung. Von einem kleinen
Tasengeld abgesehen, geben sie zur Finanzierung der Organisation alle
ihre Einküne ab. Mindestens zwei Stunden tägli, ausgenommen Sonn-
und Feiertage, tragen sie das cilicium (Bußgürtel), ein mehrgliedriges
Metallband, das mit na innen geriteten sarfen Metallteilen (Dornen)
besetzt ist und um den naten Obersenkel gebunden wird. Einmal in der
Woe wird beim Spreen des Vaterunsers au die disciplina benutzt: eine
Handgeißel mit Lederriemen zur Kasteiung des Rüens. Die niederen
Instinkte des Körpers gelten dem Opus als Feind, der unterworfen werden
mu, und der Smerz als ein gesegnetes Miel der Sühne. Der Gründer
sagt es mit klaren Worten: «Gesegnet sei der Smerz. – Geliebt sei der
Smerz. – Geheiligt sei der Smerz … Verherrlit sei der Smerz!» (Der
Weg, 208).[12] Und weiter: «Wenn du begriffen hast, da der Leib dein Feind
und Feind der Verherrliung Goes ist, weil er deine Heiligung bedroht,
warum fat du ihn dann so wei an?» (Der Weg, 227).[13] Nadrüli
wird zur Keusheit geraten. In einer anderen Paage von Der Weg hat der
Gründer gesrieben: «Um seine Reinheit zu verteidigen, wälzte si der
heilige Franziskus im Snee. Der heilige Benedikt sprang in ein
Dornengestrüpp. Der heilige Bernhard stürzte si in einen eisigen Tei … –
Und du? Was tust du?» (Der Weg, 143).[14]
In seiner Rangordnung sieht das Opus, wie bereits erwähnt, die
«Auxiliarnumerarierinnen» vor, dabei handelt es si um mehr als 4000
Frauen, die als Vollzeitbesäigte in den versiedenen Zentren der
Organisation vorwiegend mit der Hauswirtsa befat sind. Bei der
Ausübung ihrer Tätigkeiten haben sie eine Uniform zu tragen und sind einer
strengen Überwaung unterworfen, die bis zur Kontrolle ihrer privaten
Korrespondenz reit.
Einige Kritiker haben in der rigiden Unterteilung von Männern und
Frauen in «Klaen» nit so sehr die üblie latente Frauenfeindlikeit der
Kire, sondern vor allem das Symptom einer regelreten sexistisen
Ausbeutung ausgemat, umso mehr als der Gründer in einem speziell an
die Frauen geriteten Paus im Weg vorsreibt:

Wenn ihr eu Go in der Welt hingeben wollt, mu no vor eurer Gelehrsamkeit die
Frömmigkeit kommen (die Frauen brauen nit gelehrt zu sein; es genügt, daß sie klug
sind); ihr müt eng verbunden sein mit dem Herrn im Gebet; ihr müt einen unsitbaren
Mantel tragen, der alle eure Sinne und jede eurer Kräe umhüllt: beten, beten und beten;
sühnen, sühnen und sühnen.[15] (Der Weg, 946)

Eine nit erst heute inakzeptable Betratungsweise, nur erklärbar dur


das kulturelle Klima in Spanien in den ersten Jahrzehnten des
20.  Jahrhunderts, die Zeit also, in der Escrivá ausgebildet wurde. Die
Sexualphobie ist sier eine starke Komponente der vorgesriebenen
Verhaltensweisen. Elena Longo, eine ehemalige Numerarierin hat einen
Eay mit dem Titel Vita quotidiana di una numeraria nell’Opus Dei (Alltag
einer Numerarierin im Opus Dei) gesrieben, der in der Zeitsri
Clareianum (Nummer XLVI, 2006) veröffentlit wurde. Dort ist zu lesen:

Die der Institution eigene Askese erfordert das, was intern «strenge Bewaung des
Herzens» genannt wird. Sie mu au in den übrigen Situationen des alltäglien Lebens
befolgt werden, unter Kollegen und im Verhältnis zu Bekannten aller Art. Von den
Numerarierinnen, wie au von den Numerariern der Männerabteilung, wird verlangt, mit
allen Mieln Situationen zu vermeiden, gewohnheitsmäßig oder au nur ausnahmsweise in
Anwesenheit von Kollegen des anderen Geslets allein in einem Raum zu arbeiten, und
dafür zu sorgen, da die Tür des Zimmers, in dem man si gerade auält, stets offen bleibt.
Man vermeidet au, si von Personen des anderen Geslets im Auto mitnehmen zu
laen oder diese im Auto mitzunehmen. Wenn die Arbeitsbedingungen einer Numerarierin
si so entwieln, da die Beatung dieser Vorsitsmaßnahmen swierig wird, wird eher
auf die Ausübung des Berufes verzitet, als die freiwillige Entseidung eines Lebens im
apostolisen Zölibat einer Gefahr auszusetzen.

Sließli die Priester. Die Prälatur hat 1 850 eingegliederte Priester, die
direkt dem Prälaten unterstellt sind. Weitere 2000 Priester gehören zur eng
an das Opus gebundenen Società sacerdotale della Santa Croce
(Priestergesellsa vom Heiligen Kreuz). Die von der Organisation
geleiteten und kontrollierten «Apostolisen Werke» sind zahlrei.
Darunter fünfzehn Universitäten mit mehr als 80.000 Studierenden (die
größte ist die Universidad de Navarra in Pamplona, die jüngste ist der
Campus Biomedico in Rom). Sieben Krankenhäuser mit 1000 Ärzten und 1
500 Personen Pflegepersonal; elf Sulen für Betriebswirtsa; 36 Grund-
und Realsulen, 96 Berufulen; 166 Studentenwohnheime; eine TV-
Preeagentur (Rome Reports). Eine imposante Organisation, deren
Vermögen vom Naritenmagazin Time (24.  April  2006) auf
ca. 3 Milliarden Dollar gesätzt wurde.

Was in der kollektiven Wahrnehmung von Opus Dei am meisten auffällt, ist
zweifellos der Nimbus mysteriöser Geheimhaltung, der das «Werk» umgibt.
Die Organisation hält nit nur ihre Bilanzen geheim, sondern au die
Namen derer, die Mitglieder sind oder es nit mehr sind. Artikel 190 der
Konstitution von 1950 besagte: «Die Mitglieder müen wien, da sie im
Hinbli auf die Namen der übrigen Mitglieder stets ein wohlbedates
Sweigen zu bewahren haben und niemals irgendjemandem entdeen
dürfen, da sie zum Opus gehören.» Der Artikel ist in den Statuten von 1982
modifiziert worden. Heute steht es theoretis jedem Mitglied frei, seine
Zugehörigkeit zu offenbaren, in der Praxis aber ist die alte Reserviertheit
geblieben. Eine Ausnahme bilden diejenigen Mitglieder, die offiziell
autorisiert sind, si zu erklären. Tatsae ist, da no heute Namen und
Nummern der Mitglieder geheim bleiben.
Nit alle halten auf die Dauer dem psyologisen Dru stand, den der
Eintri in das Opus, die Bußübung mit dem cilicium, die ständige
Überwaung und Kontrolle mit si bringen. Do ist man einmal Mitglied,
ist au der Austri nit einfa. Mit den Jahren ist eine Reihe von Büern
veröffentlit worden, in denen ehemalige Mitglieder die Swierigkeiten
und nit selten Sikanen sildern, von denen sole Erfahrungen begleitet
waren, vor allem im Falle von Frauen. Sehr beeindruend die Memoiren
von María del Carmen Tapia in ihrem Bu Oltre la soglia, una vita
nell’Opus Dei (Dt. 1993 ersienen: Hinter der Swelle. Ein Leben im Opus
Dei). Dort werden in einfaen und unversnörkelten Worten das Leben,
der Zeitplan, das o unerträglie Verhältnis zu den Aufseherinnen, die
Demütigungen besrieben. Als die junge Frau die Absit erkennen lät,
da sie die Organisation verlaen will, um zu ihrer Familie und zur Welt
zurüzukehren, artet die gewohnte Härte in den zwisenmenslien
Beziehungen zur offenen Verfolgung aus. Sie sreibt:
Wenn i na diesen Verhören in mein Zimmer zurükehrte, stellte i jedes Mal fest, da
Dinge von mir verswunden waren … Alles, wirkli alles wurde auf den Kopf gestellt …
Au das Telefon neben der Galleria della Madonna wurde ständig überwat. Man ließ
mi nit am Saubermaen teilnehmen. Au dure i nit in den Esaal
hinuntergehen. Man brate mir ein Table mit dem Een herauf … Infolge des Terrors
befiel mi ein ronises Ziern. I hae Angst, man könnte mi in eine Irrenanstalt
bringen, da i wute, da man dies son zuvor mit anderen getan hae.[16]

Eines Tages kann sie einen Moment der Unatsamkeit ihrer Vorgesetzten
nutzen und den Mann einer Freundin anrufen. Eine sehr kurze Narit, in
der Furt, erwist zu werden. Der Mann begrei jedenfalls, was sie sagt,
und sorgt dafür, da sie herausgelaen wird. Die Demütigungen der Frau
sind aber no nit zu Ende. Vor der Entlaung

… wurde i in den Versammlungaal der Asesoría zitiert … Dann begann Monsignor


Escrivá auf und ab zu gehen, aufgebrat, rot im Gesit, wütend, und sagte: «Und da du ja
mit niemandem über das Werk und über Rom sprist und uns deinen Eltern gegenüber nit
sletmast … Wenn mir zu Ohren kommen sollte, da du zu irgend jemandem etwas
Abwertendes über das Werk sagst, werde i, José María Escrivá de Balaguer, der i die
Weltpree in meinen Händen halte …, di öffentli entehren!» Und er sah mir direkt ins
Gesit, säumte vor Wut und sleuderte mir seine Arme entgegen, als wolle er mi
slagen, während er srie: «… Hure‼! Slampe‼!»[17]

Ein Ende 2006 ersienenes Bu hat weitere Erfahrungsberite gesammelt:


Ferruccio Pinois Opus Dei Segreta (Opus Dei geheim). Unter diesen
Zeugnien stit die Auage Amina Mazzalis heraus, einer Frau von
36.  Jahren aus Florenz: «Mir wurde vorgeslagen, in das Opus Dei
einzutreten, als i 15 Jahre alt war, das war 1985. Und i war no nit
einmal die jüngste.» Amina wird Numerarierin, lät ihre Eltern darüber in
Unkenntnis.

Es war ersreend: Beim Opus Dei wurde mir davon abgeraten, mit meinen Eltern darüber
zu spreen … mir wurde gesagt: «Sie sind außerhalb unserer Welt, sie haben nit unseren
Geist und werden es wahrseinli nit verstehen … sie können nit im notwendigen
Stand der Gnade sein, um dir einen guten Rat zu geben. Es ist beer, da du jemanden von
uns oder einen Priester des Werkes um Rat biest.»

Mit dem Leben als Numerarierin beginnt Amina, die typisen Rituale der
Organisation zu praktizieren:
Mit 17. Jahren habe i mit der körperlien Abtötung begonnen: I mute das cilicium am
Obersenkel tragen und mi mit der disciplina geißeln. Das ist keine freiwillige
Entseidung oder eine fakultative Sae – das wird ausdrüli von einem verlangt, die
körperlie Abtötung … Von dem Moment an war meine Beziehung zum Opus Dei ganz und
gar auf Suldgefühl gegründet.

Amina geht au auf Details ein: Das cilicium ist

ein aus Staelringen mit Staeln zusammengesetzter Metallgürtel und mu am oberen Teil
des Obersenkels angelegt werden. Man kann ihn regulieren und enger snallen, wie man
will, es hängt natürli von der Bereitwilligkeit der Person ab, ob er enger oder weiter
gezogen wird. Die Narben habe i heute no. Inzwisen sieht man sie ein bien
weniger, aber wenn sie fris sind, sind sie seußli anzusehen.

Amina trägt das cilicium jeden Tag: «I trug es zwei Stunden tägli.
Solange man es nur beim Lernen anhat, verliert das Bein allmähli an
Empfindlikeit. Im Sitzen ist es no erträgli, wenn man aber aufsteht
und herumläu, tut es ritig weh.» Die körperlie Abtötung ist begleitet
von der psyisen Abhängigkeit. Dazu wieder Amina:

Der Slüel zur Unterwerfung des Willens der Leute ist folgender: Sie bringen dir bei, an
dir selbst und deiner Urteilsfähigkeit zu zweifeln und auließli dem zu vertrauen, was
von den Direktoren und vom Opus kommt. Sri für Sri zeigen sie dir, da du kein
guter Führer für di selbst sein kannst. Du mut den Anweisungen der Vorgesetzten folgen,
die beer wien als du selbst, was dir gut tut … Das Moo ist: «Wer gehort, kann nie
einen Fehler maen!»

Amina sprit au von einer hemmungslosen Rekrutierung neuer


Mitglieder, dem Proselytismus:

Der Proselytismus wurde sehr profeionell betrieben. Man bekam Zahlen, die erreit
werden muten, regelrete Planvorgaben, und es gab immer wieder Ad-hoc-Aktivitäten,
um neue Numerarierinnen zu rekrutieren: Journalismus-Seminare, Lateinkurse, Konferenzen,
Tagungen. Das Ziel war, dort neue Numerarier-Aspirantinnen anzuwerben.

Als die junge Frau beginnt, an Depreionen zu leiden, werden ihr


Psyopharmaka versrieben. Ende der neunziger Jahre sließli
besließt sie, das «Werk» zu verlaen.
Das Opus Dei ist na dem Welterfolg von Dan Browns Roman Da Vinci
Code wieder in den Fokus der öffentlien Aufmerksamkeit gerüt.
Literaris zwar ret anspruslos, ist das Bu aber narrativ gut
konstruiert, und vor allem grei es das diffuse Gefühl von Mitrauen und
Argwohn gegenüber dem Opus Dei auf. Dan Brown weiß die Aura der
düsteren Legende, von der die Organisation umwoben ist, gesit zu
nutzen und lät dabei die zahllosen Ungenauigkeiten, mit denen seine
Gesite gespit ist, vergeen. Nur ein Beispiel: Silas, der Mörder, ist ein
Albino-Mön des «Werkes». Opus Dei aber ist gar kein Mönsorden,
sondern eine Laienorganisation.
Das «Werk» hat auf Da Vinci Code mit einem 2003 in New York
herausgegebenen Kommuniqué der Prälatur reagiert. Dort heißt es, das Bu
«besreibt Mitglieder des Opus Dei, die makabere körperlie Kasteiungen
praktizieren, Mensen töten. Es behauptet, die Prälatur setze Zwang und
Gehirnwäse ein. Es unterstellt, das Opus habe als Gegenleistung zu seiner
Konstitution als Personalprälatur der Vatikanbank Bürgsaen gewährt.
Alle diese Behauptungen sind absurd und ohne jede Grundlage.»
Eine sehr witige Rolle in der Organisation spielt das Geld. John Roe,
der von 1959 bis 1973 Numerarier war, bekennender Katholik ist und heute
Wiensasgesite in Oxford lehrt, hat in dem erwähnten Bu von
Ferruccio Pinoi eine entspreende Auage gemat. Er sagt:

Das Opus Dei war eine Organisation na fasistisem Muster. Zu den Zeiten, als i dort
eintrat, war sie sehr geheim. Den Jesuiten waren sie zutiefst feindli gesinnt. Ihren Gründer
verehrten die Mitglieder rühaltlos, zuglei aber lebten sie in Furt und Sreen vor
ihm. Er hae Zornausbrüe, die eines Hitler würdig gewesen wären.

Und über das Verhältnis zu Geld und wirtsaliem Einflu:

I war überrast über die Tatsae, da junge Numerarier, die si die Evangeliums-
Gelübde Armut, Keusheit und Gehorsam zu Eigen gemat haen, so erpit darauf
waren, in Banken, an Börsen, in Firmen, in Import-Export-Gesellsaen zu arbeiten, um
Finanzreourcen zu saffen, die Opus Dei zugute kommen sollten. Stolz kultivierten sie die
Idee des Reitums.
[Und weiter: Das «Werk»]… kontrolliert eine große Zahl multinationaler Unternehmen und
eine riesige Busine-Organisation. Dur ihre mit ihm verbundenen Gesellsaen [Pinoi
sprit von «Auxiliargesellsaen» und meint damit Vereine, Stiungen etc.; Erg. d. Ü.],
d.h. die von Opus Dei kontrollierten und von ihren Laien-Mitgliedern verwalteten
Wirtsasunternehmen, ist es enorm rei geworden … Opus Dei kontrolliert Zeitungen,
Zeitsrien, Verlage, Journalismus-Fakultäten, Preeagenturen, es ist am Film- und
Fernsehgesä beteiligt.
Ähnlie Anklagen kann man in einem offenen Brief lesen, den eine Gruppe
von Ex-Numerariern im Oktober 2005 an Papst Ratzinger geritet hat: «Es
ist beunruhigend zu beobaten», sreiben sie, «in welem Ausmaß die
leitenden Mitglieder des Opus Dei Verletzungen des Kiren- und des
Zivilretes begehen.» Verletzt würden au

… die moralisen und staatlien Normen bezügli der Verwendung des Geldes, der
Vertragsklauseln und der Steuerpfliten … Die leitenden Mitglieder verhindern den
Abslu von unmoralisen und illegalen Gesäen nit und wirken bei der
Manipulation diesbezüglier Informationen mit.

Sließli sei Opus Dei gekennzeinet von

… systematiser Ausbeutung von Individuen miels einer extremen Anwendung der


Verpflitung zu Armut, Keusheit und Gehorsam, was es aufgrund der Absaffung
jeglier individuellen Freiheit im Namen des blinden Gehorsams in eine leibhaige Sekte
verwandelt … Die Jüngsten werden gezwungen, si von ihrer Familie abzuwenden, man
verbietet ihnen sogar, das Foto ihrer Eltern im Zimmer zu haben.

Die Kohärenz und Slüigkeit soler, zu versiedenen Zeiten und an


versiedenen Orten erhobenen Anklagen gibt Anla zu beunruhigenden
Fragen. Und: Bei aller Naivität des Plots häe selbst Dan Brown im Da Vinci
Code nit eine derart finstere, teilweise fast an Parodie grenzende
Darstellung des Opus Dei geben können, wenn er nit sier gewesen wäre,
auf ein weit verbreitetes Klisee bauen zu können. Im Übrigen seint si
au das Opus in letzter Zeit der Notwendigkeit einer größeren Öffnung
bewut geworden zu sein. Als Reaktion auf die Veröffentliung von
Pinois Bu wurden auf die Homepage (www.opusdei.it) zahlreie
positive Gegenaus sagen gestellt.[18] Zum Beispiel die von Maria Risari,
einer Mailänder Numerarierin, mehr als zehn Jahre lang Direktorin des Opus
Dei-Zentrums von Verona:

I habe sehr viele Bildungs-Initiativen organisiert, immer mit Hilfe meiner Familie und sehr
vieler weiterer Familien, die mit Freude sahen, wie si ihre Töter in spannenden
Unternehmungen engagierten … I erinnere mi an die Kurse zu wirtsalien emen
oder die Seminare über weiblie Identität und Arbeit, die kleinen Projekte in der
Freiwilligenarbeit mit Behinderten, Alten oder Kindern in Verona oder in Ungarn kurz na
dem Ende des Kommunismus. Begeisternd war die Teilnahme so vieler Mäden an den
«Tagen der Jugend» in Loreto, Paris und Rom. Oder das Abenteuer der Weihnats- und
Neujahrstage in Kroatien mit Gruppen couragierter Veroneser Studentinnen, die den Mut
haen, Kriegsflütlingen Beistand zu leisten … Die Lehren und das Beispiel des hl.
Josemaría ermutigen mi zum Einsatz für diejenigen, die mir auf meinem Weg begegnen:
für die Jüngsten, um ihnen bei der Entdeung ihrer Fähigkeiten zu helfen, dabei, Go zu
vertrauen, aber au si selbst und den anderen, und dabei zu lernen, einfa und natürli
mit Go zu spreen.

Harte Vorwürfe auf der einem Seite, beharrlier Enthusiasmus auf der
anderen. «Gesegnet sei deine Unterwerfung», hae der Gründer empfohlen.
Es ist mögli, da dieselben Entbehrungen, Einmisungen, Absoungen
für die einen intolerable Verletzungen sind, für die anderen dagegen ein
Beweis für Liebe und «gesegnete Unterwerfung». Aber au jenseits der
untersiedlien Erfahrungsberite und Zeugenauagen lösen gewie
Aspekte des Innenlebens von Opus Dei weiter Ratlosigkeit und Kritik aus.
Zum Beispiel unterseidet si der für die Mitglieder herausgegebene
interne Index verbotener Büer («Vademecum für die örtlien Räte») nit
allzu sehr von jenem Index librorum prohibitorum, der 407 Jahre lang, von
1559 bis 1966, bestimmt hat, wele Büer die katholisen Gläubigen nit
lesen duren. Die 60.541 rezensierten Büer sind mit Noten von 1 bis 6
klaifiziert: von den Büern für alle (1) bis zu denen (5 und 6), deren
Lektüre ohne Erlaubnis des Prälaten verboten ist. Abgeraten wird von Isabel
Allende, Norberto Bobbio, Benedeo Croce, Oriana Fallaci, Antonio
Gramsci, Karl Marx, John Stuart Mill, Baru Spinoza. Aber au Umberto
Ecos Der Name der Rose, die Romane Alberto Moravias, Elsa Morantes,
Mario Soldatis, die Werke Pasolinis, die Romane von Philip Roth, einem der
größten Sristeller der Gegenwart, von Jean-Paul Sartre und Max Weber,
Gore Vidal, Voltaire und Emile Zola. Dagegen wird zum Beispiel Tolkiens
Der Herr der Ringe ausdrüli empfohlen.
Auf die Kritik antwortet Opus Dei folgendermaßen:

Im Opus Dei wird empfohlen, si über die Lektüre, die man vorhat, zu informieren, wovon
die dem Einzelnen vorbehaltene Entseidungsfreiheit unberührt bleibt. Es handelt si also
um eine spirituelle Praxis: verstehen, was es verdient, gelesen zu werden, und si vom
Wuns leiten zu laen, Büer auszuwählen, die im Einklang mit dem eigenen Glauben
und der freien Wahl des Lebens sind. Nits könnte von einem «Index verbotener Büer»
entfernter sein.[19]

Einfae Ratsläge also, die allerdings son allein deshalb eine gewie
Perplexität auslösen, da die «zu vermeidenden» Büer nit unbeträtlie
Teile der Kultur, der Literatur, des Denkens unserer Zeit enthalten.
Gibt es eine von Opus Dei empfohlene politise Vision für die Art zu leben,
auf die Welt zu reagieren oder zu «denken»? Wenn man den Begriff
«politis» im weitesten Sinne interpretiert, sier ja. Dazu no einmal
Prof. Roe:

Das Opus Dei wird von der gesamten Weltpree angeklagt, eine politise Organisation zu
sein. In Wirklikeit ist es vor allem an den herrsenden Klaen und an denen intereiert,
die an der Mat sind. Dur sie versut es, politisen Einflu zu gewinnen. Sol ein
Einflu impliziert aber keine bestimmte Ideologie … Das Werk ist auf jeden Fall extrem
autokratis und von Ideen durdrungen, die aus dem spanisen Fasismus abgeleitet und
für religiöse Zwee zugesnien wurden.

In der Tat sreibt Escrivá vor: «Das Opus agiert nit, seine Mitglieder
agieren.» Was (von geringfügigen Ausnahmen abgesehen) die
untersiedlien Erfahrungen eint, ist die Tatsae, da die Anhänger des
Opus, trotz des Fehlens einer offiziell deklarierten politisen Linie, stets
auließli die konservativsten politisen Kräe unterstützen. Unleugbar
ist die ausgeprägte Tendenz, si immer dann, wenn ethise Fragen im Spiel
sind, zum Beispiel die Anerkennung der nitehelien
Lebensgemeinsaen, die Euthanasie, die Abtreibung, die Verhütung, die
künstlie Befrutung, die Homosexualität, stets an der Seite der
Konservativsten in Stellung zu bringen.
Wie jeder Organismus, der si seiner Bedeutung bewut ist, ist das
vordringlie Ziel au des Opus Dei die Erweiterung und Aufwertung
seiner eigenen Rolle. Dies ist die eigentlie Leitlinie seiner «Politik». Zu
Zeiten Pauls VI., der si der Organisation entgegenstellte und ihr, wie oben
erwähnt, unter anderem die ersehnte Anerkennung als «Personalprälatur»
verweigerte, erwog Escrivà für den Fall, da diese Verweigerung fortgesetzt
würde, sogar eine Abspaltung. In der Zeitsri Cronica (II, 1972) ging er zu
einer offenen Drohung über: «Das Übel kommt aus dem Inneren der Kire
und von ihren Spitzen. In der Kire gibt es eine ete Fäulnis und
manmal seint es, als sei der mystise Körper Christi ein Kadaver in
übelrieender Verwesung.» Mit dem Pontifikat Wojtyłas änderte si die
Haltung der Kire, snell kam es zur Personalprälatur (1983) und zur
Heiligspreung des Gründers (2002).
Mit Papst Ratzinger seint dem «Werk» das Glü weiter hold zu sein.
Am Tag na seiner Wahl zum Papst erinnerte Prälat Bisof Javier
Eevarría daran: «Der neue Papst kennt die Miion der Prälatur gut und
weiß, da er auf die eifrigen Bemühungen der ihr angehörenden Priester
und Laien zählen kann, um der Kire zu dienen, einziges Traten von San
Josemaría Escrivá.»
Im März  2002 hae der damalige Kardinal Joseph Ratzinger bei der
Präsentation von Giuseppe Romanos Bu Opus Dei. Il messaggio, le opere,
le persone (Opus Dei. Die Botsa, die Werke, die Personen) gesagt:

Escrivá de Balaguers Goeszentrismus ist für mi eine Botsa von größter Bedeutung.
Denn sie stimmt mit den Worten Jesu überein, das heißt sie gründet auf diesem Vertrauen,
da Go si nit von der Welt zurügezogen hat, da Go jetzt am Werk ist und wir uns
ihm nur zur Verfügung stellen müen, fähig sein, auf seinen Ruf zu reagieren. Es ist eine
Botsa, die zur Überwindung deen führt, was man die große Versuung unserer Zeit
nennen könnte: des Postulats also, da Go si na dem Urknall aus der Gesite
zurügezogen habe.

Der künige Papst hae das Ziel des Opus fokuiert: Go in der Gesite
aufspüren, wo immer er si befindet und mit allen Mieln.
NACHWORT
WENN EINE KIRCHE ZUM STAAT WIRD

D
ER BEGRIFF «VATIKAN» stammt aus der Antike. Er bezeinete
zunäst eine Örtlikeit, ein Gebiet. Ager vaticanus war der
verrufene, finstere Ort, von dem Aulus Gellius[1] sprit, der den Ortsnamen
von vaticinium (Weiagung) herleitet: «Sowohl das vatikanise Gebiet
(Vaticanus ager) als au der Sutzgo dieses Gebietes sollen ihren Namen
erhalten haben von den Weiagungen, wele dur die Mat und
Eingebung dieser Goheit auf besagtem Gebiete gegeben zu werden
pflegten.»[2] Das Gebiet fiel immer wieder den Überswemmungen des
Flues zum Opfer, war also lange Zeit morastig, von wilden Tieren
heimgesut und malariaverseut. Die Ebene fand ihr natürlies Ende am
Mons vaticanus, einer zu der flaen Bergkee zwisen dem Monte Mario
im Westen und dem Gianicolo im Süden gehörenden Erhebung. Auf der
Höhe des Petersdoms ist der Hügel aufgrund der gewaltigen
Planierungsarbeiten, die als Vorauetzung für den Bau der Basilika
notwendig waren, bereits seit geraumer Zeit praktis verswunden.
Tacitus sprit vom vatikanisen Tal als «einem verrufenen Ort»,
vielleit au deshalb, weil auf diesem öden Gelände eine Nekropole lag,
die seine düstere Aura no verstärkte und deren Überreste bei den
zahlreien für die Fundamente der Basilika oder ihre Befestigung
notwendigen Planierungen immer wieder zum Vorsein gekommen sind.
Später, vom 1.  Jahrhundert an, ist das Gebiet na und na troengelegt
worden, und das Areal, auf dem heute der Petersdom, ein Teil der Borghi
und das Ospedale di Santo Spirito stehen, entwielte si allmähli zu
einem Wohngebiet.
Agrippina maior (die Ältere), Ehefrau des Germanicus[3] und damit
künige Großmuer – wenn man das so banalisieren darf – Neros, ließ hier
einen Palast mit Gartenanlagen bauen, wo Kaiser Caligula, der Tiberius auf
den ron gefolgt war, seinen später von Nero fertiggestellten Circus bauen
sollte. Im Circus des Kaisers wurden die in Rom sehr populären
Pferderennen mit zweirädrigen Streitwagen und Quadrigen veranstaltet; hier
wurden außerdem, vielleit wegen des nahegelegenen Friedhofs, einige
Hinritungen von Christen durgeführt, die für suldig eratet worden
waren, den großen Brand Roms im Jahre 64 verursat zu haben. Das Gebiet
wurde also sukzeive urbanisiert, au wenn es im Verhältnis zum
Stadtzentrum immer Peripherie blieb.

Der Staat der Vatikanstadt (Autokennzeien  SCV) ist eine souveräne


Körpersa öffentlien und internationalen Rets. Der kleinste
unabhängige Staat der Welt hat eine Ausdehnung von 44  Hektar, er hat
wenig mehr als 900 Einwohner, davon ca.  500 Staatsbürger, deren
dursnilies Pro-Kopf-Einkommen ret ho ist. Die öffentlien
Dienstleistungen sind für die Staatsbürger zumeist kostenlos.
Die Ökonomie des Vatikans basiert auf den Vermögensanlagen, den
Renditen, den Abgaben der Diözesen und in aller Welt verstreuten sonstigen
Einritungen, darüber hinaus den versiedenen Zuwendungen (und damit
zusammenhängenden indirekten Vorteilen) dur den italienisen Staat.
Eine genaue Berenung dieser Summen ist aufgrund der traditionell im
Dunkeln gehaltenen vatikanisen Bilanzen und der Weigerung, die
Positionen im Einzelnen auszuweisen, sehr swierig. Der Journalist Curzio
Maltese ist bei einer seiner Untersuungen zu den Kosten des Staates der
Vatikanstadt für die italienise Republik auf ein Gesamtvolumen von
ca.  4  Milliarden Euro gekommen, der Mathematiker Piergiorgio Odifreddi
auf mehr als das Doppelte: 9  Milliarden Euro. Die offizielle Bilanz des
Vatikans wird von der Finanzverwaltung  APSA (Amministrazione del
Patrimonio della Sede Apostolica – Vermögensverwaltung des Apostolisen
Stuhls) herausgegeben und von der Prefettura per gli Affari economici
(Präfektur für wirtsalie Angelegenheiten) geprü.
Wie jeder andere Staat hat au der Vatikan einige für seine Eigensa
als Staat konstitutive Elemente: ein Territorium, das Münzret, die
legislative Gewalt, ein Heer, ein abstraktes Konzept von «Nationalität»,
symbolisiert dur eine Flagge, eine Hymne, eine Sprae und diverse
weitere Komponenten dieser Art. Von der Fläe haben wir gesproen, das
Heer ist inzwisen nur no von symboliser Dimension, sehr effizient
dagegen sind die Polizeikräe. Die Flagge ist in zwei gleigroße Felder
aufgeteilt, ein gelbes (direkt neben dem Mast) und ein weißes, in deen
Mie das Triregnum und die gekreuzten Slüel thronen. Die Hymne
Mare pontificale (Papstmars) hat Charles Gounod komponiert. Es gibt
Justiz organe und eine Staatsanwaltsa, die offen gestanden no nit
dur besondere Leistungen hervorgetreten sind; zu ihrer Verteidigung ist zu
sagen, da sole Institutionen in einem absolutistisen Staat eher den
politisen Anforderungen zu gehoren haben als der Kra des Faktisen.
Es gibt Organe der Retspreung mit Geritsfunktion, darunter die
Sacra Romana Rota (der höste Zivil- und Strafgeritshof der römis-
katholisen Kire), die über die Ungültigkeit von Ehen befindet und die in
Italien bis zum Inkratreten eines entspreenden (italienisen) Gesetzes
praktis als Ersatzinstanz für Seidungen fungierte. Außerdem gibt es das
Sant’Uffizio, das dogmatise Streitfragen slitet und, solange das
mögli war, für Zuwiderhandlungen strenge Strafen androhte,
einsließli der Todetrafe. Diese grausamen Erinnerungen ließen es dann
au geraten erseinen, den Namen zu ändern, der heute Congregazione
per la Dottrina della Fede (Kongregation für die Glaubenslehre) lautet.
Der Vatikanstaat verfügt über eine Bank mit dem Namen Istituto per le
Opere di Religione (IOR), von der im Kapitel XI die Rede war; über eine
Annona, das Ernährungsamt, das heute zu einer Art Supermarkt geworden
ist. Dort findet man au Produkte, die in Italien nit zum Verkauf
angeboten werden, zu sehr günstigen Preisen, was daran liegt, da sie, wie
früher in den Duty Free Shops auf den Flughäfen, steuerfrei sind,
einsließli der Weine, Liköre und des Benzins. Der Zutri ist eigentli
den Einwohnern vorbehalten, die Ausweiskontrolle ist aber sehr
oberfläli, vielleit ganz bewut; denn um dort einkaufen zu können,
reit es, irgendjemanden mit Ausweis zu kennen. Früher gab es au eine
vatikanise Münzprägeanstalt, deren Aufgabe aber auf die Anstalt der
Republik Italien übertragen worden ist. Münzen und Briefmarken haben fast
auließli numismatisen Wert, besonders gesut sind die zu Beginn
eines neuen Pontifikats herausgegebenen.
Dann sind da zahlreie Medien. Wenn viele der bisher aufgezählten
Funktionen und Gewalten im Verhältnis zu denen eines «eten» Staates
eher von embryonalen Ausmaßen sind, so ist Radio Vatikan dagegen ein
mätiger und ausgesproen leistungsfähiger Sender, der in vielen Spraen
in die fernsten Länder überträgt, also au über eine entspreende
Emiiontärke verfügt. Der erste, der in diese Mikrofone spra, war 1931
Papst Pius XI. bei der Einweihung der von Guglielmo Marconi aufgebauten
Radiostation. Sehr snell aber erwiesen si die im Vatikan befindlien
Sendeanlagen als unzureiend.
1955 ließ der Heilige Stuhl bei Santa Maria di Galeria, ca. 20 Kilometer vor
Rom, eine große Sendestation erriten. Die gigantise Antenne in Form
eines Kreuzes ist son von weitem sitbar. Extrem leistungtarke
Apparaturen ermöglien die Autrahlung der Programme in alle Welt,
verursaen bei den Anwohnern der Umgebung aber au beträtlie
Störungen und Risiken: Es soll dort Leute geben, die Radio hören können,
wenn sie den Kühlsrank öffnen. Traditionell sind es Jesuiten, die die
maßgeblien Posten in dieser Programmstruktur bekleiden, die insgesamt in
33 Spraen sendet.
Die offizielle Amtszeitung des Heiligen Stuhls ist der seit über hundert
Jahren erseinende L’Oervatore Romano (wörtli: Der Römise
Beobater). Die erste Nummer ersien mit dem Untertitel Giornale
politico-morale (Politis-moralise Zeitung). Heute erseint dagegen an
derselben Stelle ein doppeltes Moo: Unicuique suum (Jedem das Seine) und
Non praevalebunt (Sie werden sie nit überwältigen[4]) – wobei natürli
von den Kräen des Bösen die Rede ist. Au wenn einzelne Rubriken
inzwisen etwas bunter geworden sind, ist der Oervatore praktis das
Sprarohr des Papstes, also gehalten, nit von der offiziellen Linie des
Heiligen Stuhls abzuweien. Während der deutsen Besatzung war er sehr
begehrt, weil er Nariten enthielt, die in der unter strenger Zensur
stehenden italienisen Pree nit gemeldet wurden. Wenn au mit
großer Zurühaltung, wie bei der Kire Usus, vermielte das vatikanise
Organ eine ziemli genaue Vorstellung von der politisen Temperatur in
der Welt und dem Stand und Verlauf der militärisen Operationen an den
versiedenen Fronten. Do von diesen außergewöhnlien Momenten
abgesehen, besteht die Linie der Tageszeitung im Allgemeinen in der
Flankierung der konservativsten Positionen der Kire.

Ein besonderes, vom Vatikanstaat zu unterseidendes Gebilde ist der


Heilige Stuhl, moralise Instanz mit öffentli-retlier Qualität, die
dur die Person des Pontifex die Staatshoheit über den Vatikanstaat ausübt
und die de facto als Inbegriff der Matbefugnie des Papstes besrieben
werden kann. Der Heilige Stuhl ist Völkerretubjekt und taust
akkreditierte Botsaer mit der ganzen Welt aus, er ist als ständiger
Beobater bei den Vereinten Nationen zugelaen, er unterhält
diplomatise Vertretungen bei versiedenen internationalen
Organisationen.
Institutionell kann man ihn als eine absolute Wahlmonarie bezeinen,
deren ron also nit vererbbar ist. An der Spitze befindet si ein von einer
auserwählten Versammlung (den im Konklave vereinten Kardinälen – den
Fürsten der Kire) auf Lebenszeit gewählter Monar. Der Pontifex übt die
Mat mit Hilfe einer von ihm ausgesuten «Regierung» (der Kurie) aus,
der sowohl politis-administrative als au doktrinäre Aufgaben und
Funktionen obliegen. Der Chef dieser Regierung und Koordinator der Kurie
ist der Staatekretär.
Auf der offiziellen Homepage des Vatikans ist zu lesen:

Bei der Ausübung der hösten, vollen und unmielbaren Gewalt über die Gesamtkire
bedient si der Papst der Behörden der römisen Kurie. Diese versehen folgli ihr Amt in
seinem Namen und mit seiner Vollmat zum Wohle der Kiren und als Dienst, den sie den
geweihten Hirten leisten.

Im neuen Kodex des Kanonisen Rets (1984) legte Papst Wojtyła im


Kanon 331 nämli fest, da der Bisof der Kire von Rom «kra seines
Amtes in der Kire über höste, volle, unmielbare und universale
ordentlie Gewalt [verfügt], die er immer frei ausüben kann». Neu ist der
Terminus «unmielbar», was bedeutet «ohne weitere Vermilung»,
praktis «absolut», eine Zuordnung von Befugnien, die von Kanon 333
bekräigt wird, in dem es heißt: «Gegen ein Urteil oder ein Dekret des
Papstes gibt es weder Berufung no Beswerde.»
Au Artikel 1 des am 22. Februar 2001 in Kra getretenen Grundgesetzes
des Vatikanstaates lät keinen Zweifel über die Rolle des Papstes: «Der
Papst besitzt als Oberhaupt des Vatikanstaates die Fülle der gesetzgebenden,
ausführenden und riterlien Gewalt.» Der Vatikanstaat ignoriert also de
facto nit nur den von den repräsentativen Demokratien (Parlamenten)
vorgesehenen sogenannten «Willen des Volkes», sondern au die dur
liberale Reformen im 18. Jahrhundert eingeführte Gewaltenteilung oder die
dur eine Verfaung besränkte Mat des Monaren (konstitutionelle
Monarie), wie sie fast alle Monarien Europas seit dem 19.  Jahrhundert
eingeführt haben.

Die Begriffe «Vatikan», «Heiliger Stuhl», «katholise Kire» werden


häufig verweselt. Diese Konfusion wird aber dur eine gewie
Uneindeutigkeit begünstigt, die von der Kire selbst bewirkt ist, die gern
Doktrin und irdise Angelegenheiten, Spiritualität und Politik vermist.
Die Etymologie des Titels Summus Pontifex ist übrigens kurios. Im
Lateinisen bedeutete pontifex «der den Weg mat», der den Weg zur
Gölikeit öffnet, der hil, ihn zu durlaufen, der auf den reten Weg
führt. In der Wortwurzel stet in der Tat die Idee von der «Brüe» (lat.
pons), und die pontifices waren die, die den ritigen Weg wiesen zu den
heiligen Dingen. Der Pontifex maximus war im römisen Rei der
Vorsitzende des Priesterkollegiums, das über die sakralen Dinge wate und
au die vestalisen Jungfrauen zu nominieren hae. Neben vielen anderen
wurde dieses Amt au Julius Caesar übertragen und na ihm allen
römisen Kaisern bis ins 4. Jahrhundert, als die Funktion Sri für Sri
auf die Päpste überging. Es ist nit verwunderli, da die Kire für ihr
höstes Amt einen so traditions- und sinnträtigen Titel verwendete.
Wenn der päpstlie Stuhl vakant ist, geht die Gesäsführung des
Heiligen Stuhls auf das Kardinalskollegium und den Kardinal-Camerlengo
(Kämmerer) über. Es mu also wohluntersieden werden zwisen dem
Heiligen Stuhl und dem Vatikanstaat, der das Gebiet ist, über das dieser seine
Staatshoheit ausübt. Die ausländisen Botsaer zum Beispiel sind beim
Heiligen Stuhl akkreditiert und nit beim Vatikanstaat, weil es der Heilige
Stuhl ist, der die Hoheit über die internationalen Beziehungen innehat. Ein
Urteilpru des italienisen Kaationsgeritshofes vom Dezember  1979
fat diese Salage so zusammen:

Dem Heiligen Stuhl, in dem si die Leitungsaufgaben der Katholisen Kire und des
Staates der Vatikanstadt bündeln, ist die Völkerretubjektivität für beide Bereie der
Matausübung zuerkannt worden, und dies au in der Periode, in der die Amtsführung
jeglier staatlier Gewalt eingestellt ist.

Die Besitzungen des Heiligen Stuhls besränken si nit auf die 44 Hektar
der Vatikanstadt, sie umfaen au zahlreie weitere Immobilien von
großem historisem und kunsthistorisem Wert, nit nur in Rom. Wie in
den Lateranverträgen von 1929 vereinbart, genießen alle diese
Liegensaen das Privileg der Exterritorialität. Einige Beispiele: die Basilika
San Giovanni in Laterano; der Lateranspalast; die Basilika Santa Maria
Maggiore; die Basilika St. Paul vor den Mauern, einsließli des Klosters;
Immobilien auf dem Gianicolo-Hügel und an der Piazza di Spagna, die zum
Collegio di Propaganda Fide gehören; der Palazzo dei Santi Apostoli,
daneben die gleinamige Basilika; der Palazzo della Cancelleria zwisen
Corso Viorio Emanuele und Campo de’ Fiori; der Palazzo del Sant’Uffizio
direkt an der Porta Cavalleggeri; versiedene Standorte der Gregorianisen
Universität in der Via Del Seminario und auf der Piazza della Piloa. Aber
au außerhalb Roms ist der Heilige Stuhl Eigentümer ausgedehnter
Liegensaen: vom päpstlien Palast Castel Gandolfo bis zu den Basiliken
von Loreto, Aisi, Padua.
Grob zusammengefat kann man sagen, da die Bezeinung «Heiliger
Stuhl» die Körpersa bedeutet, die die volle Souveränität einsließli
des Eigentumsrets über den Staat der Vatikanstadt ausübt.
Unter der «katholisen Kire» sließli versteht man die ristlie
Konfeion, die si zum Primat des Papstes bekennt und zu seiner ex
cathedra als unfehlbar, da direkt vom Heiligen Geist inspiriert, betrateten
Lehre. Dieses Sonderret wurde im Juli 1870 dur die mit Mat von Papst
Pius  IX. durgesetzte dogmatise Konstitution Pastor Aeternus
vorgegeben, der das Ende seiner weltlien Herrsa drohen sah. Das
Dokument legt fest:

Im treuen Anslu also an die Überlieferung, wie wir sie von der ersten Zeit des
Christentums an übernommen haben, lehren Wir zur Ehre Goes, unseres Heilandes, zur
Verherrliung der katholisen Religion und zum Heil der ristlien Völker, unter
Zustimmung des heiligen Konzils, und erklären es als von Go geoffenbartes Dogma: Wenn
der römise Papst «ex cathedra» sprit – das heißt, wenn er in Ausübung seines Amtes als
Hirte und Lehrer aller Christen mit seiner hösten Apostolisen Autorität erklärt, da eine
Lehre, die den Glauben oder das silie Leben betri, von der ganzen Kire gläubig
festzuhalten ist –, dann besitzt er kra des gölien Beistandes, der ihm im heiligen Petrus
verheißen wurde, eben jene Unfehlbarkeit, mit der der gölie Erlöser seine Kire bei
Entseidungen in der Glaubens- und Sienlehre ausgerüstet wien wollte. Deshalb laen
sole Lehrentseidungen des römisen Papstes keine Abänderung mehr zu, und zwar
son von si aus, nit erst infolge der Zustimmung der Kire.

Zur Katholisen Kire, die ihre Gründung auf Jesus, genannt Christus
(Meias, der Gesalbte), zurüführt, gehören alle getauen Christen, die si
zu ihr bekennen. «Katholis» leitet si von dem grieisen Adjektiv
καθoλικóζ (katholikòs) her, was «universal, allgemeingültig» bedeutet.

Die Tatsae, da der Heilige Stuhl seinen Hauptsitz in einer Enklave des
Staatsgebiets der italienisen Republik hat, hat für diese (von gewien
Vorteilen abgesehen, wie der Tatsae des speziell auf die sakralen Orte der
Stadt Rom geriteten Tourismus) besondere Belastungen zur Folge. Die
Koexistenz zweier versiedener Träger souveräner Gewalt, des italienisen
und des vatikanisen, auf mehr oder weniger demselben Territorium hat in
der Vergangenheit Konflikte und Miverständnie hervorgerufen und tut
dies weiter, zumal die Grenzen si über wenige Meter erstreen.
Zu dieser Materie, zu der endlos viele Büer und Veröffentliungen
vorliegen, besränke i mi auf ein sehr beredtes visuelles Beispiel, das
au mit der Zeit nits von seiner Suggestivkra verloren hat. Es gibt ein
berühmtes Foto, das 1944 während der deutsen Besatzung Roms
aufgenommen wurde. Es zeigt zwei deutse Soldaten mit
Masinengewehren auf dem Rüen, die auf dem Petersplatz patrouillieren
und dabei an dem Travertinsteinband entlanggehen, das zwisen den
beiden Flügeln von Berninis Kolonnaden am Boden die Grenze des Heiligen
Stuhls markiert und virtuell ihr Rondell sließt. Hier ist Italien, dort der
Vatikan. Nur wenige wien das, niemand senkt dieser Tatsae besondere
Aufmerksamkeit, prinzipiell aber begibt man si mit der Überquerung
dieser Pflastersteine von einem «Land» in ein anderes.

In der Zeit seiner größten Ausdehnung erstrete si das Territorium des
Heiligen Stuhls, der Kirenstaat oder Papststaat, über einen Großteil
Zentralitaliens (ohne das Großherzogtum Toskana) von Terracina, wo das
Königrei Neapel begann, bis zur Mündung des Po an der Grenze zu den
Territorien der Republik Venedig, der Sereniima. Dieses beatlie
Staatsgebiet wurde na und na kleiner und sließli na dem
20.  September  1870 auf die aktuellen Dimensionen festgelegt, als die
Bersaglieri von La Marmora, nadem sie mit Kanonensüen wenige
Meter neben der Porta Pia eine beseidene Brese geslagen haen, in
Rom einmarsierten und die «Ewige Stadt» mit dem neun Jahre zuvor
(1861) proklamierten Königrei Italien vereinten (siehe Kapitel VII).
Regierender Papst war damals Pius  IX. (Giovanni Mastai-Ferrei), der,
wie wir gesehen haben, uneinsitig auf seinem weltlien Dominium
beharrte, obwohl die politise und wirtsalie Lage des Staates
unhaltbar geworden war. Vergebli hae Graf Cavour, der brillanteste
politise Kopf des Risorgimento, versut, ihm die spirituellen Vorteile
klarzumaen, die der Kire dur das Aufgeben einer Mat zuteil
geworden wäre, die in der neuen Zeit nit mehr tolerierbar war.
1871 bot das Parlament des Königreis dem Papst das sogenannte
Garantiegesetz (legge delle Guarentigie) an, mit dem na der Auflösung des
Kirenstaates die Rete des Papstes und sein Verhältnis zum italienisen
Königrei geregelt werden sollten. Es garantierte dem Summus Pontifex
begrenzte Souveränitätsrete, die «Heiligkeit und Unverletzlikeit» seiner
Person, außerdem eine jährlie Rente in Höhe von 750.000 Lire sowie die
exterritorialen Gebiete des Vatikans, des Lateran und Castel Gandolfo. Auf
dieses Angebot antwortete Pius IX., er bevorzuge es, vom Peterspfennig zu
leben, erklärte si zum «Gefangenen» Italiens und zog si hinter die
Mauern des Vatikans zurü. Katholisen Staatsoberhäuptern wurde
verboten, si im Quirinalspalast empfangen zu laen, der zur Residenz des
Königs von Italien geworden war, im Übrigen war allen italienisen
Gläubigen mit der berühmen, mehrfa wiederholten, später immer weiter
abgeswäten und offiziell erst 1919 abgesaen Formel Non expedit (Es
ist nit angebrat) verboten worden, an politisen Wahlen teilzunehmen.
Der «Kalte Krieg» zwisen dem Königrei Italien und dem Heiligen
Stuhl wurde erst im Februar  1929 beendet, als Pius  XI. und der damalige
Regierungsef Benito Muolini das Konkordat unterzeineten. Dem Staat
der Vatikanstadt wurde für die 1870 vorgenommenen Enteignungen eine
stalie Entsädigung zugesproen. In der Finanzkonvention wurden
no weitere Vergünstigungen ökonomiser Art geregelt, die den Profiten
Renung trugen, die Italien infolge der Präsenz des Vatikans dur den
Zustrom an Pilgern zufloen. Darüber hinaus wurde die katholise Religion
als Staatsreligion anerkannt. Die politise Vernun und die Sue na dem
Zuspru des Volkes haen Benito Muolini, der in seiner Jugend ein
glühender Antiklerikaler gewesen war, aus reinem Matinteree zu einem
Ausglei mit dem Vatikan geführt und zu einem gefügigen Werkzeug in den
Händen der Kuriendiplomatie gemat.
Dieses erste Konkordat ist später teilweise von dem neuen Abkommen
zwisen dem Heiligen Stuhl und der Republik Italien revidiert worden, das
1984 von Kardinalstaatekretär Agostino Casaroli und Regierungsef
Beino Craxi ausgehandelt wurde. Zu den Kernabspraen, die dank eines
zähen Ringens um Kompromie getroffen werden konnten, gehört der
Verlust der Anerkennung des Katholizismus als «Staatsreligion». In dem
Text heißt es: «Das ursprüngli von den Lateranverträgen bestätigte Prinzip
der katholisen Religion als einziger Religion des Staates Italien wird als
nit mehr gültig eratet.»
Au witig: die neue Unterhaltsregelung für den Klerus, na der eine
At-Promille-Steuer auf alle Einkommen physiser Personen erhoben
wird, die bei den Steuerzahlern direkt einzuziehen ist, es sei denn, sie häen
explizit erklärt, diese Summe anderen Zween zuführen zu wollen. Weitere
Vereinbarungen betrafen die Reform der kirlien Körpersaen und
Güter, die Ernennung der kirlien Amtsleiter, die zivilretlie
Anerkennung der religiösen Feiertage, die Freiwilligkeit des katholisen
Religionsunterrits in den Sulen, die Anerkennung akademiser Titel der
vom Heiligen Stuhl akkreditierten Fakultäten, der Sutz der Kulturgüter
von religiösem Interee sowie der kirlien Arive und Bibliotheken.
Die Beziehungen zwisen dem Heiligen Stuhl und dem italienisen
Staat sind nie einfa gewesen, au weil es si um ein erklärtermaßen
asymmetrises Verhältnis handelt. Erzbisof Rino Fisiella, Rektor der
Pontificia Universitas Lateranense (Päpstlie Lateranuniversität), hat das in
seinem Bu Identità dissolta (etwa: Aufgelöste Identität, 2009) resümiert:

Aufgrund seiner demokratisen Verfaung mu der Staat die Auseinandersetzung mit der
Kire nit nur akzeptieren, sondern er mu ihre etwaigen Einmisungen au aufgreifen
und erst in einem zweiten Moment zu temperieren wien … Die Kire hingegen, die si
auf Prinzipien beru, die einen höheren als den menslien Ursprung haben, könnte
niemals eine irgendwie geartete Einmisung des Staates in ihre Inhalte akzeptieren.

Wenn man dieser ese das Dogma der päpstlien Unfehlbarkeit hinzufügt,
sieht man, wie in diesen Worten, kaum verbrämt von der Zeit, die alte, nie
widerrufene Idee der politisen Vormatstellung wieder hokommt, die in
den längst vergangenen Kämpfen zwisen Papsum und Kaiserrei
offenbar tiefe Wurzeln geslagen hat.

Aus ihrer Doppelnatur, der irdisen und der gewiermaßen


«himmlisen», erklärt si au das Aureten der Kire oder beer: des
Heiligen Stuhls in Situationen, in denen ihre Verhaltensweisen zu
Verdätigungen, Kritik oder Klärungsbedarf Anla gaben. Einige der in
diesem Bu erzählten Ereignie demonstrieren das: nit die geringste
Unterstützung bei polizeilien Ermilungen, keine Reaktion oder absolute
Zurühaltung bei Anfragen der Justiz.
Die gleie Haltung ist lange Zeit anläli des Pädophilie-Skandals
aufreterhalten worden, der seit Ende 2009 eine weltweite Dimension
angenommen hat. Von Time zu Der Spiegel, von e New York Times bis zu
Le Monde, El Pais, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Washington Post – in
allen großen Zeitungen und Woenmagazinen der Welt haben die
sändlien Mibrausfälle um pädophile Priester und sexuelle Übergriffe
von Geistlien Slagzeilen und Titelgesiten provoziert. Von allen
wurde kritisiert, da Papst Ratzinger die Krise in seiner Osterbotsa 2010
mit keinem Wort erwähnt hat. Von einigen Seiten wurde seine
«Abdankung» gefordert, andere (Der Spiegel) haben explizit von
«geseiterter Miion» gesproen.
Trotz allem (oder vielleit gerade deswegen) ersien die Reaktion der
Kire und vor allem ihrer hohen Würdenträger anfangs unangemeen, fast
so, als habe die Betretenheit über die Ausmaße des Skandals die gewohnte
Souveränität und das Fingerspitzengefühl der vatikanisen Diplomatie
sama gesetzt. Im Übrigen war son seit dem 16.  Jahrhundert die
sogenannte sollicitatio ad turpia (die «Verleitung zur Unzut» im
Beitstuhl) ein Alptraum für die Kire, so groß war die Zahl der Priester,
die si dieses Verbreens (und dieser Sünde) suldig maten. In den
ersten Reaktionen versuten die vatikanisen Autoritäten, die Vorwürfe
als einen Angriff auf den Papst, ein «Komplo» gar, kleinzureden, wobei
gravierende Fälle von Mibrau an Minderjährigen (darunter Behinderten)
ebenso unter den Tis fielen wie die Deung und das Sweigen, die von
den vatikanisen Hierarien und der ein Vierteljahrhundert lang vom
damaligen Kardinal Joseph Ratzinger geleiteten Glaubenskongregation (dem
ehemaligen Sant’Uffizio) jedem ernsthaen Aulärungsversu
entgegengesetzt wurden.
Die übertriebene Verteidigung Papst Benedikts dur Teile der Hierarie
wurde heig ersüert, als Aociated Pre am 9.  April  2010 ein von
Kardinal Joseph Ratzinger unterzeinetes Sreiben mit dem Brieopf der
Sacra Congregatio pro Doctrina Fidei vom November  1985 publik mate.
Der Kardinal bezog si darin auf einen von der Diözese Oakland
vorgebraten Fall des drei Jahre zuvor seines Amtes enthobenen pädophilen
Paters Stephen Kiesle. In elegantem Kurienlatein antwortete der Kardinal:
Dieses Dikasterium hält es, wennglei es die zugunsten einer Enthebung vorgebraten
Argumente für sehr gewitig eratet …, denno für notwendig, neben dem Wohl des
Antragstellers au das der universellen Kire in Renung zu stellen, und kann daher dem
Saden, den die Gewährung der Amtsenthebung in der Gemeinsa der Gläubigen
provozieren könnte, kein geringes Gewit einräumen.

Im Versu, das Gesit zu wahren, sind der Papst – und mit ihm die Kire
– als Opfer eines «heigen Angriffs» dargestellt worden. Der persönlie
Prediger Papst Benedikts, Pater Cantalamea, hat die Kritik an der
katholisen Kire im Zusammenhang mit den Mibrausfällen mit der
Judenverfolgung in der Nazizeit verglien. Während der
Ostersonntagsmee im Vatikan sagte Kardinal Sodano, das «Volk Goes
lät si gewi nit vom Geswätz des Augenblis beeindruen»,
womit er nahezu die gesamte Weltöffentlikeit zu «Swätzern»
degradierte. Einige Woen später wird der Erzbisof von Wien, Kardinal
Christoph Sönborn, Sodano wegen dieser unglülien Formulierung
Leitfertigkeit vorwerfen und ihn außerdem besuldigen, fünfzehn Jahre
zuvor verhindert zu haben, da der Vatikan die Mibrausvorwürfe gegen
Kardinal Hans Herrmann Groer, Sönborns Vorgänger im Amt des Wiener
Erzbisofs, untersute.
Sodano hae no einen draufgesetzt und die Angriffe auf Papst Ratzinger
mit denen gegen Pius XII., Papst Pacelli, wegen seines Sweigens zur Shoah
verglien. Der Präsident der jüdisen Gemeinden Italiens, Renzo Gaegna,
nannte dies in seiner Replik im Corriere della Sera «unangemeen,
inopportun, gefährli». Der emeritierte Bisof von Groeto, Monsignor
Giacomo Babini, bezeinete in einem am 11.  April  2010 auf der Website
«Pontifex» (Blog di informazione cattolica – Katholiser Informationsblog)
veröffentliten Interview den Pädophilie-Skandal als einen «Angriff der
Zionisten … sie wollen die Kire nit, sind ihre natürlien Feinde. Im
Grunde sind die Juden, historis gesehen, Goesmörder.» Swerwiegende
Worte, die wenige Stunden später zurügenommen wurden. Jedenfalls aber
eine Serie von aus der Hüe gesoenen Statements, ein falser Sri
na dem anderen, die man bestenfalls als Symptome von Verlegenheit und
Ratlosigkeit bezeinen kann angesits einer Situation, die si son zu
lange hingezogen hae, ohne da jemand den Mut aurate, si
gründli damit auseinanderzusetzen. In Deutsland dagegen hat der
Bisof von Trier, Stephan Aermann, der von der Deutsen
Bisofskonferenz als Mibrausbeauragter eingesetzt wurde, Klartext
gesproen und die Courage beseen, ganz offen von «Vertusung» und
«falsen Rüsiten» innerhalb der Kire zu spreen (Rhein Zeitung,
16. März 2010).
Ähnlie Äußerungen kommen von dem Journalisten Clark Hoyt, dem
internen Sliter und Leservertreter der New York Times. Angesits der
Vorwürfe, seine Zeitung betreibe Anti-Papst-Beriterstaung sreibt er am
25. April 2010:

Ob es einem nun gefällt oder nit, es gibt Umstände, die diesen Slendrian jahrelang
legitimiert haben, einsließli eines gut dokumentierten Systems von Leugnung und
Vertusung in einer Institution mit Milliarden von Anhängern. So smerzli es au sein
mag, die Zeitung hat die Pflit, diese Angelegenheit zu verfolgen, wo au immer sie
hinführt, und sei es direkt vor die Tür des Papstes.

Am 15.  April  2010 veröffentlite die französise Online-Zeitung Golias.fr


einen Brief, der 2001 vom damaligen Präfekten der Kongregation für den
Klerus, dem kolumbianisen Purpurträger Dario Castrillon Hoyos, an Pierre
Pican, Bisof von Bayeux gesrieben wurde, nadem dieser zu drei
Monaten Gefängnis mit Bewährung verurteilt worden war, weil er einen
pädophilen Priester nit angezeigt hae:

I gratuliere Ihnen, einen Priester nit der staatlien Administration angezeigt zu haben
… Sie haben gut daran getan und i beglüwünse mi, einen Mitbruder zu haben, der in
den Augen der Gesite und aller übrigen Bisöfe der Welt das Gefängnis der
Denunziation seines Priester-Sohnes vorgezogen hat.

Castrillons Sreiben, so stellte der vatikanise Preespreer Federico


Lombardi klar, gebe nit die Position des Heiligen Stuhls wieder. Kardinal
Castrillon Hoyos ließ das aber nit auf si sitzen und betonte in einem
Interview mit der spanisen Website La Verdad, da Papst Wojtyła ihn 2001
ausdrüli ermätigt habe, einen Gratulationsbrief an den französisen
Bisof zu sreiben, weil dieser einen pädophilen Priester nit den
staatlien Autoritäten angezeigt hae.
Verirrungen und Anzeien von Verwirrung, von internen Konflikten,
jedenfalls aber handelt es si in diesem Fall um Positionen einer
Minderheit. Von dem riesigen Skandal ersüert, hae Benedikt  XVI.
bereits am 19.  März  2010 einen Hirtenbrief an die Katholiken in Irland
gesrieben, in einer Sprae, die man im Verglei zur üblien
ekklesiastisen Tendenz zur Abmilderung geradezu als beherzt bezeinen
mu. Hier heißt es unter anderem:

[Es ist] nun Eure Aufgabe, das Problem des Mibraus aufzuarbeiten, der in der
katholisen Gemeinsa von Irland gesehen ist, und dies mit Mut und Entsloenheit
zu tun. Niemand erwartet, da si diese smerzhae Situation snell lösen lät. Es sind
positive Srie getan worden, aber es bleibt no viel zu tun.

Mit no größerem Nadru hat Benedikt XVI. angeordnet, die Legionäre


Christi einer kommiarisen Verwaltung zu unterstellen. Dabei handelt es
si um eine Organisation, die von dem mexikanisstämmigen, von Papst
Johannes Paul  II. protegierten, von Papst Ratzinger dagegen abgesetzten
Priester Marcial Maciel Degollado (1920–2008) gegründet wurde. Ratzinger
hae ihn 2006 na einer kirlien Untersuung wegen Vorwürfen des
langjährigen sexuellen Mibraus von Kindern vom aktiven Dienst
suspendiert und ihm ein Leben des «Gebets und der Buße» verordnet. In
einer offiziellen Note vom 1.  Mai  2010 befand ihn der Papst «eter
Verbreen» für suldig und warf ihm vor, ein «Privatleben ohne Skrupel»
geführt zu haben.

Sließli hat am 30.  April  2010 der Generalsekretär der Italienisen


Bisofskonferenz (Cei), Mariano Crociata, die Legitimität der Enthüllungen
und Ansuldigungen anerkannt, die zu dem Skandal des Mibraus von
Minderjährigen dur Geistlie geführt haen. Er hat außerdem
zugestanden, da es fals gewesen sei, den Skandal als eine
Diffamierungskampagne zu bezeinen: «Kein Medienkomplo, ein soles
Verhalten ist doppelt verdammungswürdig, wenn es von einem Mann der
Kire, einem Priester, einer geweihten Person begangen wird.» Der Sekretär
der Cei ist denn au mit den «Sutzmaßnahmen» sehr hart ins Gerit
gegangen, die die kirlie Hierarie den Urhebern soler Gewalaten
lange Jahre hae angedeihen laen. «Wer Nasit geübt oder
Vertusungsmaßnahmen begünstigt hat, hat nit Direktiven der Kire
umgesetzt, er hat sie sogar verraten, indem er die gebotene Diskretion in
komplizenhae Deung verkehrte.»
Diese Interpretation der Fakten entsprit nit ganz der historisen
Wahrheit, man sollte sie aber son wegen der dahinterstehenden Absit zu
würdigen wien, ist sie do ein Zeien, da si die Einstellung der
obersten kirlien Leitungsebene na so vielen Jahren des Sweigens
und in einigen Fällen der Komplizensa geändert zu haben seint. Einige
weitere Äußerungen Benedikts  XVI. zu jüngst ans Lit gekommenen
Skandalen, diesmal im Zusammenhang mit smutzigen
Immobiliengesäen in Rom, seinen diese neue Linie zu bestätigen.

Die Erzählung der Fakten endet hier. Eine Galerie von Ereignien, die si
im Laufe der Jahrhunderte abgespielt haben, in untersiedliem
historisem Kontext und untersiedli in den von ihnen ausgelösten
Folgen, mit einer Gemeinsamkeit jedo: Sie entspringen alle jener
Staatsräson, die den Heiligen Stuhl de facto zu einer politisen Einheit
mat, die si nit allzu sehr von den übrigen 192 Staaten unterseidet,
die zur Generalversammlung der Vereinten Nationen gehören. Abgesehen
von dem Umstand, und der ist in der Tat einzigartig, da der vatikanise
«Beobater» bei der UNO[5] der einzige Repräsentant eines Staates ist, der
si selbst zu einer direkten gölien Emanation proklamiert. Es ist das
ewige Dilemma, die konstante Herausforderung zwisen unvereinbaren
Zielsetzungen: der politisen Mat und der spirituellen Verpflitung. Hier
kommen wieder die Worte des Kardinals Carlo Maria Martini aus den
«Nätlien Gebeten in Jerusalem» in den Sinn. Wir haben sie son als
Moo des Bues gelesen, denno seint es mir angebrat, sie no
einmal in Erinnerung zu rufen:

Es gab eine Zeit, da habe i von einer Kire der Armut und der Demut geträumt, die
unabhängig ist von den Mäten dieser Welt. Einer Kire, die den Leuten Raum gibt, die
weiter denkt. Einer Kire, die Mut mat, vor allem denjenigen, die si klein oder als
Sünder fühlen. Einer jungen Kire. Heute habe i sole Träume nit mehr. Seit i 75 bin,
habe i besloen, für die Kire zu beten.
ANHANG
DANKSAGUNG DES AUTORS

I
 sulde vielen Mensen großen Dank für ihren Beitrag zu diesem
Bu, das viele Jahre Arbeit gekostet hat. Vladimiro Poli hat mi mit
Spürsinn, Findigkeit, Sorgfalt und Sarfsinn bei den Reeren unterstützt.
Claudio Rendina verdanke i freundsalie Hilfe und witige
Informationen. Laura Bainis und Nunzio Giustozzis wertvolle Erläuterungen
haben mein Verständnis von der Gesite der Engelsburg vertie. Andrea
Cane und Nicolea Lazzari von Mondadori haben den Text lektoriert und
mit kritisen Anmerkungen versehen. I möte die Gelegenheit nutzen,
um auf eine Frage zu antworten, die mir o gestellt wird: warum i meine
Büer trotz der umstrienen Besitzverhältnie weiter bei Mondadori
publiziere. Die Antwort ist einfa: wegen der profeionellen und
freundsalien Beziehungen, die si im Laufe der Zeit mit einigen der
Verantwortlien und Redakteure dort aufgebaut haben. Pier Angela
Mazzarino hat den Text mit außerordentlier Akribie und Kompetenz
durgesehen und überarbeitet. Sabine Heymann hat mi während ihrer
Arbeit an der für das Frühjahr 2011 geplanten deutsen Ausgabe auf einige
Unstimmigkeiten hingewiesen. Antonella Colombo und Mara Samaritani
vom römisen Sitz des Verlagshauses Mondadori haben mir die Arbeit
dur ihre großzügige Unterstützung erleitert.
Dieses Bu enthält tausende von Namen, Daten, Ereignien. Trotz aller
no so sorgfältiger Korrekturen ist es mögli, da in der Darstellung no
die eine oder andere Ungenauigkeit zu finden ist. Natürli habe i allein
sole Fehler zu verantworten.

Corrado Augias
DANKSAGUNG DER ÜBERSETZERIN

D
ie Übersetzung dieses Bues war für mi alles andere als ein
Routine-Aurag.
I kannte Corrado Augias bereits von der Übersetzung seines zuvor
ersienenen Bues «Die Geheimnie Roms». Bei diesem Bu waren wir
snell übereingekommen, da eine Reihe von Dingen für deutse Leser
ausführlier erläutert werden müen als für italienise. Corrado Augias
hat mir freie Hand gegeben, erläuternde Anmerkungen hinzuzufügen. Bei
den «Geheimnien des Vatikan» sind wir no einen Sri weiter
gegangen: Mane kurze Erläuterung haben wir direkt in den Text eingefügt.
Teilweise grei die Übersetzung auf das vom Originalverlag Mondadori no
nit gekürzte und bearbeitete Originalmanuskript zurü, wenn hier
bestimmte Saverhalte ansaulier erklärt waren. Die Erläuterungen im
Anhang, die Papstliste und die Literaturhinweise wurden von mir in
Absprae mit dem Autor eigens für die deutse Ausgabe
zusammengestellt. Für diese vertrauensvolle und unkomplizierte
Zusammenarbeit per e-Mail Tag und Nat und bei unserem dreitägigen
Arbeitstreffen in Rom, das wegen einer isländisen Asewolke fast nit
zustande gekommen wäre, möte i Corrado Augias von Herzen danken.
Sehr viele Mensen haben zum Gelingen der Übersetzung beigetragen.
Großer Dank geht an meine Freunde omas Clasen, Barbara Jeen und
Henning Lobin für ihre Lektorate und Einsätzungen in versiedenen
Phasen des Projektes sowie an Barbara Lynker, die als Altphilologin die
Latein-Zitate und -Übersetzungen überprü hat. Albret von der Heyden
hat mi bei Fragen zur staats- und völkerretlien Terminologie, Brigie
Zypries bei der allgemeinen retlien Terminologie beraten. Der
Kunsthistoriker Marcel Baumgartner wute Rat bei Quellenfragen im
Zusammenhang mit Bernini und Borromini. Der katholise eologe Jörg
Johannes Lener und ein wiensalier Mitarbeiter bei der
Katholisen Bisofskonferenz haben mi in die Hintergründe katholiser
und kirengesitlier Terminologie eingeführt. Guido Eisfeller war mir
bei ingenieurwiensalien Fabegriffen eine große Hilfe. Mit der
Italienis-Lektorin Grazia Caiati habe i immer wieder vertrate
Übersetzungsprobleme bespreen können. Die großartigen Poesie-
Übersetzer Ernst-Jürgen Dreyer und Geraldine Gabor haben swierige
Belli-Zitate und Carducci-Verse kongenial ins Deutse übertragen. I
danke meinem Sohn Stefano Di Buduo, der mit mir in Rom geduldig viele
der Originalsauplätze des Bues besitigte und mi bis ins Herz der
Opus Dei-Zentrale im Viale Bruno Buozzi begleitete. I danke meiner
Toter Beatrice Di Buduo, die si mit mir an einem heißen Tag im Mai in
die endlosen Slangen vor den Vatikanisen Museen eingereiht hat, nur
damit i in der Sixtinisen Kapelle – inmien hunderter amerikaniser
und japaniser Touristen – einige Details von Mielangelos Fresken
überprüfen konnte. Der Historikerin Gabi von der Heyden danke i für die
Überprüfung der Papstliste. Nicolea Lazzari und den anderen Mitarbeitern
von Mondadori danke i für die stets zuverläige Zusammenarbeit.
Ein besonderer Dank geht an den Historiker Volker Reinhardt für die
kritise Dursit des Manuskripts, an Petra Rehder für ihr kluges,
einfühlsames und akkurates Lektorat und an den Lektor des Verlags
C.H.Be, Ulri Nolte, der mir in den Monaten der langen Arbeit am Text
ein witiger Gespräspartner war.

Sabine Heymann
VERZEICHNIS DER IM BUCH GENANNTEN
PÄPSTE

ALEXANDER III. (vermutli Rolando Bandinelli, um 1100 oder 1105 bis 1181), Papst ab 1159.
ALEXANDER VI. (Rodrigo Borgia, um 1431 bis 1503), Papst ab 1492.
ALEXANDER VII. (Fabio Chigi, 1599 bis 1667), Papst ab 1655.
ANAKLET II. (um 1090 bis 1138), (Gegen-)Papst ab 1130.
BENEDIKT XI. (Niccolò di Boccasio, au Nikolaus Boccasini, 1240 bis 1304), Papst ab 1303.
BENEDIKT XIII. (Pietro Francesco Orsini, 1649 bis 1730), Papst ab 1724.
BENEDIKT XIV. (Prospero Lambertini, 1675 bis 1758), Papst ab 1740.
BENEDIKT XV. (Giacomo Marese della Chiesa, 1854 bis 1922), Papst ab 1914.
BENEDIKT XVI. (Joseph Alois Ratzinger, geb. 1927), Papst seit 2005.
BONIFAZ VIII. (Benedeo Caetani, 1235 bis 1303), Papst ab 1294.
CLEMENS  III. (Wibert von Ravenna oder Guibert von Ravenna, geb. zwisen 1020 und 1030 bis
1100), Gegenpapst ab 1080 (gegenüber Gregor VII., Viktor III., Urban I. und Pasalis II.).
CLEMENS IV. (Gui Foucois, Guido Foucois, au Fulcodi oder Guido le Gros, um 1200 bis 1268), Papst
ab 1265.
CLEMENS V. (Bertrand de Got, um 1250/65 bis 1314), Papst ab 1305.
CLEMENS VII. (Giulio de’ Medici, 1478 bis 1534), Papst ab 1523.
CLEMENS VIII. (Ippolito Aldobrandini, 1536 bis 1605), Papst ab 1592.
CLEMENS IX. (Giulio Rospigliosi, 1600 bis 1669), Papst ab 1667.
CLEMENS X. (Giovanni Baista Emilio Altieri, 1590 bis 1676), Papst ab 1670.
CLEMENS XI. (Giovanni Francesco Albani, 1649 bis 1721), Papst ab 1700.
CLEMENS XIII. (Carlo della Torre di Rezzonico, 1693 bis 1769), Papst ab 1758.
CLEMENS XIV. (Lorenzo Ganganelli, eigentl. Giovanni (Gian) Vincenzo Antonio Ganganelli, 1705 bis
1774), Papst ab 1769.
CÖLESTIN V. (Pietro Angeleri da Morrone, um 1209/15 bis 1296), Papst von Juli bis Dezember 1294.
DAMASUS I. (um 305 bis 384), Papst ab 366.
EUGEN III. (Bernardo Paganelli, gest. 1153), Papst ab 1145.
FORMOSUS (816 bis 896), Papst ab 891.
GREGOR I. genannt der Große (au: Gregorius Magnus, ca. 540 bis 604), Papst ab 590.
GREGOR II. (669 bis 731), Papst ab 715.
GREGOR VII. (Hildebrand von Soana, um 1020 bis 1085), Papst ab 1073.
GREGOR X. (Tebaldo Visconti, 1210 bis 1276), Papst ab 1271.
GREGOR XIII. (Ugo Boncompagni, 1502 bis 1585), Papst ab 1572.
GREGOR XV. (Aleandro Ludovisi, 1554 bis 1623), Papst ab 1621.
GREGOR XVI. (Bartolomeo Alberto Cappellari, 1765 bis 1846), Papst ab 1831.
HADRIAN I. (gest. 795), Papst ab 772.
INNOZENZ II. (Gregorio Paparesi di Guidoni, vor 1116 bis 1143), Papst ab 1130.
INNOZENZ III. (Lotario dei Conti di Segni, 1160 oder 1161 bis 1216), Papst ab 1198.
INNOZENZ IV. (Sinibaldo Fiesi Conte di Lavagna, 1195 bis 1254), Papst ab 1243.
INNOZENZ VIII. (Giovanni Baista Cibo, 1432 bis 1492), Papst ab 1484.
INNOZENZ X. (Giovanni Baista Pamphilj, 1574 bis 1655), Papst ab 1644.
INNOZENZ XI. (Benedeo Odescali, 1611 bis 1689), Papst ab 1676.
JOHANNES VIII. (vor 852 bis 882), Papst ab 872.
JOHANNES X. (Toignano, gest. 929), Papst von 914 bis 928.
JOHANNES XI. (Graf von Tusculum, gest. 935), Papst ab 931.
JOHANNES  XII. (Octavian von Spoleto, von 937 oder 939 bis 964), Papst von 955 bis zu seiner
Absetzung 963.
JOHANNES XXIII. (Angelo Giuseppe Roncalli, 1881 bis 1963), Papst ab 1958.
JOHANNES PAUL I. (Albino Luciani, 1912 bis 1978), im August 1978 zum Papst gewählt und 33 Tage
später gestorben. 1978 ging daher als das Dreipäpstejahr in die Gesite ein.
JOHANNES PAUL II. (Karol Wojtyła, 1920 bis 2005), Papst ab 1978.
JULIUS II. (Giuliano della Rovere, 1443 bis 1513), Papst ab 1503.
JULIUS III. (Giovanni Maria Cioci del Monte, 1487 bis 1555), Papst ab 1550.
LEO I. (um 400 bis 461), Papst ab 440.
LEO III. (gest. 816), Papst ab 795.
LEO IV. (um 400 bis 461), Papst ab 440.
LEO VI., 928 Papst.
LEO VIII. (gest. 965), Papst ab 963.
LEO X. (Giovanni de’ Medici, 1475–1521), Papst ab 1513.
LEO XIII. (Vincenzo Gioacino dei conti Pecci, 1810 bis 1903), Papst ab 1878.
NIKOLAUS II. (Gerhard von Burgund, um 990/95 bis 1061), Papst ab 1058.
NIKOLAUS III. (Giovanni Gaetano Orsini, um 1210/20 bis 1280), Papst ab 1277.
NIKOLAUS IV. (Girolamo Masci, 1227 bis 1292), Papst ab 1288.
NIKOLAUS V. (Tommaso Parentucelli, 1397 bis 1455), Papst ab 1447.
PAUL III. (Aleandro Farnese, 1468 bis 1549), Papst ab 1534.
PAUL IV. (Gian Pietro Carafa, 1476 bis 1559), Papst ab 1555.
PAUL V. (Camillo Borghese, 1552 bis 1621), Papst ab 1605.
PAUL VI. (Giovanni Baista Montini, 1897 bis 1978), Papst ab 1963.
PIUS IV. (Giovanni Angelo Medici, 1499 bis 1565), Papst ab 1559.
PIUS V. (Antonio Miele Ghislieri, 1504 bis 1572), Papst ab 1566.
PIUS VI. (Giovanni Angelo Brasi, 1717 bis 1799), Papst ab 1775.
PIUS VII. (Luigi Barnabà Niccolò Maria Chiaramonti, 1742 bis 1823), Papst ab 1800.
PIUS  IX. (Giovan Maria Graf Mastai-Ferrei, 1792 bis 1878), Papst ab 1846. Längstes historis
naweisbares Pontifikat in der Gesite der Römis-Katholisen Kire.
PIUS X. (Giuseppe Meliorre Sarto, 1835 bis 1914), Papst ab 1903.
PIUS XI. (Aille Ambrogio Damiano Rai, 1857 bis 1939), Papst ab 1922.
PIUS XII. (Eugenio Pacelli, 1876 bis 1958), Papst ab 1939.
SERGIUS II. (gest. 847), Papst ab 844.
SERGIUS III. (gest. 911), Papst ab 904.
SILVESTER I. (gest. 335), Papst ab 314.
SIXTUS IV. (Francesco della Rovere, 1414 bis 1484), Papst ab 1471.
SIXTUS V. (Felice Perei, 1521 bis 1590), Papst ab 1585.
STEPHAN II. (gest. 757), Papst ab 752.
STEPHAN VI. (VII.), Papst 896/97.
STEPHAN VII. (gest. 931), Papst ab 929.
URBAN  II. (Odo de Châtillon, Odo de Lagery oder Eudes de Châtillon, um 1035 bis 1099), Papst ab
1088.
URBAN V. (Guillaume de Grimoard, 1310 bis 1370), Papst ab 1362.
URBAN VI. (Bartolomeo Prignano, ca. 1318 bis 1389), Papst ab 1378.
URBAN VIII. (Maffeo Barberini, 1568 bis 1644), Papst ab 1623.
URSINUS (gest. na 384), Papst von 366 bis 367.
ERLÄUTERUNGEN

VORWORT
1 Summus Pontifex Ecclesiae Universalis bedeutet: Oberster Priester der Weltkire; au die
Bezeinung Pontifex maximus ist gebräuli.

EIN HAUS GANZ AUS GOLD


1 Nero stirbt, während si die neue, «Christentum» genannte Religion au unter seiner Herrsa
weiter durgesetzt hat. Tertullian, ein ristlier eologe, der um die Jahrhundertwende vom 2.
zum 3.  Jahrhundert in Karthago wirkte, sagt eingedenk der Verfolgung dieser ersten Gläubigen:
Semen est sanguis ristianorum (Das Blut der Christen … ist eine Saat).
Tacitus, Annalen (XV,44). Zitiert na der Übersetzung von Walther Sontheimer, Stugart 2006
(1967), S. 191f.
2 Tacitus, a.a.O. (XV,44), S. 191.
3 Die «Christianer» wurden sogar des rituellen Kindermordes besuldigt.
4 Sueton: Nero (16). Zitiert na der Übersetzung von Marion Giebel, Stugart 2006 (1978), S. 29.
5 Leges duodecim tabularum, eine um 450 v. Chr. in Rom entstandene Gesetzeammlung, die in
zwölf hölzernen Tafeln auf dem Forum Romanum ausgestellt war.
6 Sueton, a.a.O. (31,1), S. 53. In der Anlage ähnli der no heute zu besitigenden Hadriansvilla bei
Tivoli.
7 Ebd. (31,2).
8 Portasanta (wörtl. Heiliges Tor): gelb gesprenkelter Marmor, der für die Porta Santa im Petersdom
benutzt wurde; lumaella orientale (wörtl. orientalises Sneen): hellgrauer Muselkalk
aus Ägypten; pavonazzetto (von pavone = Pfau): Pfauenmarmor, weißer Marmor mit
dunkelvioleen Adern und Fleen; serpentino (Serpentin): Spestein aus Talk und Quarz, deen
Farbe zwisen grün, braun, grau, gelb und rötli weselt; granito degli obelisi
(Obeliskengranit): urspr. rötlier Auangranit; africano (Afrikaner): swarz mit weißen und
roten Fleen, von der Insel Chios stammend.
9 Sueton, a.a.O. (31,2), S.  53 und 55. Ein Planetarium also, na dem Vorbild mielorientaliser
Bauten der Zeit. Der Kuppelsaal ist no erhalten. Das Meerwaer wurde aus 25  Kilometern
Entfernung hergeleitet. Die Albulaquelle, die zwisen Rom und Tivoli in den Anio mündet, ist
swefelhaltig und heilkräig.
10 Tacitus, a.a.O. (XV,42), S. 189.
11 Bocca di lupo – ital. Fabezeinung für die Lit- und Lusäte unterirdiser antiker Bauten
in Form eines weit geöffneten «Wolfsmauls».
12 Sueton, a.a.O. (6,1), S. 13.
13 Lat. Sristeller des 2.  Jahrhunderts n.Chr., fälsli au unter dem Namen Agellius bekannt.
Sein einziges Werk, Noctes Atticae (Attise Näte), eine Sammlung von Kurz-Eays, verfate er
um das Jahr 170.
14 Tacitus, a.a.O. (XI,38), S. 28. Die aristokratise Etikee der Zeit häe es geboten, da Mealina
si angesits ihrer Lage selbst das Leben nahm. Daher die ungesiten Versue, si mit dem
Dol zu durbohren.
15 Lucius Annaeus Seneca, genannt Seneca der Jüngere (ca. 1–65), römiser Philosoph, Dramatiker,
Naturforser, Staatsmann und als Stoiker einer der meistgelesenen Sristeller seiner Zeit. Auf
Betreiben Mealinas war er von Kaiser Claudius im Jahre 41 na Korsika in die Verbannung
gesit worden.
16 Tacitus, a.a.O. (XII,67), S. 70f.
17 Ebd. (XII,17), S. 84f.
18 Ebd. (XIII,12), S. 80.
19 Ebd. (XIV,2), S. 117f.
20 Ebd. (XIV,3), S. 118.
21 Sueton, a.a.O. (28,2), S. 49.
22 Tacitus, a.a.O. (XIV,4), S. 120.
23 Sueton, a.a.O. (34,2), S. 63.
24 Tacitus, a.a.O. (XIV,5), S. 120.
25 Ebd. (XIV,5), S. 121.
26 Ebd. (XIV,8), S. 123.
27 Dur Vermählung mit einer Prinzein aus dem Hause d’Albret wurde Cesare Borgia Herzog von
Valentinois, weshalb er in Italien Il Valentino oder der Valentinois genannt wurde. Als Maiavelli
1513 sein Traktat Il principe über den «idealen Fürsten» srieb, stand dabei der von ihm
bewunderte Matmens Cesare Borgia Pate.
28 Tacitus, a.a.O. (XIV,11), S. 125.
29 Ebd. (XIII,2), S. 73f.
30 Seneca: De vita beata – Vom glülien Leben (20,1). Zitiert na der Übersetzung von Fritz Hans
Mutsler, Stugart 2009 (1990), S. 49.
31 Ebd. (XVIII,1), S. 45.
32 Ebd. (XXIII,1), S. 57.
33 (Francesco) Guicciardini’s Gesite Italiens. Zweiter Band. Zit. na: Bibliothek der neueren
Gesite Italiens. Sammlung der vorzüglisten Gesitreiber vom Anfange des
sezehnten Jahrhunderts bis auf die Gegenwart. Erster Teil (Hg. Hedw. Külb), Darmstadt 1846,
S. 15f.
34 Tacitus, a.a.O. (XIV,54), S. 153.
35 Ebd. (XV,60), S. 204.
36 Ebd. (XV,63), S. 206.
37 Ebd. (XVII,1–2; XXVIII,1), S. 47ff.
38 Ebd. (XXIX,1), S. 49ff.
39 Petron: Satyricon (48). Zitiert na der Übersetzung von Harry C. Snur, Stugart 2009 (1968),
S. 56.
40 Ebd. (40), S. 48.
41 Ebd. (140), S. 190f.
42 Tacitus, a.a.O. (XIV,60), S. 158.
43 Juvenal sreibt in seiner sesten Satire über eine Frau: «Dabei sieht sie abstoßend und läerli
aus, ihr Gesit di bepflastert mit Broeig und duender Salbe à la Poppaea. Des armen Gaen
Lippen bleiben daran kleben ….», und bezieht si dabei auf Poppaeas Erfindung einer Art
kosmetisen Broeigs (Juvenal: Satiren (VI). Zitiert aus der Übersetzung von Harry C. Snur,
Stugart 1969, S. 70).
44 Bei Tacitus heißt es dazu na einer Aufzählung der heiligen römisen Stäen, die in Flammen
aufgingen: «ferner die in so vielen Siegen erworbenen Sätze und Smustüe grieiser
Kunst, sodann die alten, no unverfälsten Denkmäler großer Geister, deren viele, möte au
die Stadt in no so großer Sönheit wiedererstanden sein, die ältere Generation no im
Gedätnis hat und die nit wiederhergestellt werden konnten.» In: Tacitus, a.a.O. (XV,41), S. 189.
45 Ebd. (XV,38), S. 186.
46 Henryk Sienkiewicz: Quo vadis. Erzählung aus der Zeit Neros, Berlin o. Jahr (Übersetzung von
Ernst P. Bauer), S. 270.
47 Juvenal, a.a.O. (XIII), S. 136.
48 Und weiter: «…, die Väter würgte, der den Bruder mordete wild und grausam, dem die Hand
beflete das Blut der Muer!» Boethius Anicius Manlius Severinus: Trost der Philosophie. Zit.
na: hp://www.pinselpark.org/philosophie/b/boethius/texte/trost2_3.html.
49 Zu Beginn von Neros Regierungszeit haen die Prätorianer monatlie Getreiderationen umsonst
erhalten. «Die feindselige Gesinnung gegen ihn wus no», heißt es bei Sueton, «da er um seines
eigenen Vorteils willen die Notlage der Getreideversorgung verslimmerte. Es gesah nämli
folgendes: Während die Bevölkerung gerade Hunger li, meldete man das Eintreffen eines Siffes
aus Alexandria – und dieses brate feinen Sand für die Ringkämpfer am kaiserlien Hof.» In:
Sueton, a.a.O. (45,1), S. 87.
50 Sueton, a.a.O. (47,3), S. 91.
51 Ebd. (48,1), S. 91ff.
52 Ebd. (49,3–4), S. 95ff.

DIE HELLEBARDIERE DES PAPSTES


1 Zit. na: Discepoli di Verità: Ihr habt getötet. Der Matkampf der Logen im Vatikan, Berlin 2003,
S. 233.
2 Im Anhang des Bues findet si eine alphabetise Liste aller erwähnten Päpste mit Lebensdaten,
bürgerliem Namen und Angaben zur Dauer des Pontifikats.
3 Im Homielalter zur Wiederbevölkerung verödeter ländlier Gebiete erritete Gutshaus-
Festungen.
4 Giuseppe Gioaino Belli (1791–1863) war einer der bedeutendsten italienisen Diter des
19.  Jahrhunderts. Mit seinen 2279 im römisen Dialekt Romanesco verfaten Soneen (32.208
Verse) setzte er «dem gemeinen Volk von Rom ein Denkmal». Er suf ein Porträt der Stadt, ihrer
Bewohner, ihrer privaten und öffentlien Sien und Bräue und nit zuletzt ihrer Päpste.
5 Übersetzt von Geraldine Gabor und Ernst-Jürgen Dreyer.
6 Ohne die finanzielle Hilfe der Augsburger Jakob und Ulri Fugger wäre die Gründung der
Sweizergarde nit mögli gewesen.
7 1496/97 stellte Karl VIII. von Frankrei als persönlie Leibgarde und Palastwae aus Sweizer
Legionären die Compagnie des Cent Guardes Suisses ordinaires du Corps du Roi auf.
8 Der Sacco di Roma, die Plünderung Roms am 6.  Mai  1527 dur deutse Landsknete und
spanise Söldner, fand in einer Pause des Krieges zwisen Karl V., dem König von Spanien und
deutsem Kaiser, und Franz  I. von Frankrei sta – mit Duldung Karls, weil diesem die Miel
fehlten, seine Soldaten zu bezahlen.
9 «Hier hae ein braver Handwerker seine Werksta nebst unvergiertem Fenster in die Mauer
gebaut, was die Kontrolleure bei ihren oberflälien Inspektionen slit übersehen haen. Bei
den Aaen auf diesen Swapunkt und an anderen, kaum beer gesützten Stellen warfen
si den Angreifern nur swae Kräe entgegen» (Volker Reinhardt: Gesite Roms. Von der
Antike bis zur Gegenwart, Münen 2008, S. 68f.).
10 1835–1907, italieniser Diter (von manen «Nationalditer» genannt), Redner und
Literaturhistoriker.
11 Übersetzt von Geraldine Gabor und Ernst-Jürgen Dreyer.
12 Ital. Quelle: R. Ugolini: Perugia 1859: l’ordine di saceggio. In: Raegna storica del Risorgimento,
LIX-1972, fsc. III, luglio-seembre, S. 357.
13 Zit na: hp://www.verfaungen.eu/va/lateranvertrag1929.htm.
14 Ebd.
15 Stendhal (Henri Beyle): Wanderungen in Rom. Deuts auf der Grundlage der Übertragung von
Friedri von Oppeln-Bronikowski und Ernst Diez von Bernhard Frank, Berlin 1982, S. 233.
16 Das Gendarmeriekorps der Vatikanstadt, das im Vatikanstaat die Funktionen einer Staats-, Justiz-
und Verkehrspolizei ausübt. Das heute zwisen 130 und 150 Mann starke Korps ist aus der alten
Päpstlien Gendarmerie entstanden, die 1970 von Papst Paul VI. in eine zivile Polizeieinheit – die
Vigilanza (Corpo di Vigilanza dello Stato della Città del Vaticano) – umgewandelt wurde. 2002
wurde die Vigilanza von Johannes Paul II. in «Gendarmeriekorps» rübenannt.
17 Zit. na Discepoli, a.a.O., S. 20.
18 Alle Zitate des Bulletins na Discepoli, a.a.O., S. 101–107.
19 Ebd., S. 93f.
20 Ebd., S. 95.
21 Obra de Dios ist der spanise Name der 1928 in Madrid von Josemaría Escrivá grgründeten
katholisen Laienorganisation Opus Dei (vgl. Kap. XVI).
22 Discepoli, a.a.O., S. 194f.

KREUZ UND SCHWERT


1 Hadrian gab den 137 eingeweihten Bau in Aurag, um in der Kultgemeinsa der beiden
Göinnen zwei Überlieferungtränge zu vereinigen, die gleierweise den Ewigkeitsanspru
Roms begründeten: den römisen und den trojanisen.
2 Dante Alighieri: Die Göttlie Komödie (Hölle, XIX,115–117). Übersetzt von Hermann Gmelin,
Stugart 2007, S. 75.
3 Die 313 zwisen Konstantin als Kaiser des Westens und Licinius (um 265–325), dem Kaiser des
Ostens, getroffene Mailänder Vereinbarung, die den Christen «als au überhaupt allen Mensen
freie Vollmat» gewährte, «der Religion anzuhängen, die ein jeder für si wählt».
4 Mit Licinius zerstri si Konstatin 314 und slug ihn 324 in einer Slat bei Adrianopel.
5 «Unbesiegter Sonnengo», häufig ungenau übersetzt als «unbesiegbarer Sonnengo», ist der
antike römise Sonnengo.
6 Corrado Augias: Die Geheimnisse Roms. Eine andere Gesite der Ewigen Stadt, Berlin 2009.
7 Die Legende besagt weiter, da Dionysius in der Zeit der Christenverfolgungen um das Jahr 249
auf dem Montmartre enthauptet wurde, seinen Kopf aufnahm und bis zum Standort der heutigen
Kire wanderte, wo er tot zusammenbra und bestaet wurde.
8 Damit war die Basis für die enge Verbindung des römisen Papsums mit dem fränkisen
Königshaus gelegt. Auf diesem Fundament wurde später das römis-deutse Kaiserrei erritet.
9 Im Mielalter wurden die an der adriatisen Küste gelegenen Städte Rimini, Ancona, Fano, Pesaro
und Senigallia und die fünf witigsten Küstenstädte an der apulisen Adria Pentapolis genannt.
10 Der Investiturstreit war im mielalterlien Europa der Höhepunkt des politisen Konflikts
zwisen geistlier und weltlier Mat um die Amtseinsetzung von Geistlien (Investitur).
Datiert wird der Investiturstreit im Allgemeinen in die Jahre ab 1076 (Reitstag von Worms) bis
zur Kompromilösung im Jahre 1122 mit dem Wormser Konkordat.
11 Na Papst Gregor VII. benannte kirlie Reformbewegung des 11. und 12. Jahrhunderts, die auf
den als Gegenentwurf zur Simonie, Priesterehe (Nikolaitismus) und Laieninvestitur entstandenen
Dictatus Papae (1075) zurügeht. Mit der Herauslösung der Kurie aus der Abhängigkeit von
weltlien Gewalten und der Stärkung des Papsums verlor sie Anfang des 12.  Jahrhunderts an
Wirkung.
12 Trotz aller Einwände konnten si Gregor und seine Nafolger auf lange Sit mit ihren
kirlien Forderungen dursetzen. Das Erste Vatikanise Konzil (1870) erhob den Lehr- und
Jurisdiktionsprimat des Papstes zum Dogma.
13 Ferdinand Gregorovius: Gesite der Stadt Rom im Mittelalter vom V. bis XVI. Jahrhundert (X,3),
neu hg. von Waldemar Kampf, Darmstadt 1957, Bd.  II, S.  519f. Gregorovius (1821–1891) war ein
ungewöhnlier deutser Historiker, der lange in Rom lebte und dort über ein Netzwerk
ausgezeineter Kontakte verfügte, deen literariser Stil si aber deutli von seinen
zeitgenöisen Historiker-Kollegen absetzte. Da er au keine offizielle akademise Position
innehae, gab es lange Swierigkeiten, sein Werk einzuordnen. Seine Gesite der Stadt Rom im
Mittelalter gilt inzwisen als Klaiker der Literatur über die Renaiance.
14 «Und als i manen dort erkennen konnte,/ Sah und erkannte i den Saen deen,/ Der feig
die große Weigerung begangen.» Dante, a.a.O., S. 16.
15 Gregorovius zufolge ließen die Cölestinermöne Cölestins Sisal als das eines Märtyrers und
Bonifaz als Mörder erseinen und verbreiteten die «dunkelsten Gerüte; man zeigte sogar als
Reliquie einen Nagel, weler auf Befehl des Papstes in das suldlose Haupt seines Gefangenen
sollte geslagen sein». Gregorovius, a.a.O., S. 520.
16 Ebd., S. 530f.
17 «Grad in der Mie unsrer Lebensreise …» Dante (1. Gesang der Hölle), a.a.O., S. 7.
18 Gregorovius, a.a.O., S. 533.
19 Ebd., S. 546.
20 Dante, a.a.O., S. 198.
21 Ebd., S. 368.
22 Den Spaniern wurden mit Inter caetera die Rete an den neuen Ländern in Amerika «gesenkt»,
denen sie den katholisen Glauben bringen sollten.
23 Wer das Land regierte, sollte den Glauben bestimmen. Die Formel «cuius regio, eius religio» führte
der Greifswalder Jurist Joaim Stephani 1576 ein. Es bedeutete die Freiheit der Fürsten, ihre
Religion zu wählen. Den Untertanen, die nit konvertieren wollten, wurde ledigli das «Ret»
eingeräumt, in ein Territorium ihres Glaubens auszuwandern.
24 Guicciardini, a.a.O. Erster Band, Darmstadt 1843, S. 514.
25 Antonio Gramsci: Gefängnishee, Bd.  3. Hg. von Klaus Bomann und Wolfgang Fritz Haug.
Versiedene, nit einzeln ausgewiesene Übersetzer, Hamburg/Berlin 1992, S.  533f. Der in eige
Klammern gesetzte Texeil fehlt in der deutsen Ausgabe.
26 Zit. na: hp://www.verfaungen.eu/it/ital48-i.htm.
DER PREIS DES RUHMS
1 Ein Effekt, der si heute no beim plötzlien Auauen der Fontana di Trevi einstellt. Der
Petersplatz war ursprüngli von den Gebäuden des umliegenden Viertels «abgesloen». Mit der
Öffnung der Via della Conciliazione – von Muolini geplant, aber erst 1950 fertiggestellt – wurde
anstelle der alten sog. Spina di Borgo, der Häuserreihe zwisen den auf den Petersdom
zuführenden smalen Straßen Borgo Vecio und Borgo Nuovo, eine breite Zufahrttraße zur
vatikanisen Basilika angelegt, die den Bli auf die Kuppel der Peterskire son von weitem
freigibt.
2 Die Spina (lat. Stael, Dorn) bezeinet die milere Trennlinie, -sranke oder -mauer im antiken
Circus.
3 Die Bibel. Einheitsübersetzung. Altes und Neues Testament. Freiburg/Basel/Wien 1980, S. 1258.
4 Ammianus Marcellinus: Römise Gesite (XXXI). Übersetzt von Dr. Ludwig Troß und Dr. Carl
Büele, Stugart 1853, S. 690f.
5 eodosius lehnte als Kaiser übrigens endgültig den Titel Pontifex maximus ab, da er der höste
Titel der heidnis-altrömisen Religion gewesen war.
6 Nikolaus  V. wollte «sein vatikanises Befestigungystem mit einem Umbau der Leonina genial
vereinigen. Dieser verroete Borgo sollte zu einer riesigen Papststadt werden» (Gregorovius, a.a.O.
Bd. III, S. 298).
7 Übersetzt von Geraldine Gabor und Ernst-Jürgen Dreyer.
8 Gregorovius, a.a.O. Bd. III, S. 62.
9 Vom «wankenden Sankt Peter» sprit Gregorovius, und: «Die alte Basilika drohte damals in ihrer
nördlien Seite, wele auf den Fundamenten des Circus Caligulas ruhte, zu weien und zeigte
bedenklie Rie; dies war für Nikolaus ein Vorwand seines kühnen [Neubau-]Plans, aber er
begann den Umbau keineswegs an der bedrohten Stelle, die sogar no lange stehen blieb, sondern
am Chor» (ebd., S. 295 und 299f.).
10 Von lat. nepos (Genitiv nepotis) für Enkel oder Neffe (ital. nipote) stammt der Begriff Nepotismus,
au: Veernwirtsa.
11 Na Vergils Aeneis soll Aeneas, als er die Opferung Laokoons erleben mute, erkannt haben, da
die Stadt verloren war, und aus Troja geflohen sein, um in Italien das römise Volk zu begründen.
Der Tod Laokoons wäre somit gleisam das Gründungsopfer der Ewigen Stadt. Das Epos, an dem
Vergil zwisen 29 v. Chr. und seinem Tod 19 v. Chr. arbeitete, besteht aus zwölf Büern mit
10.000 hexametrisen Versen.
12 «Seinen Biographen zufolge entwarf Mielangelo ein geniales Gerüst, das als sein erster Bauplan
gilt … Als Stütze für die Brüe verwendete er sogenannte ‹sorgozzoni›, eine Konstruktion aus
Holzbalken, die in Florenz zur Abstützung von Vorbauten weit verbreitet war und aus einem
horizontalen und einem srägen Balken bestand, die beide mit der dahinter liegenden Wand
verbunden wurden. Auf diese Weise konnte er den zu überbrüenden Abstand von 14  Metern
(über dem ersten Gesims ist das Gewölbe breiter) auf ca. 7 Meter reduzieren und die Arbeitsbühne
als normalen Holzbinder ausführen» (Antonio Forcellino: Mielangelo. Eine Biographie. Übersetzt
von Petra Kaiser, Martina Kempter und Sigrid Vagt, Münen 2006, S. 115).
13 Praktis eine uneingesränkte Vollmat. Ein motu proprio (lat. «(aus) eigenem Beweggrund»,
sinngemäß: «selbst veranlat») ist ein Apostolises Sreiben des Papstes, das ohne förmlies
Ansuen anderer ergangen ist und vom Papst persönli entsieden wurde. «Mit der
Bezeinung motu proprio ist der in Latein formulierte Text als eine Entseidung hervorgehoben,
die der Papst aus eigenem Antrieb verfat und mit unabänderliem Inhalt versehen hat» (Horst
Bredekamp: Mielangelo. Fünf Eays, Berlin 2009, S. 59).
14 Übersetzt von Geraldine Gabor und Ernst-Jürgen Dreyer.
15 Die altrömise Libra (lat.: Pfund, Waage) entspra 327  Gramm. Unter Karl dem Großen wurde
das Gewit auf 406 Gramm festgesetzt.
16 ese 86, zit. na hp://www.ekd.de/glauben/95_thesen.html.
17 Grie. καθoλικóζ (katholikos) bedeutet «das Ganze betreffend, allgemein gültig».
18 Seit der Titel Heinri  VIII. 1521 von Papst Leo  X. in Anerkennung des Bues Assertio Septem
Sacramentorum (Verteidigung der Sieben Sakramente) verliehen wurde, ist dies der offizielle Titel
der englisen Monaren. Gesrieben haen es Heinri und (ungenannt) omas Morus zur
Verteidigung des sakramentalen Charakters der Ehe und der Vorrangstellung des Papstes. Es wurde
als witige Gegenmaßnahme zu den Anfängen der Reformation und besonders den Vorstellungen
Martin Luthers gesehen. Als der Tudorkönig mit Rom bra und si selbst zum Oberhaupt der
Chur of England mate, wurde Heinri der Titel von Papst Paul  III. allerdings wieder
aberkannt.
19 Sforza Pallavicino (1607–1667) erhielt 1652 von Papst Innozenz den Aurag, eine Gesite des
Konzils zu sreiben, mit der ein Gegengewit zu der in dieser Zeit tonangebenden Darstellung
Istoria del concilio Tridentino von Paolo Sarpi (1552–1623) gesaffen werden sollte. Sarpi hae den
Naweis zu erbringen versut, da die Wiedervereinigung der Protestanten mit der katholisen
Kire beim Konzil von Trient nur dur die Intrigen der Kurie verhindert worden sei.

KIRCHE OHNE STIMME


1 Die Organisation Propaganda Due (P2) war eine italienise Freimaurerloge, die in den 1970er
Jahren zur Tarnung einer politisen Geheimorganisation zweentfremdet wurde. 1887 unter dem
Namen Propaganda Masonica in Rom als freimaurerises Gegenstü zur Kurienkongregation
Propaganda Fide gegründet, wurde sie während des Fasismus verboten und 1944 als zweite Loge
des Grande Oriente d’Italia als Propaganda Due neu gegründet. 1972 beslo der Großlogentag
des Grande Oriente d’Italia den Aulu, der 1974 wirksam wurde. Bei der Untersuung der
Aktivitäten der P2 wurde 1981 bekannt, da unter maßgeblier Beteiligung von Licio Gelli ein
konspiratives Netzwerk aus Führungspersonen der Polizei, des Militärs, der Wirtsa, der Politik,
der Mafia und der Geheimdienste gesaffen worden war. Es bestand der begründete Verdat, da
die P2 Pläne für einen Staattrei entwielt und bei einigen spektakulären Terroranslägen der
siebziger Jahre die Finger im Spiel hae, was si später teilweise bestätigte. Die P2 wurde 1982
aufgelöst und verboten. Dazu au Kap. XI.
2 Der Apostel Paulus wurde um 67 am Platz der späteren Kire S. Paolo alle tre Fontane an der Via
Laurentina als römiser Bürger mit dem Swert enthauptet und vor den Mauern Roms an der
Straße na Ostia beigesetzt. Die Stäe blieb bekannt und verehrt.
3 Das Grabmal zeigt den marmornen Pius VII. nit triumphierend, sondern segnend. «Ein Verzit
auf die Aribute der Mat stand dem Papst, der in Napoleons Gefängnien gesmatet hae,
wohl an. Für die konservativen Kardinäle hingegen war die Statue zu ‹protestantis›» (Reinhardt,
Gesite Roms, a.a.O., S. 103).
4 Diese Kopie des 19. Jahrhunderts übernimmt das ema eines Apsismosaiks, das Papst Honorius III.
1220 von byzantinis-venezianisen Künstlern ausführen ließ: «den als Pantokrator zwisen den
Aposteln Petrus und Paulus, Paulus und Lukas thronenden Christus. In einer smalen unteren
Zone der Halbkuppel erseinen zu Seiten eines Gemmenkreuzes Apostel und Engel, deren
Sribänder das Gloria verkünden. Von der Kra der Farbe und des Ausdrus des verlorenen
Urbildes zeugen Brustüe, die über der Sakristeitür in die Wand gesetzt wurden» (Anton Henze
et al., Rom und Latium. Kunstdenkmäler und Museen, Stugart 1981, S. 256f.).
5 Er selbst nannte si so im Brief an die Römer 11,13.
6 Die Bibel, a.a.O., S. 1268.
7 Ebd., S. 1231.
8 Ebd., S. 1303.
9 Ebd., S. 1287f.
10 Der Begriff volontariato steht für die in Italien fast unzähligen Freiwilligen und Ehrenamtlien.
11 Ursprüngli hieß er Iacobus de Benedictis und war Advokat. Der plötzlie Unfalltod seiner
jungen Frau soll sein Leben vollkommen dureinandergebrat haben. Er gab seinen Beruf auf
und lebte fortan in den Straßen seiner Heimatstadt Todi als armer Büßer. So erzählt es eine
Lebensbesreibung, die allerdings erst viel später entstand. Seine drastisen Verhaltensweisen
braten ihm den Sponamen «Iacopone» (etwa: «verrüter Jakob») ein.
12 Don Lorenzo Milani (1923–1967) war italieniser Priester und Erzieher, bedeutender
Reformpädagoge.
13 Lat. a divinis – von Go her; latae sententiae bezeinet eine Tatstrafe, bei der die Suspendierung
bzw. Exkommunikation automatis bei der Tat eintri, also: im Wiederholungsfalle mit sofortiger
Wirkung.
14 Die Laisierung ist in der römis-katholisen Kire die kirenretlie Auetzung der Rete
und Pfliten eines Klerikers.
15 Die lat. Formel possumus im Titel des offenen Briefes («wir können») ist die Umkehrung der
Weigerungsformel der römisen Kurie gegenüber der weltlien Mat: non possumus («wir
können nit»). Eine Art «Yes, we can!».

GENIES UND RIVALEN


1 Die antike Seitelstraße, die snurgerade über den Rüen des Quirinals verläu und si
außerhalb der Stadtmauern als Via Nomentana in Ritung Sabinergebirge fortsetzt.
2 Aelius Spartianus als angeblier Verfaer einer Vita des Hadrian ist einer von ses
höstwahrseinli fiktiven Autoren der in der Historia Augusta (lat. Kaisergesite,
wahrseinli um 300 verfat) gesammelten 30 Biographien römiser Kaiser.
3 Optiser Eindru und Konstruktion sind nit identis. Lt. Henze, a.a.O., S.  148 vermutet der
Besuer «auf den ersten Bli … eine flae Ellipse als Mie des Grundries; tatsäli jedo
handelt es si um einen gestreten Rhombus, deen spitze Winkel mit Kreis- und die flaen mit
Ellipsensegmenten gerundet werden».
4 Das war beim Abslu der Bauarbeiten zum Palazzo di Propaganda Fide, ursprüngli Sitz der
Kongregation zur Verbreitung des Glaubens («de propaganda fide»), heute des Jesuitenkollegs der
Vatikanstadt. Dem urprüngli als Aritekt eingesetzten Bernini wurde 1644 der Aurag entzogen;
an seiner Stelle wurde Borromini berufen, der dort 1660 na langem Hin und Her die 1634 von
Bernini erritete kleine Cappella dei Re Magi abreißen und neu erriten ließ. Dies praktis unter
den Fenstern von Berninis Wohnhaus. Angesits dieser Beleidigung soll Bernini an einer der
Konsolen seines Balkons zur Antwort einen Priapus angebrat haben (vgl. Paolo Portoghesi:
Borromini und die Hauptakteure des Baro. In: Riard Bösel/Christoph Luitpold Frommel (Hg.):
Borromini. Aritekt im baroen Rom, Mailand 2000, S. 85). Au Borrominis Rolle als Mitglied
der Baukommiion, die den Abbru von Berninis Kampanile am Petersdom beslo, hat nit
gerade zu einem beeren Verhältnis der beiden Künstler beigetragen.
5 «Als die eigentlien Vorläufer der Freimaurerei gelten … heute in der freimaurerisen Forsung
die handwerklien Brudersaen, auf deren Brautum sehr viel maurerises Gedankengut
zurügeführt werden kann, und die Bauhüen, die überall entstanden, wo Dome gebaut wurden.
Sie setzten si aus Mitgliedern des Steinmetzstandes zusammen, nahmen aber au Maurer und
Deer auf. Während der Reformation wurde den Bauhüen der Vorwurf gemat, sie würden
geheime Zusammenküne abhalten und die Gesetze des Staates und der Kire miaten»
(Helmut Reinalter: Die Freimaurer, Münen 2006 (2000), S. 11).
6 Riard Bösel empfiehlt im Zusammenhang mit Borrominis spanisen Halskrausen und seiner
bevorzugten Farbe Swarz Vorsit beim Hineinlesen einer politisen Bedeutung in den
Kleidungtil: «Vor allem die Farbe Swarz war nit auf die spanise Welt besränkt.
Konservative Herren sowohl in protestantis wie au in katholis dominierten Ländern
begannen in der zweiten Häle des 17.  Jahrhunderts damit, auließli Swarz zu tragen.
Ursprüngli aus Burgund stammend, war die Vorliebe für Swarz bald nit mehr an
irgendwele politise Lager gebunden, sondern ein Phänomen, das man ‹Farbgleiheit bei
Feinden› genannt hat. Swarz wurde ebenso häufig in Staaten getragen, die mit Spanien im
Konflikt lagen, wie etwa in den Niederlanden und im puritanisen England, wie in solen
Ländern, die unter spanisem Einflu standen, wie z.B. Neapel oder Mailand. Swarz vermielte
Würde und Ernsthaigkeit auf einer hohen sozialen Ebene der Gesellsa. (…) Do sollte
Swarz au die Farbe der Melanoliker werden» (Riard Bösel: Einführung in die Autellung.
In: Bösel/Frommel, Borromini, a.a.O., S. 27).
7 I promessi sposi von Aleandro Manzoni (1785–1873), dt. unter dem Titel Die Brautleute oder Die
Verlobten ersienen.
8 Giovanni Pietro Aloisio Sante da Palestrina, Komponist und Erneuerer der Kirenmusik (1514/15
oder 1524/25/29–1594).
9 Der hl. Filippo Neri, für den Borromini u.a. das Oratorium baute, hae mit seiner Frömmigkeit
Mensen aus allen Siten angezogen, vor allem aber aus Adelskreisen. In den Räumlikeiten
von S. Girolamo della Carità veranstaltete er für diese Höflinge Namiage mit Gebet und
frommen Unterhaltungen, die si na und na zu jener paraliturgisen Frömmigkeitsübung
erntwielten, die heute als Oratorium bekannt ist. Die Predigten wurden von Musik unterbroen,
und bald son spielte die Musik die Hauptrolle in den Oratorien (vgl. Bösel/Frommel, Borromini,
a.a.O., S. 355).
10 Na ital. pimpante – «dreist, aufgedreht», wobei die pejorative Endung -accia die
Geringsätzung no steigert.
11 Kirlies Amt, ursprüngli der Armenpfleger, deen Aufgabe in der Verteilung von Almosen an
die Armen und der Verwaltung der dafür vorgesehenen Güter und Gelder bestand.
12 Filippo Baldinucci: Vita des Gio. Lorenzo Bernini. Mit Übersetzung und Kommentar von Alois
Riegl, Wien 1912, S. 127.
13 Nicola Zingarelli (1860–1935), ital. Philologe und Lexikograph, der 1922 in Mailand erstmals ein
Vocabolario della lingua italiana (Wörterbu der ital. Sprae) veröffentlite, eine Art Duden, der
seither regelmäßig über arbeitet und aktualisiert wird. Eines der Standardwerke unter den
einspraigen italienisen Wörterbüern, kurz der Zingarelli genannt.

DER QUIRINAL
1 1989 in der Libreria dello Stato ersienen
2 Der fast 60 Jahre andauernde Konflikt um den Status Roms als italieniser Hauptstadt einerseits
und andererseits den staatsretlien Status des Vatikans im Hinbli auf Rom na der Einnahme
des verbliebenen Kirenstaates dur italienise Truppen am 20.  September  1870 und deen
Integration 1861 in den bestehenden Nationalstaat Italien.
3 Dt. «Wiedergeburt/Wiedererstehung»; politis-soziale Bewegung im Italien des 19. Jahrhunderts,
die für einen Nationalstaat kämpe. Held dieser Bewegung war Giuseppe Garibaldi, deen
Anhänger die Garibaldini genannt wurden.
4 Katholis geprägte politise Bewegung im Italien des 19.  Jahrhunderts, deren Vorreiter der
Politiker und Philosoph Vincenzo Gioberti (1801–1852) war.
5 August Bernhard Hasler: Wie der Papst unfehlbar wurde. Mat und Ohnmat eines Dogmas,
Münen/Züri 1979, S. 241.
6 Unter anderem wurde den Katholiken die aktive und paive Teilnahme an demokratisen Wahlen
verboten.

GRÄBER DER POLITIK


1 Abt Luigi Cesare Vanini, ein von Christina geförderter Diter, war «von nit geringer Herkun,
aber sleten Eigensaen und treffli eingebildet» (zit. na Franenstein: Leben der
swedisen Königin Christina und ihres Hofes, Rom 1705, S. 262). Der Geistlie, der in dem Ruf
stand, ein großer Verführer zu sein, vergewaltigte, während Christina im Sterben lag, ihren
Sützling Angelica Quadrelli (vgl. Veronica Buley: Christina Königin von Sweden. Das
rastlose Leben einer europäisen Exzentrikerin. Aus dem Englisen von Xenia Osthelder,
Frankfurt a. Main 2005, S. 514ff.
2 Ebd., S. 528.
3 Med. lat. Caput galeatum ist das Phänomen eines mit der Frutblase (also Amnion und Chorion)
über Kopf, Gesit oder Körper geborenen Kindes.
4 Discours de la méthode pour bien conduire sa raison, et erer la verité dans les sciences
(Abhandlung über die Methode des ritigen Vernungebraus und der wiensalien
Wahrheitsforsung).
5 eodor Ebert: Der rätselhae Tod des René Descartes, Asaffenburg 2009.
6 Ebd., S. 52.
7 «In der Renaiance war es ein vor allem bei den Mathabern o angewandtes Tötungsmiel.
Bekannt sind die Gimorde der Borgia, des Papstes Alexander VI. sowie Cesare Borgias mit Hilfe
von Arsenik. Der Papst Alexander  VI. düre au selbst dur dieses Gi umgekommen sein.»
Ebd., S. 69f.
8 Au bezeinet als: aristocrazia di cappa oder di tonaca – «Mantelaristokratie» oder
«Talararistokratie», um den weltlien Adel von dem zu unterseiden, der seine Titel vom Papst
erhalten hae.
9 Reier Jude aus bibliser Zeit, vielleit ein Mitglied des Sanhedrins (altjüdises Gerit in
Jerusalem), der zum Jünger Jesu geworden war, dies aus Furt aber geheim hielt.
10 Im Mielalter wurde in England der strafretli nit besränkte Habefehl des Königs mit den
lat. Worten «Habeas corpus …» («Du habest den Körper…») eingeleitet. Mit dem Habeas Corpus
Amendment Act von 1679 erhielten die Angeklagten das Ret auf Haprüfungsverfahren.
11 Meist kurz als Magna Carta bezeinet: Vereinbarung Johann Ohnelands mit dem revoltierenden
englisen Adel, die als witigste verfaungsretlie Retsquelle Englands gilt und in der
grundlegende politise Freiheiten des Adels gegenüber dem englisen König verbrie wurden.

RÄTSELHAFTE KRIEGERMÖNCHE
1 François-René de Chateaubriand: Erinnerungen (Memoires d’outre-tombe). Herausgegeben, neu
übertragen und mit einem Nawort von Sigrid von Maenba, Münen 1968, S. 533.
2 Enrico Guazzoni (1876–1949), Spezialist für Historien- und Sandalenfilme; Carlo Ludovico Bragaglia
(1894–1998), Bruder des Futuristen Anton Giulio Bragaglia (1890–1960), drehte 1957 La
Gerusalemme liberata, frei na Torquato Tao.
3 Chateaubriand, Erinnerungen, a.a.O., S. 516.
4 Dt. Ariost (1474–1533), großer italieniser Humanist, Militär, Höfling und Autor. Sein Versepos
Orlando furioso (Der rasende Roland), einer der witigsten Texte der italienisen Literatur,
wurde in ganz Europa begeistert rezipiert.
5 Fuler von Chartes: Historia hierosolymitana, I, 3, 7, R. H. C., Hist. occ,. Bd. III, S. 324; dt. Historia
Hierosolymitana (1095–1127), hg. von H. Hagenmeier, Heidelberg 1913, Bu I, 3, 7.
6 Jakob von Vitry: Historia Hierosolymitana, zit. von M. Melville: La vie des templiers, Paris 1951,
S.  18f. Dt. zit. na Alain Demurger: Die Templer. Aufstieg und Untergang 1120–1314, Münen
2007 (1991), S. 17.
7 Das Tatzenkreuz symbolisiert das Leiden Christi, die Farbe Rot das von Christus vergoene Blut,
ist aber au ein Symbol des Lebens.
8 Vgl. dazu Demurger, a.a.O., S.  116f.: «Die siitise Sekte der Ismaeliter teilte si in einen
persisen Zweig mit Sitz in el-Alamuth südli des Kaspisen Meeres und einen syrisen Zweig
im Gebirgszug der Aainen. Ein Oberhaupt mit starker Autorität, der ‹Alte vom Berge›, leitete
diese mystise Sekte; ihre reinsten und zuverläigsten Mitglieder wurden Aainen genannt,
weil sie si für bestimmte Aktionen mit Hasis [franz. hai] berausten. Das Wort setzte
si dur und nahm im Französisen deswegen seinen heutigen Sinn an [assassin = Mörder], weil
die bevorzugte Aktionsmethode des ‹Alten› und der fanatisierten Gläubigen, die ihm gehorten,
der terroristise Meuelmord war.»
9 Im Londoner Imperial War Museum kann man no heute den Lorbeerkranz aus Bronze
bewundern, den Lawrence von Arabien damals als Trophäe vom Grab des Sultans Salah ad-Din al-
Aiyubi entwendet hat.
10 Dante, a.a.O., S. 75.
11 Z.B. dur Verringerung des Edelmetallgehaltes neu geslagener Münzen oder Entwertungen
älterer Münzen.
12 Zit. na Demurger, a.a.O., S. 242.
13 Zit. na Alain Demurger: Der letzte Templer. Leben und Sterben des Großmeisters Jacques de
Molay, Münen 2005 (2004), S. 271.
14 Vgl. ebd., S. 250.
15 Vgl. ebd. Demurger zitiert hier seinerseits: L. Harff-Lancner und M. N. Polino, Le gouffre de satalie:
survivance médiévale du mythe de Méduse. Le Moyen Age XCIV (1988), S. 100.

DAS UNRUHIGE HEER DES PAPSTES


1 Aloisius von Gonzaga (1568–1591), eigentli Luigi Gonzaga, war ein Jesuit, der mit 23. Jahren bei
einer Pestepidemie in Rom starb. 1605, nur 14 Jahre na seinem Tod, wurde er dur Papst Paul V.
seliggesproen. 1726 wurde er gemeinsam mit Stanislaus Kostka dur Papst Benedikt  XIII.
heiliggesproen.
2 Au auf der offiziellen deutsen Website der Jesuiten www.jesuiten.de/ sind in der Rubrik
Profil/Fakten ähnlie Beispiele für Jesuitenwitze in deutser Sprae zusammengestellt.
3 Cherubini und Zingarelli sind dem deutsen Duden vergleibare italienise Wörterbüer.
4 Blaise Pascal: Briefe in die Provinz. In: Blaise Pascal: Werke III. Heidelberger Ausgabe. Hg. Karl
August O. Übersetzt, eingeleitet und kommentiert von Karl August O., Heidelberg 1990, S. 208f.
GOTTES BANKIERS
1 Jg.  1924, bedeutender Journalist und Sristeller, ehem. Chefredakteur des Woenmagazins
L’Espreo, Gründer und ehem. Chefredakteur der Tageszeitung La Repubblica.
2 Die Bibel, a.a.O., S. 1088.
3 Wörtl. «Reumütige», so werden vom Clan abgefallene Mafiosi bezeinet, die als «Kollaborateure»
und Kronzeugen mit den Justizbehörden zusammenarbeiten.
4 Der 1939 geborene Jurist war eine Symbolfigur im Kampf gegen die Mafia. Er wurde 1982
gemeinsam mit seiner Ehefrau (au sie Riterin) und drei Leibwätern dur eine Bombe
getötet.
5 Zit. na: Gianluigi Nuzzi: VATIKAN AG. Ein Geheimariv enthüllt die Wahrheit über die
Finanz- und Politskandale der Kire. Aus dem Italienisen von Friederike Hausmann, Petra
Kaiser und Rita Seuß, Salzburg 2009 (2010), S. 57. Dort ist das Dokument vollständig veröffentlit.
6 2000 Lire entspraen bei der Einführung des Euro ungefähr 1 .
7 Der im Februar 1987 von der Mailänder Staatsanwaltsa erlaene Habefehl gegen Marcinkus
führte ledigli dazu, da er zeitweise den Vatikan nit verlaen konnte.
8 Etwa: Riesensmiergeldkomplo.
9 Von ital. tangente – «Smiergeld/Besteungsgeld». Ein Skandal von enormen Ausmaßen, der
1992 ausbra, ein fläendeendes System illegaler Parteienfinanzierung aufdete und das
gesamte politise System Italiens zum Einsturz brate.
10 Nuzzi, a.a.O., S. 134.
11 Arnaldo Forlani, geb. 1929, führender Politiker der italienisen Christdemokraten, mehrfa
Minister. Bettino Craxi, 1934–2000, führender Politiker der Sozialistisen Partei Italiens und
Ministerpräsident. 1994 na Tunesien geflütet, in Italien in Abwesenheit zu insgesamt mehr als
28.  Jahren Hastrafe verurteilt. Im Exil in Hammamed gestorben. Umberto Bossi, geb. 1941,
Vorsitzender der norditalienisen Partei Lega Nord, mehrfa Minister unter Ministerpräsident
Berlusconi. Gianni De Mielis, geb. 1940, Politiker der Sozialistisen Partei Italiens, mehrfa
Minister, Außenminister in der Regierung Craxi. Giorgio La Malfa, geb. 1939, Politiker, zunäst in
der Republikanisen Partei, später in Berlusconis Forza Italia, mehrfa Minister. Paolo Cirino
Pomicino, geb. 1939, Politiker zunäst der Christdemokratisen Partei, später in versiedenen,
den Democristiani nahestehenden Parteien.

DIE GÖTTLICHE KAPELLE


1 Der Name kommt von ital. al fresco, affresco = wörtl. «ins Frise».
2 Giorgio Vasari: Das Leben des Mielangelo. Neu übersetzt von Victoria Lorini. Herausgegegeben,
kommentiert und eingeleitet von Caroline Grabbert, Berlin 2009, S. 74.
3 Zitiert na: Volker Reinhardt: Der Göttlie. Das Leben des Mielangelo. Münen 2010, S. 106.
4 Ebd., S. 109.
5 Ascanio Condivi: Das Leben des Mielangelo Buonarroti, in der Übersetzung von Robert Diehl,
Leipzig 1940, S. 14.
6 Ebd., S. 46.
7 Ebd., S. 47.
8 Die Bibel, a.a.O., S. 1097.
9 Zit. na: hp://www.vatican.va/arive/DEU0035/_PS.HTM.
10 Gregorovius, a.a.O., Bd. I, S. 584.
11 Ebd., S. 594.
12 Ebd.
13 Ebd., S. 596.
14 Zit. na Gregorovius, ebd., S. 623.
15 Ebd., Bd. II, S. 108.
16 Augias rekurriert hier auf Giancarlo Zizola: Il conclave, storia e segreti: l’elezione papale da san
Pietro a Giovanni Paolo II, Roma 2005.
17 Dante, a.a.O., S. 16. Vgl. Kap. III.
18 Gregorovius, a.a.O., Bd. III, S. 434.
19 Ebd., S. 460.
20 Ebd., S. 465f.
21 Zit. na: ebd., S. 468.
22 1520 im Brief Luthers an Papst Leo  X. (Übersetzung: Fidel Rädle). Zit. na: Martin Luther.
Lateinis-Deutse Studienausgabe, Bd.  2. Hg. und eingeleitet von Johannes Silling, Leipzig
2006, S. 107 und 109.

16. OKTOBER 1943
1 Giacomo Debenedei: Am 16.  Oktober  1943. Eine Chronik. Aus dem Italienisen übersetzt von
Lieseloe Kienberger, Berlin 1993, S. 15f.
2 Im Original deuts.
3 Akten zur deutsen auswärtigen Politik 1918–1945, Serie E, Bd.  7, S.  85 (zit na MiaelF.
Feldkamp: Pius XII. und Deutsland, Göingen 2000, S. 150).
4 Ebd., S. 130f.
5 «Die Interalliierte Erklärung zur Vernitung der Juden 1942» wurde von den zwölf alliierten
Regierungen von Belgien, Großbritannien, den Niederlanden, Grieenland, Luxemburg,
Norwegen, Polen, USA, Sowjetunion, Tseoslowakei, Jugoslawien und Frankrei verfat.
6 Die Bibel, a.a.O., S. 1119.
7 Die Frauen muten ein gelbes angenähtes Tu tragen. Diese Kennzeinung war bei
Strafandrohung verpflitend.
8 Hans Küng in einer Ansprae zu seinem 75.  Geburtstag  2003 am Institut für Ökumenise
Forsung der Universität Tübingen. In seinem Bu Das Judentum (Münen 2007) hat er diese
ese bekräigt und ausgeführt.
9 eodor Herzl: Briefe u. Tagebüer 3: Zionistises Tagebu 1899–1904, Berlin/Frankfurt/Wien
1985, S. 656f.
10 Na der Absetzung Muolinis setzte der König den politis sehr unerfahrenen Marsall
Badoglio als ersten italienisen Ministerpräsidenten der postfasistisen Zeit ein. Obwohl au
die neue Regierung aus dem Umfeld Muolinis kam, versute sie eine Balance zwisen den
Alliierten und dem Bündnispartner Deutsland und begann gegen den Willen des Königs mit
zaghaen Säuberungen unter den Fasisten. Als die Alliierten ihre Bombenangriffe auf die Städte
forcierten, nahm Badoglio Waffenstillstandsverhandlungen mit ihnen auf. Am 8.  September  1943
wurde der Frontwesel verkündet, allerdings ohne die italienisen Soldaten zu informieren. Die
Deutse Wehrmat slo darauin Rom ein und nahm 800.000 italienise Soldaten gefangen.
11 Bürgsa eines Bürgers des Aufnahmelandes für einen Einwanderer.
12 Deuts: Adressat unbekannt, Hamburg 2002.
13 Aus einem von Weizsäers «Rundbriefen aus Rom», die er von seiner Ankun im Juni 1943 bis zur
Besetzung dur die Alliierten fortlaufend srieb und die unter den Mitgliedern der Familie in
Deutsland rundgereit wurden. Zit. na: Leonidas E. Hill (Hg.): Die Weizsäer-Papiere. 1933–
1950, Frankfurt a. M./Berlin/Wien 1974, S. 341.
14 In einem Brief Weizsäers an seine Muer. Ebd.
15 In einem «Rundbrief» vom 3. März 1944. Ebd., S. 371.
16 Das Originalzitat konnte nit gefunden werden, daher wurde hier aus dem Italienisen
rüübersetzt.
17 Als Rat Line, zu deuts «Raenlinie», bezeineten die amerikanisen Alliierten den Flutweg
vieler führender Nationalsozialisten, SS- und Ustasa-Leute, auf dem diese mit Hilfe vatikaniser
Kreise meist über Südtirol na Rom und von dort aus vor allem in südamerikanise, aber au
arabise Staaten gesleust wurden.

EMANUELA
1 Die Banda della Magliana, benannt na einer Gegend in der römisen Peripherie, ist die einzige
kriminelle Bande mafiöser Struktur, die in Rom je operiert hat, und zwar in den 1970er und 80er
Jahren. Der (Sauspieler und) Regieur Miele Placido erzählt die Gesite der Bande in
seinem Film Romanzo criminale, basierend auf einem Tatsaenroman des Riters Giancarlo De
Cataldo. Die römisen Kriminellen sollen systematis vom italienisen Geheimdienst
unterwandert und au gesützt worden sein. Sie sollen als Provokation gedate Aentate des
reten Terrorismus und Dutzende von politisen Morden ausgeführt haben. Als ab 1989 die
«blutige Faust des italienisen Antikommunismus» (Dirk Sümer) nit mehr gebraut wurde,
habe man die Gangster fallengelaen.
2 Im italienisen Sulsystem gehen die Noten von 0 bis 10, wobei 0 die sleteste und 10 die beste
Note ist. In der Regel jedo wird in Betragen eine 10 gegeben.
3 Das «Gelbe Telefon» war eine Sendung des Autors Corrado Augias im italienisen
Staatsfernsehen RAI, die si mit ungelösten Kriminalfällen befate und versute, sie aufzuklären
oder do zumindest als exemplarise Fälle der Kultur- und Siengesite, manmal au der
politisen Gesite Italiens nazuerzählen. Das «Giallo» rührt von einer in Italien populären
Grosenkrimi-Reihe, deren gelber Einband das arakteristise äußerlie Erkennungsmerkmal
war. Inzwisen wurde Giallo, losgelöst vom fiktionalen Krimigenre, zum Synonym für
unaufgeklärte Fälle und Verbreen.
4 Im Original deuts.
5 Im Original sehr holpriges Italienis.

DAS TRIBUNAL DES GLAUBENS


1 Die Ebene zu Füßen des Vatikanisen Hügels (Mons Vaticanus) zwisen dem Monte Mario
(Mons Marius) im Norden und dem Gianicolo (Mons Janiculus) im Süden wurde in der römisen
Antike als ager vaticanus (vatikanises Feld) bezeinet. In republikaniser Zeit war dies eine
beliebte Gegend für Sommervillen.
2 «Nadem er sein Diadem abgelegt hat, slägt er si auf die Brust dort, wo si der Körper des
Fisers befindet. Er denkt über die Verdienste Petri na, glaubt an seinen Sieg, ho, dur ihn zu
Go zu gelangen, und fühlt und findet si dur seine Gebete gestärkt», heißt es in einer kürzli
aufgefundenen Predigt des Heiligen Augustinus (Augustin: Sermon Dolbeau 25.26 (Mainz 61), in:
François Dolbeau (Hg.): 26 sermons au peuple d’Afrique. Paris 1996 [Études augustiniennes série
Antiquité, 147], S. 76: 526–531. Zit. na: hp://trivium.revues.org/index1652.html).
3 Ein ca.  800  Meter langer Flutgang vom Vatikan zur Engelsburg. 1277 von Papst Nikolaus  III.
erbaut, wirkt er na außen wie eine gewöhnlie Mauer, verbirgt in seinem Inneren aber einen
geheimen Gang, der diversen Päpsten zur Flut aus dem Vatikan in die swer einnehmbare
Engelsburg verhalf. Vgl. Kap. II.
4 Ital. Fregnese ist eine Wortsöpfung aus fregna (obszönes Wort für das weiblie Gesletsteil)
und dem Eigennamen Farnese. Aleandro Farnese war ein stadtbekannter Wüstling und wurde im
Volksmund au der «Sürzenkardinal» genannt.
5 Vergil: Aeneis. Zweispraige Ausgabe Lateinis / Deuts. Übersetzt von Gerhard Fink,
Düeldorf 2006, S. 295.
6 Die Ersießung des wegen Hoverrats zum Tode verurteilten Cavaradoi.
7 1500–1571, bedeutender italieniser Goldsmied und Bildhauer, Sristeller, Musiker, ein
typiser uomo universale der italienisen Renaiance. Aufgrund des von Feinden lancierten
Gerüts, er habe beim Einsmelzen des päpstlien Satzes wertvolle Edelsteine entwendet,
wurde er verhaet und blieb zwei Jahre ohne Anklage in der Engelsburg eingekerkert. Ein
Flutversu führte zu no strengerer Ha, einen Vergiungsversu überlebte er. Na
Intervention des Kardinals von Ferrara, Ippolito d’Este, kam Cellini wieder frei und konnte na
Frankrei ausreisen.
8 Leben des Benvenuto Cellini, florentinisen Goldsmieds und Bildhauers, von ihm selbst
gesrieben. Übersetzt und mit einem Anhange herausgegeben von Johann Wolfgang Goethe,
Frankfurt 1981, S. 248.
9 Fjodor M. Dostojewskij: Der Großinquisitor. Übers. von Marliese Aermann. Hrsg. u. erl. von
Ludolf Müller, Münen 1985, S. 17f., S. 20f.
10 Vgl. ebd., S. 33.
11 Historiker, Spezialist für Kultur- und Kirengesite des 16. Jahrhunderts (Università di Torino,
Accademico dei Lincei).
12 Hubert Wolf weist darauf hin, da «die Aufgabe des Lehramtes der katholisen Kire und
infolgedeen au das Amt der Reinerhaltung der Lehre damals no bei den theologisen
Fakultäten und namentli bei der Sorbonne in Paris lag». In: Hubert Wolf: Index. Der Vatikan und
die verbotenen Büer. Münen 2007, S. 25.
13 Zit. na Wolf, Index, a.a.O., S. 26.
14 So der italienise Titel. Dt. Hubert Wolf: Papst & Teufel. Die Arive des Vatikan und das Dritte
Rei, Münen 2008.
15 Wolf, Index, a.a.O., S.  240f. Als einen der möglien Gründe gibt Wolf an: «Na katholiser
Auffaung war man der staatlien Gewalt als von Go eingesetzt zu Gehorsam verpflitet.»
16 Ebd., S. 242ff. Hubert Wolf zitiert dies na: Norbert Trippen: Joseph Kardinal Frings (1887–1978).
Bd.  2: Sein Wirken für die Weltkire und seine letzten Bisofsjahre (Veröffentliungen der
Kommiion für Zeitgesite. Reihe B 104), Paderborn 2005, S. 384.

DAS WERK GOTTES


1 Josemaría Escrivá soll zu den Gebäuden des Komplexes folgene Betratung angestellt haben: «I
versiere eu, i kann einen Kardinal am Eingang empfangen, ihn rasen Sris dur das
Haus führen, eine halbe Stunde Eenspause einlegen, die Besitigung fortführen und ihn zur
Stunde des Abendeens dur die Hintertür hinauslaen, ohne da er au nur die Häle des
Hauses gesehen hat.» (Zit. na: María del Carmen Tapia: Hinter der Swelle. Ein Leben im Opus
Dei. Der soierende Berit einer Frau, Züri 1993, S. 18).
2 Josemaría Escrivá de Balaguer: Der Weg, Köln 1982, Textabsni Nr. 518, S. 125. Au im Internet
auf den deutsen Seiten von Opus Dei: hp://de.escrivaworks.org/book/der_weg.htm.
3 Giacomo Manzù (1908–1991) ist ein bedeutender italieniser Künstler, vor allem als Bildhauer
hervorgetreten, während des Fasismus im Widerstand und Zeit seines Lebens Kommunist.
4 hp://opusfrei.org/statutenneu.html.
5 Felzmann, Leiter und Priester im Opus Dei, zudem ein enger Vertrauter Escrivás, entslo si
na 22. Jahren Mitgliedsa, Opus Dei zu verlaen, weil er die Diskrepanz zwisen «den edlen
und großmütigen ursprünglien Vorstellungen des Gründers» und dem, was aus der Organisation
geworden war – vor allem die herrsende Zensur und Furt –, nit mehr ertragen konnte.
6 Father Vladimir Felzmann im Interview mit Peter Hertel; Tonbandaufnahme vom 11.5.1984 in
London (aus dem Englisen übersetzt). In: Peter Hertel: «I verspree eu den Himmel».
Geistlier Anspru, gesellsalie Ziele und kirlie Bedeutung des Opus Dei, Düeldorf
1991 (1990), S. 205.
7 Ebd., S. 206.
8 1954 in Italien entstandene kirlie Bewegung, deren Ziel na eigener Auage «die Erziehung
derer, die ihr verbunden sind, zur rist lien Reife sowie die Zusammenarbeit für die Miion der
Kire in allen Bereien der heutigen Gesellsa» ist (zit. na: hp://www.cl-
deutsland.de/wasistcl.php).
9 Die heutige Kongregation für die Institute des geweihten Lebens und für die Gemeinsaen des
apostolisen Lebens, ein Organ der Römisen Kurie.
10 Für die Mie-Links-Partei Democrazia e Libertà – Margherita (Demokratie und Freiheit –
Margerite). Vorher war Binei Mitglied des linken Partito Democratico, in den sie aber Corrado
Augias zufolge vor allem eingetreten war, um si dort mit ihren integralistisen Positionen als
spina nel fianco (Stael im Fleis) zu betätigen. Seit sie in die Margherita eingetreten ist, ist es
um sie sehr still geworden.
11 Zit. na: Peter Hertel: Geheimnisse des Opus Dei. Geheimdokumente – Hintergründe – Strategien,
Freiburg/Basel/Wien 1995, S. 113.
12 Escrivá, Der Weg, a.a.O., S. 50.
13 Ebd., S. 53.
14 Ebd., S. 35.
15 Ebd., S. 234.
16 Tapia, a.a.O., S. 359. María del Carmen Tapia war von 1948 bis 1967 im Opus Dei, die meiste Zeit als
Leiterin der Frauenabteilung in Venezuela. Nadem ihr Zweifel am Werk gekommen waren,
wurde sie von Escrivá unter einem Vorwand na Rom zurügerufen, wo sie at Monate lang
unter sarfem Hausarrest gehalten wurde.
17 Ebd., S. 365.
18 Als Pendant dazu siehe au: www.opusdei.de.
19 Auf der italienisen Homepage des Opus Dei wird am 27.  Dezember  2006 als Antwort auf
Ferruccio Pinois Bu Opus dei segreta mit den Beriten von Opus-Dei-Auteigern auf
grundsätzlie Probleme oder Fragen geantwortet. Der hier zitierte Absni betri die
Problematik der Libri e letture (Büer und Lektüren).

NACHWORT
1 Vgl. Kapitel EIN HAUS GANZ AUS GOLD, Erläuterung 13.
2 Aulus Gellius: Die attisen Näte. Zum ersten Male vollständig übersetzt und mit Anmerkungen
versehen von Fritz Wei, Darmstadt 1992 (Nadru der Leipziger Ausgabe von 1876), zweiter
Band, S. 343f.
3 Nero Claudius Germanicus (15 v. Chr.–19 n.Chr.) römiser Feldherr.
4 Na Mahäus,16,18: «I aber sage dir: Du bist Petrus und auf diesen Felsen werde i meine
Kire bauen und die Mäte der Unterwelt werden sie nit überwältigen.» Die Bibel a.a.O.,
S. 1102.
5 Der Staat der Vatikanstadt nimmt selbst keine diplomatisen Beziehungen zu anderen Staaten auf.
Das überlät er dem Heiligen Stuhl. Er ist daher kein Mitglied der Vereinten Nationen, während
der Heilige Stuhl permanenten Beobaterstatus genießt.
LITERATURHINWEISE

AUGIAS, CORRADO: Die Geheimnie Roms, Berlin 2009.


AULUS GELLIUS: Die aisen Näte. Zum ersten Male vollständig übersetzt und mit Anmerkungen
versehen von Fritz Wei, Darmstadt 1992 (Nadru der Leipziger Ausgabe von 1876).
BALDINUCCI, FILIPPO: Vita des Gio. Lorenzo Bernini. Mit Übersetzung und Kommentar von Alois
Riegl, Wien 1912.
DIE BIBEL. Einheitsübersetzung Altes und Neues Testament. Hrsg. Bisöfe Deutslands und
Österreis und der Bistümer Bozen-Brixen und Lüi, Freiburg/Basel/Wien 1980.
BÖSEL, RICHARD/ FROMMEL, CHRISTOPH LUITPOLD (HG.): Borromini – Aritekt im baroen
Rom, Mailand 2000.
BREDEKAMP, HORST: Mielangelo. Fünf Eays, Berlin 2009.
BUCKLEY, VERONICA: Christina Königin von Sweden. Das rastlose Leben einer europäisen
Exzentrikerin. Aus dem Englisen von Xenia Osthelder, Frankfurt a. M. 2005.
Leben des Benvenuto Cellini, florentinisen Goldsmieds und Bildhauers, von ihm selbst
gesrieben. Übersetzt und mit einem Anhange herausgegeben von Johann Wolfgang Goethe,
Frankfurt a. M. 1981.
CHATEAUBRIAND, FRANÇOIS-RENÉ DE: Erinnerungen (Mémoires d’outretombe). Herausgegeben,
neu übertragen und mit einem Nawort von Sigrid von Maenba, Münen 1968.
CONDIVI, ASCANIO: Das Leben des Mielangelo Buonarroti, in der Übersetzung von Robert Diehl,
Leipzig 1940.
DANTE ALIGHIERI: Die Gölie Komödie. Übersetzung von Hermann Gmelin, Stugart 2007.
DEBENEDETTI, GIACOMO: Am 16. Oktober 1943. Eine Chronik. Aus dem Italienisen übersetzt
von Lieseloe Kienberger, Berlin 1993.
DEMURGER, ALAIN: Der letzte Templer. Leben und Sterben des Großmeisters Jacques de Molay,
Münen 2005 (2004).
DEMURGER, ALAIN: Die Rier des Herrn. Gesite der geistlien Rierorden, Münen 2003.
DEMURGER, ALAIN: Die Templer. Aufstieg und Untergang 1120–1314, Münen 2007 (1991).
DISCEPOLI DI VERITÀ: Ihr habt getötet. Der Matkampf der Logen im Vatikan, Berlin 2003.
DOSTOJEWSKIJ, FJODOR M.: Der Großinquisitor. Übers. von Marliese Aermann. Hg. u. erl. von
Ludolf Müller, Münen 1985.
EBERT, THEODOR: Der rätselhae Tod des René Descartes, Asaffenburg 2009.
FELDKAMP, MICHAEL F.: Pius XII. und Deutsland, Göingen 2000.
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(X,3). Neu hg. von Waldemar Kampf, Darmstadt 1957, 3 Bde.
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Gesite Italiens. Sammlung der vorzüglisten Gesitreiber vom Anfange des sezehnten
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HENZE, ANTON ET. AL.: Rom und Latium. Kunstdenkmäler und Museen, Stugart 1981.
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JUVENAL: Satiren. Übersetzung von Harry C. Snur, Stugart 1969.
KRESSMANN TAYLOR, KATHRINE: Adreat unbekannt, Hamburg 2002.
LUTHER, MARTIN: Lateinis-Deutse Studienausgabe. Hg. und eingeleitet von Johannes Silling,
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MÖHRING, HANNES: Saladin – der Sultan und seine Zeit 1138–1193, Münen 2005.
NUZZI, GIANLUIGI: VATIKAN AG. Ein Geheimariv enthüllt die Wahrheit über die Finanz- und
Politikskandale der Kire. Aus dem Italienisen von Friederike Hausmann, Petra Kaiser und Rita
Seuß, Salzburg 2009 (2010).
PASCAL, BLAISE: Briefe in die Provinz. In: Blaise Pascal: Werke III. Heidelberger Ausgabe. Hg. v. Karl
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PETRON: Satyricon. Übersetzung von Harry C. Snur, Stugart 2009 (1968).
REINALTER, HELMUT: Die Freimaurer, Münen 2006 (2000).
REINHARDT, VOLKER: Gesite Roms. Von der Antike zur Gegenwart, Münen 2008.
REINHARDT, VOLKER: Der Gölie. Das Leben des Mielangelo, Münen 2010.
SENECA: De vita beata – Vom glülien Leben. Übersetzt von Fritz-Heiner Mutsler, Stugart 2009
(1990).
SIENKIEWICZ, HENRYK: Quo vadis? Erzählung aus der Zeit Neros. Aus dem Polnisen übersetzt
und bearbeitet von Ernst P. Bauer, Berlin o. J.
STENDHAL (HENRI BEYLE): Wanderungen in Rom. Deuts auf der Grundlage der Übertragung von
Friedri von Oppeln-Bronikowski und Ernst Diez von Bernhard Frank, Berlin 1982.
SUETON: Nero. Übersetzung von Marion Giebel, Stugart 2006 (1978).
TACITUS: Annalen XI-XVI. Übersetzt von Walther Sontheimer, Stugart 2006 (1967).
TAPIA, MARÍA DEL CARMEN: Hinter der Swelle. Ein Leben im Opus Dei. Der soierende
Berit einer Frau, Züri 1993.
VASARI, GIORGIO: Das Leben des Mielangelo. Neu übersetzt und kommentiert von Victoria Lorini,
Berlin 2009.
VERGIL: Aeneis. Zweispraige Ausgabe Lateinis – Deuts. Übersetzt von Gerhard Fink,
Düeldorf 2006.
WOLF, HUBERT: Index. Der Vatikan und die verbotenen Büer, Münen 2007.
WOLF, HUBERT: Papst & Teufel. Die Arive des Vatikan und das Drie Rei, Münen 2008.
PERSONENREGISTER

Abdülhamid II., Sultan 244


Acerronia Polla 24f.
Aermann, Stephan 446
Acquacoa, Placido 58
Aelius Spartianus 148
Aesop 405
Agermus 26
Agrippa, Marcus Vipsanius 263
Agrippina die Ältere, Vipsania 18, 433
Agrippina die Jüngere, Giulia 17–29, 32
Aistulf, König der Langobarden 82, 84
Akte, Claudia 22f.
Albás, María Dolores (Muer von Josemaría Escrivá) 416
Alberi I. von Spoleto 319
Alberi II. von Spoleto 319–321
Alberti, Leon Baista 110
Albertoni, Ludovica 173
Aleandrini, Emilio 293f.
Alexander III., Papst 325f.
Alexander VI., Papst 51, 54, 91f., 388f.
Alexander VII., Papst 93, 123, 172f., 175, 178, 203, 209f., 215, 392
Alì Ağca, Mehmet 365, 367, 370f.
Allende, Isabel 429
Álvaro del Portillo 412, 414, 418–420
Ambrosius 404
Ambrosoli, Anna 292
Ambrosoli, Giorgio 292f.
Anaklet II., Gegenpapst 241
Andreaa, Beniamino 295, 298
Andreoi, Giulio 292f., 304
Anicetus 24–26
Anna Stuart, Königin von England 220
Anna von Österrei 206
Antinoos 148, 385
Antinori, Giovanni 178
Antonelli, Giacomo 190
Antoninus Pius, röm. Kaiser 385
Antonius, Marcus 40
Apicius, Marcus Gavius 34, 36
Apollodorus von Damaskus 16
Aretino, Pietro 361, 408
Aricò, William 293
Ariost, Ludovico 82, 234f.
Aristoteles 404f.
Arius 80
Arrupe, Pedro 280, 282
Augustinus von Hippo 239, 387
Augustus, röm. Kaiser 38, 78, 112, 178, 231, 336, 386
Aurelia 52
Azzolino, Decio 212, 215, 217
 
Babini, Giacomo 445
Baciccia, Giovanni Baista Gaulli 261, 275
Badoglio, Pietro 282, 351
Baigent, Miael 258
Baldinucci, Filippo 157, 161f., 167, 174
Balduin II., König von Jerusalem 236
Balsamo, Giuseppe Graf von Cagliostro 391f.
Balsamo, Lorenza 391f.
Balzac, Honoré de 408
Barbara von Nikomedien 276
Barbero, Franco 143
Baronio, Cesare 95
Baudat, Muguee 48f., 69, 71f.
Beauvoir, Simone de 408
Beccaria, Cesare 408
Beethoven, Ludwig van 155
Bellarmin, Roberto Francesco Romolo 95, 262, 277–279, 321
Belli, Gioaino 50f., 117
Benedikt XI., Papst 247
Benedikt XIII., Papst 277
Benedikt XIV., Papst 226f., 359f.
Benedikt XV., Papst 198
Benedikt  XVI., Papst 65, 126, 143, 279, 282–284, 291, 333, 357, 363, 392, 394, 398, 407, 428, 431, 444f.,
447f.
Benedikt von Nursia 422
Benelli, Giovanni 125
Berkeley, George 408
Berlusconi, Silvio 308, 420
Bernard de Tromelai 243
Bernhard von Clairvaux 238–240, 242, 422
Bernini, Domenico 160, 175
Bernini, Giovan Lorenzo 51, 62, 93, 101, 121, 148–152, 154–156, 159–162, 164f., 167–173, 175, 179, 215,
226, 262, 272, 275, 441
Bernini, Pietro 159f.
Bertone, Tarcisio 383
Bertorello, Jean-Yves 71
Bianconi, Piero 171
Bilinski, Jan 276
Binei, Paola 420
Bisignani, Luigi 304–307
Bobadilla, Nicolás 269
Bobbio, Norberto 429
Boccaccio, Giovanni 403
Boëthius, Henning 43
Bohnsa, Günter 372
Bonaparte, Lucien 181
Bonarelli, Raoul 375
Bonaventura, Fra’Juan de San 153f.
Bonifaz VIII., Papst 86–89, 127, 138, 246f., 251, 328–330
Boninsegna, Margherita 139
Borghese, Scipione Caffarelli 154, 160
Borgia, Cesare 27, 30, 361
Borromeo, Carlo 149, 156
Borromini, Francesco Castelli 148f., 151–159, 161–175, 364
Borromini, Leo 156
Bosco, Bruno 363
Boi, Umberto 307
Botero, Giovanni 92, 94
Boicelli, Sandro 309
Bracci, Pietro 226
Bragaglia, Carlo Ludovico 234
Bramante, Donato 112, 116f., 310, 313
Brandt, Willy 365
Britannicus, Tiberius Claudius Caesar Germanicus 19–22, 26f.
Broollet, Luc 69
Brown, Dan 50, 258, 426–428
Browne, Edward 207
Bruno, Francesco 71
Bruno, Giordano 262, 278f., 392, 394, 408
Buley, Veronica 203
Buonarroti, Buonarroto 312
Buonarroti, Giovan Simone 312
Buonarroti Simoni, Lodovico di Leonardo di 312
Burard, Johannes 54
Burrus, Sextus Afranius 25, 29
Bush, George Walker 383
Buoni, Giuseppe 168
Buoni, Marco Antonio 168
 
Cadière, Marie-Catherine 266f.
Caesar, Gaius Julius 25, 40, 112, 114, 438
Caffiero, Marina 401
Cagliari, Gabriele 303f.
Calcara, Vincenzo 297
Caligula, röm. Kaiser 18, 21, 32, 38, 103, 118, 433f.
Caloia, Angelo 302, 306
Calvi, Roberto 290f., 293–300, 361, 381f.
Calvin, Johannes 173
Campanella, Tommaso 94
Camuccini, Vincenzo 180
Cancellieri, Francesco 147
Canori Mora, Elisabea 150
Canova, Antonio 180, 218, 228
Cantalamea, Raniero 445
Caracalla, röm. Kaiser 385
Caravaggio, Mielangelo Merisi 159, 359
Carducci, Giosuè 59
Cariimi, Giacomo 159, 360
Carracci, Agostino 159
Carracci, Annibale 159, 211
Carracci, Ludovico 159
Casaroli, Agostino 128, 294f., 299, 365, 442
Caius Dio, Lucius 17, 23, 41f.
Castelli, Bernardo 149, 174
Castillo Lara, José Rosalio 306
Castrillon Hoyos, Dario 446f.
Catilina, Lucius Sergius 42
Cato, Marcus Porcius 405
Cavaliere, Nicola 382
Cavour, Camillo Benso di 82, 96f., 183, 185, 198–200, 402, 441
Ceci, Carlo 339
Celerus 16
Celeste 335
Çelik, Oral 367
Cellini, Benvenuto 391
Cenci, Beatrice 390
Cervantes, Miguel de 235
Cesarini, Angelo 228
Charles III. de Bourbon-Montpensier 54
Charney, Geoffroy de 253, 256
Chateaubriand, François-René de 233f.
Châtel, Jean 264f.
Cherubini, Francesco 264
Chigi, Mario 211
Chrétien de Troyes 258
Christina, Königin von Sweden 52, 203–218, 229
Cioi, Luigi 144f.
Cirino Pomicino, Paolo 307
Claudius, röm. Kaiser 11, 18–20, 22, 27, 32, 38
Clemens III., Gegenpapst 324
Clemens IV., Papst 327
Clemens V., Papst 247–253, 258f.
Clemens VII., Papst 53–57, 93, 115, 389f., 397
Clemens VIII., Papst 182
Clemens IX., Papst 64, 175
Clemens X., Papst 175, 216
Clemens XI., Papst 225f.
Clemens XIII., Papst 227, 274
Clemens XIV., Papst 274f.
Cölestin V., Papst 86f., 127, 246, 328
Colombo, Emilio 304
Condivi, Ascanio 313f.
Consalvi, Ercole 184
Constantia 106
Corelli, Arcangelo 215
Coresi, Antonia 215
Cornelia 52
Cornelius 134
Cornwell, John 297, 354
Corroer, Graziella 291
Coiga, Francesco 304
Craxi, Beino 307, 442
Crescenzi, Fam. 322
Crispus, Gaius Flavius Julius Valerius 80
Croce, Benedeo 152, 408, 429
Crociata, Mariano 447f.
Cromwell, Oliver 220
 
D’Alembert, Jean-Baptiste le Rond 408
Damasus I., Papst 108f.
D’Annunzio, Gabriele 408
Dante Alighieri 78, 81f., 86–90, 246f., 328, 330
Daru, Martial 181
Darwin, Charles 408
David I., König von Soland 218
David, Jacques-Louis 183
De Bonis, Donato 301, 304–307
De Gasperi, Alcide 357
De Merode, Francesco Saverio 288
De Mielis, Gianni 307
De Pedis, Enrico (Renatino) 229, 360f., 378–382
De Sanctis, Francesco 268
Deaglio, Enrico 304
Debenedei, Giacomo 335
Defoe, Daniel 408
Degollado, Marcial Maciel 447
Del Borgos, Angelo 400
Del Borgos, Chiara 400
Del Col, Andrea 400
Del Grande, Antonio 392
Della Porta, Giacomo 117f., 165
Demurger, Alain 255
Depretis, Agostino 201
Descartes, René 159, 205f., 408
D’Estrées, Gabrielle 264
Dezza, Paolo 280
Di Cosimo, Piero 309
Di Giovacino, Rita 380
Diderot, Denis 408
Diokletian, röm. Kaiser 11
Dionysius von Paris 83
Dolcino, Fra‘ 138f.
Dolores, Swester 362
Domitian, röm. Kaiser 16
Domitius Ahenobarbus, Lucius 17–19, 33
Doei, Giuseppe 419
Dostojewski, Fjodor 396
Dumas, Alexandre (Sohn) 219, 268, 408
Dumas, Alexandre (Vater) 408
 
Ebert, eodor 205f.
Eevarría, Javier 431
Eco, Umberto 396, 429
Edward II., König von England 224
Epaphroditus 45
Erasmus von Roerdam 403
Escrivá de Balaguer, Josemaría 412–418, 420, 422, 425, 429–432
Escrivá, José 416
Estermann, Alois 47f., 65–68, 70, 72f., 382
Eugen III., Papst 269
 
Fagiolo, Maurizio 166
Falcone, Giovanni 298
Fallaci, Oriana 429
Farnese, Giulia 389
Faorini, Emma 355
Fausta, Flavia Maxima 80
Faustina, Annia Galeria 385
Favre, Pierre 269
Felzmann, Vladimir 417f.
Ferdinand II. der Katholise, König von Sizilien und Sardinien 91, 271
Ferdinand II. Karl, König beider Sizilien 186
Ferdinand Karl von Österrei 209
Ferrazzi, Ferruccio 413
Ferruzzi, Fam. 303
Ferruzzi, Serafino 303, 307
Firpo, Maimo 397–399
Fisiella, Rino 443
Flaubert, Gustave 408
Floryan, Esquieu de 248
Fogazzaro, Antonio 408
Fontana, Carlo 203
Fontana, Domenico 117–119, 156
Forlani, Arnaldo 307
Formosus, Papst 321
Fortiiari, Antonio 367
Foscolo, Ugo 408
Frale, Barbara 256
Francisco de Xavier (Franz Xaver) 269, 271f., 275
Franco, Francisco 416f.
Frankfurter, Felix 340
Franz I., König von Frankrei 269
Franziskus von Aisi 138, 229, 245, 422
Franzoni, Giovanni Baista 137, 140f.
Friedländer, Saul 346
Friedri II., Kaiser 81, 245
Frings, Joseph 407
Fuga, Ferdinando 360
Fuler von Chartres 235
Funes, José Gabriel 279
 
Galba, Servius Sulpicius 43f.
Galeazzi, Enrico 412
Galenos von Pergamon 404
Galilei, Galileo 159, 262, 393f., 408
Galli della Loggia, Ernesto 288
Gamaliel 133
Ganges, Marquise de 207
Garbo, Greta 210
Gardini, Raul 303f.
Garibaldi, Giuseppe 97, 200, 234
Garnica, José María Hernández de 414
Gasparri, Pietro 49
Gaegna, Renzo 445
Geiseri, König der Vandalen 325
Gelli, Licio 128, 290f., 293, 300, 367
Gellius, Aulus 18, 433
Gentile, Giovanni 408
Geoffroi 253
Georg I., König von England 226
Georg IV., König von England 123
Georg VI., König von England 228
George Sand 408
Germanicus, Nero Claudius 18, 25, 433
Gerstein, Kurt 339
Ghirlandaio, Domenico 309
Giaco 251
Giannone, Pietro 408
Gide, André 408
Gioberti, Vincenzo 187, 408
Giordano, Bruno 378
Giordano, Valentina 379
Girard, Jean Baptiste 266f.
Giuani, Luigi 418
Goethe, Johann Wolfgang von 233
Göldli, Herkules 55
Goldman, Nahum 353
Gonzaga, Luigi 263, 277
Gorani, Giuseppe 227f.
Gofried von Bouillon 235f.
Gounod, Charles 435
Gramsci, Antonio 98f., 429
Gregor I. der Große, Papst 324, 385
Gregor II., Papst 324
Gregor VII., Papst 84–86, 89, 232, 235f., 322–325
Gregor X., Papst 327f.
Gregor XIII., Papst 117, 182
Gregor XV., Papst 263
Gregor XVI., Papst 350
Gregori, Fam. 369
Gregori, Mirella 366, 368, 371
Gregorovius, Ferdinand 87f., 111, 319f., 324, 330f.
Groer, Hans Herrmann 445
Guazzoni, Enrico 234
Gugelmann, Claude 70
Guicciardini, Francesco 30, 82, 94, 97, 331, 399, 408
Guido von Tuszien 319f.
Guiskard, Robert 324f.
Gustav II. Adolf, König von Sweden 204, 208
Gutenberg, Johannes 403
 
Hadrian I., Papst 359
Hadrian, röm. Kaiser 15f., 51, 75–77, 107, 147f., 385–387, 389f.
Haight, Roger 282f.
Hamme, Dashiell 258
Hasler, August Bernhard 196
Heine, Heinri 408
Heinri IV., Kaiser 84–86, 322–324
Heinri IV., König von England 224
Heinri VIII., König von England 115, 122f., 209, 219, 267, 269, 389
Heinri IV., König von Frankrei 219, 264f.
Helena, Flavia Julia 106
Heliodor 64
Helius 43
Henriee Marie de Bourbon, Königin von Frankrei 219
Herculeius 26
Herodot von Halikarnaos 405
Hertel, Peter 417
Hertenstein, Peter von 53
Herzl, eodor 343
Herzog, Isaak HaLevy 345
Hippokrates von Kos 404
Hitler, Adolf 182, 339–341, 351, 354f., 406f., 417–419, 427
Hobbes, omas 408
Hohuth, Rolf 339, 357
Homer 405
Honorius, weström. Kaiser 387
Horaz, Quintus 405
Hoyt, Clark 446
Hugo, Victor 408
Hugo von Payns 236
Hume, David 408
Huein, Saddam 303
Hyde, Anna 220
 
Iacopone da Todi 86, 138, 246
Ignatius von Loyola 151, 262, 269–273, 276, 414
Imbert, Guillaume 249
Imposimato, Ferdinando 367
Innozenz II., Papst 241f.
Innozenz III., Papst 89
Innozenz IV., Papst 81, 86, 326
Innozenz VIII., Papst 54, 330, 394
Innozenz X., Papst 162f., 168, 170, 208, 212, 392
Innozenz XI., Papst 175, 216f., 222
Isaac, Jules 347f.
 
Jabalot, Fra’ Ferdinand 401
Jakob II., König von England 218, 220–225
Jakob III., König von England 218, 223, 225–228
Jakob von Vitry 237
Jaruzelski, Wojcie 365
Jingle, Jeremy 267
Johann Ohneland, König von England 223
Johannes VIII., Papst 121
Johannes X., Papst 318f.
Johannes XI., Papst 318–320
Johannes XII., Papst 320f.
Johannes XXIII., Papst 144, 197, 291, 343–345, 347–349, 360
Johannes der Täufer 241
Johannes Paul I., Papst 125–130, 137, 145f., 297, 328
Johannes Paul II., Papst 47, 66f., 70, 200f., 204, 280, 283, 295f., 298, 300, 302, 306, 326, 333, 349, 357, 364f.,
368, 371, 375, 383, 403, 412, 416, 419f., 431, 437, 447
Johnson, Samuel 227
Joseph von Arimathäa 211, 256f.
Joseph von Nazareth 421
Josephine de Beauharnais 182f.
Josephus, Flavius 39
Julius II., Papst 53f., 56, 64, 111–115, 117, 122, 124, 310–313, 315, 331, 390
Julius III., Papst 405
Juvenal 38, 42
 
Kant, Immanuel 408
Kanzler, Hermann 61
Kappler, Herbert 336
Karl der Große, Kaiser 84, 87, 183, 234
Karl V., Kaiser 52, 54, 92, 389
Karl VI., Kaiser 226
Karl der Kahle, Kaiser 121
Karl I., König von England 219f.
Karl II., König von England 220–222
Karl X. Gustav, König von Sweden 204f.
Karl III., Duc de Créqui 53
Karl Martell 87f.
Karl von Spaur 186
Katharina Henriea von Braganza 221
Kennedy, John Fitzgerald 302
Kertzer, David 281
Kiesle, Stephen 445
Kirer, Athanasius 272
Klingler, Elisabeth 55
Konstantin der Große, röm. Kaiser 75–83, 86, 90, 95f., 99, 101, 103–107, 110–112, 169, 177, 387
Konstantin V., byz. Kaiser 82f.
Koppelmann, Isidor 339
Kostka, Jan (Bruder von Stanislaus) 276
Kostka, Jan (Vater von Stanislaus) 276
Kostka, Stanislaus 275–277
Kramer, Heinri 394
Kremann Taylor, Kathrine 352
Küng, Hans 145, 196, 342
 
Lacei, Maimo 72
LaFarge, John 355
La Malfa, Giorgio 307
La Malfa, Ugo 293
La Marmora, Alfonso 60, 441
Lambrusini, Raffaello 187
Landini, Maria 215
Law, John 299
Lawrence von Arabien 244
Laynez, Giacomo 269
Le Carré, John 354, 369
Le Sarmage, Mathieu 255
Ledoówski, Włodzimierz 418
Legros, Pierre 277
Leibniz, Gofried Wilhelm 159
Leigh, Riard 258
Lenclos, Ninon de 217
Lenin, Wladimir Iljits Uljanow 407
Leo I., Papst 325
Leo III., Papst 49, 84
Leo IV., Papst 49–51, 110
Leo VI., Papst 318
Leo X., Papst 54, 64, 117, 330–332
Leo XIII., Papst 59, 201, 279
Leonardo da Vinci 234
Leopardi, Giacomo 234, 408
Leing, Gohold Ephraim 406, 408
Levi, Romano Don Virgilio 128
Licinius, röm. Kaiser 79
Lincoln, Henry 258
Liutprand, König der Langobarden 50
Liutprand von Cremona 319
Livius, Titus 405
Lizerand, Georges 250
Loe, John 222, 408
Lomazzo, Giovan Paolo 313
Lombardi, Federico 447
Longo, Elena 422f.
López Rodó, Laureano 417
Lothar I., Kaiser 50
Lothar III., Kaiser 241
Ludwig VI., König von Frankrei 242
Ludwig IX., König von Frankrei 249
Ludwig XII., König von Frankrei 54
Ludwig XIII., König von Frankrei 218f.
Ludwig XIV., König von Frankrei 203, 207f., 213, 216, 224
Ludwig XVI., König von Frankrei 219, 248
Ludovisi, Ludovico 263
Luther, Martin 55f., 91, 115f., 122–124, 159, 173, 204, 208f., 218, 229, 261, 269, 278, 284, 321, 324, 332, 389,
399
Luzzao, Amos 358
 
Maiavelli, Niccolò 27, 30, 82, 93f., 403, 408f.
Maderno, Carlo 119f., 156f., 167, 175
Madoff, Bernard 299
Maecenas, Gaius 40
Magee, John 129
Magister, Sandro 283, 415
Maglione, Luigi 282, 337, 343, 351
Malebrane, Nicolas 408
Malerba, Giovanni 371
Malik al-Kamil, Sultan 245
Maltese, Curzio 434
Mamoulian, Rouben 210
Mancini, Giulio 170
Manet, Edouard 163
Mannoia, Francesco Saverio 297f.
Manzoni, Aleandro 82, 97, 158, 187
Manzù, Giacomo 413
Marcellinus, Ammianus 108
Marcinkus, Paul 128, 130, 290–293, 297–301, 304
Marconi, Guglielmo 436
Mari, Arturo 365
Maria II., Königin von England 220, 223, 225
Maria Beatrice d’Este von Modena, Königin von England 220–223, 225
Maria Eleonora von Brandenburg 204
Maria Magdalena 257f.
Mark Aurel, röm. Kaiser 77, 385
Marozia (Mariozza) 318–320
Marrone, Gianluigi 48f., 67–69
Marsilius von Padua 90
Martella, Ilario 367
Martial, Marcus Valerius 14
Martin von Tours (St. Martin) 58
Martini, Carlo Maria 7, 145, 283f., 288f., 449
Marx, Karl 429
Maari, Francesco 174
Mathilde von Tuszien 323
Maea 158
Maei, Aleandro 182
Maxentius, röm. Kaiser 75, 78f., 105, 171
Maximian, Marcus Aurelius Valerius 80
Mazio, Luigi 60
Mazzali, Amina 425f.
Mazarin, Jules 203, 213, 215
Mazzi, Enzo 142f. McCarthy, Joseph 302
Medici, Cosimo de’ 110
Medici, Fam. 64, 114
Medici, Lorenzo de’ 330
Melanthon, Philipp 284
Mealina, Valeria 18f.
Meori, Viorio 346, 418
Metella, Caecilia 387
Miccoli, Giovanni 346
Miaelis, Fiammea 360f.
Mielangelo Buonarroti 52, 54, 64, 113–117, 120, 147, 160, 169, 309–317
Mielini, Alberto 420
Milani, Lorenzo 140
Mill, John Stuart 408, 429
Minardi, Sabrina 378–382
Minghei, Marco 408
Miollis, Sextius Alexandre François de 182–184
Mohammed, Prophet 255
Molay, Jacques de 248, 251–253, 256
Monaldesi, Gian Rinaldo 213–215
Monduzzi, Dino 373f.
Montaigne, Miel de 408
Montanelli, Giuseppe 187
Montanelli, Indro 187
Montesquieu, Charles de Secondat, Baron de 408
Monti, Vincenzo 408
Montini, Giovan Baista 290
Monzi, Raffaella 364
Morante, Elsa 429
Moravia, Alberto 408, 429
Moro, Aldo 297, 361
Moro, Renato 349f.
Moroni, Gaetano 228
Mortara, Edgardo 401f.
Mozart, Wolfgang Amadeus 160
Murillo, Bartolomé Esteban 271
Muolini, Benito 49, 97, 279, 281, 355f., 407, 442
Muer eresa 284
Múzquiz, José Luis 414
 
Napoleon I. Bonaparte, Kaiser der Franzosen 14, 93, 96, 123, 178–184, 186, 262, 273, 325
Napoleon III., Kaiser der Franzosen 60, 197, 402
Natoli, Marina 181f.
Navarro Rubio, Mariano 417
Navarro-Valls, Joaquín 48, 67
Negri, Ada 408
Neri, Filippo 155, 166
Nero, röm. Kaiser 9, 11–44, 49, 76, 103, 118, 433f.
Newton, Isaac 159
Nicolas, Adolfo 282
Nicotri, Pino 363
Niklaus von Flüe 58
Nikolaus II., Papst 322, 325
Nikolaus III., Papst 51
Nikolaus IV., Papst 328
Nikolaus V., Papst 110–112, 287
Nikolaus I., Zar 132
Nikolaus von Kues 90
Nixon, Riard 302
Nogara, Bernardino 287f.
Nogaret, Guillaume de 246f., 249–251
Nuzzi, Gianluigi 302, 306
 
Oates, Titus 220
Obaritus 26
O’Collins, Gerald 283
Octavia 336
Octavia, Claudia 19, 22, 37f.
Oddi, Silvio 376–378
Odifreddi, Piergiorgio 291, 434
Odo von Saint-Amand 244
O’Keefe, Vincent 280
Orlandi, Emanuela 361–364, 366–373, 375–378, 380–382
Orlandi, Ercole 362, 368, 373, 375
Orlandi, Fam. 362, 368f., 372
Orlandi, Federica 363f.
Orlandi, Maria 362, 375
Orlandi, Natalina 364
Orlandi, Pietro 362
Ortolani, Umberto 300
Otho, röm. Kaiser 37
Oo I. der Große, Kaiser 321
Ovid, Publius Ovidius Naso 405
 
Pacca, Bartolomeo 182
Palazzini, Pietro 294
Pallavicino, Pietro Sforza 123f.
Pamphili, Camillo 163, 171
Pamphili, Olimpia (geb. Maidalini) 163, 210–212
Paolina, Pompeia 31f.
Paracelsus 404
Parisi, Vincenzo 373f.
Pascal, Blaise 268, 408
Pascoli, Leone 161
Pasolini, Pier Paolo 137, 140, 144, 429
Pasquini, Bernardo 215
Paeri, Bernardino 56f.
Paeri, Giovanni Baista 158
Paul III., Papst 52, 57, 115–117, 270, 344, 388–390, 392, 394, 397
Paul IV., Papst 342, 397, 403
Paul V., Papst 120, 154, 159f.
Paul VI., Papst 125f., 129, 283, 290f., 297, 338, 365, 402, 407f., 420, 431
Paulus von Tarsus 11, 27, 107, 109, 117, 131–137, 140, 160, 406
Pavelic, Ante 350
Pecorelli, Mino 128, 290
Pellegrino, Miele 144
Pellico, Silvio 187
Perkins, Fam. 59
Pertini, Sandro 371
Perugino, Pietro 309, 317
Petronius, Titus 34–37
Petrucci, Alfonso 331
Phaon 44
Phidias 178
Philipp IV. der Söne, König von Frankrei 86, 246–249, 251–253, 258f.
Pican, Pierre 446
Picardi, Nicola 68
Picao, Pablo 160
Pinoi, Ferruccio 295f., 425, 427f.
Pinturicio, Bernardino di Beo 309
Pippin der Kleine, König der Franken 83f.
Piranesi, Giovan Baista 232, 390
Piso, Gaius Calpurnius 31f., 43
Pius IV., Papst 404
Pius V., Papst 62
Pius VI., Papst 96, 178, 180, 262
Pius VII., Papst 53, 131, 147, 178, 180–184, 273
Pius IX., Papst 53, 58, 60f., 97, 179, 182, 186–195, 197–201, 288, 350, 402, 406, 440–442
Pius X., Papst 197, 343f., 402
Pius XI., Papst 97f., 199f., 279, 287, 355f., 362, 436, 442
Pius XII., Papst 196, 281, 287, 331, 337–339, 341f., 345, 347, 349–351, 354–358, 407, 412, 419, 445
Platon 28, 404
Plautus, Titus Maccius 405
Plinius der Ältere, Gaius 17, 38, 40f., 114
Plutar 405
Poiti, Marco 145
Polei, Ugo 128, 141, 360
Pontius Pilatus 12
Poppaea Sabina 37–39
Porcu, Ambrogio 140
Pozzo, Andrea 262
Priore, Rosario 368, 376
Proudhon, Pierre-Joseph 408
Puccini, Giacomo 390
 
Quadrelli, Angelina 215
 
Radet, Étienne 184
Raffael da Urbino 55f., 64, 310, 313, 331
Raffaello da Montelupo 386
Rando, Adele 366, 373f., 377
Ravaillac, François 265
Raw, Charles 299f.
Récamier, Juliee 234
Redini, Mario 412
Reimarus, Samuel 406
Rembrandt Harmenszoon van Rijn 159
Remus 109
Repond, Jules 64
Rezzonico, Giovanni Baista 232
Ricci, Lorenzo 275
Ricci, Maeo 277
Riard II., König von England 224
Riegner, Gerhart 340
Risari, Maria 428f.
Rivani, Antonio 215
Roe, John 427, 430
Rodriguez, Simon 269, 272
Röist, Kaspar 55
Roger II., König von Sizilien 241f.
Romano, Giuseppe 431
Romero, Gladys Meza 47f., 65–70, 72f.
Romulus 109
Romulus Augustulus, weström. Kaiser 84
Rondinin, Joseph 233
Roosevelt, Eleanor 302
Roosevelt, Franklin Delano 352
Roselli, Rosello 110
Rosmini, Antonio 97, 187, 408
Roi, Giovanni 144
Roi, Pellegrino 185
Roini, Gioaino 160
Roth, Philip 429
Roth, Riard 371
Roueau, Jean-Jacques 408
Rubens, Peter Paul 159
Rubria 33
Ruini, Camillo 141, 288f., 308
 
Sabina, Vibia 385
Sacei, Franco 408
Sagalowitz, Benjamin 339f.
Saladin 243f.
Sale, Giovanni 281, 356
Salernitano, Masuccio 403
Sallust, Gaius 405
Salmerón, Alfonso 269
Salomon 165f., 169, 237, 257
Sama, Carlo 307
Sambuco, Alfredo 363
Sancro, William 223
Sangallo, Antonio da 52
Sangallo, Francesco da 114
Sangallo, Giuliano da 114, 116f., 120
Sanguigni, Fam. 359
Santiapii, Severino 373
Santinelli, Francesco Maria 214
Sarpi, Paolo 123, 408
Sartre, Jean-Paul 408, 429
Saunière, Bérenger 258
Savonarola, Girolamo 408
Scalfari, Eugenio 288
Scarlai, Aleandro 215
Smidt, Anton 58–60
Sönborn, Christoph 445
Sulte, Eduard 339
Scoppola, Pietro 137
Sco, Walter 396
Sebastian, Heiliger 58
Sedley, Catherine 222
Segarelli, Gherardo 139
Seneca, Lucius Annaeus 18–23, 25–32
Sergius II., Papst 49
Sergius III., Papst 319
Seembrini, Luigi 408
Severus 16
Sforza, Herzog von Mailand, Gian Galeazzo 54
Shakespeare, William 159
Sica, Domenico 371
Sienkiewicz, Henryk 42
Signeur de Got 258
Signorelli, Luca 309
Silenen, Kaspar von 53f.
Silva, Rael 207
Silvester I., Papst 78f., 81, 83, 87, 131
Silvestrini, Aille 294, 365
Sindona, Miele 290–295, 297f.
Siri, Giuseppe 125, 145
Sixtus IV., Papst 54, 111, 309f.
Sixtus V., Papst 117f., 147f., 178, 180–182
Sobieska, Giovanni 225
Sobieska, Maria Clementina 225f.
Sodano, Angelo 306, 383, 445
Sokrates 32
Soldati, Mario 429
Somoza, Anastasio 302
Spada, Virgilio 163, 168
Sparre, Ebba 206f.
Spellman, Francis Joseph 301f., 304
Spinoza, Baru de 408, 429
Sporsill, Georg 283
Sporus 33f., 43f.
Sprenger, Jakob 394
Stalin, Josef 61, 407, 409
Statilia, Mealina 43
Stefanea 321
Stella, Gian Antonio 307
Stendhal, Marie-Henri Beyle 65, 408
Stephan II., Papst 82–84
Stephan VI., Papst 321f.
Stephan VII., Papst 318
Stephanus 134
Sterling, Claire 371f.
Stern, Raffaele 178, 180, 182
Sterne, Laurence 408
Stravinskij, Igor 160
Stuart, Charles Edward Louis Philip Casimir 218, 226–228
Stuart, Henry Benedict 218, 226–229
Sturzo, Luigi 198
Suetonius Tranquillus, Gaius 11f., 14f., 17f., 24, 33f., 37, 40–42, 44
 
Taci Venturi, Luigi 282
Taci Venturi, Pietro 351
Tacitus, Publius Cornelius 11f., 16–20, 22f., 25f., 28f., 31, 37f., 41, 48, 405, 433
Taffarel, Vincenza 129
Taine, Hippolyte 65
Tapia, María del Carmen 424
Tardini, Domenico 357
Tao, Torquato 158, 233–235
Tertullian 404
Testoni, Alfredo 359
Texeira de Sampais, Diego 207
eodora I. von Tusculum 318f.
eodosius I. der Große, röm. Kaiser 8, 80, 109
eophylakt I. von Tusculum 318
ianges, Gabriel de 207
ianges, Gabrielle de 207
omas von Aquin 404
omas von Kempen 129
orvaldsen, Bertel 132
rale, Hester Lyn 227
ukydides 405
Tiberius, röm. Kaiser 12, 17f., 38, 434
Tigellinus, Gaius Ofonius 32, 38, 44
Titus, röm. Kaiser 113
Tizian Vecellio 163
Togliai, Palmiro 98f.
Tolkien, John Ronald Reuel 429
Tommaseo, Niccolò 187, 408
Tornay, Cédric 47–49, 65–73
Tornielli, Andrea 342
Totila, König der Ostgoten 50
Tournon, Camille de 180f.
Trajan, röm. Kaiser 16f., 75, 77f., 117, 231
Tucci, Roberto 128
 
Ugo di Provenza 320
Ullastres Calvo, Alberto 417
Urban II., Papst 235
Urban V., Papst 388
Urban VI., Papst 330
Urban VIII., Papst 52, 162, 164, 167
Ursinus, Gegenpapst 108
 
Valadier, Giuseppe 120, 180
Valla, Lorenzo 90–92
Vanini, Luigi Cesare 203
Vannoni, Giovanni 191
Vasari, Giorgio 115, 311f.
Vasi, Mariano 52
Venturi, Adolfo 316
Vercelli, Antonio Sicci da 254
Vergari, Don 360
Vergès, Jacques 69
Vergil, Publius 389, 405
Verri, Pietro 408
Versaffelt, Peter Anton van 386
Vespignani, Virginio 179
Victoria, Tommaso Ludovico da 362
Vidal, Gore 429
Villari, Pasquale 59
Villot, Jean 128–130
Vindex, Iulius 43
Viogué, François 206
Viorio Emanuele II., König von Italien 58, 199, 370
Viorio Emanuele III., König von Italien 179
Voglia, Angelica 217
Volonté, Gianmaria 339
Voltaire 408, 429
 
Wagner, Riard 155, 258
Weber, Max 429
Weizsäer, Ernst von 337f., 354
Wellington, Arthur Wellesley, Duke of 123
Wiesel, Elie 353
Wilhelm I., Deutser Kaiser 197
Wilhelm II., Deutser Kaiser 179, 244
Wilhelm III. von Oranien, König von England 220, 222–225
Wise, Samuel 340
Wolf, Hubert 407
Wolf, Markus 369, 372
Wolfram von Esenba 256–258
Wullen, Johann van 206
 
Xenophon 20
 
Yallop, David 129f., 298
Yunus, Muhammad 128
 
Zampieri, Domenico 234
Zenodorus 15
Zeri, Federico 76f.
Zeron, Carlos Alberto de Moura Ribeiro 274
Zingarelli, Nicola 169, 264
Zizola, Giancarlo 326f.
Zola, Émile 408, 429
Zwingli, Ulri 173
 

Titel der italienisen Originalausgabe:


«I segreti del Vaticano.
Storie, luoghi, personaggi di un potere millenario»
© 2009 Arnoldo Mondadori Editore S.p.A., Milano

 
 
 
 
 

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