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EEntwicklung

ntwicklung Berechnung und Simulation

Modellbasierte Online-
Optimierung in der Simulation
und am Motorenprüfstand
Der vorliegende Artikel beschreibt die Erweiterungen des modellbasierten Optimie-
rungsalgorithmus „mbminimize“, der in einer Zusammenarbeit der Universität ­Tübingen
und der BMW Group für die Online-Optimierung von Verbrennungsmotoren entwickelt
wurde. Im Vordergrund dieses Beitrags stehen dabei die Modularisierung der Opti-
mierungsmethoden und die Umsetzung für die Praxis des Prüfstandsbetriebs.

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1 Einleitung ponenten erleichtern die zeitgemäße Die Autoren
Weiterentwicklung des Algorithmus.
Die modellbasierte Optimierung gewann – Bei der Auswertung sind nicht nur die
in den letzten Jahren zunehmend an Be- Optima des Modells interessant, son- Dipl.-Inf.
deutung für die Applikation komplexer dern auch ein Maß für die Modellsicher- Alexander Sung
Motorsteuerungen. Rechnergestützte Ver- heit im gegebenen Suchraum. Beide ist wissenschaftlicher
fahren für die Offline-Optimierung haben Größen spielen im Verlauf der Online- A­ngestellter am Lehrstuhl
sich schon seit längerer Zeit bewährt und Optimierung eine wichtige Rolle. für Rechnerarchitektur der
sind beispielsweise in [1, 2, 3] beschrieben. – Prüfstandszeit ist wertvoll und zudem Universität Tübingen.
Fortschritte in der jüngeren Zeit gab es je- begrenzt verfügbar. Daher sind mög-
doch besonders in der Online-Optimierung. lichst wenige benötigte Messungen so-
In diesem Bereich sind bekannte Optimie- wie kurze Rechenzeiten während des Florian Klöpper M. Sc.
rungssysteme wie beispielsweise Cameo [4] Prüfstandsbetriebs zu erreichen. ist Doktorand und
oder Vega [5] im Einsatz, aber auch der in Das Verfahren in seiner ursprünglichen Methodeningenieur im
[6, 7] präsentierte Algorithmus „mbmini- Form und der theoretische Hintergrund Bereich Antriebsentwick-
mize“ hat seinen Platz in der praktischen sind in [10] beschrieben. Zur Modellbildung lung der BMW Group in
Anwendung gefunden. wird bei „mbminimize“ ein Komitee aus München.
Während die beiden bisherigen Beiträge neuronalen Netzen und LLR-Modellen ver-
zum Algorithmus „„mbminimize““ seine wendet, wobei bei den zuletzt genannten
Funktionsweise aus theoretischen Überle- linear parametrierten Modellen die Model- Dr.-Ing.
gungen heraus beschreiben, steht im vor- lausgabe eine Linearkombination aus Alexander Mitterer
liegenden Artikel die praktische Anwen- nichtlinearen Basisfunktionen ist. Neuro- ist verantwortlich für die
dung im Vordergrund. Diese beinhaltet nale Netze haben sich in der modellbasier- Methodenentwicklung im
den Einsatz des Algorithmus im Prüfstands- ten Optimierung schon lange bewährt, wie Bereich Antriebsentwick-
betrieb, ist aber nicht auf diesen be- zum Beispiel in [2] und [11] dargestellt lung der BMW Group in
schränkt. Der Bogen vom Entwurf zur Pra- wird. München.
xis wird über die Simulation gespannt, in
der grundlegende Überlegungen an Test- Prof. Dr.-Ing.
funktionen geprüft werden können. Dabei 3 Konzept von „mbminimize“ Georg Wachtmeister
wird für die Realisierung am Prüfstand be- leitet den Lehrstuhl für
sonders auf die Effizienz des Optimierungs- 3.1 Modularisierung Verbrennungskraftma-
verfahrens geachtet, auf die neue Verfah- Ein Aspekt der Weiterentwicklung von „mb- schinen der Technischen
ren stets einen Schwerpunkt setzen, um minimize“ ist die Modularisierung. Der Al- Universität München.
auch bei steigender Problemgröße weiter- gorithmus war stark auf die Anwendung am
hin den Echtzeitanforderungen des Online- Motorenprüfstand ausgerichtet, so dass zum
Betriebs gerecht zu werden [8, 9]. Beispiel eine Einbindung von Simulations- Prof. Dr. Andreas Zell
umgebungen aufwändig war. Als vorteilhaft leitet den Lehrstuhl für
erwies es sich, die Prüfstand-spezifische Li- Rechnerarchitektur der
2 Anforderungen an die Online- mitbehandlung, die in „mbminimize“ selbst Universität Tübingen.
Optimierung integriert war, stattdessen auf der Prüf-

Der in Kooperation von Universität Tübin-


gen und BMW Group entwickelte Algorith-
mus „„mbminimize““ wird zur Kennfeldop-
timierung eingesetzt und ist besonders für
die in [5] genannte Vollrasterabstimmung
geeignet. Dabei sollen für jeden Betriebs-
punkt Kombinationen der Verstellgrößen
gefunden werden, die optimal hinsichtlich
einer gegebenen Zielfunktion sind, bei-
spielsweise für den spezifischen Kraftstoff-
verbrauch. Für den praktischen Einsatz sind
dabei unter anderem folgende Punkte wich-
tig, auf die der vorliegende Artikel über den
Algorithmus „mbminimize“ eingeht:
– Flexibilität und Modularität ist zukunfts-
weisend für einen Optimierungsalgorith-
mus, der nicht nur am Prüfstand, son-
dern auch in der Simulation eingesetzt
werden kann, um kostbare Ressourcen
zu sparen. Gute Wartbarkeit und ein- Bild 1: Komponenten von „mbminimize“ nach der Modularisierung
fache Aktualisierbarkeit einzelner Kom- Figure 1: Components of “mbminimize“ after modularisation

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E Nt w i c k l u n g Berechnung und Simulation

standsseite durchzuführen. Auch wurde die


ursprünglich in „mbminimize“ eingebettete
Modellgenerierung aus dem Kern des Algo-
rithmus heraus getrennt, und es wurde so-
mit ermöglicht, das Modell-Komitee für an-
dere Anwendungen zu verwenden.
Bild 1 zeigt die Struktur von „mbmini-
mize“ nach der Modularisierung. Die einzel-
nen Teilaufgaben sind getrennt und einfach
ersichtlich. Das Grundgerüst des Algorith-
mus besteht aus der Initialisierung, Messda-
tenauswertung, Phasenplanung und Bestim-
mung der Messpunkte. Über Schnittstellen
damit verknüpft sind die Messverfahren,
Modelle und graphischen Ausgaben. Für ei-
ne genaue Beschreibung der einzelnen Kom-
ponenten des Algorithmus wird hier auf die Bild 2: Modellausgabe eines Komitees aus neuronalen Netzen und linearer Regression – das
früheren Artikel [6, 7] verwiesen. QBC-Kriterium (Modellunsicherheit) liefert die größten Werte an den Stellen, wo die Einzelmodelle
Die Verstellstrategie der Eingangsgrößen am meisten voneinander abweichen
zur Anfahrt des nächsten Messpunkts wur- Figure 2: Model output of a committee of neural networks and linear regression – the QBC criterion
de auf das Prüfstand-Automationssystem (model uncertainty) supplies the largest values to the points where the individual models diverge most
übertragen, das einen Messpunkt über die
synchrone Verstellung aller Variationsgrö-
ßen erreicht. Zeitgleich kann das System die
Limitüberwachung durchführen, welche
ebenfalls aus „mbminimize“ ausgegliedert
wurde. Vorteile dieser Vorgehensweise sind:
– schnelles Einstellen der Messpunkte bei
kleiner Zielgrößenanregung, wodurch
ein schnelleres Einregeln von Zündwin-
kel und Abgastemperatur durch die
Prüfstand-Regelsysteme möglich wird
– Datenauswertung im Prüfstand-Auto-
mationssystem und nicht in Matlab, so-
mit eine schnellere Erkennung von Li-
mitverletzungen dank leistungsfähiger
Schnittstelle auf Prüfstandsseite
– mögliche Änderungen der Variations-
und Limitstrategie im Online-Betrieb.

3.2 Modellierung mehrerer Zielgrößen


Charakteristisch für die in „mbminimize“
verwendeten Komitees ist das QBC-Kriteri-
um (Query by Committee), von dem Bild 2
eine exemplarische Ausgabe zeigt. Das QBC-
Kriterium liefert die größten Werte an den
Stellen, wo die Einzelmodelle des Komitees
am meisten voneinander abweichen. Der
Ausdruck Query bezeichnet dabei die Ent-
scheidungsfindung zur Bestimmung des
nächsten Messpunktes anhand der vorlie-
genden Modelle.
Über das Query-Kriterium erfolgt die Bild 3: Testfehler (oben) und Bestimmtheitsmaß (unten) als Kennwerte für die Modellqualität der
Auswahl der nächsten Messpunkte anhand Zielgröße 1 (links) und 2 (rechts) für unterschiedliche Gewichtungsfaktoren
der Modelle. Bisher wurde dieses nur für Figure 3: Test error (top) and degree of certainty (bottom) as characteristics of the model quality of
die primäre, zu optimierende Zielgröße an- target value 1 (left) and 2 (right) for different weighting factors
gewendet. Weitere sekundäre Zielgrößen
werden anhand der Messpunkte model-
liert. Das Query-Kriterium ergibt sich am qQBC (x) ist die Varianz des Modellsystems am lich dafür, dass in den Bereichen, die be-
Punkt x dabei zu Gl. (1). Punkt x. ϕ ist der Faktor, der den Einfluss reits vermessen wurden, keine neuen Mess-
der Zielgröße auf das Query-Kriterium ab- punkte bestimmt werden. Die Erfahrung
q(x) = qQBC (x) · ϕ · Θ (x)  Gl. (1) bildet. Der Konfidenzterm Θ sorgt schließ- zeigt, dass im Rahmen der Parameteropti-

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mierung Zielgrößen mit unterschiedlicher mit hat der Anwender die Möglichkeit, die Für diese Untersuchung wird folgendes
Komplexität existieren. Daher ist es sinnvoll, Zielsetzung je nach Anwendung zu spezifi- Szenario festgelegt: Ziel ist die Optimie-
diese differenziert zu behandeln. Die On- zieren und den erwünschten Einfluss der rung einer simulierten Verbrauchsfunk­
line-Optimierung bietet dabei die Möglich- einzelnen Zielgrößen auf das Optimierungs- tion an 25 Betriebspunkten. Die Funktion
keit, Schwächen in der Modellbildungspha- ziel zu parametrieren. besitzt insgesamt nDim = 4 Eingangsdimen­
se frühzeitig zu erkennen und entsprechend sionen, somit nBP = 2 Betriebspunktdimen­
darauf zu reagieren. 3.3 Analyse verschiedener sionen und nVP = 2 weitere Variationspara-
Um das Query-Kriterium auf mehrere ­Optimierungsstrategien meter. Der Funktionsverlauf ist dem Ver-
sekundäre Zielgrößen zu erweitern, bieten Im Zuge der Parameteroptimierung eines brauchsverhalten eines Verbrennungsmo-
sich mehrere Alternativen an. Das Misch- Verbrennungsmotors besteht die Aufgabe tors nachempfunden. Diese zeichnet sich
query verrechnet die Varianzausgaben der meistens darin, für einen bestimmten Be- durch einen dominanten Einfluss des zwei-
unterschiedlichen Zielgrößen zu einem triebsbereich des Motors entsprechende ten Parameters aus, Bild 4.
Gesamtkriterium, Gl. (2). Kennfelder zu erstellen. Das bedeutet, an Während des Prüfstandsbetriebs erge-

( )
n verschiedenen festgelegten Betriebspunk- ben sich noch weitere Herausforderungen,

​q​SP​(x)=​ ​q​QBC,1​(x) · ϕ · ​w1​ ​+​ ​​q
​ ​QBC,i​​(x) · ​wi​​  ​· Θ ten des Motors optimale Einstellungen der welche das Optimierungsergebnis beein-
i=2
Variationsparameter zu finden. Damit flussen und in der Simulation behandelt
primäre Zielgröße sekundäre Zielgrößen Gl. (2) stellt sich die Frage nach einer sinnvollen werden sollen:





n Optimierungsstrategie für diese Aufga- – Die Betriebspunkte werden am Prüfstand



mit ​ ​​w​
​ i​​=1 benstellung. über entsprechende Regelsysteme einge-
i=1
Die intuitivste und heute immer noch stellt. Insbesondere die exakte Einstel-
Die Query-Gewichtung wi legt hierbei den gebräuchliche Vorgehensweise ist die lo- lung kleiner Lasten gestaltet sich auf-
Einfluss des Einzelkriteriums i auf das Ge- kale Optimierung an den jeweiligen Be- grund der Laufunruhe des Motors als
samtkriterium fest. Ein weiterer Ansatz ist triebspunkten. Hierbei wird das Optimie- schwierig. In dieser Untersuchung wer-
das verteilte Query. Hierbei variiert die zu rungsproblem entsprechend in einzelne den die Betriebspunktgrößen in mehre-
optimierende Zielgröße während eines Teilprobleme für jeden Betriebspunkt se- ren Versuchen mit einem normalverteil-
Programmdurchlaufs mehrfach. Es wird pariert. Im Rahmen der modellbasierten ten Rauschen mit maximal dreiprozen-
stets nur eine Zielgröße zu jedem Zeit- Optimierung ist die Anzahl der Eingangs- tiger Standardabweichung versehen.
punkt betrachtet, für die das Query-Kriteri- parameter des Modells gleich der Anzahl – Messungen der Zielgröße unterliegen ei-
um gemäß Gl. (1) ausgewertet wird. Beim der Variationsparameter nVP. Einen ande- ner gewissen Messunsicherheit. Die Ziel-
sequentiellen Query werden entsprechend ren Weg beschreibt die globale Optimie- größe sowie die beiden restlichen Betriebs-
der parametrierten Zielgrößen mehrere rung. Hierbei werden die Betriebspunkt- punktgrößen werden entsprechend mit
Durchläufe nacheinander für je eine Ziel- größen Drehzahl und Last als normale einem einprozentigen Rauschen versehen.
größe durchgeführt. Für die zwei zuletzt Modellparameter betrachtet. Die Anzahl Interessant ist die Verifikationsrate der je-
genannten Verfahren legt der Faktor wi die der Eingangsparameter des Modells ist weiligen Optima an den einzelnen Betriebs-
Aufteilung der Messpunkte auf die einzel- hier um die Betriebspunktdimensionen punkten, Bild 5. Diese wird anhand der von
nen Zielgrößen fest. nBP erweitert. Eine Möglichkeit besteht dar- „mbminimize“ ermittelten Modelloptima
Die Untersuchungen werden exempla- in, die Versuchspunkte auf die vorgege- und der Referenzfunktion über mehrere un-
risch mit Referenzmodellen für zwei Ziel- benen Betriebspunkte zu verteilen. Die abhängige Versuche ermittelt. Sind die Be-
größen durchgeführt, welche anhand von Alternative besteht in der freien Auswahl triebspunktgrößen unverrauscht (links), so
Prüfstandsdaten erstellt wurden. Zielgröße der Betriebspunktgrößen analog zu den ergeben sich für alle drei Optimierungsstra-
1 beschreibt dabei als „gutmütige“ Funktion Variationsparametern. Es stehen damit tegien in weiten Bereichen Verifikationsra-
den spezifischen Kraftstoffverbrauch, Ziel- drei verschiedene Optimierungsansätze ten von nahezu 100 %, mit leichten Nachtei-
größe 2 den relativ komplexen und damit zur Verfügung: ein lokaler Ansatz sowie len für die globale, betriebspunktlose Opti-
schwierig zu modellierenden Verlauf der Va- zwei globale mit und ohne festgelegte Be- mierung. Bei einem dreiprozentigen Rau-
rianz des indizierten Mitteldrucks des Mo- triebspunkte. schen der Betriebspunktgrößen (rechts) sin-
tors. Beide Zielgrößen spannen einen fünf-
dimensionalen Variationsraum auf.
Bild 3 zeigt die Ergebnisse dieser Untersu-
chungen. Deutlich zu erkennen ist zunächst, Bild 4: Verbrauchsfunktion mit
dass Zielgröße 1 (links) stets besser model- den zu optimierenden Betriebs­
liert wurde als Zielgröße 2 (rechts), auch punkten über der Betriebs­
wenn während der Optimierung das Query- ebene – dominant ist der Ein-
Kriterium der zweiten Zielgröße bevorzugt fluss der Last als Variations-
verwendet wurde (Query-Gewichtung < 0,5 parameter, insbesondere im
für Zielgröße 1 und Query-Gewichtung > 0,5 niedrigen Betriebsbereich
für Zielgröße 2). Bei der leicht zu modellie- Figure 4: Fuel consumption
renden Zielgröße 1 erzielen alle vorgestell- function with the operating
ten Varianten des Query-Kriteriums ein sehr points to be optimised, over the
hohes Bestimmtheitsmaß, wobei das se- operating plane – the influence
quentielle Query aufgrund der separaten of load as a variation parame-
Betrachtung beider Zielgrößen zum Teil ein ter is dominant, particularly in
noch etwas besseres Ergebnis erreicht. So- the low operating range

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E Nt w i c k l u n g Berechnung und Simulation

ziehungen ausgenützt werden. Die Modell-


qualität ist gemäß den Fehlerkennwerten
sehr robust gegenüber Rauschen. Für die
globale Optimierung ohne Betriebspunkte
ergibt sich eine signifikant bessere globale
Modellqualität als für die Variante mit fest-
gelegten Betriebspunkten. Die Ursache liegt
in der gleichmäßigeren Verteilung der Mes-
sungen, die sich nicht nur auf die festge-
legten Betriebspunkte beschränken. Im Ge-
genzug erweist sich die globale Optimie-
rung mit Betriebspunkten bei der Auswer-
tung an letzteren als überlegen.
Als Ergebnis dieser Untersuchung ist fest-
zuhalten, dass die lokale Optimierung für
die Untersuchung einzelner Betriebspunkte
bei korrekter Einstellung der Last oder in
der Simulation, wo Ungenauigkeiten in der
Lasteinstellung vernachlässigbar sind, geeig-
net ist. Die Optimierung ganzer Betriebsbe-
reiche mit dieser Methode benötigt zu viele
Messungen, was manchmal aufgrund des
Versuchsprogramms jedoch nicht zu umge-
hen ist. Ein Beispiel dafür ist die in Abschnitt
4 vorgestellte Volllastoptimierung.
Die globale Optimierung ist gut geeig-
net zur Optimierung von Betriebsberei-
chen. Beim Verfahren mit Betriebspunkten
ist die Modellqualität an den Betriebspunk-
ten sehr gut; die betriebspunktlose Opti-
mierung ist sehr gut für die globale Regres-
sion geeignet. Die erste Variante ist sinnvoll
zur Kennfeldoptimierung an festen Stütz-
stellen, letztere bei kontinuierlicher Aus-
wertung des Modells.

4 Anwendungsbeispiele

In diesem Abschnitt werden zwei ausgewählte


Anwendungen aus Simulation und Prüf-
Bild 5: Verifikationsrate der Optima im Betriebsbereich bei unverrauschten Betriebspunkt­ standsbetrieb vorgestellt. Damit soll die Viel-
größen (links) und bei dreiprozentigem Rauschen der Betriebspunktgrößen (rechts) für die seitigkeit des „mbminimize“-Algorithmus in
­lokale (oben) beziehungsweise globale Optimierung mit und ohne festgelegte Betriebspunkte der Antriebsentwicklung demonstriert wer-
(Mitte und unten) den.
Figure 5: Verification rate of optimums in the operating range for noise-free operating point Die optimale Ausführung von Sauganla-
­variables (left) and 3 % noise for operating point variables (right) for local (top) and global ge und Ventiltrieb ist entscheidend zur Er-
­optimisation with and without defined operating points (centre and bottom) zielung der gewünschten Drehmoment- be-
ziehungsweise Leistungscharakteristik von
Saugmotoren. Für diese Aufgabenstellung
kommen in der frühen Entwicklungsphase
ken die Verifikationsraten bei der lokalen der lokalen Optimierungsstrategie mit zu- rechnergestützte Simulationswerkzeuge
Optimierung stellenweise unter 50 %. Die nehmendem Rauschen deutlich an. Trotz (CFD) zum Einsatz, die Vorausberech-
globale Vorgehensweise ist dort wesentlich dieser zusätzlichen Informationen nimmt nungen mit einer guten Genauigkeit er-
robuster, die Verifikationsraten ändern sich die Generalisierungsfähigkeit des Modells möglichen. Durch neue Entwicklungen
deutlich weniger stark. Die globale Optimie- deutlich ab, erkennbar an den anstei- hinsichtlich des Ventiltriebs und der Saug-
rung mit festgelegten Betriebspunkten zeigt genden Fehlerwerten beziehungsweise anlage nimmt die Anzahl der Freiheits-
hier das beste Ergebnis. dem abfallenden Bestimmtheitsmaß. grade stark zu. Konventionelle Methoden
Die Tabelle zeigt relevante Kenngrößen Die beiden globalen Optimierungsstrate- der Parameteroptimierung stoßen hierbei
in Abhängigkeit der Optimierungsstrategie gien benötigen deutlich weniger Messungen. an ihre Grenzen. Diese Anwendung der On-
und des Rauschens der Betriebspunktgrö- Dies ist dadurch erklärbar, dass durch den line-Optimierung hat daher zum Ziel, eine
ßen. Die Anzahl der Messpunkte steigt bei globalen Modellansatz Nachbarschaftsbe- zeitsparende Grobauslegung der Sauganla-

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gengeometrie durchzuführen. Das Opti- dazugehörenden Drehzahl anhand der Mo- gungen erforderlich. Dazu zählen unter
mierungsproblem wird dabei aufgeteilt: delle bestimmt. In den Nomogrammen ist Anderem die stetige Auslegung der Kennli-
Im Drehzahlbereich von 3000 bis 5000/min jeweils ein Beispiel zur Auswertung einge- nie für den Ventilhub, sowie die Vermei-
steht das Erreichen maximalen Drehmo- zeichnet: Um ein maximales Drehmoment dung zu großer Gradienten in den Sprei-
ments im Vordergrund, für den Drehzahl- bei niedrigen Drehzahlen zu erreichen, zungskennfeldern.
bereich von 5000 bis 7500/min ist die maxi- sind relativ lange Saugrohre kleinen Durch- Zur Lösung dieser Aufgabe kommt die
male Leistung entscheidend. Als Optimie- messers erforderlich, Bild 6. Soll maximale lokale Optimierung zum Einsatz. Aufgrund
rungsstrategie kommt die globale Optimie- Leistung erzielt werden, ist die Auswahl starker Inhomogenitäten der Füllung, verur-
rung ohne feste Betriebspunkte zum Ein- kurzer Saugrohre großen Durchmessers sacht durch Umschaltungen des Schaltsaug-
satz, da das Modell kontinuierlich ausge- sinnvoll, Bild 7. Bei anderen Drehmoment- rohrs, ist eine globale Optimierungsstrate-
wertet wird. Im Unterschied zu den Unter- beziehungsweise Leistungswerten kann gie, welche die Drehzahl als zusätzliche Va-
suchungen in Abschnitt 3.3 liegt bei der entsprechend analog vorgegangen werden. riationsgröße mit einschließt, problema-
Volllastoptimierung mit der Drehzahl nur Da das Systemverhalten des Motors in Form tisch. Die Verbesserung des Drehmoment-
eine Betriebspunktdimension vor. Die An- von Modellen vorliegt, können diese sehr verlaufs gegenüber dem vorher bereits gu-
zahl der Variationsparameter ergibt sich flexibel vielseitig ausgewertet werden. Bei- ten Applikationsstand zeigt Bild 8. Insbeson-
mit Saugrohrlänge (SRL) und -durchmesser spielsweise lassen sich auch (offline) Ziel- dere im niedrigen Drehzahlbereich bei
(SRD), Einlassventilhub (EVH) und -öff- wertuntersuchungen durchführen. 2000/min konnte eine Verbesserung erzielt
nungsdauer (EVD) sowie Auslassventilhub Eine Prüfstandsanwendung stellt die werden.
(AVH) zu nVP = 5. Mit der Drehzahl als Be- Volllastoptimierung dar. Ziel ist es, das
triebspunktdimension ergibt sich daraus Drehmoment für ein vorgegebenes Dreh-
ein sechsdimensionaler Variationsraum. zahlraster zu maximieren. Die Anzahl der 5 Zusammenfassung und Ausblick
Die Ergebnisse sind hier in Form von No- Variationsparameter beträgt mit den Sprei-
mogrammen dargestellt, aus denen die zungen für Ein- und Auslassventil sowie In diesem Beitrag wurde beschrieben, aus
Saugrohrgeometrie ermittelt werden kann. dem Einlassventilhub nVP = 3. Zündzeit- welchem Hintergrund heraus und auf
Zur deren Erstellung werden für unter- punkt und Luftverhältnis werden durch welche Weise die Neuerungen in „mbmi-
schiedliche Saugrohrgeometrien (SRL, SRD) Regelsysteme am Prüfstand optimal hin- nimize“ umgesetzt wurden. Hauptmerk-
und konstante Werte für EVD, EVH und sichtlich der Klopf- und Abgastemperatur- male dabei sind die Modularisierung des
AVH das maximale Drehmoment bezie- grenze eingestellt. Zudem ist die Berück- Algorithmus sowie die Modellierung meh-
hungsweise die maximale Leistung mit der sichtigung verschiedener Nebenbedin- rerer Zielgrößen. Anwendungsbeispiele

Tabelle: Relevante Kenngrößen


Table: Relevant characteristics variables

Rauschen 0 0,5 1 2 3
lokale Optimierung
Anzahl Messungen/Betriebspunkt 23 24 25 26 27
Anzahl Messungen gesamt 607 620 646 681 707
mittlerer Testfehler an den Betriebspunkten [%] 0,7 0,7 0,8 1,1 1,4
maximaler Testfehler an den Betriebspunkten [%] 1 1 1,4 2,4 3,2
Bestimmtheitsmaß an den Betriebspunkten [%] 95 94 92 87 81
globale Optimierung mit Betriebspunkten
Anzahl Messungen/Betriebspunkt 9
Anzahl Messungen gesamt 195 195 195 195 196
mittlerer Testfehler an den Betriebspunkten [%] 0,9 0,9 0,9 0,9 0,9
maximaler Testfehler an den Betriebspunkten [%] 1,2 1,3 1,3 1,2 1,2
Bestimmtheitsmaß an den Betriebspunkten [%] 93 93 93 93 92
mittlerer Testfehler global [%] 2,5 2,4 2,3 2 1,9
Bestimmtheitsmaß global [%] 97 97 98 98 98
globale Optimierung ohne Betriebspunkte
Anzahl Messungen/Betriebspunkt –
Anzahl Messungen gesamt 195 195 195 195 195
mittlerer Testfehler an den Betriebspunkten [%] 1,1 1,2 1,1 1,2 1,2
maximaler Testfehler an den Betriebspunkten [%] 2,2 2,7 2,2 2,6 2,4
Bestimmtheitsmaß an den Betriebspunkten [%] 91 90 91 91 90
mittlerer Testfehler global [%] 1,2 1,2 1,2 1,2 1,3
Bestimmtheitsmaß global [%] 99 99 99 99 99

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Bild 6: Nomogramm für das maximale Drehmoment. Für ein bestimmtes Dreh- Bild 7: Nomogramm für die maximale spezifische Leistung
moment lassen sich Drehzahl, Saugrohrlänge- und Durchmesser bestimmen Figure 7: Nomogram for maximum specific output
Figure 6: Nomogram for maximum torque. The engine speed, intake manifold
length and intake manifold diameter can be determined for a particular torque

Bild 8: Volllastkurven für [7] Knödler, K.; Poland, J.; Fleischhauer, T.; Mitterer, A.;
das Drehmoment; insbe- Ullmann, S.; Zell, A.: Modellbasierte Online-Optimie-
rung moderner Verbrennungsmotoren – Teil 2: Gren-
sondere im unteren Dreh­
zen des fahrbaren Suchraums. In: MTZ 64 (2003), Nr. 6
zahlbereich kann durch [8] Fischer M.; Röpke, K.: Effiziente Applikation von Mo-
die Optimierung eine torsteuerungsfunktionen für Ottomotoren. In: MTZ 61
Verbesserung gegenüber (2000), Nr. 9
dem bereits guten Refe- [9] Knödler, K.; Poland, J.; Zell, A.: Memetic algorithms
renzstand erzielt werden for combinatorial optimization problems in the calibra-
tion of modern combustion engines. In: B. Langdon et
Figure 8: Full-load curves
al., editor, Proceedings of the Genetic and Evolutiona-
for torque; particularly at ry Computation Conference (GECCO), pp. 687, 2002
lower engine speeds, [10] Poland, J.: Modellgestützte und Evolutionäre Optimie-
­optimisation yields im- rungsverfahren für die Motorentwicklung. Dissertation
provements compared Universität Tübingen. Logos Verlag Berlin, ISBN 3-
with the already good 8325-0015-4, 2002
[11] Isermann, R.; Hafner, M.; Müller, N.; Schüler, M.: Der
­reference status
Einsatz neuronaler Netze zur Modellierung, Steuerung
und Regelung von Verbrennungsmotoren. 3. Stuttgar-
ter Symposium Kraftfahrwesen und Verbrennungsmo-
toren, 23.-25. Februar 1999
sowohl aus der Simulation als auch aus ­Universität München. VDI Fortschritt-Berichte, Reihe
der Praxis des Prüfstandsbetriebs stellen 12 Nr. 434. Düsseldorf: VDI Verlag, 2000
exemplarisch dar, wie der Algorithmus [3] Schüler, M.; Hafner, M.; Isermann, R.: Einsatz
­schneller neuronaler Netze zur modellbasierten
eingesetzt wird. In zukünftigen Projekten
­Optimierung von Verbrennungsmotoren – Teil 1:
wird „mbminimize“ vielseitig eingesetzt
­Modellbildung des Motor- und Abgasverhaltens. ­In:
werden und für weitere Optimierungsauf- MTZ 61 (2000), Nr. 10
gaben zur Anwendung kommen. [4] Gschweitl, K.; Pfluegl, H.; Fortuna, T.; Leithgoeb, R.:
Steigerung der Effizienz in der modellbasierten
­Motorenapplikation durch die neue Cameo-Online-
Literaturhinweise DoE-Toolbox. In: ATZ 103 (2001), Nr. 7 und 8
[1] Hafner, M.; Schüler, M.; Isermann, R.: Einsatz schnel- [5] Bredenbeck, J.: Statistische Versuchsplanung für die
ler neuronaler Netze zur modellbasierten Optimierung Online-Optimierung von Verbrennungsmotoren. In:
von Verbrennungsmotoren – Teil 2: Stationäre und dy- MTZ 60 (1999), Nr. 11 For an English version of this article, see
[6] Poland, J.; Knödler, K.; Fleischhauer, T.; Mitterer, A.; MTZ worldwide.
namische Optimierung von Verbrauch und Emissionen. For information on subscriptions, just call
In: MTZ 61 (2000), Nr. 11 Ullmann, S.; Zell, A.: Modellbasierte Online-Optimie- us or send an E-mail or fax.
[2] Mitterer, A.: Optimierung vielparametriger Systeme in rung moderner Verbrennungsmotoren – Teil 1: Aktives Vieweg Verlag Postfach 1546 D-65173 Wiesbaden
der Kfz-Antriebsentwicklung. Dissertation, Technische Lernen. In: MTZ 64 (2003), Nr. 5 Tel. +49 5241 80-1968 | E-mail: vieweg@abo-service.info

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Cool bleiben – auch beim
Kalttesten von LKW-Motoren!
Vor dem Einbau in ein Fahrzeug wird jeder Motor auf seine Kalttest Vorteile:
Funktion geprüft.
Wesentlich kürzere Prüfzeiten.
Eine Alternative zum herkömmlichen Heißtest mit befeuertem Dadurch weniger Prüfstände und geringere
Motor ist der Kalttest mit unbefeuertem Motor. Investitionskosten
Der Kalttest besteht aus: Frei definierbare Grenzwerte, Zylinder selektive
1. Einem Lecktest für Ölraum, Kühlwasser- und Kraftstoffsystem Auswertung und Erkennung interner Lecks
2. Einem mechanischen Funktionstest, Aktor- und Sensortest
und einer Geräuschanalyse bei geschlepptem Motor. Geringere Betriebskosten, da kein Kraftstoff-
Ermöglicht wird der Kalttest durch ein Massefluss PC-Leck- verbrauch und geringerer Ver- und Entsorgungs-
testgerät, einen leistungsstarken Elektromotor mit hoher Drehzahl- aufwand
konstanz, schnelle, hochauflösende Messsysteme und einer
Kalttest-Software. Keine Umweltbelastung, da keine Abgase

MAN Dieselmotor
Baureihe D08

Maschinenfabriken GmbH Leinfelden und Plochingen D – 70771 Leinfelden-Echterdingen


UK Limited, Laindon, Essex, England Tel. (0711) 7 97 66 - 0
Incorporated, Sterling Heights, Michigan, USA Fax (0711) 7 97 66 - 799
Shanghai und Dalian, China info@jwf.com / www.jwf.com

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