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Orientierung

ORIENTIERUNG Von der NS-Diktatur beherrscht, von den Alliierten


bombardiert, bis auf Ruinen zerstört, von den Siegermächten besetzt
und durch eine unüberwindbare Mauer Jahrzehnte geteilt. Keiner ande-
ren Stadt der Welt ist eine derart beispiellose Geschichte widerfahren.
Die Relikte des „Dritten Reiches“ sind heute in Berlin nur noch schwer
zu finden und dennoch in allen Bezirken und im Umland zahlreich vor-
handen. Der PAST FINDER® führt Sie mit einem übersichtlichen Leitsystem
schnell und einfach zu den „Sehenswürdigkeiten“ dieser Vergangenheit.

ORIENTIERUNG IM PAST FINDER® ORIENTIERUNG IN BERLIN


Durchgängige Balken mit der Kapitelbe- Berlin ist mit seinen weitläufigen Außen-
zeichnung im oberen Teil der Seiten leiten bezirken von der Fläche her eine der größten
Sie zu den entsprechend farbig markierten Städte Europas. Durch die 1961 errichtete
Karten. Hier finden Sie z.B. Punkt 38 aus Mauer sind im Laufe der Jahrzehnte zwei
dem Text auf dem angegebenen Planquadrat Stadtzentren entstanden, im Westen rund
wieder. In der Objektbeschreibung steht um den Kurfürstendamm, im Osten entlang
zunächst die Art der Nutzung aus vergange- der Straße Unter den Linden. Infolgedessen
nen Zeiten, es folgt die können die Fußwege zwischen zwei Sehens-
gegenwärtige Nutzung. würdigkeiten gelegentlich schon mal etwas
38 länger werden. Nutzen Sie also das vorbild-
U
Hausvogtei-
platz
lich ausgebaute öffentliche Verkehrsnetz
A B C

Naturhistorisches
D E F
oder mieten Sie sich einfach ein Fahrrad,
auf

Regierungsviertel
Mauerverl

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Museum
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Hinterlan

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Dorotheen-
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Torstr.
städtischer

um die Hauptstadt zu erkunden.


Hamburger Torstr.
Bahnhof Friedhof Oranienburger
Grenzübergang Tor .
Rosen

1 Invalidenstr. Fischer Koch Linienstr 1


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Invalide Robert-Koch-
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haftanstalt 34 Charité Auguststr.
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Friedrichstr.

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Hauptbahnhof Charité Klinikum Deutsches Str.
(Lehrter Bahnhof) Charité S U
Alt-Moabit Theater 43
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35 Friedrich- 42 Münz
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stadtpalast 41 str.
Paul Str.

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Spreebogen Hackescher
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Berliner Brecht Charité Markt
Parlament Ensemble Monbijupark
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der Bäume S
Luisenstr.

Bundeskanzleramt Paul-Löbe-Haus Grenzübergang Bode-


Bahnhof Friedrichstraße Museum Alexanderplatz
Mahnmal DB S U Pergamon- Alte
2 Haus der Museum National- 40
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Reichstag Mauertote SPREE Bahnhof nech DB S U
Kulturen Friedrichstraße galerie Liebk Fernsehturm
8 6 Karl- Bahnhof

Touristeninformation
der Welt Platz der Republik Museumsinsel
MITTE Alexanderplatz

Regierungsviertel
Dorotheenstr.
Altes Museum Berliner
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Staats- Humboldt- Theater Deutsches Marx-Engels-


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Forum
7 bibliothek Universität 36 Historisches Lustgarten
fSiegessäule Straße des 17. Juni Unter den Linden Museum ner
str.
Brandenburger 1 Pariser S Friedrich der Große
Tor Platz Buelow
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Schlossplatz
Friedrichstr.

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Charlottenstr.

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Komische
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p Brandenburger Tor, Südflügel


Amazone Gneisenau
Oper Yorck
Blücher
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Mauerverlauf

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Entlastungsstr.

Denkmal für die


Breit

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TIERGARTEN ermordeten Juden
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11 Konzerthaus
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12 markt U

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Hinterlandmauer

Königin Luise
Mohrenstr. Deutscher Dom Hausvogtei-
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Tiergartenstr. 14 U

D Mo–So 9.30–18 Uhr


Markgrafenstr.

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29 Voßstr. 16 Museum
33 28 Kronenstr. U
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Philharmonie
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30 31 Bundesrat Kommunikation Krausenstr.


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Reichsbank / Auswärtiges Amt


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Neue bibliothek Schützenstr.


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q Heinrich Wolff, 1939 p Werderscher


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Markt 1, Karte E3  Hausvogteiplatz


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26

D Mo–So 8–22 Uhr


A B C D E F

Im Jahr 1933 wurde ein Wettbewerb


für den Erweiterungsbau der Reichsbank p Fernsehturm, Panoramastr.
D Mo–So 9.30–18 Uhr
Legende der verwendeten Symbole p Flughafen Tegel, Haupthalle
q Architekt und Erbauungsjahr D Mo–So 5–22.30 Uhr
p Adresse und Planquadrat auf der
entsprechend farbig markierten Karte Berliner Verkehrsgesellschaft (BVG)
 S- und U-Bahnverbindung Informationen über U-Bahn-, S-Bahn-,
D Öffnungszeiten Straßenbahn- und Busverbindungen finden
3 Verweis in das Register Sie in den Schaukästen jeder Haltestelle.
Kostenlose Fahrpläne und Auskünfte erhalten
Sie in allen Regional- und Fernbahnhöfen.
Fahrkarten können an Automaten auf allen
Bahnsteigen oder am Schalter erworben
werden.

Deutsche-Bahn-Mietfahrräder
So wird’s gemacht: Silber-rot lackierte
Fahrräder mit DB-Logo finden, Nummer
anrufen, mit EC- oder Kreditkarte zahlen,
Pin eingeben, losradeln.

Velo-Taxi
Einfach eine der windschnittigen Rikschas
anhalten, einsteigen und die Fahrt genießen.
Seiten-Register Außenklappen

Regierungsviertel 2

Welthauptstadt Germania 28

Der Bombenkrieg & Die Schlacht um Berlin 38

Innenstadtbezirke 46

Außenbezirke & Brandenburg 62

Bildnachweis & Literatur 90


2 Regierungsviertel

36 Göring, Hitler und Hindenburg beim „Heldengedenktag“ 1934 vor der Neuen Wache Unter den Linden
Regierungsviertel 3

REGIERUNGSVIERTEL Heute kann man nur noch schwer nachvoll-


ziehen, wie einst das Leben im Zentrum Berlins pulsiert haben muss.
Denn der 2. Weltkrieg und die Teilung haben gerade hier tiefe Narben im
Stadtbild hinterlassen. Entlang der Wilhelmstraße konzentrierte sich die
Macht des „Dritten Reiches“. Hitler und seine Paladine terrorisierten von
hier aus ganz Europa. Geblieben sind ihre zahlreichen Bunker und einige
wenige Gebäude. Die „Topographie des Terrors“ in den Fundamenten der
ehemaligen Gestapo-Zentrale ist gegenwärtig einer der wenigen Ausstel-
lungsorte in Mitte, die über das nationalsozialistische Regime informieren.

1 organisatorisches Talent beim Bau der


Brandenburger Tor Reichsautobahn unter Beweis stellte.
q Carl Gotthard Langhans, 1791 Die 1938 eigens für die Errichtung des
p Pariser Platz, Karte C2  Unter den „Westwalls“ gegründete 3„Organisation
Linden Das Brandenburger Tor symboli- Todt“ war mit über einer Million Bau-
siert heute wie kein anderes Bauwerk arbeitern für die Realisierung zahlreicher
deutsche Geschichte. Die von Johann Bunker- und Sperranlagen zuständig.
Gottfried Schadow geschaffene Quadriga Im März 1940 erhielt Todt zusätzlich
wurde 1806 auf Befehl Napoleons als den Posten des „Reichsministers für
Kriegsbeute nach Paris gebracht. Dank Bewaffnung und Munition“. Nach dem
Feldmarschall Blücher, der zusammen vor Moskau gescheiterten Russlandfeld-
mit Wellington Napoleon bei Waterloo zug forderte er 1941 Hitler mehrfach
schlagen konnte, gelangte das Vierge- auf, den verlorenen Krieg zu beenden.
spann 1815 zurück nach Berlin. Nun Vergeblich.
erhielt der Kranz auf der Panierstange Am 8. Februar 1942 fiel er einem Flug-
der Siegesgöttin das von Karl Friedrich zeugabsturz zum Opfer, dessen Ursache
Schinkel entworfene Eiserne Kreuz und nie geklärt wurde. Sein Grab befindet
den preußischen Adler. Nach Hitlers sich heute auf dem 3Invalidenfriedhof.
Machtübernahme marschierten im Januar Das Ministerium wurde im Krieg zerstört,
1933 erstmals SA-Truppen durch das Tor. den vor allem im Inneren spektakulären
Es folgten 1937 Benito Mussolini und Neubau einer Bank entwarf der kaliforni-
nach den siegreichen Blitzkriegen gegen sche Avantgardearchitekt Frank O. Gehry.
Polen und Frankreich 1940 die Wehr-
macht. Fünf Jahre später triumphierten 3
die Alliierten und feierten hier zwischen Dienstsitz Generalbauinspektor
Ruinen das Ende des 2. Weltkrieges. für die Reichshauptstadt Berlin /
Seit 1961 lag das Brandenburger Tor Akademie der Künste
im Todesstreifen der Berliner Mauer, q Benisch & Partner, 2003 p Pariser
am 22. Dezember 1989 wurde es wie- Platz 2, Karte C3  Unter den Linden
der für die Öffentlichkeit freigegeben. Auf Anordnung von Adolf Hitler bezog
Albert Speer als „Generalbauinspektor
2 für die Reichshauptstadt Berlin“ (GBI)
Dienstsitz Generalinspektor für 1937 das Haus der Akademie der Künste.
das Straßenwesen / Dienstsitz Hitler konnte so jederzeit von der Reichs-
Reichsminister für Rüstung und kanzlei über die Ministergärten zu den
Kriegsproduktion / DZ Bank heute noch erhaltenen Atelierräumen
q Frank O. Gehry, 1999 p Pariser gelangen. In den folgenden Jahren kam
Platz 3, Karte C3  Unter den Linden er fast täglich, anhand einer 30 Meter
Bereits 1933 wurde der Ingenieur Fritz großen Modellstraße planten sie gemein-
Todt von Hitler zum „Generalinspektor sam ganze Nächte hindurch die monu-
für das Straßenwesen“ ernannt, der sein mentale Neugestaltung Berlins zur
4 Regierungsviertel
ZEITSTRAHL DEUTSCHER GESCHICHTE 1914–1990 1. September 1939
Überfall auf Polen, 1943
1914 Beginn des 1. Weltkrieges 30. Januar 1933 Beginn des
1918 Ende des 1. Weltkrieges Ernennung Hitlers 2. Weltkrieges
Novemberrevolution in Berlin. zum Reichskanzler
Kaiser Wilhelm II dankt ab 1. August 1936
XI. Olympische Spiele 1941 Angriff auf
die Sowjetunion
1929 Weltwirtschaftskrise
Zweites Reich Weimarer Republik „Drittes Reich“

1918 1933 19

zukünftigen 3Welthauptstadt Germania. Reichskanzler feierten. Liebermanns


Ab 1942 übernahm Speer sämtliche Bilder wurden später verboten. Durch
Ämter des verstorbenen Fritz Todt und seinen Tod 1935 blieb dem ehemaligen
beanspruchte auch das benachbarte Präsidenten der 3Akademie der Künste
Gebäude des Deutschen Straßenwesens. Schlimmeres erspart. Seine Frau entging
Im Jahr 1943 wurden seine Verwal- der Verschleppung in das KZ Theresien-
tungsapparate im Amt des „Ministers stadt nur durch Selbstmord. Liebermanns
für Rüstung und Kriegsproduktion“ Sommervilla (Am Großen Wannsee 42),
zusammengefasst. Bis 1950 war in dem die 1940 zwangsweise verkauft werden
stark zerstörten Gebäude die Deutsche musste, ist heute der Öffentlichkeit als
Akademie der Künste der DDR unter- Museum zugänglich.
gebracht. Erst in den neunziger Jahren
wurde rund um die alte Bausubstanz ein 6
Neubau errichtet. Reichstag
q Paul Wallot, 1894, Sir Norman
4 Foster, 1999 p Platz der Republik 1,
Hotel Adlon Karte C2  Unter den Linden
q Patzschke, Klotz & Partner, 1997 D Mo–So 8–22 Uhr Nach
p Unter den Linden 75–77, Karte C3 Gründung des Deutschen
 Unter den Linden Vor dem Krieg galt Reiches 1871 entstand ab
das Adlon weltweit als Legende unter den 1884 der Reichstag als
Luxushotels. Wer nach Berlin kam und repräsentatives Gebäude für
es sich leisten konnte, residierte hier. das Parlament. Der am
Auf Grund der alliierten Bombenangriffe 5. Dezember 1894 eingeweihte
verfügte das Hotel seit den vierziger Neubau, der Architekt und der
Jahren zusätzlich über einen luxuriös Parlamentarismus missfielen
ausgestatteten Bunker unter dem Pariser dem Kaiser, weshalb er das
Platz. Das Gebäude wurde im Endkampf Gebäude als „Gipfel der Ge-
um Berlin zum Lazarett umfunktioniert, schmacklosigkeit“ bezeichnete.
schwer beschädigt und die Ruine nach Knapp 20 Jahre dauerte es,
dem Krieg gesprengt. Nach dem Wieder- bis Wilhelm II. mitten im
aufbau wurde das Hotel 1997 eröffnet. 1. Weltkrieg seine Zustim-
mung gab, die Inschrift
5 „Dem Deutschen Volke“
Wohnhaus Max Liebermann anzubringen, „Satire“,
q Friedrich August Stüler, 1846 wie Kurt Tucholsky
p Pariser Platz 7, Karte C2  Unter bemerkte. Der Kaiser
den Linden „Ich kann jaa nicht so ville stellte zwei erbeutete
fressen, wie ick kotzen möchte“, so der französische Geschütz-
legendäre Ausspruch des Malers Max rohre aus den Befrei-
Liebermann, nachdem er von seinem ungskriegen
Balkon aus stundenlang SA-Truppen von 1813 zur
durch das Brandenburger Tor marschie- Verfügung, um
ren sah, die Hitlers Ernennung zum die von Peter
Regierungsviertel 5
13. August 1961
Schlacht um Stalingrad Bau der Berliner Mauer
8. Mai 1945 23. Mai 1949 Gründung der BRD 9. November 1989
Kriegsende 7. Oktober 1949 Gründung der DDR Fall der Mauer.
17. Juni 1953 Volksaufstand in Ost-Berlin & der DDR Beitritt der DDR zur
BRD am 3.10.1990
1948 sowjetische Blockade Berlins
BRD / DDR BRD
45 1989

Behrens entworfenen Lettern gießen zu 7


lassen. Seit dem nicht restlos aufgeklär- Sowjetisches Ehrenmal Tiergarten
ten Reichstagsbrand vom 28. Februar q Kerbel, Zigal, Sergijewski, 1945
1933 blieb das Gebäude weitgehend p Straße des 17. Juni, Karte B2
ungenutzt. Für die Rotarmisten stellte es  Unter den Linden Bereits am
dennoch das zentrale Symbol Hitler- 11. November 1945 wurde das erste
Deutschlands dar. Im Morgengrauen Sowjetische Ehrenmal in Berlin einge-
des 30. April 1945 begann der Angriff weiht und bewusst an der Stelle plat-
sowjetischer Truppen auf den von ziert, wo sich nach Speers Planungen
Resten der französischen Waffen-SS- die Nord-Süd- und die Ost-West-Achse
Division „Charlemagne“ zur Festung schneiden sollten. Für den von zwei
umgebauten Reichstag. Erst am Abend T34-Panzern eingesäumten Kolonnaden-
gelang der Durchbruch in das Innere gang, vor dem ein Rotarmist steht,
des Gebäudes. Um Mitternacht Moskauer verwendete man Granitquader aus der
Zeit konnte schließlich die rote Fahne 3Neuen Reichskanzlei. In dem Park
auf dem Dach gehisst werden. Während dahinter liegen 2.200 Soldaten begra-
vor dem Brandenburger Tor schon das ben, die beim Sturm auf den Reichstag
Ende des Krieges gefeiert wurde, ums Leben kamen. Unter dem Areal
kämpften in den Kellergewölben des wurden 1967 drei Straßentunnel aus der
Reichstages die Verteidiger, viele NS-Zeit, zwischen 60 und 220 Meter
nur noch mit Messern und Spaten lang, wiederentdeckt, die als Teil eines
bewaffnet, bis in die Mittags- kreuzungsfreien Tunnelsystems unter
stunden des 2. Mai 1945 weiter. dem geplanten Achsenkreuz vorgese-
Am 9. September 1948 versam- hen waren. Gegen Ende des Krieges
melten sich 300.000 Berliner hatten hier Rüstungsbetriebe bomben-
auf dem Platz der Republik vor sicher produziert und Tausende Men-
dem Gebäude, um ihren Protest schen Schutz vor den Luftangriffen
gegen die sowjetische Blockade gefunden.
Berlins auszudrücken. Die zerstörte
Glaskuppel wurde in den neunziger 8
Jahren nach Entwürfen des briti- Krolloper
schen Architekten Sir Norman q Langhans, Persicus, Knoblauch,
Foster in moderner Form wie- 1844 p Entlastungsstr., Karte B2
der hergestellt und ist der  Unter den Linden Die einst dem
Öffentlichkeit zugäng- Reichstag gegenüberliegende Oper
lich. Heute ist das diente den Abgeordneten nach dem
geschichtsträchtige Reichstagsbrand 1933 als Tagungsstätte.
Gebäude eines der Vor der Kulisse des Hakenkreuzes
wichtigsten Symbole erreichte am 24. März des gleichen
der deutschen Einheit Jahres die deutsche Parlaments-
und wird seit 1999 geschichte mit der Verabschiedung des
vom Deutschen Ermächtigungsgesetzes ihren Tiefpunkt.
Bundestag als Von nun an konnte Hitler ohne Zustim-
Parlament genutzt. mung von Reichstag oder Reichsrat
6 Regierungsviertel

Adolf Hitler 1889–1945 lassen. Dort verfasste er das Buch „Mein


Adolf Hitler wurde am 20. April 1889 als Sohn Kampf“, in dem er seine zentralen Ziele und
des Zollbeamten Alois Hitler und seiner Frau Überzeugungen festhielt. Nach stetigem
Clara in Braunau am Inn in Österreich gebo- Stimmenzuwachs wurde die NSDAP 1932
ren. Nach dem Tod seiner Eltern verließ er stärkste Fraktion im Reichstag und Hitler am
die Realschule ohne Abschluss und ging 1907 30. Januar 1933 zum Reichskanzler ernannt.

„Der Gehorsam reicht bis zum General,


dann beginnt die Verantwortung.“(Friedrich der Große)
nach Wien. Er bewarb sich zweimal vergeb- Mit Beginn des 2. Weltkrieges und den erfolg-
lich an der Akademie der Bildenden Künste, reichen Blitzkriegen konnte er die Militärs für
lebte von seinem Erbe, verkaufte selbst ge- seine Mission gewinnen und übernahm nach
malte Postkarten und wohnte bis 1913 in dem Angriff auf die Sowjetunion 1941 das
einem Obdachlosenheim. Die Lektüre von militärische Oberkommando. Auf dem Höhe-
antisemitischen Schriften prägte seine Welt- punkt seiner Macht standen deutsche Trup-
anschauung. Er entwickelte eine ausge- pen 1942 von Afrika bis zum Nordkap und
prägte Feindschaft gegen den Marxismus, vom Atlantik bis zu den kaukasischen Öl-
den Liberalismus und das Judentum. feldern. Kein anderer Herrscher seit Napo-
leon hatte mehr Raum in Europa erobert.
Zu Beginn des 1. Weltkrieges meldete er Doch von seinem Vorbild hatte Hitler nichts
sich 1914 freiwillig zum bayrischen Reserve- gelernt, die Erfolge blieben aus, und der
Infanterie-Regiment 16. Als Gefreiter erhielt Krieg kehrte schließlich an seinen Ur-
er das Eiserne Kreuz beider Klassen; er sprungsort zurück. Am 29. April 1945 er-
erblindete vorübergehend durch Giftgas. nannte er Großadmiral Karl Dönitz zu sei-
Die deutsche Kapitulation verstand er als nem Nachfolger. Am 30. April versuchte
„Dolchstoß von Juden und Kommunisten“ man im 3„Führerbunker“ ein letztes Mal
und beschloss 1918, Politiker zu werden. vergebens, Hitler zum Ausbruch aus Ber-
In einem Brief beschreibt er 1919 die lin zu bewegen, um ihn nach Japan,
„Entfernung der Juden überhaupt“ als sein Südamerika oder Arabien auszufliegen.
vordringliches Ziel. Nach Eintritt in die Gegen 15.30 Uhr nahm er sich schließ-
DAP, die sich 1920 in NSDAP umbe- lich zusammen mit seiner Frau Eva
nannte, entwickelte er sich für die Par- Braun das Leben. Sein letzter Zerstö-
tei zum unentbehrlichen Agitator und rungsbefehl war die Anweisung zur
wurde 1921 Vorsitzender mit diktato- Verbrennung seiner Leiche.
rischen Vollmachten. Nach dem ge-
scheiterten Putschversuch 1923 in Adolf Hitler bei der Besichtigung des
München wurde er 1924 zu fünf eroberten Paris im Juni 1940 am
Jahren Festungshaft verurteilt, Trocadero. Zu seiner Rechten die
aber bereits nach neun Mona- Architekten Albert Speer und
ten in Landsberg wieder ent- Hermann Giesler; zur Linken
Bildhauer Arno Breker.
Regierungsviertel 7

eigenmächtig Gesetze erlassen. Sechs schweizerischen Gesandtschaft hat als


Jahre später, am 1. September 1939, einziges im Spreebogen die Abrisse der
verkündete Hitler von hier aus mit Nationalsozialisten für die geplante
einer falschen Begründung den Ein- 3Große Halle und den Bombenhagel der
marsch deutscher Truppen in Polen: Alliierten überlebt. Den Sowjets diente

6 Sowjetische Graffiti 6 Reichstagsgebäude 6 Amerikanische Graffiti

„Polen hat heute Nacht zum ersten Mal das Haus noch als Leitstelle während
auf unserem eigenen Territorium auch be- ihres Sturmangriffs auf den Reichstag,
reits durch reguläre Soldaten geschossen! seit 1992 befindet sich hier wieder die
Seit 5.45 Uhr wird jetzt zurückgeschossen! Botschaft der Eidgenossen.
Und von jetzt ab wird Bombe mit Bombe
vergolten! Wer mit Gift kämpft, wird mit 10
Giftgas bekämpft ... Ein Wort habe ich nie Wilhelmstraße
kennen gelernt, es heißt Kapitulation!“ p Wilhelmstr., Karte C3  Mohren-
Am 22. September 1943 wurde die straße Seit Beginn des 19. Jahrhunderts
Oper bei Bombenangriffen zerstört. An war die nach König Friedrich Wilhelm I.
der Stelle befindet sich heute ein Park. benannte Straße das Herz des Regie-
rungsviertels. Hier befanden sich die
9 wichtigsten Ministerien Preußens, des
Botschaft der Schweizerischen Deutschen Reiches, die Botschaften der
Eidgenossenschaft europäischen Großmächte und ab 1933
q Friedrich Hitzig, 1870 p Otto-von- auch die Schaltstellen des nationalsozia-
Bismarck-Allee 4, Karte B2  Haupt- listischen Regimes. Adolf Hitler, Albert
bahnhof/Lehrter Bahnhof Dass Hitler in Speer, Hermann Göring, Joseph Goebbels,
den Deutschschweizern „Millionen Bürger Rudolf Heß, Heinrich Himmler, Reinhard
deutscher Nationalität“ sah, beunruhigte Heydrich: Alle hatten sie hier ihren
den seit 1940 gänzlich von Achsen- Amtssitz. Nach dem Krieg wurden fast
mächten eingeschlossenen neutralen sämtliche Gebäude in der vom End-
Staat zunehmend. Der nach Berlin kampf weitgehend zerstörten Wilhelm-
gesandte Botschafter Hans Frölicher riet straße abgetragen.
seiner Regierung, die Schweiz solle sich In den achtziger Jahren entstanden
Hitlers „Neuem Europa“ anschließen. ohne Rücksicht auf die historische
Dergleichen passierte zwar nicht, doch Struktur der Straße Plattenbauwohnungen,
deponierte man gerne das Gold der die aufgrund ihrer Nähe zur Mauer
deutschen 3Reichsbank in eidgenössi- vor allem SED-Mitgliedern vorbehalten
schen Tresoren und beschaffte dem waren. Der Wilhelmplatz mit seiner
„Dritten Reich“ die Devisen, mit denen 250-jährigen Geschichte wurde gänzlich
der Krieg verlängert werden konnte. Auch unkenntlich gemacht. Auf dem Gelände
die Tatsache, dass es sich hierbei um des einstigen Hotels Kaiserhof baute
Zahngold von ermordeten KZ-Insassen Nordkorea seine Botschaft. Die Tschecho-
und geraubte Bestände aus den besetz- slowakei errichtete auf dem Platz eine
ten Gebieten handelte, störte nicht. Vertretung aus Beton und verspiegeltem
Seit 1955 versucht die Schweiz, die Glas. Heute erinnern in der Wilhelm-
einstigen Besitzer allmählich ausfindig straße nur noch wenige wieder herge-
zu machen und das so genannte richtete Altbauten, die jetzt von Minis-
Nazigold an die Angehörigen der Opfer terien der Bundesregierung genutzt
zurückzugeben. Das Gebäude der werden, an das alte Regierungsviertel.
8 Regierungsviertel

Das Zentrum der Macht


11 Goebbels, unterstellt. Presse, Rundfunk,
Dienstsitz Stellvertreter des Literatur, bildende Kunst, Theater und
„Führers“ / Bundesministerium die Filmindustrie wurden fortan von dem
für Verbraucherschutz, Ernäh- Ministerium überwacht und gleichge-
rung und Landwirtschaft schaltet. Wer nicht einer Sparte der
q Carl Vohl 1903 p Wilhelmstr. 54, Reichskulturkammer angehörte, musste
Karte C3  Mohrenstraße In dem heute damit rechnen, seine Arbeit zu verlieren
noch erhaltenen Gebäude befand sich oder gar in ein Konzentrationslager ge-
ursprünglich das persönliche Regierungs- sperrt zu werden. Die wachsende Zahl
büro des preußischen Königs und deut- der Mitarbeiter erforderte 1936 einen
schen Kaisers. Nach der Machtübernahme rückwärtigen Anbau, der heute noch

12 Propagandaministerium 13 Alte Reichskanzlei, 1930 11 ehem. Dienstsitz von Heß

Hitlers errichtete die NSDAP hier das weitgehend erhalten ist. Nach Entfernung
„Büro Ribbentrop“ und den „Verbindungs- der nationalsozialistischen Hoheitssym-
stab der NSDAP“, die dem „Stellvertreter bole befand sich in diesem Gebäude
des Führers”, Rudolf Heß, unterstellt unter anderem der Sitz des Nationalrats
waren. Heß überprüfte in seiner Funktion der Nationalen Front der DDR. Heute
alle Verordnungen, Gesetze und Beför- beherbergt das Haus das Bundesminis-
derungen von Beamten auf Übereinstim- terium für Wirtschaft und Arbeit.
mung mit der NS-Ideologie. Nachdem er
1941 nach England geflogen war, um 13
Friedensverhandlungen zu sondieren, Alte Reichskanzlei
wurden die Dienststellen Martin Bormann q C. F. Richter, 1739, E. J. Siedler, 1930
unterstellt. Heß wurde 1946 in Nürnberg p Wilhelmstr. 77, Karte C3  Mohren-
zu lebenslager Haft verurteilt und verüb- straße „Keine Macht der Welt wird mich
te 1987 im 3Kriegsverbrechergefängnis jemals wieder lebend hier rausbringen“,
Spandau Selbstmord. Bormanns Leichnam lauteten Hitlers Worte beim Einzug
wurde 1972 am Lehrter Bahnhof gefun- 1933. In dem Gebäude befand sich seit
den, er hatte nach der Flucht aus dem 1878 die Reichskanzlei. Von 1934 bis
3„Führerbunker“ hier zusammen mit 1939 waren hier die Wohn- und Arbeits-
Hitlers Leibarzt Ludwig Stumpfegger am räume von Adolf Hitler. Zuvor hatten
2. Mai 1945 Selbstmord begangen. unter anderem Otto Fürst von Bismarck
und Friedrich Ebert in den Räumen
12 gewirkt. Im Garten entstand 1935 ein
Reichsministerium für Propa- Saalbau für Veranstaltungen mit einem
ganda und Volksaufklärung / darunter liegenden Bunker. Dieser wurde
Bundesministerium für Gesund- im Jahr 1944 erweitert und ging als
heit und Soziale Sicherung 3„Führerbunker“ in die Geschichte ein.
q Karl Reichle, 1936 p Wilhelmstr. 49 / Die Trümmer der Reichskanzlei wurden
Mauerstr. 45–53, Karte D3  Mohren- 1949 restlos abgetragen. Heute führt
straße Am 13. März 1933 wurde das die Straße An der Kolonnade durch
Reichsministerium für Propaganda und das Grundstück. Nur einige Schautafeln
Volksaufklärung gegründet und dem erinnern daran, dass dies einmal das
Gauleiter der NSDAP Berlin, Joseph politische Zentrum Deutschlands war.
Regierungsviertel 9

DIE WILHELMSTRASSE 1943


Wohnhaus Botschaft
Liebermann Frankreichs
RM für Wissenschaft,
Brandenburger 5 Erziehung & Volksbildung
IG
Tor 1 Pariser Farben Reichsinnenministerium
Platz
Hotel Adlon
Botschaft 4 Unter de
n Linden
der USA 2
Hermann

3 Botschaft
GB
GBI Speer Botschaft der
- Göring -

Stadtvilla
Sowjetunion
Goebbels 45 Behrenstr.
Str.

RM Ernährung &
Landwirtschaft
Reichspräsi- 10
Generalinspektor für das dentenpalais Reichsjustizministerium
Straßenwesen / RM für
Rüstung & Kriegsproduktion Wilhelmstr. Preußischer Staatsrat
Auswärtiges Amt
Stellvertreter des „Führers“
11
„Führerbunker“ 15 RM für Propganda
und Volksaufklärung
Alte Reichskanzlei 13

Mauerstr.
12
14
Wilhelm-
Neue Reichskanzlei
Kanzlei des „Führers“
Voßstr. 16 Ziethenplatz

platz
Reichsverkehrsministerium Hotel Kaiserhof
Reichsfinanz-
Leipziger ministerium
Str.

Reichsluftfahrt-
ministerium
Haus der Flieger
17
Wilhelmstr.

Privatkanzlei Reichspost-
des „Führers“ ministerium
18

Prinz -Alb
re cht- Str.
19
20 Zimmerstr
.
Zentrale der Gestapo
Reichsführer SS
21
Reichssicherheitshauptamt N
p

„Angriff“-Haus 22
10 Regierungsviertel

14 Neue Reichskanzlei, Voßstraße

14 Ehrenhof mit Statuen von Breker 14 Leibstandarte vor dem Eingangsportal

14 Hitlers Arbeitssaal

14 Marmorgalerie 15 Freigelegte Fundamente am „Führerbunker“


Regierungsviertel 11

Die Neue Reichskanzlei


14 1.400.000 Reichsmark der „Führerbunker“.
Neue Reichskanzlei Er hatte eine Sohlentiefe von 12 Metern
q Albert Speer, 1939 p Voßstr. 4–6, und etwa 4 Meter starke Seiten- und
Karte C3  Mohrenstraße Albert Speer Deckenwände. Bestimmt war die letzte
erhielt 1938 den Auftrag für den Bau Befehlszentrale des „Dritten Reiches“
der Neuen Reichskanzlei. Nach nur als Arbeits- und Aufenthaltsort für Adolf
12 Monaten Bauzeit war am 3. Januar Hitler und sein unmittelbares Gefolge.
1939 Schlüsselübergabe. Der Neubau Für den persönlichen Schutz Hitlers
entspreche dem Zuwachs an Macht und war das „Führerbegleitkommando“ des
Größe Deutschlands, so die national- 250 Mann umfassenden Reichssicher-
sozialistische Propaganda. Der Grundriss heitsdienstes unter SS-General Johann
des 421 Meter langen Gebäudes war so Rattenhuber verantwortlich. Die letzten
konzipiert, dass die Distanz zum „Führer“ Tage in den engen und feuchten Räu-
möglichst groß und gebührend ein- men des Bunkers waren geprägt von
schüchternd erschien. Der Gast musste Weltuntergangsstimmung. Im Angesicht
eine 300 Meter lange Raumfolge über- der unabwendbaren Niederlage bereitete
winden („Diplomatenweg“), in dessen sich Hitler schließlich am 30. April 1945
Mittelpunkt eine 146 Meter lange Mar- auf sein Ableben vor. Abermals beschwor
morgalerie – doppelt so lang wie der er eindringlich seine treuesten Begleiter,
Spiegelsaal in Versailles – stand. Das unbedingt alles für die Verbrennung sei-
400 Quadratmeter große Arbeitszimmer ner Leiche zu unternehmen. Auf keinen
Hitlers war vollständig mit Marmor ver- Fall wollte er lebendig oder tot der
kleidet und hatte mit einer Höhe von Roten Armee in die Hände fallen, um
10 Metern gewaltige Ausmaße. Zu dem dann in Moskau als Trophäe ausgestellt
Komplex gehörten ferner zwei Ehrenhöfe zu werden. Gegen 15.30 Uhr nahm sich
mit Statuen von Arno Breker, ein Ge- Hitler zusammen mit der kurz zuvor
wächshaus im Garten und zwei Wohn- noch geehelichten Eva Braun durch die
häuser des Reichssicherheitsdienstes. gleichzeitige Einnahme einer Zyankali-
Nach Ende des Krieges sollte nichts kapsel und einen Schuss in den Kopf
mehr im zerstörten Regierungsviertel an das Leben. Im Garten der Reichskanzlei
das NS-Regime erinnern. So erging am wurden die Leichen mit Benzin übergos-
13. Oktober 1948 ein sowjetischer sen und verbrannt. Nach der Ermordung
Befehl, sämtliche Gebäude ihrer sechs Kinder erschoss
in der Voßstraße und am sich am 1. Mai
Wilhelmplatz niederzulegen. auch das
Die Granitblöcke und der
Marmor der Neuen
Reichskanzlei wurden für
den Bau 3sowjetischer
Ehrenmale und den
3U-Bahnhof Mohrenstraße verwendet. „Die Partei“: überlebens-
große Skulptur von Arno
15 Breker für den Ehrenhof
„Führerbunker“ der Neuen Reichskanzlei.
q Carl Piepenburg, 1944 p Voßstr. 4–6,
Karte C3  Mohrenstraße Im Jahr 1935
wurde ein Luftschutzbunker für 150
Personen unter dem Saalbau der
3Alten Reichskanzlei errichtet. Dieser
wurde 1944 zum Vorbunker umgestaltet,
und etwas tiefer entstand für etwa
12 Regierungsviertel

Der „Führerbunker“
„FÜHRERBUNKER“ 17 Abluftturm an die Oberfläche
1 Adolf Hitlers Schlafraum 18 Aufenthaltsraum Reichssicherheitsdienst,
2 Adolf Hitlers Wohnraum Führerbegleitkommando, „Hundebunker“
3 Adolf Hitlers und Eva Brauns und Zugang zum Beobachtungsturm
Bad, Toilette und Ankleideraum 19 Reichssicherheitsdienst
4 Allgemeine Toiletten und Waschraum 20 Gasschleuse
5 Eva Brauns Schlaf- und Wohnraum 21 Ausgang zum Garten der Reichskanzlei
6 Adolf Hitlers Arbeitsraum 22 Reichssicherheitsdienst, Gasschleuse
7 Lage- und Konferenzraum und Treppe zum höher gelegenen
8 Warteraum für Konferenzteilnehmer Vorbunker
9 Vorraum und Flur
10 Generatoren und Luftfiltermaschinen
11 Martin Bormanns Arbeitsraum
12 Joseph Goebbels’ Arbeitsraum

n
13 Joseph Goebbels’ Schlafraum
14 Ludwig Stumpfeggers Schlafraum
15 Ludwig Stumpfeggers Arztraum
16 Telefonzentrale und Fernschreiber

10
28 m 16

15 11
9

14 12

5
21 13
n

8
6

20 7 2
19
1
n

18
3,5 m
n

18
17

Die Leichen von Hitler und Eva Braun


wurden in einem Bombentrichter vor dem
Ausgang des „Führerbunkers“ von Hitlers Adjudant
Otto Günsche und Hitlers Kammerdiener Heinz Linge
mit etwa 10 Kanistern Benzin übergossen und verbrannt.
Regierungsviertel 13

p
38

37
28
26 36

27 37
25
29
30 39
25 25
30
31
25 24

33 32
23

35 34

22 35

4 VORBUNKER
23 Alte Gasschleuse
4 24 Vorraum
25 Wohn- und Schlafräume von
3 Magda Goebbels und Kindern
26 Schlafraum Bedienstete
3
27 Aufenthaltsraum
Reichssicherheitsdienst
28 Generatoren und Luftfiltermaschinen
29 Kantine
30 Toiletten und Waschraum
31 Küche von Hitlers Diätköchin
Constanze Manziarly
32 Vorratsraum
33 Aufenthaltsraum
34 Tresorraum
35 Schlafräume
36 Reichssicherheitsdienst
37 Gasschleusen
38 Notausgang zum Garten des
Auswärtigen Amtes
39 Haupteingang und Tunnel zum Bunker-
system der Neuen Reichskanzlei
14 Regierungsviertel

DIE REICHSKANZLEI 1944


tz
Wilhelmpla 5 U
N
p
r.
Wilhelmst
„Diplomatenweg“
300 m lang p

Auswärtiges Amt 4
Alte Reichskanzlei
6
3

2
Neue
Notausgang i Reichskanzlei
1
Garten des f Abluftturm
7
Auswärtigen Amtes g Ausgang

8
6

Garten der
18
Voßstr.
Reichskanzlei 10 9

11
17

15 16
12
15
14
13
14
Herman
n - Görin
g - Str.

1 „Führerbunker“
2 Vorbunker
3 Vorratsraum 9 Marmorgalerie
4 Ehrenhof 10 Hitlers Arbeitsraum
5 U-Bahnhof Kaiserhof 11 Reichskabinettsaal
(heute Mohrenstraße) 12 Administrationsflügel
6 Lazarett & Bunkerquartiere von Martin 13 Garagenbunker
Bormann, Generalstabschef Hans Krebs, 14 Wohnhäuser des Reichssicherheitsdienstes
General Burgdorf, Hitlers Pilot General 15 Kelleranlagen
Hans Baur, Adjudanten, Funker u.v.a. 16 Fahrerbunker (heute noch erhalten)
7 Mosaiksaal 17 Zufahrtsrampe zu den Werkstätten
8 Runder Saal 18 Gewächshaus
Regierungsviertel 15

nun führerlose Ehepaar Goebbels. Ihre an. Ihnen folgten in weiteren Gruppen
verkohlten Überreste wurden später stolz Johann Rattenhuber, Martin Bormann,
von den Sowjets präsentiert. Von Hitlers Hitlers Chefpilot Hans Baur, der Chauffeur
Leiche blieben nur einige Gebiss- und Erich Kempa, Hitlers Kammerdiener
Knochenteile übrig. Der andauernde Heinz Linge und an die hundert
Granatbeschuss des Gartengeländes Insassen der Reichskanzleibunker.
hatte die verscharrten Reste weitgehend Der Plan, nach Norddeutschland aus-
unkenntlich gemacht. zubrechen, gelang nur wenigen.

15 Fahrerbunker, 1990 14 Hitlers Marmor im Mosaiksaal ... 16 ... und heute im Untergrund

Im Jahr 1947 erfolgten erste Abbruch- Viele kamen in den Häuserkämpfen um


versuche der Sowjets am Vorbunker. oder gerieten in sowjetische Gefangen-
1988 ließ die DDR im Zuge der schaft. Im Krieg fast völlig zerstört,
Neubebauung des Geländes die Decke wurde der U-Bahnhof unter dem Namen
des Hauptbunkers mühsam zertrüm- Thälmannplatz 1950 wiedereröffnet.
mern. Erhalten geblieben sind die Bei der Neugestaltung verwendete man
Bodenplatten und Reste der Seitenwände. den roten Marmor aus dem Mosaiksaal
1990 fand man an der Ebertstraße der 3Neuen Reichskanzlei.
den 8 mal 30 Meter großen Fahrer-
bunker der Fahrbereitschaft von Hitler, 17
an den Wänden acht naive SS-Male- Reichsluftfahrtministerium /
reien. Aus Furcht, der düstere Ort könnte Bundesministerium der Finanzen
zu einer Wallfahrtstätte für Neonazis q Ernst Sagebiel, 1936 p Wilhelmstr. 97,
werden, entschloss sich die Stadt Berlin, Karte C4  Potsdamer Platz
die Räume wieder zu verschließen. Das nach einer Bauzeit von zwei Jahren
fertig gestellte Regierungsgebäude war
16 seinerzeit mit 2.000 Zimmern das größte
U-Bahnhof Kaiserhof / Berlins. Dem Reichsluftfahrtministerium
U-Bahnhof Mohrenstraße entsprechend wurden die Treppegelän-
q Alfred Grenader, 1950 p Mohren- der im Inneren aus Flugzeugaluminium
str., Karte D3  Mohrenstraße gefertigt und die Raumleuchten im
Die U-Bahnstation hieß ursprünglich Ausgangsfoyer zur Leipziger Straße
Kaiserhof, benannt nach dem Hotel am Flakscheinwerfern nachempfunden. Vom
Wilhelmplatz, in dem Adolf Hitler und kleinen Festsaal aus befehligte Hermann
Joseph Goebbels mit der NSDAP seit Göring die deutsche Luftwaffe und ver-
September 1930 Hauptquartier bezogen sprach der Bevölkerung: „Ich will nicht
hatten. In den letzten Stunden des Hermann Göring, sondern Hermann Meyer
Krieges flohen am 1. Mai 1945 kurz vor heißen, wenn jemals ein feindliches
Mitternacht etwa zehn Gruppen aus dem Flugzeug die deutschen Reichsgrenzen
3„Führerbunker“ über den Tunnel die- überfliegt.“ Das Ministerium wurde im
ser U-Bahn-Station Richtung Bahnhof Verlauf des Krieges nur einmal von
Friedrichstraße. Wilhelm Mohnke, Bomben getroffen, die umliegenden
SS-General der „Leibstandarte“ und Gebäude dagegen fast alle völlig zerstört.
Kampfkommandant des Verteidigungs- Zu DDR-Zeiten waren hier verschiedene
bereichs „Zitadelle“ führte als Ministerien untergebracht. Heute be-
Organisator des Ausbruchversuchs die herbergt das weitestgehend im Original-
erste Gruppe um SS-Hauptsturmführer zustand wieder hergestellte Haus das
Otto Günsche und Hitlers Sekretärinnen Bundesministerium der Finanzen.
16 Regierungsviertel

18 der rücksichtslosen Schaffung eines


Haus der Flieger / „reinrassigen“ Deutschland, der Eroberung
Abgeordnetenhaus von Berlin von „Lebensraum“ und der „volkstums-
q Friedrich Schulze, 1892 p Nieder- politischen Neuordung“ Europas. Die
kirchnerstr. 5, Karte C4  Pots- Ruine des Gebäudes wurde nach dem
damer Platz Bis zur Ernennung Hitlers Krieg abgetragen.
zum Reichskanzler tagte hier der preu-
ßische Landtag. Er wurde am 18. Mai 21
1933 aufgelöst. 1939 ließ Hermann Reichssicherheitshauptamt /
Göring das Gebäude zum Haus der „Topographie des Terrors“
Flieger umbauen und verband es mit q Friedrich Schinkel, 1833 p Wilhelm-
dem 3Reichsluftfahrtministerium. Seit str. 102, Karte D4  Potsdamer Platz
1993 beherbergt dieses Gebäude Seit 1934 war im Prinz-Albrecht-
das Berliner Abgeordnetenhaus. Palais der Dienstsitz von
Reinhard Heydrich als Chef
Rechts: Dienstmarke der des Sicherheitsdienstes
preußischen Kriminalpolizei (SD) des Reichsführers SS.
Im Jahr 1939 unterstellte
19 ihm Heinrich Himmler das
Zentrale der Gestapo / Reichssicherheitshauptamt
„Topographie des Ter- (RSHA), in dem nahezu alle
rors“ Exekutivorgane des „Dritten
q 1905 p Niederkirchnerstr. 8, Reiches“ zusammengefasst waren.
Karte C4  Potsdamer Platz Im Jahr Letzter Chef des RSHA war bis 1945
1933 richtete Innenminister Hermann Ernst Kaltenbrunner.
Göring hier den Hauptsitz der Geheimen
Staatspolizei ein. Unter der Führung von 22
Heinrich Himmler und Reinhard Heydrich „Angriff“-Haus /
wurde die Gestapo zu einem Terror- „Topographie des Terrors“
instrument gegen politische Gegner und p Wilhelmstr. 106, Karte D4  Pots-
die jüdische Bevölkerung. Das Gebäude damer Platz Das 1927 von Joseph
wurde im Krieg zerstört, in den Keller- Goebbels gegründete Propagandablatt
resten und Zellenböden des berüchtigten „Der Angriff“ zog 1932 von der NSDAP-
„Hausgefängnisses“ befindet sich heute Gaugeschäftsstelle Berlin in der Hede-
die Ausstellung 3„Topographie des mannstraße 10 in die Wilhelmstraße.
Terrors“. Nach 2005 soll hier ein um- Goebbels nutzte die Tageszeitung unter
fassendes NS-Dokumentationszentrum anderem zu Hetzjagden auf politische
entstehen. Gegner der Nationalsozialisten. Die
berüchtigte „Isidor“-Kampagne richtete
20 sich gegen den jüdischen Berliner Vize-
Dienstsitz Reichsführer SS / polizeipräsidenten Weiß und bewirkte
„Topographie des Terrors“ dessen Flucht aus Deutschland.
q Wesenberg, 1788 p Niederkirch- Ab 1934 war „Der Angriff“ dann in der
nerstr. 9, Karte D4  Potsdamer Zimmerstraße 68–91 ansässig. Die letz-
Platz Als Hotel Vier Jahreszeiten erbaut te Ausgabe erschien am 24. April 1945
und später in Hotel Prinz Albrecht um- in einer Auflage von 300.000 Stück.
benannt, wurde das Gebäude schon früh Das „Angriff“-Haus wurde nach dem
von Hitler und Goebbels für Versamm- Umzug kurzzeitig von der SA und später
lungen genutzt. Ab 1934 war hier der von der SS genutzt. Die in den Bürger-
Dienstsitz von Heinrich Himmler als steig eingelassene Auffahrt zum ehema-
Reichsführer SS, und die Prinz-Albrecht- ligen Hinterhof und eine Schautafel der
Straße wurde zum Inbegriff des Nazi- Stiftung „Topographie des Terrors“ sind
terrors in Berlin. Von seinem Schreib- heute die letzten Spuren des im Krieg
tisch aus beschäftigte sich Himmler mit zerstörten Gebäudes.
Regierungsviertel 17

„Topographie des Terrors“


Auf dem „Prinz-Albrecht-Gelände“ befand kämpfer in Prag ein Attentat auf Heydrich,
sich zwischen 1933 und 1945 die Komman- dessen Verletzungen er wenig später erlag.
dozentrale, von der aus das NS-Regime den Das Regime bedauerte den Tod des Mannes,
Terror in Europa organisierte. Zusammenge- der sein Talent zum Terror bewiesen und für
fasst im 3Reichssicherheitshauptamt waren viele wohl als geeigneter Nachfolger Hitlers
hier die 3Zentrale der Gestapo, der gegolten hatte.
Hinterlandmauer
18 17 Todesstreifen
23
Niederkirchnerstr. Zimmerstr.
Wilhelms Vorderlandmauer
20
19
tr.

21
„Topographie
des Terrors“ Kochstr.
22
20 Ausstellungsgelände
3Dienstsitz des Reichsführers SS Heinrich Die Gestapo
Himmler und das Büro des Chefs der Sicher- Seit dem 16. April 1933 gab es in allen
heitspolizei und des SD, Reinhard Heydrich. Ländern des Deutschen Reiches eine von
Heute informiert die Ausstellung „Topogra- Hermann Göring geschaffene Geheime
phie des Terrors“ an diesem authentischen Staatspolizei. Unter Heydrich entwickelte sie
Ort eindringlich über Verfolgung und Ermor- sich ab 1934 zu einer „Gesinnungspolizei“,
dung von Menschen in ganz Europa. die systematisch politische Gegner des NS-
Regimes bekämpfte. So genannte Arbeits-
Reinhard Heydrich 1904–1942 scheue, Asoziale und vor allem Kommunisten
Der radikale Antisemit Heydrich war die und Sozialdemokraten wurden in „Schutzhaft“
Schlüsselfigur bei der rücksichtslosen Ver- genommen, gefoltert und oft in Konzentra-
treibung und Vernichtung der Juden in Europa. tionslager gesperrt. Das Überwachungs-
Die gesamte Exekutive war als Leiter des system der etwa 32.000 Gestapobeamten
RSHA in seiner Hand: Kriminalpolizei, Sicher- funktionierte hauptsächlich durch
heitsdienst und Gestapo. Er war praktisch Denunziantentum und Spitzel
Herr über Leben und Tod. Nach einer ge- in der Bevölkerung.
scheiterten Karriere bei der Marine hatte sich Die Angst vor Verrat
der junge Heydrich bei Himmler beworben, der durch den Nachbarn war
gerade mit der Schaffung eines SS-Geheim- allgegenwärtig.
dienstes beschäftigt war. In der Folgezeit
bildete das Duo eine fatale Kombination aus Der Judenstern
rassistischem Säuberungswahn und eis- Der gelbe Judenstern war laut
kaltem Sinn für Macht. Nach dem Überfall Polizeianordnung vom 1. September 1941
auf die Sowjetunion mordeten ihre Einsatz- „sichtbar auf der linken Brust-
gruppen Hunderttausende hinter der Front. seite des Kleidungsstückes fest
Ausgestattet mit einem Ermächtigungs- aufgenäht zu tragen“. Damit
schreiben zur Durchführung der knüpfte das NS-Regime an
„Endlösung der Judenfrage“, plante die mittelalterliche Kennzeich-
Heydrich die Ermordung von nungspflicht von Juden an.
11 Millionen europäischen
Juden. Am 27. Mai 1942 RSHA-Chef Reinhard
verübten tschechi- Heydrich an seinem
sche Widerstands- Schreibtisch
18 Regierungsviertel

23 Gedenktafel am Clou

26 Liebknecht-Gedenkstein im Hof des Lapidariums 17 Ehrenhof des Reichsluftfahrtministeriums

26 Sklupturen der Siegesallee im Lapidarium

31 „Wunden der Erinnerung“

20 „Topographie des Terrors“ mit Berliner Mauer 17 Wandbild aus DDR-Zeiten


Regierungsviertel 19

23 zerstörte ein schwerer Luftangriff das


Ball- und Konzerthaus Clou Gebäude weitgehend. Ein halbes Jahr
q Hermann Blankenstein, 1886 nach Kriegsende konnten Teile des Bahn-
p Zimmerstr. 68–91, Karte D4 hofes wieder in Betrieb genommen wer-
 Kochstraße Schon früh wurde das den. Trotz massiver Proteste aus der
Tanzlokal von den Nationalsozialisten für Bevölkerung wurden die Überreste des
Versammlungen genutzt. Am 1. Mai 1933 oberirdischen Bauwerkes 1959 gesprengt.
trat Adolf Hitler hier das erste Mal auf Nur ein Fragment des Portals blieb als
einer Großveranstaltung in Berlin auf. Im Mahnmal erhalten.
Vorder- und Seitenhaus befand sich die In dem benachbarten Hochbunker in der
Druckerei für die nationalsozialistischen Schöneberger Straße fanden das Reichs-
Propagandablätter „Völkischer Beobachter“, bahnpersonal und bis zu 12.000 Men-
„Schwarzes Korps“ und „Der Angriff“. Die schen Schutz vor Bombenangriffen.
Kellerräume wurden von der Gestapo für Neben einer Ausstellung zur Geschichte
Verhöre genutzt. Im Verlauf der „Fabrik- des Bunkers befindet sich hier heute ein
Aktion“ funktionierte man das Ballhaus Gruselkabinett.
zu einem Sammellager für Hunderte
jüdischer Zwangsarbeiter um. Nach dem 26
Krieg war der direkt an der Mauer lie- Pumpwerk / Lapidarium
gende Gebäudekomplex Sperrgebiet und q James Hobrecht, 1873 p Halle-
wurde von NVA-Soldaten als Wach- und sches Ufer 78, Karte C4  Mendels-
Wärmestube genutzt. sohn-Bartholdy-Park D Mo–Do, Sa–So
10–18 Uhr In dem Gebäude eines still-
24 gelegten Pumpwerkes werden seit 1978
„Organisation Todt“ / Landes- die Skulpturen der Siegesallee aus dem
arbeitsamt Berlin-Brandenburg Tiergarten bis auf weiteres aufbewahrt.
q Hans Fritzsche, 1941pFriedrichstr. 34– Die Alliierten hatten die Figuren nach
37a, Karte D4  Kochstraße Aus Mangel dem Krieg demontiert und am Schloss
an Baumaterial, das für den Westwall Bellevue vergraben. Heute kann man
benötigt wurde, stand das als Gau- Otto den Faulen, Heinrich das Kind, den
arbeitsamt geplante Gebäude bis 1939 Alten Fritz und andere der steinernen
nur als Rohbau. In seiner Funktion als Herrschaften im Lapidarium besichtigen.
„Minister für Bewaffnung und Munition“
trat Fritz Todt mit seiner „Organisation 27
Todt“ dann an die Arbeitsverwaltung Wohnhaus Mies van der Rohe
heran, um das Haus binnen kürzester p Am Karlsbad 24, Karte B4  Pots-
Zeit fertig zu stellen. Die Leitung der damer Platz Ludwig Mies van der Rohe
Organisation übernahm nach Todts kam 1905 zum Architekturstudium nach
Flugzeugabsturz 1942 Albert Speer. Berlin. In den zwanziger Jahren entwarf
Ein gewaltiger Reichsadler thront noch er Pläne für ein gläsernes Hochhaus
heute auf dem Mittelrisalit des Verwal- an der Friedrichstraße und erhielt den
tungsgebäudes. Auftrag für eine Wohnanlage an der
Afrikanischen Straße 15–41. Das von Mies
25 geleitete 3Bauhaus Berlin wurde 1933
Anhalter Bahnhof & Hochbunker von den Nationalsozialisten aufgelöst.
q Franz Schwechten, 1880 p Aska- Im Jahr 1937 emigrierte er nach Chi-
nischer Platz 6–7, Karte C4  Anhal- cago. Nach seinen Plänen entstand
ter Bahnhof D Mo, Di, Do, So 10–19, 1968 die Neue Nationalgalerie in Berlin.
Fr 10–20, Sa 12–20 Uhr Die Halle des Bauhausgründer Walter Gropius entwarf
einst größten europäischen Kopfbahn- 1964, ursprünglich für einen Standort in
hofes war 170 Meter lang, 62 Meter Darmstadt, das Bauhaus-Archiv in der
breit, 34 Meter hoch und von einer Klingelhöferstraße 14. Heute finden hier
gewagten Dachkonstruktion aus Glas wechselnde Dokumentationen und
und Stahl überwölbt. Am 3. Februar 1945 Ausstellungen statt.
20 Regierungsviertel

Der deutsche Widerstand


Donnerstag, 20. Juli 1944
7.00 Uhr: Stauffenberg fliegt mit seinem
Adjutanten Werner von Haeften von Berlin zu
Hitlers „Wolfsschanze“ in Ostpreußen bei Ras-
tenburg. 12.30 Uhr: Stauffenberg gelingt es
nur, einen der beiden Sprengsätze scharf zu
machen. 12.37 Uhr: Er betritt den Bespre-
chungsraum und platziert die Tasche mit
dem Sprengstoff unter dem Kartentisch in
der Nähe von Hitler. Unter einem Vorwand
verlässt er den Raum, die Tasche wird umge-
stellt. 12.42 Uhr: Die Sprengladung detoniert.
Von den 24 Personen im Raum sterben vier.
Hitler überlebt leicht verletzt. 12.50 Uhr:
Stauffenberg verlässt die „Wolfsschanze“ mit
Claus Schenk Graf von der Überzeugung Hitler getötet zu haben in
Stauffenberg 1907–1944 Richtung Berlin. 15.50 Uhr: Friedrich Olbricht
Als Oberleutnant in einer Panzerdivision nahm löst den „Walküre“-Alarm aus. 17.00 Uhr:
Stauffenberg zu Beginn des 2. Weltkrieges Goebbels lässt über Rundfunk Hitlers Überle-
am Polen- und Frankreichfeldzug teil. Ange- ben verkünden. 19.00 Uhr: Der Staatsstreich
sichts der deutschen Massenmorde an der wird niedergeschlagen. 22.30 Uhr: Stauffen-
jüdischen Bevölkerung distanzierte er sich berg, Olbricht, von Quirnheim, von Haeften
zunehmend vom Nationalsozialismus und und Ludwig Beck werden verhaftet und noch
schloss sich 1942 dem militärischen Wider- in derselben Nacht wegen Hoch- und Landes-
stand um Generaloberst Ludwig Beck und verrats standrechtlich erschossen.
General Friedrich Olbricht an.
Sie planten den Sturz des NS-Regimes und Ziviler Widerstand
die Wiederherstellung der Verfassung von vor Nach Hitlers Machtübernahme bildete sich
1933, lehnten jedoch die parlamentarische ein sehr uneinheitlicher Widerstand. Kommu-
Demokratie ab. Stauffenberg und Olbricht nisten agierten aus dem Untergrund, Sozial-
koordinierten gemeinsam die Attentatspläne demokraten wirkten mit Gewerkschaften zu-
auf Hitler und erarbeiteten den Operationsplan sammen, evangelische Kräfte sammelten sich
„Walküre“, der eigentlich zur Niederschlagung in der „Bekennenden Kirche“, Vertreter des
innerer Unruhen gedacht war. Adels und des Bürgertums fanden sich im
Olbricht wurde 1943 Leiter des Wehrersatz- „Kreisauer Kreis“ zusammen. Zu den bekann-
amtes beim Oberkommando der Wehrmacht, testen Gruppen zählten die Studenten der
und es gelang ihm, Mitverschwörer wie „Weißen Rose“ und die „Rote Kapelle“ mit
Stauffenberg und Merz von Quirnheim in Mitgliedern unterschiedlicher Herkunft. Die
wichtigen Positionen des Oberkommandos Widerstandsaktionen reichten vom Verstecken
einzusetzen. Hitler, Himmler und Göring soll- jüdischer Mitbürger über das Verteilen von
ten gemeinsam bei einem Attentat beseitigt Flugblättern bis hin zu Sabotageaktionen und
werden. der Nachrichtenübermittlung an die Alliierten.

30 Die Gedenkstätte Deutscher Widerstand 30 Bronzestatue im Hof des Bendlerblocks


Regierungsviertel 21

28 Treblinka. Dem Euthanasieprogramm


Volksgerichtshof fielen fast 200.000 Menschen zum Opfer.
q Adolf Lohse, 1865 p Bellevuestr. 15, Nach schweren Kriegsschäden wurden
Karte B3  Potsdamer Platz die Gebäude 1950 abgetragen. Heute
Von August 1934 bis zum Kriegsende steht ein Mahnmal an dieser Stelle.
wurden im Volksgerichtshof von 5.200
Angeklagten 4.951 Menschen zum Tode 30
verurteilt. Unter anderem wegen „Wehr- Reichskriegsministerium /
kraftzersetzung“, „Witzen“ oder „Zweifel Bundesministerium der Verteidi-
am Endsieg“. Die Verhandlungen gegen gung & Gedenkstätte Deutscher
die Widerstandskämpfer des 20. Juli Widerstand
fanden 1944 in den Räumen des Ber- q Reinhardt & Süßenguth, 1914,
liner Kammergerichts am Heinrich-von- Krupp & Druckenmüller, 1938
Kleist-Park in Schöneberg statt. Hitler p Stauffenbergstr. 13–14, Karte A4
hatte sein Urteil allerdings schon gefällt  Potsdamer Platz D Mo–Mi,
und forderte gnadenlose Rache: „Ich Fr 9–18, Do 9–20, Sa, So 10–18 Uhr
will, dass sie gehängt werden, aufgehängt Von diesem Ort aus oragnisierte die
wie Schlachtvieh.“ Zu dem berüchtigten deutsche Generalität Hitlers Angriffs-
Präsidenten des Gerichtshof, Roland krieg. Zugleich war hier das Zentrum
Freisler, sagte Generalfeldmarschall des militärischen Widerstands. Neben
Erwin von Witzleben, einer der angeklag- dem seit 1938 Hitler direkt unterstellten
ten Mitverschwörer des Attentats auf Oberkommando der Wehrmacht residier-
Hitler: „In drei Monaten zieht Sie das ten hier außerdem das Oberkommando
gequälte deutsche Volk zur Rechenschaft.“ des Heeres, der Luftwaffe und der
Noch am gleichen Tag wurde er im Marine sowie die deutsche Abwehr unter
3Strafgefängnis Plötzensee hingerichtet. Admiral Wilhelm Canaris. Im so genann-
Am 2. Februar 1945 verkündete Freisler ten Bendlerblock hielt Adolf Hitler am
sein letztes Todesurteil, einen Tag später 3. Februar 1933 vor Offizieren seine
wurde er während eines alliierten Bom- berüchtigte Rede von der „Ausrottung
benangriffs von Trümmern im Gebäude des Marxismus mit Stumpf und Stiel“
des Kammergerichts erschlagen. Sein und der „Eroberung neuen Lebensraums
Nachfolger Harry Haffner führte die im Osten und dessen rücksichtsloser
Prozesse mit unverminderter Härte fort. Germanisierung“. Hier befand sich auch
Heute erinnern Gedenkplatten hinter das Dienstzimmer des Stabschefs beim
dem Sony-Center und am Kleistpark an Befehlshaber des Ersatzheeres, Claus
den Standort des Volksgerichtshofs. Schenck Graf von Stauffenberg. Nach
seinem gescheiterten Attentat auf Hitler
29 wurden er und seine Mitverschwörer im
Euthanasiezentrale Hof des Bendlerblocks standrechtlich
p Tiergartenstr. 4–4a, Karte B3  erschossen. An dieser Stelle befindet
Potsdamer Platz In zwei Villen an der Tier- sich heute ein Ehrenmal und die Gedenk-
gartenstraße 4 (Deckname „Aktion T4“) stätte Deutscher Widerstand.
wurde die Euthanasiezentrale eingerich-
tet. Die offizielle Bezeichnung war 31
„Reichsausschuss zur wissenschaftlichen „Wunden der Erinnerung“
Erfassung von erb- und anlagebedingten p Sigismundstr. 4, Karte B4
schweren Leiden“. Von hier aus wurde  Potsdamer Platz Noch heute
die massenhafte Ermordung von Psychia- erkennt man an vielen Fassaden der
triepatienten und pflegebedürftigen Hauptstadt die Spuren von erbitterten
Menschen organisiert. Das Personal Häuserkämpfen während der 3Schlacht
wurde ab 1943 in das Generalgouver- um Berlin in Form von MG- und Granat-
nement (Polen) abkommandiert und einschusslöchern. Besonders eindrucks-
übernahm die Leitung der Vernichtungs- voll sind sie an diesem Gebäude nach
lager Chelmno, Belzec, Sobibor und der Restaurierung konserviert worden.
22 Regierungsviertel

32 Jahre 1727: „Es soll das Haus Charité


Botschaft Italiens (Barmherzigkeit) heißen“. Nach der
q Friedrich Hetzelt, 1941 p Tiergar- Machtübernahme der Nationalsozialisten
tenstr. 21a–23, Karte A3  Pots- verloren im Jahr 1933 mindestens
damer Platz Für den geplanten Bau der 145 Ärzte der Charité aus rassischen
3Großen Halle mussten viele Botschafts- oder politischen Gründen ihr Lehramt
gebäude im Spreebogen am Reichstag und den Arbeitsplatz. Viele der weltweit
abgerissen werden. Sie sollten nach anerkannten Mediziner mussten ins
Albert Speers Planungen in einem ausländische Exil flüchten, andere
„Diplomatenviertel“ am Tiergarten kamen im KZ Theresienstadt ums Leben.
zusammengefasst werden. Als erster Von 1938 bis 1945 war der Psychiater
Neubau entstand 1941 die italienische Maximilian de Crinis Direktor der
Botschaft. Größe und Ausstattung Universitätsklinik. Der SS-Hauptsturm-
sollten die Bedeutung der Allianz des führer war seit 1939 die „graue Eminenz“
faschistischen Italien mit dem national- im Organisationsstab der 3Euthanasie-
sozialistischen Deutschland verdeut- zentrale und im Rahmen der „Aktion T4“
lichen. Kurz nach der Fertigstellung die treibende Kraft bei der Tötung von
durch Bombenangriffe schwer beschä- Geisteskranken. Getreu der NS-Doktrin
digt, wurde die Ruine erst in den neun- wurde die rücksichtslose Forschung an
ziger Jahren wiederaufgebaut. Anders Nervenkranken zugelassen.
als in den heute von der Bundesregie- Nach dem Krieg lagen etwa 20 Prozent
rung genutzten Administrationsgebäuden der Charité in Trümmern. Heute ist der
des „Dritten Reiches“, sind die in die- Campus der Universitätsklinik eine Oase
sem Haus befindlichen Machtsymbole der Ruhe und beherbergt unter anderem
der italienischen Faschisten denkmal- das von Rudolf Virchow gegründete
gerecht konserviert worden. Medizinhistorische Museum an der
Schumannstraße 20/21. Viele tausend
33 Exemplare der pathologischen Sammlung
Botschaft Japans gingen bei Bombenangriffen verloren,
q Ludwig Moshammer, 1942 p Tier- und dennoch gehört sie heute noch zu
gartenstr. 24–27, Karte A3  Pots- den weltweit größten ihrer Art.
damer Platz Im Rahmen der „Neugestal-
tung für die Reichshauptstadt“ wurde 35
die japanische Botschaft zusammen mit Reichsbahnbunker
der italienischen im neu angelegten q Karl Bonatz, 1943 p Albrecht-
„Diplomatenviertel“ geplant und gebaut. str. 24–25, Karte D1  Friedrich-
Die Vertretung eines der Verbündeten straße Die exponierte Lage des Bunkers
der Achse Berlin–Rom–Tokio zeigt ähnlich ist wohl ein Grund für die aufwändige
monumentale Züge wie die Repräsen- Fassadengestaltung. In dem festungs-
tationsbauten der Nationalsozialisten. artigen Monolith fanden etwa 3.000
Nach schweren Kriegsschäden war das Menschen hinter 1,80 Meter starken
Gebäude lange Zeit Ruine. Die Fassade Wänden und einer mehr als 3 Meter
konnte original erhalten werden, der dicken Decke Schutz vor den Bomben-
Innenteil wurde neu aufgebaut. angriffen. Im Jahr 1946 verfügte der
Alliierte Kontrollrat mit dem Gesetz
34 Nr. 23 den Abriss aller Anlagen, die
Psychiatrie & Nervenklinik militärisch genutzt werden könnten.
der Charité Bedingt durch die Nachbarschaft zu
q Georg Diestel & Georg Thül, 1710 Wohnhäusern konnten jedoch nicht alle
p Bonhoefferweg 3, Karte C1 Hochbunker gesprengt werden, und so
 Friedrichstraße Die älteste medi- nutzte man diesen als Lager für Kar-
zinische Bildungsanstalt in Deutschland toffeln und später als Techno-Club.
wurde einst als Pesthaus errichtet. Heute finden in dem denkmalgeschütz-
König Friedrich Wilhelm I. vermerkte im ten Bauwerk Kunstausstellungen statt.
Regierungsviertel 23

33 Botschaft Japans 38 Bundesadler am Auswärtigen Amt

32 Botschaft Italiens

42 Skulptur zum Gedenken an deportierte Juden

43 Neue Synagoge 34 Eingangsportal zur Nervenklinik der Charité


24 Regierungsviertel

36 Neue Wache im Winter

37 Denkmal Bücherverbrennung

41 „Stolpersteine“ – Gedenken an deportierte Juden 41 Blindenwerkstatt


Regierungsviertel 25

36 Wenig später veröffentlichte Goebbels


Neue Wache regelmäßig eine Liste mit Autoren,
q Karl-Friedrich Schinkel, 1818 deren Werke aus Buchhandlungen und
p Unter den Linden 4, Karte E2 Bibliotheken entfernt werden mussten.
 Hausvogteiplatz In den zwanziger
Jahren wurde der Innenraum der Neuen 38
Wache von Architekt Heinrich Tessenow Reichsbank / Auswärtiges Amt
zu einer Gedenkhalle der Toten des q Heinrich Wolff, 1939 p Werderscher
1. Weltkrieges umgestaltet. Von den Markt 1, Karte E3  Hausvogteiplatz
Nationalsozialisten zur Ruhmeshalle der Im Jahr 1933 wurde ein Wettbewerb
„heldenhaften Toten“ umgedeutet, rich- für den Erweiterungsbau der Reichsbank
tete die DDR 1958 hier das Mahnmal für ausgeschrieben, an dem unter anderem
die „Opfer des Faschismus und Militaris- auch Martin Gropius und Ludwig Mies
mus“ ein. Seit 1993 ist die Neue Wache van der Rohe teilnahmen. Adolf Hitler
nun die offizielle Gedenkstätte der entschied sich persönlich für den
Bundesrepublik Deutschland für „Opfer Entwurf des Reichsbankbaudirektors
von Krieg und Gewaltherrschaft“. Wolff. Mit 60.000 Quadratmetern Nutz-
fläche entstand eines der größten
37 Verwaltungsgebäude in Berlin. In den
Denkmal Bücherverbrennung, Tresoren der Bank wurden die beschlag-
Mahnmal „Bibliothek“ nahmten Güter jüdischer Bürger eingela-
q Micha Ullmann, 1995 p Bebelplatz, gert, später auch das Zahngold der in
Karte E3  Hausvogteiplatz Konzentrations- und Vernichtungslagern
„Das war ein Vorspiel nur, dort wo man ermordeten Juden. Geraubte Edelmetall-
Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende bestände, die der Wehrmacht während
auch Menschen.“ Diese Prophezeihung des Krieges in ganz Europa in die Hände
des Dichters Heinrich Heine aus dem fielen, wurden in Berlin eingeschmolzen
Jahr 1820 sollte sich auf grauenvolle und, um deren Herkunft zu verschleiern,
Weise erfüllen. Am 10. Mai 1933 zogen mit der Jahreszahl 1935 versehen.
Studenten in SA-Uniformen, angeführt Im sozialistischen DDR-Staat war hier
von Propagandaminister Joseph Goebbels, die Schaltstelle der Macht, das Zentral-
unter dem Motto „Deutsche Studenten komitee der SED. In den Untergeschos-
marschieren wider den undeutschen Geist“ sen befinden sich noch heute die gewal-
zum Opernplatz (heute Bebelplatz). tigen Tresore der Reichsbank und dienen
Auf einem großen Scheiterhaufen wur- dem Auswärtigen Amt als Archiv.
den 20.000 Schriften „den Flammen
übergeben“. Zu den verbotenen Autoren 39
zählten unter anderen: Horst-Wessel-Haus /
• Bertolt Brecht Karl-Liebknecht-Haus
• Albert Einstein q Keibel, 1912 p Kleine Alexanderstr. 28,
• Lion Feuchtwanger Karte F1  Rosa-Luxemburg-Platz
• Sigmund Freud Das 1926 von der KPD erworbene Haus
• Maxim Gorki wurde am 23. Februar 1933 von SA-
• Heinrich Heine Truppen besetzt und in Horst-Wessel-
• Franz Kafka Haus umbenannt. Die SA richtete hier
• Erich Kästner eine Abteilung „zur Bekämpfung des
• Jack London Bolschewismus“ ein, und Polizeikräfte
• Thomas Mann misshandelten verhaftete politische
• Karl Marx Gegner und Juden.
• Erich Maria Remarque Heute beherbergt das Gebäude die
• Kurt Tucholsky Bundeszentrale der PDS als Nachfolge-
• Voltaire organisation der DDR-Staatspartei SED,
• Herbert George Wells und es ist wieder nach dem KPD-Gründer
• Émile Zola Karl Liebknecht benannt.
26 Regierungsviertel

Spuren deutsch-jüdisch
40 blinde Juden als unabkömmliche Arbei-
Sozialverwaltung der Jüdischen ter für kriegswichtige Produktionen
Gemeinde geltend machen. Im Laufe der „Fabrik-
q Johann Hoeniger, 1906 p Rosen- Aktion“ wurden sie später dennoch
str. 2–4, Karte F2  Alexanderplatz deportiert. Immerhin gelang es ihm,
Im Jahr 1943 verschleppte die Gestapo eine ganze jüdische Familie für weitere
etwa 1.700 jüdische Männer, die mit neun Monate versteckt zu halten, bevor
„Arierinnen“ verheiratet waren, in das sie ebenfalls nach Auschwitz verschleppt
Sammellager in der Rosenstraße. Kurz wurde. Die ehemaligen Arbeitsräume
darauf forderten einige Ehefrauen vor beherbergen heute ein kleines Museum.
dem Gebäude die Freilassung ihrer
Männer. Immer mehr Menschen schlossen 42
sich dieser einzigartigen Protestkund- Jüdische Knabenschule
gebung an und harrten eine Woche lang q Johann Hoeniger, 1906 p Große
hier aus. Wahrscheinlich auf einen Hamburger Str. 27, Karte F1  Hacke-
Befehl von Joseph Goebbels wurden die scher Markt Die Große Hamburger Straße
meisten Männer schließlich freigelassen. war seit Mitte des 17. Jahrhunderts ein
Eine Litfaßsäule und ein Denkmal erin- wichtiges Zentrum jüdischen Lebens in
nern heute an die Ereignisse, die unter Berlin. Am 30. Juni 1942 besetzte die
dem Titel „Rosenstraße“ 2003 verfilmt Gestapo die Knabenschule und funktio-
wurden. nierte sie zu einem berüchtigten Sammel-
und Durchgangslager um. Das benach-
41 barte jüdische Altersheim wurde wenig
Blindenwerkstatt später auf die gleiche brutale Weise
p Hackescher Markt 41–43, Karte F1 zweckentfremdet. Insgesamt pferchte
 Hackescher Markt D Mo–Fr 12–20, man 55.000 Berliner Juden vor dem
Sa, So 11–20 Uhr Bis zum Februar 1943 Abtransport in Konzentrationslager oder
konnte der Besitzer einer Bürsten- und Ghettos in derartige „Judenlager“ ein.
Pinselwerkstatt Otto Weidt 27 taube und Hinter dem Altersheim befand sich bis

45 Ministergärten / Denkmal für fünf Meter hohes begehbares Stelenfeld.


die ermordeten Juden Europas Bei Baubeginn stießen Arbeiter 1997 auf
q Peter Eisenmann, 2005
p Ebertstr., Karte C3
 Unter den Linden Im Untergrund: Der versiegelte
Auf einem 20.000 Quadrat-
meter großen Gelände in den
ehemaligen Ministergärten
entsteht bis zum 8. Mai 2005
das Denkmal für die ermor-
deten Juden Europas. 2.751
Betonpfeiler, die in einem Raster ange- eine zwei Meter starke Betonschicht:
ordnet sind, ergeben dann ein bis zu den Privatbunker von Joseph Goebbels;
Regierungsviertel 27

er Geschichte in Berlin
1943 der älteste jüdische Friedhof auch angrenzende nichtjüdische Häuser
Berlins. Die Nationalsozialisten verwüs- bedrohte. Im Jahr 1943 wurde die Neue
teten ihn vollständig und zerstörten Synagoge bei alliierten Bombenangriffen
dabei Tausende Grabsteine. Heute er- schwer beschädigt und konnte erst 1988
innert das rekonstruierte Grabmal von teilweise wiederaufgebaut werden. Seit
Moses Mendelssohn an den Friedhof. 1995 befindet sich hier das Centrum
Das Altersheim wurde nach Bomben- Judaicum mit dem Archiv zu Geschichte
schäden abgetragen, das Gebäude der und Kultur der Berliner Juden. Nur wenige
Knabenschule beherbergt seit 1991 der einst 14 Berliner Gemeindesynago-
wieder eine jüdische Schule. gen haben die Pogromnacht und den
Krieg überstanden, heute gibt es insge-
43 samt noch sechs im Stadtgebiet.
Neue Synagoge /
Centrum Judaicum 44
q Knoblauch, Stüler, 1866 p Oranien- Jüdisches Krankenhaus
burger Str. 28–30, Karte E1  Oranien- q Eduard Knoblauch, 1861
burger Straße D So–Do 10–18, Fr 10– p Auguststr. 14–16, Karte E1
14 Uhr Die vollständige Zerstörung des  Oranienburger Straße Nachdem das
größten und prächtigsten jüdischen Ge- in diesem Gebäude ansässige Kranken-
betshauses konnte während des Novem- haus 1914 aus Platzmangel umziehen
berpogroms 1938 durch den Polizeioffi- musste, waren hier verschiedene jüdi-
zier Wilhelm Krützfeld verhindert werden. sche soziale Einrichtungen unterge-
Er vertrieb die Brandstifter der SA mit bracht. Von 1941 bis 1943 richtete die
vorgehaltener Pistole und alarmierte die Gestapo in dem Haus eine weitere
Feuerwehr. Dass diese den Brand löschte, Sammelstelle für Berliner Juden ein,
war an jenem Tag ebenfalls nicht selbst- die zur Deportation in Konzentrations-
verständlich. Vielerorts wurde wie befoh- und Vernichtungslager vorgesehen waren.
len nur eingegriffen, wenn das Feuer Gegenwärtig steht das Gebäude leer.

seine Stadtvilla hatte einst an dieser dann Befehlsstand der skandinavischen


Stelle gestanden. Bis 1943 hatte der SS-Nordland-Division. Nachdem das
modrige Grundwasser abge-
pumpt war, fand man in den
Bunker von Joseph Goebbels drei Räumen einige ver-
a ng
rostete Chlorgaspatronen
sg
Au und einen leeren Tresor.
Den Vorschlag, den Bunker
in das Holocaust-Denkmal
zu integrieren, lehnte die
Stadt Berlin ab. Die unange-
Propagandaminister ihn genutzt, in der nehme Vergangenheit wurde versiegelt
3Schlacht um Berlin war der Unterbau und bis auf weiteres wieder verschüttet.
28 Welthauptstadt Germania
Südbahnhof

Flughafen Tempelhof

Thriumphbogen

Nord-Süd-Achse

Oberkommando des Heeres


Reichsmarschallamt

Siegessäule

Brandenburger Tor

Reichstag „Führerpalast“

Große Halle

Großes Becken
Rathaus

Oberkommando der Marine

Nordbahnhof
p

N
Welthauptstadt Germania 29

Welthauptstadt Germania
Die Umgestaltung Berlins zur zukünftigen Welthauptstadt des „Großger-
manischen Reiches“ sollte 1950 nach Beendigung aller Kriege mit der
feierlichen Umbenennung in „Germania“ abgeschlossen werden.
„Die Hauptstadt muss sich der Größe ihrer Mission anpassen“, so Hitlers
Begründung. Mit den Planungen wurde des „Führers“ Lieblingsarchitekt,
Albert Speer, beauftragt. Als Generalbauinspektor (GBI) für die Reichs-
hauptstadt Berlin war er fortan nur noch Hitler persönlich verantwortlich.
Analog zum Umbau Berlins sollten in über 40 so genannten Führer-
städten monumentale Achsen und Gebäude entstehen. Die Krönung der
ganz Berlin umfassenden Neuplanung war die Große Halle, ein 320 Meter
hoher Dom für bis zu 180.000 Menschen. Südlich davon erstreckte
sich, die Ost-West-Achse kreuzend, eine etwa 5 Kilometer lange und
120 Meter breite Nord-Süd-Achse als Pracht- und Paradestraße mit
zahlreichen Repräsentationsbauten und einem gewaltigen Triumphbogen.
Der Schienenverkehr sollte auf zwei riesige Bahnhöfe im Norden und
Süden verlegt werden, die durch Ringstraßen und ein unterirdisches
Schnellbahnsystem verbunden gewesen wären. An den vier axialen
Endpunkten war jeweils weit vor der Stadt ein Großflughafen vorgesehen.
Gemäß Speers „Theorie vom Ruinenwert“ sollten die wichtigsten Bauten
nach antikem Vorbild nur aus Granitblöcken gefertigt werden, damit
sie auch in tausend Jahren noch wie das alte Rom von einer großen
Vergangenheit hätten künden können. Hitler beschäftigte sich laut
eigenen Aussagen bereits in den Jahren nach seiner Festungshaft in
Landsberg mit Planungen für einen umfassenden Umbau Berlins.
Sein Skizzenbuch legte er 1937 Albert Speer mit den Worten vor:
„Diese Zeichnungen machte ich vor zehn Jahren. Ich habe sie immer
aufgehoben, da ich nie daran zweifelte, dass ich sie eines Tages bauen
werde. Und so wollen wir sie nun auch durchführen.“ Großflächige Abrisse
von ganzen Stadtvierteln und eine rücksichtslose Enteignungspolitik
waren Grundvoraussetzung für den Baubeginn. An die 70.000 Berliner
Juden wurden Opfer der „Entmietungsaktionen“, Tausende KZ-Häftlinge
mussten in Steinbrüchen für die monumentalen Projekte schuften.
Links: Das 30 Meter große Modell der zukünftigen Welthauptstadt Germania, anhand dessen
Adolf Hitler und Albert Speer die grundlegende Neugestaltung Berlins planten, Blick nach Süden.
Unten: Entwurf des von Feuerschalen gekrönten Auditorium Maximum der geplanten Hochschulstadt.
30 Welthauptstadt Germania

Große Halle ideales Ziel für feindliche Bomberver-


q Albert Speer, 1936 p Adolf-Hitler- bände abgegeben. Aus diesem Grund
Platz/Platz der Republik Nach einer wich Speer bei der Kuppel von der
in den zwanziger Jahren von Hitler ange- antiken Bauweise ab und setzte auf
fertigten Skizze begann Albert Speer eine massive Betonkonstruktion. Von
1936 mit eigenen Entwürfen eines Hitler angetrieben, der die Halle unbe-
Kuppelbaus. Die auf einem 315 Meter dingt noch zu seinen Lebzeiten fertig
breiten quadratischen Sockel stehende stellen wollte, begann Speer bereits
Hallenkonstruktion hätte mit einer 1938 mit Abrissarbeiten im Spreebogen,
Gesamthöhe von 320 Metern jedes und man kaufte Granit und Marmor
bisher erdachte Bauwerk übertrumpft. in ganz Europa an. Im Jahr 1950
Auf der Spitze sollte sich ein 40 Meter sollte der Kuppelbau dann feier-
hoher Aufbau befinden und über ihm lich eingeweiht werden. Am
der Reichsadler auf dem Hakenkreuz Ende des Krieges blieb von
thronen. Im Jahr 1939 kam Hitler dann den monumentalen Plänen
mit der Anweisung zu Speer: „Das hier nur eine mit Grundwasser
wird geändert. Hier soll nicht mehr der vollgelaufene Baugrube
Adler über dem Hakenkreuz stehen, hier übrig.
wird er die Weltkugel beherrschen! Die
Bekrönung dieses größten Gebäudes der
Welt muss der Adler über der Weltkugel
sein.“ Bis zu 180.000 Menschen hätten
im Inneren auf 30 Meter hohen Tri-
bünen Platz gefunden und dem
„Führer“, der seine Tribüne unter
einem 14 Meter hohen und ver-
goldeten Reichsadler gehabt
hätte, bei seinen endlosen
Monologen lauschen kön-
nen. Von außen wäre
der Dom selbst
durch niedrige
Wolken weithin
sichtbar gewesen
und hätte ein
Welthauptstadt Germania 31

„Führerpalast“, Adolf-Hitler-Platz sie über weitere Innenhöfe zu prunkvol-


q Albert Speer, 1942 p Adolf-Hitler- len Empfangsräumen, Galerien und Fest-
Platz/Kanzleramt, Platz der Republik sälen gelangt wären. Eine der längsten
Bereits im November 1938, noch vor Raumfluchten sollte sich über 380 Meter
Fertigstellung der 3Neuen Reichskanzlei, entlang des Nordflügels erstrecken.
gab es Pläne für einen „Führerpalast“, Der so genannte Diplomatenweg zu
den zukünftigen Dienstsitz Adolf Hitlers. Hitlers Diensträumen sollte sogar eine
Auf der Westseite der 3Großen Halle

n
gelegen, hätte das fensterlose festungs- 320 m
artige Gebäude mit den dazugehörigen 310 m
Parkanlagen eine Fläche von mindes-
300 m
tens 2 Millionen Quadratmetern
eingenommen. Ausländische 320 Meter: 290 m
Staatsgäste sollten durch ein
gewaltiges Eingangsportal den Größenwahn 280 m

110 Meter langen Ehren-


hof betreten, von
in Stein 270 m

260 m
dem aus
250 m
240 m

230 m

220 m
210 m

200 m

190 m
180 m
170 m

160 m

150 m
140 m

130 m
120 m

110 m
100 m
90 m

80 m
70 m

60 m
50 m
40 m

n
30 m
20 m
10 m
32 Welthauptstadt Germania

Große Halle

„Führerpalast“ Reichstag
Soldatenhalle
Potsdamer Platz

Nord-Süd-Achse

Triumphbogen

„Beutewaffenallee“

Südbahnhof

N
p

Große Halle am Adolf-Hitler-Platz

Reichstag
Brandenburger Tor

Leipziger Platz
Soldatenhalle
Reichsmarschallamt

Nord-Süd-Achse
Oberkommando des Heeres
Welthauptstadt Germania 33

Länge von über 500 Metern haben und beauftragte Albert Speer mit einem
dem ankommenden Besucher das Ge- neuen Entwurf. Der 240 Meter lange
fühl geben, den „Herren der Welt“ zu Repräsentationsbau bestand im Inneren
besuchen. Neben seinem Arbeitsraum aus der „größten Treppenhalle der Welt“
von der Größe einer Bahnhofshalle mit versetzten Säulengängen über meh-
wären hier angrenzend Hitlers Privat- rere Etagen. Zentral angeordnet war
gemächer gewesen. eine riesige Empore, von der aus der
Auf dem Adolf-Hitler-Platz vor dem Reichsmarschall alljährlich seine „Parole
Palast sollten sich zu bestimmten des Jahres“ vor den Offizieren der Luft-
Anlässen bis zu eine Million Untertanen waffe verkünden wollte.
versammeln können. Mit der Vorahnung, Das 11.800 Quadratmeter große Flach-
dass die Zustimmung im Volk nicht ewig dach sollte aus Gründen des Luftschutzes
anhalten würde, phantasierte Hitler mit vier Metern Erdreich aufgeschüttet

„Die Hauptstadt muss sich der


Größe ihrer Mission anpassen.“
gegenüber Speer: „Es ist doch nicht aus- und anschließend begrünt werden.
geschlossen, dass ich einmal gezwungen Neben einem Schwimmbad, Tennisplatz
bin, unpopuläre Maßnahmen zu treffen. und Wasserspielen war in dem luftigen
Vielleicht gibt es dann einen Aufruhr. Garten auch ein Amphitheater für etwa
Für diesen Fall muss vorgesorgt werden: 240 Zuschauer vorgesehen.
Alle Fenster der Gebäude an diesem
Platz erhalten stählerne, schusssichere Soldatenhalle
Schiebetüren. Die Türen müssen eben- q Wilhelm Kreis, 1941 p Große Str./
falls aus Stahl sein, und der einzige Entlastungsstr. Die Soldatenhalle sollte
Zugang zum Platz wird durch ein schwe- das zentrale Ehrenmal für die deutschen
res eisernes Gitter abgeschlossen. Gefallenen des 2. Weltkrieges werden.
Das Zentrum des Reiches muss wie eine Architekt Wilhelm Kreis, der ähnliche
Festung verteidigt werden können.“ Totenmale für Standorte entlang der
Auf der Südseite des Adolf-Hitler-Platzes Grenzen des zukünftigen Großgermani-
waren die neue 3Neue Reichskanzlei schen Reiches entworfen hatte, sah ein
und das Oberkommando der Wehrmacht mystisch anmutendes Gewölbe unter
als Eingangsportal zum Adolf-Hitler- der großen Soldatenhalle vor. In der
Platz vorgesehen. Östlich hätte weiterhin so genannten geheiligten Krypta,
der zur Miniatur degradierte 3Reichstag gefertigt aus rohen Granitblöcken und
gestanden. Albert Speer hatte eigentlich beleuchtet nur durch mächtige Feuer-
den Abriss des seit dem Brand von schalen, sollten neben dem Sarkophag
1933 beschädigten und ungenutzten von Friedrich dem Großen auch berühmte
Gebäudes angedacht, doch Hitler hielt deutsche Feldmarschälle wie Erwin
an ihm als Zeichen seiner Machtergrei- Rommel ihre letzte Ruhestätte finden.
fung fest. In großzügigen Ausstellungssälen über
der Krypta hätten Besucher wie in einem
Reichsmarschallamt Zeughaus kostbare Trophäen der gewon-
q Albert Speer, 1939 p Große Str./ nenen Kriege besichtigen können.
Entlastungsstr. Neben den monumentalen Eines der ersten Beutestücke sollte nach
Prachtbauten auf der Nord-Süd-Achse Hitlers Vorstellungen wohl der berühmte
kam sich Reichsmarschall Hermann Speisewagen von Compiègne sein, in
Göring in seinem gerade erst fertig dem 1918 und 1940 zwischen Frank-
gestellten 3Reichsluftfahrtministerium reich und Deutschland Waffenstillstand
wohl etwas vernachlässigt vor und geschlossen worden war.
34 Welthauptstadt Germania

Nordbahnhof, Großes Becken raschte Speer Hitler zu dessen 50.


q Dierksmeier, Bastelmeyer, Bonatz & Geburtstag mit einem 4 Meter hohen
Dübbers, 1941 p Großes Becken/ Modell des Bauwerks, das Hitler so
Hamburger Bahnhof Der Nordbahnhof bereits in den zwanziger Jahren skiz-
war in seinen geplanten Ausmaßen ziert hatte. Im Bereich des geplanten
praktisch identisch mit seinem Pendant Triumphbogens steht heute als Relikt
im Süden. Reisende, die über die Frei- der Germania-Planungen der 3Groß-
treppe nach draußen getreten wären, belastungskörper, den Speer 1941 zur
hätten zwischen zwei hohen Türmen Prüfung der Belastbarkeit des Bodens
hindurch auf das Große Becken geblickt, errichten ließ.
in dessen Wasser sich die Große Halle
gespiegelt hätte. Auf der gesamten Südbahnhof, „Beutewaffenallee“
Länge des östlichen Ufers sollte das q Albert Speer, 1940 p Große Str./
Oberkommando der Marine erbaut wer- General-Pape-Str. Um ausreichend Platz
den. Gegenüber plante man ein Stadt- für die geplante Nord-Süd-Achse zu
forum mit dem neuen Berliner Rathaus schaffen, musste zunächst der gesamte
und dem Polizeipräsidium. Schienenverkehr aus der Innenstadt ver-
legt werden. Deshalb sollte als eines der
Triumphbogen ersten Großprojekte der Südbahnhof
q Albert Speer, 1939 p Große Str./ bereits 1945 fertig gestellt werden.
Kolonnenbrücke „Nach Ideen des Führers“, In seinen Dimensionen hätte das
wie es auf den Plänen vermerkt war, Riesenbauwerk aus Stahl und
entwarf Albert Speer den 117 Meter Glas selbst die
hohen, 170 Meter breiten und 119 Me-
ter tiefen Triumphbogen am süd-
lichen Ende der Nord-Süd-
Achse als Gegenpol zur
Kuppelhalle. Mit einem
Rauminhalt von 2,5 Millio-
nen Kubikmetern hätte das
im Baustab ehrfurchtsvoll
„Bauwerk T“ genannte
Monument den Arc de
Triomphe in Paris fast fünfzig-
mal überboten. In den Granit
der Wände sollten nach Hit-
lers Vorstellungen alle Namen
der 1,8 Millionen deutschen
Gefallenen des 1. Weltkrie-
ges gemeißelt werden.
Am 20. April 1939 über-

Entwurfszeichnung Hitlers
aus den zwanziger Jahren für den
Berliner Triumphbogen. Eigentlich wollte er
immer Architekt werden – in Albert Speer fand Hitler
dann den idealen Vollstrecker seiner gigantischen Baupläne.
Welthauptstadt Germania 35

Grand Central Station in New York in für die Charité, die den Baumaßnahmen
den Schatten gestellt. Auf vier Ebenen der 3Großen Halle im Wege stand, soll-
wären Reisende angekommen und über te hier auch eine neue Universitätsklinik
eine große Freitreppe auf den 1.000 errichtet werden. Den optischen Mittel-
Meter langen Bahnhofsvorplatz gelangt, punkt des ganzen Komplexes bildete das
der von Beutewaffen gewonnener gewaltige Auditorium Maximum, dessen
Schlachten gesäumt gewesen wäre, und Eckpfeiler durch Feuerschalen gekrönt
sie hätten durch den 3Triumphbogen werden sollten.
die Kuppel der 3Großen Halle in fünf
Kilometer Entfernung gesehen. Dabei Wehrtechnische Fakultät /
sollte jeder von der Macht des „Großger- Teufelsberg
manischen Reiches“ überwältigt werden. q Hans Malwitz, 1937 p Teufelsberg
Grunewald  Heerstraße Im Jahr 1948
Hochschulstadt schätzte man den Trümmerschutt in
q Albert Speer, 1943 p Heerstr. Berlin auf 60–70 Millionen Kubikmeter.
Zwischen dem bereits vollendeten Ein Teil davon, etwa zwei Millionen
3Reichssportfeld und der Havel sollte Mauersteine, konnten dank der 60.000
als das westliche Tor zur zukünftigen Berliner „Trümmerfrauen“ für den Wie-
Welthaupstadt Germania eine monumen- deraufbau verwendet werden. Der Teu-
tale Hochschulstadt entstehen. Rund um felsberg ist einer von 16 Trümmerbergen
die Heerstraße planten Albert Speer und und mit 120 Metern die höchste Erhe-
seine Architekten ein Ensemble aus Hör- bung in Berlin. Unter den 13 Millionen
sälen und Forschungseinrichtungen aller Kubikmetern Schutt befinden sich die
Fakultäten. Als Ersatz Rohbauten des Hauptgebäudes der
Wehrtechnischen Fakultät samt ausge-
dehnten Bunkeranlagen. 1937 legte
Adolf Hitler den Grundstein für das
festungsartige Ensemble, das später
um ein Heereswaffenamt von
Wilhelm Kreis erweitert
werden sollte. Im
nahen Grune-
wald war nach
Pariser Vorbild
eine Art „Bois
de Boulogne“
mit Reitställen,
Restaurants
und Erho-
lungsstätten
geplant.
36 Welthauptstadt Germania

Albert Speer 1905–1981 Mussoliniplatz und -bahnhof


Mit 29 Jahren hatte der junge Architekt aus
q Albert Speer, 1940 p Mussolini-
Mannheim die Schaltstelle der Macht in Ber- platz/Theodor-Heuss-Platz 
lin erreicht. Als Nachfolger von Paul Ludwig Theodor-Heuss-Platz Seit 1933 war der
Troost wurde er 1934 der „Architekt des ehemalige Reichskanzlerplatz (heute
Führers“ und damit verantwortlich für die Theodor-Heuss-Platz) nach Adolf Hitler
gigantischen NS-Bauvorhaben. 1937 ernannte benannt. In Zukunft sollte dieser zu
ihn Hitler zum „Generalbauinspektor für die Ehren des italienischen Diktators in
Reichshauptstadt“ und beauftragte ihn mit Mussoliniplatz umbenannt werden.
der Gestaltung und dem Bau der 3Neuen Die höchste Erhebung der Ost-West-
Reichskanzlei. Sein Organisationstalent hatte Achse sollte von zwei halbkreisförmi-
er zuvor schon bei verschiedensten Massen- gen Kolonnaden, über 10 Meter hohen
veranstaltungen der NSDAP unter Beweis Gängen, eingefasst werden, in deren
gestellt. Für Hitler hatte nach einem Besuch Mittelpunkt ein weithin sichtbarer Turm
des eroberten Paris im Jahr 1940 der Umbau mit einer Skulptur auf der Spitze
Berlins zur Welthauptstadt absolute Priorität: gestanden hätte. Der S-Bahnhof
„Wenn wir mit Berlin erst einmal fertig sind, Heerstraße, auf dem Hitler schon
wird Paris nur noch ein Schatten sein“, ver- 1937 Benito Mussolini empfangen hatte,
kündete er großspurig. Doch der Krieg setzte
war als zukünftiger Ehrenbahnhof für
andere Prioritäten. 1942 stieg Speer als
Staats-gäste geplant und hätte ebenfalls
„Reichsminister für Rüstung und Kriegspro-
den Namen des Duce getragen.
duktion“ zum zweitmächtigsten Mann im
Reich auf. Er war fortan Herr über Millionen
von Zwangsarbeitern und die gesamte deut- Südstadt
sche Industrie, die er militärisch streng leitete.
q Albert Speer, 1941 p Rangsdorf
Die Rüstungsproduktion war im fünften Kriegs- Außerhalb des Berliner Stadtgebietes
jahr so hoch wie nie zuvor, obwohl alliierte waren im Osten und Süden weitläufige
Bomber Deutschland in Schutt und Asche Wohnquartiere und Industriegebiete für
legten. Wichtige Anlagen ließ er deshalb zum bis zu 210.000 Einwohner geplant. Die-
Schutz unter Tage verlegen. Als das Ende ses Gebiet erstreckte sich vom Südbahn-
schon nahte, ließ er dort noch die ersten hof, als Fortführung der Nord-Süd-Achse,
Raketen und Düsenflugzeuge der Welt bauen. über 16 Kilometer bis zum Berliner Auto-
Geplant waren Angriffe auf die USA mit der bahnring. Hier waren unter anderem die
„Interkontinentalrakete A9/A10“, die bei Pro- Bauten des Oberkommandos der Waf-
duktionsreife womöglich mit dem neuartigen fen-SS vorgesehen: ein Hochhaus, auf
Giftgas Sarin oder einer „Uraniumbombe“ dem riesenhafte SS-Runen prangen soll-
bestückt werden sollte. ten, die Kriegsakademie des Heeres, das
Erst im Frühjahr 1945 ging Speer auf Distanz Reichsarchiv, eine Reichszollschule, ein
zu Hitler und widersetzte sich dessen „Nero- Stadion mit Aufmarschplätzen sowie eine
Befehl“, der die Zerstörung der deutschen große Kaserne von Werner March.
Infrastruktur vorsah, um den Alliierten nichts Hinter den monumentalen Verwaltungs-
als „verbrannte Erde“ zu hinterlassen. gebäuden waren Wohnquartiere geplant,
Bei den Nürnberger Prozessen war Speer
die zum Stadtrand hin in Einfamilienhäu-
einer der wenigen, die sich zu den Verbre-
ser und Villen übergehen sollten. Den
chen der Nationalsozialisten bekannten.
Er wurde zu 20 Jahren Haft im 3Kriegsver-
Abschluss der Süd-Achse hätte der Süd-
brechergefängnis Berlin-Spandau verurteilt. flughafen am Ufer des Rangsdorfer Sees
Dort verfasste er seine Erinnerungen und gebildet, auf dem auch große Flugboote
wanderte im Gefängnishof, die Schritte genau hätten landen können.
zählend, im Geiste Tausende Kilometer in die
Welt hinaus. Am Vorabend der Entlassung Spuren von Germania in Berlin:
war er so fast um den halben Erdball gekom- 3Siegessäule, Straße des 17. Juni
men und gab ein entsprechendes Telegramm 3Straßenlaternen 3Botschaft Italiens
an seinen Studienfreund Rudolf Wolters auf: 3Botschaft Japans 3Botschaft Jugosla-
„Bitte 530 Kilometer südlich von Guadalajara wiens 3Großbelastungskörper 3Arbei-
(Mexiko) abholen. Onkel Alex.“ terstadt „Große Halle“ 3„Speer-Platte“
Welthauptstadt Germania 37

„Führerpalast“

„Wenn wir mit Berlin erst


einmal fertig sind, wird Paris
nur noch ein Schatten sein.“
(Hitler zu Speer beim Besuch des eroberten Paris)

Innenraum der Soldatenhalle von 63 m Höhe

Blick durch den Triumphbogen auf den Adolf-Hitler-Platz

Planspiele auf der 30 m großen Modellstraße Freigestelltes Brandenburger Tor

„Die Möglichkeit, uneinge-


schränkt bauen zu können,
hatte mich fasziniert.“ (Albert Speer)

Wehrtechnische Fakultät Albert Speer am Pariser Platz, 1942


38 Der Bombenkrieg & Die Schlacht um Berlin

Der Bombenkrieg gegen Berlin


Von Germania nach Gomorrha – auf keine andere deutsche Stadt wurden
im 2. Weltkrieg mehr Bomben abgeworfen als auf Berlin. Hitler äußerte
sich gegenüber Albert Speer angesichts der Zerstörungen nicht sonder-
lich betroffen: „Für unseren neuen Bebauungsplan hätten Sie allein in
Berlin 80.000 Wohnungen abreißen müssen. Leider haben die Engländer
diese Arbeit nicht genau nach Ihren Plänen durchgeführt. Aber immerhin
ist ein Anfang gemacht!“ Nach dem Krieg war die Hauptstadt eine einzige
Trümmerwüste.
Die deutsche Luftwaffe hatte erstmals äußerst effizient arbeiten. Ein dichtge-
bei der Zerstörung von Guernica und mit staffeltes Netzwerk aus Flakbatterien und
den späteren Angriffen auf Warschau, Suchscheinwerfern empfing die alliierten
Rotterdam und mit der „Coventrysierung“ Bomberverbände bereits an der Kanal-
englischer Städte bewiesen, wie verhee- küste. Im Zentrum Berlins waren zur
rend ein Bombenkrieg sein kann. Wäh- Verteidigung die gewaltigen 3Flakbunker
rend der Luftschlacht um England waren im Humboldthain, Friedrichshain und am
die Piloten zunächst angewiesen, nur Zoo errichtet worden. Hinter 2,50 Meter
militärische Ziele anzugreifen. Doch Stahlbeton fanden in jeder der Festun-
gerade in London wurden während der gen mindestens 22.000 Menschen
„Blitze“, wie die britische Presse die Schutz vor dem alltäglich werdenden
deutschen Luftangriffe nannte, auch Bombenhagel. Auf den Dachplattformen
wahllos Wohnquartiere bombardiert. standen in 42 Meter Höhe vier Flakzwil-

Am 26. August 1940 startete das briti- „Wir müssen hart mit Deutschland
sche Bomber Command seinen ersten umgehen, und ich meine, die Deut-
Gegenschlag auf die Reichshauptstadt. schen, nicht nur die Nazis. Entweder
Beteiligt waren 50 Maschinen. Das Er- müssen wir das deutsche Volk kas-
gebnis: Einige Treffer am Stadtrand und trieren oder ihm so eine Behandlung
Tausende Flugblätter über Berlin. Erst ab verpassen, dass es nicht weiter
November 1943 war Berlin massiveren Nachwuchs zeugen kann, der dann
Angriffen ausgesetzt. Bis Mitte 1944 immer so weitermachen will wie in
konnte die Flugabwehr, der zeitweise bis der Vergangenheit.“ (Franklin D. Roosevelt)
zu 900.000 Deutsche zugeteilt waren,
Der Bombenkrieg & Die Schlacht um Berlin 39

USA: 22.800 Tonnen

Großbritannien: 45.500 Tonnen

68.000 Tonnen Bomben fielen


auf Berlin, 35.000 Menschen
verloren ihr Leben.
40 Der Bombenkrieg & Die Schlacht um Berlin

n Alliierte Sprengbomben und Luftminen


7m des 2.Weltkrieges im Vergleich
6m

5m

„Grand-Slam“-Sprengbombe 10 t

Sprengbombe 200 kg
4m

Sprengbombe 100 kg
„Tallboy“-Luftmine 5,4 t
3m

Stabbrandbombe
Luftmine 900 kg

Luftmine 2,7 t
2m

Luftmine 1,8 t

Luftmine 1,8 t
1m

Neben der Atombombe war die britische „Grand-Slam“ mit knapp 10 Tonnen und einer Höhe von
7,70 Metern wohl die gewaltigste Bombe des 2. Weltkrieges. Beim Aufprall erreichte sie Schall-
geschwindigkeit und explodierte erst, nachdem sie sich tief in das Innere des Ziels gebohrt hatte.
Die 7 Meter starke Stahlbetondecke des U-Boot-Bunkers „Valentin“ in Bremen wurde nach zwei
solchen Treffern schwer beschädigt und durchschlagen. Seit dem 14. März 1945 kam die „Grand-
Slam“ 41-mal zum Einsatz. 854 Luftminen des Typs „Tallboy“ wurden abgeworfen.

lingsgeschütze, die zu den wirkungsvolls- scheidungen traf. So ließ er den ersten


ten des 2. Weltkrieges gehörten. Ein Düsenstrahljäger, die Messerschmitt 262,
zweiter, kleinerer Bunkerturm, der weite- zu einem Bomber umbauen, statt ihn als
ren 8.000 Menschen Platz bot, diente Jäger gegen die „fliegenden Festungen“
dabei jeweils als Feuerleitstelle. der Alliierten einzusetzen, und verzöger-
te die Produktion der Boden-Luft-Rakete
Doch die Übermacht der Alliierten wurde „Wasserfall“, um die Weiterentwicklung
immer erdrückender, nicht zuletzt auch, der militärisch bedeutungslosen „Vergel-
weil Hitler persönlich zahlreiche Fehlent- tungswaffe“ V2 voranzutreiben.

Amerikanische B-17 Bomber entladen ihre tödliche Fracht über dem Reichsgebiet
Der Bombenkrieg & Die Schlacht um Berlin 41

Solche Flächenbombardements richteten


Der Feuersturm sich in erster Linie gegen die Moral der
Es gelang den Alliierten allerdings nicht, Deutschen, ein militärisches Ziel hatten
einen Feuersturm ähnlich dem von Ham- sie zu diesem Zeitpunkt schon nicht
burg auch in Berlin zu entfachen. Die brei- mehr. Die systematisch geplante und
ten Straßen, soliden Häuser und zahlrei- durchgeführte Tötungstechnik, ob die
chen Parks und Kanäle verhinderten einen Opfer nun Hitler-Gegner waren oder nicht,
Flächenbrand. In Städten mit mittelalter- war von alliierten Wissenschaftlern peni-
lichem Kern forderten die Feuersbrünste bel ausgearbeitet worden. Auf einem
hingegen Zehntausende Menschenleben. geheimen Testgelände in der Wüste von
Durch eine ausgeklügelte Kombination Utah hatten sie originalgetreue Kopien
verschiedenster Bomben konnte das grau- Berliner Mietskasernen errichtet, an
same Inferno entfacht werden: denen die Einäscherung der Stadt geübt
wurde.
Gewaltige Luftminen mit bis zu 5,4
1. Tonnen Sprengstoff, so genannte
Blockbuster (Wohnblockknacker), deck-
Mit der „Operation Donnerschlag“ wollte
Luftmarschall Arthur („Bomber“) Harris,
ten durch ihre enorme Druckwelle ganze der den Briten versprochen hatte, Berlin
Dächer ab, zerrissen Fenster und Wände. „so lange zu bombardieren, bis das Herz
von Nazi-Deutschland aufgehört hat zu

2. Zu Hunderttausenden regnete es
anschließend kleine Stabbrand-
bomben oder Phosphorbomben, die in
schlagen“, die Reichshauptstadt endgül-
tig auslöschen. In Abstimmung mit den
Amerikanern planten die Briten, in einem
der Zugluft der geborstenen Häuser ein einzigen Großangriff, der sich ausdrück-
Flammenmeer entfachten. lich nur auf Wohngebiete konzentrieren
sollte, bis zu 220.000 Berliner zu töten

3. Sprengbomben besorgten schließ-


lich den Rest. Teilweise mit Zeit-
zündern ausgerüstet, explodierten sie
oder zu verwunden. Am 3. Februar 1945
entluden 2.000 B-17 Bomber der
8. USAAF einen Dauerregen aus Phos-
erst Stunden nach den Luftangriffen, um phor und Sprengstoff über der Stadt.
Löschkräfte und Rettungshelfer zu töten. Sie legten dabei fast ein Viertel der
Die einzelnen Brände vereinigten sich zu zentralen Stadtteile in Schutt und Asche.
einem Feuersturm, der so viel Sauerstoff Etwa 1,5 Millionen Berliner wurden
verbrauchte, dass die Menschen selbst in obdachlos, Zehntausende starben im
ihren Schutzräumen erstickten. Bombenhagel.

Leuchtspuren deutscher Flakgeschosse im Berliner Nachthimmel,1943


42 Der Bombenkrieg & Die Schlacht um Berlin

Ausgebombte dachten nicht an Widerstand gegen Hitler, Nahrung und ein Dach über dem Kopf waren wichtiger

Selbst den Einsatz von Biowaffen wie


„Das Herz bleibt einem stehen, Anthrax ließ Churchill prüfen und forder-
wenn man von den Luftbombar- te, wenn nötig „Deutschland mit Giftgas zu
dements Berlins liest (...). durchtränken“. Bei US-Präsident Roose-
Da sie nicht mit militärischen velt bestellte er schließlich 500.000
Operationen verknüpft sind, „N-Bomben“, die Milzbranderreger ent-
hielten. Diese blieben in der Hinterhand,
sieht man kein Ende des Krieges, für den Fall, dass Deutschland derartige
nur ein Ende Deutschlands.“ Waffen einsetzen würde.
(Bertolt Brecht, 1943) Hitler hingegen plante, die USA mit der
1944 von Wernher von Braun und seinen
Der NS-Geheimdienst stellte nach sol- Ingenieuren in Peenemünde entwickelten
chen Angriffen stets eine Art Trotzhal- „Amerikarakete“ A 9/A10 anzugreifen.
tung in der Bevölkerung fest. Sie stumpfte New York sollte dem Erdboden gleichge-
ab, rückte näher zusammen und ließ das macht werden, um „mit solchen Terror-
Schicksal über sich ergehen. NS-Organi- angriffen auf Millionenstädte den Juden
sationen versorgten die nun Obdachlosen eine Lektion erteilen zu können“.
mit dem Nötigsten und standen mit Sup-
penküchen zur Verpflegung bereit. Der Allein in Deutschland starben im 2. Welt-
Bau von Schutzeinrichtungen wurde be- krieg etwa 600.000 Menschen durch
schleunigt voran- nahezu 1,5 Millionen Tonnen Spreng-
getrieben. Das und Brandbomben der Alliierten.
Volk zum Wider- Die Zahl der vermissten Personen ist
stand gegen bis heute ungewiss. Von den 7.000 über
Hitler aufzubrin- Deutschland eingesetzten Lancaster-
gen gelang den Bombern wurden etwa 3.500 abgeschos-
Alliierten nicht. sen. 80.000 Mann Besatzung verloren
ihr Leben.
Nach Ende des Krieges waren große Teile
der Hauptstadt zerstört. 612.000 Woh- Spuren des Bombenkrieges:
nungen und ein Fünftel aller Gebäude 3Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche
existierten nicht mehr. Der „Schutthaufen 3Anhalter Bahnhof & Hochbunker
Berlin“ belief sich auf fast 70 Millionen 3Reichsbahnbunker 3Flakbunker
Kubikmeter, die zu mehreren Trümmer- Friedrichshain & Humboldthain 3U-Bahn-
bergen aufgeschüttet wurden. Bei den bunker 3Luftschutzbunker Gesundbrunnen
mehr als 360 Angriffen starben mindes- 3Alliierten-Museum 3Teufelsberg
tens 35.000 Menschen. 3Luftwaffenmuseum der Bundeswehr
Der Bombenkrieg & Die Schlacht um Berlin 43

Die Schlacht um Berlin


Mit der Schlacht um Berlin kehrte der 2. Weltkrieg am 16. April 1945
nach sechs Jahren an seinen Ursprungsort zurück. Zuvor hatten 110 Mil-
lionen Soldaten, davon 20 Millionen Deutsche, auf fast einem Siebtel
der Erdoberfläche gekämpft. Die Bilanz waren 60 Millionen Tote, etwa
50 Millionen Verwundete und 20 Millionen Flüchtlinge sowie 80.000
zerstörte Städte und Dörfer. Nach der Einschließung Berlins durch die
Rote Armee setzten die Bombenangriffe aus, doch in den unerbittlichen
Häuserkämpfen ging das Sterben weiter. Die sinnlose Verteidigung der
Reichshauptstadt forderte abermals Tausende von Menschenleben.

Am 9. März 1945 erging Hitlers Befehl Nach äußerst verlustreichen Kämpfen


zur Verteidigung Berlins, in dem er die gelang den sowjetischen Truppen
Anweisung gab: „Die Reichshauptstadt unter Marschall Georgi K. Schukow am
wird bis zum letzten Mann und bis zur 17. April der Durchbruch. Etwa 70.000
letzten Patrone verteidigt.“ Der Verteidi- Rotarmisten und 12.000 deutsche Solda-
gungsring zog sich 60 Kilometer außer- ten verloren dabei ihr Leben.
halb Berlins entlang und war in acht In Zangenformation rückten nun etwa
Zonen unterteilt. Der innerste Zirkel rund 2,5 Millionen sowjetische Soldaten mit
um die 3Neue Reichskanzlei und Hitlers 6.000 Panzern, 41.000 Geschützen und
letztes Hauptquartier, den 3„Führerbun- Granatwerfern sowie 7.500 Flugzeugen
ker“, hieß „Zitadelle“. auf die Reichshauptstadt vor. Sie sahen
sich einer halben Million deutscher Sol-
Im Morgengrauen des 16. April 1945 daten gegenüber, zusammengesetzt aus
begann der Angriff sowjetischer Truppen Resten der Wehrmacht, Waffen-SS,
auf die Seelower Höhen am Oderbruch, Verbänden aus Volkssturm, Polizei und
70 Kilometer östlich von Berlin. An die- Hitlerjugend. Einige hundert Panzer und
ser letzten natürlichen Barriere vor den nur noch wenige Flugzeuge konnten die
Toren der Reichshauptstadt waren etwa Verteidiger aufbieten, die zudem unter
200.000 deutsche Soldaten und eine erheblichem Treibstoff- und Munitions-
Division aus Überläufern zusammengezo- mangel litten.
gen worden. Ihnen standen 900.000
vorrückende Rotarmis- Am 20. April feierte Adolf Hitler im
ten gegenüber. Schutz des 3„Führerbunkers“ seinen
letzten Geburtstag, während sich
bereits die ersten Nazi-
Größen aus der
Reichs-

2,5 Millionen
Rotarmisten standen
500.000 deutschen Soldaten
im Kampf um Berlin gegenüber.
44 Der Bombenkrieg & Die Schlacht um Berlin

lottenburg, Wilmersdorf, Tiergarten und


an der Museumsinsel in Mitte.
Am 29. April stand die Rote Armee
schließlich im hart umkämpften Regie-
rungsviertel. Hitler hatte SS-General
Wilhelm Mohnke seinem persönlichen
Befehl unterstellt und zum Kampfkom-
mandanten des Abschnitts „Zitadelle“
hauptstadt absetzten. Am folgenden Tag rund um die Reichskanzlei ernannt.
überschritten erste Truppenteile der Ro- Eine Ironie der Geschichte ist, dass unter
ten Armee die Stadtgrenze Berlins und den hier stationierten Verteidigern kaum
stießen über die Außenbezirke Richtung noch ein Deutscher war. Besonders Reste
Zentrum vor. Von den großen 3Flakbun- der französischen SS-Division „Charle-
kern im Friedrichs- und Humboldthain magne“ und zusammengeschlossene
sowie am Zoo wurde jetzt nicht in den Verbände der skandinavischen Division
Himmel, sondern überwiegend auf vor- „Nordland“, niederländische und lettische
rückende sowjetische Panzer in den SS-Einheiten gehörten zu den verbissens-
Straßen geschossen. ten Verteidigern. Sie selbst hatten nie
Am 25. April war die Reichshauptstadt Gefangene gemacht und erwarteten jetzt
bereits weitgehend eingeschlossen. Nach für sich kein anderes Schicksal.
erbitterten Kämpfen in Reinickendorf,
Wedding, Prenzlauer Berg, Tempelhof „Siegen oder Sibirien“
und Friedrichshain eroberten die Sowjets stand an den Hausfassaden zu lesen.
am 26. April den Kreuzberg und konnten Es musste bis zur totalen Zerstörung ge-
von hier aus ihr vorgegebenes Ziel, den kämpft werden, die Verantwortlichen hat-
3Reichstag, sehen. Am Tag darauf kapi- ten es so befohlen. Ihr Ende sollte auch
tulierte im Westen der Bezirk Spandau, das Ende des deutschen Volkes sein.
und es tobten heftige Gefechte in Char- Als selbst Hitler einsah, dass die Nieder-
lage nicht mehr abzuwenden war und
„Wir können untergehen. Aber wir auch die „Wunderarmee Wenck“ Berlin
werden eine Welt mitnehmen.“ nie erreichen würde, nahm er sich am
(Nicolaus von Below, Hitlers Luftwaffenadjudant)
30. April 1945 im 3„Führerbunker“ das

Schützenpanzerwagen der skandinavischen SS-Division „Nordland“ in der Chausseestraße im April 1945


Der Bombenkrieg & Die Schlacht um Berlin 45

„Wie bitter ist es, wenn der Jubel der Welt der Niederlage, der
tiefsten Demütigung des eigenen Landes gilt! Wie zeigt sich darin
noch einmal schrecklich der Abgrund, der sich zwischen Deutsch-
land, dem Land unserer Väter und Meister, und der gesitteten Welt
aufgetan hatte.“ (Heinrich Mann, 10. Mai 1945)

Leben. Die führerlosen Getreuen richte- „Hurra, wir leben noch!“,


ten sich entweder ebenfalls selbst oder rief der Berliner, doch für viele verbliebe-
versuchten, dem drohenden Untergang ne Zivilisten war in der völlig zerstörten
zu entfliehen. Stadt die Welt untergegangen. Für einige
Am frühen Morgen des 2. Mai 1945 ver- Tage herrschten chaotische Zustände.
kündete der Oberbefehlshaber des Ver- Mehr als 110.000 Berlinerinnen wurden
teidigungsbereiches Berlin, General Hel- von sowjetischen Soldaten vergewaltigt.
muth Weidling, seinen letzten Befehl: Erst ab Juni ging die Armeeführung da-
„Am 30. 4. 45 hat der Führer sich selbst gegen vor. Zwei Monate waren die Rot-
entleibt und damit uns, die wir ihm die armisten die alleinigen Besatzer, bevor
Treue geschworen hatten, im Stich gelas- erste amerikanische Truppen von der
sen ... Jede Stunde, die wir weiterkämp- Elbe kommend die Hauptstadt erreich-
fen, verlängert die entsetzlichen Leiden ten. Die Sowjets versorgten die Berliner
der Zivilbevölkerung Berlins und unserer mit Lebensmitteln und organisierten ers-
Verwundeten. Im Einvernehmen mit dem te Aufräumarbeiten, doch die Teilung
Oberkommando der sowjetischen Truppen Berlins war bereits abzusehen.
fordere ich euch daher auf, sofort den
Kampf einzustellen.“ Spuren der Schlacht um Berlin:
3Reichstag 3Sowjetische Ehrenmale
Nachdem auch die letzten Wehrmachts- Tiergarten, Treptow, Schönholzer Heide
und SS-Verbände in der Stadt ihre Waf- 3„Wunden der Erinnerung“ 3Flakbun-
fen niedergelegt hatten, endete die ker Friedrichshain, Humboldthain 3Alli-
Schlacht um die Reichshauptstadt am ierten-Museum 3Gedenkstätte Seelower
2. Mai 1945 – Berlin hatte kapituliert. Höhen 3„Führerbunker“

Rotarmisten hissen in einer nachgestellten Szene


die sowjetische Fahne auf dem Reichstag.
46 Innenstadtbezirke

1 Militärparade zu Hitlers 50. Geburtstag, 20. April 1939, Blick von der Siegessäule auf das Brandenburger Tor
Innenstadtbezirke 47

INNENSTADTBEZIRKE Auch außerhalb des einstigen Regierungs-


viertels finden sich bis heute zahlreiche Spuren nationalsozialistischer
Geschichte. Wer weiß schon, dass die Siegessäule einst als Funkleitstelle
für deutsche Flieger im Kampf um Berlin und die Straße des 17. Juni als
Landebahn dienten. Nicht weniger kurios ist der berüchtigte Salon Kitty,
ein Spionagebordell der SS, oder der 12.360 Tonnen schwere Groß-
belastungskörper, eines der letzten Relikte der Germania-Planungen.
Weitgehend unbekannt ist auch, dass auf dem Kreuzberg bereits 1941
von Konrad Zuse der erste Computer der Welt erbaut wurde. Gerade
einmal eine kleine Gedenktafel erinnert heute an den Ort, an dem mitten
im Krieg der Grundstein für ein neues Zeitalter gelegt wurde.

1 Wenige Jahre später mussten bereits


Siegessäule, Großer Stern, Teile der Prachtstraße mit Tarnnetzen
Straße des 17. Juni überspannt werden, um feindlichen
q Albert Speer, 1938 p Straße des Bomberverbänden die Orientierung zu
17. Juni, Karte B2  Bellevue D Mo, erschweren. In den letzten Kriegstagen
So 8.00–22.00 Uhr Im Zuge der diente die Siegessäule schließlich als
Planung, Berlin zur 3Welthauptstadt Funkleitstelle für deutsche Jagd- und
Germania umzu- Transportflugzeuge
bauen, sollte in wie die „Ju 52“,
einem ersten die auf der
Bauabschnitt Charlottenbur-
die Ost-West- ger Chaussee
Achse aufge- (heute Straße
wertet werden. des 17. Juni)
Albert Speer starten und
ließ den Großen Stern landen konnten, um
von 80 auf 200 Meter erweitern Nachschub in die eingeschlossene
und versetzte 1938 die Siegessäule Stadt zu bringen. Bei der französi-
von ihrem angestammten Platz vor schen Schutzmacht war die
dem Reichstag auf den Großen Stern. Siegessäule wenig beliebt, und so for-
Zu dieser Zeit bestand das Krieger- derte man 1946 sogar ihre Sprengung.
denkmal noch aus drei Segmenten, Schließlich gingen nur die Reliefs am
die preußischen Siege über Dänemark, Sockel als Trophäen nach Frankreich
Österreich und Frankreich symbolisie- und wurden 1984 zur 750-Jahr-Feier
rend. Auf Hitlers ausdrücklichen Befehl Berlins zurückgegeben.
wurde jetzt ein viertes hinzugefügt –
für einen noch zu gewinnenden Krieg? 2
Am äußeren Ring platzierte man die Straßenlaternen
Denkmäler von Reichskanzler Otto q Albert Speer, 1938 p Bismarckstr.,
Fürst von Bismarck, Generalfeldmar- Karte B2  Tiergarten Die Beleuchtung
schall Helmuth von Moltke und Kriegs- der neu gestalteten Ost-West-Achse
minister Albrecht von Roon. Durch die erwies sich als besonders schwierig.
von Speer gestalteten Pavillons ge- Man wollte die ungebrochene Perspek-
langt man noch heute sicher auf die tive nicht durch über der Fahrbahn
Verkehrsinsel. Auf der fertig gestellten hängende Lampen stören. Albert Speer
Ost-West-Achse konnte Hitler dann entwarf schließlich selbst ein Modell,
1939 in einer vierstündigen Parade das Hitler im Garten der 3Neuen
der Wehrmacht seine neue Macht Reichskanzlei vorgestellt wurde und
demonstrieren. seine Zustimmung fand. Gegen Ende
48 Innenstadtbezirke

Hermann Göring 1893–1946


Als einer der erfolgreichsten Piloten des
1. Weltkrieges wurde Göring mit dem höchs-
ten deutschen Kriegsorden „Pour le Mérite“
ausgezeichnet und erhielt das Kommando
über das Jagdgeschwader Nr. 1 „Freiherr von
Richthofen“. 1921 lernte er Hitler kennen,
tratt der NSDAP bei und wurde Führer der
SA in München.
Nachdem er 1932 zum Reichstagspräsiden-
ten gewählt worden war, eignete er sich noch
weitere Ämter an. So war er preußischer
Ministerpräsident, zeitweise Innenminister,
ab Mai 1933 Reichsluftfahrtminister, Reichs-
forst- und Reichsjägermeister. Gemeinsam
mit Himmler und Heydrich beteiligte er sich

des Krieges wurden sämtliche Laternen 3Flakbunker Humboldthain und Fried-


zwischen dem S-Bahnhof Tiergarten und richshain) wurden allerdings nur fertig
dem Brandenburger Tor demontiert, um gestellt. Als erster entstand im August
eine Landebahn für Flugzeuge zu schaf- 1941 der Zoobunker. Friedrich Tamms,
fen. Von den einst 703 Kandelabern sind der später auch Flaktürme ähnlicher
heute nur noch etwa die Hälfte erhalten. Bauart in Wien und Hamburg errichten
ließ, übernahm von Albert Speer die
3 Bauleitung. Der kastellartige Stahlbeton-
Finanzamt Charlottenburg kolloss maß 70,5 mal 70,5 Meter im
q Bruker, 1939 p Bismarckstr. 48, Quadrat, war 42 Meter hoch und hatte
Karte A2  Bismarckstraße Auf Anord- bis zu 2,50 Meter starke Wände. Auf
nung der Alliierten mussten nach dem der Dachplattform standen vier von
Krieg alle nationalsozialistischen Hoheits- einem kleineren Leitbunker aus koordi-
symbole in Deutschland entfernt werden. nierte Flakzwillingsgeschütze (12,8 cm)
Über dem Portal des 1939 erbauten mit einer maximalen Schusshöhe von
Gebäudes befindet sich allerdings noch 14.800 Metern. Autonom durch eigene
heute ein Relikt des „Dritten Reiches“. Wasser- und Stromversorgung fanden
Der von Adolf Hitler entworfene Reichs- hier auf fünf Etagen 22.000 Menschen
adler umkrallt hier in Stein gemeißelt und auch Kunstschätze aus Berliner
nicht mehr das Hakenkreuz, sondern Museen wie die Büste der Nofretete, die
jetzt ein Schild mit der Hausnummer. heute im Ägyptischen Museum zu bewun-
dern ist, Schutz vor Bombenangriffen.
4 Der Leitbunker konnte zusätzlich 8.000
Zoobunker Menschen aufnehmen. 1946 versuchten
q Friedrich Tamms, 1941 p Zoolo- sich britische Sprengkommandos vergeb-
gischer Garten, Karte B3  Zoo- lich an der Beseitigung des im Krieg
logischer Garten Im Oktober 1940 gab kaum beschädigten Bauwerks. Erst
Adolf Hitler den Befehl für eines der 1948 gelang die vollständige Sprengung.
größten Bauprojekte der Menschheits-
geschichte: Aus 200 Millionen Kubikme- 5
tern Beton sollten in ganz Deutschland Botschaft Spaniens
Luftschutzbunker errichtet werden. q Johannes & Walter Krüger, 1943
Am 9. September 1940 ordnete Adolf p Lichtensteinallee 1, Karte B3
Hitler an, in Berlins innerstädtischen  Zoologischer Garten Für die Rea-
Parks insgesamt sechs Flaktürme zur lisierung des Gebäudes war die Reichs-
Bekämpfung feindlicher Bomberver- baudirektion unter Albert Speer verant-
bände zu errichten. Drei (Zoobunker, wortlich. Das faschistische Regime unter
Innenstadtbezirke 49

entscheidend am Aufbau des NS-Terrorstaa- „Luftschlacht um England“ und der Nieder-


tes und ließ die ersten Konzentrationslager lage bei Stalingrad verlor er spürbar an
errichten. Als Oberbefehlshaber der Luftwaffe Einfluss. Der morphiumsüchtige Göring zog
zeichnete er verantwortlich für den Einsatz sich immer weiter aus seinen Ämtern zurück
der „Legion Condor“ in Spanien und und schuf sich in 3Carinhall, nördlich
wurde 1938 mit seiner Ernennung von Berlin, ein protziges Privatrefu-
zum Generalfeldmarschall zunehmend gium. Am 8. Mai 1945 geriet er in
zum mächtigsten Mann hinter Hitler. amerikanische Gefangenschaft und
1941 erhielt er den für ihn geschaffe- wurde 1946 in Nürnberg zum Tode
nen Dienstgrad „Reichsmarschall des verurteilt. Wenige Stunden vor der
Großdeutschen Reiches“. Nach der verlorenen Hinrichtung beging er am 15. Oktober 1946
durch die Einnahme einer Zyankalikapsel
Göring wollte Meyer heißen, falls jemals ein Selbstmord. Sein mit Diamanten besetzter
feindliches Flugzeug die Reichsgrenzen über- Marschallstab befindet sich heute zusam-
fliegen sollte. Wenige Jahre später lagen viele men mit Hitlers goldener Pistole im Museum
deutsche Städte in Schutt und Asche. der Westpoint-Militär-Akademie in den USA.

General Franco war zwar kein direkter das Wahrzeichen West-Berlins. Nach
Verbündeter Deutschlands, dennoch las- einem Teilabriss in den fünfziger Jahren
sen sich in dem monumentalen Bau die ergänzte Egon Eiermann 1963 den Sakral-
engen Beziehungen zwischen den beiden bau um einen Turm und Kirchenraum.
Staaten erkennen. Nach Beseitigung der Im Inneren befindet sich ein „Coventry-
Kriegsschäden und der faschistischen Kreuz“ zum Gedenken an den vernich-
Reliefs über dem Portikus wurde die tenden Bombenangriff der deutschen
Botschaft im Jahr 2003 wiedereröffnet. Luftwaffe auf die englische Stadt.

6 8
Botschaft Jugoslawiens / Referat IV B4 des Reichssicher-
Deutsche Gesellschaft für heitshauptamtes
Auswärtige Politik q Karl Bernhard, 1910 p Kurfürsten-
q Werner March,1940 p Rauchstr. 17–18, str. 115/116, Karte B3  Wittenberg-
Karte B3  Zoologischer Garten platz Das Referat IV B4 war seit 1939
Die ehemalige jugoslawische Botschaft der Dienstsitz des SS-Obersturmbann-
wurde von Olympiastadion-Erbauer führers Adolf Eichmann. Als Leiter der
Werner March als zweiflügelige Villa mit „Reichszentrale für jüdische Auswan-
Fassadenschmuck von Arno Breker kon- derung und Umsiedlung“ war er für die
zipiert. Nach dem Überfall Deutschlands
auf Jugoslawien 1941 wurde es zum
Gästehaus umfunktioniert und beher-
bergte zeitweilig den Minister für die
besetzten Ostgebiete. Seit 1953 war
es Dienstsitz des von den Alliierten ein-
gesetzten Rückerstattungsgerichtes, 7
das sich mit der Entschädigung von
Opfern der NS-Diktatur beschäftigte.

7
Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche
q Franz Schwechten, 1895 p Breit-
scheidplatz, Karte B3  Zoologischer
Garten Die Ruine der Kaiser-Wilhelm-
Gedächtniskirche blieb als Mahnmal
gegen den Bombenkrieg stehen und galt
während der Teilung Deutschlands als
50 Innenstadtbezirke

16 Emblem der Reichsbahn

21 Jüdisches Museum 21 Garten des Exils im Jüdischen Museum

8 Mahnort nahe dem ehemaligen Dienstsitz von Adolf Eichmann

5 Botschaft Spaniens

1 Siegessäule 12 Zeitgenössisches Relief am Fehrbelliner Platz


Innenstadtbezirke 51

Deportation von Millionen Juden in Kon- 11


zentrations- und Vernichtungslager im Salon Kitty
Rahmen der auf der Wannseekonferenz p Giesebrechtstr. 11, Karte A3  Ade-
am 20. Januar 1942 beschlossenen nauerplatz Das luxuriös ausgestattete
„Endlösung der Judenfrage“ verantwort- Etablissement der Kitty Schmidt war
lich. Von diesem Ort aus organisierte er Treffpunkt für Diplomaten, Botschafter und
die Todestransporte von Juden aus ganz hochrangige Mitglieder der Berliner
Europa. 1946 gelang es Eichmann, aus Gesellschaft. Auf Anweisung von Rein-
amerikanischer Gefangenschaft nach hard Heydrich und unter der Führung
Argentinien fliehen. Dort wurde er Ende von Auslands-SD-Chef Walter Schellen-
der fünfziger Jahre vom israelischen berg begann mit der „Operation Kitty“
Geheimdienst Mossad aufgespürt, nach 1939 der Umbau des Freudenhauses zu
Israel entführt und am 11. Januar 1961 einem Spionagebordell. Man verwanzte
zum Tode verurteilt. sämtliche Räume, zog doppelte Wände
An der Stelle des 1961 abgerissenen ein, errichtete im Keller eine Abhörzen-
Gebäudes erinnern heute Schautafeln trale und zeichnete fortan alle Gespräche
in der Bushaltestelle der Linie 100 an und Ereignisse auf Tonband auf. In ganz
diesen Ort deutscher Geschichte. Europa wurde weibliches Personal ange-
heuert, das vom Sicherheitsdienst
9 geschult wurde, um den Gästen im
Jüdisches Gemeindehaus Rausch der Sinne möglichst geheime
q Dieter Knoblauch, Heinz Heise, 1959 Informationen zu entlocken. Der italieni-
p Fasanenstr. 79–80, Karte B3 sche Außenminister soll einmal hier
 Zoologischer Garten Nur etwa belauscht worden sein, als er über
3 Prozent der einst 160.000 jüdischen Hitler herzog, danach waren die
Bürger Berlins konnten versteckt in der Beziehungen zwischen Deutschland und
Stadt überleben, die meisten wurden Italien nie wieder so wie zuvor. Bis zur
vertrieben oder in Konzentrationslager Beendigung der „Operation“ im Jahr
verschleppt. Während des November- 1943 wurden etwa 25.000 Tonbänder
pogroms 1938 schwer beschädigt, wur- gesammelt, die in den Kriegswirren aus
de die Synagoge in der Fasanenstraße den Archiven der Gestapo spurlos ver-
1957 abgetragen und alte Fassadenteile schwunden sind.
in den Neubau integriert. Heute ist die In den Räumen des ehemaligen Salons
jüdische Gemeinde Berlins mit 11.000 Kitty befinden sich heute Wohnungen.
Mitgliedern die größte in Deutschland.
12
10 Fehrbelliner Platz
Wohnhaus Heinrich Mann q Otto Fierle, 1935, p Karte A4
p Fasanenstr. 61, Karte B3  Zoo-  Fehrbelliner Platz Im Zuge eines
logischer Garten Nach dem 1. Weltkrieg Wettbewerbes zur Neugestaltung des
lobte Heinrich Mann Berlin als „Schule Fehrbelliner Platzes mussten alle
der Demokratie“ und leitete die Dichter- Architekten ihre Entwürfe hier vor Ort
sektion an der Akademie der Künste, ausbreiten. Otto Fierle siegte schließlich
der auch sein Bruder Thomas Mann mit seinem markanten Halbkreisschema,
angehörte. Anfang 1933 wurden die und so entstanden bis 1943 insgesamt
Manns von den Nationalsozialisten ge- vier Verwaltungsbauten. Das Gebäude
nötigt, Deutschland zu verlassen, und des heutigen Rathauses Wilmersdorf
flüchteten über Frankreich in die USA. wurde nach Fertigstellung von der
Kurz nach seiner Berufung zum Präsi- Wehrmacht genutzt und diente nach
denten der Akademie der Künste der Kriegsende den Briten unter der Bezeich-
DDR starb Heinrich Mann 1950 in Santa nung „Lancaster-Haus“ als Hauptquartier.
Monica, USA. Sein Grab befindet sich Als Geschenk hinterließ die ehemalige
auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof Schutzmacht eine Londoner Telefonzelle
an der Chausseestraße. neben dem Eingang.
52 Innenstadtbezirke

13
Wohnhaus Erich Kästner
p Prager Str. 6, Karte B3  Spichern-
straße Der Schriftsteller, Journalist und
Filmautor Erich Kästner galt Ende der
zwanziger Jahre als erfolgreichster
Nachwuchsautor der Literaturszene.
Bekannt geworden durch Feuilletons,
Kinder- und Erwachsenenromane erhielt
er wegen seiner klaren Haltung gegen
Joseph Goebbels 1897–1945 die Nationalsozialisten 1933 Berufs-
Goebbels wurde in Rheydt bei Mönchen- verbot. Als am 10. Mai des gleichen
gladbach in ärmlichen Verhältnissen gebo-
Jahres seine Bücher unter dem Motto
ren und behielt nach einer Erkrankung
„Gegen Dekadenz und moralischen
zeit seines Lebens einen verkrüppelten
Zerfall. Für Zucht und Sitte in Familie
Fuß. Sein Studium schloss er mit einem
Doktortitel ab und unterschrieb fortan mit
und Staat!“ auf dem Opernplatz (heute
der Pharaphe „Dr. G.“. Vergeblich ver- Bebelplatz) verbrannt wurden, war
suchte er, eine Anstellung als Journalist Kästner Augenzeuge. Obwohl von der
zu erhalten, zahlreiche jüdische Verlage Gestapo mehrmals verhaftet, gelang
wiesen ihn ab. Er trat schließlich der es ihm immer wieder freizukommen.
NSDAP bei und wurde 1926 von Hitler Er emigrierte nicht ins Ausland, konnte
zum Gauleiter in Berlin ernannt. nur noch unter einem Pseudonym
Seit 1933 war er Minister für Propaganda weiterarbeiten und schrieb unter ande-
und Volksaufklärung. Er inszenierte einen rem das Drehbuch zu dem Ufa-Film
ausgeprägten Führerkult um Hitler, for- „Münchhausen“. An der Stelle seines im
cierte den Antisemitismus mit Filmen wie Krieg zerstörten Wohnhauses erinnert
„Jud Süß“ oder „Der ewige Jude“ und heute eine Gedenktafel an Kästner.
organisierte 1938 persönlich die Reichs-
kristallnacht. Nach der Niederlage von 14
Stalingrad hielt er im 3Sportpalast seine Wohnhaus Marlene Dietrich
berüchtigte Rede vom „Totalen Krieg“, und p Bundesallee 54, Karte B4
als sowjetische Truppen schon vor Berlin  Bundesplatz Das Geburtshaus
standen, beschwor er noch immer den von Marlene Dietrich befindet sich in
„Endsieg“ und sprach von 3„Wunderwaffen“, Schöneberg, Leberstraße 65. Mitte der
die das Schicksal wenden könnten. zwanziger Jahre bezog die damals noch
Am 22. April 1945 begab er sich in den unbekannte Schauspielerin mit Ehemann
3„Führerbunker“, um an der Seite Hitlers und Tochter eine elegante Wohnung im
zu sein. Nach dessen Tod wurde er am
obersten Stock eines Hauses in der heu-
1. Mai zu Hitlers Nachfolger ernannt.
tigen Bundesallee. Nach der Filmpre-
Nur wenige Stunden später ließ er seine
miere des „Blauen Engels“ reiste sie 1930
sechs Kinder mit Zyankali-Ampullen ver-
giften und beging anschließend zusam-
nach Hollywood und unterschrieb einen
men mit seiner Frau Magda Selbstmord. Siebenjahresvertrag bei Paramount
Pictures. Joseph Goebbels bot Marlene
Der „Volksempfänger 301“ war benannt Dietrich 1936 für jeden in Deutschland
nach dem 30. Januar 1933, dem Tag der gedrehten Film 200.000 Reichsmark,
Machtübernahme Hitlers. Nur 35 Reichs- bei freier Wahl von Stoff, Regisseur und
mark kostete ab 1938 die so genannte Produzent an. Sie lehnte ab und unter-
Goebbelsschnauze. stützte ab 1943 amerikanische Soldaten
1941 konnte der mit Truppenbesuchen im Kampf gegen
Minister so bis zu das nationalsozialistische Regime.
65 % aller deut- Am 6. Mai 1992 verstarb sie in Paris
schen Haushalte und wurde gemäß ihrem letzten Wunsch
mit seiner Propa- auf dem Friedhof Friedenau in Berlin
ganda erreichen. beigesetzt.
Innenstadtbezirke 53

15 17
Sportpalast Großbelastungskörper
q Hermann Dernburg, 1910 p Pots- q Albert Speer, 1941 p General-Pape-
damer Str. Ecke Pallasstr., Karte C3 Str. 2, Karte C4  Papestraße
 Kleistpark In der Weimarer Republik Nach Hitlers Vorstellungen sollte an
fanden hier Großveranstaltungen aller dieser Stelle auf der geplanten Nord-Süd-
politischen Parteien statt, die NSDAP Achse der 3Welthauptstadt Germania
verklärte den Sportpalast zur „Heimstätte ein gewaltiger 3Thriumphbogen für die
der Bewegung“. Am 18. Februar 1943, Gefallenen des 1. Weltkrieges entstehen.
nach der verlorenen Schlacht um Angesichts einer Höhe von 117 Metern
Stalingrad, hielt Propagandaminister und 170 Metern Breite hätte der Pariser
Joseph Goebbels hier seine fanatische Arc de Triomphe fast neunmal in der
Rede vom „Totalen Krieg“. Vor 15.000 Stirnseite des Berliners Platz gefunden.
aufgeputschten Anhängern versuchte er, Zur Überprüfung der Belastbarkeit des
den Glauben an den „Endsieg“ zu ret- märkischen Sandbodens ließ General-
ten, und fragte die Menge: „Wollt Ihr bauinspektor Albert Speer 1941 von
den totalen Krieg? Wollt Ihr ihn totaler französischen Zwangsarbeitern einen
und radikaler, als wir ihn uns heute über- 12.360 Tonnen schweren Betonzylinder
haupt vorstellen können?“ Die Halle errichten. Der Koloss hat einen Durch-
wurde durch Bombenangriffe 1944 bis messer von 21 Metern und ragt 14 Me-
auf die Grundmauern zerstört. Heute ter über und 18 Meter unter die Erde.
steht an dieser Stelle ein Wohnkomplex. Die Ingenieure registrierten damals eine
Setzung des Belastungskörpers um
16 19 Zentimeter, der Bau des 3Thriumph-
Reichsbahndirektion bogens wäre also möglich gewesen.
q Armin Wegener, 1895 p Schöne- Obwohl schon Verträge über schwedische
berger Ufer 1–3, Karte C3  Gleis- Granitlieferungen bestanden, wurde mit
dreieck Auf der Rückseite des Gebäudes, dem Bau aufgrund der Kriegsereignisse
die Hochbahn überblickend, steht auf nie begonnen. Der älteste und größte
einem Vorsprung das steinerne Emblem Belastungskörper der Welt steht heute
der ehemaligen Deutschen Reichsbahn: unter Denkmalschutz und ist einer der
dynamisch geformte Adlerschwingen auf wenigen stummen Zeugen der monu-
einem Eisenbahnrad. Aus dem darunter mentalen Germania-Planungen. Für eine
liegenden Relief wurde das Hakenkreuz zukünftige Nutzung des Bauwerkes gibt
nach dem Krieg entfernt. es derzeit keine Pläne.

17 Großbelastungskörper
54 Innenstadtbezirke

18
NS-Propaganda Wohnhaus Konrad Zuse
Bereits in der Weimarer Republik nutzte
p Methfesselstr. 7, Karte D4  Platz
die NSDAP wie keine andere Partei die
Propaganda intensiv, um auf die „nationale der Luftbrücke An dieser Stelle konstru-
Schmach“ des Versailler Vertrags am Ende ierte der Ingenieur Konrad Zuse 1941
des 1. Weltkrieges hinzuweisen sowie Ju- die „Z 3“ (Zuse 3), den ersten funk-
den, Kommunisten und Demokraten als tionsfähigen Computer der Welt. Bereits
Feinde zu diffamieren. Der zum „Heilsbrin- 1936 entwickelte er die Vision einer frei
ger“ hochstilisierte Hitler und seine auf- programmierbaren Rechenmaschine, das
wändig choreographierten Parteitage übten Resultat war 1938 die „Z 1“. Zuse wurde
eine verführerische Faszination aus. „Hitler während des Krieges als unabkömmlich
über Deutschland“ verlautete die Propagan- eingestuft und konnte so sein „Zuse
da 1932 anlässlich seiner Wahlkampfreise Ingenieurbüro und Apparatebau, Berlin“
per Flugzeug. So war es ihm möglich, in im elterlichen Haus aufbauen. Mehrfach
bis zu drei Städten täglich aufzutreten und versuchte er, das Heereswaffenamt von
omnipräsent im ganzen Reich zu erschei- seiner Erfindung zu überzeugen und
nen. Nach der Machtübernahme forcierte präsentierte seinen Computer der 3Deut-
das neu gegründete 3Reichsministerium schen Versuchsanstalt für Luftfahrt, doch
für Propaganda und Volksaufklärung die Be-
traf er auf wenig Verständnis. Die „Z 3“
einflussung aller Lebensbereiche der Ge-
und seine Werkstatt wurden 1945 bei
sellschaft. Mit Kriegsbeginn dominierte
die Wehrpropaganda. Heerführer wurden
einem Bombenangriff zerstört. Nach
als Identifikationsfiguren gefeiert, und dem Krieg besaß er 1949 mit der „Z 4“
Kampagnen wie „Feind hört mit“ sollten den einzigen funktionierenden Computer
die Bevölkerung mit den Verhaltensregeln in Europa. Bis seine Firma 1967 in dem
im Kriegsalltag vertraut machen. Als das Siemens-Konzern aufging, baute er ins-
Ende schon nahte, versuchte man sinnloser- gesamt 251 Computer. Ein Nachbau der
weise noch ein letztes Mal, an den Durch- „Z 1“ befindet sich heute im Deutschen
haltewillen zum Endsieg zu appellieren. Technik-Museum Berlin in der Trebbiner
Straße 66 nahe dem Potsdamer Platz.
Ludwig Hohlwein gehörte zu den bekanntes-
ten Grafikern seiner Zeit und gestaltete 19
unter anderem zahlreiche Propagandapla- Flughafen Tempelhof
kate. Sein Reichswehrrekrutierungs-Plakat q Ernst Sagebiel, 1939 p Platz der
„Und Du?“ (1932) gehört heute zur Samm- Luftbrücke 1–6, Karte D4  Platz der
lung des Museum of Modern Art in New York. Luftbrücke Bereits während der Bauphase
war geplant, den „Weltflughafen“ Tem-
pelhof in ferner Zukunft stillzulegen,
da man für die zukünftige 3Welthaupt-
stadt Germania vier Großflughäfen
außerhalb der Stadt vorsah. Noch heute
gilt der „überdimensionale Kleiderbügel“
mit einer Länge von 1.230 Metern als
einer der größten zusammenhängenden
Gebäudekomplexe Europas. Die 40 Meter
über das Vorfeld ragende Dachkons-
truktion war als Zuschauerterrasse für
Flugschauen angelegt und sollte 90.000
Menschen Platz bieten. Gegen Ende des
Krieges wurden unter der Flugsteighalle
Jagdflieger für Junkers und Focke-Wulf
am Fließband produziert, die nach Fertig-
stellung direkt auf das Rollfeld gelangen
konnten. Das 1951 eingeweihte Luft-
brückendenkmal erinnert mit seinen drei
Innenstadtbezirke 55

nach Westen gerichteten Rippen an die reiche Ausstellungsstücke dokumen-


Luftkorridore während der sowjetischen tieren eindrucksvoll die
Blockade Berlins 1948/49. Bis 1962 deutsch-jüdische
thronte ein 4,50 Meter großer Reichs- Geschichte. 21
adler auf dem Dach des Empfangs-
gebäudes. Nach seiner Demontage
wurde er den Amerikanern für das Mili-
tär-Museum in Westpoint übergeben.
Die Air Force schenkte dann nach ihrem
Abzug der Stadt Berlin den Kopf
der Statue, und so steht
er heute auf dem Eagle
Square vor dem Empfangs-
gebäude des
Flughafens. 22
Buchdruckwerkstatt GmbH
der Deutschen Arbeitsfront /
IG Metall
q Mendelsohn, Reichel, 1930
p Alte Jacobstr. 148/149, Karte D3
 Hallesches Tor Das Gebäude wurde
nach Zerschlagung der Gewerkschaften
seit 1933 von der Deutschen Arbeitsfront
genutzt. Niederländische Zwangsarbeiter
20 stellten hier Handelsdruckware und NS-
KZ Columbiahaus Parteidrucksachen her. Für ausländische
q 1933 p Columbiadamm 1–3, Karte Arbeiter wurden Wochenblätter in 20 ver-
D4  Platz der Luftbrücke Bis 1936 schiedenen Sprachen produziert. Das
war an dieser Stelle das „Gefängnis Propagandamaterial sollte Verständnis
Tempelhofer Feld“. Es diente der SS und Begeisterung für die nationalsozia-
und der Gestapo als Haftort für insge- listische Idee wecken.
samt 8.000 politische Gefangene. Bis
1936 war es ein so genanntes „wildes 23
Konzentrationslager“ und wurde als Zentrale Dienststelle für Juden
Ausbildungsstätte für KZ-Kommandanten p Fontanepromenade 15, Karte D4
und -Personal genutzt, bevor es dem  Südstern Nach der Reichspogromnacht
Neubau des 3Flughafen Tempelhof wei- im November 1938 wurde die Abteilung
chen musste. Heute mahnt eine Stahl- aus dem Landesarbeitsamt ausgegliedert
skulptur am Columbiadamm Ecke Golße- und verwaltete den Arbeitseinsatz
ner Straße an das Gefängnis. Berliner Juden. Alle Männer zwischen
18 und 55 und Frauen bis 50 wurden
21 registriert und zu Schwerstarbeit in so
Jüdisches Museum Berlin genannten Judenkolonnen eingesetzt.
q Daniel Libeskind, 2001 Im Zuge der „Fabrik-Aktion“ deportierte
p Lindenstr. 9–14, Karte D3 man im Februar 1943 alle Juden von
 Kochstraße D Mo–So 10–20 Uhr ihren Arbeitsorten in Konzentrationslager.
Das Museum des amerikanischen Star-
architeken Daniel Libeskind ist einer der 24
spektakulärsten Neubauten Berlins. Die Gasometerbunker
schroffe Zickzackstruktur des Grundris- q Baustab Wilhelmi des GBI Albert Speer,
ses stellt einen gesprengten Davidstern 1942 p Fichtestr. 4–12, Karte E4
dar, ähnliche Strukturen an der Fassade  Südstern Im Rahmen des „Bunker-
und im Inneren erinnern wie Narben an bauprogramms für die Reichshauptstadt“
die Leiden der deutschen Juden. Zahl- wurde innerhalb des 1826 von Eugen
56 Innenstadtbezirke

Reissner erbauten Gasometers der engli- 27


schen Imperial Continental Gas Associ- U-Bahnbunker
ation ein Bunker errichtet. Hinter etwa q Baustab Wilhelmi des GBI Albert
1,80 Meter dicken Wänden und einer Speer, 1942 p Klosterstr., Karte E2
3 Meter starken obersten Betondecke  Klosterstraße Bereits 1937 prüften
fanden auf sechs Etagen in 770 fenster- die Nationalsozialisten im Hinblick auf
losen Räumen teilweise bis zu 30.000 einen kriegerischen Konflikt, inwieweit
Menschen Schutz vor Bombenangriffen. das Berliner U-Bahnnetz für Luftschutz-
Nach dem Krieg blieb der Bunker bis in zwecke verwendet werden könnte. Im
die fünfziger Jahre Unterbringungsort Rahmen des „Bunkerbauprogramms für
für vertriebene deutsche Flüchtlinge aus die Reichshauptstadt“ errichtete man im
den Ostgebieten, diente als Jugend- Rohbau des einst geplanten U-Bahnhofes
gefängnis und als Lebensmittellager. Klosterstraße einen Luftschutzbunker,
Heute steht das Objekt leer. bestehend aus 150 Räumen.
Zu DDR-Zeiten wurden hier kurzzeitig
25 Champignons gezüchtet. Heute ist zu
Rüstungsbetrieb Ernst Franke bestimmten Anlässen das unterirdische
p Admiralstr. 17, Karte E3  Kott- Bauwerk zur Besichtigung freigegeben.
busser Tor Stellvertretend für die zahl-
reichen Betriebe, die in Berlin insge- 28
samt etwa 400.000 Zwangsarbeiter Flakbunker Friedrichshain
verpflichteten, zeugt dieser ehemalige & Flakbunker Humboldthain
Rüstungsbetrieb von der Ausbeutung q Friedrich Tamms, 1942 p Volkspark
europäischer „Fremdarbeiter“ im „Dritten Friedrichshain & Humboldthain, Karte
Reich“. Hier wurden Metallteile für E2, D1  Strausberger Platz, 
Handfeuerwaffen, Bomben, Sturmge- Gesundbrunnen Der mit dem 3Zoobun-
schütze und Panzerkraftwagen herge- ker baugleiche Flakturm im Friedrichs-
stellt. Etwa 50 sowjetische Zwangs- hain wurde nach dem Krieg gesprengt
arbeiter mussten unter so schrecklichen und spaltete sich dabei in zwei Hälften.
Bedingungen für den Krieg produzieren, Anschließend bedeckte man ihn bis zur
dass der Inhaber als „Schinder-Franke“ Oberkante mit Trümmerschutt.
bekannt war. Zehn von ihnen waren im Vom Flakbunker Humboldthain, der nahe
ehemaligen Kesselhaus, das heute noch dem 3AEG-Werk erbaut worden war,
erhalten ist, im 2. Hinterhof untergebracht. konnten nur die Südseite und der klei-
nere Leitbunker gesprengt werden.
26 Diese wurden später ebenfalls mit
Sowjetisches Ehrenmal Treptow Trümmerschutt aufgefüllt. Heute kann
q 1949, Jakow Belopolski p Treptower man von den 42 Meter hohen Flak-
Park, Karte F4  Treptower Park geschützplattformen auf der erhaltenen
Dort wo 1946 zunächst nur ein Gedenk- Nordseite die Hauptstadt überblicken
stein erinnerte, entstand nach einem und mit dem Berliner-Unterwelten-
Wettbewerb im gleichen Jahr das größte Verein zu bestimmten Zeiten das Innere
sowjetische Ehrenmal Berlins als des Turms erkunden.
„Symbol des Sieges der ruhmreichen
Sowjetarmee über den Hitlerfaschismus“. 29
Mittelpunkt des mit Granitquadern aus Regionalverwaltung der NSDAP
der abgetragenen 3Neuen Reichskanzlei im Gau Berlin
errichteten Ehrenmals bildet die 13 Meter q Walther & Johannes Krüger, 1938
hohe Bronzeskulptur eines Rotarmisten p Am Friedrichshain 22, Karte F2
mit gesenktem Schwert auf zerschmet-  Alexanderplatz Am 5. Januar 1919
tertem Hakenkreuz und einem deutschen wurde die Deutsche Arbeiterpartei (DAP)
Kind auf dem Arm. Über 5.000 gefallene in München gegründet und im folgen-
sowjetische Soldaten fanden hier ihre den Jahr in Nationalsozialistische
letzte Ruhestätte. Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) umbe-
Innenstadtbezirke 57

19 Reichsadlerkopf am Eagle Square

27 Lichtschacht im Bunker 27 Lageplan im Bunker

27 Gasschleuse im U-Bahnbunker

28 Flakbunker Humboldthain 26 Lenin und Rotarmisten in „Reichskanzleigranit“

26 Detail am Portal des Ehrenmals 26 Sowjetisches Ehrenmal in Treptow


58 Innenstadtbezirke

Germanen Erstes Reich Deutscher Bund Zweites Reich


500 800 1848 1871

Die Adler der Deutschen


Das deutsche Wappen, der schwarze Adler auf einem goldenen Schild, ist das älteste heute noch
bestehende europäische Hoheitszeichen. Seine Ursprünge lassen sich auf deutschem Boden bis zu
den Germanen zurückverfolgen, die es als Symbol der Sonne, Lebenskraft und obersten Gottheit
verehrten. Seit 1200 war der rot bewehrte Adler allgemein als Reichswappen anerkannt. Im Laufe
der Jahrhunderte erfuhr er zahlreiche Wandlungen. Hitler erhob 1935 das von ihm entworfene, römi-
schen Legionsadlern nachempfundene Emblem der NSDAP zum Hoheitszeichen des „Dritten Reiches“.
In seiner gegenwärtigen Form gilt der Adler als Nationalsymbol des wiedervereinten Deutschlands.

nannt. Aufgrund ihrer Radikalität und Berlin-Brandenburg. An dem rustikalen


des gescheiterten Hitler-Putsches von Verwaltungsgebäude der NSDAP wurden
1923 mehrfach verboten, konnte sich nach Kriegsende der Hakenkreuzadler im
die Partei dennoch in Deutschland eta- Giebel und die Arier-Skulpturen beider-
blieren. Während seiner Festungshaft seits der Eingangsbögen entfernt. Das
hatte Hitler das strategische Konzept Haus beherbergt heute einen Verlag.
für die kommenden Jahre formuliert:
„Statt die Macht mit Waffengewalt zu 30
erringen, werden wir zum Ärger der Luftschutzbunker Gesundbrunnen
katholischen und marxistischen Abge- q Baustab Wilhelmi des GBI Speer,
ordneten unsere Nase in den Reichstag 1938 p U-Bahnhof Gesundbrunnen,
stecken. Wenn es auch länger dauert, Karte D1  Gesundbrunnen,
sie zu überstimmen als zu erschießen, D Sa 12–18 Uhr Im tiefsten U-Bahn-
so wird uns schließlich ihre eigene hof Berlins richtete man 1938 einen
Verfassung den Erfolg garantieren.“ Luftschutzbunker ein, in dem bis zu
Um im „roten Berlin“ Fuß zu fassen, 4.000 Menschen Schutz vor Bomben-
denn hier zählte die NSDAP nur angriffen fanden. Der Verein Berliner
500 Mitglieder, ernannte Hitler 1926 Unterwelten öffnet an Wochenenden
Joseph Goebbels zum Gauleiter von den Bunker für Besichtigungen.

Olympiagelände Deutsche Post

Landesarbeitsamt Berlin-Brandenburg Finanzamt Charlottenburg


Innenstadtbezirke 59

Weimarer Republik „Drittes Reich“ BRD Deutschland


1922 1935 1975 1995

31 32
AEG-Werk Humboldthain Invalidenfriedhof
q Peter Behrens, 1895 p Gustav- q 1748 p Scharnhorststr. 25, Karte C2
Meyer-Allee 25, Karte D1  Gesund-  Hauptbahnhof/Lehrter Bahnhof
brunnen 1892 errichtete die Allgemeine Der Invalidenfriedhof zählt zu den
Elektrizitätsgesellschaft (AEG) hier einen ältesten Begräbnisstätten Berlins und
der wichtigsten Industriestandorte in gilt als Kulturdenkmal von nationaler
Berlin. Im Wettstreit mit Siemens um Bedeutung. In unmittelbarer Nachbar-
den Bau eines unterirdischen Vehrkehrs- schaft zum Regierungsviertel erinnert
netzes wurde 1897 unter dem Werks- er eindrucksvoll an die Vergänglichkeit
gelände die erste Tunnelbahn Berlins militärischer Macht und Stärke.
erbaut. Den Zuschlag für die so ge- Gerneralfeldmarschall Helmuth von
nannte Unterpflasterbahn erhielt jedoch Moltke, Alfred Graf von Schlieffen,
Siemens. Im 2. Weltkrieg als Luft- der Leiter der 3„Organisation Todt“
schutzraum genutzt, kann der Tunnel Fritz Todt, aber auch Kampfflieger wie
jetzt zu bestimmten Anlässen besichtigt der „Rote Baron“ Manfred von Richthofen,
werden. Die 1883 aus der Deutschen Ernst Udet und Werner Mölders fanden
Edison-Gesellschaft hervorgegangene hier ihre letzte Ruhestätte. Das Grab
AEG wurde 1996 aufgelöst. des 1942 bei einem Attentat in Prag
Das weitläufige Ensemble um die getöteten SS-Obergruppenführers
203 Meter lange Turbinenhalle gilt Reinhard Heydrich wurde nach dem
als prominentes Beispiel für Berliner Kriege unkenntlich gemacht. Mit dem
Industriebau und wird heute von ver- Mauerbau und der Einbeziehung des
schiedenen Betrieben sowie der Tech- Friedhofes in das Grenzgebiet vernich-
nischen Universität genutzt. Eine tete man viele der einst 3.000 Gräber.
Gedenktafel am Haupteingang erinnert Mauerreste und ein naher Grenzturm
an die von der AEG beschäftigten pol- sind als Mahnmale aus dieser Epoche
nischen Zwangsarbeiter während der erhalten geblieben. Die zerstörten Grab-
nationalsozialistischen Diktatur. male werden nach und nach rekonstruiert.

Invalidenfriedhof

Flughafen Tempelhof Postamt Steglitz Olympiaglocke


60 Innenstadtbezirke

32 Invalidenfriedhof

32 Schlafender Löwe auf dem Grabmal von Scharnhorst 32 Grab des Generaloberst von Seeckt

32 Grabstein der Familie von Schlieffen auf dem Invalidenfriedhof

34 Ausstellungsraum der Gedenkstätte Plötzensee

34 Hinrichtungsschuppen in Plötzensee

35 Kasernengebäude an der „Speer-Platte“ 34 Urne mit Erde aus Konzentrationslagern


Innenstadtbezirke 61

33
Güterbahnhof Putlitzbrücke
p Karte B1  Westhafen Ein großer
Teil der insgesamt 50.000 Berliner Juden
wurde von diesem Güterbahnhof aus in
Konzentrationslager abtransportiert. Ein
Mahnmal am S-Bahnhof erinnert heute
an die Ereignisse.

34
Strafgefängnis am Plötzensee /
Gedenkstätte Plötzensee
q Bruno Grimmek, 1952 p Hüttigpfad,
Karte A1  Beusselstraße D Mo–So
9–17 Uhr Das Strafgefängnis am Plöt-
zensee wurde in seiner Ursprungsform
1879 erbaut. Unter dem NS-Regime
ermordete man hier in dem heute noch
erhaltenen Hinrichtungsschuppen zwi-
schen 1933 und 1945 etwa 3.000 Men-
schen. Zu den Opfern gehörten unter
anderem die Verschwörer des 20. Juli,
Mitglieder des „Kreisauer Kreises“ und
viele ausländische Gefangene. Seit
1951 befindet sich auf dem Gelände
die Gedenkstätte Plötzensee.

35
„Speer-Platte“ Das Eiserne Kreuz
q Carl Christoph Lörcher, 1942 Seit einer Umtauschaktion während der
p Friedrich-Olbricht-Damm 63–73, Befreiungskriege gegen Frankreich unter
Karte A1  Beusselstraße der Parole „Gold gab ich für Eisen“ galt
Die so genannte Speer-Platte, eine beto- Gusseisen als patriotisches Material –
nierte Freifläche von etwa 10 Hektar, was lag näher als die Verwendung für ein
gehörte zu einem Kasernenkomplex der Ehrenabzeichen? Im Jahr 1813 stiftete
3„Organisation Todt“. Eigens für die König Friedrich Wilhelm III. das von Karl
Bauvorhaben der Neugestaltung Berlins Friedrich Schinkel entworfene Eiserne
war die hier stationierte „Transportstan- Kreuz, unterteilt in 1. Klasse, 2. Klasse
und das Großkreuz. Mit Beginn des
darte Speer“ des Nationalsozialistischen
2. Weltkrieges ersetzte das Hakenkreuz in
Kraftfahrer-Korps gegründet worden, die
der Mitte der Vorderseite das Königsmono-
die „Speer-Platte“ als Abstellfläche für
gramm und die Krone. Adolf Hitler (selbst
ihren Fuhrpark nutzte. Später sollten Träger des EK 1 und EK 2) ergänzte den
hier vor allem die Granitblöcke für den Orden um das Ritterkreuz des Eisernen
Bau der 3Großen Halle zwischengela- Kreuzes. Im Laufe des Krieges erfuhr die-
gert werden. In dem als Wohnhaus ses vier Aufwertungen. Einziger Träger des
getarnten „Plötzenseeplanbunker“ 1944 eingeführten „Ritterkreuzes mit
bewahrte Generalbauinspektor Albert goldenem Eichenlaub mit Schwertern und
Speer sämtliche Dokumente für die Brillanten“ war Stuka-Kampfpilot Oberst
Umgestaltung Berlins auf. Hans-Ulrich Rudel.
Ab 1955 nutze man die Fläche als Gemäß dem Gesetz über Orden und Ehren-
Kohlebevorratungslager West-Berlins. zeichen, das am 26. Juli 1957 erlassen
Heute steht ein Baumarkt auf dem wurde, darf das Eiserne Kreuz nach
Gelände. Einige der Kasernengebäude Entfernung des Hakenkreuzes heute wieder
wurden im Jahr 2000 abgerissen. in der Bundesrepublik getragen werden.
Oben: Das Eiserne Kreuz 2. Klasse von 1939
62 Außenbezirke & Brandenburg

1 „Siegerin“ von Arno Breker (1936) am Haus des Deutschen Sports


Außenbezirke & Brandenburg 63

AUSSENBEZIRKE & BRANDENBURG In den Außenbezirken


und im Umland Berlins finden sich noch heute zahlreiche Relikte aus der
dunkelsten Epoche der Hauptstadt. Die Parteigrößen des NS-Regimes
residierten in enteigneten jüdischen Villen am Wannsee oder ließen sich
wie Hermann Göring und Joseph Goebbels prächtige Jagdhäuser in der
Schorfheide erbauen. Im Dahlemer Kaiser-Wilhelm-Institut für Physik
forschte Werner Heisenberg an der deutschen Atombombe, und in
Kummersdorf wurden die ersten Raketen von Wernher von Braun erbaut
und getestet. Das Konzentrationslager Sachsenhausen vor den Toren
Berlins zeugt sicherlich von einem der grausamsten Kapitel der Stadt
und gemahnt heute als Gedenkstätte eindringlich an die Vergangenheit.

Das Reichssportfeld
1 den, und den Medien war die Hetzjagd
Reichssportfeld / Olympiagelände auf Juden für die Dauer der Spiele
untersagt. Doch nur 35 Kilometer
Olympiastadion nördlich des Reichssportfeldes mussten
q Werner March, 1936 p Olympischer Häftlinge zu dieser Zeit die ersten
Platz, Karte B3  Olympiastadion Baracken des 3KZ Sachsenhausen
Am 13. Mai 1931 wurden die Olympischen errichten. Allein, dass Jesse Owens zum
Sommerspiele für 1936 an Deutschland Publikumsliebling avancierte, konnte das
vergeben. Das nationalsozialistische Regime nicht verhindern. Hitler wollte
Regime erkannte schnell seine einmalige dem Farbigen nach dessen zahlreichen
Chance, durch die Spiele einen enormen Siegen nicht einmal die Hand geben
Prestigezuwachs in In- und Ausland zu und verließ aus Protest das Stadion.
erreichen. So avancierte der Bau des Im Jahr 2006 wird im Olympiastadion
Reichssportfeldes neben dem des Nürn- das Finale der Fußballweltmeisterschaft
berger Parteitagsgeländes zum zentralen ausgetragen.
Großprojekt der Nationalsozialisten.
Werner March hatte ursprünglich eine Maifeld & Glockenturm
Stahlbetonkonstruktion mit verglasten q Werner March,1936 p Am Glocken-
Zwischenwänden für das 100.000 Zu- turm, Karte B3  Olympiastadion
schauer fassende Stadion vorgesehen. D Apr–Nov 9–18 Uhr Das für Groß-
Hitler missfiel der moderne Entwurf, und veranstaltungen angelegte Maifeld bot
so wurde nach Überarbeitungen von Platz für etwa 400.000 Teilnehmer und
Albert Speer Muschelkalkstein für die Zuschauer. Eingerahmt wird es vom
Fassadenverkleidung verwendet. Westwall, in dessen Mitte der 76 Meter
Am 1. August 1936 eröffnete Hitler von hohe Glockenturm aufragt. Er beinhaltet
der heute originalgetreu restaurierten im Sockel die „Langemarck-Halle“, die
„Führerloge“ aus die XI. Olympischen zu Ehren der 2.000 gefallenen Kriegs-
Spiele. Die Welt war für wenige Wochen freiwilligen eingerichtet wurde, die am
vom schönen Schein geblendet. Selbst 10. November 1914 angeblich mit dem
die französischen Athleten marschierten Deutschlandlied auf den Lippen gegen
mit dem „Deutschen Gruß“ an Hitler den Feind anrannten und zusammenge-
vorüber. In 25 in der Stadt eingerichte- schossen wurden. Nach dem 2. Weltkrieg
ten Fernsehstuben konnte man erstmals musste der beschädigte Turm gesprengt
einige Veranstaltungen zeitgleich miter- werden, 1962 wurde er wiederaufgebaut
leben. Aus dem Berliner Stadtbild waren und in der Spitze eine öffentliche Aus-
alle antisemitischen Parolen verschwun- sichtsplattform eingerichtet. Die beschä-
64 Außenbezirke & Brandenburg

1 Wasserbüffel vor dem Haus des Deutschen Sports

DAS REICHSSPORTFELD 1936


Haus des
Deutschen -
Sports Adler
platz
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Rominte
en -A
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Dietrich-Eckart- n - Str Tennis-
Freilichtbühne s- Brau Hockey- stadion
Hann Schwimm- stadion
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Glocken- Maifeld Marathontor Olympisches Tor Olympischer


turm Platz
Olympiastadion
Friedrich-Friesen-Allee

Coubertin- llee
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Trake
Marchhof N
Reiterplatz S-Bahnhof
p
Olympiastadion
Stadionallee

1 Maifeld und Olympiastadion, 2001 1 Markantes Detail der Olympiaglocke

Gegenentwurf von John Heartfield, 1936


Außenbezirke & Brandenburg 65

digte Olympiaglocke ist nach Plänen von 3


Werner March neu gegossen worden. Zentrale des Reichsarbeits-
Das Original steht heute vor dem nahe dienstes / Umweltbundesamt
gelegenen 3Haus des Deutschen Sports. q Kurt Heinrich Tischler, 1938
p Bismarckplatz 1, Karte B3
Dietrich-Eckart-Freilichtbühne /  Halensee Die Zentralverwaltung des
Waldbühne seit 1943 Hitler direkt unterstellten
q Werner March, 1936 p Am Glocken- Reichsarbeitsdienstes wurde als Bürobau
turm, Karte B3  Olympiastadion mit 400 Zimmern realisiert. Seit 1935
Das Amphitheater am Ende der Murellen- wurden alle Männer zwischen 18 und 25
schlucht, benannt nach dem NS-Lyriker zu einem halbjährigen Arbeitsdienst ein-
Eckart, wurde für 20.000 Zuschauer gezogen. „Mit Spaten und Ähre“ zogen
erbaut und erinnert an antike Amphi- die Kolonnen durch Deutschland, um
theater. Im westlich angrenzenden Wald beim Bau der Reichsautobahnen oder
gedenken in einer Reihe aufgestellte des Westwalls zu helfen. Den „Ehren-
Straßenspiegel mit eingravierten Zitaten dienst am deutschen Volke“ leisteten bis
der am Murellenberg erschossenen 1939 etwa 350.000 Männer. Mit Kriegs-
Opfer der nationalsozialistischen Militär- beginn wurden zur Entlastung der
justiz. Heimatfront auch Mädchen verpflichtet.
Nach dem Krieg nutzten die Alliierten
Haus des Deutschen Sports das Gebäude, heute befindet sich hier
q Werner March, 1936 p Friedrich-Frie- das Umweltbundesamt.
sen-Allee, Karte B3  Olympiastadion
D Mi–So 10–18 Uhr Einst für Sportler 4
erbaut, bezog nach dem Krieg hier die Mahnmal „Gleis 17“
britische Kommandantur ihr Hauptquartier. q Hirsch, Lorch & Wendel, 1991
Heute ist es wieder für Athleten zugäng- p S-Bahnhof Grunewald, Karte B3
lich und beherbergt unter anderem ein  Grunewald Der S-Bahnhof Grune-
Museum zur Geschichte des Reichs- wald liegt am Waldesrand, mitten in
sportfeldes. Neben vielen Originalstücken einer Villenkolonie. Proteste der An-
kann vor dem Haupteingang die Olympia- wohner über die langen Kolonnen von
glocke von 1936 besichtigt werden. jüdischen Häftlingen waren hier weniger
Eingeprägt sind das Brandenburger Tor, zu erwarten. Das Mahnmal an die
der Reichsadler mit den Olympischen Deportationen betritt man heute über
Ringen in den Krallen, leicht abgeschlif- dieselbe Rampe, die schon Zehntau-
fene Hakenkreuze und die Schriftzüge sende Berliner Juden hinaufgehen muss-
„11. Olympische Spiele Berlin“ und ten. Auf dem Güterbahnhof wurden sie
„Ich rufe die Jugend der Welt!“ in Viehwaggons verladen und anschlie-
Das Einschussloch stammt von einem ßend in die osteuropäischen Konzentra-
deutschen Flakschützen, der bei Übun-
gen versehentlich die Glocke im nahe
gelegenen Turm traf.

2
Reichskriegsgericht
q Heinrich Keyser, Karl von Großheim,
1910 p Witzlebenstr. 4–10, Karte B3 1 Adlerplatz
vor dem Haus
 Sophie-Charlotte-Platz Im Reichs-
des Deutschen
kriegsgericht wurden als höchste Instanz
Sports
der Wehrmachtsjustiz von 1936 bis 1945
über 260 Kriegsdienstverweigerer und
zahlreiche Angehörige des Widerstands
wegen ihrer Haltung gegen das NS-
Regime zum Tode verurteilt.
66 Außenbezirke & Brandenburg

tionslager transportiert. Die Reichsbahn Generalbauinspektor Albert Speer erhielt


verlangte vom Reichssicherheitshaupt- Breker zahlreiche Staatsaufträge und
amt 4 Pfennig pro Passagier, ab 400 war auf ausdrücklichen Wunsch von
Personen gab es einen Gruppenrabatt. Hitler auch in die Germania-Planungen
Das Mahnmal besteht aus mehreren eingebunden. Er produzierte Büsten vie-
Stahlgussplatten, die auf dem Bahnsteig ler nationalsozialistischer Größen und
eingelassen sind und die verschiedenen monumentale Skulpturen, die unter ande-
Transporte symbolisieren. Eingeprägt rem in der 3Neuen Reichskanzlei und
sind das Datum, die Anzahl der Men- am 3Reichssportfeld aufgestellt wur-
schen und der Bestimmungsort der Züge. den. Bereits 1943 war das Atelier durch
die häufigen Bombenangriffe jedoch
5 unbrauchbar geworden. So verlegte er
Wohnhaus Leni Riefenstahl seine Hauptarbeitsstätte auf das riesige
q Hans Ostler, 1936 p Heydenstr. 30, Werkgelände der „Arno Breker Bildhauer-
Karte B3  Grunewald Leni Riefenstahl werkstätten GmbH“ in Wriezen, nordöstlich
wurde am 22. August 1902 in Berlin von Berlin. Nach dem Krieg konnte Breker
geboren. Nach einer erfolgreichen Schau- noch erfolgreich im In- und Ausland
spielkarriere drehte sie 1932 ihren ersten arbeiten. Im Berliner Atelier befindet
Film in eigener Regie, „Das blaue Licht“. sich heute die Bernhard-Heiliger-Stiftung,
Im Auftrag von Hitler hielt sie die Reichs- angrenzend liegt das Brücke-Museum.
parteitage auf Zelluloid fest, und es ent-
standen die Propagandafilme mit Doku- 7
mentarcharakter „Sieg des Glaubens“ Alliierten-Museum
(1933) und „Triumph des Willens“ (1934). p Clayallee 135, Karte B3  Oskar-
Höhepunkt wurde ihr zweiteiliger Film Helene-Heim D Di–So 10–18 Uhr
zu den Olympischen Spielen, „Fest der Die Gebäude eines ehemaligen US-
Völker“ und „Fest der Schönheit“. Durch Armeekinos und einer Bibliothek wurden
völlig neuartige Kameraeinstellungen hob nach Abzug der Truppen in ein Museum
sie die Ästhetik des menschlichen umgewandelt und beherbergen neben
Körpers hervor und fand damit weltweit zahlreichen Ausstellungsstücken einen
Anerkennung. Zu dieser Zeit wurde auch „Rosinenbomber“ und das Original des
ihre rustikale Villa in Dahlem fertig gestellt. Checkpoint-Charlie-Kontrollhauses.
Zur Einweihung waren der „Führer“ und Wenige hundert Meter weiter südlich,
Joseph Goebbels geladen. Im spanischen an der Clayallee 170, liegt der weitläufige
Atriumhof trank man Tee und schmiedete Gebäudekomplex des ehemaligen
Pläne. So hatte etwa Albert Speer nahe „Luftgaukommandos III der Reichs-
Babelsberg in Potsdam ein 20.000 Qua- hauptstadt Berlin“. Seit 1945 diente er
dratmeter großes Gelände für die zu- den US-Streitkräften unter General
künftigen „Riefenstahl-Studios“ vorgese- Lucius D. Clay, der von hier aus die
hen. Wegen ihrer Zusammenarbeit mit Luftbrücke während der sowjetischen
dem NS-Regime wurde die Regisseurin Blockade organisierte, als Hauptquartier.
nach dem Krieg häufig kritisiert und Bis zur Fertigstellung der US-Botschaft
konnte ihre Arbeit nur noch in einem am Pariser Platz befindet sich hier das
bescheidenen Rahmen fortsetzen. amerikanische Generalkonsulat.
Am 8. September 2003 verstarb Leni
Riefenstahl im Alter von 101 Jahren. 8
Kameradschaftssiedlung der SS
6 q Hans Gerlach, 1939 p Selmaplatz,
Atelier Arno Breker Karte B3  Krumme Lanke Für die
q Hans Freese, 1942 p Käuzchen- Angehörigen der „völkischen Elite“ begann
steig 10, Karte B3  Podbielskiallee die SS im Jahr 1937, in der ländlichen
Das Atelierhaus wurde 1942 eigens für Idylle des nahen Grunewalds insgesamt
den Lieblingsbildhauer des „Führers“ 600 Wohnungen zu errichten. Die Planun-
erbaut. In enger Zusammenarbeit mit gen stimmte der Architekt Hans Gerlach
Außenbezirke & Brandenburg 67

6 Eingangsportal des Breker-Ateliers 8 Mehrfamilienhäuser der SS-Siedlung

7 Französische Ausstellung im Alliierten-Museum

1 Murellenschlucht an der Waldbühne 4 Mahnmal „Gleis 17“

8 SS-Einfamilienhäuser

7 Logo des Radiosenders RIAS-Berlin 10 Entwicklungsstätte der deutschen Atombombe


68 Außenbezirke & Brandenburg

Himmlers schwarzer Orden


Heinrich Himmler 1900–1945 und der SS-Kult verkör-
Als „Reichsführer SS“ war Heinrich Himmler perten für Himmler eine
der mächtigste Paladin Hitlers und verant- „völkische“ Pseudoreli-
wortlich für den Holocaust. Persönlich gion, die nach dem
erschien der Vollstrecker immer wieder am Endsieg ihr sakrales
Tatort, wenn er wie in Auschwitz den indus- Zentrum auf der Wewels-
triellen Massenmord inspizierte und sich da- burg bei Paderborn finden sollte. Gegen Ende
bei lediglich um die „Arbeitsbedingungen“ des Krieges versuchte er, mit den Alliierten
seiner Totenkopfmänner sorgte. Als Vorden- Kapitulationsverhandlungen aufzunehmen
ker der Irrlehre vom „Herrenmenschen“ baute und wurde deswegen von Hitler aller Ämter
Himmler die SS nach Vorbild der römischen enthoben. Schließlich tauchte er unter fal-
Prätorianer konsequent zu einem germani- schem Namen unter und geriet unentdeckt in
schen Führungsorden aus und sah in ihm die britische Gefangenschaft. Als man den un-
Keimzelle der künftigen Heldenrasse. Fana- scheinbaren Gehilfen Hitlers festnahm, hatte
tisch und skrupellos betrieb er die „Endlö- er sich den Schnurrbart abrasiert und trug
sung der Judenfrage“ und ließ Zwangssterili- eine Augenklappe. Am 23. Mai 1945 entzog
sationen an Menschen vornehmen, die nicht er sich der Verantwortung durch die Ein-
seinen Kriterien entsprachen. Das Hakenkreuz nahme einer Zyankalikapsel.

Niederländisches Rekrutierungsplakat: „Niederländer! Für Ehre und Gewissen – auf gegen den Bolsche-
wismus. Die Waffen-SS ruft Sie!“ Rechts: Himmler mit seiner Tochter, im Hintergrund Heydrich.

Die Waffen-SS tisch für SS-Soldaten waren die erstmals


verwendeten Flecktarnuniformen und die ein-
Die Schutzstaffel (SS) war 1925 eigens für tätowierte Blutgruppe unter dem Oberarm als
den persönlichen Schutz Hitlers gegründet „Aktenzeichen der Blutsbrüderschaft und Blut-
worden und der SA unterstellt. Seit 1934 be- herrschaft“ (Erich Kästner). Die voll motori-
saß die SS einen paramilitärischen Kampf- sierten Eliteverbände waren personell und
verband, der aus der Leibstandarte-SS „Adolf materiell bestens ausgestattet, agierten teil-
Hitler“, SS-Totenkopfverbänden und der Ver- weise autonom von der Wehrmacht und wa-
fügungstruppe hervorging. Mit Beginn des ren wegen ihres fanatischen Kampfgeistes
2. Weltkrieges führte Himmler die Bezeich- und der hohen Opferbereitschaft bei den Alli-
nung Waffen-SS ein. Bis 1945 stieg die ierten gefürchtet. Den zum Teil beachtlichen
Mannschaftsstärke auf über 900.000 Mann militärischen Erfolgen stand eine Vielzahl
an, die strengen rassenideologischen Aus- grausamster Kriegsverbrechen gegenüber.
wahlkriterien konnten mit Fortschreiten des Mit exzessiver Härte unterstützten sie den
Krieges allerdings wegen der hohen Verluste Vernichtungsfeldzug in der Sowjetunion und
nicht mehr aufrechterhalten werden. Neben erschossen bis in die letzten Kriegstage Zivi-
teils freiwillig, teils zwangsrekrutierten listen und Soldaten, die im Verdacht stan-
„germanischen“ Divisionen aus Skandinavien, den, die deutsche Kampfkraft zu schwächen.
Frankreich, den Niederlanden und Belgien Von den Alliierten wurde die SS nach dem
kamen später Ukrainer, Kroaten, Balten, aber Krieg zur verbrecherischen Organisation er-
auch Moslems und Inder hinzu. Charakteris- klärt und verboten.
Außenbezirke & Brandenburg 69

mit dem SS-Hauptamt für Rasse und Spaltung eines Uranatoms beträchtliche
Siedlung ab. „Schlicht und wahr sollen Energiemengen freigesetzt werden. Die
die Häuser dastehen, aber mit Anstand Möglichkeit, eine Kettenreaktion im Uran
und Würde.“ Die heute noch erhaltenen auszulösen und so einen Sprengstoff
Einfamilien-, Doppel- und Reihenhäuser mit unerhörter Gewalt zu schaffen,
wurden dem Dienstgrad ihrer Bewohner erregte die Aufmerksamkeit der Militärs.
entsprechend verteilt. Nach Beginn des Krieges forcierte das
Heereswaffenamt das Programm zur
9 „Nutzbarmachung der Kernenergie“ und
Kaiser-Wilhelm-Institut für beauftragte Heisenberg mit der Leitung
Anthropologie, menschliche des „Uranprojekts“. 1941 wurde er
Erblehre und Eugenetik Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts in
q Carl Sattler, 1927 p Ihnestr. 22–24, Berlin-Dahlem. Es gelang ihm, auf der
Karte B3  Oskar-Helene-Heim Grundlage seiner 1939 ausformulierten
Von 1927 bis 1942 war Eugen Fischer Theorie einer „Uranmaschine“ eine Vor-
Direktor des Institutes und wirkte form des Atomreaktors zu konstruieren.
maßgeblich an der Formulierung des Am 4. Juni 1942 wurde das „Uran-
„NS-Sterilisierungsgesetzes“ zur Ver- projekt“ Rüstungsminister Albert Speer
hütung von „erbkrankem Nachwuchs“ vorgestellt. Heisenberg referierte über
mit. Sein Nachfolger wurde Ottmar von den möglichen Bau einer Atombombe,
Verschuers, der als Koryphäe auf dem betonte aber auch den enormen tech-
Gebiet der Zwillingsforschung galt. nischen Aufwand und die immensen
Dessen ehemaliger Schüler Joseph Kosten. Er überzeugte Speer davon, das

„Wir sahen eigentlich vom September 1941 eine


freie Straße zur Atombombe vor uns.“ (Werner Heisenberg)
Mengele versorgte ihn als KZ-Arzt in Projekt nur noch in einem bescheidenen
Auschwitz massenhaft mit Präparaten. Rahmen fortzuführen, um so den Bau
Bevorzugte Forschungsobjekte waren einer Atombombe für Hitler zu verhin-
Juden, Zigeuner, Menschen mit Miss- dern. Anfang 1945 fanden in Süd-
bildungen und vor allem Zwillinge, die deutschland letzte Großversuche statt,
Mengele an der Rampe von Auschwitz bei denen Heisenberg nahezu der
selektiert hatte. Auf diese Weise kam Durchbruch zum Bau eines Reaktors
das Kaiser-Wilhelm-Institut in Dahlem gelang. Für den am Projekt beteiligten
zu einer makaberen Sammlung von Physiker Carl Friedrich von Weizsäcker
Blutproben, Skeletten, abgetriebenen stand am 8. August 1945 fest:
Föten, abgeschnittenen Kinderköpfen, „Die Geschichte wird festhalten, dass
Hoden und Augäpfeln. Genutzt wurden die Deutschen eine funktionsfähige Uran-
sie für das, was die SS unter Human- maschine herstellten.“
genetik verstand.
11
10 Hauptquartier der Leibstandarte-
Kaiser-Wilhelm-Institut für Physik SS „Adolf Hitler“ / Bundesarchiv
q 1936 p Boltzmannstr. 18–20, Karte q Fleischinger & Voigtel, 1878
B3  Oskar-Helene-Heim Neben Max p Finckensteinallee 63, Karte B4
Planck und Otto Hahn gehörte Werner  Lichterfelde-West Die Grundstein-
Heisenberg zu den wenigen renommier- legung für die einstige Hauptkadetten-
ten Physikern, die nach der Machtüber- anstalt fand am 1. September 1873
nahme der Nationalsozialisten nicht aus statt. Ab 1881 verband die erste
Deutschland emigrierten. Ende 1938 elektrische Straßenbahn der Welt,
entdeckten Otto Hahn und Fritz gebaut von Siemens & Halske, die
Straßmann erstmals, dass bei der Militäranlage mit dem Bahnhof Lichter-
70 Außenbezirke & Brandenburg

Die Fraktur
Heißt das Wort „Gestapo“ oder könnte es
felde-Ost. Nach der Machtübernahme
durch die Nationalsozialisten bezog
1933 die Leibstandarte-SS „Adolf Hitler“
nicht auch „Gestaltung“ heißen? Allein die das Gelände als Hauptquartier. Im Juni
gebrochene Schrift und der rot-weiße 1934 kam es hier zu zahlreichen
Erschießungen im Zusammenhang mit
der Ermordung Röhms und der Ent-
machtung der SA. Unter dem Kom-
mando des SS-Generals Sepp Dietrich
wurde die Leibstandarte zur offiziellen
Repräsentationsgarde des „Dritten Rei-
ches“. Die Eliteeinheit erreichte 1940
Divisionsstärke und war wegen ihrer
überharten Kampfführung gefürchtet.
Nach Beteiligung an der Ardennen-
Farbcode suggerieren eine Verbindung offensive ging sie 1945 in Österreich
zum „Dritten Reich“. Bis 1940 wurde die unter. Nach dem Krieg übernahm das
Fraktur von den Nationalsozialisten mas- US-Militär die Kaserne und nannte sie
senhaft verwendet, doch am 3. Januar „Andrew Barracks“. Seit 1995 befindet
1941 wurde deren Nutzung auf Anordnung sich hier das Bundesarchiv.
von Martin Bormann im Auftrag von Adolf Am Eingangsportal waren früher gut
Hitler plötzlich untersagt, da sie in den sichtbar zwei steinerne SS-Soldaten als
annektierten Gebieten zu Verwirrungen „Wächter“ platziert. Noch heute stehen
geführt hatte. Mit der Zwecklüge, die so sie dort auf ihren Sockeln, allerdings
genannte gotische Schrift bestehe in Wirk- verdeckt durch aufgebrachten Beton.
lichkeit aus „Schwabacher Judenlettern“
wurde das irrsinnige Verbot erst durch-
12
setzbar. Von nun an sollte nur noch die
SS-Wirtschafts- und Verwal-
gut lesbare „lateinische“ Antiqua verwen-
det werden. Die Fraktur verschwand fortan
tungshauptamt / Bundesbauamt
aus allen Zeitungen, Büchern, Zeitschrif- p Unter den Eichen 128–135, Karte B3
ten und Plakaten. Heute gilt das Verbot  Botanischer Garten An diesem Ort
nicht mehr, dennoch scheut man sich, befand sich die Zentralverwaltung zur
die „deutsche“ Schrift zu rehabilitieren. Organisation und Nutzung aller Konzen-
trations- und Vernichtungslager sowie
Bormanns Anordnung von 1941: Trotz des die Zentrale der SS-Wirtschaftsunter-
Verbots steht die Fraktur im Briefkopf! nehmen. Deren Leitung übernahm 1942
der General der Waffen-SS Oswald
Pohl. Hunderttausende KZ-Häftlinge
wurden der „Vernichtung durch Arbeit“
zugeführt, indem sie als Arbeitssklaven
für den „Ostaufbau“ und die deutsche
Rüstungsindustrie eingesetzt wurden.
Pohl sorgte dafür, dass die erbeuteten
Wertsachen der ermordeten Juden,
zu denen Haare, Kleider, Schmuck und
Devisen zählten, den Bankkonten seiner
Dienststelle gutgeschrieben wurden.
Im östlichen Innenhof des Verwaltungs-
gebäudes waren von 1940 bis 1942
Häftlinge des 3KZ Sachsenhausen in
Baracken untergebracht.
Heute befindet sich hier das Bundesbau-
amt, eine Gedenktafel informiert über die
Geschichte des unscheinbaren Ortes.
Außenbezirke & Brandenburg 71

13 Während einige seiner Werke Auffüh-


Bauhaus Berlin rungsverbot erhielten, gehörte „Die
p Birkbusch-, Ecke Siemensstr. 27, Nibelungen“ zu den Lieblingsfilmen von
Karte B3  Lankwitz 1919 wurde das Adolf Hitler. Propagandaminister Joseph
Staatliche Bauhaus in Weimar gegründet, Goebbels versuchte deshalb, Fritz Lang
dessen moderne Ausbildung stilbildend noch den Posten des Reichsfilminten-
für Architektur, Industriedesign, Fotografie danten anzubieten, doch dieser verließ
und Kunst werden sollte. Die rechtskon- Deutschland in Richtung Hollywood.
servative Landesregierung nötigte den Seine Frau Thea von Harbou, die für
Initiator Walter Gropius mit seiner inter- ihren Mann alle Drehbücher geschrieben
national angesehenen Schule 1925, nach hatte, folgte ihm nicht. Sie ließ sich
Dessau umzuziehen. Dort erzwangen die noch im gleichen Jahr scheiden und
Nationalsozialisten 1932 die Schließung trat später der NSDAP bei.
des Bauhauses. Mies van der Rohe fand
in Berlin-Steglitz, in einer ehemaligen 15
Telefonfabrik, einen neuen Standort. Wohnhaus Heinz Rühmann
Am 11. April 1933 wurde das Bauhaus q 1936 p Am Kleinen Wannsee 15,
von Schutzpolizei und SA umstellt. Mit Karte A4  Wannsee Heinz Rühmann
dem haltlosen Verdacht, dort befände gehörte seit 1930 zu den beliebtesten
sich kommunistisches Propagandamate- und bestbezahlten Schauspielern des
rial, durchsuchte man das Gebäude, Deutschen Reiches. Mit Beginn des
versiegelte es und legte den Betrieb 2. Weltkrieges wurde der Hobbyflieger
später endgültig still. Mindestens zwölf nicht zuletzt für Propagandazwecke zur
Mitglieder des Bauhauses starben in Luftwaffe eingezogen. Vom Dienst war
Konzentrationslagern. Im 1964 von er jedoch weitgehend freigestellt und
Gropius entworfenen Bauhaus-Archiv in konnte so die Bevölkerung weiterhin mit
der Klingelhöferstraße 14 finden heute Filmen wie „Quax, der Bruchpilot“ unter-
wechselnde Ausstellungen statt. halten. Wegen „Respektlosigkeit gegen
Autoritäten“ erhielt sein Film „Die Feuer-
14 zangenbowle“ 1944 Aufführungsverbot.
Wohnhaus Fritz Lang Durch einen persönlichen Besuch bei
q Wassili Luckhardt, 1930 p Schor- Hitler konnte er allerdings wieder die
lemerstr. 7a, Karte C3  Lichterfelde- Freigabe der Komödie erreichen. Bis in
Ost Der durch „Metropolis“ weltweit die letzten Kriegstage blieb Rühmann
bekannt gewordene Filmregisseur lebte in der Hauptstadt und musste beim
bis zu seiner Emigration 1933 in Berlin. Einmarsch der sowjetischen Truppen

11 Arkadengang auf dem ehem. Kasernengelände der Leibstandarte-SS „Adolf Hitler“


72 Außenbezirke & Brandenburg

mitansehen, wie seine Frau mehrmals und SS-Führung statt, um die Ermor-
von Rotarmisten vergewaltigt wurde. dung von mindestens 11 Millionen
Nach dem Krieg konnte er seine beispiel- europäischen Juden im Rahmen der
lose Karriere fortsetzen. Heinz Rühmann „Endlösung“ zu organisieren. Berlin-
verstarb am 3. Oktober 1994 im Alter Wannsee wurde bis 1945 zu einem der
von 92 Jahren. bedeutendsten Standorte des Reichs-
sicherheitsdienstes. Unter anderen
16 hatten auch Auslands-SD-Chef Walter
Gedenkstätte Haus der Schellenberg und Inlands-SD-Chef
Wannseekonferenz Otto Ohlendorf hier ihren Amtssitz.
q Paul Baumgarten, 1914 Seit 1992 befindet sich in der Villa die
p Am Großen Wannsee 56–58, Karte A4 Gedenk- und Bildungsstätte Haus der
 Wannsee D Mo–So 10–18 Uhr Wannseekonferenz.
Am 31. Juli 1941 erhielt der Chef des
Sicherheitsdienstes (SD) Reinhard 17
Heydrich von Hermann Göring den Insel Schwanenwerder
Auftrag, eine „Gesamtlösung der euro- p Inselstr., Grunewald, Karte B3
päischen Judenfrage“ in die Wege zu  Nikolassee Auf Schwanenwerder lie-
leiten. Am 20. Januar 1942 fand in der ßen sich bevorzugt die Parteigrößen der
Villa am Wannsee unter Leitung von NSDAP nieder und erwarben meist
Reinhard Heydrich ein Treffen hoher unrechtmäßig enteignete Villen in bester
Vertreter der Reichsbehörden, Partei- Lage. Für Adolf Hitler war ein Haus an
Außenbezirke & Brandenburg 73

Flucht und Vertreibung


Der 2. Weltkrieg löste in Europa eine bei-
spiellose Völkerwanderung aus. Wie von den
Alliierten in Jalta und auf der Potsdamer
Konferenz im 3Schloss Cecilienhof beschlos-
sen, verschob man Polen 1945 auf Kosten
des Deutschen Reiches um 250 Kilometer
nach Westen. Polen erhielt dabei 114.000
Quadratkilometer deutschen Bodens – als Er-
satz für 180.000 Quadratkilometer, die das
Land an die Sowjetunion abtreten musste. In
den folgenden Jahren wurden rund 14 Millio-
nen Deutsche auf brutalste Weise aus ganz
Osteuropa vertrieben und mussten damit für
Hitlers verlorenen Krieg bezahlen. Der briti-
sche Literaturnobelpreisträger Bertrand Rus-
sell hielt damals in einem Brief an die Lon-
don Times fest: „In Osteuropa werden jetzt
von unseren Verbündeten Massendeportatio-
nen in einem unerhörten Ausmaß durchge-
führt, und man hat ganz offensichtlich die Ab-
sicht, viele Millionen Deutsche auszulöschen.“

18 Schloss Cecilienhof

der Inselstraße 20–22 reserviert worden. 18


Sein Leibarzt Theodor Morell bewohnte Schloss Cecilienhof
das benachbarte Gebäude. Albert Speer q Paul Schulze-Naumburg, 1917
kaufte ein unbebautes Grundstück in p Im Neuen Garten, Potsdam, Karte A4
der Inselstraße 7, auf dem er sich ein  Potsdam Hauptbahnhof D Di–So
heute nicht mehr vorhandenes Boots- 9–17 Uhr Am 2. August 1945 kamen
haus errichten ließ. Mit seiner Familie auf Schloss Cecilienhof die Regierungs-
wohnte er in der Inselstraße 18. chefs der Siegermächte Harry Truman,
Außerdem besaß er ein Haus auf der Winston Curchill und Josef Stalin
Schopenhauerstraße 31 am nahe gele- zusammen, um über das weitere
genen Schlachtensee. Propaganda- Schicksal Deutschlands zu entscheiden.
minister Joseph Goebbels wohnte mit Stalin stellte die Westmächte jedoch
Frau Magda und sechs Kindern in der bereits vor vollendete Tatsachen. Schon
Inselstraße 8–10. Das ehemalige zuvor hatte er eigenmächtig in den
Wirtschaftshaus, in dem Angestellte deutschen Ostgebieten sowjetische oder
und SS-Bewacher untergebracht waren, polnische Verwaltungen eingesetzt und
wird heute von der Wasserschutzpolizei die Grenzen nach Westen verschieben
genutzt. Aus Furcht vor Bombenangriffen lassen. Erich Kästner schrieb bereits am
ließ Goebbels einen noch heute erhalte- 19. Mai 1945 in sein Tagebuch:
nen Tiefbunker errichten. Im Frühherbst „Erst an der Elbe, dann vor Berlin ...,
1943 zog er in sein 3Landhaus nach stets warten die Westmächte an der offe-
Lanke am Bogensee. nen Tür und sagen zu Stalin: ,Bitte nach
74 Außenbezirke & Brandenburg

22 Luftwaffenmuseum der Bundeswehr

13 Gedenktafel am ehem. Bauhaus Berlin 17 Haus der SS-Wachen auf Schwanenwerder

21 Italienhaus der Hitler-Jugend

16 Haus der Wannseekonferenz

19 Grabmal des „Alten Fritz“ 29 Waffen- und Munitionsfabrik


Außenbezirke & Brandenburg 75

Ihnen!‘ Was soll die falsche Vornehmheit? fing Freunde aus aller Welt; oft begab
Glaubt man, die Demokratie bedürfe, weil er sich nach Potsdam zu dem 1924 von
sie eine gute Sache ist, keiner Empfeh- Erich Mendelsohn erbauten Einsteinturm,
lung? Hält man Besiegten gegenüber einem Sonnenobservatorium. Nach der
Wettbewerb für überflüssig? Für unfein? Machtübernahme Hitlers wurden im
Das wäre ein folgenreicher und irreparabler Frühjahr 1933 sein Haus und wenig
Denkfehler. Die demokratische Welt muss später auch die Stadtwohnung durch-
sich hüten, den Sieg herzuschenken. Die sucht. Einstein, der zu dieser Zeit
ersten Wochen nach einer Kapitulation bereits in den USA war, legte am
sind kostbare Minuten der Geschichte. 28. März 1933 brieflich die deutsche
Sie lassen sich nicht vertagen und nicht Staatsangehörigkeit nieder. Er kehrte
nachholen.“ Der Konferenzsaal und die nie mehr in seine Heimat zurück.
Arbeitszimmer, in denen die Entmilitari- Zur selben Zeit wurden seine Schriften
sierung Deutschlands und die Verwaltung auf dem Opernplatz (heute Bebelplatz)
in Besatzungszonen geregelt wurde, verbrannt und sein Besitz und Vermögen
können heute besichtigt werden. beschlagnahmt. Das denkmalgeschützte
Sommerhaus Einsteins kann an Wochen-
19 enden besichtigt werden. Der ebenfalls
Grab Friedrichs des Großen sehenswerte Einsteinturm gehört heute
p Schloss Sanssouci  Potsdam zum „Wissenschaftspark Albert Einstein“
Hauptbahnhof, Karte A4 Im März 1943 auf dem Telegrafenberg.
wurden auf Befehl von Adolf Hitler die
Särge von Friedrich dem Großen und 21
seinem Vater Friedrich Wilhelm I. aus Italienhaus der Hitler-Jugend
dem bombengefährdeten Potsdam in q Fritz Winter, 1937 p Breitenhorn-
Sicherheit gebracht. Zunächst lagerten weg 54, Gatow, Karte B3 Das nach dem
sie in einem Bunker des Hauptquartiers Achsenpartner benannte Italienhaus der
der Luftwaffe in Wildpark bei Werder. Hitler-Jugend (HJ) wurde im Rahmen des
Nach dem Vormarsch der Roten Armee „Bauprogramms der Jugend“ errichtet.
entschied man sich, die Skelette der Es diente als Gästehaus und spiegelt als
beiden Könige in ein Kalibergwerk bei Repräsentationsbau die offizielle NS-
Nordhausen zu bringen. Trotz aller Architekturauffassung wider. Die HJ war
Geheimhaltung entdeckten US-Truppen die Jugendorganisation der NSDAP und
nach Kriegsende die Särge. Nach der gehörte zu Hitlers Konzept der ideologi-
vorübergehenden Beisetzung auf der schen Kontrolle über alle Lebensbereiche
Burg Hohenzollern konnte Friedrich der der Gesellschaft. Seit 1933 gab es unter
Große schließlich am 17. August 1991 Reichsjugendführer Baldur von Schirach
gemäß seinem ursprünglichen Wunsch eine allgemeine Jugenddienstpflicht,
unter einer schlichten Steinplatte am gleichgestellt mit dem Arbeits- und
Schloss Sanssouci in Potsdam beige- Wehrdienst. Im Vordergrund standen die
setzt werden. Zur Erinnerung an die von nationalsozialistische Erziehung und eine
ihm geförderte Einführung des Erdapfels vormilitärische Ausbildung. Gegen Ende
in Preußen liegt heute stets eine des Krieges mussten zahlreiche Hitler-
Kartoffel auf seinem Grabstein. Jungen ihren Dienst an Flakgeschützen
ausüben oder wurden als „des Führers
20 letztes Aufgebot“ an der Front verheizt.
Wohnhaus Albert Einstein
q Konrad Wachsmann, 1929 22
p Waldstr. 7, Caputh, Karte A4 Luftkriegsschule Gatow / Luft-
D Sa–So 13–16 Uhr Zusätzlich zu sei- waffenmuseum der Bundeswehr
ner Stadtwohnung in der Haberland- q 1935, p Kladower Damm 182–188,
straße 5 ließ Einstein sich ein kleines Gatow, Karte A3 D Di–So 9–17 Uhr
Sommerhaus nahe dem Schwielow-See Der Flughafen Gatow war bis in die
in Caputh bauen. Hier segelte er, emp- letzten Kriegstage wichtiges Verbin-
76 Außenbezirke & Brandenburg

dungsglied für den letzten deutschen Luft- genutzt, steht die Kaserne heute leer,
korridor in die Berliner Innenstadt, da er der Truppenübungsplatz wird nach und
erst am 27. April 1945 von sowjetischen nach als Konversionsfläche für Wanderer
Truppen eingenommen wurde. Nach dem und Radfahrer erschlossen.
Krieg wurde der Standort von der Royal
Air Force genutzt, 1994 übernahm ihn 25
die Bundeswehr. In Hangar 3 befindet Olympisches Dorf
sich heute eine Dauerausstellung zur q Werner March, 1936 p Hamburger
Geschichte der Militärfliegerei in Deutsch- Chaussee, Döberitz, Karte A3 D jeden
land. Unter anderem kann dort eine ersten Sa im Monat 10–14 Uhr Mit dem
„Fokker Dreidecker I“ des „Roten Barons“ Olympischen Dorf der Sommerspiele von
Manfred von Richthofen besichtigt werden. 1936 sollte nach Auffassung des Orga-
nisationskomitees „das deutsche Volk
23 städtebaulich, landschaftsgestaltend und
Kriegsverbrechergefängnis baukünstlerisch einen Ausdruck seines
Berlin-Spandau innersten Wesens geben“. Die ausländi-
q 1878 p Wilhelmstr. 23, Berlin- schen Athleten reagierten positiv auf
Spandau, Karte A3  Spandau ihre Unterbringung und lobten die per-
Der weitläufige Gebäudekomplex wurde fekte Organisation und Verpflegung.
1878 als Militär- und Festungsgefängnis Während im Hindenburghaus Veranstal-
errichtet und im November 1946 von tungen der NS-Kulturgemeinde statt-
den Alliierten beschlagnahmt. fanden, versuchte man, den fremden
Am 18. Juli 1947 trafen die sieben Besuchern auch die Topographie des
im Nürnberger Hauptkriegsverbrecher- Gastlandes näher zu bringen. Die etwa
Prozess verurteilten Männer ein: 145 Wohngebäude waren nach deut-
Rudolf Heß, Walther Funk, Erich Raeder schen Städten benannt und analog der
(lebenslänglich), Baldur von Schirach, deutschen Landkarte auf dem Gelände
Albert Speer (20 Jahre), Constantin von verteilt. Nach den Olympischen Spielen
Neurath (15 Jahre), Karl Dönitz (10 Jahre). nutzte die Wehrmacht das Areal als
Nach einigen Begnadigungen und der Kaserne, später die Rote Armee. Obwohl
Entlassung Speers war Rudolf Heß der in der Struktur noch gut erhalten, sind
letzte verbliebene Häftling. Am 17. August die denkmalgeschützten Wohnhäuser
1987 beging er Selbstmord, und noch und Trainingshallen stark vom Verfall
im gleichen Jahr wurde das Gefängnis bedroht. Der Verein Historia Elstal bietet
weitgehend abgerissen. An dieser Stelle nach Anmeldung geführte Rundgänge an.
befindet sich heute ein Einkaufszentrum.
26
24 Arbeiterstadt „Große Halle“
Truppenübungsplatz Döberitz q Albert Speer, 1938 p Stadtrandstr.,
q 1713 p Hamburger Chaussee, Karte Spandau, Karte A3  Spandau Die
A3 Auf dem ältesten Truppenübungs- Arbeiterstadt war ein von Generalbau-
platz Deutschlands führte schon 1713 inspektor Albert Speer aufwändig
der „Soldatenkönig“ Friedrich Wilhelm I. gestaltetes Musterlager für 8.000 deut-
zum ersten Mal Manöver durch. Während sche Arbeitskräfte, die sich am Bau der
der Olympischen Sommerspiele von 1936 3Großen Halle beteiligen sollten. Von den
fanden hier die Military-Reitwettkämpfe 25 geplanten Gebäuden wurden wegen
statt. Wenig später wurden von der nahe des Mangels an Baumaterial allerdings
gelegenen Luftwaffenkaserne die Flieger nur neun fertig gestellt. Da Mitte 1942
der „Legion Condor“ nach Spanien auch die Bauarbeiten an der 3Großen
geschickt. Das hier stationierte Jagdge- Halle niedergelegt wurden, belegte man
schwader Nr. 1 „Freiherr von Richthofen“ die Baracken mit Zwangsarbeitern. Die
war nach Beginn des Krieges zum verbliebenen Gebäude sind gegenwärtig
Schutz Berlins vorgesehen. In der Nach- in das Evangelische Waldkrankenhaus
kriegszeit von der sowjetischen Armee Spandau integriert.
Außenbezirke & Brandenburg 77

25 Schwimmhalle der Olympioniken

23 Reste des Kriegsverbrechergefängnisses 25 Hindernisbalken auf Jesse Owens’ Aschenbahn

DAS OLYMPISCHE DORF 1936


Sporthalle

Märchenwald

Sportplatz
Kommandantenwohnung

Finnisches
Schwimmhalle Dampfbad
WALDSEE

Speisehallen
Dorfaue
Bastion Hindenburghaus

Thing-
Tor platz

Gaststätte
Empfangsgebäude

Hamburger Chaussee

25 Verfallenes Wohnhaus im Olympischen Dorf von 1936


78 Außenbezirke & Brandenburg

Die „Wunderwaffe“
Seit dem Umzug der Heeresversuchsanstalt
von Kummersdorf nach Peenemünde arbeite-
ten 1937 bis zu 20.000 Menschen an der
Entwicklung von Trägerraketen. 1942 verließ
erstmalig eine deutsche A4-Rakete kurzzeitig
die Erdatmosphäre und gelangte als so genann-
ter Leerbrenner in eine Höhe von 90 Kilome-
tern. Als erste Langstreckenrakete der Welt er-
reichte sie 1943 vierfache Schallgeschwindig-
keit und wurde daraufhin als V2 (Vergeltungs-
waffe 2) massenhaft produziert. In den Stollen
des KZ-Außenlagers Dora-Mittelbau wurden
Tausende Zwangsarbeiter für den Bau einge-
setzt. Jede 30. Rakete kam zur Kontrolle nach
Peenemünde, um Sabotage zu verhindern. Im
Verlauf des Krieges wurden insgesamt 12.000
V2-Raketen auf England, Belgien und die
Niederlande abgefeuert. Obwohl militärisch
relativ unbedeutend, war die psychologische
Wirkung der ohne Vorwarnung zuschlagenden
„Wunderwaffe“ fatal. Ende 1944 konstruierte
von Braun schon die Modelle A9/A10, die in
späteren Planversionen bereits bemannt wa-
ren. Sie sollten Ziele in den USA erreichen
und waren Grundlage für die späteren Mond-
raketen. Heute gilt die Waffenschmiede Peene-
münde zugleich als Wiege der Raumfahrt.
Hier legten deutsche Wissenschaftler den
Grundstein für das Raumfahrzeitalter.

Wernher von Braun 1912–1977


Mit Beginn seines Ingenieurstudiums an der
Technischen Universität Berlin nahm von
Braun Kontakt zu den Raketenkonstrukteuren
des „Vereins für Raumschifffahrt“ um Hermann
Oberth auf. In Berlin-Reinickendorf gründeten
sie gemeinsam den ersten deutsche Raketen-
flugplatz. Bereits mit 27 Jahren wurde er
Technischer Direktor des Raketenwaffenpro-
jektes der Heeresversuchsanstalt Peenemünde
und arbeitete dort bis März 1945. Zu-
sammen mit 500 Mitarbeitern stellte
er sich der amerikanischen Armee, die
später die verbliebenen Raketen und
Baupläne in die USA abtransportierte.
Von nun an arbeiteten die deutschen
Ingenieure für die Amerikaner, und
1960 wurde von Braun Direktor des
Marshall Space Flight Center. Er leitete
die Entwicklung der Saturn-V-Träger-
rakete und gilt heute als geistiger
Vater der Mondrakete. Anfang der
siebziger Jahre war er schließlich stellvertre-
tender Direktor der NASA. Nach seinem Tod
Start einer V2-Rakete in den Niederlanden bei im Jahr 1977 ehrte man ihn mit einer Statue
Den Haag mit dem vorgegebenen Ziel London und der von Braun Arena in Huntsville, Ala-
bama.
Außenbezirke & Brandenburg 79

27 krieg mussten Zwangsarbeiter in der


Luftwaffeninfanterieregiment Fabrik Waffen und Munition für die
„General Göring“ / Julius-Leber- Wehrmacht produzieren, eine Gedenk-
Kaserne tafel erinnert heute an dieses Gesche-
q Oberbaurat Schneidt, 1939 p Kurt- hen. Gegenwärtig befinden sich hier
Schumacher-Damm 41–167, Karte B3 unter anderem die Deutsche Dienststelle
 Kurt-Schumacher-Platz Die ehema- zur Auskunft für ehemalige Angehörige
lige Kaserne des Luftwaffeninfanterie- der Wehrmacht und Teile des Landes-
regiments „General Göring“ war mit archives Berlin.
81 Millionen Reichsmark das größte
Wehrmachtsprojekt in Berlin. In der 30
Nachkriegszeit diente das Gelände der Sowjetisches Ehrenmal
französischen Schutzmacht als Stütz- Schönholzer Heide
punkt. Heute heißt sie Julius-Leber- q K. A. Soboljew, 1949 p Volkspark
Kaserne, hier ist unter anderem die Schönholzer Heide, Karte C2  Wil-
Flugbereitschaft der Bundeswehr unter- helmsruh In der monumentalen Anlage
gebracht. Julius Leber gehörte zu den sind 13.200 im Kampf um Berlin gefal-
Mitstreitern des deutschen Widerstands lene sowjetische Soldaten bestattet.
gegen Hitler und sollte nach einem Zentral angeordnet steht die überlebens-
gelungenen Umsturz Reichskanzler oder große Bronzefigur einer russischen
Innenminister werden. Am 20. Oktober Mutter, die ihren gefallenen Sohn beweint.
1944 wurde er vom 3Volksgerichtshof
zum Tode verurteilt und hingerichtet. 31
Raketenversuchsstelle
28 des Heereswaffenamtes
Anti-Kriegs-Museum q 1932 p Kummersdorf, Karte C4
p Brüsselerstr. 21, Karte C3 Auf dem Gelände der Versuchsstelle
 Seestraße D Mo–So 16–20 Uhr in Kummersdorf entstand nach dem
Der Pazifist Ernst Friedrich gründete 1. Weltkrieg der erste Prüfstand für
1925 das erste Anti-Kriegs-Museum in Flüssigkeitsraketen in Deutschland.
Berlin. Im Jahr 1933 zerstörten SA- Seit 1923 experimentierte das Heeres-
Truppen die Einrichtung und etablierten waffenamt erstmals im großen Rahmen
im Haus einen später berüchtigten mit Raketen. Es entstanden Messbunker
Folterkeller. An dem historischen Ort und Abschussstellen, die teilweise noch

„Nichts sieht hinterher so einfach aus wie


eine verwirklichte Utopie.“ (Wernher von Braun)
kann man in einer ständigen Ausstel- erhalten sind und Vorbild für die
lung anhand von Dokumenten, Fotos Anlagen in Peenemünde waren. Im Jahr
und Ausrüstungsgegenständen die 1933 stellten Wernher von Braun und
Schrecken des Krieges ansatzweise seine Mitarbeiter das A1 (Aggregat 1)
nachvollziehen. fertig, doch noch vor dem Start explo-
dierte die Rakete. Ein Jahr später hob
29 dann eine A2 ab und erreichte eine Höhe
Deutsche Waffen- und von 2.200 Metern. Die 1936 fertig
Munitionsfabrik gestellte A3 war bereits so groß, dass
q Von Gontard, 1906 p Eichborn- ein Start ohne Gefährdung der Umge-
damm 103–187, Karte B2  Eichborn- bung nicht mehr möglich war und die
damm Die imposante Backsteinfassade Entwicklung 1937 nach Peenemünde
wurde 1918 von Alfred Kühne stilgerecht verlagert werden musste. Auch an der
auf 750 Meter erweitert. Im 2. Welt- Kerntechnik wurde in Kummersdorf
80 Außenbezirke & Brandenburg

parallel geforscht. Reste der Versuchs- Holland, Frankreich und die Sowjet-
bunker, die zur deutschen Atombombe union. Mittels eines Fernmeldenetzes
führen sollten, sind ebenfalls noch vor- führte man die deutschen Armeen in
handen. Der Bürgerverein Kummersdorf- ganz Europa. Nach Kriegsende nutzte
Gut bietet nach Anmeldung geführte der sowjetische Führungsstab um
Rundgänge über das Gelände an. Marschall Schukow die 590 Hektar
große Kasernenanlage. 40.000 Ange-
32 hörige der Roten Armee waren hier
„Zeppelin“, Hauptquartier des stationiert und machten aus der
Oberkommandos des Heeres, Region den strategisch wichtigsten
Bunkersiedlung „Maybach I und II“ Standort des Ostblocks in Westeuropa.
q 1938 p Zossen / Wünsdorf, Guten- Fast 100 Jahre lang war das Gelände
bergstr. 9, Karte C4 D Mo–Fr 14–16, Sperrgebiet, heute kann man die
Sa–So 12–16 Uhr, Garnisonsmuseum: erhaltenen Bunkeranlagen besichtigen.
Mo–Fr 13–17, Sa–So 11–17 Uhr Das Garnisonsmuseum bietet Einblick
Auf dem 6.000 Hektar großen Truppen- in einen „Winkel“-Bunker und die
übungsplatz wurden bereits im Jahr Geschichte des Militärstandortes.
1900 Kasernen für die preußische Armee
errichtet. Zwischen 1937 und 1941 Unten: Einer der 19 in Wünsdorf errich-
entstanden hier umfangreiche Bunkeran- teten Luftschutztürme der Bauart „Winkel“,
lagen. Unter dem Decknamen „Zeppelin“, benannt nach dem Architekten Leo Winkel.
nach dem ersten Buchstaben der nahen Hunderte von ihnen wurden in ganz
Stadt Zossen, ging 1939 der Nachrich- Deutschland erbaut und aufgrund der
tenbunker in Betrieb. Parallel bezog patentierten, bombenabweisenden Form
der Generalstab die Bunkersiedlung kaum einer zerstört.
„Maybach I“ und später „Maybach II“,
benannt nach der Automobilmanufaktur, 33
die auch Panzermotoren herstellte. Die Deutsch-Russisches
24 Bunkerhäuser bestanden aus je zwei Museum Karlshorst
ober- und unterirdischen Etagen. Durch q 1938 p Zwieseler Str. 4, Karte C3
Ziegel- und Holzverblendungen hatten  Karlshorst D Di–So 10–18 Uhr
sie nach außen den Anschein nor- Nachdem die Wehrmacht am
maler Stabsgebäude, waren jedoch 7. Mai 1945 im Hauptquartier der
aus Stahlbeton bester Güte und US-Armee in Reims die bedin-
erhielten zusätzlich eine bom- gungslose Kapitulation unter-
bensichere Kellerdecke. Der zeichnet hatte, wurde die
über drei Etagen unterirdisch Zeremonie gegenüber der
angelegte Nachrichtenbunker sowjetischen Seite in Berlin-
„Zeppelin“ war so massiv, Karlshorst von General
dass ihm keine verfügbare Feldmarschall Keitel stell-
Waffe des 2. Weltkrieges vertretend für Deutschland
etwas anhaben konnte. wiederholt. In den histori-
Die Wände sind 1,60 Meter schen Räumen befindet
stark. Die Decke besteht sich heute eine Dauer-
aus 3 Metern Stahlbeton. ausstellung zum 2. Welt-
Darüber liegen 12 Meter krieg mit zahlreichen
Erdreich, und auf der Originalstücken und
Oberfläche erneut eine einigen Panzerfahr-
1 Meter dicke Zerschell- zeugen. Daneben
schicht aus Stahl- gibt es wechselnde
beton. Hier entstan- Sonderausstellun-
den die Angriffs- gen zur deutsch-
pläne des Heeres russischen
gegen Belgien, Geschichte.
Außenbezirke & Brandenburg 81

32 Massiver Stahlbetondachgiebel eines gesprengten Bunkerhauses der Siedlung „Maybach I”

„ZEPPELIN“ UND „MAYBACH I“ - HAUPTQUARTIER DES OKH 1939


Gerlachs Hof
Wohnhäuser

g Kommandantur Endbauwerk „Nord“ (getarnt als Wohnhaus)

Tunnel
Wohnhäuser Unterkunftsbaracken der
Belüftung Nachrichtenhelferinnen
Nachrichtenbunker Notausstieg
Försterei „Zeppelin“
Einfahrt

Endbauwerk „West“

Siedlung „Maybach I“
Stabsbaracken

Hindenburg-
Platz N
p

Endbauwerk „Süd“
s Siedlung „Maybach II“

32 Zossen war einst Olympiastützpunkt der UdSSR

32 „Lasst uns die Kampftraditionen mehren!“ 32 Verwittertes Lenin-Denkmal in Wünsdorf


82 Außenbezirke & Brandenburg

35 Trudelturm 35 Blick vom Trudelturm

35 Großer Windkanal

39 Landhaus von Joseph Goebbels 45 Erprobungsstelle der Luftwaffe, Rechlin

40 Görings Waldhof Carinhall, 1937


Außenbezirke & Brandenburg 83

34 in das Köpenicker Amtsgerichtsgefäng-


Zwangsarbeiterlager nis, SA-Sturmlokale oder SA-Heime
Niederschöneweide verschleppt und dort bei Verhören auf
q 1943 p Britzer, Köllnische, Rudower das grausamste misshandelt. Mindes-
Straße, Karte D3  Schöneweide Im tens 24 Bürger verloren ihr Leben.
Berliner Stadtgebiet gab es während Viele entsetzlich zugerichtete Opfer
des 2. Weltkrieges mehr als 700 Zwangs- erlagen später ihren Verletzungen,
arbeiterlager und etwa 30 Außenlager andere verschwanden spurlos. In dem
der beiden 3Konzentrationslager Sachsen- 1901 errichteten Gefängnisgebäude
hausen und Ravensbrück. 1993 wurde dokumentiert heute eine Ausstellung
zwischen Mietskasernen von Nieder- die Ereignisse während der Köpenicker
schöneweide ein ehemaliges Lager für Blutwoche.
2000 Zwangsarbeiter entdeckt, dessen
Baracken weitgehend erhalten sind. 37
Trotz Denkmalschutzes verfällt dieses Gedenkstätte Seelower Höhen
„vergessene Lager“ zunehmend. q 1996 p Küstriner Str. 28a, Seelow,
Karte D3 D Di–Sa 9–16.30 Uhr Die
35 Seelower Höhen am Oderbruch galten
Deutsche Versuchsanstalt im Frühjahr 1945 als letzte natürliche
für Luftfahrt Barriere vor den Toren Berlins. 200.000
q Brenner & Deutschmann, 1936 deutsche Soldaten und eine Division
p Rudower Chaussee 4–6, Karte C3 von Kollaborateuren standen hier
 Adlershof Auf Empfehlung des 900.000 vorrückenden Rotarmisten
Grafen Zeppelin wurde 1912 die Deut- gegenüber. Die 3Schlacht um Berlin
sche Versuchsanstalt für Luftfahrt begann, und nach erbitterten Kämpfen
gegründet. Als Standort wählte man den gelang den sowjetischen Truppen am
ältesten deutschen Motorflugplatz in 17. April der Durchbruch. Etwa 70.000
Berlin-Johannisthal. Seit 1912 entstan- Rotarmisten und 12.000 deutsche Sol-
den hier verschiedene wissenschaftliche daten verloren hier ihr Leben. In der
Institute und Versuchseinrichtungen. ständigen Ausstellung des Museums mit
Das NS-Regime forcierte ab 1933 die Blick über das Schlachtfeld sind unter
militärische Forschung und förderte anderem Fotos, Lagekarten, Ausrüstungs-
nach Verkünden des Vierjahresplans gegenstände und einige russische Panzer
ab 1936 vor allem die Versuchsanstalt und Geschosswerfer („Stalinorgeln“) zu
für Luftfahrt mit beträchtlichen besichtigen.
Geldmitteln aus dem 3Reichsluftfahrt-
ministerium. Eindrucksvoll zeugen die 38
unmittelbar der Versuchsanordnung „Seewerk“ der IG Farben AG
folgenden Bauten des Trudelturms q 1938 p Militärsiedlung 1, Falken-
oder des Windkanals noch heute von hagen, Karte D3 D Sa 14.00 Uhr
der Wiege der deutschen Luftfahrtfor- Das Heereswaffenamt errichtete 1938
schung. gut versteckt in einem Waldstück
40 Kilometer östlich von Berlin das
36 so genannte Seewerk zur Entwicklung
Gedenkstätte Köpenicker von Brandstoffen. Ab 1944 wurden die
Blutwoche Juni 1933 Anlagen der IG Farben überlassen, die
p Puchanstr. 12, Karte D3  Köpe- hier auf persönlichen Befehl von Hitler
nick D Di, Mi 10–16, Do 10–18, eine Waffe herstellen sollte: das neu-
Sa 14–18 Uhr Nach der Machtübernahme artige Kampfgas Sarin. Mit einer Monats-
durch die Nationalsozialisten erreichte produktion von 500 Tonnen hätte eine
der SA-Terror in Köpenick vom 21. bis ganze Großstadt wie London entvölkert
26. Juni 1933 ein bisher nie dagewese- werden können. Der Kampfstoff war
nes Ausmaß. Hunderte Regimegegner eine rein deutsche Entwicklung und den
wurden bei Hetzjagden auf offener Straße Alliierten bis Kriegsende unbekannt. Im
84 Außenbezirke & Brandenburg

Die Konzentrationslager
Das System, eine bestimmte Gruppe von Men- registrierten KZ-Insassen bei 714.000, be-
schen in Lagern zu konzentrieren, stammt ur- wacht von rund 40.000 SS-Angehörigen. Von
sprünglich von den Engländern, die erstmals den insgesamt etwa 7 Millionen Häftlingen
1900 Konzentrationslager in Südafrika ein- haben wohl kaum 500.000 den alltäglichen
richteten. Das erste in Deutschland war 1933 Terror und Mord in den Lagern überlebt.

das 3KZ Oranienburg. Wenig später ließ Zyklon B


Hitler das ganze Reich und später vor allem Zyklon B, Blausäure, war ursprünglich ein
Polen mit einem dichten Netz von Konzentra- Insektenvertilgungsmittel. Das hochgiftige
tions- und Vernichtungslagern überziehen. Cyangas wurde in Form kleiner Kristalle
Bei Kriegsbeginn wurden die Häftlinge als bil- geliefert, die sich in Verbindung mit Luft in
lige Arbeitssklaven zu einem immer größeren ein tödliches Nervengas verwandelten. Zur
wirtschaftlichen Faktor für die Rüstungsindus- Ermordung von Menschen wurde es erstmals
trie, und Lager wie Auschwitz und Treblinka 1941 in Auschwitz eingesetzt. Durch eine
stehen heute für den staatlich angeordneten schmale Öffnung wurden die Kristalle in die
Völkermord. Wer einmal in ein KZ eingeliefert Gaskammer geschüttet, in der sich die Opfer
wurde, war der Willkür der SS-Aufseher aus- befanden. Verantwortlich für die Herstellung
gesetzt und unweigerlich dem Tod geweiht. war die DEGESCH (Deutsche Gesellschaft für
Fluchtversuche endeten in der Regel am Sta- Schädlingsbekämpfung), eine Tochterfirma der
cheldraht. Im Januar 1945 lag die Zahl der IG Farben. Oben: Etikett einer Zyklon-B-Dose.
KONZENTRATIONSLAGER 10 SS-Bad & Heizwerk
N

p
SACHSENHAUSEN 1944 11 Kasernenplatz
Turm E
12 SS-Kasernen
1 Eingangsgebäude, 13 Villa Eicke
SS-Lagerführung 8 14 Kfz-Garagenhof
2 Appellplatz & Galgen 15 Eingangstor
3 Pathologie mit 7 16 Verwaltung
Leichenkeller, Turm D Turm F
17 Inspektion der KZ,
Krankenbaracken „T-Gebäude“
4 Industriehof 4 18 SS-Truppenkasino
5 6
5 Häftlingswäscherei Turm C Turm G
„Grünes Ungeheuer“
6 Häftlingsküche 19 Kommandantur
7 „Station Z“: 2 20 Waffenmeisterei
Gaskammer, 3 Häftlingslager 9
Krematorium, Turm B Turm A
Turm H
Erschießungs- 20 1
graben, Galgen 19
KZ A
ußen

10
lage

18
17
r Kli
nker

11
16 Truppenlager der
werk

SS-Totenkopfstandarte 12
p

„Brandenburg“

14
8 Kriegsgefangenenlager
für alliierte Soldaten 15
13
9 Zellenbau mit 80 Einzelzellen
Außenbezirke & Brandenburg 85

Sommer 1945 sollte die Produktion Hier sammelte er geraubte Kunstgegen-


beginnen, die Labore der Chemiker stände aus ganz Europa und empfing
waren bereits eingerichtet. Spuren der Staatsgäste. Als die Ostfront immer
gewaltigen Baumaßnahmen sind die näher rückte, verließen am 20. April
bis heute erhaltenen Rohbauten eines 1945 etwa 420 Lastwagen, beladen mit
Heizkraftwerkes, der Fabrikationsstätten, den in den Jahren angehäuften Kunst-
Abfüllanlagen samt Gleisanschluss und schätzen, Görings Landsitz in Richtung
weitläufigen unterirdischen Bunker- Bayern. Ohne noch einmal zurückzubli-
anlagen. Das später von den Sowjets cken, sprengte er sein Anwesen mit den
genutzte Gelände kann heute besichtigt Worten: „So etwas muss man eben
werden. manchmal tun, wenn man Kronprinz ist“,
und machte sich auf den Weg zu Hitlers
39 letzter Geburtstagsfeier in die 3Neue
Landhaus Joseph Goebbels Reichskanzlei. Die Zeit überdauert haben
q Schweitzer, Bartels, 1939 p Lanke einige Bunker, die Wachhäuser an der
am Bogensee, Karte D1 Im Jahr 1936 Toreinfahrt und das Gästehaus, in dem
wurde Reichspropagandaminister Joseph sich heute ein nobles Hotel befindet.
Goebbels ein weitläufiges Grundstück am
Bogensee auf Lebenszeit zur Verfügung 41
gestellt. 1939 ließ er sich auf dem KZ Sachsenhausen
Gelände ein feudales Landhaus errich- q 1936 p Straße der Nationen 22,
ten, welches heute noch weitestgehend Oranienburg, Karte B1 D Di–So 8.30–
im Originalzustand erhalten ist. In den 18.00 Uhr Die von SS-Architekten am
Sommermonaten wohnte Goebbels mit Reißbrett als idealtypisches KZ konzi-
seiner Familie hier. 1946 übernahm die pierte Anlage wurde von Häftlingen aus
FDJ den Gebäudekomplex und baute den Emslandlagern errichtet. Insgesamt
das Gelände zu einer isolierten Jugend- waren bis Ende des Krieges 200.000
hochschule aus. Angrenzend entstand ab Häftlinge aus 40 Nationen hier inhaf-
1951 eine monumentale, schlossähnli- tiert. Zehntausende wurden ermordet
che „Kaderschmiede“ für die Jugend- oder starben an Hunger und Krankheit.
funktionäre der SED. Mehr als ein halbes Nachdem bei Kriegsende fast alle Häft-
Jahrhundert lang hatten die Menschen
der Umgebung keinen Zutritt zu dem
verbotenen Ort, seit 1999 stehen die
Gebäude leer. Zurzeit sucht das Land
Berlin einen Käufer für die Objekte.

40
Carinhall
q Ernst Sagebiel, 1934, Hetzel, Tuch
1937 p Großdöllner See, Wuckersee,
Schorfheide, Karte D1 Reichsjägermeis-
ter Hermann Göring ließ sich 1936
nördlich von Berlin ein monumentales
Jagdschloss erbauen, das er zu Ehren
seiner verstorbenen Frau Waldhof
Carinhall nannte.

41 Die Nordmauer des KZ Sachsenhausen


86 Außenbezirke & Brandenburg

41 Eingangsportal des KZ Sachsenhausen, Turm A

41 Eingangstor zum KZ Sachsenhausen

41 Verbrennungsöfen im KZ Sachsenhausen 41 SS-Kasino („Grünes Ungeheuer“)

41 Folterinstrumente der Wachmannschaften im KZ Sachsenhausen

41 Todeszone an der KZ-Lagermauer 41 Rampe in den Leichenkeller der KZ-Pathologie


Außenbezirke & Brandenburg 87

linge auf Todesmärsche nach Nordwesten 43


geschickt worden waren, konnten sowje- KZ Oranienburg
tische Truppen am 22. April 1945 die q 1933 p Berliner Str. 20–21,
letzten 3.000 verbliebenen befreien. Oranienburg, Karte B1 Unmittelbar nach
Im so genannten T-Gebäude befand sich der Machtübernahme durch die National-
die „Inspektion der Konzentrationslager“ sozialisten richtete die SA 1933 auf
(IKL), die zentrale Verwaltung aller dem Gelände einer stillgelegten Brauerei
Konzentrationslager im deutschen Macht- im Ortszentrum von Oranienburg das
bereich. Die SS-Beamten bestimmten erste Konzentrationslager in Deutschland
von ihren Schreibtischen aus über ein. Vor allem Sozialdemokraten und
Ernährung, Unterbringung, Bestrafung Kommunisten aus der nahen Reichshaupt-
und Ermordung Hunderttausender. Im stadt wurden hierher verschleppt. Auf dem
ehemaligen Dienstzimmer des Leiters Areal waren insgesamt 3.000 Menschen
der IKL, Theodor Eicke, informiert heute inhaftiert. Prügel, sadistische Quälereien
eine Ausstellung. und Misshandlungen waren an der
Von 1945 bis 1950 nutzte der sowjeti- Tagesordnung. Bis zur Schließung des
sche Geheimdienst NKWD das Konzen- Lagers im Juli 1934 wurden mindestens
trationslager als „Speziallager 7“. Von 16 Gefangene ermordet. Im Jahr 1944
den 60.000 inhaftierten Wehrmachts- wurde das Lager durch Bomben zerstört.
soldaten, Nationalsozialisten, Antikom- Heute erinnert eine Gedenktafel auf dem
munisten, SED-Kritikern oder Unschul- Gelände an die schrecklichen Ereignisse.
digen starben mindestens 13.000.
Manch einer, der das NS-Konzentrations- 44
lager überlebt hatte, war jetzt wieder KZ Ravensbrück
hier inhaftiert. In der 1961 eingerichte- q 1939 p Straße der Nationen, Fürs-
ten Mahn- und Gedenkstätte hatte nach tenberg, Karte B1 D Di–So 9–17 Uhr
DDR-Geschichtsschreibung nie ein Am Ufer des Schwedtsees, in Sicht-
sowjetisches Speziallager existiert. weite des Luftkurortes Fürstenberg, lag
Nach einem Entwurf des Architekten seit 1939 das größte Frauenkonzentra-
Daniel Libeskind soll in Zukunft das tionslager auf deutschem Reichsgebiet.
angrenzende Gelände des ehemaligen Die SS inhaftierte hier insgesamt über
Truppenlagers der SS-Totenkopfstandarte 132.000 Frauen und Kinder, aber auch
„Brandenburg“ in die Gedenkstätte inte- 20.000 Männer. Zehntausende Häftlinge
griert werden. Viele der hier erhaltenen aus über 40 Nationen wurden ermordet
Gebäude wie das ehemalige SS-Kasino oder starben an Hunger, Krankheit und
(von den Häftlingen „Grünes Ungeheuer“ bei medizinischen Experimenten.
genannt) werden derzeit nicht genutzt Zu dem Lagerkomplex gehörten ein
und sind stark vom Verfall bedroht. Industriehof mit Betrieben der SS-eige-
nen Gesellschaft für Textil- und Leder-
42 verwertung mbH (Texled), ein Siemens-
KZ Außenlager Klinkerwerk lager mit 20 Fertigungshallen sowie
q 1941 p Bernauer Str., Oranienburg, das Jugend-KZ Uckermark für „asoziale“
Karte B1 Seit 1938 ließ die SS von Mädchen. Seit Ende 1944 gab es eine
Häftlingen des 3KZ Sachsenhausen an Gaskammer, in der bis zu 6.000 Men-
diesem Ort das weltweit größte Ziegel- schen ermordet wurden.
werk und ab 1940 ein Werk zur Her- In Ravensbrück wurden auch weibliche
stellung von Natursteinverblendungen Insassen für SS- und Häftlingsbordelle
errichten. In dem Außenlager wurden in anderen Konzentrationslagern
unter mörderischen Arbeitsbedingungen selektiert. Statt nach sechs Monaten
Baustoffe für die gigantischen Bauvor- Zwangsprostitution die versprochene
haben der 3Welthauptstadt Germania Freiheit zu erlangen, wurden die Frauen
hergestellt. Nach Luftangriffen wurde wieder zurück nach Ravensbrück trans-
das Lager 1945 zerstört, demnächst soll portiert. Gegen Ende des Krieges trieb
hier ein Geschichtspark entstehen. man Zehntausende der Häftlinge auf
88 Außenbezirke & Brandenburg

200
15
Todesmärsche in Richtung Nordwesten.
Die Rote Armee befreite am 30. April
1945 noch 3.000 zurückgelassene Kranke.
45 90 120 Heute informiert die Gedenkstätte
36
Ravensbrück über das Lager. Die ehe-
24

12
60
maligen Gebäude der SS-Siedlung sind
12
Lern- und Begegnungsort für Jugendliche.
15

45
Das Hakenkreuz Erprobungsstelle der Luftwaffe,
Die „Swastika“ (sinngemäß: „das, was „Weiße Häuser“
gut ist“), wie das Hakenkreuz im Sanskrit q 1934 p Am Claassee 1, Rechlin,
genannt wird, war in der Frühgeschichte Karte B1 D Mo–So 10–16 Uhr
ein Glück bringendes Zeichen und symbo- Schon früh hatte die nationalsozialis-
lisiert ein laufendes Sonnenrad. Verwen- tische Führung überlegt, wie man die
dung fand es hauptsächlich in Europa und deutsche Bevölkerung vor den ständigen
Asien. In der germanischen Volkskunst Bombenangriffen der Alliierten besser
stellte es Thors Hammer oder das Runen- schützen könnte. Auf einer geheimen
Zeichen Wolfsangel dar. Im Buddhismus
Erprobungsstelle der Luftwaffe bei
bringt es Unglück, wenn man es nicht
Rechlin wurden einige mit Ziegelsteinen
in der Waagerechten hält. Anfang des
verblendete Bunkertürme errichtet, im
19. Jahrhunderts wurde es von der Turner-
Volksmund „Weiße Häuser“ genannt.
bewegung zum Ausdruck ihrer Verbunden-
heit zum deutschen Volkstum verwendet.
Gedacht waren sie wahrscheinlich als
Um 1920 trugen es dann Angehörige der
bombensichere Musterhäuser für die
rechtsextremen Freikorps auf ihren Stahl- zukünftige 3Welthauptstadt Germania.
helmen, wodurch es den völkisch-anti- Im Luftfahrttechnischen Museum Rechlin
semitischen Charakter bekam. Adolf Hitler kann man heute Näheres zur Geschichte
machte wohl erstmals in den rassistischen des ehemaligen Testgeländes erfahren.
„Ostara“-Heften des Wieners Joseph Lanz
von Liebenfels mit dem Hakenkreuz 46
Bekanntschaft, adaptierte es für die NSDAP Museum des Todesmarsches
und entwarf in den zwanziger Jahren per- im Wald von Below
q 1981 p Belower Damm 1, Wittstock,
sönlich die Hakenkreuzfahne. Nach seiner
Karte A1 D Di–So 9–16 Uhr
„Im Rot sehen wir den sozia- Am 21. April 1945 begann die Räumung
len Gedanken der Bewegung, der 3Konzentrationslager Sachsenhausen
im Weiß den nationalistischen, und Ravensbrück. Etwa 48.000 Häftlinge
im Hakenkreuz die Mission wurden Richtung Nordwesten in Marsch
gesetzt. Unterernährt und nur notdürftig
des Kampfes für den Sieg des gekleidet, mussten sie täglich 40 Kilo-
arischen Menschen.“ (Adolf Hitler) meter Fußmarsch auf sich nehmen.
Machtergreifung wurde die Fahne am Am 23. April gelangten 16.000 von
15. September 1935 durch das Reichs- ihnen in den Belower Wald. Fast eine
flaggengesetz zur alleinigen Nationalflagge. Woche kampierten sie in Erdlöchern oder
Das Hakenkreuz galt fortan zusammen selbst errichteten Unterständen. In dieser
mit dem von Adolf Hitler stilisierten Reichs- Zeit konnten sie sich nur von Baumrinden
adler als Hoheitszeichen des Deutschen und Wurzeln ernähren. In wenigen Tagen
Reiches und ersetzte die schwarz-rot- starben bis zu 800 Menschen.
goldene Trikolore der den Nazis verhassten Noch heute zeugen in Bäume eingeritzte
Weimarer Republik. Zeichen und Inschriften von ihren Leiden.
Nach dem Krieg verboten die Alliierten, Das Museum informiert über die Todes-
später auch die Bundesrepublik, das märsche und zeigt von Häftlingen zurück-
Hakenkreuz. Heute gilt es als antisemiti- gelassene Fundstücke in einer ständigen
sches und neofaschistisches Symbol. Ausstellung.
Außenbezirke & Brandenburg 89

47 48
„Hakenkreuz-Wald“ Zuchthaus Brandenburg-Görden
q Förster Schmidt, 1938 p Kutzerower q 1935 p Anton-Saefkow-Allee 2,
Wald, Zernikow, Karte B1 Ein linientreuer Brandenburg/Havel, Karte A4 Das Zucht-
Förster soll es 1938 gewesen sein. haus entstand 1935 als die damals
Nach seinen Vorgaben mussten zwei modernste und sicherste Strafanstalt
ahnungslose Schüler mehrere Dutzend Europas. Zeitweise waren hier bis zu
Lärchen in einem bestimmten Raster 4.800 Häftlinge untergebracht. Unter
anpflanzen und bekamen dafür ihnen waren seit 1936 auch der spätere
9 Pfennig pro Baum. Vom Boden aus Staats- und Parteichef der DDR, Erich
ist absolut nichts zu sehen, doch wenn Honecker, der vom 3Volksgerichtshof
man im Herbst über Zernikow fliegt, zu 10 Jahren Haft verurteilt worden war,
erkennt man das Hakenkreuz. Während und Robert Havemann. Tausende der
der Kiefernwald grün bleibt, verfärben Gefangenen aus vielen Ländern Europas
sich die vom Förster gesetzten Lärchen litten in dieser Zeit unter den unmensch-
braun und bilden ein 60 mal 60 Meter lichen Bedingungen. Bis 1945 wurden
großes Hakenkreuz. 1992 wurde es auf 1.722 aus politischen Gründen zum
einem Luftbild entdeckt, und als eine Tode Verurteilte hingerichtet. 652 star-
Lokalzeitung die Nachricht verkündete, ben an Krankheiten oder Unterernährung.
tauchten sogar französische Journalisten Nach der Befreiung des Zuchthauses
vom Figaro auf. Seitdem versuchte man durch die Rote Armee am 27. April 1945
mehrmals, das Symbol durch Fällen eini- nutzten es sowjetische Militärbehörden
ger Bäume zu beseitigen. Die Anstren- zur Internierung von Kriegsverbrechern
gungen blieben jedoch vergeblich, die und Kollaborateuren. 1949 übernahm die
braune Saat kam immer wieder zum DDR-Justizverwaltung den Strafvollzug,
Vorschein. Es sollen weitere Abholzun- um hier Regimekritiker auf Jahre einzu-
gen folgen, und man hofft, das Haken- sperren.
kreuz wird mit den Jahren von allein In der ehemaligen Hinrichtungsstätte
verschwinden. Die besten Lärchen sollen befindet sich jetzt eine kleine Dokumen-
jedenfalls stehen bleiben, bis sie 150 tationsstelle. Die tatsächlich verwendete
Jahre alt sind, ihr hochwertiges Holz Guillotine gehört heute zu der Sammlung
lässt sich gut verkaufen. des Deutschen Historischen Museums.

Der „Hakenkreuz-Wald“

47 Luftbild im Herbst
90 Bildnachweis & Literatur

Bildnachweis Literatur
Bei Seiten mit mehreren Abbildungen Arnold, Dietmar; Janick, Reiner:
ist die Zuordnung stets von oben nach Sirenen und gepackte Koffer.
unten und von links nach rechts. Alle Bunkeralltag in Berlin, Berlin 2003.
Fotografien, Karten und Illustrationen, die
nicht explizit ausgewiesen sind, stammen Benz, Wolfgang; Graml, Hermann;
aus dem Archiv von Maik Kopleck bzw. Weiß, Hermann: Enzyklopädie des
des Verlages. In vereinzelten Fällen konn- Nationalsozialismus, München 1998.
ten wir die Rechteinhaber nicht ermitteln.
Braun, Markus (Hg.): Spuren des
Alliierten-Museum, Berlin/Atlanta- Terrors. Stätten nationalsozialistischer
Service Frankfurt a.M.: S. 72/73 Gewaltherrschaft in Berlin, Berlin 2002.

Archiv Dietmar Arnold, Verein Berliner Chod, Katrin; Schwenk, Herbert;


Unterwelten: S. 15 l., 41 Weisspflug, Hainer: Berlin Mitte.
Das Lexikon, Berlin 2001.
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23 untere Mitte r., 24 u.r., 60 untere Demps, Laurenz: Berlin Wilhelmstraße.
Mitte, 60 untere Mitte l., 60 u.r. Eine Topographie preußisch-deutscher
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Archiv Reiner Janick, Verein Berliner Stadt als Ausstellung. Der Wegweiser,
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Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz: S. 6, Fest, Joachim C.: Speer. Eine Biografie,


10 o.l. (beide), 10 Mitte, 10 u.l., 17 u., Berlin 1999.
37 Mitte u.r., 44, 45 u.r., 52 o., 64 u.l.,
68 l., 82 u. Fest, Joachim C.: Der Untergang. Hitler
und das Ende des Dritten Reiches. Eine
Bundesarchiv Koblenz: S. 2, 78 l. historische Skizze, Berlin 2002.

Deutsches Historisches Museum Berlin: Kästner, Erich: Notabenen 45.


S. 17 u.r., 52 u., 84 o. Ein Tagebuch, München 1983.

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32 (beide), 37 o.l., 37 o.r., 37 untere Presse- und Informationsamt des
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Berlin: S. 20 o.l. Reichhardt, Hans J.; Schäche, Wolfgang:
Von Berlin nach Germania. Über die
Getty-Images: S. 46 Zerstörung der „Reichshauptstadt“ durch
Albert Speers Neugestaltungsplanungen,
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Marco-VG: S.11 Schäche, Wolfgang: Architektur und


Städtebau in Berlin zwischen 1933 und
Thomas Kemnitz; Berlin, vimudeap.de: 1945. Planen und Bauen unter der Ägide
S. 77 o.r. der Stadtverwaltung, Berlin 1992.
Impressum 91

Impressum Maik Kopleck


Die Deutsche Bibliothek verzeichnet Jahrgang 1975,
diese Publikation in der Deutschen nach dem Kommu-
Nationalbibliographie; detaillierte biblio- nikationsdesign-
graphische Daten sind im Internet über Studium an der FH
http://dnb.ddb.de abrufbar. Düsseldorf freier
Art Director für verschiedene Werbeagen-
3. durchges. Auflage, Februar 2005 turen in Düsseldorf und Berlin. Während
© Christoph Links Verlag – längerer Aufenthalte in den USA war er
LinksDruck GmbH, 2004 freier Fotograf in San Francisco; Mitinha-
Schönhauser Allee 36 ber des 1996 gegründeten Design-Büros
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Umschlaggestaltung: Maik Kopleck Brigitte Staab, Ernst Staab, Prof. Werner
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Text/Gestaltung/Illustration, DTP: Kuhn, Prof. Vilibald Barl, Lena Brombacher,
Maik Kopleck, STAAB/KOPLECK:DESIGN! Alexander Römer, Martin Venn, Susanne
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Druck und Bindung:


Bosch-Druck GmbH, Landshut

ISBN 3-86153-326-X

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1933–1945 SALZBERG 1933–1945
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