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JEAN-PHILIPPE LAUER

Das Geheimnis der


Pyramiden
Jean-Philippe Lauer

Das Geheimnis der


Pyramiden
Baukunst und Technik

Weltbild Verlag
Titel der französischen Original-Ausgabe:
Jean-Philippe Lauer
Membre de Plnstitut d’Égypte
LE MYSTERE DES PYRAMIDES
© Presses de 1a Cite, Paris, 1974

Aus dem Französischen übersetzt von Dr. Eva Eggebrecht


Verlagsredaktion und Lektorat: Dr. Georg Niebling

© Lizenzausgabe Weltbild Verlag


mit Genehmigung der Rechteinhaber 1990
Alle Rechte vorbehalten
Umschlaggestaltung: Klaus von Seggern
Satz: Atelier Nürnberger, München
Druck und Binden: Ueberreuter, Wien
Printed in Austria 1090
ISBN 3-89350-129-0
INHALTSVERZEICHNIS

Vorwort 7
TEIL I
Die Pyramiden in Überlieferung und Legende, Reiseschilderungen,
Erkundungen und Ausgrabungen 11
1. Kapitel
Reisende und Schriftsteller im Angesicht der Pyramiden - von der Antike
bis zur napoleonischen Expedition 13
2. Kapitel
Die »Expedition d’Égypte« und die archäologische Erforschung der Pyramiden 57
TEIL II
Die Pyramide: Königsgrab mit zugehörigen Kultbauten 121
TEIL III
Theorien: Die angeblichen Geheimnisse der Pyramiden 165
1. Kapitel
Die mystischen Theorien 171
A) Bibeltheorien 171
B) Die theosophischen Theorien 187
2. Kapitel
Die pseudowissenschaftlichen Theorien 202
A) Astronomische Theorien 202
B) Mathematische Theorien 225
TEIL IV
Wissen und Glaubensvorstellungen der Pyramidenbauer 237
1. Kapitel
Technische Kenntnisse. Der Bau der Pyramiden 239
2. Kapitel
Die naturwissenschaftlichen Kenntnisse in der Pyramidenzeit
und die Geometrie der Pyramiden 269
3. Kapitel
Die Glaubensvorstellungen der Pyramidentexte 284
Anmerkungen 313
Bibliographie 322
Abkürzungsverzeichnis 322
Literatur zu Pyramidenproblemen, außer der im Text zitierten 323
Abbildungen im Text 326
Verzeichnis der Farbtafeln 328
Verzeichnis der Schwarzweiß-Tafeln 329
Obersichtstabelle für die Böschungsverhältnisse, Proportionen
und Abmessungen der wichtigsten Pyramiden 330
Quellen verzeichnis der Abbildungen 331
Verzeichnis der Orts- und Eigennamen 332
Abb. 1: Karte von Ägypten, bis Theben/Luxor im Süden
Vorwort

Noch immer gilt vielen Menschen die Zweckbestimmung und der Bau
der Pyramiden als geheimnisumwittert. Neue Entdeckungen in den
Nekropolen von Memphis und damit verbundene wissenschaftliche
Erkenntnisse lassen daher eine Neubearbeitung des 1948 erschienenen
Buches »Le probleme des pyramides d’Égypte« in der »Bibliotheque
Historique« von Payot (Zweite Aufl. 1952) geboten erscheinen, nach-
dem in dem seither vergangenen Vierteljahrhundert wesentliche Fort-
schritte bei der Erforschung dieser außergewöhnlichen Königsgräber
gemacht worden sind.

An erster Stelle wäre hier die Entdeckung des Grabbezirks des Horus
Sechemchet in Saqqâra durch Zakaria Goneim zu nennen. Sechem-
chet, direkter Nachfolger des Horus Neterichêt, d. h. des Königs Djoser
aus der 3. Dynastie, war bis zur Auffindung der für ihn errichteten
Grabanlage nur von Felsinschriften und Reliefs auf dem Sinai und im
Wadi Maghära bekannt. Auf diesen Darstellungen trägt er die ober- und
unterägyptische Krone und wird u. a. auch in der bekannten Pose des
»Feinderschlagens«, einer symbolischen Siegesszene, wiedergegeben.
Er hält einen um Gnade flehenden Asiaten gepackt. Da jedoch die
Ägyptologen den Horusnamen des hier abgebildeten Herrschers
fälschlicherweise als den des Semerchet, des vorletzten Königs der
1. Dynastie, gedeutet hatten, waren diese Belege nicht auf Sechemchet
bezogen worden.

Bei den Ausgrabungen im Sechemchet-Bezirk nun kam zunächst ein


über 50 m langer Teil der Umfassungsmauer mit Nischen und Bastio-
nen und Doppelscheintoren - wie im Djoserbezirk - zum Vorschein.
8 Das Geheimnis der Pyramiden

Bald darauf wurden dann auch die Restlagen der fast völlig abgetrage-
nen Stufenpyramide mit dem noch verschlossenen, abwärts führenden
Gang zur Grabkammer gefunden. Neben einem umfangreichen Hort
an Steingefäßen und großen Keramikkrügen mit Siegelabdrücken des
Horus Sechemchet wurde auch sein mit einem Deckel versehener,
aber leerer Sarkophag gefunden, der anscheinend nie benutzt worden
ist. Mit dieser zweiten Stufenpyramide in Saqqâra ist die Zahl dieser
speziellen Form der Königsgräber, die der eigentlichen Pyramide mit
Dreiecksseiten in der Entwicklung vorausgingen, auf insgesamt vier
angestiegen.

Die Ähnlichkeit des Sechemchet-Bezirks mit der Grabanlage des


Djoser warf die Frage auf, ob es dort analog zu Djoser nicht auch ein
zweites Grab gegeben habe, und tatsächlich verliefen einige Jahre
später durchgeführte Grabungen äußerst erfolgreich. Das sogenannte
Südgrab mit seinem über 30 m langen Schacht, der in die unterirdische
Anlage führt, kam nach langwierigen Freilegungsarbeiten aufgrund
von Terrainveränderungen in der Zeit des Sechemchet zutage. Es
stellte sich jedoch heraus, daß auch dieses zweite Grab unfertig und
offensichtlich als Begräbnisstätte des Königs niemals benutzt worden
war, was zu der Annahme berechtigt, daß er bei einer Expedition ins
ferne Ausland ums Leben gekommen ist. Im Südgrab war dann ein
etwa zweijähriger Sproß des Königshauses beigesetzt worden, dessen
Skelettüberreste im Schutt des zusammengestürzten Holzsarges ge-
funden wurden. Der Sargtyp und Reste von Beigaben der Grabaus-
stattung weisen eindeutig darauf hin, daß es sich um ein Begräbnis aus
der 3. Dynastie handelt.

Professor Ahmed Fakhry, dessen plötzlichen Tod in Paris wir 1972 zu


beklagen hatten, nahm 1951 die Grabungen am oberen und unteren
Tempel der Knickpyramide des Snofru in Dahschûr wieder auf und
setzte damit die Arbeit des frühverstorbenen Abdessalam M. Hussein
fort. Monumentale Stelen und bestens erhaltene Reliefs belohnten
den Ausgräber. Aber auch in Gisa (Giseh, Gizeh) konnten die Archäo-
logen mit einem erstaunlichen Fund aufwarten.

Als man die Südseite der Großen Pyramide vom Sand befreite, wurden
an der Pyramidenbasis zwei große Vertiefungen im Boden festgestellt.
Vorwort 9

Als die Altertümerverwaltung zunächst die eine öffnete, entdeckte


man die sorgfältig aufgestapelten Teile eines großen Bootes von
42 m Länge. Nach geduldiger und sorgfältiger Restaurierungsarbeit
unter der Leitung von Ahmed Youssef Moustafa, dem Fachmann von
der Altertümerverwaltung, konnte die königliche Totenbarke Stück
für Stück wieder zusammengesetzt werden (Abb. 38). Unterstützung
gewährten die chemischen Labors des Ägyptischen Museums in Kairo
und ausländische Speziallabors.

In diesen Zusammenhang gehört auch ein Projekt in Saqqâra, an dem


wir zunächst gemeinsam mit Jean Sainte Fare Garnot und nach dessen
Tod mit seinem Nachfolger an der Sorbonne, Jean Leclant, seit Jahren
tätig sind. Im Auftrag der Altertümerverwaltung, der Grabungs-
kommission des französischen Außenministeriums und des Natio-
nalen Wissenschaftlichen Forschungszentrums gilt unsere Arbeit
einer Gesamtaufnahme der Pyramidentexte in den Pyramiden der 6.
Dynastie. Als seinerzeit im Mittelalter die Grabkammern dieser
Pyramiden als Steinbrüche geplündert wurden, sind zahllose größere
und kleine Steinabschläge, mit Hieroglyphen bedeckt, in den Kam-
mern und Gängen liegengeblieben. Maspero und spätere Bearbeiter der
mythologisch-religiösen Texte haben diese Fragmente niemals in ihre
Betrachtungen einbezogen. Im Verlauf unserer Grabungen konnten
nicht nur Tausende neuer Inschriftfragmente sichergestellt, sondern
auch die Grabkammern zugänglich gemacht werden, die mit ihren
sternengeschmückten Giebeldächern aus riesigen Steinquadern, die
von den Steinräubem entweder zerschlagen oder in gefahrbringender
Lage zurückgelassen wurden, einen unvergleichlichen Eindruck
hinterlassen. Unsere Kenntnis von der Struktur dieser Pyramiden
konnte dabei um wesentliche Aspekte bereichert werden. Im Zusam-
menhang mit den Pyramiden wurden auch die zugehörigen Toten-
tempel ausgegraben, die in Grundriß und Gesamtplan eine weitgehen-
de Ähnlichkeit mit dem entsprechenden Bauwerk Pepis II. aufweisen,
der einzigen Anlage, die bisher ausreichend publiziert war. Die Ver-
öffentlichung über den Totentempel Tetis I. befindet sich in Vorberei-
tung. (Erschienen 1973 »Le temple haut. . ., siehe Bibliographie). Die
Tempelmagazine Pepi's L, wo noch in der Antike Kalkbrennöfen er-
richtet worden waren, erbrachten zahlreiche Fragmente von Gefange-
nenskulpturen, die bereits zerschlagen worden waren, um als Material
10 Das Geheimnis der Pyramiden

für die Brennöfen zu dienen. Kniende, gefesselte Figuren mit den Ge-
sichtszügen der Nachbarvölker Ägyptens im Norden und Süden, mit
denen das Land am Nil zu Zeiten in kriegerische Auseinandersetzun-
gen verwickelt war (Taf. 16) stellen eine wertvolle Bereicherung dar.

Die Kapitel über die verschiedenen Pyramidentheorien, von der Bibel-


theorie über einige theosophische Auslegungen bis zu den pseudowis-
senschaftlichen Thesen wurden gegenüber der früheren Ausgabe um
die inzwischen erschienene neueste Literatur erweitert, die biswei-
len um so irreführender ist, je wissenschaftlicher sie sich gibt. Die
zahlreichen Beobachtungen und Messungen, die wir im Laufe der
letzten Jahre an den Pyramiden vornehmen konnten und von denen
einige auf einer Übersichtstabelle am Schluß des Buches aufgeführt
sind, liefern erneut Beweise für unsere Ansicht über die Gründe, die
seitens der Baumeister die Wahl des Neigungswinkels, die Ausrich-
tung nach den Himmelsrichtungen bei einigen dieser Denkmäler und
die Bautechnik bestimmten.

Der Abbildungsteil des Buches konnte erheblich erweitert werden: 74


Zeichnungen gegenüber 49 und 33 photographische Abbildungen,
davon mehr als die Hälfte Farbtafeln gegenüber 16 Schwarz-Weiß-Auf-
nahmen veranschaulichen für den Leser die im Text zur Diskussion
stehenden Probleme.
J.-Ph. Lauer, Paris 1973
Teil I
Die Pyramiden in
Überlieferung und Legende
Reiseschilderungen
Erkundungen und Ausgrabungen
1. Kapitel

Reisende und Schriftsteller im Angesicht


der Pyramiden – von der Antike bis zur
napoleonischen Expedition

Seit beinahe 5000 Jahren haben die Pyramiden von Gisa (Giseh, Gizeh),
jene drei gigantischen Wahrzeichen (Taf. I), deren Steinmassen un-
mittelbar an der Stelle emporragen, wo sich das Niltal fächerförmig
zum Delta öffnet, in unzähligen Besuchern die lebhaftesten Gefühle
der Bewunderung, des Erstaunens und bisweilen auch der Entrüstung
hervorgerufen. Heute mehr als je zuvor gibt es wohl kaum einen Be-
sucher, der nicht, sobald er den Boden Ägyptens berührt, wenigstens
versuchen würde, von Kairo aus die berühmten geometrischen Sil-
houetten der Pyramiden aus der Ferne zu erblicken, wenn schon die
Zeit nicht reicht, zu ihren Füßen zu verweilen. Dieser Anblick gehört
allerdings auch zu den schönsten Eindrücken, die sie zu vermitteln
imstande sind: sei es bei Sonnenaufgang, wenn sie je nach Himmels-
richtung ihrer Seiten rosefarben oder bleu aus dem Dunst des Nil tales,
den sie mit ihren Spitzen aufzureißen scheinen, auftauchen, sei es
gegen Abend, wenn sie die glühenden Farben der in der Wüste unter-
gehenden Sonne widerspiegeln, oder auch einige Minuten später in der
Dämmerung, wenn ihre dunklen Dreiecke sich von dem im Abendrot
leuchtenden Himmel abheben.

Diese Eindrücke wurden einst im Sommer und später zu Beginn des


Herbstes noch um jenes wirklich feenhafte Schauspiel der Nilüber-
schwemmung (Taf. I b) bereichert. Leider ist dieser Anblick, so einzig-
artig und typisch für Ägypten, unwiederbringlich dahin, seit 1936 der
Assuan-Damm erhöht wurde, um über kleine Kanäle die dauernde
Bewässerung in allen Gebieten des Tales zu ermöglichen. Damit ver-
schwanden auch die letzten Becken, die sich bis dahin noch zur West-
wüste hin erhalten hatten. Während der Überschwemmungszeit ver-
14 Das Geheimnis der Pyramiden

wandelte sich vordem die Ebene Ägyptens in einen riesigen, von


ausgedehnten Palmenhainen oder Sanddünen umgebenen See, aus
dem da und dort Sykomoren, Palmenbüschel und Buketts aus Tama-
risken oder Akazien auftauchten, während gleichzeitig die auf nied-
rigen Anhöhen errichteten Dörfer zu Inseln wurden, zwischen denen
die Ruder- und Segelboote der Fellachen hin- und herglitten. »IUa f acies
pulcherrima est, cum iam se in agros Nilus ingressit. Latent campi,
opertaeque sunt yalles: oppida insularum modo extant«, so beschrieb
Seneca diese Jahreszeit. Die unermeßlich großen Wasserspiegel, die
sich nach Norden und Süden im Niltal ausbreiteten, soweit das Auge
reichte, reflektierten in unendlich nuancenreichem Kolorit alles, was
sich in den klaren und stillen Wellen badete. Begrenzt wurde dieses
großartige Bild, auf dem bisweilen bläuliche Schatten von Wolken
lagen, nach Osten von der langen Mauer der Arabischen Gebirgskette,
während sich gegen Westen wie ein Goldband die Sanddünen der
Libyschen Wüste, beherrscht von den Pyramiden, anschmiegten.

Dieser Anblick war es, der dem Reisenden Arthur Rhone1, als er im
vorigen Jahrhundert gemeinsam mit Mariette Memphis und Saqqâra
besuchte, die folgenden Zeilen der Bewunderung entriß: »Beim Näher-
kommen, welche Überraschung! Die Deiche sind gebrochen, die
Überschwemmungswasser des Nils erstrecken sich soweit das Auge
reicht, der heilige Strom beherrscht die Ebene. Nach allen Seiten sieht
man nichts als Inselchen aus Palmen ins schlängelnde Wasser ge-
worfen, dessen Mäander sich füllen, um reizende Buchten und Vor-
sprünge zu bilden, wo eine letzte Palme ihren Wipfel über das Wasser
neigen wird. Hier breitet sich die Fläche des befeuchtenden Wassers
aus, vergrößert sich zusehends und legt sich über diese alte Erde, die
fruchtbar wird beim Erscheinen der Sonne. Dort zieht sich das Wasser
enger zusammen und flieht zwischen zwei bewachsene Hügel, um
sich ein wenig weiter wieder zu verbreiten. Die Stelle gibt den Blick
frei auf Lagunen ohne Zahl, auf das dunkelbraune, ertragreiche Land,
das die Erdhügel von Memphis umgibt, auf die Wüste, die Pyramiden,
ebenso ewig und stumm

Zur Zeit der Überschwemmung war es auch, als der sensible Künstler
Vivant Denon, der berühmte Zeichner der Expedition d’Égypte, kaum
den Schlachten entronnen, die Bonaparte den Zugang nach Kairo
Reisende und Schriftsteller im Angesicht der Pyramiden 15

eröffneten, die Pyramiden zum ersten Mal sah: »Ich wurde bei dem
großen Anblicke dieser erhabenen Gegenstände gerührt. Sehr nahe
ging es mir, daß die Nacht ihre Flügel über dieses Gemälde breitete, das
für das Auge sowie für die Einbildungskraft gleich imponierend war.
Mit dem ersten Sonnenstrahl begrüßte ich die Pyramiden wieder, und
zeichnete sie mehrmals; besonders machte es mir Vergnügen, vom Nil
aus bei seiner höchsten Erhebung die Dörfer vor jenen Monumenten
vorübergleiten und alle Augenblicke Landschaften bilden zu sehen,
wovon jene immer den Hauptgegenstand und das Hauptinteresse aus-
machten. Gern hätte ich sie in der zarten und durchsichtigen Farbe
dargestellt, die ihnen wegen der Luft, die sie umgibt, eigen ist. Diese
Eigentümlichkeit haben sie wegen ihrer außerordentlichen Höhe vor
allen übrigenMonumenten voraus. Die große Entfernung, aus der sie
gesehen werden können, macht sie fast durchscheinend im bläulichen
Ton des Himmels, und ihre Kanten erhalten dadurch die Reinheit und
das Vollendete wieder, was die Jahrhunderte ihnen abgenagt haben.«2

Doch so eindrucksvoll das grandiose Panorama der Pyramiden vor


allem in den schönsten Jahreszeiten und zu den günstigsten Stunden
sein mag, so ist es doch nicht allein ihre Ausstrahlung als Kunstwerke,
die die Reisenden anzieht, als vielmehr das allgemein und tiefer
empfundene Gefühl, in Gegenwart dieser unvergänglichen Zeugen die
frühesten Zeiten der Geschichte zu erleben. In der Tat haben diese
faszinierenden Denkmäler, die umfangreichsten Bauwerke, die je von
Menschen errichtet wurden, so daß die Griechen sie zu den Sieben
Weltwundern rechneten, seit ihrer Erschaffung nicht stets Ägypten
schlechthin symbolisiert, das vor allen anderen geheimnisvolle Land,
wo unzählige Spuren der Zivilisation, die als die älteste gilt, uns an die
Ursprünge der Menschheit überhaupt anbinden? Um diese plötzliche
Erkenntnis ganz zu erfassen, sollte man in einer Sternennacht oder
noch besser bei Mondschein zu Füßen der Pyramiden stehen. Ihre
Masse scheint dann unbegrenzt, ihre Seitenflächen und Kanten ver-
schwimmen und verlieren sich in der Unendlichkeit des Himmels. So
sah im Jahre 1777 auch der Reisende Cl. Et. Savary die Pyramiden, und
sie entlockten ihm die folgenden schwärmerischen Zeilen:
»Kaum hatten wir eine Viertelmeile zurückgelegt, als wir die obersten
Spitzen der beyden großen Pyramiden sahen. Wir waren nur drey
Meilen davon entfernt. Sie wurden vom vollen Monde beschienen. Sie
16 Das Geheimnis der Pyramiden

Abb. 2: Lage der wichtigsten Pyramidenstätten zwischen Kairo und dem Faijûm
Reisende und Schriftsteller im Angesicht der Pyramiden 17

hatten das Ansehen zwoer Felsenspitzen, die mit Wolken bedeckt


waren. Der Anblick dieser Denkmäler des Alterthums, welche den
Untergang ganzer Nationen, den Verfall ganzer Reiche überlebt, und
den Verwüstungen der Zeit widerstanden haben, flößt eine Art von
Ehrfurcht ein. Die ruhige Luft, die stille Nacht vermehrten noch ihre
Majestät. Wenn man einen Blick auf die Jahrhunderte wirft, die vor
ihrer unerschütterlichen Masse verlaufen sind, so wird die Seele von
einem ehrfurchtvollen, unwillkührlichen Schauder ergriffen. Seyd
gegrüsset, ihr Ueberbleibsel der sieben Wunder der Welt! Geehrt sey
die Macht des Volkes, welches sie errichtet!«3

Während sich der umgängliche Savary auf diese Weise äußerte, zollte
doch auch sein gelehrter Zeitgenosse C.-F. de Volney, ansonsten das
ganze Gegenteil in seinem gestrengen Urteil über Ägypten, den Pyra-
miden die gleiche Bewunderung:
»Der Zahn der Zeit und noch mehr die Hand der Menschen, die alle
Denkmäler des Altertums verwüsteten, haben bis jetzt bey den
Pyramiden nichts ausrichten können. Die Festigkeit ihres Gebäudes,
und der ungeheure Umfang ihrer Masse, haben sie gegen alle Ver-
wüstungen gesichert, und scheinen ihnen eine ewige Dauer zu ver-
sprechen. Alle Reisenden sprechen davon mit Enthusiasmus, und
dießmal ist er würklich nicht übertrieben. Zehn Französische Meilen
davon, ehe man noch zu ihnen kommt, sieht man schon diese künst-
lichen Berge liegen. Je mehr man sich ihnen nähert, desto mehr
scheinen sie sich zu entfernen; wenn man auch noch eine Meile weit
hin hat, fallen sie doch so sehr ins Auge; daß man an ihrem Fuße zu
seyn glaubt; endlich kömmt man bei ihnen an, und nichts vermag die
Mannichfaltigkeit der Empfindungen auszudrücken, davon man als-
dann ergriffen wird; die Höhe ihres Gipfels, ihr jäher Abhang, ihre
große Oberfläche, die Last ihrer ganzen Masse. Die Erinnerung der
Vergangenheit, der Gedanke der unermeßlichen Arbeit, die sie ge-
kostet, und daß diese ungeheuren Felsen das Werk des schwachen und
kleinen Menschen sind, der an ihrem Fuße herum kriecht; alles dieses
erfüllt auf einmal Herz und Geist mit Erstaunen, Schrecken,
Demüthigung, Bewunderung und Ehrfurcht.«4

Diese Schilderungen wirken nicht übertrieben, belegt man mit einigen


Zahlen den kaum faßbaren Aufwand an Arbeit, den die Verwirk-
18 Das Geheimnis der Pyramiden

lichung dieser Monumente erfordert hat. Die Pyramiden des Cheops


bzw. des Chephren mit Seitenlängen von 230 m bzw. 215 m bedecken
eine Grundfläche von etwas mehr als 5 Hektar im Falle der erstge-
nannten, etwas weniger als 5 Hektar im Falle der anderen. Beide
maßen mehr als 140 m in der Höhe, eine Zahl, die 4000 Jahre lang von
keinem Bauwerk wieder erreicht werden sollte,- denn erst im aus-
gehenden Mittelalter übertrafen die Türme einiger Kathedralen diese
Höhenmaße.5

Die Pyramide des Cheops (Abb. 3 und Taf. II), gegenwärtig noch aus
201 Steinlagen bestehend, zählte ursprünglich 215 bis 220 solcher
Schichten. Ihre Spitze wurde um etwa 10 m abgetragen, als man die
Verkleidung als Steinbruch benutzte. Legt man als mittleren Wert für
einen Steinblock dieser Pyramide 1 Kubikmeter zugrunde, dann ergibt
das 2600000 Blöcke, die bei einem spezifischen Gewicht von ungefähr
2,5 ein Gesamtgewicht von 6500000 Tonnen ausmachen. Diese kaum
vorstellbare Zahl bedeutet, daß unter Hinzufügung der Abschläge, die
durch das Behauen der Steine entstanden, ein Gesamtgewicht von
nicht weniger als 7 Millionen Tonnen Gestein involviert waren, das in
den Steinbrüchen gebrochen, bis zum Werkplatz transportiert, auf die
Pyramide gehievt und schließlich sorgfältig geschichtet in Lagen ange-
ordnet werden mußte. Für den Transport einer solchen Menge Steine
brauchte man heute siebentausend Züge mit je tausend Tonnen Last
oder siebenhunderttausend Lastwagenladungen zu je 10 Tonnen.
Napoleon Bonaparte errechnete vor seinen staunenden Offizieren,
daß man mit den Blöcken der drei Pyramiden von Gisa ganz Frank-
reich mit einer Mauer von 3 m Höhe bei einer Breite von 0,30 m hätte
umgeben können.

Bei der Cheops-Pyramide mißt die unterste Steinlage, die zugleich die
größte überhaupt ist, 1,50 m in der Höhe, die nächste 1,25 m und die
dritte und vierte zwischen 1,20 und 1,10 m. Die folgenden sind nicht
ganz 1 m hoch, sie variieren zwischen 0,65 und 0,90 m. Je weiter oben
desto kleiner werden im Durchschnitt die Blöcke, und in der Nähe der
Spitze erreichen sie eine mittlere Höhe von 0,55 m. Die Verkleidungs-
blöcke mußten einen mittleren Wert von 1,50 m Länge für die unterste
Schicht* und 0,75 m für alle weiteren Lagen aufweisen. Wenn man
* Der längste Verkleidungsblock dieser Lage wiegt ungefähr 15 Tonnen.
Reisende und Schriftsteller im Angesicht der Pyramiden 19

diese Abmessungen zugrundelegt, ergibt sich allein für die Verkleidung


eine Zahl von mehr als 115500 Blöcken.

Führen uns diese Zahlen die Quantität dieser außerordentlichen


menschlichen Leistung vor Augen, die mit dem Bau der Pyramiden
vollbracht wurde – nach Vivant Denon »das letzte Glied der Kette
zwischen den Kolossen der Kunst und denen der Natur« -, so ruft die
außerordentliche Sorgfalt der Ausführung bis ins kleinste Detail nicht
minder die Achtung vor der Qualität hervor. Die Leistung der Bau-
meister ist nach wie vor kaum faßbar, vor allem die Zurüstung der
Steine für die Pyramide des Cheops ist ein wahres technisches Meister-
werk. Flinders Petrie6 hat festgestellt, daß die Fugen, die auf den ersten
Blick wie Kratzer auf der Steinoberfläche wirken oder teilweise gar
nicht sichtbar sind, im Durchschnitt 1/50 Zoll, d. h. ungefähr einen
halben Millimeter breit sind. Mari stelle sich also vor, welche Mühe es
gekostet haben mag, Blöcke von mehreren Tonnen Gewicht so nahtlos
aneinander zu fügen! Piazzi Smyth, der schottische Astronom, auf den
wir noch zu sprechen kommen werden, hat die Perfektion der Vor-
bereitung der Bauteile mit der modernen Präzisionsarbeit mittels
optischer Geräte verglichen, und er fragt sich zu Recht, wie wohl der
Mörtel, der heute noch ein dünnes Häutchen von der Breite eines
Blattes Silberpapier bildet, aufgebracht worden ist. Das Vorhandensein
von Mörtel in den Fugen läßt sich nicht anders erklären als auf
folgende Weise: Sobald man einen Block auf einer neuen Schicht auf-
brachte, wurde die Oberseite der darunterliegenden Schicht mit
Mörtelbrei aus außerordentlich dünnflüssigem Gips versehen, die
selbst in die geringfügigsten Öffnungen an der Oberfläche der unteren
Lage und die Unterseite des neu aufgebrachten Blocks einzudringen
vermochte, um so beide Lagen vollkommen zu verbinden und auch
in die kleinsten Ritzen der vertikalen Fugen der jeweiligen unteren
Schicht zu fließen.

Wird die Vorbereitung der Blöcke und das Einweisen auf den Pyra-
miden selbst schon zu Recht als kaum vorstellbare Leistung be-
trachtet, so bilden diese Arbeiten doch nur einen Teil der notwendigen
Maßnahmen, die für die Errichtung dieser Bauwerke erforderlich
waren. Es gilt ferner zu bedenken, daß dem eigentlichen Bau weitere
Arbeitsphasen vorangehen mußten: angefangen beim Brechen der
20 Das Geheimnis der Pyramiden

Abb. 3: Die Cheopspyramide oder Große Pyramide, Schnitt, 1,2 und 3 bezeichnen
die nacheinander angelegten Grabkammern

Blöcke in den Steinbrüchen von Tura auf dem gegenüberliegenden


Ufer des Niles, über den Transport zum Fluß, das Aufbringen auf die
Lastkähne und das Abladen bis zum Bau von Wegen, Kais oder
Landungsanlagen zum Weitertransport auf das Plateau der libyschen
Wüste, wo sich die Pyramiden erheben sollten.

Herodot (Historien II, 124), der erste der Reisenden, dessen Schriften
über die Pyramiden uns erhalten sind, zieht die Aufmerksamkeit
genau auf diese verschiedenen Gesichtspunkte, wenngleich er da-
neben auch all jene Legenden wiedergibt, die zu seiner Zeit über den
angeblich unfrommen und tyrannischen König Cheops umliefen: »Bis
zur Regierungszeit des Rhampsinitos hat in Ägypten, so erzählen sie
weiter, die vollkommenste Ordnung und großer Reichtum geherrscht.
Aber sein Nachfolger Cheops hat das Land ins tiefste Unglück gestürzt.
Zunächst hat er alle Heiligtümer zuschließen lassen und das Opfern
verhindert. Weiter hat er alle Ägypter gezwungen, für ihn zu arbeiten.
Die einen mußten aus den Steinbrüchen im arabischen Gebirge Stein-
blöcke bis an den Nil schleifen. Über den Strom wurden sie auf Schiffe
Reisende und Schriftsteller im Angesicht der Pyramiden 21

gesetzt, und andere mußten die Steine weiterziehen bis hin zu den
sogenannten libyschen Bergen. Hunderttausend Menschen waren es,
die daran arbeiteten und alle drei Monate abgelöst wurden. So wurde
das Volk bedrückt, und es dauerte zehn Jahre, ehe nur die Straße gebaut
war, auf der die Steine dahergeschleift wurden, ein Werk, das mir fast
ebenso gewaltig scheint, wie der Bau der Pyramide selber. Denn die
Straße ist fünf Stadien lang, zehn Klafter breit, an der höchsten Stelle
acht Klafter hoch und aus geglätteten Steinen hergestellt, in die Tier-
gestalten eingemeißelt sind... * An der Pyramide selber wurde zwanzig
Jahre gearbeitet. Sie ist vierseitig und jede Seite acht Plethren breit und
ebenso hoch**. Sie besteht aus geglätteten, aufs genaueste ineinander
gefügten Steinen, von denen jeder mindestens dreißig Fuß lang ist.«

Weiter (Historien II, 125) fügt Herodot hinzu: »An der Pyramide ist in
ägyptischen Buchstaben verzeichnet, welche Mengen von Rettichen,
Zwiebeln und Knoblauch die Arbeiter verzehrt haben. Wenn ich mich
recht an die Summe erinnere, die mir der Dolmetscher nannte, der die
Inschriften entzifferte, so waren es eintausendsechshundert Talente
Silbers. Wenn das richtig ist, welche Unsummen müssen dann erst für
die eisernen Werkzeuge, für das Brot und für die Kleidung der Arbeiter
ausgegeben worden sein. Denn zwanzig Jahre lang dauerte doch der
Bau, und die Zeit, in der sie die Steine brachen, herbeischleppten und
die unterirdischen Gemächer gruben, war doch auch nicht kurz.«

Andererseits berichtet Herodot über die Erbauer der großen Pyramiden


(Historien II, 127): »Fünfzig Jahre lang war dieser Cheops König, und als
er starb, folgte ihm sein Bruder Chephren auf dem Thron. Der war
jenem in allen Stücken gleich und baute auch eine Pyramide, die aber
nicht so groß ist... Die unterste Schicht baute er aus buntem aithiopi-

* Herodot scheint hier die für den Steintransport bestimmte Rampe mit dem gedeckten
Aufweg zu verwechseln, der bei den Pyramidenkomplexen den Taltempel am Rande des
Fruchtlandes mit dem vor der Pyramide gelegenen Totentempel verband. Diese Aufwege
waren tatsächlich außerordentlich sorgfältig gebaut und mit Reliefs verziert, die u. a.
Jagdszenen und Szenen aus der Viehzucht wiedergaben. Außerdem ist es möglich, daß
diese Wege während der Bauzeit zunächst für den Transport der Blöcke benutzt wurden
und erst nach Beendigung der Transporte mit reliefgeschmückten Seitenmauern ver-
sehen wurden.
** Die Große Pyramide mißt 280 Ellen in der Höhe bei einer Seitenlänge von 440 Ellen. Viele
Reisende haben später im Gefolge von Herodot gemeint, die beiden Dimensionen seien
gleich.
22 Das Geheimnis der Pyramiden

schem Stein* und die Pyramide bleibt bei sonst gleichen Maßen um
vierzig Fuß hinter der anderen zurück**. Beide Pyramiden stehen auf
demselben Höhenzug, der etwa hundert Fuß hoch ist. Chephren hat
sechsundfünfzig Jahre regiert.« Und Historien II, 128: »Im ganzen
waren es also hundertsechs Jahre, wo die Ägypter soviel zu leiden
hatten und die Tempel geschlossen blieben. Die Ägypter hassen diese
Könige so, daß sie ihre Namen nur ungern nennen; auch die Pyra-
miden nennt man nach dem Hirten Philitis, der um jene Zeit seine
Herden in der Gegend dort weidete.« Dann Historien II, 129: »Darauf
wurde Mykerinos, der Sohn des Cheops, König von Ägypten. Der war
ganz anders als sein Vater. Er öffnete die Tempel und entließ das arg
gequälte Volk zu den eigenen Arbeiten und zu den Opfern***... Er war
auch der gerechteste Richter unter allen Königen. Darum preisen ihn
die Ägypter auch am höchsten unter allen, die je über sie geherrscht
haben...«

Mitleid mit dem ägyptischen Volk, das von ungläubigen und hoch-
mütigen Königen versklavt worden sei und nur für deren persönlichen
Ruhm gearbeitet habe, findet sich noch bei einigen anderen Schrift-
stellern der klassischen Antike. So fragt sich auch Diodor von Sizilien,
der zwar die Pyramiden von Gisa unter die Sieben Weltwunder
einreiht - »der Anblick der großen Massen und der kunstreichen
Arbeit erregt Staunen und Bewunderung« – (Diodor LI sect. II Art.
XV bis XVII), was denn von Fürsten zu halten sei, die es als etwas
Großes ansahen, mit der Hände Arbeit und unter Einsatz von gewalti-
gen Geldmitteln gigantische Bauwerke zu errichten mit dem einzigen
Ziel, ihren Namen zu verewigen. »Diese Werke sind unstreitig die
ausgezeichnetsten in ganz Ägypten, man mag auf den Umfang der
Gebäude und die Kosten, oder auf die Geschicklichkeit der Künstler
Rücksicht nehmen. Und man glaubt, die Baumeister verdienen sogar
noch mehr Bewunderung als die Könige, welche die Kosten dazu
gegeben haben; denn jene haben durch eigene Geisteskraft und rühm-

* Die unterste Lage der Verkleidung an der Pyramide des Chephren bestand aus
Assuangranit.
** Tatsächlich mißt die Pyramide des Chephren fünfzehn Meter weniger in der Seiten-
länge, da aber der Neigungswinkel größer als bei der Cheopspyramide ist, erreichte sie
fast die gleiche Höhe, d. h. 143 m im Vergleich zu 146,60 m.
*** Die Pyramide des Mykerinos umfaßt nur 1/10 des Volumens der Cheopspyramide, d. h.
260000 Kubikmeter (statt fast 2600000).
Reisende und Schriftsteller im Angesicht der Pyramiden 23

liehe Anstrengung, diese nur durch ererbten Reichtum und durch die
Mühe anderer zur Vollendung der Arbeit mitgewirkt. Über die Pyrami-
den findet man übrigens bei den Eingeborenen sowohl als bei den Ge-
schichtsschreibern durchaus keine übereinstimmenden Nachrichten.
Denn einige behaupten, sie seien von jenen drei Königen*, andere, sie
seien von andern erbaut. Man läßt z. B. die größte von Armäus errichtet
sein, die zweite von Amasis, die dritte von Inaros...« Und weiter heißt
es bei Diodor: »Die Könige hatten sich die Pyramiden zu Grabmälern
erbaut, und doch sollte keiner von beiden darin begraben werden. Dem
Volke waren nämlich wegen der höchst beschwerlichen Arbeit und
wegen vieler Grausamkeiten und Bedrückungen diese Könige so ver-
haßt, daß es drohte, mit Hohn die Leichen aus den Gräbern heraus-
zureißen und zu zerfleischen. Daher gaben beide vor ihrem Tode ihren
Angehörigen den Befehl, sie an einem unbekannten Ort in der Stille
zu begraben.«

Strabon wiederholt noch einmal die weit verbreitete Überlieferung,


die bereits von Herodot und Diodor erwähnt und zurückgewiesen
wird, daß die dritte Pyramide für die Kurtisane Rhodopis7 errichtet
worden sei. Was Plinius den Älteren anbelangt, so berichtet er »bei-
läufig auch etwas von den Pyramiden«8 und fällt ein besonders stren-
ges Urteil. Er betrachtet sie als Zeichen »müßiger und alberner«
Zurschaustellung des Reichtums der Könige »regum pecuniae otiosa
ac stulta ostentatio« und fügt hinzu, die gerechte Strafe habe darin be-
standen, daß die Erinnerung an sie in Vergessenheit begraben worden
sei, da die Historiker in keiner Weise darin übereinstimmten, wie die
Namen der Urheber dieser eitlen Werke geheißen hätten.

In der Tat scheinen die Namen der wirklichen Erbauer der Pyramiden
im Laufe der Zeit der Vergessenheit anheimgefallen zu sein, wie aus
Herodot und Diodor hervorgeht. In islamischer Zeit dann sind die
Nachrichten über die Erbauer der Pyramiden und die Gründe für deren
Errichtung allesamt gekennzeichnet durch ausschweifende Phantasie.
So auch der Bericht des Ibrahim Ibn Wasif Schah vom Ende des 12. Jahr-
hunderts in »Nachrichten von Ägypten und seinen Wundem«9, den
wir hier auszugsweise um der Kuriosität willen wiedergeben wolleh:

* d. h. Cheops, den Diodor Chembes oder Chemmis nennt, Chephren und Mykerinos.
24 Das Geheimnis der Pyramiden

»Die Ursache der Erbauung der beiden Pyramiden war, daß 300 Jahre
vor der Sintflut Saurid folgenden Traum hatte: Die Erde kehrte sich
mit ihren Bewohnern um, die Menschen flüchteten in blinder Hast,
und die Sterne fielen herab, und einer stieß gegen den anderen unter
grauenhaftem Krachen.

Dies erfüllte ihn mit Kummer, und er erzählte niemanden davon. Er


erkannte aber, daß in der Welt etwas von Bedeutung eintreten werde.
Darauf träumte er einige Tage später: Die Fixsterne stiegen in der
Gestalt weißer Vögel zur Erde nieder, entführten die Menschen und
schleuderten sie zwischen zwei große Berge; die beiden Berge deckten
sich über sie und die leuchtenden Sterne wurden finster und dunkel.
»Saurid erwachte voll Schrecken und begab sich in den Sonnentempel,
wo er die Priester versammelte und ihnen befahl, die Gestirne zu be-
fragen. Die weisen Wahrsager prophezeiten eine Sintflut, die das Land
verwüsten werde. »Darauf«, fährt der Autor fort, »befahl er die
Pyramiden zu bauen und Kanäle herzustellen, durch die der Nil selbst
zu einem bestimmten Ort gelangen und dann nach gewissen Punkten
im Westlande und in Oberägypten fließen sollte,- auch füllte er sie an
mit Talismanen, Wundern, Schätzen, Götzenbildern und mit den
Leichnamen ihrer Könige, und nach seinem Befehl an die Wahrsager
verzeichneten diese darauf alles, was die Weisen gesagt hatten; es
wurden an den Pyramiden und an ihren Decken, Wänden und Säulen
alle Geheimwissenschaften, die die Ägypter für sich in Anspruch
nehmen, aufgezeichnet und die Bilder aller Gestirne darangemalt,
auch wurden die Namen der Heilmittel verzeichnet, sowie deren
Nutzen und Schaden, dazu die Wissenschaft der Talismane, die der
Arithmetik und der Geometrie und überhaupt ihre sämtlichen Wis-
senschaften, deutbar für den, der ihre Schrift und Sprache kennt.« An-
schließend schildert der Autor des langen und breiten den Bau der
Pyramiden, der mit einem günstigen Horoskop ins Werk gesetzt wurde.
Weiter heißt es dann: »... und als sie vollendet waren, ließ er sie von
oben bis unten mit farbigem Brokat verkleiden und veranstaltete
ihnen zu Ehren ein Fest, an dem alle Bewohner seines Reiches teil-
nahmen. In der östlichen Pyramide* ließ er die verschiedenen
Himmelgewölbe und die Planeten darstellen sowie an Bildern an-

* Pyramide des Cheops


Reisende und Schriftsteller im Angesicht der Pyramiden 25

fertigen, was seine Vorfahren hatten schaffen lassen; dazu kam Weih-
rauch, den man den Sternen opferte, und Bücher über diese. Auch
findet man dort die Fixsterne und das, was sich in ihren Perioden von
Zeit zu Zeit begibt und die im Hinblick auf sie eingeführten Epochen
dargestellt sowie die Ereignisse der Vergangenheit, die Zeiten, zu
denen man die zukünftigen Geschehnisse erwartet und alle Herrscher
Ägyptens bis ans Ende der Zeiten. Außerdem ließ er dort Gefäße auf-
stellen, in denen sich Arzneitränke und ähnliches derart befanden.

In der westlichen* Pyramide ließ er 30 Schatzkammern aus farbigem


Granit anlegen; die wurden angefüllt mit reichen Schätzen, mit
Geräten und Bildsäulen aus kostbaren Edelsteinen, mit Geräten aus
vortrefflichem Eisen, wie Waffen die nicht rosten, mit Glas, das sich
zusammenfalten läßt, ohne zu zerbrechen, mit seltsamen Talismanen,
mit den verschiedenen Arten der einfachen und der zusammenge-
setzten Heilmittel und mit tödlichen Giften.
In die farbige** Pyramide endlich ließ er die Leichname der Wahr-
sager in Särgen aus schwarzem Granit bringen; neben jedem Wahr-
sager lag ein Buch, in dem seine wunderbaren Künste und Werke,
sein Lebenslauf, was er zu seiner Zeit verrichtet hatte, und was vom
Anfang bis zum Ende der Zeiten war und sein wird, beschrieben war.
An den Wänden ließ er auf jeder Seite Götzen darstellen, die mit ihren
Händen alle Fertigkeiten verrichteten, nach ihrem Rang und ihrer
Macht geordnet; dazu kam eine Beschreibung jeder Fertigkeit sowie
der Art ihrer Ausführung und dessen, was sich dafür brauchen läßt.
Auch gab es keine Wissenschaft, die er nicht niederschreiben und auf-
zeichnen ließ. Außerdem ließ er dorthin die Schätze der Gestirne, die
diesen als Geschenke dargebracht worden waren, sowie die Schätze
der Weissager schaffen, und diese bildeten eine gewaltige und unzähl-
bare Menge.

Einer jeden Pyramide bestellte er einen Schatzhüter. Der Hüter der


westlichen Pyramide war ein Götze aus verschiedenfarbig gestreiftem
Granit; er stand aufrecht und hatte eine Art Wurfspieß bei sich; um
sein Haupt hatte er eine Schlange gewunden, die stürzte sich auf
* Pyramide des Chephren
** Pyramide des Mykerinos mit ihrer Verkleidung aus Rosengranit; die Übersetzung darf
also nicht »bemalt« lauten, sondern »farbig«, wie bereits Silvestre de Sacy bemerkt hat.
26 Das Geheimnis der Pyramiden

jeden, der sich ihm näherte, ringelte sich um seinen Hals und tötete
ihn, dann kehrte sie wieder an ihren Platz zurück. Zum Hüter der öst-
lichen Pyramide machte er einen Götzen aus schwarz und weiß ge-
streiftem Onyx. Der hatte weit geöffnete, blitzende Augen, saß auf
einem Thronsessel und hatte einen Wurfspieß bei sich. Wer ihn an-
schaute, der vernahm von ihm her einen Laut, der ihn mit Entsetzen
erfüllte,- dann fiel er nieder auf sein Antlitz und vermochte nicht, sich
zu entfernen, bis er schließlich den Geist aufgab. Zum Hüter der
farbigen Pyramide machte er einen Götzen aus Adlerstein (Aetit) auf
einem Sockel aus dem gleichen Stein. Jeden, der ihn anschaute, zog er
an sich heran, bis er fest an ihm haftete und sich nicht loszureißen ver-
mochte und schließlich den Geist aufgab.

Als der König dies alles vollendet hatte, ließ er durch körperlose
Geister den Zutritt zu den Pyramiden verwehren und brachte ihnen
Opfer dar, damit sie jeden Eindringling von sich fern hielten, ausge-
nommen die, welche die Zeremonien verrichteten, deren es bedurfte,
um hineinzugelangen.

Die Kopten berichten in ihren Schriften, es finde sich auf den Pyra-
miden eine Inschrift eingemeißelt, die in arabischer Übersetzung
lautet: 'Ich, Saurid, der König, habe diese Pyramiden zu der und der
Zeit erbaut, und ich habe ihre Erbauung in sechs Jahren vollendet; wer
nach mir kommt und meint, er sei ein König wie ich, der möge sie in
600 Jahren zerstören; und es ist bekannt, daß Zerstören leichter ist
als Bauen. Auch habe ich sie, als sie fertig waren, mit Brokat über-
zogen, möge er sie mit Matten bekleiden.’

Al-Masûdi berichtet im 10. Jahrhundert, daß im Jahre 820, als der Kalif
al-Ma’mûn nach Ägypten kam und auch die Pyramiden besichtigte, er
den Wunsch geäußert habe, eine von ihnen abzutragen, um festzu-
stellen, was sie enthielten:10 Man sagte ihm: »Das steht nicht in
deiner Macht!« doch er erwiderte: »Sie soll auf jeden Fall an irgend
einer Stelle geöffnet werden!« Da stellte man für ihn die noch heutigen
Tages vorhandene Öffnung her; dazu brauchte man Feuer, Essig und
eiserne Brechstangen, und Schmiede mußten sich daran abmühen, so
daß er große Summen darauf verwendete. Man fand, daß die Dicke der
Mauer annähernd 20 Ellen betrug, und als man ans Ende der Mauer
Reisende und Schriftsteller im Angesicht der Pyramiden 27

gelangt war, entdeckte man hinter dem Eingangsstollen ein Gefäß von
grüner Farbe, in dem sich gemünztes Gold befand; jeder Dinar davon
wog 1 Unze und die Zahl der Dinare belief sich auf 1000. Da begann
sich al-Ma’mûn über dieses Gold und über seine Vorzüglichkeit zu
verwundern. Dann ließ er zusammenrechnen, was er für die Her-
stellung der Bresche verausgabt hatte, und es ergab sich, daß die
Summe des gefundenen Goldes ganz genau jenen Ausgaben gleich-
kam. Da geriet er in großes Erstaunen darüber, daß sie gewußt, was er
ausgeben werde und die genau entsprechende Summe an dem Orte
hinterlassen hatten. Das Gefäß aber, in dem man das Gold fand, soll
aus Chrysolith gewesen sein, und es wurde auf Befehl al-Ma’mûns
nach seinen Schatzkammern gebracht; danach ließ er nichts mehr von
den Wundern Ägyptens wegschaffen.«

Al-Kaisi schreibt im 12. Jahrhundert ebenfalls11, daß al-Ma’mûn die


große Pyramide, die gegenüber von Fustât liegt, habe öffnen lassen:
»Ich suchte ihr Inneres auf und erblickte ein großes gewölbtes Ge-
mach, dessen Basis ein Viereck bildete, während es oben rund war. In
der Mitte befand sich ein viereckiger Brunnenschacht von 10 Ellen
Tiefe. In diesem Brunnenschacht sind vier mit Leichnamen angefüllte
Räume; es wimmelt dort übrigens von Fledermäusen. In dem ge-
wölbten Gemach, das sich in der Pyramide befindet, öffnet sich ein
Gang, der zu dem höchsten Punkt der Pyramide führt.... Es heißt, man
sei zur Zeit al-Ma’mûns dort emporgestiegen und darauf zu einem
gewölbten Gemach von geringer Größe gelangt, in dem die Bildsäule
eines Menschen stand, die aus grünem Stein, einer Art Malachit,
gefertigt war. Man brachte sie zu al-Ma’mûn, und es fand sich, daß sie
mit einem Deckel verschlossen war. Als man sie öffnete, gewahrte
man drinnen den Leichnam eines Menschen, der einen goldenen, mit
allerlei Edelsteinen geschmückten Panzer trug. Auf seiner Brust lag
eine Schwertklinge ohne Griff und neben seinem Haupte ein roter
Hyazinthstein von der Größe eines Hühnereis, der wie Feuerflammen
leuchtete. Den nahm al-Ma’mûn an sich. Das Götzenbild aber, aus
dem man diesen Leichnam hervorholte, habe ich neben der Pforte des
königlichen Palastes zu Misr liegen sehen im Jahre 511.« (d. h. 1117-1118).

Mariette12 und nach ihm Maspero13 nahmen diese Entdeckung, die


al-Ma’mûn zugeschrieben wurde, für bare Münze: »Unschwer erkennt
28 Das Geheimnis der Pyramiden

man in dieser Beschreibung«, so Maspero, »den wannenartigen Sarg,


der heute noch an seinem Platz steht, eine Steinhülle in Menschen-
form und die Mumie des Cheops mit Schmuck und Waffen bedeckt
wie der Leichnam der Königin Ahhotep I.« Nach einer anderen Version
hingegen14 war die Entdeckung des al-Ma’mûn wesentlich bescheide-
ner ausgefallen: »Als nun der Kalif al-Ma’mûn nach Ägypten kam,
befahl er, in sie einen Eingang herzustellen. Da stellte man in eine der
beiden Pyramiden, die al-Fustât gegenüberliegen, nach gewaltigen An-
strengungen und langwierigen Mühen einen Eingang her. Drinnen
fanden sie grausenerregende Treppen und Schachte, wo man nur unter
Schwierigkeiten gehen konnte, und ganz oben fand er ein würfel-
förmiges Gemach; jede Seite hatte eine Länge von etwa 8 Ellen und in
der Mitte stand eine marmorne Mulde, die mit einem Deckel ver-
schlossen war. Als man den heruntergenommen hatte, fand er darin
nur morsche Knochen, über die die dahingeschwundenen Jahrhunderte
dahingegangen waren. Unter diesen Umständen befahl al-Ma’mûn,
von einer Öffnung der andern Pyramiden abzusehen. Es heißt, die
Kosten, welche die Herstellung dieses Eingangs verursachte, seien
sehr groß und die Ausgaben für Lebensmittel gewaltig gewesen.«
Wenn demnach die arabischen Schriftsteller hinsichtlich der Tatsache
übereinstimmen, daß al-Ma’mûn die Große Pyramide geöffnet habe,
so wissen sie doch grundsätzlich Unterschiedliches über das Ergebnis
seiner Untersuchungen zu vermelden. In einem Punkt allerdings
stimmen sie überein: nämlich, daß sich in der oberen Grabkammer
ein Leichnam befunden habe. Nach der einen Überlieferung war er
prächtig hergerichtet, und diese Beschreibung würde durchaus zum
archäologischen Befund über die unglaublichen Reichtümer, die ur-
sprünglich in den Königsgräbern vorhanden waren, passen. Es mag
genügen, in diesem Zusammenhang an die Schätze von Dahschûr, das
Grab des Tutanchamun oder später noch an die Funde aus Tanis zu
erinnern. Nach der anderen Tradition sollen in dem Sarkophag nur
mehr Reste eines Leichnams ohne jeden Schmuck vorhanden gewesen
sein, was bezeugen würde, daß das Grab schon geplündert war. Setzen
wir den ersten Fall voraus, dann hätten die Eindringlinge, die in der
Antike in der Großen Pyramide waren, wie Strabon schreibt15, nicht
bis zur Grabkammer vordringen können, was wenig wahrscheinlich
klingt, wenn man deren Kühnheit und Entschlossenheit in Rechnung
stellt. Dies war auch die Ansicht von Flinders Petrie16 und G. A.
Reisende und Schriftsteller im Angesicht der Pyramiden 29

Reisner17. Außerdem kann nicht ausgeschlossen werden, daß sich in


der Überlieferung der Kopten, auf die sich die arabischen Autoren
mangels eigener Tradition stützten18, die Erinnerung an ungewöhn-
liche Reichtümer in irgendeiner Pyramide oder auch in einem anderen
Grab aus verhältnismäßig später Zeit gehalten hatte und sie diese Ent-
deckungen dann mit al-Ma’mûn und der Großen Pyramide in Ver-
bindung gebracht haben.

Von den arabischen Schriftstellern sei noch Abd al-Latîf, der Arzt aus
Bagdad (1161-1231), genannt, der über die beiden großen Pyramiden
schreibt19: »Diese Pyramiden sind aus großen Steinen von zehn bis
zwanzig Ellen Länge erbaut, bei einer Breite von zwei bis drei Ellen und
der gleichen Tiefe. Was daran unbedingt größter Bewunderung würdig
ist, ist die außergewöhnliche Genauigkeit, mit der diese Steinblöcke
übereinandergeschichtet sind. Die Schichten sind so gut gefugt, daß
man weder eine Nadel noch ein Haar zwischen zwei Steine schieben
kann. Sie sind mit einem Mörtel miteinander verbunden von der Breite
eines Blattes Papier. Ich weiß nicht zu sagen, woraus dieser Mörtel be-
steht, der mir gänzlich unbekannt ist. Die Steine sind bedeckt mit
Zeichen einer alten Schrift, deren Lautwert man heute nicht mehr
kennt*. Ich habe in ganz Ägypten niemanden getroffen, der auch nur
vom Hörensagen jemanden gekannt hätte, der über diese Buchstaben
hätte Aufschluß geben können. Diese Inschriften sind in so großer
Zahl vorhanden, daß man mehr als zehntausend Seiten füllen würde,
wollte man auch nur die abschreiben, die man auf der Oberfläche der
beiden Pyramiden sieht...«

Silvestre de Sacy merkt an20, daß auch andere Reisende und Schrift-
steller von Inschriften berichten. So spricht z. B. Ibn Churdadbeh im
10. Jahrhundert von »musnadischen« Buchstaben und ein weiterer bei
Makrisi zitierter Autor schreibt, daß die Inschriften mit den »Buch-
staben derer geschrieben« seien, »deren sich diejenigen bedienten, die
diese Bauten errichtet haben« 21.

Masüdi drückt sich in seinem im 10. Jahrhundert verfaßten Buch »Die


goldenen Wiesen« folgendermaßen aus: »Die Höhe der Pyramiden ist

* Hier scheint sich der Autor auf Hieroglyphen zu beziehen.


30 Das Geheimnis der Pyramiden

bedeutend, und ihr Bau erregt Staunen. Sie sind mit allerlei Inschriften
bedeckt, die in den Charakteren vergangener Völker und verschollener
Reiche geschrieben sind.«

Ibn al-Haukäli versichert wenig später, daß die Außenseiten der großen
Pyramiden mit Schriftzeichen bedeckt seien, die er graeco-syrisch
nennt. Abu Mashar Djafar22 schließlich zählt im 13. Jahrhundert
sieben Arten von Schriftzeichen auf: griechische, arabische, syrische,
musnadische, himjaritische (oder hiritische bzw. hebräische nach den
Manuskripten), romäische und persische.

Nach den arabischen Schriftstellern erwähnen auch christliche


Reisende noch die Inschriften, so z. B. William of Baldensele, der 1336
neben Inschriften in anderen Sprachen sechs lateinische Verse las.
Cyriacus bemerkte bei einer Pyramidenbesteigung im Jahre 1440 eine
Inschrift in phönizischen Buchstaben.

Aber kehren wir noch einmal zu den arabischen Schriftstellern zurück


und zitieren wir ein paar Zeilen von Masüdi23, aus denen besonders
klar hervorgeht, daß zu seiner Zeit die Kenntnis von den Erbauern der
Pyramiden völlig in Vergessenheit geraten war: »Die beiden Pyra-
miden, die westlich von Fustât Misr liegen, gehören zu den Wunder-
bauten der Welt: Beide messen 400 Ellen (in die Länge und in die Breite
an der Basis) und ihre Höhe beträgt ebensoviel. . . Die eine von den
beiden Pyramiden ist das Grab des Agathodaimon, die andere das Grab
des Hermes. Zwischen beiden liegen etwa 1000 Jahre, Agathodaimon
ist der Ältere...«

Die mittelalterlichen Pilger, die sich zu diesen Denkmälern vor-


wagten, scheinen über ihre tatsächliche Bestimmung noch weniger
gewußt zu haben. Die meisten von ihnen schließen sich der Über-
lieferung an, wonach der Bau der großen Pyramiden Joseph, dem Sohne
Jakobs, zugeschrieben wurde, der hier das Korn der fetten für die
mageren Jahre gespeichert habe, wie er in der Auslegung des Traumes
des Pharao geweissagt hatte. Sie nennen sie daher die »Kornspeicher
des Joseph« oder »die Scheunen Pharaos.« Diese Legende, die in einer
der Kuppeln der Markuskirche von Venedig24 bildlichen Niederschlag
gefunden hat, taucht bereits im 4. Jahrhundert bei Julius Honorius und
Reisende und Schriftsteller im Angesicht der Pyramiden 31

Rufinus auf, und gegen Ende des 5. Jahrhunderts auch bei Stephan von
Byzanz25. Seit dem 9. Jahrhundert gibt es jedoch eine Gegenmeinung,
wenn Dionysios von Teil-Mahre, der jakobitische Patriarch von
Antiochia, über die Pyramiden schreibt: »Es handelt sich nicht, wie
man glaubt, um die Kornspeicher des Joseph, sondern um erstaunliche
Mausoleen, die sich über den Gräbern alter Könige erheben. Sie sind
nämlich schräg und massiv und haben keinen Hohlraum.«

Unter den Reisenden, die über die Kornspeicher berichten, seien hier
noch Benjamin von Tudela (1173), fast zwei Jahrhunderte später der
Lütticher Arzt Jean de Mandeville26 (1336), Sigoli27 (1384-1385) und
der Landedelmann Seigneur d'Anglure, der seine Pilgerreise zu den
Heiligen Stätten 1395 unternahm, genannt. In diese Reihe gehören
ferner aus dem 15. Jahrhundert der Chevalier Ghillebert de Lannoy,
Gesandter des Grafen von Bourgogne und der Bürgermeister von
Mons, Georges Lengherand28, die 1422 bzw. 1485 in Ägypten waren.

In seinem Bericht29 schildert Herr von Anglure recht anschaulich, wie


er Zeuge von Steinbrucharbeiten an der Großen Pyramide wurde. In
der Gesellschaft von drei anderen war man mit einem einheimischen
Dragoman von Babylon - dem heutigen Altkairo - zu den besagten
Kornspeichern, von denen es entlang des Nils viele gebe, nach Gisa
aufgebrochen. D'Anglure vermeldet, daß es doch eine ziemliche Ent-
fernung gewesen sei. Doch die Besichtigung hat sich gelohnt, denn er
rechnet die Pyramiden unter die bewundernswertesten Dinge, die ihm
auf seiner ganzen Pilgerreise begegnet sind. An den Pyramiden ange-
langt, habe man zunächst die Geräusche, die von den Steinbruch-
arbeitern hoch oben verursacht wurden, nicht zu deuten gewußt, bis
die Steine heruntergepoltert seien: »Aus jenen Steinen sind fast alle
schönen Bauten, die man in Kairo und Babylon sieht, errichtet, und
das geht schon lange so. Unser Dragoman und andere haben ge-
schworen und versichert, daß man schon vor tausend Jahren damit
begonnen hat, diese Kornspeicher abzuschälen und zu entkleiden, so
daß sie nur noch zur Hälfte bedeckt sind.« Über das Pyramideninnere
weiß d'Anglure nichts zu erzählen; denn die Eingänge seien ver-
mauert, »weil es Brauch gewesen war, dort Falschgeld herzustellen.
Ganz unten an der Erde gibt es einen Eingang, wo man unter diesen
Kornspeicher hereinkann, aber er ist nicht einmal mannshoch. Es ist
32 Das Geheimnis der Pyramiden

ein dunkler Ort und riecht schlecht, weil Tiere darin hausen.«
Gegen Ende des 15. Jahrhunderts breiteten sich dann allmählich ver-
nünftige Ansichten über die Bestimmung der Pyramiden aus, und als
der aus Mainz stammende Breydenbach 1486 Ägypten besuchte, sah er
in den Pyramiden nicht mehr die Kornspeicher des Joseph, sondern er
betrachtet sie als Gräber von Königen des Altertums, weil sie zum
größten Teil aus kompaktem Mauerwerk bestünden, wie er schreibt.
Im Jahre 1512 gingen gleichzeitig zwei Gesandtschaften, die eine vom
König von Frankreich und die andere von der Republik Venedig, an den
»Soudan« (Verschreibung des Seigneur d'Anglure für Sultan) nach
Ägypten ab, mit dem Ziel, erneut Handels- und Freundschaftsbe-
ziehungen herzustellen und die Sicherheit der Pilger ins heilige Land
zu gewährleisten. Die Gesandtschaft Ludwigs XII. führte Botschafter
Andre Leroy an. Ihr gehörte u. a. Bruder Jehan Thenaud an, Oberer der
Franziskaner von Angoulême, der elf Jahre später seine Endrücke ver-
öffentlichte30. Als Mönch hatte er die antiken Autoren über die Pyra-
miden gelesen und sah in ihnen die Gräber ägyptischer Könige und
eines der Sieben Weltwunder. Er schreibt die größte der Pyramiden, die
er für die am wenigsten aufwendige hält*, richtigerweise dem König
Cheopis zu und meint: »Ich war auf dem Gipfel derselben und im
Innern, zusammen mit Monsieur de Soubran, Maistre Francoys de Bon
Jehan und mehreren anderen. Als alles besichtigt war, sagten wir, daß
das Bauwerk nicht nur wunderbar genannt zu werden verdient,
sondern ganz und gar unglaublich ist...«

Was die Mission der Republik Venedig anbelangt, so stand sie unter
Leitung des berühmten Gesandten Domenico Trevisan. In seinem
Gefolge war ein gewisser Zaccaria Pagani, der über seinen Besuch der
Pyramiden berichtete und sich folgendermaßen über das große Erleb-
nis äußerte: »Man erblickt dort einen Sarkophag aus Porphyr, der
bedeckt ist, aber leer. Das hat viele Besucher vermuten lassen, daß es
sich bei der Pyramide um das Grab eines Königs von Ägypten handelt.
Gewöhnlich nennt man in diesem Lande die Pyramiden 'Berge der
Pharaonen.. .'«31

* Zweifellos durch den Eindruck, den sie aufgrund der fehlenden Verkleidung erweckte, die
bei den beiden anderen größtenteils erhalten war.
Reisende und Schriftsteller im Angesicht der Pyramiden 33

In der Description de l’Égypte (Edition Panckoucke, t. VI) nennt P. S.


Girard den Verfasser eines 153632 gedruckten Buches namens Jakob
Ziegler einen der ersten, der »seit der Wiedergeburt der Wissenschaft
in Europa« eine Beschreibung der Pyramiden gegeben habe. Ziegler
erwähnt u. a. das Abtragen der Verkleidung der Großen Pyramide,
deren Steine angeblich für den Bau einer Brücke bei Kairo verwendet
worden seien. Aber Girard fügt auch hinzu, daß Ziegler in
Wirklichkeit niemals zu den Pyramiden gereist und sein rein geo-
graphisches Werk nichts weiter als ein Auszug* aus Strabon, Plinius,
Ptolemaios und einigen arabischen Geographen ist.

Um 1548 schickte der König von Frankreich erneut eine Gesandtschaft


in den Orient, die M. d'Aramon anvertraut wurde. Einer seiner
Sekretäre, ein gewisser Jean Chesneau, schrieb den Bericht über diese
Reise33. Er besuchte auch die Pyramiden, bestieg die Cheopspyramide
und drang ins Innere vor, wo er vor allem den Sarkophag erwähnt, der
»aus einem bestimmten Stein hergestellt ist, der wie Erz klingt, wenn
man dagegenschlägt, und sagt man, dies sei das Grab des Königs
Pharao...« Und weiter: »Bei dieser Pyramide sind noch zwei weitere,
die nicht so groß sind, die auch nicht in Stufen angelegt sind und keine
Öffnung haben...«. Das beweist, daß zu diesem Zeitpunkt die beiden
anderen großen Pyramiden noch wesentliche Teile ihrer Verkleidung
besaßen.

Im Jahre 1550 klingt bei Bartholomeus de Salignace noch einmal die


Legende von den Kornspeichern Pharaos an. Aber schon bald darauf,
im Jahre 1553, veröffentlichte Pierre Belon34, Doktor der Medizin an
der Fakultät von Paris, ein Werk über seine Reisen im Orient und in
Ägypten, die er 1547 unternommen hatte. Er verweist diese Inter-
pretation in den Bereich der Phantasie und stützt sich dabei im
besonderen auf die Tatsache, daß er im Innern der größten der Pyra-
miden einen Raum gesehen habe, der eine große Gruft aus schwarzem
Marmor enthalte. Außerdem versichert er, daß die dritte der Pyra-
miden in ausgezeichnetem Erhaltungszustand sei, so als ob sie gerade
vollendet worden wäre.

1554 besuchte der Franziskaner André Thevet aus Angoulême, Schloß-


kaplan der Katharina Medici, die Pyramiden und besichtigte auch das
34 Das Geheimnis der Pyramiden

Innere der Großen Pyramide. In seiner Cosmographie du Levant35 er-


scheint allerdings eine übertriebene Vorstellung von ihnen: »Diese
Pyramiden sind wie Diamantenspitzen gemacht, sie steigen wie
Türme auf und überragen jegliches Gebirge. Darum sind sie unten sehr
breit und verjüngen sich nach oben. Die Geometer nennen sie Pyra-
miden nach der Bezeichnung für das Feuer, das im Griechischen pyr
(aus) heißt.

Im übrigen ist er der gleichen Ansicht wie Belon und versichert: »Das
waren Königsgräber, wie es schon bei Herodot heißt und wie ich selbst
feststellen konnte, denn ich sah in einer der Pyramiden einen großen
Stein aus Marmor, der wie ein Grabmal behauen war.«

Nun aber kam in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts eine weitere
phantastische Auslegung auf, die in den folgenden zwei Jahrhunderten
noch oft wiederholt werden sollte. Zunächst ließen sich Johannes
Helfricus und dann Jean Palerne, Sekretär des Grafen von Anjou und
Alencon, Bruder Heinrichs III. von Frankreich, die 1565 bzw. 1581 das
Innere der Großen Pyramide aufsuchten und den Sarkophag leer
fanden, dazu verleiten, diese Pyramide als Grab des Pharao zu be-
zeichnen, der bei der Verfolgung der Israeliten im Roten Meer umge-
kommen sein sollte.

Diese Legende findet sich dann auch bei einigen deutschen Reisenden,
die 1587 und 1588 die Pyramiden besuchten: Hans Ludwig von

* Diese Etymologie, die Plinius offenbar auf die Obelisken bezog, (Naturgeschichte 36,
13/14: »Um Syene aber . . . wird der Syenites gefunden, den man ehedem Pyrrhopoikilos
nannte . . . Die Könige machten Spitzsäulen daraus, die sie Obelisken nannten . . . Ihre
Gestalt deutet die Sonnenstrahlen an. »SQUUȩ9= feuerfarben; rötlich bunt als Bezeichnung
für den Rosengranit von Assuän) ist von mehreren Schriftstellern der Antike übernommen
worden: siehe Jablonski, La Religion des Egyptiens. Von Silvestre de Sacy zurückgewiesen,
wird sie seither nicht mehr akzeptiert. Aber der Ursprung des Wortes ist noch nicht ein-
deutig geklärt. Einige meinen (Littre, Dictionnaire de 1a langue francaise und Ad. Erman, La
Religion des Egyptiens, Paris 1937, p. 408), die griechischen Söldner hätten die Pyramiden
mit einem konisch geformten Honigkuchen verglichen, den man SQUDPí9 nannte,
von SQUó9 (Weizen) abgeleitet, und den man den Toten opferte. Damit wäre die
Parallele zu ӓEHOíVNR9 (Obelisk) nach den Spießen, die diese Form hatten, gegeben.
Nach anderen sollen die griechischen Mathematiker, die vor Herodot in Ägypten waren,
diese Monumente wie ihre geometrische Figur so benannt haben nach einem Terminus,
der hauhg vorkam, wenn von ihnen die Rede war. Maspero hatte daher an per-em-ous
gedacht, das von den äyptischen Mathematikern verwendet worden sei, um eine der Deter-
minanten der Pyramide zu benennen.
Reisende und Schriftsteller im Angesicht der Pyramiden 35

Lichtenstein, Hans Christoph Teufel und Samuel Kiechel36. Letzterer


vor allem berichtet mit packenden Worten und wahrheitsgetreu in
unverfälschtem Schwäbisch von seinem Pyramidenerlebnis unter der
Führung eines unerfahrenen Dragomans. In »altt zerrissen hemmett
und hosen ... angethon als arme Nosserani oder Christen des landts«
zog er mit einem »teütschen renigat«, einem in türkischen Diensten
stehenden Deutschen, den er mehrfach den »teütsche Thürck« nennt,
auf Eseln nach Gisa. »Von den pyrammides zu melden, derer
hüeromber im sandt auf zwo stund wegs vül gesehen werden, yedoch
under solchen allen ist düse düe höchste, gröste und fürnemste, wüe
dann solche der süben wunderwerck eins der wellt ist, dannenher
öttliche wollen, süe seyen durch die Juden erbauen worden und zum
Grab dös Königs Pharaonis geordnet. Weül er aber im roten mör
ersoffen, ist sein corpus nicht dohün gelögt worden, und ist solche
ongevahr volgender weüs formiert.« Hieran schließt sich die äußere
Beschreibung an. Weiter heißt es dann vom Aufstieg im Innern: »Als
wür öttlich schritt hinein kahmen, schliegen wür ein feyr, zündeten
düe lüechter an, wölche mür mitt uns genommen, und güengen fort;
muess sich einer hart bücken, verharreten düe Arabier allweil für dem
inngang. . . Nach langem absteügen kamen wür zur rechten hand zu
einem engen loch. . . . Düses loch, do wür imstügen, ward inwendig so
eng, das wür bede miesam drinnen stöhn künden. Von do hüeben wür
an ufzusteügen, gleich als in einem camin, dann solches stracks wüe
ein maur ufgeth, in vüeröckend, und schneintt, als ob solcher camin in
einen föllsen gehauen seye; hat von einem trütt zu dem andren kleine
gehauene löcher. . . Wüer zogen uns büs an das hömmet aus, dann in
kleider und schuech onmiglich uffzusteügen...« Schließlich wird der
Aufstieg so beschwerlich, daß Kiechel die Grabkammer gar nicht auf-
sucht: »Alsdann so kompt mann erst zu dem gemach, in wölchem das
grab Pharaonis sein soll. Demnach wür aber doch den weeg nicht
wüsten, zudem es vil andere gäng und löcher, dorinnen sich einer
verirren kahn, das er drinnen sterben und verderben muest, sonder-
lichen wann ime das lüecht auslöscht oder abranndt, demnach ich nun
selbander wahr, und ich hörte, das düe Arabier, wölche draussen
wahren, ein hesslich geschrey hatten, kam mich dermasen ein forcht
und öntsözen an, das ich nicht ferner wollt, und das grab oder sepultura
Pharaonis nicht sähe. . . Also stüg der teütsche Thürck vohr und ich
hernach und kamen, Gott gedanct, wol wüderomb herunder. . . Als
36 Das Geheimnis der Pyramiden

wiii nun wüderomb uf denn guten weeg kamen, do der ganng was
weitters ist, unnd gleich, do ich wüderomb herusserr steügen wolt,
wahren in düe fünf Arabier inwendig dös ganng müett ihren lanzen
oder langen spüesen, schrien alle: flus, flus (Filus = Geld), gellt, gellt
her,« Kiechel kam vom Regen in die Traufe: »Düe trüben müer erst
den rechten schweüs aus, inen zu antwurtt: halla mavis flus, ich
schwere bey gott, das ich kein flus oder gelt habe. Das wahr all mein
arabisch, so ich wusste.« Doch: »Nach lanngem geschrey stügen süe
wüder hinaus, volgt ich innen nach, wahr fro, das ich luft hatte, zue
besorgen, wann ich lenger hette müessen drinnen bleiben, ich wehre
verstict.«

1591 dann bestieg Prosper Alpini, berühmter Arzt und Naturforscher,


der lange Zeit dem Konsul der Republik Venedig in Ägypten attachiert
war, die Große Pyramide und vermaß die Seitenlänge37. Er erwähnt
einen Sarg aus schwarzem Marmor ohne Deckel, der sich im Innern
befinde, und eine Grube am Eingang zur großen Galerie. Femer teilt er
mit, Ibrahim Pascha habe 1584 den Eingang der Pyramide auf Anraten
eines Zauberers vergrößern lassen, um nach einem Schatz zu suchen.
Abschließend fügt er hinzu, daß die beiden anderen Pyramiden glatte
Seiten aufweisen, so daß keine Stufen zum Besteigen vorhanden seien.

Drei Jahre später, 1594, gehen Baumgarten und nach ihm 1610 Sandys
auf die klassische Überlieferung zurück und erinnern daran, daß die
Große Pyramide als eines der Sieben Weltwunder gegolten habe. Aber
während Baumgarten die These Diodors aufnimmt und zu akzeptieren
scheint, daß nämlich der König, der die Pyramide erbaut habe, sich aus
Furcht vor dem Groll des Volkes nicht dort habe beisetzen lassen, zeigt
Sandys eine kritischere Einschätzung und wendet sich vor allem gegen
die Ansicht, die gewaltigen aufgetürmten Steinmassen der Pyramiden
seien das Werk der Juden, da diese vielmehr mit der Ziegelbauweise
vertraut gewesen seien, auch die »Kornspeicher des Joseph« stellten
sie nach Sandys nicht dar. Darüber hinaus weist er auch Herodots
Angabe, die Grabkammer des Cheops habe sich unter der Pyramide in
von Wasser umgebenen unterirdischen Gemächern befunden, mit
dem Hinweis darauf zurück, daß ohne Zweifel in der oberen Kammer
das Grab gewesen sei, weil dieser Raum so aufwendig und sorgfältig in
Granit ausgeführt sei.
Reisende und Schriftsteller im Angesicht der Pyramiden 37

Führen wir nun aus der gleichen Zeit noch Francois des Breves38 an,
der auf der Rückkehr aus dem Heiligen Land 1605 in Ägypten Station
machte. Er besuchte dabei auch die Pyramiden, die, so schreibt er,
». . . diejenigen, die sie betrachten, durch ihre Höhe erschrecken und
die weit mehr Bergen als irgend etwas anderem ähneln.« Auch er
gehört zu denen, die die Pyramiden für so hoch wie lang halten, ein
Irrtum, dem viele erlagen. Nach der Besichtigung des Inneren heißt es
bei ihm: »Wir drangen bis zu einer Kammer vor, wo das Grabmal des
Pharao ist, vierzig Fuß lang und zwanzig Fuß breit, dreißig Fuß in der
Höhe, alles aus großen, sehr harten Quadern aus einem bestimmten
Marmor, der aus kleinen Tupfen roten, schwarzen und weißen Ge-
steins besteht, so gut zusammengepaßt, daß man nur mit Mühe eine
Nadel in die Ritzen einführen kann...«

Erst gegen Ende des 17. Jahrhunderts erschien zum ersten Mal eine
objektive Studie über die Pyramiden, die wissenschaftlich abgefaßt
war und in der versucht wurde, die geschichtlichen Tatsachen mit
der Legende zu verbinden. Es handelt sich um die »Pyramidographie«
des Professors John Greaves, die 1646 in London veröffentlicht und
1663 und 1696 in französischer Übersetzung in Paris verlegt wurde.

Greaves, der in den Jahren 1638/39 Ägypten bereist hatte, leitet sein
Werk mit einer kritischen Prüfung der Berichte antiker Autoren ein.
Dabei kommt er zu dem Schluß, daß der Erbauer der Großen Pyramide
Cheops gewesen und die zweite von Chephren bzw. Chabryis und die
dritte von Mykerinos erbaut worden sei. Er bemerkt, daß Cheops mit
Chemmis oder Cham gleichzusetzen sei. Wenn Greaves auch den
arabischen Schriftsteller in Übersetzung wiedergibt, der berichtet, der
Bau der Pyramide sei nach einem Königstraum ins Werk gesetzt
worden und der über dort vergrabene Schätze schreibt sowie über
al-Ma’mûn, der die Große Pyramide habe öffnen lassen*, so weist er
doch – vielleicht etwas zu schroff - die Überlieferung der orientali-
schen Autoren insgesamt als reine Erfindungen zurück. Greaves stützt
sich vielmehr auf das Zeugnis der antiken Autoren und kommt auf-
grund der Feststellung, daß sich in der größten der Pyramiden ein
Sarkophag befindet, zu dem Schluß, daß es sich um Gräber gehandelt
* Wir haben bereits Teile dieses Berichtes zitiert, die Greaves irrtümlich Ibn Abd al-Hakam
zuschreibt.
38 Das Geheimnis der Pyramiden

habe. Er meint ganz richtig, daß der enorme Aufwand für die Bauwerke
nicht anders motiviert sein könne als um die größtmögliche Sicherheit
für die sterblichen Hüllen zu erreichen und ihre Erhaltung zu gewähr-
leisten, an die das Weiterleben der Seele geknüpft gewesen sei, wovon
auch die Praxis der Einbalsamierung zeuge. Zuletzt wendet er sich
auch gegen die von dem neuplatonischen Philosophen Proklus vorge-
brachte Ansicht, daß die Plattform auf der Spitze der Großen Pyramide
astronomischen Beobachtungen gedient habe39.

Greaves diskutiert außerdem einige in der Antike genannte Maße für


die Große Pyramide. Die Angaben des Thaies von Milet betrachtet er
als wenig genau, seiner Ansicht nach kommt Diodor von Sizilien der
Wirklichkeit am nächsten. Darauf legt er seine eigenen Vermessungs-
ergebnisse vor, die er mit Hilfe seines Partners Titus Livius Barretinus,
eines Venezianers, erhielt. Zu den verschiedenen Kammern und
Gängen, die er im Innern untersucht hat, geht seine Überzeugung
dahin, daß dem Kalifen al-Ma’mûn der Eingangsstollen zuzuschreiben
sei, der bis zu den Verschlußblöcken aus Granit am aufsteigenden
Gang führt und diese umgeht. Den aufsteigenden Gang beschreibt er
als aus »feinkörnigem und poliertem Marmor« bestehend, die soge-
nannte Königinnenkammer, wo er trotz Schutthaufen und Gestank
eindrang, als »überwölbt und mit Stuck verkleidet«. Weiter führt
Greaves auf: den mit Schutt gefüllten und mit Kerben als Halt für Füße
und Hände versehenen Schacht; die »Große Galerie« »mit ihren
Seitenbänken und dem Kragsteingewölbe« (Taf. 3 b), die Vorkammern
mit ihren Wänden aus Granit, den er als »thebanischen Marmor« be-
zeichnet und endlich die großartige Grabkammer aus sechs Stein-
lagen* des gleichen vollendet behauenen und polierten Materials und
mit neun Blöcken riesigen Ausmaßes bedeckt, die »wie große Träger
die ganze Last der Pyramide, die darauf drückt, aufzunehmen haben«**.
Er nahm in dieser Kammer, die über so viele Jahrhunderte erhalten
geblieben war und die, so glaubte er, auf beträchtliche Zeit als Stan-
dardmaßeinheit gedient haben könnte, minutiöse Vermessungen vor.
Beim Sarkophag erwähnt er den schönen Klang, den auch viele andere
Besucher zur Kenntnis nahmen, und er urteilt, daß seine Dimensionen
das Gleichbleiben der menschlichen Statur bewiesen. Zuletzt führt er
* Greaves irrt in der Zahl der Lagen, es sind tatsächlich nur fünf.
** Greaves kannte die Entlastungskammern nicht, die sich über der Grabkammer befinden.
Reisende und Schriftsteller im Angesicht der Pyramiden 39

die beiden Luftschächte an, die in der Grabkammer enden, und von
dem schwarzen Fleck, den er am nördlichen Schachtende entdeckte,
meint er, dort habe man stets brennende Lampen abgestellt.

Außerhalb, in unmittelbarer Nähe der Pyramide, erwähnt Greaves


Fundamente aus Basalt, die er zu Recht als Reste des Totentempels
interpretiert. Seine Auskünfte über die beiden anderen großen Pyra-
miden sind dagegen recht ungenau. Was die zweite Pyramide anbe-
langt, die seiner Kenntnis nach keinen Eingang besaß, so behauptet er
im Gegensatz zu den meisten Augenzeugen seiner Epoche, daß ihre
Oberfläche glatt und – außer an der Südseite – kaum beschädigt sei.
Hinsichtlich der dritten Pyramide ficht er die Versicherung Pierre
Belons an, sie in demselben perfekten Erhaltungszustand vorgefunden
zu haben wie bei ihrer Vollendung, verkleidet mit Basalt oder Ȋthiopi-
schem Marmor«, härter als Eisen. Obwohl dies mit Diodor und
Strabon übereinstimmen würde, behauptet er, daß sie vielmehr aus
weißem Stein errichtet sei, der ein wenig heller als der der anderen
beiden Pyramiden sei. »Es stimmt«, schreibt er, »daß man an der Ost-
seite dieser Pyramide noch Ruinen aus dunklem Gestein sieht, die zu
diesem Irrtum Anlaß gegeben haben könnten.« *

Nachdem er noch ein paar Worte über die kleineren Pyramiden verloren
hat, diskutiert Greaves zum Schluß die verschiedenen Methoden, die
nach Herodot und den übrigen antiken Autoren beim Bau der Pyra-
miden angewendet worden wären. Er schlägt folgendes vor: »Sicher
wird man zunächst einen großen geräumigen Turm in der Mitte des
Vierecks gebaut haben, das die Basis der Pyramide bilden sollte. Dieser
Turm mußte so hoch sein wie später die gesamte Pyramide. Dann
stelle ich mir vor, daß man die anderen Partien an den Seiten dieses
Turmes Stück für Stück aufgebracht hat bis man bei der ersten Stufe
angekommen war. . .«. Diese für Stufenpyramiden angenommene
Konstruktionsweise könnte auch bei einigen der eigentlichen Pyra-
miden, deren innerer Kern aus hohen Stufen besteht, angewandt wor-

* Oberst Vyse stellte zwei Jahrhunderte später das fest, was man noch heute feststellen
kann, nämlich daß diese Ruinen vom gleichen Farbton sind wie die benachbarten Bau-
werke. Vyse: »Es hat ganz den Anschein, als habe sich der Professor mit einem schnellen
Blick aus der Ferne zufriedengegeben, wie das häufig bei anderen Reisenden auch
geschah.«
40 Das Geheimnis der Pyramiden

den sein. Das trifft im besonderen für die Pyramide des Mykerinos zu,
aber auch für die Pyramiden der 5. und 6. Dynastie (Abb. 12), deren
Ruinen diese Stufen zum Vorschein kommen lassen. Die großen Pyra-
miden aus dem Beginn der 4. Dynastie jedoch, deren Erhaltungszustand
ungleich besser ist, was auf ihr beträchlich größeres Volumen und eine
sorgfältigere Bauweise zurückzuführen ist, läßt kaum an die Stufen-
konstruktion denken. Bei der Großen Pyramide bleiben Beobach-
tungen Borchardts im aufsteigenden Gang, die zur Beweisführung der
Stufentheorie tendieren, umstritten.

Aus den Jahren, die der Veröffentlichung des Werkes von Greaves
folgten, müssen unter den wichtigsten Reisenden oder Autoren, die
sich mit den Pyramiden beschäftigten, Thévenot, Melton, die Patres
Kircher und Vansleb sowie Lebrun genannt werden.

Jean de Thévenot, der während einer Reise durch die Levante 1655
Ägypten besuchte, schreibt zwar noch von der Kammer, die in der
Großen Pyramide für den Pharao bereitet worden sei, der im Roten
Meer umkam, berichtet aber im Gegensatz zu Greaves, und in Über-
einstimmung mit der heutigen Feststellung, daß die dritte Pyramide
mit dem gleichen Stein verkleidet sei, aus dem auch die Grabkammer
der Großen Pyramide bestehe, d. h. also mit Granit. Daneben weist er
auf eine unterirdische Passage hin, die, wie man ihm sagte, Neben-
bauten der zweiten Pyramide mit der Sphinx verbinde und die von den
einen als Gruft des Amasis betrachtet werde, nach anderen von Amasis
zu Ehren der Rhodopis errichtet worden sei und ein Orakel enthalten
habe.

Edward Melton veröffentlichte eine Schilderung über eine 1661 unter-


nommene Reise40. Er nennt Maße der Großen Pyramide und gibt sich
im übrigen damit zufrieden, die Ansichten Herodots und Diodors über
die Dauer des Baus, die Zahl der dabei beschäftigten Menschen und die
Nichtbenutzung des Grabes zu wiederholen. Nichtsdestoweniger fin-
det sich bei ihm auch eine neue Legende: Demnach habe die Große
Pyramide niemals in einer Spitze geendet, sondern auf ihrer Plattform
soll eine Statue gestanden haben, deren Einlaßstellen noch sichtbar
seien. Zugleich bekennt Melton jedoch, daß er keine Spur davon habe
finden können. Dagegen berichtet er, daß er auf einigen Pyramiden
Reisende und Schriftsteller im Angesicht der Pyramiden 41

Hieroglyphen gesehen habe, die seiner Ansicht nach den jeweiligen


Eigentümer bezeichneten. In einer höchst phantasievollen Zeichnung
gibt er die Pyramiden mit viel zu schmaler Silhouette wieder.

Pater Kircher, der im Gegensatz zu einer häufig wiederholten Be-


hauptung niemals in Ägypten war, veröffentlichte 1666 seine Abhand-
lung über die ägyptischen Obelisken, Hieroglyphen und Pyramiden, in
der er ausführte, daß die Obelisken und Pyramiden eine mystische und
verborgene Bedeutung gehabt hätten.

Pater Vansleb, ein frommer Deutscher, besuchte Ägypten 1664 im


Dienste Frankreichs und kehrte 1672/73 im Auftrage Colberts dorthin
zurück, um über den Kauf von Manuskripten und alten Münzen zu
verhandeln41. In seinen Beschreibungen zitiert er die antiken und
arabischen Schriftsteller und wiederholt die Behauptung Herodots
hinsichtlich des Cheops-Grabes unter der Pyramide, das aus einer
unterirdischen Anlage bestanden habe, die von Nilwasser, über einen
Kanal abgeleitet, umgeben gewesen sei. Ansonsten fügt er keine neuen
Beobachtungen hinzu, was auch für Lebrun gilt, der bei seinem Pyra-
midenbesuch 1674 im Gegensatz zu Melton keine Hieroglyphen
bemerkt haben will. Auch er wiederholt, daß der Leichnam des Königs,
für den die Große Pyramide errichtet worden sei, niemals dort beige-
setzt gewesen sei.

Damit haben wir uns der Zeit genähert, da Bossuet für den Unterricht
des französischen Thronfolgers seinen »Discours sur l'Histoire Uni-
verselle«, der 1681 erschien, verfertigte. In den Berichten der modernen
Reisenden wie in den Schriften der antiken Autoren entdeckte er nur
Zeugnisse für die Stützung der christlichen These, daß selbst die
grandiosesten profanen Werke eitel Machwerk seien, was er seinem
königlichen Schüler folgendermaßen entwickelte:
»Ägypten hatte, außer dem Thurme von Babel, noch keine großen
Gebäude gesehen, als es seine Pyramiden erfand, die sowohl wegen
ihrer Gestalt, als wegen ihrer Größe über die Zeiten und die Barbaren
triumphiren. Der gute Geschmack der Aegypter war Ursache, daß sie
Festigkeit, und die bloße Regelmäßigkeit allein liebten. Leitet uns die
Natur selbst zu der edlen Einfalt, zu welcher man nicht ohne die größte
Mühe zurückkehren kann, wenn der Geschmack einmal durch Neu-
42 Das Geheimnis der Pyramiden

heiten und wunderliche Verwägenheiten verderbt worden ist? Die


Aegypter liebten nur eine regelmäßige Kühnheit; sie suchten das Neue
und Erstaunliche nur allein in der unendlichen Mannichfaltigkeit der
Natur, und sie rühmten sich, die einzigen zu seyn, welche, wie die
Götter, unsterbliche Werke gemacht hätten. Die Aufschriften ihrer
Pyramiden sind so edel, als das Werk selbst... Allein, soviel sich auch
die Menschen Mühe geben, so sieht man doch ihr Nichts überall gar
zu deutlich. Diese Pyramiden waren Gräber,- die Könige, die sie gebaut
haben, sind nicht so mächtig gewesen, daß sie ihr Begräbnis darinnen
haben können, und sie haben nicht einmal ihrer Gräber genossen.«
(Zitiert nach einer Übersetzung von Cramer in 7 Bänden, Leipzig
1757-1786).

Weniger als ein Jahrhundert später nahm Rollin in seiner »Histoire


ancienne« (Bd. I, Kap. II, § II) diese Interpretation fast wortwörtlich auf
und schloß sich auch über Cheops und Chephren den Ansichten von
Herodot und Diodor an. »Es ist bemerkenswert, daß diese über-
ragenden Pyramiden, denen die Bewunderung des Universums gilt, die
Früchte von Unglauben und mitleidsloser Härte dieser Fürsten sind«,
eine Behauptung, die zutiefst ungerechtfertigt ist, vor allem, was die
Unfrömmigkeit betrifft; denn die Pyramiden mit ihren Tempeln
waren, abgesehen von ihrer Funktion als königliche Begräbnisstätten,
den Göttern gewidmete Kultbauten, wobei die Pharaonen selbst ja
auch göttliche Verehrung genossen.

Vom Ende des 17. Jahrhunderts mögen von den wichtigsten Pyramiden-
forschern nur de Careri, de Chazelles, Benoit de Maillet und Paul Lucas
genannt sein. Die beiden Erstgenannten bereisten Ägypten 1693. De
Careri vertritt in Anlehnung an die antiken Autoren die Meinung, daß
es sich unzweifelhaft um königliche Grabbauten handle, aber zugleich
stellt er heraus, daß sie auch mit dem Ziel astronomischer Beobach-
tungen errichtet worden seien. Außerdem schreibt er, daß nach arabi-
scher Überlieferung vom Schacht am Fuße der Großen Galerie eine
Passage zur Sphinx führe, eine etwa abweichende Version der These,
die bereits Thévenot aufführt.

Jean-Mathieu Chazelles, assoziiertes Mitglied der Französischen Aka-


demie der Wissenschaften führte für die Institution Messungen an den
Reisende und Schriftsteller im Angesicht der Pyramiden 43

Pyramiden durch, deren Himmelsrichtungen er ziemlich präzise be-


stimmte, aber das Ergebnis seiner Arbeit scheint über den Kreis der
hochgelehrten Versammlung kaum hinausgedrungen zu sein. Paul
Lucas aber bezog sich einige Jahre nach dessen Tod darauf, indem er be-
hauptete, daß man anhand der Beobachtungen dieses Gelehrten nicht
leugnen könne, daß die Ägypter beim Bau der Pyramiden auch das Ziel
verfolgt hätten, »sie als Sonnenuhren oder Sonnenanzeiger zu verwen-
den, um mittels der Schatten die Veränderungen der Sonne bei der Son-
nenwende zu markieren. Es scheint, als habe man dabei die Regeln
einer exakten Astronomie angewendet...«

Benoit de Maillet, von 1692–1708 Konsul in Ägypten, verdanken wir


die erste objektive Studie eines Franzosen über die Große Pyramide42.
Zwar gibt es das Bauwerk noch immer viel zu hoch wieder, die Höhe
entspricht fast den Seitenlängen (Abb. 4), aber er ist der erste, der mit
einiger Logik die wichtigsten Gänge und Stollen interpretiert. Seiner
Meinung nach wäre der Verschluß aus Granitblöcken am Beginn des
aufsteigenden Ganges ursprünglich länger gewesen. Wenn er zu Recht

Abb. 4: Cheopspyramide, Schnitt nach Benoit de Maillet, um 1700


44 Das Geheimnis der Pyramiden

die überproportionale Höhe der Großen Galerie damit erklärt, daß hier
bis zur Beisetzung die Blöcke hochzuschichten waren, die den Zugang
zur Grabkammer im aufsteigenden Gang blockieren sollten, so ist
dem hinzufügen, daß das Kragsteingewölbe, das hier wie in den
übrigen frühen Pyramiden zur Überdachung von Kammern oder
Gängen von mehr als 2 Metern Spannweite angewandt wurde, an sich
schon diese Höhe erforderte.

Zur Bedeutung des Schachtes am Fuße der Großen Galerie, einem


Bauelement, dem soviel phantasiereiche Auslegung zuteil geworden
war, vertritt de Maillet bereits die noch heute geltende Ansicht, daß
durch diesen Schacht die Arbeiter nach draußen gelangen konnten, die
den Aufgang zu verschließen hatten. Für die beiden Luftschächte in
der Grabkammer fand er dagegen eine weniger glückliche Erklärung,
wenn er die Auffassung vertritt, daß sie für lebendig mit dem toten
Pharao eingeschlossene Menschen angelegt worden seien. Einer der
Schächte habe für die Nahrungszufuhr »in einem langen Behälter«,
den man an Stricken an beiden Enden hin- und hergezogen hätte,
gesorgt, der andere Schacht habe dazu gedient, »den Müll abzuführen,
der in ein zu diesem Zweck hergestelltes Loch« gefallen wäre.* Abge-
sehen von aller Unwahrscheinlichkeit eines solchen Systems, das in
ziemlicher Höhe eine Art Förderanlage notwendig gemacht hätte, die
auf den glatt verkleideten Seiten ganz und gar unpraktisch gewesen
wäre,** gibt es auch nicht den geringsten Hinweis darauf, daß die
Könige der 4. Dynastie sich im Tode von Untertanen hätten begleiten
lassen, die in den Gräbern geopfert worden wären, wie das offensicht-
lich in Ur in Chaldäa der Fall war.

De Maillet vermutete im übrigen, daß die Entweihung des Grabes,


dessen Zugang lange Zeit durch die Verkleidung verborgen gewesen
sei, den Mohammedanern angelastet werden müsse und vielleicht auf
Befehl des Kalifen Mahmud * * *, gestorben 827, erfolgt sei, wobei einige
Autoren diesen Vorgang auch seinem Vorgänger Harün-al-Raschid zu-

* Dieses tiefe Loch existiert nicht. Der zweite Schacht führt auch nicht abwärts, wie de
Maillet annimmt, sondern eine kurze Strecke horizontal, um dann aufzusteigen.
** Dabei bezweifelt de Maillet nicht im geringsten die Verkleidung der Außenseiten, die
ja allein schon das Auf- und Absteigen verhindert hätte.
*** Damit meint de Maillet offenbar al-Ma’mûn.
Reisende und Schriftsteller im Angesicht der Pyramiden 45

schrieben. Zu den beiden anderen Pyramiden meint er, daß sie eben-
falls Gänge und Kammern besitzen müßten und man auch bei ihnen
mit einem Eingang an der Nordseite wie bei der Großen Pyramide
rechnen könne. Ferner berichtet er, daß die Araber ihm versichert
hätten, auf der Spitze der zweiten Pyramide habe eine goldene Statue
von 40 Ellen Höhe gestanden, ein Bildnis des darin bestatteten Königs.
Maillet nimmt an, daß es sich möglicherweise um eine Granitstatue
gehandelt haben könne, die wohl später von den Mohammedanern
zerstört worden sei.

In seiner historischen Kritik betreffs der Erbauer der Pyramiden geht


Maillet zweifellos zu weit, denn er weist sowohl pauschal die Über-
lieferung der Antike als auch die aus islamischer Zeit zurück. In diesen
Punkten könne man sich nicht auf die Historiker verlassen, die
Namen der in Frage stehenden Könige blieben also unbekannt.

Paul Lucas kam im Verlaufe seiner Orientreisen zwischen 1699 und


1703 und in den Jahren 1714 bis 171743 nach Ägypten. Er ist weit davon
entfernt, ein zuverlässiger Führer zu sein. So schreibt er unter anderem,
daß die Verkleidung der Pyramiden aus Zement und nicht aus Stein
bestehe und die Sphinx auf einer der kleinen Pyramiden angebracht
sei, die in der Nähe der großen stehen. Aber sein Werk hatte Erfolg und
fand weite Verbreitung. Auf diese Weise fiel es ihm zu, die Kenntnis
von Ägypten in seiner Epoche in Frankreich verbreitet zu haben.

Auf Reiseberichte wie die von Veryard, Egmont oder Perizonius, die
im frühen 18. Jahrhundert die Pyramiden besuchten, wollen wir nicht
näher eingehen. Angemerkt sei lediglich, daß Veryard behauptet, er sei
in der Grabkammer der Großen Pyramide gewesen, die der Pharao
erbaut habe, dessen sterbliche Überreste bei der Verfolgung der Hebräer
im Roten Meer geblieben seien. Egmont, der bei der Beschreibung
gewisser Details im Innern der Großen Pyramide auf Thévenot ver-
weist, behauptet wie Greaves und im Gegensatz zu anderen Besuchern
seiner Zeit, daß die Oberfläche der zweiten Pyramide bis auf die Süd-
seite völlig glatt und folglich der Aufstieg nicht möglich sei.
Perizonius schließlich, der sich in diesem Punkte auf Josephus verläßt,
möchte den Bau der Pyramiden unzweifelhaft den Hebräern zu-
schreiben.
46 Das Geheimnis der Pyramiden

Um die gleiche Zeit befaßte sich Pater Claude Sicard, Superior der
Jesuiten-Mission in Kairo, mit dem alten Ägypten, wobei er in nicht
unerheblichem Maße wissenschaftlich vorging. Unglücklicherweise
war das im Manuskript vorhandene, aber nicht veröffentlichte Werk
nach seinem Tode nicht mehr auffindbar. Geblieben ist der »Discours
sur l’Égypte«, erschienen in den »Lettres édifiantes et curieuses écrites
par des missionaires de la Compagnie de Jésus (Mémoires du Levant)«
sowie eine im Manuskript vorhandene Karte des antiken Ägypten, die
später von dem berühmten Geographen d’Anville verwendet wurde.
In seinem »Discours sur l’Égypte« zeichnet er vor allem ein Bild von
den pharaonischen und christlichen Denkmälern, von denen er Kennt-
nis haben konnte, und darunter finden sich nicht weniger als zwanzig
große Pyramiden.

Neue Theorien entwickelten sich jedoch erst wieder in England, und


zwar mit Thomas Shaw44, der 1721 Ägypten besuchte. Er bezweifelt,
indem er sich auf die Unstimmigkeiten in den Schriften der antiken
Autoren hinsichtlich Zuweisung und Funktion der Pyramiden stützt,
und unter Hinweis auf die eigene Feststellung, daß sich das Innere der
Großen Pyramide schwerlich für ein Grabmal eigne und die zweite
und dritte Pyramide keinen Zugang zu inneren Gängen hätten *, daß es
sich in keinem Falle um Grabbauten gehandelt haben könne. Viel-
mehr müsse man in den Pyramiden Tempel sehen, und der Granitsarg
im Innern der Großen Pyramide habe als Schauplatz bei den Feiern der
Osirismysterien gedient. Dieser Trog ohne Verzierung und ohne
Hieroglyphen unterscheide sich nämlich auch in der Form von den
üblichen ägyptischen Sarkophagen, er sei größer und breiter als diese
und nicht vertikal aufgestellt wie sie **. Er könnte Bildnisse, heilige Ge-
wänder, Geräte oder Wasser für die rituelle Reinigung enthalten haben.
Im übrigen - dies geht wohl wieder auf Herodot zurück - habe sich
die Gruft des Cheops in unterirdischen Höhlen befunden, die tief unter
der Pyramide lägen, so daß diese also nicht unbedingt ein Grabbau,
sondern ebenso gut ein Tempel hätte gewesen sein können.

* Dieser Irrtum basiert auf der Tatsache, daß damals die Zugänge zu den Grabkammern bei
beiden Pyramiden noch unter dem Sand lagen.
** Shaw denkt hier sicher an die Angabe Herodots (Historien II, 86) »So eingeschlossen in
einen hölzernen Sarg wird sie (die Mumie) in der Familiengrabkammer geborgen, aufrecht
gegen die Wand gestellt.«
Reisende und Schriftsteller im Angesicht der Pyramiden 47

Diese Ansichten sind offenbar ein paar Jahr später, 1743, von Doktor
Perry aufgenommen worden. Er, der nicht zugeben will, daß die Pyra-
miden um reiner Prahlerei willen errichtet worden seien oder mit dem
Ziel, Arbeiter zu beschäftigen oder auch zu funerären Zwecken, zitiert
Shaw und erklärt, daß sie zur Durchführung von Riten und religiösen
Mysterien gedient hätten.

Unter allen Reisenden der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts muß die
Aufmerksamkeit vor allem auf Frederick-L. Norden und den Eng-
länder Richard Pococke gelenkt werden, die beide 1737 die Pyramiden
besuchten.

Norden, zu dessen Fähigkeiten als Marineoffizier noch die eines be-


gabten Zeichners hinzukam, war vom dänischen König Christian VI.
nach Ägypten geschickt worden, um Untersuchungen über die
antiken Denkmäler anzustellen. Er veröffentlichte nach seiner Rück-
kehr in Dänisch seine »Reise in Ägypten und Nubien«, einen ebenso
farbigen wie fundierten Bericht, dem die Veröffentlichung von Karten,
Plänen und Zeichnungen folgte. Sein Werk wurde ins Französische
und Englische übersetzt und von mehreren Verlegern herausgebracht45.

Norden hielt sich an die traditionelle Interpretation der Pyramiden als


königliche Gräber. In seinem Kapitel »Bemerkungen zur Pyramido-
graphie des M. John Greaves, vormals Professor in Oxford« schreibt er
im besonderen: »Ich stimme mit Mr. Greaves überein, daß der Haupt-
grund für den Bau der Pyramiden in der ägyptischen Religion zu suchen
ist, aber gleichzeitig glaube ich doch auch, daß der Ehrgeiz dabei eine
große Rolle gespielt hat. Wie dem auch sei: größere und solidere Denk-
mäler hätten kaum errichtet werden können. Kein Werk der Archi-
tektur kommt ihnen gleich. Wo gäbe es Vergleichbares, da die Zer-
störung ebensoviel Mühe kostet wie der Aufbau?«

Andererseits ist die Tatsache, daß keine Hieroglyphen an den Pyra-


miden zu sehen sind, für Norden der beste Beweis für ihr hohes Alter
und regt ihn zu der falschen Vermutung an, daß der Bau der Pyramiden
der Erfindung der Hieroglyphen vorausgegangen sein müsse. Er zählt
vier wichtige Pyramiden in Gisa auf. Mit der vierten meinte er wohl,
wie Colonel Vyse annimmt, eine der kleineren, deren Pyramidenform
48 Das Geheimnis der Pyramiden

am besten erhalten war. Dabei handelt es sich um die östlichste der drei
kleinen Pyramiden an der Südseite der Mykerinospyramide (Taf. I, a).
Bei seiner sorgfältigen Erforschung des Innern der Großen Pyramide
führt er die Rillen im Granit, die das Gleiten der Verschlußsteine er-
möglichen sollten, auf und interpretiert sie auch vollkommen richtig.

Bei der zweiten Pyramide hat er nicht die Spur eines Eingangs gefunden,
und er gibt irrtümlich an, daß die an der Spitze erhaltene Verkleidung
(Taf. 4, b) aus Granit bestehe. An der dritten Pyramide hat er keine Ver-
kleidung bemerkt, was nicht stimmt, denn an der Basis sind noch an
verschiedenen Stellen mehrere Lagen Verkleidungssteine erhalten, die
aber damals vielleicht vom Sande bedeckt waren. An der Ostseite der
beiden zuletzt genannten Pyramiden sah er »Steinquader von kolos-
saler Größe«, die er richtig als zugehörige Tempelruinen deutet. Über
die vierte Pyramide heißt es bei Norden, daß sie ebenfalls keine Ver-
kleidung aufweise und die Spitze von einem einzigen großen Stein
gebildet werde, der als Sockel gedient zu haben scheine. Den Eingang
hat er wie bei den beiden anderen auch bei dieser vierten Pyramide
nicht entdeckt, dagegen seien mehrere der anderen kleinen Pyramiden
offen gewesen. Dann erwähnt Norden noch mit ein paar Worten die
Pyramiden von Dahschûr, zu denen er alle jene rechnet, die südlich
von Gisa liegen, bis hin zur Pyramide von Medûm »die die Türken und
Araber gewöhnlich 'die falsche Pyramide' nennen.« Die meisten dieser
Pyramiden lägen im Gebiet von Saqqâra, auf einer Hochebene, die von
der Nilschwemme niemals erreicht werde. »Wenn man diese Lage
wohl durchdenkt, kommt man zu der Überzeugung, daß dies die
Gegend sein könnte, wo die alte Stadt Memphis war; und ich möchte
beinahe den Schluß ziehen, daß die betreffenden Pyramiden im Um-
kreis der Hauptstadt versammelt waren.« *

In Nordens Plan der Pyramiden von Gisa sind die Tempel des Chephren
und des Mykerinos sowie die Aufwege zur Cheopspyramide und der
Pyramide des Mykerinos angegeben, während er den Chephren-Auf-
weg nicht ausmachen konnte, der offenbar vollständig vom Sande ver-
schüttet war. Von den zahlreichen Tafeln seines Werkes sind besonders
hervorzuheben: eine Ansicht der Sphinx und der großen Pyramiden
* Dennoch behält Norden bei seinen Karten und Plänen die Identität von Gisa und
Memphis bei, wie es allgemein üblich war.
Reisende und Schriftsteller im Angesicht der Pyramiden 49

Abb. 5: Die Sphinx und die Pyramiden von Gisa, nach F. L. Norden (1737)

(Abb. 5), wobei diese zu steil wiedergegeben sind, und auf der Spitze der
Chephrenpyramide die wie eine Kappe wirkende Verkleidung, wie wir
sie heute noch beobachten können, angegeben ist; ferner vier Tafeln
für die Große Pyramide mit sehr interessanten Schnitten; ein ziemlich
zuverlässiges Panorama der Pyramiden von Dahschûr und Saqqâra und
schließlich vier ebenso malerische wie ungenaue Blätter zur großen
nördlichen Pyramide von Dahschûr und der »Knickpyramide« sowie
zwei Stufenpyramiden, der von Saqqâra und wahrscheinlich der von
Sauijet el-Arijân.*

Richard Pococke stützt sich in seiner Beschreibung der Pyramiden


ganz wesentlich auf die antiken Historiker46. So weist er die drei
großen Pyramiden von Gisa den Pharaonen Cheops, Chephren und
Mykerinos zu. Nach Strabon und Plinius verlegt er das alte Memphis
richtigerweise in die Nähe des Dorfes »Métrahenny«, d. h. Mit Rahina,
und er fügt hinzu: »Südlich von Métrahenny, wenn man sich nach
Sacara wendet, gibt es eine Erderhebung, die gut der Wall sein könnte,
von dem Diodor spricht...« Genau wie Norden gibt auch er die Reste
der Totentempel des Chephren und des Mykerinos sowie den von
Herodot beschriebenen Aufweg, der zur Großen Pyramide führt, an. Er
erinnert daran, daß Herodot ebenso wie Diodor versicherten, der
untere Teil der Pyramide des Mykerinos bestehe aus Ȋthiopischem
* Abgebildet in: Lauer, Le problème d'Égypte, Payot pl. V,l.
50 Das Geheimnis der Pyramiden

Stein« (d. h. Granit) und weist darauf hin, daß noch zahlreiche Blöcke
aus diesem Material um die Pyramide herum verstreut seien. Hin-
sichtlich der Pyramidenmaße führt er neben den von den antiken
Autoren genannten auch die von modernen Reisenden an, so z. B.
Greaves, Thévenot, de Maillet und Pere Sicard. Er verzeichnet darüber
hinaus die Tatsache, daß sich in der Zeit zwischen Diodor und Greaves
die Plattform der Großen Pyramide vergrößert habe und schließt
daraus zu Recht, daß dort Steine entnommen wurden. Mit einigen
Bemerkungen zur Beschreibung der Gänge, Galerien und Kammern bei
Greaves, Thévenot, de Maillet und Pere Sicard. Er verzeichnet darüber
forschung dieses Bauwerkes. Es ist wohl angebracht, noch auf den selt-
samen Vorschlag Pococke's zur inneren Struktur der Pyramiden einzu-
gehen, »die ihren Ursprung der Sitte verdanken, daß man Hügel ver-
kleidete, um königliche Gräber zu errichten«. Demnach hätten die
Ägypter bei Errichtung einer Pyramide einen natürlichen Fels umbaut,
der es ihnen erspart hätte, den Kern des Bauwerkes aufzuschichten.
Pococke äußert denn auch die Ansicht, daß sich unter der Großen Pyra-
mide zwei Felshügel befänden, wobei der jetzige Eingang auf dem
Gipfel des einen und die Grabkammer auf dem anderen liege. Heute
können wir feststellen, daß nichts von alledem stimmt, der Felsboden
zur Pyramidenmitte hin steht nicht höher als etwa 10 m über der
Grundlinie an. Die Höhe des anstehenden Gesteins läßt sich in dem
Ausstiegsschacht, der an der »Großen Galerie« beginnt und in den ab-
steigenden Gang zur unterirdischen Grabkammer mündet, kontrol-
lieren.

Nach Norden und Pococke sind nun Fourmont, Niebuhr, Davison und
Bruce zu nennen, die den Pyramiden in den Jahren 1755,1761,1765 und
1768 einen Besuch abstatteten. Fourmont47, »königlicher Dolmetscher
für orientalische Sprachen«, teilt die richtige Auffassung, daß Memphis
in unmittelbarer Nähe von Mitz-rain (Mit Rahina) gelegen habe, und
zwar in dem Dorf, das er Manof nennt. An der Cheopspyramide be-
wundert er lebhaft die »Große Galerie« (Taf. 3 b), »die«, so schreibt er,
»eine großartige Leistung darstellt, keinem anderen Bauwerk ver-
gleichbar, weder vom künstlerischen Standpunkt aus noch vom
Reichtum des Materials her... der Stein, aus dem diese Galerie besteht,
ist ein blankpolierter Marmor in großen behauenen Blöcken, die so gut
aneinandergefügt sind, daß man nur mit sehr guten Augen die Stellen
Reisende und Schriftsteller im Angesicht der Pyramiden 51

erkennen kann, an denen sie aufeinanderstoßen...« Auch er erwähnt


die Spuren des Aufweges an der Ostseite der Großen Pyramide, von
dem schon Herodot berichtet, und fügt hinzu, daß nach den Worten
eines arabischen Autors dieser Aufweg mit Granit gepflastert und mit
einem Gewölbe versehen und von Säulen aus dem gleichen Material
getragen worden sei, um die Besucher vor den sengenden Sonnen-
strahlen zu schützen.

Niebuhr48 kritisiert die Reisenden, die sich ein Vergnügen daraus ge-
macht hätten, den immensen Arbeitsaufwand und die enormen
Kosten, die der Aufbau solcher Massen und das Auftürmen solcher
Berge von behauenen Steinen erforderten, zu übertreiben, indem sie
vorbrächten, daß sie (die Pyramiden) »mit Marmor bedeckt« gewesen
seien; und Paul Lucas versicherte uns, daß sie »mit einem Küt über-
zogen gewesen sind. Aber dieß ist wenigstens bey der zweyten Pyra-
mide ganz falsch.«

Um dieses zu verifizieren, ist er wohl der einzige unter den bisher ge-
nannten Reisenden, der die Chephren-Pyramide bestiegen hat. Davon
berichtet er, daß ein Teil ihrer Verkleidung auf der Spitze noch erhalten
sei (Taf. IX b und Taf. 4 b).

Davison verdanken wir die Entdeckung der ersten »Entlastungs-


kammer« über der Königskammer in der Großen Pyramide (Abb. 6).
Da er am Südende im Oberteil der Großen Galerie eine Öffnung ent-
deckt hatte, kam er am 8. Juli 1765 mit Cosigny, dem Konsul in Rosette
und Meynard, einem in Ägypten ansässigen französischen Handels-
herrn, noch einmal nach Gisa, um diese Öffnung zu erkunden. Sie
führte in die Kammer, oder besser den Hohlraum, der seit diesem
Tage seinen Namen trägt.

Bruce49 mißt der Entdeckung von Davison kaum Gewicht bei, findet
es vielmehr erstaunlich, daß man so lange gebraucht habe, um diesen
Hohlraum zu finden. Immerhin geruht er, die Zeichnungen Davisons
zu verwenden, die kurz zuvor veröffentlicht worden waren.

Neun Jahre später, 1777, schrieb Savary, in Auswertung seiner Reise


nach Ägypten, an Monsieur, den Bruder des Königs, seine köstlichen
52 Das Geheimnis der Pyramiden

Grabkammer
des
Cheops

Abb. 6: Grabkammer des Cheops, Schnitt Nord-Süd mit der Fallsteinvorrichtung


und links außen dem oberen Ende der Großen Galerie, nach J. S. Perring

»Lettres sur l’Égypte«, wovon einige auch den Problemen der Pyra-
miden gewidmet sind. Anhand der antiken Autoren läßt er es sich be-
sonders angelegen sein, den Irrtum neuzeitlicher Reisender wie Shaw
und Thévenot aufzudecken, die Große Pyramide sei offen gelassen und
ohne Verkleidung nie vollendet worden. An anderer Stelle polemisiert
er gegen die These von Paw, der in seinen »Philosophischen Unter-
suchungen über die Ägypter und Chinesen«, vielleicht von den Ideen
Reisende und Schriftsteller im Angesicht der Pyramiden 53

Shaws oder Perrys beeinflußt, in der Pyramide das Grab des Osiris
hatte sehen wollen:
»Es ist auch unstreitig, daß sie ein Mausoleum eines der ägyptischen
Pharaone gewesen ist. Die in der Ebene, an deren Ende sie erbauet ist,
befindlichen Gräber, der Sarcophagus in dem großen Saale, die Blende
in dem untern Saale, das Zeugnis des Herodots und des Strabo, und der
arabischen Schriftsteller, alles dieses beweiset die Wahrheit dieser
Meynung. Ich weiß, daß Herr Paw welcher mitten in seiner Studier-
stube besser sieht, als alle Reisende, sie lehret, daß diese Pyramide das
Grab des Osiris war. Er hegt aber ganz allein diese Meynung, welche
durch die Sache selbst und durch die Geschichte widerlegt wird...«

Zum Pyramideninnern versichert er, nichts Besseres tun zu können,


als die Bechreibung de Maillets zu zitieren, und darum übernimmt er
seine Zeichnung mit dem zu großen Neigungswinkel (siehe Abb. 4).

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts verbindet sich dann das Urteil
Diodors und Plinius’ über den Despotismus der Pyramidenerbauer in
besonderem Maße mit den humanitären Ideen der französischen
Philosophen und Enzyklopädisten, die schon bald das Dogma der
absolutistischen Monarchie vom göttlichen Recht umstoßen sollten.
Solche Gedanken finden sich z. B. in der »Voyage en Syrie et en Egypte«
von Volney. Er bereiste den Vorderen Orient von 1783 bis 1785. Nach-
dem er die Pyramiden zunächst überschwenglich bewundert hatte
(siehe S. 17), kommt er zu folgendem Schluß, und wir möchten hier
etwas ausführlicher zitieren:
»Aber man muß gestehen, ein anderes Gefühl tritt auch bald an die
Stelle des ersten Entzückens. Wenn auch dieses alles vorher so hohe
Begriffe von der Kraft und Stärke des Menschen erregt hat, und man
nun überlegt, wozu er sie anwendet, so kann man nur einen Blick des
Schmerzes und der Traurigkeit auf dieses sein Werk werfen. Man be-
trübt sich, wenn man bedenkt, daß eine ganze Nation zwanzig Jahre
geplagt wurde, um der Eitelkeit ein Grabmal zu erbauen; man seufzt
über die Menge von Ungerechtigkeiten und Bedrückungen, die diese
beschwerliche Frohne, das Herbeyschaffen und Behauen der Steine,
und das Verarbeiten einer so ungeheuren Masse von Materalien ver-
ursacht haben müssen. Man entrüstet sich über den Unsinn der Des-
poten, die solche barbarische Unternehmungen veranstalteten. Mehr
54 Das Geheimnis der Pyramiden

als einmal regt sich dieß Gefühl, wenn man Aegypten durchstreicht;
Diese Labyrinthe, diese Tempel, diese Pyramiden mit ihrer massiven
Bauart zeugen mehr von der Knechtschaft einer Nation, die durch den
Eigensinn ihrer Herrn auf das äußerste gepeinigt wurde, als von dem
Genie eines wohlhabenden und die Künste liebenden Volks. Alsdann
verzeiht man es dem Geize, der ihre Gräber erbrach, und ihre Er-
wartung der Unverletzlichkeit täuschte. Man hat weniger Mitleid mit
diesen Ruinen; und wenn in Alexandria den Liebhaber der Künste Un-
wille und Verdruß ergreift, wenn er die Säulen des Palastes zu Mühl-
steinen zerschneiden sieht, so kann sich der Philosoph nach jener
ersten Empfindlichkeit, die jeder Verlust einer vortrefflichen Sache
würkt, nicht enthalten, über die Stille Gerechtigkeit des Schicksals zu
lächeln, die dem Volke das wiedergibt, was ihm so viel Mühe und
Arbeit kostete, und den Stolz eines unnützen Luxus, dem niedrigsten
seiner Bedürfnisse Preiß giebt.«

Lassen diese Zeilen, die das philosophische Denken Frankreichs zur


Zeit der Heraufkunft der Revolution spiegeln, nicht den vergeltenden
Zorn des Volkes und die Exzesse, die zum Raub oder zur Vernichtung
so vieler künstlerischer und historischer Schätze führen sollten,
erahnen? Im übrigen aber wendet sich Volney - wie Savary - auch
gegen gewisse Schriftsteller, »die der Meinung überdrüssig waren, es
handle sich bei den Pyramiden um Gräber«, und die »daraus Tempel
oder Observatorien haben machen wollen, weil es ihnen absurd vor-
kam, daß ein weises und gebildetes Volk eine Staatsaffäre aus dem
Grab seines Chefs machte.« Mit Scharfsinn lehnt er die entsprechen-
den Theorien ab, indem er darauf verweist, daß wir nicht nach unseren
Vorstellungen urteilen dürfen, sondern die der alten Ägypter in Rech-
nung stellen müßten. »Sie können nach Gründen gehandelt haben, die
uns freylich unerhört und unbegreiflich scheinen, und wenn auch ge-
sunde Vernunft selbst sie dafür erklärt, so haben sie vielleicht doch auf
jene Völker nichtsdestoweniger stark und überzeugend gewürkt.«

Volney lehnt es ab, bei der Beschreibung der Pyramiden das zu wieder-
holen, was seine bedeutendsten Vorgänger wie Paul Lucas, de Maillet,
Sicard, Pococke, Greaves, Norden und Niebuhr bereits gesagt haben
und stellt statt dessen allgemeinere Überlegungen an. Er schreibt, daß
die Autoren in den Maßangaben keine Übereinstimmung erzielen und
Reisende und Schriftsteller im Angesicht der Pyramiden 55

man auf keinen Fall jenen zustimmen dürfte, »die der Großen Pyra-
mide die gleiche Höhe wie Basislänge geben, weil das Dreieck deutlich
abgeflacht ist.« Er bringt dann seine Hoffnung zum Ausdruck, qualifi-
zierte Fachleute möchten sich bei aller gebotenen Sorgfalt der Aufgabe
annehmen, die exakte Basislänge festzustellen, weil das wahrschein-
lich zur Wiederentdeckung der ägyptischen Maßeinheiten führen
werde. Da es ferner schwierig sei, die Gliederung der inneren Räum-
lichkeiten der Pyramide anhand von Zeichnungen verständlich zu
machen, wäre es sinnvoll, ein Modell in verkleinertem Maßstab »aus
ungebranntem oder gebranntem Ton« herzustellen. Sein Pyramiden-
kapitel beschließt Volney mit dem innigen Wunsch, Ägypten möge
aus den Händen der Mamlûken befreit werden, damit »die Erde des
Nils und der Sand Libyens umgegraben« werden könnten: »Wenn eine
Nation, die die schönen Künste liebte, Aegypten besäße, so würde man
hier gewiß Quellen und Mittel zur Kenntniß der Vorwelt finden,
welche uns alle übrigen Theile der Erde versagen«. Volney hat sich
nicht geirrt. Sein Wunsch ging mit der berühmten Expedition d’Égypte
unter Napoleon Bonaparte 1798 in Erfüllung. Ihre Arbeiten und Ent-
deckungen bezeichnen den Beginn der Ägyptologie und wissenschaft-
licher archäologischer Untersuchungen. Sofern sie die Pyramiden be-
treffen, soll darüber und über die Erforschung bis in unsere Tage im fol-
genden Kapitel berichtet werden.

Zuvor aber gilt es noch die Unternehmung des Artillerieobersten


J. Grobert50 zu erwähnen, der vor seiner Teilnahme an der Kampagne
in Ägypten auf eigene Faust bei den Pyramiden geforscht hatte. Grobert
maß den Schriften Herodots über die Pyramiden den größten Wert zu.
Der Tochter des Cheops, die sich nach diesem Autor der Prostitution
hingegeben haben sollte, um auf diese Weise zu den Kosten für den
Pyramidenbau ihres Vaters beizutragen, wies Grobert ein Grab gegen-
über der Mitte der Südseite der Großen Pyramide zu, wo er eine kleine
Pyramide unter dem Sande zu erkennen glaubte, heute jedoch nur eine
Mastaba zu sehen ist*. In seinen Zeichnungen gibt er außer dieser
kleinen Pyramide eine zweite weiter östlich wieder, bei der es sich
ebenfalls nur um eine Mastaba gehandelt zu haben scheint. Des-
* Mastaba nannte Mariette die Grabbauten mit trapezförmigen Umriß, die für die hohen
Beamten des Alten Reiches errichtet wurden. Als Mastaba werden in Ägypten die ge-
stampften Lehmbänke gleicher Form bezeichnet.
56 Das Geheimnis der Pyramiden

gleichen glaubte Grobert, hierin ebenfalls Herodot folgend, der von


unterirdischen, von Nilwasser umflossenen Räumen, die als Grab des
Cheops gedient hätten, spricht, die Spur dieses Kanals, der das Wasser
aus dem Nil herangeführt hätte, in einem tiefen Graben gefunden zu
haben, der sich parallel zur Ostseite der Pyramide hinzieht, der jedoch
nach unserer heutigen Erkenntnis angelegt worden war, um eines der
großen »Totenschiffe« aufzunehmen, die beiderseits des oberen Pyra-
midentempels untergebracht waren (Abb. 37).

Grobert führte zahlreiche Messungen an der Großen Pyramide durch.


Er gibt die Höhe der einzelnen Steinlagen an und läßt sich über die
Schwierigkeiten bei der Bestimmung der Basislänge aus. Nichtsdesto-
weniger verwundert er sich darüber, daß de Maillet, der ja eine ganze
Reihe von Jahren in Ägypten verbracht habe, die Pyramidenhöhe im
Verhältnis zur Basis so habe übertreiben können (Abb. 4). Ebenso er-
staunlich findet er die Tatsache, daß Pococke und Norden (Abb. 5) dies
übernommen hätten. Er seinerseits publizierte dann einen schemati-
schen Schnitt, der den wirklichen Verhältnissen weiter angenähert ist
als alle Darstellungen seiner Vorgänger.

So intensiv sich Grobert dem Studium der Pyramiden auch widmete,


so wenig bewunderte er diese Bauten, die er in seiner Publikation als
»monströse Totenasyle« bezeichnet. Ganz durchdrungen von den
Ideen seiner Zeit, wendet er sich »gegen diese schwärmerischen
Reisenden, welche die Idee des Schönen mit dem Prinzip der großen
Masse vereinen und Leistungen der Kunst dort sehen wollen, wo man
nichts als die Geduld und die Erschöpfung eines versklavten Volkes
erkennen kann.«
2. Kapitel

Die »Expédition d’Égypte« und die


archäologische Erforschung der Pyramiden

Die französische Ägyptenexpedition bewältigte ein ansehnliches Pen-


sum an wissenschaftlicher Arbeit, wobei sie im Grunde die wichtig-
sten Fragen des Niltales anschnitt. Auf Anordnung Napoleons I.
wurden die Ergebnisse in der »Description de l’Égypte ou Recueil des
observations et des recherches qui ont été faites en Égypte, pendant
l'expédition de l'armée française« in Paris veröffentlicht. Die erste
Ausgabe erschien zwischen 1809 und 1822 und besteht aus 9 Folio-
textbänden und 12 Tafelbänden. Eine zweite, die sogenannte de
Panckoucke-Ausgabe, nunmehr anstelle des Kaisers dem König ge-
widmet, erschien zwischen 1821 und 1829 und umfaßt 26 Bände im
Format 8° und elf Tafelbände. In der erstgenannten Ausgabe sind vier
Text- und fünf Tafelbände, in der Panckoucke-Ausgabe zehn Text- und
fünf Tafelbände den Altertümern gewidmet. Die Abschnitte über die
Altertümer bestehen zu nahezu gleichen Teilen aus Beschreibungen
und Kommentaren zu den wichtigsten archäologischen Stätten von
Philä bis nach Alexandria einerseits und Abhandlungen über die ver-
schiedensten Themen andererseits. Jeweils mehrere Kapitel betreffen
die Pyramiden und damit in Zusammenhang stehende Probleme.

Die Beschreibung der Pyramiden unter topographischen Gesichts-


punkten stammt von Jomard und gilt zum einen dem Gebiet des
Faijûm, zum anderen dem Bereich von Memphis. Im Kapitel über
Memphis nehmen die Pyramiden von Gisa einen breiten Raum ein
unter der Überschrift: »Description generale de Memphis et des
pyramides, accompagnee de remarques geographiques historiques«51
(Allgemeine Beschreibung von Memphis und den Pyramiden, mit
Bemerkungen zu Geographie und Geschichte). Ergänzende Ausfüh-
58 Das Geheimnis der Pyramiden

rangen Jomards im zweiten Teil unter den Abhandlungen tragen den


Titel: »Remarques et recherches sur les pyramides d’Égypte«52 (Bemer-
kungen und Untersuchungen über die Pyramiden Ägyptens). Außer-
dem veröffentlichte er dort seine »Exposition du Systeme metrique des
anciens Égyptiens, contenant des recherches sur leurs connaissances
géométriques, géographiques et astronomiques et sur les mesures des
autres peuples de l’Antiquité«53 (Darlegungen zum Maßsystem der
alten Ägypter unter Einschluß von Untersuchungen über ihre Kennt-
nisse auf dem Gebiet der Geometrie, Geographie und Astronomie und
über die Maße anderer Völker der Antike).

Einige der Schlußfolgerungen, vor allem hinsichtlich der Bestimmung


der Königselle in Ägypten, werden zu Recht von P. S. Girard in seiner
Abhandlung »Sur le Nilométre de l’Ile d'Eléphantine et les mesures
égyptiennes«, ebenfalls in der Description de l’Égypte54 (über den Nil-
messer auf der Insel Elephantine und die ägyptischen Maße), bestritten.

Oberst Coutelle verdanken wir den Bericht über die unter seiner
Leitung gemeinsam mit dem Architekten Le Peré an den Pyramiden
von Gisa ausgeführten Arbeiten: »Observations sur les pyramides de
Guizeh et sur les monuments qui les environnent« 55 (Untersuchungen
über die Pyramiden von Gisa und die Denkmäler in der Umgebung).
Le Pére bildet auf den Tafeln 14 und 15 des V. Bandes Grundriß und
Schnitte der Großen Pyramide ab, während Tafel 16, mit den ent-
sprechenden Ansichten der 2. und 3. Pyramide sowie zweien der drei
kleinen Pyramiden an der Südseite der Mykerinospyramide - eine
stufenförmig wiedergegeben und die andere als 4. bezeichnet -, auf
Jomard zurückgeht. Die topographischen Karten des Gebietes von
Memphis und der Pyramiden fertigte Oberst Jacotin an. Die eindrucks-
vollen Zeichnungen der Großen Galerie, wovon eine auf Taf. 3 b
wiedergegeben ist, stammen von dem Architekten Cécile, der mit
seinem Kollegen Balzac sowie Dutertre und Conté auch für die Tafeln
mit verschiedenen Ansichten der Pyramiden verantwortlich zeichnet.

Jomard stand gleich Denon außerordentlich stark unter dem Bann der
Pyramiden, was aus folgender Schilderung hervorgeht: »Der Gesamt-
eindruck dieser Denkmäler56 vermittelt eine frappierende Erkenntnis:
Aus der Ferne haben ihre Spitzen die gleiche Art Wirkung wie die
Die archäologische Erforschung der Pyramiden 59

Gipfel hoher Berge von pyramidaler Form, die in den Himmel ragen
und deren Umrisse sich klar gegen den Himmel abzeichnen. Je näher
man aber kommt, desto mehr schwindet dieser Eindruck. Aus der
Nähe betrachtet, vermitteln diese regelmäßig aufgetürmten Massen
eine ganz neue Empfindung: Überraschung übermannt einen. Steigt
man zu ihnen hinauf, wandeln sich die Gedanken urplötzlich. Un-
mittelbar zu Füßen der Großen Pyramide aber wird man von mäch-
tigen Gefühlen ergriffen, die nur gemildert werden von einer Art
Betäubung, ja Ermattung. Spitze und Kanten entgleiten den Blicken.
Das, was man empfindet, hat nichts mit der Bewunderung für ein
Meisterwerk der Kunst zu tun, sondern geht tiefer. Die Wirkung liegt
in der Größe und Einfachheit der Formen, im Kontrast und dem Miß-
verhältnis von menschlicher Statur zum Umfang des Werkes, das aus
der Hand des Menschen hervorgegangen ist: Das Auge kann es nicht
fassen, selbst der Verstand vermag es kaum zu begreifen. Schließlich
beginnt man allmählich eine Vorstellung zu bekommen von diesem
riesigen Berg aus behauenen Steinen, ordentlich aufgetürmt zu uner-
hörter Höhe. Man sieht und berührt Hunderte von Steinlagen im
Umfang von 200 Kubikfuß mit einem Gewicht von Tausenden von
Tonnen. Und man versucht zu begreifen, welche Kraft diese Zahl
kolossaler Steinquader bewegt, geschleppt und auf einandergeschichtet
hat, wieviele Menschen daran wohl gearbeitet haben, wieviel Zeit sie
dazu gebraucht haben mögen, welche Werkzeuge ihnen zur Verfügung
gestanden haben mögen; und je weniger man sich all dies erklären
kann, um so mehr bewundert man die Macht, die diese Hindernisse
überwand.
Bald aber greift ein anderes Gefühl um sich. Betrachtet man das Aus-
maß der Beschädigungen im Innern, dann wird einem klar, daß die
Menschen mehr als die Zeit an der Zerstörung gearbeitet haben. Wenn
sie auch wohl die äußerste Spitze angegriffen hat, so waren es doch
jene, die die Steine hinabstürzten, so daß der Aufprall die Steinlagen
beschädigte. Auch die Basis wurde als Steinbruch benutzt, schließlich
verschwand die gesamte Verkleidung unter den Händen von Barbaren.
Mag man die Gewalt bedauern, so halte man diese nutzlosen Angriffe
doch gegen das Massiv der Pyramide, und man wird feststellen, daß es
nicht gelungen ist, es auch nur um ein hundertstel Teil zu mindern.
Dann wird man dem Dichter zustimmen müssen, der sagt: Leur masse
indestructible a fatigue le temps57...«
60 Das Geheimnis der Pyramiden

Bei den Beschreibungen und genauen Angaben stützt sich Jomard zum
einen vor allem auf die Beobachtungen des Astronomen Nouet und
zum anderen auf die exzellente Arbeit des Architekten Le Peré. Sein
Schnitt von der Großen Pyramide insbesondere gibt zum ersten Mal
annähernd richtig die Neigung der Seitenflächen und die Lage der ver-
schiedenen Gänge und Räumlichkeiten im Innern wieder. Im Gegen-
satz dazu sind die Zeichnungen von Greaves, Maillet, Norden, Savary
und anderen gerade in diesem Punkt doch noch recht ungenau ge-
wesen, da sie die Pyramiden im allgemeinen zu steil darstellten
(Abb. 4, die Große Pyramide, Schnitt nach Maillet).

Dennoch konnten Jomard und seine Mitarbeiter viele Einzelheiten der


Pyramidenanlage nicht befriedigend erklären: »Ich wiederhole, alles
ist doch sehr geheimnisvoll«, schreibt Jomard, »an der Bauweise und
Anlage dieses Monuments: die schrägen horizontalen und krummen
Kanäle, zudem von unterschiedlicher Größe, dann der enge Schacht,
die fünfundzwanzig Zapfenlöcher in den Vorsprüngen der Großen
Galerie, diese hohe Galerie selbst und schließlich der extrem niedrige
Gang, ferner die drei dem Hauptraum voraufgehenden Fächer mit ihrer
Form und ihren Einzelheiten, wofür es keine Analogie zu irgend etwas
Bekanntem gäbe, dann der große Granitblock, der in der Mitte des
einen Faches aufgehängt ist; überhaupt alles bis hin zu den schmalen,
tiefen Öffnungen, die in den Wänden des Mittelraumes enden und letzt-
lich die innere Kammer als Cella des Königs58...«

Dank der Forschungsarbeiten von Flinders Petrie, Borchardt und deren


Nachfolgern kann heute jedes dieser Details in der Cheops-Pyramide
mit technischer Begründung in Übereinstimmung mit den funerären
Erfordernissen erklärt werden, ohne daß noch nach anderen Gründen
gesucht werden müßte, wie dies noch bei Jomard der Fall war, als er
schrieb59:
»Der Gedanke, daß man in einem solchen Bauwerk Mysterien feierte
oder in den inneren Gemächern vielleicht Initiationsriten durchführte
und sich dort überhaupt kultische Zeremonien oder religiöse Riten
abspielten, darf nicht als unwahrscheinlich gelten . . . gleichwohl
können wir keine Beweise erbringen zugunsten einer solchen Aus-
legung, die ohne Zweifel eine Möglichkeit darstellt, welche aber durch
nichts Greifbares gestützt wird...«
Die archäologische Erforschung der Pyramiden 61

So wie Jomard voreilige Spekulationen z.B. über die Bestimmung der


ägyptischen Königselle aufgestellt hat, geriet er auch mit seiner Ver-
mutung auf Irrwege, die Große Pyramide habe dazu gedient, astrono-
mische Beobachtungen durchzuführen oder sei insgesamt gewisser-
maßen ein Denkmal ägyptischer Wissenschaft. Jomard meint: »Es
läßt sich durchaus begründen, daß der Gedanke des Grabes beim Bau
der Pyramiden ganz allgemein eine Rolle gespielt hat. Ich möchte nur
mit Nachdruck vertreten, daß die großen Pyramiden in ihrer Bauweise
Sonderbedingungen unterworfen waren. Die Wissenschaft hatte sich
ihrer bemächtigt und dort vielleicht sogar wichtige Erkenntnisse in
ihnen verschlüsselt, die heute aufgedeckt werden. In diesen Bau-
werken, ganz besonders aber bei der ersten Pyramide, war die funeräre
Bestimmung, wenn sie überhaupt eine Rolle gespielt hat, sicher nicht
der wichtigste Zweck, und es ist nicht einmal bewiesen, daß dort je ein
König nach seinem Tode beigesetzt war60«.

Jomard wußte zudem offensichtlich nicht, was man ihm aber auch
nicht zum Vorwurf machen kann, aus welcher Epoche in der Ge-
schichte der ägyptischen Architektur die Pyramiden stammen, denn
sonst hätte er im Zusammenhang mit diesen Bauwerken nicht ge-
schrieben: ». . . daß die Könige von Memphis mit denen von Theben
rivalisieren wollten, kann wohl nur die Unvernunft anzweifeln« 61. Die
archäologische Forschung seither hat die Überlegungen Jomards zu-
nichte werden lassen, aber wir führen sie hier an, weil sie auf viele Pyra-
midenforscher des 19. Jahrhunderts und sogar manche Schriftsteller
unseres Jahrhunderts ihre Wirkung nicht verfehlten. Im dritten Teil
dieses Buches werden wir die grundlegenden Irrtümer und Ungenauig-
keiten aufzeigen und richtigstellen.

Die eigentlichen Ausgrabungen, im übrigen die einzigen, die zur Zeit


der Expedition d’Égypte vorgenommen wurden, leiteten Oberst
Coutelle und der Architekt Le Peré, die von der zuständigen Kommis-
sion beauftragt worden waren, im Rahmen eines Gesamtplans von
Memphis bis zu den großen Pyramiden bestimmte Arbeiten auszu-
führen. An den Pyramiden von Gisa nahmen sie am 8. Februar 1801 die
Arbeit auf. »Hundert Mann Wachpersonal unter meinem Kommando
sicherten uns die Ruhe vor den Überfällen der Araber,« schreibt
Coutelle62, »einhundertfünfzig türkische Arbeiter wurden zunächst
62 Das Geheimnis der Pyramiden

einmal damit beauftragt, gemeinsam mit einem Teil der Truppe die
Basis der Großen Pyramide zu suchen, eine der kleinen Pyramiden
abzutragen, den Schacht der Großen Pyramide auszuräumen, die
Sphinx freizulegen und Gräber auszugraben. Während diese Arbeiten
liefen, beschäftigten wir uns damit, den Eingang der Großen Pyramide
und die Galerien und Kammern zu erkunden und zu vermessen; denn
obwohl sie von fast allen Reisenden beschrieben werden, müssen sie
doch Gegenstand unserer Untersuchungen sein

Über die Anordnung der Räumlichkeiten im Inneren der Großen


Pyramide, die Le Peré in Plänen, Schnitten und Ansichten zeichnete,
kamen tatsächlich sehr präzise Erkenntnisse zutage. Für diese beiden
hervorragenden Techniker wie für alle objektiven Beobachter konnte
es hinsichtlich rein praktischer Gründe oder bautechnischer Not-
wendigkeit für verschiedene Eigentümlichkeiten, die später einige
Theoretiker der Pyramiden verwirren sollten, nicht den Schatten eines
Zweifels geben. So schreibt Coutelle über die erste Kammer über der
Königskammer (Abb. 6)*: »Es kann nicht den leisesten Zweifel über
den Zweck der doppelten Decke geben, die aus keinem anderen Grund
als dem der Entlastung ausgeführt wurde, ähnlich wie wir das am Ein-
gang der Pyramide finden. Es galt zu vermeiden, daß der Sakralraum
unter dem darüber lastenden Gewicht zusammenbrach. Diese Vor-
kehrung war auch nicht ganz überflüssig, denn mehrere Steinplatten
dieser zweiten Decke sind an den Enden und die Granitblöcke, auf
denen sie aufliegen, sind an den Kanten gesprungen, einmal durch das
Gewicht der Steine an den Enden des Plafonds, die zur Entlastung ge-
legt sind, und zum anderen durch das Gewicht der Steine der darüber
lastenden Masse.«

Auch Coutelles Erklärung für die Anordnung der Fallsteine vor der
Königskammer stimmt: »Die Vorkammer weist auf beiden Seiten drei
Führungsrillen auf, die wohl für die Granitblöcke, die den Eingang zur
Grabkammer verschließen sollten, gedacht waren.«

* Coutelle und Le Peré kannten übrigens nur die erste dieser Entlastungskammern, für deren
Entdecker sie sich hielten. Wir haben jedoch im vorigen Kapitel erwähnt, daß ihnen
Davison in Begleitung des Konsuls Cosigny und des französischen Handelsherrn Meynard
um 35 Jahre zuvorgekommen war.
Die archäologische Erforschung der Pyramiden 63

Coutelle führte außerdem eine nicht ungefährliche Untersuchung des


Schachtes durch, der an der Großen Galerie endet (Abb. 3). Er stieg
darin bis über die Ausbuchtung hinaus ab, die eine Höhlung im Fels
bildet und die die Bezeichnung Grotte erhielt, und zwar bis zu der
Stelle, wo der Schacht mit Erde und Geröll angefüllt war. Er beschloß,
ihn freizuräumen, um den eigentlichen Schachtboden zu erreichen.
Als er jedoch 16 oder 17 m vorangekommen war, mußte die Arbeit
abgebrochen werden, weil die Wachmannschaft laut Militärbefehl
zurückbeordert wurde. Das ist die Erklärung dafür, daß der absteigende
Gang, in den der Schacht mündet, und die unterirdische Kammer, in
die dieser Gang führt, unbekannt blieben und in Le Perés Schnitt
nicht angegeben sind.

An den Außenseiten der Pyramide sollte eine Gruppe von Arbeitern


die Nordostkante freilegen, um zumindest an dieser Stelle auf die
Grundkante zu kommen. Schließlich erschien der Bereich des an-
stehenden Gesteins, in den einst der Eckstein der Verkleidung einge-
lassen gewesen sein mußte. Coutelle und Le Peré ermittelten dann als
Seitenlänge der Pyramide 232,747 m, um fast 2,40 m mehr als die Zahl,
die heute gilt. Jomard seinerseits glaubte, daß die fragliche Kante nicht
die der eigentlichen Basisverkleidung sei, sondern der Eckstein eines
Sockels von 0,924 m Breite. Er errechnete als Seitenlänge der ver-
kleideten Pyramide 230,902 m, nur 0,54 m mehr als in Wirklichkeit.
Zuvor aber hatte er dem Astronomen Nouet für die Aufstellung seiner
Berechnungen als Maß für die sichtbare Seitenlänge ohne Verkleidung
die Zahl 227,32 m angegeben. All diese unterschiedlichen Werte
trugen dazu bei, daß in den aus den Maßen der Großen Pyramide abge-
leiteten Spekulationen vieler Autoren so große Verwirrung herrscht.

Flinders Petrie kam dann nach neuerlichen Grabungen zu der Ansicht,


daß die Pyramide keinen Sockel aufgewiesen, sondern die Verkleidung
und ein Teil des Massivs auf einer ersten Stufe aufgelegen hätten, deren
sorgfältig abgearbeitetes Oberlager das gleiche Niveau gehabt hätte
wie der Boden des angrenzenden Hofes. Während nach Petrie an allen
Eckkanten der Verkleidungsblock bis in den zu diesem Zweck ausge-
hauenen Fels hinabgereicht hätte63 und das Pflaster des Hofes auf die
Verkleidung gestoßen wäre (Abb. 7B), befürwortet Borchardt eine
andere Lösung (Abb. 7 A): Demnach hätte der Eckblock der Verkleidung
64 Das Geheimnis der Pyramiden

auf einer etwas dickeren Steinplatte (D) aufgelegen, die in den Fels ein-
gelassen gewesen wäre64.

Abb. 7: Schema der Verkleidungssteine an der Grundkante der Cheopspyramide


(A nach Borchardt, B nach Petrie)

Um die Höhe der Pyramide zu ermitteln, hatten Jomard und der


Architekt Cecile 1799 sämtliche Steinlagen, deren sie 203 zählten,
Stück für Stück gemessen. »Als erste zählte eine behauene Stufe im
Fels, die in einer Höhe von 1,082 m sichtbar ist.« Sie berechneten daher
die Gesamthöhe auf 138,30 m, und nach Abzug von zwei zerstörten
Lagen auf der Spitze mit zusammen 1,117 m kamen sie auf eine Höhe
der Plattform von 137,218 m.

Der Astronom Nouet dagegen hatte auf dem Wege trigonometrischer


Berechnungen die Höhe der Plattform mit 137,531 m ermittelt, wobei
er die unterste Stufe mit 1,14 m statt 1,082 m ansetzte.

Schließlich vermaßen Coutelle und Le Peré 1801 mit einem eigens


angefertigten Instrument sämtliche Lagen der Pyramide noch einmal
und erhielten als Höhe für die Plattform 138 m. Da sie die Eckkanten
nun vollends freigelegt hatten, kamen sie für die aus dem Fels aus-
gehauene Lage, die als Sockel interpretiert worden war, auf 1,849 m,
d. h. also 0,767 m mehr als Jomard.

Bezieht man die drei unterschiedlichen Höhenangaben der Pyramide


auf ein und dasselbe Basisniveau, dann stellt man fest, daß die Ergeb-
nisse von Coutelle und Le Peré denen von Jomard und Cecile fast
gleichen, und einmal nicht mehr als 1,5 m darüber liegen bzw. um
24 cm von der trigonometrischen Berechnung durch Nouet abweichen.
Die archäologische Erforschung der Pyramiden 65

»Diese Werte liegen derart eng beieinander«, schließt Jomard, »daß


jeder dieser Werte verwendet werden kann, ohne einen schwer-
wiegenden Irrtum befürchten zu müssen.«

Die Gesamthöhe der Pyramide mit Verkleidung schätzte Coutelle


unter Einschluß des von ihm angenommenen Sockels auf 146 m, d. h.
144,15 m über letzterem. Diese Messung wurde später von Jomard mit
genau 144,194 m festgesetzt, d. h. um 2,45 m weniger als die heute
akzeptierte Zahl.

Coutelle und Le Peré schlössen ihre Grabungen in Gisa mit dem ver-
geblichen Versuch ab, in die südöstliche der drei kleinen Pyramiden an
der Südseite der Mykerinos-Pyramide einzudringen, die oft als vierte
Pyramide bezeichnet worden ist. Sie hatten gehofft, hier einen Sar-
kophag und eine unberührte Grabausstattung finden zu können. Da
sie aber die Lage der inneren Räumlichkeiten nicht kannten, hatten sie
schon beschlossen, die Pyramide vollständig abzutragen. Glücklicher-
weise wurde dieses unsinnige Unterfangen verhindert, und zwar aus
den gleichen Gründen und zur selben Zeit wie die Arbeiten zur
Räumung des Schachtes in der Großen Pyramide.

Die Ausgrabungen der französischen Expedition an den Pyramiden


erbrachten auf diese Weise geringe Ergebnisse, obwohl sie dennoch
eine der Hauptetappen darstellen hinsichtlich der Erforschung und Ver-
messung der Großen Pyramide. Zweifelsohne waren es die Beobach-
tungen und Abhandlungen Jomards in der Description de l’Égypte, die
die Aufmerksamkeit auf die zahlreichen Probleme der großen Pyra-
miden lenkten, und so stellten sich denn auch kurz nach dem Ende
der napoleonischen Epoche und der Wiederherstellung des Friedens
in Europa neue Forscher in Ägypten ein.

Die einzige zugängliche Pyramide in Gisa war nach wie vor die Große
Pyramide, und doch war das gesamte Innere noch nicht vollständig
untersucht worden. Im Januar 1817 machte sich Caviglia daran, mit
Unterstützung von Kabitziet und Fuentes den Schacht, den Coutelle
und Le Peré im Jahre 1801 aufgeben mußten, vollkommen freizulegen.
Als sie etwa 15 m weit bis zu dem Punkt gekommen waren, wo er sich
nach Süden wendet, verweigerten die Arbeiter die Fortsetzung der
66 Das Geheimnis der Pyramiden

Arbeit, weil sich die Luftzufuhr als unzureichend erwies. Wieder


scheiterte das Unternehmen an widrigen Umständen. Caviglia be-
schloß, sich den absteigenden Gang noch einmal vorzunehmen, und
zwar an der Stelle, wo er über eine Passage der Grabräuber zur Um-
gehung der Granitblöcke, die den aufsteigenden Gang blockierten, mit
dem aufsteigenden Gang zusammenstößt. Er stellte entgegen der bis-
herigen Meinung fest, daß sich der absteigende Gang mit dem gleichen
Neigungswinkel nach Süden fortsetzt. Nach ungefähr 65 m wurde
eine Öffnung in der Wand sichtbar, aus der sich Schwefelgeruch be-
merkbar machte, der sich im Schacht angesammelt hatte, um dort
die Luft zu reinigen. Es handelte sich um nichts anderes als das untere
Ende des Schachtes, und sofort stellte sich die Luftzirkulation mit den
oberen Gängen her.

Zu diesem Zeitpunkt schlössen sich der britische Konsul Salt und


Briggs den Ausgräbern an, die nach Freiräumung des absteigenden
Ganges bald die unterirdische Kammer erreichten, die bis dahin der
neueren Zeit verborgen geblieben war. Sie entdeckten hier griechische
und lateinische Buchstaben, die mit Ruß an die Decke geschrieben
waren und hielten sie für Graffiti aus römischer oder byzantinischer
Zeit; nach G. Goyon (Inscriptions et graffiti... sur 1a Grande Pyramide,
p. 92, No. 2) handelt es sich vor allem um die Abkürzung von Mercator,
dem latinisierten Namen von Gerhard Kremer, dem berühmten
flämischen Geographen aus dem 16. Jahrhundert.
Da der Ausstiegsschacht in den absteigenden Gang mündet und die
Verbindung zu den oberen Gängen herstellt, muß angezweifelt werden,
daß diese bis zur Zeit des al-Ma’mûn unbekannt geblieben wären.

Caviglia schloß unter anderem auch die Freilegung der sogenannten


»Königinnenkammer« ab in der Hoffnung, dort einen Sarkophag zu
finden, hatte aber keinen Erfolg. Dann machte er sich an die aus dem
Fels gehauenen Räumlichkeiten an der Westseite der zweiten Pyra-
mide und legte die Sphinx teilweise frei. Im übrigen stellte er Spuren
eines Überzugs oder roter Bemalung ähnlich der noch heute an der
Sphinx sichtbaren auch an mehreren Stellen an der Basis der Chephren-
Pyramide und auf Verkleidungsblöcken der Westseite der Großen
Pyramide fest, was für ihn den Schluß nahelegte, die Bauwerke seien
einst rot bemalt gewesen. *
Die archäologische Erforschung der Pyramiden 67

Während die Arbeiten Caviglias an der Großen Pyramide noch im


Gange waren, hatte Salt Giovanni Belzoni aufgefordert, sich dem
Unternehmen anzuschließen. Belzoni hatte an sich die Absicht, Aus-
grabungen durchzuführen, lehnte aber Salts Angebot ab. Kurz darauf,
zu Beginn des Jahres 1818, gelangte Belzoni in den Besitz eines
Firmans** und erreichte es, an der zweiten Pyramide sein Lager aufzu-
schlagen, um den Eingang zu suchen, trotz des nicht lange zurück-
liegenden Mißerfolges von Caviglia und aller derer, die sich ebenfalls
in dieser Sache engagiert hatten. Einige Beobachtungen hatten Belzoni
ermutigt, so vor allem die Tatsache, daß der Schutt an der Nordseite
dieser Pyramide höher lag als das Niveau des Eingangs zur Großen
Pyramide. Er begann also mit der Freilegung der Nordseite und ent-
deckte zunächst einmal einen Grabräubergang, dem er jedoch nicht
nachgehen konnte, weil es zu gefährlich war. So setzte er seine
Recherchen fort und stieß etwas mehr als 10 m östlich dieser Stelle auf
drei große Granitblöcke, die einen absteigenden Gang verschlossen.
Dieser mit großen Steinen und Schutt angefüllte Gang wurde in drei
Tagen bis zum Ende seiner Biegung freigeräumt, wo sich ein halb her-
untergelassender Fallstein befand (Abb. 8). Belzoni mit seiner massigen
Figur mußte warten, bis man den Fallstein weiter in die Höhe gehoben
hatte, während sein Mitarbeiter Athanasi mit einem der Arbeiter bis

* Unbestreitbar sind auf dem Antlitz der Sphinx rötlich-ockerfarbene Farbspuren erhalten.
Bei der Pyramidenverkleidung sind die Verhältnisse nicht so eindeutig. Mehrere solcher
Fragmente mit rötlicher oder rose-orangefarbener Oberfläche sind von Chemikern des
Ägyptischen Museums in Kairo untersucht worden. Sie versichern, daß diese Tönung auf
das Phänomen zurückzuführen sei, daß sich unter der Lufteinwirkung Eisen- und Mangan-
salze, die im Kalkstein enthalten sind, an der Oberfläche kondensieren. So z. B. A. Lucas:
Were the Giza pyramids painted? in: Antiquity XII, p. 26-30, Gloucester 1938. A. Pochan
hingegen, der chemische Analysen an Verkleidungsblöcken von der Chephren-Pyramide
vornahm und dann spektrographische Analysen an vier Fragmenten von der Großen Pyra-
mide durchführte, versichert, daß die Denkmäler mit einer Farbauflage auf der Basis
Ocker-Rot versehen gewesen seien. Pochan: Observations relatives au revetment des
deux grandes pyramides des Giza, in: BIE XVI; und Note relative ä 1a peinture des grandes
pyramides de Giza, in: BIE XXXV, p. 377-383 mit 3 Tafeln. Nach Gegenüberstellung dieser
beiden diametral entgegengesetzten Standpunkte in einem Referat vor dem Institut
d’Égypte am 2. März 1953 haben wir unseren Standpunkt veröffentlicht. J.-P. Lauer:
Observations sur les Pyramides, in: BIFAO XXX, p. 31-40; Ergebnis: bis heute besitzen wir
keinen eindeutigen Beleg für die Behauptung, die beiden großen Pyramiden von Gisa und
Dahschûr seien außen bemalt gewesen.
** Belzoni hat stets behauptet, daß dieser Firman auf seinen eigenen Namen ausgestellt
gewesen sei, während sein Mitarbeiter Athanasi versicherte, daß er ihn nur in der Eigen-
schaft als Dragoman Salts erhalten habe, der die Arbeiten finanzierte. Nach Belzoni habe
es sich dabei um ein Darlehen gehandelt, das er zurückgezahlt habe.
68 Das Geheimnis der Pyramiden

zur Grabkammer vordrang, die einen Granitsarkophag ohne Inschrift


enthielt (Abb. 9), der Deckel war zerbrochen. An der Westseite der
Kammer bewies eine Inschrift in Arabisch, daß nach der Hedschra

Abb. 8: Die Pyramide des Chephren

jemand bis hierher vorgedrungen war. Auf der Südwand brachte Bel-
zoni in riesigen rauchgeschwärzten Lettern seinen Namen und das
Datum der Entdeckung - 2. März 1818 - an. Von innen her erreichte
er dann schließlich auch die übrigen Gänge und die unterirdische
Kammer der Pyramide.

Da auf diese Weise die Erforschung der zweiten Pyramide abge-


schlossen war, zog er seine Mannschaft zur dritten ab und versuchte
dort ebenfalls, die Nordseite freizulegen, aber diesen Versuch mußte er
angesichts der vielen umherliegenden Granitblöcke von der Ver-
kleidung aufgeben.
Die archäologische Erforschung der Pyramiden 69

In der Auswertung seiner Entdeckungen in der zweiten Pyramide be-


trachtete Belzoni das Vorhandensein eines Sarkophages als neuen
Beweis für die Bestimmung der Bauwerke als Grabanlagen: »Da die
eine wie die andere Kammern und Sarkophag enthielten«, schreibt er
über die beiden großen Pyramiden65, »die sicher als Begräbnis einer

Abb. 9: Der Sarkophag des Chephren, nach U. Hölscher

hochgestellten Persönlichkeit gedacht waren, bleibt wohl kein Zweifel


daran, daß beide als Grabbauten gedient haben, und ich begreife kaum,
wie man dies noch hat in Frage stellen können nach der Anschauung
der ersten Pyramide, die doch seit langem zugänglich ist . . . Der
Wunsch, etwas Neues zu finden, hat die abwegigsten Vermutungen
hervorgebracht, und es scheint, als hätte man besser alle Sorgfalt darauf
verwandt, sich dem zu öffnen, was sich ganz natürlich den Blicken und
dem Verstande darbietet. Wenn die Alten vielleicht überliefert hätten,
daß die Ägypter die Pyramiden zum Zwecke der Schatzkammer
errichteten, hätten die Heutigen wohl mit aller Gelehrheit bewiesen,
daß es sich um nichts anderes als Gräber handeln könne. Dann hätte
man zugunsten der Wahrheit gewiß all die Umstände gewertet, die
man heute gern übersieht...«

Bald nach Caviglias und Belzonis Pyramidenuntersuchungen unter-


nahm der preußische General von Minutoli eine Ägyptenreise, in
deren Verlauf er mit Hilfe des italienischen Ingenieurs Segato 1821 die
Stufenpyramide in Saqqâra besuchte. Von Minutoli veröffentlichte
seine Beobachtungen in »Reise zum Tempel des Jupiter Ammon«,
Segato schrieb darüber in »Saggi pittorici«. Segato gab die Gänge im
Innern wieder und legte gemeinsam mit D. Valeriani66 eine Rekon-
70 Das Geheimnis der Pyramiden

struktion in Farbe von einem der mit blauen Fayencekacheln ver-


kleideten Räume vor, die im Verlaufe der Erkundung entdeckt worden
waren. Valeriani erwähnt auch verschiedene Objekte, die in der
Pyramide gefunden wurden, vor allem die Reste einer wertvollen
Mumie, die Grabräuber in der Antike in einer Ecke eines Ganges
liegengelassen hatten67. Auch von Minutoli widmete diesem Fund ein
paar Zeilen, im besonderen erwähnt er »einen stark vergoldeten
Schädel« * und zwei ebenfalls vergoldete Fußsohlen »ohne Zweifel die
Reste hier beigesetzter Fürsten.« ** Unglücklicherweise wurde die ge-
samte für Preußen bestimmte Ladung bei einem Schiffbruch ver-
nichtet. Mehr als ein Jahrhundert danach haben Battiscombe Gunn
und wir selbst noch weitere Funde in der Granitkammer gemacht,
darunter war ein vollständig erhaltener Fuß. Die altertümliche Art der
Mumifizierung verweist diesen Fuß eindeutig ins Alte Reich, und es
wäre durchaus denkbar, daß er zur Mumie des Königs Djoser gehört
hat, für den diese Pyramide errichtet wurde68.

Als wichtigstes Pyramidenunternehmen im 19. Jahrhundert verdient


zweifellos das des Obersten Howard Vyse – von dem Ingenieur J. S.
Perring fortgesetzt – genannt zu werden. Nachdem Oberst Vyse Vor-
schläge zur Erforschung der Pyramiden von Gisa unterbreitet hatte,
gelang es ihm, mit der Unterstützung des Generalkonsuls Ihrer
Majestät von Großbritannien, Oberst Campbell, vom Vizekönig
Mohammed Ali Pascha einen Firman zu bekommen. Die Kosten des
Unternehmens teilten sich zu gleichen Teilen Vyse, Campbell und
Vizekonsul Sloan. Mit der Durchführung der Arbeiten wurde auf Vor-
schlag von Campbell und Sloan Caviglia beauftragt, weil er bereits an
den Pyramiden tätig gewesen war. Eine erste Überweisung von Vyse
an Caviglia erfolgte am 2. November 1836, und Vyse und Hill be-
sprachen den Arbeitsplan in allen Details mit ihm vor Ort, bevor sich
Vyse am 25. November auf eine Reise nach Oberägypten begab. Als er
am 24. Januar 1837 von dort zurückkehrte, mußte er mit Erstaunen
feststellen, daß Caviglia mit einer nur sehr geringen Anzahl von
* Offenbar handelt es sich um eine mit Blattgold belegte Totenmaske und Sandalen.

** Die von Minutoli entdeckten hieroglyphischen Inschriften in den unterirdischen


Räumen waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht lesbar, die Entzifferung der Hieroglyphen
durch Champollion fand erst 1822 statt. Die Inschriften geben die Königstitulatur des
Horus Neterichêt wieder, bekannter unter dem Namen Djoser, der höchstwahrschein-
lich die 3. Dynastie begründete.
Die archäologische Erforschung der Pyramiden 71

Arbeitern an die Untersuchung der drei Pyramiden gegangen war und


bis dahin nicht mehr als drei Mumienschächte zwischen der Sphinx
und der zweiten Pyramide freigelegt hatte. Die wiederholten Vor-
haltungen von Vyse nahm Caviglia nicht zur Kenntnis.

Da Vyse einen Lageplan der Pyramiden anfertigen wollte, brachte ihn


sein Mitarbeiter Hill mit dem Ingenieur Perring zusammen, der soeben
mit der notwendigen Ausrüstung in Ägypten eingetroffen war. Perring,
der im übrigen mit anderen Aufgaben beschäftigt war, ging auf Vyses
Vorschlag ein und wurde nicht müde, ihm seine größte Unterstützung
angedeihen zu lassen, die sich als außerordentlich fruchtbar erweisen
sollte. Vyse und Perring begannen ihre gemeinsame Arbeit mit Ver-
messungen im Innern der Großen Pyramide.

Am 10. Februar erschienen in Abwesenheit Caviglias die Schechs des


benachbarten Dorfes und boten zusätzlich 200 Mann Arbeiter an, die
einer Aushebung für Kanalarbeiten entgehen wollten. Vyse nahm das
Angebot an und überstellte die Arbeiter nach dessen Rückkunft aus
Kairo an Caviglia, damit er schneller vorankäme. Aber angesichts
neuer Schwierigkeiten mit ihm, vor allem aufgrund seiner unerträg-
lichen Arroganz, beschloß Vyse, die Zusammenarbeit aufzukündigen
und auf der Stelle von Campbell die Absetzung Caviglias zu verlangen.

Anders als Caviglia erwartet hatte, gab Campbell sein Einverständnis


und teilte ihm am 12. Februar brieflich seinen Entschluß mit.

Von nun an übernahm Vyse, assistiert von Hill und bald auch von
Raven, die Leitung der Arbeiten. Er stützte sich vor allem auf den Rat
Perrings, der bald noch einen weiteren tüchtigen Ingenieur namens
Nash hinzuzog. Perring brauchte gar nicht lange, bis er die Außen-
mündung des Luftschachtes von der Nordseite der Grabkammer der
Großen Pyramide gefunden hatte. Da dieser Schacht zum größten Teil
verstopft war, man jedoch annahm, daß er die Königskammer mit
weiteren, bisher nicht bekannten Räumen verbinde, mußte er frei-
gelegt werden, was nur mit Hilfe von Bohrern bewerkstelligt werden
konnte. Gleichzeitig wurden die Untersuchungen in der Pyramide
vorangetrieben, vor allem an der dem Zugang gegenüberliegenden
Seite der ersten Entlastungskammer, der sogenannten Davison-
72 Das Geheimnis der Pyramiden

Kammer (Abb. 6), wo Caviglia nach Süden vorstoßen wollte. Perring


riet, diese Passage aufzugeben und statt dessen in der Nordostecke der
Entlastungskammer nach oben zu gehen. Wirkliche Fortschritte
konnten hier jedoch erst erzielt werden, nachdem man sich um Spreng-
pulver an die Steinbrucharbeiter in den Mokkattam-Brüchen gewandt
hatte.
In diese Arbeiten an der Großen Pyramide wurden auch die an der
zweiten und dritten Pyramide eingeschlossen. Bei der zweiten handelte
es sich darum, den Eingang des absteigenden Ganges zu finden, den
Belzoni nicht hatte freiräumen können. Bei der dritten Pyramide, die
bis dahin allen neueren Versuchen widerstanden hatte, galt es, ins
Innere vorzudringen.
An der Chephren-Pyramide stellte sich das erhoffte Resultat bald ein,
und zwar bereits am 9. März 1837; nicht so jedoch an der Pyramide des
Mykerinos, wo sich das Vordringen in den Gang an der Nordseite in der
großen Bresche, die Osman Bey zugeschrieben wird, als langwierige
und mühselige Operation erwies. Er führt zunächst waagrecht (Abb. 10)
und dann zur Mitte der Pyramide hin fast senkrecht nach unten.
In der Großen Pyramide war inzwischen über den senkrechten Stollen,
den Perring an den Granitplatten entlang, die die erste Entlastungs-
kammer abdeckten, hatte schlagen lassen, am 29. März eine zweite
solche Kammer erreicht, die Vyse nach Wellington benannte (Abb. 6).
Dieser Entdeckung folgten im Laufe der Monate April und Mai die
Auffindung der weiteren drei Entlastungskammern, die nach Nelson,
Lady Arbuthnot und Campbell benannt wurden. Sie lagen über den
ersten beiden, und nun war auch klar, daß es sich hierbei um ein Ent-
lastungssystem für die Königskammer handelte. Die letzte der
Kammern weicht nur insofern von den übrigen ab, als die Deckplatten
giebelartig gegeneinander gelegt sind. Auf einigen Blöcken der Ent-
lastungskammern wurden hieroglyphische Inschriften oder Stein-
metzmarkierungen gefunden, so vor allem in den beiden obersten, wo
mehrmals die Kartusche des Chufu, d. h. die ägyptische Schreibung für
Cheops, vorkommt. Aufgrund dieser wichtigen Dokumente bestätigte
sich nun mit voller Sicherheit die Zuweisung der Pyramide an diesen
König, eine Zuschreibung, die bis dahin im wesentlichen auf den
Angaben Herodots basierte. Vyse wies darüber hinaus auf die Tatsache
hin, daß diese Zeichen an Stellen auftraten, die nach Vollendung des
Bauwerks nicht mehr zugänglich gewesen waren, somit die Hiero-
Die archäologische Erforschung der Pyramiden 73

glyphen also bereits vor der Pyramidenepoche vorhanden gewesen


sein mußten, was für Jomard von der Expedition d’Égypte noch als
unwahrscheinlich gegolten hatte.

Während die Arbeiten im Innern der Großen Pyramide derartige Ent-


deckungen mit sich brachten, wurde im Rahmen weiterer Nach-
forschungen vor allem die Südseite nach einem zweiten möglichen
Eingang abgesucht. Das Verhältnis des immensen Volumens dieses
Bauwerks zum bescheidenen Umfang der inneren Räume und Gänge
sowie die Tatsache, daß der nördliche Luftschacht ein wenig aus der
Achse nach Osten verschoben war, hatte die Vermutung aufkommen
lassen, daß es auf der Südseite ein zweites System innerer Räumlich-
keiten geben könnte, die möglicherweise leicht nach Westen ver-
schoben gewesen wären. Die am 22. Februar begonnenen Unter-
suchungen wurden erst drei Monate später abgeschlossen. Nur unter
erheblichen Schwierigkeiten konnte eine Bresche in das Massiv erzielt
werden. Allerdings fanden sich keine Hinweise, die die Hypothese
hätten stützen können, und so schien also der Nordeingang der
einzige Zugang ins Innere zu sein.

Im Zuge dieser Untersuchung aber wurde das äußere Ende des süd-
lichen Luftschachtes völlig intakt aufgefunden. Die Mündung liegt auf
der gleichen Höhe wie die des nördlichen Schachtes und mißt 22,5 cm
in der Breite und 23 cm in der Höhe. Da die Grabkammer aus dem
Zentrum nicht unerheblich nach Süden verschoben ist, ist der süd-
liche Luftschacht kürzer und steiler in der Neigung als der nördliche.
Aus diesem Grunde konnte er in nur wenigen Tagen freigeräumt
werden, was sich als viel einfacher als beim nördlichen Schacht
herausstellte. Damit war die Ventilation für die Pyramide wieder her-
gestellt. Da nun der Zweck der beiden schmalen Schächte hinreichend
geklärt war, gab Vyse die Idee, sie könnten noch weitere Räume und
die Grabkammer miteinander verbinden, auf, obwohl er im Gefolge
von Caviglia lange daran geglaubt hatte. Er verzichtete auf weitere
Nachforschungen in dieser Richtung*.

* Goyon hat während seiner Untersuchungen über die Graffiti auf der Pyramide eine Orange
in die Öffnung des Südschachtes geworfen, die sofort in der Grabkammer wieder zum
Vorschein kam. Dieses Experiment beweist, daß sich auf dem Wege keine weiteren
Kammern befinden.
74 Das Geheimnis der Pyramiden

Ende Mai kamen nach Grabungen an der Ostseite der Großen Pyra-
mide Reste eines Basaltpflasters und weitere Spuren eines Tempels
zutage. Damit galt die Erforschung der eigentlichen Pyramide als abge-
schlossen. Noch einen Monat lang befaßte man sich lediglich mit
Aufräumungsarbeiten in den Kammern und Gängen und nahm sich
die Nordseite noch einmal vor.

Seit Anfang Juni dann konzentrierten sich die Hauptanstrengungen


auf die Suche nach dem Eingang der dritten Pyramide und nach den
Eingängen der drei kleinen Pyramiden an der Südseite (Taf. I a). Bei Ver-
folgung des bereits erwähnten Ganges nämlich, der von der Bresche
aus ins Innere führte, hatte man bei Erreichung des anstehenden
Gesteins keine Grabräume gefunden. Daraus zog Vyse den Schluß, daß
die Grabräume unterirdisch liegen müßten (Abb. 10). Er beschloß
daher, die gesamte Nordseite der Pyramide freizuräumen, was viel
Aufwand erforderte, weil sich dort die heruntergefallenen Steinblöcke
auftürmten.

Abb. 10: Pyramide des Mykerinos, Schnitt, nach J. S. Perring

Bei den drei kleinen Pyramiden nahm er zunächst diejenige in Angriff,


die bisweilen als vierte Pyramide bezeichnet worden ist und zwischen
den beiden anderen liegt. Sie ist, wie eine der beiden anderen, in Stufen
angelegt. Bei allen drei Pyramiden wurde an der Nord- und Südseite je
Die archäologische Erforschung der Pyramiden 75

eine Art Tunnel in das Massiv vorgetrieben. Als die Tunnelarme in der
Mitte zusammenstießen, ohne daß man auf einen Raum gestoßen
wäre, entschied Vyse, in Höhe der Grundlinien Stichstollen in unter-
schiedliche Richtungen anzulegen, um so vielleicht auf die Öffnung
eines großen Schachtes zu stoßen.

Am 30. Juni schließlich, eigentlich mehr zufällig aufgrund der Be-


obachtungen eines Grabungsarbeiters, entdeckte man den Eingang der
fünften Pyramide in der Basis der Verkleidung auf der Nordseite. * Der
fast vollständig aus dem Fels gehauene absteigende Gang mündete in
einer unterirdischen Kammer. Die Nachforschungen unter dem
Massiv der vierten Pyramide wurden daraufhin sofort abgebrochen
und die Arbeiter nach draußen abgezogen, um die Nordseite freizu-
räumen.

In der fünften Pyramide stößt der absteigende Gang an einen Fallstein


aus Granit, der von den Grabräubern umgangen worden war. Hinter
dem Fallstein mündet eine kurze, waagrecht verlaufende Passage in
der Mitte der Grabkammer mit der Längsachse in ost-westlicher
Richtung. Ein Sarkophag aus Granit, dem des Chephren ähnlich, aber
etwas kleiner, war auf die gleiche Weise wie dort in die Bodenplatten
eingelassen, der Deckel gewaltsam geöffnet. Im ganzen Raum fand
sich nicht die Spur einer Hieroglyphe oder von Skulpturen, dagegen ein
paar Zeilen des 112. Korankapitels auf der Stuckverkleidung der Süd-
wand. Der Vergleich dieser Inschrift mit denen in mehreren anderen
Pyramiden, vor allem der zweiten und dritten, ergab, daß alle diese
Bauwerke in der gleichen Epoche auf Befehl der Kalifen geöffnet
worden waren.

Am 4. Juli wurde der Eingang der vierten Pyramide entdeckt. Dieser


ist weit nach Westen aus der Achse verschoben und liegt ungefähr 4 m
nördlich der Basis. Abstieg und Kammern sind vollständig aus dem
Fels herausgearbeitet. Letztere bestehen aus einer Vorkammer an der
Westseite, von der aus eine kurze schräge Passage zur Grabkammer
führt, die, in Nord-Süd-Richtung angelegt, nahe der Westwand eben-
falls einen Granit-Sarkophag enthält, noch etwas kleiner als der in der
* Es handelt sich um die östlich der vierten gelegene. Bei den Autoren vor Vyse wird die
Numerierung dieser Pyramiden meist vertauscht.
76 Das Geheimnis der Pyramiden

5. Pyramide. Der Deckel lag auf dem Boden an der Südwand. Im Innern
des Sarkophages befanden sich noch einige Knochen, darunter eine
verhältnismäßig zierliche Kinnlade mit bemerkenswert schönen
Zähnen, offenbar von einer Frau. Einige wenige verstreute Holzfrag-
mente hatten wohl zum inneren Sarg gehört. Inschriften waren auch
hier keine vorhanden, bis auf ein paar Zeichen in Rot auf einer der
Deckenplatten der Grabkammer, die u. a. die Kartusche des Menkaure
(Mykerinos) enthielten.

Anschließende Nachforschungen darüber, warum die Innenräume


nach Westen verlagert worden waren, brachten keine Erklärung.
Dagegen wurde sehr bald der Eingang der sechsten Pyramide* im Fels
in geringer Entfernung von der Nordseite und leicht nach Westen ver-
schoben, gefunden. Der absteigende Gang endet in einer Vorkammer,
an die sich nach Westen nach einer kurzen Passage die rechteckige
Grabkammer mit nord-südlicher Längsachse anschließt. Der unfertige
Raum, den die Steinmetzen offenbar mitten in der Arbeit verlassen
hatten, enthielt keinen Sarkophag. Aber inmitten des Schutts lagen
einige Schlegel und Hämmer aus Stein sowie ein paar Holzreste, die zu
Staub zerfallen waren.

Die Grabungsarbeiter wurden dann am 27. Juli an die Ostseite der


Cheopspyramide zurückbeordert, um die drei kleinen Pyramiden, die
von Norden her als siebte, achte und neunte gezählt werden, zu unter-
suchen. Schon am folgenden Tag hatte man die Eingänge der siebten
und neunten entdeckt, während der Eingang der achten fünf Tage
später festgestellt wurde. Jede dieser Pyramiden weist einen absteigen-
den Gang auf, der von der Nordseite der Verkleidung ausgeht und
jeweils in einer Vorkammer endet, die nach einer kurzen Passage nach
Westen in die Grabkammer führt. Die Grabkammern wiesen noch
Spuren einer ehemaligen Verkleidung mit weißem Kalkstein sowohl
an den Wänden wie an der Decke auf. In der siebten Pyramide fand
man Fragmente aus poliertem schwarzen Basalt, die sicher vom Sarko-
phag stammten. In der achten und neunten Pyramide dagegen konnten
Sarkophage nicht nachgewiesen werden. Die beiden zuletzt genannten
besaßen dagegen noch Reste ihrer Verkleidung von großer Ähnlichkeit
mit der der Cheopspyramide.
* Die kleine Stufenpyramide westlich der vierten, siehe Taf. I, b.
Die archäologische Erforschung der Pyramiden 77

Die wohl wichtigste Entdeckung machte Vyse am 29. Juli 1837, als er
den Eingang der dritten Pyramide nach mehr als einem halben Jahr und
größten Anstrengungen fand. Vyse, der in diesem Punkte mit Caviglia
übereinstimmte, hatte sich von der riesigen Mauerbresche auf der
Nordseite täuschen lassen, indem er annahm, daß die Mamlûken eine
derartige Arbeit sicher nicht in Angriff genommen hätten ohne zu
wissen, daß der Eingang der Pyramide in diesem Bereich zu suchen sei.
Mit anderen Worten: Sie seien versichert gewesen, daß der Eingang
nicht auch weiter unten liegen könne. Genau das aber war der Fall,
denn der Eingang befindet sich nur 4 m über der Grundlinie. Vyse
konnte feststellen, daß er lange vor den Mamlûken gewaltsam geöffnet
worden war und noch zu der Zeit zugänglich gewesen sein mußte, als
man in großem Umfang das Gestein dieser Pyramide abzutragen
begann. Der absteigende Gang, die Vorkammer, der Bereich der Fall-
steine und der größte Teil des horizontal verlaufenden Ganges waren
fast bis zur Decke mit Sand gefüllt. Die übrigen Teile der Grabkammer-
anlage waren mit Gestein und Schutt angefüllt, die von früheren Ein-

Abb. 11: Sarkophag des Mykerinos, Seitenansicht und Schnitt, nach Perring
78 Das Geheimnis der Pyramiden

dringlingen stammten. An der Westwand der Grabkammer entdeckte


Vyse den leeren Sarkophag, der offenbar nicht mehr an seinem ur-
sprünglichen Aufstellungsort stand. Aus einem fein polierten Basalt-
block bestehend, war er mit dem Motiv der Palastfassade mit Nischen-
gliederung geschmückt, trug jedoch keine Inschrift (Abb. 11). Der
Deckel war entfernt worden, kam aber bald zum größten Teil in Frag-
menten in der ersten großen Kammer in der Nähe der Mündung des
abwärts in die Grabkammer führenden Korridors zum Vorschein. An
der gleichen Stelle fand Vyse ein wichtiges Stück vom Deckel des
hölzernen mumiengestaltigen Innensarges mit dem Namen des Men-
kaure (Mykerinos), dazu Teile eines Skeletts: Rippen, Rückenwirbel,
Beinknochen und Fußknochen, eingewickelt in ein grobes Gewebe,
das mit einer harzigen Substanz behandelt worden war. Aus dem
Schutt wurden weitere Fragmente aus Stoff und Holz geborgen,
darunter der untere Teil des beschrifteten Sargdeckels*. Dieser Sarg
war offenbar aus dem Sarkophag gezogen und in der großen oberen
Kammer auseinandergenommen worden.

Nach diesem wichtigen Fund bestieg Vyse am 27. August 1837 ein
Schiff nach Malta, wobei er die Reste dieses Holzsarges für das British
Museum mitnahm, während seine Mitarbeiter Perring, Raven, Hill
und Andrews zurückblieben, um restliche Aufräumungsarbeiten ab-
zuschließen und die Zeichnungen fertigzustellen. Ihnen war es auch
überlassen worden, den hervorragenden Sarkophag des Mykerinos aus
der Pyramide zu entfernen, um ihn ebenfalls dem British Museum in
London zu übergeben, aber dieses einmalig kostbare Stück ging bei
einem Schiffbruch unter.

Vyse veröffentlichte den Bericht über seine Arbeiten in Form eines


Grabungsjournals in zwei Bänden69, die 1841 erschienen. Der zweite
Band enthält u. a. in einem wichtigen Anhang zahlreiche Beobach-
tungen und Maße der neun Pyramiden von Gisa, einen Artikel des
Astronomen Sir John Herschel über die Neigungswinkel der in die
Pyramiden führenden Gänge sowie eine kritische Zusammenfassung
der verschiedensten Erkundungsarbeiten an den Pyramiden seit der
* Dieser Sarg stammt nach Technik und Inschrift aus der Spätzeit, siehe Sethe, ZÄS XXX,
S. 94-98. Nach der Ausraubung des Mykerinosgrabes hatten offenbar Priester seines Kultes
die Reste der Mumie in einem neuen Sarg bestattet.
Die archäologische Erforschung der Pyramiden 79

Antike und der Schriften, in denen darüber berichtet wird. Insbe-


sondere sind an dieser Stelle Auszüge aus den arabischen Schrift-
stellern übersetzt.

Ende 1842 veröffentlichte Vyse einen dritten Band70 zur Vervollständi-


gung der beiden vorauf gegangenen, der speziell der Erforschung anderer
als der Gisa-Pyramiden gewidmet ist. Perring hatte sie vorgenommen,
nachdem Vyse selbst abgereist war. Außerdem veröffentlichte Perring
selbst71 seine Beobachtungen an den Pyramiden von Abu Roâsch bis
zum Faijûm in einem großen Tafelband.

Perring setzte zunächst auf dem Wüstenplateau von Abu Roâsch an,
etwa 10 km nordwestlich der Pyramiden von Gisa. Dort legte er eine
Pyramide frei, von der nur die Basis des Massivs ohne äußere Ver-
kleidung erhalten war, sowie eine tiefe Ausschachtung, in die ein
abwärts führender Graben von der Nordseite mündet. In dem Schacht
weisen Spuren einer feinen Kalksteinverkleidung auf die Grabkammer
hin. Es handelt sich um die Pyramide des Königs Radjedef, Nachfolger
des Cheops und Halbbruder des Chephren.

Darauf begab sich Perring in das Gebiet südlich von Gisa, nach Sauijet
el-Arijân, wo er nur oberflächliche Sondierungen vornahm, die keine
Klärung darüber erbrachten, ob es sich dort um eine Stufenpyramide
wie in Saqqâra handelt.

Von da aus ging er weiter südlich zu einem Bauwerk, das man damals
noch die Pyramide von Riga nannte, wobei es sich aber nicht um
eine Pyramide, sondern um einen gedrungenen Obelisken auf einem
Sockelbau aus Granit handelt, errichtet von König Niuserre für sein
Sonnenheiligtum, wie die Arbeiten von Borchardt von 1900-1901
gezeigt haben72.
Perring hatte festgestellt, daß die Verkleidung des Bauwerks in zwei
Teilen sehr unterschiedlich geneigt war und ein Teil aus Granit, der
andere aus Kalkstein bestand, aber er konnte kein Profil geben. Den
Eingang dieser seltsamen Anlage suchte er vergeblich an der Nordseite.
Er befand sich nämlich an der Südseite und führte auf eine im Innern
ansteigende Rampe, die auf einer Terrasse endete und nicht in einem
absteigenden Gang wie bei den Pyramiden.
80 Das Geheimnis der Pyramiden

In Abusir dagegen wurden damals die ersten bedeutenden Nach-


forschungen angestellt. Perring gelang es, in das Innere der drei Pyra-
miden vorzudringen, deren Grundrisse und Schnitte er vorlegte. Jede
dieser Pyramiden weist einen absteigenden Gang auf, der von der Basis
der Verkleidung an der Nordseite ausgeht. Bei Erreichung des Fels-
bodens verläuft er fast waagerecht und endet, durch mehrere oder einen
Fallstein verschließbar, direkt in der Sargkammer. Die Längsachse der
Sargkammer verläuft in ost-westlicher Richtung, die Kammer liegt in
der Mitte der Pyramide. Der Pyramidenkern ist in Stufen (Abb. 12)
angelegt und besteht aus Blöcken des gelben anstehenden Kalksteins,
für die Verkleidung war eine dicke Lage des blütenweißen Kalksteins
von Tura verwendet worden, mit dem auch Kammern und Gänge,
abgesehen von den Durchgängen zur Sargkammer, wo man Granit ver-
wendet hatte, verkleidet waren. In zwei Pyramiden stellte Perring
Königsnamen fest, in Ockerrot von den Steinmetzen auf die Blöcke
aus dem lokalen Kalkstein aufgezeichnet. Da jedoch die Entzifferung
dieser kursiv geschriebenen Hieroglyphen zu seiner Zeit noch mit
ernsthaften Schwierigkeiten verbunden war, konnten diese Pyra-
miden, die von Nord nach Süd den Königen Sahurê, Niuserre und
Neferirkare zuzuweisen sind, damals nicht mit Sicherheit diesen
Herrschern der 5. Dynastie zugeschrieben werden.

Abb. 12: Pyramide des Sahurê, Schnitt, nach Borchardt

Die Bedachung der Grabkammern besteht aus schräg gegeneinander-


gelegten gewaltigen Blöcken bis zu 14 m Länge, und zwar in drei Lagen
übereinander. Diese Blöcke waren jedoch bei unglaublichen Ver-
wüstungen im Innern dieser Bauten größtenteils zertrümmert worden.
Perring konnte beobachten, daß die übereinandergelegten Blöcke
Die archäologische Erforschung der Pyramiden 81

zueinander ein wenig unterschiedlich geneigt waren, so daß die


Zwischenräume, die dadurch entstanden, den Druck von der Decke
der Grabkammer ableiteten. Sarkophagreste wurden nur in der nörd-
lichen Pyramide festgestellt. Der Sarkophag hatte aus poliertem
Basalt ohne Dekor bestanden.

Von Abusir ging Perring nach Saqqâra, wo er umsonst nach dem Ein-
gang der nach seinem Plan mit Nr. 1 bezeichneten Pyramide suchte*.
Im Hochsommer schließlich, am 24. Juni 1839, nahm er die Pyramide
Nr. 2 ** in Angriff, in die er auch bald vordringen konnte. Er fand die
Reste eines schmucklosen kleinen Basaltsarkophages, der nicht an
seinem ursprünglichen Platz stand.

In den Monaten Juli und August untersuchte Perring dann die Stufen-
pyramide – nach ihm Nr. 3 – und führte die für seine Grundrisse und
Schnitte notwendigen Arbeiten durch, da er dieses Bauwerk publi-
zieren wollte. Unter seinen Zeichnungen sind diejenigen besonders
beachtenswert, die den großen Zentralschacht betreffen, auf dessen
Grund sich die granitene Sargkammer befindet.

Perring setzte die 1821 von Minutoli begonnenen Erkundungen fort.


Zu diesem Zweck legte er mehrere Suchgräben an und entdeckte zum
oberen Ende des Schachtes hin zwei Stollen, die zum einen an der
Nordseite der Pyramide in einem nicht sehr tiefen Schacht, zum
anderen nach Süden in einen absteigenden Gang endeten. Die wich-
tigere der beiden Galerien ist die südliche. Ihre Decke wird von 22
Pfeilern oder Säulen gestützt. Dabei handelt es sich um Spolien, zum
Teil beschriftet und grob gearbeitet. Wir wissen heute, daß dieser Gang,
in dem dreißig Mumien ohne Särge und Grabbeigaben, außer ein paar
Amuletten auf einer der Mumien, gefunden wurden, in der Saitenzeit
angelegt worden war, um den großen Schacht leeren zu können, ein
Unterfangen, das später auch in die Tat umgesetzt wurde.

Die Grabungsarbeiter berichteten Perring, daß von Minutoli im großen


Schacht einen zerbrochenen Sarkophag gefunden habe, als er seiner-
zeit die Pyramide öffnete. Auf dem Grunde dieses großen Schachtes
* Die Pyramide des Königs Teti, des vermutlichen Begründers der 6. Dynastie.
** Die Pyramide des Königs Userkâf, Begründer der 5. Dynastie.
82 Das Geheimnis der Pyramiden

befindet sich die Granitkammer, die nach von Minutoli als Orakel-
stätte gedient haben sollte. Perring, der diese Deutung ablehnte,
glaubte jedoch auch nicht, daß diese Kammer das Grab gewesen sei,
denn – so seine Argumentation -, um daraus einen Leichnam ent-
fernen zu können, hätte man ihn in Stücke brechen müssen, und dann
hätte man im Innern wenigstens einige Reste davon finden müssen. Er
plädiert daher für die Deutung als Schatzkammer. Perring drang aber
offenbar nicht selbst in diesen schwer zugänglichen Raum ein, sondern
gab sich mit den Berichten der Arbeiter zufrieden. Als wir nämlich
rund hundert Jahre danach dort gruben, fanden sich im feinen Sand
verstreut Knochenreste des Königs, darunter ein mumifizierter Fuß
(siehe S. 70).
Perring suchte darüber hinaus die mit blauen Fayencekacheln ver-
zierten Räume auf und veröffentlichte gute Zeichnungen davon und
von der Technik ihrer Anbringung. Außerdem nahm er den mit fein
skulpierten Hieroglyphen geschmückten Türrahmen auf, der sich in
einem der Räume befand. Vyse stellte fest, daß es sich dabei um die
Titulatur eines Königs aus sehr alter Zeit handeln müsse, da er aber
keine Kartusche sah, meinte er, daß der König nicht namentlich ge-
nannt sei. Tatsächlich ist der Name Neterichêt mehrfach erwähnt,
sowohl in der üblichen Titulatur als auch in den von Falken gekrönten
Rechtecken, »serech« genannt. Mittlerweile wissen wir auch, daß
dieser Neterichêt kein anderer als König Djoser, der mögliche Be-
gründer der 3. Dynastie, war. Perring erreichte die Freilegung dieser
Räumlichkeiten nicht und kannte daher auch die Reliefdarstellungen
von Djoser nicht. Sie wurden erst 1929 von Firth entdeckt. Überdies
konnte er in dem ungewöhnlichen Gewirr von unterirdischen Gängen
und Stollen nicht die ursprüngliche Anlage von späteren Hinzu-
fügungen unterscheiden.

Nach diesen bedeutenden Erkundungen hielt sich Perring mit den


übrigen Pyramiden von Saqqâra nicht weiter auf, sondern fertigte ledig-
lich eine sehr summarische Beschreibung an, um schon am 8. Septem-
ber 1839 in Dahschûr die Arbeit an der nördlichen Pyramide aus unge-
brannten Ziegeln aufzunehmen. Seiner Ansicht nach konnte es sich
bei diesem Bauwerk um die Pyramide des Nachfolgers des Mykerinos
handeln, von dem Herodot berichtet, daß er eine Ziegelpyramide
erbaut habe. Da Perring aber nach über einem Monat weder den Ein-
Die archäologische Erforschung der Pyramiden 83

gang gefunden hatte, obwohl er an der Nordseite umfangreiche


Sondagen durchgeführt hatte, noch auf Inschriften gestoßen war, die
ihm den Erbauer dieser Pyramide preisgegeben hätten, gab er dieses
Projekt auf und wandte sich den zwei großen steinernen Pyramiden zu.

0 1OOm
Abb. 13: Nördliche Pyramide des Snofru in Dahschûr, Schnitt

Zunächst untersuchte er die große nördliche Pyramide (Abb. 13), deren


Zugang sich fast dreißig Meter über der Grundlinie auf der Nordseite
und etwa 4 m nach Osten aus der Mittellinie verschoben, befindet.
Bei Erreichen des Felsbodens verläuft der zunächst absteigende Gang
horizontal auf zwei eindrucksvolle, mehr als 12 m hohe Räume zu, die
mit einem Kragsteingewölbe versehen sind (Taf. 12 b) wie die Große
Galerie in der Cheopspyramide (Taf. 3 b). An der Südseite des zweiten
Raumes, in einer Höhe von fast 8 m, führt ein kleiner Gang in einen
dritten Raum, der höher liegt und ebenfalls mit Kragsteingewölbe ver-
sehen ist, der aber fast 15 m hoch ist. * Das Bodenpflaster der mit Schutt
ausgefüllten Räume war zum großen Teil entfernt worden, Perring
konnte keine Sarkophagreste ausmachen.
* Die beiden ersten Räume dieser Pyramide waren bereits über zwei Jahrhunderte früher, im
Winter 1615-1616, von Pietro Delia Valle aufgesucht worden, der sie in bildreicher Sprache
präzis beschreibt. Dieser interessante Text ist von S. Sauneron in: Beiträge Bf. 12 (Fest-
schrift Ricke 1971) »Deux épisodes de l'exploration des pyramides«, p. 117-118, behandelt
worden, der darin die Stufenpyramide wiedererkennen wollte. Die Richtigstellung ist in-
zwischen erfolgt.
84 Das Geheimnis der Pyramiden

An der großen südlichen Pyramide, die aufgrund der Änderung des


Neigungswinkels unter der Bezeichnung »Knickpyramide« bekannt
ist (Abb. 14 und Taf. 11 b), langte Perring am 20. September an. Der
absteigende Gang beginnt in der Mitte der Nordseite in etwa 10 m
Höhe. Obwohl mehrere Reisende des 17. und 18. Jahrhunderts wie z. B.
Melton, Lebrun, Pococke und Davison behaupten, daß sie in die
Kammern vorgedrungen seien, war dieser Stollen nur auf 45 m begeh-
bar und anschließend mit großen Blöcken aus dem in der Gegend an-
stehenden Kalkstein verstopft. Aufgrund der mangelnden Luftzufuhr
gestaltete sich die Freilegung außerordentlich mühsam. Am 15.
Oktober endlich war ein leichter Luftzug zu verspüren, der die Fort-
führung der Arbeit erleichterte und zugleich bewies, daß es eine zweite
Verbindung nach außen geben mußte. Der absteigende Gang läuft in
einer kurzen horizontalen Passage aus. Ihr Kragsteingewölbe ist nicht
weniger als 12 m hoch. Sie führt in einen auf die gleiche Art über-
dachten noch zweimal höheren Raum. Obwohl Perring dachte, daß
das Mauerwerk aus kleinen rechteckigen Blöcken, aus dem die Passage
und der anschließende Raum bestanden, einen Sarkophag oder mehr
oder weniger den Zugang zu einer Geheimkammer verbergen könnte,
hatte er keine Zeit, das nachzuprüfen. Als es ihm gelang, ein Gerüst
hereinbringen und montieren zu lassen, entdeckte er in Deckenhöhe
auf der Südseite einen Durchgang aus dem ein Papyrusstrick hing. Er
stellte fest, daß ein Gang zu einer in Ost-West-Richtimg verlaufenden
Passage führte, die sich wiederum einem Gang verband, der von der
Westseite der Pyramide hineinführte und noch zu Dreivierteln
blockiert war. Der horizontale Gang endete, von zwei Fallsteinanlagen
unterbrochen, von denen die eine beitseitegeschoben war, während die
andere noch in der Verankerung saß, in einem Raum von 6,50 m x 4 m
und 16 m Höhe mit einem Kragsteingewölbe.

Perring veröffentlichte von den beiden großen Pyramiden von Dah-


schür exzellente Zeichnungen von Grundrissen und Schnitten, auf die
zurückzugreifen noch immer lohnt, wenn man sich mit diesen vor
Cheops datierten Denkmälern beschäftigt.

Inzwischen wurde durch das Engagement der ägyptischen Armee in


Syrien das Gebiet zwischen Gisa und dem Faijûm immer unsicherer
für Reisende, Perring und seine Mitarbeiter wurden mehrmals von
Die archäologische Erforschung der Pyramiden 85

Beduinen überfallen und mußten sich ihrer mit der Waffe in der Hand
erwehren. Dennoch verfolgten sie ihre Feldarbeit an den Pyramiden
weiter. Am 20. Oktober kamen sie in Lischt an, am 29. in Medûm, in

Abb. 14: Knickpyramide des Snofru in Dahschûr, Schnitte

Lahûn waren sie am 1. November und am 2. November in Hawâra. An


allen diesen Stätten nahm Perring die für seine Pläne und Zeichnungen
notwendigen Vermessungen vor.
86 Das Geheimnis der Pyramiden

Nicht lange nach Perring rüstete der berühmte Ägyptologe Richard


Lepsius seine Expedition nach Ägypten aus, deren Ergebnis sein monu-
mentales Werk »Denkmäler aus Aegypten und Aethiopien« war. Es
umfaßt in zwölf Bänden 894 Tafeln in großem Folioformat. Die
Expedition von Lepsius dauerte vom Herbst 1842 bis Ende 1845. Nach
seiner Rückkehr 1846 machte sich Lepsius an die Auswertung seiner
enormen Ausbeute an Zeichnungen und Stichen, die er während
seiner Nachforschungen und Ausgrabungen angesammelt hatte. Der
erste der 12 Bände erschien 1849, der letzte sieben Jahre danach, 1856.
Wenn auch der größte Teil der Tafeln der Wiedergabe von Texten und
Reliefs gewidmet ist, so sind doch in den ersten beiden Bänden Pläne
und Gesamtansichten der Denkmälerstätten abgebildet. Speziell über
die Pyramiden brachte Lepsius auf mehreren Tafeln einen Plan der
Nekropole von Memphis, den heranzuziehen noch heute lohnt. Bis
nach Lischt im Süden sind dort 64 Pyramiden aufgeführt. Wenn sich im
Laufe eines Jahrhunderts der Forschung herausgestellt hat, daß einige
der von ihm als Pyramiden eingezeichneten Hügel Bauwerke anderer
Art sind, oder umgekehrt sich manche als Pyramiden herausstellten,
die zu Dreivierteln zerstört waren und von ihm nicht als solche er-
kannt werden konnten, so wird ihm das niemand zum Vorwurf
machen. Schließlich ist es immer noch möglich, Pyramiden zu ent-
decken, vor allem solche von Königinnen, die doch stets kleinere
Dimensionen hatten als die der Könige. Neben diesem Plan der
memphitischen Nekropole bildet Lepsius außer Außenansichten
keine Pyramidenansichten ab. In seinem Tagebuch jedoch, das er
während der Expedition geführt hatte, und das als kommentierender
Text zu den »Denkmälern« 1896, zwölf Jahre nach seinem Tode, von
Edouard Naville in Zusammenarbeit mit Kurt Sethe und Ludwig
Borchardt publiziert wurde, sind kurze Mitteilungen über die meisten
Pyramiden enthalten.

Einer der Gesichtspunkte, der seine Aufmerksamkeit auf sich zog, war
die Struktur des Pyramidenkerns. Nach eingehendem Studium der
Großen Pyramide von Abusir sowie der Medûm-Pyramide und der
Stufenpyramide von Saqqâra, wo er als erster die ursprünglich zu-
grundeliegende Mastaba wiederentdeckte, die sich noch heute an der
Südseite abzeichnet, vertrat er die Ansicht, daß mehr oder weniger die
meisten Pyramiden, einschließlich der großen von Gisa, in Stufen er-
Die archäologische Erforschung der Pyramiden 87

richtet worden seien, wobei nach und nach in einer Art Schalen- oder
Manteltechnik Mauerhüllen auf die zugerichteten Seiten der Stufen
und parallel zu ihnen aufgebracht worden seien. Gestützt auf diese
Hypothese, formulierte er seine berühmte Theorie73, wonach die
Könige je nach der Länge ihrer Regierung immer neue Schalen hinzu-
gefügt hätten. Die Größe einer Pyramide wäre demnach proportional
zur Regierungsdauer eines Königs gewesen, und diese Zeit müßte sich
aus der Anzahl der Mäntel irgendwie bestimmen lassen, so wie sich
das Alter eines Baumes durch die Jahresringe, die beim Querschnitt
seines Stammes sichtbar werden, bestimmen läßt.

Diese einfallsreiche Theorie, die allerdings zu systematisch wirkt, ist


zu Recht von den verschiedensten Wissenschaftlern angegriffen wor-
den, vor allem von Flinders Petrie74. Sie läßt sich nur auf die meisten
Pyramiden der 3. und 4. Dynastie anwenden, die zweifelsfrei im Laufe
der Bauzeit wichtigen Modifikationen unterworfen waren, worauf wir
noch zu sprechen kommen werden. Die Pyramiden der 5. und 6.
Dynastie dagegen weichen in den Maßen erheblich ab, sie sind viel
kleiner und weisen eine deutliche Tendenz zur Uniformität auf. Vor
allem in der 6. Dynastie wird offensichtlich, daß z. B. die Pyramide
Pepis IL, der eine außergewöhnlich lange Regierungszeit aufzuweisen
hat - 95 Jahre nach Manetho - nicht gewichtiger ist als die des Teti,
dem der gleiche Autor nur 30 Regierungsjahre gibt. Außerdem: Die
Theorie von Lepsius berücksichtigt nicht den Totentempel, der seit
Mykerinos unmittelbar vor der Pyramide liegt. Wenn nun die Pyramide
nach und nach vergrößert worden wäre, wie Lepsius annahm, dann
wären wesentliche Teile des Totentempels wie der Opfersaal und die
Scheintür, die im allgemeinen an der Ostseite der Pyramide liegen,
verbaut worden und hätten an anderer Stelle neu errichtet werden
müssen. Bei der Anordnung der übrigen Räumlichkeiten des Tempels
aber wäre dafür kein Platz gewesen.

Nach Lepsius öffnete und untersuchte Mariette 1858 die Mastabat


Faraûn, ein großes Königsgrab in Form eines Sarkophags (Abb. 15),
sowie die kleine Nebenpyramide südlich der Knickpyramide. An
dieser Stelle muß nun die Ägyptenreise des Astronomen Piazzi Smyth
erwähnt werden, der die für die Große Pyramide angegebenen Maße
nachprüfen wollte, auf die er seine berühmte Bibeltheorie stützte.
88 Das Geheimnis der Pyramiden

Davon wird noch zu handeln sein. Das Ergebnis seiner Nachforschun-


gen veröffentlichte er 1867 in einem dreibändigen Werk unter dem
Titel »Life and Work at the Great Pyramid«. Piazzi Smyth verwandte
auf die Messungen allergrößte Sorgfalt, und man kann sich auf diese
Arbeit in vielen Detailfragen der Großen Pyramide verlassen, vor
allem was die Räume und Gänge im Innern anbelangt.

Eine geodätische Vermessung der Pyramiden von Gisa wurde erst 1874
von dem vom Kap stammenden Astronomen Gill vorgenommen, der
nicht weniger als drei Tage für die Ermittlung der Basislängen brauchte.
Im Jahre 1879 wurde Flinders Petrie mit der Fortführung dieser Arbeit
beauftragt. Nach umfangreichen Vorbereitungen, die es ihm ermög-
lichten, die besten Instrumente zu besorgen, kam er nach Ägypten und
richtete sich im Dezember 1880 an den Pyramiden von Gisa ein, wo er
bis Mai 1881 blieb. Eine erneute Kampagne dauerte von Mitte Oktober
1881 bis Ende April 1882. Petrie vollbrachte eine erstaunliche Leistung,
die sich bereits 1883 in der ersten Ausgabe seiner »The Pyramids and
Tempels of Gizeh« niederschlug. Dort beschränkt er sich nicht nur

Abb. 15: Mastabat Faraûn, 4. Dyn. Rekonstruktion, nach Jequier und Lauer

auf die Darlegung der Vermessungstechnik, sondern beschreibt außer


den drei großen Pyramiden weitere in Saqqâra, Dahschûr und Abu
Roâsch sowie den granitenen sogenannten Sphinxtempel. Unter
anderem geht er auch auf die Theorie von Lepsius über das allmähliche
Anwachsen der Pyramiden ein. Diese von Petrie als »theory of
accretion« bezeichnete Hypothese weist er unter Hinweis auf die Lage
der Gangmündungen und den Neigungswinkel der Pyramiden zurück,
Die archäologische Erforschung der Pyramiden 89

vor allem den der Großen, den er den »Winkel TI« nennt, weil die Höhe
dieser Pyramide dem Radius eines umschreibenden Kreises der Basis
gleich ist. Die Publikation schließt mit ein paar Seiten über die In-
schriften auf den Seitenflächen der Pyramiden, von denen mehrere
Reisende berichten, und über die wichtigsten Epochen, in denen die
Zerstörungen erfolgten.

Im Jahre 1887 erhielt Petrie von der Ägyptischen Altertümerver-


waltung die Genehmigung, die archäologischen Stätten im Faijûm zu
erkunden. 1888 begann er mit Grabungen im Bereich der Pyramide von
Hawâra, die er Amenemhet III. zuweisen konnte. Darauf ging er nach
Lahûn, zur Pyramide Sesostris II. und schließlich nach Medûm,- wo er
vor allem die kleine Kapelle an der Ostseite (Abb. 16 und Taf. 11 a)75
freilegte.

Abb. 16: Kapelle od. kleiner Tempel mit unbeschrifteten Stelen an der Ostseite der
Pyramide von Medûm, Grundriß, Seitenansichten und Schnitte, nach Alan Rowe

Zwei Jahrzehnte später, im Jahre 1910, kehrte Petrie als Direktor der
British School of Archaeology in Egypt an die Grabungsplätze im
Faijûm zurück. In Medûm untersuchte er gemeinsam mit G.
90 Das Geheimnis der Pyramiden

Wainwright die Baustruktur der Pyramide und stellte Nachforschun-


gen über den zugehörigen Taltempel an. In Hawâra identifizierte er das
»Labyrinth« südlich der Pyramide und legte die Überreste frei. Danach
arbeitete er weiter nördlich in Dahschûr und Masghûna, wo er in Zu-
sammenarbeit mit E. Mackay die beiden Pyramiden des Mittleren
Reiches freilegte.

Ins Faijûm zurückgekehrt, richtete er 1913 erneut sein Lager an der


Pyramide von Lahûn ein. Durch den Ersten Weltkrieg unterbrochen,
konnte er die Arbeit dort erst 1920 in Zusammenarbeit mit Guy
Brunton und Margaret A. Murray wieder aufnehmen. Diese Aus-
grabungen erbrachten als wichtigste Entdeckung den »Schatz von
Lahûn« aus einem Prinzessinnengrab unmittelbar an der Südseite der
Pyramide76.

Aber auch der Service des Antiquités de l’Égypte, die Ägyptische Alter-
tümerverwaltung, war nicht untätig geblieben. 1880 nahm Mariette
auf Anregung von Gaston Maspero, der aus Textfragmenten mit den
Kartuschen des Königs Pepi Merire geschlossen hatte, daß sie von
dessen Pyramide stammen müßten, die zu einem Geröllhügel zu-
sammengeschrumpft war, Erkundungen auf. Gleichwohl meinte
Mariette, als er ganze mit Texten bedeckte Wände fand, daß es sich bei
dem betreffenden Bauwerk lediglich um eine Mastaba handle, denn er
glaubte nicht an Inschriften in Pyramiden. Im Januar 1881, kurz vor
seinem Tode, mußte er sich angesichts der Beweislast in die Einsicht
ergeben,- denn Maspero hatte die Pyramide des Merenre, wo sich die
Bauform klarer abzeichnete, geöffnet und ähnliche Texte wie in der
Grabkammer Pepis I. gefunden (Taf. XVI). Maspero, der bald darauf
Generaldirektor der Altertümerverwaltung geworden war, entschloß
sich aufgrund dieser wichtigen Entdeckung, nun systematisch alle
Pyramiden zu öffnen, die bis dahin noch unerforscht waren, um fest-
zustellen, ob sie Texte enthielten oder nicht. Es stellte sich heraus, daß
sich diese Art Texte zum ersten Mal in der Pyramide des Unas vom
Ende der 5. Dynastie (Taf. 15 a) finden und dann die Nachfolger der 6.
Dynastie, d. h. die Könige Teti, Pepi I., Merenre und Pepi II. gleicher-
maßen die Wände ihrer Grabkammern damit hatten bedecken lassen.
Maspero machte sich unverzüglich an die Abschrift und Übersetzung
dieser so wichtigen Texte, die zwischen 1882 und 189277 veröffentlicht
Die archäologische Erforschung der Pyramiden 91

wurden und auf die Religion, das Denken und die Sprache der
Ägypter des Alten Reiches ebenso wie auf den Mythos, die Jenseitsvor-
stellungen und die Apotheose des Pharao neues Licht warfen.

1894 führte J. de Morgan, der Grebaut als Generaldirektor der Alter-


tümerverwaltung nachgefolgt war, Ausgrabungen in Dahschûr durch.
Nachdem er zunächst im Bereich der beiden großen Pyramiden aus
ungebrannten Nilschlammziegeln äußerst erfolgreich gewesen war78,
worüber er in einem ersten Band unter dem Titel »Fouilles à Dahchour
en mars-juin 1894« Rechenschaft ablegte, konnte er erst im Laufe des
folgenden Winters in die Grabkammern vordringen, nachdem er sich
durch den Fels unter den Pyramiden hindurchgearbeitet hatte. Nach
den vorgefundenen Indizien konnte mit Sicherheit die nördliche
Pyramide Sesostris III. und die südliche Amenemhet III. aus der 12.
Dynastie zugewiesen werden. Zwischen diesen beiden liegt eine
kleinere Pyramide, die ebenfalls geöffnet wurde und sich als die
Amenemhets II. (12. Dynastie) erwies. Mit großem Ausgräberglück
fand de Morgan hier in den Anbauten der Pyramide die unberührten
Gräber zweier Prinzessinnen namens Ita und Chnumit, wo große Teile
des berühmten Schmuckes zutage kamen, der als »Schatz von Dah-
schür« bekannt werden sollte79 und seither im Museum von Kairo
aufbewahrt wird. Diese außergewöhnlichen Funde publizierte er in
einem zweiten Band unter dem Titel »Fouilles à Dahchour« (1894-
1895). De Morgan veröffentlichte darin vor allem auch die Grundrisse
der drei Pyramiden und Schnitte der Grabkammern der Pyramide
Amenemhets II.

Darüber hinaus betraute der »Egypt Exploration Fund« im Jahre 1884


Edouard Naville80 mit der Freilegung des Tempels von Der el-Bahari,
während das »Institut Frangais d'Archeologie Orientale« mit Grabun-
gen in Lischt - einige sechzig Kilometer südlich von Kairo - begann.
Sie standen unter der Leitung von J.-E. Gautier und G. Jequier81. Sie
gruben an der südlichen Pyramide und legten einen Teil des zuge-
hörigen Totentempels frei. Belege unterschiedlichster Art mit dem
Namen Sesostris71. sicherten die Zuweisung dieses Bauwerks. Dazu
gehören vor allem eine Reihe bestens erhaltener Sitzstatuen dieses
Königs aus Kalkstein, die in einem Versteck in den Tempelruinen ge-
funden wurden. Der abwärts in die Pyramide führende Gang, mit
92 Das Geheimnis der Pyramiden

Granitblöcken verstellt, war in einer Länge von mehr als 50 m und bis
zu einer Tiefe von 22 m freigelegt, als die Arbeit abgebrochen werden
mußte, weil man auf Grundwasser stieß. Ausgrabungen an der nörd-
lichen Pyramide gestatteten die Zuweisung an Amenemhet I., aber die
Arbeiten mußten aus den gleichen Gründen auch hier abgebrochen
werden, so daß die Grabkammer nicht erreicht wurde.

Einige Jahre später, 1901, untersuchte das Institut Français, das seine
Aktivitäten nach Abu Roâsch nordwestlich der Pyramiden von Gisa
verlagert hatte, die bereits erwähnte unvollendete Pyramide. Diesen
Grabungen verdanken wir die Zuweisung des Bauwerks an König
Radjedef oder Djedefre, Sohn und Nachfolger des Cheops. 1899, als
Maspero in die Leitung der Altertümerverwaltung zurückgekehrt war,
wurden die 1886 unterbrochenen Arbeiten in Saqqâra fortgesetzt. Es
ging dabei um die systematische Erfassung der Gesamtanlagen ein-
schließlich der Totentempel, während sich Maspero bis dahin vor
allem den Gängen und Räumlichkeiten im Innern der Pyramiden
gewidmet hatte. Die Grabungsleitung übernahm Alexandre Barsanti,
der am 4. Dezember im Bereich der Unas-Pyramide begann. Im Laufe
einer ersten Grabungskampagne bis März 1900 und dann während
einer zweiten im Winter 1900/1901 und schließlich einer dritten im
Jahre 1904 brachte Barsanti die Reste eines Tempels an der Ostseite der
Pyramide zutage. Darunter befanden sich einige ausgezeichnet ge-
arbeitete und gut erhaltene Palmkapitellsäulen aus Granit oder
Quarzit und Fragmente von Kalksteinreliefs. Barsanti konnte jedoch
den Grundriß der einstigen Tempelanlage nicht vollständig klären und
veröffentlichte daher nur eine schematische Wiedergabe einiger
Stellen der großen Anlage unter Angabe der wichtigsten Grabschächte,
die aus der Saiten- oder Perserzeit stammen und die er entdeckt hatte82.

Daneben hatte Barsanti zwischen März und Mai 1900 die Arbeit in
Sauijet el-Arijan wieder aufgenommen, die zunächst 1885 von Maspero
begonnen und 1896 von de Morgan fortgesetzt, seither aber liegen-
geblieben war. Barsanti legte Suchgräben an, räumte aber vor allem
eine 10 m lange Treppe frei, die de Morgan entdeckt hatte und die
parallel zur Nordseite der Pyramide verläuft83. Die Treppe führt in
einen Schacht, von dessen unterem Ende ein Gang in Nord-Süd-
Richtung abzweigt. Nach einer kurzen Treppe erreicht der Gang eine
Die archäologische Erforschung der Pyramiden 93

kleine, aus dem Fels gehauene Kammer, die unter der Pyramidenmitte
liegt. Gegenüber dem eben beschriebenen Gang zweigt ein zweiter
nach Norden ab, der den Zugang zu 32 länglichen, rechenförmig ange-
legten Kammern an der Nordseite und zu einem Teil an der Ost- und
Westseite der Pyramide (Grundriß und Schnitt Abb. 17) bildet. Die
Kammer unter der Pyramide wies rohbehauene Wände auf und ent-
hielt weder Mumienfragmente noch Reste eines Sarkophags. Sowohl
die Kammer als auch das Gangsystem, in denen sich keine Spuren von
Benutzung fanden, machten auf Barsanti den Eindruck einer unfertigen
Grabanlage.

Diese Pyramidenanlage wurde dann etwa 10 Jahre später von G.


Reisner, der für das Museum of Fine Arts in Boston die Grabungs-
konzession erhalten hatte, erneut untersucht und mit Sicherheit als
Stufenpyramide wie die von Saqqâra, mit gegeneinander geneigten
Schalen aus groben Bruchsteinen zur gegenseitigen Abstützung,
erkannt. Reisner meinte84, daß das Bauwerk aus der 3. Dynastie
stammen müsse und schlug Horus Chaba als Erbauer vor, dessen
Name sich auf einigen Steingefäßen in einem Grab dieser Epoche in
der Nähe der Pyramide fand.

1902 hatte die »Deutsche Orientgesellschaft« unter der Leitung von


Borchardt in Abusir, nördlich von Saqqâra, gegraben. Die Grabungen
führten im Laufe mehrerer Kampagnen, die sich bis 1908 hinzogen, zur
Erforschung der Pyramiden und Totentempel des Sahurê, Neferirkare
und Niuserre, Pharaonen der 5. Dynastie. Zum ersten Mal wurde nun
deutlich, wie man sich den königlichen Grabkomplex im Alten Reich
vorzustellen hatte, zu dem die Pyramide als eines unter mehreren
Bauelementen gehörte. Die Anlage umfaßte u. a. einen oberen Tempel
an der Ostseite der Pyramide und z. T in ihrer Umfassungsmauer,
einen Taltempel mit Anlegestelle sowie einen gedeckten Aufweg, der
beide Tempel miteinander verband. Borchardt verstand es, durch
Modelle und Rekonstruktionszeichnungen in seinen über diese An-
lagen publizierten Büchern85 eine klare Vorstellung von den Bau-
werken zu vermitteln (Abb. 18).

Im Juni 1905 kehrte Barsanti wieder nach Sauijet el-Arijân an eine


Stelle 1,5 km nördlich der zuvor freigelegten Stufenpyramide zurück.
94 Das Geheimnis der Pyramiden

Abb. 17: Südliche Pyramide von Sauijet el-Arijân, Grundriß und Schnitt,
nach Lauer
Die archäologische Erforschung der Pyramiden 95

Dort begann er mit Grabungs- und Aufnahmearbeiten86, die sich mit


Unterbrechungen bis 1912 hinzogen. Dabei kam eine riesige recht-
eckige Aushöhlung im Fels zutage, die im Zentrum eines Monu-
mentalbauwerks gelegen haben mußte, von dessen Oberbau nur mehr
ein kleiner Teil der nördlichen Steinlage aus gewaltigen Kalkstein-
blöcken geblieben war. Ein langer, breiter, in den Fels gehauener Weg
(Abb. 19 und Taf. 14, a, b) führte in einen 21 m unter Bodenniveau
liegenden Schacht mit einer dicken Granitsohle, in deren westlichen
Teil eine Art ovaler, mit einem granitenen Deckel versehener Trog von
2,10 m Länge und 1,05 m Tiefe eingelassen war, der sich noch an Ort
und Stelle befand. Dieser Sarkophag, sorgfältig geschützt durch die
Schachtblockade, enthielt nichts außer einer schwärzlichen Masse. Im
übrigen glaubte Barsanti, daß sich das eigentliche Grab unter den
Granitblöcken verberge. Um seine Hypothese zu stützen, unternahm
er die kolossale Arbeit, diese Blöcke auseinanderzunehmen, wobei er
ihre Lage notierte, um sie später wieder zurückzulegen. Die Ereignisse
zwangen ihn jedoch, diesen Versuch aufzugeben, und es sollte ihm
auch vor seinem plötzlichen Tod im Jahre 1917 nicht mehr vergönnt
sein, alles wieder an seinen ursprünglichen Platz zu bringen.

Abb. 18: Die Pyramiden von Abusir und die zugehörigen Kultbauten, 5. Dyn.
Rekonstruktion von Borchardt, nach Encyclopaedia Universalis
96 Das Geheimnis der Pyramiden

Während also die Altertümerverwaltung ihre Forschungsarbeiten an


den Pyramiden auf die Gebiete von Sauijet el-Arijân und Saqqâra
konzentrierte, wo J. E. Quibell 1905 mit Grabungen im Bereich der
Teti-Pyramide begonnen hatte, erhielt das Metropolitan Museum in
New York 1906 die Konzession für Lischt, wo seit den Entdeckungen

Abb. 19: Nördl. unvollendete Pyramidenanlage von Sauijet el-Arijân, 4. Dyn. nach
G. A. Reisner

von Gautier und Jequier 1895 nicht mehr weitergegraben worden war.
Sie hatten sich vor allem mit dem Umfeld der südlichen Pyramide, der
Sesostris' I. befaßt, während A. M. Lythgoe und Arthur C. Mace sich
nunmehr mit Winlock als ihrem Assistenten den Bereich der nörd-
lichen Pyramide, der Amenemhets's I., vornahmen. Im Verlaufe der
ersten beiden Kampagnen legten sie hier den Totentempel frei, und
erst während der 3. Kampagne wandten sie sich wieder Tempel und
Pyramide Sesostris' I. zu87. Nach fast vierjähriger Unterbrechung
wurden die Grabungen 1913 und 1914 zunächst unter der Leitung von
Mace wieder aufgenommen und, nach neuerlicher Unterbrechung
durch die Kriegsereignisse, unter der Leitung von Ambrose Lansing im
Oktober 1916 bis 1918 weitergeführt88. Diese Grabung zog sich schließ-
lich bis 1934 hin89, da das Metropolitan Museum einmal seine ganze
Unterstützung H. Carter zukommen ließ, nachdem er das Grab des
Tutanchamun gefunden hatte, und zum anderen auch in Der el-Bahari
beschäftigt war, wofür er ebenfalls die Konzession hatte. Die an dieser
Stelle zutage geförderten vielfältigen Funde von Winlock90 vervoll-
ständigen die von Naville vorgelegte Publikation über Tempel und
Pyramide des Mentuhotep.
Die archäologische Erforschung der Pyramiden 97

Parallel zu diesen Projekten des Metropolitan Museums erhielt


Reisner als Leiter der »Harvard Boston Expedition« die Konzession
für einen wesentlichen Teil der Nekropole von Gisa. 1906 legte er den
Totentempel des Mykerinos frei, ein Unternehmen, das er 1907 ab-
schloß. Nach zweijähriger Pause, während der er in Nubien grub, legte
Reisner im Winter 1909/10 den Mykerinos-Tempel sowie den Aufweg
und die Kapelle einer der kleinen Pyramiden der Königinnen frei,
während die beiden anderen kleinen Pyramiden erst 1924 in Angriff
genommen werden konnten, nachdem die Kampagnen im Sudan an
den Pyramiden von Napata und Meroe, die ihn zwischen 1916 und 1923
beschäftigten, abgeschlossen waren.

Gleichfalls in Gisa grub die deutsche Ernst-von-Sieglin-Expedition


1909/10 den Totentempel des Chephren aus. Der Architekt U. Höl-
scher91 rekonstruierte den Grundriß der ursprünglichen Anlage
(Abb. 39) und bewies, daß der obere Tempel durch einen mit Platten
ausgelegten gedeckten Weg mit dem Granittempel in Verbindung
stand, den man bis dahin als »Sphinxtempel« bezeichnet hatte. Unab-
hängig von der Sphinx hatte er vielmehr den Taltempel oder Empfangs-
tempel im Gesamtgefüge der Chephren-Grabanlage (Taf. IX, b, Taf. XI,
und Taf. 13 a) gebildet. Hölschers hervorragende Rekonstruktions-
zeichnung der beiden großen Pyramiden von Gisa aus der Luft-
perspektive gehört inzwischen zum Repertoire klassischer Bilder der
königlichen Grabarchitektur des Alten Reiches.

Unter den ausländischen Missionen, die an der Erforschung der Pyra-


miden arbeiteten, seien noch die »Eckley B. Coxe Expedition« unter
der Leitung von Alan Rowe genannt, die 1929-30 erneut an der Pyra-
mide von Medûm tätig wurde, nachdem zuvor Petrie und seine Mit-
arbeiter dort gegraben hatten. Die Ergebnisse der neuerlichen Unter-
suchungen mit außerordentlich interessanten Aufnahmen und Zeich-
nungen wurden von der University of Pensylvania92 veröffentlicht.

Nach dem Kriege 1914-18 ging die Ägyptische Altertümerverwaltung


unter der Direktion von Pierre Lacau an die systematische Erfassung
der Pyramiden von Saqqâra. Im Nordabschnitt der Nekropole setzte
C. M. Firth 1920 die Freilegung des Pyramidentempels des Teti fort, ein
Projekt, an dem in den Jahren 1905-1908 bereits Quibell gearbeitet
98 Das Geheimnis der Pyramiden

hatte. Er vollendete die Freiräumung des größten Teils dieses leider


stark zerstörten Bauwerks. Die Anlage der Magazine um den Opfer-
saal, wo sich in situ der Quarzit-Unterbau einer Scheintür, von der
nur mehr kleinste Fragmente aus Granit erhalten waren, erkennen
ließ, waren ebenso wie zwei von fünf Statuennischen noch sichtbar.
Auch zahlreiche Alabasterplatten vom ehemaligen Bodenbelag des
Pfeiler- oder Säulenhofes, in dessen Zentrum sich ein Altar aus dem
gleichen Material erhalten hat, existieren noch.

Firth legte auch den Eingang des absteigenden Ganges in die Pyramide
frei, der von einer kleinen Kapelle an der Nordseite ausging. Diese
Kapelle (Abb. 20), von der nur noch eine Lage der Wände stand, muß
nach Funden von Fragmenten eine Basaltscheintür und Reliefdar-
stellungen von Opferträgern enthalten haben. Durch eine Doppeltür,
deren Drehzapfenlager aus schwarzem Stein noch vorhanden sind93,
trat man hier ein. Schließlich gelangte Firth auch ins Innere der
Pyramide, wo Maspero fast vierzig Jahre zuvor die Texte kopiert hatte,
die die Wände bedecken und wo noch immer der mit Inschriften ver-
zierte Basaltsarkophag des Teti steht.

Abb. 20: Nordkapelle an der Pyramide des Teti, Rekonstruktion des Grundrisses,
von Lauer
Die archäologische Erforschung der Pyramiden 99

100 m nördlich der Königspyramide fand Firth den Eingang der Grab-
kammer der Königin Iput, deren Pyramide und Kapelle94 bereits 1897-
1898 von V. Loret, damals Generaldirektor der Altertümerverwal-
tung95, entdeckt worden war. Neben dieser Anlage legte Firth auch die
Pyramide der Königin Chuit frei.

Zu Beginn des Jahres 1924 ging Firth mit seiner Grabungsmannschaft


in den Bereich der Stufenpyramide, während gleichzeitig Jequier im
Südteil der Nekropole eine neue Grabung anvertraut worden war.
Nach einigen Räumungsarbeiten an der Knickpyramide, deren ab-
steigenden Gang er wieder öffnete, so daß er bis in die Grabkammer
gelangte, konnte Jequier nicht mit den notwendigen technischen
Mitteln ausgerüstet werden, um auch in das zweite obere Kammer-
system vorzudringen. Darum wandte er sich der »Mastabat Faraûn«
zu. Er grub den Zugang zu diesem Bauwerk frei, der nach Mariette
wieder verschüttet worden war, und führte die notwendigen Arbeiten
aus, um den absteigenden Gang zu sichern, so daß dieses ungewöhn-
liche Königsgrab des Alten Reiches künftig zugänglich bleiben sollte96.
Die Außenseiten des Bauwerkes wurden freigelegt, und dabei kamen
die Reste einer Umfassungsmauer aus ungebrannten Nilschlamm-
ziegeln zutage, ferner Spuren des Totentempels und des Aufweges, der
dorthin führte, sowie verschiedene Fragmente, die Jequier die Zu-
weisung der Mastabat Faraûn an Schepseskâf, den Sohn des Mykerinos,
sicherten. Gleichzeitig wurde Lepsius' Ansicht bestätigt, daß hier die
Form eines gigantischen Sarkophags mit gewölbtem Deckel, wie in
kleineren Dimensionen für die Zeit üblich, angestrebt war (Abb. 15).

1926 begann Jequier die Ausgrabungen im Pyramidenkomplex Pepis


IL, etwa 200 m nordwestlich der Mastabat Faraûn. Nacheinander legte
er die Reste des oberen Tempels mit zahlreichen Relieffragmenten frei,
den Aufweg dorthin sowie die drei Pyramiden von Königinnen des
Pepi namens Udjebten, Neith und Apuit mit den zugehörigen Toten-
tempeln, und schließlich den Taltempel des Königs am Rande des
Fruchtlandes mit seinen Kaianlagen, Zugangsrampen und einer aus-
gedehnten Terrasse (siehe unsere Rekonstruktionszeichnung Abb. 21).

Jequier beschränkte sich nicht nur darauf, wie das bis dahin geschehen
war, die Ergebnisse seiner Grabungen zu publizieren, sondern setzte
100 Das Geheimnis der Pyramiden

mit Hilfe des Zeichners Ahmed Youssef die Reliefbruchstücke soweit


als möglich zusammen und brachte sie an ihrem ursprünglichen Platz
an, so daß hier eindrucksvolle Rekonstruktionsarbeit geleistet wurde97.
An der Pyramide Pepis II. grub er den Eingang aus und räumte die

Abb. 21: Pyramidenanlage Pepi's II., im Vordergrund der Taltempel, Rekonstruk-


tion von Lauer

Kammern im Innern frei, die mit Steinschutt und Fragmenten der


Wandverkleidung angefüllt waren, seit die mittelalterlichen Stein-
brucharbeiter auf der Suche nach feinem Kalkstein hier gehaust hatten.
Diese Arbeit erwies sich als besonders lohnend; denn im Schutt fand
Jequier eine große Anzahl beschrifteter Fragmente, die er wieder ein-
fügen konnte98. Zusammen mit den Texten aus den Pyramiden der
Königinnen Udjebten und Neith bilden diese Texte eine wesentliche
Bereicherung für das Studium und die Interpretation der »Pyramiden-
texte« .

Jequier grub noch bis 1936 die kleine Pyramide des Königs Ibj aus, die
offenbar aus der 8. Dynastie stammt, ferner die Ziegelpyramide des
Chendjer (Abb. 22) sowie eine zweite größere (Abb. 23), die wohl nie-
mals vollendet worden war99. In der stark zerstörten Pyramide des Ibj
fanden sich auf den Wänden der Grabkammer Texte wie unter der 6.
Dynastie. Die beiden Ziegel-Pyramiden aus der 13. Dynastie hingegen
sind besonders von der Anlage ihrer Verschlußsteine sowie von der
Anordnung der Grabkammerverschlüsse her interessant. Die Grab-
kammern selbst bestehen aus riesigen monolithen Quarzitwannen
Die archäologische Erforschung der Pyramiden 101

mit einem Gewicht von einigen sechzig Tonnen bei Chendjer und
mehr als dem doppelten Gewicht im Falle der unvollendeten Pyramide
(Abb. 34).

Abb. 22: Pyramide des Chendjer, 13. Dyn. in Saqqâra-Süd, Grundriß

Zur Zeit, da Jequier an der Mastabat Faraûn arbeitete, begann Firth mit
der Freilegung der großen Umfassungsmauer der Stufenpyramide.
Nach und nach schälten sich die erstaunlichen Bauten des Königs
Djoser aus feinstem, sorgfältig geglättetem und verfugtem Kalkstein,
mit nischengegliederten Mauern, kannelierten und gebündelten
Säulen und seltsamen steinernen Nachbildungen offener Türen aus
dem Sand heraus (Taf. IV und Taf. V)100
102 Das Geheimnis der Pyramiden

Angesichts der Bedeutung dieser Entdeckung und der zahllosen im


Boden zu vermutenden Bauelemente, war die Mitarbeit eines Archi-
tekten erforderlich, und so wurden wir von Pierre Lacau berufen. Nach
langen und sorgfältigen Recherchen war es uns möglich, Lage und
Proportionen der verschiedenen Bauwerke im Djoser-Bezirk auszu-
machen und sie zu rekonstruieren (Taf. 5 a und b)101. Seither wurden
nach Plänen und Zeichnungen dieser Rekonstruktion bestimmte Teile
unter Einschluß der Originalblöcke wieder aufgebaut, so vor allem
viele der Säulen. An den sogenannten Hebsed-Kapellen (Taf. IV c) wird
gegenwärtig noch gearbeitet.

Abb. 23: Unvollendete Pyramide aus der 13. Dyn. in Saqqâra-Süd, Grundriß

Bei den Ausgrabungen kam ein seltsam anmutendes Grab von 28 m


Tiefe an der südlichen Umfassungsmauer zutage, das vielleicht ein
Scheingrab gewesen ist, in dem möglicherweise die Kanopenkrüge des
Königs Djoser beigesetzt waren. Die Grabkammer aus Granit, die zer-
Die archäologische Erforschung der Pyramiden 103

stört worden war, befand sich wie in der Stufenpyramide auf dem
Grunde eines gewaltigen Schachtes. Die anschließenden Räumlich-
keiten enthielten Kammern mit blauen Fayencekacheln und drei
Scheintüren mit feinen Reliefdarstellungen des Horus Neterichêt-
Djoser (Taf. 7 und 8). Diese interessante Entdeckung veranlaßte Firth,
sich der Pyramide selbst zuzuwenden und die von Perring verfertigten
Pläne nachzuprüfen. Die Nachforschungen führten schon bald zur
Auffindung weiterer fayencegekachelter Räume, die, wie das Grab aus
der Umfassungsmauer, drei Scheintüren des Neterichêt-Djoser ent-
hielten. Im Boden einer der Kammern gestattete ein Grabräuber-
schacht den Zugang zu weiteren, tiefer liegenden Stollen, auf deren
Freilegung Firth allerdings vorderhand verzichtete, um mit seinem
Grabungsteam zu einer etwa 200 m entfernten, zusammengestürzten
Pyramide nordöstlich des Djoserbezirks zu ziehen und dort den
Pyramidentempel freizulegen. Dieser war ausnahmsweise aufgrund
der Bodenverhältnisse zum größten Teil an der Südseite der Pyramide
errichtet worden. Firth fand dort die Reste eines gut gearbeiteten
Basaltpflasters des Haupthofes sowie nach entsprechenden Grabungen
die Einlassungen für Granitpfeiler, von denen noch einige Fragmente
erhalten waren, ferner einige Türschwellen aus Granit, die sich noch
an Ort und Stelle befanden (Abb. 41). Relieffragmente mit Hieroglyphen
nannten mehrfach den Namen des Userkâf, Gründer der 5. Dynastie.
In einer Ecke des Hofes fand Firth den hervorragenden Kolossalkopf
aus Granit, der sich seither im Museum von Kairo (Taf. 2 b) befindet.
Südlich des Tempels wurde die Pyramide einer Königin mit Resten
einer Kapelle an der Ostseite und westlich des Pfeilerhofes eine zweite
kleine Pyramide ohne Kapelle festgestellt.

Zu Beginn des Jahres 1930 unternahm Firth noch einige abschließende


Räumarbeiten am Tempel des Unas, die es uns trotz totaler Zerstörung
gestatteten, aufgrund der Ähnlichkeit mit den Tempeln der Pyrami-
denanlagen der Könige Teti und Pepi II. einen großen Teil dieser Anlage
zu rekonstruieren (Abb. 43).

Nach dem Tode von Firth, der 1931 überraschend starb, nahmen wir
gemeinsam mit Quibell die Arbeit an den tief gelegenen Korridoren der
Stufenpyramide wieder auf. Wir stellten fest, daß es sich dabei um ein
Gangsystem handelt, das unabhängig von den Grabräumen des Djoser
104 Das Geheimnis der Pyramiden

zu sehen ist. Diese Gänge sind in Ost-West-Richtung orientiert und


verlaufen fast horizontal in einer Tiefe von 32 m unter der Grundlinie
der Pyramide. Man hatte sich bei ihrem Bau durch Schächte an der
Ostseite der ursprünglichen Mastaba, die dann von der Stufen-
pyramide verdeckt wurden, Zugang verschafft. Vier Korridore, die von
Grabräubern heimgesucht und dabei miteinander in Verbindung ge-
bracht worden waren, bargen zusammen mit Skelettresten von Frauen
oder Kindern Fragmente von Alabastersarkophagen, die systematisch
zerbrochen worden waren, und unter Resten von Grabausstattungs-
gegenständen zwei vollständig erhaltene, reizende kleine Amethyst-
gefäße. Die Entdeckung eines weiteren Grabräuberganges führte uns
zu einem fünften, weniger tiefen Korridor102. An den Wänden waren
noch Teile der einstigen Holzverkleidung erhalten, und im Schutt
kamen einige Dutzend schöner Gefäße aus Alabaster, Schist, Diorit und
anderem Gestein zutage, außerdem zwei Alabastersarkophage, deren
gewölbte Deckel zerbrochen waren (Abb. 24). Der eine Sarkophag war
leer, während der zweite die zerfallenen Teile eines ungewöhnlichen
Sarges aus sechs Lagen Holz von 4 bis 6 mm Dicke enthielt, die in der
Maserung längs und quer wechselnd nach dem Prinzip unseres moder-
nen Sperrholzes zusammengefügt waren. Die äußere Schicht mit ver-
tikaler Maserung hatten mit winzigen goldenen Nägeln befestigte
Goldbeschläge geziert, von denen wenige Reste erhalten geblieben
waren, als die Grabräuber das Gold heruntergefetzt hatten. In diesem
Sarg fanden wir die unordentlich verstreuten Gebeine eines Kindes
von vielleicht acht Jahren. Allerdings befand sich der Kopf noch in der
ursprünglichen Lage auf der Nordseite, das Gesicht nach Osten
gewandt, der Körper schien leicht gekrümmt beigesetzt gewesen zu
sein.

Die Südwand des Korridors über dem Sarkophag ließ, vermischt mit
dem zerbröckelten Fels, zahllose Fragmente von Steingefäßen sichtbar
werden. Beim Abkratzen dieser Wand vergrößerte sich die Zahl der
Gefäßfragmente sehr schnell, was auf die Existenz eines weiteren
Stollens an dieser Stelle schließen ließ. Da aber der Fels hier zu brüchig
war, mußten wir aus Gründen der Sicherheit unseren Gang etwa 15 m
weiter hinten anlegen, wo er dann allerdings bald auf den vermuteten
Korridor stieß, der vom Boden bis zur Decke vollständig mit Stein-
gefäßen (Taf. 6 b)103 angefüllt war. Als wir ihn nach beiden Richtungen
ausräumten, stellten wir fest, daß er mit einer kaum vorstellbaren
Menge von Gefäßen aller Art, mit Krügen, Schüsseln und Stößen von
flachen Schalen aus Alabaster und härterem Gestein angefüllt war,

Abb. 24: Sarkophag einer Prinzessin, Alabaster (Stufenpyramide des Djoser)

die in völligem Durcheinander vom Boden bis zur Decke aufgestapelt


waren. Die heruntergebrochene Decke hatte das Ganze mehr oder
weniger zerdrückt. Bald darauf wurde noch ein Korridor entdeckt, der
zunächst in gleicher Höhe wie der erste verlief, bald aber tiefer hinab-
führte, so daß er unter dem ersten hindurchging. Auch er barg von
einem Ende bis zum anderen Steingefäße. Schätzungsweise 30000 bis
40000 Gefäße aus Alabaster oder härterem Gestein sind in diesen
beiden Stollen zutage gekommen.

Beim weiteren Vorgehen nach Süden wurden noch vier stets in Ost-
West-Richtung verlaufende Korridore gefunden, die jeweils mit einem
Schacht vor der Ostseite der ursprünglichen Mastaba korrespondierten.
Diese in der Regierungszeit des Djoser nicht benutzten Gänge waren
später mit dem Schutt angefüllt worden, der aus der eigentlichen
Anlage kam.
106 Das Geheimnis der Pyramiden

Nachdem diese Arbeiten unter der Stufenpyramide Anfang 1937 abge-


schlossen waren, begannen wir im Winter 1938/39 mit der Freilegung
des großen, südlich an die Pyramide anschließenden Hofes innerhalb
der Umfassungsmauer, den Firth nur teilweise ausgegraben hatte.

An der Unaspyramide gruben wir 1937 und 1938, um den Totentempel


abzuschließen, die Bereiche aus, die sich beiderseits des Eingangs-
vestibüls befinden. Analog zu den Tempelanlagen des Teti oder Pepis II.
hatten hier Magazine gelegen. Als wir unter anderem nach dem Ver-
steck suchten, wo Barsanti die Relieffragmente gefunden hatte, die aus
seinen Grabungen 1900/1901104 stammen, fanden wir weitere solcher
Fragmente in Bodenvertiefungen, die von der Zerstörung der Mauer-
fundamente und des Pflasters in den Tempelräumen unmittelbar an
der Pyramide herrührten.

An der Südseite der Unaspyramide fanden wir im Geröll zwei Ver-


kleidungsblöcke mit einer hieroglyphischen Inschrift in verhältnis-
mäßig großen Zeichen, die exakt zusammenpaßten. Weitere Frag-
mente ließen sich hinzufügen, und außerdem waren noch an Ort und
Stelle an der Südseite auf einem Verkleidungsblock zugehörige
Inschriftteile erhalten. Sie bildeten das untere linke Ende einer In-
schrift, die, wie Drioton105 gezeigt hat, die bis jetzt kompletteste
bekannte Version eines Textes darstellt, den Ramses II. an bestimmten
Bauwerken der memphitischen Nekropole hatte anbringen lassen,
weil sie auf Anregung seines Sohnes Chaemwese, dessen Namen sich
häufiger findet, restauriert worden waren. Teile einer solchen In-
schrift sind auch im Bereich des Sonnenheiligtums von Abu Gurôb, an
der Pyramide des Sahurê und an der Mastabat Faraûn ausgegraben
worden. Seither sind weitere drei Fragmente an der Südseite der Stufen-
pyramide gefunden worden106. Diese Entdeckungen beweisen, daß
sich an bestimmten Stellen der Pyramidenverkleidungen doch hiero-
glyphische Inschriften befunden haben, eine Tatsache, die lange in
Zweifel gezogen worden war107.

Während wir an diesen Projekten arbeiteten, legte Selim Hassan, der


die Mastabas aus dem Alten Reich östlich der Unaspyramide ausgrub,
einen bedeutenden Teil des Aufweges frei, der die Pyramide einst mit
dem Taltempel verbunden hatte (Taf. 13 b), sowie südlich des Aufwegs
Die archäologische Erforschung der Pyramiden 107

und parallel zu ihm (Taf. XII a) eine im Fels ausgearbeitete, mit


behauenen Steinen verkleidete Vertiefung in Sonnenbarkenform.
Pflasterung und Seitenmauern des Aufweges sind teilweise wiederher-
gestellt und mit Reliefs von den Innenseiten ausgestattet worden
(Abb. 57). Der Taltempel, der vollständig vom Sande verdeckt war,
wurde während des Zweiten Weltkriegs von Abdessalem M. Hussein
angegangen, der im übrigen weiter oben am Aufweg eine weitere
Sonnenbarkenvertiefung neben der ersten (Taf. XII a) entdeckte. 1945
betraute Kanonikus Et. Drioton, damals Generaldirektor der Alter-
tümerverwaltung, da er eine Sondererlaubnis von den ägyptischen
Behörden zur weiteren Erforschung der Pyramiden erhalten hatte, den
Architekten Abdessalem M. Hussein mit dieser Aufgabe. Neben seiner
Arbeit an der Unaspyramide nahm er zugleich die Freilegung der
»Haram esch-Schawâf« (Pyramide des Wächters) genannten Pyramide
vor, die beherrschend über dem Dorf Saqqâra liegt. Diese Pyramide,
schon bald mit Gewißheit dem König Isesi-Djedkare aus der 5. Dyna-
stie zugeschrieben, enthielt in der stark zerstörten Grabkammer keine
Texte wie die des unmittelbaren Nachfolgers Unas, so daß sich die
Vermutung bestätigte, daß Unas wohl der erste war, der Texte in der
Pyramide anbringen ließ. Der obere Pyramidentempel, wo man kost-
bare Reliefs, Gefangenstatuen und Greifenbildnisse bergen konnte,
wurde zum größten Teil freigelegt. Danach befaßte sich Abdessalem
noch einmal mit der Knickpyramide von Dahschûr (Taf. VIII und
Taf. 11 b), die er systematisch untersuchte und wo er auf noch in situ
befindlichen Blöcken Steinmetzmarkierungen mit dem Namen des
Nebmaat, also Snofru, fand. Der Vater des Cheops mußte folglich der
Erbauer dieser Pyramide gewesen sein, von der man angenommen
hatte, daß sie von Huni, dem letzten König der 3. Dynastie, stamme.
Während der Ausgräber die Untersuchung des weiteren Pyramiden-
komplexes dann zurückstellte und nur mehr einige Arbeiter mit der
Freilegung des westlichen absteigenden Ganges beauftragte, ein Unter-
nehmen, mit dem Perring begonnen hatte, wurde die Grabungs-
mannschaft zur großen nördlichen Pyramide abgezogen. Er säuberte
erneut den absteigenden Gang und machte so die beiden ersten ein-
drucksvollen Räume mit den Kragsteingewölben zugänglich (Taf. 12 b).
Außerdem hatte er die Basis der Kanten freigelegt und dabei an der
Nordostecke Steinmetzmarkierungen gefunden, die sich wie bei der
Knickpyramide auf Snofru bezogen108. Kurze Zeit später fand er be-
108 Das Geheimnis der Pyramiden

dauerlicherweise nach einer Operation in Amerika im Sommer 1949


den Tod, ohne daß er seine Forschungsergebnisse hätte publizieren
können.

Seine Arbeit wurde erst im März 1951 von Professor Ahmed Fakhry
wieder aufgenommen, der den westlichen absteigenden Gang der
Knickpyramide säubern konnte109. Er verlegte sich aber besonders auf
Grabungen im Außenbereich und entdeckte während vier aufein-
anderfolgender Kampagnen110 an der Ostseite zunächst ein beschei-
denes Sanktuar, in dem noch die Reste zweier riesiger monolither

Abb. 25: Sanktuar an der Ostseite der Knickpyramide des Snofru, Rekonstruktion,
nach Ricke
Die archäologische Erforschung der Pyramiden 109

Stelen vorhanden waren, die in Relief die Titulatur des Königs getragen
hatten. Sie hatten einen Opfertisch aus Kalksteinblöcken flankiert, in
den eine Opferplatte aus Alabaster eingelassen war (Abb. 25). Diesen
Altar schützte eine Decke aus großen Kalksteinblöcken, die zu beiden
Seiten auf Mauern auflagen. Das Ganze, von Mauern aus unge-
brannten Ziegeln umgeben, die auch eine Art Eingangsbau ein-
schlössen mit dem Zugang an der Südseite der Südostecke, war
späteren Veränderungen unterworfen gewesen.

Abb. 26: Knickpyramide mit Nebenpyramide und Umfassungsmauer, Grundriß

Darauf stellte Ahmed Fakhiy an der Ostseite der kleinen Neben-


pyramide, die genau in der Nord-Süd-Achse der Knickpyramide liegt
und bereits von Mariette untersucht worden war, ebenfalls eine Opfer-
stelle mit einem Tisch aus ungebrannten Ziegeln, von zwei großen
Stelen aus Kalkstein flankiert, fest, deren Basisreste sich noch in situ
befanden (Abb. 26). Ein sehr wichtiges Stelenfragment lag daneben im
Sand. Es zeigt in Relief ein wunderbar gearbeitetes Serech (Horusname)
mit dem Bildnis des thronenden Königs Snofru, von Kartusche und
Titulatur umgeben, von einem Horusfalken bekrönt. Reste einer
110 Das Geheimnis der Pyramiden

möglicherweise dritten Opferstelle, aber ohne Spuren von Stelen,


wurden in der Mitte der Nordseite am Fuße der Knickpyramide fest-
gestellt.

Das wichtigste Ergebnis war aber zweifellos die Auffindung eines


Tempels, dessen Lage bereits auf einem Plan der Nekropole von
Dahschûr von J. de Morgan erscheint und der am unteren Ende des
Aufwegs zum Pyramidenbezirk liegt. Dieser Tempel, obwohl 700 m
von der Pyramide entfernt, ist gleichwohl noch weiter vom Tal ent-
fernt und scheint aus diesem Grunde nicht mit dem üblichen Tal-
tempel gleichzusetzen zu sein, dem Empfangstempel der Pyramiden-
komplexe also, der im allgemeinen mit einer Anlegestelle verbunden
ist. Sein Grundriß scheint anzudeuten, daß er für die Begräbnisfeier-
lichkeiten gedient hat, die sich in den zeitlich folgenden Pyramiden-
bezirken im oberen Tempel abgespielt haben. Hervorragende Reliefs
mit der Darstellung von Opferträgerinnen, die die königlichen
Domänen der unter- und oberägyptischen Gaue symbolisieren, wur-
den noch an ihrem ursprünglichen Anbringungsort gefunden, sind
inzwischen aber aus Gründen der Erhaltung von den Wänden ge-
nommen worden. Auch bedeutende Fragmente von Reliefbildnissen
und Statuen des Snofru wurden hier gefunden. Vor der Südseite des
Tempels hatten zwei Stelen mit dem Namen des Snofru gestanden,
ähnlich denjenigen, die an der kleinen Nebenpyramide zutage ge-
kommen waren.

Nach dem Komplex der Knickpyramide begann Fakhry mit der Frei-
legung der Ostseite der großen Pyramide des Snofru in Dahschûr; da
ihm aber das notwendige Material und die notwendigen Werkzeuge
fehlten, um zahlreiche große Blöcke, die aus der Verkleidung gebrochen
waren, beiseitezuräumen, mußte er dieses Projekt zunächst aufgeben,
das er erst später wieder aufnehmen konnte.

Die Grabungen im Bereich des oberen Tempels der Pyramide des Isesi-
Djedkare in Saqqâra hatte Fakhry dagegen fortsetzen können und dort
u. a. mehrere interessante Gräber der 6. Dynastie freigelegt, dazu den
oberen Tempel an der Königinnenpyramide unmittelbar nördlich der
Pyramide des Königs. Dieser Totentempel der namentlich noch nicht
bekannten Königin enthielt unter anderen Architekturelementen ein
Die archäologische Erforschung der Pyramiden 111

Vestibül mit Lotoskapitellsäulen und einen Hof mit Säulen, deren


Kapitelle offene Papyrusdolden nachahmen. Er gehört zu den be-
deutendsten, die bisher im Gebiet von Memphis zutage kamen111

In Saqqâra übernahmen wir 1948 im Auftrage der Altertümerver-


waltung die Abschlußarbeiten am Tempel des Userkâf, ein Projekt, das
C. M. Firth zwanzig Jahre zuvor nicht hatte vollenden können. Diese
zusätzlichen Grabungen, die sich aufgrund äußerst sparsamer Mittel
bis 1953 hinzogen, ermöglichten die Rekonstruktion des Grund-
risses112. Dieser Grundriß (Abb. 41) zeigt, daß trotz topographischer
Schwierigkeiten, die anscheinend die Verlegung des Tempels an die
Südseite bewirkten, die Scheintür und der Opfersaal an der Ostseite
blieben, wo sie den Mittelpunkt eines kleinen Kultbaus im Mittelteil
der Ostseite bilden. Das nach Osten gekehrte Sanktuar mit fünf
Nischen für die Statuen, wie man es dann in den meisten Toten-
tempeln der 5. und 6. Dynastie findet, scheint hier im Südteil des
Tempels untergebracht gewesen zu sein, wobei sich die Nischen nach
Norden öffneten. Durch eine Halle mit acht Pfeilern gelangte man
dorthin. Der Tempeleingang liegt an der Ostseite, nicht weit von der
Südostecke entfernt. Als letzte Abweichung dieser Anlage sei noch der
Pfeilerhof genannt, der nur an drei Seiten Pfeiler aufwies, während die
Südseite offenbar für die Aufstellung der kolossalen Granitstatue
gedacht war, von der sich nur der Kopf erhalten hat, der an dieser Stelle
gefunden wurde.

Während wir am Userkâf-Tempel arbeiteten, unternahm Zakaria


Goneim, der zum Konservator der Nekropole von Saqqâra ernannt
worden war, südwestlich der Unas-Pyramide Nachforschungen in
einem großen Geviert, dessen Umrisse sich inmitten der vom Sand
bedeckten Bodenerhebungen und im Steinschutt abzeichneten. Die
Grabungen brachten sehr bald bestens erhaltene Teile einer Um-
fassungsmauer mit Nischengliederung ähnlich der des Djoser ans
Licht. Dieser auf mehr als 50 m erhaltene Mauerzug mußte während
des Baus bei etwas mehr als 3 m Höhe, nach der sechsten Steinlage,
unterbrochen worden sein (Taf. 10 c). Von den Erbauern aufgegeben,
wurde die Mauer irgendwie in einen Erdaufwurf eingeschlossen, der
noch fast 190 m nach Norden verlängert wurde. So mit einer Auf-
schüttung aus kleinen Steinen, Lehm und Sand versehen, wurde die
112 Das Geheimnis der Pyramiden

Verkleidung aus feinem Kalkstein davor bewahrt, den Steinsuchern


anheimzufallen, wie das sonst überall geschehen ist.

Weitere Suchgrabungen brachten im Zentrum des Vierecks Reste


einer Konstruktion aus Blöcken des anstehenden Kalksteins zutage,
die mit einer Neigung von etwa 15 Grad gegenüber der Senkrechten
aneinandergeschichtet waren und eine Breite von etwa 2,60 m auf-
wiesen. Die Steinlagen selbst standen rechtwinklig zur Mauerneigung.
Diese sehr eigenartige Struktur kündete eine Stufenpyramide der 3.
Dynastie an, deren Kanten auch bald zum Vorschein kamen. Die
Pyramide (Abb. 27) hatte eine Seitenlänge von ungefähr 120 m, eben-
soviel wie die längste Seite der Djoser-Pyramide, die ein Rechteck mit
Längsachse in Ost-West-Richtung bildet.

Nach achtzehnmonatiger Unterbrechung konnte Zakaria Goneim


seine Arbeit fortsetzen und entdeckte etwa 50 m nördlich der Pyramide
in der Mittelachse den Beginn eines absteigenden Ganges, der noch

Abb. 27: Stufenpyramide des Horus Sechemchet, Schnitt, Rekonstruktion


von Lauer
Die archäologische Erforschung der Pyramiden 113

verschlossen war. Dieser war zunächst als Graben angelegt, um dann


unter den Fundamenten eines geplanten Totentempels hinweg
schließlich unter die Pyramide zu führen. Ein großer Schacht von 3 m
im Geviert überschneidet den Gang und führt in den Pyramidenkern
in geringer Entfernung von der Verkleidung der Nordseite. Etwa 78 m
nach dem Tunneleintritt endet der absteigende Gang in der in den an-
stehenden Fels gehauenen Grabkammer in einer Tiefe von 28 m. In der
Mitte des großen Raumes stand noch ein schöner Alabastersarkophag,
der keinen Deckel aufwies, sondern durch einen vertikalen Schieber
an der nördlichen Schmalseite verschlossen war (Taf. 10 a und b). Dieser
leer vorgefundene Sarkophag - auch Spuren sonstigen Grabmobiliars
fanden sich nicht - scheint die königliche Mumie nie enthalten zu
haben. Zur Ostwand des absteigenden Ganges hin wurde ein Schmuck-
versteck mit 21 goldenen Armbändern, einem bezaubernden kleinen
goldenen Behältnis in Muschelform, einer Pinzette aus Elektrum und
zahlreichen Halsketten aus Goldperlen, Karneolperlen und Fayence
gefunden. Der Fundort lag an der Ostwand des absteigenden Ganges,
ein paar Meter nördlich der Schnittstelle mit dem Schacht. Außerdem
fanden sich unter dem Schacht selbst in einer Schicht aus mit Steinen
durchsetzter Erde mehrere hundert Gefäße aus Alabaster, Diorit und
anderem Hartgestein, wie sie für die 3. Dynastie typisch sind. Einige
tönerne Krugverschlüsse enthielten den mit Siegeln aufgedrückten
Namen des Pyramidenerbauers, Horus Sechemchet, der bis dahin
unbekannt war113.

Das tragische Verschwinden Zakaria Goneims im Jahre 1959 zog die


Unterbrechung der Grabungen in diesem weiten Geviert nach sich, wo
es vor allem darauf angekommen wäre zu erfahren, ob Sechemchet,
ähnlich wie Horus Neterichêt-Djoser, der wohl sein Vater war, ein
zweites Grab im Süden angelegt hatte. Erst einige Jahre später, 1963,
betraute der damalige Generaldirektor der Altertümerverwaltung, Dr.
Anwar Shoukry, uns mit der Aufgabe, Untersuchungen in dieser Rich-
tung anzustellen. Trotz geringster Mittel, die uns damals zur Ver-
fügung standen und die es uns gerade gestatteten, ein paar Wochen der
nächsten drei Kampagnen auf dieses Unternehmen zu verwenden,
stießen wir 1966 auf Reste dieses Grabes, das nicht nur in der Antike
besonders stark unter den Steinräubern gelitten hatte, sondern auch
mit mehreren Metern Sand und Steinschutt bedeckt war.
114 Das Geheimnis der Pyramiden

Im Verlauf der Kampagne 1966/67 gab uns Doktor Saroite Okacha,


Vizepremierminister und Kultusminister, endlich die Möglichkeit,
diesen Bauten in einer Entfernung von 50 Ellen südlich der Pyramide
(Abb. 28) nachzugehen. Es handelt sich um eine Mastaba in den Maßen
60 x 30 Ellen mit einem Schacht von 3,30 m Seitenlänge und einer
Tiefe von 29 m, der noch seinen ursprünglichen Verschluß trug. Als
aber in der Antike das Gebiet um die Mastaba als Steinbruch durch-
forstet worden war, hatten die Arbeiter auch den absteigenden Gang
entdeckt, der, von Westen kommend, in diesem Schacht endete,
während der eigentliche Eingang unter mehr als 15 m Schutt verborgen
blieb. Auf diese Weise konnten sie die Verschlußstelle umgehen und
uns um mehrere Jahrtausende in der geräumigen Galerie, die sich über
fast 18 Meter nach Osten erstreckt und den Begräbnisraum darstellt,
zuvorkommen. Diese Galerie, die wohl mit feiner Kalksteinverklei-
dung und Scheintüren mit blauem Fayence-Dekor wie bei Djoser hätte
ausgestattet werden sollen, war zum Zeitpunkt des Todes des Königs,
der unerwartet und verfrüht eingetreten sein muß, nicht fertiggestellt.
Sie ebensowenig wie ein Holzsarkophag, der zusammengebrochen
war, von dem sich aber noch Reste erhalten hatten, und der quer zur
Galerie etwa 6 m vom Eingang entfernt gefunden wurde, war für
Sechemchet benutzt worden. Der einem archaischen Typus zuzu-
rechnende Sarg, kaum 1,15 m lang, hatte das Skelett eines vielleicht
zweijährigen Kindes enthalten, wohl eines jungen Prinzen, der in dem
freigewordenen Grab beigesetzt worden war. Zahlreiche Teilchen von
Goldbeschlägen mit zum Teil noch erhaltenen Abdrücken eines
feinen, in Holz geschnitzten Flechtwerks und mehr als 300 Einlagen
aus Karneol, Lapislazuli oder Schist lagen um den Sarkophag herum,
während am Eingang des Begräbnisraumes und auf dem Grunde des
Schachts Alabastergefäße und Gefäße aus Hartgestein, ganz oder in
Fragmenten, ebenso wie einige Keramikgefäße mit den für die 3. Dyna-
stie typischen Formen über den Boden verstreut waren114. Obwohl
dieses Grab also seiner eigentlichen Bestimmung entzogen war,
beweist doch sein Vorhandensein im Süden des Sechemchetkomplexes
die Bedeutung, die man im Laufe der 3. Dynastie diesem zweiten Grab
beimaß, das hier, wie im Djoserbezirk, das Aussehen einer Mastaba
hatte und wenig später in Medûm die Form einer kleinen Stufen-
pyramide annehmen sollte, bevor es in Dahschûr an der Knick-
pyramide die Gestalt einer kleinen Nebenpyramide mit Dreiecks-
Die archäologische Erforschung der Pyramiden 115

Seiten erhalten sollte. An der Südseite der Chephrenpyramide und der


Mykerinospyramide fanden sich ebenfalls solche Nebenpyramiden.
Während der 5. und 6. Dynastie und auch noch im Mittleren Reich

Abb. 28: Grabbezirk des Horus Sechemchet, nach Lauer

befand sich diese Nebenpyramide regelmäßig südlich des oberen


Tempels, nahe der Südwestecke der Hauptpyramide. Ihre Funktion
scheint sich im Laufe der Zeit geändert zu haben. Vor allem gilt es fest-
zustellen, daß sie nicht der Beisetzung der Kanopen diente, die viel-
mehr in der Grabkammer unter der Hauptpyramide bestattet wurden.
Auf Veranlassung von Pierre Lacau, der hoffte, in den anderen
Pyramiden der 6. Dynastie die Arbeit weiterführen zu können, die
Gustave Jequier so erfolgreich an der Pyramide Pepis II. mit der
Ergänzung der Pyramidentexte begonnen hatte, hatte Jean Sainte Fare
Garnot seit 1951 die Vorbereitung einer Neuausgabe der »Pyramiden-
texte« übernommen. Dies geschah im Auftrag des Centre National de
1a Recherche Scientifique und der Grabungskommission des Außen-
ministeriums in Zusammenarbeit mit der Altertümerverwaltung
Ägyptens. Als Architekt sollten wir bei diesem Projekt mit dem Text-
spezialisten zusammenarbeiten. Maspero und seine Mitarbeiter hatten
seinerzeit nur die an den Wänden vorhandenen Texte aufnehmen
können, während man bei Durchsuchung des Steinschutts, den die
mittelalterlichen Steinbrucharbeiter verursacht hatten, auch Frag-
mente mit Inschriften fand, so daß Jequier ganze Textsequenzen aus
116 Das Geheimnis der Pyramiden

den von den Wänden verschwundenen Stellen hatte wiederherstellen


können. Da Frankreich zwischen 1952 und 1955 keine Grabungs-
erlaubnis in Ägypten erhielt, wurden unsere erneuten Bemühungen in
dieser Richtung, die mit der Teti-Pyramide begonnen hatten, schon
bald wieder unterbrochen. Im Laufe des Winters 1955/56 erhielten wir
erneut die Erlaubnis, und zwar auf Intervention des Präsidenten des
Staatsrats, Sanhoury Pacha, hin, aber die Arbeiten mußten aufgrund
der internationalen Ereignisse Ende 1956 schon wieder unterbrochen
werden115. Widrige Umstände erzwangen schließlich eine Vertagung
bis 1965, so daß nach dem vorzeitigen Tode von Sainte Fare Garnot
dessen Schüler und Nachfolger an der Sorbonne, Jean Leclant, die
Arbeit an diesem Projekt übernahm.

Während sich J. Leclant an das Studium Hunderter von beschrifteten


Fragmente machte, konnten wir die Grabkammer der Teti-Pyramide
vollends säubern und absichern. Wir fanden die Einlaßstelle für den
Kanopenkasten im Fußboden, etwa 60 Zentimeter südöstlich des
Sarkophages. Erfolgreich verlief auch die Freilegung des Totentempels,
die S. M. Firth nicht hatte vollenden können. Der Grundriß des von
uns rekonstruierten Tempels (Abb. 44), der dem Pepis IL ähnelt, zeigt
vor dem Eingang einen merkwürdigen Knick in der Verbindung mit
dem Aufweg116. Bedingt war dies durch zwei wichtige Bauten fast
genau gegenüber vom Tempeleingang: einer Pyramide der 5. Dynastie,
die heute fast vollständig zerstört ist, und einer sehr großen anonymen
Mastaba aus der 3. Dynastie mit ausgezeichneter Steinverkleidung*
Außerdem fanden wir die Reste der Mastaba des königlichen
Schreibers Achpet, Vorsteher der Einbalsamierer des Herrn der Beiden
Länder, dessen schöne Reliefs zum Teil geborgen werden konnten. Die
Mastaba war zu Beginn der 19. Dynastie auf den Ruinen des Toten-
tempels Tetis, nahe an der Südostecke an der Mündungsstelle des
Aufwegs, etwa 2 m über dem Bodenniveau der 6. Dynastie angelegt
worden.

Nach Beendigung der Arbeiten an der Teti-Pyramide gingen wir


1966/67 zur Pyramide Pepis I. Der große Krater in der Mitte, Folge
mittelalterlicher Steinbrucharbeiten, wurde vom Sande befreit. Dabei
kamen die riesigen gegeneinandergelegten Blöcke der Grabkammer-
überdachung zutage (Taf. XIII, a). Drei übereinandergestellte Lagen
Die archäologische Erforschung der Pyramiden 117

solcher Blöcke von je etwa 30 Tonnen Gewicht hatten das gewaltige


Entlastungssystem für die darunter liegenden Längswände der Grab-
kammer und der Vorkammer gebildet, die der Zerstörung anheimge-
fallen waren, ohne die Giebelüberdachung zum Einsturz zu bringen1 ] 7.
Allerdings hatte der Sand in die Kammern eindringen können, nach-
dem die oberste Lage fast völlig abgetragen und auch aus der zweiten
und ersten Teile herausgebrochen worden waren.

Drei Jahre nahm die Ausgrabung dieser Räume in Anspruch. Zunächst


mußte der absteigende Gang freigelegt werden, danach der an-
schließende Vorraum und über dem Gang mit den drei granitenen
Fallsteinen, die mit Hilfe von Winden abgehoben werden mußten, die
große Vorkammer, wo umfangreiche Sicherungsarbeiten notwendig
waren, bevor man die Öffnung der Passage zur Grabkammer wagen
konnte. Nach Abschluß aller dieser Vorarbeiten kam in der Pflasterung
dieses Raumes genau an der gleichen Stelle wie bei Teti, östlich der
Südostecke des Sarkophags aus Basalt, der hier völlig zertrümmert war,
ein Kanopenbehältnis aus Rosengranit zutage. Sein flacher Deckel
bestand aus dem gleichen Material. Das Behältnis war zwar von den
Grabräubern ausgeräumt worden, aber der Inhalt eines Kanopen-
kruges, mit feinen Bändern umwickelt, lag noch daneben in einer
Vertiefung des Bodenpflasters, so wie ihn die Grabräuber weggeworfen
hatten. Der hart gewordene und kompakte Inhalt hatte vollkommen
die Form des Alabasterkrugs bewahrt, von dem er umschlossen ge-
wesen war und von dem noch ein paar Fragmente gefunden wurden. Es
handelt sich um das einzige Exemplar einer königlichen Kanope aus
dem Alten Reich, das auf uns gekommen ist.

Das wichtigste Ergebnis aber war die große Ausbeute an Inschrift-


fragmenten aus der Vorkammer und der Grabkammer118. Fast 2400
Stücke kommen zu den Teilen der Wände hinzu, welche Maspero
seinerzeit nicht hatte erreichen können, weil ihm große Blöcke und
Schutt im Wege lagen. Diese Texte, die gegenwärtig noch ausgewertet
werden, stellen eine Bereicherung von größter Bedeutung dar. J. Leclant
und seine Mitarbeiterin Catherine Berger haben das Material gleich
einem umfangreichen und schwierigen Puzzle geordnet, so daß die
Fragmente nun an der richtigen Stelle in der Pyramide eingefügt
werden können, ein Unternehmen, das gegenwärtig noch im Gange ist.
118 Das Geheimnis der Pyramiden

Parallel zu den Arbeiten im Innern der Pyramide wurden auch die im


äußeren Bereich fortgesetzt, vor allem an der Ostseite, wo die Spuren
des Totentempels freigelegt wurden. Reste der Magazinräume aus
feinem, sorgfälltig geglättetem Kalkstein kamen zum Vorschein. Da
hier wohl im Neuen Reich Kalkbrennöfen eingerichtet worden waren,
hatten die späteren Steinsucher diese erhitzten und bisweilen ausge-
glühten Wände verschont, so daß sie gelegentlich noch bis zu einer
Höhe von mehr als 5 m anstehen. Wir stellten fest, daß diese Magazin-
räume zweigeschossig waren, was die entsprechenden Anlagen bei
Teti und Pepi II. nicht erkennen ließen, weil die Mauern dort nicht so
hoch erhalten waren, sondern oft nur mehr Spuren im Boden hinter-
lassen hatten. Ein herrlicher monolither Rosengranitblock in Form
einer Bodenplatte und Basis eines Achtkantpfeilers mit unregel-
mäßigen Seiten, der den Mittelteil der Decke des quadratischen Vor-
zimmers vor dem Opfersanktuar getragen hatte, kamen schließlich in
der Nähe der Magazine zutage119. Den interessantesten Fund bildeten
jedoch die Kalksteinstatuen von Gefangenen, die zwar als Material für
die Brennöfen leider zerschlagen, dann aber glücklicherweise nicht
verwendet worden waren120. Wir fanden fast zwanzig kniende, mehr
oder weniger fragmentarische Torsi mit auf dem Rücken gefesselten
Händen und elf Köpfe (Taf. XIV, a, b). Die zum Teil prosopographisch
gut ausgearbeiteten Köpfe (Taf. 16) sind typisch für die afrikanischen
oder asiatischen Nachbarvölker, mit denen sich Ägypten damals aus-
einanderzusetzen hatte. So erhöht sich der künstlerische Wert dieser
Köpfe noch durch ihre ethnologische Bedeutung. Wo waren diese
Statuen aufgestellt ? Wir wissen es nicht, aber wahrscheinlich säumten
sie auf beiden Seiten den Aufweg, und zwar auf der Nordseite die
Gefangenen der nordöstlich und nordwestlich benachbarten feind-
lichen Völkerschaften, auf der Südseite die der südlichen afrikanischen
Gegner.

Die letzte königliche Pyramide mit Inschriften, wo es noch die gleichen


Untersuchungen durchzuführen galt, speziell vom Gesichtspunkt des
Textsammeins her, war nunmehr die des Merenre, Sohn und Nach-
folger Pepis I. und älterer Bruder Pepis II. Im Frühjahr 1971 begannen
wir mit der Freilegung des Eingangs, den der Sand seit den Unter-
nehmungen Maspero 90 Jahre zuvor wieder vollständig zugeschüttet
hatte. Aber erst in der folgenden Kampagne 1971-72 wurden die drei
Die archäologische Erforschung der Pyramiden 119

noch heruntergelassenen Fallsteine im Gang gehoben, so daß die


Arbeiter, die die Zentralkammern freiräumen sollten, hindurch-
konnten. Der Gang ist zu beiden Seiten mit Texten in leuchtenden
Grün wie bei Pepi I. bemalt, die Hieroglyphen sind jedoch weniger tief
eingeschnitten und darum stilistisch weniger kraftvoll. Beim Betreten
der Vorkammer bietet sich dem Besucher ein verblüffender Anblick:
Die beiden Quermauern, d. h. Ost- und Westwand der Vorkammer, sind
nur im Giebel aufgehängt und werden vom beiderseitigen Druck der
Giebelplatten des Dachgewölbes gehalten (Taf. XVI, b und c). Genauso
verhielt es sich mit der Ostwand der Grabkammer, die aus der anderen
Seite des westlichen Monolithen der Vorkammer gebildet wird. Die
nördliche und südliche Längswand sind in der Vorkammer völlig und
in der Grabkammer zum größten Teil verschwunden.

Während nun der Boden beider Kammern von der Ausbeute im Mittel-
alter mit Steinsplittern und Schutt angefüllt war, hatte sich die Decke
vollkommen intakt erhalten, so vor allem die Malerei, die hier nicht
in Blau und Schwarz, sondern einem sepiabraunen Ton gehalten ist,
auf dem sich in Weiß die großen, fünfzackigen Sterne entfalten, was
den Anblick dieser sonst so verstümmelten Räume überwältigend
erscheinen läßt (Taf. XVI)121.

Die erste Aufgabe bestand darin, durch aufgemauerte Pfeiler die Enden
des gigantischen Monolithen zu stützen, der den Rest der Mauer
bildete, die Vorkammer und Grabkammer voneinander getrennt hatte.
Danach konnte das Umfeld des außergewöhnlich schönen und großen
Basaltsarkophags (Taf. XVI c) freigelegt werden. Im Unterschied zum
Sarkophag Pepis I. ist er sehr gut erhalten, die Königstitulatur findet
sich wie dort in einem oben umlaufenden Band auf dem Unterteil und
auf dem Deckel eingeschnitten. Analog zu Pepi und auch an der
gleichen Stelle vom Sarkophag aus steht der Kanopenschrein aus
Rosengranit mit einem Deckel aus schwarzblauem Granit. Kanopen-
krüge kamen hier bisher nicht zum Vorschein. Die seinerzeit von
Maspero geborgene Mumie befindet sich heute im Kairoer Museum122.
Erwähnt sei zum Schluß, daß beim Beiseiteräumen der großen Stein-
brocken an der Ostseite der Vorkammer unter dem Monolithen, der
den Giebel der Wand bildet, ein zweiter von 4,60 m Länge, 1,10 m Höhe
und ungefähr 1,50 m Dicke zutage kam. Er ist in einer Breite von 3 m
120 Das Geheimnis der Pyramiden

mit Hieroglyphen bedeckt und hatte unmittelbar unter dem Giebel-


stein gelegen, dessen Texte er fortsetzt. Darunter befinden sich auf die
Abwehr von Schlangen bezogene Sprüche, wie sie bisher nicht bekannt
waren.

Gleichzeitig mit den Arbeiten im Innern machten auch die Aus-


grabungen an der Ostseite der Pyramide des Merenre Fortschritte. Wir
fanden Reste vom Opferraum des Tempels mit der Außenmauer,
ferner Spuren der Nebenpyramide und der Umfassungsmauer an der
Südseite. Die gesamte Anlage war, abgesehen von Altarteilen und
noch an Ort und Stelle befindlichen Becken (Taf. XV), stärker zerstört
als bei Pepi I. Allerdings konnten auch Relieffragmente sichergestellt
werden, die lediglich Umrisse ohne Modellierung wiedergeben. Sie
sind zweifellos unfertig, was mit der Regierungsdauer des Merenre
übereinstimmen würde, dessen Mumie im übrigen auch belegt, daß er
sehr jung gestorben ist123.

Im Winter 1971-72 nahm die Altertümerverwaltung unter Leitung des


Architekten Yacoub Memdou und des Inspektors von Saqqâra,
Achmed Moussa, auch die für lange Zeit unterbrochenen Arbeiten am
Taltempel des Unas wieder auf. Die Grabungen haben bisher zur Fest-
stellung der Umrisse des Tempels im Verhältnis zu einem großen
Bassin geführt, das im Norden und Osten einen Hafen aufwies. Außer-
dem wurden die Reste dreier Verbindungsrampen gefunden. Sie ent-
sprechen drei Tempelzugängen an der Nord-, Ost- und Südseite. Ein
Torbau mit hervorragenden Palmkapitellsäulen bildete den Eingang.
Am südlichen Eingang wurden eine originale Säule wieder aufgerichtet
und eine rekonstruiert. Erst kürzlich sind die Fundamente vom Anfang
des nach Westen ansteigenden Aufwegs freigelegt worden.
Teil II
Die Pyramide:
Königsgrab mit zugehörigen Kultbauten
Die archäologischen Untersuchungen der letzten anderthalb Jahr-
hunderte haben unstrittig erkennen lassen, daß die Pyramide zu-
mindest während des Alten Reiches vor allem als Königsgrab zu gelten
hat und die Architekten über Generationen hinweg versucht haben,
sie immer wirksamer vor Eindringlingen zu sichern, um die Mumie
des Pharao zu schützen, deren Unversehrtheit als unabdingbar für das
Leben im Jenseits betrachtet wurde.

Die Pyramide enthielt stets in einem zentral gelegenen Raum oder auf
dem Grunde eines tiefen Schachtes einen Sarkophag aus Hartgestein
(Granit, Basalt u. a.). Bei einigen Bauten, wie z. B. der Stufenpyramide
von Saqqâra oder der Anlage von Sauijet el-Arijân, sollten offenbar ein
Grabraum aus Granit oder eine wannenförmige Vertiefung, die aus
dem Granit herausgehauen wurde, den Sarkophag ersetzen (Taf. 6 a
und 14 b). Als Beweis für den Grabbau mag schließlich auch gelten, daß
Reste einiger königlicher Mumien gefunden wurden, so z. B. in Gisa in
der Pyramide des Mykerinos und in einer der Königinnenpyramiden
südlich der Mykerinos-Pyramide, ferner im Grabraum der Stufen-
pyramide von Saqqâra sowie in den Pyramiden des Djedkare – trotz
fast vollständiger Zerstörung des Sarkophags - und des Merenre.

In der Cheopspyramide befindet sich das granitene Unterteil des


Sarkophags bis heute in der großartigen Grabkammer mit ihren Wän-
den aus Granitblöcken (Taf. III a). Zwar ist der Deckel verschwunden,
aber entgegen gewissen Hypothesen der »Bibeltheoretiker« oder
anderer Phantasten zeigen die Oberkanten des Sarkophagunterteiles
Einlaßstellen, die beweisen (Abb. 29), daß der Deckel einmal existiert
124 Das Geheimnis der Pyramiden

hat. Auch in der Pyramide des Unas steht der große Basaltsarkophag
noch an Ort und Stelle: in der Ausrichtung Nord-Süd befindet er sich
neben der Westwand des Sargraumes, während der Deckel quer im
Raum liegt. In anderen Pyramiden wie z. B. bei Teti, Merenre (Taf.
XVI, c) und Pepi II. ist der gleichermaßen aus Basalt bestehende
Deckel nur mehr oder weniger beiseitegeschoben worden. Bisweilen
wurde er auch zerschlagen, wie im Falle Pepis I.

Abb. 29: Sarkophag des Cheops, Schnitt, nach Borchardt

Die Pyramide ist eine spezifisch ägyptische Architekturform. Den


Beginn der Entwicklung sehen wir in Saqqâra in Form des stufen-
förmigen Bauwerks (Taf. IV und V), das der Architekt Imhotep für
König Djoser errichtete. Er hatte zunächst eine Mastaba von einigen
sechzig Metern Seitenlänge geplant, die nach Osten verlängert wurde,
um eine Reihe von Schächten zu überdecken, die den Zugang zu den
Gräbern der Königin und Abkömmlingen des Königshauses bildeten
(Abb. 30). Danach wurde die Mastaba, die nur wenig mehr als 10 m
hoch war, als unzureichend erachtet. Man benutzte sie daher als Kern
einer ersten Pyramide in vier Stufen, die bereits eine Höhe von mehr
als 40 m erreichte. Symbolisch dienten diese Stufen wohl der Seele des
toten Königs beim Aufstieg zum väterlichen Sonnengott Re. In den am
Schluß dieses Buches zitierten Pyramidentexten findet sich mehrfach
die Erwähnung einer Treppe oder Leiter, die die Götter bereitstellen
oder dem König entgegenreichen sollen, um seinen Aufstieg zum
Himmel zu erleichtern. Bei einer nochmaligen baulichen Veränderung
wurden Volumen und Höhe der Djoser-Pyramide dann erheblich er-
weitert, so daß sie einige 60 m erreichte, wobei die Zahl der Stufen auf
sechs erhöht wurde.
Die Pyramide: Königsgrab . . . 125

Die Nachfolger Djosers in der 3. Dynastie erbauten ebenfalls Stufen-


pyramiden. Horus Sechemchet, der vermutlich sein Sohn war und wie
Djoser in Saqqâra eine durch Nischen und Bastionen gegliederte Um-
fassungsmauer anlegte, starb noch bevor die Pyramide, von der nur die
Fundamente blieben, zu einiger Höhe gediehen war (siehe unsere
Rekonstruktion Abb. 27). Spuren einer dritten Pyramide, die die

Abb. 30: Bauphasen der Stufenpyramide des Djoser, nach Lauer

gleiche Struktur aufweist wie die beiden zuvor genannten, aber nicht
mehr als fünf Stufen aufweisen sollte, sind in Sauijet el-Arijân, einige
Kilometer südlich der Nekropole von Gisa (Abb. 17) erhalten. Sie wird
heute dem Horus Chaba (siehe S. 93) zugewiesen. Eine vierte Stufen-
pyramide, die vielleicht auf Huni, den letzten König der 3. Dynastie
zurückgeht, erhebt sich in Medûm unweit des Faijûm-Eingangs. Zu-
nächst in sieben Stufen, dann erweitert und erhöht, enthielt sie offen-
bar eine achte Stufe, bevor sie durch die Verkleidung die Form einer
echten Pyramide mit Dreieckseiten erhalten sollte (Abb. 31). Diese
Erweiterung ist auf Snofru am Beginn der 4. Dynastie zurückzuführen.

Das Bauwerk mit einer ungefähren Seitenlängen von 146,70 m hatte


bereits eine Höhe von nicht weniger als 93 m erreicht. Die eigentliche
Pyramide hat sich also aus der Stufenpyramide entwickelt. Der Über-
126 Das Geheimnis der Pyramiden

gang wird sich ganz einfach so vollzogen haben, daß der Architekt das
Stufenprofil im Bauwerk in einen Dreiecksumriß umsetzen wollte.
Der Aufstieg der Seele des verstorbenen Königs konnte durch die
schrägen Flächen, die, anders als die Stufen, direkt zum Himmel
wiesen, ganz entschieden erleichtert werden.

Abb. 31: Pyramide von Medium, Schnitt Ost-West und Ansicht von Norden unter
Angabe der drei Bauphasen, nach Borchardt

Als Begründer der 4. Dynastie errichtete Snofru, der Vater des Cheops,
in Dahschûr den ersten kolossalen Pyramidenbau mit einer Seiten-
länge von 180 m und mehr als 100 m Höhe. Aufgrund des abgeänderten
Neigungswinkels wurde diese Pyramide stets als »Knickpyramide«
bezeichnet (Abb. 14). Die Forschungsarbeiten unter Leitung des
Architekten Abdessalam M. Hussein haben ergeben, daß die Änderung
des Neigungswinkels bedingt war von der Absicht, das Gewicht, das
auf den Kragsteingewölben der Räume im Innern lastete, zu redu-
zieren,- denn mehrere Sei ten wände wiesen schon während der Bauzeit
Risse und sonstige Anzeichen auf, die zu Sorge Anlaß gaben. Aus
diesem Grunde gab Snofru diesen Bau wohl auch ganz auf und ließ
nördlich davon eine zweite Pyramide errichten, die eine noch um-
Die Pyramide: Königsgrab ... 127

fangreichere Basis mit Seitenlängen von 215 x 220 m aufweist, dabei


aber nicht viel höher als die Knickpyramide ist, so daß hier der
Neigungswinkel kleiner ausfällt (Abb. 13 und Taf. IX a).

Die größten Dimensionen waren dann mit der Cheopspyramide er-


reicht. Die Chephrenpyramide ist bei 15 m kürzeren Seiten nur 3 m
niedriger, wirkt aber höher, weil sie etwas steiler angelegt ist (Taf.
IX b). Bei Mykerinos, der bald nach Chephren zur Macht kam *, fiel die
Pyramide bei einer Höhe von 65,50 m und nicht ganz 105 m Seiten-
länge zwar bescheidener aus, aber dafür wählte er als Verkleidungs-
material den wertvollen Granit. Aufgrund seiner Krankheit und seines
vorzeitigen Todes wurde die Verkleidung allerdings nur zu einem
Drittel in Granit ausgeführt, der Rest in Kalkstein (Taf. XII b).

Der Sohn des Mykerinos, Schepseskâf, der letzte König der 4. Dynastie,
verzichtete auf die Pyramidenform und errichtete südlich von Saqqâra
ein nicht minder bedeutendes Denkmal, dem er die Form eines
gigantischen Sarkophags gab, bekannt unter der Bezeichnung »Masta-
bat Faraûn«, d. h. »Pharaos Bank« (Abb. 15).

Mit dem Beginn der 5. Dynastie und dem Vordringen des Sonnen-
kultes des Re von Heliopolis gingen die Könige zwar vom Pyramiden-
bau nicht ab, aber diese Anlagen übertrafen nicht einmal die Maße der
Mykerinospyramide, wobei die kleinste von ihnen, die des letzten
Königs der 5. Dynastie, Unas (Taf. 13 b), zum ersten Mal Pyramiden-
texte enthält. Sie erreicht nur eine Seitenlänge von 57,60 m an der Basis
und eine Höhe von 43 m. Gleichzeitig werden in dieser Epoche die
Anlagen des absteigenden Ganges und der Grabräume vereinfacht und
vereinheitlicht. Diese Entwicklung setzt sich in der 6. Dynastie (Abb.
32) fort, wo sich die Pyramidenmaße auf 150 Königsellen = 78,60 m für
die Seitenlänge der Basis und 100 Ellen = 52,40 m in der Höhe ein-
pendeln. Sämtliche Pyramiden aus diesen beiden Dynastien - bis auf
vier in Abusir aus der 5. Dynastie - befinden sich in Saqqâra (Abb. 2).

Nach Pepi II. und dem Ende der 6. Dynastie kennen wir aus der Ersten
Zwischenzeit nur die kleine Pyramide des Ibj in Saqqâra-Süd, die
* Zwischen beiden regierte der Erbauer der riesigen Anlage von Sauijet el-Arijân mit der
Sargkammer aus Granit, S. 141 f.
128 Das Geheimnis der Pyramiden

weitgehend zerstört ist, aber auf den Wänden der Grabkammer Pyra-
midentexte erhalten hat. Bedeutende Pyramiden im Bereich von
Memphis entstanden dann erst wieder in der 12. Dynastie. Während

Abb. 32: Pyramide des Teti, absteigender Gang, Fallsteinvorrichtung und Grab-
räume, Schnitt und Grundriß, nach Lauer

Amenemhet I. und Sesostris I. nach Lischt gingen und Amenemhet II.


seine Pyramide in Dahschûr erbauen ließ, wählte Sesostris II. Lahûn
am Faijûm-Eingang (Abb. 1) als Grabstätte. Sesostris III. und
Amenemhet III. gingen wiederum nach Dahschûr, wo die südliche und
die nördliche Ziegelpyramide von ihnen stammen. Außerdem gibt es
von Amenemhet III. eine zweite Pyramide in Faijûm-Nähe, in Hawâra.

Die Pyramiden der ersten Könige des Mittleren Reiches weisen eine
bau technische Eigenheit auf: Ein System kreuzweise geführter Haupt-
mauern, von denen Nebenmauern wie Adern abzweigen, bildet ein
Gerippe (Abb. 47). Die Hauptmauern bestehen aus Steinen, während
Die Pyramide: Königsgrab . . . 129

die Zwischenräume mit Kalksteinabschlägen, Erde und selbst Sand


aufgefüllt sind. In Lahûn bestehen die Zwischenräume aus unge-
brannten Nilschlammziegeln. Seit Sesostris III. in Dahschûr ver-
schwindet diese Fülltechnik, und der gesamte innere Kern besteht nun
aus ungebrannten Ziegeln in horizontalen Lagen, während für die
Verkleidung behauene Steine verwendet werden.

Die Pyramiden der 12. Dynastie sind im allgemeinen größer als die der
6. Dynastie. Die drei besterhaltenen erreichen eine Basisseitenlänge
von 200 Ellen, d. h. 105 m. Ihr Neigungswinkel scheint häufig größer
gewesen zu sein als im Alten Reich, d. h. die Pyramiden waren steiler.
Die Verkleidungsblöcke von den Pyramiden Sesostris' III. und
Amenemhets III. aus Dahschûr lassen auf Neigungswinkel von 56°
und 57° schließen.

In dieser Zeit wurde offenbar auch mit der Tradition des Eingangs an
der Nordseite gebrochen. Dabei gilt es natürlich zu bedenken, daß im
Grunde die Arbeit der Eindringlinge erleichtert worden war, indem
man den Zugang einheitlich stets an der gleichen Stelle anlegte, wie
das seit der 5. Dynastie der Fall gewesen war. Seit Sesostris II. in
Lahûn wurde der Zugang zu den Gängen im Innern im allgemeinen
aus der Pyramidenachse verschoben und konnte sich überdies an jeder
Seite befinden (Abb. 33 und 49). Es handelt sich bisweilen um einen
absteigenden Gang, manchmal auch einen Schacht, der verhältnis-
mäßig weit von der Pyramide entfernt lag. Analog zur 3. und 4. Dyna-
stie haben sich die Baumeister damals offenbar wieder stärker bemüht,
die Grabkammer unzugänglich zu machen, wobei sie immer kom-
pliziertere Methoden erfanden. Den Höhepunkt in dieser Beziehung
bildet die zweite Pyramide Amenemhets III. in Hawâra aus dem Ende
der 12. Dynastie (Abb. 33) sowie die seiner Nachfolger in Masghûna
und dann in der 13. Dynastie in Saqqâra-Süd (Abb. 22 und 23). Man
vervollkommnete das System der Fallsteine, die zahlreicher und
größer wurden, legte Blindgänge an, die irgendwo endeten, und
schließlich machte man den Zugang zur einmal verschlossenen Grab-
kammer überhaupt unsichtbar, indem man sie aus einem wannen-
förmig ausgehöhlten Monolithen bildete, der mit drei gigantischen
Steinblöcken zugedeckt wurde. Bis zur Beisetzung der Mumie blieb
einer dieser Blöcke aufgebockt und wurde dann durch eine raffinierte
130 Das Geheimnis der Pyramiden

Technik mit Hilfe rinnenden Sandes an seinen Platz eingelassen. Bei


einer unvollendeten Ziegelpyramide in Dahschûr124 wiegt die Quar-
zitwanne mehr als 150 Tonnen. Der Verschlußblock hat ein Gewicht
von 83 Tonnen, er befindet sich noch immer in Stützstellung auf vier
provosorischen Pfeilern, die wannenartige Grabkammer ist nie be-
nutzt worden (Abb. 34).

Danach wäre aus der memphitischen Region erst wieder die kleine,
etwa 1 km südlich der Pyramide Amenemhets III. in Dahschûr ge-
legene Ziegelpyramide des Imeni Aamu (des Asiaten), die fast völlig
dem Erdboden gleich ist, zu erwähnen. Er gehört sicher zu den Hyksos-
herrschern der 15. oder 16. Dynastie, die Memphis und das Delta be-
herrschten, während Fürsten der 17. Dynastie von Theben aus die
Souveränität über Oberägypten ausübten.

Abb. 33: Pyramide Amenemhets III. in Hawâra, absteigender Gang und Grab-
räume, Grundriß, 12. Dyn.
Die Pyramide: Königsgrab ... 131

Ahmose, der das Land wieder vereinigte und um 1580 v. Chr. die
18. Dynastie gründete, errichtete in Abydos einen Kenotaph in Form
einer Pyramide, sein eigentliches Grab jedoch gilt es noch zu finden.
Sein Sohn Amenophis I. legte sein Grab in der thebanischen Nekropole
von Dra-abu'l Nega an, aber anhand der Reste dieses Bauwerks läßt
sich nicht mit Sicherheit ausmachen, ob es auch eine kleine Pyramide
einschloß.

Abb. 34: Pyramide der 13. Dyn. in Saqqâra-Süd, Anlagen zum Schutz der Grab-
räume, nach Lauer

Nach diesen beiden Königen wurde für Thutmosis I. (1530-1520), sicher


nicht ohne Anspielung auf die Pyramidenform des thebanischen
Gebirges, ein Grab als Stollen in das Westgebirge von Theben ge-
132 Das Geheimnis der Pyramiden

trieben, und damit war das nachmals berühmte »Tal der Könige«
geboren. Von da an ließen sich alle Pharaonen des Neuen Reiches am
Fuße der Flanken dieser natürlichen Pyramide von unerreichbarer
Höhe für Menschenwerk bestatten, während die Totentempel in der
thebanischen Ebene errichtet wurden.

Doch wenn auch die Pyramide damit aus der altägyptischen Architek-
tur verschwand, so wurde sie doch als Symbol des Schutzes durch die
Sonne in den Privatgräbern weiter tradiert. Seit dem Mittleren Reich
schon waren in Abydos Gräber mit Kragsteingewölben in kleinen
Pyramiden aus ungebrannten Ziegeln errichtet worden. Vom aus-
gehenden Neuen Reich bis in die Römerzeit enthielten die Gräber in
Hausform oder mit einer Säulenhalle auf dem Dach der Oberbauten
eine steile Pyramide aus ungebrannten Ziegeln. Die besten Beispiele
fanden sich in Der el-Medineh; der thebanischen Nekropole (Abb. 35).
Auf den als Pyramidion bezeichneten Schlußsteinen ließ sich der
Grabeigentümer in Relief darstellen wie er den Sonnengott anbetet.

Der Begründer der 25. Dynastie, Pianchi, der als Herrscher von Napata
715 v. Chr. Ägypten eroberte, wählte acht Jahrhunderte nach dem
letzten königlichen Pyramidenbau in Theben die Form des Pyra-
midengrabes, das er in Kurru, der Nekropole seiner Vorgänger bei
Napata im heutigen Sudan, aufführen ließ. Diese kleine Pyramide, an
der Basis nicht länger als 12 m, ist heute völlig verschwunden. Sie hatte
sich über einem in den Fels getriebenen Grabschacht mit Kragstein-
gewölbe und Zugang über eine Treppe im Osten erhoben. Die Nach-
folger Pianchis blieben dieser Sitte treu und ließen ähnliche, etwas
aufwendigere Pyramiden erbauen. Als die Hauptstadt weiter südlich
nach Meroe verlegt worden war, entstanden dort weitere über fünfzig
königliche Pyramiden, bis 350 n. Chr. das Königreich von Meroe durch
die Axumiten vernichtet wurde (Taf. 15 b). Darüber hinaus aber hatten
sich auch an anderen Orten des meroitischen Reiches, so z. B. in
Sedeinga, hohe Beamte in Pyramiden aus ungebrannten Nilschlamm-
ziegeln bestatten lassen.

Soweit die Entwicklung der eigentlichen Pyramide. Sie bildete jedoch


zu keinem Zeitpunkt eine in sich abgeschlossene Baueinheit wie z. B.
der Tumulus oder die Mastaba. Vielmehr war sie lediglich der domi-
Die Pyramide: Königsgrab . . . 133

Abb. 35: Von kleinen Pyramiden gekrönte Privatgräber in Der el-Medineh (19.120.
Dyn.), Rekonstruktion von B. Bruyere und Cl. Robichon, nach: Encyclopaedia
Universalis
134 Das Geheimnis der Pyramiden

nierende Bestandteil eines großen Komplexes von Bauten, die den


Riten der Mumifizierung und des Begräbnisses und, nach Abschluß
dieser Zeremonien, dem Kult des vergöttlichten Königs dienten. Den
rituellen Erfordernissen entsprechend änderte sich im Laufe der Jahr-
hunderte die Anlage. Aber wie bei der Pyramide selbst lag der Schwer-
punkt der architektonischen Veränderungen auch bei den zugehörigen
Kultbauten am Beginn der Entwicklung. So sind in der Periode
zwischen dem Grabbezirk des Djoser aus der 3. Dynastie (Taf. 5) und
der Pyramidenanlage von Medûm (Abb. 16 und Taf. IIa) die stärksten
Wandlungen zu beobachten. Bis dahin hatten sich (Abb. 67) die wesent-
lichsten Elemente des Pyramidenkomplexes herausgebildet, wie sie
sich etwa an der Knickpyramide des Snofru in Dahschûr ablesen las-
sen. Diese wichtigsten Bauten sind außer der Pyramide:

1) Ein oberer Tempel oder Totentempel an der Ostseite der Pyramide,


der in Medûm und bei der Knickpyramide zu einer Kapelle mit
einem kleinen Innenhof geschrumpft ist, in dem sich ein Opfertisch
zwischen zwei Stelen befand. In Medûm sind die Stelen unbe-
schriftet, bei der Knickpyramide weisen sie die vollständige Königs-
titulatur in überdimensional großen Hieroglyphen auf (Abb. 25).
2) Eine kleine Nebenpyramide, die ursprünglich offenbar an der Süd-
seite der großen Pyramide angelegt wurde. Bei der Knickpyramide
liegt sie in der Mittelachse der Hauptpyramide, in Medûm ein wenig
nach Westen verschoben. Später befindet sie sich in der Regel süd-
lich des oberen Tempels, in der Nähe der Südostecke der Haupt-
pyramide.
3) Eine Umfassungsmauer, die beide Pyramiden und den oberen Tem-
pel einbezieht oder an letzteren anschließt.
4) Ein Empfangsbau oder unterer Tempel bzw. Taltempel an der Grenze
zwischen Fruchtland und Wüste.
5)Ein Aufweg, der bald überdacht wird und den Taltempel mit dem
oberen Tempel oder der Umfassungsmauer verbindet.

Diesen fünf Grundbestandteilen der Pyramidenanlage wird seit


Cheops - und vielleicht schon vor ihm - ein sechster hinzugefügt:
tiefe Aushebungen im Boden zur Unterbringung von Barken, die nörd-
lich und südlich des oberen Tempels und zu Seiten des Aufwegs ange-
bracht werden.
Die Pyramide: Königsgrab ... 135

Bei der Knickpyramide des Snofru - wohl aufgrund der großen Ent-
fernung zum Tal - fanden bestimmte Begräbnisriten, die später in
einem Tempel an der Ostseite der Pyramide abliefen, auf zwei 850 m
voneinander entfernt liegenden Bauten verteilt, statt. Am Fuße der
Pyramide befinden sich das Opfersanktuar mit dem Opfertisch, flan-
kiert von zwei Stelen mit dem Namen des Königs (Abb. 25), sowie die
umgebenden Bauten zum Schutze des Sanktuars. In einiger Ent-
fernung liegt ein eigener Tempel für den Empfang der Opfer und den
Statuenkult. Dieser Tempel, der offenbar nicht mit dem Taltempel
identisch ist (Abb. 36), weil er zu weit vom Rande des Fruchtlandes,
von woher Reste eines von Mauern eingefaßten Weges zu erkennen
sind, entfernt liegt, ist mit der Pyramidenanlage durch einen 704 m
langen Weg verbunden, von Mauern aus feinem Kalkstein eingefaßt. *
Reliefs mit der Darstellung von Opferträgerinnen aus den Stiftungs-
gütern Ober- und Unterägyptens (Taf. 12 a) schmückten im unteren
Register die Wände des Vestibüls sowie die drei Seiten des großen
Hofes, dessen vierte an der Nordseite von einer Halle mit doppelter
Pfeilerstellung eingenommen wurde. Auf den Pfeilern, von denen nur
mehr die Basen zu sehen sind, war der König bei verschiedenen
Kulthandlungen dargestellt. Fragmente dieser Szenen sind erhalten.
Hinter der Pfeilerhalle verschaffte ein Gang in Ost-West-Richtung
Zutritt zu sechs Kapellen, die mit Doppeltüren ausgestattet waren und
in der Nordwand eine Nische enthielten. Wenig überlebensgroße
Reliefstatuen des Königs, von denen noch bedeutende Fragmente er-
halten sind, waren aus den Steinblöcken der Nischenrückseiten
herausgehauen.

Herbert Ricke, der mit einer Untersuchung dieses Bauwerks beauf-


tragt wurde, wandte in der Deutung seine Theorien vom Dualismus
und der Aufteilung der Begräbnistraditionen auf Ober- und Unter-
ägypten an. So verlegte er die für den Norden typischen Riten in diesen
Tempel, während die Präsentation der Opfer vor den Stelen zu den
Begräbnisriten des Südens gehört hätten. Nachdem er feststellen
konnte, daß die beiden ersten Nischen von Westen größer waren und
sich zudem von den vier folgenden in der Ausgestaltung unter-
schieden, schloß er daraus, daß sie den Kronen-Riten von Sais, dem

* Der zweite Tempel, der eigentliche Taltempel, wäre noch zu entdecken.


136 Das Geheimnis der Pyramiden

berühmten Kultort des Deltas, gedient hätten, während in den vier an-
schließenden Kapellen, deren Nischen eine Statue des Königs ent-
hielten, die Kanopenkrüge abgestellt gewesen wären, und zwar ent-

Abb. 36: Der untere Tempel im Bereich der Knickpyramide, nach H. Ricke

sprechend den Riten von Buto, der prädynastischen Hauptstadt Unter-


ägyptens125. An dieser Stelle sollte jedoch darauf hingewiesen werden,
daß der Tempel - wie es die Darstellungen der Opferträgerinnen an-
deuten, die Ober- wie Unterägypten vertreten - auch für den
Empfang,
Die Pyramide: Königsgrab ... 137

die Lagerung und die Auswahl der Opfer vor der Überführung zur
Opferstelle an der Pyramide, wie es im täglichen Kult notwendig war,
benutzt wurde. Dabei handelt es sich nach Ricke um für Oberägypten
typische kultische Handlungen. Uns scheint es daher schwierig, diesen
Tempel als nur für unterägyptische Begräbnisriten vorgesehenen Bau
zu betrachten.

An der nördlichen Pyramide des Snofru in Dahschûr konnte die mit


herabgestürzten Verkleidungsblöcken verschüttete Ostseite noch
nicht freigeräumt werden, so daß bis heute die darunter verborgenen
Kultanlagen nicht bekannt sind.

Auch der Totentempel des Cheops war bis 1946 unbekannt, bis wir
selbst nach den wenigen Überresten – namentlich Basaltplatten vom
Bodenpflaster (Abb. 37) - einen Rekonstruktionsvorschlag machten126.
Danach muß der Tempel im wesentlichen aus einem großen, 20 x 40 m
messenden Hof bestanden haben, der von einer Halle aus Granit-
pfeilern umgeben war. Die Pfeilerhalle diente offenbar als Schutz für
die Reliefs an der Innenwand der Hofumfassungsmauer, von denen
einige ganz wenige Fragmente erhalten geblieben sind. An der West-
seite bildeten drei Pfeilerstellungen die Halle, wobei die zweite Reihe
acht statt der vierzehn Pfeiler der ersten enthielt und die dritte nur
mehr vier. Von der Pfeilerhalle aus nach Westen und in der Achse
sowohl des Tempels als auch der Pyramide, führte eine Passage, die
sich noch auf dem Felsboden abzeichnete, in ein Sanktuar, das zur
Pyramide hin zurücksprang. Dieses Sanktuar hat vielleicht Schein-
türen oder noch wahrscheinlicher Kapellen oder Nischen enthalten, in
denen Statuen des Königs aufgestellt waren. Im letzteren Falle hätten
zwei große Stelen zu Seiten eines Opfertisches – analog zu Medûm
oder der Knickpyramide - zwischen Tempel und Pyramide Platz fin-
den können, wie es Ricke vorgeschlagen hat127.

Eine weitere wichtige Entdeckung wurde 1954 an der Südseite der


Großen Pyramide gemacht. Bei dem Versuch, an dieser Seite den
Rundgang für die Touristen bequemer zu gestalten, fanden Vertreter
der Altertümerverwaltung etwa 15 m von der Basis entfernt eine Reihe
großer länglicher Platten, senkrecht zur Pyramide angeordnet, die sich
sowohl nach Maß als Lage von ihrer Umgebung abhoben und offenbar
138 Das Geheimnis der Pyramiden

irgend etwas bedeckten. Als man schließlich eine Öffnung hergestellt


hatte, stieß man auf einen großen Graben von 31,20 m x 2,60 m und
3,50 m Tiefe, in dem sich eine Barke befand, die den gesamten Raum
ausfüllte. Der abgenommene Vordersteven in Form eines Papyrus-
bündels lehnte aufgerichtet an einer Grabenwand, auf der Schiffs-
brücke unter Resten von Matten und Stricken lag ein gut gearbeitetes
Ruder von 5 m Länge. Die Freilegung des Pflasters erbrachte, daß ein
zweites Schiff symmetrisch zum ersten und zur Nord-Süd-Achse der

Abb. 37: Der Totentempel des Cheops, Grundriß, nach Lauer

Pyramide angeordnet, vorhanden war. Bevor man nun aber daran den-
ken konnte, die Barke zu bergen, die so zufällig ans Licht gekommen
war, mußten zunächst die mächtigen Steinblöcke beiseitegeräumt
werden, die bei einer Länge von 4,50 m und einer Breite von 1,80 m
zwischen 15 und 20 Tonnen wiegen128. Die Blöcke trugen zahlreiche
Zeichen und Markierungen der Steinbruch- oder Bauarbeiter, darunter
mehrfach die Kartusche des Radjedef, der die Begräbnisfeierlichkeiten
Die Pyramide: Königsgrab ... 139

seines Vaters geleitet hatte. Dieser verhältnismäßig neue Fund ist ein
erneuter Hinweis darauf, daß er und nicht Chephren als unmittelbarer
Nachfolger des Cheops zu betrachten ist.

Die Barke, die nur in ihre Bestandteile auseinandergenommen in den


schmalen Graben hatte gelegt werden können, mußte Schicht um
Schicht herausgenommen und nach Abtragung jeder Lage (es waren im
ganzen 13) mußten Photographien und Lageskizzen angefertigt wer-
den, ganz abgesehen von den Konsolidierungsarbeiten. Dies dauerte
etwa 18 Monate, von Dezember 1955 bis Juli 1957. Vorangegangen war
der Bau einer Schutzhütte in unmittelbarer Nähe und die Einrichtung
notwendiger Werkstätten zur Lagerung, Sortierung, Behandlung und
Begutachtung aller Holzstücke, Matten, Stricke und der sonstigen
Fundstücke. Die Konservierung stand unter der Leitung von Zaky
Iskander, Konservator am Ägyptischen Museum und Direktor der
Chemischen Labors der Altertümerverwaltung in Zusammenarbeit
mit vielen Forschungslaboratorien des In- und Auslandes, vor allem
des British Museum. Die Rekonstruktion der Barke, mit äußerster
Sorgfalt und großem Geschick von dem Restaurator der Altertümer-
verwaltung, Ahmed Youssef Moustafa, durchgeführt, nahm noch ein-
mal Jahre geduldigster Arbeit in Anspruch, die sich allerdings auch in
jeder Weise gelohnt haben (Abb. 38)129.

Dieses herrliche Schiff, 42,32 m lang und an der weitesten Stelle 5,66 m
breit, weist keine Merkmale eines speziellen Sonnenbootes auf. Es
handelt sich vielmehr um ein Boot, wie es der König für seine Fahrten
auf dem Nil benutzte und das hier wohl beigegeben worden war, damit
sein KĮ die verschiedenen Heiligtümer Ober- und Unterägyptens be-
suchen konnte. Außer der Barke, die sich im zweiten Graben befindet,
der noch nicht geöffnet wurde, sind noch drei weitere Vertiefungen an
der Ostseite der Pyramide erhalten: zwei zu beiden Seiten des Toten-
tempels sind Nord-Süd ausgerichtet, während die dritte nördlich vom
Ende des Auswegs parallel zu diesem verläuft. Die Spuren des Auf-
wegs, den schon Herodot erwähnt und der den Taltempel mit dem
oberen Totentempel verband, sind seit Errichtung des Dorfes Näslet
el-Simmän im wesentlichen verschwunden. Unter diesem Dorf ver-
borgen sind auch die Reste des einstigen Taltempels zu denken, die
aber vielleicht durch die Anlage des Dorfes zerstört wurden.
140 Das Geheimnis der Pyramiden

Abb. 38 A/B: Boot des Cheops, zusammengesetzt von Ahmed


Youssef Moustafa,
nach: Beiträge Bf. 12, Festschrift Ricke

Nach Cheops wählte sein Sohn Radjedef den Felsrücken von Abu
Roâsch an der Deltaöffnung, 9 km nordwestlich der Großen Pyramide,
als seinen Begräbnisplatz. Die Pyramide, die heute fast völlig ver-
schwunden ist bis auf einige Granitblöcke von der Verkleidung, kenn-
zeichnet vor allem ein gewaltiger Graben, der für den absteigenden
Gang angelegt worden war, und eine große rechteckige Vertiefung von
24 x 11 m senkrecht zum Graben, der, von Norden kommend, in der
Nähe der Nordostecke mündet. Radjedef, der nur kurze Zeit regierte,
hatte auch bereits mit dem Bau des Totentempels begonnen, der wohl
aus Granit bestehen sollte, wie bei Ausgrabungen des Französischen
Archäologischen Instituts in der Nähe des vorgesehenen Aufstellungs-
ortes der Scheintür in der Achse der Ostseite festgestellt wurde. Außer-
dem wurden Reste von Bodenplatten und einer Granitsäule gefunden.
Wahrscheinlich war der Tempel dann mit ungebrannten Nilschlamm-
ziegeln zu Ende geführt worden. Außer im Bereich des Sanktuars vor
der Scheintür weist der Tempel eine seltsame Achsenverschiebung
nach Norden auf, während der Südteil des Plateaus östlich der Pyra-
mide teilweise von einem Graben in Barkenform von 37,50 m Länge
eingenommen wird. Dort fand Chassinat zahlreiche Statuenfrag-
mente, darunter auch den wunderbaren Königskopf aus rötlichem
Quarzit, der sich heute im Louvre befindet. Der Tempel hatte wahr-
Die Pyramide: Königsgrab ... 141

scheinlich größtenteils auf der Nordseite der Pyramide liegen sollen,


wo der außerordentlich – 1500 m - lange und sorgfältig gearbeitete
Aufweg endet, der vom Taltempel heraufführt. Chassinat konnte noch
nordöstlich im Tal Spuren entdecken. Die Entfernung der Um-
fassungsmauer von der Pyramide beträgt an der Nordseite um die
100 m und ist damit an dieser Seite doppelt so groß wie an der Ost- und
Westseite. Das ist sicher nicht ohne Bedeutung130, so daß erneute
Untersuchungen an der Nordseite der Pyramide ratsam scheinen.

Von den Pyramidenanlagen der 4. Dynastie veranschaulicht lediglich


die des Chephren den gesamten Denkmälerkomplex in aller Voll-
ständigkeit (Taf. IX b, S. 272, Taf. XI und Taf. 13 a). Der Taltempel
aus Granitblöcken, aufgrund seiner Nähe zu dem aus dem Fels her-
ausgearbeiteten Kolossalbildnis als Sphinxtempel bezeichnet, ist fast
gänzlich erhalten. Dieses wuchtige Bauwerk vermag eine Vorstellung
davon zu erwecken, wie der obere Tempel einst ausgesehen hat, der
ebenfalls aus Granit bestand und eine dreimal so große Grundfläche
bedeckte. Aus den Resten rekonstruierte Hölscher den in Abb. 39
wiedergegebenen Grundriß. Hier finden sich nun bereits die Archi-
tekturelemente, die dann für die Totentempel der 5. und 6. Dynastie
verbindlich werden: der Vorbau, ein großer Pfeiler- oder Säulenhof,
fünf Statuenkammern, das Opfersanktuar mit einer Einlaßstelle für
die Scheintür und die Magazin- oder Schatzräume. Der Aufweg
zwischen den beiden Tempeln liegt noch fast völlig frei. Außerdem
wurden im Chephren-Bereich Reste der Umfassungsmauer und der
Nebenpyramide festgestellt, die in der Achse der großen Pyramide
an der Südseite lag, ferner die Aushebungen im Felsboden in Form von
Totenbarken bzw. die Gräben, in denen die auseinandergenommenen
Barken untergebracht waren.

Zwischen Chephren und Mykerinos sollte wohl, wie wir es bereits vor
Jahren vorgeschlagen haben131, der Erbauer der nur skizzenhaft ange-
legten nördlichen Pyramide von Sauijet el-Arjiän mit ihrer wahrhaft
gigantischen Ausschachtung eingefügt werden (S. 95 f. und Abb. 19).
Der rechteckige Schacht mit dem langen und breiten absteigenden
Gang ist nach dem gleichen Prinzip angelegt wie Abu Roâsch, aber in
weit größeren Dimensionen (Taf. 14) geplant. In Anbetracht der Aus-
maße und der Verwendung von massivem Granit für die Grabkammer
142 Das Geheimnis der Pyramiden

Abb. 39: Taltempel und Totentempel des Chephren, nach U. Hölscher


Die Pyramide: Königsgrab . . . 143

Abb. 40: Totentempel des Mykerinos, Grundriß


144 Das Geheimnis der Pyramiden

und das Bodenpflaster sowie der enormen Größe der Blöcke wegen
könnte es sich weit eher um ein Bauwerk der 4. als der 3. Dynastie
handeln, wie seit langem angenommen wird. Außerdem ließen sich
die kursiv geschriebenen Kartuschen, die Barsanti auf Blöcken dieses
Bauwerks fand und die nur zwei Zeichen enthalten, wobei das zweite
»ka« bedeutet, während das erste, schwerer zu identifizierende viel-
leicht einen Falken darstellt, als Bik-ka lesen und mit Bicheris in Ein-
klang bringen, den Manetho als einen der Könige aus der zweiten
Hälfte der 4. Dynastie aufführt. Damit fiele auch eine Lacune im
Turiner Papyrus weg, wo am Ende der 4. Dynastie vier Könige einge-
setzt sind, von denen uns nur zwei, nämlich Mykerinos und Schepses-
käf, aus den Listen von Saqqâra, Abydos und von sonstigen Denk-
mälern bekannt sind. Wir glauben daher, daß es sich um einen Sohn
des Radjedef handelte, der nach dem Tode seines Onkels Chephren die
Macht an sich riß, nachdem Chephren ihm zuvor den Thron strittig
gemacht hatte. Seine Regierung muß wohl ephemer gewesen sein,
denn schließlich setzte sich der Sohn des Chephren, Mykerinos, als
sein Nachfolger durch.

Auch die Pyramidenanlage des Mykerinos - oberer Tempel, unterer


Tempel, Aufweg und Umfassungsmauer – ist im wesentlichen freige-
legt worden, aber der Denkmälerkomplex hat niemals die grandiosen
Ausmaße der Anlage seines Vaters erreicht. Aufgrund seiner Krankheit
und des vorzeitigen Todes wurde der Tempel hastig mit ungebrannten
Ziegeln fertiggestellt statt mit granitverkleideten Steinmauern, wie
wir es für das Sanktuar feststellen können, das mit diesen Materialien
begonnen worden war. Südlich der Pyramide sind anstelle der einen
Nebenpyramide drei kleine Pyramiden (Taf. 1a) erhalten, von denen
zwei Königinnen zuzuweisen sind, während sich bei der dritten,
am weitesten nach Westen gelegenen, keine Spur eines Begräbnisses
gefunden hat. So fiel diesem Bauwerk wohl die Rolle der Neben-
pyramide zu, die vor Mykerinos und nachher üblich war.

Bei der Mastabat Faraûn des Königs Schepseskâf, einem kolossalen


Sarkophag (Abb. 15), sind sämtliche sonstigen zugehörigen Bauten
außer dem bedeutenden oberen Tempel, auf bescheidenere Maße
zurückgeführt. Die Mauersockel bestehen aus Granit und Kalkstein,
alles übrige war wohl aus ungebrannten Ziegeln aufgeführt wie bei
Die Pyramide: Königsgrab . . . 145

Mykerinos. Die Kultanlagen bezeugen anschaulich den Abstieg der 4.


Dynastie von den großen Bauherren des Anfangs über die Zeiten hin-
weg bis zu ihrem Ende.

Mit Userkâf jedoch, dem Begründer der 5. Dynastie, erhält das traditio-
nelle Grabmonument unter Einschluß der Pyramide neue Impulse.
Obwohl seine Pyramide kleiner als die des Mykerinos ausfiel und der
Totentempel (Abb. 41), der zweifellos aus topographischen Gründen an
die Südseite verlegt wurde, stark zerstört ist, war dieser Tempel doch
recht bedeutend und üppiger ausgestattet als die vergleichbaren Bauten
seiner Vorgänger. Die Reste des Basaltpflasters im Hof, der von Granit-
pfeilern umgeben war, der Kolossalkopf des Königs aus Granit (Taf. 2 b)
und die schönen Kalksteinreliefs, von denen einige wenige Fragmente
auf uns gekommen sind, belegen seine Pracht. Die kleine Neben-
pyramide findet sich hier an der Westseite des Tempels, wie es von da
an üblich werden sollte.

Die Nachfolger des Userkâf errichteten ihre Pyramidenanlagen einige


Kilometer nördlich von Saqqâra, in Abusir. Anhand der Ausgrabungen
von Borchardt läßt sich der Pyramidenkomplex hier nun zum ersten
Mall vollständig rekonstruieren (Abb. 18). Der Totentempel ist nach
wie vor von bester Ausführung unter Verwendung verschiedener
Materialien: Basalt für die Bodenplatten des Hofes und der Gänge,
Alabaster für den Boden der Sanktuarräume, Kalkstein für die Magazine,
Granit für die Fundamente, Türschwellen und -einfassungen, Säulen
und Architrave, feinster Kalkstein für die mit Reliefs verzierten
Wände. Der nunmehr verbindliche Grundriß grenzt den öffentlichen
Teil des Tempels stärker gegen den intimen ab (Abb. 42). Der Tal-
tempel, weniger aufwendig als bei Chephren, wird im wesentlichen
auf eine Säulenempfangshalle mit Kaianlagen und Aufgangsrampen
reduziert. Der Aufweg, der die beiden Tempel miteinander verbindet,
wird auf den Innenwänden mit Reliefs geschmückt.

Die drei letzten Könige der 5. Dynastie nach Niuserre gingen nach
Saqqâra zurück, um dort ihre Grabdenkmäler anlegen zu lassen.
Während der Pyramidenkomplex des Menkauhor noch nicht mit
Sicherheit lokalisiert werden konnte, sind Pyramide und Totentempel
seines Nachfolgers Djedkare-Isesi von Abdessalam Hussein freigelegt
146 Das Geheimnis der Pyramiden

und eindeutig zugewiesen worden. Ungewöhnlich schöne Palm-


kapitellsäulen aus Granit rahmten den Hof des Tempels, die Basis der
Mittelsäule des quadratischen Vorraumes vor dem Opfersaal befindet
sich noch in situ, desgleichen ein Palmkapitell und ein Fragment eines
Säulenschaftes mit dem Namen des Königs.

Abb. 41: Totentempel des Userkâf (5. Dyn.) in Saqqâra, Grundriß, Rekonstruktion:
Lauer
Die Pyramide: Königsgrab ... 147

Abb. 42: Taltempel und Totentempel des Sahurê in Abusir, nach: Borchardt
148 Das Geheimnis der Pyramiden

Während der Totentempel des Djedkare-Isesi in seiner Konzeption


bereits auf die entsprechenden Bauten der 6. Dynastie vorausweist,
bildet die Anlage des Unas, des letzten Königs der 5. Dynastie, den
eigentlichen Übergang (Abb. 43). Da ist zunächst noch der Hof mit der
Palmsäulenhalle erhalten, wohingegen die basaltenen Bodenplatten
hier ebenso wie beim Aufweg durch Alabaster- oder Kalksteinplatten
ersetzt sind, auch das Granitfundament der Mauern ist nicht mehr
vorhanden. Wie bei den Komplexen der 6. Dynastie stehen die Maga-
zine nicht mehr in direkter Verbindung mit dem Säulenhof sondern
liegen nördlich und südlich desselben, während gleichzeitig der in-
timere Teil des Tempels die Form annimmt, die dann für die 6. Dyna-
stie typisch werden sollte. Die geringe Anzahl der Magazinräume an
der Südseite erklärt sich vielleicht damit, daß andere bereits vor-
handene Bauwerke die Ausdehnung in dieser Richtung nicht ge-
statteten. Alle Anstrengungen aber scheint Unas auf den imposanten
Aufweg konzentriert zu haben, der zum Teil noch mit der Über-
deckung erhalten ist (Taf. 13 b) und sich über mehr als einen Kilometer
(mit Reliefs an den Innenwänden) zum ebenfalls hervorgehobenen
Taltempel erstreckt. Der Taltempel mit drei Eingangshallen mit
Palmkapitellsäulen aus Granit und einem sehr viel weiter ent-
wickelten System von Kaianlagen und Rampen ist noch nicht ganz
ausgegraben.

Die zwei einzigen Tempel aus der 6. Dynastie, die fast vollständig frei-
gelegt worden sind, der des ersten Königs der 6. Dynastie, Teti, und der
Pepi;s IL, des letzten Königs, sind im Grundriß sehr ähnlich. Dies gilt
vor allem für den intimen Bereich der Totentempel, die in den Maßen
fast identisch sind (Abb. 44 und 45).

Bei Pepi L, wo bis jetzt nur der intime Teil des Tempels im wesentlichen
freigelegt wurde, läßt sich ebenfalls eine große Ähnlichkeit feststellen,
was im übrigen auch für Merenre gilt, bei dem die Ausgrabungen am
wenigsten weit fortgeschritten sind. Jedoch auch hier weisen die Reste
des Opfersanktuars, des quadratischen Vorraumes und des Nischen-
raumes für die Statuen größte Übereinstimmung auf. Die nur im
Umriß skulpierten Reliefs lassen darauf schließen, daß der Tempel
niemals fertig geworden ist, wofür im übrigen auch die Bodenpflaste-
rung des Sanktuars spricht, die in einfachem Tura-Kalkstein ausge-
Die Pyramide: Königsgrab . . . 149

Abb. 43: Totentempel des Unas (5. Dyn.) in Saqqara, Grundriß, Rekonstrukion:
Lauer
150 Das Geheimnis der Pyramiden

führt ist statt in Alabaster, wie in den übrigen Totentempeln dieser


Epoche. Dies läßt sich wohl nur mit der Erkrankung und dem vor-
zeitigen Tod des Königs erklären *, so daß die Arbeiten beschleunigt
werden mußten und für Alabasterexpeditionen in die Steinbrüche von
Mittelägypten keine Zeit blieb.

Wenn auch die Tempel der 6. Dynastie stets mit Reliefs von ausge-
zeichneter Qualität versehen sind, so geht doch die Verwendung von
Hartgestein wie Basalt und Granit merklich zurück. Granit oder
Quarzit weden auf die Pfeiler beschränkt, die die Säulen der Hofkolo-
naden ablösen, sowie auf Architrave, Türschwellen und -einf assungen.
Die Mauersockel bestehen aus Kalkstein, dem Material, aus dem außer
in der Empfangshalle, dem Pfeilerhof und den wichtigsten Kulträumen,
wo nach wie vor Alabaster verwendet wird, auch das Bodenpflaster
gearbeitet ist. Dagegen werden die Magazinräume zahlreicher. An der
Nordseite der Pyramide tritt eine kleine Kapelle mit Scheintür auf, die
in ihren Bodenplatten die Mündung des absteigenden Ganges birgt und
deren Spuren schon bei Djedkare und Unas zu erkennen sind. Be-
sonders deutlich wird dieser Bau bei Teti, wo der Grundriß klar zu
erkennen ist (Abb. 20), aber auch bei Pepi I. sowie bei Merenre, wo
Eckenfragmente und Teile der Kranzleiste von der Fassaden-Hohl-
kehle gefunden wurden132, ist sie bereits vorhanden.

Von den Taltempeln ist nur der Pepis II. bekannt (Abb. 45). Er enthält
keine Eingangshalle mit offener Fassade mehr, sondern hinter dem
Eingang einen Saal mit acht Pfeilern, dem sich zwei weitere kleinere
Räume anschließen mit bedeutenden Magazinräumen zu beiden
Seiten, die es bei den Anlagen der 5. Dynastie in Abusir noch nicht gibt.
Vor dem Tempel breitet sich eine langgestreckte Terrasse aus (Abb. 21),
auf die man entweder über Rampen, die sich vor der Mitte vereinigten,
oder über Treppen, die im Norden und Süden angrenzten, hinauf-
gelangte. Unterhalb der Esplanade sind weitere Rampen und viel-
leicht - wie bei Unas - Kaianlagen nachzuweisen, die jedoch noch
nicht ausreichend freigelegt werden konnten.

* Manetho gibt für Merenre eine Regierungszeit von nur sieben Jahren an.
Die Pyramide: Königsgrab ... 151

Abb. 44: Totentempel an der Pyramide des Teti (6. Dyn.) in Saqqâra, Grundriß,
Rekonstruktion: Lauer
152 Das Geheimnis der Pyramiden

In der Endphase der politischen Wirren gegen Ende der Ersten Zwi-
schenzeit erbauten die Könige Antef der 11. Dynastie, die von Theben
aus Teile Oberägyptens beherrschten, ihre Grabkomplexe in Dra
abu'1-Nega auf dem linken Nilufer gegenüber von Karnak. Diese

Abb. 45: Grabbezirk Pepi's II. und seiner drei Königinnen (6. Dyn.) in Saqqâra,
Grundriß, Rekonstruktion: Jequier und Lauer, nach: Encyclopaedia Universalis

Bauten enthielten anscheinend kleine Pyramiden aus ungebrannten


Ziegeln mit nicht mehr als 15 m Seitenlänge, wie Mariette bei Antef IL
feststellen konnte. Erst der Nachfolger Antefs III., König Mentuhotep
Nebhepetre, der mit der Eroberung von Abydos nach mehr als einem
Jahrtausend erneut die historische Leistung vollbrachte, die damals
Menes mit der Vereinigung der Reiche von Süd und Nord ins Werk
gesetzt hatte, trat dann wieder in Der el-Bahari, am Fuße des Theba-
nischen Gebirges, mit dem Bau eines wirklichen Grabkomplexes
hervor (Abb. 46). Diese Anlage weicht vollständig von den ent-
sprechenden Bauten des Alten Reiches ab. Eine kleine Pyramide
scheint einen zentralen Kernbau über quadratischem Grundriß von
etwa 26 m Seitenlänge gekrönt zu haben *. Um den Kernbau waren
zwei Terrassen, von doppelten Pfeilerstellungen getragen, angelegt.
* D. Arnold, Der Tempel des Königs Mentuhotep von Deir el-Bahari, Bd. 1,2 Mainz 1974,
möchte eine Art Terrassenmastaba annehmen und bezweifelt die Pyramidenbekrönung.
Die Pyramide: Königsgrab ... 153

Über eine große Rampe, die senkrecht auf die Mitte der Ostseite zulief,
erreichte man die erste Terrasse. Dahinter erstreckte sich ein Pfeiler-
saal mit reliefgeschmückten Wänden. Oktogonale Pfeiler in drei
Reihen umgaben hier den Kernbau an drei Seiten, während an der
Westseite nur zwei Pfeilerreihen angebracht waren, hinter denen sich
sechs Grabkapellen von Königinnen oder Prinzessinnen befanden, die
ebenfalls mit Reliefs geschmückt und teils in die große Mauer einge-
fügt waren, die diesen Saal von einem westlich gelegenen säulen-
gerahmten Hof trennte. In diesem Hof führen die Schächte zu den
Gräbern der Hofdamen hinab. Außerdem beginnt hier ein Graben, der
in einen langen unterirdischen Korridor übergeht, welcher unter dem
Felsenabhang in einer mit Granit ausgekleideten Kammer endet, die
eine aus Granit und Alabaster bestehende Kapelle enthält. Darin muß
sich der königliche Sarkophag befunden haben, von dem nichts er-
halten ist. Im Westen folgt auf den Hof ein rechteckiger Säulensaal mit
sechs Reihen von jeweils zehn oktogonalen Pfeilern, die von zwei
Reihen mit je elf Pfeilern gerahmt werden. In der Mitte der an den
Berghang angelehnten Rückwand schloß das Sanktuar, wo sich die
Statue des Königs befunden haben muß, den Gebäudekomplex ab.

Abb. 46: Totentempel des Mentuhotep Nebhepetre in Der el-Bahan, Rekonstruk-


tion von Naville und Winlock, nach: Encyclopaedia Universalis
154 Das Geheimnis der Pyramiden

In dem großen Vorhof vor der Gesamtanlage, in dem noch die Pflanz-
stellen für Tamarisken in mehreren Reihen und für vier große
Sykomoren zu Seiten des Aufweges und der Rampe ausgemacht
werden konnten, entdeckte Howard Carter im Jahre 1900 zufällig eine
Vertiefung, als sein Pferd an dieser Stelle einsank. Von dieser etwa
100 m östlich des Rampenanfangs gelegenen Vertiefung geht ein langer
Gang aus, der nach 142 m einem unterirdischen Raum unter dem
Kernbau endet. In dieser Kammer, die vielleicht ursprünglich einmal
als Begräbnisplatz vorgesehen war, machte Carter die überraschende

Abb. 47: Pyramide und Totentempel Sesostris' I. (12. Dyn.) in Lischt, Grundriß,
nach: B.M.M.A.
Die Pyramide: Königsgrab ... 155

Entdeckung, daß es sich um nichts anderes als einen Kenotaph, ein


Scheingrab handelte. Er fand hier außer einem leeren Holzsarg und ein
paar Resten von Opfergaben die sehr merkwürdige schwarze Statue
Mentuhoteps, mit dem weißen Hebsedmantel und der roten Krone
Unterägyptens angetan. Diese Sitzfigur, die auf der Seite liegend und
in feine Leintücher eingewickelt aufgefunden wurde, befindet sich
heute im Museum von Kairo. Möglicherweise hat Mentuhotep, der,
wie wir bereits erwähnten, die Wiedervereinigung Ägyptens vollzog,
sie anläßlich der Feier seines Hebsed-Festes in symbolhafter An-
spielung beisetzen lassen. Dank der wohltätigen Kraft der periodisch
wiederkehrenden Feier dieses wichtigen Jubiläums im Jenseits sollte
die im Ornat des Festes und mit der Krone Unterägyptens ge-
schmückte Ka-Statue den ewigen Besitz Unterägyptens garantieren.

Schließlich sei daran erinnert, daß H. E. Winlock, der über Jahre


hinweg die Grabungen des Metropolitan Museum in Der el-Bahari
leitete, 1923 unter dem Tempel noch ein weiteres Grab entdeckte. Es
enthielt die Gebeine von 60 im Kampf gefallenen Soldaten, die hier
gemeinsam bestattet worden waren, wobei in manchen Körpern noch
Pfeile steckten. Offenbar wollte der König seine Mitkämpfer, die durch
ihr Opfer den entscheidenden, zur Wiedervereinigung der beiden
Länder führenden Sieg ermöglicht hatten, damit ehren, daß er sie in
seiner eigenen Grabanlage beisetzen ließ. Aus der späteren 11. Dynastie
kennen wir in diesem Bereich nur noch die Grabanlage des Nachfolgers
Mentuhoteps I., Seanchkare Mentuhotep, die allerdings nur im Roh-
bau vorlag.

Unter Mentuhotep III. riß Amenemhet, der zunächst Wesir und Ober-
befehlshaber der Armee war, die Macht an sich und begründete um
2000 v. Chr. die 12. Dynastie. Obwohl auch er aus Theben stammte,
verlegte er doch die Residenz zurück in die Gegend von Memphis, und
zwar etwa 60 km südlich von Kairo in die Nachbarschaft des heutigen
Dorfes Lischt, wo bis heute seine Pyramide und die seines Sohnes,
Sesostris' L, an ihn Erinnern (Abb. 48). In beiden Denkmälern und den
sie umgebenden Bauten wird der Rückgriff auf die Traditionen des
Alten Reiches deutlich. Vor allem der Pyramidenkomplex Sesostris' I.,
der der besser erhaltene von beiden ist und zunächst vom Franzöischen
Archäologischen Institut in Kairo133 und dann erneut vom Metro-
156 Das Geheimnis der Pyramiden

politan Museum in New York134 erforscht wurde, zeigt im intimen


Bereich des oberen Tempels (Abb. 47) eine deutliche Anlehnung an die
entsprechenden Bauelemente der 6. Dynastie. So finden sich hier
ebenfalls die kleine Kapelle mit Scheintür am Eingang des absteigen-
den Ganges an die Nordseite der Pyramide (Abb. 48)135 sowie die kleine
Nebenpyramide in der Nähe der Südostecke der eigentlichen Pyramide,
südlich des Tempels. Bemerkenswert an der gesamten Anlage ist
jedoch die Vielzahl der kleinen Pyramiden der Königinnen oder der
Mitglieder der königlichen Familie, von denen nicht weniger als neun
um die Umfassungsmauer der Hauptpyramide gruppiert sind, die
wieder von einer zweiten Umfassungsmauer umschlossen waren.

Abb. 48: Nordkapelle an der Pyramide Sesostris' I., Rekonstruktion: W. C. Hayes


Die Pyramide: Königsgrab ... 157

Zu den eigentlichen Grabräumen haben wir bereits ausgeführt (S. 91 f.),


daß sie bisher noch nicht betreten worden sind, ebensowenig wie die
Amenemhets I. In den Pyramiden seit Amenemhet II. in Dahschûr
wurden keine Texte mehr auf den Wänden angebracht.

Die oberen Tempel der Pyramidenanlagen aus der späten 12. (Abb. 49)
und der 13. Dynastie (Abb. 22) liegen stets an der Ostseite, sind aber
teils so stark zerstört oder unzureichend ausgegraben, daß ein ernst-
hafter Vergleich mit den Totentempeln des Alten Reiches nicht mög-
lich ist.

Zusammenfassend sei gesagt, daß sich nach einer besonders ab-


wechslungsreichen Entwicklungsphase in der 3. und 4. Dynastie das
Schema des oberen Tempels an der Pyramide unter der 5. Dynastie
vereinheitlicht hatte, um dann bis zur Mitte der 12. Dynastie im
wesentlichen unverändert weiterzubestehen, abgesehen von der
Unterbrechung in der 11. Dynastie in Theben. Was den unteren oder
Taltempel anbelangt, so sind uns weniger Beispiele überliefert. Er
scheint in der Zeit von der 4. zur 5. Dynastie an Bedeutung eingebüßt
zu haben, mit dem Ende der 5. Dynastie jedoch erneut wichtig ge-
worden zu sein, was sich vor allem im verstärkten Bau von Kaianlagen,
Rampen und Terrassen niederschlug.

Ein Problem, das bis heute nicht zufriedenstellend gelöst ist, erhebt
sich in der Frage nach der unterschiedlichen Funktion der beiden
Tempel, vor allem in Anbetracht der Begräbnisriten: die Reinigung
des Leichnams, die eigentliche Mumifizierung, die Mundöffnung an
der Mumie, die Vorlage der Opfer usw. 1941 fand Bernhard Grdseloff auf
einem von mehreren neuen Inschriftfragmenten, die ins Museum von
Kairo gelangten, die Erwähnung eines »Reinigungszeltes« im Zu-
sammenhang mit der Stiftung einer Grabausstattung durch König
Neferirkare136. Als er der Bezeichnung nachging, die laut Gardiner
zunächst einmal eine Schutzhütte aus Flechtwerk für Fischer meinte,
welche am Ufer aufgerichtet wurde, um dort schlafen zu können und
vor Krokodilen geschützt zu sein, fand er sechs Darstellungen des
Zeltes in Mastabas der 6. Dynastie aus der Epoche zwischen Teti und
Pepi II. Danach rekonstruierte Grdseloff den Hergang des Begräbnisses
in dieser Epoche, wie er für die Eigentümer der erwähnten Gräber an-
158 Das Geheimnis der Pyramiden

zunehmen war. Die Bestattung spielte sich demnach in zwei Phasen


ab: eine erste Zeremonie bestand darin, den Leichnam vom Hause zur
Nekropole zu geleiten, wo er zunächst in das »Reinigungszelt« kam,

Abb. 49: Pyramide und Totentempel Amenemhets III. (12. Dyn.) in Dahschûr,
Grundriß, nach: J. de Morgan
Die Pyramide: Königsgrab ... 159

bevor er in die Balsamierungsstätte überführt wurde. In einer zweiten


Zeremonie, die sich nach der Mumifizierung vollzog - nach einigen
Texten nach siebzig Tagen, im Falle königlicher Bestattungen vielleicht
eher - wurde die Mumie dann aus der Balsamierungsstätte erneut in
das Reinigungszelt überführt, um nach Vollzug verschiedener Riten, so
wahrscheinlich der »Mundöffnung«, ins Grab geleitet zu werden.

Grdseloff versuchte nun, Grundriß und Lage der beiden wesentlichen


Elemente bei der Bestattung, des Reinigungszeltes und der Balsamie-
rungsstätte, zu präzisieren. Bei ersterem schienen die Quellen einen
Ort am Wasser nahezulegen, wo ein länglicher Bau mit Türen an
beiden Enden, zu denen vom Ufer des Kanals zwei Rampen führten,
errichtet gewesen wäre (Abb. 50). Grdseloff zweifelte nicht daran, daß
es sich dabei um das Reinigungszelt selbst gehandelt habe. Hier sei
jedoch die Frage erlaubt, ob damit nicht vielmehr das ständige Gebäude
gemeint war, das den Beginn des Weges zur Nekropole bezeichnete,
also der Taltempel bei den königlichen Pyramidenanlagen. Davor
wäre für die Dauer der Begräbnisfeierlichkeiten auf einem für diesen
Zweck errichteten Vorplatz ein Zelt aufgeschlagen worden. Und tat-
sächlich scheint ein wichtiges Detail auf den Darstellungen, nämlich
ein Rechteck, das die Fassade des Bauwerks in der Mitte teilt und sich
senkrecht zum Kanal erstreckt, auf den es bisweilen auch hinausgreift
(Abb. 50), von Grdseloff fälschlicherweise als geneigte Fläche inter-

Abb. 50: Im Zusammenhang mit Reinigungsriten stehende Anlage, in mehreren


Privatgräbern dargestellt

pretiert worden zu sein, die dazu bestimmt gewesen wäre, den Ablauf
des Reinigungswassers in den Kanal zu gewährleisten. Drioton dagegen
hielt es für wenig glaubhaft, daß »das von der Reinigung eines Leich-
nams abgeleitete Wasser einfach in den Fluß zurückgeführt wurde«,
160 Das Geheimnis der Pyramiden

angesichts der Sorgfalt, die die Ägypter darauf verwandten, um die


Überbleibsel der Mumifizierung zu sammeln und sie in Gefäßen um
die Mumie herum beizusetzen137. Er lenkte die Aufmerksamkeit u. a.
auf die Tatsache, daß das Rechteck meist über den Kanal hinausreicht,
während die Rampen an seinem Ufer enden. So sah er in diesem Recht-
eck die schematische Darstellung einer Terrasse, die über einer Lande-
stelle aufragte und die von zwei Wegen, die vom Wasser heraufführten,
gesäumt gewesen wäre. Das Übergreifen des Rechtecks über den
Kanallauf hinaus zeige lediglich die Ausladung der Terrasse an. Nach
unserer Ansicht wurde an dieser Stelle das Reinigungszelt errichtet,
und zwar jeweils nur für eine Bestattung, und danach wieder abgebaut,
so wie man noch heutigentags vor Kirchen oder Tempeln aus Anlaß
von Hochzeiten oder für Beisetzungsfeiern Zelte errichtet. Die Ter-
rasse, die vor der Fassade des Taltempels Pepis II. einen so großen
Raum einnimmt, bietet im Grunde diesen Anblick (man vergleiche
Abb. 21 und Abb. 50). Hätte sie sich nicht ausgezeichnet geeignet für
die Errichtung eines Reinigungszeltes, das der Tote aufsuchen mußte,
bevor er in den geheiligten Bezirk einging?

Nach H. Ricke138 allerdings soll die Mumifizierung an einem vom


königlichen Grabkomplex vollständig getrennten Ort stattgefunden
haben, während in diesem nur symbolische Handlungen vorgenom-
men worden wären. Die Reinigung, vollzogen an der vollständig
präparierten Mumie im Sarg, hätte aus nichts anderem als einem
einfachen Besprengen mit geweihtem Wasser bestanden, so daß weder
nach einem Reinigungszelt noch nach einer Anlage zur Ableitung von
wirklichem Reinigungswasser zu suchen sei. So habe der Ort der
Reinigung vor dem Taltempel liegen müssen, am Ufer eines mit Schilf
bestandenen Wassergrabens, dem Symbol des »Binsengefildes« der
Pyramiden texte, wo der König zusammen mit dem Sonnengott Re ein
mystisches Bad zu nehmen hatte, das ihn wiederbelebte. Der Ort, an
dem der Sarg für diese Handlung abgestellt worden sei, habe dem
Rechteck, das senkrecht zur Tempelfassade verläuft (Abb. 50) ent-
sprochen. Dieses Rechteck sei im übrigen bei einigen Darstellungen,
wie z. B. im Grab des Qar in Gisa, mit einem Mattengeflecht bedeckt.
Eine solche Lokalisierung würde natürlich eindeutig mit unserer An-
sicht übereinstimmen, ganz gleich, ob ein Zelt errichtet wurde oder
nicht.
Die Pyramide: Königsgrab ... 161

Als Balsamierungsstätte139 betrachtet Grdseloff im Taltempel des


Chephren (Abb. 39) den ersten Quervorraum, eine Interpretation, die
wenig Wahrscheinlichkeit für sich hat, denn diese Arbeiten hätten sich
schwerlich in einem Durchgangsraum ausführen lassen, den man
durchschreiten mußte, um zur Pyramide zu gelangen, wo doch vor der
Beisetzung des Königs allerhand Vorbereitungen getroffen werden
mußten. Während für Drioton die Dachterrasse des Tempels für diesen
Vorgang der beste Platz gewesen wäre, sieht Ricke dafür den großen
Teil des T-förmigen Pfeilersaales vor, während er nur den hinteren Teil
für die Riten der Mundöffnung an den Statuen, die hier aufgestellt
waren, reserviert.

Entgegen Ricke, der bei den Riten im Totentempel lediglich symbo-


lische Handlungen annimmt, scheint es uns plausibler, daß, sobald aus
dem königlichen Leichnam die Organe und alle sonstigen leicht ver-
weslichen Stoffe entfernt waren, die man in den Kanopengefäßen
sammelte und aufbewahrte, die Mumie mit den letzteren zum Toten-
tempel transferiert wurde, um hier während langer Wochen in völliger
Sicherheit in ein Natronbad eingetaucht zu werden, das zur Konser-
vierung wichtig war. Es wäre durchaus denkbar, daß in dieser Zeit die
kleine Nebenpyramide als Aufbewahrungsort der Kanopen diente, bis
zu dem Tage, da sie mit der Mumie in der Hauptpyramide beigesetzt
wurden.

Soviel zum gegenwärtigen Stand dieser Fragen. Es steht zu hoffen, daß


neue Entdeckungen uns eines Tages in die Lage versetzen werden, mit
Sicherheit sagen zu können, wo sich welche Begräbnisriten in den Tal-
und Totentempeln abgespielt haben. Darin bestand jedoch nicht ihre
alleinige Funktion, denn nach der Beisetzung des Pharao wurden sie
nicht nur die Wohnung seines Ka in alle Ewigkeit, sondern auch die
Stätten seines Totenkultes. Dafür enthielten sie zwei Bereiche, die seit
der 5. Dynastie deutlich getrennt werden, und zwar durch einen langen
von Norden nach Süden verlaufenden Quergang (Abb. 43), wie das am
Beispiel des Unas-Tempels anschaulich wird.

Der eine war sozusagen der öffentliche Teil des Tempels, wo das Geleit
und die Abordnungen der Gaue und königlichen Domänen mit ihren
unzähligen Opfergaben empfangen wurden. Dazu gehörten der Tal-
162 Das Geheimnis der Pyramiden

tempel als Empfangsgebäude, der Aufweg und im oberen Tempel der


große Eingangsbau sowie der von Säulen oder Pfeilern umstandene
Hof, der als eine Art Kirchenvorplatz die feierliche Ausbreitung der
Opfer sah.

Der zweite bildete den intimen und geheimen Teil, der zweifellos nur
der Priesterschaft und einigen Eingeweihten der königlichen Familie
zugänglich war. Dazu gehörten im wesentlichen vier Räume: zunächst
vom Vorplatz aus über einige Stufen hinweg ein Raum mit fünf
Statuennischen, vor denen bestimmte Riten vollzogen werden
mußten, wie z. B. die »Mundöffnung«; anschließend ein länglicher
Raum, der zu einem quadratischen Raum mit einer zentralen Säule
führte und sich zum eigentlichen Sanktuar öffnete, einem großen
überdachten Saal, der ungefähr 15 m x 5 m maß und an dessen Westseite
sich die Scheintür des Königs befand, gegen die Pyramide gelehnt. Vor
der Scheintür stand ein Opfertisch, auf dem die Opfer dargebracht
wurden. Die Reliefs, mit denen die Wände des Sanktuars geschmückt
waren, lassen keinen Zweifel an dieser seiner Bestimmung auf-
kommen, wie sie im übrigen Jequier anhand des Totentempels von
Pepi II. belegen konnte.

Abgesehen von diesen vier wichtigsten Räumen lagen nach Süden und
Norden Bauten von sekundärer Bedeutung, so z. B. die Magazine oder
Schatzkammern. Sofern die Priesterschaft überhaupt im Tempel-
bereich wohnte, wurde sie auf der Dachterrasse untergebracht140.
Jedem Pyramidenkomplex war eine ständige Priesterschaft zuge-
wiesen, die den Totenkult verrichtete. So wissen wir u. a., daß der Kult
an den Pyramiden der Pharaonen Snofru, Cheops, Chephren und
Sahurê über lange Zeit hinweg aufrecht erhalten wurde. Es liegt nahe,
daß es bei den anderen Königen nicht viel anders war.

Der Hauptzweck der Pyramide und der zugehörigen Bauten, deren Ent-
wicklung über etwa ein Jahrtausend hinweg wir hier kurz zu skizzieren
versucht haben, bestand also darin, dem vergöttlichten Pharao in
Ewigkeit einen ungestörten und unzerstörbaren Aufenthaltsort zu ge-
ben und seinen Totenkult dauern zu lassen. Mehr als sechzig Pyrami-
den einschließlich einiger zwanzig kleinerer Anlagen von Königinnen,
sind bisher von den Archäologen untersucht oder zumindest identifi-
Die Pyramide: Königsgrab ... 163

ziert worden. Von den Königspyramiden stellen nicht viel mehr als ein
Dutzend noch eindrucksvolle Bauwerke dar, viele dagegen erscheinen
heute nur mehr als Stein- oder Sandhügel, während einige fast völlig
dem Erdboden gleich gemacht sind.
Teil III

Theorien:
Die angeblichen Geheimnisse
der Pyramiden
Nach den eingangs gemachten Ausführungen steht fest, daß die
Schriftsteller und Historiker der Antike die Funktion der Pyramiden
als Grabdenkmäler der Pharaonen nicht in Frage stellten, sie weichen
lediglich in ihren Ansichten darüber ab, welche Könige sie erbaut und
wann sie regiert hätten. Erst im 5. Jahrhundert unserer Zeitrechnung
äußert der Neuplatoniker Proklus in seinem »Kommentar zu
Timaios« den Gedanken, daß die Pyramiden außer ihrer Bestimmung
als Grabstätten auch die astronomischer Observatorien gehabt haben
könnten; dabei handelte es sich jedoch um seine rein persönliche
Meinung, die durch keinen Beweis abgesichert gewesen wäre. Sieht
man einmal von der mittelalterlichen Legende der Kornspeicher des
Joseph und einigen unbegründeten Erzählungen arabischer Schrift-
steller ab, so wird die überlieferte Interpretation erst im 18. Jahrhundert
zurückgewiesen und einige höchst phantastische Theorien geäußert,
in denen die in diesen außergewöhnlichen Bauwerken angeblich ver-
borgenen Mysterien oder Geheimnisse entschleiert werden. Seither
haben sich diese Ausdeutungen vervielfältigt und weite Verbreitung
gefunden, vor allem seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts bis in
unsere Zeit hinein.

Es würde zu weit führen, hier die unzähligen Theorien auch nur auf-
zuführen, die zumeist einer fruchtbaren Einbildungskraft entspringen,
den notwendigen Anforderungen der Archäologie aber, wie der Wis-
senschaft überhaupt, nicht gerecht werden. Und so seltsam es an-
muten mag, selbst angesehene Gelehrte, Astronomen oder Mathe-
matiker insbesondere, die auf ihrem eigentlichen Gebiet stets die
größte Strenge und wissenschaftliche Sorgfalt walten lassen, haben
168 Das Geheimnis der Pyramiden

keine Skrupel, gleich auf Anhieb in Fragen der Pyramiden die erstaun-
lichsten Behauptungen aufzustellen oder nicht nachprüfbare Angaben
zu machen. Wir wollen daher nur auf die wichtigsten dieser Theorien
eingehen, die wir in zwei Kategorien einteilen: mystische Theorien
und pseudowissenschaftliche Theorien. Die Ägyptologen haben stets
strenge Maßstäbe angelegt und stimmen darin überein, daß die großen
Pyramiden, einschließlich und ohne jeden Zweifel die berühmte
Große Pyramide von Gisa, Königsgräber sind. »Über die Bestimmung
der Pyramiden ist viel diskutiert worden«, schreibt schon Mariette,
»und ohne daß man eigentlich wüßte warum, ist es stets die Pyramide
des Cheops, die zum Ausgangspunkt von Vermutungen wurde. A priori
ist zu bemerken, daß es keinen Grund gibt, warum die Pyramide des
Cheops eine andere Funktion gehabt haben sollte als die übrigen mehr
als sechzig Pyramiden, die man in Ägypten gefunden hat. Zudem
liegen alle Pyramiden inmitten von Nekropolen und in allen, die erst
später geöffnet wurden, sind Sarkophage gefunden worden...«. Seither
hat sich die Ansicht der Ägyptologen nicht geändert. Führen wir zu
diesem Punkt einige ihrer berühmtesten Vertreter an. So schreibt
Capart141: »Mit Hilfe der Mathematiker und häufig in enger Verbin-
dung mit ihnen haben die Mystiker das erfunden, was man 'die
Religion der Pyramide' nennen möchte. Ihre Kombinationen leiten
sich in erster Linie, wenn nicht ausschließlich, von einer Unter-
suchung der Cheopspyramide ab, die ihnen wie eine steinerne Bibel
vorkommt, wie eine nie endende Prophezeiung. Die leidenschaft-
lichen Anhänger dieser Mystik bilden kleine Gruppen unter der
Leitung eines inspirierten Interpreten; die Ergebnisse ihrer Aus-
legung publizieren sie in Spezialblättern und teilen sie unglück-
licherweise jenen Ungläubigen mit, die nicht ihre Überzeugung
teilen. Allerdings ist diese Kirchengemeinde der Pyramide in eine Un-
zahl von Sekten aufgespalten, die sich bekriegen, mißverstehen und
sich gegenseitig um die Wette zerfleischen.« Und Adolf Erman142
äußert: »So hat es denn niemals an Leuten gefehlt, die sich mit dieser
einfachen Erklärung nicht begnügten und die besondere Geheimnisse
hinter diesen Riesenbauten witterten. Auch in unseren Tagen müssen
wir es erleben, daß diese Torheiten wieder auftauchen, obschon sie
durch die Forschung eines Jahrhunderts längst beseitigt waren. Es gibt
in England und auch leider in Deutschland unzählige Leute, die sich
allen Ernstes einbilden, daß in der Pyramide des Cheops tiefsinnige
Die angeblichen Geheimnisse der Pyramiden 169

Wahrheiten verborgen seien. Und da die Cheopspyramide keinerlei In-


schriften trägt, in denen diese Weisheit stehen könnte, muß sie nach
Meinung jener Schwärmer in anderer Weise darin ausgedrückt sein, es
sind die Maße ihrer Teile, die uns das verkünden sollen. Es fehlt ja nie
an Leuten, die gern mit Zahlen spielen, und diese versuchen sich nun
auch an den Maßen der Großen Pyramide.«

Drioton zeigte sich als Generaldirektor der ägyptischen Altertümer-


verwaltung weitaus kategorischer in seiner Zurückweisung143: »Man
braucht die kürzlich veröffentlichten Hirngespinste, in denen die Träu-
mereien von Charles Piazzi Smyth über die Maße der Großen Pyra-
mide, Enthüllungen einer Geheimwissenschaft der alten Ägypter, neu
aufgewärmt werden, nicht zu beachten. Ein für allemal ist diesen Ver-
irrungen entgegengetreten worden, und zwar von Jequier in 'Le preten-
du secret de 1a Grande Pyramide' im Journal de Lausanne vom 24.
Januar 1937. Der Artikel schließt folgendermaßen: '. . . diese Geistes-
spielereien, unschuldigen Phantastereien und Hirngespinste verdie-
nen nicht den Widerhall, den sie gefunden haben. Leider jedoch ver-
mag man die Öffentlichkeit vor einem System von Prophezeiungen,
die sich ein wissenschaftliches Aussehen geben, kaum zu schützen.
Die Grundlage dieser Beweisführung, geschickt maskiert, besteht aus
nichts als Ungenauigkeit oder puren Hypothesen, und die Argumen-
tation ist ganz offenkundig tendenziös.«144

Wenn sich also die Ägyptologen darüber einig sind, daß diese Theorien
zurückgewiesen werden müssen, dann tun sie es ohne jede Diskussion
übereinstimmend, wobei sie die komischsten und unwahrscheinlich-
sten Argumente höchstens mit sanfter Ironie belächeln. Aber sowohl
in den angelsächsischen Ländern als auch in Deutschland und Frank-
reich haben populäre Bücher oder Zeitschriftenartikel, die viel mehr
gelesen werden als archäologische Publikationen und manchmal mit
Namen unterzeichnet sind, die in gewissen wissenschaftlichen Kreisen
über Autorität verfügen, eine breite Öffentlichkeit erreicht und Ver-
wirrung hervorgerufen über die Vorstellungen von der Bestimmung der
Pyramiden und die Kenntnisse vom alten Ägypten. Darum schien es
uns notwendig, dem ein für allemal ein Ende zu bereiten, indem noch
einmal die wesentlichen Theorien aufgeführt werden, um den Gegen-
beweis zu führen und zu versuchen, den Teil der Wahrheit, den sie ent-
170 Das Geheimnis der Pyramiden

halten können, offenzulegen'. Wir stützen uns bei dieser Kritik wesent-
lich auf das interessante und gewissenhafte Werk von William Kings-
land, »The Great Pyramid in Fact and in Theory«, das in zwei Bänden
in den Jahren 1932 und 1935 erschienen ist. Wir können jedoch dem
Autor nicht in allen Schlußfolgerungen zustimmen und ihm auch
nicht überall folgen, so z. B., wenn er die heute von allen Ägyptologen
anerkannte Tatsache, daß die Große Pyramide als Grab für König
Cheops gebaut wurde, als eine simple Hypothese betrachtet, die er
»Tomb Theory« nennt und auf eine Ebene mit den übrigen Theorien
stellt, die wir im folgenden diskutieren möchten.
1. Kapitel

Die mystischen Theorien


A. Bibeltheorien

Die in Beziehung zur Bibel stehenden Thesen sind diejenigen unter


den verschiedenen mystischen Theorien, die den größten Ruf genos-
sen und am meisten in Mode kamen. Danach wird das kleinste archi-
tektonische Detail der Großen Pyramide mit der Geschichte, der
Chronologie und den Prophezeiungen der Bibel erklärt, und zwar buch-
stabengetreu. Diese Auslegungen kommen vorwiegend aus Großbri-
tannien, wo zum einen die Bibellektüre weitaus stärker verbreitet ist
als in Frankreich und den übrigen romanischen Ländern, und zum an-
deren Enthüllungen mehr oder minder mystischen oder übernatür-
lichen Charakters stets von zahlreichen Zeitungen und Zeitschriften
geschätzt werden, die damit um die Gunst des Publikums buhlen.

Ihren Ausgang nahm die Bibeltheorie von dem Werk von John Taylor,
»The Great Pyramid: Why was It Built and Who Built It ?«, das 1859 er-
schien. Der Hauptgedanke dieses Buches ist, daß die mathematischen,
astronomischen und sonstigen Kenntnisse, die der Bau dieser Pyra-
mide erforderte, nicht vereinbar seien mit dem Wissen, das die Mensch-
heit zu dieser Zeit haben konnte. Taylor meint die Zeit um 2400 v.
Chr., nach der Bibel um 1600 nach Adam. Die Erbauer dieses Monu-
ments hätten also notwendigerweise von Gott inspiriert sein müssen.
Wie die Schrift selbst nun aber bezeuge, seien die Ägypter ja Götzen-
diener gewesen, so daß sie diese göttliche Inspiration gar nicht hätten
empfangen können.'Daher stelle sich die Frage, wer die Pyramiden er-
baut habe.
Taylor stützt sich auf eine Passage bei Manetho, in der es heißt, daß
Menschen niedriger Art aus dem Osten gekommen seien und, nach-
dem sie das Geheimnis des Zugangs nach Ägypten entdeckt hätten,
172 Das Geheimnis der Pyramiden

das Land erobert und seine Einwohner unterworfen hätten, ohne daß
es zu einer Schlacht gekommen sei145.
Hieran schließt Taylor die Aussagen Herodots und Diodors an, wonach
die Ägypter die Erinnerung an die Erbauer der beiden großen Pyrami-
den von Gisa verabscheuten, und schließt daraus, daß die Eindring-
linge nur zum auserwählten Volk Gottes gehört haben könnten, aller-
dings vor Abraham. Vielleicht seien sie von Sem oder dem geheimnis-
umwitterten Priesterkönig Melchisedek angeführt worden.

Nun ist es kaum wahrscheinlich, daß diese These von Taylor selbst in
England Verbreitung gefunden hätte, wenn sie nicht mit außerge-
wöhnlichem Eifer aufgenommen und weiterentwickelt worden wäre
von Professor Piazzi Smyth, dem königlichen Astronom von Schott-
land und zugleich glühendem Verfechter, wenn nicht sogar fanati-
schem Anhänger, einer buchstabengetreuen Auslegung der Heiligen
Schrift. 1864 veröffentlichte er sein populäres Werk: »Our Inheritance
in the Great Pyramid« (Unser Pyramidenerbe). 1865 begab er sich dann
nach Ägypten, um durch wissenschaftliche Beobachtungen an Ort und
Stelle die Theorie Taylors, die er sich zu eigen gemacht hatte, zu bestä-
tigen, indem er an der Großen Pyramide Messungen und Untersu-
chungen vornahm. Die Ergebnisse seiner Reise machte er 1867 in
einem neuen Band unter dem Titel »Life and Work at the Great Pyra-
mid in 1865« (Leben und Arbeit an der Großen Pyramide 1865) publik.
Mit Vehemenz ging er gegen die Ägyptologen vor, die sich verständ-
licherweise weigerten, seiner These zuzustimmen und deren For-
schungen er abqualifizierte als »schauderhafte Verstocktheit, mit der
sie Gelehrsamkeit zu erwerben trachten über die antike Götzenver-
ehrung«.

Wir können an dieser Stelle nichts Besseres tun als kurz die Einwände
gegen die Bibeltheorie wiederzugeben, wie sie William Kingsland146
mit kritischem Verstand zusammengetragen hat, um die bisweilen
verblüffenden Behauptungen zu widerlegen. Zunächst einmal ist er
der Meinung, daß man nach den Entdeckungen der modernen Archäo-
logie die Bibel texte nicht mehr wörtlich nehmen kann, vor allem nicht
hinsichtlich der Daten der Schöpfungsgeschichte um 4000 v. Chr. und
der Sintflut um 2400 v. Chr. Überdies haben die archäologischen Ent-
deckungen den Bau der großen Pyramiden um einige Jahrhunderte vor
Die mystischen Theorien 173

die Zeit gerückt, in der diese Autoren ihn ansetzen. Morton Edgar147
gibt für die Sintflut das Datum 2472 v. Chr. an und für den Bau der
Großen Pyramide 2140 v. Chr., d. h. also fast fünf Jahrhunderte später
als allgemein anerkannt wird.
Hinzu kommt: Selbst wenn man die Chronologie der Anhänger der
Bibeltheorie gelten lassen will, so sehen wir uns doch gezwungen fest-
zustellen, daß die angebliche göttliche Inspiration der Erbauer nicht
für alles gut stehen konnte, und darum 300 Jahre zwischen der Sintflut
und dem Bau der Pyramiden wohl kaum ausgereicht hätten, um aus
der gerade neu beginnenden Menschheit so viele fähige und verständi-
ge Handwerker und Arbeiter auszubilden, die zweifellos für die Bereit-
stellung aller benötigten Materialien vorhanden sein mußten.
Schließlich äußert Kingsland seine Verwunderung darüber, daß diese
von Gott inspirierten Menschen gleichwohl fähig waren - wie es ja
auch die antiken Autoren berichten - die Ägypter so grausam zu unter-
drücken und ihnen den Pyramidenbau abzupressen. Nun ist diese
Meinung zwar mit aller gebotenen Vorsicht zu sehen, aber die Vertreter
der Bibeltheorie hatten sie ja akzeptiert.

Der wichtigste Einwand jedoch, den Kingsland vielleicht nicht genü-


gend betont, der aber ausreicht, um alle Theorien von Piazzi Smyth
und seinen Schülern zunichte zu machen, gilt der Behauptung, daß die
Architekten der Großen Pyramide ein spezielles Einheitsmaß, den
Pyramidenzoll, verwendet hätten. Alle Berechnungen des einfallsrei-
chen Astronomen basieren auf diesem Pyramidenzoll, der den 25. Teil
einer heiligen Elle ausgemacht hätte, die selbst mit 25,025 englischen
Zoll (= 0,6356 m) angegeben wird, wobei ein Pyramidenzoll = 1,001
englische Zoll betragen hätte. Sowohl der Pyramidenzoll als auch die
heilige Elle sind reine Erfindungen von Piazzi Smyth, der sich einfach
nicht vorstellen konnte, daß für die Errichtung eines Bauwerks wie das
der Großen Pyramide die ägyptische Königselle von 0,5235 - 0,524 m
verwendet worden ist, die sich bei allen ägyptischen Bauten seit den
ersten Dynastien nachweisen läßt, auch wenn die Maßeinheit für
Smyth eine »unheilige Götzenmaßeinheit war, erfunden von Kain!«

Hätten nicht dergleichen naive Behauptungen ausreichen müssen, um


jeden vernünftigen Menschen von der Unsinnigkeit der ganzen Theo-
rie zu überzeugen? Die Schriften von Piazzi Smyth, der von seinem
174 Das Geheimnis der Pyramiden

Titel als offizieller Astronom und seinem wissenschaftlichen Ruf pro-


fitierte, verfehlten jedoch ihren Eindruck auf die englische Öffentlich-
keit nicht, zumal die Darlegung komplizierter Berechnungen und die
Ausbreitung eines ansehnlichen Zahlenmaterials dem Ganzen den
Anschein der erforderlichen Exaktheit gaben. Indes, welche petitio
principii (»Erschleichung des Grundes«, d. h. Logischer Fehler in der
Beweisführung) liegt nicht allein in der Wertberechnung der angeb-
lichen Pyramidenelle!
Piazzi Smyth beruft sich zunächst einmal auf das Werk »A Disserta-
tion on Cubits« von Isaac Newton, in dem sich der Autor nachzuwei-
sen bemüht, daß die Israeliten eine von der der übrigen Völker ver-
schiedene Elle verwendet hätten, die er als »weltlich« (profan) bezeich-
net. Obwohl die von Newton für diese Elle angegebenen Zahlen zwi-
schen 31,24 und 23,28 englischen Zoll schwanken, ist Piazzi Smyth
der Meinung, daß der Wert entweder 24 Zoll und ein größerer Bruch
oder 25 Zoll und ein kleinerer Bruch oder ein Wert zwischen beiden
sein müsse. Schließlich legt er sich auf 25,025 fest, und zwar aufgrund
einer Beziehung zwischen dieser Zahl und dem Erddurchmesser zwi-
schen den Polen.
Mit der Behauptung, daß der Erddurchmesser a priori exakt 500000000
Pyramidenzoll betrage, jeder Pyramidenzoll 1/25 der Pyramidenelle
ausmache und daß die Zahl 500500000 englische Zoll dem Erddurch-
messer an den Polen am nächsten komme, erhält er die Gleichung 1
Pyramidenzoll = 1,001 englische Zoll. Piazzi Smyth gleitet damit in
eine reine Gelehrteneigenmächtigkeit ab, und in der Tat läßt sich be-
legen, daß andere Anhänger der Bibeltheorie wie Morton Edgar und D.
Davidson durch ähnliches Vorgehen zu leicht abweichenden Zahlen
kommen.

Morton Edgar (The Great Pyramid: Its Scientific Features), der einen
Mittelwert zwischen den Erddurchmessern nimmt, wie sie von zwei
der bedeutendsten Geodäten Englands ermittelt worden waren, erhält
die Zahl von 500 500 500 englischen Zoll, die, in Pyramidenzoll von
Piazzi Smyth umgerechnet, 500000499,5 ergibt, eine Zahl, die um
fast 500 Zoll höher als die von Smyth liegt. Edgar berechnet dann den
Zoll als Pyramideneinheit mit dem 500 Millionsten Teil der Länge von
500500500 englischen Zoll, d. h. 1,001001 englische Zoll. 1000 eng-
lische Zoll würden auf diese Weise 999 Pyramidenzoll entsprechen.
Die mystischen Theorien 175

Um irgendeine Menge englische Zoll in Pyramidenzoll umzurechnen,


müsse man von dieser Zahl den Tausendsten Teil abziehen.
Also:
500500500 - 500500,5 = 499999999,5 plus 5/10 dazu ergäbe
500 000 000 Pyramidenzoll für den Durchmesser der Erde.

Davidson nimmt für den Erddurchmesser an den Polen 500 000 000
Zoll an, die er »Primitiv«-Zoll nennt und die je 1,0011 englischen Zoll
entsprochen hätten. Damit käme er auf einen Erddurchmesser von
500550000 englischen Zoll, was keinem der zugestandenen Maße
entspricht* und von Edgar abweicht. Die Pyramidenelle von 25
»Primitiv«-Zoll hätte demnach 25,0275 englischen Zoll entsprochen.
Kingsland fragt zu Recht, wie seit man solchen Berechnungen trauen
könne, die, statt auf wirklichen Beobachtungen zu beruhen, nur darauf
abzielten, eine Thorie zu stützen, vor allem, wenn jeder der Thesen-
anhänger auf der Exaktheit seiner Berechnungen bestehe, auch wenn
er sich nicht in Übereinstimmung mit den Vertretern ganz ähnlicher
Theorien befinde. Überdies gilt es zu bedenken: Obwohl die drei
Autoren leicht voneinander abweichende Werte für die heilige oder
Pyramidenelle erhalten, so gehen sie doch alle von einer Tatsache aus,
die sie als gesichert ansehen, nämlich einem Erddurchmesser an den
Polen von 500 000 000 Pyramidenzoll oder »Primitiv«-Zoll.

Nun gibt es aber nicht den geringsten Beweis dafür, daß die Ägypter des
Alten Reiches auch nur die mindeste Ahnung von diesem Erddurch-
messer gehabt hätten, geschweige denn von seiner Länge. Dieser
Punkt aber scheint unsere Theoretiker keineswegs beunruhigt zu
haben, die im Gegenteil vielmehr Nutzen daraus ziehen, um ihre
These zu stützen: Die Pyramidenkonstrukteure konnten eben nur von
Gott inspiriert sein, der allein zu dieser Zeit den Erddurchmesser
natürlich kannte. Piazzi Smyth ist sogar der Meinung, daß »die Ägypter
keineswegs Intelligenz zeigten, als sie die Pläne zur Großen Pyramide
entwarfen, sie führten sie auf, ohne zu verstehen, was sie taten und
zwar, weil es zu dieser Zeit nicht anders sein konnte.« Im übrigen
* Die Angabe des Erddurchmessers an den Polen beruht auf den Berechnungen des ameri-
kanischen Astronomen J. H. Hayford und wurde 1910 veröffentlicht. Er wird mit 12 713 818 m
angegeben, was 500 543 014 englischen Zoll entspricht.
176 Das Geheimnis der Pyramiden

spricht er »von den kindlichen Kenntnissen, die die Ägypter von den
Naturwissenschaften und den kosmischen Beziehungen hatten«,
wobei er anscheinend vergaß, wie Kingsland bemerkt, daß nach den
Worten der Bibel »Moses alle Weisheit der Ägypter gelehrt worden
war«.

Zum Pyramidenzoll heißt es bei Davidson, daß es »in der Vorkammer


der Pyramide eine senkrechte Platte aus Granit gibt, an deren Nord-
seite ein Vorsprung in Form eines Hufeisens (eine Bosse) von 1 Zoll im
Relief und 25 Zoll im Umfang ist. Diese Maße entsprechen zwei
Standardmaßen der Pyramidenbauer, nämlich dem Zoll und der Elle,
und zeigen damit künftigen Forschern an, mittels welcher Einheit
diese architektonische Apokalypse vermessen werden muß«. Die
Bosse, von der hier die Rede ist, sieht man auf unserer Abb. 51 B. Sie
mußte, wie Flinders Petrie feststellte, stehenbleiben, um den Block an
seinem Platz einzulassen, und danach hat man einfach vergessen, sie
abzuarbeiten. Die Interpretation als Maßeinheit ist also, um das
mindeste zu sagen, aus der Luft gegriffen.
Davidson wiederum, der daran erinnert, daß die Achse des gesamten
Gangsystems im Innern leicht nach Osten verschoben ist in bezug auf
die Nord-Süd-Achse, die durch den geometrischen Mittelpunkt geht,
mißt diesem Abstand die größte Bedeutung bei. Er soll in »Primitiv«-
Zoll 286,1022 betragen und wird von ihm als »Verlagerungsfaktor«
oder »Abweichungsfaktor« bezeichnet. * Dieser Faktor »ist von trans-
zendentalem Wert insofern«, schreibt er, »als er sich an charakteristi-
schen Stellen der Pyramide überall derart manifestiert, daß die Vor-
stellungskraft des menschlichen Gehirns außerstande ist, sich das
auszudenken!«

Nun, die mit größter Sorgfalt durchgeführten Vermessungen von


Flinders Petrie ergaben für die auf- und absteigenden Gänge an den
Enden eine Abweichung von 286,4 bis 287 englische Zoll. Der Mittel-
wert liefe demnach auf 286,75 hinaus und nicht auf 286,4169, was bei
der Umrechnung von den Primitivzoll Davidsons auf englische Zoll

* In Wirklichkeit scheinen die Architekten der Pyramide die Mitte für den Standort des
Sarkophages vorgesehen zu haben. Da der Zugang zur Grabkammer an der entgegenge-
setzten Seite liegt, mußte selbstverständlich auch der hinführende Gang aus der Achse ver-
schoben sein.
Die mystischen Theorien 177

herauskäme. Nach Petrie weicht auch die Achse der Gänge von der
Mitte der »Großen Stufe« im oberen Bereich der »Großen Galerie« aus
gemessen nicht mehr als 284,4 englische Zoll ab. So muß also der als
so präzise bezeichnete Verlagerungsfaktor, den Davidson aufgrund rein
theoretischer Betrachtungen erhielt, als illusorisch gelten. Der Autor
behauptet aber, daß er diesen Faktor an mehreren Stellen in der
Pyramide habe feststellen können, vor allem aber in den folgenden
drei Fällen, die er für besonders wichtig hält:

1)Das tatsächliche Quadrat der Pyramidenbasis, dessen Umfang 100


mal so groß sei wie die Zahl der Tage des tropischen Sonnenjahres,
verzeichne in der Mitte jeder Seite eine Einwärtsbiegung von 35,76
Zoll, so daß die Differenz zwischen der Idealbasis und der tatsäch-
lichen Basis 286,1 Zoll betrage. Kingsland148 dagegen versichert, daß
die Spuren der Verkleidung an der Nord- und Südseite der Pyramide
diesen Rücksprung nicht erkennen lassen, und er bezweifelt auch
die Exaktheit der Davidsonschen Berechnung, die in Wirklichkeit
um einige vierzig Zoll zu hoch liege.
2)Die Decke der Großen Galerie sei um 286,1 Primitivzoll höher als
die des ersten aufsteigenden Ganges. Nach den Maßen in Perrings
Zeichnung, die präziseste, die wir kennen, seien es ungefähr sechs
Primitivzoll weniger. Der Unterschied in der Deckenhöhe ent-
spricht nach den Zeichnungen Perrings tatsächlich 7,10 Meter,
wobei sich nur 279,8 Primitivzoll von Davidson ergeben würden.
3)Der Verlagerungsfaktor stehe auch in Beziehung zur Differenz zwi-
schen der Höhe der theoretischen Spitze der Pyramide und der
Fläche ihrer Plattform. Dazu ist zunächst zu bemerken, daß
letztere einfach daher rührt, daß die Verkleidung abgetragen wurde.
Davidson selbst gibt zu, daß sie nicht immer die gegenwärtige Aus-
dehnung gehabt hat. Den Beweis liefern die unterschiedlichen Maße
der Plattform, die zu verschiedenen Zeiten gegeben werden und auf
eine Vergrößerung zumindest in der Zeit zwischen Plinius und Abd
al-Latîf hindeuten. Außerdem beträgt die theoretische Höhe der
Pyramide 280 Königsellen, also etwa 146,65 Meter. Gegenwärtig
wird die Höhe mit 137,18 Meter angegeben; die Differenz von
9,47 Metern würde in etwa 373 Zoll entsprechen, eine Zahl, die
nicht unerheblich von den 286 Zoll des »Verlagerungsfaktors« ab-
weicht!
178 Das Geheimnis der Pyramiden

Diese Beispiele mögen genügen, um mit Nachdruck darauf hinzu-


weisen, daß solche angeblich bemerkenswerten Zahlenkongruenzen
mit Vorsicht zu betrachten sind.
Bedeutsam ist vor allem, daß die Pyramidenellen von Piazzi Smyth,
Edgar und Davidson keine runden Zahlen für die wichtigsten Ab-
messungen der Pyramiden ergeben wie z. B. für die Höhe und die
Seitenlänge an der Basis. In Königsellen von 0,524 m dagegen ergeben
sich runde Zahlen von 280 bzw. 440 Ellen.
Die Existenz der Königselle in den Pyramidenmaßen ist derart offen-
sichtlich, daß sogar Piazzi Smyth sie in bestimmten Fällen zugeben
muß: »Sir Isaac Newton hat gezeigt, daß nach den Maßen von Pro-
fessor Greaves aus dem Jahre 1638 bei minder bedeutenden Partien der
Großen Pyramide mit dem Mittel der memphitischen Elle von 20,7
Zoll gearbeitet worden ist, d. h. der Elle des Kain, die den Ägyptern
heilig war, aber natürlich profan in den Augen der Israeliten. Ich habe
festgestellt, nachdem ich die verschiedenen Teile der Pyramide mit
dem Maßband in der Hand vermessen habe, daß die Angaben Isaac
Newtons in diesem Punkte richtig sind. Das mußte aber auch so sein,
denn natürlich war für den Bau der Großen Pyramide ein Architekt
von den Abkömmlingen des Seth notwendig, der eingeborene Götzen-
diener Ägyptens als Maurer und für einfache Arbeiten einsetzte und
sie selbstverständlich mit der einzigen Elle, die ihnen vertraut war,
arbeiten ließ an diesem großartigen Projekt, dessen eigentliches Ziel
sie natürlich nicht kannten; denn wenn sie es gekannt hätten, hätten
sie sich widersetzt.« Dies könnte an sich ohne Kommentar hingehen,
aber es sei doch daran erinnert, daß die ägyptische Königselle nicht nur
in »minder wichtigen Partien« Verwendung fand, sondern in den
Hauptabmessungen.

Nachdem also rein willkürlich der Wert des angeblichen Pyramiden-


zolls eingeführt war, bedienten sich die Anhänger der Bibeltheorie des
mit aller Vorsicht zu genießenden Maßes, um in den Gängen und
Galerien der Pyramide ein Gerüst für ihre Prophezeiungen zu
errichten. Als Axiom legten sie zugrunde, daß sich die biblische
Chronologie Punkt für Punkt und Jahr für Jahr in den Maßen der
Gänge nachweisen lasse. Die Anfechtbarkeit solcher Thesen liegt auf
der Hand. Aber damit hatte es noch nicht sein Bewenden. Die von den
genannten Autoren geforderte Beziehung zwischen dem Pyramiden-
Die mystischen Theorien 179

zoll und dem Zeitablauf sieht so aus, daß ein Pyramidenzoll einem Jahr
entspricht, aber von der »Großen Stufe« (Abb. 51,M) an, die den Beginn
des modernen Zeitalters versinnbildlicht, fällt der Wert des Zolls
plötzlich auf die Spanne eines Monats von 30 Tagen. Dies geschieht
mit dem einfachen Hinweis darauf, daß sich die Ereignisse be-
schleunigt hätten. Hier wird doch die absolute Herrschaft der Willkür
zur totalen Unvernunft!

Vor nicht allzu langer Zeit war es dann Georges Barbarin149, der sich
in Frankreich zum Verfechter des größten Teiles der Theorien über die
Große Pyramide gemacht hat, wobei er die mystische wie astronomi-
schen und anderslautenden in einer wahren tour de force kombinierte
und tatsächlich in Einklang miteinander brachte. »Wenn die äußeren
Maße der Pyramide«, so heißt es bei ihm, »eine höhere astronomische
Bedeutung haben und mit minutiöser Präzision gewisse große Formeln
des Universums enthalten, so führen uns die inneren Maße zu noch
ungeahnteren Möglichkeiten, die ein umso leidenschaftlicheres
Interesse verdienen, als sie sich unmittelbar auf die Gegenwartsge-
schichte der Menschheit beziehen. Das Innere der Pyramide enthält
ein Zusammenspiel von Passagen und Kammern, die auf die subtilste
Weise zueinander in Beziehung stehen. Dort gibt es keine Abzweigung,
keine Entfernung, keine Richtung, keinen Kubus, keine Schräge,
keinen Vorsprung, die nicht ihre hohe, genau definierbare und blei-
bende Bedeutung hätten. Das System der Gänge folgt einem geometri-
schen und symbolischen Plan, bei dem nichts dem Zufall überlassen
ist...« Zur angeblichen Symbolik der Anlagen im Innern der Pyramide
fügt Barbarin folgende Einzelheiten hinzu: »Von den Kommentatoren
werden die Unterschiede zwischen den schräg und eben verlaufenden
Stellen dahingehend gedeutet, daß sie den ursprünglichen Abstieg der
Menschheit zu Unwissenheit und Übel hin symbolisieren (absteigender
Gang am Eingang) bis zu dem Moment, wo die bösen Geister ihren
Absturz zur unterirdischen Kammer hin fortsetzen, während die Ge-
meinschaft der Menschen an der Abzweigung des ersten aufsteigenden
Ganges zum Licht der Großen Galerie emporgeht, die der christlichen
Ära entspricht. Nachdem sie die Große Stufe überschritten hat, geht
der Aufstieg der Menschheit nicht mehr weiter, der geistige Aufstieg
ist zu Ende, sie bewegt sich nun in der Ebene fort. Dann tritt sie in die
Epoche des Chaos ein, wo sie in gebückter Haltung die niedrigen
180 Das Geheimnis der Pyramiden

Durchgänge mit einer Unterbrechung in der Vorkammer passiert,


bevor ihr in der Königskammer die Erleuchtung zuteil wird...!«

Abb. 51: Oberer Teil der »Großen Galerie« und Fallsteinanlage in der Pyramide
des Cheops

Dank der Arbeiten von Flinders Petrie, Borchardt und anderen Archäo-
logen und Architekten über die Große Pyramide erklärt sich jede
Eigenheit der Anlage im Innern als technisch notwendig oder praktisch
Die mystischen Theorien 181

erforderlich, so daß es derart ätherischer Vorstellungen nicht bedarf.


Während der Bauzeit erfolgte Änderungswünsche im Plan bedingten
neue Gänge mit anderen Neigungswinkeln, die von den zunächst ange-
legten abzweigten. Die Proportionen und die Gestalt bestimmter
Einzelheiten wie z. B. der Großen Galerie oder des Bauteiles, der als
Vorkammer bezeichnet wird, finden ihre Erklärung darin, daß in der
Großen Galerie die Granitblöcke gelagert werden mußten, die den auf-
steigenden Gang blockieren sollten150, und in der sogenannten Vor-
kammer mußten die Fallsteine untergebracht werden, die später den
Zugang zur Grabkammer abriegeln sollten.
Was die prophetischen Datierungen anbelangt, die angeblich in die
Große Pyramide eingearbeitet seien, so fällt laut Kingsland das ganze
Gebäude schon zusammen, wenn man das Ausgangsdatum, d. h.
Adam, nicht anerkennt. Barbarin führt beispielsweise folgendes über
die Beziehungen an: »Die markantesten Daten in der Geschichte der
Menschheit sind in der Pyramide durch Schnittpunkte von Linien in
der Decke oder auf dem Boden der Gänge und Kammern angegeben,
ferner in Form von Achsenüberschneidungen, durch Schnittpunkte
von Kreisumfängen, Schwellen, Beginn oder Ende von Gängen und
Galerien, architektonischen Details usw.«. Nennen wir einige solcher
Details, um die Sinnlosigkeit derartiger Hirngespinste zu verdeut-
lichen: Der Schnittpunkt der verlängerten Bodenlinie der ersten auf-
steigenden Passage mit der Achsenlinie der Eingangs- und absteigen-
den Passagen gibt das Datum für den Exodus Israels, den 4. April 1486
v. Chr. Christi Geburt ist bezeichnet durch die Höhe des Boden-
niveaus der Königinnenkammer. Die Kreuzigung liegt an der Schwelle
zur Großen Galerie, welche die christliche Ära symbolisiert. »Die
Länge der Großen Galerie an der Decke beträgt 153 Fuß, womit die 153
großen Fische gemeint sind, die die Jünger auf Veranlassung des aufer-
standenen Christus aus den Netzen entfliehen lassen!« (Joh. 21)
Gleichwohl muß Barbarin zugeben, daß »entlang der Großen Galerie
kein wirklich typisches Datum gegeben zu werden scheint, denn bis
zur Großen Stufe enthält sie keine charakteristische architektonische
Besonderheit, obwohl doch die Geschichte der Christenheit übervoll
ist von wichtigen Ereignissen«, fügt der Autor naiv hinzu.

Jenseits der Großen Stufe aber gibt es wieder eine Menge Daten abzu-
lesen! Sie liegt – nach Barbarin - im »Schnittpunkt der Achse der
182 Das Geheimnis der Pyramiden

Chronologieskala mit dem Kreis der Tag- und Nachtgleiche und


scheint ein wesentlicher architektonischer Bestandteil für die Prophe-
zeiungen der Pyramide zu sein. Mit ihrem rechten Winkel symbolisiert
sie die Epoche der schöpferischen Wissenschaft, Wegbereiterin der
Epoche »Zeitenverbrauch« und der »Wiederherstellung aller Dinge«
im Totenbuch. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts erreicht der Rationa-
lismus seinen Höhepunkt und fällt mit dem Ende der Großen Galerie
zusammen, deren Decke sich plötzlich tief absenkt bis zum ersten
niedrigen Durchgang, was eine immense geistige Erschlaffung be-
deutet. Irgendwie unerklärlich bleibt allerdings die Tatsache, daß sich
die Große Stufe vom 25726. Januar 1844 an ihrer Basis zum 2. August
1909 auf ihrer Oberseite erhebt, bevor der Boden horizontal zum
niedrigen Durchgang verläuft!«

Uns kann daran nur wundern, daß irgend etwas, und sei es noch so
merkwürdig, für diesen mit einer so fruchtbaren Phantasie ausge-
statteten Ausdeuter unerklärlich sein sollte! Allerdings sei an dieser
Stelle angemerkt, daß Piazzi Smyth, der als erster die Beziehungen zu
historischen Daten aufstellte, für die Basis der Großen Stufe das Jahr
1813, und nicht 1844, gegeben hatte und dafür folgende Interpretation
fand: »Dieses Datum bezeichnet den Zeitpunkt energischster Fort-
schritte Großbritanniens bei dem Versuch, die Bibel zu verbreiten und
der ganzen Welt das Evangelium zu bringen.«
Nach der einen wie der anderen Hypothese sollte doch die Datierung
derart vager Dinge nicht mit einer so präzisen Stelle wie der Großen
Stufe in der Großen Galerie zusammenfallen! Außerdem scheinen die
angelsächsischen Bibeltheoretiker die Erfüllung von Prophezeiungen
nur auf Ereignisse zu beziehen, die Großbritannien betreffen. Auch
Kingsland fragt sich trotz seiner Nationalität, warum dieses Land wohl
besonders auserwählt sei, da doch die Voraussetzungen das Universum
betreffen müßten. Auf diese Frage antworten die englischen Exegeten
ohne Verlegenheit, daß sie die Nachfahren der verlorenen Stämme
Israels und daher von Gott auserwählt seien für die Verwirklichung
seiner großen Pläne!
Unsere Autoren kommen weiterhin überein, das Ende der Großen
Galerie, d. h. die Basis der Südmauer und den Beginn der niedrigen
Passage zur »Vorkammer«, als Datum für die Erklärung des Ersten
Weltkriegs 1914 anzusehen. Morton Edgar fügt hinzu, daß dies der
Die mystischen Theorien 183

Beginn eines »Jahrtausends« sei, das demnach 2914 enden werde, aber
er wagt es doch nicht, bestimmte Ereignisse genau zu benennen, die
auf das Jahr 1914 folgen151. Die übrigen sind der Meinung, daß hier das
Chaos beginne und das Ende des ersten niedrigen Durchgangs den
Waffenstillstand 1918 bezeichne. Darauf folgen Daten, die sie als
wesentlich betrachten. Überlassen wir unseren Lesern das Urteil über
einige solcher Daten, wie sie bei Davidson und Barbarin aufgeführt
sind:
6. März 1926: Unterzeichnung des Berichts der Königlichen Kom-
mission über die Kohleindustrie und überraschender Sturz der
Regierung Briand!
29.-30. Mai desselben Jahres: anglo-ägyptische Krise!
11. Juli 1927: Erdbeben in Jerusalem und Abschaffung des Islam als
Staatsreligion in Ankara!
29. Mai 1928: Beginn der Weltwirtschaftskrise, die zusammenfällt mit
dem Beginn des zweiten niedrigen Durchgangs!
Nach diesen Autoren wäre die Periode des Chaos oder »der letzten
Drangsal« am 5. Dezember 1936 mit dem zweiten niedrigen Durch-
gang zu Ende gegangen, und der Beginn des theokratischen Zeitalters,
der 15.-16. September 1936, stimmte mit dem Eingang zur Königs-
kammer, die Barbarin pompös als »Saal der Wiederauferstehung und
des Gerichts über die Völker« bezeichnet, überein!

Basil Stewart schreibt152: »Wenn erst einmal die letzte Drangsal be-
gonnen hat, die in den Grenzen der letzten niedrigen Passage liegt, wird
evident werden, daß selbst diejenigen, die bis dahin nichts Ungewöhn-
liches finden konnten, realisieren, was geschehen ist... Wenn dem
nicht so wäre, würde sich der ganze prophetische Kalender der Großen
Pyramide als irrig erweisen.« Was das Datum September 1936, das von
diesem Autor als Ende der Drangsal bezeichnet wird, anbelangt, und
das doch jetzt immerhin einige Zeit her ist, so kann man kaum zu
einem anderen Schluß als der Autor selbst kommen!

Ähnlich verhält es sich mit den Vorhersagen des Oberst J. Garnier aus
dem Jahre 1905153. Danach sollten sich im Jahre 1920 Plagen und
Katastrophen im Mittelmeerraum ereignen. In einer Neuauflage des
Buches von 1912 wurden diese Ereignisse auf 1922 vertagt, wo dann die
Zerstörung eines großen Teiles von Europa und anderer Erdteile durch
184 Das Geheimnis der Pyramiden

Feuer stattfinden sollte. Als Krönung des Ganzen war »die Zerstörung
der Armeen des Antichristen in Harmagedon und die Wiederkunft
Christi mit den Heiligen, die sich aus den Wolken erheben«, vor-
gesehen!

Nennen wir noch den Reverend Walter Wynn, dessen Vorhersagen


sich nach der Veröffentlichung seines ersten Buches 1926 nicht
erfüllten und der darum 1933154 ein weiteres publizierte. Darin teilt er
uns mit, daß die Schlacht von Harmagedon 1936 oder später statt-
finden werde, nachdem das Heilige Land von den Russen und ihren
Alliierten besetzt worden ist. »Dann wird sich die Erde auf tun, und mit
Sicherheit lassen sich Katastrophen voraussagen, die das Meer, die
Luft, die Erde, die Tiere und die Menschen betreffen, die durch Bruder-
kampf, durch Pest und Blut und Wasserstürze, Hagelschlag, Feuer und
Schwefel usw. ausgerottet werden...« Ein Hoffnungsschimmer blieb
lediglich den Engländern, wie Kingsland nicht ohne Ironie anmerkt,
denn »noch einmal, entgegen allen Erwartungen, wird Gott auf Seiten
Großbritanniens stehen«.

Völlig unbefangen schreibt Barbarin: »Typisch für Prophezeiungen


im gewöhnlichen Sinne ist es, Ereignisse ohne genaues Datum anzu-
kündigen, während es umgekehrt bei den in der Pyramide enthaltenen
Vorhersagen gerade charakteristisch ist, daß das Datum gegeben ist,
ohne die Ereignisse genauer zu bezeichnen.« In seinem 1936 verfaßten
Werk beschränkt er sich allerdings darauf, für die nächste Zukunft nur
ein Minimum an Daten aufzuführen. Unglücklicherweise aber müs-
sen wir feststellen, daß für die inzwischen abgelaufene Zeit kein
wichtiges Ereignis angegeben war, und das in einer Epoche, die wirk-
lich nicht arm war an Weltgeschehen: »Welches sind nun nach 1936
die Daten, die mit den Ankündigungen der Evangelisten in Ver-
bindung gebracht werden können ? Bei jeder solchen Angabe setzt man
sich dem Risiko aus, durch die tatsächlichen Ereignisse widerlegt zu
werden. Wir wissen lediglich, daß die letzten Daten in der Pyramide
folgendermaßen lauten: 20. August 1938 - 27. November 1939 - 3., 4.
März 1945 - 18. Februar 1946 - 20. August 1953.«

Ist es nicht zumindest beunruhigend, daß sich unter diesen Daten


weder das des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs befindet, der noch
Die mystischen Theorien 185

viel schrecklicher war als der Erste, auf den es doch in den Vorhersagen
viele Hinweise gegeben hatte, und daß auch die bedingungslose
Kapitulation Deutschlands nicht angezeigt war?
Anfang 1942 tritt ein weiterer Adept dieser Theorien auf. R. Foretich155
wandte sich vor allem den Daten der Vorkammer und des zweiten
niedrigen Durchgangs zu. Indem er aus der Tatsache, daß Davidson
und seine Schüler bereits das Verhältnis zwischen Chronologie und
Pyramidenzoll ab der »Großen Stufe» geändert hatten, den Schluß
zieht, daß sich die Folgen dieser Umstellung bis zum Ende der Kalk-
steinplatten kurz nach dem Eingang zur Vorkammer auswirken
müßten, die das Datum des 12. Dezember 1919 festhielten, meint er:
»Da von dieser Stelle an die Bodenplatten aus Granit bestehen, muß
logischerweise auch die Zeitskala modifiziert werden.«

Offengestanden, eine derartige Logik beschämt. Denn natürlich fällt


der Wechsel im Material mit der Anbringung der Fallsteine zu-
sammen. Da diese aus Granit waren, um etwaigen Eindringlingen ein
größeres Hindernis entgegenzusetzen, war es ganz natürlich, auch
Wände und Bodenplatten aus Granit zu verwenden. Welchen Grund
gäbe es also vernünftigerweise, die Relation zur Zeitskala zu ändern?
Da Foretich aber trotzdem nicht auf Anhieb die erwünschten Daten
erhält, läßt er sich auf Berechnungen ein, die wir hier nur wiedergeben
wollen, weil sie wirklich nichts als reine Jongleurkunst darstellen.
Durch Hinzufügen, Weglassen und mit Hilfe von Multiplikationen
mit dem berühmten Verlagerungsfaktor von Davidson, den er aus
unerfindlichen Gründen auf seinen zehnten Teil reduziert, erhält er
schließlich statt des 13. Januar 1927, der eigentlich bei seiner neuen
Chronologieskala herauskommt, für den sich jedoch kein außerge-
wöhnliches Ereignis finden ließ, schließlich das der Kriegserklärung
am 3. September 1939. Mit ähnlichen Rechenvorgängen, die bis zu
»theosophischen Reduktionen« gehen, erhält er überdies die Daten
des 10. Mai 1940 sowie des 22. Juni 1940 und 1941. Dann wagt er sich
sogar zum Datum des 19. September 1942 für den Waffenstillstand in
Europa vor und nennt den 9. April 1944 für den Beginn einer neuen
Ära in Frankreich und der ganzen Welt! Da es sich hierbei jedoch
wieder einmal um Ereignisse der Zukunft handelte, müssen wir
einmal mehr feststellen, daß er durch die Tatsachen Lügen gestraft
wurde.
186 Das Geheimnis der Pyramiden

Wie meint doch Kingsland ganz richtig: »Wir müssen eben stets be-
fürchten, daß einer der Autoren einen Irrtum in seinen Berechnungen
entdeckt und auf dieser Basis von vorn anfängt! Ab 1957 kam dann mit
dem »Institute of Pyramidology« in Dunsdale (Bedforshire), das 1966
nach Harpenden (Hertfordshire) umzog, erneut Bewegung in die Sache,
als die »Pyramidology« von Adam Rutherford, ein Werk in 5 Bänden,
neu aufgelegt wurde. Der vierte Band erschien 1972, den ersten haben
wir seinerzeit in der Revue d'Egyptologie 16, p. 229-30 besprochen.
Der Autor definiert darin Pyramidologie als die Wissenschaft von der
Großen Pyramide, die sich am Schnittpunkt von Wissenschaft und
Religion befinde.* Nach Rutherford ist »der Architekt der Großen
Pyramide gleichzusetzen mit dem Architekten des Universums, dem
Allmächtigen selbst. Die Große Pyramide ist der Göttliche Entwurf,
der die tiefen Geheimnisse des Unendlichen Geistes enthält.« (Band I,
S. 148). Präziser heißt es dann (Band IV, S. 1187), »the Great Pyramid
and the Bible reproduce the same original, the one in words, the other
in stone.« Von daher stellt er auch, wie alle seine Vorgänger, eine Kon-
kordanz zwischen Daten und den Räumlichkeiten im Innern der
Pyramide her. So setzt er die Jahrtausendepoche zwischen 1979 und
2979 an, und zwar nach neuerlichen Berechnungen auf der Grundlage
eines neuen Wertes für die Heilige Elle, die er 25,0265 englischen Zoll
gleichsetzt. Diese Daten liegen zwischen dem Eingang zur Köni-
ginnenkammer und der Südwand dieser Kammer**. Demnach wäre es
also noch eine Weile hin, bis wir ins apokalyptische Goldene Zeitalter
eintreten!

Trotz aller Vorbehalte gegenüber diesen Theorien jedoch, sind die


Arbeiten von Rutherford wie von Edgar für bestimmte Zeichnungen,
Pläne, Schnitte und interessante Photos von der Großen Pyramide mit
Nutzen zu verwenden. Dies gilt vor allem für den 3. und 4. Band von
Rutherford.

* A. Rutherford unterscheidet in seiner Einleitung den »wahren Pyramidologen«, der


wissenschaftlich nachweist, was die Pyramide laut Bibel und Christentum hinsichtlich
des großen Planes, den Gott für die Menschheit hat, aussagt, vom -einfachen Pyrami-
disten«, d. h. dem Ägyptologen, der sich damit abfindet, die Pyramiden unter archäo-
logischen Gesichtspunkten zu erforschen!
** Sein Schema geht aus dem Titelbild von Band I, erneut abgebildet in Band IV, S. 1524, und
seinem Text S. 145-146 hervor.
187
B. Die theosophischen Theorien

Eine zweite Gruppe mystischer Theorien baut auf der angeblichen


Beziehung zwischen der Pyramide und den »ägyptischen Mysterien«
auf. Mit dem Hinweis auf die unbezweifelbar bedeutende Rolle, die
eine Priesterschaft von Eingeweihten beim Bau der Pyramiden gespielt
hat, weil sie ja in der damaligen Zeit einzig im Besitz des Wissens war,
möchten die Verfechter dieser Theorien, die zumeist aus theosophi-
schen Sekten kommen, den Schlüssel zum Problem der Großen
Pyramide in den »Mysterien« sehen. Allerdings: Wenn auch die
Existenz solcher Mysterien wohl nicht zu bestreiten ist, so sind Details
über sie, wie das überhaupt für antike Mysterien gilt, weitgehend un-
bekannt; denn sie waren genau die Geheimnisse, die von den einge-
weihten Priestern eifersüchtig gehütet wurden. Vielleicht jedoch
ließen sie sich wenigstens teilweise in religiösen Texten funerären
Charakters, wie wir sie unter dem Titel »Totenbuch« erhalten haben,
wiederentdecken. Ein Teil dieser Texte, so diejenigen, die z. B. auf die
Osirislegende oder die solaren Mythen anspielen, geht mindestens bis
auf die prädynastische Zeit zurück. Diese Texte sind bereits in den Pyra-
midentexten, die erst mit König Unas am Ende der 5. Dynastie
niedergeschrieben wurden, nur mehr fragmentarisch enthalten.
Außerdem wurden die Pyramidentexte ausschließlich für den Königs-
kult verwendet. Aus der Zeit nach dem Zusammenbruch des Alten
Reiches sind dann andere Totentexte überliefert, in denen Passagen
der Pyramidentexte wiederkehren. Dabei handelt es sich um die in
kursiven Hieroglyphen auf dem Innern von Holzsarkophagen hoher
Beamter und Leute geringeren Standes niedergelegten sogenannten
»Sargtexte«. Noch später, etwa zu Beginn des Neuen Reiches, ist
wiederum nur ein Teil dieser Texte in Verbindung mit anderen Toten-
kapiteln auf Papyrusrollen, die in die Mumien eingebunden wurden,
aufgeschrieben worden. Sie bilden das eigentliche Totenbuch. Dieses
Buch, eine Art Spruchsammlung und Jenseitsführer, konnte jeder er-
werben, der die Mittel hatte, um sich bei einem geistlichen Schreiber
oder beim Mumifizierer ein Exemplar zu kaufen. Erst in der Saitenzeit
aber erhielt das Totenbuch seine feste Form von 165 Kapiteln in will-
kürlicher Anordnung, auf die sich die Kopisten geeinigt hatten. Das
beste Exemplar ist in einem Turiner Papyrus von einigen zwanzig Me-
tern erhalten und von Lepsius publiziert worden. Die ersten Ausgaben
188 Das Geheimnis der Pyramiden

des Totenbuches trennen demnach mehr als 1000 Jahre von der Pyra-
midenepoche, und im Totenbuch sind nur sehr wenige Texte ent-
halten, die Gemeinsamkeiten mit den Pyramidentexten aufweisen,
die selbst erst zwei Jahrhunderte nach Cheops schriftlich gefaßt wur-
den. »Die Pyramidentexte lehren das Ritual, mittels dessen die Men-
schen vor dem Tode bewahrt und ihre Existenz im Grabe wie im Him-
mel gesichert sein sollte. Sie geben nicht die Mittel an die Hand, um
den Weg ins Paradies zu finden, der Feinde und der Hindernisse Herr zu
werden, der Prüfung des letzten Gerichts zu entgehen. Diese prakti-
schen Lehren und weisen Ratschläge finden sich vielmehr im Toten-
buch. Der Mensch, der wie im Leben diese Formeln kannte, hatte nach
dem Tode nichts zu fürchten.« Soweit Moret156.
Diese wenigen Zeilen waren zur Klärung des Sachverhaltes not-
wendig, denn die beiden sehr unterschiedlichen Textgruppen werden
häufig durcheinandergebracht.
Für die Autoren der theosophischen Theorien gewinnt das Totenbuch
eine Bedeutung, die viel weiter greift als seine Texte nahelegen, die im
übrigen oft dunkel bleiben. Danach handelt es sich um ein mystisches
Werk, das sich vor allem auf die Initiationsriten der ägyptischen
Mysterien bezieht und symbolisch verbrämt die Proben enthält, die
der Myste zu bestehen hat. Außerdem seien im Totenbuch die Fort-
schritte über die verschiedenen Stadien der Erlangung von Fähigkeiten
hinweg bis zur letzten Stufe der Unsterblichkeit enthalten. Wie die
Bibel gäbe das Totenbuch in Allegorien das Wissen der Welt und der
Menschen wieder, das nur den Eingeweihten einsichtig sei. Und so wie
sich die einen von der biblischen Pyramidentheorie inspirieren ließen,
so behaupten andere Autoren im Gefolge von Werken wie W. Mar-
sham Adams, »The House of the Hidden Places« und »The Book of the
Master», daß die Pyramide das gigantische Bemühen darstelle, in
monumentaler Form das zum Ausdruck zu bringen, was im Toten-
buch geschrieben stehe. Unter ihnen findet sich auch Barbarin wieder,
der die Bibeltheorie mit der theosophischen verbindet: ». . . Für viele
wird immer deutlicher, daß die Pyramide nicht nur ein Eichmaß und
ein geometrisches und mathematisches Gebäude der Wissenschaft
einer ersten Zivilisation war, sondern auch das graphische Abbild einer
Chronologie von Prophezeiungen, verbunden mit dem Alten und
Neuen Testament auf der einen Seite und dem Totenbuch auf der an-
deren Seite.« Und er fügt noch hinzu: »Das Totenbuch ist eine
Die mystischen Theorien 189

Abformung der Großen Pyramide, und das Symbolische der Worte


vermählt sich eng mit dem Symbolgehalt des Steines. Das gesamte
Gangsystem und die Kammern der Pyramide werden in den Allegorien
des Totenbuches kommentiert...«, und noch eindeutiger: »Während
die Pyramide die Sprache des Steins spricht, spricht das Totenbuch die
Sprache des geschriebenen Wortes.«
Marsham Adams seinerseits bemüht sich um die Herstellung von
zahlenmäßigen Entsprechungen zwischen den Steinlagen der Pyra-
mide und der Numerierung der Kapitel im Turiner Papyrus, wobei es
ihm nichts ausmacht, daß der Papyrus aus der Saitenzeit stammt,
somit 2000 Jahre nach der Großen Pyramide entstanden ist und daher
namentlich in der Numerierung deutlich abweicht von Totenbuch-
ausgaben, die ins Neue Reich hinabdatieren. Marsham Adams stellt
z. B. die These auf, daß das 17. Totenbuchkapitel der 17. Lage ent-
spreche, die über dem heutigen Beginn des absteigenden Ganges auf
der Nordseite der Pyramdie liegt. Nun ist aber die Verkleidung zum
Teil erst in arabischer Zeit heruntergerissen worden, der absteigende
Gang nahm ursprünglich seinen Anfang vielleicht auf der 19. Stufe157.
Alle Ableitungen aus dieser falschen Entsprechung fallen damit mit
ein und demselben Schlag in sich zusammen, und es scheint unnütz,
die Diskussion hierüber noch weiterzutreiben. Angemerkt sei ledig-
lich noch einmal, daß es sich stets um tendenziöse Auslegungen von
Eigentümlichkeiten der Pyramide handelt, die rein zufällig sind oder
bautechnisch notwendig.
So erwähnt Marsham Adams auch eine »Horizonttür mit einem Gie-
bel aus zwei Blöcken«, unter dem in den Stein gemeißelt das Zeichen
für Horizont (Taf. 3 a) angebracht sei. Abgesehen davon, daß dieses
Zeichen sehr roh gearbeitet und schlecht ausgeführt ist, muß man sich
vor allem fragen, welchen Sinn es an dieser Stelle gehabt hätte, die vor
der Beschädigung der Pyramide etwa 7 m hinter Mauerwerk ver-
borgen war, das heute verschwunden ist. Was Adams hier für das
Zeichen des Horizontes oder der aufgehenden Sonne hält, ist nichts als
eine Kerbe im Block, die vielleicht beim Abtragen der Verkleidung
oder bei noch späteren Untersuchungen entstanden ist. Die Giebel-
stellung der beiden Blöcke über der angeblichen Tür stellt ein Element
des Entlastungssystems dar, das sich über dem Eingang befindet und
mindestens auf einer Länge von ein paar Metern von der Verkleidung
ab in dieser Weise vorkommt.
190 Das Geheimnis der Pyramiden

Darüber hinaus sieht Marsham Adams in der Doppelschrägendecke


der fünften Entlastungskammer über der Königskammer (Abb. 6) »ein
riesiges Granitdreieck, das in unvergänglicher Form die göttliche Drei-
einigkeit Ägyptens symbolisiert«! Zunächst einmal bestehen die das
Dreieck bildenden Blöcke nicht aus Granit, sondern aus Kalkstein.
Zweitens sollte diese Kammer, wie alle übrigen Entlastungskammern
darunter auch, nie mehr zugänglich, ja nicht einmal sichtbar sein. Sie
blieben ja auch unbekannt, bis die erste Kammer 1765 von Davison
entdeckt wurde, und 1837 Vyse und Perring von da aus durch das
massive Mauerwerk eine Passage nach oben schlugen. Warum hätte
man also unter diesen Bedingungen in den betreffenden Blöcken etwas
Bestimmtes ausdrücken wollen, da sie im übrigen auch noch so ange-
ordnet sind wie in den meisten Grabkammern der übrigen Pyramiden?
Die Anlage der fünf übereinanderliegenden Kammern stellt in Wirk-
lichkeit nur ein Entlastungssystem und eine Sicherung für die Decke
der Grabkammer dar.
Bezeugen diese Beispiele nicht von vornherein, daß der Autor zu-
mindest sehr oberflächlich beobachtet hat, vor allem aber, daß er von
der Bauweise der Ägypter nichts versteht?
Barbarin seinerseits versucht nicht, Relationen zwischen der Nume-
rierung der Totenbuchkapitel und den Bauelementen der Pyramide
herzustellen, dafür haben seiner Ansicht nach jeder Gang, jede
Kammer sowie die Stollen und Gänge eine symbolische Bedeutung
für eine Episode, die derjenige zu durchlaufen hatte, der in das Ritual
des Totenbuches eingeweiht wurde. Der erste Gang bedeutet danach
»die Frist der Vorbereitung und Initiation in das Mysterium des
Universums in einem Zeitalter, das seit dem Bau der Pyramide geistig
immer mehr heruntergekommen ist«. Die Symbolik des absteigenden
Ganges besteht dann darin, daß sie »die Erniedrigung des Menschen
versinnbildlicht, der den Weg zur Wahrheit noch nicht gefunden hat
und sich daher eingräbt in die Dunkelheit des Unterirdischen«! In der
unterirdischen Kammer, die schlicht und einfach unvollendet ist und
darum unebenen Boden aufweist, sieht er den Wahnsinn ver-
körpert: »Hier sind oben und unten verkehrt. Die Menschenwesen
laufen wie Fliegen an der Decke entlang und reißen sich mit Äxten das
Gehirn heraus« (sic)!
Der aufsteigende Gang hingegen entspricht dem »Saal der Wahrheit
im Dämmer« und die Große Galerie ist der »Saal der Wahrheit im
Die mystischen Theorien 191

Licht« oder »die Lichtkammer im Weltraum«, die beiden Passagen


zusammen stellen den »Doppelsaal der Wahrheit« dar, wohingegen
der horizontal verlaufende Gang, der von der Vorkammer mit den
Fallsteinanlagen unterbrochen wird, im ägyptischen Ritual, so ver-
sichert uns der Autor, die Bezeichnung »Kammer des Dreifachen
Schleiers« trage und »eine Periode des Burgfriedens im Chaos« ist. Die
Königskammer wird gleichgesetzt mit dem »Raum der Mysterien und
des Offenen Grabes«, die auch »Kammer des Großorients der alt-
ägyptischen messianischen Prophezeiungen, Saal des Gerichts und der
Reinigung der Nationen, der Wiederkunft des Wahren Lichts, das aus
dem Westen kommt, die leibliche Gegenwart des Meisters des Todes
und des Grabes ...« und so fort ist.
Dieser Raum namentlich, der außer einem Sarg nichts enthält, kann
für Barbarin aus folgenden Gründen nicht der Grabraum eines Pharao
sein:
1) »weil der Sarg keinen Deckel hat;
2) seine Maße beweisen, daß er durch die untere Passage nicht hat
hereingebracht worden sein können, sondern bereits aufgestellt
wurde, als die entsprechende Steinlage der Pyramide aufgebracht
wurde.«
Beide Argumente halten einer ernsthaften Prüfung nicht stand. Wir
haben bereits darauf hingewiesen, daß das Sargunterteil eine Vor-
richtung zum Einlassen des Deckels (Abb. 29) aufweist, der von den
Grabschändem zerschlagen wurde, wie das in vielen anderen Fällen
auch geschehen ist. Das Einbringen des Sarkophages noch während des
Baus ist hinwiederum eine ganz übliche Sache, beim Begräbnis wurde
nur der die Mumie enthaltende Sarg in den bis dahin offenstehenden
Sarkophag gelegt.

In die gleiche Richtung wie Marsham Adams und Barbarin zielt J.


Ralston Skinner, der in seinem Buch »The Source of Measures« (Die
Herkunft der Maße) versucht hat, die Pyramide mit der Kabbala der
Juden, einem Werk, das als esoterischer Schlüssel zur Bibel be-
trachtet wird, zusammenzubringen.
Nach Skinner drückt die Pyramide zahlenmäßig wie symbolisch die
antike Kenntnis der Weisheit aus, die sich in den hebräischen Schriften
in der Interpretation der Kabbala wiederfindet. Nach einer Über-
lieferung soll die Kabbala der Menschheit von den ersten Eingeweihten
192 Das Geheimnis derPyramiden

gegeben und dann mündlich tradiert worden sein an die Neophyten in


den geheimen Sanktuaren, die für die Initiation vorgesehen waren.
Diese Überlieferung scheint sich teilweise zu treffen mit einer ande-
ren, wonach das ägyptische Totenbuch von dem Gott Thot, den die
Griechen mit Hermes gleichsetzten, stamme. Dieses Buch soll, wie
wir bereits erwähnten, nach einigen Ausdeutern die geheimen Kennt-
nisse der Eingeweihten in allegorischer und symbolischer Weise ent-
halten. Was die Kabbala anbelangt, so ist sie stets als mystische Lehre
über den verborgenen Sinn der hebräischen Schriften verstanden
worden.

Das Werk Skinners besteht aus zwei Teilen. Im ersten Teil stellt er eine
Reihe von Entwicklungen dar, die auf der Verwendung von Elementen
der Geometrie beruhen, wobei vor allem der Kreis in Zahlen zerlegt
wird. Dann erfolgt die Anwendung auf die Pyramide. Im zweiten Teil
seines Buches bemüht sich Skinner, die Beziehung zwischen den
Zahlenwerten und der kabbalistischen Interpretation verschiedener
biblischer Erzählungen aufzuzeigen, so z. B. der Schöpfungsgeschichte,
dem Garten Eden, dem Namen Gottes und der Patriarchen, zur Arche
Noah, der Bundeslade, dem Tempel Salomons usw. Sein kabbalisti-
sches System besteht darin, mittels einer zahlenmäßigen Äquivalenz
für jeden Buchstaben den geheimen Sinn eines hebräischen Wortes zu
entdecken. William Kingsland weist darauf hin, daß er sich nicht für
kompetent genug halte, um Skinner hierin in allem zu folgen oder ihn
zu widerlegen, und wir müssen gestehen, daß wir uns in der gleichen
Lage befinden. Der Punkt, auf den es uns ankommt, ist der der An-
wendung solcher Zahlenwerte auf die Pyramidenmaße, und auf
diesem weitaus sichereren Terrain kann Kingsland mehrere Fälle an-
führen, in denen Skinner höhere Werte angibt oder überhaupt willkür-
liche Veränderungen vornimmt, um alles seinem System unterordnen
zu können. Kingsland schreibt: »All das erweckt den Anschein einer
reinen Zahlenspielerei. Gewiß werden wir mit einer geradezu ver-
wirrenden Fülle von Zahlen konfrontiert, die jedoch im weiteren Sinne
verwendet oder anders gesagt, abgeändert sind, um sie mit astronomi-
schen oder sonstigen Zahlen und den kabbalistischen Werten in Ein-
klang zu bringen.« Kingsland weist u. a. nach, daß die Pyramidenab-
messungen, die Skinner seinen Berechnungen zugrundelegt, nicht
stimmen und macht anhand einer Aufstellung (Bd. II. Taf. XIX) deut-
Die mystischen Theorien 193

lieh, wie erheblich die Abweichungen zum Teil sind. So hat sich
Skinner im wesentlichen auf die Angaben der Wissenschaftler von
der Expedition d’Égypte und von Vyse und Perring verlassen, obwohl
die Große Pyramide damals in ihren Umrissen noch gar nicht voll-
ständig freigelegt war und diese Angaben folglich nicht mehr stimmen,
so daß auch die daraus abgeleiteten Berechnungen zunichte werden.
Kingsland: »Mit derart stark von den tatsächlichen Maßen ab-
weichenden Werten lohnt die weitere Analyse dieses Buches im
Grunde nicht, vor allem, was die Entsprechung zwischen den Zahlen-
werten der hebräischen Wörter und den Angaben von Zoll oder Fuß in
den Maßen der Pyramide anbelangt. Es ist bedauerlich, daß ein in
vieler Hinsicht gutes Buch gerade an der Stelle ungenau ist, wo die
Exaktheit des Recherchierens hätte Vorrang haben müssen.« Dieses
Urteil aus der Feder von Kingsland wiegt besonders schwer, weil er
grundsätzlich solchen Theorien nicht abgeneigt ist, wie aus folgen-
dem Zitat hervorgeht: »Es ist hier nicht meine Aufgabe festzustellen,
ob sich Entsprechungen zwischen kabbalistischen Zahlen und den
heutigen Pyramidenmaßen herstellen lassen. Dabei bin ich geneigt
anzunehmen, daß eine Beziehung zwischen der Kabbala und der Pyra-
mide besteht, und zwar insofern, als beide in einem gewissen Sinne
eine Zahlensymbolik enthalten, die gleichsam einen Schlüssel zu
kosmischen Grundwahrheiten, wie sie in den Lehren der alten
Mysterien enthalten waren, darstellt.« In diesem Zusammenhang sei
noch einmal darauf hingewiesen, daß die meisten Theosophen der
Meinung sind, bei den Pyramiden, ganz besonders aber der Großen
Pyramide, handle es sich nicht um Gräber sondern um Mysterien-
kultplätze. Dieser Gedanke wird lange vor den hier genannten Autoren
schon von Jomard in seinen »Remarques et recherches sur les Pyra-
mides d’Égypte« 158 zum Ausdruck gebracht, wenn er schreibt: »Der
Gedanke, daß man in einem solchen Bauwerk Mysterien feierte oder
in den inneren Gemächern vielleicht Initiationsriten durchführte und
sich dort überhaupt kultische Zeremonien oder religiöse Riten ab-
spielten, darf nicht als unwahrscheinlich gelten. Votaque pyramidium
celsas solvuntur ad aras, sagt Lukian. Die Raumaufteilung im Innern
scheint solchen Zwecken eher dienlich, zumindest ist sie dafür besser
geeignet als für ein Grab. Gleichwohl können wir keine Beweise er-
bringen zugunsten einer solchen Auslegung, die ohne Zweifel eine
Möglichkeit darstellt, die aber durch nichts Greifbares gestützt wird.«
194 Das Geheimnis der Pyramiden

Edouard Schure seinerseits schreibt in »Les Grands Inities«: »Die


ägyptischen Könige hatten ihre Gräber anderswo. Das bizarre Innere
der Cheops-Pyramide beweist, daß dort Initationsriten und Geheim-
praktiken der Osirispriester stattgefunden haben. Da gibt es den
Schacht der Wahrheit, den wir beschrieben haben, ferner die aufwärts
führende Treppe, den Saal der Geheimnisse... Die sogenannte
Königskammer, die den Sarkophag enthält, war derjenige Raum, in
den man den Adepten am Vorabend der großen Einführung brachte...«
Es erübrigt sich, hier noch einmal eine solche Deutung der Örtlich-
keiten zu widerlegen, die ein reines Produkt der Phantasie sind, dafür
sei auf die in diesem Buche genannten archäologischen Publikationen
über die Cheopspyramide verwiesen.

Barbarin, offenbar allen diesen Theorien zugänglich, scheint die


Pyramide ebenfalls für einen Schauplatz von Einweihungsriten zu
halten: »In der Vorkammer begann sich der Dreifache Vorhang zu
heben. Wenn er in die Vorkammer trat, bezeugte der Adept, der noch
nicht Meister war, erneut seine Demut vor den Mysterien, indem
er sich vor der senkrechten Granitplatte verbeugte. Am Ende der Vor-
kammer mußte er tief gebeugten Rückens den niedrigen Durchgang
passieren, der die 'Letzte Erniedrigung' symbolisierte. Darauf trat er in
den letzten Raum ein und rief 'ich habe die Türen geöffnet... Gesegnet
sei Der, der in dem Sarge ist; denn alle Toten werden zu ihm
kommen'!«

H. P. Blavatsky, eine weitere namhafte Theosophin, ist ähnlicher


Ansicht159: »Äußerlich verkörpert die Pyramide die schöpferischen
Prinzipien der Natur und gleichzeitig geometrische, mathematische,
astrologische und astronomische Grunderkenntnisse. Im Innern stellt
sie einen majestätischen Tempel dar, in dessen düsteren Winkeln sich
die Mysterien vollzogen und dessen Wände Zeuge von Einweihungs-
szenen der königlichen Familie waren. Der Porphyrsarkophag, den der
schottische Astronom Professor Piazzi Smyth zu einer Kornkiste her-
abwürdigt, war das Taufbecken, aus dem der Neophyt als Einge-
weihter neu geboren auftauchte...«
In ihrem zweiten Buch »The Secret Doctrine« (Die Geheimlehre) legt
die Autorin ihre Vorstellungen von der Rolle, die der Cheopspyramide
in den Initiationsriten zufiel, d. h. bei den ägyptischen Mysterien,
Die mystischen Theorien 195

genauer dar: »Der eingeführte Adept, der mit Erfolg alle Proben be-
standen hatte, wurde gebunden, aber nicht direkt gefesselt, auf ein
Lager in Form des Buchstabens Tau gelegt. . .und lag in tiefem Schlaf
(bis auf den heutigen Tag bei Mysterienkulten in Kleinasien, Syrien
und mehr noch in Ägypten als »Schlaf von Siloah« bezeichnet). Drei
Tage und drei Nächte hatte er in diesem Zustand zu verharren, wäh-
rend sich sein geistiges Ich angeblich mit den Göttern unterhielt, in
den Hades, Amenti oder Pâtâla (je nach Land) hinabstieg und gute
Werke an den unsichtbaren Wesen, den menschlichen Seelen oder ein-
fach den Geistern vollbrachte,- der Körper verblieb die ganze Zeit über
in der Krypta eines Tempels oder einer unterirdischen Höhle. In
Ägypten wurde er in den Sarkophag der Königskammer in der Cheops-
pyramide gelegt und in der Nacht vor dem dritten Tag an den Eingang
eines Stollens oder Ganges gebracht, wo zu einer bestimmten Stunde
die aufgehende Sonne dem in Ekstase befindlichen Kandidaten voll ins
Gesicht fiel, der nun erwachte, um von Osiris und Thot, dem Gott der
Weisheit, empfangen zu werden.«
Kingsland, der diese Texte zitiert, weist zu Recht darauf hin, daß dieser
der aufgehenden Sonne entgegenführende Gang bis heute gänzlich
unbekannt ist und daher also noch zu entdecken wäre und gibt zu
bedenken, daß wir, um die Frage beantworten zu können, ob die
Große Pyramide tatsächlich solchen Einweihungszeremonien gedient
haben könnte, »sehr viel mehr wissen müßten über diese Zeremonien,
vor allem über die zu dieser speziellen Zeit üblichen.« Aber nach
diesen Äußerungen gesunden Menschenverstandes schließt er über-
raschend doch mit folgender Bemerkung: »Ich vermute, daß zumindest
einige Pyramiden in verschleierter Form doch Schätze des Wissens
und der Weisheit enthalten, wie sie in den alten Mysterien verbreitet
waren und in der Hierarchie der Eingeweihten erworben wurden,-
Schätze, von denen zu allen Zeiten nur diejenigen wußten, die auf alle
weltlichen Obliegenheiten verzichtet hatten und ausschließlich mit
Eifer nach der göttlichen Weisheit strebten. Die Bauweise der Großen
Pyramide ist dergestalt, daß dieses Bauwerk noch auf Jahrtausende
hinaus das größte der Welt bleiben wird, und aller Wahrscheinlichkeit
nach wird die Pyramide auch das größte Mysterium für den ‚Laien’
bleiben. Die Autorin ist der festen Überzeugung, daß ihr (der Pyramide)
Geheimnis den Eingeweihten bekannt ist, so daß die Weisheit der
Ägypter' in Verbindung mit dem Totenbuch, unserem Christentum
196 Das Geheimnis der Pyramiden

und den übrigen Schriften, niemals verlorenging und das Geheimnis


jederzeit denen enthüllt werden kann, die an das Tor des Mysterien-
tempels zu klopfen verstehen und hineinkommen, um aufgenommen
zu werden.« Und am Schluß dieser gewissenhaften Arbeit heißt es:
»... Aber es handelt sich dabei vielleicht um eine Angelegenheit, die die
Eingeweihten nicht über die ganze Welt verbreitet sehen möchten...«!

Schure seinerseits faßt die These über die Große Pyramide als einem
Werk der Mystik folgendermaßen zusammen: »Die Obersten der
Eingeweihten in Ägypten besaßen als Eckpfeiler eine Zusammen-
schau des Wissens, die unter die Bezeichnung Osiris (O Sir-Is) als
geistigem Herrn gefaßt war. Symbol dieses Begriffs und mathemati-
scher Gnomon ist die Große Pyramide.«

Erst kürzlich hat auch Andre Pochan, obwohl er zugibt, daß »die Große
Pyramide aller Wahrscheinlichkeit nach das Grab des Königs Cheops
ist«, wieder behauptet, daß die Pyramide zugleich auch Schauplatz
isiakischer Mysterien160 gewesen sei. Nach ihm hätten die drei bisher
bekannten Grabkammern lediglich esoterischen Charakter gehabt,
und das tatsächliche Grab »liegt noch heute 58 m (sic) tief im Fels,
eifersüchtig vom Nilwasser bewacht!« ... und: »Die seltsame chaoti-
sche unterirdische Kammer war der Ort der zweiten symbolischen
Geburt des Nachfolgers des Cheops, während sich in der mittleren, der
sogenannten Königskammer, der magische Übergang des göttlichen
Ka, der den noch nicht mumifizierten Leichnam verließ, in den Körper
des Chephren vollzog, der durch Drogen eingeschläfert im Sarkophag
lag (!). Sein Erwachen nach bestimmten magisch-rituellen Zere-
monien stellte dann symbolisch die dritte Geburt dar und schloß seine
Einweihung ab. Sein Körper war damit Gefäß der Gottheit geworden.
Nachdem sich das Wunder vollzogen hatte, war die mittlere Kammer
zum heiligen Ort geworden, den Menschen nie wieder betreten
durften, und die Granitfallsteine wurden vor einem leeren Grab
heruntergelassen. Allein die durch eine Kipptür und den absteigenden
Gang zugängliche unterirdische Kammer konnte weiterhin für das
erste Stadium der isiakischen Einweihungsriten benutzt werden.
Darin liegt die esoterische Bedeutung der Großen Pyramide, die
übrigens ihre eigentliche und ursprüngliche ist.« Seine Behauptungen
überraschen angesichts der Tatsache, daß er unter anderem Piazzi
Die mystischen Theorien 197

Smyth und seine Nacheiferer als »mystische und pseudowissenschaft-


liche Träumer« oder »von dem mysteriösen Übel, der Pyramiden-
krankheit, befallene Erleuchtete« bezeichnet und streng mit ihnen ins
Gericht geht. Aber müßte nicht er als Professor, der lange die exakte
Wissenschaft gelehrt hat, sich mit seinen Behauptungen wenigstens
auf präzise Beobachtungen und eine solide Basis stützen, ohne seiner
Phantasie freien Lauf zu lassen? Seine Arbeit enthält jedoch zahlreiche
Irrtümer, von denen einige angeführt zu werden verdienen.
In dem oben zitierten Text nennt er Chephren als Nachfolger des
Cheops, während doch schon seit langem feststeht, daß der Erbauer der
Pyramide von Abu Roâsch, Radjedef, zwischen diesen beiden Königen
anzusetzen ist161, was 1954 erneut bestätigt wurde, als sich sein Name
auf einigen der Blöcke fand, unter denen die große Totenbarke des
Cheops entdeckt wurde (siehe S. 138).
Auf der Titelseite und gleich danach an anderer Stelle (p. 18 und 26), wo
er ein Verzeichnis von Schreibungen des Namens der Cheopspyramide
bringt, verwendet er eine falsche Transkription des Pyramiden-
determinativs, das als Sonnentempel erscheint und aus einer Mastaba
vom Ende der 5. Dynastie in Gisa162 stammt. Ohne jeden weiteren
Beweis will er damit belegen, daß die Große Pyramide auf ihrer Spitze
einen kleinen Obelisken getragen habe statt des zu erwartenden
Pyramidions!

Die Lösung, die er auf den Seiten 39-42 für die Blockade des auf-
steigenden Ganges vorschlägt, wäre ohne den Ausstiegsschacht nicht
zu verwirklichen gewesen. Der kleine Raum, der bei ihm auf Seite 40
unter N aufgeführt ist, hat keine Spur hinterlassen, der Laufgraben aber,
den al-Ma’mûn brechen ließ und der noch heute existiert, hätte nicht
so weit vorgetrieben werden müssen, wenn es diesen kleinen Raum
gegeben hätte.
Auf Seite 55 schlägt er eine eher komisch anmutende Rekonstruktion
für die »Große Galerie« vor, in der er eine »Galerie der Vorfahren*»
unterbringen wollte. Die Statuen der Vorfahren, die er auf den schrägen
Sockeln anbringt, hätten aber jeweils ein längeres und ein kürzeres
Bein haben müssen, um aufrecht stehen zu können!
Auf Seite 183 versichert er zum einen - gegen alle Evidenz und aus
dem einfachen Grunde, weil die Sieben eine heilige Zahl sei -, daß die
Stufenpyramide eine siebte Stufe gehabt haben müsse, die heute ver-
198 Das Geheimnis der Pyramiden

schwunden sei, und zum anderen, daß die Treppen der beiden ersten
Kapellen mit gebogenem Dach im Heb-Sed-Hof des Grabkomplexes
des Djoser (Taf. IV) nur sieben Stufen gehabt hätten statt der zehn von
uns angenommenen. Die Prüfung unserer Rekonstruktion, die wir
schon vor langer Zeit veröffentlicht haben163 beweist jedoch auf den
ersten Blick die Unhaltbarkeit von Pochans Behauptung.
Auf den Seiten 181 – 190 glaubt er im Gefolge von Marsham belegen zu
können, daß der absteigende Gang der Cheopspyramide bei der 17.
Steinlage der Verkleidung begonnen habe, während er doch bei der 19.
gelegen hat164, wie erst kürzlich wieder von den italienischen In-
genieuren Maragioglio und Rinaldi bestätigt wurde. Die von Marsham
Adams geforderte Übereinstimmung mit dem 17. Totenbuchkapitel
hatte sich folglich auch erübrigt.
Auf der 4. Tafel zwischen den Seiten 224-225 wird ein Photo von der
Granitverkleidung der Mykerinospyramide gewaltsam zu einer Ab-
bildung der Pyramide von Tula in Mexiko umfunktioniert, von der
Pochan versichert, daß die »Anordnung der Blöcke der der ägyptischen
Pyramiden« gleiche. Durch die Vertauschung der Aufnahme läßt sich
das ja auch nicht leugnen!

Entgegen der Behauptung von Pochan (S. 243-44), wonach alle


Pyramiden vom Beginn der 4. Dynastie an außer der Großen eine
Neigung von 4/3 gehabt hätten, die er »isiakisch«, d. h. von den Isis-
Osiris-Mysterien bedingt, nennt (S. 208-209) und die sich aus dem
heiligen Dreieck mit den Seiten in den Verhältnissen 3 - 4 - 5 ergibt,
kann man feststellen (siehe die Übersicht S. 332), daß die von Snofru,
dem Gründer der 4. Dynastie, stammende Verkleidung der Medûm-
Pyramide ein Neigungsverhältnis von 14/11 aufweist, das dann von
Cheops wieder aufgenommen wird, während andererseits die beiden
Snofru-Pyramiden von Dahschûr sehr unterschiedliche Verhältnisse
zeigen, die sich erheblich von 4/3 und 14/11 unterscheiden. Das
heilige Dreieck 3-4-5 erscheint zum ersten Mal in den Proportionen
der Chephren-Pyramide. Mykerinos ging jedoch von diesem Ver-
hältnis schon wieder ab, und zwar bevorzugte er das des ägyptischen
Dreiecks von 5/4, als »Viollet-le-Duc« bezeichnet.*

1
Nach dem berühmten französischen Architekten und Kunsthistoriker Viollet-le-Duc
(1814-79)
Die mystischen Theorien 199

Auf den Seiten 293-298, wo es um die Bauphasen der Pyramide geht,


heißt es z. B. auf S. 296, daß »der Anschluß des engen Ganges (Aus-
stiegsschacht) mit der Großen Galerie quer durchs Mauerwerk«, was
im oberen Streckenabschnitt nicht der Fall ist165 »wahrscheinlich
unter Ramses II.«, nach mehr als zweitausend Jahren(!) gemacht
worden sei oder (S. 297), daß man in der 5. Bauphase die Plattform ge-
schaffen habe, wo »der Gnomon«(!)* angebracht worden sei und die
6. Phase dann darin bestanden habe, »nach Aufbringung der Ver-
kleidungsblöcke und dem Verputzen die (Außenseiten) mit einem
Farbüberzug auf der Basis von Zement (!) aus zerstoßenem Granit und
rotem Haematit zu bemalen, denn wie die Sphinx und die Pyramide
des Chephren war auch die Große Pyramide rot bemalt.« **

Die Passagen, die Pochan der Zerstörung der Cheopspyramide widmet


(S. 298-303) und wo er erneut auf die an Chephren vollzogenen angeb-
lichen Einweihungsriten zurückkommt sowie angebliche Wiederher-
stellungsarbeiten unter Ramses IL genau aufführt, gehören in den
Bereich der reinen Phantasie. Auf seine Chronologie (Kap. VII, S. 309 –
315) und die sogen. »Rückkehr zu den Quellen« einzugehen lohnt sich
gar nicht. Kurz gesagt handelt es sich dabei um nichts anderes als die
Rückkehr zu den Irrtümern der ersten Ägyptologen, die aus der Sicht
von heute natürlich entschuldbar sind und vor allem darin bestehen,
daß sie sich vollkommen an Manetho hielten. * * * So setzt Pochan die
Reichseinigung unter Menes um mehr als 2500 Jahre vor dem heute
allgemein angenommenen Datum an und rückt Cheops um 2200 Jahre
vor die Zeit, die Ägyptologen und Historiker ihm heute zugestehen,
wobei sie sich u. a. auf Ereignisse in den Nachbarkulturen ebenso wie
auf Ergebnisse von Carbon-14-Untersuchungen berufen können, Zwei-
fel an diesen Daten also nicht möglich sind.

* Gnomon = der auf eine waagrechte ebene Fläche senkrecht eingesetzte Stift, dessen mit
der Sonne wandernde Schattenspitze ... die Zeitbestimmung der Wenden und Gleichen,
der Sternphasen und damit der Jahreszeiten gestattete. (Der kleine Pauly, Lexikon der
Antike, Bd. II)
** (dazu Fußnote S. 67)
*** Die Archäologie hat inzwischen nachgewiesen, daß so manche dort in der Abfolge auf-
geführten Regierungen, vor allem in den Zwischenzeiten, gleichzeitig waren und Königs-
namen doppelt genannt werden, was auf unterschiedliche Transkriptionen zurück-
zuführen ist. Im übrigen sind die Regierungszeiten mit Vorsicht zu verwenden, weil sie
generell mit den Zahlen des Turiner Königs-Papyrus, sofern dort Zahlen gesichert sind,
nicht übereinstimmen.
200 Das Geheimnis der Pyramiden

Erwähnen wir von den Theorien über die esoterischen Kenntnisse der
ägyptischen Priesterarchitekten noch eine, die ihnen übernatürliche
Fähigkeiten zuschreibt. Michel-Claude Touchard zeichnet in seinem
Buch »Les Pyramides et leurs mysteres« (Edit. Planete, Histoire, 1966)
mit geschickter Feder zunächst die außergewöhnliche Expedition
unter Napoleon Bonaparte nach Ägypten nach, berichtet dann von den
Reisenden und Forschern, die ihr vorausgingen oder folgten, und nach-
dem er die verschiedenen Theorien über die Pyramiden genannt und
die wichtigsten Ausgrabungen erwähnt hat - die verschiedene Irr-
tümer enthalten –, äußert er schließlich die Überzeugung, daß die
ägyptischen Oberpriester übernatürliche Fähigkeiten gehabt hätten
(S. 279)! Er glaubt jedoch nicht, daß sie diese beim Bau der großen Pyra-
miden hätten anwenden können, denn »auf diesen bedeutenden Bau-
plätzen konnten sie nicht weitergegeben werden, wie es den Erforder-
nissen entsprochen hätte, weil die Tausende von Wesen dort auf derar-
tige Enthüllungen ungenügend vorbereitet waren.« Wir können ihm
gar nicht hoch genug anrechnen, daß er nun nicht die Telekinese als
»Goldschüssel« für die Lösung des Transportproblems der manchmal
hundert Tonnen schweren Blöcke in Anspruch nimmt! In einem
Nachtrag, der wörtlich »der Esoterik der Pyramiden« gewidmet ist und
dem Architekten Michel Bataille anvertraut wurde, stützt dieser sich
auf die von einer außerordentlich blühenden Phantasie zeugenden
Schriften von R. A. Schwaller de Lubicz und dessen Gattin, die er bei
einem Aufenthalt in Oberägypten getroffen hatte. Demnach hätten die
Pyramidenpläne schon seit den ersten Dynastien vorgelegen und »die
meisten stammten von Imhotep«. Nichts in der ägyptischen Archi-
tektur sei dem Zufall überlassen gewesen und »darum ist es fast sicher«
(S. 289), »daß das Konzept der aus Dreiecksseiten errichteten Großen
Pyramide vollkommen fertig im Gehirn eines (Imhotep) oder mehrerer
Menschen entstanden ist.« Und zum Schluß: »Es vollzieht sich alles
so, als ob der Weg schon am Beginn vorgezeichnet gewesen wäre, als ob
es am Anfang gewesen wäre, daß Ägypten am größten war.«
Das ist eine große Illusion. Die Untersuchungen an der Stufen-
pyramide von Saqqâra haben uns vielmehr die tastenden Versuche des
Imhotep gezeigt, der zweifellos kein Konzept von der eigentlichen
Pyramide hatte, was vielmehr erst bei den Architekten des Snofru zu
Beginn der 4. Dynastie nachzuweisen ist. Wenn insbesondere Imhotep
zu Beginn der Steinarchitektur eine so große Rolle spielte, so bin ich,
Die mystischen Theorien 201

der ich mich seit so vielen Jahren mit der Wiederherstellung seines
bewunderungswürdigen Werkes befasse, sicher der letzte, der ver-
suchen wollte, seine Verdienste zu schmälern; aber es ist irreführend
zu versichern, daß er das Programm sämtlicher Pyramidenarchitektur
und der späteren Tempelanlagen hätte voraussehen und entwerfen
können. Denken wir doch nur an die gewaltigen Unterschiede zwi-
schen dem Pyramidenkomplex des Djoser und der Chephren-Anlage
in Gisa, zwischen denen zeitlich nur ein Jahrhundert liegt. Im Gegen-
satz zu den Ansichten von Michel Bataille war die ägyptische Kunst in
stetiger Entwicklung begriffen und hat im Laufe ihrer langen Ge-
schichte abwechselnd Blütezeiten und Perioden der Stagnation oder
der Niedergangs durchschritten.
Um aber beim Pyramidenzeitalter zu bleiben: Höhepunkte wurden
nach Imhotep in der ersten Hälfte der 4. Dynastie und dann in der
5. Dynastie erreicht; danach und vor allem gegen Ende der 6. Dynastie
ist eine Epoche des Verfalls zu beobachten bis hin zur erstaunlichen
Erneuerung im Mittleren Reich.
2. Kapitel

Die pseudowissenschaftlichen Theorien


A. Astronomische Theorien

Grundlage der pseudowissenschaftlichen Theorien sind fast immer


Feststellungen geodätischer oder astronomischer Art, die zu unter-
schiedlichen Zeiten betreffs der Großen Pyramide gemacht wurden.
Zu Beginn des vorigen Jahrhunderts insbesondere war die Aufmerk-
samkeit von Jomard in seinen Ausführungen »Exposition du Systeme
metrique des Anciens Égyptiens«166 auf diese Gesichtspunkte gelenkt
worden. Er glaubte nachweisen zu können, daß die Abmessungen der
Großen Pyramide sie als metrisches Demonstrationsobjekt auswiesen,
d. h., daß sie dazu bestimmt gewesen sei, die Einheiten der altägypti-
schen und antiken Maße überhaupt festzuhalten. Die Länge der Seiten
an der Basis setzte er mit 230,902 m - einschließlich der Verkleidung -
und die Neigung der Seitenflächen gegenüber der Grundfläche mit 51°
19' 4" an. Das ergab eine Höhe über dem Mittelpunkt der Grundfläche
von 144,194 m und eine Höhe der Schrägflächen (Apothem) von
184,722 m. Die Seitenlänge an der Basis hätte dann seiner Schätzung
nach fast genau 500 Ellen, die Elle zu 0,462 m, entsprochen. Außerdem
wäre der 600ste Teil eines Erdgrades mit einer Länge von 110 827,68 m
auf 184,712 m gekommen und hätte damit um nur 1 cm unter dem
der Schrägflächenhöhe gelegen. Der 480ste Teil des Grades ergäbe
230,891 m, was annähernd der Seitenlänge an der Basis entsprochen
hätte.
»Da man weiß«, schreibt Jomard, »daß die Alten ein Stadion kannten,
das 600mal im Erdgrad enthalten war, ist es kaum möglich, seinen
Ursprung zu übersehen und nicht einzugestehen, daß es aus einer Maß-
einheit kommt, die sich in Ägypten findet, zumal sich diese Einheit
auch präzise in der Ausdehnung der Höhe des ägyptischen Bauwerks
findet; ähnliche weitere Übereinstimmungen können nicht das Ergeb-
Die pseudowissenschaftlichen Theorien 203

nis des Zufalls sein...« Jomard nimmt also an, daß das Stadion gleich-
zusetzen sei mit der Seitenhöhe der Pyramide und 184,722 m betragen
habe, und die ägyptische Elle, die nach Herodot und anderen antiken
Schriftstellern den 400sten Teil ausgemacht habe, mit 0,462 m anzu-
nehmen sei. Aus diesen Werten leitet er dann eine ganze Reihe von
Folgerungen ab: »Die Differenz zwischen Basislänge und Seitenhöhe
(der schrägen also) betrug 100 Ellen oder anders gesagt: eine Seitenlänge
der Arure, die zu den wichtigsten Maßen in Ägypten bei der Landver-
teilung gehörte. Die Seite der Pyramide an der Basis beinhaltete 5
dieser Maßeinheiten... Der Pyramidenumfang betrug eine halbe
Minute des Erdgrades, was wiederum dem 120fachen der Höhe des
Bauwerks entspricht. Die wichtigsten Maße der Großen Pyramide und
der fünf anderen sind nur ein Andersfaches der zuvor genannten
Maße... usw.« Die wichtigste Schlußfolgerung aus all dem war jedoch
für Jomard, daß die Ägypter seit den Zeiten des Cheops, den er zeitlich
nicht einordnen konnte, Gradmessungen der Erde hätten durchführen
können und daher schon im Besitz all der astronomischen und ver-
messungstechnischen Kenntnisse gewesen wären, die dafür voraus-
zusetzen sind. »Wir müssen gestehen«, schreibt Jomard, »daß wir
nicht mehr wissen, wie diese Völker dabei vorgegangen sind; wir sind
jedoch geneigt anzunehmen, daß die Feldvermessung, die damals seit
langem schon mit großer Genauigkeit durchgeführt wurde und die
Kenntnis des Meridians, unter dem Ägypten liegt, bei der Bestimmung
des Erdgrades eine excellente Ausgangsbasis abgegeben haben, deren
Großartigkeit die Unvollständigkeit der astronomischen oder geodäti-
schen Instrumente wettmachte. ..«
Leider müssen wir feststellen, daß diese schöne Hypothese auf falschen
Voraussetzungen aufgebaut ist. Die Vermessung und Freilegung der
Großen Pyramide in den Jahren 1880-1882 durch Flinders Petrie
ergaben Maße, die seither vom »Survey of Egypt« bestätigt worden
sind, die aber doch erheblich abweichen: die Basislänge beträgt
230,364 m statt 230,902 m, der Neigungswinkel 51° 50' 35" statt 51° 19',
woraus sich eine Höhe über der Basis von 146,65 m und nicht 144,19 m
ergibt.
Überdies ist der Wert der Elle mit 0,462 m von den falschen anderen
Maßen abgeleitet, ebenso hypothetisch wie die Pyramidenelle von
Piazzi Smyth; denn dieses Maß läßt sich in den Denkmälern des
Alten Reiches nirgendwo nachweisen, wo sich stets die Elle von 0,524
204 Das Geheimnis der Pyramiden

und geringfügig darüber findet, die seit den ersten Dynastien verwendet
wurde. Es müßte doch auch seltsam anmuten, wenn man ausge-
rechnet für die Große Pyramide, die sämtliche anderen bekannten
Bauten übertrifft, eine kleinere Elle verwendet hätte als in der übrigen
Architektur.
In diesem Zusammenhang sei daran erinnert - zu Jomards Ent-
schuldigung -, daß bis dahin noch kein Eichmaß gefunden worden
war außer der Skala des Nilometers von Elephantine, der vielleicht ein
solches darstellt.* Die ersten diesbezüglichen Funde waren erst 1822
die sogenannten Drovetti-Ellen. Bei dem Versuch, die Länge der ägypti-
schen Elle zu bestimmen, mußte Jomard eine Methode wählen, die
darin besteht, in den Abmessungen der Denkmäler »übereinstim-
mende Maße zu finden, die sich durch Teilung als Bruch oder ein Mehr-
faches erweisen«. Nun ist diese Methode aber besonders gefährlich,
wie Pochan in einem Artikel über das Maß- und Gewichtssystem der
alten Ägypter167 schreibt, denn sie kann dazu führen, daß für die
gesuchte Einheit ein Wert festgestellt wird, der nur einen Bruch des
tatsächlichen darstellt. Im vorliegenden Fall ergeben die 0,462 m, die
Jomard für die ägyptische Elle annahm, in der Tat nur 7/8 ihres tatsäch-
lichen Wertes.

Dennoch kommt Pochan, nachdem er P. S. Girard168 folgend die Irr-


tümer Jomards richtiggestellt hat, wie letzterer zu dem Schluß, daß die
ägyptische Elle einen Bruchteil der Erdgradabmessung ausgemacht
habe: »... tatsächlich ist sie das 300stel eines Stadions, einer Einheit,
die selbst wiederum der 252000ste Teil des Erdmeridians war«.
Pochan glaubt, daß hierin die einzige Erklärung dafür zu suchen sei,
daß sich das Maß der ägyptischen Elle ohne nennenswerte Ab-
weichungen über fast 4000 Jahre gehalten habe. Wir teilen diese An-
sicht nicht. Die Elle von 0,52 m und paar Millimetern kann ein Mittel-
wert der Ellenmaße gewesen sein, wie sie seit der Thinitenzeit Ver-
wendung fanden. Zu Beginn der Epoche, als die großen königlichen
Grabanlagen konzipiert wurden, wird wahrscheinlich ein Architekt
wie Imhotep für einen so großen Komplex wie den der Stufenpyramide

* An dieser Stelle sei noch einmal erwähnt, daß sich in der Description de l’Égypte, Bd. VI
(edit. Panck.) ein weiterer Teilnehmer der Expedition, P. S. Girard, mit einer gegenteiligen
Meinung zu Wort gemeldet hatte, der nachzuweisen versuchte, daß die einzige geltende
ägyptische Elle die von 0,527 m des Nilometers von Elephantine gewesen sei.
Die pseudowissenschaftlichen Theorien 205

ein gebräuchliches Ellenmaß verordnet haben, so z. B. das von Helio-


polis oder Memphis. Die Leute, die diese Maßeinheit bei dem gran-
diosen Bauwerk verwendeten, waren wohl dann verantwortlich dafür,
daß sie in allen ägyptischen Gauen Verbreitung fand, aus denen die am
Bau Beteiligten stammten. In der Folge, wie auch Pochan zugibt, haben
dann wahrscheinlich die Priester als Wahrer des Wissens in der Antike,
aus deren Mitte sich die Architekten rekrutierten, diese Maßeinheit
aufrechterhalten und für die Beibehaltung gesorgt. Darum ist es unserer
Ansicht nach nicht nötig, für ihre Fixierung auf Erdgradmaße zurück-
zugreifen.

Pochan kommt noch einmal auf diese Frage zurück169, wenn er be-
hauptet, daß der Neigungswinkel, der für die Große Pyramide gewählt
wurde, den Beweis dafür erbringe, daß die Kenntnis von der Kugel-
gestalt der Erde seit den ersten Dynastien vorhanden gewesen sei, zu-
mindest aber zur Zeit des Cheops, den er allerdings zwischen 4830 und
4760 v. Chr. ansetzt, d. h. also 2200 Jahre früher als die Archäologen und
Ägyptologen. Abgesehen von dieser ganz unwahrscheinlichen chrono-
logischen Ansetzung bliebe zu zeigen, daß die Zahl in den Proportio-
nen der Pyramide von ihren Konstrukteuren theoretisch erforscht
worden wäre, was, wie wir im weiteren sehen werden, weit davon ent-
fernt ist, bewiesen zu sein. Wenn Eratosthenes den Erdumfang
berechnete, indem er die Länge des Meridianbogens zwischen Syene
und Alexandria feststellte, dann fand das schließlich erst drei Jahr-
hunderte vor unserer Zeitrechnung statt. Natürlich haben vielleicht
andere vor ihm Meridianmessungen vorgenommen, aber nichts be-
rechtigt uns anzunehmen, daß ähnliches schon während der 3. oder 4.
Dynastie, mehr als 2300 Jahre früher, geschehen wäre.

Neben ihrer Eigenschaft als Demonstrationsobjekt der Maße, das


Jomard in der Pyramide sah, überraschte diesen Gelehrten vor allem
die kaum glaubliche Präzision der Orientierung in den Himmels-
richtungen. Die Abweichung zur Nord-Süd-Linie, die er mit 20' veran-
schlagte, beträgt nach dem heute zugestandenen Mittelwert sogar
noch weniger, und zwar liegt sie bei 3' und 6". »Die Schwierigkeit, auf
dem Terrain die Nord-Süd-Linie festzulegen, muß erheblich gewesen
sein«, schreibt Jomard, »und noch mit unseren heutigen Instrumenten
wäre das nicht einfach. Man kann sich kaum vorstellen, über welches
206 Das Geheimnis der Pyramiden

Ausmaß an Geschicklichkeit, Wissen und Erfahrung die Pyramiden-


bauer verfügen mußten... .So sind in dieses Bauwerk ungewöhnliche
und fast unerklärlich wichtige Erkenntnisse und Fakten eingeschlos-
sen, die des Nachdenkens wohl würdig sind. Die Zeit, der sie angehört,
liegt im dunkel, aber ihr Zweck ist nicht mehr unbekannt, obwohl
man im übrigen nicht bestätigen könnte, daß sie nur eine einzige Be-
stimmung gehabt hätte. Herodot hat hier noch Inschriften gesehen,
die von den Zeitläufen zerstört wurden, aber das, was in den Linien der
Pyramide geschrieben steht, gewissermaßen ewiglich, entschädigt uns
vollauf für die verlorenen Inschriften; und wenn es wahr ist, daß ihre
Baumeister die Hieroglyphen nicht gekannt haben, wie man aus der
Tatsache schließt, daß diese Zeichen hier nicht vorkommen*, so
bilden wir uns dennoch eine hohe Meinung von den Kenntnissen der
Ägypter zur Zeit der Pyramiden und müssen erkennen, daß sie
gleichermaßen in der Geometrie wie in astronomischen Praktiken
versiert waren. Die Pyramiden, in die die Antike und die heutige Zeit
soviel hineininterpretiert haben, indem sie ebenso als Werk der Eitel-
keit wie des Aberglaubens bezeichnet worden sind, allerdings zu allen
Zeiten als eines der Weltwunder gerechnet, können als Gräber gedient
haben, wie es viele Schriftsteller behaupten. Aber natürlich waren es
die Gräber von Fürsten, die wünschten oder zumindest gestatteten,
daß in diesen Bauwerken den Künftigen das Licht des gelehrten
Ägypten bezeugt werde. Sie haben ihre Bestimmung erfüllt, denn sie
haben uns in Urform die Größe des Erdglobus konserviert und die
sonst kaum feststellbare Kenntnis von der Unverrückbarkeit des Poles
vermittelt.«

Zweifellos haben diese Gedanken Jomards, dessen Grundirrtum wir


aufgezeigt haben, großen Einfluß auf diejenigen Autoren gehabt,
die sowohl im vorigen als auch in unserem Jahrhundert in den
Pyramiden letztlich mehr oder minder Denkmäler für astronomische
Zwecke sehen wollten. Während einige es dabei bewenden lassen, die
Große Pyramide als eine steingewordene Umsetzung der altägypti-
schen Wissenschaft zu betrachten, behaupten andere, wie schon
Proklus im 5. Jahrhundert, daß dieses Bauwerk ganz oder nur teilweise

* Heute wissen wir, daß der Gebrauch der Hieroglyphen der Epoche des Pyramidenbaus um
mehrere Jahrhunderte vorausging.
Die pseudowissenschaftlichen Theorien 207

mit dem Ziel errichtet worden sei, als Observatorium zu dienen. Die
einen wie die anderen stützen ihre Thesen auf Zahlenverhältnisse, die
in diesem Bauwerk enthalten seien und möchten damit wahrhaft ver-
blüffende Kenntnisse seitens der Pyramidenbauer belegen. So verhält
es sich zum Beispiel mit dem Abt Th. Moreux, der in seinen Büchern
»Les Enigmes de 1a Science« (Rätsel der Wissenschaft) und vor allem
»La Science mysterieuse des Pharaons« (Das verborgene Wissen der
Pharaonen) schloß, die Architekten der Großen Pyramide müßten die
Länge des Polarradius der Erde gekannt haben, dessen zehnmillionster
Teil die Heilige Elle oder Pyramidenelle von 635,66 mm gewesen sei;
ferner die Entfernung der Erde von der Sonne; die Länge der Umlauf-
bahn der Erde in 24 Stunden; die Perioden der Äquinoktien-Präzession
(Vorrücken der Nachtgleichen); die exakte Dauer des normalen und
des Schaltjahres; das spezifische Gewicht der Erde, usw. Während
einige Autoren in der Großen Pyramide ein Observatorium sehen,
betrachten andere sie als gigantische Sonnenuhr, die im Bestrahlen
ihrer Seitenflächen und den Schatten, die sie werfen, vor allem zum
Zeitpunkt der Sonnenwende und der Tag- und Nachtgleiche die Jahres-
zeiten angegeben habe. Nachdem wir die Frage der Orientierung der
Pyramide und ihrer Lage hinsichtlich Längen- und Breitengrad geklärt
haben, wollen wir noch kurz auf einige Probleme eingehen, die die
bedeutendsten Vertreter dieser Theorien anschneiden, und zu klären
versuchen, in welchem Maße die Pyramide vom Gesichtspunkt der
Astronomie aus eine Rolle spielen konnte oder auch nicht.
Obwohl andere Pyramiden ebenso wie der größte Teil sonstiger alt-
ägyptischer Bauwerke meist um einige Grade von der Nordausrich-
tung abweichen, müssen wir feststellen, daß die Pyramiden von Dah-
schür und Gisa, vor allem aber die Große Pyramide, fast genau auf den
tatsächlichen Nordpunkt ausgerichtet sind. Nach den Vermessungen
des »Survey of Egypt« im Jahre 1925170 wird für die vier Seiten ein
Mittelwert von 3' 6" für die Abweichung angegeben, ein Wert, der ge-
ringfügig unter dem von Flinders Petrie 1880 festgestellten von 3' 43"
liegt. Petrie ging soweit zu behaupten, daß diese Abweichung nicht auf
falsche Beobachtungen oder mangelnde Fähigkeiten der Baumeister
zurückzuführen sei, sondern auf eine leichte Nordpunktverlagerung
im Laufe der seither verflossenen Jahrhunderte171. Abbe Moreux je-
doch, der zwar den Fall des mit tausend Vorkehrungen von dem
berühmten Astronomen Tycho Brahe 1577 orientierten Observa-
208 Das Geheimnis der Pyramiden

toriums auf der Uranienburg zitiert, welches immerhin auch eine Ab-
weichung von 18 Minuten aufwies, betrachtet die nicht ganz 4 Minu-
ten der Pyramide als beachtlich. Wenn es sich dabei nicht doch um
einen Zufall handelt und eine solche Präzision tatsächlich erstrebt
wurde, dann stellt sich die Frage, wie sie erzielt worden ist.

Zweifellos hätte die voraufgegangene genaue Orientierung des ab-


steigenden Ganges, des Einganges, der vor Errichtung des Pyramiden-
massivs in den Fels geschlagen wurde, diese Arbeit erleichtern können.
Man hätte tatsächlich die Achse des Ganges auf den Polarstern der
Epoche ausrichten können, so daß der Gang als eine Art Zielfernrohr
oder Peilgerät gedient hätte. Piazzi Smyth erklärte im Gefolge des
Astronomen Sir John Herschel, daß es sich dabei um den Stern a im
Sternbild des Drachen gehandelt habe, dessen unterer Durchgang um
2160 v. Chr. um 3° 42' vom Pol172 abgewichen wäre. In dieser Zeit oder
um 3440 setzte er den Bau der Großen Pyramide an. Leider ist nun der
Zeitpunkt, den die meisten Ägyptologen für Cheops annehmen, näm-
lich die 2. Hälfte des 27. Jahrhunderts v. Chr.; ziemlich weit von diesen
beiden Daten entfernt.*

Nun ist jedoch erwiesen, daß durch direktes Anvisieren dieses Polar-
sterns ebenfalls eine sehr genaue Orientierung der Seitenflächen der
Pyramide möglich war, vor allem dann, wenn man ihn zufällig oder
sogar zum Zeitpunkt der oberen oder unteren Kulmination angepeilt
hätte. Nach Somers Clarke und R. Engelbach173 wäre die Orientierung
sogar gegeben gewesen durch die Beobachtung eines am Himmel
stehenden Sterns, der nur über einige Stunden hinweg nicht sichtbar
war. Die Winkelhalbierende des Winkels, der durch die beiden
Positionen von Aufgang und Untergang vom Beobachter aus bestimmt
wird, wäre die Determinante.
* M. Fayet, Honorarprofessor für Astronomie am Pariser Observatorium, hat freundlicher-
weise auf die Bitte von M. Montel, seinem Kollegen von der Akademie der Wissenschaften,
hin eine Karte des nördlichen Sternenhimmels und der Sterne gezeichnet, die im Laufe
der Zeiten als Polarsterne gelten konnten. Diese Karte haben wir in dem Artikel
»Observations sur les pyramides in: Bibl. d'Et udc IFAO XXX, pl. XIII abgebildet. Daraus geht
hervor, daß um das Jahr 2800 v. Chr. der Stern a i m Sternbild des Drachens, kleiner als unser
gegenwärtiger Polarstern, der nächste zum Pol war, von dem er nur etwa einen halben Grad
abwich. Etwa zwei Jahrhunderte später betrug seine Abweichung von 1° 40' noch immer
viel weniger als die 3° 42', die nötig gewesen wären, um laut Piazzi Smyth für den
Neigungswinkel des Pyramideneingangs bestimmend gewesen zu sein. Übrigens ergibt
dieser Neigungswinkel von 26° und ein Halb ein Schrägenverhältnis von 1/2.
Die pseudowissenschaftlichen Theorien 209

Aber selbst wenn ein derart beachtliches Resultat von gewissen Kennt-
nissen auf dem Gebiet der Astronomie zeugt, so daß mittels recht
praktischer Methoden eine sehr präzise Orientierung möglich gewesen
wäre, dann beweist das noch nicht, daß die Pyramide selbst ein Obser-
vatorium war.

Zur geodätischen Ausrichtung der Großen Pyramide ist festzustellen,


daß sie auf 29° 58' und 51" nördlicher Breite und 31° 9' östlicher Länge
von Greenwich liegt. Damit kommt man nahe an den 30. Breitengrad
heran, und dahinter haben die Anhänger der Astronomie-Thesen und
andere Autoren ebenfalls Absicht vermutet: Die Erbauer der Großen
Pyramide sollen danach auf den 30. Breitengrad gezielt haben. Die
etwa 2 km Abweichung nach Süden wären nach Ansicht der einen ein
kleiner Irrtum bei der Bestimmung, nach anderen resultiere dies aus
der atmosphärischen Strahlenbrechung. So schreibt Moreux: »Wenn
der Architekt bei seiner Berechnung einen Standort am Fuße des Bau-
werks wählte und den Himmelspol in einer Höhe von exakt 30 Grad
sah, so hätte er die atmosphärische Strahlenbrechung in Rechnung
stellen müssen. Aufgrund der Dichte der Luftschichten wird ein Licht-
strahl, der in die Erdatmosphäre eintritt, auf seinem Wege abgelenkt,
so daß wir ihn also nicht an seinem eigentlichen Platz sehen. In dem
vorliegenden Fall zeigt die Berechnung, daß unter dieser Voraussetzung
die Mitte der Pyramide theoretisch bei 29° 58' 51" und 22 Hundertstel
liegen muß. Der Vergleich der beiden Zahlen (d. h. mit dem tatsächlich
ermittelten Breitengrad) zeigt eine Übereinstimmung bis auf 22 Hun-
dertstel einer Sekunde...«

Piazzi Smyth andererseits meint, daß die Abweichung durch eine


leichte Verschiebung des Breitengrades zustande gekommen sei, und
zwar dadurch, daß eine geringfügige Spiraldrehung der Pole im Verhält-
nis zur Erdoberfläche erfolgt sei. Er erklärt, daß Beobachtungen in
Greenwich eine Veränderung von 1,38 Sekunden pro Jahrhundert er-
geben hätten, was in 50 Jahrhunderten genau 1° 9' für die Abweichung
der Pyramide ergeben würde.
Die Stimmigkeit dieser beiden hier aufgeführten Korrekturen ist in der
Tat bestechend, aber »wer zuviel beweist, beweist nichts«, sagt das
Sprichwort, und man muß befürchten, daß sich Moreux und Smyth
bei ihren Hypothesen von überschwenglicher Begeisterung über die
210 Das Geheimnis der Pyramiden

schönen Ergebnisse haben hinreißen lassen.


Wäre es außerdem möglich, daß die priesterlichen Wahrer der ägypti-
schen Wissenschaft, die dem Bau der Pyramiden vorstanden (der »gött-
liche« Imhotep, Baumeister der Stufenpyramide, war Hoherpriester
von Heliopolis), beobachtet hätten, daß die Entfernung zwischen Pol
und Zenit* für das Gebiet um Memphis und Heliopolis einem Bogen
entspricht, der ein Drittel der Länge des halben Kreisumfangs des
Meridians ausmacht, d. h. 1/6 des ganzen Meridians entspricht? Abel
Rey174 kommt fast zum gleichen Schluß anhand der Hexagonal-
teilung des Kreisumfanges im südlichen Chaldäa, bei den Sumerern
des vierten vorchristlichen Jahrtausends. Der Breitengrad dieses
Gebiets entspricht in etwa dem von Memphis, d. h. annähernd 30
Grad. »Die natürliche Vertikale vom Polarstern bildet dann einen
Bogen von 1/6, vom Kreisumfang als Einheit ausgegangen. Vom Pol
zum Zenit in Nord-Süd-Richtung ergibt ebenfalls 1/6. Damit hätten
wir eine erste natürlich sich ergebende Teilung des Kreisumfangs
durch die Zahl 6. Das Intervall zwischen den beiden Sonnenwend-
punkten, das zu dieser Zeit bereits gemessen werden konnte, ergibt in
etwa auch 1/6: Die Richtungsangabe - auf natürliche und einfache
Weise möglich - für die beiden Sonnenwendpunkte beim Aufgang
und Untergang der Sonne und der Meridian zerlegen den Horizontkreis
in sechs Teile, die man grob als gleich groß ansehen kann.. .Kann man
nicht annehmen, daß auf diesen einfachen Beobachtungen, die für den
Horizontkreis als natürlich vorauszusetzen sind, bei den Chaldäern
die Einteilung des Kreises in 6 Bögen zu 60 Grad beruht? Daraus wäre
in der Folge die Zahl 60 die gewöhnliche Teilungseinheit geworden,
sowohl in der Gradeinteilung als auch beim numerischen System. Es
handelt sich zwar um eine Hypothese, aber sie liegt auf der Hand...«

Wenn wir diesen Sachverhalt ohne weitere Beweise auch für die
Ägypter annehmen wollen, dann erhebt sich die Frage, ob sie dann
auch auf der Erde eine Parallele, die dem 30. Grad entsprach, auf die
Minute, ja die Sekunde genau, bestimmen konnten, wie einige mo-
derne Astronomen behaupten ? Hätten die Architekten dann nicht nur
über viel präzisere Peilinstrumente verfügen müssen als sie um 2600

* d. h. die Verbindung über dem Winkel, den die Verlängerung zum Pol und die Ortssenk-
rechte bilden.
Die pseudowissenschaftlichen Theorien 211

v. Chr. hatten, sondern auch über ein System der Gradeinteilung des
Kreises, das die gleichen Unterteilungen wie heute aufwies? Wenn
erwiesen ist, daß die Sumerer, indem sie den Kreisumfang in Hexago-
nalteilungen zerlegten, so frühzeitig zu ihrem Sexagesimalsystem
kamen und man letztlich in Chaldäa auf diese Weise die Kreisein-
teilung in 360° erhielt, so mußte man doch anscheinend noch lange
warten, wahrscheinlich bis ins 7. vorchristliche Jahrhundert hinein,
bis die Unterteilung in 60 Minuten und 60 Sekunden erfolgte. Wir
können daher ziemlich sicher sein, daß Ägypten, wo seit dem Beginn
des 3. vorchristlichen Jahrtausends ein Zahlensystem mit der Tendenz
zur Dezimaleinheit in Gebrauch war, zu dieser Zeit die Teilung und
Unterteilung nach dem Hexagonal- und Sexagesimalprinzip, wie es
Chaldäa eigen war, nicht kannte. Vielmehr scheint erst die alexandri-
nische Schule die Übernahme der Sexagesimalteilung des Kreises in
Ägypten eingeführt zu haben.
Da wir also nicht wissen, welche Kreisunterteilung die Ägypter zur
Zeit des Pyramidenbaus hatten und insbesondere in wieviele Teile sie
ihn zerlegen konnten, scheint doch die Behauptung zu gewagt, daß
eine exakte Breitenbestimmung auf ein oder zwei Minuten genau in
der Ortswahl für die Pyramide eine Rolle gespielt hätte. Die Wahl war
offenbar vielmehr ausschließlich von der einmaligen Lage des Wüsten-
plateaus von Gisa, an dominierender Stelle des Niltals, bestimmt. Hier,
an der Öffnung zum Delta, war die Pyramide den Besuchern und Abord-
nungen aus Ober- und Unterägypten von fern sichtbar. Ein kurzer
Blick auf die Reliefkarte zeigt, daß der Standort schwerlich weiter nach
Norden hätte verlegt werden können, ohne den Felsuntergrund aufzu-
geben und in eine sandige Vertiefung zu geraten.
Zur Lage auf dem Längengrad äußert der Abbe Moreux sich wie folgt:-
»Nachdem die Gelehrten der Ägypten-Expedition unter Bonaparte die
Vermessung Ägyptens beschlossen hatten, diente ihnen die Große
Pyramide als Ausgangspunkt eines zentralen Meridians, den sie als
Bezugspunkt der Längen in diesem Gebiet verwendeten. Wie groß war
aber ihr Erstaunen, als sie feststellten, daß die verlängerten Diagonalen
der Pyramide das Delta zwischen den Nilmündungen sehr genau be-
grenzen; daß der Meridian, d. h. die Nord-Süd-Linie über der Pyrami-
denspitze, das Delta in zwei Teile teilt, die genau gleich sind. Das ist
sicher kein Zufall. Dieses Ergebnis ist gewollt, und wir müssen daraus
schließen, daß die Baumeister Landvermesser ersten Ranges waren.«
212 Das Geheimnis der Pyramiden

Doch dann, angesichts seiner Schlußfolgerung, macht Moreux einen


Rückzieher: »Reiner Zufall, wird man sagen. Vielleicht; halten wir
aber fest, daß diese Tatsache zumindest verwirrend ist.« Wie ver-
wirrend auch immer, läßt sich diese Feststellung nicht in erster Linie
auf die geographische Gestalt des Landes selbst beziehen, für die die
Tatsache des Zufalls doch wohl nicht zu leugnen ist ? Auf den ungefähr
80 km des Nillaufes zwischen el-Wasta und Kairo, d. h. unmittelbar vor
dem Delta, nimmt der Fluß fast genau Süd-Nord-Richtung ein, so daß
seine theoretische Fortsetzung das Delta in zwei fast gleiche Hälften
teilen würde. Und so verhält es sich folglich auch mit dem Meridian
aller himmelsrichtungsorientierten Bauten, die in diesem Gebiet nahe
am Nil liegen.

Überdies bildet das Fruchtland des Delta grosso modo das Viertel eines
Kreises, dessen Mittelpunkt und zugleich Spitze des rechten Winkels
mit dem Gebiet von Kairo und Gisa zusammenfällt175. Darum müssen
die verlängerten Diagonalen der quadratischen Pyramidenbasis, so wie
sie ausgerichtet ist, die zwei Seiten des Kreisausschnitts darstellen und
das Delta im Osten und Westen begrenzen. Erinnern wir aber daran,
daß sich durch etwas Schematisierung und Annäherung dieser Be-
grenzungslinien das gleiche Faktum nicht nur für die Pyramiden des
Chephren und des Mykerinos ergibt, obwohl sie eine etwas andere
Richtungsorientierung aufweisen, sondern auf jede so ausgerichtete
Pyramide in der unmittelbaren Umgebung zutrifft.
Abbe Moreux fügt nun in Übereinstimmung mit Piazzi Smyth hin-
sichtlich des Längengrades der Großen Pyramide noch hinzu, daß es
sich um denjenigen Meridian handle, der die meisten Kontinente
berühre: »Er teilt auf diese Weise das aufgetauchte Land nach Ost und
West in zwei Teile von gleicher Oberfläche. Sollten die Erbauer der
Großen Pyramide die Erde bereist und geographische Karten des
Globus gezeichnet haben ?« Diese Bemerkung und die überraschende
Frage rufen die gleiche Erwiderung hervor: Die Eigentümlichkeit, die
hier allein dem Meridian der Großen Pyramide zugesprochen wird, ist
allen Meridianen gemeinsam, die durch das schmale Band des Niltales
oder selbst durchs Delta gehen. Es handelt sich um nichts weiter als
einen Zufall der geographischen Lage, wobei die Ägypter weit davon
entfernt waren, dies zu erkennen, geschweige denn anhand von Karten
nachzuprüfen.
Die pseudowissenschaftlichen Theorien 213

Nach den verschiedenen Eigentümlichkeiten, die wir aufgezählt und


- wie wir meinen - auf ihre tatsächliche Bedeutung zurückgeführt
haben, verfolgt Moreux seine Zielsetzung weiter, indem er die wesent-
lichsten Behauptungen der Theoretiker von der anderen Seite des
Ärmelkanals, die darauf abzielen, das kaum faßbare Wissen der Pyra-
midenerbauer zu belegen, in Frankreich publik macht. »Gegenwärtig
könnten wir ein Längenmaß haben«, schreibt Moreux, »das präzise
und unveränderlich ist und auf dem Zahlenwert des Polradius beruht.
Nun, diese Maßeinheit liegt auch dem Bau der Großen Pyramide zu-
grunde und wir werden sehen inwiefern ...«

Hier nun folgen Ausführungen über die Pyramidenelle oder Heilige


Elle, die »den zehnmillionsten Teil des Polradius der Erde ausgemacht
(habe), und zwar auf den Hundertstel Millimeter genau...«Im Zusam-
menhang mit den Darlegungen über die Bibeltheorien haben wir be-
reits den illusorischen Charakter dieser Maßeinheit nachgewiesen, die
allein der Phantasie von Piazzi Smyth entsprungen war, der den Erd-
durchmesser an den Polen a priori mit 500000000 Pyramidenzoll an-
genommen hatte, der wiederum 1/25 der Pyramidenelle und 1,001
englischen Zoll entsprochen haben sollte. Wenn der Abbe dann mit
großer Verwunderung feststellt, daß »seltsamerweise der Pyramiden-
zoll sehr nahe an den englischen Zoll heranreicht, denn 999 Pyra-
midenzoll entsprechen doch 1000 englischen Zoll«, können wir uns
eines Lächelns nicht erwehren und sein Erstaunen überrascht uns.
Zu den folgenden Zeilen über dieses »Phänomen« aber erübrigt sich
jeder Kommentar: »Wenn man alle Wissenschaften mobilisiert, über
Jahrhunderte hinweg Arbeit und Mühe nicht gescheut, ohne Unterlaß
die Forschungsmethoden verbessert, die Technik perfektioniert und
mit zäher Ausdauer die Aufgabe der Vorgänger fortgeführt hat, wenn
man die Berechnungen zu ungeahnter Präzision vorangetrieben hat,
um endlich eine 4000 Jahre alte Entdeckung zu machen: dann ist das
wohl der enttäuschendste Gedanke, der einen Wissenschaftler quälen
kann. Wie unglaublich es auch scheinen mag, das Resultat liegt vor
unseren Augen, berührbar, eine harte Tatsache. Es ist so offensichtlich,
daß man schon mit Blindheit geschlagen sein muß, um es nicht zu
erkennen. Keine verborgenen Beziehungen mehr, nichts Hypotheti-
sches oder Künstliches mehr, allein das Faktum an den Tag gebracht,
ins helle Licht gerückt!«
214 Das Geheimnis der Pyramiden

Von seiner Begeisterung hinweggetragen, übernimmt Abbe Moreux


dann all die mehr oder weniger unwahrscheinlichen Ableitungen, die
Piazzi Smyth seinerzeit aus den Maßen, die er vorgelegt und in seine
angeblichen Pyramidenzoll umgerechnet hatte, gefolgert hatte. Einige
seien hier wörtlich zitiert, damit sie der Leser selbst auf ihren Wahr-
scheinlichkeitsgrad hin prüfen kann.
»Wenn wir die Länge der Vorkammer* vor der Königskammer in der
Großen Pyramide, in Pyramidenzoll gemessen, mit der Zahl 3,1416
multiplizieren, dann ergibt das 365,242, also derart genau die Länge des
Jahres, wie sie weder die Griechen noch die Römer berechnen konnten.
Die Dauer des Schaltjahres findet sich in der Seitenlänge an der Basis,

Abb. 51a: Kegelkreis der Erdachse, nach Peter Tompkins: Cheops, Die Geheimnisse
der Großen Pyramide, 1976

und zwar in Pyramidenellen ausgedrückt. Multipliziert man den


Pyramidenzoll mit 100 Milliarden, dann erhält man die Länge der
Erdenbahn an einem Tag zu 24 Stunden, und zwar mit einer solchen
Annäherung, wie sie mit unseren heutigen Maßeinheiten wie dem
englischen Yard oder dem französischen Meter gar nicht anzugeben
wäre. Und schließlich eine letzte Feststellung, die ich erst kürzlich
treffen konnte, als ich noch einmal alle Berechnungen durchge-

* Diese Vorkammer gibt es im Grunde gar nicht, es handelt sich lediglich um einen Raum
zur Aufnahme der Fallsteinvorrichtung (Abb. 51). Der gesamte Gang weist überhaupt
keine Erweiterungen als die für die Führungsrillen der Fallsteine notwendigen auf. Die
Länge dieser angeblichen Vorkammer hat also nicht die geringste Bedeutung.
Die pseudowissenschaftlichen Theorien 215

nommen habe: Wenn man die Länge des Bogens, den unser Planet an
einem Tag von 24 Stunden mittlerer Sonnenzeit beschreibt, in Pyra-
midenellen ausdrückt, dann ergibt sich eine Zahl, die ein Mehrfaches
von 3,1416 oder besser 2 n ist, der Zahl, die in der Mathematik eine so
große Rolle spielt...«

Dieser Befund ist ebenso anfechtbar wie die fiktiven Maßeinheiten,


Pyramidenelle und -zoll bzw. Heilige Elle, von denen er ausgeht. Ohne
Frage sollte diesen Feststellungen nicht die geringste wissenschaftliche
Bedeutung beigemessen werden. Darüber hinaus macht Abbe Moreux
auch an anderer Stelle Gebrauch von falschen Zahlen, um damit
weitere erstaunliche Behauptungen zu beweisen: »Das Phänomen der
Präzession * wurde 130 v. Chr. von Hipparchos entdeckt, darin stim-
men die Historiker überein. Nun findet sich die Zahl der Jahre des
Präcessionszyklus implizit bereits in der Großen Pyramide. Rechnet
man nämlich die Zahlen der beiden Basisdiagonalen in Pyramidenzoll
zusammen, dann ergibt das 25 800, eine Zahl, die ebenso genau ist wie
die heutigen Berechnungen. . .« Leider aber beruht diese Länge der
Diagonalen auf den unrichtigen Zahlen der Pyramidenbasis wie sie
noch in der Description de l’Égypte und bei Perring publiziert sind.
Die Diagonalen ergeben nach den zutreffenden Abmessungen 25 640,
ein Wert, der selbst in der rein fiktiven Einheit der Pyramidenelle eine
erhebliche Abweichung aufweist.

Ebenso verhält es sich mit einer weiteren Ableitung, die auf einer
falschen Angabe für die theoretische Höhe beruht, d. h. 148,20 m statt
der heute allgemein akzeptierten 146,65 m, was 280 ägyptischen Ellen
entspricht. »Heute setzt man für die Entfernung der Sonne von der
Erde die runde Zahl von 149400000 km mit einer Unsicherheits-
spanne von nur 70 000 km an, was zehnmal dem Radius des Erdglobus
entspricht. Multipliziert man nun die Höhe der Großen Pyramide mit
1 Million, dann ergibt sich mit 148 208 000 km die Entfernung Sonne -
Erde. Zweifellos ist diese Zahl nur ein Annäherungswert, aber sie ist
genauer als diejenige, die bis 1860 offiziell anerkannt war und bei wenig

* Vorrücken der Nachtgleichen, d. h. Bewegung der Äquinoktialpunkte auf der Ekliptik. In


einer Periode von 25000-26000 Jahren vollendet die verlängert gedachte Erdachse einen
Umlauf um den Pol der Ekliptik (siehe Abb. 51a).
216 DĮ^ Geheimnis der Pyramiden

mehr als 154 Millionen km lag. Zieht man in Betracht, daß über Jahr-
hunderte hinweg die zivilisierten Völker große Summen ausgegeben
und Gelehrte nicht gezögert haben, ihr Leben aufs Spiel zu setzen, um
auf gewagten Expeditionen das wichtigste astronomische Problem zu
lösen, dann mutet es doch wirklich seltsam an zu denken, daß diese
Lösung seit Jahrtausenden in der Großen Pyramide symbolisch ent-
halten und monumental zum Ausdruck gebracht war,- daß unsere
modernen Astronomen die verborgenen Symbole in ihren Abmessun-
gen nur hätten zu lesen verstehen müssen und die Architekten des
großartigen Bauwerks damals bereits einen Näherungswert gefunden
hatten, auf den wir Ende des 19. Jahrhunderts zu Recht noch hätten
stolz sein können.«

Der Näherungswert war aber sehr viel geringer als Moreux glaubt, und
zwar um so viel, als die Ägypter des Alten Reiches niemals die Ent-
fernung von der Erde zur Sonne haben berechnen können, was wir
einfach nicht für möglich halten. Warum hat Chephren, der seine um
3 m niedrigere Pyramide nach Cheops errichtete, ihr nicht auch dieses
wichtige Maß zukommen lassen, das von fundamentaler Bedeutung
war für die Entfernung zwischen Erde und Sonne ? Wir werden weiter
unten sehen, daß die Baumeister vielmehr damit beschäftigt waren,
für die Errichtung von Pyramiden den praktischen Neigungswinkel
zu finden.

So aber schließt Abbe Moreux: »Daß aber alle Errungenschaften der


modernen Wissenschaft in der Großen Pyramide auf natürliche Weise
vorkommen, bereits gemessen und stets nachmeßbar, und nur der
Aufdeckung ihrer metrischen Bedeutung harrten, das scheint nach
unseren Vorstellungen von der antiken Zivilisation unerklärlich, aber
es ist ein Faktum, das man vergeblich versuchen wird in Zweifel zu
ziehen und das die heutigen Gelehrten in größtes Erstaunen versetzt.«
Wenn der Abbe Moreux weiterhin auch nicht in die Mystik abschweift
wie Piazzi Smyth und andere Bibeltheoretiker, so scheint er doch nicht
anzuzweifeln, daß die Große Pyramide die Materialisation aller Er-
kenntnisse ihrer Epoche war, ein Denkmal des Wissens am Beginn der
4. Dynastie. Seine These geht dahin, daß diese außergewöhnlichen
Kenntnisse von einer frühzeitlichen umfassenden Offenbarung wis-
senschaftlicher Art seitens des Schöpfers an die Menschheit zeugen.
Die pseudowissenschaftlichen Theorien 217

Diese Offenbarung, über die Generationen hinweg von den Meistern


oder den in die Mysterien eingeführten Priestern an ihre Adepten
weitergereicht, hätte sich im Laufe der Jahrhunderte verändert, bis sie
schließlich fast vollständig verlorengegangen sei. Die moderne Wis-
senschaft aber tue nichts anderes, als die Weisheit und das Wissen der
Frühzeit, zu deren letzten Vermächtnissen und Zeugen die Pyramide
gehöre, Schritt für Schritt wiederzuentdecken und zu rekonstruieren.
Immerhin verneint Moreux nicht, daß die Pyramide als Grab des
Cheops errichtet worden sein kann. Für andere hingegen, und dazu
gehört auch der Astronom Richard A. Proctor, der sein Buch »The
Great Pyramid« 1888 veröffentlichte - zum Teil, um die Thesen von
Piazzi Smyth zu widerlegen - wäre dieser Bau vielleicht lange vor der
Zeit des Cheops zunächst nur bis in Höhe der Königskammer aufge-
führt worden, um als Observatorium für Astronomen und Astrologen
zu dienen176. Erst später sei er dann umgestaltet und zur Pyramide be-
stimmt worden, um Cheop als Grab zu dienen. Danach hätte sich die
»Große Galerie« auf eine große Plattform geöffnet, deren Oberfläche
halb so groß wie die Basis gewesen sei. Die auf- und absteigenden
Gänge wären demnach nichts anderes als Fernrohre des Observa-
toriums gewesen (Abb. 52)177. Von der Großen Galerie aus hätte man
einen Zirkumpolarstern beobachten können, der in der Achse des ab-
steigenden Ganges aufgeleuchtet hätte: Dieser Stern wäre in einem
Wasserspiegel an der Stelle, wo absteigender und aufsteigender Gang
zusammenstoßen, reflektiert worden. Nur so ließe sich die besondere
Sorgfalt des Quadermauerwerks an dieser Stelle erklären. Proctor
glaubt darüber hinaus, das Datum der Pyramide festlegen zu können,
indem er den Stern bestimmt, der in der Achse der Großen Galerie
gestanden haben müsse, als der Stern Alpha im Sternbild des Drachen
in der absteigenden Passage erschien. Er denkt dabei an den Alpha
Centauri, der um 3400 v. Chr. in seinem Höchststand am hellichten
Tage sichtbar gewesen wäre. Dieser Zeitpunkt liegt allerdings um acht
Jahrhunderte vor dem heute allgemein angenommenen Pyramiden-
datum.

Darüber hinaus lenkt Proctor die Aufmerksamkeit auf die Tatsache,


daß sich im Altertum Astronomie und Astrologie vermischt hätten
und letztere den Hauptbestandteil der Religion ausgemacht habe, was
für Ägypten mitnichten bewiesen ist.
218 Das Geheimnis der Pyramiden

Dazu schreibt Kingsland ganz richtig, daß, selbst wenn die Pyramide
in ihrer Ausrichtung von wichtigen astronomischen Erkenntnissen
ihrer Erbauer zeugt, dies noch nicht beweise, daß sie selbst als Obser-

Abb. 52: Die Große Pyramide als Observatorium, nach R. A. Proctor

vatorium gedient haben müsse. So kann denn auch Proctor seine


Theorie nur durch die Aufstellung nicht nachprüfbarer Behauptungen
erhärten. Sein Beweis dafür, daß der absteigende Gang und die Große
Galerie für astronomische Zwecke bestimmt gewesen und auch so
benutzt worden seien, beruht auf der Voraussetzung, daß die Große
Galerie, wie auf seiner Zeichnung, nach Süden hin offen war. Dann
wären aber viele bauliche Eigentümlichkeiten unbegründet, selbst
wenn man zugeben wollte, daß das Bauwerk erst nachträglich zum
Grab umgebaut worden wäre. Wozu hätte man z. B. den absteigenden
Gang 65 m tief in den Fels vorangetrieben, ihn dann noch 10 m hori-
zontal weitergeführt, um schließlich noch die unterirdische Kammer
auszuhauen, in die dieser Gang mündet, und diesen Gang obendrein
noch über die Kammer hinaus um 20 m verlängert ? Diese ganze Anlage
findet doch nach Proctor keine Erklärung. Gleichermaßen verhält es
Die pseudowissenschaftlichen Theorien 219

sich mit der Königinnenkammer und ihrem Zugang. Kingsland weist


in diesem Zusammenhang darauf hin, daß der aufsteigende Gang in
seinem unteren Bereich von drei großen Granitblöcken verschlossen
wird, die seiner Ansicht nach nur während der Bauarbeiten an
diesem Gang dort eingelassen worden sein können. Dem stimmen
jedoch weder Flinders Petrie noch Borchardt zu, die vielmehr die
Meinung vertreten, daß diese Blöcke in der Großen Galerie gelagert
worden sind, bis man sie nach der Beisetzung des Königs an ihren
jetzigen Platz gebracht hat. Wir schließen uns diesen beiden nam-
haften Pyramidenforschern an; denn wenn dieser Gang von vorherein
blockiert gewesen wäre, welchen Zweck hätte er dann gehabt ? Er wäre
doch unbenutzbar gewesen.
Zu Recht fragt Kingsland dagegen, welchen Sinn nach der Hypothese
von Proctor der vertikale Schacht, den er »Well Shaft« nennt, gehabt
hätte, der doch nur dazu gedient haben kann, den Ausstieg der Arbeiter
aus der Pyramide zu gewährleisten, nachdem der aufsteigende Gang
durch die Granitblöcke verschlossen worden war (Abb. 3).

Eine kritische Bemerkung zur Argumentation von Kingsland sei hier


allerdings noch vorgebracht, und zwar geht es um den Verschluß des
Nordeingangs des absteigenden Ganges mittels eines schwenkbaren
Steins, der normalerweise alle astronomischen Beobachtungen auf der
Nordseite verhindert hätte. Nun, dieser Stein hätte in der Tat nach der
baulichen Veränderung zum Grabmal - wie Proctor annimmt - ange-
bracht werden können.
Abgesehen von diesen Vorbehalten aber stimmen wir vollkommen
mit Kingsland überein in dem, was er zu den Theorien Proctors zu
sagen hat. Sie entbehren jeder soliden Grundlage. Vor allem werden sie
von der ganzen Anlage der Pyramide in ihrem unteren Bereich wider-
legt, einer Anlage, die von vornherein vorhanden gewesen sein muß
und ihren funerären Zweck beweist.

Ein weiterer Anhänger der Astronomie-Theorie, Duncan Macnaugh-


ton178 versucht, die These Proctors mit einigen Änderungen zu ver-
sehen. Seiner Ansicht nach war die Große Galerie ein Observatorium,
von dem aus die Kulmination aller Sterne in der Nähe der Ekliptik zu
beobachten gewesen wäre. Die Idee vom Wasserspiegel am Treffpunkt
des absteigenden und aufsteigenden Ganges übernimmt er zwar, aber
220 Das Geheimnis der Pyramiden

er weist ihm eine andere Funktion als Proctor zu. In der Hoffnung, das
Datum des Pyramidenbaus noch weiter zurückverlegen zu können,
haben die Ägypter seiner Meinung nach vor allem den Sirius als einen
ihrer wichtigsten Sterne beobachtet, und dafür käme die Zeit zwischen
5600 und 5100 v. Chr. in Frage. Laut Macnaughton hätte es der Wasser-
spiegel ermöglicht, diesen im Süden liegenden Stern zu beobachten,
indem man den absteigenden Gang hinabschaute: »Meiner Ansicht
nach waren beide Gänge zur Beobachtung des Sirius angelegt. Auf-
grund der reflektierenden Fläche brauchte der Beobachter nicht weit
hinabzusteigen. Er mußte sich nur auf der Nordseite am Eingang des
Ganges an der Innenseite placieren (und die Tür schließen, damit
hinter ihm kein Licht hereinfiel, wenn die Beobachtungen bei Tage
durchgeführt wurden), denn dann war es möglich, den Sirius in seiner
Kulmination zwischen ungefähr 26° 18' und 28° 18' zu sehen.«
Macnaughton glaubt also, daß Cheops erst sehr viel später das alte
Observatorium zur Beobachtung des Sirius in seine Grabstätte umge-
wandelt habe, wobei das Bauwerk dann als Pyramide gestaltet und die
Grabkammer auf der ehemaligen Plattform der Beobachtungsstätte
errichtet worden sei.
Gegen diese Thesen läßt sich wohl am ehesten die Frage einwenden,
warum man wohl für einen bescheidenen Beobachtungsgang zur
Observation eines einzigen Sternes, auch wenn er von so großer
Bedeutung gewesen wäre wie der Sirius, eine Plattform von 165 m
Seitenlänge und 42 m Höhe auf einem Unterbau von 1,5 Millionen
Kubikmeter Stein hätte aufschichten sollen! Außerdem lassen sich
auch nirgends im Mauerwerk Spuren entdecken, die auf eine spätere
Aufstockung hindeuteten. Die Observatoriumsthese ist also ebenfalls
nichts als ein reines Phantasiegebilde.

Anders als Macnaughton hält Cotsworth (The Rational Almanac,


1902), der ohne Skrupel alle Indizien übersieht, die nicht zu seiner
Theorie passen, die Pyramide für eine Art Kalender oder Sonnenuhr.
Dieser Gedanke war schon zweieinhalb Jahrhunderte früher bei
Chazelles179 aufgetaucht, der sich zur Erforschung der Pyramiden
nach Ägypten begeben hatte. Allerdings zweifelte er die Bestimmung
als Grabstätte nicht an. Paul Lucas, den wir im ersten Kapitel bereits
erwähnten, berichtet von diesem Gelehrten, der der Meinung gewesen
sei, die ägyptischen Könige hätten neben der Bestimmung als Grabmal
Die pseudowissenschaftlichen Theorien 221

im Auge gehabt, »sie als Sonnenuhren oder Sonnenzeiger zu ver-


wenden, um mittels der Schatten die Veränderungen der Sonne bei der
Sonnenwende zu markieren.«

Cotsworth vertritt also die Ansicht, daß die Große Pyramide durch
ihre Schatten die Jahreszeiten angezeigt habe, vor allem die Winter-
sonnenwende, das Frühlingsäquinoktium, die Sommersonnenwende
und das Äquinoktium im Herbst 18°. Damit wäre das astronomische
Sonnenjahr auf präzise Weise erfaßt gewesen. In der Winterjahreshälfte
habe die Nordseite der Pyramide im Schatten gelegen, während sie in
der zweiten Jahreshälfte, da die Sonne im Nordosten auf- und im Nord-
westen untergehe, am Tage in der Sonne gelegen habe. Cotsworth gibt
jedoch zu, daß der Übergang nicht genau zum Zeitpunkt der Äquinok-
tien erfolgt sei, sondern durch die spezielle Lage der Pyramide einmal
vierzehn Tage vor dem Frühlingspunkt und im Herbst vierzehn Tage
nach der Tag- und Nachtgleiche181. Cotsworth meint zudem, daß die
Pflasterung vor der Nordseite der Großen Pyramide einzig und allein
zur Beobachtung der Mittagsschatten angelegt gewesen sei. In seiner
Zeichnung besteht dieses Pflaster aus regelmäßigen Vierecken,
während die Pflasterblöcke in Wirklichkeit vollkommen unregel-
mäßig sind. Für diesen Zweck sei auch der Felsboden bis zu 268 Fuß
(etwa 90 m) nördlich der Pyramidenbasis nivelliert worden, denn diese
Entfernung entspreche dem weitesten Schattenwurf zur Mittagszeit.
Diese Behauptung läßt sich jedoch auf die allereinfachste Weise wider-
legen, denn die Spuren der Umfassungsmauer der Pyramide belegen
eindeutig, daß sie im Abstand von l i m um die Pyramide angelegt war
und in diesem Abstand auch das Bodenpflaster endete.
Zu Cotsworth nur noch so viel: Um seine Theorie von der rein astro-
nomischen Funktion der Cheopspyramide zu beweisen, muß er ihre
Entstehung erst sehr spät ansetzen, nicht nur nach den Pyramiden des
Chephren und Mykerinos, die ja eindeutig die Nachfolger des Cheops
waren, sondern sogar nach Königen, die unzweifelhaft in spätere
Dynastien gehören.
Pochan behauptet182, daß die »merkwürdig eingezogenen* Seiten der
* Gegenwärtig bilden die Seiten des Pyramidenmassivs jeweils zwei Ebenen, die nach
Flinders Petrie in einem Winkel von etwa 27' zueinander stehen. Dabei habe es sich wohl
um eine Vorsichtsmaßnahme gehandelt, die die Wölbung der Verkleidung nach außen
verhindern sollte. Die Verkleidung scheint im Gegenteil aber vollkommen plan gewesen
zu sein, wie die gerade Spur an der Basis der Ostseite nahelegt.
222 Das Geheimnis der Pyramiden

Großen Pyramide die Anzeige der Äquinoktien auf mindestens zwölf


Stunden genau« ermöglicht hätten, während »der Schatten des Son-
nenzeigers*, der sich auf dem Platz an der Nordseite ausbreitete, die
Bestimmung der Wintersonnenwende, der Stunden und vor allem des
tatsächlichen Sonnenhöchststandes am Mittag erlaubt hätte.«

Abb. 52a: Angebliche Einziehung der Pyramidenseitenflächen, nach Andre Pochan,


L'Enigme de 1a Grande Pyramide, Paris 1971

Die Theorie von der Pyramide als Jahreszeitenanzeiger wird ja gleicher-


maßen auch von Vertretern der Bibeltheorie wie z. B. Davidson und
Barbarin vertreten. Davidson vor allem hat die Sonnenreflektion auf
den Pyramidenseiten genau studiert und dargestellt. Er meint, daß sie
sogar mit aller Sorgfalt poliert worden wäre, um möglichst exakt die
wesentlichsten Einschnitte des Sonnenjahres wie Sonnenwenden und

* Dabei stützt sich Pochan (siehe S.197) auf eine falscheTranskription eines Determinativs
im Namen der Cheopspyramide in einer Mastaba der 5. Dynastie. Er behauptet, daß diese
Pyramide nicht von einem Pyramidion gekrönt gewesen sei, sondern einen Obelisken
getragen habe, der vielleicht einen Metallstab aufwies (Pochan, op. cit. p. 18, 281, 284).
Abgesehen davon, daß der Name der Großen Pyramide niemals mit dem Determinativ
für Sonnenheiligtum geschrieben wurde, muß es doch auch vom architektonischen
Standpunkt aus als barer Unsinn im wahrsten Sinne des Wortes erscheinen, wenn ein
Bauwerk mit 230 m Seitenlänge und einer Höhe von 143 m an der Spitze einen kleinen
Obelisken von 3 m oder 4 m Höhe getragen hätte.
Die pseudowissenschaftlichen Theorien 223

Äquinoktien festzuhalten. Diese Angaben wären dann vor allem zur


Regulierung der Landwirtschaft, namentlich der Termine für die Aus-
saat, verwendet worden: »Wenn der Mittagsschatten auf der Nordseite
der Pyramide erschien, wußten die Deltabewohner«, schreibt Barbarin,
»daß der 14. Oktober und die Zeit zur Aussaat gekommen war...« In
Ägypten aber begann die Aussaat stets nach dem Rückgang der Über-
schwemmung, so daß man für die Landwirtschaft noch viel weniger
als anderswo ein solches Zeichen gebraucht hätte, um sich an die
Arbeit zu machen!
Davidson wiederum führt noch eine Eigentümlichkeit an, die bereits
de Volney als eine Beobachtung des Gelehrten Dupuis erwähnt: daß
nämlich zur Mittagszeit an den Äquinoktien für einen Betrachter, der
sich in der Mitte der Nordseite an der Basis aufhält, die Sonnenscheibe
auf der Pyramidenspitze erscheine. Gleichzeitig verschwinde jeglicher
Schatten auf dieser Seite, so daß die Pyramide nach Davidson gleich-
sam »ihren eigenen Schatten verschlinge«183.
Wenn demnach die Pyramide bei unterschiedlichen Lichtverhält-
nissen, denen ihre Seiten ausgesetzt sind, in einem gewissen Maße für
die Bauern der Umgebung eine Rolle als Stunden- oder Jahreszeiten-
anzeiger gespielt haben sollte, so muß diese Eigenschaft im speziellen
Fall der Äquinoktialdaten umstritten bleiben. Aber selbst wenn dem
so gewesen wäre, dann hätte es sich auch nur um eine Folgeerschei-
nung der Orientierung und des Neigungswinkels der Seitenflächen
gehandelt, was wiederum die gegenwärtig von den Ägyptologen ein-
stimmig anerkannte einzige These, daß die Große Pyramide das Grab
des Cheops ist, nicht erschüttern würde.
Hinsichtlich der Bedeutung der Pyramide als Abbild astronomischer
Kenntnisse haben verschiedene Autoren zur Bekräftigung ihrer
Thesen auf die Tierkreisdarstellungen in verschiedenen Denkmälern
Oberägyptens verwiesen. Die Interpretation der Tierkreisdarstel-
lungen ist jedoch noch keineswegs gesichert, und wenn sie vermuten
lassen, die Ägypter hätten den Präzessionszyklus der Äquinoktien
gekannt, dann beweist das noch nicht, daß sie ihn berechnen und seine
Länge hätten bestimmen können. Außerdem stammen die Tierkreis-
bilder aus sehr viel späterer Zeit als die Pyramiden. Der von Winlock
im Grab des Senmut entdeckte Tierkreis wäre die älteste Darstellung.
Senmut war ein hoher Beamter der Hatschepsut in der 18. Dynastie im
15. vorchristlichen Jahrhundert, d. h. also fast zwölf Jahrhunderte nach
224 Das Geheimnis der Pyramiden

Cheops. Wenn es zutrifft, daß der Tierkreis seinen Ursprung in Chaldäa


hat, so deutet vorläufig nichts darauf hin, daß diese Kenntnis bereits in
der Pyramidenzeit nach Ägypten gelangt wäre.

Um das Thema der astronomischen Theorien abzuschließen, muß


erneut betont werden, daß alle angeblichen zahlenmäßigen Überein-
stimmungen meist auf falschen Voraussetzungen aufbauen und häufig
auf hypothetischen Maßen wie den Ellen von Jomard mit 0,462 m oder
Piazzi Smyth mit 0,6356 m beruhen. Diese Ellenmaße hat es zur Zeit
des Pyramidenbaus in Ägypten nicht gegeben, sie sind reine Phantasie-
produkte ihrer Erfinder und deren Nachfolgern, die den Thesen der
beiden Genannten mehr oder minder stark anhängen.
Die pseudowissenschaftlichen Theorien 225

B. Mathematische Theorien

Ähnlich wie die astronomischen gehen auch noch immer alle mathe-
matisch ausgerichteten Pyramidenthesen auf Jomard und seine Aus-
führungen zum »Metrischen System der Alten Ägypter (Exposition du
Systeme metrique des Anciens Egyptiens) zurück, wobei wir uns nur
den geometrischen Beziehungen im eigentlichen Sinne zuwenden
wollen.
Jomard widmet zunächst der führenden Rolle der Ägypter in den Ent-
deckungen der Gometrie längere Ausführungen. Schon die antiken
Schriftsteller wie Herodot, Piaton, Servius, Clemens von Alexandria,
Heron von Alexandria, Diodor von Sizilien und Porphyrios, um nur die
wichtigsten zu nennen, stimmten darin überein, daß Ägypten die
Wiege der Geometrie gewesen sei. So heiße es bei Servius z. B.: »Diese
Kunst wurde zu einer Zeit erfunden, da der Nil, als er eine außerge-
wöhnliche Schwellung erreicht hatte, die Grenzen des Erblandes ver-
wischte. Man setzte Philosophen ein, um diese Grenzen wiederzu-
finden. Durch Linien teilten sie alle Ländereien, und von daher kommt
der Name Geometrie, der nicht nur die Erde mißt, sondern auch die
Ausdehnung des Meeres und der Himmelsweiten.« Nach Diodor habe
Pythagoras von den Ägyptern gelernt, denn »die Ägypter eignen sich
die Erfindung der Buchstabenschrift und die erste Beobachtung der
Gestirne zu; ferner die Erfindung der geometrischen Lehrsätze und der
meisten Künste, auch die Einführung der besten Gesetze.« Nun, wie
Jomard richtig bemerkt, Diodor könne als Grieche nicht die Absicht
gehabt haben, die Verdienste seines Volkes zu schmälern; und Pytha-
goras und seine Schüler hätten die Griechen immerhin die Dreiecks-
lehre gelehrt. Folglich müsse etwas Wahres an der Überlieferung sein.
Neben vielen anderen sei auch Piaton ausdrücklich an den Nil ge-
gangen, um Geometrie zu studieren und habe dort nicht weniger als
dreizehn Jahre verbracht. Jomard schließt daraus: »Wären wohl so
viele befähigte Menschen über fünf Jahrhunderte hinweg nach Ägypten
gezogen, wenn sie nicht hätten hoffen dürfen, dort wichtige Schriften
über die exakten Wissenschaften vorzufinden oder Lehrer, die sie in
den alten wissenschaftlichen Traditionen unterrichten konnten? Und
wenn die Entdeckungen, die man den ersten griechischen Philosophen
zuschreibt, ihnen auch wirklich gehörten, wenn die Kenntnisse der
Ägypter nichts gewesen wären als Elementaranstöße, die von den
226 Das Geheimnis der Pyramiden

Griechen vervollkommnet worden wären, ist es da wohl glaubhaft,


daß noch zwei bis drei Jahrhunderte nach Pythagoras und Thaies deren
Nachfolger und Männer wie Demokrit, Eudoxos, Piaton, Euklid,
Archimedes einer nach dem anderen zum Studium nach Ägypten ge-
gangen wären? Hätte ihnen die Schule von Milet nicht mehr Er-
leuchtung geben können, ohne eine derart lange und beschwerliche
Reise auf sich zu nehmen? Man wird daher die Griechen nicht mehr
allein als Begründer der Geometrie betrachten dürfen...«
Von seinen Argumenten beflügelt, unternimmt Jomard darauf die
Analyse der geometrischen Verhältnisse der Großen Pyramide. Leider
aber mußte das in die Irre führen, denn er baute auf falschen Ab-
messungen für die Pyramide auf, vor allem nahm er einen halben Grad
zu wenig für die Neigung der Seitenflächen an. Für das Verhältnis der
Basislänge der quadratischen Pyramidengrundfläche zur schiefen
Höhe (Apothem) nahm er 5:4 an. Diese Angaben konnten durch
neuerliche Vermessungen widerlegt werden, die übrigens ergeben
haben, daß die Pyramide andere Verhältniseigenschaften aufweist.
Doch darüber im 4. Abschnitt dieses Buches. Alle Ableitungen Jomards
werden damit hinfällig, so daß es keinen Sinn hat, ihnen weiter nach-
zugehen.

Dennoch hat seine Arbeit die Aufmerksamkeit vieler Mathematiker


hinsichtlich der Eigentümlichkeiten der Zahlenbeziehungen und der
geometrischen Verhältnisse der Großen Pyramide erregt. Während in
England vor allem die auf der Bibel aufbauenden und die astronomi-
schen Theorien glühende Verfechter fanden, übten vorwiegend in
Deutschland bzw. in Mitteleuropa überhaupt die mathematischen
Thesen ihre Anziehungskraft aus. Der Architekt und Ägyptologe L.
Borchardt sah sich sogar genötigt, 1922 in Berlin gegen diese Aus-
legungen zu Felde zu ziehen184.
Einer der ersten war der Kaufmann Roeber, Sohn eines 1833 ver-
storbenen Professors der Baukunst an der Dresdner Akademie, dessen
Arbeiten der Sohn publizierte und fortsetzte. Aus seiner Feder erschien
1854 eine Abhandlung über die geometrischen Grundformen ägypti-
scher Tempel, und 1855 folgte ein Buch über die Pyramiden. Er be-
hauptet, daß die Ägypter die Quadratwurzel hätten ziehen können und
keine Abmessung ohne Anwendung dieser Kenntnis erfolgt sei.
Borchardt weist nun nach, daß sich Roeber auf Zahlenangaben stützte,
Die pseudowissenschaftlichen Theorien 227

die zu dieser Zeit notwendigerweise noch unzutreffend sein mußten


und schon allein aus diesem Grunde seine Ableitungen nicht stimmen
können. Dazu gehört auch die Idee, daß die Beziehung des berühmten
goldenen Schnitts* sich im Konstruktionsdreieck der Pyramide finde,
d. h. dem rechtwinkeligen Dreieck des mittleren Halbschnitts, das den
Neigungswinkel der Seiten bestimmt. Wir werden im zweiten
Kapitel des 4. Abschnitts dieses Buches die Richtigkeit dieser Erkennt-
nis nachweisen.
Kurz darauf, im Jahre 1859, erschien das Buch von John Taylor, dem
Begründer der Bibeltheorie, den wir bereits genannt haben (S. 171 ff). Er
wies als erster darauf hin, daß bei der Großen Pyramide die Summe
der vier Seiten an der Basis einem Kreisumfang mit der Pyramiden-
höhe als Radius gleiche, so daß die Pyramide die »Neigung n« aufweise.
Dagegen wies er irrtümlich Herodot die Überlieferung zu, daß die
ägyptischen Priester angeblich Kenntnis gehabt hätten von der
Gleichung: Quadrat über der Höhe der Pyramide = Flächeninhalt der
Seitenflächen, eine Beziehung h2 = bx** also, die als »Herodotsche
Gleichung« bezeichnet wird und nichts anderes darstellt als eine
Formel für die Relation des Goldenen Schnitts.

Diese verschiedenen Beobachtungen wurden dann von Piazzi Smyth


aufgegriffen, weiterentwickelt und unter die Leute gebracht und sehr
viel später in Frankreich von dem Abbe Moreux aufgenommen, der
über die Beziehung n in der Pyramide schreibt: »Die Methoden (zur
Gewinnung der Zahl n, Bestimmung der Beziehung zwischen Kreis-
umfang und Durchmesser, also praktisch die Zahl n = 3,1416) waren
der klassischen Antike unbekannt. Sie beruhen auf modernen Er-
kenntnissen, und dennoch werden wir sehen, daß die Konstante n, die
jahrhundertelang gesucht wurde, sich sozusagen umgesetzt in der
Großen Pyramide findet. Die vier Seiten der Basis mit je rund
232,805 m ergeben einen Kreisumfang von 931,22 m. Teilen wir nun

* Diese als konstante Gleichung Ø = 1 +2\ 5 = 1,618 ausgedrückte Beziehung ergibt die
»Goldzahl«« und sollte in der Architektur Proportionen mit der größten Harmonie er-
geben, nach dem Prinzip der Teilung einer Strecke in der Art, daß der größte Abschnitt
zwischen der ganzen Strecke und dem anderen Teil das geometrische Mittel ist. Siehe
Matila Ghika, Le Nombre d'Or (Les Rythmes, Les Rites).
** b gleich halbe Seitenlänge an der Basis, x gleich schiefe Höhe (Apothem).
228 Das Geheimnis der Pyramiden

diese Zahl für den Umfang durch die Zahl für die doppelte Höhe der
Pyramide, die zur Zeit ihrer Erbauung 148,208 m hoch war, dann er-
halten wir den Wert n. Also:

931,22 . = 3,1416
2 x 148,208

Dieses Bauwerk stellt also die materielle Bestätigung eines wichtigen


Zahlenwertes dar, für dessen Findung der menschliche Geist unvor-
stellbare Anstregungen unternommen hat.«
Bei dieser Gleichung fällt sofort auf, daß Abbe Moreux seinen Speku-
lationen falsche Abmessungen zugrundelegt. Für die Seitenlänge näm-
lich nimmt er einen Mittelwert zwischen den Ergebnissen der Expedi-
tion d’Égypte, wie sie Le Peré und Coutelle ermittelt hatten, und den
Zahlen von Vyse/Perring aus dem Jahre 1837, d. h. 232,74 m bzw.
232,86 m. Diese Zahlen stimmen jedoch nicht, weil an den Kanten der
Pyramide die Verkleidung unter das allgemeine Niveau der Basis hin-
abreicht, die ansonsten mit der Höhe des Pflasters verläuft (Abb. 7). Der
tatsächliche Mittelwert an der Basis beträgt nur 230,364 m, was 440
ägyptischen Königsellen entspricht. Die Höhe der Pyramide aberhängt
zum einen von der Basislänge ab und zum anderen vom Neigungs-
winkel der Verkleidung. Sie exakt zu bestimmen, ist außerordentlich
schwierig. Die von Abbe Moreux zugrunde gelegte Zahl ist jedoch
wesentlich höher als alle bisher angenommenen, vor allem über-
trifft sie ganz wesentlich die heute allgemein akzeptierte Abmessung
von 146,65 m, was 280 ägyptische Ellen ausmachen würde. Daraus
geht hervor, daß Moreux als Opfer einer klaren petitio principii genau
die Zahl für die Höhe angenommen hat, die ihm präzis den »Neigungs-
winkel re« für die von ihm festgelegte Seitenlänge von 232,805 ergab.
Wenn wir hingegen die Zahlen der ägyptischen Elle zugrundelegen, die
heute allgemein als gültig akzeptiert werden, dann ergibt seine
Rechnung folgendes Verhältnis:

4 x 400 = 22 = 3,1428
2 x 280 7

ein Wert, der mit n nur bis zur zweiten Stelle hinter dem Komma
genau übereinstimmt. Der Bruch 22:7 entspricht der oberen Grenze,
Die pseudowissenschaftlichen Theorien 229

die Archimedes für den Wert n zuließ, und man darf sich fragen, ob er
diesen Wert nicht bei seinem Aufenthalt in Ägypten kennenlernte.
1885 setzte sich der englische Archäologe Flinders Petrie mit Piazzi
Smyth auseinander und übte scharfe Kritik an dessen mathematischen
und astronomischen Spekulationen über die Pyramide, die er in
seinem Buch »The Pyramids and Tempels of Gizeh« niederlegte.
Gleichzeitig verfocht Petrie aber die These, daß die Dimensionen der
Kammern der Pyramide Quadratwurzeln aus ganzen Zahlen ägypti-
scher Quadratellen seien, während die Dimensionen selbst nicht
notwendigerweise ganze Zahlen in linearen Ellen ergeben hätten.
Man nennt dies die »theory of areas«, d. h. »Flächentheorie«. Unter
den Architekturteilen, die er als Belege zitiert, nennt er die unteriridi-
sche Kammer, die jedoch als unvollendet aus der Betrachtung ausge-
schlossen werden sollte. Das gilt auch für die sogenannte Königinnen-
kammer, deren Wände nicht sorgfälltig geglättet sind und wo die
vorgesehenen Bodenplatten fehlen, die teilweise im Zugang zur
Kammer vorhanden sind, ohne jedoch eine Ebene zu bilden. Breite und
Länge der Kammer machen eindeutig 10 bzw. 11 Ellen aus*. Der von
Petrie und anderen Autoren als Vorkammer bezeichnete Bauteil kann
nicht als selbständige Einheit betrachtet werden, da der Gang an dieser
Stelle in der gleichen Breite weiterläuft und lediglich die Gleitrillen für
die Fallsteine untergebracht waren (Abb. 51). Die Abmessungen dieser
»Vorkammer« sind so also fiktive Zahlen. In der Königskammer
selbst ergeben die wichtigsten Abmessungen, Breite und Länge, 10 und
20 Ellen, d. h. also runde Zahlen linearer Ellen. Was die Wurzel aus
125 Quadratellen (11 Ellen 18) anbelangt, so bezweifelt Borchardt zu
Recht, daß diese die angestrebte Höhe gewesen sei, wie Petrie ver-
sichert; denn die Ägypter hätten sie nicht berechnen können. Weder
Petrie noch Borchardt aber haben gesehen, daß die Höhe = y/5 ist bei
einer Länge der kleinen Seite von 2 und einer Hypotenuse 3, die aus
der Diagonale der Schmalwand der Kammer gebildet wird (Abb. 72).
die Höhe wäre damit nach einer ganz einfachen geometrischen
Zeichnung zustandegekommen, so daß die »theory of areas« nicht
mehr zu halten ist.

* Es wäre möglich, daß die Proportionen dieser Kammer einem rechtwinkeligen Dreieck mit
den Seiten (am rechten Winkel) 2 und ¥5 und der Hypotenuse 3 entsprechen sollten, wie an
der Ost- und Westwand der Königskammer feststellbar ist, siehe S. 280 f).
230 Das Geheimnis der Pyramiden

Borchardt erwähnt einen Autor namens Jarolimek, der in einem 1890


veröffentlichten Artikel185 behauptet, als erster bei der Großen Pyra-
mide die Anwendung des Goldenen Schnitts entdeckt zu haben.
Borchardt schreibt: »Von den besonders heiligen Zahlen 3 und 7 geht
er aus, deren Differenz 4 und deren Summe 10 ergibt, und die in der
Symbolik eine hervorragende Rolle spielten, bildet daher »Vier-Ellen«
- 4 E - und steigt seine »goldene Leiter« * 1, 2,3, 5, 8,13, 21,34, 55, 89,
144 bis zur zehnten Stufe bei 144 hinan, 'wo der sinnende Forscher mit
Überraschung Halt macht'. Mit 144, 89 und 55 Vier Ellen konstruiert er
dann nicht nur das Äußere der Pyramide, sondern auch alles im Innern,
selbst innere 'Kern-, Königs- und Deckpyramiden', die er, vielleicht als
Reminiszenzen an die Lepsiussche Bautheorie, erfindet. Hierfür habe
'der Erbauer den Schlüssel sozusagen vor die Türe gelegt', nämlich in
den Abmessungen des Basaltpflasters im Totentempel östlich vor der
Pyramide.« Borchardt führt nun aus, daß sich Jarolimek dabei nicht
nachprüfbarer Zahlen bedient, weil die Blöcke in Wirklichkeit außer-
gewöhnlich unregelmäßig sind und er somit Phantasie-Pyramiden be-
rechnet. Um den Beweis für die Genauigkeit seiner Methode zu liefern,
habe er nichts Besseres vorzuschlagen, als unter dem Schnittpunkt
des absteigenden mit dem aufsteigenden Gange das Mauerwerk bis
zum Felsgrund auszubrechen. Hierbei handelt es sich offensichtlich
um nichts als reine Hirngespinste.

Zwanzig Jahre später ließ Jarolimek den gleichen Artikel in der Zeit-
schrift »Prometheus« 186 abdrucken, wobei er noch hinzufügte, daß
sich in der Grabkammer der Großen Pyramide die Formel des
Goldenen Schnitts finde:
¥5–1 : 1 = 1 : ¥5–1 denn die Abmessungen stünden im Verhält-
2 2
nis 1 : 2, was stimmt. Er sieht jedoch die Anwendung des Goldenen
Schnitts in der Tatsache, daß die Seitenwände aus fünf Lagen Steinen
bestehen und sich darüber fünf Decken (der Entlastungskammern)
finden. Also auch hier reine Phantasie.

* Die »Fibonaccische Leiter« oder »Reihe«, nach der man bei zwei Zahlen, deren zweite
größer ist als die erste, jedesmal der letzteren von beiden die vorhergehende hinzufügt, um
die folgende zu erhalten. Wenn man jeweils die letzte durch die voraufgehende teilt, so
nähert sich der Quotient mehr und mehr der Goldzahl Ø = 1,618.
Die pseudowissenschaftlichen Theorien 231

1902 veröffentlichte Max Eyth einen Roman187, der in Deutschland


große Verbreitung fand. Im Helden dieses Buches, Joe Thinker,
porträtiert der Verfasser Piazzi Smyth, dessen Theorien ein ganzes
Kapitel gewidmet ist. Zuvor hatte er darüber im Verein für Mathema-
tik und Naturwissenschaft in Ulm referiert und die Ergebnisse einige
Jahre später in der Zeitschrift »Prometheus« veröffentlicht. Eyth hielt
die Smythschen Theorien nicht für erwiesene Tatsachen und »ver-
wahrt sich mit aller Entschiedenheit dagegen, als ein gläubiger
Jünger von Piazzi Smyth angesehen zu werden«, aber, wie Borchardt
ganz richtig bemerkt, Eyth hat die kritischen Fähigkeiten seiner
Leser überschätzt, so daß sein Roman einen unheilvollen Einfluß
ausübte, weil dadurch die Theorien von Piazzi Smyth in Deutschland
weite Verbreitung fanden.
1907 tauchte ein neuer Verfechter des Goldenen Schnitts auf, ein
gewisser Hermann Neikes. Er veröffentlichte ein Büchlein, dem er in
sinnreicher Anspielung einen goldgedruckten Umschlag gab. Borchardt
der dieses Opus mit sanfter Ironie kritisiert, schreibt:188 ». . . er setzt
uns zuerst auf 18 Dezimalstellen die Teilung der 1 nach G. S. (Goldener
Schnitt) vor. Dann rechnet er nach den, wie wir wissen, falschen
Maßen Piazzi Smyths die halbe Grundkante und die Seitenflächen-
höhe der großen Pyramide in englischem Fußmaß aus, findet, daß
diese Maße den G. S.-Zahlen ähneln, ändert sie so, daß sie ihnen gleich
sind, daß also halbe Grundkante plus Seitenflächenhöhe 1000 eng-
lische Fuß, geteilt nach G. S., ergeben und erklärt dann, 'daß der eng-
lische Fuß beim Bau der Cheopspyramide die Maßeinheit gewesen
ist!' Er hofft, daß nach dieser Feststellung 'die Suche nach den Ge-
heimnissen der Cheopspyramide wohl in andere, ruhigere und vor
allem systematische Bahnen gelenkt werden wird. Dem ist wohl
nichts hinzuzufügen.«

Der Ingenieur K. Kleppisch189 aus Warschau, der sich zu Recht kritisch


gegenüber anderen Theorien äußert, legt gleichwohl eine eigene These
vom Goldenen Schnitt vor. Nach ihm wären die Proportionen von fol-
gendem Verhältnis bestimmt gewesen: »Die Gesamtoberfläche der
Cheopspyramide erscheint nach dem Goldenen Schnitt geteilt, derart,
daß sich die Grundfläche zur Mantelfläche wie die Mantelfläche zur
Gesamtoberfläche verhält.« Das entspricht zwar der Wirklichkeit,
aber das ist nichts weiter als ein Resultat des Verhältnisses, das
232 Das Geheimnis der Pyramiden

fälschlicherweise als »Herodotsche Gleichung« gilt. Borchardt be-


merkt außerdem zu Recht, daß der Goldene Schnitt, auch als »Gött-
licher Schnitt« bezeichnet - 'das stetige Verhältnis in seiner schön-
sten Form' -, sich bei Kleppisch auf Flächen bezieht, die zum größten
Teil gar nicht sichtbar waren und daher ihre ästhetische Rolle gar nicht
hätten spielen können. Die Grundfläche sehe der Beschauer nicht,
weil sie vom Pyramidenmassiv verdeckt sei, und die vier Mantelseiten
könne ein auf der Erde stehender Beobachter niemals allesamt vom
gleichen Punkt aus mit dem Auge erfassen, höchstens zwei könne er
im Blickfeld haben. Außerdem habe die ursprünglich vorhandene Um-
fassungsmauer den Unterteil der Seitenflächen verdeckt. Selbst wenn
deshalb das Verhältnis des Goldenen Schnitts den Architekten des
Cheops bekannt gewesen wäre, so wäre seine Anwendung in der
»Flächenform« gewiß die ungeeignetste gewesen. Nach weiteren
Pyramidentheoretikern, die nicht erwähnt zu werden brauchen, nennt
Borchardt noch Dr. Fritz Noetling, der in einem 1921 in Stuttgart er-
schienenen Buch vorgibt, »nach den Pyramidenzahlen« die Atomge-
wichte, die kosmische Biologie, die Dauer der Schwangerschaft beim
Menschen und die allgemeine Reihe der Trächtigkeitsdauer der Tiere
und ähnliches errechnen zu können. Borchardt: »Man weiß nicht, ob
man zuerst den Verfasser bedauern oder den Verleger, der solchen
Wahnsinn verbreitet, verdammen soll.«

Zum Schluß wollen wir noch auf einen Autor eingehen, der sicher
in eine ganz andere Kategorie gehört. Es handelt sich um G. de Man-
teyer, der in seinem umfassenden linguistischen Werk 190, das wir hier
hinsichtlich der Thesen über Lautwert und Transkription der Hiero-
glyphen nicht erörtern wollen, auch die Entwicklung des Königs-
grabes von Menes bis Cheops aufzeigt. Er glaubt, anhand der
Pyramidenprofile, die er in geometrische und symbolische Figuren
einfügt, die Pläne der altägyptischen Architekten wiederentdeckt zu
haben. Seit Anbeginn hätte demnach den Entwürfen eine ideale Pyra-
mide in Form eines Dreiecks zugrunde gelegen, das den oberirdischen
Bau umfaßte und selbst wieder eingeschrieben gewesen wäre in einen
senkrechten Kreis, der das eigentliche Grab umfaßt hätte, dessen
Mittelpunkt jedoch zunächst noch an keiner markanten Stelle
gelegen hätte. Zum Beweis für die Dreiecksform der Pyramide ver-
weist Manteyer auf die Tatsache, daß »seit der Frühzeit in der ägypti-
Die pseudowissenschaftlichen Theorien 233

sehen Sprache das Bild der spitzen Pyramide auf einer vierseitigen
Basis das eigentliche königliche Grab, mer, bezeichnet,« was aller-
dings erst noch zu beweisen wäre. Und weiter: »Sicher haben die
Architekten der 1. Dynastie ihre himmlische ideale Pyramide deshalb
in einen Kreis eingeschrieben, weil die Erde das Grab der Toten umgibt,
und tatsächlich liegen die unterirdischen Grabräume im unteren Teil
innerhalb des Kreises.«

Unglücklicherweise basieren die Zeichnungen, die er für die Gräber


der Könige Wadji und Dewen aus der 1. Dynastie gibt, auf hypotheti-
schen Rekonstruktionszeichnungen von Reisner191, da von den Ober-

Abb. 52 b: Pyramide von Sauijet el-Arijân, nach Manteyer


234 Das Geheimnis der Pyramiden

bauten dieser Gräber so gut wie nichts erhalten ist. Wir dürfen daher
keineswegs mit Sicherheit voraussetzen, daß diese Bauwerke Stufen
aufgewiesen haben, geschweige denn annehmen, daß das eine zwei
und das andere drei enthalten hätte. Es handelt sich dabei um reine,
durch nichts gestütze Thesen Reisners.

Manteyers nächstes Beispiel ist die Stufenpyramide von Sauijet el-


Arijän (Abb. 17), die er ebenfalls nach Reisner der 2. Dynastie zuweist,
was auch nicht bewiesen ist. »Dieses Bauwerk mit vierzehn Stufen
entspricht mit der großen Anzahl von Stufen einer idealen Pyramide,
die sich in einem Kreis abplattet, dessen Mittelpunkt tief in der Erde
liegt, denn er fällt mit der Grabkammer zusammen. . ., dem wesent-
lichsten Bestandteil des Grabes. . . Der Architekt hat nunmehr nicht
einfach irgendeinen Kreis im Sinn ...
Die ägyptische Sprache kennt den Kreis zhinujeu, mit dem Kreisabbild
des Auges um seine zentrale Pupille. Dieses Zeichen wird entweder
Reha, Sonnengott.. oder heru, Tag gelesen. Der ideale Kreis, in den sich
die Pyramide einschreibt, ist also ein Abbild des Sonnengottes, dessen
Inkarnation der tote Fürst war.«
Die genannte Pyramide (Abb. 17) war jedoch niemals abgeplattet und
umfaßte auch nicht vierzehn Stufen, wie Manteyer glaubt. Sein Irrtum
beruht darauf, daß bei dieser Bauweise jeweils zwei Schichten Steine
zu einer Stufe gehörten, wie das für Saqqâra (Abb. 27 und 30) ebenfalls
belegt ist. Manteyers Vorschlag beruht folglich auf falschen Voraus-
setzungen und stellt schlicht einen Irrtum dar.

Zur Stufenpyramide von Saqqâra sei angemerkt, daß seine Zeichnung


deshalb nicht zutrifft, weil er das Profil eines Schnittes von Perring
benutzt, der mehr als ein Jahrhundert alt ist und die Verkleidungen
nicht einbezieht, die seitdem entdeckt wurden und das Bauwerk ganz
erheblich vergrößern. Das gleiche gilt für die Pyramide von Medûm,
die er für eine Stufenpyramide mit fünf ungleichen Stufen hält,
während sie in drei Bauphasen zunächst sieben, dann acht Stufen ent-
hielt, bis sie schließlich eine richtige Pyramide war.

Bei der Cheopspyramide nimmt Manteyer an, daß die unterirdische


Grabkammer die »vergänglichen Organe des Königs*« enthalten habe,
wohingegen sich »sein einbalsamierter Körper in seiner in höhere
Die pseudowissenschaftlichen Theorien 235

Sphären entrückten Pyramide zum Himmel erhob, um mit seiner


himmlischen Seele das ewige Leben zu teilen.« Ob die Kanopengefäße
in der unterirdischen Kammer untergebracht waren, steht keines-

Abb. 52 c: Pyramide des Cheops, nach Manteyer

wegs fest, es scheint vielmehr, als sei dieser Raum bei einem ersten
Projekt, das später aufgegeben wurde, zunächst als Grabkammer vor-
gesehen gewesen (Abb. 3).
236 Das Geheimnis der Pyramiden

Die Lage der beiden oberen Kammern in der Cheopspyramide sieht


Manteyer durch Dreiecksschnitte über dem Apothem und den Diago-
nalen sowie die diese Dreiecke umschreibenden Kreise bestimmt. Aus
den Zeichnungen geht jedoch hervor, daß jeweils nur Annäherungen
erreicht werden, die keineswegs zur Untermauerung der ganzen
Theorie geeignet sind, so einfallsreich und interessant sie auch sein
mag.
Teil IV

Wissen und Glaubensvorstellungen


der
Pyramidenbauer
1. Kapitel

Technische Kenntnisse
Der Bau der Pyramiden

So seltsam es klingen mag: Die Große Pyramide ist zwar in historisch


faßbarer Zeit entstanden, gehört aber in Wirklichkeit nach dem Stand
der Technik und dem verwendeten Werkzeug in das sogenannte Äneo-
lithikum oder Chalkolithikum, die Periode, die das Ende des Neo-
lithikums oder Steinzeitalters bezeichnet. In der Tat waren in dieser
Epoche als Metalle nur Gold und Kupfer bekannt, nicht einmal Bronze,
die anscheinend erst gegen Ende des Alten Reiches aufkommt192, war
vertreten.
Die Pyramiden, die noch heute Erstaunen erregen, wurden mit Metall-
werkzeug errichtet, das z.B. demjenigen der ersten dorischen Bau-
meister in Griechenland unterlegen war. Demgegenüber besticht
die Perfektion in der Ausführung, die sich bereits bei der ersten
Pyramidenanlage, der des Königs Djoser in Saqqâra, bemerkbar macht.
Wie waren also die Geräte beschaffen, über die der geniale Architekt
Imhotep verfügte, als er dieses umfangreiche und großartige Unter-
nehmen ins Werk setzte (Taf. 5), das auf die Bevölkerung von Memphis
einen so nachhaltigen Eindruck machte, daß Imhotep schließlich gött-
liche Verehrung genoß und als Erfinder der Bauweise in behauenem
Stein unsterblich wurde ? Dürfen wir aus dieser Überlieferung schließen,
daß man bis dahin die Steinbauweise nicht angewandt hatte? So ist es
keineswegs; denn an Bauten der 1. und 2. Dynastie läßt sich das Gegen-
teil beweisen. Aber, und das muß unterstrichen werden, es handelt
sich dabei um mehr oder minder zaghafte Versuche, bei denen der
Stein zur Verkleidung von Mauern benutzt wird, als Bodenpflaster
etwa oder als Türeinfassung und Fallsteinvorrichtung, so daß es ledig-
lich auf die Festigkeit, Widerstandsfähigkeit und Haltbarkeit dieses
Materials ankam. Mit Sicherheit darf man wohl sagen, daß unter den
240 Das Geheimnis der Pyramiden

Königen vor Djoser Stein als Baumaterial nicht allgemein verwendet


wurde. Warum aber wurden dann nicht zumindest die Gräber, die doch
von größtmöglicher Dauer sein sollten, in diesem Material aufgeführt ?
Noch die Grabanlage in Abydos, die dem König Chasechemui zu-
geschrieben wird, besteht bis auf die Verkleidung der Innenwände des
zentralen Raumes, der mit geglätteten Kalksteinplatten versehen ist,
aus ungebrannten Nilschlammziegeln. Zweifellos also sind wir in
Saqqâra, wo nicht nur das königliche Grab sondern auch Tempel-
bauten, Kultplätze und symbolische Scheinbauten im Innern der
großen Umfassungsmauer in Stein errichtet wurden, der hier Bau-
formen aus Ziegel, Holz und Schilf nachahmt, Zeugen einer Inno-
vation von größter Bedeutung.
Dabei war diese Anlage unter technischen Aspekten realisierbar. Zum
einen kannten die Ägypter damals schon seit langem Steinwerkzeug
und Methoden zum Brechen, Behauen und Polieren von Gestein, das
wesentlich härter als Kalkstein ist193. Dafür spricht allein schon die
Steingefäßindustrie, die ihren Aufschwung in der Vorgeschichte nahm
und gegen Ende der Nagada-Zeit, vor der 1. Dynastie, bereits ihren
Höhepunkt erreichte. In diesem Zusammenhang sei auch auf Stelen
aus Granit und Basalt mit den Namen thinitischer Könige verwiesen
oder auf Schistpaletten wie die des Königs Narmer, in dem wir viel-
leicht König Menes, den Reichseiniger, zu sehen haben. Andererseits
mag es auch verhältnismäßig naheliegend gewesen sein, zu handlicher
Größe reduzierte Kalksteinblöcke wie Ziegel zu verbauen, d. h. sie in
regelmäßigen Schichten aufzuführen. Imhotep machte sich offenbar
die Fortschritte in der Ziegelbauweise zunutze, indem er sie auf den
Kalkstein anwandte, um Schritt für Schritt die Schwierigkeiten zu
überwinden, die mit dieser Umstellung verbunden waren. Die Bauten
des Königs Djoser sind im Grunde nichts anderes als eine »Versteine-
rung« der thinitischen und prädynastischen Architektur, ein Vorgang,
der in der frühen griechischen Architektur, vor allem in den ersten
Bauten im dorischen Stil, seine Parallele hat.
Dennoch zeigt mehr als eine der gefundenen Lösungen die Unerfahren-
heit in der Kunst der Steinbauweise auf, so z. B. die noch nicht perfekte
Fugentechnik, dazu gehört auch die Zerlegung der Säulenschäfte in zu
viele Teile, was dann zur Folge hatte, daß sie durch Stege mit dem
Mauerwerk verbunden werden mußten; hierher gehört ferner das
Fehlen freistehender Säulen, die Verwendung von Rundhölzer imitie-
Der Bau der Pyramiden 241

renden Deckenblöcken und die Einfügung von Blöcken, wie sie nur in
der Holzbauweise notwendig wären. Überdies ist der Stein häufig wie
ein Stück Holz beim Schreiner behandelt: Davon zeugen zahllose Vor-
sprünge und Abarbeitungen, die mit größter Sorgfalt als Imitationen
von Holzteilen ausgeführt sind, bei denen diese Elemente konstruk-
tionsbedingt sind.
Nach unseren eigenen Beobachtungen sind innerhalb der Djoseranlage
Fortschritte und Vereinfachungen festzustellen, sowohl in der Aus-
rüstung als auch in der Bauweise. In bezug auf das Werkzeug nimmt die
Verwendung des Feuersteinbohrers (Abb. 53) zur Vorbereitung der
Blöcke ab, weil dieses Gerät offenbar zu schwerfällig war und vor allem
von zweifelhafter Anwendbarkeit bei Kalkstein, außer zum Bohren
von Vertiefungen und begrenzten Aussparungen. Dagegen nimmt die
Behandlung mit Hämmern aus härterem Stein und Kupfermeißeln,
die mit Holzschlegeln bearbeitet wurden, zu. Die Bohrspuren finden
sich ausschließlich an den Verkleidungsblöcken der ursprünglichen
Mastaba, die dann später von der Stufenpyramide überdeckt wurde,
während die Lagen der übrigen Verkleidungssteine die punktförmigen
Spuren von Schlägen mit Kupfermeißeln aufweisen.
Beim Mauerwerk werden einmal die Steinlagen größer, was besonders
an der Umfassungsmauer auffällt, wo die obere Mauerhälfte aus
größeren Steinen besteht als die untere. Aber auch an den Verkleidungs-
blöcken der Stufenpyramide ist dies gegenüber den voraufgehenden
Bauteilen, die dann verdeckt wurden, zu bemerken. Die größeren
Steinblöcke verleihen dem Mauerwerk mehr Zusammenhalt, außer-
dem wurde das Bearbeiten der Blöcke wirtschaftlicher und damit zeit-
sparender. Der Djoserbezirk verbindet also Anzeichen einer noch im
Frühstadium stehenden Technik mit Kunstformen, die am Ende einer
langen Entwicklung stehen. Wir werden gleichsam Zeugen des Aus-
klangs einer sehr alten Architektur, die auf den Erfahrungen der langen
Vorgeschichte aufbaute und in den beiden ersten Dynastien der
Thiniten ihren Höhepunkt erreicht hatte. Die Grabanlage des Königs
Djoser (Taf. 5) bewahrt auf diese Weise den Höhe- und Endpunkt der
thinitischen Kunst und markiert gleichzeitig den Beginn einer neuen
Kunst, die in das Alte Reich hinausweist, um in dieser Epoche ihre
Vollendung zu erreichen.
Die Ausgrabungen im Bereich der Stufenpyramide haben Werkzeug
zutage gefördert194, das beim Bau verwendet worden ist.
242 Das Geheimnis der Pyramiden

1) Steinwerkzeug
Neben walzen- oder kugelförmigen Diorithämmern, die ohne Schaft
oder Griff mit der bloßen Hand benutzt wurden, kommen längliche
Formen vor, die an der Schlagseite eine Kante und an der gegenüber-
liegenden Seite, dem Griffende, eine Verengung zum Befestigen eines
Schaftes aus Holz aufweisen. Abgeflachte Kalksteinkugeln wurden
zum Zermahlen von Kalksteinsplittern verwendet. Das auf diese
Weise hergestellte Pulver benutzte man als Mörtel für das sorgfältig
verfugte Mauerwerk der Verkleidung. Außerdem fanden wir Kalk-
steinwalzen mit einem Durchmesser von 20 cm und einer Länge
von 50 cm. Darüber hinaus sind Schlagbolzen aus Feuerstein und
sichelförmige Feuersteingeräte zu nennen. In das Ende ausgehöhlter
Holzgriffe eingelassen, die mit Gewichten gedreht wurden (Abb. 53),
dienten sie als Bohrköpfe.
Klingen und zweischneidige Messer aus Feuerstein, Schärfgeräte aus
Quarzit und Geräte aus Quarzit zum Bohren und Polieren der Stein-
gefäße195 vervollständigten die Ausrüstung.

Abb. 53: Bohrer mit Feuersteinklinge Abb. 54: »Granitstöpsel«


von der Grabkammer der
Stufenpyramide in Saqqâra

2) Werkzeug aus Kupfer


An Kupfergeräten kamen vor allem Dechsel- und Axtklingen mit
Schneide sowie Meißel in verschiedenen Größen oder mit Spitzen
zum Bearbeiten der Steine vor, wovon mehrere Exemplare gefunden
Der Bau der Pyramiden 243

oder die Spuren auf den Steinblöcken festgestellt wurden. In bestimm-


ten Fällen wurde auch die Sandsäge verwendet, die darin bestand, daß
eine Klinge, meist eine Kupferklinge, über angefeuchteten Quarzit-
körnchen hin- und hergeführt wurde. Rillen von 2 oder 3 mm Breite,
die manchmal noch ein wenig Grünspan enthielten, können nur auf
diese Weise erzeugt worden sein. Sie sind auf Blöcken entdeckt worden,
die einen Vorsprung enthielten oder eine Eintiefung mit rechteckigem
Querschnitt196. Unter Verwendung des gleichen Prinzips setzte man
auch Metallbohrer und Sand ein. So entstehen mit einem kupfernen
Zylinderbohrer, der auf Quarzitkörnchen gedreht wird, Vertiefungen
mit kleinstem Durchmesser selbst in härtestem Gestein, wobei ein
Bohrkern stehen blieb, der dann herausgebrochen wurde. Bei den
Grabungen im Bereich der Stufenpyramide wurde ein kleines zylinder-
förmiges Stückchen Granit gefunden, das noch die für den Arbeits-
prozeß typischen rundum führenden Rillen aufweist197.
Man hat sich oft gefragt, wie die Ägypter zur Steinbearbeitung ein so
weiches Metall wie Kupfer haben verwenden können. Fachleute sind
der Meinung, daß sie sich auf ein spezielles Härteverfahren verstanden
hätten, das wir heute nicht mehr kennen. Zugleich verweisen sie
darauf, daß in natürlichen Kupfervorkommen Beimischungen von
Arsen, Wismut und Eisen enthalten sind, so daß diese Bestandteile, die
nach dem damaligen Schmelzverfahren erhalten blieben, härteres
Kupfer entstehen ließen als nach heutigen Schmelzmethoden ge-
wonnen wird. Überdies trug das Hämmern des Metalls in erkaltetem
Zustand zur Härte bei, allerdings wurde damit nicht einmal die Härte
von Bronze erzielt. Offenbar verfügte jeder Steinmetz über einen
ganzen Satz von Meißeln, die sehr schnell verbraucht waren und von
einem Gehilfen neu geschliffen und gehärtet wurden.
3) Werkzeug aus anderen Materialien: Holz, Taue, ungebrannte Ziegel.
Holz wurde vor allem zur Schäftung verschiedener Stein- und Metall-
klingen benutzt, u. a. für Hämmer, Dechsel, Äxte und Bohrer. Die
Kupfermeißel wurden z.B. mit Holzschlegeln bearbeitet198. Holz
brauchte man aber auch als Material für Hebevorrichtungen, als Träger,
zum Anziehen von Tauen, zur Verankerung von Blöcken, für Gleit-
vorrichtungen für Taue und zum Ziehen, Aufrichten und Einlassen
von großen Blöcken.
Balken aus Sykomoren- und Akazienholz sind bisweilen noch an Ort
und Stelle, wo man sie verwendet hatte, gefunden worden, so z.B. im
244 Das Geheimnis der Pyramiden

Mauerwerk, das die ins vermutliche Kanopengrab des Djoser in der


Umfassungsmauer an der Südseite führende Treppe blockierte199. Über
der Öffnung des Zugangs zur granitenen Kammer dieses Grabes
befindet sich noch ein Holzbalken, der Gleitspuren aufweist. Die
Öffnung war mit mehreren Granitblöcken verschlossen, die mittels
des Balkens senkrecht hinabgelassen worden waren. Die zylindrische
Öffnung des Eingangs zum Grab unter der Stufenpyramide war mit
einem kegelstumpfförmigen Granitblock stöpselartig verschlossen,
der etwa 3,5 Tonnen wog. Auch dieser Block muß auf ähnliche Weise
über massive Holzbalken hinabgelassen worden sein, denn er trägt
noch die Kehlungen, die zur Befestigung der Seile notwendig waren
(Abb. 54 und Taf. 6a).
Im Magazin des Südgrabes, wo große Tonkrüge und Alabastergefäße
abgestellt worden waren, fanden sich die Reste einer Holztrage. Diese
Art Tragbahre ist hier sicher zum Transport der großen Gefäße ver-
wendet worden, konnte an anderer Stelle aber auch für alle möglichen
anderen Transportarbeiten auf der Baustelle eingesetzt werden.
Obwohl bisher keine Überreste nachgewiesen wurden, ist zweifellos
auch der Schlitten für große Steinblöcke bereits bei der Djoseranlage in
Benutzung gewesen, so wie wir ihn später als übliches Transportmittel
für sehr schwere Gegenstände kennen. Anders können bestimmte
Kalkstein- oder Granitblöcke, die im Djoserbezirk vorkommen, wie
z.B. auch die Verkleidungssteine der Stufenpyramide, nicht transpor-
tiert worden sein. Folgender Befund läßt darauf schließen: Als Füll-
material kommen häufig große Mengen Steinabschläge vor, was darauf
hindeutet, daß die Steinmetzarbeit auf der Baustelle stattgefunden hat
und die Blöcke in dem Zustand hierher gebracht wurden, in dem sie in
den Steinbrüchen gebrochen worden waren, d. h. also, es muß sich
zum Teil um recht umfangreiche Blöcke gehandelt haben.
Als Füllmaterial vermischt mit den Steinabschlägen kommen auch
ungebrannte Ziegel vor. Sie weisen meist ein sehr kleines Format auf
und stammen wohl von Rampen oder Gerüsten, die für den Bau der
Pyramide, der verschiedenen anderen Bauten und der Umfassungs-
mauer notwendig waren.
Damit haben wir im wesentlichen die Materialien aufgezählt, die wir
im Bezirk der Stufenpyramide als Werkzeug und Baumaterial fest-
stellen können. Für die Realisierung eines solchen Bauvorhabens läßt
sich daraus folgendes schließen:
Der Bau der Pyramiden 245

Zunächst einmal mußten die Steinbrucharbeiter, Steinmetzen und


Skulpteure, die bis dahin für die Herstellung von Steingefäßen ein-
gesetzt waren, zusammengezogen werden. Für die Feinarbeit an den
Steinen wurden Kupfermeißel eingeführt, nachdem die grobe Bearbei-
tung mit Steinhämmern aus Dolerit oder Quarzit erfolgt war. Vor
allem galt es, die im Umgang mit der Lehmziegelbauweise gewonnenen
Erfahrungen der Schichtung in regelmäßigen Lagen auf Steinblöcke
anzuwenden. Darüber hinaus war es notwendig, die Transport- und
Hebearbeiten für schweres Material mittels Holzbalken, Hebevorrich-
tungen, Tauen und Schlitten sowie Rampen aus ungebrannten Ziegeln
zu organisieren, was zur Folge hatte, daß die Menschen in Gruppen
eingesetzt werden mußten. Auch der Ausbau der Schiffskapazität für
den Steintransport wurde notwendig, u. a. um den Granit aus Assuän
und verschiedene andere Gesteinsarten aus Mittel- und Oberägypten
heranzuführen sowie den feinen Kalkstein aus dem Gebiet von Tura
gegenüber der Nekropole von Saqqâra auf dem Ostufer des Nils über-
zusetzen, wobei sich als günstigster Zeitpunkt die Monate der Über-
schwemmung erwiesen haben werden.
Diese Voraussetzungen sind im wesentlichen unverändert auch für
den Bau der großen Pyramiden anzunehmen, der sich unmittelbar an
die Errichtung der Stufenpyramide des Djoser unter der Leitung des
bedeutenden Architekten Imhotep anschloß. Das Werkzeug dürfte
mehr oder minder das gleiche geblieben sein, aber aufgrund zu-
nehmender Erfahrung und ständig wachsender Kenntnisse in der
Praxis wurden zweifellos Fortschritte erzielt, die auch zu effektiverer
Organisation der Baustellen und kühneren Unternehmungen im
Transportwesen führten. Die Bewältigung immer größerer Steinblöcke
erreichte ihren Höhepunkt unter Cheops und Chephren. Hölscher200
führt unter den Blöcken des Chephren-Taltempels solche von 50 bis
60 Kubikmeter auf, die mehr als 150 Tonnen wiegen, und im Toten-
tempel an der Pyramide fand er einen Block in der Abmessung von
13,40 m Länge mit 180 Tonnen Gewicht, ja sogar einen Monolith von
170 Kubikmetern mit dem kaum faßbaren Gewicht von fast 500
Tonnen. Derartige Blöcke konnten natürlich nicht auf Schlitten
geladen werden, in der unmittelbaren Umgebung gebrochen, müssen
sie mit Hilfe von Hebeln bewegt und auf kräftigen Rundhölzern, die als
Rollen untergelegt wurden, auf einem Untergrund aus angefeuchte-
tem Flußschlamm fortbewegt worden sein.
246 Das Geheimnis der Pyramiden

Außer dem gelben anstehenden Kalkstein für das Pyramidenmassiv


mußten nicht nur die Verkleidungssteine aus Tura, sondern auch der
Granit aus Assuän mit Lastschiffen herangeführt werden. Die mono-
lithen Säulen wiegen zwischen 12 und 14 Tonnen, manche Pfeiler
20 Tonnen, und zwei Verkleidungsblöcke an der Basis der Fassade des
Chephren-Taltempels erreichen das Doppelte an Gewicht. Hölscher
hat im Unterpflaster in der Nähe der Einlaßstellen für die Pfeiler-
statuen im Statuenhof des oberen Tempels kreisförmige Löcher von
25 cm Durchmesser und durchschnittlich gleicher Tiefe, fast gleich-
mäßig in Dreierreihen angeordnet, gefunden. Er meint zu Recht, daß
darin Einlaßstellen für Gerüste zu sehen sind, über die mit Tauen die
Pfeilerstatuen, die mit einer starken Neigung eingelassen worden
waren, in ihre Verankerungen gezogen wurden. Allerdings liefen diese
Taue nicht, wie Hölscher in der Zeichnung wiedergibt, über Seilschei-
ben, die die Ägypter damals noch nicht kannten, sondern glitten über
kräftige Rundhölzer, die vorher vielleicht eingefettet worden waren.
Die Bodenplatten des Tempels weisen vor allem entlang der Granit-
verkleidung zahlreiche rechteckige Vertiefungen auf, die sorgfältig mit
kleineren Granitabschlägen in Gipsmörtel ausgebessert sind, was
darauf schließen läßt, das sie nicht von Zerstörungen herrühren
können. Hölscher ist der Meinung, daß es sich hier nicht um Einlaß-
stellen für Hebebäume handelt, die an vielen Stellen nicht hätten

Abb. 55: Vorsatzzange mit Griffklauen Abb. 56: Kippschlitten


als Hebelgerät, nach: Hölscher (nach: Legrain und Choisy)
Der Bau der Pyramiden 247

betätigt werden können, sondern daß sie für den Einsatz von Vorsatz-
zangen mit Griff klauen (Abb. 55) vorhanden waren, die das genaue
Einlassen der Verkleidungssteine ermöglicht hätten. Dazu hätte es
nach Hölscher einer einfachen Kranvorrichtung bedurft. Aber das war
vielleicht gar nicht nötig; denn die Taue der Zangen hätten auch
einfach um massige Rundhölzer laufen können, die horizontal auf
zwei provisorischen Mauern aus ungebrannten Ziegeln auflagen. Wie
dem auch sei, im Chephrentempel hat man offenbar vor allem Hebe-
bäume benutzt, in einigen Fällen aber wohl auch solche Hängevorrich-
tungen.
Auch während der 5. Dynastie sind noch Blöcke von beträchtlichem
Ausmaß verbaut worden. In der Pyramide des Niuserre gibt Borchardt
für die Deckenblöcke der Grabkammer nicht weniger als 40 Kubik-
meter mit einem Gewicht von mehr als 100 Tonnen an. Die besonders
ansprechenden Palmkapitell- und Papyruskapitellsäulen aus Granit
oder Quarzit, wie sie in den Totentempeln dieser Epoche vorkommen,
bestehen aus Monolithen von bisweilen mehr als 6 m Höhe mit einem
Gewicht von 11 Tonnen. Der Transport solcher Palmsäulen und von
Architraven oder Kranzgesimsen mit Hohlkehle auf Lastkähnen ist
auf den Reliefs vom Unas-Aufweg dargestellt. Sie erscheinen dort auf
Schlitten festgezurrt (Abb. 57). Die Giebelblöcke über den Grab-
kammern in der Pyramide des Unas und denen seiner Nachfolger
wiegen immer noch zwischen 30 und 40 Tonnen.
Zu den berühmtesten Darstellungen eines Schlittentransports gehört
wohl die Szene im Grab des Gaufürsten Djehutihotep aus der 12.

Abb. 57: Reliefdarstellung vom Aufweg des Unas: Transport von Granitsäulen für
den Toten tempel. Die monolithen Säulen sindauf Transportbarken festgezurrt und
auf diese Weise von Elephantine im Süden herangeschafft worden
248 Das Geheimnis der Pyramiden

Dynastie, wo eine überlebensgroße Alabasterstatue des Gaufürsten


transportiert wird201. Nach den Inschriften war die riesige Sitzfigur
13 Ellen hoch, sie müßte demnach einige sechzig Tonnen gewogen
haben. Die Darstellung (Abb. 58) zeigt, daß der Koloß von 172 Mann
auf dem Schlitten gezogen wird. Die in vier Registern übereinander
angeordneten Leute waren in vier Reihen aufgeteilt. Auf den Füßen der
Statue steht ein Arbeiter, der Wasser unter die Schlittenkufen gießt,
damit sie auf dem lehmigen Boden besser gleiten, während drei weitere
Männer an Tragstangen zusätzliche Krüge mit Wasser bereithalten.
Dahinter folgen noch einmal drei Männer, die einen großen Balken mit
Kerben in unregelmäßigen Abständen auf den Schultern tragen.. Über
die Verwendung dieses Balkens sind verschiedene Hypothesen auf-
gestellt worden202, bis H. Chevrier erst vor kurzem die Lösung des
Problems brachte203. Danach handelt es sich weder um einen Hebe-

Abb. 58: Schlittentransport der Kolossalstatue des Djehutihotep (12.


Dyn.)

balken noch um einen Querbalken, sondern um einen Bremsschuh,


den man horizontal und quer zum Schlitten unter die Schrägflächen
der Schlittenkufen legte. Der Balken war mit einer Haltevorrichtung
versehen, die sich in den sandigen oder lehmigen Boden bohrte, und die
ebenfalls bodenwärts gerichteten Kerben dienten zusätzlich zur Halte-
rung. Mußte der Schlitten auf abschüssigem Terrain angehalten
werden, war er blockiert und konnte nicht zurückrutschen.
Der Bau der Pyramiden 249

Diese Treidel- oder Schlepptransporte erforderten viel Kraftaufwand,


wie aus der Darstellung deutlich hervorgeht, so daß man offenbar
Interesse daran hatte, soweit als möglich Wasserwege auszunutzen.
Die Überschwemmungszeit war hierfür besonders geeignet. Wir dürfen
annehmen, daß in diesen Monaten die Vorbereitungen für die folgenden
getroffen und möglichst viele Steine transportiert wurden.
Die Kais und Torbauten der Pyramidenanlagen an der Grenze zum
Fruchtland (Abb. 18 und 21), die in erster Linie für den Empfang des
Trauerzuges und danach der Abordnungen für den Totenkult oder die
Überbringer der Opfergaben gedacht waren, haben offenbar vorher als
tatsächliche Landeanlagen und Häfen für die Versorgung der Pyra-
midenbaustellen gedient. Angesichts der großen Bedeutung dieser
Landeanlagen, die in der nur 4 Monate währenden Überschwem-
mungszeit nicht ausreichend genutzt worden wären, hatte man
zweifellos einen Kanal an der Grenze zur Westwüste gezogen204. Er war
über ein Kanalsystem mit dem Nil verbunden, so daß aus den Wasser-
reservoirs geschöpft werden konnte, wenn die Überschwemmungs-
wasser zurückgegangen waren.
Herodot (Historien II, 99) versichert, daß Menes, der erste König
Ägyptens, den Nil umgeleitet habe oberhalb der Stelle, wo er Memphis
zu gründen sich anschickte, indem er den Flußlauf von der libyschen
Wüste weg und zur Mitte der Ebene hingelenkt habe: »Noch jetzt
erhalten die Perser diesen durch Abdämmung geschaffenen Nilwinkel
mit großer Sorgfalt und machen jedes Jahr Ausbesserungsarbeiten
daran. Bräche der Nil einmal hier durch, so wäre Memphis in größter
Gefahr, überschwemmt zu werden.«
Nun, ein solches Riesenunternehmen des Menes mutet ebenso un-
wahrscheinlich wie unnütz an. Spuren dieses Bogens könnten dagegen
die Reste eines alten, vom Fluß abgezweigten Kanals gewesen sein, der
von den Pyramidenbauern längs der Nekropolengrenze aus den oben
genannten Gründen errichtet worden war. Zu Zeiten Herodots gaben
die Reste dann zu dieser irrtümlichen Auslegung Anlaß. Zugleich
erwähnt Herodot, der auch über die gewaltigen Mühen berichtet, die
der Transport der Steine und der Bau der dafür notwendigen Straße
kostete, unterirdische Kammern (Historien 124): ». . . und es dauerte
zehn Jahre, ehe nur die Straße gebaut war, auf der die Steine daher-
geschleift wurden .. . Zehn Jahre vergingen also, bis diese Straße und
die unterirdischen Kammern auf jener Höhe, auf der die Pyramiden
250 Das Geheimnis der Pyramiden

stehen, gebaut waren. Die Kammern sollten seine Grabkammern sein,


und er baute sie als Inseln, indem er einen Nilkanal in den Berg hinein-
leitete.«
Es ist nicht ganz einfach festzustellen, auf welche unterirdischen
Räume er hier anspielt. Handelte es sich um Kammern und Gänge der
Pyramiden selbst oder solche anschließender Bauten? Wir meinen,
daß Herodot an die Räume des Taltempels denkt, die zu seiner Zeit
wohl schon vom Sande verschüttet waren und deshalb als unter-
irdisches Bauwerk erscheinen konnten. Zumal zur Überschwem-
mungszeit mußte der Tempel mit seinem Landeplatz den Eindruck
erwecken, als sei er fast gänzlich vom Wasser umgeben. Die Existenz
eines Kanals würde sich damit erklären, daß das Anlegen zu allen
Jahreszeiten notwendig war, was, wie wir ausgeführt haben, auch den
Transport der Steine, die für den Bau der Pyramidenanlage des Cheops
notwendig waren, erheblich erleichtert hätte.
Lagen nun die Materialien bereit, begann im Grunde der schwierigste
Teil der Arbeit, der Organisationstalente ersten Ranges erforderte.
Dann nämlich mußten die Blöcke auf die Pyramide gehievt werden,
selbstverständlich immer höher hinauf, je weiter der Bau wuchs. Wie
haben die Ägypter das wohl bewerkstelligt?
Seit dem Altertum stehen sich dazu zwei Thesen gegenüber. Die eine
geht auf Herodot zurück. Dort heißt es, man habe sich hölzerner
Maschinen bedient, mittels derer die Blöcke von Stufe zu Stufe gehoben
worden seien. Nach der zweiten These, die u. a. Diodor vertritt (I, S. II
art. XV), hätten die Ägypter noch »keine Hebegeräte gekannt«, sondern
mit Erdaufschüttungen gearbeitet. Herodots Maschinenbericht soll an
dieser Stelle zitiert werden, weil darüber so viel Tinte vergossen
worden ist (Historien 125): »Bei ihrem Bau* verfuhr man folgender-
maßen. Zunächst ist sie stufenförmig, treppenförmig, oder wie man es
nennen will, gebaut worden; die zur Ausfüllung des Treppendreiecks
bestimmten Steine wurden mittels eines kurzen Holzgerüstes hinauf-
gewunden. So hoben sie sie von der Erde auf den ersten Treppenabsatz,-
dort legten sie sie auf ein anderes Gerüst, durch das sie auf den zweiten
Treppenabsatz hinaufgewunden wurden. Soviel Stufen, soviel solcher
Hebevorrichtungen waren vorhanden, falls diese Hebevorrichtungen
nicht so leicht tragbar waren, daß man ein und dieselbe von Stufe zu

* Gemeint ist die Cheopspyramide.


Der Bau der Pyramiden 251

Stufe hob, nachdem man den betreffenden Stein herabgenommen


hatte. Mir ist nämlich beides erzählt worden, weshalb ich beides an-
führe. So wurde zuerst die Spitze fertiggestellt, dann abwärts bis
schließlich zu den untersten Stufen herab
Herodot spricht hier offenbar vom Verlegen der Verkleidungsblöcke,
denn der Einsatz der Maschinen setzt bereits ein Massiv mit Stufen
voraus, das, wie er indirekt angibt, auf andere Weise zustande-
gekommen wäre,- dann kann es sich aber nur um ein Rampensystem
gehandelt haben. Es ist aber auch möglich, daß Herodot, der ja kein
Architekt war, die Erläuterungen falsch verstanden hat, denn wenn
derartige Maschinen existiert hätten, dann versteht man nicht recht,
warum sie nicht für den gesamten Bau eingesetzt worden sind.
Wie auch immer und obwohl Herodots Angaben mit Vorsicht zu
betrachten sind, wie an anderer Stelle auch, so hat sich doch eine ganze
Reihe von Wissenschaftlern mit der Frage dieser Hebevorrichtungen
befaßt. Choisy205 dachte an ein Gerät, das Legrain als Kippschlitten
bezeichnet hatte206. Es handelt sich um eine Art Schlitten mit ge-
bogenen Kufen bzw. kreissegmentförmigen Wangen (Abb. 56), der in
Gräbern des Neuen Reiches als Modell in den Fundamentbeigaben
gefunden worden ist. Hier nun sollte bereits der erste Einwand an-
setzen, denn die Modelle stammen erst aus dem Neuen Reich und sind
nicht bereits im Alten oder Mittleren Reich belegt. Überdies sind sie
sehr klein, so daß man sich die originale Größe eines solchen Gerätes
schwer vorstellen kann, und obendrein fragt es sich, ob die Querhölzer
als tragendes Element wohl Blöcke vom Format und Gewicht der
Quader, wie sie für den Pyramidenbau verwendet wurden, hätten
befördern können. Die Sache bleibt also problematisch. Somers Clarke
und Engelbach207 bezweifeln schlichtweg diese Art der Verwendung,
sie meinen vielmehr, daß der Kippschlitten zum Aneinanderpassen
der Blöcke verwendet worden sei, die damit auf der Baustelle genaue-
stens aneinandergefügt und zurechtgehauen worden wären, bevor man
sie an ihrem jeweiligen Platz einließ. Dieser erfindungsreiche Gedanke
läßt sich unserer Ansicht nach jedoch auch nicht besser beweisen als
die Hypothese von Choisy und Legrain. So stark man an der Ver-
wendung des Kippschlittens beim Pyramidenbau überhaupt zweifeln
kann, muß doch seine Verwendung umfassender gewesen sein, als
* Herodot kann sich hier nur auf die letzten Glättungsarbeiten an der Verkleidung beziehen,
die man natürlich von oben begann.
252 Das Geheimnis der Pyramiden

Clarke/Engelbach vorschlagen; denn für den speziellen Arbeitsprozeß,


den sie annehmen, hätten Rollen und Unterlegklötze vollkommen
ausgereicht. Der Hypothese von der Verwendung als Bogengerüste für
Lehmziegelwölbungen entgegnet Choisy mit dem Hinweis darauf,
daß die Ägypter damals schon seit langem ihre betreffenden Konstruk-
tionsprobleme ohne derartige Bogengerüste gelöst hatten.
Der deutsche Ingenieur Louis Croon diskutiert in seiner Dissertation 208
von Herodot ausgehend, ebenfalls das Problem des Transports und
Aufschichtens der Pyramidenblöcke. Nachdem er zunächst anhand
akribischer Berechnungen nachzuweisen versucht, daß die Verwendung
von Rampen auszuschließen sei, weil deren Anlage fast soviel Zeit
gekostet haben würde wie der Bau der Pyramide selbst und zudem die
letzten Meter zur Spitze hin auf diese Weise gar nicht hätten fertig-
gestellt werden können, hält er eine Hebevorrichtung für unabdingbar
notwendig. Den Kippschlitten von Choisy betrachtet er als ungeeignet,
weil selbst bei Einsatz von vielleicht 3500 solcher Geräte der Bau der
Großen Pyramide in dem vorauszusetzenden Zeitraum niemals hätte
geschafft werden können. Auf jeden Fall wäre das von Choisy vor-
geschlagene System einer kleinen Zahl von Montage-Treppen für den
Kippschlittenbetrieb ganz und gar unzureichend gewesen.

Abb. 59: Altägyptische Darstellung eines Schadûfs


Der Bau der Pyramiden 253

Croon bringt dann ein Gerät in Vorschlag, das nach dem Prinzip des
ägyptischen Schadüfs gearbeitet hätte, jener Hebevorrichtung, mit der
die Fellachen noch heute Wasser schöpfen und die es bereits im Alter-
tum gab (Abb. 59). Dieser Apparat (Abb. 60) hätte als wesentlichsten
Bestandteil einen Wippbalken gehabt, der vertikal schwenkbar über
eine horizontale Achse lief, allerdings nicht im Gleichgewicht ge-
halten, sondern mit einem längeren und einem kürzeren Ende. Dieser
Balken hätte durch Stützen in der gewünschten Höhe gehalten werden
können. Der Block wäre am kürzeren Balkenende aufgehängt worden
und eine bestimmte Anzahl Leute hätten als Gegengewicht am Kraft-
arm des Wippbalkens gezogen. So wäre der Block auf die nächst höhere

Abb. 60: Hebevorrichtung beim Pyramidenbau, Vorschlag: L. Croon

Stufe gehievt worden, wo er dann mittels Bohlen, Unterlegklötzen und


Hebebäumen hätte heruntergleiten können. Dieser Vorgang hätte sich
von Stufe zu Stufe und Schicht um Schicht wiederholen können, so
daß es keiner Rampen bedurft hätte. Wir möchten diese Theorie doch
254 Das Geheimnis der Pyramiden

etwas ausführlicher erörtern, denn sie taucht in populären und weit


verbreiteten Büchern auf und wird dort als gut fundiert angeführt209
Zunächst einmal hat Croon trotz seiner detaillierten Berechnungen
nicht alle Argumente für die Verwendung von Rampen entkräftet.
Sowohl hinsichtlich ihrer Lage als auch der fortschreitenden Erhöhung
hat er nur die Fälle untersucht, die seine abschlägige These stützen,
nicht aber solche Anlagen, die den tatsächlichen Bedürfnissen des
Pyramidenbaus entsprachen.
Dazu muß man vor allem bedenken, daß sich bei Bauten von Pyra-
midenform die Menge des Materials von Schicht zu Schicht im Ver-
hältnis zum Anwachsen des Bauwerks in der Höhe sehr schnell ver-
ringert.
Präziser ausgedrückt: die Oberfläche jeder Schicht nimmt im Ver-
hältnis zur Basis proportional gleich dem Quadrat des Bruches der
Höhenstrecke der Pyramide, die noch zu bauen ist, ab. In der Mitte der
Pyramide beträgt die Menge der Blöcke für eine Lage Steine ¼ der
Menge (= ½ Höhe im Quadrat = ¼), die an der Basis notwendig ist;
auf ¾ ihrer Höhe ist diese Menge nur mehr 1/16 und in der Höhe von 7/8
nur mehr 1/64. Wenn z.B. 64000 Blöcke die Basisschicht bildeten, dann
braucht es in halber Höhe nur mehr 16000 und in einer Höhe von 7/8
nur mehr 1000.
Bei der Frage, wieviele Arbeiter gleichzeitig auf einer Lage eingesetzt
werden konnten, geht es nicht nur um den Platz, den jeder Arbeiter
brauchte, so als wenn es sich um Kanalarbeiten handelte. Selbst bei der
untersten Schicht, die die riesige Fläche von 5 Hektar bedeckt, war es
nicht möglich, die Arbeiter gleichmäßig zu verteilen,- zwar wurde hier
sicher an verschiedenen Stellen gleichzeitig gearbeitet, aber es mußten
freie Bereiche in einer oder mehreren Richtungen bleiben, damit die
Steine an ihren jeweiligen Platz gerückt werden konnten, außerdem
mußten sie ja herangeschafft werden, so daß der Auf- und Abgang der
Arbeiter und Esel vonstatten gehen konnte. Mit dem allmählichen
Fortschreiten beim Aufbringen einer Schicht wurde die Arbeitsfläche
für die Arbeiter zunehmend sehr schnell kleiner, so daß, um die Trupps
nicht ständig auseinanderreißen zu müssen, diese in ein oder zwei
Reihen aufgeteilt werden mußten. Die Zahl der eingesetzten Arbeiter
verhielt sich demnach proportional zur Länge einer Schicht, die Breite
der Annäherungsrampe war abhängig von dieser Länge und nahm von
Stufe zu Stufe ab.
Der Bau der Pyramiden 255

Croon bezieht bei seinen Lösungen den verhältnismäßig raschen Rück-


gang im Bedarf an Menschen und Material nicht ein. Er setzt z.B. für
den Rampenweg eine durchgehende Breite von 8 m an, was für die
oberen Steinlagen der Pyramide zu viel, für die unteren dagegen zu
wenig ist. Nach Croon hätten die Rampen ja von Schicht zu Schicht
verlängert und erhöht werden müssen, so daß auch die Seiten-
böschungen und die Befestigung des Transportweges, der eigentlichen
Fahrbahn, in diese ständige Erweiterung einbegriffen gewesen wären
(Abb. 61).
Der Idealfall hätte zweifellos in einer Rampe bestanden, die auf jeder
Schicht die Breite der Pyramidenseitenlänge gehabt hätte, aber eine
solche Aufschüttung wäre natürlich zu gewaltig geworden, und tat-
sächlich bedurfte es dieses gigantischen Volumens auch gar nicht.
Nahe der Pyramidenspitze reichte eine Wegbreite von 2,50 m, während
in den unteren Lagen wohl eine Breite von 70 bis 100 m als sinnvoll
erscheinen muß. Ein solcher Unterschied war zweifellos realisierbar,
wenn die Rampe mit einem sehr breiten Weg anfing (Abb. 62) und mit
ihrer Erhöhung und Verlängerung an Breite abnahm.
Croon läßt die Rampe bei der Großen Pyramide etwa 10 m unter der
Spitze enden mit dem Argument, daß die weitere Erhöhung soviel
Volumen erfordert hätte, daß es in keinem Verhältnis mehr zum
Volumen der benötigten Steinquader gestanden hätte. Nach unserem

Abb. 61: System der Rampenerhöhung und -erweiterung nach Croon


256 Das Geheimnis der Pyramiden

Vorschlag für die Rampe aber hätte das Volumen an benötigten Nil-
schlammziegeln von Lage zu Lage abgenommen und wäre erheblich
geringer gewesen als von Croon angenommen. Doch wie auch immer:

Abb. 62: System der Rampenerhöhung und -erweiterung nach einem Vorschlag
von Lauer
Der Bau der Pyramiden 257

Croon kommt zu dem Schluß, daß man nahe der Spitze nicht mehr
Platz genug gehabt habe, um die Länge einer Steinschlittenkolonne
mit 15 m* zu verkraften, so daß also in größerer Höhe Hebevorrich-
tungen notwendig gewesen seien.

Dieser Schluß liegt nun aber keineswegs nahe, denn unserer Ansicht
nach ließ sich dieses Schlepprinzip bis zur Spitze durchführen. Die
Arbeiter hätten z.B. ihre Seile über Rundhölzer wickeln können, die
jenseits der Grenzen der vorläufigen Plattform der Pyramide horizontal
befestigt waren. Dann konnten sie auf der Rampe wieder hinunter-
gehen oder auf einer Plattform aus Ziegeln ihren Weg fortsetzen. Diese
Ziegelplattform hätte über diejenige der Pyramide wie auf Abb. 63 vor-
geschlagen hinausgeragt.

Abb. 63: Bau der Pyramidenspitze, Vorschlag: Lauer

Eine solche Plattform, die man als eine Art Turmgerüst mit Mauern
und einer geringfügigen Neigung bezeichnen könnte, hätte von einer
Breite von vielleicht zwei oder drei Ellen (1,05 m - 1,60 m) an allen vier
Seiten ausgehen können. Dieses Gerüst konnte man aber gleichzeitig
zum Aufbringen und Zurechthauen der Bekleidungsblöcke benutzen.
Das Turmgerüst wäre mit jeder Steinlage gewachsen bis zu der Platt-
form, auf die der monolithe Schlußstein, das Pyramidion aus Granit,
aufgebracht worden wäre (Abb. 63/64)210.
* 48 Arbeiter sind als erforderlich errechnet. Bei je 4 Arbeitern nebeneinander würde der
Vorspann aus 12 Reihen hintereinander bestehen. Da jede Reihe etwa einen Raum von 1 m
Länge beansprucht, würde der Vorspann 12 m lang sein, 3 m kämen für den Schlitten hinzu.
258 Das Geheimnis der Pyramiden

Abb. 64: Pyramidion aus schwarzem Granit von der Pyramide des Chendjer
(13. Dyn.)

Zusammenfassend läßt sich wohl sagen: Eine im Basisbereich der


Pyramide sehr breite, senkrecht auf eine Seite zulaufende Rampe
dürfte wohl ausgereicht haben, vorausgesetzt, daß diese Rampe einen
sehr breiten Transportweg - an die 100 m breit - hatte, so daß auf
einmal eine ganze Reihe von Transportschlitten hätten bewegt werden
können. Mit jeder Steinlage wäre der Weg dann schmaler geworden,
wobei vor dem Aufsetzen des Pyramidions vielleicht nur noch 2-3 m
ausgereicht hätten (Abb. 63). Wenn wir dieser Rampe mit Croon ein
Gefälle von 20° geben und am Fuß der Pyramide eine Breite von 70 m
rechnen, dann hätte sie ein Volumen von 500000 Kubikmetern gehabt
oder weniger als 1/5 des Pyramidenvolumens. Nehmen wir statt der
70 m 100 m an, dann erreicht die Rampe ein Volumen von 730000
Kubikmetern, und wenn wir für letzteren Fall den Neigungswinkel auf
15° reduzieren, dann würde das Volumen die Zahl von 1 Mio. Kubik-
metern etwas überschreiten. Immerhin ergeben diese Zahlen nur 1/5,
ѿ bzw. 2/5 der Pyramide, und die Erstellung der Rampe aus unge-
brannten Nilschlammziegeln hätte auch nicht im entferntesten an die
Schwierigkeiten des Pyramidenbaus herangereicht.
Auch das zweite von Croon in Erwägung gezogene Rampenprojekt ist
nicht recht einleuchtend. Danach hätte man unter der Voraussetzung
des Stufenbaus eine Vielzahl kleiner Rampen um das innere Quader-
mauerwerk der Pyramide herum aufgeführt und im Verhältnis, wie
Der Bau der Pyramiden 259

diese in die Höhe gewachsen wäre, nach und nach wieder abgetragen.
Danach wäre die Transportleistung im Verhältnis zur vorauszusetzen-
den Bauzeit erhöht worden. Aber auch mit diesem Rampensystem
könne die Pyramide nach Croon nicht ausschließlich errichtet worden
sein.

Abb. 64 a: Einzelrampen beim Pyramidenbau, nach: Lastentransport beim Bau der


Pyramiden, von Louis Croon, Hannover 1925
260 Das Geheimnis der Pyramiden

Dazu ist zu bemerken: Wenn diese Art der parallel zu den Seiten
angelegten Rampen in Frage käme, so hätte man jeder Seite eine Art
Verkleidung mit einer mittleren Breite von vielleicht 10-20 Ellen
(5-10 m) geben müssen, in deren Bereich dann die Rampen angelegt
und Plattformen für die Arbeiten geschaffen worden wären, die sich
ebenfalls Stufe um Stufe mit der Pyramide erhöht hätten. Sonst wären
die Rampen zu schmal gewesen, so daß die Arbeiter nicht genügend
Platz gehabt hätten. Die Pyramide hätte dann während der Bauzeit den
Anblick eines riesigen Hügels aus ungebrannten Nilschlammziegeln
geboten. Setzt man das Verkleidungssystem mit einer mittleren Breite*
von 10 m an, käme man auf 700000 Kubikmeter, d. h. ein wenig mehr
als 1/4 des Pyramidenvolumens. Es hätte aber fast den gleichen Auf-
wand an Volumen erfordert wie eine senkrecht auf die Pyramide zu-
führende Rampe von 100 m Breite an der Basis. Halten wir fest: Die
ersten drei oder vier Pyramidenlagen hätten mit einfachen Erdauf-
schüttungen senkrecht zu den Pyramidenseiten aufgebracht werden
können. Diese Glacis konnten dann bedeckt und zu Parallelrampen
umgewandelt werden. Sie hätten zunächst wohl aus zwei und zwei
sich gegenüberliegenden Rampen, d. h. vier an jeder Seite, bestehen
müssen, die nach und nach auf je zwei reduziert und schließlich auf
eine hätten beschränkt werden können. Weiter oben dann hätten wohl
zwei Rampen insgesamt ausgereicht, wobei jede an zwei Pyramiden-
seiten entlanggelaufen wäre, zuletzt hätte eine Rampe für alle vier
Seiten zur Spitze hin den Abschluß gebildet. Wenn die letzte Erhöhung
noch nicht ausgereicht hätte für die Spitze, dann konnte man das
Turmgerüst, das auf der umlaufenden Plattform aus Ziegeln für die
Kalksteinverkleidung aufgesessen hätte, benutzen.

Auf die beiden aufgeführten Möglichkeiten läuft es im Grunde hinaus:


eine senkrecht auf eine Pyramidenseite hinführende Rampe oder
mehrere umgreifende Rampen. Letztere hätten etwa das gleiche
Ziegelvolumen aufgewiesen, aber ab einer bestimmten Höhe recht-
winklige Biegungen gehabt, sicher von Nachteil für den Schlitten-
transport. Möglicherweise haben die Ägypter beide Systeme aus-
probiert, wobei sie unserer Meinung nach die erste Lösung vorgezogen
haben dürften.
* Es hätte in den unteren Lagen breiter sein müssen, während es zur Spitze hin schmaler
werden konnte.
Der Bau der Pyramiden 261

Doch nach wie vor beschäftigt der oben zitierte Text von Herodot die
Grübler, die über den Holzapparat nachsinnen, der den Ägyptern das
Hochhieven der großen Verkleidungsblöcke ohne Rampen ermöglicht
hätte.
In der Berner Wochenzeitschrift »Technische Rundschau« (Nr. 42 und
43 vom 17. und 24. Oktober 1952) veröffentlichte Hermann Strub-
Roessler eine Studie unter dem Titel »Vom Kraftwesen der Pyra-
miden«. Neben verschiedenen Erwägungen, auf die wir hier nicht ein-
gehen können, kommt er zu dem gleichen Ergebnis wie wir, nämlich
daß beim Pyramidenbau der Bedarf an Menschen und Material in den
verschiedenen Stadien unterschiedlich war. Die Benutzung von Ram-
pen lehnt er allerdings ab. Er nimmt für das Emporheben der Ver-
kleidungsblöcke große Schwenkkrane an (Abb. 65). Dagegen sind drei
gewichtige Einwände vorzubringen:
1) Diese Vorrichtungen entsprechen nicht den bei Herodot erwähnten
»kurzen Holzgerüsten«.
2) Für die Aufstellungen dieser Vorrichtungen boten die Pyramiden-
lagen selbst wohl nicht ausreichende Stabilität.
3) Selbst wenn der Einsatz dieser Geräte auf den unteren Lagen noch
einleuchten mag, dürfte das freischwebend in mehr als 100 m Höhe
kaum vorstellbar sein, denn die Zugseile hätten dann 150 bis 200 m
lang sein müssen.
Außerdem nimmt Strub-Roessler an, daß die Verkleidung der Pyra-
miden von der Spitze ausgegangen sei, ein Irrtum, der auf Herodot
zurückgeht. Wie wir bereits erläutert haben, kann es sich dabei nur um
die letzten Glättungsarbeiten gehandelt haben, denn Blöcke dieser
Größe und dieses Gewichts lassen sich nicht untereinander angeordnet
aufbringen.

Um seine Technik theoretisch zu realisieren, ist Strub-Roessler ge-


nötigt, die Blöcke der Unterlage auf die in Abb. 66 A angegebene Weise
einzukerben (Abb. 65), ein Vorgang, der sich bei keiner der Pyramiden,
wo noch Teile der Verkleidung erhalten waren, nachweisen läßt. Dafür
seien eine ganze Reihe von Beispielen aufgeführt: Medûm, die Knick-
pyramide in Dahschûr, die Pyramiden des Cheops, Chephren und
Mykerinos in Gisa, und auch in Saqqâra die Pyramiden des Unas und
Pepis II. In allen genannten Fällen weisen die Verkleidungsblöcke stets
das in Abb. 66 B abgebildete Profil auf.
262 Das Geheimnis der Pyramiden

Außerdem wurden in dieser Zeit niemals Blöcke versetzt, deren


Vorderseite bereits endgültig bearbeitet gewesen wäre. Die Glättung,
die besonders sorgfältig war, fand stets am Bauwerk statt, und bei den
Pyramiden mußte dazu eine Plattform vorhanden sein, wo die Arbeiter
ungestört und ohne Gefahr arbeiten konnten.

Abb. 65: Hebevorrichtung, Vorschlag von H. Striib-Roessler

Wie wir gezeigt haben, mußte diese Plattform aus einer Verkleidung
von vielleicht 1 m Breite aus Ziegeln bestehen, die Stufe um Stufe
hochgezogen und ebensogut abgebaut werden konnte, je weiter die
Glättungsarbeiten nach unten fortgeschritten waren, welche am Pyra-
midion der Spitze begonnen hatten.
Die Argumente widerlegen also alle Hypothesen, die die Verwendung
von Rampen, von denen Diodor schreibt und deren Reste sich an ver-
schiedenen Stellen noch gefunden haben, ablehnen. Während alle
Theorien über die Benutzung von Hebeapparaturen im Bauwesen des
Alten Reiches bis zu einem gewissen Grade unbeweisbar bleiben,
besitzen wir auf der anderen Seite aus allen Epochen der ägyptischen
Geschichte ausreichend Hinweise darauf, daß sowohl für den Aufbau
als auch später für den Abriß der als Steinbrüche benutzten Bauwerke
Der Bau der Pyramiden 263

Rampen eingesetzt wurden. Im großen Hof des Sonnenheiligtums des


Niuserre in Abu Gurôb fand Borchardt Reste von sechs Ziegel-
rampen211, die vom Ende des Aufwegs strahlenförmig nach allen Seiten
der Anlage führen. Da sie unter dem Hofpflaster liegen, kann kein
Zweifel darüber bestehen, daß sie für die Bauarbeiten verwendet
worden sind. Auch an der Pyramide Amenemhets I. in Lischt sind an
der Nordseite Relikte einer Rampe festgestellt worden212, ebenso in
Gisa, wo Hölscher213 eine über 10 m breite Rampe mit einer Stei-
gung von 4° 35' fand, die noch heute senkrecht auf die Südseite des
Chephren-Totentempels zuführt. Hölscher meinte, daß sie von den
Steinbrucharbeitern des Neuen Reiches angelegt wurde, als sie die
begehrte Granitverkleidung des Tempels abtrugen; denn sie bedeckt
herabgestürzte Blöcke, was bei ihrer Verwendung als Baurampe un-
denkbar wäre.
Im Papyrus Anastasi I, der ebenfalls auf das Neue Reich zurückgeht,
ist die Rede von einer riesigen Rampe von 730 Ellen Länge, 55 Ellen
Böschungsbreite und 40 Ellen Breite für die Fahrbahn, die sich zu einer
Höhe von 60 Ellen erhob214. Zu diesen Beispielen gehört auch das aus
der Spätzeit stammende Gerüst aus Nilschlammziegeln an der Ost-
seite des ersten Pylons in Karnak, das heute ebenfalls noch gut erkenn-
bar ist215.
Croon zitiert in seiner Arbeit mehrere dieser Beispiele, aber er bezwei-
felt, daß diese Rampen auch beim Pyramidenbau verwendet worden
seien. Aber schon 1926, ein Jahr nach der Publikation von Croons
Dissertation, stellte Borchardt erneut Rampenreste an der Pyramide
von Medûm fest216 (Abb. 67), so daß die These Croons widerlegt
wurde. Borchardt brachte auch zwei Beobachtungen zusammen, wo-
von die eine von Petrie, die andere von Wainwright stammt. Petrie217
hatte auf der Ostseite der gegenwärtig zweiten Stufe und auf der Ost-
seite der dritten Stufe (von oben gerechnet) über dem horizontal ver-
laufenden Band der nicht geglätteten Steine, das das obere Ende der
unteren verschwundenen Stufe bezeichnet, eine breite, leichte Ein-
tiefung bemerkt, die er nicht zufriedenstellend erklären konnte. Wain-
wright218 seinerseits hatte 318 m von der Pyramidenmitte entfernt, in
der Nähe des Fruchtlandes, eine Aufmauerung aus ungebrannten
Ziegeln von 0,70 m Dicke und etwa 4 m Breite (Abb. 67 A) gefunden.
Diese Art befestigten Weges weist genau in die Richtung der von Petrie
festgestellten Eintiefungen. Sein unterer Teil besteht aus zwei mit
264 Das Geheimnis der Pyramiden

Kalksteinsplittern gefüllten Ziegellagen. Die Steigung der oberen Lage


beträgt 12% und endet nach 24 m. Die untere Lage weist eine 10%ige
Steigung auf und führt zu einem künstlichen Felsdurchbruch. Von da
an läßt sich eine Steigung von 17% nachweisen (Abb. 67 B). Im Fels-
durchbruch verläuft die Bahn zwischen Mauern aus Bruchsteinen, die
noch 0,50 m hoch erhalten sind, und bricht 7 m nach der Änderung im
Neigungswinkel ab. In einer Entfernung von 42 m (Abb. 67 C) taucht
dann erneut ein kurzes Stück Weg direkt auf dem Boden mit einer
Neigung von 10 % auf.

Abb. 67: Pyramidenkomplex von Medûm (3.-4. Dyn.)


Der Bau der Pyramiden 265

Borchardt zweifelte nicht daran, daß die Stelle, an der die Steigung
plötzlich zunimmt, den Beginn einer Baurampe bezeichne, die an den
von Petrie bemerkten Eintiefungen auf der Pyramide endete. Sie hätte
danach eine Höhe von 65 m über der Pyramidenbasis und eine 4–4,5 m
breite Fahrbahn gehabt. Außerdem stellte Borchardt weitere Spuren
auf der Südseite der gegenwärtig zweiten Stufe fest, und zwar zur
Südwestecke hin. Sie könnten in Richtung zweier paralleler Mauern
aus Bruchsteinen von 0,40 bis 0,45 m Dicke weisen, die im Abstand
von 3,25 m sich südlich der Pyramide über einige dreißig Meter er-
streckten, wie Mackay feststellte. Leider sind diese Mauern damals auf
den Plänen nicht eingezeichnet worden, so daß Borchardt sie unter
dem Sand und angewachsenen Geröll nicht mehr finden konnte. Diese
Mauern glichen offenbar den von Wainwright auf der Ostseite ent-
deckten. Borchardt hielt daher die Existenz einer zweiten Rampe
(Abb. 67 D) für erwiesen und meinte, daß sogar eine dritte notwendig
gewesen wäre, aber in der ihm zur Verfügung stehenden Zeit konnte er
nicht nach Resten suchen. Eine Rampe hätte nach Borchardt zum
Transport der Blöcke gedient, die zweite zum Heraufschaffen von
Mörtel, Wasser und sonstigem Gerät und die dritte sei für den Abstieg
vorgesehen gewesen.
Indem er sich auf die Verwendung von Rampen mit einer Fahrbahn-
breite von etwa 4 m stützt und mit Borchardt annimmt, daß die
Rampen nach Vollendung der jeweiligen Bauphasen (Abb. 31) ab-
getragen und für die nächste Phase neu errichtet worden seien, kommt
Croon auf eine Bauzeit von 33 Jahren im Falle einer Rampe und auf
zwanzig Jahre unter der Voraussetzung von zwei Rampen. Alle diese
Berechnungen Borchardts und Croons kranken von vornherein daran,
daß die Förderleistung für die unteren Schichten genau so hoch an-
gesetzt wird wie für die Lagen an der Spitze. Wenn man dagegen die von
uns vorgeschlagene Methode angewandt hätte (Abb. 62), dann hätte
das den Bau sowohl der Rampen als auch der Pyramide wesentlich
beschleunigt. Auch die Ansicht Borchardts, daß die Rampen nach jeder
Bauphase abgebrochen wurden, um dann für das nächste Stadium neu
errichtet zu werden, scheint uns nicht haltbar; denn über die Möglich-
keit einer Bauerweiterung oder überhaupt Änderung wurde sicher
nicht erst diskutiert, wenn der erste Bauabschnitt lange abgeschlossen
war, sondern gleich danach oder vorher. Außerdem scheint es wenig
glaubhaft, daß der Architekt, der ja wohl in den meisten Fällen als
266 Das Geheimnis der Pyramiden

erster eine Erweiterung der königlichen Grabanlage in Erwägung zog,


sich beeilt hätte, die Rampen abzutragen, die ihm noch wertvolle
Dienste leisten konnten. Nehmen wir als Beispiel die Pyramide von
Medûm: Für den Übergang des Stadiums Ei der siebenstufigen Pyra-
mide zu E2, der achtstufigen, konnte das gleiche Rampensystem ein-
gesetzt werden. Man brauchte nur sämtliche Stufen von Ei mit einem
gleich breiten Steinmantel anzuheben, um die neuen Stufen E2 (Abb. 31)
zu bilden. Bei Ausführungsbeginn auf der obersten Stufe konnte man
die bestehende Rampe benutzen und sie dann in der Höhe nach und
nach reduzieren. Und in der Tat scheint man so vorgegangen zu sein,
denn wenn man das Profil der Rampe verlängert, die nach Borchardts
Zeichnung219 auf der sechsten Stufe von E2 endete, dann führt diese
Linie deutlich auf die Oberkante der Pyramide Ei auf der siebenten
Stufe. Das kann als Beweis dafür dienen, daß diese Rampe vorher da
war und bereits zum Bau von E! verwendet worden war. Nur für die
Phase E3, die Umwandlung in die echte Pyramide in der Zeit des
Snofru, bedurfte es einer neuen Rampe, weil die erste in der Zwischen-
zeit wohl zerstört worden war. Wir möchten daher behaupten, daß sich
für die Errichtung der Pyramide von Medûm die von Croon angenom-
menen Bauzeiten wohl um die Hälfte verkürzen lassen. Daher erübrigt
es sich auch, für das Hochhieven der Blöcke die gleichzeitige Ver-
wendung von zwei Rampen vorauszusetzen.* Die an der Ostseite
nachweisbare große Rampe hätte vollauf ausgereicht, wenn sie in der
hier (Abb. 62) vorgeschlagenen Weise allmählich vergrößert worden
wäre.

Im übrigen geht Borchardt fehl in der Annahme, daß die Rampe, deren
Überreste Wainwright an der Ostseite der Medûm-Pyramide feststellte,
ihren Ausgang von Punkt B (Abb. 67) genommen habe, von wo aus die
Steigung ständig gesteigert worden sei, während der Weg etwa 4 m
breit geblieben wäre. Die Rampe konnte nämlich viel näher an der
Pyramide mit einer breiteren Fahrbahn beginnen, und dann von der
Pyramide weg verlängert werden im Verhältnis wie die Böschung in
die Höhe wuchs und die Fahrbahn schmaler wurde. Der Ausgangs-
punkt der Rampe unter B war vielleicht der Endpunkt für das Bau-

* Die zweite Rampe, die Borchardt auf der Südseite annahm, kann von den Arbeitern er-
richtet worden sein, die später die Pyramide als Steinbruch benutzten.
Der Bau der Pyramiden 267

stadium E! und wurde in gleicher Weise für E2 verwendet. Die Ziegel-


lagen bildeten vielleicht nur den Weg vom Tal herauf und dürfen gar
nicht als Teil der eigentlichen Baurampe gelten.
Allerdings wäre die Baurampe in Richtung Tal gewachsen und hätte
schließlich einen Teil des einfachen befestigten Weges, wofür Punkt C
als Beweis gelten mag, überdeckt.
Doch abgesehen davon sind die Beobachtungen Borchardts in Medûm
von großer Bedeutung, denn sie haben den sicheren Beweis dafür gelie-
fert, daß beim Pyramidenbau Rampen Verwendung fanden. Damit
muß Croons These, deren Schwächen wir aufgezeigt haben, als wider-
legt gelten, und überdies stellen sie eines der Argumente gegen die
Theorien derer dar, die nach Herodot auf der Notwendigkeit von
Hebevorrichtungen bestehen.
Zum Schluß dieses Kapitels möchten wir noch kurz auf eine Theorie
eingehen, die erst in den letzten Jahren220 aufgestellt worden ist und
wonach der Pyramidenbau den Charakter eines staatlich geförderten
Arbeitsbeschaffungsprogramms gehabt habe, ein gesellschaftlich-wirt-
schaftlicher Faktor gleichsam, der in der Überschwemmungszeit die
Bevölkerung ernährt habe, weil dann ja keine Beschäftigung da gewe-
sen sei, ähnlich der Vergabe öffentlicher Aufträge in den modernen
Staaten. Die allmähliche Umwandlung der Stufenpyramide z. B. oder
der Bau mehrerer Pyramiden unter Snofru könne nicht anders erklärt
werden. Dazu unsere Ansicht aus einem vor wenigen Jahren erschie-
nenen Artikel221: »Den sozio-ökonomischen Zweck des Pyramiden-
baus . . . können wir nicht recht einsehen. Letztlich handelte es sich
doch um unproduktive Arbeit in einem Zeitalter, in dem die Arbeiter
nur mit Naturalien entlohnt werden konnten. Für Bauern jedoch,
deren Funktion in erster Linie darin bestand, Ernährung und Roh-
material für Kleidung zu produzieren, scheint diese Form der Entloh-
nung unsinnig, denn sie hatten zweifellos die Möglichkeit, während
der Überschwemmungszeit von ihren Vorräten zu leben, wobei gerade
in dieser Jahreszeit der Fischfang in verstärktem Maße hinzukam. Die
einzigen Faktoren, die unserer Ansicht nach die Menschen zu so
schwerer Arbeit in der glühendheißen Wüste motivieren konnten,
waren einmal das Gefühl, für die Verherrlichung ihres Königs, der
Inkarnation göttlicher Macht auf Erden, zu arbeiten und in Verbindung
damit vielleicht die insgeheim genährte Hoffnung, nach dem Tode im
Gefolge des Königs zum Himmel aufzusteigen.
268 Das Geheimnis der Pyramiden

Außerdem gilt es zu bedenken, daß die Pyramiden noch vor dem Ende
der 4. Dynastie erheblich kleiner wurden, so daß der Bedarf an Saison-
arbeitern und den entsprechenden Versorgungseinrichtungen fühlbar
nachließ; die bäuerliche Bevölkerung aber scheint kaum darunter ge-
litten zu haben, vor allem nicht in der 5. und 6. Dynastie, den Epochen
augenscheinlich großen Wohlstands in Ägypten . . . »
2. Kapitel

Die naturwissenschaftlichen
Kenntnisse in der Pyramidenzeit und die
Geometrie der Pyramiden

Die voraufgehenden Ausführungen haben gezeigt, daß Behauptungen


über die angeblich erstaunlichen Kenntnisse der Pyramidenbauer mit
außerordentlicher Vorsicht zu betrachten sind und auch diejenigen
Autoren, die vom wissenschaftlichen Standpunkt aus alle wünschens-
werten Garantien zu bieten scheinen, häufig von einer Art mysti-
schem Glauben ergriffen sind, den man als »Pyramidenreligion« be-
zeichnen möchte. Auf diesem Gebiet stellen sie alle Objektivität und
ihren kritischen Verstand bis zu dem Grade hintan, daß ihre Beobach-
tungen nur mehr der Bestätigung ihrer vorgefaßten Meinung dienen,
indem sie das weglassen, was ihre Überzeugung ins Wanken bringen
könnte und ohne Zögern einen Vergleich mit der Realität schließen,
wenn dies notwendig wird. Andererseits scheint es angebracht, im Be-
reich der astronomischen und mathematischen Theorien festzustel-
len, ob sich nicht in all dem Wust der vielen Hypothesen doch ein paar
Körnchen Wahrheit finden lassen.
Darum seien im Folgenden die astronomischen und mathematischen
Bezüge herausgearbeitet, die sich tatsächlich aus der Architektur der
Pyramiden ablesen lassen. Anschließend wollen wir versuchen festzu-
stellen, ob diese Eigentümlichkeiten von den Pyramidenbaumeistern
gewollt waren oder nicht.
Auf dem Gebiet der Astronomie gilt als unumstritten, daß an diesen
Bauwerken, vor allem in Gisa, eine außerordentliche Präzision in der
Ausrichtung nach den Himmelsrichtungen festzustellen ist. Der
extremste Fall ist die Cheopspyramide mit einer mittleren Abwei-
chung von nicht mehr als 3 Minuten und 6 Sekunden; aber auch die
Pyramiden des Chephren und Mykerinos stehen nicht viel nach, denn
die Abweichung beträgt hier etwa 5 Minuten 30 Sekunden bzw. 14 Mi-
270 Das Geheimnis der Pyramiden

nuten, was immer noch als minimal zu gelten hat.


Eine solche Annäherung bei mehreren Bauwerken kann nicht das
Werk des Zufalls sein und zeugt von bestimmten Kenntnissen in der
Astronomie. Vor allem der Stern Alpha im Sternbild des Drachens,, der
zur Zeit des Pyramidenbaus als Polarstern betrachtet werden mußte
und damit den Norden bezeichnete, muß den Ägyptern bekannt gewe-
sen sein. Sie leiteten daraus offenbar eine praktische Methode zur
Orientierung auf der Erde ab, die ebenso einfach wie wirkungsvoll ge-
wesen sein dürfte, obwohl sie offensichtlich nicht über die uns zur Ver-
fügung stehenden optischen Geräten verfügten und sich mit dem be-
scheidenen »merchet« zufriedengeben mußten, das im wesentlichen
aus einem Faden mit einem Bleichgewicht und dem baj, einem Holz-
stab mit einer Visierkerbe oben, bestand222.
Anzuzweifeln ist dagegen die Hypothese, daß man für die Anlage der
absteigenden Gänge oder bestimmter sonstiger Passagen und Stollen
diesen Polarstern, den Sirius oder andere Sterne angepeilt hätte. Die
Neigungswinkel scheinen vielmehr durch ein Verhältnis bh erzielt
worden zu sein, womit der Winkel D (Abb. 68) bestimmt war. Das ist
auf einfache Weise möglich, zumal hier häufig das Verhältnis ½
angewandt worden ist. Dies trifft vor allem für die Gänge und die
Galerie in der Großen Pyramide zu, wo der Neigungswinkel von etwa
26° 30' ziemlich genau diesem außerordentlich einfachen Verhältnis
entspricht*.
Die Winkelbestimmung durch zwei rechtwinklig zueinander stehen-
de Längen ergibt sich aus den Aufgaben, wie sie in dem berühmten
mathematischen Papyrus Rhind223 gestellt sind. Danach haben die
Ägypter, wie Borchardt zu dieser Frage ausführt, als Konstante den
Wert h = 1 Elle von 7 Handbreiten und 28 Fingern betrachtet und die
Größe eines Winkels in Handbreiten- und Fingerangaben für b, d. h. die
trigonometrische Kotangente, ausgedrückt. Aber das war nur die all-
gemein angewandte Methode für die Bestimmung irgendeines Win-
kels. Wie sich zeigen wird, benutzten sie bei ihren Pyramiden aus prak-
tischer Bequemlichkeit vorzugsweise rechtwinklige Dreiecke, bei
denen das Verhältnis hb mit einfachen Zahlen ausdrückbar war und
in hölzerne Winkelmesser umgesetzt werden konnte, mittels derer

* Dies gilt auch für einen Winkel, den Petrie häufig für das Böschungsverhältnis der Mastaba-
fassaden festgestellt hat und der sich aus dem Verhältnis von b = 1 und h = 4 ergibt.
Die Geometrie der Pyramiden 271

während des Baus die Neigungswinkel ständig neu kontrolliert werden


mußten.

h
Abb. 68: Winkel D, bestimmt durch Tangens = b oder den Kotangens = b, wenn
h = 1 Elle beträgt

Der Einfluß der Astronomie auf den Bau der Pyramiden kann so unse-
rer Ansicht nach, außer bei der Orientierung nach den Himmelsrich-
tungen, nur sehr begrenzt gewesen sein und bleibt nach wie vor hypo-
thetisch. Dennoch darf als unanfechtbar gelten, daß die Ägypter in der
Epoche des Pyramidenbaus im Besitz astronomischer Kenntnisse
waren, die damals bereits ein Jahrtausend alt waren und sich vor allem
auf die Bewegung der Sonne, des Mondes, der Planeten (die »Unermüd-
lichen« genannt) und der Sterne (als »Unvergängliche« bezeichnet, d. h.
der Zirkumpolarsterne) sowie verschiedene Konstellationen bezogen.
Der Mond, der zur Einteilung der Monate diente, hat jedoch in Ägyp-
ten, anders als in vielen anderen Gegenden der Erde, niemals im glei-
chen Maße die Aufmerksamkeit der Astronomen auf sich gezogen wie
etwa die Sonne und vor allem die Sterne. Man darf wohl sagen, daß ihr
stellarer Charakter der ägyptischen Astronomie die spezifische Eigen-
art verleiht: Die Einführung des Kalenders in weit zurückliegender
Zeit beruht auf präzisen Beobachtungen des Sonnenlaufs und der Stel-
lung der Sothis (Sirius) im Verhältnis zu ihm*. Desgleichen deuten die
Namen der Dekansterne, die in den Pyramidentexten genannt werden,
darauf hin, daß der Zyklus der Dekane, die die Stundeneinteilung der
Nacht bestimmten, seit dieser Zeit bekannt war224.
* Vom Jahre 139 n. Chr. ausgehend, in dem der erste Tag des ägyptischen Jahres mit dem
Frühaufgang (heliakischer Frühaufgang) der Sothis und dem Beginn der Nilschwemme zu-
sammenfiel, ist man mit der Einführung des Kalenders bis zur dritten Sothisperiode von
1460 Jahren in das Jahr 4241 v. Chr. zurückgegangen. Sie könnte jedoch auch eine Sothis-
periode später, also 2781 v. Chr., vielleicht durch Imhotep erfolgt sein, was glaubhafter
erscheint.
272 Das Geheimnis der Pyramiden

Dennoch beweisen dergleichen Beobachtungen, so erstaunlich sie


auch sein mögen, noch nicht, daß die ägyptischen Astronomen zur
Zeit des Pyramidenbaus etwa von der Kugelgestalt der Erde oder ihrer
Bewegung um die Sonne gewußt hätten. Die in dem Gott Geb personi-
fizierte Erde stellten sie sich als flache Scheibe vor, unter der sich die
infernalischen Tiefen der Dat erstrecken, die die Erde auch an den Sei-
ten umgeben. Über ihr wölbte sich der Himmel, emporgehoben von
Schu, dem Luftgott. Der Himmel konnte die Gestalt einer Kuh oder
des sich über die Erde spannenden Körpers der Göttin Nut annehmen,
deren Füße und Hände die äußersten Enden der Erde berührten (Abb.
69). Am Bauch dieser Figuren fuhren auf den Himmelsgewässern der
Sonnengott Re in seinem Boot und die mit Gottheiten identifizierten
Sterne dahin. Die Göttin Nut stellte sozusagen die Himmelsbahn dar,
der sie folgten. Jeden Tag gebar sie die Sonne neu, die nach ihrem Tages-
ablauf am Abend im Mund der Göttin verschwand, um in die Tiefen
des Chaos hinabzusteigen.
Selbst wenn wir von den mythologischen Anspielungen absehen,
weicht die ägyptische Konzeption vom Kosmos erheblich von der
unseren ab. Überdies waren die astronomischen Kenntnisse natürlich
in die Mythologie eingebunden, die zwischen Göttern bzw. überirdi-
schen Wesen und den Sternen Beziehungen hergestellt hatte. Es han-
delte sich also um eine rein esoterische Wissenschaft, die einen fernen

Abb. 69: Göttin Nut und Gott Geb, von Schu getrennt

Ursprung hatte und deren Tradition sich getreulicher und genauer er-
hielt als dies bei einer allgemein zugänglichen Überlieferung der Fall
ist. Diese Kenntnisse waren gewissermaßen das exklusive Erbteil eini-
Die Geometrie der Pyramiden i<73

ger Eingeweihter, die zugleich die höchsten Ämter der ägyptischen


Priesterschaft innehatten, und einiger ihrer Zöglinge. Zur Zeit des
Pyramidenbaus spielte offenbar vor allem die Priesterschaft von Helio-
polis eine überragende Rolle, und zwar schon seit Djoser in der 3.
Dynastie. Nicht umsonst war der berühmte Imhotep zugleich Hoher-
priester von Heliopolis und erster Minister und Leiter des Bauvor-
habens im Bezirk der Stufenpyramide. In den folgenden Dynastien
festigte sich die Vormachtstellung der heliopolitanischen Priester-
schaft mit dem von ihr propagierten Sonnenkult. Der Sonnengott Re,
als dessen Söhne sich die Pharaonen betrachteten, überstrahlte bald
Ptah von Memphis ebenso wie Osiris oder Anubis im Bereich der Jen-
seitsvorstellungen, vor allem im königlichen Totenkult.
Unbestritten dürfte auch sein, daß die Priesterarchitekten ihre astro-
nomischen Kenntnisse bei der Richtungsbestimmung und der Bestim-
mung des Ortes, wo so bedeutende Bauwerke wie die Pyramiden ent-
stehen sollten, zur Verfügung stellten, und wir können nur voller Be-
wunderung anerkennen, mit welcher Meisterschaft diese erstaunli-
chen Baumeister ihr Wissen umzusetzen wußten angesichts der
schwierigen praktischen und technischen Probleme, die mit der Ver-
wirklichung der Bauvorhaben verbunden waren.
Auf dem Gebiet der Mathematik enthüllt das Studium der Pyramiden,
und vor allem das der Cheopspyramide, in der Tat Eigentümlichkeiten
geometrischer wie zahlenmäßiger Beziehungen, die nicht verschwie-
gen werden sollten. Die Schwierigkeit liegt nur darin, unter Beweis zu
stellen, in welchem Umfang sich die Baumeister dieser Eigentümlich-
keiten bewußt waren. Bestimmten sie die Wahl des Neigungswinkels
der Cheopspyramide oder war nicht vielmehr dieser Winkel des Resul-
tat ganz anderer Faktoren, vielleicht praktisch-technischer Erwägun-
gen, die zum Entwurf einer Pyramide führten, die Eigenschaften in
sich barg, welche später zu Spekulationen Anlaß gaben? Beide Mög-
lichkeiten behaupteten sich lange Zeit, doch heute kann diese Frage
eindeutig geklärt werden.

Die nunmehr für die Cheopspyramide anerkannten Maße betragen


nach ägyptischen Königsellen von 0,524 m (plus) 440 E (Elle) für die
Seitenlänge an der Basis und 280 E für die ursprüngliche Höhe. Das er-
gibt für den vertikalen Halbschnitt mit dem Apothem als Hypotenu-
se (Dreieck SHA Abb. 70) das Verhältnis hb = 280 = 14 .
220 11
274 Das Geheimnis der Pyramiden

Dieses Böschungsverhältnis stimmt übrigens mit einer Abwei-


chung von 4 Sekunden mit dem Verhältnis hb = 109 in dem Dreieck über-
ein, das im Halbschnitt über der Basisdiagonale (BHS) gebildet wird.

Hierzu ist zu bemerken, daß die Ägypter ein solches Verhältnis nicht
in unserer Weise durch Brüche anzugeben wußten; denn sie benutzten
nur Einheitsbrüche mit dem Zähler 1, also ½. ѿ, ¼, USW. (außer Ҁ).
Aber das stellte für die Architekten keine Schwierigkeit dar. Sie gaben
den Abmessungen h und b (oder d), den Determinanten der rechtwink-
ligen Dreiecke der vertikalen Halbschnitte Werte, die so einfach wie
möglich waren und untereinander kommensurabel, um zahlreiche
Lehren* herstellen zu können, die zur Kontrolle der Seitenflächen-
böschung und Kanten notwendig waren. Wenn später in Rechenauf-

Abb. 70: Der vertikale Halbschnitt SAH einer Pyramide (über dem Apothem x)
bildet das Konstruktionsdreieck, d. h. dieses Dreieck ist für die Pyramidenpropor-
tionen bestimmend

gaben (Papyri Rhind und Moskau), wo es um Neigungswinkel bei Pyra-


miden geht, seched eingeführt wird, was dem Wert b entspricht, wenn
h = 1 E ist, d. h. gleich der trigonometrischen Kotangente des Winkels
a, so folgt daraus noch nicht, daß die Kotangente bei allen Pyramiden
so ausgedrückt worden wäre, wie einige Mathematiker meinen225. Es
bestand keine praktische Notwendigkeit**, und das Problem des Pyra-

* Lehre: in der Architektur soviel wie Stichmaß, Richtscheit, Lehrgerüst


** Festzustellen ist z. B. an den Pyramiden des Mykerinos, des Sahurê und des Unas, wo das
Verhältnis hb 5/4 6/5 und 3/2 besteht, daß h sich nicht auf 1 E zurückführen läßt, der seched
nicht ausdrückbar ist.
Die Geometrie der Pyramiden 275

midenbaus löst sich nicht durch eine einfache Bruchrechnung.


Bei der Großen Pyramide werden vor allem zwei mathematische Be-
ziehungen immer wieder angeführt: der Goldene Schnitt, dessen
Zahlenwert sich durch die Konstante Ø = 1,618, die »Goldzahl«, aus-
drückt und S, ein Zahlenwert, der angenähert in den Proportionen
der Cheopspyramide tatsächlich vorkommt, wie übrigens bei allen
Pyramiden mit dem Böschungsverhältnis 14/11.
Der Goldene Schnitt, wie Roeber schon 1855 (siehe S. 226) festgestellt
hatte, läßt sich vor allem in dem Verhältnis zwischen Apothem und
halber Basislänge feststellen, d. h.:
x 1+¥5
b
= 2 = 1,618 = Ø.
Für diesen Wert von | ergibt die Rechnung: *
h 27,984 13,992 8 .
b
= 22 = 11 , das wäre bis auf 1000 die Beziehung
14
/11 des Böschungsverhältnisses bei Cheops.

Außerdem haben der Erfinder der Bibeltheorie, John Taylor (siehe


S. 171 ff) und verschiedene andere Autoren nach ihm fälschlicherweise
Herodot (Historien II, Ende von 124) den Hinweis auf ein weiteres Zah-
lenverhältnis der Großen Pyramide zugeschrieben. Danach seien »die
Proportionen zwischen Seitenlänge und Höhe dergestalt, daß das
Quadrat über der Pyramidenhöhe gleich dem Inhalt jeder ihrer Seiten-
flächen ist« 226. Dieses Verhältnis, das sich in der Gleichung h2 = bx
ausdrücken läßt, bedeutet nichts weiter als eine andere Formel für den
Goldenen Schnitt.
Gehen wir von dieser Gleichung und dem Lehrsatz des Pythagoras aus,
wonach h2 = x2 - b2 ist, dann erhalten wir die Gleichung
b2 + bx - x2 = 0, woraus wir ableiten bx = 1+¥5
2
= 1,618 = Ø.
Bei der Zahl TX werden am häufigsten die folgenden Beziehungen
zitiert: »das Verhältnis des halben Umfangs der Basis der Großen Pyra-
mide zu ihrer Höhe = S« und »das Verhältnis des Flächeninhalts der
Basis zum Flächeninhalt des Mittelschnitts = S«. Beide Gleichungen
laufen auf dasselbe hinaus, denn wir erhalten in beiden Fällen
= 14 = 7 = 3,1428, ein Wert, der S227 weitgehend angenähert ist
4 b 4 x 11 22
h
und dem oberen Grenzwert für Pi bei Archimedes entspricht.
* x = b 1+¥5
2
; x = b · 1,618 = 220 · 1,618 = abgerundet 356 für das Apothem. Bei einem
Apothem von 356 E ergibt sich nach Pythagoras
x2-b2 = h2 h = 279 E, daraus hb = 27,984 (Anm. d. Übers.)
22
276 Das Geheimnis der Pyramiden

Die Frage läßt sich auf folgende einfache Feststellung reduzieren: der
Neigungswinkel von 51° 49' 42" entspricht dem Goldenen Schnitt.
Der Neigungswinkel von 51° 50' 35" entspricht dem Böschungsver-
hältnis von 14/11 der Höhe h zur halben Seitenlänge an der Basis (Apo-
themneigung) und ergibt 22/7 = S = 3,1428. Der Neigungswinkel von
51° 50' 39" entspricht einem BöschungsVerhältnis von 9/10 im Halb-
schnitt über der Diagonale der Basis.
Der Neigungswinkel von 51° 51' 14" würde exakt n ergeben = 3,1416.*
Abgesehen von dem zuletzt genannten Winkel, dessen n-Wert 3,1416
zu dieser Zeit bestimmt unbekannt war**, beträgt die größte Abwei-
chung zwischen den drei zuerst genannten nicht einmal eine Minute,
ein Wert, der weit unter dem von der Bauausführung bedingten mittle-
ren Abweichwert liegt. Die drei Neigungswinkel können damit als zu-
sammenfallend betrachtet werden, und die aus ihnen resultierenden
Verhältnisse bedingen sich gegenseitig.
Um aber eine einleuchtende Erklärung für die Absichten der Bau-
meister bei ihrer Wahl der Proportionen der Großen Pyramide geben
zu können, müssen auch die Böschungsverhältnisse der übrigen könig-
lichen Grabdenkmäler oder Pyramiden, die vorher oder nachher ge-
baut worden sind, betrachtet werden.
Bei der ursprünglichen Mastaba des Djoser, die später von der Stufen-
pyramide überdeckt wurde, weist die in Erscheinung tretende*** Ver-
kleidung ein Böschungsverhältnis von 4/i auf, was gleichbedeutend ist
mit dem von Petrie am häufigsten festgestellten Böschungsverhältnis
bei Mastabas. Die Stufenpyramide hat einen Neigungswinkel von
etwa 74°, aus hb = 27 = 21 Handbreiten
Elle .
.
Das gleiche Verhältnis von % findet sich danach bei der Stufenpyra-
mide des Sechemchet und den ersten Stufenphasen der Pyramide von
Medûm.
Die Böschungsverhältnisse der wichtigsten echten Pyramiden, die wir
in einer Tabelle S. 332 zusammengefaßt haben, ergeben ansteigend:
* Dabei handelt es sich um den Neigungswinkel der Pyramide, den Fl. Petrie den Winkel Pi
genannt hat. Als mittleren Wert aus den verschiedensten Messungen, die er an der Großen
Pyramide vorgenommen hatte, setzte er den Neigungswinkel mit 51 ° 52' an und erhielt für
S = 3,1402.
** Nach den mathematischen Aufgaben im Papyrus Rhind setzten die Ägypter des MR den
Kreisinhalt gleich dem Inhalt des Quadrats, dessen Seite 8/9 des Durchmessers beträgt,
das ergibt für S den Näherungswert 3,11605.
*** Sie bedeckt eine frühere Verkleidungsschicht mit steilerem Böschungsverhältnis, was
etwa 8° ausmacht und durch das Verhältnis 7/1 zustandegekommen sein muß,
Die Geometrie der Pyramiden 177

1) für tg. Į̂ h
b , 17 7 6 5 14 4 7 3 14 2
18 , 6 , 5 , 4 , 11 , 3 , 5 , 2 , 9 , 1 ,

2) für tg. ȕ̂ h
d , 23 , 147 , 76 , 89 , 109 , 11 .

Das sind relativ einfache Brüche, von denen über die Hälfte als Zähler
die Zahl 7 enthalten oder eine Zahl haben, die in eine Elle von 7 Hand-
breiten oder 28 Finger umwandelbar ist, so daß sie auf Einheitsbrüche
reduziert werden können, deren Zähler 1 ist.* Das Verhältnis ließ sich
daher für h = 1 Elle allein durch den Nenner ausdrücken, der die
Kotangente des Neigungswinkels darstellt, ägyptisch »seched«. Die
Ägypter bezeichneten den Böschungswinkel nicht nach Graden, son-
dern nach einer Winkelfunktion. Das entspricht letztlich bei einer ge-
böschten Mauer dem heutigen bautechnischen Terminus »Sturz«
(franz. »fruit«).

Die Übersichtstabelle zeigt überdies, daß der Architekt außer dem


Grundriß der Pyramide auch einen Neigungswinkel festlegen mußte,
der verhältnismäßig einfach zu verwirklichen und zu kontrollieren
war. So mußten sowohl das Verhältnis hb , d. h. Höhe zu halber Basis-
länge, als auch der Winkel E im Dreieck über der halben Diagonale hd ,
die die Pyramidenform bestimmen, einfache Verhältnisse sein, die sich
mit hölzernen Lehren messen ließen.
Bei den beiden Pyramiden des Snofru in Dahschûr, die der Cheops-
pyramide zeitlich unmittelbar voraufgehen, haben die Architekten
dem Kantenwinkel besondere Beachtung geschenkt. Eine der größten
Schwierigkeiten lag nämlich in der Ausführung dieser Kantensteine,
deren Aufsetzen vorausgehen mußte, weil damit die übrige Verklei-
dung bestimmt war. Die Neigung ergibt sich natürlich aus der
Apothemabmessung, aber die direkte Bestimmung und Kontrolle mit
leicht herstellbaren Lehren war trotzdem nicht einfach. In der Tat kön-
nen wir feststellen, daß die ersten Pyramidenbauer zwischen der Be-
stimmung der Neigung des Apothems (D) und der Kantenneigung (E)

h 14 H 2E 1E .
* z.B.: b
= 11 H
= 11 H
= 5½H
5 1/2 Handbreiten betrug auf eine Elle Höhe der Rücksprung,
oder
h 22 2E 1E .
b= 1 = 1E = 3½H
Bei diesem Verhältnis machte der Rücksprung 3 1/2 Handbreiten aus.
Siehe dazu Übersichtstabelle S. 332 (Anm. d. Übers.)
278 Das Geheimnis der Pyramiden

geschwankt haben und ihr Bemühen dahin gezielt hat, eine Neigung
zu erhalten, die gleichzeitig für Apothem und Kante einfache Verhält-
nisse ergab.

Abb. 71: Stufenprofil E2 der Pyramide von Medûm, das für die letzte Bauphase der
eigentlichen Pyramide das Neigungsverhältnis 1411
bedingte, das für die Cheops-
pyramide übernommen wurde

Die Proportion 14/11 bei Cheops, die eine solche Entsprechung ergibt,
war zum ersten Mal seit Snofru bei der letzten Phase der Medûm-
Pyramide erreicht, als der ursprünglich geplante Stufenbau in eine
echte Pyramide mit Dreiecksflächen umgewandelt wurde. Dort läßt
sich feststellen (Abb. 71), daß das Böschungsverhältnis der Stufen 7/2 be-
trägt und das Verhältnis von Stufenhöhe zu Breite 21 = 3,5 7..
.
2 7..
Die Verbindungslinie zwischen zwei Stufenkanten hat 1 3,5 darum not-
wendigerweise das Böschungsverhältnis 2 7+ 3,5 = 14
11 .
Damit ist der Beweis erbracht, daß das vieldiskutierte Böschungsver-
hältnis der Cheopspyramide direkt aus den Proportionen der Profile
der großen Stufenpyramiden der 3. Dynastie abgeleitet ist228, und die
Vermutung, daß der Architekt des Cheops im Unterschied zum Bau-
meister von Medûm die Verhältnisse Ø oder S, die in den Proportionen
der Cheopspyramide verborgen sind, gekannt habe, ist widerlegt.
Eine Überprüfung der Böschungsverhältnisse der wichtigsten anderen
Pyramiden bestätigt dies nur (siehe S. 332).
Die Geometrie der Pyramiden 279

Nach den Pyramiden des Snofru einerseits, wo die Kantenneigung


offenbar vor dem Apothem den Vorrang gehabt hatte, und den Pyrami-
den von Medûm und Gisa (Cheops) andererseits, wo beide Deter-
minanten durch ein einfaches Verhältnis bestimmt sind, erhielt die
Chephrenpyramide eine Apothemneigung von 4/3, dem »heiligen«
Dreieck 3-4-5 entsprechend. Unserer Ansicht nach liegt hierin eine
bemerkenswerte Vereinfachung, denn es ist praktisch vorteilhafter,
das einfachste Verhältnis für die Apothemneigung zu wählen, d. h. für
die Neigung der Seitenflächen selbst, weil dort zahlreiche Arbeiter-
gruppen gleichzeitig beschäftigt waren und daher viele Lehren ge-
braucht wurden, während an den Kanten, wo nur wenige Facharbeiter
beschäftigt waren, etwas schwierigere Gegebenheiten gemeistert wer-
den konnten. So ist es auch zu erklären, daß seit der 5. Dynastie das
»heilige« Dreieck, das bei Chephren eingeführt worden war, für
mehrere andere Pyramiden verwendet wurde.
Dennoch wollte Chephrens Sohn Mykerinos offensichtlich zum
System der beiden einfachen Verhältnisse von Apothem- und Kanten-
neigung zurück, indem er die Proportion hb = 45 wählte, das Verhältnis
des »ägyptischen« Dreiecks, des sogenannten »Viollet-le-Duc«, bei
dem die Seiten des rechten Winkels 4 und 5 betragen. Daraus ergibt
sich ein Neigungswinkel von 51° 20' 25", der nur 9 und eine halbe
Minute unter dem Winkel von 51° 29' 53" liegt, so daß die Neigung des
Dreiecks über der Diagonale von dem Verhältnis 8/9 bestimmt gewesen
wäre.

Während der Begründer der 5. Dynastie, Userkâf, auf die 4/3-Böschung


der Chephrenpyramide zurückging, ist sein Nachfolger Sahurê offen-
bar wieder Mykerinos gefolgt. Der Neigungswinkel seiner Pyramide
von annähernd 50° 30' kommt wahrscheinlich durch das Verhältnis 6/5
zustande, was auf 17 Minuten genau einem Winkel entsprechen wür-
de, bei dem das Böschungsverhältnis der Kante 6/7 ausmacht.
Von vier weiteren Pyramiden, deren Neigungswinkel gemessen wor-
den sind, wies nur noch eine das Böschungsverhältnis des Cheops auf,
während die drei übrigen das »heilige« Dreieck der Chephrenpyramide
zeigen. Bei der Unaspyramide, der letzten aus der 5. Dynastie und
kleinsten, die ein König des Alten Reiches errichtete, entspricht die
steilere Böschung einem Verhältnis 3/2 und einem Neigungswinkel
von 56° 19'.
280 Das Geheimnis der Pyramiden

Auch bei den Pyramiden der 6. Dynastie, deren Proportionen und Ge-
samtanlage eine Tendenz zur Vereinheitlichung erkennen lassen, ent-
spricht das Böschungsverhältnis wieder dem der Chephrenpyramide
aus dem Dreieck 3-4-5. Mit einer Seitenlänge an der Basis von 150 Ellen
mußten sie daher eine Höhe von 100 Ellen erreichen, d. h. etwas mehr
als 52 m.
Die Böschungsverhältnisse der Pyramiden des Mittleren Reiches sind
bisher nur grob geschätzt worden, sie scheinen jedoch insgesamt stei-
ler gewesen zu sein als die des Alten Reiches. Nur die Pyramide
Sesostris' I., wo der Apothemwinkel ein wenig unter 50° liegt und aus
dem Verhältnis 76 = 21 Handbreiten
Elle ..
hervorging, macht darin eine Aus-
nahme.
Beschließen wir diese Aufzählung mit der Feststellung, daß die klei-
nen Pyramiden, die sogenannten Nebenpyramiden, zumindest ab
Djedkare-Isesi alle mit dem steilen Böschungsverhältnis von 2/1 ange-
legt waren, was einem Winkel von 63° 26' entspricht.
Diese Beobachtungen sollten ein für allemal davor bewahren, in den
Pyramiden Zeugnisse esoterischen Wissens zu suchen, wie es seit
Jomard wiederholt geschehen ist. Er schrieb von dem »dort niederge-
legten Wissen, das vielleicht absichtlich wichtige Erkenntnisse ver-
bergen wollte, die durch Überlegung heute zutage gefördert wer-
den ...«
So scheint es uns abwegig, in der Cheopspyramide das gewollte
Symbol des Kreises zu sehen, der als einfachste und vollkommenste
geometrische Figur galt229, und wir glauben auch nicht, daß sie ab-
sichtlich den Goldenen Schnitt enthält, eine mathematisch-ästheti-
sche Spekulation, die den ägyptischen Architekten des dritten vor-
christlichen Jahrtausends ohne Zweifel fremd gewesen sein dürfte.
Der Vergleich der für die verschiedenen Pyramiden gewählten
Neigungswinkel zeigt vielmehr, daß die Architekten ständig auf der
Suche nach ganzen und einfachen Zahlen für die Abmessungen h und
b oder d in den entsprechenden rechtwinkligen Dreiecken waren, die
den Neigungswinkel des Apothems oder der Kante bestimmen.
Darüber hinaus sind auch noch andere arithmetische oder geo-
metrische Beziehungen in der Großen Pyramide festgestellt worden,
von denen wir zwei anführen wollen, weil sie beabsichtigt sind.
In der Grabkammer, der sogenannten Königskammer, betragen Länge
und Breite 20 x 10 Ellen. Die Höhe mit 9 cm über 11 Ellen macht somit
Die Geometrie der Pyramiden 281

11,172 E aus. Diese Ziffer, die keine runde Ellenzahl darstellt, hatte
Flinders Petrie nachdenklich gestimmt, so daß er zur Erklärung des
Sachverhaltes auf seine »theory of areas« verfiel, auf die wir bereits
hingewiesen haben (S. 229). In diesem Zusammenhang wurde gezeigt,
daß sich die Höhe aus der Diagonale der beiden kleinen Seitenwände,
Ost- und Westwand der Kammer also (Abb. 72), ergibt, die die runde
Zahl von 15 Ellen aufweist. Die rechtwinkeligen Dreiecke mit der
Basis von 10 Ellen (2) und der Hypotenuse 15 (3) ergeben die Höhe
¥5 = 2,236; 2,236 x 5 ergibt 11,18 für die Höhe und zwar bis auf ein
Hundertstel Elle genau. Die Wahl der Diagonale von 15 Ellen bedingt
dann das »heilige Dreieck« mit den Seiten 3,4 und 5 m im Längsschnitt
EBC über der Diagonale EC, so daß sich 25 Ellen für die Diagonalen
des rechtwinkeligen Parallelepipeds der Kammer ergeben. Mit Hilfe
dieser Diagonalen ließen sich die Senkrechten in den Ecken besser
kontrollieren.

Abb. 72: Rechtwinkliges Parallelepiped der Grabkammer des Cheops

Als weitere interessante geometrische Beziehung ist häufig die Tat-


sache angeführt worden, daß die gleiche Grabkammer genau in der
Höhe liegt, wo die Oberfläche der Pyramide die Hälfte der Basisober-
fläche ausmacht. Nun wußten die Ägypter als versierte Feldvermesser
sicher, daß die Diagonale eines Quadrates einer gegebenen Oberfläche
gleich der Seite des Quadrats der doppelten Oberfläche ist, und diese
Kenntnis haben sie in der Anlage der Grabkammer angewandt. Man
sollte daraus aber nicht schließen, daß sie von der Diagonale des
Quadrats, die anders ausgedrückt die Hypotenuse eines rechtwink-
ligen Dreiecks ist, bereits auf eine mathematische Beziehung gekom-
men wären, die erst zwanzig Jahrhunderte nach Cheops zu dem be-
rühmten und ergiebigen Lehrsatz des Pythagoras führte.
282 Das Geheimnis der Pyramiden

Fassen wir zusammen: In der Epoche, in der die großen Pyramiden


gebaut wurden, gingen die Kenntnisse in der Geometrie sicher nicht
über den Stand eines intuitiven und zweckbetonten Empirismus
hinaus. Bei schwierigen technischen Problemen haben die Priester-
Architekten stets nach der besten Lösung gesucht, die auch zugleich
praktisch anwendbar war. Der mit den Erfordernissen der Materie be-
faßte Geist konnte sich hier nicht zur reinen, von der Praxis losge-
lösten Spekulation erheben. So kamen die Berechnungen und Ent-
würfe zustande, an die wesentlich spätere Dokumente wie der mathe-
matische Papyrus Rhind oder Moskau noch erinnern, die auf das
Mittlere Reich zurückgehen. Dennoch hat sich Abel Rey230 im
Gefolge von Peet, der eine mustergültige Publikation des Papyrus
Rhind vorgelegt hat, angesichts dieser den empirischen Charakter der
Mathematik bezeugenden Dokumente gefragt, »ob es nicht doch eine
mehr esoterische Geometrie gegeben hat als die, die wir hier vorfinden
und die bisweilen subtilere Lösungen als die vorliegenden geradezu
anbietet. In den auf uns gekommenen Papyri finden sich lediglich
nützliche Angaben für diejenigen, die sich ihrer bedienen mußten.«
Obwohl bisher kein mathematisches Dokument esoterischer Art bei
den Ägyptern gefunden worden ist, wissen wir, wenn wir den Grie-
chen glauben wollen, daß die ägyptischen Priester die Geheimnisse
ihres Wissens eifersüchtig hüteten. Aristoteles erwähnt, daß sich die
Priester mit der Mathematik befaßt hätten, und auch aus Diodor geht
hervor, wie groß ihr Einfluß auf die Entdeckungen und Lehren des
Pythagoras und Demokrit war, der mit Stolz verkündet, keiner in
seiner Zeit übertreffe ihn im Zeichnen von Figuren, »nicht einmal die
ägyptischen harpedonaptes*«! Darum ist es möglich, daß diese im
Besitz von wichtigen Erkenntnissen waren, die sorgfältig gesammelt
und im Verborgenen des Tempels bewahrt wurden. Geduldige
Beobachtungen über lange Jahrhunderte hinweg, die die Zeit des be-
ginnenden Pyramidenbaus um 2750 v. Chr. von der Heraufkunft
griechischen mathematischen Denkens gegen Ende des 4. Jahrhun-
derts trennten, mögen da zusammengetragen worden sein. Im Bereich
der Geometrie wurde ein so berühmtes Bauwerk wie die Große Pyra-
mide sicher einer Analyse durch die Priester unterworfen und nahm
einen wichtigen Platz in ihren Spekulationen ein. Es wäre also denk-
* Im allgemeinen mit »Strickespanner« übersetzt, Demokrit versteht darunter die ägypti-
schen Geometer.
Die Geometrie der Pyramiden 283

bar, daß sie lange nach Vollendung des Baus Beziehungen wie Tt und 0
entdeckten, die aber den Baumeistern vollkommen verborgen geblie-
ben waren.
Im Laufe seiner dreitausendjährigen Geschichte mag Ägypten wohl
den Weg für die griechischen Gelehrten bereitet haben, indem es nach
und nach den Schatz des Wissens zusammentrug, auf den jene ohne
Zweifel zurückgreifen konnten. Aber dabei sollte doch nicht über-
sehen werden, daß zweifellos erst dank des philosophischen Geistes
der Griechen die Geometrie auf die Stufe einer Wissenschaft gehoben
worden ist.
3. Kapitel

Die Glaubensvorstellungen
der Pyramidentexte

Die Pyramide war also nicht einfach nur ein riesiges Grab, das die
Mumie des Pharao in alle Ewigkeit bewahren sollte, wie es für das
Leben im Jenseits als Voraussetzung betrachtet wurde, sondern viel-
mehr Mittelpunkt eines Kultes und damit der beherrschende Teil
eines ausgedehnten Denkmälerkomplexes. Von einer Umfassungs-
mauer umgeben, ragte die Pyramide aus der Wüste auf mit einem
Totentempel an der Ostseite, der in verhältnismäßig kurzer Zeit eine
großartige Entwicklung durchlief und über einen eingefaßten und
überdeckten Aufweg mit einem Tempel im Tal verbunden war, dessen
Landungsstätte am Rande des Fruchtlandes lag. Die beiden Tempel
dienten nicht nur den Beisetzungsfeierlichkeiten, sondern auch Vor-
gängen und Riten der Mumifizierung sowie dem täglichen Totenkult,
wobei zu verschiedenen Anlässen hier auch Zeremonien stattfanden,
die der Verherrlichung des zum neuen König der Götter gewordenen
Pharao galten.

Das trifft auf alle Pyramiden einschließlich der Großen zu. Wer
immer sich mit dem Pyramidenproblem befaßt - im besonderen mit
den Fragen der Cheopspyramide - und sie dabei als Einheit für sich,
ohne Beziehung zur Gesamtanlage, betrachtet, verfällt einem Irrtum
gleich demjenigen, der eine Kirche ausschließlich unter dem Gesichts-
punkt des Kirchturmes sieht.

Die Totentempel an den Pyramiden, wenn auch größtenteils stark zer-


stört, haben uns zahlreiche, von hieroglyphischen Inschriften be-
gleitete Reliefdarstellungen überliefert, die uns zumindest bruch-
stückhaft den Kult und die Riten, die hier vollzogen wurden, erläutern.
Die Pyramidentexte 285

Wir wollen nicht im einzelnen auf die hauptsächlich aus Abusir und
Saqqâra erhaltenen Szenen eingehen, sondern vielmehr einen der
wesentlichsten Punkte hervorheben: Alle diese Tempel sind dem
toten, vergöttlichten König geweiht, dem darum ausschließlich die

Abb. 73: König Niuserre (S. Dyn.), hinter ihm stehend die Kronengöttin Unterägyp-
tens. Gott Anubis überreicht dem König Lebenszeichen

kultischen Handlungen gelten. Auf allen Darstellungen steht der


König im Mittelpunkt. Häufig wird er in Begleitung von Göttern oder
Göttinnen abgebildet als einer von ihnen. Sie reichen ihm das »Lebens-
zeichen« (Abb. 73) oder umarmen ihn. Bisweilen wird er von einer
Göttin gesäugt, die als seine Mutter gilt (Abb. 74). Götter minderer Be-
286 Das Geheimnis der Pyramiden

deutung führen die Züge der unzähligen Gabenträger an, die sich mit
ihren Opfern dem König nähern, oder bringen gefesselte Gefangene
aus den feindlichen Völkerschaften vor ihn.

Abb. 74: Relief vom Totentempel des Sahurê (5. Dyn.): Eine Göttin säugt den König

Gegen Ende der 5. Dynastie finden wir dann zum ersten Mal in der
Pyramide des Unas die berühmten sogenannten »Pyramidentexte«
aufgezeichnet (Taf. 15 a). Vor seiner Regierungszeit geben Inschriften
in den Pyramiden - so z. B. auf Türeinfassungen und Scheintüren in
dem mit blauen Fayencekacheln verzierten, unterirdischen Räumen
der Stufenpyramide von Saqqâra - lediglich die Königstitulatur (in
diesem Falle des Djoser-Neterichêt) wieder oder es handelt sich um
änigmatische Zeichen, die zur bildlichen Wiedergabe des Königs in
Beziehung stehen (Taf. 8).

Die Texte in der Unaspyramide beginnen mit Opferformeln am


unteren Ende des Eingangskorridors. Sie bedecken überdies die Wände
der Vorkammer und zum Teil die der Grabkammer bis auf die un-
mittelbare Umgebung des Sarkophags, wo in außerordentlich dekora-
tiver Weise die Prunktüren der königlichen Palastfassade dargestellt
sind. Die gleichen Texte, mit Varianten, Ergänzungen oder Aus-
lassungen, kommen von da an in den Pyramiden aller bedeutenden
Nachfolger des Unas vor: bei Teti, Pepi I., Merenre und Neferkare-
Pepi II., wo sie von Maspero entdeckt, veröffentlicht und zum ersten
Die Pyramidentexte 287

Mal übersetzt wurden (siehe S. 90). Eine neue Veröffentlichung unter-


nahm Kurt Sethe231, dessen gelehrter Kommentar und meisterhafte
Übersetzung bei seinem Tode jedoch unvollendet waren232. Nach
Sethes Transkription veröffentlichte Speleers 1923 eine grammati-
kalisch und im Wortsinn getreuere französische Übersetzung als Mas-
pero. Vom gleichen Autor erschien 1934 ein interessanter Kommentar
unter dem Titel: »Comment faut-il lire les textes des pyramides
egyptiennes«, dem bald eine revidierte Neuauflage seiner ersten Über-
setzung folgte233.

Zu den Texten aus diesen fünf Pyramiden von Saqqâra kamen die von
Jequier in der gleichen Nekropole entdeckten hinzu: In drei Pyramiden
königlicher Gemahlinnen von Neferkare-Pepi II. und in der wahr-
scheinlich aus der 8. Dynastie stammenden Pyramide des Königs Ibj
konnte Jeqier die entsprechenden Texte feststellen.

Seither sind mehrfach neue Untersuchungen zu den »Pyramiden-


texten« erschienen, für die wir auf die Bibliographie im Anhang dieses
Buches verweisen. Eine vollständige und erschöpfende Ausgabe wird
jedoch erst erfolgen können, wenn die von Jean Leclant und uns durch-
geführten Arbeiten an den Pyramiden der 6. Dynastie (siehe S. 116 f)
abgeschlossen sein werden.

Die von Unas eingeführte Neuerung ist zwar in vieler Hinsicht be-
deutsam, aber es kommt darin sicher keine tiefgehende Wandlung in
den Jenseitsanschauungen zum Ausdruck. Der königliche Totenkult
wurde damals schon seit längerem wesentlich von der Priesterschaft
von Heliopolis beeinflußt, zumal die Könige der 5. Dynastie, die Vor-
gänger des Unas, den Sonnenkult des Re begeistert aufgenommen
hatten, wovon u. a. das Sonnenheiligtum des Niuserre in Abu Gurôb
beredtes Zeugnis ablegt. Anscheinend hatte die heliopolitanische
Lehre, wonach der König auf den Thron des Re am Himmel gelangte, die
ursprüngliche Vorstellung vom unterirdischen Reich der Toten, dessen
Eingang das Grab bildete und das mit der Legende um Osiris verwoben
war, bereits abgewandelt. Diese tiefgreifende Umwälzung der Glau-
bensvorstellungen hatte zweifellos einschneidende Veränderungen
im Totenkult zur Folge und fiel zeitlich wohl mit den ersten Pyra-
midenbauten, offensichtlich dem Bau der Stufenpyramide von Saqqâra,
288 Das Geheimnis der Pyramiden

zusammen,- denn es ist sicher kein Zufall, daß der »göttliche«


Imhotep als Schöpfer der Djoseranlage zugleich Hoherpriester von
Heliopolis war.

Warum aber erscheinen dann die Pyramidentexte erst einige Jahr-


hunderte nach dieser Revolution des Glaubens ? Es mag wohl sein, daß
Vandier234 die richtige Erklärung gefunden hat, wenn er meint, daß die
Priesterschaft von Heliopolis aus politischen Gründen den im Delta
außerordentlich populären Osiris an den solaren Götterkreis heran-
führen mußte und die Pyramidentexte daher nichts anderes als die
Rechtfertigung für die Evolution der heliopolitanischen Lehre gewesen
seien. In den Texten nämlich wird Osiris als Sohn von Geb und Nut in
den Kreis der kosmischen Gottheiten aufgenommen. Andererseits
wird der tote König in den Texten häufig mit Osiris gleichgesetzt oder
in Beziehung zu ihm gebracht. Es könnte also auch sein, daß die
Wiedergabe der Texte in den Grabräumen des Königs einer einfachen
Sorge um zusätzliche Sicherheit entsprang: Der König versuchte, eine
unter umstrittenen Umständen vollzogene Machtübernahme zu legi-
timieren. Immerhin hat Unas ein Bauwerk seines Vorgängers Djed-
kare-Isesi zerstört und das Material wieder verwendet. Entweder hat er
demnach einen Usurpator besiegt oder er war selbst einer! Trifft die
erste Version zu, dann ist mit der Anspielung auf die Legende um
Osiris, Horus und Seth alles gesagt; gilt jedoch die zweite, dann hatte
Unas allen Grund, die Legitimität seines Thronanspruchs recht laut
zu beteuern.

Wie dem auch sei, das Vorhandensein der Texte im Grab, wo sie dem
Ka jederzeit zur Verfügung standen, mußte den König beruhigen ange-
sichts der Möglichkeit, daß die Tempeldiener nach der Beisetzung das
Rezitieren der Formeln, sei es im täglichen Kult oder bei anderen An-
lässen, einmal nicht ausführen könnten.

Was steht nun in den Pyramidentexten? Sie lassen sich im wesent-


lichen in drei Kategorien einteilen: Zum einen handelt es sich um
Opferformeln; daneben gibt es magische Formeln zur Durchführung
osirianischer Riten, für die Überwindung der Naturgesetze, zur Aus-
schaltung unheilvoller Einflüsse oder zur Befriedung bestimmter
feindlicher Gottheiten; und schließlich beinhalten sie unzählige An-
Die Pyramidentexte 289

rufungen oder Anspielungen auf die Mythologie, die sich auf den
Osirismythos beziehen oder auf kosmische, um die Sonne angesiedelte
Vorgänge, die mehr oder minder glücklich mit uralten stellaren Vor-
stellungen in Einklang gebracht werden.

Manche Texte sind nach den Beobachtungen Speleers wie »Libretti«


oder Regieanweisungen aufzufassen, d. h. mit dem Rezitieren gingen
bestimmte Gesten und Handlungen einher. Dies trifft vor allem auf
die Opferzeremonien zu: »Sie (die Opfer) wurden nicht einfach darge-
bracht, sondern mit symbolischen Bezeichnungen (Auge des Horus)
benannt, während die Kultobjekte (Tisch, Weihrauch) herbeigebracht
wurden.« So verhielt es sich auch bei den osirianischen Riten zur
Wiederherstellung der körperlichen Unversehrtheit des Toten.

Im Bereich der auf den Mythos bezogenen Texte sind es vor allem zwei
Legenden, auf die immer wieder angespielt wird: Osiris und Re.

Osiris, Sohn des Erdgottes Geb und der Himmelsgöttin Nut, war der
erste König von Ober- und Unterägypten gewesen. Er wurde von
seinem machtgierigen Bruder Seth ermordet (Pyr. 163, 173,175, 1007).
Der Mörder zerstückelte den Körper des Opfers, dessen Glieder von
seiner Gemahlin Isis gesucht, gefunden und wieder zusammengesetzt
wurden (584,1630). Vom toten Gatten wird Isis auf wunderbare Weise
schwanger (632,1636) und bringt den Sohn Horus zur Welt. Mit Hilfe
von Nut und Anubis gelingt es ihr auch, Osiris wieder zu beleben, die
Götter verleihen ihm neue Lebenskraft (318, 825, 828). Als Horus her-
angewachsen ist, will er seinen Vater rächen und fordert seinen Onkel
Seth zum Kampf heraus, in dessen Verlauf Seth ihm ein Auge heraus-
reißt. Schließlich aber kann Horus sein Auge zurückerobern und über
Seth triumphieren. Das Auge überreicht Horus seinem Vater Osiris,
der damit wieder sehend wird (609 ff, 643). Nach dem Kampf sitzt die
Götterversammlung von Heliopolis zu Gericht und entscheidet den
Fall zugunsten des Horus, der dann den Thron seines Vaters Osiris be-
steigen kann. Osiris selbst wird zum größten der Götter, denn er hat
den Tod besiegt.

Als historischer Kern liegen dem Osirismythos offenbar die schicksal-


haften Ereignisse um die politische Einigung des Landes zu Beginn
290 Das Geheimnis der Pyramiden

seiner Geschichte zugrunde. Horus und Seth symbolisieren Unter-


bzw. Oberägypten. Nach dem Sieg des Horus, der sich die Doppelkrone
der beiden Länder aufsetzt, betrachten sich die Könige Ägyptens als
legitime Erben von Osiris und Horus.

Während also die Osirislegende geschichtliche Wurzeln zu haben


scheint, kreisen die solaren Mythen um die Verfassung von Erde und
Kosmos. Nach der Lehre von Heliopolis gab es einen Urozean Nun, der
dem hermopolitanischen Schöpfungsmythos entlehnt ist. Im Gegen-
satz zur dortigen Auffassung aber, in der der Urozean ein aktives und
schöpferisches Element darstellt, sehen ihn die Theologen von
Heliopolis als bewegungslose Masse, aus der aus eigener Kraft die
Sonne Atum oder Re geboren wird. Aus sich selbst schafft Atum ein
erstes Paar, Schu und Tefnut, Verkörperungen von Luft und Feuchtig-
keit, die zu Eltern eines zweiten Paares werden: Geb, die Erde und Nut,
das Himmelsgewölbe. Sie wiederum schaffen zwei Paare, Osiris – Isis
und Seth und Nephthys. Aus diesen neun Gottheiten bestand die
Enneade oder Große Neuheit von Heliopolis. So hatten die Theologen
dieser Stadt die Osirislegende integriert - zweifellos aus politischen
Gründen -, indem sie innerhalb der Enneade eine Vater-Sohn-Folge
schufen und damit das dynastische Erbfolgesystem auf Erden im gött-
lichen Bereich sanktionierten.

Nach den Vorstellungen des Sonnenglaubens im Alten Reich verbringt


der Sonnengott Re, der als aufgehende Sonne auch Chepre und als
niedergehendes Gestirn Atum genannt wird, den Tag am Himmel und
die Nacht an einem unterirdischen Himmel. Der Weg der Sonne am
Himmel wird mit einer Reise des Sonnengottes in einer Barke, die über
den Himmelsozean zieht, verglichen. Auf diesem Schiff ist Re von
seinem Gefolge umgeben. Die Welt, die er nachts durchzieht, ist in
Gebiete unterteilt, die Sternengöttern gehören und von ihnen bewacht
werden. Sie stellen sich ihm gelegentlich feindlich entgegen und
müssen besiegt werden, er muß sich den Weg freimachen, um am
nächsten Tag wieder geboren zu werden, d. h. erneut am Tageshimmel
zu erscheinen. Die Sternenwelt wurde Dat oder Duat genannt und galt
nach stellaren Glaubenslehren als Aufenthaltsort der Toten, deren
Welt nach osirianischen Vorstellungen unter der Erde gelegen hatte.
Da jedoch die Theologen von Heliopolis dieses Reich unter der Erde
Die Pyramidentexte 291

als düster und dunkel betrachteten, stellten sie ihre Konzeption von
der Wohnung der Toten in der Dat heraus, die mit dem nächtlichen
Himmel verglichen wurde.

In den Pyramidentexten sind nun eine ganze Reihe von Andeutungen


über Mythen enthalten, die uns noch mehr oder minder obskur er-
scheinen, sie beziehen sich auf den Sonnenzyklus und auf Episoden,
die von der Regentschaft der Götter der Enneade überliefert werden.
So wird Geb, der Enkel des Re, bisweilen als sein Nachfolger auf dem
Thron bezeichnet (1615 ff, 1645, 1834). Re selbst muß sich Angriffen
und Revolten stellen, ein Gedanke, der sicher aus der Beobachtung des
täglichen Sonnenuntergangs im Westen und des morgendlichen
Wiedererscheinens im Osten kommt, so daß ein täglicher Kampf statt-
findet gegen Feinde, die niemals endgültig besiegt werden. In den
Legenden spielt das Sonnenauge, das mit dem Horusauge gleichge-
setzt wird, eine große Rolle, die jedoch noch keineswegs geklärt ist und
auf die wir noch zurückkommen werden.

Die Pyramidentexte werden in der vorliegenden deutschen Ausgabe in


der Übersetzung von Sethe – soweit sie von ihm vorliegt – zitiert. Die
aus dem Französischen übertragenen Passagen gehen auf Speleers
zurück. Zusammenfassungen des Autors sollen zum Verständnis der
Texte beitragen. Es wurden vor allem typische Stellen ausgewählt, in
denen die wichtigsten Vorstellungen dieses religiösen Gedankenguts
zum Ausdruck kommen.

Die Himmelsgöttin Nut und ihr Gemahl, der Erdgott Geb, bringen
ihre Freude beim Empfang ihres mit Osiris verschmolzenen Sohnes,
des Königs Teti, zum Ausdruck:
(2) »Spruch der Nut, der Großen, die im Hause von Unterägypten
wohnt: Es ist mein Sohn Teti, mein geliebter, mein Erstge-
borener, der den Thron des Geb einnimmt, mit dem Geb zu-
frieden ist, dem er das Erbe gegeben hat vor der großen Neunheit
der Götter.(3) Alle Götter jubeln und sagen: Wie schön er ist,
Teti, mit dem sein Vater Geb zufrieden ist!«
Nut hatte Teti seine Schwester Isis und Nephthys gesandt, »damit sie
ihn ergreifen und sein Herz in seinen Körper setzen«, eine Anspielung
also auf die Legende von der Auferstehung des Osiris, an die sich das
292 Das Geheimnis der Pyramiden

Ritual zur körperlichen Wiederherstellung des toten Königs an-


schließt, dem die Überreichung der Opfer folgt, (bis 117) die im übrigen
in zahlreichen weiteren Passagen erneut aufgegriffen wird. Das Ritual
beginnt so:
(9) »Spruch: man setzt dir den Kopf an,- man befestigt deinen
Schädel an den Knochen, oh Neferkare.
Spruch: man gebe ihm seine Augen, damit er zufrieden ist;
Geben eines Nahrungs- und Trankopfers.
Spruch: Geb hat dir deine Augen gegeben, damit du zufrieden
bist (Opfer).«
Anschließend werden die Riten der Mund- und Augenöffnung voll-
zogen, und zwar mit einem Metallhaken, msht-jw genannt und mit
dem Namen Großer Bär belegt. Die Opfergaben häufen sich. Dazu
gehören Weihrauch, Natron, Brot, Milch, Gebäck, Wasserkrüge, Wein,
Süßigkeiten, Bier, Leinen und vieles mehr. Alle diese Dinge werden
unter Rezitieren von Sprüchen, mit Litaneien vergleichbar, über-
reicht:
(35) »Osiris Unas, nimm die weißen Zähne des Horus, mit denen
dein Mund ausgestattet ist: 5 weiße Pastillen.
Viermal zu sagen: ein Königsopfer dem Ka des Unas. Osiris
Unas! Nimm das Auge des Horus; es ist das Gebäck, das du ißt:
Opfergebäck wd)t (Udjat als Bezeichnung des Horusauges).
(39) Unas, nimm dir das Horusauge, das dem Seth gebracht war, aber
für dich ergriffen wurde, mit dem du dir den Mund öffnest:
1 weiße Steinschale Wein und Bier...
(54) Spruch: Osiris Unas! Man bringt dir das Auge des Horus, das er
für deine Stirn ergriffen hat: Öl bester Qualität aus Libyen.
(80) Spruch: Osiris Neferkare! Nimm dir das Auge des Horus, das du
suchst. Viermal zu sprechen: für Neferkare vier Spenden: 1 Topf
shn-Fleisch...
(81) ... Spruch: Osiris Neferkare! Nimm dir die, die gegen dich
revoltiert haben. Viermal zu sprechen: für Neferkare vier Spen-
den: vier Rippenstücke...« und so fort.

Wie wir sehen, erscheint in vielen Sprüchen das Auge des Horus, das
eine besonders wichtige Rolle zu spielen scheint235. Durch eine merk-
würdig anmutende Indentifizierung wird es mit der Opfergabe selbst
gleichgesetzt, die zugleich auch seine magischen Fähigkeiten über-
Die Pyramidentexte 293

nimmt. Die Macht des Horusauge erwächst aus der Rolle als Einsatz
im Kampf zwischen Horus und Seth. Speleers weist darauf hin, daß
dieses Auge sogar eine von Horus unabhängige Einheit wird, denn er
»kämpft zum Schutze seines Auges (195 und 198)«, umkreist es (370)
und »jubiliert, als er sich seinem Auge nähert« (977)«. Darüber hinaus
heißt es auch (594): »Das Auge des Horus sprang auf als er gefallen war
auf jener Seite des gewundenen Wasserlaufs, damit er sich schütze vor
Seth. Gesehen hat es Thot auf jener Seite des gewundenen Wasserlaufs,
als das Auge des Horus umherirrte auf jener Seite des gewundenen
Wasserlaufs

Nach anderen Textstellen konnte das Horusauge auch mit dem König
identifiziert werden oder mit den stellvertretend für Ägypten stehen-
den Kronen, ja selbst mit dem Himmel Nut konnte es identisch sein.
In jedem Falle repräsentiert es die Macht über den Feind.

Im weiteren Verlaufe des Rituals geht es um die Beziehung zwischen


dem König und den Göttern:
(327) »Spruch: Verkenne den Unas nicht, oh Gott. Wenn du ihn
kennst, kennt er dich.«
In dieser Weise werden die Götter Re, Thot, Horus, der Himmelsstier
u. a. angesprochen. Die Mutter des Königs wird unter verschiedenen
göttlichen Erscheinungsformen angerufen:
(381) »Mutter des Unas, oh Ipj, gib diesem Unas jene deine Brust,
damit dieser Unas sie sich über den Mund führe und damit Unas
jene deine weiße, lichte, süße Milch sauge. Jenes Land, in das
Unas geht, nicht dürstet Unas in ihm, nicht hungert Unas
jemals in ihm.«
So heißt es weiter von ihr in Form der Doppelkrone, d. h. der weißen
Krone von Elkab und der roten Krone von Buto:
(910) »Spruch: Pepi kennt seine Mutter, nicht verkennt Pepi seine
Mutter, die weiße Krone, die lichte, die dicke, die in Elkab
wohnt, die Herrin des Palastes des Südens, die Herrin des ver-
ehrungswürdigen Landes, die Herrin des geheimnisvollen Lan-
des, die Herrin des Gefildes der Fischer, die Herrin des Tales der
Glückseligen, die farbige, die rote Krone, die Herrin der Lande
von Buto; oh Mutter des Pepi! Pepi quengelt, gib ihm deine
Brust, damit er sauge.«
294 Das Geheimnis der Pyramiden

Die Mutter entgegnet mit besonders poetischen, rührenden Worten:


(912) »Mein Sohn Pepi, mein König! Nimm dir meine Brust und
sauge, mein König, damit du lebst, mein König,- du bist klein,
mein König; damit du zum Himmel aufsteigst wie die Falken,
deine Federn sollen sein wie die der Vögel, mein König; so sagt
sie zu Pepi
An anderer Stelle wird die Mutter des Königs in Gestalt der Himmels-
göttin Nut um Schutz für ihren Sohn gebeten:
(777) »Spruch: Nut, breite dich aus über deinen Sohn, Osiris-Pepi und
schütze ihn vor Seth! Schütze ihn, oh Nut, du bist gekommen,
um deinen Sohn zu schützen, du bist gekommen, um diesen
Großen zu schützen.«
Geb, der Erdgott, fleht die Gattin an:
(779) »Worte des Geb: Nut! Du bist geistesmächtig geworden, du
warst bereits mächtig im Leibe deiner Mutter, Tefnut, bevor du
geboren warst. Schütze Pepi in Leben und Freude, er soll nicht
sterben.«
Und Nut kommt zum Schutze des Königs Pepi:
(825) »Spruch: Osiris Pepi, deine Mutter hat sich ausgebreitet über
dir, damit sie dich verberge vor allen schlechten Dingen, Nut
hat dich bewahrt vor allem Schlechten, du bist der Große unter
ihren Kindern ...
(828) Sie bewahrt dich, sie verhütet, daß du in Not bist, sie gibt dir
deinen Kopf wieder, sie vereinigt dir deine Knochen, sie bringt
dir dein Herz in deinen Leib.«
Nut und Horus reinigen den König.
(837) »Spruch: Oh Pepi, erwache, erhebe dich, steh auf, damit du rein
werdest, damit dein Ka rein werde, damit deine Seele rein werde,
damit deine Macht rein werde. Deine Mutter kommt zu dir,
Nut kommt zu dir, die große Bewahrerin kommt zu dir. Sie
reinigt dich, oh Pepi...
(841) Spruch: Oh Pepi, steh auf, du bist rein, dein Ka ist rein. Horus
reinigt dich.«

Diese Reinigung verstärkt die durch das Natron erzielte Reinigung wie
es in 849 heißt und beseitigt alles Schlechte, das Seth und die Nut der
Wüste dem König zugefügt haben. Nun wird Thot gebeten (830), dem
König das Auge des Horus zu bringen, mit dem dieser ausgestattet wird:
Die Pyramidentexte 295

(844) »Spruch: Oh Merenre, steh auf, leg dir das Horusauge an, nimm
es auf dich, damit es sich an dich schmiege, damit
(845) es sich an dein Fleisch schmiege, damit du darin herausgehst
und die Götter dich sehen, geschmückt mit ihm, nachdem du
die große Krone in Besitz genommen hast bei
(846) der großen Götterneunheit von Heliopolis. Oh Merenre, lebe
nun wieder auf, nachdem dir das Horusauge gebracht worden
ist, es soll sich nicht wieder von dir entfernen für alle Ewigkeit.
(900) Oh Pepi! Die Angst, die man um dich hat, ist das unversehrte
Auge des Horus; diese weiße Krone der Schlange von Elkab, sie
gibt deinen Schrecken, oh Pepi, in die Augen aller Götter, in die
Augen der Geister, der unvergänglichen Sterne . . . in die Augen
aller Dinge, die dich sehen werden und derer, die deinen Namen
hören werden.
(901) Oh Pepi, versieh dich mit dem roten Auge* des Horus, d. i. der
roten Krone, die groß ist an Ruhm, die vielfältig ist an Er-
scheinungen, damit sie dich schützt wie sie den Horus
(902) schützte. Sie verschafft dir Ruhm, oh Pepi, an der Spitze der
f. beiden Götterneunheiten, durch die beiden Uräusschlangen, die
an deiner Stirn sind. Sie erheben dich, oh Pepi, sie führen dich zu
deiner Mutter Nut, sie faßt deinen Arm, damit du nicht in Not
kommst, damit du nicht ächzest und dich zerschlagen fühlst...
Horus hat veranlaßt, daß du Geist wirst an der Spitze der
Geister, daß du mächtig wirst an der Spitze der Lebenden. Wie
schön ist, was Horus diesem Pepi getan hat, diesem Geist, der
von einem Gott erzeugt ist, der von zwei Göttern erzeugt war.
Oh Pepi, du wirst Seele sein wie die Seelen von Heliopolis, du
wirst Seele sein wie die Seelen von Elkab, du wirst Seele sein
wie die Seelen von Buto, du wirst Seele sein wie der Lebensstern,
der an der Spitze seiner Brüder ist.«

Nach weiteren Reinigungen wird der König schließlich zu einem


mächtigen Zauberer:
(924) »Spruch: Der Himmel ächzt, die Erde zittert vor Pepi; Pepi ist
ein Zauberer, Pepi ist im Besitz von Zauberkraft.«

* Das Auge des Horus ist hier mit der roten Krone identifiziert und besitzt damit auch die
Macht, die in der Krone verkörpert ist.
296 Das Geheimnis der Pyramiden

Dank osirianischer Riten ist der tote König damit wiederbelebt und
strebt dem Himmel zu. Obwohl er als Falke dorthin gelangen kann
(461, 891, 1048), wird ihm doch außerdem eine Treppe errichtet oder
eine Leiter gezimmert. Die Himmelfahrt des Königs ist in der Pyra-
mide des Pepi auf besonders poetische Weise geschildert:
(365) »Ihm wird eine Treppe geschlagen zum Himmel, damit er
damit zum Himmel aufsteige und er steigt auf auf dem
(366) Rauch der großen Räucherung. Es fliegt dieser Pepi empor als
Gans und schwebt nieder als Käfer,- er fliegt davon als Gans
und läßt sich nieder als Käfer auf dem leeren Thron, der in
deinem Schiffe ist, oh Re ...«
Die Hilfe der Leiter wird bisweilen direkt gefordert:
(971) »Spruch: Gegrüßt seist du, Leiter des Gottes, gegrüßt seist du,
Leiter des Seth, steh da, Leiter des Gottes, steh da, Leiter des
Horus, die für Osiris gemacht worden ist, damit er auf ihr zum
Himmel aufsteige und den
(975) Schutz wähle bei Re. Laß darum dem Neferkare die Leiter des
Gottes gegeben werden, dem Neferkare die Leiter des Seth
gegeben werden, damit Neferkare auf ihr zum Himmel auf-
steige und den Schutz erwähle bei Re als der göttliche derer,
die zu ihren Kas gegangen sind.«

Dann folgen Drohungen, falls die Götter ihren Verpflichtungen nicht


nachkommen sollten, und Versprechungen für den Fall, daß alles
nach Wunsch verläuft:
(978) »Jeder Geist, jeder Gott, der seinen Arm dem Pepi in den Weg
strecken wird, wenn er zum Himmel aufsteigt auf der Leiter
des Gottes, ihm soll die Erde nicht gehackt werden, ihm soll
das Opfer nicht gebrochen werden, nicht soll er überfahren zur
Abendmahlzeit in Heliopolis, nicht soll er überfahren zur
Morgenmahlzeit in Heliopolis ...
(980) Jeder Geist, jeder Gott, der seinen Arm öffnen wird auf der
Leiter des Gottes, wenn Pepi emporgesprungen ist an der Seite
des Gottes, des Herrn der Leiter, vereinigt sind dem Pepi seine
Knochen, zusammengerafft sind ihm seine Glieder.«
Doch die Götter leisten dem Wunsch nach einer Leiter Folge:
(995) »(außerdem 1089-1090): Sie tragen die Leiter herbei für Teti,
sie stellen die Leiter auf für Teti, sie erheben die Leiter für Teti.
Die Pyramidentexte 297

Es kommt die Leiter, sie kommt, sie kommt, wie dein Name
auch ist, den die Götter nannten
(373) Die beiden Länder (Ober- und Unterägypten) erglänzen wieder
im Morgenlicht und das Gesicht der Götter ist geöffnet, wenn
er (Horus) den Ka dieses Unas bringt und ihn selbst zu dem
großen Schloß, wo man ihm die Tore öffnet und ihm die
Bänderlöst.«
Isis und Nephthys bringen ihre Freude und Bewunderung über das
Geschehen zum Ausdruck:
(939) »Spruch: Wie schön ist es doch zu sehen, sagt sie, sagt Isis,- wie
zufriedenstellend ist es doch zu sehen, sagt sie, sagt Nephthys
zu dem König, zu Osiris-Pepi.«
Der König setzt seinen Aufstieg unter die Götter fort:
(940) »Wenn er zum Himmel aufsteigt unter die Sterne, unter die
unvergänglichen Sterne, ist sein Schwert an seiner
(941) Seite, seine Zauberkräfte vor ihm. Pepi geht zu seiner Mutter
Nut, er klimmt empör zu ihr in diesem seinem Namen 'Leiter'.
Man bringt dir die Himmelsgötter herbei, oh Pepi, sie ver-
einigen sich für dich mit den Göttern, die auf der Erde wohnen,
damit du mit ihnen seist, damit du vor ihnen gehst.«
Nachdem der König von der Dat umfangen ist wie Orion und Sothis,
kündigen die Götter seine Ankunft bei seinem himmlischen Vater
Atum an:
(152) »Spruch: Re-Atum! Unas kommt zu dir, ein unvergänglicher
Geist... dein Sohn kommt zu dir, Unas kommt zu dir, damit
ihr durchschreitet den Himmel, vereint in der Finsternis, und
aufgeht im Horizont, in dem Ort, wo es euch gefällt.
(153) Seth und Nephthys, eilt und verkündet den Göttern Ober-
ägyptens und ihren Geistern: Es kommt fürwahr Unas, ein
unvergänglicher Geist. Wenn er will, daß ihr sterbt, so werdet
ihr sterben, wenn er will, daß ihr lebt, so
(154) werdet ihr leben. Re-Atum! (wie 152)
(155) Osiris und Isis, eilt und verkündet den Göttern Unterägyptens
und ihren Geistern: Es kommt fürwahr dieser Unas, ein unver-
gänglicher Geist, wie der zu Preisende auf dem Nil, damit ihn
die Geister im Wasser preisen. Von wem er will, daß er lebe, der
wird leben, von wem er will, daß er sterbe, der wird sterben!
(156) Re-Atum! (wie 152)
298 Das Geheimnis der Pyramiden

(157) Thot! eile, verkünde den westlichen Göttern und ihren Gei-
stern: Es kommt dieser Unas, ein unvergänglicher Geist,
geschmückt als Anubis auf dem Halse, der gebietet über das
westliche Gebirge, damit er die Herzen zähle und sich der
Herzen bemächtige. Von wem er will, daß er lebe, der wird
leben ... usw.
(158) Re-Atum!(wiel52)
(159) Horus! eile, verkünde den östlichen Seelen und ihren Geistern,
es kommt fürwahr dieser Unas, ein unvergänglicher Geist. . .
usw.
(160) Re-Atum! dein Sohn kommt zu dir, Unas kommt zu dir, laß
ihn zu dir aufsteigen, schließ ihn dir in deine Umarmung, dein
Sohn ist er, von deinem Leibe, bis in Ewigkeit.«
Damit ist der wiederauferstandene König unsterblich geworden, er ist
nunmehr Herr über Leben und Tod der Seelen und Geister des Südens,
Nordens, Ostens und Westens. Er wird zu ihrem Richter durch seine
Gleichheit mit Osiris. Die folgende Anrufung wiederholt sich für alle
Götter der großen und der kleinen Neunheit:
(167) »Spruch: Atum, jener dein Sohn ist das hier, Osiris, den du sich
am Leben erhalten und leben ließest, er lebt und es lebt auch
dieser Unas, er ist nicht gestorben, und es ist auch dieser Unas
nicht gestorben. Er ist nicht untergegangen, und es ist auch
dieser Unas nicht untergegangen. Er ist nicht gerichtet worden,
und es ist auch dieser Unas nicht gerichtet worden. Er richtet,
und es richtet auch dieser Unas.«
Mit seinen Pflichten als Richter verbindet der König die Macht über
die Lebenden und die Geister des Jenseits:
(154) »Oh Unas! Du bist nicht als Toter gekommen, du bis als Leben-
der gekommen. Setze dich auf den Thron des Osiris, dein Szepter
in der Hand, während du über die Lebenden herrschst; dein
mks-Szepter und dein nhbt-Szepter in Händen, während du über
die herrschst, deren Wohnungen verborgen sind.«
Außer seiner unumschränkten Macht erwirbt der zu Osiris gewordene
König auch das Wissen. Alle diese Aspekte sind in einem in seiner
Prägnanz auffallenden Satz zusammengefaßt:
(307) »Unas ergreift die Herrschaft,- die Ewigkeit wird ihm zugeführt;
die Weisheit wird zu seinen Füßen niedergelegt. Unas besteigt
das Schiff, nachdem er den Horizont erreicht hat.«
Die Pyramidentexte 199

Die Ankunft des Königs am Himmel wird so geschildert:


(752) »Spruch: Oh Merenre! Du bist davongegangen, damit du ein
Geist würdest, damit du Macht gewännest als Gott, wie
(753) ein Stellvertreter des Osiris, als du deine Seele noch in deinem
Innern hattest, als du deine Macht noch um dich hattest, als du
deine Krone noch auf dem Haupt hattest, ajs du deine weiße
Krone noch zur Hand hattest. Dein Gesicht ist vor dir, die
Huldigung, die du empfängst, ist vor dir. Die, welche einen Gott
(754) als Gefolge begleiten, sind hinter dir. Die, welche einen Gott als
Vorläufer mit seiner Würde künden, sind vor dir. Sie rezitieren:
Es kommt ein Gott, es kommt ein Gott, es kommt Merenre, der
auf dem Thron des Osiris sein soll. Es kommt jener Geist, der in
Ndj.t ist, die Macht, die im thinitischen Gau ist.
(755) Zu dir spricht Isis, es klagt um dich Nephthys. Zu dir kommen
die Geister unter Verbeugungen,- sie küssen die Erde zu deinen
Füßen, weil dein Schrecken, oh Merenre,
(756) in den Städten von Sja ist. Du steigst empor zu deiner Mutter
Nut, sie faßt deine Hand und gibt dir den Weg zum Horizont, zu
dem Aufenthaltsort des Re. Geöffnet sind dir die Türflügel des
Himmels, aufgetan sind dir
(757) die Türflügel des Kbh.w. Du findest Re stehend, indem er dich
erwartet, er faßt deine Hand, er führt dich in den Doppelpalast
des Himmels und setzt dich auf den Thron des Osiris.«

In einer anderen Version besteigt der zu Osiris gewordene König den


Thron des Re. So lesen wir z.B. in den Pyramiden des Merenre und des
Neferkare-Pepi II.:
(1683) »Spruch: Steh auf vor mir, mein Vater! Erhebe dich, Osiris
Merenre, ich bin dein Sohn Horus. Ich bin zu dir gekommen; ich
habe dich gewaschen, ich habe dich gereinigt; ich habe dich
wieder zum Leben erweckt, oh Vater Merenre! Ich habe deine
Knochen zusammengesetzt, ich habe deine Glieder zusammen-
gefügt, ich habe deine Teile vereinigt; denn ich bin Horus, der
geschlagen hat. Ich habe dich gerächt. Oh Vater Osiris, an dem,
der dir Böses zugefügt hat. Ich bin zu dir gekommen als Bote aus
der Feme. Er hat dich auf den Thron des Atum-Re gesetzt, oh
Vater Osiris-Merenre, damit du über die Menschen gebietest.
(1687) Steige in die Barke des Re, in der die Götter mit ihm auf- und
300 Das Geheimnis der Pyramiden

unterzugehen lieben, in der Re sich zum Horizont bewegt und


(1688) in der Merenre niedergeht wie Re. Setze dich auf den Thron des
Re und herrsche über die Götter,- denn du bist wie Re aus der
Nut hervorgegangen, die Re jeden Tag gebiert, so wird auch
Merenre täglich geboren wie Re.«

In Anspielung auf die drei Phasen des Sonnenlaufs - Aufgang (Chepre),


Zenit (Re) und Untergang (Atum) – präzisiert eine der Textstellen:
(1695) »Sie (die Götter) lassen dich wie Re werden in seinem Namen
als Chepre. Du steigst zu ihnen empor wie Re in seinem Namen
Re; du gehst nieder wie Re in seinem Namen Atum.«

Die absolute Machtergreifung durch den König, seine Gleichstellung


mit Re kommt auf folgende Weise zum Ausdruck:
(812) »Merenre ist aufgestiegen zum Himmel. Er hat den Re da-
stehend gefunden und sich ihm nahend. Er setzt sich an seine
Seite. Re läßt nicht zu, daß er sich auf den Boden niederwerfe
(um ihm die Füße zu küssen), wissend, daß er ja größer ist als er
selbst, daß er sein Enkel ist, daß Merenre größer ist als jeder
Gott, daß er mehr Geist ist als die Geister, trefflicher als die
Trefflichen, dauernder als die Dauernden.«

Der wiederauferstandene König ist also der Erste und größte unter den
Göttern geworden, er ist omnipotent und allgegenwärtig:
(919) »Wenn Re hervorkommt im Osten, so findet er den Pepi dort vor
im Horizonte,- wenn Re zum Westen kommt, so findet er den
Pepi dort; jeder gute Ort, an den Re geht, er findet den Pepi dort.«
Dies ist, kurz zusammengefaßt und unter Auslassung vieler Einzel-
heiten, Umschreibungen und mythologischer Bezüge, die Odyssee des
Königs nach seinem Tode. Sie endet, wie wir gesehen haben, mit der
Apotheose.

Um diese Allmacht zu erlangen, muß sich der König den osirianischen


und anderen Reinigungsriten unterwerfen, er muß unzählige Opfer-
darreichungen über sich ergehen lassen und sich mit Magie ausstatten,
er muß Formeln und Sprüche kennen, um sich die Natur gefügig zu
machen, Hindernisse zu überwinden, über die Kräfte des Bösen zu
triumphieren, die sich als Schlangen, Geister und in anderen Gestalten
Die Pyramidentexte 301

ihm entgegenstellen. Er muß die kosmischen Götter, seine himm-


lischen Eltern aus der Großen Neunheit von Heliopolis ebenso an-
rufen wie den Kreis der Götter um Osiris, aber auch die Götter Ober-
und Unterägyptens, die häufig in den Kronen der beiden Landeshälften
personifiziert sind. Ihrer Unterstützung und ihres Schutzes gilt es sich
zu versichern. Feindliche göttliche Mächte müssen bedroht oder mit
Versprechungen günstig gestimmt werden. Der König muß bisweilen
unterwürfig sein, mehr noch und in zunehmendem Maße aber fordernd
als mit den Göttern Gleichgestellter, überlegen auftreten.

Aspekte der Moral werden bei alledem kaum sichtbar. Auf Tugenden,
gute Taten des Königs wird niemals Bezug genommen. Lobenswertes
aus seiner irdischen Regierungszeit nicht erwähnt. Keinesfalls braucht
er vorher Rechenschaft abzulegen oder sich einem Richterspruch zu
beugen wie es dann sehr viel später die Seelen normaler Sterblicher tun
müssen.

Moret allerdings glaubte, Spuren einer Gerichtsszene in den Texten


316–323 der Unaspyramide entdeckt zu haben, die sich der Szene des
Wiegens der Seele auf der Waage der Maat (Wahrheit), die später in das
Totenbuch und in spätere Totentexte eingegangen ist, vergleichen
ließen.236

Kurz davor, in 301, ist die Rede von der unrechtmäßigen Usurpation
des Seth zum Schaden von Ösiris und Horus, den rechtmäßigen Erben
des Geb: »Spruch: Geb hat Unas zum Erben bestimmt. Atum hat
Unas zum Erben gemacht. Unas ist auf dem Thron des älteren Horus.
Die Macht der Unas ist in seinem Auge. Der Schutz des Unas ist in
dem, was man gegen ihn getan hat.« Der letzte Satz zeigt deutlich die
Reihenfolge auf. Der König, der sich mit Horus identifiziert, ist wie er
Erbe des Osiris und Geb. Wie er hat er sein Reich verloren durch das
Attentat des Seth. Er erwartet jedoch die Rückgewinnung, weil er
Opfer einer Ungerechtigkeit geworden ist und Entschädigung erwarten
darf. Er verlangt sein gutes Recht. Hier nun der Text, der eine Art
Schiedsverfahren oder Richterspruch andeuten soll, und zwar in der
Übersetzung und Interpretation von Sethe, die in verschiedenen
Punkten von der Auslegung Morets und de Speleers' abweicht, aber
hier bevorzugt werden soll:
302 Das Geheimnis der Pyramiden

(316) »Spruch: Oh Geb, Stier der Nut, ein Horus ist Unas, der Erbe
seines Vaters. Unas ist der, der gegangen ist und gekommen ist
als der vierte von jenen vier Göttern, die das Wasser herbei-
gebracht und die Reinigung verursacht haben, die einen Jubel
machen über die Kraft ihrer Väter. Er will, daß er gerechtfertigt
werde in bezug auf das, was er selbst getan hat. Unas hat als
kleines Waisenkind mit der Schwester gerechtet*. Die beiden
(317) Wahrheiten haben verhört, es fehlte an einem Zeugen**. Die
beiden Wahrheiten haben befohlen, daß ihm die Throne des Geb
(318) zufallen sollten und daß er sich erheben dürfte zu dem, was er
wollte. Vereinige nun seine Glieder, die im Verborgenen sein
sollen. Er vereinigt sich mit denen, die im Nun wohnen, er läßt
das Ende der Worte (d. h. seinen letzten Willen) in Heliopolis,
wenn er herausgeht an diesem Tage in der wahren Gestalt eines
(319) lebendigen Geistes, damit er den Kampf breche und den Streit
bestrafe. Unas geht heraus als Hüter der Wahrheit, er bringt sie,
indem sie bei ihm ist. Die, welche feindlich waren, unterwerfen
sich ihm. Die, welche im Nun wohnen, übereignen ihm das
(320) Leben. Die Zuflucht des Unas besteht in seinem Auge, der
Schutz des Unas besteht in seinem Auge, die sieghafte Stärke
des Unas besteht in seinem Auge, die Kraft des Unas besteht in
(321) seinem Auge. Oh ihr Götter des Südens, Nordens, Westens,
Ostens, ehret den Unas, fürchtet euch vor ihm. Er hat gesessen
im Lederzelt* * * der beiden Höfe (der Gerechtigkeit). Euch hätte
jene Uräusschlange, die Dnn-Schlange verbrannt, indem sie
eure Herzen traf. Ihr, die da feindlich kommen könnten zu Unas

* Bruder und Schwester rechten um das väterliche Erbe, eine Anspielung auf den Streit der
verfeindeten Verwandten Horus und Seth. Moret und Speleers übersetzen an dieser Stelle
nicht »Waise«, sondern verwenden Eigennamen von Göttern, und zwar Tefen und Tef net,
wobei ersterer sonst nicht belegt ist. Ihre Interpretation geht dahin, daß Unas von beiden
gerichtet wird.
** Wörtl.: »Schu (die Luft) war Zeuge«. Wir würden heute sagen »der Himmel ist mein
Zeuge.
*** Moret sieht in dem so von Sethe übersetzten Wort eine Variante für die Bezeichnung der
Hyäne in den Gräbern von Saqqâra und vergleicht sie mit dem Ungeheuer, das in den ent-
sprechenden Totenbuchszenen des Göttergerichts die Durchführung der Verurteilung
übernimmt, das »Ungeheuer des Amentet (Westen = Totenreich), die große Fresserin«.
Seine offenbar falsche Übersetzung gibt dem Satz »Oh ihr Götter« einen ganz anderen
Sinn: »Oh ihr Götter . . . Verteidigt Unas, denn er hat Angst gehabt als er vernommen
wurde vor der Hyäne der beiden Höfe . . .«
Die Pyramidentexte 303

(322) als einer, der sich ihm in den Weg stellt. Kommt zu ihm freund-
lich, kommt zu ihm freundlich. Unas ist das alter ego seines
(323) Vaters, der junge Sproß seiner Mutter. Der Abscheu des Unas ist
es, in der Finsternis zu wandeln, ohne daß er sieht, auf den Kopf
gestellt. Unas kommt hervor an diesem Tage und bringt die
Wahrheit, indem sie bei ihm ist. Nicht wird Unas eurer Feuers-
glut überantwortet werden, ihr Götter.«

In diesen Passagen also erkennt Moret die Szene, in der zu Gericht


gesessen wird über den toten König. Sollte es sich hier aber nicht um
die im Totenbuch belegte Richterszene handeln, dann wäre an anderer
Stelle kein Raum für die Szene der Psychostasie. In den Texten der
Unaspyramide geht es um die Angleichung des Königs an Horus und
um ein Schiedsverfahren in der Klage des Horus gegen Seth, wobei
Horus als Thronerbe des Osiris, der wiederum Nachfolger des Geb ist,
seine Ansprüche geltend macht. Nicht die individuelle Seele des Toten
– wie im Totenbuch – steht hier vor dem Richter und nicht das Ge-
wissen wird vor Osiris in Gegenwart der Maat, der Wahrheit, geprüft,
sondern ein juristischer Fall wird verhandelt. Unas proklamiert daher
laut die Rechtmäßigkeit seines Falles, indem er sich auf das Urteil
beruft, das ihm gegen Seth Recht gibt, und er beansprucht die Wieder-
einsetzung in seine königlichen Rechte als Entschädigung für erlitte-
nes Unrecht. Der Inhalt des Textes bezieht sich wohl vielmehr auf das
Bedürfnis nach Legitimation, wie auch aus den folgenden Zitaten
hervorgeht:
(921) »Die Horusdiener reinigen den Pepi, sie baden ihn, sie trocknen
ihn ab, sie rezitieren ihm den Spruch vom rechten Weg, sie rezi-
(922) tieren ihm den Spruch vom Aufstieg . . . jeder Gott, er jauchzt
(923) beim Nahen des Pepi wie sie jauchzen beim Nahen des Re ...
(929) Gerechtfertigt ist Pepi, gerechtfertigt ist der Ka des Pepi. Die
Schwester des Pepi ist die Sothis, die ihn geboren hat ist der
Morgenstern...
(925) Gerechtfertigt ist Pepi, gerechtfertigt ist der Ka des Pepi. Pepi
jubelt, sein Ka jubelt, die Schwester des Pepi ist die Sothis . . .
usw.«
Darüber hinaus scheint es uns kaum möglich, mit Moret, der hierin
Lefebure und Breasted folgte, anzunehmen, »daß die auf Unas folgen-
den Könige nur unter der Bedingung ins Jenseits aufgenommen
304 Das Geheimnis der Pyramiden

werden, daß sie 'maacheru', d. h. gerechtfertigt durch ihre Taten sind,


ein Beweis für den Gedanken des Gerichts«, und »die Einsicht in die
Notwendigkeit des letztlichen Triumphes der Gerechtigkeit oder des
Gewissens Beweggrund für den Glauben an ein Leben nach dem Tode
war.«

Wenn dies, vielleicht schon in so früher Zeit, auch die gewöhnlichen


Sterblichen traf, so doch keineswegs die Könige. Sie sind schließlich
Götter auf Erden und ihre dem Wesen nach göttliche Macht ist unbe-
stritten. Sie können garnicht anders denn gerecht sein. So erklärt sich
das Erscheinen des Unas vor einem Tribunal ausschließlich aus seiner
Angleichung an Horus im Drama um Osiris. Was nun die Reinheit des
Königs anbelangt, auf die in den Pyramidentexten wiederholt Bezug
genommen wird, so gilt sie weit eher physischen Voraussetzungen als
etwa moralischen. Der tote König muß alle rituellen Reinigungen
durchlaufen haben, die zu allererst einmal bei der Mumifizierung dem
Leichnam zuteil werden und sich im Jenseits im See der »Binsen-
gefilde« fortsetzen, bevor der Aufstieg zu Re beginnen kann. Für An-
spielungen auf eine Reinheit im ethisch-moralischen Sinne ist hier
also kein Raum237.

Zitieren wir einige Textstellen, die diesen Sachverhalt verdeutlichen


und besonders die Rolle des Natrons hervorheben:
(27) »Du reinigst dich, Horus reinigt sich: 1 Kugel Natron
Du reinigst dich, Seth reinigt sich: 1 Kugel Natron
Du reinigst dich, Thot reinigt sich: 1 Kugel Natron
Du reinigst dich, der Gott reinigt sich: 1 Kugel Natron
Du reinigst dich, damit du dich unter ihnen zur Ruhe begeben
kannst: 1 Kugel Natron.
Dein Mund ist wie der des Milchkalbes am Tage seiner Geburt:
5 Kugeln Natron des Nordens, Stpt*...
(29) Dein Natron ist an deinem Munde; du hast alle deine Knochen
gereinigt; du hast getötet, was schlecht in dir war, Osiris!
Ich gebe dir das Auge des Horus, damit du dein Angesicht damit
ausstattest; ausstreuen: 1 Kügelchen Weihrauch.«

* Stpt ist der Name der Oase, die heute als Wadi Natrûn bezeichnet wird. Von dort kam das
unterägyptische Natron.
Die Pyramidentexte 305

Die folgenden Sprüche, die mehrfach mit leichten Abänderungen vor-


kommen, spielen im Binsengefilde, dem Reinigungsort im Jenseits:
»Spruch: Rein ist der, der sich im Binsengefilde reinigt, Re reinigt sich
im See des Binsengefildes, Pepi selbst reinigt sich im Binsengefilde.
Schu reinigt sich ... usw.
(1422)* »Schu! Schu! erhebe den Pepi zum Himmel, Nut, gib deine
Arme an ihn, damit er fliegt und schwebt, damit der Glückliche
fliegt und schwebt!«

Von 525 bis 528 (und außerdem 981 ff, 1132 ff und 1408 ff) wird viermal
wiederholt, »daß der Himmel sich öffne dem Horus, nachdem er sich
im See der Binsen gewaschen hat«, wobei dann der gleiche Spruch auf
den König angewandt wird:
(529) »Geöffnet ist die Flügeltüre des Himmels, geöffnet ist die
Flügeltüre des Kbh.w für Teti selbst für die Zeit des Tages, da er
weggeht und sich im Gefilde der Binsen gewaschen hat...
(542) » Spruch: Gereinigt hat sich Teti auf j ener Erscheinungsinsel der
Erde, auf der sich Re gereinigt hat; er legt das hb-ib-Gestell hin
und stellt die .Leiter auf. Die, welche in der Großen (d. h. im
Himmel) sind, sie werden den Arm des Teti packen.«
Die Götter selbst gehen dem König in der Toilette und der Reinigung
voran. Dies geht nicht nur aus den Textstellen 827 und 841, die wir
zitiert haben, hervor, wo Nut und Horus den König reinigen, sondern
auch aus den folgenden Sprüchen:
(371) »Unas hat sich von dem befreit, was menschlich in seinen
Gliedern war. Aus den Händen der beiden Götterneunheiten
hat er die weiße Krone entgegengenommen. Isis hat ihn gepflegt
(372) und Nephthys hat ihn genährt. Horus nimmt ihn an seine
Finger, er reinigt den Unas im Schakalsee und säubert den Ka
des Unas im Dat-See. Er fegt das Fleisch des Ka dieses Unas und
sein eigenes ab.
(519) » Spruch: Teti hat sich gereinigt mit Re im See der Binsen. Horus
wird dein Fleisch abreiben, oh Teti, Thot wird deine Füße ab-
reiben, oh Teti. Schu, erhebe den Teti nach oben. Nut, gib dem
Teti deine Hand.

* Außerdem 275 und 1430


306 Das Geheimnis der Pyramiden

(1781) Nef erkare, du wirst von Isis gewaschen, Nephthys trocknet dich
ab, deine beiden großen Schwestern vereinigen dein Fleisch,
sammeln deine Glieder zusammen und lassen deine beiden
Augen in deinem Antlitz erscheinen.«

Durch diese rituellen Waschungen im »Binsengefilde« erhält der König


schließlich eine den Göttern gleiche Reinheit:
(829) »Oh Pepi, deine Reinheit ist die Reinheit der Götter, die zu ihren
Ka's gegangen sind, deine Reinigung ist die Reinigung der
Götter, die gegangen sind, damit sie nicht dem irdischen Leid
unterlägen.
(2028) Oh Nef erkare, sei rein, Re findet sich erhoben mit deiner Mutter
Nut, er führt dich auf den Wegen zum Horizont, wo du deinen
Aufenthalt nimmst. Wie schön ist es, in Ewigkeit mit seinem
Ka zusammen zu sein.«

Die so oft in den Texten angesprochene körperliche Reinheit scheint


Voraussetzung dafür zu sein, daß der König unter die Unsterblichen
aufgenommen werden kann, während sich über eine moralische
Rechtfertigung durch seine Taten nichts Vergleichbares findet. Die
einzigen Andeutungen in dieser Richtung enthält der oben zitierte
Text, der sich jedoch weit eher auf einen aus dem Streit mit Seth er-
wachsenen Rechtsfall zu beziehen scheint. Wenn der König eine
gewisse Feindseligkeit der Götter zu überwinden hat, dann versucht er
nicht, sie durch den Edelmut seiner Handlungen zu überzeugen,
sondern er wendet die Macht der Magie an. Dies geht aus den Stellen
um das Horusauge ganz deutlich hervor. Bisweilen droht er auch oder
macht Versprechungen:
(1322) »Jeder Gott, der dem Pepi keine Treppe errichtet, wenn er auf-
steigt und sich wie Schu erhebt zum Himmel, der soll keinen
Kuchen haben, er soll keinen Schattenschirm haben.
(1323) Der soll sich nicht in seinem $w-Gefäß waschen, der soll nicht
einen Rinderschenkel küssen, der soll kein Kotelett kosten,
dem soll nicht die Erde gehackt werden, dem soll nicht das
Opfer gebrochen werden, wenn Pepi aufsteigt und sich wie Schu
erhebt zum Himmel.
(1325) Jeder Gott, der dem Pepi eine Treppe schlagen wird, wenn Pepi
aufsteigt und sich wie Schu zum Himmel erhebt,
Die Pyramidentexte 307

(1326) jeder Gott, der seinen Sitz in seinem Schiffe abtreten wird, wenn
Pepi aufsteigt und sich wie Schu erhebt zum Himmel, dem soll
die Erde gehackt werden, dem soll das Opfer gebrochen werden,
dem soll ein nmt.t-Gefäß gemacht werden, der soll einen
Rinderschenkel küssen, der soll ein Kotelett über den Mund
führen, wenn Pepi aufsteigt und sich wie Schu erhebt zum
Himmel.«

Inhaltlich ähnlich sind auch die Texte 1026,1027 und 1327. Manchmal
jedoch werden die Drohungen massiv, der König bietet furcht-
erregende Mächte auf:
(393) »Spruch: Der Himmel ist bewölkt, die Sterne sind verdunkelt,
die Bogen bewegen sich, die Knochen der 3kr.w zittern, die
Bewegungen hören auf, nachdem sie den Unas gesehen haben,
erschienen und machtvoll, als der Gott, der von seinen Vätern
(394) lebt und sich von seinen Müttern nährt. Unas ist der Herr der
Verschlagenheit, dessen Namen seine Mutter nicht kennt. Die
Ehre des Unas ist im Himmel, seine Macht ist im Horizonte wie
(395) die seines Vaters Atum, der ihn geschaffen hat. Er hat ihn ge-
schaffen so daß er mächtiger ist als er.
(397) Unas ist der Stier des Himmels, der einst Mangel litt und in sein
Herz gab, zu leben von dem Wesen jeden Gottes, der ihre Ein-
geweide aß, nachdem sie dazu gekommen waren, daß ihr Leib
gefüllt war mit Zauberkräften auf der Insel des Aufflammens.
(399) Unas ist es, der rechtet mit dem, dessen Name verborgen ist, an
jenem Tage, da die Ältesten geschlachtet werden ...
(400) Unas ist einer, der Menschen ißt und von Göttern lebt...
(402) Der mit den Messern der Herren kreist, schlachtet sie für Unas
bis und reißt ihre Eingeweide heraus für Unas, der Bote ist das, den
(407) Unas aussendet, um zu strafen. Ssm.w (Bezeichnung eines
Dekansterns) ist es, der sie für Unas zerstückelt und ihm ein
Mahl kocht von ihnen in seinen abendlichen Kochherden.
Unas ist es, der ihre Zauberkräfte ißt und ihre Geister ver-
schluckt. Die Großen unter ihnen sind da für sein Morgenmahl,
die Mittleren unter ihnen sind da für sein Abendmahl, die Klei-
nen unter ihnen sind da für sein Nachtmahl. Die Greise unter
ihnen und die Greisinnen sind da für seine Räucherung. Die aus
Mineral bestehenden, die im Norden des Himmels sind, sind es,
308 Das Geheimnis der Pyramiden

die ihm Feuer anlegen an die Kessel, mit den Schenkeln der
Ältesten von ihnen. Die Bewohner des Himmels dienen dem
Unas, wenn ihm die Kochherde zusammengestellt werden aus
den Füßen ihrer Weiber. Unas hat die beiden Himmel ganz
durchwandert, er hat durchzogen die beiden Lande. Unas ist die
große Macht, die Macht hat über die Mächte ... Wer von Unas
gefunden wird auf seinem Wege, den ißt er sich auf Stück für
Stück...
(409) Unas hat die Rückenmarkswirbel (seiner Feinde) zerbrochen, er
(410) hat die Herzen der Götter genommen. Er hat die rote Krone ge-
gessen, er hat die Papyrusfarbene verschluckt...
(411) Nicht werden die Würden des Unas von ihm genommen wer-
den, nachdem er das Wesen jedes Gottes verschluckt hat.
(412) Die Lebenszeit des Unas ist die Ewigkeit, seine Grenze ist die
Unendlichkeit
Diese Passagen, die sich auch in der Pyramide des Unas-Nachfolgers
Teti finden, scheinen sich auf anthropophage Sitten zu beziehen, als
man seine Feinde fraß, um sich ihren Mut und ihre sonstigen Kräfte
einzuverleiben. Nun gab es derartige Gebräuche im Ägypten der 5. und
6. Dynastie längst nicht mehr, sie sind vielmehr eine Erinnerung an die
graue Vorzeit, da die Stämme oder Klans unter der Oberhoheit eines
Häuptlings standen und als Zeichen ihrer Zusammengehörigkeit ein
Mal oder einen Totem verehrten. Text 399 speziell, in dem »von dem
Tage, da man die Alten schlägt« die Rede ist, geht nach Speleers auf den
Brauch zurück, sich »der Alten« zu entledigen, d. h. der Häuptlinge, die
aufgrund ihres Alters als unfähig für das Amt des Anführers betrachtet
wurden. Reminiszenzen an längst Vergangenes kommen offenbar
auch darin zum Ausdruck, daß sich der Rezitierende direkt an den
Toten wendet, ohne eine Gottheit einzuschalten oder die Identifi-
kation mit mythischen Vorgängen vorzunehmen. Auch darin sieht
Speleers einen Hinweis auf das hohe Alter dieser Texte, die auf einen
Ahnenkult schließen lassen.
In die Epoche des Stammeswesens geht wohl auch der Brauch zurück,
den Toten zunächst zu zerlegen und ihn dann wieder zusammenzu-
fügen. Es ist durchaus möglich, daß auf solche Überlieferungen letzt-
lich auch die viel spätere Osirislegende von der Zerstückelung und
Wiederbelebung zurückgeht. Sprüche wie die folgenden stellen den
Vorgang so dar:
Die Pyramidentexte 309

(617) »Horus hat deine Glieder wieder vereinigt, er duldet nicht, daß
du krank seist; er hat sie so zusammengefügt, daß es in dir keine
Unordnung gibt. Horus hat dich aufgerichtet

Auf die spätere Epoche238 der Gaueinteilung wiederum mögen sich


jene Texte beziehen, in denen viele, häufig nicht näher identifizierbare
Gottheiten die Mythologie bevölkern: Sie lassen darauf schließen, daß
sich der Kult damals bereits um eine Gaugottheit entwickelt hatte.
Die Mythen allerdings entstammen wiederum einer späteren Zeit, als
sich die Gaue zu Reichseinheiten zusammengeschlossen hatten. Die
Osirismythe aber muß noch wesentlich jünger sein, denn in ihr haben
sich Erfahrungen erster Reichseinigungsversuche niedergeschlagen.
Als zu Beginn des Alten Reiches die Theologen von Heliopolis den
Prioritätsanspruch ihres Sonnenkultes aufstellten, konnten sie nicht
umhin, wesentliche Bestandteile anderer Kultorte Ägyptens in ihr
System einzuarbeiten. Sie sammelten daher vielfältige Traditionen
und Glaubensvorstellungen, die sie miteinander in Einklang zu brin-
gen suchten. So wurden die wichtigsten Gottheiten des Osiris-Kreises -
Osiris, Isis, Seth und Nephthys - in die Neunheit von Heliopolis einge-
fügt, während Horus zur Inkarnation der siegreichen Sonne wurde.
Außerdem akzeptierte man eine weitere Götterneunheit. Es galt offen-
bar, die vorhandenen religiösen Vorstellungen zu achten, ihnen einen
Ehrenplatz zuzuweisen, sie jedoch andererseits der Oberhoheit des
großen Sonnengottes Re-Atum unterzuordnen. Im besonderen Maße
traf das auch für den königlichen Totenkult zu. So sollte dem wieder-
belebten Pharao die größtmögliche Unterstützung der Götter und
Geister des Jenseits zuteil werden, während zugleich alle unheilvolle
Feindseligkeit von ihm fernzuhalten war.

Abschließend sei in Anlehnung an Moret239 noch einmal auf jene


Passagen der Pyramidentexte hingewiesen, die vom Sieg der heliopoli-
tanischen Doktrin, wonach der König im Himmel am Thron des Re
teil hatte, über die populäre osirianische Vorstellung vom glücklichen
Leben in der Wohnung der Ewigkeit, d. h. dem Grabe, künden. Wieder-
holt bringen Unas und Teti ihren Abscheu vor dem Verweilen im Gra-
be zum Ausdruck und hoffen, daß sie sich im unendlichen Raum wie
Re bewegen möchten:
(308) »Spruch: Osiris ist Unas im Staubwirbel. Sein Abscheu ist die
310 Das Geheimnis der Pyramiden

(309) Erde, nicht ist er in den Geb eingetreten, so daß er zugrunde


gehe, noch schläft er in seinem Hause auf Erden (d. h. im Grab),
so daß seine Knochen zerbrochen würden. Seine Schäden sind
getilgt, er hat sich gereinigt mit dem Horusauge, sein Schaden ist
getilgt durch die beiden Weihen des Osiris (damit sind Isis und
Nephthys in Vogelgestalt gemeint). Er hat sich seines Wundaus-
flusses entledigt in Kus zur Erde. Seine Schwester, die Herrin
von Buto ist es, die ihn beweint hat. Unas ist auf dem Wege zum
Himmel, Unas ist auf dem Wege zum Himmel, mit dem Winde,
mit dem Winde.«
Ähnlich verhält es sich mit dem bereits zitierten Text 323, wo Unas
vor der Finsternis Schrecken empfindet. Das Versprechen, den König
dem Schattenreich der Erde zu entreißen und ihm den Zugang zu Re
im Himmel, dem Aufenthalt der Götter, zu eröffnen, verhalf wohl im
Grunde der Lehre von Heliopolis zum Durchbruch. Zwar sind diese
Gedanken in der Pyramide des Unas zum ersten Mal schriftlich fixiert,
aber existent waren sie doch schon seit viel längerer Zeit, denn die
Hoffnung auf den Himmel spricht bereits aus den Steinen der Stufen-
pyramide von Saqqâra, dieser gigantischen Treppe am Rande der
Wüste.
Befaßt man sich mit den Grabbauten, die ihr voraufgehen, vor allem
aber mit den Anfangsstadien der Djoserpyramide selbst (Abb. 30), dann
kommt man um die Erkenntnis nicht herum, daß dieses Bauwerk kein
Ergebnis der ohnehin angelegten Entwicklung sein kann, daß der
monumentale Stufenbau gewissermaßen notwendigerweise hätte ent-
stehen müssen. Die radikale und plötzliche Veränderung, die wir fest-
stellen müssen, bliebe unerklärlich, wenn wir darin nicht entweder
das Ergebnis des Suchens im ästhetischen Bereich oder - im Zusam-
menhang damit - eine theologisch-symbolische Konzeption erblicken,
deren Inhalt in den zuvor zitierten Pyramidentexten deutlich zum
Ausdruck kommt: die Forderung an die Götter, eine Leiter oder eine
Treppe bereitzustellen.*

Von der Gestalt der Leiter oder Treppe, die den Aufstieg Pharaos zum
Himmel ermöglichen sollte und die in Form der Stufenpyramide in
Architektur umgesetzt worden war - so glauben wir - gelangten die
* siehe 365, 542, 941, 971, 974, 975, 978, 980, 995, 1322, 1325, 1474
ebenso 508 und 573
Die Pyramidentexte 311

Architekten des Alten Ägypten bald zur abstrakteren Form der eigent-
lichen Pyramide im Sinne der geometrischen Form. Sie hatte im
Grunde die gleiche Funktion zu erfüllen240, worauf im übrigen auch
die Tatsache hinzuweisen scheint, daß die meisten Pyramiden ja unter
der Verkleidung die Stufenform erhalten haben. Die geneigten Seiten-
flächen konnten im übrigen daneben den Urhügel andeuten, von dem
aus sich Atum über das Chaos erhoben hatte.241
Die Theologen, die nachträglich die Neuschöpfung der Architekten
rechtfertigen wollten, bemühten sich dann, der Pyramide weitere,
spezifisch solare Aspekte zuzuschreiben. So kam zur ursprünglichen
Vorstellung vom Aufstieg zur Wohnung der »Unvergänglichen« der
Gedanke des sich herabsenkenden Schutzes des Re, daher der Ver-
gleich der Pyramide mit einem Strahlenbündel, das durch die Wolken
bricht,242 oder auch mit dem Benben-Stein, dem heiligen Stein von
Heliopolis.243 Doch wenngleich auch im Laufe der Zeit zum geheim-
nisvollen Symbol geworden, das mächtige Schutzkräfte barg, blieb die
Pyramide doch über ein Jahrtausend hinweg das Wahrzeichen der
königlichen Grabanlage.
Anmerkungen

1 L’Égypte à petites journees, p. 183


2 Mit geringfügigen Abänderungen zitiert nach: Vivant Denon, Mit Napoleon in Ägypten,
Tübingen und Basel, 1978
3 Zitat aus der Übersetzung: Zustand des alten und neuen Egyptens in Ansehung seiner
Einwohner, der Handlung, des Ackerbaus, der politischen Verfassung. Aus dem Fran-
zösischen des Herrn Savary, mit Zusätzen und Verbesserungen von Johann Gottlob
Schneider, Berlin 1786-89
4 C. F. Volney's Reise nach Syrien und Ägypten in den fahren 1783,1784,1785. Aus dem
Französischen übersetzt, 3 Tie. Jena 1788-1800
5 Die Kathedralen von Strassburg, Rouen und Köln sind 142, 15Q bzw. 160 m hoch, nach:
Perrot et Chipiez, Histoire de l'Art dans l'Antiquite, L’Égypte p. 231
6 The Pyramids and Temples of Gizeh, I re edit. (1883), p. 44, et History of Egypt, I (1923),
p. 59
7 Diodor, Buch I, II, 17
8 Plinius, Naturgeschichte, Buch XXXVI, 12
9 U. Bouriant, Maqrizi, Mem. Miss. XVII. In der vorliegenden Ausgabe sind die Texte der
arabischen Schriftsteller zitiert nach: Erich Graefe, Das Pyramidenkapitel in Al-
Makrizi's »Hitat«, Leipzig 1911; Übersetzungen in Englisch und Französisch außerdem
bei G. Wiet, Maqrizi, 1.1 in MIFAO XXX; Vyse, Operations carried on at the Pyramids
of Gizeh in 1837, vol. II p. 322 ; Carra de Vaux, L'Abrege des Merveilles und L’Égypte des
Murtadi, fils du Gaphiphe. Speziell diese Stelle, die auch in der Pyramidographie von
John Greaves aufgeführt wird, ist dort fälschlich Ibn Abd al-Hakam zugeschrieben
10 Ebenfalls bei Graefe, op. cit. S. 56
11 Graefe, op. cit. S. 66
12 Voyage dans 1a Haute-Egypte, 1.1, p. 22-23
13 Hist, ancienne des peuples de 1 'Orient classique, I, Les origines, p. 370, note I
14 Graefe, op. cit. S. 76 f
15 Buch XVII: »Zur Mitte hin in der Höhe auf einer der Seiten ist ein Stein, den man auf-
heben kann. Er verschließt einen schrägen Gang, der zum Sarge führt, der im Innern der
Pyramide abgestellt ist.«
16 The Pyramids and Temples of Gizeh, 2 e edit., p. 89
17 A History of the Giza Necropolis, I (1942), p. 20-21
18 Vgl. dazu den interessanten Artikel von Maspero: Baron Carra de Vaux, L'Abrege des
Merveilles, in: Journal des Savants 1899, p. 69-86 und 154-172
19 Cf. Relation de l’Égypte par Abd-Allatif, Medecin arabe de Bagdad ___ traduitetenrichi
de notes historiques par M. Silvestre de Sacy, p. 176-177
20 Ibidem, p. 222
21 Das bezieht sich wohl auf hieroglyphische Inschriften, die aus weit späterer Zeit als der
314 Das Geheimnis der Pyramiden

Epoche des Pyramidenbaus stammen. Georges Goyon, Les inscriptions et graffiti des
voyageurs sur 1a Grande Pyramide, Kairo, 1944 erwähnt p. XXVII/XXVIII eine Hiero-
glypheninschrift auf einem damals noch nicht lange bekannten Verkleidungsblock, die
den Namen eines ägyptianisierten Ausländers wiedergibt und offenbar aus dem 6. Jahrh.
v. Chr. stammt. Sicher hat es weitere solcher Inschriften gegeben und vor allem
wichtigere, wie das Beispiel der Chaemwese-Inschrift auf Verkleidungsblöcken der
Unaspyramide zeigt. Siehe S. sowie Drioton/Lauer in: ASAE XXXVII, p. 201-211
22 Zitiert bei Petrie, Pyramids and Temples of Gizeh, 2. ed. p. 90 Goyon (op. cit. p. XXIX)
hingegen hat auf den erhaltenen Verkleidungsblöcken nur eine arabische Inschrift ge-
funden, die vor das 14. Jh. zurückreicht. Da darin der Name »Gafar« vorkommt, möchte
er eine Beziehung zwischen dem Namen und dem genannten Schriftsteller sehen. Auf
der Nordwand der Großen Galerie im Innern der Cheopspyramide führt er eine ältere
arabische Inschrift auf, die Wilkinson in Modern Egypt and Thebes, London 1843, p. 336
erwähnt: Darin werden die bahritischen Mamlûken Aijbek und Baibars, die ab 1250 bzw.
1260 regierten, genannt. Die Inschrift läßt darauf schließen, daß in dieser Zeit die
Pyramiden als Steinbrüche ausgebeutet wurden.
23 Graefe, op. cit. S. 64
24 Abgebildet bei J. Capart, Memphis ä l'ombre des pyramides, fig. 276
25 De urbibus, in voce Ttugauiö
26 H. Pirenne, Biographie nationale de Belgique, t. XIII
27 Bibliographische Hinweise auf diese Reisenden bei Goyon, op. cit. p. XIX
28 Bibliographische Hinweise bei J.-M. Carre, Voyageurs et Ecrivains francais en Egypte 1,
p.2
29 Le Saint Voyage de fherusalem du Seigneur d'Anglure, publie par F. Bonnardot et A.
Longnon (Societe des Anciens Textes Francais, 1878
30 Le voyage et itineraire de Frere fehan Thenaud [Rec. de Vayages et de Doc, publies sous
1a direction de Ch. Shefer et. H. Cordier
31 Ch. Shefer au Voyage d'Outre-Mer de Jehan Thenaud, p. 197-199 (Paris, 1884)
32 Terrae sanctae quam Palaestinam nominant, Syriae, Arabiae, Aegypti doctissima des-
criptio, auctore facobo Zieglero Landavo-Bavaro, Argentorati, 1536
criptio, auctore facobo Zieglero Landavo-Bavaro, Argentorati, 1536
33 Voyage de M. d'Aramon, ambassadeur pour 1e Roy au Levant, escript par noble homme
fean Chesneau. . . (Rec. de Doc, publ. sous 1a dir. de Ch. Shefer et. H. Cordier)
34 Unter der Leitung von Serge Sauneron hat das Institut Francais d'Archeologie in Kairo
eine Reihe von Reiseberichten über Ägypten (franz.) neu aufgelegt, darunter auch das
zweite Buch der »Observations« unter dem Titel »Voyage en Egypte de Pierre Belon du
Mans«, 1547 (Pierre Belon: Les observations de plusieurs singularites et choses
memorables trouvees en Grece, Asie, fudee, Egypte, Arabie et autres pays estranges,
Paris 1553, 1554 und 1555). Deutsch: Pierre Belon, Sammlung der merkwürdigsten
Reisen in den Orient, in vier Theilen 1755, Neuauflage 1792
35 Verlegt in Lyon bei Jean de Tournes et Guill. Gazeau, 1554
36 Bd. VI der Veröffentlichungen von Reiseberichten des Institut Francais. Deutsch: Die
Reisen des Samuel Kiechel, aus drei Handschriften herausgegeben von Dr. K. D. Hassler,
Stuttgart, Bibliothek des literarischen Vereins in Stuttgart LXXXVI, 1866
Lichtenstein: Große Reisen und Begebenheiten des Herrn Wolf Christoph von Roten-
han/Herrn Hannss Ludwig Lichtenstein/Herrn Christoph von Wallenfelss/Herrn
Hannss Ludwig von Münster nach Italien, Rhodus, Chypern, Türkey, besonders
Constantinopel, nach Asien, Syrien, Macedonien, Egypten, in das gelobte Land... Berg
Sinai. . . 1585-1589, aus den Niederschreibungen des Hannss Ludwig von Lichtenstein
sowie Reise der Hans Christoph Teufel von Krottendorf, Freiherrn zu Guntersdorf und
Eckhartsau, in das Morgenland. 32. Programm des K. K. Obergymnasiums Seiten-
stetten, 1898, Linz, Feichtingers Erben 1898
37 Prosperi Alpini, Rerum Aegyptiarum, 1.1, c. 6
Anmerkungen 315

38 Relation des voyages de Monsieur des Breves tant en Grece, Terre Sainte et Egypte,
qu'aux royaumes de Tunis et Alger, etc., Paris, 1628
39 John Greaves, Pyramidographia or a Description of the Pyramids in AEgypt, London
1646, p. 73
40 Zeldzaame en Gedenkwaardige zee-en land-reizen door Egypten.. ., Amsterdam, 1681
41 Nouvelle relation en forme de journal d'un voyage fait en Egypte en 1672 et 1673, Paris,
1677
42 Cf. Abbe Le Mascrier, Description de l’Égypte, composee sur les Memoires de M. de
Maillet, etc., Paris 1735
43 (Premier] Voyage du Sieur Paul Lucas au Levant, Paris, 1704; Troisieme voyage fait en
1714 jusqu'en 1717 par ordre de Louis XIV dans 1a Turauie. . . Haute et Basse-Egypte,
ect., Rouen, 1719
44 Voyages dans .plusieurs provinces de 1a Barbarie et du Levant, contenant des obser-
vations geographiques, physiques, philologiques et melees sur les royaumes d'Alger et
de Tunis, sur 1a Syrie, l’Égypte et 1Arable Petree (traduit de l'anglais), La Haye, 1743
45 Frederick Lewis Norden, Travels in Egypt and Nubia, 2 vol. London 1757
46 Richard Pococke, A Description of the East and Some other Countries. . . (Egypt),
London 1743
47 Description historique et geographique des plaines d'Heliopolis et de Memphis, Paris,
1755
48 Carsten Niebuhrs Reisebeschreibung nach Arabien und umliegenden Ländern, 1. Bd.
Kopenhagen, 1774
49 Voyage aux Sources du Nil, en Nubie et en Abyssinie pendant les annees 1769, 1770,
1771 et 1772, Paris, 1790
50 Description des pyramides de Ghize, de 1a ville du Kaire et de ses environs, Paris, An IX
51 Descrption de l’Égypte, edit. Panckoucke, t. V, chap. XVIII
52 Ibidem, t. IX, p. 419-567
53 Ibid., t. VII,
54 Ibid., t. VI, p. 1-96
55 Ibid., t. IX, p. 261-294
56 Ibid., t. V, p. 597-598
57 Delille, fardins, ch. IV, über die Denkmäler von Rom
58 Edit. Panck. t. IX, p. 491
59 Ibidem, p. 491-492
60 Ibid., p. 518-519
61 Ibid., p. 497
62 Ibidem, p. 263-264
63 Fl. Petrie, The Pyramids and Temples of Gizeh, 2C edition, p. 10-11
64 L. Borchardt, Längen und Richtungen der vier Grundkanten der großen Pyramide, bei
Gise, in Beiträge Bf I. Kairo 1937
65 Giovanni Belzoni, Narrative of the Operations and Recent Discoveries Within the
Pyramids, Temples, Tombs and Excevations, in Egypt and Nubia, London 1820
66 Atlante del Basso ad Alto Egitto illustrato, pi. 37 D
67 Nuova Illustrazione istorico-monumentale del Basso e deli Alto Egitto, 1.1, p. 387
68 Cf. Lauer et Dr Derry, Dicouverte ä Saqqarah d'une partie de 1a momie du roi Zoser
(A. S. A. E., t. XXXV, p. 25-301
69 Operations carried on at the Pyramids of Gizeh in 1837, vol. I, II, London (James Fräser]
70 Appendix to Operations carried on at the Pyramids of Gizeh in 1837, containing a
Survey by f.-S. Perring Esq., Civil Engineer, of the Pyramids at Abou Roash, and to the
Southward, including those in the Faiyoum, vol. Ill, London (John Weale and G. W.
Nickisson]
71 The Pyramids of Gizeh, Part I, II et Part III (The Pyramids to the Southward of Gizeh and
at Abou Roash), in-fol
316 Das Geheimnis der Pyramiden

72 Cf. F. W. von Bissing, Das Re-Heiligtum des Königs Ne-Woser-Re, Part I, Der Bau: L.
Borchardt, Berlin, 1905
73 R. Lepsius, Über den Bau der Pyramiden, Monatsberichte der Akademie der Wissen-
schaften zu Berlin, 1843, S. 177)
74 Fl. Petrie, op. cit., p. 68-71
75 Medum, pl. I-IV, London, 1892
76 G. Brunton, Lahun I. The Treasure, London, 1920
77 Rec. Traveaux 4-14, später in einem Band zusammengefaßt: G. Maspero, Les inscriptions
des pyramides de Saqqarah, Paris, 1894
78 Cf. J. de Morgan. Le tresor de Dahchour, Liste sommaire des bijoux de 1a XIIC dynastie
decouverts les 7 et 8 mars 1894, Le Caire, 1894
79 Secound tresor de Dahchour. Liste des bijoux de 1a XII C dynastie, 2 C trouvaille, Le
Caire, 1895
80 The Xr dynasty temple at Deir el-Bahari (1894-1913), 3 vol.; The temple of Deir
el-Bahari (1895-1908), 6 vol. in-fol
81 Memoire sur les fouilles de Licht (Memoires I. F. A. O., t. VI)
82AS.A£.,t.II,p.244-257
83 Ibidem, p. 92-94
84 B. M. F. A., vol. IX, December 1911, n" 54, p. 56-59
85 Das Grabdenkmal des Königs Ne-user-re (1907); Das Grabdenkmal des Königs
Nefer-ir-ke-re (1909); Das Grabdenkmal des Königs Sahu-re (1910-1913)
86 A. S.A. E., t. VII, p. 260-286; t. VIII, p. 201-210; t. XII, p. 57-63
87. B. M. M.A. II (1907), nos 4 et 7; III (1908), n" 5; IV (1909), n" 7
88 Ibidem, IX (1914); 1920, p. 3 ff
89 Ibid, 1921, p. 3 ff; 1922, p. 4 ff; 1924, p. 33 ff; 1926, p. 33 ff; 1932, p. 3 ff; 1933, p. 4 ff; 1934,
p.4ff
90 Ibid, vol. XVI et XVII, The Egyptian Expedition 1920-21
91 Das Grabdenkmal des Königs Chephren, Leipzig, 1912
92 The Museum Journal vol. XXII, n° I, March 1931, p. 5-46 mit 39 Tafeln
93 C. M. Firth and Battiscombe Gunn, Teti Pyramid Cemeteries (Serv. Antiq. Egypte), 1.1,
p. 7-10, et Lauer Leclant, Le temple haut du complexe funeraire du roi Teti, p. 43-44 et pl.
XXI dans Bibli. d'Etude I. F. A. O., t. LI, Le Caire, 1972
94 Op. cit. p. 11-12
95 Loret, Fouilles dans 1a necropole memphite (1897-1899), communication faite ä
Hnstitut Egyptien, seance du 5 mai 1899, Le Caire, 1899
96 Jequier, Le Mastabat Faraoun (Serv. Antiq. Egypte)
97 Le monument funeraire de Pepi II (Serv. Antiq. Egypte) 1936 ä 1939
98 Ibidem, 1.1, pl. I-XXVII
99 Douze ans de fouilles dans 1a necropole memphite. 1924-1936, Neuchätel, 1939
100 C. M. Firth, A. S. A. E., t. XXIV ä XXVIII
101 J.-P. Lauer, La Pyramide ä degres. L 'architecture, (Serv. Antiq. Egypte), 1936
102 Lauer, in A. S.A. E., t. XXXIII, p. 155 ä 166 und Tafeln
103 Ibidem, t. XXXIV, p. 54-62, et t. XXXVI, p. 20-28 und Tafeln; außerdem: Lauer, Pyr. ä
degres, t. III
104 A. S.A. E., t. II, p. 244-257
105 Et. Drioton et J.-P. Lauer, ibidem, t. XXXVII, p. 201-211 und Tafeln
106 Lauer, Pyr. ä degres, t. III, p. 52
107 Fl. Petrie, The Pyramids and Temples of Gizeh [T edit.), p. 90-91
108 W. S. Smith, Inscriptional Evidence for the History ofthe Fourth Dynasty, dans J.N. E. S.
11/2 (April 1952) p. 124
109 Ahmed Fakhry, The Southern Pyramid of Snefru, dans A. S. A. E., t. LI, p. 509-522 et 4
planches
Anmerkungen 317

110 Idem, The excavation of Snefru's monuments at Dahshur, secound preliminary report,
in A. S. A. E., t. LII, p. 563-594, 26 Tafeln; außerdem The Monuments of Sneferu at
Dahshur, I, The Bent Pyramid, 126 p. et 51 pl., Le Caire 1959
111 Maragioglio et Rinaldi, Notiza sulle piramidi di Zadefra, ZadkaiĮ-lsesi, pi. 5, Turin,
1962
112 Lauer, Le temple haut de 1a pyramide du roi Ouserkaf ä Saqqarah, A. S. A. E., t. LIII,
p. 119-133, 4 Tafeln
113 M. Zakaria Goneim, Horus Sekhem-khet, the Unfinished Step Pyramid at Saqqara,
I, 37 p. et 73 pi., Service des Antiquites, Le Caire, 1957
114 Lauer, Recherche et decouverte du tombeau sud de l'Horus Sekhem-khet dans son
complexe funeraire a Saqqarah, R. d. E. t. 20, p. 97-107; Recherches et travaux menes
dans 1a necropole de Saqqarah au cours de 1a campagne 1966-1967, C. R. A. I., 1967,
p. 496-508
115 Lauer et Sainte Fare Garnot, Rapport preliminaire sur les recherches entreprises dans 1e
sous-sol de 1a pyramide de Teti ä Saqqarah en 1951 et 1955-1956, A. S. A. E., t. LV, p.
253-261, 2 Tafeln
116 Lauer und Leclant, Le temple haut du complexe funeraire du roi Teti, p. 10 et pi. V, VI, A
und XXXV, Bibli. d'Etude I. F. A. O.,t. LI, 1972
117 J. Leclant, in Orientalia, t. 36, p. 189 et fig. 15-18; Lauer in B. S. F. E. n° 47, p. 34
118 Leclant, in: Orientalia t. 36, p. 189, fig. 15-18; t. 37, p. 106-107; t. 38, p. 256, fig. 25-31;
t. 39, p. 332, fig. 31-36; t. 40, p. 232-233, fig. 15-24, et t. 41, p. 256-257, fig. 5-13
119 Leclant, ibidem, t. 40, p. 233, fig. 25-31, Lauer in: C. R. A. I. 1969, p. 466-469, und ibidem
1970, p. 489-501
120 Lauer und Leclant, Decouverte de statues de prisonniers au temple de 1a pyramide de
Pepir, R. d.E., t. 21, p. 55-62
121 Lauer, Recherches et travaux a Saqqarah (campagnes 1970-1971 et 1971-1972), CR. A.I.
1972, p. 577-592 et 8 pi
122 Der Kopf der Mumie ist abgebildet in: G. Maspero, Histoirel, p. 435 und Histoire, 6. Auf-
lage, p. 99
123 H. Gauthier, Livre des Rois d’Égypte, I, p. 163
124 Jequier, Deux pyramides du Moyen Empire, pl. XVII-XVIII, p. 64-65
125 H. Ricke, Baugeschichtlicher Vorbericht über die Kultanlagen der südlichen Pyramide
des Snofru in Dahschur, A. S. A. E., t. LII, p. 603-623, 6 Tafeln
] 26 Lauer, Le temple funeraire de Kheops ä 1a grande pyramide A. S. A. E. t. XLVI, p. 245-259
und 2 Tafeln; ferner Note complement aire sur 1e temple funeraire de Kheops, A. S. A. E.,
t. XLIX, p. 111-123 und 2 Tafeln
127 Ricke, Beiträge Bf 5, S. 43-45, fig. 13
128 M. Zaki Nour, M. Salah Osman, Zaky Iskander et A. Youssef Moustafa, The Cheops
Boats, I, Antiquities Department of Egypt, Le Caire 1960
129 Die Abbildung wurde entnommen: Abdel Moneim Abubakr und A. Youssef Moustafa,
The Funerary Boat of Khufu, I in Beiträge Bf. 12 (Festschrift Ricke), Wiesbaden 1971
130 Dazu Maragioglio/Rinaldi, L'architettura delle piramidi menfite, t. V, p. 38-39, pl. 2,
Rapallo, 1966
131 Lauer, Sur Vage et Vattribution possible de Vexcavation monumentale de Zaouiet el-
Aryän, R. d. E., t. 14, p. 21-36, pl. I, sowie: Reclassement des rois des IIT et IV dynasties
egyptiennes par l'archeologie monumentale, C. R. A. I., 1962, p. 290-310
132 Lauer, Recherches et travaux ä Saqqarah (compagnes 1970-1971 et 1971-1972), C. R. A. I.,
1972, p. 586-587
133 J. E. Gautier et G. Jequier, Fouilles de Licht, Le Caire, 1902
134 A. Lansing, The Museum's Excavations at Licht, in: B.M.M. A., vol. XV (1920), p. 3-11;
vol. XXI (1926), section 2, p. 33-40; vol. XXIV (1934), section 2, p. 4-9. Desgl.: A.M.
Lythgoe, Excavations at the South Pyramid of Licht in 1914, in Anc. Egypt., 1915, p.
145-53, et A. C. Mace, Excavations at Licht in B.M.M. A. Nov. 1921, Part 2, p. 5-19; Dec.
1922, Part 2, p. 4-18
318 Das Geheimnis der Pyramiden

135 W. C. Hayes, The Entrance chapel of the Pyramid of Sen-Wosret I, B. M. M. A., vol. XXIX
(19341, section 2, p. 9-26
136 Das ägyptische Reinigungszelt (Etudes egyptiennes, premier fascicule], Caire, 1941.
H. Ricke, Beiträge Bf. 5, S. 92-98 fig. 39-40
137 A. S. A. 1, t. XI, p. 1007 ä 1014
138 H. Ricke, Beiträge Bf. 5, S. 92 ff
139 H. Ricke, op. cit. 96 ff
140 Lauer und Leclant, Le temple haut du complexe funeraire du roi Teti, p. 46 et pl. XXXVII,
n°3
141 Memphis ä Vombre des Pyramides, p. 291 ä 296
142 L’Égypte des Pharaons, edit. Payot, p. 120-121
143 E. Drioton et J. Vandier, Les Peuples de VOrient Mediterraneen II: L’Égypte, p. 129
144 Nachgedruckt in: Chron. d'Eg. 24, 1937, p. 147-152
145 Manetho, Fragmenta Historicorum Graecorum, edit. Didot, t. 2, p. 566-42). Manetho
meint hier die Hirtenkönige, die sogenannten Hyksos, die lange Zeit nach der Pyra-
midenepoche über Ägypten herrschten
146 The Great Pyramid in Fact and in Theory, t. II, p. 53 ä 64
147 Great Pyramid Passages and Chambers, 2 vol., Glasgow, 1923-24
148 op. cit., Part I, p. 26 und 58
149 Le secret de 1a Grande Pyramide ou 1a fin du monde adamique (Edit. Adyar], 1936
150 Lauer, Raison premiere et utilisation pratique de 1a »Grande Galerie« dans 1a pyramide
de Kheops, in Beiträge Bf. 12 (Festschrift Ricke] p. 133-141
151 Great Pyramid Passages, vol. II, p. 232
152 The Witness of the Great Pyramid (2. Aufl., London, 1928], p. 264
153 The Great Pyramid: Its Builder and its Prophecy, London, 1905 und 1912
154 What Has and What Will Come to Pass, London, 1933
155 LĮ Grande Tourmente d'apres les predictions de Nostradamus et 1a Chronologie
prophetique de 1a Grande Pyramide, t. II, Le Caire, 1942
156 Au temps des Pharaons, Paris, 1908, p. 204
157 Maragioglio et Rinaldi, L'architettura piramidi menfite, t. IV, pl. 3, fig. I
158 Description de l’Égypte, edit. Panckoucke, t. IX, p. 491-492
159 Isis Unveiled, 1931
160 A. Pochan, L'Enigme de 1a Grande Pyramide, edit. Robert Laffont, 1971, p. 279-280
161 H. Gauthier, Le roi Zadfre successeur immediat de Khoufou-Kheops dans A.S. A.E.,
t. XXV (1925), p. 178-180. Diese Abfolge ist im übrigen auch im Turiner Königspapyrus
sowie in den Listen von Saqqâra und Abydos belegt
162 G. A. Reisner, C. S. Fisher, Preliminary Report on the Work of the Havard-Boston
Expedition in 1911-1913 in A. S. A. E., t. XIII, p. 246-248, pl. XIa. Aus der Abbildung geht
deutlich hervor, daß es sich bei dem in Frage stehenden Zeichen nicht um das Deter-
minativ für »>Sonnenheiligtum« mit dem Obelisken handelt, sondern um den m-Vogel
(Eule] des Wortes mr = Pyramide. Die Transkription auf p. 247 ist daher falsch. Im
gleichen Artikel (p. 248] wird auf eine weitere Nennung der Cheopspyramide in einer
Mastaba verwiesen, und dort wird das Pyramidendeterminativ in Form eines Dreiecks
richtig wiedergegeben
163 Lauer, La Pyramide ä degres. L'achitecture, II, pl. XIX, LVIII, I et LXIV
164 Lauer, Le probl. des pyr. d’Égypte, Payot, Paris, 1952, p. 127
165 Maragioglio et Rinaldi, op. cit., t. IV, p. 54-55 et pl. 5
166 Description de l’Égypte, edit. Panck., t. VII
167 B. I . E . , t XV, p. 277-314
168 Description de l’Égypte, edit. Panck., t. VI
169 Pochan, op. cit., p. 206-208
170 J. H. Cole, Determination of the Exact Size and Orientation of the Great Pyramid of
Giza (Survey of Egypt, Paper, n° 39
171 F. Petrie, The Pyramids and Temples of Gizeh, edit. 1883, p. 125
Anmerkungen 319

172 Piazzi Smyth, Our Inheritance in the Great Pyramid, p. 367-369. In seinem Buch Life
and Work. . Bd. II, p. 144-148 wird ein etwas abweichendes Neigungsverhältnis dieses
Ganges angegeben
173 Ancient Egyptian Masonry. The Building Craft, London, Humphrey Milford, 1930, p. 63
174 LĮ Science Orientale avant les Grecs, (Collection Henri Berr : L'Evolution de
l'Humanite»], p. 121
175 Siehe die schematische Karte bei Moreux, LĮ Science mysterieuse des Pharaons, p. 17
nach Piazzi Smyth, op. cit. pi. II
176 Dieser Gedanke war bereits von Jomard geäußert worden [Descr. de l’Égypte, edit.
Panck. t. IX, p. 500-501] mit dem Argument, daß nach Strabon der Eingang mit einem
beweglichen Stein verschlossen war und die Neigung des absteigenden Ganges 25° bis
26° 30' beträgt, stützte er seine Ansicht, daß man vom Innern aus »den Durchgang der
Zirkumpolarsterne durch den Meridian exakt beobachten konnte.« Seiner Meinung
nach habe der Gang »nach Länge und Weite eine Röhre gebildet, durch die man die
Sterne sogar bei Tage sehen konnte.«
177 Diese Auslegung auch bei Antoniadi, L'astronomie egyptienne depuis 1e temps les plus
recules, etc., Paris, 1934, p. 151-152 und fig. 36
178 A Scheme of Egyption Chromology, Londres, 1932
179 Jomard zitiert in der Descr. de l’Égypte (edit. Panck. t. IX, p. 512 Anm. 1) Chazelles und
verweist auf Memoire de l'abbe de La Caille in: Recueil de l'Academie des Sciences
180 Dazu hatte bereits Jomard bemerkt: »Die Äquinoktien waren kaum zu bestimmen, es
wäre falsch anzunehmen, daß die Erbauer der Großen Pyramide daran gedacht haben
könnten, denn dann müßte ihr Neigungswinkel 60° 0' 55" betragen haben.« [op. cit. t.
IX, p. 501-502)
181 Jomard [op. cit. t. VII, p. 460-461] schätzte 33 Tage vor bzw. nach den Äquinoktien, was
auf seinen Neigungswinkel von 51° 19' statt 51° 50' 35" zurückzuführen ist
182 Pochan, op. cit., p. 280
183 Nach Jomard {op. cit, t. VII, p. 461] findet sich die Überlieferung von den Pyramiden, die
ihren Schatten verschlingen, bei Solinus, Kassiodor und Ammianus Marcellinus
184 Borchardt, Gegen die Zahlenmystik an der großen Pyramide bei Gise, Berlin 1922
185 Der mathematische Schlüssel zu der Pyramide des Cheops (Wochenschrift des österr.
Ing. u. Arch. Vereins, Wien, 1890)
186 Die Rätsel der Cheopspyramide, Prag, 1910
187 Der Kampf um die Cheopspyr amide, Heidelberg, 1902
188 Op. C2t.,p. 30-31
189 Die Cheopspyr amide, ein Denkmal mathematischer Erkenntnis, München, Berlin,
1921
190 G. De Manteyer, Les Origines de VEurope, t. II. Le site de l’Égypte, Gap, 1936
191 G. A. Reisner, The Development of the Egyptian Tomb down to the Accession of
Cheops, Cambridge (Massachusetts], 1935
192 Eine kleine, von Sir Robert Mond gefundene Bronzeklinge mit einem Zinngehalt von
8,5% und von ihm der 4. Dynastie zugewiesen bleibe in diesem Zusammenhang
unerwähnt, weil die Datierung umstritten ist: Report of the British Association, 1933
mit Zusammenfassung in: Nature, vol. 132 (1933], p. 448
193 S. Clarke et Engelbach, op. cit. p. 23-33
194 Cf. Lauer, Pyr. ä degres, t. II, pi. XCVI, und t. Ill, pi. XIX, 10 und II
195 Vgl. dazu auch G. Goyan in Les Origines de 1a civilisation technique, t. I. L'antiquite
egyptienne (Presse Universitäres de France) p. 156-157
196 Lauer, op. cit., t. II, pl. XCVIII, 2
197 Firth-Quibell, Step Pyramid t. II, pl. 94, 5 oben und rechts. Auch an den Bauwerken des
Chephren wurde die Verwendung dieses Gerätes nachgewiesen: Hölscher, Das Grab-
denkmal des Königs Chephren, S. 77-79 und Taf. XIV; siehe auch: G. Goyon, op. cit.
p. 157
320 Das Geheimnis der Pyramiden

198 Beispiel bei S. Clarke und Engelbach, op. cit. fig. 264
199 Lauer, op. cit., t. II, pl. XXXII, 2
200 Das Grabdenkmal des Königs Chephren, S. 40 u. 52
201 Newberry, El-Bersheh, I, p. 19-26, pl. XV
202 S. Clarke et Engelbach, op. cit., p. 85
203 H. Chevrier, Technique de 1a construction dans l'Ancienne Egypte, in: R.d.E. 22,
p. 21-25
204 G. Goyon, Les ports des pyramides et 1e grand canal de Memphis, R. d. E. 23 (1971),
p. 137-153
205 L'art de bätir chez les Egyptiens, p. 80-86 und 100-101
206 In einigen populärwissenschaftlichen Büchern wird die Anwendung dieses Gerätes
erklärt, siehe z. B. J. Chr. Moreux, Histoire de Varchitecture (Collection »Que sais-je?»)
p. 11 und 13
207 Op. cit, p. 94 und p. 101-103
208 Lastentransport beim Bau der Pyramiden, Hannover, 1925
209 J. Capart, Memphis, ä l'ombre des Pyramides, p. 303
210 Nur wenige Exemplare eines solchen Pyramidions aus Granit sind erhalten geblieben.
An dieser Stelle seien die Exemplare Amenemhets III. aus Dahschûr und Chendjers aus
Saqqâra (Abb. 64) genannt. Zwei Stücke aus der 13. Dynastie hat Labib Habachi publi-
ziert in: ASAE t. LH, p. 471-479
211 F. W. von Bissing, Das Re-Heiligtum des Königs Ne-Woser-Re, Part. I, Der Bau, L.
Borchardt, S. 59 bis 61 u. Taf. 6
212 B.M.M. A. vol IX (oct. 1914), p. 220, fig. 16
213 Das Grabdenkmal des Königs Chephren, S. 71-72
214 Alan H. Gardiner, Egyptian Hieratic Texts, I. p. 16 und 31
215 S. Clarke et Engelbach, op. cit. fig. 88 et 234
216 Borchardt, Die Entstehung der Pyramide. An der Baugeschichte der Pyramide bei
Mejdum nachgewiesen
217 Petrie, Mackay and Wainwright, Meydum and Memphis, III, p. I
IIS Ibid., p. 6-9 und pl. 1-3
219 Borchardt, Op. cit., pl. 4
220 Wieslaw Kozinski, The investment process organization of the Cheops pyramid,
Warschau 1969 (Institute for organization and mechanization of building), vor allem
p. 75-76. Siehe auch: Dr. Kurt Mendelssohn, A Scientist Looks at the Pyramids, in:
American Scientist, vol. 59, n° 2 (März/April 1971), p. 216-218
221 Lauer, Remarques sur 1a planification de 1a construction del 1a Grande Pyramide, in:
B.I.F.A.O., t.LXXIII(1973)
222 Borchardt, Ein Altägyptische astronomisches Instrument, in: Z. Ä. S. 37 (1899), S. 10-17;
Zbynek ZÄBA, L'orientation astronomique dans I'ancienne Egypte et 1a precession de
l'axe du monde, Prag, 1953, p. 55-64
223 1858 von A. H. Rhind in Luxor gekauft, wurde der Papyrus zunächst 1877 von Eisenlohr
veröffentlicht. L. Borchardt widmete dem Papyrus einen Artikel in ZÄS (1893) S. 9 ff.
Eine vollständige Veröffentlichung mit Übersetzung und Kommentar legte 1923 vor:
Eric Peet, The Rhind Mathematical Papyrus
224 Der Himmelskreis wurde von den Ägyptern in 36 Teile zu 10 Tagen geteilt, denen jeweils
ein als »Dekan«« bezeichneter Stern entsprach. Im Laufe einer Nacht blieben sieben der
Dekansterne unsichtbar, von den 29 sichtbaren »arbeiteten«« 12, sie hießen bei den
Ägyptern daher »Dienersterne««. Mit ihrer Kulmination dienten sie als Stundenan-
zeiger. Siehe dazu: Chron. d-Egypte 31, p. 69-78; J. Heibig, Un nouveau papyrus
astronomique unter Einbeziehung von H. O. Lange und O. Neubauer, Papyrus Carls-
berg Nr. 1, Ein hieratischdemotischer kosmologischer Text, Kopenhagen, 1940
225 J. P. Mayer-Astruc, Trigonometrie pharaonique des murs murs »ä fruit « et des pyra-
mides, Chron. d'Eg., t. XXXVI (n° 72, juillet 1961), p. 321-325
Anmerkungen 321

226 Aufgeführt bei Piazzi Smyth, Our inheritance in the Great Pyramid-, p. 58. Von der
Herodotschen Gleichung spricht vor allem Moreux [La Science mysterieuse des
Pharaons, 1921, p. 23; les Enigmes de 1a Science, 1928, p. 8-9], aber auch Matila Ghika
(Esthetique des proportions dans 1a nature et des arts, 1927, p. 348-349]. Danach hatten
wir in der Ausgabe von Probleme des pyramides d’Égypte, 1948 die Kenntnis dieser
Gleichung zu Zeiten Herodots verausgesetzt, diesen Irrtum aber in der Ausgabe von
1952 (p. 190, Anm. 2] korrigiert. A. Rutherford [op. cit. vol. IV, p. 1203-1204] kehrt wieder
zur angeblichen Herodotschen Gleichung zurück
227 Auf folgende Beziehung zwischen S und Ø wies uns Paul Montel von der Akademie der
Wissenschaften hin:
0,618 = 1
= S²
Ø 4
= 3,1416²
4
= 0,617 d.h.also 1Øbis auf 1/1000 genau
(Anscheinend muß es aber heißen:
S² 9,8696

= 16 = 0,61685, aufgerundet 0,617. Anm. d. Übers.]

228 Lauer, Choix angle de pente. . ., B.I.E., t. XXXVII, fasc. I, p. 63-65, erneut abgedruckt
Observations sur les pyramides (Bibl. d'Etude I.F. A.O., t. XXX], p. 90-91, vor allem:
O. Becker, Über die Proportionen der ägyptischen Pyramiden, III, in: Praxis der
Mathematik (Daubner & Cokg. Köln 15. Juli 1963], S. 175-176
229 M.A. Texier, Les traces des pyramides des Gizeh, dans VArchitecture, Mai 1939,
p. 177-180
230 A. Rev, LĮ Science Orientale avant 1e Grecs, p. 276-280
231 K. Sethe, Die altägyptischen Pyramidentexte, 3 Bde, Leipzig, 1908-1922
232 Übersetzung und Kommentar zu den altägyptischen Pyramidentexten, 4 Bde, Glück-
stadt
233 Speleers, Traduction, index et vocabulaire des textes des Pyramides egyptiennes,
Bruxelles, 1934
234 J. Vandier, La religion egyptienne (Collection »Mana« des Presses Universitaires de
France), p. 75
235 Speleers, Comment lire textes Pyr., p. 75-86
236 A. Moret, Le jugementdu roi mort dans les textes des pyramides de Sakkarah (Annuaire
de l'Ecole des Hautres-Etudes, 1922-1923], p. 3-32
237 Dieser Ansicht ist auch Vandier, La Religion egyptienne, p. 70/71, wobei er sich auf Kees,
Totenglauben, S. 147 stützt
238 Moret, Des clans aux empires (Collection Henri Berr, L'Evolution de I'Humanite),
p. 142-159, et Sethe, Urgeschichte, etc. Leipzig, 1930, §§ 38 ff
239 Le jugement du roi mort, ect., p. 9 und 24
240 Der Text auf dem in Dahschûr in der Nähe der Pyramide Amenemhets III. gefundenen
Pyramidion besagt, daß die Seele des Königs zum Himmel steige wie die Spitze der
Pyramide. Siehe: Moret, L'influence du decor solaire sur 1a Pyramide in: Melanges
Maspero, I, Orient Ancien, p. 629 (Mem. IFAO t. LXVI]
241 Pyr., § 1652, Moret, Mel Maspero, loc. cit., p. 633-636, und Le Nil et 1a civilisation
egyptienne (Cellection Henri Berr, L'Evolution de I'Humanite), p. 204-205
242 Moret (Mel. Maspero, loc. cit. p. 628] sieht in Pyr. 751 »einen Strahlengott \\)\)u, dessen
Wortzeichen die Sonne darstellt, aus der ein Lichtdreieck hervorgeht, wobei durch die
Winkelhalbierende dem Dreieck Pyramidenform verliehen wird.«
243 Siehe Mel. Maspero I, Kontroverse zwischen Speleers, La signification des pyramides,
p. 603-621 und Moret, art. cit. p. 623-636
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Abbildungen im Text
1 Karte von Ägypten, bis Theben/Luxor im Süden
2 Lage der wichtigsten Pyramidenstätten zwischen Kairo und dem Faijûm
3 Die Cheopspyramide oder Große Pyramide, Schnitt, 1, 2 und 3 bezeichnen die nach-
einander angelegten Grabkammern
4 Cheopspyramide, Schnitt, nach Benoit de Maillet, um 1700
5 Die Sphinx und die Pyramiden von Gisa, nach F. L. Norden (1737]
6 Grabkammer des Cheops, Schnitt Nord-Süd mit der Fallsteinvorrichtung und links
außen dem oberen Ende der Großen Galerie, nach }. S. Perring
7 Schema der Verkleidungssteine an den Grundkanten der Cheopspyramide (A nach
Borchardt, B nach Petrie)
8 Die Pyramide des Chephren
9 Der Sarkophag des Chephren, nach U. Hölscher
10 Pyramide des Mykerinos, Schnitt, nach J. S. Perring
11 Sarkophag des Mykerinos, Seitenansicht und Schnitt, nach Perring
12 Pyramide des Sahurê, Schnitt, nach Borchardt
13 Nördliche Pyramide des Snofru in Dahschûr, Schnitt
14 Knickpyramide des Snofru in Dahschûr, Schnitte
15 Mastabat Faraûn, 4. Dyn. Rekonstruktion, nach Jequier und Lauer
16 Kapelle od. kleiner Tempel mit unbeschrifteten Stelen an der Ostseite der Pyramide
von Medûm, Grundriß, Seitenansichten und Schnitte, nach Alan Rowe
17 Südliche Pyramide von Sauijet el-Arijân, Grundriß und Schnitt, nach Lauer
18 Die Pyramiden von Abusir und die zugehörigen Kultbauten, 5. Dyn. Rekonstruktion
von Borchardt, nach Encyclopaedia Universalis
19 Nördl. unvollendete Pyramidenanlage von Sauijet el-Arijân, 4. Dyn., nach G. A. Reisner
20 Nordkapelle an der Pyramide des Teti, Rekonstruktion des Grundrisses, von Lauer
21 Pyramidenanlage Pepi's IL, im Vordergrund der Taltempel, Rekonstruktion von Lauer
22 Pyramide des Chendjer, 13. Dyn. in Saqqâra-Süd, Grundriß
23 Unvollendete Pyramide aus der 13. Dyn. in Saqqâra-Süd, Grundriß
24 Sarkophag einer Prinzessin, Alabaster (Stufenpyramide des Djoser)
25 Sanktuar an der Ostseite der Knickpyramide des Snofru, Rekonstruktion, nach Ricke
26 Knickpyramide mit Nebenpyramide und Umfassungsmauer, Grundriß
27 Stufenpyramide des Horus Sechemchet, Schnitt, Rekonstruktion von Lauer
28 Grabbezirk des Horus Sechemchet, nach Lauer
29 Sarkophag des Cheops, Schnitt, nach Borchardt
30 Bauphasen der Stufenpyramide des Djoser, nach Lauer
31 Pyramide von Medûm, Schnitt Ost-West und Ansicht von Norden unter Angabe der
drei Bauphasen, nach Borchardt
32 Pyramide des Teti, absteigender Gang, Fallsteinvorrichtung und Grabräume, Schnitt
und Grundriß, nach Lauer
33 Pyramide Amenemhets III. in Hawâra, absteigender Gang und Grabräume, Grundriß,
12. Dyn.
34 Pyramide der 13. Dyn. in Saqqâra-Süd, Anlagen zum Schutz der Grabräume, nach
Lauer
35 Von kleinen Pyramiden gekrönte Privatgräber in Dêr el-Medinêh (19./20. Dyn.),
Rekonstruktion von B. Bruyere und Cl. Robichon, nach: Encyclopaedia Universalis
36 Der untere Tempel im Bereich der Knickpyramide, nach: H. Ricke
37 Der Totentempel des Cheops, Grundriß, nach Lauer
38 A/B Boot des Cheops, zusammengesetzt von Ahmed Youssef Moustafa (nach: Beiträge Bf.
12, Festschrift Ricke)
39 Taltempel und Totentempel des Chephren, nach: U. Hölscher
40 Totentempel des Mykerinos, Grundriß
41 Totentempel des Userkâf (5. Dyn.) in Saqqâra, Grundriß, Rekonstruktion: Lauer
Abbildungen im Text 327

42 Taltempel und Totentempel des Sahurê in Abusir (nach: Borchardt]


43 Totentempel des Unas (5. Dyn.| in Saqqâra, Grundriß, Rekonstruktion: Lauer
44 Totentempel an der Pyramide des Teti (6. Dyn.] in Saqqâra, Grundriß, Rekonstruktion:
Lauer
45 Grabbezirk Pepi's II. und seiner drei Königinnen (6. Dyn.] in Saqqâra, Grundriß,
Rekonstruktion: Jequier und Lauer (nach: Encyclopaedia Universalis]
46 Totentempel des Mentuhotep Nebhepetre in Der el-Bahari, Rekonstruktion von
Naville und Winlock (nach: Encyclopaedia Universalis)
47 Pyramide und Totentempel Sesostris' I. (12. Dyn.] in Lischt, Grundriß (nach:
B.M.M.A.]
48 Nordkapelle an der Pyramide Sesostris' L, Rekonstruktion: W. C. Hayes
49 Pyramide und Totentempel Amenemhets III. (12. Dyn.] in Dahschûr, Grundriß (nach:
}. de Morgan]
50 Im Zusammenhang mit Reinigungsriten stehende Anlage, in mehreren Privatgräbern
dargestellt
51 Oberer Teil der »Großen Galerie« und Fallsteinanlage in der Pyramide des Cheops
51a Kegelkreis der Erdachse, nach Peter Tompkins: Cheops, Die Geheimnisse
der Großen Pyramide, 1976
52 Die Große Pyramide als Observatorium, nach R. A. Proctor
52 a Angebliche Einziehung der Pyramidenseitenflächen, nach Andre Pochan, L'Enigme
de 1a Grande Pyramide, Paris 1971
52 b Pyramide von Sauijet el-Arijan, nach Manteyer
52 c Pyramide des Cheops, nach Manteyer
53 Bohrer mit Feuersteinklinge
54 »Granitstöpsel« von der Grabkammer der Stufenpyramide in Saqqâra
55 Vorsatzzange mit Griffklauen als Hebegerät, nach Hölscher
56 Kippschlitten, nach Legrain und Choisy
57 Relief darstellung vom Auf weg des Unas: Transport von Granitsäulen für den Toten-
tempel. Die monolithen Säulen sind auf Transportbarken festgezurrt und auf diese Wei-
se von Elephantine im Süden herangeschafft worden.
58 Schlittentransport der Kolossalstatue des Djehutihotep (12. Dyn.)
59 Altägyptische Darstellung eines Schadüfs
60 Hebevorrichtung beim Pyramidenbau, Vorschlag: L. Croon
61 System der Rampenerhöhung und -erweiterung nach Croon
62 System der Rampenerhöhung und -erweiterung nach einem Vorschlag von Lauer
63 Bau der Pyramidenspitze, Vorschlag: Lauer
64 Pyramidion aus schwarzem Granit von der Pyramide des Chendjer (13. Dyn.|
64a Einzelrampen beim Pyramidenbau, nach: Lastentransport beim Bau der Pyramiden,
von Louis Croon, Hannover 1925
65 Hebevorrichtung, Vorschlag von H. Strub-Roessler
66 Verkleidungsblöcke
67 Pyramidenkomplex von Medûm (3.-4. Dyn.]
68 Winkel a, bestimmt durch Tangens = h/b oder den Kotangens = b, wenn h = 1 Elle
beträgt
69 Göttin Nut und Gott Geb, von Schu getrennt
70 Der vertikale Halbschnitt SAH einer Pyramide (über dem Apothem x] bildet das Kon-
struktionsdreieck, d. h. dieses Dreieck ist für die Pyramidenproportionen bestimmend
71 Stutenprofil E2 der Pyramide von Medûm, das für die letzte Bauphase der eigentlichen
Pyramide das Neigungsverhältnis jy- bedingte, das für die Cheopspyramide über-
nommen wurde
72 Rechtwinkliges Parallelepiped der Grabkammer des Cheops
73 König Niuserre (5. Dyn.|, hinter ihm stehend die Kronengöttin Unterägyptens. Gott
Anubis überreicht dem König Lebenszeichen
74 Relief vom Totentempel des Sahurê (5. Dyn.]: eine Göttin säugt den König
Verzeichnis der Farbtafeln

I a Die Pyramiden von Gisa, von der Westwüste her gesehen


b Gisa-Pyramiden
II Cheopspyramide mit Resten der Verkleidung
III a Grabkammer und Sarkophag des Cheops, Granit
b Eingang der Großen Pyramide
IV a Grabbezirk der Stufenpyramide des Djoser und Kapellen im »Heb-Sed««-Hof, Rekon-
struktion nach dem Anastylose-Verfahren
b Umfassungsmauer des Djoserbezirks mit Eingang, unter Verwendung von Original-
teilen rekonstruiert
V a Grabbezirk des Djoser, Papyrussäulen im Hof des sogen. »Haus des Nordens««
bPflanzenbündelsäulen im Quersaal der Eingangshalle
c Kannelierte Säulen am »Haus des Nordens«
d Die Stufenpyramide und der kleine Tempel mit drei kannelierten Säulen
VI Schutthügel der Pyramide von Medûm, Südostkante
VII a Gesamtansicht des Teils mit der Pyramide von Medûm
b Pyramide von Medûm, am Fuße der Südwestkante
VIIIa Die Knickpyramide des Snofru in Dahschûr, rechts die zugehörige Nebenpyramide,
links die Pyramide Amenemhets III.
b und c Knickpyramide von unten und Ausschnitt aus dem Bereich der Nordostkante
IX a Die »nördliche« Pyramide des Snofru in Dahschûr
bDie Pyramide des Chephren in Gisa
X Sphinx von Gisa, im Vordergrund Blöcke vom Sphinxtempel
XI a Aufweg zwischen Taltempel und Pyramide des Chephren
b Taltempel des Chephren mit Pfeilern und Wandverkleidung aus Granit
c Sphinx, im Hintergrund die Große Pyramide
XII a Barkengräber im Grabbezirk des Unas in Saqqâra
b Granitverkleidung der Mykerinospyramide
XIII Giebelförmige Steinblocküberdachung der Grabkammer von der Pyramide Pepi's I. in
Saqqâra
XIVa und b Gefangenenstatuen vom Totentempel Pepi's I.
XV Ausgrabungen im Bereich des Opfersanktuars im Totentempel an der Pyramide des
Merenre
XVIa und b Grabkammer in der Pyramide des Merenre mit dem Basaltsarkophag vor der be-
schrifteten Westwand und dem Kanopenkasten aus Granit im Vordergrund,
b zeigt einen frei hängenden, beschrifteten Block der gegenüberliegenden Wand
c Der gleiche Block von der anderen Seite, zur Vorkammer hin, ebenfalls beschriftet
Verzeichnis der Schwarzweiß-Tafeln

1a Die Pyramiden von Gisa, Luftaufnahme (Photo: Royal Air Force 1924)
b Zurückgehende Nilschwemme, im Hintergrund die Pyramiden von Gisa, vor 1936
(Photo: de Witasse)
2 Statuen von Pyramidenerbauern:
a Chephren, Diorit, 4. Dyn.
b Kopf des Userkâf, Rosengranit, 5. Dyn.
c Amenemhet III., Kalkstein, 12. Dyn.
3a Eingang zur Großen Pyramide (Zeichnung: J.-S. Perring)
b Die Große Galerie in der Cheopspyramide
(Zeichnung von Cecile, Description de l'£gypte)
4a Blick von der Spitze der Chephren-Pyramide auf die Cheopspyramide
b Blick von der Spitze der Cheopspyramide auf die Chephrenpyramide
5 Modell des Grabbezirks des Königs Djoser in Saqqâra, 3. Dyn. Modell: J.-Ph. Lauer
a Die Umfassungsmauer mit dem einzigen Zugang von Osten
Gesamtansicht
6a Aufsicht auf die Granitgrabkammer in der Stufenpyramide des Djoser mit dem Granit-
verschluß
b Unterirdische Galerie der Stufenpyramide des Djoser mit Gefäßen aus Alabaster und
verschiedenen Hartgesteinen
7 Das sogen. Südgrab des Djoser im Grabbezirk, an den Wänden Reste der Verzierung mit
blauen Fayencekacheln, in den Nischen Scheintüren (siehe Taf. 8)
8 Scheintür des Djoser: Reliefdarstellung des Königs beim Kultlauf
9a Statue des Djoser, Kalkstein, Ägypt. Museum Kairo. Die Statue wurde im Serdab an der
Nordseite der Stufenpyramide gefunden. (Photo: Ägypt. Museum Kairo)
b Vorratskammer im Südgrab des Djoser: die großen Tonkrüge sind einst mit der noch
heute erhaltenen Holztrage befördert worden.
10a Grabkammer des Horus Sechemchet, 3. Dyn. unter seiner unvollendeten Stufenpyra-
mide. In der Mitte der Alabastersarkophag (Photo: Ägyptische Altertümerverwaltung)
b Sarkophag des Sechemchet, verschlossen, aber leer vorgefunden (Photo: Ägyptische
Altertümerverwaltung)
c Reste der Umfassungsmauer vom Grabbezirk des Sechemchet mit Nischen und Bastio-
nen
11a Die Pyramide vom Medûm (374. Dyn.) mit dem Auf weg (links) und dem kleinen Tem-
pel mit unbeschrifteten Stelen an der Ostseite (rechts) (Photo: University Museum
Philadelphia)
b Die Knickpyramide des Snofru in Dahschûr (Photo: Trauner)
12a Reliefs mit Gabenträgerinnen von den Stiftungsgütern vom unteren Tempel des Snofru
in Dahschûr, 4. Dyn.
b Kragsteingewölbe in einem der Innenräume der Nordpyramide des Snofru in Dahschûr
(Photo: Ägyptische Altertümerverwaltung)
13a Eingang zum Taltempel des Chephren, früher fälschlicherweise als »Sphinxtempel«
bezeichnet
b Auf weg zur Unaspyramide, 5. Dyn. Saqqâra
14a Ausschachtung im Bereich einer unvollendeten Pyramide in Sauijet el-Arijân, 4. Dyn.
b Unvollendete Grabkammeranlage mit Sarkophageintiefung Sauijet el-Arijân
(Photo: Ägypt. Altertümerverwaltung)
15a Mit Pyramidentexten beschriftete Wände in den Grabräumen der Unas-Pyramide,
5. Dyn. Saqqâra
b Die Pyramiden von Meroe (300 v. Chr. bis 350 n. Chr., nach R. Lepsius)
16 Köpfe von Gefangenenstatuen vom Totentempel Pepi's I. in Saqqâra, 6. Dyn.
Übersichtstabelle für die Böschungsverhältnisse, Proportionen
und Abmessungen der wichtigsten Pyramiden
Quellenverzeichnis der Abbildungen

Die Abbildungen wurden mit freundlicher Genehmigung folgender


Stellen veröffentlicht:

1. Farbtafeln
Abb. 1b, lila, mb: Uni-Dia-Verlag A. und M. Burges,
Großhesselohe bei München
Abb. II, Vd: Prof. Dr. Wildling, München
Alle übrigen: Les Presses de 1a Cite, Paris

2. Schwarzweiß-Tafeln
Sämtlich: Les Presses de 1a Cite, Paris

3. Abbildungen im Text
Abb. 51 a, 52a, 52b, 52c, 64a: Frau Dr. Eva Eggebrecht, Hönnersum
Quellenangabe bei den betreffenden Abbildungen
Alle übrigen: Les Presses de 1a Cite, Paris,
Quellenangabe bei den betreffenden Abbildungen

Die Kürzung des Zitats des Baron d'Anglure (S. 31) und die Einfügungen
der Passagen aus Samuel Kiechel (S. 35) wurden in Abstimmung mit
dem Autor vorgenommen.
Verzeichnis der Orts- und Eigennamen
A Belon, Pierre, 33, 39
Abd el-Latîf, 29, 177 Belzoni, 67 ff, 72
Abdessalam M. Hussein, 107, 126, 145 Berger (C), 117
Abraham, 172 Bicheris, 144
Abu Gurob, 106, 263, 287 Blavatsky, (H. P.), 194
Abu Mashar Djafar, 30 Bonaparte, Napoleon, 14, 18, 55, 57, 211
Abu Roasch, 79, 88, 92, 140 f, 197 Borchardt, (L.), 60, 63 f, 79, 93, 180, 226,
Abusir, 80 f, 93, 140 f, 145, 150, 285 247, 263 ff, 270 f
Abydos, 132, 144, 152 Bossuet, 41
Achpet, 116 Brahe, Tycho, 207
Adam, 181 Breasted, (J. R), 303
Agathodaimon, 30 Breydenbach, 32
Ahhotep, 28 Briand, 183
Ahmed Youssef Moustafa, 100, 139 Briggs, 66
Ahmose, 131 Bruce, 50 f
Alexandria, 54, 57, 205 Brunton, 90
Alpini, Prosper, 36 Buto, 136, 293
Amasis, 23, 40
Amenemhet L, 92, 96, 128, 155, 157, 263 C
Amenemhet IL, 91, 128, 157 Campbell, 70 ff
Amenemhet III., 89, 128 f Capart(J.),168
Amenophis I., 131 Careri, (de), 42
Anastasi, 263 Carter, Howard, 96, 154
Andrews, 78 Caviglia, 65 ff, 73
Anglure, Baron d', 31 Cecile, 64
Angoulême, 32 Chaba, 93, 125
Ankara, 183 Chabryis (Chephren)
Anubis, 273 Chaldäa, 210 f, 224
Anville (d'|, 46 Cham (Cheops)
Arbuthnot, 72 Champollion, (J. F.), 70
Archimedes, 226, 229, 27$ Chasechemui, 240
Aristoteles, 282 Chassinat, 140 f
Armäus, 23 Chazelles (J.-M. de), 44, 220
Arnold, (D.), 153 Chembes, Chemmis (Cheops)
Assuan (Syene], 34, 205, 245 f Chendjer, 100 f
Athanasi, 67 Cheops, 18, 20 ff, 28, 32, 36 f, 41 f, 46, 49, 55,
Atum, 290 ff 72, 84, 92, 126, 134, 137, 139, 162, 168,
Axumiten, 132 170, 188, 196 f, 199, 205, 216 ff, 221 ff, 250,
261,269, 278 ff
B Chephren, 18 21 ff, 37, 42, 75, 97, 139, 141,
Babylon (Altkairo], 31 144, 161 f, 196, 212, 216, 221, 246 f, 261,
Babylon (Babel), 41 269, 279
Bagdad, 29 ChesneaulM, 33
Baldensele, William of, 30 Chevrier(H.),248
Balzac, 58 Chnumit, 91
Baumgarten, 36 ChoisylA.), 251 f
Barbarin (G.j, 179, 181, 183 f, 188, 190, 194 Christian VI. v. Dänemark, 47
Barsanti(A.|, 92 f, 95, 144 Clemens v. Alexandria, 225
Bataille(M.), 200 f Colbert, 41
Verzeichnis der Orts- und Eigennamen 333

Cosigny, 51 Fourmont, 50
Conte, 58 Fuentes, 65
Cotsworth, 220 f Fustât, 28, 30
Coutelle, 58, 61 ff, 228
010011,(1.1,252 ff, 263 G
Cox, 97 Gardiner (A. R), 157
Chuit, 99 Garnier, (J.|, 183
Cyriacus, 30 Gautier (J.-E.l, 91,96
Geb, 272, 288 ff
D Ghika(M.), 227
Dahschûr, 28, 48 f, 67, 82, 84, 88, 91, 107, Gill, 88
110, 114, 126, 128, 130, 134, 137, 157, 198, Girard, (P. S.), 33, 58, 204
207, 261, 277 Gisa (Giseh, Gizeh|, 13,31,35,47 ff, 57 f, 61,
Dat, 272 67, 70, 78 f, 84 ff, 97, 125, 160, 168, 197,
Davidson, (D.|, 174 ff, 183, 185, 222 201, 207, 211, 261, 263, 269, 279
Davison, 50 f, 84, 190 Goneim, (Z.|, 111ff
Der el-Bahari, 91,96, 152 Goyon(G.|, 66, 73
Der el-Medineh, 132 f Greaves (J.|, 37 ff, 47, 50, 54, 60, 178
Delia Valle (Pietro|, 83 Grebaut, 91
Demokrit, 226, 282 Greenwich, 209
Denon (Vivant|, 14, 19, 58 Grdseloff(B.|, 157 ff
Dewen, 233 Grobert, (J. |,55 f
Diodor v. Sizilien, 22 f, 36, 39, 40, 42, 49, 53, Gunn, (B.j, 70
172, 225, 250 f, 262, 282
Dionysios v. Teil Mahre, 31 H
Djehutihotep, 247 Haram esch-Schawäf, 107
Djoser, 70, 82, 101 ff, 111, 113 f, 124 f, 134, Harun al-Raschid, 44
198, 201, 239 ff, 272, 276, 286 Harmagedon, 184
Drioton(E.|, 106, 169 Hatschepsut, 223
Drovetti, 204 Hawâra, 85, 89 f, 129
Dunsdale, 186 Hayford, 175
Dupuis, 223 Heliopolis, 127, 205, 210, 273, 287 ff
Dutertre, 58 Hermes, 30, 192
Herodot, 20 ff, 34, 40 ff, 46, 49, 55 ff, 72, 82,
E 172,206,225, 232, 249, 250 ff
Eckley B. Coxe, Expedition, 97 Heron v. Alexandria, 225
Egmont, 45 Herschel (Sir John), 208
Elephantine, 204 Hill, 70, 71, 78
Elkab, 293 Hipparchos, 215
Engelbach, (R.), 208, 251 f Hölscher(U.), 97, 246 f, 263
Eratosthenes, 205 Honorius (Julius)
Erman, (A.), 34, 168 Horus, 288 ff
Euklid, 226 Huni, 107, 125
Eudoxos, 226
Eyth, (M.]293 I
Ibj, 100, 127, 287
Ibn Abd al-Hakam, 37
F Ibn Churdadbeh, 29
Faijûm, 57, 84, 89 f Ibn al-Haukäli, 30
Fakhry, (A.), 108 ff Ibrahim Ibn Wasif Schah, 23
Fayet, 208 Ibrahim Pascha, 36
Fibonacci, 230 Imeni Aamu, 130
Firth (CM.) 82, 97 ff, 106, 116 Imhotep, 124, 200 f, 204, 210, 239 f, 271,
ForetichlR.j, 185 273, 288
334 Verzeichnis der Orts- und Eigennamen

Inaros, 23 Littre, 34
Intef I., IL, III., 152 London, 78
Ipj, 293 LoretfV.], 99
Iput, 99 Lucas (A.), 67
Ita, 91 Lucas (P.), 43, 45, 51,54, 220
Isesi-Djedkare, 107, 110, 280, 288 Ludwig XII. 32
Isis, 194 f, 289 Lukian, 193
Iskander, Zaky, 139 Lythgoe(A.M.)96
Israeliten], Hebräer, 34, 45
M
J Mace(A. C), 96
Jablonski, 34 Mackay (E.), 90, 265
Jacotin, 58 Macnaughton (D.|, 219 f
Jakob, 30 Maillet, (B. de], 43 f, 50, 53 f, 56, 60 f
Jarolimek, 230 Makrisi, 29
Jequier (C), 91, 96, 99, 100f, 115, 162, 169, Malta, 78
287 al-Ma’mûn, 26 ff, 37 f, 44 ff
Jerusalem, 183 Mandeville (J. de), 31,
Jomard, 57 ff, 64 f, 73, 202 ff, 225 f Manetho, 87, 144, 150, 171, 199
Joseph, 30, 36, 167 Manteyer (G. de), 232 ff
Josephus, 45 Maragioglio (V.), 198
Julius Honorius, 30 Masghûna, 129
Jupiter Ammon, 69 Mastabat Faraûn, 144
Medûm, 48, 85, 89, 97, 114, 125, 134, 263,
K 266 f, 276, 278
Kabitziet, 65 Melchisedek, 172
Kain, 173, 178 Melton (E.|, 40 f, 84
Kairo, 13 f, 31,46, 71,212 Memdou|Y.|, 120
al-Kaisi, 27 Memphis, 14, 49 f, 57, 61, 86, 130, 155,
Karnak, 263 205, 210, 239, 249, 273
Katharina Medici, 33 Menes, 232, 240, 249
Kiechel, Samuel, 35 Menkauhor, 145
Kingsland (W.), 170, 172 ff, 181, 184, 192 f, Mentuhotep (III., Seanchkare) 96, 152, 155
218 f Merenre, 90, 118, 148,286
Kircher, (A. |,40 f Meroe, 132
Kleppisch, 231 Meynard, 51
Kremer (G.|,66 Milet, 226
Kurru, 132 Minutoli, 69 f, 81
Mit Rahina, 49 f
L Mohammed Ali Pascha, 70
Lacau(P.|, 97, 102, 115 Mons, 31
Lahûn, 85, 90, 129 Moret |A.), 188, 301, 303, 309
Lannoy (C), 31 Moreux, 207 ff, 227 f
Lansing (A.), 96 de Morgan, 91
Lebrun, 40 f, 84 Morton Edgar, 173 ff, 182, 186
LeclantlM, 116 f, 287 Moskau, 274
Lefebure, 303 Murray (M.), 90
Legrain, 251 Mykerinos, 22 ff, 37, 48 f, 76, 78, 82, 87, 97,
Lengherand(C), 31 99, 123, 144 f, 198, 212, 221, 261, 269, 279
Le Peré, 58, 61 ff, 228
Leroy(A.),32 N
Lepsius(R.), 86 ff, 99, 187,230 Nagada, 240
Lichtenstein (H. L. von] 35 Napata, 132
Lischt, 85, 91, 155,263 Narmer, 240
Verzeichnis der Orts- und Eigennamen 335

Napoleon I. siehe Bonaparte Porphyrios, 225


Nash, 71 Proklus, 38
Näslet el-Simmän, 139 Proctor (R.), 217
Nebmaat siehe Snofru Ptah, 273
Neferirkare, 80, 93, 157 Ptolemaios, 33
Neferkare siehe Pepi II. Pythagoras, 225, 275, 281, 282
Neikes(H.), 231
Neith, 100 Q
Nelson, 11 Qar, 160
Newton (I.]; 174, 178 Quibell (J. E.), 93, 103
NiebuhrlC), 50 f, 54
Niuserre, 247, 263, 287, 79 f, 93, 145 R
Noetling, (F.|, 232 Radjedef (Djedefre), 92, 138, 197
Norden, (F.L.I, 47 ff, 56, 60 Ralston Skinner (R.), 191 f
Nouet, 63 Ramses IL, 106, 199
Nun, 290 Raven, 71, 78
Nut, 272, 288 ff Re, 127, 160, 272, 287 ff
Reisner (G.), 29, 93, 97
O Rey(A.), 210, 282
OkachalS.], 114 Rhampsinitos, 20
Osiris, 53, 195, 273, 287 ff Rhind, 270, 274, 282
Osman Bey, 72 Rhodopis, 23, 40
Rhôné (A.), 14
P Ricke (H.), 135 ff, 160 ff
Pagani(Z.|, 32 Riga (Abu Gurôb), 79
PalernelM, 34 Rinaldi, 198
Paris, 33 Roeber, 226
Paw, 52 f Rollin, 42
Peet (E.), 282 Rosette, 51
Pepi I. Merire, 90, 116, 118 f, 148, 150, 286 Rowe, 97
Pepi II. (Neferkare), 87, 90, 99, 100, 103, Rufinus, 31
106, 115 ff, 124, 127, 148, 150, 157, 261, Rutherford (A.), 186
286 f, 292 ff
Perizonius, 40 S
Perring (J. S.), 70 ff, 78 ff, 190, 177, 215, 228, Sacy (S. de) 25, 29, 34
234 Sahurê, 80, 93, 162, 279
Perry, 47, 53 Sainte Fare Garnot, 115 f
Petrie (W. F.), 19, 28, 60, 63 f, 87 ff, 176, 180, Sais, 135
203,219, 229, 263 ff, 281 Salignace (B. de), 33
Philä, 57 Salt, 66 f
Philitis, 22 Sandys, 36
Pianchi, 132 Sanhouri Pacha, 116
Piazzi Smyth (C), 19, 87, 169, 172 ff, 182, Saqqâra, 14, 48 f, 69, 79, 81 f, 88, 92, 97, 107,
203, 208 ff, 217, 224, 227, 229, 231 111, 144 f, 200, 234, 239 ff, 245, 285
Piaton, 225 f Sauijet el Arijän, 49, 79, 92, 96, 123, 141
Philä, 57 Sauneron (S.), 83
Philitis, 22 Saurid, 24, 26
Pianchi, 132 Savary (Cl. Et.), 15, 17, 51, 54, 60
Piazzi Smyth (C) 19, 87, 169, 172 ff, 182, Savary de Breves, 37
203, 208 ff, 217, 224, 227, 229 231 Schepseskâf, 99, 127, 144
Piaton, 225 f Schu, 272
Plinius d. Ä., 23, 33 f, 53 Schure (E.), 194, 196
Pochan (A.), 67, 196 ff, 204 ff, 221 f Schwaller de Lubicz, (R. A.), 200
Pococke (R.), 47, 49 f, 54, 56, 84 Sechemchet, 112, 114,276
336 Verzeichnis der Orts- und Eigennamen

Sedeinga, 132 U
Segato, 69 Udjebten, 100
Selim Hassan, 106 Ulm, 231
Sern, 172 Unas, 90, 103, 107, 120, 124, 127, 148, 150,
Seneca, 14 187, 247, 261, 286 ff,
Senmut, 213 Ur,44
Servius, 225 Uranienburg, 208
Sesostris I., 91, 96, 128, 155, 280 Userkâf, 81, 103, 111, 145, 279
Sesostris IL, 89, 128
Sesostris III., 128 V
Seth, (Gott) 288 f Valeriani(D.|, 69
Seth (der Bibel), 178 Vansleb (Le Peré), 40 f
Sethe(K.), 78,287 Venedig, 30, 32, 36
Shaw (Th.), 46,52 f Veryard, 45
Sicard (Le Peré Claude), 46, 50, 54 Viollet-le-Duc, 198, 279
Sieglin(E. v.), 97 Volney (C. F. de], 17, 53 ff, 223
Sigoli, 31 Vyse(H.|, 70 ff, 190,228
Siloah, 195
Sirius (Sothis), 220, 270 f W
Sloan, 70 Wadi Natrün, 304
Snofru, 107, 109 f, 126, 134, 162, 200, 266, Wadji, 233
277 ff Wainwright (C), 90, 264, 266
Somers Clarke, 203, 251 f el-Wasta, 212
Soubran (de), 32 Warschau, 231
Speleers, 287 ff Wellington, 72
Stephan v. Byzanz, 31 Winlock, 96
Stewart, Basil, 183 Wynn(W.), 184
Strabon, 23, 28, 33, 39, 53
Strub-Roessler (H.), 261 f Z
Syene siehe Assuän Ziegler, (J. ],33

T
Tanis, 28
Taylor (J.), 171 ff
Tefnut, 302
Teti, 81, 87, 90, 97 f, 103, 106, 116 ff, 148,
150, 157, 286, 291 ff,
Teufel, (H. Chr.), 35
Thaies v. Milet, 38
Theben, 61, 155
Thenau, (J.), 32
Thévenot (J. de), 40, 45, 50, 52
Thevet(A.), 33
Thot, 192, 195, 293
Tuthmosis I., 131
Titus Livius Barretinus, 38
TouchardlM.-C), 200
Trevisan(D.), 32
Tudela, Benjamin v., 31
Tula (Mexiko), 198
Tura, 80, 245 f
Tutanchamun, 28, 96
1a Die Pyramiden von Gisa, von der Westwüste her gesehen (oben) b Gisa-Pyramiden (unten|
II Cheopspyramide mit Resten der Verkleidung (nächste Seite)
IIIa Grabkammer und Sarko-
phag des Cheops, Granit

b Eingang der Großen


Pyramide
IVa Grabbezirk der Stuf enpyramide des Djoser und Kapellen im »Heb-Sed« -Hof, Rekonstruktion nach dem
Anastylose-Verfahren (oben) b Umfassungsmauer des Djoserbezirks mit Eingang, unter Verwendung
von Originalteilen rekonstruiert (unten)
Va Grabbezirk des Djoser, Papyrussäulen im Hof des sogen. »Haus des Nordens« (links) b Pfknzen-
bündelsäulen im Quersaa! der Eingangshalle (mitte) c Kannelierte Säulen am »Haus des Nordens« (rechts)
d Die Stufenpyramide und der kleine Tempel mit drei kannelierten Säulen (unten)
Ż VI Schutthügel der Pyramide
von Medüm, Südostkante
(links)

Vila Gesamtansicht des Teils mit


der Pyramide von Medüm [oben]
b Pyramide von Medüm,
am Fuße der Südwestkantc
(rechts)

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VIII a Die Knickpyramide des Snofru
in Dahschür, rechts die zugehörige
Nebenpyramide, links die Pyramide
Amenemhets III. (oben)
b und c Knickpyramide von unten und
Ausschnitt aus dem Bereich
der Nordostkante
(unten links und rechts|
1 a Die Pyramiden von Gisa, Luftaufnahme, oben (Photo: Royal Air Force 1924) 1 b Zurückgehende Nil
schwemme, im Hintergrund die Pyramiden von Gisa, vor 1936, unten (Photo: de Witasse|
2 Statuen von Pyramidenerbauern:

2b Kopf des Userkâf, Rosengranit, 5. Dyn

2a Chephren, Diorit, 4. Dyn. 2c Amencmhet III., Kalkstein, 12. Dyn.


3a Eingang zur Großen Pyramide, oben (Zeichnung: J.-S, Perring)

3b Die Große Galerie in der Cheopspyramide, rechts


(Zeichnung von Cecik, Description de l'Egypte)
4a Blick von der Spitze der Chephren-Pyramide auf die Cheopspyramide (oben)
4b Blick von der Spitze der Cheopspyramide auf die Chephrenpyramide (unten)
5 Modell des Grabbezirks des Königs Djoser in Saqqâra, 3. Dyn. Modell: J.-Ph. Lauer a Die Umfassungs-
mauer mit dem einzigen Zugang von Osten (oben) b Gesamtansicht (unten)
6a Aufsicht auf die Granitgrabkammer in der Stufenpyramide des Djoser mit dem Granitverschluss (oben)
6 b Unterirdische Galerie der Stufenpyramide des Djoser mit Gefäßen aus Alabaster und verschiedenen
Hartgesteinen |unten] 7 Das sogen. Südgrab des Djoser im Grabbezirk, an den Wänden Reste der
Verzierung mit blauen Fayencekacheln, in den Nischen Scheintüren rechts (siehe Taf. 8)
8 Scheintür des Djoser: Reliefdarstellung des Königs beim Kultlauf (links) 9 a Statue des Djoser, Kalk-
stein, Ägypt. Museum Kairo. Die Statue wurde im Serdab an der Nordseite der Stufenpyramide gefunden,
oben (Photo: Ägypt. Museum Kairo] 9 b Vorratskammer im Südgrab des Djoser: die großen Tonkrüge sind
einst mit der noch heute erhaltenen Holztrage befördert worden (unten].
10a Grabkammer des Horus Sechcmchet, 3. Dyn. unter seiner unvollendeten Stufcnpyramide. In der Mitte
der Alabastersarkophag, oben (Photo: Ägyptische Altertümerverwaltung) 10b Sarkophag des
Sechcmchet, verschlossen, aber leur vorgefunden, unten links (Photo: Ägyptische Altertümerverwaltung)
10c Roste der Umfassungsmauer vom Grabbezirk des Sechemchet mit Nischen und Bastionen (unten rechts)
11 a Die Pyramide vom Medûm |3./4. Dyn.) mit dem Aufweg |links) und dem kleinen Tempel mit
unbeschrifteten Stelen an der Ostseite (rechts] (Photo: University Museum Philadelphia] 11 b Die Knick-
pyramide des Snofru in Dahschûr, unten (Photo: Trauner)
12a Reliefs mit Gabenträgerinnen
von den Stiftungsgütern vom
unteren Tempel des Snofru in
Dahschûr, 4. Dyn. loben)

12b Kragsteingewölbe in einem der


Innenräume der Nordpyramide des
Snofru in Dahschûr, links (Photo: Ägyp-
tische Altertümerverwaltung)
13 a Eingang zum Taltempel des Chephren, früher fälschlicherweise als »Sphinxtempel« bezeichnet (oben)
13 b Aufweg zur Unaspyramide, 5. Dyn. Saqqâra (unten)
14a Ausschachtung im
Bereich einer unvoll-
endeten Pyramide in
Sauijet el-Arijân,
4. Dyn. [linksl

14 li Unvollendete Grab
kämm eran läge mit
Sarküphaseintiefung
Süuijut el-Arijän, unten
IPhoto: Ägypt. Alter-
tümcrverwiiltung]
15a Mit Pyramidentexten beschrif-
tete Wände in den Grabräumen der
Unas-Pyramidc, 5. Dyn. Saqqära
(rechts)

15 b Die Pyramiden von Meroc,


unten (300 v. Chr. bis 350 n. Chr.,
nach R. Lepsius]
IXa Die "nördliche« Pyramide des Snofru in Dahschûr (oben] b Die Pyramide des Chephren in Gisa (unten)
X Sphinx von Gisa, im Vordergrund Blöcke vom Sphinxtempel [nächste Seite]
XIa Aufweg zwischen Taltempel und Pyramide des Chephren (oben links) b Taltempel des Chephren mit
Pfeilern und Wandverkleidung aus Granit loben rechts] c Sphinx, im Hintergrund die Große Pyramide (unten]
XII a Barkengräber im Grabbezirk des Unas in Saqqâra (nächste Seite oben] b Granitverkleidung der
Mykerinospyramide (nächste Seite unten
XIII Giebelförmige Steinblock-
überdachung der Grabkammer von
der Pyramide Pepi's I. in Saqqâra
(vorherige Seite]
XIV a und b Gefangenenstatuen vom
Totentempel Pepi's I. (oben und unten)
XV Ausgrabungen im Bereich des Opfersanktuars im Totentempel an der Pyramide des Mercnre
(vorherige Seite) XVI a und b Grabkammer in der Pyramide des Merenre mit dem Basaltsarkophag vor der
beschrifteten Westwand und dem Kanopcnkasten aus Granit im Vordergrund, b zeigt einen frei hängenden,
beschrifteten Block der gegenüberliegenden Wand,
c Der gleiche Block von der anderen Seite, zur Vorkammer hin, ebenfalls beschriftet (oben und unten)

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