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Vorgelegt von
Patrick Teuffel
aus Aachen
Hauptberichter:
Prof. Dr.-Ing. Werner Sobek
Institut für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren
Universität Stuttgart
Mitberichter:
Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. Dr. h.c. Ekkehard Ramm
Institut für Baustatik
Universität Stuttgart
Universität Stuttgart
Vorwort
Die vorliegende Arbeit entstand während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher
Mitarbeiter am Institut für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren (ILEK) der Universität
Stuttgart in der Zeit von 1999 bis 2003.
Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr.-Ing. Werner Sobek, der mir am Institut einen
idealen Rahmen bot, um die Arbeit durchzuführen. Seine Anregungen und seine
Unterstützung haben die Arbeit entscheidend geprägt. Weiterhin danke ich für die
Erstellung des Hauptberichts. Herr Prof. Dr.-Ing. Ekkehard Ramm hat
dankenswerterweise den Mitbericht erstellt.
Allen Mitgliedern des Instituts und meinen Diplomanden möchte ich für die gute
Zusammenarbeit und Unterstützung danken.
Entwerfen adaptiver Strukturen Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Bezeichnungen 6
Zusammenfassung 8
Abstract 9
1 Einleitung 10
1.1 Leichtbau 10
1.2 Adaption 10
1.3 Ziel und Gliederung der Arbeit 11
2 Adaptive Systeme 12
2.1 Konzept 12
2.1.1 Grundlagen 12
2.1.2 Sensoren 13
2.1.3 Aktuatoren 14
2.1.4 Steuerung und Regelung 16
2.2 Anwendungen 16
2.2.1 Erste Ideen und Konzepte 16
2.2.2 Passive Systeme 17
2.2.3 Aktive Systeme 17
2.2.4 Semi-aktive Systeme 18
2.2.5 Hybride Systeme 19
2.3 Bewertung 19
3 Strukturoptimierung 20
3.1 Grundlagen 20
3.2 Optimalitätskriterienmethoden 20
3.3 Mathematische Programmierung 21
3.3.1 Problembeschreibung 21
3.3.2 Optimierungsverfahren 22
4 Lastpfadmanagement 24
4.1 Konzept 24
4.1.1 Definition und Ziel 24
4.1.2 Manipulierbarkeit 25
4.1.3 Übersicht 26
4.2 Kraftpfadoptimierung 29
4.2.1 Ermittlung der optimalen Kraftpfade 29
4.2.2 Formoptimierung 34
4.2.3 Ermittlung der Differenzkräfte und –verschiebungen 38
4.2.4 Fail-safe - Konzept 39
4.3 Auswahl der Aktuatoren und Sensoren 40
4.3.1 Problematik 40
4.3.2 Effizienzindikator 41
4.3.3 Regel- bzw. Steuerbarkeit 43
4.3.4 Beobachtbarkeit 43
4
Entwerfen adaptiver Strukturen Inhaltsverzeichnis
4.4 Adaptionsvorgang 44
4.4.1 Vorüberlegungen 44
4.4.2 Statisch bestimmte Systeme 44
4.4.3 Statisch unbestimmte Systeme 45
4.5 Form follows energy 47
4.5.1 Metabolismus 47
4.5.2 Formänderungsarbeit 48
4.5.3 Erweiterung der Kraftpfadoptimierung 48
5 Tragwerksstudie 53
5.1 Entwerfen und Analysieren adaptiver Strukturen 53
5.2. Beispiel 1 – 4-Stabfachwerk 53
5.2.1 Systembeschreibung 53
5.2.2 Kraftpfadoptimierung 54
5.2.3 Fail-safe - Konzept 57
5.2.4 Ergebnisse 59
5.3. Beispiel 2 – Fachwerkbogen 59
5.3.1 Systembeschreibung 59
5.3.2 Kraftpfadoptimierung 60
5.3.3 Auswahl der Aktuatoren und Verformungsadaption 62
5.3.4 Formoptimierung 66
5.3.5 Ergebnisse 66
5.4 Beispiel 3 – Fachwerkträger 66
5.4.1 Systembeschreibung 66
5.4.2 Form follows energy 67
5.4.3 Ergebnisse 69
6 „Stuttgarter Träger“ 70
6.1 Vorüberlegungen 70
6.2 Entwurf 70
6.3 Realisierung 70
7 Zusammenfassung und Ausblick 72
7.1 Zusammenfassung 72
7.2 Ausblick 72
7.2.1 Tragwerk 72
7.2.2 Aktuatoren, Sensoren und Regelung 73
7.2.3 Wirtschaftlichkeit 74
7.2.4 Full-scale testing und Realisierung 74
7.2.5 Nutzerakzeptanz 75
Literatur 76
Lebenslauf 81
5
Entwerfen adaptiver Strukturen Bezeichnungen
Bezeichnungen
γ [-] Sicherheitsfaktor
γfs [-] reduzierter Sicherheitsfaktor (fail-safe)
εik [-] Dehnung, Element i, Lastfall k
κ [-] Anzahl der möglichen Aktuatorkombinationen
3
ρ [kg/m ] Materialdichte
σik [N/mm2] Spannung (Element i, Lastfall k)
σzul [N/mm2] zulässige Spannung
σzul fs
[N/mm ] 2
zulässige Spannung (fail-safe)
Γ [-] Zuordnungsmatrix
Θ [-] Entwurfsraum
Ψ [m] Knotenkoordinaten
6
Entwerfen adaptiver Strukturen Bezeichnungen
A [m2] Querschnittsflächen
g
A Koeffizientenmatrix Ungleichheitsnebenbedingungen
h
A Koeffizientenmatrix Gleichheitsnebenbedingungen
E [N/m2] Elastizitätsmodul
G [kg] Gewicht
Nk [N] Normalkräfte, Lastfall k
gk
N [N] Normalkräfte bei Berücksichtigung der geometrischen Kompatibilität
Nik [N] Normalkraft, Element i, Lastfall k
Na [N] adaptive Normalkräfte
opt
N [N] kraftpfadoptimierte Normalkräfte
p
N [N] Normalkräfte am passiven System
N pa [N] Normalkräfte am passiv-adaptiven System
∆N [N] Differenz der Normalkräfte infolge Inkompatibilität
Pk [N] Lastvektor, Lastfall k
Qk [N] Auflagerkräfte, Lastfall k
SN [N/m] Sensitivitäten ausgewählter Aktuatoren, Kraftzustand
~N
S [N/m] Sensitivitäten aller möglichen Aktuatoren, Kraftzustand
Su [m/m] Sensitivitäten ausgewählter Aktuatoren, Verformungszustand
~u
S [m/m] Sensitivitäten aller möglichen Aktuatoren, Verformungszustand
V [m3] Volumen
WäV [Nm] äußere Verschiebungsarbeit
WiV [Nm] innere Verschiebungsarbeit
7
Entwerfen adaptiver Strukturen Zusammenfassung
Zusammenfassung
Im Rahmen der Arbeit wird ein Entwurfskonzept für adaptive Tragstrukturen entwickelt,
mit dem gewichtsminimale Tragwerke unter Beibehaltung von Spannungs- und
Verformungskriterien entworfen werden können. Die Adaption an verschiedene
Belastungszustände wird durch den Einsatz von längen- und steifigkeitsvariablen
Elementen ermöglicht. Dieses Verfahren wird als Lastpfadmanagement (LPM)
bezeichnet.
Die optimalen Kraftpfade werden für verschiedene Lastfälle mit Hilfe der
mathematischen Programmierung bestimmt: Ziel ist es, das Eigengewicht (bei
gleichzeitiger Berücksichtung von Gleichgewichtsbedingungen und Einhaltung der
zulässigen Spannungen) zu minimieren. Im Gegensatz zu einer „normalen“ statischen
Berechnung werden die geometrischen Kompatibilitätsbedingungen in diesem Schritt
nicht berücksichtigt. Neben der Querschnittsoptimierung kann auch eine
Formoptimierung des Systems durchgeführt werden.
Nach der Wahl der Anzahl und Position der adaptiven Elemente kann die erforderliche
Reaktion derselben ermittelt werden. Die erforderlichen Längenänderungen der Elemente
können mit Hilfe der geometrischen Kompatibilitätsbedingungen ermittelt werden. Die
Kraft- und Verformungsadaption kann auf zweierlei Arten erfolgen, entweder durch eine
direkte Längenvariation der Elemente (z. B. durch Linearaktuatoren) oder indirekt über
eine Anpassung der Steifigkeiten (z. B. eine Variation der Materialeigenschaften).
8
Entwerfen adaptiver Strukturen Abstract
Abstract
In the context of this work a design concept for adaptive structures is developed. The
aim of the concept is to minimize the weight of the structures while maintaining stress
and deformation criteria. The adaptation to different load conditions can be realized
using variable length and variable stiffness elements. This procedure is called load path
management (LPM).
Adaptive structures can be defined as systems, which are able to react to external
stimuli and adapt to variable conditions. In order to achieve the adaptation, the systems
consist of sensors, a control unit and actuators.
The optimal force path for different load cases is determined using mathematical
programming: The goal is it to minimize the self weight of the structure (taking nodal
equilibrium and permissible stresses into account). Contrary to a “conventional” static
analysis the geometrical compatibility equations are neglected. Apart from the cross-
sectional optimization a shape optimization of the system can be accomplished as well.
After selecting the number and position of the adaptive elements their necessary
reaction can be determined. The necessary extension respectively shortening is
determined on the basis of the geometrical compatibility equations. The force and
deflection adaptation can be achieved in two different ways, either via a direct length
variation of the element (e.g. by linear actuators) or indirectly by an adjustment of the
rigidity (e.g. a variation of the material properties).
Further investigations include the energy requirement as well as the reliability of these
systems. On the basis of numerical examples the load carrying behaviour of different
systems is examined and evaluated regarding their potential to weight savings.
9
Entwerfen adaptiver Strukturen 1 Einleitung
1 Einleitung
1.1 Leichtbau
Leichtbau ist Notwendigkeit bei Konstruktionen, die weit gespannt sind oder große
Höhen erreichen sollen (Sobek 1995). Auch für mobile oder wandelbare Strukturen
bedeutet eine mögliche Gewichtsersparnis einen deutlichen Vorteil. Leichtbau ist aber
auch bei allen übrigen Konstruktionen anzustreben, um eine ressourcen- und damit auch
energiesparende Bauweise zu realisieren. Dies führt in der Regel auch zu hohen
ästhetischen Qualitäten.
Je leichter eine Konstruktion ist, desto problematischer wird die Bestimmung eines
formbestimmenden Lastfalls, da dieser in aller Regel zeitlich nicht mehr invariant ist. Bei
einer Betonschale kann das Eigengewicht sinnvollerweise als formbestimmender Lastfall
herangezogen werden. Bei noch leichteren Strukturen erscheint es aber sinnvoll,
Tragwerke zu entwickeln, die genau auf diese zeitlichen Veränderungen eingehen
können, d.h. dass sie sich den äußeren Einflüssen anpassen (Sobek und Teuffel 2001).
Insbesondere die Verwendung von hochfesten Materialien kann zu
Verformungsproblemen führen, da die höhere Festigkeit zu reduzierten Querschnitten
führt. Die dadurch verringerte Bauteilsteifigkeit kann in der Regel nicht durch eine
höhere Materialsteifigkeit ausgeglichen werden.
1.2 Adaption
Adaptive Systeme sind in der Natur eine Selbstverständlichkeit und können auch beim
Einsatz in technischen Systemen Vorteile bieten. Hinsichtlich der Anpassung wird
unterschieden, in welchem zeitlichen Rahmen sie sich abspielt (Clark et al. 1998). Man
spricht von Kurzzeitadaption, wenn die Anpassung in Echtzeit auftritt, beispielsweise
die farbliche Anpassung eines Chamäleons. Langfristige Adaptionsprozesse sind
beispielsweise Wachstumsvorgänge von Bäumen (Mattheck 1998) und Knochen
(Thompson 1917, Cowin 1990). Es wird Material an hochbeanspruchten Stellen
angelagert und somit werden Spannungsspitzen vermieden. Evolutionäre
Anpassungsprozesse treten über mehrere Generationen auf und verändern das
Erscheinungsbild oder die Funktionalität natürlicher Systeme (Holland 1992). Diese
Überlegungen, jedenfalls die zur Kurz- und Langzeitadaption, lassen sich auch auf
technische Systeme übertragen. Die Anwendung der Kurzzeitadaption wird im Rahmen
10
Entwerfen adaptiver Strukturen 1 Einleitung
Ziel der Arbeit ist die Entwicklung eines Verfahrens zum Entwurf gewichtsminimaler
adaptiver Strukturen. Es wird eine Vorgehensweise entwickelt, mit der das Potenzial der
Adaptivität beim Entwurf einer tragenden Struktur von Beginn an berücksichtigt werden
kann. Im Gegensatz zur herkömmlichen Vorgehensweise des structural control werden
dadurch nicht "nur" unter Zuhilfenahme von aktiven Elementen die Probleme des
passiven Systems gelöst, sondern es wird angestrebt, von Beginn an eine Struktur zu
entwickeln, bei der diese Probleme erst gar nicht auftauchen. Dafür wird in dieser Arbeit
das Lastpfadmanagement entwickelt, mit dem die Lastabtragung in Strukturen
hinsichtlich der Kraftverteilung optimiert werden kann. Weiterhin ist es möglich, das
Verformungsverhalten zu manipulieren. Der Aspekt der Formoptimierung wird ebenso
untersucht.
In Kap. 2 und 3 werden die für die Optimierung adaptiver Strukturen notwendigen
Grundlagen und der Stand der Technik erörtert. Verschiedene adaptive Systeme werden
in Kap. 2 beschrieben, während in Kap. 3 ein Überblick über verschiedene Verfahren der
Strukturoptimierung gegeben wird. Der Hauptteil der Arbeit, das entwickelte Verfahren
zum Lastpfadmanagement sowie die Anwendung auf drei Beispiele, wird in Kap. 4 und
5 beschrieben. Neben der Kraftpfadoptimierung, d.h. der Ermittlung der optimalen
Kraftzustände, werden weitere Aspekte wie die Auswahl und Positionierung der
Aktuatoren, Verformungskriterien, ein fail-safe - Konzept und die Formoptimierung
berücksichtigt. Im Rahmen dieser Arbeit entstand ein Prototyp eines adaptiven Systems
– der „Stuttgarter Träger“. Die Wirkungsweise sowie die Realisierung werden in Kap. 6
beschrieben. In Kap. 7 werden die wesentlichen Aspekte der Arbeit zusammengefasst
und es wird ein Ausblick für die weitere Entwicklung adaptiver Strukturen gegeben.
11
Entwerfen adaptiver Strukturen 2 Adaptive Systeme
2 Adaptive Systeme
2.1 Konzept
2.1.1 Grundlagen
Adaptive Vorgänge sind in der lebenden Natur selbstverständlich und unbedingte
Voraussetzung für das Überleben und Weiterentwickeln der jeweiligen Spezies. Die
Definition adaptiver Systeme kann auf zweierlei Arten erfolgen (Rogers 1999). Zum
Einen können sie über ihre Bestandteile definiert werden, d.h. die Integration von
Sensoren, Aktuatoren und einer Regelungseinheit in einem System. Eine weitere
Möglichkeit besteht in der Beschreibung des Zieles, d.h. der Erhöhung der Funktionalität
durch eine Anpassung an variierende Umgebungsbedingungen. In diesem Ansatz wird
nicht der Weg, sondern das Ziel näher beschrieben.
Basierend auf der Definition von Yao (1972) ist in Abb. 2.1 ein schematischer Überblick
gegeben, der den Zusammenhang zwischen Sensoren, Aktuatoren und der
Regelungseinheit wiedergibt. Je nachdem, ob es sich um ein semi-aktives oder ein
aktives System handelt, können die Aktuatoren die Systemeigenschaften verändern
oder Zusatzkräfte in der Struktur bewirken.
Aktuatoren
Sensoren Sensoren
Ausführung der
Überwachung der Überwachung der
gewünschten
Erregung Systemantwort
Reaktionen
Entscheiden
Erkennen
Regelung
12
Entwerfen adaptiver Strukturen 2 Adaptive Systeme
Neben dem Begriff „adaptiv" werden in der Literatur weitere Termini, wie „intelligent“
oder „smart“, benutzt. Der Fachbereich, der sich mit dem Zusammentreffen von
elektronischen und mechanischen Bauteilen beschäftigt, wird Adaptronik oder auch
Mechatronik genannt (Janocha 1999). Im Rahmen dieser Arbeit soll von "adaptiv"
gesprochen werden, da Begriffe wie „intelligent" im Zusammenhang mit technischen
Produkten – jedenfalls zu Beginn des 21. Jahrhunderts - nicht angebracht erscheinen
(Sobek und Teuffel 2002). Die Diskussion über die Verwendung der Begriffe ist
umfassend dokumentiert (z. B. Clark et al. 1998, Srinivasan und McFarland 2001) und
soll an dieser Stelle nicht weiter geführt werden, sondern mit einem Zitat von Culshaw
(1999) abgeschlossen werden:
"I conclude by observing that adaptronics, smart structures or whatever we call it, is
nothing other than a synonym for good engineering...".
Ein weiterer Aspekt bei der Entwicklung adaptiver Strukturen ist die Notwendigkeit einer
interdisziplinären Zusammenarbeit verschiedenster Fachrichtungen, die bisher im
konstruktiven Ingenieurbau oder auch in der Architektur in dieser Art selten vorkommt.
Die Integration von elektronischen Bauteilen in tragende Strukturen sowie der Einfluss
der Informationsverarbeitung auf die Gebrauchstauglichkeit von Tragwerken sind
heutzutage unüblich.
2.1.2 Sensoren
Bei Sensoren handelt es sich um die Bauteile, welche die Veränderungen von äußeren
Einflüssen, aber auch die des systeminternen Zustandes messen und diese
Informationen an die Steuerungs- bzw. Regelungseinheit weiterleiten. Je nach der zu
messenden Größe, wie z. B. Dehnung oder Beschleunigung, können verschiedene Typen
zum Einsatz kommen (Janocha 1999, Srinivasan und McFarland 2001). Resistive,
induktive sowie kapazitive Wegaufnehmer werden beispielsweise von Isermann (1999)
beschrieben.
13
Entwerfen adaptiver Strukturen 2 Adaptive Systeme
Der piezoelektrische Effekt wurde von Jacques und Pierre Curie 1888 entdeckt
(Janocha 1999). Der Effekt erfasst den Zusammenhang von elastischen Dehnungen und
der Ausrichtung von elektrischen Dipolen eines Materials. Durch das Anbringen einer
mechanischen Belastung und einer daraus resultierenden Dehnung wird ein elektrisches
Feld erzeugt, das gemessen werden kann. Somit können Rückschlüsse auf die Dehnung
gezogen werden.
Die Anwendung von Sensoren ist relativ ausgereift und verschiedene Systeme für
unterschiedliche Aufgaben sind kommerziell erhältlich. Folgende Parameter sind bei der
Auswahl zu beachten: Sensitivität hinsichtlich der zu messenden Größen, mechanische
Robustheit, Überlastbarkeit, Linearität, Kompatibilität zu anderen Materialien,
Messbereich, Auflösung, Kosten sowie Reifegrad der Entwicklung.
2.1.3 Aktuatoren
14
Entwerfen adaptiver Strukturen 2 Adaptive Systeme
werden können und die Aktuatoren nur im dynamische Zustand Leistung aufnehmen
(Isermann 1999).
Eine Volumenänderung infolge einer Stimulation durch elektrische Signale bzw. durch
eine chemische Reaktion ist die Besonderheit des Verhaltens elektro- bzw. chemoaktiver
Polymere. Im Gegensatz zu den oben genannten Materialien sind die möglichen
Verformungen wesentlich größer (>100%), allerdings verbunden mit geringer
Steifigkeit und Festigkeit. Der mögliche Einsatzbereich liegt daher auch eher im
biomedizinischen Bereich als im Bauwesen (Gülch et al. 2002).
Magneto- wie auch elektrorheologische Fluide besitzen die Eigenschaft, dass ihr
rheologisches Verhalten durch das Anlegen eines magnetischen bzw. elektrischen
Feldes veränderbar ist. Mit ihnen lassen sich regelbare Dämpfungselemente entwickeln,
um Schwingungen zu kontrollieren. Die möglichen Einsatzbereiche liegen im
Fahrzeugbau und Bauwesen.
15
Entwerfen adaptiver Strukturen 2 Adaptive Systeme
Tanaka et al. (2003) beschreiben ein Konzept, mit dem durch die Integration von
Funktionsmaterialien (z. B. Piezokeramiken) in ein Verbundsystem Materialien mit
variabler Steifigkeit entwickelt werden können.
Eine Vielzahl von Typen von Aktuatoren steht heutzutage zur Verfügung. Diese können
für verschiedene Aufgaben eingesetzt werden. Für die Beurteilung sind folgende
Kriterien zugrunde zu legen: Kraft, Hub bzw. Weg, Beschleunigung, Frequenzbereich,
Linearität, Einbaugröße, Wartung, Kosten und Entwicklungsgrad. Für die im Rahmen
dieser Arbeit dargestellten Untersuchungen kommen neben herkömmlichen Stellgliedern
auch piezoelektrische sowie magnetostriktive Bauteile oder Formgedächtnislegierungen
für einen Einsatz in Frage. Weiterhin interessant sind die oben genannten
steifigkeitsvariablen Mehrwerkstoffsysteme.
Der Unterschied zwischen einer Regelung und einer Steuerung liegt darin, dass bei
einem geregelten System eine Rückmeldung über die tatsächliche Systemantwort
auftritt, während bei einer Steuerung nur die äußeren Einflüsse ermittelt werden. Für die
Realisierung adaptiver Strukturen ist eine Regelung notwendig, um eine realistische
Beurteilung des Systemverhaltens auch bei möglichen Störeinflüssen, die in der Realität
auftreten werden, zu gewährleisten (s. a. Abb. 2.1). Als eine Erweiterung der
klassischen Regelung kann die adaptive Regelung angesehen werden, bei der nicht nur
das mechanische System einer Anpassung unterliegt, sondern auch die der Regelung
zugrunde liegenden Algorithmen mit der Zeit variiert werden können (Clark et al. 1998).
Durch den Einsatz neuronaler Netze oder auch künstlicher Intelligenz ist somit in
Zukunft auch ein gewisser Lerneffekt erreichbar (Shea et al. 2002).
2.2 Anwendungen
16
Entwerfen adaptiver Strukturen 2 Adaptive Systeme
Schwingungstilger (tuned mass damper bzw. tuned liquid damper) wurden erstmals
1947 von den Hartog (Housner et al. 1997) vorgeschlagen und werden seitdem primär
zur Reduktion wind-, aber auch verkehrsinduzierter Schwingungen verwendet. Die
Funktionsweise der Tilger beruht auf dem Effekt, dass die extern eingebrachte Energie
(z. B. infolge Wind) durch eine gedämpfte Schwingung des Tilgers dissipiert wird.
Schwingungstilger, bestehend aus einem Feder-Masse-System, können für eine
bestimmte Frequenz eingestellt („tuned“) werden. Dadurch wird in der Regel die 1.
Eigenfrequenz eines Tragwerks getilgt. Weitere Eigenschwingungen können jedoch nicht
getilgt werden. Um dieses Problem zu umgehen, können Mehrfach-Schwingungstilger
eingesetzt werden, die aus mehreren Feder-Masse-Systeme bestehen und für mehrere
Frequenzen eingestellt werden können.
Einige Hochhäuser und Brücken sind mit TMDs realisiert worden, erstmals der
Centerpoint Tower in Sydney. Weitere frühe Projekte sind das Citicorp Building in New
York sowie der John Hancock Tower in Boston (Housner et al. 1997).
Als Schwingungsdämpfer können verschiedene Typen zum Einsatz kommen. Ihre Wahl
hängt von der Art der Erregung ab: Metallische Dämpfer sowie Reibungsdämpfer
kommen bei seismischen Problemen zum Einsatz - sie dissipieren die Energie über
plastische Verformungen bzw. über Reibung. Viskoelastische bzw. viskofluide
Dämpfungssysteme werden bei wind- bzw. verkehrserregten Schwingungen eingesetzt
(Soong und Spencer 2002).
Im Gegensatz zu passiven Systemen wird bei aktiven Systemen die Reaktion des
Systems nicht direkt durch die äußere Erregung hervorgerufen. Die gewünschte bzw.
erforderliche Reaktion wird durch eine Regelung bzw. Steuerung ermittelt und durch die
17
Entwerfen adaptiver Strukturen 2 Adaptive Systeme
Die Weiterentwicklung der passiven Schwingungstilger (tuned mass damper) führt zur
Entwicklung von aktiven Systemen (active mass damper). Das erste realisierte aktiv
kontrollierte Gebäude – das Kyobashi Seiwa Building - befindet sich in Japan (Sakamoto
et al. 2000). Der Vorteil gegenüber passiven Tilgern liegt in der Anpassbarkeit an
verschiedene Erregerfrequenzen.
Erste Ideen für Systeme mit einer veränderlichen Vorspannung werden von Zuk und
Clark (1970) beschrieben: als mögliche Anwendungen werden Brücken und Hochhäuser
genannt. Reinhorn und Soong (1993) verwenden aktive Aussteifungselemente zur
Regelung erdbebenerregter Schwingungen. Die Verwendung von regelbaren
vorgespannten Stahlbetonträgern zur Reduktion von Vorspannverlusten wird von
Pacheco und da Fonseca (2002) vorgeschlagen. Zur Verbesserung des Tragverhaltens
von Tensegrity-Strukturen schlagen Fest et al. (2003) den Einsatz aktiver Systeme vor.
Der Einsatz von regelbaren Ventilen in fluiden Dämpfungselementen ermöglicht es, den
Strömungswiderstand des Fluides zu kontrollieren und Dämpfer mit variablen
Eigenschaften zu realisieren. Dadurch kann das dynamische Verhalten von
Tragstrukturen beeinflusst werden. Patten et al. (1999) führten hierzu Versuche an der
Interstate I-35 Highway Brücke durch, um die Spannungsspitzen infolge einer
Beanspruchung durch Schwerlastverkehr zu reduzieren. Eine weitere Möglichkeit, die
Dämpfung zu variieren, liegt im Einsatz von regelbaren Fluiden. Elektro- oder
magnetorheologische Fluide besitzen die Eigenschaft, dass ihre Viskosität durch den
Einfluss von elektrischen bzw. magnetischen Feldern variiert werden kann. Der Vorteil
gegenüber den oben genannten einstellbaren Ventilen bzw. Drosseln liegt im Fehlen von
beweglichen mechanischen Bauteilen und damit von potentiellen Fehlerquellen (Spencer
und Sain 1997).
Sakamoto et al. 2000 beschreiben ein Konzept mit einer variablen Steifigkeitsverteilung
in Bauwerken zur Kontrolle von erdbebenerregten Schwingungen. Anstelle der
einstellbaren Ventile, die den Widerstand - und damit das Dämpfungsverhalten -
18
Entwerfen adaptiver Strukturen 2 Adaptive Systeme
kontrollieren, werden hierbei ein- bzw. ausschaltbare Ventile eingesetzt. Mit diesen
Elementen werden beim Kobori Research Complex die einzelnen Aussteifungsverbände
aktiviert bzw. deaktiviert und somit werden die Steifigkeit und die Eigenfrequenz der
tragenden Struktur entsprechend den Anforderungen eingestellt.
2.3 Bewertung
Für die im Rahmen dieser Arbeit vorgeschlagene Vorgehensweise zum Entwurf und zur
Optimierung adaptiver Strukturen können die in Kap. 2.1.3 beschriebenen Aktuatoren
zum Einsatz kommen. Es wird ein einheitliches Konzept vorgeschlagen, bei dem eine
variable Längenänderung einzelner Elemente – aktiv mit Gegenkräften oder semi-aktiv
durch Steifigkeitsvariation – verwendet wird.
19
Entwerfen adaptiver Strukturen 3 Strukturoptimierung
3 Strukturoptimierung
3.1 Grundlagen
Bei der Strukturoptimierung ist zu unterscheiden, auf welcher hierarchischen Ebene die
Optimierung erfolgt. Im Rahmen dieser Arbeit werden die untersuchten Strukturen
hinsichtlich der Elementquerschnitte sowie der Geometrie optimiert. Die Verwendung
der Strukturoptimierung zur Formfindung wird von Bletzinger et al. (1995) beschrieben.
Die Form- bzw. Geometrieoptimierung kann in einer geschachtelten Form, d.h. iterativ
mit einer getrennten Querschnitts- und Formoptimierung erfolgen (Wang et al. 2002).
Ebenso ist die gleichzeitige Optimierung von Querschnitt und Form möglich (Topping
1983, Vanderplaats 1984, Bendsøe et al. 1994). Bei der Topologieoptimierung handelt
es sich um die komplexeste Aufgabe im Rahmen der Strukturoptimierung, da neben der
Anzahl der Knoten und Elemente auch die Beziehungen zwischen Knoten und
Elementen, d.h. die Topologie, variabel ist.
3.2 Optimalitätskriterienmethoden
Die am weitesten verbreitete Optimalitätskriterienmethode ist das fully-stressed-design
(FSD). Das hierbei verwendete Kriterium besagt, dass alle Elemente in mindestens
einem Lastfall voll ausgenutzt werden müssen, d.h. fully-stressed sind. Dem FSD liegt
der intuitive Ansatz zugrunde, dass eine Gewichtsverringerung durch eine iterative
Anpassung der Querschnitte erreicht werden kann (Haftka und Gürdal 1992). Die
Ermittlung der Querschnitte erfolgt iterativ nach der stress-ratio-method (SRM). Diese
Vorgehensweise führt bei statisch bestimmten Systemen zum Optimum, nicht jedoch
bei statisch unbestimmten Tragwerken. Bei ihnen führt das FSD in der Regel zu
20
Entwerfen adaptiver Strukturen 3 Strukturoptimierung
xu ≤ x ≤ xo 3.4
Zielfunktion
Die Zielfunktion f(x) beschreibt in Abhängigkeit von den Variablen x und den Parametern
p die zu optimierende Größe, z. B. die Kosten eines Projektes oder das Gewicht einer
Struktur. Neben der Definition skalarer Zielfunktionen besteht auch die Möglichkeit,
vektorielle Zielfunktionen zu definieren, die mehrere zu optimierende Größen enthalten.
Man spricht dann von einer Mehrkriterienoptimierung. In der Regel widersprechen sich
die Ziele der einzelnen Funktionen. Ein Ansatz zur Lösung der Mehrkriterienoptimierung
besteht darin, dass die Gruppe der Funktionen durch eine gewichtete lineare
Kombination auf eine einzelne Funktion reduziert wird - problematisch hierbei ist die
Wahl der Gewichtungsfaktoren.
21
Entwerfen adaptiver Strukturen 3 Strukturoptimierung
Nebenbedingungen
Die Nebenbedingungen sind wie die Zielfunktion abhängig von den Variablen x und den
Entwurfsparametern p. Für den Fall, dass keine Nebenbedingungen vorliegen, spricht
man von unbeschränkten Optimierungsaufgaben, ansonsten von beschränkten
Optimierungsaufgaben. Man unterscheidet weiterhin Gleichheitsnebenbedingungen h(x)
und Ungleichheitsnebenbedingungen g(x). Mit den Nebenbedingungen werden
einzuhaltende Werte, z. B. die zulässigen Spannungen, definiert. Wie die Variablen
müssen auch die Nebenbedingungen voneinander linear unabhängig sein.
3.3.2 Optimierungsverfahren
minimiere f (x ) = cT x 3.5
mit x∈Θ
unter Berücksichtigung h(x) = A h x − b h = 0 3.6
g(x) = A g x − b g ≤ 0 3.7
xu ≤ x ≤ xo 3.8
Es existieren verschiedene Verfahren zur Lösung der linearen Programmierung (LP), wie
das Simplex-Verfahren (Arora 1989) oder das LIPSOL-Verfahren (Zhang 1998). Ein
wesentlicher Vorteil linearer Optimierungsaufgaben ist neben einer hohen
Rechengeschwindigkeit der globale Charakter der Lösung. Allerdings lassen sich in der
Realität nur wenige technische Zusammenhänge linear beschreiben.
Eine nichtlineare Programmierung (NLP) liegt vor, wenn entweder die Zielfunktion und/
oder eine Nebenbedingung einen nichtlinearen Zusammenhang beschreiben. Im Rahmen
der Strukturoptimierung liegt im Allgemeinen eine nichtlineare Optimierungsaufgabe vor.
Die Lösung des Problems erfolgt, basierend auf der Angabe eines Startwertes, durch
einen iterativen Prozess. Die mathematische Formulierung erfolgt entsprechend Gl. 3.1
– 3.4. Die nichtlineare Programmierung basiert häufig auf verschiedenen
Gradientenverfahren, die im Folgenden genannt werden.
Bei unbeschränkten Problemen lassen sich die verschiedenen Methoden in Verfahren 0.,
1. und 2. Ordnung einstufen. Die Verfahren 0. Ordnung verwenden keine Informationen
aus den Ableitungen der Zielfunktion. Gradientenbasierte Verfahren hingegen
verwenden die erste Ableitung der Zielfunktion, d. h. die Bedingung ∇f=0.
Verschiedene numerische Verfahren, wie die des steilsten Abstieges, die der
konjugierten Gradienten (Fletcher-Reeves) sowie das Broyden-Fletcher-Goldfarb-Shanno-
22
Entwerfen adaptiver Strukturen 3 Strukturoptimierung
Bei der nichtlinearen Programmierung liegt das Problem vor, dass zwischen lokalen und
globalen Minima unterschieden werden muss. Im Falle einer konvexen Zielfunktion (die
bei einer linearen Programmierung grundsätzlich vorliegt) existiert genau eine Lösung –
das globale Minimum. Die mit den oben genannten Verfahren gefundenen Minimalstellen
sind jedoch nicht notwendigerweise globale Optima, sondern eventuell nur lokale
Extremstellen. Bei der Verwendung der oben genannten Verfahren muss darum das
Ergebnis eventuell mittels verschiedener Startwerte überprüft werden. Verschiedene
Verfahren zur globalen Optimierung basieren u. a. auf heuristischen Verfahren, wie das
simulated annealing (SA) oder die Verwendung evolutionärer Strategien, wie genetischer
Algorithmen (GA), die von Rechenberg (1973) und Goldberg (1989) beschrieben
werden.
Diskrete Optimierungsprobleme
23
Entwerfen adaptiver Strukturen 4 Lastpfadmanagement
4 Lastpfadmanagement
4.1 Konzept
4.1.1 Definition und Ziel
Unter Lastpfadmanagement wird die gezielte Manipulation der Eigenschaften des
Tragwerks (z. B. durch Steifigkeitsvariation) bzw. der Reaktion (z. B. durch
längenveränderliche Elemente) verstanden. Ziel ist es, den Lastabtragungsmechanismus
für veränderliche Lasten zu optimieren und somit das Gewicht der tragenden Struktur zu
minimieren. Neben der Einhaltung der zulässigen Spannungen können auch
Verformungsbeschränkungen berücksichtigt werden. Der Sonderfall einer geregelten
Verformung von „Null“ entspricht einer unendlichen Steifigkeit. Dies macht deutlich,
dass durch die Einführung der Adaptivität nicht nur eine quantitative Verbesserung
erreicht werden kann, sondern auch qualitativ neue Möglichkeiten entstehen. Weiterhin
erfolgt in dieser Arbeit die Berücksichtigung der optimalen Geometrie zur Abtragung der
angreifenden Lasten. Die Untersuchungen im Rahmen dieser Arbeit beziehen sich auf
quasi-statische Belastungen von ebenen Fachwerksystemen.
Pjk Pjk
Nik ujk
Pjk
Lastpfadmanagement:
Nik=Nikopt
ujk=ujkr
24
Entwerfen adaptiver Strukturen 4 Lastpfadmanagement
erfolgt, werden für adaptive Systeme die Kraftpfade optimiert und anschließend das
Tragwerk so ausgelegt, dass diese Kraftzustände auftreten.
Ziel der Untersuchungen ist primär die Minimierung des Gewichts tragender Strukturen.
Es ist jedoch zu unterscheiden, ob es sich um eine reine Gewichtsminimierung handeln
soll, d.h. keine Betrachtungen hinsichtlich der für die Aktuatoren erforderlichen Energie
in die Optimierung einfließen, oder ob energetische Aspekte zumindest qualitativ
betrachtet werden sollen. Für den Fall, dass der Energieaufwand keine Rolle spielt,
werden nur Verformungsrestriktionen am geregelten System betrachtet. Dies kann
jedoch dazu führen, dass das passiv-adaptive System (d. h. das adaptive System im
passiven Zustand) zu flexibel wird und große Längenänderungen der Aktuatoren
notwendig werden, um das Verformungsziel zu erreichen. Dies kann verhindert werden,
wenn Verformungsbeschränkungen am passiv-adaptiven System eingeführt werden.
4.1.2 Manipulierbarkeit
Im Rahmen der Arbeit wird die Manipulation des Systems für quasi-statische
Belastungen betrachtet, damit ergeben sich für den Entwurf des topologisch
vorgegebenen Systems folgende Möglichkeiten der Tragwerksmanipulation:
Die Abhängigkeit der zeitlich varianten Werte von internen bzw. externen Größen
bestimmt, ob es sich bei dem Problem um eine Steuerung (open-loop-control) oder um
25
Entwerfen adaptiver Strukturen 4 Lastpfadmanagement
eine Regelung (closed-loop-control) handelt. Für den Fall, dass diese von den äußeren
Lasten abhängen, spricht man von einer Steuerung, wenn sie jedoch von den
Systemverformungen, bzw. von der Systemantwort abhängen, dann spricht man von
einer Regelung (s. Kap. 2.1.4). Gleiches gilt auch für die Variation der
Systemeigenschaften.
4.1.3 Übersicht
Zur Optimierung adaptiver Strukturen wird in dieser Arbeit ein Verfahren vorgestellt, mit
dem optimale Kraftzustände entwickelt werden können. Es werden zuerst
Kraftzustände für verschiedene Lastfälle optimiert und anschließend die dafür
notwendige tragende Struktur bestimmt. Das bedeutet, dass nicht nur die
Tragwerksgrößen (Querschnitte, Geometrie) Entwurfsvariablen sind, sondern auch die
Zustandsgrößen (Kräfte und Verformungen) direkter Bestandteil des
Optimierungsprozesses sind.
Zuerst werden mit Hilfe von Gleichgewichtsbedingungen an den Knoten die optimalen
Kraftpfade für verschiedene Lastfälle entwickelt. Die Kompatibilitätsbedingungen und
Verformungskriterien werden an dieser Stelle nicht berücksichtigt und werden erst in
einem weiteren Schritt, im Rahmen der eigentlichen Adaption, eingeführt. Dieses
Vorgehen kann bei gegebener oder noch zu optimierender Geometrie durchgeführt
werden. Ziel ist die Minimierung des benötigten Tragwerksgewichts (s. Kap. 4.2.1 –
4.2.2).
Der Einfluss des Ausfalls der Regelung wird durch ein fail-safe - Konzept berücksichtigt,
das in Kap. 4.2.4 beschrieben wird.
Die notwendige Anzahl a der Aktuatoren ist vom Grad der statischen Unbestimmtheit
des Systems sowie der Anzahl nr der zu regelnden Freiheitsgrade abhängig. Die
Anordnung der Aktuatoren wird mit Hilfe einer Sensitivitätsanalyse und der Bildung
eines Effizienzindikators bestimmt. Dieses Vorgehen wird in Kap. 4.3 näher erläutert.
26
Entwerfen adaptiver Strukturen 4 Lastpfadmanagement
Nach der Ermittlung der optimalen Kraftzustände und der eventuellen Vorgabe von
Verformungsbeschränkungen erfolgt der eigentliche Adaptionsvorgang, der durch die
Veränderung der adaptiven Elemente erreicht wird (s. Kap. 4.4)
Bei einer Optimierung ohne Beschränkungen der Aktuation (wie in Kap. 4.2 – 4.4
beschrieben) haben Verformungsrestriktionen des geregelten Systems keinen Einfluss
auf die optimale Steifigkeitsverteilung und Geometrie der Struktur. Diese
Vorgehensweise ist jedoch bei häufig auftretenden Belastungen nicht sinnvoll, da dann
die Gewichtsersparnis durch einen hohen Energieverbrauch bezahlt werden muss. Bei
der Berücksichtigung des Energieverbrauchs werden Verformungsrestriktionen am
passiv-adaptiven System eingeführt. Daraus folgt ein Einfluss auf die Geometrie der
Struktur, d.h. es existiert ein Zusammenhang zwischen erforderlichem
Tragwerksgewicht und aufzuwendender Energie, der in Kapitel 4.5 beschrieben wird.
Ein Vorteil des in dieser Arbeit vorgestellten Verfahrens liegt darin, dass die Ermittlung
der optimalen Kraftzustände ohne Vorgabe der dafür notwendigen Aktuatoren erfolgen
kann. Daher ist in der anschließenden Auswahl die Zielsetzung klar definiert und die
bevorzugten Positionen der adaptiven Elemente können über den Effizienzindikator
ermittelt werden.
27
Entwerfen adaptiver Strukturen 4 Lastpfadmanagement
Normalkraftermittlung
Kap. 4.2.3
Passiv-adaptives System
28
Entwerfen adaptiver Strukturen 4 Lastpfadmanagement
Konzept
Anhand eines einfachen Systems soll das Konzept zur Ermittlung der optimalen
Kraftpfade kurz beschrieben werden. Bei einem statisch unbestimmten System
existieren unendlich viele mögliche Kraftpfade, die eine Gleichgewichtsgruppe bilden
können. In dem in Abb. 4.3 dargestellten System existieren für die Lösung eines
Gleichungssystems mit 14 Unbekannten (11 Normalkräften und 3 Auflagerreaktionen)
und 12 Gleichungen (12 Gleichgewichtsbedingungen für alle Knotenfreiheitsgrade)
unendlich viele Lösungen. Ziel der Kraftpfadoptimierung ist es, die Kraftpfade zu finden,
die ein minimales Tragwerksgewicht ermöglichen.
P10
N6 N7
N9 N11
N3 N4 N5
N8 N10
Q2 N1 N2
Q1 Q5
Zielfunktion
Die Ermittlung optimaler Kraftpfade für verschiedene Lastfälle erfolgt durch Minimierung
des Gewichts G bei gleichzeitiger Beachtung von Spannungs- und
Gleichgewichtsnebenbedingungen.
Für Fachwerkstrukturen mit vorgegebener Topologie und Geometrie lassen sich die
optimalen Kraftpfade wie folgt ermitteln: Die Zielfunktion, die das Gewicht G der
Struktur beschreibt und die zu minimieren ist, wird durch folgenden linearen
Zusammenhang formuliert:
29
Entwerfen adaptiver Strukturen 4 Lastpfadmanagement
m
min G =∑ l i ⋅ Ai ⋅ ρ = lT ⋅ A ⋅ ρ 4.1
i =1
~ ⎡N ⎤
Nk = ⎢ k ⎥ 4.2
⎣Q k ⎦
⎡A⎤
⎢N
~
⎥
x=⎢ ⎥
1
4.3
⎢ M ⎥
⎢~ ⎥
⎣N p ⎦
A ≥ 0 4.4
⎡ 0 ⎤
xu = ⎢ ⎥ 4.5
⎣− ∞ ⎦
Gleichheitsnebenbedingungen
[
b = L cTi ]
L 4.6
30
Entwerfen adaptiver Strukturen 4 Lastpfadmanagement
~~
b N k − Pk = 0 4.7
⎡~ ⎤ ~ ⎤
⎢b 0 L 0⎥ ⎡ N ⎡ P1 ⎤
⎢0 b L 0⎥ ⎢⎢ ⎥⎥ ⎢ ⎥
~ 1
⎢ ⎥ ⋅ ⎢~M ⎥ − ⎢ M ⎥ = 0 4.8
⎢ M M O M ⎥ Np ⎢Pp ⎥
⎢0 0 L b ⎥ ⎢⎣ ⎥⎦ ⎣ ⎦
~
⎣ ⎦
⎡ ~
⎤
⎢0 b 0 L 0⎥ ⎡ A ⎤
~ ⎢ N~ ⎥ ⎡ P1 ⎤
⎢0 0 b L 0⎥ ⎢ 1 ⎥ ⎢ ⎥
⎢ ⎥⋅⎢ M ⎥−⎢ M ⎥ =0 4.9
⎢ M M M O M ⎥ ⎢ ~ ⎥ ⎢Pp ⎥
⎢0 0 0 L b ⎥ ⎣⎢N p ⎦⎥ ⎣ ⎦
~
⎣ ⎦
bzw. Ah x - P = 0 4.10
Ungleichheitsnebenbedingungen
N ik
Zugstäbe ≤ σ zul ,i ,Z 4.11
Ai
N ik
Druckstäbe − ≤ σ zul ,i ,D 4.12
Ai
Elementen ist ebenso möglich. Durch Umformung von Gl. 4.11 und 4.12 in
Matrizenschreibweise, können die Bedingungen zur Einhaltung der Spannungen für den
Lastfall k folgendermaßen formuliert werden.
s ⋅ Nk − A ≤ 0 4.13
− s ⋅ Nk − A ≤ 0 4.14
⎡σ −1zul ,1 0 L 0 ⎤
⎢ ⎥
0 σ −1zul ,i L 0 ⎥
s=⎢ 4.15
⎢ M M O M ⎥
⎢ ⎥
⎢⎣ 0 0 L σ −1zul ,m ⎥⎦
⎡ ~
⎤
⎢ − Ι s 0 L 0⎥
~
⎢− Ι − s 0 L 0 ⎥ ⎡A⎤
⎢ ~ ⎥
⎢− Ι 0 0 ⎥ ⎢N ⎥
~
s L
⎢ ~ ⎥ ⎢ 1⎥
⎢− Ι 0 − s L 0 ⎥⋅⎢ M ⎥ ≤0 4.17
⎢ M M ⎥ ⎢N ⎥⎥
~
M M O
⎢ ~ ⎥ ⎢ ⎣ p⎦
⎢− Ι 0 0 L s ⎥
⎢ ~⎥
⎣⎢− Ι 0 0 L − s ⎦⎥
Erweiterte Problembeschreibung
Aufgrund der Berücksichtigung der Normalkräfte und Auflagerreaktionen im
Entwurfsvektor muss der Elementlängenvektor l in der Zielfunktion um Nulleinträge
32
Entwerfen adaptiver Strukturen 4 Lastpfadmanagement
erweitert werden. Für insgesamt p Lastfälle ergibt sich somit folgende Darstellung
(dim(O)=((m+nf)x1).
~T
l = lT[ O1T L OTp ] 4.19
Mathematische Formulierung
Mit Hilfe der oben beschriebenen Gleichungen kann das Problem in der
Standardformulierung der linearen Programmierung (LP) beschrieben werden.
Zusammenfassend ergibt sich somit:
~T
G = l ⋅x⋅ρ 4.20
Minimiere die Funktion
Lösung
Zusammenfassung
Im Idealfall ist es möglich, Kraftpfade zu entwickeln, die in allen Lastfällen alle Elemente
zu 100% ausnutzen (s. Kap. 5.2). Im allgemeinen Fall ist dies jedoch nicht gegeben. Es
ist jedoch erkennbar, dass in den untersuchten Beispielen eine Verbesserung der
Lastabtragung mit dieser Tendenz auftritt. Dies wird durch die Erhöhung der Werte der
durchschnittlichen Spannungsausnutzung deutlich (s. Kap. 5.3).
N ik
Zugstäbe = σ zul ,i ,Z 4.25
Ai
33
Entwerfen adaptiver Strukturen 4 Lastpfadmanagement
N ik
Druckstäbe = σ zul ,i ,D 4.26
Ai
Die Einhaltung aller Nebenbedingungen ist aber nur dann möglich, wenn die Anzahl der
Entwurfsvariablen mindestens so groß ist wie die Anzahl der Gleichheitsneben-
bedingungen. Die Anzahl der Variablen (s. Gl. 4.3) beträgt:
∑ Variablen = Elementque
m{
rschnitte
+ m
(1 + n4
42
f
3) ⋅ p
{ 4.27
Elementkräfte + Auflagerreaktionen Lastfälle
∑ Gleichungen = n{
⋅p + m
12 p
⋅3
4.28
Gleichgewichtnebenbdingungen Spannungsnebenbedingungen
Die Summe der Variablen und die Summe der Gleichungen ist abhängig von der Anzahl
der Elemente m, der Anzahl der Freiheitsgrade n, der Anzahl der Auflagerreaktionen nf
sowie der Anzahl der Lastfälle p.
Die Forderung, dass die Anzahl der Variablen mindesten so groß sein soll wie die Anzahl
der Gleichungen, ergibt mit Umformung der Gl. 4.27 und 4.28 folgenden
Zusammenhang:
m − p ⋅ (n − n f ) ≥ 0 4.29
Bei adaptiven Systemen, bei denen Gl. 4.29 erfüllt wird, können alle Elemente in allen
Lastfällen zu 100% ausgenutzt werden können (s. Beispiele in Kap. 5.2.4 bzw. 5.3.2).
Die Bestimmung der hierfür erforderlichen Aktuatoren wird in Kap. 4.3 beschrieben.
4.2.2 Formoptimierung
Konzept
34
Entwerfen adaptiver Strukturen 4 Lastpfadmanagement
Freiheitsgrade
8 10 12
7 9 11 P10
Ψ10
2 4 6
1 3 5
N6 N7
N8 N11
Ψ8= Ψ12
N4
N3 N5
N9 N10
Q1 N1 N2
Q2 Q6
Abb. 4.4: Entwicklung von optimalen Kraftpfaden bei Berücksichtigung der Formoptimierung
Die gleichzeitige Optimierung der Querschnittsflächen sowie der Geometrie der Struktur
erfolgt mit Hilfe einer geschachtelten Optimierungsprozedur. Dies ist vergleichbar mit
der Vorgehensweise bei passiven Systemen, bei denen die Formoptimierung
beispielsweise mit einem fully-stressed-design (FSD) kombiniert werden kann. Anstelle
des FSD wird für adaptive Systeme die Kraftpfadoptimierung (KPO) verwendet. Hierzu
werden die Entwurfsräume für die Geometrie- und die Querschnittsoptimierung
getrennt. Zuerst wird, ausgehend von der Ausgangsgeometrie, die Geometrie in der
übergeordneten Ebene 1 optimiert - dies stellt ein Problem der nichtlinearen
Programmierung dar. Unterhalb dieser Ebene wird für jede Variation der
Tragwerksgeometrie eine Querschnittsoptimierung mit Hilfe der KPO durchgeführt.
Diese zwei Stufen werden solange durchlaufen, bis ein vorgegebenes
Konvergenzkriterium erfüllt wird. Alternativ können diese beiden Probleme in einem
Verfahren gekoppelt werden - dies wird in Kap. 4.5.3 näher erläutert.
Es liegen prinzipiell die gleiche Zielfunktion und die gleichen Nebenbedingungen wie in
Kap. 4.2.1 vor. Durch die Abhängigkeit der Elementlängen von den variablen
Knotenkoordinaten ergibt sich jedoch eine nichtlineare Problemformulierung. Der
Elementlängenvektor l wird daher bei jeder Geometrieänderung aktualisiert.
m
min G = ∑
i
l i (x) ⋅ Ai (x) ⋅ ρ = l (x) ⋅ A (x) ⋅ ρ + ... + l m (x) ⋅ Am (x) ⋅ ρ
=1
1 1 4.30
35
Entwerfen adaptiver Strukturen 4 Lastpfadmanagement
⎡ Ψ1 ⎤
⎢ ⎥
Ψ
x =Ψ=⎢ i⎥
1
4.31
⎢ M ⎥
⎢ ⎥
⎢⎣Ψn ⎥⎦
⎡A⎤
⎢N~
⎥
2
x = ⎢ 1
⎥ 4.32
⎢ M ⎥
⎢~ ⎥
⎣Nq ⎦
Nebenbedingungen
neu
b = b(x neu ) 4.33
Lösung
Die Lösung des beschränkten nichtlinearen Formoptimierungsproblems erfolgt mit Hilfe
der sequentiellen-quadratischen Programmierung (SQP). Hierbei wird in jeder Iteration
ein Subproblem der quadratischen Programmierung (QP) gelöst. Die Abschätzung der
Hesse-Matrix wird in jeder Iteration mit Hilfe der BFGS - Methode aktualisiert
(Venkataraman 2002). Für das lineare Problem der Kraftpfadoptimierung wird wiederum
das LIPSOL-Verfahren verwendet (Wang et al. 1998). Die Lösung des Gesamtproblems
wird von 2 Lösungsvektoren beschrieben: x1 beinhaltet die optimale Geometrie, x2
beschreibt die Querschnittsverteilung sowie die optimalen Kraftpfade.
36
Entwerfen adaptiver Strukturen 4 Lastpfadmanagement
Zusammenfassung
Das geschachtelte Verfahren zur Formoptimierung verläuft aufgrund der Trennung der
Entwurfsräume sehr stabil. Allerdings ist zu beachten, dass die optimale Geometrie nur
das Ergebnis aus den optimalen Kraftzuständen ist und eventuelle
Verformungsrestriktionen keinen Einfluss auf die gefundene Geometrie haben. Dies kann
unter Umständen zu großen Längenänderungen der Aktuatoren führen. Allerdings führt
eine Begrenzung der Aktuation bzw. der zu verrichtenden Arbeit zu einem
Gewichtsanstieg der Struktur. Darauf wird in Kap. 4.5 näher eingegangen. Der Vorteil
des an dieser Stelle verwendeten Verfahrens liegt darin, dass es zum globalen
Gewichtsminimum des oben definierten Problems führt.
37
Entwerfen adaptiver Strukturen 4 Lastpfadmanagement
Ebene 1 - Formoptimierung
Ebene 2 - Querschnittsoptimierung
Zielfunktion G
Berücksichtigung von Nebenbedingungen
Knotengleichgewicht Ah,neux2-P=0
Einhaltung der Spannungen Agx2<=0
38
Entwerfen adaptiver Strukturen 4 Lastpfadmanagement
Nopt beinhaltet die Werte aus der Kraftpfadoptimierung, d.h. der optimalen
Normalkraftverteilung, Npa beschreibt das Ergebnis der Berechnung am passiv-adaptiven
System, d. h. mit der in der KPO ermittelten Steifigkeitsverteilung, aber ohne
Adaptionsvorgang. Die Ermittlung der Knotendifferenzverschiebung ∆u erfolgt analog.
∆u = ur – upa 4.35
Hierbei wird die angestrebte Verschiebung mit ur, d.h. mit dem geregelten Zustand
bezeichnet. Die Knotenverschiebungen am passiv-adaptiven System werden von upa
beschrieben.
Die Ermittlung der auftretenden Differenzkräfte ist weiterhin Grundlage der Simulation
eines Regelungsausfalles. Dieser Aspekt wird im Folgenden näher diskutiert.
Im Rahmen dieser Arbeit wird ein fail-safe - Konzept für die Optimierung adaptiver
Strukturen verfolgt. Fail-safe bedeutet, dass eine Struktur nicht durch den Ausfall eines
einzelnen Elements versagen darf und alternative Lastabtragungsmechanismen zur
Verfügung stehen (Haug und Arora 1979). Im Falle von adaptiven Strukturen betrifft
dies neben den einzelnen tragenden Elementen auch die Regelung. Dies bedeutet, dass
auch bei einem Ausfall der Regelung die Standsicherheit gewährleistet werden muss.
Hierfür können jedoch ein reduzierter Sicherheitsfaktor bzw. reduzierte Lastannahmen
akzeptiert werden. Im Rahmen dieser Arbeit wird dies durch einen reduzierten globalen
Sicherheitsfaktor berücksichtigt.
Bei statisch unbestimmten System kann der Ausfall einzelner Elemente eventuell
akzeptabel sein, ohne die Gesamttragfähigkeit zu verlieren. Im Rahmen dieser Arbeit soll
jedoch auch der Ausfall einzelner Elemente beim Ausfall der Regelung verhindert
werden. Weitergehende Betrachtungen hierzu können mit Hilfe von Untersuchungen der
Redundanzanteile durchgeführt werden (Ströbel 1997).
Um den Ausfall der Regelung beim Entwurf und der Optimierung zu berücksichtigen,
wird die Einhaltung von Spannungsrestriktionen (mit reduziertem Sicherheitsfaktor) am
passiv-adaptiven System als Nebenbedingung eingeführt.
39
Entwerfen adaptiver Strukturen 4 Lastpfadmanagement
σ ik − σ zul
fs
≤0 4.36
γ
mit σ zul
fs
= σ zul ⋅ 4.37
γ fs
Durch die reduzierte Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls der Regelung bei gleichzeitiger
Maximalbeanspruchung kann ein reduzierter Sicherheitsfaktor akzeptiert werden.
Weiterhin ist durch die ständige Systemüberwachung der jeweils aktuelle Zustand des
Tragwerks bekannt und eventuelle Bauwerkschädigungen können rechtzeitig erkannt
werden.
m!
κ = 4.38
(m − a)! ⋅ a!
Hiermit ergeben sich bei einem System mit 2 Aktuatoren und 10 Elementen 45
Kombinationsmöglichkeiten, die noch problemlos durch eine totale Enumeration
überprüft werden können. Bei einem, aus baupraktischer Sicht, kleinen System mit 13
Aktuatoren und 49 Elementen (s. Kap. 5.3) steigt die Zahl auf 2.63·1011 Möglichkeiten
an.
Die Anzahl a der notwendigen Aktuatoren ergibt sich aus dem Grad der statischen
Unbestimmtheit bzw. der Redundanz r des Systems, d. h. a=r. Dies kann mittels einer
Betrachtung des Kraftgrößenverfahrens erklärt werden: in einem r-fach statisch
unbestimmten System können r verschiedene linear unabhängige Kraftzustände erzeugt
werden. Für jeden weiteren zu kontrollierenden Verformungsfreiheitsgrad wird ein
weiterer Aktuator benötigt, um die exakte Lösung zu erhalten. Näherungslösungen sind
mit weniger Aktuatorelementen möglich.
40
Entwerfen adaptiver Strukturen 4 Lastpfadmanagement
Bei der Betrachtung der Sensitivitätsmatrix zeigt sich, dass ihr Rang dem Grad der
statischen Unbestimmtheit des Systems entspricht, d.h. in einem r-fach statisch
unbestimmten System liegt die Mannigfaltigkeit der möglichen Kraftzustände bei r.
Mathematisch bedeutet dies, dass der Rang der Matrix der Normalkraftsensitivitäten der
ausgewählten Elemente gleich dem Rang der Gesamtsensitivitätsmatrix sein muss,
damit die gewünschte Normalkraftänderung als Linearkombination der adaptiven
Elemente darstellbar ist.
4.3.2 Effizienzindikator
⎡ ∂N1 ⎤
⎢ L K ⎥
~N
⎢ ∂l1 ⎥
⎢ ∂N i ⎥
S =⎢ M ⎥ 4.39
∂l i
⎢ ⎥
⎢ M ∂N m ⎥
⎢⎣ ∂l m ⎥⎦
⎡ ∂u1 ⎤
⎢ ∂l L K⎥
~u
⎢ 1 ⎥
⎢ ∂u j ⎥
S =⎢ M ⎥ 4.40
∂l i
⎢ ⎥
⎢ M ∂u n ⎥
⎢⎣ ∂l m ⎥⎦
41
Entwerfen adaptiver Strukturen 4 Lastpfadmanagement
~N
Si1i 2 beschreibt den Einfluss einer Längenänderung von Element i2 (i2-te Spalte) auf die
~u
Normalkraft von Element i1 (i1-te Zeile). S ji beschreibt den Einfluss einer
Längenänderung von Element i (i-te Spalte) auf die Verformungsgröße j (j-te Zeile).
Mit der Betrachtung der Effizienz der einzelnen Elemente wird untersucht, inwieweit die
gewünschten Kraft- oder Verformungszustandsänderungen durch eine Aktuation
erreicht werden können.
Unter der Annahme, dass alle Elemente adaptiv sind, wird die für die gewünschte
Anpassung notwendige Aktuation ermittelt. Diese kann mit Hilfe der Lösung eines
linearen Gleichungssystems (Bedingungsgleichungen für die Normalkräfte) mit m
Unbekannten (Anzahl der Elemente) und m Gleichungen bestimmt werden. Der Rang der
Koeffizientenmatrix ist aber r < m, d.h. es existieren unendlich viele Lösungen. Zur
Einschränkung des Problems wird es als Optimierungsaufgabe formuliert. Ziel ist es, die
vorgegebene Verformungsfigur unter Beachtung der optimierten Kraftzustände
möglichst gut zu approximieren. Hierfür wird eine Minimierung der Fehlerquadrate
durchgeführt.
2
~u ~a
a
min S ∆ l − u 4.41
mit Berücksichtigung
~N ~a
der Nebenbedingung S ∆ l = ∆N 4.42
(s. Gl 4.29)
~a
Die Lösung von Gl. 4.41 unter Berücksichtigung von Gl. 4.42 ergibt die Lösung ∆ l .
Liegen keine Verformungsrestriktionen für das geregelte System vor, so wird ua = 0
gewählt, d.h. es sollen möglichst keine Knotenverschiebungen infolge der Adaption
auftreten und somit keine äußere Arbeit verrichtet werden.
Basierend auf dieser Lösung wird in einem weiteren Schritt untersucht, welchen Anteil
jedes Element zu der erforderlichen Gesamtänderung beiträgt. Der Term im Zähler des
Bruches in Gl. 4.43 beschreibt die Änderung der Normalkräfte infolge der Aktuation
~a
∆ l i des Elements i, der Nenner bezeichnet die gewünschte Normalkraftänderung. Die
Matrix ei erhält dadurch Werte, die für jedes Element i den Anteil an der
Zustandsänderung aller Elemente und aller Lastfälle beschreiben.
~N ~a
S ⋅∆ li 4.43
ei =
∆N
42
Entwerfen adaptiver Strukturen 4 Lastpfadmanagement
Die Summe für alle Elemente und Lastfälle ist ein Indikator dafür, wie hoch der Anteil
jedes Elements am Adaptionsvorgang ist.
p m
ei = ∑
k
∑
i
ei
=1 =1
4.44
Die Summe aller Anteile ergibt 100%. Bei der Berücksichtigung von
Verformungsrestriktionen gehen diese in die Gleichheitsnebenbedingungen (Gl. 4.42)
ein.
Unter Regel- bzw. Steuerbarkeit versteht man die prinzipielle Möglichkeit, durch die
Regelung bzw. Steuerung und die vorhandenen Aktuatoren die gewünschten Zielgrößen
(Verformungen oder Kraftzustände) zu beeinflussen. Sie beinhaltet keinerlei Aussagen
über die dafür notwendigen quantitativen Größen der Aktuationen.
Die Regelbarkeit mit den gewählten Aktuatoren wird über eine Überprüfung der linearen
Unabhängigkeit gewährleistet. Hierzu werden nacheinander die Spalteneinträge der
einzelnen Elemente (Reihenfolge entsprechend ihrer Effizienz) in eine Matrix addiert.
Entspricht der Rang dieser Matrix dem Rang der Gesamtmatrix der Sensitivitäten, dann
ist das System mit den gewählten Elementen regelbar. Andernfalls werden die Werte
eines weiteren Elements zu der Matrix ergänzt. Für den Fall, dass der Rang sich nicht
vergrößert, d.h. eine lineare Abhängigkeit besteht, wird das entsprechende Element
nicht ausgewählt, sondern das nachfolgende Element aus der Rangliste verwendet.
Dieser iterative Vorgang wird so lange wiederholt, bis der Rang der Matrix der Anzahl
der zu verwendenden Elemente entspricht. Zuletzt ergibt sich somit folgender
Zusammenhang, d.h. ∆N ist als Linearkombination von SN darstellbar.
4.3.4 Beobachtbarkeit
Die Beobachtbarkeit behandelt die Frage, inwieweit äußere Erregungen durch eine
vorgegebene Anzahl und Positionierung von Sensoren erkannt und eindeutig
beschrieben werden können. Im Vergleich zu den Aktuatoren liegen die Kosten von
Sensoren deutlich niedriger, während der technische Reifegrad in der Regel höher liegt.
Daher erscheint es nicht sinnvoll, das Optimierungspotenzial der Adaptivität durch die
Anzahl der Sensoren einzuschränken. Bei der Positionierung der Sensoren ist zu
unterscheiden, ob die angreifenden Belastungen, wie z. B. die sich bewegenden
Fahrzeuge auf Brücken, gemessen werden oder ob direkt die Beanspruchungszustände
im Tragwerk überwacht werden. Werden die Beanspruchungen des Systems
beobachtet, dann handelt es sich um ein geregeltes System.
43
Entwerfen adaptiver Strukturen 4 Lastpfadmanagement
4.4 Adaption
4.4.1 Vorüberlegungen
Wie in Kapitel 4.2 erwähnt, werden bei der Kraftpfadoptimierung die geometrischen
Kompatibilitätsbedingungen nicht berücksichtigt. Im Rahmen des Adaptionsprozesses
muss die geometrische Kompatibilität wieder hergestellt werden, um die optimalen
Kraftpfade in einem realen Tragwerk, d.h. mit Berücksichtigung der Steifigkeiten, zu
ermöglichen. Diese Anpassung kann entweder über steifigkeits- oder längenvariable
Elemente erfolgen. In diesem Schritt werden auch Verformungsrandbedingungen
definiert und die entsprechenden Verschiebungen der Freiheitsgrade angepasst.
In dieser Arbeit soll nicht strikt zwischen aktiven und semi-aktiven Systemen getrennt
werden - es soll das jeweils angemessene verwendet werden, d.h. eine Kombination
von aktiven als auch von semi-aktiven Elementen ist einzusetzen, um die Vorteile beider
Konzepte zu nutzen. Hierzu wird eine entsprechende Vorgehensweise vorgestellt.
Für den Adaptionsvorgang sind zwei verschiedene Fälle zu unterscheiden. Zum einen die
Verformungsregelung bei statisch bestimmten Tragwerken, bei denen keine Verletzung
der Kompatibilität auftritt und daher keine Anpassung der Kraftzustände möglich bzw.
nötig ist. Zum anderen werden statisch unbestimmte Systeme untersucht, bei denen
eine Anpassung zur Erreichung der optimalen Kraftzustände nötig ist. Weiterhin können
hier Verformungsrandbedingungen berücksichtigt werden.
Basierend auf den Untersuchungen zur Auswahl der Aktuatoren werden die
~N ~u
Sensitivitätsmatrizen S und S zu SN und Su reduziert – durch die Auswahl der
entsprechenden Spalten aus den Sensitivitätsmatrizen werden nur noch die
ausgewählten Elemente berücksichtigt.
~N
S → SN 4.47
~u
S → Su 4.48
Einen Sonderfall stellt die Adaption bei statisch bestimmten Systemen dar, da keine
Kompatibilitätsverletzung auftritt und jegliche Längen- bzw. Steifigkeitsänderungen der
Elemente keine Änderung der Kraftzustände hervorrufen. Die Aktuatoren werden nur für
die Verformungsadaption benötigt. Die Kraftpfadoptimierung entspricht bei statisch
bestimmten Systemen einer herkömmlichen Querschnittsoptimierung. Die passiv-
adaptiven Verschiebungen upa sind aus der statischen Berechnung des passiv-adaptiven
Systems für alle Lastfälle bekannt (Kap. 4.2.3). Die angestrebten Verschiebungen der
einzelnen Freiheitsgrade werden vorgegeben und für alle Lastfälle durch die Matrix ur
beschrieben. Die Differenz muss durch die Aktuatoren ausgeglichen werden.
44
Entwerfen adaptiver Strukturen 4 Lastpfadmanagement
∆u = u r − u pa = u a = S u ⋅ ∆l a 4.49
Die erforderlichen Längenänderungen der Aktuatoren können dann mit Gl. 4.50 ermittelt
werden.
−1
∆l a = S u ⋅ ∆u 4.50
∆u = [∆u1 L ∆u p ] 4.51
∆l a = [∆l a1 L ∆l a p ] 4.52
Entspricht die Anzahl a der Aktuatoren der Anzahl nr der zu regelnden Freiheitsgrade
kann eine exakte Lösung gefunden werden. Für den Fall, dass weniger Aktuatoren
verwendet werden, kann eine Näherungslösung mittels der Minimierung der
Fehlerquadrate gefunden werden. Die Matrix Su ist in diesem Fall nicht quadratisch und
damit nicht invertierbar. Die Näherungslösung erfolgt daher mit der Moore-Penrose-
Pseudoinversen Su+ (MathWorks 2002b).
∆l a = S u + ⋅ ∆u 4.53
∆N = Nopt − N pa = N a = S N ⋅ ∆l a 4.54
45
Entwerfen adaptiver Strukturen 4 Lastpfadmanagement
1 u 2
min S ⋅ ∆l a − ∆u 4.56
2
Hierbei wird vorausgesetzt, dass der optimale Kraftzustand exakt erreicht werden soll –
dieser geht daher als Gleichheitsnebenbedingung in die Lösungsprozedur ein.
S N ⋅ ∆l a + N p − Nopt = 0 4.57
N a = S N ⋅ ∆l a 4.58
Nur für den Fall, dass die Summe aus der Anzahl der zu regelnden Freiheitsgrade und
der Redundanz des Systems mit der Anzahl der Aktuatorelemente übereinstimmt, ist
1 u 2
eine exakte Lösung möglich, d.h. S ⋅ ∆l a − ∆u = 0 . Ist die Anzahl der adaptiven
2
Elemente geringer, wird eine Näherungslösung ermittelt.
Die eigentliche Anpassung im physikalischen Sinn kann auf zweierlei Arten erfolgen:
zum einen können längenveränderliche Elemente (z. B. Linearaktuatoren) eingesetzt
werden, zum anderen kann untersucht werden, ob die Adaption über eine
Steifigkeitsvariation des Materials erfolgen kann.
Bei den Aktuatoren setzt sich die Gesamtverlängerung bzw. –verkürzung (d. h. der
geregelte Zustand) aus dem passiv-adaptiven und dem adaptiven Anteil zusammen.
Bei steifigkeitsvariablen Elementen erfolgt die Anpassung über eine Variation des
Elastizitätsmoduls (Verwendung von smart materials). Der passiv-adaptive Anteil kann
mittels der Elastizitätstheorie bestimmt werden. Die sich dann ergebende Differenz
beschreibt die erforderliche adaptive Längenänderung zur Erlangung der geometrischen
Kompatibilität. Zuerst werden die erforderlichen Elementlängenänderungen und die
Gesamtelementdehnungen ermittelt.
∆l r = ∆l pa + ∆l a 4.59
ε r = ε pa + ε a 4.60
Die notwendige Materialsteifigkeit der einzelnen Elemente i für Lastfall k kann mit Gl.
4.61 bestimmt werden.
46
Entwerfen adaptiver Strukturen 4 Lastpfadmanagement
N kiopt σ
E ik = = rik 4.61
ε ik ⋅ Ai
r
ε ik
Hierbei wird ersichtlich, dass die geregelte Gesamtdehnung das gleiche Vorzeichen
erfordert wie die Normalkraft, ansonsten ist ein – physikalisch nicht möglicher –
negativer Elastizitätsmodul (z. B. „sich verkürzende“ Zugelemente) erforderlich, um die
Kompatibilität zu ermöglichen. Dadurch ergibt sich folgender notwendiger
Zusammenhang zwischen passiv-adaptiver und adaptiver Längenänderung.
Für den Fall, dass diese Bedingungen erfüllt sind, kann die Anpassung mit einer
Steifigkeitsvariation erfolgen.
Wesentliche Grundlage für die Betrachtung von adaptiven Strukturen und eine
Beurteilung hinsichtlich energetischer Aspekte ist eine Untersuchung der tatsächlich zu
erwartenden Lasten im Gegensatz zu den aus Vorschriften gegebenen maximalen
Bemessungslasten. Diese können zwar auftreten, eventuell aber nur einmal in 50
Jahren. Deshalb soll auf Studien, die die tatsächliche Belastungsdauer sowie -häufigkeit
zum Gegenstand haben, zurückgegriffen werden. Die Kenntnis über die variable reale
Beanspruchung ist eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung anpassungsfähiger
Strukturen.
47
Entwerfen adaptiver Strukturen 4 Lastpfadmanagement
Tab. 4.1: Vergleich von tatsächlich auftretenden Lasten (Bachmann et al. 1997) mit Lastannahmen DIN 1055 T3
4.5.2 Formänderungsarbeit
Die Berücksichtigung der externen Arbeit, die von den Aktuatoren verrichtet werden
muss, wird im Folgenden erläutert. Bei der Formänderungsarbeit ist zwischen der
Eigenarbeit und der Verschiebungsarbeit zu unterscheiden. Bei der äußeren Eigenarbeit
handelt es sich um die Formänderungsarbeit, die eine Kraft P auf dem durch sie selbst
hervorgerufenen Verschiebungsweg u verrichtet.
Die von den Aktuatoren zu verrichtende Arbeit ist hingegen die Verschiebungsarbeit. Bei
der Verschiebungsarbeit handelt es sich um die Formänderungsarbeit, die durch andere
Kräfte oder Ursachen hervorgerufen wird, z. B. Temperaturänderungen oder im Rahmen
dieser Arbeit durch Aktuatoren.
Die äußere Verschiebungsarbeit WäV kann mit Gl. 4.66 bestimmt werden.
n
WäV = ∑
i
Pn ⋅ u n
=1
4.66
Die innere Verschiebungsarbeit, d.h. die Arbeit der Aktuatoren, kann mit Gl. 4.67
ermittelt werden.
nElem
⎛ ∆N i l i ⎞
WiV = − ∑ N ipa ⎜⎜ + ∆l ia ⎟⎟ 4.67
i =1 ⎝ (EA)i ⎠
Bei Nipa handelt es sich um die Normalkraft im passiv-adaptiven System, während ∆Ni
die in Gl. 4.34 ermittelte Normalkraftdifferenz, d.h. die adaptiven Zusatzkräfte,
bezeichnet. Die Aktuation der adaptiven Elemente wird von ∆lia beschrieben.
Ein wichtiger Aspekt der vorangegangen Untersuchungen (Kap. 4.2 – 4.4) ist die
Tatsache, dass mit dem vorgestellten Verfahren die gefundene optimale Geometrie
unabhängig von möglichen Verformungsvorgaben ist, da diese von den Aktuatoren
erfüllt werden können. Führt man allerdings zusätzliche Randbedingungen für die
maximale Aktuation oder Begrenzungen der Verformungen des passiv-adaptiven
Systems ein, dann hat dies Einfluss auf die optimale Geometrie der Struktur.
48
Entwerfen adaptiver Strukturen 4 Lastpfadmanagement
Die Grundlage des Verfahrens mit Berücksichtigung von Verformungskriterien ist die in
Kapitel 4.2.1 beschriebene Kraftpfadoptimierung. Zusätzlich zu den
Gleichheitsnebenbedingungen für das Knotengleichgewicht und den
Ungleichheitsnebenbedingungen für die zulässigen Spannungen werden weitere
geometrische Zusammenhänge des Systems berücksichtigt. Hierzu werden für jeden
Freiheitsgrad die Knotenverschiebungen und für die Aktuatoren die benötigten
Auslenkungen als weitere Variablen eingeführt.
Für die Anzahl der notwendigen Aktuatoren gelten die Aussagen aus Kap. 4.3. Die
Anordnung derselben kann prinzipiell in jedem Iterationsschritt aktualisiert werden. Dies
ist jedoch nicht praktikabel, da es hierbei zu Konvergenzproblemen der numerischen
Lösung kommen kann. Daher wird in dieser Arbeit zu Beginn der Optimierung die
Anordnung an einem Referenzsystem, das mit der Kraftpfadoptimierung ohne
Verformungsrestriktionen optimiert wird, bestimmt.
Zielfunktion
Durch die Einführung der Knotenkoordinaten als Entwurfsvariablen und damit variablen
Elementlängen kann das Problem des minimalen Gewichts nicht mehr linear formuliert
werden, sondern es besteht ein nichtlinearer Zusammenhang (vgl. Gl. 4.30). Der
Entwurfsvektor x enthält die beiden Vektoren l und A.
⎡A⎤
⎢~ ⎥
⎢ N1 ⎥
⎢ M ⎥
⎢~ ⎥
⎢Np ⎥
⎢ ⎥
⎢ u1 ⎥
x=⎢ M ⎥ 4.68
⎢ ⎥
⎢ up ⎥
⎢ ∆l1a ⎥
⎢ ⎥
⎢ M ⎥
⎢∆l a ⎥
⎢ p⎥
⎣⎢ Ψ ⎦⎥
⎡ 0 ⎤ ⎡ ~A ⎤ ⎡ ∞ ⎤
⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥
⎢ − ∞ ⎥ ⎢ N1 ⎥ ⎢ ∞ ⎥
⎢ M ⎥ ⎢ M ⎥ ⎢ M ⎥
⎢ ⎥ ⎢~ ⎥ ⎢ ⎥
⎢ − ∞ ⎥ ⎢Np ⎥ ⎢ ∞ ⎥
⎢ uu ⎥ ⎢ u ⎥ ⎢ uo ⎥
⎢ 1 ⎥ ⎢ 1⎥ ⎢ 1 ⎥
xu = ⎢ M ⎥ ≤ ⎢ M ⎥ ≤ ⎢ M ⎥ = xo
⎢ uu ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ uo ⎥ 4.69
⎢ ap,u ⎥ ⎢ u p ⎥ ⎢ ap,o ⎥
⎢∆l1 ⎥ ⎢ ∆l1a ⎥ ⎢∆l1 ⎥
⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥
⎢ M ⎥ ⎢ M ⎥ ⎢ M ⎥
⎢∆l ap,u ⎥ ⎢∆l ap ⎥ ⎢∆l ap,o ⎥
⎢ u ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ o ⎥
⎢⎣ Ψ ⎥⎦ ⎢⎣ Ψ ⎥⎦ ⎢⎣ Ψ ⎥⎦
123
x
Gleichheitsnebenbedingungen
∆l ik
N ikgk = ⋅ E i Ai 4.70
li
∆lik = bT ⋅ uk 4.71
Zur Berücksichtigung der Aktuation muss Gl. 4.70 folgendermaßen erweitert werden:
50
Entwerfen adaptiver Strukturen 4 Lastpfadmanagement
∆l ikpa − ∆l ika
N ikgk = ⋅ E i Ai 4.72
li
Hierbei setzt sich die tatsächliche Elementverkürzung bzw. –verlängerung aus dem
passiv-adaptiven Anteil ∆lpa und dem adaptiven Anteil ∆la zusammen.
Bei Betrachtung von Gl. 4.72 wird der Einfluss der adaptiven Längenänderungen
deutlich: Bei einer Zugbeanspruchung (Nik > 0) und der daraus resultierenden positiven
Längenänderung kann die Normalkraft im Stab betragsmäßig reduziert werden, wenn die
adaptive Längenänderung ebenso positiv ist. In diesem Fall wird die Summe aus (∆likpa -
∆lika) betragsmäßig kleiner.
gk
Nk − Nk =0 4.73
Ungleichheitsnebenbedingungen
Die Aufstellung der Ungleichheitsnebenbedingungen zur Einhaltung der zulässigen
Spannungen erfolgt analog zu Gl. 4.18.
Mathematische Formulierung
Das Problem der kombinierten Kraftpfad- und Formoptimierung lässt sich mathematisch
folgendermaßen zusammenfassen.
Minimiere G= ∑
i
l i (x) ⋅ Ai (x) ⋅ ρ = lT ⋅ A ⋅ ρ
=1
4.74
Spannungs- Ag ⋅ x ≤ 0 4.75
Gleichgewichts- Ah ⋅ x − P = 0 4.76
gk
und geometrischen Nk − Nk =0 4.77
Kompatibilitätsbedingungen
Lösung
51
Entwerfen adaptiver Strukturen 4 Lastpfadmanagement
Zusammenfassung
Die gleichzeitige Berücksichtigung von Verformungsrandbedingungen und Vorgaben für
die Aktuatoren verändert das Vorgehen, da die Ermittlung des optimalen Kraftzustandes
sowie die Berücksichtigung der geometrische Kompatibilität und der
Verformungsrestriktionen nicht mehr separat erfolgen kann. In Abb. 4.6 ist der Ablauf
der erweiterten Kraftpfadoptimierung (eKPO) schematisch dargestellt.
∆ l ikpa − ∆ l ika
N ikgk = ⋅ (EA ) j
li
Gleichheitsnebenbedingung 1 – Knotengleichgewicht
b·Nk – Pk = 0
Gleichheitsnebenbedingung 2 – Geometrische Kompatibilität
Nk – Nkgk = 0
Ungleichheitsnebenbedingung – Spannungen
S·Nk – A <= 0 bzw. -S·Nk – A <= 0
Zielfunktion
G = lT·A ·ρ
Konvergenzkriterium eingehalten
ja: Abbruch der Berechnung
nein: weitere Iteration
52
Entwerfen adaptiver Strukturen 5 Entwerfen und Analysieren adaptiver Strukturen
5 Tragwerksstudie
Wesentlich beim Entwurf adaptiver Strukturen ist es, die Adaptivität von Beginn an
beim Entwurf zu berücksichtigen. Dies führt zu wirklich adaptiven Systemen und nicht
nur zu aktiv unterstützten Systemen, wie AMDs, bei denen der aktive Systemanteil
„nur“ dazu dient, die Probleme des passiven Teiles zu kompensieren. Die Entwicklung
wirklich adaptiver Strukturen kann nicht nur zu größeren Spannweiten und Höhen,
sondern eventuell auch zu komplett neuen Strukturen und Formen führen. Weiterhin ist
neben der Interaktion zwischen Struktur und Umgebung auch eine Interaktion zwischen
Struktur und Nutzer gegeben; das Gebäude kann mit dem Nutzer Informationen
austauschen und somit können Rückschlüsse auf das tatsächliche Tragverhalten
geschlossen werden.
Neu beim Entwerfen adaptiver Strukturen ist die Möglichkeit, Masse durch Energie zu
ersetzen, da anstelle von physikalischer Steifigkeit durch die Aktuation eine „virtuelle“
Steifigkeit simuliert werden kann.
In den weiteren Abschnitten werden anhand von Beispielen das in dieser Arbeit
beschriebene Verfahren vorgestellt und die Ergebnisse diskutiert. Während in Kap. 5.2
die Kraftpfadoptimierung und der fail-safe-Aspekt im Vordergrund stehen, fließen bei der
Betrachtung eines Fachwerkbogens in Kap. 5.3 auch Verformungskriterien in die
Optimierung ein. Des Weiteren werden die Anordnung der Aktuatoren untersucht und
eine Formoptimierung durchgeführt. Die Untersuchungen in Kap. 5.4 beleuchten den
Aspekt form follows energy.
Im Folgenden wird ein Tragwerk vorgestellt, das für die weiteren Untersuchungen
verwendet wird. Die Ergebnisse einer nichtlinearen Programmierung des passiven
Tragwerks dienen als Referenz für die Ergebnisse des adaptiven Systems. Bei dem
53
Entwerfen adaptiver Strukturen 5 Entwerfen und Analysieren adaptiver Strukturen
gewählten System handelt es sich um ein 4-Stabsystem. Anhand dieses Beispieles wird
insbesondere die Möglichkeit der Steifigkeitsvariation als Alternative zu variablen
Vorspannzuständen beschrieben.
Knotenlasten: LF 1 P1 = 100 kN
LF 2 P2 = 200 kN
Die Systemabmessungen sowie die Lastfälle 1 und 2 sind Abb. 5.1 zu entnehmen.
4 4
LF 2
LF 1
3 3
2 2
[m]
[m]
1 2 3 4
1 1
0 0
-1 -1
-4 -3 -2 -1 0 1 2 3 4 -4 -3 -2 -1 0 1 2 3 4
[m] [m]
A1 = A4 = 2.39 cm2
A2 = A3 = 4.28 cm2
V = 4756 cm3
5.2.2 Kraftpfadoptimierung
Die Ermittlung der optimalen Kraftzustände erfolgt mit Hilfe der Kraftpfadoptimierung,
wie in Kap. 4.2.1 beschrieben. Bei vorgegebener Geometrie und ohne Berücksichtigung
von Verformungskriterien ergeben sich für die beiden Lastfälle folgende
54
Entwerfen adaptiver Strukturen 5 Entwerfen und Analysieren adaptiver Strukturen
0.6 0.6
0.4 0.4
Normalkraft [N]
0.2 0.2
0
Normalkraft [N]
-0.2 -0.2
-0.4 -0.4
-0.6 -0.6
-0.8 -0.8
-1 -1
1 2 3 4 1 2 3 4
Elementnummer Elementnummer
120 120
LF 1 LF 1
LF 2 LF 2
100 100
Spannungsausnutzung [%]
Spannungsausnutzung [%]
80 80
60 60
40 40
20 20
0 0
1 2 3 4 1 2 3 4
Elementnummer Elementnummer
A1 = A4 = 1.77 cm2
A2 = A3 = 3.95 cm2
V = 4000 cm3
Die Volumeneinsparung im Vergleich zum passiven System liegt somit bei 16%.
55
Entwerfen adaptiver Strukturen 5 Entwerfen und Analysieren adaptiver Strukturen
0.6 0.6
0.4 0.4
Normalkraftdifferenz [N]
Normalkraft [N]
0.2 0.2
0 0
-0.2 -0.2
-0.4 -0.4
-0.6 -0.6
-0.8 -0.8
-1 -1
1 2 3 4 1 2 3 4
Elementnummer Elementnummer
Abb. 5.4: Normalkraftverteilung (links) am passiv-adaptiven System und resultierende Normalkraftdifferenz (rechts)
infolge Kompatibilitätsverletzung
Zur Erreichung der optimalen Kraftpfade sind so viele Aktuatoren notwendig, wie das
System statisch Unbestimmte aufweist (s. Kap. 4.3). Die mögliche Anzahl der
Aktuatorkombinationen liegt in diesem Fall bei 4!/(2!·2!)=6. Aufgrund der geringen
Anzahl können alle Kombinationen ohne großen Aufwand untersucht werden. Da alle
möglichen 6 Kombinationen linear unabhängig sind, ist die Regelbarkeit bei allen
gegeben.
LF 1 LF2
Aktuatorkombination 1 2 3 4 1 2 3 4
Das Ergebnis soll exemplarisch für die Auswahl 1-4 erläutert werden (Tab. 5.1). Bei der
Auswahl der Elemente 1 und 4 kann man erkennen, dass in Lastfall 1 das
zugbeanspruchte Element 1 adaptiv verlängert wird und sich somit der Belastung
entzieht, während das druckbeanspruchte Element 4 adaptiv kürzer wird und ebenso die
56
Entwerfen adaptiver Strukturen 5 Entwerfen und Analysieren adaptiver Strukturen
LF 1 LF2
Aktuator- 1 2 3 4 1 2 3 4
kombination
Die Aktuatorkombination 2-3 (Tab. 5.2) passt sich den Belastungen derart an, dass sich
die beiden inneren Elemente im Lastfall 1 (Horizontallast) versteifen. Sie tragen somit
mehr Lasten ab und „helfen“ den äußeren Stäben die Belastung abzutragen. Im
Gegensatz dazu werden die beiden inneren Elemente im Lastfall 2 (Vertikallast) weicher
und entziehen sich der Belastung – die Beanspruchungen werden im Tragwerk auf die
äußeren Elemente umgelagert.
Der Ausfall der Regelung (z. B. durch Stromausfall) wird durch die Berücksichtigung der
Verletzung der geometrischen Kompatibilität simuliert. Die auftretenden
Zwangsbeanspruchungen werden während der Optimierung als Nebenbedingung
berücksichtigt.
57
Entwerfen adaptiver Strukturen 5 Entwerfen und Analysieren adaptiver Strukturen
Für einen Sicherheitsfaktor (Szenario „Regelungsausfall“) von maximal γfs =1.2 ergibt
sich keine Einschränkung der optimalen Normalkraftverteilung.
LF 1 LF 2
1 1
Elem 1
0.8 0.8 Elem 2
Elem 3
0.6 0.6 Elem 4
0.4 0.4
Normalkraft [N]x105
Normalkraft [N]x105
0.2 Elem 1 0.2
Elem 2
0 Elem 3
0
Elem 4
-0.2 -0.2
-0.4 -0.4
-0.6 -0.6
-0.8 -0.8
-1 -1
1.20 1.25 1.30 1.35 1.40 1.45 1.50 1.20 1.25 1.30 1.35 1.40 1.45 1.50
Sicherheitsfaktor [-] Sicherheitsfaktor [-]
Abb. 5.5: Einfluss des Sicherheitsfaktors γfs auf die kraftpfadoptimierte Normalkraftverteilung
Die Normalkraftverteilung, die sich bei einem Regelungsausfall einstellen wird, ist in
Abhängigkeit vom gewünschten Sicherheitsfaktor γfs in Abb. 5.6 dargestellt.
LF 1 LF 2
1 1
Elem 1
0.8 0.8 Elem 2
Elem 3
Elem 4
0.6 0.6
0.4 0.4
Normalkraft [N]x105
Normalkraft [N]x105
Elem 1
0.2 0.2
Elem 2
Elem 3
0 Elem 4 0
-0.2 -0.2
-0.4 -0.4
-0.6 -0.6
-0.8 -0.8
-1 -1
1.20 1.25 1.30 1.35 1.40 1.45 1.50 1.20 1.25 1.30 1.35 1.40 1.45 1.50
Sicherheitsfaktor [-] Sicherheitsfakor [-]
58
Entwerfen adaptiver Strukturen 5 Entwerfen und Analysieren adaptiver Strukturen
LF 1 LF 2
0.25 0.25
Elem 1
0.2 Elem 2 0.2
Elem 3
Elem 4
0.15 0.15
0.1 0.1
Normalkraftdifferenz [N]x105
Normalkraftdifferenz [N]x105
Elem 1
Elem 2
0.05 0.05 Elem 3
Elem 4
0 0
-0.05 -0.05
-0.1 -0.1
-0.15 -0.15
-0.2 -0.2
-0.25 -0.25
1.20 1.25 1.30 1.35 1.40 1.45 1.50 1.20 1.25 1.30 1.35 1.40 1.45 1.50
Sicherheitsfaktor [-] Sicherheitsfaktor [-]
5.0 4800
4600
4.5
4400
4.0
Querschnittsfläche [cm2]
4200
Elem 1
Volumen [cm3]
3.5 Elem 2
Elem 3 4000
Elem 4
3.0 3800
3600
2.5
3400
2.0
3200
1.5 3000
1.20 1.25 1.30 1.35 1.40 1.45 1.50 1.00 1.05 1.10 1.15 1.20 1.25 1.30 1.35 1.40 1.45 1.50
Sicherheitsfaktor Sicherheitsfaktor
Abb. 5.8: Querschnittsflächen (links) und Gesamtvolumen (rechts) in Abhängigkeit des Sicherheitsfaktors γfs
5.2.4 Ergebnisse
Die Ergebnisse zeigen, dass für dieses Tragwerk mit dieser Belastung eine Anpassung
über eine Längen- und Steifigkeitsvariation möglich ist – hiermit kann eine
Spannungsausnutzung von 100% in allen Elementen in allen Lastfällen erreicht werden
(Gl. 4.29 wird erfüllt). Durch die Anpassung ist es möglich, dass einzelne Elemente
höher beanspruchten Bauteilen „helfen“ und dadurch eine Umlagerung der
Beanspruchungen eintritt.
59
Entwerfen adaptiver Strukturen 5 Entwerfen und Analysieren adaptiver Strukturen
Ein weiterer Aspekt ist die Tatsache, dass für dieses System bis zu einem reduzierten
globalen Sicherheitsfaktor von γfs =1.2 die optimale Lastabtragung möglich ist. Für den
Fall, dass dieser Wert darüber liegt, ist nicht das volle Potenzial der Adaptivität nutzbar.
Referenz für die weiteren Betrachtungen ist ein passives (ungeregeltes) System, das
hinsichtlich der Querschnitte (Kap. 5.3.2 und 5.3.3) und der Form (Kap. 5.3.4) optimiert
wird. Im Gegensatz zum vorangegangen Beispiel werden zusätzlich zu den
Spannungsrestriktionen noch Verformungskriterien herangezogen sowie eine
Formoptimierung durchgeführt.
10
5 6
4 7
5 3 8
y [m]
2 9
0 1 10
Das System ist in Abb. 5.9 dargestellt, die zulässige Spannung beträgt 40 kN/cm2
(γ=1.5). Weitere Ergebnisse der durchgeführten Untersuchungen sind von Hartmann
(2003) und Zappe (2003) dokumentiert.
5.3.2 Kraftpfadoptimierung
Die Durchführung der Kraftpfadoptimierung und der Vergleich mit einem passiven
System erfolgen zuerst ohne Verformungsrestriktionen bei invarianter Geometrie.
Qualitativ verhält sich das System ähnlich wie in Kap. 5.2. Durch die Umlagerung der
Kräfte kann die durchschnittliche Spannungsausnutzung der Elemente erhöht werden.
Eine Ausnutzung von 100% aller Elemente in allen Lastfällen ist bei diesem System
60
Entwerfen adaptiver Strukturen 5 Entwerfen und Analysieren adaptiver Strukturen
jedoch nicht möglich (Gl. 4.29 wird nicht erfüllt). In Abb. 5.10 und 5.11 ist die
Spannungsausnutzung exemplarisch am Untergurt dargestellt.
LF 1
1 LF 2
Spannungsausnutzung [-]
LF 3
LF 4
0.8 LF 5
LF 6
0.6 LF 7
0.4
0.2
0
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Elementnummer
LF 1
1 LF 2
Spannungsausnutzung [-]
LF 3
LF 4
0.8 LF 5
LF 6
0.6 LF 7
0.4
0.2
0
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Elementnummer
1.0
passives System
adaptives Systeme
0.8
Spannungsausnutzung [-]
0.6
0.4
0.2
0
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Elementnummer
Abb. 5.12: Durchschnittliche (LF 1-7) Spannungsausnutzung im Untergurt: Vergleich passives und adaptives System
Die durchschnittliche Ausnutzung aller Elemente im passiven System liegt bei 51%,
während beim adaptiven System eine Ausnutzung von 67% vorliegt. Das
61
Entwerfen adaptiver Strukturen 5 Entwerfen und Analysieren adaptiver Strukturen
Die Vorgehensweise bei der Sicherheitsbetrachtung erfolgt analog zu Kap. 5.2, daher
soll an dieser Stelle nur kurz das Ergebnis beschrieben werden. Im Gegensatz zu dem 4-
Stab-Fachwerk liegt der Grenzwert, bei dem der Regelungsausfall bemessungsrelevant
wird, unterhalb von 1.0, allerdings verläuft die Kurve in diesem Bereich relativ flach.
Daher liegt das Strukturvolumen bei einem geforderten Sicherheitsfaktor von
mindestens 1.0 bei Regelungsausfall nur 0.2% über dem Minimalwert, der sich bei
Vernachlässigung des Regelungsausfalls ergibt. Bei einem geforderten Sicherheitsfaktor
von γfs =1.5 stellt sich dasselbe Ergebnis wie am passiven System ein, d.h. es findet
keine Adaption statt und es wird ca. 14% mehr Volumen benötigt.
0.082
0.08
0.078
Volumen [m3]
0.076
0.074
0.072
0.07
0.068
0.6 0.7 0.8 0.9 1 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5
Sicherheitsfaktor [-]
62
Entwerfen adaptiver Strukturen 5 Entwerfen und Analysieren adaptiver Strukturen
10
5
y [m]
FG 10 FG 14
FG 8 FG 16
Abb. 5.14: Anordnung der Aktuatoren (fett dargestellt) und Nummerierung der geregelten Freiheitsgrade
Durch den Adaptionsvorgang stellt sich die Verteilung der Kräfte entsprechend den
Ergebnissen aus der Kraftpfadoptimierung ein.
Ziel der Verformungsadaption soll die Begrenzung der Verschiebungen der Freiheitsgrade
8 und 16 auf einen Wert von +/- 0.03m bzw. 0.00m sein. Zur Begrenzung der
Verschiebungen stehen zwei Aktuatoren zur Verfügung, d.h. es können 2 Freiheitsgrade
exakt geregelt werden. Die Vertikalverschiebungen des Untergurts am passiv-adaptiven
System (adaptives System im passiven Zustand) sind zum Vergleich in Abb. 5.15
dargestellt. Der angepasste Verschiebungszustand des Untergurtes ist in Abb. 5.16 zu
sehen. In diesem Fall (ur=0.03m) liegt die Summe (für alle Lastfälle) der zu verrichtende
Arbeit des Systems bei 44600 Nm, das entspricht einem Energiebedarf von 0.012 kWh.
0.15
0.1
0.05
Vertikalverschiebung [m]
-0.05
-0.1 LF 1
LF 2
-0.15 LF 3
LF 4
LF 5
-0.2 LF 6
LF 7
-0.25
2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22
Freiheitsgrad
63
Entwerfen adaptiver Strukturen 5 Entwerfen und Analysieren adaptiver Strukturen
0.15
0.1
Vertikalverschiebung [m]
0.05
0.03
0
-0.03
-0.05
-0.1 LF 1
LF 2
-0.15 LF 3
LF 4
LF 5
-0.2 LF 6
LF 7
-0.25
2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22
Freiheitsgrad
Abb. 5.16: Vertikale Knotenverschiebungen – Untergurt – adaptives System mit Beschränkung auf u8 = u16 = 0.03m
In Abb. 5.17 ist die exakte Verformungskontrolle mit u8=u16=0.00m der Freiheitsgrade
8 und 16 dargestellt. Bei einer Restriktion von 4 Freiheitsgraden (FG 8, 10, 14 und 16)
ist nur eine Näherungslösung möglich, Abb. 5.18.
0.15
0.1
0.05
Vertikalverschiebung [m]
-0.05
-0.1 LF 1
LF 2
-0.15 LF 3
LF 4
LF 5
-0.2 LF 6
LF 7
-0.25
2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22
Freiheitsgrad
Abb. 5.17: Vertikale Knotenverschiebungen – Untergurt – adaptives System mit Beschränkung auf u8 = u16 = 0.00m
64
Entwerfen adaptiver Strukturen 5 Entwerfen und Analysieren adaptiver Strukturen
0.15
0.1
0.05
Vertikalverschiebung [m]
-0.05
-0.1 LF 1
LF 2
-0.15 LF 3
LF 4
LF 5
-0.2 LF 6
LF 7
-0.25
2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22
Freiheitsgrad
Abb. 5.18: Vertikale Knotenverschiebungen – Untergurt – adaptives System mit Beschränkung auf u8 = u10 = u14 = u16
= 0.00m (Näherungslösung)
Die für die Adaption notwendige Aktuation der einzelnen Elemente ist in Abb. 5.19
exemplarisch für Lastfall 1 dargestellt. Die maximalen Werte steigen bei geringen
geregelten Systemverformungen an. Dargestellt sind die Auslenkungen für maximale
Verschiebungen von ur=0.00m, ur=0.01m, ur=0.02m sowie ur=0.03m (Freiheitsgrad
8 und 16).
0.04
Elem. 1
Elem. 5
0.02 Elem. 6
Elem. 10
Aktuatorauslenkung [m]
Elem. 12
0 Elem. 14
Elem. 17
Elem. 19
Elem. 25
-0.02
Elem. 31
Elem. 32
Elem. 33
-0.04 Elem. 46
Elem. 47
Elem. 48
-0.06
-0.08
0.00 0.01 0.02 0.03
Verformungsrestriktion [m]
65
Entwerfen adaptiver Strukturen 5 Entwerfen und Analysieren adaptiver Strukturen
1
passiv
0.9 adaptiv
0.8
0.7
Volumen [m3]
0.6
0.5
0.4
0.3
0.2
0.1
0
0 2 4 6 8 10 12 14 16
maximale Vertikalverformung FG 6 [cm]
Abb. 5.20: Vergleich der Volumina des passiven und adaptiven Systems in Abhängigkeit der Verformungsbegrenzung
In Abb. 5.20 ist zu erkennen, dass das Volumen des adaptiven Systems unabhängig
von den Verformungsrestriktionen konstant gehalten werden kann, da alle
Verformungsvorgaben komplett von den Aktuatoren erzielt werden können. Im
Gegensatz dazu steigt das benötigte Strukturvolumen des passiven Systems stark an.
Im Falle einer Verformungsbegrenzung von 2cm liegt die Reduktion am adaptiven
System gegenüber dem passiven System bei 78%.
5.3.4 Formoptimierung
Für das in Abb. 5.9 dargestellte Bogenfachwerk wird an dieser Stelle das in Kap. 4.2.2
beschriebene Verfahren zur Formoptimierung angewendet. Im Rahmen der Optimierung
wird die Position der Untergurtknoten nicht verändert, während die Knoten am Obergurt
max. 3.0m nach oben und 1.0m horizontal verschoben werden können. Der Vergleich
des passiven und des adaptiven System ergibt eine große Ähnlichkeit der gefundenen
Optimalgeometrien. Dies stimmt auch mit Untersuchungen entsprechend der
Vorgehensweise aus Kap. 4.5.3 (erweiterte Kraftpfadoptimierung) überein.
10
5
y [m]
Abb. 5.21: Passives (- - -) und adaptives (______) System nach der Formoptimierung (mit Verformungsbeschränkung)
66
Entwerfen adaptiver Strukturen 5 Entwerfen und Analysieren adaptiver Strukturen
5.3.5 Ergebnisse
Die Durchführung der Kraftpfadoptimierung führt qualitativ zu ähnlichen Ergebnissen,
wie in Kap. 5.2 beschrieben. Es findet eine Umlagerung der Kräfte von (in einzelnen
Lastfällen) hoch beanspruchten Elementen zu niedrig beanspruchten Elementen statt.
Dadurch wird die durchschnittliche Spannungsausnutzung in den Elementen erhöht.
Weiterhin kann gezeigt werden, dass eine exakte sowie eine genäherte
Verformungsadaption (in Abhängigkeit von der Anzahl der adaptiven Elemente) möglich
ist. Es ist möglich, die maximalen Verschiebungen einzelner Freiheitsgrade auf „Null“ zu
reduzieren und so eine virtuelle unendliche Steifigkeit zu erzielen. Bei der
Formoptimierung kann in diesem Beispiel keine prinzipielle Abweichung der optimalen
Geometrie von adaptiven Systemen gegenüber passiven Systemen beobachtet werden.
Dies trifft auf alle im Rahmen dieser Arbeit untersuchten Systeme zu, inwieweit dies für
den allgemeinen Fall bestätigt werden kann, ist in weiteren Arbeiten zu untersuchen.
Bei dem untersuchten System handelt es sich um einen Fachwerkträger mit 30m
Spannweite (Abb. 5.22). Die Lasten betragen P = 1MN (LF 1) bzw. P = 0.5 MN (LF 2).
Für die Formoptimierung können die Untergurtknoten vertikal verschoben werden,
hierbei ist die Bauhöhe des Trägers auf 6.0m begrenzt.
P P P P P
y [m]
-5
0 5 10 15 20 25 30
x [m]
Für den hier beschriebenen Fachwerkträger wird der Einfluss der Auftretenshäufigkeit
der Belastungen auf die Formoptimierung betrachtet und diskutiert. In den
vorangegangen Untersuchungen wurde die Adaptivität immer für eine
Höchstbeanspruchung betrachtet. Es ist jedoch nicht notwendigerweise sinnvoll, dass
sich das System auch für geringere Lasten, die eventuell häufig auftreten können,
anpasst. Bei geringerer Beanspruchung ist zu untersuchen, ob die Anforderungen, z. B.
Verformungsbeschränkungen, auch vom passiv-adaptiven System ohne jegliche
Aktuation erfüllt werden können.
67
Entwerfen adaptiver Strukturen 5 Entwerfen und Analysieren adaptiver Strukturen
Anhand dieses Beispieles kann der Einfluss der metabolischen Kosten auf das
Erscheinungsbild der Struktur beschrieben werden (Abb. 5.23). In diesem Beispiel wird
nur eine Verformungsadaption durchgeführt. Da das System statisch bestimmt ist,
können keine Kräfte umgelagert werden.
Ziel der Untersuchung ist es, in beiden Lastfällen die maximalen Vertikalverschiebungen
der Freiheitsgrade 6 und 10 (Obergurt) auf jeweils 0.03m zu reduzieren. Bei der
Formoptimierung ohne Berücksichtigung der Verformungsrestriktionen am passiv-
adaptiven System müssen in beiden Lastfällen die Verformungen durch die Aktuatoren
reduziert werden. Unter der Annahme, dass LF 2 sehr häufig auftreten kann, ist dies
aus energetischen Gründen unerwünscht. Daher soll das Tragwerk so modifiziert
werden, dass nur noch für LF 1 eine Anpassung erfolgt und die
Verformungsanforderungen für LF 2 allein durch die Steifigkeit des passiv-adaptiven
Systems erfüllt werden können.
Abb. 5.23: Optimierte Geometrie ohne und mit Berücksichtigung der Verformungsbeschränkungen am passiv-adaptiven
System
68
Entwerfen adaptiver Strukturen 5 Entwerfen und Analysieren adaptiver Strukturen
-0.01
-0.02
LF 2 mit Verformungsbeschränkung
-0.03
Vertikalverschiebung [m]
-0.04
LF 2 ohne Verformungsbeschränkung.
-0.05
-0.06
-0.07
LF 1 mit Verformungsbeschränkung
-0.08
LF 1 ohne Verformungsbeschränkung
-0.09
-0.1
2 4 6 8 10 12 14
Freiheitsgrad
Abb. 5.24: Vertikalverschiebungen – Obergurt – mit und ohne Berücksichtigung von Verformungsbeschränkung am
passiv-adaptiven System
5.4.3 Ergebnisse
Anhand des an dieser Stelle gezeigten Beispieles wird deutlich, dass durch die
Adaptivität nicht nur das Volumen (und damit das Gewicht) tragender Strukturen
reduziert werden kann, sondern dass auch ein Einfluss auf das Erscheinungsbild
auftreten kann. Hierzu ist die Auftretenshäufigkeit einzelner Lastfälle zu berücksichtigen.
Allerdings ist der Einfluss der Adaptivität in diesem Beispiel, wie auch in Beispiel 2, nur
quantitativer Natur – qualitativ ergeben sich kaum Unterschiede im Erscheinungsbild im
Vergleich zu passiven Systemen.
69
Entwerfen adaptiver Strukturen 6 Konstruieren adaptiver Strukturen
6 „Stuttgarter Träger“
6.1 Vorüberlegungen
6.2 Entwurf
Beim „Stuttgarter Träger“ handelt sich um einen Einfeldträger, bei dem die
Verformungen mit Hilfe eines Sensor-Aktuator-Systems kontrolliert werden. Als
einwirkende Größe wurde eine fahrende Last gewählt. Ziel der Adaption ist die
Eliminierung der Vertikalverschiebung unterhalb der Last, d. h. die Last soll sich auf
einer horizontalen Linie bewegen. Bei dem statischen System handelt es sich um einen
Einfeldträger mit V-förmigen Stützen. Durch eine Horizontalverschiebung der Stützen
kann die Vertikalverformung des Trägers manipuliert werden. Die Abmessungen des
System sind folgendermaßen gewählt: Länge l = 2.0 m, Höhe der V-Stützen h =
0.10m.
6.3 Realisierung
Für den Träger wurde ein Aluminiumblech mit einer Breite von 40 mm und einer Dicke
von 3 mm gewählt, wodurch eine Schlankheit von L/ 500 erreicht wird. Bei diesen
Abmessungen ergeben sich für den Träger unter der fahrenden Last im passiven
Zustand des Systems deutlich sichtbare Verformungen von 35mm. Eine weitere
Reduzierung des Trägerquerschnitts ist aufgrund der sonst auftretenden Schwingungen
nicht empfehlenswert. Die Auflager wurden als V-Stützen ausgebildet, um eine
Einspannung des Trägers an den Feldenden zu erreichen. Auf der einen Seite ist die V-
Stütze vertikal und horizontal unverschieblich auf dem Schlitten der Linearachse
befestigt. Auf der anderen Seite ist die V-Stütze auf einer Wägezelle vertikal aufgelegt.
Um die Messung der Auflagerkraft in der Wägezelle nicht zu beeinflussen, war es
erforderlich, die horizontale Lagerung reibungsfrei auszubilden. Da ein Druckklotz mit
einer Teflongleitbeschichtung die vertikale Auflagerkraft noch zu stark beeinflusst hat,
wird als horizontales Lager ein Zugstab an der V-Stütze befestigt, der in 20 cm
Entfernung zum Auflager horizontal gehalten wird.
Als Sensor zur Ermittlung der Lastlage wurde ein Kraftaufnehmer (KD24s der Fa. ME-
Systeme) zur Messung der vertikalen Auflagerkraft gewählt. Bei der Wahl der Wägezelle
ist eine sehr große Messgenauigkeit von Bedeutung, um Störeinflüsse zu minimieren.
Zur Auswertung der Signale des Kraftsensors über eine Steuerung ist ein
Messverstärker (GSV-1 der Fa. ME-Systeme) erforderlich, der dem Kraftsensor den
erforderlichen Strom liefert und dessen Ausgangsignale so verstärkt, dass bei
70
Entwerfen adaptiver Strukturen 6 Konstruieren adaptiver Strukturen
Als Aktuator am anderen Auflager wurde ein Schrittmotor mit Linearachse gewählt. Die
daran angeschlossene Steuerkarte verarbeitet die eingehenden Signale aus der
Steuerung des Gesamtsystems und setzt diese in rechts- oder linksdrehenden
Motorschritte mit verschiedenen Geschwindigkeiten um. Schrittmotoren sind in der
Programmierung einfach zu steuern und anhand der ausgeführten Schritte ist eine sehr
genaue Positionskontrolle möglich. Nachteilig ist ihr ruckartiges Anfahrverhalten. Dieses
kann jedoch durch Programmierung von Anfahrtsrampen minimiert werden.
Für die Steuerung des Gesamtsystems wird ein Mikrocontroller genutzt. In voneinander
unabhängigen Prozessen wird einerseits die Fahrt der Last gesteuert, zum anderen
ermittelt der Prozessor anhand der eingehenden Signale aus dem Kraftmesser die Lage
der Last und steuert abhängig von dieser den Aktuator. Das Programm erfasst die
Eingangsspannung am Controller mit einer Frequenz von 10 MHz und ermittelt aus 10
Messungen einen Mittelwert. Somit können eventuell auftretende Störeinflüsse aus
Schwingungen minimiert werden. Die Programmierung des Mikrocontrollers erfolgt in
der Sprache C2, die syntaktisch C ähnelt, sich aber in einigen Details auch an Pascal
oder Basic anlehnt.
In Abb. 6.1 ist das System im passiven und adaptiven Zustand gegenübergestellt. Die
vertikalen Verformungen im passiven System betragen ca. 35 mm.
71
Entwerfen adaptiver Strukturen 7 Zusammenfassung
7.1 Zusammenfassung
Im Rahmen dieser Arbeit wird das Lastpfadmanagement vorgestellt, mit dessen Hilfe
adaptive tragende Strukturen entworfen werden können. Adaptive Elemente werden
hierbei nicht nur als Hilfsmaßnahmen angesehen, um einzelne Probleme des
Tragverhaltens zu lösen, sondern die Adaptivität wird von Anfang an in den Entwurf mit
einbezogen. Hierzu eignet sich das Verfahren der Kraftpfadoptimierung, mit dem
optimale Kraftpfade bei vorgegebener Geometrie entwickelt werden können. Weiterhin
kann eine gleichzeitige Formoptimierung durchgeführt werden. Mittels der
anschließenden Berücksichtigung der geometrischen Kompatibilität werden die für die
Adaption notwendigen Veränderungen im Tragwerk bestimmt. In diesem Schritt werden
auch vorhandene Verformungsrestriktionen berücksichtigt. Die Auswahl der zeitlich
varianten Elemente erfolgt mit einem Effizienzindikator und Untersuchungen zur
Regelbarkeit. Der mögliche Ausfall der Regelung wird durch ein fail-safe - Konzept im
Rahmen der Arbeit berücksichtigt. Hiermit wird die Grundlage für den Entwurf sicherer,
redundanter adaptiver Tragstrukturen gebildet.
Durch den Einsatz von Energie als „tragendem Element“ entsteht ein für das Bauwesen
vollkommen neuer Aspekt: der Einfluss der metabolischen Kosten auf das
Erscheinungsbild der optimierten Struktur. Dieser in der Natur selbstverständliche
Aspekt kommt bisher in technischen Anwendungen nicht zum Tragen. Der Einfluss von
metabolischen Kosten auf das Erscheinungsbild der Strukturen erfordert eine neue
Herangehens- und Denkweise beim Entwerfen tragender Strukturen.
7.2 Ausblick
7.2.1 Tragwerk
Aufbauend auf den hier untersuchten Aspekten sind in weiterführenden Arbeiten noch
zusätzliche Überlegungen auf konzeptioneller Ebene durchzuführen. Neben einer
Betrachtung am dreidimensionalen System ist eine Anwendung auf Flächentragwerken
möglich. Eine weitere Möglichkeit besteht in der Betrachtung von zeitlich varianten
72
Entwerfen adaptiver Strukturen 7 Zusammenfassung
73
Entwerfen adaptiver Strukturen 7 Zusammenfassung
7.2.3 Wirtschaftlichkeit
Bei einer ökonomischen Betrachtung adaptiver Systeme ist es ganz wesentlich, nicht
nur die Investitionskosten, sondern auch die Betriebskosten zu berücksichtigen. Eine
gesamtwirtschaftliche bzw. eine volkswirtschaftliche Untersuchung, z. B. unter
Berücksichtigung von Verkehrseinschränkungen durch Autobahnbaustellen infolge
Brückensanierungen, ist sicherlich wünschenswert und sinnvoll, wenn auch schwierig
und komplex in ihrer Durchführbarkeit. Gegenstand weiterer Untersuchungen ist daher
die Bewertung hinsichtlich der Investitionskosten im Vergleich zu den Betriebskosten.
Bei der Betrachtung adaptiver Systeme ist zu erwarten, dass bei den Investitions- wie
auch bei den Betriebskosten jeweils Vor- und Nachteile auftreten werden. Zum einen
werden die Investitionskosten durch aktuatorische und sensorische Bauteile steigen –
dies kann, wenn auch nicht komplett, durch Einsparungen infolge einer Reduktion des
Materialaufwandes ausgeglichen werden. Zusätzliche Betriebskosten entstehen durch
den Energiebedarf. Durch die ständige Überwachung und die Kenntnis des
Bauwerkszustandes kann auch erreicht werden, dass die Wartungs- oder
Reparaturkosten gesenkt werden können. Insbesondere Infrastrukturprojekte sind hierbei
hervorzuheben, da sie eine sehr wichtige und wertvolle Rolle spielen.
Reparaturmaßnahmen sind hier mit hohen volkswirtschaftlichen Kosten verbunden.
Ein für den Erfolg adaptiver Strukturen wichtiger Aspekt ist aber auch die
Bauausführung. In diesem Bereich sind teilweise erhebliche Steigerungen der
Qualitätsansprüche nötig, um die notwendige Präzision und damit die Funktionalität
dieser Systeme zu erreichen. Problematisch ist hierbei, dass im Bauwesen relativ wenige
Erfahrungen zur Bauwerksüberwachung und der daraus resultierenden Notwendigkeit
der Integration elektronischer Bauteile in die Tragstruktur vorliegen.
74
Entwerfen adaptiver Strukturen 7 Zusammenfassung
7.2.5 Nutzerakzeptanz
Neben den verschiedenen technologischen Aspekten sind auch die psychologischen
Einflüsse zu untersuchen, wenn das Tragwerk durch elektronische Bauteile beeinflusst
wird und dabei die Gebrauchstauglichkeit und eventuell auch die Tragfähigkeit
gewährleistet wird. Es zeigt sich allerdings in anderen Bereichen, wie der Luftfahrt oder
auch dem Automobilbau, dass dies von der breiten Mehrheit der Nutzer akzeptiert wird
– auch wenn dafür mit Sicherheit eine gewisse Eingewöhnungszeit notwendig wird.
Weiterhin zu berücksichtigen ist auch die Tatsache, dass es sich im Bauwesen in der
Regel um einzigartige Projekte handelt, die nicht in Serie gefertigt werden. Dies ist auch
ein Grund für die vorherrschende konservative Einstellung vieler am Bau Beteiligter und
erklärt auch den Widerstand gegenüber unkonventionellen Technologien.
75
Entwerfen adaptiver Strukturen Literatur
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80
Entwerfen adaptiver Strukturen Lebenslauf
Lebenslauf
Patrick Teuffel
Dipl.-Ing.
Geburtstag: 22.07.1970
Geburtsort: Aachen
Familienstand: ledig
Anschrift: Leuschnerstr. 57
70176 Stuttgart
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www.patrick-teuffel.com
Ausbildung
Berufliche Tätigkeit
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