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Diplomarbeit II
von
Dipl.-Ing.
Tim Wicke
AUDI AG
Sparte Werkzeugbau, I/PW-I
Fachgebiet: Umformtechnik
Sperrvermerk
enthält Angaben, die nicht von der Universität Kassel genutzt werden dürfen. Die Ar-
beit ist mit einem Sperrvermerk versehen und darf für einen Zeitraum von fünf Jahren
nach Abgabe ausschließlich zu Prüfungszwecken verwendet werden.
Veröffentlichungen über den Inhalt der Arbeit sind nur mit vorheriger schriftlicher Ge-
nehmigung der AUDI AG zugelassen.
Die Ergebnisse, Meinungen und Schlüsse dieser Arbeit sind nicht notwendigerweise
die der AUDI AG.
Die vorliegende Arbeit ist als „intern“ klassifiziert. Sie darf nur
• innerhalb des Volkswagen-Konzerns,
• der/m Betreuer/in an der Hochschule und
• den Korrektoren sowie
• den Mitgliedern des Prüfungsausschusses
zugänglich gemacht werden.
Aufgabenstellung Diplomarbeit
Fachgebiet: Umformtechnik
Kurzzusammenfassung
Thema dieser Arbeit ist die prozessgenaue Abbildung eines Umformprozesses zur
Herstellung unregelmäßiger Ziehteile mithilfe der Finite-Elemente-Methode (FEM).
Die Verwendung einer segmentelastischen Matrize in Verbindung mit verbauten Pie-
zoaktormodulen zur Prozessbeeinflussung macht in der Simulation die Berücksichti-
gung der Werkzeugdeformation und des piezoelektrischen Verhaltens erforderlich.
Daher liegt der Schwerpunkt der Arbeit darin, anhand von Modellkonfigurationen un-
terschiedlicher Größe und Komplexität die erforderliche Abbildungsgenauigkeit zur
korrekten Prozessbeschreibung zu ermitteln. Die Berechnung der Simulationsmodel-
le erfolgt mithilfe der Simulationssoftware LS-DYNA.
Schlagworte
Umformtechnik, Tiefziehen, Piezoaktorik, gekoppelte Simulation, FEM, Tied Contact
Abstract
Topic of this work is the accurate description of a metal forming process for
producing irregular drawn parts using the finite-element-method (FEM). Due to a
partially elastic die in conjunction with built-in piezoelectric actuator modules for
influencing the process the simulation has to take into account the deformation of the
deep drawing tools and the piezoelectrical behavior. Therefore, the focus of the work
is to determine the required accuracy for the correct description of the process with
the help of in size and complexity differing models. The computation of the models is
done with the simulation software LS-DYNA.
Vorwort VI
Vorwort
Diese Arbeit entstand während meiner Tätigkeit als Diplomand im Werkzeugbau der
der AUDI AG in Ingolstadt in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Umformtechnik
metform der Universität Kassel.
An dieser Stelle möchte ich mich zunächst besonders bei Herrn Prof. Dr.-Ing. habil.
K. Steinhoff für die universitäre Betreuung dieser Diplomarbeit bedanken.
Ich bin ebenfalls Frau Dr.-Ing. U. Weidig sehr dankbar für die Übernahme des Korre-
ferats sowie für die Hilfsbereitschaft bei der Erstellung der Arbeit.
Weiterhin danke ich vielmals Herrn Dr.-Ing. M. Kerschner für die außerordentlich gute
Betreuung der Diplomarbeit sowie für sehr hilfreiche, konstruktive Kritik. Insbesonde-
re Herrn Dipl.-Ing. P. Mainda gebührt mein herzlicher Dank, der mir stets zu jeder
Zeit mit tatkräftiger Unterstützung und sehr guten Ideen betreuend zur Seite stand.
Herrn Dr.-Ing. S. Meinel sowie Herrn Dipl.-Ing. C. Scheffler bin ich ebenfalls äußerst
dankbar, die mich hervorragend bei der Berechnung der Simulationsmodelle unter-
stützten. Mein weiterer großer Dank gilt Herrn Dr.-Ing. C. Hein für die fürsorgliche
und hervorragende fachliche Zusammenarbeit. Ebenso bin ich den Mitarbeitern der
Abteilung Innovation & IT (I/PW-I) des Audi Werkzeugbaus für die geleistete Hilfe
während meiner Arbeit sehr dankbar.
Ich versichere hiermit, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde
Hilfe verfasst habe. Die verwendeten Hilfsmittel und Quellen sind vollständig ange-
geben. Wörtlich übernommene Textstellen, Bilder und Zeichnungen sind in jedem
Einzelfall kenntlich gemacht worden.
Inhaltsverzeichnis
4. Modellbildung ..................................................................................................... 62
4.1 Konventionelle Modellkonfiguration .............................................................. 64
4.1.1 Diskretisierung ................................................................................... 64
4.1.2 Materialparameter ............................................................................. 65
4.1.3 Kontaktbedingungen.......................................................................... 66
4.1.4 Randbedingungen ............................................................................. 67
4.2 Minimale Modellkonfiguration ....................................................................... 69
4.2.1 Diskretisierung ................................................................................... 70
4.2.2 Materialparameter ............................................................................. 72
4.2.3 Kontaktbedingungen.......................................................................... 72
4.2.4 Randbedingungen ............................................................................. 75
4.3 Erweiterte Modellkonfiguration ..................................................................... 77
4.3.1 Diskretisierung ................................................................................... 77
4.3.2 Materialparameter ............................................................................. 80
4.3.3 Kontaktbedingungen.......................................................................... 80
4.3.4 Randbedingungen ............................................................................. 83
4.4 Stark erweiterte Modellkonfiguration ............................................................ 84
4.4.1 Diskretisierung ................................................................................... 85
4.4.2 Materialparameter ............................................................................. 86
4.4.3 Kontaktbedingungen.......................................................................... 87
4.4.4 Randbedingungen ............................................................................. 89
Lateinische Formelzeichen
a [m/s²] Beschleunigung
A [mm²] Fläche
c [m/s] Schallgeschwindigkeit
EC [A/m] Koerzitivfeldstärke
EM [N/mm²] Elastizitätsmodul
fi [-] Elementlast i
F [N] Kraft
j [-] Anzahl
Symbole und Formelzeichen XI
ki [-] Elementsteifigkeit i
kP [-] Piezoaktorsteifigkeit
K [-] Steifigkeit
l [mm] Länge
l0 [mm] Ausgangslänge
lE [mm] Elementkantenlänge
lt [mm] Blechdicke
n [-] Verfestigungsexponent
P [-] Polarisation
s [-] Elastizitätskonstante
S [-] Verformung
t [s,h] Zeit
T [K,°C] Temperatur
Tc [K,°C] CURIE-Temperatur
u [mm] Verschiebung
v [mm/s] Geschwindigkeit
Griechische Formelzeichen
α [-] Faktor
β [-] Ziehverhältnis
ε [F/m] Permittivität
µ [-] Reibkoeffizient
σn [N/mm²] Normalspannung
σr [N/mm²] Radialspannung
σt [N/mm²] Tangentialspannung
Symbole und Formelzeichen XIII
ν [-] Querkontraktionszahl
ϕ [-] Formfunktion
Φ [-] Toleranz
Abkürzungen
Die kontinuierliche Erweiterung der Produktpalette durch neue Modellreihen und De-
rivate erhöht in der Automobilindustrie die Anforderungen an die Entwicklung und
Einarbeit neuer Werkzeuge für die Karosseriebauteilherstellung. Während 2008 noch
22 Fahrzeugmodelle und –varianten zum Produktspektrum der AUDI AG zählten, ist
für das Jahr 2015 eine Zunahme auf 42 Modelle geplant [1]. Die damit verbundene
rückläufige Anzahl zu produzierender Teile einer Modellreihe in Verbindung mit ei-
nem kleiner werdenden Prozessfenster durch die zunehmende Bauteilkomplexität
erfordern einen angepassten Produktentstehungsprozess (PEP).
Aktuell umfasst der Prozess zur Einarbeit der Werkzeuge bis zur prozesssicheren
Herstellung von Gutteilen in der Karosserieteilefertigung eine zum Teil aufwendige
manuelle Anpassung der Werkzeugwirkflächen in mehreren sich wiederholenden
Optimierungszyklen. Dies kann bis zu ca. 30 % der Gesamtkosten in Anspruch neh-
men [2]. Nach der zeit- und kostenintensiven Einarbeit der Werkzeuge verringern
schwankende Prozessgrößen, wie zum Beispiel der Chargenwechsel eines Werk-
stoffs oder die veränderte Platinenbeölung, sowie der Einsatz auf unterschiedlichen
Produktionspressen die Prozessstabilität und führen zur Produktion von Ausschuss-
teilen. Zur Reduzierung der Einarbeits- und Produktionskosten wird daher in den
Werkzeugbauten des VOLKSWAGEN Konzerns das Ziel verfolgt, Umformwerkzeuge
mithilfe von Sensoren, Aktoren und Reglern zu intelligenten Werkzeugsystemen zu
erweitern. Durch Prozessüberwachung gibt das System Rückmeldung und leitet ge-
gebenenfalls selbsttätig die erforderlichen Maßnahmen für einen stabilen Prozess mit
gleichbleibender Teilequalität ein. Die Erprobung der neuen Werkzeugtechnik findet
anhand des in Abbildung 1.1 dargestellten Versuchswerkzeugs nach [3] statt.
Matrize
Stempel
Blechhalter
Unterteil
Ein Teil des so genannten intelligenten Werkzeugs stellt die in Abbildung 1.2 ge-
zeigte aktive Matrize dar, welche mithilfe von Piezoaktormodulen und biegeweich
ausgeführten Deckplatten die Flächenpressung lokal anpasst. Die hiermit einherge-
hende Prozessbeeinflussung soll zur Erweiterung der Prozessgrenzen für einen si-
cheren Umformvorgang komplexer Teilegeometrien dienen.
AKTORIK
Piezoaktor- Deckplatte
Parameter
modul
Reißer
Gutteil
Falten
Matrize Bauteilkomplexität
Modellaufbau Simulationsergebnisse
Piezoaktorsimulation
Matrize
Platine
Stempel
Blechhalter
Struktursimulation + Umformsimulation
Durch die segmentelastische Ausführung der aktiven Matrize des intelligenten Werk-
zeugs zur lokalen Veränderung der Flächenpressung ist ein idealisiertes Starrkörper-
verhalten in der Umformsimulation nicht mehr zulässig. Daher besteht das Ziel dieser
Arbeit darin, in Form einer gekoppelten Umformsimulation (Abbildung 1.3), in der
das elastische Werkzeugverhalten Berücksichtigung findet, ein adäquates Modell zur
realitätsnahen Prozessabbildung zur erstellen. Ferner werden die Wirkzusammen-
hänge der Piezoaktormodule zur lokalen Veränderung der Flächenpressung in das
Simulationsmodell implementiert.
Vorgehensweise
2. Kenntnisstand
In diesem Kapitel soll der derzeitige Stand der Umformtechnik in Bezug zur Aufga-
benstellung zusammenfassend erläutert werden. Zunächst werden in Kapitel 2.1 die
allgemeinen Prozesseigenschaften und die Möglichkeiten zur Steuerung des Tiefzie-
hens aufgezeigt, welches als Teilgebiet der Umformverfahren einen Themenschwer-
punkt dieser Arbeit darstellt. Im anschließenden Kapitel 2.2 erfolgt die Beschreibung
zur numerischen Berechnung von Umformprozessen mithilfe der Finite-Elemente-
Methode (FEM), in dem gezielt Methoden zur simulativen Berücksichtigung von pro-
zessbedingten Werkzeugdeformationen vorgestellt werden. Das abschließende Ka-
pitel 2.3 gibt einen Überblick zur Wirkweise von Piezoaktoren, das zum besseren
Verständnis der später verwendeten Ersatzsysteme in den Simulationsmodellen bei-
tragen soll.
2.1 Tiefziehen
Für die Umformung von Blechteilen (u.a. für die Karosserieteilherstellung in der Au-
tomobilindustrie) stellt der Tiefziehprozess das wichtigste Fertigungsverfahren dar
[4]. Das Tiefziehen gehört nach DIN 8585 [5] zum Umformverfahren der Zugdruck-
umformung (Abbildung 2.1). Charakteristisch für das Tiefziehen ist im Allgemeinen
das Ausformen eines Hohlkörpers aus einem Blechzuschnitt durch Stauchen und
Strecken ohne beabsichtigte Blechdickenveränderung. [4,6]
Umformen
DIN 8582
Werkzeugbewegung
Gesenkformen
Knickbauchen
Durchdrücken
Kragenziehen
Durchziehen
Verschieben
Eindrücken
Freiformen
Tiefziehen
Verdrehen
Drücken
Walzen
Längen
Weiten
Tiefen
OP 20:
Tiefziehen
2.1.1 Prozesseigenschaften
Exemplarisch für das Tiefziehen ist in Abbildung 2.3 eine Prinzipskizze am Beispiel
eines rotationssymmetrischen Bauteils aufgezeigt. Beim Tiefziehen sind in der Regel
quasi-starre Tiefziehwerkzeuge (siehe Kapitel 2.1.2) im Einsatz [4]. Hierzu zählen
der Ziehstempel, die Ziehmatrize sowie zusätzlich der Blechhalter bei dünnen Fein-
blechen. Mit der von der Presse aufgebrachten Blechhalterkraft FBh können die Rei-
bungskräfte zwischen Blechhalter und Blech bzw. zwischen Blech und Ziehmatrize
beeinflusst werden. Die Einspannung des Blechwerkstoffs bewirkt tangentiale Druck-
spannungen im Ziehvorgang und verhindert die Ausbildung von Falten im Flanschbe-
reich (siehe Kapitel 2.1.3). [4,6]
2. Kenntnisstand 19
Stempel
Blechhalter FSt
FBh FBh
Blechdicke s0
Blech
Matrize
Die Umformung beim Tiefziehen gliedert sich in zwei Phasen (Abbildung 2.4): Zu
Beginn des Tiefziehvorgangs erfolgt die Ausformung des Ziehteilbodens durch den
Ziehstempel. Es fließt hierbei das Material ausschließlich aus der Blechdicke und
führt ohne das Nachfließen des Werkstoffs aus dem Flanschbereich zur Dickenre-
duktion des Blechs. Diesen Vorgang bezeichnet man als Streckziehen. Die damit
einhergehende Kaltverfestigung wird sich speziell bei der Karosserieteileherstellung
zunutze gemacht, um eine entsprechende Festigkeitssteigerung gegen äußere Ein-
flüsse, wie beispielsweise Hagel, zu erzielen [10]. In der zweiten Phase des Tiefzieh-
vorgangs fließt nach Überschreiten der Flanscheinzugskraft das Material aus dem
Flanschbereich in die Ziehteilzarge, was mit einer Verdickung des Blechs im Außen-
bereich des Flansches einhergeht. Die Flanscheinzugskraft setzt sich aus der Reib-
kraft im Ziehteilflansch und dem Produkt aus gezogener Fläche und mittlerer Fließ-
spannung des Werkstoffs, der ideellen Umformkraft, zusammen. [6]
Streckziehen zu
Beginn des
Umformvorgangs
Tiefziehen
Beim hier dargestellten Tiefziehvorgang wird die Umformkraft zunächst direkt in den
Boden des Ziehteils geleitet und im Anschluss über die Zarge in die Umformzone.
Daher handelt es sich hierbei um ein Verfahren mit mittelbarer Krafteinwirkung [6].
Die sich daraus ergebende Beanspruchung (Abbildung 2.5) unterteilt sich in Abhän-
gigkeit des Ziehteilbereichs in folgende drei Beanspruchungsarten:
• Flanschbereich: Zug-/Druckbeanspruchung
• Auslauf der Stempelkante: Behinderte einachsige Zugbeanspruchung
• Bodenbereich: Zug-/Stauchbeanspruchung
Der Flanschbereich ist gekennzeichnet durch das Anliegen von radialen Zug- σr und
tangentialen Druck- σt sowie normalen Druckspannungen σn. Das Ausknicken des
Blechs aufgrund der tangentialen Druckspannungen wird vom Blechhalter unterbun-
den. Die in den Bodenbereich eingeleitete Ziehkraft bewirkt im Zargenbereich Zug-
spannungen. Im Bereich des Stempelkantenauslaufs tritt eine eingeschränkte, ein-
achsige Zugbeanspruchung auf, welche in einem ebenen Dehnungszustand resul-
tiert. Radiale und tangentiale Zugspannungen liegen im Bereich des Ziehteilbodens
vor. Die unterschiedlichen Spannungszustände erfordern einen Werkstoff, der den
verschiedenen Beanspruchungsarten gerecht wird. [6]
Flansch / Umformbereich
Tiefziehen / Umformbereich
gekennzeichnet durch
Zug-/Druckbeanspruchung
Ziehteilboden
2.1.2 Tiefziehwerkzeuge
Die Herstellung eines tiefgezogenen Bauteils erfolgt stets durch das Zusammenwir-
ken von Umformwerkzeug und Presse. Die Aufgabe von Pressen liegt grundsätzlich
darin, eine bestimmte Kraft und Bewegung auf das Werkzeug zu übertragen, wel-
ches die gewünschte Fertigungsoperation ausführt. Die Pressenausführung gestaltet
sich in Abhängigkeit vom Fertigungsverfahren und von den Stückzahlen. Universal-
pressen bieten ein weitreichendes Anwendungsspektrum wohingegen spezialisierte
Anlagen ihre Wirtschaftlichkeit durch eine hohe Effizienz im Hinblick auf bestimmte
Funktionen ausspielen [11].
Der Aufbau und das Wirkprinzip von Karosseriebauteilwerkzeugen richten sich
grundlegend nach den herzustellenden Teilen sowie nach der zur Verfügung stehen-
den Pressentechnik. Beim Einsatz auf Großraumtransferpressen besteht nur eine
bestimmte Anzahl an Operationsschritten zur Verfügung, um die erforderlichen Um-
form- und Schneidvorgänge ausführen zu können. Abbildung 2.6 zeigt den typi-
schen Aufbau eines Tiefziehwerkzeugs der ersten Operationsstufe. Die wesentlichen
Bestandteile sind der Stempel, die Matrize, der Blechhalter sowie das Werkzeugun-
terteil.
Pressenstößel
Matrize / Werkzeugoberteil
Blech Blechhalterdistanzen
Unterteildistanzen
Blechhalter
Stempel Blechhalterpinolen
Werkzeugunterteil
Ziehkissenpinolen
Pressentisch
Druckkasten/Ziehkissen
2.1.3 Verfahrensgrenzen
Das Ergebnis des Tiefziehprozesses wird von einer Vielzahl von Faktoren beein-
flusst, die in Wechselwirkung zueinander stehen. Die Einflussgrößen auf den Tief-
ziehprozess können nach [13,14] wie folgt eingeteilt werden:
• Werkstoffeigenschaften
(Festigkeit, Anisotropie, Verfestigungsverhalten, Oberflächentopografie, etc.)
• Tribologie/Schmierung
(Schmiermittelmenge, -verteilung, -viskosität, etc.)
• Werkzeug
(Aktivflächengeometrie, Oberflächentopografie, Steifigkeit, Verschleiß, etc.)
• Maschine
(Steifigkeit, Kippung, Tisch-/Stößeldurchbiegung, etc.)
• Peripherie
(Zuschnittgröße, -genauigkeit, Einlegeposition, Richtzustand, etc.)
• Mensch
(Parametereinstellung, Fehlererkennung, etc.)
• Falten im Flansch (1. Art) und Falten in der Zarge (2. Art)
• Einschnürungen und Reißer
• Oberflächenfehler (z.B. Einfallstellen, Pickel, usw.)
• Maß- und Formabweichungen (Rückfederung)
2. Kenntnisstand 23
Die Ausbildung von Rissen tritt infolge von lokalem Materialversagen in Form von
Einschnürungen auf, wenn die eingeleiteten Zugspannungen in Boden oder Zarge
die übertragbaren Spannungen vom Blechwerkstoff überschreiten. Zu Falten erster
Art im Flansch des Ziehteils kommt es infolge der dort entstehenden, tangentialen
Druckspannungen während der Umformung, die durch eine ausreichend hohe
Blechhalterkraft vermieden werden können. Falten zweiter Art in der Zarge des Zieh-
teils sind einerseits die Folge von einer tangentialen Stauchung des Werkstoffs bei
konischen oder unregelmäßigen Formen während der freien Umformung ohne Werk-
zeugkontakt. Andererseits entstehen diese durch das Einlaufen von Falten erster Art
über die Ziehmatrize. Weitestgehend können Falten zweiter Art durch einen kontrol-
lierten Stofffluss im Werkzeug während des Ziehens vermieden werden. [4]
Reißer Rückfederung
Eckbereich Ziehteilseite
Reißer Falten 1. Art
Die genaue Steuerung des Umformprozesses erweist sich aufgrund der Vielzahl von
sich beeinflussenden Einflussfaktoren (Kapitel 2.1.3) als äußerst schwierig. Die Her-
stellung immer komplexerer Teilegeometrien in Verbindung mit festeren und leichte-
ren Werkstoffen verkleinert die Prozessgrenzen und führt bei zu großen Schwankun-
gen der Einflussgrößen zum Bauteilausschuss.
Um eine möglichst große Prozessrobustheit zu erzielen, stehen verschiedene Mög-
lichkeiten zur Verfügung, um einerseits vorab den prozessbegleitenden Schwankun-
gen der Einflussgrößen Rechnung zu tragen, oder um andererseits bei gegebenen
Prozessabweichungen Gegenmaßnahmen einleiten zu können.
Maßgeblich werden die Verfahrensgrenzen durch den Werkstofffluss des Blechzu-
schnitts während der Umformung definiert. Speziell für die Reproduzierbarkeit von
unregelmäßig geformten Teilen, wie sie in der Karosserieteilefertigung vorkommen,
ist die Stoffflussbewegung im und aus dem Ziehteilflansch hauptverantwortlich. Der
Steuerung des Werkstoffflusses kommt daher eine besondere Bedeutung zu. Mögli-
che Regulierungsmaßnahmen zeigt Abbildung 2.9.
2. Kenntnisstand 25
- Menge - Gestaltung
- Größe - Art - Wirkweise - Steif igkeit
- Geometrie - Verteilung - Zieheinrichtung - passiv/aktiv
Durch eine optimale Auslegung der Platinengeometrie lassen sich aufgrund des an-
gepassten Werkstoffflusses Ziehteile mit einer gleichmäßigen Blechdickenverteilung
im Flansch herstellen [4]. Es zeigt sich, dass zwar eine Beeinflussung des Werkstoff-
flusses über die Zuschnittsgeometrie möglich ist, die zu erzielenden Verbesserungen
jedoch nur in geringfügigem Maße ausfallen [15].
Die während des Tiefziehens auftretenden Reibungsverhältnisse beeinflussen we-
sentlich das Tiefziehergebnis. Insbesondere bei größeren Blechteilen und Ziehtiefen
nimmt der Einfluss der Reibungsverhältnisse auf das Tiefziehergebnis zu [9,15]. In
der industriellen Praxis ist jedoch der Trend zu verzeichnen, den Einsatz von
Schmiermittel zu reduzieren oder gar vollständig auszulassen [15]. Neben der Kos-
tenreduzierung ist der problematische Erhalt gleichbleibender Schmierbedingungen
in der Serienfertigung ein Hauptgrund [4].
Es wird daher in den nachfolgenden Kapiteln detaillierter auf die pressen- und werk-
zeugseitigen Einflussgrößen zur Steuerung des Werkstoffflusses eingegangen, von
denen maßgeblich die zu erzielende Teilequalität abhängig ist. Die Kapitel dienen als
Grundlage zum Verständnis des in dieser Arbeit numerisch abzubildenden Ver-
suchswerkzeugs.
dem Ziehstößel die Blechhalterkraft bei den doppelt wirkenden Pressen (Abbildung
2.10) [6].
Stößelführung Zieh-
Ziehstößel Matrize stößel
Platine
Blechhalter
Niederhalter
Stempel
Pressentisch
Ziehkissenplatte Pinolen
Auswerf er
Führung
Verdränger-
Pressenrahmen zylinder
Pressenrahmen
Abbildung 2.10: Tiefziehen auf einer einfach- und doppeltwirkenden Presse nach [6]
Im Fall von kurzen Ziehtiefen können Stahldruck-, Elastomer- oder mit Stickstoff ge-
füllte Gasdruckfedern zur Aufbringung der Blechhalterkraft auf einfach wirkenden
Pressen verwendet werden. Im Regelfall bringt eine im Pressentisch integrierte Zieh-
einrichtung die Kraft für den Blechhalter auf (Abbildung 2.10).
Im letzteren Fall stützt sich der Blechhalter auf einem pneumatischen oder hydrauli-
schen Druckzylindersystem auf, welches die der Stößelkraft entgegengesetzte
Blechhalterkraft erzeugt. Nach dem Schließen der Matrize mit dem Blechhalter wird
die Platine kraftschlüssig an den Blechhalter geklemmt und im Anschluss über dem
Stempel umgeformt. Die doppelt wirkende Presse stellt die Verklemmung der Platine
hingegen über das Zufahren des Blechhalters durch einen Blechhalterstößel ein.
Mithilfe des Ziehstößels fährt der Stempel nach unten und formt die Platine um
(Abbildung 2.10). [6,11]
Einfach wirkende Pressen zeichnen sich durch die geringeren Investitions- und
Handhabungskosten aus [6,11]. Das Ziehteil liegt nach dem Ziehen in der optimalen
Lage für Folgeoperationen und muss nicht gewendet werden. Ein zusätzlicher in das
Werkzeug integrierter Auswerfer zur Herausnahme des Ziehteils entfällt im Vergleich
zu doppeltwirkenden Pressen. Daher haben sich einfachwirkende Pressen in der
Fertigung weitestgehend durchgesetzt [6,11]. Nachteilig gestaltet sich hierbei jedoch
die über den Ziehweg konstant bleibende Blechhalterkraft, die bereits zu Beginn des
Prozesses maximal zur Verfügung stehen soll. Mit dem Einziehen des Flansches
über den Ziehweg steigt hierdurch der auf die Flanschfläche bezogene Blechhalter-
druck (spezifischer Blechhalterdruck) exponentiell an, woraus Falten erster Art resul-
tieren können [23]. Mithilfe eines erhöhten Blechhalterdrucks wird dem entgegenge-
wirkt, indem die Falten beim Hinweggleiten über die Ziehkante eingeglättet werden.
2. Kenntnisstand 27
Einpunktziehkissen Mehrpunktziehkissen
Pinolen Pinolen
Pressentisch Pressentisch
Führung Führung
Ziehkissenplatte Ziehkissenplatte
Druckgeregelter
Hydraulikzylinder Druckgeregelter
(Anzahl: 1) Hydraulikzylinder
(Anzahl: 2,4,8,12)
Die Herstellung großer und komplexer Ziehteile auf einfachwirkenden Pressen kann
die Verwendung von Mehr- oder Vielpunktzieheinrichtungen mit separat einstellbaren
Zylinderkräften (Abbildung 2.11) erforderlich machen [6]. Die Blechhalterkraft wird
bei den Mehrpunktziehkissen nicht mehr über einen zentralen Zylinder an der Zieh-
kistenplatte direkt aufgebracht, sondern über mehrere, gegebenenfalls separat an-
steuerbare Hydraulikzylinder übertragen [6]. Mithilfe optional höhenverstellbarer Pi-
nolen ergibt sich die Möglichkeit, die Blechhalterkrafteinleitung an die Werkzeugkon-
tur weitgehend anzupassen [4,6]. Analog erfolgt die Krafteinleitung bei der Vielpunkt-
ziehtechnik, bei der die Pinolen über separat einstellbare Zylinderkräfte angesteuert
werden können. Im industriellen Umfeld finden allerdings weitestgehend Einpunkt-
oder Mehrpunktziehkissen mit maximal acht Zylindern ihren Einsatz. Die Verwen-
dung der Mehr- bzw. Vielpunkttechnik in Verbindung mit einem segmentierten oder
elastischen Blechhalter ermöglicht durch gezielte lokale Variation der Kräfte die Er-
weiterung von Prozessgrenzen (siehe nächstes Kapitel). [4,6]
Reißer oder Falten, vermindert die Flächenpressung und trägt zur Reduzierung der
Rückfederung bei. Die Blechhalterkraft trägt maßgeblich zum einwandfreien Tief-
ziehergebnis bei und muss an das Ziehverhältnis β (fiktives Ziehverhältnis bei nicht
rotationssymmetrischen Teilen) angepasst werden. Die richtige Kombination aus
Blechhalterkraft und Ziehverhältnis kann aus einem Arbeitsdiagramm, wie in Abbil-
dung 2.12 dargestellt, abgelesen werden. Eine falsche Verknüpfung aus Blechhal-
terkraft und Ziehverhältnis bringt ein fehlerhaftes Tiefziehteil aufgrund von Falten
oder Reißern mit sich. Ein stabiler Tiefziehprozess zeichnet sich durch einen breiten
Arbeitsbereich über ein weiträumiges Ziehverhältnis aus. [6,10]
Reißer
Arbeitsbereich
(Gutteile)
Optimale konstante Blechhalterkraf t FBh,opt
Falten 1. Art
Fiktives Ziehverhältnis β
Stößel
Stempel
Blech-
halter
Ziehkissenplatte
PKW-Ziehteil
Aktive Konzepte zur Anpassung der Rückhaltekraft während des Tiefziehens wurden
bereits 1960 in [25] durch eine mechanische bzw. hydraulische Kraftaufbringung zur
Veränderung des Ziehwulstdruckes angeregt. In [26] wird dieser Ansatz fortgesetzt.
Die aufwendige und störanfällige Werkzeugtechnik hat bisher jedoch den industriel-
len Einsatz verhindert [4].
Eine andere Möglichkeit, den Werkstofffluss beim Tiefziehen über die Werkzeuge zu
beeinflussen, liegt in der Anpassung der resultierenden Flächenpressung. In der Re-
gel werden die Werkzeugelemente sehr steif ausgelegt, weshalb die in Kapitel
2.1.4.1 beschriebene Mehr- und Vielpunktziehkissentechnik zur lokalen Krafteinlei-
tung nur bedingt Abhilfe schafft. Unvermeidbar bleibt daher die Kompensation der
unterschiedlichen Flächenpressungen, resultierend aus den ungleichen Blechaufdi-
ckungen, durch die Werkzeugeinarbeit mithilfe des Tuschierens (siehe hierzu [11]).
Abhilfe schaffen hierfür steifigkeitsoptimierte Blechhaltersysteme, welche in Abhän-
gigkeit ihrer Ausführung passiv oder (teil-)aktiv die Flächenpressung beeinflussen.
Während bei den passiv-elastischen Werkzeugsystemen der Werkstofffluss aus-
schließlich durch konstruktive Maßnahmen gesteuert wird, tragen in das Werkzeug
integrierte Stellglieder zur Prozessbeeinflussung bei aktiv-elastischen Werkzeug-
2. Kenntnisstand 30
komponenten bei [15]. Den prinzipiellen Unterschied in der Wirkweise der Blechhal-
tersysteme zeigt Abbildung 2.14.
Der Ausgangspunkt für die Entwicklung von passiven Werkzeugsystemen war die
Verfügbarkeit von lediglich einfacher Pressentechnik mit Einpunktziehkissen sowie
der Wunsch nach der Werkstoffflussbeeinflussung ohne die Verwendung von Zieh-
wulsten [15]. Nach den ersten Entwicklungen von GROSS [27] 1956 wurde später von
WITTHÜSER [28] erstmalig ein Blechhaltersystem entwickelt, das unter einer dünnen
Deckplatte aus Stahl ein nachgiebiges Gummikissen vorsah. SOMMER [29] entwickel-
te anhand der von WITTHÜSER gewonnenen Erkenntnisse das System des gummi-
elastischen Blechhalters für das Tiefziehen von rotationssymmetrischen und recht-
eckigen Ziehteilen weiter (Abbildung 2.15).
Stempel
Blechhalter
Elastomer
Blechwerkstoff Stützring
Matrize
Höhenausgleich
Zentrierung
ca. 20 mm Elastomer
ca. 2 mm Druckleiste
Blechhalter-Zwischenplatte
Stößelplatte
Ziehring-
grundplatte
Führungssäule
Blechhalter- Führungsleisten
segmente für Blechhalter-
segmente
Stempel
Anschlaghülse
Hydraulikzylinder
Grundplatte
Ziehring
Blechhalter-
Stempel
aktivfläche
Blechhalter mit
Pyramidenstümpfen
Grundplatte
Hydraulikzylinder j
Allgemein ist die Übertragbarkeit der gewonnenen Erkenntnisse bei den aktiv-
elastischen Blechhaltern auf beliebige Ziehteilformen als problematisch zu sehen
[15]. Die aufwendigere Werkzeugtechnik durch integrierte Hydraulikzylinder erhöht
den Wartungs- und Bedienungsaufwand und vergrößert die Einbauhöhe der Werk-
zeuge, welches sich negativ auf den Einsatz in Produktionspressen auswirken kann.
2. Kenntnisstand 33
Piezoaktor-
Aktive Matrize modul
Ziehhilfe
Deckplatte
Blech- Stempel
Blechhalter
halter
Zur Analyse der Realisierbarkeit und der versagensfreien Herstellbarkeit von Teilen
der Massiv- und Blechumformung werden heute numerische Berechnungsverfahren
eingesetzt, die es erlauben, den industriellen Fertigungsprozess realitätsnah durch
Simulationen in einem Computermodell abzubilden. Die Simulationsergebnisse des
Umformprozesses helfen bereits im frühen Stadium der Werkzeugkonstruktion durch
iterative Optimierungszyklen, die gewünschte Bauteilgeometrie und –qualität gewähr-
leisten zu können [34]. Die anschauliche Darstellung von Prozess- und Bauteilgrö-
ßen wie z.B. der Verteilung des Blechhalterdrucks, dem Werkstofffluss sowie der
2. Kenntnisstand 34
2.2.1 Grundlagen
Die Basis für die Simulationen stellt im Bereich der Umformtechnik in den meisten
Fällen das mathematische Berechnungsverfahren der Finite-Elemente-Methode
(FEM) dar. Der allgemeine Ablauf einer FEM-Analyse ist in Abbildung 2.20 darge-
stellt. Die meisten FEM-Analysen sind Abläufe von fortlaufenden Optimierungsvor-
gängen des FE-Modells bis hin zur zufriedenstellenden Lösung des Problems. Die
Modellbildung, Berechnung und anschließende Korrektur des Modells, basierend auf
den Ergebnissen, wird mehrmals erforderlich [35]. Die Ergebnisinterpretation sowie
die entsprechenden Modellmodifikationen stellen die wichtigsten Schritte der FEM-
Analyse dar. Die erfolgreich durchgeführte Berechnung einer Simulationssoftware
deutet einzig auf die formale Korrektheit der eingegeben Daten hin, liefert aber keine
Plausibilitätsaussage.
Realer
Prozess
Überführung Bewertung
Numerik
FE-
FE-Modell
Berechnung
Optimierung
Ein wesentliches Merkmal der FEM ist das Zusammenspiel von Ergebnisgenauigkeit
und Rechenaufwand. So kann eine absolut exakte Abbildung eines Bauteils im Ver-
gleich zu einer vereinfachten Variante die Rechenzeit trotz stetig wachsender Re-
chengeschwindigkeiten in unzumutbare Dimensionen führen, bei gleichbleibend hin-
reichender Ergebnisgenauigkeit. Daher ist die Modellbildung stets aus der Sicht der
gesuchten Ergebnisanforderungen durchzuführen, um die FEM-Simulation nicht un-
nötigen Konvergenzproblemen auszusetzen, welche die Rechenzeiten erhöhen.
Werkstoff-
daten
Elementtyp Diskretisierung
Ergebnis-
qualität
Numerische Rand-
Genauigkeit bedingungen
Modellierung
Die Qualität der Ergebnisse hängt daher von den in Abbildung 2.21 aufgeführten
Punkten ab. Falsche Annahmen hinsichtlich der Modellvereinfachung können zu
nicht vorhandenen Spannungsspitzen führen. Ebenso ist die geeignete Überführung
der Geometrie in ein Netz bestehend aus Elementen und Knoten (Diskretisierung)
mit großer Sorgfalt durchzuführen. Eine zu grobe Diskretisierung lässt keine verläss-
lichen Aussagen zu. Hierbei ist ebenfalls auf eine geeignete Wahl des Elementtyps
zu achten, da dieser sich hinsichtlich seines Verhaltens bei gegebener Beanspru-
chung teilweise stark unterscheidet. Oft kommt es zur falschen Abbildung der physi-
kalischen Randbedingungen, was u. a. eine fehlerhafte Spannungsverteilung zur
Folge hat. Des Weiteren sollten stets die verwendeten Werkstoffdaten überprüft wer-
den. Bei schlecht konditionierten Systemen kann es aufgrund von Rundungsfehlern
schnell zu numerischen Ungenauigkeiten im Gleichungslöser kommen. [36-39]
2. Kenntnisstand 36
Die Problematik bei der Berechnung komplexer Systeme liegt in der Beschreibung
der Bewegungsgleichungen. Während bei diskreten Systemen algebraische Glei-
chungen die unbekannten Zustandsgrößen beschreiben, sind für kontinuierliche Sys-
teme Differentialgleichungen für die jeweilige Systemantwort erforderlich. Diese
exakt zu lösen ist nur für relativ einfache Systeme realisierbar. Daher müssen die
Differentialgleichungen für komplexe Probleme mithilfe von Näherungsverfahren ge-
löst werden.
Im Wesentlichen wird dabei das kontinuierliche System auf ein diskretes berechen-
bares System reduziert [38]. Hierzu findet eine Unterteilung der zu untersuchenden
Struktur in kleine Teilbereiche statt. Das Problem wird in ein Modell aus einer endli-
chen Anzahl diskreter Elemente überführt. Diese sind untereinander über Knoten
verbunden, welche die Elemente bezüglich ihrer Lage und Freiheitsgrade charakteri-
sieren. Die Vernetzung der Geometrie ermöglicht das Aufstellen von Differentialglei-
chungen für kleine Teilbereiche mit verhältnismäßig homogenen Zuständen. Daher
können i.d.R. einfache Näherungslösungen von wenigen Funktionen mit beliebiger
Genauigkeit aufgestellt werden [38].
Das Grundprinzip der FEM liegt in der Berechnung der Knotenverschiebungen u der
einzelnen Elemente. Unter der Annahme von Linearität lautet die Grundgleichung der
FEM, die es zu lösen gilt [38]:
Ku=F (2.1)
Hierin ist K die Struktursteifigkeit, die sich aus der Summe der Elementsteifigkeiten ki
ergibt. Die Elementsteifigkeit berechnet sich anhand der materialspezifischen Eigen-
schaften der Elemente in Verbindung mit den Randbedingungen der Knoten. F ist
der Strukturlastvektor, der die äußeren Randbedingungen der Elementlastvektoren fi
über die Elementanzahl abbildet. Die Berechnung der Struktursteifigkeit K und des
Strukturlastvektors F erfolgt in der FEM automatisiert mithilfe der direkten Steifig-
keitsmethode [38-40].
Sind die Struktursteifigkeit und der –lastvektor bekannt, kann aufgrund der symmetri-
schen Matrixform von K und F Gleichung 2.1 nach den Knotenverschiebungen u
umgestellt und berechnet werden.
u = K −1 F (2.2)
Die Lösung des Gleichungssystems kann mithilfe direkter Verfahren wie z.B. der
CHOLESKY-Zerlegung erfolgen oder auch iterativ geschehen. Durch Rückrechnung
2. Kenntnisstand 37
der Verschiebungen auf die Dehnungen und Spannungen entsteht auf diese Weise
ein numerisch berechenbares Modell, das realitätsnah die physikalischen Eigen-
schaften des realen Problems wiedergibt. [36-38]
In der Realität tritt jedoch auch stets eine Vielzahl von Nichtlinearitäten auf, die eine
Erweiterung der zuvor aufgestellten Grundgleichung der FEM erfordert. Ursachen für
Nichtlinearitäten können beispielsweise das Beulen eines Bleches unter Druckbelas-
tung sein, das plastische Fließen des Materials oberhalb der Dehn- bzw. Streckgren-
ze sowie reibbehaftete Kontaktbedingungen.
Aus der Grundgleichung 2.6 der linearen FEM ist bekannt, dass die Verschiebungs-
antwort u eine lineare Funktion der wirkenden äußeren Lasten F ist. D. h. mit zu-
nehmender Last αF um den konstanten Faktor α resultieren die Verschiebungen zu
αu [40]. Im Fall der Nichtlinearität trifft dies nicht zu. Folglich entsteht eine von den
äußeren Lasten und den damit verbundenen Verschiebungen abhängige Steifig-
keitsmatrix K(u). Dies führt zu folgendem Grundgleichungssystem der nichtlinearen
FEM [40]:
K(u) u = F (2.3)
Die Gleichung 2.3 stellt hierbei ein nichtlineares Gleichungssystem dar, welches mit-
hilfe eines iterativen Lösungsverfahrens inkrementell gelöst werden muss. Bei einem
iterativen Lösungsverfahren wird die Lösung durch wiederholtes lineares Berechnen
in kleinen Last- oder Zeitschritten (Inkremente) ermittelt [35].
Standardmäßig stehen in der FEM verschiedene Lösungsalgorithmen zur Verfügung
[40,41]. Allen Verfahren ist gemein, dass die Iteration bei Übereinstimmung von äu-
ßeren Kräften F und inneren (Residual-)Kräften R zu einer gegebenen Toleranz Φ
(im Idealfall Null) abgeschlossen ist. In diesem Fall herrscht Konvergenz und die
Gleichgewichtsiteration des nächsten Inkrements kann beginnen. [36,40,42]
Die inkrementelle Berechnung der zuvor beschriebenen Gleichungen über die Last-
bzw. Zeitschritte kann wahlweise mithilfe expliziter oder impliziter Integration erfol-
gen. Die implizite Berechnung geht nach folgender Grundgleichung vor [41,43]:
Hierbei ist die Steifigkeitsmatrix K für den jeweils neuen Zeit- bzw. Lastschritt i+1 un-
bekannt und hängt von der noch unbekannten Verschiebung ab. Steifigkeitsmatrix
und Verschiebungsvektor müssen per Gleichgewichtsiteration für jeden Zeitschritt
ermittelt werden [43]. Dies ermöglicht eine relativ flexible Wahl der Zeit-
/Lastschrittweite, kann aber bei starken Nichtlinearitäten den Berechnungsaufwand
durch eine hohe Zahl an Iterationen dramatisch steigern.
Im Gegenzug verwenden explizite Verfahren folgende Grundgleichung [41,43]:
Hier erfolgt die Berechnung des neuen Zeitschritts anhand der zuvor berechneten
Steifigkeitsmatrix. Durch den Wegfall der Gleichgewichtsiteration kann der einzelne
Zeitschritt sehr schnell berechnet werden. Allerdings entsteht zugleich eine Restrikti-
on für die Zeitschrittweite, da bei zu großer Wahl eine unzulässige Steifigkeitsmatrix
verwendet wird. Die Zeitschrittweite muss so gewählt werden, dass ein bestimmter
Grenzwert nicht überschritten wird. Andernfalls setzt sich der resultierende Fehler
fort und endet in falschen Ergebnissen. Der Grenzwert für die maximale Zeitschritt-
weite ergibt sich aus der Dauer für die Schallgeschwindigkeit innerhalb eines Materi-
als, welches durch ein Element repräsentiert wird. Die Elementkantenlänge lE hat
daher, neben der Schallgeschwindigkeit c, die durch die Materialeigenschaften (Elas-
tizitätsmodul EM, Dichte ρ und Querkontraktion ν) bestimmt wird, einen wesentlichen
Einfluss auf die kritische Zeitschrittweite Δtc. Vereinfacht, unter Vernachlässigung der
Querkontraktion ν, lässt sie sich wie folgt berechnen [41]:
lE lE
Δt c = = (2.7)
c EM
ρ
schen Federmodellen an die Werkzeuge koppeln. Dies führt zu einer höheren Er-
gebnisgenauigkeit gegenüber Modellen mit Werkzeugen in Form von Starrkörpern
und hält zugleich den Aufwand zur Modellerstellung und –berechnung in einem ver-
tretbaren Rahmen. Zur weiteren Reduktion des Rechenaufwands kommen für die
Abbildung der elastischen Werkzeugeigenschaften ebenfalls Ersatzmodelle zum Ein-
satz (Abbildung 2.22).
El. Feder-
modell
El. Presse
El. Werk-
El. Werk- zeug
zeug Red. el.
Werkzeug
El. Feder-
modell
Im Folgenden wird näher auf die verschiedenen Methoden zur Berücksichtigung des
elastischen Werkzeug- und Pressenverhaltens eingegangen, die für diese Arbeit von
Interesse sind. Abschließend erfolgt eine Bewertung hinsichtlich der Ergebnisgenau-
igkeit, der Modell- und Rechengröße sowie des Aufwands zur Implementierung in die
Simulationsumgebung von LS-DYNA.
Zur Berücksichtigung des elastischen Werkzeugverhaltens ist für die Berechnung die
Struktur der Werkzeuge in ein konformes FE-Netz mit strukturmechanischen Eigen-
schaften zu überführen. Die möglichst exakte Geometriebeschreibung der Werk-
zeugwirkflächen erfordert in Abhängigkeit der Komplexität durch Radien (z.B. Zieh-
leisten, -sicken, Kavität der Matrize) eine hohe Anzahl an Elementen, was in Abhän-
gigkeit der Werkzeuggröße mit einem drastischen Anstieg der Rechenzeit einher-
geht. Um dennoch die Berechnungen in einem vertretbaren zeitlichen Rahmen zu
halten, bietet die in LS-DYNA verfügbare statische Kondensation [40] die Möglichkeit
an, in einer separaten Rechnung die Werkzeugsteifigkeit zu ermitteln und diese auf
die Werkzeugwirkflächen für die Folgeberechnungen zu übertragen [47].
2. Kenntnisstand 41
a c
a c
K aa K ab u a Fa
K =
K bb u b Fb
(2.8)
ba
Nach dem Prinzip des GAUßschen Eliminationsverfahrens werden bei der statischen
Kondensation zunächst die inneren Freiheitsgrade der Struktur eliminiert, da für die
Formgebung lediglich die äußeren Flächen der Werkzeuge von Interesse sind.
−1 −1
(K aa − K abK bb K ba )ua = Fa − K abK bb Fb (2.9)
K cc
Somit entsteht eine speicher- und rechenzeitoptimierte Form Kcc der Steifigkeitsmat-
rizen. Im Fall, dass keine externen Kräfte Fb an den inneren Knoten der Struktur vor-
liegen, vereinfacht sich die Gleichung zu:
K cc u a = Fa (2.10)
Diese reduzierte Form kann nachfolgend in der Umformsimulation auf die konventio-
nelle Flächenvernetzung der Werkzeugwirkflächen verwendet werden, um mit redu-
ziertem Rechenaufwand das elastische Verhalten der Werkzeugstruktur abzubilden.
Voraussetzung hierfür sind geringe Dehnungen im linearen Bereich innerhalb der
Werkzeugstrukturen, sodass die resultierende Steifigkeitsmatrix konstant bleibt.
[34,47]
Nachteilig gestaltet sich bei dieser Methode zur Reduktion der Rechenzeit der hohe
Speicherbedarf für die kondensierte Matrizenform, sodass bereits bei kleinen Prob-
lemstellungen enorme Datenmengen resultieren [47].
2. Kenntnisstand 42
Ähnlich zu der zuvor beschriebenen statischen Kondensation verhält sich die in LS-
DYNA verfügbare Option zur Verwendung deformierbarer Starrkörper (flexible rigid
bodies), um das elastische Werkzeugverhalten mit reduziertem Rechenaufwand be-
rücksichtigen zu können. In [48] wird die Methode und deren Implementierung in LS-
DYNA anhand von zwei Anwendungsbeispielen vorgestellt und validiert. Weitere Un-
tersuchungen hierzu fanden in [49] statt.
Auf Basis der Modalanalyse bzw. der Eigenwertberechnung erfolgt in einer zuvor
ausgeführten, impliziten statischen Analyse die Ermittlung der Werkzeugsteifigkeiten
[48,50]. Anstelle von Knotenverschiebungen beschreiben modale Methoden das
Strukturverhalten. Diese können nachfolgend in der Berechnung des Umformprozes-
ses den als starr definierten Werkzeugwirkflächen in Form von Formfunktionen (Ei-
genwerten) hinterlegt werden [47]. Die Genauigkeit hierbei hängt von der Anzahl der
berechneten Eigenwerte ab. Entspricht die Anzahl der Modi beispielsweise den Frei-
heitsgraden, ist die Berechnung exakt. Hierdurch lässt sich jedoch kein Rechenzeit-
gewinn erzielen, weshalb stets eine sinnvolle, reduzierte Anzahl an Eigenwerten zur
adäquaten Beschreibung der Struktursteifigkeit zu ermitteln ist.
Wie auch bei der statischen Kondensation beschränkt sich die Anwendung der defor-
mierbaren Starrkörpermethode auf Problemfälle mit geringen Verschiebungen und
Dehnungen [48]. In [50] wird die Ergebnisgenauigkeit im Hinblick auf den Einsatz bei
der Blechumformung näher analysiert.
2.2.5.3 TIED-CONTACT-Methode
Anders als bei den vorangegangenen Methoden findet bei der TIED-CONTACT-
Methode in LS-DYNA die Einbeziehung der elastischen Werkzeugeigenschaften
nicht durch eine vorweggeschaltete Subberechnung statt, sondern wird direkt in der
Umformsimulation berücksichtigt.
Infolge der geringfügigen Deformationen bei Umformwerkzeugen für die Blechum-
formung innerhalb des linearen Werkstoffverhaltens genügt zur adäquaten Abbildung
des elastischen Werkzeugverhaltens in der Regel eine relativ einfache Netzstruktur.
Einzig die für die Formgebung des Blechs maßgebliche Werkzeugoberfläche ist auf-
grund ihrer geometrischen Komplexität durch eine Vielzahl unterschiedlichster Radi-
en nur anhand einer hinreichend feinen Vernetzung formtreu zu diskretisieren. Eine
Möglichkeit zur Handhabung dieser Diskrepanz liegt in der Interpolation zwischen
den Netzformen [47]. Mithilfe der in LS-DYNA verfügbaren TIED-CONTACT-Methode
zur Fixierung von Knoten an Segmente kann eine Kopplung zwischen feinem Ober-
2. Kenntnisstand 43
Feines Oberflächennetz
der Werkzeugwirkfläche
Blechplatine
TIED CONTACT
Grobes Volumennetz
der Werkzeugstruktur
∆f mi = φi (ξ c , η c ) f s (2.11)
Nach dem erfolgten Aufsummieren der entsprechenden Anteile wird die Beschleuni-
gung ai der Knoten der Volumenoberfläche berechnet. Die Beschleunigung der fei-
nen Oberflächenelemente wird durch Interpolation der korrespondierenden Be-
schleunigungswerte der groben Vernetzung ermittelt [41].
n
a i = ∑ φ j (ξ c , η c ) a ij (2.12)
j=1
2. Kenntnisstand 44
2.2.5.4 Methodenvergleich
In den jeweiligen Arbeiten [34] sowie [47-49] zu den vorangegangenen Kapiteln fin-
den sich jeweils Anwendungs- und Validierungsbeispiele zu den entsprechenden
Idealisierungsmethoden. Die Betrachtung im Hinblick auf die Praktikabilität wird al-
lerdings zumeist vernachlässigt.
In [51] werden die zuvor vorgestellten Methoden zur Rechenzeitoptimierung hinsicht-
lich des Aufwandes zum Modellaufbau, der Ergebnisgenauigkeit sowie des resultie-
renden Einsparpotenzials bei den Rechenzeiten untersucht. Basis der Untersuchun-
gen stellt der Modellabschnitt eines Gesenkbiegewerkzeugs mit Blechhalter dar, das
an den NUMISHEET Benchmark in [52] angelehnt ist.
Im Hinblick auf die mögliche Rechenzeitverkürzung bei der Verwendung deformier-
barer Starrkörper werden in [51] zuvor Untersuchungen mit einer variierenden Anzahl
an Eigenmodi durchgeführt, um einen optimalen Kompromiss aus Rechengenauig-
keit und Einsparpotenzial zu ermitteln.
Aufgrund der resultierenden großen Ergebnisdateien bei der statischen Kondensati-
on werden in [51] zur besseren Handhabung nur Freiheitsgrade in z-Richtung be-
rücksichtigt, womit zwangsläufig eine größere Ungenauigkeit einhergeht. Die sogar
gestiegene Rechenzeit wird auf die bis dato unzureichende Implementierung in LS-
DYNA zurückgeführt [51].
Zur Auswertung der Ergebnisse wird ein mit Volumenelementen vernetztes Refe-
renzmodell herangezogen. Zur Bewertung der Ergebnisgenauigkeit wird die maxima-
le Knotenverschiebung am Matrizenradius in Stempelverfahrrichtung ausgewertet. Im
Hinblick auf die Handhabung werden die Modelle bezüglich des verwendeten Ar-
beits- und Festplattenspeichers sowie des Aufwandes zur Vernetzung und Modeller-
stellung analysiert. Die wesentliche Ergebnisgröße stellt die resultierende Berech-
nungsdauer dar. In Tabelle 2.1 sind die prozentualen Abweichungen der Ergebnisse,
2. Kenntnisstand 45
2.3 Piezoaktorik
Ausgangspunkt für die technische Entwicklung von Piezokeramiken ist der von den
Brüdern JACQUES und PIERRE CURIE im Jahr 1880 entdeckte piezoelektrische Effekt
oder auch Piezoeffekt (griech: Piezo = Druck). Unter dem direkten piezoelektrischen
2. Kenntnisstand 46
Effekt versteht man das Auftreten einer elektrischen Ladung an der Oberfläche eines
Körpers, wenn auf diesen eine mechanische Kraft ausgeübt wird. Bewirkt umgekehrt
das Anlegen einer elektrischen Spannung am Körper eine geometrische Formände-
rung, spricht man vom inversen oder reziproken piezoelektrischen Effekt. Allgemein
fasst man die Transformation von mechanischer in elektrische Energie und umge-
kehrt unter dem Begriff der Piezoelektrizität zusammen. Ursache und Wirkung zeigen
hierbei strenge Proportionalität. [53]
Im Kontrast zu der serientauglichen Nutzung des piezoelektrischen Effekts als Sen-
soranwendungen befinden sich Piezokeramiken in Form von Festkörperaktoren noch
weitgehend im Entwicklungsstadium für den praxisbezogenen Einsatz [54]. Der di-
rekte Piezoeffekt findet bereits in vielen Bereichen, wie z.B. in Tonabnehmern oder
zum Zünden in Feuerzeugen und Gasheizungen, massenhaft Anwendung. Hingegen
sind Piezoaktoren nur vereinzelt im Einsatz. So wurden in den letzten Jahren piezo-
getriebene Einspritzventile für Dieselmotoren zur Verbesserung der Laufruhe und der
Abgasqualität infolge der wesentlich kürzeren Stellzeiten gegenüber den klassischen
Magnetventilen entwickelt [55].
Für Piezoaktoren ergeben sich wesentliche Vorteile: Es können Bewegungen im
Sub-Nanometerbereich mit hoher Geschwindigkeit durchgeführt werden sowie Las-
ten von bis zu mehreren Tonnen bei relativ kompakter Bauweise bewegt werden.
Hierbei verhalten sich Piezoaktoren völlig wartungs- und verschleißfrei, da die Bewe-
gung auf kristallinen Festkörpereffekten beruht. [55]
ΔL
L
2.3.2 Piezoelektrizität
O2-
A2+ (Pb,Ba)
B4+ (Ti,Zr)
Die CURIE-Temperatur Tc spielt für die Piezoelektrizität eine wichtige Rolle. Oberhalb
der CURIE-Temperatur liegt eine kubisch-raumzentrierte Gitterformation mit Punkt-
symmetrie vor, die nach außen einen energetisch ausbalancierten Zustand darstellt
(paraelektrisch). Nach dem Unterschreiten der CURIE-Temperatur findet aus energe-
tischen Gründen eine spontane Verschiebung des raumzentrierten Ions statt, sodass
sich ein tetragonal oder rhomboedrisch verzerrtes Gitter ausbildet [56]. Durch die
verschobenen Ladungsschwerpunkte entsteht ein permanentes Dipolmoment (spon-
tane Polarisation). Für die Bewegung des Ions gibt es keine Vorzugsrichtung, da alle
Raumrichtungen ein äquivalentes Energieniveau aufweisen [57]. Dies führt zu einer
statistisch gleichverteilten, spontanen Polarisation, die ein piezoelektrisches Verhal-
ten des Materials verhindert [55]. Durch den ferroelektrischen Zustand des Materials
kann jedoch künstlich durch Anlegen eines elektrischen Feldes eine bleibende, in
Wirkrichtung des Feldes gerichtete Polarisation (remanente Polarisation) erzeugt
werden (Abbildung 2.27). [55-57]
2. Kenntnisstand 48
-
-
-
-
-
+ -
+ -
+ -
+ -
+ -
+ -
+ -
+ -
+ -
+ -
+
+
+
+
+
-
remanente
unpolarisiert Polarisation
Polarisation
Das piezoelektrische Verhalten kann mithilfe von den physikalischen Größen der die-
lektrischen Flussdichte D, der elektrischen Feldstärke E, der mechanischen Span-
nung σ und der relativen Dehnung bzw. Verformung S beschrieben werden. Die
Kopplung zwischen mechanischer und elektrischer Energie kann nach [58] wie folgt
formuliert werden:
E
S i s ij ζ j dmiE m
ζ
m,n = 1,2,3 ; i,j = 1,2,…,6 (2.13)
Dn dnj ζ j ε nmE m
Die Polarisation P sowie die elektrische Verschiebung D sind Funktionen der elektri-
schen Feldstärke E, woraus sich der in Abbildung 2.28 gezeigte typische Hysterese-
verlauf piezoelektrischer Materialien ergibt, der auf Umklappvorgängen in der Gitter-
struktur zurückzuführen ist [53,59]. Wie bereits in Kapitel 2.3.2 erläutert, liegt nach
dem Unterschreiten der CURIE-Temperatur auf makroskopischer Ebene keine
Piezoelektrizität des Materials vor. Erst die Existenz eines elektrischen Feldes führt
zur Ausrichtung der Dipolmomente in Feldrichtung proportional zur Feldstärke. Bei
Erreichen einer bestimmten Feldstärke geht die Polarisation in den gesättigten Zu-
stand PS über und eine Zunahme der Feldstärke bewirkt keine weitere Veränderung
der Polarisation. Den Übergang vom unpolarisierten in den vollständig polarisierten
Zustand beschreibt die so genannte Neukurve. Beim Zurückfahren der elektrischen
Feldstärke bis auf null finden nur geringfügig Umklappvorgänge statt, sodass eine
remanente Polarisation PR erhalten bleibt [53]. Erst das Anlegen eines entgegenge-
setzten elektrischen Feldes führt bei der Koerzitivfeldstärke EC zur Depolarisation.
Das weitere Erhöhen und Verringern der Feldstärke bringt die dargestellte Hystere-
seschleife mit sich. [57,59]
P S
Arbeitsbereich
PS SS
PR
SR
-EC
EC E -EC EC E
Neukurve
Mit der Intensität der elektrischen Feldstärke geht zugleich eine Beeinflussung des
Dehnungszustandes einher, der ein zur Polarisation analoges Verhalten aufzeigt. Es
zeichnet sich die in Abbildung 2.28 rechts dargestellte Schmetterlings-Hysterese ab.
Der Betrieb von piezoelektrischen Aktoren findet meist im unipolaren Bereich (Ar-
beitsbereich) statt. Die auftretende Hysterese kann durch Ladungssteuerung oder
Positionsregelung stark reduziert oder eliminiert werden [55]. Eine untergeordnete
Rolle spielt die Hysterese bei Anwendungen, wo nicht die absolute Position sondern
vielmehr die Krafterzeugung von Bedeutung ist.
2. Kenntnisstand 50
Näherungsweise lässt sich ein transversaler Piezoaktor der Ausgangslänge l0, des-
sen Auslenkung in Polungsrichtung (33-Richtung) erfolgt, durch eine mechanische
Feder mit konstanter Steifigkeit k EP beschreiben [53,56]:
A
k EP E
(2.15)
s lo
33
Die Steifigkeit von Piezoaktoren kann anhand der Steifigkeit der verwendeten Kera-
mik abgeschätzt werden. Insbesondere bei monolithischen Vielschichtaktoren, wie
sie in dieser Arbeit zum Einsatz kommen, rücken die Verbindungsmaterialien auf-
grund ihrer dünnen Ausführung in den Hintergrund, sodass die Aktorsteifigkeit zu 80
- 90 % der Steifigkeit der Keramikplatten entspricht [58].
Liegen keine äußeren Kräfte vor (F=0), ergibt sich für den Aktor eine maximale Aus-
lenkung (Leerlaufweg) Δlmax zu [55,56]:
F
Δl max S l0 d33 E l0 d33 E l0 (2.16)
k EP
Im Fall, dass der Aktor in seiner Auslenkung vollständig gehemmt ist (Δl=0), ergibt
sich ein unendlich steifes System mit der höchstmöglichen Kraftwirkung, der Klemm-
oder Blockierkraft Fmax [53]:
Fmax k EP Δl 0 (2.17)
Leerlaufweg
Betriebsspannung
Blockierkraft
Kraft
3.1 Piezoersatzsysteme
Die von einem Piezoaktor ausgeübte Kraft und Längenänderung ergibt sich stets aus
den Eigenschaften der Piezokeramik sowie den entgegengebrachten Kräften und
Steifigkeiten (Kapitel 2.3). Die Piezosteifigkeit kP selbst lässt sich, wie bereits durch
die Gleichungen 2.15 bis 2.17 gezeigt, aus der Blockierkraft Fmax sowie dem Leer-
laufweg umax ableiten und stellt die äußere Kennlinie im Arbeitsdiagramm dar [53].
Fmax
kP = (3.1)
u max
Längenänderung
k Ma
k DP
FP
k DP kP
FP
Piezoaktor
k An
k An,Ma
k Ges
ΔlGes k Ma
ΔlMa kP
k An
ΔlAn
FDP FAn,Ma FGes Kraft
Fmax ⋅ u 0
E M,P = (3.2)
A ⋅ u max
Befindet sich das Piezoersatzmodell in der Umgebung der diskretisierten Matrize und
Deckplatte mit mechanischen Eigenschaften, ist das in Abbildung 3.1 gezeigte Pie-
zoersatzsystem vollständig in ein berechenbares Simulationsmodell implementiert.
3. FEM-gerechte Abbildung der Piezoaktorik 53
Elastizitätsmodul
F u
Querkontraktion
Dichte
Blockierkraft
Fmax = 2 kN
F
Piezo
+ -
Leerlaufweg F
umax = 45 µm
F u Federsteifigkeit
In den nachfolgenden Kapiteln sollen die sich unterscheidenden Varianten zur Abbil-
dung der Piezoaktorik hinsichtlich der Ergebnisgenauigkeit sowie des Berechnungs-
aufwands näher untersucht werden.
3.2 Modellvalidierung
Variante 1 Variante 2
Volumenelemente Federelement
F F F
F F
Blockierkraft
5 Volumen- 1 Feder-
elemente element
Einspannung
Die Blockierkraft von 2 kN wird stetig linear steigend von Null beginnend über die Zeit
von einer Sekunde auf einer Seite der Aktoren aufgebracht. Bei Variante 1 wird die
Kraft über die vier Randknoten via *LOAD_NODE_SET verteilt. Im Fall von Variante 2
greift die Kraft im Schwerpunkt des Starrkörpers anhand *LOAD_RIGID_BODY an. Der
Parameter DOF gibt jeweils die Kraftrichtung an, in diesem Fall in z-Richtung. Die
jeweilige Größe wird in Form einer zeitabhängigen Kurve definiert. Zur Einfachheit
wird in Tabelle 3.1 anstelle der hinterlegten Kurvenidentitätsnummer dem Parameter
LCID direkt der zugehörige Wert hinterlegt. Die untere Seite der Aktoren wird in bei-
den Fällen in translatorischer Richtung fixiert. Im Fall von Variante 1 sorgen hierfür
die Parameter DOFX, DOFY sowie DOFZ via *BOUNDARY_SPC_SET zur Sperrung der
translatorischen Freiheitsgrade, für Variante 2 werden die Freiheitsgrade über die
Materialdefinitionen gesperrt. Alle im Modell hinterlegten Werte sind in Tabelle 3.1
zusammengefasst.
3. FEM-gerechte Abbildung der Piezoaktorik 55
In der Praxis führt die freie Auslenkung ohne eine entgegengesetzte Steifigkeit zum
Ausfahren des Aktors bis zum Erreichen des Leerlaufweges. Im Piezoersatzsystem
wird der Leerlaufweg erreicht, wenn beim Anliegen der Blockierkraft der Aktor sich
ungehemmt auslenken kann. In beiden Fällen kann von diesem Punkt ausgehend
keine Kraft mehr vom Piezoaktor ausgeübt werden.
50
Fmax = 2 kN
45
Axiale Verschiebung z [µm]
Federelement
40
35
Volumenelemente
30
25
20
15
10
5
0
0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 1 1,1
Zeit t [s]
Abbildung 3.4 validiert die Funktionsweise des Piezoersatzsystems für beide Mo-
dellvarianten. Für die jeweilige Modellvariante ist die axiale Verschiebung an der
Oberseite des Piezoaktors über die Zeit aufgetragen. Hieraus ergibt sich für Variante
1 mit Volumenelementen eine absolute Verschiebung von 44,72 µm und für Variante
2 eine Verschiebung von 45,05 µm. Dieser zu vernachlässigende Unterschied kann
auf die Berücksichtigung der Querkontraktion im Volumenmodell zurückgeführt wer-
den. Die resultierende Auslenkung entspricht in sehr guter Näherung dem in der Pra-
xis vorkommenden Leerlaufweg von 45 µm und validiert die Modellparameter.
3.3 Variantenevaluation
F F Blockierkraft
Variante 1
fixiert
fixiert
F F Blockierkraft
Federelemente
Variante 2
fixiert
fixiert
Steifigkeit der entsprechenden Deckplatte, die wie in Abbildung 3.5 gezeigt, um den
Kontaktbereich mit der Matrize in der Bewegung fixiert ist. Die Vernetzung der Deck-
platte erfolgt mithilfe von vollständig integrierten Tetraederelementen des Typs 2 [41]
mit einer Kantenlänge von 7 mm. Das Steifigkeitsverhalten der Matrize wird zur Re-
chenzeitersparnis in diesem Ersatzmodell nicht weiter berücksichtigt, sodass die Pie-
zoaktoren an der zur Deckplatte abgewandten Seite in allen Bewegungsrichtungen
gesperrt werden. Analog zu den im Kapitel 3.2 gezeigten Ersatzmodellen wird die
Gesamtkraft von 2 kN über die Zeit von einer Sekunde linear ansteigend aufge-
bracht.
Variante 1 Variante 2
Parameter
Volumenelemente Federelemente
*SECTION_SHELL
Vernetzung *SECTION_SOLID ELFORM=2
Piezoaktoren ELFORM=2 *SECTION_DISCRETE
DRO=0
Vernetzung *SECTION_SOLID *SECTION_SOLID
Deckplatte ELFORM=2 ELFORM=2
*MAT_RIGID (020)
*MAT_ELASTIC (001) RO=2,7·10-9; PR=0,275;
Material Pie- RO=2,7·10-9; PR=0,275; E=29.360
zoaktoren E=29.360 *MAT_SPRING_ELASTIC (S01)
K=44.400
*MAT_ELASTIC ( 001) *MAT_ELASTIC (001)
Material RO=7,8; PR=0,29; RO=7,8; PR=0,29;
Deckplatte E=200.000 E=200.000
*CONTACT_TIED_NODES_TO *CONTACT_TIED_NODES_TO
Kontakt _SURFACE_CONSTRAINED_OFFSET _SURFACE_OFFSET
SSTYP=4; MSTYP=3 SSTYP=4; MSTYP=3
*LOAD_NODE_SET
Rand- DOF=3; LCID=500 N/Knoten *LOAD_RIGID_BODY
bedingung *BOUNDARY_SPC_SET DOF=3; LCID=2.000 N
DOFX=1; DOFY=1; DOFZ=1
Die resultierenden Verschiebungen der Kontaktknoten beider Körper sind durch die
Kontaktbedingung (TIED) identisch und verhindern ein Abgleiten der Aktoren. Durch
die zwangsbehaftete Kontaktbedingung (constraint-based) erfolgt die Kraftberech-
nung derart, dass im Gegensatz zur standardmäßig Verwendung findenden penalty-
based-Methode keine Durchdringung der kontaktsuchenden Knoten in den Kontakt-
körper toleriert wird [41] und so stets die in Kontakt befindlichen Knoten der jeweili-
gen Kontaktkörper exakt aufeinander liegen. Diese Option steht im Fall von Variante
2 für Starrkörper nicht zur Verfügung [41], sodass hier die penalty-based Kontaktbe-
dingung *CONTACT_TIED_NODES_TO_SURFACE_OFFSET gewählt werden muss. Durch
den Zusatz OFFSET in beiden Kontaktvarianten werden eventuell vorhandene Distan-
zen zwischen den Kontaktflächen in Abhängigkeit der eingestellten Toleranz beibe-
halten. Dies verhindert das Verschieben der slave-Knoten der Piezoaktoren auf die
Kontaktfläche der Deckplatte, was aufgrund der ohnehin geringen resultierenden
Verschiebungen in der Größenordnung von einigen Mikrometern eine Verfälschung
des Ergebnisses mit sich führen würde.
Variante 1 Variante 2
Volumenelemente Federelemente
Verschiebung z
[µm]
0,00
-3,38
-7,06
-10,73
-14,41
-18,08
-21,76
-25,43
-29,11
-32,78
-36,46
Längsschnitt Längsschnitt
Für die in Tabelle 3.2 genannten Parameter resultieren die in Abbildung 3.6 gezeig-
ten Verschiebungen. Aufgrund der entgegengebrachten Steifigkeit durch die Deck-
platte reduziert sich die maximale Auslenkung der Aktoren von der Leerlaufweglänge
3. FEM-gerechte Abbildung der Piezoaktorik 59
bei freier Auslenkung hin zu einem Gesamtweg von maximal 36,46 µm. Wie bereits
in Kapitel 3.2 zeigt sich eine geringfügig geringere Längung der Aktoren bei der ers-
ten Variante mit Volumenelementen. Darüber hinaus zeigt Abbildung 3.6 eine relativ
ähnliche Verteilung der resultierenden Verschiebungen innerhalb der Deckplatte zwi-
schen den Modellvarianten. Einzig in den Randbereichen werden Unterschiede deut-
licher sichtbar. Während bei Variante 1 mit Volumenelementen die resultierende Ver-
schiebung nach außen hin geringer wird, zeigt sich bei der zweiten Variante mit Fe-
derelementen eine nahezu gleichbleibende Verschiebung über den Krafteinleitungs-
bereich der Deckplatte hinweg. Die resultierenden Abweichungen können darauf zu-
rückgeführt werden, dass der bei den Volumenelementen auftretende Biegelinienver-
lauf durch die Sperrung der Rotationsfreiheitsgrade bei den Starrkörpern an den En-
den der Federelemente nicht abgebildet werden kann.
35
Fmax = 2 kN/Aktor
30
Variante 1
Federelemente
25
Kraft F [kN]
20
15
10
Variante 2
Volumenelemente
5
-5
0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 1 1,1
Zeit t [s]
Wesentliche Unterschiede zwischen den Modellvarianten ergeben sich bei der Be-
trachtung der resultierenden Kontaktflächenkräfte, zurückzuführen auf die unter-
schiedlichen Kontaktdefinitionen. In Abbildung 3.7 ist deutlich zu erkennen, dass
infolge der constraint-based Kontaktbedingung die Kraftberechnung für die Volu-
menelemente mit einer wesentlich geringeren Oszillation verbunden ist gegenüber
der penalty-based-Methode bei der Variante mit Federelementen. Im letzteren Fall
kommt es immer wieder zum geringfügigen Eindringen der Aktorknoten in die Deck-
platte bis zum Überschreiten einer eingestellten Toleranzschwelle, gut zu erkennen
zu Beginn der Prozesszeit, bei der die Kraft um die Nulllage oszilliert. Im nächsten
3. FEM-gerechte Abbildung der Piezoaktorik 60
Schritt erfolgt die Berechnung der Kraft zum Zurücksetzten der Knoten auf die Deck-
plattenoberfläche.
Deutlich werden diese Berechnungsunterschiede auch bei der Betrachtung der resul-
tierenden Druckverteilung in den Kontaktflächen (Abbildung 3.8). Die Kontaktbedin-
gung bei der ersten Variante mit Volumenelementen zeigt ein deutlich homogeneres
Druckbild gegenüber der zweiten Variante. Ein positiver Kontaktdruck bei der Varian-
te mit Federelementen deutet auf ein verstärktes Eindringen eines Piezoaktors hin.
Kontaktdruck
Volumenelemente
[N/mm²]
2,95
Variante 1
1,87
0,79
-0,29
-1,37
-2,44
Federelemente
-3,52
Variante 2
-4,60
-5,68
-6,76
-7,83
Variante 1 Variante 2
Volumenelemente Federelemente
Kontaktalgorithmus
C (4 s) Kontaktalgorithmus
C (6 s)
ASCII IKontakt ID (4 s) ASCII _
Starrkörper (1 s)
A
Datenbank (19 s) Datenbank (13 A
s)
-Kontakt ID (6 s)
Binärdaten-
B
banken (1 s)
Element- Element-
verarbeitung verarbeitung
(1.146 s) (1.143 s)
4. Modellbildung
Bewegungsrichtung Pressenkraft
Pressenstößel
Matrize / Werkzeugoberteil
System- Blech
grenze
Blechhalter
Stempel Blechhalterpinolen
Werkzeugunterteil Ziehkissenpinolen
Pressentisch
Druckkasten/Ziehkissen
Bewegungsrichtung Pressenkraft
Abbildung 4.1: Betrachtetes System zur Simulation des Umformprozesses nach [12]
Die Ausführung der Matrize als aktives Werkzeugelement mit integrierter Piezoakto-
rik und biegeweichen Deckplatten macht die Berücksichtigung der Werkzeugdefor-
mationen zur korrekten Prozessabbildung unumgänglich. Da die Berücksichtigung
der Werkzeugelastizität mit einem erhöhten Aufwand zur Modellbildung und –berech-
nung verbunden ist, soll anhand unterschiedlich komplex aufgebauter Modellvarian-
4. Modellbildung 63
Komplexität/Aufwand
Minimale
Konfiguration
Deckplatten Aktoren
Erweiterte
Konfiguration
Deckplatten Aktoren Matrize
Stark erweiterte
Konfiguration
Zu Beginn dieses Kapitels werden der Modellaufbau sowie die entsprechenden Mo-
delldefinitionen für die konventionelle Umformsimulation erläutert. Der Prozessablauf
sowie ein Großteil der Parameter für die Diskretisierung, die Materialparameter sowie
für die Kontakt- und Randbedingungen besitzt Gültigkeit für die weiteren Modellvari-
anten. Daher werden in den darauffolgenden Kapiteln lediglich Besonderheiten und
Abweichungen von der konventionellen Simulationsmethode näher beschrieben.
4. Modellbildung 64
Matrize
Platine
Stempel
Blechhalter
4.1.1 Diskretisierung
Rechenzeit ausfallen kann, als der Rechenzeitgewinn bei einer zunächst groben An-
fangsvernetzung der Platine.
Tabelle 4.1 gibt einen Überblick über die getroffenen Vernetzungsparameter der
konventionellen Modellkonfiguration. Der Parameter ELFORM beschreibt die Ele-
mentformulierung, NIP gibt die Anzahl der Integrationspunkte an und T1 steht für die
Schalendicke am ersten Knoten. Da mit einer über das Element gleichbleibenden
Schalendicke gerechnet wird, ist lediglich der Parameter T1 angegeben. Die in Ta-
belle 4.1 nicht weiter genannten Parameter entsprechend den Standardwerten und
sind in [41] zu finden.
Körper Vernetzungsparameter
*SECTION_SHELL
Platine ELFORM=16; NIP=5; T1=0,7
*SECTION_SHELL
Werkzeuge ELFORM=2; NIP=5; T1=0,7
4.1.2 Materialparameter
Der Blechwerkstoff DX57D (1.0853) mit einer Dichte von 7,85 g/cm³ und einem Elas-
tizitätsmodul (E-Modul) von 200.000 N/mm² [65] wird mithilfe der elastisch-plasti-
schen Materialformulierung *MAT_TRANSVERSELY_ANISOTROPIC_ELASTIC_PLASTIC vom
Typ 037 [41] beschrieben, der die anisotropen Materialeigenschaften über den gemit-
telten Anisotropiewert R berücksichtigt. Hinterlegt wird die entsprechende Fließkurve
aus der Werkstoffdatenbank der AUDI AG [65].
Für die Kontaktberechnung (Kapitel 4.1.3) werden den als Starrkörper ausgeführten
Werkzeugen über die Materialkarte *MAT_RIGID vom Typ 020 [41] anhand der Dichte,
des Elastizitätsmoduls und der Querkontraktionszahl eine Kontaktsteifigkeit zugewie-
sen. Außerdem erfolgt hier über die Parameter CON1 sowie CON2 die Definition der
translatorischen und rotatorischen Freiheitsgrade. Während die Freiheitsgrade der
Matrize vollständig blockiert sind, können Stempel und Blechhalter sich in Umform-
richtung (z-Richtung) frei bewegen (siehe auch Kapitel 4.1.4).
Die genannten Parameter sind zusammen mit den Werkstoffkenngrößen in Tabelle
4.2 aufgelistet. Die Dichte ρ wird über den Parameter RO angegeben, den E-Modul
beschreibt der Parameter E, die Querkontraktionszahl ν gibt der Wert PR wieder und
der gemittelte Anisotropiewert r wird durch den Parameter R hinterlegt.
4. Modellbildung 66
Körper Materialparameter
4.1.3 Kontaktbedingungen
− DC ⋅ v rel
μ = FD + ( FS − FD)e (4.1)
Körper Kontaktbedingung
Platine- *CONTACT_FORMING_SURFACE_TO_SURFACE
Stempel SSTYP=3; MSTYP=3; FS=0,15; VDC=20; SNLOG=1
Platine- *CONTACT_FORMING_SURFACE_TO_SURFACE
Blechhalter SSTYP=3; MSTYP=3; FS=0,15; VDC=20; SNLOG=1
Platine- *CONTACT_FORMING_SURFACE_TO_SURFACE
Matrize SSTYP=3; MSTYP=3; FS=0,15; VDC=20; SNLOG=1
*CONTROL_CONTACT
Allgemein ISLCHK=2; SHLTK=1; THKCHG=1; SSTHK=1
4.1.4 Randbedingungen
Im Gegensatz zum realen Prozessablauf befindet sich der Stempel in Bewegung und
führt die Umformung in die örtlich fixierte Matrize herbei. Auf das Umformergebnis
hat diese Abwandlung keine Auswirkungen, erleichtert aber den Modellaufbau und
führt zur Einsparung von Rechenzeiten bei der gekoppelten Simulation. Im umge-
kehrten Fall müssten in den Gleichgewichtsiterationen zusätzlich die Verschiebungen
aufgrund der Matrizenbewegung berücksichtigt werden.
Daher werden alle Freiheitsgrade der Matrize über die Materialdefinitionen (Tabelle
4.2) gesperrt. Für Blechhalter und Stempel bleibt hingegen die vertikale Bewegungs-
richtung (z-Richtung) frei. Über die Randbedingung *LOAD_RIGID_BODY wird dem
Blechhalter über den Schwerpunkt die Blechhalterkraft von 500 kN hinterlegt, die in
z-Richtung wirkt. Zusätzlich wird zur Prozessstabilisierung mithilfe der Bedingung
*CONSTRAINED_RIGID_BODY_STOPPERS die Blechhaltergeschwindigkeit auf maximal 5
mm/s beschränkt.
Dem Stempel wird via *BOUNDARY_PRESCRIBED_MOTION_RIGID die in Abbildung 4.4
gezeigte Geschwindigkeitskurve für die Stempelbewegung hinterlegt. Der stetige
Kurvenlauf trägt zu einer erhöhten Rechenstabilität bei [67]. Bevor der Stempel in
4. Modellbildung 68
Bewegung versetzt wird, erfolgt das Schließen des Blechhalters infolge der Blechhal-
terkraft. Bei einer Stempelgeschwindigkeit von 20 mm/s resultiert für den Gesamtver-
fahrweg von 160 mm die Zeit von 8 s.
22
Geschwindigkeit v [mm/s] 20
18
16
14
12
10
8
6
4
2
0
0 0,01
2,00 0,02
2,01 0,03
2,03 0,04
2,04 0,05 0,06 10,01
9,99 10,00 0,07 10,02
0,08
Zeit t [s]
Die genannten Größen sind zur Übersichtlichkeit in Tabelle 4.4 nochmals aufgeführt.
Der Parameter DOF beschreibt hierbei den Freiheitsgrad. Der Wert von 3 bedeutet
eine Bewegungsfreiheit in z-Richtung. Die zuvor beschriebenen Randbedingungen
werden stets durch Zuweisen einer Kurve über den Parameter LCID definiert. Zur
Einfachheit sind anstelle der Kurvenidentitätsnummern in Tabelle 4.4 jeweils die ent-
sprechenden Größen der hinterlegten Kurven angegeben.
Körper Randbedingung
*BOUNDARY_PRESCRIBED_MOTION_RIGID
Stempel DOF=3; LCID=20 mm/s
*LOAD_RIGID_BODY
DOF=3; LCID=500 kN
Blechhalter *CONSTRAINED_RIGID_BODY_STOPPERS
DOF=3; LCID=5 mm/s
Da bei der expliziten Simulation die Berechnungsdauer von der kritischen Zeit-
schrittweite abhängig ist (Kapitel 2.2.4), stehen zur Verkürzung der Rechenzeit ohne
Netzanpassung zwei Möglichkeiten zur Verfügung: Vergrößern der kritischen Zeit-
4. Modellbildung 69
DT 2MS = (v Wkzg ⋅ j)
−1
(4.2)
kann anhand der maximalen Werkzeuggeschwindigkeit vWkzg und der Anzahl der
Zyklen j pro Millimeter die Zeitschrittweite DT2MS berechnet werden [67]. Bei einer
Stempelgeschwindigkeit von 20 mm/s und einer Zyklenanzahl von 5.000 mm-1 ergibt
sich für den Parameter DT2MS eine Zeitschrittweite von -1·10-5 s. Zusammen mit
dem Skalierungsfaktor TSSFAC von 0,9, der sicher stellt, dass die kritische bzw. die
manuell definierte Zeitschrittweite nicht überschritten wird, ergibt sich für die Berech-
nung eine feste Zeitschrittweite von 9·10-6 s. Untersuchungen mit kleinerer Zeit-
schrittweite und geringerer Massenskalierung zeigten keine nennenswerten Ergeb-
nisdifferenzen.
Ergebnissen anhand von je fünf Hexaederelementen pro Aktor. Während in den Sei-
tenbereichen 212 Aktoren zum Einsatz kommen, sind es im Front- und Heckbereich
jeweils 68 und 93 Aktoren. Die Beschreibung der Platine sowie der übrigen Werk-
zeuge erfolgt in Analogie zur konventionellen Modellkonfiguration in Kapitel 4.1.
Matrize
Aktoren
Deckplatte
Platine
Blechhalter
Stempel
4.2.1 Diskretisierung
Die Vernetzung der Platine sowie der Werkzeugstrukturen erfolgen analog zu Kapitel
4.1. Die Deckplattenvernetzung erfolgt mithilfe von vollständig integrierten Tetraeder-
elementen des Typs 2 [41], die sich geometriebedingt besser zur Approximation
komplexer Strukturen eignen. In [51] konnte der als allgemeinhin bekannte Genauig-
keitsnachteil gegenüber Hexaederelementen für Werkzeugstrukturen nicht nachge-
wiesen werden.
Zur genauen Abbildung der resultierenden Verschiebungen infolge der aktiven Pie-
zoaktoren entspricht die allgemeine Elementgröße der Deckplatten mit einer Kanten-
länge von 7 mm der Querschnittsfläche eines Aktors (Abbildung 4.6). Die Struktur
der Ziehleisten wird zunächst näherungsweise mit einer Elementkantenlänge von 4,5
mm abgebildet. Mit der gewählten Vernetzung bleibt die Elementanzahl in einer ver-
tretbaren Größenordnung hinsichtlich der erweiterten Modellkonfigurationen.
4. Modellbildung 71
Gröberes
Volumennetz
Feines
Oberflächennetz
Körper Vernetzungsparameter
*SECTION_SHELL
Platine ELFORM=16; NIP=5; T1=0,7
*SECTION_SHELL
Werkzeuge ELFORM=2
*SECTION_SOLID
Deckplatten ELFORM=2
TC-Elemente *ELFORM=2;
SECTION_SHELL
T1=0,7
4. Modellbildung 72
4.2.2 Materialparameter
Bei den zu erwartenden Deformationen der Deckplatten infolge der Umformung so-
wie der aktiven Piezoaktorik ist von einem Materialverhalten im linear-elastischen
Bereich auszugehen. Daher werden den Deckplatten über die Materialkarte
*MAT_ELASTIC vom Typ 001 die elastischen Materialparameter für den Werkstoff
X2CrNiMoN22-5-3 (1.4462) nach [68] zugeordnet.
Der zusätzlichen, feinen Oberflächenvernetzung der Ziehleisten zur genaueren geo-
metrischen Abbildung wird die Materialkarte *MAT_NULL vom Typ 009 hinterlegt. Bei
der Elementverarbeitung wird dieser Materialtyp vollständig übergangen und hat kei-
nen gestiegenen Rechenanspruch zur Folge [41], mit Ausnahme des gestiegenen
Speicheraufwands. Die hinterlegten Parameter dienen lediglich zur Ermittlung der
Steifigkeit bei der Kontaktberechnung. Der Parameter YM entspricht dem Parameter
E und gibt den Elastizitätsmodul wieder. In Tabelle 4.6 sind die entsprechenden Ma-
terialparameter aufgeführt.
Körper Materialparameter
4.2.3 Kontaktbedingungen
Kontaktfläche
Zur Sicherstellung eines stabilen Kontakts zwischen Aktoren und Deckplatte wird
über *CONTACT_TIED_NODES_TO_SURFACE_CONSTRAINED_OFFSET eine dauerhafte Be-
ziehung hergestellt. Die resultierenden Verschiebungen der in Kontakt befindlichen
Knoten von Aktoren und Deckplatte sind hierdurch identisch, wodurch ein mögliches
Weggleiten der Aktoren verhindert wird. Die Kontaktzuweisung erfolgt hier anhand
eines Knoten- und eines Segmentsets. Die mit der Deckplatte in Kontakt befindliche
Knotenreihe der Aktoren stellt den slave-Körper dar, die angrenzenden Elementflä-
chen der Deckplatte bilden den master-Körper. Daher wird für den Parameter SSTYP
der Wert 4 hinterlegt. Alle bisher beschriebenen Kontakteigenschaften sind zur Über-
4. Modellbildung 74
sicht in Tabelle 4.7 aufgeführt. Die sich aus der zusätzlichen Ziehleistenvernetzung
ergebenden weiteren Kontaktbeziehungen werden nachfolgend erläutert.
Körper Kontaktbedingung
Platine- *CONTACT_FORMING_SURFACE_TO_SURFACE
Stempel SSTYP=3; MSTYP=3; FS=0,15; VDC=20; SNLOG=1
Platine- *CONTACT_FORMING_SURFACE_TO_SURFACE
Blechhalter SSTYP=3; MSTYP=3; FS=0,15; VDC=20; SNLOG=1
Platine- *CONTACT_FORMING_SURFACE_TO_SURFACE
Matrize SSTYP=3; MSTYP=3; FS=0,15; VDC=20; SNLOG=1
Platine- *CONTACT_SURFACE_TO_SURFACE
Deckplatten SSTYP=3; MSTYP=0; FS=0,15; VDC=20; SNLOG=1
Aktoren- *CONTACT_TIED_NODES_TO_SURFACE_CONSTRAINED_OFFSET
Deckplatten SSTYP=4; MSTYP=0; FS=0,15; VDC=20
*CONTROL_CONTACT
Allgemein ISLCHK=2; SHLTK=1; THKCHG=1; SSTHK=1
Die Beziehung zwischen der mit Volumenelementen vernetzten Struktur und der mit
Schalenelementen fein vernetzten Wirkfläche der Ziehleiste wird ebenfalls über die
Kontaktbedingung *CONTACT_TIED_NODES_TO_SURFACE_CONSTRAINED_OFFSET defi-
niert (Abbildung 4.8). Hierdurch werden die Knoten der feinen Oberflächenvernet-
zung der Ziehleiste (slave) mit den gröberen Elementflächen der Ziehleistenstruktur
(master) in Verbindung gebracht (Kapitel 2.2.5.3), ohne dass ein konformer sowie
distanzloser Netzübergang zu gewährleisten ist. Für die benachbarten Elementkno-
ten der beiden Vernetzungsvarianten besteht kein Zwang, identische Koordinaten
aufzuweisen, wodurch sich der Vernetzungsaufwand erheblich reduzieren lässt.
Platine SURFACE-SURFACE-CONTACT
TIED-CONTACT
Feines
Oberflächennetz
Grobes
Ziehleiste Volumennetz
Die Kontaktfindung der beiden Vernetzungsformen regeln die Parameter MST sowie
MAXPAR in den Kontaktdefinitionen (Abbildung 4.8). Ausgehend von den Segmen-
ten der master-Oberfläche (Ziehleistenstruktur) werden in Abhängigkeit der gewähl-
ten Toleranzen die zugehörigen Knoten des slave-Körpers (Ziehleistenwirkfläche)
gesucht. Die Toleranzen müssen umso größer gewählt werden, je stärker die Unter-
schiede zwischen Volumen- und Oberflächenvernetzung ausfallen.
Der Kontakt zwischen Platine und feiner Ziehleistenoberflächenvernetzung (Zl.-TC)
erfolgt analog zum Kontakt mit den Deckplatten über die Bedingung
*CONTACT_SURFACE_TO_SURFACE. Da die zusätzliche Oberflächenvernetzung der
Ziehleisten eine Dicke besitzt, muss zur korrekten Kontaktberechnung die Kontakt-
fläche um die Schalendicke über den Parameter MST offsetiert werden. Nach [70]
erhält die Kontaktfläche der Platine zusätzlich über den Parameter SST einen Offset
über die doppelte Schalendicke. Die gewählten Kontaktdefinitionen und zugehörigen
Parameter für die erweiterten Kontaktbedingungen sind in Tabelle 4.8 aufgeführt.
Körper Kontaktbedingung
*CONTACT_SURFACE_TO_SURFACE
Platine- SSTYP=3; MSTYP=3; FS=0,15; VDC=20; SST=1,4;
Zl.-TC MST=-0,7; SNLOG=1
Zl.-TC- *CONTACT_TIED_NODES_TO_SURFACE_CONSTRAINED_OFFSET
Deckplatten SSTYP=3; MSTYP=0; SST=-10; MST=-10
4.2.4 Randbedingungen
Für die Randbedingungen der minimalen Konfiguration gelten für den Stempel,
Blechhalter und Matrize im Wesentlichen die gleichen Parameter wie für die konven-
tionelle Konfiguration in Kapitel 4.1.4. Hinzu kommen Bedingungen aufgrund der Ab-
bildung der Deckplatten und der Piezoaktoren. Alle relevanten Parameter sind in Ta-
belle 4.9 zusammengefasst. Zusätzlich zeigt Abbildung 4.9 die erforderlichen
Randbedingungen zur Berücksichtigung der Piezoaktorik.
Da für Starrkörper TIED-CONTACT-Kontaktbeziehungen, wie sie für die Verbindung von
Aktoren und Deckplatten verwendet werden, nicht zur Verfügung stehen, werden
über die Bedingung *CONSTRAINED_EXTRA_NODES_SET die unteren Randknoten der
Deckplatten (Abbildung 4.9) mit der Matrize über eine Zwangsbedingung verbunden,
sodass ein Eindringen von Platinenknoten zwischen Deckplatte und Matrize verhin-
4. Modellbildung 76
dert wird. Über den Parameter PID wird die Identität festgelegt, zu der die definierten
Knoten angebunden werden sollen, die via NSID definiert sind.
fixiert
Blockierkraft
F F F F
fixiert
Zwangsbedingung
Für die in Abbildung 4.9 zu sehende Oberseite der Deckplatten werden mittels
*BOUNDARY_SPC_SET die Freiheitsgrade der Knoten in alle translatorischen Richtun-
gen gesperrt. Das Gleiche gilt für die Oberseite der Aktoren. Analog zum im Kapitel
3.3 gezeigten Evaluationsmodell erhält die gegenüberliegende Seite über die Rand-
bedingung *LOAD_NODE_SET für den entsprechenden Knoten eines Aktors eine Kraft
von 500 N, sodass sich eine Gesamtkraft von 2 kN pro Aktor ergibt. Die Kraft wird
über eine Kurve definiert, die innerhalb einer Zeitspanne von 0,01 Sekunden von 0 N
auf den Maximalwert ansteigt.
Körper Randbedingung
*BOUNDARY_PRESCRIBED_MOTION_RIGID
Stempel DOF=3; LCID=20 mm/s
*LOAD_RIGID_BODY
DOF=3; LCID=500 kN
Blechhalter *CONSTRAINED_RIGID_BODY_STOPPERS
DOF=3; LCID=5 mm/s
*BOUNDARY_SPC_SET
NSID=Abbildung 4.9; DOFX=1; DOFY=1; DOFZ=1
Deckplatten
*CONSTRAINED_EXTRA_NODES_SET
PID=Matrize; NSID=Abbildung 4.9
*BOUNDARY_SPC_SET
NSID=Abbildung 4.9; DOFX=1; DOFY=1; DOFZ=1
Aktoren
*LOAD_NODE_SET
NSID=Abbildung 4.9; DOF=3; LCID=2 kN/Aktor
4. Modellbildung 77
Stempel
Blechhalter
Platine
Deckplatte
Aktoren
Matrize
4.3.1 Diskretisierung
Im Vergleich zu den zuvor gezeigten Modellvarianten erhöht sich der Aufwand für
den Modellaufbau der erweiterten Konfiguration maßgeblich durch die Vernetzung
der Matrizenstruktur und der –wirkflächen. Die Gussstruktur der Matrize mit einer
Vielzahl an Verrippungen sowie die komplexe Geometrie der Werkzeugwirkfläche
machen die Diskretisierung in ein konformes FE-Netz höchst anspruchsvoll. Trotz
automatischer Vernetzungsalgorithmen mit hinterlegten Qualitätskriterien hinsichtlich
der Elementgestaltung bei der Preprozessor-Software ANSA bleibt ein hoher manu-
eller Vernetzungsaufwand. Durch lokale Verfeinerungen und Geometrieapproximati-
onen wird ein konformes Netz für die Matrize erstellt, das den in Tabelle 4.10 gezeig-
ten Parametern gerecht wird.
4. Modellbildung 78
Qualitätskriterium
Längenverhältnis Versatz
3a max(a, b)
= <3 = <3 = 90° − ϕ < 45°
2b min(a, b)
Wölbung Neigung
min(A1 , A 2 , A 3 , A 4 )
= max(ϕ1 , ϕ 2 ) < 10° = 4⋅ > 0,35
(A1 + A 2 + A 3 + A 4 )
Wie bereits bei den Deckplatten in Kapitel 4.2.1, kommt neben der Volumenvernet-
zung mit Tetraederelementen zur Beschreibung der Struktur ein weiteres Netz, be-
stehend aus dreiknotigen Schalenelementen, zur genauen Abbildung der Wirkflä-
chen zum Einsatz. Durch die TIED-CONTACT-Methode lässt sich dem Mehraufwand,
der sich aus der Berücksichtigung der Matrizenelastizität ergibt, anhand einer gröbe-
ren Strukturvernetzung der Matrize Rechnung tragen. Das elastische Verhalten der
Matrize wird mithilfe von 305.599 Tetraederelementen abgebildet. Die zur Umfor-
mung der Platine relevante Wirkfläche der Matrize sowie die Ziehleisten werden an-
hand von 192.310 Dreieckselementen (TC-Elemente) beschrieben, die ohne physi-
kalische Eigenschaften keinen Einfluss auf die Elementverarbeitung während der
Simulation haben. Die feine Oberflächenvernetzung der Ziehleisten ist ebenfalls für
die Deckplatten gültig. Abbildung 4.11 zeigt die Vernetzung der Matrize.
In den Bereichen, wo sich Deckplatten und Aktoren befinden, wird die Werkzeug-
struktur mit einer feineren Vernetzung versehen, die sich von der Oberfläche hinweg
vergröbert. Die Elementgröße entspricht der Kantenlänge bei der Deckplattenvernet-
zung, um die resultierenden Verschiebungen und Dehnungen innerhalb der Matrize
detailliert betrachten zu können. Zusätzlich wird eine identische Vernetzung an den
Übergängen zwischen Deckplatten und Matrize gewählt, um speziell in den Rundun-
4. Modellbildung 79
Grobes Volumennetz
Feines Volumennetz
Die Vernetzung der übrigen Körper entspricht den Parametern in den zuvor gezeig-
ten Kapiteln. Alle vernetzungsrelevanten Parameter der erweiterten Modellkonfigura-
tion sind in Tabelle 4.11 zusammengefasst.
Körper Vernetzungsparameter
*SECTION_SHELL
Platine ELFORM=16; NIP=5; T1=0,7
Stempel *SECTION_SHELL
Blechhalter ELFORM=2
Matrize *SECTION_SOLID
Deckplatten ELFORM=2
*SECTION_SHELL
TC-Elemente ELFORM=2; T1=0,7
4. Modellbildung 80
4.3.2 Materialparameter
Körper Materialparameter
4.3.3 Kontaktbedingungen
Da bei der erweiterten Modellkonfiguration die Matrize nicht mehr in Form eines
Starrkörpers anhand von Schalenelementen abgebildet wird, sondern vollständig
mithilfe von Volumenelementen, ergeben sich andere Kontaktbedingungen zwischen
Deckplatten und Matrize sowie zwischen Platine und Matrize. Die in der Praxis vor-
liegende Verschraubung der Deckplatten mit der Matrize wird analog zur Kontaktbe-
ziehung zwischen Aktoren und Deckplatten mithilfe einer dauerhaften Verbindung via
Tied-Contact hergestellt.
Dies kann einerseits mithilfe der stabileren penalty-based-Kontaktbeziehung [69]
*CONTACT_TIED_NODES_TO_SURFACE_OFFSET geschehen, andererseits steht hierzu
4. Modellbildung 81
Kontaktbereich
Beim Betrachten der in Abbildung 4.13 gezeigten Ergebnisse ergeben sich wesent-
liche Unterschiede zwischen den Modellvarianten. Dargestellt sind die resultierenden
Verschiebungen in vertikaler Richtung von Deckplatte und Matrize nach dem Ausfah-
ren der Aktoren (ausgeblendet) zum Prozessbeginn. Die Skalierung begrenzt die
maximale Verschiebung auf -5 µm, sodass die vollständige Deckplattendeformation
aufgrund der Aktorwirkung nicht dargestellt werden kann. Deutlicher werden hier-
durch jedoch die Deformationen am Rand der Deckplatten sowie innerhalb der Matri-
ze. Da bis zu einer bestimmten Toleranz das Eindringen der Deckplattenknoten in
die Matrize bei der penalty-based-Methode geduldet werden, ergibt sich hier ein un-
terbrochener Übergang zwischen den Deckplatten- und den Matrizenverschiebun-
4. Modellbildung 82
gen. Es wird daher, wie auch bei der Kontaktbedingung zwischen Aktoren und Deck-
platten, die constraint-based-Methode für weitere Untersuchungen gewählt. Die ent-
sprechenden Parameter sind in Tabelle 4.13 aufgeführt.
penalty-based
A-A
Diskontinuierlicher
z-Verschiebung Übergang
[µm]
2,36
1,63
0,89
constraint-based
0,15
-0,58 A-A
-1,32
-2,06
-2,79
-3,53 Kontinuierlicher
Übergang
-4,26
-5,00
Körper Kontaktbedingung
Platine- *CONTACT_FORMING_SURFACE_TO_SURFACE
Stempel SSTYP=3; MSTYP=3; FS=0,15; VDC=20; SNLOG=1
Platine- *CONTACT_FORMING_SURFACE_TO_SURFACE
Blechhalter SSTYP=3; MSTYP=3; FS=0,15; VDC=20; SNLOG=1
Platine- *CONTACT_SURFACE_TO_SURFACE
Matrize SSTYP=3; MSTYP=0; FS=0,15; VDC=20; SNLOG=1
Platine- *CONTACT_SURFACE_TO_SURFACE
Deckplatten SSTYP=3; MSTYP=0; FS=0,15; VDC=20; SNLOG=1
Aktoren- *CONTACT_TIED_NODES_TO_SURFACE_CONSTRAINED_OFFSET
Deckplatten SSTYP=4; MSTYP=0; FS=0,15; VDC=20
Deckplatten- *CONTACT_TIED_NODES_TO_SURFACE_CONSTRAINED_OFFSET
Matrize SSTYP=4; MSTYP=0; FS=0,15; VDC=20
*CONTROL_CONTACT
Allgemein ISLCHK=2; SHLTK=1; THKCHG=1; SSTHK=1
Körper Kontaktbedingung
*CONTACT_SURFACE_TO_SURFACE
Platine- SSTYP=3; MSTYP=3; FS=0,15; VDC=20; SST=1,4;
Zl.-TC MST=-0,7; SNLOG=1
*CONTACT_SURFACE_TO_SURFACE
Platine-
SSTYP=3; MSTYP=3; FS=0,15; VDC=20; SST=1,4;
Ma.-TC MST=-0,7; SNLOG=1
Zl.-TC- *CONTACT_TIED_NODES_TO_SURFACE_CONSTRAINED_OFFSET
Dp.+Ma. SSTYP=3; MSTYP=0; SST=-10; MST=-10
Ma.-TC- *CONTACT_TIED_NODES_TO_SURFACE_CONSTRAINED_OFFSET
Matrize SSTYP=3; MSTYP=0; SST=-10; MST=-10
4.3.4 Randbedingungen
Durch die elastischen Materialeigenschaften der Matrize muss die örtliche Fixierung
nun über Randbedingungen der Knoten erfolgen. Mittels *BOUNDARY_SPC_SET wer-
den die an der Oberseite liegenden Knoten der Matrize in allen translatorischen Rich-
tungen gesperrt (Abbildung 4.14).
4. Modellbildung 84
F F F F
Blockierkraft
F F F F
fixiert
Durch die Anbindung der Deckplatten an die Matrize über die zuvor genannten Kon-
taktbedingungen entfallen hierzu weitere Randbedingungen, wie sie bei der minima-
len Konfiguration erforderlich sind. Gleiches ergibt sich für die Aktoren. Da nun auch
die Matrizenanbindung mitberücksichtigt werden kann, wird die Blockierkraft an bei-
den Enden der Aktoren über *LOAD_NODE_SET aufgebracht (Abbildung 4.14).
Alle Parameter der Randbedingungen für die erweiterte Modellkonfiguration sind in
Tabelle 4.18 dargestellt.
Körper Randbedingung
*BOUNDARY_PRESCRIBED_MOTION_RIGID
Stempel DOF=3; LCID=20 mm/s
*LOAD_RIGID_BODY
DOF=3; LCID=500 kN
Blechhalter *CONSTRAINED_RIGID_BODY_STOPPERS
DOF=3; LCID=5 mm/s
*BOUNDARY_SPC_SET
Matrize
NSID= Abbildung 4.14; DOFX=1; DOFY=1; DOFZ=1
*LOAD_NODE_SET
NSID= Abbildung 4.14; DOF=3; LCID=2 kN/Aktor
Aktoren
*LOAD_NODE_SET
NSID= Abbildung 4.14; DOF=3; LCID=-2 kN/Aktor
Die stark erweiterte Modellkonfiguration sieht neben der Berücksichtigung der Matri-
zenelastizität ebenfalls die vollständige Abbildung des Blechhalters mithilfe von Vo-
lumenelementen zur Berechnung der Werkzeugdeformationen vor. Abbildung 4.15
4. Modellbildung 85
zeigt den Modellaufbau. Das Ziel liegt hierbei in der detaillierten Abbildung der An-
bindungssteifigkeit des Piezoersatzsystems (Kapitel 3.1).
Matrize
Platine
Stempel
Blechhalter
4.4.1 Diskretisierung
Anders als bei der erweiterten Konfiguration wird der Blechhalter nun in ähnlicher
Weise wie die Matrize mithilfe von vollständig integrierten Tetraederelementen ver-
netzt. Auch hier wird darauf geachtet, in den Bereichen mit verstärkter Beanspru-
chung aufgrund der Aktorwirkung, eine feinere Vernetzung zu wählen. Außerdem
werden zur genauen geometrischen Abbildung die Ziehsicken mithilfe eines feinen
Oberflächennetzes via TIED-CONTACT-Methode versehen. Abbildung 4.16 zeigt die
Vernetzung des Blechhalters.
4. Modellbildung 86
Grobes Volumennetz
Feines Volumennetz
Die Diskretisierung der übrigen Körper entspricht der in den vorangegangenen Kapi-
teln gezeigten Vernetzung. Alle Vernetzungsparameter der stark erweiterten Konfigu-
ration sind in Tabelle 4.16 aufgelistet.
Körper Vernetzungsparameter
*SECTION_SHELL
Platine ELFORM=16; NIP=5; T1=0,7
*SECTION_SHELL
Stempel ELFORM=2
Matrize *SECTION_SOLID
Blechhalter ELFORM=2
Deckplatten
*SECTION_SHELL
TC-Elemente ELFORM=2; T1=0,7
4.4.2 Materialparameter
In der stark erweiterten Modellkonfiguration wird nur noch der Stempel als Starrkör-
per abgebildet. Der Blechhalter erhält die gleichen Materialeigenschaften für Volu-
4. Modellbildung 87
menkörper und Oberflächenvernetzung wie die Matrize. Tabelle 4.17 zeigt alle Mate-
rialparameter der stark erweiterten Modellkonfiguration.
Körper Materialparameter
4.4.3 Kontaktbedingungen
Kontakt Wert
Platine- *CONTACT_FORMING_SURFACE_TO_SURFACE
Stempel SSTYP=3; MSTYP=3; FS=0,15; VDC=20; SNLOG=1
Platine- *CONTACT_SURFACE_TO_SURFACE
Matrize SSTYP=3; MSTYP=0; FS=0,15; VDC=20; SNLOG=1
Platine- *CONTACT_SURFACE_TO_SURFACE
Deckplatte SSTYP=3; MSTYP=0; FS=0,15; VDC=20; SNLOG=1
Platine- *CONTACT_SURFACE_TO_SURFACE
Blechhalter SSTYP=3; MSTYP=0; FS=0,15; VDC=20; SNLOG=1
Hilfskörper- *CONTACT_SURFACE_TO_SURFACE
Blechhalter SSTYP=3; MSTYP=0; FS=0,15; VDC=20; SNLOG=1
Aktoren- *CONTACT_TIED_NODES_TO_SURFACE_CONSTRAINED_OFFSET
Matrize SSTYP=4; MSTYP=0; FS=0,15; VDC=20
Aktoren- *CONTACT_TIED_NODES_TO_SURFACE_CONSTRAINED_OFFSET
Deckplatten SSTYP=4; MSTYP=0; FS=0,15; VDC=20
Deckplatten- *CONTACT_TIED_NODES_TO_SURFACE_CONSTRAINED_OFFSET
Matrize SSTYP=4; MSTYP=0; FS=0,15; VDC=20
*CONTROL_CONTACT
Allgemein ISLCHK=2; SHLTK=1; THKCHG=1; SSTHK=1
Körper Kontaktbedingung
*CONTACT_SURFACE_TO_SURFACE
Platine- SSTYP=3; MSTYP=3; FS=0,15; VDC=20; SST=1,4;
Zl.-TC MST=-0,7; SNLOG=1
*CONTACT_SURFACE_TO_SURFACE
Platine- SSTYP=3; MSTYP=3; FS=0,15; VDC=20; SST=1,4;
Ma.-TC MST=-0,7; SNLOG=1
*CONTACT_SURFACE_TO_SURFACE
Platine- SSTYP=3; MSTYP=3; FS=0,15; VDC=20; SST=1,4;
Bh.-TC MST=-0,7; SNLOG=1
Zl.-TC- *CONTACT_TIED_NODES_TO_SURFACE_CONSTRAINED_OFFSET
Dp.+Ma. SSTYP=3; MSTYP=0; SST=-10; MST=-10
Ma.-TC- *CONTACT_TIED_NODES_TO_SURFACE_CONSTRAINED_OFFSET
Matrize SSTYP=3; MSTYP=0; SST=-10; MST=-10
Bh.-TC- *CONTACT_TIED_NODES_TO_SURFACE_CONSTRAINED_OFFSET
Blechhalter SSTYP=3; MSTYP=0; SST=-10; MST=-10
4. Modellbildung 89
4.4.4 Randbedingungen
Wie bereits zuvor erwähnt, ermöglicht die vollständige Abbildung des Blechhalters
mithilfe von Volumenelementen und elastischen Materialeigenschaften die Einleitung
der Blechhalterkraft über die Pinolen, wie es in der Praxis anhand des Ziehkissens
erfolgt. Um die bereits bestehenden Parameter für die Blechhalterkraft aus den zuvor
gezeigte Modellvarianten übernehmen zu können, wird ein rechteckiger, starrer
Hilfskörper aus Schalenelementen an der Unterseite des Blechhalters in Kontakt mit
den Blechhalterpinolen gebracht (Abbildung 4.17).
Blechhalterkraft Hilfskörper
Körper Randbedingung
*BOUNDARY_PRESCRIBED_MOTION_RIGID
Stempel DOF=3; LCID=20 mm/s
*LOAD_RIGID_BODY
DOF=3; LCID=500 kN
Hilfskörper *CONSTRAINED_RIGID_BODY_STOPPERS
DOF=3; LCID=5 mm/s
*BOUNDARY_SPC_SET
Matrize
NSID= Abbildung 4.14; DOFX=1; DOFY=1; DOFZ=1
*LOAD_NODE_SET
NSID= Abbildung 4.14; DOF=3; LCID=2 kN/Aktor
Aktoren
*LOAD_NODE_SET
NSID= Abbildung 4.14; DOF=3; LCID=-2 kN/Aktor
5. Ergebnisauswertung und -interpretation 91
5.1 Prozessübersicht
z-Verschiebung
[µm]
19,59
Aktorik AUS Aktorik EIN
14,54
9,49
4,44
-0,61
-5,67
-10,72
-15,77
-20,82
-25,87
-30,93
Abbildung 5.1: Resultierende Deformation von Matrize und Deckplatte zum Pro-
zessende der erweiterten Konfiguration
5. Ergebnisauswertung und -interpretation 92
5.1.1 Zulässigkeitsanalyse
Vor der detaillierteren Betrachtung und Interpretation weiterer Ergebnisgrößen gilt es,
die Zulässigkeit für die Annahme des linear-elastischen Werkstoffverhaltens von Mat-
rize, Deckplatten und Blechhalter zu überprüfen. Im vorangegangenen Kapitel wurde
bereits gezeigt, dass die resultierenden Deformationen von Matrize und Deckplatten
im Mikrometerbereich liegen. Zusätzlich wird die Vergleichsspannung nach VON-
MISES als Ergebnisgröße herangezogen, die einen mehrachsigen Spannungszustand
auf einen vergleichbaren, einachsigen Zustand reduziert.
In Abbildung 5.2 ist die Vergleichsspannung für Matrize und Deckplatten zum Pro-
zessende für die erweiterte Modellkonfiguration dargestellt. Da bei eingeschalteter
Aktorik eine erhöhte Beanspruchung vorliegt, wird die Modellvariante mit aktiven
Piezoelementen betrachtet. Deutlich wird, dass die höchste Beanspruchung in den
Festkörpergelenken der Deckplatten auftritt. In der relativ steif ausgeführten Matrize
fällt die Vergleichsspannung hingegen sehr niedrig aus.
Vergleichsspannung
[N/mm²]
160,0
144,0
128,0
112,0
96,0
80,0
64,0
48,0
32,0
16,0
0,0
In [68] wird für den Werkstoff X2CrNiMoN22-5-3 der Deckplatten eine Streckgrenze
von mindestens 450 N/mm² angegeben. Die maximal in den Deckplatten auftretende
Vergleichsspannung von 160 N/mm² liegt weit unterhalb der Streckgrenze des Deck-
plattenwerkstoffs. Die wesentlich geringer ausfallende Vergleichsspannung der Mat-
rize befindet sich ebenfalls deutlich unterhalb der Streckgrenze des Gusswerkstoffs.
Das Werkstoffverhalten von Matrize und Deckplatten liegt somit noch im elastischen
Bereich und die getroffenen linearen Werkstoffannahmen besitzen Gültigkeit.
5. Ergebnisauswertung und -interpretation 93
Gleiches gilt für den in Abbildung 5.3 dargestellten Blechhalter der stark erweiterten
Konfiguration. Hier tritt die größte Beanspruchung in den Radien der Ziehsicken auf,
deren Maximum aber dennoch unterhalb der Streckgrenze des Materials liegt.
Vergleichsspannung
[N/mm²]
56,0
50,4
44,8
39,2
33,6
28,0
22,4
16,8
11,2
5,6
0,0
5.2.1 Deckplattendeformation
5.2.2 Druckverteilung
Nachdem in Kapitel 5.2.1 der Einfluss der Modellkonfiguration anhand der Werk-
zeugdeformationen aufgezeigt wurde, soll anhand der resultierenden Druckverteilung
innerhalb der Platine die Abbildungsgenauigkeit der unterschiedlichen Modellvarian-
ten näher analysiert werden. Abbildung 5.6 und Abbildung 5.7 zeigen den hydro-
statischen Vergleichsdruck [41] 80 mm vor UT bei inaktiver bzw. aktiver Aktorik. Dem
Anhang können die Ergebnisgrößen nach dem Blechhalterschließen sowie zum Pro-
zessende entnommen werden. Bei der Gegenüberstellung der Druckverteilung ist
der Flanschbereich von Hauptinteresse, da sich hier die in Kontakt befindlichen
Werkzeuge im Wesentlichen zwischen den Modellvarianten unterscheiden.
Für den Fall der inaktiven Aktorik zeigt Abbildung 5.6 nur sehr geringfügige Unter-
schiede zwischen den Druckbildern der verschiedenen Modellkonfigurationen. Es
kommt jeweils zu Druckmaxima in den Bereichen der Ziehleisten sowie zu erhöhten
Drücken an den Ziehleistenausläufen. Die stark erweiterte Modellkonfiguration weist
im Vergleich zur minimalen und erweiterten Konfiguration ein etwas homogeneres
5. Ergebnisauswertung und -interpretation 96
Druckbild in den Regionen auf, wo sich die Deckplatten befinden. Dies kann darauf
zurückgeführt werden, dass die Berücksichtigung der elastischen Blechhalterstruktur
mit Volumenelementen in einem gleichmäßigeren Anliegen an die Platine resultiert.
Druck
Minimale Erweiterte Stark erweiterte [N/mm²]
Konfiguration Konfiguration Konfiguration 289,1
233,0
176,9
120,9
64,8
8,7
-47,3
-103,4
-159,5
-215,6
-271,6
Für den Fall der aktiven Aktorik ergeben sich in Abbildung 5.7 vergleichsweise nahe-
zu identische Druckbilder. Die zuvor in Kapitel 5.2.1 gezeigte erhöhte Deckplattende-
formation bei aktiver Aktorik hat demnach nur einen unwesentlichen Einfluss auf das
Druckniveau. Die sich ergebenden Unterschiede zwischen den Modellkonfiguratio-
nen sind analog zu den zuvor gezeigten Ergebnissen bei inaktiver Aktorik zu sehen.
Druck
Minimale Erweiterte Stark erweiterte [N/mm²]
Konfiguration Konfiguration Konfiguration 289,1
233,0
176,9
120,9
64,8
8,7
-47,3
-103,4
-159,5
-215,6
-271,6
5.2.3 Berechnungsaufwand
Eine wichtige Ergebnisgröße bei der Auswertung und Interpretation stellt die Berech-
nungsdauer dar. Stets muss die Ergebnisgenauigkeit im Zusammenhang mit der Re-
chenzeit stehen. Ein erhöhter Berechnungsaufwand durch eine detailliertere Modell-
bildung ist nur mit einer gestiegenen und zugleich relevanten Ergebnisqualität zu
rechtfertigen. Aus den in Kapitel 4 vorgestellten Simulationsmodellen ergeben sich
aufgrund des unterschiedlichen Idealisierungsgrades und der Modellkomplexität un-
terschiedliche Berechnungsaufgaben, die die Rechenzeit beeinflussen.
Die Modellgröße von bis zu 1,26 Mio. deformierbaren Elementen macht die Berech-
nung auf einem parallel geschalteten Mehrprozessor Großrechner (Cluster) unum-
gänglich. Daher werden die Modelle mithilfe der massively parallel processing (MPP)
Version 971 (Revision 60249) des expliziten Gleichungslösers von LS-DYNA und
doppelter Maschinengenauigkeit (double precision) auf mehreren Prozessoren eines
64-bit-Clusters berechnet. Die Maschinenspezifikationen können Tabelle A.1 im An-
hang entnommen werden. Zur Berechnung auf mehreren Prozessoren findet eine
automatische Unterteilung des Modells nach der recursive coordinate bisection
(RCB) Methode statt [41,72]. Basierend auf dem globalen Koordinatensystem, wird
das Modell entsprechend der gewählten Anzahl an Prozessoren jeweils entlang der
längsten Koordinatenachse halbiert. Bei einer parallelisierten Berechnung mithilfe
von 16 Prozessoren ergibt sich exemplarisch für die erweiterte Modellkonfiguration
die in Abbildung 5.8 dargestellte Modellaufteilung. Die jeweiligen Farben stellen die
Gebiete dar, die einer Prozessoreinheit zugeordnet werden.
Prozessoreinheit
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
In ähnlicher Weise zu der in Abbildung 5.8 gezeigten Gebietsaufteilung für die erwei-
terte Modellkonfiguration erfolgt die Berechnung der übrigen Modellvarianten. Auf-
grund der unterschiedlichen Komplexität der Modellkonfigurationen resultieren hie-
raus voneinander abweichende Rechenzeiten, die in Abbildung 5.9 dargestellt sind.
Als Referenz ist ebenfalls die Berechnungsdauer für die konventionelle Umformsimu-
lation aufgeführt, die ebenfalls mithilfe eines Clusters auf 16 Prozessoren berechnet
wurde. Klar erkennbar in Abbildung 5.9 wird der gestiegene Rechenaufwand durch
die Berücksichtigung der Werkzeugdeformationen, der für die stark erweiterte Mo-
dellkonfiguration aufgrund der höchsten Anzahl deformierbarer Elemente am größten
ausfällt. Mit Ausnahme der minimalen Konfiguration ist stets ein Mehraufwand bei
der Berechnung mit aktiver Piezoaktorik zu verzeichnen, zurückzuführen auf die er-
weiterten Randbedingungen für die Elemente der Piezoaktoren.
70
60 57,84
50 46,59 46,59
43,93
41,21 40,76
Zeit t [h]
40
Aktorik EIN
30
Aktorik AUS
Aktorik EIN
Aktorik AUS
Aktorik AUS
Aktorik EIN
20
9,69
10
0
Konventionelle Minimale Erweiterte Stark erweiterte
Konfiguration Konfiguration Konfiguration Konfiguration
Unter Berücksichtigung der zuvor gezeigten Ergebnisse stellt die erweiterte Modell-
konfiguration einen guten Kompromiss zwischen Rechenaufwand und –genauigkeit
dar. Als wesentliches Qualitätskriterium für die Ergebnisgenauigkeit hat sich in Kapi-
tel 5.2.1 die Anbindung der Deckplatten an die Matrize herausgestellt, die Berück-
sichtigung der Blechhalterelastizität brachte hingegen nur unwesentliche Ergebnisun-
terschiede. Daher finden die nachfolgenden Untersuchungen anhand der erweiterten
Modellkonfiguration statt, deren geringfügig ausfallender Mehraufwand gegenüber
der minimalen Konfiguration durch eine gestiegene Rechengenauigkeit zu rechtferti-
gen ist.
5. Ergebnisauswertung und -interpretation 99
Die in Kapitel 5.2.2 nahezu identisch ausfallenden Druckbilder der Modelle mit inakti-
ver und aktiver Aktorik erfordern die weitere Optimierung der Modellparameter, da in
der Praxis bei ersten Versuchen [62] mithilfe von Druckmessfolien eine veränderte
Flächenpressung bei aktiver Aktorik nachgewiesen werden konnte. In weiteren Un-
tersuchungen sollen daher die Ursachen für die annähernd gleichbleibende Flächen-
pressung bei inaktiver und aktiver Aktorik anhand der erweiterten Modellkonfigurati-
on, die sich durch die zuvor gezeigten Kapitel als guter Kompromiss zwischen Re-
chenaufwand und –genauigkeit erwiesen hat, analysiert werden.
Zur detaillierteren Auswertung werden die resultierende Flächenpressung der Platine
sowie der Vorgang des Blechhalterschließens infolge der Blechhalterkraft inklusive
der relevanten Ergebnisgrößen nachfolgend genauer betrachtet.
5.3.1 Flächenpressung
5.3.2 Blechhalterschließen
Das Ziel, mithilfe der Piezoaktorik und der Deckplatten eine lokale Erhöhung der Flä-
chenpressung herbeizuführen, kann nur im Zusammenwirken mit der entgegenge-
setzt gerichteten Blechhalterkraft erfolgen. Die Kraft des quasi-starren Blechhalters
wird an den Auflageflächen mit der Platine eingeleitet und erzeugt in Verbindung mit
den entgegengebrachten Kräften aus den Steifigkeiten der Platine sowie den Werk-
zeugen die resultierende Flächenpressung.
Abbildung 5.10 im zuvor beschriebenen Kapitel zeigt einen erhöhten Kontaktdruck
außerhalb des Kontaktbereichs mit den Deckplatten. Abbildung 5.11 liefert anhand
des Verschiebungsfeldes der Platine nach dem Blechhalterschließen die Erklärung
für die erhöhten Drücke. Die Legende in Abbildung 5.11 ist so kalibriert, dass die ge-
ringste Verschiebung im Flanschbereich die Nullebene charakterisiert, wodurch die
innere sowie die Ziehleistenregion der Platine aus dem Wertebereich treten. Deutlich
wird hierdurch die Bildung von Falten an den Ausläufen der Ziehleisten, welche zu
einer erhöhten Steifigkeit führen und den Haupteinleitungspunkt für die Blechhalter-
kraft darstellen. Die Höhe der Falten entspricht in etwa der Größenordnung der mög-
lichen Deckplattendeformation infolge der Aktorwirkung, wodurch den Deckplatten
ein verringerter Widerstand entgegengebracht wird.
5. Ergebnisauswertung und -interpretation 101
z-Verschiebung
[µm]
60,0
54,0
48,0
42,0
36,0
30,0
≈ 30 µm
24,0
18,0
12,0
6,0
200-fache Skalierung
0,0
Deutlicher wird der Zusammenhang bei der Betrachtung der resultierenden Distanz
zwischen Blechhalter und Matrize, die sich durch die kraftgesteuerten Wegvorgabe
des Blechhalters während der Umformung einstellt. Abbildung 5.12 illustriert die
Blechhalterdistanz für die Modellvarianten der erweiterten Modellkonfiguration mit
inaktiver und aktiver Aktorik.
0,8
0,78
Blechhalterdistanz l [mm]
Aktorik EIN
Blechhalterschließen
0,76
0,74
Aktorik AUS
0,72 ≈ 43 µm
0,7 l
0,68
Blechdicke
0,66
0,64
0,00
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
Zeit t [s]
5.4 Modelloptimierung
Elementkantenlänge 2 mm Elementkantenlänge 1 mm
Neben der bedingt detaillierten Beschreibung der Faltenbildung bewirkt die Element-
kantenlänge von 2 mm eine relativ grobe Approximation des resultierenden Ziehleis-
tenradius beim Blechhalterschließen sowie beim Umformen (Abbildung 5.13). Die
mit dem Ausprägen der Ziehleisten verbundenen Biege- und Rückhaltekräfte werden
folglich nur ungenau wiedergegeben. Zur besseren geometrischen Beschreibung
5. Ergebnisauswertung und -interpretation 103
5.4.1 Flächenpressung
Erneut, wie im vorangegangenen Kapitel 5.3.1, wird zur Auswertung der Flächen-
pressung der sich ergebende Kontaktdruck zwischen Platine und Blechhalter näher
betrachtet. Durch die feinere Platinenvernetzung mit einer Elementkantenlänge von 1
mm wird die Faltenbildung wesentlich detaillierter aufgelöst, zu sehen in Abbildung
5.14 für die Modellvarianten mit inaktiver und aktiver Aktorik 80 mm vor UT. Dem
Anhang können die Ergebnisgrößen nach dem Blechhalterschließen sowie zum Pro-
zessende entnommen werden.
5.4.2 Flanscheinzug
Das Ziel der lokal erhöhten Flächenpressung durch die aktive Piezoaktorik liegt in
der Verlangsamung des Blecheinzugs in den Seiten- sowie im Front- und Heckbe-
reich der Platine, um das Nachfließen des Werkstoffs in den risskritischen Eckberei-
chen zu begünstigen. Daher wird nachfolgend der Flanscheinzug der Platine anhand
der Verschiebungen in der jeweiligen Richtung ausgewertet.
0
-5
-10
Aktorik AUS
-15
Flanscheinzug lS [mm]
Blechhalterschließen
-20
Aktorik EIN
-25
-30
-35
-40
-45
-50
-55 ≈5 mm
-60
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
Zeit t [s]
In Abbildung 5.15 ist sowohl für den Fall der inaktiven als auch der aktiven Aktorik
der resultierende Flanscheinzug im Seitenbereich der Platine über die Prozesszeit
aufgetragen, der sich aus der Verschiebung in y-Richtung eines entsprechenden
Knotens ergibt. Aufgrund der Symmetrie ist nur der Flanscheinzug einer Seite darge-
stellt. Zunächst erfolgt durch das Schließen des Blechhalters das Ausformen der
5. Ergebnisauswertung und -interpretation 105
Ziehleisten, wodurch sich die äußere Kontur der Platine um ca. 4 mm nach innen
bewegt. Anschließend deutlich erkennbar wird das durch die erhöhte Flächenpres-
sung bewirkte Zurückhalten des Blechwerkstoffs bei aktiver Aktorik durch einen ver-
minderten Flanscheinzug von ca. 5 mm gegenüber der Variante mit inaktiver Aktorik.
Anders als in den Seitenbereichen kommt es im Frontbereich der Platine bei aktiver
Aktorik zu einem leicht erhöhten Flanscheinzug gegenüber der Variante mit inaktiver
Aktorik (Abbildung 5.16). Im Heckbereich ist kein nennenswerter Unterschied zu
verzeichnen. Der Grund hierfür kann in der dominierenden Wirkung der seitlichen
Aktormodule, die aufgrund ihrer höheren Anzahl an Piezoaktoren eine stärkere Kraft
ausüben (Abbildung 5.14), gesehen werden. Letztlich zeigt Abbildung 5.17, dass
durch die aktive Aktorik der Flanscheinzug in den Eckbereichen, wie gewünscht, er-
höht werden kann.
30
25
20
Flanscheinzug lF & lH [mm]
15
Blechhalterschließen
10
5
0
-5
-10
Aktorik EIN Aktorik AUS
-15
-20 ≈2 mm
-25
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
Zeit t [s]
26
24 ≈2 mm
22
Aktorik EIN
20
Flanscheinzug lE [mm]
Blechhalterschließen
18
16
14
Aktorik AUS
12
10
8
6
4
2
0
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
Zeit t [s]
5.4.3 Blechdickenverteilung
Von entscheidender Bedeutung für das erfolgreiche Tiefziehen ist der Werkstofffluss
aus dem Flanschbereich, der gezielt mithilfe des Blechhalters gesteuert wird. In Ab-
hängigkeit von der zu fertigenden Teileform sowie der geforderten Eigenschaften
ergibt sich jedoch ein unterschiedlich starker Bedarf für das Nachfließen des Werk-
stoffs. Abbildung 5.18 illustriert die resultierende Blechdickenverteilung zum Pro-
zessende der erweiterten Modellkonfiguration mit einer Elementkantenlänge von 1
mm für die Platinenvernetzung für den Fall der inaktiven und der aktiven Aktorik.
Durch das gezielte Abbremsen des Werkstoffflusses im Bereich der Ziehleisten
kommt es hier im Flanschbereich geringfügig zu Blechaufdickungen. Geometriebe-
dingt findet in den hinteren Eckbereichen die größte Blechdickenreduktion statt.
Während bei inaktiver Aktorik eine Blechdicke von ca. 0,496 mm vorliegt, führt die
aktive Aktorik zu einer verminderten Reduktion mit einer Blechdicke von ca. 0,526
mm im hinteren Eckbereich der Platine. Dies ergibt im erst genannten Fall eine
Blechdickenreduktion von ungefähr 29 %, was einem äußerst kritischen Maß für das
5. Ergebnisauswertung und -interpretation 107
rissfreie Umformen entspricht. Im letzteren Fall führt die genannte Blechdicke zu ei-
ner Reduktion von ca. 25 %, welches prozesssicherer einzustufen ist.
Blechdicke
[mm]
Aktorik AUS 0,74
0,71
0,496
0,69
0,67
0,64
0,62
0,59
Aktorik EIN
0,57
0,54
0,52
0,526
0,50
5.4.4 Grenzformänderung
Die Machbarkeit einer Blechumformung ergibt sich aus den Umformgrenzen des
verwendeten Werkstoffs. Mithilfe von Grenzformänderungsschaubildern (forming limit
diagram = FLD) können Aussagen zur Sicherheit gegen Einschnürung und Rissbil-
dung im Material getroffen werden, indem die größere über die kleinere Formände-
rung in der Blechebene aufgetragen wird. Die Aussagefähigkeit ist jedoch nur sehr
beschränkt, da eine Vielzahl von Einflussgrößen wie Werkstoff- und Verfahrenspa-
rameter eine Verschiebung der Grenzformänderungskurve bewirken [5].
Dennoch bietet sich durch die Betrachtung der Grenzformänderung die Möglichkeit,
bei gleichbleibendem Werkstoff den Einfluss von variierenden Prozessparametern zu
veranschaulichen. In der Pre- und Postprozessor Software LS-PREPOST besteht die
Möglichkeit, die Grenzformänderungskurve (forming limit curve = FLC) nach KEELER
[73] in guter Näherung anhand der Parameter für den Verfestigungsexponenten n
sowie der Blechdicke lt berechnen zu können. Für die Blechdicke von 0,7 mm und
einem n-Wert von 0,23 ergibt sich das in Abbildung 5.19 dargestellte Grenzformän-
derungsschaubild. Aus einer Sicherheit von 20 % resultiert durch paralleles Ver-
5. Ergebnisauswertung und -interpretation 108
0,7
0,6
Riss
0,5
Hauptdehnung ϕ1 [-]
0,4
risskritisch
Falten-
tendenz 0,3
starke Dicken-
reduktion
0,2
Gut
Falten 0,1
unzureichende
Dehnung
0
-0,3 -0,2 -0,1 0 0,1 0,2 0,3 0,4
Hauptdehnung ϕ2 [-]
Grenzformänderung
Aktorik AUS
Riss
risskritisch
starke
Dickenreduktion
Gut
unzureichende
Dehnung
Aktorik EIN
Faltentendenz
Falten
Für das piezoelektrische Verhalten der Aktormodule innerhalb der aktiven Matrize
wurden sich in der Elementformulierung und den physikalischen Eigenschaften un-
terscheidende Ersatzmodelle formuliert und im Anschluss validiert. Hierbei hat sich
die Variante, die das Wirkprinzip der Piezoaktorik mithilfe von Volumenelementen
beschreibt, gegenüber der Variante mit Federelementen als besser geeignet erwie-
sen.
Anhand der gewonnenen Erkenntnisse wurde das Gesamtmodell zur Abbildung des
Umformprozesses erstellt. Zur Untersuchung der erforderlichen Abbildungsgenauig-
keit wurden mehrere Modellkonfigurationen mit unterschiedlicher Komplexität und
variierendem Berechnungsaufwand generiert. Dabei wurden zur Reduzierung der
Rechenzeit die geometrisch anspruchsvoll zu vernetzenden Wirkflächen der Werk-
zeuge mithilfe eines feinen Oberflächennetzes ohne zusätzlichen Berechnungsauf-
wand abgebildet und über die TIED-CONTACT-Methode in Verbindung mit der gröber
diskretisierten Werkzeugstruktur gebracht.
Bei der anschließenden Ergebnisauswertung und –interpretation haben sich die we-
sentlichsten Unterschiede zwischen der minimalen und den erweiterten Modellkonfi-
gurationen ergeben. Unter Einbeziehung der Berechnungszeiten hat sich die Modell-
variante mittlerer Komplexität als guter Kompromiss zwischen Ergebnisgenauigkeit
und Rechenaufwand dargestellt. In weiteren Untersuchungen der zuletzt genannten
Konfiguration ergaben sich Ergebnisdiskrepanzen, weshalb zur detaillierten Abbil-
dung die Anfangselementkantenlänge der Platinenvernetzung von 2 auf 1 mm redu-
ziert wurde. Die nachfolgende Auswertung der Ergebnisse zeigte eine drastische
Genauigkeitssteigerung, wodurch erst die Funktionsweise der aktiven Matrize nach-
gewiesen werden konnte. Es bildete sich deutlich eine lokal erhöhte Flächenpres-
sung bei aktivierter Aktorik im Vergleich zur inaktiven Aktorik ab, welche das ge-
wünschte Zurückhalten des Werkstoffs in den entsprechenden Bereichen zur Folge
hatte. Schließlich ergab die Auswertung der Grenzformänderung des Werkstoffs
Bauteile mit lediglich risskritischen Bereichen, die bei inaktiver Aktorik als rissbehaf-
tet eingestuft wurden.
Das Funktionsprinzip der aktiven Matrize zur lokalen Veränderung der Flächenpres-
sung mithilfe von Piezoaktormodulen konnte mithilfe der gekoppelten Umformsimula-
tion unter Berücksichtigung der elastischen Werkzeugeigenschaften sowie der Pie-
zoaktorik nachgewiesen werden. In weiteren Schritten müssen die gewonnenen Er-
gebnisse experimentellen Versuchsdaten gegenübergestellt werden, um zur Über-
einstimmung gegebenenfalls Optimierungs- und Kalibrierungsmaßnahmen am Mo-
6. Zusammenfassung und Ausblick 111
dell vornehmen zu können. Aktuell wird beispielsweise mit einem allgemeinen Reib-
wert von 0,15 nach [66] gerechnet.
Ferner besteht ein erhebliches Potenzial zur Rechenzeitverkürzung durch das Erhö-
hen der Zeitschrittweite, die derzeit sehr konservativ für einen stabilen Berechnungs-
ablauf definiert ist. Die hierbei einhergehende erhöhte Massenskalierung muss an-
hand der Ergebnisqualität überprüft werden. Die Berechnung der optimierten Varian-
te der erweiterten Modellkonfiguration mit einer Anfangselementkantenlänge von 1
mm führt aktuell bei gleichbleibender Anzahl von Prozessoren zu einem Anstieg der
Rechenzeiten um annähernd das Dreifache auf ca. 136 Stunden bei aktiver Aktorik.
Daher empfiehlt sich der Umstieg auf eine adaptive Platinenvernetzung, die in Ab-
hängigkeit der anliegenden Belastung sowie der vorliegenden Elementverzerrung
automatisch eine lokale Netzverfeinerung herbeiführt. Die Effizienz sowie der even-
tuelle Genauigkeitsverlust der Rechenergebnisse durch die Mehrprozessortechnik
sind zu überprüfen.
Abbildungsverzeichnis 112
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 2.9: Möglichkeiten zur Steuerung des Werkstoffflusses nach [6,9,18] ... 25
Abbildung 2.20: Prinzipieller iterativer Ablauf einer FEM-Analyse nach [35] ........... 34
Abbildung A.4: Deckplattendeformation zum Prozessende bei aktiver Aktorik ..... 125
Abbildung A.6: Druckverteilung nach Blechhalterschließen bei aktiver Aktorik ..... 126
Abbildung A.7: Druckverteilung zum Prozessende bei inaktiver Aktorik ............... 127
Abbildung A.8: Druckverteilung zum Prozessende bei aktiver Aktorik .................. 127
Tabellenverzeichnis
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Literaturverzeichnis 122
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Diagram.
Anhang A-123
Anhang
Parameter Wert
Berechnungsknoten 16
Prozessoren/Knoten 2
CPU-Kerne 4
Cache-Größe 8 MB
Druck
Minimale Erweiterte Stark erweiterte [N/mm²]
Konfiguration Konfiguration Konfiguration 249,4
212,5
175,6
138,7
101,8
65,0
28,1
-8,8
-45,7
-82,5
-119,4
Druck
Minimale Erweiterte Stark erweiterte [N/mm²]
Konfiguration Konfiguration Konfiguration 249,4
212,5
175,6
138,7
101,8
65,0
28,1
-8,8
-45,7
-82,5
-119,4
Druck
Minimale Erweiterte Stark erweiterte [N/mm²]
Konfiguration Konfiguration Konfiguration 402,2
329,3
256,5
183,6
110,7
37,8
-35,0
-107,9
-180,8
-253,7
-326,5
Druck
Minimale Erweiterte Stark erweiterte [N/mm²]
Konfiguration Konfiguration Konfiguration 402,2
329,3
256,5
183,6
110,7
37,8
-35,0
-107,9
-180,8
-253,7
-326,5